Vorwort
Die „Bibliothek der Neologie“ verfolgt das Ziel, zehn zentrale, in sich geschlossene Texte oder Textsammlungen der den Kernbestand deutscher Aufklärungstheologie markierenden Neologie in kritischer Hybrid-Edition und damit in einer für die interdisziplinäre Forschung und den akademischen Unterricht gleichermaßen geeigneten Darbietung bereitzustellen. Als Auswahlkriterien dienen dabei insbesondere die repräsentative Bedeutung der Verfasser, die fächerübergreifende Relevanz und gattungsspezifische Streuung der Texte, die in diesen Texten erfolgte exemplarische Bearbeitung einer für die Aufklärungsepoche zentralen Problemstellung sowie die diesen Werken zukommende geistesgeschichtliche und kulturwissenschaftliche Dignität.
Der vorliegende Band präsentiert die „Anweisung zur Bildung angehender Theologen“ aus der Feder des in Halle lehrenden Theologen Johann August Nösselt (1734–1807). Mit dieser „Anweisung“ wurde erstmals eine bedeutende, auf die Evangelische Theologie bezogene fachwissenschaftliche Enzyklopädie vorgelegt, die das gesamte Stoffgebiet systematisch ordnet und unter dem Leitgesichtspunkt seiner berufspraktischen Anwendung darstellt. Das Werk ist in der zweiten und dritten Auflage jeweils mit signifikanten Änderungen, Ergänzungen und Umordnungen versehen, die sich in unserer kritischen Textdarstellung mühelos nachvollziehen lassen. Die „Editorische[n] Hinweise“ halten die notwendigen technischen Informationen bereit. Die sachbezogene „Einleitung“ sowie die „Erläuterungen“ und Register werden ein Übriges tun, um diesem gattungsspezifischen Klassiker die wissenschaftliche Aufmerksamkeit zu vermitteln, die er verdient.
Die unter der Federführung von Albrecht Beutel stehende „Bibliothek der Neologie“ wird in ihrem editionswissenschaftlichen Teil an der durch Olga Söntgerath geleiteten Arbeitsstelle Münster, in ihrem informationswissenschaftlichen und -technologischen Teil an der zunächst von Heike Neuroth, dann von Mirjam Blümm, danach von Jan Brase geleiteten Arbeitsstelle Göttingen erstellt. Die Namen aller wissenschaftlichen und studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind auf unserer Homepage in der fortlaufend aktualisierten Projektvorstellung (www.bdn-edition.de) verzeichnet.
Ein Editionsprojekt dieser Größenordnung kann nur als ein Gemeinschaftsunternehmen realisiert werden. Unser herzlicher Dank gilt allen, die daran zielführend mitgewirkt haben. Desgleichen danken wir der Deutschen Forschungsgemeinschaft für ihre großzügige Unterstützung sowie dem Tübinger Wissenschaftsverlag Mohr Siebeck für die vorzügliche Herstellung des Bandes. Möge er sich, weit über den Bereich „angehender Theologen“ hinaus, als eine kulturwissenschaftliche „Anweisung zur Bildung“ bewähren!
Münster
, den
2. Mai 2019
Albrecht Beutel / Olga Söntgerath
Inhaltsverzeichnis
Editorische Hinweise und Siglen
Die
Bibliothek der Neologie
als Hybrid-Ausgabe
Die
Bibliothek der Neologie. Kommentierte kritische Auswahledition in zehn Bänden
entsteht im Rahmen eines durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft geförderten Langzeitprojekts am Seminar für Kirchengeschichte II (Reformation, Neuere und Neueste Kirchengeschichte) der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster in Kooperation mit der Abteilung
Forschung und Entwicklung
der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen. Die
Bibliothek der Neologie
(BdN) ist eine hybrid angelegte Ausgabe, die sowohl digital als auch gedruckt verfügbar gemacht wird. Die verschiedenen Ansichten im Internetportal
www.bdn-edition.de.
wie auch die Printversion werden aus einem Datengesamtbestand generiert, d.h., alle Informationen, die sowohl für die digitale als auch für die printtechnische Manifestation notwendig sind, sind in einem Datensatz enthalten. Somit gehören sie untrennbar zusammen. Auch in ihrer Benutzung sollten sie sich gegenseitig ergänzen, damit die Leser von den Vorzügen und Möglichkeiten beider gleichermaßen profitieren können. Der Satz für den Print wird von der Göttinger Abteilung erstellt.
Zum edierten Werk
Das Werk
Anweisung zur Bildung angehender Theologen
von Johann August Nösselt liegt in insgesamt drei Auflagen vor, wobei die ersten beiden Auflagen von 1786/89 und 1791 noch zu Lebzeiten Nösselts (1734–1807) in Halle erschienen sind. Die dritte Auflage ist elf Jahre nach dem Tod des Autors und 27 Jahre nach der Veröffentlichung der zweiten Auflage von seinem Schüler August Hermann Niemeyer (1754–1828) auf Bitten des Verlags überarbeitet, um neuere Literaturangaben erweitert und auf den damals aktuellen wissenschaftlichen Stand gebracht worden. 1818/19 gelangte sie dann zum Druck. Der vorliegende Band macht alle drei Auflagen in kritischer Darbietung zugänglich. Auch wenn die letzte Ausgabe manche Ergänzungen, Modifikationen und Präzisierungen zweiter Hand erfuhr, so erscheint es wegen ihrer großen Verbreitung und zuverlässigen Erarbeitung doch unverzichtbar, sie als eine wichtige Textquelle in die vorliegende Ausgabe einzubeziehen. Niemeyer war stets bemüht, seine herausgeberische Arbeit als solche kenntlich zu machen. In allen drei Vorreden zu den einzelnen Bänden der dritten Auflage legte Niemeyer Rechenschaft darüber ab, in welcher Weise er sich in den Textbestand einbrachte. Erst die kritische Wiedergabe aller Auflagen inklusive der von Niemeyer besorgten dritten Auflage macht eine Überprüfung der Textgenese möglich. Als Leittext dieser kritischen Ausgabe dient die zweite Auflage, die vom Verfasser selbst durchgesehen und erheblich vermehrt wurde. Alle Abweichungen der anderen beiden Auflagen werden entweder im kritischen Fußapparat oder – bei längeren Einfügungen oder Paraphrasierungen – gleich im Textkorpus in einer abgesetzten Form übersichtlich ausgewiesen.
Die Textwiedergabe der ersten Auflage folgt dem Exemplar der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, Signatur: Ia 1630 (Hefte 1–3), Standort: Ha 179 (IZEA). Die zweite Auflage, die als Leittext fortlaufend abgedruckt ist, gehört zum Bestand der Evangelisch-Theologischen Seminare der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Signatur: 8: 2007/4. Die kritische Wiedergabe der dritten Auflage orientiert sich an dem Exemplar der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Signatur: Bc 1266 1–3. Für die freundliche Genehmigung des Abdrucks dieses Werks sei den genannten besitzenden Bibliotheken gedankt.
Darstellung der Textquellen
Die diesem Band zugrunde liegenden Textquellen werden durch folgende Siglen dargestellt:
a
Anweisung zur Bildung angehender Theologen. von D. Johann August Nösselt. Erster Theil. Halle, bey Joh. Jac. Curts Wittwe. 1786. [XVI], 1–288 S. Zweyter Theil. 1786. [IV], 289–580 S. Dritter und letzter Theil. 1789. [XII], 581–824 S.
b
Anweisung zur Bildung angehender Theologen, von D. Johann August Nösselt. Erster Band. Zweyte vermehrte und verbesserte Auflage. Halle, bey Joh. Jac. Curts Wittwe. 1791. [XXVIII], 340 S. Zweyter Band. 1791. 320 S. Dritter und letzter Band. 1791. 256 S.
c
Anweisung zur Bildung angehender Theologen, von Johann August Nösselt, weil. Königl. Preußischem Geheimderath, Doctor und Professor der Theologie zu Halle. Herausgegeben und mit Anmerkungen, literarischen Zusätzen und Ergänzungen begleitet von D. August Hermann Niemeyer, Königl. Preuß. Oberkonsistorialrath, Kanzler und Professor der Theologie auf der vereinigten Friedrichsuniversität Halle und Wittenberg, Director der Frankischen Stiftungen, auch Ritter des rothen Adlerordens dritter Klasse. Erster Band. Dritte Auflage. Halle, im Verlage der Curtschen Buchhandlung. 1818. XXX, 303 S. Zweiter Band. 1818. VIII, 275 S. Dritter Band. 1819. X, 228 S.
Zur Beschaffenheit der Originaltexte
Alle dargestellten Textquellen liegen in Druckausgaben vor und liefern anschauliche Beispiele für Typographie und Druckgestaltung der damaligen Zeit. Auf die originalgetreue Darstellung des Druckbildes wird jedoch aus textkritischen Gründen und zugunsten der Einheitlichkeit innerhalb der editorischen Reihe verzichtet. Kustoden, Kolumnentitel, Linien, Bilder, Buchschmuck und Zierung der Versalien werden nicht wiedergegeben. Insbesondere bleibt die im 18. Jahrhundert verbreitete und in allen Auflagen des kritisch dargestellten Werks vorfindliche Unterscheidung zwischen Fraktur- und Antiquaschrift unberücksichtigt. Dabei ist editorisch sichergestellt, dass keine semantischen Informationen verlorengehen und die Lesbarkeit weiterhin gewährleistet ist.
Das Originalinhaltsverzeichnis ist grundsätzlich wie folgt abgestuft: römische Zählung, arabische Zählung, auf die eine lateinische, griechische, hebräische und schließlich deutsche Buchstabenuntergliederung folgt. Die Differenzierung der unterschiedlichen hierarchischen Ebenen, zu deren Abbildung u.a. auf Antiqua zurückgegriffen wurde, lässt sich auch ohne Antiqua- und Fraktur-Darstellung ausmachen, da auf lateinische Buchstaben (im Original in Antiqua) ein Punkt, auf deutsche Buchstaben (im Original in Fraktur) hingegen eine schließende Klammer folgt. Auch die gelegentliche Verwendung von Antiqua für Aufzählungen wird nicht gesondert ausgewiesen.
In der hier gebotenen Textdarstellung wird die im Original weitestgehend durch die Schwabacher Schrift realisierte Hervorhebung durch Kursivierung ersetzt und somit modernen Konventionen angepasst. Auch anderweitig hervorgehobene Textteile (Sperrdruck, Schriftgröße) werden kursiv dargestellt, um die Schriftauszeichnung zu vereinheitlichen. Interpunktionszeichen werden nur dann kursiviert, wenn sie Teil einer durchgehend hervorgehobenen Textpassage sind oder mit dieser inhaltlich verschmelzen. Die Hervorhebung von Paragraphenzahlen im Inhaltsverzeichnis, wenn diese an eine ausgezeichnete Stelle anschließen, wird nicht übernommen. Im Sperrdruck kann über die Hervorhebung von Abkürzungen, die aus Initialbuchstaben bestehen, nur von Fall zu Fall entschieden werden. Mehrfach hervorgehobene Stellen der Originale werden einfach kursiv ausgezeichnet.
Sind einzelne Zeichen druckbedingt nur teilweise erkennbar, so wird dies nicht vermerkt, solange keine inhaltliche Unklarheit damit verbunden ist. Fehlt ein Buchstabe gänzlich, wird dieser Fehler in der untenstehenden Satzfehlertabelle aufgeführt. Im Zweifelsfall wird jedoch stets für die Vorlage entschieden. Spieße und andere druckbedingte Phänomene ohne semantische Bedeutung werden nicht ausgewiesen. Auch handschriftliche Eintragungen in den zugrunde liegenden Druckausgaben werden nicht berücksichtigt.
Die Seitenangaben des Originals werden stets wiedergegeben, fehlende Paginierung im Vorspann wird in eckigen Klammern ergänzt. Die drucktechnisch bedingte Bogenzählung wird in dieser Ausgabe nicht berücksichtigt. Folgende Unstimmigkeiten in der Paginierung sind in der ersten Auflage festzustellen: ‚73‘ statt ‚75‘, ‚291‘ statt ‚191‘, ‚293‘ statt ‚193‘, ‚703‘ statt ‚370‘, ‚04‘ statt ‚604‘. Besonders auffällig ist die doppelte Vergabe der Seitenzahlen ‚401–416‘, die vermutlich auf eine fehlerhafte Seitenzählung auf einem Bogen (16 Druckseiten) zurückzuführen ist. Die dritte Auflage vergibt im zweiten Band die Seitenzahl ‚419‘ anstelle von ‚149‘ und im dritten Band die Seitenzahl ‚IV‘ anstelle von ‚VI‘. In solche Paginierungsfehler wird nicht verbessernd eingegriffen, damit die Zitierbarkeit nach den Originalseitenzahlen gewährleistet bleibt. Auf Inkonsistenz der Originalpaginierung oder -paragraphenzählung wird stets mit ‚[!]‘ hingewiesen.
An drei Stellen im Original finden sich bewusst gesetzte Platzhalter: 1. Aufl., Band I, S. 111; 2. Aufl., Band III, S. 135 sowie S. 173. Den Originalausgaben folgend werden die Auslassungspunkte beibehalten, die Leerstellen dagegen getilgt. Zum Verständnis des Kontextes wird empfohlen, an den betroffenen Textstellen den kritischen Apparat zu konsultieren.
Alle Auflagen der
Anweisung
bestehen aus vier Teilen in drei Bänden. In der ersten Auflage ist sowohl die Paginierung als auch die Paragraphenzählung bandübergreifend, ab der zweiten Auflage stellte man auf die in jedem Band eigenständige Seiten- und Paragraphenzählung um. Jeder Band der ersten Auflage und nur der erste Band der zweiten Auflage werden von einer Vorrede bzw. Vorerinnerung des Verfassers begleitet. Während Nösselt das Inhaltsverzeichnis der ersten Auflage im letzten Band unterbrachte, wurde es in den beiden Folgeauflagen vorangestellt. Niemeyer gab die beiden Vorreden Nösselts am Anfang der dritten Auflage gemeinsam wieder und fügte jedem der drei Bände eine eigene Vorrede und jeweils ein Inhaltsverzeichnis hinzu.
Die nachfolgende Tabelle bietet einen Überblick über die Struktur aller Einzelauflagen:
1. Auflage
2. Auflage (Leittext)
3. Auflage
Erster Theil, Titelblatt
Erster Band, Titelblatt
Erster Band, Titelblatt
–
–
Vorrede des Herausgebers
Vorrede
Vorrede der ersten Ausgabe
Vorreden des Verfassers bei der ersten und zweiten Ausgabe
–
Vorrede zur zweyten Ausgabe
–
–
Innhalt des ganzen Buchs
Inhalt des ersten Theils
Druckfehler
Druckfehler
–
–
–
Titelseite
Einleitung
Einleitung
Einleitung
Erster Theil
Erster Theil
Erster Theil
Erster Abschnitt
Erster Abschnitt
Erster Abschnitt
Zweyter Abschnitt
Zweyter Abschnitt
Zweiter Abschnitt
Dritter Abschnitt
Dritter Abschnitt
Dritter Abschnitt
–
Vierter Abschnitt
Vierter Abschnitt
Zweyter Theil, Titelblatt
Zweyter Band, Titelblatt
Zweiter Band, Titelblatt
Vorerinnerung
–
Vorrede des Herausgebers
–
–
Inhalt des zweiten Theils
–
–
Titelseite
Zweyter Theil
Zweyter Theil
Zweiter Theil
Erster Abschnitt
Erster Abschnitt
Erster Abschnitt
Zweyter Abschnitt
Zweyter Abschnitt
Zweiter Abschnitt
Dritter Abschnitt
Dritter Abschnitt
Dritter Abschnitt
Vierter Abschnitt
Vierter Abschnitt
Vierter Abschnitt
Dritter und letzter Theil, Titelblatt
Dritter und letzter Band, Titelblatt
Dritter Band, Titelblatt
Vorrede
–
Vorrede des Herausgebers
Inhalt des ganzen Buchs
–
Inhalt des dritten Theils
–
–
Titelseite
Dritter Theil
Dritter Theil
Dritter Theil
Erster Abschnitt
Erster Abschnitt
Erster Abschnitt
Zweyter Abschnitt
Zweyter Abschnitt
Zweiter Abschnitt
Vierter Theil
Vierter Theil
Vierter Theil
Erster Abschnitt
Erster Abschnitt
Erster Abschnitt
Zweyter Abschnitt
Zweyter Abschnitt
Zweiter Abschnitt
Druckfehler
–
–
Der Wiedergabe unterschiedlicher Struktureinheiten, wie Kapitel, Paragraphen, Absätze, Listen und Anmerkungen, liegt die Abfolge des Leittextes zugrunde. Weicht eine der anderen Auflagen in ihrer Struktur vom Leittext ab, wird dieses durch entsprechende Siglen mit Auflagenangabe mitgeteilt (vgl. die unten angeführte
Kritische Anlage der Ausgabe
). Die bedeutendsten Abweichungen sind zwischen der ersten („vorkantischen“) und der zweiten (durch die Kant-Rezeption beeinflussten) Auflage im Abschnitt
Philosophie
festzustellen. Aber auch andernorts sind strukturelle Varianzen zu beobachten. So werden etwa die Paragraphen 213–215 sowie 236 und 237 im ersten Band der dritten Auflage im Vergleich zu der zweiten umgestellt. Hingewiesen sei an dieser Stelle auch auf die fehlerhafte Paragraphenzählung im ersten Band der dritten Auflage. Hier folgt auf den Paragraphen 270 der Paragraph 272.
Die kritische Edition macht den Textbestand aller Auflagen in ihrer Textentwicklung und im Bezug zueinander verfügbar. Die digitale Ausgabe der
Bibliothek der Neologie
bietet darüber hinaus die Möglichkeit, den Textbestand sowie die formale Struktur der jeweiligen Einzelauflage zu rekonstruieren.
Bei der kritischen Wiedergabe der Originaltexte im Print wird das typographische Bild modernisiert: Absatzeinzüge und -abstände werden nach den heutigen Maßgaben gesetzt. Eine Differenz vertikaler Abstände wird grundsätzlich nicht erfasst. Auch die große Varianz im Schriftgrad von Überschriften und Titelblattangaben wird nicht wiedergegeben.
Anmerkungen sowie Anmerkungszeichen gehen auf den Autor zurück. Die Abfolge und die Platzierung der Annotationen werden beibehalten. Alle Anmerkungen scheinen im Original in kleinerer Schrift auf, sie werden in der vorliegenden Ausgabe ebenfalls in Petit gesetzt. Kleingedruckte Auflistungen von Literaturangaben der Originale werden der Schriftgröße der Umgebung, in die sie eingebettet sind, angepasst.
Querverweise zwischen dem Fließtext und den Anmerkungen sowie Bezüge zu anderen Paragraphen und Kapiteln sind anhand der vom Autor gesetzten graphischen Zeichen nachvollziehbar, auf dem digitalen Weg sind sie besonders bequem nachzuverfolgen.
Graphematik und Interpunktion
Die Graphematik folgt den Originalen diplomatisch getreu. Die Verteilung von ‚ß‘ und ‚s‘, ‚u‘ und ‚v‘ sowie ‚i‘ und ‚y‘ folgt der Vorlage. Das runde ‚s‘ und das Schaft-‚s‘ werden dagegen vereinheitlicht. Da die deutsche Frakturschrift zwischen ‚I‘ und ‚J‘ nicht unterscheidet, wird die Buchstabenverwendung der modernen Sprache angeglichen. Alle Ligaturen mit Ausnahme von ‚ß‘ werden aufgelöst. Bei Minuskel-Umlauten wird das überschriebene ‚e‘ nicht dargestellt, sondern mit zwei Punkten modernisiert wiedergegeben; aus zwei Buchstaben zusammengesetzte Majuskel-Umlaute werden übernommen. Zusammen- und Getrenntschreibung sowie Groß- und Kleinschreibung werden grundsätzlich beibehalten. Alle Sonderzeichen wie Sterne oder Kreuze, welche die Referenzstelle einer Fußnote markieren, werden dargestellt.
Die Graphematik des Griechischen, Hebräischen, Lateinischen sowie Französischen und Englischen wird beibehalten. Die diakritische Zeichensetzung folgt den Originalen. Eine Ausnahme bilden fehlerhafte
spiritus
im Griechischen. Diese werden als Satzfehler behandelt. Im Falle von Ligaturen werden die Diakritika nach heutiger Konvention gesetzt. Die zuweilen mit einem einfachen Theta verwechselte Sigma-Theta-Ligatur wird stillschweigend korrigiert. In die Eigentümlichkeit der jeweiligen Sprache sowohl auf der lexikalischen als auch auf der morphologischen sowie syntaktischen Ebene wird ebenfalls nicht eingegriffen, auch wenn sie von den heutigen Normen abweicht oder Inkonsequenzen aufweist. Alle graphematischen Varianten anderer Auflagen werden originalgetreu verzeichnet und im kritischen Apparat angezeigt.
Die Zeichensetzung der Leitauflage wird in aller Uneinheitlichkeit und ungeachtet aller Abweichungen von moderner Verwendung wiedergegeben. Auch die Interpunktion der anderen Auflagen wird stets übernommen und im Variantenapparat verzeichnet. Fehlende Interpunktion am Ende einer Abkürzung oder einer graphisch abgeschlossenen Einheit wie z.B. Kapitel, Paragraph oder Absatz sowie fehlende Gegenstücke der paarweise auftretenden Anführungszeichen oder Klammern werden in eckigen Klammern ergänzt. Anführungszeichen werden in modernisierter Form dargestellt. Doppelte Binde- oder Trennstriche werden einfach wiedergegeben.
Eckige Klammern sind stets editorischen Zusätzen vorbehalten. Die im Original in eckigen Klammern stehenden Herausgeberanmerkungen Niemeyers werden, um eine Verwechslung zu vermeiden, in geschweiften Klammern geboten.
Das kaufmännische &-Zeichen in der Abkürzung ‚&c.‘ sowie das runde ‚ꝛ‘ (Rotunda) in Kombination mit ‚c.‘ werden als ‚etc.‘ wiedergegeben. Alle weiteren Abkürzungen werden originalgetreu übernommen. Da das Werk eine umfangreiche Sammlung von Literaturangaben bietet, trifft man besonders oft auf eine zeittypisch abgekürzte Angabe des Buchformats (z.B. ‚kl. 8‘, ‚gr. 8‘). Vorschläge zur Auflösung dieser sowie weiterer damals üblicher wiederkehrender Abkürzungen der Originaltexte werden, sofern sie nicht durch Varianten anderer Auflagen aufgelöst werden, in der unten angeführten Tabelle geboten.
Die Auflösung orientiert sich an Johann Christoph Adelung, Vollständige Anweisung zur Deutschen Orthographie, nebst einem kleinen Wörterbuche für die Aussprache, Orthographie, Biegung und Ableitung,
2
1790.
Initialbuchstaben der Autornamen, Buchtitelabkürzungen sowie Abkürzungen der Verlagsorte werden durch einen Nachweis in einschlägigen wissenschaftlichen Bibliotheken im Projektportal vervollständigt. Autorspezifische Abkürzungen werden in den
Erläuterungen
aufgelöst.
Druckfehler, die in den Druckfehleranzeigen der ersten und zweiten Auflage zusammengetragen sind, werden stillschweigend korrigiert. Dabei ist anzumerken, dass in den Corrigenda der zweiten Auflage auf den häufigen Fehler ‚empyrisch‘ statt ‚empirisch‘ erst ab der Seite 219 verallgemeinernd hingewiesen ist, sich der Fehler jedoch bereits ab Seite 209 findet. Die von den Editoren identifizierten Druckfehler sind in der unten angeführten Tabelle der
Editorischen Korrekturen
mit der Angabe der Originalseite der entsprechenden Auflage verzeichnet. Da in gedruckten Texten des 18. Jahrhunderts die Grenze zwischen Druckfehlern und graphematischen Varianten nicht präzise auszumachen ist, werden nur offensichtliche Versehen korrigiert.
Im Zuge umfangreicher Digitalisierungprojekte werden fortlaufend weitere Exemplare der
Anweisung
verfügbar gemacht. Es sei darauf verwiesen, dass die dritte Auflage des Werks nun auch digital einsehbar ist (Exemplar der Library of the Union Theological Seminary, New York). Anscheinend wurden im Vergleich zu der für diese Edition benutzten Vorlage der Staatsbibliothek zu Berlin jeweils der erste Bogen des ersten und dritten Bandes neu gedruckt, da im New Yorker Exemplar die Satzfehler in den vorangestellten Vorreden des Herausgebers Niemeyer bereinigt wurden. Der weitere Text der
Anweisung
blieb davon unberührt.
Kritische Anlage der Ausgabe
Die kritische Umsetzung wird in dieser Ausgabe in Anlehnung an das bereits in der
Kritischen Spalding-Ausgabe
Johann Joachim Spalding, Kritische Ausgabe, hg. von Albrecht Beutel, 13 Bände, 2001–2013 (SpKA).
erarbeitete, erprobte und bewährte Editionskonzept durchgeführt. Danach werden alle Abweichungen von dem Leittext durch wenige textkritische Zeichen erschlossen. Zwei textkritische Apparate (Seiten- und Fußapparat) ermöglichen dabei die Orientierung im Text.
Im
Textkorpus
finden sich folgende kritische Zeichen, welche in allen betroffenen Auflagen entsprechend verwendet werden:
…
a1
Variante in a
/a
…
a\
Auslassung in a
‖
a1
Einfügung in a
a
Beginn oder Ende einer längeren Einfügung oder Paraphrasierung in a
|
Seitenwechsel
∫
a
Zeilenumbruch in a
∬
a
Absatzumbruch in a
∫
a
Fehlender Zeilenumbruch in a
∬
a
Fehlender Absatzumbruch in a
Varianten, Auslassungen und kürzere Einfügungen werden jeweils den entsprechenden Auflagen zugeordnet. Dabei erhalten Varianten und Einfügungen eine mit dem Anfang eines neuen Paragraphen beginnende Nummerierung, Auslassungen werden nicht nummeriert. Wenn zwei Auflagen in identischer Weise von der Leitauflage abweichen, wird eine zusammengesetzte Variante ausgewiesen.
Einzelne Wortabweichungen sind als Wortvarianten gekennzeichnet. Textabweichungen von mehr als einem Wort sind als Auslassung und ersetzender Einschub vermerkt.
Längere
Einfügungen oder Textvarianten anderer Auflagen werden nicht im kritischen Fußapparat, sondern im Textteil in einer abgesetzten Form übersichtlich geboten. Zusätzlich werden Einfügungen mit Siglen zur Markierung der entsprechenden Auflage versehen. Längere Einschübe können sowohl im Haupttext als auch in den Anmerkungen des Autors vorkommen. Bei gemeinsamen längeren Einfügungen oder Paraphrasierungen mehrerer Auflagen wird der Text der älteren Auflage fortlaufend abgedruckt. Davon abweichende Varianten späterer Auflagen werden mit Auflagenangabe durchnummeriert und im kritischen Fußapparat aufgelöst.
Der
Seitenapparat
vermerkt folgende Zeichen parallel zur jeweils korrespondierenden Zeile des Textkorpus, welche in allen betroffenen Auflagen entsprechend verwendet werden:
a1
Beginn der Seite 1 in a
/a
Beginn einer Auslassung in a
a\
Ende einer Auslassung in a
/a\
Auslassung in a
a
Beginn oder Ende einer längeren Einfügung in a
E
Hinweis auf eine Erläuterung
Alle reinen Auslassungen, also solche, die im Anschluss nicht paraphrasiert werden, sowie alle längeren Einfügungen werden im Seitenapparat angezeigt. Angaben, die vor dem Zeichen ‚
]
‘ stehen, sind auf die vorige Zeile des Textkorpus zu beziehen.
Im
Fußapparat
werden die im Textkorpus durch kritische Zeichen angezeigten Veränderungen aufgelöst. Dabei werden die Textvarianten auflagenbezogen unterschieden. Weichen mehrere Auflagen in identischer Weise vom Leittext ab, wird diese Abweichung in einer gemeinsamen Fußnote ausgewiesen. Vollzieht sich ein Seitenwechsel in einer im Fußapparat angegebenen Variante, wird dieser gemäß der Form ‚|a1|‘ an der entsprechenden Stelle ausgewiesen. Die vorangestellte Sigle ‚[E]‘ weist auf eine vorhandene Erläuterung zu der Variante hin.
Register und Erläuterungen
Alle im Textkorpus explizit angeführten Bibelstellen werden in einem
Bibelstellenregister
zusammengefasst. Kapitel- und Verszählung werden aus dem Original übernommen. Ihre Notation orientiert sich an den
Loccumer Richtlinien für die Abkürzung biblischer Bücher
.
Ökumenisches Verzeichnis der biblischen Eigennamen nach den Loccumer Richtlinien, hg. von den katholischen Bischöfen Deutschlands, dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bibelgesellschaft – Evangelisches Bibelwerk, 1981, 9–11.
Kommt es innerhalb einer Reihe von Bibelstellenangaben, die sich auf dasselbe biblische Buch beziehen, zu einem Seitenumbruch, wird diejenige Seite im Register angeführt, auf der das Kapitel genannt ist. Schriftverweise werden nicht systematisch überprüft. Ergeben sich Varianten, werden diese diplomatisch im Apparat verzeichnet und im Bibelstellenregister ausgewiesen. In den Erläuterungen werden neben beiläufigen Beobachtungen einzig solche Verweise erfasst, die keinesfalls zutreffen können, wenn z.B. das betreffende Kapitel und/oder der betreffende Vers nicht existieren.
Alle im Text angesprochenen Personennamen, auch in ihrer adjektivischen Verwendung, werden zu einem
Personenregister
zusammengefasst. Die Namensschreibung im Personenregister richtet sich weitgehend nach der Gemeinsamen Normdatei (GND) der Deutschen Nationalbibliothek. Das
Register der antiken Autoren
verzeichnet jede Nennung eines Namens, d.h. auch innerhalb von Literaturangaben, sowie alle konkreten Belegstellen. Verweise auf ganze Werke oder zusammenfassende Bezeichnungen werden nicht eigens aufgeführt. Die hier verzeichneten Werke werden einheitlich und gängigen Standards folgend abgekürzt,
Die Abkürzungen antiker Autoren und ihrer Werke orientieren sich an Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, hg. von Hubert Cancik und Helmuth Schneider, Bd. 3, 1997, XXXVI–XLIV.
Namen der antiken christlichen und nichtchristlichen Autoren (inkl. der byzantinischen Literatur) geben den heutigen deutschen Sprachgebrauch wieder und orientieren sich im Wesentlichen an der lateinischen Schreibweise. Für weitere Informationen sei auf die
Erläuterungen
verwiesen.
Das
Sachregister
bietet eine Auswahl der für die Epoche, den Themenbereich oder den Autor einschlägigen Begriffe. Es folgt dem graphematischen Bestand des Textkorpus und erfordert in Hinblick auf die zeittypische orthographische Varianz eine assoziative Nutzung. Bei mehrfacher Nennung gleicher Begriffe innerhalb eines Paragraphen wird nur ein Registereintrag erstellt.
Außer den der Printausgabe beigefügten Registern steht in der digitalen Ausgabe eine alle Bereiche des edierten Textes umfassende Suchfunktion zur Verfügung.
Die
Erläuterungen
gehen insbesondere auf Daten, Personen, historische Ereignisse, Zitate und Bibelparaphrasen und -anspielungen sowie autorenspezifische Abkürzungen ein. Der Nachweis der bibliographischen Angaben, die in diesem Werk in großer Zahl vorliegen, bleibt allein der digitalen Ausgabe vorbehalten. Literaturangaben sowie Angaben zu Personen werden in Anbindung an anerkannte Datenbanken digital verifiziert. Bibliographische Referenzen werden allerdings dann in den Erläuterungen klärend angesprochen, wenn sie fehlerhafte bzw. missverständliche Angaben im Original enthalten. Personen, die lediglich im Zusammenhang mit der mitgeteilten Literatur stehen, werden erläutert, wenn es dem Verständnis des Textes dient. Gelegentliche Abweichungen zwischen den Erläuterungen und den Normdatenbanken bei Personendaten entstehen dadurch, dass für die Kommentierung auf einschlägige Referenzwerke zurückgegriffen wird. Vor allem Datierungsfragen sind von verschiedenen fachwissenschaftlichen Debatten abhängig. Wird im Text auf dieselbe Person mehrfach Bezug genommen, finden sich eingehende Erläuterungen zumeist unter der Erstnennung. Hilfreich sind hierzu das
Personenregister
sowie das
Register der antiken Autoren
. Hinweise auf Paragraphen in dem Erläuterungsteil beziehen sich, wenn nicht anders angegeben, auf den Textbestand der fortlaufend abgedruckten zweiten Auflage des Werks (vgl. die Bemerkungen vor den Erläuterungen). Im Textkorpus kündigt die Sigle ‚E‘ (Seitenapparat) bzw. ‚[E]‘ (Fußapparat) eine vorhandene Erläuterung an.
Abkürzungen der Originale
Abkürzung
Auflösung
Abhandl.
Abhandlung
Abschn.
Abschnitt
Abth.
Abtheilung
Abus.
Abusus
a. d. Engl.
aus dem Englischen
A. d. H.
Anmerkung des Herausgebers
Anm./Anmerk.
Anmerkung
Art.
Artikel
A. T./A. Test.
Altes Testament
Aufl.
Auflage
Aufs.
Aufsatz
Ausg.
Ausgabe
B./Bd./Bde.
Band/Bände
Br.
Brief
c./cap./Cap.
caput/capitulum
christl.
christlich
d.
der/die/das
D./Dr.
Doctor
das.
daselbst
desgl.
desgleichen
d. H.
der Herausgeber
d. i.
das ist
ebend./ebendas.
ebendaselbst
Ed./Edit. (auct./nov.)
Editio (auctoris/nova)
Engl.
Englisch
ep.
epistula
etc.
et cetera
f/f./fg./flg./folg.
folgend
ff./fgg./flgg./folgg.
folgende
fol./Fol.
folio/Folio
geh.
geheim
gr.
groß
h./heil.
heilig
herausg.
herausgegeben
i. a. B.
im angegebenen Band
K.
König
K./Kap.
Kapitel
kl.
klein
Königl.
Königlich
lat./Lat.
lateinisch/Lateinisch
lib.
liber
Met.
Metaphysik
min.
minor
m. s.
man siehe
N./No.
Numerus/Numero
N. T./N. Test.
Neues Testament
Opp.
Opera
p./pag.
pagina
P./Partt.
Pars/Partes
poster.
posterior
Preuß.
Preußisch
s.
sein
s.
siehe
S.
Seite
sel.
selig
seq./sq./sqq.
sequens/sequentes
st.
statt
St.
Stück
T./Tom./Tomm.
Tomus/Tomi
Test./Testam.
Testament
Th.
Theil
u.
und
u. a. (m.)/u. A.
und andere (mehr)/und Andere
u. d. g./u. d. gl./u. dgl./u. dergl.
und dergleichen
übers.
übersetzt
u. s. f.
und so ferner
u. s. w.
und so weiter
v./V.
Vers
vergl.
vergleiche/verglichen
verschied.
verschieden
Vol./Voll.
Volumen/Volumina
weil.
weiland
Wiss.
Wissenschaft
Z.
Zeile
z. B.
zum Beispiel
z. E.
zum Exempel
Editorische Korrekturen
Einleitung
von Albrecht Beutel
I.
Der Aufklärungstheologe Johann August Nösselt (1734–1807) zählt zu den interessantesten und vielseitigsten Vertretern der Neologie.
Zum Profil dieser zentralen aufklärungstheologischen Richtung vgl. Albrecht Beutel, Kirchengeschichte im Zeitalter der Aufklärung. Ein Kompendium,
2
2009, 112–115.
Im späten 18. Jahrhundert avancierte er an der Universität Halle zur Leitfigur der aufklärerisch gesinnten Theologischen Fakultät, mit führenden Wissenschaftlern, Schriftstellern und Politikern seiner Zeit pflegte er regen Kontakt. Das Schicksal, dass die breite Wertschätzung, die sein Wirken in der damaligen Gelehrtenrepublik fand, schon bald dem Vergessen anheim fiel, teilte er mit etlichen Repräsentanten der Neologie. Erst in jüngster Zeit begann sich im Zuge des neu vitalisierten Interesses an der Aufklärungstheologie eine gediegene wissenschaftliche Nösselt-Forschung zu etablieren.
Vgl. grundlegend Malte van Spankeren, Johann August Nösselt. Ein Theologe der Aufklärung (1734–1807) (Hallesche Forschungen 31), 2012.
Als Sohn eines in Halle ansässigen Handwerksmeisters kam Nösselt am 2. Mai 1734 zur Welt. Nach dem Besuch einer privaten Elementarschule wechselte er neunjährig auf die Latina der Franckeschen Stiftungen. Sein enzyklopädisches Bildungsinteresse griff weit über den pietistischen Geist des Elternhauses und den positionell reglementierten Lehrplan der Latina hinaus. Von 1751 bis 1755 widmete sich Nösselt in Halle dem Studium der Theologie, Geschichte, Philologie und Philosophie. Als ein Meisterschüler des Aufklärungstheologen Siegmund Jacob Baumgarten (1706–1757) ließ er sich in der Prägung, die er durch diesen bedeutenden Lehrer empfangen hatte, zu umfassenden wissenschaftlichen Erkundungen anregen. Im Oktober 1755 begab sich Nösselt auf eine einjährige akademische Kavalierstour, die ihn neben verschiedenen deutschen Hochschulstandorten insbesondere mit der Schweiz und Frankreich, dort namentlich mit Paris, vertraut machte.
Zum Wintersemester 1757/58 nahm er in Halle die akademische Lehrtätigkeit auf. Bereits nach vier Jahren verbesserte er sich vom
Magister artium
zum außerordentlichen, 1764 zum ordentlichen Professor der Theologie. Weder die 1734/37 eröffnete Reformuniversität Göttingen noch die Theologische Fakultät Helmstedt, die ihm 1767 die Nachfolge des nach Berlin abgegangenen Neologen Wilhelm Abraham Teller (1734–1804)
Zu W.A. Teller vgl. Beutel, Kirchengeschichte (s. Anm. 1), 125–127 sowie BdN IX.
antrug, konnten ihn aus Halle abwerben. Hier unterhielt Nösselt zusammen mit seiner Ehefrau Dorothea Conradine, geb. Conerus (1744–1793), und sieben Kindern, von denen aber nur vier das Erwachsenenalter erreichten, ein gastfreundliches, von zahlreichen Studenten verschiedener Disziplinen frequentiertes Hauswesen.
Größten Respekt erwarb sich Nösselt als Haupt des Widerstands, der sich 1794 gegen die von Johann Christoph von Woellner (1732–1800) angeordnete, restaurative Maßregelung der Theologischen Fakultät Halle organisiert hatte.
Vgl. Uta Wiggermann, Woellner und das Religionsedikt. Kirchenpolitik und kirchliche Wirklichkeit im Preußen des späten 18. Jahrhunderts (Beiträge zur Historischen Theologie 150), 2010, 323–347 u. passim; ferner van Spankeren, Nösselt (s. Anm. 2), 262–281.
Als erfolgreicher Verfechter der in Halle herrschenden Wissenschaftsfreiheit und in Würdigung seines jahrzehntelangen fruchtbaren Wirkens wurde er 1805 vom preußischen König Friedrich Wilhelm III. (1770/97–1840) persönlich zum Geheimen Rat ernannt. Inmitten der Vorbereitungen auf das neue Semester – es bestand Hoffnung, die 1806 unter Napoleon geschlossene Universität Halle könnte im Sommer 1807 wieder eröffnet werden – verstarb Nösselt am 11. März 1807 aufgrund allgemeiner Entkräftung.
II.
Die nachweisbare schriftliche Hinterlassenschaft Nösselts beläuft sich auf 41 Titel
Vgl. van Spankeren, Nösselt (s. Anm. 2), 321–323.
und ist damit, numerisch betrachtet, vergleichsweise schmal. Gleichwohl konnte er ein inhaltlich höchst ponderables Lebenswerk vorlegen. Die 1757 eingereichte theologische Dissertation widmete sich dem Kirchenvater Tertullian.
Johann August Nösselt, De vera aetate scriptorum quae supersunt Q. Septimii Florentis Tertulliani Dissertatio, 1757.
Zur biblischen Exegese, die einen Schwerpunkt seiner Lehrtätigkeit darstellte,
Vgl. die bei van Spankeren, Nösselt (s. Anm. 2), 324 gebotene Übersicht.
hat er lediglich kleinere Spezialstudien publiziert.
Vgl. etwa Johann August Nösselt, Opusculorum ad interpretationem Sacrarum Scripturarum fasciculus, 2 Bde., 1771/1787; Ders., Interpretatio loci obscurioris in posteriori ad Corinthios Epistola, Cap. III,17, 1774; Ders., Exercitationes ad Sacrarum Scripturarum interpretationem, 1803; Ders., Interpretatio grammatica loci 1 Jo. 3,19–22, 1804.
Größeren Raum nimmt die populartheologische, auf allgemeine Verständlichkeit zielende Verbreitung neologischer Basisimpulse ein. So erteilte Nösselt 1773 eine
Kurze Anweisung für unstudierte Christen zur Erlangung einer zuverlässigen Gewißheit von ihrer Religion
. Desgleichen äußerte er sich beispielsweise
Ueber die Erziehung zur Religion
(1775) und
Ueber den Werth der Moral, der Tugend und der späten Besserung
(1777). Als theologisches Standardwerk ist die mehrfach aufgelegte, von enormer Belesenheit und verlässlichem Urteil zeugende
Anweisung zur Kenntniß der besten allgemeinern Bücher in allen Theilen der Theologie
(1779;
4
1800) bedeutsam geworden.
Zwei Hauptwerke, mit denen Nösselt seine neologische Exzellenz auswies, verdankten sich einer Anregung des Berliner Propsts und preußischen Oberkonsistorialrats Johann Joachim Spalding (1714–1804). Dieser hatte die preußische Kirchenleitung, der auch die Aufsicht über die Theologische Fakultät Halle oblag, im Jahre 1765 dazu bewogen, die Einrichtung stehender Vorlesungen „über die theologische Encyklopädie und über die Wahrheit der Religion, und zwar […] in der Art, daß sie auch den weltlich Studirenden zuträglich seyn könnte“,
Johann Joachim Spalding, Lebensbeschreibung von ihm selbst aufgesetzt (in: Ders., Kleinere Schriften 2: Briefe an Gleim – Lebensbeschreibung, hg. von Albrecht Beutel / Tobias Jersak [SpKA I/6-2], 2002, 162f.).
verbindlich zu machen. Bereits im Sommersemester 1765 offerierte Nösselt deshalb eine apologetische Standardvorlesung, die er danach noch mindestens sechs Mal wiederholte.
Nämlich in den Winter- bzw. Sommersemestern 1765/66, 1767, 1768/69, 1770, 1770/71 und 1771/72.
Als mehrfach aufgelegtes Lehrbuch erschien dieses Kolleg unter dem Titel
Vertheidigung der Wahrheit und Göttlichkeit der Christlichen Religion
(1766,
5
1783). Ebenso wie die Durchführung präsentiert sich auch der Aufbau dieser Apologie äußerst luzide: Der erste Abschnitt sucht die „Wichtigkeit der Untersuchung: ob die Christliche Religion wahr, und von GOtt, oder falsch, und nicht von GOtt sey“ (§§ 1–44), zu erweisen, der zweite Abschnitt sodann das Wahrheitsprofil christlicher Religion zu bestimmen (§§ 45–64). Daraufhin wendet sich der dritte Abschnitt der eigentlichen apologetischen Aufgabe zu, die es jederzeit an vier Fronten wahrzunehmen gelte, nämlich gegenüber den „gröbern und feinern Atheisten“ (§§ 65–171), den schwachgläubigen oder mutwilligen Zweiflern (§§ 172–192), den „Deisten oder Naturalisten“ (§§ 193–292) sowie, am wenigsten bedeutend, gegenüber den „Indifferentisten“ (§§ 293–300). Mit diesem Werk machte sich Nösselt erstmals literarisch als Neologe bekannt; es prägte nicht nur Generationen von Theologen, sondern beeindruckte auch Literaten wie Christian Fürchtegott Gellert oder Jean Paul.
Vgl. van Spankeren, Nösselt (s. Anm. 2), 80–82.
III.
Die von Nösselt vorgelegte theologische Enzyklopädie geht ebenfalls auf die Anregung Spaldings zurück. Allerdings finden sich die ersten theologisch-enzyklopädischen Entwürfe bereits zur Mitte des 16. Jahrhunderts.
Vgl. etwa Andreas Hyperius, De recte formando theologiae studio, 1556.
Doch erst im Zeitalter der Aufklärung, das die Wissensbestände einer sich fast sprunghaft dynamisierenden Ausweitung zuführte, wurde die enzyklopädische Herausforderung in der Theologie wirklich akut: Nun hatte es sich unabweisbar als notwendig erzeigt, die Einheit und Aufgabe der eigenen Wissenschaft in der Mehrzahl ihrer Haupt-, Neben- und Hilfsdisziplinen darzustellen und zu begründen. Einschlägig wurde zumal der Entwurf des in Jena lehrenden Übergangstheologen Johann Franz Buddeus (1667–1729). Dessen
Isagoge historico-theologica ad theologiam universam singulasque eius partes
(1727) ordnete die theologischen Fächer in zwei Sektionen: zunächst Dogmatik, Symbolik, Patristik und Moraltheologie, sodann Kirchenrecht, Kirchengeschichte, Polemik und biblische Exegese. Die Sachlogik dieser Zweiteilung ist leicht zu erkennen: Die erste Sektion versammelt die normativen, die kirchliche Lehre konstituierenden Disziplinen, die zweite hingegen die pragmatischen, auf die Erfordernisse der Kirchenleitung zurüstenden Fächer. Zu dieser zweiten Gruppe zählte Buddeus auch die durch ihre Endstellung rahmend hervorgehobene Exegese insofern, als ihm angesichts der generellen Klarheit der Bibel deren Dienst nur bei aktuellen Verstehensschwierigkeiten erforderlich schien.
An der Universität Halle übernahm zunächst Johann Salomo Semler (1725–1791) in kaum verhohlener Reserviertheit – „ut mandato regio satisfiat“, gab die Vorlesungsankündigung missmutig kund
Vgl. Beutel, Kirchengeschichte (s. Anm. 1), 210.
– die obrigkeitlich insinuierte Verpflichtung. Ab dem Sommersemester 1769 trat dann Nösselt in diese Aufgabe ein. Aus seinem vielfach wiederholten Kolleg
Wiederholungen sind nachweisbar für die Winter- bzw. Sommersemester 1769/70, 1771, 1773, 1779 und 1783.
erwuchs die dreibändige theologisch-enzyklopädische
Anweisung zur Bildung angehender Theologen
.
Die erste eingehende Analyse und Interpretation dieses neologischen Hauptwerks bietet van Spankeren, Nösselt (s. Anm. 2), 155–238.
Das umfangreiche Werk erschien zwischen 1786 und 1789, eine zweite, in Teilen umgearbeitete Auflage folgte 1791, zehn Jahre nach dem Tod Nösselts brachte dessen Schüler August Hermann Niemeyer (1754–1828) eine von ihm wiederum überarbeitete dritte Auflage dieser klassischen theologischen Enzyklopädie auf den Markt (1818/19). Der vorliegende Band stellt das neologische Hauptwerk Nösselts erstmals in kritischer, kommentierter Edition zur Verfügung.
Das Buch ist klar gegliedert. Ein erster Teil präsentiert die theologischen „Vorbereitungs- und Hülfswissenschaften“, denen Nösselt Philologie, Philosophie, Geschichte (einschließlich Literaturgeschichte) sowie die Schönen Wissenschaften zurechnet und die er als unentbehrliche Bestandteile eines theologischen Studiums ausweist. Bei den im zweiten Teil verhandelten „eigentlich theologischen Wissenschaften“ unterscheidet er die exegetische, historische, systematische und – nur noch randständig bedachte – symbolische Theologie. Der dritte Teil gibt „Anweisung zur rechten Führung des Amtes eines Lehrers der Religion“; als „theologische Anwendungswissenschaften“ firmieren dabei Homiletik, Katechetik, Pastoraltheologie und Kirchenrecht. Im letzten Teil handelt Nösselt „Von den Fähigkeiten eines künftigen Lehrers der Religion, und von den allgemeinen Uebungen, wodurch er zu einen [!] solchen gebildet werden kan“.
Eine kurzschlüssige Analyse von Nösselts neologischem Hauptwerk konstatierte unlängst, es fehle „diesem enzyklopädischen Versuch […] ein Kerngedanke“.
Kurt Nowak, Enzyklopädie. Zur Entstehung der Theologie als Wissenschaft im Zeitalter der Aufklärung (in: Ders., Kirchliche Zeitgeschichte interdisziplinär. Beiträge 1984–2001, hg. von Jochen-Christoph Kaiser, 2002, 61–79), 69.
Dieses nicht nachvollziehbare, irrige Urteil hätte sich durch aufmerksame Lektüre unschwer vermeiden lassen. Denn bereits der Aufbau, erst recht aber die Durchführung des Gesamtwerks lassen deutlich erkennen, dass Nösselt das organisierende Zentrum seiner Enzyklopädie in der Aufgabe sieht, zu einer professionellen Wahrnehmung des kirchlichen Amtes anzuleiten und instandzusetzen. Demgemäß wird die als „der zusammenhängende Inbegriff gelehrter Kenntnisse von der Religion“ definierte Theologie
Nösselt, Anweisung (s.o. III.), II,
3
1818, 4 (§ 1).
dadurch konstituiert, dass sie den entscheidenden Teil des Nachweises erbringt, „was und wie viel zu einem würdigen Lehrer der Religion gehört“.
AaO I,
3
1818, I 41 (§ 44).
Die von Nösselt konzipierte materiale Enzyklopädie reflektiert den Kosmos der theologischen Wissenschaften mitsamt den damit verbundenen studientechnischen und bildungspraktischen Fragen durchweg unter dem Leitgesichtspunkt einer auf die pastorale Berufspraxis bezogenen Professionalisierung.
IV.
Nösselts
Anweisung
fand sogleich breite, zustimmende Resonanz und wurde allenthalben beifällig rezensiert. Die
Allgemeine deutsche Bibliothek
, das von Friedrich Nicolai (1733–1811) organisierte führende Rezensionsorgan, begrüßte schon den ersten, 1786 erschienenen Band als einen durch Nösselt vollzogenen Quantensprung der theologischen Enzyklopädie: „Von seiner ausgebreiteten Kenntniß und seinem eben so richtig als ordentlich denkenden Kopf ließ sich gerade so ein Werk, das der einreißenden Seichtigkeit im Studiren ein Bollwerk entgegensetzte, mit Grund erwarten“.
[Akronymus], Rez. Johann August Nösselt, Anweisung zur Bildung angehender Theologen, Bd. 1, 1786 (Allgemeine deutsche Bibliothek 74/1, 1787, 82–86), 83. – Der Verfasser dieser Rezension dürfte als der Greifswalder Theologe Theophilus Coelestinus Piper (1745–1814) zu identifizieren sein (vgl. Gustav Parthey, Die Mitarbeiter an Friedrich Nicolai's Allgemeiner Deutscher Bibliothek nach ihren Namen und Zeichen, 1842, 56. 20f.).
Auch Fachkollegen, die ihrerseits einschlägig publizierten, rühmten den Wurf als „vortrefflich“.
Johann Gottlieb Planck, Einleitung in die Theologischen Wissenschaften. Erster Theil, 1794, 25.
Spalding quittierte die Zusendung des Buches mit höchstem Lob: „Ein solcher Reichthum von Belehrung, und diese mit solcher Klarheit und Bestimmtheit gesagt; daneben die so seltene und deßwegen desto ruhmwürdigere Verbindung der freyen unpartheyischen Wahrheitforschung, mit der weisesten Sorgfalt und Mäßigung […]; das hat bereits so viel genützt, und wird, bey Gemüthern, die irgend des Eindrucks von einer so würdigen und heilsamen Denkungsart empfänglich sind, noch immer mehr nützen“.
Johann Joachim Spalding an Johann August Nösselt, 4.11.1791 (in: Johann Joachim Spalding, Briefe, hg. von Albrecht Beutel / Olga Söntgerath, 2018, 343–345), 343f.
Der pastoraltheologische Leitgedanke, der das gesamte Werk strukturiert, trat den Rezipienten in aller Klarheit entgegen. So konstatierte etwa die
Allgemeine deutsche Bibliothek
sachgemäß: „Alles, was Hr. Nösselt […] sagt, kann dazu dienen, angehenden Theologen Liebe und Achtung gegen den Stand, dem sie sich widmen, einzuflößen, und sie von ihrer wahren Bestimmung zu belehren“.
Akronymus, Rez. (s. Anm. 19), 83.
Die von Friedrich Schleiermacher (1768–1834) publizierte, aus Vorlesungen erwachsene theologische Enzyklopädie
Friedrich Schleiermacher, Kurze Darstellung des theologischen Studiums zum Behuf einleitender Vorlesungen (1811,
2
1830; in: Ders., Kritische Gesamtausgabe, Bd. I.6, hg. von Dirk Schmid, 1998, 243–446).
folgte mit ihrer Entscheidung, die Wissenschaftlichkeit der Theologie durch ihren organisierenden Bezug auf das kirchliche Amt zu konstituieren,
Vgl. insbesondere aaO §§ 5f.
unverkennbar der von Nösselt gebahnten Spur. Schleiermacher hatte in Halle auch bei Nösselt studiert und seine eigenen Enzyklopädie-Vorlesungen, die er später dort hielt, im Rückgriff auf Nösselts
Anweisung
präpariert.
Vgl. Wilhelm Gaß (Hg.), Schleiermachers Briefwechsel mit Joachim Christian Gaß. Mit einer biographischen Vorrede, 1852, 2.
Während der Verhandlungen, die Schleiermachers Berufung an die Theologische Fakultät Halle vorausgingen, hatte insbesondere der einstige Lehrer die im Kollegenkreis geleisteten Widerstände zu brechen vermocht.
Vgl. van Spankeren, Nösselt (s. Anm. 2), 283–300.
Umso erstaunlicher mutet es darum an, dass Schleiermacher sich später über Nösselt mehrfach höchst abschätzig äußerte.
Vgl. aaO 306–310 u. passim.
Das mag zum einen mit der Konkurrenzsituation, in die er sich dem Kollegen gegenüber versetzt glaubte, erklärt werden können, zum anderen aber, viel grundsätzlicher, damit, dass er die mannigfachen Prägungen, die ihm die Aufklärungstheologie hatte zukommen lassen,
Vgl. etwa Albrecht Beutel, Frömmigkeit als „die Empfindung unserer gänzlichen Abhängigkeit von Gott“. Die Fixierung einer religionstheologischen Leitformel in Spaldings Gedächtnispredigt auf Friedrich II. von Preußen (in: Ders., Spurensicherung. Studien zur Identitätsgeschichte des Protestantismus, 2013, 165–187).
insgesamt zu verhehlen bestrebt war
Entsprechend urteilte schon der unübertroffene Kenner der neuzeitlichen Theologiegeschichte: „Schleiermacher hat über die ihn wirklich bestimmenden zeitgenössischen Einflüsse allenthalben so wenig gesprochen, daß das Fehlen urkundlicher Belege hier [sc. in Bezug auf die Aufklärungstheologie] ebenso wenig beweist wie bei der später zu erwähnenden Einwirkung Fichtes“ (Emanuel Hirsch, Geschichte der neuern evangelischen Theologie im Zusammenhang mit den allgemeinen Bewegungen des europäischen Denkens, Bd. 4, 1954 [neu hg. und eingeleitet von Albrecht Beutel (Emanuel Hirsch, Gesammelte Werke 8), 2000], 219 Anm. 1).
und insofern das in der systematisch-theologischen Schleiermacherdeutung vielfach bis heute kultivierte Trugbild unableitbarer Originalität wirkmächtig zu präfigurieren vermochte.
Die vorliegende kritische Edition der
Anweisung
wird es erstmals erlauben, durch integrativen Zugriff nicht nur die Erstausgabe mit der überarbeiteten zweiten Auflage, sondern auch mit der von Nösselts Schüler Niemeyer besorgten erweiterten Aktualisierung zu vergleichen und damit die eminente wissenschaftsgeschichtliche Bedeutung dieser theologischen Enzyklopädie, ihre gattungsgeschichtliche Initialfunktion sowie die durch sie ausgelöste Stimulierung des aufklärungstheologischen Diskurses insgesamt eingehend zu erkunden. Dergestalt mag diesem neologischen Hauptwerk dann auch die ihm gebührende historische Gerechtigkeit widerfahren, die ihm von den auf Nösselt folgenden Generationen nicht selten verwehrt oder missgönnt worden ist.
Anweisung zur Bildung angehender Theologen,
von
D.
Nösselt, Johann August
Johann August Nösselt
.
Erster Band.
Zweyte vermehrte und verbesserte Auflage.
Halle, bey
Curt, Johann Jacob
Joh. Jac. Curts
Wittwe
.
1791.
Joh. Jac. Curts Wittwe
Nach dem Tod des halleschen Verlegers und Druckers Johann Jakob Curt (Curtius) im Jahre 1781 übernahm seine Witwe die Verlagsgeschäfte, ab 1793/1794 die Erben.
Anweisung zur Bildung angehender Theologen.
von
D.
Nösselt, Johann August
Johann August Nösselt
.
Erster Theil.
Halle, bey
Curt, Johann Jacob
Joh. Jac. Curts
Wittwe.
1786.
Anweisung zur Bildung angehender Theologen,
von
Nösselt, Johann August
Johann August Nösselt
,
weil.
Königl.
Preußischem Gemeinderath, Doctor und Professor der Theologie zu Halle.
Herausgegeben und mit Anmerkungen, literarischen Zusätzen und Ergänzungen begleitet von
D.
Niemeyer, August Hermann
August Hermann Niemeyer
,
Königl.
Preuß.
Oberkonsistorialrath, Kanzler und Professor der Theo- logie auf der vereinigten Friedrichsuniversität Halle und Wittenberg, Director der Frankischen Stiftungen, auch Ritter des rothen Adlerordens dritter Klasse.
Erster Band.
Dritte Auflage.
Halle, im Verlage der
Curt, Johann Jacob
Curtschen
Buchhandlung.
1818.
Vorrede des Herausgebers.
Es darf in einer Zeit, wo die unendliche Menge neuer Schriften so leicht die älteren in Vergessenheit bringt, zu den erfreulichen Erscheinungen gerechnet werden, daß, nachdem
sieben und zwanzig
Jahre seit der
letzten Ausgabe
der vorliegenden Schrift verflossen sind, der Verfasser selbst aber bereits elf Jahre durch den Tod in einen höhern Kreis des Wirkens versetzt ist, die Verlagshandlung sich, wegen fortdauernder Nachfrage, aufs neue veranlaßt gefunden hat, einen nochmaligen Abdruck zu veranstalten. Indem sie mir dieß mittheilte, forderte sie mich zugleich auf, die Durchsicht der Druckbogen zu übernehmen, und wo es rathsam scheinen möchte, zugleich das Nöthige abzuändern und nachzutragen, was sich nach dem jetzigen Stande der theologischen Haupt- und Hülfswissenschaften, und ihrer Literatur dazu eignete.
Wie hätte ich eine solche Gelegenheit unbenutzt lassen können, um noch einmal meine Verehrung und Dankbarkeit gegen meinen unvergeßlichen Lehrer und väterlichen Freund auszusprechen, und sie durch die sorgsame Pflege des schönen Erzeugnisses
seines
Geistes thätig werden zu lassen?
Was ich zu diesem Zweck übernommen und auf welche Art ich es zu leisten mich bemüht, davon bin ich bei der neuen Erscheinung dieser Schrift den Lesern Rechenschaft schuldig.
Es war keinesweges von einer
Umarbeitung
die Rede. Die Verlagshandlung war mit mir einig, daß das
Nösselt, Johann August
Nösselt
sche
Werk in der Hauptsache, eben so, wie es von dem Verfasser selbst herkam und bei der zweiten Ausgabe sorgfältig durchgesehen und bedeutend vermehrt ward, auch zum
drittenmal
erscheinen sollte. Die Zeit hatte manche
Nachträge
und
Zusätze
nöthig machen, aber in dem wesentlichen Inhalt und seiner Tendenz nichts verändern können. Sind auch die Ansichten eines späteren Herausgebers hie und da von denen des Verfassers verschieden, so soll doch, was fortwährend den Na men des Urhebers trägt, auch
seinen Geist
und
seine Ideen
, nicht die eines
Anderen
liefern. Durch den Auftrag, es
herauszugeben
, wird es kein
Eigenthum
dessen, der es herausgiebt, und die Achtung gegen den Todten legt ihm die heilige Pflicht auf, nicht Altes und Neues, Eignes und Fremdes so zu mischen, daß zuletzt schwer zu entscheiden ist, wem ein jedes angehört.
Die
kritischen Blätter und Journale, welche des Werkes in seinen früheren Ausgaben erwähnt haben, und sämmtlich von mir verglichen sind, haben nur wenige Beiträge zu Berichtigungen oder Verbesserungen geliefert. Sie stimmen in dem Ausdruck der Achtung gegen das Verdienst des Verfassers, um die Bildung nicht nur angehender, sondern auch schon gereifter Theologen überein. „Man würde – so urtheilt der
Recensent in der Allgemeinen Literaturzeitung (1790.
No.
359.) – den Werth dieser trefflichen Anleitung viel zu gering anschlagen, wenn man sie nach der bescheidenen Anzeige des Titels, daß sie angehenden Theologen gewidmet seyn soll, beurtheilen wollte. Sie verdient auch von denen, welche bereits in Aemtern stehen, studiert zu werden. Denn wer das in der Kürze und doch vollständig überhaupt zu kennen wünscht, was ein Lehrer der Religion wissen und
eisten
muß, wenn er seinen hohen Beruf ganz zu erfüllen im Stande seyn soll; wer Lust hat sich zu prüfen, ob er alles das besitzt und versteht, was zur fruchtbaren Erfüllung des Lehramts erforderlich
st
; wer das Ziel, wonach er bei dem Einsammeln und Mittheilen theologischer Kenntnisse streben muß, gern im Auge behalten, den so sehr verschiedenen Werth der einzelnen theologischen Wissenschaften vernünftig schätzen und sein Benehmen darnach einrichten will; wer endlich den Wunsch fühlt, eine Menge heilsamer Rathschläge zusammen zu finden, die ihn bei seinen Bemühungen leiten können: der bediene sich dieses Buches. Etwas Vollständigeres, Reiferes und Gründlicheres wüßten wir in diesem Fach nicht vorzuschlagen.“ – Eben so drücken sich andere Beurtheiler aus. Das Einzige, was man hie und da fürchtete, war, daß die Ansprüche an den, welcher sich dem Studium der Theologie widmet, so hoch gespannt wären, daß das Werk vielmehr das Ideal eines
vollendeten Theologen
aufstellte, als eine Anleitung für
angehende
Theologen genannt werden könnte. Es mag dieses Urtheil zum Theil aus der eine Zeitlang ganz unverkennba ren Ueberschätzung des
Praktischen
auf Unkosten des
Gelehrten
und
Wissenschaftlichen
hervorgegangen seyn. Denn gerade die Wahrnehmung dieses Uebels, welches sehr nachtheilige Einflüsse auf die Universitäten und manche Theile des Studiums ganz bei Seite gedrängt hatte, bestimmte den gelehrten und selbst so wissenschaftlichen Mann, desto ernster darauf zu dringen, der theologischen Gelehrsamkeit wieder einen höheren Werth zuzugestehen. Daß er nicht forderte, daß jeder Religionslehrer alle Kenntnisse eines akademischen Theologen in sich vereinigen sollte, das hat er selbst in dieser Schrift bei mehreren Gelegenheiten ausdrücklich geäußert; und
sein Programm de diversitate studiorum, quibus
Theologum
decet ceteris ecclesiae doctoribus praestare, erörtert dieß noch ausführlicher. Dennoch ist vielleicht der Vorwurf, daß man stellenweise mehr eine
gelehrte
Einleitung oder
Encyklopädie
einzelner Fächer des vielumfassenden Studiums, als eine
Methodologie
für
angehende
Theologen zu lesen glaubt, wohl nicht ganz ungegründet. Es begegnet Männern, die ganz in ihrer Wissenschaft zu Hause sind, und für die gerade die höhern und feinern Untersuchungen den meisten Reiz haben, so leicht, daß sie selbst den Anfängern schon einen Vorgeschmack davon geben, oder, wenn sie einmal auf gewisse Materien kommen, nicht zu kurz seyn möchten, um nicht ungründlich zu erscheinen. Am häufigsten scheint mir dieß dem
sel.
Nösselt, Johann August
Nösselt
hinsichts der
Literatur
begegnet zu seyn. Sie ist zwar nicht in dem Grade überhäuft, den wir in der
Planck, Gottlieb Jakob
Plankschen
Einleitung finden, welche etwas später als die
Nösselt, Johann August
Nösseltsche
erschien; doch will es mich bedünken, daß hie und da so große, sogar seltne Werke genannt sind, welche man eher in einer Anleitung zur theologischen Bücherkenntniß als in einer akademischen Methodologie zu erwarten haben würde. Literatoren – zu denen der Verfasser so sehr gehört – wird es aber immer schwer, etwas zu unterdrücken, was auf
der
Stufe, wo
sie
stehen, allerdings einen großen Werth hat.
Doch selbst von dieser Seite habe ich mir nicht erlauben wollen, mehr zu thun, als der verdiente Urheber dieses Werkes gutgeheißen haben würde. Was ich verantworten zu können, und was ich selbst für Pflicht halten zu müssen geglaubt habe, besteht in Folgendem.
Zuvörderst ist überall die
Literatur
theils durch die Anzeige neuer, seit 1791 erschienener Ausgaben oder Fortsetzungen der angeführten Schriften, berichtigt worden. Weggeblieben sind solche, die ganz entschieden durch bessere ersetzt, oder die dem Verfasser entgangen und offenbar den genannten vorzuziehen waren. Es hat mich selbst überrascht, wie viel in den letzten drei Decennien gearbeitet, wie manche Lücke ausgefüllt ist, auf welche der Verfasser zu seiner Zeit aufmerksam gemacht hatte; aber es hat mich auch dabei häufig die Sehnsucht ergriffen, den theuren Todten noch unter uns zu sehen, damit er sich dessen, was der Fleiß vaterländischer Gelehrten in allen Fächern geleistet und zu Tage gefördert hat, und selbst die Erfüllung manches seiner Wünsche für den Anbau dieser und jener vernachlässigten Felder, mit uns freuen könnte! in manchen Abschnitten war die Sparsamkeit der Literatur fast eben so befremdend, als die Fülle in andern. Ich habe gesucht, mehr Gleichheit in das Ganze zu bringen, und so haben besonders einzelne Abschnitte in den Kapiteln von den philologischen und historischen Hülfswissenschaften sehr bedeutende literarische Zusätze erhalten müssen.
Die Schriften selbst waren in den frühern Ausgaben bald
in den Paragraphen
, bald
unter
den Paragraphen
angeführt. Es war natürlicher, auch darin eine gewisse Gleichheit zu beobachten, und die
Anmerkungen
schienen der bequemste Ort, um in ihnen alles Literarische zur Uebersicht zu bringen. Ich gestehe übrigens, daß ich in einem
eignen Lehrbuch der theologischen Encyklopädie und Methodologie
, viele der angeführten Schriften nicht würde aufgenommen, sondern für den ausführlichen Vortrag der Wissenschaften oder selbst einzelner Materien derselben verspart haben. Aber als Herausgeber konnte ich nur im Sinn des Verfassers fortarbeiten.
Außerdem
sind hie und da kurze Anmerkungen hinzugekommen, welche der gegenwärtige Stand der Wissenschaften nöthig machte; meist nur Winke und Andeutungen, seltner abweichende Ansichten. Zu dem allen wird jedoch der
zweite
und
dritte
Theil noch ungleich mehr Gelegenheit geben.
In
Stil
und
Vortrag
ist nichts Wesentliches geändert, auch durchaus die – vielleicht nicht immer bequemste – Folge und Abtheilung der Paragraphen beibehalten. Nur wo die dem Verfasser nicht ungewöhnliche Länge und Verschränktheit der Perioden –
veilleicht
eine Folge seiner häufigen Lesung des
Cicero
Cicero
– den Sinn für den Ungeübten dunkel machte, habe ich mir, gewiß eher zu selten als zu oft, Abkürzungen und Einschaltungen erlaubt.
Alles was übrigens in diesen neuen Zusätzen und Anmerkungen von einiger Bedeutung ist, findet man durch die Buchstaben
A. d. H.
oder
durch das Zeichen [ ] von dem Text des Verfassers unterschieden.
Je öfter mich übrigens diese Arbeit an die großen Verdienste, welche mein vollendeter Lehrer sich auch um mich und meine eigne Bildung erworben hat, erinnerte, desto lebhafter ist mein Wunsch, daß es meinen geringen Bemühungen gelingen möge, dem Werke aufs neue recht viele Leser zu verschaffen. Die beiden folgenden Theile, welche noch im Laufe dieses Jahres erscheinen, und die eigentliche Theologie enthalten, werden mir Anlaß geben, jene zu verdoppeln. Die künftigen Vorreden sollen davon Rechenschaft geben. Eine Darstellung des
Lebens
und
Verdienstes
des unvergeßlichen Mannes würde, wenn sie nicht zu dürftig ausfallen sollte, mehr Raum als mir vergönnt ist, erfordern. Ich darf also wohl die besondere, diesem Gegenstande gewidmete Schrift hier ins Andenken bringen, welche bereits ein Jahr nach seinem Tode (1809
) unter dem Titel:
Leben, Charakter und Verdienste
Nösselt, Johann August
J. A. Nösselt's
, nebst einer Sammlung seiner zum Theil ungedruckten Aufsätze, Briefe und Fragmente
, erschienen ist.
Halle den 15ten März 1818.
Der Herausgeber.
Es war keinesweges von einer Umarbeitung […] wem ein jedes angehört.
Vgl. I § 188 c; II Vorrede Hg. c IIIf.; III Vorrede Hg. c IV. Zu den kleineren Anmerkungen des Herausgebers Niemeyer vgl. I Vorrede Hg. c Xf.
kritischen Blätter und Journale, welche des Werkes in seinen früheren Ausgaben erwähnt haben
Vgl.
Allgemeine Bibliothek der neuesten deutschen theologischen Litteratur
7 (1786), 57–70 und aaO 8 (1787), 140–154;
Journal für Prediger
19 (1787) (1. St.), 83–88;
Würzburger gelehrte Anzeigen
1 (1786) (St. LXVIII), 663–667. Zur zweiten Auflage vgl.
Allgemeine Literatur-Zeitung
Nr. 359 (1790), 577–580;
Allgemeine deutsche Bibliothek
74 (1787) (1. St.), 82–86 und aaO (Anhang zu Bd. 53–86) (1791), 235f. und aaO 103 (1791) (2. St.), 366–375; Eichhorns
Allgemeine Bibliothek der biblischen Litteratur
8 (1799) (5. St.), 887f.;
Jenaische Allgemeine Literatur-Zeitung
Nr. 183 (1804), 209–216 und aaO 184 (1804), 217f.
Recensent in der Allgemeinen Literaturzeitung (1790. No. 359.)
Das umgebende Zitat findet sich in der
Allgemeine[n] Literatur-Zeitung
359 (1790), 577–580, 577f. und wird auch in Niemeyers Nösselt-Biographie (vgl. Vorrede Hg. c XIf.) I, 243f. wiedergegeben.
sein Programm de diversitate studiorum, quibus Theologum decet ceteris ecclesiae doctoribus praestare
Dieses Programm (vgl. I § 3) ist laut Niemeyers Nösselt-Biographie (vgl. Vorrede Hg. c XIf.) I, 248 anläßlich der Promotion Johann Peter Millers (1725–1789) 1767 in Halle erschienen.
Plankschen Einleitung
Gemeint ist Gottlieb Jakob Plancks (1751–1833) zweiteilige
Einleitung in die Theologische Wissenschaften
(1794/1795).
durch das Zeichen [ ]
In dieser Ausgabe durch ‚{ }‘ ersetzt (s.
Editorische Hinweise und Siglen
).
Leben, Charakter und Verdienste J. A. Nösselt's
Dieses zweibändige Werk stammt von August Hermann Niemeyer selbst.
Vorrede
Vorreden des Verfassers bei
der ersten
und zweiten
Ausgabe
.
Eine der vornehmsten Ursachen, warum
Universitäten
Universitäten, die ganz eigentlich zur Bildung heranwachsender Gelehrten bestimmt sind, das nicht leisten
können
, was sie
sollten
, ist
die: –
die,
daß diese so selten richtige Begriffe von dem
Umfang
Umfange
, dem
Werth
Werthe
der Wissenschaften, und von der zweckmäßigsten Art, mitbringen, wie man sie studieren müßte; daß sie sich gemeiniglich so sehr durch ihren eignen Geschmack, durch die Mode, und durch die Vorurtheile
Andrer
andrer
Anderer
leiten
laßen
lassen
, gegen die sie eine gewisse Vorliebe haben; kurz, weil sie selten selbst
wissen
wissen,
was
was
,
und
wie
sie die
Wissenschaften
Wissenschaften,
treiben
sollen?
sollen.
Ueberzeugt, daß deswegen oft die besten Köpfe wo nicht verdorben werden, doch
die
Reife nicht erlangen, und
das
für die Welt nicht werden, was sie könnten, ja, was noch trauriger ist, selbst Andere gegen nützliche Wissenschaften einnehmen, und ihnen den Geschmack daran ver leiden; – gerührt durch so manche Bekenntnisse fleißiger und
hoffnungsvoller
hofnungsvoller
Studierenden, die es am Ende ihrer Laufbahn
bedaureten
bedauerten
, nun erst
einigermaßen
einigermassen
einzusehen, was sie hätten lernen sollen, und was sie wieder einzubringen entweder keine Gelegenheit mehr vor sich sähen, oder nur mit vielem mühsamen Fleiß hoffen könnten: – hielt ich es für meine Pflicht, seit mehrern Jahren, von Zeit zu
Zeit,
Zeit
denen, die sich mir anvertrauten, eine Anleitung zu geben,
was? worüber? warum?
was, worüber, warum,
und wie man studieren
sollte?
sollte,
um sich zu einem würdigen Lehrer der Religion zu bilden. Vergebens suchte ich ein Buch, das mir
dabey
dabei
zum Leitfaden
diente
dienen könnte
, und den wirklichen Bedürfnissen unsrer Zeit, den
großen
grossen
Fortschritten in den Wissenschaften, selbst in der Theologie, angemessen wäre. Ich mußte eigne kurze Sätze entwerfen, die ich zum Grunde legte; eben die immer erneuerten Zeitbedürfnisse machten eine mehrma lige Umänderung nothwendig; ich glaubte endlich, dieser Entwurf könnte auch
andern
Andern
nützlich werden, die mich nicht hörten; ich arbeitete
sie
ihn
also vor kurzem ganz von
neuem
neuen
aus. – So entstand das kleine Buch, das ich meinen Lesern vorlege.
Was in einem solchen
Buch
Buche
geleistet werden sollte, und was ich auch selbst zu leisten
suchte
– darüber habe ich mich
schon
näher
in der Einleitung erklärt. Wie weit ich diesen Absichten, wie weit ich besonders den Bedürfnissen unsrer Zeit in diesem Stück Genüge gethan habe, mögen die beurtheilen, welche diese Bedürfnisse eben so gut als die Wissenschaften selbst, und wie weit man darin bereits vorwärts oder noch zurück ist, kennen.
Ich habe hier meine Beobachtungen, Begriffe und Vorschläge über das
Studium
Studium der Theologie, die ich
bey
bei
vieljähriger Erfahrung und öfterer Prüfung bewährt fand, so weit zusammengedrängt, als sie sich mir wieder unter dem Schreiben
darstelleten
darstellten
, und wie ich sie für angehende Studierende, oder vielmehr überhaupt
bey
bei
wahrhaftig nützlicher Beschäftigung mit den dahin gehörigen Wissenschaften, zuträglich hielt. Denn, obgleich meine Absicht eigentlich auf diejenigen ging, die sich auf Universitäten diesen Wissenschaften
widmen:
widmen,
so wünsche ich doch zugleich auch Andern nützlich zu werden, denen, wenn sie gleich schon in Aemtern stehen, Manches neu oder in ein neues Licht
gestellet
gestellt
scheinen möchte, was ihnen hoffentlich auch noch jetzt erst willkommen seyn dürfte, zumal wenn sie es in
diesem
Buche, nach dem Titel, nicht erwartet hätten. Nur, eben deswegen, weil Vieles hier bloß
beyläufig
beiläufig
, oft kaum mit einem oder
zwey
zwei
Worten, gesagt ist, und weil ich fürchten muß, bisweilen, wegen der geflissentlichen Kürze, nicht gleich verstanden zu
werden,
werden:
eben deswegen wünsche ich mir zugleich aufmerksame und bedächtige Leser,
denen
welche
die Mühe nicht
dauret
dauert
, auch bisweilen
bey
bei
einzelnen Worten mit ihrem Nachdenken zu verweilen.
Ich bin weder der
einzige
Einzige
noch der
erste
Erste
, der die Bemerkung macht, daß die Achtung gegen
Gelehrsamkeit
Gelehrsamkeit sichtbar zu sinken anfange, oder vielmehr schon gesunken
sey
sei
; daß, je weiter sich die Aufklärung ausbreite, sie um so mehr an ihrer Stärke verliere; daß wenigstens der Fleiß, ich meine die
Genauigkeit,
Genauigkeit
mit der man lernt und über Wissenschaften arbeitet, mit dem
Vielerley
Vielerlei
, was man treibt, gar nicht gleichen Schritt halte. Die schnöde Verachtung alles dessen, was man Speculation
und Gelehrsamkeit
nennt, der Unfug, welcher seit einiger Zeit mit dem Namen des Gemeinnützigen getrieben wird, und die im mer mehr
einreissende
einreißende
Gewohnheit, sich durch vorgegebene Entfernung von
Pedanterey
Pedanterei
und Wegwerfung des unnützen gelehrten Krams gegen den Vorwurf zu schützen, daß man in den Studien versäumet
sey
sei
, und den Gelehrten zu spielen, ohne sich sehr anstrengen zu
wollen –
wollen;
versprechen doch wahrlich der Gelehrsamkeit keine glückliche Aussichten. Ich werde immer mehr überzeugt, daß die täglich zunehmende Menge von Schwärmern auf einer, und von seichten Schwätzern auf der andern Seite, eine Folge der immer mehr sinkenden wahren Gelehrsamkeit, und ohne diese
letztere
nie zu hoffen
sey
sei
, den Verwüstungen zu steuern, die
beyde,
beide
in der Religion, in den Wissenschaften, und selbst in den guten
Sitten,
Sitten
anrichten. Es gehört also zu den Bedürfnissen unsrer Zeit, die Gelehrsamkeit in Schutz zu nehmen, und den
großen
grossen
Einfluß derselben, nebst dem Werth
einzelner
einzler
Wissenschaften, immer einleuchtender zu machen; die herrschenden Vorurtheile wider sie zu
entwaffnen;
entwaffnen,
und
vornemlich
vornehmlich
junge Studierende zeitig zu deutlichen Begriffen von dem, worüber, und zu deutli chen Gründen, wonach sie urtheilen müssen, zu gewöhnen. Diese Absicht habe ich
durch
bei Abfassung
dieses
ganze Buch
ganzen Buchs
vor Augen gehabt
, und mich daher bemüht, theils Manches
hervor zu ziehen
hervorzuziehen
, was zu sehr
bey
bei
dem Studieren der Theologie übersehen wird, theils den wahren nur zu oft verkannten Werth mancher Studien und Uebungen, besonders durch deutliche
Beyspiele
Beispiele
, einleuchtender zu machen
.
Und damit mußte
freylich
freilich
das Buch
weitläufiger
weitläuftiger
werden, als ich anfänglich nach dem ersten Entwurf dachte, so sehr ich auch zusammenzudrängen und selbst der Worte zu schonen suchte. Aber dieser Fehler, wenn es einer ist, bleibt immer verzeihlicher, als wenn ich der beliebten Kürze die Deutlichkeit, die lichtvollere Darstellung der Gründe für die Sachen, und, woran mir so sehr lag, die Bestimmtheit der Begriffe und die Ablehnung alles Mißverstandes aufgeopfert hätte. Daß ich, wie man sieht,
ein Drittel
die Hälfte
des Buchs auf solche Wissenschaften verwendet habe, die nur auf die eigentliche Theologie vorbe reiten sollen,
dies
dieß
bedarf keiner Entschuldigung.
Denn,
Denn
wenn man von den
eigentlich
eigentlichen
sogenannten theologischen Wissenschaften das abzieht, was sich die Sprachkunde, die Philosophie, die Geschichte und die schönen Wissenschaften mit Recht zueignen können: wie groß ist dann der Vorrath, der der eigentlichen Theologie noch übrig bleibt?
Schwerer werde ich die überzeugen können, welche meinen, daß man einen künftigen Lehrer der Religion zu viel auflege, wenn er das alles wissen und lernen solle, was ich hier fordere. Das will ich auch gar nicht einmal versuchen, denn ihre und meine Begriffe über diese Sache sind zu weit aus einander, als daß wir
könnten
zusammenkommen
könnten
. So gar ernstlich meinen sie es nun
auch
wohl
bey
bei
die sem Mitleiden mit dem Volkslehrer nicht immer. Denn statt dessen, daß sie ihn mit der eigentlichsten Gelehrsamkeit verschont wissen wollen, soll er auch die Stelle des
Landarzt
Landarztes vertreten, den ganzen weiten Umfang der Wirthschaft verstehen, warum nicht auch die nothwendigsten
Handwerke?
Handwerke,
die ihn weit mehr als einen zu Allem brauchbaren Mann seinem Patron und seinen
Untergebnen
Untergebenen
empfehlen werden, als alle alte Sprachen, Philosophie, Geschichte und Ge lehrsamkeit
überhaupt.
überhaupt?
Ich dächte doch, es wäre nicht bloß das
Volk
, für das der Lehrer der Religion bestimmt
ist;
ist,
und
dennoch
doch
bedarf auch das Volk, jetzt zumal, da es immer
aufgeklärter
auf geklärter zu werden anfängt,
oder es wenigstens glaubt,
mehr als
der
eines
bloßen
blossen
Prediger
Prediger
Predigers
. Doch
darüber
darüber,
und über die nöthige Einschränkung meiner Forderungen hoffe ich das
Nöthigste
nöthigste
in dem
Buch
Buche
selbst, und
vornemlich
vornehmlich
in der Einleitung, gesagt zu haben. Möcht' es nur nicht auch hier gar zu wahr seyn,
daß
viele
Viele
berufen
, und nur
wenige
Wenige
auserwählt
sind!
Wie fern ich hier einige der besten Bücher habe
erwehnen
erwähnen
wollen, wird man in der dritten Anmerkung zum
43.
§. angezeigt, und
bey
bei
jeder Wissenschaft, wo ich mich auf die Empfehlung weniger Bücher einschränkte, diejenigen angeführt finden, die dergleichen literarische Kenntnisse geben.
Sollte man gerade einige der neuesten vermissen, die Empfehlung verdient hätten: so muß ich bemerken, daß ohngefehr die ersten zwölf Bogen dieses Buchs schon fast vor zwey Jahren ab gedruckt waren.
Daß ich
bey
bei
der Abtheilung der philosophischen Wissenschaften die
Wolff, Christian von
Wolfische
beybehielt
beibehielt
, ohne den neuesten Vorschlägen einiger
scharfsinnigen
scharfsinniger
Männer zu folgen,
geschahe
geschah
mit Bedacht. Von einigen dieser Vorschläge bin ich noch nicht überzeugt, daß sie besser
wären,
wären
als die
alten;
alten:
und
wäre
wär'
ichs auch, so mußte der Eintheilung gefolgt werden, nach welcher junge Studierende auf Universitäten und in Büchern die Philosophie wirklich vorgetragen finden können, und nicht solchen, nach welchen diese Wissenschaften noch nicht, so wenig stens, wie es der Anfänger braucht, ausgeführt sind, auch wohl so leicht noch nicht ausgeführt werden möchten.
Den zweyten Theil dieses Buchs, der die eigentlichen theologischen Wissenschaften, nebst der übrigen Anweisung zur Bildung angehender Theologen, enthalten, und ohngefehr eben so stark als der erste werden soll, hoffe ich mit göttlicher Hülfe in einem halben Jahre zu liefern.
Noch
kan
kann
ich mich – indem ich diese Vorrede
schließe
schliesse
– kaum des Kummers erwehren,
was
wie wenig
eine solche Anweisung fruchten werde,
wenn
wenn,
bey
bei
der Erschlaffung unsers
Zeitalters,
Zeitalters
vielleicht die
meisten
Meisten
, die sich
äusserlich
äußerlich
den Studien widmen, keinen Sinn, oder keine Lust, oder keine Aufmunterung haben,
dies
dieß
Gesagte für ausführbar zu halten; wenn
unsre
unsere
meisten
gelehrten
Schulen, um den
bloßen
blossen
Volksschulen Platz zu machen, immer mehr das zu seyn aufhören, was sie seyn
sollten,
sollten:
Pflanzschulen, wo fester Grund zu den Wissenschaften gelegt, und allgemeine Lust zur wahren Gelehrsamkeit erweckt würde; wenn die Zeit, wo man die akademische Laufbahn durchläuft, immer mehr verengt, und der Um fang der
einzelnen
einzeln
Wissenschaften ins Kurze gezogen wird; wenn die, welche die Wissenschaften durch Vorstellungen,
Beyspiele
Beispiele
und Ermunterungen befördern sollten, und es wegen ihres
Ansehens
Ansehns
vielleicht am meisten könnten, durch größtentheils
übertriebne
übertriebene
Vorstellungen von
großer
grosser
Aufklärung
Aufklärung
unser
unsrer
Zeit, von der
bloßen
blossen
Nothwendigkeit des Gemeinnützigen, und von Entbehrlichkeit der gelehrten Kenntnisse, selbst den
aufschießenden
aufschiessenden
Keim fähiger Köpfe verderben, und ihren Fleiß auf Nebendinge lenken.
Was bleibt
da
da
übrig, als an
seinem
seinem
Theil Gutes zu thun, und nicht müde zu werden, und auf
den
den
zu trauen, der doch auch das feine gute Erdreich zur Aussaat bereitet, und die
Aerndte
Aernte
gewiß nicht wird ausbleiben
laßen
lassen
? Geschrieben Halle, den 30sten des Märzes 1786.
daß viele berufen, und nur wenige auserwählt sind
Vgl. Mt 22,14.
Wolfische beybehielt, ohne den neuesten Vorschlägen einiger scharfsinnigen Männer zu folgen
Der später geadelte Universalgelehrte Christian Wolff (1679–1754) darf als bedeutendster deutscher Philosoph zwischen Leibniz und Kant gelten und hat in großem Stile schulbildend gewirkt (Wolffianismus). Nach dem Studium in Jena und der Habilitation im Jahre 1702 wirkte Wolff zunächst in Leipzig, ehe er 1706 als Professor für Philosophie und Mathematik nach Halle berufen wurde. 1723 der Stadt verwiesen, wechselte Wolff nach Marburg, wurde jedoch 1740 von Friedrich II. (1712–1786) nach Halle zurückberufen. Als rationalistischer Philosoph vertrat Wolff das Zusammenwirken von Vernunft und Offenbarung und war zudem einer der bedeutendsten Vertreter des Naturrechts (vgl. I § 207 c). Sein Werk zeichnet sich durch eine streng systematisierende und mathematische Lehrart aus. Mit den „neuesten Vorschlägen“ ist die philosophische Wende in Gestalt Immanuel Kants gemeint (vgl. Vorrede b XIVf.).
Was bleibt da übrig […] Aerndte gewiß nicht wird ausbleiben laßen?
Vgl. Gal 6,6–10 (vgl. III § 15).
Vorrede zur zweyten Ausgabe.
In
dieser neuen
der zweiten
Auflage habe ich überall zu
verbessern
gesucht, wo mir eine Verbesserung nöthig schien, wär' es auch nur im Ausdruck gewesen, der dem Schriftsteller erst dann dunkel oder als eine Gelegenheit zum Mißverstande vorkommt, wenn er nach geraumer Zeit sein Werk von neuem übersieht.
Zusätze
schien
vornemlich
vornehmlich
der erste Theil
am meisten
hier und da
zu erfordern. Einige Wissenschaften haben seit der kurzen Zeit, wo die erste Ausgabe vom Jahr
1786–89.
1786–1789
erschien, wirklich gewonnen, besonders durch einige Handbücher, welche ich mit Vergnügen zuerst erwähnt, oder an
andrer
Anderer
Stelle gesetzt habe, die ich ehedem in
Ermanglung
Ermangelung
besserer aufführen mußte. – Im philologischen Fache hat sich der Streit über den Werth der
Lectüre
Lektüre
alter griechischer und römischer Schriftsteller, und des Sprachstudiums überhaupt, erneuert; einige unsrer
berühmtesten Pädagogiker
philanthropischen Pädagogen
haben
alles
Alles
aufgeboten, was, wär's möglich, selbst die überzeugtesten Verehrer dieses Studiums hätte in Verlegenheit setzen können,
und,
und
wie ich weiß, viele, die an der Schwelle standen, zweifelhaft gemacht hat.
Bey
Bei
aller Achtung, die ich gegen jene um die
Pädagogik
Pädagogik sehr
verdiente
verdienten
Männer hege, glaubte ich daher, so viel ichs vermochte, Wankende stärken, den zum Grunde liegenden Mißverstand durch einige Erinnerungen heben, und übersehene wichtige
Gesichtspuncte
Gesichtspunkte
etwas mehr ins Licht stellen zu müssen. – Was die
Kant, Immanuel
Kantische
Philosophie für große Erschütterungen hervorgebracht hat, ist allgemein bekannt.
Ueber einzelne Grundsätze derselben oder deren
Anwendnung
Anwendung
auch mit zu re den, wäre für mich, der ich von ihren Vertheidigern und Gegnern lieber lernen als mitsprechen mag, wenigstens noch zu voreilig und unbescheiden, gewiß aber ganz von dem Zweck dieses Buchs
ferne
fern
gewesen. Aber einige Rücksicht darauf zu nehmen, und Einiges daraus zu benutzen, was wenigstens bessere Scheidung der Theile der Philosophie und bessere Lehrart in derselben
betrift
betrifft
, schien mir nicht bloßes Bedürfniß unsrer Zeit zu seyn. Man hat wirklich schon Versuche auf
Akademien
Akademieen
gemacht, fremdartige Theile in der
Philosophie
Philosophie mehr von einander zu scheiden, und die Lehrart der Vollkommenheit näher zu
bringen; ich
bringen. Ich
wünsche und hoffe auch, man werde, wenn die erste Gährung vorüber ist, in dem Vortrage der Philosophie noch mehrere Rücksicht auf die Verschiedenheit der Köpfe, die auf
Akademien
Akademieen
sollen gebildet werden, auf die Verschiedenheit ihrer Bedürfnisse, und auf das mehr und minder Nöthige für
andre
andere
Wissenschaften neh men, als bisher geschehen, oder vielleicht gar möglich gewesen ist. – Da ich diesem Buche nicht wohl ein brauchbares Register
beyfügen
beifügen
konnte, wie ich überhaupt wünsche, daß man es mehr bedächtig studieren möge, als bloß etwas darin nachschlagen
wollen
wolle
: so habe ich mich begnügt, ein vollständigeres Verzeichniß des
Innhalts
Inhalts
zu geben, um die bessere Uebersicht des Ganzen und seiner Theile zu befördern. Halle, den 27sten des
Herbstmonats im Jahr 1791.
Kantische Philosophie für große Erschütterungen hervorgebracht hat
Der Königsberger Philosoph Immanuel Kant (1724–1804) ist einer der einflussreichsten Denker der abendländischen Tradition und die maßgebliche Gestalt der deutschen philosophischen Aufklärung. Die angesprochenen Erschütterungen, die die Kantische Philosophie zwischen der ersten und zweiten Auflage der
Anweisung
hervorgebracht hat, hängen mit dem Erscheinen der drei
Kritiken
zusammen: der gegenüber der Erstauflage (1781) in Teilen stark überarbeitete Zweitauflage der
Kritik der reinen Vernunft
(1787), die
Kritik der praktischen Vernunft
(1788) und die
Kritik der Urteilskraft
(1790). Zu Nösselts Sicht auf Kant bemerkt Wilhelm Dilthey, dass Nösselt Kant zwar respektiert, jedoch keine Sympathie für ihn gehegt habe (vgl. Leben Schleiermachers I, in 3. Aufl. hrsg. v. M. Radecker, Teilbd. 2, Berlin 1970 [= Ges. Schr. XIII/2], 108).
Ueber einzelne Grundsätze derselben […] gewiß aber ganz von dem Zweck dieses Buchs ferne gewesen
Vgl. I § 186.
Herbstmonats
D.i. September.
Innhalt des ganzen Buchs.
Einleitung.
I. Würdiger Begriff von einem Theologen.
1. Großer Werth der Religion §.
1.
2. Unterschied einer gemeinen und einer philosophischen Kenntniß derselben §.
2.
3. Was Gelehrsamkeit, und wie sie von andern Künsten und Beschäftigungen verschieden sey? §.
3.
4. Nutzen, Nothwendigkeit und Unschuld der Gelehrsamkeit, in Rücksicht auf Religion §.
4
–
14.
5. Nothwendigkeit eines besondern gelehrten Standes zur bestmöglichsten Beförderung der Religion §.
15
bis
19.
II. Wie viel dazu gehöre den Zweck eines solchen Standes zu erfüllen §.
20.
f.
1. Großer Umfang der dazu erforderlichen Kenntnisse §.
21
–
27.
2. Rechtes Verhalten dagegen §.
28.
a. Ausschweifung in dem, was hiebey zu viel §.
29.
b. oder zu wenig ist; mit einigen Anmerkungen über den Wahn, daß man nur nach gemeinnützigen Kenntnissen zu trachten brauche, und Untersuchung des so schwankenden Begriffs von dem, was man
Gemeinnützig
nennt. §.
30
–
40.
c. Richtige Mittelstraße §.
4.
III. Hieraus fließende Nothwendigkeit einer allgemeinern Anleitung zum Studium der Theologie §.
42
–
50.
IV. Bücher, die dergleichen enthalten §.
51.
V. Entwurf der folgenden Abhandlung §.
52.
Erster Theil.
Von den Vorbereitungs- und Hülfswissenschaften der Theologie.
Einleitung. Wissenschaften und allgemeinere Bücher, die dahin gehören §.
53.
54.
Erster Abschnitt: Philologie.
I. Was Philologie sey §.
55.
II. Unumgängliche Nothwendigkeit des Studiums der Sprachen §.
56
f.
1. Vorurtheile dagegen, und deren Prüfung §.
56
bis
58.
2. Großer Einfluß der Sprachenkenntniß
59
, auf einen jeden selbst in Absicht auf Verstand
60
–
64
, und Herz
65
, auf die Mittheilung unsrer Gedanken an Andere
66
, und auf das, was wir durch sie von Andern lernen
67.
III. Worauf es bey dem Sprachenstudium ankomme §.
68.
1. Nothwendigkeit und beste Art, sich Sprachregeln bekannt zu machen
69.
70.
2. Gute Schriften in einer Sprache zu lesen.
a. Vortheile dieser Lectüre
71.
b. Wie sie anzustellen sey zur Erlangung der Sprachkenntniß, überhaupt?
72.
c. Nothwendigkeit der
Kritik
. Ihre verschiedene Arten. Wie weit sie anfänglich auszusetzen sey
73
–
75.
d. Rücksicht bey dem Lesen,
α
. um die gebrauchte Sprache verstehen zu lernen
76
–
81.
β
. zur Bildung des Verstandes, des Geschmacks und des Herzens
82
–
85.
Nutzen des cursorischen Lesens
86.
2.
Uebungen im Uebersetzen
87
, Schreiben und Sprechen
88.
Regeln bey diesen Uebungen
89.
4. Nachfolgende Beschäftigung mit Kritik und dazu dienliche Bücher
90.
5. Welche Sprachen ein künftiger Theologe zu treiben habe und wie?
91.
a. Die Muttersprache, namentlich die Deutsche
92
–
103.
b. Die nützlichsten unter den neuern Sprachen
104.
c. Die sogenannten alten
105.
f.
α
. was man unter
Humanität
oder humaniora verstehe
105.
β
. Großer Werth der lateinischen und griechischen Sprache.
א
. Angebliche Gründe für
die die
Entbehrlichkeit ihres Studiums
106
–
110.
ב
. Empfehlung beyder Sprachen überhaupt
111.
112.
und in Absicht auf Theologie insbesondere, sowohl zur Einsicht des Verstandes der
h.
Schrift
113
–
120
, als zum Behuf der übrigen Theile der Theologie
121.
122.
γ
.
Ueber die beste Art, diese Sprachen zu erlernen
123
f.
א
. Vorzügliche Nothwendigkeit des Studiums der lateinischen Sprache
124
–
128.
ב
. Vornehmste Hülfsmittel bey ihr und der griechischen Sprache
129
–
134.
ג
. Vorschläge bey Lesung der alten griechischen und römischen Schriftsteller
135
–
147.
δ
. Uebungen im guten Ausdruck in der lateinischen Sprache
148.
149.
d. Studium der morgenländischen Sprachen, und Hülfsmittel dabey
150
–
165.
Zweyter Abschnitt: Philosophie.
I. Begriff von Philosophie
166
–
170.
II. Ihre Nothwendigkeit.
171.
III. Abtheilung derselben.
172.
1. Nach den verschiednen Quellen, woraus sie geschöpft werden kan. Unterschied der Erkenntniß a priori und posteriori oder der Rational- und Empirischen, so wie, bey erstrer, der reinen (Metaphysik im weitern Verstande) und vermischten Kenntniß §.
173
–
176.
2. Nach den verschiedenen Gegenständen, womit sich die Philosophie beschäftigt
177.
a. Mit der Form des Verstandes,
Logik
,
178
bis
181.
b. Mit der Materie desselben.
Metaphysik im engern Verstande
182.
Eintheilung derselben
183.
α
. in
theoretische
Philosophie.
Metaphysik im engsten Verstande
, oder
Met.
der Natur
und deren Theile
184.
185.
א
.
Ontologie
185.
186.
ב
. Uebrigen Theile
187.
188.
Kosmologie
189.
Wissenschaftliche und Empirische
Psychologie
190
–
196.
Naturlehre von Gott
, transcendentale und natürliche Theologie
197
–
201.
β
. in
praktische
Philosophie.
202.
203
, die
א
. entweder bloß auf reine Vernunft gebaut ist, und
alle
vernünftige Wesen angeht,
Metaphysik der Sitten
204.
ב
. oder auf Erfahrung und Kenntniß des
Menschen
,
Praktische Philosophie im engern Verstande
,
praktische Anthropologie
205.
und
a) sowohl das
Naturrecht
206.
207
, als
b) die eigentliche
philosophische Moral
begreift
208.
IV. Philosophie der sogenannten gesunden Vernunft
209
, und des Lebens
210.
V. Vorübungen in der Philosophie
211.
und Haupterfordernisse bey dem Studium derselben
212.
VI. Kenntniß philosophischer Schriften
213.
VII. Geschichte der Philosophie
214.
Dritter Abschnitt: Geschichte.
I. Begriff davon
216.
217.
II. Ihr großer Nutzen
218
–
221.
III. Die dazu nöthigen Eigenschaften, besonders das Pragmatische derselben
222
–
225.
IV. Abtheilung der Geschichte
226.
227.
V. Nothwendigkeit ihres Studiums für den künftigen Theologen, und beste Art sie zu studieren, Geographie, Universalgeschichte, Special- und besonders vaterländische Geschichte, Staatskunde; Handbücher zu allem diesen
228
–
244.
VI. Literargeschichte, ihre verschiedne Theile, Vortheile von dem Studium derselben, beste Art sie zu studieren, Hülfsmittel dabey.
245
–
261
Vierter Abschnitt: Schöne Wissenschaften.
I. Begriff und Zweck derselben
262.
263.
II. Unterschied der Dicht- und Redekunst
264.
265.
III. Nutzen des Studiums der schönen
Wiss.
überhaupt
266
–
271.
und für den Gelehrten und Lehrer der Religion besonders
272
–
274.
IV. Wie weit es zu empfehlen sey
275
–
277.
und
V. wie die schönen
Wiss.
sollten getrieben werden
278
–
285.
Zweyter Theil,
(im zweyten Bande.)
Von den eigentlich theologischen Wissenschaften.
Einleitung.
Begriff von
Theologie
. Was für
Wiss.
dazu gehören §.
1
–
4.
Erster Abschnitt: Exegetische Theologie.
I. Nothwendigkeit, die Bibel, und zwar mit eignem Fleisse, zu studieren. Besondere Apologie ihrer historischen Theile §.
5
–
19.
II. Schwierigkeiten bey diesem Studium, und vielfältige Kenntnisse, die dazu gehören
20
–
23.
1. Biblische
Kritik
, ihre Nothwendigkeit, große Schwierigkeiten, und Hülfsmittel
23
–
35.
2. Biblische
Exegetik
36.
Nothwendigkeit
a. der Sprachkenntnisse dabey
37.
b. der Kenntniß historischer Umstände
38
–
52.
Gelegentliche Wegräumung des Mißbrauchs der Göttlichkeit biblischer Bücher
42
bis
46
, historische Einleitungen in das alte und neue Testament
51
, und sogenannte Kirchengeschichte des alten
Test.
52.
3. Biblische
Hermenevtik
und Nothwendigkeit der Auslegungsregeln
53
–
56.
4. Uebungen in Erklärung der
h.
Schrift.
57
–
60.
a. Rechte Wahl und Benutzung cursorischer und exegetischer Vorlesungen, guter Scholien und Commentare
61
–
64.
b. Eigene Uebungen
65
α
. um den Verstand der
h.
Schrift zu finden
66
–
73.
β
. um sie zur Erbauung anzuwenden
74
bis
77.
Zweyter Abschnitt: Historische Theologie.
I. Begriff von derselben überhaupt
78.
II. Insbesondre,
1. von der Geschichte der
Religion
, und von ihrem Nutzen
79
–
81.
2. von der Geschichte der
christlichen Kirche
.
a. Begriff davon
82.
83.
b. Darstellung ihres ausgebreiteten Nutzens
84.
α
. in Rücksicht auf alle Theile der Theologie
85
–
94.
und
β
. auf den Einfluß in die Bildung des Charakters eines Lehrers der Religion
95
–
98.
c. Wie sie zu studieren sey?
α
. Nothwendigkeit ausführlicher Vorlesungen darüber
99.
β
. Schwierigkeiten bey diesem Studium, und Vorschläge sie zu vermindern
100
–
102.
γ
. Regeln für den, der sie vor sich studieren wollte
103
–
109
δ
. Studium der einzelnen Theile dieser Geschichte
110.
א
. der Geschichte der Schicksale des Christenthums und der christlichen Kirche
111.
ב
. der Geschichte der christlichen Lehre
112
bis
115.
ג
. der sogenannten Patristik
116
–
120.
ד
. der theologischen Wissenschaften
121.
ה
. der Religionsparteyen
122
–
124.
ו
. der
christl.
Kirchenverfassung, oder der sogenannten
christl.
Alterthümer.
125
–
131.
Dritter Abschnitt: Systematische Theologie.
I. Entwicklung ihres Ursprungs und Begriffs
132
bis
137.
II. Ihre großen Vortheile
138
–
141.
III. Vorwürfe über die daraus entstandnen Uebel
142.
1. Allgemeinere Beurtheilung derselben.
143.
144.
2. Regeln, wie man diesen abhelfen, und ihnen vorbauen kan durch einen Versuch, dasjenige aus einander zu setzen, was erfordert wird,
a. um aus der
heil.
Schrift die Hauptbegriffe und Hauptsätze der
christl.
Lehre mit Vorsichtigkeit aufzufinden
145
–
155.
b. um darauf einen zusammenhängenden Lehrbegriff zu bauen
156.
α
. durch Verbindung dieser Begriffe und Sätze mit einander
157.
und
β
. durch Bestimmung, Aufklärung und Befestigung des einen durch den andern, nach den verschiedenen Absichten, Kräften und Bedürfnissen eines Jeden.
158
–
161
, welche letztre auch durch die Zeitumstände müssen bestimmt werden. Weise Benutzung des Neuen
162
–
164.
3. Nothwendige Verbindung dessen, was uns hierin vorgearbeitet ist
165.
166
mit eignen Untersuchungen
167.
168
, besonders in Rücksicht auf das
Praktische
, Bestimmung dieses oft mißverstandnen Begriffs
169.
4. Richtige Beurtheilung der sogenannten
Schulsprache
in der Theologie
170
–
173.
IV. Eintheilung der systematischen Theologie,
1. nach der Verschiedenheit des Vortrags.
a. Unterschied der
gelehrten
und
populären
oder sogenannten
katechetischen
Theologie
174.
Ihr beyderseitiger Nutzen
175
–
177.
Besondere Vertheidigung der gelehrten Theologie
178.
179.
b. Unterschied der
gelehrten
oder
scholastischen
und der sogenannten
biblischen
Theologie
180
–
185.
2. nach den
verschied.
Arten der Lehren,
186.
187.
a.
Dogmatische
oder
thetische
Theologie, ihr Umfang, Nutzen, und rechtes Studium
188
–
190
b.
Polemische
oder Elenchtische, nach eben diesen Rücksichten
191
–
198.
c.
Christliche Moral
, auf eben diese Art
199
bis
204
, und bey dieser von der
Casuistik
205
,
Ascetik
206
und
Mystik
207.
V. Von der vor dem Studium der systematischen Theologie nöthigen Ueberzeugung von dem göttlichen Ansehn der
h.
Schrift, und der darin enthaltenen Lehre und Geschichte
208.
209.
Vierter Abschnitt: Symbolische Theologie.
Ihr Begriff
210.
211.
Innhalt
u.
Zweck
212.
Erfordernisse
u.
Hülfsmittel dazu
213.
214.
Nothwendigkeit
215.
Dritter Theil,
(im dritten Bande.)
Von der Anweisung zur rechten Führung des Amtes eines Lehrers der Religion.
Einleitung.
Nothwendigkeit der rechten Anwendung der Religionskenntnisse eines Lehrers zu Anderer Besten §.
1
–
5.
Dahin gehörige Wissenschaften überhaupt
6
–
12.
Erster Abschnitt: Homiletik
und
Katechetik
.
I. Vorstellung der so wenig erkannten Wichtigkeit und der Schwierigkeiten des erbaulichen (homiletischen und katechetischen) Vortrags
13
–
20
, so fern sie
1. in der Natur eines solchen Vortrags und den daraus entstehenden Erfordernissen auf Seiten des Lehrers selbst liegen
21
–
25.
2. in dem Mangel derselben bey dem Lehrer, oder in der Beschaffenheit der Zuhörer
26
–
28.
3. in unsrer ganzen Erziehungsart und Verfassung
29.
30.
II. Wie der
erbauliche
Vortrag müsse beschaffen seyn,
1. überhaupt
31.
2. Was dazu gehöre, wenn der Vortrag wirklich
a.
belehren
32
–
34.
b.
überzeugen
35.
oder die Lehren gegründet 36, interessant
37
–
40
, und ausführbar darstellen soll
41.
c. wenn er
rühren
42.
43.
d. i.
sowohl
bessern
44
–
47.
als
beruhigen
soll
48
–
53.
mit Vorschlägen, alles dieses zu bewirken.
d. Wie man die gemachten guten Eindrücke könne dauerhaft machen
54
–
56.
III. Hülfsmittel zu einem solchen Vortrag.
1. Wie fern der Unterricht in der Homiletik und Katechetik nöthig sey
57.
2. und der Gebrauch guter Muster. Regeln bey diesem Gebrauch
58.
59.
3. Was bey der eigenen Uebung darin zu thun sey
60
–
67.
Zweyter Abschnitt: Pastoraltheologie
u.
Kirchenrecht.
I.
Pastoraltheologie.
1. Nothwendigkeit der Seelsorge, und des selbst daher nothwendigen gewissenhaften und klugen Betragens eines Lehrers.
68
–
73.
2. Wie man die dazu nöthigen Kenntnisse erlange. Gebrauch der Kirchenordnungen; eigene Erfahrung; Belehrung von andern erfahrnen und verständigen Geistlichen. Was diese letztre müßten für Eigenschaften besitzen. Hieher gehörige Schriften
74
–
79.
II. Kirchenrecht.
1. Begriff davon
80.
81
2. Verschiedene Arten desselben
82.
83.
3. Wie fern das Studium desselben einem Lehrer der Religion nöthig sey
84
–
87.
4. Quellen und Hülfsmittel desselben
88
–
90.
Vierter Theil.
Von den Fähigkeiten eines künftigen Lehrers der Religion, und allgemeinen Anstalten und Uebungen, um sich dazu zu bilden.
Einleitung.
Nothwendigkeit dieser Untersuchung
91
–
93.
Erster Abschnitt: Fähigkeiten eines künftigen Lehrers der Religion.
I. Begriff und Arten derselben überhaupt
94.
95.
II. insbesondere
1. Natürliche Fähigkeiten.
a. Kräfte der Seele, ihr Einfluß, nebst einer Anweisung, wie man sich prüfen könne, ob und in wie fern man eine jede derselben besitze
96
bis
105.
Verschiedenes Maaß derselben, welches nach Verschiedenheit der Bestimmung eines Lehrers erfordert wird,
106.
107.
b. des Körpers
108.
c. Gabe, sich wohl auszudrucken
109
2. Nothwendige Gemüthsfassung und Eigenschaften des Charakters, deren Nothwendigkeit und Kennzeichen
110
–
116.
Zweyter Abschnitt: Allgemeinere Anstalten und Uebungen zur Bildung eines Lehrers der Religion.
I. Universitäten
1. und deren Zweck
117.
118.
2. Ihre großen Vortheile, deren Abgang weder der gute Kopf, noch der gelehrte Umgang, noch Schulen noch Lectüre, hinlänglich ersetzen können
119
bis
127.
3. Ihre rechte Benutzung.
a. Nöthige Vorerkenntnisse, die man dahin mitbringen sollte
128.
b. Kluge Wahl der Vorlesungen
129
–
131.
c. und der Lehrer.
α
) Eigenschaften, worauf man bey ihnen zu sehen hat
132
–
37.
β
) Verhütung der blinden Anhänglichkeit und des zu wenigen Vertrauens gegen sie,
138.
139.
γ
) Benutzung ihres öffentlichen Unterrichts. Regeln zur nützlichen Anhörung ihrer Vorlesungen
140
–
149.
δ
) Benutzung ihres Umgangs
150.
151.
II. Privatfleiß
152.
und dazu nöthige Vertheilung der Zeit
153.
1. Eignes Nachdenken, Nachforschen und Ausarbeitungen
154
2. Gelehrte Uebungen in Gesellschaft unsers gleichen
155.
3. Lesen gelehrter Schriften. Regeln dabey und zum nützlichen Excerpiren
156
–
158.
Inhalt des ersten Theils.
Einleitung.
I. Würdiger Begriff von einem Theologen.
1. Großer Werth der Religion
1.
2. Unterschied einer gemeinen und einer philosophischen Kenntniß derselben
2.
3. Was Gelehrsamkeit, und wie sie von andern Künsten und Beschäftigungen verschieden sei?
3.
4. Nutzen, Nothwendigkeit und Unschuld der Gelehrsamkeit, in Rücksicht auf Religion
4
–
14.
5. Nothwendigkeit eines besondern gelehrten Standes zur bestmöglichsten Beförderung der Religion
15
–
19.
II. Wie viel dazu gehöre, den Zweck eines solchen Standes zu erfüllen
20
f.
1. Großer Umfang der dazu erforderlichen Kenntnisse
21
–
27.
2. Rechtes Verhalten dagegen
28.
a. Ausschweifung in dem, was hiebei zu viel
29.
b. oder zu wenig ist; mit einigen Anmerkungen über den Wahn, daß man nur nach gemeinnützigen Kenntnissen zu trachten brauche, und Untersuchung des so schwankenden Begriffs von dem, was man
Gemeinnützig
nennt
30
–
40.
c. Richtige Mittelstraße
41.
III. Hieraus fließende Nothwendigkeit einer allgemeinern Anleitung zum Studium der Theologie
42
–
50.
IV. Bücher, die dergleichen enthalten
51.
V. Entwurf der folgenden Abhandlung
52.
Erster Theil.
Von den Vorbereitungs- und Hülfwissenschaften der Theologie.
Einleitung. Wissenschaften und allgemeinere Bücher, die dahin gehören
53.
54.
Erster Abschnitt. Philologie.
I. Was Philologie sei
55.
II. Unumgängliche Nothwendigkeit des Studiums der Sprachen
56
f.
1. Vorurtheile dagegen, und deren Prüfung §.
56
–
58.
2. Großer Einfluß der Sprachenkenntniß
59
, auf einen jeden, selbst in Absicht auf Verstand
60
–
64
, und Herz
65
, auf die Mittheilung unserer Gedanken an Andere
66
, und auf das, was wir durch sie von Andern lernen
67.
III. Worauf es bei dem Sprachenstudium ankomme
68.
1. Nothwendigkeit und beste Art, sich Sprachregeln bekannt zu machen
69.
70.
2. Gute Schriften in einer Sprache zu lesen.
a. Vortheile dieser Lectüre
71.
b. Wie sie anzustellen sei zur Erlangung der Sprachkenntniß, überhaupt?
72.
c. Nothwendigkeit der
Kritik
. Ihre verschiedene Arten. Wie weit sie anfänglich auszusetzen sei
73
–
75.
d. Rücksicht bei dem Lesen,
α
. um die gebrauchte Sprache verstehen zu lernen
76
–
81.
β
. zur Bildung des Verstandes, des Geschmacks und des Herzens
82
–
85.
Nutzen des cursorischen Lesens
86.
3. Uebungen im Uebersetzen
87
, Schreiben und Sprechen
88.
Regeln bei diesen Uebungen
89.
4. Nachfolgende Beschäftigung mit Kritik und dazu dienliche Bücher
90.
5. Welche Sprachen ein künftiger Theologe zu treiben habe und wie?
91.
a. Die Muttersprache, namentlich die deutsche
92
–
103.
b. Die nützlichsten unter den neuern Sprachen
104.
c. Die sogenannten alten
105
f.
α
. was man unter
Humanität
oder
Humaniora
verstehe
105.
β
. Großer Werth der lateinischen und griechischen Sprache.
א
. Angebliche Gründe für die Entbehrlichkeit ihres Studiums
106
–
110.
ב
. Empfehlung beider Sprachen überhaupt
111.
112.
und in Absicht auf Theologie insbesondere, sowohl zur Einsicht des Verstandes der
h.
Schrift
113
–
120
, als zum Behuf der übrigen Theile der Theologie
121.
122.
γ
. Ueber die beste Art, diese Sprachen zu erlernen
123
f.
א
. Vorzügliche Nothwendigkeit des Studiums der lateinischen Sprache
124
–
128.
ב
. Vornehmste Hülfsmittel bei ihr und der griechischen Sprache
129
–
134.
ג
. Vorschläge bei Lesung der alten griechischen und römischen Schriftsteller
135
–
147.
δ
. Uebungen im guten Ausdruck in der lateinischen Sprache
148.
149.
d. Studium der morgenländischen Sprachen, und Hülfsmittel dabei
150
–
165.
Zweiter Abschnitt. Philosophie.
I. Begriff von Philosophie
166
–
170.
II. Ihre Nothwendigkeit
171.
III. Abtheilung derselben
172.
1. Nach den verschiedenen Quellen, woraus sie geschöpft werden kann. Unterschied der Erkenntniß a priori und posteriori oder der rationalen und empirischen, so wie, bei ersterer, der reinen (Metaphysik im weitern Verstande) und vermischten Kenntniß
173
–
176.
2. Nach den verschiedenen Gegenständen, womit sich die Philosophie beschäftigt
177.
a. Mit der Form des Verstandes,
Logik
,
178
–
181.
b. Mit der Materie desselben.
Metaphysik im engern Verstande
182. Eintheilung derselben
183.
α
. in
theoretische
Philosophie.
Metaphysik im engsten Verstande
, oder
Metaphysik
der
Natur
und deren Theile
184.
185.
א
.
Ontologie
185.
186.
ב
. Uebrige Theile
187.
188.
Kosmologie
189.
Wissenschaftliche und empirische
Psychologie
190
–
196.
Naturlehre von Gott
, transcendentale und natürliche Theologie
197
–
201.
β
. in
praktische
Philosophie
202.
203
, die
א
. entweder bloß auf reine Vernunft gebaut ist, und alle vernünftige Wesen angeht,
Metaphysik der Sitten
204.
ב
. oder auf Erfahrung und Kenntniß des
Menschen, praktische Philosophie im engern Verstande, praktische Anthropologie
205.
und
a) sowohl das
Naturrecht
206.
207
, als
b) die eigentliche
philosophische Moral
begreift
208.
IV. Philosophie der sogenannten gesunden Vernunft
209
, und des Lebens
210.
V. Vorübungen in der Philosophie
211.
und Haupterfordernisse bei dem Studium derselben
212.
VI. Kenntniß philosophischer Schriften
213.
VII. Geschichte der Philosophie
214.
215.
Dritter Abschnitt. Geschichte.
I. Begriff davon
216.
217.
II. Ihr großer Nutzen
218
–
221.
III. Die dazu nöthigen Eigenschaften, besonders das Pragmatische derselben
222
–
225.
IV. Abtheilung der Geschichte
226.
227.
V. Nothwendigkeit ihres Studiums für den künftigen Theologen, und beste Art sie zu studieren: Geographie, Universalgeschichte, Special- und besonders vaterländische Geschichte, Staatskunde; Handbücher zu allem diesen
228
–
244.
VI. Literargeschichte, ihre verschiedene Theile; Vortheile von dem Studium derselben; beste Art sie zu studieren; Hülfsmittel dabei
245
–
261.
Vierter Abschnitt. Schöne Wissenschaften.
I. Begriff und Zweck derselben
262.
263.
II. Unterschied der Dicht- und Redekunst
264.
265.
III. Nutzen des Studiums der schönen Wissenschaften überhaupt
266
–271. und für den gelehrten und Lehrer der Religion besonders
272
–
274.
IV. Wie weit es zu empfehlen sei
275
–
277.
und
V. wie die schönen Wissenschaften sollten getrieben werden
278
–
285.
266–271
In der dritten Auflage der
Anweisung
fehlt I § 271 (vgl. c I § 272) (s.
Editorische Hinweise und Siglen
).
Druckfehler.
Band 1. §.
177.
Z.
1. ließ
173. statt 273.
S.
219
f.
ist einigemal
empirisch
statt empyrisch
zu lesen.
Band 2.
S.
181
und
313
Abschnitt
statt Theil
.
empirisch statt empyrisch
Mit dieser Korrektur wird klargestellt, dass dieser Begriff auf das griechische
εμπειρία
(
Erfahrung
) und nicht etwa auf
ἔμπυρος
(
brennend
) zurückgeht (vgl. I § 190 c).
Erheblichere Druckfehler.
Seite
3.
Z.
21 lies
der
statt er
.
S.
6.
Z.
13
für die
st.
für der
.
S.
10.
Z.
3 setze nach
Müßiggang
, oder nicht genugsame Beschäftigung
.
S.
39.
Z.
14
demnach
für dennoch
.
S.
53.
Z.
17.
fruchtbare
st.
sichtbare
.
S.
54.
Z.
6 von unten:
Urtheilen. Denn
etc.
S.
126.
Z.
8 von unten:
Jonicum
.
S.
223.
Z.
3 von unten:
historische
Kunst
.
S.
227.
Z.
1 von unten:
Geschichtsforscher
.
Anweisung zur Bildung angehender Theologen. Erster Theil.
Einleitung.
1.
Wenn die
Bestimmung
Bestimmung des Menschen und das höchste Ziel seiner Wünsche, wahre und dauerhafte Glückseligkeit, nicht auf dieses Erdenleben eingeschränkt ist;
–
wenn er, als ein vernünftiges Wesen, dieses Ziel anders nicht erreichen
kan
kann
, als durch Weisheit und Tugend;
–
wenn
die
Religion
Religion
beide
beyde
lehrt,
unterhält,
unterhält
und dazu die kräftigste Ermunterung giebt, ja ohne
sie,
sie
Weisheit, nicht wahre Weisheit, Tugend, nicht beständige
Tugend
Tugend seyn
kan:
–
kann:
so giebt es für den
edlen
edeln
Geist des Menschen keine würdigere Beschäftigung, als das Bestreben,
die
Religion aufs überzeugendste
kennen zu lernen
kennen zu lernen
und aufs willigste
auszuüben
auszuüben
.
2.
Man kan bey der
Sofern die
Religion
ein Gegenstand der
Erkenntniß
ist, kann man bei ihr
, wie
bey
bei
allen andern Gegenständen, einen Unterschied zwischen einer
gemeinen
und einer
philosophischen
Kennt niß
derselben
machen. Letztere findet nur
alsdann
alsdenn
da
statt,
wenn ich
wo
eine Sache im
vollständigen
Zusammenhange mit
einer
andern,
d. i.
so erkenne,
wie sie der Grund
oder,
oder
die Folge
von der andern
derselben
ist, oder, mit andern Worten, wenn
ich
sie
mit meiner Vernunft erkenne; und sie
wissenschaftlich erkannt wird. Sie
ist in dem Grade
vollkommner
vollkommener
, je mit meh rern Dingen
ich
man
sie so verbunden
denke
denkt,
und je mehrere
solche
solcher
Verbindungen
ich
zwischen denselben
einsehe
eingesehen werden
.
Zusammenhang
Zusammenhang
wird hier nicht von jeder Verbindung genommen, als welche eben so wie die Vorstellung dieser Verbindung, zufällig und
willkürlich
willkührlich
seyn
kan
kann
. Nur
dann
denn
ist eine Erkenntniß
philosophisch
, wenn
ich
einsehe,
einsehe
man einsieht,
wie
wie
etwas von dem Andern Grund oder Folge ist, oder wenn
ich
man
das
Eine
eine
aus dem
Andern
andern
erklären
kan
kann
.
3.
Eine solche eigentlich zusammenhängende oder philosophische Kenntniß irgend einer Art von Gegenständen, macht eben den
Kunstverständiger
Kunstverständigen
in weiterer Bedeutung aus,
so fern
sofern
er von dem bloß gemeinen Kenner, dem Studierten
im weitesten Sinne
(homme de
lettres,)
lettres),
dem bloß mechanisch Handelnden oder Arbeitenden unterschieden wird, und
sodann jener Name
eben sowohl den
Gelehrten
Gelehrten
als den
wahrhaftigen Künstler
Künstler
bezeichnet. Denn eigentliche
Kunst
(
Τεχνην
oder Artem) legt man doch nur dem
bey
bei
, der seine Kenntnisse in
irgend
einer Art von Dingen nicht bloß Andern abgelernt oder nur aus Beobachtung geschöpft, sondern auch darüber selbst gedacht, ihren Gründen und Folgen oder möglichen Anwendung nachgeforscht, sich eben sowohl feste und sichere
Regeln
Regeln,
und überhaupt allgemeine Kenntnisse, als deutliche Begriffe von der Art seiner
Beschäftigungen,
Beschäftigungen
erworben hat.
Freylich
Freilich
muß er
historische
und
philosophische
Kenntnisse davon zugleich besitzen.
Historische
, oder einen ansehnlichen Vorrath und Stoff, den er hernach verarbeiten
kan
kann
, oder dessen er zur Verarbeitung seiner Kenntnisse bedarf, das heißt:
er muß
Vieles
und davon
Viel
wissen (multa et multum). Aber eben so nothwendig ist, daß er, was er weiß,
gut
wisse, und besonders im
Zusammenhang
Zusammenhange oder
philosophisch
einsehe, weil davon selbst die immer mehrere Vollständigkeit der Kenntniß einer Sache, und noch mehr die Sicherheit und rechte Anwendung derselben, abhängt. – Nicht minder unterscheidet man selbst unter den
Kunstverständige
Kunstverständigen den eigentlichen
Gelehrten
von dem
Nichtgelehrten
; und dieser Unterschied scheint sich auf den
verschiednen
verschiedenen
nächsten Zweck zu gründen, wonach man
bey
bei
Erwerbung einer gewissen Art von Kenntnissen trachtet. Dieser Zweck besteht immer in der Befriedigung gewisser Bedürfnisse oder des Gefühls von dem Werth gewisser
Kenntnisse,
Kenntnisse;
und diese Bedürfnisse können entweder
sinnliche
oder
geistige
seyn,
d. i.
d. i.,
entweder
den Körper und
äusserliche
äußerliche
Verhältnisse betreffen, in welchen wir gegen irgend Etwas stehen, was
ausser
außer
uns ist, und auf unsre
Glückseligkeit
Glückseligkeit
ein
Einfluß haben kann, als Gesundheit, Nahrung, Sicherheit, Hülfe von Andern, Vergnügung der Sinne
u. d. g.
u. dergl.
,
oder
die Vollkommenheit des Geistes, Kenntniß des Wahren, Nützlichen, Guten und Schönen, nebst der Bildung des ganzen Charakters,
unsrer
unserer
Denk- und Handlungsart, befördern. Dienen nun
zusammenhängende
Kenntnisse einer gewissen Art von
Gegenständen,
Gegenständen
zunächst
zur Befriedigung
geistiger
Bedürfnisse:
Bedürfnisse,
so macht der Inbegriff
solcher
Kenntnisse eine
Wissenschaft
aus. Zielen
aus; zielen
sie aber
zunächst
auf Befriedigung
sinnlicher
Bedürfnisse
ab:
ab,
so würde der Inbegriff solcher Kenntnisse eine
Kunst
heissen
heißen
müssen. Will man also den eigentlichen Gelehrten von dem Nichtgelehrten
unterscheiden:
unterscheiden,
so würde derjenige verdienen ein
Gelehrter
genannt zu werden, der vorzügliche zusammenhängende Kenntnisse in irgend einer
Wissenschaft
besitzt,
d. i.
dergleichen Kenntnisse von solchen Gegenständen, die zunächst geistige Bedürfnisse befriedigen sollen; und
Gelehrsamkeit
wäre dann
vorzügliche
gründliche
Bekanntschaft mit Gegenständen der so eben beschriebenen Art; da hingegen alle diejenigen
müßten
zu den
Nichtgelehrten
gerechnet werden
müßten
, denen es an Kenntnissen gewisser
Arten von Sachen
Art
ganz fehlt, oder die davon keine vorzügliche, oder keine zusammenhängende Kenntnisse (in dem vorhin angegebenen Sinne des Wortes) haben, oder deren Kenntnisse Gegenstände betreffen, welche zunächst nur sinnliche Bedürfnisse
betreffen und
befriedigen.
Um dieses zu können, muß man theils eine Kenntniß von vielen Dingen haben, theils von dem, was man erkennt, vieles wissen (multa et multum), oder eine ausgebreitete und ausführliche, mit einem Wort, eine weitläuftige Kenntniß, besitzen. In diese setzt man gemeiniglich den Begriff von
Gelehrsamkeit
Gelehrsamkeit
; und freylich kan diese ohne jene nicht statt finden. Aber liegt denn weniger daran, daß man etwas
gut
weiß? und dazu gehört auch die gegründete und fruchtbare Erkenntniß, die aber desto gegründeter und fruchtbarer ist, je mehr man einsieht, wie etwas aus einem andern folgt oder etwas andres verursacht. Nur denn verdient also eine Erkenntniß
gelehrt
zu heissen, wenn sie sowohl weitläuftig als philosophisch ist.
Anmerk.
Anmerk.
1.
Bey
Bei
dem so sehr
verschiednen
verschiedenen
Sinn, in welchem
Gelehrsamkeit
genommen
wird,
wird
und
bey
bei
den so schwankenden Begriffen davon, war es wenigstens nöthig, einen bestimmten Begriff anzugeben, an den man sich in der Folge halten
könnte; und der hier angegebene scheint mit dem Sprachgebrauch am meisten
überein zu kommen
übereinzukommen
, weil dadurch wirklich der
Gelehrte
nicht nur von dem ganz Unwissenden, von dem gemeinen Mann und dem Handwerker, sondern auch von dem viel gebildetern Künstler, dem Geschäftsmann und
blossen
bloßen
Homme de lettres unterschieden wird. Wer bloß mechanisch, oder nur durch Aufmerksamkeit und Uebung, gewisse, selbst vorzügliche Kenntnisse erlangt hat, oder so seine Geschäfte treibt, oder, mit andern Worten, der bloß routinirte Mann, heißt, nach dem Sprachgebrauche, so wenig ein Gelehrter, als
bloße,
bloße
selbst
bildende,
bildende
Künste, ökonomische, Finanz- und Handelskenntnisse oder Fertigkeiten, zu
gelehrten
gelehrten
Beschäftigungen gerechnet werden. Was unterscheidet aber den bloß Routinirten von dem eigentlichen Kunstverständigen, wohin auch der Gelehrte gehört, als daß jener,
bey
bei
Erwerbung oder Anwendung seiner Kenntnisse mechanisch, dieser aber philosophisch verfährt? und was anders, zieht die Gränzlinie zwischen gelehrten und andern Beschäftigungen, als der Unterschied zwischen
innerer,
innerer
geistiger, und zwischen
äusserlicher Cultur
äußerlicher Kultur
? Nur muß man
bey
bei
diesem
letztern Unterschied
letzteren Unterschiede
nicht übersehen, ob eine Beschäftigung jene oder diese
zunächst
zur Absicht
habe. Denn
habe; denn
sonst können ja gelehrte Beschäftigungen, als Sprachstudium, Mathematik, Geschichte
u. s. w.
getrieben werden, um unsere oder Anderer
äusserliche
äußerliche
Nothdurft, Bequemlichkeit und Vergnügen, so wie mechanische und bildende Künste, um Bildung des Geistes zu befördern.
S.
Philosophische Blicke auf Wissenschaften und Menschenleben
,
von
Heinzelmann, Johann Christian Friedrich
Heinzelmann
und
Voss, Christian Daniel
Voss
, Band.
Voß
, Band
1.
S.
10
f.
könnte. Er hat den
Sprachgebrauch
Sprachgebrauch so gut für sich als jede andere Erklärung davon, für deren Vorzug sich nichts Mehreres sagen läßt als für die hier gegebene, die dem Grundsatz folgt, den man in einer Anweisung zur Bildung eines Gelehrten immer folgen sollte:
Par est omnes omnia experiri, qui res magnas et magno opere expetendas concupiuerunt; - - prima enim sequentem, honestum est in secundis tertiisque consistere.
Cicero
orat.
I.
Cicero
Orator.
cap.
1.
Anmerk.
Anm.
Anmerk.
2. Auf den
Unterschied
Unterschiede
der
gemeinen
und der
gelehrten
Kenntniß der
Religion
Religion,
beruht der bekannte Unterschied, den man zwischen
Religion
Religion
und
Theologie
Theologie
macht. Letztere, als Eigenschaft betrachtet, ist eine gelehrte Kenntniß der Religion, und ein
Theologe
ist daher,
der
er
eine
solche
solche
Kenntniß von der
Religion
,
d. i.
von den Begriffen und Lehren besitzt, welche Gott und das gegenseitige Verhältniß zwischen Gott und den Menschen betreffen; so wie
sie
Theologie
, als Wissenschaft genommen, der Inbegriff der Religionswahrheiten ist,
so fern
sofern
diese auf eine gelehrte Art
erkennt
erkannt
werden.
{
Subtilior religionis expositio
, comprehenso simul omni eruditionis apparatu, quem subtilitas illa postulat, nach
Morus, Samuel Friedrich Nathanael
Morus
.
Corpus placitorum religionis christianae, erudite et subtiliter expositum, et in artis formam redactum, nach
Reinhard, Franz Volkmar
Reinhard
.}
S.
mein Programm de
diuersitate
diversitate
studiorum, quibus Theologum decet ceteris Ecclesiae doctoribus
praestare,
praestare.
Halae 1767.
in 4. – Einen Theil der
Theologie
macht
Philosophie über Religion
aus,
nehmlich
nämlich
im
Unterschied
Unterschiede
von gelehrten
historischen
Kenntnissen, welche auch die Religion aufklären können.
S.
Töllner, Johann Gottlieb
J. G. Töllners
theologische Untersuchungen
,
B.
Bd.
1. Stück 1. die 9te Abhandlung.
Herder, Johann Gottfried von
Herder
von Religion, Lehrmeinungen und Gebräuchen. 1787.
{
De Wette, Wilhelm Martin Leberecht
De Wette
über Religion und Theologie. Berlin 1815.
}
er muß Vieles und davon Viel wissen (multa et multum)
Vgl. I § 48.
Philosophische Blicke auf Wissenschaften und Menschenleben, von Heinzelmann und Voss, Band. 1. S. 10 f.
In den von Johann Christian Friedrich Heinzelmann (1762–1830) und Christian Daniel Voss (1761–1821) herausgegebenen
Philosophische[n] Blicke[n] auf Wissenschaften und Menschenleben für reifende Jünglinge
I (1789), 1–22 findet sich der von Nösselt verfasste Beitrag
Ueber den wahren Begriff der Gelehrsamkeit. Als eine Vorbereitung zur Untersuchung des Wahns dass sie nicht gemeinnützig sey
.
Par est omnes omnia […] Cicero Orator. cap. 1
In der als Brief an Brutus verfassten Abhandlung
Orator
entwirft Cicero das Bild des idealen Redners. In Cic. orat. I 1 [4] heißt es: „Doch ist es billig, daß alle diejenigen alle Versuche unternehmen, welche große und erstrebenswerte Ziele anstreben. […] Wer den ersten Rang anstrebt, der darf in Ehren auch beim zweiten oder dritten innehalten (
sed par est omnes omnia experiri, qui res magnas et magno opere expetendas concupiverunt. […] prima enim sequentem honestum est in secundis tertiisque consistere
)“ (Text und Übers. nach Tusculum [Ed. Kytzler], Düsseldorf/Zürich
4
1998, 6.7.8.9).
Subtilior religionis expositio, comprehenso simul omni eruditionis apparatu, quem subtilitas illa postulat, nach Morus
Dieses Zitat stammt aus Samuel Friedrich Nathanael Morus'
Epitome theologiae christianae
(z.B.
2
1791, 11).
Corpus placitorum religionis christianae, erudite et subtiliter expositum, et in artis formam redactum, nach Reinhard
Dieses Zitat stammt aus Franz Volkmar Reinhards
Vorlesungen über die Dogmatik
(z.B.
4
1818, 20).
J. G. Töllners theologische Untersuchungen, B. 1. Stück 1. die 9te Abhandlung
Das erste Stück des ersten Bandes von Johann Gottlieb Töllners (1724–1774) zweibändigen
Theologische[n] Untersuchungen
ist 1772 erschienen.
Herder von Religion, Lehrmeinungen und Gebräuchen. 1787
Diese Schrift ist 1798 erschienen.
4.
Daß die
gelehrte
gelehrte
Erkenntniß der Religion an sich einen
großen
grossen
Vorzug vor der
gemeinen
gemeinen
oder blos
populären
habe, wird niemand
leugnen
läugnen
, wer nicht glaubt, Unwissenheit
sey
sei
besser als
Kenntniß
Kenntniß, mangelhafte Kenntniß besser als vollkommnere. Aber die, welche die gelehrtere Erkenntniß in der Religion für unnöthig oder gar für gefährlich
halten –
halten,
wenn sie dies nicht aus Trägheit oder Eigendünkel
behaupten
behaupteten
–
behaupten,
haben entweder nie den Nutzen und
gewissermassen
gewissermaßen
die Unentbehrlichkeit einer solchen Kenntniß recht überdacht, oder stehen in dem Wahn, daß
bey
bei
solchem Streben nach weiterer
Aufklärung
Aufklärung, die
Religion
Religion selbst, sowohl die Kenntniß und der Glaube an sie, als die gottselige Gesinnung,
leiden möchte
leide
. Gegen jene müßte also der
Nutzen
Nutzen
Nutzen
, gegen
diese,
diese
die
Unschuld
Unschuld
der
Gelehrsamkeit,
Gelehrsamkeit
gezeigt werden.
Anmerk.
Wiewohl es
Anmerk.
Es wird
immer schwer halten
wird
, eigentliche Verächter der
Gelehrsamkeit
Gelehrsamkeit
selbst,
selbst von ihrem Werthe
zu überzeugen. Denn davon überzeugt zu werden, bedarf es schon selbst
einiger
einider
Gelehrsamkeit. Wem es daran fehlt, oder wer nur nach der
einen
einem
Art gelehrter Erkenntniß, dem Vielwissen, nicht nach der andern, der philosophischen Erkenntniß (§.
3
3.
)
getrachtet,
getrachtet
oder
nicht immer nach dem
Cui bono? gefragt,
d. i.
nicht immer
unpartheyisch
unparteiisch
nachgesucht hat, welchen Werth, welchen Einfluß
hat jedes
jedes hat
, was wir erkannt
haben?
haben;
oder
wer
wenigstens nicht um eine anschauende Erkenntniß dieses Werthes und Nutzens bekümmert gewesen ist: der ist auch schwerlich einer Ueberzeugung
bey
bei
dieser Frage über den Werth der Gelehrsamkeit in der Religion,
und gewiß so weit noch
wenigstens
nicht
in dem Grade
,
fähig,
fähig
daß diese Ueberzeugung den scheinbaren Vorurtheilen dawider das Gleichgewicht halten könnte. Man
kan hienach
kann hiernach
beurtheilen, ob er ein befugter Richter in dieser Sache
sey
sei
?
Komm
und
Siehe!
ist hier der sicherste Weg zur Ueberzeugung. Den umgekehrten Weg können nur die geführt werden, die noch nicht gegen Gelehrsamkeit eingenommen sind.
einen Art gelehrter Erkenntniß, dem Vielwissen
D.i. das barocke Gelehrsamkeitsideal der Polymathie bzw. Polyhistorie (vgl. I § 7.11).
Cui bono?
Diese Formulierung findet sich erstmals in den Reden des Cicero (vgl. Cic. S. Rosc. 30 [84]. 31 [86]; Mil. 12 [32]; Phil. II 35; dazu Sen. Med. 500f.).
Komm und Siehe!
Vgl. Joh 1,46; 11,34 (Sg.); 1,39; 4,29 (Pl.); dazu 2Kön 6,13; 10,16. – Zu bemerken ist, dass der
textus receptus
bis in das 18. Jh. hinein in Offb 6,1.3.5.7
ἔρχου καὶ βλέπε
liest, Griesbachs NT-Edition (z. B.
2
1796/1806) bietet (mit Ausnahme von Offb 6,3
ἔρχου
) wie in Joh 1,46; 11,34 die Lesart
ἔρχου καὶ ἴδε
.
5.
Wie
nützlich
und selbst wie
unentbehrlich
unter gewissen Umständen gelehrte Erkenntniß der Religion
sey
sei
, läßt sich am besten
bey
bei
den
einzelnen
einzlen
zur Bildung eines angehenden Theologen dienlichen Wissenschaften zeigen.
Dies
Dieß
ist die Ursach, warum es in dieser Anleitung bis dahin verschoben wird. Hier
sey
sei
es
genug
genug,
im Allgemeinen zu
bemerken:
bemerken,
daß es
bey
bei
jeder rechten Kenntniß einer Wahrheit, also auch jeder Lehre in der Religion, auf
drey
drei
Stücke ankomme: daß man sie – recht
verstehe
– recht
beurtheile
und – recht
anwende
. Das dritte setzt das
zweyte
zweite
, so wie das
zweyte
zweite
das erste voraus. Wo es an einem dieser
drey
drei
Stücke fehlt,
kann
kan
die
Erkenntniß
Erkenntniß dieser Lehre nie das seyn, was sie seyn
soll, Mittel
soll: Mittel,
zur
Wahrheit
Wahrheit
W ahrheit
,
und,
und
durch
diese,
diese
zur
Glückseligkeit
Glückseligkeit zu gelangen.
Bey
Bei
Angabe des Nutzens
einzelner
einzler
Theile der Gelehrsamkeit in der Religion, müßte also stets ihr Einfluß auf diese
drey
drei
Stücke in Anschlag genommen werden.
6.
Wenn denn aber nun
Doch wie – wenn
Gelehrsamkeit
Gelehrsamkeit für die Religion
gefährlich
wäre?
wäre? –
Das ist sie gewiß
nicht; und wer dies gleichwohl meint, macht sich entweder von Gelehrsamkeit, oder Religion, oder von dem, was gefährlich ist, falsche Begriffe. Ohne Wegräumung dieses
dreyfachen
dreifachen
Mißverstandes wird man
nicht. Aber allem Mißverstand vorzubeugen und die richtige Beurtheilung der einzlen Vorwürfe zu befördern, möchte es nicht unnöthig seyn, sich immer folgende Fragen vorzulegen, ohne deren genaue Bestimmung,
wider und für die Unschuld der Gelehrsamkeit mit gleichem Glück
streiten
gestritten
streiten,
und die Sache
wird
unverglichen bleiben
wird
.
7.
Echte
Gelehrsamkeit
Gelehrsamkeit
–
reicht
sowohl
theils
den nöthigen
Stoff
Stoff
zur Erkenntniß und Beurtheilung einer
Sache,
Sache
dar,
als
theils lehrt sie
die
Regeln
Regeln
, wonach dieser beurtheilt, gewürdigt und richtig angewendet werden
muß
muß.
(§.
3.
).
3.
)
Sie
kan
kann
also,
ihre
ihrer
Natur nach, dem Wahren und Guten nicht nachtheilig seyn; und wenn sie es
wird:
wird,
so liegt der Grund davon entweder in unvollständigen oder unrichtigen Kenntnissen und
Regeln
Grundsätzen
, wonach man verfährt, oder in dem Gelehrten selbst,
so fern
sofern
er von richtigen Kenntnissen und
Regeln
Regeln keinen genugsamen und rechten Gebrauch macht. In
beyden
beiden
Fällen
kan
kann
der entstehende Schade nicht der Gelehrsamkeit
beygemessen
beigemessen
werden, sondern im
erstern,
ersteren
dem Mangel der Gelehrsamkeit, im
letztern
letzteren
aber entweder dem Vorurtheil, nach welchem der Gelehrte von der Gelehrsamkeit Alles erwartet, da sie doch nur den Verstand aufklären und leiten
kan
kann
, um dadurch den Weg zur
Besserung
Besserung des Herzens zu bahnen, oder der Gleichgültigkeit gegen das Gute, die zum Theil selbst aus jenem Vorurtheile, zum Theil aus der Macht sinnlicher Neigungen und Leidenschaften entspringt.
*)
Was ist
Gelehrsamkeit
? wahre meine ich. Gewiß, weder bloß historische Kenntniß von vielerley Sachen und Meinungen, noch Gewohnheit nach willkührlichen oder unausgemachten Voraussetzungen zu entscheiden, sondern ausgebreitete Kenntniß aller uns zu erkennen möglichen Sachen, die bey der Untersuchung einer andern zum Grunde liegen müssen, eine auf sorgfältigere Prüfung gegründete Ueberzeugung von ihrer Wahrheit oder Falschheit sowohl als von ihrem Werth, und Geschicklichkeit sie mit Behutsamkeit bestmöglichst zu benutzen. Eine solche kan ihrer Natur nach nicht schädlich seyn; wird sie es gleichwohl, so ists Zufall,
für der
keine menschliche Weisheit, die weder allwissend noch untrüglich ist, bürgen kan.
*)
Vertraute
Briefe
Briefe
,
die Religion
betreffend
betreffend
,
(von
Spalding, Johann Joachim
J. J. Spalding
), vornehmlich im 4ten und 7ten Briefe.
Vertraute Briefe die Religion betreffend (von J. J. Spalding), vornehmlich im 4ten und 7ten Briefe
Johann Joachim Spaldings
Vertraute Briefe, die Religion betreffend
liegen in drei Auflagen vor (
1
1784;
2
1785;
3
1788; vgl.
Spalding Kritische Ausgabe
[SpKA] I/4). Da die Erstauflage nur sechs Briefe enthält, kann es sich an dieser Stelle nur um einen Verweis auf eine der beiden folgenden Auflagen handeln.
8.
Was ist
Religion
Religion
? – Sind es wahre, gegründete, die strengste Prüfung aushaltende, Gott und das Verhältniß zwischen
ihm
ihn
und den Menschen betreffende Sätze? – Oder sind es
bloße
blosse
Meinungen und menschliche Einfälle, Zusätze zur Religion, an welchen wir
mit
mir
Zuversicht und Ergebenheit
hängen;
hängen,
weil sie uns
entweder
von Jugend auf geläufig worden, wir aber das Gegentheil als wahr zu denken
ungewohnt
ungewöhnt
sind, oder
es
es,
nur als wahr zu vermuthen und zu prüfen, uns nicht einmahl in den Sinn kommt;
oder
weil das Ansehen frommer oder in der Welt vielgeltender Lehrer uns für ihre Richtigkeit Gewähr zu leisten scheint; oder weil wir sie behaglich finden, es
sey
sei
, daß sie uns
eigne
eigene
Untersuchung und Mühe ersparen, oder wir
dabey
dabei
keine nachtheilige,
oft
auch
wohl gar
gute,
gute
Folgen für
unsre
unsere
Frömmigkeit und Gemüthsruhe bemerken? – Oder betreffen
sie
sie,
ihrer Natur nach, Gott und das Verhältniß zwischen ihm und uns eigentlich, weder mittel- noch unmittelbar, gar nicht; scheinen sie uns vielmehr nur dahin zu gehören, weil wir sie in ehrwürdigen Büchern neben und mit
Religionswahrheiten
Religionswahrheiten gefunden haben, oder unsre Einbildungskraft sie mit diesen Sätzen der Religion
einmal
einmahl
so verknüpft hat, daß wir befürchten,
eins
Eins
müsse mit dem
andern
Andern
stehen oder fallen? – Im
ersten
Fall
kan
kann
Gelehrsamkeit der Religion nicht nachtheilig seyn; sie bewährt sie
eben,
eben
und hilft jene wahren Lehren von den erdichteten und falschen absondern. Hilft sie im
zweyten
zweiten
Fall
unächte
unechte
Zusätze zerstören, so ist sie für die wahre Religion wohlthätig und vertilgt das Unkraut, unter dem wahre Religion ersticken würde. Im
dritten
dritten
,
raubt sie dem Menschen we nigstens nichts von Religion; aber sie macht auch den Gebrauch solcher fremden Lehren, wenn sie ja noch Wahrheit enthalten, für die Religion unschädlich, und zieht den Fleiß der Menschen von
entbehrlichern
entbehrlicheren
Beschäftigungen
ab,
ab
und
lenkt ihn
auf solche, die wichtig und heilsam
sind
sind, hin
.
9.
Was ist
gefährlich
gefährlich
für Religion? Sicherlich nicht, was jene eben erwähnte
unächte
unechten
oder
fremde
fremden
Zusätze zerstört oder absondert,
hingegen,
hingegen
wahre Religionslehren als
wahre
solche
darstellt, bestätigt,
ausser
außer
Zweifel setzt, und nützlicher anwenden lehrt. Zwar
kan
kann
Gelehrsamkeit, wie zugestanden wurde (§.
7
7.
), durch Zufall und Mißbrauch gefährlich und eine Quelle neuer Uebel werden. Aber –
was giebts
giebt es
irgend
etwas
, das nicht
dergleichen werden
kan
gemißbraucht, nicht gefährlich werden, nicht ausarten
kann
? Empfindlichkeit, selbst Vernunft,
der edlere Theil des
das Edelste im
Menschen, selbst Gottseligkeit,
machen uns eben so fähig und aufgelegt zu
erzeugen eben sowohl unter gewissen Umständen
Mißvergnügen, Sorgen und
Kummer,
Kummer;
wovon die
Thiere und
Thiere, wovon
leichtsinnige Menschen nichts oder wenig
empfinden,
empfinden;
als sie auf der andern Seite
Quelle
Quellen
des höhern und reinern
Vergnügen
Vergnügens,
nothwendiges
nothwendige
Mittel
zur
Vollkommenheit
Vollkommenheit
zu Vollkommenheiten
sind, die das Thier und der Leichtsinnige oder Gleichgültige weder begreift noch
erreicht; und
erreicht. Und
wer mag mit diesen tauschen? wer lieber hungern als essen, aus
Furcht
Furcht,
seine Gesundheit zu verderben? – Unwissenheit, eingeschränkte Einsichten, Mangel des reifern Ueberlegens sind
ihrer Natur nach
schädlich,
schädlich;
wahre Gelehrsamkeit nie. Nur durch zufällige Umstände können jene unschädlich, diese nachtheilig werden. Aber nicht der Zufall, nur die
Natur
Natur ist der rechte Maaßstab, den Werth der Dinge zu bestimmen. – Endlich läßt sich doch
der
Mißbrauch,
laßen
lassen
und es lassen
sich
neue
jene
Uebel
, so viel an uns ist,
verhüten, wenn wir
uns
uns, so viel an uns ist,
feste und
sichere
sichre
Regeln
Regeln machen, wonach wir untersuchen; wenn wir in Bestimmung dessen, was wahr und falsch, nützlich oder schädlich ist, nicht weiter
gehn,
gehen
als der Stoff
(die data)
, den wir zu verarbeiten, oder wonach wir zu urtheilen
haben,
haben
und
unsre
unsere
Kräfte reichen; wenn wir unsere Urtheile von dem
Maaß
Maaße
unserer Kräfte und von dem
Werth
Werthe
der Dinge in eben dem Verhältnisse berichtigen und verbessern, in welchem sich unsere Einsichten erweitern.
*)
Aber um alles dieses zu können, müssen wir
Vieles
vieles
wissen und viel geprüft
haben;
haben,
wir werden also in dem Grade gegen Mißbrauch gesichert seyn, in welchem wir gesucht
haben
haben,
immer gelehrter zu werden.
Thue das Deine und überlaß das Uebrige Gott, der auch
unsre
unsere
Fehltritte zum Besten zu lenken weiß!
*)
Siehe
S.
Salzmann, Christian Gotthilf
C. G.
Salzmanns
Salzmann's
Vorrede zu der Schrift:
über
Ueber
die wirksamsten
Mittel
Mittel,
Kindern Religion
beyzubringen
,
beizubringen
.
Leipzig 1780.
gr.
8.
Thue das Deine und überlaß das Uebrige Gott
Derartige Formulierungen (vgl. Vorrede a [XVI]) finden sich in der Aufklärungszeit häufig. In seinen
Sontags-Evangelia
(vgl. BdN IV) legt etwa Gottfried Leß (1736–1797) Lk 21,18.34–36 exakt in diesem Sinne aus (vgl. aaO
1
1776, 374). Bereits die klassische Antike kannte ähnliche Vorstellungen (vgl. Hor. carm. I, 9,9
permitte divis cetera
), und auch Sir 11,20–23 fordert zu einem solchen Gottvertrauen auf. Im 16. Jh. formuliert Martin Luther in seiner
Genesisvorlesung
(1535–1545)
Fac tuum officium, et eventum Deo permitte
(WA 44 [1915], 78) (vgl. Erasmus v. Rotterdam,
Supputationes errorum in censuris Bedae
[1527], 111 [fehlerhafte Paginierung]).
10.
„Aber das
Wissen
Wissen blähet auf.
Wissen blähet auf
!
“ –
Freylich
Freilich
, wenn Wissen
(
γνωσις
)
, wie es der Apostel nimmt (
1 Kor. 8,
1),
1)
so viel ist, als die Meinung, daß man woran recht thue, verbunden mit der Meinung, daß man es
alsdann
alsdenn
auch thun dürfe, ohne
Rüksicht
Rücksicht
auf unsern
unaufgeklärter
unaufgeklärtern
schwächern
Nächsten, den wir durch unser
unvorsichtiges
unfürsichtiges
Beyspiel
Beispiel
verleiten, etwas uns nachzuthun, was er nicht für
recht
Recht
erkennt; und überhaupt als unreife oder übel angewendete Wissenschaft. Nicht so, wahre Gelehrsamkeit
(§.
7
)
, die, weil sie uns
unsre Schwächen, Lücken der
Schwächen und Lücken unsrer
Erkenntniß,
die
Verschiedenheit der Ueberzeugung
bey
bei
verschiedenen Menschen, und Schwierigkeiten
bey
bei
Untersuchungen fühlbar macht, eben sowohl Bescheidenheit als Schonung des Nächsten befördert.
„Aber das Wissen blähet auf.“
Vgl. 1Kor 8,1. – Die Herkunft der den folgenden Paragraphen in Anführungszeichen vorangestellten Leitsätze (I § 11–14; vgl. I § 125.126) ist nicht eindeutig nachzuweisen. Vielmehr werden Sprichwörter und Allgemeinplätze aufgegriffen, die in dieser oder ähnlicher Form weit verbreitet waren. Bemerkt sei, dass die in den betreffenden Paragraphen angestellten Überlegungen ohne explizite Nennung Nösselts nahezu wortwörtlich in der einflussreichen fünfbändigen
Pastoral-Anweisung nach den Bedürfnissen unsers Zeitalters
(1805–1808) des österreichischen katholischen Pastoraltheologen und Kirchenmannes Andreas (Andre) Reichenberger (1770–1854) wiedergegeben werden (vgl. aaO I/1, 71–73).
11.
„Viel Wissen, oder Trachten danach, zer streut; wir vergessen die Anwendung aufs Herz; was bloß Mittel seyn sollte, wird zum Zweck
gemacht.
gemacht!
“ –
Müßiggang, oder nicht genugsame oder unnütze
Beschäftigung
Beschäftigung,
Müßiggang
zerstreut auch und läßt Verstand und Herz
leer
leer.
(
Matth. 12, 44.
45).
45.)
Eingeschränkte Kenntniß, wonach man doch immer urtheilen und handeln muß, macht verlegen und verursacht entweder Zeitverlust und unnöthige Zerstreuung über dem Suchen desjenigen, was man nicht zu finden weiß, oder gebiert Leichtsinn und Gewissenlosigkeit. Wo nicht
Vieles
viel
im
Kopf
Kopfe
ist, läßt sich auch nicht
Vieles
viel
, wenigstens nicht recht, anwenden.
Bloß
Vieles
viel
wissen
Bloße
Vielwisserei
ist nicht
Gelehrsamkeit
Gelehrsamkeit.
(§.
3
). Bildet
3.
) Bilde man nur
das
Wissen
Wissen zu dem aus, was wahre Gelehrsamkeit ist (§.
2
3
2.
und
7
7.
), und der Vorwurf fällt von selbst weg. Je mehr man in wahrer
Gelehrsamkeit
Gelehrsamkeit fortrückt, desto mehr lernt man sich sammlen, verhütet Zerstreuung, und lernt
Alles
besser anwenden.
12.
„Aber man
glaubt
glaubt
um so weniger, je mehr man
weiß
weiß
; und Gelehrsamkeit ist eine reiche Quelle von
Zweifeln.
Zweifeln!
“ – Aber wer viel glaubt, wird auch viel betrogen; dagegen sichert demnach nichts besser, als daß man
Vieles
viel
und daß man es gut
wisse
weiß
; also setzt uns wieder Gelehrsamkeit in den
Stand
Stand,
zu wissen, wo man glauben dürfe oder nicht?
–
Der Gelehrte zweifelt
allerdings
mehr wie der Ungelehrte. Aber
Zweifel
Zweifel sind nicht immer schädlich; sie sind ein kräftiger Antrieb zur Untersuchung,
wobey
wobei
man immer gewinnt; sie sind sogar das einzige natürliche Mittel, von Vorurtheilen und Irrthümern zurückzukommen.
–
Und in dem
Maaß
Maaße
, wie man in der Gelehrsamkeit wächst, nehmen auch die Kenntnisse zu, um den Ungrund schädlicher Zweifel einzusehen, und es wächst die Fertigkeit, sie aufzu lösen; denn Zweifel entstehen aus
Unwissenheit,
Unwissenheit
und werden nur schädlich, wenn man mit ihnen nicht umzugehen weiß.
13.
„Gleichwohl lehrt
Erfahrung
Erfahrung und
Geschichte
Geschichte, daß es eben Gelehrte waren, die Irrthümer aufbrachten, die die Religion von ihrer Einfalt zurückführten, die sie ihrer Geheimnisse zu berauben
suchten.
suchten!
“ – Wenn dies Gelehrte gethan haben
sollten:
sollten,
so müßte erst, ehe man sie verdammen wollte, das ausgemacht werden, was oben §.
8
8.
erinnert ist. Aber gewiß sind jene
vorgeworfene
Verderbnisse der Religion
mehr
weit häufigere
Folgen der Un wissenheit, des Mißverstandes, der
Schwärmerey
Schwärmerei
oder des
aftergelehrten Dünkels,
welchen
welchem Fehler
eben
die
Gelehrsamkeit
entgegen arbeitet
entgegenarbeitet
.
aftergelehrten Dünkels
After
ist eine veraltete deutsche Präposition, die bereits zu Nösselts Zeiten nur noch in Komposita Verwendung fand und in etwa dem Präfix
pseudo-
entspricht. Unter
aftergelehrt
ist demnach eine falsche oder Scheingelehrsamkeit zu verstehen.
14.
„Indessen
erschweret
erschwert
doch die
Gelehrsamkeit,
Gelehrsamkeit
und die davon abhängende eingeführte
Schulsprache
Schulsprache,
Schulsprache
die Kenntniß der
Religion.
Religion!
“ – Wenn sie sonst nöthig oder nützlich
ist:
ist,
so müssen uns die Schwierigkeiten nicht abschrecken, sie in
unsere
unsre
Gewalt zu bekommen. Kann sie aber jemand ohne Nachtheil der Wahrheit und Gründlichkeit, oder muß er sie, nach seinen Umständen,
entbehren:
entbehren,
so
überlaße
überlasse
er, ohne Verachtung oder Verun glimpfung, das, was
er
er
entbehren kann,
dem
dem
, der dessen fähig und bedürftig ist.
15.
Denn so sehr es allgemeine Pflicht eines jeden Menschen ist, sich um Religion zu bekümmern, und nach Gottseligkeit zu trachten; so nöthig es ist, nicht nur zu lernen, sondern auch das, was man von der Religion weiß, zu er halten, fester zu
gründen
begründen
, zu vermehren, zu berichtigen, lebhafter und eindrücklicher zu machen, und von Zeit zu Zeit zu erwecken und anzufrischen: so
fehlts
fehlt's
doch dem größten Theil der Menschen an Fähigkeit, Hülfsmitteln,
Muße
Musse
, und daher auch mit an Uebung in der
Erkenntniß
Erkenntniß und
Gottseligkeit
Gottseligkeit. Um so geläufiger und wirksamer sind
bey
bei
den meisten Unwissenheit oder seichte Kenntnisse in der
Religion
Religion, Vorurtheile und grobe oder nach jedes Leidenschaften gebildete Vorstellungen von Gott und unsichtbaren Dingen überhaupt, wodurch ihnen alles Ungewohnte befremdlich, jeder aufsteigende oder gehörte Zweifel aber eine neue Nahrung des Leichtsinns oder der Aengstlichkeit wird. Wie sehr darunter erleuchtete Gewissenhaftigkeit und davon abhängende gute Gesinnung und Betragen eines Menschen sowohl als seine wahre Gemüthsruhe leiden müsse, ist leicht zu begreifen.
16.
Es wäre also
großes
grosses
und
seliges
sich selbst belohnendes
Verdienst, wenn, wie in allen andern menschlichen Angelegenheiten, die, so mehr vermögen, den Schwächern oder Zerstreutern, auch hierin zu Hülfe kämen. Und wenn sie durch ihre Umstände in den Stand gesetzt würden, sich ganz diesem Geschäfte zu widmen; wenn sie durch ihre vorzüglichern Kenntnisse, durch die sorgfältigste Anschmiegung an Anderer Bedürfnisse, durch die zärtlichste Sorge für deren Gewissen und Gemüthsruhe, durch Klugheit, durch tugendhaftes und gottseliges
Beyspiel
Beispiel
und durch das auf
dieses
dies
alles gegründete innerliche Ansehen, Weisheit, Tugend und
Religion,
Religion
nicht nur lehrten, sondern auch
empfählen
empföhlen
; wenn sie dadurch Lehrer, Leiter und Muster für das
Gewissen
Gewissen der übrigen Menschen würden:
was und
wie wirksam
könnten
sie
dann
für menschliche
Glückseligkeit
Glückseligkeit
seyn?
werden!
17.
Wenn nun in der menschlichen Gesellschaft die, welche es einsehen, daß sie selbst
den
Fleiß nicht auf Religion und Bildung ihres Verstandes und Herzens danach wenden können, den sie
sollten
solten
und wünschten (§.
15
15.
), diese Angelegenheit und die ganze Sorge für ihre geistliche Wohlfahrt oder
ein
einen
Theil dieser
Sorge, andern
Sorge Andern
übertrügen, welchen sie am meisten die
vorerwähnte
vorerwähnten
Eigenschaften (§.
16
16.
) zutrauten: so entstünden dadurch in der Gesellschaft die, welche man in Beziehung auf den Unterricht in der
Religion,
Religion
Prediger
Prediger
, in Rücksicht auf die Anwendung derselben nach jedes besondern
Gemüthsbedürfnissen,
Gemüthsbedürfnissen
Seelsorger
Seelsorger
, und überhaupt
Lehrer
Lehrer der Religion
zu nennen pflegt. Ein höchst nützlicher und
respectabler
achtungswerther
Stand, der nur dem verächtlich oder gleichgültig scheinen
kann
kan
,
wer
der
ihn entweder nicht aus diesem
Gesichtspunkt
Gesichtspunct
betrachtet, oder
wem
der für
Tugend, Gewissen und Religion, so weit es nicht in seine
eigennützige
eigennützigen
Absichten schlägt,
nichts ist
keinen Werth hat
.
18.
Selbst dem
Staat
Staat
Staate
, wenn er seine Pflichten, Vortheile und Rechte kennt,
kan
kann
dieser
Stand
, man mag ihn den
geistlichen
geistlichen
,
oder wie man
will
will,
nennen, so wenig gleichgültig seyn, als
die Sorge
, wie er besetzt wird. – Die Rechte der Menschheit, und unter diesen sind die Rechte des Gewissens die höchsten, können durch keine Art von Verbindungen und Gesetzen aufgehoben
werden:
werden;
und wer die Regierung eines Staats übernimmt, der übernimmt auch, ausdrücklich oder stillschweigend, die Pflicht, die Tugend und Religion seiner Unterthanen nicht nur nicht zu kränken, sondern sie auch, so viel er
kan
kann
, zu
befördern
*)
.
befördern.
*)
– Je mehr und je allgemeiner wahre Religion erkannt, je
mehr sie
für
wohlthätiger
wohlthätig
und
unentbehrlicher sie
unentbehrlich
zur
Glückseligkeit
Glückseligkeit gehalten, je angelegentlicher und genauer sie befolgt wird: desto weniger geschieht den Gesetzen und guten Anstalten, ohne welche keine Gesellschaft bestehen
kan
kann
, öffentlicher oder heimlicher Abbruch; desto williger thut jeder, auch ungesehen und unerinnert,
Gutes,
Gutes
und wirkt desto eifriger zum gemeinen Besten; desto mehr ersetzt sich das, was der
Tugend
Tugend an bürgerlicher Ermunterung abgeht, durch Zufriedenheit des Gewissens, und noch weit mehr durch die Vorstellung des Wohlgefallens Gottes und seiner, selbst über die Gränzen dieses Lebens reichenden, Belohnung.
(
Spalding, Johann Joachim
J. J. Spalding
) über die Nutzbarkeit des Predigtamts und deren Beförderung
, zweyte Auflage, Berlin 1773.
8. im ersten Abschnitt, sonderlich
S.
33.
33
folgg.
*)
Eberhard, Johann August
J. A. Eberhard's
neue Apologie des
Sokrates
Sokrates
, Band 2, Berlin 1778.
in 8.
S.
117
folgg.
(
Spalding, Johann Joachim
J. J. Spalding
) über die Nutzbarkeit des Predigtamts und deren Beförderung
, zweite Auflage, Berlin 1773.
8. im ersten Abschnitt, sonderlich
S.
33
folgg.
Lüdke, Friedrich Germanus
F. G. Lüdke
über die Abschaffung des geistlichen Standes, nebst Untersuchung, ob derselbe dem Staate entbehrlich und sogar schädlich sei. Berlin 1789.
Vergl.
mit
Gerard, Alexander
A. Gerard
Rechtfertigung des Predigerstandes gegen
Hume, David
Hume
. Aus dem Englischen. Berlin 1787.
F. G. Lüdke über die Abschaffung des geistlichen Standes, nebst Untersuchung, ob derselbe dem Staate entbehrlich und sogar schädlich sei. Berlin 1789
Friedrich Germanus Lüdkes (1730–1792)
Gespräche über die Abschaffung des geistlichen Standes
stammen aus dem Jahr 1784.
19.
Unmöglich
kan
kann
die
Religion
Religion ihrer Natur nach
schädlich
schädlich seyn. Sie wird es bloß durch Mißverstand,
Schwärmerey
Schwärmerei
und ausschweifende Leidenschaften. Dieses zu verhüten und den
unent behrlichen seligen
beseligenden
Einfluß der Religion auf die ge meine und besondere Wohlfahrt zu befördern, sind in dem
Staat
Staate
Anstalten nöthig, wodurch immer richtigere Begriffe von Sittlichkeit und Religion
sowohl
sowohl,
als wirksamster
Antrieb
Antrieb,
sie auszuüben, oder tugendhafte und gottselige
Gesinnung
Gesinnungen
, allgemeiner gemacht werden. Weil aber die, welche fähig seyn möchten,
Tugend
Tugend und Religion
richtigst
auf das richtigste
und
nachdrücklichst
nachdrücklichste
zu lehren und zu empfehlen, schwerlich dieses
Geschäfte
Geschäft
angelegentlich genug treiben werden, wenn sie sich ihm nicht ganz und unzerstreut widmen können;
andere
Andere
hingegen, die genug Eifer haben möchten, nicht immer die dazu erforderlichen Fähigkeiten oder Kenntnisse besitzen, und in diesem Fall der Religion und dem
Staat
Staate
mehr schädlich als nützlich werden: so macht dies nicht nur, wie zu andern öffentlichen Angelegenheiten, einen besondern Stand nöthig, dergleichen man auch
bey
bei
allen nur
einigermassen
einigermaßen
gesitteten Völkern
findet,
findet;
sondern der
Staat
Staat hat auch die Pflicht und das Recht, für dessen würdigste Besetzung und für Einrichtungen zu sorgen, wodurch das innerliche Ansehen der dazu bestimmten Personen (§.
16.
16
) durch
äusserliches
äußerliches
verstärkt,
verstärkt
und
jeder
jede
derselben in den Stand gesetzt werde, mit
gehöriger Angelegenheit
gehörigem Eifer
und aufs wirksamste die
ihm obliegende
ihr obliegenden
Pflichten zu erfüllen.
Alles bisher
gesagte
Gesagte
§.
15
–
19
kan
kann
15
–
19.
kann
dazu dienen, angehenden Theologen Liebe und Achtung gegen den Stand, dem sie sich widmen,
einzuflössen
einzuflößen
, und sie von ihrer wahren Bestimmung zu belehren.
{Dieß ist um so mehr gleich bei dem Anfang des theologischen Studiums zu wünschen, da so viele, fast die meisten, durch bloßen Zufall, die Bestimmung ihrer Aeltern, die Beschränktheit ihrer Lage, die sie von kostbareren Studien zurückschreckt, bewogen werden, sich einem Berufe zu widmen, über den sie nie nachgedacht, und dessen hohe Be deutung sie nie erkannt haben. Noch viel weniger haben sie sich geprüft, ob sie auch geistig und selbst physisch diesem Stande gewachsen seyn werden.}
A. d. H.
20.
Diese
einmal
einmahl
würdig zu leisten
Pflichten
und die
wichtigen Absichten zu erfüllen
hohen Zwecke
, wozu der geistliche Stand da ist,
einst würdig zu erfüllen,
dazu gehört die gewissenhafteste
Prüfung
Prüfung, ob man
überhaupt
dazu fähig und fest entschlossen
sey, und
sei, so wie
ein ununterbrochenes Bestreben, immer
dazu
fähiger und
geneigter
geschickter
zu werden. Eine solche Vorbereitung erfordert, daß man
wisse: –
wisse: 1)
welche Arten von
Kenntnissen
Kenntnissen
nützlich oder unentbehrlich sind, um sich zu
einem
einen
künftigen Lehrer der Religion zu
bilden –
bilden; 2)
welche
Fähigkeiten
Fähigkeiten
nöthig sind, um diese zu erlangen und auf das nützlichste zu Anderer Besten
anzuwenden – und
anzuwenden; 3)
welche Hülfsmittel und Uebungen dazu dienen.
21.
Alles, was ein künftiger Lehrer der Religion in Absicht auf
Kenntnisse
Kenntnisse
zu thun
hätte, vereiniget
hat, vereinigt
sich in
drey
Hauptbeschäftigungen
Hauptbeschäftigungen, – daß und wie er
drei Hauptbeschäftigungen. Er muß
sie
zu
sammlen
–
auf die rechte Art zu
sammlen
, sie
anzuordnen
,
anzuordnen
oder zusammen zu stellen –
und für
andre
Andere
anzuwenden
habe. –
wissen.
Um sich den nöthigen
Vorrath
zu einer
eignen
eigenen
wohlgegründeten Kenntniß und Ueberzeugung von der Religion zu verschaffen,
würde
wird
er
sich
vor allen Dingen
um
nach
Kenntniß der Natur überhaupt
zu streben
, und
besonders
besonders,
nach
besonders, bei
seiner
Bestimmung zum Lehrer der Religion,
um die Kenntniß der Natur Gottes
sich zu bemühen haben, über
Gott
, so weit es der endliche Verstand vermag,
und
der geistigen
über die geistige
Natur des Menschen
richtig denken
zu
bekümmern haben
lernen
, weil ohne diese Kenntniß, welche die
Philosophie
darreicht, weder eine recht überzeugende Erkenntniß von dem
Verhältniß
Verhältniß zwischen Gott und den Men schen, womit sich die Religion beschäftigt, erhalten, noch ein richtiger Gebrauch der Vernunft
bey
bei
solchen Untersuchungen gemacht werden
könnte
kann
.
22.
Und weil
Da sich aber
das
Christenthum
Christenthum
sich
auf die nähere
Offenbarung
Offenbarung Gottes in der heiligen Schrift gründet; diese aber in der hebräischen oder chaldäischen und griechischen Sprache zu uns gekommen ist; und
erstre
erstere
wenigstens ohne Bekanntschaft mit den verwandten Dialekten nicht gründlich verstanden werden
kan; ausserdem
kann; außerdem
auch die heilige Schrift
theils sich
sich theils
auf viele historische Umstände bezieht, theils manche historische Kenntnisse
zur
zu
Beurtheilung der Glaubwürdigkeit der heiligen Bücher überhaupt oder in einzelnen Stellen erfordert werden: so
würd'
wird
er nach
ausgebreiteter und
genauer
Kenntniß der hebräischen
und
griechischen
,
auch
und
der mit jener
verwandten
Sprachen
Sprachen
,
nach einiger Kenntniß
desgleichen
der alten
Geschichte
und
anderer
andrer
historischen
Hülfswissenschaften
Hülfswissenschaften
trachten, auch sich durch
sichere
sichre
, auf Vernunft und Beobachtung der Natur gedachter Sprachen, wie sie in der
heil.
heiligen
Schrift gebraucht sind, gegründete
Regeln
und fleißige
Uebung
in
Erklärung alter Schriften
zu einem gründlichen Ausleger bilden müssen.
23.
So würde auch eine pragmatische Kenntniß der
Geschichte
Geschichte
überhaupt, und besonders der Veränderungen, die mit der Religion und der darauf gegründeten Kirche vorgegangen sind,
ausser
außer
dem schon erwähnten Nutzen, einen mächtigen Eindruck von dem
so weisen
Gang
Gange
der göttlichen Fürsehung geben, der zur Erweckung der Aufmerksamkeit auf die Religion und ihren unaussprechlichen Werth
sowohl,
sowohl
als auf die ganze
gute
Gesinnung gegen Gott so unentbehrlich ist. Sie würde den
großen
grossen
Einfluß der gebrauchten oder
vernachläßigten
vernachlässigten
Vorerkenntnisse
bey
bei
der Religion und dem Christenthum, die seligen Folgen einer durch
bescheidnen
bescheidenen
und regelmäßigen Gebrauch der
Vernunft
Vernunft und der heiligen Schrift aufgeklärten Religion und ihrer gewissenhaften Befolgung, so wie die traurigen Folgen des Gegentheils
lehren
, einleuchtend
machen,
machen
und da durch
eindrücklich
kräftig
zu jenem
ermuntern
ermuntern,
und
für
vor
diesem warnen. Sie würde auch zeigen, wie weit man in der gründlichen und heilsamen Erkenntniß der Religion
vor- oder rückwärts gekommen sey
vorwärts oder zurückgekommen sei
, und dadurch zu erkennen geben, was man von
Vorarbeiten in der
früheren, auf
Religion
benutzen oder wegräumen und
Beziehung habenden Vorarbeiten, benutzen,
verbessern
oder wegräumen
müsse.
24.
Um die dazu nöthigen Hülfsmittel sicherer gebrauchen zu können,
würde
wird
nicht nur zum
Theil
theil
die Kenntniß der
vorhinerwähnten
Sprachen
,
vorhin erwähnten
Sprachen
vorhin erwähnten
biblischen Grundsprachen
,
sondern auch die
Kenntniß
der
lateinischen
sehr
nöthig, vielleicht
nothwendig,
auch
die
selbst
einiger
andern
neueren
Sprachen
nützlich seyn; wenigstens in so
fern
fern,
als
jene,
jene
die unter Gelehrten am meisten zum Vortrag gelehrter Sachen ge brauchte
ist
, in diesen aber
vieles geschrieben ist, was
erhebliche
Aufklärungen
Aufklärungen über manche Theile der Theologie
mitgetheilt sind
enthält
. Daß eine genaue Bekanntschaft und
besondre
besondere
Fertigkeit in der
Muttersprache
Muttersprache
aus eben diesem Grunde und noch weit mehr zur
nutzbarsten
fruchtbarsten
Mittheilung der
Religionskenntnisse
Religionskenntnisse an
Andre
andre
Andere
, unentbehrlich
sey
sei
, scheint so wenig einer Erinnerung zu bedürfen, als daß zur Erlangung aller bisher erwähnten
Kenntnisse,
Kenntnisse
und überhaupt zur Benutzung dessen, was uns von
andern
Andern
vorgearbeitet worden,
Kenntniß der besten Bücher
, sonderlich der in allen Theilen der Theologie geschriebenen, nöthig
sey
sei
.
25.
Bey
Bei
dem Studium der Sprachen, Lesung und Auslegung alter Schriften, Beurtheilung der Quellen, woraus man Religions- und
andre
andere
Kenntnisse schöpfen soll, und überhaupt zu
der,
der
auch
bey
bei
der
Religion,
Religion
so nöthigen Unterscheidung des
Aechten
Echten
und
Unächten, würde
Unechten, ist ferner
die Kenntniß und Fertigkeit in der
Kritik
Kritik
, nichts weniger als entbehrlich seyn
Kritik
unentbehrlich
. Eben dieses gilt von den
schönen Wissenschaften
, die sich mit Bildung des
guten
Geschmacks beschäftigen, der auf die Unterscheidung des Schicklichen und Unschicklichen, auf das
nützliche
geistvolle
Studium alter Schriften und
der
Sprachen, auf die gleich weite Entfernung von
Schwärmerey
Schwärmerei
und Spitzfindigkeit, und auf das Empfehlende des Vortrags, ja selbst des Betragens, einen
sehr wichtigen
so wesentlichen
Einfluß hat.
26.
Mit alle dem wäre dies
Dieß alles ist jedoch
eigentlich nur
Vorbereitung
Vorbereitung
auf das Studium der
Theologie,
Theologie
und durch Hülfe jener Kenntnisse und Uebungen
müßte
müste
muß
sich erst eine wohl
zusammenhängende
gründliche
Kenntniß der theoretischen und
praktisch
praktischen
Religionslehren
Religionslehren
bilden.
Sollte
Solte
Soll
diese auf
eigner
eigener
gewissenhaftesten Ueberzeugung
beruhen:
beruhen,
so
würde
wird
man selbst die einzeln erlangten Kenntnisse mit einander verglichen, durch einander geläutert, bestimmt und bestätigt haben müssen. Immer würden aber auch
Anderer abgehende
die dann abgehenden
Vorstellungen
davon
Einzelnen
sowohl,
sowohl
als die Erklärung der
Gesellschaft
kirchlichen
Gesellschaft
, zu der man sich, nach
vorhergegangener Ueberzeugung,
vorhergegangner Ueberzeugung
daß sie unter allen andern der Vernunft und heiligen Schrift am nächsten komme, bekennt, mit in Anschlag zu
nehmen
bringen
seyn. Auf diese Art
entstünde
entsteht
die Nothwendigkeit der Kenntniß von
thetischer Theologie,
theologischen
theologischer
Moral, Polemik
und
Symbolik
.
27.
Und nun die fruchtbarste
Nun erst kann von der fruchtbarsten
Mittheilung
Mittheilung
und Empfehlung der erlangten Religionskenntnisse an
Andre
Andere
durch
Unterricht
Unterricht und
Beyspiel
Beyspiel; das gesammte
Beispiel, und von dem gesammten
Betragen eines Religionslehrers gegen
die,
die
so
welche
sich seiner Leitung
anvertrauen. Hiezu bedürfte
anvertrauen, die Rede seyn. Hierzu bedarf
es der Kenntniß, wie der Vortrag aufs lehrreichste und eindrücklichste einzurichten
wäre
ist
, sowohl der an einander hängende in Predigten, als der mehr zerstückte in Gesprächen über die Religion,
kurz,
kurz
Kenntniß der
Homiletik
und
Katechetik
. Ferner, der Kenntniß des ganzen
vorsichtigen
fürsichtigen
, weisen
Katechetik
; desgleichen die Einsicht in das ganze vorsichtige, weise
und
erbaulichen Verhaltens
erbauliche Verhalten
eines Lehrers und Seelsorgers, oder
der sogenannten
Pastoral-Theologie
. Und endlich
in die sogenannte
Pastoraltheologie
, verbunden mit
der Kenntniß geistlicher Rechte und Kirchengesetze, oder der
geistlichen Rechtsgelahrtheit
.
28.
Schon die Menge und der
grosse
große
Umfang gedachter Wissenschaften
eröffnen
eröfnen
dem angehende Theologen ein
unermeßliches
sehr großes
Feld,
Feld
und erfordern keine gemeine Fähigkeiten, Uebungen und Hülfsmittel, wenn man es darin zu einiger Vollkommenheit bringen will.
Ueberdies
Ueber dies
wird jede dieser Wissenschaften von Zeit zu Zeit reicher und weitläufiger. Und noch ist nicht
einmal
einmahl
in Anschlag gebracht worden, daß man auch aus diesem Stande gemeiniglich die
Lehrer
Lehrer in Schulen
nimmt,
nimmt
und die Forderungen an sie bis zum
Ungebührlichen
Ungebürlichen
häuft; daß auch noch
andre
andere
Wissenschaften sehr nützlich und nothwendig sind, die entweder nicht, wie die vorhin berührten, einen unmittelbaren Einfluß in das Studium der Theologie haben, oder von dem Lehrer der Religion, nicht als von einem solchen, verstanden zu werden brauchen; und daß es eben so schwer, wo nicht noch schwerer ist, das Falsche und
Ueberflüßige
Ueberflüssige
in diesen Wissenschaften zu entdecken und zu vergessen, als das Wahre und
Nützliches
Nützliche zu lernen.
29.
Aeusserst schädlich und vergeblich
Gerade wegen dieses großen Umfangs
würde es
theils schädlich, theils vergeblich
seyn, wenn man es darauf anlegen wollte, alle diese Wissenschaften, die den
angehende
angehenden
Theologen bilden können, wenigstens mit
gleichem
gleicher Anstrengung des
eigenen
Fleisse
Fleißes
, zu
studieren;
studiren;
studieren:
ein Unternehmen, wozu man
bey
bei
dem Gefühl vorzüglicher Kräfte und
bey
bei
herrschender Liebe zu den Wissenschaften, oft auch aus Eitelkeit, leicht versucht werden
kan
kann
. Denn
–
nur wenige Menschen besitzen
ausserordentliche
außerordentliche
Fähigkeiten, und auch diese haben sie nur vorzüglich zu gewissen Arten von Kenntnissen und Wissenschaften.
–
Nur wenige werden durch günstige Umstände der
Muße
Musse
und hinlänglicher Hülfsmittel unterstützt, um jenen Vorsatz,
wenns
wenn's
ihnen auch nicht an Kräften und
rastlosen
rastlosem
Fleiß fehlte,
einigermassen
einigermaßen
durchsetzen zu können.
–
Niemals
Niemahls
kan
kann
auch eine solche ins Unbestimmte gehende
Wißbegierde
Wißbe gierde und einiger
glückliche
glücklicher
Fortgang derselben
anders,
anders
als auf Unkosten der Gründlichkeit und Reife der
Einsichten –
Einsichten,
anderer oft noch theurer
Pflichten – und
Pflichten, ja selbst
der Leibes- und
Gemüthskräfte geschehen; überhaupt
höheren Gemüthskräfte, geschehen. Ueberhaupt
aber
niemand
kann es
sich
eine solche Absicht beygehen
kaum jemand im Ernst beigehen
lassen, es in
vielerley
vielerlei
Wis senschaften zur
Vollkommenheit
Vollkommenheit zu bringen,
wer
wenn er
den Umfang der
Wissenschaften
Wissenschaft
, die
Größe
Grösse
und Schwierigkeiten der
dabey
dabei
nöthigen Beschäftigungen, und das eingeschränkte oder sehr erschöpfliche Maaß der menschlichen Kräfte kennt.
30.
Doch unendlich seltner ist dieser Fehler des zu
vielen
Vielen
, als der entgegenstehende Hang und das Vorurtheil, daß man, die Pflichten eines würdigen Lehrers der Religion zu erfüllen, nur wenig
brauche;
brauche:
ein Vorurtheil, das,
ausser
außer
unrichtigen Begriffen von dem Umfang und Zusammenhang der Gelehrsamkeit und ihrem Einfluß auf gründliche und lebendige Religionskenntnisse,
*)
durch flüchtiges und seichtes
Studieren
Studiren
auf Schulen, durch Liebe zur
Gemächlichkeit
Gemächlichkeit, durch das
Studieren
Studiren
um guter Tage willen, manchmahl auch durch natürliche Muthlosigkeit, und noch mehr durch
üble
üble,
aber mit Ansehen und Reichthümern belohnte
Beyspiele Andrer
Beispiele Anderer
, sehr unterstützt wird.
*)
Vergleiche
S.
dergleichen in
Jacobi, Johann Friedrich
Joh. Friedrich Jacobi
vermischte
vermischten
Abhandlungen
,
zweyte
zweyter
zweite
Sammlung, Hannover 1764,
in 8., im fünften, sechsten und siebenten Aufsatz,
S.
93 – bis 213.
93–213. verglichen
93–213.
mit den
Briefen über die
Jacobi, Johann Friedrich
Jacobischen
Gedanken
Gedanken
,
die Erziehung der Geistlichkeit und die Gelehrsamkeit
betreffend, Lübeck und Leipzig 1768.
8.
und:
Ueber einige verkannte, wenigstens ungenutzte Mittel zur Beförderung der Industrie
etc.
Erstes
Fragment
Fragment,
von
Campe, Joachim Heinrich
J. H. Campe
, Wolfenbüttel 1786.
in 8. im 2ten Aufsatze, mit den in der
allgemeinen deutschen Bibliothek
,
Band 84.
S.
592.
592
f.
beschriebenen
angezeigten
Schriften und der in dem
Journal
für
Prediger
Prediger,
Band 19.
S.
129.
129
f.
befindlichen Beurtheilung.
Joh. Friedrich Jacobi vermischte Abhandlungen, zweyte Sammlung, Hannover 1764, in 8., im fünften, sechsten und siebenten Aufsatz, S. 93 – bis 213
Der fünfte Aufsatz titelt
Gedanken über die gewöhnliche Erziehung junger Geistlichen
(aaO 93–153), der sechste
Wahre Geschichte meiner Bemühungen ein Polyhistor, ein Vielwisser zu werden
(aaO 153–188) und der siebente
Bescheidene Beantwortung einiger Zweifel wider die vorhergehende Geschichte und wider meine Gedanken von der Erziehung junger Geistlichen
(aaO 189–213).
Briefen über die Jacobischen Gedanken die Erziehung der Geistlichkeit und die Gelehrsamkeit betreffend, Lübeck und Leipzig 1768
Die anonym erschienenen
Briefe über die Jacobischen Gedanken
stammen von dem v.a. als Büchersammler hervorgetretenen Philologen und Schulmann Johann Nicolaus Niclas (1733–1808).
Ueber einige verkannte, wenigstens ungenutzte Mittel […] und der in dem Journal für Prediger Band 19. S. 129. f. befindlichen Beurtheilung
Der Titel des zweiten Aufsatzes lautet
Eine zweckmäßigere Vorbereitung derer, welche bestimmt sind, Landprediger zu werden
(aaO 26–84). Im Rahmen der umfangreichen Besprechung in der
Allgemeine[n] deutsche[n] Bibliothek
84 (1789), 581–602 werden aaO 592–594 insgesamt zehn Schriften aufgelistet, die, wie auch der im
Journal für Prediger
19 (1787), 129–196 abgedruckte Beitrag
Ueber die Bildung und Bestimmung des Landpredigers
, unmittelbar auf Campes
Fragmente
reagieren.
31.
Allein, so
So
verschieden
die Absichten sind, wozu
der Wirkungskreis ist, dem
ein angehender Geistlicher bestimmt werden
kan;
kan,
kann;
so verschieden daher
auch
der Grad der Vollkommenheit ist, der, nach jener besondern Bestimmung, von ihm gefordert werden
mag;
mag,
und so billig ein Unterschied zwischen einem
Prediger
Prediger
und einem eigentlichen
Theologe
Theologen
gemacht wird, von welchen
jener
jener,
Ungelehrte belehren und leiten,
dieser,
dieser selbst
Lehrer
selbst
bilden soll: so ist es
– zuvörderst
doch, zunächst
wenigstens,
wenigstens
nicht immer gewiß, wozu
man einmahl
ein Jeder dereinst
bestimmt werden
wird; und es
möchte. Nächstdem
ist
es
nicht nur für die
Gelehrsamkeit,
Gelehrsamkeit
sondern auch für die Religion selbst sehr nachtheilig, wenn die, so sich ein sehr kleines Ziel setzten, und deswegen wenig lernten,
hernach
dennoch
zu
ansehnlichern
ansehnlicheren
Stellen
befördert werden
gelangen
, wo sie künftige Lehrer
bilden
auf geraden oder krummen Wegen bilden, prüfen
oder befördern
sollen. Die Folge davon ist alsdann, daß sie, als Schul- oder akademische
Lehrer,
Lehrer
Andern
sollen, und entweder andern
nicht mittheilen können, was sie selbst nicht
haben; daß sie das als entbehrlich
haben,
oder
verächtlich vorstellen, was sie eigentlich und vornehmlich lehren
sollten
sollen
; daß sie durch
beydes
Beides
gelehrte
Anstalten,
Anstalten
in
blosse
bloße
Volksschulen oder Anstalten für den künftigen Handwerker oder Geschäftsmann verwandeln, und sie, wie die Gelehrsamkeit selbst, immer mehr vernichten helfen. Sind sie aber als Obere anderer
Lehrer
Lehrer angestellt, so sehen sie sich, als selbst Versäumte,
ungern
sich
von
denen
andern
, die in der bürgerlichen
oder kirchlichen
Gesellschaft
unter ihnen stehen, übertroffen; fordern
niedriger gestellt sind, übertroffen sehen,
daher auch
mehr, als sie selbst besitzen,
von ihnen
das nicht, was sie selbst nicht besitzen; können nicht mit Weisheit
nicht fordern
, oder
wollen nicht
zu ungeschickt sind,
mit
Gerechtigkeit,
Gerechtigkeit
jedem seine Bestimmung, nach dem Maaß seiner mehrern oder mindern
Vollkommenheit
Vollkommenheit anweisen; werden oft
verleitet
verleitet,
ihre Gewalt zu mißbrauchen, um die, welche ihnen an Kenntnissen überlegen sind, zu unterdrücken oder nieder zu
halten;
halten:
und so sind sie, selbst ihres höhern Postens unwürdig, oft Werkzeuge, fähigere Männer an Ausführung guter Absichten zu hindern, und gute Anstalten, über deren Erhaltung und immer steigenden Flor sie wachen sollten, zu Grunde zu richten
Vollkommenheit, anzuweisen
.
32.
Hiernächst ist der
Vollkommenheit
Vollkommenheit, wonach jeder, wonach besonders der ringen
sollte
solte
, wer
andre
Andere
leiten,
leiten
und für sie Muster seyn will, nichts so nachtheilig, als wenn man sich das Ziel so kurz steckt, nach welchem man laufen will. Es verräth schon wenig Trieb, wenig Gefühl seiner
Kräfte,
Kräfte
und wenig Entschlossenheit, folglich auch wenig
Beruf
Beruf,
Beruf
sich vor
andern
Andern
auszuzeichnen, wenn man sehr eingeschränkte Absichten hat. Je
kürzeres
kürzer
und
je
leichter zu
erreichendes
erreichen das
Ziel, desto weniger
Anstrengung.
Anstrengung!
Natürliche Trägheit und
aufstoßende
eintretende
Hindernisse ziehen ohnehin
viel
Viele
vom Fleiß ab. – Und warum bestimmen wir, was und wie viel jemand lernen soll, nur nach Beschaffenheit des
Amt
Amts
, nicht auch eben so sehr nach jedes
Fähigkeit
Fähigkeit
und
Fähigkeit
, die
darauf gegründete
Neigung
Neigung
und die angebotene
Gelegenheit
? Dieses giebt doch eigentlich den wahren göttlichen Beruf zu einer Beschäftigung, worin wir es am weitesten
bringen,
bringen
und womit wir gerade am nützlichsten werden können. Wenn denn auch
äusserliche
äußerliche
Umstände uns auf einen andern Posten
stellen:
stellen,
so hört doch die Verbindlichkeit nicht auf, jene mit und neben
unsern äusserlichen
unserm äußerlichen
Beruf zu treiben, es
sey
sei
, uns auf einen andern Stand, der unsern Fähigkeiten und Neigungen
angemeßner
angemessner
ist, vorzubereiten, oder, weil doch die eigentliche Theologie von
mehrern
mehreren
Wissenschaften Licht und Unterstützung erhalten
kan,
die
kann, die
Wissenschaften dazu zu benutzen, wodurch
wir
ihr die meiste
Aufklärung
Aufklärung und den meisten Eingang verschaffen können.
33.
Unausprechlichen Schaden thun
hiebey
hiebei
besonders
übelverstandne
übelverstande
übelverstandene
Begriffe von
Gemeinnützigkeit
Gemeinnützigkeit
, die wenigstens so oft zur Decke der Unwissen heit, der Trägheit, der Verachtung unerreichbarer
Kenntnisse,
Kenntnisse
und des eingeschränkten Eigendünkels dienen müssen. –
Gemeinnützig
soll doch wohl das
heißen,
heissen
was für Jedermann, was also selbst für den
großen
grossen
Haufen,
Haufen
nutzbar
ist,
ist
oder doch nutzbar gemacht werden
kan
kann
;
und
und,
wenn man darauf dringt, der Lehrer der Religion solle nur das Gemeinnützige
lehren,
lehren
und darauf
studieren
studiren
: so will man ohne Zweifel, er solle theils weiter
nichts
nicht
von der Religion vortragen, als was Jeder
fassen,
fassen
und wovon Jeder
Nutzen
Nutzen haben könne, theils darauf bedacht
seyn,
seyn
es
so
zu lehren, daß es auch Leuten von den gemeinsten Fähigkeiten einleuchte und nutzbar werde; brauche denn auch weiter nichts zu
lernen,
lernen
als jene Jedem faßliche und nützliche
Wahrheiten,
Wahrheiten
und die
Kunst,
Kunst
sie
für
Jedem nutzbar zu machen; wonach man seinen Fleiß
ohngefähr
ohngefehr
auf die nothdürftigsten Kenntnisse der Glaubens- und Sittenlehre und auf Homiletik und Katechetik einzuschränken pflegt.
Anmerk.
Die folgende ausführliche Bestreitung der Beschränkung alles, besonders
theologischen
Studiums auf das
Gemeinnützige
, wurde, als sie der Verfasser zu erst niederschrieb, recht vorzüglich durch den damals sich nachtheilig äußernden und verbreitenden Geist der Oberflächlichkeit und Ungründlichkeit veranlaßt, woran die durch
Basedow, Johann Bernhard
Basedow
und die
philanthropische Schule
beabsichtigte Erziehungsreform vorzüglichen Antheil hatte, und namentlich in viele gelehrte Schulen die Realien einführte und die Sprachen verdrängte, deren gründliche Erlernung
Trapp, Ernst Christian
Trapp
in dem
Campe, Joachim Heinrich
Campischen
Revisionswerk sogar für den größten Theil der Studierenden für höchst überflüssig erklärte. Indeß hat sich glücklicherweise dieser Geist nicht lange behauptet. Man hat bald genug eingesehen, wohin er führe, und welche allgemeine Seichtigkeit des Willens entstehen müsse, wenn man bei jedem Gegenstande des Lernens erst ökonomisch berechnen wollte, wozu man ihn im folgenden Leben gebrauchen könne. Gewiß würde der Verfasser jetzt freudig bemerken, wie in unsern gelehrten Schulen, wie in den Vorschriften auch unsers Staates über die Prüfung anzustellender Lehrer, die Strenge wieder hervortrat, und die Forderungen, fast bis zur Uebertreibung, gesteigert sind.
A. d. H.
Basedow und die philanthropische Schule beabsichtigte Erziehungsreform
Der von orthodoxen Kreisen angefeindete Theologe und Reformpädagoge Johann Bernhard Basedow (1724–1790) wurde nach seiner Entlassung aus dänischen Diensten 1771 nach Dessau berufen und gründete dort im Jahre 1774 das
Philanthropinum
, eine Lehranstalt, in der seine konsequent aufgeklärte, auf Nützlichkeit und Lebenspraxis zielende Pädagogik über Stände und Konfessionen hinweg verwirklicht werden sollte. Zwar wurde das
Philanthropinum
aufgrund innerer Probleme bereits 1793 wieder geschlossen, doch wirkten Basedows Ideen durch Weggefährten wie Joachim Heinrich Campe (1746–1818), Ernst Christian Trapp (1745–1818) und Christian Gotthilf Salzmann (1744–1811) sowie durch die Gründung weiterer Philanthropine nach.
Trapp in dem Campischen Revisionswerk
Gemeint ist die in insgesamt 16 Teilen von Joachim Heinrich Campe (1746–1818) herausgegebene
Allgemeine Revision des gesammten Schul- und Erziehungswesens von einer Gesellschaft praktischer Erzieher
(1785–1792). Der von Ernst Christian Trapp (1745–1818) verantwortete elfte Band aus dem Jahr 1788 trägt den Untertitel
Ueber den Unterricht in Sprachen
und wird in der
Anweisung
immer wieder angeführt.
34.
Daß man
dieses schlechterdings treiben
vor allen Dingen mit dem
Material
alles
Religionsunterricht
Religionsunterrichts, welches die
Glaubens-
und
Sittenlehre
enthält, bekannt seyn, und die Geschicklichkeit besitzen
müsse,
es zu verarbeiten und mitzutheilen;
daß auch der geringste
Lehrer
Lehrer der Religion diese Kenntnisse und Geschicklichkeit nicht entbehren könne, wenn er auch
nun einigermaßen ein würdiger Lehrer seyn wolle,
nur einigermaaßen seinen Beruf erfüllen will:
wer mag das
leugnen? und wer
läugnen? Wer
nicht zugeben, daß das
übrige
Uebrige
nicht in den Vortrag vor dem
großen
grossen
Haufen gehöre? Daß der Lehrer aber
weiter nichts
weiter nichts
brauche; daß er seinen wichtigen Pflichten ein Genüge thue, wenn er
nur
nur
in dem angegebenen Ver stande gemeinnützig zu werden suche; daß er selbst für den gemeinen Mann damit
hinlänglich
hinlänglich
sorge; daß, um dieses gewissenhaft leisten zu können,
wenige
wenige
Kenntnisse erfordert
werden,
werden
und eigentliche Gelehrsamkeit entbehrlich
sey
sei
– wer dies behaupten
kan
kann
, möchte wohl über seine
Pflichten,
Pflichten
und über die Mittel sie zu erfüllen, wenig nachgedacht
haben,
haben
oder
wenig
wenig,
davon zu
urtheilen,
urtheilen
im Stande seyn.
35.
Denn
1)
erstlich
ist
es
doch
unleugbar
unläugbar
, daß die Religion unsäglichen Schaden
leide,
leidet
und wenigstens
bey weiten
bei weitem
den heilsamen Eindruck nicht
mache
macht
, den sie machen
könnte –
könnte,
wenn der geistliche
Stand,
Stand
Stand überhaupt,
oder
wenn Lehrer der Religion verachtet sind,
viele Glieder desselben
verachtet
sind;
und der wird mit aller Arbeit wenig oder nichts fruch ten, der nicht seinem
Stand
Stande Ehre zu
machen,
machen
und diesen selbst in Achtung zu erhalten weiß. So lange die, welche von ihm
Belehrung
Belehrungen
oder Erinnerungen annehmen sollen, denken, es
sey
sei
nichts
leichter
leichter,
als ein Prediger zu werden – ein Vorurtheil, das sehr leicht
entsteht,
entsteht
und sich bestärkt, wenn sie sehen, wie
viel
viele
Unwürdige, die nichts
gelernet
gelernt
haben,
gelernt haben
und sich selbst nicht
einmahl
einmal
zu regieren vermögen, die es auch wohl selbst nicht
verheelen
verhehlen
, wie bald sie mit ihrer sogenannten Vorbereitung und
ihren
Amtsverrichtungen
Amtsverrichtungen fertig werden können, ins Amt
kommen;
kommen
– so lange sie sich einbilden, das
alles
Alles
, was sie von ihm lernen
sollten
solten
, wüßten sie schon – und das werden sie
destomehr
desto mehr
glauben, wenn der Lehrer weiter nichts als das
Gemeine weiß; –
Gemeine
weiß –;
so lange sie ihm
vorwerfen
verwerfen
können, er spreche
bloß
bloß,
wie er von
andern
Andern
gelernt habe, und es mit Unwillen
glauben
äußern
, daß
er bey Andrer sauren Arbeiten
er, indeß Andere im Schweiß ihres Angesichts ihr Brod mühsam erwerben
, für wenige Stunden Unterricht und einige
Krankenbesuche
leichte, fast mechanisch werdende Amtsgeschäfte
, in Gemächlichkeit das
Fett
Fett des Landes
genieße
geniesse
: so lange bleibt er, und mit ihm sein Stand und seine Beschäftigung, verachtet. Es ist nicht abzusehen, was ihn,
ausser
außer
dem
Bestreben,
Bestreben
sich
andern
Anderen
nützlich zu machen, gegen dieses Vorurtheil
schützen,
schützen
oder dieses von ihm ablehnen könne, als vorzügliche Einsichten, wodurch
andre
Andere
von seiner Ueberlegenheit gewiß werden. In so fern ist ihm Gelehrsamkeit nöthig, verächtlichen Vorurtheilen zu entgehen, sich das so nöthige Vertrauen zu
verschaffen,
verschaffen
und selbst im Stande zu
seyn,
seyn
sein Ansehen wirklich geltend zu machen.
Fett des Landes
Vgl. Gen 45,18 (vgl. Ps 81,17; 147,14).
36.
Und schränkt sich denn
2)
seine ganze
Pflicht
Pflicht bloß auf den
allgemeinen Unterricht
allgemeinen Unterricht
ein? Ist nicht die Sorge für das geistliche Beste
einzelner
einzler
Menschen, die ihm anvertraut sind, eine eben so wichtige, wo nicht wichtigere, wenigstens noch mühsamere Pflicht? Wenn er nun
gelehrtere,
gelehrtere
gelehrte,
oder, wie sehr zu wünschen ist, nachdenkende
Zuhörer
Zuhörer hat; wenn diese auf dunkle Stellen oder Zweifel in der Religion
stossen
stoßen
– ein
Fall,
Fall
der sich
bey
bei
einigem
Nachdenken
Nachdenken,
bey
bei
Anwendung des Gelernten auf
unsern
unseren
Gemüthszustand,
bey
bei
der immer gemeiner werdenden
Aufklärung
Aufklärung und
Lectüre,
Leserei, bei
den
Religionsstreitigkeiten
Religionsstreitigkeiten
Streitigkeiten
, in die sich selbst der gemeine Mann
mehr,
mehr
wie
sonst,
sonst
mischt, und der überhand nehmenden
Irreligion
Irreligion, gar nicht selten ereignet –; wenn
sie
man
ihm dergleichen Zweifel oder
Gewissensfälle
Gewissensfälle
vorlegen
vorlegt
, es
sey
sei
, ihn auf die Probe zu
stellen,
stellen
oder wirklich Belehrung und Gewissensruhe zu erhalten:
–
wird er, ich sage nicht bloß, sein Ansehen erhalten, sondern auch für ihre Seele wirklich sorgen können, wenn ihm nicht Gelehrsamkeit, selbst in Sprachen, in Philosophie,
in
Geschichte, zu Hülfe kommt, und er
durch seine Unwissenheit
genöthigt
ist,
ist
sie mit allgemeiner Versicherung seines Mißfallens, mit Warnungen
für
vor der leidigen
Vernunft
und
oder den
Nachstellungen des bösen
Feindes,
Feindes
und mit Forderung eines blinden Glaubens mehr
abzuweisen,
abzuweisen
und
dadurch
sich verächtlich, die
Religion
Religion selbst aber
verdächtig
verdächtig,
zu
machen,
machen
als ihnen die Zweifel zu benehmen, und ihr Gewissen zu
leiten,
leiten
oder zu beruhigen? Oder gehört nicht schon Gelehrsamkeit dazu, um ihnen nur begreiflich zu machen, warum sich keine nähere Belehrung geben lasse, oder daß die wahre und
praktisch
praktische Religion
dabey
dabei
nichts
einbüße
einbüsse
, wenn die Zweifel gar nicht, oder doch den Fragenden
nicht,
nicht
benommen werden können?
Vielleicht war in früheren Zeiten mit dem gemeinen Wissen allenfalls für den Prediger auszukommen. Seit aber wahre oder falsche
Aufklärung
Aufklärung und Bildung, sich durch die so sehr vermehrte Leserei unter alle Stände verbreitet hat, ist die Lage anders. Es ist sehr betrübt, wenn oft der Gutsbesitzer, Oekonom, Gerichtshalter mehr von Literatur und dem was in der gelehrten Republik vorgeht, weiß, als der Prediger. Und doch – wie oft ist dieß nicht der Fall?
A. d. H.
37.
Warum soll denn auch
3)
das
Gemeinnütziges
Gemeinnützige
den Maaßstab hergeben,
wornach
wonach
man den Werth eines Mannes oder einer Kenntniß schätzen, und worauf man am meisten sehen müsse, wenn man sich einer besonderen Beschäftigung widmen wolle? Gott hat die
Gaben
Gaben und Neigungen sehr mannigfaltig ausgetheilt, ohne Zweifel in der weisen Ab sicht, daß, weil nicht jeder
alles kan,
Alles kann
einer mit seinen
besondern Gaben,
besonderen Gaben
dem, der
dergleichen wozu nicht
weniger empfangen
hat, in die Hände arbeiten solle. Und es zeigt sich die Weisheit dieser Einrichtung dadurch, daß, wenn
alle Einerley
Alle Einerlei
darum trieben, weil es das Gemeinnützigste wäre, nicht nur unendlich viel Nützliches entbehrt, sondern auch viel Gemeinnütziges gar
nicht,
nicht
oder nur sehr unvollkommen erhalten werden würde, wenn nicht das minder Nützliche zu dem Wichtigern
mitwürkte
mitwirkte
, ja sogar das Gemeinnützige, der Ackerbau
z. B.
, ungemein viel von seinem
Werth bey andern
Werthe bei Andern
verlieren
müßte
müste
, wenn sich
alle
Alle
darauf
verstünden,
verstünden
oder
alle
Alle
damit beschäftigten. Man muß daher den
Werth
Werth einer Beschäftigung nicht nach
ihren
ihrem
ausgebreitetern oder auffallendern unmittelbaren Nutzen, sondern nach den
größern
grössern
Fähigkeiten und der Mühe, die sie kostet,
und
man muß
eben daher auch
den Werth eines Mannes nicht nach dem beurtheilen,
womit
womit
er sich beschäftigt, sondern nach dem
Fleiß
Fleiß
,
Fleiß
den er darauf verwendet hat, um es darin zur möglichsten Vollkommenheit zu bringen. Es ist eine unverantwortliche Empörung gegen Gottes weise
Ordnung
Ordnung –
Ordnung,
die wir doch überall zum Muster nehmen
sollten –
sollten,
mit Verachtung auf das herabzusehen, was nicht so gemeinnützig als etwas
Andres scheint – zumahl
Anderes scheint, zumal
wenn das Gemeinnützige anders nichts
ist,
ist
als was zur unmittelbaren Befriedigung körperlicher oder zeitlicher Bedürfnisse dient;
–
dadurch den mannigfaltigen Fleiß zu ersticken, und gerade gegen das am ungerechtesten zu werden, was die seltensten Talente voraussetzt, die
größeste
größte
Anstrengung und Ge nauigkeit erfordert, und meistens die wenigste Ermunterung oder Belohnung findet.
38.
Sorgt man aber auch
4)
in der That selbst für den gemeinen Mann hinlänglich, wenn man sich bloß auf das vermeinte
Gemeinnütziges
Gemeinnützige in der Religion einschränkt? – Nicht zu gedenken, daß es einen großen Unterschied unter dem
sogenannten
gemeinen Mann
gemeinen
Manne
, und noch mehr unter denen
giebt,
die keine Gelehrte von Profession sind,
und
daß
mancher darunter mehr Fähigkeit und natürlichen
Wahrheitssinn
Wahrheitssinn (sensus communis) hat, als sich der Lehrer einbildet: sollen wir nur immer seine gegenwärtigen Bedürfnisse befriedigen? uns nur immer an seine
jetzige
jetzigen
Fähigkeiten anschmiegen? ihn nie
weiter
empor
heben?
nie
schlafende Fähigkeiten
erwecken? und,
wecken? Und
wenn wir vorhersehen können, daß er, durch unsre Belehrung
erweckt
geweckt
, bald mehr bedürfen werde,
sollen wir
nicht schon
zum
im
voraus dafür sorgen, daß Bedenklichkeiten, die gegen das Vorgetragene entstehen könnten, mehr schon durch den Unterricht abgeschnitten, als
veranlaßt,
veranlaßt
und
dann
denn
erst mit Mühe gehoben werden; und daß, wenn er
einmahl
einmal
weiter gerückt seyn werde, und
unsre
Belehrung
Belehrung nicht mehr haben könne, ihm doch gleichwohl schon fürs Künftige geholfen
sey
sei
?
39.
Wenn man nun vollends
5)
gar nicht
einmahl
einmal
im Stande wäre, das Gemeinnützige Andern
gemeinnützig mitzutheilen
gemeinnützig mitzutheilen
, ohne vorher recht
Vieles
vieles
, selbst was man gar nicht vorzutragen hat, und ohne es recht gut gelernt zu haben? –
Zuerst
muß der Lehrer doch für sich, und er muß gewissenhaft
lernen
lernen, so daß er von
dem,
dem
was er
Andre
lehren,
lehren
Andere lehren
und ihnen empfehlen will, selbst wahrhaftig
überzeugt,
überzeugt
und dafür eingenommen
sey
sei
, wie wird er sonst zu
Andrer
Anderer
Ueberzeugung und mit Wärme reden können? Aber dazu gehören viele Kenntnisse, aus
welchen, zusammengenommen,
welchen zusammengenommen
Ueberzeugung
Ueberzeugung entsteht, viele
eigne
eigene
Erfahrungen
Erfahrungen und
viele
mannigfaltiger
Uebung
Uebung,
Uebung
alles
Alles
, auch das Entferntere, auf das Herz und zur Bildung seiner
eignen
eigenen
guten
Gesinnung
Gesinnung anzuwenden. Und ein Lehrer muß
Vieles
vieles
sich bekannt machen, was gar nicht für seine Zuhörer
gehört,
gehört
oder, nach der gewöhnlichen Sprache, nicht gemeinnützig ist, um
vor
in
sich
selbst
gewiß zu seyn, daß, was er auch ihnen, wegen ihrer Unfähigkeit, nicht beweisen kann oder
darf,
darf
z. B.
gewisse Erklärungen von Stellen der heiligen Schrift, er ihnen gleichwohl sicher und auf sein bloßes Ansehen vortragen könne. Es ist auch ganz etwas anders, mit
eignen
eigenen
Augen sehen, als bloß auf
Andrer Credit
Anderer Glauben
annehmen; und, wenn gleich der gemeine Christ das
letztre
Letztere
thun darf und muß
(§.
15
):
15
),
(§
15.
):
so ists doch dem Lehrer, der
Andern
Anderen
vordenken soll, wenn er sich durch sich selbst
wovon
von etwas
überzeugen
kan
kann
, nicht zu
verzeihen
verzeyhen
, daß er sich nur mit dem
begnügt,
begnügt
was
Andre
Andere
ihm vorgedacht haben. Ja, selbst wenn er auch Anderer Vorarbeit benutzen
will:
will,
so muß er's doch gewissenhaft thun, also,
bey
bei
der so
grossen
großen
Verschiedenheit der Meinungen, beurtheilen können, was das Richtigste
sey; und
sei. Aber
wie
kan
kann
er
das
das,
ohne
sich zuvor
viele dazu
gehörige,
gehörige
z. B.
philologische und historische Kenntnisse
erworben zu haben
?
40.
Soll er
ferner
nur das Gemeinnützige
lehren:
lehren,
so muß er die gehörige
Wahl
Wahl
zwischen dem zu treffen wissen, was er zu sagen hat oder nicht. Diese
Wahl
Wahl erfordert, daß er mehr
wisse
wisse,
als er zu sagen braucht, sonst
läst
läßt
sich nicht
wählen,
wählen;
und daß er den
Werth
Werth desjenigen, was er vortragen könnte, zu würdigen verstehe, sonst
kann
kan
er nicht das Gemeinnützige ausheben. Er wird vielmehr entweder aus Armuth an Sachen, was er weiß, ohne Unterschied
vortragen,
vortragen
und dadurch die
Gemeinnützigkeit
Gemeinnützig keit aufgeben, oder das Alltägliche vortragen
müssen,
müssen
und dadurch die Zuhörer
ermüden,
ermüden
oder dem
Vortrag
Vortrage
nicht das Unterhaltende geben können. –
Endlich
ist das Schwerste, gemeinnützige Sachen auch
gemeinnützig,
gemeinnützig
d. i.
d. i.,
so zu sagen, daß es auch
Unverständigern
Unverständigeren
, Trägen, Eingenommenen und Gleichgültigen einleuchtend, wichtig und rührend werde. Dazu gehört wieder nicht nur viele, selbst feine, Kenntniß des menschlichen
Herz
Herzens, um zu wissen, wo und wie man jeder Art
Zuhörer
von Zuhörern
am besten
beykomme
beikomme
, sondern auch die
Geschicklichkeit
Geschicklichkeit,
Geschicklichkeit
alles auf mehrern
Alles von mehreren
Seiten
anzusehn,
an zu sehn,
anzusehen:
eine Sache, die sich wieder ohne Mannigfaltigkeit und Reichthum der Erkenntniß nicht erreichen läßt.
Anmerk.
Anmerk.
1. Schon das ist sehr übereilt, und, wenn man es besser weiß oder
besser
wissen könnte, ungerecht, daß man immer das
Gemeinnützige
Gemeinnützige
sogenannten
Speculationen
Speculationen
und
gelehrten Kenntnissen
gelehrten Kenntnissen
oder Untersuchungen
entgegen setzt
entgegensetzt
, und
beydes
Beides
für einander hinderlich und unvertragbar ausgiebt. Dieser Wahn setzt schon das voraus, was eben erst untersucht werden müßte, daß gelehrte und speculative Kenntnisse nicht gemeinnützig seyn oder werden könnten; er verwechselt zum Theil das
Gemeinbekannte
oder Jedermann
erkennbarere
Erkennbarere
mit dem
Gemeinnützigen
; er schlägt den Werth des
äusserlichen Wohl's
äußerlichen Wohls
, mit Vernachlässigung der eigentlichen
Geistes-Cultur
Geistes-Cultur
Geisteskultur
, zu hoch an, oder bringt es allein in An schlag; er hält sich nur, oder zu sehr, an das, was
unmittelbar
nützlich
nützlich ist, und übersieht was
mittelbar
, was auf eine entfern tere und weniger in die Augen
fallende
fallenlende
Art wirkt, aber oft sehr weit reichende Wirkungen hervorbringt. Haben nicht sehr oft Bemerkungen und Versuche, die anfangs
Spielerey
Spielerei
oder
Spitzfündigkeiten
Spitzfindigkeiten
zu seyn schienen,
z. B.
in der Naturwissenschaft und Mathematik, auf sehr wichtige und
äusserst
äußerst
gemeinnützig gewordene Entdeckungen geführt?
Und was anders, als
Haben nicht oft
gelehrte und
spitzfündig
spitzfindig
scheinende
Untersuchungen
Untersuchungen,
willkührlich
angenommne
angenommene
Sätze, die sich bloß durch ihren Nutzen empfahlen, berichtigt, genauer bestimmt, bestätigt, und aus unzuverlässigen in
sichre
sichere
und feste verwandelt?
Anmerk.
Anmerk.
2.
Eben den unsäglichen Schaden, den die falschen Begriffe von
Gemeinnützigkeit
thun, stiftet auch der
mißverstandene
Name
Nahme
eines
Prediger
Predigers
, oder vielmehr das leidige Vorurtheil, daß ein Lehrer der Religion nur ein guter
Prediger
zu seyn
brauche,
brauche
und daß dazu sehr wenig gehöre. Wäre dies, und reichten mäßige praktische Kenntnisse der Religion nebst den sogenannten
Kanzelgaben
Kanzelgaben dazu hin, so ist nicht abzusehen, warum ein besonderer Stand der Prediger nöthig
sey
sei
; ein frommer Laie von
gutem gesunden
gutem, gesundem
Verstande könnte eben dies und
könnt'
könnte
es in mancher Absicht noch besser thun.
*)
Das Schlimmste ist nur, daß man den
großen
grossen
Haufen
der Studierenden
, der keinen andern innerlichen Beruf zu diesem
Stand
Stande
als die
Hoffnung
Hofnung
des
bequemern
bequemeren
Fortkommens hat, nie davon überreden wird, weil es ihm an Sinn dazu fehlt, und daß von dem Nutzen solcher Sachen, die nur mittelbar nützlich sind, oder sich erst nach
eignen
eigenen
Versuchen und Erfahrungen bewähren, wie
z. B.
von Sprachen, erst nach langer Uebung eine anschauende und wirksame Ueberzeugung entstehen
kan
kann
. Anfänger haben also um so mehr
Ursache,
Ursach
Ursach,
dem Rath und Urtheil derer, die
bey
bei
solchen Sachen hergekommen sind, mehr zu
trauen,
trauen
als den Vorspiegelungen der Unwissenden, die, unbekümmert um den
Schaden,
Schaden
den sie, auch ohne ihr Denken, der Religion selbst thun, das, was sie nicht verstehen, gern für entbehrlich ausgeben.
*) Ob gerade ein jeder praktischer Religionslehrer um einer kleinen, oft von aller Literatur weit entfernten
Landgemeine
Landgemeine recht nützlich zu werden, den Weg durch das ganze Gebiet der theologischen Gelehrsamkeit machen müsse, ob sich nicht für
eine gewisse
Klasse eine zweckmäßigere Bildung und Vorbereitung denken ließe als die unser akademisches Triennium giebt und geben kann, wäre allerdings noch der Untersuchung werth.
A. d. H.
41.
Zwischen
beyden
beiden
bisher erwähnten Abwegen des zu vielen oder zu wenigen Lernens (§.
29
–
40
) gehet
29.
–
40.
) geht
die rechte
Straße
Strasse
mitten durch; und die würde man halten
können –
können,
wenn man sich den Zweck, Inhalt,
Umfang
Umfang,
und Einfluß einer jeden Wissenschaft oder Art von Kenntnissen auf
andre
andere
, vorläufig recht bekannt machte;
–
wenn man
danach
danach,
und nach
unparteyisch
unparteyischer
unpartheyischer
unparteiischer
Prüfung seiner Fähigkeiten und Umstände, genau untersuchte, worauf man sich hauptsächlich zu legen hätte;
–
wenn man
alsdann
alsdenn
von den übrigen Wissenschaften so viel
lernte,
lernte
als zur gründlichen Kenntniß dessen, was man vorzüglich treiben will, unentbehrlich ist;
–
wenn man sich um die besten Hülfsmittel in jeder Wissenschaft bekümmerte, um diejenigen Wissenschaften, welche man
bey
hat bei
Seite
laßen
lassen
müssen, nachholen, und die, welche man bereits getrieben, noch vollständiger lernen zu können;
–
wenn man endlich, um sich Zeit zu
sparen,
sparen
und
alles
Alles
aufs vortheilhafteste zu treiben, die beste Art kennen zu lernen suchte, wie man, mit
Beyseitsetzung
Beiseitsetzung
des Unnöthigen oder Mindernöthigen,
alles
Alles
aufs kürzeste und sicherste lernte.
42.
Hiezu würde
Hierzu kann
eine allgemeinere Anleitung, wie sich ein angehender Theologe oder
künftige
künftiger
Lehrer der Religion zu bilden
hätte
hat, oder eine
Methodenlehre des theologischen Studiums
,
sehr dienlich
seyn, und diese müßte
dann
denn
seyn. Diese muß
von den Kenntnissen handeln, die er erlangen, von den
Fähigkeiten,
Fähigkeiten
die er haben, und von den
Hülfsmitteln
Hülfsmitteln, die er gebrauchen,
und
den
Uebungen,
Uebungen
die er
brauchen müßte (§.
20.
).
20.
)
anstellen muß.
Eine solche Anleitung ist weder mit einer theologischen
Encyclopädie
Encyclopädie
Enkyklopädie
noch
Methodologie
zu verwechseln.
Erstre
giebt mehr einen kurzen Auszug aus allen Theilen der
Theologie,
Theologie
und dient zur allgemeinern Uebersicht des Inhalts einer jeden Wissenschaft.
S.
Quintilian (Quinctilian)
inst.
I, 10
Quinctiliani
Institut. orator.
lib.
I.
c.
10. und
Wowern, Johann von
Jo. Wowerii
tractation. de Polymathia, 1665.
in 8.
Cap.
cap.
2.
Letztre
zeigt mehr die
Art,
Art
wie sie und ihre einzle Theile am besten getrieben werden können, und ist in so
ferne
fern
ein Theil der hier gemeinten Anleitung.
Quinctiliani Institut. orator. lib. I. c. 10
Bei der
Institutio oratoria
des in der zweiten Hälfte des 1. Jh.s wirkenden römischen Rhetorikers Quintil[l]ianus (seltener Quinctil[l]ianus) handelt es sich um eines der maßgeblichen Lehrbücher der antiken Redekunst. Die Grundlegung der Rhetorik bei den Griechen (Demosthenes, Isokrates u.a.) wird in vollem Umfang gewürdigt, der Schwerpunkt liegt jedoch bei den Römern, überragende Bedeutung wird v.a. Cicero beigemessen. Neben der Rhetorik wird in der
Institutio
zudem eine allgemeine erzieherische Absicht deutlich. Von den Humanisten geschätzt, gehörte Quintilians Lehrbuch auch zum Bildungsgut der darauffolgenden Jahrhunderte. In
inst.
I 10 geht Quintilian von den grammatischen u.ä. (vgl. I § 55) zu den weiteren Grundlagen des Rhetorikunterrichts (d.i. Musik, Geometrie und Astronomie) über, „um den Kreis derjenigen Fächer zu vollenden, den die Griechen
Enzyklopädie
nennen“ (Quint. inst. I 10,1
ut efficiatur orbis ille doctrinae, quem Graeci
ἐγκύκλικος παιδεία
vocant
). Bei dieser Stelle handelt es sich um eine der prominentesten Überführungen des griechischen Enzyklopädiebegriffs in den lateinischen Sprach- und Bildungszusammenhang.
Jo. Wowerii tractation. de Polymathia, 1665
Hier handelt es sich um die posthum in Leipzig erschienene zweite Auflage von Johann von Wowerns (1574–1612)
De polymathia tractatio
. Die Erstauflage erschien bereits 1603 in Basel.
43.
Eine solche Anleitung
müßte –
hat,
in Absicht auf
Kenntnisse
oder Wissenschaften,
gleichsam wie eine Landcharte,
gleich einer Generalcharte, zu
zeigen, welche Wissenschaften zur Theologie
in
an
sich oder als nothwendige
Hülfswissenschaften
Hülfswissenschaften gehören; welchen Umfang, welchen Nutzen oder Einfluß eine jede auf die andere hat; wie weit eine jede bisher bebaut ist; wo und welche Lücken in ihr sind; wie
sie könnten
ergänzt,
ergänzt
diese zu ergänzen sind
und wie überhaupt jede, oder
wodurch,
wodurch sie
noch
vollkommner
vollkommener
werden
könnte
. –
Bey den nöthigen
Bei der Betrachtung der zu dem Studium erforderlichen
Fähigkeiten
Fähigkeiten
müßten
sind
ihre Nothwendigkeit, ihre
Kennzeichen,
Kennzeichen
und die beste
Art,
Art
sie möglichst zu ersetzen und zu verbessern,
angegeben, und
anzugeben.
–
bey
Bei
den
Hülfsmittel
Hülfsmitteln und
Uebungen
Uebungen
,
Uebungen
sind
die besten Bücher, die sichersten
Regeln,
Regeln
jede Wissenschaft zu
studieren
studiren
, und die vortheilhafteste Art der Uebung
vorgestellt werden
anzuführen und ins Licht zu setzen
.
Anmerk.
Anm.
Anmerk.
1. Zu den
Hülfswissenschaften
Hülfswissenschaften
werden hier nur diejenigen gerechnet, welche
Materialien und
Grundsätze zu der Theologie
hergeben
liefern
, oder deren man
bey der Theologie zur
zu ihrer
gründlichen Kenntniß gar nicht entbehren
kan
kann
.
Anmerk.
Anm.
Anmerk.
2. Die Kenntnisse selbst bedürfen ihres Umfangs wegen
der weitläufigsten
Vorstellung
Behandlung
,
die weitläufigste Vorstellung
und meistens können die
dabey
dabei
nöthigen Hülfsmittel und Uebungen gleich mit angegeben werden. Jene müssen auch erst bekannt seyn, ehe man die dazu erforderlichen Fähigkeiten bestimmen
kan
kann
. Hiernach
kan
ist
die im
Folgenden
folgenden
beobachtete Ordnung und die verhältnißmäßige Ausführlichkeit
beurtheilt werden
zu beurtheilen
.
Anmerk.
Anm.
Anmerk.
3.
Theologische Bücher
Theologische Bücher
werden hier eigentlich nicht erwähnt, weil ich sie in einem andern
Buch,
Anweisung
Werke: „Anweisung
zur Kenntniß der besten
allgemeinern
allgemeineren
Bücher in allen Theilen der Theologie,
dritte
zwote
vierte
vermehrte Auflage, Leipzig
1790
1780
8.
1806.
8.“
angegeben
habe.
habe, {womit
Niemeyer, David Gottlieb
D. G. Niemeyer's
Bibliothek für Prediger und Freunde der theologischen Literatur, 1ster–4ter Theil, Halle 1797–1812,
und
Fuhrmann, Wilhelm David
Fuhrmann's
Anleitung zur Kenntniß der für Kandidaten und Prediger nützlichsten Bücher, Leipzig 1801
, zu verbinden ist}.
Doch sollen
auch
hier die besten
Handbücher und
Handbücher
für den angehenden Theologen, sowohl für eigentliche Theologie als
die
besten aus andern Wissenschaften
für die Hülfswissenschaften brauchbarsten,
nicht übergangen werden.
Anweisung zur Kenntniß der besten allgemeinern Bücher in allen Theilen der Theologie, dritte vermehrte Auflage, Leipzig 1790
Nösselts sog.
Bücherkenntniß
(vgl. Vorrede a [X]) war, wie auch Niemeyer in seiner Nösselt-Biographie (vgl. Vorrede Hg. c XIf.) I, 164.242f. herausstellt, bei Zeitgenossen ein hochgeschätztes Werk. Aus dem Rauchschen Auktionskatalog und dem Hauptbuch Reimer (vgl.
Schleiermacher Kritische Gesamtausgabe
[KGA] I/15, 781 [Nr. 1384]) sowie aus einem Brief an Joachim Christian Gaß vom 06.09.1805 (vgl.
Fr. Schleiermacher's Briefwechsel mit J. Chr. Gaß
[1852], 29) geht hervor, dass auch Friedrich Schleiermacher (1768–1834) diese Ausgabe besessen hat. Über die Auflagen der
Anweisung
hinweg wird jeweils auf die aktuellste Ausgabe der
Bücherkenntniß
verwiesen. Die in der dritten Auflage der
Anweisung
nachgetragene vierte Auflage der
Bücherkenntniß
stammt aus dem Jahr 1800. Unter dem Titel
Literatur der Theologie hauptsächlich des neunzehnten Jahrhunderts
ist 1813 eine von Christian Friedrich Liebegott Simon (geb. 1774) besorgte Fortsetzung der
Bücherkenntniß
erschienen. Zum Verhältnis von „gelehrte[r] oder Literargeschichte“ und Bücherkenntnis vgl. I § 245ff.
D. G. Niemeyer's Bibliothek für Prediger und Freunde der theologischen Literatur, 1ster–4ter Theil, Halle 1797–1812
Die auf Grundlage von Nösselts
Bücherkenntniß
entstandene
Predigerbibliothek. Oder beschreibendes Verzeichnis der brauchbarsten Schriften für Prediger und künftige Geistliche
I–III (1782–1784) David Gottlieb Niemeyers (1745–1788) ist wenig später von seinem jüngeren Bruder August Hermann Niemeyer und Heinrich Balthasar Wagnitz (1755–1838) unter dem Titel
Bibliothek für Prediger und Freunde der theologischen Literatur
(1796–1812) neu bearbeitet und um einen vierten Teil ergänzt herausgegeben worden.
Fuhrmann's Anleitung zur Kenntniß der für Kandidaten und Prediger nützlichsten Bücher, Leipzig 1801
Als Anhang zu Wilhelm David Fuhrmanns (1764–1838)
Anleitung zur Kenntniß der den Theologie studirenden, den Candidaten des Predigtamts und den Religionslehrern in den Städten und auf dem Lande wesentlich nothwendigen und geprüft nützlichsten Bücher
(1801) erschien 1802 die
Handbibliothek für junge Theologen und Religionslehrer
. Beide Bände sind später zum
Handbuch der theologischen Literatur
(1818/1819.1821) (vgl. III § 79 c) bzw. dem
Handbuch der neuesten theologischen Literatur
(1836) umgearbeitet worden. Nösselt und Niemeyer zählen zu Fuhrmanns Lehrern.
44.
Sonach würde dergleichen Anleitung einen
großen
grossen
Nutzen
Nutzen haben, der zugleich zu erkennen
gäbe
giebt
, nach welchem
Gesichtspunct
Gesichtspunct man die Theologie oder
einzelne
einzle
Theile derselben
studieren
studiren
müsse. In so fern
Der große Nutzen, welchen eine solche Anleitung gewähren kann, läßt sich leicht von mehreren Seiten darthun. Insofern
sie
zeigte
zeigt
, was und wie viel zu einem würdigen Lehrer der Religion
gehörte, würde
gehört, wird
sie
uns
jeden
in den Stand setzen,
uns
sich
gewissenhaft zu
prüfen,
prüfen
ob
wir
er
dazu fähig seyn
möchten
möchte
oder nicht. Diese
Prüfung
Prüfung
kan
kann
nie sorgfältig genug seyn.
Wie kan man
Wer kann
immer mit wahrer Zufriedenheit auf seine
getroffne
getroffene
Wahl
zurück sehen, – wenn man
zurücksehen, der
nicht überzeugt ist, daß
uns
ihn
Gott
zu
den
dem
gewählten
Stand
Stande
berufen
berufen hat, daß
wir uns
er sich
seines Wohlgefallens und Segens
dabey
dabei
getrösten
können
könne
, daß
wir uns
er sich
nicht
dem
Stand
Stand
dem Stande
entzogen
haben
habe
, den er
uns
ihm
durch das Maaß der geschenkten Kräfte und der darauf gegründeten Neigungen angewiesen
hatte? –
hatte? Womit soll man sich beruhigen,
wenn man sieht, wie unnütz man ist, wenigstens wie
bey weiten
bei weitem
nicht so
nützlich
nützlich man
in dem gewählten Stande
für die Welt seyn
kan in dem gewählten
Stande,
Stande
kann,
als in einem
andern,
andern;
und wie lästig man denen fallen muß, die durch uns gezüchtigt
werden,
werden
und uns
äusserlicher
äußerlicher
Umstände wegen behalten
müssen,
müssen; ja
wie hinderlich
zugleich
für
Andre
Andere
, mit welchen ihnen weit besser gerathen
wäre? –
wäre? oder
wenn man hinterher gewahr wird, daß man nicht nur oft selbst seinem zeitlichen
Glück
Glücke
Glück
im Lichte gestan den, sondern –
welches
was
noch schlimmer ist – daß
uns
die Beschäftigungen dieses
Beruf
Berufs schwer und
verdrießlich werden,
lästig werden;
daß man, statt Zutrauen zu haben, verachtet
wird,
wird;
daß man auch wohl oft, wegen gebrauchter
schlechten
schlechter
Mittel,
Mittel
sich
äusserlich
äußerlich
fortzubringen,
fort zu bringen
oder wegen bloß zeitlicher Absichten
bey
bei
der Wahl seines Berufs, mit Abscheu an sich selbst denken muß?
45.
Wie nun eine solche Anleitung
hiedurch
hierdurch
den, der keinen Beruf zu einem Lehrer der Religion hätte, noch zu rechter Zeit erinnern könnte, sich einer andern Beschäftigung zu widmen, der er mehr gewachsen
wäre,
wäre
und wodurch er, nach Gottes Absichten, Andern nützlicher werden würde: so könnte sie hingegen den, der sich wirklich aufgelegt dazu
fühlte,
fühlte
und seiner ganzen
Pflicht
Pflicht, als ein solcher Lehrer, Genüge thun wollte, den Umfang dieser Pflichten und die beste Art sie zu erfüllen, lehren. Die Vorstellung dieses
großen
grossen
Umfangs
würde
wird
ihn nicht niederschlagen. Denn, wo ihm Schwie rigkeiten
aufstießen
aufstiessen
,
kämen
kommen
sie ihm nicht unerwartet; er
kennte
kennt
denn auch schon
durch diese Anleitung
die
Mittel,
Mittel
sie zu
überwinden;
überwinden:
und dies
würde
wird
ihn, nebst dem erkannten Nutzen und Einfluß einer Wissenschaft und Beschäftigung auf die
andre
andere
,
sogar
so gar
zu desto
mehrern
größerem
Fleiß
Fleiß ermuntern.
46.
Da indessen Niemand
alles
Alles
mit gleichem
Fleiß
Fleiß und gleich glücklichem Erfolg treiben
kann: so würde sie
kann und soll (§.
29.
), so hat eine zweckmäßig gegebene Anleitung
jedem
die
Beschäftigungen
anweisen
anzuweisen
, welche nach seinen Fähigkeiten und Neigungen eigentlich für
ihn
ihm
gehörten, um sich nicht zu sehr zu zerstreuen, und, indem er seinen Fleiß
theilte
theilt
, in keinem Theil der Theologie etwas
einigermaßen
eingermassen
Vollkommnes
Vollkommenes
zu leisten.
Sie würde ihn
demnach
dennoch
, da er
Da er indeß
keinen Theil der Theologie zu seiner Hauptbeschäftigung ganz entbehren
kan,
kann, wird sie ihn
auch
zu
lehren
haben
, wie viel er daraus zu seinem
Hauptzweck
Hauptzweck
bedürfte
bedürfe
; wie und wodurch er sich am besten darin forthelfen, und, wenn er etwas hätte
bey
bei
Seite
laßen
lassen
müssen, das er hinterher noch brauchte, wie er
es
erst
, nach seinen Bedürfnissen, nachholen
könnte
könne
.
47.
Endlich
würde
wird
sie ihm Zeit, Mühe und Kosten ersparen helfen. Denn man hat schon viel gewonnen, wenn man
weiß,
weiß:
was
für uns nothwendig und
nothwendig,
entbehrlich oder minder wichtig
ist
; was
uns
schon gut
vorgearbeitet,
vorgearbeitet
oder
was
was er
zu ergänzen und zu verbessern ist; in welcher
Ordnung
Ordnung man jedes aufs Beste vornehmen
kan
kann
; welche
Hülfsmittel
Hülfsmittel zu jeder Zeit,
beym
beim
Anfang oder Fortgang, die dienlichsten sind. Und über dieses alles soll uns eine solche Anleitung unterrichten.
48.
Noch einleuchtender wird ihre Nothwendigkeit, wenn man einen Blick auf die jetzige Verfassung oder vielmehr den Verfall
unsrer
unserer
Schulen
Schulen und
Universitäten
Universitäten wirft. – Unstreitig eilt man jetzt viel früher als sonst, und im Gan zen
genommen,
genommen
viel unbereiteter, von jenen auf diese. Mag's seyn, daß man durch die neuerliche Einrichtung unsrer Schulen mehr auch für den Ungelehrten, für die Bildung des guten
Bürger
Bürgers, für Abschneidung vieler Umwege
bey
bei
dem
Studieren
Studiren
, gesorgt
hat;
hat:
für die, welche sich den eigentlichen Wissenschaften widmen sollen, hat man gewiß,
im gleichen Maaß
in gleichem Maaße
, nicht gesorgt. Wer dieses Urtheil einer Unbilligkeit zeihen will, den
kan
kann
man
auffordern –
auffordern,
wenn er unsre meisten Schulen
kennt,
kennt
und weiß, was zur gründlichen Kenntniß der Wissenschaften
gehört –
unparteyisch
unparteyisch
unpartheyisch
gehört, unparteiisch
die Fragen zu beantworten:
–
Treibt man nicht jetzt zu
Vielerley
Vielerlei
auf Schulen?
– zu
Zu
viele sinnliche
Beschäftigungen,
Beschäftigungen
und zu wenig solche, die zur eigentlichen
Bildung
Bildung des
Geist
Geistes
dienen?
– unter
Unter
den
Wissenschaften
Wissenschaften,
diejenigen zu wenig, welche zur
Vorbereitung
Vorbereitung
auf die übrigen nöthig sind,
Sprachen
Sprachen
z. B.
, und die hingegen, welche schon mehr
andre
andere
Kenntnisse voraussetzen, und den
höhern
höheren
Schulen vorbehalten werden sollten, zu früh oder zu viel?
–
Sieht man eben so sehr darauf, daß etwas
recht gut und gründlich
, als daß
Vieles
viel
gelernt
werde,
werde;
und
ists
ist's
besser, weniger und gut, oder
Vieles
viel
vieles
und obenhin, zu lernen?
–
Wird die Jugend auch genug
geübt
, und zu
eignem
eigenem
Nachdenken
Nachdenken und
eigenen
Arbeiten, auch wenn sie
beschwerlich
sind, angehalten? – Wird sie genug gegen Zerstreuung, Flüchtigkeit und
Dünkel
Dünkel,
verwahrt?
Treibt man nicht jetzt zu Vielerley auf Schulen? […] und ists besser, weniger und gut, oder Vieles und obenhin, zu lernen?
In den von Niemeyer im Rahmen seiner Nösselt-Biographie (vgl. Vorrede Hg. c XIf.) II, 3–46 herausgegebenen
Fragmenten einer Selbstbiographie
beschreibt Nösselt den Unterricht in der Bauerschen Privatschule in Halle. Nach dem Grundsatz
Non multa, sed multum!
habe er hier nicht viel, den Stoff jedoch umso genauer gelernt (vgl. aaO II, 21). Zu dem für den Gelehrten geltenden Grundsatz
multa et multum
vgl. I § 3.
49.
Wenn in
Schulen
Schulen nicht genug
auf
für
Universitäten
Universitäten vorbereitet
wird:
wird,
so
kan
kann
vieles auf diesen gar nicht von den Lernenden verstanden, ja
es
kan
kann
ihnen nicht
einmahl
einmal
die Nothwendigkeit mancher
Kenntnisse,
Kenntnisse
und wie viel zur
Gründlichkeit
Gründlichkeit des Wissens gehört, recht einleuchtend gemacht werden. Selten verstattet dies, nebst dem Mangel des
Geschmack
Geschmacks an Wissenschaften und ihrer gründlichen Kenntniß, dem Mangel der Zeit, und der Menge
dessen,
dessen
was sie erst, oder was sie
besser,
besser
lernen sollen, das Versäumte nachzuholen;
zumal
zumahl
wenn sie nicht gewöhnt worden sind, sich selbst zu treiben. Eilen sie
dann
denn
, wie gewöhnlich, zu schnell wieder von Universitäten weg; finden,
bey
bei
einer
übelverstandnen Freyheit
übelverstandenen Freiheit
, mehr Geschmack an Vergnügungen als
an
am
Studieren
Studiren
; und kommt die
Einbildung
Einbildung dazu, daß sie vieles nicht erst zu lernen
bedürften
bedürfen
, oder gar der Kitzel, sich bald hören zu
laßen,
lassen
lassen,
und sich
dann
denn
für reif genug zum
Amt
Amte zu halten: – was wäre
da
da
auszurichten?
Parentes (Praeceptores, oder was man statt dessen setzen
will,
will
) obiurgatione digni sunt, qui nolunt liberos suos
seuera
severa
lege proficere. Primum enim, sicut omnia, spes quoque suas ambitioni donant; deinde cum ad vota properant, cruda adhuc studia in publicum propellunt, et eloquentiam (sacram), qua nihil esse maius confitentur, pueris induunt adhuc nascentibus. Quod si paterentur laborum gradus fieri,
vt
ut
studiosi
iuuenes
iuvenes
lectione
seuera
severa
mitigarentur,
vt
ut
sapientiae praeceptis animos componerent,
vt
ut
verba atroci stilo effoderent,
vt
ut
, quod vellent imitari, diu audirent, sibi nihil esset magnificum quod pueris placeret: iam illa grandis oratio haberet
maiestatis
majestatis
suae pondus. Nunc pueri in scholis ludunt, iuvenes ridentur in foro (templis), et quod
vtroque
utroque
turpius est, quod quisquis perperam discit, in senectute confiteri non vult.
Petron
Petronius
im Anfange
s.
Satyr.
Parentes (Praeceptores, oder was man statt dessen setzen will,) […] in senectute confiteri non vult. Petronius im Anfange s. Satyr.
Zitiert wird aus dem
Satyricon
des römischen Senators und Romanautors Titus Petronius Arbiter (1. Jh.). Unter Kenntlichmachung der Unterschiede zur modernen Textgestalt heißt es in Petron. 4,1–4: „Die Eltern sind es, die Vorwürfe verdienen, weil sie nicht wollen, daß ihre Kinder in strenger Zucht weiterkommen. Denn erstens legen sie, wie überhaupt alles, auch ihre persönlichen Aussichten dem Ehrgeiz zu Füßen. Wenn sie sodann in Eilmärschen auf das gewünschte Ziel zustreben, hetzen sie die noch unfertigen Talente auf das Forum (
in forum impellunt
anstelle von
in publicum propellunt
) und ziehen den Talar der Eloquenz, den sie für das Allerhöchste ausgeben, Buben an, die noch in der Entwicklung stehen. Wenn sie sich aber damit abfänden, daß man stufenweise arbeitet, damit den jungen Leuten im Studium mit strenger Lektüre der Boden gedüngt wird (
irrigarentur
anstelle von
mitigarentur
), damit sie nach den Vorschriften der Philosophie ihr Wesen bilden, damit sie mit attisch (
Attico
anstelle von
atroci
) geschultem Griffel Worte aufkritzeln, damit sie lange hören, was sie nachahmen wollen, wenn jene sich also klarmachten, nichts habe wahre Größe, was Buben gefalle (
si persuaderent sibi nihil esse magnificum quod pueris placeret
anstelle von
sibi nihil esset magnificum quod pueris placeret
) – dann brächte jene ‚bedeutende‘ Rede ihre Hoheit zu voller Wirkung. Jetzt treiben die Buben in den Hörsälen nur Possen, die jungen Leute machen sich auf dem Forum lächerlich, und was schlimmer ist als beides: wer etwas falsch gelernt hat (
didicit
anstelle von
discit
), will es, so alt er wird, nicht zugestehen“ (Text und Übers. nach Tusculum [Ed. Müller/Ehlers], Darmstadt 1995, 12.13). Durch dem Petronius-Text in Klammern beigefügte Zusätze wendet Nösselt dieses Zitat auf die theologische Ausbildung an.
50.
Die einzige Hülfe – wo sie noch möglich
ist,
ist
– könnte für die, welche Theologie
studieren
studiren
wollen, von einem
Unterrichte
Unterricht
über den Umfang der Wissenschaften, die Erfordernisse und Hülfsmittel
bey
bei
der Theologie, erwartet werden. Er
kan
kann
doch die so nöthige
Selbstkenntniß
Selbstkenntniß
bey
bei
denen, die noch nicht, oder nicht ganz, verdorben sind, und die Kenntniß befördern, wie viel dazu gehöre, um mit
Würde
Würde den
Beruf
Beruf eines Lehrers der Religion zu führen. Und,
–
wenn Universitäten die eigentlichen
Pflanzschulen
Pflanzschulen künftiger Lehrer sind;
–
wenn man da am sichersten und
vollständigsten
vollständig
erfahren
kan
kann
, wie weit bis jetzt das Feld der Theologie bebaut ist;
–
wenn so viel davon abhängt, daß man gleich im Anfang seine
akademischen
Akademischen
Studien gut
einrichte;
einrichte,
daß man sich nicht durch Mode oder
durch
selbst noch Rathsbedürfige oder aus Leidenschaften Rathende, sondern durch Verständigere und der Sachen Kundige leiten lasse; daß man frühzeitig lerne,
was? warum?
was, warum,
und
wie?
wie
man auf Universitäten hören
müsse:
müsse;
– so wird eine solche Anweisung immer nicht nur eine gute
Vor bereitung
Vorbereitnng
auf das übrige
Studieren
Studiren
, sondern auch eine große
Beyhülfe
Beihülfe
auf das künftige weitere Fortschreiten nach vollendeten
Universitätsjahren
Universitäts-Jahren
seyn.
51.
Unter den Büchern, die einen solchen
Unterricht,
Unterricht
oder vielmehr einige
Beyträge
Beiträge
dazu,
dazu
enthalten,
und wovon die allermeisten
sind zwar viele ältere
entweder
unsern
unseren
Zeitbedürfnissen,
Zeitbedürfnissen
oder der
Aufklärung
Aufklärung, den Grundsätzen und der Verfassung
evangelischer
Evangelischer
Kirchen
Kirchen, gar nicht angemessen sind, verdienen, wiewohl in sehr verschiedner Absicht, verglichen zu werden:
Kirchen nicht mehr angemessen, jedoch enthalten sie zum Theil noch treffliche Winke. Noch weniger fehlt es an neueren, welche jene benutzt und das Bedürfniß der Gegenwart zugleich berücksichtigt haben.
Unter den älteren sind vorzüglich schätzbar:
Erasmus, Desiderius
Desid.
Erasmi
Roterod.
Ratio
s. methodus (Compendium) verae Theologiae,
bey
bei
seiner
zweyten
zweiten
Ausgabe des griechischen neuen Testaments, von 1519,
und nachher
oft aufgelegt; in der neuesten Ausgabe recensuit et
illustrauit
Semler, Johann Salomo
Jo.
illustravit
Io.
Sal.
Semler
, Halae 1782.
in
gr.
8.
De recte formando
Theologiae
theologiae
studio (oder unter dem Titel: de Theologo s. de ratione studii theologici) libri quatuor,
Hyperius, Andreas
Andr. Hyperio
auctore, am neuesten aufgelegt Basileae
(1582.
(1582
) in 8.
Jo. Gerhardi
Methodus Studii theologici, Jenae 1654.
in 8. und schon vorher mehrmals gedruckt.
Traité des études monastiques – – par
Mabillon, Jean
Jean Mabillon
, etwas verändert wieder gedruckt à Paris 1692
in zwey Bänden in
gr.
12. und hernach
mehrmals
mehrmahls
.
Methode pour étudier la Theologie (von
Du Pin, Louis Ellies
L. E. du Pin
,)
a
à
Paris
1716.
1716
in
gr.
12.
Buddeus, Johann Franz
Jo.
Io.
Franc. Buddei
Isagoge historico-theologica ad Theologiam
vniuersam
universam
singulasque eius partes, Lipsiae
1727.
1727
in 4. mit den Supplementen oder der Historia Theologiae litteraria continuata
(1730.
(1730
) in 4.
Koecher, Johann Christoph
Jo. Christ. Koecheri
Conspectus Theologiae vniuersae, Guelpherb.
1749.
1749
in 8.
Walch, Johann Georg
Joh. Georg Walchs
Einleitung in die theologische Wissenschaften, zweyte und vermehrte Ausgabe, Jena
1753.
1753
in 8.
Unter den Neueren:
Mosheim, Johann Lorenz von
Joh. Lorenz von
Mosheims
Mosheim
kurze Anweisung, die Gottesgelahrtheit vernünftig zu erlernen – – zum Druck befördert von
Windheim, Christian Ernst von
Christian Ernst von Windheim
, Helmstädt 1756.
in
gr.
8.
Semler, Johann Salomo
Joh. Sal.
Semlers
Semler's
Versuch einer nähern Anleitung zu nützlichem
Fleiße
Fleisse
in der ganzen
Gottesgelehrsamkeit
Gelehrsamkeit
, Halle
1757.
1757
in 8.
Mosheim, Johann Lorenz von
Joh. Lorenz von Mosheim
kurze Anweisung die Gottesgelahrtheit vernünftig zu erlernen – – zum Druck befördert von
Windheim, Christian Ernst von
Christian Ernst von Windheim
, Helmstädt 1756 in
gr.
8., und
Briefe, das Studium der Theologie
betreffend,
betreffend
(von
Herder, Johann Gottfried von
J. G.
Herder
,
Herder
) Weimar 1780 und
81.
81 bisher
in 4 Theilen in 8.
(auch in
dessen Werken zur Religion und Theologie. 9ter und 10ter Theil.)
Planck, Gottlieb Jakob
G. F. Plank
Einleitung in die theologischen Wissenschaften, 1ster und 2ter Theil, Leipzig 1794. 95.
und der Auszug zu Vorlesungen 1806.
Schmidt, Johann Ernst Christian
Schmidt
Lehrbuch der theologischen Encyklopädie und Methodologie. Gießen 1810.
Die meisten andern Schriften, die hieher zu gehören scheinen möchten, sind entweder gar zu dürftig, und zeugen zu sehr von zu weniger Bekanntschaft mit diesen Wissenschaften selbst, oder mit unsern Zeitbe dürfnissen; oder betreffen, wie die
Summe von Erfahrungen und Beobachtungen zur Beförderung der Studien etc.
von
Schlegel, Gottlieb
Gottlieb Schlegel
, Riga 1786.
in 8. mehr die Zubereitung auf Schulen und Universitäten; oder enthalten, wie der
Versuch über das Studium der Theologie in Rücksicht unsrer Zeiten
, Leipzig 1790. in 8. mehr Erklärungen über einige neulich in Anspruch genommne Kirchenlehren und das rechte Benehmen dabey, als daß sie sich auf Darstellung des Zwecks theologischer Wissenschaften und die beste Art sie zu treiben, einlassen sollten.
Versuch über das Studium der Theologie in Rücksicht unsrer Zeiten, Leipzig 1790
Dieses dem Untertitel nach
in Briefen an einen angehenden Theologen
verfasste Werk wird entweder Erdmann Kolb (1762–1827), ab 1802 Pastor in Suhl, oder dem Königsberger Theologen und Orientalisten Johann Gottfried Hasse (1759–1806) zugeschrieben (vgl.
Neuer Nekrolog der Deutschen
Jg. 5, 1827 [1829], 251 bzw. Doering, Heinrich,
Die gelehrten Theologen Deutschlands im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert
I [1831], 639).
dessen Werken zur Religion und Theologie. 9ter und 10ter Theil
Johann Gottfried Herders (1744–1803)
Sämmtliche Werke
I/9 (Tübingen 1808) besteht aus den ersten drei Teilen der
Briefe, das Studium der Theologie betreffend
(nach der zweiten Ausgabe 1785), der Band I/10 (ebd.) trägt den Titel
Vom Studium der Theologie und dem Christlichen Predigtamt
und enthält den vierten Teil der
Briefe
.
G. F. Plank Einleitung in die theologischen Wissenschaften, 1ster und 2ter Theil, Leipzig 1794. 95. und der Auszug zu Vorlesungen 1806
Bei dem
Auszug
handelt es sich um Gottlieb Jakob Plancks (1751–1833)
Grundriß der theologischen Encyklopädie zum Gebrauche bey seinen Vorlesungen
(1813), der heute nicht mehr nur als bloßes Exzerpt der
Einleitung
– neben Nösselts
Anweisung
die zweite große neologische Enzyklopädie – betrachtet wird.
Schmidt Lehrbuch der theologischen Encyklopädie und Methodologie. Gießen 1810
Johann Ernst Christian Schmidts (1772–1831)
Lehrbuch
ist zwar angekündigt worden (vgl.
Intelligenzblatt der Jenaischen Allgemeinen Literatur-Zeitung
Nr. 31 [1810], 243), doch ist sein Erscheinen nicht nachweisbar. Ein Jahr später ist in demselben Gießener Verlag, der das
Lehrbuch
angekündigt hatte, jedoch Schmidts
Theologische Encyclopädie. Für seine Vorlesungen
(1811) herausgekommen.
52.
Alles, was man in einer solchen Anleitung mit Recht erwarten
kan, betrift
kann, betrifft, wie schon bemerkt (
42.
)
entweder
die
Kenntnisse
Kenntnisse, die ein angehender Lehrer der Religion zu erlangen suchen,
oder
die
Fähigkeiten
Fähigkeiten, die er besitzen,
oder
die Uebungen, die er anstellen muß
(§.
42
)
. Und weil alle zu seiner Bildung, als eines
Religionslehrers
Religions-Lehrers
, nöthige Kenntnisse oder Wissenschaften
entweder
Vorbereitungs- und Hülfswissenschaften sind,
oder
die eigentliche
Theologie,
Theologie
d. i.
die Lehren der Religion und die richtigen Vorstellungen davon selbst, nebst den dazu nöthigen
Beylagen
Quellen
, enthalten,
oder
die Mittheilung derselben an
Andre,
Andre
Andere,
und die ganze weise und nutzbare Führung des Lehramts betreffen: so wird die folgende Anleitung vier Theile begreifen:
1.
1)
Von den Vorbereitungs- und Hülfswissenschaften.
2.
2)
Von den Theilen der sogenannten
systematischen
Systematischen
Theologie,
Theologie
und ihren
Beylagen
Quellen
, der
exegetischen
Exegetischen
und
historischen
Historischen
Theologie.
3.
3)
Von der Anweisung zur würdigen und zwecksmäßigen Führung des Lehramts, und
4. von
4) Von
den Fähigkeiten und
allgemeinern
allgemeineren
Anstalten und
Uebungen, wodurch ein angehender Lehrer gebildet werden
kan
kann
.
Besondre
Von den besondern
Uebungen, die zu
einzelnen
einzeln
Theilen der Theologie gehören,
werden bey
wird bei
der Abhandlung dieser
einzelnen
einzlen
Wissenschaften gleich
mitgenommen
mit gehandelt werden
.
Erster Theil. Von den Vorbereitungs- und Hülfswissenschaften der Theologie.
53.
Alle Wissenschaften hängen
nicht nur
gewissermassen zusammen,
gewissermaßen zusammen
und so
ferne
fern
wäre
gewissermaßen zusammen. In sofern könnte
es für den, der Theologie studiert, nützlich
seyn
, in keiner derselben ganz Fremdling zu
seyn
bleiben
, zumahl wenn er manche
von ihnen
unter seinen
besondern
besonderen
Umständen,
bey
bei
Schulstellen
z. B.
,
auch abgesehen von der Theologie, nöthiger
hätte
brauchte
als
andre; sondern manche haben
andre. Indeß haben doch manche
auch einen
nähern
unmittelbaren
Einfluß
in
auf
das gründliche Studium der
Theologie,
Theologie
und einige unter diesen sind dazu schlechterdings unentbehrlich. –
Wie die
Nach der
Absicht dieses Buchs
muß es
sich nur auf die einschränken
muß
, welche in einer solchen nähern Verbindung mit der Theologie
stehen: so kan man diese
stehen. Diese eigentlichen
Vorbereitungswissenschaften
Vorbereitungswissenschaften
eintheilen
kann man bequem eintheilen:
1) in solche, welche
entweder
die
Quellen
Quellen der Theologie enthalten,
oder
ohne die sich wenigstens nie sicher aus diesen Quellen schöpfen läßt, die daher auch zur gründlichen Einsicht der Theologie die allerunentbehrlichsten
sind;
sind,
Philologie
, meine ich, nebst der mit ihr verbundnen
Kritik
, und
Philosophie
; 2) in solche, die zur
allge meineren
allge
Uebersicht der Theologie und der vortheilhaftesten Art gehören, wie man sie studieren
müsse
muß
, wohin eine solche
Anleitung
, wie wir hier versuchen, allenfalls auch eine eigentliche
Encyklopädie
(§.
42.
Anmerk.
),
Encyclopädie
,
Encyklopädie
, selbst
zu rechnen
wäre
ist
; und 3) in
solche,
solche
die mehr
Hülfswissenschaften
Hülfswissenschaften,
Hülfswissenschaften
Hülfswissenschaften
,
d. i.
zur rechten Kenntniß der ganzen Theologie zwar nicht
zum voraus
, aber doch
dabey
,
dabey
daneben
,
und entweder
zur Vergründlichung
zum Gründlichen
derselben
überhaupt,
überhaupt
oder
bey
bei
einem Theil
derselben,
derselben
nothwendig sind. Von dieser letzten Art
wäre
ist
die
Geschichte
Geschichte
überhaupt,
überhaupt
und besonders
die
Geschichte der theologischen
Wissenschaften
Wissenschaften
, verbunden
mit der
Kenntniß der besten theologischen Bücher
, nebst den
so genannten
sogenannten
schönen Wissenschaften
.
Anm.
Anm.
1. Man nimmt zwar oft das Nöthigste aus diesen Wissenschaften in die Abhandlung der Theologie selbst auf, und daher möchte ihre vorläufige Kenntniß entbehrlich scheinen. Aber dadurch wird
diese
jene
Abhandlung unnöthig weitläufig gemacht,
darüber wird
das Aufgenommene mehr berührt als ausgeführt, und meistens setzt man doch Kenntniß dieser Wissenschaften schon
voraus.
voraus;
Kenntniß und Uebung in diesen ist wenigstens eine
treffliche
trefliche
Vorbereitung auf das Studium der Theologie.
Anm.
Anm.
2. Der thörichte Gedanke:
weil die Theologie die würdigste Wissenschaft
sey
sei
, müsse man sie allein und zuerst treiben, verdient kaum berührt zu werden. Eben weil sie die würdigste Beschäftigung ist, und weil sie unmöglich ohne viele
andre
andere
Hülfsmittel gründlich getrieben werden
kan
kann
, sollte man sich ihr sehr wohl zubereitet nähern.
Anm.
Anm.
3.
Es würde unnöthig seyn, von der
zweyten
zweiten
Art dieser Wissenschaften, die zur Vorbereitung auf das theologische Studium dienen, ausführlicher zu reden. Denn der Inhalt, Zweck und Nutzen einer
Anleitung
zu diesem Studium und einer theologischen Encyklopädie, ist schon oben §.
41
41.
f.
angegeben. Die folgende Abhandlung schränkt sich daher auf
Philologie, Philosophie, Geschichte
und
schöne Wissenschaften
ein, die in vier besondern Abschnitten, dem
hiesigen Zweck
Zwecke
gemäß, dargestellt sind.
Weil Philologie und Philosophie die unentbehrlichsten Vorbereitungswissenschaften sind und von beyden am weitläuftigsten gehandelt werden muß: so sind ihnen hier zween besondre Abschnitte gewidmet und die übrigen in einem dritten zusammen genommen worden.
weil die Theologie die würdigste Wissenschaft sey, müsse man sie allein und zuerst treiben
Die Vorstellung des Primats der Theologie geht auf Aristoteles'
Metaphysik
zurück (vgl. Aristot. metaph. E 1026a) und findet sich besonders prägnant in der Petrus Damiani (um 1006–1072) zugeschriebenen Formel
philosophia ancilla theologiae
.
54.
Einige allgemeinere nützliche Kenntnisse von den meisten dieser Wissenschaften, nebst heilsamen
Räthen und
Vorschlägen
und Winken
über die beste
Art,
Art
diese Wissenschaften
dieselben
zu treiben, enthalten vorzüglich
Vives, Juan Luis
Jo.
Io.
Ludov. Vivis
de disciplinis libri XII., unter andern gedruckt Lugduni Bat.
1636
in
1636.
12.
Bacon, Francis
Franc. Baconis
de dignitate et augmentis scientiarum libri
IX.
IX
, unter seinen lateinisch übersetzten
Werken,
Werken
Hafniae
1694
1694.
fol.
De la
maniere
manière
d'enseigner et d'étudier les
belles-lettres
belles lettres,
par Mons.
Rollin, Charles
Rollin
, wieder gedruckt
à
Halle 1752
in vier
Bänden in
Bänden,
8.
Kurzer Begriff aller Wissenschaften und
anderer
andern
Theile der Gelehrsamkeit
etc.
(von
Sulzer, Johann Georg
Joh. Georg
Sulzer
,
Sulzer
)
zweyte
Sulzer
),
zweite
ganz veränderte Auflage, Leipzig 1759
in
8.
8., und
Gesner, Johann Matthias
Jo.
Io.
Matth. Gesneri
primae lineae Isagoges in eruditionem
vniuersalem
universalem
etc.
accedunt praelectiones ipsae per
Niclas, Johann Nicolaus
Jo.
Io.
Nic. Niclas
,
in
2
Tomis
Tomi
, Lipsiae 1774 und
75
75,
in groß 8.
und
Encyklopädie der historischen, philosophischen und mathematischen
Wissenschaften - -
Wissenschaften,
von
Büsch, Johann Georg
J. G. Büsch
, Hamburg
1775
in
1775,
gr.
8.
Krug, Wilhelm Traugott
Krug
Versuch einer systematischen Encyklopädie der Wissenschaften. 2 Theile. Wittenberg und Leipzig 1796.
Schmid, Carl Christian Erhard
C. C. F. Schmidt
allgemeine Encyklopädie und Methodologie der Wissenschaften, Jena 1811.
De la maniere d'enseigner et d'étudier les belles-lettres par Mons. Rollin, wieder gedruckt à Halle 1752 in vier Bänden
Der Autor ist Charles Rollin (1661–1741), die vier Bände sind 1751/1752 erschienen.
Krug Versuch einer systematischen Encyklopädie der Wissenschaften. 2 Theile. Wittenberg und Leipzig 1796
Die ersten beiden dieses aus insgesamt drei Teilen (1796–1819) bestehenden Werkes sind 1796/1797 erschienen, der dritte Band zerfällt in zehn Hefte (1812–1819). Der vollständige Name des Autors lautet Wilhelm Traugott Krug (1770–1842).
C. C. F. Schmidt allgemeine Encyklopädie und Methodologie der Wissenschaften, Jena 1811
Carl Christian Erhard Schmids (1761–1812)
Allgemeine Encyklopädie
ist bereits 1810 in Jena erschienen.
Erster Abschnitt.
Philologie
Philologie.
55.
Philologie
Philologie
begreift –
begreift,
in dem
Sinn, wie
Sinne, worin
man das Wort jetzt
nimmt –
nimmt,
alle Kenntniß der Sprachen und der
dabey
dabei
erforderlichen Hülfsmittel. Sie lehrt also den Ausdruck in einer Sprache
verstehen
und
anwenden
;
anwenden
,
lehrt den Gebrauch des
Ausdruck
Ausdrucks,
sowohl
in Absicht
sowohl
auf die damit verbundenen Begriffe, oder den sogenannten
Sprachgebrauch
Sprachgebrauch
, als auch in Absicht auf die Veränderungen der Wörter und ihre Verbindung, oder die
Sprachregeln
. In
so fern
sofern
sie das
letztere
Letztere
thut, nennt man sie auch
Grammatik
Grammatik
im engsten Verstande.
Man weiß, daß
Philologie
und
Grammatik
bey
bei
den Alten für
Litteratur
Literatur
galt
,
d. i.
d. i.,
alle Sprach- und historische, selbst philosophische Kenntnisse in sich faßte, die man zur Erklärung alter Schriftsteller bauchte
; daß man sie nachher auf Kenntniß und Gebrauch der Sprachen einschränkte; daß endlich Philosophie und
Rhetorik,
Rhetorik
oder, wenn man will, auch die
Aesthetik der Neuern,
mit
von
ihr
theilte
getrennt ward
.
S.
unter
Andern
andern
Quintilian (Quinctilian)
inst.
I. II.
Quinctilianus
de instit. oratoria im ersten und
zweyten
zweiten
Buch. Nach
der neuern Absonderung
dieser
Wissenenschaften
Theilung
Wissenschaften,
hat man der
Philosophie,
Philosophie
die Untersuchung der allgemeinen Natur der
Sprache,
Sprache
und
des, wenigstens deutlichen,
wenigstens des
deutlichen
Vortrags; der
Rhetorik
Rhetorik,
Rhetorik
und noch mehr der
Aesthetik
Aesthetik, den Unterricht über den sinnlichen Vortrag, und, sofern es
dabey
dabei
auf Sprache ankommt, über den edlern oder
auserlesenern
auserlesnern
Ausdruck, vorbehalten; der Philologie aber
besondre
die besonderen
Sprachen, und mehr das Mechani sche derselben,
überlaßen
überlassen
. So weit also jene Wissenschaften mit Sprache zu thun haben, theilt ihnen die Philologie ihre
Produkte
Producte
mit, und erhält
hinwiederum
wiederum
nicht nur an den Sachen, die in jenen Wissenschaften erfunden werden, neuen Stoff zum Ausdruck, sondern auch die
Kunst,
Kunst
ihre
eigne
eigenen
Produkte
Producte
zu
veredlen,
veredlen
veredeln,
und von dem Mechanischen der Sprachen Rechenschaft zu geben, oder es in vernünftige und allgemeine Principien aufzulösen.
Aesthetik der Neuern
Gemeint ist v.a. Alexander Gottlieb Baumgarten (vgl. I § 177).
Quinctilianus de instit. oratoria im ersten und zweyten Buch
Im ersten und zweiten Buch seiner
Institutio oratoria
behandelt Quintilian die Grundlagen des Rhetorikunterrichts, d.h. das Verhältnis der Rhetorik zu angrenzenden Disziplinen (v.a. zur Grammatik), und inwieweit diese als Voraussetzung für den Rhetorikunterricht anzusehen sind.
56.
Es würde kaum nöthig
seyn,
seyn
zu
sagen
erinnern
,
wie unumgänglich nothwendig die gründliche Bekanntschaft mit Sprachen
wie unumgänglich nothwendig die gründliche Bekanntschaft mit Sprachen
sey
sei
, wenn der Ueberzeugung davon nicht weit mehr, als vielleicht irgend einer andern Wissenschaft, sehr gangbare und herrschende Vorurtheile
entgegen stünden
entgegenstünden
.
*)
entgegenstünden.
– Weil der Anfang des Unterrichts
bey
bei
der Erziehung gemeiniglich mit Sprachen gemacht wird, so mag dies die Ursach seyn, warum
vielen
Vielen
dieses Studium bloß für
Anfänger
zu gehören scheint; so gar
anders
verschieden
auch die Art ist, mit der der Verständigere und der Anfänger die
nemliche
nehmliche
nämliche
Sache behandeln
kan
kann
, und so sehr auch in jener gewöhnlichen Ordnung
bey
bei
dem Unterricht, das sehr richtige Geständniß liegt, daß Kenntniß der
Sprachen
Sprachen die Grundage von allen andern Kenntnissen
sey
sei
.
*) Man weiß, wie sehr über die Nothwendigkeit des Studiums der Sprachen, namentlich der alten, und der ganzen alten Literatur, wenigstens der frühzeitigen und allgemeinen Beschäftigung damit auf Schulen, noch
neuerlich, seit den lebhaften Versuchen, eine gänzliche pädagogische Revolution
hervor zu bringen
hervorzubringen
, gestritten worden ist. Das, theils Scheinbarste, theils Wichtigste, wider diese Nothwendigkeit ist in den
beyden
beiden
Trapp, Ernst Christian
Trappischen
Aufsätzen:
über
„Ueber
das Studium der alten classischen Schriftsteller und ihre
Sprachen,
Sprachen,“
und:
über
„über
den Unterricht in
Sprachen,
Sprachen,“
zusammengefaßt, wovon jene in der
Allgemeinen Revi
sion des gesammten Schul- und Erziehungswesens, von einer Gesellschaft praktischer Erzieher, herausgegeben von
Campe, Joachim Heinrich
J. H. Campe
, im 7ten Theil
S.
309
f.
steht, und diese den 11ten Theil des gedachten Werks einnimmt. So sehr der Streit
hiedurch
hierdurch
und
durch
die der erstern Abhandlung
beygefügten
beigefügten
Anmerkungen einiger gelehrten Männer sowohl, als durch die
treflichen
trefflichen
Rehberg, August Wilhelm
Rehbergschen
Aufsätze in der
Berlinischen Monatsschrift
, im Februar
1788
1788.
S.
105
f.
, im März
S.
253
f.
und im Januar
1789
1789.
S.
20
f.
f.,
desgl.
Heyne, Christian Gottlob
Heynens
Vorrede zu
Hermann, Martin Gottfried
Hermans
Mythologie,
der
unpartheyischen
unparteiischen
Entscheidung näher gebracht ist; so sehr ich auch von dem
Nutzen
Nutzen und der Nothwendigkeit einer Läuterung oder wenigstens Darlegung
beyderseitiger
beiderseitiger
Urtheile und ihrer Gründe überzeugt bin: so erlauben doch die Grän zen dieses Buchs schlechterdings diese nicht. Ich hoffe, daß durch die folgenden kurzen Bemerkungen, und durch die, welche weiter unten §.
106
106.
f.
vorkommen, vielen Mißverständnissen und Einwürfen schon ehedem
vorgebaut
vorgebaut,
und mancher
Gesichtspunct
Gesichtspunkt
angewiesen
sey
sei
, der
bey
bei
Beurtheilung dieses Streits nicht sollte übersehen werden; auch scheinen sie mir mit den erst in dieser Ausgabe hinzugefügten hinreichend, nachtheilige Eindrücke zu verhüten oder zu schwächen, die durch jene Bestreitung könnten veranlaßt werden, wenn anders ein Leser unbefangen urtheilen
kan
kann
, und sich Mühe geben will, den oft bloß
gegebnen
gegebenen
Winken weiter nachzudenken. Ganz habe ich mich indessen auf jene Abhandlungen weder einlassen können noch dürfen, da sie in
pädagogischer Hinsicht
geschrieben sind, dieses Buch hingegen nur die Bildung
angehender Theologen
betrift
betrifft
. Nur über die
Streitfrage
,
so fern
sofern
sie
hieher
gehört,
sey folgendes, vornemlich
sei Folgendes, vornehmlich
in Rücksicht auf jene Aufsätze, hinzugefügt. Wer die Nothwendigkeit des Studiums der Sprachen behauptet, redet ja 1) nicht bloß oder hauptsächlich von
Sprachregeln
Sprachregeln
oder überhaupt vom Bau der Sprachen; noch weniger giebt er das Studium dieses
Sprachenbaues
für wichti ger aus als
den
Sprachgebrauch
Sprachgebrauch
ihren
Gebrauch
selbst
. 2) Eben so wenig sondert er
bey
bei
dem Sprachgebrauch
Worte
und ihren
Sinn
,
d. i.
die mit den Worten verknüpften Begriffe, oder, wie es Andre ausdrucken, den
Körper
und den
Geist
der Sprache,
so, daß
als ob
er die bloße Beschäftigung mit
Worten
empfehlen
wollte
, und die Kenntniß der
bloßen Worte
für wichtiger ausge ben, als die Kenntniß der damit verbundenen
Ideen
Ideen
. 3) Er schließt nicht einmal die Kenntniß der
Sachen
aus,
so ferne
sofern
ohne sie kein
Begrif statt findet
Begriff stattfindet
, und
so ferne
sofern
eine Schrift, durch deren Lesung er hauptsächlich die Sprache gelernt wissen will, ohne sie gar nicht verstanden werden
kan
kann
. Er billigt 4) indem er das Sprachenstudium vertheidigt, keinesweges verkehrte
Methoden,
Methoden
sie zu studieren, deren üble Folgen ohne Ungerechtigkeit nicht dem
Sprachenstudium
Sprachenstudium selbst
können
zur Last gelegt werden
können
. Wer ihm also irgend etwas von dem bisher
erwähnten
Erwähnten
Schuld giebt, läßt ihm nicht Gerechtigkeit
wiederfahren
widerfahren
, und ficht entweder mit einem bloßen Schatten, oder glaubt
fälschlich
fäschlich
den Werth des Studiums der Sprachen vernichtet zu haben, indem er bloß Mißbräuche
bey
bei
diesem Studium gerügt hat. Endlich 5) wer dieses Studium empfiehlt, will damit nicht gleich das
Studieren
der
Sprachen
Sprachen
, oder gar das Studieren der
Alten
,
Alten
allgemein, in
alle
, selbst die niedrigsten, Schulen eingeführt, oder in Schulen
vollendet
, oder eigentliche
Kinder
mit den
feinern
Theilen und Veränderungen der Sprachen beschäftigt
wissen. Sondern 6)
wissen (man sehe
Gesner, Johann Matthias
J. M. Geßner
verm. kleine Schulschriften,
S.
356
f.
); sondern
darin stimmen
wohl
nur 6)
alle wahre Kenner des wahren Werthes der Sprachen
überein:
überein,
daß 1) die fleißige und frühzeitige Beschäftigung mit Sprachen, in
dem
Umfang, wie sie §.
55
55.
erklärt wurde, 2)
allen
Allen
, die nach einer
feinern
feineren
Geistesbildung streben, oder dazu bereitet werden sollen, sehr nützlich, und besonders denen, die sich den
Wissenschaften
, namentlich der
Theologie
, widmen wollen, unentbehrlich
sey. –
sei.
Wenn damit anzu fangen
sey
sei
? wie weit? und wie sie zu diesem Zweck zu treiben
sey?
sei,
läßt sich nicht im Allgemeinen beantworten. Das Nöthige, in Absicht auf die, welchen dieses Buch bestimmt ist, wird unten in diesem Abschnitt angegeben werden.
{Man
vergl.
Niethammer, Friedrich Immanuel
Niethammers
Streit des Humanismus und Philanthropismus. Jena, 1808.
}
neuerlich, seit den lebhaften Versuchen, eine gänzliche pädagogische Revolution hervor zu bringen
Vgl. I § 106.
beyden Trappischen Aufsätzen: über das Studium […] den 11ten Theil des gedachten Werks
Der in der
Allgemeine[n] Revision des gesammten Schul- und Erziehungswesens
7 (1787), 309–553 abgedruckte Aufsatz von Ernst Christian Trapp (1745–1818) trägt den Titel
Ueber das Studium der alten classischen Schriftsteller und ihre Sprachen, in pädagogischer Hinsicht
; zum elften Band der
Allgemeine[n] Revision
vgl. I § 33 c.
Rehbergschen Aufsätze in der Berlinischen Monatsschrift, im Februar 1788 S. 105 f., im März S. 253 f. und im Januar 1789 S. 20 f.
Gemeint sind August Wilhelm Rehbergs (1757–1836) in zwei Teilen abgedruckter Aufsatz
Sollen die alten Sprachen dem allgemeinen Unterricht der Jugend in den höhern Ständen zum Grunde gelegt, oder den eigentlichen Gelehrten allein überlassen werden?
, in:
Berlinische Monatsschrift
11 (1788), 105–131 bzw. 253–275 sowie dessen
Verfolg der Untersuchung über die Allgemeinheit des Unterrichts in den alten Sprachen
, in: aaO 13 (1789), 20–56 (vgl. I § 64).
Heynens Vorrede zu Hermans Mythologie
Gemeint ist Christian Gottlob Heynes Vorrede zu dem dreibändigen
Handbuch der Mythologie
(1787–1795) seines sonst nicht weiter hervorgetretenen Schülers Martin Gottfried Herrmann (1754–1822) (vgl. I § 141).
J. M. Geßner verm. kleine Schulschriften, S. 356 f.
Hier handelt es sich um Johann Matthias Gesners
Kleine Deutsche Schriften
(1756). In den
Bedenken wie ein Gymnasium in einer Fürstlichen Residenzstatt einzurichten
(aaO 352–372) wird die Jugend in drei Gruppen eingeteilt, die zunächst gleich unterrichtet werden sollen. Während dieser Zeit spielt die lateinische Sprache nur eine untergeordnete Rolle (vgl. aaO 356–359).
Niethammers Streit des Humanismus und Philanthropismus. Jena, 1808
Der genaue Titel von Friedrich Immanuel Niethammers (1766–1848) Schrift lautet
Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit
.
57.
Wer es der Beschäftigung mit
Sprachen
Sprachen zum Vorwurf macht, daß sie so sehr
bey
Kleinigkeiten
verweile;
bei Kleinigkeiten verweile,
der überlegt nicht, daß man anders nie zur Vollkommenheit aufsteige, als durch den Fortschritt vom Kleinern zum
Größern,
Grössern,
Größern;
und daß die Vollkommenheit jeder Erkenntniß, wie jeder Kunst, von dem Fleiß abhänge, mit der man selbst die kleinsten Theile bearbeitet. – Wer sie für
unfruchtbare
,
von allem Vergnügen
entblößte
entblössete
Beschäftigung hält, beurtheilt die Sache zu sehr nach seinem besondern Geschmack, und verräth eine gewisse
Kurzsicht
Kurzsichtigkeit
, die es ihm unmöglich macht, mehr zu sehen, als was gleich vor seinen Augen liegt. Jede Beschäftigung, wäre sie auch nur Uebung
unserer
unsrer
Kräfte, führt ihr
eigenes
eignes
Vergnügen
Vergnügen mit sich; wer würde sie
denn sonst
verfolgen, wenn sie nicht ihren besondern
Reitz
Reiz
hätte? Der
große
grosse
Nutzen
Nutzen
der
einer
gründlichen Sprachkenntniß zeigt sich
freylich
freilich
erst späterhin; aber eben
der
dieser
später erkannte Nutzen und die Erinnerung an die Mühe, die es
uns,
uns
bis dahin zu
kommen,
kommen
gekostet, gewährt ein
um
so
größeres
grösseres
Vergnügen, je unerwarteter der
Nutzen
Gewinn ist
, und je mühsamer er errungen
worden ist
ward
.
58.
Und gerade deswegen, weil diese Beschäftigung viele, selbst ins Kleine gehende, Mühe und Fleiß erfordert, an der sich dieser, wie an einem
Wetzstein
Wetzstein, schärfen
kan
kann
; ge rade darum, weil man da, auf Hoffnung erst mit der Zeit zu erreichender Vortheile, arbeiten lernen muß; und Anfänger nicht genug zum
unverdroßnen
unverdrossenen
Fleiß
in Ueberwindung vieler Schwierigkeiten
, zur ausharrenden
Geduld
Geduld,
Geduld
und zur Hinsicht auf das gewöhnt werden können, was nicht gleich vor Augen ist: sollte man
bey
bei
diesen Lust zu dieser Beschäftigung zu erwecken suchen,
eben um sie an Schwierigkeiten, Zweifel und Verlegenheit, die sich ihnen künftig in ihrem Leben überall darstellen werden, zu gewöhnen, und ihnen dadurch eben sowohl guten Muth zu machen, um sich von dergleichen nie schrecken zu
laßen
lassen
, als sie durch Uebungen zum voraus schon in den Stand zu setzen, alles
solche
anfangs
Abschreckende glücklicher zu überwinden.
Und sie
Sie
und sie
selbst
aber
sollten mehr dem
Rath
Rathe
derer folgen, die der Sache kundig sind, als ihrer eigenen Scheu
für alles
vor Allem
, was mühsam ist, oder nicht unmittelbaren Nutzen oder
Vergnügungen
Vergnügen
verspricht, und den Vorspiegelungen
dererjenigen
solcher
, die weder Geschmack daran, noch Kenntniß davon haben; zumal weil nichts mehr hinreißt, als herrschende Vorurtheile, und diese Beschäftigung um so schwerer und abschreckender wird, je länger man sie aufgeschoben hat.
59.
Wie groß der Einfluß der
Sprache
Sprache auf die
Bildung
Bildung der menschlichen
Seele
Seele, sowohl auf
Verstand
Verstand,
Verstand
als
Herz
Herz, sowohl für
sich,
sich
als durch gegenseitige Mittheilung der Gedanken und
Gesinnungen,
Gesinnungen
sey
sei
, muß einem jeden einleuchten, der selbst zu denken gewohnt ist, und der es darauf anlegt, sich
Andern
andern
auf eine wirksame Art
mitzutheilen. Und
mitzutheilen; und
noch einleuchtender macht es der auffallende
Unterschied
Unterscheid
zwischen sprachfähigen Menschen und sprachlosen Thieren, zwischen taub- oder
stummgebornen
stummgebohrnen
stummgeborenen
und hörenden oder redenden Menschen, zwischen der Cultur solcher Nationen, die eine reiche, und
solcher
solche
, die eine arme Sprache haben, nebst dem gleichmäßigen Fortschritt der Geistesbildung
bey
bei
Kindern, mit dem schnellern oder langsamern Fortgang in der Sprache. Wer also eine Sprache genau und gründlich
kennt,
kennt
und sie in seiner Gewalt hat,
kan
kann
in dem
nemlichen
nehmlichen
nämlichen
Grade
ein vernünftigerer
vernünftiger
und
besserer Mensch
wirksamer
seyn,
andre
Andre
mehr
aufklären
aufklären und bessern, und mehr
Nutzen
Nutzen von
Andrer
andrer
Unterricht ziehen, als
wem
wenn
es
ihm
daran
fehlt; und
fehlte; ja
die
verabsäumte
verabsäumete
genaue Kenntniß und Fertigkeit einer
Sprache
Sprache,
ist eine
Hauptursache
Hauptursach
, warum man theils selbst zurückbleibt, und auf unrichtige Begriffe und Irrthümer fällt, theils
andern
Andern
nicht
fort-
forthelfen,
oder ihren falschen Vorstellungen und üblen Gesinnungen nicht abhelfen
kan
kann
.
60.
Schon erstlich
Zuerst schon
in Rücksicht auf
unsern
eignen
eigenen
Vortheil
–
können wir durch
Durch
Hülfe der Sprache
können wir
die
Begriffe
Begriffe festhalten, welche wir durch den Eindruck der Dinge empfangen haben, und uns dadurch nicht nur ihrer wieder erinnern, sondern auch allgemeine Begriffe bilden,
verworrene aus einander setzen
verworrne auseinandersetzen
, und eine stete Verbindung unsrer Vorstellungen bewirken. – Die Sprachen leiten sogar auf neue Begriffe und Entdeckungen, legen wenigstens den Grund zu allgemeinen Begriffen und Sätzen, die zu
weitern
weiteren
Betrachtungen ermuntern, und eine
fruchtbare
sichtbare
Quelle neuer Entdeckungen werden können.
–
Sie befördern den leichtern Uebergang von einem
Begriff
Begrif
zum andern, und stellen ihren Zusammenhang besser
dar
*)
. – Und wer
dar.
*)
– Wer ferner
der Sprache mächtig ist, mehrere Begriffe in Ein Wort, oder mehrere Gedanken in wenige Worte
zusammen zu drängen
zusammenzudrängen
versteht,
kan
kann
nicht nur schneller im Denken fortrücken, und mehr in der Geschwindigkeit übersehen, sondern auch selbst seine Begriffe anschauender, und ihre Wahrheit einleuchtender
machen
**)
.
machen.
**)
machen.
*)
Anm.
Anm.
1. Zur Ueberzeugung von der Wahrheit des Meisten, was hier und im Folgenden gesagt ist, auch von andern Vortheilen der Sprache, dienen vorzüglich:
De l'influence des opinions sur le langage et du langage sur les opinions, par
Mr.
Mr.
Michaelis, Johann David
Michaelis
, à Breme
1762
in
1762.
8.
Neues Organon durch
Lambert, Johann Heinrich
J. H. Lambert
, Leipzig
1764
1764,
in 2
Bänden in
Bänden,
gr.
8.
8.,
Band 2.
S.
8
fgg.
Sulzer, Johann Georg
Joh. George Sulzers
vermischte philosophische Schriften, Leipzig
1773
in
1773,
gr.
8. Theil 1.
S.
166
fgg.
Gedanken von dem Nutzen richtig
getriebner
betriebener
Philologie, von
Funk, Gottfried Benedikt
G. B. Funk
, wieder abgedruckt in dem Berlinischen Magazin der Wissenschaften und Künste, Berlin
1784
in
1784,
gr.
8. Band 2.
Stück
St.
1.
S.
113
f.
Jerusalem,
Jerusalem
oder über religiöse Macht und Judenthum, von
Mendelssohn, Moses
Moses Mendelssohn
, Berlin 1783.
8. Abschnitt 2.
S.
64
f.
Anm.
2 *).
Anm.
2. *)
Ein
Beyspiel
Beispiel
zur Erläuterung der dritten Bemerkung in diesem §.
kan
kann
die Herleitung der
sämtlichen
sämmtlichen
moralischen Eigenschaften Gottes aus dem
Begriff
Begrif
seiner
Güte
Güte
, vermittelst der Begriffe des boni physici und moralis abgeben; so wie von der letzten Bemerkung
**),
**)
die auch in der Theologie eingeführte Schulsprache,
z. B.
in der Lehre von dem Willen Gottes und der Mitwirkung Gottes
bey
bei
der Sünde. Die Schriften des
Thukydides
Thukydides
Thucydides
,
Cicero
Cicero
,
Tacitus
Tacitus
, des
Apostels
Paulus
Paulus
, – der mehrere vielkörnige (prägnante) Wörter und Redensarten hat,
z. B.
Phil. 1,
7.
χάρις
(für
Leiden
, die eine
Wohlthat
sind, verglichen
7 in
χαρις
vergl.
mit
V.
29.
29
und
Kap.
4,
14
14.
);
ἄδικοι
1 Kor. 6,
1
1.
(Richter, die keine
Christen
, und daher gegen diese gewöhnlich
ungerecht
sind);
ἑτεροζυγεῖν ἀπίστοις
2 Kor. 6,
14
14.
(sich Unchristen gleichstellen, aber mit Anspielung auf
3 Mos. 19, 19.
und Einschluß des darin liegenden Grundes der ganz verschiedenen Denkart oder Gesinnung eines Christen und eines Profanen); wie dergleichen Redensarten
K.
4, 14.
Phil. 1,
21: „wenn ich leben bleibe, so fällt der
Gewinn
für
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
Lehre
.
Lehre
;
sterbe ich, so fällt er für
mich
aus,“ verglichen mit
V.
22 bis 24
; auch
21.
2 Kor. 3, 6
fgg.
Kap.
4,
12.
12
u. a.
–
bieten mehr
dergleichen
erläuternde
Exempel dar.
De l'influence des opinions sur le langage et du langage sur les opinions, par Mr. Michaelis, à Breme 1762
Hier handelt es sich um eine Übersetzung von Johann David Michaelis' Preisschrift
Beantwortung der Frage von dem Einfluß der Meinungen in die Sprache und der Sprache in die Meinungen; welche den, von der Königlichen Academie der Wissenschaften für das Jahr 1759, gesetzten Preis erhalten hat
(1760).
Joh. George Sulzers vermischte philosophische Schriften, Leipzig 1773 in gr. 8. Theil 1. S. 166 fgg.
Johann Georg Sulzers (1720–1779)
Vermischte philosophische Schriften
bestehen aus zwei Bänden (1773/1781). Verwiesen wird auf die im ersten Band befindlichen
Anmerkungen über den gegenseitigen Einfluß der Vernunft in die Sprache, und der Sprache in die Vernunft
(aaO 166–198).
Gedanken von dem Nutzen richtig getriebner Philologie […] Berlin 1784 in gr. 8. Band 2. Stück 1. S. 113 f.
Der hier angeführte Wiederabdruck von Gottfried Benedikt Funks (1734–1814) in fünf Programmen vorgetragenen
Gedanken von dem Nutzen richtig getriebener Philologie in den Schulen
(1774–1777) findet sich in
Berlinsches Magazin der Wissenschaften und Künste
2 (1784), 113–145. Funk und seine
Gedanken
wurden von Autoritäten wie Friedrich August Wolf hoch geschätzt.
Thukydides
Der aus Athen stammende Historiker Thukydides (geb. ca. 460 v. Chr.) ist der Verfasser einer acht Bücher umfassenden, im Jahr 411 v. Chr. abbrechenden Geschichte des Peloponnesischen Krieges (431–404 v. Chr.), an dem er selbst bis zu seiner Verbannung als Stratege teilgenommen hat. Auch wenn Thukydides in der Antike nicht so breit rezipiert wurde wie Herodot, blieb er durch die Jahrhunderte immer präsent und erlebte seit der Renaissance einen beachtenswerten Aufschwung (Thukydidismus).
Cicero
Der Politiker, Redner und Schriftsteller Marcus Tullius Cicero (106–43 v. Chr.) zählt zu den bedeutendsten Persönlichkeiten der römischen Antike, von keinem nicht-christlichen lateinischen Autor ist mehr überliefert. Eine besondere Bedeutung besteht darin, dass seine Sprache bereits in der Antike (besonders einflussreich von Quintilian) als stilbildend betrachtet (Ciceronianismus) und in dieser Eigenschaft auch von Nösselt hoch geschätzt wurde (vgl. Vorrede Hg. c X). Ciceros Werk wird gemeinhin in Reden, philosophische Schriften, rhetorische Schriften (vgl. I § 284) und Briefe untergliedert (vgl. die Einteilung in I § 146).
Tacitus
Das ab etwa 98 entstandene und v.a. auf Moralität abhebende Werk (
Agricola, Germania, Dialogus de oratoribus, Historiae, Annales
) des römischen Senators und Geschichtsschreibers (Publius) Cornelius Tacitus (ca. 55–120) wurde bereits in der Antike und nach seiner Wiederentdeckung in der Renaissance auch im 16. und 17. Jh. stark rezipiert (Tacitismus).
Apostels Paulus
Paulus von Tarsus (gest. um 64) zählt zu den mit Abstand bedeutendsten Gestalten des Christentums. Nach seiner Bekehrung (vgl. Apg 9,1–18) war er missionarisch tätig (Missionsreisen). Heute wird er vielfach als der eigentliche Gründer des Christentums betrachtet.
61.
Auf der andern Seite sind
aber auch
die
Sprachen
Sprachen, durch die wir unsere Begriffe
bekommen,
bekommen
und sie uns geläufig machen, eine ergiebige Quelle von
mangelhasten
mangelhaften
, verworrenen, irrigen
Begriffe
Begriffen und
Urtheile
Urtheilen. Denn
Urtheilen: denn
wir müssen eine jede Sprache
nehmen,
nehmen
wie sie ist, und, weil diese sich nach den Begriffen
dererjenigen
derer
gebildet hat, welche sie nach und nach erfanden, ihre mangelhaften, ungeläuterten, unentwickelten, und oft ganz falschen Begriffe in Wörter einkleideten, wenig von der
Kunst
Kunst verstanden, die Sachen durch angemessene Ausdrücke zu bezeichnen, und, um nicht die Wörter zu sehr zu vervielfältigen, sehr oft Einen Ausdruck zur Bezeichnung mehrerer Begriffe brauchten, oft auch, um gewisse Sachen mehr verständlich und anschauend, als bestimmt darzustellen,
neuerfundne
neuerfundene
Ausdrücke den rohern Begriffen des
großen
grossen
Haufens anschmiegen mußten: so theilten sich alle
dabey
dabei
zum Grunde liegende Fehler oder Unbequemlichkeiten der Sprache mit, und wurden durch sie so gangbar, daß es eben so viel Mühe kostet, diese
Fehler
Fehler zu entdecken, als sie durch
allerley
allerlei
Gegenanstalten zu heben.
Daher unter andern 1) die Ausdrücke, welche die Sachen, nicht nach Untersuchung ihrer wahren Natur und Ursachen, sondern nach den Vorstellungen der Sinne und der
Einbildungskraft
Einbildungskraft bezeichnen, wie die, welche natürliche Dinge, Eigenschaften und Handlungen Gottes, Geister und der gleichen betreffen. 2) Die, welche
so gar
sogar
leicht falsche
Nebenbegriffe
Nebenbegriffe erregen, wohin sonderlich bildliche Ausdrücke gehören,
vornemlich
vornehmlich
solche, die Gott und göttliche Dinge durch ähnliche bezeichnen sollen, als der Mißverstand in den Ausdrücken:
Beleidigung
und
Versöhnung
Gottes;
Gott hat
alles
Alles
zu seiner Ehre erschaffen, Gottesdienst, Furcht Gottes
u. a.
3) Die vieldeutigen Ausdrücke, als
νόμος
,
πνεῦμα
,
ὑιοὶ Θεοῦ
,
ἄγγελοι
u. dgl.
u. dergl.
Beleidigung und Versöhnung Gottes
Angespielt ist auf die oft als zu juridisch kritisierte Satisfaktionslehre (vgl. II § 83) Anselms von Canterbury (ca. 1033–1109). In
Cur Deus homo
entfaltet Anselm die Vorstellung, der Mensch habe durch die Beleidigung der Ehre Gottes eine unendliche Sündenlast auf sich geladen, die er selbst nicht tilgen könne, da die Genugtuung entsprechend der Sündenlast ebenfalls unendlich sein müsse. Daher müsse Gott selbst im Gekreuzigten für Genugtuung sorgen. Dieses Verständnis hat sich unter dem Begriff
stellvertretende Genugtuung
sowohl in der katholischen als auch in der protestantischen Theologie weitgehend durchgesetzt. Die altprotestantische Orthodoxie entwickelte im Anschluss an Luther eine am Strafleiden Christi orientierte Satisfaktionslehre. Christus erbringt am Kreuz nicht alleine eine Ausgleichsleistung, sondern trägt stellvertretend die den Menschen zugedachte Strafe.
62.
Die
Diese
Schwierigkeiten vermehren sich
zuvörderst
zuvörderst
durch die Menge sehr
verschiedner
verschiedener
Sprachen;
Sprachen,
und weil
bey
bei
den
Ausdrücke
Ausdrücken der einen Sprache nicht gerade die
Vorstellungen
Vorstellungen zum Grunde liegen, welche zu den Ausdrücken in der andern Gelegenheit gaben: so ist es oft unmöglich, oft wenigstens schwer, den Ausdrücken in der
einen,
einen
vollkommen angemessene Ausdrücke in der andern unterzulegen, oder zu verhüten, daß sich der Mißverstand aus einer nicht in die andere fortpflanze.
Beyspiele
Beispiele
, wie viel
Mißverstand
Mißverstand hieraus entstehe, können 1) schon die unrichtigen, meist nach der Etymologie
eingerichteten,
eingerichteten
Uebersetzungen der Wörter
ἐκλέξασθαι
und
ἐκλεκτοὶ
Röm.
9
9.
und an derwärts,
ἀναξίως
1 Kor. 11,
27
27.
(welches mit
μὴ διακρίνων τὸ σῶμα
τ. Κυρίου
V.
29
29.
und mit
Matth. 3,
8
8.
hätte
verglichen,
verglichen
und nicht unwürdig, sondern
unanständig
oder
ungebürlich
ungebührlich
sollen
ungebührlich
hätte
gegeben werden
sollen
),
σκανδαλίζειν
σκανδυλίξειν
1 Kor. 8.
Röm.
14
14.
(nicht:
(
nicht:
jemand ärgern
, welches ein Mißfallen, sondern: ihm
Gelegenheit zur Versündigung geben
, welches ein Wohlgefallen des
andern
Andern
an unserm Betragen und eine Nachahmung
desselben,
desselben
anzeigt), und der Redensarten der
heil.
Schrift
seyn,
seyn
die Gott zum
Urheber des Bösen
Urheber des Bösen
zu machen scheinen, welche durch die ähnlichen Ausdrücke
Apostelgesch. 13,
29
29.
und
K.
1,
18
18.
mehr Licht erhalten. Noch mehr 2) die
unbestimmten,
unbestimmten
d. i.
solche Ausdrücke, deren Umfang nicht einleuchtend oder nicht angegeben ist, und welche daher in einer Sprache oft weiter oder eingeschränkter genommen
werden,
werden
als sie in der andern gebraucht sind. Zum
Beyspiel
Beispiel
dienen
dienten
die Wörter
θεοδίδακτοι
Joh. 6,
45
45.
und
θεόπνευστος
2 Tim. 3, 16
, die nur zu oft auf unmittelbare Offenbarung und Einfluß eingeschränkt
werden;
werden,
und
ἀπιστία
, welches,
ἀπιστια
, welches
ganz wider den Sprachgebrauch der
heil.
heiligen
Schrift,
Schrift
auch auf die ausgedehnt wird,
welche
die
keine Kenntniß von den geoffenbarten Lehren erlangt haben.
τ.
D.i.
τοῦ
.
63.
Ausser dem
Ausserdem
giebts
Außerdem
giebt's
in
mehrern
mehreren
Sprachen wieder besondere Gattungen, die entweder durch
besondere
besondre
Gegenstände der Erkenntniß, welche in der gemeinen Sprache nicht bezeichnet waren, oder dadurch nothwendig
worden
geworden
sind, daß man
das Mangel-
die Mängel
und
das
Fehlerhafte der gemeinen Sprache verbessern wollte. Solche
Gattungen
Gattungen sind die Kirchen- und
Gelehrten-Sprache
Gelehrten-Sprache; ja
gewissermaßen
gewissermassen
hat jeder in seiner Art originelle Schriftsteller seine eigene Sprache.
Hiedurch
Hierdurch
wird eine Sprache noch weitläuftiger, folglich noch schwerer, und selbst der
Mißverstand
Mißverstand
kan
kann
dadurch zunehmen. Denn, weil dadurch die Bedeutungen Eines Ausdrucks vervielfältigt, und die Begriffe in der besondern Sprache von denen in der gemeinen Sprache verschieden
werden:
werden,
so wird auch die Verwechselung leichter. Ja selbst die Bestimmung, welche man in der besondern Sprache einem Ausdruck gegeben hat, ist oft dem
Sprachgebrauch
Sprachgebrauch in der gemeinen, oder in einer andern besondern Sprache nicht gemäß, und bringt dadurch Mißverstand aus jener in diese.
So drückt
Person
Person
, als Suppositum intelligens erklärt, in der
kirchlichen
Lehre von der Trinität, und
Natur
, dem Erlöser der Menschen
beygelegt
beigelegt
, einen ganz andern
Begriff
Begrif
aus, als
Person
im gemeinen Leben und
Natur
in der Metaphysik. – So schließt
Zurechnung
, wie es
Paulus
Paulus
Röm.
5
5.
braucht, weder den
Begriff
Begrif
vom Urheber einer
freyen
freien
Handlung,
Handlung
noch
einmal
selbst
den
Begriff
Begrif
von Strafe in sich, welches
beydes
Beides
sonst an dem Worte hängt; und
φυσις
φύσις
Ephes. 2,
3
3.
hat einen ganz andern Sinn, als wenn man in der Theologie
Natur
und
Gnade
einander
entgegengesetzt
entgegensetzt
. – Selbst diese
zwey Beyspiele
zwei Beispiele
und die bekannten
Arianischen, Nestorianischen und Monophysitischen Streitigkeiten über die Wörter
ὁμοoύσιος
,
Θεοτόκος
und
φῦσις
φύσις
können eine Erläuterung der
zweyten
zweiten
Hälfte des §. abgeben.
So drückt Person, als Suppositum intelligens erklärt, in der Lehre von der Trinität, und Natur, dem Erlöser der Menschen beygelegt […] in der Metaphysik
Zum trinitätstheologischen bzw. christologischen Hintergrund vgl. II § 83. Die schon in der Scholastik gebräuchliche Definition der trinitarischen Person als
suppositum intellegens
findet sich etwa bei Hollaz, Buddeus und Siegmund Jacob Baumgarten.
Arianischen, Nestorianischen und Monophysitischen Streitigkeiten über die Wörter
ὁμοούσιος
,
Θεοτόκος
und
φῦσις
Aufgezählt sind die großen christologischen Auseinandersetzungen der Alten Kirche (vgl. auch II § 83). Der auf Arius von Alexandrien (gest. ca. 336) zurückgehende Arianismus lehrte, dass Vater und Sohn nicht wesens
gleich
(
ὁμοούσιος
), sondern nur wesens
ähnlich
(
ὁμοιούσιος
) seien, und kann als radikaler Subordinatianismus verstanden werden. Diese Auffassung wurde auf dem Konzil von Nicäa 325 zugunsten der Zwei-Naturen-Lehre verworfen, zudem wurde hier die von Arius abgelehnte Lehre von der Präexistenz Christi bestätigt, nach der der Sohn vom Vater
gezeugt
und
nicht geschaffen
ist. Beigelegt wurde der arianische Streit jedoch erst auf dem Konzil von Konstantinopel 381. Der nach Nestorius von Konstantinopel (gest. ca. 451) benannte Nestorianismus vertrat zwar eine Zwei-Naturen-Lehre, lehrte jedoch, dass die göttliche und die menschliche Natur in Jesus Christus geteilt und unvermischt seien. Daher könne Maria zwar als
Christus
gebärerin, nicht aber als
Gottes
gebärerin (
Θεοτόκος
) bezeichnet werden (vgl. II § 114). Diese Position wurde auf dem Konzil von Ephesus (431) verworfen. Der Monophysitismus vertrat schließlich eine Christologie, nach der der inkarnierte Christus nur eine einzige, nämlich göttliche Natur (
φύσις
) besitzt (vgl. II § 113), und stand damit der bereits in Nicäa bestätigten Zwei-Naturen-Lehre entgegen. Auf dem Konzil von Chalcedon (451) wurden die Positionen der Monophysiten, aber auch die der Arianer und Nestorianer verworfen und eine Zwei-Naturen-Lehre, nach der göttliche und menschliche Natur Christi (
wahrer Mensch und wahrer Gott
) unvermischt und ungetrennt nebeneinander stehen, angenommen.
64.
Wenn nun die
Bildung
Bildung unseres eigenen
Verstand
Verstandes,
und
wenn aber auch
die Lücken, Vorurtheile und falschen Wendungen
unserer
unsrer
Erkenntniß so sehr von
unserer
unsrer
Sprache
abhängen:
abhängen,
so muß ungemein viel daran liegen,
–
daß man die Sprache, worin man zu denken gewohnt ist, sorgfältig studiert habe, um dem
Mißverstand
Mißverstande
, der daraus entstehen
kan
kann
, auf die Spur zu kommen, und alle Vortheile zu
geniessen
genießen
, die eine Sprache giebt;
–
daß man selbst, wenn man es
kan
kann
, mehrere Sprachen so studiere, nicht nur um das brauchen zu können, was in solchen gesagt oder geschrieben wird, sondern auch um durch die eine die
andre
andere
mehr
aufklären
aufzuklären, und durch Hülfe der einen das Fehlerhafte
oder Unvollständige
der andern zu
entdecken,
entdecken
und daraus möglichst zu
verbessern
*)
;
verbessern;
*)
–
verbessern;
daß man endlich den Fehlern sei ner eigenthümlichen Sprache so viel abhelfe, als es ihre Natur und
Verständlichkeit
Verständlichkeit für die, welche sie ebenfalls brauchen, erlaubt.
Daß ein solches Sprachstudium nichts weniger als blosses Geschäfte des Gedächtnisses, daß es sehr schwer sey, und daß es keine gemeine Fähigkeiten erfordre, erhellet eben daraus.
Anmerk.
Anmerk.
1. Es ergiebt sich zugleich aus allem bisher
gesagten
Gesagten
: 1) daß das Studium der Sprachen schon
an sich
, als Sprachenstudium, auch abgesehen (nicht von den damit verknüpften Begriffen, sondern) von den
Sachen
, die man durch Hülfe der Sprachen, als Zeichen von Vorstellungen, lernt, einen unglaublichen Nutzen habe. 2) Daß – vorausgesetzt: man treibt es mit jungen Leuten zu den vorhin
angegebnen
angegebenen
Absichten, und lenkt immer
darauf
ihre Aufmerksamkeit – es die beste Vorbereitung zur Bildung des Geistes für künftige Gelehrte, und überhaupt für solche
sey
sei
, die sich einmal vorzüglich mit
Geistesarbeiten
beschäftigen sollen. (
Vergl.
Rehberg, August Wilhelm
Rehberg
in der Berlinischen Monatsschrift 1788, Februar,
S.
125
f.
und 1789, Januar,
S.
53
f.
Niemeyer, August Hermann
Niemeyer's
Grundsätze der Erziehung und des Unterrichts, 6te Ausgabe
, 2ter Theil,
S.
35
f.
84. 85
f.
) Dadurch wird das
Gedächtniß
Gedächtniß geübt, gerade zu der Zeit, wo es die meiste Empfänglichkeit für aufgefaßte Eindrücke hat, und wo diese Gedächtnißübungen noch nicht durch die reitzendern Uebungen des bloßen Verstandes verdrängt oder verleidet sind. Es wird zugleich frühzeitig auf unsinnliche Dinge und solche Zeichen gerichtet, welche die Dinge nicht sinnlich darstellen, wodurch verhindert wird, daß man sich in
frühern
früheren
Jahren nicht zu sehr an das gewöhne, was bloß vor die Sinne gebracht werden
kan
kann
. Durch die Bereicherung des Gedächtnisses bekommt man früh einen ansehnlichen Reichthum von Ideen, ohne
welchem
welchen
Stoff zum Denken, Genie und Verstand nichts
vermag,
vermag;
und eben der Reichthum von Wörtern befestigt die Ideen und setzt den jungen Geist in den Stand, die dadurch ausgedruckten Begriffe zu behalten, sie sich geläufig zu machen, und Andern wieder mitzutheilen. Seiner natürlichen Flüchtigkeit wird dadurch
gesteuret
gesteuert
, daß
bey
bei
dem Sprachstudium die Aufmerksamkeit auch mit auf Kleinig keiten gelenkt, und die Seele
gewöhnet
gewöhnt
wird, diese überall mit in Anschlag nehmen zu lernen, und sich nicht bloß mit dem Auffallenden oder sich leicht Darstellenden zu begnügen. Ich wiederhole hier die übrigen Vortheile nicht, die das
Sprachenstudium
Sprachenstudium gewähren
kan
kann
, welche sich
bey
bei
einer noch unverstimmten und feinerer Eindrücke
empfänglichern
empfängchern
jugendlichen Seele wohl
eher,
eher
als
bey
bei
andern möchten erreichen
laßen
lassen
.
Anmerk.
Anmerk.
2. *) Wer jene Vortheile von dem Studium der Sprachen recht beziehen will, muß wenigstens
zwey
zwei
oder
drey
drei
Sprachen eigentlich
studieren
,
studieren
und mit einander vergleichen lernen, solche Sprachen, die, wegen ihres gemeinschaftlichen Ursprungs oder Abstammung von einander, kurz, wegen ihrer Verwandtschaft, viel Eigenes gemein haben, wie die griechische und lateinische, und wieder
andre
andere
, die ganz in ihrer Bildungsart verschieden sind, wie jene und die morgenländischen Sprachen. Mag es seyn, daß Dinge, die sich überall auf
einerley
einerlei
Art den Sinnen zeigen, oder daß reine
Verstandesbegriffe
Verstandesbegriffe, von allen Menschen und Nationen überhaupt auf
einerley
einerlei
Art empfunden oder gedacht, also auch durch
Wörter
Wörter, die dem Ton oder der Schrift nach ganz verschieden sind, doch so ausgedruckt werden, daß alle, die das Wort verstehen, sich eben dieselbe Sache
dabey
dabei
vorstellen: so gerathen doch manche Nationen oder einzelne aufmerksame, schnell oder fein empfindende
oder
und
denkende Köpfe unter
ihnen,
ihnen
auf Vieles, woran
andere
Andere
gar nicht denken.
Seltenere
Seltnere
, oder unter verschiedenen Gestalten an
verschiednen
verschiedenen
Orten oder in
verschiednen
verschiedenen
Köpfen erschienene oder gedachte
Gegenstände,
Gegenstände
erwecken
bey
bei
Verschiedenen auch sehr verschiedene Begriffe. Und selbst gemeine oder all tägliche Gegenstände bekommen in
veschiednen
verschiedenen
Köpfen durch die
verschiednen
verschiedenen
Umstände, unter welchen sie sich ihnen darstellen, und durch die verschiedene besondere Vorstellungskraft oder Art, Dinge zu bezeichnen, gleichsam eine ganz eigenthümliche
Farbe
Farbe, werden mit
mehrern
mehreren
oder
wenigern
wenigeren
Nebenbegriffen, mit
feinern
feineren
Bestimmungen, sinnlicher oder unsinnlicher gedacht, zumal je nachdem sich die Einbildungskraft mehr oder weniger einmischt, und der Reichthum von Begriffen größer oder geringer ist. Hieraus ist offenbar, daß durch das Studium
mehrerer
Sprachen, und selbst origineller
Schriftsteller
Schriftsteller, ganz neue Ideen erzeugt werden, oder doch schon bekannte Begriffe unter ganz
neue
neuen
Gestalten erscheinen können, worauf wir erst durch die fremde Sprache sind aufmerksam gemacht worden; und je mehr
dies
dieß
, was Einer Sprache eigen ist, in die andere übergetragen wird, und durch unsere Art zu denken und uns
auszudrucken
auszudrücken,
wieder eine etwas veränderte Gestalt bekommt:
je
desto
mehr muß der Reichthum, und zum Theil die Bestimmtheit und
Fruchtbarkeit, unsrer
Fruchtbarkeit unserer
Begriffe und Gedanken zunehmen. Es
kan
kann
also dieses Studium eine
vortrefliche
vortreffliche
Uebung dem Verstande gewähren, der dadurch geschmeidiger, und für Vieles empfänglicher
wird;
wird:
ein
Gewinn
Gewinn, der schwerlich durch etwas Anderes erlangt werden
kan
kann
, und augenscheinlich beweiset, wie vortheilhaft das
Sprachenstudium
Sprachenstudium schon
an sich
sey
sei
. –
Was in der oben
bey
bei
§.
56.
angeführten
allgemeinen Revision
etc.
Theil 7.
S.
420
f.
und Theil 11.
S.
224
f.
dagegen gesagt ist, beruhet
theils
darauf, daß immer Stu dium der
Sprache
als ganz abgesondert von der Erlernung der dadurch mitgetheilten
Begriffe
Begriffe von Sachen
angenommen wird,
theils
auf dem Wahn, als wenn sich Sprachkenntnisse nicht
ließen
unterhaltend machen
ließen
,
theils
auf einer anderen Einbildung, als wenn Kinder
alles
Alles
unerträglich fänden, und nicht leicht fassen könnten, was ihnen
Zeichen
darstellt, ohne zugleich die
Sache
selbst darzustellen, wovon doch Musik und Mathematik
und die tägliche Erfahrung selbst in Schulen, wo nur der Sprachunterricht recht lebendig getrieben wird,
das Gegentheil beweiset.
Anmerk.
Anmerk.
3. Daß übrigens ein solches Sprachenstudium nichts weniger als bloßes
Geschäfte
Geschäft
des Gedächtnisses, daß es sehr schwer
sey
sei
, und keine gemeine Fähigkeiten und Uebungen, besonders eine sorgfältige Aufmerksamkeit selbst auf Kleinigkeiten, ein feines Gefühl, Geduld und anhaltenden
Fleiß,
Fleiß
erfordere, also auch sein großer
Nutzen
Nutzen, Leuten, die bloß auf sinnliche und unmittelbare Vortheile ausgehen, und den Werth der
Geistesnahrung
Geistesnahrung wenig oder gar nicht zu schätzen wissen, nicht einleuchtend
könne
gemacht werden
könne
, bedarf wohl kaum einer Erinnerung.
Rehberg in der Berlinischen Monatsschrift 1788, Februar, S. 125 f. und 1789, Januar, S. 53 f.
Vgl. I § 56.
Was in der oben bey §. 56. angeführten allgemeinen Revision etc. Theil 7. S. 420 f. und Theil 11. S. 224 f. dagegen gesagt ist
Vgl. I § 56.
65.
Und weil
unsre
unsere
Neigungen
Neigungen ganz durch
unsre
unsere
Vorstellungen
Vorstellungen gestimmt werden, diese Vorstellun gen aber
inniglich
innig
mit der Sprache verbunden sind: so muß die Sprache selbst über das
Herz
Herz
große
grosse
Gewalt haben. Je edler ein
Ausdruck
Ausdruck ist, je anschauender er die Sachen darstellt, je fruchtbarer er ist, das heißt, je mehr Begriffe er erregt, die Licht, Anmuth und Interesse in die Vorstellung bringen, je passender, bestimmter und schöner er ist: desto mehr wirkt
er
es
aufs Herz; so wie hingegen unedle, verworrene, kraftlose,
unschikliche
unschickliche
Ausdrücke das Herz entweder kalt
laßen
lassen
, oder gar gegen die beste Sache einnehmen.
Kann doch die Fülle der Empfindungen, der Reichthum der Ideen selbst schaffend und bildend auf die Sprache wirken und das
Herz
auch ohne Antheil der Kunst
beredt
machen. Aber daß gleichwohl oft Menschen von einem reichen Gemüth, was in ihnen ist gar nicht, oder nur höchst unbeholfen und verworren von sich geben können, hat doch eben seinen Grund in der Dürftigkeit ihrer Sprachkenntniß.
A. d. H.
66.
Alle Vortheile und Unbequemlichkeiten der Sprache
ergießen
ergiessen
sich auch
2) (§.
60
)
in den
Vortrag
Vortrag und die
Mittheilung
Mit
theilung der Gedanken an Andere
Mittheilung der Gedanken an Andere
. – Wie viele Irrthümer, unnöthige und
verworrene
verworrne
Untersuchungen, selbst wie viele Erbitterung und Argwohn, entstehen aus
bloßem Mißverstand, der in den Wörtern
liegt?
liegt!
blossen Mißverstand?
der eben sowohl durch unbequeme Ausdrücke
erregt,
erregt
als von Andern aus ihnen geschöpft, und
hinwiederum
doch
wiederum
durch schicklichere Wörter oder bestimmtere Erklärungen verhütet oder gehoben werden
kan
kann
. – Wie viel helfen deutliche und
unzweydeutige
unzweideutige
oder von falschen Nebenbegriffen
freye
freie
Wörter, bestimmte Erklärungen und
Classification
Classification
Claßification
Klassifikationen
der Dinge, die nur durch Wörter geschehen
kan
kann
, den
Begriff
Begrif
deutlich, und Sachen kenntlich zu machen, oder zu vergegenwärtigen? – Wie viel besser
drucken
drücken
sich die Sachen durch bestimmte Wörter, durch bildliche Ausdrücke, durch
körnigte
körnichte
Sentenzen, dem Gedächtniß und der Einbildungskraft
ein?
ein!
– Wenn der dunkle, ver wirrte, matte und weitschweifige Vortrag, der immer mit von Armuth und Ohnmacht der Sprache herrührt,
den Leser oder Zuhörer
ermüdet,
ihnen
das Denken erschwert, und selbst die
vorgetragene
vorgetragenen
Sachen verleidet: so unterhält die
Deutlichkeit
Deutlichkeit, die Fülle der Wörter und die gedrängte Kürze, die Aufmerksamkeit, und giebt den Sachen einen gewissen
Reitz
Reiz
, der die Theilnehmung befördert. – Und wie sehr erweckt der klare,
bestimmte und
bestimmte,
einleuchtende und gleichsam theilnehmende Ausdruck des
Redenden,
Redenden
auch das Vertrauen, daß er seine Sache verstehe, von ihrer Wahrheit überzeugt, und von ihrem Werthe durchdrungen
sey
sei
, ein Vertrauen,
das
daß
für die Wahrheit und
Treflichkeit
Treflichkeit
Trefflichkeit
des Gesagten den Zuhörer sehr einnehmen muß. – Wenn auch kein
Andrer
andrer
Anderer
so viel Ursache hätte, darnach zu trachten, daß er seiner Sprache mächtig würde: so sollte es der, der
Lehrer
Lehrer der Religion seyn will. Wäre auch der Schade so groß nicht, den der Lehrer sonst gegen seinen Willen stiften
kan:
kann,
so thut er zur Empfehlung der Religion
bey weiten
bei weitem
nicht so viel, als er könnte, wenn er mehr Kraft der Sprache in seiner Gewalt hätte.
67.
Sofern endlich
3) (§.
66.
)
Sprachen der
Canal
Canal
Kanal
sind, durch den uns alle Kenntnisse
zugeführet
zugeführt
werden, die wir von
Andern
Anderen
empfangen, sofern theilt sich uns, je nachdem wir solche Sprachen genau oder obenhin verstehen, alles Gute und Nachtheilige mit, was diese Sprachen
bey
bei
sich führen. Denn, da dasjenige, was in der mittheilenden Sprache liegt, in
unsre
unsere
eigene übergetragen wird, oder die
Begriffe
Begriffe, welche der Andere mit seinen
Wörter
Wörtern verknüpft, in
unsre eignen
unsere eigenen
, immer an Sprache
gebundne,
gebundenen
Begriffe verwandelt werden müssen: so
entgehet
entgeht
uns nicht nur, falls wir jener Sprache nicht recht kundig sind, das, was uns durch sie mitgetheilet werden könnte, und das Fehlerhafte jener Sprache schleicht sich mit in
unsre
unsere
Sprache, und so mit in
unsre
unsere
Erkenntniß, selbst oft in unser Herz; sondern wir selbst vermischen auch dieses Mitgetheilte, wenn es nicht schon
vor
für
sich trübe ist, mit so
viel
vielen
fremden Theilen aus
unsern
unseren
Vorstellungen, daß es unmöglich rein zu uns kommen
kan.
kann.
kann.
*)
– Soll nun insbesondere ein Lehrer der Religion und des Christenthums seine Kenntnisse
vornemlich
vornehmlich
aus der heiligen Schrift schöpfen; soll er die kirchliche Theologie und die verschiedenen Meinungen über gewisse Lehren verstehen, und selbst das, was von seinen Vorstellungen abweicht, richtig beurtheilen; soll er in der Geschichte und sonst die Quel len der
Wahrheit
Wahrheit gehörig benutzen: so muß er nothwendig
theils
die Sprache
Andrer
Anderer
so studiert haben, daß er ihr Gutes und Fehlerhaftes genau kenne,
theils
seiner
eignen
eigenen
Sprache so kundig seyn, daß er wisse, ob und wie weit sie mit jener übereinkomme, oder davon abgehe. Sonst ist Mißverstand durchaus unvermeidlich. Man bauet auf Ausdrücke der heiligen Schrift
Meinungen
Meinungen und Theorien, an welche die heiligen Schriftsteller nie gedacht haben, und giebt menschliche Irrthümer für göttliche Wahrheit aus, sieht
alles
Alles
aus einem falschen
Gesichtspunct
Gesichtspunkt
an, verwickelt sich in
Wortstreit
Wortstreit, und bestreitet oft
, was man dulden,
oder fährt zurück vor dem, was man
dulden, oder
mit Dank annehmen sollte. Man erdichtet Begebenheiten und Meinungen, die nie gewesen sind.
Anmerk.
*) Wenn die patriotischen Römer darüber klagen, daß Alles gräcisire, daß eine gewisse
Gräcomanie
selbst in der Sprache, das Nationale verdränge, so dachten sie dabei gewiß auch auf den Einfluß der Sprache, auf die Begriffe und auf die Sitten. Und wer mag läugnen, daß wir uns lange Zeit in den demselben Fall mit der französischen Sprache befunden haben? Indem das moralisch Schlechte mit schönklingenden Namen in jener Sprache bezeichnet ward (
z. B.
Falschheit savoir faire, Unzucht galanterie genannt wurde), verlor es zugleich bei Vielen seine Verächtlichkeit. Dieß haben mehrere kräftige Schriftsteller unserer Zeit ausführlich erörtert und klar gemacht. Wenn sie nur nicht in das Extrem gefallen wären, die Sprache selbst zu verachten und zu hassen, die ja
an sich
ihren Mißbrauch nicht verschuldet hat.
A. d. H.
68.
Bey
Bei
Erlernung der Sprachen
Erlernung der Sprachen
überhaupt kommt
alles an –
Alles an:
auf genaue
Sprachregeln
Sprachregeln
Sprachregeln
,
–
auf vernünf tige
Lesung guter Schriften
Lesung guter Schriften
in einer solchen
Sprache –
Sprache,
und auf
eigne
eigene
Uebung
Uebung
eigne Uebung
im
genauern
genaueren
Uebersetzen
Uebersetzen, Schreiben
Uebersetzen, Schreiben
oder
Reden
Reden
.
–
Daß die
eigne
eigene
Uebung
dem
Lesen
nachstehen müsse, versteht sich von selbst. –
69.
1)
In Absicht auf die
Die
Sprachregeln
aber
betreffend, so
scheint es
weder
rathsam, sich damit allein oder
weitläuftig
weitläufig
aufzuhalten, ehe man irgend einen Anfang mit Lesen guter Schriften selbst
macht:
macht;
macht,
noch
sie ganz
auszusetzen,
auszusetzen
bis man erst
eine
einige
Fertigkeit erlangt hat, Bücher in einer Sprache zu lesen, oder sich, wenigstens nothdürftig, darin auszudrücken,
noch auch
sie erst mit dem Lesen zu verbinden.
69.
Das
erste
würde nicht nur, wegen Trockenheit dieser Beschäftigung, die Erlernung der Sprache sehr verleiden; es würden auch die Vortheile
verlohren gehn
verloren gehen
, die aus Verbindung der Regeln mit dem Lesen entspringen,
wobey
wobei
man gleich die
Regeln
Regeln in der Anwendung, folglich auch ihren
Nutzen
Nutzen,
Nutzen
und die Art, wie sie anzuwenden sind, besser absieht. – Das
zweyte
zweite
ist noch
schlimmer. Denn
schlimmer; denn
es ist unmöglich, recht sicher zu
erklären,
erklären
oder sich recht
auszudrucken
auszudrücken
, wo man keine Regeln vor sich hat, nach welchen man es thut, und wonach man wieder in ähnlichen Fällen verfahren
kan
kann
. Auch
laßen
lassen
kan; auch lassen
sich angenommene Fehler viel schwerer hinterher ablegen, als gleich anfangs verhüten, und je länger man eine für die
meisten
Meisten
wenig unterhaltende Beschäftigung aufgeschoben hat, je lästiger wird sie hinterdrein,
zumahl
zumal
wenn die Seele, durch fast stete Beschäftigung mit dem, was den Sinnen und der
Einbildungskraft
Einbildungskraft schmeichelt, verstimmt worden ist. Es ist auch nicht abzusehen, wie man
bey
bei
dem Lesen um einer Sprache willen fortkommen könne, ohne das Allgemeine oder die Natur einer solchen Sprache vorläufig zu kennen,
vornemlich
vornehmlich
wenn man eine
Sprache
Sprache
vor
durch
sich selbst lernen muß. Wenigstens ists viel schwerer und unangenehmer,
einzelne
einzle
Beobachtungen in der Sprache zu fassen, und sie zu ordnen, wenn man noch nicht
weiß
weiß,
wohin man sie beziehen, oder an welche allgemeine Begriffe man sie anreihen soll. Viel leichter ists
auch,
auch
und man bekommt eher etwas Ganzes in der Sprache, wenn man
Regeln
Regeln, die in einer gewissen Beziehung und Zusammenhang unter einander stehen, in diesem Zusammenhang übersieht. Endlich wird selbst das Lesen weit angenehmer, wenn man aus den Sprachregeln gleich Grund anzugeben weiß, warum man die Wörter so oder so verstehen und verbinden
müsse,
müsse
und man gewöhnt sich mehr an eine philosophische Behandlung der Sprache, die dem denkenden
Kopf
Kopfe
eine gewisse Unterhaltung giebt, welche man
bey
bei
der bloß mechanischen Behandlung derselben verliert. – Selbst die
dritte
Art, erst
bey
bei
dem Lesen die Regeln sich
beyläufig
beiläufig
bekannt zu machen, ob sie gleich weit besser ist als jene
beyden
beiden
, hat den Nachtheil mit der
zweyten
zweiten
gemein, daß das Lesen aus Mangel der nöthigen grammatischen Vorerkenntnisse sehr erschwert wird, und man den Vortheil der zusammenhängenden Einsicht der Regeln entbehrt. Es zerstreut aber auch zu sehr, wenn man
bey
bei
dem Lesen bald auf
einzelne
einzle
Wörter und ihre Bedeutung in und
ausser
außer
der Verbindung, bald auf ihre grammatische Bildung und Verknüpfung
Acht geben
acht haben
muß.
Man wird hoffentlich nicht vergessen, daß hier
eigentlich
von der besten
Art
Art,
Sprachen zu
lernen
lernen,
nicht für Kinder, son dern für Erwachsene, nicht zur Bildung künftiger Schwätzer, sondern künftiger Gelehrten, die Rede
sey
sei
, sonderlich auf den Fall, wenn
letztere vor sich
die letzteren
Sprachen
durch eigenen Fleiß
lernen wollen.
Bey
Bei
solchen kann man ohnehin schon
theils
die Kenntniß der nothwendigsten Begriffe von Sprachen und Bekanntschaft mit Behandlung einer Sprache,
theils
eigenen Trieb und Lust zum
Sprachstudium,
Sprachstudium
voraussetzen; und dadurch fallen die Schwierigkeiten noch mehr weg, die man dem hier
gesagten entgegen stellen
Gesagten entgegenstellen
möchte.
70.
Die
Mittelstraße
Mittelstraße
Mittelstrasse
würde also auch hier wohl die beste
seyn:
seyn;
wenn man erst die nothwendigsten
Regeln
Regeln einer
besondern
besonderu
Sprache sich bekannt machte, sich
alsdann
alsdenn
gleich zur Lesung leichter Schriften wendete, und
bey
bei
dieser theils auf die Anwendung jener Regeln sähe, theils das Uebrige von den
zurückgelaßenen
zurückgelassenen
Regeln gelegentlich nachholte. Zu diesem
nothwendigsten
Nothwendigsten
könnte man das eigentliche Lesen und die gewöhnlichsten Beugungen und Verbindungen der Wörter, sonderlich die gewöhnlichen Abänderungen der Nenn- und Zeitwörter und die allerersten Regeln
des
Syntax
Syntax
der Syntaxe
rechnen. Nur müßte man die Regeln sich mit
mehrerern
mehreren
Beyspielen
Beispielen
, wodurch jene anschaulich würden, eindrücken, oder vielmehr sie aus solchen
Beyspiele
Beyspielen
Beispielen
abziehen, und, wenn man in einer solchen Sprache Anderer Unterricht
genießen
geniessen
könnte, sich in ähnlichen Formen nach solchen Regeln üben.
Ueber die Frage, ob der
Sprachunterricht
Sprachunterricht von der Sprachlehre ausgehen müsse, vergleiche man, was darüber in
Niemeyer, August Hermann
Niemeyer's
Grundsätzen der Erziehung und des Unterrichts, 2ter
Th.
S.
86 gesagt ist, nebst den daselbst angeführten Schriften und Urtheilen älterer und neuerer Philologen.
Niemeyer's Grundsätzen der Erziehung und des Unterrichts, 2ter Th. S. 86
Niemeyers
Grundsätze
sind bereits zuvor nach der sechsten Auflage (1810) angeführt worden (vgl. I § 64 c). Hier ist jedoch § 86 im siebenten Kapitel des dritten, die Didaktik beinhaltenden Hauptabschnitts des zweiten Teils gemeint. Das siebente Kapitel (vgl. aaO 496–547) behandelt den fremdsprachlichen Unterricht, der betreffende Paragraph trägt den Titel
Erlernen der Sprachen entweder durch Gebrauch oder nach Regeln
(vgl. aaO 499–502).
71.
Hätte
Hat
man die nothwendigsten
Sprachgesetze
Sprachgesetze in seiner
Gewalt:
Gewalt,
so
wäre
ist
es Zeit,
2) (§.
68
68.
)
gleich zur
Lesung der Schriften
in einer solchen Sprache fortzuschreiten
(§.
68
)
, wodurch man das Meiste, auch in Absicht auf die Sprache, und
es
dies
aufs beste, lernen
kan
kann
. Das
Meiste
;
Meiste
:
weil man,
ausser
außer
den Sachen,
Wörtern
Wörter
die Wörter
mit ihren
verschiednen
verschiedenen
Bedeutungen, Einschränkungen und
jedesmaligen schicklichsten
jedesmaligem schicklichstem
Gebrauch,
*)
weise Mannigfaltigkeit des Ausdrucks, Regeln einer Sprache, ihre Anwendung und ihre Ausnahmen, das Eigenthümliche einer Sprache mit ihrem Unterschied von andern, und die
verschiedentlichen
verschiedenen
Falten und Entwickelungen des menschlichen Geistes und Herzens, welche auf den Ausdruck
wirken,
wirken
und durch ihn
veranlaßet
veranlasset
veranlaßt
werden,
zugleich
kennen lernt.
Aufs
beste
;
beste
:
weil
Beyspiele
Beyspiele
Beispiele
immer deutlicher, unterhaltender und eindrücklicher sind, und der Umgang mit verständigen, rechtschaffenen und gesitteten Menschen
, folglich auch die Beschäftigung mit den Werken ihres Geistes,
mehr zur Bildung
beyträgt
beiträgt
, als allgemeine Regeln und Kenntnisse; weil erst durch das fleißige Lesen
Sprachkenntniß
Sprachkenntniß etwas Ganzes wird; und weil selbst Regeln, so wie
einzelne
einzle
Wörter und Redensarten, erst durch die Verbindung in Schriften recht deutlich
werden,
werden
und die nöthige Bestimmung und Abänderung bekommen.
*)
S.
die
Gedanken vom
Vocabellernen
- -
Vocabellernen
,
von
Ehlers, Martin
Martin Ehlers
, Altona
1770
in
1770.
8.
72.
Die Frage:
Wie
soll man Schriften aufs nutzbarste lesen? kommt
hier
hier
nur so weit in Anschlag, als durch die ses Lesen
unsre
unsere
Sprachkenntniß
Sprachkenntniß
gebildet, das heißt, die
Geschicklichkeit
Geschicklichkeit erlangt werden soll, eine Sprache wohl zu
verstehen,
verstehen
und sich darin
auszudrucken
auszudrücken
. In dieser Absicht muß man
zuerst
auf
gutgeschriebene
,
d. i.
solche Schriften sehen, worin eben so viel Fleiß auf den Ausdruck als auf die Sachen gewendet worden ist, die daher in ihrer Art
musterhaft
oder
classisch
classisch
heissen
klassisch
heißen
können;
hernach
von den
leichtern
leichteren
zu den
schwerern
schwereren
,
d. i.
zu
solchen,
solchen
fortgehen, die schon mehrere und reifere Kenntniß der Sprache erfordern, in der sie geschrieben sind.
Anm.
Anmerk.
1. Ob man gleich gute Schriften auch, und meistens mehr, wegen der Sachen
lieset:
lieset,
so gehören doch Vorschläge, wie man sie in Rücksicht auf die Sachen zu lesen habe,
entweder
entweder
mehr in eine Anweisung zur nützlichen
Lectüre
Lektüre
überhaupt,
überhaupt
oder
in den
Unterricht,
Unterricht
wie Bücher zu benutzen sind, die
besondre
besondere
Wissenschaften betreffen.
Anm.
Anmerk.
2.
Gutgeschriebene
Bücher sind
hier,
hier
im
weitern
weiteren
Verstande genommen, nicht bloß schöngeschriebene, sondern eben sowohl solche, die mit Klarheit und Bestimmtheit in der
Sache
Sprache
abgefaßt sind. In dieser Rücksicht
kan
kann
selbst das trockenste Buch
classisch
klassisch
seyn.
73.
Wenn sich unsre Sprache nach musterhaften Schriftstellern
und Schriften
bilden
soll:
soll,
so muß man nicht nur wissen,
welche,
welche Schriftsteller,
welche
und wie
ferne
fern
sie, in Absicht auf
Sprache
Sprache, diesen Namen
verdienen?
verdienen,
sondern man muß auch, falls sie dafür bekannt sind,
bey
bei
dem Gebrauch
solcher
ihrer
Schriften zu dieser Absicht, voraussetzen können, daß diese und daß die darin gebrauchten Ausdrücke durchaus von
dergleichen
Schriftsteller
Schriftstellern
ihnen
herrühren. Hier liegt die Nothwendigkeit der
Kritik
Kritik
(im engsten Verstande), die einen Theil der Philologie ausmacht.
Kritik
ist überhaupt die Geschicklichkeit zu urtheilen,
oder
namentlich
das
Aechte
Echte
vom
Unächten
Unechten
, dasjenige, was wirklich das
ist,
ist
wofür es gehalten oder ausgegeben wird, und was nur so scheint, zu unterscheiden; oder, als Wissenschaft betrachtet, der
Inbegriff
Inbegrif
der
Grundsätze
Grundsätze und
Regeln
Regeln, wonach sich unser Urtheil richten muß. In diesem
allgemeinen Verstande
allgemeineren Sinne
erstreckt sie sich auf alles Wahre, Gute, Schöne, Schickliche
u. d. gl.
u. d. g.
u. dergl.
,
und bekommt
besondre
besondere
Namen, oder einen
eingeschränktern
eingeschränkten
Verstand
eingeschränkteren Sinn
, nach den
verschiednen
verschiedenen
Gegenständen, womit sie sich beschäftigt. Daher ensteht eine
logische, morali
sche, ästhetische, historische, philologische Kritik
; wiewohl diese
verschiedne
verschiedenen
Gattungen
Gattungen oft in einander
fließen
fliessen
,
so fern
sofern
die Gründe der Beurtheilung aus
verschiednen
verschiedenen
Wissenschaften entlehnt werden müssen; und
alsdann bekommt
alsdenn bekömmt
sie gemeiniglich den
Namen
Nahmen
von
der
Wissenschaft, die das
meiste dabey
Meiste dabei
thut.
Anm.
Anmerk.
1.
Philologische
Kritik
Kritik
müßte sich eigentlich nur auf
Sprache
Sprache
erstrecken, also nur beurtheilen, ob der
Ausdruck
in
der
Sprache, in
dem
Schriftsteller
Schriftsteller, in
der
Schrift und in
der
Stelle derselben, wovon die Frage ist,
ächt sey?
echt sei;
müßte dann auch die Regeln begreifen, wonach dieses alles zu bestimmen wäre.
Und wer
Wer daher
den Namen eines philosophischen Kritikers verdienen sollte, müßte nicht nur diese Regeln kennen, sondern auch die Kenntniß der Sprache, wovon die Frage wäre, die Geschichte ihrer von Zeit zu Zeit erfolgten Veränderungen, und des Schriftstellers, nebst der gehörigen Fertigkeit besitzen, diese
sämtlichen
sämmtlichen
Kenntnisse auf einen vorliegenden Fall richtig anzuwenden, folglich auch zu entdecken, ob der Ausdruck in einer Stelle von Abschreibern oder angeblichen Verbesserern verdorben, und wie er wieder herzustellen
sey
sei
? Hingegen, ob eine
Schrift selbst
ächt sey
echt sei
, die dem ver meinten
Verfasser
Verfasser,
oder der Zeit, worein man sie setzt, in der That zukomme?
dies
dieß
zu entscheiden,
gehörte
würde mehr
vor
dem
den
Richterstuhl der
historischen
, oder, wenn man will,
literarischen
Kritik
Kritik
gehören
. Allein, weil man diese letztere Frage, wenn eigentliche entscheidende
Zeugnisse
abgehen, oder zweifelhaft sind, nach
innern
Umständen einer
inneren
, aus der
Schrift
selbst geschöpften Gründen
beurtheilen muß,
und zu diesen Umständen
wozu allerdings
auch die
Sprache
gehört, die oft den Verfasser oder die Zeit verräth: so rechnet man diese Kritik über eine
Schrift
ebenfalls mit zum Gebiete der
philologischen
Kritik.
Anm.
Anmerk.
2. Man sieht
hieraus:
hieraus,
daß, weil sich dieser
letztre
letztere
Theil der philologischen Kritik auf den
erstern
ersteren
gründet,
Niemand
niemand
recht über die
Aechtheit jener
Echtheit einer
Schrift
urtheilen könne, wer der Kritik des
Ausdrucks
, oder der eigentlichen
Sprachkritik
Sprachkritik, nicht mächtig ist.
Anm.
Anmerk.
3. Manche nennen die Kritik der
Schriften
,
Schriften
den
allgemeinen
, und die
Kritik
Kritik ihres
Textes
,
Textes
den
besondern
besonderen
Theil der
philologischen Kritik
, jene auch die
höhere
, diese die
niedere
, oder gar die
Wort-Kritik
. – Bey
Wortkritik
. – Bei
jener
Abtheilung und ihrer Erklärung aber
vergisset
vergißt
man die Kritik der
Sprache überhaupt
, die ich im Anfang der ersten Anmerkung erwähnte, ohne welche man weder von
Aechtheit
Echtheit
der Schriften noch ihres Textes urtheilen
kan
kann
. – Die Kritik des Textes ist auch keine bloße Kritik der
Worte
; denn es können ja eben sowohl unrichtige
Sachen
,
Sachen
als
Worte,
Worte
verrathen, daß der Text verfälscht
sey
sei
. – Und den Unterschied der
niedern
niederen
und
höhern
höheren
Kritik scheinen wieder Andere für
einerley
einerlei
mit dem bloß relativen Unterschiede der
gemeinen
nnd
und
feinern
der
feineren
Kritik zu nehmen, sie mag
Aechtheit
Echtheit
der Schriften, oder ihres Textes, oder der Sprache
überhaupt,
überhaupt
betreffen. Wenn man die
Aechtheit
Echtheit
nach vorliegenden
, zumahl sehr bekannten oder leicht
erkennbaren,
erkennbaren
Umstände
Umständen
,
z. B.
bey
bei
einer Schrift nur nach Zeugnissen gleichzeitiger Schriftsteller, auffallenden historischen oder
Sprach-Fehler
Sprach-Fehlern
Sprachfehlern
, Spuren des Fehlers oder Mißverstandes in den Zügen oder Abtheilungen der Wörter,
Parallellstellen
Parallellstellen
u. d. gl.
Parallelstellen
u. dergl.
zu entdecken
vermöchte:
vermöchte,
so würde
dies
dieß
gemeinere
Kritik seyn;
feinere
aber, wo Spuren des
Unächten
Unechten
verborgen liegen, und das
Aechte
Echte
oder
Unächte
Unechte
nur durch sehr feine Beobachtung und eine Zusammenstellung mannigfaltiger
kleinen
kleiner
Umstände entdeckt werden könnte. So möchte diese
feinere
Kritik mit sogenannter
Conjecturalkritik
, wenn sie nicht bloß
räth und willkürlich verfährt
willkührlich einem
Errathen
gleicht
, ziemlich
einerley
einerlei
seyn.
So muß die Frage: ob eine angebliche Stelle oder Ausdruck einer Schrift von dem Verfasser der Schrift herrühre, zwar oft, wenigstens mit, nach philosophischen Gründen, verglichen mit dem, was uns sonst von des Verfassers
Denkungsart
Denkungsart,
Gesinnung
Gesinnung und
Geschmack
Geschmack bekannt ist, entschieden werden, aber hauptsächlich nach seiner uns bekannten Sprache. Und eben so muß die Frage: ob eine Schrift die seinige ist, zwar auch nach Nachrichten, also nach historischer Kritik, bestimmt werden; aber, da ihn selbst die Sprache verräth, so kömmt
im
so fern die Entscheidung auch der Philologie zu. Dies ist die Ursach, warum man die in Anfang des §. erwehnte Kritik zur Philologie rechnet, und sie
Kritik
Kritik
im
engsten Verstande
nennt.
74.
Kritik
Kritik im
allgemeinern
allgemeineren
Verstande
ist
bey unsern
bei unseren
eigenen
eignen
Vorstellungen und Neigungen sowohl, als
bey
bei
denenjenigen, die
Andre
Andere
uns mittheilen, folglich auch
bey
bei
dem Gebrauch ihrer Schriften, schlechterdings nothwendig, wenn wir nicht betrogen werden, Schatten für Wahrheit ergreifen, und zu Irrthümern, Fehlern und Ausschweifungen verleitet seyn wollen.
Hänget
Hängt
etwas vom
Ansehen
Ansehen
des
Schriftsteller
Schriftstellers ab, – und dies ist der Fall, wenn wir uns
müssen
auf seine Einsicht und Recht schaffenheit
verlaßen
verlassen
,
verlassen müssen, um
ihn
für
als
Kenner, Gesetzgeber und Muster
annehmen
können: –
können –:
anzuerkennen: –
so müssen wir vor allen Dingen gewiß seyn, daß eine Schrift, und daß namentlich der Theil derselben, an den wir uns halten sollen, wirklich von ihm komme.
– Alsdann
Alsdenn
ist auch
philologische
Kritik
Kritik
im engsten Verstande
schlechthin unentbehrlich, weil die in seiner angeblichen Schrift gebrauchten Ausdrücke eben dasjenige sind, wodurch wir von ihm lernen
; und es ungereimt seyn würde, eine Schrift
erklären
erklären
, oder gar etwas daraus
beweisen
beweisen
zu wollen, ehe man nicht wüßte, daß etwas wirklich ein Theil einer solchen Schrift, und nicht untergeschoben
sey
sei
.
Anmerk.
Anmerk.
Wie nöthig die Kritik
bey
bei
dem Gebrauch der
heil.
heiligen
Schrift
sey
sei
, wird sich unten
bey
bei
der exegetischen Theologie besser zeigen
laßen
lassen
.
75.
Aber deswegen ist es nicht
nöthig
nöthig,
gleich
anfangs, bey
Anfangs, bei
dem Lesen einer Schrift um der Sprache willen, uns mit dieser Untersuchung zu beschäftigen.
–
Ausser dem
Außer dem,
Ausserdem
daß dieses die wirkliche Benutzung einer Schrift ungemein aufhalten und verzögern
würde;
–
würde,
ist es doch
keine unwahrscheinliche Voraussetzung
wahrscheinlich
, daß eine Schrift
, die das Zeugniß ihrer Zeitgenossen oder
andrer
anderer
Kenner
vor
für
sich hat,
und daß deren
einzelne
einzle
Stellen und
Ausdrücke
Ausdrücke
ächt
seyn
sind
echt seyen
, weil der Fälle weit mehr
sind,
sind
wo
ein so
angegebner
angegebener
der angegebne
Verfasser es auch wirklich ist, als wo er es nicht ist, und weil eine Schrift selten so sehr unter
Andrer
andrer
Anderer
Händen leidet,
als
daß nicht das Meiste übrig bleiben sollte.
–
Sehr oft beruht auch ihr
Werth
Werth in Absicht auf Sprache nicht auf dem Ansehen ihres Verfassers, sondern auf ihrem
Gehalt
Gehalt und ihrer
Uebereinstimmung
Uebereinstimmung mit
andern
anderen
der besten Schriften in einer solchen Sprache.
–
Ueber dies
Ueberdies
Ueberdies
erfordert diese Beurtheilung schon
große
grosse
Kenntniß einer Sprache, und wird daher besser bis auf die Uebungen in derselben aufgeschoben, die erst
alsdann
alsdenn
glücklich unternommen werden können, wenn man sich schon durch das fleißige Lesen der Schriften gebildet hat. Man setze also diese kritischen Untersuchungen lieber aus, begnüge sich mit
andrer
anderer
Kenner
Kenner
Nachrichten,
Nachrichten
und mit den
reinesten
reinsten
Ausgaben von einer Schrift, und wende sich gleich zum Lesen
derselben
.
Anmerk.
Möchten dieß auch so viele junge und selbst ältere Lehrer in
Gelehrtenschulen
Gelehrtenschulen beherzigen, die, statt die Elemente der Sprachen oder der Schriftsteller vor allen Din gen grammatisch verstehen und übersetzen zu lehren, ihre kritische, oft sehr unkritische Weisheit, oft ein bloßes Nachsagen dessen, was sie eben in den akademischen Vorlesungen gehört haben, nicht früh genug auskramen können, und dadurch die Ungeübten mehr verwirren und aufhalten, als in der Sprachkenntniß weiter fördern.
A. d. H.
76.
Das
nächste
Nächste
, worauf man
bey
bei
diesem
Lesen
Lesen
hiebey
zu sehen hätte, wäre: den Ausdruck
verstehen
verstehen
zu lernen. Denn ohne dieses könnte man weder zur Kenntniß der in einer Schrift enthaltenen Sachen gelangen, die uns nur durch den Ausdruck mitgetheilt werden
können
, noch würde man durch das Lesen einer Schrift in den Stand gesetzt werden, eine
andre
andere
in eben derselben Sprache verstehen zu lernen, oder jemals
eine solche
einer solchen
Sprache
in seine Gewalt
mächtig
zu
bekommen
werden
. Aber der
gute
Schriftsteller bedient sich nicht bloß einer
Sprache,
Sprache;
er will auch das, was er darin sagt,
gut
,
d. i.
so
ausdrucken
ausdrücken
, daß es sich dem Leser als
wahr
wahr
, als gut, als gefällig darstelle, wenigstens daß es sich ihm
auf
von
einer dieser Seiten empfehle; und, wie die
Sprache
Sprache Ausdruck der Seele ist, so ergießt sich seine gebildete Empfindung, Verstand und Gesinnung in den Vortrag, der davon seine ganze Farbe bekommt. Man muß daher gutgeschriebenen Schriften, selbst wenn man sie wegen der Sprache lieset, einleuchtende Vorstellung der Wahrheit, Empfehlung guter Gesinnungen, Annehmlichkeit des Vortrags, abzulernen, kurz, dadurch seinen
Verstand
Verstand, sein
Herz
Herz und seinen
Geschmack
Geschmack zu
bilden
bilden
bilden
suchen. Dies nennt man das
kritische
, so wie jenes, das auf den Verstand des Gelesenen abzielt, das
philologische
oder
grammatische
Lesen einer Schrift.
Eine solche Anweisung enthalten, ob sie sich gleich nur auf ältere griechische und römische Schriftsteller
einschränken:
einschränken,
außer
Ernesti, Johann August
Joh. Aug. Ernesti
Zuschrift vor der Ausgabe der Werke des
Cicero
Cicero
.
Cicero
,
Sulzer, Johann Georg
J. G.
Sulzers
Sulzer's
Gedanken über die beste
Art,
Art
die
claßischen
classischen
Schriften der Alten zu lesen
, Berlin
1765
in
1765.
8.
und
in dessen
vermischten Schriften
Vermischten Schriften
,
Theil 2.
S.
215
f.
wieder abgedruckt.
Scheller, Immanuel Johann Gerhard
Imm. Joh. Gerh.
Schellers
Scheller's
Anleitung,
Anleitung
die alten Schriftsteller philologisch und kritisch zu erklären
,
zweyte
zweite
Auflage, Halle 1783.
gr.
8.
Auch kann in mancher Hinsicht verglichen werden:
Bergk, Johann Adam
Bergk's
Kunst zu lesen, Leipzig 1803.
und
Schelle, Karl Gottlob
Schelle
über die Lesung der klassischen Autoren, 2 Theile, Leipzig 1803.
Joh. Aug. Ernesti Zuschrift vor der Ausgabe der Werke des Cicero
Gemeint ist die methodisch aufschlussreiche Zuschrift (
Dedicatio
) an den Leipziger Bürgermeister Christian Ludwig Stieglitz (1677–1758), die Johann August Ernestis Cicero-Ausgabe (Leipzig 1737–1739;
2
1756/1757;
3
1774–1777) vorangestellt ist. Auf Empfehlung Johann Matthias Gesners wurde Ernesti Hauslehrer bei Stieglitz, der ihm als Vorstand der Thomasschule zum Konrektorat und nach Gesners Abgang nach Göttingen 1734 auch zum Rektorat verhalf.
J. G. Sulzers Gedanken über die beste Art, die claßischen Schriften der Alten zu lesen, Berlin 1765 in 8. in dessen vermischten Schriften Theil 2. S. 215 f. wieder abgedruckt
Der Titel lautet
Gedanken über die beste Art die claßische Schriften der Alten mit der Jugend zu lesen
(vgl. auch die
Vermischte[n] Schriften
II (1781), 215–237).
Bergk's Kunst zu lesen, Leipzig 1803
Die erste Auflage von Johann Adam Bergks (1769–1834)
Die Kunst, Bücher zu lesen. Nebst Bemerkungen über Schriften und Schriftsteller
ist 1799 in Jena erschienen (vgl. III § 159 c), 1802 folgte in Leipzig
Die Kunst zu denken. Ein Seitenstück zur Kunst, Bücher zu lesen
.
Schelle über die Lesung der klassischen Autoren, 2 Theile, Leipzig 1803
Gemeint ist Karl Gottlob Schelles (geb. 1777) zweibändiges Werk
Welche alte klassische Autoren, wie, in welcher Folge und Verbindung mit andern Studien soll man sie auf Schulen lesen?
aus dem Jahr 1804.
77.
Bey
Bei
der Absicht, eine Schrift
verstehen
verstehen
zu lernen, möchte
alles
Alles
auf folgende Regeln
ankommen.
ankommen:
1) Man bemühe sich zuerst, die bestimmte
Bedeutung
Bedeutung
einzelner
einzler
Wörter und Redensarten recht einzusehen, nach ihrem Umfang, auch Nebenbegriffen, Einschränkung und Unterschied von
andern
anderen
, die eben dasselbe zu bedeuten scheinen. Giebt der Schriftsteller die Bedeutung nicht selbst durch Erklärung, Gegensatz, gleichbedeutende Wörter,
Beyspiele
Beispiele
oder Verbindung an, und kennen wir keine
andre
andere
ähnliche Stellen desselben, die ein Licht auf das, was wir suchen, werfen
könnten:
könnten;
*)
so müßte man entweder, zumal wenn die Sprache noch lebendig ist, sich
bey
bei
denen erkundigen, die feine Kenner einer solchen Sprache sind, oder man müßte gute
Wörterbücher
Wörterbücher, Claves, Wörterregister und
Ausleger
Ausleger zu Hülfe nehmen,
bey
bei
ihrer Wahl
aber,
aber
und um sie mit Sicherheit brauchen zu können, wohl darauf
acht
Acht
geben, ob sie die Bedeutung be stimmt angeben, und die Richtigkeit derselben, wo sie zweifelhaft seyn
kan
kann
, mit angemessenen deutlichen Stellen oder Beweisen belegen.
*)
Beyspiele
Beispiele
sind im
N. T.
von erläuternden
Erklärungen
,
πιστις
Ebr. 11,
1
1.
,
μετανοια
2 Kor. 7,
10
10.
vergl.
mit
V.
11.
Von dergleichen
Gegensatz
2 Kor. 10, 4
.
Röm. 9, 18
. Von
gleichbedeutenden Wörtern und Redensarten
,
1 Kor. 10,
24.
23
οἰκοδομεῖν
und
συμφέρειν
, so wie
1 Petr. 5,
8
8.
durch
παθήματα
V.
9.
9
vergl.
mit
1 Thess. 2,
14
14.
, erklärt wird, und
Röm. 9,
1.
1
die
Betheurungs-Formel
Betheurungsformel
:
ἀλήθειαν λέγω ἐν
Χριστῶ
Χριστῷ
beweiset,
beweiset
daß
ἐν Πνεύματι ἁγίω
zu
οὐ ψεύδομαι
gezogen, und auch für eine solche Betheurung genommen werden müsse. Erklärungen durch
Beyspiele
Beispiele
sind
Luc. 18,
1.
1
vergl.
mit
V.
2
2.
f.
Kap.
15,
10.
10
μετανοεῖν
mit
V.
11
f.
; durch die
Verbindung
oder den Context
Ephes. 2, wo
νεκροὶ
V.
1.
V.
3.
3
ὑιοὶ
ἐργῆς
ὀργῆς
heissen
heißen
,
ἐκλεκτοί
Röm. 8,
33.
33
eben daselbst
V.
28.
ἀγαπῶντες
τ. Θεὸν
,
ὑπακοὴ πεπληρομένη
2 Kor. 10,
6
6.
gleich nachher
V.
15
15.
πίστις αὐξανομένη
.
Beyspiele
Beispiele
von Erklärungen aus
ähnlichen Stellen
sind bekannt genug.
τ.
Röm 8,33 liest
τὸν
.
78.
Man müßte 2) wohl auf die Verbindung und Ordnung der Wörter
Acht
acht
geben, als worauf
vornemlich
vernehmlich
das Eigenthümliche einer Sprache beruht, und sowohl die wahre
Bedeutung
Bedeutung
einzelner
einzler
Formeln bemerken, als in
wieferne
wiefern
eine gewisse Verbindung oder Stellung der Wörter und Redensarten, des Sinnes wegen, oder nur den Ausdruck deutlicher oder angenehmer zu machen, gebraucht
sey
ist
sei
. Gute
Sprachlehren
Sprachlehren
Sprachehren
und
andre
andere
Bücher, wel che die Idiotismen einer Sprache erklären, oder die Gründe der
Sprachregeln
Sprachregeln untersuchen, können
dabey
dabei
große
grosse
Dienste thun.
79.
Es
würde
wird
ferner 3) nöthig seyn, stets dahin zu sehen, daß man nicht bloß den Wörtern und
Redensarten
Redensarten, die man verstehen lernen
wollte, andre
will, andere
Wörter
unterlegte
unterlegt
, sondern sich auch wirklich
Begriffe
Begriffe von dem
machte
macht
, was jene
ausdrucken
ausdrücken
. Leicht
wäre
ist
dieses, wenn wir einen solchen Ausdruck in einen uns
geläufigern
geläufigeren
, der ihm völlig
entspräche
entspricht
, verwandeln, und so den uns schon gewohnten Begriff, der damit verbunden ist, erneuern
könnten
könten
können
. Wäre
dies
dieß
aber nicht, und bekäme ein Ausdruck eine
der
Sprache oder
dem
Schriftsteller
eigene
eigne
Bedeutung
daher
daher
, weil er sich auf
besondre
besondere
Meinungen,
Meinungen
Gewohnheiten, Begebenheiten
u. d. gl.
u. dergl.
bezöge: so müßte man sich vorher diese bekannt machen, oder diejenigen zu Rathe ziehen, welche dergleichen Umstände und darnach gebildete Ausdrücke aufgeklärt
hätten
haben
.
Von dieser Art sind die Namen der öffenlichen
Bedienungen
Bedienungen:
Consul, Dictator
etc.
etc.,
die
calumnia religionis
bey
bei
Cicero
fam. (ad div.)
I, 1
Cicero
epist. ad
diuers.
divers.
I, 1. Die Ausdrücke in seinen philosophischen
Schriften,
Schriften
welche aus der akademischen, stoischen
etc.
Philosophie entlehnt
sind,
sind
u. dgl.
u. dergl.
Im
N. Test.
die Wörter
πραιτώριον
πραιτὼριον
(anders
Matth. 27,
27
27.
, anders
Phil. 1,
13,)
13.),
στρατοπεδάρχης
,
Ἀσιάρχαι
,
νεωκόρος
von einer Stadt gebraucht,
Γραμματεῖς
(anders in Asien,
Apostelgesch.
19
19.
, anders zu
Jerusalem,)
Jerusalem),
σπένδομαι
,
ἅδης
,
δαιμονιακοὶ
,
ἡ
οἰκουμένη
οἱκουμένη
ἡ μέλλουσα
Ebr. 2,
5.
5,
τὰ ἔθνη
,
ὀ
ὁ
κόσμος
,
στοιχεῖα του κόσμου
u. a.
calumnia religionis bey Cicero epist. ad diuers. I, 1
In dem ersten, an Prokonsul P. Lentulus gerichteten Brief der
Epistulae ad familiares
(=
Epistulae ad diversos
) heißt es Cic. fam. I 1: „Der Senat verschanzt sich hinter dem Kniff mit den religiösen Bedenken, nicht aus religiösen Bedenken, sondern aus Übelwollen und Empörung über die königliche Freigebigkeit (
senatus religionis calumniam non religione, sed malevolentia et illius regiae largitionis invidia comprobat
)“ (Text und Übers. nach Tusculum [Ed. Kasten], München/Zürich
4
1989, 6.7). Bei der
calumnia religionis
handelt es sich um eine vermutlich erfundene sibyllinische Weissagung, die vor dem Senat gegen Lentulus vorgebracht wurde.
80.
Weil man aber sehr wohl
einzelne
einzle
Wörter verstehen
kan
kann
, ohne deswegen den ganzen Satz zu verstehen, der aus ihnen zusammengesetzt
ist
*)
;
ist;
*)
auch viele
Wörter
**)
,
Wörter,
**)
ja ganze
Sätze
***)
,
***)
Sätze,
***)
neue bestimmte Bedeutungen in einer Stelle durch die Verbindung mit andern zu einem ganzen Satz
bekommen;
bekommen,
und sehr oft Ein Wort nicht geradezu mit Einem Wort aus einer
andern
anderen
Sprache vertauscht werden
kan
kann
, sondern nur der Sinn im Ganzen
ausgedruckt
ausgedrückt
werden
muß
†)
;
muß,
†)
so wie bisweilen – und das ist der Fall der
Allegorie
Allegorie
– anstatt einer Sache, die eigentlich
ausgedruckt
ausgedrückt
werden sollte, eine ihr ähnliche gesetzt
wird
††)
,
wird,
††)
folglich die gemeinte Aehnlichkeit aufgesucht werden muß; so muß man sich auch 4) bemühen, den
Sinn
Sinn
des ganzen Satzes, oder mehrere in Eins
verbundne
verbundene
Sätze im
Ganzen
, und das in der Allegorie liegende
Eigentliche
, zu denken. Gute,
freye
freie
, aber
genaue
genaue,
Uebersetzungen und eben dergleichen Umschreibungen sind hier für den, der es noch selbst nicht vermag, die besten Hülfsmittel.
S.
die
zwey
zwei
unschätzbaren Programmen von
Morus, Samuel Friedrich Nathanael
S. F. N.
Sam. Frid. Nath.
Morus
Programma
de discrimine sensus et significationis in interpretando, Lips. 1777.
4. und Progr. quibus caussis allegoriarum interpretatio nitatur, Lips. 1781.
4.
Jenes ist das
zweyte
zweite
, und dieses das zwölfte in
s.
Diss. theolog. et philologicis, Lips. 1787.
in
8.
*)
Z. B.
Luc. 21,
19.
19
κτήσασθε
τ. ψυχὰς ὑμῶν ἐν τῇ
ὐπομονῇ
(seyd
(seid
standhaft, so werdet ihr euer Leben retten);
ὐπομονῇ
,
K.
12,
21.
21
εἰς Θεὸν πλουτεῖν
(seinen Reichthum nach Gottes Willen anwenden)
.
**) Als
ἀποθανεῖν
(aufhören zu sündigen)
Röm. 6, 7
.;
ὡς ζῶντες ἐν Κόσμῳ
,
δογματιζεσθε
δογματίζεσθε
(ihr hängt noch an
willkürlichen
willkührlichen
Gesetzen, als lebtet ihr noch im
Judenthum,)
Judenthum),
δογματίζεσθε
.
Kol. 2, 20
. Dieses gilt besonders von den Emphasen, als
1.
1
Kor. 9, 16.
ἐυαγγελίζεσθαι
,
ἐυαγγελίζεσθαι
(das Christenthum lehren, und sich dafür bezahlen
lassen)
lassen),
vergl.
mit
v.
17
17.
V. 17.
u.
18
.
18.
***) Als
Luc. 6,
34
34.
(von Ausleihen aus Gewinnsucht)
.
†)
Z. B.
1 Kor. 10, 29.
ἵνα τί ἡ ἐλευθερία μου
κρίνεται
κρινεται
u. s. w.
(Warum soll ich mich nicht meiner
Freyheit
Freiheit
bedienen, ohne erst zu fragen, ob ein Anderer Etwas für erlaubt hält?)
vergl.
mit
v.
30.
V. 30.,
zumahl wenn gewisse uneigentliche Ausdrücke in der Sprache, wohin wir sie aus einer andern übertragen müßten, ungewöhnlich sind, als
Luc. 1, 69
.
ἤγειρε
κερας
κέρας
σωτηρίας
ἡμῖν
ἠμῖν
(Er
(er
hat uns einen Erretter geschenkt)
;
Röm. 13, 14.
ἐνδύσασθε
ἐνδυσασθε
u. s. w.
††) Als
Matth. 6, 22. 23.
Joh. 4, 35
f.
zwey unschätzbaren Programmen von S. F. N. Morus […] Jenes ist das zweyte, und dieses das zwölfte in s. Diss. theolog. et philologicis, Lips. 1787
Die betreffenden Programme finden sich im ersten Band der
Dissertationes theologicae et philologicae
(1787), 61–98 (II.) bzw. 370–393 (XII.).
τ.
Lk 21,19 liest
τὰς
.
81.
Beynahe
Beinahe
das Schwerste
würde
bleibt
5) die
Vergleichung
Vergleichung der
Sprache
seyn,
seyn;
Sprache,
woraus, und
der, worein
derjenigen, in welche
wir
übersetzen. Denn
übersetzen; denn
bey
bei
den vorigen Beschäftigungen, eine Schrift verstehen zu lernen,
wär'
ist
es allenfalls genug, den richtigen
Sinn
Sinn
unterzulegen,
unterzulegen;
oft
müßte
muß
man damit auch zufrieden seyn; hier aber
müßte
soll
man eine Sprache der andern aufs
möglichste
Genaueste
anschmiegen, welches
bey
bei
Idiotismen selten möglich,
vornemlich
vernehmlich
aber
bey
bei
Schriftstellern, die recht eigentlich in
ihrer
Sprache und
sie rein schreiben
diese
rein
, oder gar eine eigenthümliche Art des Ausdrucks haben, sehr schwer
auszudrucken
auszudrücken
ist. Ohnehin
auszudrücken ist; ohnehin
muß man der Sprache, in die man übertragen will, und aller ihrer Feinheit und Beugsamkeit,
der
deren
sie fähig ist, sehr kundig und mächtig seyn. Der vornehmste Nutzen einer so genauen
Uebertragung
Uebertragung
bestünde
besteht
denn wohl in der Ueberzeugung, daß man das, was jene Sprache
ausdruckt
ausdrückt
, genau aufgefaßt
hätte
habe
, und in der Bereicherung oder
Vervollkommnung
Vervollkommnung unserer
Vervollkommung unsrer
Sprache durch jene. Weil es uns indessen
bey
bei
dem
Verstehenlernen
Verstehenlernen
zunächst nur um den Sinn zu thun
ist:
ist,
so
könnte
mag
dieser schwerere Versuch
wohl besser
lieber
über das Lesen guter Schriften
selbst
hinaus verschoben werden.
82.
Hätte
Hat
man nun einen guten Schriftsteller
verstanden
(§.
76.
)
76.
),
verstanden
:
so
müßte
muß
man ihm auch den guten Ausdruck und Vortrag
ablernen
abzulernen
suchen;
suchen (§.
76
),
und dies
suchen. Dies
muß
vorzüglich da
die Absicht seyn,
wenn
wo
man
wohl geschriebene
wohlgeschriebene
Schriften zur Bildung des
Verstand
Verstandes
, des
Geschmacks
und des
Herzens
lieset. Zur Bildung des
Verstandes
geschieht dieses, – wenn man die Wahrheit dessen, was er sagt, es
sey bey
sei bei
allgemeinen Sätzen oder
bey
bei
Erzählungen, prüft, und bemerkt, worin die Stärke oder die Fehler dessen, was er zur Unterstützung einer Sache sagt,
bestehn
bestehen
; – wenn man
Acht
acht
giebt auf
alles
Alles
, was zur Kenntniß der Menschen und der Welt,
und
zur Kenntniß des Ganges
dient
, den die göttliche
Vorsehung
Vorsehung
Fürsehung
und den die Menschen
bey
bei
ihren Handlungen nehmen, um gewisse Absichten zu
erreichen:
erreichen, dient;
erreichen;
– wenn man, um jene Ueberzeugung von Wahrheit zu erlangen, auf Ursachen und Mittel, Folgen und Absichten der vorgefallenen Sachen studiert;
–
wenn man alles dieses, durch Anwendung und Folgerungen, zur
Aufklärung
Aufklärung der Wahrheit, zur vernünftigen Beruhigung und zur Beförderung eines klugen Betragens gebraucht. Ohne diese Rücksichten und Uebungen
kan
kann
das Lesen auch der besten Bücher wenig
helfen;
helfen:
es unterhält allenfalls auf eine kurze Zeit, bereichert das Gedächtniß, verleitet zur blinden
Nachahmung,
Nachahmung;
den Verstand
aber
bildet es nicht.
Auch das, was in der
mehmahls
mehrmals
angeführten
Allgemeinen Revision
, Theil 11.
S.
84
f.
wider die Geistesbildung durch das Sprachstudium überhaupt, und
S.
196
f.
wider die Geistesbildung zu einem Gelehrten insbesondere, gesagt wird,
kan
kann
dem hier Gesagten nicht entgegengesetzt werden.
Ausser
Außer
dem schon oft gerügten Irrthum, als wenn Vergleichung
Einer
einer
Sprache mit der
Andern
andern
weiter nichts
sey
sei
, als Umtauschung verschiedener
Töne
oder
Schriftzeichen
gegen andere, die gerade eben dasselbe ausdrückten, ist hier nicht die Rede vom Studium des bloßen
Sprachbaues
und
Sprachgebrauch
Sprachgebrauchs
, sondern von dem Nutzen, den die
Lectüre
guter Schriftsteller gewährt, in
so ferne
sofern
diese
Sachen
gut
vortragen
.
Allgemeinen Revision, Theil 11
Vgl. I § 33 c.
83.
So fern
Sofern
indessen das Lesen zur Bildung des
Ausdruck
Ausdrucks
nach guten Schriftstellern unternommen werden
sollte, müßte
soll, ist
vornehmlich darauf die Aufmerksamkeit
gerichtet werden
zu richten
, wie ein solcher Schriftsteller das, was er gesagt,
dargestellt
und
eingekleidet
,
d. i.
d. i.,
in welches Licht er es gesetzt
hätte
hat
, um den Leser zu
überzeugen
,
überzeugen
;
wie
er
es angelegt, um ihn dafür
einzunehmen
; in
jener
jener
Absicht also, wie er
z. B.
seine Sätze bestimmt, durch Beweisgründe unterstützt, durch angegebene und hervorgezogene Umstände glaublich gemacht, in
dieser
aber, wie er, was er empfehlen will, eindrücklich zu machen, wovon er aber abziehen will,
abschrecklich
abschreckend
vorzustellen, oder zu verbergen, oder zu mildern gesucht habe. Alles dies
kan
kann
der Schriftsteller durch deutliche oder sinnliche Vorstellung zu erreichen suchen. Das
erste
erstre
Erstere
gehört zum Gebiete des
Verstandes
,
daß
das
letztre
das Letztere
mehr zum Gebiete des
Geschmacks
.
Beyder
Beider
Gränzen laufen aber oft so in einander, daß sich die Regeln, wie man Schriften lesen soll, den Verstand und Geschmack zu bilden, nicht wohl trennen
laßen
lassen
. Vieles also, was noch
zu jener Absicht zu bemerken wäre
in jenem Betracht hierüber könnte bemerkt werden
, ist erst in
folgender Anweisung enthalten, wo man
der nächstfolgenden Anweisung, welche
Rücksicht auf Bildung des Geschmacks
genommen hat
nimmt, enthalten
.
84.
Wer durch Lesung guter Schriftsteller seinen
Geschmack
Geschmack
bilden
wollte, müßte
1),
1)
will, muß 1)
um keine Schönheit in der Darstellung zu
übersehn
übersehen
, und sich durch das, was leichter zu übersehen ist, an das zu gewöhnen, was schon feinere Empfindung und mehrere
Fassungskraft
Fassungskraft erfordert, mit dem Einfachern anfangen, und zum Zusammengesetztern fortgehen, erst
einzelne
einzle
Stellen in dieser Rücksicht studieren, und
alsdann
alsdenn
immer weiter schreiten, bis er das Ganze, sowohl nach der schönen Anlage der Theile, woraus es zusammengesetzt ist, als nach der
Schönheit
Schönheit, die ein Theil dem andern mittheilt, übersehen
könnte
könte
.
Er müßte
Wenn er
2) ein jedes, kleinere oder
größere,
grössre
Ganze,
größere Ganze zuerst
von aller Form entkleiden
will
, um den Hauptgedanken zu finden,
und zu
so wird er
entdecken, durch welche Einschränkungen, Erläuterungen,
Beyspiele
Beispiele
, Bilder, Gegensätze
u. d. gl.
u. dergl.
,
und wie er dadurch
einleuchtend
erleuchtend
, interessant und gefällig
dargestellet
dargestellt
worden
sey.
sei. Dann hat er
3)
Nächstdem
stets darauf
Acht
acht
zu
geben, wie der Schriftsteller auf die Gedanken gekommen, und
woher
wo
er das
geleitet
hergeleitet
habe, was er zur Ausbildung der
Hauptsache
Hauptsache gethan; wie er die gefundenen Sachen
ausgedruckt
ausgedrückt
; und wie er
alles
Alles
so gestellt habe, daß jene Absichten aufs beste erreicht werden
konnten
konten
.
Man müßte
Er muß
4) den Gründen nachspüren, warum gerade
die
Ausführung,
der
Ausdruck und
die
Stellung beobachtet
wäre
ist
, und was dieses alles für
Wirkung
Wirkung auf das Ganze
thäte. Man müßte
thut. Auch
endlich
5),
5)
um den
großen
grossen
Unterschied des Schönern und Schlechtern zu begreifen, und die Mannigfaltigkeit oder die
vielerley
vielerlei
Arten, wie man die Darstellung einer Sache abändern
kan
kann
, kennen zu lernen, ähnliche Stellen oder Schriften eines sol chen Verfassers oder
Andrer
Anderer
zusammenhalten, und bemerken, was jede nach ihrer besondern Absicht Vorzügliches in der Darstellung vor der andern gleiches Hauptinhalts habe, und worin der Grund dieses Vorzüglichen liege.
85.
Zur Verbesserung des
Herz
Herzens
und unserer ganzen
Gesinnung
Gesinnung
Gesinnung,
wird das Lesen guter Schriftsteller vieles
beytragen
beitragen
, wenn man 1) nicht nur dasjenige bemerkt, was sie unmittelbar zu dieser Absicht
alsdann
sagen, wenn sie von Sachen reden, die
Gott
Gott,
Religion
Religion und
Tugend
Tugend
betreffen,
betreffen;
wenn sie den Werth und die guten Folgen der letztern, nebst Ehrfurcht und Liebe gegen Gott, es
sey
sei
durch Gründe oder Erfahrungen oder
Beyspiele
Beispiele
, empfehlen, sondern auch 2) das, was in ihrem
Vortrag
Vortrage
liegt, und daraus gezogen werden
kan
kann
, zur
Kenntniß
Kenntniß und
Ueberzeugung
Ueberzeugung von Gottes
Vorsehung
Fürsehung
, zur Kenntniß des menschlichen Herzens und menschlicher Leidenschaften, der Mittel, diese zu lenken und jenes zu verbessern, zur Ermunterung zu allem Guten, braucht, und
3) –, welches
3) – was
hier
bey
bei
der Sprache besonders in Anschlag kommt – wenn man auf
den
Ausdruck
acht
Acht
giebt, und
den
ihnen abzulernen sucht, wodurch edle und gute Empfindungen können bezeichnet, und so in uns befestigt oder erweckt oder eindrücklich gemacht, und gute Nebenbegriffe erregt werden, die das Gute, vermittelst der Einbildungskraft, auch unserm Herzen
empfehlen
empfehlen.
(§.
60
60.
und
65.
).
65.
)
86.
Freylich
Freilich
erfordert ein so
sorgfältiges und genaues
ausführliches Lesen guter Schriften viele
Zeit
Zeit, die
Zeit. Die
so sehr ins Kleine gehende Aufmerksamkeit wird von dem Ganzen abgezogen, und dem, der noch nicht weit in einer Sprache gekommen ist, muß es schwer, oft un möglich werden, so tief in das Schöne des Ausdrucks einzudringen. Aber, –
ausser
außer
dem
ausserdem
, daß der Schriftsteller nur
wenige
wenig
sind, die in Absicht auf Ausdruck und Sprache
musterhaft
musterhaft
heissen
heißen
können, und daß anhaltende
Uebung
Uebung uns mit der Zeit in den Stand setzt, den guten Ausdruck schneller zu bemerken, auch Unterricht und Leitung von einem in solcher
Lectüre Geübtern,
Lektüre Geübtern
die Aufmerksamkeit und das Fortschreiten hierin unendlich erleichtern
kan
kann
: – so hilft wiederholtes sowohl als cursorisches Lesen eines guten Schriftstellers diesen Unbequemlichkeiten sehr ab, und befördert nicht nur die Uebersicht des Ganzen, sondern gewöhnt uns auch mehr an den ganzen Ton des Schriftstellers, und macht uns mit dem, was ihm eigen ist, macht uns mit Stellen desselben bekannt, die über Sachen und Wörter Licht ausbreiten können.
*)
*)
S.
Gesner, Johann Matthias
Joh. Matth.
Gesners
Gesner's
Vorrede zum
Livius
Livius
nach
Clericus, s. Le Clerc, Jean
Le Clerc, Jean
Clerici
Ausgabe,
Leipz.
Leipzig
1735.
1735
in
8. und
Ernesti, Johann August
J. A.
Ernesti
Ernesti's
zur
Fischer, Johann Friedrich
Fischerschen
Ausgabe der Werke des
Ovid
Ovidius
,
Leipz.
Leipzig
1758.
8.
Joh. Matth. Gesners Vorrede zum Livius nach Clerici Ausgabe, Leipz. 1735
Johann Matthias Gesners zwanzigseitige
Praefatio
ist dem ersten von insgesamt drei Bänden (1735) unpaginiert vorangestellt.
J. A. Ernesti zur Fischerschen Ausgabe der Werke des Ovidius, Leipz. 1758
Johann August Ernestis Vorrede (
Lectori bonarum litterarum studioso
) findet sich im ersten Band der von Johann Friedrich Fischer besorgten
Opera Omnia
(1758), III–XXVIII.
87.
Auf das Lesen guter Schriftsteller in einer Sprache müssen
3) (§.
68
68.
und
71.
)
die
Uebungen
Uebun
gen
Uebungen
in der Sprache folgen,
wobey
wobei
man immer wieder vom Leichtern zum Schwerern fortgehen müßte. Diese Uebungen bestehen im
Uebersetzen, Schreiben
Uebersetzen, Schreiben
und allenfalls
Reden
Reden
, womit noch die
Beschäftigung mit den
feinern
feineren
Sprachregeln
Beschäftigung mit den feinern Sprachregeln
und mit der
Kritik
Kritik im engsten Verstande
Kritik im engsten Verstande
(§.
74.
)
könnte
74
)
verbunden werden
könte
kann
. Das
Uebersetzen
Uebersetzen
ist unstreitig das Leichteste, weil man durch das Lesen guter Schriften schon zubereitet, und seiner Sprache, in die man übersetzt, mächtiger ist als einer fremden, also leichter fremden Wörtern seine, als seinen die Wörter einer fremden Sprache unterlegen
kan
kann
,
die uns
mit der man
weniger als
die
unsere
unsere
geläufig
mit der seinen bekannt
ist.
Bey
Bei
einer solchen Uebersetzung
müßte
ist
, noch mehr als
bey
bei
dem Lesen, darauf
gesehen werden
zu sehen
, das, was in der fremden Sprache geschrieben ist, nicht nur aufs genaueste
auszudrucken
auszudrücken
, sondern auch, so weit es die Natur
unsrer
unserer
Sprache
erlaubt,
erlaubt
und nicht
jedoch nie
auf Unkosten ihrer
Deutlichkeit
Deutlichkeit oder ihrer Vorzüge vor einer fremden,
unsre
die unsrige
der fremden anzuschmiegen.
Anm.
Unstreitig ist dieß die wahre Theorie des Uebersetzens, in welche schon
Luther, Martin
Luther
in seinem Büchlein „Vom Dollmetschen“ die richtigste Einsicht hatte. Sie stimmt freilich nicht mit dem überein, was in unseren Zeiten manche berühmte Uebersetzer der Alten versucht haben, die
Uebersetzung dem Originale – wie einst ein Kunstkenner von einem Portrait sagte –
zum Erschrecken
ähnlich zu machen, und die Eigenthümlichkeit unserer Sprache dabei gänzlich aufzuopfern. Aber wirklich
erschrickt
man auch vor mancher Dollmetschung dieser Art, und sucht das Original zu bekommen, um die Uebersetzung verstehen zu können.
A. d. H.
Luther in seinem Büchlein „Vom Dollmetschen“
D.i. Martin Luthers (1483–1546)
Sendbrief vom Dolmetschen
aus dem Jahr 1530 (vgl. WA XXX,2 [1909], [627] 632–646).
Uebersetzung dem Originale – wie einst ein Kunstkenner von einem Portrait sagte – zum Erschrecken ähnlich zu machen
Dieser Vergleich ist nach dem Erscheinen der dritten Auflage der
Anweisung
durchaus verbreitet, die genaue Herkunft dieser Wendung lässt sich jedoch nicht ermitteln. Im Hintergrund dürfte die zeitgenössische kunsttheoretische Debatte um das Portrait stehen, wie sie in der Kritik Johann Joachim Winckelmanns (1717–1768) oder Johann Heinrich Füßlis (1741–1825) an Balthasar Denner (1685–1749) zum Ausdruck kommt, dessen mikroskopisch-naturalistische Portraits alter Menschen als
Porendenner
bezeichnet wurden.
88.
Viel
sichrer
sicherer
ist es auch, sich eher im
Schreiben
Schreiben
als Reden zu üben, weil man mehr Zeit
hat bey
hat, bei
dem Schreiben bedächtig auszufeilen, und, wenn man zumal vorher
über setzt,
übersetzt
und das Uebersetzte eine
Zeitlang
Zeit lang
weggelegt hat, die Wörter und Wendungen der fremden Sprache uns leichter
beyfallen
beifallen
.
–
Zwar ist die Uebung im Schreiben nicht
bey
bei
jeder fremden Sprache nöthig, wenn wir sie nur
verstehen
verstehen
lernen wollen. Aber nützlich
kan
kann
sie doch immer seyn,
theils
,
theils
theils
um
bey
bei
der Kritik besser beurtheilen zu können, ob ein Schriftsteller wohl so oder so könne geschrieben haben, wie man es in seinem Text findet,
theils
,
theils
theils
um das Eigenthümliche einer jeden Sprache und den Unterschied von der unsrigen besser einzusehen.
*)
– Findet man nöthig, auch eine Sprache
sprechen
zu lernen, so unter nehme man es nur nicht eher, als bis man eine Fertigkeit
hat,
hat
sie gut zu schreiben, weil man sich sonst zu leicht
Nachläßigkeit
Nachlässigkeit
im Ausdruck angewöhnt, und das, was unsrer Sprache eigen ist, in die fremde überträgt; wenigstens müßte man nur mit solchen sprechen, die eine
genugsame
genugsam
feine Kenntniß der fremden Sprache besitzen, um unsre Fehler verbessern zu können. Je früher man zu sprechen anfängt, ohne durch das Lesen guter Schriftsteller genug gebildet zu seyn, je mehr werden uns die Fehler im
Sprechen
Sprechen
anhängen,
anhängen
und je schwerer werden sie sich ausrotten
laßen
lassen
.
*)
Caput rei est, quod minime facimus, quum plurimum scribere.
Cicero
Cic.
Caput rei est, quod minime facimus, quum plurimum scribere. Cic.
Dieses Zitat stammt aus Ciceros
De oratore
, einem bedeutenden, in Dialogform verfassten Referenzwerk der antiken Rhetorik. Gemäß moderner Textgestalt heißt es in Cic. de orat. I 150 (33): „Die Hauptsache aber ist, was wir, um die Wahrheit zu sagen, am wenigsten tun – es macht nämlich große Mühe und diese scheuen wir größtenteils – so viel wie möglich zu schreiben (
Caput autem est, quod, ut vere dicam, minime facimus – est enim magni laboris, quem plerique fugimus – quam plurimum scribere
)“ (Text und Übers. nach Tusculum [Ed. Nüßlein], Düsseldorf 2007, 68.69).
89.
Bey
Bei
allen diesen
Uebungen
Uebungen versteht
sichs
sich's
, daß man immer vom
Leichtern
Leichteren
zum
Schwerern
Schwereren
fortgehen, sonach auch im Lesen, Uebersetzen, Schreiben und
Reden
Reden,
anfänglich nur auf das Gewöhnlichere und auf die Reinigkeit der Sprache, nach und nach erst auf ihre Feinheit und Zierlichkeit, auf die
verborgnere
verborgenere
Güte des Ausdrucks, und auf die
Schönheit,
Schönheit
die sich durch das Ganze ergießt, Acht geben müsse. Sind in einer Sprache Schriften vorhan den, welche die besondere Feinheit einer Sprache entwickeln, oder feine Kritiken über das Schöne musterhafter Schriftsteller enthalten: so
kan
kann
das fleißige
Studieren
Studiren
solcher Schriften, noch mehr aber der musterhaften Schriften in einer Sprache selbst, und die sorgfältige Vergleichung solcher Stellen, wo diese oder
andre
andere
die
nemlichen
nehmlichen
nämlichen
Gedanken verschiedentlich
ausdrucken
ausdrücken
, nebst dem
Nachdenken
Nachdenken, warum und worin eine Art des Ausdrucks die
andre
andere
übertreffe, uns in
Entdeckung
Entdeckung des
Feinern
Feineren
in einer Sprache sehr weit bringen.
90.
Und nun erst
könnte
mag
man sich an die
Kritik
Kritik
Kritik
im engsten Verstande wagen,
wenn man den Beruf dazu hat. Diesen giebt nur
–
ein feines
Gefühl
Gefühl –
Gefühl,
eine weitumfassende genaue und geläufige Kenntniß der
Sprache –
Sprache,
und ein reicher Vorrath von historischen Kenntnissen, welche den Verfasser, oder seine Schrift, oder die darin vorkommenden Hindeutungen auf Geschichte, Verfassung und Umstände seiner Zeit und
Nation,
Nation
und der erwähnten Personen und Sachen, betreffen. Hierzu muß aber nothwendig noch kommen:
–
Bekanntschaft mit alten
Handschriften
Handschriften, mit ihrer
Schrift,
Schrift
und den
mannichfaltigen
mannigfaltigen
Ursachen der Verdorbenheit eines Textes, die darin sowohl, als in den Umständen und Absichten der Abscheiber oder Correctoren liegen;
–
lange und
fleissige
fleißige
Uebung, theils im
Umgang
Umgange
mit guten Kritikern und Beobachtung ihrer Verfahrungsart, theils durch eigene Versu che
bey
bei
einem solchen Schriftsteller oder Texte, wo Fehler und die Art sie zu
verbessern
verbessern,
leicht aufzufinden sind, theils in Auffassung
sichrer
sicherer
Regeln der Kritik, aus
beyderley
beiderlei
eben erwähnter Uebung;
–
endlich vertraute Bekanntschaft mit
der
Schrift,
bey
bei
der man die
Kritik
Kritik üben will, und anhaltendes ins Feine
gehende
gehendes
Studium einer solchen Schrift und
andrer
anderer
eben desselben Verfassers, mit dem was ihnen eigenthümlich ist.
wozu, wenn sie nicht mißrathen soll, innige Bekanntschaft mit der Sprache und besonders mit einem Schriftsteller und dem was ihm eigen ist, so nothwendig erfordert wird als Kenntniß der
Handschriften
Handschriften, ihrer Züge, der leichtern Verwechslungen die mit Buchstaben und Zügen vorgegangen sind, und überhaupt der Umstände, die Veränderungen bey Abschriften der Bücher verursacht haben.
Für den
Anfänger
Anfang
sind solche
Bücher,
Bücher
wie
Clericus, s. Le Clerc, Jean
Le Clerc, Jean
Jo.
Io.
Clerici
Ars critica,
Edit.
4. Amst.
1712
1712.
in 3 Oktavbänden, im dritten Theil.
Heumann, Christoph August
Christoph. Aug. Heumanni
Parerga critica, Jenae
1712
1712.
8.
Elémens de
Critique – –
Critique,
par l'Abbé
Morel, Joseph Benoît
Morel
, à Paris
1766
in
1766.
gr.
12
12.
, und vorzüglich
12.
Scioppius, Gasparus, s. Schoppe, Caspar
Schoppe, Caspar
Gasp.
Scioppi
Scioppius
de arte critica, Amst.
1662
in 8,
1662. 8.
noch
immer
gut genug
sehr brauchbar
. Wer weiter
gehn
gehen
will, muß solche Kritiker, die in ihren
vorgeschlagnen
vorgeschlagenen
Verbesserungen
vorsichtig sind,
fürsichtig sind
und die in dem §.
bemerkten
bemerkte
Erfordernisse besitzen,
als
Heinsius, Nicolaas
Nic. Heinsius
,
Gronovius, Johann Friedrich
Joh. Friedr. Gronov
,
vorzüglich
Bentley, Richard
Bentley
,
Hemsterhuis, Tiberius
Hemsterhuys
,
Valckenaer, Lodewijk Caspar
Valkenaar
,
Markland, Jeremiah
Markland
,
Ruhnken, David
Ruhnken
,
Reiz, Friedrich Wolfgang
F. W. Reitz
,
Wolf, Friedrich August
F. A. Wolf
u. d. gl.
u. dergl.
,
nebst manchen Sammlungen kritischer Bemerkungen, als
Gruter, Jan
Gruters
Gruter's
Thesaur.
crit.
criticus
zum Theil,
Toup, Jonathan
Toup
Opuscula crit., die
amsterdamische
amsterdamsche
Biblioth. crit.
u. s. f.
u. s. f.,
mit den
Gründen, die sie für versuchte
Gründen zu versuchten
Aenderungen
angegeben haben
, und, wenn er es haben
kan
kann
, alte Handschriften, neben diesen aber, oder wenn er dazu keine Gelegenheit hat, solche Werke
studieren
studiren
, die eine Sammlung
verschiedner
verschiedener
Schriftarten und Züge enthalten, als die
Palaeographia
graeca – –
graeca,
opera et studio
Montfaucon, Bernard de
Bern. de Montfaucon
,
Paris.
Paris
1708.
Fol.
fol.
De re diplomatica libri
VI. – – op.
VI., opera
et
st.
Mabillon, Jean
Joh.
studio
Io.
Mabillon
,
Edit.
2. Lut. Paris. 1709.
Fol.
fol.
,
und noch mehr den
Nouveau traité de
Diplomatique – –
Diplomatique,
par
deux Religieux
Benedictins
,
Benedictins
(
Toustain, Charles François
Charl. Franc. Toustain
et
Tassin, René Prosper
René Prosp.
Tassin
,)
Tassin
.
)
Tassin
),
à Paris 1750–1765.
in 6 Bänden in
gr.
4. (übersetzt:
Neues Lehrgebäude der Diplomatik
, Frankfurt 1759–69.
9
Bände in
Bände.
gr.
4.)
Gatterer, Johann Christoph
Joh.
Christoph
Christoph.
Io. Christoph.
Gattereri
Elementa artis diplomaticae,
Vol.
prius,
Goetting.
Gotting.
1765.
in
4.
und andere ähnliche.
Clavis diplomatica – – st. et op.
Baring, Daniel Eberhard
Dan. Eberh. Baringii
, Hanover. 1737.
4. und
Lexicon diplomaticum – – stud.
Walther, Johann Ludolph
Io. Ludolfi Waltheri
, Goetting. 1745–47
in 3
Partt.
Nic. Heinsius
Nach dem häuslichen Unterricht bei seinem Vater Daniel Heinsius – ebenfalls ein berühmter niederländischer Philologe und Gelehrter – unternahm Nicolaas Heinsius (1620–1681) zunächst ausgedehnte Bibliotheksreisen, eine ihm in Italien angetragene Professur in Bologna lehnte er ab. 1650 trat er in die Dienste der schwedischen Königin Christina (1626–1689). Diese Stellung brachte ihn letztlich in große finanzielle Schwierigkeiten und holte ihn in Gestalt einer Vaterschafts- und Eheklage auch auf der nach seiner Rückkehr in die Heimat angetretenen Stelle als Stadtschreiber in Amsterdam ein. 1661 kam er als niederländischer Gesandter erneut nach Schweden, wo er mit Unterbrechungen bis 1671 blieb. Seinen Lebensabend verbrachte er zurückgezogen, von Prozessen und körperlichen Leiden geplagt, in den Niederlanden. Ein unehelicher Sohn gleichen Namens wurde Arzt und Schriftsteller. Trotz seines unruhigen Lebens ist Heinsius als hervorragender Latinist und Textkritiker sowie als neulateinischer Dichter (
sospitator poetarum latinorum
) hervorgetreten.
Joh. Friedr. Gronov
Nach dem Studium, einer Hauslehrerstelle und einer umfangreichen Reisetätigkeit erwarb Johann Friedrich Gronovius (1611–1671) 1640 den juristischen Doktorgrad, 1643 wurde er zunächst Professor für Geschichte und Eloquenz am
Gymnasium Illustre
in Deventer und 1658 schließlich Professor für Griechisch an der Universität Leiden. Hier bekleidete er mehrfach das Amt des Rektors und wurde 1665 zudem Bibliothekar. Rufe nach Heidelberg (1661) und Amsterdam (1669) lehnte er ab. Gronov zählt zu den namhaftesten Latinisten des 17. Jh.s, besonders bedeutend sind seine zahlreichen kommentierten Textausgaben (v.a. Livius).
Bentley
Richard Bentley (1662–1742) gehört zu den bedeutendsten klassischen Philologen überhaupt, sein Einfluss auf Zeitgenossen und nachfolgende Generationen ist immens. Nach dem Studium am
St John's College
(Cambridge) und einer Anstellung als Schulrektor kam Bentley 1689 als Hauslehrer nach Oxford. Hier entstand seine berühmte
Epistola ad Millium
, die Bentleys Ruf als außerordentlicher Textkritiker begründete. 1690 zum Diakon geweiht wurde Bentley kurz darauf
Boyle-Lecturer, Prebendary
von Worcester, königlicher Bibliothekar und Kaplan, Mitglied der
Royal Society
und erhielt 1696 den Grad eines
Doctor of Divinity
(D.D.). In diese Zeit fällt auch die berühmte Auseinandersetzung mit Charles Boyle über die Echtheit der
Briefe des Phalaris
. 1700 wurde Bentley schließlich
Master of Trinity College
(Cambridge), ein Amt, das er trotz andauernder massiver Streitigkeiten mit den
Fellows
(1718–1724 wurde Bentley gar abgesetzt) über vier Jahrzehnte innehatte, 1717 wurde Bentley zudem
Regius Professor of Divinity
. Neben zahlreichen maßgeblichen Arbeiten zu klassischen Autoren nahm er mit Unterstützung Johann Jakob Wettsteins auch eine Edition des Neuen Testaments in Angriff (vgl. II § 35).
Hemsterhuys
Der niederländische Philologe Tiberius Hemsterhuis (1685–1766) wurde nach Studien in seiner Heimatstadt Groningen und Leiden im Dezember 1704 zunächst Professor für Philosophie und Mathematik am Amsterdamer
Athenaeum Illustre
(den Magistergrad erwarb er einen Monat später an der Universität Harderwijk), 1717 wurde er auf eine Griechischprofessur in Franeker berufen, trat diese jedoch erst 1720 an. Nachdem er hier auch Professor für niederländische Geschichte und mehrfach Rektor geworden war, wechselte er 1740 auf die Griechischprofessur in Leiden. Hier wirkte er bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1765. Hemsterhuis gilt als hervorragendster Gräzist seit Scaliger und Casaubon und ist der Begründer einer bedeutenden Philologenschule, aus der als wichtigste Schüler Valckenaer und Ruhnken hervorgegangen sind.
Valkenaar
Lodewijk Caspar Valckenaer (1715–1785) studierte ab 1731 Theologie im friesischen Franeker und wandte sich unter dem zu dieser Zeit noch dort lehrenden Tiberius Hemsterhuis v.a. den klassischen Sprachen zu. Ab 1737 setzte er seine Studien in Leiden (v.a. bei Schultens) fort, kehrte dann nach Friesland zurück und wurde 1740 Konrektor der Lateinschule in Kampen. Bereits ein Jahr später folgte Valckenaer dem nach Leiden abgewanderten Hemsterhuis auf der Griechischprofessur in Franeker nach und übernahm 1765 auch dessen Lehrstuhl in Leiden. Gemeinsam mit dem ebenfalls in Leiden lehrenden Ruhnken ist Valckenaer der bedeutendste Schüler Hemsterhuis' und zählt zu den hervorragendsten Gräzisten nicht nur des 18. Jh.s.
Markland
Nach dem 1717 abgeschlossenen Studium am
Peterhouse
(Cambridge) wurde Jeremiah Markland (1693–1776) ebenda
Fellow
, eine geistliche Laufbahn traute er sich ebenso wie die ihm gleich zweimal angetragene Griechischprofessur aus gesundheitlichen Gründen nicht zu. 1728 verließ er Cambridge als Privatlehrer, bereiste in dieser Eigenschaft Frankreich und die Niederlande und unterrichtete ab 1744 auch den Sohn seines ehemaligen Schülers. Schließlich zog er sich nach Milton Court (Surrey) zurück, wo er, zunehmend gesundheitlich angegriffen, bis zu seinem Tod lebte. Neben einer Reihe vielbeachteter eigener Veröffentlichungen hat Markland auch zu den Arbeiten anderer Gelehrter beigetragen. Im Urteil Friedrich August Wolfs kommen seine philologischen Fähigkeiten an die Bentleys heran.
Ruhnken
David Ruhnken (1723–1798) stammte ursprünglich aus Hinterpommern und besuchte zunächst das
Collegium Fridericianum
in Königsberg. Da sich die deutsche Gräzistik in dieser Zeit auf vergleichsweise niedrigem Niveau befand und zumeist nur in theologischer Absicht betrieben wurde, wechselte Ruhnken nach zwei Studienjahren von Wittenberg nach Leiden, um seine Griechischkenntnisse unter Tiberius Hemsterhuis (s.o.) weiter zu vertiefen. Als Assistent des alternden Hemsterhuis hielt Ruhnken ab 1757 Griechischvorlesungen und wurde 1761 als Nachfolger Frans van Oudendorps (1696–1761) ordentlicher Professor für Latein, später auch Universitätsbibliothekar und -rektor. Neben Valckenaer ist der von Friedrich August Wolf als
princeps criticorum
bezeichnete Ruhnken der wichtigste Vertreter der von Hemsterhuis' begründeten Philologenschule und auch über das 18. Jh. hinaus einer der bedeutendsten klassischen Philologen.
F. W. Reitz
Der im fränkischen Windsheim geborene Pfarrerssohn Friedrich Wolfgang Reiz (1733–1790) studierte ab 1753 in Leipzig (u.a. bei Ernesti) v.a. klassische Philologie. Nach dem Magisterexamen war Reiz zunächst als Hauslehrer sowie als Korrektor für den Breitkopf-Verlag tätig, bevor er nach der 1766 erfolgten Habilitation 1772 außerordentlicher Professor in Leipzig wurde. 1782 übernahm Reiz als Nachfolger Morus' das Ordinariat für Latein und Griechisch und wenige Jahre später als Nachfolger Clodius' die Professur für Dichtkunst und Beredsamkeit. Daneben war er lange Jahre als Universitätsbibliothekar tätig. Auch wenn Reiz nur vergleichsweise wenige Arbeiten veröffentlicht hat (v.a. zu Grammatik, Metrik und Textkritik), gehört er im Urteil von Zeitgenossen wie Wolf doch zu den gelehrtesten Philologen seiner Zeit.
F. A. Wolf
Friedrich August Wolf (1759–1824) trat nach dem Studium in Göttingen (Immatrikulation als
studiosus philologiae
, ohne dass ein solcher Studiengang vorhanden gewesen wäre) auf Empfehlung Heynes zunächst in den Schuldienst ein, wurde 1783 Professor der Philosophie und Pädagogik, ab 1784 auch der Eloquenz in Halle und gründete 1787 das dortige philologische Seminar, wodurch die Trennung von Altphilologie und Theologie an der
Fridericiana
offiziell vollzogen war. Nach der Schließung der Universität durch Napoleon siedelte Wolf nach Berlin über, wurde 1807 Mitglied (1812 Ehrenmitglied) der
Akademie der Wissenschaften
und 1810 Professor für klassische Philologie. Wolf, dessen Hauptinteresse Homer galt, hat ein umfangreiches Werk hinterlassen (vgl. I § 136) und den Altertumswissenschaften insgesamt zu neuer Blüte verholfen. Oft wird er aufgrund seiner systematischen Darlegung des griechisch-römischen Altertums (vgl. I § 105 c) als eigentlicher Neubegründer besagter Wissenschaften angesprochen. Es fällt auf, dass Nösselt seinen Universitätskollegen Wolf in der zweiten Auflage der
Anweisung
bereits früh in eine Reihe mit Größen wie Bentley u.a. stellt.
Gruters Thesaur. crit.
Gemeint ist Jan Gruters (1560–1627)
Lampas, sive fax artium liberalium
(7 Bde. Frankfurt/M. 1602–1623 bzw. 4 Bde. Florenz 1737–1751 [Bd. 1+2]; Lucca 1747 [Bd. 3]; Neapel 1751 [Bd. 4]). Dieses Werk wird im Untertitel auch als
Thesaurus criticus
bezeichnet.
Toup Opuscula crit.
Gemeint sind die von Friedrich Heinrich Starcke (1760–1833) herausgegebenen
Opuscula critica
I (
2
1780) + II (
1
1781) des englischen Geistlichen und Philologen Jonathan Toup (1713–1785). Diese umfassen die zuvor einzeln erschienenen
Emendationes in Suidam
I–III (1760–1766), die
Curae novissimae sive Appendicula notarum et emendationum in Suidam
(1775) sowie die an William Warburton (1698–1779) gerichtete
Epistola critica
(1767) und wurden später erneut und vermehrt herausgegeben (1790).
amsterdamische Biblioth. crit.
Gemeint ist die u.a. von Daniel Albert Wyttenbach (1746–1820) in zwölf Teilen herausgegebene und in Amsterdam erschienene
Bibliotheca critica
(1777–1808), als Fortsetzung ist die von Wyttenbach allein in drei Teilen herausgegebene
Φιλομαθία
sive miscellanea doctrina
(1809–1817) anzusehen. Später erschien eine von den Leidener Philologen John Bake (1787–1864), Petrus Hofman Peerlkamp (1786–1865) u.a. besorgte fünfteilige
Bibliotheca critica nova
(1825–1831).
Neues Lehrgebäude der Diplomatik, Frankfurt 1759–69. 9 Bände
Die ersten drei Bände wurden von Johann Christoph Adelung (1734–1806) übersetzt, als Übersetzer der restlichen Bände lässt sich Anton Rudolph (1712–1791) ermitteln.
91.
Sprachen
Sprachen zu lernen ist nöthig,
entweder
weil wir sie
bey
bei
unserm
eignen
eigenen
Denken
Denken und den Fortschritten darin nicht entbehren können,
oder
Andern
Anderen
unsre Gedanken und Gesinnungen mitzutheilen,
oder
vermittelst der Sprachen uns
Anderer
die
Kenntnisse und
Leitungen
Anleitungen Anderer
zu Nutz zu machen (§.
59
f.
).
f.)
Dieser
dreyfache
dreifache
Nutzen
Nutzen der Sprachen und der
mehrere
größere
oder
mindere
geringere
Einfluß einer Sprache auf die Beförderung
unsrer
unserer
Haupt- oder Nebenabsichten
bey
bei
dem Beruf, dem wir uns widmen, muß uns stets
leiten,
leiten
wenn die Frage ist:
welche
Sprachen wir lernen, und auf welche wir uns
vorzüglich
legen
müßen
müssen
? –
müssen?
Hiernach, und vorausgesetzt,
theils
,
theils
daß hier eigentlich auf die Bildung zu einem künftigen Lehrer der Religion und zu einem Gelehrten zu sehen
sey,
theils
,
theils
sei,
theils
daß die christliche
Religionskenntniß
Religionskenntniß aus der richtig
verstandnen
verstandenen
heiligen Schrift geschöpft werden müsse,
theils
,
theils
daß eine Sprache um so vorzüglicher zu treiben
sey
sei
, je zu mehreren der
drey
drei
erwähnten Absichten sie nöthig
ist:
ist,
würden
–
die
Deutsche, –
deutsche,
die Lateinische,
–
die
Griechische, –
griechische,
die
Hebräische, –
hebräische,
und,
und
um der
letztern
letzteren
willen,
willen
die mit ihr verwandten
Mundarten
Mundarten – sonst aber die
Französische,
Französische
– Englische –
französische, englische,
und allenfalls die
Italiänische
Italienische
, bey
– italiänische, bei
dem, der sich der Theologie widmet, in Anschlag kommen müssen.
Die vier ersten – und zwar in der
Ordnung,
Ordnung
wie sie hier angegeben
worden,
worden
– sind ihm unentbehrlich; die
andern
anderen
können, nach
verschiednen weitern
verschiedenen weiteren
oder
eingeschränktern
eingeschränkteren
Umständen und Absichten, nöthig, sonst wenigstens doch unter den übrigen Sprachen die nützlichsten seyn.
92.
Der
deutschen
, so wie der
Muttersprache
Muttersprache überhaupt, sollte der vorzüglichste Fleiß gewidmet werden.
–
Es ist schon
unnatürlich,
unnatürlich
mit seiner Muttersprache, oder mit der,
die,
die
unsern Umständen
nach,
nach
ihre Stelle vertritt,
d. i.
in der wir
gemeiniglich
gemeiniglich
denken, weniger bekannt zu
seyn,
seyn;
und
es ist
Undank gegen die göttliche
Vorsehung
Vorsehung
Fürsehung
, die uns gerade mit
der
Nation, wozu wir gehören, in die nächste Verbindung gesetzt,
uns,
vornemlich
vornehmlich
und uns vornehmlich
zu
ihrem
Besten zu
arbeiten,
arbeiten
bestimmt hat.
–
Hängt die Bildung unsrer
Seele
Seele von der Sprache
ab:
ab,
so erfordert unstreitig
die
Sprache unsre meiste Aufmerksamkeit, in der wir gewöhnlich und am meisten
denken –
denken,
und die wir auch
bey
bei
denen, mit welchen wir am häufigsten
umgehn,
umgehn
umgehen,
oder welchen wir in der Religion weiter forthelfen müssen, am meisten brauchen.
–
Sind wir in dieser
Sprache
Sprache, die für uns die unentbehrlichste ist,
zurück;
zurück:
wer
kan
kann
sich da des Verdachts
erwehren
erwähren
, daß wir es in minder nothwendigen Kenntnissen noch mehr seyn werden? wenigstens, daß wir die Wahl zwischen dem
Nöthigern
Nöthigeren
und
Entbehrlichern
Entbehrlicheren
nicht zu treffen wissen?
Man
kan
kann
sich von dieser vorzüglichen Nothwendigkeit
auch
noch mehr überzeugen, wenn man die deutsche Sprache gegen
fremde
überhaupt,
überhaupt
und besonders gegen
alte
und
und
ausgestorbene
Sprachen
Sprache
hält.
1.
1)
Durch die Muttersprache erhalten wir
unsre
unsere
ersten Begriffe, welche
dadurch,
dadurch
und durch den häufigen
Gebrauch,
Gebrauch
sich nicht nur am geschwindesten in der Seele
darstellen,
darstellen
und die Schnelligkeit im Denken befördern, sondern auch anschaulicher und lebendiger werden, als durch
Wörter
Worte in
einer
fremden
Spra che, die erst, vermittelst der Wörter in der Muttersprache, Begriffe erregen können. Und immer können wir
Aufklärung
Aufklärung,
Aufklärung
und was davon abhängt, allgemeiner machen, wenn wir uns der Muttersprache bedienen, die allgemeiner verständlich ist.
(
Eberhard, Johann August
Eberhards
(
Eberhard's
Vorlesung über die Zeichen der Aufklärung einer Nation, Halle 1783.
8.
S.
24.
24
f.
)
2.
2)
In
ausgestorbenen
ausgestorbnen
Sprachen (die lateinische ausgenommen, welche, als gelehrte Sprache betrachtet, noch
lebt,
lebt
) denkt und spricht man fast gar nicht; es gehen ihnen also
zwey
zwei
große
Vortheile ab, um derer
Willen
willen
die Erlernung einer Sprache nöthig ist. Ueberdies ists
überhaupt,
überhaupt
oder doch ohne
Weitschweifigkeit,
Weitschweifigkeit
oder ohne Gefahr eine alte Sprache zu verstellen, unmöglich, die so häufigen neuen Begriffe darin
auszudrucken
auszudrücken
. Und lebendige Sprachen, vorzüglich die deutsche, können vieles, sonderlich die Begriffe selbst, viel deutlicher
darstellen,
darstellen
als es die alten,
bey
bei
mehr dunkeln Begriffen, konnten.
(
Adelung, Johann Christoph
Adelungs
(
Adelung
(
Adelung's
Magazin für die deutsche Sprache,
erster
Jahrgang,
zweytes
zweites
Stück,
Stück
S.
3
f.
) Auch in sofern gewinnt unsre eigne und Andrer
Cultur
Kultur
durch den auf unsre Muttersprache gewendeten Fleiß.
Adelungs Magazin für die deutsche Sprache, erster Jahrgang, zweytes Stück, S. 3 f.
In Johann Christoph Adelungs (1734–1806)
Magazin für die Deutsche Sprache
1,2 (1782), 3–28 findet sich der
Beweis der fortschreitenden Cultur des menschlichen Geistes aus der Vergleichung der ältern Sprachen mit den neuern
.
93.
Es ist auch nicht genug, daß wir unsre
Muttersprache
Muttersprache durch Uebung nothdürftig
lernen,
lernen:
sie verdient selbst
studiert
studirt
zu werden. Schon deswegen, weil sie, wie oben gezeigt worden ist, einen so
großen
grossen
Einfluß, selbst durch Kleinigkeiten, auf unsre Erkenntniß und Gesinnung, auf unsern Vortrag und auf die Benutzung
Andrer
Anderer
hat. Und was man bloß durch Uebung lernt, das lernt man auch mit seinen Fehlern, und gewöhnt sich eine
Nachlässigkeit
Nachläßigkeit
an, die um so schwerer abgelegt, selbst um so weniger nur bemerkt werden
kan
kann
, je mehr sie durch den steten
Gebrauch
Gebrauch zur andern Natur
worden
geworden
ist.
Die
Einwendungen gegen dieses
Studium
der Muttersprache in der
Allgemeinen
Revision
S.
30.
30
f.
gründen sich auf die Absonderung des
Sprachbaues
von dem
Sprachgebrauch
Sprachgebrauch
, oder, wie es da heißt, der
Wörter
und der
Worte
. Auch ist hier nicht die Rede von dem, was man zu
Begriffe
Begriffen
nothdürftig
braucht, sondern was zur
höhern Bildung
des Geistes dient.
Einwendungen gegen dieses Studium der Muttersprache in der Allgemeinen Revision S. 30. f. […] der Wörter und der Worte
Gemeint ist erneut der elfte Band der
Allgemeine[n] Revision des gesammten Schul- und Erziehungswesens
(vgl. I § 33 c). Der Bandverantwortliche Ernst Christian Trapp (1745–1818) formuliert hier: „Aber ist zur Bildung des Geistes das
Studium
der Muttersprache so nöthig, als ihre
Erlernung
? Ist das Studium ihrer
Wörter
so unentbehrlich, als das Studium ihrer
Worte
, der in ihr und durch sie dargestellten Gedanken und Empfindungen? Ich zweifle. Den Sinn für das Gute, Wahre und Schöne bekommt man wol nicht durch die Grammatik“ (aaO 30).
94.
Dieses
Studieren
Studiren
der deutschen Sprache
müßte
hat
sich
vornemlich
vornehmlich
auf die
Mundart
Mundart
zu
erstrecken, die gewöhnlich in Schriften, im gesittetern
Umgang
Umgange
und im
Vortrag
Vortrage
gebraucht wird,
d. i.
auf das
Hochdeutsch
Hochdeutsche. Man müßte
Hochdeutsche
. Dabei muß man
sich 1)
befleißigen,
befleißigen
gut
aussprechen
zu lernen,
d. i.
d. i.,
nicht nur verständlich und richtig, sondern auch genau den Sachen und ihrem Ausdruck
gemäß;
gemäß,
Gedike, Friedrich
Friedr. Gedike
Gedanken über die Uebung im Lesen, wieder gedruckt in dessen
gesammleten Schulschriften
, Berlin 1789
in 8.
2) einer richtigen
Rechtschreibung
Rechtschreibung
zu
folgen, wovon man die besten Grundsätze in
folgen. Da das Hochdeutsche die jetzige allgemein angenommene deutsche Schriftsprache ist, so giebt der feinere Sprachgebrauch in den Gegenden, wo man Hochdeutsch spricht, billig die Regel im richtigen Sprechen und Schreiben.
Pütter, Johann Stephan
Pütters
Pütter's
Bermerkungen
Bemerkungen
über die Richtigkeit
und Rechtschreibung
der deutschen Sprache, Göttingen
1780
in
1780.
8. und
Adelung, Johann Christoph
J. C.
Adelungs
Adelung's
Magazin für die
d. Spr. Jahrg.
deutsche Sprache.
Jahrgang
1.
St.
1.
S.
59
f.
St.
3
3.
S.
3
f.
f.,
noch mehr aber
auch
in
dessen
vollständiger Anweisung zur deutschen Orthographie, nebst einem kleinen Wörterbuche für die Aussprache
etc.
Leipz. 1788
in
Leipzig 1788.
8.,
zweyte
zweite
verbesserte
Aufl.
Auflage,
ebendaselbst
1790
in
1790.
8.
desselben Grundsätzen der deutschen Orthographie, Leipz. 1782.
gr.
8.
findet. Da das Hochdeutsche die jetzige allgemein angenommne deutsche Schriftsprache
ist;
ist:
so giebt der feinere Sprachgebrauch in den Gegenden, wo man
Hochdeutsch
Hochdeutsch spricht, billig die Regel im richtigen Sprechen und Schreiben.
Hieher
Hierher
gehört auch die richtige Abtheilung der Rede, die sich stets nach dem Verstande des Gesagten oder
Geschriebnen
Geschriebenen
richten muß.
S.
die Lehre von der
Interpunction – –
Interpunction,
von
Heynatz, Johann Friedrich
Joh. Friedr. Heynatz
, verbesserte Ausgabe, Berlin
1782
in
1782.
8.
Friedr. Gedike Gedanken über die Uebung im Lesen, wieder gedruckt in dessen gesammleten Schulschriften, Berlin 1789
Friedrich Gedikes (1754–1803)
Einige Gedanken über die Uebung im Lesen
finden sich in dessen
Gesammlete[n] Schulschriften
I (1789), 368–380. Ursprünglich ist diese Schrift 1785 als Einladung zur öffentlichen Prüfung am Friedrichswerderschen und Friedrichsstädtischen Gymnasium am 19. April desselben Jahres in Berlin erschienen.
J. C. Adelungs Magazin für die d. Spr. Jahrg. 1. St. 1. S. 59 f. St. 3 S. 3 f.
Gemeint sind die Beiträge
Grundgesetz der Deutschen Orthographie
bzw.
Von der Orthographie fremder Nahmen und Wörter
in dem von Johann Christoph Adelung (1734–1806) verantworteten
Magazin für die Deutsche Sprache
1,1 (1782), 59–83 bzw. aaO 1,3 (1782), 3–17.
95.
Man
müßte
muß
sich 3)
rein
ausdrucken
ausdrücken
lernen
rein
ausdrücken
,
d. i.
so deutsch und
frey
frei
von ausländischen oder nur einer besondern
Mundart
Mundart
eignen
eigenen
Wörtern, Redensarten oder ihren Verbindungen, als es immer die
Deutlichkeit
Deutlichkeit und die Nothwendigkeit leidet, das, was man sagen will, vollständig und genau darzu stellen
lernen
; auch in Wörtern und Redensarten, ihren Bedeutungen, Beugungen und Verbindungen, dem gemäß
reden
, was der
Sprachgebrauch
Sprachgebrauch der
obern Classen
kultivirten Stände
in den, auch in Absicht auf deutsche Sprache, ausgebildetsten
Provinzen
Provinzien
mit sich bringt.
Adelung, Johann Christoph
Adelungs
Adelung's
Magazin für die
d. Spr.
Jahrg.
1
1.
deutsche Sprache. Jahrgang 1.
St.
1. Aufsatz
1
1.
und
2
2.
,
vergl.
mit Stück 2. Aufsatz 7. und Stück 4. Aufsatz 4.
5.
5
und
7
7.
, betreffend die Gegenden, deren Sprachgebrauch billig die Regel für die Reinigkeit des Ausdrucks angiebt; und von dem Vorzug des Sprachgebrauchs vor bloßer Analogie und Regeln, ebendaselbst Stück 2.
Aufs.
Aufsatz
6.
Adelungs Magazin für die d. Spr. Jahrg. 1 St. 1. Aufsatz 1 und 2, vergl. mit Stück 2. Aufsatz 7. und Stück 4. Aufsatz 4. 5. und 7 […] ebendaselbst Stück 2. Aufs. 6
In Johann Christoph Adelungs (1734–1806)
Magazin für die Deutsche Sprache
sind folgende Beiträge gemeint:
Was ist Hochdeutsch?
, in: aaO 1,1 (1782), 1–31 (Aufs. 1);
Von der Nieder-Hochdeutschen Mundart, und von Obersächsischen Sprachfehlern
, in: aaO 1,1 (1782), 32–40 (Aufs. 2);
Zusatz zur ersten und fünften Abhandlung des vorigen Stückes
, in: aaO 1,2 (1782), 104–108 (Aufs. 7);
Über die Frage: Was ist Hochdeutsch? Gegen den Deutschen Merkur
, in: aaO 1,4 (1783), 79–111 (Aufs. 4);
Über die schöne Litteratur der Deutschen; auch gegen den Deutschen Merkur
, in: aaO 1,4 (1783), 112–126 (Aufs. 5);
Noch etwas über Deutsche Sprache und Litteratur, auf Veranlassung der Berlinischen Monathsschrift
, in: aaO 1,4 (1783), 134–159 (Aufs. 7);
Der Sprachgebrauch gilt mehr, als Analogie und Regeln
, in: aaO 1,2 (1782), 83–103 (Aufs. 6).
96.
Hierzu sind gute
Sprachlehren
Sprachlehren,
Wörterbücher
Wörterbücher und feinere Beobachtungen über deutsche Sprache von
großem
grossem
Nu tzen; – schon deswegen, weil es nirgends nöthiger
ist
erinnert,
erinnert
ist, erinnert
und auf unerkannte Fehler aufmerksam gemacht zu werden, als in einer bloß durch Uebung erlernten Sprache, wo man so unvermerkt Fehler annimmt und
beybehält
beibehält
, zumal wenn sie Ansehen für sich haben, und durch
Provinzial-Eigensinn
Provinzial-Eigensinn verstärkt werden. Noch mehr aber, weil
dazu
dazu,
sonderlich wenn man mehr als rein, wenn man auch gut, im ganzen Umfang des Wortes, sich ausdrücken will, nicht nur viel feine Empfindung desjenigen, was
schicklich
Schicklich
und
gut
Gut
überhaupt ist, sondern auch Bekanntschaft mit dem erfordert wird, was dergleichen nach den conventionellen Begriffen der Nation und derjenigen Provinz ist, deren Ausdruck in die
Schriftsprache
Schriftsprache übergegangen ist. Selbst dazu ist genaue Bekanntschaft mit
classischen
claßischen
klassischen
Schriftstellern der
Nation,
Nation
oder vielmehr kritisches Studium ihrer Schriften, Kenntniß der Abkunft der Wörter und Redensarten, und der Geschichte des Sprachgebrauchs,
vornemlich
vornehmlich
des veredelten, und Philosophie über Sprache
überhaupt, wie
überhaupt und
besonders über das
Eigne
Eigene
der deutschen Sprache, nöthig.
Wäre
Oder wäre
das nicht mit Dank anzunehmen, was hierin von Männern, die dieses in ihrer Gewalt hatten, wenigstens
theilweise,
theilweise
geleistet worden ist?
97.
Wie fern man sich jemandes Leitung hierin anvertrauen könne,
dies
dieß
muß die
Prüfung
Prüfung lehren, ob und in welchem Maaß er die erwähnten Eigenschaften besitze. Denn, weil es
vielen
Vielen
, die sich dieses Verdienst zu erwerben gesucht haben, mehr oder
weniger,
weniger
an dieser oder jener Eigenschaft fehlt, ihre Grundsätze oft sehr verschieden sind,
manche
Manche
zu früh und zu allgemein entschieden,
andre
Andere
zu viel bloß vorge schlagen, und zu wenig nach Gründen festgesetzt haben, auch
bey vielen
bei Vielen
der Hang zum Sonderbaren viel Gutes
verdorben,
verderbet
verdorben
oder unverständlich gemacht
hat:
hat;
so ist
vorsichtige
fürsichtige
Auswahl sehr nöthig.
98.
Unter den bisherigen Versuchen einer deutschen
Sprachlehre
Sprachlehre
Sprachlehre
,
behaupten die dahin gehörigen
Adelung, Johann Christoph
Adelungischen
Bücher,
Adelungschen
Schriften, in Hinsicht auf alle §.
96.
erwähnte Eigenschaften den vornehmsten Rang, und sind daher auch von sehr vielen Schriftstellern und Sprachforschern als Auctoritäten angenommen.
Deutsche Sprachlehre, zum Gebrauch der Schulen in den Königl. Preußischen Landen, Berlin 1781
in 8.
Adelung, Johann Christoph
Adelung's
deutsche Sprachlehre. 5te Auflage. 1806.
8.
Auszug aus der
deutschen Sprachlehre
deutsch. Spr. L.
für Schüler,
eben
das.
1782
1782.
in
ebendas.
3te Auflage. 1800.
8. und
Umständliches Lehrgebäude der deutschen Sprache
etc.
Leipzig
1781
1781.
und
1782
1782.
,
in 2 Bänden in
gr.
8.
8.,
so wie dessen noch weiter reichendes Werk
über den deutschen Styl, Berlin
1785
1785.
und
1786
1786.,
in
drey Theilen in 8.,
drei Theilen, 8.
und
bey
bei
einer dritten vermehrten
Auflage
Auflage,
Berlin
1789
1789.,
in 2
Oktavbänden,
Oktavbänden.
in Hinsicht auf alle §.
96
erwähnte Eigenschaften, den vornehmsten Rang.
{Daß gleichwohl
Adelung, Johann Christoph
Adelung
bei seinem großen Verdienst um die Sprache, so wie früherhin der von dieser Seite nicht zu vergessende
Gottsched, Johann Christoph
Gottsched
, auch oft vorsätzlich nur einem gewissen Dialect den Vorzug gab, und namentlich gegen den oberdeutschen, so wie gegen die Bereicherung der Sprache durch so viele klassische Prosaisten und Dichter, ungerecht war, ist itzt wohl eben so allgemein anerkannt.
Daher sind mit
Adelung, Johann Christoph
Adelung
noch zu verbinden:
Heinsius, Theodor
Th. Heinsius
deutsches, oder vollständiges Lehrbuch des gesammten deutschen Sprachunterrichts, 1ster bis 4ter Theil. Berlin 1807.
Nicht minder die verdienstvollen
grammatischen Arbeiten von
Heynatz, Johann Friedrich
Heynatz
,
Stutz, Johann Ernst
Stutz
,
Pölitz, Karl Heinrich Ludwig
Pölitz
u. a.
}
Umständliches Lehrgebäude der deutschen Sprache etc. Leipzig 1781 und 1782, in 2 Bänden
Beide Bände sind 1782 erschienen.
über den deutschen Styl, Berlin 1785 und 1786 in drey Theilen in 8., und bey einer dritten vermehrten Auflage Berlin 1789 in 2 Oktavbänden
Alle drei Teile der ersten Auflage sind 1785 in zwei Bänden erschienen, die beiden Bände der dritten Auflage 1789 und 1790.
Th. Heinsius deutsches, oder vollständiges Lehrbuch des gesammten deutschen Sprachunterrichts, 1ster bis 4ter Theil. Berlin 1807
Hier handelt es sich um Theodor Heinsius' (1770–1849) fünfteiliges
Teut oder theoretisch-praktisches Lehrbuch des gesammten Deutschen Sprachunterrichts
(1807–1812), dessen erste vier Teile 1807–1811 erschienen sind. Als sechster Teil dieses mehrfach aufgelegten Werkes fungiert das vorab erschienene
Lehrbuch des deutschen Geschäftstyls
(1806).
grammatischen Arbeiten von Heynatz
Johann Friedrich Heynatz (1744–1809) wurde 1775 Rektor des Lyzeums zu Frankfurt/Oder und 1791 gleichzeitig auch außerordentlicher Professor der Beredsamkeit und der schönen Wissenschaften an der dortigen Universität. Aus seinem umfangreichen Werk zur deutschen Sprache sei an dieser Stelle auf die
Deutsche Sprachlehre zum Gebrauche der Schulen
(1770;
5
1803), die
Anweisung zur Deutschen Sprache. Zum Gebrauch beim Unterricht der ersten Anfänger
(1785), die in sechs Heften erschienenen
Briefe, die deutsche Sprache betreffend
(1771–1775) mit einer dazugehörigen
Beilage
(1775–1776) sowie den
Versuch eines Deutschen Antibarbarus
(1796–97) in zwei Bänden verwiesen.
Stutz
Der vergleichsweise unbekannte Johann Ernst Stutz (1733–1795) war Pastor in Bone bei Zerbst und hat sich gegen Ende seines Lebens v.a. um die deutsche Sprache verdient gemacht. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang sein
Kleiner Beitrag zur Beförderung Deutscher Sprachrichtigkeit
(1789), die
Deutsche Sprachlehre
(1790) sowie die
Kleinere deutsche Sprachlehre zum Schulgebrauche
(1793). Nach dem Tod von Karl Philipp Moritz (1756–1793) hat Stutz zudem den zweiten Band des
Grammatische[n] Wörterbuch[es] der deutschen Sprache
(1794) vollendet.
Pölitz
Karl Heinrich Ludwig Pölitz (1772–1838), 1794 Privatdozent in Leipzig, 1795 Professor für Moral und Geschichte an der Dresdner Ritterakademie und 1803 außerordentlicher Professor für Philosophie in Leipzig, übernahm ein Jahr später eine Professur für Natur- und Völkerrecht in Wittenberg, bevor er 1815 als Professor für sächsische Geschichte und Statistik nach Leipzig zurückkehrte und 1820 auf den Lehrstuhl für Staatswissenschaften wechselte. Aus seinem vielseitigen Werk ist im Hinblick auf die deutsche Sprache v.a. der vierteilige
Versuch eines Systems des teutschen Styls
(1800/1801) sowie die
Allgemeine teutsche Sprachkunde
(1804) zu nennen.
99.
Brauchbare
Wörterbücher
Wörterbücher
in Absicht auf die jetzige schon gebildete deutsche Sprache haben wir nur zwey:
Auch Wörterbücher sind dem, der die
Muttersprache
Muttersprache gründlich lernen will, unentbehrlich. Er wird sehr oft bei der Lektüre und beim Schreiben ihren Rath und ihre Bemerkungen über Etymologie und Sprachgebrauch suchen müssen. Auch hieran ist unsere Literatur nicht arm.
Frisch, Johann Leonhard
Johann Leonhard Frisch
deutsch-lateinisches
teutsch-lateinisches
Wörterbuch, Berlin
1741
1741.
in
1741.
gr.
4., als ein
4. Ein
allgemeineres,
allgemeineres
doch mehr zur Geschichte der Sprache
dienliches, und den weit vollkommnern
dienliches Werk.
Versuch eines
grammatisch-kritischen
grammatischkritischen
Wörterbuchs der hochdeutschen
Mundart,
Mundart
(von
von
Adelung, Johann Christoph
Joh. Christoph
Adelung
,)
Adelung
)
Adelung
,
Leipzig
1773–1786,
in 5
1773–1780, bis jetzt in 4
Theilen in
1793–1805.
, in 4 Theilen, neue Auflage.
gr.
4.
Auszug daraus, 4 Theile, Leipzig 1793–1802.
Campe, Joachim Heinrich
E. H. Campe
Wörterbuch der deutschen Sprache, 5 Theile, Braunschweig 1807–1810.
Voigtel, Traugott Gotthold
Voigtel
Handwörterbuch, 3 Theile, Halle 1793–95.
Versuch eines grammatisch-kritischen Wörterbuchs der hochdeutschen Mundart, (von Joh. Christoph Adelung,) Leipzig 1773–1786, in 5 Theilen
Bei dem
Versuch eines vollständigen grammatisch-kritischen Wörterbuches der hochdeutschen Mundart
handelt es sich um die erste Auflage von Johann Christoph Adelungs (1734–1806) bedeutendem vierbändigen
Grammatisch-kritische[n] Wörterbuch der hochdeutschen Mundart
(
2
1793–1801), 1818 erschien der erste Teil eines Supplementbandes. Der fünfteilige
Versuch
erschien zwischen 1774 und 1786.
Auszug daraus, 4 Theile, Leipzig 1793–1802
Parallel zum
Grammatisch-kritische[n] Wörterbuch der hochdeutschen Mundart
(
2
1793–1801) erschien Johann Christoph Adelungs (1734–1806)
Auszug aus dem grammatisch-kritischen Wörterbuche der Hochdeutschen Mundart
(1793–1802).
E. H. Campe Wörterbuch der deutschen Sprache, 5 Theile, Braunschweig 1807–1810
Joachim Heinrich Campes (1746–1818) fünfbändiges
Wörterbuch der deutschen Sprache
erschien zwischen 1807 und 1811.
Voigtel Handwörterbuch, 3 Theile, Halle 1793–95
Gemeint ist der dreibändige
Versuch eines hochdeutschen Handwörterbuches für die Aussprache, Orthographie, Biegung, Ableitung, Bedeutung und Verbindung
(1793–1795) von Traugott Gotthold Voigtel (1766–1843).
100.
Unter der ziemlichen Menge solcher Bücher, die
Beobachtungen
Beobachtungen
über die deutsche Sprache und über
einzelne
einzle
Theile
derselben,
derselben
enthalten,
sind, in verschiedner Absicht, wenige mit
und besonders die Gleichsinnigkeit der Wörter erörtern, zeichnen sich ebenfalls einige durch innern Werth aus, und geben dem philosophischen Forscher eben so vielen Stoff, als dem, welcher die Sprache richtig sprechen zu lernen strebt.
Stosch, Samuel Johann Ernst
S. J. E. Stosch
Versuch in richtiger Bestimmung einiger gleichbedeutenden Wörter der deutschen Sprache,
erster
Theil, neue
Auflage,
Aufl.
4 Theile,
Frankfurt an der Oder
1777,
zweyter,
zweyter
das.
1772 und dritter
1773
1773.
in
gr.
8.
1779–1785.
Ebendesselben
kleinen
Kleinen
Beyträgen
kleine Beiträge
zur nähern Kenntniß der deutschen Sprache, Berlin
1778–1782
1778.
1778–1782.
in
3
Stücken in
Stücken.
8.
Eberhard, Johann August
J. A. Eberhard's
Versuch einer allgemeinen Synonymik, 6 Theile, Halle 1795–1800.,
und der Auszug:
Synonymisches Handwörterbuch, Halle 1806.
dem
Magazin für die deutsche
Sprache
Sprache,
von
Adelung, Johann Christoph
J. C. Adelung
,
in
zwey
zwei
Bänden,
jedem
jeder
von
bis jetzt
erster
Jahrgang in
4 Stücken,
Leipzig
Leipz.
1782
bis 1785 in 8.
und 83 in 8
, und der
1782–1785. 8.
deutschen
Deutschen
Sprachlehre für Damen, in Briefen, von
Moritz, Karl Philipp
Carl Philipp Moritz
, Berlin
1782
1782.
in 8.
zu vergleichen.
Mehrere, auch in Absicht auf die Abkunft der Wörter und die Geschichte dieser Sprache,
hier
anzuführen, ist der
hiesigen
Absicht nicht
gemäß,
gemäß
und um so weniger nöthig, da sie in den angeführten Werken meistens benutzt worden sind. Das erwähnte
Adelung, Johann Christoph
Adelungische
Adelungsche
Magazin
und
Rüdiger, Johann Christian Christoph
J. C. C.
Rüdigers
Rüdiger's
neuester
Neuester
Zuwachs der
deutschen
deutschen-
und allgemeinen Sprachkunde, Leipzig
1782–1785
1782 und 83
1782–1785.
, bis jetzt in
4
2
Stücken
in
8.,
8,
geben,
zumal
zumahl
von den neuesten, nähere Nachricht.
S. J. E. Stosch Versuch in richtiger Bestimmung einiger gleichbedeutenden Wörter der deutschen Sprache, 4 Theile, Frankfurt an der Oder 1779–1785
Samuel Johann Ernst Stoschs (1714–1796)
Versuch in richtiger Bestimmung
erschien zuerst in drei Teilen (1770–1773) in Frankfurt/Oder, der erste Teil wurde 1777 ebenda erneut aufgelegt. Als vierter Teil wurden Stoschs
Kritische Anmerkungen über die Gleichbedeutenden Wörter der Deutschen Sprache
(1775) gezählt. 1780 erschien in Berlin eine neue vierbändige Auflage, wenige Jahre später in Wien eine dreibändige Ausgabe (1785–1786). Eine Edition mit den in der dritten Auflage der
Anweisung
angeführten Erscheinungsjahren ist nicht zu ermitteln.
J. A. Eberhard's Versuch einer allgemeinen Synonymik, 6 Theile, Halle 1795–1800., und der Auszug: Synonymisches Handwörterbuch, Halle 1806
Der sechste Teil von Johann August Eberhards
Versuch einer allgemeinen deutschen Synonymik
stammt aus dem Jahr 1802, sein
Synonymisches Handwörterbuch der deutschen Sprache
ist 1806 in zweiter Auflage erschienen.
Magazin für die deutsche Sprache von J. C. Adelung, in zwey Bänden, jedem von 4 Stücken, Leipzig 1782 bis 1785
Das vierte und letzte Stück des zweiten Bandes erschien 1784.
101.
Ausser
Außer
dem reinen
Ausdruck
Ausdruck müßte man sich auch 4)
gut
ausdrucken
ausdrücken
lernen,
d. i.
–
d. i.,
mit unter haltender
Klarheit
Klarheit, die sich von unverständlicher Kürze und ermüdender oder doch entbehrlicher Weitläufigkeit gleich weit entfernt
hielte –
hielte;
in einer
natürlichen
natürlichen,
und dem Eindruck, den man machen will, angemessensten
Ordnung –
Ordnung;
mit möglichster Bestimmtheit, die eben so sehr der ganzen Fülle der Gedanken
entspräche,
entspreche
als die Gelegenheit zum Mißverstande
abschnitte
abschneide
–
abschnitte;
in steter Hinsicht auf
das,
das
was
schicklich,
schicklich
und sowohl der Sache, über die man sich ausdrückt, als dem
Zweck
Zweck, worauf man arbeitet, angemessen
ist –
ist;
und,
so weit
soweit
es diese Sache und dieser Zweck erlaubt, so einleuchtend für den Verstand, so gefällig für den
Geschmack
Geschmack, und so eindrücklich für das
Herz
Herz,
Herz
als es unserer gebildeten
Denkungsart
Denkungsart natürlich ist.
102.
Sehr viel und das
meiste
Meiste
trägt hiezu der
Umgang
Umgang
Umgang,
mit solchen
Personen,
Personen
und das
Lesen,
Lesen
oder vielmehr das, auch in Absicht auf Ausdruck, sorgfältige
Studieren
Studiren
solcher deutschen Schriftsteller
bey
bei
, welche die vorhin (§.
94
–
101.
94
–
101
)
erwähnte
erwähnten
Tugenden in Absicht auf guten deutschen
Ausdruck
Ausdruck vorzüglich in ihrer Gewalt haben. Denn eben durch sie lernt man die ausgebildetste Mundart; sie läutern die Sprache, heben das Bewährteste
aus,
aus
und bringen es am meisten in Umlauf; sie theilen auch der Sprache etwas von ihrem
Genie
Genie,
wär'
wär
wäre
es auch nur durch neue Wendungen, mit, das, wenn es auch nicht üblich wäre, doch werth seyn
kan,
kan
kann,
üblich zu
werden,
werden
und es durch ihr Ansehen auch wird; sie bilden also
in so fern
insofern
die Sprache allerdings aus
*)
. Nur haben sie kein Recht, es willkührlich zu thun, und, um ihnen nicht blindlings oder übereilt zu folgen, ist wohl zu untersuchen, ob die, welche Neuerungen wagen, genugsame Sprachkenntniß und geläuterten Geschmack
haben?
haben;
ob ihre Versuche den Regeln
und
der Analogie der guten deutschen Sprache gemäß
sind?
sind;
ob sie nicht, besonders aus Nachahmung der
Ausländer
Ausländer, den Geist der deutschen Sprache umschaffen, und ihr Kraft, Deutlichkeit und Bestimmtheit
entziehen?
entziehen;
ob sie gute Neuerungen am rechten Ort
angebracht,
angebracht
und
z. B.
nicht
Prose
Prosa
und Poesie, komische und ernsthafte
Schreibart
Schreibart, verwechselt
haben?
haben.
Eben diesen Unterschied müßte man
bey
bei
der
Nachahmung
Nachahmung wohl vor Augen behalten.
*) Hiernach möchte das zu beurtheilen seyn, was in dem
Adelung, Johann Christoph
Adelungischen
Adelungschen
Magazin
Jahrgang
1,
1.
Stück
3,
3.
Aufsatz
4,
4
behauptet wird.
Adelungischen Magazin Jahrgang 1, Stück 3, Aufsatz 4
Gemeint ist die Abhandlung
Sind es Schriftsteller, welche die Sprachen bilden und ausbilden?
in dem von Johann Christoph Adelung (1734–1806) verantworteten
Magazin für die Deutsche Sprache
1,3 (1782), 45–57.
103.
Daß man sich auch, um des guten
Ausdruck
Ausdrucks in seiner Muttersprache mächtig zu werden, in schriftlichen Aufsätzen üben,
dabey
dabei
auf alles bisher
Gesagte
gesagte
mit sorgfältigem Fleiß, selbst in Kleinigkeiten, sehen, ja nicht eher an das Schönschreiben denken müsse, ehe man nicht Reinigkeit und die übrigen wesentlichen Tugenden einer guten
Schreibart
Schreibart in seiner Gewalt hat;
–
daß man eben so sorgfältig sich im Sprechen den guten Ausdruck angewöhnen;
–
sich von Kennern und strengen Beobachtern des guten deutschen Ausdrucks beurtheilen,
zurecht weisen laßen,
zurechtweisen lassen
zurechtweisen lassen,
und ihnen mehr als dem Kitzel eines aufwallenden
Genie
Genies, regellosen
Beyspielen,
Beyspielen
Beispielen,
oder der bloßen Mode, folgen
müsse;
müsse:
–
dieses
dies
sollte kaum einer Erinnerung bedürfen.
{
Heynatz, Johann Friedrich
Heynatz
Handbuch zur richtigen Verfertigung und Beurtheilung aller Arten von schriftlichen Aufsätzen. 6te Auflage, Berlin 1800.
}
104.
Unter den übrigen
lebendigen
lebenden
Sprachen ist die
französische,
englische
,
englische
und allenfalls die
italiänische
italienische
italiänische
,
dem, der sich der Theologie widmet, am nützlichsten. Denn
–
diese Nationen sind unstreitig, neben der
deutschen
Deutschen
, auch in Absicht auf Sprache, am meisten gebildet;
–
ihre Sprache ist die Sprache der
feinern
feineren
Welt
Welt
geworden,
geworden
und bekommt dadurch selbst den meisten, guten und
nachtheiligen,
nachtheiligen
Einfluß auf feinere deutsche Sprache und Sitten; die
Französisch
Französische insbesondre
französische insbesondere
hat sich auch in Deutschland unter
allen,
allen
die gebildet
heissen
heißen
wollen, so sehr ausgebreitet, daß es fast Schande ist, es wenigstens nicht zu verstehen;
–
auch sind diese Sprachen, vor andern ausländischen, die, in welchen die besten Schriften, zur Theologie selbst, vorhanden sind.
–
Daß nur weder der deutsche Geist, noch das Gute der deutschen Sprache, darunter leide!
Die vornehmsten Hülfsmittel, namentlich Sprachlehren und Wörterbücher, sehe man in
Niemeyer, August Hermann
Niemeyer's
Grundsätzen der Erziehung und des Unterrichts, 2ter Theil,
S.
516, nach der 6ten Ausgabe
.
105.
Man
kan
kann
gewissermaßen zu den lebenden
Sprachen
Sprachen,
noch die
lateinische
rechnen, weil doch noch
lateinisch
lateinisch gesprochen und geschrieben wird, und so fern ist es um vieles nothwendiger, sie, als
andre
andere
alte und
ausgestorbne
ausgestorbene
Sprachen, zu verstehen. Unter diesen behaupten die
griechisch
griechische
, und die nach ihr gebildete
lateinische
, große Vorzüge, welche verursacht haben, daß man
beyden,
beyden
beiden,
und
allen,
allen
aus Lesung der alten
Schriften
Schriftsteller
in
beyden
beiden
Sprachen
geschöpften, Kenntnissen
geschöpften Kenntnissen,
vorzüglich den
Namen
Nahmen
der
(alten
(alter
)
Literatur
und
Humanität
Humanität
gegeben hat.
Humanität
hat zwar
bey
bei
den alten römischen Schriftstellern einen viel
weitern
weiteren
Umfang,
Umfang
und begreift alle Arten von Wissenschaften, die zur Bildung des Menschen dienen.
S.
die Stelle in
Gellius
noct. att.
XIII, 15
Gellii
noct. Att. XIII,
15.
15
und
Ernesti, Johann August
J.
I.
A. Ernesti
prolus. de finibus humaniorum studiorum regendis, Lips.
1738
in
1738.
4. Weil aber ihre Kenntniß
bey
bei
den Römern aus und durch die Lesung guter
griechischen
griechischer
und
römischen
römischer
Schriftsteller eigentlich erlangt, auch in neuern Zeiten eben dadurch die gesammte Gelehrsamkeit
wieder hergestellt
wiederhergestellt
und in Gang gebracht
wurde:
wurde;
so ist dadurch der
enge Begriff
engre Bergif
entstanden, in welchem man jetzt Humanität und Humaniora (studia) nimmt.
Man sehe
Wolf, Friedrich August
Wolf's
Alterthumswissenschaft in dessen Musäum,
1ster Theil.
Gellii noct. Att. XIII, 15
In
Noctes Atticae
XIII 17 (16) bemerkt Aulus Gellius (2. Jh.), dass der Begriff
humanitas
nicht, wie allgemein angenommen, das griechische
φιλανθρωπία
(Menschenfreundlichkeit) wiedergebe. Vielmehr meine
humanitas
in seiner ursprünglichen Bedeutung „ohngefähr das, was die Griechen durch
παιδεία
(Erziehung) ausdrücken, wir also Unterrichtung (Anweisung) und Einführung in Kunst und Wissenschaft nennen“ (Übers. nach Aulus Gellius, Die Attischen Nächte [Ed. Weiss], Bd. II (IX.−XX. Buch) Darmstadt 1992 [= Leipzig 1876], 193).
J. A. Ernesti prolus. de finibus humaniorum studiorum regendis, Lips. 1738
Statt
regendis
heißt es im Titel
regundis
, grammatisch sind beide Formen korrekt.
Wolf's Alterthumswissenschaft in dessen Musäum, 1ster Theil
Im ersten Band (1807) (vgl. I § 112) der von Friedrich August Wolf und Philipp Karl Buttmann (1764–1829) herausgegebenen Zeitschrift
Museum der Alterthums-Wissenschaft
findet sich eine
Darstellung der Alterthums-Wissenschaft nach Begriff, Umfang, Zweck und Werth
(aaO [1–9] 10–145), in der die Altertumswissenschaft in 24 Teilbereiche zergliedert wird (vgl. aaO 143–145). Am Beginn dieser berühmten Konzeption geht Wolf in einer längeren Anmerkung u.a. auf die Begriffe
Humanität
und
Humaniora
ein (vgl. aaO 11–13).
106.
Freylich
Freilich
wird derjenige schwerlich diesen
Namen
Nahmen
gerecht finden, der in der
Einbildung
Einbildung steht,
–
daß sie höchstens eine Beschäftigung künftiger Schullehrer seyn müsse,
und,
und
seit der
neuesten versuchten
Reformation
Reformation der Schulen, selbst
diesen
diesem
ziemlich entbehrlich
sey –
sei;
daß ihre Kenntniß allenfalls dem Gelehrten zur Zierde
gereiche –
gereiche;
daß man, weil grie chische und römische Werke einmüthig für die besten Quellen des guten
Geschmack
Geschmacks gehalten werden, Schande halber mit ihnen nicht ganz unbekannt seyn
dürfe –
dürfe;
daß wir
alles
Alles
jetzt weit besser wüßten, als es die Alten
konnten
vermochten
. Wer so denkt, den wird man so wenig von den Vorzügen dieser alten Literatur überzeugen können,
als,
als
von dem Werth der
Gelehrsamkeit
Gelehrsamkeit und der Bildung des
Geistes,
Geistes
den, dessen erste Frage immer ist: ob eine Sache etwas, und ob sie vieles
einbringe
? Wer sie aber auf die Art
studiert
studirt
, die oben (§.
76
–
85
76
–
85.
) angegeben
wurde:
wurde,
der wird bald gewahr werden, daß sie die hohe Achtung, wonach man sie besonders in Schulen zur
Bildung
Bildung künftiger Gelehrten
braucht
gebraucht
, mit
großem
grossem
Recht verdiene.
neuesten versuchten Reformation der Schulen
Hier dürfte die durch Johann Bernhard Basedow und die Gründung des Dessauer
Philanthropinums
angestoßene Reformbewegung (vgl. I § 33 c) gemeint sein (vgl. auch I § 56).
107.
Denn – nicht zu gedenken, daß der künftige Gelehrte, sie, zumal die lateinische Sprache, nach der jetzigen Verfassung der Gelehrsamkeit, nicht entbehren
kan
kann
; und daß durch Unkunde dieser Sprachen ein
großer
grosser
Schatz von Begriffen, der in unsre Wissenschaften durch die
aus
beyden
beiden
ausbeyden
Sprachen entlehnten
Kunstwörter
Kunstwörter übergegangen ist,
verlohren
verloren
geht,
geht
oder doch unbrauchbarer
wird –
wird;
so ist schon die Kenntniß dieser Sprachen, als Sprachen betrachtet, ein ungemein
großer
grosser
Gewinn
(§.
64.
Anm.
1. und
2
2.
)
, wenn man das voraussetzt, was oben (§.
59
f.
) von dem
großen
grossen
Einfluß der Sprachen auf die Bildung der
Seele
Seele gesagt worden ist, und dazu nimmt, daß
beyde
beide
hier in Unter suchung kommende Sprachen unter die vorzüglich ausgebildeten gehören. Daher ist der Wahn, als wenn man griechische und
lateinische
lateinsche
Schriftsteller
vornemlich,
vornehmlich
vornehmlich,
oder
nur,
nur
um der Sachen willen lesen müsse, und dazu eine nothdürftige Kenntniß dieser Sprachen zureichend
sey
sei
, ein
sicherer
sichrer
Beweis, daß man entweder jenen Einfluß oder die Natur
beyder
beider
Sprachen nicht genugsam kenne.
108.
Dieser
große
grosse
Vortheil wird
bey weiten
bei weitem
nicht durch
Uebersetzungen
Uebersetzungen
Uebersetzungen
der alten
klassischen
classischen
Schriftsteller erhalten.
Mögen sie immerhin gut genug für die seyn, die der alten Sprachen selbst unkundig, doch den
Inhalt
Inhalt
alter Schriften oder die in ihnen
vorgetragnen
vorgetragenen
Sachen
lernen und benutzen wollen; immerhin dazu helfen, einen alten Schriftsteller etwas verstehen zu lernen, und, wenn sie sehr gut sind, uns auf manche unerkannte Schönheit des Originals aufmerksamer zu machen; mögen sie selbst unsere Sprache aus den alten bereichern helfen: so machen sie uns doch das alte
Original
Original selbst durchaus nicht entbehrlich.
Denn
– ausserdem
außer dem,
daß es überaus wenige Uebersetzungen giebt, die recht eigentlich genau und mit solchem Fleiß ausgefeilt wären, daß sie das Original wirklich nachgezeichnet dar stellten, und, in Absicht auf den Ausdruck wenigstens, vielleicht gar
keine,
keine
die man für das
Original
Orginal
nehmen
könnte –
könnte;
so
kan
kann
man nicht einmal den
Inhalt
selbst ganz ohne eigene feinere Kenntniß der Sprache des Originals verstehen. Denn selbst der Inhalt ist so voll Anspielungen auf Meinungen, Sitten und Verfassungen, setzt wenigstens so viele Kenntnisse dieser Dinge voraus, ohne die man sich in die
Denkart
Denkart und Lage des Schriftstellers nicht
hinein denken kan
hineindenken kann
, daß es unmöglich ist, ihn recht zu verstehen, ohne
unsre eigne
unsere eigene
Vorstellungen ihm
unter zu schieben
unterzuschieben
. Und wenn auch einigen dieser Schwierigkeiten durch Anmerkungen
kan
kann
abgeholfen
werden:
werden,
so haben sich doch die Ausdrücke eines alten Schriftstellers so sehr nach der besondern Beschaffenheit seiner Nation und Zeit, und selbst nach seinen individuellen Geistes- und
äusserlichen
äußerlichen
Umständen
gebildet,
gebildet:
und dieses alles ist so in seine Sprache übergegangen, daß sie schlechterdings nur in
dieser Sprache
können ausgedruckt und empfunden werden. – Ueberhaupt
bleibt das Eigenthümliche dieser Schriftsteller, zumal im Ausdruck, immer unübersetzbar;
bey
bei
alten Schriftstellern, die auf den Ausdruck Fleiß gewendet haben,
z. B.
bey
bei
den Briefen des
Cicero
Cicero
,
kan
kann
man sich leicht durch Proben überzeugen. Ist die Uebersetzung eines solchen Schriftstellers auch im Ausdruck, auch in den
Wendungen,
Wendungen
recht
genau:
genau,
so ist sie gewiß jedem, der einigen
Geschmack
Geschmack hat, wegen des Undeutschen und der so ganz fremden Gestalt, unerträglich. Läßt sie sich aber wie ein
deutsch
deutsches
Original lesen, oder folgt man der ungereimten Regel, die Alten so reden zu
laßen
lassen
, wie sie geschrieben haben würden, wenn sie Deutsche gewesen
wären:
wären;
so müssen nothwendig gerade die eigenthümlichen Züge des Originals
verwischt
vermischt
seyn.
*)
An
Beybehaltung
Beibehaltung
des Reitzes, der sich durch das Ganze ergießt, der vielsagenden Kürze, des harmonischen Baues der Rede, des
Numerus, der besondern Uebergänge von Einem aufs Andere, die oft nur in der Sprache
liegen,
u. dgl.
liegen
u. dergl.
,
welches alles
Numerus u. dgl. das
so sehr
gefällt,
gefällt
und
unsre
unsere
Seele zum Gefühl einer gewissen Schönheit stimmt, die sich in
unsrer
unserer
Sprache nicht gerade eben so
ausdrucken
ausdrücken
läßt, aber doch die Seele zu ähnlichen
Ergießungen
Ergiessungen
gewöhnt, ist
bey
wenigstens bei den meisten
Uebersetzungen gar nicht zu gedenken.
*)
S.
(
Hottinger, Johann Jakob
J. H. Hottingers
J. H. Hottinger's
)
Etwas über die neuesten Uebersetzerfabriken der Griechen und Römer in Deutschland
,
1782
1782.
in
8, vornemlich
8., vornehmlich
S.
81
f.
109.
„Es ist aber doch schon vieles aus diesen alten Sprachen in manche neuere
übergetragen,
übergetragen;
es haben auch diese
neuere
neueren
viel eigenthümliche Vollkommenheit, darin sie die
Alten übertreffen,
alten übertreffen;
und dadurch scheint das Studium der Alten entbehrlich gemacht zu werden.“ – Entbehrlich nun wohl nicht, wenn auch an dem Gesagten mehr
wäre,
wäre
als
nicht
wirklich
ist. – Man ist schon weniger aufmerksam auf
das,
das
was uns bekannter,
unsrer
unserer
Denkungsart
Denkungsart, Sitten und Ausdruck gleichförmiger, als was fremd oder ungewohnter ist; schwerlich sind wir geneigt, jenes so, bis auf die feinsten Züge der
Schönheit
Schönheit, zu
studieren
studiren
, als dieses. – Neuere Sprachen haben, eben
deswegen,
deswegen
weil sie im Gange
sind,
sind
und immer an ihrer Bildung gearbeitet wird, weniger
bestimmte
Schönheit, als die nun keiner
schönen
Veränderung mehr
unterworfnen alten
unterworfenen
Sprachen
des Alterthums
. – Je mehr die Schriftsteller, wie dieses der Fall
bey
bei
den alten ist, in ganz andern Umständen waren, empfanden, dachten, handelten und redeten, als die
Unsrigen; je
unsrigen, desto
mehr lernen wir, durch den Umgang mit ihnen, die so schwere
Kunst
Kunst, uns in fremde Umstände versetzen,
welches unentbehrlich
ist,
ist
um sie recht zu verstehen,
zu
beurtheilen,
beurtheilen
und williger von ihnen zu
lernen;
lernen –
eine
Geschmeidigkeit
Geschmeidigkeit,
die,
die
zumal für einen Lehrer des Christenthums, sehr vortheilhaft ist, der seine Weisheit aus den alten Büchern der heiligen Schrift schöpfen, unverwandt nach Wahrheit und Liebe trachten, und
allen
Allen
Alles werden soll.
Aus diesem
letzten Umstand
letzteren Umstande
läßt sich zum Theil die Wirkung des
Didicisse fideliter artes auf die Sitten und
der
die
schwerlich abzuläugnende
Umstand
Erscheinung
erklären, daß Lehrer der Religion, welche die Alten fleißiger
studieret
studiret
studiert
haben, weniger unbillig und streitsüchtig zu seyn pflegen, als die, so sich dadurch nicht gebildet haben.
allen Alles werden
Vgl. 1Kor 9,22.
Didicisse fideliter artes
Diese an der Wende zum 19. Jh. vielzitierte Wendung stammt aus Ovids (43 v.–17 n. Chr.) während seiner Verbannung am Schwarzen Meer verfassten
Epistulae ex Ponto
. In Ov. Pont. II 9,47f. heißt es: „mit redlichem Sinne die edleren Künste erlernen sänftigt die Sitten und nimmt ihnen das Grausame weg (
ingenuas didicisse fideliter artes emollit mores nec sinit esse feros
)“ (Text und Übers. nach Tusculum [Ed. Willige/Luck], Stuttgart/Zürich 1963, 404.405).
110.
Ist denn aber auch schon so viel aus den alten griechischen und lateinischen Schriftstellern auf die
Neuern
neuern
übergetragen worden? Lassen sie sich,
bey
bei
so
vielerley
vielerlei
Rücksichten, in welchen man sie
studieren
studiren
kan
kann
, wirklich
ausstudieren
ausstudiren
?
Und
und
sinds nur
einzelne
einzle
Schönheiten, ists nicht eben ihr ganzer
Geist
, den wir uns aufs möglichste zu eigen machen sollten, und der eben noch so wenig auf uns
ruht,
ruht
und so wenig ins Allgemeine wirkt?
111.
Wenn wir auch bloß auf die
Sachen
Sachen
sehen,
Sachen sehen:
wie viel ist die alte Geschichte werth, die wir
beynahe
beinahe
bloß aus ihnen schöpfen können? so viele feine Philosophie? wenigstens die Kenntniß des Fortgangs
und
von
der Entwickelung der Seelenkräfte unter den gebildetsten Völkern des Alterthums? so viel
Menschen-
Menschen
und Weltkenntniß? so viel
trefliche
treffliche
Sittenlehre und Klugheit? Mögen wir es in manchen Künsten, in Kenntniß der körperlichen Natur und ihrer Kräfte, in
dem,
dem
was zum
äusserlichen
äußerlichen
Fortkommen und Nahrung gehört, und in guten bürgerlichen
Verfassungen,
Verfassungen
weiter gebracht haben als
sie;
sie:
in dem Uebrigen, in dem, was den
Geist
Geist
bildet – abgezogen was wir von
ihnen
Ihnen
mittel- oder unmittelbar gelernt haben – wie weit übertreffen wir sie denn? und wie viel haben wir ihnen noch lange nicht abgelernt?
112.
Am meisten
Ueberdieß
kommt es
hiebey
hiebey,
hierbei
nicht so sehr auf die
Sache
Sachen
selbst, als auf die
Art
an,
wie
sie
sie
dieselbe
dachten und
ausdruckten
ausdrückten
. In Absicht auf den
Geschmack
Geschmack
,
Geschmack
sind sie von allen Kennern allgemein als Muster anerkannt; und sie sind es wirklich, in der weitesten
Bedeutung,
Bedeutung
die man dem
Wort
Worte
Geschmack
geben
kan
kann
. – Sie schöpften ihre Kenntnisse aus der ersten Quelle, aus der zwar noch nicht so
entwickelten,
entwickelten
aber auch noch nicht so verstellten
Natur
Natur
, und bildeten sich durch
Beobachtung
Beobachtung
.
Bey
Bei
uns gießt man den Geist von Kindheit an in
Formen,
Formen;
überall regiert die
Mode
Mode
,
Mode
;
wir bilden uns durch
Bücher
, und verderben uns frühzeitig durch die
Schwelgerey
Schwelgerei
der
Lectüre. –
Lektüre.
Sie, als gleich theilnehmende Glieder
Einer
zu
einerley
einerlei
Absicht arbeitenden Gesellschaft, lernten durch
Handeln
,
Handeln
und durch Umgang mit
allerley
allerlei
Arten von
Menschen. Dies
Menschen; dies
schärfte den Wahrheitssinn, leitete aufs Gemeinnützige, machte ihre Erkenntniß
praktisch
praktisch;
dies
dieß
erhielt und schärfte das Gefühl der menschlichen Würde und der natürlichen Rechte des Menschen;
ihre Philosophie war Philosophie des Lebens, ihre Geschichte eigentlich pragmatisch,
d. i.
auf Bildung zu Geschäften und zu der dazu nöthigen Klugheit angelegt.
Bey
Bei
uns ist diese enge Verbindung der bürgerlichen Gesellschaft
beynahe verschwunden;
beinahe verschwunden:
wir haben Staaten, aber wir haben, im bürgerlichen Verstande, kaum
ein Vaterland. Wir
Vaterland; wir
handeln nach eingeflößten Grundsätzen;
gewöhnen uns an hergebrachte Gewohnheiten und Formen, an
druckende
drückende
Einrichtungen, die oft mehr Gewalt und List, als Weisheit, welche für
jeden
sorgte, eingeführt, und die bloße Länge der Zeit in angebliche Rechte verwandelt hat; wir vergessen darüber unsere Kräfte, unsern
Menschenwerth
Menschenwerth, unsere
angebohrnen
ange borenen
Rechte. Unsre
unsre
Erziehung
Erziehung ist meist in den Händen solcher
Leute,
Leute
die durch nichts weniger als durch gereifte Erfahrung gebildet sind; unsre
Gelehrte
Gelehrten
, die fast
einzigen,
einzigen
die noch an der wahren Bildung des Geistes arbeiten,
sind
sind,
zu sehr ausgeschlossen von der Welt und dem Umgang mit
Geschäftleuten
Geschäftsleuten
, auch zu wenig für die Welt, wenigstens mehr auf Speculation als auf das praktische Leben bedacht; unter ihren Händen gewinnt Philosophie und Geschichte an Wahrheit und Gewißheit, selten wird sie Schule der
Weisheit,
Weisheit;
gemeiniglich zieht sie, weil es ihr an Geschmack und Weltkenntniß fehlt, nicht einmal die Ungelehrten zum Lesen an. – In unsrer Welt ist Bildung des Geistes oft kaum etwas
anders,
anders
als ausgeartete
Cultur
Cultur
Kultur
, die nach Ueberfluß und Vergnügungen hascht; Höfe und glänzende Gesellschaften geben den Ton an, theilen die Begierde zu glänzen, den nach Convention geformten
Geschmack
Geschmack, Weichlichkeit und Frivolität, allen denen mit, die den Schimpf nicht haben
wollen,
wollen
daß sie nicht zu leben wüßten; Schriftsteller, die nichts mehr
wünschen,
wünschen
als von der feinen Welt gelesen zu werden, stimmen ihre Schriften nach diesem
Ton,
Ton
und machen die Seuche allgemeiner. Diese Abgeneigtheit von
ernsthaftern,
ernsthaftern
ernsthaften,
nützlichen Beschäftigungen, der
Eckel
Ekel
an nüchternen
Untersuchungen,
Untersuchungen
und die leidige
Geniesucht
Geniesucht vertilgt vollends die wahre Bildung des Geistes zur Weisheit und Tugend. So entsteht eine Philosophie, die von einiger Weltkenntniß
oben abgeschöpft,
obenabgeschöpft
aber durch genaue Untersuchung nicht geläutert ist,
bey
bei
welcher Witz für Beweis gilt, die sich entweder dadurch
empfiehlt,
empfiehlt
daß sie den Leidenschaften der Menschen schmeichelt, oder
dadurch,
dadurch
daß sie natürlich scheint, weil sie
alles,
alles
Alles,
was moralisch ist, nicht nach der Natur, sondern nach ihren Ausartungen in der wirklichen Welt, vorstellt; und die
Geschichte
Geschichte hört in sofern auf, die Stelle der
Erfahrung
Erfahrung zu
vertreten,
vertreten
und wahre Weisheit zu lehren, als darin nicht Wahrheit, sondern nur Unterhaltung und Belustigung gesucht wird. Wären nicht selbst deswegen die
classischen
klassischen
Schriften der Griechen und
Römer,
Römer
– die sich so sehr durch männlichen Geschmack und bewährte Weltkenntniß auszeichnen, deren Geschichtschreiber
insbesondre
insbesondere
nicht bloß für den Gelehrten, den Staatsmann, den bloß
neugierigen
Neugierigen
und Zeitvertreib suchenden Leser, sondern Weise und
Rechtschaffne
Rechtschaffene
zu bilden, geschrieben haben – wären die nicht
werth,
werth
fleißig studiert zu werden, um
unserm
unsrem
Geschmack
Geschmack wieder Festigkeit, unsrer Menschen- und Weltkenntniß gesunde Nahrung, und der Weisheit und Tugend wieder Kraft und Ermunterung zu geben?
Anm.
1.
S.
ausser
außer
den §.
76
76.
erwähnten Schriften:
Casaubon, Isaak
Is.
Casauboni
Causoboni
Zuschrift seines
Polybius
Polybius
an
K.
Henri IV.
Heinrich 4.
(im
(in
dritten Theil der von
Ernesti, Johann August
Ernesti
Ernesti
besorgten Wiener
Ausgabe
Ausgabe,
1763
in 8.)
8.) –
Ernesti, Johann August
Ernesti
Opuscula
Oratoria
oratoria,
pag.
3. 20. 184. 197
seq.
seq. –
Vermischte
Beyträge
zu
zur
Beiträge zur
Philosophie und den schönen
Wissenschaften
Wissenschaften,
Band 2, Stück 2,
Aufs.
1. über die Wissenschaft der
Literatur
Literatur, und das
Wolf, Friedrich August
Wolfsche
Museum der Alterthumswissenschaft,
Berlin 1810
.
Anm.
2. Das aufgestellte Gemählde scheint doch zu dunkel gefallen. Es war, als die
Classiker
Classiker schrieben, nicht besser. Sie führen über
ihr
Zeitalter dieselben Klagen.
A. d. H.
Is. Casauboni Zuschrift seines Polybius an K. Heinrich 4. (im dritten Theil der von Ernesti besorgten Wiener Ausgabe 1763 in 8.)
Gemeint ist Isaak Casaubons
Dedicatio
an den französischen König Heinrich IV. (1553–1610) in der von Johann August Ernesti veranstalteten dreibändigen Ausgabe
Polybii Historiarum quae supersunt
III,2 (1763), 603–665. Diese Ausgabe (vgl. I § 225) hat sich nachweislich in Nösselts Besitz befunden (vgl. Bibl. Nöss. 398 Nr. 203–205).
Ernesti Opuscula Oratoria pag. 3. 20. 184. 197 seq.
Bis zur ersten Auflage der
Anweisung
sind Johann August Ernestis
Opuscula oratoria
in zwei Auflagen erschienen (1762 bzw.
2
1767). Gemeint sind die folgenden Beiträge in der zweiten Auflage:
Oratio professionis humaniorum literarum extraordinariae adeundae causa recitata
(aaO 3–19);
Oratio professionis rhetoricae adeundae causa dicta
(aaO 20–37);
Prolusio III. Formula indicendae petitionis honorum philosophicorum Vice Cancellarii
(aaO 184–188);
Prolusio V. De philosophia vitae
(aaO 197–207).
Vermischte Beyträge zu Philosophie und den schönen Wissenschaften Band 2, Stück 2, Aufs. 1. über die Wissenschaft der Literatur
Gemeint ist der
Versuch über die Wissenschaft der Litteratur
in den
Vermischte[n] Beyträge[n] zur Philosophie und den schönen Wissenschaften
2,2 (1764), 194–275. Es handelt sich um eine Übersetzung einer ursprünglich französischsprachigen, jedoch von einem englischen Autor verfassten und 1762 in London erschienenen Abhandlung, hinter der sich Edward Gibbons (1737–1794)
Essai sur l'étude de la littérature
verbirgt. Der Übersetzer ist Samuel Benjamin Klose (1730–1798).
Wolfsche Museum der Alterthumswissenschaft, Berlin 1810
Die von Friedrich August Wolf und Philipp Karl Buttmann (1764–1829) in Berlin herausgegebene Zeitschrift
Museum der Alterthums-Wissenschaft
ist in zwei Bänden (1807 bzw. 1808/1810) erschienen (vgl. I § 105 c). Aufgrund des Inhalts ist jedoch zu fragen, ob an dieser Stelle tatsächlich nur auf den zweiten Band oder auf die Zeitschrift als Ganzes verwiesen sein soll.
113.
Dem, der sich der
Theologie
Theologie
Theologie
widmet, wird,
ausser
außer
den bisher erwähnten
großen Vortheilen,
grossen Vortheilen
welche ihm die fleißige Lesung der alten griechischen und
lateinischen
lateinschen
Schriftsteller gewährt, die Kennt niß
beyder
beider
Sprachen auch dadurch unentbehrlich, daß ohne sie weder der Verstand der heiligen Schrift
, auf der doch unsre
Religion
Religion beruht,
noch
andre
andere
Theile der Theologie überzeugend erkannt werden können. – Es ist eitler und schädlicher Wahn, daß man, um die
heilige Schrift
zu verstehen,
beyde
beide
Sprachen deswegen nicht genau zu verstehen brauche, weil
durch
eine
große
grosse
Menge guter Ausleger uns schon genug vorgearbeitet
habe
sei
. – Die
guten
Ausleger
Ausleger
laßen
lassen
sich wohl zählen; und wie mag der, welcher sich durch jene Sprachen selbst nicht zum Ausleger gebildet hat, es wagen, über den Werth des einen vor dem andern zu entscheiden, oder sich der Empfehlung von
andern
Andern
blindlings anzuvertrauen? – wie
alsdann
alsdenn
zu entscheiden, wenn auch gute Ausleger in ihren Erklärungen uneins sind? –
wie,
wie
ohne
große
grosse
Gefahr zu irren,
alsdann entscheiden zu wollen,
wenn sie gerade
den
Sinn für den richtigen ausgeben, der unsern Wünschen und Erwartungen gemäß ist? –
Und
und
ist schon
alles
Alles
erschöpft, der wahre Sinn nirgends mehr verborgen, nichts mehr zu läutern, nichts Neues mehr zur Bestätigung des wahren Verstandes zu sagen?
Soll
soll
man überall, nur
bey
bei
der heiligen Schrift nicht, mit
eignen
eigenen
Augen sehen?
114.
Wie soll denn sonst eine gewissenhafte Ueberzeugung entstehen, daß die heilige Schrift wirklich etwas gesagt habe, und wie verhütet werden, daß man nicht auf schwärmerische Einbildungen von dem Verstande
einzelner
einzler
Aussprüche der
heil.
Schrift ver falle, oder ihr seine
eigne
eigenen
Gedanken unterschiebe, oder auf
bloßes
blosses
Gerathewohl einen Sinn annehme, als dadurch, daß wir gewiß wissen, der
Sprachgebrauch
Sprachgebrauch bringe diesen und keinen andern Sinn mit sich? welches ohne genaue Kenntniß solcher Sprachen schlechterdings unmöglich ist.
115.
Diese erlangt man so wenig durch flüchtiges Lesen der in solchen Sprachen
geschriebnen Bücher
geschriebenen Bücher,
als durch Wörterbücher allein.
–
Jenes mag uns zur nothdürftigen Kenntniß einer Sprache verhelfen; zur genauern, zumal
bey
bei
schweren
schwerern
Stellen, hilft es gewiß nicht, wie man leicht begreifen wird, wenn man das oben (§.
77.
f.
)
gesagte,
versteht,
versteht
Gesagte versteht
und in genauere
Erwegung
Erwägung
ziehen will.
–
Unter den
Wörterbücher
Wörterbüchern sind die meisten ohne genugsame Kenntniß der Sprachen und ohne bestimmte Genauigkeit
zusammengetragen;
zusammen getragen; –
auch die bessern bedürfen noch so mancher Berichtigung, so häufiger Ergänzung von Wörtern oder Redensarten und deren Bedeutungen, sonderlich in einem bestimmten Zusammenhang, so vieler Erklärung der Begriffe
selbst,
selbst
die an einem Worte hängen, daß man sich geradezu nicht auf sie verlassen
kan
kann
. Haben sie auch,
–
wie dieses zur
Ueberzeugung,
Ueberzeugung
daß sie
alles
Alles
richtig angäben, nöthig wäre,
–
ihre Angabe mit Beweisen belegt: wie will man die prüfen, wenn es uns noch an genauer Kenntniß einer Sprache
fehlt,
fehlt
und man sich durch sorg fältiges
Studieren
Studiren
guter Schriftsteller noch nicht die Fertigkeit erworben hat,
selbst
den Sinn in einer fremden Sprache zu finden?
Wenn dieses auch nicht das allgemeine Geständniß aller eigentlichen Kenner alter Sprachen
wäre:
wäre,
so läßt es sich schon an einem kleinen
Beyspiel
Beispiel
, an den Wörterbüchern über das
N.
Testament, zeigen. Wie manche Wörter fehlen da, weil sie nicht in
unsern
unserm
gedruckten
griechischen
Text
Texte
stehen, deren Kenntniß doch zur Beurtheilung und Erklärung
verschiedner
verschiedener
Lesearten nöthig ist?
ausser
Ausser
Außer
vielen
sprachwidrig
sprachwidrigen Erklärungen in den meisten Wörterbüchern dieser
Art;
Art:
wie viele
fehlen
, sonderlich hebräische Bedeutungen der
Wörter
Wörter,
fehlen
da
da,
z. B.
von
ἀγαλλιαν
,
εὐχαριστια
,
καυχασθαι
,
κενουν
,
λογιζεσθαι το κακον
,
τρεμειν τινα
u. a.
u. a.;
und wie wenig sind die Begriffe von
οἰκοδομη
οικοδομη
,
παντοκρατωρ
,
πνευμα
,
σημειον ἀντιλεγομενον
,
ἑαυτω ἀρεσκειν
u. dgl.
vornemlich,
vornehmlich
u. dergl.
, vornehmlich,
wie wenig sind diejenigen
bestimmt,
bestimmt
die man
Religionsbegriffe
Religionsbegriffe
nennen könnte, obgleich die Wörter, durch die sie ausgedruckt werden, in den Wörterbüchern
übersetzt
sind? Dies
sey
sei
bloß hingeworfen, um die aus ihrer gleichgültigen Ruhe zu wecken, die, mit dem Wörterbuch in der Hand, der Auslegung des
N. T.
gewachsen zu seyn glauben.
{Unstreitig ist durch mehrere neue exegetische Schriften und vollständiger gewordenen Lexica manchen Mängeln, die hier gerügt sind, abgeholfen.}
116.
Ueberhaupt wird der sehr gewinnen, der sich nicht eher an Erklärung der heiligen Schriften wagt, bis er vorher durch Lesung alter griechischer und lateinischer Schriftsteller wohl geübt ist.
–
Denn 1) wie es der Anfang aller exegetischen Weisheit ist, nur erst zu
fühlen,
fühlen
ob man etwas verstehe oder
nicht?
nicht:
so ist schon
dies
dieses
sehr schwer für den, der nicht aus jener Schule zur heiligen Schrift kommt, weil uns die Stellen heiliger Schrift, die wir in der
Jugend
Jugend gemeiniglich ohne Verstand gelesen haben, den Wörtern nach geläufig, ihre Lehren, oder was man dafür zu halten gelernt hat, bekannt sind, und man gemeiniglich mit einem
Sinn
Sinne
zufrieden
ist,
ist
der keinen offenbaren Unverstand enthält,
zumal
zumahl
wenn er sich durch Erbaulichkeit empfiehlt. Alles dieses
hindert,
hindert
daß es uns oft nicht
einmal
einmahl
in den Sinn
kommt,
kommt
nur zu zweifeln, ob wir auf dem rechten Wege sind. Hingegen
bey
bei
andern Schriftstellern sind wir weder schon so mit ihren Begriffen bekannt, noch dafür schon so eingenommen, fürchten auch weniger
eigne Zweifel oder
Vorwürfe von
uns oder andern
An dern
, wenn wir von hergebrachten
Erklärungen
Erklärungen
abgehen,
abgehen
oder
gestehen,
gestehen
daß wir etwas nicht verstünden.
117.
Ist man 2) nur mit den Umständen, Sitten und dem
Sprachgebrauch
Sprachgebrauch neuerer Zeiten und Sprachen
bekannt:
bekannt,
so findet man in alten Schriften
Schwierigkeiten,
Schwierigkeiten
wo keine
sind,
sind;
man sucht sie zu heben, verwickelt sich eben durch diese Bemühung in noch mehrere Schwierigkeiten, fällt auf harte und gekünstelte Erklärungen, wodurch man auf einer Seite den Gegnern der heiligen Schrift Blößen giebt, auf der andern sich gegen natürlichere
Erklärungen
Erklärungen
abhärtet,
abhärtet:
theils
,
theils
weil man das für das
Natürlichste
natürlichste
hält, was
unsrer
Art zu denken, zu reden und zu handeln am gemäßesten
ist,
ist;
theils
,
theils
weil man das ungern
aufopfert,
aufopfert
was uns Mühe gekostet hat,
zumal
zumahl
wenn man durch einen vermeintlich
gefundnen
gefundenen
Sinn der heiligen Schrift neue Bestätigung seines
Lehrbegriff
Lehrbegriffs gefunden,
Lehrbegrifs gefunden
oder mehr Zusammenhang in seine Vorstellungen gebracht zu haben glaubt. Wer hingegen schon mit andern alten Schriften
ausser
außer
der
Bibel
Bibel vertraute
Bekanntschaft,
Bekanntschaft
und gelernt
hat,
hat
sich in die Lage alter Schriftsteller zu versetzen, fällt entweder auf solche eingebildete Schwierigkeiten gar
nicht,
nicht
oder er weiß sie leichter aus den Meinungen und
Redensarten
Redearten
der Alten zu erklären, schiebt der heiligen Schrift weniger neuere Begriffe unter, und ist demnach
fähiger
fähiger,
von
ihr
zu lernen.
118.
3)
Den
Sprachgebrauch
Sprachgebrauch
Des Sprachgebrauchs
in todten Sprachen
kan
kann
man anders nicht
zuverläßig
lernen,
lernen
gewiß werden,
als aus den Schriften, die in einer solchen Sprache abgefaßt sind, und, wo es der gleichen nicht
giebt,
giebt
giebt;
oder wo sie nicht zureichen, aus der
Analogie
Analogie
andrer
anderer
mit ihr verwandten
Sprachen,
Sprachen;
oder aus den
Erklärungen
Erklärungen,
Erklärungen
die der Schriftsteller selbst in einer Stelle oder in ähnlichen Stellen giebt.
–
Selten ist dieses
letzte
Letztere
möglich, weil es seyn
kan
kann
, daß er nur
Einmal
einmahl
von einer Sache
redet,
redet
oder nur
Einmal
einmahl
ein Wort und eine Redensart
braucht
gebraucht
. So ein
trefliches
treffliches
Hülfsmittel also zur Einsicht des Verstan des ähnliche Stellen sind, so helfen sie doch nicht überall; sicherlich wird auch
der
derjenige
die in der heiligen Schrift den
meisten
Meisten
unmerkbare feinere Aehnlichkeit leichter empfinden, der dergleichen zu bemerken durch achtsames Lesen alter Schriftsteller sich gewöhnt hat; und überall folgt ein Schriftsteller, wo er nicht sehr dringende Ursachen hat,
demjenigen
Sprachgebrauche
Sprachgebrauch
,
dem Sprach gebrauch
der in der Sprache, worin er schreibt,
herrscht,
herrscht;
wenigstens bildet er, auch da, wo er
eigne
eigene
Ausdrücke wählt, seinen besondern Sprachgebrauch aufs möglichste nach dem allgemeinen. Und dieser, woraus ist
der
er
anders zu
erkennen,
erkennen
als aus den andern Schriften in eben der Sprache?
bey
Bei
dem neuen Testament also, woher anders, als aus andern alten griechischen
Schriftstellern,
Schriftstellern
und zum Theil aus den griechischen Uebersetzern des alten Testaments?
Anm.
Anm.
1. Je ähnlicher ein Schriftsteller in seiner
besondern
Art des
Ausdruck
Ausdrucks, in der Kürze, in den Wendungen, in der Zusammenziehung mehrerer Begriffe in Ein Wort oder Redensart
u. dgl.
u. d. gl.
u. dergl.
einem andern ist, wie
z. B.
schon von andern in Absicht auf den Apostel
Paulus
Paulus
und den
Thukydides
Thucydides
bemerkt worden (
S.
Bauer, Karl Ludwig
Car. Lud. Baueri
exercitat. de lectione
Thukydides
Thucydidis
, optima interpretandi disciplina, Lips.
1753
1753.
und desselben Philologia Thucydideo-Paulina, Halae
1773
, 8.
1773 8
): je
1773. 8.), desto
nützlicher ist
es,
es
den
Letztern
letztern
zu
studieren,
studiren
um den
Erstern
erstern
besser zu verstehen.
Anm.
Anm.
2.
Bey
Bei
der
Analogie
Analogie andrer Sprachen
(
s.
(
S.
Ge. Godofr. Zemisch
disp. de analogia linguarum interpretationis subsidio, Lips.
1758
),
1758.),
1758.)
kommt es hier, wo vom Griechischen die Rede ist, zunächst auf das Lateinische an, das
bey
bei
dem
N. T.
noch
viele
viel
unerkannte Erläuterungen
darreicht,
darreicht
z. B.
1 Kor. 7,
29.
29
καιρος
συνεσταλμενος
,
συνεσταλμενος
traurige Zeit,
vergl.
mit dem diffundi und contrahi
bey
bei
Cicero
Lael.
XIII
Cicero
Lael.
c.
13
13.
;
Luc. 11,
13;
13
πονηροι
für
Karge
,
Karge
vergl.
mit
maligni
in eben dem Sinn
beym
beim
Plautus
Bacch.
III, 2.17
Plautus
Bacch. III, 2.
17;
17.
Luc. 8,
18.
18
18.,
vergl.
mit ex astris decidere
bey
bei
Cicero
Att.
II, 21
Cicero
ad
Att. II.
ep.
ep,
21
21.
;
Matth. 24,
29.
29
mit dem
Lat.
lat.
cadere oder
occidere,
occidere
von Gestirnen gebraucht;
1 Kor. 4,
9.
9
θεατρον
ἐγενηθ.
τω
τῳ
κοσμῳ
κ.
ἀγγελοις
κ.
ἀνθρωποις
, überhaupt für: der
allgemeinen
Verachtung bloß gestellt worden seyn,
vergl.
mit
Cicero
fam. (ad div.)
I, 9
Cicero's
Stellen,
Stellen
die
Manutius, Paulus
Manutius
bey
bei den Epist.
ad divers.
lib.
I.
ep.
9. gesammlet hat;
Χρισμα
.
Χρισμα
1 Joh. 2,
20.
20
vergl.
mit dem
lat.
imbui statt doceri
u. dgl.
u. dergl.
ἐγενηθ.
1Kor 4,9 liest
ἐγενήθημεν
.
κ.
1Kor 4,9 liest
καὶ
.
κ.
1Kor 4,9 liest
καὶ
.
Cicero's Stellen, die Manutius […] gesammlet hat
Gemeint ist der Drucker und Verleger Paolo Manuzio (Paulus Manutius) (1512–1574), der als Nachfolger seines Vaters Aldo Pio Manuzio (Aldus Manutius) (ca. 1450–1515) in der familieneigenen venezianischen Offizin, Leiter der Druckerei der neu gegründeten
Academia Veneta
und später auch der päpstlichen Buchdruckerei im Vatikan zu den führenden Typographen und Gelehrten seiner Zeit gehörte und sich v.a. durch seine kommentierten Cicero-Ausgaben bleibenden Ruhm erworben hat.
119.
Und wie 4) falsche und nach
Schulformen
Schulformen gekünstelte Zergliederungen der Bücher
der
heil.
h.
Schrift sehr oft den wahren
Gesichtspunct
Gesichtspunct
Gesichtspunkt
verrücken, woraus man die Absichten eines Schriftstellers ansehen sollte, und selbst zu erdichteten Erklärungen seiner Ausdrücke Gelegenheit geben: so ist kein besseres
Mittel
Mittel,
sich gegen diese
willkührliche
willkürliche
willkührlichen
Spielwerke zu verwahren, als wenn man aus Lesung alter Schriftsteller die gar nicht
schulgerechte,
schulgerechte
sondern natürliche Stellung ihrer Gedanken, ihre oft
unscheinbare
unscheinbaren
Verbindungen durch Partikeln,
Participial-Con structionen
u. dgl.
u. d. gl.
Participial-Construktionen
u. dergl.
und die ganze Einkleidung
bemerkt
, die von
unserer
der unsrigen
oft
so
sehr
abgeht
abgeht, bemerkt
abweicht
.
120.
Auch ist 5) diese sorgfältige Beschäftigung mit alten Schriftstellern ein gutes Verwahrungsmittel gegen die
Verbesserungssucht
Ver besserungssucht des Textes der heiligen
Schrift, sowohl
Schrift sowohl,
als gegen die unzeitige Aengstlichkeit
bey verschiednen
bei verschiedenen
Lesearten
Lesearten. Wer jene auch kritisch
studiert
studirt
hat, wird sich durch noch so viele Lesearten, mit welchen gleichwohl die unverfälschte
Aechtheit
Echtheit
des Textes bestehen
kan
kann
, nicht nur nicht irre machen
laßen,
lassen,
lassen:
er wird auch allein im Stande
seyn
seyn,
den Werth derselben abzuwägen. Hat man sich
bey
bei
jenen
Alten
alten
an die Beobachtung des
feinern
feineren
Parallelismus
gewöhnt;
gewöhnt,
Versuche
gesehen,
gesehen
und selbst
gemacht,
gemacht
dunkle Stellen zu
erklären,
erklären
und solche, die einander oder andern Schriftstellern zu widersprechen scheinen, mit einander zu vereinigen; und hat nach und nach das Ungegründete und
Gezwungne
Gezwungene
mancher gewagten Veränderungen des Textes, wie die Quellen dieses Fehlers und die
verschiedne
verschiedenen
Arten
eingesehen,
eingesehen
wie
verschiedne
verschiedene
Lesearten
Lesearten entstehen können: so wird gewiß dadurch
Bescheidenheit
Bescheidenheit so sehr als geschickte Beurtheilung befördert werden. Wenigstens ist es immer
sicherer,
sicherer
sich erst in jener
Kritik
Kritik zu üben, wo der Schade
bey
bei
Fehltritten so beträchtlich nicht ist, als
bey
bei
der heiligen Schrift,
bey
bei
der
wo
ohnehin die Vorstellung von ihrer Göttlichkeit leichter
verleitet,
verleitet
vor genauerer
nach genauer
Untersuchung
Partey
Parthey
schon Partei für oder wider eine Leseart
zu nehmen.
Ernesti, Johann August
J.
Anm.
S.
I.
A.
Ernesti
Opusc. Orator.
p.
41
sqq.
Aus dem, was bisher §.
115
f.
bemerkt worden ist, ergiebt sich augenscheinlich, wie
verkehrt
verkehrt,
und selbst für die Einsicht des rechten Verstandes der heiligen Schrift
nachtheilig
nachtheilig,
es
sey
sei
, die
Erlernnng
Erlernung
des Griechischen mit dem Lesen des neuen Testaments anzufangen. Die Schwierigkeiten, welche
bey
bei
dem Griechischen des
N. T.
weit
größer
grösser
sind
sind,
als
bey
bei
den meisten sogenannten
Profan-Schriftstellern,
Profan-Schriftstellern
(
s.
die
14te bis 17te
Abhandl.
Abhandlung
in
Ernesti, Johann August
Ernesti's
Opuscul. philol. crit. Lugd. Bat.
1764
in
gr.
1764.
8.)
Profan-Schriftstellern. (
S.
Ernesti's
Abhandlungen in den Opuscul. philol. crit.
pag.
)
setzen es noch mehr
ausser
außer
Zweifel, wie nothwendig es
sey,
sey
sei,
sich nicht daran zu wagen, ehe man sich nicht schon vorher durch
fleissiges
fleißiges
Studieren
fleißiges Studiren
alter Schriftsteller dazu vorbereitet hat.
J. A. Ernesti Opusc. Orator. p. 41 sqq.
Im Blick ist die in beiden in Frage kommenden Auflagen der
Opuscula oratoria
(vgl. I § 112) seitenkonkordante
Oratio de institutis criticorum in studiis Theologiae imitandis dicta professionis Theologicae adeundae causa
(aaO 38–56).
14te bis 17te Abhandl. in Ernesti's Opuscul. philol. crit. Lugd. Bat. 1764
Die in Johann August Ernestis
Opuscula philologica critica. Multis locis emendata et aucta
(Leiden 1764) abgedruckten Abhandlungen tragen die Titel
De difficultatibus Novi Testamenti recte interpretandi
(aaO 198–218 [XIV.]),
Pro grammatica interpretatione librorum inprimis sacrorum
(aaO 219–232 [XV.]),
De vanitate philosophantium in interpretatione librorum SS.
(aaO 233–251 [XVI.]) und
De difficultate interpretationis grammaticae Novi Testamenti
(aaO 252–287 [XVII.]). In der ersten Auflage der
Anweisung
sind für den späteren Nachtrag der Seitenzahl(en) Spatien eingefügt worden (vgl. III § 77; III § 105).
121.
Zur gründlichen Einsicht in andre Theile der Theologie
(§.
113
113.
)
ist die genaue Kenntniß der
griechischen
griechischen
und
lateinischen Sprache
lateinischen Sprache
eben so nothwendig.
–
Die allermeisten Quellen der
Kirchengeschichte
Kirchengeschichte
Kirchengeschichte
sind in einer von
beyden
beiden
Sprachen
abgefaßt,
abgefaßt
und,
abgefaßt; und
da selbst der
Sprachgebrauch
Sprachgebrauch zu
verschiednen
verschiedenen
Zeiten und in
verschiednen
verschiedenen
Gegenden so vieler Verschiedenheit und Veränderung unterworfen
war:
war,
so ist
es
um so begreiflicher, wie
unzuverläßig
unzuverlässig
die Kirchengeschichte seyn müsse, wenn sich ihre Kenntniß nicht auf die Kenntniß dieser Sprachen gründet.
–
Alles, was in der Theologie auf
Geschichte
Geschichte
beruht;
beruht:
die Kenntniß der
Kirchentheologie
Kirchentheologie oder der
verschiednen
verschiedenen
Vorstellun gen von den Lehren der
Religion,
Religion
und der Ursachen dieser Verschiedenheit; der
Kunstwörter
Kunstwörter, die aus
beyden
beiden
Sprachen
genommen,
genommen
oder doch
darnach
danach
gebildet worden
sind
, und selbst ein symbolisches Ansehen erlangt
haben;
haben:
des Ursprungs der Irrthümer aus unbequemen
Ausdrücken,
Ausdrücken
oder des Mißverstandes derselben, wodurch man ihrer Unrichtigkeit auf die Spur kommen
kan
kann
; der
Folgen,
Folgen
die daraus für die Theologie entstanden sind –
vornemlich
vornehmlich
wenn man die Richtigkeit dieser Kirchentheologie gehörig beurtheilen will,
– kan
kann
dieser Sprachkenntniß nicht entbehren.
122.
Würde nicht auch unsre
Katechetik
Katechetik
und
Homiletik
Homiletik
eine
bessre
bessere
Gestalt bekommen, und würde man sich nicht besser zum
Unterricht
Unterricht in der Religion bilden, wenn man den Alten, sonderlich der
Sokratisch
Sokratischen Schule und ihren guten Nachfolgern, ihre
Methode
Methode in Gesprächen, und den griechischen und römischen Rednern die
Kunst
Kunst,
Eindruck zu
machen
machen,
und, was man vorstellen oder empfehlen will, von der wirksamsten Seite zu zeigen, so weit ablernte, als es die Natur der Sachen, die
Absicht,
Absicht
bleibende Eindrücke hervorzubringen, und unsere Umstände
erlaubten.
erlauben?
Anm.
Unstreitig läßt sich von der
Sokratischen Methode
Manches für den Katecheten lernen. Doch hat man in neuern Zeiten das Sokratisiren sehr übertrieben, und dadurch der rechten Methode des Unterrichts der Anfänger geschadet.
D. H.
Sokratischen Methode
Vgl. II § 174.
123.
Was oben (§.
68
68
f.
) von der besten Erlernung der Sprachen überhaupt gesagt worden ist, gilt
bey
bei
der
lateinischen
und
griechischen
Spra che
insbesondre
insbesondere
, und von ihnen vorzüglich, weil sie unter allen alten Sprachen am meisten gebildet sind. Nur scheinen hier noch einige
besondre
besondere
Anmerkungen darüber nicht unnöthig zu seyn. – Die
lateinisch
lateinische Sprache
hat das
eigne
eigene
Glück gehabt, die allgemeine Sprache der Gelehrten (in
Europa
Europa) zu
werden;
werden:
*)
daher sind die meisten gelehrten Schriften in ihr
geschrieben,
geschrieben;
ihre Kenntniß ist für den Gelehrten, nächst der Kenntniß der Muttersprache, die unentbehrlichste, und sie verdient, als allgemeine
Gelehrten-Sprache
Gelehrten-Sprache
Gelehrten-Sprache,
erhalten zu werden.
*) Sie hatte es, weil Rom zweimal die Welt beherrschte – politisch und kirchlich. So wurde durch die römische die vollkommnere griechische Sprache verdrängt.
D. H.
124.
Zuerst
eben deswegen, weil die meisten gelehrten Schriften
lateinisch
lateinisch
lateinisch
abgefaßt sind. Je mehr also der
Eifer
Eifer,
diese Sprache zu erlernen und ihrer mächtig zu werden, erkaltet, und je mehr sie daher
ausser
außer
Gang kommt:
je
desto
mehr verlieren wir die oben
erwähnte
erwähnten
Vortheile, die aus dem
fleissigen
fleißigen
Gebrauch der alten
klassischen
klaßischen
lateinischen Schriftsteller entstehen, verlieren den Zugang zu den meisten
Quellen
Quellen der
Geschichte
Geschichte, und, weil uns nichts
anzieht
anzieht,
was wir nicht verstehen, sogar die Lust daraus
zu
schöpfen, verlieren einen unschätzbaren Vorrath von Kenntnissen und Vorarbeiten in Untersuchungen
aller Art
.
Anm.
1.
Was hier und in dem Nächstfolgenden vorkommt, ist zugleich hinreichend zur Beurtheilung der Einwendungen gegen die Nothwendigkeit der Kenntniß dieser Sprache in der
allgemeinen Revision
etc.
des Erziehungswesens etc.
Theil
II.
p.
2.
S.
234–257, die ohnehin sehr ärmliche Begriffe vom Verstehen des Lateinischen zum Grunde haben.
Anm.
Anm.
1. Aber man hat ja
Aber, sagt man, ist denn nicht
schon das
Gegründetere
Beste
und
Nutzbarere
Nutzbarste
aus lateinischen Schriften in
deutsche und andere
die neuern Sprachen
übergetragen? –
–
Gewiß kaum mehr als das Nothdürftigste und was man für das Gemeinnützigste hielt, welches gegen die Menge des
Uebrigen
übrigen
für Nichts zu rechnen ist. – Am meisten ists noch in der
Geschichte
Geschichte
geschehen; wie weiß man aber, daß es vollständig, richtig und aufrichtig genug geschehen
sey
sei
, wenn man nicht zu den Quellen zurückgehen
kan
kann
, ohne welche noch weniger Sicherheit ist, als
bey
bei
allen scharfsinnigen Untersuchungen, die nicht auf die ersten Grundsätze der menschlichen Erkenntniß zurückgeführt
werden.
werden?
Eben die gelehrtern und genauern Untersuchungen, wodurch man neuerlich, selbst in deutschen Schriften, die Geschichte ungemein berichtigt,
vervollständigt,
vervollständigt
und ihr eine ganz andere Gestalt gegeben hat, beweisen, wie viel noch Gelegenheit in den Quellen zu sehr
schätzbaren
schätzren
Entdeckungen übrig
sey
sei
. – Je mehr das Ansehen der lateinischen Sprache
sinkt
sinkt,
und
je für
für je
entbehrlicher man ihre Kenntniß
hält:
hält;
je
hält, desto
weniger wird sie, höchstens nur als Nebensache, getrieben werden. Aber eine
seichte
Kenntniß der selben ist gewiß dem Gebrauch der
Quellen
Quellen und der daraus zu schöpfenden Wahrheit noch nachtheiliger, als wenn man
gar nicht
daraus schöpft, weil man doch in dem letztern Fall weiß, daß man nur mit fremden Augen, in jenem Fall aber glaubt, daß man mit
eignen
eigenen
Augen gesehen habe.
Anm.
Anm.
2. Wenn also von verständigen Männern auf die
Beybehaltung
Beibehaltung
der lateinischen
Sprachr
Sprache
gedrungen
gedrungen,
und vorhergesagt wird, daß mit ihrem Fall gewiß
Barbarey einreissen
Barbarei einreißen
werde: so geschieht
dieses
dieß
nicht aus pedantischer Hochachtung gegen diese Sprache, oder aus der falschen Einbildung, daß sie kräftiger und
vollkommner
vollkommener
wie
andre
andere
Sprachen
sey. Sondern
sei; sondern
weil man vorhersieht, wie viele Kenntnisse mit dieser Sprache
verloren
verlohren
gehen, oder wenigstens aus dem
Gang
Gange
kommen werden; wie sehr seichte Kenntniß statt der gründlichen und
zuverläßigen
zuverlässigen
überhand nehmen, wie allgemeiner der unwissende Dünkel, der
bey
bei
verschlossenen
verschloßnen
Quellen nicht einmal mehr einer bessern Belehrung fähig ist, anstatt wahrer Ueberzeugung um sich greifen werde. Ohne in
ältre
ältere
ähnliche Zeiten
zurückzugehn
zurückzugehen
, mag die Erfahrung unsrer Zeit entscheiden, ob durch die Verächter dieser Sprache des Nachsprechens und Ausschreibens, oder der neuern und genauern Untersuchung mehr
worden sey,
geworden sei, und
die Masse der
gelehrten
Erkenntniß und die Achtung der
Gelehrsamkeit
Gelehrsamkeit
mehr ab- oder zugenommen habe?
allgemeinen Revision etc. Theil II. p. 234–257
Hier ist nicht, wie auch in der dritten Auflage der
Anweisung
angenommen, auf den zweiten, sondern erneut auf den elften Band der
Allgemeine[n] Revision des gesammten Schul- und Erziehungswesens
(vgl. I § 33 c) verwiesen. Der zweite Abschnitt dieses Bandes handelt von
dem Zweck, dem Nutzen und Schaden des Lernens fremder Sprachen überhaupt
(aaO 215–257), auf den in der
Anweisung
angeführten Seiten 234–257 (vgl. [525f.]) wird speziell das Lateinische abgehandelt.
125.
Zweytens
Zweitens
:
Die
Gelehrsamkeit
Gelehrsamkeit verliert viel, und die Entdeckungen und Verbesserungen in derselben gehen oft gänzlich
verloren;
verloren,
breiten sich wenigstens viel langsamer und nicht allgemein genug aus, wenn man unter den Gelehrten nicht eine allgemeine Sprache hat, wodurch man sich das Neue und Bessere mittheilen
kan. –
kann.
Wenn man sagt: „so dürften die Gelehrten nur mehrere Sprachen lernen, und allenfalls ersetzte auch dieses die Dienstfertigkeit der Uebersetzer:“ so hat man wohl nicht genug
bedacht:
bedacht,
daß
beydes
Beides
ein mühsamer Umweg ist, der völlig
ersparet
erspart
werden
könte
könnte
, wenn eine allgemeine
Gelehrten-Sprache
Gelehrten-Sprache gebraucht
würde;
würde:
ein Umstand, den die, welche die Nothwendigkeit einer solchen, namentlich der
lateinisch
lateinischen, Sprache bestreiten, vornehmlich beherzigen sollten, da sie eben Zeit und Mühe
gespart,
gespart
und auf nützlichere Dinge verwendet wissen wollen. Man hat nicht
bedacht:
bedacht,
daß
Uebersetzungen
Uebersetzungen
großentheils
grossentheils
unzuverläßig
unzuverlässig
sind, und daß sie ungemein viel weniger die Vorstellungen eines Schriftstellers anschaulich darstellen, als er selbst, auch sogar in einer fremden Sprache, wenn er sie nur in seiner Gewalt hat, und in der fremden Sprache nicht bloß schreibt, sondern auch denkt. Man nimmt gegen alle
Erfahrung
Erfahrung an, daß
Ausländer
Ausländer, um unsre Entdeckungen zu benutzen, unsre Werke, in ihre Sprache übersetzt, begierig lesen oder gar deutsch lernen würden.
*)
*)
Aeusserst
Anm.
Aeußerst
selten sind die
Beyspiele
Beispiele
von Ausländern, die, unsre Schriften zu verstehen, Deutsch, und
vollends
vollends,
die es gut gelernt
haden
haben
. Sehr selten sind auch Uebersetzer aus dem Deutschen
bey
bei
solchen Nationen, unter welchen selbst viele denken und schreiben; und daraus, daß unter ihnen Bücher aus dem Deutschen übersetzt vorhanden sind, folgt noch lange nicht, daß sie auch Geschmack daran finden. Lesen ja noch auswärtige Gelehrte Schrif ten der Deutschen, so sind es lateinisch geschriebene, und
selbst
diese haben itzt darum weniger Vertrieb, weil
bey
bei
Ausländern, fast
alles
Alles
in ihrer Muttersprache zu schreiben, eben so gewöhnlich
wird
wird,
als
bey
bei
uns, die Kenntniß des Lateinischen immer mehr abnimmt, und sie daher auch unsre
lateinische
lateinischen
Schriften gar
nicht
nicht,
oder
doch
viel seltner als
sonst
sonst,
lesen. Weit häufiger unterhielten sich sonst Gelehrte
verschiedner
verschiedener
Nationen unter einander, als die lateinische Sprache noch geläufiger war als
jetzt, und wo jenes
jetzt. Wo es
noch jetzt geschieht, da geschiehts
meistens
auch gewöhnlich
in lateinischer Sprache.
126.
Ist nun aber eine
allgemeine Sprache
allgemeine Sprache
für die
Gelehrsamkeit
Gelehrsamkeit, deren Erhaltung und
weitre oder allgemeinere Ausbreitung,
immer weitere Ausbreitung
sehr nöthig: so
müßte
muß
man
doch
entweder
die, welche es bisher gewesen,
nehmlich
nämlich
die
lateinisch
lateinische
,
beybehalten
beibehalten
,
oder
eine der neuern Sprachen dazu wählen,
oder
eine ganz neue zu diesem Zweck erfinden.
–
Dieses
letzte
Letztere
würde, wie so viele verunglückte Versuche beweisen,
große
grosse
Schwierigkeiten haben; schwerlich würde man ihr,
zumahl allgemeinen
zumal allgemeinen,
Eingang verschaffen können; und wozu eine neue erfinden, da wir schon eine unter den Gelehrten überall
angenommne
angenommene
haben? – Diese
lateinische
ist nicht nur
einmahl
einmal
im Besitz, und, wenn es eben sowohl Pflicht ist, gute Gelehrte als gute Bürger zu
ziehen,
ziehen;
wenn es uns wahrer Ernst ist,
Aufklärung
Aufklärung, mithin auch Gelehrsamkeit,
möglichst weit auszu breiten:
weit möglichst auszubreiten,
so müssen wir diese Sprache zu
erhalten,
erhalten
und ihre Kenntniß
bey
bei
allen, die Gelehrte seyn wollen, zu befördern suchen, weil sie gerade die bekannteste
bey
bei
allen Nationen ist, wo eigentliche Gelehrsamkeit blüht. Sie ist auch, eben durch den langen Gebrauch, den bereits erfolgten Erweiterungen und Aufklärungen in den Wissenschaften, mehr als eine
andre
andere
, wenigstens ältere Sprache,
und,
und
umgekehrt, es sind diese aufgeklärtern Begriffe dieser Sprache so
angeschmieget worden,
angeschmiegt worden;
sie hat auch so sehr alle eigentliche Wissenschaften, namentlich die gelehrten Vorstellungen in der Religion, so
durchdrungen,
durchdrungen
und in allen Wissenschaften ist der
Sprachgebrauch
Sprachgebrauch so an sie gebunden, daß wir ihre Kenntniß, ohne eine gänzliche Umschmelzung der Wissenschaften, nicht
einbüßen
einbüssen
können.
–
Sollte sie auch, wie nicht zu
leugnen
läugnen
ist, von manchen
neuern
Sprachen übertroffen werden: so würde es nicht nur schwer, ja, nach der jetzigen Verfassung der
Welt,
Welt
unmöglich seyn, einer neuern Sprache eben die ausgebreitete Herrschaft zu
verschaffen;
verschaffen:
es würde sogar eben darum nicht rathsam seyn, weil und so lange sie eine lebende Sprache ist. Denn eine solche ist beständigen Veränderungen unterworfen, und nach einiger Zeit,
wo nicht
nicht wo
den meisten unverständlich, doch wenigstens nicht mehr so reitzend; es gehen zu viele
Mängel,
Mängel
einer auch vom
gemeinen
Volk
Volke
gebrauchten Sprache,
Nebenbegriffe
Nebenbegriffe, die den Wörtern anhängen
u. d. gl.
u. dergl.
,
in die Wissenschaften über, daß diese darüber ihre Bestimmtheit verlieren; oder man muß diesem Schaden immer so durch neue Bestimmungen entgegenarbeiten, daß die gelehrte Sprache bald wieder eine von der
Volkssprache
Volkssprache ganz
verschiedne
verschiedene
wird. Eine todte Sprache hingegen, die noch dazu schon für unsre Wissenschaften bearbeitet ist, hat ihre völlig festgesetzte Gestalt, und es bedarf,
bey neuentstandnen
bei neuentstandenen
Begriffen, weiter nichts, als diese, auf eine der Natur dieser Sprache
gemäße
gemässe
Art, zu bezeichnen, wie man das
Beyspiel
Beispiel
davon an der Naturlehre, der
Botanick
Botanik
u. s. f.
hat.
Anm.
Man wird einwenden:
„es
liesse
ließe
sich vieles nicht lateinisch, wenigstens nicht mit Einem Wort,
ausdrucken
ausdrücken
, da der neuen Entdeckungen, Bestimmungen und Einrichtungen immer mehr würden, für welche die lateinische Sprache noch keine Ausdrücke
habe.“
habe.
Diesen
Diesem
Mangel
kan
kann
man dadurch abhelfen, daß man entweder Wörter, die man nicht entbehren
kan
kann
, in die zu unserm Gebrauch bestimmte lateinische Sprache aufnimmt, oder den schon vorhandenen lateinischen Ausdruck jenem neuen Begriff
an schmiegt. –
–
anschmiegt. – –“
„Aber so wird das Latein barbarisch werden, wie man an dem
Beyspiel
Beispiel
der
Scholastiker
Scholastiker und ihres
gleichen
sieht
sieht.
“ –
Gleichen sieht!“
Diese Besorgniß wird sehr
übertrieben. Denn
übertrieben; denn
die Scholastiker
druckten
drückten
sich auch da schlecht lateinisch aus, wo man sich weit besser
ausdrucken
ausdrücken
konnte
;
konnte
:
sie verderbten also das Latein, weil es ihnen theils an Geschmack, theils an Kenntniß des Reichthums und der Schönheit dieser Sprache fehlte, und sie des guten Lateins nicht mächtig waren. Wie viel sich hier, ohne besorgliche
Barbarey
Barbarei
, thun
ließe, zeigen
liesse, zeigt
die Beispiele
Cicero
Cicero's
und einiger andern
treflichen
trefflichen
lateinischen Schriftsteller
Beyspiele
. – Auch ist noch erst die
Frage:
Frage,
was den Namen des Barbarischen, als eines Fehlers in einer Sprache, verdiene? Gewiß das nicht, wofür sonst gar kein Ausdruck in einer
beniemten
Sprache vorhanden ist, und was durch den öftern Gebrauch ohnehin seine fremde Gestalt verliert. – Endlich sollte man nicht vergessen, daß hier von einer gemeinsamen Sprache der
Gelehrten
die Rede
sey;
sei,
die man also immerhin da nicht
brauchen möchte
gebrauchen mag
, wo man
sich
nicht über gelehrte
Sachen
Sachen,
oder nicht bloß für Gelehrte
erklären wollte
reden oder schreiben will
.
eine ganz neue zu diesem Zweck erfinden
Zu denken ist hier etwa an George Dalgarnos (1626–1687)
Ars signorum
(1661) oder John Wilkins' (1614–1672)
Essay towards a Real Character, and a Philosophical Language
(1668), an die
Polygraphia nova et universalis
(1663) des Jesuiten und Universalgelehrten Athanasius Kircher (1602–1680) sowie Gottfried Wilhelm Leibniz' seit der
Dissertatio de arte combinatoria
(1666) immer wieder angestellten Überlegungen zu einer
lingua universalis
.
„es liesse sich vieles […] noch keine Ausdrücke habe.“ […] „Aber so wird das Latein barbarisch werden, wie man an dem Beyspiel der Scholastiker und ihres gleichen sieht“
Als direktes Zitat sind beide Sätze nicht nachzuweisen, vielmehr werden auch hier (vgl. I § 11–14.125) weit verbreitete Allgemeinplätze aufgegriffen.
beniemten Sprache
D.i. in einer benannten, d.h. bestimmten, Sprache (vgl. III § 67).
127.
Drittens
(§.
125
125.
) wäre es allerdings für die Wissenschaften und für die Menschen selbst sehr heilsam, wenn für eigentlich
gelehrte
Sachen eine den Gelehrten eigenthümliche Sprache, dergleichen die bisher in dieser Absicht
aufgenommne
aufgenommene
lateinisch
lateinische ist, gebraucht würde. – Für die
Wissenschaften
;
Wissenschaften
:
zuerst
schon deswegen, weil in einer der Gelehrsamkeit besonders gewidmeten Sprache die Wörter bestimmter, folglich zur genauern Kenntniß brauchbarer
sind,
sind
als in einer solchen, die eben sowohl vom
Volk
Volke
gebraucht wird, wo daher Mißverstand und Uebergang schwankender Begriffe in die Sprache viel leichter ist.
Noch
mehr
aber, weil für die eigentlichen Wissenschaften nichts nachtheiliger ist, als die Verwirrung, die durch
Halbkenner
Halbkenner angerichtet wird, welche auch mitsprechen wollen, ohne die dazu unentbehrlichen
Vorerkenntnisse
Vorkenntnisse
, die nöthige Einsicht in die Beschaffenheit und den Werth scharfsinniger Bestimmungen oder Einschränkungen, und die erforderliche Uebung in gelehrten und ihnen nicht geläufigen Untersuchungen zu haben; wozu sie um so eher versucht werden, je mehr sie sich
einbilden
einbilden,
die Sache zu verstehen, weil ihnen die
Sprache
Sprache bekannt ist, in der diese
ausgedruckt
ausgedrückt
sind.
128.
Eben so nützlich wäre es für solche
Menschen
selbst, welche gelehrte Untersuchungen nichts angehen, wenn ihnen der Zugang dazu durch den Gebrauch einer gelehrten Sprache erschwert würde. So erführen sie vieles nicht einmal, was ihre Neugier reitzt, sie zu unnöthigen
Speculationen
Speculationen
Spekulationen
verleitet, von nützlichern Untersuchungen oder Beschäftigungen abzieht, und sie in schädliche Zweifel oder Irrthürmer stürzt, welchen sie aus den vorhin genannten Ursachen nicht gewachsen sind. Wie viel
Zeitverderb
Zeitvertreib
und Verwirrung des Volks würde verhütet werden, wenn
Gelehrte
Gelehrte gleichsam hinter dem
Vorhang
Vorhang
Vorhange
einer nur ihnen verständlichen Sprache, ohne vom
Volk
Volk
Volke
gehört oder gelesen zu werden, erst unter sich, nach reifer Untersuchung ausmachen könnten, was wahr und was gemein zu machen heilsam wäre, und
alsdenn
alsdann
nur das Ausgesuchte, Sichere und Gemeinnützige zur Kenntniß der Ungelehrten
brächten.
brächten!
Anm.
Anm.
1.
Der
große Schade
grosse Schaden
Unverkennbar ist der Schade
, den nicht nur höhere Wissenschaften, wozu
viele gar nicht gemeine Kennt niß
gar viele Kenntniß,
und,
um
das dahin
gehörige
Gehörige
genau zu beurtheilen, etwas mehr als schlich ter Menschenverstand erfordert wird, sondern auch gemeinverständlichere und
gemeinnützigere
gemeinnützlichere
Wissenschaften
, selbst Religion und Moral, selbst Gewissen und Gemüthsruhe, öffentliche und
Privatglückseligkeit
Privatglückseligkeit, dadurch leiden, daß
alles
Alles
, worüber sich nur reden und schreiben läßt, dem verständigen und unverständigen Publicum in der
Muttersprache
Muttersprache oder in einer
sehr
gemeinbekannten vorgelegt
wird
wird.
–
dieser Schade ist
Dieß muß
jedem unbefangenen Beobach ter so
unverkennbar
einleuchten
, daß der Vorwurf von Mißgunst, der bisweilen dem
Gebrauch
Gebrauche
einer nur den Gelehrten bekannten Sprache,
bey
bei
gelehrten
Sachen oder einer
scharfsinnigern
Behandlung auch sonst gemeinnütziger Sachen, gemacht worden, eben so ungereimt ist, als wenn man den Pädagogen Mißgunst vorwerfen wollte, wenn sie Kinder
verhindern,
verhindern
nicht
alles
Alles
durch einander zu lesen, und es
bedauren
bedauern
, daß Kinder Gelegenheit
haben,
haben
allerley
allerlei
zu hören und zu lesen, wodurch sie Zweifel, Leichtsinn und Laster frühzeitiger kennen lernen, als sie dagegen
bewafnet
bewaffnet
sind,
sind
und überkluge Schwätzer werden, an welchen man seine Schande zieht.
Aufklärung
Aufklärung ist
unschätzbar,
unschätzbar
und
kan
kann
nicht genug befördert
werden,
werden;
aber doch nur
dann
denn
und
bey
bei
dem, wo sie nicht ein Scheermesser in der Hand eines Kindes ist.
Anm.
Anm.
2. Wo sie dieses
sey
sei
? dieses erfordert allerdings eine weit bedächtigere und reifere Ueberlegung, als der
große
grosse
Haufe der Eiferer für oder wider Aufklärung anzustellen oder nur zu begreifen fähig ist. Es bloß im Allgemeinen zu bestimmen,
kan
kann
wenig Nutzen haben; die
Umstände
Umstände derer, die aufklären wollen, müssen
dabey
dabei
eben so sehr in Anschlag genommen werden, als die Umstände
dererjenigen
derer
, die
durch sie
aufgeklärt werden sollen. Und eben um so nöthiger wäre
bey
bei
einzelnen
einzelen
wichtigen oder für
wichtiggehaltenen
wichtig gehaltenen
Gegenständen, daß die,
so
die
am meisten aufzuklären fähig sind, vorher, ungehört von denen, die der
Aufklärung
Aufklärung zu bedürfen scheinen,
unter sich
ausmachen möchten, ob und wie weit, den Umständen nach, eine gewisse Aufklärung nöthig und nützlich
sey
sei
. – Hier liegt die weitere Entwickelung dieser Sache zu sehr
ausser
außer
dem Wege.
{Gegen das, was in dem vorstehenden Abschnitt über die Wünschenswürdigkeit einer
allgemeinen Beibehaltung der lateinischen Sprache
gesagt ist, dürften sich allerdings manche erhebliche Einwürfe machen lassen. Der Hauptvortheil des
Lateinschreiben
Lateinschreibens bleibt unstreitig die dadurch beförderte Verbreitung gewisser Ideen und Kenntnisse in fremden Ländern. Wir Deutschen werden immer davon den geringsten Vortheil ziehen, da wir fleißig und gutmüthig genug sind, fast alle Sprachen zu lernen, so daß uns schwerlich irgend etwas Bedeutendes, was im Auslande geschrieben wird, fremd bleibt, indem theils
Uebersetzungen
, theils
literarische Journale
dafür sorgen, es uns mitzutheilen. So machen wir in allen Ländern Europens wissenschaftliche Eroberungen, und erfahren oft gleichzeitig, was in ihnen Neues entdeckt oder geschrieben ist.
Daß aber die Kultur und allgemeine
Aufklärung
Aufklärung einer Nation in eben dem Grade gewinnt, in welchem
ihre eigne Sprache
ausgebildet, und eben sowohl auf wissenschaftliche als auf andere Gegenstände angewendet wird, ist durch die
Geschichte
Geschichte aller Nationen bewiesen. Darum ehren wir ja auch Männer, die, so fähig sie waren,
Latein
zu schreiben, und es auch wirklich häufig thaten, dennoch, wie
Thomasius, Christian
Thomasius
und
Wolff, Christian von
Wolf
, auch über wissenschafliche Gegenstände
deutsch
schrieben, und dadurch der Sprache einen so großen Dienst leisteten.
Der Nachtheil, der aus dem
Popularisiren
Popularisiren gewisser Untersuchungen, welche mit den heiligsten Angelegenheiten der
heil.
Schrift zusammenhängen, entstehen kann, ist wohl schwerlich darauf zu schieben, daß man weniger lateinisch schrieb, sondern mehr auf den Ton, worin man es schreibt. Noch weit mehr aber, weil so vielen die
Gewandtheit
Gewandtheit oder die Schonung fehlt, zu überlegen, ob die freiern Untersuchungen, die sie – gleichviel ob in deutschen, oder lateinischen, oder französischen Büchern gelesen haben, jedermann, auch den Laien und Ungelehrten, ohne alle Vorbereitung mitgetheilt werden sollten.
Endlich dürfte auch nicht zu übersehen seyn, daß bei dem großen Fortschritt in den Wissenschaften, die lateinische, als eine todte Sprache, nicht mehr genügt, um Alles in ihr zu sagen, wenn man recht verstanden seyn will; daß dagegen unsre Sprache auf einer Höhe steht, die mit dem, was sie war, als die Gelehrten fast noch alle Latein schrieben, nicht zu vergleichen ist; daß endlich manche vortreffliche Schriftsteller, selbst große Humanisten – wie
Vossius, Gerardus Joannes
Voß
u. A.
– gerade dieser Fertigkeit entbehren.
Hiermit soll jedoch keineswegs gesagt werden, daß man nachlassen solle, wo möglich alle Studierende zu üben und anzutreiben, sich auch durch Fertigkeit nicht bloß im Lateinlesen, sondern auch im lateinischen Styl zu empfehlen, da diese Uebungen an sich schon mit der Sprache selbst vertrauter machen, wenn auch in späteren Jahren von ihnen selbst gar kein Gebrauch gemacht werden sollte.
A. d. H.
}
Thomasius
Der zunächst in Leipzig und nach einem Vorlesungs- und Veröffentlichungsverbot ab 1690 im preußischen Halle wirkende Christian Thomasius (1655–1728) gehört als Philosoph und Doktor beider Rechte zu den wichtigsten Vertretern der deutschen Frühaufklärung, bleibenden Verdienst hat er sich v.a. durch sein Eintreten für die Abschaffung von Hexenprozessen und der Folter erworben. Unter den mehr als 300 hinterlassenen Werken fällt die große Zahl deutschsprachiger Veröffentlichungen auf. Hervorgehoben seien an dieser Stelle etwa das
Lehrbuch des Naturrechtes
(1687), die
Einleitung zur Hoff-Philosophie
(1688), die
Außübung der Vernunfft-Lehre
(1691), der
Versuch von Wesen des Geistes
(1699) sowie die
Monats-Gespräche
(1688–1690). Daneben hat Thomasius als einer der ersten akademischen Lehrer auch deutschsprachige Vorlesungen angeboten. Durch die Abkehr von der lateinischen und die Hinwendung zur deutschen Sprache – in Leipzig neben anderen Begebenheiten noch als massive Provokation empfunden – gehört Thomasius zu den Wegbereitern der National- als Wissenschaftssprachen.
Wolf
Auch Christian Wolffs Werk zeichnet sich durch die vergleichsweise große Zahl der deutschsprachigen Veröffentlichungen aus. Hervorgehoben seien neben den
Anfangs-Gründe[n] Aller Mathematischen Wissenschafften
(1710) v.a. die unterschiedlichen
Vernünfftige[n] Gedancken
. Die
Natürliche Gottesgelahrheit nach beweisender Lehrart abgefasset
(vgl. I § 201 c) wie auch die
Grundsätze des Natur- und Völckerrechts
(1754) stammen in ihrer deutschen Fassung dagegen nicht von Wolff.
Voß
Gemeint ist der bedeutende niederländische Humanist und Theologe Gerardus Joannes Vossius (1577–1649), der nach dem Studium in Leiden zunächst Rektor an der Dordrechter Lateinschule wurde. Ab 1615 leitete er auf Empfehlung seines Freundes Hugo Grotius das sog.
Staatencollegium
, eine Bildungsanstalt für zukünftige Theologen, musste, als Remonstrant verdächtigt, im Zuge der Synode von Dordrecht jedoch zurücktreten. Den kurz darauf erfolgten Abendmahlsausschluss konnte er 1624 durch ein offizielles Bekenntnis zu den Dordrechter Beschlüssen rückgängig machen, theologische Ämter blieben ihm weiterhin versagt. Bereits 1622 hatte Vossius jedoch eine Professur für Eloquenz und Geschichte in Leiden erhalten und später auch den Griechisch-Lehrstuhl übernommen, 1632 wurde er schließlich Professor für Geschichte am Amsterdamer
Athenaeum
. Zu Vossius' zahlreichen Veröffentlichungen zählen auch Werke zur griechischen und lateinischen Grammatik, die nicht nur in den Niederlanden als Schulbücher Verwendung fanden.
129.
Wer eine gründliche Kenntniß der
lateinischen
lateinischen
und
griechischen
griechischen
Sprache erlangen
wollte, zumahl
will, zumal
wenn er sie
vor sich und
vorzüglich
durch
eignen
eigenen
Fleiß lernen
müßte,
müßte:
würde
muß, wird nun ebenfalls alles
das
stets
, mit allen Einschränkungen und Bestimmungen, vor Augen behalten müssen, was oben (§.
68
–
90
68.
–
90.
) von Erlernung der Sprachen überhaupt gesagt worden ist.
–
In Absicht auf
die
Sprachlehre
Sprachlehre
würde man
wird er
wohl thun, wenn
man
er
sich an
eine
, die beste welche man finden
könnte, gewöhnte; – im
Lateinischen
z. B.
vorzüglich an
Scheller, Immanuel Johann Gerhard
J. J. G. Schellers
kann, zu gewöhnen sucht.
Anm.
Unter den lateinischen Sprachlehren zeichnen sich aus:
J. J. Scheller's
ausführliche lateinische Sprachlehre,
dritte
zweyte
vermehrte Auflage,
Leipz.
1790
1782
in
gr.
8. oder,
für den
noch mehr vor dem
Anfang, an
Desselben
desselben
Leipzig 1790. gr. 8., oder für den Anfang:
Desselben
kurzgefaßte lateinische Sprachlehre,
dritte vermehrte Auflage,
Leipz.
1785
in
1780
Leipzig 1785.
gr.
8.
und besonders um
Um
der sorgfältig
gesammleten Beyspiele
gesammelten Beispiele
willen, aus welchen man lernen
kan, selbst sich
kann, sich selbst
die Regeln
abzuziehn, an
Meierotto, Johann Heinrich Ludwig
J. H. L.
abzuziehen:
J. H. L.
Meierotto
lateinische Grammatik in
Beyspielen
Beispielen
, Berlin
1785
in 2 Theilen in 8; oder an die practische
1785. 2 Theile, 8.
Seyfert, Ernst Joseph Alexander
E. J. A. Seyfert's
auf Geschichte und Kritik gegründete lateinische Sprachlehre, 1798–1802.
, auch abgekürzt 1810.
Ganz vorzüglich
Wenck, Helfrich Bernhard
Wenk's
lateinische Sprachlehre, besonders nach der neuen Bearbeitung von
Grotefend, Georg Friedrich
Grotenfend
. 1816.
Praktische
Grammatik der lateinischen Sprache von
Bröder, Christian Gottlob
C. G. Bröder
,
Leipz. 1787
in
7te
Ausg.
Leipzig 1808
,
gr.
8, verbunden mit dem kurzgefaßten practischen Syntax von
Lehmus, Christian Balthasar
C. B. Lehmus
, Leipz. 1789
in
gr.
8.
8., so wie die
größere
, 1812.
– im
Griechischen
etwa an die
bekannte
Weller, Jacob
Wellerische
oder
Märkische
Grammatik, oder, unter den neuesten, vorzüglich an
Unter den
griechischen
zeichneten sich außer der bekannten
Wellerischen
oder
Märkischen
Grammatik, nach
Bernhardi, August Ferdinand
Bernhardi's
Bearbeitung, neuerlich aus:
Trendelenburg, Johann Georg
J. G. Trendelenburg's
Anfangsgründe der griechischen Sprache, dritte verbesserte
Aufl. 1790
in
Auflage, 1790.
8.
griechische Sprachlehre - - aufgesetzt von
Jehne, Lebrecht Heinrich Samuel
Lebr. Heinr. Sam. Jehne
, Hamburg 1782
in 8.
Buttmann, Philipp
Buttmann's
oft gedruckte größere und kleinere griechische Grammatik, und
Matthiae, August
A. Matthiä
griechische Grammatik, 1808.
, nebst dem Auszug, 1809.
Auch
vergl.
mit
Hermann, Gottfried
E. Hermann
de emendanda ratione graecae grammaticae, 1801.
Wenk's lateinische Sprachlehre, besonders nach der neuen Bearbeitung von Grotenfend. 1816
Gemeint ist die ursprünglich von Helfrich Bernhard Wenck (1739–1803) verfasste zweibändige
Lateinische Sprachlehre oder Grammatik für Schulen
(1791), die in der siebenten Auflage (1814/1816) von Georg Friedrich Grotefend (1775–1853), dem Entzifferer der Keilschrift, umgearbeitet wurde.
Praktische Grammatik der lateinischen Sprache von C. G. Bröder, 7te Ausg. Leipzig 1808, gr. 8., so wie die größere, 1812
Christian Gottlob Bröder (1745–1819) ist der Verfasser zweier häufig aufgelegter lateinischer Schulgrammatiken, die in der ersten Hälfte des 19. Jh.s weit verbreitet waren. Welches Werk hier gemeint sein könnte, ist nicht eindeutig zu klären. Da Bröder keine
Große
oder
Größere
Grammatik verfasst hat, kommen entweder die neunte Auflage (1813) der zuvor genannten
Practische[n] Grammatik
, die sich im Umfang jedoch nur unwesentlich von der siebenten Auflage unterscheidet, oder aber, mit dem Erscheinungsjahr, aber gegen den Titel, die zehnte Auflage der
Kleine[n] lateinische[n] Grammatik mit leichten Lectionen für Anfänger
(1812) in Frage. Dass ein größeres Format gemeint sein könnte, ist unwahrscheinlich.
Wellerische oder Märkische Grammatik
Die sog.
Wellerische Grammatik
geht auf den Wittenberger Professor für orientalische Sprachen und späteren sächsischen Oberhofprediger Jakob Weller von Molsdorf (1602–1664) zurück und ist seit ihrem ersten Erscheinen als
Grammatica graeca nova
(1635) immer wieder bearbeitet worden. Die von Johann Friedrich Fischer besorgte Ausgabe (1756;
2
1781) wurde durch den
Libellus animadversionum
(1750–1752) vorbereitet (vgl. I § 131). Im Hinblick auf die als Gemeinschaftswerk Berliner Schulmänner herausgegebene, ebenfalls mehrfach aufgelegte
Vollständigere Griechische Grammatik. Nach der Lehr-Ordnung der Lateinischen Märkischen Grammatik eingerichtet
(1730), kurz
Märkische Grammatik
genannt und auch in der zweiten Auflage 1737 von Johann Leonhard Frisch (1666–1743) besorgt, wird in der dritten Auflage der
Anweisung
gesondert auf die von August Ferdinand Bernhardi (1769–1820) veranstaltete Bearbeitung
Neue Märkische Griechische Grammatik
(1797) verwiesen. Diese hat Heinrich Christoph Friedrich Hülsemann (1771–1835) mit seiner
Vollständige[n] griechische[n] Sprachlehre
(1802) kurz darauf berichtigt und vermehrt.
Buttmann's oft gedruckte größere und kleinere griechische Grammatik
Für Philipp Karl Buttmanns (1764–1829) im deutschen (und durch Übersetzung auch im englischen) Sprachraum weit verbreitetes grammatisches Standardwerk lassen sich folgende Entwicklungsstufen festhalten: Die zunächst auf Wunsch der Myliusschen Buchhandlung als Begleitung zu Gedikes
Griechische[m] Lesebuch
erarbeitete, jedoch unabhängig edierte
Kurzgefaßte griechische Grammatik
(1792) ist ab der zweiten Auflage vermehrt und umgearbeitet unter dem Titel
Griechische Grammatik
(1799) erschienen. Aus dieser entwickelte sich dann Buttmanns später als
mittlere
Grammatik bezeichnete griechische Stammgrammatik, die insgesamt 22 Auflagen erlebte. Auf Grundlage der sechsten Auflage der Stammgrammatik (1811) erschien als Auszug die
Griechische Schul-Grammatik
(1812), die ihrerseits insgesamt 17 Auflagen erlebte. Buttmanns grammatische Arbeit gipfelte schließlich in der zweibändigen
Ausführliche[n] griechische[n] Sprachlehre
(1819/1825.1827;
2
1830/1839), die die Stamm- zur mittleren Grammatik werden lässt. In der dritten Auflage der
Anweisung
dürfte die Stammgrammatik jedoch noch als
größere
und ihr Vorläufer als
kleinere
Grammatik betrachtet worden sein, allerdings lag als Auszug der Stammgrammatik auch die
Schul-Grammatik
bis zum Erscheinen der dritten Auflage der
Anweisung
bereits in vier Auflagen vor.
A. Matthiä griechische Grammatik, 1808., nebst dem Auszug, 1809
Hier dürfte es sich um fehlerhafte Jahreszahlen handeln. In der Vorrede seiner
Griechische[n] Grammatik zum Schulgebrauch
(1808) bezeichnet August Matthiae (1769–1835) diese als Auszug aus seiner ein Jahr zuvor erschienenen
Ausführliche[n] griechische[n] Grammatik
(1807). In der Vorrede hatte Matthiae hier einen Auszug für den Schulgebrauch angekündigt.
E. Hermann de emendanda ratione graecae grammaticae, 1801
Der Name des Autors lautet Gottfried Hermann (1772–1848).
130.
Die feinere Kenntniß der
lateinisch
lateinischen
Sprache, ihres innern Baues und der Gründe, worauf er beruht,
könnte
hat
man sich
hernach
sodann
durch die sorgfältige Beobachtung
bey
bei
Lesung der lateinischen Schriftsteller, und durch solche Bücher bekannt
zu
machen, welche das
Eigne
Eigene
dieser Sprache, oft auch dessen Gründe,
erklären,
erklären;
oder auf gewöhnliche Fehler
unsre
unsere
Aufmerksamkeit lenken
aufmerksam machen
.
Hieher
Anm.
Dahin
gehören
Cellarius, Christoph
Christoph.
Christoph
Cellarii
Orthographia
latina - -
latina –
obss.
Longolius, Paul Daniel
Longolii
,
Heumann, Christoph August
Heumanni
,
Heusinger, Johann Michael
Heusingeri
,
Schurzfleisch, Konrad Samuel
Schurtzfleischii
suisque auxit et
Corte, Gottlieb
Cortii
disputationes de usu orthographiae cum orthographia
Norisiana
typis
repetendas
repetendas,
curavit
Harless, Adolf Gottlieb Christoph
Theoph.
Christoph
Christoph.
Harles
,
Tom
.
Tom.
I. et II. Altenburgi
1768
1768.
8.
–
Valla, Laurentius
Laurentii Vallensis
libri elegantiarum sex, öfters aufgelegt
z. B.
Colon.
1522
1522.
4. und in seinen Operibus.
Linacre, Thomas
Thom. Linacri
de emendata structura latini sermonis libri VI. oft
aufgelegt
aufgelegt,
z. B.
Lips.
1556
in
1556.
8.
und einige
andre
andere
Schriften, die in
Ketel, Richard
Rich. Ketelii
de elegantiori latinitate comparanda
Scriptoribus
scriptoribus
selectis, Amst.
1713
in
1713.
4. gesammlet sind.
Ferner:
Tursellini, Horatio
Horat. Tursellini
de particulis lat. orationis
libellus
libellus,
post curas
Thomasius, Jacob
Jac.
Iac.
Thomasii
et
Schwartz, Johann Conrad
Jo.
Io.
Conr. Schwartzii
denuo recognitus et auctus, Lips. 1769.
8.
und
Schütz, Christian Gottfried
Christ.
Gottf.
Godofr.
Schütz
(noch nicht fortgesetzte) Doctrina particularum lat. linguae, Dessav.
1784
in
1784.
gr.
8.
; auch die
Abhandlung über die lateinischen
Ellipsen
Ellipsen,
von
Lindner, Johann Gottlieb
Joh. Gottlieb
Lindnern
Lindner
, Frankfurt
1780
in
1780.
8.
–
Scioppius, Gasparus, s. Schoppe, Caspar
Schoppe, Caspar
Gasp. Scioppii
Grammatica philosophica, nach
Herzog, Johann Christian
J. C.
Herzogs
Ausgabe
Herzog's
Ausgabe,
August. Vindel.
1712
in 8, und
1712. 8.
Sanctius, Franciscus
Franc. Sanctii
Minerua
Minerva
s. de caussis lat. linguae liber, cui inserta sunt – quae addidit
Scioppius, Gasparus, s. Schoppe, Caspar
Schoppe, Caspar
Gasp. Scioppius
et
subjectae
subiectae
notae
Perizonius, Jacobus
Jac.
Jac
.
Iac.
Perizonii
,
Edit.
4. Amstel.
1714
in
1714.
gr.
8.
–
und
Nolte, Johann Friedrich
Jo.
Io.
Frid. Noltenii
Lexicon latinae linguae antibarbarum, der vermehrten
Ausgabe
Ausgabe,
Helmst.
1744 in
1744.
gr.
8., Tomus
poster.
Lips.
1768
, (zusammen
1768., zusammen
wieder unter der Jahrzahl
1780
);
1780.
1768;
wiewohl
Doch kann
man die meisten zuerst
angegebnen
angegebenen
entbehren
kan
kann
, wenn man entweder ein so vollständiges Buch
hat
besitzt
, wie die vorhin erwähnte
Scheller, Immanuel Johann Gerhard
Schellerische
Schellersche
ausführliche lateinische
Sprachlehre
ist, oder wenn man sich nicht vorzüglich auf das Lateinische legen will
Sprachlehre
, und dessen Praecepta stili bene latini, 2
Tom.
1797.
, oder wenn tieferes Studium des Lateinischen nicht Hauptzweck ist
.
131.
Eben so
werden
wird
bey
Bei
der
griechisch
griechischen
Sprache der
Sprache, wenn man ihren eigenthümlichen Geist und ihre Feinheiten auffassen will, bedarf es ebenfalls, neben der eignen Beobachtung, des Gebrauchs der schon vorhandenen Hülfsmittel.
Anm.
Zu diesen gehören:
Libellus
animaduersionum
animadversionum
quibus
Weller, Jacob
Jac.
Iac.
Velleri
Grammatica graeca emendatur, suppletur, illu stratur, auctore
Fischer, Johann Friedrich
Joh.
Ioh.
Frider. Fischero
, Lips.
1750–52
1750–52.
in 3
Abtheilungen in 8.;
Abtheilungen, 8.
Viger, François
Franc. Vigeri
de praecipuis graecae dictionis idiotismis liber, cum
animaduerss.
animadverss.
Hoogeveen, Hendrik
Henr. Hoogeveeni
, qui bus
et suas adiunxit
adiunxit et suas
Zeune, Johann Karl
Jo.
Io.
Carol. Zeunius
,
neueste verbesserte
Ausgabe Leipz. 1789
in
gr.
8. –
Ausgabe, Leipzig 1789. gr. 8.
Lips. 1777.
in 8. –
Hoogeveen, Hendrik
Henr. Hoogeveen
doctrina particularum graecarum recens.
breuiauit
breviavit
et auxit
Schütz, Christian Gottfried
Christ. Godofr. Schütz
, Dessav.
1782
in
1782.
gr.
8.
–
Devarius, Matthaeus
M. Devarii
liber de graecae linguae particulis, ed.
Reusman
1793.
8.
Bos, Lambert
Lamb. Bos
Ellipses graecae, öfters aufgelegt, sonderlich mit mehrerer Gelehrten Anmerkungen in
Schwebel, Nicolaus
Jo.
Nic.
Nic
.
Schwebelii
Ausgabe Norib. 1763
gr.
8. –
Schäfer, Gottfried Heinrich
G. H. Schäfer
Ausgabe, Lips. 1808.
8.
Weiske, Benjamin
Benj. Weiske
Pleonasmi graeci. 1807.
8.
Graecae linguae
dialecti - -
dialecti –
recognitae opera
Maittaire, Michael
Mich. Maittaire
,
nach
Reitz, Johan Frederik
Jo.
post
Io.
Frider.
Reitzii
Ausgabe Hag. Com. 1738
in
Reitzium
, ed.
Sturz, Friedrich Wilhelm
W. Sturz
, 1807.
gr.
8. oder in dessen
Ermanglung
Ermangelung,
das
Compendium dialectorum graecarum,
concinnauit
Facius, Johann Friedrich
J. J.
concinnavit
I. I.
Facius
, Norib. 1782.
8.
von
großem
grossen
Nutzen seyn.
Compendium dialectorum graecarum, concinnauit J. J. Facius
Der Name des Autors lautet Johann Friedrich Facius (1751–1825).
132.
Zur Kenntniß des
lateinisch
lateinischen
Sprachgebrauch
Sprachgebrauchs
übertrift unter den
größern
grössern
Wörterbücher
Wörterbüchern der
Nonus
Nouus
Die vollständigste Kenntniß der lateinischen Sprache und des Sprachgebrauches läßt sich von den großen
lexicographischen
Arbeiten erwarten, welche dem eigentlichen Philologen ganz unentbehrlich sind, indeß dem Anfänger, und für den gewöhnlichen Gebrauch, allerdings auch die kleineren genügen, und welche bei dem fortgehenden Fleiß der
Humanisten
Humanisten noch immer an Gehalt und Zuverlässigkeit gewinnen.
Anm.
Zu den größeren Wörterbüchern gehören:
Novus
linguae et eruditionis Romanae
thesaurus
thesaurus,
post
Stephanus, s. Estienne, Robertus
Estienne, Robertus
Ro.
Rob.
Stephani
et aliorum
curas - -
curas –
locupletatus a
Gesner, Johann Matthias
Jo.
Io.
Matthia
Gesnero
,
Gesnero
.
Lips.
1749
in
1749.
4
Tomis in
fol.
und unter den kleinern
Scheller, Immanuel Johann Gerhard
Schellers
Ausführliches
ausführliches
Tomi, fol.
Forcellini, Egidio
Forcellini
Lexicon totius latinitatis.
T.
I–IV. Patav. 1771.
Scheller's
ausführliches
lateinisches Lexicon,
lateinisch-teutscher Theil,
zweyte
Aufl.
Leipz.
1788
1783
in
gr.
8., die übrigen bey weiten;
7 Bände, 3te Aufl., Leipzig 1804.
8.,
womit
Popma, Ausonius van
Ausonii Popmae
de differentiis verborum itemque de
vsu
usu
antiquae lectionis libri retractati ab
Messerschmid, Johann Christian
Jo.
Io.
Christ. Messerschmid
, Dresdae
1769
in
1769.
8. und
Reitz, Johan Frederik
Jo.
Io.
Frid. Reitzius
de ambiguis, mediis et contrariis, Traj. ad Rhen.
1736
in
1736.
8. nützlich verbunden werden
könnten
könten
.
Ueber die
Latinität
Latinität der
mitlern
mittlern
Zeiten
ist für
den
dem
, der
lieferte
Du Cange, Charles du Fresne
Dufresne
und
Carpentier, Pierre
Carpentier
große
grosse
Glossarien nicht brauchen kan oder mag,
(
Adelung, Johann Christoph
Jo.
Glossarien.
Ein Auszug davon ist:
(
Joh.
Christoph
Adelungs
Adelung's
) Glossarium manuale ad scriptores mediae et infimae latinitatis, Halae
1771–84
1772–84
in 6 Tomis in
gr.
8. hinlänglich.
1771–84. 6 Tomi, 8.
Zu den kleineren Wörterbüchern gehören:
Matthiae, Georg
G. Matthiae
nov. locupl. Lexicon lat.-germ. e. g. lat., Halae 1775.
8.
Scheller, Immanuel Johann Gerhard
J. C. Scheller's
Handlexicon, nach dem Auszuge von
Lünemann, Georg Heinrich
G. H. Lünemann
, 3 Bände, 1807.
gr.
8.
Bauer, Karl Ludwig
L. C. Bauer's
deutsch-lateinisches Lexicon, 3te Auflage, 1806.
8.
Hiermit sind auch die Schriftsteller zu vergleichen, welche die lateinische Synonymik bearbeitet haben, namentlich:
Gardin du Mesnil, Jean-Baptiste
Gardin Dumesnils
Versuch einer allgemeinen lateinischen Synonymik, aus dem Französischen; bearbeitet von
Ernesti, Johann Christian Gottlieb
J. C. H. Ernesti
, 3 Theile, Leipzig 1799–1800.
8.
Scheller's ausführliches lateinisches Lexicon, 7 Bände, 3te Aufl., Leipzig 1804
Immanuel Johann Gerhard Schellers (1735–1803)
Ausführliches und möglichst vollständiges lateinisch-deutsches Lexicon
umfasst in der dritten Auflage (1804) nur fünf Bände.
Dufresne und Carpentier große Glossarien
Gemeint ist Charles du Fresne du Canges (1610–1688) dreibändiges
Glossarium ad scriptores mediae et infimae latinitatis
(1678) (später nur noch
Glossarium mediae et infimae latinitatis
), das in ständiger Erweiterung als Standardnachschlagewerk noch heute unentbehrlich ist. Von diesem Werk besorgte der später säkularisierte Benediktiner Pierre Carpentier (1697–1767) gemeinsam mit anderen Gelehrten seines Ordens eine sechsbändige Neuausgabe (1733–1736), der er mit dem
Glossarium novum
(1766) vier Supplementbände folgen ließ. Erwähnt sei, dass du Cange zudem auch das zweibändige
Glossarium ad scriptores mediae et infimae graecitatis
(1688) verfasst hat (vgl. I § 134).
(Jo. Christoph Adelungs) Glossarium manuale ad scriptores mediae et infimae latinitatis, Halae 1771–84
Wie in der ersten Auflage der
Anweisung
richtig bibliographiert, ist der erste Band 1772 erschienen.
G. Matthiae nov. locupl. Lexicon lat.-germ. e. g. lat., Halae 1775
Gemeint ist die vierte Auflage des von dem Mediziner und Bibliothekar Georg Matthiae (1708–1773) besorgten
Novum locupletissimum manuale Lexicon Latino-Germanicum et Germanico-Latinum
(1775).
J. C. Scheller's Handlexicon, nach dem Auszuge von G. H. Lünemann, 3 Bände, 1807
Gemeint ist Immanuel Johann Gerhard Schellers (1735–1803) zweiteiliges
Lateinisch-deutsches und deutsch-lateinisches Handlexicon vornehmlich für Schulen
, das in der hier bibliographierten vierten und nach neuer Zählung ersten Auflage (1807) von Georg Heinrich Lünemann (1780–1830) bearbeitet wurde. Da der erste Teil in zwei Bände zerfällt, wird hier von insgesamt drei Bänden gesprochen.
L. C. Bauer's deutsch-lateinisches Lexicon, 3te Auflage, 1806
Bei dem Autor dieses Werks handelt es sich um den Ernesti-Schüler Karl (Carl) Ludwig Bauer (1730–1799). Die nach Bauers Tod erschienene dritte Auflage dieses lange Zeit unübertroffenen Lexikons ist ein unveränderter Abdruck der zweiten Auflage (1798).
Gardin Dumesnils Versuch einer allgemeinen lateinischen Synonymik, aus dem Französischen; bearbeitet von J. C. H. Ernesti, 3 Theile, Leipzig 1799–1800
Der Bearbeiter und Übersetzer von Jean-Baptiste Gardin du Mesnils (1720–1802) mehrfach aufgelegtem Standardwerk
Synonymes latins
(1777) ist Johann Christian Gottlieb Ernesti (1756–1802).
133.
Unter den
größern
grössern
Wörterbücher
Wörterbüchern über die
griechisch
griechische
Sprache ist der
Was von den lateinischen Wörterbüchern (
130.
) gesagt ist, gilt ebenfalls von den
griechischen
. Auch hier fehlt es eben so wenig an vortrefflichen Vorarbeiten.
Anm.
Unter ihnen bleibt bei weitem das wichtigste:
Thesaurus graecae linguae ab
Stephanus, s. Estienne, Henricus
Estienne, Henricus
Henr. Stephano
constructus,
1572
in 4 Tomis
1572. 4 Tomi,
fol.
nebst einem besondern Band, der den Appendix enthält,
noch immer das Hauptwerk, so wie unter
und von dem
itzt in England eine neue Ausgabe veranstaltet wird.
Unter
den
kleinern
kleineren
das
Graecum Lexicon
manuale - -
manuale –
a
Hederich, Benjamin
Beni.
Benj.
Hederico
institutum - -
institutum –
locupletatum
et -
et –
emendatum cura
Ernesti, Johann August
Jo.
Io.
Aug. Ernesti
,
neue verbesserte
Aufl.
Auflage,
von
Wendler, Carl Christian
C. Chr.
Wendler
Leipz. 1788
in
Wendler
, Leipzig 1788.
Lips. 1767
in
gr.
8.
bis jetzt das einzige recht brauchbare ist.
Schneider, Johann Gottlob
J. G. Schneider's
kritisch griechisch-deutsches Handwörterbuch, 2 Bände, Jena und Leipzig 1805.
4.
Riemer, Friedrich Wilhelm
F. M. Riemer's
griechisch-deutsches Handwörterbuch, 2 Bände, ebendaselbst 1815.
16.
gr.
8.
Reichenbach, Johann Friedrich Jacob
J. F. J. Reichenbach's
allgemeines griechisch-deutsches Handwörterbuch zum Schulgebrauch, 2 Bände, Leipzig 1801.
2.
itzt in England eine neue Ausgabe veranstaltet wird
Gemeint ist die gegenüber dem vierbändigen Original erweiterte
editio nova auctior et emendatior
(London 1816–1828). Aufgrund von elementaren Mängeln wurde der
Thesaurus graecae linguae
kurz darauf jedoch in Frankreich erneut aufgelegt (Paris 1831–1865).
J. G. Schneider's kritisch griechisch-deutsches Handwörterbuch, 2 Bände, Jena und Leipzig 1805
Die erste Auflage von Johann Gottlob Schneiders (1750–1822) bedeutendem zweibändigen Wörterbuch trägt den Titel
Kritisches griechisch-deutsches Handwörterbuch
(1797/1798), die zweite Auflage ist unter dem Titel
Kritisches griechisch-deutsches Wörterbuch
(1805/1806) erschienen.
F. M. Riemer's griechisch-deutsches Handwörterbuch, 2 Bände, ebendaselbst 1815. 16
Es handelt sich hier um die zweite, neu bearbeitete und sehr vermehrte Auflage des zweibändigen
Kleine[n] Griechisch-Deutsche[n] Hand-Wörterbuch[es]. Zum Besten der Anfänger ausgearbeitet
(1815/1816) von Friedrich Wilhelm Riemer (1774–1845), das als Auszug aus dem zuvor genannten
Kritische[n] Wörterbuch
Johann Gottlob Schneiders abgefasst ist.
J. F. J. Reichenbach's allgemeines griechisch-deutsches Handwörterbuch zum Schulgebrauch, 2 Bände, Leipzig 1801
Dem in zwei Bände (1801/1802) zerfallenden griechisch-deutschen Teil seines
Allgemeine[n] Griechisch-Deutsche[n] und Deutsch-Griechische[n] Handwörterbuch[es] zum Schulgebrauche
ließ Johann Friedrich Jacob Reichenbach (1760–1839) erst 1818 einen deutsch-griechischen Teil folgen.
C. Chr. Wendler
Hier handelt es sich um den ansonsten nicht weiter hervorgetretenen Carl Christian Wendler (1741–1804), der sich als Ernesti-Schüler insbesondere auf die klassische Philologie verlegte. Nach dem Studium war er als Mitarbeiter des beliebten Leipziger Geistlichen Johann Adolph Scharf (1724–1791) und als Hauslehrer tätig. Obwohl Wendler nie ein öffentliches Amt bekleidete, genoss er unter Gelehrten hohes Ansehen und war als Bearbeiter des
Graecum Lexicon Manuale
durchaus bekannt.
134.
Was diesen abgeht,
kan
kann
man
ergänzen,
ergänzen
und überhaupt die Kenntniß des
griechisch
griechischen und
lateinisch
lateinischen
Sprachgebrauch
Sprachgebrauchs sehr
erweitern –
erweitern:
entweder
aus denen, die das besondern
Dialekte
Dialekten
Eigne
eigne
Eigene
erläutert haben,
dergleichen das schätzbare Dictionarium Doricum
und das Dictionarium
Jonicum
Donicum
, beyde von
Portus, Aemilius
Aemil. Porto
, Francf. 1603 in
gr.
8. gedruckt, und Ebendesselben Lexicon Pindaricum, Hanoviae 1606
in 8. ist –
oder
aus den sogenannten
Auctoribus linguae latinae und den verschiedenen lateinischen und griechischen Scholiasten, Glossariis und Lexicis,
–
oder
aus den Anmerkungen gelehrter Männer zu gedachten äl tern Wörterbüchern,
den
Hesychius
Hesychius
,
Pollux (Polydeukes)
Pollux
,
Ammonius
Ammonius
,
Harpokration
Harpokration
,
Timaeus
Timäus
,
Thomas Magister
Thomas Magister
,
Moeris
Moeris
dem
Hesychius
,
Pollux
,
Ammonius
,
Harpokration
,
Timäus
,
Thomas Magister
,
Moeris
und andern, oder ihren Anmerkungen und erklärenden Indicibus, die den besten Hand- und andern Ausgaben angehängt
sind,
sind
–
oder
aus den gelehrten Erläuterungen
einzelner
einzler
Stellen alter
Schriftsteller, wovon unter andern der
Catalogus
Bibliothecae
bibliothecae
Bunavianae
Tom.
I.
p.
1873
sq.
ein zahlreiches
Schriftsteller.
Anm.
Ein zahlreiches,
obgleich noch vieler Ergänzungen bedürftiges
Verzeichniß
enthält
enthält.
–
Verzeichniß, enthält der Catalogus Bibliothecae Bunavianae,
Tom.
I.
p.
1873.
sq.
Du Cange, Charles du Fresne
Carol. du Fresne
Glossarium ad Scriptores med. et infimae Graecitatis, Lugd.
1688
1688.
in 2 Folianten, ist zur Kenntniß des
spätern Griechischen
spätern Griechischen
unentbehrlich.
Auctoribus linguae latinae
Gemeint ist die von dem französischen Juristen Denis Godefroy (Dionysius Gothofredus) (1549–1622) besorgte, mehrfach aufgelegte Sammlung
Auctores Latinae Linguae in unum redacti corpus
(1585), in der mit Varro, Marcus Verrius Flaccus, seinem Bearbeiter Sextus Pompeius Festus u.a. für die lateinische Sprache bedeutende Grammatiker zusammengestellt sind. Von vergleichbarer Anlage, aber um einiges reicher sind die
Grammaticae Latinae auctores antiqui
(1605) des früh verstorbenen Scaliger-Schülers Helias Putschen (1580–1606).
Hesychius
Hinter diesem Namen verbirgt sich das (noch vor der
Suda
) umfangreichste erhaltene Lexikon der byzantinischen Zeit. Sein spätantiker Verfasser Hesychius von Alexandrien betont, er habe auf bereits vorliegendes Material (v.a. die
Περιεργοπένητες
des Diogenianos) zurückgegriffen und dieses um eigene Beiträge ergänzt. Das Lexikon besteht überwiegend aus knappen Glossen, die gelegentlich mit Zitaten aus antiken Autoren, der Bibel und den Kirchenvätern angereichert sind, auffällig ist der vergleichsweise hohe Grad an alphabetischer Ordnung.
Pollux
Der auch unter seinem lateinischen Namen Julius Pollux bekannte, aus dem ägyptischen Naukratis stammende Julios Polydeukes (2./3. Jh.) ist der Verfasser des sog.
Onomastikons
. Dieses nach Sachgruppen gegliederte Werk wird, da es neben der Philologie im engeren Sinne auch weitreichende kulturgeschichtliche Informationen bereithält, als Mischlexikon
sui generis
bezeichnet.
Ammonius
Unter diesem erst im 15. Jh. auftretenden Namen ist das bekannteste Synonymenlexikon der byzantinischen Zeit,
Περὶ ὁμοίων καὶ διαφόρων λέξεων
(
De adfinium vocabulorum differentia
), überliefert. Enthalten sind über 500, nach den ersten beiden Buchstaben alphabetisierte Bedeutungsunterscheidungen gleich oder ähnlich klingender Wörter, die in großer Zahl auch literarisch, aber nicht rein attisch belegt werden (v.a. Homer). Die vormals angenommene Identifizierung seines Autors mit dem als Lehrer des Kirchenhistorikers Sokrates bekannten Grammatiker Ammonius (4. Jh.) wird heute abgelehnt, der Ursprung des Werkes auf den ebenfalls als Verfasser eines Synonymenlexikons hervorgetretenen Grammatiker Herennios Philon (1./2. Jh.) zurückgeführt.
Harpokration
Mit dem Namen des alexandrinischen Grammatikers Valerius Harpokration (wohl 2. Jh.) verbindet sich (neben der nicht erhaltenen
Sammlung „blühender“ Ausdrücke
[
Ἀνθηρῶν συναγωγή
]) das in zwei Bearbeitungen überlieferte
Lexikon zu den zehn Rednern
(
Λέξεις τῶν δέκα ῥητόρων
), das in vergleichsweise strenger alphabetischer Ordnung die Glossen der zehn attischen Redner nebst ausführlichen Erklärungen und Belegen aus anderen Autoren bietet. Erwähnt sei, dass die Antike zudem einen platonischen Philosophen mit Namen Harpokration kennt, der als Platon-Kommentator und Verfasser eines Platon-Lexikons hervorgetreten ist. Ein weiterer, mit Astrologie, Magie u.Ä. befasster Autor desselben Namens ist an dieser Stelle auszuschließen.
Timäus
Der den Beinamen
der Sophist
tragende Timaeus ist der biographisch kaum greifbare Verfasser eines in nur einer Handschrift überlieferten, stark interpolierten Speziallexikons zu Platon (Datierung zwischen dem 1. und 4. Jh.), das von späteren Scholiasten benutzt und in verschiedenen byzantinischen Lexika verarbeitet wurde. Die erste vollständige Ausgabe (Leiden 1754;
2
1789) dieses lange verschollen geglaubten Lexikons stammt von dem berühmten Leidener Philologen David Ruhnken.
Thomas Magister
Der aus Thessalonike stammende, auch unter seinem Mönchsnamen Theodulos bekannte Thomas Magister (ca. 1275–1350) gehört zu den bedeutendsten Philologen der Palaiologenzeit. Hier ist an sein Hauptwerk, die
Ἐκλογὴ ὀνομάτων καὶ ῥημάτων ἀττικῶν
, gedacht. In der Ausarbeitung dieses von nachfolgenden byzantinischen Gelehrtengenerationen vielbenutzten, nach dem ersten Buchstaben alphabetisierten attizistischen Lexikons greift Thomas häufig auf philologisch-lexikographische Vorarbeiten zurück, hinzu kommen jedoch auch zahlreiche Glossen aus eigener Klassikerlektüre.
Moeris
Das über 900 Glossen umfassende, alphabetisch geordnete Lexikon des griechischen Grammatikers und Lexikographen Moeris (Moiris) (2./3. Jh.) diente vornehmlich als Hilfsmittel für den korrekten Gebrauch des Attischen. Auch wenn dieses Schema nicht völlig durchgehalten wird, sind hier attische Begriffe (v.a. aus Platon, Thukydides, Xenophon, Aristophanes und den zehn Rednern) nichtattischen Begriffen (v.a. aus Phrynichos, Pausanias und Ailios Dionysios) gegenübergestellt.
Catalogus Bibliothecae Bunavianae Tom. I. p. 1873 sq.
Der dreiteilige bzw. siebenbändige, infolge des Siebenjährigen Krieges (1756–1763) unvollendet gebliebene
Catalogus Bibliothecae Bunavianae
(1750–1756) ist die Hauptleistung Johann Michael Franckes (1717–1775), der ab 1740 die Privatbibliothek Heinrich Graf von Bünaus (1697–1762) leitete und erfasste. Dabei wurden die Fakultätswissenschaften kleinstteilig untergliedert und auch in Zeitschriften und Sammelwerken veröffentlichte Aufsätze aufgenommen, anonyme und pseudonyme Verfasser ermittelt, auf Übersetzungen und Kommentare verwiesen und anzuschaffende Titel vermerkt. Aufgrund der Zuverlässigkeit und Vollständigkeit der Angaben galt Franckes Katalog, wie auch die Bünau'sche Bibliothek selbst, als musterhaft. Nachdem die 42.000 Bände umfassende Sammlung 1764 für die kurfürstliche Bibliothek in Dresden angekauft worden war, legte Francke sie hier mit anderen Bibliotheksbeständen zusammen und machte Dresden zu einem der bedeutendsten Bibliotheksstandorte Europas. Die hier angegebenen Seiten befinden sich im dritten Band des ersten Teils (1752).
135.
Wie
die alten
Schriftsteller
Schriftsteller, und mit welcher Rücksicht, sie gelesen werden
müssen?
müssen:
dies
kan
kann
schon aus den obigen allgemeinen Erinnerungen (§.
72
–
86
72.
–
86.
) abgenommen werden. Hier noch einige allgemeine Vorschläge,
die
welche
diese
griechische
griechischen
und
lateinische
lateinischen
Schriftsteller
insbesondre
insbesondere
angehen.
– –
Zuerst
müßte man sich eine vorläufige Kenntniß von ihnen und ihren Schriften, von den brauchbarsten
Ausgaben
Ausgaben, und von den Sachen erwerben, auf die sie sich beziehen, ohne welche man wenigstens
bey
bei
ihrer Lesung gar nicht fortkommen
kan. –
kann.
Anm.
Ueber diese Schriftsteller selbst, ihre Umstände und Schriften hat man bis jetzt noch kein ausführlicheres
Werk
Werk,
als
Fabricius, Johann Albert
Jo.
Io.
Alb. Fabricii
Bibliothecam
bibliothecam
latinam,
Edit.
5.
5.,
Hamburgi
1721
1721.
und
22
22.
in
drey
drei
Octavbänden,
Octavbänden
und, zwar etwas verkürzt, aber besser geordnet und vermehrt von
Ernesti, Johann August
Joh. Aug. Ernesti
,
Leipz. 1773
Leipzig 1773.
und
74
74.
in
drey
drei
Tomm.
gr.
8., nebst
Fabricius, Johann Albert
Fabricii
Bibliotheca
bibliotheca
graeca, Hamb.
1705–28
1705–28.
in 14
Quartbänden, wovon seit
1790
1790–1809
eine 4te ungemein vermehrte Ausgabe durch
Harless, Adolf Gottlieb Christoph
Gottlieb Christoph Harles
Veranstaltung in
gr.
4 erscheint. Doch sind
4. erschienen ist.
Zu den besten Handbüchern gehören:
Quartbänden. Doch ist
Harless, Adolf Gottlieb Christoph
Theoph.
Christoph.
Christoph
Harles
(noch nicht vollendete)
Introductio
introductio
in notitiam litteraturae Romanae inprimis
Scriptorum
scriptorum
latinorum, Nori berg.
1781
1781.
in
zwey Theilen in
zwei Theilen,
gr.
8., dessen
Breuior
Brevior
notitia litteraturae Romanae
etc.
etc.,
Lips.
1789
in 8., so wie
1789. 8.
Ebendesselben Introductio
8. und Desselben introductio
in historiam linguae graecae,
Ed.
4.
Altenburg.
1778.
8., besser angelegt, mit besserer Wahl gemacht, zweckmäßig
vollständiger,
vollständiger
und überhaupt
die besten
Handbücher
Handbücher, die
das beste doppelte Handbuch, das
wir
bis jetzt
darüber haben.
1792–95.
2
Vol.
8.
Fuhrmann, Wilhelm David
W. v. Fuhrmann's
Handbuch der classischen Literatur, oder Anleitung zur Kenntniß der griechischen und römischen Schriftsteller der besten Ausgaben, 4 Bände, Rudolstadt 1804–10.
Ebendesselben Introductio in historiam linguae graecae, Altenburg. 1778
Bei der in der dritten Auflage der
Anweisung
nachgetragenen Ausgabe (1792–1795) handelt es sich um die zweite Auflage (
editio altera emendatior et auctior
).
136.
Aus diesen
Büchern kan
literarischen Schriften kann
man auch
einigermaßen
einigermassen
die besten
Ausgaben
Ausgaben
solcher alten Schriften
der klassischen Schriftsteller
kennen lernen. Der wahre Werth
dieser Ausgaben hängt,
derselben hängt
entweder von der Lauterkeit und Richtigkeit des Textes, oder von der
Zweckmäßigkeit
Zweckmäßigkeit der Anmerkungen,
d. i.
davon ab, ob sie gerade so viel enthalten, als nöthig ist, den Autor durchaus zu verstehen.
Denn,
Denn
wer die Absicht
hat
hat,
einen alten Schriftsteller zu
lesen:
lesen,
der muß
ihn
, und er muß
ihn
verstehen
verstehen
verstehen
lernen wollen; er muß also
wünschen
wünschen,
durch den, der ihn
dabey
dabei
leiten will, zur Erreichung seiner Absicht,
unterhalten,
unterhalten
und nicht zerstreuet zu werden; er wird selbst deswegen wünschen, so viel selbst zu thun, als er ohne Anderer Hülfe thun
kan
kann
. Folglich sind,
zu seiner Absicht
, alle
Erläuterungen
Erläuterungen von Wörtern und Sachen unnütz,
unzulänglich,
unzulänglich
oder gar hinderlich, die seinen
Schriftsteller
Schriftsteller,
oder die Stellen, die er lieset, nicht angehen; die
bloß
der
Zweck
Zwecke
der Herausgeber sind,
so wie
dagegen
der alte Schriftsteller
selbst
nur
das
Mittel
,
Mittel
jene gelegentlich und mit
mehrern
mehrerm
Anstand unter die Leute zu bringen; die wenigstens die Aufmerksamkeit zu lange auf andere Sachen, als auf den Sinn des Schriftstellers, ziehen; die gemeinbekannte Sachen enthalten, welche
der, wer
jeder, der
einen gewissen Autor lieset, schon
weiß,
weiß
oder billig wissen muß; die nur einige Schwierigkeiten
auflösen
ergründen
,
welche
welchen
gerade der
Commentator
Commentator wegzuräumen vermochte; und die, anstatt bloß Winke zu geben, um dem Leser auf die Spur zu helfen, durch Anmerkungen zu Bildung des Verstandes, des Geschmacks und Herzens, den Autor selbst dem Leser aus dem Gesicht rücken. Mögen alle solche Commentare
in
andrer
anderer
Absicht
noch so nützlich
seyn:
seyn,
so scheinen zu
der
hier
gemeinten
dieser
diejenigen Handausgaben die besten, welche einen genau geläuterten Text und so viele, auch nur so weit ausgeführte, Anmerkungen enthalten, als die
Aufklärung
Aufklärung des Sinnes, in Absicht auf Wörter und Sachen, nothwendig erfordert,
ohngefähr
ungefähr
so,
so
wie wir sie, mehr oder minder,
namentlich
von
einigen neuern Deutschen
mehreren ausgezeichneten deutschen Philologen
, einem
Gesner, Johann Matthias
Gesner
,
Ernesti, Johann August
Ernesti
,
Fischer, Johann Friedrich
Fischer
,
Heyne, Christian Gottlob
Heyne
,
Morus, Samuel Friedrich Nathanael
Morus
,
Wolf, Friedrich August
Wolf
und einigen wenigen Andern
erhalten
haben.
Gesner
Der Philologe, Pädagoge und Bibliothekar Johann Matthias Gesner (1691–1761) übernahm nach dem Studium in Jena (v.a. bei Buddeus) und Anstellungen im Schuldienst in Weimar, Ansbach und schließlich als Rektor der Thomasschule in Leipzig im Rahmen der Universitätsgründung 1734 eine Professur für Poesie und Rhetorik in Göttingen und wurde zugleich Direktor der dortigen Universitätsbibliothek. Ein besonderes Anliegen Gesners bestand in der Verbesserung des altsprachlichen Unterrichts, das etwa in der Gründung des philologischen Seminars, nicht zuletzt aber auch in den von ihm besorgten Textausgaben zum Ausdruck kam. Im Hinblick auf die an dieser Stelle anvisierten Handausgaben sind v.a. die
Scriptores rei rusticae
(1735),
Quintilian
(1738),
Plinius d. J.
(1739) und
Claudian
(1759) zu nennen, bei der bereits zuvor angeführten Ausgabe des
Livius
(1735) (vgl. I § 86) handelt es sich um einen Abdruck der Ausgabe Le Clercs.
Ernesti
Der in Leipzig wie Gesner zunächst als Rektor der Thomasschule wirkende Johann August Ernesti (1707–1781) gehört zu den wichtigsten Vertretern der deutschen Aufklärungstheologie und hat ein umfangreiches theologisches (vgl. v.a. II § 51) und philologisches (v.a. Klassikereditionen) Gesamtwerk hinterlassen. Unter den Lateinern sind v.a.
Cicero
(1737–1739) mit dem dazugehörigen
Clavis Ciceroniana
(1739) sowie
Sueton
(1748) und
Tacitus
(1752) und unter den Griechen
Xenophon
(1737),
Aristophanes
(1753),
Homer
(1759–1764),
Kallimachus
(1761) und
Polybius
(1764) (vgl. I § 145) zu nennen. Zudem hat Johann August Ernesti auch Vorreden zu Textausgaben (vgl. etwa I § 86) verfasst. Nicht auszuschließen sind an dieser Stelle jedoch zwei weitere Personen: 1.) Johann Christian Gottlieb Ernesti (1756–1802), seit 1782 außerordentlicher Professor in Leipzig und wenige Monate vor seinem Tod ebenda auf eine ordentliche Professur für Eloquenz berufen, ist nach dem Studium bei seinem berühmten Onkel Johann August Ernesti vor allem als Philologe hervorgetreten und hat u.a.
Aesop
(1781) sowie nach dem Erscheinen der Erstauflage der
Anweisung
auch
Silius Italicus
(1791/1792) herausgegeben. Es folgte eine Übersetzung ausgewählter Briefe Ciceros mit Anmerkungen, sein eigentliches Interesse galt jedoch der griechischen Lexikographie und v.a. der antiken Rhetorik. Daneben ist 2.) August Wilhelm Ernesti (1733–1801), ebenfalls ein Neffe Johann August Ernestis und dessen Nachfolger sowie Vorgänger Johann Christian Gottlieb Ernestis als Professor der Eloquenz in Leipzig, zu nennen. Dieser hat neben den Historikern
Livius
(1769) und
Ammianus Marcellinus
(1773) auch einen nach Johann Matthias Gesners Handexemplar verbesserten
Plinius d. J.
(1770) herausgegeben.
Fischer
Johann Friedrich Fischer (1726–1799) wurde nach dem Studium in Leipzig ebenda Universitätsdozent, 1751 Konrektor der Thomasschule und ab 1762 außerordentlicher Universitätsprofessor für alte Literatur. Zuvor bei der Besetzung dieser Stelle übergangen, wurde Fischer 1767 schließlich Rektor der Thomasschule. Neben seinem Wirken als Lehrer ist Fischer v.a. als Philologe hervorgetreten, auch wenn das Urteil über seine hinterlassenen Arbeiten nicht ungeteilt positiv ausfällt. Unter den Griechen sind neben unterschiedlichen Platon-Texten (1759 u.a.m.)
Aeschines von Sphettos
(1753),
Anakreon
(1754),
Moeris
(1756),
Palaephatus
(1761) sowie
Theophrast
(1763) und unter den Lateinern v.a.
Ovid
(1758) (vgl. I § 86) zu nennen, weitere Ausgaben wie etwa
Cornelius Nepos
(1759) sind von geringem philologischen Wert.
Heyne
Christian Gottlob Heyne (1729–1812) war nach dem Studium in Leipzig zunächst als Hauslehrer in Wittenberg und als Kopist in Dresden tätig, bevor er 1763 auf Empfehlung David Ruhnkens und als Nachfolger Johann Matthias Gesners eine Rhetorik-Professur an der Universität Göttingen antrat, die er bis zu seinem Tod innehatte. Gleichzeitig wirkte er u.a. als äußerst effizienter Universitätsbibliothekar und produktiver Rezensent für die von ihm als Sekretär der
Königlichen Societät der Wissenschaften
herausgegebenen
Göttingische[n] Gelehrte[n] Anzeigen
. Nach und nach etablierte sich Heyne als Gelehrter von europäischem Rang, dem etwa 1789 die Reform des gesamten dänischen Bildungswesens angetragen wurde, und muss neben Winckelmann und Wolf als herausragender Wegbereiter der neueren Altertumswissenschaft gelten. Noch aus Dresdner Zeit stammen
Tibull
(1755) und
Epiktet
(1756), später folgten
Vergil
(1767–1775),
Pindar
(1773) und
Apollodor
(1782/1787) sowie die gegenüber der Ausgabe Wolfs abfallende mehrbändige Ausgabe der
Ilias
(1802), die 1804 als zweibändige Handausgabe erschienen ist.
Morus
Samuel Friedrich Nathanael Morus (1736–1792) war zunächst Extraordinarius für Philosophie, dann Ordinarius für Latein und Griechisch in Leipzig, bevor er 1782 ebenda als Nachfolger seines Lehrers Ernesti auf einen theologischen Lehrstuhl berufen wurde. Morus vertrat einen biblischen Supranaturalismus und galt als so orthodox, dass seine immerhin wesentliche Teile der Christologie in den Anhang verweisende Dogmatik dennoch von Johann Christoph von Woellner (1732–1800) empfohlen werden konnte. Unter seinen theologischen Werken sind die
Hermeneutik
(vgl. II § 56 c) und die
Epitome Theologiae Christianae
(vgl. II § 190) zu nennen, hervorgetreten ist Morus jedoch v.a. als Philologe. Zu den von Morus besorgten Ausgaben zählen Isokrates'
Panegyricus
(1766), (Pseudo-)Longinus'
De sublimitate
(1769) mit einem zusätzlichen Anmerkungsband (1773),
Mark Aurel
(1775), Xenophons
Kyropädie
(1774),
Anabasis
(1775) und
Hellenika
(1778) sowie
Julius Caesar
(1780). Begonnen hat Morus zudem eine Ausgabe des
Euripides
(1778), für den Schulgebrauch hat er einzelne Texte von Lukian (1764), Sophokles (1781) und Philo von Alexandrien (1781) abdrucken lassen.
Wolf
Gemeint ist der in der ersten Auflage der
Anweisung
noch nicht genannte Friedrich August Wolf. Bis zum Erscheinen der zweiten Auflage der
Anweisung
lagen Platons
Symposion
(1782), Hesiods
Theogonie
(1783), Homers
Odyssee
(1784) und
Ilias
(1785) sowie die Aischylos, Sophokles, Euripides und Aristophanes umfassende
Tetralogia dramatum Graecorum
(1787) vor, später folgten Ausgaben von Ciceros
Reden
(1801 bzw. 1802) und den
Opera
Suetons (1802).
137.
Die
Sachen
Sachen, auf welche sich die alten griechischen und römischen Schriftsteller
beziehen,
beziehen
und von welchen man wenigstens einige vorläufige Kenntniß haben muß, wenn man nicht alle Augenblicke
anstoßen,
an stossen
oder jene Schriftsteller nur halb
verstehen,
verstehen
oder sich zur Unzeit
bey
bei
ihrer Lesung selbst zerstreuen will, sind in der Geschichte, der alten Erdbeschreibung, der Mythologie, den griechischen und römischen Alterthümern zu suchen.
Anm.
Zur ersten Grundlage für einen Theil dieser Kenntnisse ist das
–
Handbuch der
klassischen
klaßischen
Literatur, enthaltend Archäologie, Notiz der
Klaßiker
Klassiker
, Mythologie, griechische Alterthümer, römische Alterthümer, von
Eschenburg, Johann Joachim
Joh. Joach. Eschenburg
, Berlin
1783
in
1783.
gr.
8.
–
überaus brauchbar.
138.
Die eigentlich
hieher
hierher
gehörige
Geschichte
Geschichte
betrift
betrifft
entweder die bürgerlichen Veränderungen in den alten griechischen und römischen Staaten, oder den Zustand und die Schicksale ihrer Literatur und Künste, besonders der
Philosophie
Philosophie unter Griechen und Römern. So sehr es uns noch an Büchern fehlt, welche, mit Absonderung aller in
andrer
anderer
Absicht sehr nützlichen Kenntnisse und Untersuchungen, recht eigentlich dazu eingerichtet wären, die, welche diese alten Schriftsteller in ihren Be ziehungen und Anspielungen auf gedachte Gegenstände verstehen wollen, dazu, mit Zusammenfassung der erwähnten Kenntnisse, vorzubereiten: so kann man
sich
doch
schon vor der
Hand, – in Absicht auf alte
griechische
Geschichte,
Hand –
mit
die vorhandenen mit Nutzen gebrauchen.
Anm.
1. In Absicht auf die alte griechische Geschichte:
Stanyan, Temple
Stanyans
, unter dem
Titel: Histoire
Titel Historie
de
Grece,
Grece
Grèce,
traduite de l'Anglois de Mr.
Stanyan, Temple
Temple Stanyan
, Amst.
1744
in
1744.
8.
in
3
Tomes
nachgedruckten,
nachgedruckten
Tomes, nachgedruckte,
und aus den Quellen selbst
geschöpften,
geschöpfte
Geschichte
Griechenlandes
Griechenlands
bis auf den Tod
K.
Philipp II.
Philipps
Philipp
in
von
Macedonien;
oder
mit dem
das
Handbuch der griechischen Alterthümer in Rücksicht
auf,
auf
Genealogie, Geographie, Mythologie, Kunst und Geschichte, zum Gebrauch für die Jugend
beym
beim
Lesen der Alten
,
behelfen,
Leipzig
1789
in
1789.
8.
genügen.
Wichtiger ist
freylich
jedoch
Gillies, John
John Gillies
Geschichte von Altgriechenland, von dessen
Uebersetzung
Uebersetznng
aus dem Englischen bereits zwey
vier
Theile, Leipzig
1787
in
1787.
gr.
8. erschienen sind;
desgl.
Mitford, William
Mitford's
Geschichte Altgriechenlands, aus dem Englischen, 1ster–6ter Theil, Leipzig 1802
f.
und die
vortrefliche
vortreffliche
Voyage du jeune Anacharsis en Grèce (vom Abbé
Barthélemy, Jean Jacques
Barthelemy
Barthèlémy
) mit einem Recueil des Cartes, à Paris
1788
in
1788.
4
Tomes in
Tomes,
gr.
4, und
4.
welche
mehrmals nachgedruckt,
ob es gleich bey
auch ins Deutsche übersetzt ist, und bei
weitem
noch
mehr als bloße Geschichte enthält.
mit
Goldsmith, Oliver
Goldsmith's
Geschichte der Griechen von den frühesten Zeiten bis auf den Tod
Alexander d. Gr.
Alexanders des Grossen
, aus dem
Engl.
übersetzt, Leipzig 1777
in zwey Octavbänden;
Robertson, William
Wilh. Robertsons
Geschichte von Altgriechenland (die noch weiter, bis auf die Verwandlung Griechenlandes in eine römische Provinz geht, und selbst die ältere Geschichte von Großgriechenland, auch etwas von der Erdbeschreibung, der bürgerlichen Verfassung und der Geschichte der Wissenschaften mitnimmt,) aus dem
Engl.
übersetzt Leipzig 1779
in
gr.
8. – und mit
Goldsmith, Oliver
Goldsmith's
Geschichte der Römer - - bis auf den Untergang des abendländischen Kaiserthums, aus dem
Engl.
Leipz. 1774
in zwey Octavbänden – behelfen, oder
Denina, Carlo
Karl Denina
Staats- und Gelehrtengeschichte Griechenlands zu Hülfe nehmen, wovon der
erste
Theil aus dem Ital. übersetzt, Flensburg 1783
in
gr.
8. herausgekommen ist.
Anm.
2.
Beziehen sich die Werke eines alten Schriftstellers,
z. B.
Cicero
Cicero's
Briefe, sehr auf die Geschichte ihrer
Zeit:
Zeit,
so sollte man
eher
solche Schriften nicht
eher
lesen,
als
bis man sich diese besondere Geschichte,
z. B.
die in
Cicero
Cicero's
Schriften zum Grunde liegende, aus
Corradi, Sebastiano
Seb. Corradi
Quaestura, wieder aufgelegt Lips.
1752
in
1752.
8.
8
;
The history of the life of
Cicero
M. T. Cicero
, by
Middleton, Conyers
Conyer Middleton
, öfters aufge legt, als London
1767
1767.
in 3
Voll.
gr.
8. (auch ins
Französische
Französ.
und ins Deutsche
übersetzt,)
übersetzt)
übersetzt),
oder aus
Cicero
Ciceronis
vita (quam) ex ipsius scriptis excerpsit et ad Consulum seriem digessit
Meierotto, Johann Heinrich Ludwig
J.
I.
C. L. Meierotto
, Berol. 1783.
8. bekannt gemacht hätte.
Stanyans, unter dem Titel: Histoire de Grece […] Geschichte Griechenlandes bis auf den Tod K. Philipps in Macedonien
Temple Stanyans (1675–1752)
The Grecian History
(1707/1739) besteht aus zwei Bänden: Der erste Band endet mit dem Peloponnesischen Krieg (431–404 v. Chr.), der zweite reicht bis zum Tod Philipps II. von Makedonien (ca. 382–336), des Vaters Alexanders des Großen (356–323).
Handbuch der griechischen Alterthümer in Rücksicht auf, Genealogie, Geographie, Mythologie, Kunst und Geschichte […] Leipzig 1789
Der Autor ist Christian Gottlieb Traphage (1769–1793).
John Gillies Geschichte von Altgriechenland, von dessen Uebersetzung aus dem Englischen bereits zwey Theile, Leipzig 1787 in gr. 8. erschienen sind
Die ersten beiden Bände der
Geschichte von Altgriechenland
sind 1787 erschienen, die in der dritten Auflage der
Anweisung
nachgetragenen letzten beiden Bände stammen aus dem Jahr 1797. Die Übersetzung stammt von Christian Friedrich von Blankenburg (1744–1796) und wurde nach nach dessen Tod von Ludwig Gotthard Kosegarten (1758-1818) vollendet.
Seb. Corradi Quaestura, wieder aufgelegt Lips. 1752
Nachzuweisen ist lediglich die von Johann August Ernesti besorgte Leipziger Ausgabe aus dem Jahr 1754, in der Sekundärliteratur wird gelegentlich auch auf eine Ausgabe Ernestis aus dem Jahr 1753 verwiesen, doch geht dies vermutlich auf die Datierung der
Praefatio
zurück.
The history of the life of M. T. Cicero, by Conyer Middleton, öfters aufgelegt, als London 1767 in 3 Voll.
Der Name des Autors lautet Conyers Middleton (1683–1750), die Namensvariante
Conyer
findet sich jedoch auf dem Titelblatt der dreibändigen deutschen Übersetzung (1757–1759). Aus dem Jahr 1767 stammt die achte Auflage.
139.
Woran es uns noch unter den zur griechischen und römischen
Geschichte
Geschichte gehörigen Schriften fehlt, eben
dieses
dies
vermißt man auch
bey
bei
Schriften, welche den Zustand der Künste und Wissenschaften, namentlich der
Philosophie
Philosophie,
bey beyden
bei beiden
Völkern betreffen.
Anm.
Doch verdienen empfohlen zu werden:
Cicero
M. Tullii Ciceronis
historia philosophiae antiquae, collecta, illustrata et amplificata a
Gedike, Friedrich
F. Gedike
, Berol.
1781
in
1781.
gr.
8.
ist die einzige, die hier empfohlen werden könnte. Die
mit großem Fleiß ausgearbeitete
fast unübertreffbare
Geschichte des Ursprungs, Fortgangs und Verfalls der Wissenschaften in Griechenland und Rom, von
Meiners, Christoph
C. Meiners
,
wovon zu
Lemgo
1781
1781.
und
1782
82
erst zwey Bände in
1782. 2 Bände,
gr.
8.
erschienen sind, gehört schon für Leser einer höhern Classe.
M. Tullii Ciceronis historia philosophiae antiquae, collecta, illustrata et amplificata a F. Gedike, Berol. 1781
Obgleich sich in der Sekundärliteratur auch das Erscheinungsjahr 1781 (vgl. das Datum der
praefatio
) findet, lässt sich dieses Werk erst für 1782 nachweisen.
140.
Auch bey
Bei
der alten
Erdbeschreibung
Erdbeschreibung
wird man vermuthlich noch lange auf ein Buch warten müssen
hat es lange an einem Werke gefehlt
, das,
bey
bei
der möglichsten Vollständigkeit, nach
eigner
eigener
sorgfältigen Untersuchung und mit Benutzung der wirklich sichern und brauchbaren Entdeckungen einiger wenigen eigentlichen Kenner, auch mit möglichster
Vergleichung
Vergleichung der ältern und neuern
Topographie
Topographie, zwischen der weitläufigern
Sprache die Mitte hielte. Doch ist besonders durch
Mannert, Conrad
Mannert
und einiger Andere diesem Bedürfniß abgeholfen.
Anm.
Zu den weitläufigern Werken gehören:
fast einzig brauchbaren
Notitia orbis antiqui von
Cellarius, Christoph
Christoph. Cellario
mit
Schwartz, Johann Conrad
Jo.
Io.
Conr. Schwartzii
Anmerkungen,
Leipzig
Leipz.
1731
1731.
und
1732
32
in zwey Quartbänden, und zwischen der zu magern
1732. 4.
Geographie ancienne abregée par Mr.
Anville, Jean Baptiste Bourguignon d'
d'Anville
,
3 Tomes,
à Paris
1768
in drey Bänden
1768.
gr.
12.
12
, oder
dem
den beyden kleinern: Orbis antiqui monumentis suis illustrati primae lineae, duxit
Oberlin, Jeremias Jacob
Jer. Jac.
Oberlinus
, Argent. 1776.
8. und dem noch nicht vollendeten
Handbuch der alten
Erdbeschreibung
Erdbeschreibung
,
zum Gebrauch der eilf größern
Anville, Jean Baptiste Bourguignon d'
Danvillischen
Landcharten
Landcharten
,
(von
Hummel, Bernhard Friedrich
Hummel
,
Paulus, Heinrich Eberhard Gottlob
Hieron. Paulus
,
Stroth, Friedrich Andreas
Stroth
,
Bruns, Paul Jakob
Bruns
und
Ditmar, Theodor Jakob
Dittmar
,) Nürnb. 1785 und 1786
in zwey Bänden in
Bruns
,
Dittmar
.) Nürnberg 1800
, 2 Bände,
gr.
Handbuch der alten Erdbeschreibung nach Anleitung der
Anville, Jean Baptiste Bourguignon d'
d'Anvillischen
Landcharten, Nürnberg 1781
in
8.
(auch
lat.
Compendium Geographiae antiquae
etc.
) das Mittel hielte.
Dergleichen ist ohngefehr die sehr schätzbare Geographie der Griechen und Römer - - von
Mannert, Conrad
Konrad Mannert
, wovon aber bis jetzt nur Ein Theil, Nürnberg 1788
und des Zweyten Theils erstes Heft 1789
in
gr.
8. erschienen ist. –
Geographie der Griechen und Römer, von
Mannert, Conrad
Konrad Mannert
, 1ster–6ter Band, Nürnberg 1788–1812.
Zu den kürzern Handbüchern:
Nitsch, Paul Friedrich Achat
J. F. A. Nitsch
kurzer Entwurf der alten Geographie, auf's neue
herausg.
von
Mannert, Conrad
L. Mannert
, 6te
Aufl.
1810.
Schlichthorst, Hermann
H. Schlichtegroll's
Handbuch der alten Erdbeschreibung, Bremen 1794.
Schmieder, Benjamin Friedrich
Schmieder, Friedrich Gotthelf Benjamin
B. F.
J. F. Schmieder's
Handbuch der alten Erdbeschreibung zum Atlas von 12 Karten, Berlin 1802.
Die einzig guten
Charten
Charten zur alten
Geographie
Geographie von
Anville, Jean Baptiste Bourguignon d'
d'Anville
, welche
unter dem Titel: Atlas antiquus
Anville, Jean Baptiste Bourguignon d'
Danvillianus
zu Nürnberg
1784
1784.
nachgestochen worden
seit letztgedachtem Jahre zu Nürnberg nachgestochen werden
, sind wenigstens
unentbehrlich;
unentbehrlich,
sonst muß man sich bloß mit den noch sehr unvollkommenen Charten in
Cellarius, Christoph
Cellarii
Werk oder
Köhler, Johann David
Jo.
Io.
Dav. Koeleri
Descriptione orbis antiqui in
XLIV.
XLIV
tabulis
tabulis,
von
Weigel, Christoph
Weigel
in Nürnberg gestochen, begnügen.
lat. Compendium Geographiae antiquae
Gemeint ist die lateinische Übersetzung
Compendium geographiae antiquae mappis Danvillianis XI. maioribus accomodatum ex optimis fontibus elaboratum
(1785).
J. F. A. Nitsch kurzer Entwurf der alten Geographie, auf's neue herausg. von L. Mannert, 6te Aufl. 1810
Der Name des Autors lautet Paul Friedrich Achat Nitsch (1754–1794), der Herausgeber ist Konrad (bzw. Conrad) Mannert (1756–1834).
H. Schlichtegroll's Handbuch der alten Erdbeschreibung, Bremen 1794
Das
Handbuch der alten Erdbeschreibung
stammt von Hermann Schlichthorst (1766–1820), der in der dritten Auflage der
Anweisung
vermutlich mit dem v.a. für seine umfangreichen Sammlungen von Nekrologen bekannten Friedrich Schlichtegroll (1765–1822) verwechselt wurde.
B. F. J. F. Schmieder's Handbuch der alten Erdbeschreibung zum Atlas von 12 Karten, Berlin 1802
Dieses Werk hat zwei Herausgeber: Benjamin Friedrich Schmieder (1736–1813) und dessen Sohn Friedrich Gotthelf Benjamin Schmieder (1770–1838).
Jo. Dav. Koeleri Descriptione orbis antiqui in XLIV. tabulis von Weigel in Nürnberg gestochen
Dieses Werk ist ohne Jahresangabe erschienen, dürfte jedoch um 1720 zu datieren sein. Neben Christoph Weigel d. Ä. (1654–1725) wirkte auch dessen Bruder Johann Christoph Weigel d. J. (1661–1726) als Kupferstecher und Verleger in Nürnberg.
141.
Zu der
bey
bei
Lesung der Alten so nothwendigen Kenntniß der
Mythologie
Mythologie
,
–
welche sowohl die Begriffe alter
Völker
ker
in ihrem noch rohen Zustande enthält, die sie sich von übermenschlichen Wesen und Naturbegebenheiten machten, als auch die
Sagen
Sagen von den unter ihnen vorgefallenen Ereignissen,
–
könnte man die
sind für den Anfänger die kürzeren Darstellungen der Götter- und Fabelgeschichte am brauchbarsten. Weiterhin mögen auch die mannigfaltigen Versuche, die Mythologie philosophisch zu behandeln, prüfend
vergleichen
verglichen werden.
Anm.
Zu den ersten gehören:
Einleitung in die Götter- und
Fabelgeschichte
Fabel-Geschichte
der ältesten griechischen und römischen Welt, durch
Damm, Christian Tobias
Christ. Tob. Damm
,
4te
6te
Auflage,
Aufl.
Berlin
1775
in 8., oder
1807.
8.
Seybold, David Christoph
Dav. Christoph
Seybolds
Seybold's
Einleitung in die griechische und römische Mythologie der alten Schriftsteller,
2te Auflage, Leipzig 1784.
8. zum Grunde legen; noch besser in Rücksicht auf
Dichter
Dichter und
Kunstwerke
Kunstwerke
Ramler, Karl Wilhelm
Karl Wilh. Ramlers
kurzgefaßte Mythologie, Berlin 1790
in 2 Theilen in 8. Wollte
2te Aufl. Leipz. 1784. 8. zum Grunde legen, und, wenn
3te Auflage, Leipzig 1797.
8.
Ramler, Karl Wilhelm
Karl Wilh. Ramler's
kurzgefaßte Mythologie, 2 Theile, Berlin 1790. 8.
Hermann, Martin Gottfried
M. G. Herrmann's
Mythologie der Griechen, 2 Bände, Berlin 1811.
8.
Zu der zweiten Klasse:
man, doch nur im Allgemeinen, mehr davon
wissen: so könnte
wissen wollte,
Banier, Antoine
Anton Banier's
Erläuterung der Götterlehre und Fabeln aus der Geschichte, mit
Schlegel, Johann Adolf
Joh. Adolf
und
Schlegel, Johann August
Joh.
August
Aug.
Schlegels
Schlegel's
,
auch
Schroeckh, Johann Matthias
Joh. Matthias Schröckh's
Anmerkungen,
Leipzig 1754–1766
Leipz. 1754–66
in fünf groß Octavbänden,
auch, als einen Nothhelfer,
und
Hederich, Benjamin
Benj. Hede
richs
mythologisches Lexicon, verbessert von
Schwabe, Johann Joachim
Joh. Joach. Schwaben
,
Leipzig
Leipz.
1770
in
gr.
8. zu Hülfe
genommen werden
nehmen
.
5 Bände, Leipzig 1754–1766.
gr.
8.
Kanne, Johann Arnold
J. A. Kanne
Mythologie der Griechen, Leipzig 1808.
Creuzer, Friedrich Georg
C. E. Creuzer
Symbolik und Mythologie der alten Völker, 2 Bände, Darmstadt 1811.
Ein
weit genaueres und
sehr nutzbares Handbuch zur allgemeinern Uebersicht
sind
sind:
Saxius, Christophorus
Christoph. Saxi
Tabulae genealogicae, s. Stemmata deorum,
regum, principum - -
regum, – principum –
qui per
tempus - -
tempus –
mythicum
vixisse - -
vixisse –
creduntur, Ultraject.
1783
1783.
in Folio, ob es gleich einen weitern Umfang hat als bloße
Mythologie
Mythologie.
Hernach würde man, wenn man
zumal
zumahl
Wollte man besonders
die alten
Dichter
Dichter recht anschaulich verstehen
lernen wollte,
lernen, so müßte man
die
Dactyliothek
Daktyliothek
von
Lippert, Philipp Daniel
Phil. Dan. Lippert
, Erstes und
Zweytes
Zweites
Tausend,
Leipzig
Leipz.
1767
in zwey Bänden in 4.
in 2 Bänden, Leipzig 1767. 4.,
und das Supplement dazu
1776
in
1776.
4. nebst den dazu gehörigen Abdrücken geschnittener Steine,
mit ungemeinen Nutzen
zu Rathe ziehen, oder, weil dieser Schatz wegen seiner Kostbarkeit nicht überall zu haben ist, an dessen Stelle den Versuch einer mythologischen Dactyliothek für
Schulen - -
Schulen –
von
Klausing, Anton Ernst
Anton Ernst Klausing
,
Leipzig
Leipz.
1781
in
gr.
8. (wovon noch ein zweyter Theil erwartet wird)
1781. gr. 8.,
ebenfalls mit den Abdrücken,
brauchen können
benutzen
.
Ueber den Geist dieser Mythologie, oder ihren Sinn, nebst ihrer
verschiednen
verschiedenen
Gestalt und Veränderungen zu
verschiednen
verschiedenen
Zeiten und
bey verschiednen Schriftstellern
bei verschiedenen Schriftstellern,
geben die
Heyne, Christian Gottlob
Heynischen
und
Hermann, Martin Gottfried
Hermannischen
Schriften, welche man §.
313
313.
der
dritten
Auflage meiner
Anweisung zur Kenntniß der besten Bücher in der Theologie
angezeigt findet, die besten Aufschlüsse.
Einleitung in die Götter- und Fabelgeschichte der ältesten griechischen und römischen Welt, durch Christ. Tob. Damm, 4te Auflage, Berlin 1775
Die in der dritten Auflage der
Anweisung
nachgetragene sechste Auflage von Christian Tobias Damms (1699–1778)
Einleitung in die Götter-Lehre und Fabel-Geschichte
ist posthum im Jahre 1783 erschienen. Bei den folgenden Auflagen handelt es sich um Umarbeitungen von Friedrich Schulz (1762–1798) bzw. Konrad Levezow (1770–1835).
Dav. Christoph Seybolds Einleitung in die griechische und römische Mythologie der alten Schriftsteller, 2te Auflage, Leipzig 1784
Die
Einleitung
ist in der zweiten Auflage bereits 1783 erschienen.
J. A. Kanne Mythologie der Griechen, Leipzig 1808
Von diesem Werk ist nur der erste Teil (Leipzig 1805) erschienen. Aus dem hier genannten Jahr stammt Johann Arnold Kannes (1773–1824) zweibändiges Werk
Erste Urkunden der Geschichte oder allgemeine Mythologie
(Bayreuth 1808).
Heynischen und Hermannischen Schriften, welche man §. 313 der dritten Auflage meiner Anweisung zur Kenntniß der besten Bücher in der Theologie angezeigt findet
Gemeint sind Christian Gottlob Heynes (1729–1812) in § 312 der
Bücherkenntniß
(
3
1790) genannte Abhandlungen
De caussis fabularum seu mythorum veterum physicis
(1764), in:
Opuscula academica
I (1785), 184–206 (VII.);
De origine et caussis fabularum Homericarum
, in:
Novi commentarii Societatis Regiae Scientiarum Gottingensis
VIII (1778), 34–58 (
Commentationes historicae et philologicae classis
);
De theogonia ab Hesiodo condita. Ad Herodoti Lib. II. c. 52. commentatio
, in:
Commentationes Societatis Regiae Scientiarum Gottingensis
II (1780), 125–154 (
Commentationes historicae et philologicae
);
Ad Apollodori Atheniensis bibliothecam notae
I–III (1783), v.a. der dem dritten Teil vorangestellte Beitrag
De Apollodori Bibliotheca novaque eius recensione simulque universe de litteratura mythica
(aaO III 903–972);
Temporum mythicorum memoria a corruptelis nonnullis vindicata
, in:
Commentationes Societatis Regiae Scientiarum Gottingensis recentiores
VIII (1787), 3–19 (
Commentationes antiquiores
) sowie das mit einer Vorrede Heynes versehene
Handbuch der Mythologie aus Homer und Hesiod, als Grundlage zu einer richtigern Fabellehre des Alterthums mit erläuternden Anmerkungen begleitet von Martin Gottfried Hermann
(1787) (Bd. 2 [1790]
enthaltend die Mythen aus den Lyrischen Dichtern der Griechen
; Bd. 3 [1795]
enthaltend die astronomischen Mythen der Griechen
) (vgl. I § 56 c).
142.
Diese
bisher §.
137
f.
erwähnten
Schriften und Werke enthalten selbst
einiges
Einiges
, das zur bessern Kenntniß der, wenigstens
gottesdienstlich
gottesdienstlichen,
griechischen und römischen
Alterthümer
Alterthümer
dient.
Die Kenntniß derselben ist selbst zur Erklärung vieler Stellen des alten und neuen Testaments nothwendig, und kann bei der Lesung der
Classiker
Classiker gar nicht entbehrt werden.
Anm.
In Absicht der
griechischen
, wo es uns noch so sehr an einem guten und hinlänglichen Handbuch fehlt, ist
griechischen
macht,
griechischen Alterthümer
, bemerke man
unter den mehr systematischen Büchern,
Potter, John
Johann Potters
vorzüglich:
Johann Potter's
griechische Archäologie oder Alterthümer Griechenlandes mit Anmerkungen und Zusätzen von
Rambach, Johann Jakob
Joh. Jac. Rambach
,
Halle 1775–1778
in drey Theilen in
gr.
8.
die übrigen sehr entbehrlich, und kan
in seiner Art
das einzige. –
einzig heissen.
3 Bände, Halle 1775–1778.
gr.
8.
Desgleichen
Nitsch, Paul Friedrich Achat
J. F. A. Nitsch
Beschreibung des häuslichen, gottesdienstlichen etc. Zustandes der Griechen; fortgesetzt von
Höpfner, Johann Georg Christian
Höpfner
und
Köpke, Georg Gustav Samuel
Köpke
, 4 Bände, Erfurt 1791–1806.
8.
Wenn man sich
bey
bei
den
römischen
Alterthümer
Alterthümern erst ein kürzeres Lehrbuch bekannt gemacht hat, unter welchen
Cellarius, Christoph
Christoph
Christoph.
Cellarii
Compendium antiquitatum ro mana rum c. adnott.
Walch, Johann Ernst Immanuel
J. E. J. Walchii
I. E. I. Walchii
,
Edit.
3. Halae 1774.
8.
Nieupoort, Wilhelm Hendrik
Ge.
Henr.
Hen.
Nieupoort
Nieupoort
,
rituum, qui olim apud Romanos obtinuerunt, succincta explicatio,
Edit.
13. Berol.
1767
in
1767.
gr.
8.
8.,
auch
Edit.
6.
(Ultrajectina
(Vltrajectina
(Ultraiectina
) curant.
Reitz, Wilhelm Otto
Guil. Ottone
et
Reitz, Johan Frederik
Jo.
Io.
Freder.
Reitzio
1774
gr.
8.
Reitzio
,
gr.
8. 1774.
, und
Gruner, Johann Friedrich
Jo.
Io.
Frid. Gruneri
introductio in antiquitates Romanas, Jenae 1748.
8. die besten sind: so
kan
kann
man
hernach
Matern de Cilano, Georg Christian
Georg Christian Maternus von Cilano
ausführliche Abhandlung der römischen Alterthümer, in Ordnung gebracht von
Adler, Georg Christian
Georg Christ. Adler
, Altona
1775
1775.
und
1776
76
1776.,
in vier
Theilen in
Theilen,
8. (die ein Commentar über den
Nieupoort, Wilhelm Hendrik
Nieupoort
, aber von viel weiterm Umfange ist)
dazu nehmen,
zu Hülfe nehmen
und damit
Adler, Georg Christian
G. C.
Adlers
Adler
Adler's
ausführliche Beschreibung der Stadt Rom, Altona
1781
in
1781.
4.
; die Schrift:
Ueber Sitten und Lebensart der Römer in verschiedenen Zeiten der Republik, von
Meierotto, Johann Heinrich Ludwig
J. H. L. Meierotto
, Berlin
1776
1776.
in
zwey Theilen in
8.;
8.
zwei Theilen, 8.,
und
Meiners, Christoph
C. Meiners
E. Meiner's
Geschichte des Verfalls der Sitten und der Staatsverfassung der Römer,
Leipzig
Leipz.
1782.
8. verbinden.
Brauchbare Handbücher sind auch:
Nitsch, Paul Friedrich Achat
P. E. A. Nitsch
Beschreibung des häuslichen etc. Zustandes der Römer, 2 Bände, Erfurt 1790.
8.
Adam, Alexander
Adam's
Handbuch der römischen Alterthümer. Aus dem
Engl.
von
Meyer, Johann Leonhardt
Meyer
, 2 Bände, Erlangen 1806.
Meyer, Johann Leonhardt
J. L. Meyer's
Lehrbuch der römischen Alterthümer, Erlangen 1806.
Wegen
Hinsichts
des
großen
grossen
Einflusses der Kenntniß des römischen
Kriegswesen
Kriegswesens auf die rechte Einsicht des Verstandes vieler Stellen
bey
bei
römischen Schriftstellern sind die
Römischen
römischen
Kriegsalterthümer
(von
Kriegsalterthümer
, von
Rösch, Jakob Friedrich von
Rösch
und
Nast, Johann Jakob Heinrich
Nast
)
Nast
,
Halle
1782
in
1782.
gr.
8. sehr zu empfehlen.
J. F. A. Nitsch Beschreibung des häuslichen, gottesdienstlichen etc. Zustandes der Griechen; fortgesetzt von Höpfner und Köpke, 4 Bände, Erfurt 1791–1806
Der Autor ist Paul Friedrich Achat Nitsch (1754–1794), die Fortsetzung wurde von Johann Georg Christian Höpfner (1765–1827) und Georg Gustav Samuel Köpke (1773–1837) besorgt.
Ge. Henr. Nieupoort rituum, qui olim apud Romanos obtinuerunt, succincta explicatio, Edit. 13. Berol. 1767
Als ursprünglicher Autor dieses Werkes wird Willem Hendrik (lat. Guilelmus Henricus) Nieupoort (1674–1730) geführt.
Jo. Frid. Gruneri introductio in antiquitates Romanas, Jenae 1748
Für Johann Friedrich Gruners (1723–1778)
Introductio in antiquitates Romanas
ist einzig das Erscheinungsjahr 1746 nachzuweisen.
E. Meiner's Geschichte des Verfalls der Sitten und der Staatsverfassung der Römer, Leipzig 1782
Der Name des Autors lautet Christoph Meiners (1747–1810).
P. E. A. Nitsch Beschreibung des häuslichen etc. Zustandes der Römer, 2 Bände, Erfurt 1790
Der Autor ist erneut Paul Friedrich Achat Nitsch (1754–1794). Der erste Band ist bereits 1788 erschienen.
143.
Hätte
Hat
man sich durch die bisher (§.
135
f.
)
erwähnte
erwähnten
Kenntnisse zum Lesen griechischer und lateinischer Schriftstel ler
vorbereitet:
vorbereitet,
so
möchten
werden
ferner
folgende Vorschläge
bey
bei
dem Lesen nicht undienlich seyn. 1) Weil der, welcher diese Schriftsteller
vor
für
sich lesen will, gemeiniglich schon vorher einen Unterricht in alten Sprachen und, nach unsern Einrichtungen, weit mehr in der lateinischen als in der griechischen, in letzterer oft so viel als gar nicht, bekommen hat; und weil man
bey
bei
Lesung der römischen Schriftsteller gemeiniglich auch mit die Absicht hat, sich eine Fertigkeit im lateinischen Ausdruck zu erwerben; ja, weil selbst die Hülfsmittel zur Erlernung des Griechischen und die
erklärende
erklärenden
Anmerkungen in den Ausgaben griechischer Schriftsteller fast durchgehends in lateinischer Sprache abgefaßt sind: so ist es rathsam,
lateinische
lateinische
Schriftsteller eher als
griechische
griechische
zu lesen. Wäre
man nicht in diesen Fällen:
dieß alles nicht der Fall,
so wäre es viel nützlicher und vernünftiger, mit den griechischen anzufangen. Denn die römischen Schriftsteller haben die griechischen nachgeahmt und copirt, können also weit besser verstanden werden, wenn man diese schon voraus kennt; und man würde auf diese Art die fortschreitende
Cultur
Cultur
Kultur
des menschlichen Verstandes und Herzens, auch der davon abhängenden Begriffe, Grundsätze und Sitten, weit besser wahrnehmen.
Anm.
Es gehört zu den neueren Erscheinungen, daß man in Schulen angefangen hat, dem Griechischen mit dem Lateinischen gleichen Rang anzuweisen; ja, es fast noch eifriger zu treiben, und selbst darin schreiben zu lassen. Dieß ist an sich, wegen des hohen Werthes der griechischen Literatur, erfreulich. Nun traten auch hie und da Uebertreibungen ein: das, wenn man mit den allgemeinern und vielfachern Gebrauch sieht, doch unentbehrlichere Latein wurde fast vernachlässigt, und man hat sogar schon von Seiten der obern
Behörden
Behörden für nöthig gefunden, vor diesem letzteren Fehler zu warnen.
M. s.
§.
123.
A. d. H.
144.
So nützlich 2)
Chrestomathien
Chrestomathien
oder Excerpte aus mehrern alten
Schriftstellern,
Schriftstellern
für den seyn mögen, der
keine ganze
die ganzen
Schrifsteller
Schriftsteller
nicht
haben
kan
kann
, oder für den Anfänger, der vorerst den nothdürftigsten
Sprachgebrauch
Sprachgebrauch
lernen,
lernen
oder einen allgemeinen
Vorschmack
Vorschmack von
mehrern
mehreren
Schriftstellern und
ihrem
ihren
Unterschied
Unterschiede
erlangen will: so
viel besser ist es doch
bleibt es doch viel besser
,
ganze
Schriftsteller
in eins fort
zu lesen, ehe man zu andern fortschreitet. Denn
– ausserdem
außer dem,
daß es unnatürlich ist und zur Unbeständigkeit gewöhnt, etwas
aufzugeben
aufzugeben,
was man
angefangen,
angefangen
und was uns gefallen
hat –
hat,
wird man durch das anhaltende Lesen eines guten Schriftstellers besser mit
seinen Sachen
seinem Inhalt
, so wie mit seiner eigenthümlichen
Denkart
Denk- und
Schreibart
Schreibart, bekannt, lernt ihn
daher,
daher
und wenn man einmal im Gange ist, besser verstehen, und gewöhnt sich leichter, wenn man gar die Absicht
hat
hat,
seinen Ausdruck nach
einem
einen
solchen Schriftsteller zu bilden, an eine gewisse Gleichheit und Reinigkeit des Ausdrucks.
145.
Wollte man – wie hier immer vorausgesetzt wird –
alle
alte
Schriftsteller
vor
für
sich
lesen,
lesen
und wäre im Griechischen oder Lateinischen noch sehr
zurück:
zurück,
so wäre 3) zu rathen, daß man – da ein Anfänger zunächst erst des
Sprachgebrauch
Sprachgebrauchs mächtig werden muß – ganz leichte Schriftsteller
läse,
läse
und sich
dabey
dabei
solcher Ausgaben bediente, wo in Anmerkungen oder Registern die Bedeutungen der Wörter und
Redensarten
Redensarten, auch wohl schwerere Formen, erklärt
werden,
z. B.
die
Aesop
Fabulas
Aeso picas
nach
Heusinger, Johann Michael
Joh. Mich. Heusingers
Ausgabe, vermehrt Eisenach 1771.
8.;
Paeonius (Paeanius)
Paeanii
Metaphras. in
Eutropius
Eutropium
, nach
Kaltwasser, Johann Friedrich Salomon
F. S. Kaltwassers
, Gotha 1780.
8.;
Palaephatus
Palaephatum
de incredibilibus, nach
Fischer, Johann Friedrich
Joh.
Fridr.
Frid.
Fischers
Ausgabe, Leipzig 1761.
8.
werden.
Ist man etwas
weiter:
weiter,
so sind solche Glossarien, wo nur das
schwere
Schwere
und dem Schriftsteller
eigenthümliche
Eigenthümliche
mit we nig Worten
erkläret
erklärt
wird,
wie die
Ernesti, Johann August
Ernestischen
bey
Xenophon
Xenophons
memorabil.
Sokrates
Socratis
und bey dem
Polybius
Polybius
oft sogar recht vollständige Indices
, zu
dieser
Absicht,
Absicht
vollkommen zureichend.
Ernestischen bey Xenophons memorabil. Socratis und bey dem Polybius
Gemeint sind Johann August Ernestis mehrfach aufgelegte
Xenophontis memorabilium Socratis dictorum libri IV
(1737;
5
1772) sowie dessen dreibändiger, mit Anmerkungen versehener
Polybius
(1763/64).
146.
Und weil es vernünftig ist, vom Leichtern zum Schwerern
fort zu gehen:
fortzugehen,
so ist es 4) auch rathsamer, eher prosaische Schriftsteller, wenigstens leichtere, als
Dichter
Dichter
Dichter, den
Homer
Homer
etwa ausgenommen, mit dem ja auch die Römer anfingen,
zu lesen; selbst deswegen, weil der
Geschmack
Geschmack leichter durch die Lesung der letztern
verwöhnt,
verwöhnt
und zu sehr an das Hervorstechende gewöhnt
wird; zumahl
wird, zumal
wenn man durch Lesung der Alten selbst seine
Denkart
Denk- und
Schreibart
Schreibart bilden will. – Aus eben diesem Hauptgrunde würde man auf Schriften, welche gemeinbekannte Sachen enthalten, erst Geschichtschreiber, und auf diese erst philosophische Werke folgen
laßen
lassen
müssen;
lassen müssen,
wenn nicht der schwerere
Vortrag
Vortrag eines Schriftstellers in jenen erfordert, sie bis nach diesen zu
verschieben; im
verschieben. Im
Griechischen würde man auch wohl thun, Schriftsteller von
einerley
einerlei
Dialekt
Dialekt zusammen zu nehmen, wenn hier jene
angegebene
angegebenen
Ursachen nicht wieder eine Ausnahme erforderten.
Anm.
Anm.
1. Besondere Vorschläge von der bequemsten Ordnung, in der man
alle
alte
Schriftsteller nach ein ander lesen möchte,
laßen
lassen
sich nicht allgemein geben, da die Absichten, warum man
diese Schriftsteller
ihre Werke
lieset, sehr verschieden sind, und die gemeldeten Regeln oft einander in den Weg kommen. – Im Lateinischen würde man sehr wohl den
Phaedrus
Phäder
,
Nepos
Nepos
Phädrus
,
Nepos
und
Terenz
Terenz
–
Terenz
,
den
Julius Caesar, s. Caesar
Caesar
Cäsar
Cäsar
und
Sallust
Sallust
–
Cicero
Cicero's
Sallust
,
Cicero's
Lälius und Cato, seine Briefe, seine philosophischen, seine rhetorischen Werke und seine Reden, mit
Quintilian (Quinctilian)
Quinctilians
Quinctilian's
Instit.
orat. –
orat.,
den
Livius
Livius
,
Sueton
Suetonius
Livius
,
Suetonius
und
Tacitus
Tacitus
–
Tacitus
den
Plautus
Plautus
,
Plautus
Plautus
,
und so die übrigen nach
Befinden,
Befinden
auf einander folgen lassen können. Nach den leichtesten unter diesen Prosaikern könnten schon
Ovid
Ovid
Ovid
und
Vergil (Virgil)
Virgil
Virgil
,
sodann
sodenn
, nach den etwas schwerern,
Horaz
Horaz
Horaz
und andere gelesen werden.
Anm.
Anm.
2. Im Griechischen könnte man, nach der §.
145
145.
angegebenen Vorbereitung, mit
Aelian
Aelians
Aelian's
vermischten Geschichten und mit
Epiktet
Epiktets
Epiktet's
Enchiridion
sowohl als
Arrian
Arrians
sowohl, als mit
Arrians
Commentarien den Anfang
machen –
machen;
hernach
vorzüglich
vorzöglich
den
Xenophon
Xenophon
Xenophon
, und überhaupt die besten
Attischen
attischen
Prosaisten, sowohl Philosophen,
vornemlich
vornehmlich
Platon
Platon's
vornehmlich
Platon's
und
Aeschines
Aeschines
Aeschines
Dialogen, und
Theophrast
Theophrasts
Theophrast's
Charaktere,
sodann
sodenn
, nach
Aristoteles
Aristoteles
Aristoteles
Rhetorik, den
Isokrates
Isokrates
Isokrates
,
nebst den in der
Reiske, Johann Jacob
Reiskischen
Sammlung
enthaltnen
enthaltenen
Rednern,
Rednern
lesen. Nun könnten, und, wenn man gerade nicht
Attische
attische
Schriftsteller gleich zusammen nehmen wollte, auch schon gleich nach
dem
Xenophon
Xenophon
Xenophon
, die Geschichtschreiber, hauptsächlich
Herodot
Herodot
,
Thukydides
Thuky dides
,
Polybius
Polybius
,
Plutarch
Plutarch
Herodot
,
Thukydides
,
Polybius
,
Plutarch
, auch
Flavius Josephus, s. Josephus
Josephus
Josephus
Josephus
, und von spätern
Arrian
Arrian
,
Appian
Appian
Arrian
,
Appian
und
Herodian
Herodian
,
Herodian
eintreten. Die
Dichter
Dichter
könnten
können
sehr wohl mit den andern
abwechsetn
abwechseln
.
Homer
Homer
müßte
Homer
muß
billig allen vorgehen, und
Hesiod
Hesiod
könnte
Hesiod
kann
ihm folgen. Vom
Anakreon
Anakreon
,
Theokrit
Theokrit
,
Moschus
Moschus
Anakreon
,
Theokrit
,
Moschus
und
Bion
Bion
könnte
Bion
mag
man zu den
Attischen Tragikern
attischen Tragikern
und
Komikern
Komikern
fortschreiten, und
alsdenn
alsdann
den
Pindar
Pindar
Pindar
und
Callimachus
Kallimachus
Kallimachus
hinzufügen. Gut wäre es doch,
Aristoteles
Aristoteles
Aristoteles
Poetik mit diesen Dichtern zu verbinden.
Andere, sonderlich spätere oder unbeträchtlichere Schriftsteller zu erwähnen, erlaubt die hier nöthige Kürze und
eingeschränkte
eingeschränckte
Absicht nicht, die eigentlich auf die
Muster
Muster
des griechischen und lateinischen
Vortrag
Vortrages geht.
Man
vergl.
Schelle, Karl Gottlob
K. G. Schelle
, welche alte classische Auctoren, wie, in welcher Folge und Verbindung soll man sie auf Schulen lesen? 2 Bände, Leipzig 1804.
8.
Phäder
Der in augusteischer Zeit freigelassene Sklave Phaedrus (gest. Mitte 1. Jh. n. Chr.) zählt trotz einer komplizierten Überlieferungslage bis heute zu den wichtigsten Fabeldichtern (v.a. Tierfabeln).
Nepos
Der mit Cicero befreundete Cornelius Nepos (1. Jh. v. Chr.) ist v.a. durch sein Hauptwerk
De viris illustribus
bekannt.
Terenz
Publius Terentius Afer (2. Jh. v. Chr.) ist einer der berühmtesten Komödiendichter der lateinischen Antike. Für Herder war Terenz aufgrund des engeren Anschlusses an die griechischen Vorbilder sogar wichtiger als Plautus.
Cäsar
Literarisch ist Gaius Julius Caesar (100–44 v. Chr.), eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der Antike und 39/38 v. Chr. offiziell unter die Staatsgötter erhoben, v.a. mit seinen
commentarii
zum gallischen Krieg (
De bello Gallico
) und zum Bürgerkrieg (
De bello civili
) verbunden.
Sallust
Aus dem Werk des römischen Politikers und Geschichtsschreibers Gaius Sallustius Crispus (1. Jh. v. Chr.) sind v.a. die Darstellung der catilinarischen Verschwörung (
De coniuratione Catilinae
oder auch
Bellum Catilinae
) und die Beschreibung des Krieges gegen Jugurtha (
Bellum Iugurthinum
) von Bedeutung.
Cicero's Lälius und Cato, seine Briefe, seine philosophischen, seine rhetorischen Werke und seine Reden
Aus dem umfangreichen und vielschichtigen Werk Ciceros (vgl. I § 60) hebt Nösselt
Laelius de amicitia
, ein in Dialogform verfasstes Werk über die Freundschaft, und
Cato maior de senectute
hervor, in dem Cicero den greisen Cato d. Ä. über das Alter nachdenken lässt.
mit Quinctilians Instit. orat.
In seiner
Institutio oratoria
betrachtet Quintilian Cicero als den bedeutendsten lateinischen Redner überhaupt. Hier liegt einer der Hauptgründe für Ciceros herausragende Stellung innerhalb der lateinischen Rhetorik.
Livius
Titus Livius (59 v.–17 n. Chr.) ist der Verfasser eines bis in das erste vorchristliche Jahrzehnt reichenden Geschichtswerkes (
Ab urbe condita
) in 142 Büchern, von denen jedoch nur 35 erhalten sind. Allerdings lässt sich der Inhalt der verlorenen Bücher über Auszüge, v.a. die sog.
Periochae
, erschließen.
Suetonius
Der sprachlich Quintilian verpflichtete römische Biograph und Antiquar Gaius Suetonius Tranquillus (geb. um 70 n. Chr.) ist v.a. durch seine zwölf (Caesar bis Domitian) Kaiserviten (
De vita Caesarum
) bekannt.
Plautus
Besonders aufgrund seiner sprachschöpferischen Fähigkeiten und seines Wortwitzes gilt Titus Maccius Plautus (geb. um 250 v. Chr.) als der bedeutendste römische Komödiendichter. Zusammen mit Terenz hat er auch die neuzeitliche Komödie maßgeblich beeinflusst.
Ovid
Aus dem umfangreichen und bis weit in die Neuzeit hinein von höchstem Einfluss gebliebenen literarischen Werk des von Augustus exilierten Dichters Publius Ovidius Naso (43 v.–17 n. Chr.) können neben Liebeselegien und dem Lehrgedicht
Ars amatoria
die
Metamorphosen
und der
Festkalender
(
Fasti
) als Hauptwerke gelten. Zudem hat Ovid mit den
Tristia
und den
Epistulae ex Ponto
auch seine Exilierung literarisch verarbeitet.
Virgil
Mit seiner laut Statius „göttlichen“
Aeneis
, aber auch den
Eclogae
(
Bucolica
) und
Georgica
war Publius Vergilius Maro (70–19 v. Chr.) – für Quintilian der größte Dichter nach Homer, im 16. Jh. etwa von Scaliger über Homer gestellt – bis weit in die Neuzeit hinein einer der einflussreichsten antiken Autoren überhaupt. Die Namensvariante
Virgilius
ist erst seit dem 5. Jh. belegt.
Horaz
Der wie Vergil zum Maecenas-Kreis gehörende Dichter Quintus Horatius Flaccus (63–8 v. Chr.) ist als Autor von Satiren, Oden, Epoden und Episteln (v.a. der auch als
Ars Poetica
bekannten Ep. II 3) und des als Auftragsarbeit verfassten
Carmen Saeculare
bereits in der Antike zum Schulautor avanciert.
Aelians vermischten Geschichten
Gemeint ist die 14 Bücher umfassende, auch als
Bunte Geschichten
bekannte
Ποικίλη ἱστορία
(
Varia historia
) des Claudius Aelianus (2./3. Jh. n. Chr.), die bis in das dritte Buch vollständig und danach in Exzerpten erhalten ist. Daneben hat Aelian die sog.
Tiergeschichten
(
De natura animalium
) verfasst, die Autorschaft der
Bauernbriefe
ist heute umstritten.
Epiktets Enchiridion sowohl als Arrians Commentarien
Der einflussreiche stoische Philosoph Epiktet (50–125 n. Chr.) hat selbst keine Schriften hinterlassen, doch ist seine Lehre durch die als
Lehrgespräche
(
Διατριβαί
) veröffentlichte Mitschrift des Historikers Flavius Arrianus (geb. zwischen 85–90 n. Chr.) erhalten. Das
Enchiridion
(
Ἐγχειρίδιον
), von Nösselt Epiktet zugeschrieben, ist ein Exzerpt dieser Lehrgespräche. Zudem hat Arrian historische Werke verfasst (s.u.).
Xenophon
Der bedeutende Geschichtsschreiber Xenophon (ca. 430–354 v. Chr.) wurde auch als einer der wichtigsten Vertreter des attischen Griechisch durch die Jahrhunderte hindurch als Schulautor geschätzt. Neben den Geschichtswerken
Anabasis
und
Hellenika
wird Nösselt hier jedoch auch politisch-didaktische (etwa die
Kyropädie
) sowie philosophische Schriften (v.a. die
Memorabilia Socratis
) im Blick gehabt haben.
Platon's […] Dialogen
In der bis in das 19. Jh. hinein maßgeblichen Stephanus-Ausgabe (Genf 1578), nach deren Paginierung bis heute zitiert wird, werden für den athenischen Philosophen Platon (428/27–348/47 v. Chr.) neben der
Apologie des Sokrates
und einer Sammlung von 13 Briefen über 30 Dialoge (am bekanntesten wohl der
Staat
[
Πολιτεία
]) überliefert. Heute besteht im Wesentlichen Konsens darüber, dass die meisten Briefe und manche Dialoge nicht auf Platon zurückgehen.
Aeschines Dialogen
Insgesamt hat der Sokrates-Schüler Aeschines von Sphettos (gest. nach 376/75 v. Chr.) sieben Dialoge verfasst, die alle verloren sind, jedoch teilweise rekonstruiert werden können. Das 18. Jh. kennt Aeschines-Ausgaben, in denen zumindest drei Dialoge geboten werden.
Theophrasts Charaktere
Neben zwei bedeutenden botanischen Abhandlungen zählen die
Charaktere
(
Ἠθικοὶ χαρακτῆρες
) zu den wichtigsten Werken des Peripatetikers und Aristoteles-Schülers Theophrast (371/70–287/86 v. Chr.). Im 17. Jh. wurden die
Charaktere
Vorbild für die literarische Gattung der Charakterstudie.
Aristoteles Rhetorik
Der griechische Philosoph Aristoteles (384–322 v. Chr.) gehört, wie sein Lehrer Platon, zu den einflussreichsten Denkern der abendländischen Tradition (Aristotelismus) und hat, auch wenn nur ein Teil seiner Schriften erhalten ist, ein umfangreiches Werk hinterlassen. Die drei Bücher umfassende
Rhetorica
beschreibt zunächst die unterschiedlichen Redearten, ihre Gegenstände sowie die damit zusammenhängenden Emotionen, das dritte Buch befasst sich mit Stilfragen.
Isokrates
Isokrates (436–338 v. Chr.) gilt neben dem in der Reiskischen Sammlung (s.u.) enthaltenen Demosthenes als größter Redner der griechischen Antike. Waren im ersten vorchristlichen Jahrhundert 60 Reden unter dem Namen des Isokrates bekannt, von denen jedoch bereits damals nur etwa die Hälfte für echt gehalten wurde, umfasst sein Werk nach heutigem Stand und an nur wenigen Stellen unter Zweifeln 21 Reden und neun Briefe.
Reiskischen Sammlung
Gemeint sind Johann Jacob Reiskes zwölfbändige
Oratores Graeci
(1770–1775).
Herodot
Der von Cicero als
pater historiae
bezeichnete, mit Blick auf die antike Historiographie höchst einflussreiche Herodot von Halikarnass (5. Jh. v. Chr.) hat ein neun Bücher umfassendes, vollständig erhaltenes Geschichtswerk (
Historien
) hinterlassen, in dem eine Vielzahl von unterschiedlichen (z.B. geographischen und ethnographischen) Materialien verarbeitet ist. Dieser große inhaltliche Reichtum spiegelt sich auch in seiner bereits in der Antike wegen ihrer großen Buntheit gerühmten Sprache wider.
Polybius
Die
Historien
, das Hauptwerk des griechischen Geschichtsschreibers Polybius (gest. um 120 v. Chr.), sind eine bis in die Mitte des 2. Jh.s v. Chr. reichende Geschichte der Expansion Roms in 40 Büchern (erhalten ist etwa ein Drittel), deren besondere Bedeutung nicht zuletzt in ihrem methodischen Konzept, der sog. pragmatischen Geschichtsschreibung (vgl. I § 225), liegt. Obwohl das antike Urteil über Polybius' Stil eher negativ ausfällt, wurde er früh ausgiebig rezipiert und stieg nach seiner Wiederentdeckung im 15. Jh. bis zum Ende des 18. Jh.s v.a. in politischer Perspektive (Verfassungsfragen) zu einem der einflussreichsten antiken Historiker auf.
Plutarch
Das umfangreiche Werk (die Antike kannte rund 260 Schriften) des römischen Schriftstellers Plutarch von Chaironeia (gest. vor 125 n. Chr.) zerfällt grob in philosophische und historisch-biographische Schriften. Obwohl auch die philosophischen
Moralia
(vgl. I § 208 c) mit Gewinn zu lesen wären, geht es Nösselt an dieser Stelle v.a. um die
Cäsarenviten
und die
Parallelbiographien
(paarweise Gegenüberstellungen großer Griechen und Römer, die bis auf wenige Ausnahmen mit einem vergleichenden Epilog enden). Als wichtigster Vertreter des Mittelplatonismus (mit eigener Akademie in Chaironeia) und des Attizismus war Plutarch von beträchtlichem Einfluss und wurde auch in christlichem Kontext sehr geschätzt.
Josephus
Der jüdisch-hellenistische Historiker Flavius Josephus (1. Jh. n. Chr.) hat neben einer Autobiographie (
Vita Iosephi
) und der apologetischen Schrift
Contra Apionem
zwei Geschichtswerke verfasst: den bis zur Belagerung Massadas (73/74 n. Chr.) reichenden
Jüdischen Krieg
(
Bellum Iudaicum
) und die von der Weltschöpfung bis zum jüdischen Krieg reichenden
Jüdischen Altertümer
(
Antiquitates Iudaicae
). Im Judentum ist Josephus kaum rezipiert worden, für Eusebius von Caesarea (260–339 n. Chr.) ist er der wichtigste Gewährsmann für die Zeit Jesu.
Arrian
Zu den historischen Schriften Arrians (zur Epiktet-Überlieferung s.o.) zählen der
Alexanderzug
(
Ἀλεξάνδρου Ἀνάβασις
) und eine Schrift über Indien (
Ἰνδική
), fragmentarisch erhalten sind eine Diadochen- und eine Parthergeschichte (zu den philosophischen Schriften s.o.). Weitere Schriften sind ein vollständig überlieferter
Periplus
des Schwarzen Meeres und eine Abhandlung über die Jagd (
Κυνηγετικός
) sowie mehrere kleinere, ebenfalls nur fragmentarisch erhaltene Werke.
Appian
Der ursprünglich aus Alexandrien stammende, später jedoch nach Rom übergesiedelte Historiker Appian (gest. 160 n. Chr.) ist der Verfasser einer teils verlorenen, teils nur fragmentarisch erhaltenen
Römischen Geschichte
(
Ῥωμαϊκά
) mit ethnographischem Gliederungsschema. Von besonderer Bedeutung ist die insgesamt fünf Bücher umfassende Beschreibung der Bürgerkriege (
Ἐμφύλια
).
Herodian
Der Historiker Herodian (geb. 178/180 n. Chr.) ist der Autor eines in griechischer Sprache und in acht Bänden verfassten, bis zum Herrschaftsbeginn Gordians III. im Jahr 238 n. Chr. reichenden Geschichtswerkes (
Ab excessu divi Marci
) und nicht mit dem zeitgleich lebenden griechischen Grammatiker Aelius Herodianus zu verwechseln.
Homer
Mit dem Namen Homers verbinden sich die beiden großen Epen
Ilias
und
Odyssee
, die wahrscheinlich aus der ersten Hälfte des 8. Jh.s v. Chr. stammen und mit ihren insgesamt rund 28.000 Versen den Beginn der europäischen Dichtung markieren. Bereits in der Antike wurden Homer weitere Werke (etwa die
Homerischen Hymnen
) zugeschrieben, doch gelten nur die
Ilias
und die
Odyssee
als echt. Seit jeher wird diskutiert, ob Homer überhaupt existiert hat oder sein Name eine Kollektivbezeichnung für mehrere Autoren darstellt (Homerische Frage).
Hesiod
Neben Homer stellen die Werke seines Zeitgenossen Hesiod die frühesten Zeugen der griechischen Literatur dar und sind wichtiger Orientierungspunkt für die gesamte antike Dichtung. Zu nennen sind v.a. die für das Wissen um die griechische Mythologie bedeutende
Theogonie
sowie das in weiten Teilen auch das Alltagsleben (v.a. die Landarbeit) thematisierende Lehrgedicht
Werke und Tage
(
Ἔργα καὶ ἡμέραι
).
Anakreon
Hauptthemen der wenigen, nur fragmentarisch erhaltenen Gedichte des griechischen Lyrikers Anakreon d. Ä. (geb. ca. 575 v. Chr.) sind der Wein, die (erotische) Liebe und der Tod, die in teils deutlichen Bildern bearbeitet werden. Im Gegensatz dazu schlägt die unter dem Titel
Anacreontea
bekannte Sammlung von 60 anonymen, Anakreon nachahmenden Gedichten aus verschiedenen Epochen der Antike einen weit milderen Ton an. Diese erstmals 1554 von Stephanus herausgegebene und in der Folge in mehrere Sprachen übersetzte Sammlung war gerade im ausgehenden 18. Jh. von erheblichem Einfluss (Anakreontik).
Theokrit, Moschus und Bion
Bei Theokrit (3. Jh. v. Chr.), Moschus (wohl 2. Jh. v. Chr.) und Bion (Lebensdaten unbek.) handelt es sich um die bedeutendsten Vertreter der griechischen Bukolik („Hirtendichtung“), die dann die lateinische (v.a. Vergil) und ab dem 4. Jh. auch die christliche Bukolik geprägt hat. Seit byzantinischer Zeit (
Suda
) scheinen diese drei Autoren als feste Trias zusammenzugehören.
Pindar
Aus dem Werk des Chorlyrikers Pindar (geb. vermutl. 522 oder 518 v. Chr.) sind nur die
Epinikia
oder
Siegeslieder
(Oden auf Sieger der olympischen, pythischen, nemëischen und isthmischen Spiele) erhalten. Als dichterisches Vorbild war Pindar bereits in der Antike (Horaz) und später auch in der deutschen Romantik hoch geschätzt.
Kallimachus
Das Werk des von Quintilian als
elegiae princeps
bezeichneten, äußerst produktiven Dichters und Grammatikers Kallimachus von Kyrene (geb. zwischen 320 und 303 v. Chr.) ist größtenteils verloren. Nösselt hat hier die komplett erhaltenen
Hymnen
sowie die etwas mehr als 60 Epigramme im Blick. Fragmentarisch erhalten (durch neuere Funde jedoch vergleichsweise gut rekonstruierbar) sind die
Ursprünge
(
Αἴτια
), die
Jamben
und das Gedicht
Hekale
.
Aristoteles Poetik
Das erste der ursprünglich zwei Bücher umfassenden
Poetik
des Aristoteles behandelt v.a. die Tragödie (das nicht erhaltene zweite Buch die Komödie) und hat diese (Regeldrama,
doctrine classique
) sowie die Theorie der Dichtkunst (Scaliger, Opitz, Gottsched) seit seiner Wiederentdeckung in der Renaissance nachhaltig geprägt.
147.
Bey
Bei
einer
solche
solchen
Menge von griechischen und römischen Schriftstellern versteht sichs von selbst, 5) daß viele,
zumahl
zumal
wenn man sich nicht ganz eigen diesem Studium widmet, nur cursorisch gelesen werden müssen. Je leichter ein
Schriftsteller,
Schriftsteller
und vornehmlich je weniger er
classisch
classisch
claßisch
klassisch
ist (§.
72
), je
72.
), desto
weniger braucht man sich
bey
bei
ihm aufzuhalten. – Endlich
müßte
hat
man sich 6)
zu
hüten, daß
der Aufhalt
man
nicht durch
Vergleichung
Vergleichung
gelehrter
weitläuftiger
Commentatoren noch
verlängert würde
länger aufgehalten werde
. Billig sollte man sie nur da befragen, wo man nicht selbst fortkommen
könnte
kann
. Verlieren sie sich
zumahl
zumal
in weitläufige und gelehrte Erläuterungen, die nicht bloß den zu erläuternden Autor
angehen:
angehen,
so ist es weit besser, eine
andre
andere
Zeit auszusetzen, um diese zu
studieren
studiren
, als sich zu sehr von dem Autor selbst ablenken zu lassen.
148.
Uebungen
im guten
Ausdruck brauchen
Ausdruck, brauchten
sich
bey
bei
den bisher erwähnten
zwey
zwei
Sprachen eigentlich nur auf die
lateinische
einzuschränken. – Wenn das Studium der alten Griechen und Römer einen
großen
grossen
Werth hat (§.
107
f.
),
f.)
und
wenn
der sie weit besser versteht,
wer
der
sogar seinen Ausdruck in ihrer Sprache mit Fleiß nach ihnen gebildet hat;
wenn,
wenn
nach den oben (§.
123
f.
) angeführten
Gründen,
Gründen
die lateinische Sprache, als allgemeine gelehrte Sprache, unter den Gelehrten erhalten zu werden
verdient
*)
;
verdient;
*)
wenn dieses vornehmlich durch
Beyspiele
Beispiele
dererjenigen geschehen muß, die junge Gelehrte bilden oder sie prüfen sollen, und die durch ihr
Beyspiel
Beispiel
und Ansehen hauptsächlich dem Strom
einreissender
einreißender,
der Gelehrsamkeit
nachtheiligen
nachtheiliger
Gewohnheiten entgegen arbeiten müssen: so sollten wenigstens alle, die
gelehrte Schriftsteller
seyn,
d. i.
über Sachen, die zur eigentlichen Gelehrsamkeit gehören, schreiben wollten, und
es sollten vorzüglich
na mentlich alle
Lehrer auf Schulen und
Universitäten,
Universitäten
nebst
solchen,
solchen
die auch
Schullehrer
Schullehrer zu prüfen und zu leiten haben, eine Fertigkeit besitzen, sich, wo nicht eigentlich schön, doch wenigstens rein und verständlich in der lateinischen Sprache, es
sey
sei
im Reden oder Schreiben, ausdrücken zu können, und diese Fertigkeit nicht immer mehr aussterben
laßen
zu lassen
lassen
.
Anm.
*)
S.
Vertheidigung des
Lateinschreibens - -
Lateinschreibens,
von
Gedike, Friedrich
Friedr.
Fr.
Gedike
, Berlin
1783
1783.
,
gr.
8.
8.;
auch
in dessen
gesammleten Schulschriften
gesammel-
Schulschriften,
S.
289
f.
im
Berlinischen Magazin der Wissenschaften und Künste 1783
, 41tes Stück
, verglichen mit den Einwendungen dagegen in der Berlinischen Monatsschrift
von
Gedike, Friedrich
Gedike
und
Biester, Johann Erich
Biester
, 1783
, October
1783.,
S.
346
f.
,
und in der Allgemeinen Revision des Schul- und
Erziehungswesens
Erziehungswesens,
Theil 11.
S.
258
f.
f.,
auf welche
Scheingründe schon
oben (§.
124
f.
) Rücksicht genommen worden ist.
Vertheidigung des Lateinschreibens […] Theil 11. S. 258 f.
Friedrich Gedikes (1754–1803)
Vertheidigung des Lateinschreibens und der Schulübungen darin
findet sich in dessen zweibändigen
Gesammlete[n] Schulschriften
I (1789), 289–321. Bei den in der von Gedike und Johann Erich Biester (1749–1816) herausgegebenen
Berlinische[n] Monatsschrift
2 (1783) abgedruckten Einwendungen handelt es sich um Johann Stuves (1752–1793)
Wider das Lateinschreiben. An den Herrn Direktor Gedike
(aaO 338–357). Im elften Band der
Allgemeine[n] Revision des gesammten Schul- und Erziehungswesens
(vgl. I § 33 c) findet sich die
Abwägung der Gründe für und wider das Lateinschreiben, als eine allgemeine Uebung für alle und jede Studirende
(aaO 258–337).
Berlinischen Magazin der Wissenschaften und Künste 1783, 41tes Stück
Gedikes
Vertheidigung des Lateinschreibens
findet sich im
Berlinsche[n] Magazin der Wissenschaften und Künste
1 (1783), 4. St., 30–55.
149.
Wer nach
Wem daran liegt, zu
einer solchen
Fertigkeit
Fertigkeit,
sich lateinisch
auszudrucken
auszudrücken
trachtete, würde ausser
auszudrücken, zu gelangen, wird außer
den §.
76
76.
und
129
129.
angeführten
Scheller, Immanuel Johann Gerhard
Schellerischen
Büchern,
Scheller, Immanuel Johann Gerhard
J. J.
Schriften,
I. I.
G.
Schelleri
praecepta stili bene latini,
nach der
zweyten
zweiten
vermehrten Ausgabe,
Lips.
1784
in 2 Tomis in
1779
, in 2 Theilen in
1784. 2 Tomi,
gr.
8. mit
großem
grossem
Nutzen brauchen können, um feste Regeln zu
haben,
haben
woran er sich zu halten
hätte
hat
, und seine Aufmerksamkeit
bey
bei
wirklicher Lesung der Alten auch in dieser Absicht zu leiten. Denn dieses Lesen und die genaue Aufmerksamkeit auf ihren Ausdruck
und das Eigenthümliche ihrer Sprache in seinem ganzen
Umfange,
Umfange
ist freylich
bleibt freilich
die beste und sicherste Uebung.
*)
*)
Ausserdem würde
Außerdem wird
es sehr vortheilhaft seyn, solche neuere Schriftsteller fleißig zu lesen, die den guten lateinischen Ausdruck in ihrer Gewalt haben, und zum Theil
Muster
Muster seyn können, als, unter theologischen Schriftstellern,
Erasmus, Desiderius
Erasmus
,
Melanchthon, Philipp
Phil. Melanchthon
,
Camerarius, Joachim
Joach. Camerarius
,
Calvin, Jean
Joh. Calvin
,
Sturm, Johannes
Joh. Sturm
,
Cano, Melchior
Melch. Canus
,
Osorius, Hieronymus
Hier. Osorius
,
Sadoletus, Jacobus
Jak. Sadoletus
,
Hyperius, Andreas
Andr. Hyperius
,
Ernesti, Johann August
Joh. Aug. Ernesti
,
Morus, Samuel Friedrich Nathanael
S. F. N.
Morus,
Morus
Erasmus
,
Melanchthon
,
Came
rarius
,
Calvin
,
Sturm
,
Canus
,
Osorius
,
Sadoletus
,
Hyperius
,
Ruhnken, David
Ruhnkenius
,
Wyttenbach, Daniel Albert
Wyttenbach
,
Ernesti
,
Morus
und einige wenige
Andre
Andere
; weil man sich dadurch mehr
gewöhnt
gewöhnt,
den guten lateinischen Ausdruck unserer Art zu denken, unsern Kenntnissen und Bedürfnissen
anschmiegen
anzuschmiegen.
*) Ja es
Anm.
*) Viel lesen
ist auch der einzige Weg, wie man
eigentliches,
eigentliches
altes, römisches Latein, und überhaupt wirklich in einer fremden Sprache,
kan
kann
schreiben lernen. Denn dazu gehört, daß man in derselben Sprache
denken
könne; und in jeder Sprache denkt man anders. Wer
dies
dieß
nicht
kan
kann
, mag wohl aus einer Sprache in die andere übersetzen, und in der fremden Sprache sich so ausdrucken können, daß man sieht, was er sagen
wolle,
wolle;
aber
mit der
Sprache,
z. B.
rein,
ächt
echt
Lateinisch, wird er nicht zu schreiben vermögen.
Andere Vorschläge und Regeln sind schon oben §.
87
–
89.
87
–
89
87.
–
89.
berührt worden.
Erasmus
Desiderius Erasmus von Rotterdam (1466/1469–1536), der wohl bedeutendste Humanist seiner Zeit („Humanistenfürst“), hat eine umfangreiche literarische Tätigkeit (inkl. Korrespondenz) entfaltet. In theologischer Perspektive ist v.a. seine Edition des Neuen Testaments (Anfänge des
textus receptus
) sowie seine Auseinandersetzung mit Martin Luther und sein Einfluss auf die Reformation zu nennen. Sein Werk umfasst in der Ausgabe Jean Le Clercs (Leiden 1703–1706) zehn Foliobände.
Phil. Melanchthon
Philipp Melanchthon (eigentl. Schwartzerdt) (1497–1560) gehört als Weggefährte Martin Luthers zu den bedeutendsten Persönlichkeiten der Reformation und wurde aufgrund seiner pädagogischen Verdienste auch als
praeceptor Germaniae
bezeichnet. Als Humanist war Melanchthon vielseitig interessiert und hat ein umfangreiches Werk hinterlassen. Hervorgehoben seien die
Loci communes
(1521) und die unter maßgeblichem Einfluss Melanchthons entstandene
Confessio Augustana invariata
(1530) bzw.
variata
(1540).
Joach. Camerarius
Der Humanist Joachim Camerarius (Kammermeister) d. Ä. (1500–1574) studierte in Leipzig, Erfurt und Wittenberg und war zuletzt Professor in Leipzig. Neben einer umfangreichen philologischen und editorischen Tätigkeit ist der eng mit Melanchthon befreundete Camerarius auch kirchenpolitisch (u.a. Teilnahme an verschiedenen Religionsgesprächen) hervorgetreten.
Joh. Calvin
Der in Genf wirkende Theologe Johannes (Jean) Calvin (1509–1564) ist die wichtigste Gründungspersönlichkeit des reformierten Christentums und mit seinem Hauptwerk, der 1559 (im selben Jahr gründete Calvin die von Theodor Beza geleitete Genfer Akademie) in endgültiger lateinischer Fassung vorliegenden
Institutio Christianae religionis
, einer der bedeutendsten Reformatoren überhaupt (Calvinismus). Sein Werk umfasst weit über 100 Schriften, die erhaltene Korrespondenz mehrere tausend Briefe.
Joh. Sturm
Der humanistisch gebildete Johannes Sturm (1507–1589) lehrte ab 1537 in Straßburg und wirkte hier v.a. als Gründer und ständiger Rektor des Gymnasiums, das 1566 in den Rang einer Akademie erhoben wurde. Neben seinem Melanchthon verpflichteten pädagogischen Wirken trat der tendenziell reformierter Theologie (Calvin, Bucer) zuneigende Sturm als Vermittler zwischen den Konfessionen hervor, wurde jedoch selbst in jahrzehntelangen Auseinandersetzungen mit der Straßburger Kirchenführung und der Akademie um die eigene theologische Position aufgerieben.
Melch. Canus
Der antireformatorische Dominikaner Melchior Cano (1509–1560) war als bedeutender Vertreter der Schule von Salamanca Berater Karls V. sowie dessen Sohnes Philipp II. und ein Verfechter der Inquisition. Zugleich gilt er aufgrund seines posthum veröffentlichten Hauptwerkes
De locis theologicis
(1563), das bis 1890 mehr als 30 Auflagen erlebte und zum Standardwerk der katholischen Erkenntnis- und Methodenlehre avancierte, als Begründer der Fundamentaltheologie.
Hier. Osorius
Der portugiesische Humanist und Bischof Hieronymus Osorius (Jerónimo Osório) (1506–1580) galt aufgrund seiner theologischen und historiographischen Schriften als Gelehrter von europäischem Rang und wurde wegen seines stilvollendeten Lateins als
Cicero Lusitanus
bezeichnet (zeitweise wurde Osorius sogar verdächtigt, für seine Abhandlung
De gloria
Ciceros verlorenes Werk gleichen Namens verwendet und unterschlagen zu haben).
Jak. Sadoletus
Der als Reformer aufgetretene italienische Kardinal und Humanist Jacobus Sadoletus (Jacopo Sadoleto) (1477–1547) gehört zu den Vorbereitern des Trienter Konzils (1545–1563) und hat in mehreren Schriften (an Melanchthon, die Genfer und gegen Johannes Sturm) versucht, für die Einheit der römisch-katholischen Kirche zu wirken. Als Hauptwerk gilt sein bisweilen auch von altgläubiger Seite als semipelagianisch kritisierter Römerbrief-Kommentar (1535). Wegen seines ciceronianischen Stils galt er als einer der besten Latinisten seiner Zeit.
Andr. Hyperius
Der durch Johannes Sturm zum Humanismus und zur reformatorischen Theologie (v.a. Calvin und Bucer) gekommene Andreas Gerhard gen. Hyperius (von Ypern) (1511–1564) bekleidete ab 1542 eine theologische Professur in Marburg und hat sich, mit großem Einfluss auf die lutherische Orthodoxie, v.a. um die Predigtlehre verdient gemacht.
Ruhnkenius, Wyttenbach
In der dritten Auflage der
Anweisung
ist die Aufzählung um den bedeutenden Leidener Philologen und
princeps criticorum
David Ruhnken und dessen Schüler, Nachfolger und Biographen Daniel Albert Wyttenbach (1746–1820) erweitert. Die Zusammenstellung mit Ruhnken lässt es unwahrscheinlich erscheinen, dass an dieser Stelle Wyttenbachs Vater, der Marburger Theologieprofessor David Samuel Daniel Wyttenbach (1706–1779), gemeint ist.
Joh. Aug. Ernesti
Wegen seines hervorragenden lateinischen Stils wurde Johann August Ernesti auch als
Germanorum Cicero
bzw. in den Worten David Ruhnkens als
Ciceronis sospitator
bezeichnet.
150.
Ausser
Außer
den bisher erwähnten Sprachen ist für den, der sich der Theologie widmet, die Kenntniß der
hebräischen
Sprache
unstreitig
am
nothwendigsten,
nothwendigsten:
nicht nur wegen der Bücher des alten Testaments,
die meistens in dieser Sprache abgefaßt sind, sondern weil auch in den Büchern des neuen
Testaments
der
Vortrag
Vortrag fast durchaus nach der
hebräischen
Denkart
Denk- und
Sprachart
Sprachart gebildet ist, und sie nicht richtig verstanden werden können, wenn man jene nicht aus dem alten
Testament
Testamente
kennen gelernt hat.
die meistens in dieser Sprache abgefaßt sind
Neben hebräischen enthält das Alte Testament auch aramäische Passagen (v.a. Dan 2,4–7,28 und Esr 4,8–6,18; 7,12–26).
hebräischen Denk- und Sprachart
Vgl. I § 162.
151.
So leicht die hebräische Sprache zu seyn scheint, weil nur Ein Werk in ihr geschrieben ist, und so viele Erleichterungs mittel es auch giebt, wodurch man sie dem bald
beybringen kan
beibringen kann
, der sich unter den
morgenländisch
morgenländischen Sprachen nur auf sie
einschränken
beschränken
will,
will
und mit der
nothwendigsten
nothdürftigsten
Kenntniß derselben zufrieden ist: so
große
grosse
Schwierigkeiten hat sie, wenn man sie wirklich verstehen, und eine sichere und gründliche Kenntniß derselben erlangen will, man mag auf die
Sprachregeln
Sprachregeln
Sprachregeln,
oder auf den noch weit schwerer zu bestimmenden
Sprachgebrauch
Sprachgebrauch sehen. Ein Beweis davon sind schon die ehemaligen ungereimten Methoden, die Richtigkeit von jenen und diesem zu
entdecken,
entdecken;
und es bleibt
bey
bei
dieser
ausgestorbnen
ausgestorbenen
Sprache, die noch dazu nur in Einem Werke übrig ist, kein
andres sichres
anderes sicheres
Mittel übrig, sie gründlich und mit eigner Ueberzeugung zu lernen, als die Kenntniß der mit ihr zunächst verwandten Sprachen, besonders der
chaldäischen, syrischen
und
arabischen
.
Anm.
S.
Origines
hebraeae,
hebraeae
s. hebr. linguae antiquissima natura et indoles ex Arabiae penetralibus
reuocata
revocata
ab
Schultens, Albert
Alb. Schultens
.
Ed.
altera, cui adiectum opusculum de defectibus hodiernis ling. hebr. Lugd. Bat.
1761
1761.
gr.
4.
Michaelis, Johann David
Joh. Dav. Michaelis
Beurtheilung der Mittel, welche man anwendet, die ausgestorbene
hebr.
hebräische
Sprache zu verstehen, Göttingen
1757
1757.
in
1757.
8.
152.
Es wäre daher
Insofern würde es
allerdings
rathsam, eher
rathsam seyn,
das in Absicht auf Grammatik und Sprachgebrauch leichtere
Syrische
Syrische
früher
als das
Hebräisch
Hebräische
Hebräische
zu lernen,
alsdann
alsdenn
sich das
Chaldäisch
Chaldäische
Chaldäische
bekannt zu machen, welches mit dem Syrischen fast
einerley
einerlei
Sprache, und in wenigeren, auch nicht einmal orginellen, Schriften vorhanden ist, hierauf das Hebräische folgen zu
laßen
lassen
, und zuletzt das wegen seiner Weitläufigkeit und seines Reichthums schwerere
Arabisch
Arabische zu
treiben.
treiben
.
So würde die Beschäftigung mit der einen die mit der andern erleichtern und unterstützen. Lernte man
hiebey
hierbei
auf den Unterschied und die Uebereinstimmung dieser Sprachen unter einander, in Sprachregeln und Bedeutungen der Wörter, merken: so würde der Mißbrauch der Erläuterung einer aus der andern auch leicht verhütet werden können.
Anm.
S.
Michaelis, Johann David
J. D. Michaelis
Abhandlung von der syrischen Sprache und ihrem Gebrauch,
zweyte
Aufl.
zweite Aufl.,
Göttingen
1786.
1772.
8.
Schelling, Joseph Friedrich
Jos. Friedr.
Schellings
Schelling's
Abhandlung von dem Gebrauch der arabischen Sprache zu einer gründlichern Einsicht in die
hebräische,
hebräische.
Stuttgard 1771.
8.
Schultens, Albert
Alb. Schultens
Clavis dialectorum
bey
bei
Erpenius, Thomas
Erpenii
Rudimentis linguae Arabicae,
Edit.
altera, Lugd.
Batav.
Bat.
1770.
4.
Alb. Schultens Clavis dialectorum bey Erpenii Rudimentis linguae Arabicae, Edit. altera, Lugd. Batav. 1770
Albert Schultens'
Clavis dialectorum
findet sich aaO 185–374.
153.
Hätte
Hat
man
indeß
keine Gelegenheit
gehabt
gehabt,
diesen Weg in Erlernung des
Hebräisch
Hebräischen
Ebräischen
zu betreten, und
dieses letztere
in diesem letzteren
schon
nothdürftig gelernt:
einigen Anfang gemacht,
so
wäre
ist
doch, wenn man anders im
Hebräischen
Ebräischen
selbst sehen lernen wollte
mit eigenen Auge sehen will
, rathsam, jene Sprachen, in der angegebenen Ordnung, nachzuholen, oder sie mit jenem zu verbinden. Wem es
aber
dazu an Neigung, Fähigkeit, Muße oder Hülfsmitteln
fehlen sollte:
fehlt,
dem bleibt weiter nichts übrig, als bloß Andern zu
folgen,
folgen
und sich mit dem zu behelfen, was
Andre
Andere
entweder in den auf gedachte verwandte Sprachen gebaueten Sprachlehren, oder in Erläuterungen des Alten Testaments mit Hülfe dieser
morgenländisch
morgenländischen Sprachen, vorgearbeitet haben.
154.
Wer
jenen sichern Weg
aber dem oben angedeuteten sicherern Wege
zur Erlernung des
Hebräisch
Hebräischen
Ebräischen
folgen
könnte
kann
und
wollte, würde am besten bey dem
Syrisch
Syrischen
sich erst die
mag, findet zuvörderst für das
Syrische
sehr schätzbare Vorarbeiten und Hülfsmittel, die bei großem und beharrlichem Fleiß allenfalls einen besondern Unterricht entbehrlich machen können.
Anm.
Die ersten
nothwendigsten Kenntnisse
kann man sich
aus der Brevis linguae
Syriacae
syriacae
institutio, auctore
Adler, Jacob Georg Christian
J.
I.
G. C. Adler
,
Alton. 1784
in
Altonae 1784.
8. verschaffen; alsdann damit
den Syriasmus i. e. Grammatica
ling. Syriacae, auct.
linguae syriacae, auctore
Michaelis, Christian Benedikt
Christ. Bened. Michaelis
, Halae 1741
in
4.
, oder vielmehr die Umarbeitung dieser Sprachlehre in
Michaelis, Johann David
J. D. Michaelis
Grammatica Syriaca, Hal.
1785
in
1785.
4.
und
Vater, Johann Severin
S. Vater's
syrische Grammatik
verbinden.
Wenn
zum Grunde legen; wenn
er
Wer
sich das Nothwendigste daraus bekannt gemacht
hätte,
könnte er
gleich
hat, kann sodann
zur Lesung der
syrischen Chrestomathie fortgehen,
die
der
Michaelis, Johann David
Michaelischen
J. D. Michaelis
Abhandlung (§.
152.
Anmerk.
) angehängt ist, wofern er der Anweisung von einem Andern
dabey geniessen
könnte. Müßte
könnte; müßte
er aber vor
dabei genießen kann.
Muß er für
sich diese Sprache lernen,
so
wäre
ist
ihm die Chrestomathia
Syriaca
syriaca
von
Kirsch, Georg Wilhelm
Georg. Guil. Kirsch
, Hofae
1789
in 8
1789. 8.
, besonders auch wegen des
beygefügten
beigefügten
Lexicons, und
das Psalterium syriacum nach der
Dathe, Johann August
Dathischen
Ausgabe (latine vertit
Erpenius, Thomas
Thomas Erpenius
,
notas - -
notas –
addidit
Dathe, Johann August
Jo.
Io.
Aug. Dathe
, Halae 1768.
8.)
zu empfehlen. Alsdann
könnten
kann
der Pentateuchus Syriace, edidit
Kirsch, Georg Wilhelm
Ge. G. Kirsch
, Lips.
1787
in 4
1787. 4.
,
gebrauchen, alsdenn
die Syrischen Stücke in
Assemani, Giuseppe Simone
Jos. Sim. Assemani
Bibliotheca
Orientali,
Orientali
nebst der
doppelten Syrischen Uebersetzung des
N. Test.
N. T.
sowohl der älteren, welche zuletzt
Schaaf, Karl
Carl
Schaaf
Schaaf
,
Lugd. Bat.
1709
in
1709.
gr.
4. mit einem
Syrischen Wörterbuch
syrischen Wörterbuche
, als der neueren Philoxenianischen, die
White, Joseph
Joseph White
Oxonii
1778
in
1778.
2
Tom.
Tomm.
in
4. über die Evangelien herausgegeben hat, und, wenn er weiter gekommen
wäre
ist
,
Barhebraeus
Barhebraei
Chronicon
Syriacum
syriacum
von
Bruns, Paul Jakob
P.
J.
I.
Bruns
und
Kirsch, Georg Wilhelm
G. G. Kirsch
herausgegeben, Lips.
1789
in
1789.
4.,
die
Acta sanctorum martyrum
Orientalium
orientalium
et
Occidentalium - -
occidentalium –
Assemani, Stefano Evodio
Steph. Evod. Assemanus
recensuit
etc.
Romae
1748
in
1748.
2
Tom.
Tomm.
Fol.
fol.
und die
drey Syrischen
drei syrischen
Theile von
Ephraem der Syrer
Ephraemi Syri
Werken
Werken,
Romae
1737–43
Fol.
1737.–43.
fol.
folgen
lesen
.
Das beste
Syrische
syrische
Wörterbuch ist das von
Castell, Edmund
Edmundo Castello
in seinem Lexico hebtaglotto, Londini
1669
1669.
, so zur Londonschen Polyglotte gehört
, und welches
Michaelis, Johann David
J. D. Michaelis
mit seinen eigenen Anmerkungen, Göttingen
1788
in
1788.
4. besonders herausgegeben hat
.
J. D. Michaelis Grammatica Syriaca, Hal. 1785
Johann David Michaelis'
Grammatica Syriaca
ist bereits 1784 in Halle erschienen.
S. Vater's syrische Grammatik
Da für den hervorragenden und in seinem Werk äußerst vielseitigen Sprachforscher Johann Severin Vater (1771–1826), der ab 1799 eine ordentliche Professur der Theologie und orientalischen Sprachen in Halle innehatte, 1809 aufgrund der unsicheren politischen Verhältnisse jedoch nach Königsberg wechselte, keine eigenständige Grammatik des Syrischen ermittelt werden kann, wird hier der betreffende Abschnitt im
Handbuch der Hebräischen, Syrischen, Chaldäischen und Arabischen Grammatik
(1802;
2
1817) gemeint sein (vgl. I § 155 c; I § 156 c).
syrischen Chrestomathie fortgehen, die der Michaelischen Abhandlung (§. 152. Anmerk.) angehängt ist
Bei der der zweiten Auflage der
Abhandlung
beigebundenen
Syrische[n] Chrestomathie. Erster Theil
handelt es sich um die zweite Auflage aus dem Jahr 1783, der ersten Auflage der
Abhandlung
ist die Erstauflage der
Chrestomathie
aus dem Jahr 1768 angehängt.
doppelten Syrischen Uebersetzung des N. Test. sowohl der älteren, welche zuletzt Carl Schaaf Lugd. Bat. 1709 […] herausgegeben hat
Laut Titelblatt wurde das
Novum Domini Nostri Jesu Christi Testamentum Syriacum
(1709) von Karl Schaaf (1646–1729) und dem berühmten Utrechter Theologen und Hebraisten Johannes Leusden (1624–1699) besorgt.
155.
Auf diese Art
müßte
wird
hernach die Erlernung des
Chaldäisch
Chaldäischen
sehr leicht werden, wenn man sich zuvörderst
aus
Alting, Jacob
Jac. Altingii
Synopsi Institutionum Chaldaearum et Aramaearum (
Tom.
V.
s.
Opp.
Amst. 1687
) und noch mehr aus
Michaelis, Johann David
J. D. Michaelis
Grammatica chaldaica, Götting. 1771.
8.
die Uebereinstimmung und den Unterschied des Chaldäischen und Syrischen bekannt
machte
macht
, und darauf mit Hülfe mancher
hebräischen
ebräischen
Wörterbücher, die auch auf das Chaldäische
gehen,
gehen
oder
Buxtorf, Johann, d. Ä.
Joh. Buxtorfii
Lexici Chaldaici
etc.
Basil. 1640
fol.
die
chaldäischen
Chaldäischen
Paraphrasen
läse
liest
, die in der Anweisung zur Kenntniß der besten
allgemeinern
allgemeinen
Bücher in der Theologie §.
49.
49
genennt worden
genannt
sind.
Anm.
Hülfsmittel dazu sind:
Alting, Jacob
Iac. Altingii
Synopsis Institutionum chaldaearum et aramaearum (
Tom.
V.
s.
Opp.
Amst. 1687.) und noch mehr
Michaelis, Johann David
I. D. Michaelis
Grammatica chaldaica, Götting. 1771. 8.
Buxtorf, Johann, d. Ä.
Ioh. Buxtorfii
Lexici chaldaici
etc.
Basil. 1640.
fol.
Hezel, Wilhelm Friedrich
W. E. Hetzel's
Anweisung zum Chaldäischen bei Ermangelung alles mündlichen Unterrichts, Lemgo 1787.
Jahn, Johann
J. Jahn's
chaldäische Chrestomathie, Wien 1800.
gr.
8.
Bauer, Georg Lorenz
G. E. Bauer
Chrestomathia e paraphrasi chald. et Talmude delecta, Norimb. 1792.
8.
desgl.
das
§.
159.
genannte
Vater, Johann Severin
Vatersche
Handbuch. 8.
Jac. Altingii Synopsi Institutionum Chaldaearum et Aramaearum (Tom. V. s. Opp. Amst. 1687)
Der fünfte und letzte Band der von Balthasar Bekker (1634–1698) verantworteten
Opera omnia
Jakob Altings (1618–1679) beinhaltet unterschiedliche theologische und philologische Arbeiten, die jeweils eigene Seitenzählungen aufweisen. Die 32 Seiten umfassende
Synopsis institutionum Chaldaearum et Aramaearum
ist als letztes Stück des Bandes eingebunden.
Joh. Buxtorfii Lexici Chaldaici etc. Basil. 1640
Das
Lexicon Chaldaicum, Talmudicum et Rabbinicum
kann als Hauptwerk des berühmten Basler Theologen Johann Buxtorf d. Ä. (1564–1629) bezeichnet werden. Nach seinem Tod übernahm sein Sohn Johann Buxtorf d. J. (1599–1664) die Fertigstellung (1639 bzw. der hier angeführte Nachdruck 1640).
W. E. Hetzel's Anweisung zum Chaldäischen bei Ermangelung alles mündlichen Unterrichts, Lemgo 1787
Der Name des Autors lautet Wilhelm Friedrich Hezel (1754–1824).
§. 159. genannte Vatersche Handbuch
Entsprechend zum Syrischen und Arabischen (vgl. I § 154 c bzw. I § 156 c) dürfte in diesem Paragraphen der Abschnitt zum Chaldäischen in Johann Severin Vaters (1771–1826)
Handbuch der Hebräischen, Syrischen, Chaldäischen und Arabischen Grammatik
(1802;
2
1817) gemeint sein. Allerdings ist in § 159 der dritten Auflage der
Anweisung
nicht auf dieses Handbuch, sondern auf Vaters hebräische Sprachlehren verwiesen.
156.
Bey Erlernung des
Arabisch
Arabischen
hat man weit mehrere Hülfsmittel.
Die
arabische
Sprache ist unter den semitischen bei weitem die reichste, und verdient nicht nur wegen ihrer ge nauen Verwandtschaft mit der hebräischen, die von Manchen bis zur Uebertreibung zur Erklärung hebräischer Wortbedeutungen angewendet ist, sondern auch wegen so vieler andern Werke, welche in ihr benutzt und unbenutzt zu den Schätzen großer Bibliotheken gehören, von denen, welche die orientalischen Studien überhaupt zu cultiviren Neigung, Muße und Gelegenheit haben, ganz vorzüglich studiert zu werden. Zunächst führt dazu der Gebrauch der
Sprachlehren
Sprachlehren
.
Anm.
Dahin gehören:
Erpenius, Thomas
Thomae Erpenii
Grammatica
Arabica
arabica
, die schon
Golius, Jacobus
Jac. Golius
, unter dem Titel: Arabicae linguae
tyrocinium
tyrocinium,
mit einigen angehängten arabischen
Stücken
Stücken,
Lugd. Bat.
1656
in
1656,
4. wieder herausgegeben hatte,
Schultens, Albert
Alb. Schultens
aber,
ausser
außer
den schon vorhin
dabey
dabei
befindlichen
Lôkman (Luqmān)
Lokmannischen
Fabeln, mit Weglassung der andern Stücke,
vermehrt
durch Auszüge aus der Hamasa des
Abū-Tammām Ḥabīb Ibn-Aus aṭ-Ṭāʾī
Abi Temmam
,
ebendaselbst
eben daselbst
1748.
4.
4
,
vermehrt habe. Diese
ist ein Muster in ihrer Art, die Quelle aller folgenden guten arabischen Grammatiken, und selbst durch diese noch nicht entbehrlich gemacht.
Nebst den
Nächst denen
§.
152.
152
Anm.
erwähnten Rudimentis
Erpenius, Thomas
Erpenii
sind unter denjenigen, die aus ihr geflossen sind, die besten:
Hirt, Johann Friedrich
Jo. Frid.
erwähnten:
Ioann. Frider.
Hirtii
Institutiones
Arabicae
arabicae
linguae,
Jenae
Ienae
1770.
8.;
8;
8.
Erpenius, Thomas
Erpenii
arabische Grammatik, abgekürzt, vollständiger und leichter gemacht von
Michaelis, Johann David
Joh. Dav. Michaelis
, Göttingen
1771
in
8,
8.
1771. 8.,
verändert 1783. 8.
und
Hezel, Wilhelm Friedrich
W. F.
Hetzels
Hetzel's
erleichterte arabische Grammatik, Jena 1776.
8.
8
, wovon jede ihre Vorzüge hat.
Jahn, Johann
Jahn's
arabische Sprachlehre, Wien 1796.
gr.
8., und
Vater, Johann Severin
J. S. Vaters
Handbuch
etc.
Alb. Schultens aber, ausser den schon vorhin dabey befindlichen Lokmannischen Fabeln […] vermehrt durch Auszüge aus der Hamasa des Abi Temmam, ebendaselbst 1748
Gemeint ist Albert Schultens' Ausgabe der zuvor in der Bearbeitung des Jacobus Golius (1596–1667) genannten
Grammatica Arabica
des Thomas Erpenius. In dieser finden sich die Fabeln des sagenumwobenen arabischen Weisen Luqmān (Lôkman), die ebenfalls Bestandteil der von Golius besorgten Ausgabe waren. Bei der
Hamasa
(arab.
Tapferkeit
) handelt es sich um eine von Abū-Tammām Ḥabīb Ibn-Aus aṭ-Ṭāʾī (ca. 806–846) zusammengestellte Anthologie arabischer Gedichte in zehn Büchern.
Erpenii arabische Grammatik, abgekürzt, vollständiger und leichter gemacht von Joh. Dav. Michaelis, Göttingen 1771 in 8, verändert 1783
Johann David Michaelis hat seiner Bearbeitung der
Arabische[n] Grammatik
des Thomas Erpenius nebst einem aus Albert Schultens' Bearbeitung (s.o.) entnommenen Anfang einer arabischen Chrestomathie (1771) eine zweite Auflage folgen lassen (1781), die laut Vorrede derart umgearbeitet ist, dass Michaelis nun von „seiner“
Grammatik
spricht. Eine Ausgabe aus dem Jahr 1783 lässt sich nicht nachweisen.
J. S. Vaters Handbuch etc.
Da für Johann Severin Vater (1771–1826) ebenfalls keine eigenständige Grammatik des Arabischen ermittelt werden kann, wird auch hier der betreffende Abschnitt im
Handbuch der Hebräischen, Syrischen, Chaldäischen und Arabischen Grammatik
(1802;
2
1817) gemeint sein (vgl. I § 154 c; I § 155 c).
157.
Bey allen diesen
Bei den vielen Sprachlehren
finden sich theils prosaische, theils poetische arabische
Anthologien
Anthologien
Anthologieen
, die
, und vornehmlich
Hirt, Johann Friedrich
J. F. Hirtii
Anthologia arabica, Jenae 1774.
8.
so lange zur Uebung im Lesen arabischer Schriften dienen können, bis man Gelegenheit und Fertigkeit genug bekommt, den
Koran
Koran, die arabischen Uebersetzungen des
alten
A.
und
neuen
N.
Test.
Testaments,
und
andre
andere
, ganz oder stückweise von
Erpenius, Thomas
Erpenius
,
Pococke, Edward
Edw. Pocock
,
Gagnier, Jean
Joh. Gagnier
,
Schultens, Albert
Albert
und
Schultens, Henrik Albert
Heinr. Alb. Schultens
,
Reiske, Johann Jacob
Joh. Jac. Reiske
,
Michaelis, Johann David
J. D. Michaelis
,
Scheid, Everard
Eberh. Scheid
,
Koehler, Johann Bernhard
Joh. Bernh. Köhler
,
Paulus, Heinrich Eberhard Gottlob
H. C. G. Paulus
H. C. G. Paulus
,
Wilken, Friedrich
F. Wilken
und
andern herausgegebne
Andern herausgegebene
arabische Schriftsteller zu lesen.
Anm.
Zum ersten Anfang dienen:
Hirt, Johann Friedrich
I. F. Hirt
Anthologia arabica. Jena 1771.
Rosenmüller, Ernst Friedrich Karl
B. J. L. Rosenmüller's
arabisches Elementar- und Lesebuch. Leipzig 1799.
Jahn, Johann
J. Jahn's
arabische Chrestomathie
, nebst
Lexicon darüber, Wien 1802.
Erpenius
Der bedeutende Arabist Thomas Erpenius (1584–1624) studierte zunächst Philosophie, erlangte 1608 den Doktorgrad und verlegte sich dann durch den Einfluss Scaligers sowie aus religionspolitischen Gründen nicht wie geplant auf die Theologie, sondern wandte sich den orientalischen Sprachen zu. Nach einer Bibliotheksreise wurde er Professor für orientalische Sprachen (später auch für Hebräisch) in Leiden, richtete hier eine auf orientalische Sprachen spezialisierte Druckerei ein und fungierte überdies auch als Dolmetscher für die Vereinigten Niederlande. In der
Anweisung
bereits erwähnt sind Golius', Schultens' und Michaelis' Bearbeitungen (vgl. I § 156) seiner mehrfach nachgedruckten
Grammatica Arabica
(1613) sowie die ebenfalls mehrfach aufgelegten
Rudimenta Linguae Arabicae
(1620) (vgl. I § 152), neben zahlreichen anderen philologischen Werken sind außerdem die von Scaliger angefangenen
Proverbia Arabica
(1614), die
Locmani Sapientis Fabulae
(1615), das
Novum D. N. Jesu Christi Testamentum Arabice
(1616), der
Pentateuchus Mosis Arabice
(1622) und die
Historia Saracenica
(1625) hervorzuheben.
Edw. Pocock
Der Theologe und Orientalist Edward Pococke (1604–1691), nach dem Studium in Oxford zunächst Kaplan in Aleppo, wurde 1636 auf die erste Professur für Arabisch (
Laudian Professor of Arabic
) an seiner alten Alma Mater berufen. Kurz darauf reiste er für einige Jahre nach Konstantinopel, übernahm nach seiner Rückkehr eine Pfarrstelle und gegen Ende des Bürgerkrieges 1648 eine Professur für Hebräisch. Pococke übersetzte 1660 Grotius'
De veritate religionis Christianae
sowie 1674 das
Book of Common Prayer
zu Missionszwecken ins Arabische und war zudem Mitarbeiter an der sog. Londoner Polyglotte. Aus seinem arabistischen Werk, dessen Bedeutung nicht zuletzt auf die zahlreichen im Orient gesammelten Handschriften zurückzuführen ist, sind v.a. das aufgrund seiner umfangreichen Anmerkungen bedeutende
Specimen historiae Arabum
(1650) zu nennen, hinzu kommen die zweibändige
Contextio Gemmarum, sive Eutychii Patriarchae Alexandrini Annales
(1654/1656) und die dreibändige
Historia compendiosa dynastiarum
(1663), seine Maimonides-Übersetzung
Porta Mosis
(1655) bietet arabischen Text in hebräischen Buchstaben. Ob hier nicht auch sein ebenfalls als Orientalist hervorgetretener Sohn Edward Pococke (1648–1727) gemeint sein könnte, muss offen bleiben. Dieser hatte unter dem Titel
Philosophus Autodidactus sive Epistola Abi Jaafar, Ebn Tophail de Hai Ebn Yokdhan
(1671) eine arabisch-lateinische Ausgabe des Inselromans
Ḥayy ibn Yaqẓān
(Der Lebendige, Sohn des Wachenden) des im 12. Jh. lebenden islamischen Gelehrten Ibn Tufail besorgt, zu der der ältere Pococke ein Vorwort verfasst hat. Dieser Roman erlangte v.a. durch die von Pococke besorgte Ausgabe einige Bekanntheit und soll später Defoes
Robinson Crusoe
beeinflusst haben.
Joh. Gagnier
Jean Gagnier (ca. 1670–1740) war nach dem v.a. den orientalischen Sprachen gewidmeten Studium am Pariser
Collège de Navarre
zunächst Kanoniker der Abtei
St Geneviève du Mont
, siedelte dann jedoch nach England über und wurde Geistlicher der anglikanischen Kirche (vgl. das wütende Werk
L'Eglise Romaine Convaincue de Dépravation, d'Idolatrie et d'Antichristianisme
aus dem Jahr 1706). Nachdem ihm auf königliche Anordnung 1703 der Magistergrad in Cambridge verliehen wurde, kam er durch die Vermittlung von Bischof William Lloyd (1627–1717), der ihn außerdem zu seinem persönlichen Kaplan bestellte, nach Oxford. Hier unterrichtete Gagnier ab 1709 Hebräisch, ab 1715 als Vertreter von
Regius Professor
Robert Clavering, später in Vertretung für
Laudian Professor
John Wallis auch Arabisch. 1724 übertrug ihm die Universität Oxford schließlich die
Lord Almoner's Professorship
für Arabisch. Aus Gagniers arabistischem Werk ist v.a.
De vita et rebus gestis Mohamedis
(1723), eine arabisch-lateinische Ausgabe der Mohammed-Biographie Abu-'l-Fidās (1273–1331), hervorzuheben, die zur Grundlage seiner eigenen zwei- (1732) bzw. dreibändigen (1748) französischsprachigen Mohammed-Biographie
La Vie de Mahomet
wurde. Diese zeichnet sich v.a. durch ihre neutrale Darstellung aus und wurde später auch ins Deutsche übersetzt (1802–1804). Bereits zuvor war Gagniers aus dem Griechischen ins Arabische übersetztes
Liber dictus Petra Scandali
(1721) publiziert worden, eine unvollendet gebliebene Übersetzung von Abu Al-Fidas
Arabischer Geographie
, von der 1727 ein Specimen veröffentlicht wurde, erschien in Gagniers Todesjahr unter dem Titel
Descriptio peninsulae Arabum
.
Albert und Heinr. Alb. Schultens
Gemeint sind Albert Schultens (1686–1750) und sein Enkel Henrik Albert Schultens (1749–1793), die beide – wie auch Albert Schultens' Sohn und Henrik Albert Schultens' Vater Jan Jacob Schultens (1716–1778) – als Orientalisten an der Universität Leiden hervorgetreten sind. Albert Schultens wurde nach dem u.a. in Leiden absolvierten Studium 1709 in Groningen zum Doktor der Theologie promoviert, begab sich dann wieder nach Leiden und folgte 1713 einem Ruf als Hebräischprofessor nach Franecker. 1729 wechselte er an das Leidener Staatenkolleg und wurde hier 1732 zudem Professor für orientalische Sprachen sowie 1740 für hebräische Altertümer. Schultens gehört zu den bedeutendsten niederländischen Orientalisten des 18. Jh.s, wirkte schuldbildend und hat sich, wie die Abhandlung
De utilitate linguae Arabicae in interpretantia Sacra Scriptura
(1706) zeigt, bereits früh auch dem Arabischen zugewandt. V.a. in seinen zweibändigen
Origines Hebraeae
(vgl. I § 151) hat er die Verwandtschaft mit der hebräischen Sprache hervorgehoben, die nach orthodoxer Überzeugung als göttliche Ursprache mit keiner anderen Sprache verwandt sein könne. Arabistisch bedeutsam ist Schultens' Bearbeitung von Erpenius'
Grammatica Arabica
(1748) (vgl. I § 156) sowie von dessen
Rudimenta Linguae Arabicae
(1733) (s. o.), zudem hat Schultens die arabisch-lateinische
Vita et res gestae Sultani Saladini
(1733), die
Monumenta vetustiora Arabiae
(1740) und die ersten sechs
Consessus
des
Hariri
(1731 bzw. zusammen mit den
Monumenta
1740) besorgt. Henrik Albert Schultens unternahm nach dem Studium in Leiden und Haderwijk 1772 eine Bibliotheksreise nach England, bearbeitete in Oxford den Nachlass Edward Pocockes und erhielt ein Jahr später ebenda ehrenhalber einen philosophischen Magistertitel. Noch im selben Jahr wurde er Professor für orientalische Sprachen und jüdische Altertümer am Amsterdamer
Athenaeum Illustre
, 1778 übernahm er den Lehrstuhl seines Vaters in Leiden. Zu nennen sind an dieser Stelle Henrik Albert Schultens'
Anthologia Sententiarum Arabicarum
(1772), das
Specimen proverbiorum Meidani e versione Pocockiana
(1773) und
Pars versionis Arabicae libri Colailah wa Dimnah, sive fabularum Bidpai, Philosophi Indi
(1786).
Joh. Jac. Reiske
Nach dem Besuch des Gymnasiums der Franckeschen Stiftungen in Halle immatrikulierte sich Johann Jacob Reiske (1716–1774) 1733 für ein Theologiestudium in Leipzig und beschäftigte sich daneben als Autodidakt mit dem Arabischen. 1738 kam er durch die Vermittlung Albert Schultens' nach Leiden. Hier hörte er u.a. Tiberius Hemsterhuis, der Reiskes Interesse für die griechische Literatur weckte. 1746 wurde er aufgrund von Differenzen mit den Leidener Philologen zum Doktor der Medizin promoviert und kehrte im selben Jahr nach Leipzig zurück. Hier übernahm Reiske v.a. philologische Gelegenheitsarbeiten und wurde 1748 zum außerordentlichen Professor für Arabisch ernannt. Auf Universitätsebene verhinderten einflussreiche Gegenspieler wie Ernesti und Michaelis ein weiteres Vorankommen, doch wurde Reiske 1758 Rektor der Leipziger Nikolaischule. 1771 besuchte er auf Wunsch Lessings Wolfenbüttel und ordnete hier die orientalischen Handschriften. Heute gilt Reiske als Begründer der arabischen Philologie (inkl. Numismatik und Epigraphik), von besonderer Bedeutung ist seine posthum von Jacob Georg Christian Adler (1756–1834) herausgegebene Textausgabe und Übersetzung des Geschichtswerks Abu-'l-Fidās (1789–1795). Daneben ist die auf Grundlage des arabischen Philologen Maidānī entstandene
Sammlung einiger arabischen Sprüchwörter die von den Stecken oder Stäben hergenommen sind
(1758) zu nennen, außerdem hat Reiske im Rahmen seiner Edition des Zeremonienbuches des byzantinischen Kaisers Konstantinos VII. Porphyrogennetos,
De ceremoniis aulae Byzantinae
(1751–1754), zur Kommentierung auch arabische Quellen herangezogen.
J. D. Michaelis
Als Theologe und Orientalist gehört Johann David Michaelis (1717–1791) zu den einflussreichsten Gelehrten des 18. Jh.s. Nach dem Schulbesuch in den Franckeschen Stiftungen und dem u.a. bei seinem Vater Christian Benedikt Michaelis (1680–1764) und Siegmund Jacob Baumgarten absolvierten Studium der Theologie und orientalischen Sprachen in Halle wurde Michaelis 1739 mit einer hebraistischen Arbeit promoviert. Nach seiner Rückkehr von einer Studienreise wurde er 1745 nach Göttingen berufen und ein Jahr später außerordentlicher Professor. 1750 auf eine ordentliche Professur befördert, wirkte er bei der Gründung der Göttingischen Akademie der Wissenschaften mit und wurde später auch deren Direktor. Zu Michaelis' arabistischen Arbeiten zählt neben der Bearbeitung von Erpenius' arabischer Grammatik (vgl. I § 156) auch die Vorarbeit
Vom arabischen Geschmack
(1771;
2
1781), die im Vorwort der Grammatik referiert wird. Einen besonderen Aspekt der orientalistischen Bemühungen Michaelis' stellt die von ihm initiierte
Arabienreise
dar, die als erste wissenschaftliche Expedition in den nahöstlichen Raum Antworten auf einen zuvor interdisziplinär ausgearbeiteten Fragebogen liefern sollte. Von dieser 1761 von Kopenhagen aus gestarteten Expedition kehrte sechs Jahre später einzig der Mathematiker und Kartograph Carsten Niebuhr (1733–1815) zurück, der unter dem Titel
Beschreibung von Arabien. Aus eigenen Beobachtungen und im Lande selbst gesammleten Nachrichten abgefasset
(1772) einen ersten Bericht veröffentlichte und wenig später die dreibändige
Reisebeschreibung nach Arabien und andern umliegenden Ländern
(1774/1778 bzw. posthum 1837) folgen ließ.
Eberh. Scheid
Everard Scheid (1742–1794) wurde nach dem Theologiestudium in Groningen und Leiden 1765 promoviert und ein Jahr später als außerordentlicher Professor für orientalische Sprachen an die Universität Harderwijk berufen. Ein weiteres Jahr später auf eine ordentliche Professur aufgerückt, übernahm Scheid 1769 das Universitätsrektorat und zugleich den Lehrstuhl für Altes Testament. Später kam die Professur für Neues Testament und als Interim auch die für Griechisch hinzu. Nach dem Tod Henrik Albert Schultens' (s.o.) wechselte Scheid 1793 schließlich als dessen Nachfolger an die Universität Leiden. Aus seinem bedeutenden arabistischen Werk seien
Abu Nasri Ismaëlis Ebn Hammad Al-Gieuharii Farabiensis purioris sermonis Arabici Thesaurus sive Lexicon Arabicum
(1774–1776),
Selecta quaedam ex sententiis proverbiisque Arabicis a viro summo Thoma Erpenio olim editis
(1775),
Primae lineae institutionum ad fundamenta dialecti Arabicae
(1779) sowie
Abu Becri Muhammedis Ebn Hoseini Ebn Doreidi Azdiensis Katsijda 'L Mektsoura sive Idyllium Arabicum
(1786), dessen arabischen Text Scheid bereits 1768 besorgt hatte, genannt.
Joh. Bernh. Köhler
Johann Bernhard Koehler (1742–1802), Doktor der Philosophie und der Rechte, war ab 1766 außerordentlicher Professor für orientalische Sprachen in Kiel und ab 1770 ordentlicher Professor in Göttingen. 1773 legte er die Professur jedoch nieder und kehrte als Privatgelehrter in seine Heimatstadt Lübeck zurück. 1781 übernahm er eine Professur für Griechisch und morgenländische Sprachen in Königsberg, von der er sich 1786 abermals nach Lübeck zurückzog und schließlich in Basel als Korrektor für orientalische Sprachen beim Verlagshaus Thurneysen starb. An dieser Stelle ist v.a. die mit Unterstützung von seinem Lehrer Reiske veranstaltete arabisch-lateinische Ausgabe
Abulfedae Tabula Syriae
(1766;
2
1786) zu nennen, von der auf Koehlers Wunsch eine vollständigere und verbesserte Auflage in Oxford erscheinen sollte. Allerdings ist dieses Vorhaben nicht über ein Handexemplar hinausgekommen.
H. C. G. Paulus
Der stark an Kant orientierte Heinrich Eberhard Gottlob Paulus (1761–1851) zählt zu den führenden theologischen Rationalisten und entwickelte bereits während des Studiums im Tübinger Stift (nicht zuletzt in Absetzung von seinem pietistischen, Geisterseherei betreibenden Vater) Grundzüge einer „vernünftigen“ Exegese. 1789 wurde Paulus als Nachfolger Johann Gottfried Eichhorns (1752–1827) zunächst ordentlicher Professor für orientalische Sprachen in Jena, 1793 wechselte er als Nachfolger Johann Christoph Doederleins auf den Lehrstuhl für Dogmatik und Exegese. Versuche, ihn aufgrund seiner kritischen Bibelauslegung, v.a. seiner Wundererklärung, zu entfernen, scheiterten. 1803 folgte Paulus einem Ruf nach Würzburg (von hier aus weiteres Wirken als Schulreformer in Franken), 1811 wechselte er schließlich nach Heidelberg. Paulus hat ein äußerst umfangreiches und vielfältiges theologisches Werk hinterlassen, sich jedoch auch zu aktuellen politischen Themen geäußert. Für seine Beschäftigung mit dem Arabischen ist v.a. das
Compendium grammaticae Arabicae
(1790) zu nennen, darüber hinaus findet sich ein arabistischer Einschlag auch in den alttestamentlich-exegetischen Arbeiten sowie dem von Paulus herausgegebenen
Neue[n] Repertorium für Biblische und Morgenländische Litteratur
I–III (1790–1791).
F. Wilken
Während des Studiums in Göttingen von Johann Gottfried Eichhorn (1752–1827) in die orientalischen Sprachen eingeführt, hatte Friedrich Wilken (1777–1840) von 1805 bis 1817 zunächst eine außerordentliche, dann eine ordentliche Professur für Geschichte in Heidelberg (auch erwarb er sich hier durch die Wiederbeschaffung bedeutender Teile des nach der Eroberung Heidelbergs durch Tilly abhandengekommenen Bibliotheksbestandes bleibende Verdienste), danach für Geschichte und Orientalistik in Berlin inne. Sein mit Abstand wichtigstes Werk ist die sieben Teile in acht Büchern umfassende
Geschichte der Kreuzzüge nach morgenländischen und abendländischen Berichten
(1807–1832), für die er als erster deutscher Historiker auch orientalische Quellen in Originalsprache heranzog. Hier finden sich einzelne arabische Stücke (vgl. aaO II Beilage I), zudem hat Wilken auch andernorts arabische bzw. persische Texte abgedruckt (vgl.
Institutiones ad fundamenta linguae persicae cum Chrestomathia
[1805]).
I. F. Hirt Anthologia arabica. Jena 1771
Die
Anthologia arabica
ist, wie von der ersten und zweiten Auflage korrekt bibliographiert, erst 1774 erschienen.
B. J. L. Rosenmüller's […] Leipzig 1799
Gemeint ist der Orientalist Ernst Friedrich Karl (Carl) Rosenmüller (1768–1835), dem ein Jahr vor dem Erscheinen der dritten Auflage der
Anweisung
die Ehrendoktorwürde der Theologischen Fakultät der Universität Halle verliehen worden war.
Lexicon darüber, Wien 1802
Gemeint ist Johann Jahns
Lexicon arabico-latinum chrestomathiae arabicae
(1802).
158.
Von gedruckten
Wörterbücher
Wörterbüchern hat man zwar
Die vorhandenen großen Wörterbücher der arabischen Sprache sind theils selten, theils kostbar. Doch fehlt es auch an solchen nicht, die wenigstens für den ersten Anfang und zum Verstehen der (§.
157.
) angeführten Anthologieen hinreichen können.
Anm.
1. Zu der ersten Klasse gehören:
Giggeo, Antonio
Antonii Giggei
thesaurum
thesaurus
linguae arabicae, Mediolani
1632
, in 4 Folianten,
Golius, Jacobus
Jac.
1632., 4
Tom.
fol.
Wahl, Samuel Friedrich Günther
S. J. G. Wahl's
neue arabische Anthologie, Leipzig 1790.
Iac.
Golii
Lexicon
lexicon
arabico-latinum, Lugd. Bat.
1653
Fol.
und seit
1653.
fol.
Seit
1780 hat man auch in Wien angefangen
Meniński, Franciszek a Mesgnien
Francisci a Mesgnien Meninsky
Lexicon arabico-persico-turcicum
sehr verbessert und vermehrt wieder herauszugeben.
Aber alle diese Werke, das mittelste doch am wenigsten, sind sehr selten und kostbar, so wie das von
Castell, Edmund
Castello
in dem Lexico-heptaglotto (§.
154.
154
) zu eingeschränkt ist. Für den ersten Anfang und zum Verstande der vorhin erwähnten Anthologien ist doch
Scheidius, Jacobus
Jac.
Anm.
2. Zu der zweiten Klasse gehören:
Iac.
Scheidii
Glossarium arabico-latinum manuale,
Edit.
altera,
Lugd. Bat.
1787
1769
in
1787.
gr.
4.
schon eine gute Hülfe; eine noch weit reichendere das
noch vorzüglicher aber:
Lexicon linguae
Arabicae
arabicae
in Coranum, Haririum et vitam
Tīmūr
Timuri
, auct.
Willmet, Johannes
Jo.
Io.
Willmet
, Roterd.
1784
in
1784.
gr.
4.
eine gute Hülfe.
Da hier nur die Frage von dem
Nutzen
Nutzen oder vielmehr von der Nothwendigkeit ist, die mit dem
Hebräisch
Hebräischen
Ebräischen
Hebräischen
zunächst
verwandte
verwandten
Sprachen oder
Dialecte
Dialekte
zu
brauchen
gebrauchen
, um das
Hebräische
Ebräische
sicher aufzuklären; und
andre
andere
morgenländisch
morgenländische Sprachen
ausser
außer
den genannten, entweder nur in einer sehr entfernten Verwandtschaft mit der hebräischen stehen, oder der Hülfsmittel noch gar zu wenig vorhanden sind, die uns, sie
zuverläßig
zuverlässig
zu lernen, in den Stand setzten, oder der Schluß von
dem,
dem
was in ihnen üblich
ist,
ist
auf das, was man im
Hebräischen
Ebräischen
annehmen könne, sehr unsicher ist: so sind sie hier nicht mit berührt worden, ohne daß deswegen ihr anderweitiger Nutzen
verkennt
verkannt
oder
geleugnet
geläugnet
wird.
S. J. G. Wahl's neue arabische Anthologie, Leipzig 1790
Samuel Friedrich Günther Wahls (1760–1834)
Neue arabische Anthologie
ist 1791 erschienen.
1780 hat man auch in Wien angefangen Francisci a Mesgnien Meninsky Lexicon arabico-persico-turcicum sehr verbessert und vermehrt wieder herauszugeben
Bei dem
Lexicon Arabico-Persico-Turcicum
(1780) handelt es sich um die Überarbeitung des bedeutenden vierbändigen
Thesaurus linguarum orientalium Turcicae, Arabicae, Persicae
(1680), zu dem sein Autor Franciszek a Mesgnien Meniński (1628–1698) mit dem
Complementum Thesauri linguarum orientalium, seu Onomasticum Latino-Turcico-Arabico-Persicum
(1687) einige Jahre später einen weiteren Band folgen ließ.
159.
Bey
Bei
Erlernung des
Hebräisch
Hebräischen
Ebräischen
selbst,
selbst
– man mag unmittelbar dazu kommen oder sich auf jene
mühsamere
mühsamere,
aber viel
sicherere
sichrere
Art, durch den auf das
Syrische
Syrische
und
Chaldäische
Chaldäische
gewendeten Fleiß dazu vorbereitet
haben,
haben
– ist zuerst, wie
bey
bei
allen Sprachen, nöthig, sich einen allgemeinen Begriff von der Natur und dem
Eignen
Eigenen
der
hebräischen Sprache,
ebräische Sprache
in Absicht auf Bestandtheile und Veränderung der
Wörter,
Wörter
zu erwerben, und deswegen eine
Grammatik
Grammatik zum Grunde zu legen, die,
frey
frei
, nicht nur von willkührlichen Beweisen der Regeln, sondern auch von angeblichen Ausnahmen und unregelmäßigen Formen der Wörter, bloß das wirklich Gegründete in der größten Kürze enthält, und auf die Uebereinstimmung mit den verwandten
Dialekte
Dialek ten gebaut ist
; dergleichen
z. B.
die
hebräische
ebräische
Grammatik von
Pfeiffer, August Friedrich
Aug. Friedr. Pfeiffer
nach der zweyten
Aufl.
Erlangen 1790
in 8., und
Diederichs, Johann Christian Wilhelm
J. C. W. Diederichs
, Lemgo 1778.
8. und noch mehr
die Anfangsgründe der hebräischen Sprache von
Güte, Heinrich Ernst
H. E. Güte
,
zweyte umgearbeitete und vermehrte Ausgabe,
Halle
1791
in
1782
gr.
8. sind
. Wenn man hernach weiter im Lesen und Verstehen leichterer Bücher der
Bibel
Bibel gekommen ist, so
kan
kann
man das übrige Seltnere und Ungewöhnlichere, das besonders zur nähern Kenntniß des Syntaxes Gehörige, und die auf dem wahren noch in den verwandten Sprachen
vorhandnen
vorhandenen
Sprachgebrauch
beruhende
beruhenden
Gründe der Regeln, noch immer
nachholen, wozu, ausser
Vogel, Georg Johann Ludwig
Georg Joh. Lud. Vogels
Anfangsgründen der hebräischen Sprache, Halle 1769.
gr.
8., vornemlich
8, vornehmlich
die Institutiones ad fundamenta linguae hebraeae von
Schroeder, Nikolaus Wilhelm
Nic. Guil.
Schröder
Schroeder
, Groening. 1766
in
gr.
8. nachgedruckt
Frft.
Frf.
et Lips. 1778
gr.
8;
8.
die Institutiones ad fundamenta linguae hebraeae von
Schultens, Albert
A.
Schultens
,
Schultens
Lugd. Bat. 1756.
4;
4. und
in ihrer Art
(
s.
Hallische gel. Zeitungen 1778.
S.
282
f.
)
Hezel, Wilhelm Friedrich
W. F. Hezels
ausführliche hebräische Sprachlehre, Halle 1778
in
gr.
8.
; und die
hebräische Sprachlehre nach den leichtesten Grundsätzen von
Hasse, Johann Gottfried
Joh. Gottfr. Hasse
, Jena 1786
in 8.
empfohlen zu werden verdienen. Zu dieser Absicht und selbst zur bessern Kenntniß des
hebräischen
Ebräischen
Sprachgebrauchs sind auch
Simonis, Johann
Joh. Simonis
Arcanum formarum nominum hebraeae linguae, Halae 1735
in 4. und vorzüglich
nachholen.
Anm.
Unter den
hebräischen
Sprachlehren aus früherer Zeit, zeichnen sich die gelehrten Arbeiten von
Schroeder, Nikolaus Wilhelm
N. G. Schröder
(Gröningen 1766.), (neue
Aufl.
1778.) von
Schultens, Albert
Schultens
(Lugd. Bat. 1756.) aus.
Auch haben die
Sprachlehren von
Michaelis, Johann David
J. D. Michaelis
,
Hezel, Wilhelm Friedrich
F. W. Hezel
(1777.)
Pfeiffer, August Friedrich
A. F. Pfeiffer
(1790.)
u. A.
ihr Verdienst gehabt.
Zu den neuesten schätzbarsten, und zum Theil auch durch viele neue Ansichten und verbesserte Methoden empfehlungswerthesten, gehören:
Vater, Johann Severin
J. S. Vater's
größere (1797.), kleinere (1807.) und kleinste (1807.) hebräische Sprachlehre, desgleichen
Gesenius, Wilhelm
W. Gesenius
hebräische Grammatik, 3te Auflage, Halle 1817.
, und
Desselben
ausführliches grammatisch-kritisches Lehrgebäude der hebräischen Sprache, mit durchgängiger Vergleichung der verwandten Dialekte, 2 Bände,
gr.
8. 1817.
Hiermit sind auch zu vergleichen:
Storr, Gottlob Christian
Gottlob Christ. Storr
Obseruationes
Observationes
ad analogiam et syntaxin hebraicam pertinentes, Tubingae
1779
in
1779.
gr.
8.
sehr brauchbar.
Schon bey der bessern Einrichtung erwähnter
Sprachlehren
Sprachlehren, und hauptsächlich bey der Kenntniß der verwandten
Dialekte
Dialekte, fallen die meisten Schwierigkeiten weg, die sich in einigen Formen der Wörter finden; und dieses, nebst fleißiger Uebung in Analyse der Wörter, macht solche Bücher, wie
Hirt, Johann Friedrich
J. F. Hirtii
Biblia hebraea analytica, die vermehrter Jena 1769.
8. gedruckt sind, und wovon desselben Bibliorum analyt. pars Chaldaica, Jenae
1757
1757.
8. eine Fortsetzung ist, entbehrlich, die übrigens dem Anfänger nützlich seyn können, wenn er sie nur da, wo er sich gar nicht selbst zu helfen weiß, nachschlägt, und zumal an die
Danz, Johann Andreas
Danzischen
Grundsätze gewöhnt
ist.
ist
.
H. E. Güte
Heinrich Ernst Güte (1754–1805) kann zu Nösselts Schülern gerechnet werden und war später bei diesem Hauslehrer. Nach einer Stellung als Lehrer an der Domschule zu Halberstadt kehrte Güte als Diakon (1778) und Archidiakon (1779) nach Halle zurück. Hier erwarb er 1780 die Magisterwürde und unterrichtete ab 1791 als außerplanmäßiger Professor v.a. alttestamentliche Exegese und Hebräisch.
(s. Hallische gel. Zeitungen 1778. S. 282 f.) W. F. Hezels ausführliche hebräische Sprachlehre, Halle 1778
In
Hallische Gelehrte Zeitungen
13 (1778), 282–285 findet sich eine Rezension zu Wilhelm Friedrich Hezels in Halle erschienener
Ausführliche[r] Hebräische[r] Sprachlehre
, jedoch ohne dass ein Erscheinungsjahr genannt ist. Dieses Werk stammt, wie in der dritten Auflage der
Anweisung
richtiggestellt, aus dem Jahr 1777.
hebräische Sprachlehre nach den leichtesten Grundsätzen von Joh. Gottfr. Hasse, Jena 1786
Hier handelt es sich um den ersten Band der von Johann Gottfried Hasse (1759–1806) besorgten Reihe
Praktischer Unterricht über die gesammten orientalischen Sprachen
I–IV (1786–1793). Die ersten beiden Bände behandeln das Hebräische, der dritte das Aramäische oder Syrisch-Chaldäisch-Samaritanische und der vierte das Arabische und Äthiopische.
Sprachlehren von J. D. Michaelis
Gemeint ist Johann David Michaelis'
Hebräische Grammatik nebst einem Anhange von gründlicher Erkentniß derselben
(1745;
2
1768;
3
1778).
J. S. Vater's größere (1797.), kleinere (1807.) und kleinste (1807.) hebräische Sprachlehre
Bei der größeren Sprachlehre Johann Severin Vaters (1771–1826) handelt es sich um die
Hebräische Sprachlehre. Nebst einer Kritik der Danzischen und Meinerischen Methode in der Vorrede
(1797;
2
1814), bei der kleineren um die
Kleinere Hebräische Sprachlehre. Ein Auszug aus dem größeren Werke
(1798). Als kleinste Sprachlehre dürfte die zweite Auflage der
Grammatik der Hebräischen Sprache für den ersten Anfang ihrer Erlernung
(1801;
2
1807;
3
1816) angesprochen sein.
W. Gesenius hebräische Grammatik, 3te Auflage, Halle 1817
Die Erstauflage von Wilhelm Gesenius' (1786–1842)
Grammatik
stammt aus dem Jahr 1813 und avancierte schnell zu einem häufig aufgelegten Standardwerk, das in Neubearbeitung noch heute verwendet wird. Die hier bibliographierte dritte Auflage datiert aus dem Jahr 1818.
Danzischen Grundsätze
Gemeint ist Johann Andreas Danz (1654–1727), der als ausgezeichneter Kenner und Professor der orientalischen Sprachen in Jena v.a. durch seine Arbeiten zur Grammatik des Hebräischen hervorgetreten ist. Genannt sei das in zweiter Auflage unter dem Titel
מדקדק
sive Literator Ebraeo-Chaldaeus
(1696) erschienene
Nucifrangibulum
(1686). Seinem Versuch, das Hebräische schulgerecht zu systematisieren, eignet ein teilweise übertriebener Schematismus, doch war Danz besonders in Deutschland von großem Einfluss.
160.
So bald
Sobald
man fertig
Hebräisch
Hebräisch
Ebräisch
lesen kan
lesen
kann
, die Bestandtheile der Wörter kennt, und die Paradig mata in seiner Gewalt hat, thut man wohl, wenn man sich gleich zum Lesen der Bücher, von leichtern historischen zu den
übrigen,
übrigen
wendet,
oder sich dazu der
Chrestomathieen
bedient,
ohne sich im Anfang, wo es nur bloß um Sprache zu thun seyn muß,
bey
bei
solchen Stellen aufzuhalten, die mehr wegen der Sachen, als wegen der Wörter dunkel sind.
Für den Anfänger ist ein Buch,
Man kann sich dabei theils solcher
Hülfsschriften
Hülfsschriften, welche den Text Schritt vor Schritt begleiten und die Worte einzeln erklären, bedienen, oder sich auch, was bei einiger Uebung vorzüglich seyn dürfte, bald an den Gebrauch guter Wörterbücher gewöhnen.
Anm.
1.
Hebräische Chrestomathieen haben noch außer
Schwabe, Johann Joachim
Schwabe
und
Weckherlin, Carl Christian Ferdinand
Weckherlin
geliefert:
Vater, Johann Severin
J. S. Vater
im hebräischen Lesebuch, mit einem Wortregister, Leipzig 1809.
, und
Gesenius, Wilhelm
W. Gesenius
im hebräischen Lesebuch, Halle 1817.
Anm.
2. Zu der ersten Klasse der Hülfsmittel gehören Werke,
wie
Reineccius, Christian
Christ. Reineccii
Janua hebr. linguae
- - emendauit
– emendavit
, auxit
Rehkopf, Johann Friedrich
Jo
.
Io.
Friedr.
Jo. Frid.
Rehkopf
, Lips.
1769.
8. selbst um das Nachschlagen zu ersparen
1788.
8.
,
und noch weit mehr
Leun, Johann Georg Friedrich
Joh. Georg Friedr. Leun's
Handbuch zur
cursorischen
kursorischen
Lektüre der Bibel A. B., Lemgo
1788–90
in 4 Theilen in 8. immer gut genug. Am besten wäre ein solches, wie
1788–90. 4 Theile, 8.
Meisner, Johann Heinrich
I. I. Meiners
nova V. T. clavis,
P.
1. 2., Lips. 1800.
8.
und
der
Philologische Clavis über
das Alte Testament
die Psalmen
von
Paulus, Heinrich Eberhard Gottlob
H. E. G. Paulus
, Jena
1791
in 8., ob er gleich vorjetzt nur über die
Psalmen
Psalmen geht, wofür er aber auch noch Mehreres zum Verstande dieser Psalmen enthält als nur
Spracherklärung
Spracherklärung, und selbst von Sprachforschern und Auslegern studiert zu werden verdient. Sonst
1791. 8.
immer gut genug; sonst
aber sind
bis jetzt
die besten
Hand-Wörterbucher:
Hand-Wörterbucher
Simonis, Johann
Joh. Simonis
Unter den
Wörterbüchern
aber zeichnen sich aus:
Io. Simonis
Lexicon manuale hebraicum et
chaldaicum,
chaldaicum.
Halae
1756
in
1756.
gr.
8.
8.,
und
Lexicon et commertarius sermonis hebraici et chaldaici, post
Coccejus, Johannes
Joh.
Io.
Cocceium
et
Majus, Johann Heinrich
Joh.
Ioh.
Henr.
Maium
- -
Maium
–
correctius et emendatius edidit
Schulz, Johann Christoph Friedrich
Jo.
Io.
Christ. Frid. Schulz
,
Lips. 1777
in 2 Bänden in
gr.
8;
8.
so wie unter den
größern
grössern
, wenn man dieses eben zuletzt genannte nicht haben kan, das
ältere von
Coccejus, Johannes
Cocceius
,
Cocceius
und
Castell, Edmund
Edmundi Castelli
Lexic. hebraicum - - annotatis in margine vocum numeris ex
das von
Castellus
in dem Lexico heptaglotto.
2 Bände, Lips. 1777. gr. 8.
Michaelis, Johann David
J.
I.
D. Michaelis
Supplementis
Supplementa
ad lexica hebraica,
(bisher erst) Pars prima Goetting. 1790
in 4., welche
Michaelis, Johann David
Michaelischen
Supplementa ad L. H. seit 1784
bis jetzt in 5
Partt.
in 4. herausgekommen sind.
1784–1792., 6 Partt. 4.
und ganz vorzüglich zum Handgebrauch
Gesenius, Wilhelm
W. Gesenius
hebräisch-deutsches Handwörterbuch, 2 Bände, Leipzig 1810. 1811.
gr.
8., und
Desselben
neues hebräisch-deutsches Handwörterbuch. Ein Auszug für Schulen, Leipzig 1815.
Hebräische Chrestomathieen haben noch außer Schwabe und Weckherlin
Gemeint sein dürften Friedrich Wilhelm Schwabes (1743–1825)
Kleine Hebräische Bibel. Mit einer neuen deutschen Uebersetzung und grammatischen Erläuterung für Anfänger
(1787) sowie Carl Christian Ferdinand Weckherlins (1764–1836)
Hebräisches Lesebuch für Anfänger
(1797;
2
1806;
3
1818).
W. Gesenius im hebräischen Lesebuch, Halle 1817
Bei dem
Hebräische[n] Lesebuch
(
2
1817) handelt es sich um den zweiten Teil des
Hebräische[n] Elementarbuch[es]
, der erste Teil besteht aus Gesenius' berühmter
Hebräische[r] Grammatik
(
2
1816).
Joh. Georg Friedr. Leun's Handbuch zur cursorischen Lektüre der Bibel A. B., Lemgo 1788–90 in 4 Theilen
Der vierte Band des
Handbuch[s] zur kursorischen Lektüre der Bibel A. B.
[d.i. Alten Bundes]
für Anfänger auf Schulen und Universitäten
zerfällt in zwei Teilbände. Der zweite Teilband ist 1791 erschienen.
I. I. Meiners nova V. T. clavis, P. 1. 2., Lips. 1800
Dieses Werk stammt von Johann Heinrich Meisner (1755–1813), der hier wohl mit Christoph Meiners (1747–1810) verwechselt wurde.
Philologische Clavis über das Alte Testament von H. E. G. Paulus, Jena 1791 in 8., ob er gleich vorjetzt nur über die Psalmen geht
Heinrich Eberhard Gottlob Paulus'
Philologischer Clavis über das Alte Testament für Schulen und Akademien
ist in zwei Bänden erschienen. Der erste, hier bibliographierte Band behandelt die Psalmen (1791;
2
1815), der zweite den Propheten Jesaja (1793).
ältere von Cocceius
Gemeint ist das
Lexicon et Commentarius sermonis Hebraici et Chaldaici Veteris Testamenti
(1669) des in den Niederlanden wirkenden Föderaltheologen Johannes Coccejus (1603–1669), das später von Johann Heinrich May d. Ä. (1653–1719) bzw. in der in der
Anweisung
zuvor genannten Bearbeitung von Johann Christoph Friedrich Schulz (1747–1806) neu aufgelegt wurde.
Edmundi Castelli Lexic. hebraicum - - annotatis in margine vocum numeris ex J. D. Michaelis Supplementis ad lexica hebraica, (bisher erst) Pars prima Goetting. 1790
Hier handelt es sich um eine Neuausgabe des noch in der ersten Auflage der
Anweisung
angeführten hebräischen Parts von Edmund Castells (1606–1685)
Lexicon Heptaglotton Hebraicum, Chaldaicum, Syriacum, Samaritanum, Aethiopicum, Arabicum, et Persicum
(1669), die von dem sonst unbekannten Johann Friedrich Ludolf Trier herausgegeben wurde. Der zweite Teil ist 1792 in Helmstedt erschienen.
W. Gesenius hebräisch-deutsches Handwörterbuch, 2 Bände, Leipzig 1810. 1811
Der zweite Band stammt aus dem Jahr 1812.
161.
Da es indessen
bey
bei
der Kenntniß des
hebräischen
Ebräischen
Sprachgebrauchs nicht bloß auf die Bedeutungen
einzelner
einzler
Wörter, sondern eben so sehr auf den Verstand ganzer
Redearten
Redearten und Formeln ankommt, und es noch an einem Wörterbuch fehlt, welches diese
zuverläßig
zuverlässig
genug,
d. i.
aus den verwandten
Dialekte
Dialekten und den alten Uebersetzungen,
erklärte:
erklärte;
so
kan
wird
man
zur Noth
Flacius, Matthias
Matthiae Flacii
Clavem scripturae sacrae, Hafniae 1695
Fol.
noch mehr
Vatablus, Franciscus
Franc. Vatabli
Anmerkungen über das alte Testament, die am Ende des §.
159
berührten Bücher, nebst
Glaß, Salomon
Glassii
Philologia sacra nach der
Dathe, Johann August
Dathischen
Ausgabe, Lips. 1776
in
gr.
8. und einige von den in der
Anweisung zur Kenntniß theologischer Bücher §. 95 erwähnten über die
Hebraismen
Hebraismen
Ebraismen
, am meisten aber diejenigen neuern Ausleger des alten Testaments zu Rathe ziehn, welche aus den eben genannten zwey Quellen dieses Eigne der hebräischen Sprache erklärt haben, und aus welchen
z. B.
Schulz, Johann Christoph Friedrich
Jo. Christ. Frid. Schulzii
noch nicht vollendete
neulich angefangne
Scholia in V. Test. Norimb.
1783
1783.
gr.
8. manches auszugsweise enthalten.
mit Nutzen die Vorarbeiten vergleichen, welche aus den besten Quellen das Eigenthümliche des hebräischen Sprachgebrauchs erläutert haben.
Anm.
Vorzüglich empfehlenswerth sind hierzu:
Rosenmüller, Ernst Friedrich Karl
L. F. C. Rosenmülleri
Scholia in N. T.,
Tom
.
I.–VI. 1792–1810.
Franc. Vatabli Anmerkungen über das alte Testament
Die
Adnotationes
oder
Scholia
des französischen Hebraisten Franciscus Vatablus (1493–1547), der selbst keine eigenständigen Arbeiten veröffentlicht hat, haben über Vorlesungsnachschriften Eingang in die lateinische Bibelausgabe des Robert Stephanus (Paris 1545) gefunden. Unklar ist, inwieweit Stephanus fremdes Material hinzugefügt hat (in späteren Ausgaben und dann auch in den
Critici Sacri
sind diese Anmerkungen in jedem Fall massiv interpoliert). Aufgrund angeblich lutherischer Tendenzen kam es zu einer scharfen Auseinandersetzung zwischen Stephanus und Theologen der Sorbonne, in der Letztere eine Unterdrückung der
Anmerkungen
forderten.
Glassii Philologia sacra nach der Dathischen Ausgabe, Lips. 1776
Salomon Glaß' (1593–1656) bedeutende fünfbändige
Philologia sacra
(I+II [1623]
Philologia
; III+IV [1634]
Grammatica
; V [1636]
Rhetorica
) ist, von Johann Gottfried Olearius (1635–1711) um eine aus Glaß' Handschriften erarbeitete
Logica sacra
ergänzt, mehrfach aufgelegt worden. Die letzte Ausgabe ist die hier angeführte
Philologia sacra his temporibus accomodata
(1776–1797) von Johann August Dathe und Georg Lorenz Bauer. Bauer hatte nach Dathes Tod die weitere Edition übernommen und zu eigenständigen Werken umgearbeitet (vgl. II § 35 c; II § 56 c).
Anweisung zur Kenntniß theologischer Bücher §. 95
Vgl. I § 43.
Jo. Christ. Frid. Schulzii noch nicht vollendete Scholia in V. Test. Norimb. 1783
Johann Christoph Friedrich Schulz' (1747–1806)
Scholia in Vetus Testamentum
sind in insgesamt zehn Bänden (1783–1797) erschienen und ab dem vierten Band von Georg Lorenz Bauer fortgesetzt worden.
L. F. C. Rosenmülleri Scholia in N. T., Tom
.
I.–VI. 1792–1810
Hier dürften Ernst Friedrich Karl (Carl) Rosenmüllers (1768–1835) berühmte
Scholia in Vetus Testamentum
(1788–1835) gemeint sein, die später auch in gekürzter Fassung erschienen sind. Ernst Friedrich Karl Rosenmüller hat ab dem zweiten Band auch die sechste Auflage (1815–1831) der
Scholia in Novum Testamentum
(1777–1782) seines Vaters Johann Georg Rosenmüller (1736–1815) (vgl. II § 62) herausgegeben, die in einer früheren Auflage an dieser Stelle ebenfalls nicht auszuschließen sind.
162.
Freylich
Freilich
hängt man
hierbey
hierbei
nur von den Kenntnissen und
Sagen
Sagen
Andrer ab,
Anderer ab;
und wer recht gewiß seyn will, ob und
in
wie fern sie den
Sprachgebrauch
Sprachgebrauch richtig
angegeben
haben,
haben;
angeben,
noch mehr, wer selbst die Gränzen dieser Kenntnisse erweitern helfen will, der muß nothwendig aus jenen Quellen selbst, muß aus den verwandten Sprachen und den alten Uebersetzungen des alten Testaments
schöpfen,
schöpfen
und sie daher genau kennen gelernt haben. Diese letztern, sonderlich die griechischen in den
Hexaplen des
Origenes
Origenes
, und namentlich die Alexandrinische, nebst den darnach
gemachten
gebildeten
, sind nicht nur für die Kritik des Textes, sondern auch für die Entdeckung des wahren
hebräischen
Ebräischen
Sprachgebrauchs, folglich nicht bloß zum Verstande des alten Testaments, sondern auch selbst des
neuen, dessen Griechisches durchaus
hebräischartig
ebräischartig
ist, ungemein
wichtig
*)
,
wichtig,
*)
und dieser Nutzen wird durch die
Concordanzen
Concordanzen oder
Wörterbücher
Wörterbücher über diese
griechische
griechischen
Uebersetzungen keinesweges entbehrlich gemacht, weil sie alle
voll
voller
Fehler sind, so sehr sonst dergleichen Werke auch den Gebrauch derselben, und ihre Anwendung auf den Verstand des
A.
alten
und
N.
neuen
Testaments erleichtern.
*)
S.
die in der
Anweisung zur Kenntniß der besten Bücher in der Theologie
Anweisung zur Kenntniß der besten Bücher in der Theologie
§.
46
46.
angeführten Schriften.
Hexaplen des Origenes
Die
Hexapla
(„Sechsfache“) ist eine um 240 von Origenes besorgte sechsspaltige Synopse des Alten Testaments, in der der hebräische Konsonantentext, eine griechische Umschrift, die griechische Übersetzungen Aquilas und Symmachus', Origenes' eigene LXX-Rezension (auch Origenische oder Hexaplarische Rezension) und schließlich die griechische Übersetzung des Theodotion nebeneinandergestellt sind.
neuen, dessen Griechisches durchaus hebräischartig ist
Diese Auffassung wird in der
Anweisung
mehrfach vertreten. Im Hintergrund steht die Auseinandersetzung um den Stil des neutestamentlichen Griechisch zwischen den sog.
Puristen
und den
Hebraisten
. V.a. Sebastian Pfochen (1608–1635) hatte in seiner
Diatribe de linguae graecae Novi Testamenti puritate
(1629) die Meinung vertreten, die Sprache des Neuen Testaments sei nicht nach dem Hebräischen gebildet, sondern klassisches Griechisch, und damit eine Vielzahl von Gegenschriften, v.a. Thomas Gatakers (1574–1654)
Dissertatio de stylo Novi Testamenti
(1648), provoziert und eine Jahrzehnte andauernde philologische Debatte ausgelöst.
Anweisung zur Kenntniß der besten Bücher in der Theologie §. 46
Vgl. I § 43.
163.
Wegen des zuletzt berührten Nutzens wäre
sogar
so gar
aus den §.
116
f.
angegebnen
angegebenen
ähnlichen
Ursachen,
Ursachen
zu rathen, daß man erst die alten
griechischen
Uebersetzungen
Uebersetzungen
griechischen Uebersetzungen
des
A. Test.
alten Testaments
, wenigstens die
Alexandrinische
Alexandrinische
, selbst die sogenannten
apokryphischen
apokryphischen
Bücher des
A.
Test.
T.
alten Testaments
studierte, ehe man das neue Testament verstehen lernen wollte. – Aber diese Uebersetzungen wirklich zu den gemeldeten Absichten sicher zu benutzen, muß man sie gehörig zu studieren und anzuwenden wissen. Man muß die Geschichte und Beschaffenheit ihres sehr
verdorbnen
verdorbenen
Textes,
–
den
verschiednen
verschiedenen
Werth
einzelner
einzler
Uebersetzungen,
–
selbst von
einzelnen
einzlen
Büchern,
–
und die
besondre
besondere
Uebersetzungsart, der sie folgen, genau kennen;
–
man muß sie nicht hie und da bloß nachschlagen, sondern sie im
Zusammenhang
Zusammenhange
lesen, auf die Art, wie sie
einzelne
einzle
Wörter und Redensarten geben, merken, und sich diese aus oder
bey
bei
den
Concordanzen
Concordanzen und
Wörterbücher
Wörterbüchern über diese Uebersetzungen zum künftigen Gebrauch
beyzeichnen; –
bezeichnen;
man muß sie nicht aus den oft schlechten neuern Uebersetzungen verstehen lernen wollen, sondern vorher schon der
griechisch
griechischen
Sprache
Sprache,
und der verwandten
morgenländisch
morgenländischen kundig seyn, um zu
wissen,
wissen
wie sie zu mancher sonderbar scheinenden Uebersetzung gekommen sind, und ob man sich auf die Richtigkeit des griechischen Textes
verlaßen
verlassen
könne.
Dieses lernt man, wenigstens wird man auf das, was
hiebey
hiebei
in Betrachtung kommt, aufmerksam
gemacht
gemacht,
durch die in der
Anweisung
zur theologischen Bücherkenntniß
zur theologischen Bücherkenntniß
§. 46
f.
und §.
31
31.
erwähnten Bücher
, womit man
Michaelis, Johann David
J. D. Michaelis
critisches Collegium über die drey wichtigsten Psalmen von
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christo
, Frankfurt 1759
in
gr.
8. verbinden kan
.
Alexandrinische
D.i. die Septuaginta (LXX). Diese ist der im sog. Aristeasbrief überlieferten Legende nach eine von sechs Gelehrten aus jedem der zwölf Stämme Israels innerhalb von 72 Tagen in Alexandrien angefertigte Übersetzung der Tora ins Griechische. Später wurde der Begriff auf alle griechischen Versionen des Alten Testaments angewendet und umfasst die Schriften der hebräischen Bibel sowie apokryphe bzw. deuterokanonische Texte.
apokryphischen Bücher des A. Test.
Apokryphen sind Schriften, die nicht in den biblischen Kanon aufgenommen wurden, wobei jedoch konfessionelle Unterschiede festzustellen sind. Im Hinblick auf das Alte Testament gelten nach reformatorischer Tradition solche Schriften als apokryph, die zwar in der Septuaginta, nicht aber in der hebräischen Bibel, enthalten und mit Martin Luther dennoch
gut und nützlich zu lesen sind
(Jud, Weish, Tob, Sir, Bar, 1Makk, 2 Makk, ZusEst, ZusDan, GebMan). Mit Ausnahme von GebMan gelten diese Schriften nach katholischer Tradition dagegen als kanonisch bzw. deuterokanonisch, andere, zwar in der Septuaginta, nicht aber in der Vulgata (vgl. II § 83) enthaltene Bücher werden auch hier als apokryph eingestuft (GebMan, 3Makk, 4Makk u.a.).
164.
Zwar beweisen diese Erfordernisse, daß ein solch nützliches Studium dieser
Uebersetzungen
Uebersetzungen nicht die Sache des Anfängers sey; aber sie beweisen doch auch nur, daß man für den Anfang, seinen Absichten
dabey,
dabei
nicht diesen ganzen Umfang geben, sondern sie auf das Leichtere einschränken müsse. Vorausgesetzt also, daß jemand die Alexandrinische Uebersetzung
vor
für
sich lesen wollte oder
müßte:
müßte,
so müßte er es 1) nicht eher thun, als bis er sich aus den so eben angezeigten Büchern die Beschaffenheit und Uebersetzungsart dieser alten Uebersetzungen im Allgemeinen bekannt gemacht, und 2) wenigstens
leichtere,
leichtere
griechisch
griechische Schriftsteller, im
Hebräisch
Hebräischen
Ebräischen
aber diejenigen Bücher schon fleißig gelesen und gut verstehen gelernt hätte, die er nun in der Uebersetzung lesen will. 3) Er müßte mit solchen Büchern anfangen, die als vorzüglich treu und gut übersetzt bekannt sind, vornehmlich mit dem
Pentatevchus
Pentateuchus
. 4) Wo ihm irgend etwas, das ihm nicht ganz leicht wäre, in Wörtern
aufstieße
aufstiesse
, müßte er gleich im
hebräischen
ebräischen
Text nachsehen, worauf es sich bezöge, ob und was es für eine
hebräische
ebräische
Bedeutung hätte; und 5) wüßte er es damit nicht zu reimen, so
könnten
könten
ihm vielleicht
Biel, Johann Christian
Jo.
Io.
Christ. Biel
novus thesaurus philologicus, Hag. Com.
1779
1779.
und
1780
1780.
in
drey
drei
gr.
Octavbänden, oder die
Kircher, Conrad
Kircherschen
Kircherschen
und
Tromm, Abraham
Trommischen
Concordanzen
Trommischen
Concordanzen
Auskunft geben, für welches
hebräische
ebräische
Wort oder Redensart sonst dieses
nehmliche
nämliche
griechische,
griechische gebraucht
oder welches
hebräische
ebräische
anstatt des
nehm lichen
nämlichen
griechischen gebraucht
würde, und er
würde. – Er
könnte
könte
daraus entweder auf eine falsche
Leseart
Lesart
oder darauf
schließen
schliessen
, daß das Griechische hier nur am unrechten Ort gebraucht wäre. Zeigte sich dieses nicht
bald:
bald,
so müßte dieses Schwierige
überschlagen,
überschlagen
und auf zukünftige weitere Untersuchung ausgesetzt werden. – Eben so könnte man hernach die
Hexapla
durchgehen;
durchgehen,
wenn man vorher,
so bald
sobald
man an das
Hebräisch-griechische
ebräisch-griechische
gewöhnt wäre, die apokryphischen Bücher des
A. T.
alten Testaments
gelesen hätte. – Wäre man indessen mit dem
N. Test.
neuen Testament
näher bekannt
worden:
geworden,
so würde man sich bald an manche
bey
bei
Lesung jener Bücher und Uebersetzungen gelernte
Hebraismen
Hebraismen
Ebraismen
erinnern, und
bey
dann bei
einer
zweyten
zweiten
fleißigern Durchsicht
würde man
Gelegenheit genug
finden,
finden
sich noch mehrere auszuheben.
Jo. Christ. Biel novus thesaurus philologicus, Hag. Com. 1779 und 1780 in drey gr. Octavbänden
Johann Christian Biels (1687–1745)
Novus Thesaurus Philologicus sive Lexicon in LXX et Alios Interpretes et Scriptores Apocryphos Veteris Testamenti
wurde nach seinem Tod von Esdras Heinrich Mutzenbecher (1744–1801) herausgegeben.
Kircherschen und Trommischen Concordanzen
Gemeint ist der biographisch schwer zu fassende Conrad Kircher (geb. Ende d. 16. Jh.s) und sein zweibändiges Hauptwerk
Concordantiae Veteris Testamenti Graecae, Ebraeis vocibus respondentes
(1607) sowie Abraham Tromms (1633–1719) ebenfalls zweibändiger Nachfolger
Concordantiae Graecae versionis vulgo dictae LXX interpretum
(1718). Anders als Kircher, der sein Material nach dem Hebräischen angeordnet hatte, hat Tromm das Griechische zugrunde gelegt und Kircher an vielen Stellen korrigiert. Obgleich Tromm v.a. von Jean Gagnier (vgl. I § 157) in seinen
Vindiciae Kircherianae
(1718) heftig kritisiert wurde und sich zur
Epistola apologetica ad Gagnerium
(1718) herausgefordert sah, wirkte er etwa auf den zuvor genannten Johann Christian Biel durchaus befruchtend.
Hexapla
Vgl. I § 162.
165.
Mit der
Accentuation
Accentuation
Accentuation
der
hebräischen
ebräischen
Bibel
Bibel braucht man sich nicht lange aufzuhalten, da es ein erweislich späteres Kunststück ist, das
bey
bei
dem Verstande der Bibel nur wenige Vortheile gewährt,
und
sogar
oft der richtigen Auslegung hinderlich fällt.
Michaelis, Johann David
Joh. Dav.
J. D.
Michaelis
Anfangsgründe der hebräischen Accentuation, Halle 1741.
8.
Anleitung dazu
*)
und eine kleine Uebung, können in sehr kurzer Zeit alles Brauchbare lehren, was man davon zu wissen nöthig hat.
*) Anfangsgründe der hebräischen Accentuation, Halle 1741.
8.
Accentuation […] ein erweislich späteres Kunststück ist
Für den ursprünglich unvokalisierten hebräischen Text des Alten Testaments hatte sich etwa um das Jahr 70 ein autoritativer Konsonantentext etabliert, der erst in den folgenden Jahrhunderten mit diakritischen Zeichen (Vokal- und Betonungszeichen) versehen wurde. Abgeschlossen war diese von den sog. Masoreten (v.a. Ben Ascher) durchgeführte „Accentuation“ (tiberische Vokalisation) erst im 10. Jh. Der älteste, vollständig erhaltene masoretische Text (
Codex Leningradensis
) datiert aus dem Jahr 1008. Noch im 17. Jh. – etwa zwischen Louis Cappel (1585–1658) und Johann Buxtorf d. J. (1599–1664) – hatte die Frage nach dem Alter der Vokalisation zu Auseinandersetzungen geführt (vgl. II § 33).
Zweyter
Zweiter
Abschnitt.
Philosophie
Philosophie.
166.
Man
kan
kann
über
alles
Alles
philosophiren
, wovon sich erkennen läßt, wie es mit etwas
anderm
Anderm
zusammenhängt (§.
2.
), es mag die Frage das
woher?
woher
Woher?
oder
wozu?
Wozu?
mag
Ursachen oder Mittel, Wirkungen oder Absichten,
betreffen; und in so fern
betreffen. Insofern
eine Disciplin innerlich zusammenhängt, findet Philosophie
bey
bei
derselben
statt; es
kan
kann
statt. Es kann
eine Philosophie der Sprachen, der Geschichte, der Theologie und anderer Wissenschaften geben. Wenn aber
Philosophie
eine besondere Wissenschaft seyn
soll:
soll,
so muß sie einen gewissen bestimmten
Gegenstand
Gegenstand haben, wodurch sie sich von andern Wissenschaften unterscheidet; und eben darüber, oder vielmehr über die Gränzen, die man ihr stecken soll,
sind
waren
die Meinungen
so sehr
von jeher
getheilt.
Anm.
Man
vergl.
Sextus Empiricus
Sextus Empiricus
im 7ten Buch wider die
Logiker,
Logiker
oder im ersten Buch
περι φιλοσοφιας
, gleich im Anfang.
Baumgarten, Alexander Gottlieb
Alex. Gottl. Baumgarten
Philosophia generalis, Halae 1770.
8.
Eberhard, Johann August
J. A. Eberhard
von dem Begriffe der Philosophie und ihren Theilen, Berlin 1778.
gr.
8.
Parow, Johann Ernst
J. F. Parrol
Untersuchung über den Begriff der Philosophie. Greifswalde 1795.
Sextus Empiricus im 7ten Buch wider die Logiker, oder im ersten Buch
περι ϕιλοσοϕιας
, gleich im Anfang
Mit
Wider die Logiker
ist das Werk
Adversus Mathematicos
bzw.
Πρὸς μαθηματικούς
des skeptischen (pyrrhonischen) Philosophen und Arztes Sextus Empiricus (2. Jh.) gemeint, dessen letzte Bücher (7–11) unter dem Titel
Gegen die Dogmatiker
(
Πρὸς δογματικούς
) auch als eigenständiges Werk behandelt werden. In den nachweislich (vgl. Bibl. Nöss. 389 [Nr. 34]) von Nösselt besessenen, von Johann Albert Fabricius (1668–1736) besorgten zweisprachigen
Opera
(1718) des Sextus Empiricus tragen die Bücher 7 und 8 den Titel
Περι φιλοσοφιας
(
De philosophia
) (vgl. aaO 370 bzw. 458; dazu 213), so dass es sich an dieser Stelle in beiden Fällen um denselben Verweis handelt. Dargestellt und kritisiert werden unterschiedliche philosophische Schulen.
J. F. Parrol Untersuchung über den Begriff der Philosophie. Greifswalde 1795
Der Name des Autors lautet Johann Ernst Parow (1771–1836).
167.
Natürlich. Denn man
Dieß darf nicht befremden. Man
hatte längst und viel
philosophirt,
philosophirt
ehe man an eine besondere Wissenschaft dieses Namens dachte. Man hatte
allmählich
allmählig
durch
Beobachtung
Beobachtung und
Nachdenken
Nachdenken über
das menschliche
menschliches
Leben und
Handlungen
*)
, bey
menschliche Handlungen,
1
)
bei
den sich stets aufdringenden Fragen:
woher
und
wozu?
das
Allgemeine
und
Beständige
, was sich
bey
bei
mehreren
einzelnen
einzlen
Dingen und ihren steten Veränderungen wahrnehmen läßt,
bemerkt,
bemerkt
und von andern Kenntnissen abgesondert, und war, nach dieser Absonderung, auf die
Natur
Natur
der Dinge gekommen, aus der sich allein Rechenschaft geben ließ, wie eines mit dem andern zusammenhänge. So entstand nach und nach eine besondere Wissenschaft, die nur allgemeine und nothwendige Wahrheiten zum Gegenstand hatte, welche man hauptsächlich in Rücksicht auf den
Mensch
Menschen
und auf
alles
Alles
betrachtete, was in seine Beschaffenheit und Veränderungen einen Einfluß hatte, so wie diese ganze Wissenschaft aus der Betrachtung des Menschen und der gedachten Dinge geschöpft worden war. Wie sich indessen die Menge der gemachten Entdeckungen über die Natur der Dinge vervielfältigte, und man also für nöthig fand, selbst allgemeine und nothwendige Wahrheiten verschiedener Art von einander
abzusondern,
abzusondern
und sie in besondere Wissenschaften zu vertheilen; wie man bemerkte, daß es unter diesen allgemeinen und nothwendigen
Wahrheiten
Wahrheiten einige gäbe, welche die Beschaffenheit, andere, welche das
Maaß
Maaß oder die Quantität der Dinge
beträfen:
beträfen,
so sonderte man, nach diesem Unterschied, diese
allgemeine
allgemeinen
Wahrheiten von einander ab, überließ das, was die Quantität anging, der
Mathematik
,
und
behielt
dagegen
der
Philosophie
bloß die allgemeine
Beschaffenheit
der Dinge vor.
**)
2
)
*)
Anm.
1.
S.
die schöne Stelle vom
Ursprung des Namens der Philosophie
bey
bei
Cicero
Tusc.
V, 3
Cicero
Tuscul. Quaest. V, 3.
**) Freylich
Anm.
2. Freilich
ist der
Kant, Immanuel
Kantische
Begriff (in der Kritik der reinen Vernunft
S.
724
f.
nach der
zweyten
zweiten
Aufl.
) noch genauer, wonach, wegen der ganz verschiedenen
Art
, wie
beyde
beide
Wissenschaften ihre Gegenstände behandeln, die
Philosophie
eine
Vernunftwissenschaft
Vernunftwissenschaft aus
Begriffe
Begriffen
, und die
Mathematik
eine Vernunftwissenschaft aus
Construction der Begriffe
ist, oder die den Begriff entsprechende Anschauung a priori,
d. i.
so darstellt, daß diese allgemeingültig für alle mögliche Anschauungen ist, die unter denselben Begriff gehören. Aber, weil sich doch
nur
der Begriff von
Größen
construiren, oder a priori in der Anschauung darstellen
läßt;
läßt,
so
kan
kann
auch
nur die Quantität
ein Gegenstand der Mathematik seyn; und so fern
kan
kann
gar wohl Philosophie und
Mathematik
Mathematik,
auch nach Verschiedenheit der
Gegenstände
, die sie
behalten
behandeln
, unterschieden werden.
Ursprung des Namens der Philosophie bey Cicero Tuscul. Quaest. V, 3
Hier handelt es sich um die berühmte und bereits in der Antike weit verbreitete Anekdote in Ciceros
Tusculanae disputationes
. In Cic. Tusc. V 8–9 wird Herakleides von Pontos referiert, nach dessen Bericht sich Pythagoras gegenüber dem Tyrannen Leon von Phleius als erster Denker überhaupt als Philosoph bezeichnet habe. Auf die Rückfrage, was unter einem Philosophen zu verstehen sei, habe Pythagoras dem Tyrannen geantwortet, es gebe Menschen, die nicht an Ruhm oder Reichtum interessiert seien, sondern „die Natur der Dinge aufmerksam betrachteten. Diese nennten sich Liebhaber der Weisheit, eben Philosophen“ (
rerum naturam studiose intuerentur; hos se appellare sapientiae studiosos [id est enim philosophos]
) (Text und Übers. nach Tusculum [Ed. Gigon], München/Zürich
6
1992, 322.323). Die Angabe
Tusculanae disputationes
V, 3 lässt sich anhand der Zählung der von Jakob Gronov (1645–1716) besorgten und nachweislich in Nösselts Besitz (vgl. Bibl. Nöss. 392 [Nr. 92]) befindlichen
Opera omnia
(1692) ebenfalls verifizieren (vgl. aaO VIII, 3570f.).
168.
Und auch so schien noch immer der Umfang der Philosophie zu
groß;
groß,
so wie man auf einer andern Seite fand, daß er sich noch mehr erwei terte, je nachdem man den Menschen, der doch eigentlich zu aller Philosophie Gelegenheit gegeben hatte, in verschiedenem Zusammenhange und
in
allgemeinern Beziehungen betrachtete. Man bemerkte, daß er
seinem
einem Theil
seines Wesens
nach, in die
Classe
Classe
Klasse
der Körper, dem andern nach aber, in die
Classe
Klasse
der
vorstellungsfähigen und verständigen
Wesen
gehörte
gehörte, die verständig,
d. i.
fähig sind, Vorstellungen zu bilden
; daß
beyde
beide
Arten der Dinge, Körper und
vorstellungsfähig
vorstellungsfähige Wesen oder
Geister,
zu eingeschränkten
in die Klasse endlicher oder
eingeschränkter
Wesen gehörten, die man zusammen
Welt
Welt
nennte
nannte
; daß es auch ein
uneingeschränktes
uneingeschränktes
Wesen, eine
Gottheit
Gottheit
, geben
könnte,
könte
und sich ohne
dieses
diese
das Daseyn der
eingeschränkten
endlichen
und zufälligen Wesen nicht begreifen ließe; daß man
bey
bei
der
Seele
Seele des Menschen Vorstellungen und Neigungen unterscheiden
könnte
könte
, wovon jene das
Wahre
oder
Falsche
, diese das
Gute
oder
Böse
zum Gegenstand hätten; daß man eben sowohl die
Natur
Natur
von
beyden
beiden
untersuchen, als darnach
Regeln
Regeln
zu
be stimmen
könnte
könte
vermöchte
, das Wahre und Gute
theils
zu finden und auszuüben; daß
man den Menschen vor sich und
sich endlich der Mensch theils für sich, theils
in natürlicher Verbindung mit
verschiednen
verschiedenen
Arten von Gesellschaften betrachten
könnte.
könte.
lasse. –
Je nachdem man dieses alles von einander unterschied, und jeder Art solcher allgemeinen Wahrheiten eine
besondre Wissenschaft
besondere Wissenschaft
widmete: je nachdem mußten
verschiedne Theile der Philosophie, und es mußte, weil
verschiedene
Theile der Philosophie
entstehen. Und da
man
schon
einmal gewisse Arten von allgemeinen Wahrheiten von eigentlicher Philosophie ausgeschlossen hatte,
die Frage entstehen
konnte ferner gefragt werden
, ob
sich
nicht noch mehrere dergleichen Wahrheiten ganz von der Philosophie
könnten abgesondert,
könten abgesondert
und
absondern ließen,
der Name der
Philosophie
Philosophie
aber
nur auf
einige Arten
einige Arten
, und auf
welche? eingeschränkt
welche, beschränkt
werden
müsse
?
169.
Diese Verschiedenheit der
Meinungen
Meinungen über den
Begriff der Philosophie
Begriff der Philosophie
,
wird dadurch noch mehr befördert, daß einige nichts darin aufgenommen wissen wollen, als sogenannte reine
Vernunfterkenntniß
Vernunfterkenntniß, oder nur diejenigen allgemeinen Begriffe,
die
welche
die menschliche
Seele
Seele aus sich selbst, aus der Betrachtung ihrer Eigenschaften und Veränderungen schöpfen
kan
kann
, und was sich nach diesen Begriffen streng beweisen läßt.
Hiedurch
Hierdurch
würde das Gebiet der Philosophie sehr beschränkt werden, und man müßte alsdann, – weil man doch Ursach hat, überall, wo sich nur
Zusammenhang
Zusammenhang denken läßt, zu philosophiren, und weil die meisten so
nützlichen
nützliche
Kenntnisse der Natur keine solche
Evidenz
Evidenz und strenge Herleitung allgemeiner Wahrheiten
zulaßen
zulassen
– wieder neue besondere Wissenschaften einführen, die
dann
denn
doch größtentheils nur in der
Methode
Methode von der eigentlichen Philosophie unterschieden
wären
wären; so wie noch immer die Frage ist, ob nicht zuletzt, wo nicht fast alles, doch das meiste, was man zur reinen Vernunftskenntniß rechnet, sich in bloß moralische Gewißheit auflöse
.
170.
Da nun der Sprachgebrauch über den Begriff der Philosophie nicht entscheidend ist,
und in dem gegenwärtigen Buche
hier aber am zweckmäßigsten ist,
die meiste Rücksicht auf die Gestalt der Wissenschaften
genommen werden muß
zu nehmen
, wie sie unter uns und
bey
bei
den
dem
akademischen Studien genommen
werden:
werden;
so scheint es das
sicherste
Sicherste
, die Philosophie nach dem Umfang und
den
Gränzen zu
nehmen, die
betrachten, welche
man ihr seit dem Ursprung der
Wolff, Christian von
wolfischen
Wolfischen
Philosophie angewiesen hat; und sonach möchte die
Erklärung,
Erklärung
oder, wenn man will, Beschreibung der
Philosophie
durch – die
als der
Wissenschaft der
Natur
Natur oder der allgemeinen Eigenschaften der
Dinge
Dinge überhaupt, und der geistigen, hauptsächlich der menschlichen,
insbesondere,
insbesondere
– alle dazu
gerechneten
gehörigen
Theile und ihre allgemeine Absicht am bestimmtesten in sich fassen.
Hiedurch
Anm.
Hierdurch
würde zugleich die sogenannte
Naturwissenschaft
Naturwissenschaft
oder Physik im engern Verstande, welche sich bloß mit Körpern beschäftigt, von der Philosophie, wie jetzt
noch
gemeiniglich geschieht, ausgeschlossen; obgleich die allgemeinsten Eigenschaften der Körper, oder was an ihnen unveränderlich ist, immer noch zur Philosophie gehören, und die Naturwissenschaft im weitern Verstande ausmachen.
{Daß sich die Ansicht hiervon in den neuern Zeiten sehr geändert hat, ist bekannt. Aber etwas Festes ist selbst für die Schulsprache noch nicht daraus hervorgegangen.
A. d. H.
}
171.
Der
Nutzen
Nutzen
des Studiums
der Philosophie ist augenscheinlich. Denn da sie uns über die Natur aller Dinge
belehrt;
belehrt,
da sie den rechten Gebrauch aller
unsrer
unserer
Kräfte
zeigt;
zeigt,
da sich endlich alle Fragen, über die sich etwas
Entscheidendes
entscheidendes
sagen läßt, in die allgemeinen Begriffe und
Grundsätze
Grundsätze auflösen, die sie enthält: so ist sie der Grund aller andern Wissenschaften, in welchen ohne sie keine deutliche
Gewißheit
Gewißheit
, so wie in Gesinnungen und Handlungen, die ja von Erkenntniß abhängen, keine rechte
Vollkommenheit
Vollkommenheit,
statt findet. Mit Recht heißt sie daher die
Königin
Königin aller Wissenschaften; und sie verachten, heißt, alle Vernunft und Sicherheit im Denken und Handeln verachten. Ihr vielfältiger Nutzen wird sich noch mehr
bey
bei
ihren
einzelnen
einzlen
Theilen angeben
laßen
lassen
.
172.
Schon der ungemein große
Umfang
Umfang
der Philosophie macht es nothwendig, die verschiedenen
Hauptarten
Hauptarten der Gegenstände, die sie untersuchen soll, von einander abzusondern, und nach Verschiedenheit solcher Hauptarten ihr verschiedene Theile zu geben,
d. i.
sie in
besondre
besondere
Wissenschaften einzutheilen. Fast noch mehr sollte die verschiedene
Art
, wie wir zur Kenntniß dieser Gegenstände gelangen können, mit zu einer solchen Absonderung bewegen. Denn je nachdem diese Kenntniß entweder aus der
Vernunft
Vernunft (im engsten Verstande) oder aus der
Erfahrung
Erfahrung geschöpft werden kann: je nachdem
kan unsre
kann unsere
Erkenntniß von der
Natur
Natur der Dinge allgemeiner und
zuverläßiger
zuverlässiger
werden oder nicht. Soll nun vollends die Philosophie der Grund zu allen andern Arten von Kenntnissen und Wissenschaften werden (§.
171
):
171.
),
so ist es noch nothwendiger, das
Allgemeines
Allgemeine von dem, was dergleichen nicht ist, und das Gewisse oder Nothwendige von dem minder
Zuverläßigen
Zuverlässigen
zu trennen, damit nicht das Letztere, darum, weil man es willkührlich mit dem Erstern verbunden hat, für eben so gewiß und allgemein gehalten werde, als jenes, oder das
Ansehn
Ansehen
jener vollkommnern Erkenntniß darunter leide, wenn man einsieht, daß die angebliche Allgemeinheit und Gewißheit
andrer
anderer
damit in Verbindung
gesetzten
gesetzter
Behauptungen ungegründet
sey
sei
.
173.
Es läßt sich also alle Erkenntniß, und folglich auch alle, welche die Philosophie ausmacht, 1) nach den
verschiednen
verschiedenen
Quellen
Quellen
abtheilen, aus welchen sie geschöpft werden
kan
kann
; und
hiedurch
hierdurch
ensteht der Unterschied zwischen
Erkenntniß
a priori
a priori
a priori
, oder
Vernunfterkenntniß
Vernunfterkenntniß,
Rationalkenntniß
Rationalkenntniß
Rationalerkenntniß
, und zwischen der
a posteriori
a posteriori
a posteriori
, aus der
Erfahrung
Erfahrung
, oder
empirisch
empirischen Erkenntniß
;
empirische Erkenntniß
:
ein Unterschied,
bey
bei
dem so viel Mißverstand herrscht, mit dem so schwankende Begriffe verknüpft werden, der selbst eine Quelle so mancher Irrthümer und
falschen
falscher
Voraussetzungen
worden
geworden
ist, daß er
wohl,
wohl
auch
hier
hier,
wegen des Folgenden, genauer angegeben zu werden verdient.
174.
Wenn wir auf die Geschichte
unsrer
unserer
Vorstellungen und Erkenntnisse,
d. i.
darauf Acht geben, wie wir sie erlangt haben: so ists immer die
Erfahrung
Erfahrung,
unsre eigne
unsere eigene
oder fremde, aber uns mitgetheilte,
Erfahrung,
Erfahrung
(Wahrnehmung), die uns den Stoff, oder das, was wir erkennen, gegeben hat; und selbst alsdann, wenn man an nimmt, daß gewisse
Vorstellungen
Vorstellungen
schon in
unsrer
unserer
Seele liegen, die uns nicht erst brauchen durch die Erfahrung zugeführt
zu
werden: so können doch diese nie
Erkenntnisse
Erkenntnisse
werden, nie zu unserm Bewußtseyn kommen, nie können sie klar seyn,
d. i.
nie können wir das,
was
wir uns vorstellen (die bestimmten Gegenstände
unsrer
unserer
Vorstellung) von der
Vorstellung
selbst unterscheiden, die wir uns davon machen, wenn nichts vorhanden ist, das auf
unsre
unsere
Seele einen Eindruck gemacht (sie afficirt, Veränderungen in ihr hervorgebracht) hat. Alle
unsre
unsere
Erkenntniß
Erkenntniß fängt also mit der Erfahrung an, und
in so fern
könnte man
sagen:
sagen,
daß alle
unsre
unsere
Erkenntniß
empirisch
empirisch
(oder a posteriori erlangt) wäre. Aber dieses berechtigt uns so
wenig
wenig,
sie so zu nennen, als wenn man alle Erkenntniß darum Erfahrungserkenntniß nennen wollte, weil wir sie als Handlung oder Veränderung in
unsrer
unserer
Seele wahrnehmen. Allgemein wird doch ein Unterschied zwischen Erfahrungs- und Vernunftkenntniß, zwischen der a posteriori und
a
priori, anerkannt; es ist nur genau zu bestimmen, worin er bestehe.
175.
Der Deutlichkeit wegen setzen wir hier
voraus:
voraus,
daß alle
unsre
unsere
Vorstellungen
entweder
aus und durch einen
Gegenstand
Gegenstand
unmittelbar
erzeugt werden, der sich
unsrer
unserer
Seele
Seele (unserm innern Sinn oder den
äussern
äußeren
Sinnen) darstellt,
oder
nicht unmittelbar
oder daß es
nicht unmittelbar
geschieht
.
Jene
, die sich unmittelbar auf den Gegenstand beziehen, der
bey
bei
uns die Vorstellung hervorbringt, nennen wir
Eindrücke
Eindrücke
(Impressionen), oder, wie Andere lieber wollen,
Anschauungen
Anschauungen
, welche
innere
oder
äussere
äußere
sind, je nachdem sie vermittelst des innern Sinnes oder der
äussern
äußern
Sinne
entstehen,
entstehen;
und das Vermögen, dergleichen Anschauungen zu empfangen,
heißt
die
Sinnlichkeit
Sinnlichkeit
. Die andern, welche nicht unmittelbar durch
unsre
unsere
Sinne hervorgebracht werden,
heissen
heißen
mittelbare Erkenntisse
oder
Begriffe
, die anders nichts sind, als
Vorstellungen
Vorstellungen von Merkmalen der durch die Sinne erkannten
Gegenstände:
Gegenstände,
sie mögen nun bloße Wiederholungen oder Nachbildungen der gehabten Anschauungen, also
Werke
Erzeug nisse
der
Einbildungskraft
Einbildungskraft
,
oder
und der
Vorstellungen von solchen Merkmalen seyn, die wir
bey mehrern
bei mehreren
Gegenständen erkannt, von ihnen abgezogen, und in Einen Begriff vereinigt haben, also
allgemeine Begriffe
, die ein Werk des
Verstand
Verstandes
sind; von dem auch alle Urtheile,
d. i.
die Einsicht des Verhältnisses mehrerer Begriffe gegen einander, abhängen. – Ob nun gleich alle diese Erkenntnisse – sie mögen einzelne,
d. i.
Anschauungen,
Anschauungen
oder
Begriffe
Begriffe, oder
verbundne
verbundene
,
d. i.
Urtheile
Urtheile, seyn – Wahrnehmungen oder Erfahrungen voraussetzen,
wobey vorhandne
wobei vorhandene
Gegenstände uns zu den Vorstellungen geleitet haben: so sind doch diese
Erkenntnisse
Erkenntnisse keinesweges alle
aus
solchen Gegenständen, sondern aus dem ursprünglichen Vermögen der Seele selbst entstanden, so daß
diese Erkenntnisse
dieselben
nicht
sowohl
durch
vorhandne
vorhandene
Gegenstände in die Seele hineingekommen, sondern von der Seele
mit ihrem eignen
durch ihr eigenes
Vermögen entwickelt sind. Es giebt 1) Erkenntnisse, zu deren Erzeugung in uns schlechterdings erfordert wird, daß wir uns ein wirklich
vorhandnes
vorhandenes
Object
Object vorstellen,
z. B.
einen Baum, ein Thier, ein Metall, Schmerz oder Lust, ja selbst ganze Sätze, als: daß die Bäume vom Frühling an grün sind, das Gold gelb und glänzend ist, daß alle Menschen sterben
u. d. gl.
u. dergl.
,
und, weil alsdann die Erkenntniß später ist als der
Gegenstand:
Gegenstand,
so nennt man
dieses,
dieses
Erkenntniß
a posteriori
a posteriori
,
empirisch
empirische
oder
Erfahrungserkenntniß
Erfahrungserkenntniß
. Es giebt aber auch 2) Erkenntnisse, wozu eine Vorstellung von einem wirklich
vorhandnen
vorhandenen
Object, auf das sich
unsre
unsere
Vorstellung bezieht, nicht erfordert wird, die also von aller Erfahrung schlechterdings unabhängig ist,
z. B.
der Begriff von Ursache,
Nothwendigkeit
Nothwendigkeit,
Nothwendigkeit
und allen nicht sinnlichen Gegenständen, als Gott, Geist
u. d. gl.
u. dergl.
,
oder das
Urtheil:
Urtheil,
daß jede Wir kung oder jede
Verändrung
Veränderung
eine
Ursach
Ursache
hat. Weil nun hier die Erkenntniß da seyn
kan
kann
, ohne daß man sich ein wirklich
vorhandnes
vorhandenes
Object
gedenkt
denkt
, und ehe man noch weiß, ob ein solches Object auch wirklich ist: so nennt man diese,
Erkenntnisse
a priori
a priori
, oder auch
Vernunfterkenntnisse
Vernunfterkenntnisse
, weil
Vernunft
das Vermögen ist, etwas aus Principien,
d. i.
das ist,
das Besondere aus dem
Allgemeinen
Allgemeinen,
zu erkennen, und eben diese Erkenntnisse a priori Gesetze oder Bedingungen sind, die aus der Natur
unsers
unsres
Erkenntnißvermögens
fliessen
fließen
, ohne welche keine Erkenntniß der Objecte möglich ist.
Anm.
Da uns Erfahrung nur lehrt, daß Etwas so und so beschaffen
sey
sei
, aber nicht, daß es nicht anders seyn könnte, und sie uns nur einzelne Fälle vorstellt: so sieht man, daß sie weder zu allgemeinen noch zu nothwendigen Sätzen
(beyden
(beiden
im strengsten Verstande) führe. Nothwendigkeit und Allgemeinheit eines Begriffs oder Urtheils ist also ein
sichres
sicheres
Kennzeichen einer Kenntniß a priori.
176.
Diese Erkenntniß a priori enthält
entweder
ganz und gar nichts
Wahrgenommnes
Wahrgenommenes
; es ist darin ganz von allen sinnlichen Merkmalen
abgesehn
abgesehen
,
z. B.
bey
bei
dem Begriff von
Zahlen
Zahlen an sich (nicht den Tönen oder Zeichen, wodurch sie
ausgedruckt
ausgedrückt
werden), von Möglichkeit, von Gott
etc.
oder
bey
bei
dem Satz: jeder Körper ist ausgedehnt;
oder
es ist in ihr doch etwas
Wahrgenommnes (empirisches)
Wahrgenommenes (Empirisches)
enthalten, wovon wir ohne
Empfindung
Empfindung keinen Begriff haben. In jenem Fall nennt man sie
reine
Vernunfterkenntniß
Vernunfterkenntniß
(Erk.
(Erkenntniß,
die schlechterdings a priori
ist)
ist
)
; in diesem Fall aber
vergleichungsweise
oder
vermischte
Erkenntniß a priori. – Ist die Philosophie, oder ein Theil derselben, durchaus aus reinen Anschauungen oder Begriffen geschöpft, enthält sie lauter reine Vernunftsätze: so verdient sie den Namen einer eigentlichen
Wissenschaft
im
strengsten Verstande
. Stützt sie sich aber zugleich auf empirische Begriffe, wenn sie gleich nach reinen
Vernunftgesetze
Vernunftgesetzen verknüpft sind: so ist sie eine
empirische
oder
Erfahrungsphilosophie
Erfahrungsphilosophie
.
Bey
Anm.
1. Bei
allen bisher erwähnten Erklärungen sind die
Kant, Immanuel
Kantischen
Bestimmungen in der
Kritik der reinen Vernunft
,
zweyte
zweite
Aufl.
Riga
1787
in
1787.
gr.
8. zum Grunde gelegt, woraus man weitere Aufklärung derselben schöpfen
kan
kann
.
Die reine Philosophie, oder die philosophische
Wissenschaft
Wissenschaft,
beschäftigt sich also bloß mit dem, was gar kein Gegenstand der Sinne ist, es mögen
nicht sinnliche Objecte
oder dergleichen
Eigenschaften
sinnlicher Objecte seyn. Es sollte daher
bey
bei
allen Theilen der Philosophie das, was wirklich reine Erkenntniß ist, ganz von allem Empirischen geschieden werden, wenn man auch dieses Letztere, wegen der oben §.
169
angegebnen
169.
angegebenen
Ursach, mit in eine philosophische Wissenschaft aufnehmen wollte. Indessen giebt es Theile der Philosophie, die ganz reine Erkenntnisse enthalten, oder wenigstens ganz rein seyn können. Welche Theile
dies
dieß
sind oder nicht, wird im Folgenden bemerkt werden.
Anm.
2. Folgende
Eintheilung des ganzen Gebiets der Philosophie
dürfte zur verständigen Uebersicht ihrer einzelnen Theile nicht undienlich seyn. In der
Hauptsache
trifft sie mit den Ansichten des Verfassers des Werks zusammen.
Philosophie.
I.
Reine Philosophie.
A.
Formale:
1. reine allgemeine
Logik
.
2. reine allgemeine
Aesthetik
.
B.
Materielle:
A. Vorbereitende. –
Kritik
,
a. des Erkenntnißvermögens,
b. des Gefühlsvermögens,
c. des Anschauungsvermögens.
B. Abhandelnde.
a. Gegenstände des Erkennens:
α
. allgemeine, trascendentale Philosophie,
β
. besondere, Metaphysik.
aa.
Metaphysik
der Natur als
rationale Körperlehre,
rationale Seelenlehre.
bb.
Metaphysik der Sitten
,
allgemeine,
besondere,
Tugendlehre,
Naturrecht,
b. Gegenstände des
Vernunftglaubens, Religionslehre
.
II.
Angewandte Philosophie.
A. Formale:
1. angewandte
allgemeine Logik
.
2. angewandte
allgemeine Aesthetik
.
B. Materiale:
1. Angewandte
Metaphysik der Natur
.
a. Körperlehre.
Physik.
b. Seelenlehre.
Empirische Psychologie.
2. Angewandte
Metaphysik der Sitten
.
a. Angewandtes Naturrecht,
α
. Privatrecht,
β
. Staatsrecht,
γ
. Völkerrecht.
b. Angewandte Tugendlehre.
α
. entwickelnd die Kräfte des heranwachsenden Menschen zum Ziele der Sittlichkeit.
Pädagogik.
β
. fördernd die fortschreitende Bildung des Erwachsenen.
Ethik.
Uebrigens stellt fast jede Schule eine andere Classification auf. Der akademische Unterricht bleibt jedoch in der Regel bei den, besonders seit
Wolff, Christian von
Wolf's
Zeiten, beliebten Abtheilungen, und bringt das Ganze unter die Haupttitel: Logik, empirische Psychologie, Metaphysik, Naturrecht, Ethik oder Moral, Aesthetik.
A. d. H.
172.
Man kann die Philosophie
entweder
nach den verschiedenen Gegenständen betrachten, mit welchen sie sich beschäftigt,
oder
nach der Art, wie darinn die Untersuchung derselben geschieht. – In jener (objectiven) Rücksicht theilt man sie in die
theoretisch
theoretische
oder, wie andere sagen,
speculativ
speculative
, und in die
praktisch
praktische
Philosophie. Denn, weil unsre Absicht bey aller Untersuchung und bey allem Gebrauche der Vernunft, Beförderung der menschlichen
Glückseligkeit
Glückseligkeit seyn muß, und die Philosophie eigentlich nur auf geistige Glückseligkeit abzielt, wozu die Kenntniß der Natur und besonders des Menschen gebraucht werden soll: so muß sie sowohl die Entdeckungen über die allgemeine natürliche Beschaffenheit der Dinge enthalten, als auch die Anwendung zur geistigen Glückseligkeit der Menschen zeigen; sie muß uns die Natur der Dinge kennen lehren und uns anweisen, wie wir der
Natur
Natur folgen müssen.
Anm.
1. Die Zweydeutigkeit, die in den Worten
geistige Glückseligkeit
und
Befolgung der Natur
liegt, läßt es unentschieden, ob man diejenigen philosophischen Wissenschaften, die den Gebrauch unsrer Erkenntnißkräfte betreffen, zur theoretischen oder praktischen Philosophie rechnen solle. Eigentlich gehören sie zu der letztern, weil sie die rechte
Anwendung
der Erkenntnißkräfte zeigen, so wie die
moralischen
Wissenschaften die rechte Leitung unsers Willens. Weil man aber gewöhnlich nur die moralischen Wissenschaften zur praktischen Philosophie rechnet: so müßte man, wenn man sich an diesen Sprachgebrauch halten wollte, die
Dialektik
Dialektik mehr mit den Alten für das
Organon
der Philosophie annehmen, und sie noch von beyden Arten der Philosophie unterscheiden.
Anm.
2. Nimmt man das was
gut
oder
recht
ist, als den Gegenstand des Willens an: so könnte man die
moralischen Wissenschaften
, wenn man auf sie die
praktische Philosophie
einschränken wollte, diejenigen nennen, welche sich mit dem, was nach der Natur
gut
oder
recht
ist, so wie die
theoretischen
die, welche sich mit dem, was nach der Natur
wahr
ist, beschäftigen.
173.
Beyderley Philosophie muß unzertrennlich verbunden werden. Die praktische Philosophie ist ohne die theoretische unsicher und ungründlich; die theoretische ohne jene, kein Mittel zur menschlichen Glückseligkeit, und befriedigt bloß die Wißbegierde, die nicht einmal genugsamen Reitz hat, wenn sie nicht durch den zu hoffenden Einfluß des Gefundenen auf unsre
Glückseligkeit
Glückseligkeit immer zur Untersuchung ermuntert wird.
177.
Wenn man aber 2) (§.
273
273.
) die Philosophie nach der Verschiedenheit der
Gegenstände
Gegenstände
, oder vielmehr der Begriffe von diesen Gegenständen, abtheilen will, welche sie untersucht: so beschäftigt sie sich
entweder
mit der
Materie
Materie
Maderie
oder
mit der
Form
Form
des Verstandes,
d. i.
d. i.,
sie betrachtet
entweder
die Objecte des Denkens,
oder
sie sieht von allen diesen ab, und untersucht bloß
die Art und Weise
, wie sich Objecte denken
laßen
lassen
, die nothwendigen und allgemeinen Regeln des Denkens überhaupt.
Jenen
Theil der Philosophie
kan
kann
man daher den
materiellen
,
diesen
den
formellen
nennen, oder von jenem den Namen der
Metaphysik
Metaphysik
(mit
Kant, Immanuel
Kant
, im engern Sinn)
brauchen
gebrauchen
, so wie
dieser
Theil die
Logik
Logik
oder
Vernunftlehre
Vernunftlehre
ist, die auch
bey
bei
den Alten
Dialektik
Dialektik
genennt
Dialekt
genannt
wurde.
Anm.
Anm.
1.
Metaphysik
nennt
Kant, Immanuel
Kant
(
Kritik
(
Kritik
der reinen Vernunft
S.
869
869.
) im weitesten Verstande die ganze reine Philosophie, selbst die
Propädevtik
Propädeutik
dazu, oder die Kritik der reinen Vernunft, mit
einbegriffen;
einbegriffen
im engern Sinn aber, und noch unterschieden von der Kritik der reinen Vernunft, das
System
der reinen Vernunft, oder die ganze, wahre sowohl als scheinbare, philosophische Erkenntniß aus
R. V. im systematischen
reiner Vernunft in systematischem
Zusammenhange. Bekanntlich wird Metaphysik auch, sofern sie von Logik unterschieden ist, von der theoretischen Philosophie im Unterschiede von der praktischen genommen, wie man unten (§.
182
182.
) sehen
wird; dies
wird. Dieß
wäre denn die dritte und engste Bedeutung des Worts.
Anm.
Anm.
2. Die Logik heißt auch die
Instrumentalphilosophie
Instrumentalphilosophie
(Organon)
; aber dieser
letztre
Name begreift mehr in sich. Denn wir haben eben sowohl ein Vermögen, gewisse Eindrücke von Gegenständen zu empfangen, als ein Vermögen, das
Mannichfaltige
Mannigfaltige
, also gewisse Merkmale eines Gegenstandes, in Eine Vorstellung, mehrere Eindrücke in Einen Begriff, mehrere Begriffe zu Einem höhern oder allgemeinern Begriff, oder in Ein Urtheil, und mehrere Urtheile in
Einem
Einen
Schluß, zu verbinden, mit
einen
Einem
Wort, zu
denken
. Jenes Vermögen ist die
Sinnlichkeit
Sinnlichkeit
(
untern
(
untere
Kräfte der menschlichen Seele), dieses der
Verstand
Verstand
(
obern
(
obere
Kräfte), und wir bedürfen eben sowohl einer Wissenschaft der Regeln für jene, als für
diesen
diese
. Aber die
Logik
Logik
ist nur eine Wissenschaft der
letztern
letzteren
; hingegen die erstere müßte die
Aesthetik
Aesthetik
enthalten,
in so fern
insofern
sie
sich
nicht, wie man sie seit
Baumgarten, Alexander Gottlieb
Alex. Gottl. Baumgarten
Alex. Gottl. Baumgarten
nimmt,
sich
auf
Schönheit
die Theorie des
Schönen
einschränkt, oder Philosophie
für die
der
schönen Wissenschaften ist, die doch nur empirische Regeln begreifen würde, sondern
eine
transcendentale
zu einer
transcendentalen
Aesthetik
genennt
erhöht
werden könnte. – Selbst die
allgemeine
allgemeine
Grammatik
gehört mit Recht zur Instrumentalphilosophie, da wir ohne Zeichen und Wörter nicht denken können, und Mängel oder Fehler der
Sprache
Sprache,
selbst
dergleichen
Fehler
im Denken nach sich ziehen. Allein noch erwartet diese eine möglichst systematische Bearbeitung, wozu wir, seitdem
Harris, James
Harris
(1751
(1751.
) mit seinem
vortreflichen
Hermes
vortrefflichen Hermes
vorgegangen ist (
Hermes
,
oder
oder
philosophische Un
tersuchung über die allgemeine Grammatik, von
Harris, James
Jakob
Jacob
Harris
, übersetzt von
Ewerbeck, Christian Gottfried
C. G. Ewerbeck
, Halle
1788
in
1788.
gr.
8.)
nur
noch
manche
Beyträge
Beiträge
erhalten haben.
Diese Beiträge sind nicht unwichtig, namentlich:
Meiner, Johann Werner
J. M. Meiner's
Versuch einer an die Sprache angebildeten Vernunftlehre, oder
philosophischen
allgemeine Sprachlehre, Leipzig 1781.
Bernhardi, August Ferdinand
A. Ed. Bernhard
allgemeine Sprachlehre, 2 Theile. Berlin 1800–1803.
, und desselben Anfangsgründe der Sprachwissenschaft.
Ebend.
1805.
Vater, Johann Severin
J. S. Vater's
Versuch einer allgemeinen Sprachlehre, Halle 1801.
, nebst dem Auszug: Lehrbuch der allgemeinen Grammatik für Schulen Halle 1806.
Sacy, Antoine Isaac Silvestre de
A. J. Sylvester de Sacy
Grundsätze der allgemeinen Sprachlehre, bearbeitet von
Vater, Johann Severin
Vater
. Halle 1804.
Kritik der reinen Vernunft
Gemeint ist die zweite Auflage aus dem Jahr 1787 (vgl. I § 167; I § 176).
Aesthetik […] wie man sie seit Alex. Gottl. Baumgarten nimmt
Als Zögling des Franckeschen Waisenhauses zu Halle studierte Alexander Gottlieb Baumgarten (1714–1762) ebenda Theologie, Philosophie und Schöne Wissenschaften und war nach dem Magisterexamen zunächst als Dozent am Waisenhaus tätig. Ab 1737 lehrte er in Halle Philosophie und wurde 1740 Professor der Weltweisheit und Schönen Wissenschaften in Frankfurt/Oder. Die von Baumgarten hier gehaltenen Vorlesungen zur Ästhetik sind die ersten ihrer Art. Bereits mit seiner Magisterarbeit
Meditationes philosophicae de nonnullis ad poema pertinentibus
(1735), v.a. aber durch die aus seinen Vorlesungen hervorgegangene, jedoch unvollendet gebliebene zweibändige
Aesthetica
(1750/1758) ist Baumgarten zum Begründer der Ästhetik als eigenständiger philosophischer Disziplin geworden (vgl. I § 263) und wirkte, indem er das untere Erkenntnisvermögen der Sinne gegenüber Wolff aufwertete und Dichtung als wahre und sinnlich vollkommene Rede verstand, etwa auf Herder oder Schiller.
J. M. Meiner's Versuch einer an die Sprache angebildeten Vernunftlehre, oder philosophische allgemeine Sprachlehre, Leipzig 1781
Der Autor des
Versuch[s] einer an der menschlichen Sprache abgebildeten Vernunftlehre
(1781) ist Johann Werner Meiner (1723–1789).
A. Ed. Bernhard allgemeine Sprachlehre, 2 Theile. Berlin 1800–1803
Gemeint ist die zweibändige
Sprachlehre
(1801/1803) von August Ferdinand Bernhardi (1769–1820).
J. S. Vater's Versuch einer allgemeinen Sprachlehre, Halle 1801., nebst dem Auszug: Lehrbuch der allgemeinen Grammatik für Schulen Halle 1806
Gemeint ist Johann Severin Vaters (1771–1826)
Lehrbuch der allgemeinen Grammatik besonders für höhere Schul-Classen, mit Vergleichung älterer und neuerer Sprachen
(1805), das laut Vorrede gerade kein Auszug aus dem
Versuch einer allgemeinen Sprachlehre
(1801) sein will, sondern eine Neubearbeitung eines bestimmten Teils desselben als Lehrbuch für Gymnasien.
174.
Gemeiniglich pflegt man jetzt zu der
theoretischen
Philosophie die
Logik
Logik
, (
Vernunftlehre
, Philosophiam rationalem) und die unter dem unbequemen Namen der
Metaphysik
Metaphysik
zusammengefaßten Wissenschaften zu rechnen, auch beyderley Wissenschaften mit dem Namen der Philosophiae primae zu belegen, weil sie bey den praktischen Wissenschaften zum Grunde liegen. Die erstre heißt auch, aus dem §.
172.
Anm.
1. angegebnen Grunde, die
Instrumentalphilosophie
Instrumentalphilosophie
.
Zwar sollte diese Instrumentalphilosophie nicht bloß auf die Logik eingeschränkt werden. Denn, weil diese sich eigentlich nur mit Leitung des Verstandes oder der obern Kräfte der Seele beschäftigt, die untern Kräfte aber eben sowohl einer richtigen Leitung bedürfen, und der rechte Gebrauch von beyderley Seelenkräften nebst der Mittheilung unsrer Gedanken sehr vom richtigen Gebrauch der Sprache abhängt: so gehörte die
Aesthetik
Aesthetik
und die
allgemeine Grammatik
mit eben so vielem Recht zur Instrumental philosophie. Aber die letzte ist noch nicht so bekannt, wie sie es verdiente, sie ist daher auch noch nicht zu den Rang einer besondern Wissenschaft erhoben worden. Und was man unter dem Namen der
Aesthetik
hat, schränkt sich auf
Schönheit
Schönheit
ein, ist Philosophie für die schönen Wissenschaften; nach dem Sprachgebrauch aber zählt man die strengern Wissenschaften zur eigentlichen Philosophie, und was die Leitung der untern Seelenkräfte zur Beförderung der
Wahrheit
Wahrheit
angeht, wird, wie das wenige Allgemeine von Sprache, so weit beydes wissenschaftlich behandelt ist, in der Logik erwehnt, weil es bey rechten Gebrauch des Verstandes zur Grundlage dient.
178.
Da die
Logik
Logik 1)
Logik
die
allgemeinen
allgemeinen
Regeln, und zwar
2)
des
Denkens überhaupt
Denkens überhaupt
, enthalten soll (§.
177
):
177.
),
so muß man darin 1) von allen besondern Arten der Gegenstände absehen, auf die das Denken gerichtet ist, und bloß die Form des Denkens in Anschlag nehmen; sie muß eine
allgemeine
oder
Elementar-Logik
seyn, die den allgemeinen Gebrauch des Verstandes
lehre
lehrt
; 2)
müßte
muß
sie, ohne Rücksicht auf diesen und jenen
Verstand
Verstand, nur die schlechthin nothwendigen Gesetze des Denkens in sich fassen, ohne die gar kein Gebrauch des Verstandes möglich
ist,
ist;
sie
müßte
darf
also gar nicht auf Gründen
unsrer
unserer
Erfahrung, sondern auf lauter Grundsätzen a priori beruhen,
d. i.
d. i.,
eine
reine Logik
seyn. Indessen soll sie doch eigentlich den
menschlichen
Verstand in Erkenntniß der Wahrheit leiten, und daher
unsern
unseren
Bedürfnisse
Bedürfnissen angemessen seyn. Zu diesem Zweck muß sie also Vieles aufnehmen, was wir von unsern Kräften und den Regeln, wodurch diese geleitet werden, von deren Einschränkungen, von den in uns und
unsern
unseren
Umständen liegenden Hindernissen der Erkenntniß der Wahrheit, von den uns möglichen Mitteln, Wahrheit zu finden und Irrthum zu vermeiden, nur aus der
Erfahrung
Erfahrung wissen, und daher Manches aus der
Psychologie
Psychologie, und überhaupt aus der
Anthropologie
Anthropologie, entlehnen. Weil nun alsdann die allgemeinen reinen Verstandesgesetze auf den menschlichen Verstand, nach dessen Einschränkungen und Hindernissen, angewendet werden, dergestalt, daß gezeigt werden soll, wie unser Verstand auch
bey
bei
diesen Einschränkungen richtig denken solle: so nennen Manche, nach
Kant, Immanuel
Kant
(
Kritik der reinen Vernunft
S.
77) diese Anweisung, die sich auch mit auf empirische Grundsätze gründet,
im
zum
Unterschiede von der
reinen Logik
, die allein nur eine Wissenschaft im strengsten Verstande ist,
die
die
angewandte Logik
, welche alsdann noch immer eine
allgemeine Logik
ist,
so fern
sofern
sie den rechten Gebrauch des Verstandes, ohne Rücksicht auf
besondre
besondere
Gegenstände
, lehrt, ob sie gleich,
ausser
außer
den allgemeinen Gesetzen des Denkens, auch die besondern für den menschlichen Verstand in sich faßt. – Der
reinen
und
angewandten
Logik
zusammen genommen (beyde
zusammengenommen (beide
mögen übrigens besonders vorgetragen oder vermischt werden), könnte man den Namen der
Logik im
weitern
weiteren
Verstande
geben.
Anm.
Anm.
1. Billig sollte indeß
bey
bei
dem
Vortrag
Vortrage
der Logik die reine von dieser angewandten geschieden, und erst jene besonders, alsdann diese vorgetragen,
d. i.
d. i.,
es sollten erst
hinterdrein
nachher
die allgemeinen Gesetze des Denkens auf den Gebrauch des menschlichen Verstandes angewendet werden. Einen Versuch findet man davon gemacht in dem
Grundriß der allgemeinen Logik und kritischen Anfangsgründe der allgemeinen Metaphysik,
von
Jakob, Ludwig Heinrich von
Ludw. Heinr.
Ludwig Heinrich
Jakob
,
zweyte
zweite
umgearbeitete Auflage, Halle
1791
in
1791.
8.
Anm.
Anm.
2. Mit dem Namen der
angewandten Logik
belegen auch Manche das, was sie, im Unterschiede von der allgemeinen Logik, die
besondere
Logik nennen, oder die
Methodenlehre
Methodenlehre
(nehmlich
(nämlich
die
besondre
besondere
, nicht
transcendentelle
transcendentelle
, welche
letztre
letztere
einen Haupttheil der Kritik der reinen Vernunft ausmacht), worin Regeln zum rechten Gebrauch des Verstandes, in Rücksicht auf
besondre
besondere
Arten
von
Gegenständen
, vorgetragen werden. Diese bleibt eben hierdurch von der
allgemeinen angewandten
Logik, die in dem §. beschrieben ist, verschieden. Das
meiste
Meiste
, was zu dieser
letztern
letzteren
allgemeinen gehört, macht den Inhalt desjenigen aus, was man gemeiniglich
praktische Logik
nennt, und darunter gewisse Uebungen nach den Regeln der Logik,
z. B.
im Bücherlesen, Disputiren,
Vortrag
Vortrage
überhaupt
u. s. f.
begreift.
Anm.
Anm.
3. Die Logik soll also eben sowohl den rechten
Gebrauch
Gebrauch des Verstandes lehren, als den unrechten verhindern, folglich auch in dieser letztern Absicht verhüten, daß man nicht das für wahr halte, was nur wahr
scheint
,
scheint
(das heißt nicht: was wahrscheinlich
ist,
ist;
denn dies
letztre ist wahr, und nur eine mangelhafte Erkenntniß
Letztere kann wahr seyn
, sondern: was trüglich ist). Da nun die
Dialektik
Dialektik
der Alten auch lehrte, scheinbar etwas darzustellen, oder Blendwerken den Anstrich der Wahrheit zu geben,
dies
dieß
aber unanständig ist; da es sich hingegen sehr der Mühe verlohnt, zu zeigen, wie man Schein von Wahrheit unterscheiden solle: so nennt
Kant, Immanuel
Kant
(
K. d. R. V.
Krit. d. reinen Vern.,
S.
85
f.
249
f.
) den Theil der Logik, der eine Kritik des Scheins der Wahrheit enthält, die
Dialektik
(im engern Verstande also;
vergl.
§.
177
177.
) oder die
Logik des Scheins
, und den Theil derselben, welcher den rechten Gebrauch der Vernunft zeigt, die
Analytik
Analytik (Logik der Wahrheit)
, weil sie das formale
Geschäfte
Geschäft
des Verstandes in seine Elemente
auflöst. –
auflößt.
Kritik der reinen Vernunft
Gemeint ist die zweite Auflage (vgl. I § 167; I § 176).
K. d. R. V.
D.i.
Kritik der reinen Vernunft
(vgl. I § 183; I § 199), gemeint ist die zweite Auflage aus dem Jahr 1787 (vgl. I § 167; I § 176).
179.
Wenn uns die
Logik
Logik
die allgemeinen und nothwendigen
Regeln
Regeln des Denkens
überhaupt
überhaupt,
und ihre Anwendung auf den menschlichen Verstand lehren soll (§.
178
):
178.
),
so muß sie
erstlich
jene
Regeln
selbst
selbst
vortragen. Sie muß daher 1) zeigen, wie und nach welchen Gesetzen der
Verstand
Verstand verfährt (
Logische Elementarlehre
), und zu dem Ende
theils
den Unterschied des Verstandes von der Sinnlichkeit (§.
177
177.
Anm.
2.), die
verschiednen
verschiedenen
Arten der Vorstellungen, und der Erkenntnisse
insbesondre,
insbersondere
mit ihren
verschiednen
verschiedenen
Vollkommenheiten darstellen,
theils
die besondern Wirkungen des
Verstandes
Verstandes,
und dessen Wirkungen in Bildung und Beurtheilung der Begriffe, Urtheile und Schlüsse, mit den Regeln, wonach er
dabey
dabei
richtig verfährt, darstellen; und 2) lehren, wie diese einzelnen Wirkungen, Begriffe
u. s. w.
aufs deutlichste gemacht, und in eine solche Vereinigung gebracht werden, daß daraus ein möglichst
vollkommnes
vollkommenes
Ganze oder System der Erkenntniß entstehe (
Logische
Methodenlehre
Methodenlehre). –
Hernach
muß sie diese Regeln in Hinsicht auf die mannigfaltigen Einschränkungen des menschlichen Verstandes vorlegen,
so
was
in der angewandten Logik oder in dem Theile derselben geschieht, worin sie, neben jenen allgemeinen Regeln,
Erfahrungssätze
Erfahrungssätze zu Hülfe nehmen muß. Sie muß diese Einschränkungen selbst erklären, sie mögen von der Sinnlichkeit, welche die Gegenstände dem Verstande zuführt, oder von den Mängeln und Fehlern
unsrer
unserer
Einbildungskraft und unsers Gedächtnisses, oder von der Unvollkommenheit
unsrer
unserer
Aufmerksamkeit, oder den Mängeln und Fehlern der Sprache, und überhaupt der Zeichen, ohne die wir nicht denken können, oder von
äusserlichen
äußerlichen
Umständen herrühren. Sie muß die
verschiednen
verschiedenen
Arten und Quellen des bloßen Scheins der
Wahrheit
Wahrheit, der Irrthümer und des Mangels der Ueberzeugung, aufdecken, und zeigen, wie diese Fehler zu entdecken, oder wie ihnen abzuhelfen
sey
sei
. Sie muß zugleich die Mittel angeben, wie man die Erkenntniß der Wahrheit
erweitere;
erweitern,
was für Eigenschaften man selbst dazu mitbringen, und wie man einen richtigen Gebrauch von den
Quellen
Quellen der Wahrheit, sowohl der
eignen
eigenen
und fremden Erfahrung, als auch der Vernunft, machen müsse. Endlich muß sie auch lehren, wie man
bey
bei
Mittheilung der erkannten Wahrheit an Andere, zu verfahren habe.
175.
Die
Logik
Logik
ist eine Wissenschaft von dem rechten Gebrauch der Vernunft. Weil dieser aber richtige Empfindungen und deren rechten Gebrauch voraussetzt, und er sich, eben sowohl in Ueberzeugung Andrer von erkannter Wahrheit, als in Auffindung der Wahrheit selbst, äussert: so bekommt sie dadurch einen weitern Umfang, als es nach jenem Begriff scheinen möchte. Sie sollte demnach zeigen: wie wir zu verschiednen Arten von Begriffen gelangen, daraus Urtheile bilden, und daraus Schlüsse herleiten; wie wir Wahrheit finden, und sie von dem, was falsch ist, oder nur wahr scheint, unterscheiden; wie wir überhaupt das Erkannte richtig ausdrücken, und auch Andern die erkannte Wahrheit so mittheilen sollten, daß sie davon überzeugt, und von falschen oder blendenden
Vorstellungen
Vorstellungen zurückgebracht würden. Sie sollte also auch die verschiednen Arten der menschlichen Erkenntniß, ihre guten Eigenschaften und Fehler vorstellen, die Ursachen von beyden entdecken und die Mittel angeben, wie jene erhalten und befördert, diese verhütet, gehoben, oder doch vermindert werden können.
180
176
.
Der
Ihr
Nutzen
Nutzen
dieser Wissenschaft
ist
gar nicht zu verkennen,
so bald
sobald
man nur weiß, was sie
ist
ist,
und leisten
kan
kann
, und den Werth dessen, was sie leistet, zu schätzen
weiß
versteht
sonach augenscheinlich, und man kan sie zu keiner Art gründlicher Kenntnisse in den Wissenschaften entbehren
.
– Was ist der Mensch, der keinen Verstand hat, oder, welches ohngefähr
einerley
einerlei
ist,
der
ihn nicht recht zu
brauchen weiß?
gebrauchen weiß!
Wie unendlich vielen Verirrungen im Denken, und, da hievon auch die Verderbnisse des Herzens oder Willens nebst allen Ausschweifungen abhängen, die aus Fehlern in Begriffen, Urtheilen und Schlüssen
entstehen,
entstehen:
wie sehr der Macht böser Neigungen und Eindrücke ist er
ausgesetzt?
ausgesetzt,
oft und alsdann unvermeidlich ausgesetzt, wenn er den Schein falscher Vorstellungen nicht von
Wahrheit
Wahrheit zu unterscheiden
weiß.
weiß!
Die
Ursachen
Ursachen dieser Mängel, Verirrungen und Blendwerke kennen, und wissen, wie man sie entdecken und vermeiden soll, ist denn doch
schon
selbst
der halbe Weg zur
wahren
Glückseligkeit
Glückseligkeit, auf
den
dem
man wenigstens nie sicher fortschreiten
kan
kann
, ohne von richtigen Regeln des Verstandes geleitet zu werden. – Und sind diese Regeln der
Probierstein
Probierstein aller Wahrheit; giebts keine Wissenschaft, wo sie nicht müßten zum Grunde liegen, um
alles
Alles
danach zu
prüfen,
prüfen
und richtig zu verbinden; so bleibt die Logik zu jeder Wissenschaft, wozu sie die Vorbereitung enthält, wie zu aller
Untersuchung
Untersuchung,
unentbehrlich. – Man hat es auch mit Recht als merkwürdig anerkannt, daß sie – wenn man allenfalls die Wegräumung einiger
entbehrlichen
entbehrlicher
Subtilitäten, oder die Verbannung dessen, was
andern
anderen
Wissenschaften angehört, oder einige genauere Bestimmungen und mehrere Regelmäßigkeit im
Vortrag,
Vortrag
abrechnet – seit
Aristoteles
Aristoteles
Aristoteles
Zeit keinen Schritt weder
habe
vor- noch rückwärts
habe
thun dürfen,
und
sie
also eine fast vollendete Wissenschaft zu seyn
schiene
scheine
. – Nur muß man nicht mehr von ihr fordern, oder ihr mehr zuschreiben, als sie ihrer Natur nach
liefern kan
leisten kann
. Denn sie
betrift
betrifft
doch nur die
Form
Form
der Erkenntniß (§.
177
177.
), und in ihr kommt die
Materie
Materie oder
der
Stoff zur Erkenntniß gar nicht in Anschlag (§.
178
178.
); dieser muß ihr also erst anderwärtsher gegeben werden, und sie prüft und verbindet ihn nur; auch gehört zur richtigen Erkenntniß eben sowohl Untersuchung ihres Inhalts, als ihrer Form.
Ohne
Kenntniß und Beobachtung der
Regeln
Regeln des
Verstandes kan
Verstandes, kann
also zwar keine
sichre
sichere
Erkenntniß je erhalten werden; aber allein führt diese Kenntniß zur Wahrheit nicht; und wer es darauf anlegen wollte, ohne anderweitige Erkundigung nach den Gegenständen selbst, bloß mit der Logik die Gegenstände zu beurtheilen, oder gar neue Wahrheit zu erfinden, der würde sich und
Andre
Andere
sehr betrügen, und höchstens die armselige Kunst zur Ausbeute bekommen, was er wollte, mit einigen Schein zu behaupten oder zu bestreiten.
181.
Legt
Wirft
man
hingegen dieser Wissenschaft nicht mehr
bey
bei
, als bisher gesagt worden
ist:
ist,
so wird man ihr auch nicht mit Recht die Vorwürfe machen
können: –
können,
ihr dagegen vor: –
daß sie, wenigstens so wie wir sie in den gewöhnlichen Lehrbüchern haben, das nicht
leiste,
leiste
was sie sollte;
–
daß sie hingegen mit vielen
Spitzfündigkeiten
Spitzfindigkeiten
und unnützen Dingen angefüllt
sey; –
sei;
daß sie nur Gelegenheit gebe, Armuth an Kenntnissen durch den
Schein
Schein tieferer Einsichten zu bedecken;
und – daß
eine natürliche Logik
uns
weit mehr werth
sey
sey,
seyn müsse,
als
eine kunstmäßige.
–
Der dritte Vorwurf
trift
trifft
doch diese Wissenschaft selbst so wenig, als diejenigen, welche ihren vorhin bestimmten eingeschränkten Zweck und Werth erkennen; er
trift
trifft
nur die, welche sich von ihr überspannte Begriffe machen, oder, anstatt die
Regeln
Regeln dieser Wissenschaften zu nutzen, um
Wahrheit
Wahrheit von Schein sorgfältig zu unterscheiden, geflissentlich darauf
ausgehn
ausgehen
,
Blendwerke
Blendwerke statt gegründeter Wahrheit unterzuschieben. – Aus den Lehrbüchern,
die
welche
diese Wissenschaften vortragen, ist doch schon vieles Entbehrliche und Fremde verbannt, in sie mehr Bestimmtheit und Ordnung gebracht, selbst reine und
empyrische
empirische
Logik mehr von einander gesondert worden; und man hätte wohl Ursach, erst genau zu untersuchen, ob das, was noch von leerer
Spitzfündigkeit soll
Spitzfindigkeit
zurück geblieben seyn
soll
, diesen Namen auch wirklich verdiene, ehe man etwas für unnütz oder für leeres Spielwerk erklärt. – Endlich, eine
natürliche
Logik, die von einer
künstlichen
unterschieden seyn soll,
kan
kann
doch anders nichts
seyn
seyn,
als eine Sammlung von richtigen Gesetzen des Denkens, die man sich nur nicht deutlich, oder nicht als Theile eines wohl zusammenhängenden Ganzen, denkt; so wie die kunstmäßige, wenn man sie nicht, aus Unwissenheit, oder um sie nur verächtlich zu machen, anders sich oder Andern vorstellt, als wie sie wirklich ist, nichts anders seyn
kan
kann
, als ein wirkliches
System
System der Regeln des Verstandes. Und alsdann
übertrift
übertrifft
letztere die
erstre
erstere
eben so sehr, als deutliche und zusammenhängende Erkenntniß die undeutliche und fragmentarische. Eine solche Logik macht uns nicht nur auf Vieles aufmerksam, was wir sonst wohl übersehen hätten, sondern sie sichert uns auch
für
vor
der Gefahr, Schein für Wirklichkeit zu nehmen; sie führt zu allgemeinen Sätzen, die
bey
bei
jeder Art von
Erkenntniß
Erkenntniß,
und in allen Fällen, wo wir denken und untersuchen, unentbehrlich sind; sie erspart uns also auch Umwege, und macht
unsre
unsere
Tritte sicherer.
die kunstmäßige: so sollte man 1) so gerecht seyn und ihr das nicht zum Vorwurf machen, was man gegen alle menschliche Kenntniß und Wissenschaften sagen kan, daß sie eines steten
Wachsthum
Wachsthum
fähig sind, und nach und nach erst sich der
Vollkommenheit
Vollkommenheit nähern; sich eben diese Mängel dazu ermuntern lassen, ihre Gränzen und deren
Cultur
Cultur, wenn man es vermöchte, nach den weitaussehenden Begriffen zu erweitern, die man sich mit Recht von dem macht, was sie leisten sollte; und, könnte man dieses nicht selbst, wenigstens das dankbar brauchen, worin sie unsern Bedürfnissen zu Hülfe kommt.
Anm.
Unter einer Menge Lehrbüchern der
Logik
, welche wir in neueren Zeiten erhalten haben, zeichnen sich aus:
Kant, Immanuel
I. Kant's
Logik. Königsberg 1806.
Kiesewetter, Johann Gottfried Carl Christian
J. G. E. F. Kiesewetter's
Grundriß einer allgemeinen Logik, 2 Bände. Berlin 1802.
Fries, Jakob Friedrich
J. F. Frieß
System der Logik. Heidelberg 1811.
Maaß, Johann Gebhard Ehrenreich
F. E. Maaß
Logik. Halle 1800.
I. Kant's Logik. Königsberg 1806
Hier dürfte es sich um Immanuel Kants
Logik. Ein Handbuch zu Vorlesungen
(1800) handeln, das Gottlob Benjamin Jäsche (1762–1842) im Auftrage Kants zum Druck befördert und herausgegeben hat und das daher nicht selten auch als „Jäsche-Logik“ bezeichnet wird.
J. G. E. F. Kiesewetter's Grundriß einer allgemeinen Logik, 2 Bände. Berlin 1802
Der erste Band von Johann Gottfried Carl Christian Kiesewetters (1766–1819)
Grundriß einer allgemeinen Logik nach Kantischen Grundsätzen
ist 1802 in dritter, der zweite Band 1806 in zweiter Auflage erschienen.
F. E. Maaß Logik. Halle 1800
Gemeint ist Johann Gebhard Ehrenreich Maaß' (1766–1823)
Grundriß der Logik. Zum Gebrauche bei Vorlesungen
(1793;
2
1802;
3
1806). August Hermann Niemeyer hielt die Leichenpredigt auf Maaß.
182.
Indessen
ist
bleibt
die
Logik
Logik
Logik
doch nur eigentlich der
Vorhof
Vorhof
zur Philosophie, oder sie rüstet den Verstand,
der die Natur der
der die der
Dinge untersuchen will, nur mit den Regeln aus, ohne welche er nicht richtig und sicher verfahren
kan
kann
. Die eigentliche Philosophie hingegen enthält die Kenntniß der Natur selbst, oder beschäftigt sich mit Begriffen, die nicht auf die Form des Verstandes, sondern auf die Dinge oder
Objecte
Objecte selbst
gehn
gehen
. Diese
materielle Philosophie
(§.
177.
) nennen
einige:
Einige
Metaphysik
Metaphysik im engern Verstande
, weil sie ebendenselben Namen im weitern Verstande, aller reinen Philosophie, die Logik also mit einbegriffen, geben; und sie würde dann eben sowohl das in sich fassen, was man zur praktischen, als was man zur theoretischen
Philosophie,
Philosophie
zu rechnen pflegt. Gemeiniglich aber nimmt man
Metaphysik
so, daß man sie noch eben sowohl von der praktischen Philosophie, als von der
Logik,
Logik
unterscheidet.
Dies
Dieß
wäre also der
engste
Sinn des Worts (§.
177
177.
Anm.
1.), der noch eine weitere Erläuterung verdient.
183.
Alle vernünftige Wesen haben, als solche, das Vermögen, sich in ihren Handlungen unmittelbar nach der Vernunft zu
bestimmen,
bestimmen;
und darin besteht eben, was man
praktische
Freyheit
Freyheit
Freiheit
oder
Freyheit
Freiheit
des Willens
nennt, so wie
sittlich, moralisch, praktisch
,
alles
Alles
was sich auf diese
Freyheit
Freiheit
bezieht.
So fern
Sofern
sich die Philosophie mit diesem
Sittliches
Sittlichen beschäftigt, oder mit dem, was nach der Vernunft seyn und geschehen
soll
, heißt sie
die
praktische
Philosophie
, so fern
Philosophie
; sofern
sie aber davon absieht, und das untersucht, was
ist
oder seyn
kan
kann
, heißt sie die
theoretische
oder
speculative
. Soll
beyderley
beiderlei
Philosophie eine eigentliche Wissenschaft im strengsten
Sinn seyn:
Sinne seyn,
so muß sie sich nur auf Begriffe des
reinen
Verstandes stützen, und nur
reine
Vernunftsätze
Vernunftsätze enthalten (§.
176
176.
).
Dergleichen
theoretische Philosophie heißt,
bey
Kant, Immanuel
Kant
*)
,
bei
Kant
,
*)
Metaphysik der Natur
, und
dergleichen
praktische,
Metaphysik der Sitten
.
*)
Anm.
S.
Kritik
der R. V.
d. rein. Vern.
S.
868
f.
f.,
und in der Vorrede zur
Grundlegung der Metaphysik der Sitten
, Riga 1785.
in
gr.
8.
8. –
Anm.
1.
Die gedachte
Metaphysik der Natur
ist eben das, was sonst gewöhnlich
Metaphysik
oder
Metaph.
Metaphysik
im engsten Verstande
heißt (§.
182
); nur daß
Kant, Immanuel
Kant
Kant
der Metaphysik, wie sie in den gewöhnlichen Lehrbüchern erscheint,
diese
die
Eigenschaft abspricht, daß sie durchaus
reine
Vernunft enthalte. Ein Versuch, die reinen Begriffe darin von den
empyrischen
empirischen
ganz abzusondern, ist schon §.
178
178.
Anm.
1. angeführt worden. Uebrigens können manche Theile der Philosophie, der Erfahrungsgrundsätze gar nicht entbehren, und nie Wissenschaften im strengsten Verstande werden. Was dieses für Theile der Philosophie
seyn
seyen
, wird sich in der Folge zeigen.
Anm.
2.
Diejenigen, welche theoretische und praktische Philosophie von einander scheiden, und die Logik zu jener rechnen, begreifen unter dem Namen der
theoretischen
, Logik und Metaphysik zugleich; sie nennen auch
beyde
beide
Wissenschaften
zusammen,
zusammen
die Philosophiam primam, weil
beyde
beide
vor der praktischen Philosophie vorhergehen, und
bey
bei
ihr zum Grunde liegen.
Kritik der R. V.
D.i. die
Kritik der reinen Vernunft
(vgl. I § 178; I § 199), gemeint ist die zweite Auflage (vgl. I § 167; I § 176).
Grundlegung der Metaphysik der Sitten, Riga 1785
Der Titel lautet
Grundlegung zur Metaphysik der Sitten
.
177.
Man sollte 2), zumal wenn man noch kaum selbst zu denken angefangen hat, sich sehr hüten, nichts als unnütz oder als leere
Spitzfindigkeit
Spitzfindigkeit zu verachten, ehe man nicht, durch lange Uebung und Aufmerksamkeit in genauer Untersuchung, den rechten Werth aller Bestimmungen und Regeln, die diese Wissenschaft giebt, schätzen gelernt hätte. Man würde ohnehin, bey mehrerer Bekanntschaft mit verschiedenen Schriftstellern, welche diese Wissenschaft bearbeitet haben, bald finden, daß manches nur durch die Bedürfnisse gewisser Zeiten nothwendig gemacht würde, und daß Vorwürfe überflüßiger Spitzfindigkeiten jene Schriftsteller nicht so treffen, wie andre sonst grosse Köpfe, die in der ersten Dämmerung dieser Wissenschaft eben bey zu angestrengten Blicken manchen Dunst für etwas Wirkliches ansahen, den ihre Nachfolger hätten für das ausgeben sollen, was es war, und es zum Theil auch wirklich gethan haben.
178.
Zur Decke armseliger Kenntnisse wird 3) niemand diese Wissenschaft brauchen, wer sie nur für das nimmt, wofür sie jeder Vernünftiger ausgiebt, für
Werkzeug
Werkzeug
oder vielmehr für eine Wegweiserin auf dem dornichten Wege gründlicher Untersuchungen. Je mehr man seine Kenntnisse zu
erweitern
sucht, und je mehr man dadurch überzeugt wird, daß sich kein Werkzeug brauchen läßt, wo es an genugsamen Stoff fehlt, den man be arbeiten kan, und daß selbst eine lange achtsame
Uebung
Uebung dazu gehöre, um zu lernen, wo man gewisse Werkzeuge anwenden kan oder nicht: je weniger wird man in Versuchung seyn, diese schätzbare Wissenschaft am unrechten Orte oder gar als Spiel der
Eitelkeit
Eitelkeit zu gebrauchen.
179.
Und wenn es gleich wahr ist, daß
Kunst
Kunst ohne
Natur
Natur nichts vermag: so ist es doch 4) eben so wahr, daß Natur durch Kunst unterstützt, weiter kommen und sichrer gehen kan, als wenn sie dieser Unterstützung entbehren muß. Die Vernunftlehre als Kunst betrachtet, folgt keinen andern Regeln als die natürliche Logik. Aber diese verhält sich zu jener fast wie blosse Empfindung zu bedächtigem Nachdenken. Das letztere macht uns erst auf vieles aufmerksam, was wir sonst übersehen hätten; es berichtigt die
Empfindung
Empfindung, die zu leicht in Gefahr ist Schein für Wirklichkeit zu nehmen; es führt mehr zu allgemeinen Sätzen, die untentbehrlich sind, wo man in ähnlichen Fällen ähnlich verfahren soll; es erspart uns also auch Umwege, und macht unsre Tritte sicherer.
184
180
.
Unter dem
sehr zufälligen
Namen der
eigentlich sogenannten
Metaphysik
Metaphysik (§.
183
183.
Anmerk.
1
1.
)
Metaphysik
begreift
man,
man nach dem jetzigen Zustand dieser Wissenschaft
seitdem
sie
Wolff, Christian von
Wolf
sie
bearbeitet hat, die
Ontologie, Kosmologie, Psychologie
und
die
natürliche
Theologie
Theologie
; und wie diese Wissenschaften zusammenkommen, desgleichen wie sie von einander verschieden sind, läßt sich auf folgende Art fassen. Die Metaphysik beschäftigt sich
entweder
mit Begriffen von Dingen
überhaupt
,
oder
mit Begriffen von
besondern
Dingen.
Jenem
Theil
Theile
oder Wissenschaft hat man deswegen den Namen der
Ontologie
Ontologie
, auch der
Transscendentalphilosophie
, zugeeignet; hingegen
diesen
Theil, der die
drey
drei
letztgenannten Wissenschaften unter einem gemeinschaftlichen Namen zusammenfassen könnte, nennt
Kant, Immanuel
Kant
rationale Physiologie
.
Theologie
. Warum man diese so verschiedne Wissenschaften in Eine gezogen habe, läßt sich aus dem abnehmen, was oben §.
172
gesagt worden ist. Wird die Logik von der theoretischen Philosophie getrennt (§.
172
Anm.
1): so ist die Metaphysik eben das, was vorhin theoretische Philosophie hieß. Schwerlich wird man eine bestimmtere Erklärung von dieser Wissenschaft geben können; es sey denn, daß man die Philosophie in so enge Gränzen
einschldsse
, als §.
169
erwähnt worden ist, oder nur das angeben wollte, worin sich alle Theile der Metaphysik vereinigen, nicht aber, wodurch sie sich zusammen von allen andern Wissenschaften unterscheiden. Um so nöthiger ist es, von jedem ihrer Theile besonders zu reden.
sehr zufälligen Namen der Metaphysik
Obgleich die Metaphysik passenderweise nach den hinter den Dingen liegenden, allgemeinsten Seinsprinzipien fragt, geht der Begriff sehr wahrscheinlich auf den Umstand zurück, dass der Aristoteles-Herausgeber Andronikos von Rhodos (1. Jh. v. Chr.) die 14 heute als
Metaphysik
bekannten Bücher
hinter
(
μετά
) die acht Bücher der
Physik
eingliederte. Aristoteles selbst kennt den Begriff nicht.
185
181
.
Alles was ist, oder alle Dinge, haben
Manches
manches, haben gewisse Eigenschaften,
mit einander gemein. Wenn man
dieses
nun das, was
allen Dingen
Gemeine absonderte
gemein ist, absondert
, und die allgemeinsten Begriffe und Gesetze in Eine Wissenschaft
vereinigte
vereinigt
: so
würde
entsteht
daraus die
Ontologie
Ontologie
entstehen, und sie würde
Ontologie
. Sie wird
mit Recht die
Grundwissenschaft
Grundwissenschaft
und Mutter aller Wissenschaften
heissen
genannt
, weil dieses Allgemeine
bey
bei
allem Besondern zum Grunde liegen muß, ohne sie also eine eigentliche Wissenschaft nicht einmal
nöthig
möglich
ist.
diese von dem absondert, wordurch sich verschiedne Dinge von einander unterscheiden, und diese allgemeinen Eigenschaften sowohl, als die daraus fliessende allgemeine Sätze, in
Eine
Wissenschaft verbindet: so entsteht die
Ontologie
, (Philosophia prima) die daher, durch die Wissenschaft der allgemeinen Eigenschaften der Dinge und der daraus abzunehmenden allgemeinen Sätze, erklärt werden könnte.
So bald man Dinge vergleicht, um zu sehen was sie gemein haben, so setzt man voraus, daß sie verschieden sind, und aus ihrer Verschiedenheit entstehen
Verhältnisse
Verhältnisse gegen einander. Da her gehört der Begriff der
Verschiedenheit
und des
Verhältnisses
, in so fern beydes allen Dingen zukommt, mit unter die allgemeinen Eigenschaften der Dinge, und die Ontologie muß daher von der allgemeinen Verschiedenheit der Dinge und den allgemeinen Verhältnissen derselben, die keinen andern Begriff als den von einem Dinge voraussetzen, eben sowohl als von dem handeln, was ganz eigentlich allen Dingen gemein ist.
182.
Weil also die Ontologie die allgemeinen Begriffe und Grundsätze enthält, die bey aller menschlichen Kenntniß zum Grunde liegen, daher sie auch die
Grundwissenschaft
heißt: so verdient sie mit Recht die Mutter aller Wissenschaften genannt zu werden.
–
Bey
Bei
jeder recht
sichern
sicheren
Erkenntniß müssen die Begriffe und Sätze so weit wieder in
andre
andere
aufgelöset werden, bis man auf solche stößt, die keiner weitern Auflösung fähig oder bedürftig sind;
sonst ist man in Gefahr durch Schein hintergangen zu werden;
und es ist daher leicht zu begreifen, wie die Ontologie,
welche
wenn sie
dergleichen unauflösbare Begriffe und Sätze
enthalten
müßte
sollte
enthält
, die Sicherheit der Erkenntniß
begründen würde. – Eben so: je
begründe. – Je
weiter Zweifel getrieben
werden:
werden,
je
werden, desto
nöthiger wird es, um ihren Grund oder Ungrund zu entdecken, bis auf die einfachsten
Begriffe
Begriffe und solche Sätze zurück zu gehen, die keines weitern Beweises bedürfen, und die eben den Inhalt der Ontologie ausmachen
sollten
.
–
Und kommt es auf die Frage von
Allgemeinheit
Allgemeinheit
eines Satzes
an:
an,
so läßt
sich die
sie sich
weder aus der
Induction
Induction
Induction,
noch aus der
Analogie
Analogie, sondern bloß aus allgemeinen Begriffen darthun, dergleichen die Ontologie entweder enthält oder unterstützt.
–
Gewiß ists auch kein geringer Vortheil, den man von
dem Studium
dieser Wissenschaft hat, daß
man,
man
–
man
ohne ihre Kenntniß nicht nur
Vieles
vieles
nicht verstehen noch beurtheilen
kan
kann
, was aus ihr in andre Wissenschaften, namentlich in die
Theologie
Theologie, übergetragen worden
ist –
ist;
sondern daß man auch eine Menge sehr be stimmter Begriffe, Sätze und Ausdrücke kennen lernt, die, eben wegen
der
ihrer
Allgemeinheit, einen
großen
grossen
Einfluß auf alle wissenschaftliche Kenntniß haben.
186
183
.
Zu verwundern ists indessen nicht, daß diese Wissenschaft so viele ungerechte Verachtung erfahren
hat. Denn
hat; da
hat; denn
keine Wissenschaft
liegt
von den gemeinnützigen Kenntnissen so weit entfernt
liegt
, und
zieht
sich so weit auf die einfachsten Begriffe und Sätze zurück
zieht
, als
diese. Die wenigsten Menschen besitzen Fähigkeit oder Geduld genug,
diese; da die Wenigsten
sich bis zu diesen feinsten und ganz unsinnlichen Vorstellungen zu
erheben.
Und manche
Manche
Verehrer der
Ontologie
Ontologie
aber
haben
erheben, Fähigkeit oder Geduld haben; und da manche ihrer Verehrer
sich so sehr von anschauenden Vorstellungen
entwöhnt;
entwöhnt,
haben sich
entwöhnt, und, ohne sich um die Zwischenursachen zwischen diesen abgezogensten Sätzen und den sinnlichsten Erscheinungen, oder
um
andre
andere
Gegenstände der menschlichen Erkenntniß
so wenig bekümmert;
zu bekümmern, die grosse Lücke zwischen beyderley Gegenständen übersprungen,
oder gar sich im Stande zu seyn eingebildet
haben
, über
Alles
alles
zu entscheiden, weil sie sich im Besitz einer
Erkenntniß
Erkenntniß der allgemeinen Beschaffenheit aller Dinge zu seyn
glaubten; oder sie haben in dieser Wissenschaft so
Vieles
vieles
zu leisten übernommen, was sie weder wirklich leisteten, noch zu leisten vermochten, daß hinterher
diese
die
Wissenschaft selbst das entgelten mußte, was
nur
ihre Verehrer verschuldet
hatten
*)
.
hatten.
*)
So wahr es indessen ist, daß man sich nirgends leichter, als
bey dieser Wissenschaft
auf diesem Gebiet
,
glaubten. Die Verachtung dieser Thoren berechtigt uns zu keiner Ungerechtigkeit gegen die Wissenschaft selbst.
184.
Wahr ists, man kan sich leicht
in unfruchtbare Untersuchungen verlieren
kan
kann
, wenn man
entweder
zu wenig Sachen
kennt,
kennt
und zu wenig Stoff hat, aus welchen sich das
Allgemeine
Geistige
abziehen läßt,
oder
nicht die Gränzen wahrnimmt, wo der menschliche Verstand
stille
still
stehen
muß:
muß;
so hängt doch
muß. Aber, wenn
von der fortgesetzten
Zergliederung
Zergliederung gewisser Begriffe oder Sätze unsre
Gemüthsruhe
Gemüthsruhe,
oder die
weitre
weitere
Entdeckung der Wahrheit
so sehr ab, und der rastlose
Trieb
Trieb denkender
Menschen
Menschen,
über die
Gräntzen
Gränzen
des Sinnlichen hinaus zu
gehn
gehen
, ist ihnen so wenig umsonst gegeben, daß selbst die Befriedigung dieses Triebes ihnen die
Pflicht
Pflicht auferlegt, wenigstens zu versuchen, wie weit der menschliche Geist in das Gebiet übersinnlicher Dinge eindringen könne, ohne die ihm von der Natur gesetzten Gränzen zu überschreiten.
abhängt; und wenn wir sowohl Fähigkeit als Data genug zur Untersuchung haben; wenn man zugleich immer die Regeln befolgt, die weiter unten über das vorsichtige und bescheidene Studium der Philosophie gegeben werden sollen: warum soll es unnütz und nicht sogar Pflicht seyn, auch die Begriffe und Sätze bey unsern Untersuchungen bis zu den ersten Grundstoffe, wohin wir dringen können, zu verfolgen?
Anm.
*)
Ob die Vorwürfe, welche
Kant, Immanuel
Kants
Kant's
Kritik der reinen Vernunft den bisherigen Versuchen der Ontologen und Metaphysiker gemacht hat, gegründet sind, und ob ihm sein Versuch in einer so höchst nöthigen Wissenschaft, wie diese Kritik, als
Propädevtik
Propädeutik
der Philosophie, seyn soll, besser gelungen
sey
sei
, darüber hier urtheilen zu wollen, würde ganz und gar dem
Zweck
Zwecke
des gegenwärtigen Buchs nicht angemessen seyn, wo alles dieses nur
braucht
historisch angegeben
zu werden.
werden kann. {Daß der unstreitig viel zu sichere Glaube der Vorzeit an die Lehrsätze der Ontologie, und überhaupt die Metaphysik, durch die
Kant, Immanuel
Kantsche
Kritik sehr gemäßigt ist, ist unläugbar, und die Zweifel daran gehen wenigstens nicht bei Allen von Verachtung oder Unbekanntschaft mit ihrem Inhalt aus.
A. d. H.
}
Ob die Vorwürfe, welche Kants Kritik der reinen Vernunft […] würde ganz und gar dem Zweck des gegenwärtigen Buchs nicht angemessen seyn
Vgl. Vorrede b [XIVf.].
187.
Die übrigen
drey
drei
Wissenschaften, welche §.
184
184.
zur theoretischen Philosophie gerechnet wurden, und darin mit einander übereinkommen, daß sie sich nicht mit Begriffen von Dingen überhaupt, sondern mit Begriffen von
besondern
Dingen beschäftigen, bekommen eine ganz andere Gestalt, je nachdem man diese Theile der Philosophie
entweder
zu strengen Wissenschaften erheben,
d. i.
nur
reine
Anschauungen
Anschauungen,
Begriffe
Begriffe und Sätze darin aufnehmen,
oder
oder
auch mit auf
Erfahrungen
Erfahrungen und Erfahrungssätze bauen will (§.
176
176.
). – In
jenem
jenem
Fall laßen sich
vier
hier
verschiedene Wissenschaften denken. Denn
entweder
sind die Gegenstände dieser Wissenschaften Dinge, welche
können
wahrgenommen oder erfahren
werden,
werden können
(sie sind uns, um mit
Kant, Immanuel
Kant
Kant
zu reden, immanent, und gleichsam einheimisch),
oder
sie können dies gar nicht, sondern gehen über alle uns mögliche Erfahrung
hinaus,
hinaus
(sie sind transscendent). – Im
erstern
Fall
bauet
man nicht etwa auf
Erfahrung,
Erfahrung
(denn so wären es ja nicht
reine
Begriffe), man nimmt nur aus dieser Erfahrung einen Gegenstand des
äussern
äußeren
oder
innern
inneren
Sinnes, mit dessen Untersuchung sich die Wissenschaft beschäftigt, ohne noch etwas
Mehreres
ausser
außer
den bloßen
Begriff
, aus der Erfahrung zu entlehnen. Und da
alles
Alles
, was wir durch Erfahrung kennen, entweder
Materie
, etwas Ausgedehntes, oder
Geist
, etwas Denkendes, ist, und jenes,
d. i.
die
körperliche Natur
, durch die
äussern
äußeren
Sinne erkannt wird, dieses aber,
nemlich
nämlich
die
denkende Natur
, durch innern Sinn: so entsteht eine Wissenschaft der körperlichen Natur,
d. i.
die
Physik
Physik
, oder vielmehr
rationale Physik
, oder
metaphysische Naturwissenschaft
, und eine
andere
Wissenschaft der denkenden Natur,
d. i.
rationale
Pnevmatologie
Pneumatologie
, worunter die Wissenschaft
unsrer
unserer
denkenden Natur, oder
unsrer
unserer
Seele
Seele, unter dem Namen
der
rationalen
rationale
Psychologie
Psychologie
, mit begriffen ist. – Wenn hingegen, in dem vorhinerwähnten
zweyten
zweiten
Fall, der
besondre
besondere
Gegenstand, der in der Metaphysik untersucht werden soll,
ausser
außer
den Gränzen aller Erfahrung
liegt:
liegt,
so begreift dieser zum Grunde liegende Begriff
entweder
Alles, was sich als existirend denken läßt, als ein Ganzes betrachtet, das man daher das Universum oder die Welt nennt,
oder
das Wesen, welches man sich als den absoluten Grund der Welt denkt. Jene Wissenschaft würde die
Kosmologie
Kosmologie
oder
transscendentale
transcendentale
Welterkenntniß
; diese, die
rationale Theologie
, oder
transscendental
transscendentale
Gotteserkenntniß
Gotteserkenntniß
seyn.
Anm.
So findet man überhaupt die Begriffe von dieser Wissenschaft in
Kant, Immanuel
Kants
Kant's
Kritik der reinen Vernunft geordnet
S.
873
f.
, womit noch seine Vorrede zu den
metaphysischen Anfangsgründen
der
Naturwissenschaft
, Riga 1786.
gr.
8. zu vergleichen ist; in welchem Buche selbst er einen Versuch gemacht hat, eine metaphysische Naturwissenschaft zu liefern, die keinesweges mit dem zu verwechseln ist, was man gewöhnlich
Physik
nennt, als welche
Erfahrungsbegriffe
und dergleichen Gesetze aufnimmt. – Uebrigens zeigt §.
170
170.
, warum wir in dem Folgenden auch die
metaphysische
Naturwissenschaft übergehen.
{Auch sehe man
Bendavid, Lazarus
L. Bendavids
Vorlesungenüber
die metaphysischen Anfangsgründe der Naturwissenschaft. Wien 1789.
Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von
F. M. J. Schelling's
Ideen zu einer Philosophie der Natur, 2 Theile. Leipzig 1797.
Bouterwek, Friedrich
F. Bouterweck
Anleitung zur Philosophie der Naturwissenschaft. Göttingen 1803.
}
Kants Kritik der reinen Vernunft
Gemeint ist die zweite Auflage aus dem Jahr 1787 (vgl. I § 167; I § 176).
L. Bendavids Vorlesungen über die metaphysischen Anfangsgründe der Naturwissenschaft. Wien 1789
Die
Vorlesungen
des jüdischen Philosophen und Mathematikers Lazarus Bendavid (1762–1832) sind 1798 erschienen.
F. M. J. Schelling's Ideen zu einer Philosophie der Natur, 2 Theile. Leipzig 1797
Dieses Werk stammt von Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling (1775–1854).
188.
So wahr es indessen ist, daß nur reine Philosophie eine eigentliche strenge Wissenschaft giebt, und so nützlich es daher bleibt, wenn man Wissenschaften in einem weitern Verstande so abhandelt, daß der bloß reine Theil derselben von dem Theile abgesondert werde, der
empyrische
empirische
Kenntnisse zu Hülfe nehmen muß: so würde doch der Inhalt der Philosophie alsdann, wenn man ihn nur auf reine Kenntnisse einschränken wollte, gar zu dürftig seyn, und für das menschliche
Leben
Leben zu wenig brauchbar werden (§.
169
169.
); und wohin anders sollte man den reichen Schatz von Kenntnissen, den uns die
Erfahrung
Erfahrung über die Natur darbietet, schlagen, als zur Philosophie? Wir werden also im Folgenden auch immer dieses
Empirisches
Empyrische
Empirische
mit zu den einzelnen Theilen der Philosophie rechnen.
Anm.
Ich gestehe, daß ich in dem, was §.
183
–
188.
über den Inhalt der Philosophie und der Beziehung ihrer Theile enthalten ist, dem Ideengange des Verfassers nicht überall habe folgen können. Um so weniger aber möchte ich mir erlauben, hierin etwas abzuändern.
A. d. H.
Ich gestehe, daß ich in dem, was §. 183–188. […] hierin etwas abzuändern. A. d. H.
Vgl. I Vorrede c Hg. [IVf.].
185.
Auch muß man wenig mit dieser Wissenschaft und den Werth bestimmter Begriffe und Ausdrücke bekannt seyn, wenn man sie für nicht viel mehr als ein
Wörterbuch
Wörterbuch hält und deswegen geringschätzt. Dies ist sie nicht, denn sie enthält auch die allgemeinsten Grundsätze der menschlichen
Erkenntniß
Erkenntniß. Und, da sie eben die Begriffe
aufklären
aufklären muß, worin sich endlich alle andre auflösen lassen, hierauf aber die Deutlichkeit und Sicherheit der menschlichen Erkenntniß beruht: so ist ihr Verdienst um diese, eben durch diese sorgfältige Erklärung der Begriffe, unstreitig, und sie deswegen so wenig verächtlich, als diese Haupttugenden der Erkenntniß selbst; behagt aber denenjenigen nicht, die weder diese wichtigern Eigenschaften schätzen, noch sich über das Sinnliche erheben können. Wie wohl würde es um die menschliche Erkenntniß stehen, wenn sie sich immer auf so bestimmte
Begriffe
Begriffe gründete, und man der Ontologie die Genauigkeit auch in dem Gebrauch der Wörter ablernte!
189
186
.
Weil in der
Philosophie über
unsre
unsere
Seele
Seele und über
Gott
Gott Vieles
Psychologie und natürlichen Theologie vieles
nicht recht deutlich erklärt werden
kan
kann
, wenn nicht der Begriff von der
Welt
Welt
,
d. i.
von
dem
Inbegriff
Inbegrif
aller zu einem Ganzen vereinigten endlichen Dinge, die wirklich sind oder seyn
könten
könnten
, vorher entwickelt ist, und ihre Eigenschaften und Gesetze bestimmt sind: so fand
Wolff, Christian von
Wolf
für gut, dieses in eine besondere Wissenschaft zu ziehen, die daher den
Namen
Nahmen
der
allgemeinen
Kosmologie
Kosmologie
bekam, weil sie das, was allen Welten gemein seyn muß, und
nicht
nicht,
wie die besondere Kosmologie, nur das, was wir aus Beobachtung der
wirklichen
Welt erkennen, enthalten sollte. Ihr Nutzen ergiebt sich aus ihrem Verhältniß gegen die eben genannten
beyden
beiden
Theile der
Metaphysik von Gott
Metaphysik von Gott
und der
Seele des Menschen
Seele des Menschen
.
190
187
.
Einen viel
weit reichendern
weiter reichenden
Nutzen würde die
Seelenlehre
Psychologie
(Psychologie) selbst haben, da
sich
kein Theil der theoretischen Philosophie
mit
unsern Bedürfnissen näher
andringt
als sie
zusammenhängt
. Zu ihrer Kenntniß
kan
kann
man auf
zwey
zwei
Wegen gelangen. Man
kan
kann
zuerst
die verschiedenen Veränderungen in der
Seele
Seele beobachten, diese Beobachtungen
sammlen
sammeln
, mit einander vergleichen, dadurch deutliche Begriffe davon gewinnen, ihre Kräfte, oder vielmehr die
verschiednen
verschiedenen
Arten,
wie
wie
sich die einzige Kraft der Seele
äussert
äußert
, und die allgemeinen Gesetze zu entdecken suchen, nach welchen
unsre
unsere
Seele
bey
bei
jeder Art ihrer Wirkungen verfährt. So entstünde eine Naturgeschichte der Seele, welche man die
empyrische
empyrische
empirische
Seelenlehre
nennt, weil sie aus der
Erfahrung
Erfahrung
(
ἐμπειρία
)
geschöpft worden ist. Hätte man jene Kräfte und Gesetze entdeckt, und gefunden, daß sich alle wahrgenommene verschiedene Kräfte derselben auf die einzige
Vorstellungskraft
Vorstellungskraft
zurückbringen
laßen
lassen
: so könnte man
hernach
wieder aus diesem Begriff und den entdeckten Gesetzen, nach welchen sie verfährt, neue Entdeckungen über die Seele
herleiten,
herleiten
und daraus eine Wissenschaft bilden, welche den
Namen
Nahmen
der
wissenschaftlichen
oder
erklärenden Seelenlehre
(Psychologiae
(Psychologia
rationalis) bekommt.
Unsre
Anm.
Unsere
Seele, die Vollkommenheit ihrer
Kräfte,
Kräfte
und ihre Veränderungen hängen, nach allen unsern Wahrnehmungen, so sehr von unserm Körper ab, daß ohne Kenntniß dieses Letztern keine rechte und
zuverläßige
zuverlässige
Erklärung dessen, was in
unsrer
unserer
Seele vorgeht, möglich ist. Verbände man daher diese Kenntniß des Körpers, so weit sie zur Aufklärung der Erscheinungen in
unsrer
unserer
Seele dient, mit der Psychologie, so würde daraus eine Wissenschaft entstehen können, die den Namen einer
philosophischen
(theoretischen)
Anthropologie
eher verdiente, als die
empyrische
empirische
Psychologie
, welche
einige
Einige
mit diesem Namen belegen.
Ein
treflicher
trefflicher
Versuch davon ist
Platner, Ernst
Ernst
Platners
Platner's
Neue Anthropologie für Aerzte und Weltweise, wovon
leider nur
der
erste
Band
Band,
Leipzig
1790
in
1790.
gr.
8. erschienen ist.
{Außerdem verdienen verglichen zu werden:
Ith, Johannes Samuel
J. Ith's
Versuch einer Anthropologie oder Philosophie des Menschen nach seinen körperlichen Anlagen, 2 Theile. Bern 1794.
Kant, Immanuel
I. Kant's
Anthropologie in pragmatischer Hinsicht. Königsberg 1800.
Bernoulli, Christoph
Bernoulli
Grundriß der Naturlehre des erwachsenen Menschen, nach den neuern Ansichten, 2 Theile. Halle 1804.
Wezel, Johann Carl
J. K. Wetzel
Versuch über die Kenntniß des Menschen, 2 Theile. Leipzig 1784–1785.
Cabanis, Pierre Jean Georges
J. G. Cabanis
über die Verbindung des Physischen und Moralischen im Menschen. Aus dem Französischen von
Jakob, Ludwig Heinrich von
Jakob
, 2 Theile. Halle 1804.
}
J. Ith's Versuch einer Anthropologie oder Philosophie des Menschen nach seinen körperlichen Anlagen, 2 Theile. Bern 1794
Der zweite Teil stammt aus dem Jahr 1795, der erste Teil ist 1803 in Winterthur in zweiter Auflage erschienen.
Bernoulli Grundriß der Naturlehre des erwachsenen Menschen, nach den neuern Ansichten, 2 Theile. Halle 1804
Gemeint ist Christoph Bernoullis (1782–1863) zweiteiliges Werk
Versuch einer physischen Anthropologie oder Darstellung des physischen Menschen nach den neuern Ansichten
(1804). Der erste Teil trägt den Untertitel
Physiologie oder Naturlehre des erwachsenen Menschen
, der zweite
Entwickelungsgeschichte und Naturgeschichte des Menschen
.
J. G. Cabanis über die Verbindung des Physischen und Moralischen im Menschen. Aus dem Französischen von Jakob, 2 Theile. Halle 1804
Dieses Werk stammt von Pierre Jean Georges Cabanis (1757–1808) und wurde von Ludwig Heinrich von Jakob (1759–1827) übersetzt.
191
188
.
Die
Glückseligkeit
Glückseligkeit des Menschen beruht auf der Kenntniß seiner selbst, seiner Kräfte, des Verhält nisses
andrer
anderer
Dinge gegen ihn, und der nützlichen oder schädlichen Wirkungen, welche aus dem
verschiednen
verschiedenen
Gebrauch seiner Kräfte und dem Einfluß
andrer
anderer
Dinge
auf ihn
in ihm
entstehen. Diese Kenntniß belehrt ihn über das, was er zu seinem Besten vermag oder nicht; über seine Mängel und Fehler; über seine Fähigkeiten und Vorzüge;
und
über
die Mittel jenen vorzubauen, sie zu heben, zu vermindern oder ihnen doch die unschädlichste und vortheilhafteste Richtung zu geben, seine Fähigkeiten hingegen zu verstärken, wirksamer zu machen, und sie zur Erreichung seiner höchst möglichsten
Vollkommenheit
Vollkommenheit zu lenken; über den
Werth
Werth
Werrh
aller Dinge für ihn, der anders nicht als nach ihrem mehrern oder mindern Einfluß auf seine Glückseligkeit bestimmt werden
kan
kann
; endlich über die Mittel,
alles ausser
Alles außer
sich zu seinem Besten zu verwenden.
–
Alle
unsre
unsere
Kenntniß der Wahrheit und der wirklichen Beschaffenheit der Dinge sowohl, als die Verschiedenheit des Grades von Deutlichkeit, Gewißheit und Wirksamkeit gewisser Begriffe und Sätze, gründet sich auf die
besondre
besondere
Beschaffenheit
unsrer
unserer
Seele, auf die
Gesetze
Gesetze
unsers
unsres
Denkens und Wollens, und auf die
größere
grössere
oder geringere Fähigkeit, nach
demselben
denselben
unsre
unsere
Seelenkräfte
Seelenkräfte zu gebrauchen.
In so fern
Insofern
hängen alle theoretische und praktische Wissenschaften von nichts so sehr ab, als von der rechten Bekanntschaft mit
unsrer
unser
unserer
Seele; diejenigen am meisten, die sich mit dem Menschen und dessen Regierung, mit Beförderung seiner Gemüthsruhe und seiner Besserung beschäftigen.
–
Für den Lehrer der Religion
insbesondre
, der eben durch die Religion
Andre
andre
Andere
, ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen nach, aufs weiseste leiten soll, ist sie ganz vorzüglich nöthig, wenn er diese wohlthätige Absicht, wozu er arbeiten muß, erreichen will.
192
189
.
Um so mehr muß man stets darnach trachten, die Schwierigkeiten zu überwinden, die sich
bey
bei
Erforschung der menschlichen
Seele
Seele in den Weg legen, und eben deswegen sie auch kennen zu lernen suchen;
zumal
zumahl
–
da der Mensch gemeiniglich in dem Wahn steht, nichts besser als sich selbst zu
kennen, –
kennen;
da die Einbildung, ein Menschenkenner zu seyn, immer
weiter,
weiter
und am meisten
bey
bei
denen um sich greift, die sichs bewußt
sind,
sind
daß sie wenig Kenntniß der Dinge
ausser
außer
den Menschen
besitzen, –
besitzen;
und
da
endlich
die, welche am ersten Gelegenheit und Aufforderung hätten, Menschen kennen zu lernen,
d. i.
die, welche sich mit dem praktischen Leben und mit gleich anwendbaren Untersuchungen beschäftigen, mehrentheils nicht die
Geduld
Geduld haben, erst die
Erfahrungen
Erfahrungen zu zergliedern oder zu läutern, und zu sehr gewohnt
sind, Alles
sind alles
, was sie beobachtet haben, gleich anzuwenden, als daß sie sich nicht mit oben abgeschöpften, einseitigen und halbwahren Beobachtungen begnügen sollten.
193
190
.
Diese Schwierigkeiten zeigen sich
entweder
bey
bei
der
Beobachtung
Beobachtung selbst,
oder
bey
bei
ihrer Ent wickelung und
Anwendung
Anwendung. Zu jener Art gehört unter
andern: –
andern: 1)
daß
entweder
gewisse Veränderungen
unsrer
unserer
Seele
Seele zu selten und zu unerwartet sind, als daß man sie anhaltend und wiederholt beobachten könnte, zumal da sie eben wegen des
Ausserordentlichen
Außerordentlichen
mehr betäuben, als ein stilles und bedächtiges Anschauen erlauben,
oder
zu gewöhnlich, als daß sie
unsre
unsere
Aufmerksamkeit genug
reitzten; –
reitzten; 2)
daß viele Veränderungen und Zustände
unsrer
unserer
Seele sich kaum beobachten
laßen
lassen
, weil es uns
entweder
zu der Zeit, wo sie vorgehen und da sind, am Bewußtseyn, wenigstens am deutlichen Bewußtseyn,
fehlt,
fehlt;
oder
weil sie so schnell auf einander folgen,
vorübergehn
vorübergehen
, und unter einander abwechseln, daß man sie nicht genug festfassen
kan
kann
,
oder
weil selbst durch die angestrengte Aufmerksamkeit ihr Zusammenhang oder doch die Bemerkung desselben unterbrochen
wird; –
wird; 3)
daß
insbesondre
insbesondere
die dunkeln Vorstellungen der Seele, und alle dadurch bestimmte Neigungen und Abweichungen, sowohl als ihr Zusammenhang mit dem
Körper
Körper, so ganz oder zum Theil im Dunkeln liegen, und eine so unsichtbare Gewalt über andere Vorstellungen ausüben, daß sich weder sie selbst, noch ihr Zusammenfluß, noch ihre wechselseitig mitgetheilte Stärke, noch die Gesetze, wonach die Seele
dabey
dabei
wirkt, entdecken
laßen
lassen
; –
lassen;
daß endlich
bey
4) bei
den Veränderungen der Seele so viele und oft ganz kleine und unmerkbare Ursachen zusammen kommen und in einander
fließen
fliessen
, die sich unserm Blick entziehen, und die keine Scheidungskunst völlig sondern
kan
kann
.
194
191
.
Ließe
Liesse
sich aber auch dieses aufs Reine bringen, und man hätte allen Stoff von
Wahrnehmungen
Wahrnehmungen
beysammen
beisammen
, der nur noch verarbeitet, und
denn
dann
gebraucht werden dürfte: so würden wieder
bey
bei
dieser Behandlung des
Gesammleten
Gesammelten
neue Schwierigkeiten entstehen.
–
Sind uns
1)
alle
bey
bei
einer Veränderung der
Seele
Seele zusammenstoßende Umstände, wenn wir sie auch kennen gelernt hätten,
bey
bei
der
einzelnen
einzeln
Betrachtung und
bey
bei
der nachmaligen
Wiederzusammensetzung gleich gegenwärtig?
Wiederzusammensetzung,
selbst nach ihrem Unterschied, nach ih rem wechselseitigen Einfluß, nach ihrem eingeschränkten
Beytrag
Beitrag
zur Hervorbringung einer bestimmten
Wirkung? und
laßen
lassen
Wirkung gleich gegenwärtig? Lassen
sich die
einzelnen
einzlen
verschlungenen Fäden so aus einander wickeln, daß nicht dadurch das Ganze zerrissen, oder die Einsicht in die
Totalwirkung
Totalwirkung vertilgt wird?
–
Läßt sich
2)
da, wo
alles
Alles
nach mechanischen Gesetzen zu erfolgen scheint, und nichts von der
eignen
eigenen
Mitwirkung der Seele bemerkt wird, auch die Thätigkeit der Seele
dabey leugnen? –
dabei läugnen?
Läßt sich
3)
auch
bey
bei
einer Menge von gleichscheinenden Fällen abnehmen, was
bey
bei
den Ursachen und Wirkungen einer Veränderung wesentlich, und was bloß zufällig
sey? –
sei, und
wie weit man
allgemeine
allgemeine
Schlüsse daraus ziehen könne?
195
192
.
Mit alle dem müssen uns
Doch alle
diese Schwierigkeiten
dürfen uns
nicht muthlos machen; es ist doch ein
großer
grosser
Gewinnst
Gewinn
, wonach wir ringen, und schon der bisherige, selbst die Erwartung
bey
bei
so
großen
grossen
Schwierigkeiten
übersteigende,
übersteigende
glückliche Fortgang solcher
Untersuchungen
Untersuchungen,
muß uns ermuntern. Je mehr man
der
die
Natur
Natur
auflauren
gleichsam beschleichen
, und ihr
bey verschiednen
bei verschiedenen
Menschen, in sehr
verschiednen
verschiedenen
Lagen, besonders in noch ungebildeten
Kinderseelen
Kinderseelen, nachspüren wird; je mehr der Reichthum, die Bestimmtheit und die wirklich philosophische Behandlung der Wissenschaften überhaupt, besonders der
Physiologie
Physiologie
Physiologie
, der
Vernunftlehre
Vernunftlehre
Vernunftlehre
, und, was hier am meisten übersehen wird, der
Sprachen
Sprachen
und ihrer allmähligen Bildung, zunehmen wird; je mehr die, welche sich mit
Menschenkenntniß
Menschenkenntniß abgeben wollen, sich zur anhaltenden Aufmerksamkeit, zur langsamen, bedächtigen und geduldigen Untersuchung sowohl, als zur
Vorsichtigkeit
Fürsichtigkeit
und Bescheidenheit gewöhnen; und je
mehrere
Mehrere
auf diese Art an der Erweiterung der Seelenlehre arbeiten:
je ein
ein desto
weiteres Feld wird sie gewinnen,
und je
desto
sicherer ihr Eigenthum werden.
196
193
.
Ein guter Theil der Mängel und Schwierigkeiten in der Seelenlehre
kan
kann
durch die Art der Behandlung gehoben werden, die in der
erklärenden
Psychologie
Psychologie
(§.
190
187.
190.
) herrscht, und diese dadurch von der
empyrischen
empyrischen
empirischen
unterscheidet. Denn da sie die Veränderungen der Seele aus dem mit Hülfe ontologischer Grundsätze entdeckten
Begriff
Begrif
der
Seele
Seele und den Gesetzen der Vorstellungskraft
erklärt:
erklärt,
so ersetzt sie nicht nur die Kenntnisse, die sich nicht aus der
Erfahrung
Erfahrung ableiten
laßen,
lassen
lassen,
z. B.
die, welche ihr künftiges Schicksal betreffen: sondern sie setzt auch das, was die Beobachtung entdeckt, mehr
ausser
außer
Zweifel, bestimmt die Allgemeinheit desselben, und
bringt
verwandelt
dadurch die Seelenlehre
einer eigentlichen
in eine eigentliche
Wissenschaft
näher
.
Freylich
Freilich
ist selbst der
Begriff
Begrif
der Seele erst aus Beobachtungen abgeleitet, und es läßt sich nichts bearbeiten, wo kein Stoff dazu vorhanden ist, den die Beobachtung giebt; es läßt sich auch nicht
leugnen
läugnen
, daß man diese
letztre
letztere
, zumal ehedem, zu wenig brauchte, und daß man leicht in Versuchung kommen
kan
kann
, das, was an bewährten
Grundsätze
Grundsätzen abgeht, durch
Hypothesen
Hypothesen zu ersetzen, oder die
große
grosse
Kluft zwischen den höhern Grundsätzen und
einzelnen
einzeln
Veränderungen der Seele zu überspringen. Aber diese Fehler sind doch vermeidlich, die wohlthätige Einschränkung und Leitung der
Phantasie
Phantasie durch jene höhere Grundsätze doch
unleugbar
unläugbar
, und die Verbindung der Beobachtung mit deren Läuterung durch allgemeine Grundsätze
kan
kann
nicht anders als
beyden
beiden
sehr vortheilhaft seyn.
Anm.
Einer besondern Wissenschaft unter
dem
den
Namen der
Geisterlehre
Geisterlehre
(
Pnevmatica, Pnevmatologia,
Pneumatica, Pneumatologia
) bedarf es nicht; es wäre auch sehr unzeitig, daran zu denken. Nur von Gott und unsrer Seele können wir
einiges zuverläßig
Einiges zuverlässig
wissen; von andern läßt sich weder aus dem
Begriff
Begrif
eines Geistes, noch aus ihren Wirkungen, noch
anderwärts her
anderwärtsher
etwas Bestimmtes oder
Zuverläßiges
Zuverlässiges
erkennen, und wir haben
bey
bei
den Lücken und Dunkelheiten der Seelenlehre hohe Ursach, sie nicht durch
Schwärmerey
Schwärmerei
noch mehr verdunkeln zu
laßen
lassen
.
{Das
eigene Studium des
Menschen
Menschen
, wobei man mit der Beobachtung unstreitig immer am sichersten von sich selbst ausgeht, ist zwar mehr werth, als was man aus bloßen Lehrbüchern der Psychologie schöpft. Ja, diese selbst sind oft nicht so reich als andere Schriften, in welchen der Mensch und das menschliche Herz in allen seinen Gestaltungen geschildert wird. Selbst die Dichter, besonders die dramatischen, enthalten einen Schatz von Beobachtungen.
Fielding, Henry
Fielding
,
Richardson, Samuel
Richardson
und
Shakespeare, William
Shakespeare
,
Goethe, Johann Wolfgang von
Göthe
,
Schiller, Friedrich
Schiller
,
Jean Paul, s. Richter, Johann Paul Friedrich
Richter, Johann Paul Friedrich
J. P. Richter
u. A.
haben unfehlbar tiefer in den Menschen geblickt, als viele
Psychologen
, die ihn bloß aus Büchern kannten, oder die Seelenvermögen registrirten und classificirten. Aber selbst um seine Beobachtungen besser auffassen, gebrauchen und ordnen zu können, und um zu wissen, worauf vorzüglich zu ach ten, auch worüber man hinsichts der Gesetze geistiger Veränderungen schon im Reinen sei, ist es doch sehr zu empfehlen, die
empirische Psychologie
bald im Anfange seines akademischen Cursus zu hören, und die besten Lehrbücher zu studieren. Zu diesen gehören, außer den Werken von
Wolff, Christian von
Wolf
und andern ältern metaphysischen Schriftstellern, desgleichen den oben angeführten Anthropologieen:
Schmid, Carl Christian Erhard
K. C. F. Schmidt's
empirische Psychologie. Jena 1796.
Jakob, Ludwig Heinrich von
C. H. Jacob's
Grundriß der Erfahrungsseelenlehre. Halle 1810.
Hoffbauer, Johann Christoph
J. C. Hoffbauer's
Naturlehre der Seele, in Briefen. Halle 1796.
Carus, Friedrich August
F. A. Carus
Psychologie in den nachgelassenen Werken, 1ster, 2ter und 3ter Band. Leipzig 1808.
Nicht minder und fast noch lehrreicher, sind die Abhandlungen über einzelne Materien der Psychologie, welche zum Theil in
Journalen
und
Magazinen
für die Seelenkunde zerstreut liegen. Man findet davon vollständige Nachweisungen in
Ersch, Johann Samuel
Ersch
Handbuch der deutschen Literatur
,
Bd.
1.
Abth.
1.
S.
207–219.
A. d. H.
}
Fielding
Der studierte Jurist Henry Fielding (1707–1754) zählt zu den berühmtesten englischsprachigen Autoren seiner Zeit. Als langjähriger Theaterdirektor hat er zahlreiche Bühnenstücke verfasst, ehe er sich dem Roman zuwandte und die Entwicklung dieses Genres entscheidend mitprägte. Zudem war Fielding zeitweise auch journalistisch tätig. Sein mit Abstand bekanntestes Werk ist
The History of Tom Jones, a Foundling
aus dem Jahre 1749, das noch heute zu den bedeutendsten britischen Romanen gezählt wird und gleich mehrfach verfilmt wurde, daneben hat Fielding etwa mit
Shamela
(1741) auch Parodien auf Werke seines in der
Anweisung
nächstgenannten Antipoden Samuel Richardson verfasst.
Richardson
Mit seinen drei Briefromanen, dem immer wieder überarbeiteten Werk
Pamela or, Virtue Rewarded
(1740), dem später von Johann David Michaelis ins Deutsche übersetzten Werk
Clarissa or, The History of a Young Lady
(1748) und
The History of Sir Charles Grandison
(1753/1754), gilt der englische Schriftsteller und gelernte Drucker Samuel Richardson (1689–1761) als Erfinder des empfindsamen Romans und war in dieser Eigenschaft literaturgeschichtlich von enormem Einfluss (Goethes
Werther
, Lessings
Miss Sara Sampson
, Rousseaus
Julie ou la Nouvelle Héloïse
u.a.) und europaweit hoch geschätzt (Diderot u.a.). Die seinen Romanen eigene Art der Empfindsamkeit und Moralität zog jedoch immer wieder auch Hohn und Spott – v.a. durch den zuvor genannten Henry Fielding – auf sich.
Shakespeare
William Shakespeare (1564–1616) darf zu den hervorragendsten Gestalten der Literaturgeschichte gerechnet werden und ist v.a. für seine dramatischen Werke bekannt, die sich in Historiendramen, Komödien und Tragödien unterscheiden.
Göthe
Mit seinem umfangreichen und überaus vielfältigen Werk zählt Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) bis heute zu den mit Abstand bedeutendsten deutschsprachigen Autoren. Er ist der Verfasser von mehr als zwanzig Dramen. Daneben lässt bekanntermaßen auch der Briefroman
Die Leiden des jungen Werthers
(vgl. I § 283) tief in, wie es an dieser Stelle in der
Anweisung
heißt, „das menschliche Herz in allen seinen Gestaltungen“ blicken.
Schiller
Der wenige Jahre vor seinem Tod geadelte Dichter, Philosoph und Historiker (vgl. I § 229) Friedrich Schiller (1759–1805) gehört mit seinem umfangreichen, breit angelegten Werk und nicht zuletzt durch die Auseinandersetzung mit der Philosophie Kants zu den einflussreichsten Denkern der deutschen Aufklärung. Literaturhistorisch zunächst ein bedeutender Vertreter des
Sturm und Drang
verkörperte er später gemeinsam mit Goethe, Herder und Wieland die sog.
Weimarer Klassik
.
J. P. Richter
Hier handelt es sich um den besser unter dem Namen
Jean Paul
bekannten Schriftsteller Johann Paul Friedrich Richter (1763–1825). Die literarische Qualität seines zwischen der Klassik und der Romantik stehenden Werkes war zu Lebzeiten nicht unumstritten, doch war der in vielerlei Hinsicht als Sonderling geltende Jean Paul mit
Hesperus oder 45 Hundsposttage. Eine Biographie
aus dem Jahr 1795 ähnlich erfolgreich wie Goethe und sein
Werther
. Die nach 1800 erschienenen Romane
Titan
und
Flegeljahre
können als bekannteste Werke gelten. Seine zerfasert und bisweilen skurril wirkenden Texte offenbaren eine ganz eigene, nicht selten biographisch begründete Weltsicht, die nicht ohne Humor und Witz bleibt.
K. C. F. Schmidt's empirische Psychologie. Jena 1796
Der Name des Autors lautet Carl (Karl) Christian Erhard Schmid (1761–1812), verwiesen wird hier auf die zweite Auflage.
C. H. Jacob's Grundriß der Erfahrungsseelenlehre. Halle 1810
Der
Grundriß der Erfahrungs-Seelenlehre
stammt von Ludwig Heinrich von Jakob (1759–1827), angeführt wird hier die vierte Auflage.
F. A. Carus Psychologie in den nachgelassenen Werken, 1ster, 2ter und 3ter Band. Leipzig 1808
Die
Nachgelassene[n] Werke
des Leipziger Philosophen und Psychologen Friedrich August Carus (1770–1807) wurden zwischen 1808 und 1810 von Ferdinand Gotthelf Hand (1786–1851), einem klassischen Philologen und Schüler Carus', in sieben Teilen herausgegeben. Die ersten beiden Teile (1808) umfassen laut Nebentitel die
Psychologie
, der dritte Teil beinhaltet die
Geschichte der Psychologie
(1808).
Ersch Handbuch der deutschen Literatur, Bd. 1. Abth. 1. S. 207–219
Das
Handbuch der deutschen Literatur seit der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts bis auf die neueste Zeit
, durch das Johann Samuel Ersch (1766–1828) u.a. zum Begründer der neueren deutschen Bibliographie geworden ist, ist in erster Auflage in acht Bänden (1,1–2,4) erschienen (1812–1814). Innerhalb der ersten Abteilung des ersten Bandes umfasst der zweite Abschnitt die Philosophie (aaO 179–262), auf den hier angegebenen Seiten findet sich Literatur zur empirischen Psychologie und Anthropologie (aaO 207–219).
197.
Unter allen
Geister
Geistern oder denkenden Wesen ist doch
keines, ausser
keines {außer
uns
selbst
selbst}
, dessen Erkenntniß so viel Anziehendes hätte, und zu dessen Untersuchung, ob und was es
sey?
sei,
vornehmlich ob und in welcher Verbindung es mit uns
stehe? unsre
stehe, unsere
Vernunft
von jeher
ein so dringendes
Bedürfniß fühlte
Bedürfniß, ein so hohes Interesse gefühlt hätte
, als der
allervollkommenste Geist
allervollkommenste Geist
, den wir
uns unter
mit
dem Namen
Gott
Gottes
vorstellen
bezeichnen
. Es ist ei nem jeden Menschen, der über sich, sein Schicksal und sein Verhalten nachdenkt, und, vermöge des Dranges, den er als ein
vernünftiges
Wesen fühlt,
nie eher zu ruhen, als bis er dahin gekommen ist, wo ihm keine Frage nach dem Grunde
den Grund
der Dinge
mehr dringend scheint, einem solchen, sag' ich, ists
zu erforschen,
natürlich, mit seinen Untersuchungen bis auf irgend ein Wesen
fort zu gehen, bey
fortzugehen, bei
dem seine Vernunft mit Fragen
still stehen
stillstehen
muß,
bey
bei
dem er voraussetzen
kan
kann
, daß es nicht wieder von einem andern Wesen abhänge, sondern schlechthin der Grund von allen andern wirklichen Wesen
sey
sei
, und daß es solche Eigenschaften habe, ohne deren Voraussetzung sich die Eigenschaften und Veränderungen, die er an sich und in der Welt wahrnimmt, nicht befriedigend erklären
laßen
lassen
. Diese Vorstellung von Gott, die allein ihn in Absicht auf seine vernünftige
Erkenntniß
Erkenntniß
befriedigt, hat eben so natürlich ein großes Interesse für ihn, und wirkt auf seinen
Wille
Willen
. Er sieht bald ein, daß
zum Theil
seine
Glückseligkeit
Glückseligkeit in seiner Gewalt stehe;
in so fern
insofern
ihm seine
Vernunft
Vernunft gewisse Gesetze zu erkennen giebt, nach welchen er handeln
soll
, und denen er auch gemäß
zu handeln
zuhandeln
für nothwendig (für seine
Pflicht
Pflicht
) erkennt;
in so fern
insofern
er eben sowohl ihnen folgen, als das Gegentheil thun
kan
kann
(
d. i.
frey
frei
ist); und
in so fern
insofern
er, wenn er ihnen folgt, gewiß wohl, und, wenn ers nicht thut, übel fährt. Er findet aber
eben sowohl
nicht minder
, daß er nicht ganz Herr über seine Glückseligkeit
sey
sei
, da diese so oft von den Umständen abhängt, die er nicht ändern
kan
kann
, sondern sie nehmen muß, wie sie sind. In dieser
letztern
Hinsicht ist es dem Menschen gar nicht gleichgültig, ob das, was in der Welt vorgeht, und besonders sein Schicksal, vom bloßen Zufall, oder von Nothwendigkeit, gegen welches
beydes
Beides
Vernunft und Gefühl eines
freyen
freien
Willens so laut spricht, oder von einem eben so höchst weisen und gütigen als allmächtigen Wesen abhängt. Eben so wenig ist es ihm gleichgültig, in Rücksicht auf das
erstre
Erstere
, ob,
bey
bei
der Einsicht seiner Pflicht und dem
Drang
Drange
dazu, Pflicht und Glückseligkeit in stetem richtigen Verhält niß stehe, oder nicht;
ob, bey
ob bei
dem, oft wenigstens scheinbaren, Widerspruch der Pflicht und Glückseligkeit, jene durchaus zu befolgen, und
bey
bei
aller alsdann nothwendigen Aufopferung gewisser Ersatz zu hoffen
sey
sei
; ob
bey
bei
den
unzählichen
unzähligen
Hindernissen der Befolgung unsrer Pflicht und den
mannichfaltigen
mannigfaltigen
Reitzen, ihr untreu zu werden, durchaus hinlängliche Bewegungsgründe zur Tugend vorhanden sind, wenn wir fürchten müssen, daß
unsre
unsere
ganze Existenz nur auf dieses Leben eingeschränkt
sey
sei
, und nicht versichert seyn können, daß es ein über alle Veränderungen der
Welt
Welt waltendes Wesen gebe, welches auch da, wo es nicht scheint, ganz gewiß für die stete Verknüpfung unsres Wohls mit der Ausübung unsrer Pflicht sorgen werde.
198.
Dieses Gefühl der
Bedürfnisse
Bedürfnisse
unsrer
unserer
Seele, wenn es auch mehr geahndet als erkannt wurde, mehr auf dunkeln oder verwirrten als auf entwickelten Vorstellungen beruhete, hat den nachdenkenden Menschen
immer
zu allen Zeiten
gedrungen, an eine
Gottheit
Gottheit zu glauben, und,
bey
bei
reifer
gewordnen
gewordener
Vernunft, Gründe aufzusuchen, sich zu überzeugen, daß ein solches Wesen vorhanden
sey
sei
, und die Eigenschaften haben müsse, ohne welche sich weder die Erscheinungen und Veränderungen in der Welt erklären ließen, noch eine wahre Beruhigung wegen
unsers
unseres
Schicksals, und eine durchgängige
Rechtschaffenheit
Rechtschaffenheit in Gesinnungen und Handlungen Statt fände. Dadurch ist nach und nach die Wissenschaft entstanden, die man mit dem Namen der
natürlichen
oder
Vernunft-Theologie
Vernunft-Theologie
belegt,
so fern
sofern
sie bloß aus der Natur, und nicht aus einer sogenannten nähern
Offenbarung
Offenbarung der Gottheit selbst geschöpft wird. Soll die letztere eine sichere Quelle der Erkenntniß des höchsten Wesens für uns
seyn:
seyn,
so müssen wir doch erst
zuverläßig
zuverlässig
wissen, daß dasjenige, was wir für offenbart halten, wirklich von Gott geoffenbart
sey,
sei;
daß es nicht nur dem, was wir aus der Natur von Gott wissen, nicht widerspreche, sondern dem auch gemäß
sey
sei
. Wer also die natürliche Erkenntniß Gottes heruntersetzt und verdächtig macht, oder dagegen gleichgültig ist, der untergräbt ohne sein Denken selbst die
Zuverläßigkeit
Zuverlässigkeit
der Offenbarung, oder beraubt sich oder
Andre
Andere
, wenigstens da, wo es zweifelhaft wird, ob etwas eine göttliche Offenbarung
sey
sei
, oder ob sie eine gewisse Entscheidung enthalte, der so nöthigen
Gewißheit
Gewißheit von der Erkenntniß Gottes.
Dies
Dieß
und was §.
197
197.
gesagt worden ist, setzt die Nothwendigkeit der natürlichen Theologie und ihres sorgfältigen Studiums
ausser
außer
allem Zweifel.
Anm.
Je einleuchtender das ist, was über die Unentbehrlichkeit der Anwendung der Vernunft, zur Prüfung der Offenbarung gesagt ist, wenn nicht jede Schwärmerei uns als Offenbarung Gottes aufgedrungen werden soll, desto unbegreiflicher ist es, wie noch immer Bestreitungen und fast Bestürmungen der Vernunft versucht werden können, wobei man sich mit sich selbst in unaufhörliche Widersprüche verwickelt. Es ist ja ganz etwas anders, die Gränzen der Vernunft anerkennen, und die Aussprüche der Vernunft
innerhalb ihrer Gränzen
achten, und überhaupt jemandem zumuthen, das für gewiß zu halten, was er nicht entweder
mit
seiner Vernunft fassen, oder
in
seiner Vernunft überzeugende Gründe finden kann, es für glaubwürdig zu halten. Die bloße
Ahndung
, von welchen bei manchen neueren philosophischen (
z. B.
Fries, Jakob Friedrich
Frieß
) und theologischen Schriftstellern (
z. B.
De Wette, Wilhelm Martin Leberecht
de Wette
) die Rede ist, kann, meinem Bedünken nach, nie in die Reihe der
Erkenntnißquellen
Erkenntniß
quellen
gestellt werden, wenn sie gleich auf
Vermuthungen
Vermuthungen
und
Wahrscheinlichkeiten
Wahrscheinlichkeiten
führen kann.
A. d. H.
Frieß
Der Herrnhuter und nachmalige Fichte-Schüler Jakob Friedrich Fries (1773–1843) wurde 1805 Professor für Philosophie und elementare Mathematik (später auch für Physik) in Heidelberg. 1816 nach Jena berufen und drei Jahre später zwangsemeritiert, hielt er ab 1824 wieder mathematische und physikalische und ab 1838 auch wieder philosophische Vorlesungen. Das Interesse an Fries' philosophischem Werk hat sich bis in die Gegenwart hinein gehalten, besonders hervorzuheben ist der zum philosophischen Prinzip erhobene, an Friedrich Schleiermacher (1768–1834) erinnernde Begriff der
Ahndung
(des Ewigen im Endlichen). Der an dieser Stelle im Hintergrund stehende Titel ist das in der zugehörigen Vorrede als „der exoterische Theil“ seiner Philosophie bezeichnete Werk
Wissen, Glaube, Ahndung
(1805).
de Wette
Wilhelm Martin Leberecht De Wette (1780–1849) zählt zu den literarisch produktivsten Theologen des 19. Jh.s und gilt als einer der letzten theologischen Universalgelehrten. Daneben ist er auch als Prediger und religiöser Schriftsteller hervorgetreten. Nach dem Schulbesuch in Weimar absolvierte De Wette Studium und Promotion in Jena und wurde 1807 zunächst Professor für Altes und Neues Testament in Heidelberg. Ab 1810 bekleidete er als Kollege Friedrich Schleiermachers (1768–1834) einen Lehrstuhl in Berlin, kehrte nach seiner Entlassung im Jahre 1819 – De Wette hatte einen Trostbrief an die Mutter des hingerichteten Mörders August von Kotzebues (1761–1819) verfasst – als Privatgelehrter nach Weimar zurück und nahm 1822 schließlich einen Ruf als Professor für Ethik und Praktische Theologie in Basel an. Bereits in Jena, dann aber auch in Heidelberg empfing De Wette wichtige Impulse von dem zuvor genannten Jakob Friedrich Fries, dessen Trias
Wissen, Glaube
und
Ahndung
entscheidenden Einfluss auf sein dogmatisches System hatte.
199.
Wenn diese Erkenntniß Gottes den gedachten Nutzen erreichen, und unsern Bedürfnissen ein Genüge thun
soll:
soll,
so muß sie nicht nur die
Ueberzeugung
Ueberzeugung gewähren, daß
Gott
Gott die Ursache der Welt und das seiner Natur nach nothwendige und ganz unabhängige Wesen, sondern daß er auch der höchste Geist
sey
sei
, und den allervollkommensten Verstand und Willen besitze.
Jene
Theologie, die Gott nur als
Weltursache
Weltursache
betrachtet, nennt
Kant, Immanuel
Kant
(
Crit.
(Krit.
der
R. V.
rein. Vern.
S.
660)
transscendentale Theologie
, weil darin nur reine Vernunft zum Grund gelegt wird, es
sey
sei
, daß die Ueberzeugung auf den bloßen
Begriff
Begriff des möglichen allerrealsten Wesens (auf
Ontologie
Ontologie), oder auch auf
Erfahrung
Erfahrung überhaupt von irgend etwas
Existirenden (meiner
Existirendem (unserer
selbst oder der Welt) gebaut werde (auf
Kosmologie
Kosmologie).
Diese
hingegen, die einen
Welturheber
Welturheber
und
Regierer
aufsucht, heißt
bey
bei
ihm
natürliche Theologie
(also in einem
engern
Verstande), und würde sich von jener darin unterscheiden, daß
dabey
dabei
schon der Begriff von einem Geiste oder denkenden Wesen vorausgesetzt
werde
wird
, den wir nur aus der Erfahrung von uns selbst näher angeben, und also erst aus eigner Erfahrung schließen können, wie die Gott
beygelegten
beigelegten
Vollkommenheiten
Vollkommenheiten, nach der Analogie mit uns, mit Absonderung aller Einschränkung, näher bestimmt werden müssen. Sie bauet also
unsre
unsere
Ueberzeugung und Kenntniß von Gott auf die Kenntniß
unsrer eignen
unserer eigenen
Natur
Natur, und, da wir
bey
bei
uns dasjenige, was da
ist
, von dem, was da seyn
soll
(§.
183
183.
), oder
eigentliche Natur
und
Freyheit
Freyheit
Freiheit
, unterscheiden können, so schließt sie aus
beyden
beiden
, also aus Psychologie und Moral, sowohl auf die Existenz als auf die Beschaffenheit Gottes.
So fern
Sofern
sie Gott als den vorstellt, auf welchem alle
natürliche
Vollkommenheit unsrer selbst und der Welt beruht, nennt sie
Kant, Immanuel
Kant
Physicotheologie
Physicotheologie
, so fern
Kant
die
Physicotheologie
; sofern
sie ihn aber als den Grund aller
sittlichen
Vollkommenheit darstellt,
Moraltheologie
Moraltheologie
, die mit theologischer Moral nicht zu verwechseln
ist,
ist
(welche Gott als Weltregierer
voraussetzt
), sondern sein Daseyn und
die
Kenntniß seiner Eigenschaften auf sittliche Gesetze
gründet
.
–
Anm.
Die
Physicotheologie
, welche aus dem Daseyn und der Vollkommenheit der Welt auf das Daseyn und die Vollkommenheiten, und die
Teleologie
, welche von der Zweckmäßigkeit ihrer Einrichtung besonders auf die höchste Vernunft und Weisheit ihres Urhebers schließt, ist unter der ersten Benennung besonders vom Engländer
Derham, William
Derham
, deutsch, Hamburg 1764.
, dann von dem Holländer
Nieuwentijt, Bernard
B. Nieuwentyt
, deutsch von
Segner, Johann Andreas von
J. A. Segner
, Jena 1747.
4., ferner französisch von
Bonnet, Charles
C. Bonnet
in den Betrachtungen über die Natur,
übers.
von
Tietz, Johann Daniel
Titins
, 5te
Ausg.
, Leipzig 1783.
, bearbeitet worden. In Deutschland gehören dahin die Schriften von
Sander, Heinrich
H. Sander
über die Güte und Weisheit Gottes in der Natur, Zürich 1790.
Ueber das Große und Schöne der Gottheit in der Natur, 2
Th.
, Leipz. 1791.
Dieterich, Karl Friedrich
K. F. Dieterich
Schöpfung und Schöpfer, Erfurt 1788.
Helmuth, Johann Heinrich
J. G. Hellmuth
Anleitung zur Kenntniß des großen Weltbaues. Braunschweig 1798.
Manche dieser Schriftsteller haben nur den Fehler, daß sie sich in teleologischen Beobachtungen und Vermuthungen verlieren, und der Gottheit ihre oft sehr kleinlichen Ansichten unterlegen.
A. d. H.
Crit. der R. V.
D.i. die
Kritik der reinen Vernunft
(vgl. I § 178; I § 183), gemeint ist die zweite Auflage (vgl. I § 167; I § 176).
Derham, deutsch, Hamburg 1764
Gemeint ist Johann Jakob Schwabes (1714–1784) Überarbeitung von William Derhams (1657–1735)
Physico-Theologie oder Naturleitung zu Gott
(1764), die ursprünglich von Christian Ludwig Wiener (geb. 1692) übersetzt und von Johann Albert Fabricius (1668–1736) zum Druck befördert wurde. Das häufig aufgelegte Original
Physico-Theology, or, A Demonstration of the Being and Attributes of God from his Works of Creation
(1713;
13
1768) galt als Standardwerk der
theologia naturalis
und ist in mehrere Sprachen übersetzt worden.
B. Nieuwentyt, deutsch von J. A. Segner, Jena 1747
Gemeint ist die einflussreiche, von Johann Andreas Segner (1704–1777) übersetzte Schrift
Rechter Gebrauch Der Welt-Betrachtung. Zur Erkentnis Der Macht, Weisheit und Güte Gottes, Auch Ueberzeugung Der Atheisten und Ungläubigen
(1747) des niederländischen Philosophen und Mathematikers Bernard Nieuwentijt (1654–1718). Das Original
Het regt gebruik der werelt beschouwingen, ter overtuiginge van ongodisten en ongelovigen aangetoont
(1715) wurde auch ins Englische und Französische übersetzt und jeweils mehrfach aufgelegt.
C. Bonnet in den Betrachtungen über die Natur, übers. von Titius, 5te Ausg., Leipzig 1783
Charles Bonnets (1720–1793) zweibändiges Werk
Contemplation de la nature
(1764) ist in mehreren Sprachen erschienen und wurde von Johann Daniel Tietz (Titius) (1729–1796) ins Deutsche übersetzt. Die
Betrachtung über die Natur
ist 1783 nicht in fünfter, sondern in vierter Auflage erschienen.
H. Sander über die Güte und Weisheit Gottes in der Natur, Zürich 1790. Ueber das Große und Schöne der Gottheit in der Natur, 2 Th., Leipz. 1791
Heinrich Sanders (1754–1782)
Von der Güte und Weisheit Gottes in der Natur
ist in unterschiedlichen Auflagen in Karlsruhe bzw. Frankfurt/Leipzig erschienen. Zürich ist als Verlagsort nicht nachzuweisen. Wahrscheinlich ist hier die in Karlsruhe erschienene Zweitauflage aus dem Jahr 1780 gemeint, bisweilen wird in der Sekundärliteratur jedoch auch auf eine Ausgabe aus dem Jahr 1790 verwiesen. Außerdem dürfte
Ueber das Grosse und Schöne in der Natur
in zwei Bänden (Leipzig 1781/1782) gemeint sein. Dieses Werk ist 1784 in zweiter Auflage erschienen.
J. G. Hellmuth Anleitung zur Kenntniß des großen Weltbaues. Braunschweig 1798
Die Erstauflage der
Anleitung zur Kenntniß des großen Weltbaues für Frauenzimmer in freundschaftlichen Briefen
des Theologen und Physikers Johann Heinrich Helmuth (1732–1813) stammt aus dem Jahr 1791, die Zweitauflage aus dem Jahr 1794.
200.
In der
natürlichen Theologie
natürlichen Theologie
im gewöhnlichsten Verstande (§.
198
198.
) werden alle diese
verschiednen
verschiedenen
Arten, auf die Erkenntniß des Daseyns und der Eigenschaften Gottes zu kommen, mit einander verbunden. Dies ist auch nothwendig. Denn 1) die
transscendentale Theologie,
transscendentale Theologie
(um uns, der Kürze wegen, dieses Ausdrucks zu bedienen) – gesetzt auch, daß diese eine wirklich
apodiktisch
apodiktische Gewißheit mit sich
führe
führte
, welches doch wenigstens bezweifelt,
hier aber
wiewohl hier
nicht untersucht werden
kan
kann
– leitet doch nur auf die Wirklichkeit
Gott
Gottes und die ihm
beyzulegenden
beizulegenden
Eigenschaften überhaupt; es bedarf aber noch der Kenntniß unsrer selbst, um zu wissen, wie wir uns Gottes geistige Eigenschaften, in Vergleichung mit den unsrigen, vorstellen, und zur Erklärung der Beschaffenheit und Veränderungen in der Welt anwenden sollen (§.
199
199.
). Auch wird durch Hülfe der
Beobachtung
Beobachtung über uns selbst und die Dinge in der Welt, ihre Einrichtung und ihre Veränderungen, alle Erkenntniß und Ueberzeugung von Gott anschaulich, sonach wenigstens ihr Eindruck sehr verstärkt; und unsre Ueberzeugung praktisch, welches
bey
bei
einer solchen Kenntniß, wie die von Gott ist, die auch zu unserm rechten Betragen gegen Gott kräftig und wirksam seyn muß, höchst nöthig ist. Nicht zu gedenken, daß, weil nur Wenige im Stande sind, bloß speculative Vorstellungen zu fassen, und sich zu reinen Begriffen zu erheben, für diese und ihre Bedürfnisse durch reine Philosophie wenig oder gar nicht würde gesorgt werden. 2) Hinwiederum können strengere
ontologische
ontologische
und
kosmologische
kosmologische
Untersuchungen, neben denen, welche die
Erfahrung
Erfahrung zu Hülfe nehmen, große Dienste thun.
Denn,
Denn
wenn auch die Untersuchungen dieser Art wirklich nicht zu
strengen Beweisen
strengen Beweisen
der Wirklichkeit und
der
Eigenschaften Gottes führen
sollten:
sollten,
so zeigt doch eben dieselbe Kritik, welche diese Beweise als unbündig darstellt, damit auch, daß die vermeinten Gegenbeweise eben so unbündig und ungegründet sind, benimmt dadurch allen speculativen Gründen der Atheisten, Skeptiker etc. alle Kraft, und gründet zugleich die Sicherheit unsers Glaubens an Gott, dem die Gegner nicht nur nichts Vernünftigeres an die Seite stellen können, sondern auch, mit
Verleugnung
Verläugnung
aller Vernunft, selbst alle Begriffe von
Sittlichkeit
Sittlichkeit aufgeben müssen.
Ueber dies
Ueberdieß
sind alle sogenannte natürliche Eigenschaften Gottes (im Unterschiede von den geistigen, und besonders von den moralischen), als Nothwendigkeit, Ewigkeit, Allmacht
u. s. f.
u. s. f.,
solche Eigenschaften, welche selbst die reine Vernunft erkennen, und die Begriffe davon reinigen
kan
kann
, um alle
Beymischung
Beimischung
der Unvollkommenheit eingeschränkter Wesen zu verhüten. Ja überhaupt
kan
kann
sie dieses in Absicht auf alle göttliche Eigenschaften, wenn erst deren Kenntniß anderswoher geleitet ist, wo sie alsdann nicht nur unsre Begriffe davon mehr verdeutlicht und berichtigt, sondern sie auch in einen größern Zusammenhang bringt, und dadurch die Ueberzeugung davon befestigt.
194.
Unausprechlich wichtig ist der letzte Theil der Metaphysik, der unter dem Namen der
natürlichen Theologie
bekannt ist, und, im weitern Verstande genommen, alles in sich faßt, was von
Gott
Gott oder dem allervollkommensten Wesen aus der Natur erkannt werden kan. – Giebt es einen solchen Gott, so hängt alles, so hängt auch alle unsre
Glückseligkeit
Glückseligkeit von ihm ab, sie mag auch mit zum Theil von unsern freyen Entschliessungen und Handlungen oder von seinem
Wille
Willen, ohne Dazwischenkunft unsers Willens, abhängen. Im
letztern
Fall gründet sich unsre Gewißheit von unserm höchst möglichen Glück und die daraus fliessende wahre Gemüthsruhe lediglich darauf, daß ein solches Wesen vorhanden sey, welches alle unsre Bedürfnisse, alle Arten des Glücks und Elendes, alle Mittel, jenes zu bewirken und dieses abzuwenden, kenne, alles zu bewirken vermöge, und nur das Beste und für uns Heilsamste bewirken wolle. Im
erstern
Fall aber, darauf, daß die Entschliessung und das Betragen, welches in unsrer Gewalt steht, Gottes Willen allezeit entspreche, daß wir also auch dieses göttlichen Willens kundig seyn, nicht nur in sofern, als er an uns befolgt werden soll, sondern auch, sofern wir die seligsten Folgen davon, oder das uns vortheilhafteste Verhalten Gottes gegen uns ohnfehlbar erwarten können;
wer Gott dienen will, der muß glauben, daß er
sey
, und daß er denen, die sich nach ihm
richten
, ein
Vergelter
seyn werde,
Ebr. 11, 11
. – Wenn denn auch das, was wir von Gott wissen können, nicht bloß aus der Natur erkennbar wäre, sondern auf einer nähern
Offenbarung
Offenbarung beruhen sollte: so müßte doch erst zuverläßig bekannt seyn, daß, was wir für die letztere halten, wirklich von Gott geoffenbart, nicht nur dem, was wir aus der Natur von Gott wissen, nicht widerspreche, sondern dem auch gemäß sey. Wer also die natürliche Erkenntniß Gottes heruntersetzt und verdächtig macht, oder dagegen gleichgültig ist: der untergräbt ohne sein Denken selbst die Zuverläßigkeit der Offenbarung, oder beraubt sich oder Andre, wenigstens da, wo es zweifelhaft wird, ob etwas eine göttliche Offenbarung sey, oder ob sie eine gewisse Entscheidung enthalte, der so nöthigen
Gewißheit
Gewißheit von der Erkenntniß Gottes.
wer Gott dienen will […] Ebr. 11, 11
Gemeint ist wohl Hebr 11,6.
195.
Diese
Gewißheit
Gewißheit ist von zweyerley Art, und danach kan man auch eine zwiefache Art der natürlichen Theologie annehmen. Die
eine
beruht bloß auf übersinnlichen Begriffen, auf nothwendig wahren Sätzen. Diese ist die
natürliche Theologie im engsten Verstande
, und gehört ganz eigentlich, als ein Theil, zur Metaphysik. Sie entwickelt den Begriff von Gott aus dem Begriff eines Wesens (Dinges) und Geistes, und setzt ihn aus allen Realitäten, die ihn in beyderley Absicht zukommen, zusammen: schließt alsdenn aus diesem Begriff der höchsten
Vollkommenheit
Vollkommenheit, oder aus der Zufälligkeit jedes andern Dinges, wenigstens aus unsrer eignen Wirklichkeit, daß ein allervollkommenstes Wesen nothwendig wirklich seyn müsse; und leitet daraus die einzlen Eigenschaften Gottes, und alles andre von Gott, her, was aus denselben nothwendig gefolgert werden kan.
196.
Zwar ist diese Wissenschaft so wenig für jeden zur Ueberzeugung von Gott nothwendig, so wenig jeder fähig ist, sich zu so reinen Begriffen zu erheben; sie wird auch nur Wenigen eine praktische Ueberzeugung gewähren, die doch zu einer solchen Erkenntniß, wie die von Gott ist, welche auch zu unserm rechten Betragen gegen Gott kräftig und wirksam seyn muß, erfordert wird. Aber sie ist allein einer eigentlichen
Evidenz
Evidenz fähig, und daher für den nöthig, der seine Ueberzeugung von Gott aufs unerschütterlichste sichern will, oder der mit feinen und verwickelten Zweifeln zu kämpfen hat; und so schätzbar, ja in ihrer Art vorzüglich, andere nicht so demonstrative Beweisarten für Gottes Wirklichkeit und Eigenschaften sind: so unentbehrlich ist doch diese, wo Wirklichkeit eines
allervollkommensten Wesens
und die
unumschränktesten
Eigenschaften desselben ausser Zweifel gesetzt werden sollen.
Abhandlung über die Evidenz in metaphysichen Wissenschaften, von
Mendelssohn, Moses
Moses Mendelsohn
, Berlin 1764.
in 4. dritter Abschnitt.
Vorbereitung zur natürlichen Theologie, von
Eberhard, Johann August
J. A. Eberhard
, Halle 1781.
8.
Abhandlung über die Evidenz in metaphysischen Wissenschaften, von Moses Mendelsohn, Berlin 1764. in 4. dritter Abschnitt
Dieser Abschnitt trägt den Titel
Von der Evidenz in den Anfangsgründen der natürlichen Gottesgelahrtheit
(aaO 32–51).
201
197
.
Was hier von der Nothwendigkeit gesagt ist, reine und
Erfahrungserkenntniß
Erfahrungserkenntniß in dieser besondern Wissenschaft zu
verbinden: dies
verbinden, das
gilt, auch
ausser
außer
derselben, von dem ganzen Bestreben nach der Kenntniß Gottes aus der Natur.
Indessen muß man ja die
andre
Art, durch die Natur zur Erkenntniß Gottes zu gelangen (§.
185.
), welche nicht aus vorausgesetzten nothwendigen Begriffen, oder durch keine nothwendige Schlüsse folgert, und nur eine moralische Gewißheit gewährt, besonders die Beweisarten aus der unleugbaren Ordnung und Absichten in der Natur, nicht nur nicht gering achten, sondern sie auch immer mehr aufzuklären und zu benutzen suchen.
– Alle
Erkenntniß
Erkenntniß ist doch nur in sofern
recht
nützlich, als sie uns mehr Kräfte und
Ermunterung
Ermunterungen
, Gutes zu thun und zufrieden zu seyn, giebt, und dadurch unsre und Andrer
Glückseligkeit
Glückseligkeit erweitert und befestigt; die Erkenntniß Gottes ist daher auch nur in dem Grade etwas werth, in welchem sie uns tiefe Ehrfurcht, herzliche Liebe, Vertrauen, Folgsamkeit gegen ihn, Eifer,
ihn
nachzuahmen,
nachzuahmen
ihm nachzuahmen
und seine allezeit besten Absichten zu befördern, mittheilt.
Hiezu
Hierzu
ist anschauende, lebhafte Erkenntniß nöthig; und jede Vorstellung, wenn sie gleich nur eine beredende Kraft hätte, und eine unvollendete
Gewißheit
Gewißheit erzeugte,
vermehrt
vermehrte
doch die Stärke des Eindrucks, und muß uns schon deswegen nie gleichgültig seyn.
–
Diese Wirksamkeit der Erkenntniß
kan
kann
auch der Deutlichkeit und strengen Gewißheit mehrentheils entbehren, ja diese letztere
beschäftiget
beschäftigt
gemeiniglich die Aufmerksamkeit so sehr, und gewöhnt so sehr an Speculation oder dürre und nur auf eine entferntere Art nutzbare Untersuchungen, daß sie leicht Kälte gegen die Anwendung und gegen prak tische Untersuchungen hervorbringt, und daher um so mehr nöthig hat, durch lebhafte Eindrücke
erfrischt,
erfrischt
und in Verbindung mit der Thätigkeit erhalten zu werden.
–
Die Lebhaftigkeit der Erkenntniß giebt selbst, indem sie uns den Gedanken von Gott werther macht, mehr Reitz, tiefer einzudringen, und
unsere
unsre
Ueberzeugung durch strengere Beweise zu
befestigen,
befestigen;
und die
Gewohnheit
Gewohnheit, Gott überall, auch in seinen kleinsten Anstalten, gleich groß, gütig und weise zu finden, erhebt unsern Verstand und unser Herz zu einer ungewöhnlichen Stärke und Aehnlichkeit mit ihm.
–
Wollen wir vollends
Allen Alles werden, und
die seligen Eindrücke von Gott
überall befördern:
auch bei Andern befördern,
so ist nicht nur dieser Weg, zur Erkenntniß Gottes zu führen, jedem,
auch
selbst
von den gemeinsten Fähigkeiten, offen, sondern auf diesem
kan
kann
auch jeder am leichtesten, eindrücklichsten, und überall zur Ueberzeugung kommen, weil
alles
Alles
, was ihn umgiebt, Gott und seine Ei genschaften verkündigt, und den Gedanken an Gott unmittelbar an das
eigne
eigene
Interesse eines Jeden anknüpft, so wie ihm, wenn er sich nur erst einmal gewöhnt,
alles
Alles
auf Gott zu beziehen, diese überall zu findenden
Spuren
Spuren Gottes sich mehr aufdringen, als erst mit Mühe aufgesucht zu werden
brauchen.
–
brauchen.
198.
Also studiere man mit allem Fleiß auch die sichtbare, jedem vor Augen
liegende,
liegende
Natur
Natur. Man studiere, recht eigentlich in
dieser
Absicht, die
Natur; man spüre der
Geschichte
Geschichte
nach
, in der
sich,
sich
wenn man
bey
bei
den Veränderungen der Welt auf den Zusam menhang, die Ursachen und Folgen der
Dinge
Dinge,
aufmerksam ist, so unverkennbare Spuren der göttlichen
Vorsehung darbieten. Man
Fürsehung darbieten; man
nehme so viele
trefliche
treffliche
Bücher zu Hülfe, worin dergleichen Beobachtungen
aus dem Reiche der Natur und der Geschichte
gesammlet
gesammelt
, und die
Gesichtspuncte
Gesichtspunkte
angegeben
worden
werden
, woraus diese Spuren am leichtesten zu bemerken sind, und der Uebergang von diesen Veränderungen zu
den
dem
, der Alles regiert, erleichtert wird.
–
Lehrer der
Religion
Religion sollten eben deswegen, weil diese
Art
Art,
Gott zu
erkennen
erkennen,
die gemeinfaßlichste, gemeinnützigste, und zur Beförderung der praktischen Ueberzeugung nothwendigste ist, sie vorzüglich kennen
lernen,
lernen
und
brauchen. Sie
brauchen; sie
sollten aber auch, weil sie
andre
Andere
selbst in der Gewißheit der Erkenntniß übertreffen, und sie eigentlich, was nur wenige
Andre
Andere
können, auch scharfsinnigere und spitzfindige Zweifel aufzulösen im Stande seyn
müßten
müssen
, die demonstrativere Erkenntniß von Gott, so viel sie es
vermöchten
vermögen
, in ihre Gewalt zu bekommen suchen.
Anm.
Hülfsmittel
sind alle Schriften über
natürliche
Theologie
überhaupt
, und einzelne Materien derselben (Daseyn Gottes, Vorsehung, Unsterblichkeit),
insonderheit
. Mit Uebergehung der letztern, welche man in den vollständigen literarischen Werken,
z. B.
Ersch, Johann Samuel
Ersch
Handbuch,
Th.
1.
S.
255
f.
, desgleichen der
Bibliothek für Prediger,
Th.
1.
S.
325 und
Th.
4.
S.
184 nachgewiesen findet, bemerken wir unter den
allgemeinen
, außer
Wolff, Christian von
C. W. Wolf
Theologia naturali methodo scientifica pertractata,
P.
I. II. Francf. et Lips. 1736–1737.
4.
Deutsch:
Wolff, Christian von
Wolf's
natürliche Gottesgelahrtheit,
über-
Hagen, Gottlieb Friedrich
H. E. H.
, 5 Bände. Berlin 1742–45.
Reimarus, Hermann Samuel
H. S. Reimarus
Abhandlung von den vornehmsten Wahrheiten der Religion, 6te
Ausg.
Hamburg 1791.
Foster, James
J. Forster's
Betrachtungen über die vornehmsten Stücke der natürlichen Religion. Aus dem Englischen. 3 Bände. Leipzig 1751.
Villaume, Peter
Villaume
, Philothee oder die ersten Lehren der Religion, 5 Theile. Berlin 1788.
Heydenreich, Karl Heinrich
K. H. Heydenreich
Betrachtungen über die Philosophie der natürlichen Religion, 2 Bände. Leipzig 1790. 91.
Auch von
Jerusalem, Johann Friedrich Wilhelm
Jerusalem's
Betrachtungen über die vornehmsten Wahrheiten der Religion, enthält der 1ste Theil bloß die Grundlehren der natürlichen Theologie.
Allen Alles werden
Vgl. 1Kor 9,22.
Ersch Handbuch, Th. 1. S. 255 f.
Zu Johann Samuel Erschs (1766–1828)
Handbuch
vgl. I § 196 c. Innerhalb des Abschnitts
Philosophie
(aaO 179–262) finden sich im ersten Band unter dem Unterpunkt
Praktische Philosophie
u.a. Schriften zur
Religionsphilosophie und Moraltheologie
(aaO 253–262). AaO 255 beginnen die
Allgemeine[n] und vermischte[n] Schriften
ohne diejenigen Wolffs und anderer älterer Autoren, es folgen Titel zu den Themen
Daseyn und Wesen Gottes
(aaO 258–260) sowie
Unsterblichkeit der Seele
(aaO 260–262).
Bibliothek für Prediger, Th. 1. S. 325 und Th. 4. S. 184
Zur
Bibliothek für Prediger und Freunde der theologischen Literatur
vgl. I § 43 c. Im ersten Teil (1796) finden sich an der betreffenden Stelle
Specielle Schriften und Abhandlungen über einzelne Lehren der natürlichen Theologie
(aaO 325–354), im vierten Teil (1812)
Specielle Schriften und Abhandlungen über einzelne Theile der natürlichen Religion
(aaO 184–193).
Deutsch: Wolf's natürliche Gottesgelahrtheit, übersetzt H. E. H., 5 Bände. Berlin 1742–45
Bei Christian Wolffs fünfbändigem Werk
Natürliche Gottesgelahrheit nach beweisender Lehrart abgefasset
handelt es sich um die von Gottlieb Friedrich Hagen (1710–1769) besorgte Übersetzung der
Theologia naturalis, methodo scientifica pertractata
.
H. S. Reimarus Abhandlung von den vornehmsten Wahrheiten der Religion, 6te Ausg. Hamburg 1791
Der genaue Titel lautet
Abhandlungen von den vornehmsten Wahrheiten der natürlichen Religion
. Die sechste Auflage wurde wie schon die fünfte (1781) von Reimarus' Sohn Johann Albert Heinrich Reimarus (1729–1814) besorgt.
J. Forster's Betrachtungen über die vornehmsten Stücke der natürlichen Religion. Aus dem Englischen. 3 Bände. Leipzig 1751
Gemeint ist die von Johann Joachim Spalding vorgenommene Übersetzung von James Fosters (1697–1753) zweibändigem Werk
Discourses on all the principal branches of natural religion and social virtue
(1749/1752). Diese ist unter dem Titel
Betrachtungen über die vornehmsten Stücke der natürlichen Religion und der gesellschaftlichen Tugend
in zwei Bänden (1751/1753) erschienen.
Villaume, Philothee oder die ersten Lehren der Religion, 5 Theile. Berlin 1788
Der Name des Autors lautet Peter Villaume (1746–1825).
Jerusalem's Betrachtungen über die vornehmsten Wahrheiten der Religion, enthält der 1ste Theil bloß die Grundlehren der natürlichen Theologie
Bei den
Betrachtungen
(1768–1779) handelt es sich um Johann Friedrich Wilhelm Jerusalems unvollendetes Hauptwerk, das mehrfach neu aufgelegt und in mehrere Sprachen übersetzt wurde.
202.
Ein jedes vernünftiges Wesen hat nicht nur
Vernunft
Vernunft,
in so fern
insofern
es aus dem erkannten Allgemeinen (oder aus Principien) das Besondre zu
erkennen
erkennen
vermag,
vermag
(theoretische
Vernunft
Vernunft,
§.
175
175.
), sondern auch
so fern
sofern
es nach Principien,
d. i.
nach Vorstellung der Gesetze,
handeln
handeln
kan
kann
. Dieses Vermögen ist die
praktische
Vernunft, die mit dem
Wille
Willen
einerley
einerlei
ist, welcher in
so fern
frey
sofern
frei
heißt, als er sich in seinen Handlungen unmittelbar,
d. i.
unabhängig von allem Sinnlichen, nach Vorstellung
der Gesetze (allgemeiner Sätze)
allgemeiner Sätze oder Gesetze
bestimmen
kan
kann
(§.
183
183.
). Derjenige Theil der Philosophie, der sich mit Bestimmung
freyer
freier
Handlungen, oder des praktischen,
sittlichen,
sittlichen
Verhaltens beschäftigt, heißt die
praktische Philosophie
(ebendaselbst)
,
Moral
Moral,
Ethik
Ethik
(beyde letztern Wörter
Ethik
, beide letzteren Benennungen
im
weiterm
weitern
Verstande
genommen).
genommen.
199.
Wie die bisher erwehnte
theoretische Philosophie
uns die Natur kennen lehrt: so zeigt uns die
praktische
, wie wir der
Natur
Natur folgen, oder davon den besten Gebrauch zur höchstmöglichsten
Glückseligkeit
Glückseligkeit des Menschen machen müssen (§.
172.
); und weil sich die eigentliche Philosophie nur auf die geistigen Eigenschaften der Dinge einschränket (§.
170.
): so kan die praktische Philosophie auch nur eine Anweisung zur höchstmöglichsten Verbesserung und Ge brauch unsrer Geisteskräfte enthalten. Diese sind entweder Vorstellungen oder Neigungen. Man hat aber diejenigen Theile der Philosophie, welche die beste Bildung und Anwendung unsrer Vorstellungen betreffen, bereits zur theoretischen Philosophie geschlagen (§.
172.
Anm.
1. und §.
174.
); also muß sich auch die praktische Philosophie nur auf Bildung und Lenkung unserer Neigungen oder unsers Willens, nur auf die
moralischen Wissenschaften
, einschränken.
moralisch
Moralisch
nennt man bey dem Menschen alles, was von der Freyheit seines Willens abhängt, diese Freyheit aber das Vermögen des menschlichen Willens sich nach der Einsicht des Besten,
d. i.
desjenigen, zu bestimmen, was die meiste und größte Glückseligkeit befördert; und da das Beste nicht anders sicher bestimmt werden kan, als nach Vergleichung des verschiednen Werthes der Dinge, wozu deutliche Einsicht nöthig ist: so setzt man die Freyheit des menschlichen Willens in das Vermögen, etwas nach deutlicher Einsicht des Besten zu wollen. Es läuft also auf eines hinaus, man mag die
moralischen Wissenschaften
erklären, durch solche, die eine Anweisung zur besten Einrichtung unsers freyen Verhaltens geben, oder durch eine Anweisung zur Beförderung der höchst möglichsten menschlichen Glückseligkeit, so fern sie von unserm Willen abhängt. Es versteht sich übrigens von selbst, daß, da die moralischen Wissenschaften hier als ein Theil der Philosophie angesehen werden, alles dieses nur so weit genommen werde, als es aus der Natur erkennbar ist.
203
200
.
An der Wichtigkeit dieser
Wissenschaft
Wissenschaften
zweifeln,
wäre eben so viel
hiesse nichts anders
, als zweifeln,
entweder
ob der Mensch
und ein jedes vernünftiges Wesen, immer vernünftig handeln müsse. – Keine Fähigkeiten und keine Umstände haben eigentlichen Werth und machen glücklich, als
so fern
sofern
sie recht gebraucht werden; nur der gute
Wille
Wille ist ohne Einschränkung gut, und
kan
kann
mit Recht das höchste Gut genannt
werden
*)
.
werden.
*)
– Es ist auch so offenbar, daß wahre, ungetrübte, dauerhafte
Glückseligkeit
Glückseligkeit nur davon, nur von stetem vernünftigen
Handeln
Handeln und der
Neigung
Neigung dazu abhängt, daß man entweder gegen seine höchst möglichste Glückseligkeit gleichgültig seyn, oder glauben müßte, sie ohne vernünftigen Gebrauch seiner Kräfte oder Umstände erreichen zu können, wenn es uns
gleich viel
gleichviel
wäre, ob unser Wille gut
sey
sei
oder nicht, oder wenn wir um alle Kenntniß der Beschaffenheit eines wahrhaftig guten Willens, und der Mittel ihn zu erlangen, unbekümmert blieben.
nach der höchst möglichsten
Glückseligkeit
Glückseligkeit trachten müßte,
oder
ob er sie ohne Ueberlegung des Besten und dem Gebrauch seiner Kräfte dazu, erreichen könne. Alle Bedenklichkeiten gegen den grossen Werth der moralischen Wissenschaften müssen demnach auf blossen Mißverstand beruhen.
*)
– Da aber die moralischen Handlungen von der Gesinnung abhängen, und diese erst jenen ihren Werth giebt, auch der Begriff der Glückseligkeit nicht nach äusserlichen sehr zufälligen und veränderlichen Umständen, sondern nach dem Wachsthum der innern Vollkommenheit des Menschen, gewürdigt werden kan:
**)
so müssen diese Wissenschaften nicht nur auf Beförderung guter
Handlungen
Handlungen, sondern auch und vornehmlich guter
Gesinnungen
Gesinnungen, nicht nur auf die beste Lenkung, sondern auch auf die Verbesserung des menschlichen Willens, arbeiten; überhaupt aber – den grossen Umfang der
Pflichten
Pflichten richtig und bestimmt darstellen – sie durch die dringensten Gründe empfehlen – und die Mittel angeben, wodurch gute Gesinnungen und Handlungen am wirksamsten hervorgebracht, erhalten und vermehrt werden können.
*)
S.
Kant, Immanuel
Kant's
Grundlegung zur Metaphysik der Sitten,
S.
1
flg.
fg.
*) Ueber den Werth der Moral
etc.
von
Nösselt, Johann August
J. A. Nösselt
, zweyte Auflage, Halle 1783.
8.
**)
Philosophische Anmerkungen und Abhandlungen zu
Cicero
Cicero's
Büchern von den Pflichten, von
Garve, Christian
Christian Garve
, zum ersten Buche
S.
28.
folgg.
Kant's Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 1 flg.
Gemeint ist die Erstauflage aus dem Jahr 1785 (vgl. I § 183).
Philosophische Anmerkungen und Abhandlungen zu Cicero's Büchern von den Pflichten, von Christian Garve, zum ersten Buche S. 28. folgg.
Dieses insgesamt dreibändige Werk ist zuerst 1783 in Breslau erschienen (vgl. II § 203) und erlebte in schneller Folge mehrere Auflagen (
2
1784;
3
1787/1788;
4
1792). Im ersten, die
Anmerkungen zu dem Ersten Buche
enthaltenden Band wird aaO 28ff. auseinandergesetzt, dass das Wesen der Tugend mehr im Charakter des Menschen als in seinen veränderlichen Handlungen zu suchen sei.
204.
Wenn man die hieher gehörigen Kenntnisse, welche uns die Natur darbietet, in eine Wissenschaft bringen
will:
will,
so
kan
kann
sie
entweder
bloß auf Begriffe und Sätze der
reinen
Vernunft
oder
auch auf
Erfahrungssätze
Erfahrungssätze gebaut werden. Nur in jenem Fall entsteht eine eigentliche Wissenschaft, die
Kant, Immanuel
Kant
in
im
eigentlichen und
engern
Verstande (§.
202
202.
)
Moral
oder
praktische Philosophie
, und mit einem besondern Namen
Metaphysik
Metaphysik der Sitten
nennt (§.
183
183.
); in diesem Fall aber,
d. i.
wenn sie
empyrisch
empirisch
ist,
praktische
Anthropologie
Anthropologie
(§.
190
190.
Anmerk.
). Jene würde lediglich
müssen
aus dem allgemeinen Begriff eines vernünftigen Wesens hergeleitet werden
müssen
, und Gesetze enthalten, die nicht bloß für den Menschen, sondern für alle vernünftige Wesen gälten, auch allen andern Gesetzen für den
Wille
Willen zum Grunde lägen. Daß wir einer solchen
reinen
Moral
Moral bedürfen, ist leicht einzusehen. – Denn woraus
kan
kann
man sonst beweisen, daß etwas gut oder böse,
Pflicht
Pflicht
sey
sei
oder nicht? Beruft man sich deswegen auf Gefühle, oder auf menschliche oder göttliche Gesetze, oder
Beyspiele
Beispiele
, oder erkannte nützliche Folgen, oder was man sonst als verpflichtend anführen
mag:
mag;
so sind ja
dies
dieß
immer
subjectiv
subjective Gründe,
wobey
wobei
stets die Frage entstehen
kan
kann
: ob es nicht Täuschung
sey
sei
, ob nicht das Urtheil durch Gründe des Angenehmen oder Nützlichen, statt des Rechtmäßigen, ob es nicht durch Eigennutz, durch Gewohnheit, durch Temperament gestimmt werde? ob die guten Folgen nothwendig aus der Handlung oder aus zufälligen Umständen entspringen? ob die Handlungen also wirklich Lob oder Tadel verdienen? ob jemand das Recht hatte, gewisse Gesetze zu geben, oder sich auf solche, als Gesetze,
einzulaßen
einzulassen
? selbst
bey
bei
vorgegebenen göttlichen
Gesetze
Gesetzen, ob es wirklich göttliche sind? welche Frage
anders nicht kan
nicht anders kann
bejahet werden, als
so fern
sofern
dergleichen angeblich göttliche Gesetze mit dem, was ursprünglich recht ist, übereinstimmen; so wie nicht einmal eine Verbindlichkeit, sie zu beobachten, überzeugend erkannt werden
kan
kann
, wenn man nicht voraussetzt, daß Gottes Wille höchst heilig
sey
sei
, welche Heiligkeit wieder in der durchgängigen Uebereinstimmung seines Willens und der daher fließenden Gesetze, mit jenen Urbegriffen vom Recht- und Unrechtmäßigen besteht. – Wie anders, als durch solche aus dem Begriff eines vernünftigen Wesens geschöpfte Begriffe und
Gesetze
Gesetze,
läßt sich auch der nothwendige Unterschied zwischen
Recht
Recht und
Unrecht
Unrecht,
und der wahre Werth sowohl als die Möglichkeit der
Tugend
Tugend
darthun,
darthun;
oder wie
kan
kann
man sonst hinlänglich dem Eigendünkel und der Zweifelsucht
dererjenigen
derer
begegnen, die überall an keine Tugend noch an einen solchen sittlichen Unterschied glauben, zumal wenn sie durch die Uneinigkeit der Menschen über diese Gegenstände, durch viele schlimme Erfahrungen, und durch scharfsichtige Beobachtung der menschlichen Schwäche und Scheintugenden, gegen alle Tugend eingenommen sind? – Und wie sehr ist der Mensch geneigt, wenn er seine
Pflichten
Pflichten mit seinen
Bedürfnisse
Bedürfnissen und
Neigungen
Neigungen vergleicht, und in ihrer Befriedigung seine
Glückseligkeit
Glückseligkeit zu finden glaubt, entweder Pflicht nicht für Pflicht zu halten, weil sie seiner Glückseligkeit im Wege zu stehen
scheint,
scheint;
oder sich Ausnahmen zu erlauben, und diese damit zu rechtfertigen, daß sie nicht allgemein verbindlich
sey,
sei;
oder sie mit seinen Neigungen und Wünschen zu vereinigen, und dadurch Pflicht und Gesetze zu entkräften!
und
Und
was
kan
kann
ihn dagegen sichern, oder seinem
hin
hin-
und
her schwankenden
herschwankenden
Gewissen
Gewissen mehr Festigkeit geben, als die Ueberzeugung von ihrer Allgemeinheit, die nur durch reine Vernunft erwiesen werden
kan
kann
? – Ueberhaupt aber erfordert wahre Tugend, daß man nicht nur das Gute thue, sondern auch eben darum,
weil
es gut ist, und nicht bloß den Gesetzen gemäß, sondern auch aus
Achtung
Achtung
gegen die Gesetze handle. Hiezu dient denn eben die Ueberzeugung von der Verbindlichkeit dieser Gesetze an sich, ohne Rücksicht auf
andre
andere
(subjective) Gründe, die aber
freylich
freilich
nicht anders,
als,
als
unabhängig von diesen, aus reiner Vernunft bewiesen werden
kan
kann
.
Anm.
Es wäre also höchst nöthig, diese bloß auf reine Vernunft gegründete
Moral
Moral von aller
empyrischen
empirischen
getrennt, als einen
besondren
besondern
Theil oder Wissenschaft vorzutragen. Die sehr nützliche Wissenschaft, welche
Wolff, Christian von
Wolf
, und nach ihm Andere, unter dem Namen einer
allgemeinen praktischen Philosophie
aufgestellt haben, untersucht zwar den Willen überhaupt mit den daraus fließenden allgemeinen Grundsätzen; sie schränkt sich aber nicht auf bloß reine
Vernunftbegriffe
Vernunftbegriffe ein, sondern nimmt vielmehr
Erfahrungsgrundsätze
Erfahrungsgrundsätze zu Hülfe. Ganz eigentlich aber hat
Kant, Immanuel
Kant
, sowohl vorläufig in der
Grundlegung zur Metaphysik der Sitten
, als noch vielmehr in der
Kritik der praktischen Vernunft
, Riga
1788
in
1788.
gr.
8.
8.,
dieses
beabsichtigt.
beabsichtigt, worauf mehrere Schriften dieser Art, zum Theil übereinstimmend, zum Theil abweichend von
Heydenreich, Karl Heinrich
Heydenreich
,
Bendavid, Lazarus
Bendavid
u. A.
gefolgt sind, womit auch
Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst
F. Schleyermacher's
Kritik der bisherigen Sittenlehre, Berlin 1803.
, zu vergleichen ist.
Grundlegung zur Metaphysik der Sitten
Gemeint ist die Erstauflage aus dem Jahr 1785 (vgl. I § 183).
Heydenreich, Bendavid
Zu nennen sind die dreiteilige
Propaedevtick der Moralphilosophie nach Grundsätzen der reinen Vernunft
(1794) des Leipziger Philosophen Karl Heinrich Heydenreich (1764–1801) sowie die
Vorlesungen über die Critik der practischen Vernunft
(1796) des jüdischen Aufklärers und Kantianers Lazarus Bendavid (1762–1832).
F. Schleyermacher's Kritik der bisherigen Sittenlehre, Berlin 1803
Friedrich Schleiermachers (1768–1834) Schrift trägt den Titel
Grundlinien einer Kritik der bisherigen Sittenlehre
(1803).
205.
Betrachtet man die moralischen Gesetze in Rücksicht auf den
menschlichen
Wille
Willen
insbesondre
insbesondere
, mit
alle
allem
dem, was in der Natur des Menschen die Ausübung jener Gesetze begünstigt, oder erschwert und hindert: so entsteht daraus die
praktische Philosophie
in dem gewöhnlichern Sinn, die (nach §.
204
204.
) auch
praktische Anthropologie
heissen
heißen
könnte. Diese gründet sich sowohl auf Grundsätze der reinen Moral, daher sie auch Einige
angewandte
Moralphilosophie
Moralphilosophie
nennen, als auf die
Seelenlehre
Seelenlehre. Es mag nun diese Wissenschaft die
allgemeinen
Grundsätze der Sitten mit aufnehmen, oder, wenn sie diese einer allgemeinen praktischen Philosophie oder der Metaphysik der Sitten überläßt, sich auf die
menschlichen
Sitten einschränken: so muß sie – die wahre Natur der den Menschen möglichen Tugend und den großen Umfang der Pflichten darstellen, die aus der Natur und den Verhältnissen der Menschen
entstehen –
entstehen;
sie mit überzeugenden Beweisen und dringenden Empfehlungsgründen unterstützen
–
und ihre Ausführbarkeit klar machen,
d. i.
sowohl die Hindernisse angeben, die ihrer Ausübung im Wege stehen, und die rechte Art, sie zu überwinden, lehren, als auch zugleich die Mittel vorlegen, wodurch gute Gesinnungen und Handlungen am wirksamsten hervorgebracht, erhalten und vermehrt werden können. –
Diese
auf
Menschenkenntniß
Menschenkenntniß gegründete praktische
Philosophie kan
Philosophie, kann
weit Mehreren faßlich und einleuchtend dargestellt werden, als die sogenannte
reine,
reine;
und selbst diese letztere wird durch jene erst anschaulich. Durch
diese
Behandlungsart wird allen praktischen Grundsätzen und Lehren weit mehr Nachdruck gegeben und mehr Eingang verschafft. Hier
kan
kann
man recht eigentlich praktischen Vorurtheilen
entgegen arbeiten
entgegenarbeiten
, die selbst der überzeugendsten Einsicht
unsrer
unserer
Pflichten
bey
bei
der Ausübung so sehr im Wege stehen. Hier hat man besonders die beste Gelegenheit, die Trägheit und Muthlosigkeit aufzumuntern, indem man zeigt, wie gar wohl möglich und wie
vortreflich
vortrefflich
die
Tugend
Tugend, und wie ausführbar
unsre
unsere
Pflichten
Pflichten
seyn
seyen
. Hier läßt sich die Anwendung der Pflichten aufs Leben und auf
besondre
besondere
Fälle näher zeigen, und dadurch das Studium und die Ausübung der Pflichten sehr erleichtern. – Alles dies sind sehr große Vortheile, die
dieser
Art der Moral selbst einen gewissen Vorzug vor der reinen geben; wenn nur nicht, über
das Bestreben
dem Bestreben,
faßlich zu werden, die Bestimmtheit, und über
die Bemühungen
den Bemühungen,
Eindruck zu machen, die Gründlichkeit im Vortrage
vernachläßigt
vernachlässigt
wird.
201.
Unter diesen
moralisch
moralischen Wissenschaften läßt sich zuförderst eine denken, welche bey den übrigen eben so zum Grunde läge, wie die Ontologie bey den Theilen der theoretischen Philosophie. Man könnte sie die
allgemeine praktische Philosophie
nennen. Sie müßte die Natur der Sittlichkeit deutlich bestimmen, den in der Natur gegründeten Unterschied von Recht oder Unrecht, Guten oder Bösen, klar machen, die allgemeinsten moralischen Begriffe und Grundsätze entwickeln und ausser Zweifel setzen, die gute Gesinnung und den moralischen Charakter bilden, die allgemeinsten Mittel angeben und empfehlen, wodurch der Mensch zum Guten gelenkt werden kan.
202.
Ohne sie giebts keine recht deutliche
Gewißheit
Gewißheit von Pflichten und Tugenden, die um so unentbehrlicher ist, je mehr die Anzahl leichtsinniger oder halbkluger Sophisten und Schwärmer überhand nimmt, welche mit der natürlichen Sittlichkeit die
Glückseligkeit
Glückseligkeit der Menschen untergraben, oder sie auf so schwankende Begriffe gründen, daß wichtige Pflichten verkannt und verdrängt, oder ein Spiel des Gutdünkens und höchstens des äusserlichen Wohlstandes werden. – Ueberdies sind alle gut heissende Handlungen, ohne gute Gesinnung, daraus sie fliessen, bloß mechanisch, und ein wahres Puppenspiel; der Selbstbetrug aber ist um so gefährlicher, je mehr er Thaten und Verdienste vor sich zu haben scheint. Wo also nicht durch diese allgemeinere Wissenschaft das
Herz
Herz
und der
Charakter
Charakter gebildet, und der Grund zu einer wahren und beständigen Tugend gelegt wird, da kan höchstens nichts als eine bloß äusserliche und sehr unzuverläßige Glückseligkeit begründet werden.
206
203
.
Diese Anmerkung scheint desto nöthiger, da selbst der eingeführte Unterschied zwischen dem
Recht der Natur
und der
Sittenlehre
nicht selten eine Gleichgültigkeit gegen die innere Güte des Menschen, ja selbst gegen die Pflichten erweckt hat, die nicht gerade Pflichten gegen Andre sind.
Wenn man sich den Menschen im Stande der
Natur
Natur denkt, das heißt,
Natur,
d. i.
als
bloßen
blossen
Menschen
,
vor
für
sich oder im Verhältniß gegen
Andre, als bloße
andere, in eben diesem Naturstande gedachte
Menschen
, und in einem Zustande, wo er noch keine
andre
andere
Verbindungen mit ihnen,
ausser
außer
denen, die die Natur selbst gemacht hat, eingegangen ist: so darf er, nach dem Zweck seines Daseyns,
und vor aller freywilligen Uebereinkunft mit Andern, denkt: so darf er nach den Gesetzen der Vollkommenheit –
seine Kräfte bestmöglichst
brauchen
gebrauchen
, und
alles
Alles
, was er dadurch hervorbringt oder erlangt, ist als das Seinige anzusehen; nur mit der Einschränkung, daß, weil ein jeder andrer Mensch eben dieses darf, kein andrer an dem ebenmäßigen Gebrauch seiner Kräfte und dem Genuß desjenigen, was er dadurch bewirkt oder erworben hat, gehindert werden muß. Jeder Mensch hat also zu dem gedachten Gebrauch und Genuß
brauchen – um sich glücklich zu machen,
d. i.
er hat
ein
Recht
Recht
dazu
, und
in dieser Rücksicht entsteht
für jeden Andern
entsteht
die
Pflicht
Pflicht
, ihn in dem, was
sein
seine
ist, das
heißt,
heißt:
in dem Gebrauch seiner Kräfte, des dadurch
Erworbenen,
Erworbenen
und der Güter, ohne welche er jene nicht brauchen, dieses nicht
genießen könnte
geniessen konnte
, nicht zu beeinträchtigen. Dergleichen natürliche Rechte und Pflichten
nennt man
heissen
vollkommene Rechte
und
Pflichten
, weil und sofern sie die Natur mit sich bringt, ohne daß es erst der Einwilligung eines Andern
bedarf
bedarf, und dadurch die nehmlichen Rechte des Andern nicht gekränkt werden
; auch
heissen
heißen
sie
erzwingliche Rechte
und
Zwangspflichten
Zwangs
pflichten
, weil der, so
diese Rechte
das Recht
hat,
sie
es
dadurch
behaupten
erhalten
darf, daß er den Andern
zwinget
zwingt
,
sie
es
unbeeinträchtigt zu
laßen
lassen
. Alle
andre
andere
Rechte und Pflichten
heissen
unvollkommne
heißen
unvollkommene
oder
unerzwingliche
, auch
bloße
blosse
Gewissenspflichten
Gewissenspflichten
. Jene Zwangsrechte und Pflichten machen das
Naturrecht
Naturrecht
, diese Gewissenspflichten die
Moral
oder
Sittenlehre
Sittenlehre im engern Verstande
aus.
Beyde gehören zu der oben (§.
204
und
5
) erwähnten praktischen Anthropologie.
Wenn man sich statt einzelner Menschen
ganze Völker
, und diese als moralische Personen gegen einander, denkt: so entsteht aus dem Begriff eines solchen Volks, auf welches der Inhalt des Naturgesetzes angewendet wird, das sogenannte
Völkerrecht
Völkerrecht
.
Anm.
Siehe
Sulzer, Johann Georg
J. G.
Sulzers
Sulzer's
vermischte philosophische
Schriften
Schriften,
S.
389
flgg.
fgg.
und
Mendelssohn, Moses
M.
Mendelssohns
Jerusalem
Mendelssohn's
Jerusalem,
I.
S.
29
f.
Sonst
nennte
nannte
man auch
Naturrecht
den Inbegriff aller aus der Natur
fließenden
fliessenden
Pflichten und Rechte, und verwies in die
Moral
(im engsten Verstande)
oder in
die
Ethik
(im engern Sinn §.
202
202.
)
bloß die Mittel zur moralischen Bildung und Ausübung der Pflichten. Eine sehr
unbequeme
bequeme
Trennung, die auch hier nicht in Anschlag kommt.
Das
Völkerrecht
gehört nicht in unsern Plan.
J. G. Sulzers vermischte philosophische Schriften S. 389 flgg.
Gemeint ist der erste Band (vgl. I § 60) mit dem
Versuch einen festen Grundsatz zu finden, um die Pflichten der Sittenlehre und des Naturrechts zu unterscheiden
(aaO 389–398).
M. Mendelssohns Jerusalem I. S. 29 f.
Im ersten Abschnitt von Moses Mendelssohns (1729–1786)
Jerusalem oder über religiöse Macht und Judentum
(1783) finden sich Gedanken über das als sittliches Vermögen verstandene Recht und die als sittliche Notwendigkeit verstandene Pflicht (vgl. aaO 29ff.).
207
204
.
Es hat allerdings seinen
großen
grossen
Vortheil für die weise Bestimmung und Handhabung der bürgerlichen
Gerechtigkeit
Gerechtigkeit, wenn die gedachten
vollkommnen
vollkommenen
und
unvollkommnen
unvollkommenen
Pflichten
Pflichten von einander unterschieden werden; und
da
alle positive Rechte um so
gegründeter
besser
sind, je mehr sie mit dem
Naturrecht
Naturrecht übereinstimmen, sie auch eigentlich durch dieses letztere ihre Festigkeit bekommen: so bleibt das
Recht der Natur
Recht der Natur
immer eine sehr wichtige Wissenschaft, auch für den, der sich der Theologie widmet; zumal wenn damit, wie von
Manchen
manchen
, zugleich im Vortrag die allgemeine praktische Philosophie verbunden wird. Allein da
es
sich
das Naturrecht
nur auf Pflichten gegen
Andre
Andere
, und noch dazu nur auf
Zwangspflichten
Zwangspflichten
Zwangspflichten,
einschränkt, folglich nur Beleidigungen
abwehren
abwähren
, und
äusserliche
äußerliche
Sicherheit, also einen zwar sehr schätzbaren, aber doch nur sehr kleinen Theil der mensch lichen, und nur der
äusserlichen
äußerlichen
,
Glückseligkeit
Glückseligkeit, befördern soll; auch in der
eigentlichen
Moral eben dieselben Pflichten, nur nicht mit so
besondrer
besonderer
Anwendung auf die in der menschlichen Gesellschaft sich ereignenden Umstände, vorgetragen
werden;
werden,
und
in der eigentlichen Moral
noch dazu mehr auf Liebe und Achtung gegen
Andre
Andere
gearbeitet wird, ohne welche die wahre Gerechtigkeit sehr oft nicht erkannt oder nicht ausgeübt werden möchte: so scheint es für den künftigen Lehrer der Religion räthlicher,
beyde
beide
Wissenschaften
(§.
206
206.
)
in der Erlernung
im Studium
nicht zu trennen.
Anm.
Anm.
Wenn man sich statt
einzelner
einzler
Menschen ganze Völker, und diese als moralische Personen gegen einander, denkt: so entsteht aus dem Begriff eines solchen Volks, auf welches der Inhalt des Naturgesetzes angewendet wird, das sogenannte
Völkerrecht
Völkerrecht
; das aber hier zu unsrer Absicht nicht gehört.
Anm.
Leidet es irgend die Zeit, so dürfte es doch rathsam seyn, auch das
Naturrecht
als Vorbereitung auf die
philosophische Moral
, oder neben derselben zu hören, oder sich wenigstens mit einigen Hauptschriften, wären es auch anfangs nur kurze Lehrbücher, bekannt zu machen. Die ältern wichtigen Werke von
Grotius, Hugo
Grotins
und
Pufendorf, Samuel von
Puffendorf
, auch
Wolff, Christian von
Wolf
, behaupten noch immer einen hohen Werth. Unter den neuern verdienen vorzügliche Beachtung:
Höpfner, Ludwig Julius Friedrich
L. F. E. Höpfner's
Naturrecht, 7te
Ausg.
Gießen 1806.
Hufeland, Gottlieb
G. Hufeland's
Lehrsätze des Naturrechts. Jena 1795.
Hoffbauer, Johann Christoph
J. C. Hoffbauer's
Naturrecht. Halle 1804.
, desgleichen die
Lehrbücher von
Kant, Immanuel
Kant
,
Abicht, Johann Heinrich
Abicht
,
Jakob, Ludwig Heinrich von
Jakob
,
Fichte, Johann Gottlieb
Fichte
,
Weise, Ferdinand Christoph
Weise
,
Maaß, Johann Gebhard Ehrenreich
Maaß
,
Krug, Wilhelm Traugott
Krug
,
Fries, Jakob Friedrich
Fries
und
Meister, Johann Christian Friedrich
Meister
.
Grotius
Der v.a. als bedeutender Vertreter der Naturrechtslehre hervorgetretene Hugo Grotius (1583–1645) nahm bereits als Elfjähriger das Studium an der Universität Leiden (u.a. bei Scaliger) und nur fünf Jahre später, inzwischen im Besitz eines juristischen Doktorgrades der Universität Orléans, die Anwaltstätigkeit auf. 1601 wurde er Historiograph der niederländischen Generalstaaten, wirkte jedoch v.a. als Jurist und Politiker sowie als Botschafter und Diplomat in schwedischen Diensten. Zudem ist Grotius auch in theologischer und philologischer Perspektive hervorgetreten. 1609 erschien Grotius' berühmte Schrift
Mare liberum
, in der der Gedanke eines allen zugänglichen Meeres vertreten und naturrechtlich begründet wurde. Im Zuge der niederländischen Religionsstreitigkeiten als Anhänger des Leidener Theologen Jakob Arminius (1560–1609) 1618 zu lebenslanger Haft verurteilt, gelang ihm 1621 die Flucht, kurz darauf – Grotius hatte sich in Paris niedergelassen – erschien sein weit über 100 Auflagen erlebendes theologisches Hauptwerk
De veritate religionis christianae
(1622). Sein juristisches Hauptwerk
De jure belli ac pacis libri tres
erschien 1625. Mit seinen
Annotationes in Novum Testamentum
(1641) und
in Vetus Testamentum
(1644) avancierte Grotius zum Begründer der konfessionsübergreifenden historisch-philologischen Methode, doch ist es insbesondere sein Enfluss auf die moderne Rechts- und Staatstheorie, die seinen bleibenden Ruhm begründet.
Puffendorf
Nach dem Besuch der Fürstenschule in Grimma studierte der in seinem Todesjahr zum Freiherrn erhobene Samuel von Pufendorf (1632–1694) zunächst Theologie, wechselte dann jedoch zu einem breit angelegten Studium der Rechtswissenschaften. Nach einer Anstellung als Hauslehrer bei dem schwedischen Diplomaten Peter Julius Coyet (1618–1667) wurde Pufendorf 1661 auf die erste deutsche Professur für Natur- und Völkerrecht nach Heidelberg berufen. 1668 wechselte er an die Universität Lund, 1677 als Hofhistoriograph und Staatssekretär nach Stockholm und 1688 als Hofhistoriograph und Geheimrat nach Berlin. In Aufnahme der Ideen Hugo Grotius' und Thomas Hobbes' (1588–1679) gehört Pufendorf zu den einflussreichsten Vordenkern der Naturrechtslehre, unter seinen diesbezüglichen Arbeiten ist v.a. das 1711 in deutscher Übersetzung erschienene Hauptwerk
De iure natura et gentium libri octo
(1672) sowie die bis in die zweite Hälfte des 18. Jh.s in über sechzig Auflagen vorliegende, mehrfach übersetzte Zusammenfassung
De officio hominis et civis iuxta legem naturalem libri duo
(1673) hervorzuheben.
L. F. E. Höpfner's Naturrecht, 7te Ausg. Gießen 1806
Gemeint ist Ludwig Julius Friedrich Höpfners (1743–1797) Standardwerk
Naturrecht des einzelnen Menschen, der Gesellschaften und der Völker
, das 1806 als
neue Auflage
ohne Verlagsort erschienen ist. Da die sechste Auflage (Gießen 1795) 1801 ebenfalls ohne Ortsangabe als Nachdruck erschienen ist, dürfte es sich bei der hier bibliographierten siebenten Ausgabe wiederum um einen Nachdruck handeln.
Lehrbücher von Kant, Abicht, Jakob, Fichte, Weise, Maaß, Krug, Fries und Meister
Gemeint sind Immanuel Kant und seine als erster Teil der
Metaphysik der Sitten
erschienenen
Metaphysische[n] Anfangsgründe der Rechtslehre
(1797) (vgl. I § 208 c); Johann Heinrich Abicht (1762–1816) und sein
Neues System eines aus der Menschheit entwikelten Naturrechts
(1792) sowie die
Kurze Darstellung des Natur- und Völkerrechts zum Gebrauch bey Vorlesungen
(1795); Ludwig Heinrich von Jakob (1759–1827) und seine
Philosophische Rechtslehre
(1795) nebst dem für den Vorlesungsgebrauch verfertigten
Auszug aus dem Naturrechte
(1796); Johann Gottlieb Fichte (1762–1814) und seine
Grundlage des Naturrechts nach Principien der Wissenschaftslehre
(1796/1797) (die 1812 gehaltene Vorlesung
Das System der Rechtslehre
wurde erst später gedruckt); der vergleichsweise unbekannte Ferdinand Christoph Weise (1765–1839) und seine
Grundwissenschaft des Rechts. Nebst einer Darstellung und Prüfung aller durch die kritische Philosophie veranlaßten Philosopheme über den Ursprung und das Wesen des Rechts
(1797); Johann Gebhard Ehrenreich Maaß (1766–1823) und sein
Grundriß des Naturrechts
(1808); Wilhelm Traugott Krug (1770–1842), Kants Nachfolger in Königsberg, mit seinen
Aphorismen zur Philosophie des Rechts
(1800), den
Naturrechtliche[n] Abhandlungen oder Beiträge[n] zur natürlichen Rechtswissenschaft
(1811) und der als erster Teil des
System[s] der praktischen Philosophie
erschienenen
Dikäologie oder philosophische[n] Rechtslehre
(1817); der Fichte-Schüler Jakob Friedrich Fries und seine
Philosophische Rechtslehre und Kritik aller positiven Gesetzgebung mit Beleuchtung der gewöhnlichen Fehler in der Bearbeitung des Naturrechts
(1803); und schließlich Johann Christian Friedrich Meister (1758–1828) und sein
Lehrbuch des Natur-Rechtes
(1809).
208
205
.
Die
philosophische
Moral
Moral
also, wenn sie
noch
von der allgemeinen praktischen
und von der reinen praktischen
Philosophie (§.
204
204.
Anm.
), aber nicht von dem
Naturrecht
Naturrecht (§.
206
206.
201.
) unterschieden wird, faßt den ganzen Umfang aller besondern Pflichten des Menschen in sich, sofern sie aus der Natur erkennbar sind, und schränkt sich
bey
bei
Vorstellung der Gründe, womit sie sie empfiehlt, so wie der Mittel, die sie zur Beförderung guter Gesinnungen und Handlungen vorschlägt, auf keine
besondre
besondere
Arten derselben, wie das Naturrecht, ein, wenn nur jene Gründe und diese Mittel aus der
Natur
Natur
erkannt werden können. Sie dehnt sich auch über die Pflichten der Gerechtigkeit
aus,
aus
– dies hat sie mit dem Recht der Natur gemein –; aber sie begnügt sich nicht mit
äusserlicher
äußerlicher
Gerechtigkeit, sie dringt auch auf innerliche; sie fügt noch die
Pflichten
Pflichten des Wohlthuns hinzu, und alle Pflichten, die wir Gott und uns selbst schuldig sind, oder die
nur
irgend aus allen diesen Verhältnissen entstehen. Sie bearbeitet alle diese Pflichten
zugleich und eigentlich
als
Gewissenspflichten
Gewissenspflichten
, und begnügt sich nicht mit guten
Handlun
gen
, sondern arbeitet auch und
vornemlich
vornehmlich
auf gute
Gesinnungen
Gesinnungen
. Kurz, sie bildet den Menschen nicht bloß zum
unschädlichen
und
ehrlichen
Mann, sondern sucht ihn auch nützlich oder
wohlthätig, redlich
und
religiös
religiöser
zu machen.
–
Da sie so den Menschen eigentlich
veredelt,
veredelt
und zu seiner wahren
Bestimmung
Bestimmung
führt:
führt,
so muß jedem die Nothwendigkeit einleuchten, sie ganz vorzüglich zu treiben. Am meisten müßte der künftige Lehrer der Religion sie sich zu eigen zu machen suchen, da er ganz eigentlich dazu bestimmt ist,
Andrer
Anderer
Gewissen zu leiten.
Anm.
Durch den Eintritt in die häusliche und bürgerliche
Gesellschaft
Gesellschaft
Gesellschaft,
geht zwar der Stand der Natur in einen conventionellen,
d. i.
in einen solchen über, der auf
freywilligen
freiwilligen
Vertrag und Uebereinkunft beruht; aber es entstehen doch
theils
schon aus der Natur und
der
Absicht eines solchen Standes gewisse neue Pflichten,
theils
bleiben darin alle natürliche Rechte, und eben so alle natürliche Pflichten,
so fern
sofern
man jenen nicht durch den Vertrag
freywillig
freiwillig
entsagt hat. Man hat daher auch die natürlichen Rechte und Pflichten der
häuslichen
und
bürgerlichen
Ge sellschaft in
zwey besondre
zwei besondere
Wissenschaften gebracht, die als Theile der praktischen Philosophie behandelt werden. Jene, die erstere, welche sich mit der häuslichen Gesellschaft beschäftigt,
nennet
nennt
man die
Oekonomik
Oekonomik
; die
andre
andere
, so auf die bürgerliche Gesellschaft geht, die
Politik
Politik
. Nach Verschiedenheit der Gesellschaften
ließen
liessen
sich dergleichen Wissenschaften noch mehr vervielfältigen, und nach ihren
mannichfaltigen
mannigfaltigen
Gegenständen und
besondren
besondern
Theilen
dieser Wissenschaften
derselben
wieder
besondre
besondere
neue Wissenschaften bilden.
{Die
philosophische Moral
ist eine vortreffliche Vorbereitung auf die christliche. Diese ist nun, besonders
seit sie durch Calixtus zu einer von der Dogmatik getrennten Wissenschaft erhoben ward, selbst fast ganz philosophisch geworden. Dieß beweiset wenigstens, daß die vorzüglichsten Lehrer der Moral fühlten, wie die tiefe Ergründung der Vorschriften des
Christenthum
Christenthums, Philosophie voraussetze und fordere. Zu dem ersten Studium sind vorzüglich empfehlungswerth:
Eberhard, Johann August
J. A. Eberhard's
Sittenlehre der Vernunft. Berlin 1781.
(nach dem Grundsatze der
Wolff, Christian von
Wolfschen
Schule);
nach dem System der kritischen Philosophie:
Kant, Immanuel
I. Kant's
Metaphysik der Sitten. Königsberg 1801.
Schmid, Carl Christian Erhard
K. C. E. Schmidt's
Versuch einer Moralphilosophie. Jena 1802.
Jakob, Ludwig Heinrich von
L. H. Jakob's
philosophische Sittenlehre. Halle 1794.
;
nach den Principien der Wissenschaftslehre:
Fichte, Johann Gottlieb
J. G. Fichte's
System der Sittenlehre. Jena 1798.
Hiermit werden auch die moralischen Schriften der Alten, namentlich die von
Platon
Plato
,
Plutarch
Plutarch
,
Epiktet
Epictet
,
Arrian
Arian
,
Simplicius
Simplicius
,
Mark Aurel
Marc Aurel
,
Cicero
Cicero
,
Seneca
Seneca
,
desgleichen die trefflichen Engländer
Hutcheson, Francis
Hutcheson
,
Shaftesbury, Anthony Ashley Cooper of
Shaftesbury
,
Smith, Adam
Smith
,
Ferguson, Adam
Ferguson
,
Paley, William
Paley
u. s. w.
zu vergleichen seyn.
A. d. H.
}
seit sie durch Calixtus zu einer von der Dogmatik getrennten Wissenschaft erhoben ward
Dem Helmstedter Theologen Georg Calixt (1586–1656), einem der Protagonisten des synkretistischen Streites (vgl. II § 122), kommt das Verdienst zu, die Moral unter dem Begriff
theologia moralis
erstmals als eigenständige Disziplin neben der Dogmatik bearbeitet zu haben (vgl.
Epitome theologiae moralis
[1634]) (vgl. II § 186).
I. Kant's Metaphysik der Sitten. Königsberg 1801
Die beiden Teile (vgl. I § 207 c) von Immanuel Kants
Metaphysik der Sitten
(1797) sind nacheinander in zweiter Auflage erschienen:
Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre
(
2
1798) und
Metaphysische Anfangsgründe der Tugendlehre
(
2
1803). Hier dürfte der zweite Teil gemeint sein. Jedoch lässt sich auch eine Königsberger Ausgabe der
Metaphysik der Sitten
aus dem Jahr 1803 nachweisen, in der die
Rechtslehre
und die
Tugendlehre
zusammengefasst sind.
Plato
Gemeint sind hier v.a. die Dialoge (vgl. I § 146), in denen Platon seine moralphilosophischen Grundannahmen entfaltet: Grundlage aller Tugend ist für Platon das Wissen um und die Einsicht in die Idee des Guten, das zum Handlungsprinzip erhoben wird. Als die vier Kardinaltugenden gelten Besonnenheit (
σωφροσύνη
), Tapferkeit (
ἀνδρεία
) und Weisheit (
σοφία
) (ursprünglich Frömmigkeit [
εὐσέβεια
]), die alle in der Gerechtigkeit (
δικαιοσύνη
) zusammenkommen.
Plutarch
Innerhalb des umfangreichen Werkes Plutarchs stellen die philosophischen Schriften die zweite große Gruppe dar (vgl. I § 146). An dieser Stelle ist auf die sog.
Moralia
abgehoben, eine Sammlung von insgesamt 78 (darunter einige unechte) Schriften überwiegend ethischen Inhalts. Zusammenfassend läuft Plutarchs Ethik auf die Beherrschung der Affekte durch die Vernunft hinaus. Hierin liegt die eigentliche Tugend (
ἀρετή
), die nach innen zur Glückseligkeit (
εὐδαιμονία
) und nach außen zur Menschenfreundlichkeit (
ϕιλανθρωπία
) führt.
Simplicius
Über das Leben des aus Kilikien stammenden neuplatonischen Philosophen Simplicius (ca. 490–560) ist wenig bekannt. Als Schüler des Ammonios von Alexandrien und des in Athen lehrenden Damaskios, beide Neuplatoniker und Anhänger der alten griechischen Religion, ist Simplicius vor allem als Verfasser von neuplatonisch interpretierenden Kommentaren, u.a. zu Epiktets'
Enchiridion
, hervorgetreten. Aus diesem Grund wird Simplicius an dieser Stelle in einer Reihe mit Epiktet und Arrian (vgl. I § 146) genannt.
Marc Aurel
Der römische Kaiser und Philosoph Marcus Aurelius (121–180) folgte im Jahre 161 dem von Hadrian adoptierten Antoninus Pius als letzter Adoptivkaiser nach. Als v.a. von Epiktet beeinflusster
Philosophenkaiser
sticht Mark Aurel aus der Reihe römischer Herrscher heraus, seine in griechischer Sprache verfassten und bis in die Gegenwart hinein bekannten
Selbstbetrachtungen
(
Τὰ εἰς ἑαυτόν
) gelten als das letzte große Werk der jüngeren Stoa. Berichtet wird, dass der junge Mark Aurel bereits mit zwölf Jahren den bescheidenen und entbehrungsreichen Lebensstil eines Philosophen annahm.
Cicero
Die meisten Schriften aus dem umfangreichen Werk Ciceros (vgl. I § 60) sind mehr oder weniger von moralphilosophischen Inhalten durchsetzt, eigens hervorzuheben sind jedoch v.a.
De officiis
(vgl. I § 200 a; II § 205), die
Tusculanae disputationes
sowie
De finibus bonorum et malorum
. Neben den beiden in der
Anweisung
explizit genannten Schriften
Laelius
und
Cato maior
(vgl. I § 146) sei auch der nur fragmentarisch erhaltene Dialog
Hortensius sive de philosophia
erwähnt, dessen Lektüre in der Entwicklung Augustins (vgl. II § 19) eine besondere Rolle gespielt hat (vgl. Aug. conf. III 4).
Seneca
Der der Stoa nahestehende Philosoph und Nero-Erzieher Lucius Annaeus Seneca d. J. (1. Jh.) hat ein weitgespanntes Werk hinterlassen, aus dem die philosophischen Schriften und aus diesen die 124 Briefe umfassenden
Epistulae morales ad Lucilium
hervorragen. Darüber hinaus sind auch die
Dialoge
moralphilosophisch zu lesen. Als Ethiker wurde Seneca auch in christlichen Kreisen (Tertullian, Laktanz, Augustin) geschätzt.
Hutcheson
Der in Irland geborene Philosoph Francis Hutcheson (1694–1747), nach dem Studium in Glasgow zunächst Prediger und Leiter einer Privatakademie in Dublin, dann Professor für Moralphilosophie in Glasgow, ist ein Vertreter der schottischen Aufklärung, sein Hauptinteresse galt der Ökonomie und der Ethik. Hutcheson zählt in vielerlei Hinsicht zu den Wegbereitern des englischen Utilitarismus und wurde u.a. von Kant kritisch rezipiert. Zu seinen moralischen Schriften zählen
Inquiry into the Origin of Our Ideas of Beauty and Virtue
(1725) mit dem berühmten handlungsleitenden Prinzip
the greatest Happiness for the greatest Numbers
, und
An Essay on the Nature and Conduct of the Passions and Affections, with Illustrations upon the Moral Sense
(1728). Sein Hauptwerk ist das posthum erschienene und von Lessing ins Deutsche übersetzte
System of Moral Philosophy
(1755). Hutcheson zufolge kommt dem sittlichen Gefühl (
moral sense
) besondere Bedeutung zu, da nur durch dieses Gefühl Tugend und eine Bewertung derselben ermöglicht wird.
Shaftesbury
Der in seiner Jugend von John Locke (1632–1704) nach den Grundsätzen der englischen Aufklärung erzogene Anthony Ashley Cooper (1671–1713), ab 1699 dritter Earl of Shaftesbury, ist als englischer Politiker und europaweit äußerst einflussreicher Moralphilosoph hervorgetreten. Wie nach ihm Hutcheson rechnet auch Shaftesbury mit einem ethisch belastbaren
moral sense
und wendet sich mit seiner auf die Harmonie zwischen dem Menschen als Individuum und sozialem Wesen zielenden Lehre gegen den psychologischen Egoismus eines Thomas Hobbes (1588–1679). Als moralphilosophisches Frühwerk ist das ohne seine Einwilligung von John Toland (1670–1722) veröffentlichte
An Inquiry concerning Virtue and Merit
(1699) zu nennen, aufschlussreich sind daneben auch
Sensus Communis
(1709) und
The Moralists
(1709) sowie
Soliloquy
(1710).
Smith
Der während des Studiums in Glasgow von Hutcheson beeinflusste Adam Smith (1723–1790) übernahm bereits in jungen Jahren ebenda eine Professur für Logik und kurz darauf in Nachfolge Hutchesons auch für Moralphilosophie. 1763 legte er seine Professur zugunsten einer lukrativeren Stelle als Privatlehrer nieder und begleitete seinen adligen Schützling auf einer mehrjährigen Bildungsreise durch Europa. Nach seiner Rückkehr verbrachte er etwas über zehn Jahre in seiner Heimatstadt Kirkcaldy, bevor er 1778 zum Zollkommissar von Schottland ernannt wurde. Bekannt ist Smith v.a. für
An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations
(1776), bis heute ein wirtschaftswissenschaftliches Grundlagenwerk, in moralphilosophischer Hinsicht ist v.a.
The Theory of Moral Sentiments
(1759) zu nennen, in der der Sympathie oder dem Mitgefühl eine konstitutive Rolle innerhalb der Moraltheorie zugewiesen wird.
Ferguson
Nach dem Studium in Saint Andrews war der Historiker und Philosoph Adam Ferguson (1723–1816) zunächst als Militärpfarrer tätig und wurde nach kürzeren Anstellungen als Bibliothekar und Privatlehrer im Jahre 1759 Professor für Naturphilosophie in Edinburgh, fünf Jahre später erfolgte der Wechsel auf die Professur für
pneumatics and moral philosophy
. Diese legte er 1785 nieder und widmete sich v.a. der Überarbeitung seiner Vorlesungen. Neben der dreibändigen
History of the Progress and Termination of the Roman Republic
(1783) fand v.a. Fergusons
Essay on the History of Civil Society
(1767) große Beachtung. Mit Blick auf die Moralphilosophie sind die auch an deutschen Universitäten als Lehrbuch verwendeten
Institutes of Moral Philosophy
(1769) sowie das aus seinen Vorlesungen hervorgegangene Werk
Principles of Moral and Political Science
(1792) zu nennen, das schnell auch in deutscher Übersetzung (1796) vorlag.
Paley
Akademisch ist der Philosoph, Theologe und anglikanische Geistliche William Paley (1743–1805), Student und später auch Dozent am
Christ College
(Cambridge), als dem teleologischen Gottesbeweis (Uhrmacher-Analogie) verpflichteter Vertreter der
theologia naturalis
und Apologet hervorgetreten. Mit den aus seinen Vorlesungen zu John Locke (1632–1704) u.a. hervorgegangenen
Principles of Moral and Political Philosophy
(1785), einem der einflussreichsten philosophischen Werke der englischen Aufklärung, zählt Paley auch zu den bedeutendsten Moralphilosophen seiner Zeit. Dieses Werk erlebte zu Paleys Lebzeiten 15 Auflagen und wurde 1787 von Christian Garve ins Deutsche übersetzt.
206.
So wie man die Philosophie nach den verschiedenen Sachen abgetheilet hat, die man darin untersucht: so auch nach der verschiednen
Art
der Untersuchung (§.
172
). Es läßt sich eine Wissenschaft der allgemeinen Eigenschaften der Dinge denken, die lauter nothwendig wahre Sätze enthält, wo also die Beweise nur aus Begriffen geführt, und diese so lange entwickelt werden müssen, bis man auf Sätze kommt, deren Gegentheil undenkbar ist. Dies ist, was man
wissenschaftliche
oder
scientifische
,
systematische
oder auch
speculative Philosophie
nennt, die den Namen einer Wissenschaft im strengsten Verstande verdient, und deren eigentlicher Zweck völlige
Gewißheit
Gewißheit ist. Eine jede andre Philosphie würde mehr oder weniger
gemeine
oder
populäre
Philosophie seyn, je nachdem sie sich mehr oder weniger mit sinnlichen Dingen beschäftigte, mehr oder weniger sich der
Induction
Induction oder der
Analogie
Analogie bediente, mehr oder weniger die Begriffe entwickelte.
Zu dieser letztern Art gehört das, was einige die
Philosophie der gesunden Vernunft
, oder
des schlichten
Menschenverstand
Menschenverstandes
nennen, welche denn keine andere Sätze oder Urtheile enthalten könnte, als solche, deren Wahrheit oder Richtigkeit unmittelbar,
d. i.
ohne weitere Entwickelung der Begriffe eines Satzes und ihres Verhältnisses, klar ist; denn was ist der
gemeine
Menschenverstand
(sensus communis, richtiger: der
gemeine
Wahrheitssinn
Wahrheitssinn
) anderes, als das Vermögen oder vielmehr die Fertigkeit der Seele, die Richtigkeit eines Satzes unmittelbar zu erkennen?
207.
Man sollte gegen keine dieser Arten der Philosophie und gegen den unstreitigen Nutzen ungerecht seyn, welchen die eine wie die andere leisten kan. Man hat 1) Ursach, das Studium der Philosophie immer allgemeiner zu machen, und den Gebrauch des Nachdenkens bey jedermann zu befördern. Nachdenken kan jeder lernen, aber zur eigentlichen
Speculation
Speculation sind nur wenige fähig und aufgelegt. 2) Auch giebt es nur wenig Sätze, die streng demonstrirt werden können; der allergrösseste Theil unserer Kenntnisse beruhet auf Vermuthung, Wahrscheinlichkeit, höchstens auf morali scher
Gewißheit
Gewißheit, und wir bedürfen dieser weit häufiger als der ganz eigentlich allgemeinen Wahrheiten; wenigstens vertritt bey den nothwendigsten allgemeinen Sätzen der Wahrheitssinn hinlänglich die Stelle der reinen Vernunft. 3) Je abgezogner ein Satz ist: je weniger lassen sich aus ihm besondre Erfindungen erklären, und je mehr man sich an Speculation und Vereinfachung der Begriffe gewöhnt: je schwerer hält es, aus dieser höhern Gegend sich wieder zu den gemeinen menschlichen Angelegenheiten herabzulassen, sich an die Entdeckung der Mit- und Zwischenursachen zu gewöhnen, und überhaupt seine Kenntnisse anwendbar zu machen: je leichter verfällt man auch auf die
Einbildung
Einbildung, Dinge erklären zu können, die man nicht erklären kan, und bekümmert sich zu wenig um das Besondere oder Eigenthümliche einer Sache, ohne dessen Kenntniß keine wirkliche Erklärung derselben möglich ist.
Auf dieses letzte gründet sich der gar nicht ungerechte Vorwurf, welchen man denjenigen gemacht hat, die sich ganz der speculativen Philosophie widmeten, daß sie oft auf ganz unbeträchtliche und unfruchtbare Fragen verfielen, und sich oder Andre mit leeren Wörtern abspeiseten; daß sie sich zu sehr zur Zweifelsucht oder im Gegentheil zur Demonstrirsucht neigten; und überhaupt mit ihren Kenntnissen zu unfruchtbar für das gemeine Leben, und zu unfähig zu eigentlichen Geschäften würden.
208.
Wenn sich denn nun auch 4) viele Sätze nicht bis zur vollkommnen Evidenz oder zur reinen Vernunftkenntniß erheben liessen: so verdienen sie deswegen nicht aus dem Gebiete der Philosophie verbannt zu werden. Man hat Beyspiele genug, daß manche unevidente Sätze mit der Zeit bis zur
Evidenz
Evidenz gebracht worden sind. Man gönne ihnen also einen kleinen Platz in der Philosophie, bemerke es nur, daß sie mit evidenten Sätzen nicht gleichen Rang haben, und hebe sie für künftige Untersuchung auf, wodurch sie vielleicht in der Zukunft klärer werden können. 5) Bedarf es denn auch überall der demonstrativen Gewißheit? In den meisten Fällen kommen wir mit Wahrscheinlichkeit aus, in den wichtigsten Angelegenheiten fehlt es an moralischer Gewißheit dem nicht, wer sie mit Fleiß sucht, und bey dieser und jener ist für unsre Glückseligkeit so gut, wie durch den gemeinen Wahrheitssinn, gesorgt, der, wo uns reine Vernunft abgeht, ihre Stelle vertritt, und uns selten irre führt. Bey Dingen, wo es auf moralisches Verhalten ankommt, ist moralische Gewißheit und Gefühl der Wahrheit immer zureichend. Moralische Uebungen erfordern sogar unevidente Kenntnisse.
*)
Laßt uns endlich nicht vergessen, daß wir hier im Stande der Kindheit leben, und als gute Kinder des besten Vaters, mit unsern Umständen zufrieden seyn, nicht klagen, wenn er uns unsre unzeitige Fragen nicht beantwortet, so weit gehen, als wir kommen können, und, wo wir nicht weiter können, uns an das halten, was wir wissen, mit aller Treue auch seinen blossen Winken folgen, versichert, daß, wenn er unsern Fleiß jetzt nicht durch Erfüllung
unsre
Wünsche belohnte, unser Wünschen thöricht
waren
, und es unser Unglück gewesen seyn würde, wenn er sie uns jetzt gewährt hätte.
*)
S.
Töllner, Johann Gottlieb
J. G. Töllner
wahre Gründe, warum Gott die Offenbarung nicht mit augenscheinlichen Beweisen versehen hat,
S.
154
f.
J. G. Töllner wahre Gründe, warum Gott die Offenbarung nicht mit augenscheinlichen Beweisen versehen hat, S. 154 f.
Diese Untersuchung Johann Gottlieb Töllners (1724–1774) zerfällt in zwei Teile (1764/1766). Der zweite Teil trägt den Titel
Beweis, daß Gott die Menschen bereits durch seine Offenbarung in der Natur zur Seligkeit führt
.
209.
So schätzbar übrigens auch
Gewißheit
Gewißheit
ist, eben so unentbehrlich ist zu unserer
Glückseligkeit
Glückseligkeit 6) der
Eindruck
, den unsre Erkenntniß macht, oder die
Wirksamkeit
der Erkenntniß. Dazu ist keine vollkommene
Evidenz
Evidenz nöthig, bey der ohnehin das Herz sehr kalt bleiben kan, sondern anschauende, also sinnliche Erkenntniß. Weil nun populäre Philosophie sich weit weniger vom Sinnlichen entfernt, und mehr auf Empfindung und Einbildungskraft wirkt, als speculative, die sich mit Bearbeitung des Verstandes und übersinnlicher Erkenntniß beschäftigt: so befördert jene weit mehr, oder sie eigentlich allein, das Leben und die Thätigkeit der Erkenntniß. – Dieses gilt besonders 7) bey Geschäften des menschlichen Lebens, wo
Weisheit
und
Klugheit
mehr werth ist, als eigentliche
Wissenschaft
. Jene erfordern
praktischen
Beobachtungsgeist
Beobachtungsgeist
,
d. i.
Fähigkeit oder Fertigkeit, die Umstände, unter welchen man zu handeln, und die Menschen, die man zu lenken hat, durchzuschauen, und
praktische
Beurtheilungskraft
Beurtheilungskraft
d. i.
Fähigkeit oder Fertigkeit, in den einzlen Vorfällen das Rathsamste gleich zu erkennen und anzuwenden. Diesen ist speculative Philosophie nicht günstig. Denn sie beschäftigt sich mehr mit dem Möglichen als Wirklichen, und zieht den Blick zu sehr vom Gegenwärtigen und der wirklichen Lage der Sachen, und von der so mannichfaltigen individuellen Menschenkenntniß ab; sie sucht Einen Gegenstand, oft nur Eine Seite desselben, zu
ergründen
, anstatt mehrere Sachen auf einmal, und sie zugleich von mehrern Seiten
anzuschauen
; gewöhnt zu sehr an Beschäftigung mit dem gegenwärtigen Gegenstand der Betrachtung, als daß sie lebhafte Vorstellung des Künftigen, welches die Weisheit und Klugheit immer mit in Anschlag nehmen muß, befördern sollte; gewöhnt zu langsamen Entwickeln und Zergliedern, und hindert also den schnellen Blick und die augenblickliche Entschliessung, macht verlegen und unentschlüßig.
Man hat oft darauf gedrungen, die Philosophie zur
Philosophie des Lebens
oder
der Welt
zu machen. Wenn das so viel heißt, sie, unbeschadet ihrer Gründlichkeit, immer brauchbarer für das menschliche Leben und für die geschickteste Art des Betragens, auch in einzeln Fällen, zu machen: so ist dagegen nichts einzuwenden. Auch ist es die Pflicht eines jeden, sich Weisheit und Klugheit zu erwerben,
d. i.
die Fertigkeit, das Beste,
was
in einzeln Fällen zu thun, und
wie
es aufs beste auszuführen sey, zu finden. Aber dieses kan in keine Wissenschaft gebracht wer den, weil sich ganz allgemeine Sätze nicht aus blosser Beobachtung herleiten lassen, und weil die einzle Umstände die Lage, in der man zu handeln hat, zu mannichfaltig, und ein sehr verschiedenes Verhalten nothwendig machen. Ohnehin kommt das Meiste bey Weisheit oder Klugheit auf Uebung unsrer Fähigkeiten und auf das Hinlenken unsrer Aufmerksamkeit und unsers Verstandes auf menschliche Angelegenheiten an. Eine Sammlung von praktischen
Maximen
Maximen würde nicht nur keine zusammenhängende Wissenschaft seyn, sondern auch zu viel Halbwahres enthalten, das im Handeln selbst oft genug keine Anwendung litte.
210.
Die bisher erwehnten grossen Vorzüge der populären Philosophie, nebst der Anwendung der wissenschaftlichen Philosophie da, wohin sie nicht gehörte, ihrem Mißbrauch zur Bestreitung mancher dem Menschen theuern Grundsätze, und die Allgenügsamkeit metaphysischer Pedanten, haben der populären Philosophie, vornemlich zu unsrer Zeit, grosse Achtung erworben, und der wissenschaftlichen eine zu schnöde Verachtung zugezogen. Unsere
Zeitumstände
Zeitumstände tragen das Ihrige dazu bey. Man wird sich darüber nicht wundern, wenn man weiß, wie sehr sich zu unsrer Zeit der Fleiß in Untersuchung der sichtbaren Natur und die Vorliebe zu diesem Studium ausgebreitet habe; wie allgemeiner, auch unter Unstudierten, Begierde nach
Aufklärung
Aufklärung und Leserey worden sey, und wie sehr, bey dieser Menge derer, die auch mitreden wollen, bey der Seltenheit spe culativer Köpfe, und bey dem Gefühl der mehrern Leichtigkeit und des grössern Bedürfniß des Raisonnements über vorkommende Dinge, als tiefsinniger Untersuchung, der Geschmack an dem habe zunehmen müssen, was gemeinnützig scheint, und unmittelbaren Nutzen zeigt; wie sehr endlich der französische Geschmack und Literatur auf unsre Nation gewirkt habe. – Alles dieses muß die Besorgniß erregen, ob nicht diese an sich sehr gerechte Liebe zur populären Philosophie in Gleichgültigkeit gegen
Wahrheit
Wahrheit und
Gewißheit
Gewißheit menschlicher Erkenntniß, gegen das Unsichtbare überhaupt, und somit gegen das, was nicht unmittelbar Nutzen zeigt, ausarten möchte.
211.
Und doch verdient die wissenschaftliche Philosophie eine solche Gleichgültigkeit, oder gar Verachtug, gewiß nicht. 1) Schon das, was den Menschen über die Thiere erhebt, was ihn allein für den Mangel mancher feinen Empfindung entschädigt, darin ihn viele Thiere übertreffen, und ihn gegen die Gefahr sichert, der ihn seine sinnliche Vorstellungen und Begierden aussetzen, nemlich das Vermögen, seine Vorstellungen zu verdeutlichen, und in ihre feinere Bestandtheile ausfzulösen, auch seine Wahl bis nach deutlicher Untersuchung aufzuschieben, zeigt, daß seine Erkenntniß der Natur um so vollkommner sey, je deutlich entwickelter sie ist, und empiehlt eine Wissenschaft, die ganz eigentlich ihn dahin führen soll. 2) So fern man in der Philosophie
allgemeine
Grundsätze
Grundsätze aufsucht, die wir hernach in einzlen Fällen mit Sicherheit anwenden können, giebt die populäre Philosophie keine durchgängige Sicherheit. Völlige Allgemeinheit kan nur aus
Begriffe
Begriffen
erkannt werden, Induction und Analogie zeigt nicht das ganz Allgemeine; gleichwohl nimmt die populäre Philosophie diesen letztren Weg, so wie die wissenschaftliche sich stets an Begriffe hält, und darauf die Allgemeinheit ihrer Sätze gründet. Ueberdies, da jeder, der auf jene Art philosophiret, seine Beobachtungen aus dem Kreise herausnimmt, der ihn am meisten anzieht, und mit dem er am meisten bekannt ist, und da die Absicht bey dieser Art von Philosophie Gemeinnützigkeit ist: so gewöhnt man sich, die Dinge zu einseitig oder nur nach besondern Verhältnissen, insbesondre den Menschen nur, oder doch am meisten nach der Lage, in der
wir
ihn sehen, oder die
uns
eigentlich intereßirt, zu betrachten, und daher vieles zu übersehen oder gar zu verachten, was doch zur
allgemein
richtigen Beurtheilung erfordert wird.
Um sich von der Richtigkeit dieser letztern Bemerkung zu überzeugen, darf man nur, besonders bey der sogenannten Philosophie des Lebens und des gemeinen
Menschenverstand
Menschenverstandes, auf die sehr verschiedenen Begriffe des Staatsmannes, des Gelehrten und des gemeinen Mannes von dem, was zur
Glückseligkeit
Glückseligkeit des Menschen gehört, und von dem Werth der Dinge, Acht geben. Daher die Zufriedenheit mit unbestimmten Sätzen, das Halbwahre in so vielen moralischen Maximen, die allgemeinen Machtsprüche, vor nemlich derer, die sich vorzüglicher Menschenkenntniß rühmen, die allgemeine Abfertigung gewisser Behauptungen oder Handlungen mit Urtheilen, die nur
gemeiniglich
wahr sind.
209
212
.
Man spricht
auch
öfters von einer
Philosophie der gesunden Vernunft
, oder, etwas bestimmter
ausgedruckt
ausgedrückt
, des
bloßen
Menschenverstand
Menschenverstandes
, und von einer
Philosophie des Lebens
, oder
der Welt
, und empfiehlt sie so, als wenn sie das Studium der eigentlichen bisher beschriebenen Philosophie entbehrlich machte, oder wenigstens ihren Abgang gar wohl ersetzen könnte. – Wenn man sich die Begriffe davon deutlich zu machen sucht, um nur erst zu wissen, was diese Empfehlung eigentlich sagen
solle:
solle;
so
kan
kann
doch der
gemeine Menschenverstand
(sensus communis),
oder
richtiger:
der gemeine
Wahrheitssinn
Wahrheitssinn
, anders nichts seyn, als das Vermögen, oder vielmehr die Fertigkeit der Seele, die Richtigkeit eines Urtheils unmittelbar,
d. i.
ohne weitere Entwickelung der Begriffe eines Satzes und ihres Verhältnisses, zu erkennen; und alsdann könnte eine solche Philosophie keine
andre
andere
, als
so
so
erkannte
Sätze,
Sätze
enthalten. Würde dann dieses Vermögen in Absicht auf
praktische
Sätze und
bey
bei
Bestimmung dessen, was
rechtmäßig
ist,
betrachtet:
betrachtet,
so würde es das seyn, was man
moralisches
Gefühl
Gefühl
oder
Gewissen
Gewissen
, als bloße Empfindung genommen, zu nennen pflegt. Allein
Augenscheinlich zeigt sich 3) der grosse Werth der wissenschaftlichen Philosophie, wenn man auf
Gewißheit
Gewißheit
der Erkenntniß ausgeht, ohne welche die Philosophie eine sehr unzuverläßige Führerin bey Untersuchungen und Handlungen ist.
Gewiß
ist das, wovon das Gegentheil (schlechthin oder unter gewissen Voraussetzungen) undenkbar ist; aber eben die
Denkbarkeit
Denkbarkeit oder Möglichkeit ist der Gegenstand der wissenschaftlichen Philosophie. Ob etwas denkbar sey, kan anders nicht als durch Entwickelung der Begriffe gefunden, und der Zweifel nicht
völlig
gehoben werden, ehe nicht der streitige Satz bis auf solche Sätze und Begriffe zurückgeführt ist, die keine weitere Entwickelung leiden. Wenn denn auch die Untersuchung sich, wie in den meisten Fällen, nicht bis zu nothwendig wahren Sätzen treiben läßt: so kan doch die verschiedene Abstufung der Wahrheit, oder die mehrere und wenigere Annäherung eines Satzes an das Undenkbare, mit einem Wort, das Wahrscheinlichere, anders nicht beurtheilt werden, als nach der möglichsten Verdeutlichung der Begriffe von den streitigen Sachen.
Anm.
1. Wer dieses leugnen wollte, der müßte auch leugnen, daß man mit
bewafneten Augen mehreres in einer Sache und ihre wahre Gestalt besser sehen könne, als mit blossen Augen; daß man nach einem deutlich abgetheilten Maaßstab sicherer messen könne, als nach dem blossen Augenschein; daß ein
Scheidekünstler
Scheidekünstler mehr von den Bestandtheilen und der wahren Natur der Mineralien entdecken könne, als ein Andrer durch das blosse Beschauen.
Anm.
2. So sicher uns in vielen Fällen der
Gemeinsinn
, (§.
206
Anmerk.
) und bey Bestimmung dessen, was Recht ist, das
moralische Gefühl
, leitet,
so sehr wir Ursach
haben
haben,
gegen die
Speculation
Speculation mißtrauisch zu werden, wenn sie einem
von
bon
beyden
beiden
widerspricht;
widerspricht,
so
große
grosse
Dienste uns
der Wahrheitssinn und das moralische Gefühl leistet
beyde thun
, wenn wir nicht lange untersuchen können,
oder,
oder
wenn es uns unmöglich ist, auf deutliche Begriffe zu kommen: so haben sie doch 1) nur einen sehr eingeschränkten Nutzen,
nemlich
nämlich
nur in den Fällen, wo das Verhältniß des einen Begriffs in einem Satz gegen den andern Begriff sehr nahe ist, oder auf unsern beständig
einerleyen
sich gleichbleibenden
Erfahrungen
Erfahrungen be ruht, oder wo zwischen einander gerade entgegengesetzten oder sehr einfachen Sätzen, nicht aber, wo zwischen
vielerley
vielerlei
oder zwischen sehr zusammengesetzten Sätzen entschieden werden
soll.
soll;
2)
Und
und
dennoch
2)
können sie
beyde
beide
trügen,
theils
,
theils
weil sie zwar auf beständigen, aber oft nur
einartigen
einseitigen
Erfahrungen
beruhen,
beruhen
(wie
z. B.
bey
bei
Einwohnern der
heissesten
heißesten
Erdstriche, die nie die Verdichtung des Wassers durch Kälte wahrgenommen
haben,)
haben),
theils
, weil sich unvermerkt Vorurtheile des Temperaments, der Erziehung
u. d. gl.
u. dergl.
einmischen. Natürlich
kan
kann
dieser
Fehler nur durch Verdeutlichung der Begriffe entdeckt, und ihm abgeholfen werden, wodurch sich
dann
denn
auch zeigt, wie das Wahrheits- oder moralische Gefühl auf Abwege gerathen
sey;
jener
sei.
Jener
Fehler aber ergiebt sich nur aus neuen Erfahrungen, die zwar von dem Irrthum zurück bringen, aber doch noch auf keine
vollständige
Induction
schließen
laßen
lassen
. 3) Ueberhaupt aber führt dieser Sinn und dieses
Gefühl
Gefühl auf keine
allgemeinen
Sätze, die wir in der Philosophie nöthig haben, es
sey
sei
denn daß es analytische Sätze,
d. i.
solche wären, wo das Prädicat schon in dem Subject eingewickelt liegt.
schliessen lassen.
bewafneten Augen
Gemeint sind optische Hilfsmittel (Mikroskope, Ferngläser u.Ä.), die im Zuge ihrer Entwicklung im 17. und 18. Jh. zu einer massiven Erweiterung des Spektrums sinnlicher Erfahrungen und so zu einer veränderten Wahrnehmung der Welt führten.
Scheidekünstler
D.i. ein Chemiker.
210.
Eine ähnliche
Bewandniß
Bewandtniß
hat es mit der
Philosophie des Lebens
oder
der Welt
. Heißt diese so viel als
Erfahrungsphilosophie
Erfahrungsphilosophie, im Unterschiede von der Philosophie der reinen Vernunft, oder
heißt sie
meint man
gar nur
der
den
Inbegriff von solchen allgemeinen Sätzen, die unmittelbar im Handeln
können
angewendet werden
können
: so muß
bey
bei
Beurtheilung ihres Werthes und ihrer Unzulänglichkeit dasjenige in Anschlag kommen, was oben hin und wieder über den Werth und
die
Nothwendigkeit der
reinen
sowohl als aller
theore
tischen
Philosophie gesagt worden ist; nicht zu gedenken, daß diese
Lebensphilosophie
Lebensphilosophie im letztern Sinne gar keine Wissenschaft seyn
kan
kann
, sondern eine bloße Sammlung
ohngefehr
ohngefähr
zusammengeschichteter Sätze, die weder Haltung haben, noch allgemeine Sicherheit in der Ueberzeugung geben. – Soll aber Philosophie des Lebens eine Anweisung zur
Weisheit
Weisheit und
Klugheit
Klugheit
seyn:
seyn,
so ist es zwar die
Pflicht
Pflicht eines
jeden
Jeden
, sich
beyde
beide
zu erwerben,
d. i.
die Fertigkeit, das Beste zu finden,
was
in einzelnen Fällen zu thun, und
wie
es aufs
beste
Beste
auszuführen
sey
sei
. Aber dieses
kan
kann
in keine Wissenschaft gebracht werden, weil sich allgemeine Sätze nicht aus bloßer Beobachtung abziehen
laßen
lassen
, und weil die einzelnen Umstände, die Lage, in der man zu handeln hat, zu mannichfaltig
sind
, und ein sehr
verschiednes
verschiedenes
Verhalten nothwendig machen. Eine Sammlung von praktischen
Maximen
Maximen würde nicht nur keine zusammenhängende Wissenschaft seyn, sondern auch zu vieles Halbwahre enthalten, das im Handeln selbst oft keine Anwendung litte. Weisheit und Klugheit erfordern vielmehr
praktischen
Beobachtungsgeist
Beobachtungsgeist
,
d. i.
Fähigkeit oder Fertigkeit,
die Umstände,
unter welchen man zu handeln, und die Menschen, die man zu seinen Absichten zu lenken hat,
durchzuschauen
zu durchschauen
, und
praktische
Beurtheilungskraft
Beurtheilungskraft
,
d. i.
Fähigkeit oder Fertigkeit, in den einzelnen Vorfällen die besten Mittel gleich zu erkennen und anzuwenden. Dazu wird Anlage, Fleiß und Uebung erfordert, ohne die selbst alle Wissenschaft uns nichts zu
unsrer
unserer
wirklichen Glückseligkeit hilft;
lehren läßt
sie
sich,
als eine eigentliche
Wissenschaft, nicht
Wissenschaft zu lehren, minder unmöglich seyn
.
Anm.
Da indeß viele, selbst unter den Studierenden, zur
Speculation
Speculation und tiefern Ergründung selbst moralischer Materien nicht geeignet sind, auch außerdem gerade die moralischen Wahrheiten ein sehr allgemeines Interesse haben, so sind auch populäre Bearbeitungen der Moral, wenn sie nur von richtigen Principien ausgehen und eine
reine
Sittenlehre predigen, nicht zu verachten, und mehrere derselben enthalten, namentlich für den praktischen Religions- und Sittenlehrer, reiche Materialien. Dieß gilt
z. B.
von Werken, wie
Basedow, Johann Bernhard
J. B. Basedow's
praktische Philosophie für alle Stände. Leipzig 1777.
Gellert, Christian Fürchtegott
C. F. Gellert's
moralische Vorlesungen. Leipzig 1770.
Bahrdt, Carl Friedrich
K. F. Bahrdt's
Moral für alle Stände. Berlin 1797.
, desgleichen viele der besten Wochenschriften, namentlich der
Zuschauer
,
a. d. Engl.
, und solche Schriften, welche auf einzelne Stände, auf Geschlecht und Alter Rücksicht nehmen.
A. d. H.
Zuschauer, a. d. Engl.
Der von Joseph Addison (1672–1719) und Richard Steele (1672–1729) herausgegebene
Spectator
war eine zwischen 1711 und 1712 täglich erscheinende Zeitschrift (insgesamt 555 Nummern zusammengefasst in sieben Bänden), die sich an das moralphilosophisch interessierte Bildungsbürgertum richtete. 1714 wurde der
Spectator
von Addison wiederbelebt und erschien nun über einen Zeitraum von sechs Monaten dreimal pro Woche (zusammengefasst in acht Bänden). Unter den hunderten, meist kurzlebigen moralischen Wochenschriften des 18. Jh.s nimmt
The Spectator
– zusammen mit dem Vorläufer
The Tatler
(1709–1711) und dem Nachfolger
The Guardian
(1713) – als Prototyp eine herausgehobene Stellung ein. Zwischen 1739 und 1744 erschien die von Luise Adelgunde Victorie Gottsched (1713–1762) besorgte deutsche Übersetzung
Der Zuschauer
.
213.
Wenn denn nun gleich diese wissenschaftliche Philosophie nicht alles ins Reine bringen und beantworten kan, was man von ihr völlig aufgeklärt wünschen möchte: so hat sie doch auch, wenn man sie gehörig treibt, 4) einen grossen Einfluß auf die Bildung unsrer
Denkungsart
Denkungsart und
Character
Characters. Sie gewöhnt zur
bedächtigen
und
reifen
Ueberlegung, auch der Kleinigkeiten, die ins Ganze sehr wichtig werden können, und ist in so fern ein Zaum der so gern ins Wilde gehenden Imagination und der Flüchtigkeit im Denken, sie kan selbst den Geschäftmann (
τον πραγματικον ἀνδρα
) zur Genauigkeit im Denken (justesse d'Esprit), und zu nüchterner Untersuchung bilden. Sie gewöhnt an Beschäftigung mit unsichtbaren Dingen, mit Religion, Tugend, innerer Kenntniß des Menschen, und hemmt den Hang zur
Sinnlichkeit
Sinnlichkeit. Sie befördert, indem sie an bedächtige Untersuchung und Verdeutlichung der Begriffe gewöhnet, eine gewisse Ruhe des Geistes. Und, wenn man ihr vorwirft, sie führe auf unnütze, unentscheidbare Fragen, und zuletzt auf leere Wörter, so vergißt man dabey, daß dieses Urtheil nur denn erst wahr gemacht werden kan, wenn man sich an Verdeutlichung der Begriffe gewöhnt hat, und daß eben sie durch Auflösung der Fragen in ihre einfachsten Theile zeige,
ob ob
eine Frage unstatthaft und unbeantwortlich sey.
*)
*)
S.
Mendelssohn, Moses
Moses Mendelssohns
Morgenstunden
S.
115
folgg.
und in den Zusätzen
S.
XX
folgg.
Es läßt sich aus dem bisherigen erklären, warum, bey Verachtung dieser Philosophie, Genügsamkeit an seichter Erkenntniß und oben abgeschöpfter Menschen- und Weltkenntniß, der Hang wegzulachen, was man nicht wegbeweisen kan,
Schwärmerey
Schwärmerey allerley Art, zum Theil auch Eckel an ernsthaften Untersuchungen, und besonders an der Religion, überhand nehme, und wie allen diesen Ausschweifungen durch fleißiges Studium der wissenschaftlichen Philosophie vorgebeugt werden könne.
Moses Mendelssohns Morgenstunden S. 115 folgg. und in den Zusätzen S. XX folgg.
Die
Morgenstunden oder Vorlesungen über das Daseyn Gottes
(1785) sind mitsamt den
Anmerkungen und Zusätzen
in nur einem Band erschienen. In Fortsetzung der vorangegangenen Vorlesung finden sich in Vorlesung VII. (aaO 114–132) der
Streit des Idealisten mit dem Dualisten
sowie Überlegungen zum Zusammenhang von
Wahrheitstrieb und Billigungstrieb
. In den
Anmerkungen und Zusätzen
, XX–XXXVI finden sich umfangreiche Erörterungen zu der auf S. 118 als unzulässig klassifizierten Frage nach dem Urbild aller sinnlichen Eigenschaften.
§.
211
214
.
Es
Was übrigens die
Methode des philosophischen Studiums
betrifft, so
läßt sich
auch
überall
nicht philosophiren, wenn man nicht den nöthigen
Stoff
Stoff
hat, den man läutern und verarbeiten will. Daher
wäre es sehr gut, wenn
sollten
Wägt man die Vortheile
unpartheyisch
unpartheyisch gegen einander ab, welche die
wissenschaftliche
und
populäre
Philosphie gewährt: so findet man gewiß, daß beyderley Philosphie mit einander verbunden zu werden verdiene;
jene
, vornemlich wenn es um Wahrheit und um bündige Ueberzeugung davon zu thun ist,
diese
, wenn die
Ueberzeugung
Ueberzeugung anschaulich und wirksam auf Herz und Leben, und das Erkannte recht anwendbar werden soll. Man kan den Stoff nicht läutern und verarbeiten, wenn man ihn nicht zuvor gesammlet hat, und man kan ihn nicht gehörig anwenden, wenn man ohne
Regeln
Regeln verfährt. Es wäre daher rathsam, daß
junge Studierende
frühzeitig, besonders auf Schulen,
erst
auf Beobachtung der physischen und moralischen Natur, auf den
Menschen,
Menschen
und die Vorfälle in der Welt, auf Ursachen und Folgen der
Dinge
Dinge, beim Sprachstudium aber auf die Formen des Denkens und die Verhältnisse und Begriffe
aufmerksam gemacht, zur Reflexion gewöhnt
würden
, und dazu
besonders
bey
bei
dem
das
Lesen
classischer
claßischer
classischen
Schriftsteller und
dem
das
Studium der Geschichte
geleitet
würden
werden
besonders angewendet werden möchte
.
Hätten
Haben
sie so sich
geübt
vorgeübt
, und einen guten Vorrath von Kenntnissen
gesammlet, alsdenn müßten
gesammelt, so müssen
sie zu den Regeln des Denkens angeführt, und durch bedächtiges Fortschreiten von dem Einfachern zum Zusammengesetztern, zu deutlicher Untersuchung gewöhnt werden.
Hätte
Hat
man ihnen nachher
Wenn sie so
zugleich eine
gute
zusammenhängende
allgemeine
Uebersicht der wissenschaftlichen Philosophie
beygebracht
bekommen hätten
beigebracht
, so
wüßten
wissen
sie nicht
nur
nur,
was die gründlichsten Forscher
ausgekörnt,
ausgekörnt
und
bewährt befunden
hätten,
haben, gehörig anzureihen,
sondern sie
würden
werden
auch, was sie selbst
nachgehends
durch Nachdenken oder
bey
bei
den besten Schriftstellern untersucht gefunden,
gehörig anreihen,
mit mehrerer Sicherheit prüfen, und bestimmter
ausdrucken
ausdrücken
lernen.
Anm.
Wenn man nach diesem Vorschlage 1) nicht eher
wissenschaftliche Philosophie
wissenschaftliche
, vornehmlich
speculative Philosophie
treibt, als bis man einen guten Vorrath von Begriffen
gesammlet
gesammelt
, und schon Vorübungen
angestellet
angestellt
hat: so wird man
bey
bei
jener weniger auf unfruchtbare Untersuchungen verfallen,
aber
auch,
auch
trockne Begriffe und
Untersuchungen,
Untersuchungen
aus Unwissenheit weniger für unnütz halten, und selbst durch diese weniger ermüdet werden. 2) Macht man sich alsdann ein wohl zusammenhängendes und methodisches System
bekannt:
bekannt,
so erspart man sich nicht nur manche unnöthige
eigne
eigene
Untersuchungen, und lernt, was bereits vorgearbeitet, und was noch zurück ist, sondern man verfällt auch weniger auf die Thorheit derer, die, unter dem Vorwande des
Selbstdenken
Selbstdenkens und einer
freyen
freien
Philosophie,
Philosophie
nur
Streifereyen
Streifereien
in dieses ihnen noch zu wenig bekannte Land thun, und es nie zu einem rechten Ganzen bringen,
worin
worinn
alle Theile einander Licht und Befestigung geben, und Eines durch das Andere bestimmt und berichtigt wird. Vollends
schön
philosophiren wollen, ehe man
gründlich
philosophiren gelernt hat, und
an die Verzierung des Gebäudes
zu
denken, ehe man an einen festen Grund
gedacht
gelegt
hat, ist der sicherste
Weg,
Weg
ein seichter Schwätzer zu werden. Es versteht sich aber von selbst, daß ein System, welches jene Dienste leisten soll, methodisch seyn, und nicht eher weiter fortrücken müsse, als bis der Weg zum Folgenden erst durch deutliche Begriffe gebahnt worden ist. Wer dazu keine
Geduld
Geduld, und, worin gemeiniglich dieser Fehler liegt, keinen Kopf zu deutlichen und bestimmten Begriffen, oder keinen
Geschmak
Geschmak
Geschmack
an Gründlichkeit der Untersuchungen hat, thut
freylich
freilich
besser,
besser
daß er sich mit gemeiner Philosophie begnügt, wenn er nur so viel Bescheidenheit hat, sich nicht in Sa chen mischen zu wollen, die durch bloß gemeine Philosophie nicht
entschieden werden
können
entschieden werden
.
an die Verzierung des Gebäudes denken, ehe man an einen festen Grund gedacht hat
Vgl. I § 275.
212
215
.
Uebrigens möchten
Demnach sind
die Haupterfordernisse zu einem wahrhaftig nützlichen
In dem, was bisher über wissenschaftliche und populäre Philosophie gesagt worden ist, liegt auch das, worauf man hauptsächlich bey dem
Studium der Philosophie
wohl folgende seyn.
zu sehen hat.
–
folgende:
Hinlänglicher Vorrath von Kenntnissen der Sache, die man untersuchen will. –
Stetes Trachten allein nach
Wahrheit
Wahrheit, ohne Rücksicht auf Neues, Berühmtes, Gangbares, oder was unsern Leidenschaften schmeichelt. –
Beständiges Streben nach deutlichen und bestimmten Begriffen. – Nicht
schnell zum Ziele einer Untersuchung eilen, und bald nach Resultaten
haschen.
haschen;
–
Vielmehr
vielmehr
nicht
eher weiter gehen,
als
bis man von dem deut lich überzeugt ist, was
bey
bei
der weitern Untersuchung zum Grunde liegen muß. –
Im Untersuchen stete
Stete
Verbindung der wirkenden und Endursachen. – Stete Rücksicht auf Anwendung zum
Handeln
Handeln und zu
Aufklärung
Aufklärung
anderer
der
Wissenschaften,
vornemlich
vornehmlich
derer, denen wir uns vorzüglich widmen. –
Bescheidenheit
Bescheidenheit, da stehen zu bleiben, wo wir wegen der Natur der
Sache,
Sache oder
wegen unsrer eingeschränkten Erkenntniß
, und wegen Mangel
von
an
Vorerkenntnissen,
nicht weiter können; ohne weder das zu verwerfen, was wir, jetzt wenigstens, nicht
durchzuschauen
zu durchschauen
vermögen, noch schlechthin an deren Aufklärung zu verzweifeln. – Zufriedenheit mit moralischer
Gewißheit
Gewißheit, wo es uns an höherer
Evidenz
Evidenz fehlt, und, wo uns auch
nicht einmal
jene zu erhalten
nicht
möglich ist, in praktischen Sachen, mit Wahrscheinlichkeit, und überhaupt mit möglichster Annäherung an Gewißheit. – Treue Benutzung aller Winke von Andern, zu weiterer Untersuchung.
Anm.
Methodologische
Winke und Anleitungen findet man in
Heydenreich, Karl Heinrich
K. H. Heydenreich's
encyklopädischer Einleitung in das Studium der Philosophie, nach dem Bedürfniß unsers Zeitalters. Leipzig 1793.
u.
Heusinger, Johann Heinrich Gottlieb
J. H. G. Heusinger's
Versuch einer Encyklopädie der Philosophie, nebst einer praktischen Anleitung zum Studium der kritischen Philosophie, 2 Theile. Weimar 1796.
A. d. H.
213
216
215[!]
.
Die
philosophische Literatur
, oder Kenntniß der
vornehmsten Schriftsteller, welche sich um die
Aufklärung
Aufklärung der Philosophie verdient gemacht haben, und ihre Schriften,
kan
lernt
man
schon
einigermaßen
einigermassen
, wenigstens ihrer Existenz nach,
kennen lernen aus
aus vorbenannten geschichtlichen Werken kennen; zum Theil ist sie aber auch in mehrern neuern Werken bearbeitet worden. Selbst die philosophischen
Wörterbücher
sind voll von Notizen dieser Art.
Anm.
Früherhin bediente man sich dazu
der
Bibliotheca philosophica
Struve, Burkhard Gotthelf
Struviana
- -
Struviana
–
aucta a
Kahle, Ludwig Martin
Lud. Mart. Kahlio
, Goetting. 1740.
in
2
Tomm.
in
gr.
8.
noch mehr
Vollständiger aber ist
, zumal in Absicht auf neuere
Litteratur
Literatur
und bessere Wahl der Bücher,
noch besser
aus der
die
Anleitung zur Kenntniß der auserlesenen
Litteratur
Literatur
in allen Theilen der Philosophie, von
Hissmann, Michael
Michael Hißmann
, Göttingen 1778.
8.
welche fortgesetzt zu werden verdient;
die merkwürdigsten aber in Absicht auf
einzelne
einzle
Lehrsätze und Streitigkeiten darüber aus: Philosophia rationalis, auctore
Hollmann, Samuel Christian
Sam. Christ. Hollmanno
,
Edit. auct.
Goetting. 1767.
8.
Desselben
desselben
Prima Philosophia multum aucta, ebendaselbst, 1747.
8. Institutiones Pnevmatologiae et Theologiae naturalis,
das.
1741.
8. Jurisprudentiae naturalis primae lineae,
das.
1751.
8. und Philosophiae
moralis,
moralis
s. Ethices primae lineae,
das.
1768.
8;
aus den anthropologischen
Anthropologische
und
pnevmatologischen
pnevmatologische
Aphorismen, (von
Hennings, Justus Christian
Just. Christ. Hennings
) Halle 1777.
8. und Desselben Sittenlehre der Vernunft, Altenburg 1782.
gr.
8., nebst den
Feder, Johann Georg Heinrich
Federschen
Lehrbüchern und den
Platner, Ernst
Platnerischen
Aphorismen, auch den
philosophischen Bibliotheken
und Magazinen
von
Windheim, Christian Ernst von
Windheim
,
Hennings, Justus Christian
Hennings
,
Lossius, Johann Christian
Lossius
,
Loßius
dann
Ernesti, Johann Heinrich Martin
J. H. M. Ernesti's
encyklopädisches Handbuch einer allgemeinen Geschichte der Philosophie und ihrer
Literatur
. Lemgo 1807.
desgl.
die oben
S.
231 angeführte
Heydenreich, Karl Heinrich
Heydenreichsche
Schrift. Die neueste Literatur liefern zum Theil nur die
philosophischen Bibliotheken
und
Magazine
, dergleichen
Caesar, Karl Adolf
Cäsar
,
Eberhard, Johann August
Eberhard
,
Feder, Johann Georg Heinrich
Feder
,
Meiners, Christoph
Meiners
und andern.
Meiners
,
Abicht, Johann Heinrich
Abicht
,
Grolman, Karl Ludwig Wilhelm von
Grollmann
,
Niethammer, Friedrich Immanuel
Niethammer
,
Buhle, Johann Gottlieb
Buhle
und
Bouterwek, Friedrich
Bouterweck
herausgegeben haben.
Unter den philosophischen Wörterbüchern bemerken wir:
Lossius, Johann Christian
J. C. Lossius
neues philosophisches Reallexicon, 4 Bände. Erfurt 1803–1807.
Mellin, Georg Samuel Albert
G. S. A. Mellin's
allgemeines Wörterbuch der Philosophie, 2 Bände, 1805–1807.
, und
Dessen
Wörterbuch der kritischen Philosophie, 1. bis 6.
Bd.
Züllichau 1797
fg.
A. d. H.
Federschen Lehrbüchern
Als mehrfach aufgelegte und weit verbreitete Lehrbücher des nicht zuletzt durch seine Auseinandersetzung mit Kant bekannten Philosophen Johann Georg Heinrich Feder (1740–1821) sind der
Grundriß der Philosophischen Wissenschaften nebst der nöthigen Geschichte
(1767), die
Logik und Metaphysik
(1769), das später unter dem Titel
Institutiones Logicae et Metaphysicae
(1777) ins Lateinische übersetzt wurde, sowie das
Lehrbuch der praktischen Philosophie
(1770) zu nennen.
Platnerischen Aphorismen
Gemeint sind die zweiteiligen
Philosophische[n] Aphorismen nebst einigen Anleitungen zur philosophischen Geschichte
(1776/1782;
3
1793/1800) des Mediziners und Philosophen Ernst Platner (1744–1818), der als Leibnizianer durch seine Kritik an Kant, aber auch als Mitbegründer der modernen Anthropologie (vgl. I § 190) hervorgetreten ist. Mit dem
Lehrbuch der Logik und Metaphysik
(1795) lieferte Platner auch einen nachgearbeiteten Auszug der betreffenden Teile der
Aphorismen
.
philosophischen Bibliotheken und Magazinen von Windheim, Hennings, Lossius, Cäsar, Eberhard, Feder, Meiners und andern
Gemeint sind die in drei Bänden erschienene
Göttingische Philosophische Bibliothek
(Hannover 1749–1750), die ihr Herausgeber Christian Ernst von Windheim (1722–1766) unter dem Titel
Philosophische Bibliothek
(Nürnberg bzw. Hannover 1751–1757) in sechs weiteren Bänden fortführte; die von Johann Ernst Faber (1745–1774) und nach dessen frühem Tod von Justus Christian Hennings (1731–1815) fortgeführte zweibändige
Neue Philosophische Bibliothek
(Leipzig 1774–1776); Johann Christian Lossius' (1743–1813)
Neueste Philosophische Litteratur
(Halle 1778–1782) in sieben Bänden sowie als Fortsetzung dessen dreibändige
Übersicht der neuesten Philosophischen Litteratur
(Gera 1784–1785); Karl Adolf Caesars (1744–1810) sechsbändige
Denkwürdigkeiten aus der philosophischen Welt
(Leipzig 1785–1788) und dessen in nur zwei zweiteiligen Bänden erschienenen
Philosophische[n] Annalen
(Nürnberg 1787–1793); das von Johann August Eberhard herausgegebene vierbändige
Philosophische Magazin
(Halle 1788–1792) zusammen mit dessen zweibändigem
Philosophische[n] Archiv
(Halle 1792–1795); die vierbändige
Philosophische Bibliothek
(Göttingen 1788–1791) des kurz zuvor genannten (s.o.) Johann Georg Heinrich Feder (1740–1821) und Christoph Meiners (1747–1810). Nicht wenige dieser gegenüber der ersten Auflage der
Anweisung
erweiterten Liste von philosophischen Periodika stehen der Philosophie Kants kritisch gegenüber. Als weitere philosophische Bibliotheken und Magazine können Johann Jakob Hottingers
Bibliothek der neuesten theologischen, philosophischen und schönen Litteratur
(Zürich 1784–1786), Joachim Georg Darjes'
Jenaische philosophische Bibliothek
(Jena 1759–1760), die
Philosophische Bibliothek
von Friedrich Just Riedel (Halle 1768–1769) bzw. Johann Tobias Sattler (Leipzig 1771–1772) oder Rudolf Wilhelm Zobels
Bibliothek der Philosophie und Litteratur
(Frankfurt/Oder 1774–1775) genannt werden.
Abicht, Grollmann, Niethammer, Buhle und Bouterweck
Gemeint sind das von Johann Heinrich Abicht (1762–1816) gemeinsam mit Friedrich Gottlob Born (1743–1807) besorgte
Neue philosophische Magazin. Erläuterungen und Anwendungen des Kantischen Systems bestimmt
(Leipzig 1789/1790–1790/1791) in zwei Bänden und das dem Untertitel nach in
Gesellschaft mit mehreren Gelehrten
herausgegebene dreibändige
Philosophische Journal
(Erlangen 1794–1795); Karl Ludwig Wilhelm von Grolmans (1775–1829) in nur zwei Heften erschienenes
Magazin für die Philosophie des Rechts und der Gesetzgebung
(Gießen 1798–1799), das dann in zwei Bänden unter dem Titel
Magazin für die Philosophie und Geschichte des Rechts und der Gesetzgebung
(Gießen/Darmstadt 1800–1807) bzw. gemeinsam mit Egid Valentin von Löhr (1784–1851) als (
Neues
)
Magazin für Rechtswissenschaft und Gesetzgebung
(Gießen 1820–1844) fortgesetzt wurde, sowie die beiden gemeinsam mit Johann Ernst Christian Schmidt (1772–1813) und Friedrich Wilhelm Daniel Snell (1761–1827) herausgegebenen, aber Rudiment gebliebenen Zeitschriften
Allgemeine Bibliothek der neuesten philosophischen Literatur
(Gießen 1799) und
Journal zur Aufklärung über die Rechte und Pflichten des Menschen und Bürgers
(Herborn/Hadamar 1799/1800); das 1795 von Friedrich Immanuel Niethammer (1766–1848) gegründete und ab 1797 zusammen mit Johann Gottlieb Fichte (1762–1814) herausgegebene
Philosophische Journal einer Gesellschaft teutscher Gelehrten
(Neustrelitz bzw. Jena/Leipzig 1795–1800) in zehn Bänden; das von Johann Gottlieb Buhle (1763–1821) und Friedrich Bouterwek (1766–1828) herausgegebene zweibändige
Göttingische philosophische Museum
(Göttingen 1798–1799) und als dessen Nachfolger das von Bouterwek allein besorgte
Neue Museum der Philosophie und Litteratur
(Leipzig 1803–1805).
J. C. Lossius neues philosophisches Reallexicon, 4 Bände. Erfurt 1803–1807
Im Gegensatz zu den ersten drei Bänden dieses Lexikons ist der vierte Band ohne Jahresangabe erschienen. Er datiert vermutlich bereits aus dem Jahr 1806.
G. S. A. Mellin's allgemeines Wörterbuch der Philosophie, 2 Bände, 1805–1807
Der erste Band ist 1806 erschienen.
214
217
213[!]
.
Billig
müßte aber
aber müßte
niemand, wer
keiner, der
die Philosophie
studieren
studiren
will,
unterlaßen
unterlassen
, sich
auch
mit der
Geschichte
Geschichte der Philosophie
bekannt zu machen. Sie ist eigentlich die Geschichte des menschlichen Verstandes und seiner
fortgeschrittnen
fortgeschrittenen
Bildung, und die Kenntniß derselben hat sonach den
größe sten
grössesten
größten
Einfluß in die Kenntniß der Geschichte und der Veränderungen aller andern Wissenschaften, namentlich der
Theologie
Theologie und der
verschiednen
verschiedenen
Vorstellungen über die Lehrsätze der Religion, die stets von der jedesmaligen Gestalt und den Veränderungen der Philosophie mit abgehangen haben. Sie
kan
kann
uns belehren
könnte lehren
, wie weit man in der Philosophie, auch in
Aufklärung
Aufklärung
einzelner
einzler
Lehrsätze, fortge rückt, und was noch zu leisten übrig
sey
sei
, und die Ursachen der
Verwirrungen
Verirrungen
nebst den Mitteln und Hindernissen des weitern Fortschritts begreiflich machen. Sie würde wenigstens auf einer Seite den
alles
Alles
anstaunenden Dünkel, oder den Sectengeist verhindern und niederdrücken helfen, und auf der andern die
Billigkeit
Billigkeit in der Beurtheilung
verschiedner
verschiedener
Meinungen befördern.
215
218
214[!]
.
Wenn sie diesen
Nutzen
Nutzen recht leisten
sollte:
soll,
so
müßte
muß
sie
freylich
freilich
auf richtige
Kritik
Kritik der Quellen, auf genaue Kenntniß und Studium des philosophischen Sprachgebrauchs, nicht nur überhaupt, sondern auch
bey einer jeden
Partey
Partey
Parthey
, Zeit
jeder einzelnen Partei, Zeitperiode
und
einzelner
einzlen
einzelnen
Philosophen, folglich auf sehr feine
Sprachkenntniß
Sprachkenntniß und Bekanntschaft mit der Geschichte anderer
Wissenschaften
Wissenschaften,
gebauet seyn, und die Ursachen, Fortgänge und Folgen
aufgeklärt
aufgeklärter Begriffe und Lehrsätze deutlich darlegen, also auch
gewissermassen
gewissermaßen
mehr Geschichte der innerlichen Bildung der philosophischen Wissenschaften und
einzelner
einzler
Lehrsätze, als der Personen und Schriften seyn. An diesen Eigenschaften
scheint
fehlt
es
den meisten
allen
bisherigen
frühern
Versuchen, die das Ganze dieser Geschichte umfassen sollen, mehr oder
weniger zu fehlen, und nur wenige Versuche über
einzelne
einzle
Stücke dieser Geschichte,
z. B.
das §.
139
angeführte
Meiners, Christoph
Meinerssche
Werk, nähern sich dieser Vollkommenheit. – Bis jetzt sind noch immer
weniger; aber auch hierin hat die neuere Literatur sehr bedeutende Fortschritte gemacht.
Anm.
Früherhin waren
Brucker, Johann Jakob
Jacob
Bruckers
Brucker's
kurze Fragen aus der philosophischen Historie,
Ulm 1731– 1735 in 7 Theilen in 12
7 Theile, 12. Ulm 1731–1735.
, nebst einem Bande Neuer Zusätze,
ebendas.
1737.
12.
und Ebendesselben
ein Hauptwerk. Noch immer ist's
Ebendesselben
Historia critica Philosophiae, Lipsiae
1742–44. in
1742–1744.
4
Tomis
Tomi
oder 5
Bänden in 4
Bände 4.
, mit einem Appendix, als dem
6sten
6ten
Bande,
Bande
1767.
(jedes Werk in seiner Art
vorzüglich);
vorzüglich,)
und
für Anfänger
aber Desselben
Desselben
Institutiones historiae philosophicae,
Edit.
3,
3.
auctior et emendatior, curavit
Born, Friedrich Gottlob
Frid. Gottl. Born
,
2.
Lipsiae
1790
in
1756.
gr.
1790.
8.
und (
Adelung, Johann Christoph
Joh. Christoph Adelung
)
Geschichte der Philosophie für Liebhaber
, Leipz. 1786 und 87
in 3 Bänden in 8, die besten.
oder
Büsching, Anton Friedrich
Anton Friedr. Büschings
Grundriß einer Geschichte der Philosophie, Berlin 1771–74.
in 2 Theilen in 8. die besten.
In neuern Zeiten empfehlen sich als
größere allgemeine Werke
:
Buhle, Johann Gottlieb
J. G. Buhle
Lehrbuch der Geschichte der Philosophie, 8 Theile. Göttingen 1796–1804.,
und
Desselben
Geschichte der neuern Philosophie, 6 Bände. 1800–1805.
nicht minder:
Tennemann, Wilhelm Gottlieb
W. G. Tennemann
Geschichte der Philosophie, 1ster bis 8ter Band, 1798–1810.,
Tiedemann, Dieterich
M. Tiedemann's
Geist der speculativen Philosophie, 6
Bde.
Marburg 1791–1797,
und
Adelung, Johann Christoph
Joh. Christoph Adelung's
Geschichte der Philosophie für Liebhaber, 3
Bde.
8. Leipzig 1786 und 1787.
als kürzere Lehrbücher:
Eberhard, Johann August
J. A. Eberhard's
allgemeine Geschichte der Philosophie. Halle 1796.,
wozu
des Verfassers Geist des Urchristenthums, 3 Theile, eine Art von Commentar ist.
Gurlitt, Johannes
J. G. Gurlitt's
Abriß der Geschichte der Philosophie. Leipzig 1786.
, und ganz vorzüglich:
Tennemann, Wilhelm Gottlieb
Tennemann's
Grundriß der Geschichte d. Philos. Leipz. 1812.
Jacob Bruckers kurze Fragen aus der philosophischen Historie, Ulm 1731–1735 in 7 Theilen
Der siebente Teil ist 1736 erschienen. Zudem folgten 1737 die
Neue[n] Zusätze Verschiedener Vermehrungen, Erläuterungen und Verbesserungen Zu den Kurtzen Fragen Aus der Philosophischen Historie
.
Anton Friedr. Büschings Grundriß einer Geschichte der Philosophie, Berlin 1771–74. in 2 Theilen
Der erste Teil ist 1772 erschienen.
W. G. Tennemann Geschichte der Philosophie, 1ster bis 8ter Band, 1798–1810
Dieses Werk ist bis zu Wilhelm Gottlieb Tennemanns (1761–1819) Tod in insgesamt elf Bänden erschienen (Leipzig 1798–1819). Der achte Band zerfällt in zwei Teile (1810/1811).
M. Tiedemann's Geist der speculativen Philosophie, 6 Bde. Marburg 1791–1797
Der Name des Autors lautet Dieterich Tiedemann (1748–1803).
des Verfassers Geist des Urchristenthums, 3 Theile
Gemeint ist Johann August Eberhards in Halle erschienenes Werk
Der Geist des Urchristenthums. Ein Handbuch der Geschichte der philosophischen Cultur für gebildete Leser aus allen Ständen in Abendgesprächen
(1807–1808).
Dritter Abschnitt.
Geschichte
Geschichte
und schöne Wissenschaften
.
216
219
.
Philosophie
gründet sich
, so wie alle menschliche Kenntnisse,
gründet sich
auf
Wahrnehmung
Wahrnehmung dessen, was wirklich ist, und,
bey
bei
den steten Abwechslungen der Dinge, auf die Beobachtung der
verschiednen
verschiedenen
Ereignisse. Wenn diese Kenntniß uns
nutzbar,
nutzbar
und
daraus
das Allgemeine abgezogen werden soll, um uns weiser und dadurch glücklicher zu
machen:
machen,
so müssen wir
einzelne
einzle
Ereignisse mit andern vergleichen, die
zugleich
zugleich,
oder vor- oder nachher erfolgten, kurz, sie im
Zusammenhang
Zusammenhang übersehen, um zu entdecken: was war die
Ursach
Ursach
Ursach,
und was die
Folge
Folge eines Ereignisses? und, wenn es
Veränderungen
Verändrungen
waren, die von vernünftigen Wesen bewirkt
wurden,
wurden:
was war die Absicht? Jedes Geschehene, wenn es mit den begleitenden und auf einander folgenden Ereignissen erkannt wird, ist eine
Geschichte
Geschichte
; und eben diesen Namen legt man einer Wissenschaft
bey
bei
, die uns von den Veränderungen in der Welt im Zusammenhange benachrichtigt.
217
220
.
Aber nicht
alles
Alles
, was
geschiehet
geschieht
, ist wissenswürdig, und der ungeheure Umfang der Verän derungen in der Welt macht ohnehin eine
Auswahl
Auswahl des Merkwürdigern nothwendig, welches entweder nach dem bestimmt werden muß, was
größere
grössere
und weitgreifendere Veränderungen hervorgebracht hat, oder nach dem, was denjenigen, der sich mit Aufsuchung dieser Ereignisse beschäftigt, nach seinen besondern Absichten, wozu er diese Kenntniß brauchen will, am meisten
interessirt
intereßirt
. Daher hat man angefangen, die
verschiednen
verschiedenen
Arten der Ereignisse in der Welt von einander
abzusondern,
abzusondern:
und
daraus
daher
entstehen so viele
verschiedne
verschiedene
Theile der Geschichte. Schränkt sich diese auf
solche
Thaten und Veränderungen
der Menschen
ein, die in das Glück und Unglück der menschlichen Gesellschaft einen Einfluß haben, so heißt sie
im eigentlichen Verstande
Geschichte
Geschichte
oder
Historie
Historie
.
Hiedurch
Anm.
Hierdurch
unterscheidet sie sich von der
Naturgeschichte
überhaupt, und von der
Naturgeschichte des Menschen
insbesondere.
218
221
.
Jedermann, wer die
Geschichte
Geschichte kennt, muß zugestehen, daß sie eine sehr unterhaltende und höchst nützliche Wissenschaft seyn könne, und sie wird es in dem Grade wirklich seyn, in welchem sie, nebst der deutlichen und treuesten Darstellung der Begebenheiten, dem vorhin
angegebnen
angegebnem
angegebenen
Zweck entspricht, das heißt,
zusammenhängend,
zusammenhängend
und auf die Vorstellung des Einflusses derselben auf die menschliche
Wohlfahrt
Wohlfahrt und deren Gegentheil ge richtet ist. Sie vertritt 1) die Stelle der
eignen
eigenen
Erfahrung
Erfahrung, und erweitert die Kennt niß der Welt und der Menschen ungemein.
So fern
Sofern
giebt sie die brauchbarsten
Materialien
Materialien
, welche die Philosophie verarbeiten
kan
kann
; sie macht aufmerksam auf Umstände, die dem
spekulativen
speculativen
Kopf, der immer nach dem Allgemeinen hinsieht, gar zu leicht
entwischen
entgehen
, und somit die Vollständigkeit der
Induction
Induction, wie die Sicherheit der
Analogie
Analogie, verhindern; sie beugt dadurch der Unfruchtbarkeit allgemeiner
Untersuchungen
Untersuchung
über die Welt und den Menschen, nebst den zu einseitigen Vorstellungen vor; sie ist eine herrliche Uebung im Untersuchen und Vergleichen; ein reiches
Magazin
Magazin für Philosophie der Welt und des Lebens.
219
222
.
Doch nicht
bloßes
blosses
Magazin
Magazin –
Magazin
,
sondern 2) auch
Schule
Schule – der Weisheit und Klugheit
Schule der Weisheit und Klugheit
, die nur
bey
bei Tugenden,
zufällig
zufälligen oder veränderlichen Dingen
statt finden
stattfinden
, und immer
auf
die
Verbindung geschickter Mittel
zu
mit
guten Absichten
sehen
berechnen
. Die
Geschichte
Geschichte lehrt uns, was gewisse Absichten, die sich Menschen vorsetzten, wenn sie sie auch erreichten, für gute und üble Folgen, also was für Einfluß sie auf wahre menschliche
Glückseligkeit
Glückseligkeit hatten; sie zeigt, wodurch gewisse Absichten bewirkt worden sind, und wie viel Grund zu diesem glücklichen Ausschlag oder zu dem Gegentheile, entweder in den Umständen oder in dem Benehmen der Menschen
dabey
dabei
, lag. Sie macht uns mit Menschen von sehr
verschiedner
verschiedener
Art und unter sehr
verschiednen
verschiedenen
Lagen bekannt, zeigt uns die
Triebfedern
Triebfedern ihrer Handlungen, und die
Mittel,
Mittel
Andre
Andere
am besten zu gewissen Absichten zu lenken. Kurz, sie versieht uns nicht nur mit einem
großen
grossen
großem
Reichthum nützlicher Kenntnisse, und macht uns die Umstände in der Welt und ihren Einfluß auf einander
anschaulich,
anschaulich;
sie schärft auch den praktischen
Verstand
Verstand, ohne welche
drey
drei
Stücke keine Weisheit und Klugheit möglich ist. Durch den Fleiß, den man auf die Geschichte wendet,
gewöhnet
gewöhnt
man sich zur Aufmerksamkeit auch auf die
kleinste
kleinsten
Umstände
Umstände, und selbst ihren unmerklichern Einfluß, zu einer schnellen Uebersicht
derselben,
derselben
und einen festen und sichern Blick auf das, was man jedesmal zu thun habe; man wird mit so vielen sonderbaren Ereignissen bekannt, daß uns
weit weniger
unerwartete
unerwartetete
Umstände
weit weniger
befremden, und
bey
bei
vorkommenden Fällen weniger
ausser
außer
Fassung setzen; und eben
hiedurch
hierdurch
gewöhnen wir uns, vermittelst der Geschichte, uns wirklich klug zu betragen. Es mag seyn, daß man auch ohne sie, in gewissen Arten von Geschäften, zu welchen man vorzüglich aufgelegt ist, und mit welchen man am meisten, oder
beynahe
beinahe
allein, umgeht, Klugheit genug erlangen könne; aber zur
Klugheit
Klugheit für jede Art zu
handlen
handeln
, zumal für die Geschäfte,
wobey
wobei
uns schon viel und lange vorgearbeitet ist,
kan
kann
man schwerlich, ohne Bekanntschaft mit der Ge schichte, gelangen, wenigstens wird die Weisheit und Klugheit, die man sich durch das Studium der Geschichte erwirbt, weiter reichen, sichrer seyn, und mit weit weniger
eignen
eigenem
Schaden erworben werden, als ohne Kenntniß
der Geschichte
dessen, was vor uns geschehen ist
.
220
223
.
Wie sich aber die
Geschichte
Geschichte hauptsächlich mit den Handlungen der Menschen, mit den zu ihrer Ausführung
genommnen
genommenen
Maaßregeln,
Maaßregeln
und mit deren Erfolge
sowohl,
sowohl
als mit den Folgen des Betragens der Menschen beschäftigt: so
kann
ist
sie
auch
3)
sehr viel beytragen,
Tugend
Tugend zu befördern,
ein
Beförderungsmittel
der Tugend, und kann vor Verirrungen
und
von
Ausschweifungen
zurückzuziehen
bewaren
. Denn sie zeigt die unausbleiblichen Folgen von
beyden
beiden
, sie macht
unsre
unsere
Pflichten
Pflichten durch so viele
Beyspiele
Beispiele
einleuchtender und eindrücklicher, als es alle Regeln und Beweise vermögen, und
erhebet
erhebt
dadurch den Menschen zu
edlen
edeln
Empfindungen
Empfindungen. Indem sie aber zugleich 4) den Gang der
göttlichen Regierung der Welt
göttlichen Weltregierung
vor Augen legt, und gleichsam die Jahrbücher derselben
eröffnet,
eröfnet,
eröffnet;
indem sie die Eitelkeit der menschlichen Anschläge, den steten Wechsel der Dinge und die wundersame Art zeigt, wie
Gott
Gott überall seine weisesten Absichten durchgeführt hat, giebt sie nicht nur den Menschen Muth, Gutes zu thun, und selbst
bey
bei
den
größesten
grössesten
größten
Hindernissen und
anscheinendem
anscheinenden
mißlichen Ausgang,
mißlichem Ausgang
nie müde zu
werden,
werden;
sondern sie macht auch
bey
bei
dem, der
diesem
Gang
Gange
diesen Hang
der göttlichen
Vorsehung
Vorsehung
Fürsehung
nachspüren will, einen tiefen Eindruck und
Ueber zeugung
überzeugt
von Gottes höchster Macht, Weisheit und Güte, worin der Grund zur wahren Beruhigung des Gemüths und Zufriedenheit mit
allem
Allem
liegt, was uns begegnet. Sofern daher alle wahre
Glückseligkeit
Glückseligkeit des Menschen theils auf stetem Bestreben nach Tugend, theils auf gegründeter Zufriedenheit des Gemüths beruht, und diese eigentlich von wahrer Weisheit
abhängt:
abhängt,
ist ihr ganzer Einfluß auf unsre wahre Glückseligkeit unverkennbar.
221
224
.
Ueberhaupt aber ist
sie
5)
Kenntniß der
Geschichte
Geschichte bey jeder Wissenschaft unentbehrlich, so fern
unentbehrliches Hülfsmittel jeder Wissenschaft
, sofern
man entweder das benutzen
muß,
muß
was schon vor uns in einer Wissenschaft entdeckt worden ist, oder
so fern
sofern
eine Wissenschaft den zu verarbeitenden Stoff, wenigstens Erläuterungen, aus der Geschichte entlehnen muß. Jenes muß man aus der Geschichte der Wissenschaften schöpfen, und wenn gleich das Studium dieser Geschichte entbehrlich scheinen möchte, weil die
Entdeckungen
Ent deckungen, wovon uns die Geschichte benachrichtigt, nach und nach schon in
den
die
Wissenschaften selbst aufgenommen worden sind, und man das Entdeckte benutzen
kan
kann
, ohne gerade zu wissen, wie alt es
sey
sei
, oder woher es komme: so
kan
kann
doch auch die Geschichte der Entdeckungen vieles Licht auf
die Entdeckungen
sie
selbst werfen,
so fern
sofern
sie uns zeigt, wie man auf
die
so manche
Entdeckungen gekommen
sey
sei
, unter welchen Einschränkungen man sie gemacht, wie mit andern Lehrsätzen verbunden habe
u. d. gl.
u. dergl.
In einigen Wissenschaften, als der Philologie, zumal
bey
bei
Lesung alter Schriftsteller, der Theologie, der Rechtsgelahrtheit, Staatswissenschaft
u. s. f.
u. s. f.,
kurz, wo sich der Inhalt, zum Theil wenigstens,
auf
nicht nothwendige Dinge, sondern auf menschliche Vorstellungen und willkührliche Anstalten gründet, leuchtet der
Nutzen
Nutzen, ja bisweilen die Unentbehrlichkeit von selbst ein; und je mehr überall die Geschichte zu Hülfe genommen wird, je anschaulicher können auch die
Lehrsätze
Lehrsätze
gemacht
, und je näher
kan
kann
ihre Verbindung mit dem gemeinen Leben gemacht werden.
222
225
.
Soll die
Geschichte
Geschichte wirklich die angezeigten Vortheile
verschaffen:
verschaffen,
so
muß sie 1) der strengsten
sei ihre
erste Eigenschaft
die strengste
Wahrheit
Wahrheit
, so weit sich diese entdecken
läßt, nachgehen,
läßt; sie muß
mithin auf geprüfter
Aechtheit
Echtheit
und Lauterkeit der
Quellen
Quellen, woraus man schöpft, und auf geprüfter Glaubwürdigkeit der Schriften oder
Denkmahle
Denkmale
über gewisse Ereignisse,
d. i.
darauf beruhen, ob ihre Verfasser hinlängliche Fähigkeiten und guten Willen, die gemeldeten Sachen kennen zu lernen, und sie Andern wieder
so
mitzutheilen, besessen haben; mit
einem
Einem
Wort, sie muß
kritisch
kritisch
seyn. Fehlt es an solchen Quellen, oder sind sie
bey
bei
einzelnen
einzlen
Begebenheiten mangel haft, oder läßt sich ihre
Aechtheit
Echtheit
, Unverdorbenheit und Glaubwürdigkeit nicht
darthun:
darthun,
so hat der
Geschichtforscher
Geschichtsforscher
das Recht, durch Vergleichung der Natur der
Sachen
Sachen,
oder durch Zusam menhaltung glaubwürdiger
historischen
historischer
Anzeigen, Vermuthungen zu wagen, die,
bey
bei
gebrauchter Vorsicht, und wenn er nicht weiter geht, als die se
zwey
zwei
Hülfsmittel ihn leiten, den Zeugnissen
an
am
Werth nichts nachgeben, ja öfters auf die Entdeckung des
Unrichtigen oder doch
Unsicheren
Unsichern
Unglaublichen
in ausdrücklichen Nachrichten führen.
Anm.
Je mehr der
Geschichtschreiber
Geschichtschreiber verräth, daß er zu gefallen und zu unterhalten suche, je weniger er sich Mühe giebt, seine Erzählung zu bewähren, und je rascher er
bey
bei
Muthmaßungen
Muthmassungen
verfährt: je mehr hat er den Verdacht gegen sich, daß er nicht nach Erkenntniß genauer Wahrheit gestrebt, oder sie nicht treu mitgetheilt habe.
223
226
.
Eine
zweyte
2te
Eigenschaft
zweite Eigenschaft
der guten historischen Erzählung
würde
ist
die
Deutlichkeit
Deutlichkeit
seyn
. Sie
wäre
ist
aber
alsdann
alsdenn
deutlich, wenn die Begebenheiten mit ihren
besonden
besondern
Umstände
Umständen
vorgestellet würden
vorgestellt werden,
– wenn nichts
erwähnet
erwehnet
würde
erwähnt wird,
wovon der Leser nicht einen klaren
Begriff
hätte
hat
, oder ihn aus der Erzählung selbst bekommen
könnte
kann
– und wenn selbst durch die Darstellung die
Wahrheit
Wahrheit
des Erzählten
begreiflich
würde
wird
.
Anm.
Das
erste
Stück, die Umständlichkeit, muß nicht mit Weitschweifigkeit oder mit Mikrologie verwechselt werden, und
wäre
ist
nur so weit nöthig, als die
erwähnten
erwehnten
Umstände ein Licht auf das Ganze werfen. – Das
zweyte
zweite
hängt von der Bekannt schaft mit der Zeit, mit dem Ort, wo etwas geschehen, mit dem Charakter der aufgestellten Personen, und mit der Verfassung,
den
Sit ten und Gebräuchen derer ab, unter welchen etwas vorgegangen ist. Wäre dieses nicht
bey
bei
dem Leser als bekannt vorauszusetzen, so müßte es ausdrücklich erläutert, oder das Erzählte so eingerichtet werden, daß man es daraus selbst abnehmen könnte. – Wenn alle Umstände so gut zusammenhängen, daß einer den andern ins Licht setzt, und sich, so zu reden, der eine aus dem andern ergiebt: so wird die Wahrheit der Erzählung einleuchtend, und der Geschichtschreiber erspart dem Leser die Ermüdung durch
die
sonst nöthige Belege, oder gar durch eine umständliche Auseinandersetzung der Gründe, warum er eine Vorstellungsart der Sache für wahrscheinlicher als die andere halte. Nur sind die Umstände selten so genau bekannt, oder so nothwendig in einander gegründet, daß man
so
erzählen
kan,
kann;
und der Geschichtschreiber muß die Gabe der Darstellung sehr in seiner Gewalt haben, wenn er
so
erzählen will.
224
227
.
Sehr viel
kömmt
kommt
auch
3) bey
drittens
bei
der
Geschichte
Geschichte darauf an, daß alle Ereignisse und deren Umstände
im
Zusammenhang
Zusammenhange
,
d. i.
so vorgestellt werden, daß man die Ursachen und Folgen derselben einsehen
kan
kann
. Dieses setzt nicht nur den Leser in den Stand, die Sachen besser zu behalten – eine Schwierigkeit, über die so oft
bey
bei
der Geschichte geklagt
wird –;
wird –:
es befördert selbst die
Deutlichkeit
Deutlichkeit;
Deutlichkeit, so wie
die Prüfung des Wahren, Falschen und
Verdächtigen; es
Verdächtigen. Es
macht die Geschichte
unterhaltend, und zur
unterhaltend. Sie wird dadurch
Nahrung und Uebung des Geistes.
225
228
.
Hiedurch wird zugleich die
vierte
4te
Tugend
vierte Tugend
der Geschichte befördert, die in dem
Pragmatischen
besteht.
pragmatisch
Pragmatisch
ist sie,
in so fern
insofern
sie zur Weisheit und Klugheit bilden
kan. Dies kan
kann. Dieß kann
sie aber, wenn der
Geschichtschreiber
Geschichtschreiber immer das Interesse der Gesellschaft, deren Geschichte er liefert,
d. i.
dasjenige, wozu sie sich vereinigt hat, theils vor Augen behält, theils
alles
Alles
in Beziehung auf dasselbe vorträgt, und die Mittel bemerken läßt, wodurch sie der
Vollkommenheit
Vollkommenheit, wonach sie streben soll, immer näher, oder davon weiter abgebracht worden
ist
. Da sich
indessen
indeß
der Gebrauch dieser Mittel nach der verschiedenen Lage der Gesellschaft und
nach
den nicht von ihr abhängenden Veränderungen richten, und eben danach der Werth dieser Mittel beurtheilt werden muß: so
müßte
muß
sie diese Veränderungen vorzüglich nach allen ihren Umständen darlegen; zeigen, wie man dieselben abzuwenden oder zu befördern, und wie zum Besten oder Schaden der Gesellschaft zu lenken
gesucht?
gesucht;
wie sich
dabey
dabei
die
Gesellschaft
Gesellschaft durch Gesetze oder
andre
andere
Anstalten, durch deren strenge oder fehlerhafte
Beobachtung,
Beobachtung
oder auch Abänderung
genommen?
genommen;
und was sie
dabey
dabei
für Absicht
gehabt?
gehabt;
wie, wie weit und wodurch sich der Geist und Charakter der Gesellschaft
gezeigt?
gezeigt;
was
einzelne
einzle
Personen
dabey
dabei
für
nachahmungs-
nachahmungswürdige
oder
vermeidungswürdige Beyspiele gegeben?
warnende Beispiele gegeben;
und was alles
dieses
dieses,
und wie weit es auf die Wohlfahrt oder die Verschlimmerung der Gesellschaft überhaupt oder
einzelner
einzler
Theile
derselben,
derselben
gewirkt
habe?
habe.
Anm.
Anm.
1. Ich bin in Bestimmung des
Pragmatischen
dem Begriffe der
Alten
Alten, besonders des
Polybius
Polybius
,
gefolgt, und habe ihn nur etwas erweitert, um ihn nicht bloß der bürgerlichen Gesellschaft anzupassen, sondern auch auf
andre
andere
Gesellschaften, auf die Menschheit, auf die Kirche
u. s. f.
auszudehnen.
S.
Casaubon, Isaak
Isaaci Casauboni
Commentar. in
Polybius
Polybium
Polybium,
Tom.
I.
p.
742
seq.
und 721
sqq.
seq.
Was hier von der Geschichte der Gesellschaft gesagt ist, gilt auch in seiner Art von der Geschichte der Religion und der Wissenschaften. Uebrigens versteht sichs, daß der Geschichtschreiber nicht
über
Weisheit und Klugheit und
die
damit
verbundne übrige Tugend müsse
vorerklären
wollen
verbundenen übrigen Tugenden weitläuftig raisonnirt
, sondern die Begebenheiten so
zu
stellen
weiß
, daß
vielmehr
der Leser sie
selbst
daraus
schöpfen
lerne. Höchstens darf er durch
schickliche
schick lich
angebrachte
Sentenzen – die
Sentenzen
, welche
der Würde der Geschichte um so angemessener sind, je weniger sie ins Gemeine
fallen –
fallen,
oder durch
Winke
Winke
, welche oft, wie
bey
besonders bei
dem
Tacitus
Tacitus
zum Beyspiel
Tacitus
, in
einzelnen
einzlen
Worten liegen können,
oder, –
oder
wenn die
bloße
blosse
Erzählung der Begebenheiten nicht deutlich genug die Uebersicht des Ganzen befördern, oder zu sehr durch allgemeinere
Anwendungen
Anwendungen unterbrochen werden würde,
–
durch
besondre
besondere
ausführliche Abschweifungen
(Digressionen
(Digreßionen
(Digressionen, Excurse
), des Lesers Aufmerksamkeit auf das lenken, was zu dieser Absicht
dienet
dient
.
Anm.
2.
Was einige Neuere
Philosophie der Geschichte
nennen, scheint im Grunde nichts Anderes als dieses
Pragmatische
zu seyn;
und
und,
was man
historische
Kunst
Kenntniß
nennt, ist eben die Geschicklichkeit, die bisher angeführten Tugenden oder Haupteigenschaften, wenigstens die
drey
drei
letztern, einer Geschichte zu geben. Die erste Tugend, Wahrheit, ist mehr der Gegenstand der
Geschichtsforschung
Geschichtsforschung
.
Isaaci Casauboni Commentar. in Polybium Tom. I. p. 742 seq. und 721 sqq.
Der Grund, aus dem an dieser Stelle auf Isaak Casaubons Polybius-Kommentar verwiesen wird, liegt darin, dass der griechische Historiker Polybius als Vater der sog. pragmatischen Geschichtsschreibung (
πραγματική ἱστορία
) gilt. Diese zielt v.a. auf den Erkenntnisgewinn des politisch Handelnden, indem sie (anders als eine an Genealogie oder Koloniegründung orientierte Geschichtsschreibung) Taten und Schicksale in den Mittelpunkt stellt und Ursachen offenlegt, aus denen für die Zukunft gelernt werden soll (vgl. II § 14; II § 92). Die Seitenzahlen
p. 742 seq.
bzw.
721 sqq.
beziehen sich auf Bd. I,2 (1764) der von Johann August Ernesti veranstalteten Polybius-Ausgabe (vgl. I § 112). In seinem dort abgedruckten Kommentar (vgl. aaO 719–854) äußert sich Casaubon an den angegebenen Stellen zur pragmatischen Geschichtsschreibung.
226
229
.
Die
Geschichte
Geschichte hat einen
ungeheuren
fast unermeßlichen
Umfang. Wollte man nicht auf ihre
einzelne
einzle
einzelnen
Theile einen ganz besondern Fleiß
wenden:
wenden,
so würde immer ein sehr dürftiges Ganze herauskommen; man könnte vieles nicht deutlich machen, noch das Merkwürdigste ausheben, wo man nicht das Auslesen hätte, und also vieles und
vielerley
vielerlei
von der Geschichte
wüßte; und wenn
wüßte. Wenn
vollends die Geschichte zusammenhängend und
pragmatisch
pragmatisch vorgestellt werden
soll:
soll,
so gehört
dazu
nothwendig eine
ausführliche
ausführliche,
und selbst ins Kleine gehende
Erkenntniß dazu
Kenntniß derselben
. Aber aus den Theilen muß man doch auch ein wohl concentrirtes Ganze bilden können, um sich eine allgemeine Uebersicht der Weltveränderungen zu verschaffen, um die Geschichte der menschlichen Gesellschaft überhaupt zu verstehen, um einen allgemeinen Faden zu ha ben, daran man die besondere Geschichte knüpft. Dieses alles hat Gelegenheit zu gewissen
Abtheilungen der Geschichte
Abtheilungen der Geschichte
des großen Feldes
gegeben.
227
230
.
Man
kan
kann
diese
theils
nach den besondern Arten der Veränderungen machen, deren
Geschichte
Geschichte man sucht,
theils
theils
nach dem weitern oder engern
Umfang
Umfange
der Geschichte. In jener Rücksicht ist die Abtheilung in
bürgerliche, Religions-
und
und
Kirchengeschichte
Kirchengeschichte
, und in
Literärgeschichte
Literärgeschichte
entstanden, je nachdem man
dabey
dabei
auf die Veränderungen der bürgerlichen Gesellschaft, oder der
Religion,
Religion
und der zur
Aufklärung
Aufklärung und Uebung derselben zusammengetretenen Gesellschaften, oder der
Wissenschaften,
Wissenschaften
seine Absicht gerichtet hat. Alle
drey
laßen
lassen
drei lassen
sich wieder nach gewissen
Hauptperioden
Hauptperioden,
z. B.
die uns bekannte Geschichte in die
ältere
,
ältere
(bis auf den Anfang des 9ten Jahrhunderts nach
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
Geburt, oder
besser,
vielleicht besser
bis auf die
große Völkerwanderung
grosse Volkswanderung
im 4ten
und 5ten
Jahrhundert), in die
mittlere
mitlere
(bis auf den Anfang des 16ten
Jahrhunderts)
Jahrhunderts),
und in die
neuere
,
neuere
theilen. Nach dem weitern oder engern Umfang
aber
aber,
pflegt man, wenigstens
bey
bei
der bürgerlichen Geschichte, die
allgemeine
Weltgeschichte
Weltgeschichte
(Universalhistorie) und die
besondre
besondere
zu unterscheiden, welche
letztre freylich
letztere freilich
, nach
den
dem
verschiedenen
Umfang
Umfange
der Zeit oder der Gesellschaft und Wissenschaft, wieder sehr viele Abtheilungen leidet.
228
231
.
Wenn es dem, der Theologie studieren will,
andre
andere
Beschäftigungen, die seinen Fleiß fordern, nicht
erlaubten
erlauben
, sich in das so gar weite Feld der
Geschichte
Geschichte zu
wagen:
wagen,
so sollte er doch, als cultivirter Mensch, als Christ und Reli gionslehrer, als Gelehrter und Bürger, in der
allgemeinen Weltgeschichte
allgemeinen Weltgeschichte
, der
Religions- Menschen-
Religions-, Menschen-
und
Li terärhistorie
Literärhistorie
und in der
Geschichte
Geschichte
seines
Vaterlandes
Vaterlandes
, kein Fremdling seyn; zumal wenn, wie billig scheint, jeder, der Anspruch auf
Cultur
Cultur
Kultur
macht, wenigstens überhaupt und in dem Theil der Geschichte, die ihn am nächsten angeht, nicht ganz unwissend seyn darf, und gemeiniglich der Unterricht darin denen anvertrauet wird, die sich dem Studium der Theologie gewidmet haben.
Anm.
Alle Menschen wollen gern
wissen
wissen,
was geschehen, woher das gekommen, was daraus geworden
sey
sei
? Dieser natürliche Trieb zur Geschichte und zur Philosophie
darüber
darüber,
zeigt sich schon
bey Kindern und bey
bei Kindern, selbst bei
dem gemeinen Mann. Hierin liegt der Grund zu aller
Cultur;
Cultur, und
so wie diese
zunimmt:
zunimmt,
so wächst auch die Begierde, diese Kenntniß zu erweitern; nur daß
freylich
freilich
jeder nach dem wißbegierig ist, was ihn am meisten
interessirt
intereßirt
. Ganz gleichgültig also gegen Geschichte, und auch nicht einmal begierig nach Kenntniß Einer Art der wahren Geschichte seyn, verräth einen Menschen, der entweder sich um nichts
bekümmert,
als um sich und seine Bedürfnisse, nicht um
Andre
Andere
, um ihr Schicksal und
ihre
Unternehmungen, die doch selbst auf sein
eignes
eigenes
Glück und Unglück einen Einfluß haben können,
bekümmert,
kurz, der keinen rechten Sinn für das menschliche Leben und die Gesellschaft hat, oder der wirklich überall keiner wahren Cultur fähig ist.
229
232
.
Wie
Bei der Frage, wie
man die
Geschichte
Geschichte und deren
angegebne
angegebene
Theile am vortheilhaftesten studieren
solle? – das heißt
entweder
,
solle, sieht man
entweder
auf
welche
die
Eigenschaften der Geschichte
man sehen
und den Zweck
, zu welchem
Zweck
man sie studieren
müsse?
muß;
oder
wodurch
man
sich dieses Studium erleichtern könne? – In
jenem
sieht auf die Hülfs- und Erleichterungsmittel des Studiums. – Auf keinen
Fall
muß
darf
die Absicht
nicht bloß auf
die
bloße
Befriedigung der Neugier, der Eitelkeit und des Triebes nach
Vielwissen
Vielwisserey
Vielwisserei
, oder
auf
angenehme
Zeitkürzung
Zeitverkürzung
und Unterhaltung der Einbildungskraft gehen,
wenn von einem wirklichen
Studium
die Rede ist,
sondern auf Erreichung des höhern
Nutzen
Nutzens, der §.
218
221
f.
angegeben
ist; und alsdenn
ist. Alsdann
wird man aus dem, was gesagt worden ist, leicht abnehmen können,
aus welchem
Gesichtspunct
Gesichtspunct man sie studieren
welches der eigentliche und würdige Gesichtspunkt eines solchen Studiums seyn
müsse.
Mit diesen Regeln muß man das Studium
Anm.
Mehr als alle Regeln lehrt die Lesung
guter
Geschichtschreiber
Geschichtschreiber
verbinden
selbst
. Als
Geschichtsforscher
Geschichtsforscher
Geschichtsforscher
(§.
225
228
225.
Anm.
2.
), in Absicht auf
Wahrheit,
Wahrheit
und selbst Deutlichkeit,
möchten deutsche Geschichtschreiber schwerlich übertroffen werden; in
haben
deutsche Historiker
stets einen hohen Rang behauptet. In
Absicht auf historische Kunst sind die Alten,
Thukydides
Thukydides
,
Polybius
Polybius
,
Livius
Livius
,
Plutarch
Plutarch
,
Tacitus
Tacitus
, und unter den
Neuern
Neuern, wiewohl nicht von verschiedenen Seiten,
Sleidanus, Johannes
Sleidan
,
Thou, Jacques Auguste de
de
Thou
,
Thou
(
Thuanus
),
Voltaire
Voltaire
,
Hume, David
Hume
,
Robertson, William
Robertson
,
Gibbon, Edward
Gibbon
,
Raynal, Guillaume Thomas François
Raynal
,
Barthélemy, Jean Jacques
Barthelemy
,
Müller, Johannes von
Johann
Joh.
von
Müller
,
Spittler, Ludwig Timotheus von
Spittler
,
Schiller, Friedrich
Schiller
und wenige
Andre, freylich
Andere, freilich
bessere Muster, wenn nur einige unter ihnen eben so sorgfältig nach Wahrheit, der eigentlichen Seele der Geschichte, gestrebt,
wie namentlich
Voltaire
Voltaire
,
und sie
nicht
nicht,
der angenehmern Unterhaltung so oft aufgeopfert hätten.
Sleidan
Gemeint ist der Diplomat und Historiker Johannes Sleidanus (1506–1556), dessen Hauptwerk
De statu religionis et rei publicae Carolo V. Caesare commentarii
(1555) aufgrund der intensiven Quellenarbeit und seiner neutralen Darstellung bis in die Gegenwart hinein ein Standardwerk der Reformationsgeschichte darstellt. Die seit ihrem Erscheinen immer wieder neu aufgelegten
Commentarii
waren in der zweiten Hälfte des 18. Jh.s in der dreibändigen Ausgabe (1785–1786) Christian Karl am Endes (1730–1799) und in der von Johann Salomo Semler besorgten deutschen Übersetzung in vier Bänden (1771–1773) greifbar. Als Gegenstück zu den
Commentarii
erschienen kurz darauf Sleidans
De quatuor summis imperiis libri tres
(1556), eine an der biblischen Vier-Reiche-Lehre orientierte Weltgeschichte. Beide Darstellungen können als Grundlagenwerke der modernen Geschichtsschreibung gelten.
de Thou, (Thuanus)
Jacques Auguste de Thou (Thuanus) (1553–1617) zählt zu den bedeutendsten Historikern der französischen Renaissance. Sein in hervorragendem Latein verfasstes und nach unparteiischer Darstellung strebendes Hauptwerk, die in Paris erschienenen
Historiae sui temporis
I–IV (1604–1608), eine annalistische Geschichtserzählung der Jahre 1546–1584. Sie umfasst alle europäischen Staaten und das Osmanische Reich, ist jedoch v.a. eine Geschichte Frankreichs. Das auf 138 Bücher angelegte Werk zeichnet sich durch eine komplizierte Editionsgeschichte (bis 1630 erschienen unterschiedliche Ausgaben) aus, blieb zu de Thous Lebzeiten unvollendet, wurde jedoch in London unter Berücksichtigung seiner Manuskripte ein Jahrhundert später in sieben Bänden (1733) vollständig herausgegeben. Diese Ausgabe diente als Grundlage einer französischen Übersetzung (1734).
Voltaire
Der französische Philosoph Voltaire (François-Marie Arouet) (1694–1778) hat mehrere Hundert Werke ganz unterschiedlicher Genres hinterlassen und gehört zu den einflussreichsten Autoren der europäischen Aufklärung. Unter den historischen Schriften können das epochale Werk
Le siècle de Louis XIV
(1751) und der siebenbändige
Essai sur l'histoire générale et sur les mœurs et l'esprit des nations depuis Charle-magne jusqu' à nos jours
(1756) hervorgehoben werden, in denen Voltaire einen neuen, soziale und kulturelle Momente berücksichtigenden und von übernatürlichen Erklärungsmustern abweichenden Typus von Geschichtsschreibung entfaltet. Zudem prägte Voltaire mit
La philosophie de l'histoire
(1765) den Begriff der Geschichtsphilosophie und verfasste den Artikel
Histoire
in der
Encyclopédie
.
Hume
Der Philosoph David Hume (1711–1776) gehört mit
A Treatise of Human Nature
(1739–1740),
Enquiry Concerning Human Understanding
(Erstveröffentlichung 1748 noch unter abweichendem Titel),
Enquiry Concerning the Principles of Morals
(1751) sowie den posthum veröffentlichen
Dialogues Concerning Natural Religion
(1779) zu den wichtigsten Gestalten der schottischen Aufklärung. Zudem ist Hume auch als Ökonom und Historiker hervorgetreten. Als historische Werke sind die sechsbändige
History of England
bzw.
Great Britain
(1754–1762) sowie die zweibändige
History of Great Britain, under the house of Stuart
(1759) zu nennen. Hinzu kommt die die deistische Annahme einer ursprünglichen monotheistischen Vernunftreligion entkräftende Abhandlung
The Natural History of Religion
(1757).
Robertson
Der Geistliche und Historiker William Robertson (1721–1793), 1762 Rektor der Universität Edinburgh und 1763 nach einer Vakanz von über fünfzig Jahren der erste
Historiographer Royal
Schottlands, zählt zu den führenden Figuren der schottischen Aufklärung. Zu seinen wichtigsten Werken zählen die zweibändige
History of Scotland
(1759), die von Zeitgenossen wie Voltaire und Edward Gibbon hochgelobte dreibändige
History of the Reign of the Emperor Charles V
(1769), in der Robertson die betreffenden Jahrzehnte als Ausgangspunkt für die politische Neuformierung Europas beschreibt, und die zweibändige
History of America
(1777). In der ersten Auflage der
Anweisung
ist auf die Übersetzung von Robertsons
History of Ancient Greece
(
2
1778) verwiesen (vgl. I § 138 a).
Gibbon
Der zeitweise auch als Politiker tätige Historiker Edward Gibbon (1737–1794) zählt aufgrund seines Hauptwerkes
The History of the Decline and Fall of the Roman Empire
(1776–1788) neben David Hume und William Robertson zu den bedeutendsten Geschichtsschreibern der englischsprachigen Aufklärung. Um Objektivität bemüht und unter großflächiger Heranziehung von Primärquellen beschreibt Gibbon den Niedergang Roms vom 2. Jh. bis zum Fall Konstantinopels im Jahr 1453 und macht dabei auch das Christentum mitverantwortlich. Bisweilen gilt Gibbon als erster moderner Historiker des antiken Rom, von besonderer Bedeutung ist seine Erschließung der Spätantike.
Raynal
Bekannt wurde der als Jesuit erzogene Guillaume Thomas François Raynal (Abbé Raynal) (1713–1796) vor allem durch die vielgelesene vierbändige
Histoire philosophique et politique des établissements et du commerce des Européens dans les deux Indes
(1770), zu der auch Denis Diderot (1713–1784) beigetragen hat. Nachdem dieses u.a. sklavereikritische Werk über die
beiden Indien
verboten wurde, veröffentlichte Raynal es nach Amsterdam ein zweites Mal in Den Haag (1774), doch wurde auch diese Ausgabe indiziert. Nach der erneuten Veröffentlichung in Genf (1780) musste Raynal Frankreich verlassen und fand schließlich bei Friedrich dem Großen (1712–1786) eine Freistatt. 1784 kehrte er nach Frankreich und 1791 vorübergehend auch nach Paris zurück. Hier folgte seiner Kritik an den absolutistischen Strukturen im vorrevolutionären Frankreich die Kritik an der revolutionären Praxis, die jedoch kein Gehör fand.
Barthelemy
Einer breiten Leserschaft ist der Numismatiker, Sprach- und Altertumswissenschaftler Jean Jacques Barthélemy (1716–1795) vor allem durch sein vierbändiges Werk
Voyage du jeune Anarcharsis en Grèce
(1788) (vgl. I § 138) bekannt geworden, dessen Ausarbeitung drei Jahrzehnte in Anspruch genommen hat. Im Stil einer Reisebeschreibung – Hauptfigur ist ein junger Skythe auf Bildungsreise, der im Alter seine Eindrücke niederschreibt – entwirft Barthélemy hier ein Bild vom gesellschaftlichen und kulturellen Leben Griechenlands vor Alexander und vereinigt so unterhaltsame Lektüre und Historizität.
Johann Müller
Der in Schaffhausen geborene Diplomat, Bibliothekar und Historiker Johannes von Müller (1752–1809) war einer der wichtigsten Schweizer Intellektuellen seiner Zeit und stand – davon zeugt der umfangreiche briefliche Nachlass – mit führenden Gelehrten in Kontakt. Aus seinen historischen Werken sind das von seinem Lehrer August Ludwig von Schlözer (1735–1809) als epochemachend rezensierte Werk
Bellum Cimbricum
(1772),
Die Geschichte der Schweizer
(1780), die nach Müllers Tod fortgesetzte
Geschichte der Schweizerischen Eidgenossenschaft
I–V/1 (1780–1808) und die unvollendeten, zuerst von seinem Bruder Johann Georg Müller (1759–1819) im Rahmen der
Sämmtlichen Werke
I–XXVII (1810–1819;
2
1831–1835) herausgegebenen
Vierundzwanzig Bücher allgemeiner Geschichte, besonders der europäischen Menschheit
(vgl. I § 235 c) hervorzuheben.
Spittler
Zunächst als Stiftsrepentent in Tübingen tätig, wurde Ludwig Timotheus von Spittler (1752–1810) 1778 auf Vermittlung Christian Gottlob Heynes Professor an der Göttinger Philosophischen Fakultät und verzichtete später zugunsten Gottlieb Jakob Plancks (1751–1833), der Spittler nach dessen Tod eine eigene Schrift widmen sollte (1811), auf einen Lehrstuhl an der Theologischen Fakultät. Bereits zu Tübinger Zeiten hatte Spittler seine
Geschichte des Kanonischen Rechts bis auf die Zeiten des falschen Isidorus
(1778) veröffentlicht (vgl. III § 89), als theologisch bedeutsamstes Werk darf der mehrfach aufgelegte
Grundriß der Geschichte der christlichen Kirche
(1782) gelten. Nach dem Verzicht auf die theologische Professur verlegte sich Spittler v.a. auf die politische bzw. Landesgeschichte. In diesem Zusammenhang sind vor allem die
Geschichte Wirtembergs unter der Regierung der Grafen und Herzoge
(1783), die zweibändige
Geschichte des Fürstenthums Hannover seit den Zeiten der Reformation bis zu Ende des siebenzehnten Jahrhunderts
(1786) und der zweibändige
Entwurf der Geschichte der Europäischen Staaten
(1793/1794) zu nennen.
Schiller
Als im engeren Sinne historische Arbeiten Friedrich Schillers, auf Initiative Goethes ab 1789 Professor in Jena, sind v.a. die
Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande von der Spanischen Regierung
(1788), von der nur der erste von sechs angedachten Bänden erschienen ist, sowie die im
Historische[n] Calender für Damen
(1791–1793) abgedruckte
Geschichte des Dreyßigjährigen Kriegs
zu nennen. Hinzugenommen werden kann etwa noch der kurze Aufsatz über die
Jesuitenregierung in Paraguai
, in: Der Teutsche Merkur 1788 (Okt.), 3–8. In seiner begeistert aufgenommenen Antrittsvorlesung
Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?
vom 26. Mai 1789 macht Schiller seine Vorstellung von Geschichtsschreibung deutlich.
230
233
.
Hat aber die Frage den
andern
Sinn: so betrift sie mehr die Methode und die Hülfsmittel, und dabey möchten folgende Vorschläge nicht undienlich seyn.
Die
Methode
Methode
und die
Hülfsmittel
Hülfsmittel
des historischen Studiums betreffend, so wird man hier keine vollständige Anweisung für Geschichtsforscher, oder für solche erwarten, die sich mit vorzüglichem Fleiß diesem Studium widmen, und überall aus den
Quellen
Quellen
schöpfen wollen. Nur einige Winke sollen denen gegeben werden, welche entweder versäumt, noch den
ersten Grund
hierin legen müssen, oder sich mit der Geschichte nur so weit beschäftigen, als zur bessern Kenntniß der übrigen, namentlich der theologischen Wissenschaften, nöthig ist. Jedoch kann die Religions- und
Kirchengeschichte
Kirchengeschichte hier noch weniger berücksichtigt werden, da unter den eigentlichen theologischen Wissenschaften von ihr die Rede seyn wird.
Anm.
Anm.
1. Man sieht aber wohl, daß dieses nicht eine Anweisung für
Geschichtsforscher
Geschichtschreiber
, oder für solche seyn solle, die sich mit vorzüglichem Fleiß dem Studium der Geschichte widmen, und, wie
alsdann
alsdenn
nöthig ist, aus den Quellen schöpfen wollen; sondern für die, welche entweder den ersten Grund hierin legen müssen, oder sich mit der Geschichte mehr als einem Nebenwerke, oder nur so weit beschäftigen, als zur bessern Kenntniß der übrigen, namentlich der theologischen Wissenschaften, nöthig ist.
Anm.
Anm.
2. Die Religions- und Kirchengeschichte wird hier ganz übergangen; weil ihr unten in einem andern Abschnitt ein
besondrer
besonderer
Platz bestimmt ist.
Anm.
Anm.
3. Ueberhaupt muß derjenige, der sich mehr auf die Geschichte
einlaßen
einlassen
kan und will, zuerst diejenigen Schriftsteller zu Rathe ziehen, welche ein Verzeichniß der dahin gehörigen allgemeinen und besondern Werke und Schriften geliefert haben. Hat er dadurch die besten Geschichtschreiber in den verschiedenen Arten der Geschichte kennen gelernet, so muß er sich, wenn er weiter gehen will, an diejenigen halten, die von diesen als gebrauchte
Quellen
Quellen oder
Hülfsmittel
Hülfsmittel sind angegeben worden. Für Geschichte überhaupt, oder eigentlich für bürgerliche Geschichte, ist das vollständigste Werk die Bibliotheca historica, instructa a
Struve, Burkhard Gotthelf
Burc. Gotthelf Struvio
, aucta a
Buder, Christian Gottlieb
Christ. Gottlieb Budero
, nunc vero a
Meusel, Johann Georg
Jo. Georg. Meuselio
- - amplificata, wovon bis jetzt
5 Volumina, jedes von 2 Theilen, Lipsiae 1782 bis 1791
Vol.
I. Pars I. Lipsiae 1782.
P.
II. 1784.
u.
Vol.
II.
P.
I. 1785.
in
gr.
8. erschienen
sind
ist
. Die
Buder, Christian Gottlieb
Budersche
Ausgabe des ganzen Werks war Jenae
1740
1740.
in 2 Bänden in
groß Oktav
gr.
8.
herausgekommen.
{
Anm.
Als Einleitung in das Studium zeichnet sich aus:
Rühs, Friedrich
E. B. Ruehs
Entwurf einer Propädeutik des historischen Studiums. Berlin 1811.
}
E. B. Ruehs Entwurf einer Propädeutik des historischen Studiums. Berlin 1811
Der Autor des geschichtsmethodisch innovativen Entwurfs ist der später v.a. durch nationalistische und antisemitische Überzeugungen aufgefallene Historiker (Christian) Friedrich Rühs (1781–1820).
231
234
.
Vor allen Dingen müßte man sich zu orientiren suchen,
d. i.
sich bekannt machen
wo?
und
wenn
die Veränderungen, welche die Geschichte lehren soll, vorgegangen wären, also zuvörderst den Schauplatz kennen lernen. Ohne
Zuvörderst sollte ohne
vorläufige Kenntniß der
Geographie
Geographie
sollte man nie wollen
Geographie
, welche uns den Schauplatz bekannt macht, auf welchem das, was sie erzählt, sich zutrug, niemand
Geschichte
Geschichte
studieren. Diese
studieren wollen. Dieses
vorläufige
Arbeit brauchte nur
Studium mag sich
auf das
Allgemeinere zu gehen;
Allgemeine beschränken,
weil sonst die Menge der Sachen zerstreuen, oder unnöthig aufhalten,
vieles
Vieles
auch nicht einmal verständlich, oder dessen
Nutzbarkeit
Nutzbarkeit begreiflich seyn würde, was erst durch die Geschichte
aufklären
aufgeklärt werden muß. Vorzüglich
müßten unter den wichtigsten Oertern
müssen
die
natürlichen
natürlichen
Abtheilungen der Erde durch Meere, Flüsse und
Gebürge
Gebirge
bemerkt werden, als welche die beständigsten sind, woran sich auch größtentheils die Abtheilungen der Völker und die wichtigsten Städte geschlossen haben, von wo aus selbst die Verbindungen und die Ausbreitung der Völker gegangen sind.
1
)
Weil die neuere Beschaffenheit der Länder uns näher angeht, und man von ihr mehr wissen
kan
kann,
als von der vorhergehenden: so
würde
fängt
man
gewöhnlich
von der
neuern
neuern
Geographie
anfangen
an
, und
geht
so zur
mitlern
mittlern
und
ältern fortgehen.
ältern
fort.
2
)
Es versteht sich, daß
man stets die
dabei der Gebrauch der
besten
Landcharten
Landcharten, die man bekommen
kan, vor sich haben müsse
kann, unentbehrlich ist
.
Bey der
neuern
Geographie könnte man der vollständigern Kürze wegen
Fabri, Johann Ernst
J. E. Fabri
Handbuch der neuesten Geographie,
dritte umgearbeitete
Aufl.
Halle
1790
1784.
gr.
8. und zur Erweiterung in Absicht auf Europa und einen Theil von Asien,
Büsching, Anton Friedrich
A. F. Büschings
Auszug aus seiner Erdbeschreibung, 5te vermehrte Auflage, Hamburg 1780 in 2 Theilen in 8. und 6ste
Aufl.
des ersten Theils,
1785
,
1785.
zum Grunde legen
; noch mehr aber, wenn die Geographie vorzüglich zum Behuf der
Völkergeschichte
studiert werden soll,
Gatterer, Johann Christoph
J. C. Gatterers
kurzen Begriff der Geographie, Göttingen 1789
in 2 Oktavbänden, weil er sich neben der Land- auch auf Völkerkenntniß erstreckt, und sie mit großer Sorgfalt classificirt
. – In der
mittlern
mitlern
Geographie haben wir
eigentlich
noch
gar
nichts
Allgemeines, das einigermaßen, nebst Richtigkeit, vollständig heißen könnte.
Anville, Jean Baptiste Bourguignon d'
D'Anville
zugleich richtigeres und vollständigeres als
d'Anville
Handbuch der
mittlern
mitlern
Erdbeschreibung - - nebst einer Landcharte von der
mittlern
mitlern
Geographie, Nürnberg
1782
1782.
in
gr.
8.
ist bis jetzt das einzige zuverläßige, um sich in den für die Geschichte wichtigsten europäischen Staaten, seit der großen Völkerwanderung, überhaupt orientiren zu lernen, ob es gleich kaum über das achte Jahrhundert hinausgeht
die doch nur einige europäische Staaten betrifft
. – In der
ältern
Geographie kan
können
für den Anfang das §.
140
erwähnte
Handbuch
zum Gebrauch
der
140.
erwehnte Handbuch nach Anleitung der
Anville, Jean Baptiste Bourguignon d'
d'Anvillischen
Landcharten
Landcharten,
dienen,
womit man stets den vortreflichen
wovon der
erste
Band, über Europa, Nürnberg 1785.
in
gr.
8. vollendet ist, von dem
zweyten
aber bis jetzt einige Theile von Asien und Aegypten, erschienen sind. Der vortrefliche
Atlas antiquus
Anville, Jean Baptiste Bourguignon d'
Danvillianus
verbinden muß
Danvillanus
, welcher, mit Inbegriff der Tabulae medii aevi, 12 Charten in sich
faßt
faßt, ist daselbst 1784.
nachgestochen
. – Von dieser vorläufigen geographischen Kenntniß muß freylich vieles erst hinterher durch die Geschichte vollständiger und deutlicher, und der Abgang solcher
Landcharten
Landcharten, welche die Länder nach gewissen besondern Zeiten vorstellen, durch die ersetzt werden, die sich bey manchen genauern Abhandlungen über die Geschichte
einzelner
einzler
Reiche zu gewissen Zeiten
befinden,
befinden
und hier nicht
können
besonders angegeben werden
können
.
Anm.
1. Ein durchgreifender Versuch, natürliche Eintheilungsgründe zu wählen, und auf Gebirge, Thäler, besonders aber auf Meere und Flüsse Rücksicht zu nehmen, ist
Zeune, August
A. Zeune
Versuch einer wissenschaftlichen Erdbeschreibung. Berlin 1808.
Etwas noch weit vollständigeres aber läßt
Ritter, Carl
C. Ritter's
Erdkunde, oder allgemeine vergleichende Geographie, als sichere Grundlage des Studiums und Unterrichts in physikalischen und historischen Wissenschaften, wovon bereits der erste Theil, Berlin 1817.
, erschienen ist, erwarten.
Anm.
2. Als Hülfsmittel für das erste Studium, mit Vorbeigehung der
größern Werke von
Cellarius, Christoph
Cellarius
,
Büsching, Anton Friedrich
Büsching
,
Norrmann, Gerhard Philipp Heinrich
Norrmann
, erinnern wir für
alte Geographie
an die §.
140.
Anm.
angeführten Werke; für
mittlere
und
neuere
Gatterer, Johann Christoph
J. C. Gatterer's
kurzer Begriff der Geographie, Göttingen 1789.
, 2 Oktavbände,
die sich neben der Länder- auch auf Völkerkenntniß erstreckt, und sie mit großer Sorgfalt classificirt.
Anville, Jean Baptiste Bourguignon d'
D'Anville
Handbuch der mittlern Erbeschreibung, nebst einer Landcharte von der mittlern Geographie. Nürnberg 1782.
gr.
8.
Fabri, Johann Ernst
J. E. Fabri's
Handbuch der neuesten Geographie, 3te
Aufl.
Halle 1790.
, nebst
Desselben
kurzem Abriß, 15te
Aufl.
1817.
Stein, Christian Gottfried Daniel
C. G. D. Stein
Handbuch der Geographie und Statistik, nach den neuesten Ansichten, 2 Theile, nebst einer Weltcharte. Leipzig 1817.
, nebst
Desselben
kleine Geographie. Neue Auflage. 1817.
Anm.
3. Die Versäumniß der
Geographie
Geographie
überhanpt
und ihre Trennung von der Geschichte ist eine Hauptursach, warum die geschichtlichen Kenntnisse bei Vielen theils so unklar sind, theils so bald verloren gehen, weil sie sich nicht sinnlich an die Orte und Länder anschließen, worin sie vorgegangen sind. Man sehe, was ich darüber, so wie überhaupt über das Studium beider Wissenschaften, in
meinen
Grundsätzen der Erziehung und des Unterrichts
in der
Unterrichtslehre
Kap.
7. bemerkt habe.
A. d. H.
größern Werke von Cellarius, Büsching, Norrmann
Gemeint ist die zwei Einzelwerke zusammenfassende, später auch ins Deutsche (1709) übersetzte
Geographia antiqua iuxta et nova
(1687) (die
Geographia medii aevi
blieb unvollendet) und die häufig aufgelegte
Notitia orbis antiqui
(1701–1706) (vgl. I § 140) des halleschen Philologen, Historikers und Geographen Christoph Cellarius (1638–1707); mit Anton Friedrich Büsching (1724–1793) verbindet sich die berühmte, insgesamt dreizehnteilige
Neue Erdbeschreibung
(1754–1803), die er selbst bis in den elften Teil (1754–1792) hinein (Europa und den Anfang von Asien) bearbeitete und für die er zudem einen mehrfach aufgelegten Auszug besorgte (vgl. I § 231), sowie die bis 1802 in sechs Auflagen, zahlreichen Nachdrucken und Übersetzungen erschienene
Vorbereitung zur gründlichen und nützlichen Kenntnis der geographischen Beschaffenheit und Staatsverfassung der europäischen Reiche und Republiken
(1758); der Rostocker Statistiker und Geograph Gerhard Philipp Heinrich Norrmann (1753–1837) ist der Verfasser des
Geographische[n] und Historische[n] Handbuch[s] der Länder-, Völker- und Staatenkunde
(1785–1798) und zudem als Bearbeiter von Büschings
Vorbereitung
(
6
1802) hervorgetreten.
C. G. D. Stein Handbuch der Geographie und Statistik, nach den neuesten Ansichten, 2 Theile, nebst einer Weltcharte. Leipzig 1817
Die hier angeführte dritte Auflage ist 1817 in drei Bänden erschienen.
Desselben kleine Geographie. Neue Auflage. 1817
Gemeint ist die achte Auflage.
meinen Grundsätzen der Erziehung und des Unterrichts in der Unterrichtslehre Kap. 7
Niemeyers
Grundsätze
sind bereits zuvor nach der sechsten Auflage (1810) angeführt worden (vgl. I § 64 c). Gemeint ist wohl das fünfte Kapitel im dritten, die Didaktik beinhaltenden Hauptabschnitt des zweiten Teils, in dem der Unterricht in Geographie und Geschichte behandelt wird (vgl. aaO 437–472), doch wird im siebenten Kapitel (vgl. I § 70 c) explizit auf das fünfte Kapitel verwiesen (vgl. aaO 543).
232
235
.
Nach dieser vorläufig erlangten Kenntniß
müßte
muß
der Anfang von Erlernung der
Geschichte
Geschichte selbst mit einer allgemeinen Uebersicht derselben, also mit der
allgemeinen
Weltgeschichte
Weltgeschichte
allgemeinen Weltgeschichte
(§.
227
230
227.
) gemacht werden
, wenn man einen Unterricht finden kan, der dieses Namens würdig ist
. Liegt
bey
bei
dem Studium der Geschichte keine solche allgemeine Geschichte zum
Grunde:
Grunde,
so
kan
kann
man sich in Absicht auf
Zeit (§.
231
234
), wohin
die Zeit, der
jedes ge hört, nicht wohl finden, ja selbst oft nicht einmal in Absicht auf die Länder, wo etwas vorgefallen ist, weil diese, nach verschiedenen Veränderungen in der Geschichte, auch
andre
andere
Namen, einen andern Umfang,
andre
andere
Cultur
Cultur
u. s. f.
bekommen haben.
Ueberdies
Ueberdieß
greift
jede besondre
jeder besondere Theil der
Geschichte in
andre
andere Theile ein
, ohne deren Kenntniß auch jene nicht deutlich ist, zumal wenn man die Ursachen von besondern Veränderungen in Einem
Staat
Staat
Staate
wissen will, die Ursachen mögen vorhergehende oder mitwirkende seyn. Denn dazu ist Kenntniß vorhergehender oder gleichzeitiger Staaten nöthig, und, da man die Geschichte dieser
einzelnen
einzeln
Staaten doch nicht auf
einmal
Einmal
lernen
kan
kann
: so ist keine
andre
andere
Hülfe als von der
allgemeinen Weltgeschichte
allgemeinen Weltgeschichte
zu erwarten. Auch muß man sich gleich
Anfangs
anfangs
an Bemerkung des Zusammenhangs in der Geschichte gewöhnen (§.
224
227
), und lernen
224.
),
das Wichtigere von dem Unwichtigern
zu
unterscheiden
unterscheiden
lernen
, um über dieses nicht jenes zu
vernachläßigen; aber eben
vernachlässigen. Auch
diesen Zusammenhang lehrt jene allgemeine
Geschichte, und sie
Geschichte. Sie
macht uns auf das Gewicht und den Einfluß eines Staats und dessen
Veränderungen
Verhältnisse
auf gleichzeitige und spätere Veränderungen aufmerksam. Selbst der Blick erweitert sich durch dieses
eröffnete
eröfnete
weite
Feld, und
Feld. Es
macht einen
größern
grössern
Eindruck von
dem Umfang und
der Wichtigkeit
der Geschichte
des Studiums
überhaupt, welches die Lust,
sie
es
zu
studieren, sehr
betreiben, nicht wenig
befördert.
Anm.
Man
kan
kann
einen solchen allgemeinen Entwurf entweder vorher zur Einleitung in die noch ganz unbekannte Geschichte, oder nachher, wenn man schon mehrere
einzelne
einzle
Theile derselben sich bekannt gemacht hat, zur deutlichern und zusammenhängendern Uebersicht
brauchen
gebrauchen
. Hier ist er nur in der erstern Absicht angenommen.
Freylich
Freilich
muß der, wer einen solchen guten Unterricht über die allgemeine Weltgeschichte geben soll, vorher die
Spezialgeschichte
Spezialgeschichte kennen
gelernet
gelernt
haben; aber das braucht der nicht, der
sie,
sie
noch vor der
Hand,
Hand
nicht untersuchen, sondern lernen will, um
gleichsam
eine allgemeine
Geschichtcharte
Geschichtcharte
Geschichtscharte
zu
besserem
besserer
Verständniß der Spezialcharten zu haben.
233
236
.
Es müßte aber eine
Eine
Geschichte
Geschichte,
die
welche
diese Absichten erfüllen
sollte,
a)
bey
soll, muß 1) bei
allem Reichthum der Sachen,
a)
zweckmäßig kurz seyn,
d. i.
nichts enthalten, was nicht entweder zur Kenntniß eines ganzen Theils, Volks oder Staates und dessen
merkwürdigerer
merkwürdigeren
merkwürdigsten
Veränderungen, oder zur Kenntniß des Einflusses desselben auf
andre
andere
ganze Theile, Völker oder Staaten,
diente
dient
, und
b)
2)
doch hinlänglich zur allgemeinen Kenntniß dieser
zwey
beiden
Stücke. Sie
müßte
muß
sich
c)
3)
leicht im Zusammenhange übersehen, und
d)
4)
zum zukünftigen beständigen Gebrauch
bey
bei
der
Spezialgeschichte
Spezialgeschichte, sowohl
Spezialgeschichte sowohl,
als zur Festhaltung des Totaleindrucks, leicht behalten
laßen
lassen
.
234
237
.
Unmöglich ist es, das Ganze deutlich zu übersehen, ehe man nicht vorher dessen
einzelne
einzle
Haupt theile kennen
gelernt
gelernet
hat. Also sind gewisse Gränzen oder Abschnitte nöthig, und diese werden
bey
bei
der
Geschichte
Geschichte
entweder
durch die Zeit
oder
durch die Gegenstände,
z. B.
durch die
verschiednen
verschiedenen
Völker, bestimmt, mit welchen sich die Geschichte beschäftigt. Jenes würde die
chronologisch
chronologische
, dieses die
synthetisch
synthetische
Anordnung seyn.
Bey
Bei
der
erstern
kan
kann
man die Weltveränderungen in die Länge oder Breite,
d. i.
entweder
so stellen, wie sie
nach
einander,
einander
oder
wie sie
neben
einander erfolgten; im erstern Fall
würden
werden
sie eigentlich
chronologisch
, im
zweyten
zweiten
synchronistisch
geordnet.
Bey
Bei
der
andern
aber
käme
kommt
es
auf das
darauf
an, was man zum
Hauptgegenstand
Hauptgegenstande
machen will, ob das Schicksal der
Cultur
Cultur,
Cultur
und was dazu gehört
meisten Länder oder Völker
, oder der
Länder, oder der Völker
Cultur mit Allem, was diese in sich begreift
. Alle diese Methoden
laßen
lassen
sich verbinden. In einer allgemeinen
Weltgeschichte
Weltgeschichte, wo es am meisten auf leichte Uebersicht und
Zusamhang
ankommt, ists ohne Zweifel am besten, gewisse
Hauptveränderungen
Hauptveränderungen
in der Welt
(universalhistorische Begebenheiten)
als
Epochen
Epochen oder
Ruhepuncte
Ruhepunkte
anzunehmen, und darnach verschiedene
Perioden
Perioden
Perioden
zu
machen,
machen
(die man nachher, wenn sie zu lang, und zu voll von merkwürdigen
Revolutionen
Revolutionen sind,
wieder, nach eben dem Fuß,
wieder in gleicher Art
abtheilen
kan
kann
), in jeder aber die wichtigsten Völker (im politischen
Verstande,
Verstande
oder in Einem
Staatskörper
Staatskörper vereint) und ihre
Geschichte,
Geschichte
besonders, und daneben den Fortgang der Cultur
überhaupt,
überhaupt
oder
bey
bei
jedem
insbesondre,
insbesondre
insbesondere
aufzustellen.
Weltgeschichte von
Schlözer, August Ludwig von
A. L. Schlözer
, Erster Theil,
Göttingen 1785.
8,
in der Einleitung, sonderlich
S.
79–119.
Anm.
Anm.
Um das
Vielerley bey
Vielerlei bei
diesem ersten anfänglichen Unterricht zu vermindern, sollte wohl die Geschichte der ei gentlichen Cultur, wenigstens die Geschichte der
Religion
Religion,
so fern
sofern
sie nicht zur
äusserlichen
äußerlichen
Verfassung gehört,
desgleichen
der Wissenschaften und der Künste, von der Geschichte der Völker und ihrer Verfassung geschieden, und eine Universalgeschichte der Religion
u. s. w.
besonders entworfen
werden.
werden, wie dieß
z. B.
in
Niemeyer, August Hermann
A. H. Niemeyer's
Lehrbuch für die obern Religionsklassen, 9te Ausgabe, Halle 1818.
, geschehen ist.
Indessen
Indeß
hängen
freylich
freilich
auch die
Völkerverändrungen
Völkerveränderungen
von den
Verändrungen
Veränderungen
ihrer Cultur ab, und die
Polizirung der Völker läßt sich schwerlich ohne die innere Cultur vorstellen; auch benimmt die Geschichte der Cultur der
bloßen
blossen
Völkergeschichte das Trockne, und macht sie lehrreicher.
Ohnehin schränken sich die Entwürfe zur allgemeinen Weltgeschichte gemeiniglich nur auf die äussere Cultur ein.
Weltgeschichte von A. L. Schlözer, Erster Theil, in der Einleitung, sonderlich S. 79–119
In August Ludwig von Schlözers (1735–1809) zweibändiger
WeltGeschichte nach ihren HauptTheilen im Auszug und Zusammenhange
(1785/1789) finden sich auf den angegebenen Seiten der Einleitung Überlegungen zum
Begriff der Weltgeschichte
und ihren unterschiedlichen (chronologisch, synchronistisch, geographisch, technographisch, ethnographisch) Darstellungsmöglichkeiten (aaO 79–91 [Abschnitt V]) sowie die Entscheidung für eine doppelte, d.h. eine synchronistische und synthetische,
Abteilung der Weltgeschichte
(aaO 92–119 [Abschnitt IV]).
Polizirung
D.h. die äußere Ordnung.
235
238
.
Eine solche bisher
erwähnte
erwehnte
allgemeine Uebersicht der
Geschichte
Geschichte zu erlangen scheint
vor dem ersten Anfang
nichts
dienlicher, als die
dienlicher als:
Die
schon genannte
Schlözer, August Ludwig von
Schlözerische
Wo gelehrte Schulen und
Gymnasien
Gymnasien zweckmäßig eingerichtet sind, darf man erwarten, daß wer zur Universität übergeht, in Besitz einer Grundansicht und Grundkenntniß der Geschichte gekommen seyn werde. Wäre dieß nicht der Fall, und selbst wo er es ist, wird sich, um die Grundlage weiter auszubauen, das Vergessene sogleich wieder zu finden, und überhaupt immer in vertrauter Bekanntschaft mit der Wissenschaft zu bleiben, ein jeder wenigstens mit einigen der besten
Hülfsmittel
Hülfsmittel zu versehen haben, an welchen unser Zeitalter keinen Mangel hat.
Anm.
Für den ersten Anfang eignet sich hierzu ganz vorzüglich:
Schlözer, August Ludwig von
Schlözer's
Weltgeschichte,
Erster Theil, Göttingen 1785, Zweyter 1789
in 8.
oder
1ster und 2ter Theil, 1785. und 1789. 8.
und
, da
diese noch
sie
nicht vollendet ist,
Schlözer, August Ludwig von
Schlözers
Desselben
Vorstellung der Universalhistorie,
zwote Aufl.
2te Auflage.
Göttingen
1775
in
1775.
8.
Aber sie enthält
Indeß enthält sie
doch
8, oder, da beyde Bücher
mehr Plan zur allgemeinen
Weltgeschichte,
W. G.
als
eine eigentliche Darstellung derselben. Diese letztere findet man ganz vorzüglich in
Vorstellung derselben enthalten, in Verbindung mit derselben,
Gatterer, Johann Christoph
Joh. Christoph
Gatterers
Gatterer's
kurzer Begriff der Weltgeschichte in ihrem ganzen Umfange, Erster Theil, Göttingen 1785.
gr.
8. oder
Desselben (größre)
Weltgeschichte in ihrem ganzen
Umfange,
Erster
1ster
Theil, Göttingen
1785, Zweyter 1787
in
1785., 2ter Theil, 1787.
gr.
8
8.
, die sich, durch ihren großen zusammengedrängten Reichthum von Sachen und selbst vielen neuen Aussichten, durch den überall sichtbaren Forschungsgeist, durch eine ungemein lehrreiche Darstellung und stete
Verbindung
Verbindung,
nicht nur der
verschiednen
verschiedenen
Völker mit einander, sondern auch ihrer
Cultur
Cultur und
Verfassung
Verfassung mit ihrer Geschichte, vor so vielen andern auszeichnet. Sie geht
aber, so weit sie heraus ist,
jedoch auch
nur bis zur
Zertrümmerung des persischen Reichs durch
Alexander d. Gr.
Alexander
, mit einem Entwurf des Ursprungs und der Verfassung der griechischen Staaten. Man
müßte
muß
also das Uebrige aus
dessen
Dessen
Umfange.
Erster Theil
, ebendaselbst 1785.
gr.
8, oder, da beyde nur bis auf
Kyros II.
Kyrus
reichen,
Desselben
Abriß der Universalhistorie in ihrem ganzen Umfange,
zwote
Ausgabe,
2 Bände, 2te Ausgabe.
Göttingen
1773
in 2 Octavbänden
1773.
ergänzen
1773, in 2 Bänden in 8
.
Da
sich
aber auch dieser
Abriß
sich schon
mit der Entdeckung von Amerika
endigt: so
endigt,
könnte man, in Absicht der neuesten
Geschichte
Geschichte,
den
Grundriß einer Geschichte der merkwürdigsten Welthändel neuerer Zeit - - von
Büsch, Johann Georg
Joh. Georg Büsch
,
zweyte
zweyte
und umgearbeitete Ausgabe, Hamburg
1783
in 8, oder den
Krause, Johann Christoph
Krausischen
Grundriß (§.
240
)
1783. 8.
zu Hülfe nehmen.
Hierzu ist die aus dem Französischen übersetzte
Universalhistorie des Abbé
Millot, Claude François Xavier
Millot
, bis auf die neuere Zeit, fortgesetzt von
Christiani, Wilhelm Ernst
M. F. Christiani
, 1ster und 2ter Theil, Leipzig 1771–1791.
nicht unbrauchbar.
Das reichhaltigste und
wohlgeordnetste
wohlgeordnetste, bis zur Entdeckung von Amerika gehende
Handbuch über die
ganze
ganze
Universalgeschichte
Universalgeschichte
scheint mir doch
ist aber
die
Anleitung zur Kenntniß der allgemeinen Welt- und Völkergeschichte, von
Beck, Christian Daniel
Christian Daniel Beck
,
Erster Theil, Leipz. 1778, Zweyter 1788
in
1ster bis 4ter Theil. Leipzig 1787–1813.
gr.
8, bis jetzt zwar nur bis auf die Theilung der Carolingischen Mo narchie fortgeführt, eben so wie
8.; – kürzer:
Desselben
kurzgefaßte Anleitung zur
K. d. a. W. u. V. Geschichte
Kenntniß der allgemeinen Welt- und Völkergeschichte
, ein Auszug aus dem
grössern
größern
Werke,
Erster
1ster
Theil,
1789
in
1789.
gr.
8, der, bey aller Vollständigkeit, zu einer kürzern Uebersicht noch brauchbarer ist. Aber das Zurückgebliebene kan man vor der Hand durch
8.
Desselben
Entwurf der allgemeinen
W. u. V. Geschichte
Welt- und Völkergeschichte
der
drey
drei
letzten Perioden (bis auf die neueste
Zeit), Leipzig 1790
in 8. ersetzen.
Zeit). Leipzig 1790.
Diese
Beck, Christian Daniel
Beckische
Anleitung, Auszug und Entwurf erstreckt
Beckischen
Werke erstrecken
sich nicht nur auf
dem
den
politischen, sondern auch auf
dem
den
moralischen und
literarischen
literärischen
Zustand der Welt in
verschiednen
verschiedenen
Zeiten und unter
verschiednen
verschiedenen
Völkern; sie
ist
sind
recht eigentlich für Stu dierende auf
Akademien, freylich
Akademieen, freilich
nicht für
gemeine
Anfänger
, geschrieben, ausnehmend reich an Begebenheiten, an den neuesten und besten Entdeckungen in der Geschichte, und an
literarischen
literärischen
Notizen, und, wenn man sich erst einmal in die darin beobachtete Ordnung gefunden hat, sehr bequem, sich in dieses Buch oder nach demselben das einzutragen, was man nachher,
bey
bei
dem
weitern
weiteren
Studium der Geschichte, von Entdeckungen und dahin einschlagenden Schriften findet.
{Außerdem sind sehr empfehlungswerth:
Remer, Julius August
J. A. Remer's
Handbuch der allgemeinen Geschichte, 3 Theile. Braunschweig 1783.
Eichhorn, Johann Gottfried
J. G. F. Eichhorn's
Weltgeschichte, 2 Theile, Göttingen 1804.
Müller, Johannes von
J. v. Müller
24 Bücher allgemeiner Geschichte, besonders der europäischen Geschichte, 3
Bde.
Tübingen 1811.
Pölitz, Karl Heinrich Ludwig
K. H. L. Pölitz
Handbuch der Weltgeschichte, 3 Theile. Leipzig 1805–1806.
}
Zertrümmerung des persischen Reichs durch Alexander
Gemeint ist der makedonische König Alexander III., der Große (356–323 v. Chr.), der das persische Großreich der Achämeniden nach der Ermordung Dareios' III. im Jahre 330 v. Chr. endgültig eroberte.
Kyrus
Gemeint ist der persische König Kyros II., der Große (gest. 530 v. Chr.).
Anleitung zur Kenntniß der allgemeinen Welt- und Völkergeschichte, von Christian Daniel Beck, Erster Theil, Leipz. 1778, Zweyter 1788
Der erste Teil ist, wie in der dritten Auflage der
Anweisung
korrigiert, 1787 erschienen, der vierte Teil stammt aus dem Jahr 1807.
J. A. Remer's Handbuch der allgemeinen Geschichte, 3 Theile. Braunschweig 1783
Der dritte Teil ist 1784 erschienen.
J. G. F. Eichhorn's Weltgeschichte, 2 Theile, Göttingen 1804
Bei dem Autor handelt es sich um den v.a. im Zusammenhang der biblischen Einleitungswissenschaften (vgl. II § 34) bedeutenden Historiker, Orientalisten und Philologen Johann Gottfried Eichhorn (1752–1827), ein dritter Vorname ist nicht bekannt. Die zwei Teile der hier angeführten zweiten Auflage seiner
Weltgeschichte
sind bis 1814 in insgesamt fünf Bänden erschienen. Der erste Teil umfasst in einem Band die Geschichte der alten, der zweite Teil in vier Bänden die Geschichte der neuen Welt.
K. H. L. Pölitz Handbuch der Weltgeschichte, 3 Theile. Leipzig 1805–1806
Hier handelt es sich um Karl Heinrich Ludwig Pölitz' dreiteiliges Werk
Die Weltgeschichte. Ein Lehr- und Lesebuch für gebildete Stände, Gymnasien und Schulen
(1805–1806), das unter leicht verändertem Titel mehrfach aufgelegt und auch als
Handbuch der Weltgeschichte
bezeichnet wurde.
236
239
237[!]
.
Diese allgemeine Uebersicht kan
Die
allgemeine Uebersicht der Geschichte
kann
ungemein erleichtert, anschaulicher gemacht, und der Eindruck so
verschiedner
verschiedener
Perioden und Völker, nebst ihrem Verhältniß gegen einander, lebhafter und dauerhafter
, zugleich aber die gar zu leichte Verwir rung in einer Wissenschaft von so ungeheurem und mannichfaltigem Inhalt verhindert
werden, wenn man theils
bey
bei
jener kurzen allgemeinen
Weltgeschichte
Weltgeschichte, theils noch mehr nach Vollendung derselben, sowohl gute
chronologische
Weltcharten
Weltcharten
, als auch
synchronistisch
synchronistische
Tabellen
Tabellen
zu Hülfe nimmt.
Beyderley
Anm.
Beide
Arten enthält die
Gatterer, Johann Christoph
Gattererische
Gatterersche
Synopsis historiae
vniuersalis
universalis
sex
tabulis - -
tabulis –
comprehensa, der verbesserten
Ausgabe,
Ausgabe.
Göttingen
1769
1769.
gr. fol.
In
1769.
gr. Fol.
;
in
der letztern Art ist
Berger, Theodor
Theodor
Bergers
Berger's
synchronistische Universalhistorie der vornehmsten
europ.
europäischen
Reiche
etc.
nach der
6sten
6ten
von
Jaeger, Wolfgang
Wolfg. Jäger
verbesserten Ausgabe,
verbess. Ausgabe.
Coburg
1781
fol.
1781.
Fol.
vorzüglich
nutzbar; noch
weitreichender
weiter reichend
aber sind für die ganze Universalhistorie die
Blair, John
Blairschen
Tafeln, die schon zu London 1756
, und wieder 1768
unter dem
Titel
Titel:
The Chronology and History of the
World - -
World,
in LVI Tables, by
Blair, John
John Blair
,
in Kupfer gestochen, mit 14 Landcharten herauskamen, und nun endlich auch deutsch übersetzt:
(
Blair, John
J. Blairs
J. Blair's
synchronistische Tabellen für die allgemeine Weltgeschichte, von Erschaffung der
Welt - -
Welt,
fortgesetzt bis
auf
Leopold II.
Leopold II.
von
Watteroth, Heinrich Josef
Heinr. Joseph
Watteroth
,)
Watteroth
.
Wien
1790
in zwey Theilen in
1790. 2 Theile.
Querfolio
erschienen sind.
–
Ganz vorzüglich aber empfehlen sich für den Handgebrauch:
Hübler, Daniel Gotthold Joseph
D. G. F. Hübler's
synchronistische Tabellen der Völkergeschichte, nach
Gatterer, Johann Christoph
Gatterer
. 3 Lieferungen. 1796–1799.
Bredow, Gabriel G.
G. H. Bredow's
Weltgeschichte in Tabellen, 3te Auflage. Altona 1810.
womit Hinsichts der Abstammung der Völker und des Entstehens der Reiche auch verglichen zu werden verdient:
Strass, Friedrich
F. Straß
Strom der Zeiten, oder bildliche Darstellung der Weltgeschichte, nebst des Verfassers Ueberblick zur Erläuterung. Berlin 1803.
Unter den nicht minder nothwendigen
genealogischen
Tabellen sind
Gatterer, Johann Christoph
J.
C. Gatterers
E. Gatterer's
Stammtafeln zur Weltgeschichte, wie auch zur europäischen Staaten- und Reichshistorie,
mit dem
größesten
größten
Fleiße entworfen. Die
erste
Sammlung derselben, von 32 Tafeln, ist zu Göttingen
1790
1790.
herausgekommen.
nutzbar.
Auf die europäische Staatengeschichte beschränken sich
Voigtel, Traugott Gotthold
T. G. Voigtel's
genealogische Tafeln. Halle 1811.
Theodor Bergers synchronistische Universalhistorie der vornehmsten europ. Reiche etc. nach der 6sten von Wolfg. Jäger verbesserten Ausgabe, Coburg 1781
Aus dem Jahr 1781 stammt die fünfte Auflage, eine sechste Auflage ist nicht zu ermitteln.
Blairschen Tafeln, die schon zu London 1756, und wieder 1768 […] in Kupfer gestochen, mit 14 Landcharten herauskamen
John Blairs (gest. 1782)
The Chronology and History of the World, from the Creation to the Year of Christ, 1753, illustrated in LVI tables
ist zuerst 1754 in London erschienen und 1756 nachgedruckt worden. Weitere Ausgaben folgten.
Leopold II.
Gemeint ist Leopold II. (1747–1792), ab 1790 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches.
D. G. F. Hübler's synchronistische Tabellen der Völkergeschichte, nach Gatterer. 3 Lieferungen. 1796–1799
Der Name des Autors lautet Daniel Gotthold Joseph Hübler (1734–1805), zugrunde liegt Johann Christoph Gatterers
Versuch einer allgemeinen Weltgeschichte bis zur Entdeckung Amerikens
(1792).
J. E. Gatterer's Stammtafeln zur Weltgeschichte […] Göttingen 1790
Der Name des Autors lautet Johann Christoph Gatterer.
T. G. Voigtel's genealogische Tafeln. Halle 1811
Gemeint ist der erste Teil von Traugott Gotthold Voigtels (1766–1843)
Genealogische[n] Tabellen zur Erläuterung der Europäischen Staatengeschichte
, der zweite Teil erschien erst 1829.
237
240
236[!]
.
Ehe man zur
Spezialgeschichte
Spezialgeschichte
fortschritte
fortschreitet
, oder ehe man
, wenn man wollte,
sich um eine ausführliche allgemeine
Weltgeschichte
Weltgeschichte
bewürbe
bewirbt
, oder wenn man sich auch
bey
bei
der Spezialgeschichte nicht auf die Geschichte mehrerer Staaten
einlaßen
einlassen
könnte: würde
einlassen kann, wird
man nicht ohne Vortheil
ein Werk
Werke
zu Rathe
ziehen können, das
ziehen, die
mehr als bloß allgemeine Uebersicht
gäbe
geben
, und doch nicht zu weitläufig
wäre
sind
, zumal wenn
es
sie
zugleich die Geschichte pragmatisch
darstellte. Dieses
darstellen. Diese
würde jenen allgemeinen Entwurf noch unterhaltender, und die gelernten Sachen durch etwas mehrere Umständlichkeit noch behältlicher machen, zugleich aber Vorbereitung auf die Spezialgeschichte und auf das
pragmatisch
pragmatische Studium der Geschichte seyn.
Bis jetzt hat man schwerlich ein besseres
und zu diesem Zweck dienlicheres
Werk dieser Art als die
Elemens
de l'histoire
d'histoire
generale par l'Abbé
Millot, Claude François Xavier
Millot
, welche seit 1772
mehrmals,
z. B.
zu Bern 1775 in 9 Bänden
gr.
12. aufgelegt, und in der deutschen Uebersetzung:
Millot, Claude François Xavier
Millot
Universalhistorie alter, mitler und neuer Zeiten, mit Zusätzen und Berichtigungen
bis auf gegenwärtige Zeit fortgesetzt
von
Christiani, Wilhelm Ernst
Wilh. Ernst Christiani
,
wovon bis jetzt
Leipzig
1777–91
in 12 Theilen
1777–85. 8 Theile
in
gr.
8., noch vollständiger, und selbst mit einer kurzen Kirchengeschichte vermehrt
8. erschienen, noch nützlicher
worden sind.
Der Gebrauch eines solchen Werks wäre auch um so mehr anzurathen, da die §.
235
238
gedachten vortreflichen Entwürfe theils meistens zu Vorlesungen bestimmt, und für den
ersten
Anfänger nicht ganz verständlich sind, theils
einzelne
einzle
feine Bemerkungen schon in die Spezialgeschichte schlagen, und nicht für ihn sind, der ihren
großen
grossen
Werth noch nicht zu schätzen weiß.
Elemens de l'histoire generale par l'Abbé Millot, welche seit 1772 mehrmals, z. B. zu Bern 1775 in 9 Bänden gr. 12. aufgelegt
Claude François Xavier Millots (1726–1785) Werk
Eléméns D'Histoire Générale
ist in zwei Partien in Paris erschienen. Die vier Bände der
première partie
stammen aus dem Jahr 1772 und umfassen die
histoire ancienne
, die fünf Bände der
seconde partie
umfassen die
histoire moderne
und stammen aus dem Jahr 1773. 1775 sind beide Partien in Lausanne und auch in Neuchâtel (
édition augmentée
) erschienen, eine Berner Ausgabe ist nicht nachzuweisen.
Millot Universalhistorie alter, mitler und neuer Zeiten […] fortgesetzt von Wilh. Ernst Christiani, Leipzig 1777–91 in 12 Theilen
Die von Wilhelm Ernst Christiani (1731–1793) verfassten Teile 10 bis 12 sind auch unter dem Titel
Geschichte der neuesten Weltbegebenheiten
1–3 erschienen, der zwölfte Teil datiert aus Christianis Todesjahr.
238
241
.
Nunmehro wäre es Zeit,
Von der Universalgeschichte gehe man nun
zur
Spezialgeschichte
Spezialgeschichte
fortzugehen
fort
, und dieses um so mehr, da
die meisten
besten
besseren
Entwürfe der allgemeinen
Weltgeschichte
Weltgeschichte auf die
gerade
die
für uns wichtigste neuere Geschichte
nicht gekommen sind
in den besten Entwürfen der allgemeinen Weltgeschichte ganz übergangen
, oder
sie
mit zu wenig
Vollständigkeit
Vollständigkeit, guter Auswahl und Genauigkeit
vorgetragen
haben
ist
.
Wer die Geschichte, wie hier vorausgesetzt wird, nur nach Nothdurft studieren muß, wird schwerlich in der allgemeinen Weltgeschichte weiter gehen können, und sich mit einer weitern Kenntniß weniger Theile der Spezialgeschichte begnügen müssen, und wer auch darin weiter gehen will, wie kan der
jetzt
anders dazu
gelangen,
gelangen
als durch das Studium der Geschichte
einzelner
einzler
Staaten?
239
242
.
Unter den Theilen dieser
Spezialgeschichte
Spezialgeschichte ist ohne Zweifel – wenn nicht
besondre
besondere
Umstände eine Ausnahme erfordern,
z. B.
die alten Schriftsteller
vorerst
das Studium der griechischen und römischen Geschichte
zunächst
nothwendig
machen,
machen
– die
neuere
neuere
,
bey
bei
dieser die
europäisch
europäische
europäische
,
und besonders die
vaterländisch
vaterländische
Geschichte,
Geschichte
die nöthigste. – Sie geht uns am nächsten an, und so fern wir größ tentheils die ältere und
Geschichte unsers
deutschen Vaterlandes
die wichtigste.
239.
Sowohl die ältere als die
ausländische Geschichte lernen
wollen
doch die Meisten hauptsächlich in der Absicht
, um den heutigen Zustand der Welt gründlich aus dem vormaligen zu
erkennen, verhält sie sich zu jener
erkennen. Sie verhält sich also
wie Zweck zu Mitteln; man
kan
kann
selbst vieler, vielleicht der meisten Begebenheiten des
Alterthum
Alterthums und des
Ausland
Auslandes unkundig seyn, ohne daß
uns
deswegen die neuere und vaterländische Geschichte
undeutlich ist. – Und wenn
unverständlich würde. Wenn überdieß
die Geschichte hauptsächlich Klugheit und
unsre
besonders die
Sitten
Sitten bilden soll,
dabey
dabei
aber Denkart, Charakter, Bedürfnisse, Anstalten und Umstände erfordert werden, die denen am nächsten kommen, welche die Geschichte
darstellt:
darstellt;
so muß
die
erwähnte
erwehnte
Art der Geschichte
eine uns näher liegende neuere Geschichte,
nothwendig im Ganzen mehr Einfluß auf
unsre
unsere
Bildung als jene haben.
–
Selbst, wegen der meist
mehrern
größern
Gewißheit der
Zeitrechnung
Zeitrechnung und der
einzelnen
einzeln
Begebenheiten, so wie
wegen
des Reichthums der Nachrichten, hat sie weniger Schwierigkeiten,
und
giebt mehrere
Zuverläßigkeit
Zuverlässigkeit
, nöthigt
auch
weniger,
weniger
uns bey
sich bei
unbeträchtlichern Sachen
und oft doch vergebenen Grübeleien
aufzuhalten, erlaubt mehrere Wahl der Ereignisse, entdeckt mehr die Ursachen und Folgen derselben, und
gewährt
gewährt, da sie weniger Lücken hat,
einen deutlichern
Zusammenhang
Zusammenhang.
240.
Man fange
also
auch hier wieder mit
der
einer
vorläufigen allgemeinern Uebersicht an, ohne welche die
vaterländisch
vaterländische
Geschichte
Geschichte eben so wenig recht verständlich
ist,
und lehrreich genug
kan
gemacht werden
kann
, als die Geschichte
besondrer
besonderer
europäischen Staaten, ohne
die
Kenntniß derer, aus de ren Trümmern sie entstanden sind. Bloße allgemeine
Weltgeschichte
Weltgeschichte, die schon im Vorhergehenden, als voraus bekannt, angegeben ist, reicht hier nicht ganz zu, weil sie, nach ihrem
Zweck
Zweck,
eine
allgemeinere
Uebersicht der Geschichte zu geben, sich in keine nähere Darstellung (Detail)
einlaßen kan
einlassen kann
, und doch die Kenntniß solcher nähern Umstände, selbst oft kleiner Ursachen großer
Weltveränderungen
Weltveränderungen, erfordert wird, wenn man die Geschichte
besondrer
besonderer
Reiche und Völ ker
verstehn
verstehen
, und, wie sichs gehört, in einem lehrreichen
Zusammenhang
Zusammenhange
übersehen will.
Anm.
Eine solche vorläufige genauere Einleitung und selbst Uebersicht der neuern europäischen
Staatengeschichte
Staatengeschichte, die man von der sogenannten großen Völkerwanderung an rechnen
kan
kann
, ist vorzüglich der
Grundriß
der Geschichte der jetzigen, besonders der europäischen Staaten, von
Krause, Johann Christoph
J. C.
Krause
,
Krause
.
Halle 1788.
in
gr.
8;
8.
und, da doch so viel auf eine genügliche und wohlgeordnete Darstellung der
merkwürdigern
Veränderungen und ihrer Ursachen, so wie der
Verfassung
der aus oder neben einander
entstandnen
entstandenen
Völker und
Staaten,
Staaten
ankommt, zu deren
näheren Kenntniß
vielen Liebhabern der Geschichte Zeit und Hülfsmittel fehlen,
Desselben
bündige und lehrreiche Geschichte der wichtigsten Begebenheiten des heutigen Europa,
wovon bis jetzt drey Bände in
gr.
8. Halle 1789–91.
herausgekommen sind.
1ster bis 5ter
Bd.
, fortgesetzt von
Remer, Julius August
Remer
, 6ter
u.
7ter
Bd.
Halle 1789–1803.
8.
desgleichen
Koch, Christoph Wilhelm
C. M. Koch's
Gemählde der Revolutionen in Europa, seit dem Umsturz des römischen Kaiserthums. Aus dem Französischen von
Sander, Johann Daniel
Sander
, 3 Theile. Berlin 1807.
8.
Remer
Gemeint ist Julius August Remer (1738–1803).
C. M. Koch's Gemählde der Revolutionen in Europa, seit dem Umsturz des römischen Kaiserthums. Aus dem Französischen von Sander, 3 Theile. Berlin 1807
Der Name des Autors lautet Christoph Wilhelm Koch (1737–1813), bei dem Übersetzer handelt es sich um Johann Daniel Sander (1759–1825). Die ersten beiden Teile sind 1807 erschienen, der dritte Teil folgte 1809.
241
243
.
Hiedurch
vorbereitet
vorbereitet,
schreite man zu
Man fange also mit
der
Geschichte
Geschichte des gemeinsamen
Vaterland
Vaterlandes,
zu
mit
der
Ge schichte
Deutschland
Deutschlandes
Geschichte Deutschlands
,
fort
an
. Diese Geschichte ist etwas An deres als Geschichte der deutschen Regenten und Häuser, oder deutsche
Reichsgeschichte
Reichsgeschichte, so sehr auch
beyderley
beiderlei
Geschichte oft in einander fließt. Wie sind die Deutschen
das worden, was sie sind?
die cultivirte Nation
geworden, die sie itzt sind
? Dies zu
wissen
wissen,
ist doch noch allgemein nützlicher, als jenes, so unentbehrlich auch jene Geschichte
ist,
ist
die Geschichte der Nation kennen zu lernen.
Anm.
1. {In Zeiten, wo Deutschland aus seiner tiefen Erniedrigung zu einem kräftigen Leben erwacht ist, – wel cher Theil des Studiums der Geschichte verdiente wohl mehr Empfehlung als gerade dieser? Wenn dadurch auf der einen Seite die Kraft des deutschen Volks erkannt werden kann, so wird man sich auch vor Einseitigkeit in seiner Schätzung und Bewunderung, und in dem Urtheil der Vorzüge der vergangenen Zeit vor der jetzigen, am besten bewahren können.
A. d. H.
}
Anm.
2. Unter den Hauptwerken über die
deutsche Geschichte
bleibt, trotz vieler Mängel und der Unbeholfenheit des Stils, noch immer vorzüglich zu nennen:
Noch ist
Schmidt, Michael Ignaz
Michael Ignaz
Schmidts
Schmidt's
Geschichte der Deutschen,
fortgesetzt von
Milbiller, Joseph
Millbiller
, 1ster bis 17ter Band,
desgl.
die erste Uebersicht,
Ulm
1778–91
,
1778–85
1778–1791.,
bisher in
10
6
Theilen in
gr.
8. und der erste Theil verbessert aufgelegt
1785
, eigentlich
1785
das einzige
Werk
Buch
dieser Art.
–
Theilen, gr. 8. – Ein kleines Handbuch, recht deutsch gedacht und geschrieben, ist
Kohlrausch, Heinrich Friedrich Theodor
Kohlrausch
deutsche Geschichte für Schulen, 2 Theile. Elberfeld 1816–1817.
Zur Kenntniß der deutschen Reichs- oder vielmehr
Kaisergeschichte
Kaisergeschichte,
haben wir nichts, was, eben sowohl in richtiger und lehrreicher Darstellung als in bündiger Kürze,
Heinrich, Christoph Gottlob
Christoph Gottlob Heinrich's
teutsche Reichsgeschichte überträfe, (die eigentlich den 9ten Band der Allgemeinen Weltgeschichte nach
Guthrie, William
Guthrie
,
Gray, John
Gray
und Andrer Plan ausmacht), wovon bisher drey Theile, Leipz. 1787–89
in
gr.
8. (bis auf Kaiser
Karl IV.
Karl IV.
) erschienen sind. Ausführlicher ist schon, obgleich mehr eine kritische Zusammenstellung als pragmatische Zusammenordnung:
könnte man, zu dem hier nöthigen Zweck, dem Anfänger
Die Geschichte des teutschen Reichs von
Heinrich, Christoph Gottlob
C. G. H.
(
Heinrich, Christoph Gottlob
Heinrich
), Riga 1778 und 1779
in drey Theilen in
gr.
8.
empfehlen, und hernach
Die allgemeine
Welthistorie
Welthistorie - -
in einem vollständigen und pragmatischen Auszuge - - verfertigt von
Häberlin, Franz Dominicus
Franz Dominicus Häberlin
. Neue
Historie,
Historie.
Halle 1767–73
, in 12 Bänden in
gr.
8.
Doch wird sie
ob diese gleich
erst vom 11ten Jahrhundert an beträchtlich
wird
, und
geht
nur bis
1546, wo
Desselben
neueste
1546 geht, da die folgende
Neueste
teutsche Reichsgeschichte
anfängt
, die bisher
(die Fortsetzung
Senkenberg, Renatus Karl von
R. K.
Freyherrns
von
Senkenberg
mit eingeschlossen)
in
21
18
Bänden
besteht, Halle, 774–90
und bis zum Schluß des 16ten Jahrhunderts führt, aber
in
gr.
8, Halle 1774–85 erschienen,
sie nur bis 1594 fortgesetzt, und
dem hiesigen Zweck nicht angemessen ist.
Zu einer
guten
Ergänzung der in
jener Allgem. Welthist. äusserst kurz berührten ältern Geschichte des teutschen
Reichs,
Reichs
könnten der
Versuch einer Geschichte Kaiser
Karl I.
Karls des
Großen
Grossen
, Leipz. 1777.
8,
8.
Geschichte der fränkischen Monarchie von dem Tode
Karl I.
Karls des Gr.
bis zu dem Abgange der Karolinger, Hamburg
1779
1779.
gr.
8,
8.
und Geschichte der Teutschen von
Konrad I.
Konrad
I.
1.
bis zu dem Tode
Heinrich II.
Heinrichs
II.
2
, von
Hegewisch, Dietrich Hermann
D. H. Hegewisch
,
ebendas.
1781
1781,
gr.
8.
gebraucht werden, die alle von Einem Verfasser sind. Aber wer giebt uns eine zu dem hiesigen Zweck dienende Geschichte des 16ten, 17ten und 18ten Jahrhunderts?
Kaisergeschichte dient ganz vorzüglich:
Heinrich, Christoph Gottlob
C. G. Heinrichs
deutsche Reichsgeschichte, 5 Bände, Leipzig 1787–1789.
, und
Desselben
Handbuch der deutschen Reichsgeschichte. Leipzig 1800.
Michael Ignaz Schmidts Geschichte der Deutschen, Ulm 1778–91, bisher in 10 Theilen in gr. 8. und der erste Theil verbessert aufgelegt 1785
Ab dem sechsten Teil (1785) erschien die
Geschichte der Deutschen
bei neuer Zählung auch unter dem Titel
Neuere Geschichte der Deutschen
. Nach dem Tod Michael Ignaz Schmidts (1736–1794) wurde das Werk ab dem zwölften Teil (1797) von Joseph Milbiller (1753–1816), ab dem 23. Teil (1824) unter dem Titel
Geschichte Deutschlands seit der Stiftung des Rheinbundes
von Leonhard von Dresch (1786–1836) fortgesetzt. Aufgrund seiner patriotischen Betrachtungsweise und seines weitgehend überkonfessionellen Standpunktes entfaltete dieses Hauptwerk der aufgeklärten katholischen Geschichtsschreibung eine große Breitenwirkung und ist bis 1830 in insgesamt 27 Teilen erschienen. Der Hinweis auf die verbesserte Auflage des ersten Teils muss sich nicht unbedingt nur auf den ersten Band der in Ulm erschienenen zweiten Auflage beziehen (1785), sondern könnte auch die ersten fünf Bände (1785–1788) meinen.
Kohlrausch deutsche Geschichte für Schulen, 2 Theile. Elberfeld 1816–1817
Zwischen 1816 und 1817 sind drei Teile erschienen.
Christoph Gottlob Heinrich's teutsche Reichsgeschichte […] wovon bisher drey Theile, Leipz. 1787–89 in gr. 8. (bis auf Kaiser Karl IV.) erschienen sind
Innerhalb der ursprünglich von William Guthrie (1708–1770) und John Gray (Geburts- und Sterbejahr unbekannt) besorgten und u.a. von Christian Gottlob Heyne ins Deutsche übersetzten
Allgemeine[n] Weltgeschichte von der Schöpfung an bis auf gegenwärtige Zeit
(1765–1808) (vgl. I § 244) fungiert Christoph Gottlob Heinrichs (1748–1810)
Teutsche Reichsgeschichte
I–IX (1787–1805) als neunter Band. Der dritte Band der
Reichsgeschichte
reicht bis zum Tod Karls IV. (1316–1378). Da der fünfte Band aus dem Jahr 1793 datiert, dürften entweder die Band- oder die Jahreszahl fehlerhaft aus der zweiten in die dritte Auflage der
Anweisung
übernommen worden sein.
Die allgemeine Welthistorie in einem vollständigen und pragmatischen Auszuge - - verfertigt von Franz Dominicus Häberlin. Neue Historie, Halle 1767–73, in 12 Bänden
Dieses Werk ist bis 1790 in insgesamt 27 Bänden erschienen, von Franz Dominicus Häberlin (1720–1787) stammen nur die ersten zwölf Bände.
jener Allgem. Welthist.
D.i. die
Allgemeine Welthistorie
.
242
244
.
Diese
deutsche Geschichte
deutsche Geschichte
recht zu
verstehn
verstehen
und zu beurtheilen,
müßte
muß
man wenigstens einen allgemeinen
Begriff
Begrif
von der deutschen
Staatsverfassung
Staatsverfassung haben, oder die deutsche
Staatskunde
Staatskunde
(Statistik)
kennen; wozu die
Staatskunde von Deutschland im Grundrisse, von
Grellmann, Heinrich Moritz Gottlieb
H. W. G. Grellmann
, deren erster Theil zu Göttingen 1790
in 8. ans Licht getreten ist, vorzüglich dienen könnte, zumal wenn man damit die schätzbare Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des teutschen Reichs vom
geh.
Justitzrath
Pütter, Johann Stephan
Pütter
verbände, von der in drey Theilen eine zweyte Ausgabe, Göttingen 1788
in
gr.
8. erschienen ist.
kennen. Für die hier angenommenen Leser möchten
Schmauß, Johann Jacob
Joh. Jac. Schmaussens
akademische Reden und Vorlesungen über das teutsche Staatsrecht, herausgegeben von
Heldmann, Johann Albrecht Hermann
Joh. Alb. Herm. Heldmann
, Lemgo 1766
in 4. den deutlichsten Unterricht enthalten.
kennen, ohne welche theils vieles in dem Laufe der Begebenheiten nicht richtig verstanden, theils die Zeiten und ihre Wechsel in den
Verfassungen
Verfassungen, nicht genug unterschieden werden können.
Anm.
Hierzu geben die beste Anleitung
Grellmann, Heinrich Moritz Gottlieb
H. W. G. Grellmann's
historisch-statistisches Handbuch von Deutschland, 1ster und 2ter Theil, und mehr noch
Pütter, Johann Stephan
J. S. Pütter's
historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des deutschen Reichs, 2 Theile. 1798.
Staatskunde von Deutschland im Grundrisse, von H. W. G. Grellmann, deren erster Theil zu Göttingen 1790 in 8. ans Licht getreten ist
Der Name des Autors lautet Heinrich Moritz Gottlieb Grellmann (1756–1804). Der erste Teil trägt den Untertitel
Allgemeine Beschreibung des Teutschen Reichs
, weitere Teile sind nicht erschienen.
Joh. Alb. Herm. Heldmann
Für Johann Albrecht Hermann Heldmann (1734–1810) ist auch die Namensvariante Johann Albert Hermann Heldmann belegt.
H. W. G. Grellmann's historisch-statistisches Handbuch von Deutschland, 1ster und 2ter Theil
Der Name des Autors lautet Heinrich Moritz Gottlieb Grellmann (1756–1804). Die beiden Bände des unvollendet gebliebenen
Historisch-statistische[n] Handbuch[s] von Teutschland
sind 1801 bzw. 1804 in Göttingen erschienen.
J. S. Pütter's historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des deutschen Reichs, 2 Theile. 1798
Gemeint ist die in Göttingen erschienene dritte Auflage (1798–1799), die wie die früheren drei Bände umfasst. Der den Zeitraum von 1740 bis 1786 abhandelnde dritte Band aus dem Jahr 1799 ist hier nicht berücksichtigt.
243
245
.
Hierauf
würde
hat
man sich mit der übrigen
europäischen
Staatengeschichte
Staatengeschichte
europäischen Staatengeschichte
, die den nächsten Ein fluß in die deutsche Geschichte hat, und mit
derselben
selbiger
auch sich die
Staatsverfassung
Staatsverfassung derselben bekannt
machen, wozu, wenigstens die Verfassung der meisten kennen zu lernen, die
zu machen, welche ohnehin nicht minder denkwürdige Ereignisse aufstellt, und besonders in einzelnen Zeitperioden an Interesse für den philosophischen und
pragmatisch
pragmatischen Geschichtsforscher die vaterländische Geschichte vollkommen an die Seite gesetzt, wo nicht vorgezogen werden kann.
Anm.
Als Hülfsmittel empfehlen sich:
Achenwall, Gottfried
G. Achewall's
Staatsverfassung der heutigen vornehmsten europäischen Reiche und Völker im Grundrisse,
von
Achenwall, Gottfried
Gottfr. Achenwall
,
7te
6ste
Ausgabe,
Erster
Theil,
2 Theile, 4te Auflage,
Göttingen
1790
1771
,
Zweyter
Theil, 1785.
8. und die
1790.
Toze, Eobald
M. E. Tozen's
Einleitung zur allgemeinen und besondern europäischen Staatskunde,
entworfen von
Toze, Eobald
M. E. Tozen
, 3te
Aufl.
Bützow
1785
1785.
in
gr.
8.
(4te
Aufl.
Auflage,
mit Zusätzen von
Heinze, Valentin August
V. A.
Heinze
Heinze
,
1ster
Band,
Band.
Schwerin
1790
in
1790.
gr.
8.)
die brauchbarsten sind.
Zur allgemeinen Uebersicht
dient vorzüglich
kan
die
Anleitung zur Kenntniß der europäischen
Staatenhistorie - -
Staatenhistorie –
von
Meusel, Johann Georg
Joh. Georg Meusel
,
dritte
zwote
Ausgabe,
Leipz.
1788
1782.
in
gr.
8
8.
dienen
Leipzig 1800. 8.
,
die zugleich die nöthigsten genealogischen Tabellen enthält, und die besten allgemeinen Schriften und Werke
anzeigt, welche über die Geschichte eines jeden Staates insbesondre vorhanden sind, und hier, nach unsrer Absicht, nicht berühret werden können.
anzeigt.
Spittler, Ludwig Timotheus von
L. L. Spittler's
Entwurf der Geschichte der europäischen Staaten, fortgesetzt von
Sartorius, Georg
Sartorius
, 2 Theile. Berlin 1807.
Staatsverfassung der heutigen vornehmsten europäischen Reiche und Völker […] von Gottfr. Achenwall, 7te Ausgabe, Erster Theil, Göttingen 1790, Zweyter Theil, 1785
Hier wird auf den ersten Teil der siebenten (1790) und den zweiten Teil der sechsten Auflage (1785) verwiesen. Der in der ersten Auflage der
Anweisung
angeführte erste Teil der sechsten Auflage ist 1781 erschienen, bei dem in der dritten Auflage der
Anweisung
gebotenen Verweis auf eine vierte Auflage aus dem Jahr 1790 handelt es sich um einen Fehler. Nach Gottfried Achenwalls (1719–1772) Tod hatte zunächst August Ludwig von Schlözer (1735–1809), danach dessen Schüler Matthias Christian Sprengel (1746–1803) die Betreuung dieses Werkes übernommen. Der zweite Teil der von Sprengel besorgten siebenten Auflage ist unvollendet geblieben, es erschien lediglich eine Rußland, Dänemark und Schweden umfassende erste Abteilung (1798).
Einleitung zur allgemeinen und besondern europäischen Staatskunde, entworfen von M. E. Tozen […] V. A. Heinze 1ster Band, Schwerin 1790
Der Name des Autors ist Eobald (Ewald) Toze (1715–1789), der auf dem Titelblatt befindliche Buchstabe
M.
ist als Initiale nicht aufzulösen, sondern dürfte für Tozes in Göttingen erworbenen Magistertitel zu nehmen sein. Der zweite Band der von Valentin August Heinze (1758–1801) bearbeiteten vierten Auflage erschien erst Jahre später (1799).
Anleitung zur Kenntniß der europäischen Staatenhistorie - - von Joh. Georg Meusel, dritte Ausgabe, Leipz. 1788
Bei der in der dritten Auflage der
Anweisung
nachgetragenen Ausgabe aus dem Jahr 1800 handelt es sich um die vierte Auflage. Diese trägt, anders als die früheren Auflagen, den Titel
Anleitung zur Kenntniß der Europäischen Staatengeschichte
.
L. L. Spittler's Entwurf der Geschichte der europäischen Staaten, fortgesetzt von Sartorius, 2 Theile. Berlin 1807
Der Name des Autors lautet Ludwig Timotheus von Spittler, die Fortsetzung besorgte sein Schüler Georg Sartorius (1765–1828).
244
246
.
Nun
würde
wird
es darauf ankommen, welche Theile der übrigen, sonderlich ältern
Geschichte
Geschichte, der, welcher
sich
nicht
mit besondern Fleiß auf die
aus der
Geschichte
legen kan
sein Hauptstudium machen kann
, zu seinem Zweck und
eigentlichen
eigentlichem
Studium
für sein Fach
am nothwendigsten fände. Die ältere Geschichte, wenigstens
einzelne
einzle
Theile dersel ben, können für
manchen
Manchen
weit nützlicher und unentbehrlicher, als die meisten Theile der neuern seyn; und sie haben selbst das Glück gehabt, weit pragmatischer bearbeitet zu werden, als manche der
neuern
letzteren
, welche,
bey
bei
allem Nutzen für den bloß Wißbegierigen, den Staatsmann und Rechtsgelehrten, für
andre
andere
Leser
oft
sehr wenig Wissenswürdiges oder Lehrreiches enthalten. Für den, welcher das Studium der
Theologie
Theologie und ihrer
einzelnen
einzlen
Theile zu seiner Hauptbeschäftigung macht,
kan
wird
daher die
jüdisch
jüdische
jüdische
und die damit in Verbindung stehende Geschichte
andrer
anderer
Völker, nebst der
griechischen
griechischen
und
römischen
römischen
, vorzüglichen Fleiß erfordern.
In dieser Rücksicht, selbst wegen des guten Vortrags, verdienen die Elementa historiae antiquae, auctore
Baumgarten-Crusius, Gottlob August
Gottlob Aug. Baumgarten Crusio
, Lips.
1775
1775.
8. wovon nur noch die Fortsetzung fehlt, sehr empfohlen zu werden. Einige die griechische und römische Geschichte betreffende Schriften sind schon oben (§.
138
)
erwähnt
erwehnt
worden, und wer diese Geschichte, zum bessern
Verständniß
Verhältniß
alter Schriftsteller, noch ausführlicher zu lernen wünschte, könnte sich dazu der
Histoire ancienne - - par
Rollin, Charles
Rollin
, die Halle 1756.
57
57.
in 4
Voll.
und
Ebendesselben noch beßre Histoire Romaine, die ebendaselbst
1753–55
1753–55.
in 5
Voll.
in
gr.
8. nachgedruckt worden ist, und der
Histoire des Empereurs, nebst deren Fortsetzung in der Histoire des Empereurs Romains - -
jusqu'a
jusqu' à
Konstantin d. Gr.
Constantin
, par
Crevier, Jean Baptiste Louis
J. B. L. Crevier
, nachgedruckt Amst. 1750
f.
in 12 Bänden
gr.
12. bedienen. Will man übrigens aus Einem Werk die Spezialgeschichte aller bekannten und merkwürdigern, äl tern und neuern, Völker und Staaten genauer kennen lernen, ohne sich in eine sehr ausführliche Untersuchung derselben
einzulaßen:
einzulassen,
so möchte, im Ganzen genommen, kein Werk dazu dienlicher seyn als die
Allgemeine Weltgeschichte, von der Schöpfung an bis auf gegenwärtige Zeit, von
Guthrie, William
Wilh. Guthrie
,
Gray, John
Joh. Gray
und andern - -
übersetzt - -
übersetzt -
berichtigt, und mit Anmerkungen versehen, (in
einzelnen
einzeln
Theilen auch durchaus um- oder ganz neu ausgearbeitet, Leipz.
1765
flgg.
),
1765. flgg.)
das sich seiner Vollendung nähert, und bis jetzt aus
41
33
Bänden in
gr.
8. besteht,
Th.
1–4.
Th.
5,
5
Band
1–4.
1–4,
Th.
6,
6
B.
1
u.
2.
Th.
7,
7
B.
1
u.
2,
2.
Th.
8.
Th.
9,
B.
1. 2 3. (noch unvollendet)
8
u.
9
.
Th.
10,
10
B.
1
u.
2.
Th.
11
u.
12.
Th.
13,
13
B.
1
u.
2.
Th.
14, 1–3te
Abth.
Th.
15, 1–4te
Abth.
Th.
16,
1–9te
1–6ste
Abth.
Th.
17, 1–3te
Abth.
(auch noch nicht beendigt);
wovon einige Theile selbst dem Geschichtsforscher wichtig seyn werden.
Anm.
Die dazu dienlichen Schriften sind theils schon oben §.
138.
genannt worden, theils werden sie bei der
exegetisch-historischen Theologie
, namentlich Hinsichts der
jüdischen Geschichte
, genannt werden.
Histoire ancienne - - par Rollin, die Halle 1756. 57 in 4 Voll.
Charles Rollins (1661–1741)
Histoire ancienne des Egyptiens, des Carthaginois, des Assyriens, des Babyloniens, des Mèdes et des Perses, des Macédoniens, des Grecs
ist in insgesamt fünf Bänden (1756–1758) in Halle erschienen. Dass der fünfte Band aus dem Jahr 1758 hier nicht genannt ist, könnte damit zusammenhängen, dass er der Geschichte der Philosophie und der Mathematik gewidmet ist. Ursprünglich war dieses Werk in 13 Teilen in Paris erschienen (1730–1738) und lag vor der in der
Anweisung
bibliographierten französischen Ausgabe als
Historie alter Zeiten und Völcker
(1738–1749) in deutscher Übersetzung vor.
Ebendesselben noch beßre Histoire Romaine, die ebendaselbst 1753–55 in 5 Voll.
Diese Ausgabe besteht aus sechs Bänden (Halle 1753–1755).
Histoire des Empereurs, nebst deren Fortsetzung in der Histoire des Empereurs Romains - - jusqu'a Constantin, par J. B. L. Crevier, nachgedruckt Amst. 1750 f. in 12 Bänden
Bei der
Histoire des Empereurs
ist zuerst an Louis Sébastien Le Nain de Tillemonts (1637–1698) Standardwerk
Histoire des empereurs et des autres princes qui ont regné durant les six premiers siècles de l'eglise
(1690–1738;
2
1707–1739) zu denken, doch ist Jean Baptiste Louis Creviers (1693–1765)
Histoire des Empereurs Romains
laut Vorwort als Fortsetzung der zuvor genannten
Histoire Romaine
seines Lehrers Charles Rollins (1661–1741), die laut Untertitel bis zum Ende der Republik reicht und von Crevier vollendet wurde, konzipiert. Zudem umfasst Le Nain de Tillemonts
Kaisergeschichte
die ersten sechs Jahrhunderte und bedarf kaum einer Fortsetzung. Entweder hat Nösselt den Zusammenhang der Werke Rollins und Creviers durcheinandergebracht oder der Einschub „und der Histoire des Empereurs“ ist im Text schlicht zu tilgen.
Allgemeine Weltgeschichte, von der Schöpfung an bis auf gegenwärtige Zeit, von Wilh. Guthrie, Joh. Gray und andern […] Leipz. 1765 flgg.
Vgl. I § 241.
245
247
.
Ein für den Gelehrten besonders unentbehrlicher Theil der Geschichte ist die
gelehrte
oder
Literargeschichte
Literargeschichte
, welche die Schicksale der Wissenschaften und der dazu dienlichen Hülfsmittel vorstellen soll.
Fortschritte
Fortschritte in
einzelnen
einzeln
Wissenschaften, erforderten Fortschritte in der
Cultur
Cultur
Kultur
überhaupt, und in
der
Art der
Cultur insbesondre
Kultur insbesondere
, welche unter dem Namen der
Gelehrsamkeit
Gelehrsamkeit (§.
3
3.
) begriffen wird. Diese Fortschritte
laßen
lassen
sich aber nicht deutlich angeben, wenn man nicht diejenigen kennt, welche die meisten oder wichtigsten
Fortschritte
darin gethan, und
sie
dadurch
sie bey andern
bei Andern
befördert haben.
In so fern
Insofern
daher die Literargeschichte das Schick sal der
Wissenschaften
darstellen sollte,
müßte
muß
sie – die Geschichte der Cultur, wenigstens der der
Wissenschaften überhaupt
, – die Geschichte der
einzelnen
einzeln
Wissenschaften
, – und die
Geschichte der merkwürdigern Gelehrten
enthalten.
Anm.
Anm.
1.
Anm.
Cultur
Cultur
(Ausbildung
(Ausbildung,
Aufklärung
Aufklärung) im
weitern
Verstande, heißt jede
Vervollkommnung
Vervollkommnung der Seelenkräfte, sie mag in Erweiterung der Kenntnisse und
Neigungen,
Neigungen
oder in Verbesserung der
Seelenkräfte
Seelenkräfte,
Seelenkräfte
durch Berichtigung und Verdeutlichung der Begriffe
sowohl,
sowohl
als durch Bestimmung der Neigungen nach deutlicher Erkenntniß, bestehen. Wird diese erlangte Vollkommenheit der Seelenkräfte zur Beförderung
der
der,
innerlichen oder
äusserlichen
äusserlichen,
äußerlichen
Glückseligkeit
Glückseligkeit
angewendet:
angewendet,
so entsteht
Cultur
im
engern
Verstande, die also nichts anders ist, als Fertigkeit, unsre Seelenkräfte zur menschlichen (innern oder
äussern
äußern
, wahren oder
vermeinten,
vermeinten
) Glückseligkeit anzuwenden.
Anm.
Anm.
2.
Eine
Wissenschaft
Wissenschaft
(objective
(obiective
genommen) ist ein zusammenhängender
Inbegriff
Inbegrif
deutlicher Kenntnisse von Gegenständen einer gewissen Art – und, will man sie noch von einer
Kunst
Kunst
unterscheiden, so möchte es,
bey
bei
aller Unbestimmtheit dieses Worts, doch wohl dem
gewöhnlichen
gewöhnlichsten
Sprachgebrauch am
gemässesten
gemäßesten
seyn, diesen Unterschied der
Wissenschaften
und
Künste
darnach zu bestimmen, daß diese sich
zunächst
mit
Befriedigung
sämmtlicher
Bedürfnisse
Gegenständen
beschäftigen,
jener
die den Sinnen dargestellt werden können, jene
jene
aber
zunächst
mit Befriedigung der
mit
geistigen
(§.
3
3.
)
, wenigstens
solchen Dingen
durch solche Dinge
, deren Kenntniß nicht auf
bloßer
blosser
Empfindung beruht. –
Wissenschaft
liche Cultur
ist also eine Art der Cultur in weiterm Verstande, und von
Cultur der Sitten
sowohl als von
Volks-
oder
gewöhnlicher
Cultur noch sehr verschieden, ob sie gleich
in beyde
auf beide
einen ungemeinen Einfluß haben
kan
kann
.
246
248
.
Zu den
Hülfsmittel
Hülfsmitteln, welche zur Kenntniß der Wissenschaften, Künste, und überhaupt nützlicher Sachen,
sowohl
sowohl,
als zur mehrern Ausbreitung derselben dienlich sind, gehören
theils
alle schriftliche
Denkmahle
Denkmahle
Denkmale
, vorzüglich
Bücher
Bücher,
theils
alle Anstalten, welche die bessere Entdeckung und Ausbildung nützlicher
Kenntnisse
Kenntnisse,
oder die Erhaltung desjenigen befördern, was bereits entdeckt und ausgebildet worden ist. Der Theil der
Literargeschichte
Literargeschichte, welcher jene
Denkmahle
Denkmale
bekannt macht, heißt die
Bücherkenntniß
Bücherkenntniß
Bücherkenntniß
, zuweilen auch in einer besondern Bedeutung
Literatur
. Zu den
erwähnten
erwehnten
Anstalten aber
gehören
gehören,
Schulen, Universitäten,
Akademien
Akademieen
, Bibliotheken, gelehrte Jour nale
und dergleichen; man
u. dergl. Man
könnte diesen Theil
Geschichte der literarischen Anstalten
nennen.
247
249
.
Die
Alle die
Vortheile, welche 1) der
Geschichte
Geschichte überhaupt
können
zugeschrieben werden
können
(§.
218
bis
221
221
–
24
), kan
218.
bis
221.
), kann
die
Literargeschichte
Literargeschichte
insbesondre
insbesondere
in
ihrer
mehr als Einer
Art
ebenfalls
stiften. Sie ist selbst dem Gelehrten, als Gelehrten,
weit nützlicher
wenigstens eben so nützlich
, als die meisten übrigen Theile der Historie, namentlich als die bürgerliche Geschichte; weil sie die Art seiner ei genthümlichen Beschäftigungen angeht, ihn mit den ihm nöthigsten Kenntnissen und Hülfsmitteln bekannt macht, ihm die
nützlichsten Beyspiele
nöthigsten Beispiele
darstellt, nach welchen er sich bilden, durch die er ermuntert oder
gewarnet
gewarnt
werden
kan
kann
. 2) Es wäre ungereimt für den, der nach immer mehrerer
Vollkommenheit
Vollkommenheit strebt, ungerecht gegen
Andrer
Anderer
Verdienste, und undankbar gegen die göttliche
Vorsehung
Vorsehung
Fürsehung
, wenn man das nicht benutzen wollte, was schon
Andre
Andere
uns vorgearbeitet
haben,
haben;
am ungereimtesten da, wo
bloße
blosse
Beobachtung, Nachdenken oder Genie uns nicht helfen können,
d. i.
in
allem
Allem
was historisch ist. Dieses Vorgearbeitete ist doch in Büchern enthalten, welche uns die Literargeschichte kennen
lehrt,
lehrt;
und ohne diese Kenntniß weiß man
schlechterdings
nicht, woran man sich halten soll, wenn man über eine Wissenschaft oder gewisse Gegenstände derselben unterrichtet seyn will. Mündlichen Unterricht in den Wissenschaften
kan
kann
man wenigstens nicht immer haben, man
kan
kann
ihn
wenigstens,
wenigstens
und
ja
man
kan
kann
selbst erlangte Kenntnisse immer mehr aus Büchern vermehren. Literargeschichte, und besonders
Bücherkenntniß
Bücherkenntniß, ist das
Repertorium
Repertorium für die ganze Gelehrsamkeit; ohne sie bleibt man in Kenntnissen unglaublich zurück.
248
250
.
Die Bekanntschaft mit ihr lehrt uns auch
3),
3)
den ganzen Umfang der Wissenschaften, wovon immer eine der andern die Hand bietet; sie bringt uns also einen allgemeinen Geschmack und wenigstens Achtung gegen alle Wissenschaften
bey
bei
, verhindert dadurch nicht nur die so schädliche Pedanterey und
Kleinkreisigkeit
Kleinkreisigkeit,
Kleinkreisigkeit;
sie vermindert auch, indem sie uns mit dem Gehalt und Einfluß der Wissenschaften in einander bekannt macht, die für die Wissenschaften so schädliche Trägheit, welche aus Unwissenheit oder Gleichgültigkeit gegen
alles
Alles
entsteht, was uns nicht unmittelbar nützlich ist, nebst der
unedlen
schändlichen
unedeln
Einschränkung bloß auf
die
die
Studien, wovon man seinen Lebensunterhalt zu ziehen hofft. Und wenn
dann
denn
auch nur 4) die Kenntniß der
Literargeschichte
Literargeschichte das Studieren
erleichterte:
erleichterte,
so wäre
dies
dieß
schon Gewinnst genug. Es ist doch immer schon lehrreich, auf
Andrer
Anderer
Fehltritte und Abwege in den Wissenschaften aufmerksam gemacht zu werden, und sich neue oder vergebliche Arbeit zu ersparen, Andern gute Methoden, gebrauchte Hülfsmittel, und Zeit und Mühe verkürzende Handgriffe
abzulernen,
abzulernen;
zu sehen, was in einer Wissenschaft bereits geleistet worden, oder noch zurück
ist,
ist;
Zeit zu gewinnen, die man über das Lesen schlechter oder doch nicht der besten Bücher einer Art und über unnöthige Arbeit verliert, und seine Kräfte auf das zu verwenden, worin von Andern noch
Nichts
nichts
oder doch
das Geschehene
nicht gut genug geleistet worden ist.
249
251
.
Wenn
über dies
überdies
überdieß
5) einem jeden Gelehrten daran liegen muß, sich nicht selbst verächtlich zu machen, sondern vielmehr
Andrer
Anderer
Vertrauen zu gewinnen und zu erhalten, um mit seinen Kenntnissen desto mehr Nutzen zu stiften: so begreift man leicht, wie sehr es
unsrer
unserer
Achtung
bey
bei
Andern schade, wenn man oft nicht einmal die bekanntesten
Hülfsmittel
Hülfsmittel der Gelehrsamkeit, oder die besten Schriften einer
Art,
Art
kennt, längst von Andern gemachte Entdeckungen als etwas Neues anstaunt, oder sich ihrer als neuer Erfindungen
rühmt,
rühmt:
Fehler, die man ohne Kenntniß der
Literargeschichte
Literargeschichte nicht vermeiden
kan
kann
; wie sehr es hingegen
Andrer
Anderer
Vertrauen erwerbe und vermehre, wenn man sich gleich zu helfen, und das, woran es uns noch fehlt, gleich durch Hülfe dessen, was
Andre
Andere
in einer Wissenschaft vorgearbeitet haben, zu ersetzen, oder Rechenschaft zu geben wisse, woran es liegt, und warum es nicht möglich ist, gewisse Lücken in der Erkenntniß auszufüllen. 6) Selbst auf den
moralisch
moralischen Charakter und das Betragen eines Gelehrten ist diese literarische Kenntniß nicht ohne Einfluß. Der allgenugsame Dünkel eingebildeter
Selbstdenker
Selbstdenker und Erfinder, welcher we nigstens mit darauf beruht, daß man den Umfang menschlicher Kenntnisse, die mannichfaltigen Schwierigkeiten und verunglückten Versuche in gewissen Untersuchungen, und die Verdienste
Andrer
Anderer
zu wenig kennt; die Verachtung oder Gleichgültigkeit gegen
alles
Alles
, was man nicht selbst versteht; der
Parteygeist
Parteygeist
Partheygeist
Parteigeist
, der Haß oder Verdacht gegen
alle
Alle
, die von uns verschieden denken, zumal das schädliche Vorurtheil gegen
alles
Alles
, was man für Neuerung hält: alles dieses
kan
kann
schwerlich
bey
bei
dem
aufkommen,
aufkommen
oder sich lange erhalten, der genugsame Kenntnisse der Literargeschichte
hat;
hat,
die hingegen
Bescheidenheit
Bescheidenheit und Billigkeit, vernünftige
Freiheit
Freiheit
Freyheit
im Denken, gesetzten Muth und Zufriedenheit
bey
bei
unsern verkannten Verdiensten oder guten
Absichten
Absichten,
und Aufmunterung durch gute
Beyspiele
Beispiele
und durch die wohlthätigen Leitungen der göttlichen
Vorsehung
Vorsehung
Fürsehung
, befördern können.
250
252
.
Aber
Geschichte
Geschichte der Gelehrsamkeit ist nicht
Gelehrsamkeit
Gelehrsamkeit selbst! –
Freylich
Freilich
nicht, und wer weiter nichts als jene kennt, der versteht von dieser nicht mehr, als jemand von einem Buch aus dem
bloßen
blossen
Register
Register oder der allgemeinen Anzeige des Inhalts; er
kan
kann
selbst
Vieles
vieles
in jener nicht recht verstehen oder schätzen, wenn er nicht auch diese kennt. Aber durch diese Anzeige lernt er doch, was er in dem
Buch
Buche
suchen darf, und wenn sie lehrreich genug abgefaßt ist,
kan
kann
selbst die Uebersicht des Plans und Zusammenhangs für
den
dem
, der ihn gehörig zu
brauchen
gebrauchen
weiß, sehr unterhal tend und nutzbar werden, zumal wenn er der in dem
Buch
Buche
vorgetragenen
Sachen
Sache
schon kundig ist. –
Zu dem
Zudem
ist die
Literargeschichte
Literargeschichte kein
bloßes
blosses
Register; sie
kan
kann
so gut, wie jede
andere
andre
Art der Geschichte, philosophisch und pragma tisch behandelt, und zum Rang einer Wissenschaft erhoben werden; auch ist nicht abzusehen, warum es mehr Tadel verdienen sollte, wenn jemand ihr vorzüglich seinen Fleiß widmete, als wenn er sich irgend auf eine andere Wissenschaft, auf Sprachen, auf Geschichte, auf Metaphysik
u. s. f.
vornemlich
vornehmlich
legt, falls er dazu vorzügliche Fähigkeit, Neigung und Hülfsmittel hat.
Anm.
Man läßt wirklich der Literargeschichte zu wenig Gerechtigkeit
wiederfahren
widerfahren
, und die Ursachen davon lassen sich wohl entdecken. Warum
sezt
setzt
man fast immer den Fall, daß jemand sich
bloß
auf diese Art von Kenntnissen lege? ein Fall, der
bey
bei
jeder
andren
andern
Wissenschaft eben
sowohl
so wohl
angenommen werden, und in jeder Pedanten hervorbringen
kan
kann
. Warum stellt man sich den Literator bloß als Bücher- oder gelehrten Anekdotenkenner, noch dazu als den vor, der nur eine
trockne
trockene
, wenigbedeutende Kenntniß von dem
Aeussern
Aeußern
der Bücher habe? Sicherlich liegt doch die Schuld
bey
bei
den
meisten
Meisten
, die sie verachten, in der Unbekanntschaft mit der Literargeschichte, oder der Gewohnheit,
das zu verachten,
was sie nicht, oder zu wenig, verstehen, oder was sie nicht als gemeinnützig erkennen. Dieser immer aus zu eingeschränkter Einsicht und
Geschmak
Geschmack
herrührende Hang,
alles
Alles
gering zu schätzen, wovon man keinen
unmittelbaren
Nutzen
Nutzen sieht; die Liebe zu literarischen
Mikrologien
Mikrologieen
, welche am Ende des vorigen, und in der ersten Hälfte des jetzigen Jahrhunderts sehr
gewöhnlich,
gewöhnlich
gewöhnlich war,
und allerdings
verächtlich war
das Kennen von unzähligen Büchertiteln mit der Bekanntschaft mit ihrem Inhalt fast gleichstellte
; und die noch viel zu wenige rechte Bearbeitung der Literargeschichte, die noch selten das Glück gehabt hat, unter so gute Hände, wie manche andere Wissenschaft, zu gerathen,
wovon
so daß
wir selbst bis jetzt mehr Fragmente als etwas nur
einigermaßen
einigermassen
Ganzes haben, hat wohl auch Verständigere zu unbilligen Urtheilen verleitet, die aber eben mit verursachen, daß dieser Zweig der Literatur noch nicht zu der Vollkommenheit gedie hen ist,
der
deren
sich
andre
andere
Theile der Gelehrsamkeit rühmen können.
251
253
.
Ueberhaupt wird dieser Vorwurf immer mehr von seiner Scheinbarkeit verlieren, je mehr man dahin arbeiten wird, auch diesem Theil der
Geschichte
Geschichte diejenigen Eigenschaften zu geben, die oben (§.
222
–
225
225
–
228
222.
–
225.
) von einer
wahrhaftig
wahrhaft
nutzbaren Geschichte erfordert wurden. Die Natur der
Literargeschichte
Literargeschichte erlaubt es eben sowohl;
einzelne
einzle
gemachte Versuche über
besondre
besondere
Stücke derselben beweisen, wie ausführbar es
sey
sei
; und, wenn es
bey
bei
manchen besondern Theilen derselben nicht möglich
scheint:
scheint,
so liegt die Ursach gewiß in
den
dem
Mangel hinlänglicher
Nachrichten; eine
Nachrichten, einer
Schwierigkeit, welche die andern Arten der Geschichte nicht minder drückt, ohne daß man deswegen an der philosophischen und
pragmatisch
pragmatischen Behandlung derselben verzweifelt hätte.
252
254
.
Auch die
Literargeschichte
Literargeschichte
läßt sich in die
allgemeine
und
besondre
eintheilen; beyde
besondere
eintheilen: beide
können entweder synthetisch oder analytisch und chronologisch abgehandelt,
beyde
beide
Methoden
Methoden auch
gewissermassen
gewissermaßen
vereinigt werden (§.
227.
234
234.
230.
237
). Die Haupttheile der besondern gelehrten Geschichte sind vorhin (§.
245.
246
246.
) erwähnt
247.
248
) erwehnt
worden. Die Geschichte der
Gelehrten
läßt sich, wenn sie im Allgemeinen vorgestellt werden soll, am besten mit der Geschichte der besondern Wissenschaften, so wie die Geschichte der
gelehrten
Anstalten
Anstalten
mit der Geschichte der Wissenschaften überhaupt, verbinden. Die
Bücherkenntniß
Bücherkenntniß
könnte zwar auch mit der Geschichte
einzelner
einzler
Wissenschaften,
wohinein
in welche
die Bücher schlagen, verbunden werden,
so fern
sofern
es darauf ankommt, die fortschreitende Ausbildung einer Wissenschaft durch gewisse Bücher anzugeben. Da aber
bey
bei
der nützlichen Bücherkenntniß weniger auf diesen
Gesichtspunct
Gesichtspunkt
als darauf zu sehen ist, welche Schriften, und wie weit sie,
und
uns
noch jetzt, zur Erlernung einer Wissenschaft
vorzüglich
vvrzüglich
brauchbar sind: so ist es besser, sie besonders, getrennt von der Geschichte der Wissenschaften, zu betrachten und zu erwerben.
253
255
.
Weil die
Die
Erlernung der
Wissenschaften
Wissenschaften
selbst
doch noch wichtiger ist
bleibt allerdings wichtiger,
als die Erlernung
ihrer Geschichte
ihrer Geschichte
und die Kenntniß der zu jener dienlichen
Hülfsmittel; weil man
über dies
überdies
Hülfsmittel. Man bedarf überdies
dieser
letztren
letzteren
Kenntniß mehr
bedarf
, um sich selbst in einer Wissenschaft weiter
fortzuhelfen,
fort zu helfen,
fortzuhelfen;
sie
ist
also weniger unentbehrlich
ist
, wenn man in der Wissenschaft
selbst
fremden
Unterricht
Unterricht
genießen
geniessen
kan; und weil
kann. Auch kann
die Geschichte einer Wissenschaft nicht recht verstanden, der Werth eines Buchs auch nicht gehörig, wenigstens nach
unserm
unsrer
Bedürfniß, geschätzt werden
kan
, ehe man nicht der Wissenschaft selbst kundig
ist: so
ist. Daher
ist es rathsamer, die
Literargeschichte
Literargeschichte erst
alsdann
alsdenn
zu studieren, wenn man sich schon mit den Wissenschaften bekannt gemacht hat. Sehr gut wär' es zwar, wenn man schon einigen Begriff von den Wissenschaften, den merkwürdigsten Männern, die sich in jeder hervorgethan haben, und den besten allgemeinern Büchern mitbrächte; man wird sonst manches Historische nicht verstehen, was in den Vortrag der Wissenschaft muß eingeflochten werden, und den
Nutzen
Nutzen mancher Lehrsätze, oder ihrer Bestimmungen und Erläuterungen, nicht recht einsehen. Aber dieser Unterricht brauchte nur ganz allgemein zu seyn, und mehr das eben
genannte
Genannte
als die Geschichte der Gelehrsamkeit und
einzelner
einzler
Wissenschaften zu
betreffen, ohngefähr so, wie er in der
betreffen. Auch pflegen in den Einleitungen in einzelne Wissenschaften dergleichen Notizen gegeben zu werden.
Anm.
schätzbaren
Synopsis
eruditionis
vniuersae
universae
concinnata a
Meinecke, Johann Heinrich Friedrich
Jo. Henr. Frid.
Meinecke
,
Meineke
,
Meinecke
.
Quedlinb. 1783.
8.
oder von den philosophischen Wissenschaften in weiterm Verstande in der
Gesner, Johann Matthias
Gesnerischen
Auch gehört dahin die (§.
54.
) angeführte
Gesnersche
Isagoge
(§.
54
) gegeben worden ist
.
Synopsis eruditionis vniuersae concinnata a Jo. Henr. Frid. Meinecke, Quedlinb. 1783
1785 erschien ein zweiter Teil, 1788 eine verbesserte und erweiterte zweite Ausgabe (
denuo recognita
).
254
256
.
Es ist sehr zu
bedauren
bedauern
, daß wir
bey
bei
einem so wichtigen Theile der Historie, wie die
Literargeschichte
Literargeschichte ist, noch kein einziges allgemeines Werk haben, das man dem, der den ersten Grund zu ihrer Kenntniß legen will, empfehlen könnte; da
alles
Alles
, was man hieher
gehöriges
Gehöriges
hat, entweder fast
bloßes
blosses
Skelet ist, oder diese Geschichte nicht in ihrem ganzen
Umfang
Umfange
begreift, oder gar nicht zur guten
Absicht
Uebersicht
geordnet, oder voll Fehler und
unzuverläßig
unzuverlässig
, wenigstens nicht auf genugsame Untersuchung gegründet ist.
Bey
Bei
diesen Um ständen
scheint
Folgendes
folgendes
scheinen folgende Rathschläge
noch
das
Räthlichste
räthlichste
die nützlichsten
zu seyn.
Hier, in diesem Buch, wo
Anm.
In einem Buche, worin dieses
nur angegeben werden darf, wie die Wissenschaften, die in
den hiesigen
seinen
Plan gehören, und wie weit die Hülfsmittel, mit ihnen bekannt zu werden, unter uns vorhanden sind, ist der Ort nicht, Vorschläge über die beste Einrichtung der Handbücher für solche Wissenschaften zu thun. Eher können wir auch keine solche guten Handbücher über die Literargeschichte bekommen, ehe nicht alle einzelne Theile dieser Geschichte
vor
für
sich gut bearbeitet sind, weil sich unmöglich eine genaue allgemeine Uebersicht des Ganzen geben läßt, wo einzelne Theile noch so sehr im Dunkeln liegen, oder nicht durch die Hände wahrer Kenner der Literatur dieser Theile gegangen sind.
Man laße sichs daher nicht befremden, daß die folgenden Vorschläge bloße
Nothhelfer
Nothhelfer
für solche sind, die sich zuerst mit Literargeschichte bekannt machen wollen.
255
257
.
Man lege 1) ein gutes Handbuch der allgemeinen
Weltgeschichte
Weltgeschichte zum Grunde, wenn dasselbe zugleich mit die Geschichte der Cultur und der Wissenschaften begreift, in welcher Absicht die oben (§.
235
238
235.
) angeführten
Gatterer, Johann Christoph
Gattererschen
und
Beck, Christian Daniel
Beckischen
Schriften unstreitig die besten, oder vielmehr einzig brauchbaren ihrer Art sind. Man
kan
kann
sich dadurch wenigstens orientiren lernen, und die Sachen besser behalten, wenn man sie an die Weltgeschichte anschließt.
Zu eben diesem Zweck – denn ein Mehreres
kan
kann
man
bey
bei
einer Art von Kenntnissen, die einen so ungeheuern Umfang haben, wie die literarischen, nicht von den folgenden Büchern erwarten – halte man sich vorerst an ein allgemeineres Lehrbuch, woraus man ohngefähr die Rubriken ersehen
kan
kann
, unter die sich
Alles,
Alles
was hieher, wenigstens im
Allgemeinen,
Allgemeinen
gehört,
schichten ließe, etwa
Heumann, Christoph August
Christoph. Aug.
ordnen ließe.
Anm.
Dahin gehören:
Christ. A.
Heumanni
Conspectum
Conspectus
reipublicae literariae,
Eben so halte man sich 2) vorerst an ein allgemeineres Buch nach der
synthetisch
synthetischen
Methode
Methode, unter welchen der Conspectus reipublicae literariae von
Heumann, Christoph August
Christoph Aug. Heumann
,
Edit.
6. Hanover.
1753
in
1753.
8.
8. Hannover. 1791–92.
, und
an den noch reichern
Versuch
wegen seiner fruchtbaren Kürze, leichten Uebersicht und Genauigkeit; und der Versuch
einer
Bouginé, Carl Joseph
K. J. Bouginé's
Handbuch der allgemeinen Literargeschichte, nach
Heumann, Christoph August
Heumann's
Grundriß, 6 Bände. Zürich 1789–1802.
Desgleichen die
Einleitung in die Geschichte der Kenntnisse, Wissenschaften und schönen Künste, von
Wald, Samuel Gottlieb
Sam. Gottlieb
S. G.
Wald
, Halle
1784
1784.
gr.
8.
8.,
wegen der mehrern Vollständigkeit und gebrauchten neuern Hülfsmittel, den Vorzug behauptet.
Das beste Buch dieser Art wäre
und
das
Handbuch über die Geschichte der Literatur und der Kunst, von
Dahler, Johann Georg
Joh. Georg Dahler
,
J. G. Dahler
.
Jena
1788
in
1788.
gr.
8., wegen des schönen
Eichhorn, Johann Gottfried
Eichhornischen
Plans, der zum Grunde liegt, wenn es nur nicht durch so viele Druck- oder Schreibfehler verstellt wäre, die gerade hier sollten mit der äussersten Sorgfalt vermieden werden.
8.
nach dem
Eichhorn, Johann Gottfried
Eichhornischen
Plan, nur durch zu viel Druck- und Schreibfehler entstellt. Eben diesem
Eichhorn, Johann Gottfried
Eichhornschen
Plan folgt:
Wachler, Ludwig
L. Wachler's
Versuch einer allgemeinen Geschichte der Literatur und der Cultur, 1ster bis 3ter Band. Lemgo 1793–1801.
Eichhorn, Johann Gottfried
Eichhorn
selbst aber hat sich durch die
Geschichte der Literatur von ihrem Ursprung bis auf die neuesten Zeiten, 1ster bis 5ter Band. Göttingen 1801–1807.
auch um dieses Fach sehr verdient gemacht.
Christoph. Aug. Heumanni Conspectum reipublicae literariae, Edit. 6. Hanover. 1753
Nach dem Tod Christoph August Heumanns (1681–1764) hat Jeremias Nicolaus Eyring (1739–1803) die in der dritten Auflage der
Anweisung
nachgetragene achte Auflage besorgt. Deren Material war derart angewachsen, dass sie in zwei jeweils knapp 500 Seiten starken Teilen erscheinen musste. Der erste Teil stammt aus dem Jahr 1791, der zweite aus dem Jahr 1797.
Versuch einer Einleitung in die Geschichte der Kenntnisse, Wissenschaften und schönen Künste, von Sam. Gottlieb Wald, Halle 1784
Zwei Jahre später hat Samuel Gottlieb Wald (1762–1828), ein Schüler Nösselts,
Zusätze und Verbesserungen
(1786) zu seinem Werk folgen lassen.
Handbuch über die Geschichte der Literatur und der Kunst, von Joh. Georg Dahler, Jena 1788 in gr. 8., wegen des schönen Eichhornischen Plans, der zum Grunde liegt
Dem
Handbuch zum Gebrauch bey Vorlesungen über die Geschichte der Literatur und der Kunst
liegen Johann Gottfried Eichhorns (1752–1827) in Jena gehaltene Vorlesungen über die Literaturgeschichte zugrunde, die Johann Georg Dahler (1760–1832) mitgeschrieben und mit Eichhorns Erlaubnis herausgegeben hat. In der dritten Auflage der
Anweisung
ist dann Eichhorns berühmte eigene
Geschichte der Litteratur
nachgetragen.
L. Wachler's Versuch einer allgemeinen Geschichte der Literatur und der Cultur, 1ster bis 3ter Band. Lemgo 1793–1801
Der genaue Titel lautet
Versuch einer allgemeinen Geschichte der Litteratur für studirende Jünglinge und Freunde der Gelehrsamkeit
und dürfte mit Wachlers
Handbuch der allgemeinen Geschichte der literärischen Cultur
(vgl. I § 256) vermengt worden sein.
Eichhorn […] Geschichte der Literatur von ihrem Ursprung bis auf die neuesten Zeiten, 1ster bis 5ter Band. Göttingen 1801–1807
Die
Geschichte der Litteratur von ihrem Anfang bis auf die neuesten Zeiten
des vielseitig interessierten Historikers, Orientalisten und Philologen Johann Gottfried Eichhorn (1752–1827) ist in insgesamt sechs Bänden erschienen. Der erste Band stammt aus dem Jahr 1805, der fünfte aus dem Jahr 1807. Die dazwischenliegenden Bände sind jedoch zwischen 1805 und 1812 erschienen. Von Eichhorn stammen nur die ersten fünf Bände, die beiden Abteilungen des sechsten Bandes (1810/1811) beinhalten Karl Friedrich Stäudlins (1761–1826)
Geschichte der theologischen Wissenschaften seit der Verbreitung der alten Litteratur
.
256
258
.
Nach
diesem
einem so
gelegten Grunde scheint es 3) rathsamer, die besondern Theile der
Literargeschichte
Literargeschichte etwas ausführlicher und genauer zu studieren, ehe man etwas
größre
größere
allgemeinere Werke zu Rathe zieht. Denn diese letztern, wie wir sie jetzt
haben
heben
, sind zu sehr compilirt, zu wenig genau,
sich
in einzelnen Theilen
sich
so ungleich,
und enthalten
so
zu
viel Unnützes oder Unausgeführtes, als daß nicht zu besorgen wäre, sie würden auch einen geduldigen und wißbegierigen Leser oft zu sehr ermüden, und ihn hinterher nöthigen, das zu berichtigen, oder mit Mühe wieder zu verlernen, was er daraus geschöpft hat. Man könnte sich also 4) zuvörderst
aus dem
Versuch einer Geschichte der
Cultur
Cultur des menschlichen Geschlechts, von dem Verfasser des
Begriffs
Begrifs
menschlicher Fertigkeiten und
Kenntnisse, (
Adelung, Johann Christoph
Joh. Christoph. Adelung
,) Leipzig
Kenntnisse (
Joh. Christoph Adelung
), Leipz.
1783.
8.
eine allgemeine Uebersicht des Fortgangs der Cultur, besonders der Wissenschaften, erwerben, und sich zugleich etwas an die
pragmatisch
pragmatische Behandlung dieses Theils der Geschichte
gewöhnen. Hernach
gewöhnen; hernach
sich 5) eine ähnliche Uebersicht der Geschichte
einzelner
einzler
Wissenschaften zu verschaffen suchen
, je nachdem jeder, zu seinem besondern Behuf, sich mit dieser oder jener Wissenschaft mehr bekannt machen will
.
Nur ist hier wieder zu bedauren, daß wir – ausser einigen guten Schriften, welche die Geschichte dieser und jener besondern 
Wissenschaft
Wissenschaft
enthalten, und die nach der hiesigen Absicht nicht angeführt werden können – nichts
einigermaßen
einigermassen
Allgemeines haben, als
Stolle, Gottlieb
Gottlieb Stolle's
(sehr unvollständige und seichte) Anleitung zur Historie der Gelahrheit - - zum drittenmal verbessert und - - vermehrt, Jena
1727
in Quart,
1727. 4.
nebst den ganz neuen Zusätzen,
ebendas.
1736
in Quart
1736. 4.
,
von dem auch eine Anleitung zur Historie der medicinischen, juristischen und theologischen Gelahrheit, letzte Jena
1739
in Quart
1739. 4.
, herausgegeben ist, die mehr compilirte Bücherkenntniß als Geschichte der Wissenschaft liefert.
Anm.
Die allgemeine Culturgeschichte giebt in einer kurzen Uebersicht:
Adelung, Johann Christoph
G. C. Adelung's
Versuch einer Geschichte der Cultur des menschlichen Geschlechts. Leipzig 1783.
so wie eine allgemeine Uebersicht der Geschichte der Wissenschaften:
Meusel, Johann Georg
J. G. Meusel's
Leitfaden zur Geschichte der Gelehrsamkeit. Leipzig 1799.
, desgleichen
Wachler, Ludwig
L. D. Wachler's
Handbuch der allgemeinen Geschichte der literarischen Cultur, 2 Bände. Marburg 1804.
Versuch einer Geschichte der Cultur […] von dem Verfasser des Begriffs menschlicher Fertigkeiten und Kenntnisse, (Joh. Christoph. Adelung,) Leipzig 1783
Dieses Werk stammt aus dem Jahr 1782 und ist ohne Angabe des Autors erschienen. Über den im Untertitel befindlichen Hinweis, es stamme von dem Verfasser des vierteiligen
Kurze[n] Begriff[s] menschlicher Fertigkeiten und Kenntnisse
(1778–1781), kann jedoch Johann Christoph Adelung (1734–1806) als Verfasser ermittelt werden.
Gottlieb Stolle's (sehr unvollständige und seichte) Anleitung zur Historie der Gelahrheit […] nebst den ganz neuen Zusätzen, ebendas. 1736
Gottlieb Stolles (1673–1744)
Gantz neue Zusätze und Ausbesserungen Der Historie Der Philosophischen Gelahrheit
sind 1736 als eigenständige Publikation in Jena erschienen, bei selbständiger Seitenzählung jedoch auch der vierten Auflage der
Anleitung Zur Historie der Gelahrheit
(1736) beigegeben.
von dem auch eine Anleitung zur Historie der medicinischen, juristischen und theologischen Gelahrheit, letzte Jena 1739
Gemeint sind Gottlieb Stolles (1673–1744)
Anleitung Zur Historie Der Medicinischen Gelahrheit
(1731),
Anleitung zur Historie der Theologischen Gelahrheit
(1739) sowie die von Christian Gottlieb Buder (1693–1763) mit einer Vorrede versehene und von Stolles Söhnen besorgte
Anleitung zur Historie der Juristischen Gelahrheit. Nebst einer Ausführlichen Nachricht, von des seel. Verfassers Leben und Schrifften
(1745).
G. C. Adelung's Versuch einer Geschichte der Cultur des menschlichen Geschlechts. Leipzig 1783
Der Name des Autors lautet Johann Christoph Adelung (1734–1806).
J. G. Meusel's Leitfaden zur Geschichte der Gelehrsamkeit. Leipzig 1799
Dieses Werk ist in drei Bänden (1799–1800) erschienen.
L. D. Wachler's Handbuch der allgemeinen Geschichte der literarischen Cultur, 2 Bände. Marburg 1804
Der Name des Autors lautet Johann Friedrich Ludwig Wachler (1767–1838). Dieser wird auf den Titelblättern beider Bände zwar als
D. Ludwig Wachler
bezeichnet, doch handelt es sich hier nicht, wie in der dritten Auflage der
Anweisung
fehlerhaft bibliographiert, um eine Initiale, sondern um die Abkürzung für den 1788 erworbenen Doktorgrad. Der zweite Band ist 1805 erschienen.
257
259
.
Bey
Bei
den folgenden Theilen der
Literargeschichte
Literargeschichte ist es 6) ziemlich gleichgültig, welchen man eher als den andern sich bekannt machen soll, obgleich die
Bücherkenntniß
Bücherkenntniß
, selbst in Absicht auf die Erlernung der Wissenschaften, der wichtigste ist.
Anm.
Zur Kenntniß des
Bücherwesen
Bücherwesens
im
Allgemeinen,
Allgemeinen
und dessen Geschichte, haben wir kein anderes Buch, welches in gedrängterer Kürze und mit mehrerer Genauigkeit und Vollständigkeit das dahin
gehörige
Gehörige
enthielte,
als
als:
Denis, Michael
M. Denis
Einleitung in die Bücherkunde,
erster
Theil
Erster
Theil
, Bibliographie,
2 Theile, Bibliographie.
Wien
1777
1777.
gr.
4.
4
; ausser dem
1795. 1796.
und
Ebendesselben
literarisch-bibliothekarische Vorlesungen, 4 Theile. 1792.
Außerdem
aber, und zur Kenntniß der
gelehrten Anstalten
überhaupt,
dient:
Struve, Burkhard Gotthelf
Burc. Gotth. Struvii
Introductio in notitiam rei literariae, die unter diesem Titel mit den Zusätzen gelehrter Männer zum sechstenmal cura
Fischer, Johann Christian
Jo. Christ.
J. C.
Fischeri
, Frft. et Lips.
1754
1754.
in
zwey
2
Bänden
zwei Bänden,
gr.
8.,
8.
und unter dem
Titel
Titel:
Bibliotheca historiae
literariae,
literariae
ganz umgearbeitet von
Jugler, Johann Friedrich
Jo.
Frid.
J. Fr.
Jugler
, Jenae
1754–1763
in
1754–1763.
3
Tomm.
gr.
8.
herausgekommen ist. Diese
letztre
letztere
Ausgabe ist weit vollständiger, und meistens noch
genauer, erstre
genauer; erstere
aber enthält
doch
Verschiednes
Verschiedenes
noch verschiednes
, was man in dieser vermißt.
M. Denis Einleitung in die Bücherkunde, erster Theil, Bibliographie, Wien 1777
Die erste Auflage von Michael Denis' (1729–1800)
Einleitung
besteht, wie auch die in der dritten Auflage der
Anweisung
nachgetragene zweite Auflage, aus zwei Teilen (1777/1778) (vgl. I § 258). Die
Bibliographie
enthält nur der erste Teil, der zweite bietet dagegen laut Untertitel die
Literargeschicht
.
Ebendesselben literarisch-bibliothekarische Vorlesungen, 4 Theile. 1792
Der Jesuit Michael Denis (1729–1800) wirkte nach der Aufhebung seines Ordens durch Papst Clemens XIV. (1769–1774) im Jahr 1773 bis zu seinem Tod als Bibliothekar und hat in dieser Eigenschaft auch öffentliche Vorlesungen gehalten. Eine wie hier angeführte Ausgabe seiner Vorlesungen ist jedoch nicht nachzuweisen.
Bibliotheca historiae literariae, ganz umgearbeitet von Jo. Frid. Jugler, Jenae 1754–1763 in 3 Tomm.
Später folgte mit den
Supplementa et emendationes ad Bibliothecam Litterariam Struvio-Iuglerianam
(1785) ein weiterer, von Hermann Friedrich Koecher (1747–1787) herausgegebener Band.
258
260
.
In diesem
Struve, Burkhard Gotthelf
Struvischen
Werk findet man auch die Werke genannt, aus welchen die
Bücherkenntniß
Bücherkenntniß
geschöpft werden kan. Der
zweyte
Theil von
Denis, Michael
Denis
Einleitung in die Bücherkunde, Wien
1778
1778.
gr.
4. soll zwar aus allen Wissenschaften die besten Bücher angeben, nennt aber fast bloß die Titel, und es fehlt sowohl an Wahl als zweckmäßiger Vollständigkeit; welches bey dem
großentheils
grossentheils
daraus genommnen Versuch einer Mappe-Monde litteraire von
Roth, Christian Friedrich Wilhelm
Christian Friedr. Wilh. Roth
, Erfurt 1785
in
groß Folio
gr. fol.
eben der Fall ist. Ueberhaupt ist wegen des
ungemein großen
ungeheuren
Umfangs der
Bücherkenntniß,
Bücherkenntniß
und der Unmöglichkeit, gar zu viele Bücher genau zu kennen, bey
Das Schwierigste ist, bei der unermeßlichen Menge der Bücher, in solchen Werken die Auswahl. Selbst bei den (§.
257.
Anm.
) angeführten Werken, wird theils
diese
, theils die
Vollständigkeit
vermißt. Ein Schriftsteller, der alle Fächer umfassen will, kann bei
Bücherverzeichnissen
Bücherverzeichnisse
von mehrern oder allen Theilen der
Gelehrsamkeit nicht möglich, daß Ein Schriftsteller reife
Gelehrsamkeit, schwerlich die strengste
Wahl
beobachten,
beobachten
und
zuverläßige
zuverlässige
Beschreibung
geben könne, und
geben. Aber
ohne dieses
beydes
beides
können solche Verzeichnisse wenig helfen. Man thut daher besser, sich an
Bücher
eine
zu halten, welche sich nur auf
einzelne
einzle
einzelne
Wissenschaften eingeschränkt, und
dabey
dabei
zum wenigsten, nebst
zuverläßiger
zuverlässiger
Genauigkeit, eine sorgfältige Wahl des Besten beobachtet haben.
–
Anm.
In Absicht auf die theologischen Wissenschaften ist dieses in
der
meiner
Anweisung zur Kenntniß der besten allgemeinern Bücher in allen Theilen der Theologie,
dritte Auflage,
4te Aufl.
Leipzig
1790.
1800.
8.,
zwote Aufl. Leipz
.
1780.
8.
wenigstens meine Absicht gewesen, wo auch in der Einleitung Regeln zur Beurtheilung der Bücher und die Hülfsmittel zur Erweiterung der, zumal theologischen, Bücherkenntniß angegeben sind. Man
kan
kann
damit die
Predigerbibliothek
- - von
Niemeyer, David Gottlieb
Dav. Gottlieb
D. G.
Niemeyer
,
neue Auflage, bearbeitet von
Niemeyer, August Hermann
A. H. Niemeyer
und
Wagnitz, Heinrich Balthasar
H. B. Wagnitz
, 4 Theile,
Halle
1782–1784
1782–84
in 3 Theilen,
1796–1812.
gr.
8.
sehr nützlich verbinden.
Den gesammten Zuwachs in Deutschland, liefert seit den Jahren 1750–1810 mit einer musterhaften Ordnung und Genauigkeit,
Ersch, Johann Samuel
J. S. Ersch
Handbuch der deutschen Literatur, 2ter Band, 8te Abtheilung. Leipzig 1811–1816.
zweyte Theil von Denis Einleitung in die Bücherkunde, Wien 1778
Vgl. I § 257.
J. S. Ersch Handbuch der deutschen Literatur, 2ter Band, 8te Abtheilung. Leipzig 1811–1816
Zu Johann Samuel Erschs (1766–1828)
Handbuch
vgl. I § 196 c. Die vierte Abteilung des zweiten Bandes (1814) ist zugleich die achte Abteilung des ganzen Werkes.
259
261
.
Nicht minder interessant und lehrreich ist aber auch die Geschichte der Männer, welche in allen Zeiträumen als Erfinder oder vorzügliche Beförderer der Wissenschaften sich ausgezeichnet haben, zumal wenn man in das Innere ihres Lebens und Wirkens eindringt, und sich nicht bloß mit allgemeinen biographischen Notizen oder den Titeln ihrer Schriften begnügt. An Werken, die dazu Anleitung geben, fehlt es nicht. Die lexicalischen sind freilich meist trocken und für jenen Zweck unbefriedigend.
Anm.
Zur Geschichte der
Gelehrte
Gelehrten
hat ein
Anfänger,
Anfänger
und selbst zum Theil der
Gelehrtere,
Gelehrtere
zwey oder drey
brauchbare Werke an
Hamberger, Georg Christoph
Georg Christoph Hambergers
zuverläßigen
G. Chr. Hamberger's
zuverlässigen
Nachrichten von den vornehmsten Schriftstellern vom Anfange der Welt bis 1500, Lemgo
1756–64
in
1756–64.
4
Theilen in
Theile.
gr.
8
8.
, woraus
dessen kurze Nachrichten
Dessen kurze Nachrichten
von den vornehmsten Schriftstellern vor dem 16ten Jahrhundert,
ebendas. 1767
in
ebendaselbst 1767.,
2
Octavbänden
Octavbände
,
ein verbesserter und vermehrter Auszug
sind, und
sind. Ferner
an
Saxius, Christophorus
Christoph. Saxii
Onomasticon
litterarium
literarium
, Traj. ad Rhen.
1775–1791
1775–1782
in
1775–1791,
7
4
Partt.
gr.
8.
welches theils von
engern
engerm
, theils von
weitern
weiterm
Umfang als das
Hamberger, Georg Christoph
Hambergersche
Hambergersche
ist, da es sich zwar mehr, sonderlich auf humanistische Schriftsteller, einschränkt, aber auch mehr in kleinere
Bücher-Notitz
Büchernotiz
, und
selbst
schon
bis
auf
unsre
unsere
Zeit
in die Mitte des vorigen Jahrhunderts
geht. Eine
trefliche
treffliche
synchronistische Uebersicht giebt in diesem Fache (obgleich jetzt nur bis an das 16te Jahr hundert) die
Synopsis historiae
litterariae
literariae
, auctore
Eyring, Jeremias Nicolaus
Jerem. Nic. Eyring
, Goetting.
1738
1783
1738.
und
84 in
84.
3
Tomm.
kl.
4.
4
min.
Die Kenntniß
andrer
anderer
in diesen Werken nicht berührten
Schriftsteller
Schriftsteller,
kan
Schriftsteller, kann
man aus dem
Allgemeinen Gelehrten-Lexicon, herausgegeben von
Jöcher, Christian Gottlieb
Christian Gottlieb
Ch. G.
Jöcher
, Leipz. 1750 und
51
,
51
in
4
Theilen,
Theilen
Theile,
gr.
4.
schöpfen, wovon weit bessere
(doch noch nicht zur Hälfte vollendete)
Fortsetzungen und Ergänzungen zu diesem Lexicon von
Adelung, Johann Christoph
Joh. Christoph
J. Ch.
Adelung
,
Erster
Erster
Band, Leipz.
1774,
Zweyter
Zweiter
Band,
1787
1787.
1784
gr.
4
4.
,
erschienen sind.
Eben so verdienstlich ist die von
Rotermund, Heinrich Wilhelm
Rotermund
unternommene und bereits angefangene Fortsetzung.
Anm.
2. Geistvoller und eben daher lehrreicher als jene Werke, ist freilich das berühmte
kritisch-historische Wörterbuch von
Bayle, Pierre
P. Bayle
, aber Vollständigkeit war nicht sein Plan.
Sein Fortsetzer
Chauffepié, Jacques Georges de
Chaufepied
und
Marchand, Prosper
Marchand
haben sich historische Verdienste erworben, seinen Geist aber nicht erreicht.
Anm.
3. Eine gleichsam wiederholende Uebersicht giebt, als synthetisches Werk über die Literargeschichte,
Morhof, Daniel Georg
D. G. Morhofii
Polyhistor,
Edit.
4. 2
Vol.
4. Lubec. 1747.
Fabricius, Johann Andreas
J. A. Fabricii
Abriß einer allgemeinen Historie der Gelehrsamkeit, 3 Bände. Leipzig 1751–1754.
und die schon
oben (§.
256.
) angeführten Handbücher von
Bouginé, Carl Joseph
Bouginé
,
Meusel, Johann Georg
Meusel
und
Wachler, Ludwig
Wachler
.
dessen kurze Nachrichten von den vornehmsten Schriftstellern vor dem 16ten Jahrhundert, ebendas. 1767 in 2 Octavbänden
Der erste Band stammt aus dem Jahr 1766.
Christoph. Saxii Onomasticon litterarium, Traj. ad Rhen. 1775–1791 in 7 Partt.
Der siebente Band stammt aus dem Jahr 1790, 1803 ist zudem ein achter Band erschienen.
Synopsis historiae litterariae, auctore Jerem. Nic. Eyring, Goetting. 1738 und 84 in 3 Tomm.
Wie in der ersten Auflage der
Anweisung
korrekt angegeben, stammt der erste Band aus dem Jahr 1783. Die beiden übrigen Bände sind fortlaufend nummeriert und ohne Jahresangabe erschienen.
Fortsetzungen und Ergänzungen zu diesem Lexicon von Joh. Christoph Adelung, Erster Band, Leipz. 1774, Zweyter Band, 1787
Der erste der beiden von Johann Christoph Adelung (1734–1806) besorgten Ergänzungsbände zu Christian Gottlieb Jöchers (1694–1758) ursprünglich vierbändigem
Allgemeine[n] Gelehrten-Lexikon
(1750–1751) ist, wie in der ersten Auflage der
Anweisung
richtig bibliographiert, im Jahre 1784 erschienen.
Rotermund
Nach Johann Christoph Adelung (1734–1806) übernahm ab dem dritten Band (1810) Heinrich Wilhelm Rotermund (1761–1848), der daneben auch durch eigene Gelehrtenlexika zu Bremen (1818) sowie zu Hannover (1823) hervorgetreten ist, die
Fortsetzungen und Ergänzungen
zu Christian Gottlieb Jöchers (1694–1758)
Gelehrten-Lexikon
.
kritisch-historische Wörterbuch von P. Bayle
Gemeint ist Pierre Bayles (1647–1706) häufig aufgelegtes zweibändiges
Dictionnaire historique et critique
(1697), das nach der Auflage von 1740 von Johann Christoph Gottsched (1700–1766) unter dem Titel
Herrn Peter Baylens [...] Historisches und Critisches Wörterbuch
I–IV (1741–1744) mit Anmerkungen unterschiedlicher Gelehrter versehen und ins Deutsche übersetzt worden ist.
Sein Fortsetzer Chaufepied und Marchand
Gemeint sind Jacques Georges de Chauffepiés (1702–1786) vierbändiges
Nouveau dictionnaire historique et critique, pour servir de supplément ou de continuation au Dictionnaire historique et critique de MR. Pierre Bayle
(1750–1756) und das posthum herausgegebene zweibändige
Dictionaire historique, ou Mémoires critiques et littéraires concernant la vie et les ouvrages de divers personnages distingués, particulièrement dans la République des Lettres
(1758/1759) des französischen Buchhändlers Prosper Marchand (1678–1756).
J. A. Fabricii Abriß einer allgemeinen Historie der Gelehrsamkeit, 3 Bände. Leipzig 1751–1754
Die ersten beiden Bände sind 1752 erschienen, der dritte Band 1754.
oben (§. 256.) angeführten Handbücher von Bouginé, Meusel und Wachler
Carl Joseph Bouginés (1735–1797)
Handbuch der allgemeinen Litterargeschichte
wird in § 255 genannt.
260
262
.
Nunmehr könnte man 7) zur Wiederholung,
Ergänzung,
Ergänzung
und
einigermaßen
einigermassen
zu mehrerer Zusammenordnung des
bisherigen,
bisherigen
ein etwas
größeres
grösseres
synthetisches Werk über die
Literargeschichte
Literargeschichte benutzen, dergleichen zwar noch gar nicht, so wie man es wünschen möchte, vorhanden
ist;
ist,
aber bey allen
großen
grossen
Mängeln und Fehlern kan doch hier
Morhof, Daniel Georg
Dan.
Georg
Georg.
Morhofii
Polyhistor,
Edit.
4. Lubec. 1747
in 2 Quartbänden,
und
Fabricius, Johann Andreas
Joh. Andr. Fabricii
Abriß einer allgemeinen Historie der Gelehrsamkeit, Leipz.
1751–54
751–54
in drey Bänden
gr.
8.
und
Bouginé, Carl Joseph
Carl Joseph Bouginé
Handbuch der allgemeinen Literargeschichte nach
Heumann, Christoph August
Heumanns
Grundriß, Zürich 1789–91
bis jetzt in 4 Bänden in
gr.
8, vor der Hand
nothdürftig dienen.
Für die älteste Literatur- und
Kunstgeschichte
Kunstgeschichte bis auf
Kyros II.
Kyrus
, und als ein Muster einer wünschenswürdigen allgemeinen Cultur- und Literaturgeschichte verdienen die
Untersuchungen von dem Ursprung der Gesetze, Künste und Wissenschaften - - aus dem Französischen des
Goguet, Antoine-Yyes
Anton Yves Goguet
übersetzet, Lemgo 1760–62
in 4. studiert zu werden.
Joh. Andr. Fabricii Abriß einer allgemeinen Historie der Gelehrsamkeit, Leipz. 1751–54 in drey Bänden
Vgl. I § 259.
Untersuchungen von dem Ursprung der Gesetze, Künste und Wissenschaften - - aus dem Französischen des Anton Yves Goguet übersetzet, Lemgo 1760–62
Der Originaltitel dieses dreibändigen Werkes lautet
De l'origine des loix, des arts, et des sciences; et de leurs progrès chez les anciens peuples
(1758), die Übersetzung stammt von Georg Christoph Hamberger (1726–1773).
261
263
260
.
Die übrigen hieher gehörigen Kenntnisse, besonders den steten Zuwachs, welchen die
Literargeschichte,
Literargeschichte
und was dahin einschlägt, von Zeit zu Zeit erhalten, muß 8) ein jeder selbst aus
einzelnen
einzeln
gelehrten Zeit- und andern Schriften, durch fleißigen Besuch und Durchforschung der
Büchersäle
Büchersäle und
Buchläden
Buchläden, und durch den Umgang mit gelehrten Männern zu ergänzen, zu berichtigen und zu vervollständigen suchen. Diese Mühe würde sehr erleichtert, und die vollständigere Uebersicht befördert werden, wenn man von allen Wissenschaften
und über die Schriften aus mehrern Zeiten solche Sammlungen hätte, wie die literarischen Annalen der Gottesgelehrsamkeit - - von
Eyring, Jeremias Nicolaus
J. N. Eyring
sind, wovon aber
nur
erst
der
Erste
Zeitraum von 1778–80, Nürnberg
1782
1782.
in 8. herausgekommen ist
so vollständige
Repertoria
hätte, als die Allgemeine Literaturzeitung einige
unübertroffende
und unübertreffliche Proben geliefert hat
.
Vierter Abschnitt. Schöne Wissenschaften.
262
264
261
.
Wir kommen zu den sogenannten
schönen Wissenschaften
, wohin man
in der gewöhnlichen Bedeutung
Redekunst
Redekunst
und
Dichtkunst
Dichtkunst
zu rechnen pflegt. –
Was haben
Frägt man zuerst, was
diese
vor
von
andern Wissenschaften und Künsten
eignes? – Darin
als eigenthümlich unterscheidet, so
ist man wohl
darin
eins, daß der
Redner
Redner und
Dichter
Dichter nicht bloß
etwas
vorstellen,
bloß
lehren oder erzählen, sondern
es
dergestalt vorstellen wolle, daß er für oder wider die Sache einnehme, Gefallen an der dargestellten
Sache,
Sache
oder
Mißfallen
Mißfallen, oder
Interesse
errege. Dieses läßt sich
entweder
durch die Sachen selbst bewirken, (die schon in so fern gefallen, als sie
unsre
unsere
Thätigkeit
beschäftigen,
beschäftigen
und
unsre
unsere
Wißbegierde
Wißbegierde
befriedigen,)
befriedigen),
oder
durch die
Art,
Art
wie man sie vorstellt. Dieses
letztre kan
Letztere kann
wieder
entweder
durch Verdeutlichung
oder
durch Versinnlichung geschehen. Jenes ist der Zweck der
strengern
,
*)
dieses der
schönen Wissenschaften und Künste
. Die
schönen Wissenschaften
gehen darauf hinaus, vermittelst der
Rede
Rede, also vermittelst willkührlicher, und nur durch den Gebrauch gebilligter Zeichen, die gedachte Absicht auszuführen; die
schönen Künste
aber, durch natürliche Zeichen, wodurch eine Vorstellung der
Sachen bewirket
Gegenstände bewirkt
werden
kan
kann
.
Anm.
Anm.
1. Jene werden daher auch die
redenden
, wie diese die
bildenden
Künste
genannt. Aber
genannt, und
diese Benennung scheint
Künste
und
Wissenschaften
zu vermengen.
Dies
Dieß
kommt daher, weil Griechen und Römer die Wörter
τέχνη
und ars von jeder regelmäßigen Fertigkeit und von jedem
Ingebriff
Inbegrif
der Regeln zu gewissen Verrichtungen brauchten, dergleichen Regeln
bey
bei
den Wissenschaften sowohl als
bey
bei
den Künsten statt finden; wiewohl
sie noch
freye
freie
man hernach die
freyen
Künste
Künste
(artes liberales,
ἀβάναυσοι τέχναι
) von
solchen unterschieden, die mehr Hand- als Geistes-Uebungen erforderten, und daher unter jenem Namen meistens eigentliche Wissenschaften begriffen. In neuern Zeiten hat man
Wissenschaften
und
Künste
, und unter den letztern
schöne
und
mechanische
Künste
Künste
mehr unterschieden. Der Unterschied der
Wissenschaften
und
Künste
scheint darauf zu beruhen, daß jene
zunächst
zur Befriedigung
geistiger
, diese zunächst zu Befriedigung
sinnlicher
Bedürfnisse dienen (§.
3
3.
). Diese
sinnlichen
Bedürfnisse sind
entweder
nur
körperliche
, und die zu ihrer Befriedigung abzielenden Künste sind bloß zur Befriedigung der
äusserlichen
äußerlichen
Sinne bestimmt,
oder
die Bedürfnisse nähern sich mehr den geistigen, und durch gewisse Künste soll mehr der
innre
innere
Sinn und die
Einbildungskraft
Einbildungskraft
befriedigt werden. Die von der
erstern
Art scheint man durch den Namen der
mechanischen
, die von der
letztern
aber durch den Namen der
schönen
Künste zu bezeichnen. Man vergleiche nur Philosophie,
Tonkunst
Tonkunst oder
Malerey
Malerey
Malerei
, und eigentliche
Handwerker
Handwerker mit einander, um sich von der Richtigkeit dieses Unterschiedes der Wissenschaften, der schönen und der mechanischen
Künste
Künste,
zu überzeugen
den
mechanischen
unterschieden hat, deren Zweck Befriedigung bloß körperlicher, wie jener, zugleich oder allein Befriedigung geistiger Bedürfnisse ist
.
Anm.
2. Hienach läßt sich vielleicht der Unterschied zwischen
Wissenschaften
und
Künsten
etwas bestimmter angeben, und erklären, woher die so schwankenden Begriffe von dem Unterschied derselben kommen. Alle Kenntnisse dienen zur Befriedigung der
Bedürfnisse
Bedürfnisse,
entweder
der Seele, die sie belehren, überzeugen oder bewegen sollen,
oder
des Körpers,
oder
beyder zugleich. Nimmt man nun Wissenschaften und Künste (objectiue) für den zusammenhängenden Inbegrif gewisser einen gemeinsamen Gegenstand betreffenden Kenntnisse: so entstehen im angegebnen ersten Fall
Wissenschaften
, im zweyten
mechanische
, im dritten
schöne Künste
. Diese letzten sind mit den
freyen
Künsten der Alten einerley, sofern man bey diesen, welches die Alten nicht thaten, Künste noch von eigentlichen Wissenschaften unterscheidet; sie bringen,
z. B.
Mahlerey
Mahlerey und
Tonkunst
Tonkunst, zunächst angenehme Bewegungen im Körper oder den äusserlichen Sinnen, zugleich aber auch angenehme Empfindungen des innern Sinnes hervor. Weil nun die
schönen
Wissenschaften und Künste die Hervorbringung dieser letztern angenehmen Empfindungen mit einander gemein haben; so läßt sich leicht einsehen, wie man habe in Versuchung gerathen können, sie beyderseits unter die
freyen Künste
zu rechnen.
Anm.
Anm.
2.
Anm.
3.
*)
Strengere
Wissenschaften sind
hier
in diesem §. nicht mit den Wissenschaften im
strengsten
Verstande zu verwechseln, als welche letztere nur solche Wissenschaften sind, deren
Inhalt
Innhalt
aus der Natur der
Sachen
Sache
selbst bewiesen werden
kan
kann
, und die
hier
hier,
als eine Art (species) mit unter den
strengern
Wissenschaften,
Wissenschaften
im Gegensatz gegen
schöne
Wissenschaften, begriffen sind. Auch ist
Verdeutlichung
Verdeutlichung
hier, im Gegensatz gegen
Versinnlichung
Versinnlichung
, im weitern Verstande genommen, so daß sie nicht nur die Entwickelung desjenigen, was in einem
Begriff
Begrif
liegt,
liegt
(intensive
Verdeutlichung)
Verdeutlichung),
sondern auch die ausführlichere Vorstellung der Sachen (extensive Verdeutlichung) in sich faßt.
Vergl.
§.
223
226
.
Tonkunst
D.i. die Kunst des Komponisten, nicht die des Töpfers.
263
265
262
.
Sonach sind die
schönen Wissenschaften
solche, welche lehren, wie man den
Vortrag
Vortrag versinnlichen, und dadurch an
den
die
Sachen selbst Gefallen oder Mißfallen erregen soll. Sie beschäftigen sich also 1) nur mit Bildung des
Vortrags
oder des Ausdrucks der Sachen durch Worte. 2) Ihr Zweck ist,
Vergnügen
Vergnügen
, oder das Gegentheil, an den vorgetragenen
Sachen
zu erwecken, welches übrigens die Belehrung nicht ausschließt, nur daß diese nicht der nächste Zweck ist. Diesen Zweck suchen sie 3) durch die
Form
der Vorstellung oder die Art des
Vortrags
und die
Einkleidung
der Sachen zu befördern, indem sie dadurch 4) die Sachen
sinnlich
sinnlich
darstellen, welcher Vortrag eben durch dieses Sinnliche gefallen, und daher auch Gefallen an den Sachen erwecken soll. Durch das erste Stück unterscheiden sie sich von den schönen Künsten; durch die
drey
drei
letztern von den
strengern
strengen
Wissenschaften. – Da sie aber, abgesehen von der Rede, die sie als Mittel zu jener Absicht bilden sollen,
einerley
einerlei
allgemeine Regeln mit den schönen Künsten enthalten: so läßt sich eine allgemeinere Wissenschaft entwerfen, welche die Regeln für schöne Wissenschaften und Künste zugleich, oder die
Regeln
Regeln der Vollkommenheit sinnlicher Erkenntniß und ihres Ausdrucks in sich faßt.
Baumgarten, Alexander Gottlieb
A. G. Baumgarten
hat ihr den Namen der
Aesthetik
Aesthetik
gegeben.
Anm.
Anm.
1. Man nennt
schön
im
weitern
Verstande
alles
Alles
, was vollkommen ist,
so fern
sofern
diese
Vollkommenheit
Vollkommenheit sinnlich erkannt
wird, und
wird;
in einem
engern
Verstande
, was, seiner sinnlich erkannten
Form
Form
nach, vollkommen ist.
Schöne Wissenschaften
und
und
Künste
lehren nicht nur, Sachen, als vollkommen, sinnlich darstellen, sondern auch dieses durch die Art des Ausdrucks, also durch die Form,
bewirken; daher
bewirken. Daher
haben sie ihren Namen bekommen.
Anm.
Anm.
2. Da schöne Wissenschaften und Künste zeigen sollen, wie Sachen, die nicht selbst dargestellt werden können,
vermittelst
vermittest
des Ausdrucks, es
sey
sei
durch Wörter oder natürliche Zeichen,
vergegenwärtiget
vergegenwärtigt
werden müssen: so lehren
sie,
sie
für die
Einbildungskraft
Einbildungskraft
arbeiten, die nichts anders ist, als das Vermögen der Seele, sich Dinge, die nicht selbst da sind, durch Vorstellungen zu vergegenwärtigen.
Anm.
Anm.
3. Wenn
bey
bei
uns durch Darstellung gewisser
Sachen
Sachen,
vermittelst gewisser
Zeichen
Zeichen Wohlgefallen erweckt
wird:
wird,
so empfinden wir dieses
entweder
über die Art der Darstellung,
oder
über die so dargestellten Sachen selbst. Jenes
kan
kann
zwar wieder ein Mittel
werden
werden,
dieses zu befördern, es
kan
kann
aber auch allein da seyn ohne dieses. Nur gar zu oft schränkt man den Zweck der schönen Wissenschaften und Künste bloß auf die Hervorbringung jenes Wohlgefallens ein, und erniedrigt dadurch, daß man sie zum
bloßen
blossen
Werkzeug der Belustigung macht, ihren Werth und
große
grosse
Nutzbarkeit
Nutzbarkeit unglaublich.
Freylich
Freilich
ist ihre Absicht, durch die Art der Darstellung geradezu Vergnügen zu
erwecken,
erwecken;
aber was ist dieser Kitzel der Einbildungskraft werth, wenn das Vergnügen darüber nicht wieder eine Quelle
des
eines höhern
Wohlgefallens an den Sachen selbst wird?
A. G. Baumgarten hat ihr den Namen der Aesthetik gegeben
Vgl. I § 177.
264
266
263
.
So schwer es ist, die Gränzen bestimmt anzugeben, wo sich Werke der
Redekunst
Rede- oder
Dichtkunst
Dichtkunst
scheiden:
scheiden,
so läßt sich doch der Hauptcharakter von
beyderley
beiderlei
Werken
bey
bei
einiger Aufmerksamkeit nicht verkennen. Offenbar nähern sich jene mehr den Werken der strengern
Wissenschaften,
Wissenschaften
(
§.
262
)
264
)
262.
),
diese, den Werken der schönen Künste. Der Charakter
dichterisch
dichterischer Werke
ist:
ist,
alles
Alles
so gegenwärtig als möglich darzustellen, die Vorstellungen davon so lebhaft zu machen, als es immer die Natur der Sache und der Rede erlaubt,
d. i.
viele klare oder solche Merkmale der Sachen, die eine Menge von
Nebenvorstellungen
Nebenvorstellungen erwecken, wodurch die Sachen selbst
klärer
klarer
oder
anzüglicher
anziehender
werden,
auf einmal
zum Uebersehen darzustellen. Sie ziehen also oft selbst dunkle Vorstellungen mit ins Spiel; Werke der
Redekunst
Redekunst hingegen suchen die
nemliche
nehmliche
nämliche
Wirkung mehr
nach
und
und
nach
hervor zubringen, legen das, was zur klaren Vorstellung der Sachen gehört, mehr aus einander, nehmen deutliche Vorstellungen so weit zu Hülfe, als es ohne Schwächung der sinnlichen Darstellung geschehen
kan
kann
. Gleichwohl haben
beyderley
beiderlei
Werke den Zweck, durch
sinnliche Darstellung
sinnliche Darstellung
der
Sachen
Gegenstände
Gefallen an
den Sachen
ihnen
selbst zu erregen, und, da dieses anders nicht als durch
Vorstellungen
Vorstellungen geschehen
kan
kann
, auch zu belehren. Demnach
kan
kann
wohl der wesentliche Unterschied zwischen den Werken der Rede- und der
Dichtkunst
Dichtkunst am sichersten nach dem Zweck bestimmt werden, der in
beyderley
beiderlei
Werken am meisten
hervorsticht;
hervorsticht:
und dieser ist,
bey
bei
Werken der Redekunst,
Belehrung
Belehrung,
Belehrung
oder extensive
Deutlichkeit
Deutlichkeit (
§.
262.
264.
262.
Anm.
2.),
3.)
wozu Lebhaftigkeit der Darstellung nur als Mittel gebraucht
wird, bey
wird; bei
dichterischen Werken aber, Lebhaftigkeit, und Belehrung nur so weit, als sie Lebhaftigkeit befördern
kan
kann
.
Anfangsgründe einer Theorie der Dichtungsarten (von
Engel, Johann Jakob
J. J. Engel
),
Erster
Theil, Berlin 1783.
8. im ersten Hauptstück.
Anm.
Anm.
1. Die Schwierigkeiten in genauer Absonderung
beyder
beider
schönen Wissenschaften, und die Gewohnheit, bald Sylbenmaaß, bald Erdichtung, bald das Ungewöhnlichere des Ausdrucks, als den unterscheidenden Charakter der
Poesie
Poesie anzunehmen, rühren wohl
daher:
daher,
daß, weil dichterische Werke meistens metrisch sind, man Verse und Poesie,
ungebundne
ungebundene
Rede und Prose, als ganz
einerley
einerlei
angenommen hat; daß Poesie nicht zu allen Zeiten und überall gleich vollkommen war, oft Nebenzwecke,
z. B.
Verse zum Gesang, manchmal nur zum bessern Behalten der Gedanken zu brauchen, den Hauptzweck verdrängt haben; hauptsächlich aber, daß, nach gewissen besondern Arten rednerischer und dichterischer Werke, Redekunst an
Poesie
Poesie,
z. B.
in rührenden Reden, und, wie im Lehrgedichte oder poetischen Erzählungen, Poesie an Redekunst streift.
Anfangsgründe einer Theorie der Dichtungsarten (von
Engel, Johann Jakob
J. J. Engel
),
Erster
Theil, Berlin 1783.
8. im ersten Hauptstück.
Anm.
Anm.
2. Aus dem hervorstechenden Zweck
bey
bei
poetischen Werken läßt sich erklären, warum einförmiges
Sylben-
Sylben-,
Zeilen- und Strophenmaaß, Erdichtung, und
bilderreicher,
bilderreicher
oder überhaupt von dem gewöhnlichen sich entfernender Ausdruck, in dergleichen Werken gebraucht wird; weil
nemlich
nämlich
alles dieses die Lebhaftigkeit
befördert;
befördert:
daher es auch wegfallen muß, wenn die zweckmäßige Lebhaftigkeit schon ohne dieses erhalten werden
kan
kann
, oder gar durch diese Dinge gestört werden würde. Es ist hieraus zugleich begreiflich, warum Gedichte mehr Reitz haben als Werke der Prose.
Anm.
Anm.
3. Man könnte die beschriebene Art der sinnlichen Darstellung, die in dichterischen Werken hervorsticht,
die
sinnlich
sinnlich lebhafte
, und die, welche in rednerischen Werken herrscht, die
sinnlich deutliche
nennen.
§. 262
Gemeint ist I § 261 c.
§. 262. Anm. 2
Gemeint ist I § 261 c Anm. 2.
Anfangsgründe einer Theorie der Dichtungsarten (von J. J. Engel), Erster Theil, Berlin 1783. 8. im ersten Hauptstück
Das erste Hauptstück trägt den Titel
Von dem Gedicht überhaupt
. Der Autor Johann Jakob Engel wird auf dem Titelblatt nicht genannt (vgl. I § 256). In der dritten Auflage der
Anweisung
werden die
Anfangsgründe
unter dem Titel
Poetik
erneut angeführt (vgl. I § 279 c).
265
267
264
.
Hienach würde
Hiernach wird
der den Namen eines
Redner
Redners
(Orator) verdienen, der die Geschicklichkeit
besäße
besässe
besitzt
, durch einen sinnlich deutlichen,
und
der
aber
den
Namen
eines
eines
Dichter
Dichters
, welcher die Geschicklichkeit
hätte
hat
, durch einen sinnlich lebhaften Vortrag
Sachen annehmlich
Gegenstände anziehend
darzustellen. Die Anweisung zu
diesem
Vortrag
würde
ist
die
Poetik
Poetik
oder
Dichtkunst
Dichtkunst
Dichtkunst
(als Wissenschaft oder
Innbegriff
Innbegrif
Inbegriff
von Vorschriften genommen); die Anweisung aber zu
jenem
jenen
Vortrag, die
Redekunst
Redekunst
Rhetorik
(Rhetorik)
im weitern
Verstande
,
Verstande
oder
Theorie der
Beredsamkeit
Beredsamkeit
seyn
Beredtsamkeit
.
Anm.
Anm.
Redekunst
im weitern
Verstande; welche
Verstande, erstreckt
sich also über den ganzen prosaischen
Vortrag und Schreibart erstreckte, so fern
Vortrag, sofern
er mehr als deutlich seyn soll, er
möchte
mag nun
in Lehr- oder Geschichtsbüchern, in Briefen oder
Gesprächen
Gesprächen,
oder eigent lichsten Reden gebraucht werden. Gemeiniglich, und zumal
bey
bei
Griechen und Römern, wird
Redekunst im engern Verstande
genommen für die
Anweisung
Anweisung,
eine eigentliche Rede, oder Ausführung eines Hauptsatzes auf die
erwähnte
erwehnte
Art, abzufassen und zu halten, und darauf die
Beredsamkeit
Beredtsamkeit
eingeschränkt. (Die Anweisung zum Halten einer
Rede,
Rede
oder zum mündlichen Vortrag (Declamatio), gehört doch mehr den schönen Künsten als Wissenschaften zu.) Indessen, da der gute Prosaist sich der Sprache
bedienet
bedient
, und dadurch Vorstellungen erwecken will, welche aufs wirksamste belehren und bewegen sollen: so bedarf er eben sowohl der
Grammatik
Grammatik und
Logik
Logik als der
Rhetorik
Rhetorik. Der Dichter braucht die Grammatik auch, bedarf aber mehr des Unterrichts in schönen Künsten, als in den strengen Regeln der Logik.
266
268
265
.
Schönheit
Schönheit wirkt auf jeden Menschen mit unwiderstehlicher Gewalt, und die schöne Gestalt, unter der eine Sache erscheint, nimmt uns für die Sache selbst ein. Man verweilt gern mit seiner Betrachtung
bey
bei
solchen Gegenständen, und man
kan
kann
sicher auf Eindruck
bey
bei
Andern rechnen, wenn man das, womit man Eindruck machen will, bekleidet mit diesen Reitzen darzustellen weiß. Schon
dies
dieß
könnte
könte
jeden überzeugen, wie nöthig es
sey
sei
, das zu studieren, was wirklich schön ist, und wie man einer Sache diese Gestalt geben könne; wäre es auch nur 1) um
unsre eigne
unsere eigene
Aufmerksamkeit
Aufmerksamkeit zu fesseln,
unsre
unsere
Seele zu einer angenehmen Unterhaltung mit gewissen Sachen zu stimmen,
unsern
unsren
Fleiß
Fleiß zu ihrer Untersuchung zu erregen und zu erhalten; noch
mehr,
mehr
um nur vorerst
Andre
Andere
dahin zu bringen, daß sie uns hören, und, wenn sie dahin gebracht sind, eben den Antheil an der Sache nehmen, den wir ihnen
einflößen
einflössen
wollen.
267
269
266
.
Und ist denn 2)
unsre
unsere
sinnliche
Erkenntniß
Erkenntniß weniger wirksam als die deutliche? Bedarf sie der Erweiterung, der Berichtigung, der Leitung, weniger als diese? Wir urtheilen und handeln doch häufiger nach
Empfindung
Empfindung als nach
Ueberlegung
Ueberlegung,
Ueberlegung;
müssen selbst oft, wenn es uns an Zeit oder hinlänglichen Gründen der Entscheidung fehlt,
den
dem
Ausspruch der Empfindung
überlaßen
überlassen
. Empfindung spricht gemeiniglich stärker als
Vernunft
Vernunft, letztre
Vernunft; letztere
wenigstens weit stärker für oder wider eine Sache, wenn sie durch das Urtheil der Empfindung unterstützt wird. Sinnliche Vorstellungen sind auch die Grundlage der vernünftigen; wo jene ganz mangeln, fehlt es auch an diesen; wo jene irren, theilt sich der Irrthum auch diesen mit. Jene können oft mißleiten; nur die Vernunft sichert den Menschen dagegen, nur sie
kan
kann
die Gesetze entwerfen, wonach die
Sinnlichkeit
Sinnlichkeit eingeschränkt und gelenkt werden muß; diese bedarf also sowohl als der Verstand einer regelmäßigen Bearbeitung, Pflege und Richtung. Und wenn der Mensch zwischen den Thieren und
den Engeln
höheren Geistern
in der Mitte steht, nicht bloß gröbern Empfindungen, wie jene, folgen darf, und nicht bloß vernünftigen Vorstellungen folgen
kan
kan,
kann,
wie diese: was ist zu seiner
Bildung
Bildung nöthiger, als die Bildung feinerer Empfindungen, in welchen sinnliche und deutliche Vorstellungen gleichsam in einander schmelzen?
268
270
267
.
Mag es 3) seyn, daß
Genie
Genie
und
Geschmack
Geschmack
mehr als alle Regeln der
Kunst
Kunst vermag, daß ohne
beydes
Beides
weder ein schönes Werk hervorgebracht, noch auch einmal geschätzt werden
kan
kann
: so
kan
kann
doch jenes ausschweifen, und dieser verdorben werden, oder schon verdorben seyn.
Beydes
Beides
be darf wenigstens Uebung und Nahrung. Wenn nun
Genie
nichts anders ist als vorzügliche Stärke der
Seelenkräfte
Seelenkräfte, und wenn dazu eine vorzügliche Aufgelegtheit zu sehr lebhaften oder sehr deutlichen Vorstellungen, sowohl als eine vorzügliche Reitzbarkeit des Geistes zu dergleichen Vorstellungen gehört: so wird ein Mann von Genie weit mehr Bedürfnisse fühlen als ein
Andrer,
andrer,
Anderer;
er wird nicht mit dem Gemeinen zufrieden seyn, sondern nach
den
dem
Vollkommneres
Vollkommnern dürsten, und, ist er zu sehr lebhaften Vorstellungen aufgelegt, so wird er gerade sinnlicher Vorstellungen der Vollkommenheit
bedürfen; daher
bedürfen. Daher
werden eben Werke der schönen Künste das seyn, was dem Genie die meiste Nahrung giebt, weil sie ganz eigentlich dergleichen Vorstellungen gewähren. Weil aber ein lebhafter und reitzbarer Geist auch leichter hingerissen
wird:
wird,
so wird eben darum das fleißige Studium fester Regeln zur Beurtheilung des Schönen,
d. i.
der sinnlichen
Vollkommenheit
Vollkommenheit, ihn gegen Ausschweifungen verwahren, und seinen
Geschmack
,
d. i.
seine sinnliche Beurtheilungskraft, bilden.
Anm.
Anm.
Wenn man durch die Gründe, die
hernach
unten
sollen angegeben
werden (
§.
270
–
74.
270
–
274.
vergl.
mit Theil 3. §.
105.
96
96.
f.
)
werden,
von dem
großen
grossen
Einfluß des Geschmacks und der Bildung desselben, auf die Denkungsart, den Charakter und die Handlungen der
Menschen,
Menschen
überzeugt seyn wird: so wird sich auch ergeben, daß der Einfluß der schönen Wissenschaften und Künste viel weiter reiche, und beträchtlicher
sey
sei
, als sich die
meisten
Meisten
vorstellen.
§. 270–274
Gemeint ist I § 269–274 c. I § 271 fehlt in der dritten Auflage der
Anweisung
(s.u.).
269
271
268
.
Von den schönen Wissenschaften und
Künste
Künsten können auch 4) viele
andre
andere
Wissenschaften
große
grosse
Vortheile ziehen. Sie führen uns, wenn man sie fleißig
studieret
studiert
, auf viele feine Beobachtungen über die Kräfte, Triebfedern und Ver änderungen der menschlichen Seele, und erweitern dadurch nicht nur die Kenntniß der
Psychologie
Psychologie, sondern leiten uns auch auf Grundsätze, viele, zum Theil widersprechend scheinende, Erscheinungen zu erklären.
Hiedurch
Hierdurch
gewinnt die Aesthetik, die Logik, das feinere Sprachstudium, die Geschichte, sofern sie pragmatisch behandelt wird, die Moral, in Absicht auf neue oder neubestimmte Pflichten, auf neue Bewegungsgründe, auf
bessre
bessere
Art die Ausübung
unsrer
unserer
Pflichten zu befördern, und eben dadurch selbst die
Religion
Religion. Wie weit anziehender sind selbst alle diese Wissenschaften
worden
geworden
, und haben die
Lernbegierde
Lernbegierde selbst der Ungelehrten erregt, seitdem man ihnen durch
Hülfe der schönen Wissenschaften
den Einfluß des veredelten Geschmacks
ein gefälligeres Gewand gegeben hat?
270.
272.
269
.
Was hilft auch 5) alle Erkenntniß, wenn sie nicht
wirksam
wirksam ist?
Dies
Dieß
wird sie aber, je lebhafter, und überhaupt je sinnlicher sie uns die
Sachen
Gegenstände
, die wir begehren oder verabscheuen sollen,
darstellt;
darstellt:
und diese Klarheit und Lebhaftigkeit den Vorstellungen zu geben, ist ganz eigent lich der Zweck, worauf die schönen Wissenschaften arbeiten. Ihr Studium benimmt der
Denkungsart
Denkungsart das Trockne und Einförmige, das so wenig reitzt und
unterhält,
unterhält;
benimmt dem Charakter das
Rauhe,
Rauhe
und macht ihn geschmeidiger, stimmt die Seele zu sanftern Empfindungen, macht sie theilnehmender an
allem
Allem
, was den Menschen
interessiren
intereßiren
kan
kann
, veredelt unsre ganze Natur. Wie sehr es daher
–
6) auf die
Leidenschaften
Leidenschaften wirke, es
sey
sei
, sie zu mildern und einzuschränken, oder sie in Bewegung zu setzen, wie sehr
–
7) auf die Beförderung aller
Tugenden
Tugenden, bedarf keiner Ausführung. Wer fühlt die Macht der wahren
Beredsamkeit
Beredsamkeit
Beredtsamkeit
und
Dichtkunst
Dicht kunst nicht?
und was
Was
hat von jeher jeden noch so rohen Menschen oder
jede
Nation biegsamer und menschlicher gemacht, als Werke der
Kunst und des Geschmacks, in welchen die
Schönheit
idealisirt ist
? – Selbst von den höhern Wirkungen abgesehen, die alle dergleichen Werke hervorbringen können, abgesehen also davon, daß sie die Fähigkeiten des Menschen veredeln, sei nen thätigen Fleiß in Bewegung setzen und unterhalten, ihn lehren und antreiben, durch
Thätigkeit
Thätigkeit
Thätigtigkeit
nach der
Vollkommenheit
Vollkommenheit zu ringen, – selbst die
Glückseligkeit
Glückseligkeit
der
des
Menschen auf
Genuß
Genuß
und
bloßes
blosses
Vergnügen
Vergnügen
eingeschränkt: veredlen
eingeschränkt, veredeln
sie doch schon dieses
Vergnügen,
Vergnügen;
sie machen es
unschädlicher,
unschädlicher;
sie verhindern
die
zu frühe Sättigung und
Uebermaaß,
Uebermaaß;
sie befördern mehr den
Geschmack
Geschmack an
geistigen
Vergnügungen, der nie den Menschen so tief sinken
läßt
läßt,
als der Geschmack
am gröbern Vergnügen
an den gröberen
, der doch
auch
den Geist immer mit beschäftigt, der ihm eher die Rückkehr zum Besin nen und den Verstand
zu Gegenvorstellungen
für die Reflexion
offen erhält.
271
273
270
.
Wenn die Werke der schönen Wissenschaften und
Künste
Künste, oder diese selbst, diese
angegebnen
angegebenen
Vortheile nicht wirklich gewähren, oder wenn sie gar den Geist, das Herz und die Sitten verderben helfen: so liegt die Schuld nicht an ihnen, sondern an dem Mißbrauch, den man mit ihnen treibt. Eigentlich sollte
Schönheit
Schönheit der Kunst, wie Schönheit in der Natur, nur dazu dienen, durch erregtes
Vergnügen
Vergnügen die Seele zu erheitern, zu stärken, und die Fähigkeiten des Menschen zur Thätigkeit, zum Streben nach
größrer
größerer
Vollkommenheit, zu spannen; seine Aufmerksamkeit und seine Neigungen auf das, was wahr, was nützlich, was sittlich gut ist, zu lenken. Es sollte alle sinnliche Erkennt niß und Neigung des mit höhern Fähigkeiten gezierten, zu höhern Absichten bestimmten Menschen, unter der Regierung seiner
Vernunft
Vernunft stehen, diese, nicht nur die Wahl, das Maaß, das Ziel aller sinnlichen Vergnügungen bestimmen, sondern
auch,
auch
als Begleiterin der
Empfindung
Empfindung, allgemeinere Gesetze zur Beurtheilung des Schönen entdecken und festsetzen, das
Genie
Genie und den
Geschmack
Geschmack regelmäßig machen, und den, der schöne Werke studierte, wenn ihm dazu die Talente nicht versagt sind, zur Verfertigung ähnlicher schönen Werke bilden. Fehlt es an diesen
zwey
zwei
Stücken;
–
begnügt man sich mit dem Vergnügen, das die Werke der schönen Kunst erwecken;
–
überläßt man sich bloß den sinnlichen
Eindrücken,
Eindrücken;
studiert man diese Werke nicht nach Regeln, zieht daraus nie das Allgemeinere, was uns in ähnlichen Fällen leiten könnte: so wundere man sich nicht,
–
wenn man
bey
bei
steter Beschäftigung mit schönen Werken, doch nie durch diese an Verstand, an Geschmack, an Herzen, an Sitten und
im
in
guten Vortrag gebildet wird;
–
wenn man, von dem Geist dieser Werke entwöhnt, bloß an
äusserlichen
äußerlichen
Verzierungen hängen bleibt, in
Tändeleyen
Tändeleien
seine Nahrung sucht, wichtigere Pflichen darüber vergißt, nach und nach den Geschmack an allem Ernsthaften, an aller deutlichen Kenntniß, an
allem
Allem
, was nicht geschmückt ist, oder keinen Schmuck verträgt, verliert; und
–
wenn man, indem es uns an Genie oder Geschmack zu
wahrhaftig
wahrhaft
schönen Werken fehlt, den Empfindler oder Gecken spielt, oder, hat man jene Talente, selbst den Reitz der Schönheit zu Verstellung der
Wahrheit
Wahrheit und Empfehlung der Laster, wenigstens feinerer Ausschweifungen, mißbraucht.
272
274
272[!]
.
Schöne Wissenschaften
Schöne Wissenschaften
und das Bestreben, sich zum
anzüglichen
anziehenden
und gefälligen
Vortrag
Vortrag zu bilden, sollten keinem Gelehrten, am wenigsten dem gleichgültig seyn, der künftig ein
Lehrer
Lehrer
der
Religion
Religion
werden will. – Mag es seyn, daß Wahrheit, daß deutliche Einsicht und Ueberzeugung, der
Haupt-
Haupt-,
oder vielmehr der nächste
Zweck
Zweck der Wissenschaften
sey
sei
, daß die überzeugende und eindringliche Kraft der
Wahrheit
Wahrheit selbst ihr
Beyfall
Beifall
verschaffe, daß es oft genug
sey
sei
, diesen durch deutliche Darlegung der Gründe zu befördern: so liegen doch in denen, die man überzeugen will, Hindernisse genug, welche dieser Ueberzeugung und dem
Eindruck
Eindrucke
den Zugang
versperrren
,
versperren
versperren,
oder die Ueberzeugung nicht zur
Entschließung
Entschließung
Entschliessung
, die
Entschließung
Entschliessung
nicht zur That kommen
laßen,
lassen,
lassen;
und der Eindruck, den die Wahrheit macht,
kan
kann
doch immer durch den Vortrag verstärkt werden. Wenn daher ein Lehrer der
Religion
Religion alles
Mögliche
mögliche
thun muß, um ihr und allem Guten Eingang zu
verschaffen:
verschaffen,
so muß er nichts
vernachläßigen,
vernachläßigen
vernachlässigen,
was seinen Vortrag eindringlich und annehmlich machen
kan
kann
. Ein trockner oder geschmackloser Vortrag erweckt Widrigkeit gegen Sachen selbst, oder verhindert doch den Antheil, den man daran nehmen sollte. Ein Vortrag, der sich durch seine Annehmlichkeit empfiehlt, erregt die Aufmerksamkeit, und unterhält sie, macht den Zuhörer
geneigt
geneigt,
das
Vorgetragne
Vorgetragene
zu untersuchen, und das
Empfohlne
Empfohlene
zu versuchen, bricht dadurch die Macht der Gleichgültigkeit, der Vorurtheile und bösen Gewohnheiten, theilt den Antheil, den der Lehrer an den Sachen verräth, auch dem Zuhörer mit, verstärkt wenigstens durch seine Reitze den
Eindruck
Eindruck noch mehr, den die Wahrheit und das Gute an sich, und die Gründe dafür in der Seele erregen können. Wenn ein Lehrer keine Fähigkeit, Hülfsmittel oder
Muße
Musse
hätte, sich ausgebreitete und ganz deutliche Erkenntniß zugleich mit der Geschicklichkeit im Vortrag zu
erwerben:
erwerben;
so wäre es verzeihlicher, sich mit einer guten aber mäßigen Erkenntniß zu begnügen, und desto mehr Fleiß auf den Vortrag zu wenden,
als
als,
bey
bei
dem eifrigen Bestre ben nach Weitläufigkeit und Deutlichkeit der Erkenntniß, diesen zu
vernachläßigen
vernachlässigen
.
Anm.
Je
ausgebreiteter
ausgebreiter
das Gefühl für das
Schönes
Schöne und der gute
Geschmack
Geschmack unter denenjenigen ist, auf die man wirken will, je mehr Leichtsinn oder Gleichgültigkeit unter ihnen herrscht, und je mehr
bey
bei
ihnen das Ansehen der Vernunft und Religion gesunken, und das Interesse dagegen gering ist: je nöthiger ist
es,
es
auf den guten und anziehenden Vortrag bedacht zu seyn.
272
In der dritten Auflage der
Anweisung
fehlt I § 271. Auf I § 270 folgt I § 272.
273
275
.
Und gewiß hat doch auch der Lehrer, der selbst eines gewissen
Ansehens
Ansehns
und guten Vorurtheils bedarf, um die
Religion
Religion wirksamer empfehlen zu können, Ursach genug, sich dieses durch feinere Sitten zu erwerben und zu erhalten. Aber der
vernünftigere
vernünftige
Theil der gesitteten Welt schätzt und erwartet diese nach derjenigen Art von Ausbildung, die der Charakter und Beruf eines Gelehrten oder Lehrers mit sich zu bringen scheint, das ist, nicht nur nach ausgebreitetern und gründlichern Kenntnissen, die ihn über
Andre
Andere
erheben, sondern auch nach der
Geschicklichkeit
Geschicklichkeit, diese aufs wirksamste mitzutheilen. Bemerkt man diese Geschicklichkeit an einem Lehrer, und sieht man, daß er sie geflissentlich zu erwerben und zu benutzen suche: so giebt dieses den Zuhörern die Ueberzeugung, daß es ihm nicht gleichgültig
sey
sei
, ihnen zu gefallen, sich zu ihnen
herabzulaßen
herabzulassen
, ihnen auf dem Wege
beyzukommen
beizukommen
, wo sie am liebsten mit ihm wandeln; welches nothwendig mehr Zutrauen und Liebe erwecken muß, als wenn man wahrnimmt, daß ihm das Wohlgefallen der
Zuhörer
Zuhörer an seinem
Vortrag
Vortrage
gleich gültig, und ihm
alles
Alles
für diese Zuhörer gut genug scheine.
274
276
.
Sogar um sein selbst willen sollte ein Lehrer der
Religion
Religion in Bildung seines
Vortrag
Vortrags nicht
nachläßig
nachlässig
seyn. Denn wenn das wahr ist, was oben (§.
59
f.
) über den Einfluß der Sprache auf die Bildung des Verstandes und Herzens gesagt
wurde:
wurde,
so wird seine Erkenntniß weit
klärer
klarer
, lebhafter und lebendiger werden, wenn er sie aufs
möglichste
Möglichste
zu
versinnlichen
versinnlichen sucht, so weit es immer ohne Nachtheil der
deutlichen Erkenntniß
Deutlichkeit derselben
geschehen
kan
kann
. Dazu dient aber das Studium der schönen Wissenschaften (
§.
262.
262.
263
263.
264.
265.
); und
bey
bei
praktischen Wissenschaften, wie die Religion ist, die er eigentlich
praktisch
praktisch vortragen muß, sind die
angegebnen
angegebenen
Eigenschaften der
Erkenntniß
Erkenntniß, wo nicht noch wichtiger, doch wenigstens eben so wichtig, als
deutliche
Deutlichkeit
und
bestimmte Erkenntniß
höchste Bestimmtheit
. – Und wenn die immer mehrere Ausbreitung des guten
Geschmack
Geschmacks, wie unten erhellen wird, sehr viel zur
Aufklärung
Aufklärung in der Religion und zur Läuterung der
Frömmigkeit
Frömmigkeit
beytragen kan
beitragen kann
: sollte nicht der Lehrer der Religion auch mit dahin arbeiten, daß selbst durch sein
Beyspiel
Beispiel
, in dem Kreise wenigstens, wo Er wirken
kan
kann
, auf einer Seite der gute Geschmack
allgemeiner,
allgemeiner
und somit der Anhänglichkeit an
unfruchtbaren
unfruchtbare
Untersuchungen, der
Schwärmerey
Schwär merei
und dem Geiste der Kleinigkeit oder Sonderlichkeit, den verächtlichen Begriffen von Religion und Frömmigkeit
gesteuret
gesteuert
, auf der andern aber der Geschmack mehr veredelt würde, mehr Festigkeit und eine bessere Richtung auf dasjenige bekäme, was wahrhaftig gut und des vernünftigen Menschen würdig ist, wenn er angefangen
hat
hat,
sich
zu nichtswürdigen Dingen
auf nichtswürdige Dinge
und zur Weichlichkeit oder gar zur Empfehlung
der
von
Ausschweifungen zu neigen?
§. 262. 263
Gemeint ist I § 261.262 c.
275
277
.
Wenn aber die schönen Wissenschaften so leicht dem Mißbrauch unterworfen
sind,
sind;
wenn die Beschäftigung mit ihnen so manchen guten Kopf, so manches gute Herz verdorben, für die Welt unbrauchbar, wenigstens minder brauchbar gemacht hat:
wie weit
wäre das Studium derselben,
wenigstens dem künftigen Lehrer der Religion,
wenigstens dem zu empfehlen, der nicht
ausserordentliche
außerordentliche
Anlagen zum
Redner
Redner oder
Dichter
Dichter hat, der nicht ganz eigentlich
dazu
geboren zu seyn scheint? – Vorausgesetzt, daß es jemandem nicht ganz an
Fähigkeit,
Fähigkeit
sich ordentlich
auszudrucken
auszudrücken
, und von dem, was er vortragen will, mit Antheil zu sprechen, fehlte – denn ohne dieses hat er zu einem künftigen Lehrer der
Religion
Religion gar keinen
Beruf:
Beruf
– so sollte man 1) nie eher an die
Verschönerung
Verschönerung
des Vortrags denken, ehe man nicht
ordentlich
ordentlich
denken, und 2)
rein
rein
sich
auszudrucken
auszudrücken
gelernt hätte.
Wahrheit
Wahrheit und Richtigkeit der Gedanken soll doch nur durch Schönheit empfohlen werden;
Schönheit
Schönheit ohne Wahrheit ist ein bloß betrügliches
Blendwerk;
Blendwerk:
Ordnung
Ordnung ist unentbehrlicher als Zierlichkeit; und es ist gar zu ungereimt,
zuerst
auf
Verzierung des Hauses,
hernach
dann
erst, oder vielleicht gar nicht, auf Festig keit und Nutzbarkeit Bedacht zu nehmen. Wer also noch nicht deutlich und ordentlich
zu
denken
kan
vermag
, wer sich noch nicht selbst versteht, wer noch nicht einmal rein und den Sachen gemäß lesen, sprechen und schreiben
kan
kann
, der müßte
noch gar
nicht
schon etwas
schön
ausarbeiten
schreiben
, er müßte nicht einmal schöne Werke, als solche, studieren wollen. Er würde sich sonst zum schönen Unsinn gewöhnen, seinen
Geschmack
Geschmack und
Verstand
Verstand verderben, wenigstens
sich gewöhnen
dahin kommen
, nach
bloßem
blossen
Vergnügen zu haschen, und der Schönheit die weit wesentlichern
Vollkommenheiten
Vollkommenheiten des Wahren und Guten, der Verständlichkeit und Ordnung, aufzuopfern.
auf Verzierung des Hauses, hernach erst, oder vielleicht gar nicht, auf Festigkeit und Nutzbarkeit Bedacht zu nehmen
Hier ist auf die Begriffe
firmitas
(Festigkeit),
utilitas
(Nützlichkeit) und
venustas
(Schönheit) angespielt (vgl. I § 211), die seit Vitruvs (1. Jh. v. Chr.)
De architectura libri decem
als Grundprinzipien der Architektur gelten (vgl. Vitr. I 3,2).
276
278
.
Ueberhaupt ist das
bloße
blosse
Vergnügen
Vergnügen
bloße Vergnügen
kein
genug
hinreichend
edler Zweck für die Würde des Menschen, der immer nach
größerer
grösserer
Vollkommenheit
Vollkommenheit streben soll. Das Vermögen zu angenehmen Empfindungen ist uns nur
gegeben,
gegeben
unsre
unsere
Seele zu erheitern,
unsre
unsere
erschlafften Kräfte zur Vollkommenheit wieder zu
spannen,
spannen
und in Thätigkeit zu setzen. Selbst das edlere, geistige Vergnügen, das den Menschen den Vorzug vor den Thieren giebt, läßt sich ohne Wahrnehmen und Gefallen an Wahrheit, Ordnung, Deutlichkeit und aller Vollkommenheit unseres Geistes, die daraus entsteht, nicht denken. Daher
kan
kann
auch 3) alle Beschäftigung mit schönen Wissenschaften und Werken, die nicht mit auf jene höhere Vollkommenheit geht, oder den Fleiß vermindert, den wir auf das Wachsthum in dieser wenden sollen, nicht anders als verderb lich seyn. Sie ist eine
Schwelgerey
Schwelgerei
, die uns um die gesunde Nahrung des Geistes bringt, die Auszehrung der vernünftigen Seele.
277
279
.
Auch
kan
kann
man nicht oft genug sagen, wie nöthig es
sey
sei
, mit Unterschied und Ueberlegung (Discretion)
Schönheiten
Schönheiten in schönen Werken aufzusuchen, und in seinen
eignen
eigenen
Arbeiten anzubringen. Es ist nicht jedem leicht,
das
Schickliches
Schickliche
wahrzunehmen und
auszudrucken
auszudrücken
. Nicht zu gedenken, daß es auch einen besondern Geschmack giebt, welchen nachzuahmen vielleicht, nur unter ähnlichen Umständen mit einem Meister eines schönen Werks, erlaubt seyn möchte: so hört Schönheit auf, Schönheit zu seyn, wenn sie am unrechten Orte angebracht wird,
d. i.
bey
bei
Sachen, die ihrer Natur nach eigentlich keiner Verschönerung, wenigstens nicht ohne Nachtheil der Deutlichkeit, fähig sind, oder die der
Verschönerung
Verschönerung nicht bedürfen, oder durch Verschönerung mehr zerstreuen, und von der Hauptsache, die empfohlen werden soll, die Aufmerksamkeit zu sehr abziehen, mit
einem
Einem
Wort, wo sie unnatürlich, zwecklos, oder gar zweckwidrig seyn würde. Auch sollte man nicht
alles
Alles
, was man selbst schön findet, und wirklich schön seyn mag, in seinen
eignen
eigenen
Arbeiten Andern wieder mittheilen wollen; man sollte vielmehr durch das Studieren schöner Werke seinen
eignen
eigenen
Geschmack
Geschmack so zu bilden suchen, daß man das Gefühl des Schicklichen immer mehr zur Reife brächte, und
daß
man lernte, nach den Fähigkeiten und Bedürfnissen derer, vor wel chen wir zu reden oder zu schreiben haben, die Wahl und den Gebrauch des Schönen zu bestimmen.
In so fern kan
Anm.
Insofern kann
gerade das Lesen der schönsten
und
bewundertsten Schriftsteller,
vornemlich
vornehmlich
Dichter, für
den
dem
Prediger, dem es
am Verstande
an richtigem
Verstande
und
Gefühle
Gefühl
des Schicklichen fehlt, am verderblichsten werden.
Der Ton der sogenannten guten Gesellschaft und der
Schauspiele
Schauspiele darf nicht der Ton der
Kanzel
Kanzel
werden; was
werden. Was
dem erlaubt ist, der lauter oder
meistens
größtentheils
Zuhörer von sehr
gebildeten
gebildetem
Geschmack hat, ist dem nicht erlaubt, der meistens vor
Zuhörern
Zuhörer
ganz
andrer
anderer
Art
redet;
redet,
und selbst jene, wenn sie wirklich gebildeten Geschmack haben, werden es abgeschmackt finden, da, wo Belehrung und Würde des Ausdrucks erfordert wird, Glanz und Schimmer oder gesuchte Schönheit anzutreffen.
Der Ton der sogenannten guten Gesellschaft und der Schauspiele darf nicht der Ton der Kanzel werden
Vgl. III § 66.
278
280
.
Eben deswegen kommt viel darauf an,
wie
man die schönen Wissenschaften treibt? – Wie
bey
bei
dem Studium der Sprachen (§.
68
68
), so würde auch
hier,
hier
Theorie, Lesung guter Schriftsteller
und
eigne
eigene
Uebung
Uebung
zu verbinden seyn. – Ich setze 1) immer voraus, daß man nicht eher nach
Schönheit
Schönheit
des Ausdrucks trach ten sollte, ehe man nicht
richtig
denken, und sich
gut
ausdrucken
ausdrücken
gelernt hätte. Die Theorie des vernünftigen Denkens, Uebung in Bemerkung der Wahrheit, der Ordnung und der Deutlichkeit
bey
bei
einem Schriftsteller, Uebung in der Ausarbeitung wohl durchdachter, zusammenhängender, gut geordneter, verständlich und bestimmt
geschriebner
geschriebener
Aufsätze,
müßte
muß
immer
vorangehn
vorangehen
; und
Sprachrichtigkeit
Sprachrichtigkeit
in der Sprache, worin man Schrif ten lesen, oder Aufsätze verfertigen will,
müßte
muß
man vor allen Dingen in seiner Gewalt haben.
279
281
.
Hätte
Hat
man
alsdann
alsdenn
das Glück, unter Anleitung eines Mannes von
reifem
reifen
Geschmack
Geschmack, gute Schriftsteller lesen zu
können:
können,
so
würde
wird
2) dieses Lesen unstreitig vor aller eigent lichen
Theorie
Theorie vorhergehen müssen. Denn es ist anziehender und unterhaltender als trockne Theorie, die, wenn sie deutlich und praktisch werden soll, ohnehin
alles
Alles
durch
Beyspiele
Beispiele
erläutern muß, welche man immer besser im Zusammenhange beurtheilen und schätzen
lernt,
lernt
als in
abgerissenen
abgerißnen
Stücken.
Vornemlich
Vornehmlich
befördert dieses Lesen die Aufmerksamkeit und das eigne
Gefühl
Gefühl des Schönen, und lehrt uns, ob wir dieses haben, ohne welches man sonst auf schöne Wissenschaften Verzicht thun müßte. – Sollte man aber eine solche Aufsicht und Anleitung eines guten Führers nicht
genießen
geniessen
können:
können,
so wäre wohl eher zu rathen, daß man sich die Grundsätze der schönen Wissenschaften und des guten Geschmacks aus guten Schriften bekannt machte, welche in der Absicht geschrieben sind, um durch
Beyspiele
Beispiele
der Schönheit und darüber gemachte Bemerkungen den Anfänger zu bilden.
Für die Dichtkunst würden vorzüglich
Engel, Johann Jakob
Engels
Anfangsgründe einer
Th. der Dichtungsarten (§.
264
266
), für die Redekunst ein Buch wie die
Principes pour la lecture des Orateurs, à Paris
1754
1754. in drey Bänden
in
gr.
12, und noch weit mehr
Eschenburg, Johann Joachim
J. J. Eschenburg's
Anhang zu dessen Theorie und Literatur der schönen Wissenschaften, enthaltend eine Beyspielsammlung aus den besten Schriftstellern in alten und neuen Sprachen, Berlin, 1788–1791
in 6 Bänden
gr.
8,
12.
zu empfehlen seyn.
Anm.
Für die
Redekunst
gehören dahin:
Priestley, Joseph
J. Priestley's
Vorlesungen über Redekunst und Kritik. Aus dem Englischen von
Wackerbarth, August Joseph Ludwig von
Wackerbarth
. Berlin 1797.
Ganz vorzüglich
Blair, Hugh
Hugo Blair's
Vorlesungen über Rhetorik und schöne Wissenschaften. Aus dem Englischen von
Schreiter, Carl Gottfried
Schreiter
, 4 Theile. Leipzig 1785
ff.
Dann auch:
Maaß, Johann Gebhard Ehrenreich
J. G. Maaß
Grundriß der allgemeinen, und besonders reinen Rhetorik. Halle 1798.
Adelung, Johann Christoph
J. C. Adelung
über den deutschen Styl, 2 Theile. Berlin 1800.
Für die
Dichtkunst
Engel, Johann Jakob
J. F. Engel's
Poetik. Berlin 1806.
Clodius, Christian August Heinrich
C. A. H. Clodius
Entwurf einer systematischen Poetik, 2 Theile. Leipzig 1804.
Als Beispielsammlung würde aber
Eschenburg, Johann Joachim
J. J. Eschenburg's
Anhang zu dessen Theorie und Literatur der schönen Wissenschaften, enthaltend eine Beispielsammlung aus den besten Schriftstellern in alten und neuen Sprachen, Berlin 1788–1791.
6 Bände,
gr.
8., zu empfehlen seyn.
Th.
D.i. Theorie.
Principes pour la lecture des Orateurs, à Paris 1754
Bei dem Autor handelt es sich um den Enzyklopädisten Edmé-François Mallet (Abbé Mallet) (1713–1755), alle drei Bände dieses Werkes stammen aus dem Jahr 1753. Hier könnte ein Nachdruck genannt sein.
J. J. Eschenburg's Anhang zu dessen Theorie und Literatur der schönen Wissenschaften, enthaltend eine Beyspielsammlung […] Berlin, 1788–1791 in 6 Bänden
Johann Joachim Eschenburgs (1743–1820)
Beispielsammlung zur Theorie und Literatur der schönen Wissenschaften
ist in insgesamt acht Bänden (1788–1795) erschienen.
J. Priestley's Vorlesungen über Redekunst und Kritik. Aus dem Englischen von Wackerbarth. Berlin 1797
Den Titel
Vorlesungen über Redekunst und Kritik
trägt Joseph Priestleys (1733–1804)
A course of lectures on oratory and criticism
(1777) in der 1779 in Leipzig erschienenen Übersetzung Johann Joachim Eschenburgs (1743–1820). August Joseph Ludwig von Wackerbarths (1770–1850) Übersetzung ist dagegen als
Vorlesungen über schriftlichen und mündlichen Vortrag
(1793) erschienen und 1797 erneut aufgelegt worden.
Hugo Blair's Vorlesungen über Rhetorik und schöne Wissenschaften. Aus dem Englischen von Schreiter, 4 Theile. Leipzig 1785 ff.
Bei dem Übersetzer handelt es sich um den Leipziger Philosophieprofessor Carl Gottfried Schreiter (1756–1809), die vier Teile sind zwischen 1785 und 1789 in Leipzig und Liegnitz erschienen (vgl. III § 57).
J. F. Engel's Poetik. Berlin 1806
Hier handelt es sich im Wesentlichen um Johann Jakob Engels bereits zuvor (vgl. § 264) angeführte, unvollendet gebliebene
Anfangsgründe einer Theorie der Dichtungsarten
(1783), die unter dem Titel
Poetik
als elfter Band (1806) seiner
Schriften
erneut herausgegeben wurden.
280
282
.
Aber nach einer solchen Anweisung müßte man 3) sogleich zum Lesen der besten Schriftsteller fortschreiten, weil auf die anschauliche Erkenntniß des
Schönes
Schönen so viel
ankömmt
ankommt
, und Theorie mehr den
Geschmack
Geschmack
bessert,
bessert
und den guten befestigt, als hervorbringt und ernährt.
Wie
diese, in Rücksicht auf Schönheit, in ihrem ganzen Umfange zu lesen wären, ist schon oben (§.
84
84.
) gesagt. Hier möchten noch folgende
Räthe
Rathschläge
nicht am unrechten Orte stehen.
281
283
.
Hat man
zuvörderst
musterhaft
musterhafte Schriftsteller in seiner
eignen Sprache:
eigenen Sprache,
so verdienten
4) diese –
diese 1)
in
der
der
Art
von
Schriften, wo sie
musterhaft,
musterhaft
und
fremden
ausländischen
gleich
sind – vornemlich
sind, vornehmlich
studiert zu werden. Denn in
unsrer
unserer
Muttersprache
Muttersprache denken und schreiben wir doch meistens, und sollten uns in ihr gut und schön zu denken und vorzutragen vorzüglich
bilden
bemühen
. (§.
92
f.
) Selbst verstehen können wir die feinern eigenthümlichen Schönheiten und Anspielungen
der Fremden
fremder Werke
weniger als die unsrigen; und jede Nation hat ihren
eignen
eigenen
Geschmack, der, so fern er auch in seiner Art gut ist, doch nur mit Ueberlegung und Vorsicht in den unsrigen überzutragen wäre,
und
um
nicht die gute Originalität des unsrigen durch
auswärtige
auswärtig
erborgte Schönheiten, wenn sie uns
zumahl
zumal
nicht
eben
so natürlich sind, zu verdrängen. (
S.
§.
104.
)
282
284
.
Ob man
5)
2)
eher und
mehr
häufiger
Dichter
Dichter oder
Prosaisten
Prosaisten studieren
sollte
solle
? ist eine Frage, worüber die Stimmen sehr getheilt seyn möchten. Wahr ists, Dichter gefallen meistens mehr, weil sie
näher
mehr
auf Vergnügen als Belehrung
arbeiten
hinarbeiten
, und weit mehrere Arten der Schönheit
in sich
vereinigen können als der Prosaist;
überdies
überdieß
sind ihre Schönheiten hervorstechender, und also für den Anfänger bemerkbarer. Allein –
Belehrung
Belehrung ist doch noch wichti ger als Vergnügen, und führt ihr
eignes
eigenes
Vergnügen mit sich, ohne es erst von der Einkleidung erborgen zu müssen.
–
Eben das hervorstechende Schöne in den Werken der Dichtkunst verwöhnt auch den Geschmack eher, und verursacht, daß hernach das wirklich aber weniger auffallende Schöne der prosaischen Werke nicht genug Reitz für uns hat, und überhaupt der
Geschmack
Geschmack an natürlicher
Schönheit
Schönheit, über der Liebe zur Schönheit der Kunst und des
Ausserordentlichen
Außerordentlichen
, geschwächt wird, wo nicht
verlohren
verloren
geht. – Endlich bedürfen wir der Prose häufiger als der
Dichtkunst
Poesie
, da wir mehr in jener, seltner aber als Dichter denken, empfinden und
reden,
reden:
und wenn die meisten guten Köpfe gute Prosaisten werden können, so sind doch nur wenige, die Fähigkeiten haben, gute Dichter zu werden.
283
285
.
Vorzüglich sollte man
6)
3)
die, auch in Absicht auf den
Vortrag
Vortrag
Vortrag
, besten Schriftsteller studieren, die in
dem
dem
Fach gearbeitet haben,
welchem
dem
wir uns eigentlich
widmen. Denn
widmen: denn
es verräth doch entweder
großen
grossen
Unverstand, oder beweiset, daß man schöne Schriften nur zum Vergnügen und nicht zu höhern Absichten lese, wenn
einer, der
der, welcher
sich zum künftigen Lehrer der
Religion
Religion bilden soll, sich mit Lesung
der
von
Romanen,
der Schauspiele,
Schauspielen
und
überhaupt der
ähnlichen
Schriften
, die ihre
größeste
größte
Schönheit von der Erdichtung haben,
weit mehr
beschäftigt,
beschäftigt
als mit solchen, welche eigentlich die
Religion,
Kenntniß,
Kenntniß
Religion
, Kenntniß
der Menschen,
zumal derer, mit denen wir zu thun haben, ihre wirkliche Beschaffenheit
ihrer wirklichen, nicht bloß idealisirten Natur
, Denk- und
Handlungsart
Handlungsweise
, und was am meisten auf sie wirkt, betreffen.
Mögen diese gleich weniger
Weniger
Reitz und Unterhaltung
für die
würde sie nur denen
gewähren, welche entweder für
Alles
alles
, was ernsthaft und vernünftig ist, oder die Angelegenheiten der Seele
betrift
betrifft
, keinen Sinn, oder ihren Geschmack durch stetes Haschen nach sinnlichen Vergnügen verwöhnt
haben: so
haben. Für ernsthaft Studierende
sind sie
doch
nicht nur
wichtiger zur wahren
Vollkommenheit
Vollkommenheit des Menschen als jene
lehrreicher und bildender
, sondern sie sind auch eben sowohl der
sinnlichen
ästhetischen Behandlung und
Darstellung fähig
, die das Wesen der
Schönheit
Schönheit im Vortrag ausmacht
. Aber es giebt
verschiedne
verschiedene
Arten und Grade der Schönheit, und man
kan
kann
nicht eben dieselben von dem Prosaisten wie von dem Dichter, von dem geistigen wie von dem sinnlichen Gegenstande, fordern. Ein Vortrag, der sich durch
natürliche Schönheit
Natürlichkeit
, durch
edle
Einfalt, durch klare Bestimmtheit, durch lichtvolle Ordnung, durch anständige Würde empfiehlt, der die Sachen dem schlichten Menschenverstande von annehmlichen Seiten vorstellt, der sanfte Empfindungen erregt, der mehr belehrt als hinreißt, mehr das Herz erwärmt als erhitzt, ist gewiß auch schön. Solche Wirkungen sind, wenn gleich minder lebhaft, doch heilsamer und
dauerhafter,
dauerhafter;
und es zeigt von einem weit feinern
Gefühl
Gefühl des wahrhaftig Schönen, wenn man diese
verborgnern
verborgenern
, als wenn man nur die hervorstechenden Schönheiten empfinden
kan
kann
. – Und haben wir nicht auch
unsre
Mosheim, Johann Lorenz von
Mosheims
,
Jerusalem, Johann Friedrich Wilhelm
Jerusalems
,
Spalding, Johann Joachim
Spaldinge
Spaldings
,
Teller, Wilhelm Abraham
Tellers
,
Eberhard, Johann August
Eberharde
,
Doederlein, Johann Christoph
Döderleins
,
Niemeyer, August Hermann
Niemeyers
und andre
unsere
Mosheim
,
Zollikofer, Georg Joachim
Zollikofer
,
Jerusalem
,
Spalding
,
Tel
ler
,
Eberhard
,
Lavater, Johann Caspar
Lavater
,
Reinhard, Franz Volkmar
Reinhardt
, und so viele andere noch
lebende
, denen man selbst feinere Schönheiten des Vortrags
, mit Discretion,
ablernen
kan
kann
? – der treflichen Schriftsteller,
unserer
Gellert, Christian Fürchtegott
Gellerte
unsrer
Gellerts
,
Lessing, Gotthold Ephraim
Leßings
,
Mendelssohn, Moses
Mendelsohns
,
Garve, Christian
Garvens
,
Engel, Johann Jakob
Engels
und andrer
kann, ohne sie und ihre Eigenthümlichkeit sclavisch nachzuahmen, – der trefflichen älteren und neueren Prosaisten, wie
Gellert, Christian Fürchtegott
Gellert
,
Lessing, Gotthold Ephraim
Leßing
,
Mendelssohn, Moses
Mendelsohn
,
Garve, Christian
Garve
,
Engel, Johann Jakob
Engel
und anderer
nicht zu gedenken, die, wenn gleich nicht alle in Schriften über die Religion, doch in andern eigentlich dogmatischen, den Ruhm der
classischen
claßischen
behaupten.
Anm.
Ein brauchbares Hülfsmittel zu ihrer Kenntniß ist unter andern:
Schaller, Karl August
L. A. Schaller's
Handbuch der klassischen Literatur und Dichtkunst von
Lessing, Gotthold Ephraim
Leßing
bis auf gegenwärtige Zeit, 2 Theile. Halle 1816.
Mosheims
Johann Lorenz von Mosheim (1693–1755) wurde nach dem Studium in Kiel 1723 Professor in Helmstedt, zunächst für Kontroverstheologie, später für Kirchengeschichte, 1747 wechselte er an die noch junge Universität Göttingen. Wissenschaftlich ist Mosheim v.a. als Kirchenhistoriker, aber auch im Bereich der Homiletik hervorgetreten (vgl. auch II § 204 c) und wird aufgrund seines pragmatisch-anthropozentrischen Kirchengeschichtsverständnisses nicht selten als Vater der neueren Kirchengeschichtsschreibung angesprochen. Daneben bekleidete er zahlreiche kirchen- und hochschulorganisatorische Ämter und war ein bedeutender Prediger. Insgesamt zählt Mosheim zu den prägenden Theologen in der ersten Hälfte des 18. Jh.s.
Jerusalems
Nach dem Theologiestudium in Leipzig und Wittenberg sowie einem zweijährigen Bildungsaufenthalt in Holland übernahm Johann Friedrich Wilhelm Jerusalem (1709–1789) 1734 die Stelle eines Hofmeisters in Göttingen. Hier als Professor vorgesehen, unternahm er zunächst eine auf fast drei Jahre ausgedehnte Englandreise. Zurückgekehrt entschied er sich jedoch gegen eine Professur und für eine Stelle als Hofprediger und Erzieher des jungen Erbprinzen Karl Wilhelm Ferdinand (1735–1806) am Braunschweiger Hof, den er entscheidend mitprägte (z.B. Gründung des
Collegium Carolinum
). 1749 wurde er Abt von Marienthal und 1752 von Riddagshausen. Jerusalem, 1748 in Helmstedt zum Dr. theol. und 1787 in Göttingen
honoris causa
promoviert, war ein führender Aufklärungstheologe, als Hauptwerk sind die unvollendeten, mehrfach aufgelegten und übersetzten
Betrachtungen über die vornehmsten Wahrheiten der Religion
(1768) zu nennen. Erwähnt sei, dass der Selbstmord seines Sohnes Karl Wilhelm (1747–1772) als Vorlage für Goethes
Werther
(1774) diente.
Spaldinge
Johann Joachim Spalding (1714–1804) gehört zu den bedeutendsten Gestalten der deutschen Aufklärungstheologie, sein Werk
Die Bestimmung des Menschen
(1748) markiert den Beginn der Neologie, er selbst ist ihre große Kulminationsgestalt. Aus dem kirchlichen Dienst heraus – Spalding hat (trotz zweifachen Rufes nach Greifswald) nie eine Professur bekleidet, sondern war nach der Erlangung des philosophischen Doktorgrades im Jahre 1736 zunächst Hilfsprediger in seiner Heimatstadt Tribsees, später Pastor in Lassan und Barth und schließlich Oberkonsistorialrat und Propst an der Berliner Nikolai-Kirche – konnte er neben seinen Schriften v.a. als Prediger eine große Breitenwirkung entfalten und so maßgeblich zur Überführung des protestantischen Christentums in die Moderne beitragen. Seine Schriften und Predigten liegen mittlerweile in kritischer Edition vor (SpKA). Nicht zufällig spielt die
Anweisung
gleich im ersten Satz auf Spaldings epochemachende
Bestimmung
aus dem Jahr 1748 an (vgl. I § 1).
Tellers
Nach dem Studium in seiner Heimatstadt Leipzig wurde Wilhelm Abraham Teller (1734–1804) 1761 zunächst Professor in Helmstedt. Seine v.a. im
Lehrbuch des christlichen Glaubens
(1764) vertretenen neologischen Positionen führten hier jedoch zu heftigen Reaktionen seitens der Orthodoxie, so dass Teller 1767 als Propst und Oberkonsistorialrat nach Berlin übersiedelte. Dass auch das Woellnersche Religionsedikt (1788) nichts an Tellers aufklärerischen Standpunkten änderte, zeigt sein positives Votum über den als „Zopfschulz“ bekannt gewordenen Johann Heinrich Schulz (1739–1823), auf das hin Teller im Erscheinungsjahr seines Spätwerks
Die Religion der Vollkommnern
(1792) ohne Gehalt für drei Monate suspendiert wurde. Neben zahlreichen gedruckten Predigten (vgl. III § 65 c) ist sein bis 1805 mehrfach aufgelegtes
Wörterbuch des Neuen Testaments
(1772) hervorzuheben (vgl. II § 147), das im Rahmen der
Bibliothek der Neologie
ediert wird (BdN IX).
Eberharde
Johann August Eberhard (1739–1809) wurde nach dem Studium in Halle zunächst Lehrer und Prediger in Halberstadt, wechselte 1774 als Prediger nach Charlottenburg und kam hier mit der Berliner Aufklärung in Kontakt. 1778 kehrte er als Professor für Philosophie nach Halle zurück, erhielt den philosophischen Doktorgrad und hat als wichtiger Vertreter der halleschen Schulphilosophie Leibniz-Wolff'scher Prägung und Kritiker Kants u.a. auf den Studenten Friedrich Schleiermacher (1768–1834) gewirkt. Sein umfangreiches, in der
Anweisung
breit rezipiertes Werk ließ ihn 1786 zum auswärtigen Mitglied in die Berliner Akademie der Wissenschaften, 1805 zum Geheimrat und 1808 auch zum Doktor der Theologie werden. Hervorzuheben sind die
Neue Apologie des Sokrates
(1772), der später ein zweiter Band folgte (vgl. I § 18), die
Allgemeine Geschichte der Philosophie
(1788) und
Der Geist des Urchristenthums
(1807–1808) (vgl. I § 214 c), zudem war Eberhard auch Herausgeber kantkritischer philosophischer Magazine (vgl. I § 213). Zu seinen sprachwissenschaftlichen Arbeiten vgl. I § 100 c.
Döderleins
Der als „Melanchthon seiner Zeit“ bezeichnete Johann Christoph Doederlein (1746–1792), nach dem Studium zunächst Hauslehrer und Diakon, ab 1772 Professor in Altdorf, ab 1783 in Jena, ist v.a. durch alttestamentlich-exegetische, aber auch durch dogmatische und moralphilosophische Arbeiten hervorgetreten. Mit den
Fragemente[n] und Antifragmente[n]
(1778/1779) hat er sich in den sog. Fragmentenstreit eingeschaltet, bedeutend ist seine mehrfach aufgelegte
Institutio Theologi Christiani
(1780/1781), der nach der dritten Auflage der
Christliche Religionsunterricht nach den Bedürfnissen unserer Zeit
folgte (vgl. II § 174). Zudem gab Doederlein die
Auserlesene Theologische Bibliothek
(Leipzig 1780–1792) heraus. Die in nur einem Stück erschienenen
Materialien zum Kanzelvortrag
(1774) setzen sich äußerst kritisch mit Spaldings
Ueber die Nutzbarkeit des Predigtamtes
(1772) und der auch von Johann Gottfried Herder (1744–1803) kritisierten Forderung nach einer dogmenfreien Predigt auseinander, empfehlen aber doch Spaldings Predigtstil. Nicht gemeint ist der Pietist Christian Albrecht Döderlein (1714–1789).
Niemeyers
Als Urenkel August Hermann Franckes (1663–1727) besuchte August Hermann Niemeyer (1754–1828) das Pädagogium in Halle, studierte anschließend ebenda Theologie und wurde nach der 1777 erfolgten Promotion zunächst Privatdozent und 1784 schließlich ordentlicher Professor. Zusätzlich übernahm Niemeyer, in Verbindung mit weiteren Ämtern, die Leitung der Franckeschen Stiftungen und des theologischen Seminars und richtete außerdem ein pädagogisches Seminar ein. Im Zuge der Eroberung Halles durch Napoleon (1806) nach Frankreich verschleppt, wurde er nach seiner Rückkehr Kanzler und
rector perpetuus
der Universität. Hervorgetreten ist Niemeyer v.a. als bedeutender Pädagoge, sein Ansatz wird im
Handbuch für christliche Religionslehrer
(1795/96;
7
1829) und besonders in den über mehrere Auflagen teils massiv umgearbeiteten
Grundsätze[n] der Erziehung und des Unterrichts
(1796) ansichtig, die ihren Autor zum Mitbegründer der akademischen Erziehungswissenschaft werden ließen (vgl. BdN V). Als ergebener Schüler Nösselts hat Niemeyer zudem nicht nur die dritte Auflage der
Anweisung
besorgt, sondern auch eine umfassende Biographie seines Lehrers und väterlichen Freundes verfasst (vgl. Vorrede Hg. c XIf.). Aufgrund seiner
Predigerbibliothek
(Halle 1782–1784), die später u.a. von August Hermann Niemeyer bearbeitet wurde (vgl. I § 43 c), könnte an dieser Stelle auch an dessen älteren Bruder David Gottlieb Niemeyer (1745–1788) gedacht sein.
Zollikofer
Der im schweizerischen St. Gallen geborene Georg Joachim Zollikofer (1730–1788) übernahm nach dem zuletzt in Utrecht absolvierten Studium ab 1754 kirchliche Anstellungen in Murten, Monheim und Neu-Isenburg, bevor er 1758 eine Stelle als Pfarrer der reformierten Gemeinde in Leipzig antrat, die er bis zu seinem Tod versah. Hier anvancierte Zollikofer, der mit zahlreichen Gelehrten seiner Zeit in Briefkontakt stand, zu einem über Stadt und Gemeinde hinaus gefeierten Prediger (die nach seinem Tod herausgegebenen
Sämmtliche[n] Predigten
[1789–1804] umfassen 15 Bände) und trug v.a auf diesem Wege zur Verbreitung einer aufgeklärten Theologie bei. Daneben ist Zollikofer auch als Kirchenlieddichter und Gesangbuchherausgeber (Leipzig 1766;
8
1786) sowie als Übersetzer englischer und französischer Schriften hervorgetreten.
Lavater
Gemeinsam mit dem Theologen Felix Hess (1742–1768) und dem Maler Johann Heinrich Füssli (1741–1825) unternahm Johann Caspar Lavater (1741–1801) 1763 nach dem Studium am Zürcher
Collegium Carolinum
und der Ordination eine Bildungsreise nach Norddeutschland, auf der er bedeutende Zeitgenossen, allen voran Johann Joachim Spalding, kennenlernte. Nach seiner Rückkehr nach Zürich war Lavater zunächst literarisch tätig und versah ab 1769 unterschiedliche kirchliche Ämter. Dem neuen aufklärerischen Gedankengut gegenüber durchaus kritisch eingestellt, vollzog er bereits 1768 eine tiefgreifende theologische Umorientierung, durch die Christus als Vermittler eines völlig transzendenten Gottes in den Mittelpunkt seines Denkens rückte und die Lavater v.a. aufgrund seiner Wundergläubigkeit zunehmend den Vorwurf der Irrationalität einbrachte. Lavater hat ein umfangreiches Gesamtwerk hinterlassen, besondere, europaweite Bekanntheit erlangte er durch das vierteilige Werk
Aussichten in die Ewigkeit
(1768–1778), das ohne sein Wissen veröffentlichte
Geheime Tagebuch
(1771/1773) und die ebenfalls vierteiligen
Physiognomische[n] Fragmente
(1775–1778).
Reinhardt
Nach dem Studium in Wittenberg stieg Franz Volkmar Reinhard (1753–1812) nach der 1777 ebenda erfolgten Habilitation für Philosophie und Philologie zum Professor der Theologie und 1790/1791 auch zum Universitätsrektor auf. 1792 wurde er zum Oberhofprediger in Dresden berufen und als Vizepräsident des Oberkonsistoriums 1810 mit der Visitation und Revision der sächsischen Universitäten und Fürstenschulen beauftragt. Mit sonntäglich bis zu viertausend Zuhörern gilt Reinhard als einer der erfolgreichsten Prediger der späten Aufklärung und blieb im deutschsprachigen Raum über seinen Tod hinaus stilbildend. Seine Predigten (einige auch ins Französische, Niederländische, Dänische, Schwedische und Englische übersetzt) sind in insgesamt 42 Bänden (1815–1821) veröffentlicht, aus seinen übrigen Werken sei v.a. das mehrfach aufgelegte und weitverbreitete
System der christlichen Moral
(vgl. II § 204 c) hervorgehoben. Eigens erwähnt sei Reinhards Aufmerksamkeit erregende Reformationspredigt des Jahres 1800, in der er den Abfall der Kirche von Luther und seiner Rechtfertigungslehre beklagte und damit wesentliche Fragen nach dem Kern des protestantischen Christentums aufwarf.
Gellerte
Der Pfarrerssohn Christian Fürchtegott Gellert (1715–1769) studierte Theologie und Philosophie in Leipzig und war, nachdem er sich vergeblich als Prediger versucht hatte, zunächst als Privatlehrer tätig. Nach Erlangung des Magistergrads im Jahr 1743 und einer mit der Habilitation 1744 verbundenen Vorlesungstätigkeit an der Leipziger Universität wurde Gellert 1751 ebenda Extraordinarius für Dichtkunst und Beredsamkeit. Eine freigewordene ordentliche Professur für Philosophie wie auch Rufe nach Hamburg und Halle lehnte er ab. Aus dem umfangreichen Werk des bereits zu Lebzeiten hochverehrten Dichters sind v.a. seine Fabeln, aber auch seine Kirchenlieder hervorzuheben. Zudem ist Gellert auch als Moralphilosoph hervorgetreten. Insgesamt gehört Gellert zu den meistgelesenen und bildungsgeschichtlich bedeutsamsten Autoren seiner Zeit.
Leßings
Nach dem Studium in Leipzig und Wittenberg ließ sich Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781) zunächst in Berlin nieder, war später als Sekretär in Breslau und als Dramaturg am Nationaltheater in Hamburg tätig und wurde im Jahre 1770 schließlich Bibliothekar an der
Herzog August Bibliothek
in Wolfenbüttel. In diese Zeit fallen so berühmte Werke wie
Emilia Galotti
(1772) oder
Nathan der Weise
(1779). In der
Anweisung
wird auf die gemeinsam mit den Berliner Freunden Friedrich Nicolai (1733–1811) und Moses Mendelssohn herausgegebenen
Briefe, die Neueste Litteratur betreffend
verwiesen (vgl. I § 285), zudem ist auf Lessings berühmte
Erziehung des Menschengeschlechts
angespielt (vgl. II § 44).
Mendelsohns
Der Philosoph Moses Mendelssohn (1729–1786) gilt als der bedeutendste Vertreter der jüdischen Aufklärung (Haskala). Nach erster sorgfältiger Ausbildung in seiner Heimatstadt Dessau folgte der hochbegabte Mendelssohn seinem Lehrer David Fränkel (1707–1762), der als Oberrabbiner nach Berlin berufen worden war, im Jahre 1742 nach. Hier wurde er nach dem Studium zunächst Privatlehrer im Haushalt eines Seidenhändlers, in dessen Fabrik er sich bis zum Teilhaber emporarbeitete. Daneben führte seine Freundschaft mit Lessing (auch Johann Wilhelm Ludwig Gleim [1719–1803] gehörte zu seinen engen Freunden) zur Mitarbeit an Friedrich Nicolais
Briefe, die Neueste Litteratur betreffend
(vgl. I § 285), so dass Mendelssohn überdies zu einem einflussreichen Literaturkritiker avancierte. Bekannt ist die Auseinandersetzung mit Johann Caspar Lavater, der ihn aufforderte, entweder das Christentum zu widerlegen oder zu konvertieren. Mendelssohn war Ehrenmitglied der
Mittwochsgesellschaft
und soll auch dem
Montagsclub
angehört haben, die Aufnahme in die
Preußische Akademie der Wissenschaften
scheiterte.
Garvens
Der von Zeit- und Fachgenossen hochgeschätze (teilweise aber auch als zu seicht empfundene) Aufklärungsphilosoph Christian Garve (1742–1798) kehrte nach dem Studium in Frankfurt/Oder und Halle (v.a. bei Semler und Nösselt) 1767 zunächst in seine Heimatstadt Breslau zu seiner ihm äußerst eng verbundenen Mutter zurück. Kurz darauf übernahm er eine außerordentliche Professur für Philosophie in Leipzig, doch zog es ihn bereits 1772 erneut nach Breslau, wo der seit seiner Jugend kränkelnde Garve, mittlerweile Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften, über zwei Jahrzehnte später starb. Hinterlassen hat Garve ein v.a. moralphilosophisches, essayistisch angelegtes (vgl. III § 95) Werk, zudem ist er als Kommentator und Übersetzer etwa von Cicero (vgl. I § 200 a; II § 204) und Alexander Gerard (1728–1795) (vgl. III § 105) hervorgetreten. Bekannt ist Garves Auseinandersetzung mit Kant, die mit seiner von Johann Georg Heinrich Feder (1740–1821) (vgl. I § 213) abgeänderten Rezension der
Kritik der reinen Vernunft
(1781) begann.
Engels
Gemeint ist der Philosoph und Schriftsteller Johann Jakob Engel (1741–1802), der nach der Verleihung des philosophischen Doktorgrades in Bützow in Leipzig ein Theologiestudium aufnahm, sich jedoch schnell philologischen, philosophischen und naturwissenschaftlichen Studien zuwandte und erste Bühnenstücke veröffentlichte. 1776 übernahm er eine Professur für Philosophie und die Schönen Wissenschaften am Joachimsthalschen Gymnasium in Berlin und war gleichzeitig als Privatlehrer – als prominenteste Schüler dürfen der spätere Friedrich Wilhelm III. (1770–1840) und Wilhelm von Humboldt (1767–1835) gelten – tätig. Daneben verfasste er weiter erfolgreich Bühnenstücke und wurde unter Friedrich Wilhelm II. (1744–1797) schließlich Direktor des Berliner Nationaltheaters. Engel gilt als repräsentativer Vertreter der Berliner Aufklärung und Verfechter einer moralisierenden, popularphilosophisch durchsetzten Schriftstellerei, aus den theoretischen Arbeiten sind die zweibändigen
Ideen zu einer Mimik
(1785/86) und seine unvollendet gebliebenen
Anfangsgründe einer Theorie der Dichtungsarten
(1783) (vgl. I § 264; I § 279 c) hervorzuheben.
L. A. Schaller's Handbuch der klassischen Literatur und Dichtkunst von Leßing bis auf gegenwärtige Zeit, 2 Theile. Halle 1816
Der Name des Autors lautet Karl August Schaller (gest. 1819), der Titel des ersten, die poetische Literatur enthaltenden Bandes lautet
Handbuch der neuern deutschen klassischen Literatur von Lessing bis auf gegenwärtige Zeit
(1811), der des zweiten, die philosophische Literatur umfassenden Bandes
Handbuch der klassischen Literatur der Deutschen von Lessing bis auf gegenwärtige Zeit
(1816). Von dem zweiten Band ist nur die erste, die spekulativ-philosophische Literatur enthaltende Abteilung erschienen.
284
286
.
7) Die
4) Tiefere Ergründung der
Aesthetik
Aesthetik
(
§.
263
265
263.
), oder
der Theil
des Theils
derselben,
der sich mit der Schönheit der sinnlichen Erkenntniß beschäftigt,
welcher
(§.
177
Anm.
2)
174
Anm.)
d. i.
177.
Anm. 2.)
die Theorie der schönen Wissenschaften und
Künste
, ist freylich nicht
Künste
betrifft, ist
ihrem ganzen
Umfang
Umfange
nach, und in Absicht auf die Beobachtungen und Regeln feiner
Schönheiten
Schönheiten,
jedem zu wissen nöthig,
der
der der
sich nicht vorzüglich diesen Wissenschaften widmen
will. Sie
will; sie
gerade nicht von jedem zu fordern. Sie
ist auch, weil sie sich mit dem
dunklern
dunkleren
Theil der Seele, mit den
Empfindungen
Empfindungen, beschäftigt, und ein sehr feines Studium der
Seele
Psychologie
erfordert – wenn sie anders den Charakter wahrer Philosophie behaupten
und deutlich erklären soll,
soll
–
nicht jedem zugänglich. Die
meisten
Meisten
könnten sich daher wohl mit den allgemeinen Grundsätzen der Schönheit, sonderlich der Schönheit der Rede,
ohngefähr
ohngefehr
ungefähr
so wie sie in den
alten
Werken der
Griechen und
Römern, vornemlich
Römer, vornehmlich
in den
hieher
hierher
gehörigen Schriften des
Aristoteles
Ari
stoteles
,
Cicero
Cicero
und
Quintilian (Quinctilian)
Quintilian
,
Quintilian
vorgetragen sind, und mit dem fleißigen Studieren schöner Schriften begnügen. Aber
Grundsätze
Grundsätze und
Regeln
Regeln überhaupt machen doch auf manches unerkannte und unmerkliche Schöne des Vortrags
aufmerksam,
aufmerksam;
und so gewiß es ist, daß der fleißige Beobachter des Schönen in schönen Werken sich selbst
die
Regeln
des Schönen
desselben
abziehen
kan,
kann;
kann,
so erleichtern doch bewährte
Regeln
Grundsätze
feiner Beobachter diese Beschäftigung gar sehr.
Vornemlich
Vornehmlich
aber verbessern dergleichen Regeln den
Geschmack
Geschmack, leiten ihn
sichrer
sicherer
, und geben ihm mehr Festigkeit.
Vorzügliche Schriften, die dergleichen Theorien über den ganzen Umfang oder über
einzelne
einzle
Theile der schönen Wissenschaften enthalten, können, nach dem Zweck dieses Buchs, nicht angeführet werden.
Anm.
Als schätzbare Handbücher sind zu betrachten:
Die Theorie der schönen
Künste und
Wissenschaften,
Wissenschaften
von
Eberhard, Johann August
Joh. Aug.
J. A.
Eberhard
,
dritte
zweyte
Aufl.
Halle
1790.
1786.
in 8.
Desselben
Handbuch der Aesthetik für gebildete Leser aus allen Ständen, 4 Theile. Halle 1809.
und der
Entwurf einer Theorie und Literatur der schönen Wissenschaften von
Eschenburg, Johann Joachim
Joh.
J.
Joachim
Eschenburg
,
Neue
Aufl.
Eschenburg
.
Berlin
1789.
1783.
in
gr.
8. sind zwar nur zu Vorlesungen bestimmt, also dem Anfänger ohne diese nicht ganz verständlich und brauchbar. Sie verdienen aber vor allen andern hier angeführt zu werden, weil sie sich nicht nur durch den zusammengedrängten Reichthum der Sachen, die Gründung der Regeln auf die feinsten Beobachtungen der besten Köpfe und die Natur des Schönen selbst, und durch sorgfältige Bestimmtheit empfehlen, sondern auch die auserlesenste Literatur und Anzeige der besten zu den schönen Wissenschaften gehörigen Schriften enthalten.
desgleichen
Bouterwek, Friedrich
F. Bouterweck
Aesthetik, 2 Theile. Leipzig 1816.
Pölitz, Karl Heinrich Ludwig
K. H. L. Pölitz
Aesthetik für gebildete Leser, 2 Theile. Leipzig. 1807.
Schreiber, Alois Wilhelm
Al. W. Schreiber's
Lehrbuch der Aesthetik. Lübeck 1809.
§. 263
Gemeint ist I § 262 c.
hieher gehörigen Schriften des Aristoteles, Cicero und Quintilian
Zu den rhetorischen Werken des Aristoteles und des hier in der gängigen Schreibweise genannten Quintilian vgl. I § 146 bzw. I § 42. Die rhetorischen Schriften Ciceros stellen einen gewichtigen Teil seines Gesamtwerkes dar (vgl. I § 60). Zu nennen sind in diesem Zusammenhang v.a. das Frühwerk
De inventione
,
De oratore
, der
Orator
, die
Partitiones oratoriae
, die kurze Schrift
De optimo genere oratorum
sowie der
Brutus
. Ein besonderer Fall ist die bereits in der Antike Cicero zugeschriebene
Rhetorica ad Herennium
. Während man die Autorschaft Ciceros heute nahezu ausschließt, wird die
Rhetorica
im 18. Jh. noch immer Cicero zugerechnet (vgl. Bibl. Nöss. 400 Nr. 272).
Desselben Handbuch der Aesthetik für gebildete Leser aus allen Ständen, 4 Theile. Halle 1809
Ob die erste (1803–1805) oder die zweite Auflage (1807–1820) gemeint ist, ist nicht zu entscheiden. Der zweite Band der zweiten Auflage stammt aus dem Jahr 1809.
F. Bouterweck Aesthetik, 2 Theile. Leipzig 1816
Die beiden Bände der Erstauflage sind 1806 erschienen, zudem findet sich eine in Göttingen erschienene, berichtigte und völlig umgearbeitete zweite Ausgabe aus dem Jahr 1815.
Al. W. Schreiber's Lehrbuch der Aesthetik. Lübeck 1809
Aloys Wilhelm Schreibers (1763–1841)
Lehrbuch
ist in Heidelberg erschienen.
285
287
.
Wenn man sich
8)
5)
in Abfassung solcher Aufsätze üben will, die sich auch von der Seite des schönen
Vortrag
Vortrags empfehlen
sollen:
sollen,
so muß man nie vergessen, die strengste Kritik
Andrer
Anderer
, die davon wirklich zu urtheilen im Stande sind, zu Rathe zu
ziehn,
ziehen
und zu benutzen.
Kan
Kann
man dergleichen Richter nicht
finden:
finden,
so wird uns selbst das
unbefangne
unbefangene
Urtheil gemeiner Leser oder Zuhörer, für deren Bedürfnisse man einen solchen Aufsatz bestimmt hat, und denen es, auch
bey
bei
geringem Grade der Ausbildung, nicht an
gesunden
gesundem
Menschenverstande und Gefühl des Verständlichen, Schönen, Schicklichen und
Eindrücklichen
Kräftigen
fehlt, von
großem
grossen
Vortheil seyn. Je mehr man Schriften studiert, die eine genaue und scharfe
Kritik
Kritik schöner Werke enthalten,
–
worin die
Briefe,
Briefe
die neueste Literatur betreffend, Berlin 1761–65
in 24 Theilen in 8, die
Bibliothek der schönen Wissenschaften
und freyen Künste
, Leipz.
1757–65
in 12 Bänden, nebst 2 Anlagen und einem Hauptregister,
1757
flgg.
und die
Neue
neue
Bibliothek der schönen
Wissenschaften
etc.
Leipz. 1766–91
bisher in 43 Bänden in
gr.
8.
Wissenschaften, die noch fortdauert,
vorzügliche Muster
sind: –
sind;
je
desto
mehr wird man selbst zu einer solchen Kritik gebildet werden.
Uebrigens bedarf es kaum der Erinnerung, daß bey diesen eignen Uebungen die obigen Anmerkungen §.
278
280
und
283.
285
nie
sollten
vergessen werden
sollten
.
Anm.
Hierzu kann die Lesung solcher kritischer Schriften und so gründlicher
Recensionen
Recensionen, wie früherhin die
Briefe die neueste Literatur betreffend
, dann die
Bibliothek der schönen Wissenschaften
, späterhin mehrere der bekannten
Allgemeinen Literaturzeitungen
, neben vielen oberflächlichen enthielten, allerdings sehr nützlich seyn, wenn man Zeit hat, langsam und prüfend zu lesen. Nicht minder aber sind eigene praktische Uebungen, zumal unter dem Auge eines kritischen Lehrers, oder wenigstens kritischen und talentvollen Freundes, schon auf der Universität sehr zu empfehlen. Ueberhaupt aber sollte auch der Theologe und Prediger den Werken des Geschmacks nie fremd werden. Sie sind vorzüglich geschickt, den Geist vor der Erstarrung oder dem Herabsinken in das Niedrige und Gemeine zu bewahren, was leider an so vielen Mitgliedern dieses Standes wahrgenommen und beklagt werden muß. Man
vergl.
meine
Briefe an christliche Religionslehrer
, 3te Sammlung,
Br.
23. 24.
A. d. H.
Briefe, die neueste Literatur betreffend, Berlin 1761–65 in 24 Theilen
Die
Briefe, die Neueste Litteratur betreffend
1 (1759)–23/24 (1765/1766) stammen von Gotthold Ephraim Lessing, Moses Mendelssohn und Friedrich Nicolai (1733–1811).
Bibliothek der schönen Wissenschaften und freyen Künste, Leipz. 1757–65 […] Neue Bibliothek der schönen Wissenschaften etc. Leipz. 1766–91 bisher in 43 Bänden
Die zwölfbändige
Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste
(Leipzig 1757–1765) wurde von Friedrich Nicolai (1733–1811) und Moses Mendelssohn, ab dem fünften Band von Christian Felix Weiße (1726–1804) herausgegeben. Wohl bis zu Bd. 35 (1788) verantwortete Weiße als Nachfolgeorgan auch die
Neue Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste
1 (1765/66) – 72 (1806), die der Leipziger Verleger Johann Gottfried Dyck (1750–1815) danach allein fortführte.
Allgemeinen Literaturzeitungen
Gemeint sind etwa die
Allgemeine Literatur-Zeitung
(Jena/Leipzig bzw. Halle 1785–1849), von der sich die im Vergleich zu ihrem halleschen Pendant bald bedeutendere
Jenaische Allgemeine Literaturzeitung
(Jena 1804–1841) abspaltete, die 1739 als
Göttingische Zeitungen von Gelehrten Sachen
gegründeten und bis heute erscheinenden
Göttingische[n] Gelehrte[n] Anzeigen
oder die zum Zeitpunkt des Erscheinens der dritten Auflage der
Anweisung
bereits eingestellte
Allgemeine deutsche Bibliothek
(Berlin/Stettin 1765–1806) (ab 1793 unter dem Titel
Neue allgemeine deutsche Bibliothek
).
meine Briefe an christliche Religionslehrer, 3te Sammlung, Br. 23. 24
August Hermann Niemeyers
Briefe an christliche Religionslehrer
sind in zwei Auflagen erschienen. Die drei Bände der ersten Auflage (1796–1799) sind als
Sammlungen
erschienen, die zwei Bände der zweiten Auflage (1803) als
Theile
, wobei der zweite Teil die dritte Sammlung enthält. Hier kann nur die zweite Auflage gemeint sein, da die Erstauflage der dritten Sammlung mit dem 22. Brief endet.
Anweisung zur Bildung angehender Theologen,
von
D.
Nösselt, Johann August
Johann August Nösselt
.
Zweyter Band.
Zweyte vermehrte und verbesserte Auflage.
Halle, bey
Curt, Johann Jacob
Joh. Jac. Curts
Wittwe
.
1791.
Anweisung zur Bildung angehender Theologen,
von
D.
Nösselt, Johann August
Johann August Nösselt
.
Zweyter Theil.
Halle, bey
Curt, Johann Jacob
Joh. Jac. Curts
Wittwe.
1786.
Anweisung zur Bildung angehender Theologen,
von
Nösselt, Johann August
Johann August Nösselt
,
weil.
Königl.
Preußischem Geheimderath, Doctor und Professor der Theologie zu Halle.
Herausgegeben und mit Anmerkungen, literarischen Zusätzen und Ergänzungen begleitet von
D.
Niemeyer, August Hermann
August Hermann Niemeyer
,
Königl.
Preuß.
Oberkonsistorialrath, Kanzler und Professor der Theo- logie auf der vereinigten Friedrichsuniversität Halle und Wittenberg, Director der Frankischen Stiftungen, auch Ritter des rothen Adlerordens dritter Klasse.
Zweiter Band.
Dritte Auflage.
Halle, im Verlage der
Curt, Johann Jacob
Curtschen
Buchhandlung.
1818.
Vorerinnerung.
Bey der Ausgabe des ersten Theils dieses Buchs hoffte ich, alles, was ich darin über die beste Art, Theologie zu studieren, sagen wollte, in diesen zweyten Theil zusammen zu drängen. Aber bey der Ausführung selbst sahe ich bald die Unmöglichkeit ein, wenn anders dieses Buch alles in sich fassen sollte, wovon ich glaube, daß es jeder wissen und beherzigen müsse, wer sich zu einen würdigen Lehrer der Religion, nach unsern Zeitbedürfnissen, bilden will. Nach diesen Bedürfnissen schien es nöthig, manchen Vorurtheilen und Mißverständnissen, die jetzt vielleicht mehr, wie jemals, erneuert und scheinbar gemacht werden, entgegen zu arbeiten, den wahren nur zu häufig verkannten Werth mancher Studien und Uebungen, besonders durch deutli che Beyspiele, einleuchtender zu machen, auch Manches hervorzuziehen, was zu sehr bey dem Studieren der Theologie übersehen wird. Und wenn ich auch nicht darauf Bedacht genommen hätte, dieses Buch selbst für diejenigen nutzbar zu machen, die es vor sich, ohne meine Vorlesungen darüber zu hören, lesen wollen, so mußte ich doch wünschen, daß meine Zuhörer das Buch vorher selbst studierten, um es mit mehrern Nutzen erklären zu hören. Für beyderley Leser war es nöthig, alles mit den nöthigen Gründen und Beyspielen zu unterstützen. Vielleicht wird auch Mancher, der meiner Erinnerungen und Räthe selbst nicht bedarf, wenn er in diesem Buche auf manche Versuche, einige Lehren der Theologie oder ihre Beweise mehr aufzuklären, stößt, mir es um so eher übersehen, wenn ich, um sie nicht zu unterdrücken, mich entschliessen mußte, noch einen dritten, hoffentlich nicht einmal so starken Theil, aufs eheste nachfolgen zu lassen.
Vorrede des Herausgebers.
Bei der Besorgung dieses
zweiten
Theils sind eben die Grundsätze von mir befolgt worden, von welchen ich in der Vorrede zum ersten Theil bereits Rechenschaft gegeben habe.
Die Leser erhalten das Werk seines Verfassers, nicht minder nach dem mir gegebenen Auftrage, als was ich mir selbst zum Gesetz gemacht, durchaus
unverändert
. Ich gestehe, daß gerade in diesem Theil ich hie und da in Versuchung kam, abzukürzen, wo das Interesse der Materie den davon erfüllten Mann vielleicht zu weit über die Gränzen einer Anweisung zur Bildung
angehender
Theologen geführt hatte, zumal selbst Manches, was erst durch das Studium klar wird, leicht dunkel bleiben dürfte. Indeß enthielt ich mich dessen dennoch überall, weil damit zugleich die Umarbeitung oder doch Umstellung mancher kleineren Abschnitte unvermeidlich verbunden gewesen seyn, und also immer etwas Fremdartiges sich eingemischt haben würde.
Nur hie und da habe ich in den hinzugefügten Anmerkungen auf Einiges, was sich auf den neuern Stand der Theologie bezieht, hingedeutet, auch die Verschiedenheit meiner Ansichten nicht verschwiegen. Dieß betrifft indeß keine Hauptsachen
.
Wie liberal der
sel.
Nösselt, Johann August
Nösselt
über theologische Untersuchungen dachte, wie er einer jeden, sobald sie nur mit Ernst und Würde geführt, von allem Leichtsinn, Spott, und besonders aller absprechenden Anmaßung frei blieb, freiern Spielraum verstattet wissen wollte, das beurkunden mehrere Stellen dieses Theils, namentlich was §.
166
–
169.
über dogmatische Forschungen, in einem vortrefflichen Geiste geschrieben ist.
Manches, worüber ich einige Zusätze und Winke für junge Theologen, die in der gegenwärtigen Zeit gebildet werden, hinzuzufügen für nothwendig hielt,
z. B.
über die bereits bei §.
165.
im Vorbeigehen erwähnte Lehrweisheit bei dem Streit der Meinungen, hängt mit dem Inhalte des dritten Theils zu genau zusammen, um nicht besser, nebst manchem Andern, bis zu diesem verspart zu werden. Es wird derselbe dem gegenwärtigen unverzüglich nachfolgen.
Halle, den 20. October 1818.
Der Herausgeber.
Die Leser erhalten das Werk seines Verfassers […] Dies betrifft indeß keine Hauptsachen
Vgl. I Vorrede Hg. c IVf.
Inhalt des zweiten Theils.
Von den eigentlichen theologischen Wissenschaften.
Einleitung.
Begriff der Theologie. Was für Wissenschaften gehören dazu?
1
–
4.
Erster Abschnitt. Exegetische Theologie.
I. Nothwendigkeit, die Bibel, und zwar mit eigenem Fleiße, zu studieren. Besondere Apologie ihres historischen Theils
5
–
19.
II. Schwierigkeiten bei diesem Studium und vielfältige Kenntnisse, die dazu gehören
20
–
23.
1. Biblische Kritik, ihre Nothwendigkeit, große Schwierigkeiten und Hülfsmittel
23
–
35.
2. Biblische
Exegetik
36.
Nothwendigkeit
a. der Sprachkenntnisse dabei
37.
b. der Kenntniß historischer Umstände
38
–
52.
Gelegentliche Wegräumung des Mißbrauchs der Göttlichkeit biblischer Bücher
42
–
46.
Historische Einleitungen in das alte und neue Testament
51.
, und sogenannte Kirchengeschichte des alten Testaments
52.
3. Biblische
Hermeneutik
und Nothwendigkeit der Auslegungsregeln
53
–
56.
4. Uebungen in Erklärung der heiligen Schrift
57
–
60.
a. Rechte Wahl und Benutzung cursorischer und exegetischer Vorlesungen, guter Scholien und Commentare
61
–
64.
b. Eigene Uebungen
65.
α
. um den Verstand der heiligen Schrift zu finden
66
–
73.
β
um sie zur Erbauung anzuwenden
74
–
77.
Zweiter Abschnitt. Historische Theologie
I. Begriff von derselben überhaupt
78.
II. Insbesondere,
1. von der Geschichte der
Religion
, und von ihrem Nutzen
79
–
81.
2. von der Geschichte der
christlichen Kirche
.
a. Begriff davon
82.
83.
b. Darstellung ihres ausgebreiteten Nutzens
84.
α
. in Rücksicht auf alle Theile der Theologie
85
–
94.
und
β
. auf den Einfluß in die Bildung des Charakters eines Lehrers der Religion
95
–
98.
c. Wie sie zu studieren sei?
α
. Nothwendigkeit ausführlicher Vorlesungen darüber
99.
β
. Schwierigkeiten bei diesem Studium, und Vorschläge sie zu vermindern
100
–
102.
γ
. Regeln für den, der sie für sich studieren wollte
103
–
109.
δ
. Studium der einzelnen Theile dieser Geschichte
110.
א
. der Geschichte der Schicksale des Christenthums und der christlichen Kirche
111.
ב
. der Geschichte der christlichen Lehre
112.
–
115.
ג
. der sogenannten Patristik
116
–
120.
ד
. der theologischen Wissenschaften
121.
ה
. der Religionsparteien
122
–
124.
ו
. der christlichen Kirchenverfassung, oder der sogenannten christlichen Alterthümer
125
–
131.
Dritter Abschnitt. Systematische Theologie.
I. Entwicklung ihres Ursprungs und Begriffs
132
–
137.
II. Ihre großen Vortheile
138
–
141.
III. Vorwürfe über die daraus entstandenen Uebel
142.
1. Allgemeinere Beurtheilung derselben
143.
144.
2. Regeln, wie man diesen abhelfen, und ihnen vorbauen kann durch einen Versuch, dasjenige aus einander zu setzen, was erfordert wird,
a. um aus der heiligen Schrift die Hauptbegriffe und Hauptsätze der christlichen Lehre mit Vorsichtigkeit aufzufinden
145
–
155.
b. um darauf einen zusammenhängenden Lehrbegriff zu bauen
156.
α
. durch Verbindung dieser Begriffe und Sätze mit einander
157.
und
β
. durch Bestimmung, Aufklärung und Befestigung des einen durch den andern, nach verschiedenen Absichten, Kräften und Bedürfnissen eines Jeden
158
–
161
, welche letztere auch durch die Zeitumstände müssen bestimmt werden. Weise Benutzung des Neuen
162
–
164.
3. Nothwendige Verbindung dessen, was uns hierin vorgearbeitet ist
165.
166.
mit eigenen Untersuchungen
167.
168.
, besonders in Rücksicht auf das
Praktische
. Bestimmung dieses oft mißverstandnen Begriffs
169.
4. Richtige Beurtheilung der sogenannten
Schulsprache
in der Theologie
170
–
173.
IV. Eintheilung der systematischen Theologie,
1. nach der Verschiedenheit des Vortrags.
a. Unterschied der
gelehrten
und
populären
oder sogenannten
katechetischen
Theologie
174.
Ihr beiderseitiger Nutzen
175
–
177.
Besondere Vertheidigung der gelehrten Theologie
178
179.
b. Unterschied der
gelehrten
oder
scholastischen
und der sogenannten
biblischen
Theologie
180
–
185.
2. nach den verschiedenen Arten der Lehren
186.
187.
a.
Dogmatische
oder
thetische
Theologie, ihr Umfang, Nutzen und rechtes Studium
188
–
190.
b.
Polemische
oder elenchtische, nach eben diesen Rücksichten
191
–
198.
c.
Christliche
Moral, auf eben diese Art
199
–
204
, und bei dieser von der
Casuistik
205
,
Ascetik
206
und
Mystik
207.
V. Von der vor dem Studium der systematischen Theologie nöthigen Ueberzeugung von dem göttlichen Ansehen der heiligen Schrift, und der darin enthaltenen Lehre und Geschichte
208.
209.
Vierter Abschnitt. Symbolische Theologie.
Ihr Begriff
210.
211.
Inhalt und Zweck
212.
Erfordernisse und Hülfsmittel dazu
213.
214.
Nothwendigkeit
215.
Anweisung zur Bildung angehender Theologen. Zweiter Theil.
Zweyter
Zweiter
Theil. Von den eigentlich theologischen Wissenschaften, oder den Theilen der sogenannten systematischen, exegetischen und historischen Theologie.
1
288
.
Unter dem Namen
theologischer
Kenntnisse begreift man alle die, welche die
Religion
Religion
betreffen; erst der
betreffen. Der
Unterschied, den man
nach und nach
unter diesen Kenntnissen machte,
gab
hat
der
Theologie
Theologie
, als Wissenschaft, als Inbegriff gewisser Sätze von
einerley
einerlei
Art betrachtet, einen
eingeschränktern
eingeschränkten
Sinn. Dieser Unterschied
eingeschränkteren Sinn gegeben. Es
zeigt sich
in Rücksicht
dieser Unterschied
entweder
in Rücksicht
auf den
Umfang
von Kenntnissen, die man in einer Wis senschaft zusammenfassen will,
oder
auf die
Art
, wie oder woraus man solche Sätze, welche die Religion angehen, erkennt. Diese
letztere
letztre
Rücksicht hat den Unterschied zwischen
natürlicher
natürlicher
und
geoffenbart
geoffenbarter Theologie
geoffenbarter
Theologie,
und zwischen
Religion
Religion
und
eigentlicher Theologie
eigentlicher Theologie
erzeugt (
Th.
1.
§.
3.
Anm.
2
2.
), der
in die hiesige
Unsuchung
Untersuchung
hier
nicht
gehört, ausser
in Anschlag kommt, außer
daß,
bey
bei
Bildung eines angehenden
Theologen
Theologen
, nur die Frage von
gelehrter
gelehr
ter
Kenntniß der Religion seyn
kan
kann
. Bestimmt man aber den Begriff der
Theologie
nach dem weitern oder engern
Umfange
Umfang
von Sätzen, die man unter diesem Namen
begreift:
begreift,
so
sollte
kann
sie
im eigentlichsten
und
engsten Verstande
nur der zusammenhängende Inbegriff
gelehrter
gelehrter
Kenntnisse von der Religion selbst seyn,
und
nur Sätze in sich fassen, die
Gott
Gott und das
Verhältniß
Verhältniß zwischen
ihn
ihm
und uns betreffen.
2
289
.
Aber eine
gelehrte
Kenntniß der
Religion
Religion
kan
kann
ohne gelehrte Kenntniß
mancher andrer Sachen
manches Anderen
nicht Statt finden (
Th.
1.
§.
21
f.
),
f.);
und diese Kenntnisse
laßen
lassen
sich nicht wohl unter die im ersten Theil
erwähnten
erwehnten
Vorbereitungswissenschaften
bringen. Wenigstens
bringen, wenigstens
steht ein Theil der Philosophie, Philologie und Geschichtskunde mit der eigentlichen Theologie in weit näherer
Verbindung,
Verbindung
als die übrigen Theile dieser
Wissenschaften,
Wissenschaften;
und es muß in solchen Theilen auf den ganzen Umfang der Religion eine nähere Rücksicht genommen
werden;
werden,
ja diese macht es, wegen des ohnehin schon
großen
grossen
Umfangs der gedachten
Vorbereitungswissenschaften
Vorbereitungswissenschaften, räthlich,
besondre
besondere
Wissenschaften daraus zu
machen
bilden
, die man, wegen jener Rücksicht auf die Religion selbst, zur Theolo gie rechnen
kan
kann
. Daher fasset
Theologie in etwas weiterm Verstande
, nicht nur die
Religionslehren
Religionslehren
Religionslehren
selbst, sondern auch solche Kenntnisse in sich, auf die sich zunächst die
Erweislichkeit
Erweislichkeit
dieser Religionslehren gründet.
Anm.
Man weiß, daß zur Theologie auch die sogenannte
natürliche Theologie
, die
Exegetik
Exegetik
oder exegetische
Theologie,
Theologie
und die
Religions-
und
und
Kirchengeschichte
Kirchengeschichte
gerechnet
werde
wird
, welche eigentlich Theile der Vorbereitungswissenschaften sind. Die eigentliche Theologie,
so fern
sofern
sie nicht aus der Natur allein geschöpft wird, faßt, wie sich im Folgenden zeigen wird, nebst den aus der heiligen Schrift
gezognen
gezogenen
Sätzen, auch
verschiedne
verschiedene
gelehrte Vorstellungen über diese Sätze in sich; von diesen unterrichtet uns die
Kirchengeschichte
Dogmengeschichte
. Die heilige Schrift erfordert,
ausser
außer
den allgemeinen Grundsätzen der
Auslegung
Auslegung, auch eine
besondre
besondere
Behandlungsart, weil sie ihren eigenthümlichen
Sprachgebrauch
Sprachgebrauch hat, und historische Kenntnisse voraussetzt, ohne welche
die heilige Schrift
sie
nicht erklärt, und ihr Text nicht richtig beurtheilt werden
kan
kann
; welches die (biblische)
Exegetik
nothwendig macht. Die
natürliche Theologie
gehört als strengere Wissenschaft
freylich
freilich
zur
Philosophie,
Philosophie;
aber sie
kan
kann
, wenigstens hypothetisch, auch von einer göttlichen nähern
Offenbarung
Offenbarung handeln, und, wenn man die natürliche Theologie von der geoffenbarten absondern will, so bedarf die Ueberzeugung von dieser letztern einiger philosophischen
Vorerkenntnisse
Vorkenntnisse
, die allenfalls auch in eine
besondre
besondere
Wissenschaft gebracht werden könnten, welche der eigentlichen geoffenbarten Theologie zur Einleitung dienen würde.
(
Philosophische Dogmatik.
)
3
290
.
Zu
der Geschicklichkeit
den Geschicklichkeiten
und
den
Kenntnissen eines künftigen
Lehrer
Lehrers der
Religion
Religion,
erfordert man auch eine regelmäßige
Fertigkeit
Fertigkeit, die Religion
zu Andrer Besten
zum Besten Anderer
anzuwenden, sowohl im Vortrag als in dem ganzen Betragen. Deswegen werden die
im ersten
Theil
Theile
§.
27
27.
genannten Wissenschaften auch als Theile der Theologie betrachtet, und sonach begriffe
nun
die
Theologie im weitesten Verstande
nicht nur alle Wissenschaften, welche die
Religionslehren
Religionslehren selbst enthalten, sondern auch die, welche zunächst Anweisung geben, wie man eine gelehrte Kenntniß dieser Religionslehren und eine regelmäßige Fertigkeit, sie für
Andre
Andere
anzuwenden, erlangen solle.
4
291
.
In dem
gegenwärtigen Theile von
gegenwärtigen,
den eigentlichen theologischen
Wissenschaften,
Wissenschaften
Wissenschaften gewidmeten Theile dieser Anweisung,
wird
Theologie
Theologie
in der
zweyten
zweiten
oder weitern Bedeutung
genommen
genommen.
(§.
2.
).
289
).
2.
)
Es
würden
werden
also hier,
ausser
außer
der
exegetisch
exegetischen
und
historisch
historischen
Theologie, diejenigen Wissenschaften in Anschlag kommen, worin die
Religionslehren
Religionslehren selbst im
Zusammenhang
Zusammenhange
vorgetragen werden, welche Wissenschaften man daher unter dem allgemeinen Namen der
systematischen
, oder, wenn man will, der
Lehr-Theologie
Lehr-Theologie
begreifen
kan. Hieher würde
kann. Dahin gehört
auch der
besondre
besondere
Unterricht
gehören
, den man mit dem Namen der
Symbolik
Symbolik
,
Symbolik
oder der
symbolischen
Theologie
,
Theologie
belegt hat,
von der es zweifelhaft ist, ob sie
welche theils
zur
historischen oder
historischen, theils zur
systematischen Theologie
zu rechnen sey
gerechnet werden kann
. Wirklich ist sie
beydes,
noch Beides;
und daher ist es am rathsamsten, sie als eine
besondre
besondere
Wissenschaft zu betrachten.
–
Alle diese Wissenschaften werden am besten
in der Ordnung gestellt
so geordnet
, wie eine die
andre voraussetzt; und da
andere voraussetzt. Da nun
die systematische Theologie,
ausserdem
außerdem
, daß sie Philosophie zum Grunde legt, sich auf exegetische und historische Theologie, die historische Theologie aber
sich
zum Theil auf die exegetische, so wie die symbolische
sich
auf alle
drey
drei
andre
Arten, gründet: so wird im Folgenden
1. von der exegetischen,
2. von der historischen,
3. von der systematischen,
und
4. von der symbolischen Theologie
gehandelt werden.
Anm.
Gewissermaßen
Gewissermassen
setzt zwar die exegetische Theologie, wegen der
dabey
dabei
erforderlichen historischen Kenntnisse, die historische voraus. Aber umgekehrt ist doch auch nicht verständlich, woher unter Christen die verschiedenen Vorstellungen über gewisse Lehren enstanden
sind
, die man in der heiligen Schrift zu finden
glaubte,
glaubte;
und noch weniger läßt sich ihre
Richtig-
Richtigkeit
und
oder
Unrichtigkeit beurtheilen, wenn man nicht die heilige Schrift zu erklären versteht. Auch ist
bey
bei
der systematischen Theologie die Kenntniß der exegetischen um so nothwendiger als die der historischen, weil die Kenntniß der Religionslehren selbst wichtiger
ist
als die Kenntniß der verschiedenen Vorstellungen
davon
von diesen Lehren ist
.
Erster Abschnitt.
exegetisch
Exegetische Theologie.
5
292
.
Es ist für den künftigen
Lehrer
Lehrer der
Religion
Religion nichts weniger als
überflüßig
überflüssig
, sich zu überzeugen, wie nothwendig es
sey
sei
, die
Bibel
Bibel mit dem angestrengtesten
Fleisse
Fleiße
zu studieren, und
bey
bei
der Erforschung ihres Verstandes, und alles dessen, was dazu erfordert wird, mit
eignen
eigenen
Augen zu sehen. Wenn es noch, selbst unter denen, die Lehrer seyn wollen, so viele giebt, die sie gar nicht einmal, als in
einzelnen
einzeln
Fällen Amts wegen, lesen; die ihre Theologie lieber aus den Cisternen oder den trüben Wassern der
Compendien
Compendien und Systeme, als aus der
Quelle
Quelle selbst schöpfen wollen; die zufrieden sind, hergebrachte Texte der Bibel, worüber sie die Religion vortragen sollen, nothdürftig zu verstehen, ohne sich um den übrigen Inhalt der
heil.
heiligen
Schrift zu bekümmern, oft auch mit noch wenigerm, mit jedem guten Gedanken, sich begnügen, der ihnen
bey einen
bei einem
solchen
Text beyfällt
Texte beifällt
, ohne sich zu fragen, ob dies gerade das
sey
sei
, was in dem
Text
Texte
liege; die, wenn sie ja auch das Uebrige in der Bibel lesen, statt
eignen Fleisses
eigenen Fleißes
, auf den bloßen Uebersetzun gen oder Commentarien
Andrer
Anderer
ausruhen; die ihre
Zuhörer
Zuhörer lieber mit ihren
eignen
eigenen
Einfällen, als mit dem Inhalt der Bibel unterhalten; die selbst gegen die zügellosesten Mißhandlungen der Bibel
gleichgültig,
gleichgültig sind, sich
selbst
in
die unredlichsten Vorstellungen ihres Inhalts
verliebt sind
gefallen lassen
, wenn diese nur ihrer Einbildungskraft ein angenehmes Spiel geben: so dürfte doch wohl jene Ueberzeugung von der
Pflicht
Pflicht, die heilige Schrift, und zwar mit
eignem Fleisse,
eigenem Fleiße
zu studieren, selten genug, es dürften doch wohl der Vorurtheile nicht wenig seyn, welche die Lust zu dieser Beschäftigung ersticken, und denen man jene Ueberzeugung
entgegen zu setzen
entgegenzusetzen
nöthig finden möchte.
6
293
.
Wenn die
Bibel
Bibel auch nur als ein bloß menschliches Werk betrachtet
wird:
wird,
so muß sie doch jedem, der unbefangen den Werth eines Buchs zu schätzen weiß, höchst
respectabel
achtungswerth
seyn. Ein Werk, das,
so häufig, wie kein andres
häufiger als irgend ein anderes
in der Welt, gelesen worden
ist; das
ist,
mehr als irgend ein
andres
anderes
gewirkt,
indem es
Jahrtausende hindurch ganze Nationen, und gerade die
aufgeklärtester
aufgeklärtesten und gesittetsten, gebildet hat; das in einigen Theilen eine Geschichte enthält, dergleichen es in Absicht auf
Alterthum
Alterthum, Nachrichten von sonst ganz unbekannten Theilen, zumal der ältesten Geschichte des menschlichen Geschlechts, und zugleich
der
Glaubwürdigkeit
Glaubwürdigkeit, sonst gar nicht giebt; das in andern seiner Bücher
zu erst
zuerst
Aufschlüsse von
Religion
Reli gion und
Sittenlehre
Sittenlehre ertheilt, wie sie vor diesen Büchern nirgends
waren,
waren –
Aufschlüsse, die,
bey alle
bei allem
dem, was sie von dem Gepräge der Zeit und der Nation, in der sie zuerst gegeben wurden,
tragen,
tragen –
doch so sehr alle Merkmale der reinsten
Gotteswürdigen
Lauterkeit haben, und mit einer unübertreffbaren Einfalt, Faßlichkeit, Fruchtbarkeit und Würde
ausgedruckt
ausgedrückt
sind – sollte nicht die größte Aufmerksamkeit, sollte nicht vor allen andern studiert zu werden verdienen? – Ist nun die Bibel gerade das Werkzeug, dessen sich die göttliche
Vorsehung
Vorsehung
Fürsehung
bedienet
bedient
hat, jene
reine
reinen
Religionsbegriffe
Religionsbegriffe auszubreiten, und dadurch erweislich zuerst die allgemein herrschende und unüberwindlich scheinende Macht des Aberglaubens und Götzendienstes zu stürzen;
kan
kann
man also die so
besondre
besondere
Fürsorge Gottes
bey
bei
ihrer Veranstaltung und Erhaltung nicht
leugnen
läugnen
; bekennen wir uns für überzeugt, daß das
Christenthum
Christenthum von
Gott
Gott, daß es der
zuverläßigste
zuverlässigste
Weg
sey
sei
, der zu ihm und zur wahren
Seligkeit
Seligkeit führt; und ist die Bibel das einzige Werk, woraus wir, was Christenthum
sey
sei
, allein mit Sicherheit lernen können: so ist unbegreiflich, wie einem verständigen und ehrlichen
Mann
Manne
, der dieses
alles
Alles
glaubt, wie zumal einem Lehrer des
Christenthums,
Christenthums
das Studium der Bibel gleichgültig, oder unwichtiger als irgend etwas
anders,
anders
seyn könne; man mag diese Sache in Absicht auf die Erkenntniß ansehen, die er
vor
sich
haben
selbst
besitzen
, oder die er
Andern
andern
mittheilen soll.
7
294
.
Ist die
Bibel
Bibel die
Quelle
Quelle, woraus die christliche Lehre allein sicher geschöpft werden
kan
kann
, und enthält sie die Anzeige, wie und wodurch Gott selbst die Menschen nach und nach zu reinern
Religionskenntnisse
Religionskenntnissen und göttlichen
Gesinnungen
Gesinnungen erzogen
hat;
hat:
so müßte schon deswegen jeder, der auch nur vorerst wissen wollte, ob er sich für oder wider das Christenthum zu erklären habe, und
bey
bei
dieser Frage ehrlich verfahren wollte, selbst die Bibel studieren. Weit mehr müßte er es also noch, wenn er sie für das
Archiv
Archiv hält, darin Gott seine Belehrungen der Menschen über die wahre Religion niedergelegt
hat,
hat;
und noch mehr, wenn er ein Lehrer dieser Religion seyn will, auf dessen
Untersuchungen und
Untersuchungen, ein Ausspender derselben, auf dessen
Treue sich
Andre
andre
Andere
sollen
verlaßen
verlassen
können. (
1 Kor. 4, 1. 2.
)
8
295
.
Zwar könnte er sich auf
Andre
verlaßen
verlassen
Andere verlassen
, die bereits diesen Unterricht und
diese
Lehre aus der heiligen Schrift gezogen, oder den Sinn der
Bibel
Bibel sorgfältig untersucht
haben. Aber
haben; aber
doch nur
alsdann
alsdenn
, wenn er selbst keine
Fähigkeit beydes
Fähigkeit, Beides
zu thun, oder wichtigere Beschäftigungen, als diese, hätte, und wenn er völlig sicher seyn könnte, daß diese Andern nichts übersehen, keine Fehler
dabey
dabei
begangen hätten. Mit
jenen
jenem
kan
kann
er sich nicht entschuldigen; denn was
kan
kann
für
ihn
wich tiger seyn, als vorerst Gottes
Wille
Willen aus den reinsten,
ächtesten
echtesten
Urkunden
Urkunden seines Willens zu schöpfen?
und
Und
wer nicht einmal die Kenntnisse erwerben
kan
kann
oder will, die zur überzeugenden Einsicht des wahren Verstandes dieser Urkunden nöthig sind, mit welchem Recht will der sich Andern zum
Wegweiser
Wegweiser anbieten? Sicher, ohne
eigne
eigene
Untersuchung,
kan
kann
er eben so wenig seyn, daß die, denen er folgen will, ihn vollständig und richtig von dem
Christenthum
Christenthum belehrt haben. Denn jeder, der,
bey
bei
dem Gebrauch der dazu dienlichen Hülfsmittel, selbst forscht, findet gewiß Manches in der Bibel, was
Andre
Andere
nicht gesehen
haben;
haben,
findet, wo nicht neue Aussichten über ihren richtigern Verstand und die darin enthaltenen Sachen, doch neue Beweise, neue Beziehungen der Lehren, neue
Arten
Arten,
sie faßlicher und eindrücklicher zu machen. Und wäre auch alles dies
nicht:
nicht,
so
kan
kann
er sich doch Andern, die ihm vorgearbeitet haben, eher nicht sicher anvertrauen, als bis er geprüft hat, ob sie mit hinlänglicher Einsicht und
Unpartheylichkeit
Unpartheylichkeit dabey
Unparteilichkeit dabei
verfuhren. Dies
kan
kann
er
bey
bei
Menschen, die fehlen, Manches nicht wissen, Manches übersehen können, schlechterdings nicht mit Gewißheit annehmen, wenn er die Kenntnisse nicht selbst mit allem Fleiß zu erlangen sucht, oder nicht aufs gewissenhafteste
braucht
anwendet
, die
zur
zu
Bestimmung des Verstandes der heiligen Schrift und
zur
zu
Prüfung
Prüfung der verschiedenen Meinungen darüber nöthig sind;
kan
kann
am allerwenigsten dann entscheiden, wenn die
Ausleger
Ausleger der Bibel über den Verstand gewisser Stellen oder über gewisse
Puncte
Punkte
, welche die Bibel
angehn
angehen
, unter sich uneins sind.
Anm.
Anm.
1. Der Wahn, daß es irgend einen oder mehrere Menschen gebe, die in Bestimmung des Sinnes der heiligen Schrift
untrüglich
untrüglich
wären, verdient weder Aufmerksamkeit noch Widerlegung. Er stößt zu sehr gegen den schlichten
Menschenverstand
Menschenverstand und gegen die allgemeine Erfahrung an; ist Widerspruch gegen die göttliche Weisheit, die nichts vergeblich thut, und geradezu solchen Menschen Aufschluß in der Religion geben könnte, ohne erst durch einen Umweg Aufschluß über den Verstand eines Buchs zu geben, das Aufschluß über die
Religion
Religion enthalten soll; und noch hat seit den Zeiten, da das Christenthum zuerst schriftlich in diesen Büchern verfaßt wurde, keiner, der sich dieser untrüglichen Erklärungen rühmte, den Beweis für diese seine Einbildung führen, oder das göttliche
Creditiv
Creditiv dazu aufweisen können.
Anm.
Anm.
2. Daß jeder, der die
Bibel
Bibel und ihren Verstand untersuchen soll, eben so, wie
Andre
Andere
, irren könne, ist
freylich wahr. Aber
freilich wahr; aber
es bleibt doch jedem kein
andres
anderes
Mittel, möglichst sicher zu
gehn
gehen
, als
eigne
eigene
Untersuchung, und deswegen möglichstes Streben nach den
Mittel
Mitteln, die ihn dazu in den Stand setzen
können
können.
(
Röm. 14, 12. 22. 4.
5.).
5.)
Mehr, als das Mögliche thun, mehr, als alle Mittel
wozu
dazu
sich bekannt machen, und treu
brauchen
gebrauchen
, fordert Gott nicht. Wenn uns unser Herz, auch hierin, nicht verdammt, so haben wir Freudigkeit vor
Gott,
Gott;
und was wir bitten, werden wir von ihm empfangen, denn wir thun was vor ihm recht
ist
ist.
(
1 Joh. 3,
22.).
22.)
9
296
.
Dieser
eigne
eigene
Fleiß
Fleiß in Forschung der heiligen Schrift ist zwar zunächst und
vornemlich
vornehmlich
wegen der darin enthaltenen
Lehren
Lehren
nöthig, aber nicht minder wegen der darin enthaltenen
Geschichte
und der
historischen Kenntnisse
, welche zur Einsicht in den Verstand der
Bibel
Bibel nothwendig sind, aber oft deswegen, wie die biblische Geschichte selbst, verachtet, oder für entbehrlich gehalten werden, weil sie keinen Theil des
Christenthum
Christenthums selbst ausmachten, und die Geschichte mehr zur zufälligen Einkleidung, als zum Wesen des biblischen Unterrichts gehöre; weil, durch die fleißige Beschäftigung damit, die Aufmerksamkeit von dem Wichtigern, von der Lehre selbst, abgelenkt, oder diese historischen Umstände wichtiger, als die Lehre selbst, gemacht würden; weil der größte Theil dieser Geschichte die Christen, wenigstens die jetzigen, gar nichts angehe; weil endlich der Lehrer des Christenthums das Volk nur in den Lehren, nicht in den
beyläufig
beiläufig
erzählten Geschichten, zu unterrichten habe. – Allein, von auswärtigen historischen Kenntnissen,
d. i.
von solchen, welche zur Kritik, zur Sprach- und
Geschichtkunde
Geschichtskunde
gehören, welche zum voraus da seyn müssen, ehe man sich an die Erklärung der Bibel wagen
kan,
kann:
von diesen ist hier die Rede noch nicht; davon wird sich hernach
bey
bei
den
einzelnen
einzlen
Kenntnissen, die ein
Ausleger
Ausleger der Bibel mitbringen muß, besser reden
laßen
lassen
. Diese gehören zwar in den Unterricht des Volks nicht; aber sie gehören zum Unterricht und
zur
Ueberzeugung des Lehrers selbst; ohne sie
kan
kann
er weder den Verstand der heiligen Schrift, noch die
Aechtheit
Echtheit
und Göttlichkeit der
Bibel,
Bibel
mit
eigner
eigener
Ueberzeugung einsehen.
10
297
.
Aber die historischen Stellen selbst, die einen
großen
grossen
Theil des Inhalts der biblischen Bücher ausmachen, verdienen eben auch, und zum Theil eben so sehr, Aufmerksamkeit und Untersuchung des Lehrers, als die eigentlichen
Lehrstellen
Lehrstellen. Wahr ists, die
einzelnen
einzlen
Theile der biblischen Geschichte sind weder
im gleichen
in gleichem
Grade beglaubt noch wichtig; die Geschichte ist um der Lehren willen aufgezeichnet, und diese also der wichtigste Theil der
Bibel
Bibel;
bey
bei
dieser ganzen Geschichte muß man sich mehr an den Geist als an den Buchstaben halten,
d. i.
mehr an Handlungen als an Ereignisse, mehr an Gottes
Absichten
Absichten
bey
bei
dem Geschehenen als an das Geschehene selbst, mehr an das Allgemeine, was für uns darin liegt, als an
einzelne
einzle
Umstände der Begebenheiten. Schon dadurch fallen die meisten Vorurtheile wider diese Geschichte (§.
9.
)
296
)
weg, und der Mißbrauch wird, wenn man dieses immer vor Augen hat, verhütet. Noch mehr, wenn man Folgendes
erwegt
erwägt
, was den
großen
grossen
Werth
Werth der biblischen Ge schichte und die Nothwendigkeit begreiflich machen
kan
kann
, sie mit aller Sorgfalt zu studieren.
11
298
.
Einmal müssen wir doch 1) die
Bibel
Bibel so nehmen, wie sie ist, und in der Gestalt, wie sie uns
Gott
Gott hat zukommen
laßen
lassen
. Gesetzt, die Geschichte in derselben hinge mit den Lehren darin gar nicht zusammen, welches
freylich
freilich
von einigen Begebenheiten nicht zu
leugnen
läugnen
ist: so nimmt sie doch einen beträchtlichen Theil der Bibel ein, ist entweder aus eben der Feder, wie das
Uebrige
übrige
, geflossen, oder, so weit
unsre
unsere
Kenntniß von der Geschichte
einzelner
einzler
Bücher, oder dieser ganzen Sammlung reicht, durch
einerley
einerlei
Kanal
Kanal
Canal
zu uns
gekommen. Und
gekommen; und
, da es, wie
bey
bei
einer jeden sehr alten Schrift oder Text, wo nicht unmöglich, doch sehr schwer fällt, die Gränzlinie zwischen dem mehr oder minder
Avthentisches
Avthentischen
Authentischen
zu ziehen, oder sie Andern fühlbar zu machen: so
kan
kann
man in Absicht auf die allermeisten, auch unter nachdenkenden Lesern der Bibel, annehmen, daß sie dieselbe als ein Ganzes ansehen werden, welches in dem Maaß ihnen verdächtig und zweifelhaft wird, in welchem man Schwierigkeiten und Einwürfe gegen
einzelne
einzele
Theile nicht zu ihrer Befriedigung auflösen
kan
kann
. Selbst die Geschichte der feindseligen Angriffe auf die Bibel lehrt es zur Genüge, daß, wenn man ihre Lehre
umzustoßen
umzustossen
verzweifeln
mußte
müßte
, man es für das
wirksamste
Wirksamste
hielt, seine Angriffe auf ihre Geschichte zu richten, in der Absicht, indem man diese
verdächtigte
verdächtig machte
, um jene, und überhaupt das Ansehen der
Bibel,
Bibel
zu stürzen, oder wenigstens verdächtig zu
machen; der
machen. Der
Er folg hat auch gezeigt, daß man diese Wirkung nicht übel berechnet habe. Wenn also Fälle genug vorkommen, wo der Lehrer des
Christenthum
Christenthums über historische Schwierigkeiten in der
Bibel
Bibel,
entweder von nachdenkenden, redlichen und mit Zweifeln kämpfenden Lesern, die Ruhe und Ueberzeugung suchen, befragt wird, oder sich in die Nothwendigkeit versetzt sieht, feindselige Einwürfe dagegen zu beantworten: wäre es denn da und deswegen nicht Pflicht, auch diese Geschichte genau zu studieren, um selbst das Ansehen der Bibel und der darauf sich gründenden Lehre zu retten?
12
299
.
Und verdient denn 2) diese Geschichte nicht den darauf verwendeten Fleiß, da sie zum Theil in die
älteste
ältesten
Zeiten hinein reicht, wo uns alle
andre
andere
Denkmale und Urkunden entgehen, und sich alle
andre
andere
Nachrichten in ein undurchdringliches Dunkel verlieren, oder in die abgeschmacktesten Fabeln übergehen? Verdient nicht wenigstens die Geschichte der
Religion
Religion und der göttlichen
Vorsehung
Vorsehung
Fürsehung
Vorsehung,
in der nach und nach veranstalteten Entwickelung wahrer
Religionsbegriffe
Religionsbegriffe, verdienen nicht wenigstens die so unverkennbar wahren Züge der Sitten und Begriffe aus Zeiten, wo selbst
Cultur
Cultur
Kultur
noch wenig verdorben hatte, die Achtung und den Fleiß des Freundes der Menschen- und
Religionskenntniß
Religionskenntniß?
Mags
Mag's
doch seyn, daß diese Geschichte, daß selbst der Vortrag der
Lehren,
Lehren
die Farbe roher
jüdisch
jüdischer Begriffe trage: so wäre doch diese so oft verachtete Geschichte schon darum der Untersuchung werth, damit man
sichre
sichere
Spuren finden könnte, um dieses Nationelle von dem allgemein Wahren und Brauchbaren absondern, um einsehen zu lernen, ob sich der Vortrag der Lehren bloß nach diesen jüdischen Begriffen und Bedürfnissen gerichtet habe, oder ob sich
bey
bei
diesem, zwar in vieler Absicht rohen, aber gewiß in Absicht der Religion weit mehr, als
andre
andere
gleichzeitige,
aufgeklärtem
aufgeklärten
Volke, Religionsbegriffe fänden, die werth wären, ihm abgelernt zu werden?
13
300
.
Halten wir uns 3) an die
Lehrart
Lehrart, welche fast durchaus in der
Bibel
Bibel
bey
bei
dem
Vortrage
Vortrag
der Lehre herrscht, und trauen es der Weisheit Gottes zu, daß er diese als die beste
bey
bei
dieser einzigen Ertheilung seiner nähern Aufschlüsse befunden habe: so ist augenscheinlich, daß im alten und neuen Testament,
bey
bei
Mose
Mose
,
David
David
, den Propheten und Aposteln, Lehre an
Geschichte
Geschichte geknüpft, daß sogar die eigentliche christliche Lehre durchaus und so auf die Geschichte
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Jesu
gebaut ist, daß die Apostel behaupten, es werde jene und die Ueberzeugung davon wanken, wenn diese verkannt würde,
1
1.
Kor. 15, 1
f.
Joh. 20, 30. 31.
Apostelg. 4, 9
f.
18–20
etc.
etc.
Und wirklich ist 4) die Geschichte in der Bibel Beleg zu den Lehren. Beruht das, was wir christliche Lehre nennen, darauf, daß
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Jesus Christus
dies
dieß
und nichts anderes, als Gottes Gesandter, gesagt hat, daß nach ihm seine vertrauten
Schüler
Schüler eben
dies
dieß
und noch mehr gesagt haben: woher wissen wir dieses anders
zuverläßig
zuverlässig
, woher, daß sie, indem sie diese Lehre für göttlich ausgeben, glaubwürdig, dieser Lehre kundig, in Ueberlieferung derselben aufrichtig waren, als eben aus der biblischen Geschichte?
Und
und
was erweckt ein gegründeteres Vorurtheil, daß die Bücher, die wir unter
ihrem
ihren
Namen
haben, ächt
besitzen, echt
sind, als eben die Uebereinstimmung des Inhalts
ihrer Bücher
derselben
mit dem, was wir aus andern
Büchern
Theilen
der Bibel von ihrer und ihrer Zeitgenossen Geschichte wissen?
14
301
.
Ist denn nicht auch 5)
Geschichte
Geschichte gerade das, was
bey
bei
dem Menschen die meiste Aufmerksamkeit erregt und unterhält, allgemeine
Wahrheiten
Wahrheiten, vornehmlich moralische, am deutlichsten macht, und aufs anschaulichste darstellt? Allgemeine moralische Sätze wirken nicht nur an sich
bey weiten
bei weitem
so stark nicht als
Erfahrungen
Erfahrungen und
Beyspiele
Beyspiele, sie
Beispiele. Sie
wirken eigentlich gar nicht auf Herz und Leben, als
so fern
sofern
wir das, was sie ausdrucken, mit dessen seligen oder unseligen Folgen, an uns oder
andern
Andern
, als wirklich vorhanden, als jetzt, oder vorhin, oder künftig vorhanden, denken.
Geschichte ist
Moral
Moral in Wirklichkeit verwandelt; von wirklichen, nicht von
möglichen,
möglichen
Dingen hängt unser körperliches und geistiges Le ben ab. Darum spricht Gott in der Natur zu uns durch
Thaten
, dadurch
Thaten
. Dadurch
hält er uns gleich weit von
Grübeley
Grübelei
und
Empfindeley
Empfindelei
, vom Unglauben und von
Schwärmerey, ab; darum
Schwärmerei ab. Darum
sprachen
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Jesus
und seine Schüler, nachdem heidnische und jüdische Weisen lange genug dogmatisirt, und damit so wenig zur wirklichen Besserung und vernünftigen Gemüthsruhe gewirkt hatten, so viel sie konnten, durch
Beyspiele
Beispiele
; sie predigten aufs wirksamste Besserung, indem sie nach ihren Grundsätzen handelten, Gemüthsruhe und
fröliche
fröhliche
Aussicht in die Zukunft, indem sie für den Glauben und die Hoffnung ihrer Lehre mit Ruhe und Freudigkeit litten. Und
dies
dieß
ihr
Betragen
Betragen
, die Geschichte der Folgen ihrer Lehre, sollte weniger Aufmerksamkeit verdienen, als ihre Lehre selbst?
ihre vortrefliche
Ihre vortreffliche
Art, durch Geschichte zu lehren, sollte nicht
Muster
Muster für uns, nicht eben so werth seyn,
studiert
studirt
und nachgeahmt zu werden?
Geschichte ist Moral […] studiert und nachgeahmt zu werden
Die griffige Formel, Geschichte sei in Wirklichkeit verwandelte Moral, lässt sich nicht nachweisen, erinnert aber an die sog. pragmatische Geschichtsschreibung (vgl. I § 225).
15
302
.
Endlich ist ja doch 6) die in der
heil.
Schrift
vorgetragne
vorgetragene
Lehre immer von
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Jesu
, den Propheten und Aposteln, unter dem Charakter göttlicher
Gesandten
, vorgetragen; fast nie, höchstens nur
bey
bei
ungelehrigen Zuhörern oder hartnäckigen Widersprechern, führen sie Beweise; sie rechtfertigen ihren Charakter nur durch
Thaten
, und sonach verlangen sie
Glaube
Glauben
. Beruhet also der Glaube, den sie fordern, auf dem Ansehen des jenigen, und auf dem Vertrauen zu dem, dem man glauben
soll:
soll,
so ist die Geschichte derselben, die uns die
heil.
heilige
Schrift liefert, von
großer
grosser
Wichtigkeit, da
sie
nur uns lehren
kan
kann
, ob und wie viel Glauben sie verdienen, wie überschwenglich viel sie, namentlich und vornehmlich
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Jesus
, der Stifter des
Christenthum
Christenthums, zum Besten der Menschen gethan und gelitten, wie viel sie Liebe und Nachahmung verdienen; und es ist daher sehr zu fürchten, daß sie in dem Maaß aufhören, uns werth und unser Muster zu seyn, in welchem wir gleichgültig gegen ihre Geschichte sind.
Vergl.
auch
Doederlein, Johann Christoph
Joh.
Anm.
Man
vergl.
Ioh.
A. Christoph.
Döderlein
4
Vier
Abhandl.
de historiae
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Jesu
Iesu
tenendae tradendaeque necessitate in dessen Opusculis theologicis,
Jenae 1789
in
Ienae 1789.
gr.
8.
S.
1
folgg.
folgg
.
; desgleichen die
Hess, Johann Jakob
Hessischen
Schriften über die biblische Geschichte.
Joh. A. Christoph. Döderlein 4 Abhandl. […] S. 1 folgg.
Im Inhaltsverzeichnis ist
De historiae Iesu tenendae tradendaeque necessitate ac modo
(aaO 1–58) näher als
Scripta IV. programmatibus in Festo Nativitatis Christi, Ienae annis 1783–1786
bestimmt. Dieser Text zerfällt in zwei Teile:
De necessitate tenendae historiae Christi et tradendae
(aaO 6–21) und
De modo historiae Iesu tenendae et tradendae
(aaO 22–58). Eine Initiale
A.
ist für den Autor nicht nachzuweisen.
Hessischen Schriften über die biblische Geschichte
Gemeint sind die Schriften des Zürcher Theologen Johann Jakob Hess (1741–1828). Zu nennen ist v.a. die
Geschichte der drei letzten Lebensjahre Jesu
(1768–1773 aus Angst vor Zensur ohne Angabe des Verfassers und des Druckortes erschienen), die später, um die 1773 veröffentlichte
Jugendgeschichte Jesu
ergänzt, zur mehrfach aufgelegten, nachgedruckten und übersetzten
Lebensgeschichte Jesu
in drei Bänden (
8
1822–1823) ausgearbeitet wurde. Die aus dem göttlichen Geschichtsplan abzuleitenden Konsequenzen für die Dogmatik sind etwa in
Von dem Reiche Gottes. Ein Versuch über den Plan der göttlichen Anstalten und Offenbarungen
(1774), das unter dem Titel
Kern der Lehre vom Reiche Gottes. Nach Anleitung des biblischen Geschichtinhalts
(1819) in kürzerer Überarbeitung erschien, sowie in der
Bibliothek der heiligen Geschichte. Beyträge zur Beföderung des biblischen Geschichtstudiums, mit Hinsicht auf die Apologie des Christenthums
(1791/1792) dargestellt.
16
303
.
Eben so sehr, als um sein selbst willen, sollte der Lehrer des Christenthums die
Bibel
Bibel um seiner
Zuhörer
Zuhörer
willen,
willen
(§.
6
293
6.
) mit ganz
eignem Fleiß, studieren
eigenem Fleiß studiren
. 1)
überzeugen
Ueberzeugen
könnte er sie von den Lehren auch wohl durch
andre
andere
Gründe, als durch das
Ansehn
Ansehen
der
Bibel,
Bibel;
und
freylich
freilich
ist jede Wahrheit Gottes Wort, sie stehe in der Bibel, und werde aus ihr genommen, oder nicht. Aber, wenn wir als Christen glauben, daß die heilige Schrift gewiß
Gottes
Wort enthalte, so haben wir es nicht weit zu suchen, und wir brauchen
dabey
dabei
weniger besorgt zu seyn, daß wir unsere
eignen
eigenen
Einfälle, die nicht gleich Gottes Gedanken sind, statt dieser unterschieben möchten; es bedarf weiter nichts, als uns vorher durch Fleiß und gebrauchte rechte
Hülfsmittel
Hülfsmittel zu überzeugen, daß wir den rechten Sinn der Stellen, woraus wir schöpfen, getroffen haben, und ihnen hernach diesen so faß lich und einleuchtend zu machen, als es die Kenntnisse, die sie haben, oder, ohne Gelehrsamkeit, bekommen können, erlauben. – Und da
Zweifel
Zweifel der Zuhörer an diesem richtigen Sinn diese ihre Ueberzeu gung aus der Bibel hindern, also die Pflicht des Lehrers seyn würde, diesen, wo er sie fürchten muß,
zuvor zu kommen
zuvorzukommen
, oder, wenn sie sie ihm entdecken, zu heben: so versteht sich von selbst, daß er deswegen fleißig und mit
eignem
eigenem
Nachforschen die Bibel gelesen haben müsse.
17
304
.
Soll er zugleich 2) die göttlichen Lehren zu ihrer
Besserung
Besserung
und
Beruhigung
Beruhigung
anwenden:
anwenden,
so hat es auch da seine
großen
grosse
Vortheile, die Bibel zu diesem Zweck zu benutzen.
Ansehen
Ansehen
wirkt
bey
bei
den meisten Menschen aufs kürzeste und
kräftigste,
kräftigste;
und hat einmal jemand die Ueberzeugung, daß
Gott
Gott
in der Bibel redet, daß sie die Lehren
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Jesu Christi
enthält:
enthält,
so wirkt dieses:
Gott
,
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christus
hats
hat's
gesagt, es wirkt die Liebe, das Vertrauen, zu dem, der so viel für uns gethan hat, der Wunsch, ihm ähnlich zu werden, gewiß stärker als alle
andre
andere
Gründe. Solche kurze, kräftige, fruchtbare Aussprüche, wie die
Bibel
Bibel enthält, behalten sich leicht, bleiben der Seele ge genwärtiger, fallen uns wieder leicht da ein, wo wir sie brauchen, erinnern leicht wieder an das Gute, was man darüber gehört, an die seligen Erfahrungen, die man darnach gemacht hat. Durch
öftere, mannigfaltigere
öftre, mannichfaltigere
Anwendungen die ser Aussprüche auf das Beste der Zuhörer, bekommt die Bibel für sie einen
großen
grossen
Werth, weil sie immer darin die Geschichte ihres Herzens lesen,
ihren Bedürfnissen gerathen, immer
Rath für ihre Bedürfnisse,
Belehrung, Ermunterung und Trost über
die
ihre innersten
Angelegenheiten
ihres Herzens
finden. Was könnte man doch, da die wenigsten Menschen über unsichtbare Dinge selbst zu denken, und Weisheit aus sich selbst zu
schöpfen,
schöpfen
verstehen, und auch die, welche dieses können,
Veranlaßung
Veranlassung
zum Nach denken, Hülfe da brauchen, wo sie oft nicht zu Gedanken kommen, sie sich nicht interessant und eindrücklich machen
können,
können:
was könnte man da ihnen für ein
besseres
besseres,
immer offen liegendes Handbuch empfehlen, als die Bibel? – Daß der
Lehrer, ihnen dazu
Lehrer nur auf diese Art
die Bibel
nutzbar
nutzbar zu machen,
selbst
mit ihr sehr bekannt seyn müsse, um, nach
jedes
Jedes
Bedürfnissen, mit
ihnen
Jedem
zu rechter Zeit zu reden, das Allgemeine in der Bibel auf die besondern Umstände der Zuhörer anzuwenden, und das
Besondre
Besondere
in ihr ins Allgemeine, mit Weisheit, zu verwandeln, bedarf keiner Erinnerung.
18
305
.
Und sollte denn der Lehrer 3) nicht
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Jesu
und den übrigen Lehrern in der Bibel Herablas sung, Klugheit, Herzlichkeit
bey
bei
seinem
Vortrag
Vortrage
ablernen können, worin diese so
große
grosse
Muster
Muster sind? Wo herrscht selbst eine einfältigere, würdigere, so ganz den Lehren und seligen Eindrücken von Gott
angemessnere
angemeßnere
Sprache
Sprache, mehr
angemeßnere Sprache mehr,
als in der
Bibel,
Bibel;
und wie viel trägt ein solcher Ausdruck zur Erregung wahrhaftig göttlicher
Empfindungen
Empfindungen
bey? Freylich
bei? Freilich
nur, wenn man ihn versteht. Aber eben darum
müßte
muß
der Lehrer ihren Sprachgebrauch
studieren
studiren
; darum lernen, ihn, wo er dunkel oder
zweydeutig
zweideutig
ist, gegen deutlichere Ausdrücke, die sich diesem so sehr als möglich nähern, zu vertauschen; gelegentlich den Zuhörern dieses Dunkle im biblischen Ausdruck
erklären;
erklären:
und so
könnte
kann
er, ohne Unsinn oder Mißverstand zu besorgen,
alsdann
alsdenn
selbst diese biblischen Arten zu reden behalten, die darum
beybehalten
beibehalten
zu werden verdienten, weil
theils
die Idee des durch die
Bibel
Bibel geheiligten Gebrauchs daran hängt,
theils
solche zu diesen religiösen Vorstellungen ganz eigen gewidmete und sonst nicht von gleichgültigen oder gar schlech ten Dingen gebrauchten Ausdrücke mehr Würde behalten,
und
auch
leichter
wieder
die guten Gedanken und Empfindungen
wieder
erwecken, die man ehedem
bey
bei
dem Gebrauch der biblischen Aussprüche gehabt hat.
Anm.
Ueber einige gewöhnliche Vorurtheile gegen die Nothwendigkeit des
eignen Fleisses bey
eigenen Fleißes bei
dem Studium der Bibel, nebst Empfehlungen
desselben
desselben,
s.
Amama, Sixtinus
Sixtini Amama
Antibarbarus biblicus (der
vermehrtern
vermehrten
Ausgabe, Franecker 1656.
4.) in der vorgesetzten Rede de barbarie und in dem ersten Buche.
19
306
.
Die Nothwendigkeit der
fleissigen
fleißigen
Beschäftigung mit der
Bibel
Bibel, einer gründlichen Kennt niß der Hülfmittel zur Entdeckung ihres wahren Verstandes, und eines treuen Gebrauchs derselben, wie zu diesem Zweck, so zur Herleitung der Religionslehren aus ihr, wird durch die
Geschichte
Geschichte bestätigt, welche augenscheinlich zeigt, daß die Lauterkeit der christlichen Lehre immer mit diesem gelehrten und gewissenhaften Fleiß gleichen Schritt gehalten,
daß
das
Steigen und Fallen dieses
Fleisses
Fleißes
immer den
Fort-
Fortgang
oder Rückgang des wahren Christenthums nach sich gezogen habe. Unkunde des wahren biblischen
Sprachgebrauch
Sprachgebrauchs; Vorliebe zu einer schwärmenden Philosophie;
einreissende
einreißende
Gewohnheit, die christliche Wahrheit mehr nach dem Herkommen und den Meinungen angesehener
Gemeinen
Gemeinden
und Lehrer, als nach der Bibel, und wenn man ja die letztere brauchte, den Werth ihrer Erklärung mehr nach der Uebereinkunft eines zufälligen Sinnes mit gewissen herrschenden
Lieblingsideen,
Lieblingsideen
oder nach dem Ansehen einer
Erklärung,
Erklärung
zu entscheiden, gab dem menschlichen
Ansehen
Ansehn
, in Sachen des Christenthums, das erste Uebergewicht über die Bibel, und die Entscheidung der angesehensten Bischöfe und Concilien befestigte dieses. Mehr bekannt mit der Sprache des neuen
Testaments,
Testaments
waren die ältern griechischen Ausleger bis ins 5te Jahrhundert den lateinischen
unleugbar
unläugbar
in der Erklärung überlegen; das Gute der
letzteren
Letztern
, wenige ausge nommen, war entweder errathen, oder von jenen entlehnt. Selbst da man seitdem in der griechischen Kirche sich mit Sammlungen
ältrer
älterer
Erklärungen behalf, blieb immer durch die
Catenen
Catenen
Catenen
, wie man diese Sammlungen von Excerpten aus mehrern frühern Exegeten nannte,
ei ne
bessere
beßre
Erklärungsart herrschender als in der lateinischen, die, eben wegen Unbekanntschaft mit der Sprache, von jeher fruchtbarer an neuen
Dogmen
Dogmen war, welche die übrige Kirche weder kannte noch billigte. So lange diese noch nicht in die Erklärung eingemischt wurden, so lange man nur noch die Bibel erklärte ohne zu
allegorisiren
allegorisiren, und noch einiges Gute der ältern Ausleger benutzen konnte, blieb in den Abendländern die Auslegung noch erträglich;
so bald
sobald
aber jene Gewohnheiten die Oberhand gewonnen,
Augustin von Hippo
Augustins
Ansehen die
andern
Andern
verdunkelte, und die
Glossa ordinaria des 9ten Jahrhunderts alles
andre
Andere
verschlang, so war sie so gut als
verlohren
verloren
. Jetzt trat menschliches
Ansehn
Ansehen
und angebliche Tradition ganz an die Stelle der Bibel; von Rom aus entschied man statt der heiligen Schrift, man sprach sogar gegen sie, und diese Aussprüche schlugen die nieder, welche nach der Bibel entscheiden wollten. Die
Scholastiker
Scholastiker, mehr darauf bedacht,
Kirchenmeinungen
Kirchenmeinungen zu
befestigen,
befestigen
und sie durch Philosophie
aufklären
aufzuklären,
verlohren
verloren
die Bibel fast ganz aus dem Gesichte; die
Mystiker
Mystiker suchten Licht in sich, statt es in der Bibel zu suchen; immer zwangen die
Paulizianer,
Katharer,
Waldenser und ähnliche, mehr einfältig die Bibel, als die Kirche, befragende
Parteyen
Parteyen
Partheyen
Parteien
, selbst ihren Gegnern das Bekenntniß ab, daß sie,
bey
bei
allen Irr thümern, reicher am thätigen Christenthum wären. Mit der
Auferstehung
Wiederbildung
der Wissenschaften seit dem 15ten Jahrhundert, und noch mehr mit der
Reformation
Reformation in dem folgenden, wachte die Liebe zur
Bibel,
Bibel
und der Fleiß sie zu
forschen,
forschen
wieder auf, und das menschliche Ansehen fing an zu sinken; letzteres erhob sich unter den
gereinigtern Kirchen wieder,
so wie
als
gegen das Ende des 16ten Jahrhunderts Kenntniß der Sprachen und
Nachfragen
Nachforschen
in der Bibel
ab-, menschliche Grübeley zunahm; sank wieder,
der wieder zunehmenden dogmatischen Grübelei weichen mußte. Es gewann aber wieder Boden,
als
einige
trefliche
treffliche
Sprachkundige, gegen die Mitte des 17ten, die richtige Art der
Bibelerklärung
Bibelerklärung,
Bibelerklärung
und,
gegen das Ende desselben, die
hallische Theologen
hallischen Theologen
mit ihren Schülern, Liebe zur Bibel durch
ihr Beyspiel
Wort und Beispiel
empfahlen. Der
Eifer, die Bibel zu forschen, und die exegetische Theologie nach allen ihren Theilen zu bearbeiten, stieg sichtbar seit der Mitte des 18ten Jahrhunderts;
neben ihm
daneben
eine gründlichere Kenntniß der Kritik, der Grundsprachen, der alten Geschichte und
der Morgenländer
des Morgenlandes
; zugleich mehr Geschmack und Drang, die biblische Auslegung von
hineingetragnen
hineingetragenen
Begriffen zu reinigen, sicherlich auch, –
bey
bei
allem Verfall auf
Extremen
Extreme
, wovon keine Zeit
frey
frei
ist – die Reinigkeit der christlichen Lehre
mit einer vernünftigern
und deren vernünftigere
und
fruchtbarern
fruchtbarere
Anwendung.
Anm.
Wer blind gegen die Fortschritte der Wissenschaften in
unsrer
unserer
Zeit, oder undankbar gegen Gottes allezeit weise
Vorsehung
Vorsehung
Fürsehung
, dieses letzte
leugnen
läugnen
will, sieht gewiß nicht, wie sehr
die hier und da nicht zu läugnende
schnöde Verachtung der
Reli gion
Religion
und des
Christenthums zu unsrer Zeit,
Christenthums, gewöhnlich, wo nicht
Gleichgültigkeit oder Haß gegen die Bibel,
und
doch
Unkunde
gründlicher Kenntnisse eines biblischen Auslegers
einer gründlichen Auslegung derselben
zur Seite haben; wie die, welche die Bibel jetzt verstellen,
nicht
eben
aus
den Erzählungen und dem Vortrage der biblischen Schriftsteller überhaupt lernen, sondern die Bibel, bey dem
Mangel
gründlicher
dazu nothwendiger
Kenntnisse,
Kenntnisse
und
aus
Unfähigkeit,
Unfähigkeit
sich
in sie
den alterthümlichen Geist derselben
hinein zu denken, durch
eine andre
fremde
Einkleidung nach ihrer Phantasie
umschmelzen; und daß eben
umschmelzen. Eben
jene
unleugbare
unläugbaren
Fortschritte in exegetischen Hülfsmitteln
sind dagegen
ein Damm
sind
, den die göttliche
Vorsehung
Fürsehung
solchen Mißhandlungen der Bibel und der Religion vorzieht.
Augustins Ansehen
Der aus dem nordafrikanischen Thagaste stammende spätere Bischof Augustin von Hippo (354–430) gehört, an der Schwelle zum Mittelalter stehend, zu den bedeutendsten Theologen und Philosophen der Alten Kirche sowie der christlich-abendländischen Tradition überhaupt (Augustinismus) und hat die christliche Theologie (v.a. im Hinblick auf die Trinitäts-, Prädestinations-, Erbsünden- und Gnadenlehre) über das Mittelalter hinaus entscheidend geprägt (vgl. II § 115).
Glossa ordinaria des 9ten Jahrhunderts
Unter
Glossa ordinaria
versteht man Glossen (der Zusatz
ordinaria
ist nicht vor dem 14. Jh. belegt) zur Vulgata, die den Kirchenvätern und späteren Autoren entnommen waren, zusätzlich aber auch Bemerkungen der Glossatoren selbst enthielten. Längere Glossen waren an den Rand (
glossa marginalis
), kürzere zwischen die Zeilen (
glossa interlinearis
) des biblischen Textes geschrieben. Die Glosse wurde so zum normativen Bestandteil des Schriftstudiums, Bibeltext und Glosse bildeten graphisch wie sachlich eine Einheit und wurden grundsätzlich zusammen betrachtet. Neben der Theologie spielten Glossen auch in den Rechtswissenschaften (hier zum
Corpus Iuris Civilis
) eine bedeutende Rolle, die Rechtsgeschichte bezeichnet das 12. und 13 Jh. gar als Glossatorenzeit. In theologiegeschichtlicher Perspektive ist v.a. Anselm von Laon (ca. 1050–1117) zu nennen, dessen
Glossa ordinaria
gemeinhin als erstes Werk dieser Art angesehen werden, rechtsgeschichtlich sei auf die
Glossa ordinaria
des italienischen Rechtsgelehrten Accursius (1185–1263) mit ihren knapp 100.000 Glossen verwiesen. Die Entstehungsgeschichte der
Glossa ordinaria
ist zwar noch nicht abschließend rekonstruiert, doch finden sich voneinander durchaus abweichend glossierte Handschriften einzelner biblischer Bücher bereits in der Karolingerzeit.
Scholastiker, mehr darauf bedacht, Kirchenmeinungen zu befestigen, und sie durch Philosophie aufzuklären, verlohren die Bibel fast ganz aus dem Gesichte
Unter Scholastik (Schulwissenschaft) wird vielfach lediglich die Theologie und Philosophie des Mittelalters verstanden, streng genommen meint sie jedoch eher eine Denkform, die im Mittelalter jedwede Wissenschaft umfasst und sich als solche auch später (s.u.) findet. Als Grund für die Herausbildung der mittelalterlichen Scholastik ist der immense Rationalitätsschub im 12. Jh. anzuführen (vgl. II § 115). Wie die Sentenzenwerke, insbesondere das des Petrus Lombardus (vgl. II § 115), zeigen, nahm die lehrbuchartige Aufbereitung theologischer Themen zu. Die Tendenz, über die Bibel hinaus autoritative philosophische Texte (Augustin, Aristoteles etc.) für die ausholende Klärung von theologischen Sachfragen heranzuziehen, schlägt sich in spezifischen literarischen Formen wie Kommentaren oder Summen, am bekanntesten die des Thomas von Aquin (vgl. II § 115), nieder. Insgesamt ist die Scholastik, deren wichtigste Phase zwischen 1250 und 1350 anzusetzen ist, in sehr hohem Maße von formalen Betrachtungsweisen geprägt und aus diesem Grund später nicht selten negativ konnotiert.
Paulizianer
Die erstmals im 7. Jh. im armenischen Raum auftretenden und bald über ganz Kleinasien verbreiteten Paulizianer (Paulikianer) waren eine dualistische Glaubensgemeinschaft, die immer wieder mit der Gnosis, dem Manichäismus (vgl. II § 113) oder Marcion von Sinope (gest. vor 160) in Verbindung gebracht wurde. Im Neuen Testament bezogen sie sich v.a. auf Paulus (im 18. Jh. wurde aus der Hochschätzung des Apostels auch der Name abgeleitet); das Alte Testament wurde, wie etwa auch die Bilder- und Kreuzesverehrung und die bestehende kirchliche Hierarchie, abgelehnt. Während der Zeit des Ikonoklasmus im byzantinischen Reich (vgl. II § 83) wohl noch toleriert, wanderten am Ende des 9. Jh.s zahlreiche Paulizianer nach Syrien, Süditalien und auf den Balkan aus. Vor ihrem Verschwinden ab dem 11. Jh. scheinen sie auf dem Balkan die Bogomilen und über diese die Katharer beeinflusst zu haben.
Katharer
Die Katharer oder auch die
Reinen
(griech.
καθαρός
) sind eine ab dem 11. Jh. nachzuweisende, v.a. in Südfrankreich (vgl. II § 113), dann aber auch in Italien und Deutschland verbreitete dualistische Glaubensgemeinschaft mit eigener Kirchenorganisation, die ebenfalls mit der Gnosis und dem Manichäismus (vgl. II § 113) in Verbindung gebracht wurde und wie die Waldenser im Kontext der Laien- und Armutsbewegung zu sehen ist. Äußeres Kennzeichen war eine zumindest in Teilen (die sog.
perfecti
bzw.
perfectae
) streng asketische Lebensführung und ein durch das Gebet bestimmter Tagesablauf. Nach dem in mehreren Phasen geführten Albingenserkreuzzug (1209–1229) waren die Katharer zwar grundsätzlich militärisch besiegt, verschwanden jedoch erst im 14. Jh. endgültig.
Waldenser
Die auf den zu einem Leben in Armut bekehrten Lyoner Kaufmann (Petrus) Valdes (gest. vor 1218) zurückgehenden und bis heute existierenden Waldenser (das 18. Jh. kennt jedoch über zwanzig weitere Bezeichnungen) wurden auf dem Konzil von Verona (1184) erstmals als Häretiker verurteilt und seitdem immer wieder teils massiv verfolgt. Nach ihrer Vertreibung aus Lyon breiteten sich die auch als
Arme von Lyon
bekannten Anhänger Valdes', die ein asketisches Leben anstrebten und im Gegensatz zu den Katharern an den Lehren der römischen Kirche festhielten, sich dann jedoch zunehmend von allem distanzierten, was ihrer Meinung nach nicht im Evangelium begründet war, von Südfrankreich u.a. nach Norditalien aus. Dort wurden sie auch als
Lombardische Arme
bezeichnet. Die weitere Ausbreitung in Europa (u.a. in den deutschsprachigen Raum) verlief regional unterschiedlich, und auch die Anschauungen der einzelnen Gruppen konnten durchaus voneinander abweichen. Gemeinsames Kennzeichen blieb jedoch ein intensiver biblizistischer Schriftbezug.
Auferstehung der Wissenschaften seit dem 15ten Jahrhundert
Gemeint ist der die Antike wiederbelebende Renaissance-Humanismus im Allgemeinen und der Bibelhumanismus – zu nennen sind etwa Melanchthon und Erasmus von Rotterdam, aber auch Hebraisten wie Johannes Reuchlin (1455–1522) – im Besonderen.
gereinigtern Kirchen […] menschliche Grübeley zunahm
Nachdem die Lehre der gereinigteren, d.h. reformatorischen, Kirchen festgelegt war und im Vergleich zu den mittelalterlichen Summen dem Umfang nach massiv reduziert werden konnte (vgl. v.a. Melanchthons
Loci Communes
[1521]), ging man in der Orthodoxie des ausgehenden 16. Jh.s dazu über, diese Lehre methodisch und systematisch zu entfalten. Die Darstellungen führender orthodoxer lutherischer Theologen wie Johann Gerhards (1582–1637) neunbändige
Loci theologici
(1610–1622) und Abraham Calovs (1612–1686) unvollständiges zwölfbändiges
Systema locorum theologicorum
(1655–1677) wurden so wieder kleinteiliger und nahmen dem Umfang nach zu. Bisweilen wird dieses Phänomen als
protestantische Scholastik
(s.o.) bezeichnet.
einige trefliche Sprachkundige, gegen die Mitte des 17ten, die richtige Art der Bibelerklärung
Zu den Vorreitern einer freieren Exegese, die die biblische Überlieferung im 17. Jh. philologisch und historisch, d.h. im Wesentlichen wie jede antike Quelle, erschlossen, gehören der reformierte Theologe Hugo Grotius (vgl. I § 207 c) sowie der Katholik Richard Simon (1638–1712). Während die freiere Bibelauslegung im protestantischen Bereich nach und nach zur Durchsetzung kam (Clericus, Turrettini, Wettstein u.a.), fand der mit Richard Simon im katholischen Bereich auf den Weg gebrachte historisch-kritische Ansatz keine Verbreitung. V.a. in Gestalt Marie-Joseph Lagranges (1855–1938) änderte sich dies erst gegen Ende des 19. Jh.s, Theologen wie etwa Johann Leonhard Hug (vgl. II § 34 c) waren zuvor eher die Ausnahme geblieben.
gegen das Ende desselben, die hallische Theologen mit ihren Schülern, Liebe zur Bibel durch ihr Beyspiel empfahlen
Gemeint ist die Behandlung der Bibel innerhalb des maßgeblich von August Hermann Francke (1663–1727) geprägten halleschen Pietismus (vgl. II § 98) und seiner auf Philipp Jakob Spener zurückgehenden
Collegia biblica
(vgl. II § 63 c). Durch die Beschränkung auf Halle bleibt eine Autorität wie Johann Albrecht Bengel an dieser Stelle unberücksichtigt (vgl. II § 35 c).
Eifer, die Bibel zu forschen, und die exegetische Theologie nach allen ihren Theilen zu bearbeiten, stieg sichtbar seit der Mitte des 18ten Jahrhunderts
Am Ende des in diesem Paragraphen gebotenen exegesegeschichtlichen Abrisses stehen Theologen wie Johann Salomo Semler (vgl. II § 104), Johann David Michaelis (vgl. I § 157), Johann Gottfried Eichhorn (1752–1827) (vgl. II § 34 bzw. II § 34 c) oder Johann August Ernesti (vgl. I § 136), die allesamt zu den Bahnbrechern einer kritischen Exegese und bedeutendsten Vertretern der Aufklärungstheologie zu rechnen sind und mit ihren Arbeiten in der
Anweisung
immer wieder angeführt werden.
20
307
.
Der bisher
empfohlne
empfohlene
angelegentliche und
eigne
eigene
Fleiß
Fleiß ist um so nöthiger, je mannichfaltiger die Kenntnisse und Beschäftigungen sind,
welche erfordert werden, um
die heilige Schrift recht verstehen und
brauchen
gebrauchen
zu lernen, und
je mit
mit je
mehrern Schwierigkeiten man
dabey
dabei
zu kämpfen hat. –
Bey
Bei
allen den Wissenschaften, wo es auf
vielerley
vielerlei
und ausgebreitete Kenntnisse ankommt, wo der Fleiß sehr ins Kleine gehen muß, und wo
Vieles
vieles
Manches sogar
auf einem sichern Gefühl beruht, das erst durch lange Uebung erworben oder befestigt wird, ist es gar nicht zu verwundern, daß der Unwissende oder Anfänger sie sich leichter vorstellt, als sie
sind,
sind
und als er sie hinterher findet. Wenn man auch weiß, daß zu einer Wissenschaft viel gehöre, daß man
dies
dieß
eben nur
lernen
, nicht selbst erfinden, oder nur
als dann
alsdenn
erfinden könne, wo man erst
Vieles
vieles
vorher
von
Andern abgelernt und
gesammlet
gesammelt
hat – wie dieses der Fall
bey
bei
allen historischen Wissenschaften
ist –:
ist: – da
verläßt man sich gar zu leicht auf
Andrer
Anderer
Vorarbeit
Vorarbeit, forscht nicht selbst nach, und beruhigt sich ohne
Prüfung
Prüfung
bey
bei
dem, was man vorfindet. Dieses sind wohl einige Hauptursachen, die das Vorurtheil erzeugen, als wenn
bey
bei
dem exegetischen Studium wenig von uns selbst zu thun, oder
alles
Alles
leicht zu er lernen
sey
sei
, so wie man sich auf der andern Seite die Schwierigkeiten oft zu groß vorstellt, wenn und weil man so viele
auswärtige nöthige
subsidiarische
Kenntnisse
bey
bei
sich vermißt, oder nicht weiß, wo man sie hernehmen soll.
21
308
.
Bey
Bei
der heiligen Schrift kommen noch manche
besondre
besondere
Umstände dazu, welche das Vorurtheil verstärken, daß, sie zu verstehen, so gar schwer nicht seyn könne. Man hat sie von Jugend auf
gelesen,
gelesen
und erläutern gehört, und glaubt, weil uns ihre
Geschichte
Geschichten
und Lehren, den Worten und Sachen nach, geläufig sind, so wäre sie uns auch verständlich genug. Man hat selbst gehört, daß
unsre
unsere
Theologen gegen die römische Kirche die
Deutlichkeit
Deutlichkeit
Deutlichkeit
der heiligen Schrift, als eine
Unterscheidungslehre
Unterscheidungslehre, vertheidigen und beweisen. Wie sollten auch, denkt man, Bücher schwer zu
verstehn
verstehen
, die
Aechtheit
Echtheit
derselben nicht ausgemacht seyn, worin Gott seinen Willen für jedermann, selbst deutlicher als durch die Natur, geoffenbart hat?
Man
man
dürfe sich nur an den ersten einfältigsten Sinn halten, der sich uns darin darstellt, mit Einfalt und Lernbegierde lesen, und Gott um Erleuchtung bitten. Wenn man denn auch in
einzelnen
einzeln
Stellen nicht gerade den eigentlichen Sinn
treffe:
treffe,
so
stoße
stosse
man doch gewiß auf
Wahrheiten
Wahrheiten, die zu
unsrer
unserer
Erbauung
Er bauung dienten. Und wo uns irgend Schwierigkeiten
aufstießen
aufstiessen,
aufstießen:
über welches Buch in der Welt
sey
sei
mehr geschrieben, mehr gedacht, mehr Nutzbares schon
ausgezogen,
ausgezogen
und
ausser
außer
Zweifel gesetzt worden? Nach so vielen und zum Theil
vortreflichen
vortrefflichen
Arbeiten könne schwerlich noch etwas unserm
eignen
eigenen
Fleiß
überlaßen
überlassen
seyn.
Deutlichkeit der heiligen Schrift, als eine Unterscheidungslehre
Im Hintergrund steht die von Luther in
De servo arbitrio
(1525) formulierte Grundannahme von der
claritas
(
externa
bzw.
interna
)
scripturae
(vgl. WA 18 [1908], [551] 600–787, 606–609). Diese wurde in der Folgezeit ausgebaut und gehört als Lehre von der Klarheit (
claritas
bzw.
perspicuitas
) der Schrift im Rahmen der sog.
affectiones scripturae primariae
zum festen Bestand der altprotestantischen Dogmatik. Dagegen bleibt die Schrift nach katholischer Auffassung ohne kirchliches Lehramt dunkel und für Laien unverständlich.
Man dürfe sich nur an den ersten einfältigsten Sinn halten, der sich uns darin darstellt
Vgl. II § 70; II § 143.
22
309
.
Geräth aber, auf der andern Seite, jemand über die verschiedenen Folgen und Lehren, die aus der heiligen Schrift gezogen seyn sollen, und welche
bey
bei
verschiedenen
Parteyen
Partheyen
Parteien
und Menschen einander so sehr widersprechen; merkt er die Abweichungen der
Ausleger
Ausleger von einander, und wird verlegen, was er unter so verschiedenen Erklärungen als das Wahre wählen soll; befriedigen sie oder ihre Gründe ihn nicht; fällt er selbst auf einen Sinn, der ihm einleuchtend scheint, den er aber zu beweisen nicht genug Kenntnisse hat; oder ist er zu ängstlich, um seinen eigenen Einsichten zu trauen, um einen Sinn annehmlich zu finden, der von herrschenden Erklärungen abgeht, oder gegen Meinungen
anzustoßen
anzustossen
scheint, die er für wahre
Religionslehren
Religionslehren hält; oder zu gewissenhaft in göttlichen Dingen, als daß er mit einem Sinn, der sich hören läßt, ohne überzeugende Beweise zufrieden seyn sollte; oder hat jemand auf Schulen durch eine schlechte und ihm durch manche
Nebenumstände
Nebenumstände verleidete Erklärungsart der Bibel oder alter Schriftsteller, einen Widerwillen gegen alle Auslegung
gefaßt,
gefaßt;
oder
er ist
ist er
zu sehr versäumt, als daß er
hoffen
glauben
sollte, das viele Versäumte noch nachholen zu
können,
können;
und hat er nach und nach mehr Geschmack an sogenannten
Realkenntnisse
Realkenntnissen bekommen, und sich an solche gewöhnt; oder hält er
die
diese
für weit wichtiger, als daß er die darauf zu verwendende Zeit noch sogenannten
Wortkenntnisse
Wortkenntnissen und Beschäftigungen des Gedächtnisses aufopfern sollte; und wird
er
vollends in seinem
Eckel
Ekel
dagegen und in dem Wahn von ihrer Entbehrlichkeit durch
Andre
Andere
bestärkt, die ihm
Sprache
Sprachen
,
Bibel
Bibel und die Geschichte in derselben verächtlich machen, seinen Stolz auf die
Fähigkeit
Fähigkeit,
selbst zu
denken
denken,
nähren, oder ihn bereden, daß das Wesentliche der Bibel in sehr Wenigem
bestehe,
bestehe
und schon ganz aufs Reine gebracht
sey
sei
: so ist
es
sehr begreiflich, wie leicht er dadurch und durch das Gefühl der
mancherley Schwierigkeiten,
mancherlei Schwierigkeiten
dahin gebracht werden könne, das Studium der Bibel selbst, oder doch
eignen
eigenen
, ausharrenden Fleiß, ganz aufzugeben.
23
310
.
Beyden
Beiden
Vorurtheilen entgegen zu arbeiten, und auf der einen Seite die Trägheit, auf der
anderen
andern
Muthlosigkeit zu verhüten, ist es sehr noth wendig, sich frühzeitig
theils
den
großen
grossen
Umfang und die
Nutzbarkeit
Nutzbarkeit der
bey dem
für das
Studium der Bibel nöthigen Kenntnisse,
theils
die Mittel bekannt zu machen, wie man
die Schwierigkeiten
dabey
dabei
sie
heben, erleichtern, und sich eine Fertigkeit erwerben könne, die heilige Schrift und ihren Sinn gründlich zu erforschen. Den Werth der Bibel vorausgesetzt,
kan
kann
man sie anders nicht benutzen, als wenn und sofern man überzeugt ist, daß, was man daraus zieht, wirklich darin enthalten
sey
sei
. Diese Ueberzeugung erfordert, wie
bey
bei
jedem Gesetz oder
jeder
Urkunde, daraus man etwas lernen will,
zweyerley
zweierlei
:
erstlich
, daß man mit
Ueberzeugung
Ueberzeugung wisse, was man zur heiligen Schrift rechne,
sey
sei
wirklich, wenigstens im Wesentlichen, dasselbe, was die Verfasser niedergeschrieben haben;
hernach
, daß man den Sinn gefunden, und Grund angeben könne, daß und warum der Sinn, den wir gefunden haben, der einzige wahre, oder doch wahrscheinlichste
sey
sei
. Der
Inbegriff
Inbegrif
der Kenntnisse,
die
welche
die
Aechtheit
Echtheit
der biblischen Bücher und des biblischen Textes betreffen, ist die
biblische
Kritik
Kritik
(Critica sacra), so wie der
Inbegriff
Inbegrif
dererjenigen, welche die Auslegung desselben
angehn
angehen
, die eigentliche
Exegetik
Exegetik
.
Bey beyden
Anm.
Bei beiden
Wissenschaften soll im Folgenden zugleich von ihrem Umfang,
ihrer
Nothwendigkeit, Schwierigkeit, und
Mitteln
den Mitteln,
diese
sie
zu heben, oder gründliche Kenntnisse und Fertigkeiten darin zu erlangen, überhaupt gehandelt werden. Dadurch werden die Vorurtheile von dem zu Leichten oder zu Schweren
bey
bei
dem biblischen Studium von selbst wegfallen, daß sie
dann
keiner
besondern
weitern
Widerlegung bedürfen.
24
311
.
So sehr
diese
die
Kritik
Kritik von
jeher
je her
der Verachtung und noch mehr der Verleumdung der Unwissenden ausgesetzt gewesen ist, die
solche
alle
kritische Versuche
selbst oft
wohl gar
für Anfälle auf Gottes Wort angesehen haben, ohne zu bedenken, daß
biblische
Kritik nur eine Revision des auf uns
gekommnen geschriebnen
gekommenen geschriebenen
oder gedruckten
Textes
Textes
der
Bibel
Bibel
, nicht der
Bibel
selbst,
ist: so ist sie doch nicht nur eine
unschuldige
unschädliche
, sondern
sogar
auch nothwendige Wissenschaft. Soll 1) eine Lehre oder Begebenheit aus einem Zeugniß der
heiligen
heil.
Schrift dargethan, oder eine Redensart als schriftmäßig gerechtfertigt
werden,
werden
(wie
bey
bei
1 Joh. 5, 7.
oder
1 Tim. 3, 16.
bey
bei
Joh. 7, 53.–8, 11.
und
bey
bei
Apostelgesch. 20, 28
): so muß bewiesen werden können, daß das Buch, die Stelle und der Ausdruck
ächt sey
echt sei
, die man als ein Zeugniß anführt (
Th.
1.
§.
74
),
74.
);
und so bodenlos sonst der Beweis seyn würde, so vergeblich wäre die Erklärung einer Stelle oder eines Ausdrucks, um einen Schluß daraus zu ziehen, ehe noch ausgemacht wäre, daß sie von den heiligen Schriftstellern
selbst
herrührten, und sich daraus etwas, als von ihnen gesagt, ziehen
ließe
liesse
.
25
312
.
Sehr oft werden 2) gewisse Bücher, Stellen und
Lesearten
Lesearten der
Bibel
Bibel bestritten, und müssen, wenn sie können,
gerechtfertiget werden; es
gerechtfertigt werden. Es
ist auch unwidersprechlich, daß von
jeher
je her
an der
Aechtheit
Echtheit
einiger Bücher gezweifelt worden, und der Text in
verschiednen
verschiedenen
Handschriften, Uebersetzungen und Anführungen, mit vieler Verschiedenheit durch
Nachläßigkeit
Nachlässigkeit
oder
willkührliche
willkürliche
Aen derungen, zu uns gekommen ist. Anders als nach sichern Regeln und Gründen
kan
kann
doch jene Rechtfertigung nicht
geführet, willkührliche
geführt, willkürliche
Aenderung
können
anders nicht entdeckt und abgelehnt, und überhaupt keine Fehler in diesem Text anders klar gemacht werden. Und ist es eben so unverantwortlich, etwas zu der
heil.
Schrift hinzu, als davon zu thun, etwas
Unächtes
Unechtes
gelten zu
laßen
lassen
, als etwas
Aechtes
Echtes
zu verwerfen: so
bleibt
bleibet
schlechterdings kein anderes
Mittel
Mittel,
sich gegen diese
zwey
beiden
Abwege zu verwahren, als kritische Untersuchung.
Anm.
Es ist also widersinnig, zu behaupten, durch die
Kritik
Kritik würde die heilige Schrift
dem Willkühr
der Willkür
und
dem
Muthwillen der Menschen Preis gegeben; da eben die Kritik das Mittel ist, um zu entdecken, ob
hiebey
hierbei
etwas
willkührlich
willkürlich
und widerrechtlich geschehen
sey
sei
oder nicht, und um diesem zu steuern, oder es zu Schanden zu machen.
26
313
.
Selbst 3) von den Vorwürfen der
erlittnen
erlittenen
Verfälschung
Verfälschung, die man so oft der heiligen Schrift gemacht, und dadurch ihr Ansehen zu schwächen gesucht hat,
kan
kann
sie auf keine andere Art
befreyet
befreiet
werden. Wer der wahren
Kritik
Kritik kundig ist, erschrickt
für
vor
allen solchen Beschuldigungen nicht. Er findet sie, nach angestellter Untersuchung, entweder gegründet oder nicht; verlangt, in jenem Fall, das nicht zu vertheidigen, was nicht zu den heiligen Büchern gehört, und schneidet so die Ge legenheit ab, das
Ansehn
Ansehen
der Bibel zu erschüttern; weiß hingegen, in dem andern
Fall
Falle
, zu zeigen, wie sehr dergleichen Angriffe auf Unwissenheit oder falschen Schlüssen beruhen. Wer aber
bey
bei
diesen Vorwürfen von Verfälschung ängstlich thut, und seine Furcht
für
vor
Gefahr verräth, die der Bibel bevorstehe, bestätigt die Gegner in ihrem
Verdacht; er
Verdacht. Er
könnte es ja sonst nur der ruhigen Untersuchung
überlaßen
überlassen
.
27
314
.
Zu besorgen ist auch nicht, daß 4) durch kritische Untersuchungen die
Bibel
Bibel ungewiß und zweifelhaft gemacht werde, und manches
trefliche
treffliche
Zeugniß aus derselben wegfalle. So lange nichts untersucht wird,
kan
kann
Zweifel und Verdacht nie gehoben werden; die
bloße
blosse
Entdeckung der Verschiedenheit
aber,
aber
macht so wenig die Bücher und ihren Text zweifelhaft, als die Verschiedenheit der Erklärungen einer Stelle den Sinn ungewiß macht; Gründe müssen in
beyden
beiden
Fällen zeigen, auf welcher Seite die
Wahrheit
Wahrheit
sey
sei
. Wenn diese die
Aechtheit
Echtheit
eines Buchs, einer Stelle oder
Leseart
Leseart darthun, so bleibt ihr Zeugniß erhalten; beweisen sie hingegen, sie
sey untergeschoben:
sei untergeschoben,
so verlieren wir weiter nichts als einen falschen Beweis, durch den die Wahrheit nie gewinnt, sondern unwiderleglichen Angriffen ausgesetzt
wird;
wird:
und darüber sich beschweren, was wäre das anders, als mit Gott rechten, daß er uns nicht mehr Bücher und Beweise für eine Wahrheit gegeben habe? – Kurz, alle Klagen und Besorgnisse
bey
bei
der Kritik selbst – nicht
bey
bei
ihrem Mißbrauch, den eben
sichre
sichere
Regeln und Gründe verhüten müssen – beruhen
entweder
auf Unwissenheit, wenn man Verschiedenheit in den Meinungen und Zeugnissen, die Bücher und den Text der Bibel betreffend,
ableugnet
abläugnet
, oder keine kritischen Grundsätze und Entdeckungen gelten
laßen
lassen
will,
oder
,
oder
bei
bey
aller Einbildung von Liebe und Eifer für die Bibel, auf Gleichgültigkeit gegen sie; wodurch man nicht nur selbst die ihr schuldige Untersuchung
vernachlässigt
vernachläßigt
, sondern auch die Arbeiten
andrer
Anderer
, die mehr Kenntnisse und
besseren
beßren
Willen haben, unbenutzt läßt, oder sie gar abschreckt, sie an
unsrer
unserer
Stelle zu unternehmen.
Anm.
Erasmus, Desiderius
Erasmi
Apologia und dessen Capita argumentorum contra morosos quosdam ac indoctos, vor der 2ten Ausgabe seines griechischen neuen
Testamentes (1519)
Testaments (1519.)
, und in dessen folgenden Ausgaben, nebst
verschiednen
verschiedenen
seiner
Apologien
Apologieen
im 9ten Bande seiner Werke nach
Clericus, s. Le Clerc, Jean
Le Clerc, Jean
le
Clerc
Clerc's
Ausgabe;
Bentley, Richard
Rich. Bentley
Anmerkungen über das Buch:
Freyheit
Freiheit
zu denken, nach der deutschen Uebersetzung, Halle
1745
in
1745.
8.
S.
200
f.
f
; und in bündigster Kürze die
Griesbach, Johann Jakob
Griesbachische
Vorrede zum
zweyten
zweiten
Bande seiner Ausgabe des neuen Testaments, sind sehr dienlich, um gleich im Anfang diese Vorurtheile niederzuschlagen.
Rich. Bentley Anmerkungen […] S. 200 f.
Richard Bentleys (unter dem Pseudonym
Phileleutherus Lipsiensis
veröffentlichte)
Remarks upon a late Discourse of Free-Thinking
(1713) wurden mehrfach aufgelegt (
8
1743) und übersetzt. Die deutsche Übersetzung
Richard Bentleys […] Anmerckungen über das Buch Freyheit zu dencken
(1745) besorgte der hallesche Theologe Friedrich Eberhard Rambach (1708–1775). Die hier angeführte
zwey und dreißigste Anmerckung
(aaO 200–263) behandelt John Mills Ausgabe des Neuen Testaments (vgl. II § 35) und verteidigt trotz der in dieser Edition festgestellten etwa 30.000 Textvarianten die prinzipielle Glaubwürdigkeit der neutestamentlichen Überlieferung.
Griesbachische Vorrede zum zweyten Bande seiner Ausgabe des neuen Testaments
Der während des Studiums in Halle u.a. von Semler und Nösselt und in Leipzig von Ernesti beeinflusste Johann Jakob Griesbach (1745–1812) wurde 1773 außerordentlicher Professor der Theologie in Halle, wechselte dann jedoch als Ordinarius nach Jena und prägte die dortige Universität maßgeblich. Griesbach zählt zu den führenden Textkritikern des 18. Jh.s und ist für seine Ausgabe des Neuen Testaments (vgl. II § 34) bekannt. Nach ihm benannt ist die Griesbach-Hypothese, nach der das Lukas- vom Matthäusevangelium abhängig ist und das Markusevangelium eine Kurzfassung beider darstellt. Ein bedeutendes neologisches Werk (vgl. BdN III) ist seine
Anleitung zum Studium der populären Dogmatik
(1779;
4
1789).
28
315
.
Und diesen Fleiß in der biblischen
Kritik
Kritik sollte man um so weniger
schwächen
niederschlagen
, da diese Kri tik ein überaus schweres Studium ist, und nur
äusserst
äußerst
Wenige
wenige
wahren Beruf dazu haben.
Zuerst
hält es schon sehr schwer, die
beyden
beiden
Abwege
hiebey
hierbei
, Aengstlichkeit und Verwegenheit, zu
vermeiden; der
vermeiden. Der
Kranke befindet sich gleich übel
dabey
dabei
, wenn der Arzt
alles
Alles
, und wenn er nichts wagt, nach gar keinen festen Grundsätzen verfährt, oder auch nicht einmal nach solchen etwas unternimmt. Auch der
aufgeklärtester
aufgeklärteste Mann, wenn er gewissenhaft ist, rührt das ungern an, was einmal
das,
das –
gegründete oder
ungegründete,
ungegründete –
Vorurtheil des Göttlichen
oder auch nur durch das Alterthum Geheiligten
vor sich hat; und wer einmal
einzureissen
einzureißen
anfängt, reißt
, wenn er im Reissen ist,
oft auch das Gute und Haltbare mit ab, und braucht, verleitet vom Gefühl seiner Kraft, nur zu oft gewaltsame und verzweifelte Mittel. Wahrer Muth und wahre
Bescheidenheit
Bescheidenheit sind gleich selten.
29
316
.
Wenn
aber auch
jemand hiebey
Doch selbst der, welcher hierbei
mit der
größesten
größten
Vorsicht und Entschlossenheit, also mit wahrer Gewissenhaftigkeit,
verführe: so
verfährt,
wird
er
doch
bey
bei
der Unternehmung
selbst
selbst,
ausnehmende Schwierigkeiten finden, sowohl in Wegräumung der Hindernisse, welche
die
Unwissenheit, Vorurtheile und Irrthümer in diesem Fach
gelegt haben
in den Weg legen
, als in Aufführung des Bessern. Denn erstlich
müßte
bedarf
man
sichre
sicherer
Regeln
Regeln
haben
, wonach man
verführe – und
zu verfahren hat; –
diese
aber
setzen
sichre
Kenntnisse
Kenntnisse
sichere Kenntnisse
,
von den Büchern und deren Text
sowohl,
sowohl
als von den Hülfsmitteln, voraus, die
man
zur Berich tigung des Streitigen
nöthig hat
unentbehrlich sind
. – Wäre
beydes
Beides
denn auch
sichrer
sicherer
als es
meistens nicht
in den meisten Fällen
ist, so würden sich in der
Anwendung
Anwendung
der Grundsätze noch immer neue Schwierigkeiten zeigen.
30
317
.
Wie
viel
einigermaßen
einigermassen
wenig
Sicheres wissen wir 1) von den
vorläufigen Kenntnissen
?
von
Von
der Geschichte der biblischen Bücher, der Sammlung ihrer
Theile,
Theile
(
z. B.
der Psalmen, der
einzelnen
einzeln
Weissagungen in den Propheten
etc.
etc.
) und der Sammlung dieser Bücher in ein Ganzes? von der Geschichte ihres Textes, und der oft so unerklärlichen Art, wie die Verschiedenheit des Textes in den Quellen entstanden ist? von der Geschichte der
Handschriften
Handschriften und der al ten
Uebersetzungen
Uebersetzungen, des Textes in
beyden
beiden
und dessen Veränderungen? von der Fähigkeit, den Hülfsmitteln und der Treue, welche diejenigen hatten oder bewiesen, die uns Stücke dieses Textes in ihren Büchern aufbehalten haben? selbst von der Geschichte der Ausgaben, und der Art des Verfahrens
dabey
dabei
? Wie vieler feinen historischen,
literarischen
litterarischen
und philologischen Kenntnisse und Bemerkungen bedarf es, um nur erst einiges Land zu
gewinnen,
gewinnen;
und wie wenig ist das, was wir hier mit einiger Sicherheit kennen, gegen das, was wir noch erst entdecken
sollten
müßten
, um die
hiebey vorkommende
hierbei vorkommenden
Lücken auszufüllen, und alle Schwierigkeiten befriedigend zu
beantworten.
beantworten!
Anm.
Was hier und in dem Folgenden gesagt ist, fühlt schwerlich jemand,
wer
der
nicht
bey
bei
Untersuchungen dieser Art hergekommen ist, und selbst Versuche gemacht hat. Die wunderbaren Erscheinungen in der alexandrinischen Uebersetzung des
A. Test.
und in griechisch-lateinischen Handschriften des neuen, können hier zu einigen
Beyspielen dienen,
Beispielen dienen;
und wer die kritische Literatur kennt, wie sie sich
ohngefehr
ungefähr
seit den
nächsten
dreyßig
zwanzig
letzten dreißig
Jahren gebildet hat,
kan
einigermaßen
einigermassen
kann einigermaaßen
sehen, wie viel sich in diesem noch so unbekannten Lande, durch Aufsuchung bisher verborgen gewesener Hülfsmittel und durch regelmäßigen
Fleiß,
Fleiß
entdecken
laße
lasse
, und noch zu entdecken übrig
sey
sei
. Traurig ists nur immer, daß, wenn man einigen
Schutt
Schutt weggeräumt hat, um diese
verborgnen
verborgenen
Schätze zu entdecken, so manche
unberufne
unberufene
Arbeiter wieder neuen Schutt aufhäufen, und, unter Vorspiegelung einer höhern Kritik, die guten Gänge zuwerfen, um
andre
andere
zu graben, die statt des Erzes nur
Kolen
Kohlen
enthalten.
{Was würde der selige Verfasser erst gesagt haben, wenn er erlebt hätte, wie wenig zuletzt diese sogenannte höhere
Kritik
Kritik noch als echt an den biblischen, besonders den Schriften des neuen Testaments, möchte gelten lassen!
A. d. H.
}
Was hier und in dem Folgenden gesagt ist, fühlt schwerlich jemand, wer nicht bey Untersuchungen dieser Art hergekommen ist, und selbst Versuche gemacht hat
In seiner Biographie (vgl. Vorrede Hg. c XIf.) betont Niemeyer, dass Nösselt nicht zuletzt aufgrund seiner exegetischen Arbeiten zu den führenden Theologen seiner Zeit gezählt werde (aaO I 252), dass auf dem Gebiet der Exegese nichts Großes oder Kleines geschehen sei, was Nösselts Aufmerksamkeit entgangen wäre (vgl. aaO I 156), und weiß von Nösselts Plan, eine eigene Ausgabe des Neuen Testaments zu besorgen (vgl. aaO I 157). Dass die exegetische Theologie zu Nösselts Interessenschwerpunkten gehörte, wird auch an der relativen Häufigkeit seiner diesbezüglichen Vorlesungen deutlich.
31
318
.
Nach diesen
großentheils
grossentheils
noch so unvollständigen
Kenntnissen
Kenntnissen,
können 2) schwerlich
Grundsätze
Grundsätze
entworfen werden,
die allgemein
denen man eine absolute Allgemeinheit
und
sicher genug wären
Sicherheit zuschreiben könnte
. Wenn es nicht schon
gewissermaßen
gewissermassen
die meisten bisherigen Versuche solcher Regeln bewiesen, die entweder auf ganz falsche Einbildungen gegründet
sind
*)
,
sind,
1
)
oder sich durch ihre Unbestimmtheit selbst
zerstören
**)
:
zerstören:
2
)
so müßte es die Natur der Sache selbst lehren. Manche
Regeln
Regeln sind noch viel zu früh; weil uns die Geschichte der Quellen oder Zeugen fehlt, wonach man erst ihr
Ansehn
Ansehen
beurtheilen könnte, und weil das Ansehen dieser Zeugen meistens erst durch fleißige Untersuchung der Art ihres Textes, und durch sorgfältige Zusammenhaltung desselben mit dem Text anderer
Handschriften
Handschriften, Uebersetzungen
u. s. w.
erkannt werden
kan
†)
.
kann.
3
)
Wo man es aber auch so weit gebracht hat, daß man den Werth gewisser Handschriften
u. s. w.
kennt: so können ja die Regeln,
theils
, wenn sie
allgemeine
Regeln seyn sollen, nur erst nach Vergleichung mehrerer
solchen
solcher
Handschriften
etc.
etc.
unter einander und mit andern Quellen gemacht, mit
einem
Einem
Wort, nur aus mehrern uns gleich gut bekannten Quellen zusammen, abgezogen
werden,
††)
werden;
4
)
theils
, zeigen sich
dabey
dabei
so viele einander entgegenlaufende Erscheinungen, die für und wider einen angenommenen Grundsatz streiten, daß sich etwas
ganz
Allgemeines, ohne viele feinere Bestimmungen, nicht festsetzen läßt.
†††)
5
)
*)
1)
Z. B.
die Regeln: welche
Leseart
Leseart die
meisten
Zeugnisse vor sich hat, ist die
beste;
beste; –
die lateinischen Lesearten sind der Verfälschung verdächtig
u. d. gl.
**)
2)
Z. B.
wenn
alles
Alles
gleich ist
, ist die
ältere
Leseart der
neuern
vorzuziehen; die
schwierigere
oder
ungewöhnlichere
Leseart ist
ächter
echter
als die leichtere
etc.
etc.
†)
3)
So ist das allerdings gewiß, was ehedem niemand
sahe
sah
, daß es
verschiedne
verschiedene
sogenannte
Recensionen
Recensionen oder Arten des Textes im neuen Testament giebt, und daß unter diesen eine alexandrinische ist; aber welche Handschriften, Uebersetzungen und dergleichen diese Recension enthalten,
kan
kann
man zum Theil wohl aus
äusserlichen
äußerlichen
Umständen,
z. B.
dem Texte, wie er
bey
bei
ägyptischen
Kirchenvätern
Kirchvätern
, in der koptischen Version
etc.
etc.
vorkommt,
schließen
schliessen
, noch weit mehr aber aus Vergleichung solcher Lesearten, die gewisse Handschriften vor andern auszeichnen. Und doch hält es wieder schwer, den
allgemeinen
Charakter dieser Recension zu bestimmen, da manche Handschriften in einigen Büchern
dieser
diese
, in andern einer andern folgen, wie
z. B.
die sogenannte alexandrinische in den Briefen
Paulus
Pauli
, nicht so in den Evangelisten; auch noch bis jetzt kein Text in irgend einer solchen Handschrift aufgefunden ist, der nicht auch Lesearten enthielte, die einer andern Recension eigen sind.
††) Und wenn
4) Wenn
also nicht die Geschichte aller dieser Quellen bekannt ist, können die Regeln unmöglich richtig oder bestimmt genug
werden;
werden –
ein Fehler, dessen sich
bey
bei
dem hebräischen Text diejenigen eben sowohl schuldig machen, die den sogenannten masorethischen Text schlechthin verwerfen, als die, so ihn geradezu vorziehen.
†††)
5)
So sind es sehr gute Regeln
bey den
bei dem
griechischen Text des neuen Testaments:
Unter
„Unter
mehrern Lesearten ist diejenige wahrscheinlicher, die mit der sonstigen Art zu reden ebendesselben Schriftstellers am meisten übereinstimmt; ein härterer, ungriechischer Ausdruck ist weniger verdächtig, als der leichtere und sonst gewöhnlichere, und: die Leseart ist die verdächtigere, deren Ursprung aus der andern gezeigt werden
kan.
kann.“
Aber eben sowohl
kan
kann
der Parallelismus zur Veränderung einer Leseart verführt
haben:
haben;
der ungriechische Ausdruck
kan
kann
aus einem
Schreibfehler
Schreibfehler
solchen
solcher
Abschreiber herrühren, die des Griechischen unkundig waren; und die eine Leseart läßt sich
bisweilen
eben sowohl aus der andern, wie diese aus jener ableiten.
32
319
.
Die Hauptsache kommt also 3) immer
auf den selbst
an, der das
Aechte
Echte
von dem
Unächten
Unechten
unterscheiden
will,
will;
und selbst die sichersten
Regeln
Regeln helfen nichts, wo es an der geschickten und vorsichtigen
Anwendung
Anwendung fehlt.
Fleissiges
Fleißiges
Nachforschen auch nach Kleinigkeiten, welche die Geschichte und den Charakter der Quellen aufklären können,
viele
viel
feine Sprachkenntniß der Grundsprachen überhaupt und des Charakters eines biblischen Schriftstellers
insbesondre
insbesondere
; Vorsichtigkeit in der Vergleichung und Anwendung aller solcher Kenntnisse; und ein feines
Gefühl
Gefühl oder kritisches
Genie
Genie, das erst durch lange Uebung reif und sicher wird, müssen
beysammen
beisammen
seyn. Denn es kommen
hiebey
hierbei
so unendlich viele Collisionen gemachter Bemerkungen und
abgezogner
abgezogener
Regeln vor, und diese Collisionen werden nicht einmal bemerkt, vielweniger
mitbenutzt
mit benutzt
, wo nicht sehr viele feine Beobachtungen vorhergegangen sind, daß von der
Geschicklichkeit
Geschicklichkeit und
Gewissenhaftigkeit
Gewissenhaftigkeit des
Kritiker
Kritikers selbst zuletzt
alles
Alles
abhängen muß. Selbst da, wo in allen jetzt bekannten Quellen ein sehr alter Feh ler allgemein ist – ein sehr möglicher und glaublicher Fall – könnte nur das feinere Gefühl ihn entdecken, ob es gleich, um nicht nach
bloßem
blossem
Willkühr
bloßer Willkür
zu ver fahren, durch irgend einige Spur in den bekannten Quellen geleitet werden müßte.
Anm.
So möchte
z. B.
Valckenaer, Lodewijk Caspar
Valkenar
Valkenaer
in den Adnott. crit. in loca quaedam
libr.
libri
novi foederis, hinter
Hemsterhuis, Tiberius
Ti.
Tib.
Hemsterhusii
Orationibus (Lugd. Bat. 1784.
8.)
p.
365
seq.
wohl
recht
Recht
haben, daß
Luc. 19, 38
statt
εἰρήνη ἐν οὐρανῷ
, zu lesen
sey
sei
,
εἰρ. ἐν
ἀνθρώποις
. Denn die gemeine Leseart hat keinen schicklichen
Sinn;
Sinn,
die ähnliche Stelle
Kap.
2, 14.
erforderte
ἐν ἀνθρώποις
, oder etwas Aehnliches; die alexandrinische Handschrift hat
οὐρανοις
οὐρανοῖς
, aus der Abkürzung
αν
οις
ανοις
(
ἀνθρώποις
) konnte leicht
ουν
οις
οὐνοις
(
οὐρανοῖς
) entstehen, wie
Apocalyps.
Apokalyps.
16, 18.
wirklich geschehen ist, und
dies
dieß
in das gewöhnlichere
οὐρανῷ
frühzeitig übergehen.
Valkenar in den Adnott. crit. […] p. 365 seq.
Der hier angeführte Band beinhaltet Reden des niederländischen Philologen Tiberius Hemsterhuis und seines Schülers Lodewijk Caspar Valckenaer (vgl. I § 90). Den Reden Valckenaers sind die
Schediasma, specimen exhibens Adnotationum Criticarum in loca quaedam Librorum Sacrorum Novi Foederis
(aaO 324–412) angehängt. Hier findet sich seine in der
Anweisung
nachfolgend wiedergegebene Auseinandersetzung der unterschiedlichen Lesarten in Lk 19,38; 2,14; Offb 16,18 (vgl. aaO 365f.).
εἰρ.
D.i. erneut
εἰρήνη
.
33
320
.
Diese
großen
grossen
Schwierigkeiten, welche mit der biblischen
Kritik
Kritik verknüpft sind, beweisen, daß es nicht jedem, der sich auf das gelehrte Studium der
Bibel
Bibel legt, zur Pflicht gemacht werden könne, sich selbst auf diese Kritik
einzulaßen
einzulassen
; welches aber keinesweges die Pflicht ausschließt, sich mit den nothwendigsten
Kenntnisse
Kenntnissen, die dazu gehören, bekannt zu machen, und das zu benutzen, was uns Kenner darin vorgearbeitet haben. Denn wer 1) gar keine Kenntniß davon hat,
kan
kann
ja nicht beurtheilen, wie weit sie und die Uebungen in dergleichen Arbeiten ihm doch nöthig seyn möch ten, und wie weit er Fähigkeit dazu
habe,
habe
oder erlangen könne? als woraus er erst abnehmen
kan
kann
, ob und wie weit es für
ihm
ihn
Pflicht
sey
sei
, sich damit zu beschäftigen. Er
kan
kann
2) sonst gewisse oft sehr herrschende und scheinbare Vorurtheile nicht vermeiden, die ihm in der rechten
Auslegung
Auslegung sowohl als in dem Gebrauch, den er von der Bibel macht, ungemein hinderlich fallen, und auf Irrthümer führen; wovon die
bekannte Streitigkeit über das Alterthum und die
Avthentie
Authentie
der
Puncte
Punkte
und
Accente
Accente im hebräischen Texte des alten Testaments, und die oben (§.
24
311
24.
) angeführten Stellen der
Bibel
Bibel,
zum
Beyspiel
Beispiel
dienen können. Er
kan
kann
3) viele Schwierigkeiten
bey
bei
der
heil.
Schrift nicht
überzeugend
auflösen, und viele Angriffe auf dieselbe nicht widerlegen, die aus der fälschlich
angenommnen Aechtheit
angenommenen Echtheit
gewisser Bücher, oder deren Stellen und
Lesearten
Lesearten, entstehen, oder hergenommen werden, noch das, was
ächt
echt
ist, gegen ungegründete Vorwürfe oder Eingriffe vertheidigen. Und 4) selbst in die Erklärung des Sinnes der
heil.
Schrift hat diese Kritik so vielen Einfluß, daß oft weder der rechte, noch auch einmal ein erträglicher Sinn gefunden werden
kan
kann
, wenn man der Kritik ganz unkundig ist. Es ist doch ein
großes
grosses
Glück, wenn wir
bey eignem
bei eigenem
Unvermögen uns auf Kenner und ihre Untersuchungen
verlaßen
verlassen
können. Nur
verlassen können; nur
die unverzeihlichste Gleichgültigkeit
kan
kann
solche Vorarbeiten unbenutzt
laßen
lassen
, und nur der einfältigste Stolz
kan
kann
sich den Trotz auf Dinge zu gut halten, die man nie gründlich untersucht hat, oder auch nur untersuchen
kan
kann
, oder das verachten, was über
unsre
unsere
Fähigkeiten und Begriffe ist.
bekannte Streitigkeit […] im hebräischen Texte des alten Testaments
Vgl. I § 165.
34
321
.
Es sollte daher jeder, der, als Gelehrter, die heilige Schrift studieren will, wenigstens 1)
bey
bei
solchen biblischen Untersuchungen eine Ausgabe des
Grundtext
Grundtextes zum Grunde legen, die einen mit kritischem Fleiß und Gewissenhaftigkeit behandelten Text enthält, zumal wenn die, wenigstens
erheblichen
erheblichsten
,
Lesearten
Lesearten mit ihren Zeugnissen
beygefügt
beigefügt
sind, wovon wir
im neuen
Testamente
Testament
ein
vortrefliches
vortreffliches
Muster an der
Griesbach, Johann Jakob
Griesbachischen
und
Knapp, Georg Christian
Knappischen
Ausgabe haben;
so wie die
Doederlein, Johann Christoph
Döderlein
-
Meisner, Johann Heinrich
Meisnersche
Besorgung der Ausgabe von
Reineccius, Christian
Reineccius
dieß für das alte Testament leistet;
2) sich die besten Bücher bekannt machen, welche
theils
historische Kenntnisse sowohl von der Geschichte der biblischen Bücher als von den allgemeinern Ver änderungen ihres Textes und von den Quellen, woraus ihre Kenntniß geschöpft werden
kan
kann
,
theils
bewährte
Regeln
Regeln der biblischen
Kritik
Kritik, oder doch geprüfte Vorschläge von dem rechten und vorsichtigen Verfahren
bey
bei
Beurtheilung des biblischen Textes, enthalten.
Noch fehlt es uns freylich zum Theil an solchen, die für den Anfänger oder den brauchbar wären, der sich auf keine tiefere Untersuchungen
einlaßen
einlassen
kan, worin auch nur das alles gesammlet und wohl geordnet wäre, was man bis jetzt in diesem Felde entdeckt hat. Bey dem alten Testament könnte man die
Eichhorn, Johann Gottfried
Eichhornische
Einleitung ins alte
Testament,
Testament
verglichen mit der
Carpzov, Johann Gottlob
Carpzovschen
Introductione und Critica S. V. T., bey dem neuen die
Michaelis, Johann David
Michaelische
Einleitung, nach der
4ten
3ten
Auflage, als die bis jetzt besten Handbücher, brauchen, so weit man die Angaben darin bewiesen findet. Die übrigen (in der
Anweisung zur Kenntniß der besten allgemeinern Bücher in der Theologie
Anweisung zur Kenntniß der besten allgemeinen Bücher in der Theologie
§. 26 und 27. 30–32. 34
flgg.
60–64
erwähnten
erwehnten
) Schriften sind mehr zum Theil schätzbare Beyträge zur Beförderung dieser Kritik. Was man in den genannten Handbüchern, zumal in Absicht auf verschiedne Lesearten des biblischen Textes, sonderlich im alten Testament, nicht findet, das müßte man von den gelehrten und vorsichtigsten Auslegern lernen, die bey Erklärung biblischer Bücher auch die wichtigsten Lesearten mit
erwähnt
erwehnt
und geprüft haben.
Anm.
{Von den Untersuchungen über die
Echtheit
Echtheit oder Unechtheit der biblischen Bücher, findet man in den
Einleitungen
die beste Auskunft. Unter denen über das alte Testament, zeichnet sich die
Eichhorn, Johann Gottfried
Eichhornsche
und die kürzere
Bauer, Georg Lorenz
Bauersche
, über das neue Testament die
Michaelis, Johann David
Michaelisische
mit
Marsh, Herbert
Marsh
Zusätzen, die
Hänlein, Heinrich Karl Alexander
Hänleinsche
, daß gleiche die
Eichhorn, Johann Gottfried
Eichhornsche
, und vorzüglich auch die
Hug, Johann Leonhard
Hugsche
aus. Ueber die sämmtlichen biblischen Schriften verbreiten sich die
Einleitungen
von
Bertholdt, Leonhard
Berthold
und
De Wette, Wilhelm Martin Leberecht
de Wette
.}
im neuen Testamente ein vortrefliches Muster an der Griesbachischen Ausgabe haben
Nach den Ausgaben Mills, Bengels und Wettsteins (vgl. II § 35) stellt Johann Jakob Griesbachs
Novum Testamentum Graece
(1775/1777;
2
1796/1806;
3
1803/1807) den Höhepunkt der wissenschaftlichen Editionen des Neuen Testaments im 18. Jh. dar. Auch wenn der bis auf Erasmus von Rotterdam zurückgehende
textus receptus
bereits zuvor immer wieder in Frage gestellt wurde, gilt Griesbach als der erste, der diesen an gleich mehreren hundert Stellen abänderte. Seine Edition wurde zum Vorbild nachfolgender Ausgaben, sein Text fand im 19. Jh. weite Verbreitung und wurde letztlich erst durch die Ausgabe (1898) Eberhard Nestles (1851–1913) abgelöst. In der dritten Auflage der
Anweisung
ist zusätzlich das
Novum Testamentum Graece
(1797;
3
1824) Georg Christian Knapps (1753–1825) angeführt, der als Sohn des Pietisten und Direktors der Franckeschen Stiftungen Johann Georg Knapp (1705–1771) in Halle studiert und nach einer Stelle als Lehrer an der Waisenhausschule und einer Studienreise seit 1782 ebenda eine ordentliche theologische Professur innehatte. Zudem wurde er wenig später Kondirektor der Franckeschen Stiftungen. Gemeinsam mit Nösselt und Niemeyer gehörte Knapp – häufig als letzter Repräsentant des halleschen Pietismus bezeichnet – zu den prägenden Gestalten des theologischen Seminars. Knapps griechischer Text des Neuen Testaments war so geschätzt, dass Johann Severin Vater (1771–1826) 1824, in demselben Jahr, in dem auch die dritte Auflage der Knappschen Ausgabe erschien, auf Grundlage Griesbachs und Knapps eine eigene Handausgabe besorgte.
Döderlein-Meisnersche Besorgung der Ausgabe von Reineccius
Gemeint ist die ursprünglich von Christian Reineccius (1667–1752) (vgl. I § 160) besorgte und von Johann Christoph Doederlein und Johann Heinrich Meisner (1755–1813) durch die Berücksichtigung der Varianten Kennicotts und de Rossis (vgl. II § 35) verbessert herausgegebene
Biblia hebraica Veteris Testamenti
(1793).
Eichhornische Einleitung ins alte Testament
Aufgrund seiner dreibändigen
Einleitung ins Alte Testament
(1780–1783), die Johann David Michaelis' unvollendet gebliebene
Einleitung in die göttlichen Schriften des Alten Bundes
(1787) überragte und die in der vierten Auflage (1823–1824) auf fünf Bände angewachsen war, wird der bedeutende, theologisch der Neologie zuzurechnende Historiker, Orientalist und Philologe Johann Gottfried Eichhorn (1752–1827) nicht selten als Begründer der kritischen Einleitungswissenschaft angesprochen. In diesem Zusammenhang sei auch Eichhorns
Einleitung in die apokryphischen Schriften des Alten Testaments
(1795) erwähnt.
Carpzovschen Introductione und Critica S. V. T.
Gemeint sind die dreiteilige
Introductio in libros canonicos bibliorum Veteris Testamenti omnes
(1714–1721;
4
1757) und die ebenfalls dreiteilige
Critica sacra Veteris Testamenti
(1728;
2
1748) des Leipziger Extraordinarius und späteren Lübecker Superintendenten Johann Gottlob Carpzov (1679–1767), der als Vertreter der lutherischen Orthodoxie die zunehmend in Frage gestellte Verbalinspiration des Alten Testaments verteidigte.
Michaelische Einleitung, nach der 4ten Auflage
Beide Bände der vierten und letzten von Johann David Michaelis besorgten Auflage der
Einleitung in die göttlichen Schriften des Neuen Bundes
stammen aus dem Jahr 1788, die in der ersten Auflage der
Anweisung
angeführte dritte Auflage aus dem Jahr 1777. Als
Zusätze und Veränderungen der vierten Ausgabe
sind die gegenüber der dritten Auflage vorgenommenen Neuerungen 1788 auch separat erschienen. Aufgrund seiner richtungsweisenden
Einleitung
zählt Michaelis wie sein Göttinger Nachfolger Johann Gottfried Eichhorn (1752–1827) (s.o.) zu den Begründern der biblischen Einleitungswissenschaft.
Anweisung zur Kenntniß der besten allgemeinern Bücher in der Theologie
Vgl. I § 43.
Eichhornsche und die kürzere Bauersche
Anders als die mehrbändige
Einleitung
Eichhorns (s.o.) ist der für seine Vorlesungen konzipierte
Entwurf einer Einleitung in die Schriften des alten Testaments
(1794;
3
1806) Georg Lorenz Bauers in nur einem Band erschienen. In der Vorrede zur ersten Auflage stellt Bauer die Bedeutung der Eichhornschen
Einleitung
nicht nur für seinen eigenen
Entwurf
heraus, wehrt sich jedoch dagegen, dass man ihn für einen bloßen Epitomator halte. Exegesegeschichtlich wird Bauer immer wieder eine Eigenständigkeit gegenüber Eichhorn attestiert.
Michaelisische mit Marsh Zusätzen
Die vierte Auflage von Michaelis'
Einleitung in die göttlichen Schriften des Neuen Bundes
(s.o.) ist von dem späteren Bischof Herbert Marsh (1757–1839), der u.a. bei Michaelis studiert hatte, ins Englische übersetzt und mit umfangreichen Anmerkungen versehen worden (1793). Diese vielbeachteten Anmerkungen sind von Ernst Friedrich Karl Rosenmüller (1768–1835), 1817 mit der Ehrendoktorwürde der Universität Halle bedacht, unter dem Titel
Herbert Marsh's Anmerkungen und Zusätze zu Joh. David Michaelis Einleitung in die Göttlichen Schriften des Neuen Bundes
(1795/1803) ins Deutsche übersetzt und mit Michaelis' Korrekturen aus dessen eigenem Handexemplar angereichert worden.
Hänleinsche
Heinrich Karl Alexander Hänlein (1762–1829) hat sich mit seinem
Handbuch der Einleitung in die Schriften des neuen Testaments
(1794;
2
1801–1809) an Michaelis' maßgeblicher
Einleitung
(s.o.) abgearbeitet und diese formal und inhaltlich modifiziert, so dass dem
Handbuch
– ähnlich wie bei Bauer und Eichhorn (s.o.) – nicht selten eine grundsätzliche Eigenständigkeit zugesprochen wird. 1802 ist zudem Hänleins auf dem
Handbuch
fußendes
Lehrbuch der Einleitung in die Schriften des neuen Testamentes für Akademien und Gymnasien
erschienen.
Eichhornsche
Johann Gottfried Eichhorn (1752–1827) hat neben seiner bahnbrechenden
Einleitung ins Alte Testament
(s.o.) auch eine fünfbändige
Einleitung in das Neue Testament
(1804–1827) verfasst, in der etwa die bereits zuvor in Aufsatzform vertretene Urevangeliumshypothese, nach der die drei synoptischen Evangelien auf eine griechische Übersetzung eines aramäischen Urevangeliums zurückgehen, ausgeführt und begründet wird.
Hugsche
Die
Einleitung in die Schriften des Neuen Testaments
(1808;
4
1847) des katholischen Theologen und Orientalisten Johann Leonhard Hug (1765–1846), in Freiburg zunächst Professor für orientalische Sprachen und Altes Testament, später auch für das Neue Testament, zeichnet sich durch konsequente Anwendung der historisch-kritischen Methode aus, wie sie in der katholischen Exegese durch Richard Simon (1638–1712) auf den Weg gebracht wurde (vgl. II § 19).
Einleitungen von Berthold und de Wette
Gemeint ist die eigentümlich angeordnete und nicht selten als umständlich empfundene sechsteilige
Historischkritische Einleitung in sämmtliche kanonische und apokryphische Schriften des alten und neuen Testaments
(1812–1819) des Erlanger Theologen Leonhard Bertholdt (1774–1822) sowie Wilhelm Martin Leberecht De Wettes
Lehrbuch der historisch kritischen Einleitung in die Bibel Alten und Neuen Testaments
. Der erste Teil (Altes Testament) ist 1817 (
8
1869) erschienen, der zweite Teil (Neues Testament) erst 1826 (
6
1860).
35
322
.
Fände
Findet
man nun
bey
bei
dem
eigenen
Studium der Bibel selbst Geschmack an
kritischen
kritischen
Untersuchungen;
fühlte
fühlt man
sich dazu vorzüglich aufgelegt – welches man daraus abnehmen
könnte
kann
, wenn
man, bey
man bei
angestellten
eignen
eigenen
Versuchen in der
Kritik
Kritik
sähe
fühlt
, daß
unser
sein
Urtheil über
Lesearten
Lesearten, und die Art, wie
wir dabey verfahren
man dabei verfährt
, mit dem Urtheil und Verfahren der besten Kenner
übereinträfe; – hätte
übereintrifft; – hat
man
Gelegenheit,
Gelegenheit
die hier nothwendigen
Hülfsmittel
Hülfsmittel
und
Sammlungen, (die in gedachten Stellen der eben §.
34.
321.
genannten
Anweisung
etc.
etc.
angeführt sind), bey dem alten Testament wenigstens die beyden Hauptsammlungen von
Kennicott, Benjamin
Kennicott
und
De Rossi, Giovanni Bernardo
de Roßi
, bey dem neuen die
Mill, John
Millischen
,
Wettstein, Johann Jakob
Wetsteinischen
Wettsteinischen
,
Griesbach, Johann Jakob
Griesbachischen
, auch des
Letztern
letztern
Symbolas criticas (
Tom.
prior. Halae 1785.
8.), nebst den alten Uebersetzun gen des
A.
und
N.
T.
Test.
mit genugsamer Kenntniß ihrer Sprache,
Sammlungen
zu
brauchen
gebrauchen
; und
würde
wird
man durch dergleichen Untersuchungen nicht von wichtigern, weit näher
zu unserm
zum
Beruf
gehörigen,
gehörigen
Beschäftigungen abgehalten: so
könnte
mag
man sich
schon auf nähere Untersuchungen in diesem Fach legen, und man wird, wo alle genannte Voraussetzungen da sind, aus der bisherigen Aufmerksamkeit auf die besten Kritiker dieser Art und aus eigner Beobachtung hinlänglich finden, was bey diesem weitern Fleiß zu thun sey.
diesem Studium auch recht eigentlich hingeben und auf der Bahn der glücklichsten Vorgänger fortschreiten.
Anm.
1.
Wer schon
, auch
mit kritischem
Auge,
Auge
die Werke der alten
griechischen
griechischen
und
lateinischen Schriftsteller
lateinischen Schriftsteller
gelesen hat, wird viel
zuverläßiger
zuverlässiger
urtheilen können, ob er
auch Beruf
Beruf auch
zur Kritik des biblischen Textes habe; nur versteht
sichs
sich's
, daß er
bey
bei
der letztern sich vorher mit der eigenthümlichen
Sprache
Sprache desselben, die von
jener
jenem
sehr abgeht, und zum Theil auch
andre
andere
kritische Regeln erfordert, und mit der Geschichte der Bücher und des Textes wohl bekannt gemacht haben müsse. Je schwerer die biblische Kritik ist, und je wichtiger der Inhalt der Bibel, desto weniger sollte man sich an jene wagen, wenn man nicht dazu schon durch das kritische Lesen der sogenannten
Profanscribenten
Profanscribenten
Profanskribenten
wäre gebildet worden.
Anm.
2. Für allgemeine Kritik, ohne besondere Rücksicht auf die biblische, bleibt
Clericus, s. Le Clerc, Jean
Le Clerc, Jean
Clerici
ars critica ein schätzbares Werk. Die biblische (critica sacra) ist theoretisch von
Bauer, Georg Lorenz
Bauer
,
Wettstein, Johann Jakob
Wettstein
,
Griesbach, Johann Jakob
Griesbach
,
Semler, Johann Salomo
Semler
behandelt. Die Hauptsammlungen der Lesearten aus den Handschriften und Uebersetzungen sind bei dem alten Testament von
Kennicott, Benjamin
Kennicot
und
De Rossi, Giovanni Bernardo
de Rossi
, bei dem neuen Testament von
Mill, John
Mill
,
Bengel, Johann Albrecht
Bengel
,
Wettstein, Johann Jakob
Wettstein
,
Griesbach, Johann Jakob
Griesbach
,
Matthäi, Christian Friedrich von
Matthäi
veranstaltet worden.
A. d. H.
Kennicott und de Roßi
Der Geistliche und Hebraist Benjamin Kennicott (1718–1783) hat mit seinem
Vetus Testamentum hebraicum cum variis lectionibus
(1776–1780) die bis dahin umfassendste Kollation hebräischer Manuskripte geliefert (unter Mithilfe zahlreicher Gelehrter wurden insgesamt 615 hebräische Manuskripte, 16 Handschriften des samaritanischen Pentateuch sowie 52 Editionen verglichen). Trotz einiger Mängel ist diese Sammlung noch immer als Meilenstein in der Geschichte der Textüberlieferung des Alten Testaments anzusprechen. Der in Parma lehrende Hebraist Giovanni Bernardo de Rossi (1742–1831) führte Kennicotts Arbeit mit den vierbändigen
Varia lectiones Veteris Testamenti
(1784–1788) und einem dazugehörigen Supplementband (1798) weiter und erhöhte die Gesamtzahl der kollationierten Manuskripte auf etwa 1500. Beide Werke finden bis heute Beachtung, ihr Wert für die Textkritik des Alten Testaments war und ist jedoch umstritten.
Millischen, Wetsteinischen, Griesbachischen, auch des Letztern Symbolas criticas (Tom. prior. Halae 1785. 8.)
In chronologischer Reihenfolge werden maßgebliche NT‐Editionen des 18. Jh.s aufgezählt: John Mills (1645–1707) in Oxford erschienenes
Novum Testamentum Graecum
(1707), das später von Ludolf Küster neu besorgt wurde (Rotterdam 1710; Leipzig 1723; Amsterdam 1746) (vgl. II § 27), dann das sowohl aufgrund des textkritischen (s.u.) als auch aufgrund des Annotationenapparates berühmte
Novum Testamentum Graecum
(1751/1752) Johann Jakob Wettsteins und schließlich die bahnbrechende Ausgabe Johann Jakob Griesbachs (vgl. II § 34). Griesbachs zweibändige
Symbolae criticae
(1785/1793), die eine Nachlese des v.a. von Wettstein zusammengetragenen textkritischen Materials nebst eigenen Vergleichen darstellen, sind zwar nach der Erstauflage seines
Novum Testamentum Graece
(1775/1777) erschienen, können jedoch als Vorarbeit zu dieser Ausgabe verstanden werden.
Clerici ars critica
Die 1697 in zwei Bänden erschienene und 1700 um einen dritten Band erweiterte
Ars Critica
des aus Genf stammenden und nach seinem Übertritt zum Arminianismus am Amsterdamer Remonstrantenseminar lehrenden Jean Le Clerc (Clericus) (1657–1736) war als Standardwerk der Textkritik bis weit in das 18. Jh. hinein in Gebrauch.
Bauer
Nach dem Studium in Altdorf war Georg Lorenz Bauer (1755–1806) zunächst zehn Jahre als Frühprediger an der Nürnberger Schloßkapelle tätig. 1786 wurde er ebenda Lehrer und ein Jahr später Konrektor an der Schule bei St. Sebald, 1789 als Nachfolger seines Altdorfer Lehrers Johann Andreas Michael Nagel (1710–1788) Professor für Beredsamkeit, morgenländische Sprachen und Moral, bevor er ein Jahr vor seinem Tod eine Professur für morgenländische Literatur und biblische Exegese in Heidelberg übernahm. Bauer gilt innerhalb der Aufklärungstheologie als bedeutender Vertreter einer streng historisch verfahrenden
theologia biblica
, im Titel seiner
Einleitung in das Alte Testament
(1794) hat er den Begriff
historisch-kritisch
erstmals programmatisch verwendet. Hervorzuheben ist zudem seine Arbeit zu Mythos und Mythologie. An dieser Stelle ist Bauers
Critica sacra Veteris Testamenti
(1795) im Blick, die aus der Bearbeitung der
Philologia Sacra
des Salomon Glaß (vgl. I § 161) hervorgegangen ist.
Wettstein
Der in Basel geborene und nach massiven Auseinandersetzungen in seiner Heimatstadt (
Wettsteinhandel
) als Nachfolger Le Clercs am Seminar der Remonstranten in Amsterdam lehrende Johann Jakob Wettstein (1693–1754) gehört zu den bedeutendsten Textkritikern nicht nur des 18. Jh.s. Die seiner zweibändigen Ausgabe des Neuen Testaments (s.o.) beigegebenen
Prolegomena ad Novi Testamenti Graeci editionem accuratissima
waren anonym bereits 1730 erschienen und können als bis dahin gründlichste Studie zur neutestamentlichen Textkritik gelten, der textkritische Apparat seiner Ausgabe übertraf alles bisher Dagewesene. Dass die
variae lectiones
zu Wettsteins wissenschaftlichem Lebensthema werden würden, deutete sich bereits mit der in der
Disputatio
(1713) vertretenen These
integritatem scripturae per lectionum diversitatem non labefactari
an, mit der Wettstein sein Studium in Basel abschloss. Wettsteins
Prolegomena
wurden später von Semler erneut herausgegeben (s.u.).
Griesbach
Theoretische Äußerungen zur Textkritik finden sich in den Vorreden zu Griesbachs (vgl. II § 27) Ausgaben des Neuen Testaments (vgl. II § 34).
Semler
Seit seiner Magisterdisputation 1750 hat sich Johann Salomo Semler immer wieder eingehend mit textkritischen Fragen beschäftigt. Besonders hervorzuheben ist seine Neuausgabe (1764) der
Prolegomena
Johann Jakob Wettsteins (s.o.). Ursprünglich finden sich innerhalb der
Prolegomena
auch die
Animadversiones et cautiones ad examen variarum lectionum N.T. necessariae
, die in Wettsteins NT-Edition (s.o.) in den Anhang gewandert sind. In Semlers Ausgabe der
Prolegomena
finden sich die
Animadversiones
nicht, stattdessen hat er sie gemeinsam mit dem ebenfalls im Anhang der NT-Edition abgedruckten Stück
De interpretatione libri Apocalypseos
unter dem Titel
Libelli ad crisin atque interpretationem Novi Testamenti
(1766) erneut herausgegeben.
Bengel
Nach dem Studium an der Universität Tübingen wurde Johann Albrecht Bengel (1687–1752) zunächst Stiftsrepetent und Vikar und nach einer Studienreise mit dem Hauptziel Halle im Jahre 1713 Lehrer an der neugegründeten Klosterschule Denkendorf. In dieser Position prägte Bengel als große Gestalt des württembergischen Pietismus (vgl. II § 98) wenigstens zwei Generationen von Schülern und damit nachhaltig die gesamte Landeskirche. Da die erhoffte universitäre Karriere ausblieb, wurde er 1741 Prälat von Herbrechtingen, ab 1747 Mitglied des Landtages und 1749 Abt von Alpirsbach mit Sitz in Stuttgart, ein Jahr vor seinem Tod verlieh ihm die Tübinger Universität ehrenhalber den theologischen Doktortitel. Bengel hat ein umfangreiches Werk und eine reichhaltige Korrespondenz hinterlassen und gehört mit seiner (mit Ausnahme der Johannesapokalypse) den
textus receptus
bietenden und mit einem umfangreichen textkritischen Apparat versehenen Ausgabe des Neuen Testaments (1734) zu den maßgeblichen Wegbereitern der neutestamentlichen Textkritik. Es fällt auf, dass Bengel in der Ausgabenabfolge der ersten beiden Auflagen der
Anweisung
fehlt (vgl. II § 19).
Matthäi
Gemeint ist Christian Friedrich von Matthäi (1744–1811), der sich nach dem Studium der klassischen Philologie in Leipzig 1770 ebenda habilitierte. Auf Empfehlung Ernestis wurde Matthäi 1772 zunächst Gymnasialdirektor in Moskau, wenige Jahre später außerordentlicher und schließlich ordentlicher Professor der klassischen Philologie an der dortigen Universität. 1782 wurde er zudem zum Kollegienrat ernannt. Nachdem ihn seine Gesundheit während eines Heimaturlaubes an der Rückreise nach Russland gehindert hatte, übernahm Matthäi 1785 das Rektorat der Meißener Fürstenschule und 1789 eine Professur für Griechisch in Wittenberg. Neben den Klassikern galt sein Interesse dem Neuen Testament, das er zuvor in griechisch-lateinischer Ausgabe (1782–1788) besorgt hatte. In Wittenberg erschien dann u.a. auf Grundlage Moskauer Handschriften sein heute kaum noch bekanntes zweibändiges
Novum Testamentum Graece
(1803/1804). Kurz darauf kehrte Matthäi nach Moskau zurück, wo er, inzwischen zum Kaiserlich-russischen Hofrat ernannt, starb.
36
323
.
Unentbehrlicher als die
Kritik
Kritik
ist
freylich
freilich
die biblische
Exegetik
Exegetik
, oder der
Inbegriff
Inbegrif
der zur Ein sicht in den
Verstand
der heiligen Schrift nöthigen Kenntnisse, und alles desjenigen, was dazu dient, eine Fertigkeit in Anwendung dieser Kenntnisse auf die Erklärung der heiligen Schrift zu
erlangen
erlangen.
(§.
23
).
310
).
23.
)
Eine jede Schrift, welche nicht bloß allgemeine Sätze, sondern auch
Geschichte
Geschichte enthält, oder welche jene in Rücksicht auf die Denkungsart, Kenntnisse, Bedürfnisse und besondern Umstände gewisser Leser vorträgt – und
dies
dieß
ist augenscheinlich der Fall
bey
bei
den biblischen
Büchern –:
Büchern –,
erfordert nicht nur, wenn sie recht verstanden werden soll,
Kenntniß der Sprache
, worin sie abgefaßt ist, sondern auch
historische
Kenntnisse
Kenntnisse
, und, wie jede Beschäftigung, wovon man sich oder Andern Rechenschaft geben soll,
Regeln
Regeln
, wonach man in ihrer Anwendung verfährt, um den Sinn zu finden, und ihn Andern überzeugend mitzutheilen, so wie
fleissige
fleißige
Uebung
Uebung
, nach diesen Regeln zu verfahren, um die nöthige Fertigkeit in der Erklärung zu erlangen.
37
324
.
Wie nothwendig es
sey
sei
, gute
Kenntnisse in
Sprachen
Sprachen
mitzubringen, ehe man zur
Erklärung
Erklärung der heiligen Schrift schreiten will,
und
in welchen
Sprachen? dies
Sprachen, dieß
ist schon oben gezeigt
worden
worden.
(
Th.
1.
§.
113
–
120.
§.
150
flgg.
).
fgg.
)
Wer sie nicht schon, wenigstens
nothdürftig
nothdürfig
,
mitbringt
besitzt
, wenn er sich auch der Anweisung eines Andern in wirklicher Erklärung der
heiligen
heil.
Schrift bedient, der wird ihm wohl nachsprechen lernen, wird al lenfalls die
Günde
Gründe
fassen, womit jener die Er klärung unterstützt; aber selbst
ein
Ausleger wird er nie
werden, er
werden. Er
wird
ohnehin alles
vielmehr Alles
, wozu nicht
bloßes
blosses
Nachdenken zureicht, bloß auf
Credit
Credit
Glauben
seines Vorgängers annehmen müssen; es
sey
sei
denn, daß er nun noch erst anfange, sich auf die bisher versäumten Sprachen mit einem
Fleiß
Fleiße
zu legen, der kaum zu erwarten ist, wenn man so lange dieses Sprachstudium
hat
anstehen
laßen
lassen
, und der
Geschmack
Geschmack an andern unterhaltenderen
Kenntnissen,
Kenntnissen
den Geschmack an jenem kaum noch aufkommen läßt. Setzt sein Lehrer ohnehin billig jene Kenntnisse und einige Fertigkeit in solchen Sprachen voraus, als etwas, das man schon auf Schulen sollte erworben haben, und hält sich nur
bey
bei
dem Schwerern, sonderlich in Absicht der in der
Bibel
Bibel vorkommenden Sachen, auf: so muß ein solcher versäumter Zuhörer vollends zurückbleiben, und das Studium der Bibel wird ihm eben dadurch verleidet werden, weil er, wegen Unwissenheit des Bekannten, nirgends fortkommen
kan
kann
. – Worauf übrigens zu sehen
sey
sei
, wenn man die
heil.
Schrift so fern verstehen lernen will, als sie durch
Sprachkenntniß
Sprachkenntniß
aufklären
aufgeklärt wird, ist auch oben (
Theil 1.
§.
77.
–
81
77
–
81
77.
–
81.
) bemerkt worden; das
übrige
Uebrige
muß eine gute
Hermenevtik
Hermenevtik
Hermeneutik
der
heil.
Schrift lehren.
Von den Büchern
Anm.
Die Hauptschriften
zur eigenthümlichen Kenntniß des
Sprachgebrauchs
s.
die
Sprachgebrauchs, hat der Verfasser in seiner
Anweisung zur Kenntniß der besten Bücher in der
Theologie
Theologie
,
§. 95–98. 100–107.
angeführt. Für den angehenden Ausleger reichen die besten Wörterbücher, wie das
hebräische von
Gesenius
, das
griechische von
Schleußner
, nebst den besten homiletischen Commentaren über die einzelnen Schriften, völlig aus.
Anweisung zur Kenntniß der besten Bücher in der Theologie §. 95–98. 100–107
Vgl. I § 43.
hebräische von Gesenius
Der ab 1810 als Professor in Halle wirkende Wilhelm Gesenius (1786–1842) zählt bis heute zu den bedeutendsten Hebraisten, sein zweibändiges
Hebräisch-deutsches Handwörterbuch über die Schriften des Alten Testaments
(1810/1812) ist nach mehreren Überarbeitungen und einer Vielzahl von Auflagen (zuletzt
18
2013) noch immer ein bibelwissenschaftliches Standardwerk. In der dritten Auflage der
Anweisung
sind darüber hinaus weitere hebraistische Arbeiten Gesenius' berücksichtigt.
griechische von Schleußner
Nach dem Studium in seiner Heimatstadt Leipzig wurde Johann Friedrich Schleusner (1759–1831) Professor in Göttingen und wechselte 1794 nach Wittenberg. Im Zentrum seiner wissenschaftlichen Arbeit stand das hellenistische Griechisch, im Blick ist hier sein
Novum lexicon Graeco-latinum in Novum Testamentum
(1792;
4
1819).
38
325
.
Ein
Schriftsteller
Schriftsteller, der, wie die biblischen, zunächst für seine Zeitgenossen und
seine
Nation schreibt,
kan bey
kann bei
Erzählungen und einem nach
dieser Leser
den
Umständen
damaliger Leser
eingerichteten
Lehrvortrag
Lehrvortrag, vieles als ihnen bekannt voraussetzen,
das
daß
er bloß zu berühren braucht, oder worauf er anspielt, was sich aber mit der Zeit ändert, oder vergessen wird, oder
den
Lesern
späterer
aus späteren
Zeiten und
Ausländern
Ländern
unbekannt ist. Die heiligen Schriftsteller beziehen sich, wie vorhin schon gesagt worden ist, sehr oft auf dergleichen zufällige
Umstände
Umstände, und der
Ausleger
Ausleger
kan
kann
sie daher gar nicht ganz verstehen, oder sich in diese Umstände hinein denken, wenn er sich nicht eine möglichst genaue
Kenntniß dieser historischen Umstände
erworben hat.
Anm.
Diese Kenntniß hat
ausser
außer
dem
ausserdem
, daß sie den Sinn der heiligen Schrift
aufklären
aufklärt, noch einen andern
Nutzen
Nutzen,
nemlich
nämlich,
die Ueberzeugung von der
Aechtheit
Echtheit
und Glaubwürdigkeit der biblischen Bücher besser zu bewirken. Denn diese Ueberzeugung hängt sehr davon ab, daß die Denk-
nnd
und
Schreibart in diesen Büchern, und die darin vorkommenden Umstände, dem Charakter der Zeit, des Landes, der nächsten Leser, für die sie bestimmt waren, der Personen,
welche
die
für die Verfasser gehalten werden, und den übrigen Umständen, gemäß sind, die darin vorkommen.
Doch dieser Nutzen betrifft mehr die Kritik der biblischen Bücher.
{
Hug, Johann Leonhard
Hug
hat sie in der Einleitung in das Neue
Test.
trefflich benutzt.}
Hug hat sie in der Einleitung in das Neue Test.
Vgl. II § 34 c.
39
326
.
Zu diesen historischen Kenntnissen gehört 1) die Kenntniß der
alten
Geographie
Geographie
, so weit sie in der heiligen Schrift vorkommende Sachen
betrifft
betrift
. Diese
müßte
muß
sich 1) auf die Lage, die Beschaffenheit, die Abtheilung und das natürliche oder durch Revolutionen der Völker
entstandne
entstandene
Verhältniß der Oerter und Länder gegen einander erstrecken, und zwar nach verschiedenen
Zeiten
Zeiten,
wohinein
wohin
in welche
die biblischen Nachrichten gehören, welche Zeiten oft nicht genug
pflegen
unterschieden zu werden
pflegen
. Sie
müßte
muß
zugleich auch Kenntniß der natürlichen Producte dieser Oerter, nach den verschiedenen
Naturreichen,
Naturreichen
und der aus der natürlichen Beschaffenheit dieser
Oerter
Länder
entstehenden Zufälle, als der Witterung, der Krankheiten
u. d. gl.
seyn
umfassen
. Eine solche Kenntniß
würde
wird
2) sehr ins Kleine
gehn
gehen
müssen, und viele feine Bemerkungen erfordern, weil sich die heilige Schrift auf dergleichen sehr
besondre
besondere
und kleine
Umstände
Umstände bezieht. Eben daher ist dieses Studium 3) mit
großen
grossen
Schwierigkeiten verknüpft, weil es sehr ausgebreitete und genaue Kenntnisse erfordert, weil es sich, wegen Ungewißheit der
Sprache
Sprache, und besonders der bestimmten Bedeutung der Namen und Wörter, wegen Entfernung der Zeiten und Oerter und Mangel der Nachrichten, sonderlich in Absicht auf
Topographie
Topographie, in
große
grosse
Dunkelheit verliert, und weil man selbst erst durch eine fleißige Beschäftigung mit der
Bibel
Bibel lernen muß, was hier einer Untersuchung bedarf oder nicht.
Anm.
Die allgemeinen Hauptwerke sind im ersten Theil §.
140.
bereits genannt. Ueber
biblische Geographie
sind die Hauptschriftsteller
Bochart, Samuel
Bochart
,
Bachiene, Willem Albert
Bachiene
,
Hamelsveld, Ijsbrand van
Ysbrand von Hamelsfeld
, und neuerlich
Rosenmüller, Ernst Friedrich Karl
E. K. Rosenmüller's
altes und neues Morgenland, Leipzig 1818.,
bis jetzt 1ster und 2ter Band. Die nähere Anzeige findet man in des
Verfassers Anweisung zur theologischen Bücherkenntniß, und in der
Niemeyer, David Gottlieb
Wagnitz, Heinrich Balthasar
Niemeyer
-
Wagnitzischen
Bibliothek für Prediger. 2te Ausgabe. 1ster und 4ter Theil.
A. d. H.
Bochart
Der reformierte Theologe Samuel Bochart (1599–1667) wurde nach dem Studium in Frankreich, England und den Niederlanden 1625 zunächst Pfarrer in Caen. Daneben festigte sich jedoch auch sein Ruf als versierter Kenner der orientalischen Sprachen, so dass er 1652 zum Studium arabischer Handschriften von Königin Christina von Schweden (1626–1689) nach Stockholm eingeladen wurde. Durch das
Hierozoicon
(1663) ist Bochart im Zusammenhang der biblischen Tierkunde hervorgetreten, daneben zählt die biblische Geographie zu seinen Hauptarbeitsgebieten. Seine zweiteilige
Geographia sacra
(1646) ist mehrfach aufgelegt worden und hat in Johann David Michaelis'
Spicilegium geographiae Hebraeorum exterae post Bochartum
(1769/1780) ein Nachfolgewerk.
Bachiene
Der niederländische Geistliche und Geograph Willem Albert Bachiene (1712–1783) war nach dem Theologiestudium in Utrecht als Prediger, zuletzt in Maastricht, tätig. 1764 wurde Bachiene, der die Geographie seit frühester Jugend in seiner Freizeit betrieben hatte, ebenda Professor für Astronomie und Geographie am reformierten
Gymnasium Illustre
, dessen Lehrkörper v.a. aus ansässigen Geistlichen bestand. Zu Bachienes wichtigsten Werken zählt die
Historische und Geographische Beschreibung von Palästina, nach seinem ehemaligen und gegenwärtigen Zustande
(1766–1775). Die Übersetzung des Originals
Heilige Geographie of aardrykskundige Beschryving van alle de Landen, enz. in de H. S. voorkommende
(1758–1768) stammt von dem Gymnasialkonrektor Gottfried Arnold Maas (ca. 1734–1810), mehr als zehn Jahre nach Bachienes Tod ist unter dem Titel
De Geographie der Heilige Schrift
(1796) ein weiterer, von Samuel van Emdre (1746–1816) besorgter Teil erschienen.
Ysbrand von Hamelsfeld
Nach dem Studium in seiner Heimatstadt Utrecht übernahm Ijsbrand van Hamelsveld (1743–1812) zunächst unterschiedliche Predigtstellen, privatisierte jedoch 1779 aufgrund von Konflikten mit einem Amtskollegen und wandte sich in Utrecht eigenen Studien zu. Dort wurde er 1784 zum Professor der Theologie berufen, jedoch wenige Jahre später aus politischen Gründen des Amtes enthoben. Daraufhin immatrikulierte er sich 1789 in Leiden. Als ihm nach Gründung der Batavischen Republik erneut eine Professur in Utrecht angeboten wurde, lehnte van Hamelsveld ab und war stattdessen als Mitglied der Nationalversammlung politisch tätig. Im Zuge der Gegenrevolution wurde van Hamelsveld schließlich gefangengesetzt und zog sich nach seiner Entlassung bis zu seinem Tod von allen Ämtern zurück. Wissenschaftlich ist van Hamelsveld insbesondere auf dem Gebiet der Kirchengeschichtsschreibung der Niederlande hervorgetreten, im europäischen Ausland war er v.a. durch die von dem Hamburger Pastor Rudolph Jänisch (1750–1826) ins Deutsche übersetzte dreiteilige
Biblische Geographie
(1793–1796) bekannt.
E. K. Rosenmüller's altes und neues Morgenland, Leipzig 1818., bis jetzt 1ster und 2ter Band
Ernst Friedrich Karl Rosenmüllers (1768–1835)
Das alte und neue Morgenland; oder Erläuterungen der heiligen Schrift aus der natürlichen Beschaffenheit, den Sagen, Sitten und Gebräuchen des Morgenlandes
ist in insgesamt sechs Bänden (1818–1820) erschienen.
Verfassers Anweisung zur theologischen Bücherkenntniß
Vgl. I § 43.
Niemeyer-Wagnitzischen Bibliothek für Prediger. 2te Ausgabe. 1ster und 4ter Theil
Vgl. I § 43 c.
40
327
.
Noch wichtiger wären
Nicht minder wichtig ist
2) die
Kenntnisse derjenigen Sachen, die
Kenntniß alles dessen, was
man gemeiniglich unter dem Namen der
Alterthümer
Alterthümer
Alterthümer
begreift, wohin man
alles
Alles
rechnen
kan
kann
, was die
Verfassung
Verfassung der Völker und ihrer
verschiednen
verschiedenen
Stände, nebst dem auf
Convention
Convention beruhendem Verhältniß derselben gegen einander angeht, als
Religions-
Religions-,
bürgerliche und militärische Verfassung, häusliches Leben, Handel und Gewerbe, Abhängigkeit und Bündnisse von und mit einander, und die
bey
bei
allem diesen
eingeführte
eingeführten
Gewohnheiten
Gewohnheiten. Ein wieder sehr weitläufiges und schweres Studium, weil es so mannichfaltige in der
Bibel
Bibel
erwehnte
erwähnte
Völker, aus sehr verschiedenen Zeiten, umfassen muß, deren Einrichtungen und Gewohnheiten, eben weil sie auf
Willkühr
Willkür
beruheten, und sich darum auch leicht veränderten, zumal aus den ältern Zeiten, schwerer zu entdecken sind, als natürliche Einrichtungen, die in jedem Lande sich weit seltner ändern, und sich meistens bis auf unsre Zeit erhalten haben. Eben da durch wird das Eindringen in den Geist solcher Verfassungen und in die Ursachen derselben, die in dem
Klima
Klima und den daraus entstehenden Bedürfnissen, in gewissen politischen Revolutionen, oft auch in der Begierde nachzuahmen, oder gar in einem
bloßen
blossen
Zufall
Zufall, liegen können, erschwert, oder gar unmöglich gemacht, wenn auch derer mehr wären, als sie
nicht
wirklich
sind, die mit so vielfältiger Gelehrsamkeit und philosophischem Blick jene Ursachen und Ab sichten untersuchen, als
Spencer, John
Spencer
,
Goguet, Antoine-Yyes
Goguet
,
Michaelis, Johann David
Michaelis
und
Gatterer, Johann Christoph
Gatterer
, bey
Michaelis
,
Gatterer
,
Heeren, Arnold Herrmann Ludwig
Heeren
, bei
den Einrichtungen der Israeliten und einiger andern Völker versucht haben. Und doch hat diese philosophi sche Behandlung solcher Verfassungen und Einrichtungen ihren unentbehrlichen
Nutzen
Nutzen, selbst
bey
bei
Erklärung der heiligen Schrift. Sie macht diese Einrichtungen begreiflich, hebt das Befremdliche derselben, und befestigt dadurch die
Glaubwürdigkeit
Glaubwürdigkeit der
Bibel
Bibel. Sie zeigt die Weisheit Gottes und seiner
Vorsehung
Vorsehung
Fürsehung
in Einführung gewisser Anstalten unter seinem Volk, die sich auf jene Verfassung und Gewohnheiten gründete, oder diese einführte, um dadurch wahre
Religion
Religion, nach den Bedürfnissen solcher Menschen, zu befördern. Sie beschämt dadurch viele Vorwürfe gegen die heilige Schrift, und falsche Vorstellungen von ihrem Inhalt, die auf Unbekanntschaft mit diesen Einrichtungen, auf Unkunde ihrer Ursachen und Absichten, und auf einer übel angebrachten Philosophie, beruhen, welche, unerleuchtet durch das Licht der
Geschichte
Geschichte, sich über den Kreis
unsrer
unserer
Sitten
Sitten und Verfassungen nicht
hinausdenken kan
hinaus denken kann
.
Anm.
Die biblischen
Alterthümer (Anthologie) haben in neuern Zeiten besonders
Warnekros, Heinrich Ehrenfried
Warnekroß
,
Jahn, Johann
Jahn
,
Bauer, Georg Lorenz
Bauer
,
De Wette, Wilhelm Martin Leberecht
de Wette
am glücklichsten bearbeitet.
S.
die
Nösselt, Johann August
Nößeltsche
Bücherkenntniß
und die
Bibliothek für Prediger, 1ster und 4ter Theil. Eine allgemeine Uebersicht der Realkenntnisse giebt
Hezel, Wilhelm Friedrich
Hezel's
biblisches Reallexicon;
Leun, Johann Georg Friedrich
Leun's
biblische Encyklopädie.
A. d. H.
Spencer
Der englische Theologe John Spencer (1630–1693) erwarb nach dem Studium am
Corpus Christi College
in Cambridge 1665 den theologischen Doktorgrad und war zunächst als Universitätsprediger tätig. Nach weiteren Stellen in Gemeinde und Schule wurde Spencer 1667 zum
Master
seines Colleges gewählt, im akademischen Jahr 1673/1674 war er Vizekanzler der Universität. 1667 wurde er zum
Archdeacon
in Sudbury und zehn Jahre später zum
Dean
an der Kathedrale von Ely bestellt. Bekannt ist Spencer v.a. für sein bedeutendes Werk
De legibus Hebraeorum ritualibus et earum rationibus
(1685), das in mehreren Auflagen u.a. auch in Deutschland erschien. Entgegen der Annahme, das Judentum sei die älteste Religion der Menschheitsgeschichte, stellt Spencer hier die Bedeutung des alten Ägypten für die Entwicklung des Judentums heraus und zählt damit zu den frühen Vertretern eines dezidiert religionsgeschichtlichen Ansatzes.
Goguet
Der französische Historiker Antoine-Yves Goguet (1716–1758) war nach dem Studium der Rechte als Parlamentsrat in seiner Heimatstadt Paris tätig, sein eigentliches Interesse galt jedoch der Altertumskunde. Goguets
Untersuchungen von dem Ursprung der Gesezze, Künste und Wissenschaften
werden in der ersten Auflage der
Anweisung
noch explizit angeführt (vgl. I § 262 a), Jahrzehnte später hat der Nürnberger Gymnasialprofessor Johann Paul Sattler (1747–1804) einen
Auszuge nach dem Französischen des Herrn Goguet, zum gemeinnüzigen Gebrauch für studierende Jünglinge und andere Leser
(1796) besorgt.
Michaelis
Angespielt ist auf Johann David Michaelis' berühmtes sechsteiliges
Mosaisches Recht
(1770–1775;
2
1775–1803), in dem die Gesetze des Pentateuch vor dem Hintergrund der geschichtlichen Bedingungen ihrer Entstehungszeit und nicht in ihrer Bedeutung für die christliche Dogmatik interpretiert werden und für das Carsten Niebuhrs (1733–1815) Arabien-Berichte (vgl. I § 157) umfangreiches Vergleichsmaterial lieferten, sowie auch auf die zuvor in zwei Auflagen erschienene
Abhandlung von den Ehe-Gesetzen Mosis
(1755;
2
1768).
Gatterer
Der bedeutende Historiker Johann Christoph Gatterer (1727–1799) übernahm nach dem Studium in Altdorf und Tätigkeiten als Gymnasiallehrer in Nürnberg und Professor am dortigen
Aegidianum
1759 einen Lehrstuhl für Geschichte in Göttingen und prägte die deutsche Geschichtswissenschaft über die Grenzen seiner Universität hinaus. Besondere Verdienste erwarb sich Gatterer im Bereich der historischen Hilfswissenschaften (v.a. der Genealogie und der Diplomatik) sowie der Universalgeschichte. Darüber hinaus ist die Gründung des
Königliche[n] Historische[n] Institut[s]
und die in diesem Zusammenhang entstandene
Allgemeine historische Bibliothek
(1767–1771) hervorzuheben. An dieser Stelle sind die aus Gatterers Lehrtätigkeit hervorgegangenen universalhistorischen Werke, v.a. der erste, bis zum Jahr 500 reichende Band des
Handbuch[s] der Universal-Historie
(1761;
2
1765), der
Abriß der Universalhistorie
(vgl. I § 235) sowie die
Weltgeschichte in ihrem ganzen Umfange
(vgl. I § 235), gemeint.
Heeren
Arnold Hermann Ludwig Heeren (1760–1842) wurde nach dem Studium in Göttingen und anschließender Studienreise 1787 ebenda außerordentlicher, 1794 ordentlicher Professor der Philosophie und 1801 ordentlicher Professor der Geschichte. Gemeinsam mit Friedrich August Ukert (1780–1851) gab Heeren die ab 1828 erscheinende Reihe
Geschichte der europäischen Staaten
heraus und übernahm nach dem Tode Eichhorns im Jahre 1827 die Redaktion der
Göttingische[n] Gelehrte[n] Anzeigen
. Gedacht ist hier an Heerens Hauptwerk
Ideen über Politik, den Verkehr und den Handel der vornehmsten Völker der Alten Welt
(1793/1796), in dem sich sein Interesse an den konkreten Lebensbedingungen der Antike dokumentiert, sowie das
Handbuch der Geschichte der Staaten des Altertums
(1799). Beide Werke erlebten weitere Auflagen und wurden in mehrere europäische Sprachen übersetzt.
Alterthümer (Anthologie)
Hier ist nicht
Anthologie
, sondern
Archäologie
gemeint. Darauf deuten nicht zuletzt auch die Titel der Darstellungen Jahns oder De Wettes (s.u.) sowie John Potters
Griechische Archäologie oder Alterthümer Griechenlandes
(vgl. I § 142) hin.
Warnekroß
Nach dem Studium in Göttingen wurde Heinrich Ehrenfried Warnekros (1752–1807) 1776 in Greifswald promoviert, war danach als Rektor des städtischen Gymnasiums tätig, setzte jedoch gleichzeitig seine Vorlesungstätigkeit an der Universität fort. Neben einer Arbeit zu Shakespeare ist Warnekros v.a. durch den
Entwurf der hebräischen Alterthümer
(1782) hervorgetreten, der 1794 in zweiter, verbesserter und vermehrter Auflage erschien.
Jahn
Der katholische Theologe Johann Jahn (1750–1816) studierte Philosophie in Olmütz und Theologie am Prämonstratenserstift Bruck, 1774 folgte das Ordensgelübde. Nach der Erlangung des theologischen Doktorgrades wurde Jahn zunächst Professor in Olmütz, ehe er 1789 als Professor für orientalische Sprachen, biblische Archäologie und Dogmatik nach Wien berufen wurde. Aufgrund seiner Lehrpositionen kam es hier zu massiven Auseinandersetzungen mit der kirchlichen Obrigkeit, in wissenschaftlichem Kontext fand Jahn, dessen philologische Werke auch in der
Anweisung
mehrfach angeführt werden, dagegen zunehmend Anerkennung. An dieser Stelle ist seine fünfbändige
Biblische Archäologie
(1797–1805) zu nennen, die auch in zweiter Auflage (1807–1815) und in Form der
Archaeologia biblica in compendium redacta
(1805) erschien.
Bauer
Gedacht ist an Georg Lorenz Bauers
Kurzes Lehrbuch der hebräischen Alterthümer des Alten und Neuen Testaments
(1797) sowie die zweibändige
Beschreibung der gottesdienstlichen Verfassung der alten Hebräer
(1805/1806), die dem Untertitel nach als
erläuternder Commentar über den dritten Abschnitt der hebräischen Archäologie
(d.i. das
Kurze Lehrbuch
) dienen soll. In Frage kommt auch das
Handbuch der Geschichte der hebräischen Nation
(1800/1804).
de Wette
Aus dem umfangreichen Werk Wilhelm Martin Leberecht De Wettes ist an dieser Stelle auf das
Lehrbuch der Hebräisch-Jüdischen Archäologie nebst einem Grundriss der Hebräisch-Jüdischen Geschichte
(1814;
3
1842) angespielt.
Nößeltsche Bücherkenntniß
Vgl. I § 43.
Bibliothek für Prediger, 1ster und 4ter Theil
Vgl. I § 43 c.
Hezel's biblisches Reallexicon
Der Theologe und Orientalist Wilhelm Friedrich Hezel (1754–1824), ab 1786 Professor in Gießen, ab 1801 in Dorpat, ist als Verfasser unterschiedlicher exegetischer und grammatischer Arbeiten hervorgetreten, auf die auch in der
Anweisung
mehrfach verwiesen wird. Sein dreibändiges
Biblisches Real-Lexicon
(1783–1785) ist ab dem zweiten Band fast vollständig von Hermann Friedrich Köcher (1747–1792) ausgearbeitet worden.
Leun's biblische Encyklopädie
Die vierbändige
Biblische Encyklopädie oder exegetisches Realwörterbuch über die sämmtlichen Hülfswissenschaften des Auslegers, nach den Bedürfnissen jetziger Zeit
(1793–1798) geht laut Titelblatt auf
eine Gesellschaft von Gelehrten
zurück. Hinter dieser verbirgt sich jedoch der Gießener Theologe Johann Georg Friedrich Leun (1757–1823). Er stand in freundschaftlichem Verhältnis zu dem zuvor genannten Wilhelm Friedrich Hezel, der für Leuns
Handbuch zur kursorischen Lektüre der Bibel A. B.
(vgl. I § 160) eine Vorrede verfasste.
41
328
.
Dieses
Eigene
Eigne
der Völker und Personen, die in der
heil.
heiligen
Schrift
erwähnt
erwehnt
werden, an welche die biblischen Bücher gerichtet, oder von welchen sie verfertigt sind, richtete sich ohne Zweifel 3) nach ihrer
Denkungsart
Denkungsart
,
ihren
Kenntnissen
und
Meinungen
, nach ihrem
Charakter
Charakter
und
ihren
Sit
ten
, und hatte umgekehrt wieder in diese einen nothwendigen
Einfluß. Danach
Einfluß; danach
bildeten sich auch ihre
Künste
Künste
 und
Wissenschaften
Wissenschaften
, die wieder jene bildeten, ihnen ihre Richtung gaben, Einrichtungen und Gewohnheiten veranlaßten. Ganz vorzüglich nothwendig ist also auch diese Art von Kenntnissen, sowohl zu richtiger Erklärung der heiligen Schrift, als zur
richtigern
richtigen
Beurtheilung der darin vorkommenden Sachen, und des Werthes der
Bibel
Bibel selbst. Zu
beyden
beiden
Absichten ist es unumgänglich nothwendig, sich in jene Art zu denken, in jene Meinungen, Sitten
u. d. gl.
zu
versetzen;
versetzen,
sonst muß man offenbar den rechten
Gesichtspunct
Gesichtspunct
Gesichtspunkt
verfehlen, so gewiß wie man den Sinn verfehlt, wenn man ihn nach unserm, nicht nach dem biblischen Gebrauch, bestimmen will. Denn jeder Schriftsteller schreibt zunächst und eigentlich für seine Zeit, nach den Bedürfnissen, Fähigkeiten und Meinungen derer, an die er schreibt, nach seiner Denkungsart,
seinen
Begriffen und
nach seinem
Charakter;
kan
kann
dann auch
, wenn er wahr erzählen will, seine Personen anders nicht aufführen, als sie wirklich waren.
42
329
.
Es ist
fast
unglaublich, was die an sich sehr wahre Vorstellung von der
Bibel
Bibel, als einer Sammlung
göttlicher
Bücher, durch Mißverstand und eine höchst verkehrte Anwendung, für Schaden gestiftet hat; wie sehr man sich dadurch um den Nutzen, den man daraus schöpfen könnte, gebracht; wie sehr sie
sich
der Verachtung und
Spöttereyen
Spöttereien
ausgesetzt hat. Als göttliche Bücher sollen sie, sagt man, nicht wie irgend ein vernünftiges menschliches Buch, verstanden und gebraucht werden;
Gott
Gott soll sie durchaus für alle Zeiten und Menschen, nicht zum Theil allein für die ersten Leser, haben aufzeichnen
laßen
lassen
; sie sollen
aufhören
aufhören,
allgemein nützlich zu seyn, und sollen zu Irrthümern verleiten, wenn man annähme, daß sich darin Sätze und Wörter befänden, welche auf damalige Meinungen oder gar Vorurtheile und Irrthümer gingen. – Alle diese Einbildungen entspringen 1) aus der
üblen
übeln
Gewohnheit
Gewohnheit, nicht Gott aus seinen Werken abzulernen, was gewiß das Beste gewesen seyn muß, sondern aus einer vorausgesetzten
Idee
Idee, den
Plan
Plan auszuspinnen, den Gott nach unsrer Meinung habe befolgen müssen, wenn er es hätte recht machen
wollen;
wollen:
eine Thorheit, von der und von deren Schaden uns schon die Wahrnehmung des wirklich
Böses
Bösen in der Welt überzeugen könnte, das, nach
unsrer
unserer
Voraussetzung, auch nicht in der Welt seyn sollte, und das wir so schwer mit Gottes allgemeiner Weisheit und Güte zu reimen wissen. 2) Man spanne denn
bey
bei
der Bibel den Begriff von einem göttlichen
Buch
Buche
so hoch als man will – ihn hier zu
bestimmen
bestimmen,
ist der Ort nicht –: so muß er doch nicht den
Augenschein
Augenschein gegen sich
haben. Denn
haben, denn
gegen diesen
kan
kann
keine Theorie
bestehn
bestehen
, und man treibt sonst
Andre
Andere
noth wendig dahin, daß sie, zu Folge
unsrer
unserer
falschen Begriffe von den Erfordernissen eines göttlichen Werks, der Bibel diese Ehre absprechen müssen, wenn sie gleichwohl darin das wahrnehmen, was man mit einem göttlichen Werke unverträglich hält. Der Augenschein zeigt es aber, daß
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Jesus
und die heiligen
Schriftsteller,
Schriftsteller
in unzählichen
Stellen,
Stellen
Redensarten
Redensarten und Sätze brau chen, die sich auf menschliche, selbst irrige, Vorstellungen und
Gewohnheiten
Gewohnheiten dererjenigen gründen, mit welchen sie zu thun hatten, wie
z. B.
Hiob 1, 6
flgg.
fgg.
Matth. 12, 43–45.
vergl.
mit
Tob. 8, 3.
Gal. 4, 24
f.
f.,
und die sie selbst in vielen Fällen brauchen mußten, wenn sie allgemeiner, aber, vor der Hand wenigstens, unschädlicher
Volksglaube
Volksglaube waren, wollten sie anders verstanden werden, ihre
Glaubwürdigkeit
Glaubwürdigkeit nicht verdächtig machen, ihre Zuhörer oder Leser, nach deren Fähigkeiten und Bedürfnissen, überzeugen, oder ihnen etwas anschaulich darstellen. – Mindestens muß da, wo sie erzählen, oder, wie
Matth. 12,
27.
27
und
Luc. 24,
37–40
37–40.
,
den Meinungen
andrer
Anderer
widersprechen, auch der eingenommenste Leser Anspielungen auf besondere menschliche Meinungen anerkennen, die denn doch von dem
Ausleger
Ausleger verständlich gemacht werden müssen.
43
330
.
Und warum soll denn 3)
alles
Alles
, was in den biblischen Büchern vorkommt, für
alle
Leser
Leser geschrieben, warum schlechterdings allgemeinnützlich seyn?
Kan
Kann
es je ein Buch geben, das diese Eigenschaft hätte, ohne
alsdann
alsdenn
manchen Lesern entbehrlich, oder nicht unterhaltend genug zu
seyn
werden
? Ists denn nicht oft wohlthätiger gegen Alle,
Mannichfaltigkeit
Mannichfaltigkeit hinein zu bringen, und einen Theil des Inhalts für Alle oder
Manche
doch Viele
, einen andern
Theil
nur für Einige oder
Andre
Andere
zu bestimmen, um Allen, nach ihrem Bedürfniß,
Alles
alles
zu wer den? Ists nicht in den heiligen Büchern wirklich so? Könnten
Weissagungen
Weissagungen
Weißagungen
wohl für die ersten Leser, die jüdischen
Geschlechtregister
Geschlechtsregister
für uns, bestimmt
seyn,
seyn? Können
die mosaischen Gesetze
Andre unter den
alle
Christen,
als
oder vielmehr nur
die
Gelehrten interessiren
Gelehrteren intereßiren
? Wenn aber 4) in der heiligen Schrift nicht
Allen
Alles
alles
gleich
nützlich
nützlich und verständlich seyn
mußte:
mußte,
so war es schon natürlicher, mehr für die ersten, als für die spätern Leser zu sorgen, sich also nach
deren
den
, auch noch
so
rohen und selbst
irrigen,
irrigen
Begriffen
derselben
zu richten. Eben dieses giebt einem
Buch
Buche
den Charakter
der
Zeit
Zeit,
woher
aus der
es ist,
des
Schriftstellers, der es geschrieben hat,
der
nächsten
Bestimmung
Bestimmung, wozu es aufgesetzt
wurde; auf
wurde. Auf
diesen unverkennbaren
Merkmale
Merkmalen beruht die
Ueberzeugung
Ueberzeugung, daß es
avthentisch
authentisch
und glaubwürdig
sey;
sey,
sei;
und auf diese Ueberzeugung gründet sich alles
andre, die
Andere. Sie mußte
also
bey Gott
ein wichtigerer Zweck seyn
mußte
, als die Befriedigung
unsrer
unserer
eigensüchtigen Forderungen.
Allen Alles
Vgl. 1Kor 9,22.
44
331
.
Mit alle dem können 5) Bücher, die zunächst und hauptsächlich für die ersten Leser geschrieben sind,
es
kan
kann
und
selbst das, was in denselben auf
besondre
besondere
Zeit- und
Volksmeinungen
Volksmeinungen geht,
kan
immer auch uns, in
unsrer
unserer
Art, nützlich werden,
so daß, wegen jenes nächsten eingeschränk ten
Zweck
Zwecks,
ohne daß deswegen
die Bücher selbst oder diese Theile derselben
keineswegs
unsre
unsere
Geringschätzung oder Gleichgültigkeit
verdienen
verdienten
. Es ist doch wenigstens schätzbarer
Beytrag
Beitrag
zur
Geschichte
Ge schichte des menschlichen Geistes und der
Religion
Religion. Je mehr wir diese
besondre
besondere
Vorstellungen studieren, die zu der Zeit herrschten, wo die
biblische
biblischen
Bücher geschrieben wurden, oder wo die darin
enthaltnen
enthaltenen
Begebenheiten und Reden vorfielen, und uns auch um anderweitige
Spuren
Spuren derselben
bekümmern:
bekümmern,
je
desto
mehr wächst die Ueberzeugung von ihrem Alter,
Aechtheit
ihrer Echtheit
und Glaubwürdigkeit. Man lernt
alsdann
alsdenn
auch tiefer in die weisen Anstalten Gottes zur
Erziehung
Erziehung des menschlichen
Geschlechtes
Geschlechts
eindringen;
öfnet
öffnet
sich neue Quellen der
Zufriedenheit
Zufriedenheit mit den Wegen Gottes, der für jeden nach seinen Bedürfnissen sorgt, das
Unvollkommne
Unvollkommene
allmählich reifen läßt, und auch das Schlechtere zu seinen guten Absichten zu
wenden
kehren
weiß; man lernt das
Glück
Glück mehr schätzen, in
aufgeklärter
aufgeklärtern Zeiten zu leben, und weitere, nähere Aufschlüsse zu haben, die ehemaligen Zeiten versagt, oder durch
Vorurtheile und
Irrthümer erschwert waren. Und liegt denn,
bey
bei
allem
Eignen
Eigenen
gewisser
Beyspiele
Beispielen
in der heiligen Schrift, in
allen,
allen
nach den Umständen jener Zeiten und
Völker,
Völker
eingekleideten
Lehren,
Lehren
nichts allgemein Lehrreiches für uns, das nur
bey
bei
jenen Menschen durch ihre Umstände eine nähere Bestimmung für sie bekam? das der Verständigere wie
Gold
Gold aus den Schlacken zu schmelzen weiß? woraus er, wie aus allen Beobachtungen in der Welt, das Allgemeine herausziehen, und sich für seine
besondre
besonderen
Umstände
nutzbar
nutzbar machen
kan
kann
?
Es
sey
sei
Paulus
Paulus
, oder
Petrus
Kephas
, oder
Apollos
Apollos
, oder die Welt –
alles
Alles
ist unser!
1 Kor. 3, 22
. – Aber 6) scheiden müssen wir es lernen, und eben darum das näher kennen lernen, was zu jenen Ort- und
Zeitkenntnisse
Zeitkenntnissen gehört, was Hülle und nicht Wesen ist, was Gott in der
Bibel
Bibel nach
bloßer
Herablaßung
Herablaßung
Herablassung
blosser Herablassung
, und was er nach strengster
Wahrheit
Wahrheit hat sagen
laßen
lassen
. Dafür muß es sowohl
Regeln
Regeln geben als für das
Aechte
Echte
oder
Unächte
Unechte
in Lesearten, für den wahren oder falschen Sinn der heiligen Schrift; und
alsdann
alsdenn
wird auch die Besorgniß wegfallen, daß man durch solche eingemischte Vorstellungen
nothwendig
{nothwendig
müßte auf Irrthümer geleitet
werden.
werden.}
Erziehung des menschlichen Geschlechtes
Hier greift Nösselt den Titel von Lessings
Erziehung des Menschengeschlechts
(1777/80) auf.
Es sey Paulus, oder Kephas, oder Apollos, oder die Welt – alles ist unser! 1 Kor. 3, 22
Hier handelt es sich um eine freie und verkürzte Wiedergabe von 1Kor 3,22, die Reihenfolge der Namen lautet eigentlich Paulus, Apollos, Kephas (vgl. 1Kor 1,12). Apollos ist ein im Neuen Testament erwähnter Mitstreiter des Paulus (vgl. Apg 18,24–19,1; 1Kor 3,4–22; 16,12); Kephas ist der Apostel Petrus, dessen aus dem Griechischen stammender Name (vgl. Mk 3,16) wie der aus dem Aramäischen stammende Name Kephas
Stein
bzw.
Fels
(vgl. Mt 16,18) bedeutet.
45
332
.
Wenn man diese aus
bloßem
blossem
Mißverstande herrührende Vorurtheile von dem
Nutzen
Nutzen der
Bibel
Bibel, der vermindert werden, und von dem Schaden, der ihrem richtigen Verstand und Anwendung drohen würde,
bey
bei
Seite setzt: so wird man sich bald überzeugen können, wie unumgänglich nothwendig es
sey
sei
, sich, so viel man immer
kan
kann
, ganz in die Lage
hinein zu denken
hineinzudenken
, welche die Bibel
vorausetzt
voraussetzt
, und sich dazu die §.
41.
erwähnten
328
erwehnten
Kenntnisse mit möglichstem
Fleisse
Fleiße
zu erwerben. Nur dadurch werden wir verhüten, – daß wir nicht nach dem
Maaßstab
Maaßstab
unsrer
, oder überhaupt späterer, Kenntnisse und
Meinungen,
Meinungen
die in der heiligen Schrift
liegenden,
liegenden
abmessen, und dadurch uns den
Gesichtspunct
Gesichtspunct
Gesichtspunkt
verrücken, wonach wir
alles
Alles
nehmen müssen, wenn wir von ihr
lernen
wollen –
wollen,
nicht die darin liegenden Begriffe, wider die Wahrheit, ausdehnen oder einschrän ken,
–
nicht Dinge darin suchen und finden, an welche die heiligen Schriftsteller oder die darin aufgeführten Personen nie haben denken
können –
können,
nicht ihre Beweise falsch
beurtheilen –
beurtheilen,
oder eine
Ordnung
Ordnung, oder einen Zusammenhang, oder Künste erdichten, wonach sie sollten verfahren
haben,
haben
–
kurz, nicht den
wahren
Sinn
Sinn derselben
verfehlen.
46
333
.
Nur dadurch
würde
wird
zugleich der falschen
Beurtheilung
Beurtheilung
und
Anwendung
Anwendung
der heiligen Schrift vorgebeugt, oder
beydes
Beides
berichtigt werden. Denn nur durch die Kenntniß desjenigen, was in ihr jeder
erwähnten
erwehnten
Zeit, jedem Ort und
jedes
Jedes
Umstände
Umständen gemäß ist, ergiebt sich die hohe Glaubwürdigkeit, das
Alterthum
Alterthum und die
Aechtheit
Echtheit
ihrer Bücher. – Nur dadurch entsteht wahre Ueberzeugung von der göttlichen Weisheit des darin gebrauchten Vortrags und der gemachten Anstalten, wenn
beydes
Beides
gerade den jedesmaligen Umständen angemessen ist. Nur dann wird man den
Character
Character
Charakter
und die Handlungen der darin aufgestellten Personen richtig würdigen, ungegründete Kritiken darüber ablehnen, und unrichtige Nachahmung derselben verhindern können, wenn man sie nach der Lage kennt und nimmt, worin sie
handelten,
handelten
und verfahren
konnten.
Alsdann
Alsdenn
konnten; alsdann
auch nur im Stande seyn, das, was von der Zeit und Lage herrührte, mit
einem
Einem
Wort, das
Zufälliges
Zufällige,
Zufällige
von dem Wesentlichen, und
bey
bei
dem Vortrage der
Bibel,
Bibel
die den
Zeitumstände
Zeitumständen und Bedürfnissen entsprechende Einkleidung von den Lehren selbst,
bey
bei
den aufgeführten
Beyspielen
Beispielen
das ihnen Eigenthümliche von dem auch
für
uns
Lehrreichen,
Lehrreichen
abzusondern, und sie
so
wirklich
unsern
Bedürfnisse
Bedürfnissen gemäß zu
brauchen
gebrauchen
.
47
334
.
Da die
verschiednen
verschiedenen
Veränderungen der in der heiligen Schrift
erwähnten
erwehnten
Völker, oder vorzüglich merkwürdiger Personen unter ihnen, sehr viele
Veränderungen
Veränderungen,
nicht nur der Länder selbst, sondern noch mehr der Denkungsart, der Sitten, der Verfassung und Einrichtungen unter ihnen und
andern
Andern,
nach sich gezogen haben: so ist schon deswegen
4) die Kenntniß ihrer
Geschichte
Geschichte
nothwendig, um diese
letztre
letzteren
Veränderungen, nebst ihren Ursachen und Absichten, einzusehen. Sie würde es schon an sich seyn,
in so fern
insofern
ein
großer
grosser
Theil der Bibel theils diese wirkliche Geschichte, theils Anspielungen darauf, theils
Weissagungen
Weißagungen
enthält, die sonst schlechterdings das nöthige Licht nicht bekommen können. Für den
Ausleger
Ausleger der
Bibel
Bibel gehört
freylich
freilich
nur diese Kenntniß so weit, als sie zur Erklärung der Bibel nöthig
ist,
ist;
aber eben dazu wird auch eine sehr oft in kleine und dunkle
Umstände
Umstände eindringende Kenntniß erfordert.
Anm.
{Die Hauptwerke sind
Shuckford, Samuel
Shuckford
,
Prideaux, Humphrey
Prideaux
und
Hess, Johann Jakob
Heß
Geschichte der Israeliten bis auf die Zeit
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
. Man sehe
d.
Bücherkenntniß, und der
Predigerbibliothek 1sten und 4ten Theil.
}
4)
Hier schließt Nösselt an II § 41 an.
Shuckford
Der akademisch am
Gonville and Caius College
(Cambridge) beheimatete Geistliche Samuel Shuckford (1693–1754) erwarb 1720 den Magister-, später auch den Doktorgrad (Lambeth) und hatte danach verschiedene kirchliche Ämter inne. Ab 1732 diente er wohl als persönlicher
Chaplain
Georges II., sein Grab befindet sich in der
Canterbury Cathedral
. Wissenschaftlich ist Shuckford auf dem Gebiet der Altertumskunde hervorgetreten, sein Hauptwerk ist die zweibändige
Sacred and Profane History of the World Connected. From the Creation of the World to the Dissolution of the Assyrian Empire at the Death of Sardanapalus, And to the Declension of the Kingdom of Judah and Israel Under the Reigns of Ahaz and Pekah
(1728), die mehrfach neu aufgelegt und 1731 auch ins Deutsche übersetzt wurde.
Prideaux
Nach dem Studium in
Christ Church
(Oxford) hatte Humphrey Prideaux (1648–1724) eine Vielzahl von kirchlichen Ämtern inne, wurde 1679 Hebräischprofessor in
Christ Church
und erhielt 1686 den theologischen Doktorgrad. Nach dem Tode Edwards Pocockes war er als dessen Nachfolger vorgesehen, lehnte jedoch ab. In den letzten beiden Jahrzehnten seines Lebens zunehmend gesundheitlich angegriffen, starb Prideaux als
Dean
von Norwich und wurde in der dortigen Kathedrale beigesetzt. Hier ist an das mehrfach aufgelegte und auch ins Französische übersetzte Werk
The Old and New Testament Connected in the History of the Jews and Neighbouring Nations
(1715–1718) zu denken. Mit
A Connection of Sacred and Profane History. From the Death of Joshua to the Decline of the Kingdoms of Israel and Judah
(1827) legte Michael Russell (1781–1848), der spätere erste Bischof von Glasgow und Galloway, ein Werk vor, das dem Untertitel nach die Darstellungen Shuckfords und Prideauxs vervollständigen sollte.
Heß Geschichte der Israeliten bis auf die Zeit Christi
Die
Geschichte der Israeliten vor den Zeiten Jesu
(1776–1788) des Schweizer Theologen Johann Jakob Hess (1741–1828) ist in insgesamt zwölf Bänden erschienen.
Bücherkenntniß
Vgl. I § 43.
Predigerbibliothek 1sten und 4ten Theil
Vgl. I § 43 c.
48
335
.
Viel trägt dazu 5) die Kenntniß der
biblischen
Zeitrechnung
Zeitrechnung
bey
bei
, die doch auch wieder das unentbehrliche
Licht
Licht aus der Geschichte erhält. Sie hat hier nicht nur den
Nutzen
Nutzen, wie in der
Geschichte
Geschichte überhaupt, daß sie ihr Ordnung mittheilt, ihre Wahrheit befestigt, und den Geschichtsforscher auf den Zusammenhang der Begebenheiten, also zur kritischen und pragmatischen Behandlung der Geschichte, führt. Sie ist auch unentbehrlich, um den scheinbaren Widerspruch mancher Stellen der heiligen Schrift gegen einander und gegen die Zeitrechnung der auswärtigen Geschichte zu heben, der so oft zu Vorwürfen gegen sie gedient hat; um auf wahre oder vorgebliche Fehler in einigen Stellen des biblischen Textes und deren richtige Beurtheilung zu leiten; und selbst, um falsche Erklärungen zu
verhüten,
verhüten
oder zu entdecken, die sich auf eine unrichtig angenommene Zeitrechnung gründen, und durch Hülfe einer richtiger bestimmten
Chronologie
Chronologie neues Licht über manche Schriftstellen auszubreiten.
Anm.
Man
kan
kann
sich von diesem zuletzt
angegebnen
angegebenen
Nutzen
Nutzen aus der Bemerkung überzeugen, daß man sehr oft den Erzählungen
bey
bei
den Evangelisten, auch manchen
Weissagungen
Weißagungen
, eine falsche Deutung gegeben hat, weil man nicht bedachte oder
einsahe
einsah
, daß die heiligen Schriftsteller in ihrer Stellung nicht immer eine genaue Zeitordnung beobachtet haben, und daß
bey
bei
Sammlung solcher Bücher, die aus
einzelnen
einzeln
Weissa gungen bestehn
Weißagungen bestehen
, im Jeremias
z. B.
,
unleugbar
unläugbar
, wenigstens in
verschiednen
verschiedenen
Abschriften, Versetzungen derselben vorgegangen sind. Es ist eben so gewiß, daß eine falsche Bestimmung der Zeit, wo gewisse biblische Bücher, als Hiob, die Psalmen, die Briefe des neuen
Testaments,
u. a.
Testaments u. a.,
geschrieben seyn sollen, zu falschen Erklärungen verleitet hat, und
manches
Manches
heller wird, wenn man ihnen ihren rechten Platz in der Geschichte anweisen
kan
kann
.
S.
meine
beyden
beiden
Versuche über den Brief an die
Hebräer
Ebräer
und den Brief Jacobi in den
Opusculis
Opusculis,
Fasc. I. und II.
meine beyden Versuche über den Brief an die Hebräer und den Brief Jacobi in den Opusculis Fasc. I. und II
Nösselts Abhandlung
De tempore quo scripta fuerit Epistola Paulli ad Ebraeos deque Ebraeis quibus scripserit
nebst
corollarium
findet sich in
Opusculorum ad interpretationem Sacrarum Scripturarum fasciculus I
(
2
1785), 269–328 (X.), die
Coniecturae ad historiam catholicae Iacobi Epistolae
sind in
Opusculorum ad interpretationem Sacrarum Scripturarum fasciculus II
(1787), 297–332 (XII.) abgedruckt.
49
336
.
Zur Erwerbung aller bisher
erwähnten
erwehnten
historischen Kenntnisse
gehörte freylich
würde freilich
, wenn sie
von
eignem
eigenem
vom eignen
Fleiß abhängen sollte, ein sehr sorgfältiges
Studium
Studium sowohl der heiligen Schrift selbst, wo oft gering scheinende und kaum bemerkte
Spuren
Spuren zu wichtigen Entdeckungen führen können, als auch anderer
alten
alter
Schriftsteller und
Denkmahle
Denkmahle, die uns irgend etwas davon aufbehalten
haben. Und weil
haben, erforderlich seyn. Da
auch in spätern
morgenländisch
morgenländischen Schriftstellern viele Ueberbleibsel dieser Art übrig sind, überhaupt aber sich alte Meinungen und Sitten, selbst aus den ältesten Zeiten, nirgends so lange und unverändert, als in den Morgenländern, erhalten haben: so ist das Nachforschen in solchen morgenländischen Schriftstellern und in genauen und von wirklichen Kennern herrührenden
Reisebeschreibungen
Reisebeschreibungen in jene Gegenden, von ungemeinem Nutzen. Viel ist auch bereits hierin von einigen gelehrten Männern, theils in besondern Werken über gewisse Arten dieser historischen Kenntnisse, theils
bey
bei
Erklärung der heiligen Schrift, geleistet worden, woran man sich, in
Ermanglung
Ermangelung
der nöthigen
Hülfsmittel
Hülfsmittel und Fähigkeiten, halten muß, von ihnen wenigstens schon vieles Vorgearbeitete, die
dabey
dabei
brauchbaren
Quellen
Quellen, und die rechte
Art
Art,
sie zu benutzen, ablernen
kan
kann
.
Anm.
Von den hier gemeinten
Schriften
Schriften, alten und neuen, insonderheit den Reisen und Beobachtungen des Orients,
s.
die
Anweisung zur
Kenntniß der Bücher
etc.
Bücherkenntniß
,
§.
66–92.
66–92., und
Predigerbibliothek
, 1ster und 4ter Theil.
Anweisung zur Kenntniß der Bücher etc. §. 66–92
Vgl. I § 43.
Predigerbibliothek, 1ster und 4ter Theil
Vgl. I § 43 c.
50
337
.
Aber,
Aber
wenn man sich nicht bloß auf die Benutzung des Vorgearbeiteten einschränken, höchstens, in Absicht der Quellen, bloß an Reisebeschreibungen halten will, deren Werth, zumal
bey
bei
einzelnen
einzlen
Nachrichten, nicht einmal gründlich beurtheilt, vielweniger vorsichtig und reichlich genug benutzt werden
kan
kann
, ohne gründliche Kenntniß alter
Sprachen
Sprachen und mehrerer Theile der alten und morgenländischen
Geschichte
Geschichte: so hat dieses eigne Studium so viele Schwierigkeiten, und erfordert so viele zum Theil seltne Hülfsmittel, Kenntnisse, Geduld, Scharfsichtigkeit und Gabe, sich in fremde Lagen recht
hinein zu denken
hineinzudenken
, und aus einer Menge von Kleinigkeiten ein Ganzes
zusammen zu setzen
zusammenzusetzen
, daß nur
wenige
Wenige
etwas Beträchtliches in diesem Fache leisten können. Ein Anfänger zumal muß sich mit den
Vorarbeiten
Vorarbeiten
Andrer
Anderer
begnügen;
kan
kann
, aus Mangel der Zeit und der Hülfsmittel, auch
dies
dieß
nicht einmal; würde sich wenigstens glücklich zu schätzen haben, wenn er auch nur das Nothwendigste in ein
Handbuch
Handbuch zusammengetragen fände, was ihm zu einem allgemeinen Wegweiser
bey
bei
Erlangung dieser Kenntnisse vorläufig dienen könnte.
51
338
.
Ohne Zweifel ist dieses
einigermaßen
einigermassen
die Absicht
bey
bei
solchen Büchern oder Vorlesungen gewesen, die
man
wir
unter dem Namen der
Einleitung
Einleitung
Einleitungen
in das alte und neue Testament
und der sogenannten
Kirchengeschichte des alten Testaments
, oder (der ältern)
jüdischen Geschichte
hat, wenn
besitzen. Möchten
sie
nur
allezeit und genugsam dieser Absicht
entsprächen.
entsprechen!
Allein bis jetzt schränken sich jene
Einleitungen
fast bloß auf die Geschichte der biblischen Bücher selbst und ihres Textes ein, und fügen allenfalls Einiges über die Verfassung einiger in der
heiligen
heil.
Schrift
erwähnten
erwehnten
Völker hinzu;
wonach
in welchem Fall
solche Bücher, wenn sie nicht durch
besondre
neue Entdeckungen, und dieses doch mehr für den
Gelehrten
Gelehrten,
als für den Anfänger, wichtig werden, mehr nicht leisten, als was
Ausleger
Ausleger ohnehin zur Einleitung
bey
bei
Erklärung
einzelner
einzler
biblischen Bücher, oder
andre
Andere
schon in Anweisungen zur Erklärung der
heiligen
heil.
Schrift,
Ernesti, Johann August
Ernesti
z. B.
in der Institut. interpretis N. T., oder die Verfasser der sogenannten hebräischen und christlichen
Alterthümer
Alterthümer, oder der Bücher über die biblische
Kritik
Kritik, gethan haben.
Noch
haben wir kein in seiner Art vollständiges
immer fehlt es an einem
Handbuch, wodurch man eine kurze, aber in ihrer Art
zweckmäßig-vollständige, Uebersicht zugleich
zweckmäßig-vollständige Uebersicht, theils
von der biblischen
Geographie
Geographie und
Chronologie
Chronologie, der
im Zusammenhang
mit der auswärtigen
gebrachten
Geschichte in
der
Bibel
Bibel
Zusammenhang gebrachten
biblischen
, und vornehmlich von der Denkungsart, den Kenntnissen, Meinungen, Sitten und
der
Verfassung der Völker oder Gesellschaften, die in der
heil.
heiligen
Schrift
vorkommen,
vorkommen
oder zum Grunde liegen, auch des ganzen Tons bekäme, der in der
heil.
heiligen
Schrift herrscht;
gesetzt
gesetzt,
daß man auch nur das bisher darüber Entdeckte zusammentrüge, gut auswählte, und in eine gute
Ordnung
Ordnung brächte.
*)
So lange dieses nicht geschieht, muß sich der Anfänger an den Ausleger halten, dem er sich anvertraut, oder an diejenigen Hauptbücher, welche am besten
einzelne
einzle
hier in Anschlag kommende Stücke aufgeklärt
haben.
S.
§.
49
49.
in der Anmerkung.
haben,
z. B.
in Absicht auf Kenntniß der biblischen Poesie an
Lowth, Robert
Lowth
Praelectt. de sacra poesi Hebr. mit
Michaelis, Johann David
Michaelis
Zusätzen, und an
Herder, Johann Gottfried von
Herders
noch treflicheres, aber nicht ganz geendigtes Werk vom Geist der ebräischen Poesie, Dessau 1782 und 83.
in 2 Theilen in
gr.
8.
Anm.
*) Einen Anfang eines solchen Handbuchs haben wir an dem
Handbuch der biblischen Literatur
, von
Bellermann, Johann Joachim
Joh. Joach. Bellermann
, das, einst vollendet, für den Anfänger eine gute Encyclopädie dieser Art von Kenntnissen seyn wird. Bis jetzt sind erst
zwey
vier
Theile, Erfurt
1787 und 90
in
1787–1790.
8. erschienen.
Man sehe auch die oben bei §.
40.
angeführten Schriften.
Ernesti z. B. in der Institut. interpretis N. T.
Johann August Ernesti kann als
spiritus rector
neologischer Exegese und Hermeneutik angesprochen werden, seine mehrfach aufgelegte
Institutio interpretis Novi Testamenti
(1761) (vgl. BdN II), in der ein ausschließlich grammatisch-historisches Verständnis des Neuen Testaments vertreten wird, als das epochemachende Werk neutestamentlicher Hermeneutik (vgl. II § 56).
Noch haben wir kein in seiner Art vollständiges Handbuch […] gut auswählte, und in eine gute Ordnung brächte
In nuce
leistet dies der Annotationenapparat der von Johann Jakob Wettstein besorgten Ausgabe des Neuen Testaments. Allerdings wird Wettstein in der zweiten Hälfte des 18. Jh.s ausschließlich im Zusammenhang der Textkritik wahrgenommen (vgl. II § 35); Rezensionen zeigen, dass die im Annotationenapparat geleistete Arbeit als Ausdruck barocker Polymathie (vgl. I § 4) verstanden und eher negativ aufgenommen wurde.
Lowth Praelectt. de sacra poesi Hebr. mit Michaelis Zusätzen
In den mehrfach aufgelegten und 1787 ins Englische übersetzten
Praelectiones de sacra Poesi Hebraeorum
(1753) des anglikanischen Bischofs, Philologen und Exegeten Robert Lowth (1710–1787) wird die Betrachtung alttestamentlicher Texte als Poesie grundgelegt. Johann David Michaelis, während eines Aufenthaltes in Oxford von Lowth beeindruckt, hat diesem Werk
notas et epimetra
beigegeben (Göttingen 1758/1761; Oxford 1763; Göttingen
2
1770).
Handbuch der biblischen Literatur, von Joh. Joach. Bellermann […] Bis jetzt sind erst zwey Theile, Erfurt 1787 und 90 in 8. erschienen
Von Johann Joachim Bellermanns (1754–1842)
Handbuch
sind lediglich vier Bände (1787–1799) erschienen. Diese umfassen mit der biblischen Archäologie und Geographie nur zwei der insgesamt zehn angedachten Abteilungen, hinzukommen sollten Chronologie, Genealogie, Geschichte, Naturlehre und Naturgeschichte, Mythologie und Götzengeschichte, Altertümer, Kunstgeschichte sowie Nachrichten von den biblischen Schriftstellern. In der dritten Auflage der
Anweisung
wird noch mit weiteren Bänden gerechnet, das Erscheinungsjahr des vierten Bandes ist fehlerhaft angegeben.
52
339
.
Die sogenannte
Kirchengeschichte
Kirchengeschichte des alten Testaments
, die mit einer kritischen Geschichte der
Bibel
Bibel selbst nicht verwechselt werden muß, ist gewöhnlich die in einigen Zusammenhang gebrachte, und zum Theil mit der benach barten
Völkergeschichte
Völkergeschichte verbundene Geschichte der Juden und ihrer Vorfahren, bis auf
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
Geburt, und verdient mehr den Namen eines erläuterten Auszugs aus der Geschichte des alten
Testamentes
Testaments
, ist mehr Sammlung von Erläuterungen schwerer
historischen
historischer
Stellen des
A. T.
alten Testaments,
die sich nur zu oft auf unnütze und in eine Volksgeschichte gar nicht gehörige Untersuchungen (über die
redende Schlange in dem
Paradies
Paradiese
, über Dudaim und Kikajon, das Begräbniß
Mose
Mose
u. d. gl.
u. dergl.
) erstrecken, als eine Handleitung zu dieser Geschichte selbst, wodurch diese, mit den
Weissagungen
Weißagungen
auch auswärtige Völker betreffend,
aufklären
aufgeklärt, pragmatisch gemacht, und das andern Stellen der Bibel oder der
Profangeschichte
Profangeschichte Widersprechende gehoben werden könnte. In der That verdiente sie eine solche Be arbeitung, und würde sehr nützlich erweitert werden können, wenn sie zugleich als Geschichte der stufenweise erfolgten nähern göttlichen
Offenbarung
Offenbarung und des Volks Gottes,
d. i.
derjenigen Menschen, eingerichtet würde, welchen sie, bis zu ihrer letzten Vollendung,
mitgetheilet
mitgetheilt
worden ist. Auf diese Art könnte sie die ganze biblische Geschichte
A.
alten
und
N. T.
neuen Testaments
in sich fassen, und eine nützliche Vorbereitung auf die Lesung der heiligen Schrift selbst werden.
Anm.
Weit mehr als in den frühern Werken, welche unter dem unbequemen Titel der Kirchengeschichte des alten Testaments erschienen, ist dieß von den neuern Bearbeitern der jüdischen Geschichte, namentlich den bei §.
47.
angeführten geschehen. Auch die bessern Commentatoren der Geschichtsbücher des alten Testaments haben viele Beiträge hierzu geliefert.
A. d. H.
redende Schlange in dem Paradies, über Dudaim und Kikajon, das Begräbniß Mose u. d. gl.
Zur Schlange im Paradies vgl. Gen 3,1ff.; die in Gen 30,14–16 (vgl. Hld 7,14) erwähnten
Dudaim
(
דודאים
) sind die Früchte der Alraune, denen in alttestamentlicher Zeit aphrodisierende Wirkung zugeschrieben wurde (
Liebesäpfel
), bei dem von Luther mit
Kürbis
übersetzten Gewächs
Kikajon
(
קיקיון
) (vgl. Jona 4,6) dürfte es sich eher um die Rizinusstaude handeln; zu Tod und Begräbnis des Mose vgl. Gen 34.
53
340
.
Um die bisher
erwähnten
erwehnten
philologischen und historischen Kenntnisse
bey
bei
Erklärung der heiligen Schrift recht zu brauchen, sind
sowohl
theils
gewisse
Regeln
Regeln
,
Regeln
als
theils fast
eine
Uebung
Uebung
nöthig, um nach diesen Regeln jene Kenntnisse zur Entdeckung und
Mittheilung
Aufklärung
des Sinnes der heiligen Schrift wohl
anzuwenden
anzuwenden.
(§.
36
).
323
).
36.
)
Der zusammenhängende Inbegriff jener Regeln, oder die Wissenschaft, welche eine Anweisung zur gründlichen Einsicht und Darstellung dieses Sinnes
giebet
giebt
, ist die
biblische
Hermenevtik
Hermenevtik
Hermeneutik
.
54
341
.
In Würdigung dieser Wissenschaft muß man sich
eben so sehr
hüten, ihren Werth
so wenig
herunter zu setzen
zu
niedrig
als zu
übertreiben
hoch
anzuschlagen
.
Regeln
Regeln muß man einmal haben, wenn man
bey
bei
der
heil.
heiligen
Schrift mit
eignen
eigenen
Augen sehen, nicht willkürlich handeln, und sich in ähnlichen Fällen gleich bleiben will. Auch wenn man von dem besten Ausleger geleitet wird, der seine Erklärungen durch
Gründe
Gründe unterstützt,
kan
kann
man nicht einmal beurtheilen, mit welchem Recht er nach solchen Gründen
verfahre
verfährt
, wenn man nicht vorher feste Regeln kennt, wonach man sein Verfahren beurtheilt; und wer sich
sogleich
gleich
einen Wegweiser, den Sinn der heiligen Schrift zu finden, wählt, findet gemeiniglich diese Vorarbeit so bequem, daß er sich um das
eigne
eigene
Aufsuchen und die dazu nöthigen Regeln wenig bekümmert. Indessen könnte
sich
ein guter Kopf, dem es so wenig an obigen Kenntnissen als an
Beobachtungsgeist
Beobachtungsgeist fehlte, sich durch
fleissiges
fleißiges
Studium der heiligen
Schrift,
Schrift
selbst diese Regeln
abziehn
abziehen
, und, wenn er sich an Philosophie gewöhnt hätte, selbst seine Beobachtungen verdeutlichen, und
sie
in allgemeine, bestimmte, und mit andern Grundsätzen zusammenhängende Sätze verwandeln. Auch versteht sichs
von selbst
, daß Regeln allein, ohne
Genie
Genie, Sprach- und historische Kenntnisse und Uebung, keinen Ausleger bilden. Aber dieses alles
mit vorausgesetzt
mitvorausgesetzt
, ist es, zumal für den Anfänger, sehr nützlich, einen wissenschaftlichen Unterricht über richtige Grundsätze zur
Auslegung
Auslegung der heiligen Schrift zu erhalten.
55
342
.
Denn 1) jene
vorausgesetzte
vorausgesetzten
Eigenschaften
kan
kann
man
bey
bei
den
wenigsten
Wenigsten
annehmen, die den Sinn der heiligen Schrift selbst finden
wollen. Man
wollen; man
müßte schon vorher
eine
sehr gute Anweisung und Uebung in recht genauer Erklärung alter Schriftsteller gehabt haben, die allerdings die
treflichste
trefflichste
Vorbereitung zur
Auslegung
Auslegung der
Bibel
Bibel
ist
, aber
doch allein nicht
zureichend,
zureichend
ist, weil
bey
bei
dem Eigenthümlichen des Ausdrucks und der Denkart, die in diesen ganz morgenländischen Schriften der Bibel herrscht,
noch
zugleich
andre
andere
immer wieder neue
Grundsätze erfordert
werden
, welche aus der Natur des
biblischen
Sprachgebrauch
Sprachgebrauchs und der
eigenthümlichen
Art ihres Vortrages
müssen
abgezogen werden
müssen
. 2) Auch
alsdann
alsdenn
, wenn sich jemand mit jenen Eigenschaften dem Studium der heiligen Schrift näherte, würde
vieles
Vieles
von den Grundsätzen oder Vorurtheilen abhän gen, die er mitbrächte. Sind diese falsch, so werden alle seine Beobachtungen eine falsche Richtung nehmen, eher zur Bestärkung seiner Irrthümer, als zu ihrer Berichtigung angewendet werden; sind sie aber auch wahr, nur nicht auf deutliche Gründe gebauet, so ist die ganze Art, wie er
bey
bei
der Auslegung verfährt, sehr
unzuverläßig
unzuverlässig
. Um
beydes
Beides
zu verhüten, müßte er doch schon vorher, ehe er sich
sichre
sichere
Regeln
Regeln abziehen
wollte
will
, feste Grundsätze haben, die ihn
bey
bei
diesem Geschäfte leiteten. Eben diese soll die
Hermenevtik
Hermenevtik
Hermeneutik
geben und klar machen, die uns schon dadurch
große
grosse
Dienste leisten
kan
kann
,
daß
wenn
sie uns
für
vor
schädlichen Vorurtheilen
bey
bei
der Auslegung bewahrt, oder sie ausrottet, ehe sie zu feste Wurzeln schlagen.
3)
Und wenn nun vollends
Andre
3) Andere
uns
unsre Regeln oder deren
die
Gültigkeit
ableugnen:
der von uns befolgten Regeln abläugnen,
so bleibt doch kein
andrer
anderer
Weg übrig, sie zu überzeugen, als der, wo man die
bestrittnen Regeln und
bestrittenen
Grundsätze auf solche zurückführt, die auch der Gegner nicht
ableugnen kan
abläugnen kann
, die sich also auf deutliche Begriffe von der Natur der Auslegung, der Sprachen überhaupt, und
derjenigen
der
Sprachen
insbesondre
insbesondere
, gründen, in welchen die heilige Schrift abgefaßt
ist.
ist,
(
z. B.
ob und
wiefern
wie fern
man die eigentliche Bedeutung der Wörter verlassen dürfe? ob und wiefern die hebräische Bedeutung der gutgriechischen vorzuziehen
sey
? wie die
bestimmte
Bedeutung derselben zu finden
sey
sei
?) 4) Auf Manches wird man gar nicht einmal aufmerksam werden, um sich daraus Regeln zu ziehen, wenn man nicht vorher durch guten Unterricht
daran
darin
erinnert worden ist, oft
z. B.
nicht einmal an die Möglichkeit einer Erklärung denken, die gerade die richtigste seyn
kan
kann
, oft an der Bedeutung der Wörter hängen bleiben, und sich daraus einen
Sinn
Sinn zusammensetzen, aber dar über den wahren Sinn ganzer Sätze verlieren. Ueberhaupt aber
5) ist
ist 5)
das
eigne
eigene
Auffinden richtiger und fester
Regeln
Regeln
Grundsätze
eine so mühsame Beschäftigung, und die dazu nöthigen Eigenschaften (§.
54
341
54.
) sind so selten
beysammen
beisammen
, und erfordern so viele Kenntnisse, Scharfsinn und Fleiß in unendlich kleinen Dingen, daß der gewiß Dank und Aufmerksamkeit verdient,
wer
der
uns diese Beschäftigung durch Mittheilung erprobter Regeln erleichtert, und uns
für Ab-
vor Abwegen
und
Nebenwege
Verirrungen
bewahrt,
wobey
wobei
wir spät oder gar nicht zum Ziel kommen würden.
56
343
.
Wie schwer es überhaupt, und wie unmöglich es für den Anfänger
sey
sei
, ohne diese Anweisung
bey
bei
der Bibel sicher fortzukommen,
lehret
lehrt
schon die
Erwegung
Erwägung
der Kenntnisse, die
bey
allen
sichern
Grundsätze
Grundsätzen und
Regeln
Regeln zum Grunde liegen müssen. Denn die biblischen Bücher sind
–
vernünftige Schriften, und in einer verständlichen Sprache abgefaßt – welche aber, wie jede Sprache, ihr
Eignes
Eigenes
hat – und die heiligen Schriftsteller hatten eben so ihre eigenthümliche
Denkart
Denkart, Begriffe, und Art sich auszudrucken, wie sie sich in allen diesen auch nach ihren Lesern richten mußten. Daher beruhen die
hermeneutischen
Grundsätze und Regeln
bey
bei
Erklärung der
Bibel
Bibel 1) auf der Natur des vernünftigen Denkens und der Sprache überhaupt, worüber die
Logik
Logik Aufschluß geben muß
(§.
174
Anm.
)
, und in so fern ist die bibli sche
Hermenevtik
Hermenevtik
Hermeneutik
von der allgemeinen nicht verschieden; 2) auf der Natur der in der heiligen Schrift gebrauchten
Grundsprachen;
Grundsprachen,
und 3) auf der Kenntniß desjenigen, was die heiligen Schriftsteller und die Leser, für die sie zunächst schrieben,
Eignes
Eigenes
hatten. Wenn auch das Erste leicht sollte zu erkennen seyn: so erfordert doch das
Zweyte
Zweite
und Dritte, wie bisher gezeigt worden, sehr ausgebreitete und feine Kenntnisse, die um so
schw rer
schwerer
zu erwerben, um so schwerer mit Ueberzeugung zu fassen sind, je
größre
größere
Vorurtheile von der ganz
eignen
eigenen
Art
göttlicher
eine besondere Behandlung
heiliger
aus Eingebung geflossener
Bücher sich hier in den Weg
legen
legen.
(§.
42
–
44.
).
329
–
331.
)
42
–
44.
)
Anm.
Anmerk.
Anm.
1. Man sieht hieraus 1) daß die Kenntniß der
allgemeinen Hermenevtik
allgemeinen Hermeneutik
, allenfalls durch
Beyspiele
Beispiele
von Schriftstellen erläutert,
bey
bei
weitem nicht allein zureichend
sey
sei
, da sie nur den kleinsten und leichtesten Theil der Regeln für die Erklärung der
heil.
heiligen
Schrift
enthält;
enthält.
2)
daß
Daß
sich
schon deswegen
die biblische
Hermenevtik
Hermeneutik
nicht, wie manche Wissenschaften, aus Einem allgemein brauchbaren Grundsatz herleiten
laße
lasse
, weil sie auf so vielem beruht, das der Bibel eigen ist; und 3) daß, weil die Bücher des neuen Testaments in einer ganz andern Zeit und Sprache, von ganz andern Schriftstellern, nach ganz
verschiednen
verschiedenen
Absichten, und an ganz
andre
andere
Leser geschrieben sind, als die Bücher des alten, es weit besser
sey
sei
, für jedes eine
besondre Hermenevtik
besondere Hermeneutik
abzufassen, als für
beyde
beide
eine gemeinschaftliche.
(Für das neue Testament insbesondre
Für das
alte Testament
haben wir
nur Ein vortrefliches
Buch
Buch,
in der
neuen Bearbeitung von
Glaß, Salomon
Glassii
Philol. sacra von
Bauer, Georg Lorenz
Bauer
, eine Hermeneutica V. T., desgleichen von
Meyer, Gottlob Wilhelm
Meyers
eine Hermeneutik des A. T., für das
N. T.
noch immer ein vortreffliches Buch an
Ernesti, Johann August
Jo. Aug. Ernesti
Institutio interpretis N. T. (
Edit.
3. Lips. 1775.
8.);
für das alte aber noch gar keines.)
verglichen mit
Morus, Samuel Friedrich Nathanael
Mori
acroasibus super hermeneut. N. T. nach
Eichstaedt, Heinrich Carl Abraham
Eichstädt's
Ausgabe, und
Keil, Karl August Gottlieb
Keil's
Lehrbuch der reinen Hermeneutik des N. T.
Die allgemeinern
hermenevtischen
hermeneutischen
Anweisungen
und
oder doch
schätzbaren
schätzbare
Beyträge
Beiträge
dazu
s.
in
der
meiner
Anweisung zur Kenntniß der
besten
Bücher in der Theol.
angeführt
§. 94–108.
(
§. 94–108.)
Anm.
Anmerk.
Anm.
2. Aus andern, als den
angegebnen
angegebenen
Quellen, können keine Grundsätze und Regeln für die Erklärung hergeleitet werden. Man muß also die biblischen Bücher wie
andre
andere
menschliche Bücher erklären, und
kan
kann
sie anders nicht verstehen
lernen
lernen,
als durch rechtmäßigen Gebrauch der
hermenevtisch
hermenevtischen
hermeneutischen
Hülfsmittel
Hülfsmittel. Denn
ob
verehren wir
sie gleich
göttliche,
d. i.
als
durch Gottes Veranstaltung
oder Eingebung
geschriebne Bücher sind:
geschriebene Bücher,
so ändert doch dieses in der Natur der Bücher
nichts;
nichts,
weil Gott darin die heiligen Schriftsteller
hat
als Menschen mit Menschen und in verständlichen menschlichen Sprachen
hat
reden
laßen
lassen
. – Die durchgängige Weisheit,
Wahrheit
Glaubwürdigkeit
und
Untrüglichkeit
Wahrheit
, welche in diesen Büchern herrscht,
betrift
betrifft
nur die
sichre
sichere
Anwendung des entdeckten
Sinn
Sinnes, hat aber in die Entdeckung
des
dieses
Sinnes selbst keinen Einfluß. Selbst die Folge daraus, daß kein Sinn einer Stelle, welcher
unleugbaren
unläugbaren
Sätzen widerspricht, der wahre seyn könne,
kan
kann
nur dienen, manche falsche Erklärungen zu verwerfen, aber nicht die wahren zu treffen. – Und so wahr es ist, daß die
frömmre
frömmere
Gesinnung, mit der man den Sinn der
heil.
heiligen
Schrift nachforscht, allerdings auch Einfluß in die Auffindung des richtigen Sinnes haben
kan
kann
: so ists doch nur in so fern wahr, als sie zu
gewissenhaftern
gewissenhafterm
Gebrauch der natürlichen Hülfsmittel zur Erklärung der Bibel antreibt. – Irgend einen unmittelbaren Einfluß Gottes
bey
bei
Entdeckung des gedachten Sinnes annehmen,
hieße
hiesse
ja Gott beschuldigen, daß er durch unnütze Umwege dem Menschen entdecke, was er ihm geradezu entdecken könnte, ohne daß er erst die Bibel brauchte verstehen zu lernen. Es ist dieses auch eine eitle Einbildung, die eben so zur Verachtung und Gleichgültigkeit gegen jene einzigen Hülfsmittel verführt, wie falsche Begriffe von dem
Göttlichen
der Bibel zu den Einbildungen vom
vielfachen Sinn einer Schriftstelle, vom natürlichen und übernatürlichen Verstand der
heil.
heiligen
Schrift
u. dgl.
u. d. gl.
verführt haben.
neuen Bearbeitung von Glassii Philol. sacra von Bauer, eine Hermeneutica V. T.
Gemeint ist Georg Lorenz Bauers aus der Bearbeitung der
Philologia Sacra
des Salomon Glaß (vgl. I § 161) hervorgegangene
Hermeneutica sacra Veteris Testamenti
(1797). Zu nennen wäre auch Bauers
Entwurf einer Hermeneutik des Alten und Neuen Testaments
(1799).
Meyers eine Hermeneutik des A. T.
Hier handelt es sich um den zweibändigen
Versuch einer Hermeneutik des Alten Testaments
(1799/1800) von Gottlob Wilhelm Meyer (1768–1816), anführen ließe sich auch dessen
Grundriß einer Hermeneutik des Alten und Neuen Testamentes
(1801).
Mori acroasibus super hermeneut. N. T. nach Eichstädt's Ausgabe
Besorgt wurden Samuel Friedrich Nathanael Morus' zweibändige, die
Institutio
seines Lehrers Ernesti (vgl. II § 51) kommentierende
Super hermeneutica Novi Testamenti acroases academicae
(1797/1802) von Heinrich Carl Abraham Eichstaedt (1772–1848), einem Schüler Morus' und bedeutenden Philologen. Gewidmet ist dieses Werk u.a. Nösselt.
Keil's Lehrbuch der reinen Hermeneutik des N. T.
Karl August Gottlieb Keil (1754–1818), ein Schüler Morus', ist mit seinem
Lehrbuch der Hermeneutik des neuen Testamentes nach Grundsätzen der grammatisch-historischen Interpretation
(1810), 1811 unter dem Titel
Elementa hermeneutices Novi Testamenti
auch auf Latein erschienen, ebenfalls im Zusammenhang der neutestamentlichen Hermeneutik hervorgetreten.
Anweisung zur Kenntniß der Bücher in der Theol. angeführt §. 94–108
Vgl. I § 43.
vielfachen Sinn einer Schriftstelle
Im Hintergrund steht die im Kern auf Origenes zurückgehende Lehre vom vierfachen Schriftsinn (Literal- oder historischer Sinn, allegorischer Sinn, tropologischer Sinn, anagogischer Sinn), wie sie bündig in dem berühmten mittelalterlichen Merkvers
Littera gesta docet, quid credas allegoria, moralis quid agas, quo tendas anagogia
(Der Buchstabe lehrt, was geschehen ist; die Allegorie, was zu glauben ist; der moralische Sinn, was zu tun ist; der anagogische Sinn, was zu hoffen ist) zusammengefasst ist. Luther und nach ihm die grammatisch-historische Auslegung der Aufklärungstheologie erhebt dagegen den Literalsinn (
sensus litteralis
bzw.
historicus
) als einfachen oder wörtlichen Sinn zum Grundsinn der Schrift.
57
344
.
Zu der Bekanntschaft mit den Grundsätzen und Regeln der Auslegung heiliger
Schrift
Schrift,
muß nothwendig noch
Uebung
Uebung
in dieser Erklärung selbst
kommen
kommen.
(§.
36
36.
und
53
).
53.
)
323
).
Denn 1) ohne diese sind die
Regeln
Regeln bald
vergessen;
vergessen,
durch sie wird erst ihr Nutzen mehr klar, und die Ueberzeugung von ihrer Wahrheit
anschaulich;
anschaulich,
oder, wenn uns falsche oder unnütze Regeln sollten
beygebracht
beigebracht
seyn, so
kan
kann
uns die versuchte Anwendung der selben
bey
bei
der Erklärung selbst, bald belehren, ob jene unbrauchbar oder unrichtig, oder einer Einschränkung, und welcher? sie bedürftig sind. 2)
Bey
Bei
dieser Uebung können wir immer mehrere Regeln entdecken, entweder so, daß wir selbst durch
fleissiges
fleißiges
Studieren der Bibel darauf
stoßen
stossen
, oder daß wir sie guten Auslegern,
bey
bei
Wahrnehmung der Art, wie sie verfahren, ablernen, und dadurch den
hermenevtischen
hermeneutischen
Unterricht vervollständigen. 3) Nur erst durch die Uebung machen wir uns diese Grundsätze zu eigen, lernen
selbst
, aus
eigner
eigener
Ueberzeugung, die heilige Schrift verstehen, und gewöhnen uns zum exegetischen
Gefühl
Gefühl, das einem
Ausleger
Ausleger so nöthig ist. Es
kan
kann
auch alsdann 4)
bey
bei
anhaltendem Fleiß nicht fehlen, daß wir nicht, indem wir die Schrift mit sich selbst und allen unsern anderweitigen Sprach- und historischen Kenntnissen vergleichen, Manches in derselben sollten besser, oder doch überzeugender verstehen lernen, was der Fleiß
Andrer
zurückgelaßen
zurückgelassen
Anderer zurückgelassen
oder
verfehlet
verfehlt
hat.
58
345
.
Zu diesen
Uebungen
Uebungen
gehören: –
gehören: 1)
der Gebrauch guter Vorlesungen über die
heil.
heilige
Schrift, wenn man Gelegenheit dazu
hat –
hat; 2)
guter Ausleger, die sie in Schriften erklärt
haben –
haben;
und
3)
eigene Versuche. Man thut wohl, wenn es seyn
kan
kann
, sich erst richtige Grundsätze und Regeln der Auslegung bekannt zu machen (§.
55
342
55.
), und
alsdann
alsdenn
sogleich zu den Uebungen fortzuschreiten, oder letztere gleich mit dem Unterricht in der
Hermenevtik
Hermenevtik
Hermeneutik
zu
verbinden
verbinden.
(§.
57
).
344
).
57.
)
Es ist auch rathsam, die gedachten Uebungen in der angegebenen Ordnung vorzunehmen.
59
346
.
Denn,
Denn
eben
so,
so
wie die
Hermenevtik
Hermenevtik
Hermeneutik
eine sehr nützliche Vorbereitung zum Studium der heiligen Schrift ist, so ist es viel besser, erst
andre
andere
gute
Ausleger
Ausleger zu hören oder zu lesen, als
schon
sogleich
selbst Versuche in der Auslegung anstellen zu wol len. Jenes ist unstreitig leichter. –
Bey
Bei
andern guten Auslegern
kan
kann
man eher mehr Bekanntschaft mit den Hülfsmitteln der Auslegung und den Entdeckungen
Andrer
Anderer
, so wie mehr Uebung und Fertigkeit voraussetzen, als
bey
bei
dem Anfänger. – Dieser übersieht zu viel, ist entweder auf Manches nicht aufmerksam, oder bildet sich ein, Manches zu
verstehen
verstehn
, was er wirklich nicht versteht; durch Vergleichung der Ausleger lernt er erst, daß Manches ganz anders erklärt werden
könne
kan
, Manches nicht so sicher
sey
ist
sei
, als er glaubte, und daß er auf Vieles Acht geben
müsse
muß
, woran er nicht dachte.
Anm.
Selbst denken soll
freylich
freilich
ein jeder,
d. i.
alles
Alles
prüfen, und selbst aufsuchen. Aber er
kan
kann
es doch nicht eher, als bis er die nöthigen Kenntnisse dazu
hat;
hat,
kan
kann
auch allein so weit nicht sehen, als wenn er
Andre
Andere
mit zu Hülfe nimmt. Schon von der
Kindheit
Kindheit an müssen wir erst von Andern geleitet
werden,
werden
und lernen, ehe wir selbst gehen oder entdecken können.
Dies
Dieß
ist
bey
bei
solchen Kenntnissen, wie zur Auslegung der Bibel gehören, unumgänglich nöthig,
die
indem sie
sich
nicht
aus bloßem
durch blosses
Nachdenken
schöpfen lassen
zu entdecken sind
, und
wo
bei denen
selbst die Beobachtung nicht auf natürliche, sondern, wie Sprachen und Geschichte, auf
willkührliche
willkürliche
oder zufällige Dinge geht.
60
347
.
Eben so ist es besser, wenn
man es haben kan,
Vorlesungen
Vorlesungen
Gelegenheit finden,
Vorlesungen
guter Ausleger zu benutzen, als gleich anfangs sich an
Schriften
Schriften
der Ausleger, zumal an mehrere zugleich, zu halten.
Denn,
ausser dem
ausserdem
Denn außer dem,
daß der größte Theil der sogenannten
Commentarien
Commentarien schlecht, oder unsern jetzigen Bedürfnissen
und den
wenigstens denen
eines Anfängers nicht angemessen ist,
und
dieser
auch
nicht immer die Ausleger kennt, welche für ihn die besten sind, oder sie nicht immer haben
kan
kann
: so befördert schon der mündliche Vortrag mehr die Aufmerksamkeit; man
kan
kann
eher
bey
bei
dem Docenten weitern Unterricht über das
einziehn
einziehen
, was man nicht verstanden, oder was uns nicht überzeugt hat; man erspart sich mehr Zeit und Mühe, und wird durch die Abweichungen der Ausleger von einander weniger
verwirrt; der
verwirrt. Der
mündliche Lehrer
kan
kann
seinen Vortrag mehr für das
besondre
besondere
Bedürfniß der
Zuhörer
Zuhörer einrichten, die er vor sich hat; und, wenn der Docent Geschicklichkeit, Fleiß und Untersuchungsgeist genug
hat, kan
besitzt, kann
man von ihm eher erwarten, daß er das Beste, und selbst das Neueste, was über die
Bibel
Bibel geleistet wor den, benutzt, und selbst maches Gute entdeckt haben werde, was man in den Commentarien nicht
antrift
antrifft
.
61
348
.
Vorlesungen und schriftliche Arbeiten über die heilige
Schrift
Schrift,
sind
entweder
kürzer, und halten sich bloß
bey
bei
Vorstellung des
Wortverstand
Wortverstandes auf,
oder
sie sind weitläufiger, und zeigen entweder durch die Erklärung näher die Art, wie man die Bibel auslegen müsse, oder sie
weisen
zeigen
die Anwendung des gefundenen Verstandes zur Bestimmung desjenigen, was wir nach der heili gen Schrift zu glauben, oder zu thun, oder zu vermeiden haben. Die
erstern
nennt man
cursorische Vorlesungen
, oder
Scholien
Scholien
; die
letztern exegetische Vorlesungen
, oder
Commentarien
Commentarien
.
62
349
.
In
jenen
müßte
muß
der Verstand der heiligen Schrift deutlich dargestellt, durch eine möglichst genaue und treue Uebersetzung, und, wo diese nicht möglich, oder nicht zureichend ist, durch dergleichen Umschreibung
ausgedruckt
ausgedrückt
; derselbe aus dem
Sprachgebrauch
Sprachgebrauch der Bibel, und, wo mehrere Erklärungen möglich sind, aus andern Gründen zugleich einleuchtend
gemacht;
gemacht:
es
müßten
müssen
die historischen
Erläuterungeu
Erläuterungen
, wo sie nöthig sind,
beygebracht
beigebracht
, die
anscheinende
anscheinenden
Widersprüche oder
andre
andere
Schwierigkeiten des Verstandes gehoben; merkwürdigere
Lesearten
Lesearten, zumal wo sie den Sinn ändern,
erwähnt
erwehnt
, geprüft, und die gewählte kurz gerechtfertigt; und, wo die Wahl unter mehrern Auslegungen schwerer ist, oder gewisse falsche Erklärungen sehr herrschend sind, und diese nicht schon durch richtige Vor legung des Sprachgebrauchs wegfallen, sie gegen einander
gehalten,
gehalten
und abgezogen werden, um den Vorzug des wahrscheinlichsten Sinnes zu zeigen. Auch
könnten
können
noch einige Winke über die Anwendung wichtiger
Stellen
Stellen,
und über den
großen
grossen
Werth der
Bibel
Bibel und ihrer Belehrungen hinzukommen. –
So
eingerichtet sind solche Erläuterun gen sehr nützlich, und haben – nach ihrem Zweck, den Sinn der heiligen Schrift
aufklären
aufzuklären – einen weit
größern
grössern
Nutzen, als weitläufigere Commentarien. Man erspart sich dadurch mehr Zeit,
meist
so wie
unnütze Weitläufigkeit und Zerstreuung, der man in den letztern so sehr ausgesetzt
ist. Man
ist; man
wird,
bey
bei
dem langsamen Eilen, mehr mit dem Ton, Inhalt und Geist der heiligen Schrift
bekannt. Man
bekannt; man
bekommt eine schnellere und mehr
dem Geiste
gegenwärtige bessere
Uebersicht
Uebersicht des Ganzen, zumal wenn man die ganze Bibel so durchgehen
kan
kann
; dadurch zugleich eine
trefliche
treffliche
Grundlage der ganzen Theologie; und hat, weil die meisten und besten Ausleger der Bibel in
dieser Art der Erklärung
diesem Stil
gearbeitet haben, den Kern des Besten
beysammen
beisammen
, was zur Erläuterung derselben gesagt worden ist.
Anm.
Wenn man gute Vorlesungen dieser Art zu hören keine Gelegenheit
hätte:
haben sollte,
so könnten unter den in der
Anweisung
etc.
§.
110
flgg.
110.
fgg.
erwähnten
erwehnten
Büchern, in Absicht auf das
neue Testament
, für den Anfänger, die
Rosenmüller, Johann Georg
Rosenmüllerschen
Scholia in
N. T.
(3te
(2te
Auflage, Nürnberg
1788–90
in 5 Bänden
1785
f.
in
gr.
8.)
N. T.,
hernach aber vorzüglich
Beza, Theodor
Bezä
und noch vielmehr
Grotius, Hugo
Grotii
Grotii
Annott. in N. T. oder das
neue
Testam.
Testam
.
mit
den
Koppe, Johann Benjamin
Koppischen
Anmerkungen, wenn sie dereinst
von irgend einen eben so geschickten Ausleger möchten
vollendet
worden seyn
sind
dem von
Koppe
angefangenen, von
Heinrichs, Johann Heinrich
Heinrich
und
Pott, David Julius
Pott
fortgesetzten Commentario perpetuo
, in Verbindung mit
Erasmus, Desiderius
Erasmi
Paraphrasibus, dienen; so wie
bey
bei
dem
alten Testament
, nebst
Vatablus, Franciscus
Franc. Vatabli
Anmerkungen,
Schulz, Johann Christoph Friedrich
Jo. Christ. Frid. Schulzii
und
Bauer, Georg Lorenz
Ge.
Ge
.
Laur.
Baueri
Scholia in V. T.
(Norimb.
1783–91,
bis jezt in 5 Bänden in
gr.
8.),
1783
f.
in 8.)
oder
Rosenmüller, Ernst Friedrich Karl
Ern. Frid. Car. Rosenmülleri
Scholia in V. T.,
wovon erst 2 Tomi, Lips. 1788 und 90 herausgekommen sind,
verbun den mit der
Dathe, Johann August
Dathischen
lateinischen
Uebersetzung und
Anmerkungen über alle Bücher des
A. T.
in 6
Bänden in
gr.
8.
Bänden,
Anmerkungen,
und weiterhin
der
Michaelis, Johann David
Michaelischen
deutschen
die
Michaelische
deutsche
Uebersetzung und
den
Anmerkungen zum
A. T.
von
Michaelis, Johann David
Michaelis
.
Was über
einzelne
einzle
Bücher noch dienlicher zu der hier gemeinten Absicht ist,
kan
kann
hier nicht angegeben, sondern muß einer nähern Anweisung zur theologischen Bücherkenntniß
überlaßen
überlassen
werden.
M. s.
auch hier die
Bibliothek für Prediger, 1ster und 4ter
Th.
Anweisung etc. §. 110 flgg. erwähnten Büchern
Vgl. I § 43.
Rosenmüllerschen Scholia in N. T. (3te Auflage, Nürnberg 1788–90 in 5 Bänden
Hier sind Johann Georg Rosenmüllers (1736–1815)
Scholia in Novum Testamentum
gemeint (vgl. I § 161 c), die in der ersten Auflage der
Anweisung
angeführte zweite Auflage ist zwischen 1785 und 1788 erschienen.
Bezä
Nach seinem 1548 im Zuge einer persönlichen Krise erfolgten Übertritt zur reformierten Kirche und der damit verbundenen Ausweisung aus Frankreich war Theodor Beza (de Bèze) (1519–1605) zunächst als Griechischlehrer an der Akademie in Lausanne tätig und avancierte in dieser Zeit zu einem bedeutenden Mitstreiter Calvins. Nach Auseinandersetzungen mit dem Berner Magistrat siedelte er 1558 nach Genf über und wurde für Jahrzehnte eine der prägenden Gestalten der Stadt. Neben fünf kleineren Ausgaben mit kurzen
annotationes minores
dogmatischen Inhalts hat Beza zwischen 1557 und 1598 fünf Folioausgaben des Neuen Testaments publiziert, denen umfangreiche, immer wieder überarbeitete exegetisch-philologische
annotationes maiores
beigegeben waren. Diese wurden als
Annotationes maiores in Novum Dn. Nostri Iesu Christi Testamentum
(1594) auch separat gedruckt und zur Grundlage der reformierten Dogmatik des 17. Jh.s.
Grotii Annott. in N. T.
Vgl. I § 207 c.
neue Testam. mit den Koppischen Anmerkungen
Das grammatisch-historisch ausgerichtete
Novum Testamentum graecum perpetua annotatione illustratum
ist zwischen 1778 und 1821 in insgesamt zehn Bänden erschienen. Der Göttinger Professor, Universitätsprediger und Direktor des Predigerseminars (vgl. III § 31 [c]) Johann Benjamin Koppe (1750–1791), später als Generalsuperintendent u.a. von Hoya-Diepholz und erster Hofprediger in Hannover im kirchlichen Dienst, hat mit der Kommentierung des
Corpus Paulinum
begonnen, nach seinem Tod wurde sein Hauptwerk, wie in der dritten Auflage der
Anweisung
bemerkt, u.a. von Johann Heinrich Heinrichs (1765–1850) und David Julius Pott (1760–1838) vollendet.
Erasmi Paraphrasibus
Bei Erasmus von Rotterdams sich durch eine komplizierte Publikationsgeschichte auszeichnenden
Paraphrases
(1517–1524) handelt es sich um philologisch und erbaulich kommentierende Nacherzählungen des Neuen Testaments mit Ausnahme der Johannesapokalypse. Zu der von Johann Friedrich Sigismund Augustin (1739–1818) besorgten dreibändigen Ausgabe der
Paraphrasen
(1777–1780) hat Nösselt als Vorrede eine
Historia Paraphraseon
beigesteuert (vgl. aaO III, III–XLIV). Augustin hatte zuvor unter Nösselts Vorsitz
De Catenis Patrum Graecorum in novum Testamentum observationes
(1762) verteidigt.
Franc. Vatabli Anmerkungen
Vgl. I § 161.
Jo. Christ. Frid. Schulzii und Ge. Laur. Baueri Scholia in V. T. (Norimb. 1783–91, bis jezt in 5 Bänden in gr. 8.)
Vgl. I § 161.
Ern. Frid. Car. Rosenmülleri Scholia in V. T., wovon erst 2 Tomi, Lips. 1788 und 90 herausgekommen sind
Vgl. I § 161 c.
Dathischen lateinischen Uebersetzung und Anmerkungen über alle Bücher des A. T. in 6 Bänden
Johann August Dathe (1731–1791), 1762 außerordentlicher, dann ordentlicher Professor der morgenländischen Sprachen in Leipzig, ist nicht nur als Bearbeiter der
Philologia Sacra
des Salomon Glaß (vgl. I § 161), sondern auch durch seine sechsbändige lateinische Übersetzung des Alten Testaments einschließlich philologisch-historischer Anmerkungen bekannt. Es erschienen der
Pentateuchus ex recensione textus hebraici et versionum antiquarum latine versus notisque philologicis et criticis illustratus
(1781), die
Libri historici
(1784),
Jobus, Proverbia Salomonis Ecclesiastes et Canticum Canticorum
(1789), die
Psalmi
(1787), die
Prophetae maiores
(1779) und die
Prophetae minores
(1773). Einige Teile wurden erneut aufgelegt.
Michaelischen deutschen Uebersetzung und Anmerkungen zum A. T.
Gemeint ist Johann David Michaelis'
[D]eutsche Uebersetzung des Alten Testaments, mit Anmerkungen für Ungelehrte
(1769–1783). Bemerkt sei, dass 1778 zudem auch eine Übersetzung des ersten Makkabäerbuchs erschien und dass Michaelis ein vergleichbares Werk zum Neuen Testament (1790–1792) folgen ließ.
Bibliothek für Prediger, 1ster und 4ter Th.
Vgl. I § 43 c.
63
350
.
Wenn bey
Ist aber dagegen bei
den
gemeiniglich sogenannten
exegetisch
exegetischen
biblisch-exegetischen
Vorlesungen und weitläufigern
Commentarien
(§.
61
348
61.
) die
Absicht wäre
Hauptabsicht
, die rechte Anwendung der
hermenevtisch
hermenevtischen
hermeneutischen
Grundsätze und Regeln zu
zeigen;
zeigen:
so
müßte
müßten
muß
diese deutlich genug gemacht werden, besonders durch Prüfung und
Gegeneinanderhaltung
Gegeneinanderhaltung
verschiedner
verschiedener
Erklärungen. Nützlich genug würde dieses, zumal für den seyn, der sich nicht selbst zu helfen wüßte; aber doch sehr
aufhalten,
aufhalten
und bald ermüden; man könnte sich daher
mit
an
Proben
bey
bei
einigen kürzern Büchern oder schwerern Stellen
verschiedner
verschiedener
Arten begnügen. –
Wollte
Will
man aber, ohne doch die Untersuchung des Wortverstandes zu
vernachläßigen
vernachlässigen
, zum rechten
Gebrauch
Gebrauch
der heiligen Schrift Anweisung
geben;
geben:
so
müßte
muß
gezeigt werden,
wie
was
die
Beweise
Beweise für Grundsätze des Glaubens und Lebens ungezwungen aus der
vorgetragnen
vorgetragenen
Erklärung
flössen
folgten
fließen
, und diese
müßten
müssen
mit andern klaren biblischen Lehren verglichen werden, um den Grund zu einer wahrhaftig biblischen Theologie zu legen. Es
könnten
können
auch die in der heiligen Schrift entdeckten Sachen angewendet werden, falsche Vorstellungen zu beurtheilen,
wenn
sofern
sie in das
Praktisches
Praktische einen Einfluß
hätten
haben
, oder herrschend, und dadurch verführerisch
wä ren
werden
. Vornehmlich
müßte
muß
man
an
Beyspielen
Beispielen
zeigen
gezeigt werden
, wie man die aus der Bibel geschöpften Kenntnisse recht praktisch, und zur eigentlichen Erbauung für
uns
anwendbar,
anwendbar
zu machen
hätte
habe
; und
darthun,
wie fruchtbar und lehrreich sowohl die
historischen als die Lehrbücher der heiligen Schrift sind, um,
bey
bei
dem rechten Nachdenken darüber und
bey
bei
sorgfältiger
Zusammenhaltung
Zusammenhaltung der biblischen Belehrungen
mit unsern
Bedürfnisse
Bedürfnissen
, uns hinlänglich zur
Gottseligkeit
Gottseligkeit zu unterrichten.
Dies
Dieß
könnte zugleich eine recht gute Anweisung zu
analytischen Predigten werden.
Bey
Anm.
Bei
einer andern Einrichtung sind solche weitläufige Erklärungen der Bibel unnütz, und dienen mehr zur Zerstreuung und Befestigung in hergebrachten Vorurtheilen. – Uebrigens gehören dergleichen Erläuterungen der Bibel nicht eigentlich zur
exegetischen
exegetischen
Theologie, die nur Aufsuchung und Darstellung des Sinnes der heiligen Schrift zur Absicht hat, sondern mehr zur Bildung des künftigen Lehrers
nach
nach
der heiligen Schrift.
{Gewiß aber würden solche Vorlesungen mehr als die bloße Theorie der Hermeneutik nützen, wenigstens den Namen einer praktischen
Homiletik
Homiletik verdienen. Die
Collegia biblica, welche die
Spener, Philipp Jakob
Spenersche
Schule stiftete und empfahl, hatten diese Bestimmung; und mag auch dabei in manchen Stücken gefehlt seyn, so bleibt die Idee doch vortrefflich.
A. d. H.
}
historischen als die Lehrbücher der heiligen Schrift
Der Kanon des Alten und Neuen Testaments wird gemeinhin in drei Teile untergliedert: Als
historische Bücher
werden im Alten Testament die fünf Bücher Mose (Tora) sowie die Bücher von Josua bis Ester und im Neuen Testament die Evangelien und die Apostelgeschichte bezeichnet, als
Lehrbücher
werden im Alten Testament die Bücher von Hiob bis zum Hohelied Salomos und im Neuen Testament sämtliche Briefe angesprochen, und als
prophetische Bücher
gelten im Alten Testament die Bücher von Jesaja bis Maleachi und im Neuen Testament die Offenbarung des Johannes. Die alttestamentlichen Apokryphen (vgl. I § 163) lassen sich diesen drei Teilen zuordnen. Die fünf Bücher Mose können jedoch auch gesondert als
Gesetzesbücher
zusammengefasst werden, für die alttestamentlichen Lehrbücher findet sich auch die Bezeichnung
poetische Bücher
.
analytischen Predigten
Vgl. III § 54.
Collegia biblica, welche die Spenersche Schule stiftete
Der lutherische Theologe Philipp Jakob Spener (1635–1705) erwarb nach dem Studium in Straßburg 1653 den Magistergrad und wurde nach Stellungen am Straßburger Münster, in Frankfurt am Main und in Dresden 1691 Propst und Konsistorialrat an St. Nikolai zu Berlin. Kurz darauf wirkte er an der Gründung der Universität Halle mit. Durch sein Hauptwerk
Pia desideria
(1675) gilt Spener als Gründungsfigur des lutherischen Pietismus (vgl. II § 98), zu seinen wichtigsten Schülern und Mitstreitern zählt August Hermann Niemeyers Urgroßvater August Hermann Francke (1663–1727). Zu den Besonderheiten der von Spener initiierten Frömmigkeitspraxis zählen die als
collegia pietatis
bezeichneten Konventikel oder Hauskreise, die als Erbauungsversammlung neben dem Gottesdienst erstmals 1670 abgehalten wurden und sich, wenn auch nicht unter diesem Namen, auch in dem in den
Pia desideria
grundgelegten Kirchenreformprogramm wiederfinden. Im Mittelpunkt stand in gut reformatorischer Tradition die vertiefte Auseinandersetzung mit der Heiligen Schrift. Daneben sollte auf akademischer Ebene in sog.
collegia biblica
die urtextliche Exegese gefördert werden. In diesen Zusammenhang gehören das 1686 von Francke und Paul Anton (1661–1730) in Leipzig gegründete
collegium philobiblicum
sowie die exegetisch-erbaulichen Kollegs eines Johann Kaspar Schade (1666–1698). Nach der ersten persönlichen Begegnung mit Spener und seinem Erweckungserlebnis hielt Francke ab 1689 in Leipzig mit großem Erfolg
collegia biblica
in deutscher Sprache ab, an denen auch Laien teilnahmen. Diese Kollegien sorgten jedoch bald für Unwillen und wurden bereits kurz darauf wieder verboten.
64
351
.
Nach den bisher angegebenen Eigenschaften biblischer Vorlesungen und
Erläuterungsschriften
Erläuterungsschriften kan
Erläuterungsschriften, kann
man beurtheilen, ob und wie weit man sich einem solchen Führer anvertrauen könne. Je mehr er sich zur eigentlichen Untersuchung des
Verstand
Verstandes
Verstandes
hält, ohne sich
bey
bei
dem aufzuhalten, was keiner Erklärung bedarf, den Sinn nichts angeht, und zu dessen
Aufklärung
Aufklärung nichts thut; – je mehr er sich des
biblischen Sprachgebrauchs
biblischen Sprachgebrauchs
kundig zeigt, und diesen, durch Hülfe genauer Kenntnisse der Grundsprachen und des feinern
Parallelismus
Parallelismus der
Bibel
Bibel, deutlich zu machen, und ihn bestimmt anzugeben weiß; – je mehr er sich, mit Hülfe wirklich
historischer Kenntnisse
historischer Kenntnisse
, in die wahre Lage derer hinein zu denken versteht, mit und von welchen die heiligen Schriftsteller reden; – je mehr er
selbst denkt
selbst denkt
und untersucht – und nichts zurückläßt, um seinen Lesern oder Zuhörern klare
Begriffe
Begriffe von dem Verstande der Bibel, sonderlich
bey
bei
Erklärung uneigentlicher und der heili gen Schrift eigenthümlicher
Ausdrücke,
Ausdrücke
zu geben; – je
bescheidner
bescheidener
er sich zeigt,
vornemlich
vornehmlich
in Rücksicht auf den
verschiednen
verschiedenen
Grad der
Gewißheit
Gewißheit des Sinnes: desto
sichrer kan
sicherer kann
man ihn, obgleich mit steter Prüfung der von ihm
angegebnen
angegebenen
Gründe, so weit sie uns möglich ist, folgen. – Und alles dieses Gute, die rechte
Art
der Schrifterklärung, ihm abzulernen,
dies
dieß
muß eigentlich und weit mehr unser Bestreben seyn, als den jedesmaligen Sinn der
einzelnen
einzlen
Stellen zu
lernen;
lernen,
weil wir uns ohne dieses Ablernen nie selbst zu guten Auslegern bilden.
65
352
.
Wenn man durch
Hören
Hören
oder
Lesen guter
Ausleger
Ausleger
Lesen guter Ausleger
so weit gekommen ist, daß man theils die heilige Schrift, und deren Sprachgebrauch sowohl, als die nöthigsten historischen Kenntnisse zur Einsicht ihres Sinnes, überhaupt versteht, theils solchen Auslegern die rechte
Art
Art,
sie zu erklären, abgelernt hat: so schreite man zur
eignen
eigenen
Uebung
Uebung fort, um sich selbst zur Entdeckung oder Anwendung des
Sinn
Sinnes der Bibel zu gewöhnen. Man
kan
kann
diese Uebungen
vor
für
sich allein, oder, wenn man es haben
kan
kann
, in Gesellschaft mit
andern,
Andern
vornehmen. Letzteres ist sehr zu rathen, – weil es zum anhaltenden Fleiß und
Wetteiferung
zum Wetteifer
ermuntert – weil man durch
andrer
die Ansichten Anderer, ihre
Erinnerungen und
Beyspiele
Beispiele
mehr von der Einbildung, etwas zu
verstehen
verstehn
, was man nicht versteht, von Uebereilungen, seichten und ungegründeten Erklärungen und andern
Fehlern,
Fehlern
zurückgebracht wird – und weil Andere uns auf Manches, den Sinn und dessen Bestätigung betreffend, helfen, woran wir nicht gedacht hatten. Am sichersten und nützlichsten wird man es unter Aufsicht eines guten Auslegers thun, der
Abschweifungen
Abschweifungen von dem Zweck dieser Uebungen, und
andre
andere
diese Absicht zerstörende oder verhindernde
Vorfälle,
Vorfälle
verhüten, uns auf Vieles aufmerksam machen, auch Manches noch gelegentlich mittheilen
kan
kann
.
66
353
.
Studiert man die
Bibel
Bibel, um immer mehr ihren wahren
Verstand
Verstand
zu entdecken: so ist 1) vor allen Dingen nöthig, mit
dem
Schriftsteller recht vertraut zu werden, dessen Schrift man erklären will, und man thut daher sehr wohl, ehe man sich auf eine nähere Untersuchung des
Sinn
Sinnes eines Buchs einläßt, dieses hinter einan der durchzulesen, so ununterbrochen als man
kan
kann
, und ohne sich mit
einzelnen
einzlen
schweren Stellen oder Ausdrücken aufzuhalten, die man fürs Künftige anzeichnen mag; damit uns die ganze Absicht, der ganze Ton des Buchs, und die dem
Schriftsteller
Schriftstller
eigne
eigene
Art des Ausdrucks, geläufig werde, und aus frischer
Lectüre
Lektüre
recht gegenwärtig bleibe. Aus dem, was man darüber ehedem mit Aufmerksamkeit gehört oder gelesen hat, wird man schon so viel behalten haben, daß uns das, was zur allgemeinern Einsicht des Verstandes nothwendig ist, schwerlich entgehen wird. 2) Man zeichne sich
dabey
dabei
gleich
bey
bei
jeder Stelle
die Stel len
(etwa am Rande seines Exemplars)
die Stellen
an, die, in Gedanken oder Worten, jener ähnlich sind. 3) Wenn man
bey
bei
dem Lesen, wenigstens der eigentlich zusammenhängenden Bücher, wie die Briefe des neuen Testamentes sind, gefunden hat, was zusammen zu Einem
Hauptgedanke
Hauptgedanken gehört: so mache man sich einen kurzen Entwurf der
Haupttheile
Haupttheile des ganzen Buchs, um das Ganze hernach besser übersehen, und
bey
bei
Erklärungen
einzelner
einzler
Stellen wissen zu können, wohin sie gehören, und nach welcher Absicht man sie erklären müsse.
Anm.
Anm.
1. Diese
gefundenen
gefundene
Haupttheile
laßen
lassen
sich hernach leicht wieder abtheilen, wenn man zu diesen besondern Theilen kommt. Die Abtheilung derselben bis auf
einzelne
einzle
Sätze, oder gar Worte, ist, schwere oder verwickelte Stellen ausgenommen, ganz unnütz, und das ins Kleine gehende Zerstückeln hindert, den ganzen Ge danken deutlich aufzufassen, und das Ganze eines Buchs recht vor Augen zu behalten.
Anm.
Anm.
2.
Freylich
Freilich
muß man vom Leichtern zum Schwerern schreiten, und deswegen scheint es zuträglicher, mit
einzelnen
einzlen
Stellen anzufangen,
alsdann
alsdenn
zu ganzen Abschnitten und so zu ganzen Büchern
fortzugehn
fortzugehen
. Dieses thut man auch
bey
bei
dem ersten allgemeinern Durchlesen eines Buchs. Aber
näher
um
einzelne
einzle
Stellen recht
sicher
zu
verstehn
verstehen
, muß man sie doch im Zusammenhang mit ihrem Abschnitt, und diesen im Zusammenhange mit dem ganzen Buch ansehen. – Eben so könnte es rathsamer scheinen, leichter
geschriebne
geschriebene
Bücher eher als schwerere,
historische
z. B.
eher als Lehrbücher, zu lesen. Aber
erstre
erstere
geben auch dem eignen Fleiß weniger Beschäftigung und Uebung; sie bekommen ihr Licht mehr durch nach und nach gemachte Entdeckungen erläuternder Umstände, als durch fleißiges Betrachten des Buchs selbst; Lehrbücher hingegen werden durch ihren Zusammenhang und Theile deutlicher, sind also zur Uebung im Auslegen vortheilhafter.
historische z. B. eher als Lehrbücher
Vgl. II § 63.
67
354
.
Kommt
man
man,
nach allgemeiner
Durchlesung
Durchlesung eines biblischen
Buchs,
Buchs
4) auf
einzelne
einzle
Stellen:
Stellen,
so suche man sich ja vornehmlich zu überzeugen, ob man wirklich die Stelle
verstehen
verstehe
?
Denn
denn
dies
dieß
bildet man sich gar zu leicht ein, – wenn man einen Ausdruck, oft bloß nach der Etymologie, eine Redensart nach ihren
einzelnen
einzlen
Wörtern,
übersetzen
übersetzen
kan
kann
, – wenn uns gewisse
Wörter
und
Formeln
sonst geläufig sind;
– oder
oder –
wenn ein aufgefaßter Sinn
möglich
und denkbar scheint, und man nicht weiß, daß und was für
andre
andere
Bedeutungen eben derselbe Ausdruck
hat,
hat.
– oder wenn man den
eignen
eigenen
Sprachgebrauch
Sprachgebrauch eines Schriftstellers nicht genau kennt.
Beyspiele
Anm.
Beispiele
sind
vom ersten
Fall:
Phil. 2,
12
12.
Fall sind:
μετὰ φόβου
κ. τρόμου
τὴν ἑαυτῶν σωτηρίαν κατεργάζεσθε
,
d. i.
nicht: schaffet
eure
Seligkeit
mit Furcht und Zittern
, sondern: „arbeitet an
Andrer
Wohl, doch mit
Be
scheidenheit
(ohne euch über sie zu erheben);“ wo auch
ἑαυτῶν
statt
ἀλλήλων
steht;
Phil. 2, 12.
vergl.
mit
v.
3. 4. 13. 14.
V.
3. 4.
und
14
; desgleichen die Redensart
Luc. 21, 19.
die gewiß nichts anders heißt, als:
rettet oder erhaltet euch durch Standhaftigkeit
,
vergl.
mit
V.
19.
und dem vorhergehenden Zusammenhang, auch
Matth. 10, 22.
und, der Sprache nach, mit
Matth. 10, 39.
und
1 Thess. 4, 4.
V.
3, 4, 13, 14.
;
– vom
zweyten
zweiten
Fall, der Ausdruck
ὑιοὶ τοῦ Θεοῦ
, der ganz anders
1 Joh. 5, 1.
und
Philem. 10
, als
Matth. 5, 45.
und als
1 Joh. 3, 2.
steht, aus welchen
mit einander verglichenen
Stellen sich der allgemeine Sinn leicht abziehen
läßt,
läßt
läßt;
– vom dritten Fall,
σταυρὸς τοῦ Χριστοῦ
, ganz anders
(von
Bedruckungen
Bedrückungen
)
Gal. 5, 11.
vergl.
mit
Kap.
6,
12,
12.
12.,
als
1,
1
Kor. 1,
17
17.
und
18.
18.;
– vom vierten, das so mißverstandne
ἁμαρτίαν
οὐ
οῦ
ποιεῖν
1 Joh. 3, 9.
sich
für
vor
Sünden zu hüten suchen
, nach
Johannis eigner Erklärung
Kap.
5, 18.
κ.
Phil 2,12 liest
καὶ
(vgl. II § 152).
Johannis eigner Erklärung Kap. 5, 18
Gemeint ist wohl Joh 5,19.
68
355
.
Um zu
verhüten
verhüten,
daß uns diese so schädliche falsche Einbildung nicht, ohne daß wir es selbst denken, verführe, muß man sich immer fragen:
erstlich
,
kan
kann
ich etwas
deutlicheres
Deutlichers
Deutlicheres
, es
sey
sei
durch Uebersetzung, oder Paraphrase, oder Beschreibung, an dessen Stelle setzen?
Kan
Kann
ich dieses nicht, so
verstehen
verstehe ich es gewiß nicht:
kan
kann
ich es aber, so folgt noch nicht, daß ich es verstehe; ich
kan
kann
wenigstens nicht gewiß
seyn,
seyn
daß ich den Sinn getroffen habe; weil Mancher viel
über
eine Sache sagen
kan
kann
, was gar
nicht
zur
Sache
nicht
gehört;
gehört,
weil es höchstens beweiset, daß jemand etwas
bey
bei
einem Ausdruck
denkt
, ohne daß er
das
dabey
dabei
denkt, was der Schriftsteller damit sagen wollte; und weil ich den
Sinn
Sinn
kan
kann
errathen
haben, ohne daß ich ihn mir oder Andern begreiflich machen
kan
kann
. Ich muß also
hernach
Grund
Grund angeben können,
warum
ich es so verste hen müsse,
d. i.
zeigen, es schicke sich kein
andrer
anderer
Sinn, oder doch keiner besser
hieher
hierher
, als der, den ich
annehme,
annehme;
und diesen muß ich zugleich schlechterdings aus der
Sprache
Sprache rechtfertigen können. Denn ein Sinn
kan
kann
zwar schicklich, aber nach der Sprache unmöglich, also gewiß nicht der seyn, den der Schriftsteller
ausdrucken
ausdrücken
wollte; auch wird der Sinn weit gewisser, wenn er die Sprache vor sich hat,
†)
†)
1
)
bleibt hingegen immer etwas zweifelhaft, wenn er nach der Sprache unbegreiflich
ist
††)
††)
. Nicht
ist;
2
)
nicht
zu gedenken, daß eine solche Aufklärung aus der Sprache noch den Vortheil gewährt, daß dadurch zugleich
ähnliche dunkle
unschickliche
Ausdrücke aufgeklärt werden
können
†††)
.
†††)
.
können.
3
)
Anm.
Anm.
†)
Anm.
1.
So sehe ich zwar, daß
ἐκένωσε
Phil. 2, 7.
durch
ἐταπείνωσε
V.
8.
erklärt wird, und daß
Gal. 4,
13.
3.
die
στοιχεῖα τοῦ
Κόσμου
κόσμου
das Judenthum oder das
Mose
mosaische
Gesetz seyn müssen,
vergl.
V.
9.
mit
Ebr. 9, 9
. Aber nun muß ich noch jenes aus der Sprache rechtfertigen, in dem die Ebräer
leer
leer
(
κενὸν
) statt
arm
setzen,
Luc. 1, 53.
Richt. 11,
3;
3.
und dieses
στοιχεῖα
eben so,
daß
indem
ich klar mache,
στοιχ.
bedeute Bilder, und
Κόσμος
sey
κόσμος
sei
Gegensatz gegen das Christenthum,
vergl.
K.
Kol.
2, 20
. So sollte man auch
1 Kor. 1, 18.
σωζομένους
von Christen und
ἀπολλυμένους
von Ungläubigen verstehen, weil jene
V.
21.
πιστεύοντες
heissen
heißen
; aber man müßte auch
σωζ.
als das consequens pro antecedente aus
Jes. 10, 21. 22.
erläutern, wo
σώζεσθαι
σωζεσθαι
,
ἀναστρέφειν
und
πεποιθέναι ἐπὶ τὸν Θεὸν
für
einerley
einerlei
gebraucht
werden;
wird,
und
ἀπολλ.
daraus, daß es
2 Kor. 4, 3.
mit
ἀπίστοις
V.
4.
vertauscht wird, und
1 Kor. 8, 11.
jeden bedeutet, der ohne Gewissen handelt.
††)
Anm.
2.
So
δυνάμεις τοῦ μέλλοντος αἰώνος
Ebr. 6,
6.
5.
man verstehe
es
es,
wie man wolle. Sollte es nicht die christlichen Lehren bedeuten, und mit dem
καλ. τοῦ Θεοῦ
ῥήματι
ῥῆματι
, vielleicht auch mit der
δωρεᾷ
δωρεᾶ
ἐπουρανίῳ
und dem
πνεύματι ἁγίῳ
einerley
einerlei
seyn?
in sofern
insofern
αἰὼν ὁ μέλλων
, nach
jüdischen
jüdischem
Sprachgebrauch, das Christenthum
ist,
ist
(
vergl.
bei
Kap.
2, 5.
und da
die Ausleger) und
δύναμις
wie
Röm. 1, 16.
eine kräftige Lehre
heissen kan
heißen kann
.
†††)
Anm.
3.
So werde ich, wenn ich
Kol. 3, 5.
τὰ μέλη
, nach
Paulus
Pauli
eigner Erklärung, von sinnlichen Neigungen verstehe, und es aus dem jüdischen Sprachgebrauch
Matth. 5, 29. 30.
aufkläre,
alsdann
alsdenn
auch das
σῶμα
τ.
ἁμαρτίας
ἀμαρτίας
Röm. 6, 6.
und das
θνητὸν σῶμα
V.
12.
daselbst oder
Kap.
8, 11.
nicht von dem
Leibe
, sondern von sinnlichen
Neiguugen
Neigungen
verstehn
verstehen
, die uns ins Verderben (
θάνατον
) stürzen.
{Ich lasse die Beispiele des Verfassers unverändert, wiewohl mich die Erklärung nicht überall überzeugt hat.}
Gal. 4, 13
Gemeint ist Gal 4,3 (vgl. die erste Auflage der
Anweisung
).
στοιχ.
D.i. erneut
στοιχεῖα
.
σωζ.
Wie kurz zuvor ist der Akkusativ
σωζομένους
zu lesen.
ἀπολλ.
Wie kurz zuvor ist der Akkusativ
ἀπολλυμένους
zu lesen.
Ebr. 6, 6
Gemeint ist Hebr 6,5 (vgl. die erste Auflage der
Anweisung
).
καλ.
Mit Hebr 6,5 (s.o.) und hier im Dativ ist
καλῷ
zu lesen.
τ.
Röm 6,6 liest
τῆς
.
69
356
.
Hiedurch kan
Hierdurch kann
man sich sehr deutlich von der Nichtigkeit mancher
allgemeinen sehr scheinbaren
nicht sorgfältig genug zu vermeidenden
Vorur theile überzeugen,
für die man nicht genug warnen kan, und wogegen sich
vor welchen besonders
5) der angehende Ausleger der heiligen Schrift
gleich
Anfangs
anfangs
sich
wohl verwahren muß. Es ist
erstlich
ein sehr thörichter Wahn, daß man die
Bibel
Bibel ohne alle
Gelehrsamkeit
Gelehrsamkeit verstehen, und ihren Sinn gleichsam aus ihr selbst entziffern
könne
†)
.
könne.
*)
Legt man
dabey
dabei
nicht einmal den
Grundtext
Grundtext, sondern eine
bloße
blosse
Uebersetzung
Uebersetzung, zum Grunde: so ist
vor
für
sich klar, wie ungegründet diese Hoffnung
sey
sei
, weil ja in der Uebersetzung der Sinn verfehlt seyn
kan
kann
; oder in ihr Ausdrücke vorkommen können, die
zweydeutig
zweideutig
sind, und zu falschen
Nebenbegriffe
Nebenbegriffen verführen, welche im Original nicht liegen;
manches
Manches
sich auch in einer
bloßen
blossen
Uebersetzung gar nicht
ausdrucken
ausdrücken
läßt; und alle Dunkelheit des Originals, die nicht bloß in den
Idiotismen
Idiotismen der Grundsprachen liegt, (als welche
freylich
freilich
manchmal durch eine
freye
freie
Uebersetzung
kan
kann
gehoben
werden,)
werden),
mit in die Uebersetzung übergeht. Hält man sich aber, wie billig, an den Grundtext: so ists ja eben so unmöglich, diesen in fremden und ausgestorbenen Sprachen aufgesetzten Text ohne gelehrte
Hülfsmittel
Hülfsmittel zu verstehen, als ohne diese die historischen Kenntnisse zu erlangen, die, wie oben gesagt
ist
, überall darin zum Grunde liegen; zumal, da diese Sprachen, selbst die griechische des neuen Testaments, so wie die Sprache fast eines jeden biblischen Schriftstellers, wieder ihr Eigenes haben,
und sich
ja
die ganze
Sprache
Sprachweise
der Bibel
sich
so sehr auf morgenländische und jüdische Begriffe, selbst auf Begriffe sehr roher Völker, bezieht, die nothwen dig von unsern ungleich
weiter
mehr
aufgeklärt
aufgeklärten Begriffen sehr verschieden seyn müssen, und daher ein sehr sorgfältiges, sehr ins Kleine
gehende
gehendes
Studium der
Geschichte
Geschichte erfordern.
†)
Anm.
Nach dieser höchstens nur halb wahren Meinung sind die
Philosophischen
philosophischen
Philosophische
Vorlesungen über das sogenannte neue
Testament - -
Testament,
von K. K.
S.
S.,
Leipzig 1785
f.
f.,
eingerichtet
bisher 3 Bände in groß Octav
.
{Natürlich ist von einer
gelehrten
Erklärung der heiligen Schrift, nicht von einer
populär
populären
die Rede. Denn sehr vieles kann allerdings der bloße gesunde
Menschenverstand
Menschenverstand fassen; ja er hat gewiß den Sinn der biblischen Schriftsteller oft besser gefaßt, als Manche, die ihn vor lauter Gelehrsamkeit nicht finden konnten, und lieber das Unnatürlichste wählten, um ihre Sprachkenntniß geltend zu machen.}
Philosophischen Vorlesungen über das sogenannte neue Testament - - von K. K. S. Leipzig 1785 f.
Die
Philosophische[n] Vorlesungen
sind in insgesamt sechs Bänden (1785–1789) erschienen, zugeschrieben wird dieses Werk dem reformierten Theologen Johann Konrad Pfenninger (1747–1792), einem Vertrauten Johann Caspar Lavaters (1741–1801).
70
357
.
Eben so falsch und unbestimmt ist daher
zweytens
zweitens
die Einbildung: man brauche sich nur immer an den Buchstaben zu halten,
weil der leichteste Sinn, der sich gleich
bey
bei
dem Lesen darstellt, sicherlich der beste
sey
†)
.
sei.
*)
Man gesteht doch
a)
selbst zu, daß sehr oft der sich zuerst darstellende
Sinn
Sinn ungereimt
sey,
sei
(wie
z. B.
in den Stellen, die Gott scheinen zur Ursach des
Böses
Bösen zu
machen,) man
machen). Man
bekennt
dadurch
also
, daß die
Regel
Regel trüglich
sey;
sei:
ist
also
nicht die Gefahr, durch diese Regel verführt zu werden, noch leichter, wenn der Sinn nicht ungereimt, aber
doch
dennoch
falsch, von den heiligen Schriftstellern erweislich nicht gemeint ist? Man
kan
kann
b)
nicht
leugnen
läugnen
, daß die heiligen Schriftsteller, für uns wenigstens, sich hätten deutlicher
ausdrucken
ausdrücken
können; also ist die Einfalt und Leichtigkeit des
gefundnen
gefundenen
Sinnes kein Kennzeichen, daß er der wahre
sey
sei
. Und wenn
c)
in jeder Sprache etwas
Charakteristisches
Charakteristisches liegt, weil jedes Volk seine Sprache nach seinen besondern Begriffen formt: so
kan
kann
unmöglich der wahre bestimmte Begriff, der mit solchen Aus drücken verknüpft ist, uns, die wir in
unsrer
unserer
Sprache an
andre
andere
Begriffe gewöhnt sind, der leichteste oder gleich zuerst zu treffende
seyn
sey
. Er muß also erst durch Kunst,
d. i.
durch den regelmäßigen Gebrauch mancher erst zu
erwerbenden
erwerbender
Hülfsmittel, gefunden werden, daher er, weil diese Einsicht
kunstmäßig
kunstmäßig
erworben ist, von Unwissenden für
gekünstelt
gekünstelt
,
gezwungen, oder weit hergeholt gehalten, und deswegen verworfen wird, ohne zu bemerken, daß, je ungelehrter und unbekannter jemand mit dem
Eignen
Eigenen
der Sprachen, der fremden Sitten, Denkungsart
u. d. gl.
ist,
je
desto
ungewöhnlicher ihm auch der richtigste Sinn scheinen müsse.
†)
Anm.
*)
M. s.
in den
Abhandlungen über wichtige Gegenstände der Religion, von
Jacobi, Johann Friedrich
Joh. Friedr. Jacobi
, Zelle
1772
in
1773,
Octav, dritte Abhandlung
1772. die
dritte
.
weil der leichteste Sinn, der sich gleich bei dem Lesen darstellt, sicherlich der beste sey
Vgl. II § 21; II § 143.
Abhandlungen über wichtige Gegenstände der Religion, von Joh. Friedr. Jacobi, Zelle 1772 in Octav, dritte Abhandlung
Die
Abhandlungen
bestehen aus insgesamt vier Teilen (1773–1778). Wie in der ersten Auflage der
Anweisung
korrekt bibliographiert, stammt der erste Teil aus dem Jahr 1773, eine zweite Auflage ist 1776 erschienen.
71
358
.
Eben dieses Eigene, das den Ungelehrten so sehr befremdet, recht kennen zu lernen, ist 6) –
ausser
außer
dem, was schon oben gesagt worden ist (§.
36
323
36.
) – nichts unentbehrlicher, als die
Bibel
Bibel mit sich selbst zu vergleichen, um zu sehen, ob und wie die heiligen Schriftsteller sich selbst, entweder ausdrücklich, oder so erklären, daß man aus fleißiger
Vergleichung
Vergleichung einer Stelle mit andern, ihren Sinn abnehmen
kan
kann
. Wo dieses ist, da geht man
freylich
freilich
am sichersten, nur daß man nicht die philologischen und historischen Hülfsmittel
vernachläßige
vernachlässige.
(§.
67
–
70
).
354
–
57
).
67
–
70.
)
Ei nige Erinnerungen hierüber und
Beyspiele
Beispiele
sind schon oben
Theil 1.
§.
77
–
80
77.
–
80.
gegeben worden, und die
Hermenevtik
Hermenevtik
Hermeneutik
muß
das Mehrere
ein Mehreres darüber
lehren.
72
359
.
Weil aber die christliche
Religion
Religion, wie sie
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Jesus
und seine Apostel vorgetragen haben, auf die jüdische gegründet,
und
den damaligen Be griffen
meist jüdischer oder aus dem Judenthum kommenden Leser, auch
angeschmiegt ist,
selbst
die Ausdrücke aus dem alten Testamente entlehnt sind, und dadurch der Vortrag
hebräisch-griechisch
ebräisch-griechisch
worden
geworden
ist: so ist 7) nöthig, auch das alte Testament, dessen
Uebersetzungen
Uebersetzungen, besonders die
alexandrinische
Alexandrinische
, fleißig zu studieren, und sich sowohl das
Eigne
Eigene
des Ausdrucks, als die Begriffe bekannt zu machen, die in dem alten
Testament
Testamente
liegen, und ins neue übergegangen, nachgeahmt, oder nach der Lehre des Christenthums umgekleidet worden sind.
S.
Theil 1.
§.
162–,64.
162
–
64.
162.
–
64.
hebräisch-griechisch
Vgl. I § 162.
alexandrinische
Vgl. I § 163.
73
360
.
Ueberhaupt aber –
um,
um
auf
einer Seite,
der einen Seite
sich
für
vor
allem Gekünstelten zu hüten,
und,
und doch
auf der andern, die in der Bibel wirklich da liegenden Ideen, in
der
mehrern oder mindern Bestimmtheit zu finden, die ihnen die heiligen Schriftsteller gegeben haben, – lese man sie 8) mit dem einfältigen,
unbefangnen
unbefangenen
Kindersinn
Kindersinn, der nur
lernen
will, was sich uns
bey
bei
aller angewendeten Aufmerksamkeit darstellen wird. Man gewöhne sich immer
mehr –
mehr,
alle unzeitig angebrachte Gelehrsamkeit,
d. i.
die nicht
zur
Aufklärung
Aufklärung der
die
Dunkelheit des Textes und
zur nothwendigen
die nothwendige
Ueberzeugung von ihrem wahren Sinn
erfordert wird
heischt
, – alles Hinschielen auf theologische
Theorie
Theorie, auf geheimnißvolle
Mystik
Mystik, auf philosophische Hypothesen, – alle Verschönerung der Bibel nach alter und neuer Aesthetik und
Dialetik
Dialektik
Dialetik
,
– alle Sichtung und romanhafte Umkleidung der wirklich
da
darin
erzählten Geschichte, zu entfernen. Man nehme
alles
Alles
für das, was es ist, und lese es als Briefe, als planlose, einfältige
Erzählungen
Erzählung
, als Fragmente von
übriggebliebnen
übriggebliebenen
gelegentlichen Reden der göttlichen Gesandten, als fromme Ausbrüche des von
Gotteswahrheit
Gotteswahrheit vollen Her zens, und reinige diese
Antiquen
Antiquen
Antiken
nicht von dem Rost, der sie eben zu so ehrwürdigen
Antiquen
Antiken
macht, glätte nicht das Rauhe, das sie als
Denkmale
Denkmahle
ihrer Zeit und ihres Volks tragen, oder vernichte nicht die natürliche Schönheit und die edle Einfalt, die dem
unverdorbnen
unverdorbenen
Gefühl
Gefühl so sehr gefällt. Wer für alles Wahre, Gute und Schöne offen ist, es
sey
sei
von welcher Art es wolle, wird es gern annehmen, wo und wie er es findet.
alle unzeitig angebrachte Gelehrsamkeit […] alles Hinschielen auf theologische Theorie, auf geheimnißvolle Mystik, auf philosophische Hypothesen
Die besonders auf Jean-Alphonse Turretini (1671–1737) zurückgehende, mit den Begriffen
leerer Kopf, tabula rasa
und
vacuum pectus
zum Ausdruck gebrachte methodische Forderung einer von theologischen und philosophischen Vorannahmen befreiten Bibellektüre, die die neutestamentliche Überlieferung einzig vor dem Hintergrund ihrer Entstehungszeit verstanden wissen will, ist in der nachfolgenden Generation von Johann Jakob Wettstein aufgegriffen worden. Großen Anteil an der Durchsetzung dieser hermeneutischen Grundannahme hatten als Wettstein-Herausgeber (vgl. II § 35 c) Johann Salomo Semler sowie Wilhelm Abraham Teller mit seinem
Joh. Alph. Turretini de Sacrae Scripturae interpretatione tractatus bipartitus
(1776), einer Neuausgabe von Turretinis Methodenbuch aus dem Jahr 1728.
74
361
.
Mit eben diesem Vorsatz, nur zu
suchen
, was man finden wird, und das
Gefundne
Gefundene
so
anzunehmen
, wie man es gefunden hat, müßten auch die
eignen
eigenen
Uebungen
Uebungen
(§.
58
58.
)
unternommen werden, wodurch man eine Fertigkeit erlangen will, die heilige Schrift
zur
Erbauung
Erbauung
anzuwenden,
d. i.
ihren Inhalt sich und Andern recht
nützlich
nützlich zu machen. Besondere Regeln darüber zu
geben
geben,
ist hier der Ort so wenig, als zu besondern Regeln der Auslegung, die der
Hermenevtik
Hermenevtik müssen
überlaßen
überlassen
Hermeneutik überlassen
werden
müssen
. Vielleicht
laßen
lassen
sich darüber gar nicht einmal bestimmte Regeln geben, weil
hiebey
hierbei
so vieles auf das
besondre
besondere
Be dürfniß eines jeden ankommt, nach dem die
Anwendung
Anwendung sehr verschieden ausfallen muß; wenigstens sind der guten Muster dieser Anwendung, nach wirklich festen und wohlüberdachten
Grundsätzen,
Grundsätzen
noch so wenig vorhanden, und eine eigentliche Theorie dieser Anwendung noch gar nicht, so höchst nutzbar sie auch zur Bildung eines christlichen Religionslehrers seyn würde. Hier also nur einige allgemeinere Erinnerungen über
diese Sache
diesen Gegenstand
.
75
362
.
Wer sich
also
in
dieser rechten
rechter
Anwendung
Anwendung
der
heil.
Schrift
üben wollte – und dieses wird auch hier am vortheilhaftesten auf die §.
65
65.
erwähnte
352
erwehnte
Art geschehen können – der müßte 1) sich schlechterdings nicht
hiebey
hierbei bloß
durch seinen
bloßen
blossen
guten Willen, Willkühr
frommen Sinn, seine Willkür
und Phantasie leiten
laßen
lassen
, sondern stets auf eine richtige
Auslegung
Auslegung der heiligen Schrift bauen, und daher auf die Grundsätze, die oben berührt worden sind; sonst
lernt
er nicht
würklich
wirklich
aus der heiligen Schrift, und ist in Gefahr, Gedanken, die durch Lesen der Bibel allenfalls
veranlaßt
worden sind, mit den
Belehrungen aus der Bibel selbst
, zu verwechseln. 2) Er müßte daher nicht über seine
besondre
besonderen
Angelegenheiten die Bibel gleichsam als ein
Orakel
Orakel befragen, und
finden
wollen was er
wünschte;
wünschte; –
denn,
was das Herz wünscht, glaubt der Verstand leicht auch gefunden zu haben, glaubt Manches zu sehen, woran die heiligen Schriftsteller nicht gedacht
haben;
haben; –
sondern er müßte, in Rücksicht auf sein Bedürfniß überhaupt,
d. i.
auf Belehrung zu seinem
Trost
Trost und zu seiner
Besserung
Besserung, die heilige Schrift und deren Theile studieren, in festem Vetrauen auf Gott, er werde ihm,
bey
bei
wahrer
Begierde,
Begierde
sich belehren zu
laßen
lassen
, und
bey angewendeten
bei stets angewendetem
gewissenhaften Gebrauch der rechten Hülfsmittel, gewiß das, und so viel
aufstoßen laßen
auftossen lassen
wahrnehmen lassen
, was und wie er es zu seinem
Bedürfniß
Bedürfniß
jedesmal
dermalen
braucht
gebraucht
und tragen
kan
kann
. Eben dieses gefühlte Bedürfniß macht gerade
bey
bei
Lesung eines Buchs auf das am aufmerksamsten, was man
gerade
am meisten
braucht
nöthig hat
.
was das Herz wünscht, glaubt der Verstand leicht auch gefunden zu haben
Georg Friedrich Meier (1718–1777), einer der akademischen Lehrer Nösselts in Halle, formuliert in den
Beyträge[n] zu der Lehre von den Vorurtheilen des menschlichen Geschlechts
(1766), 54: „Was das Herz wünscht, glaubt der Verstand, aber aus Uebereilung“ (vgl. ders.,
Philosophische Sittenlehre
IV [1758], 382). In der antiken Literatur findet sich mit
quae volumus et credimus libenter
(Caes. civ. II 27,2) eine vergleichbare Formel.
76
363
.
Eben deswegen müßte er 3) sich, wenn er
diese
Absicht hat, weder
bey
bei
den Stellen aufhalten, die er nicht ver steht, noch
bey
bei
irgend einer Sache, die nicht zu der eben genannten allgemeinern
Erbauung
Erbauung dient, sondern bloß Neugier oder vielmehr Vorwitz befriedigt;
müßte
4) stets den
großen
grossen
Unterschied vor Augen behalten, zwischen seinen oder den
Umstände
Umständen derer, die er aus der heiligen Schrift erbauen will, und zwi schen den Umständen dererjenigen, an welche, oder für deren
Bedürfniß,
Bedürfniß
zunächst die biblischen Bücher geschrieben sind, oder die in der heiligen Schrift als redend oder handelnd aufgeführt
werden;
werden,
so wie den Unterschied der so sehr
stufenweise
stuffenweise
in der Bibel bekannt gemachten
Offenbarung
Offenbarung
Gottes;
Gottes,
und hienach müßte er
Gottes, um danach
die Anwendung mit
Discretion
Discretion
Vorsicht und Weisheit zu
machen; auch deswegen 5)
die
Bücher der heiligen Schrift und
die
Theile derselben am meisten studieren, welche das Allgemeine, für jedermann
Nutzbares
Nutzbare, enthalten, oder für ihn und
Andre
Andere
, die er aus der Bibel belehren will, die deutlichsten, lehrreichsten und eindrücklichsten sind, ohne deswegen die andern ganz
bey
bei
Seite zu legen, aus welchen man, wie
z. B.
aus den historischen oder nach der Denkungsart damaliger Leser eingerichteten Stellen, nach der
Analogie
Analogie Lehrreiches genug herausziehen
kan
kann
, oder worin der Gelehrtere Manches noch Lehrreichere für sich zu finden weiß, als in andern allgemeiner erbauenden Büchern
und deren Stellen
. Aus eben dieser Ursach müßte er sich 6) nicht an jedes Wort, Bild oder
jeden
Gedanken in der Bibel halten – den Fall ausgenommen, wo dergleichen keine
besondre
besondere
Beziehung auf damalige Leser und deren
besondre
besondere
Umstände verräth, und wo es etwas für uns besonders Lehrreiches und Eindrückliches enthält – noch weniger
ganze
allgemeine Lehrsätze oder
Theorie
ganze Theorieen
darauf bauen; sondern mehr auf die
Hauptvorstellung
Hauptvorstellung, welche in einer Stelle liegt, und auf das Verhältniß, in welchem dieses
Einzelne
Einzle
mit dem ganzen göttlichen
Unterricht
Unterricht in der Bibel steht; und 7) nach dem, worauf ihn der Unterricht der Bibel aufmerksam gemacht hat, sich und alle Veränderungen, die er in der Welt wahrnimmt, fleißig beobachten, um einen Schatz von
Erfahrungen
Erfahrungen zu
sammlen
sammeln
, wodurch die Ueberzeugung von der
Wahrheit
Wahrheit und
Nutzbarkeit
Nutzbarkeit der biblischen Belehrungen befestigt, und dieser biblische Unterricht immer mehr
erweitert,
erweitert
und fühlbarer gemacht werden
kan
kann
.
77
364
.
In Absicht auf die Herleitung des
christlichen
Lehrbegriff
Lehrbegriffs
Lehrbegrifs
aus der heiligen
Schrift
Schrift,
müßte man nicht nur auf das sehen, was zur Erweiterung
unsrer
unserer
Kenntnisse davon, und zu mehrerer Berichtigung, Bestätigung und näherer Bestimmung
unsrer
unserer
Begriffe von demselben dienlich ist, sondern auch stets darüber nachdenken, wie fern er zu
unsrer
unserer
wahren
Beruhigung,
Beruhigung
sowohl als zur Ueberzeugung von unsern Pflichten, und der rechten Art, sie auszuüben, auch zur kräftigsten Ermunterung dazu, irgend etwas
beytragen kan. – Bey
beitragen kann. – Bei
allen Uebungen aber, sie mögen die Entdeckung des Sinnes der heiligen Schrift oder ihre Anwendung betreffen, müssen wir stets
gegen
für
immer weitere und bessere Belehrung offen, und sie anzunehmen willig bleiben, und daher auch
Andrer
Anderer
Bemühungen zu
beyderley
beiderlei
Zweck
aufs möglichste und
unparteyischte
unpartheyischte
möglichst unparteiisch
zu benutzen suchen.
Zusatz des Herausgebers.
Vielleicht erwarteten manche Leser, in diesem Abschnitt über die rechte
Art
und
Weise
der
Schriftauslegung
Schriftauslegung, um so mehr Einiges über die durch
Kant, Immanuel
Kant
vorgeschlagene, und von Vielen allzuschnell ergriffene, ja selbst häufig mißverstandene
moralisch
moralische Interpretation
, da der selige
Nösselt, Johann August
Nösselt
sich selbt in einem eignen Programm bestimmt gegen sie erklärt hatte. Da er sie gleichwohl hier unberührt gelassen hat, so dürften folgende kurze Bemerkungen darüber nicht überflüssig seyn.
Kant, Immanuel
Kant
– überall bemüht, sein System mit dem von ihm hochgeachteten christlichen System nicht nur der Moral, sondern auch der Dogmatik, in Harmonie zu bringen – versuchte in seiner
„Religion innerhalb der Gränzen der bloßen Vernunft“
unter andern auch, manche Aussprüche der heiligen Schrift auf eine solche Art zu deuten, daß dadurch eine wenigstens scheinbare Harmonie mit seinen philosophischen Begriffen und Lehren entstünde. Da es auch scheinen könnte, als ob Manches in der Bibel den Aussprüchen der Vernunft, und selbst einer strengern Moral widerspräche, so stellte er den Satz auf,
über
dem grammatischen Interpreten stehe der moralische Schriftausleger bei jedem Buch, das für eine göttliche Offenbarung gelten solle. Es lasse sich a priori annehmen, daß eine Offenbarung nichts enthalten könne, was der
Vernunft
oder der
Moral
zuwider sei. Dieß sei ein unumstößliches Postulat. Wenn also auch der Philologe in einer Schriftstelle einen Sinn, den dieser Vorwurf treffe, finden sollte, so
könne
dieß in einer heiligen Schrift nicht der
wahre Sinn
seyn, und unter zwei möglichen Erklärungen müsse stets die, welche am meisten moralisch sei, vorgezogen werden. (
Röm. 12, 20.
würden also die Worte: „so wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln“ schon darum richtiger von der Beschämung des großmüthig Behandelten, oder von der Wärme der Liebe, als „von dem Herabziehen der göttlichen Strafen“ erklärt werden, weil jenes ein reineres Motiv und eine edlere Handlungsweise bezeichne.)
Man that
Kant, Immanuel
Kanten
Unrecht, wenn man ihn hiernach als einen Verächter der gelehrten Schriftauslegung betrachtete. Er drückte sich nur, nach seiner Weise, etwas paradox aus. Auch wollte er ja nur da so verfahren wissen, wo man die Bibel zu praktisch-religiösen Zwecken benutzte. Darin that er nichts anders, als was so viele Kirchenväter, und besonders alle allegorischen Schriftausleger gethan hatten. Wo ihnen der buchstäbliche Sinn nicht fruchtbar, wohl gar anstößig erschien, da legten sie einen andern Sinn den Worten unter, vergeistigten gleichsam das zu Sinnliche, und ahmten hierin die ältern Weltweisen nach, die auch die alten Dichter auf diesem Wege praktisch zu benutzen, und verständlich zu machen suchten. (
M. s.
viele Beispiele bei
Plutarch
Plutarch
de audiendis poetis.)
Gleichwohl hat man eine solche moralische Schriftinterpretation eigentlich nicht nöthig. Sie führt doch nur zur Verwirrung, und kann nie ein festes Princip haben. Sie trägt in die Schriftstellen eigne Gedanken hinein. Sie ist höchstens
erbauliche Anwendung
, nicht
Interpretation
. Diese beruht allein auf Sprache, Logik und dem
Historischen
, sofern es den Sinn eines Autors erläutern kann.
Was man neuerlich auch von einer hievon noch verschiedenen
religiösen
Auslegung geäußert hat, scheint nichts anders, als den unbestrittenen Satz auszudrücken, daß, je mehr der Ausleger Geistesverwandter seines Schriftstellers sei, desto besser werde er ihn auch verstehen und fassen. – Wie eine
dichterische
Natur einen
Dichter
, so verstehe ein
religiöses
Gemüth einen
religiösen
Autor am besten. Soll etwas anders damit gesagt werden, so öffnet es aller Schwärmerei die Thür, und jeder Fanatiker kann sich dann – wie sie pflegen – anmaßen, am tiefsten in die Geheimnisse einer heiligen Schrift einzudringen, deren Sinn den Gelehrten verborgen sei. Vor einem solchen Princip wird uns der bessere Geist der Zeit bewahren, wie sehr auch das Zeitalter sich hier und da zur Geringschätzung der Vernunft hinneigen mag.
Nösselt sich selbst in einem eignen Programm bestimmt gegen sie erklärt hatte
Gemeint sind die in Nösselts
Exercitationes ad Sacrarum Scripturarum interpretationem
(1803), 275–320 (X.) abgedruckten
Animadversiones in sensum Librorum Sacrorum moralem
.
Plutarch de audiendis poetis
Dem griechischen Titel nach handelt es sich bei
De audiendis poetis
um eine Anweisung, wie ein junger Mensch Dichtung lesen soll. Dichtung ist für Plutarch unvollkommene Philosophie, die zwar leicht zu lesen, jedoch mit Fabelhaftem vermischt sei. Bei richtiger Herangehensweise könne man jedoch trotzdem einen philosophischen Gewinn aus den Dichtern ziehen (vgl. Plut. mor. 2,15F). Konkret geht es v.a. um das Problem, dass die göttlichen oder menschlichen Akteure oftmals nicht als moralische Vorbilder dargestellt würden, ihre Handlungen mithin zur Nachahmung ungeeignet seien. Mittels moralischer Allegorese könne das Anstößige jedoch zum Ausgleich gebracht werden.
Was man neuerlich auch von einer hievon noch verschiedenen religiösen Auslegung geäußert hat […] so verstehe ein religiöses Gemüth einen religiösen Autor am besten
Die für die Schriftauslegung geforderte Geistesverwandtschaft (Kongenialität) mit den biblischen Autoren wurde gegen den aufkommenden Primat der historisch-grammatischen Auslegung in Anschlag gebracht und erinnert an die
theologia regenitorum
früherer Jahrzehnte. Auch die Hermeneutik Schleiermachers rechnet mit der Kongenialität des Auslegers (divinatorische Methode).
Zweyter
Zweiter
Abschnitt. Historische Theologie.
78
365
.
Es ist eine überaus lehrreiche Beschäftigung, dem
verschiedenen Gang
Gange
nachzuforschen,
den
welchen
die
Religion
Religion in der Welt,
bey
bei
so verschiedenen Fähigkeiten,
Aufmerksamkeit,
Hülfsmitteln, Neigungen, Sitten und Verbindungen der Menschen unter einander, genommen hat, man
mag die Religion
betrachte sie nun
als Erkenntniß Gottes und des Verhältnisses zwischen ihm und den Menschen, oder als Dienst desselben,
d. i.
als
Betragen ansehn, das
Verehrung Gottes durch Gesinnungen oder äußere Handlungen, die
auf Religion gegründet
ist
sind
. Eine
allgemeine
Geschichte
Geschichte der Religion müßte –
allgemeine Geschichte der Religion
müßte,
in
jener
Rücksicht
auf die
Erkenntniß
Erkenntniß
Gottes,
lehren, was nach und
nach,
nach und
hie und da, unter den Menschen, in Absicht auf diesen Gegenstand, für Wahrheiten oder Irrthümer, Ueberzeugungen, Vorurtheile und
Zweifel?
Zweifel geherrscht,
aus was für Quellen, oder durch welche
Veranlassung,
Veranlassung
sie
entsprungen
entsprungen,
und
wodurch
befördert,
sie befördert
oder
vermindert?
vermindert sind;
und
was für merkwürdige Veränderungen dadurch in der Denkungsart, dem Charakter, den Sitten der Menschen und ganzer Völker, selbst in ihren
äusserlichen
äußerlichen
Einrichtungen und Schicksalen,
allmählig
hervorgebracht
worden sind?
worden;
– in Rücksicht aber auf den
Dienst
Dienst
und Verehrung
oder die
Verehrung
Gottes, oder
den Ausbruch
die Wirkungen
dieser Begriffe
von Gott und die daraus entstandnen Empfindungen:
auf Empfindungen und Handlungen,
wie sich diese
Begriffe und
Empfindungen
geäussert?
geäußert,
durch was für Anstalten und Mittel das Wachsthum oder die Abnahme religiöser Gesinnungen und Handlungen, auch des
äusserlichen
äußerlichen
Gottesdienstes, befördert
worden? welche Begriffe und Empfindungen,
worden;
und wie sie auf
diesen Gottesdienst,
den äußern Gottesdienst (Cultus) gewirkt, und
umgekehrt
auch
, welche
gottesdienstliche
gottesdienstlichen
Handlungen auf die
Verändrung
Veränderung
der Erkenntniß Gottes, wie und auf welche Theile
derselben,
derselben
sie Einfluß gehabt
haben.
haben?
79
366
.
Alle Kenntnisse, welche diese
Geschichte
Geschichte der Religion betreffen, rechnet man zur
historisch
historischen Theologie
, nach dem weitern Begriff, den man dem Namen der Theologie untergelegt hat (§.
2
2.
und
3
);
3.
):
289.
290
),
und so würde dieser Theil der Theologie, als eine Wissenschaft betrachtet, nichts anders seyn, als
Geschichte der Religion
in ihrem ganzen Umfange
(§.
219
und
220
)
, die alle merkwürdigere Veränderungen der Erkenntniß und des Dienstes Gottes
aller Zeiten
aller Zeiten
und
Völker
Völker
begreifen müßte. Weil aber diese Wissenschaft von einem unübersehlichen Umfang seyn würde, wenn sie nur
einigermaßen
einigermassen
das leisten sollte, was der Name einer solchen allgemeinen Geschichte
verspricht;
verspricht,
und uns von den meisten, wenigstens allen
barbarischen,
barbarischen
Völkern, Jahrtausende
hindurch,
hindurch
die Nachrichten dieser Art entweder ganz fehlen, oder so mangelhaft und unsicher sind, daß sich keine eigentliche zusammenhängende Geschichte davon liefern läßt: so schränkt man sich gemeiniglich nur auf die Geschichte der in der Bibel enthaltenen Religion und der darauf gegründeten Gesellschaften,
d. i.
auf die
Kirchengeschichte
Kirchengeschichte, ein; zumal da es gewöhnlich ist, das Wort Theologie vornehmlich und eigentlich von der biblischen zu verstehen.
Anm.
Anm.
1. Diejenigen, welche eine Geschichte der Religionen, auch derer, die sich nicht auf die heilige Schrift gründen, zu entwerfen unternommen haben, geben doch eigentlich nur eine
Religionsgeschichte
Religionsgeschichte einiger bekannten Völker, die noch dazu sehr dürftig und
unzuverläßig
unzuverlässig
ist, wie man sich leicht überzeugen
kan
kann
, wenn man die in der
Anweisung zur Kenntniß der
theol.
theologischen
Bücher
§.
293
293.
und
94
294.
angeführten
Bücher
Schriften
vergleicht. Alle übrige (daselbst §. 296
f.
) sind nur, zum Theil
vortrefliche, Beyträge
vortreffliche, Beiträge
zur
Religionsgeschichte besondrer Völker, und der mit so mühsamen Fleiß und philosophischen Blick entworfne
Religionsgeschichte. Selbst der
Grundriß der Geschichte aller Religionen
, von
Meiners, Christoph
C.
Meiners
(Lemgo
Meiners
, Lemgo
1785.
8.)
8.
, schränkt sich nur auf einige Religionsbegriffe und Gebräuche ein, die unter den Menschen am gangbarsten gewesen sind,
betrift
betrifft
eigentlich nur den religiösen Aberglauben, und läßt sich auf gar keine Geschichte der Völker und Gesellschaften ein, so
ferne
fern
sie sich über Religionsbegriffe und davon abhängende Uebungen getrennt und unterschieden haben.
{
Lindemann, Johann Gottlieb
Lindemann's
Geschichte der Meinungen alter und neuer Völker von Gott, in 7 Theilen, 1784–1795.,
ist zwar eine ziemlich reiche, aber zu wenig geordnete und gesichtete Sammlung von Materialien. Eine kurze Uebersicht der Religionen der wichtigsten Völker findet man in
meinem
Lehrbuch der Religion für Schulen, 1ste
Abth.
, verglichen mit den erläuternden Anmerkungen.
A. d. H.
}
Anm.
Anm.
2. In einem
engern
Verstande wird
historische Theologie
nur von der Geschichte oder dem Fortgang und den Veränderungen der verschiedenen Begriffe der Menschen von besondern Religionslehren genommen, oder gar
nur
nur,
theils auf Vorstellungen selbst, theils nur auf die verschiedenen Begriffe von den in der Bibel geoffenbarten Lehren eingeschränkt.
Am
In der
engsten
Bedeutung
wird dieses Wort von
denenjenigen
denen
gebraucht
genommen
, welche darunter die angeblich christlichen Lehren verstehen, sofern ihr Beweis, oder doch der Beweis ihres
Alterthum
Alterthums in der christlichen Kirche, auf Nachrichten und Aussprüchen angesehener Kirchenlehrer, oder auf Decreten der sogenannten Kirche darüber, mit
einem
Einem
Wort, auf
der
Tradition
Tradition beruht.
Anweisung zur Kenntniß der theol. Bücher §. 293 und 94
Vgl. I § 43.
meinem Lehrbuch der Religion für Schulen, 1ste Abth.
Gemeint ist August Hermann Niemeyers häufig aufgelegtes
Lehrbuch für die oberen Religionsclassen gelehrter Schulen
(1801;
18
1843). In der ersten Abteilung findet sich die historische Behandlung der Religion, die in eine Einleitung in die biblischen oder Religionsschriften und die Religionsgeschichte zerfällt.
80
367
.
Die
Geschichte
Geschichte der
verschiednen
verschiedenen
Religionen unter den
Menschen
Menschen,
verdient es
sehr
von vielen Seiten
, daß man sie mit aller Sorgfalt studiere. Denn sie ist einer der wichtigsten Theile der
Geschichte der
Menschheit
Menschheit
Geschichte der Menschheit
, und überall
zeiget
zeigt
sich der mächtige Einfluß der Religion auf die übrigen Arten der menschlichen
Cultur
Cultur
Kultur
. Ueberall, wo man das Christenthum zuerst
predigte
gepredigt hat
, schmiegte man entweder diesen Unterricht den
vorhandnen
vorhandenen
Religionen an, oder es ging natürlich
vieles
Vieles
aus diesen in das Christenthum über, das sich nach
diesen
ihnen
in solchen Gegenden
bildete; in so fern kan
bildete. Insofern kann
selbst die christliche
Kirchengeschichte
Kirchengeschichte dieser Kenntniß
andrer
anderer
Religionen nicht entbehren.
– Ausser
Außer
den Frag menten von dieser allgemeinern
Religionsgeschichte
Religionsgeschichte, die sich in der bekannten
Völkergeschichte
Völkergeschich te finden, sind
zuverläßige
zuverlässige
Reisebeschreibungen,
so fern
sofern
sie sich auch auf Sitten und Verfassungen der Völ ker
eingelaßen
eingelassen
haben, eine unentbehrliche Quelle solcher Kenntnisse.
Anm.
Ein Verzeichniß der wichtigsten steht hinter
Meiners, Christoph
Meiners
Grundriß der Gesch. aller Rel. (
s.
§.
79.
366.
Anm.
1.
2.
) und in der
Anweisung zur
theol.
Bücherkenntn.
Bücherk.
theologischen Bücherkenntniß
,
§. 297
flgg.
folg.
Anweisung zur theol. Bücherkenntn. §. 297 flgg.
Vgl. I § 43.
81
368
.
Aus diesen
Quellen
Quellen
müßte
hat
man sich nach und nach
einzelne
einzle
Nachrichten
sammlen
zu sammeln
, und sie entweder nach den
verschiednen
verschiedenen
Ländern und Völkern
zu
ordnen, oder nach den merkwürdigsten Lehren, Einrichtungen und Gewohnheiten, die nach den besondern
Religionsbegriffe
Religionsbegriffen getroffen, oder angenommen
worden.
worden
.
Bey
Bei
der
ersten
erstern
Methode
könnte
kann
man etwa die
anderwärts schon erwähnte
oben §.
238
erwehnte
Gatterer, Johann Christoph
Gattererische
Gatterersche
Weltgeschichte, oder die
ohngefähr
ohngefehr
da gemachte Anlage,
bey
bei
der andern
den eben genannten Abriß von
Meiners, Christoph
Meiners
zum Grunde legen.
Man müßte hernach
Nächstdem muß man
, sowohl nach der auffallenden Aehnlichkeit der Religionen
verschiedner
verschiedener
Völker mit einander, als nach den Nachrichten der Geschichte über den Ursprung eines Volks aus dem andern,
und über
oder
den Einfluß des einen aus dem andern, zu entdecken suchen, welche Völker, auch in Absicht auf Religion originell sind, oder welche sich nach andern gebildet haben, und
bey
bei
dem, was jedes Volk in seiner Religion Eignes hat, nach den natürlichen und sittlichen
Ursa chen,
Ursachen
forschen, aus welchen sich dieses Eigene, der Geschichte gemäß, erklären läßt.
Bey
Bei
Befolgung dieser Regel
würden
werden
auch
einzelne
einzle
Untersuchungen gelehrter Männer über diese
Religionsgeschichte
Religionsgeschichte mit Nutzen
gebraucht
vergleichen
werden können.
Anm.
Der Versuch über die Religionsgeschichte der ältesten Völker, besonders der Egyptier, von
Meiners, Christoph
Chr. Meiners
, Göttingen
1775,
in 8. kan
1775., 8., kann
, wenigstens einen Theil des Gesagten, deutlicher, und auf die Vorsichtigkeit
bey
bei
solchen Sammlungen und Untersuchungen aufmerksam machen.
anderwärts schon erwähnte Gattererische Weltgeschichte
Vgl. I § 235.
eben genannten Abriß von Meiners
Vgl. II § 80 bzw. II § 79.
82
369
.
Unter allen Theilen der
Religionsgeschichte
Religionsgeschichte ist die
Geschichte der christlichen
Kirche
Kirche
Kirche
am bekanntesten, und am meisten bearbeitet. Das Wort
Kirche
(
Ἐκκλησία
), welches in der gewöhnlichen Bedeutung nur erst unter Christen aufgekommen ist, und
bey
bei
diesen nur von solchen gesagt wird, die der in der heiligen Schrift liegenden, oder überhaupt von einer wahren nähern göttlichen
Offenbarung
Offenbarung abhängenden Lehre folgen, bezeichnet vornehmlich die Christen zusammengenommen, oder den ganzen
Inbegrif dererjenigen
Inbegriff derer
, welche die von
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christo
und seinen Aposteln bekannt gemachte Religion für wahr annehmen, und,
so fern
sofern
man es von einer
äusserlichen
äußerlichen
Gesellschaft nimmt, alle die zusammengenommen, welche sich zu dieser Religion, durch Theilnehmung an den darauf gegründeten
äusserlichen
äußerlichen
Gottesdienst
Gottesdienst, bekennen.
Kirchengeschichte
,
oder,
oder
be stimmter zu reden,
christliche Kirchengeschichte
, heißt daher die Erzählung der merkwürdigern Veränderungen dieser
Gesellschaft,
Gesellschaft
im Zusammenhang.
83
370
.
Es versteht sich von selbst, daß diese Geschichte nicht bloß auf die christliche
Gesellschaft
Gesellschaft
und deren Schicksale eingeschränkt werden müsse.
Denn,
–
Denn
da sich diese Gesellschaft auf besondere
Religionsbegriffe
Religionsbegriffe gründet, und dadurch sowohl als durch den
Gottesdienst
Gottesdienst,
Gottesdienst
von andern unterscheidet;
–
da diese Begriffe und die darauf beruhenden Gesinnungen durch Sprachen und
äusserliche
äußerliche
Handlungen
ausgedruckt
ausgedrückt
, diese durch jene Begriffe und Gesinnungen gestimmt werden, und hinwiederum Sprachen und Gebräuche,
bey
bei
ihrer besondern Modification, einen
grossen
großen
Einfluß in die Bestimmung und Richtung
der
religiösen
religiöser
Vorstellungen und Gesinnungen
äussern
äußern
(
Theil 1.
§.
60
–
67
);
–
da endlich
einzelne
einzle
merkwürdigere
Personen,
Personen
und ihre Schriften, oder
besondre
besondere
Gesellschaften, durch ihr erlangtes Ansehen, Gelegenheit zu
großen
grossen
Veränderungen in
Lehrvorstellungen
Lehrvorstellungen
den Ton, in Lehren
, in deren Ausdruck und in gemachten Einrichtungen unter den Christen
gegeben
angegeben
haben: so muß die christliche
Kirchengeschichte
Kirchengeschichte nicht bloß die Veränderungen der Kirche, als Gesellschaft betrachtet, sondern auch die Beschaffenheit und Geschichte der Lehre und des Gottesdienstes, der Ausdrücke, der Einrichtungen und Gebräuche, der merkwürdigern Personen, Schriften und besondern
Gesellschaften,
Gesellschaften
erzählen, welche jene Veränderungen bewirkt haben.
Anm.
Die Geschichte der Lehren von
Dreyeinigkeit
Dreieinigkeit
Gottes,
Freyheit
Freiheit
des menschlichen Willens, Erbsünde, Prädestination,
Transsubstantiation
u. d. gl.
u. dergl.
– der
verschiednen
Liturgien
Liturgien
verschiedenen Liturgieen
, besonders der römischen, die so eifrig als die Lehre selbst ausgebreitet worden, des
Bilderdienstes, der
Kindertaufe, der
Kelchsverweigerung
bey
bei
dem heiligen Abendmahl, – die
Geschichte der lateinischen Sprache in der Kirche, und der Wörter
ὁμοούσιος
,
ὑπόστασις
,
φύσις
, fides, bona opera, satisfactio
u. a.
– der bischöflichen und übrigen hierarchischen Einrichtung, der Concilien und Synoden, der
Bullen in Coena Domini und Unigenitus, der
Kirchenbuße
Kirchenbusse
und des Beichtwesens – der
Gebräuche,
Gebräuche
über die sich oft allein
einzelne
einzele
Gesellschaften getrennt haben, als über
gesäuertes
Brodt bey
Brod bei
dem heiligen Abendmahl, über Kindertaufe und Untertauchung oder Besprengung – die Geschichte des
Athanasius von Alexandrien
Athanasius
,
Hieronymus
Hieronymus
,
Augustin von Hippo
Augustins
,
Hus, Jan
Hussens
Augustinus
,
Huß
,
Luther, Martin
Luthers
,
Melanchthon, Philipp
Melanchthons
u. a.
u. A.
– der Schriften des
Dionysius Areopagita
Dionysius Areopag.
, der
Vulgate
Vulgata
, des
falschen
Isidor, s. Pseudo-Isidor
Pseudo-Isidor
Isidorus
, der
Weissagungen
Weißagungen
des
Abts
Joachim von Fiore
Joachim
Abt
Joachims
, der
Formulae Concordiae
u. d. gl.
u. dergl.
– der
verschiednen
verschiedenen
Orden
u. s. f.
kan
kann
hier zum Beweise dienen.
Transsubstantiation
D.i. die wesenhafte (d.h. nicht akzidentielle, sondern substantielle) und dauerhafte Umwandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi während der Eucharistie. Die katholische Lehre von der Transsubstantiation (vgl. II § 113) wurde zwar von den Reformatoren einvernehmlich abgelehnt, doch kam es zwischen Martin Luther und Ulrich Zwingli (1484–1531) auch zu innerreformatorischen Auseinandersetzungen. Im sog. ersten Abendmahlsstreit der Reformationszeit (vgl. II § 113) hielt Luther an der Realpräsenz Christi im Abendmahl fest, während Zwingli die Auffassung eines geistlich-symbolhaften Erinnerungsmahls vertrat; in dem in den 1550er Jahren entbrennenden sog. zweiten Abendmahlsstreit wurde die Realpräsenz dann mithilfe der Lehre von der Ubiquität Christi (vgl. II § 113) begründet. Später wurden Realpräsenz und Ubiquität Christi in der
Konkordienformel
(s.u.) gegen das katholische und das auf Zwingli (und Calvin) zurückgehende reformierte Abendmahlsverständnis festgestellt (Art. 7). Zur Geschichte der Abendmahlslehre vgl. insbesondere auch II § 113.
Bilderdienstes
D.i. die Anbetung von Heiligenbildern, insbesondere der Jungfrau Maria. Da den Heiligen nach katholischer Vorstellung eine vermittelnde Funktion zwischen Gott und Mensch zukommt, können diese als Fürsprecher vor Gott angerufen werden. In diesem Zusammenhang steht auch das Reliquienwesen. Sowohl der Bilderdienst als auch der Reliquienkult wurden von den Reformatoren abgelehnt, auf katholischer Seite jedoch durch das
Tridentinum
(vgl. II § 98) bestätigt. Ähnlich dem auf protestantischer Seite ausbrechenden Bildersturm der Reformationszeit hatte die Frage nach dem rechten Umgang mit Ikonen bereits im sog. byzantinischen Bilderstreit (8./9. Jh.) zu ikonoklastischen Unruhen geführt (vgl. II § 113). Theologisch besonders bedeutsam ist die auch in der
Anweisung
dargelegte Verbindung des Bilderdienstes mit dem Abendmahl (vgl. II § 113).
Kindertaufe
Die seit der Alten Kirche (vgl. II § 85) weit verbreitete Praxis der Kindertaufe ist im 16. Jh. von radikal-reformatorischen Gruppen abgelehnt worden (Täuferbewegung). Trotz ihrer Verurteilung auf dem Reichstag zu Speyer (1529) und teils massiven Verfolgungen haben sich täuferische Glaubensgemeinschaften (z.B. die Mennoniten) bis heute gehalten. Die Frage nach der Kindertaufe wird in protestantischer Tradition bis in die Gegenwart hinein diskutiert und ist in freikirchlichem Kontext nicht selten zugunsten der Gläubigen- oder Erwachsenentaufe entschieden.
Kelchsverweigerung bey dem heiligen Abendmahl
Vor dem Hintergrund der scholastischen (vgl. II § 19) Vorstellung von der Konkomitanz (vgl. II § 113) hat sich in der katholischen Kirche eine Eucharistiepraxis entwickelt, in der der Priester beim Abendmahl Brot und Wein, die Gemeinde jedoch nur das Brot erhält. Laien wird der Kelch vorenthalten, das Abendmahl demnach nur unter einerlei Gestalt (
communio sub una specie
) dargereicht. Die Position des Jan Hus (s.u.), der das Abendmahl unter beiderlei Gestalt (
communio sub utraque specie
), d.h. den Kelch auch für Laien, gefordert hatte, wurde auf dem Konzil von Konstanz (1414–1418) ausdrücklich verboten. Später wurde das Abendmahl unter beiderlei Gestalt zum Kennzeichen der reformatorischen Bewegung, das Verbot seitens der katholischen Kirche trotz anfänglicher Zugeständnisse auf dem Konzil von Trient (1545–1563) erneuert (vgl. § 98). Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965) ist die Kelchkommunion jedoch auch in der katholischen Kirche wieder erlaubt und sogar angeraten.
Geschichte der lateinischen Sprache in der Kirche
Das allgemeine Zurücktreten des Griechischen zugunsten des Lateinischen als römische Verkehrssprache verstärkte sich im Westen durch die Teilung des Römischen Reiches nach dem Tod Theodosius' I. im Jahre 395 in besonderer Weise. Während im oströmischen Teil das Griechische beherrschend blieb, wuchsen im weströmischen Teil
romanitas
und
latinitas
immer mehr zusammen. Durch die
Vetus Latina
und dann v.a. die Vulgata (s.u.) erhielt die biblische Überlieferung eine lateinische Gestalt, Latein wurde zur Sprache des Gottesdienstes, der Theologie, des Kirchenrechts, der Bildung und nicht zuletzt auch der Mission und blieb es – auch wenn das philologiegeschichtliche Urteil teilweise äußerst hart ausfällt – nach der als karolingische Renaissance bezeichneten Bildungsreform Karls des Großen (747–814) das gesamte Mittelalter hindurch (Scholastik). Während etwa mit Jan Hus (s.u.) und dann v.a. mit der Reformation die Bedeutung der Nationalsprachen für Gottesdienst und Kirche zunehmend aufgewertet wurde, blieb das Lateinische im Zuge des Renaissance-Humanismus Gelehrten- und damit auch Theologensprache (vgl. I § 123–128). In der römisch-katholischen, lateinischen Kirche spielt das Lateinische bis heute eine zentrale Rolle und ist (vgl.
Sacrosanctum Concilium
Art. 36) noch immer Sprache der Messe und Amtssprache des Vatikanstaats.
ὁμοούσιος
,
ὑπόστασις
,
φύσις
, fides, bona opera, satisfactio
Im Hintergrund stehen die bereits zuvor festgestellten Probleme die Sprache betreffend (vgl. I § 61–63). Die dogmatischen Schlüsselbegriffe
ὁμοούσιος
,
ὑπόστασις
und
φύσις
(vgl. auch I § 63) sind der vorchristlichen Philosophie entliehen und wurden im Rahmen der komplexen, Jahrhunderte dauernden Beschreibung christologischer bzw. trinitätstheologischer Zusammenhänge in altkirchlicher Zeit uneinheitlich verwendet und ins Lateinische übersetzt. Der Begriff
ὁμοούσιος
beschreibt die Wesensgleichheit der drei Personen der Trinität (Vater, Sohn, Heiliger Geist), die ihrerseits mit dem christlich umgeprägten Begriff
ὑπόστασις
bezeichnet werden. Die sich herausbildende christologische Grundformel lautet im griechischen Osten
μία οὐσία
,
τρεῖς ὑποστάσεις
und im lateinischen Westen (Tertullian u.a.)
una substantia, tres personae
. Allerdings wurde
οὐσία
, lange Zeit gleichbedeutend mit
ὑπόστασις
, auch mit
essentia
,
ὑπόστασις
in wörtlicher Entsprechung mit
substantia
und
persona
mit
πρόσωπον
übersetzt. Die damit einhergehenden definitorischen Probleme sind in der Dogmatik des 18. Jh.s wohlbekannt. Der Begriff
φύσις
(Natur), zunächst auch synonym für
ὑπόστασις
gebraucht, bezeichnet die göttliche und die menschliche Natur Christi (Zwei-Naturen-Lehre). Glaube (
fides
) und gute Werke (
bona opera
) sind Zentralbegriffe der lutherischen Rechtfertigungslehre, nach der der Mensch vor Gott nicht durch gute Werke, sondern allein durch den als Gnadengeschenk verstandenen Glauben gerecht wird (
sola gratia
bzw.
sola fide
). Diese gegen die Vorstellung einer Werkgerechtigkeit gerichtete Bestimmung der Rechtfertigung gehört zu den zentralen Theologumena des reformatorischen Christentums. Zum Begriff der
Genugtuung
(
satisfactio
) vgl. I § 61.
Bullen in Coena Domini und Unigenitus
In Coena Domini
ist eine seit dem ausgehenden Mittelalter mehrfach erschienene und ergänzte Bannbulle gegen unterschiedliche Häresien und Verstöße gegen die Kirche. Die endgültige Form dieser Sammlung fällt in das Pontifikat Urbans VIII. (1623–1644), Clemens XIV. (1769–1774) hob die Bulle 1770 auf. Martin Luther, der in
In Coena Domini
1521 namentlich als Ketzer aufgeführt wurde, übermittelte unter dem Titel
Bulla coena domini, das ist, die Bulla vom Abendfressen des allerheiligsten Herrn, des Papstes
zum Jahreswechsel 1521/1522 eine Übersetzung nebst Vorrede und Anmerkungen nach Rom (vgl. WA VIII [1889], [688] 691–720).
Unigenitus Dei filius
, kurz
Unigenitus
, bezeichnet eine 1713 auf Wunsch des französischen Königs von Papst Clemens XI. (1700–1721) verfasste Bulle, die sich besonders gegen die
Réflexions morales sur le Nouveau Testament
(1671) Pasquier Quesnels (1634–1719) und den erstarkenden Jansenismus (vgl. II § 98) richtete. Wohl nicht gemeint ist die Bulle
Unigenitus Dei filius
aus dem Jahr 1343, in der Papst Clemens VI. (1342–1352) den Sündenablass regelte und die insofern eine wichtige Grundlage für den von den Reformatoren bekämpften Ablasshandel darstellt.
gesäuertes Brodt bey dem heiligen Abendmahl
Hier ist v.a. der sog. Azymenstreit zu nennen, der ein Grund für das Große Schisma von 1054 zwischen der römisch-katholischen und den orthodoxen Kirchen war. Während sich im Westen ab dem 9. Jh. der Übergang zu ungesäuertem Brot (griech.
ἄζυμα
) vollzog, wird im byzantinischen Ritus bis heute gesäuertes Brot verwendet. Im Hintergrund steht die Frage, ob das Abendmahl Jesu als Pessachmahl zu verstehen ist. Mit dem auch
Fest der ungesäuerten Brote
(Matzen) genannten Pessachfest (vgl. Ex 12) wird im Judentum an den Auszug der Israeliten aus Ägypten erinnert.
Athanasius
Über das Leben des Kirchenvaters und Heiligen Athanasius von Alexandrien (gest. 373), auch
der Große
genannt, ist vergleichsweise wenig bekannt. Nach koptischer Tradition wurde Athanasius im Alter von 33 Jahren als Nachfolger Alexanders von Alexandrien (gest. 328), den er als Diakon auf die Synode von Nicäa (325) begleitet hatte, Bischof. Sein Geburtsjahr ist danach mit 295 anzugeben. Als Bischof und einer der Protagonisten des das 4. Jh. dominierenden arianischen Streites (vgl. I § 63) setzte er den Kurs von Nicäa fort und musste in theologisch wie politisch unruhigen Zeiten mehrfach ins Exil fliehen. Neben seinen antiarianischen Schriften (u.a. die
Orationes contra Arianos
) seien die Lebensbeschreibung des Wüstenvaters Antonius (
Vita Antonii
), das apologetische Doppelwerk
Contra gentes / De incarnatione Verbi
sowie der 39. Festbrief mit der erstmaligen Aufzählung der 27 kanonischen Schriften des Neuen Testaments hervorgehoben. Neben Gregor von Nazianz (II § 102), Johannes Chrysostomus (vgl. II § 104) und Basilius (vgl. II § 115) zählt er zu den vier griechischen Kirchenlehrern.
Hieronymus
Der aus einer begüterten Familie stammende Sophronius Eusebius Hieronymus (ca. 347–420) verbrachte die ersten Lebensjahrzehnte in unterschiedlichen Zentren des Reiches und bekehrte sich bereits früh zum monastischen Leben. Dass er in der chalkidischen Wüste in Syrien für einige Jahre in einer Mönchsgemeinschaft gelebt habe und später päpstlicher Sekretär Damasus' I. (305–384) gewesen sei, wird heute angezweifelt, dass er in Rom
spiritus rector
eines asketischen Kreises adliger Frauen (Marcella, Paula u.a.) war, gilt hingegen als gesichert. Nach Auseinandersetzungen um die Nachfolge Damasus' I. verließ Hieronymus gemeinsam mit Paula und deren Tochter Eustochium Rom, gründete im Jahre 386 ein Frauen- und ein Männerkloster in Bethlehem und stand diesen bis zu seinem Tod vor. In diese Zeit fällt ein großer Teil seiner umfangreichen literarischen Tätigkeit. Hieronymus schrieb ein hervorragendes Latein, neben asketischen Schriften hatte besonders seine v.a. an Origenes orientierte, spiritualistische Bibelauslegung einen beträchtlichen Einfluss auf die mittelalterliche Theologie des Westens (vgl. II § 115). Von substantieller Bedeutung sind Hieronymus' der Vulgata (s.u.) zugrundeliegende Übersetzungen bzw. Revisionen des Alten (unter Rückgriff auf den hebräischen Urtext) und Teilen des Neuen Testaments. Nicht selten wird Hieronymus als der eigentliche Urheber der Vulgata (s.u.) angesprochen.
Hussens
Jan Hus (ca. 1370–1415) studierte nach dem Besuch der Artistenfakultät in Prag ebenda Theologie und empfing im Jahr 1400 die Priesterweihe. Seit 1402 ebenda Professor wurde er in unruhigen Zeiten (Wyclifstreit) 1409–1410 Rektor der Prager Universität. Als der Prager Erzbischof zunehmend gegen Anhänger des Oxforder Theologen und Kirchenreformers John Wyclif (1326–1384) vorging, für dessen Lehren sich neben Hus etwa auch Hieronymus von Prag (1379–1416) begeistert hatte, verschärfte sich Hus' Kritik an der verweltlichten Kirche. Seine Exkommunikation 1411 erfolgte, nachdem er einer Vorladung der Kurie nicht nachgekommen war. Da sich Hus auf dem 1414 eröffneten Konzil von Konstanz weigerte, seine Lehren zu widerrufen, wurde er hier 1415 als Ketzer verbrannt. Von Wyclif übernahm Hus etwa die Lehre von der doppelten Prädestination, bestimmend in den Auseinandersetzungen mit dem Hussitismus (vgl. II § 98) blieb jedoch insbesondere auch die Frage nach der Eucharistie und dem Laienkelch (s.o.). Zudem ist Hus als Verfechter des Gebrauchs des Tschechischen im Gottesdienst (s.o.) hervorgetreten.
Dionysius Areopag.
Dionysius Areopagita ist das Pseudonym (Pseudo-Dionysius) eines um 500 lebenden Autors mehrerer theologischer Werke sowie von zehn Briefen, der vorgibt, der in Apg 17,34 genannte Dionysius zu sein, der wiederum laut Eusebius von Caesarea (vor 264/265–339/340) erster Bischof von Athen wurde. Bischof Gregor von Tours (538–594) kennt dagegen einen Missionsbischof, der in Paris das Martyrium erlitten haben soll und später mit dem Dionysius der Apostelgeschichte gleichgesetzt wurde. Hilduin (gest. Mitte des 9. Jh.s) identifizierte diesen Märtyrerbischof schließlich mit dem Verfasser der oben genannten Schriften. Bereits in der Spätantike und im Mittelalter (Abaelard) kamen Zweifel an der Apostelnähe des Autors auf, die dann von den Humanisten Lorenzo Valla (1407–1457) und Erasmus von Rotterdam erneut formuliert wurden. Die Schriften des Pseudo-Dionysius wurden mehrfach ins Lateinische übersetzt und kommentiert (u.a. von Thomas von Aquin) und haben die christliche Theologie und Philosophie des Mittelalters stark beeinflusst.
Vulgate
Mit dem Namen
Vulgata
wird die lateinische Übersetzung der Bibel bezeichnet, die sich in der Spätantike gegenüber älteren Übersetzungen (
Vetus Latina
) durchsetzen konnte und zur bestimmenden Bibelgestalt des Mittelalters wurde. Als Urheber der Vulgata gilt Hieronymus (s.o.).
falschen Isidorus
Unter dem Namen eines sonst unbekannten Bischofs Isidorus Mercator ist eine Sammlung von ca. 100 Papstbriefen überliefert, die – vielleicht auch unter Inanspruchnahme der Autorität Isidors von Sevilla (vgl. II § 115) – zusammen mit weiteren Sammlungen kirchenrechtlicher Dokumente, die ebenfalls unter dem Namen Isidors firmieren, in der ersten Hälfte des 17. Jh.s durch David Blondel (vgl. II § 90) als Fälschung erkannt wurde (Pseudo-Isidor). Die aus dem 9. Jh. stammenden Dokumente imponieren durch einen hohen Grad an Belesenheit und tatsächlicher Quellenkenntnis und fanden insbesondere ab dem 11. Jh. Verbreitung. Neuerdings wird vermutet, dass es sich bei dem Autor um Radbert von Corbie (ca. 790–859) (vgl. II § 110) handelt.
Weissagungen des Abts Joachim
Joachim von Fiore (ca. 1132–1202) war auf Wunsch der Eltern zunächst als Jurist tätig, wandte sich vermutlich nach einem Bekehrungserlebnis jedoch einem mönchischen Leben zu und wurde zum Priester geweiht. Nach seinem Eintritt in das Benediktinerkloster Corazzo wurde er hier Prior, dann Abt. In den 1190er Jahren gründete Joachim im kalabrischen Sila-Gebirge den Florenser-Orden sowie das Kloster
San Giovanni di Fiore
. In diese Zeit fallen Visionen und der Abschluss seiner drei exegetisch-prophetischen Hauptschriften. Aufgrund seiner Prophezeiungen genoss Joachim bei Päpsten und weltlichen Herrschern (z.B. Richard I. von England) großes Ansehen, bedeutsam ist dabei sein allegorisches Verständnis der Schrift und das in drei trinitarisch ausgedeutete
status
gegliederte Geschichtsbild: die alttestamentlich-synagogale Zeit des Vaters, die nach eigener Vorhersage bis zur Mitte des 13. Jh.s reichende neutestamentlich-klerikale Zeit des Sohnes und die sich anschließende mönchische Zeit des Heiligen Geistes, die nach vorausgehenden endzeitlichen Kämpfen von der
intelligentia spiritualis
durchdrungen sein und ohne die Papstkirche auskommen sollte. Joachimitische Vorstellungen fanden schnell Verbreitung (etwa bei den franziskanischen Spiritualen) und wirkten bis in die Aufklärung (Lessing) und darüber hinaus.
Formulae Concordiae
Die 1577 auf Deutsch erschienene und erst später ins Lateinische übersetzte
Konkordienformel
ist die letzte der im
Konkordienbuch
(vgl. II § 211) festgehaltenen lutherischen Bekenntnisschriften und sollte die innerreformatorischen Auseinandersetzungen zwischen den gemäßigteren Philippisten bzw. Kryptocalvinisten (vgl. II § 98) und den streng lutherischen Gnesiolutheranern beilegen. Gegen das katholische und das auf Zwingli (und Calvin) zurückgehende reformierte Abendmahlsverständnis wurden Realpräsenz und Ubiquität Christi festgestellt (Art. 7). Insgesamt verstehen sich die zwölf Artikel der
Konkordienformel
nicht als neues Bekenntnis, sondern wiederholen und erklären verschiedene Artikel der
Confessio Augustana
(vgl. II § 211). Neben die ausführliche Darlegung (
Solida Declaratio
) trat eine Kurzfassung (
Epitome
).
84
371
.
Alles, was
im ersten Theil dieses Buchs
oben (§.
221
–
24
)
von dem
großen
grossen
Nutzen
Nutzen der
Geschichte
Geschichte überhaupt ge sagt wurde, gilt auch von der Religions- und
Kirchengeschichte
Kirchengeschichte
insbesondre
insbesondere
, und macht dem, der ein würdiger Lehrer der Religion und des Christenthums seyn will, das Studium dieses Theils der Geschichte zur ganz besondern Pflicht
(§.
231.
)
: man mag
entweder
auf die
Bildung
Bildung seines Charakters, als eines solchen sehen, der die Religion lehren und empfehlen soll, auf welche Bildung dieses Studium einen so
großen
grossen
Einfluß hat,
oder
auf die
einzelnen
einzlen
Theile der
Theologie
Theologie, womit er sich, nach dem ganzen Umfang seines Berufs, beschäftigen muß.
Anm.
Der Nutzen der Kirchengeschichte reicht zwar viel weiter, als hier angegeben ist. Kein Christ, der wahre
Aufklärung
Aufklärung, der anschauende Ueberzeugung in der Religion sucht, und nach erleuchteter Frömmigkeit trachtet, sollte dieses Studium
vernachläßigen
vernachlässigen
, wenn er irgend Gelegenheit und Hülfsmittel dazu haben
könnte. Noch
könnte; noch
weniger irgend jemand,
der,
der
als
Obrigkeit
Obrigkeit,
dereinst, auch durch sein Betragen in Absicht auf die Beförderung und Leitung der Religion, vieler Menschen Glück oder Elend befördern
kan
kann
, weil
beydes
Beides
so sehr vom Einfluß wahrer oder falscher Religion, von Achtung oder Gleichgültigkeit dagegen, von den weisen und unweisen Mitteln, ihren Einfluß zu befördern oder zu hindern, abhängt. Und daß
verschiedne
verschiedene
Wissenschaften, Geschichte
z. B.
, Staatskunst, Rechtsgelehrsamkeit, vornehmlich die geistliche, das Licht der Kirchengeschichte gar nicht entbehren können, bedarf keines Bewei ses.
Aber, nach
Nach
der Absicht dieses
Buchs,
Buchs
kommt
kömmt
indeß
hier nur die Nothwendigkeit dieses Studiums der
Kirchengeschichte
Kirchengeschichte,
in Absicht auf den Lehrer der
Religion
Religion,
in Anschlag.
85
372
.
Der
große
grosse
Einfluß einer rechten Kenntniß der
Kirchengeschichte
Kirchengeschichte
Kirchengeschichte
auf die
gründliche Erlernung der theologischen Wissenschaften
, zeigt sich in
allen
allen
Theilen der
Theologie
Theologie. In
der
exegetisch
exegetischen
1) ganz eigentlich:
bey
bei
Erklärung
dererjenigen
derjenigen
Stellen
neues
neuen
Testaments, welche historische Umstände zur Zeit der Apostel enthalten, um in dieselbe mehr Licht zu bringen, oder falsches Licht davon zu entfernen; zur Kenntniß der Geschichte der neutestamentlichen Bücher; und zur Kenntniß mancher merkwürdigen Bücher der ältesten Zeiten, die, wenn sie gleich
apokryphisch
genennt
genannt
werden, doch, wegen der darin liegenden Vorstellungen vieler unter den ältesten Christen oder Juden, auch wegen mancher Fragmente der historischen Tradition, noch einen reichen
Schaz
Schatz
von historischen Erläuterungen des neuen
Testaments,
Testaments
enthalten, und dazu gebraucht werden können,
so bald
sobald
erst durch Hülfe der genauern Kirchengeschichte die wahre Zeit, wohin sie gehören, und andere historische Umstände derselben bestimmt sind. 2)
Bey
Bei
der
Kritik
Kritik des neuen Testaments, wo ohne genaue Kenntniß der Kirchengeschichte nicht einmal die Geschichte des heiligen Textes klar ist, so wenig als das
Alterthum
Alterthum und der Werth gewisser Lesearten, ohne diese Kenntniß beurtheilt werden
kan.
*)
kann.
1
)
3) Um sich gegen manche sehr schädliche Vorurtheile in der eigentlichen Theologie zu verwahren,
und
um
ihren Ungrund aufzudecken. Denn viele Irrthü mer in der Theologie, so wie viele Beweise auch richtiger Lehren, beruhen auf
bloßem Mißverstande
blossen Mißverstand
der heiligen Schrift, oder gar ihrer Uebersetzungen, hinter den man ohne diese Kenntniß nicht wohl kommen
kan,
**)
kann,
2
)
oder sie gar für apostolische Tradition hält; so wie man sich oft nicht gegen gewisse richtigere Erklärungen der heiligen Schrift sträuben würde, wenn man ihr Alterthum und den neuern Ursprung falscher
herrschenden
herrschender
Erklärungen
kennete.
***)
kennte.
3
)
Ueberhaupt würde man bald hierin von Irrthümern zurückkommen, wenn man die
Genealogie
Genealogie und
die
Chronologie
Chronologie einiger berühmten Erklärungen, die von Hand in Hand gegangen sind, fleißiger aus der Kirchengeschichte aufsuchte, und sich aus dieser überzeugte, daß die angebliche exegetische
Tradition
Tradition und fortgepflanzte sogenannte Erklärung der
Kirche
Kirche
oft anders nichts ist, als
Privaterklärung
Privaterklärung eines, oft ohne sein Verdienst, berühmt
gewordnen
gewordenen
alten Auslegers, die durch zufällige Umstände gangbar wurde, oder in häufig gelesene Commentarien überging, und hernach, ohne
weitre
weitere
Untersuchung, als ausgemachte Wahrheit, von Kirche zu Kirche, und Jahrhundert zu
Jahrhundert,
Jahrhundert
nachgesagt wurde, zumal wenn sie gewissen herrschenden Meinungen in der Theologie günstig war.
****)
4
)
*)
Anm.
1)
Wie
bey
bei
1 Timoth. 3, 16
;
1
Joh.
Joh,
5, 7
;
Röm. 8,
11.
11
11,
διὰ τοῦ ἐνοικοῦντος πνεύματος
, statt
διὰ τὸ
ἐνοικοῦν πνεῦμα
;
Matth. 27, 49.
der Zusatz aus
Joh. 19,
34
34.
in einigen Handschriften.
**)
2)
Wie die Vorstellungen in der lateinischen Kirche von praedestinatio, poenitentia, sacramentum; die alten Deutungen von
Sprüchw. 8, 22.
Psalm.
Psalm
110, 3.
Matth. 16, 18.
Joh. 16,
26.
26,
und eine neuere von
Apostelgesch. 3, 21.
***)
3)
Als
Röm. 12, 6.
1 Kor. 2, 14.
****)
4)
Wie viel ist
z. B.
aus dem
Origenes
Origenes
in lateinische Ausleger, aus den
africanischen
afrikanischen
Kirchenvätern, sonderlich dem
Augustin von Hippo
Augustinus
, in eben dieselbe, aus solchen la teinischen Auslegern hernach, vermittelst des
Ambrosiaster
Ambrosiasters
, oder
Hilarius Diaconus
Hilarius Diaconus
, und später durch die
Glossam
ordinarium
ordinariam
, in alle Exegeten der lateinischen Kirche
übergangen
übergegangen
? Eben so in der griechischen Kirche;
s.
Ernesti, Johann August
Ernesti
Opuscula philol. crit.
p.
317
seq.
apokryphisch
Vgl. I § 163.
Origenes
Der bedeutende und literarisch äußerst produktive Theologe Origenes (ca. 185–254) war zunächst als Grammatiklehrer in seiner Heimatstadt Alexandrien tätig. Ob er wie auch Plotin (ca. 205–270) ein Schüler des Platonikers Ammonios Sakkas war, wird heute ebenso bezweifelt wie seine Selbstentmannung. Bischof Demetrius von Alexandrien (gest. 232), der ihn um 217 als Leiter einer Katechetenschule eingesetzt hatte, strengte um 230 zwei Synoden gegen den mittlerweile in Caesarea zum Presbyter ordinierten Origenes an und schloss ihn aus der Gemeinde aus. Origenes siedelte daraufhin nach Caesarea über und sammelte auch hier Schüler um sich. Origenes starb an den Folgen der im Zusammenhang der decischen Verfolgung erlittenen Folter. Aus seinem Werk seien neben der Hexapla (vgl. I § 162) das Werk
De principiis
und die Streitschrift
Contra Celsum
hervorgehoben. Auf den bereits zu Lebzeiten theologisch umstrittenen Origenes (vgl. II § 98) geht die Lehre vom mehrfachen (bei ihm noch dreifachen) Schriftsinn zurück (vgl. II § 56), trinitätstheologisch sprach er bereits von einem Wesen und drei Hypostasen, vertrat jedoch einen dynamischen Subordinatianismus (vgl. I § 63).
Ambrosiasters, oder Hilarius Diaconus
Ambrosiaster ist ein Paulus-Kommentator aus der zweiten Hälfte des 4. Jh., dessen Schriften seit dem Frühmittelalter unter dem Namen des Ambrosius von Mailand überliefert sind und weit verbreitet waren. Ob der Name
Ambrosiaster
auf die Mauriner (vgl. II § 104) oder Erasmus von Rotterdam zurückgeht, der die falsche Zuordnung dieser Schriften nachgewiesen hat, ist nicht eindeutig zu klären. Neben seinen Kommentaren zum Corpus Paulinum werden Ambrosiaster auch die pseudo-augustinischen
Quaestiones Veteris et Novi Testamenti
zugeschrieben, die Zuweisung weiterer Schriften wird heute abgelehnt. Auffällig ist die theologische und exegetische Eigenständigkeit seines Werkes, dessen Kenntnis etwa bei Augustin, Pelagius und Hieronymus nachzuweisen ist. Hervorzuheben ist, dass Ambrosiasters Werk ein lateinischer Bibeltext zugrunde liegt, der vor der Vulgata anzusetzen ist. Der als radikaler Luciferianer in die Kirchengeschichte eingegangene Hilarius Diaconus (4. Jh.) begleitete Bischof Lucifer von Calaris (gest. 371) als Diakon zur Synode von Mailand (355) und ist als unerbittlicher Verfechter des nicänischen Glaubens und Anhänger des Athanasius gemeinsam mit Lucifer exiliert worden. Laut Hieronymus forderte Hilarius in einer heute verlorenen Schrift die erneute Taufe für reuige Arianer, die er als Ketzer für ungültig getauft hielt. Heute ist die nicht nur im 18. Jh. weit verbreitete Identifizierung von Ambrosiaster und Hilarius Diaconus nicht mehr haltbar.
Glossam ordinarium
Vgl. II § 19. Mit der ersten Auflage der
Anweisung
müsste es an dieser Stelle
ordinariam
heißen.
Ernesti Opuscula philol. crit. p. 317 seq.
In den bereits zuvor (vgl. I § 120) angeführten
Opuscula philologica critica
(Leiden 1764) geht Johann August Ernesti in der Abhandlung
De Origene, interpretationis librorum SS. grammaticae auctore
(aaO 288–323) an benannter Stelle auf den großen Einfluss des Origenes ein.
86
373
.
Die Kirchengeschichte giebt 4) erst die recht anschauliche Ueberzeugung, wie sehr die ganze Theologie an ihrer Lauterkeit und wahrhaften
praktisch
praktischen
Brauchbarkeit
Brauchbarkeit gewonnen oder gelitten habe, je nachdem man die wahren Hülfsmittel zur Einsicht des Sinnes der heiligen Schrift recht kannte, schätzte und
brauchte
gebrauchte
, oder nicht (
§.
19
19.
§
306
); und, indem sie uns so deutlich zeigt, welchen unsäglichen Schaden die Herrschaft des menschlichen Ansehens in der Kirche gestiftet
habe:
habe,
so macht sie uns die göttlichen Schriften
nur
desto
werther. Und
werther; und
, weil auch
die Menschen
über den Sinn dieser göttlichen Belehrungen wieder
die Menschen
so verschieden urtheilen, diese Verschiedenheit und Uneinigkeit aber immer
größer
grösser
und unvereinbarer wird, wenn man nicht hierin mit Gewalt und
offenbaren
offenbarem
Gewissenszwang
Ge wissenszwang eine
äußerliche
äusserliche
Einigkeit befördern will: so lehrt sie uns sehr einleuchtend die Nothwendigkeit fester exegetischer Grundsätze, und des Fleißes, den man auf die deutliche
eigne
eigene
Ueberzeugung
Ueberzeugung von dem wahren Sinn der heiligen Schrift und die klare Darlegung desselben wenden muß. Und wenn denn auch nur 5) die Kirchengeschichte, wie sie es wirklich thut, uns mit der
so sehr
sosehr
verschiednen
verschiedenen
Denkungsart,
den
Fähigkeiten, vorzüglichen Hülfsmitteln und Sitten, und den dadurch geleiteten mannichfaltigen Vorstellungen und Neigungen der Menschen in so
verschiednen
versch edenen
Zeiten und so besondern Lagen, bekannt machte: so könnte sie uns wenigstens mehr gewöhnen, uns in fremde Zeiten und Umstände hinein zu denken, welches
so sehr viel
zur
Bildung
Bildung des wahren
Ausleger
Auslegers
beyträgt
so viel beitragen kann
.
87
374
.
Noch ausgebreiteter ist der
Nutzen
Nutzen dieses Studiums in der
eigentlich sogenannten
Theologie
Theologie
eigentlichen sogenannten Theologie
. – In der
dogmatisch
dogmatischen
und
elenchtisch
elenchtischen
, so fern 1) diese doppelte Wissenschaft nicht bloß die Religionslehren selbst, sondern auch die
verschiednen
verschiedenen
Vorstellungen davon vorlegen soll, ist ja die Geschichte dieser Lehren und der
verschiednen
verschiedenen
Begriffe davon, ein Haupttheil der Kirchen geschichte, der uns die
Veranlaßung
Veranlassung
der
verschiednen
verschiedenen
Vorstellungen, das Interesse
dabey
dabei
, und den Zusammenhang mit andern Lehren und Vorstellungen, zum Theil die zu ihrer Unterstützung gebrauchten Gründe, und die eingetretenen Umstände
lehret
lehrt
, welche gewissen Meinungen An sehen verschafft, oder Widerspruch gegen sie veranlaßt haben. 2) Indem sie dieses thut, unterrichtet sie uns von dem wahren Sinn
dererjenigen
derer
, die über gewisse Lehren der Religion, über gewisse Vorstellungen davon, oder über gewisse davon gebrauchte Ausdrücke
verschiedner
verschiedener
Meinung waren. Dadurch wird vielfältiger Mißverstand gehoben, viel unnützer Streit
und Untersuchung
abgeschnitten, und unnöthige,
parteyische
partheyische
parteiische
, oder gar
gehäßige
gehässige
Beurtheilung verhütet.
elenchtischen
Elenchtisch
wird in der
Anweisung
als Synonym für
polemisch
(vgl. II § 93) verwendet (vgl. II § 186).
88
375
.
Sie legt 3) zugleich den unsäglichen Schaden vor Augen, den die
Vermischung
Vermischung dieser Meinungen über Religionslehren mit diesen letztern selbst, der gleiche Werth, den man auf jene, wie auf diese gelegt hat, das Bestreben, durch alle, auch unerlaubte Mittel, jene eben so wie diese geltend zu machen, gestiftet
hat;
hat,
und befördert dadurch nicht nur die
Billigkeit
Billigkeit in Beurtheilung
verschiedner
verschiedener
Vorstellungen, sondern auch die Vorsichtigkeit, um nicht durch
Zweydeutigkeit
Zweideutigkeit
, Unbestimmtheit, Vermengung der Hauptsache mit Nebensachen, und unzeitigen Eifer für
unsre
unsere
Meinungen, Gelegenheit zu Zwistigkeiten zu geben, und der
Hauptsache
Hauptsache selbst dadurch zu schaden. Sie allein zeigt 4) wie manche Lehren oder Meinungen davon
eher gar
nicht
früher
in Gang gekommen, oder Aufsehen und Widerspruch erregt, als bis gewisse
äusserliche
äußerliche
Umstände,
z. B.
Eifersucht oder Herrschsucht angesehener Kirchen und Bischöfe,
ausserordentliche
außerordentliche
Achtung gegen einen berühmten Mann
u. d. gl.
dazu gekommen, und diese zufälligen
Umstände
Umstände erst die Sache wichtig, oder der weit um sich
gegriffne
gegriffene
Streit sie zu einer Quelle
großer
grosser
Revolutionen gemacht
habe,
habe
(wovon die Geschichte der
pelagianischen,
nestorianischen, monophysitischen und Sacramentstreitigkeiten
u. d. gl.
traurige
Beyspiele
Beispiele
liefert); wie daher die Wichtigkeit einer solchen Lehre, Meinung oder
eines solchen
Ausdrucks gar nicht, oder lange nicht so sehr in der Natur der Sache selbst, und ihrem
Zusammenhang
Zusammenhange
mit den Lehren des eigentlichen
Christenthum
Christenthums, und mit
praktisch
praktischen
Folgen,
Folgen
liege, als vielmehr in gewissen
Zufällen
Zufälligkeiten
, welche die Religion gar
nicht
nichts
angingen.
pelagianischen
Im Mittelpunkt des auf den wohl aus Britannien stammenden Laienchristen Pelagius (ca. 350–420) und seinen Anhänger Caelestius zurückgehenden pelagianischen Streites stehen deren Ablehnung der Erbsündenlehre, nach der Adam lediglich ein schlechtes Beispiel gewesen und seine Sünde nicht auf seine Nachkommen übergegangen sei, und damit verbunden die die Prädestinations- und Gnadenlehre tangierende Möglichkeit des Menschen, kraft seines freien Willens selbst für sein Heil zu sorgen. Konkret wurden diese Lehrauffassungen etwa im Hinblick auf die Bedeutung der Sakramente und der Kindertaufe (vgl. II § 83). Die im Verlauf der Auseinandersetzung dann v.a. von Julian von Aeclanum (ca. 385–450) gewandt vertretenen pelagianischen Positionen standen der Theologie Augustins von Hippo (vgl. II § 113) entgegen, der über Jahrzehnte literarisch und kirchenpolitisch gegen den Pelagianismus vorging und schließlich auf dem Konzil von Ephesus (431) dessen endgültige Verurteilung erreichte. Die Lehren Augustins sollten die Kirchengeschichte von nun an maßgeblich prägen, doch kamen v.a. mit Cassian (vgl. II § 115) im 5. und 6. Jh. nochmals pelagianisierende Ideen auf (Semipelagianismus).
nestorianischen, monophysitischen und Sacramentstreitigkeiten
Zum nestorianischen und monophysitischen Streit vgl. I (§ 63). Im weiteren Sinne haben sich viele Auseinandersetzungen innerhalb der Geschichte der Kirche auch auf das Verständnis der Sakramente und ihre Ausgestaltung ausgewirkt (vgl. etwa den pelagianischen [s.o.] oder den Azymenstreit [vgl. II § 83]), im engeren Sinne dürften jedoch v.a. die mit den Begriffen
Transsubstantiation
und
Kelchsverweigerung
(vgl. II § 83) verbundenen Auseinandersetzungen um das Sakrament des Abendmahls in der Reformationszeit und ihre Vorgeschichte (vgl. II § 113) gemeint sein.
89
376
.
Wenn
So zeigt
denn die Kirchengeschichte einem jeden
Unbefangnen so augenscheinlich zeigt,
–
Unbefangenen augenscheinlich,
wie es
so gar keine völlige Einigkeit jemals
zu keiner Zeit eine
völlige innere Einigkeit
in Meinungen gegeben habe, und alle
äusserliche völlige Einstimmung
äußerliche
Uebereinstimmung,
weder durch öffentliche Religionsgespräche, noch Friedens- oder Glaubensformeln, sondern nur durch Zwang oder durch blinden Glauben bewirkt
worden;
–
worden. Sie zeigt,
daß der Triumph gewisser Meinungen über
andre, so
andere, höchst
selten durch Ueberzeugung, und gemeiniglich nur durch Anschmiegen an Vorurtheile des
großen
grossen
Haufens, oder an eingeführte
Gewohnheiten
Gewohnheiten, und noch
öfterer
öfter
durch
mehrere
größere
Macht und Kühnheit ihrer Vertheidiger, durch
Ansehn
Ansehen
großer
grosser
Männer
Kirchenlehrer
, oder berühmterer Kirchen, durch geschlossene Verbindungen der Bischöfe, durch
Beystand
Beistand
der Fürsten, erfochten worden;
–
daß zu Einer Zeit und in Einem Lande das wieder verdammt worden, was zu einer andern Zeit und anderwärts als Lehre und Befehl der Kirche, aus angeblicher Eingebung des heiligen Geistes, festgesetzt worden war;
–
daß Bischöfe,
Päbste
Päpste
und Concilien einander selbst widersprochen, und ihre
vorige
vorigen
Aussprüche wieder zerstört
haben;
–
haben. Sie lehrt,
daß die
vorgegebne
vorgegebene
bessere Einsicht oft bloß durch Einfluß der Höfe und mächtigerer
Parteyen
Parteyen
Partheyen
Parteien
gestimmt worden
sey;
–
sei;
daß die sogenannte
Kirche
Kirche
Kirche
sich
sehr
oft herausgenommen habe, über das Gewissen und die Seligkeit, selbst über und
wider
wieder
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
und seiner Apostel
eigne
eigene
Lehren und Verordnungen, zu entscheiden;
–
und
daß
aber
, wenn sich die unterdrückte
Partey
Parthey
Partei
nur
entschließen
entschliessen
können
konnte
, um des Gewissens willen zu leiden, oder
zu schweigen, und
schweigend durch solche Belehrungen
in der Stille zu wirken, keine Macht je im Stande gewesen
sey
sei
, den Fortgang der Wahrheit zu
verhindern:
–
verhindern,
so wirkt sie 5) die innigste
Ueberzeugung
Ueberzeugung, daß überall kein menschliches Ansehen und kein Ansehen der sogenannten Kirche und Tradition eine den Verstand und das Gewissen verpflichtende Kraft habe, sondern höchstens ein Vorurtheil errege, das uns zur nähern Untersuchung der Sachen auffordert;
das
daß
daß vielmehr
schlechterdings
eigne
eigene
Untersuchung
Untersuchung in der Religion nothwendig
sey
sei
, und
eigner
eigener
Glaube
frey
frei
bleibe; und daß man nur Glauben an
Gott
Gott,
und Muth, die
Wahrheit
Wahrheit zu untersuchen, und mit Weisheit zu bekennen,
erhalten
festhalten
dürfe, um gewiß zu seyn,
bey
bei
veränderten Umständen, die in Gottes Hand sind, werde die Wahrheit doch durchdringen, und die Ehre des
Gewissen
Gewissens gerettet werden. Eine
Ueberzeugung, die auch bey
solche Ueberzeugung ist aber, bei
gewissenhafter Untersuchung der Religionslehren und der
verschiednen
verschiedenen
Meinungen darüber, unumgänglich nöthig
ist
, und
kann
die Auffindung der Wahrheit ungemein
befördert
befördern
.
90
377
.
Und wodurch
laßen
lassen
Wodurch lassen
sich
aber auch
6)
Meinungen
Meinungen, die man fälschlich für christliche Lehren ausgiebt, und die keine andere Gründe
für
vor
sich haben, als
Ansehn
Ansehen
der Kirche, überzeugender widerlegen, als wenn man aus der
Kirchengeschichte
Kirchengeschichte
Kirchengeschichte
darthun
kan
kann
, wie spät ihr
Ursprung
Ursprung, und wie wenig die Kirche aller Zeiten darüber einig gewesen
sey
sei
? Gegen solche
Gemeinen
Gemeinden
, die ihre
Unterscheidungslehren
Unterscheidungslehren
auf das Ansehen der ältern
christl.
Kirche
darauf
gründen,
giebts
giebt es
kein wirksameres Mittel zur Widerlegung, als
die Kirchengeschichte
gerade diese Geschichte
; und die
Casaubon, Isaak
Casaubon's
,
Saumaise, Claude
Saumaisen
,
Blondel, David
Blondel's
,
Daillé, Jean
Daillés
,
Richer, Edmond
Richer's
Casaubon's
,
Saumaisen
,
Blondel's
,
Daillés
,
Richer's
und
andre
andere
gründliche Kenner
dieser Geschichte
derselben,
haben allezeit mehr ausgerichtet, als die ganze Polemik bloß scholastischer Theologen. Wem das Studium der Kirchengeschichte, selbst für den
Volkslehrer
Volkslehrer, gleichgültig scheint, der muß entweder den immer regen, auch in Geheim
wirkenden,
wirkenden
Bekehrunsgeist
Bekehrungsgeist
der römisch-katholischen Kirche und die daher unserer
Gewissensfreyheit
Gewissensfreyheit
Gewissensfreiheit
drohende Gefahr, oder die wirksame Macht religiöser Vorurtheile und des menschlichen Ansehens auf die Gemüther nicht kennen. Eben von
beyden
beiden
giebt die Kirchengeschichte die überzeugendsten Beweise.
Casaubon's
Isaak Casaubon (1559–1614) war ein bedeutender protestantischer Humanist und Schüler Bezas, der neben einer Kommentierung des NT (1587) v.a. durch die Edition und Annotierung antiker Autoren hervorgetreten ist. In kirchenhistorischer Perspektive ist besonders der unter dem Titel
Exercitium ad Appendicem Annalium Baronii XVIII
(1614) erschienene kritische Kommentar zu den zwölfbändigen
Annales ecclesiastici a Christo nato ad annum 1189
(1588–1607) des katholischen Theologen und späteren Kardinals Cesare Baronio (Baronius) (1538–1607) hervorzuheben. Daneben könnte Nösselt hier auch Casaubons in Genf geborenen Sohn Florence Estienne Méric Casaubon (1599–1671) im Blick gehabt haben, der früh zu seinem Vater nach England übergesiedelt und ebenfalls als Gelehrter aufgefallen war.
Saumaisen
Claude de Saumaise (Claudius Salmasius) (1588–1653) gehört wie Isaak Casaubon zu den bedeutendsten und vielseitigsten Gelehrten seiner Zeit. Auch er beschäftigte sich v.a. mit klassischen Autoren und wurde nach dem Studium an der Sorbonne und in Heidelberg, wo er sich zum Protestanismus bekannte, und nachdem er Stellen in Italien und England ausgeschlagen hatte, 1632 schließlich Nachfolger Scaligers in Leiden. Aus seinem umfangreichen und vielseitigen Gesamtwerk sei an dieser Stelle die Schrift
De primatu Papae
(1645) hervorgehoben, in der er den Primat des Papstes bestritt.
Blondel's
David Blondel (1591–1655) zählt zu den wichtigsten reformierten Kontroverstheologen und Kirchenhistorikern des 17. Jh.s. Nach dem Studium in Sedan und Genf war er zunächst als Prediger in Frankreich tätig und trat bereits in dieser Zeit durch akademische Arbeiten hervor. 1631 wurde er für eine theologische Professur in Saumur vorgeschlagen, doch wurde er seitens der Gemeinde und der Nationalsynode nicht freigestellt. Zur Erleichterung seiner Studien gestattete man ihm 1644 jedoch, nach Paris überzusiedeln, und verlieh ihm ein Jahr später den Titel eines Honorarprofessors, wodurch er sich nun voll auf die akademische Arbeit konzentrieren konnte. 1650 folgte er Gerhard Johannes Voss als Professor für Geschichte am Amsterdamer
Athenaeum Illustre
nach. Zu seinen wichtigsten Werken zählen die
Modeste déclaration de la sincérité et vérité des églises réformées de France, contre les invectives de l'évêque de Luçon et autres
(1619), in der die reformierte Lehre gegen den Bischof von Luçon, den späteren Kardinal Richelieu, verteidigt wird, sowie der die Suprematie des Papstes bestreitende
Traité historique de la Primauté en l'Eglise
(1641) (vgl. II § 129). Zudem hat Blondel, wie auch Casaubon, Baronios
Annalen
kritisch kommentiert (1675 bzw. 1679). Bedeutsam ist schließlich auch die Schrift
Pseudo-Isidorus et Turrianus vapulantes
(1628), in der Blondel die unter dem Namen
Isidor
firmierenden Dekretalen als mittelalterliche Fälschung (
falscher
oder
Pseudo-Isidor
) überführt hat (vgl. II § 83).
Daillés
Der reformierte Theologe Jean Daillé (Dallaeus) (1594–1670) war zunächst Hauslehrer der Enkel des Gouverneurs Duplessis-Mornay, später dessen Schlossprediger. Danach übernahm er Predigtstellen in Saumur und Charenton bei Paris und wurde schließlich Präsident der letzten reformierten Nationalsynode in Loudun (1659). Zudem verfasste er zahlreiche Schriften, v.a. zur Alten Kirche. Sein wohl bedeutendstes Werk
Traité de l'employ des saints Pères pour le jugement des différends qui sont aujourd'hui en la religion
(1632) wurde ins Englische (1651; 1675) und ins Lateinische (1655 u.a.) übersetzt. Daillé wendet sich hier gegen die Autorität der Kirchenväter, deren Texte häufig korrupt und deren Denkweisen inkonsistent seien.
Richer's
Der Theologe Edmond Richer (1559–1631) ist v.a. als herausragender Vertreter des Gallikanismus hervorgetreten. Zunächst Hausdiener am Collège du Cardinal Lemoine, fiel Richer durch eine hohe Begabung auf und konnte über ein Stipendium an der Sorbonne Theologie studieren. Nach dem Erwerb des Doktorgrades 1592 wirkte er als hochgeschätzter Prediger in Paris. In den Wirren des letzten Hugenottenkrieges legte der zunächst der Liga und den Jesuiten zuneigende Richer 1594 jedoch sein Predigtamt nieder und schwenkte auf die Seite Heinrichs IV. über. Wenige Jahre später trat er als Reformer des akademischen Lehrbetriebs am Collège du Cardinal Lemoine und ab 1601 an der Sorbonne hervor, wo er als Höhepunkt seiner Universitätslaufbahn schließlich zum Syndikus der Theologischen Fakultät gewählt wurde (1608). In der nach der Ermordung Heinrichs IV. 1610 entbrennenden Auseinandersetzung gab Richer dem radikalen Gallikanismus mit dem
Libellus de ecclesiastica et politica potestate
(1611), in Übersetzung
De la Puissance ecclesiastique et politique
(1612), eine Programmschrift, in der er die Emanzipation des französischen Königs vertrat und im Zuge dessen den Episkopat und den niederen Klerus aufwertete. Auf Betreiben papsttreuer Kreise (der
Libellus
wurde 1613 indiziert) wurde Richer daraufhin ins Abseits gestellt, bis er 1629 widerrief. Nach seinem Tod wurden Richers Ideen jedoch immer wieder aufgegriffen (Jansenismus; Richerismus). Unter den zu seinen Lebzeiten erschienenen Schriften sind neben dem
Libellus
auch die
Demonstratio libelli de ecclesiastica et politica potestate
(1622) und die
Apologia pro Joanne Gersonio
(1606) hervorzuheben.
91
378
.
Mitten in einer solchen Fluth menschlicher Meinungen, unter allen Verderbnissen
des Christenthums
dieser Religion
, und den mannichfaltigen Versuchen,
es
sie
nach menschlicher
Willkühr
Willkür
abzuändern, oder gar zu
verdrängen:
verdrängen,
hat sich denn doch 7) das
eigentliche
Christenthum
Christenthum selbst
eigentliche Christenthum
seinem wahren Wesen nach
immer
erhalten,
erhalten
und bewährt
befunden
. Alle, nicht
bey
bei
Uebelunterrichteten, Leichtsinnigen und Leichtgläubigen, sondern
bey
bei
wahrhaftig
aufgeklärt
aufgeklärten und gründlich untersuchenden Köpfen,
wirksame
wirksamen
und
siegende
siegenden
Angriffe auf
das sogenannte
das, was sie
Christenthum
nannten,
haben nie
das Christenthum
dieses an sich
selbst, sondern nur die falschen Zusätze und Vorstellungen zernichtet. Selbst in den verderbtesten Zeiten und Kirchen hat sich das
Ansehn
Ansehen
der
heil.
Schrift und
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Jesu Christi
, hat sich das wahrhaftig allgemein Trostreiche und wahrhaftig Bessernde
im Christenthum
seiner Lehre
überhaupt erhalten. Diese Ueberzeugung macht
das Christenthum
dasselbe
und seinen
inneren
Werth
Werth sehr
respectabel
achtungswürdig
, und
dergleichen
diese
historische
Ueberzeugung
Ueberzeugung gewährt
nichts ist so geschickt, sie zu befördern, als
das fleißige Studium der
christlichen Kirchengeschichte, welches auch
Kirchengeschichte. Nicht weniger wird dasselbe
8) zur rechten
eignen
eigenen
Ueberzeugung von der wahren Beschaffenheit,
Aechtheit
Echtheit
, Glaubwürdigkeit und
wesentlichen
Unverdorbenheit der biblischen Bücher
im Wesentlichen
, worauf die Ueberzeugung von der Wahrheit und Verbindlichkeit der daraus geschöpften Lehren mit beruht,
eben
sowohl erfordert
wird
, als zur Beschämung der
Vorwürfe
Vorwürfe gegen
das Christenthum
diese Religion
und
dessen
deren
wohlthätige Wirkungen. Denn alle Scheinbarkeit dieser Vorwürfe gründet sich lediglich darauf, daß man entweder nur das
Gehässige
Gehäßige
oder die nachtheilige Seite hervorzieht, auf der sich das sogenannte Christenthum leider oft genug gezeigt hat, und
daß man
nicht mit eben dem ehrlichen Fleiß dem Guten nachspürt, welches das
wahre Christenthum
echte
, selbst
bey
bei
so
mancherley
mancherlei unläugbaren
Verderbnissen, gestiftet hat; oder daß man das Christenthum selbst nicht von den ihm aufgehängten Zusätzen und Vorstellungen darüber unterscheidet; oder daß man das auf die Rechnung
des Christenthums
desselben
setzt, was
doch
bloßer
blosser
Ausbruch
der
Leidenschaft
Leidenschaft
von Leidenschaften
war, die überall, nicht
verbunden
bloß in Verbindung
mit
dem Christenthum allein
der Religion
, die menschliche
Glückseligkeit
Glückseligkeit
zerstört
zerstören
. Eben
dieser
diesen
Unterschied, der so traurigen und ungerechten Mißverstand veranlaßt, und eben jene
unleugbar
unläugbar
heilsamen Einflüsse des Christenthums auf die Glückseligkeit der Welt,
kan
kann
nur der rechte Fleiß in der Kirchengeschichte klar machen.
92
379
.
Wenn die
Geschichte
Geschichte überhaupt die beste Schule der Weisheit und Tugend werden
kan
kann
, wo man die Menschen
sieht
erblickt
, wie sie wirklich sind, und
wie sie wirklich
was aus ihnen
werden
können,
könne;
wo man sie unter und nach ihren jedesmaligen besondern Umständen handeln sieht, wo man sich von dem Werth und Einfluß ihrer moralischen Grundsätze und Gesinnungen in das
Verhalten
Verhalcen
und in die
Glückseligkeit
Glückseligkeit der Gesellschaft überzeugen
kan
kann
: so gewährt die Kirchengeschichte
ganz
vorzüglich
auch
diesen
Nutzen
Nutzen,
theils
theils
, weil sie, ihrer Natur nach,
mehr Auftritte
so vieles
enthält,
wo
wobei
sich die Menschen in ihrem eigentlich sittlichen
Charakter und
Verhalten zeigen,
theils
theils
, weil sich
gerade
da die besondern Wirkungen wahrer und falscher
Vorstellungen
Vorstellungtn
Vorstellungen
in der
Religion
Religion und des rechten und unrechten Gebrauchs offenbaren, den man von ihr
bey
bei
dem sittlichen Betragen macht.
Sie
Auf der einen Seite
stellt
sie
uns
Beyspiele
Beispiele
von
religöser
religiöser
Schwärmerey
Schwärmerei
und Aberglauben, von Leidenschaften unter der
Masque
Larve
der Religion, von Irreligiosität und höchstem
Sittenverderbniß auf einer, und
Sittenverderbniß,
auf der
andern Seite,
andern, nicht weniger Beispiele
von erleuchteter, reiner Frömmigkeit, von der Macht der Religion über die Schwäche des Herzens, und über die Stärke der Leidenschaften, in
mancherley
mancherlei
Lagen und Gestalten
vor;
vor,
auf;
und einem aufmerksamen Beobachter, der zugleich das von den wirklichen Handlungen und ihren durchschimmernden Triebfedern zu scheiden versteht, was
Parteylichkeit
Partheylichkeit
Parteilichkeit
Gutes oder Böses
hinzu gedichtet
hinzugedichtet
hat,
einem solchen kan
kann
es selten schwer fallen, zu entdecken, woraus
beyderley
beiderlei
Arten von Handlungen entsprungen sind, wodurch sie Nahrung bekommen, was für wohlthätige oder schädliche Wirkungen sie hervorgebracht haben. Wie viel Gewinn
kan
kann
also die
christliche
Sittenlehre
Sittenlehre
aus der Kirchengeschichte
ziehn
ziehen
, da diese Geschichte so viele Belege enthält, die den Inhalt dieser Sittenlehre bewähren, an schaulich darstellen, und eine so reiche Quelle feiner Beobachtungen über das menschliche Herz oder genauerer Bestimmungen der Sittenlehre eröffnen!
Geschichte […] die beste Schule der Weisheit und Tugend
Wie etwa die
Beyspiele der Weisheit und Tugend aus der Geschichte
(1777/1780) Jakob Friedrich Feddersens (1736–1788) zeigen, ist die pragmatische (vgl. I § 225) Auffassung,
Geschichte
sei eine Schule der Weisheit und Tugend, durchaus gängig und hat zu einschlägigen Sammlungen geführt. In seinem über die Auflagen hinweg auch unter anderen Titeln erschienenen
Ausführliche[n] Lehrgebäude der Religion
(1787) bezeichnet Carl Friedrich Bahrdt die
Erfahrung
als Schule der Weisheit und Tugend, die jedoch immer auch mit der Geschichte zu verbinden sei (vgl. aaO 323f.). Diese Behauptung einer solchen Verbindung findet sich auch in der
Anweisung
(vgl. II § 96).
93
380
.
Die sogenannte
symbolische Theologie
, wenn sie ihrem Namen treu
bleibet
bleibt
, und nicht in das Gebiet der Dogmatik und Polemik schweift, ist selbst nichts anders als ein Theil der Kirchengeschichte, man mag auf die
Geschichte
Geschichte
der
Symbolen
Symbolen
Symbolen
und
symbolischen Bücher
symbolischen Bücher
, oder auf die
Geschichte der
Geschichte der
darin vorkommenden
Lehren und Vorstellungen
Lehren und Vorstellungen
davon
darüber
sehen, die sowohl selbst, als die Nothwendigkeit, sie zu behaupten, zu vertheidigen oder zu widerlegen, schlechterdings ohne christliche Kirchengeschichte nicht verstanden werden
kan
kann
.
94
381
.
Diejenigen
Und diejenige
Weniger scheinen diejenigen
Wissenschaften,
die nun eigentlich
welche
die
Amtsführung
Amtsführung des
Prediger
Predigers
, und was dazu gehört,
betreffen,
scheinen zwar
die Kenntniß der
Kirchengeschichte in dem Grade, wie die
Kirchengeschichte, als der
bisher
erwähnten
erwehnten
Wissenschaften, nicht
Theile der Theologie,
zu erfordern. Denn – die Kenntniß der geistlichen Rechte abgerechnet,
wobey freylich
wobei freilich
diese Geschichte unentbehrlich bleibt, die aber zur Theologie eigentlich nicht gehört – so
nützlich es seyn würde
würde es zwar nützlich seyn
, auch in
Predigten
Predigten und
Katechisationen
Katechisationen den Vortrag durch wohlgewählte
Beyspiele
Beyspiele
Beispiele
aus der christlichen Geschichte anschaulicher und eindrücklicher zu ma chen,
und so sehr auch
wie denn auch sehr
zu wünschen wäre, daß selbst dem gemeinen Christen und den Kindern recht frühzeitig
möchte
ein
Begrif
Begriff
von dem für sie lehrreichen Inhalt der
Kirchen-
Kirchen,
sonderlich der
Reformations-Geschichte
Reformations- und übrigen Geschichte ihrer Kirche,
beygebracht werden: so
beigebracht werden möchte. Es
sind
doch
jedoch
jene
Beyspiele
Beispiele
nur unzusammenhängende Bruchstücke, die man, auch ohne eigentliches Studieren der Kirchengeschichte, sich bekannt machen
könnte;
könnte, und
es gehörte
könnte. Ueberdieß gehört
viel
Vorsichtigkeit
Vorsicht
und weise Wahl dazu, um nicht den Vortrag, der für die Religion bestimmt ist, mit
Nebensachen
Nebensachen, oder gar solchen Dingen anzufüllen, die für
solche
viele
Zuhörer unnütz, vielleicht selbst, wegen des zu leichten Mißverstandes, schädlich werden
könnten; und das
könnten. Das
wirklich für sie Nützliche könnte ihnen
auch
anderwärts wohl bequemer und vollständiger, als
bey
bei
dem Gottesdienst selbst,
beygebracht
beigebracht
werden.
–
Allein der eigentlichste und wesentliche
Aber es giebt dennoch einen andern sehr wesentlichen
Nutzen
Nutzen,
den
welchen
der Prediger aus der Kirchengeschichte ziehen
müßte, wäre
kann –
die so unentbehrliche Klugheit
bey
bei
Mittheilung der Religion und
bey
bei
seinem ganzen Betragen, ja überhaupt die
Bildung seines ganzen
Character
Characters
Charakters
dadurch, die doch überall das Wichtigste ist, wornach er zu trachten hat, und die so sehr durch das rechte Studieren der Kirchengeschichte
geschehen
kan
kann
. – Dies
gefördert werden kann. – Dieß
führt uns auf den
zweyten
zweiten (§.
84.
)
höchst wichtigen Vortheil,
den
welchen
der
auf diese Wissenschaft
hierauf
gewendete
Fleiß
giebt
giebt.
(§.
84.
).
371.
)
Fleiß, wenn er nur rechter Art ist, und nicht ein bloßes Gedächtnißwerk bleibt, unfehlbar gewähren wird.
95
382
.
Man muß sich sehr wenig auf die rechte Schätzung des Werths der Dinge verstehen, wenn man sich einbilden
kan
kann
, die Hauptsache, oder gar Alles, komme
bey
bei
dem
Lehrer
Lehrer der Religion auf das an,
was er Andern wieder vortrage
; dies müsse er eigentlich und vornehmlich, und nächstdem die
Kunst
Kunst lernen, es deutlich und lebhaft
vorzutragen. Dieser Vortrag
Andern mitzutheilen. Der
Vortrag
ist doch nur ein Theil seines Berufs;
dazu
für manche Arten desselben und manche Gemeinden
bedürfte es nicht einmal
gelernter
studierter
Prediger
Prediger; es bedürfte nur einiger
äusserlichen
äußerlichen
Gaben, eines
mittelmäßigen
gesunden
schlichten Menschenverstandes, eines guten Gedächtnisses, des fleißigen Lesens guter, der
Classe
Klasse
der Zuhörer, vor welcher man reden soll, angemessener Predigten, oder
einer kleinen
einiger
Aufmerksamkeit auf die Manier beliebter Prediger im
Vortrage:
Vortrage,
so
wäre
könnte
ein solcher
Prediger fertig
Geistlicher immer schon recht viel Nutzen stiften
. Wenn aber das übrige schlechte, oder wenigstens gleichgültige oder unvorsichtige Betragen des Predigers das Gute, so etwa durch Predigten gestiftet werden könnte, verhindert, oder wieder zerstört, oder doch schwächt; wenn die Kraft des ganzen
Beyspiel
Beyspiels
Beispiels
weit mehr wirkt als alles Predigen, und diesem erst den rechten Nachdruck giebt; wenn der Prediger durch sein ganzes Benehmen zum Guten wirksam, wahrer Vater und Seelsorger der ihm Anvertraueten seyn soll; wenn er so nicht reden und handeln
kan
kann
, ohne
eigne
eigene
innige Ueberzeugung von dem, was er empfehlen, ohne
eigne
eigene
herzliche Gesinnung und Liebe, die er dagegen
einflößen
einflössen
will, ohne wahrhaftige Weisheit in der Wahl und in der
Art
Art,
wie er redet und handelt: so möchte doch wohl auf seine
eigne
eigene
ganze
Bildung
Bildung
Bildung
weit mehr ankommen, als auf seinen
Vortrag
Vortrag
, der ohnehin
nach
mit
jener
gestimmt werden wird
in einem genauern Zusammenhange steht
.
96
383
.
Eben diese
eigne
Bildung
Bildung
vollendete Bildung
des ganzen Menschen
ists, die durch das rechte Studieren der
Kirchengeschichte
Kirchengeschichte, mehr als durch irgend etwas Anderes,
Kirchengeschichte in
so
sehr
hohem Grade
befördert werden
kan
kann
. Denn sie zeigt
eigentlich
ja in einem lebendigen Bilde
das Schicksal und die Wirkungen der
Religion
, nach den
verschiednen
verschiedenen
Umständen der Menschen und dem
verschiednen
verschiedenen
Gebrauch, den sie davon
machten; und, wenn
machten. Kann
man gleich diese Wirkungen auch aus Beobachtungen seiner selbst und Anderer, mit denen wir leben, lernen
kan
: so zeigt uns doch die Kirchengeschichte eine viel
größere
grössere
Verschiedenheit der Menschen,
ein
eine
viel
mannichfaltigeres moralisches Verhalten
größere Mannigfaltigkeit des moralischen Verhaltens
derselben, viel mehr
verschiedne
verschiedene
Umstände, in die sie, in Absicht auf die
Religion
Religion, kommen können, und
ersetzt das durch ihren Reichthum, was unserer sehr eingeschränkten
Erfahrung
Erfahrung abgeht. – Sie bildet und befestigt 1) unsre eigne
Ueberzeugung
Ueberzeugung
Ueberzeugung
vom Christenthum
–
durch die Vorstellung des Fortgangs, der wunderbaren Erhaltung und Entwickelung der wahren Religion unter so
mancherley
mancherlei
Hindernissen und Angriffen, und ihrer für
einzelne
einzle
Menschen und die ganze Gesellschaft so heilsamen Wirkungen;
–
durch die ausgezeichnetsten Spuren der göttlichen
Vorsehung
Vorsehung
Fürsehung
, die so sehr für
die
seine
Erkenntniß
Gottes
und
für
wahre
Gottseligkeit
Gottseligkeit einnehmen, so sehr das Vertrauen auf ihn auch unter den mißlichsten Umständen, nebst dem
Muth, Gutes zu thun, und nicht müde zu werden, stärken;
–
durch die so deutlichen Anzeigen des Unterschieds zwischen dem
ächten
echten
und daher unveränderlich bleibenden Christenthum, und zwischen den falschen Zusätzen oder nicht
allgemein
allgemeinen
nothwendigen Vorstellungen davon;
–
durch die ganz besondere Fürsorge Gottes für
die
besondere Lehre und
die
besondere Kirche, zu der wir uns bekennen, durch die, im Ganzen genommen,
geringre
geringere
Mängel derselben, oder durch mehrere
Gewissensfreyheit
Gewissensfreyheit
Gewissensfreiheit
,
sichrere
sichere
Grundsätze und
Glückseligkeit
Glückseligkeit überhaupt, die sie uns gewährt.
ersetzt das durch ihren Reichthum, was unserer sehr eingeschränkten Erfahrung abgeht
Vgl. II § 92.
Muth, Gutes zu thun, und nicht müde zu werden
Vgl. Gal 6,9.
97
384
.
Durch diese einleuchtende Darstellung der wunderbaren und allezeit herrlichen Wege Gottes sowohl, als durch so viele
gute
guten
und
böse
bösen
Beyspiele,
Beispiele
und des ganzen Ganges, den das
verschiedne
verschiedene
Betragen der Menschen genommen hat,
kan
kann
sie 2) sehr die ganze gute
Gesinnung
Gesinnung des
Religionslehrer
Religionslehrers bilden. Welche Achtung gegen Wahrheit und Gewissen, welche Zufriedenheit mit Gott
bey
bei
so mannichfaltigen
verschiednen
verschiedenen
Vorstellungen vom Christenthum, die auf so
verschiednen
verschiedenen
Wegen doch alle zu
Einem
einem
Hauptzweck führen, und
bey
bei
oft so sehr gegen einander laufenden Mitteln, die doch alle zu Beförderung der Absichten Gottes mitwirken müssen; welche Werthschätzung der
Vernunft
Vernunft, der heiligen Schrift, der eignen Untersuchung, nützlicher Wissenschaften und guter Anstalten; welche Ueberzeugung von dem
großen
grossen
Umfang von Kenntnissen und Eigenschaften und ihrer Nothwendigkeit, um ganz dem Beruf eines
Lehrer
Lehrers der Religion, nach den
Bedürfnisse
Bedürfnissen seiner Zeit und seiner
Zuhörer,
Zu hörer
ein Genüge zu
thun,
thun;
und welchen regen Trieb
darnach;
darnach,
welche Standhaftigkeit gegen diejenigen, die dieses Gute stören wollen, und welche Geduld, Mitleiden, Billigkeit gegen Irrende, oder die so von uns verschieden denken; welche Achtung und Liebe gegen unsern
eignen
eignen,
so weit und
mannichfaltig
mannigfaltig
zum Besten der Menschen wirkenden
Beruf
Beruf; wie viel Selbsterkenntniß und Ermunterung zu allen Tugenden
kan
kann
dieses Studium wirken, wenn man, durch fleißige Beobachtung dieser Vorgänge in der Kirchengeschichte und ihrer Ursachen und Folgen, sie sich zu einer lehrreichen Schule der Bildung unsers eignen Herzens macht!
98
385
.
Wie viel dieses Studium 3) zur Beförderung der wahren
Klugheit
Klugheit eines
Lehrer
Lehrers der Religion
beytrage
beitrage
, können
z. B.
folgende Bemerkungen lehren. – Der
vernachläßigte
vernachlässigte
Unterschied
Unterschied zwischen
Christenthum
Christenthum und
Theologie
Theologie
bey
bei
dem Unterricht des Volks thut unsäglichen Schaden; die einleuchtendsten Beweise davon stellt die Kirchengeschichte fast
bey
bei
allen (
arianischen, nestorianischen, monophysitischen und andern) Streitigkeiten auf, an welchen selbst das Volk Theil
nahm,
nahm;
und sie zeigt auch, welche Lehren von jeher unter den Christen und unbestritten gewesen, welche hingegen erst nach und nach entstanden, oder nie auf einstimmige Art von allen behauptet worden sind. – Nichts ist dem immer mehrern Wachsthum des Guten in der Kirche nachtheiliger, als die zu hohen Begriffe von gewissen
Heilige
Heiligen, angesehenen Lehrern, Anstalten, und der Untrüglichkeit der Kirche, so wie die Furcht vor der Gefahr, die aus
allem
Allem
, was
neu
neu
scheint,
entsteht; dies
entsteht. Dies
verhindert alle weitere und eigne
Untersuchung
Untersuchung, und giebt selbst Mängeln und Ausschweifungen ein unverletzliches Ansehn. Nichts ist
, auf der andern Seite,
der Erhaltung des wahrhaftig Guten, der Festigkeit der Grundsätze, und der gemeinschaftlichen Liebe gefährlicher, als das unzeitige und unvorsichtige
Reformiren
Reformiren; nichts empört so sehr auch gegen gute neue Anstalten und Untersuchungen, als die
unterlaßne
unterlassene
Schonung, die man dem Gewissen, der
Freyheit
Freiheit
der Menschen, und nützlichen, wenigstens unschädlichen, Vorurtheilen oder Dingen schuldig ist, an welche ein Theil von Menschen einmal seine Ueberzeugung von wichtigen Wahrheiten, seine Gemüthsruhe, oder seine Andacht und die Ausübung seiner Pflichten geknüpft hat. – Die Einigkeit in
Meinungen
Meinungen über
Religionssachen
Religionssachen, in wie fern, und durch welche Mittel und unter welchen Umständen sie könne hervorgebracht werden, oder nicht, und was aus solchen Versuchen für Folgen
entstehn
entstehen
? was
kan
kann
alle diese Fragen besser beantworten, als die
Geschichte
Geschichte der Conföderationen, der öffentlichen Religionsgespräche, der Glaubens- und Vereinigungsformeln?
*)
1
)
was mehr die nöthige Vorsichtigkeit, auch in Einführung und
Aendrung
Aenderung
bloß
äusserlicher
äußerlicher
Anstalten und der
Nebendinge
Nebendinge in der Religion, lehren?
**)
2
)
was aufmerksamer auf Erhaltung der
Freyheit
Freiheit
, selbst in gleichgültigen Dingen?
***)
3
)
was billiger in Beurtheilung hartnäckig- oder zu
nachgiebigscheinender
nachigiebig-scheinender
Dissentienten?
†)
4
)
was geneigter in Schätzung jedes Guten in seiner Art
††)
5
)
machen
u. d. gl.
u. dergl.
,
als die Geschichte solcher Personen oder Unternehmungen? – Kurz, es giebt keine lehrreichere Schule zur
Bildung
Bildung kluger und
bescheidner
bescheidener
Lehrer der Religion, als die Kirchengeschichte, und immer haben sich in dieser Absicht diejenigen durch wahre Klugheit, und in dem Maaß ausgezeichnet, welche und in welchem Maaß sie mit Fleiß und
unbefangnem
unbefangenem
Gemüth diese Geschichte studiert hatten.
*)
Anm.
1)
Z. B.
der
Omousianer,
Eusebianer und
Anomöer; der Vertheidiger und Gegner der
chalcedonischen Kirchenversammlung; der
Streitigkeiten über den
Origenes
Origenes
und über die
drey
drei
Kapitel
u. d. gl.
u. dergl.
– der
Religionsgespräche zwischen Katholiken und Protestanten, und der letztern unter einander; der
wittenbergischen Concordie, der
kryptocalvinistischen Händel, des
sendomirischen Vereins, der
Concordienformel, der
jansenistischen Streitigkeiten
etc.
**)
2)
Geschichte der
Feyer des Pascha unter den ersten Christen, des
Τριςαγιον
Τρισαγιον
, der
Streitigkeiten über Verehrung der Bilder, über den
Gebrauch des gesäuerten und ungesäuerten
Brodts
Brods
im heiligen Abendmahl
u. d. gl.
u. dergl.
***)
3)
S.
die
Geschichte der
päbstlichen
päpstlichen
Obergewalt,
z. B.
der
eingeführten Krönung der römischen Kaiser von den
Päbsten
Päpsten
, der
falschen Decretalien, der
Eingriffe der
Päbste
Päpste
in die
bischöfliche
bischöflichen
Rechte, der
Immunitäten und Privilegien der Bettelorden, des
Benehmens der
Päbste
Päpste
und der Concilien zu Costnitz und Basel gegen die
Hussiten
Hußiten
, wie des zu
Trident gegen die Protestanten, der
Künste der Jesuiten, diese zu überlisten oder zu unterdrücken, und evangelische Landesherren zu Proselyten zu
machen,
machen
u. s. w.
†)
4)
Geschichte der pelagianischen Streitigkeiten und der aus dem
Interim entstandenen Händel.
††)
5)
Geschichte der
bey
bei
allen Mängeln,
Fehlern
Fehlern,
und
Irrthümern
Irrthü-
sehr mächtig und heilsam auf Verbesserung der Kirche wirkenden
Priscillianisten,
Paulicianer,
Henrichianer,
Waldenser,
böhmischen
Brüder,
Brüder
und sogenannten
Pietisten. Vergleichung zwischen
Luther, Martin
Luther
,
Melanchthon, Philipp
Melanchthon
und
Erasmus, Desiderius
Erasmus
. Vergleichung der sich einander
balanzirenden
balancirenden
Gewalt der
Päbste
Päpste
und Geistlichkeit auf einer, und der Landesherren und des befehdenden Adels, auch zum Theil der Bischöfe, auf der andern Seite.
Anm.
Zu dem, was von dem Verfasser über die große Wichtigkeit kirchenhistorischer Kenntnisse, auch namentlich für den praktischen Religionslehrer, gesagt ist, kann man hinzusetzen, daß für den Mann, der in seiner theologischen Bildung und seinen Studien fortschreitet, kaum ein Studium bis in die spätesten Jahre so viel Interesse behalten kann, als Geschichte überhaupt und Religionsgeschichte insonderheit. Wenn so manche andere Studien, je länger man sie besonders als
praktische Arbeiten
betreibt, immer weniger befriedigen, weil man einsieht, daß man entweder nicht merklich weiter darin kommt, oder wenigen Gebrauch davon im Leben und in seiner amtlichen Wirksamkeit machen kann; wenn die Grübeleien der höhern Philosophie, der theologischen Metaphysik oder Dogmatik, der höhern und niedern Kritik, nach und nach ermüden und wenigstens dem Gemüth keinen Genuß gewähren, so liefert dagegen die Geschichte einen immer neuen, und je mehr man ins Einzelne geht, immer anziehendern Stoff für das Nachdenken, und afficirt das Gefühl auf die verschiedenartigste Weise. Wer mit offenen Augen vor dem großen Drama der Geschichte steht – wer könnte
da
ermüden? – Wie viel Lehre, wie viel Trost der denkende
Prediger
Prediger, namentlich aus der Geschichte der Kirche
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Jesu
schöpfen, wie er seinen sinkenden Muth durch sie beleben, wie er sich in den drückendsten Zeiten an dem Bilde derer, die das
Bessere
gefunden und erwählt hatten, erquicken, mit welcher Beschämung er von der Betrachtung derer, die unter unendlichen Schwierigkeiten lange
vor
uns,
für
uns gearbeitet haben, zurückkommen werde, das ist schon oben berührt, kann aber nicht oft genug wiederholt werden.
A. d. H.
arianischen, nestorianischen, monophysitischen
Vgl. I § 63.
Omousianer
Die christologische Position der Homousianer, nach der Vater und Sohn wesens
gleich
(
ὁμοούσιος
) sind, wurde gegen den Arianismus auf dem Konzil von Nicäa (325) fixiert (
Nicänum
) und auf den Konzilien von Konstantinopel (381) und Chalcedon (451) bestätigt (
Nicäno-Constantinopolitanum
bzw.
Chalcedonense
) (vgl. I § 63).
Eusebianer
Der zu Arius (vgl. I § 63) tendierende Bischof Eusebius von Nikomedien (gest. 341), später Bischof von Konstantinopel, wurde nach dem Konzil von Nicäa (325) nach Gallien exiliert, aber bereits 328 wieder in sein Bistum eingesetzt. Eusebius, der gute Verbindungen zu Kaiser Konstantin und seiner Familie hatte und diesen 337 kurz vor seinem Tod taufte, konnte erwirken, dass auch Arius zurückgerufen, dessen entschiedener Gegner Eustathius von Antiochien (gest. Mitte d. 4. Jh.s) abgesetzt und Athanasius von Alexandrien gleich zweimal ins Exil gezwungen wurde. Im nach dem Tod Konstantins und der gescheiterten Synode von Serdica (342) religionspolitisch weiter aufgeladenen 4. Jh. vertraten Eusebius und seine Anhänger einen gemäßigten Arianismus, der sich v.a. im Osten des Reiches ausbreiten konnte und die in Nicäa fixierte Wesensgleichheit der göttlichen Personen bestritt. Laut der von Semler herausgegebenen Darstellung Siegmund Jacob Baumgartens (vgl. II § 124 c) verdankt sich der Name der Eusebianer jedoch auch Eusebius von Caesarea (ca. 260–339).
Anomöer
Anders als die arianischen Homöusianer (vgl. I § 63) vertraten die gelegentlich auch als radikale Arianer bezeichneten Anhomöer christologisch die Auffassung, der Sohn sei dem Vater in allem unähnlich (
ἀνόμοιος
). Bisweilen wurden die Anhomöer nach ihren führenden Persönlichkeiten Aetius von Antiochien (gest. ca. 367), seinem Schüler Eunomius (gest. ca. 395) oder Acacius von Caesarea (gest. 365) auch
Aetianer, Eunomianer
oder
Acacianer
genannt, wobei Letztere nach der von Semler herausgegebenen Darstellung Siegmund Jacob Baumgartens (vgl. II § 124 c) gemäßigtere Positionen vertraten und aufgrund ihrer Zugeständnisse an homöische Auffassungen auch als arianische Mittelpartei bezeichnet wurden.
chalcedonischen Kirchenversammlung
Gegen die Monophysiten wurde auf dem Konzil von Chalcedon (451) endgültig die Zwei-Naturen-Lehre fixiert (vgl. I § 63) und zugleich die Position der Homousianer bestätigt (s.o.).
Streitigkeiten über den Origenes
Obgleich einige der Lehren Origenes' bereits zu Lebzeiten umstritten waren, werden als origenistische Streitigkeiten im engeren Sinne die im 4. Jh. unter ägyptischen Mönchen entstandenen Auseinandersetzungen zwischen Origenisten (Subordinatianismus) und den sog. Anthropomorphiten verstanden, die einen Gott in menschlicher Gestalt und mit materiellem Körper annahmen. Zu nennen sind Epiphanius von Salamis (ca. 315–403) und dessen Widersacher Johannes von Jerusalem (gest. 417). Im weiteren Verlauf schlug sich Bischof Theophilus von Alexandrien (gest. 412), der zunächst eine vermittelnde Position einnahm, aus politischen Gründen auf die Seite der Anthropomorphiten und bedrohte die Origenisten mit dem Bann. Im Zuge einer dadurch ausgelösten Verfolgungswelle flohen einige origenistische Mönche nach Konstantinopel. Als ihnen der bedeutende Bischof Johannes Chrysostomus hier Asyl gewährte, wurde auch er angeklagt und nach langwierigen Auseinandersetzungen verbannt. Allerdings scheinen diese Vorgänge die allgemeinen Sympathien für den Origenismus verstärkt zu haben, der fortan geduldet wurde. Im 6. Jh. reagierte Kaiser Justinian (482–565) auf erneut auftretende Auseinandersetzungen um Origenes, indem er auf dem Zweiten Konzil von Konstantinopel (553), das ursprünglich wegen des Drei-Kapitel-Streites (s.u.) einberufen worden war, mehrere als unorthodox eingestufte Lehrsätze des Origenes verurteilen ließ und die Zustimmung aller Bischöfe des Reiches erhielt.
drey Kapitel
Die auf dem Konzil von Chalcedon (451) als orthodox fixierte Zwei-Naturen-Lehre hatte eine Integration des Monophysitismus aussichtslos werden lassen (vgl. I § 63). In seinem Bemühen um die Wiederherstellung der Kircheneinheit versuchte Kaiser Justinian (482–565), die auf dem Konzil von Ephesus (431) übereinstimmend abgelehnten Nestorianer (vgl. I § 63) als gemeinsamen Gegner in Stellung zu bringen. Per Edikt verurteilte Justinian Schriften des Ibas von Edessa (gest. 457), des Theodoret von Cyrus (gest. ca. 466) und v.a. des Theodor von Mopsuestia (ca. 350–428), die als die
drei Kapitel
bezeichnet werden, als nestorianisierend. Während die Bischöfe im Osten widerwillig zustimmten, erhob sich auf Seiten des Westens Widerstand, der sich zu einem jahrelangen Machtkampf zwischen Justinian und Papst Vigilius (gest. 555) ausweitete. Auf dem zur Klärung einberufenen Zweiten Konzil von Konstantinopel (553), auf dem aus aktuellem Anlass auch die noch immer anhaltenden origenistischen Streitigkeiten verhandelt wurden (s.o.), konnte sich Justinian schließlich durchsetzen und eine offizielle Verurteilung der drei Kapitel erreichen. Im Westen folgte man diesem Beschluss teils widerwillig, teils gar nicht (Schisma von Aquileia), die kirchliche Einheit mit den Monophysiten kam nicht mehr zustande.
Religionsgespräche zwischen Katholiken und Protestanten, und der letztern unter einander
Aus den den reformatorischen Loslösungs- und Konsolidierungsprozess begleitenden Religionsgesprächen zwischen Katholiken und Protestanten im 16. Jh. seien das Nürnberger Religionsgespräch (1525), die Abfolge der Hagenauer (1540), Wormser (1540/41) und Regensburger (1541) Religionsgespräche, die erneuten Religionsgespräche zu Regensburg (1546) und Worms (1557) sowie im 17. Jh. das Thorner Religionsgespräch (1645) hervorgehoben. Zu den in diesem Zusammenhang ebenfalls zu nennenden Disputationen zählen insbesondere die Heidelberger (1518) und die Leipziger (1519) Disputation sowie im Schweizer Raum die Zürcher Disputationen (1523–1524) und die Disputationen zu Bern (1528) und Genf (1535). Innerprotestantisch ist z.B. das auch in der
Anweisung
genannte Marburger Religionsgespräch (vgl. II § 113) zu nennen, zudem sind etwa auch die Wittenberger Konkordie (s.u.) oder der
Consensus Sandomiriensis
(s.u.) das Ergebnis von Religionsgesprächen.
wittenbergischen Concordie
Die v.a. durch das Engagement des Straßburger Reformators Martin Bucer (1491–1551) zustande gekommene und in ihrer Textgestalt im Wesentlichen auf Melanchthon zurückgehende
Wittenberger Konkordie
(
Formula Concordiae Lutheri et Buceri
) des Jahres 1536 ist das Ergebnis einer Verständigung der oberdeutschen und Wittenberger Theologen v.a. in der Abendmahlsfrage (vgl. II § 83). Im Zuge der Konsensverhandlungen änderte Melanchthon den betreffenden Artikel der
Confessio Augustana
(vgl. II § 212). Dass man ihr in Basel, Zürich und Bern letztlich nicht zustimmen wollte, beförderte in der Folge die Verselbständigung der deutschen und der schweizerischen Reformation (vgl. II § 212).
kryptocalvinistischen Händel
Der sog. kryptocalvinistische Streit ist eine in der zweiten Hälfte des 16. Jh.s entstandene Auseinandersetzung um das lutherische Abendmahlsverständnis. Lutheraner, die wie Melanchthon der Position Zwinglis zuneigten (vgl. II § 83), wurden als Kryptocalvinisten angefeindet, der kursächsische (vgl. II § 113) Kanzler Nikolaus Krell (1550–1601) später sogar hingerichtet. Mit der
Konkordienformel
sollte der Streit zwischen Philippisten und Gnesiolutheranern beigelegt werden (vgl. II § 83).
sendomirischen Vereins
Der auch als
sendimirischer Vergleich
bezeichnete
Consensus Sandomiriensis
oder auch
Sendomir(i)ensis
ist ein 1570 im südpolnischen Sandomir (Sandomierz) zwischen den polnischen Lutheranern, Reformierten und dem sich Mitte des 16. Jh.s verselbständigenden polnischen Zweig der Böhmischen Brüder (s.u.) formuliertes Übereinkommen, mit dem sich die teilnehmenden Parteien gegenseitig ihrer Eigenständigkeit und Rechtgläubigkeit sowie der gemeinsamen Abwehr gegenreformatorischer Angriffe versicherten. Im Zentrum des
Consensus
standen die Ablehnung antitrinitarischer Positionen und die Erörterung der Abendmahlslehre.
Concordienformel
Vgl. II § 83.
jansenistischen Streitigkeiten
Der auf Cornelius Jansens (1585–1638) posthum veröffentlichte Abhandlung
Augustinus
(1640) zurückgehende Jansenismus lehrte unter Berufung auf die Gnadenlehre des Kirchenvaters, dass die Erlösung ausschließlich von der göttlichen Gnade abhängig und der Mensch ohne eigene Einflussmöglichkeit sei. In Frankreich, ihrem Hauptverbreitungsgebiet, wurden die Jansenisten schnell zu einer kirchlichen Erneuerungsbewegung (Kloster Port-Royal), die auch die gebildete Oberschicht (z.B. Blaise Pascal) anzusprechen vermochte. Aufgrund ihrer Gnadenlehre gerieten die Jansenisten in Konflikt mit dem Jesuitenorden (Molinismus). Die römisch-katholische Kirche reagierte bis ins 18. Jh. hinein in mehreren Bullen, und auch der französische Staat setzte den bereits unter Kardinal Richelieu (1585–1642) begonnenen antijansenistischen Kurs grundsätzlich fort (Abriss des Klosters Port-Royal im Jahre 1713). V.a. infolge der Bulle
Unigenitus Dei filius
(vgl. II § 83), die auf jansenistischer, aber auch auf gallikanischer Seite als unzulässige Einmischung des Papstes in französische Angelegenheiten verstanden wurde, wurde der Jansenismus zunehmend zum Politikum, eine Entwicklung, die nicht zuletzt in die Aufhebung des Jesuitenordens (1773) mündete.
Feyer des Pascha unter den ersten Christen
Gemeint ist das Verhältnis von Abendmahl und Pessachfest (vgl. II § 83), aber auch die Frage nach dem Ostertermin, die etwa in der Auseinandersetzung mit den Quartodezimanern (vgl. II § 128) von Bedeutung war.
Τριςαγιον
Das
Trishagion
(d.h. dreimal heilig) gehört zu den ältesten christlichen Hymnen (vgl. Jes 6,3; Offb 4,8) und ist ein zentraler Bestandteil der orthodoxen Liturgie. In der katholischen Kirche zählt es zu den Improperien am Karfreitag und ist auch in evangelischen Gesangbüchern zu finden. Das Schluss‐Sigma (kein Stigma) in der Wortmitte erklärt sich aus der Zusammensetzung des Begriffs aus τρίς und ἅγιον. Verwiesen werden kann in diesem Zusammenhang auf die unter Siegmund Jacob Baumgarten in Halle gehaltenene Disputation
Historia Trisagii
(1744).
Streitigkeiten über Verehrung der Bilder
Vgl. II § 83.
Gebrauch des gesäuerten und ungesäuerten Brodts im heiligen Abendmahl
Vgl. II § 83.
Geschichte der päbstlichen Obergewalt
Gemeint ist zunächst der in den päpstlichen Reservatrechten (
reservationes papales
) u.a. zum Ausdruck kommende Primat oder Supremat des Papstes über die Bischöfe (Papalismus), der innerhalb der Kirchengeschichte immer wieder in Frage gestellt wurde (Episkopalismus bzw. Konziliarismus) und erst mit dem im Ersten Vatikanischen Konzil (1870) festgestellten Lehr- und Jurisdiktionsprimat des Papstes zur vollumfänglichen Durchsetzung kam. Neben den innerkatholischen Entwicklungen ist die Frage nach der päpstlichen Obergewalt zudem im Hinblick auf die Geschichte der Kirchentrennungen (Großes Schisma, Reformation, Altkatholiken [vgl. II § 122]) relevant und betrifft nicht zuletzt auch das Verhältnis des Papsttums zur weltlichen Herrschaft (vgl. Investiturstreit, Suprematsakte und -eid u.Ä.).
eingeführten Krönung der römischen Kaiser von den Päbsten
Gemeint sind das Heilige Römische Reich und die römisch-deutschen Kaiser. Die Krönung der Kaiser durch die Päpste geht auf Karl den Großen (747–814) zurück, der im Jahr 800 von Papst Leo III. (795–816) in Rom zum römischen Kaiser gekrönt wurde (
translatio imperii
). Als letzter römisch-deutscher Kaiser wurde Karl V. (1500–1558) im Jahre 1530 von Papst Clemens VII. (1523–1534) in Bologna gekrönt.
falschen Decretalien
Gemeint ist etwa der sog.
falsche
oder
Pseudo-Isidor
(vgl. II § 83).
Eingriffe der Päbste in die bischöfliche Rechte
Zu den bischöflichen Rechten zählen neben allgemeinen Standes- und Ehrenrechten (Tragen bischöflicher Insignien, Kleidung etc.) auch die geistliche Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit innerhalb der Diözese sowie dem Bischof qua Rang zukommende Vollmachten. Zu diesen zählen die Priesterweihe, der Bau von Kirchen und Klöstern, die Kirchweihe, aber etwa auch die Salbung von Königen, die Vergabe von Kirchenämtern und Pfründen und das Einfordern von Abgaben.
Immunitäten und Privilegien der Bettelorden
Die klassischen Bettel- oder Mendikantenorden (
ordines mendicantium
) der Dominikaner, Franziskaner, Karmeliten und Augustiner-Eremiten entstanden im Zusammenhang der Armutsbewegung des 13. Jh.s und unterschieden sich neben dem Verzicht auf Besitz auch durch das Fehlen der Organisation in Klöstern (
stabilitas loci
) von älteren monastischen Formen. Aufgrund ihrer Lebenweise, aber auch durch die im Wesentlichen in Predigt, Seelsorge und v.a. bei den Dominikanern im Vorgehen gegen Häresien bestehenden Ziele ließen sich die Mitglieder von Bettelorden v.a. in Städten nieder und wirkten hier auch an den entstehenden Universitäten. Aus den kirchlichen Strukturen vor Ort herausgenommen (
exemtio
) und mit zahlreichen Sonderrechten ausgestattet kam es, wie es besonders eindrücklich der Pariser Bettelorden- oder Mendikantenstreit (1252–1272) zeigt, schnell zu Konkurrenzproblemen mit dem ansässigen Klerus bzw. weltgeistlichen Professoren. Der Bettelordenstreit hatte sich v.a. an der Frage nach den Beicht- und Seelsorge-, aber auch Lehrprivilegien entzündet, darüber hinaus genossen die Bettelorden umfangreiche steuerliche Privilegien.
Benehmens der Päbste und der Concilien zu Costnitz und Basel gegen die Hussiten
Auf dem auch als Konzil von
Costnitz
bezeichneten Konstanzer Konzil (1414–1418), auf dem durch das seit 1378 andauernde sog. Abendländische Schisma mit Johannes XXIII. (Pisa), Benedikt XIII. (Avignon) und Gregor XII. (Rom) gleich drei gewählte Päpste um das höchste kirchliche Amt konkurrierten, wurden 1415 Jan Hus und im folgenden Jahr auch sein Mitstreiter Hieronymus von Prag verurteilt und verbrannt (vgl. II § 83). Das von Papst Martin V. (1417–1431) einberufene, nach dessen Tod jedoch unter Eugen IV. (1431–1447) eröffnete Basler Konzil (1431–1449) sollte wie schon das Konzil zu Konstanz zu einem bedeutenden Beispiel für den Konziliarismus werden. Die in unterschiedliche Lager zerfallenen Hussiten, die unter dem Eindruck der von Martin V. erlassenen
Kreuzzugsbulle
(1420) und den sich anschließenden Hussitenkriegen zunehmend auch militärischen Widerstand leisteten, hatten mit den
Prager Artikeln
(1420) zentrale Anliegen formuliert, die zur Grundlage der Verhandlungen auf dem Basler Konzil wurden und ihren Abschluss in den
Prager Kompaktaten
(1433) fanden. Auch wenn die Forderungen der
Prager Artikel
nicht durchgesetzt werden konnten, wurde unter der Voraussetzung, dass die Kommunikanten über die vollständige Präsenz Christi sowohl im Brot als auch im Wein belehrt werden, das Abendmahl unter beiderlei Gestalt (vgl. II § 83) zugestanden. Päpstlicherseits wurden die
Kompaktaten
nicht anerkannt.
Trident gegen die Protestanten
Das vor dem Hintergrund reformatorischer Kritik zur umfassenden Erneuerung der Kirche einberufene Konzil von Trient (1545–1563) (nach dem lateinischen
Tridentum
auch
Tridentinum
), zu dem auch protestantische Vertreter eingeladen waren, fand in drei Tagungsperioden (1545–1547, 1551–1552, 1562–1563) statt, die in das Pontifikat Pauls III. (1534–1549), Julius' III. (1550–1555) und Pius' IV. (1559–1565) fielen. Festgehalten wurde, bei maßvoller und nicht auf Gewinn zielender Handhabung, etwa am Ablasshandel, an dem sich die Kritik der Reformatoren entzündet hatte, sowie an der Verehrung von Heiligen, Heiligenbildern und Reliquien (vgl. II § 83), der Siebenzahl der Sakramente und der Realpräsenz Christi im Abendmahl (vgl. II § 83). Die Entscheidung der Frage nach der Kelchkommunion wurde zunächst dem Papst überlassen, später wurde das Verbot jedoch erneuert (vgl. II § 83). Bereits in einer frühen Phase des Konzils wurde die Vulgata zur weiterhin verbindlichen Gestalt der Bibel erklärt (vgl. II § 83) und die kirchliche Tradition als Autorität neben der Heiligen Schrift bekräftigt. Aufgrund der deutlich zutage tretenden Lehrunterschiede hat das
Tridentinum
die konfessionelle Spaltung eher befördert als verhindert, die weitreichende Bedeutung der in Trient gefassten Beschlüsse zur Konsolidierung der römisch-katholischen Lehre steht außer Frage.
Künste der Jesuiten, diese zu überlisten oder zu unterdrücken, und evangelische Landesherren zu Proselyten zu machen
Der 1534 von Ignatius von Loyola (1491–1556) u.a. gegründete und 1540 durch Papst Paul III. (1534–1549) anerkannten Jesuitenorden (
Societas Jesu
) war früh in ganz Europa, aber auch in Übersee tätig und gehörte, obgleich ursprünglich ohne antireformatorische Stoßrichtung, im Zuge des durch das Konzil von Trient (s.o.) eingeleiteten Konsolidierungsprozesses innerhalb der römisch-katholischen Kirche schnell zu den treibenden Kräften der sog. Gegenreformation und der Rekatholisierung. Erklärtes Anliegen der Jesuiten war es, nicht zuletzt vor dem Hintergrund des seit dem Augsburger Religionsfrieden (vgl. III § 83) geltenden Grundsatzes
cuius regio, eius religio
v.a. auch auf politische Entscheidungsträger (z.B. Maximilian I. von Bayern [1573–1651]) einzuwirken, um den Einfluss und die Ausbreitung des als Häresie verstandenen Protestantismus zu unterbinden und die Position der römisch-katholischen Kirche zu stärken. Durch ihre Funktion als Berater, Seelsorger und Beichtväter u.Ä., aber auch über das jesuitische Bildungswesen gelang es dem Orden bis ins 18. Jh. hinein, zahlreiche protestantische Fürsten, Adlige und Bürger zur Konversion zu bewegen. Prominente Beispiele sind etwa Christina von Schweden (1626–1689), die nach dem Tod ihres immerhin als Retter des Protestantismus gefeierten Vaters Gustav II. Adolf (1594–1632) Königin von Schweden wurde, jedoch bereits 1654 abdankte und zum Katholizismus übertrat, sowie die Konversion mehrerer Kinder Friedrichs V. (1596–1632), pfälzischer Kurfürst, kurzzeitig böhmischer König („Winterkönig“) und führender Vertreter der protestantischen
Union
.
Geschichte der pelagianischen Streitigkeiten
Vgl. II § 88.
Interim entstandenen Händel
Gemeint ist das
Augsburger Interim
(1548), das zwischen dem Reichstag von Augsburg 1547/1548 und dem Abschluss des Konzils von Trient (1545–1563) in 26 Artikeln drängende Religionsfragen regeln sollte, letztlich jedoch ein Sondergesetz für die evangelischen Reichsstände darstellte, das kaum zur Durchsetzung kam. Die Duldung der Priesterehe und des Laienkelchs (vgl. II § 83), wo beides bereits eingeführt war, als wichtigste Zugeständnisse fanden auf katholischer Seite keine Zustimmung, doch kam es im Zuge der Verhandlungen auch auf protestantischer Seite zu Auseinandersetzungen (adiaphoristischer Streit). Das
Interim
als letzter kaiserlicher Vergleichsversuch zwischen Katholiken und Protestanten wurde durch den
Passauer Vertrag
(1552) und schließlich den
Augsburger Religionsfrieden
(vgl. III § 83) aufgehoben und muss insgesamt als Misserfolg gewertet werden. Zu bemerken ist, dass (in polemischer Weise) auch die den sächsischen Sonderweg repräsentierenden
Leipziger Artikel
(1548) als Leipziger
Interim
bezeichnet wurden.
Priscillianisten
Über diese auf den spanischen Bischof Priscillianus von Avila (ca. 340–385) zurückgehende Bewegung ist wenig bekannt, hinzu kommt, dass die meisten Quellen antipriscillianisch sind. Zudem wird heute darauf hingewiesen, dass nur schwer zwischen den Ansichten Priscillians und denen seiner Anhänger unterschieden werden könne. Augustin und Sulpicius Severus (ca. 363–420) sehen v.a. gnostische und manichäische (vgl. II § 113) Anleihen, Hieronymus äußert sich zunächst abwägend, später jedoch ebenfalls verurteilend. Der als Spiritualist zu bezeichnende Priscillian forderte eine absolute Treue zu den Taufgelübden, einen der Gottessuche gewidmeten Lebensstil und begründete eine radikal asketische Bewegung, die sich aus Welt und Kirche zurückzog, aber durchaus mit kirchenreformerischem Anspruch auftrat. Nachdem Priscillian in Trier – auf einer zuvor einberufenen Synode in Bordeaux (384) hatte er an den kaiserlichen Hof des weströmischen Usurpators Maximus (ca. 335–388) appelliert – wegen seiner Lehre (aber auch wegen Zauberei und diversen Ausschweifungen) als Ketzer hingerichtet worden war, kam es in Spanien und Gallien, dem Hauptverbreitungsgebiet der Priscillianer, zu Spaltungen und weiteren Verurteilungen. V.a. im Nordwesten Spaniens hat sich der Priscillianismus mindestens bis zum Ende des 6. Jh.s gehalten.
Paulicianer
Vgl. II § 19.
Henrichianer
Die He(i)nricianer waren Anhänger des im 12. Jh. lebenden Heinrich von Lausanne (die Verbindung mit dieser Stadt ist jedoch ein Produkt des 18. Jh.s und nicht mehr haltbar), der im Gefolge des dem Armutsideal verpflichteten und die Mittlerrolle der Kirche bestreitenden Wanderpredigers Petrus von Bruis (gest. ca. 1132/1133) nach 1130 v.a. durch die Ablehnung der Kindertaufe und der Erbsündenlehre aufgefallen war. Laut der von Semler herausgegebenen Darstellung Siegmund Jacob Baumgartens (vgl. II § 124 c) geht die Bezeichnung
Heinricianer
auf den in Lausanne wirkenden Henricus Eremita Tolosanus zurück, doch werde bisweilen auch ein Bruder des Petrus von Bruis namens Heinrich angeführt. In jedem Fall ist die Bezeichnung
Heinricianer
für Baumgarten (vgl. II § 124 c) eines der Synonyme für die Waldenser (vgl. II § 19).
Waldenser
Vgl. II § 19.
böhmischen Brüder
Die Gemeinschaft der Böhmischen Brüder (auch
fratres unitatis
bzw.
unitas fratrum
) ist Mitte des 15. Jh.s in Böhmen und Mähren aus unterschiedlichen Gruppierungen der Hussiten (vgl. II § 83) entstanden und hat v.a. taboritische (eine klare Abgrenzung von den Utraquisten oder Calixtinern erfolgte durch die Wahl eigener Priester auf der Brüderversammlung zu Lhotka 1467), aber auch waldensische (vgl. II § 19) Traditionen fortgeführt. Nach ihrer Konsolidierung als neben dem Utraquismus und dem Katholizismus dritte Glaubensrichtung in Böhmen wurden die Brüder im 16. Jh. in konfessionspolitische Auseinandersetzungen hineingezogen, im Zusammenhang mit der
Confessio Bohemica
(1575) und ihrer offiziellen Billigung durch den Majestätsbrief Rudolfs II. im Jahre 1609 wurden sie in Böhmen erstmals gesetzlich anerkannt, während des Dreißigjährigen Krieges jedoch nahezu vollständig vernichtet. Ein eigener Zweig der Brüder entwickelte sich in Polen-Litauen (s.o.), der nach und nach in den Reformierten aufgehen sollte. Ein Nachleben erfuhren die Böhmischen Brüder etwa in der Herrnhuter Brüdergemeine und durch das Werk ihres bedeutenden letzten Seniors (d.i. Bischofs) Johann Amos Comenius (1592–1670). Nach der von Semler herausgegebenen Darstellung Siegmund Jacob Baumgartens (vgl. II § 124 c) wurden die Böhmischen Brüder von ihren Gegnern auch als Waldenser und Hussiten bezeichnet, sie selbst haben diese Bezeichnung jedoch vehement abgelehnt.
Pietisten
Der Pietismus ist eine in der zweiten Hälfte des 17. Jh.s entstehende protestantische Frömmigkeits- und Reformbewegung, als deren Gründungsgestalt der lutherische Theologe Philipp Jakob Spener (vgl. II § 63 c) gelten kann, im reformierten Kontext ist Theodor Undereyck (1635–1693) zu nennen. Im Zentrum stehen ein intensiver Bibelbezug sowie die Individualisierung und Verinnerlichung religiösen Lebens, äußere Merkmale sind etwa das Konventikelwesen (
Collegia pietatis
) und eine ausgeprägte soziale und missionarische Tätigkeit. Als bedeutendste Zentren des Pietismus sind Halle (v.a. August Hermann Francke [1663–1727]) und Württemberg (v.a. Johann Albrecht Bengel; Friedrich Christoph Oetinger [1702–1782], Johann Michael Hahn [1758–1819]) zu nennen, die jeweils ein durchaus eigenständiges Gepräge aufweisen. Zeitlich lässt sich der Pietismus in eine Früh- (1670–1690), eine Haupt- (1690–1740) und eine Spätphase (1740–1780) gliedern, das Verhältnis zu Orthodoxie und Kirche, aber auch zur Aufklärung (Vertreibung Christian Wolffs aus Halle) war von Konflikten geprägt (vgl. II § 122). Eigens zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang der sog. separatistische oder radikale Pietismus, in dem die dem Pietismus inhärenten spiritualistischen Tendenzen besondere, teils ausgefallene Formen annahmen. Durch Auswanderung konnte der Pietismus u.a. auch in Nordamerika Fuß fassen.
99
386
.
Es ist
vor sich klar
indeß kaum nöthig zu erinnern
, daß dieser
so
große
grosse
und mannigfaltige
Nutzen
Nutzen der
christlichen
Kirchengeschichte
Kirchengeschichte nur
als dann
alsdenn
dann
erreicht werden könne, wenn sie die
im ersten Theil erwähnten
§.
225
–
228
erwehnten
Eigenschaften
einer guten Geschichte
hat, und wenn man sie so studiert, daß man beständig diese vor Augen
behält
hat
, und mit möglichstem
Fleisse
Fleiße
sie zu erreichen sucht. Dadurch fällt der
einfältige
Vorwurf
der Unwissenden
von selbst weg, daß sie ein
bloßes
blosses
Gedächtnißwerk, mit unnützen und unfruchtbaren Kleinigkeiten
(wie wohl jede andre Wissenschaft)
überhäuft, und zur Zubereitung eines künftigen
Lehrer
Lehrers der
Religion
Religion sehr entbehrlich
sey
sei
. Eine flüchtige und
oberflächige
oberflächliche
Bekanntschaft mit derselben ist so viel wie gar keine, und schwerlich giebts irgend eine Art von akademischen
Vorlesungen
Vorlesungen für einen künftigen Theologen, die er, wenn er Gelegenheit hätte, sie ausführlich und auf die angezeigte Art zu hören, weniger versäumen, und
öftrer
öfter
hören sollte, als solche historische. Denn
zuerst
ist den
meisten
Meisten
darin
alles
Alles
ganz neu und fremd;
vieles
Vieles
unverständlich, weil so manche andre Kenntnisse
dabey
dabei
vorausgesetzt, oder
mit beygebracht
beigebracht
werden müssen, die schlechterdings sich in der Kürze nicht abfertigen
laßen
lassen
, sondern umständliche Auseinandersetzung erfordern; und Vieles muß, wenn dem Zuhörer fast
alles
Alles
noch unbekannt ist, seiner Aufmerksamkeit
entwischen
entgehen
.
Hiernächst
kan
kann
er kaum den Abgang dieser versäumten Gelegenheit durch eignen Fleiß ersetzen, weil es ein gar zu weitläufiges Studium ist, das sehr viele
Hülfsmittel
Hülfsmittel erfordert, die selten jemand haben
kan
kann
, so wenig wie hernach Geduld und
Muße
Musse
genug, um in seinem künftigen Beruf dieses nachzuholen;
zumal
zumahl
da es so sehr an guten Handbüchern fehlt, woraus man sich selbst helfen könnte. Denn alle diese sind
entweder
viel
zu unvollständig,
oder
sehr unzuverläßig
unzuverlässig
, selten aus den rechten Quellen geschöpft, und gar nicht so bearbeitet, daß sie sich durch die vorhin gedachten Eigenschaften
empfehlen
empfählen
;
oder
sie enthalten
trefliche
treffliche
Materialien, die aber nicht genug geordnet, nicht lehr reich und überzeugend genug
zusammengestellt
zusammengestellet
sind, und für den Anfänger noch zu viel Dunkles und Unerläutertes enthalten;
oder
sie sind
– und das trift selbst die besten Handbücher, –
nicht vollendet, nicht auf die neuesten Zeiten fortgeführt. Ausführlichere Werke aber sind zu kostbar, und keines faßt den ganzen Umfang der Kirchengeschichte in sich.
Anm.
Wahr ists, der akademische Unterricht darüber bleibt immer noch kurz
genug,
genug;
und wer sich selbst mit eignem Fleiß auf dieses Studium legen, und aus den Quellen schöpfen will,
kan
kann
es
freylich
freilich
darin weiter bringen, und diese Geschichte
noch überzeugender
sichrer und überzeugter
lernen. Aber wer
darum
dergleichen Vorlesungen nicht auf Universitäten hören wollte, der würde nicht überlegen, daß, nach diesem Grundsatz, überall der akademische Unterricht auch in andern Wissenschaften entbehrlich wäre; daß es doch besser
sey
sei
, wenigstens das Nothdürftigste von einer solchen nützlichen Wissenschaft, als gar nichts davon zu lernen; daß ein solcher Unterricht eine gute Grundlage für das künftige eigne Studieren
sey
sei
; und daß man doch schon viel gewonnen habe, wenn man auch nur auf
dasjenige
das
aufmerksam gemacht
würde
wird
, worauf man
bey
bei
diesem Studium hauptsächlich sehen muß,
und
wenn man
endlich
dem Lehrer die wahre Art
ablernte
ablernete
, wie die Kirchengeschichte
studieret
studiert
werden müsse.
{Uebrigens ist wohl nicht zu läugnen, daß bei der Kürze eines gewöhnlichen Triennii, selbst die besten Vorlesungen der Krichengeschichte doch nur Skizzen, Uebersichten und Andeutungen seyn können, und gerade dieß Studium einen fortgesetzten Fleiß erfordert. Die im Vorigen angegebenen Schwierigkeiten sind indeß nicht unüberwindlich. Wem nur recht daran liegt, der wird sich die Hülfsmittel schon zu verschaffen und es zu sparen wissen, weiß auch schon, wohin er sich wenden kann, um sie zu benutzen. Auch haben wir seit dem Tode des Verfassers gar manche Bereicherung in diesem Fach erhalten.
A. d. H.
}
100
387
.
Gemeiniglich stellt sich der
Anfänger
Anfänger die Schwierigkeiten
bey
bei
diesem Studium
größer
grösser
und unüberwindlicher vor, als sie sind, nicht nur wegen der Menge und Mannichfaltigkeit der Sachen, sondern
auch
auch,
weil man sich in der Geschichte und in allen Wissenschaften, wo nicht der Verstand das Meiste thun muß, weniger selbst helfen
kan
kann
, sondern von Andern lernen muß; weil fast
alles
Alles
in dieser Geschichte dem Anfänger ganz fremd
ist;
ist,
und weil wenige Arten von den einem Studierenden nöthigen Kenntnissen so sehr auf Schulen versäumt werden, als die Kenntniß der Geschichte. Indessen
laßen
lassen
sie sich durch die Beobachtung folgender Vorschläge gar wohl überwinden, die zugleich auch zeigen, wie man dergleichen Vorlesungen über die Kirchengeschichte mit
dem
den
meisten Nutzen hören könne.
101
388
.
Weil
Wahrheit
Wahrheit
die Seele der
Geschichte
Geschichte,
Zuverläßigkeit
Zuverlässigkeit
der Erzählung der Grund aller andern aus der Geschichte zu ziehenden Vortheile ist, und der
Anfänger
Anfänger sich hier vornehmlich
muß
auf die Kenntniß, Genauigkeit und Deutlichkeit des Docenten sowohl, als auf seine gute Wahl des
Nützlichstes
Nützlichsten, und auf die lehrreichste Behandlung der Geschichte von ihm,
verlaßen
verlassen
muß verlassen
können: so
müßte
sei
man 1) vor allen Dingen, wenn man die Wahl unter mehrern
Docenten
Docenten haben
kan
kann
, in dieser Wahl sehr vorsichtig
seyn
, und
beurtheile
sie nach dem
beurtheilen
, was unten darüber gesagt werden soll.
Man müßte
Dann sollte man auch
2) nie Kirchengeschichte studieren wollen, ehe man sich nicht die Universalgeschichte seit
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
Geburt, und 3) die ältere und neuere
Geographie
Geographie wenigstens
nothdürftig, und
so weit bekannt gemacht hätte,
daß man
um
sich mit Hülfe guter
Landcharten
Landcharten in vorkommenden Fällen helfen
könnte; weil man sich ohne beyderley
zu können. Ohne diese beiderlei
Vorerkenntnisse
gar nicht
wird man sich auf dem großen Felde schwerlich
zurecht finden
kan
.
Anm.
Es wäre sehr zu wünschen, daß man einige recht gute allgemeine Landcharten bekäme,
welche
die
ganz eigentlich für die Kirchengeschichte wären, und
welche
die
verschiednen
verschiedenen
Diöcesen in den christlichen Ländern zu
verschiednen
verschiedenen
Zeiten vorstellten,
ohngefähr
ungefähr
so, wie die
christlichen Patriarchate von
Anville, Jean Baptiste Bourguignon d'
d'Anville
in
Lequien, Michel
le Quien
Oriens Christianus, und die
afrikanische Diöces von
L'Isle, Guillaume de
de l'Isle
vor
Du Pin, Louis Ellies
Du Pin
Ausgabe
(Ausgabe
des
Optatus von Mileve
Optatus
Milev.
Milev.),
woran es jetzt noch eben so, wie an einem guten Handbuch der Kirchengeographie fehlt.
Spanheim, Friedrich
Friedrich
Spanheims
Spanheim's
Introductio ad Geographiam sacram
Geographia sacra et ecclesiastica
ist fast das einzige
, obgleich sehr dürftige,
Handbuch, das man ziemlich leicht haben
kan
kann
, und doch sind nur erst in der Ausgabe im ersten Tomo seiner Werke Landcharten
beygefügt
beigefügt
, die
zum Theil
einerley
einerlei
, zum Theil
nicht viel besser
sind,
sind
als die in
Vialart, Charles
Caroli a S. Paulo
Geographia
S. Amstel. 1703.
fol.
;
S.,
auch gehen
beyderley
beiderlei
Werke und Charten nur die ältere Kirchengeographie
bis ins 6te Jahrhundert
an. Die
oben
schon
empfohlnen
(§.
234
Anm.
) angezeigten
Anville, Jean Baptiste Bourguignon d'
d'anvillischen
empfohlenen
d'Anvillischen
Charten und
übrige
übrigen
Hülfsmittel bleiben doch überhaupt, auch
bey
bei
der Kirchengeschichte, unentbehrlich.
{Seit dem dieß geschrieben ist, hat
Stäudlin, Karl Friedrich
K. F. Stäudlin's
kirchliche Geographie und Statistik, Erlangen 1804.,
2 Bände, dem Bedürfniß sehr glücklich abgeholfen.}
christlichen Patriarchate von d'Anville in le Quien Oriens Christianus
Das dreibändige Werk
Oriens Christianus. In quatuor Patriarchatus digestus
des französischen Dominikaners und Bibliothekars Michel Lequien (1661–1733) ist posthum 1740 in Paris erschienen und enthält mehrere Karten des bedeutenden Kartographen Jean Baptiste Bourguignon d'Anville (1697–1782).
afrikanische Diöces von de l'Isle vor Du Pin Ausgabe des Optatus Milev.
Die den von Louis Ellies Du Pin (1657–1719) unter dem Titel
Sancti Optati Afri Milevitani Episcopi De schismate donatistarum libri septem
(1700) mehrfach herausgegebenen Schriften des nordafrikanischen Bischofs Optatus von Mileve (4. Jh.) beigegebene Faltkarte stammt von Guillaume de L'Isle (1675–1726).
Friedrich Spanheims Introductio ad Geographiam sacram
Die
Introductio ad Geographiam Sacram
(1679) des jüngeren Friedrich Spanheim (1632–1701) ist 1698 als
Geographia Sacra et Ecclesiastica
erneut erschienen und unter diesem Titel auch im ersten Band seiner
Opera omnia
(1701) enthalten.
Caroli a S. Paulo Geographia S. Amstel. 1703
Die in der ersten Auflage der
Anweisung
ohne Jahresangabe genannte
Geographia Sacra
des auch unter dem Namen Carolus a Sancto Paulo bekannten französischen Bischofs Charles Vialart (1592–1644) ist erstmals 1641 erschienen.
oben schon empfohlnen d'anvillischen Charten und übrige Hülfsmittel
Vgl. I § 140; I § 231.
K. F. Stäudlin's kirchliche Geographie und Statistik, Erlangen 1804., 2 Bände
Dieses Werk ist in Tübingen erschienen.
102
389
.
Dem
Gedächtniß
Gedächtniß, wegen der vielen Namen und Jahrzahlen, zu Hülfe zu kommen, sich überall mehr zu orientiren, und immer einen Faden zu haben, woran man die Kenntnisse reihe, die man in der Kirchengeschichte erlangt
hat
,
müßte
hat
man sich 4) an ein gutes Handbuch
zu
gewöhnen, worin, nebst einer verhältnißmäßigen allgemeinen Vollständigkeit, eine gleichförmige
Ordnung
Ordnung
herrschte
herrscht
†)
,
herrscht,
1
)
sodann
5) sich gewisse Epochen und
Hauptbegebenheiten
Hauptbegebenheiten genau und fest mit ihren Umständen
eindrücken
††)
,
einzudrücken,
2
)
und 6)
sich
entweder selbst synchronistische
Tabellen
Tabellen
machen
anzulegen
, oder dergleichen immer vor Augen
haben
†††)
;
zu haben;
3
)
überall aber 7) nicht bloß das Gedächtniß
zu
beschäftigen, sondern stets auf eine solche Kenntniß der Kirchengeschichte bedacht
zu
seyn, welche die
schon im ersten Theil angegebenen
oben gedachten
Eigenschaften
einer guten Geschichte
hat.
(§.
225
–
28.
)
†)
Anm.
1)
In
dieser
Absicht scheint die Methode, die Kirchengeschichte nach den Jahrhunderten abzuhandeln, und
bey
bei
jedem
alles
Alles
unter
einerley
einerlei
Hauptrubriken zu bringen, so manche Unvollkommenheit sie auch sonst mit sich führt, für den Anfänger die zuträglichste zu seyn;
zumahl
zumal
da er sich
bey
bei
längern Perioden zu leicht aus einer Zeit in die
andre
andere
verirrt, und den Synchronismus aus den Augen verliert,
anch eimal
auch einmal
das Rechnen nach Jahrhunderten üblich ist, und die synchronistischen Tabellen darnach eingerichtet sind.
Mosheim, Johann Lorenz von
Mosheims
Mosheim's
Institutiones Hist. Eccles. verdienen deswegen,
bey
bei
allen etwanigen Mängeln, noch immer Empfehlung, selbst auch mit darum, weil der Anfänger an
zwey
zwei
vermehrten
deutschen
Uebersetzungen
Uebersetzungen, von
Schlegel, Johann Rudolph
Schlegel
und von
Einem, Johann August Christoph von
Einem
,
einen kleinen Commentar über das Buch haben
kan
kann
.
Unter den Handbüchern, die, ohne sich an einzelne Jahrhunderte zu binden, die Zeitfolge zum Grunde legen, ist die
allgemeine
Allgemeine
Geschichte der christl. Kirche
, von
Henke, Heinrich Philipp Conrad
H. P. C. Henke
,
wovon bis jetzt zu
Braunschweig
1788–91
drey Theile erschienen sind
1800–1806.,
1ster bis 6ter Theil, 4te Auflage, deren Beendigung von
Vater, Johann Severin
Vater
erwartet wird
, unstreitig das
beßte.
beste und reichhaltigste. {Kürzer zwar, aber von mehrern Seiten nicht minder empfehlungswerth, ist
Stäudlin, Karl Friedrich
C. F. Stäudlin's
Universalgeschichte der christlichen Kirche. Bremen 1816.,
2te
Ausg.
in einem Bande.}
{Der selige
Nösselt, Johann August
Nößelt
blieb der Methode nach Jahrhunderten getreu, welche seit den
Magdeburgischen
Centuriatoren
Centuriatoren
, die Hauptschriftsteller, wie
Spanheim, Friedrich
Spanheim
,
Le Nain de Tillemont, Sébastien
Tillemont
,
Alexander, Natalis
Natalis Alexander
,
Weismann, Christian Eberhard
Weisman
,
Pfaff, Christoph Matthäus
Pfaff
,
Mosheim, Johann Lorenz von
Mosheim
,
Baumgarten, Siegmund Jacob
Baumgarten
,
Walch, Christian Wilhelm Franz
W. E. Walch
u. a. befolgt hatten. Indeß ist man doch vorzüglich jetzt ganz einverstanden, daß die Eintheilung in größere
Perioden
Perioden vorzuziehen sei, wenn diese nur nicht zu ungleich werden, sich stets mit einer besonders wichtigen und universellen Begebenheit eröffnen, auch die Zahl derselben nicht zu sehr vermehrt wird. Man vergleiche
Planck, Gottlieb Jakob
Plank's
Einleitung in die theologischen Wissenschaften, Theil 2. S. 223
fg.
A. d. H.
}
††)
2)
Hierin sowohl als in der pragmatischen
Behandlung
Behandlung,
hat der
Spittler, Ludwig Timotheus von
spittlerische
Spittlerische
Grundriß der Geschichte der christlichen
Kirche (2te
Kirche, 3te
Aufl.
Götting. 1785.
8.)
Göttingen 1791.
8.
entschiedene Vorzüge,
zumahl
zumal
wenn er etwas mehr mit Begebenheiten und Literatur bereichert, auch der
Gesichtspunct
Gesichtspunkt
, so wie
bey
bei
der Geschichte der Hierarchie, eben so in andern merkwürdigen Rücksichten erweitert würde. Wer sich gewisse Hauptvorfälle mit ihren Umständen bemerkt,
kan
kann
dadurch leicht, vermittelst der Association, auch
andre
andere
Merkwürdigkeiten an ihren Ort stellen, wie
z. B.
wenn man einmal die Geschichte der
2ten
zweiten
ökumenischen Kirchenversammlung sich eingedrückt hat, den
arianischen,
macedonianischen
man cedonianischen
,
apollinarischen Händeln,
dem
de-
Ursprung des constantinopolitanischen Patriarchats, der
Regierung
Theodosius I.
Theodosii des
Großen
Grossen
, dem
Gregor von Nazianz
Gregorius Nazianz.
und somit mehrern Andern, ihr Platz angewiesen wird.
†††)
3)
Wenn man dergleichen nicht schon
bey
bei
dem gewählten Handbuch hat, ist für den Anfänger der
Seiler, Georg Friedrich
seilerische
Seiler-
und
Rosenmüller, Johann Georg
Rosenmüllersche
kurze
Inbegrif
Inbegriff
der Kirchengeschichte des N. T. in Tabellen,
nach der
dritten
Ausgabe (Erlangen 1777.
4.)
7te Ausgabe, Erlangen 1796.
4.
sehr brauchbar.
{Uebertroffen aber ist dieß Werk durch
Vater, Johann Severin
J. S. Vater's
synchronistische Tafeln der Kirchengeschichte. 3te Auflage, Halle 1818.
}
Mosheims Institutiones Hist. Eccles. […] an zwey vermehrten deutschen Uebersetzungen einen kleinen Commentar über das Buch
Johann Lorenz von Mosheims Hauptwerk erschien zunächst als
Institutiones historiae ecclesiasticae Novi Testamenti
(1726), dann in zwei überarbeiteten Teilen als
Institutiones historicae Christianae antiquioris
(1737) bzw.
Institutiones historicae Christianae recentioris
(1741) und schließlich als
Institutionum historiae ecclesiasticae antiquae et recentioris libri quatuor
(1755). Dieses Werk wurde posthum und unverändert erneut aufgelegt (1764) und von Johann August Christoph von Einem (1730–1810) in neun (1769–1778) und von Johann Rudolph Schlegel (1729–1790) in sieben Bänden (1770–1796) ins Deutsche übersetzt, vermehrt und fortgesetzt. Daneben finden sich Übersetzungen ins Englische und Italienische, zudem hat Mosheims Schüler Johann Peter Miller (1725–1789) ein
Compendium
(1761) besorgt.
allgemeine Geschichte der christl. Kirche, von H. P. C. Henke, wovon bis jetzt zu Braunschweig 1788–91 drey Theile erschienen sind
Dieses Werk ist zunächst in sechs Teilen erschienen (1788–1804). Wie in der dritten Auflage der
Anweisung
nachgetragen, hat Johann Severin Vater (1771–1826) einen siebenten bis neunten Teil (1818–1823) folgen lassen.
C. F. Stäudlin's Universalgeschichte der christlichen Kirche. Bremen 1816., 2te Ausg. in einem Bande
Karl Friedrich Stäudlins (1761–1826)
Universalgeschichte
ist in Hannover erschienen.
Magdeburgischen Centuriatoren
Die in Jahrhunderte (
centuriae
) unterteilten und nach theologisch-inhaltlichen Stichworten (
loci communes
) geordneten
Magdeburger Centurien
(1559–1574) gelten als das erste universal angelegte protestantische Kirchengeschichtswerk. In konfessionspolemischer Abzweckung stellt es die Lehre Luthers als Wiederherstellung des wahren urchristlichen Glaubens dar. Als Centuriatoren sind der Initiator Matthias Flacius Illyricus (1520–1575) und Johannes Wigand (1523–1587) zu nennen, die sich auf die Zuarbeit anderer Gelehrter stützen konnten, als katholische Anwort auf die
Centurien
gelten die von Isaak Casaubon kritisch kommentierten (vgl. II § 90) und von Antoine Pagi bearbeiteten (vgl. II § 104)
Annales ecclesiastici
des Cesare Baronio (Baronius) (1538–1607).
Spanheim
Gemeint ist Friedrich Spanheim d. J. (1632–1701), der nach Studium und Promotion in Leiden 1656 einem Ruf an die Universität Heidelberg folgte, hier v.a. Kontrovers- und Moraltheologie sowie später auch Neues Testament las und schließlich Rektor wurde. Als Nachfolger des Johannes Coccejus kehrte Spanheim 1670 als Professor der Theologie und der an der Philosophischen Fakultät angesiedelten Kirchengeschichte nach Leiden zurück. Hier hat er sich zudem als Bibliothekar und Rektor verdient gemacht und war ab 1684 als
professor primarius
von seinen Vorlesungsverpflichtungen entbunden. Spanheim hat ein umfangreiches Werk hinterlassen (vgl. II § 101), ist jedoch v.a. als Kirchenhistoriker hervorgetreten. Insbesondere seine in Epochen bzw. Jahrhunderte eingeteilte
Brevis introductio ad historiam Sacram utriusque Testamenti ac praecipue Christianam ad Annum MDXVIII. inchoata jam reformatione
(1694) war hoch gelobt und als akademisches Lehrbuch weit verbreitet.
Tillemont
Vgl. II § 104.
Natalis Alexander
Vgl. II § 103.
Weisman
Der Theologe Christian Eberhard Weismann (1677–1747) wurde nach dem bereits 1693 erlangten Magisterabschluss in Tübingen ebenda Repetent, dann Diakon in Calw, 1705 Hofkaplan in Stuttgart und zwei Jahre später Gymnasialprofessor für Kirchengeschichte und Philosophie sowie Mittwochsprediger an der dortigen Stiftskirche. 1721 kehrte Weismann als außerordentlicher Professor an die Theologische Fakultät Tübingen zurück und wurde hier zugleich auch Stadtpfarrer. Ein Jahr später erwarb er den theologischen Doktorgrad und wurde 1726 Ordinarius. Weismann ist v.a. als Kirchenhistoriker hervorgetreten, sein Hauptwerk ist die zweibändige, zwischen Kompendium und ausführlicher Kirchengeschichtsdarstellung anzusiedelnde
Introductio in Memorabilia ecclesiastica historiae sacrae Novi Testamenti, maxime vero saeculorum primorum et novissimorum
(1718/1719;
2
1745). Im Unterschied zu den
Magdeburger Centurien
(s.o.) oder der pietistischen Geschichtsschreibung eines Gottfried Arnold (1666–1714) ging es Weismann, der zur unmittelbaren Vorgeschichte der modernen Kirchenhistoriographie in Gestalt Johann Lorenz von Mosheims gehört, um eine weitgehend objektive Darstellung von Geschichte.
Pfaff
Christoph Matthäus Pfaff (1686–1760) war nach dem Studium in Tübingen zunächst Vikar, dann Stiftsrepetent, begab sich von 1706 bis 1709 auf eine Bildungsreise, die ihn neben Zielen in Deutschland auch nach Dänemark, in die Niederlande und nach England führte, und begleitete anschließend bis 1716 den württembergischen Erbprinzen Friedrich Ludwig (1698–1731) auf einer Reise durch Europa. 1717 wurde er (nicht zuletzt aufgrund der Edition angeblicher Irenäus-Fragmente, die gleich nach ihrem Erscheinen in ihrer Echtheit angezweifelt und später von Adolf von Harnack als Fälschungen Pfaffs identifiziert wurden) Professor in Tübingen, später
Primarius
der Theologischen Fakultät, Kanzler sowie Propst der Stiftskirche, 1724 kaiserlicher Hofpfalzgraf, 1727 Abt des Klosters Lorch und 1731 Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften. Nach einer fehlgeschlagenen Berufung nach Göttingen wechselte Pfaff 1756 nach Gießen und war hier neben seiner theologischen Professur auch als Universitätskanzler und Generalsuperintendent tätig. U.a. durch sein Lehrbuch
Institutiones historiae ecclesiasticae
(1721) ist Pfaff als Kirchenhistoriker hervorgetreten, hat sich aber insbesondere im Bereich des Kirchenrechts und durch seine Unionsbemühungen verdient gemacht.
Mosheim
S.o.
Baumgarten
Als Kirchenhistoriker ist Siegmund Jacob Baumgarten durch den vierbändigen, in Jahrhunderte gegliederten
Auszug der Kirchengeschichte, von der Geburt Jesu an
(1743–1762) sowie den
Abris einer Geschichte der Religionsparteien
(vgl. II § 124 c) hervorgetreten.
W. E. Walch
Gemeint ist Christian Wilhelm Franz Walch (1726–1784), der nach dem Studium und der philosophischen Promotion in Jena sowie einer gemeinsam mit seinem Bruder Johann Ernst Immanuel Walch (1725–1778) absolvierten Studienreise 1750 ebenda außerordentlicher Professor für Philosophie wurde. 1753 als ordentlicher Professor für Philosophie (Geschichte) nach Göttingen berufen, erhielt er hier im darauffolgenden Jahr den theologischen Doktorgrad sowie zu seiner philosophischen eine außerordentliche theologische Professur. Seit 1757 Ordinarius an der Theologischen Fakultät wurde er hier 1766 Primarius, 1772 großbritannischer Konsistorialrat und 1779 Direktor der Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. Besonders bedeutend sind seine kirchenhistorischen Arbeiten, sein Hauptwerk ist der elfbändige, unvollendet gebliebene
Entwurf einer vollständigen Historie der Kezereien, Spaltungen und Religionsstreitigkeiten bis auf die Zeiten der Reformation
(1762–1785), der, wie andere seiner Werke auch, einer Einteilung in Jahrhunderte folgt.
Plank's Einleitung in die theologischen Wissenschaften, Theil 2. S. 223 fg.
Vgl. Vorrede Hg. c [VIII].
spittlerische Grundriß der Geschichte der christlichen Kirche (2te Aufl. Götting. 1785. 8.)
Der Autor ist Ludwig Timotheus von Spittler.
2ten ökumenischen Kirchenversammlung
D.i. das von Theodosius I. (347–395) einberufene Erste Konzil von Konstantinopel (381), auf dem v.a. die seit dem Konzil von Nicäa (325) bestehenden christologischen Streitigkeiten (vgl. I § 63) geklärt werden sollten.
arianischen
Vgl. I § 63.
macedonianischen
Die nach Makedonius I. von Konstantinopel (gest. ca. 360) benannten Makedonianer erkannten, anders als die Arianer, die in Nicäa (325) festgelegte Wesensgleichheit des Sohnes mit dem Vater (vgl. I § 63) an, bestritten jedoch, wie die Arianer, die Wesensgleichheit des Heiligen Geistes. Aus diesem Grund wurden die binitarischen Makedonianer auch als
Pneumatomachen
(d.h. Geistbekämpfer) bezeichnet und auf dem Ersten Konzil von Konstantinopel (381) verurteilt.
apollinarischen Händeln
Mit Bischof Apollinaris von Laodicea (ca. 310–390) verbindet sich eine monophysitische Christologie (vgl. I § 63) eigenen Gepräges, die das Inkarnationsgeschehen philosophisch zu durchdringen sucht und nur eine einzige fleischgewordene Natur (
μία ϕύσις σεσαρκωμένη
) des göttlichen Logos annimmt. Laut der von Semler herausgegebenen Darstellung Siegmund Jacob Baumgartens (vgl. II § 124 c) eignet Christus laut Apollinaris zwar menschliche Sinnlichkeit, jedoch keine menschliche Seele (
πνεῦμα
). Aus diesem Grund fehle ihm menschlicher Verstand und Wille. Auch diese Position wurde auf dem Ersten Konzil von Konstantinopel (381) verurteilt.
Ursprung des constantinopolitanischen Patriarchats
Die kirchliche Bedeutung Byzantions, von Kaiser Konstantin (ca. 275–337) als neue Hauptstadt bestimmt, im Jahre 330 als
Neues Rom
eingeweiht und bald als Konstantinopel bekannt, blieb als Suffraganbistum des thrakischen Herakleia zunächst gering. Dies änderte sich mit der Inthronisation Gregors von Nazianz (s.u.) im Jahre 380 und dem von Theodosius I. (s.u.) ein Jahr später einberufenen Ersten Konzil von Konstantinopel (s.o.). Für Konstantinopel wurde hier in antialexandrinischer Stoßrichtung und mit der ausschließlich politischen Begründung, man sei das
Neue Rom
, der zweite Ehrenrang nach Rom beansprucht (Kanon 3), auf dem Konzil von Chalcedon (451) sprach man der Stadt schließlich gleiche Vorrechte (
ἴσα πρεσβεῖα
) wie der älteren Kaiserstadt Rom und ihrem Bischof umfangreiche Weihegewalt für weitreichende Gebiete zu (Kanon 28).
Regierung Theodosii des Großen
Nach dem Tode Valens' (328–378) und militärischen Erfolgen gegen die Goten wurde Theodosius I., der Große (347–395), im Jahre 379 durch den weströmischen Kaiser Gratian (359–383) zum Augustus erhoben. In den Folgejahren v.a. mit der Konsolidierung seines oströmischen Herrschaftsbereiches (u.a. durch den sog. Gotenvertrag des Jahres 382) beschäftigt, sah sich Theodosius später gezwungen, militärisch gegen die weströmischen Usurpatoren Maximus und Eugenius vorzugehen, und wurde so für die letzten Monate seines Lebens zum Alleinherrscher des Imperiums. Durch das gemeinsam mit Gratian und dessen Mitkaiser Valentinian II. (371–392) verabschiedete Edikt
Cunctos populos
(380) und das Erste Konzil von Konstantinopel (s.o.) verbindet sich mit Theodosius religionspolitisch v.a. die Durchsetzung des Christentums nizänischer Prägung (vgl. I § 63). Daneben ist jedoch auch sein Vorgehen gegen die alten Kulte sowie die Auseinandersetzung mit Ambrosius von Mailand zu nennen, dessen bischöfliche Autorität den 380 getauften Kaiser durchaus zu Zugeständnissen bewegen konnte. Immer wieder angeführt werden Ambrosius' Veto gegen den Wiederaufbau einer Synagoge im syrischen Callinicum sowie der dem Kaiser abgeforderte Bußakt nach einer außer Kontrolle geratenen Strafaktion in Thessaloniki.
Gregorius Nazianz.
Nach dem Studium in unterschiedlichen Metropolen des Ostens neigte Gregor von Nazianz (ca. 329–390) einem monastisch-asketischen Lebensstil zu. Basilius d. Gr., Bischof von Caesarea, berief seinen Studienfreund 372 zum Bischof von Sasima, doch trat Gregor diese Stelle, wie auch die Nachfolge seines Vaters, des Bischofs von Nazianz, nicht an. Stattdessen wurde er nach dem Herrschaftsantritt des nizänisch gesinnten Theodosius (s.o.) 379 als Leiter einer nizänischen Gemeinde in das mehrheitlich arianische (vgl. I § 63) Konstantinopel berufen und war hier nicht zuletzt aufgrund seiner hervorragenden rhetorischen Fähigkeiten derart erfolgreich, dass er ein Jahr später von Theodosius zum Bischof bestellt wurde und als Nachfolger des Meletius von Antiochien das wiederum ein Jahr später an seinen Amtssitz einberufene Konzil leitete. Bereits nach wenigen Wochen scheiterte er jedoch an der Lösung des sog. meletianischen (antiochenischen) Schismas (vgl. II § 128) und zog sich, nach einem Zwischenspiel in Nazianz, 383 auf sein in der Nähe gelegenes Landgut zurück. Das Werk des musterhaften Rhetors besteht neben Reden aus zahlreichen Gedichten und Briefen, Gregor selbst zählt mit Gregor von Nyssa (gest. vor 400) und Basilius (vgl. II § 115) zu den
drei Kappadoziern
und mit Basilius, Johannes Chrysostomus (vgl. II § 104) und Athanasius (vgl. II § 83) zu den vier griechischen Kirchenlehrern.
Seiler- und Rosenmüllersche kurze Inbegriff der Kirchengeschichte des N. T. in Tabellen, 7te Ausgabe, Erlangen 1796
Georg Friedrich Seilers (1733–1807)
Kurzer Inbegriff
ist in siebenter Auflage 1793 erschienen und enthält als Anhang die von Johann Georg Rosenmüller (1736–1815) besorgte
Kirchengeschichte des achtzehnten Jahrhunderts in V. Tabellen
.
J. S. Vater's synchronistische Tafeln der Kirchengeschichte. 3te Auflage, Halle 1818
Dieses Werk ist 1819 erschienen.
103
390
.
Wenn man sich auf die gedachte Art entweder durch gute Vorlesungen, oder durch den Gebrauch eines guten Handbuchs der Kirchengeschichte eine allgemeinere Kenntniß derselben erworben
hätte
hat
, und
man wollte
dieses Studium, wegen seines
großen
grossen
Nutzens, weiter
fortsetzen
†)
,
fortsetzen,
1
)
und
sie selbst untersuchen:
mit eigenen Untersuchungen verbinden will,
so
würden
dürfen
, in Beziehung auf die oben
im ersten Theil
§.
225
f.
angegebnen
angegebenen
nothwendigen Eigenschaften einer wahren und nützlichen Geschichtskunde, folgende
Regeln
Regeln nie
müssen
aus der
ausser
Acht
gelaßen
gelassen
werden. 1) Weil
bey
bei
Geschichte
alles
Alles
auf Nachrichten und Zeugnisse ankommt, und es,
bey
bei
der ungeheuren Menge
von Nachrichten
derselben
, die oft in
Denkmahlen
Denkmalen
und Schriften, wo man sie gar nicht sucht, nur
beyläufig
beiläufig
vorkommen, unmöglich ist, daß auch der
fleissigste
fleißigste
Mann
alles
Alles
wissen
kan
kann
, was hier einiges Licht
ausbreiten
verbreiten
möchte,
möchte:
so muß man sich vor allen Dingen sowohl um die
Quellen
Quellen aller Art, als um die, welche sie schon benutzt, und darnach irgend einen Theil der
Kirchengeschichte
Kirchengeschichte untersucht haben, bekümmern.
Anm.
Anm.
1. †)
Anm.
1)
Es wäre allerdings sehr gut, vor der
eignen
eigenen
Untersuchung, ein oder anderes
größeres
grösseres
Werk über diese Geschichte zu
studieren.
studieren
.
Man würde dadurch nicht nur jene erste Grundlage, sondern auch die
verschiednen Gesichtspuncte
verschiedenen Gesichtspunkte
erweitern, aus der man die zur Kirchengeschichte gehörigen Sachen ansehen
kan
kann
. Denn die Verfasser der Handbücher schränken sich gemeiniglich nur auf gewisse
Gesichtspuncte
Gesichtspuncte
Gesichtspunkte
, und oft zu sehr, ein,
z. B.
auf Geschichte der Kirche, ohne eben so genau der Geschichte der Lehre nachzuforschen, auf Geschichte der Hierarchie, ohne die Geschichte der religiösen
Cultur,
Kultur
und der sie befördernden Mittel
u. d. gl.
u. d. gl.,
eben so fleißig darzustellen. Jeder läßt
bey
bei
der nothwendigen Kürze und in Rücksicht auf seine Leser oder Zuhörer vieles Nützliche weg, der Theologe
z. B.
die Geschichte der Kirchengesetze, der Protestant Manches, was ihn weniger als den Katholiken
interessirt
intereßirt
, und das doch auch für ihn in mancher Absicht sehr nothwendig werden
kan
kann
. – Aber noch kenne ich kein ausführlicheres und mit gehöriger Kenntniß der Quellen und Untersuchungsgeist
geschriebnes
geschriebenes
Werk, das
ganz
vollständig
wäre
, und die Kirchengeschichte aller Jahrhunderte umfaßte
. Sonst würde ich, obgleich in
verschiedner
verschiedener
Rücksicht, für den, der weiter gehen will, die
Bossuet, Jacques Bénigne
Cramer, Johann Andreas
bossuet
-
cramerische
Bossuet
-
Cramersche
Einleitung, die
Semler, Johann Salomo
semlerischen
selecta Capita
Semlerschen
Selecta capita
, Versuch eines fruchtbaren Auszugs der Kirchengeschichte, und Versuch christlicher
Jahrbücher (Halle 1785
Jahrbücher, Halle 1785.
und
86
in
86.,
2
Theilen in
Theile,
gr.
8.)
8.
, nebst der
Schroeckh, Johann Matthias
schröckhischen
christl. Kirchengeschichte, hernach die
Hist. Ecclesiastique par
Fleury, Claude
Fleury
, und
Alexander, Natalis
Natalis Alexandri
Hist. Ecclesiast.
(
s.
(
S.
die
Anweisung zur
Bücherkenntn.
Bücherk.
§. 329. 330. und 333)
Schröckhischen
christlichen Kirchengeschichte (bis zur Reformation 34 Theile, seit der Reformation 9 Theile)
, vor allen andern empfehlen.
Da sie inzwischen nicht bis auf
Ueber
die
neueste
neuesten
Zeiten
gehen, so müßte man diesen Abgang durch einige
geben die
in der
Anweisung
Bücherkenntniß
§.
501,
386
336
und 337 genannte
501. 386. 337. genannten
Bücher
ersetzen
hinlängliche Auskunft
.
Anm.
Anm.
2.
2)
Nirgends ist
Literargeschichte
Literargeschichte (
s.
den
ersten
Th.
Theil
§.
247
) und die Sammlung brauchbarer Excerpte unentbehrlicher, als
beym
beim
Studium der Geschichte. Die Bücher, welche ganz eigentlich für die Kirchengeschichte und
zu
deren
Aufklärung
Aufklärung
bestimmt
sind, allgemeinere und
besondre, kan
besondere, kann
man in der
Anweisung zur Kenntniß der besten Bücher in der
Theologie
Theologie,
Theil 1.
Abschn.
Abschnitt
3. und in den daselbst §.
289
289.
angezeigten
Werken
Werken, desgleichen in der Bibliothek für Prediger, 2ter und 4ter Theil,
finden.
Andre
Andere
, die kleine Theile der
Kirchengeschichte,
Kirchengeschichte
oder
einzelne
einzle
Umstände betreffen, muß man sich aus denenjenigen bekannt machen, welche diese mit Zeugnissen belegt, oder in ihren Schriften über
besondre
besondere
Gegenstände die gebrauchten Quellen angegeben haben. Es giebt auch Bücher, wo man die wichtigsten Quellen und Schriften über die besondersten Umstände angezeigt findet,
z. B.
in dem
Catalog. Biblioth.
Bunavianae
Bunavianae,
Tom.
1.
I.
Vol.
2.
lib.
VI.
c.
1.
1.,
die, welche von einzeln berühmten
Schriftstellern,
Schriftstellern
Tom.
III.
Vol.
II.
I.
p.
597
seq.
seq.,
die, so von
einzelnen
einzeln
Heiligen und Märtyrern geschrieben haben. Wenn man über die Kirchengeschichte
ein solches
dergleichen
, aber
ein
noch viel mehr erweitertes Buch hätte, wie
Hamberger, Georg Christoph
Hambergers
Hamberger's
Directorium
historicum - -
historicum –
post
Freher, Marquard
Marq. Freherum
et iteratas
Köhler, Johann David
Jo.
Io.
Dav. Koeleri
curas (Göttingen
curas, Göttingen
1772.
4.)
4.,
ist: so würde dem, der die Quellen der besondern Kirchengeschichte will kennen lernen, viele Mühe und Zeit, nebst dem Abgang vieler
wichtigen
wichtiger
Quellen,
ersparet
erspart
werden.
{In
Planck, Gottlieb Jakob
Plank's
Einleitung in das Studium der Theologie, 2 Theile, sind die allgemeinern und besondern Schriften ebenfalls sehr vollständig angegeben.}
bossuet-cramerische Einleitung
Jacques Bénigne Bossuets (1627–1704)
Discours sur l'histoire universelle
(1681) wurde von dem Kieler Theologen Johann Andreas Cramer (1723–1788) unter dem Titel
Einleitung in die allgemeine Geschichte der Welt, bis auf Kaiser Carln den Großen
(1748) ins Deutsche übertragen, mit einem Anhang historisch-kritischer Abhandlungen versehen und bis 1786 als
Einleitung in die allgemeine Geschichte der Welt und der Religion
in sieben weiteren Teilen fortgesetzt.
semlerischen selecta Capita […] (Halle 1785 und 86 in 2 Theilen in gr. 8.)
Gemeint sind Johann Salomo Semlers
Historiae ecclesiasticae selecta capita. Cum epitome canonum excerptis dogmaticis et tabulis chronologicis
I–III (1767–1769) sowie dessen
Versuch eines fruchtbaren Auszugs der Kirchengeschichte
I–III (1773–1778). Der erste, bis in das Jahr 900 reichende Teil seines
Versuch[s] christlicher Jahrbücher, oder ausführlicher Tabellen über die Kirchenhistorie
stammt aus dem Jahr 1783.
schröckhischen christl. Kirchengeschichte
Johann Matthias Schroeckhs (1733–1808) großes, bis in das 18. Jh. reichendes Kirchengeschichtswerk besteht aus insgesamt 45 Bänden. Die
Christliche Kirchengeschichte
(1768–1803) umfasst 35 Bände und reicht bis zur Reformation, danach schließt sich die
Christliche Kirchengeschichte seit der Reformation
(1804–1808) in acht Bänden an. Die das Werk beschließenden letzten beiden Bände (1810/1812) stammen bereits von Heinrich Gottlieb Tzschirner (1778–1828). Dass in der dritten Auflage der
Anweisung
34 bzw. neun Teile gezählt werden, erklärt sich dadurch, dass es sich bei Bd. 35 der
Christliche[n] Kirchengeschichte
um einen Registerband handelt und der zehnte Band der
Christliche[n] Kirchengeschichte seit der Reformation
eine von Tzschirner verfasste Biographie Schroeckhs sowie ein Register der vorangegangenen neun Teile enthält.
Hist. Ecclesiastique par Fleury
Gemeint ist die bedeutende zwanzigbändige
Histoire ecclésiastique
(1691–1720) des katholischen Kirchenhistorikers Claude Fleury (1640–1723). Dieses ursprünglich bis in das Jahr 1414 reichende Werk wurde später von Jean Claude Fabre (1668–1753) in 16 und Alexander a Sancto Johanne de Cruce (1719–1794) in weiteren sechs Bänden bis 1778 fortgesetzt. Friedrich der Große (1712–1786) besorgte 1766 einen Auszug. 1840 erschien eine Neuausgabe des Werks mit einer handschriftlich hinterlassenen Fortsetzung Fleurys bis in das Jahr 1517.
Natalis Alexandri Hist. Ecclesiast.
Die zunächst 23, dann 26 Bände umfassenden
Selecta historiae ecclesiasticae capita
(1676–1686 bzw. 1688–1689) des Dominikaners und bedeutenden Kirchenhistorikers Noël Alexandre (Natalis Alexander) (1639–1724) reichen bis zum Ende des Trienter Konzils (1545–1563), wurden zwischenzeitlich indiziert und wie die später veröffentlichte achtbändige
Historia ecclesiastica Veteris Novique Testamenti ab orbe condito ad annum post Christum natum 1600
(1699) häufig neu aufgelegt. Gemeint ist wohl der letztgenannte Titel.
Anweisung zur Bücherkenntn. §. 329. 330. und 333
Vgl. I § 43.
Anweisung §. 501, 386 und 337 genannte Bücher
Wie die dritte Auflage der
Anweisung
deutlich macht, ist hier die
Bücherkenntniß
gemeint (vgl. I § 43). Statt § 386 (enthält Literatur zur äthiopischen bzw. abessinischen Kirchengeschichte) ist jedoch, wie in der ersten Auflage der
Anweisung
korrekt angegeben, § 336 einzusehen.
Anweisung zur Kenntniß der besten Bücher in der Theologie Theil 1. Abschn. 3. und in den daselbst §. 289 angezeigten Werken
Vgl. I § 43.
Catalog. Biblioth. Bunavianae Tom. 1. Vol. 2. lib. VI. c. 1. […] Tom. III. Vol. II. p. 597 seq. die, so von einzelnen Heiligen und Märtyrern geschrieben haben
Vgl. I § 134. Die hier angegebenen Seiten 597ff. befinden sich gemäß der zweiten und dritten Auflage der
Anweisung
im zweiten Band des dritten Teils (1756).
Plank's Einleitung in das Studium der Theologie, 2 Theile
Vgl. Vorrede Hg. c [VIII].
104
391
.
Weil aber angebliche
Quellen
Quellen
Quellen
diesen Namen nicht immer verdienen, und nicht aus
der
Zeit, noch von
den
Verfassern sind, welchen sie zugeschrieben werden: so muß
man 2),
man, 2)
ehe man sie
braucht
gebraucht
, von ihrer
Aechtheit
Aechtheit
Echtheit
überzeugt seyn, oder wissen, wie fern sie Quellen seyn können. Diese
Kritik
Kritik ist vielleicht nirgends nöthiger, als
bey diesen
gerade bei den
Quellen der Kirchengeschichte, weil
bey
bei
der früh
entstandnen
entstandenen
Einbildung von Rechtmäßigkeit des sogenannten frommen
Betrug
Betrugs,
bey
bei
der so bald unter Christen eingerissenen Gewohnheit, nach menschlichem
Ansehn
Ansehen
und
Tradition
Tradition Wahrheit und Pflicht zu bestimmen, und dem daher entstandenen Interesse, die
Aechtheit
Echtheit
gewisser berühmten Denkmahle zu
behaupten
dehaupten
, endlich
bey
bei
dem bis gegen die Zeiten
der
ber
Reformation
Reformation fast gänzlichen Mangel der
hiebey
hierbei
gebrauchten Kritik und
den
dem
blinden
Glauben an, zumahl herrschende,
Glauben, selbst an herrschend gewordene
Sagen, so viele
un ächte
unechte
Schriften und Denkmahle
einen
ein
sehr
unverdienten Credit
unverdientes Ansehen
erlangt haben.
Anm.
Anm.
1.
Anm.
1)
Da so viel darauf ankommt, den Werth der Quellen recht zu würdigen: so ist zur Kenntniß derselben und ihrer rechten Beurtheilung überhaupt,
Walch, Christian Wilhelm Franz
C. W. F.
Walchs
critische
Walch's
kritische
Nachricht von den Quellen der Kirchenhistorie,
Leipz. 1770
in
Leipzig 1770.
gr.
8.
8.,
ein unentbehrliches Buch. Wie sehr wäre zu wünschen, daß man in Absicht auf die ganze Kirchengeschichte ein
solch
solches
Werk hätte, wie der
Semler, Johann Salomo
semlerische
Semlersche
Versuch, den Gebrauch der Quellen in der Staats- und Kirchengeschichte zu erleichtern, Halle 1761.
8
8.
, in Absicht auf einen
kleinern
kleinen
Theil der
mitlern
mittlern
Geschichte
ist!
ist.
Mehrere in der
Anweisung
etc.
§.
409 genennte
409. genannte
Schriftstel ler,
Schriftsteller
und
ausser
außer
diesen, in Rücksicht auf
einzelne
einzle
Schriften, manche Herausgeber der Schriften der Kirchenväter und alter
Denkmale
Denkmahle
, sonderlich die
Benedictiner von der Congregation des
heil.
Maurus von Subiaco
Maurus
,
desgleichen
Sirmond, Jacques
Jac. Sirmond
,
Launoy, Jean de
Joh. Launoi
,
Daillé, Jean
Joh. Daillé
,
Pagi, Antoine
Anton Pagi
,
Le Nain de Tillemont, Sébastien
Tillemont
,
Semler, Johann Salomo
J. S. Semler
,
Spittler, Ludwig Timotheus von
C. T. Spittler
, und einige wenige
Andre
Andere
, haben auch hierin um die Kirchengeschichte sehr
große
grosse
Verdienste.
Anm.
Anm.
2.
2)
Wie man
hiebey
hierbei
nicht auf die
bloßen
blossen
Urtheile, sondern auf die Gründe sehen muß, womit man jene unterstützt
hat;
hat,
denn der Zweifel geht sehr oft, nicht minder wie der blinde Glaube, über die Gränzen: so ist deswegen ein Denkmahl nicht gleich unbrauchbar, wenn es gleich fälschlich in eine gewisse Zeit
gesetzt,
gesetzt
oder
einem
einen
Verfasser
beygelegt
beigelegt
worden ist; es
kan
kann
, wie viele
unächte
unechte
Schriften, doch in
der
Zeit, wohin es wirklich gehört, und deren Spur es trägt,
großes
grosses
Licht geben, und unter vielem
Unächten
Unechten
, doch schätzbare historische Fragmente enthalten, wie die sogenannten
Apocrypha
N. T.
, die
Ignatius von Antiochien
ignatianischen
Ignatianischen
Briefe,
Canones und Constitut. Apostolicae,
Recognitiones
Clemens von Rom
Clementis
, viele
unächte
unechte
Schriften vom
Chrysostomus
Chrysostomus
,
Ambrosius von Mailand
Ambrosius
,
Augustin von Hippo
Augustinus
u. a.
u. a.,
wenn man nur
vorher
ihren Ursprung und ihr Alter
ausfündig
ausfindig
machen
kan
kann
.
semlerische Versuch, den Gebrauch der Quellen in der Staats- und Kirchengeschichte zu erleichtern, Halle 1761
Gemeint ist Johann Salomo Semlers
Versuch den Gebrauch der Quellen in der Staats- und Kirchengeschichte der mitlern Zeiten zu erleichtern
.
Anweisung etc. §. 409
Vgl. I § 43.
Benedictiner von der Congregation des heil. Maurus
Die Mönche der von 1618 bis 1792 bestehenden benediktinischen Reformkongregation von Saint-Maur mit ihrem Hauptsitz im Kloster Saint-Germain-des-Prés in Paris erarbeiteten u.a. grundlegende Textausgaben griechischer und lateinischer Kirchenväter. Hervorgehoben seien neben einer fünfbändigen
Bibliotheca Patrum ascetica
(1661–1664) und den Schriften frühchristlicher Apologeten (1720) unter den Griechen die Ausgabe des Athanasius in drei (1698), des Origenes in vier (1733–1759) und des Chrysostomus in 13 Bänden (1718–1738) sowie unter den Lateinern die Ausgabe des Ambrosius (1686–1690), des Hieronymus (1693–1706) und v.a. Augustins (1681–1700).
Jac. Sirmond
Der Jesuit Jacques Sirmond (1559–1651) war zwischen 1581 und 1590 als Lehrer am Collège de Clermont in Paris tätig und wurde dann bis 1608 persönlicher Sekretär seines Ordensoberen Claudio Acquaviva (1543–1615) in Rom. Später hatte er das Rektorat am Collège de Clermont inne und war zudem mehrere Jahre Beichtvater Ludwigs XIII. (1601–1643). Bedeutend für die französische Kirchengeschichte sind seine
Concilia antiqua Galliae
(1629), doch ist Sirmond v.a. durch seine zahlreichen, aus heute teilweise verlorenen Handschriften erstellten Textausgaben wie denen des Sidonius Apollinaris (1614), Radbert (1617), Theodoret von Cyrus (1642), Eusebius von Caesarea (1643), Avitus von Vienne (1643), Hinkmar von Reims (1645) und Theodulph von Orléans (1646) hervorgetreten. Daneben hat Sirmond mit der in der
Dissertatio in qua Dionysii Parisiensis et Dionysii Areopagitae discrimen ostenditur
(1641) vorgetragenen Bestreitung der Identität von Dionysius von Paris und Dionysius Areopagita eine Kontroverse ausgelöst (vgl. II § 83).
Joh. Launoi
Nach dem Philosophie- und Theologiestudium am Collège de Navarre in Paris erhielt Jean de Launoy (1603–1678) im Jahre 1636 die Doktorwürde und noch im selben Jahr die Priesterweihe. Als bedeutender Gelehrter, Gallikaner und zumindest Sympathisant des Jansenismus (II § 98) hat der auch
dénicheur de saints
genannte de Launoy eine Vielzahl kritischer Schriften (zu christlichen Märtyrerlegenden, der unbefleckten Empfängnis oder der Aufnahme Marias in den Himmel) veröffentlicht und sich v.a. um die kirchliche Verfassungsgeschichte verdient gemacht. Zudem schaltete er sich in die von Sirmond ausgelöste Dionysius-Kontroverse (s.o.) ein.
Joh. Daillé
Vgl. II § 90.
Anton Pagi
Der auf einer Jesuitenschule erzogene Antoine Pagi (1624–1699) trat auf Betreiben seines Onkels in den Franziskanerorden ein, legte 1641 die Profess ab und wurde später mehrfach zum Provinzial gewählt. Er studierte Philosophie und Theologie und hatte vorübergehend ein Predigtamt inne, ist aber v.a. als gewissenhafter und umsichtiger Berichtiger des bedeutenden Kirchenhistorikers Cesare Baronio (Baronius) (1538–1607) hervorgetreten. Pagis
Critica historico-chronologica in universos annales ecclesiasticos Eminentissimi et Reverendissimi Caesaris Cardinalis Baronii
(1689–1705) wurden mehrfach aufgelegt und im Rahmen späterer Baronius-Ausgaben berücksichtigt.
Tillemont
Der aus adliger Familie stammende Historiker Louis Sébastien Le Nain de Tillemont (1637–1698) erhielt nach dem v.a. (kirchen-)historisch ausgerichteten Studium 1676 die Priesterweihe und trat noch im selben Jahr in die Abtei Port-Royal ein (vgl. II § 98). Aufgrund der Verfolgung des Jansenismus zog er sich 1679 bis zu seinem Tod auf das familieneigene Landgut Tillemont bei Montreuil zurück. Berühmt sind neben der sechsbändigen
Histoire des empereurs
(vgl. I § 244) v.a. seine
Mémoires pour servir à l'histoire ecclésiastique des six premiers siècles
(1693–1712) in 16 Bänden, durch die Tillemont zu den bedeutendsten Historikern nicht nur des 17. Jh.s zu zählen ist. Sein Werk wurde etwa von Edward Gibbon (I § 229) hoch geschätzt.
J. S. Semler
Mit dem Namen des in Halle lehrenden Baumgarten-Schülers, Mitbegründers der historisch-kritischen Bibelwissenschaft und herausragenden Neologen Johann Salomo Semler (1725–1791) verbinden sich theologiegeschichtlich v.a. die weitreichenden Unterscheidungen von Theologie und Religion sowie von Wort Gottes und Heiliger Schrift, zudem wandte er sich gegen Verbalinspiration und die Vorstellung von einem göttlichen Ursprung der biblischen Überlieferung und ließ das Alte Testament nicht mehr als Quelle christlicher Glaubensvorstellungen gelten. Aus dem umfangreichen und vielfältigen Werk (bis zur Veröffentlichung der ersten Auflage der
Anweisung
bereits über 200 Titel) ist besonders Semlers Hauptwerk, die vierbändige
Abhandlung von freier Untersuchung des Canon
(1771–1775), für die Kirchengeschichte im Speziellen die bereits erwähnten
Selecta Capita
und der
Versuch eines fruchtbaren Auszugs der Kirchengeschichte
(1773–1778) (vgl. II § 103) zu nennen. Im Hinblick auf Nösselt sei bemerkt sei, dass Semler Baumgartens
Auslegung der beiden Briefe St. Pauli an die Corinthier mit Anmerkungen und einer Paraphrasi M. Johann August Nösselts öffentlichen Lehrers der heiligen Gottesgelersamkeit
(1761) mit einer Vorrede herausgegeben hat.
C. T. Spittler
Gemeint ist Ludwig Timotheus von Spittler (vgl. I § 229 c). Neben der
Geschichte des canonischen Rechts
(vgl. III § 89) und dem
Grundriß der Geschichte der christlichen Kirche
(vgl. II § 102) sind auch die
Kritische Untersuchung des sechzigsten Laodicenischen Canons
(1777),
De usu versionis Alexandrinae apud Josephum prolusio
(1779) und die
Historia critica chronici Eusebiani
(1784) zu nennen.
Apocrypha N. T.
Die Definition und Eingrenzung der neutestamentlichen Apokryphen (zu den alttestamentlichen vgl. I § 163) gestaltet sich bis heute nicht zuletzt durch neue Textfunde (im 20. Jh. v.a. die Bibliotheken von Nag Hammadi und Medinet Madi) als schwierig. Der gegen Ende des 17. Jh.s einsetzende Aufschwung der Apokryphensammlung und -forschung verbindet sich v.a. mit Jean-Baptist Cotelier (1629–1686), als für das 18. Jh. und darüber hinaus maßgebliche Ausgabe ist Johann Albert Fabricius' (1668–1736) dreibändiger
Codex apocryphus Novi Testamenti
(
2
1719) zu nennen. Am Beginn des 19. Jh.s steht
The Apocryphal New Testament
(1820) des englischen Verlegers William Hone (1780–1842). Die für Nösselt respektive Niemeyer als Referenzwerk anzunehmende Sammlung des Fabricius enthält im ersten Band Kindheitsevangelien, Nikodemusevangelium und Pilatusbriefe, den Lentulusbrief sowie Fragmente apokrypher Evangelien, im zweiten Band
Acta, Epistolae, Apocalypses aliaque scripta Apostolis falso inscripta
und im dritten Band neben Nachträgen Liturgien unter apostolischen Namen sowie den
Hirt des Hermas
.
ignatianischen Briefe
Unter dem Namen des Bischofs Ignatius von Antiochien, der laut Eusebius von Caesarea (ca. 260–339) am Beginn des 2. Jh.s unter Trajan (53–117) in Rom das Martyrium erlitten haben soll, sind in einer kürzeren Rezension sieben, bereits bei Eusebius genannte Briefe überliefert, eine längere Rezension umfasst sechs weitere Briefe. Seit Auffindung des
Corpus Ignatianum
und der Edition der
recensio longior
im 15. bzw. 16. Jh. existieren Zweifel an der Echtheit der Briefe, eine Frage, die die Ignatiusforschung bis heute maßgeblich bestimmt. Hält man die Briefe, die zu den den neutestamentlichen Apokryphen (s.o.) nahestehenden
Apostolischen Vätern
zählen, für authentisch, eröffnen sie bedeutsame Einblicke in die Geschichte des Christentums am Beginn des 2. Jh.s.
Canones und Constitut. Apostolicae
Die insgesamt 85
apostolischen Canones
(
Canones Apostolorum
) bilden den Schluss der
apostolischen Konstitutionen
(
Constitutiones Apostolorum
), wurden aber bald auch unabhängig überliefert und anders als die
apostolischen Konstitutionen
von der Zweiten Trullanischen Synode Ende des 7. Jh.s nicht als häretisch verworfen. Aufgrund des vergleichsweise allgemein gehaltenen Abbildes der Gemeindeverhältnisse lassen sich konkrete Adressaten kaum ermitteln, durch die (wenngleich fiktive) apostolische Verfasserschaft wurden sie im Osten wie im Westen hoch geschätzt. Bei den im 16. Jh. wiederentdeckten und 1563 edierten
apostolischen Konstitutionen
handelt es sich um die umfangreichste Kirchenordnung der ersten Jahrhunderte, die ihr vorgeblicher Verfasser Clemens von Rom (1. Jh.), der wie Ignatius von Antiochien (s.o.) zu den
Apostolischen Vätern
gezählt wird, auf dem Jerusalemer Apostelkonzil (vgl. Apg 15,1–29; Gal 2,1–10) niedergeschrieben haben soll. Wurden die
Konstitutionen
zunächst für echt gehalten, erwiesen sie sich später als im ausgehenden 4. Jh. entstandene Kompilation bereits vorliegender Kirchenordnungen, deren Bearbeiter u.U. auch für die Interpolationen der längeren Rezension der Ignatius-Briefe (s.o.) verantwortlich ist.
Recognitiones Clementis
Die
Recognitiones Clementis
gehören wie die sog.
Homilien
u.a. zu der unter dem Namen Clemens' von Rom (1. Jh.) kursierenden pseudoclementinischen Literatur. Sowohl die nur in lateinischer und teilweise auch syrischer Übersetzung erhaltenen
Recognitiones
(Wiedererkennungen) als auch die griechisch verfassten
Homilien
wurden bereits von Eusebius von Caesarea (ca. 260–339) als pseudonym erkannt. Der neueren Forschung zufolge handelt es sich bei beiden Schriften um zwei unabhängig voneinander entstandene und aufgrund der christologischen Aussagen in das 4. Jh. zu datierende Rezensionen einer gemeinsamen Grundschrift aus dem 3. Jh., die sich als pseudoclementinischer Roman (die erste Hälfte lässt sich als Entwicklungs-, die zweite als Familien- bzw. Wiedererkennungsroman verstehen) darstellt.
Chrysostomus
Der umfassend ausgebildete Johannes Chrysostomus (d.h.
Goldmund
) (ca. 349–407) wurde unter dem Einfluss des Bischofs Meletius (360–381) im Jahre 368 getauft, zog sich einige Jahre später als Asket in die syrischen Berge zurück, musste diesen Lebensstil aus gesundheitlichen Gründen jedoch nach sechs Jahren wieder aufgeben. In seiner Heimatstadt Antiochia wurde Chrysostomus erst zum Diakon, dann zum Presbyter geweiht und erlangte v.a. aufgund seiner Fähigkeiten als Prediger in den folgenden Jahren hohes Ansehen. 397 zum Erzbischof von Konstantinopel ernannt, stieß er auf Einfachheit und
caritas
zielende Reformen an, die beim Klerus und in Teilen der Gemeinde zu Protesten und im Gemenge der Auseinandersetzungen um Origenes (vgl. II § 98) zu seiner ersten Verbannung führten. Von seiner zweiten Verbannung kehrte Chrysostomus nicht mehr zurück. Unter seinem Namen wurden 17 Abhandlungen, vier Bibelkommentare, 241 Briefe und mehr als 700 Predigten (vgl. II § 65 c) überliefert, so viele wie von keinem anderen griechischen Kirchenvater. Zu den unechten Schriften zählen v.a. zwei als
Pseudo-Chrysostomus
bzw.
Chrysostomus Latinus
bekannte Sammlungen lateinischer
sermones
. Neben Gregor von Nazianz (vgl. II § 102), Basilius (vgl. II § 115) und Athanasius (vgl. II § 83) zählt er zu den vier griechischen Kirchenlehrern.
Ambrosius
Der in Trier geborene, sorgfältig ausgebildete und insbesondere durch seine für den römischen Westen überdurchschnittlich guten Griechischkenntnisse auffallende Ambrosius von Mailand (ca. 339–397) schwenkte zunächst in eine Beamtenlaufbahn ein, an deren Ende er Anfang der 370er Jahre Provinzstatthalter der
Aemilia Liguria
mit Sitz in der kaiserlichen Residenzstadt Mailand wurde. Im Jahre 374 eher zufällig und wohl noch als Katechumene (vgl. II § 126) zum Bischof gewählt, vertrat Ambrosius im mehrheitlich homöischen Mailand schnell einen neunizänischen Kurs (vgl. I § 63), der von allergrößter Bedeutung für die Durchsetzung der neunizänischen Interpretation des Nicänums (325) im Abendland insgesamt zu werten ist und ihn zu einem der vier lateinischen Kirchenlehrer (vgl. II § 115) werden ließ. Zu bemerken ist zudem seine Auseinandersetzung mit Theodosius I. (vgl. I § 102). Etwa die Hälfte seines umfangreichen Werkes ist exegetischen Inhalts, besonderen Aufschluss über Ambrosius' Wirken gibt das in zehn Bücher eingeteilte Briefkorpus. Mit Blick auf die unechten Schriften des Ambrosius ist v.a. Ambrosiaster zu nennen (vgl. II § 85).
Augustinus
Dass sich immer wieder auch Schriften finden, die irrtümlich oder absichtlich (vgl. die
sermones ad fratres in eremo
) unter dem Namen und der Autorität Augustins (vgl. II § 19) überliefert sind, zeigt erneut Ambrosiaster (vgl. II § 85). Da Augustin in seinen
Retractationes
(vgl. auch das
Indiculum
) selbst über seine Werke Auskunft gibt, Predigten und Briefe jedoch nicht einzeln, sondern summarisch auflistet, finden sich unechte Werke gerade auch in diesen Textgattungen. Heute sind mehr pseudo-augustinische als augustinische Predigten bekannt. Als pseudo-augustinisch gelten etwa auch die bis in die Frühe Neuzeit hinein als authentisch aufgefassten Schriften
De oratione et elemosina
,
De sobrietate et castitate
,
De incarnatione et deitate Christi ad Ianuarium
und der
Dialogus quaestionum
, darüber hinaus existieren
Dubia
.
105
392
.
Eben diese
Kritik
Kritik
müßte
muß
3)
bey
bei
einzelnen
einzlen
Stellen und deren Lesearten angewendet werden, wo, nach den Quellen, die zur richtigen Darstellung eines Textes dienen, oder nach andern wahrscheinlichen Spuren, Verdacht des
Unächten
Unechten
entstehen
kan
kann
, auch hernach 4)
bey
bei
Bestimmung des richtigen Sinnes, wozu die Kenntniß des, besonders kirchlichen,
Sprachgebrauch
Sprachgebrauchs, der in verschiedenen Gegenden und Zeiten sehr verschieden ist, unumgänglich erfordert wird,
zumahl
zumal
da er, durch
Vernachläßigung
Vernachlässigung
dieses Unterschieds, durch Un wissenheit und Vorurtheile, die durch
mancherlei
Interesse geleitet wurden, sehr verdunkelt worden ist.
Bey
Anm.
Bei
der dritten Regel
s.
die
Theil 1.
§.
90.
erwähnten
erwehnten
Schriftsteller, und wegen der vierten die, welche in der
Anweisung
zur Bücherkenntniß §.
410
410.
genannt worden sind.
Casaubon, Isaak
Casaubons
Casaubon's
,
Saumaise, Claude
Salmasii
,
Blondel, David
Blondels
Blondel's
und einiger Andern Schriften, unter den Neuern
Ernesti, Johann August
J. A. Ernesti
Antimuratorius,
Rösler, Christian Friedrich
C. F. Rößlers
Rößler's
Bibliothek der Kirchenväter
etc.
enthalten sehr schätzbare
Aufklärungen
Aufklärungen über diesen Sprachgebrauch.
Anweisung zur Bücherkenntniß §. 410
Vgl. I § 43.
J. A. Ernesti Antimuratorius
Johann August Ernestis erneut in seinen
Opuscula theologica
(1773), 1–134 abgedruckte Schrift
Anti Muratorius sive confutatio Muratorianae disputationis de rebus liturgicis ad Salomonem Deylingium
(1755) richtete sich gegen die katholische Abendmahlslehre und wurde indiziert.
C. F. Rößlers Bibliothek der Kirchenväter
Vgl. II § 120.
106
393
.
Wenn man von dem wahren
Sinn
Sinn in einer
ächten
echten
Stelle eines solchen Denkmahls oder Schriftstellers überzeugt ist, bleibt noch 5) die
Prüfung
Prüfung der Glaubwürdigkeit des Zeugnisses übrig. Es ist hier der Ort nicht, zu zeigen, wie diese Prüfung, und nach welchen Regeln, sie anzustellen
sey
†)
;
sei;
1
)
aber Vorsichtigkeit
kan bey
kann bei
dieser Geschichte, die durch Unwissenheit,
Parteygeist
Partheygeist
Parteigeist
und Hang zum
Ausserordentlichen
Außerordentlichen
so sehr verdorben ist, nicht genug empfohlen, der angehende Geschichtschreiber nicht oft genug erinnert werden, eher nicht zu urtheilen, als bis und so weit er sich das Zeugniß geben
kan
kann
, eben die Eigenschaften
bey
bei
dieser Prüfung mitzubringen, die
bey
bei
dem Zeugen seyn müssen, den man prüfen soll,
nehmlich:
nehmlich
nämlich
in Absicht auf die Eigenschaften unsrer
Erkenntniß
Erkenntniß
, hinlängliche Bekanntschaft mit der Geographie, Chronologie, der bürgerlichen und
Völker-
Völker-,
der
Literar-
Literar-,
auch der übrigen gleichzeitigen Kirchengeschichte, Philosophie, Kritik und genaue Sprachkenntniß, alles dieses verbunden mit gesundem Verstande, treuem Gedächtniß, feiner Menschen- und Weltkenntniß, scharfsinnigem
Beobachtungsgeist
Beobachtungsgeist,
und Fähigkeit, selbst kleine Umstände, nach den
Spuren
Spuren, die uns die Geschichte
weiset
zeigt
, geschickt zu verbinden; und in Absicht auf den
guten
Wille
Willen
,
theils
strenge
Unparteylichkeit
Unparteylichkeit
Unpartheylichkeit
Unparteilichkeit
, die sich weder durch Liebe gegen das, wofür wir eingenommen sind, es
sey
sei
Religion, oder
Partey
Parthey
Partei
, oder eigne Entdeckung und Einfall, es
sey
sei
Neues, das wir sagen, oder Altes, was wir vertheidigen wollen, noch durch Abneigung von Personen, Gesellschaften oder Sachen, verführen läßt,
theils
unermüdeten
Fleiß
Fleiß, dem selbst anscheinende Kleinigkeiten nicht zu gering sind, weil und wenn sie auf die Spur der so
oft
versteckten Wahrheit leiten können.
††)
2
)
†) S.
Anm.
1) Siehe
Ernesti, Johann August
J. A. Ernesti
vortrefliche
vortreffliche
Bemerkungen und Regeln in der
Diss. de fide historica recte aestimanda in den Opuscul. phil. crit.
p.
64
seqq.
††)
2)
Kein bescheidner Mann, und wer irgend die Menschen kennt, wird sich oder
andre
Andre
für ganz
frey
frei
von allen Leidenschaften halten. Aber
Beyspiele
Beispiele
von
einzelnen
einzlen
hier
erwähnten
erwehnten
Eigenschaften, auch mehrere zusammen, wird man doch vorzüglich in
Pagi, Antoine
Ant. Pagi
Critica in Annal. Baronii, in einigen
Mosheim, Johann Lorenz von
mosheimischen
Mosheimischen
Werken über die Kirchengeschichte, in
Beausobre, Isaac de
Beausobre
Hist. crit. du Manicheisme, in den
Semler, Johann Salomo
semlerischen
hieher
Semlerschen
hierher
gehörigen Schriften, in
Walch, Christian Wilhelm Franz
C. W. F.
Walchs
Walch's
Entwurf einer vollständigen Historie der
Ketzereyen
Ketzereien
, in der
Planck, Gottlieb Jakob
Plankischen
plankischen
Geschichte des protestantischen
Lehrbegriffs,
Lehrbegriffs
und in einigen
wenigen
Andern finden.
Diss. de fide historica recte aestimanda in den Opuscul. phil. crit. p. 64 seqq.
Gemeint sind Johann August Ernestis bereits zuvor (vgl. I § 120) angeführten
Opuscula philologica critica
(1764), die genannte Abhandlung findet sich aaO 64–101.
Ant. Pagi Critica in Annal. Baronii
Vgl. II § 104.
mosheimischen Werken über die Kirchengeschichte
Vgl. I § 283; II § 102.
Beausobre Hist. crit. du Manicheisme
Gemeint ist die noch immer bedeutende
Histoire Critique de Manichée et du Manichéisme
(1734/1739) des reformierten Theologen Isaac de Beausobre (1659–1738).
semlerischen hieher gehörigen Schriften
Vgl. II § 104.
C. W. F. Walchs Entwurf einer vollständigen Historie der Ketzereyen
Vgl. II § 102 c.
Plankischen Geschichte des protestantischen Lehrbegriffs
Die sechsbändige
Geschichte der Entstehung, der Veränderungen und der Bildung unsers protestantischen Lehrbegriffs vom Anfang der Reformation bis zu der Einführung der Konkordienformel
(1781–1800) stammt von Gottlieb Jakob Planck (1751–1833) und ist dessen wohl bedeutendstes Werk. Die ersten drei Bände erschienen 1791–1798 in zweiter Auflage, als Fortsetzung folgte die
Geschichte der protestantischen Theologie von der Konkordienformel an bis in die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts
(1831).
107
394
.
Der
große
grosse
Einfluß,
den
welchen
die
einzelnen
einzlen
Theile der Geschichte, und besonders der Kirchengeschichte, auf einander haben, macht es uns 6) besonders zur Pflicht, so sehr wir unsre Ursachen haben können, und so sehr uns der ungemein
große
grosse
Umfang der Geschichte nöthigen
kan
kann
, uns auf die Untersuchung gewisser Theile einzuschränken,
–
keinen gering zu achten, oder ganz zu
vernachläßigen
vernachlässigen
. Die geringfügigsten Umstände haben oft die
größesten
grössesten
größten
Revolutionen
Revolutionen hervorgebracht; oft ist nicht die Sache,
aber
oder
die Art wichtig, wie man sich
dabey
dabei
benommen hat; und oft findet sich über die Ursachen merkwürdiger Veränderungen in gewissen Theilen der Geschichte
allein
allein,
oder
doch
mehr Aufschluß als in dem, welchen man bearbeitet.
Die
Geschichte der sogenannten
drey
drei
Kapitel
Capitel
, der
Zänkereyen
Zänkereien
der Patriarchen unter einander, der
nestorianischen
Nestorianischen
besonders
besonders,
und der
monophysitischen
Monophysitischen
Händel, des
Bilderstreits, des Einflusses der Höfe, und wiederum
einzelner
einzler
Personen auf diese,
bey
bei
solchen Streitigkeiten, auch verschiedner
merkwürdigen
merkwürdigen,
sonderlich
Bettelorden,
kan
kann
das zur Genüge lehren.
Geschichte der sogenannten drey Kapitel
Vgl. II § 98.
nestorianischen besonders und der monophysitischen Händel
Vgl. I § 63.
Bilderstreits
Vgl. II § 113.
Bettelorden
Vgl. II § 98.
108
395
.
Die Wahrheit einer bezeugten
Begebenheit
Begebenheit ist nicht bloß nach Zeugnissen, sie ist auch nach der Natur der Sache und nach dem ganzen Umfang ihrer
Umstände
Umstände zu beurtheilen, und wenn die Nachrichten über diese von einander
abweichen,
abweichen
oder einander
widersprechen:
widersprechen,
so müssen sie mit einander verglichen, und in den wahrscheinlichsten Zusammenhang gebracht werden. Deswegen ists 7) nicht genug, viele Thatsachen
oder Ereignisse
zu
sammlen,
sammeln;
man muß alle Umstände derselben zusammennehmen, sie ordnen,
oder
sehen, was
bey
bei
der
Vergleichung
Vergleichung übrig bleibt.
Dies
Dieß
giebt der Geschichte und
unsren
unsern
Begriffen davon mehr
Deutlichkeit
Deutlichkeit, und verhütet zugleich, daß man die Thatsachen nicht gleich verwirft, weil man sie verschieden oder widersprechend angegeben
findet,
findet;
nicht einen
Zusammenhang
Zusammenhang oder Vorfälle und Absichten erdichtet, die nie gewesen sind, und dadurch die Wahrheit der Geschichte verdirbt, indem man sie reini gen oder unterhaltend machen will. Wiefern man sich hier Vermuthungen erlauben dürfe, ist schon
im ersten Theil,
bey
bei
der Geschichte überhaupt,
§.
225
gesagt worden.
109
396
.
Dies
Dieß
giebt auch 8) den Stoff zum wahren
Pragmatisches
Pragmatischen, ohne welches die Geschichte bloß ein Gegenstand der Neugier und ein Spiel der Einbildungskraft, wenigstens nicht
nutzbar
nutzbar zur
Bildung
Bildung des
Verstandes und
Herzens, wird. Nur muß man wirklich aus der Geschichte durch
fleissige
fleißige
Beobachtung lernen, nicht bloß unsre
Meinungen
Meynungen
oder Vorurtheile bestätigen
zu
wollen; man muß die gute und schlechte Seite der Dinge mit gleicher Sorgfalt beobachten. So wird sie uns ein lehrreicher Schauplatz der göttlichen
Vorsehung
Vorsehung
Fürsehung
, die auch das Schlecht- und Bösescheinende zu ihren Absichten braucht, eine Schule, wo man eben sowohl
aus
von
Andrer Fehlern als ihrem guten Betragen lernen
kan
kann
.
Anm.
Sehr
wenige
Wenige
haben die Kirchengeschichte eigentlich
pragmatisch
erzählt.
Weismann, Christian Eberhard
Weismann
in den Memorabilibus H. E. hat sie praktisch und zur Erbauung anwendbar machen wollen.
Fleury, Claude
Fleury
und
Racine, Bonaventure
Racine
haben auf eben
dem
den
Zweck
mit gearbeitet
hingearbeitet
. Eigentlich pragmatisch aber, in dem
oben
§.
228
angegebnen Sinn, sind
nur
vorzüglich
die
Spittler, Ludwig Timotheus von
spittlerischen
Spittlerschen
und
Krause, Johann Christoph
krausischen
Schmidt, Johann Ernst Christian
Schmidtschen
Handbücher, und, unter den etwas
größern
grössern
Werken, der
Cramer, Johann Andreas
cramerische
Cramersche
Bossuet, Jacques Bénigne
Bossuet
und die
Schroeckh, Johann Matthias
schröckhische
Schröckhsche
christliche Kirchengeschichte, auch zum Theil die
Semler, Johann Salomo
semlerischen
Semlerschen
Anmerkungen, wie in Absicht auf
einzelne
einzle
Theile der Kirchengeschichte die oben (
§.
106
399
††
106.
Anm.
2.
) genannten Werke.
Schade ists, daß man
in diesen Büchern
gemeiniglich das Pragmatische nicht in seinem ganzen Umfang, sondern nur nach gewissen Rücksichten,
z. B.
in Absicht auf die Hierarchie, die freye Untersuchung unter den Christen
u. d. gl.
genommen hat.
Weismann in den Memorabilibus H. E.
Vgl. II § 102 c.
Fleury
Vgl. II § 103.
Racine
Hier handelt es sich um den französischen Geistlichen und Historiker Bonaventure Racine (1708–1755). Im
avertissement
zum ersten Band seines auch ins Deutsche übersetzten Überblickswerkes
Abrégé de l'histoire ecclésiastique
(1748–1756) stellt Racine heraus, dass er für die Erarbeitung v.a. Fleury herangezogen habe. Gerade die gemeinsame Nennung mit Fleury lässt den Mauriner (vgl. II § 104) Robert-Florimond Racine (1700–1777) an dieser Stelle ausscheiden.
spittlerischen
Vgl. II § 102.
krausischen
Gemeint ist Johann Christoph Krause (1749–1799), ab 1787 außerordentlicher, ein Jahr später ordentlicher Professor für Philosophie in Halle, und sein über den ersten Band nicht hinausgekommenes
Handbuch der christlichen, besonders teutschen, politischen Kirchengeschichte
(1785).
Schmidtschen Handbücher
Hier handelt es sich um Johann Ernst Christian Schmidts (1772–1831) unvollendetes sechsbändiges
Handbuch der Kirchengeschichte
(1801–1820), dem Friedrich Wilhelm Rettberg (1805–1849) einen siebenten Band (1834) folgen ließ.
cramerische Bossuet
Vgl. II § 103.
schröckhische christliche Kirchengeschichte
Vgl. II § 103.
semlerischen Anmerkungen
Betrachtet man das umfangreiche Gesamtwerk Johann Salomo Semlers, so dürfte an dieser Stelle kaum um ein deutschsprachiger Titel gemeint sein. Unter den lateinischen Werken kommen die
Commentarii historici de antiquo christianorum statu. Tomus primus
(1771) bzw.
Tomi secundi pars prima
(1772) in Frage. Vergleicht man jedoch II § 103 (Anm. 1), fällt auf, dass Semler dort wie auch hier mit Bossuet bzw. Cramer und Schroeckh zusammengestellt ist, so dass mit den
semlerischen Anmerkungen
vermutlich die
Selecta capita
(vgl. II § 103) gemeint sind.
§. 399 ††
Gemeint ist die zweite Anmerkung in II § 393 a.
110
397
.
Wer sich mit recht eigentlichem
Fleiß
Fleiß auf die Kirchengeschichte legen wollte, müßte sich nicht
bloß
auf
die Kirchengeschichte
dieselbe
im Ganzen und
deren
dessen
allgemeine Uebersicht einschränken, sondern auch die
einzelnen
einzlen
Theile
derselben
besonders studieren. Denn
die Kirchengeschichte
diese Geschichte
ist von einem so gar weitläufigen Umfang, daß man überaus viel Wichtiges gar nicht kennen lernt, wenn man sich bloß an die
Universalkirchengeschichte
Universalkirchengeschichte hält, ja daß man diese nicht einmal recht gründlich, deutlich und pragmatisch machen
kan
kann
, ohne
sich
eine genauere Kenntniß jener
einzelnen
einzlen
Theile
erworben zu haben
. Daher werden in der allgemeinen Kirchengeschichte viele sehr wichtige
Sachen,
Gegenstände
(
z. B.
Geschichte der Leh ren und des mannichfaltigen Aberglaubens, Ge schichte des
sich nach und nach gebildeten
Jesuitismus
in seiner allmähligen Entwickelung
und seines geheimen Einflusses
u. d. gl.
u. dergl.
) ganz und gar nicht, oder nur sehr wenig berührt, oder nicht richtig und vollständig genug
aufklären
aufgeklärt; ja von manchen wichtigen
Umstände
Umständen weiß man die Zeit nicht genau, oder man betrachtet gewisse
Erscheinungen
Begebenheiten
nur nach ihrem Ausbruch, nicht nach den lange
versteckten Vorarbeiten dazu
†)
;
verborgenen Vorbereitungen;
*)
oder die Geschichte merkwürdiger
Veränderungen,
Veränderungen
wird
bey
bei
der Abtheilung in gewisse Perioden so sehr zerstückelt, daß man sie wenigstens nicht so gut übersehen
kan
kann
, als wenn man die Geschichte der
einzelnen
einzlen
Lehren oder
Parteien
Partheyen
etc.
besonders untersuchte.
†)
Anm.
*)
So wird
z. B.
in den gewöhnlichen Abhandlungen der Kirchengeschichte die Lehre vom
heil.
heiligen
Abendmahl und von der Versöhnung
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
, so verschiedne Vorstellungen es
auch
darüber immer gab,
jene
erstere
kaum vor dem Ursprung der
Radbert, s. Paschasius Radbertus
Paschasius Radbertus
radbertschen
Radbertschen
Streitigkeiten im 9ten, diese kaum vor dem
Ursprung der
antitrinitarischen
antrinitarischen
Aeusserungen
Aeußerungen
im 16ten Jahrhundert,
berührt. Seit
berührt; seit
dem 7ten Jahrhundert verschwinden die Antitrinitarier fast ganz aus der Geschichte, und kommen erst im 16ten wieder zum Vorschein,
ohngeachtet
ungeachtet
nicht zu
leugnen
läugnen
ist, daß der Saame davon in Spanien, dem südlichen Frankreich und
Italien,
Italien
immer geblie ben, und nur erst spät öffentlich ausgebrochen ist. Ueberhaupt, wenn die
verschiednen
verschiedenen
Meinungen über eine Lehre keinen merklichen Einfluß in gewisse
große
grosse
Revolutionen in der Kirche
geäussert haben:
geäußert haben,
so herrscht in der allgemeinen Kirchengeschichte, indem man bloß diese verfolgt, das
tiefeste
tiefste
Still schweigen von jenen unmerklichern Veränderungen. Daher selbst die entsetzlichen Lücken in der Geschichte der Lehren, wenn man diese bloß aus der allgemeinen Kirchengeschichte zusammengetragen hat, wie man sich
z. B.
aus
Priestley, Joseph
Priestley's
Geschichte der Verfälschungen des Christenthums leicht durch den Augenschein überzeugen
kan
kann
.
{Durch die
neuern Bearbeitungen der Dogmengeschichte, für welche
Münscher, Wilhelm
Münscher
zu früh gestorben ist, sind jedoch schon viele dieser Lücken ausgefüllt.
A. d. H.
}
radbertschen Streitigkeiten im 9ten
Mit dem später heilig gesprochenen Benediktiner Radbert (ca. 790–859), der dem Kloster von Corbie ab ca. 844 für mehrere Jahre als Abt vorstand, verbindet sich v.a. die gelegentlich auch als erster Abendmahlsstreit (vgl. II § 83) bezeichnete Auseinandersetzung um das Abendmahlsverständnis. In seinem Hauptwerk
De corpore et sanguine Domini
vertrat er die Transsubstantiationslehre und die tatsächliche Gegenwart Christi im Abendmahl (Realpräsenz) und stand damit in Opposition zu Ratramnus von Corbie (gest. ca. 870), der in einer Schrift gleichen Namens ausführte, die Wandlung von Brot und Wein sei nicht körperlich (
corporaliter
), sondern rein geistig (
spiritualiter
) vorzustellen und daher nur bildhaft (
figuraliter
). Das Sakrament bleibe als Mysterium immer unter dieser
figura
verborgen, eine Identifikation des historischen Passionsleibes Christi mit dem sakramentalen Abendmahlsleib sei daher abzulehnen. Im Abendmahlsstreit um Berengar von Tours (ca. 1000–1088) brach dieser Konflikt erneut auf (vgl. II § 113).
Ursprung der antitrinitarischen Aeusserungen im 16ten Jahrhundert
Die in Deutschland gelegentlich im reformatorischen und täuferischen Kontext vertretene antitrinitarische Lehre von der Einheit der göttlichen Person geht v.a. auf den Spanier Michael Servetus (1511–1553) und seine
De trinitatis erroribus libri septem
(1531) zurück, verbindet sich dem Namen nach jedoch insbesondere mit Lelio (1525–1562) und seinem Neffen Fausto Sozzini (1539–1604), dessen posthum veröffentlichter
Rakower Katechismus
(poln. 1605; dt. 1608; lat. 1609) als wohl wichtigste antitrinitarische Lehrschrift gelten kann. Die nach ihnen benannten Sozinianer konnten v.a. in Osteuropa (Polen, Siebenbürgen u.a.) ein beachtliches Kirchenwesen etablieren (daher die ebenfalls verbreitete Bezeichnung
Polnische Brüder
) und wirkten später etwa auf die niederländischen Arminianer oder die englischen Deisten (vgl. II § 189) und Unitarier. Mit der Sammelbezeichnung
Antitrinitarier
wurden seit dem 17. Jh. jedoch alle Theologen und ihre Anhänger bezeichnet, die die Kritik am altkirchlichen Trinitätsdogma zur Hauptlehre erklärten.
Priestley's Geschichte der Verfälschungen des Christenthums
Joseph Priestleys (1733–1804) zweibändige
History of the corruptions of Christianity
(1782) ist unter dem Titel
Geschichte der Verfälschungen des Christenthums
(1785) von dem Kieler Theologen Jakob Christoph Rudolf Eckermann (1754–1837) übersetzt worden.
neuern Bearbeitungen der Dogmengeschichte, für welche Münscher zu früh gestorben ist
Der Marburger Theologe Wilhelm Münscher (1766–1814) ist v.a. durch sein in Teilen mehrfach neu aufgelegtes und weit verbreitetes vierbändiges
Handbuch der christlichen Dogmengeschichte
(1797–1809) hervorgetreten, das jedoch nur die patristische Zeit abdeckt. Daneben ist das ebenfalls weit verbreitete und nach Münschers Tod bis zur dritten Auflage weitergeführte
Lehrbuch der christlichen Dogmengeschichte
(1811) zu nennen.
111
398
.
Zu diesen besondern Haupttheilen der christlichen Kirchengeschichte gehört
zuerst
die
die
Geschichte der
Schicksale
Schicksale
des
(wahren oder vermeintlichen)
Christenthum
Christenthums
der christlichen Religion
, selbst in ihrer Echtheit und Entstellung
, und, mit derselben,
der christlichen
Kirche
Kirche
in der Welt
,
d. i.
der Ausbreitung und Einschränkung, des Verfalls, oder gar des Aussterbens
beyder
beider
in gewissen Ländern.
Bey
Bei
dieser Geschichte
müßte wohl
muß nun
untersucht werden: von woher die Werkzeuge dieser Ausbreitung
gekommen?
gekommen,
unter welchem Einfluß sie
gestanden?
gestanden,
was für ein
in welchem Geist sie das
Christenthum
sie
ausgebreitet haben? was für eine Art der Religion sie in solchen Ländern
vorgefunden?
vorgefunden,
wie weit sie sie ausgerottet, oder geschwächt, oder mit
ihrem Christenthum verschmelzt
der neuen Lehre verschmolzen
haben? wie weit sich in solchen Gegenden diese Fortpflanzung
erstrekt?
erstreckt,
erstreckt?
ob über eine ganze Nation oder nicht? und über welchen Theil derselben? ob sie
das Christenthum mit
sich der
Gewalt oder
auf welchem gelindern Wege ausgebreitet
gelinderer Mittel zu ihren Zwecken bedient
, und von welchen Ursachen der
größere
grössere
oder geringere Fortgang abgehan gen? welche Wirkungen diese fortgepflanzte Erkenntniß auf die
Cultur
Cultur
Kultur
solcher Länder gehabt,
oder
wie weit sie
durch
sie gehemmt und vermindert
habe
sei
? welche Veränderungen daraus in der ganzen Verfassung solcher Völker entstanden? besonders wie und wonach die
Verfassung
Verfassung einer neuentstandenen Kirche gebildet worden
sey
, und in welchem Verhältnisse sie in der Folge gegen die Staats- und übrige Verfassung gestanden habe? Auf eben diese Fragen müßte
ohngefähr
ungefähr
auch
bey
bei
dem
äusserlichen
äußerlichen
Verfall
Verfall und Untergang des Christenthums in gewissen Gegenden gesehen werden. –
Hiezu
Hierzu
gehört eine sehr genaue Kenntniß der Völker- und Ländergeschichte und Verfassung zu verschiedenen
Zeiten; diese würde
Zeiten. Diese wird
aber, wegen des
großen
grossen
Einflusses der Religion, eben so sehr durch jene Untersuchungen
aufklären
aufgeklärt werden, als die Geschichte der innern Veränderungen der christlichen Kirche Licht aus diesen
äusserlichen
äußerlichen
Umstände
Umständen bekommen
würde
muß
, in welchem unstreitig der Grund von vielen besondern Veränderungen und Einrichtungen gewisser Kirchen oder des Fortgangs und der Hindernisse derselben, gelegen
hat
†)
.
hat.
*)
†)
Anm.
*)
Z. B.
des Wachsthums oder der Schwächung der kirchlichen, sonderlich
päbstlichen
päpstlichen
Gewalt,
bey
bei
schwachen oder bessern Einrichtungen der Staatsverfassung; der sogenannten Orthodoxie oder Heterodoxie, und ihrer Schicksale nach der politischen Verfassung, oder den Umständen und Absichten eines Staats oder Regenten
u. d. gl.
Die Geschichte des
Arianismus und
Pelagianismus unter
verschiednen
verschiedenen
Herrschaften und in
verschiednen
verschiedenen
Zeiten
kan
kann
hier
vorzüglich
zum
Beyspiel
Beispiel
dienen.
Arianismus
Vgl. I § 63.
Pelagianismus
Vgl. II § 88.
112
399
.
Ein
andrer
anderer
,
aber
auch wohl der wichtigste,
obgleich
aber auch
schwerste, und am wenigsten mit rechter Genauigkeit bear beitete Theil der
Kirchengeschichte
†)
,
†)
Kirchengeschichte,
1
)
ist die
Geschichte der christlichen
Lehre
Lehre
, und überhaupt der
Vorstellungen
Vorstellungen in der Religion. Diese Geschichte müßte
sich
1)
sich
nicht bloß auf die in der heiligen Schrift bekannt gemachten Lehren, sondern auf alle
Meinungen
Meinungen erstrecken, die wenigstens
bey
bei
einem Theil der Christen geherrscht haben, sofern sie in die Religion schlagen, oder dahin gezogen worden sind, sie mögen zur natürlichen oder geoffenbarten Kenntniß der Religion gehören, es mögen davon vermeintliche Spuren in der Bibel aufgefunden, oder sie anderwärts her genommen seyn.
††)
2
)
2) Sie müßte nicht nur das Schicksal der Lehren der heiligen Schrift
selbst, unter den Christen
selbst in der christlichen Kirche
, sondern auch der
verschiednen
verschiedenen
Vorstellungen
enthalten
, die man sich unter
den
Christen davon gemacht hat, und die Schicksale dieser
Vorstellungen.
†††)
Vorstellungen
3
)
enthalten.
†)
Anm.
1)
Mit so
großem
grossem
Fleiß einige Stücke dieser Geschichte untersucht worden sind (
s.
die
Anweisung
zur
theologischen
theologisch.
Bücherkenntniß
Bücherkenntniß,
§.
392–402):
392–402.),
so ist es doch meistens nur aus polemischen Absichten und zur Beantwortung der Frage über das Alterthum gewisser Lehren und Vorstellungen geschehen. Dieser Umstand hat nicht nur die
Un parteylichkeit
Unpartheylichkeit
bey
Unparteilichkeit bei
dieser Untersuchung oft verhindert, und das, was Geschichte seyn sollte, in eine polemische Abhandlung verwandelt; sie hat auch verursacht, daß fast nur die Geschichte solcher Lehren untersucht worden, über welche sich ganze
Parteyen
Partheyen
Parteien
unter den Christen getrennt
haben,
haben
(namentlich der zwischen der römischen
Kirche
und andern
Kirchen
streitigen
Lehren,) und daß
Lehren), dagegen
die Geschichte der übrigen Lehren meistens unbearbeitet liegen geblieben ist. Daher ist auch die Geschichte einer Lehre in neuern Zeiten fast nie mitgenommen
worden;
worden,
so wie man auch noch gar keine auch nur
einigermaßen
einigermassen
ganze
ganz vollständige
Geschichte der christlichen Lehre hat.
††) Hieher
2) Hierher
gehört die ganze Geschichte philosophischer Hypothesen und des religiösen Aberglaubens unter den Christen, die aus dem Juden- oder Heidenthum in die Kirche übergingen; die ganze
Emanationslehre, die von der
Seelenwanderung, von den Schutzengeln, von den Wirkungen der bösen Geister, von Zauberern und Hexen, deren Gemeinschaft mit bösen Geistern, selbst dem Tanzen mit ihnen auf Bergen (wovon schon im vierten Jahrhundert Spuren in den Morgenländern sind)
u. d. gl.
†††)
3)
So hat es nicht nur
verschiedne
verschiedene
Vorstellungen vom Verdienst
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
und guten Werken, vom Gesetz und Evangelium, gegeben, sondern es ist auch eine dieser Lehren durch
übertriebnen
übertriebenen
Werth der andern, oft
vernachläßigt
vernachlässigt
, und durch ganz fremde und unbiblische Vorstellungen verdunkelt, zu gewissen Zeiten und in gewissen
Parteyen
Partheyen
Parteien
darin gar nichts näher, oft wieder nur zu viel bestimmt worden.
Anweisung zur theologischen Bücherkenntniß §. 392–402
Vgl. I § 43.
Emanationslehre
Unter Emanation versteht man das Ausfließen (
emanatio
) des Vielen aus dem Einen, ohne dass sich das Eine dabei vermindert oder verändert. Die ursprünglich der vorsokratischen Philosophie entstammende (Licht, Wärme, Düfte etc.), seit Platon jedoch nur noch latent vorhandene Vorstellung der Emanation erlebte zur Erklärung des Verhältnisses von göttlicher Transzendenz und Immanenz dann v.a. in gnostischen Systemen einen erneuten Aufschwung. Dogmatisch haben Emanationslehren im Rahmen der Schöpfungs-, aber auch der Trinitätslehre Bedeutung erlangt, wurden in diesen Zusammenhängen jedoch bereits in altkirchlicher Zeit scharf kritisiert.
Seelenwanderung, von den Schutzengeln, von den Wirkungen der bösen Geister, von Zauberern und Hexen […] Spuren in den Morgenländern sind
Hier dürfte v.a. Balthasar Bekkers (1634–1698)
De Betoverde Weereld
(1691–1693) im Hintergrund stehen. Die drei Bände wurden unter dem Titel
D. Balthasar Bekkers reformirten Predigers in Amsterdam bezauberte Welt
(1781–1782) von Johann Moritz Schwager (1738–1804) ins Deutsche übersetzt und von dessen Lehrer Johann Salomo Semler durchgesehen und vermehrt. Während des Studiums in Halle zählte neben Semler auch Nösselt zu Schwagers Lehrern.
verschiedne Vorstellungen vom Verdienst Christi und guten Werken
Vgl. I § 61; II § 83.
113
400
.
Und, da
Da
die
verschiednen
verschiedenen
Vorstellungen von einer
Lehre
Lehre entweder aus
verschiednen
verschiedenen
Erklärungen der heiligen Schrift, oder aus
verschiednen
verschiedenen
Grundsätzen der Philosophie und deren
ver schiednen
verschiedenen
Anwendung, oder aus verschieden
angenommner
angenommener
Tradition, oder nach
verschiednem
verschiedenem
innern Gefühl, entstanden sind: so
würden 3)
werden
ferner
3)
die
verschiednen
verschiedenen
Meinungen
Meinungen über die Gültigkeit, den Werth und die rechte Anwendung dieser Quellen, und die Schicksale, welche diese Meinungen gehabt haben, mit in Anschlag kommen müssen; auch 4) die
verschiednen
verschiedenen
Vorstellungen von dem Werth gewisser Bestimmungen einer Lehre,
ihrem
ihren
Einfluß in
andre
andere
Lehren, und der Nothwendigkeit, sie von einem Christen zu
fordern;
fordern,
mithin zugleich 5) der Ursprung und das Schicksal vorher unbekannter und ungewöhnlicher Meinungen, auf die man erst gefallen ist, um
andre
andere
Lehren oder Vorstellungen zu
vertheidigen;
vertheidigen. Hiermit sind
6) die neuen
Erklärungen
Erklärungen gewisser Schriftstellen und neue versuchte Beweise für gewisse Meinungen, so wie umgekehrt
der Verfall und die Verdächtigung andrer
das Verschwinden oder Verdächtigwerden anderer
Erklärungen
darüber;
darüber zu verbinden. Auch darf man
7) die eingeführte
Terminologie
Terminologie und
der verschiedne
den verschiedenen
oder
veränderte
veränderten
Sprachgebrauch
Sprachgebrauch in der Theologie, und
überhaupt
8)
alle Umstände
nichts von den Umständen übersehen
, die zu solchen Vorstellungen, ihren Abwechselungen,
ihrer
behaupteten Nothwendigkeit,
oder ihren
Beweisen
u. d. gl.
Gelegenheit gegeben haben.
Anm.
1.
Anm.
1)
Einen merkwürdigen Beleg
Eine merkwürdige Beylage
zum 4ten und den übrigen Stücken dieses §. giebt
z. B.
die Lehre vom
heil.
heiligen
Abendmahl
Abendmahl. Unstreitig
haben
enthalten
sowohl
die
Kirchenväter, als alte
Liturgien
Liturgieen
, Stellen, die für die
Vorstellung von einer reellen Gegenwart, oder gar einer Verwandlung des
Brodts
Brods
und Weins, zu
seyn
stimmen
scheinen,
so wie
als
andere für
bloße
blosse
Zeichen und Bilder. Erst im 7ten Jahr hundert fing man in den Morgenländern an, die Ausdrücke,
σημειον
,
συμβολον
,
τυπος
etc.
weniger, und dagegen jene
gröbere
gröberen
Vorstellungen und Ausdrücke zu brauchen, um den
wahren
Körper
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
, gegen
Manichäer und
Aphtartodoketen,
festzustellen. Nachdem
festzustellen, und, nachdem
Karl I.
Karl der
Große
Grosse
(im 2ten Buch de cultu imag.
c.
27
27.
) den Ausdruck
Bild
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
verworfen hatte, um den
Beweis des
zweyten
2ten
zweiten
nicäischen Concilii für den Bilderdienst zu widerlegen, den dieses daher genommen hatte, daß
Brodt
Brod
im
heil.
heiligen
Abendmahl ein Bild
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
würde, auch der Mißverstand jener derbern Ausdrücke von Verwandlung
u. s. f.
dazu gekommen war, fing die Vorstellung von
Zeichen
Zeichen
an,
an
auch in der lateinischen Kirche zu sinken, und
Radbert, s. Paschasius Radbertus
Paschasius Radbertus
Radbert
Radbert
konnte schon im 9ten Jahrhundert mit seiner Meinung einiges Glück machen, die, alles damaligen Widerspruchs
ohngeachtet
ungeachtet
, in der Mitte des 11ten Jahrhunderts schon so überhand genommen hatte, daß
Berengar von Tours
Berenger
Berengar
die gegenseitige Meinung als eine
Ketzerey
Ketze rei
abschwören mußte. Und doch legte selbst
Pabst
Papst
Gregorius VII.
Gregor
7.
VII.
noch keinen so
großen
grossen
Werth auf die herrschende Meinung, daß er anfänglich
Berengar von Tours
Berengers
Berengar's
Beweis aus dem Alterthum für gültig erkannte, und hernach selbst mit seiner Erklärung zufrieden war. (
S.
Berengar von Tours
Berengarii
Stelle in
Lessing, Gotthold Ephraim
Leßings
Leßing's
Berengar von Tours
Berengar. Turonens.
S.
152
f.
und
Martène, Edmond
Martene
nov. thesaur. anecdot.
Tom.
IV.
p.
103.) Erst der Widerspruch der
Albigenser
etc.
etc.
gegen die nun immer mehr um sich greifende
Lehre von der
Brodtverwandlung
Brodverwandlung
bewog den
Pabst
Papst
Innozenz III.
Innocenz
3.
III.
auf der
lateranensischen
lateranensisch.
Kirchenversammlung im Jahr
1215
1215,
diese Lehre zur Lehre der Kirche zu machen, und die Verfolgung der anders
Denkenden
denkenden
, als
Ketzerey
Ketzerei
, zu gebieten. – Wer
Luther, Martin
Luthers
Luther's
Lehre über das
heil.
heilige
Abendmahl in seinen vom
N. Test.
N. T.
und von
dem babylonischen
der babylonisch.
Gefängniß
1520 herausgegebnen Schriften
1520. herausgegebenen Schriften,
mit den folgenden, nach
entstandnem
entstandnen
entstandenem
Streit mit den Schweitzern, sein Benehmen
beym
Marpurger
beim Marburger
Religionsgespräch, wieder etwas anders
bey
bei
der
wittenbergischen Concordie, und wieder auf die erste Art seit
Erscheinung der
Zwingli, Ulrich
zwinglischen
Zwingli'schen
Werke im Jahr 1543, so wie das
Betragen einiger seiner Schüler seit der Erscheinung des Zürcher Consensus im Jahr
1549,
1549
und noch mehr
bey
bei
der
Concordienformel, nach
entstandnen
entstandenen
kryptocalvinischen Händeln in Sachsen, vergleicht, der wird sich sehr leicht diese Abwechselungen in den Vorstellungen vom
heil.
heiligen
Abendmahl, und den verschiedenen Werth, den man darauf gelegt hat, erklären können.
Anm.
2. Bey
2) Bei
der 5ten
Anmerkung
Bemerkung
des §.
dienet
dient
die Lehre von der Concomitanz zum
Beyspiel
Beispiel
, welche durch die von der Transsubstantiation veranlaßt worden ist, und wieder die von der Entbehrlichkeit des Kelchs im
heil.
heiligen
Abendmahl erzeugt hat, so wie man auf die
Lehre von der Ubiquität der Mensch heit
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
zuerst durch die Lehre von der wesentlichen Gegenwart des Leibes
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
im
heil.
heiligen
Abendmahl geleitet wurde; –
bey
Bey
bei
der 6ten, die
Erklärung der Stelle
Joh. 14, 28.
von der
ἀγεννησια
des
Vaters;
Vaters,
Röm.
Rö mer
9.
und
andrer
anderer
gleichlautenden von der
augustinianischen
Prädestination;
Prädestination,
Ephes. 5, 32.
von der Ehe als einem
Sacrament;
Sacrament,
Sakrament;
Ebr. 2, 16.
von
Vereinigung
beyder
beider
Naturen in
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christo
; und die
Bedenklichkeit,
Apgesch. 3, 21.
durch quem oportuit coelo capi zu übersetzen, aus Furcht der Ubiquität zu nahe zu treten; –
Bey
bei
der 7ten die
verschiednen Bedeutungen der
ὁμοουσιας
vor und nach dem ersten nicäischen Concilium,
desgl.
desgleichen
der Wörter
ὑποστασις
,
φυσις
,
φυσικη ἑνωσις
,
συγκρασις
,
φθαρτον
u. a.
bey
bei
den arianischen, nestorianischen und monophysitischen Streitigkeiten.
Vorstellung von einer reellen Gegenwart, oder gar einer Verwandlung des Brodts und Weins […] so wie andere für bloße Zeichen und Bilder
Gemeint sind v.a. die Auseinandersetzungen um das Abendmahl im 9. (vgl. II 110) und 11. Jh. sowie die der Reformationszeit (vgl. II § 83).
Manichäer
Mit dem auf den im Perserreich wirkenden Religionsstifter Mani (216–276/277) zurückgehenden Manichäismus war dem Christentum im römischen Reich des 3. Jh.s ein ernsthafter Konkurrent erwachsen, der sich auch weit nach Asien ausbreiten und nicht zuletzt aufgrund seiner synkretistischen Anlage zu einer Weltreligion avancieren konnte. Manis streng hierarchischer (u.a. Unterscheidung von
electi
und
auditores
) Kirche, der zeitweise auch Augustin (vgl. II § 19) zuneigte, lag ein komplexer Mythos zugrunde, nach dem sich die ursprünglich voneinander getrennten Reiche der Finsternis bzw. Materie und des Lichts bzw. Gottes im Kampf vermischen, um sich am Ende der Welt wieder und endgültig voneinander zu trennen. Seine ethische Dimension entfaltet dieser Mythos im Hinblick auf die Befreiung des in der Materie gefangenen Lichts, der in diesem Zusammenhang als Mittler auftretende Christus hat dabei nach manichäischer Vorstellung nur zum Schein eine materielle Gestalt angenommen (Doketismus) und daher auch nur scheinbar den Tod erlitten. V.a. der strenge Dualismus findet sich später auch bei den Bogomilen (II § 128), Paulizianern und Katharern (vgl. II § 19) sowie den Priscillianisten (vgl. II § 98). Da die Bezeichnung
Manichäismus
christlicherseits großzügig zur Etikettierung von Häretikern (im 16. Jh. etwa auch Luther u.a.) verwendet wurde, bleibt der tatsächliche Einfluss der Manichäer jedoch nicht selten umstritten. Als bis heute bedeutendes Grundlagenwerk gilt noch immer Isaac de Beausobres
Histoire Critique
(vgl. II § 106).
Aphtartodoketen
Unter Aphthartodoketen (nach Julian von Halikarnassos und Gaianus, kurzzeitig Bischof von Alexandrien, auch als Julianisten bzw. Gaianisten bezeichnet) versteht man eine monophysitische Glaubensrichtung der Spätantike, die die Auffassung vertrat, der Leib Christi sei bereits vor der Auferstehung unsterblich und unvergänglich (
ἄφθαρτος
), d.h., Christi Leiden und Tod seien nur scheinbar gewesen.
Karl der Große (im 2ten Buch de cultu imag. c. 27)
Die Beschlüsse des Zweiten Konzils von Nicäa (s.u.) stießen am fränkischen Hof, der auf dieser Synode nicht vertreten war, auf massiven Widerstand, so dass Karl der Große (747–814) 792 mit dem
Capitulare adversus synodum
Auszüge der besonders zu beanstandenden Passagen zur Richtigstellung an Papst Hadrian I. (gest. 795) übersandte und zudem mit dem als
Libri Carolini
bekannten Werk
De impio imaginum cultu
(1731 von Christoph August Heumann besorgt) eine ausführliche Widerlegung der Konzilsbeschlüsse verfassen ließ. Im Schulterschluss mit Byzanz wies Hadrian die fränkische Position jedoch kategorisch zurück. Als die Beschlüsse von Nicäa auf der Synode von Frankfurt (794) nochmals thematisiert wurden, lehnte der fränkische Klerus wider Rom und Byzanz die Bilderverehrung offiziell ab. Im Hintergrund dürfte jedoch v.a. ein Übersetzungsproblem stehen, denn während in den griechischen Konzilsbeschlüssen von Nicäa zwischen
Verehrung
(
προσκύνησις
) und der allein Gott zukommenden
Anbetung
(
λατρεία
) unterschieden wurde, wurden in der lateinischen Übersetzung beide Begriffe mit
adoratio
(Anbetung) wiedergegeben. Nicht gemeint ist die von Bischof Jonas von Orléans (ca. 760–843) gegen den radikalen Ikonoklasten Claudius von Turin (gest. ca. 827) gerichtete Schrift
De cultu imaginum
.
Beweis des zweyten nicäischen Concilii für den Bilderdienst
Das im Rahmen des byzantinischen Bilderstreites (vgl. II § 83) unter römisch-katholischer, nicht aber unter fränkischer (s.o.) Beteiligung abgehaltene Zweite Konzil von Nicäa (787) hob die bilderfeindlichen Beschlüsse des vorangegangenen Konzils von Hiereia (754) auf und entschied, dass Bilder zu
verehren
, aber nicht
anzubeten
seien. Hatte die ikonoklastische Politik der Kaiser Leo III. (ca. 680–741) und Konstantin V. (718–775) in Hiereia noch zur Exkommunikation des Johannes von Damaskus (vgl. II § 115) geführt, wurde er auf dem von der für ihren minderjährigen Sohn Konstantin VI. (ca. 771–797) regierenden bilderfreundlichen Kaiserwitwe Irene (ca. 752–803) einberufenen Konzil von Nicäa rehabilitiert.
Radbert konnte schon im 9ten Jahrhundert […] daß Berenger die gegenseitige Meinung als eine Ketzerey abschwören mußte
Im Abendmahlsstreit des 11. Jh.s vertrat Berengar von Tours (ca. 1000–1088) im Anschluss an Radberts (ca. 790–859) Gegenspieler Ratramnus von Corbie (gest. ca. 870) eine Position, die der Lehre von der Transsubstantiation und der Realpräsenz, wie sie sich seit den radbertschen Streitigkeiten des 9. Jh.s etabliert hatte (vgl. II § 110), zuwider lief. Berengar, dessen symbolistische Abendmahlslehre v.a. von Lanfranc von Pavia (auch Bec) (ca. 1010–1089), dem späteren Erzbischof von Canterbury, zurückgewiesen wurde, wurde ab 1050 mehrfach, u.a. in Tours (s.u.), verurteilt und gezwungen, sich zur orthodoxen Lehre zu bekennen. Seine endgültige Unterwerfung geschah auf der Fastensynode in Rom (1079) und dem Konzil von Bordeaux (1080), doch hielt sich Berengar nicht an das gegen ihn ergangene Lehrverbot.
Pabst Gregor 7.
Der v.a. im Zusammenhang des Investiturstreits und durch die nach ihm benannten
Gregorianischen Reformen
bekannte Gregor VII. (1073–1085) war vor seiner Wahl zum Papst unter dem Namen Hildebrand zwischen 1054 und 1058 als päpstlicher Legat in Frankreich tätig. In dieser Eigenschaft leitete er die Synode von Tours (1054), auf der die Auseinandersetzung um die Abendmahlslehre des Berengar (s.o.) beigelegt werden sollte, und wirkte darauf hin, dass Berengar nach Rom reisen und seinen Fall dort klären lassen sollte. Da jedoch alle Klärungsversuche scheiterten, sah sich Hildebrand nach seiner Papstweihe gezwungen, dieses Verfahren erneut aufzunehmen. Als er Berengar 1078 nach Rom berief, ließ er ihn, anfangs noch um einen Ausgleich bemüht, ein offen und unverfänglich formuliertes Bekenntnis ablegen. Neben den Kirchenvätern soll Gregor zusätzlich eine himmlische Offenbarung angeführt haben, in der ihm Berengars Rechtgläubigkeit bestätigt wurde. Berengars Verurteilung im darauffolgenden Jahr konnte jedoch nicht verhindert werden.
Berengarii Stelle in Leßings Berengar. Turonens. S. 152 f.
Gemeint ist Gotthold Ephraim Lessings
Berengarius Turonensis oder Ankündigung eines wichtigen Werkes desselben, wovon in der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel ein Manuscript befindlich, welches bisher völlig unerkannt geblieben
(Braunschweig 1770). Lessings Bericht über die von ihm während seiner Zeit als Bibliothekar in Wolfenbüttel entdeckte Handschrift führte zu einer Korrektur des überkommenen Berengarbildes.
Martene nov. thesaur. anecdot. Tom. IV. p. 103
Im vierten des von den Maurinern (vgl. II § 104) Edmond Martène (1654–1739) und Ursin Durand (1682–1771) erarbeiteten (vgl. II § 129) fünfbändigen
Thesaurus novus anecdotorum
(1717) findet sich an der angebenen Stelle das
Juramentum Berengarii Turonici clerici factum Romae in ecclesia Lateranensi de Eucharistia tempore Gregorii Septimi Papae
(aaO 103–114).
Albigenser
Der Name
Albigenser
bezeichnet ursprünglich die in der südfranzösischen Stadt Albi aufgetretenen Katharer (vgl. II § 19). Insbesondere seit dem ab 1209 geführten Albigenserkreuzzug wurden beide Bezeichnungen synonym verwendet.
Lehre von der Brodtverwandlung bewog den Pabst Innocenz 3. auf der lateranensischen Kirchenversammlung im Jahr 1215 […] anders Denkenden, als Ketzerey, zu gebieten
Auf der von Innozenz III. (1198–1216) einberufenen Vierten Lateransynode (1215) wurde u.a. die Lehre von der Transsubstantiation (vgl. II § 83) fixiert (Kanon 1). Gleichzeitig wurden umfassende Ketzereibestimmungen erlassen, die jeden Widerspruch gegen die Lehren des Konzils mit Bann und Exkommunikation bedrohten (Kanon 3).
N. Test. und von dem babylonischen Gefängniß 1520
Gemeint sind der
Sermon von dem neuen Testament, das ist von der heiligen Messe
(WA 6 [1888], [349] 353–380) aus dem Jahr 1520, in dem sich die Vorstellung von der Konsubstantiation, jedoch noch keine explizite Kritik an der Transsubstantiationslehre (vgl. II § 83) findet, sowie der zu den reformatorischen Hauptschriften zählende lateinische Traktat
De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium
(WA 6 [1888], [484] 497–573), in dem Kelchentzug (vgl. II 83), der Missbrauch der Messe und die Transsubstantiation als Grund für die Gegenwart Christi im Abendmahl angeprangert werden und zum ersten Mal die Siebenzahl der Sakramente bestritten wird.
Streit mit den Schweitzern
Gemeint ist der Mitte der 1520er Jahre aufbrechende erste Abendmahlsstreit der Reformationszeit, der eine massive theologische Auseinandersetzung nach sich zog (vgl. II § 83). V.a. durch die Beschlüsse des Reichstags zu Speyer (1529) spitzte sich die politische Lage der nach ihrer dortigen Protestation benannten Protestanten gleichzeitig soweit zu, dass Landgraf Philipp von Hessen (1504–1567) auf ein militärisches Bündnis gegen Kaiser und Papst drängte und im Hinblick auf konfessionelle Geschlossenheit zum Marburger Religionsgespräch (s.u.) einlud.
Marpurger Religionsgespräch
Das auf Initiative des um die Einheit aller protestantischen Kräfte (s.o.) bemühten Landgrafen Philipp von Hessen (1504–1567) zustande gekommene Marburger Religionsgespräch (1529) sollte eine Klärung der wichtigsten theologischen Differenzen zwischen Luther und den Schweizern um Zwingli bringen. Wie die
Marburger Artikel
, die kurze Zeit später gemeinsam mit den
Schwabacher Artikeln
(vgl. II § 212) zur Grundlage der Lehrartikel der
Confessio Augustana
(vgl. II § 211) werden sollten, zeigen, ist dies in einigen Punkten durchaus gelungen, doch konnte in der seit Jahren (s.o.) ausgetragenen Frage nach dem Abendmahlsverständnis (vgl. II § 83) keine Einigung erzielt werden.
wittenbergischen Concordie
Vgl. II § 98.
Erscheinung der zwinglischen Werke im Jahr 1543
Diese Ausgabe erschien auf Betreiben Heinrich Bullingers (1504–1575), der nach dem Tod Zwinglis im Jahre 1531 zu dessen Nachfolger gewählt worden war.
Betragen einiger seiner Schüler seit der Erscheinung des Zürcher Consensus im Jahr 1549
Bei dem von dem Zürcher Heinrich Bullinger (1504–1575) und dem Genfer Calvin erzielten
Consensus Tigurinus
(1549) handelt es sich um eine 26 Artikel umfassende Einigung der Schweizer Reformierten in der Sakramenten- und hier v.a. in der Abendmahlslehre. Verworfen wurden die katholischen Lehren von der Transsubstantiation (vgl. II § 83) sowie das mit der Realpräsenz und Ubiquität Christi (s.u.) rechnende und später in der
Konkordienformel
fixierte lutherische Abendmahlsverständnis (vgl. II § 83). Während der
Consensus Tigurinus
maßgeblich zur Annäherung der reformierten Positionen beitrug, vergrößerte er gleichzeitig den Abstand zu den Lutheranern.
Concordienformel
Vgl. II § 83.
kryptocalvinischen Händeln in Sachsen
Vgl. II § 98.
Lehre von der Ubiquität der Menschheit Christi […] wesentlichen Gegenwart des Leibes Christi im heil. Abendmahl geleitet wurde
Durch die Lehre von der Ubiquität (Allgegenwart) wird in der lutherischen Theologie seit dem 16. Jh. die Realpräsenz Jesu Christi im Abendmahl begründet. Anders als in der katholischen Transsubstantiationslehre (vgl. II § 83) kann Christus deswegen leiblich im Abendmahl anwesend sein, weil er nicht nur seiner göttlichen Natur nach an der göttlichen Allgegenwart partizipiere, sondern auch seiner menschlichen Natur nach, da beide Naturen Christi nicht von einander zu trennen seien und sich wechselseitig durchdringen (
Communicatio idiomatum
) (vgl. I § 63). Die später in die
Konkordienformel
(vgl. II § 83) aufgenommene Ubiquitätslehre wurde von katholischer, aber auch auf reformierter Seite, etwa im
Consensus Tigurinus
(s.o.), verworfen.
Erklärung der Stelle Joh. 14, 28. von der
ἀγεννησια
des Vaters
Die subordinatianistisch anmutende und insbesondere für den arianischen Streit (vgl. I § 63) einschlägige Feststellung, der Vater sei größer als der Sohn (Joh 14,28), hat bereits in der Zeit der Alten Kirche unterschiedliche Deutungen nach sich gezogen. Mithilfe der Vorstellung, dass allein der Vater ungezeugt, d.h. ohne Ursache (
ἀγεννησία
/
innascibilitas
), sei und der Sohn und der Heilige Geist aus dem Vater (vgl. jedoch das
Filioque
) hervorgehen (
γέννησις
/
generatio
bzw.
ἐκπόρευσις
/
processio
), kann der Vater zwar im Hinblick auf diese trinitätsinternen Relationen als größer verstanden werden, nicht aber im Hinblick auf die
οὐσία
(vgl. II § 83).
augustinianischen Prädestination
Ausgehend von der Idee der Erbsünde, d.h. der Vorstellung von der Übertragung der Sünde Adams auf seine Nachkommen, vertrat der Kirchenvater Augustin höchst einflussreich eine Prädestinationslehre, nach der der Mensch im Hinblick auf sein Heil allein von der Gnade Gottes abhängt (vgl. II § 83), der die einen zum Heil und die anderen zur Verdammnis vorherbestimmt hat (doppelte Prädestination bzw. doppelter Ausgang) (vgl. II § 212). Anders als in der Konzeption des Pelagius (vgl. II § 88) hat der Mensch keinen Einfluss auf sein Heil.
Vereinigung beyder Naturen in Christo
Vgl. I § 63.
Bedenklichkeit, Apgesch. 3, 21. durch quem oportuit coelo capi zu übersetzen, aus Furcht der Ubiquität zu nahe zu treten
Bereits im Zusammenhang des in lateinischer Sprache verfassten und für den Schulunterricht bestimmten Wittenberger Katechismus (1571) war es v.a. deswegen zu massiver Kritik gekommen, weil Apg 3,21
ὃν δεῖ οὐρανὸν μὲν δέξασθαι
im Anschluss an Theodor Beza passivisch übersetzt worden war. Luther hatte das Relativpronomen
ὅν
an dieser Stelle als Subjekt aufgefasst und aktivisch übersetzt, Christus müsse den Himmel einnehmen, die passivische Übersetzung fasst ὅν dagegen als Objekt auf und übersetzt, Christus müsse in den Himmel aufgenommen werden bzw. dort gefangen sein. Da die passivische Übersetzung nahelegt, Christus sei nach der Himmelfahrt seiner menschlichen Natur nach ausschließlich im Himmel gegenwärtig, so dass in der Folge die durch die Ubiquitätslehre (s.o.) begründete leibliche Anwesenheit Christi im Abendmahl auch seiner menschlichen Natur nach unmöglich sei, wurde sie auf lutherischer Seite abgelehnt.
verschiednen Bedeutungen der
ὁμοουσιας
vor und nach dem ersten nicäischen Concilium
Vgl. I § 63.
ὑποστασις
,
φυσις
,
φυσικη ἑνωσις
,
συγκρασις
,
φθαρτον
u. a. bey den arianischen, nestorianischen und monophysitischen Streitigkeiten
Zu den Begriffen
ὑπόστασις
und
φύσις
vgl. II § 83, zur Einheit beider Naturen Christi (
φυσικὴ ἕνωσις
), ihrer Vermischung (
σύγκρασις
) und zum vergänglichen (
φθαρτόν
) Leib (s.o.) Christi vgl. I § 63.
114
401
.
Schon der
große
grosse
Umfang dieser Geschichte macht die Untersuchung derselben sehr schwer, und vielleicht ist
bey
bei
keinem Theil der Kirchenhistorie,
ausser
außer
den andern oben
angegebnen
angegebenen
Wissenschaften (§.
104
391
flg.
104.
fg.
) eine ausgebreitete Kenntniß der historischen
Denkmahle
Denkmahle und der
Religionsschriften
Religionsschriften aller christlichen Völker und Zeiten, eine genaue Bekanntschaft mit dem mannichfaltigen kirchlichen Sprachgebrauch und der Geschichte der
Philosophie,
Philosophie
nöthiger, fast
bey
bei
keinem ist auch strenge
Unparteylichkeit
Unparteylichkeit
Unpartheylichkeit
Unparteilichkeit
zu beobachten schwerer, als
bey
bei
diesem. Aber es belohnt sich auch der darauf gewandte Fleiß genug durch
große
grosse
Vortheile, die schon oben
bey
bei
dem Nutzen der Kirchengeschichte angegeben sind, und
die
vorzüglich
können
aus dieser Lehrgeschichte gezogen
werden. Unsre
werden können. Unsere
Einsichten in
die
der
Religion
Religion bleiben immer sehr eingeschränkt, wenn man die
verschiednen
verschiedenen
Gestalten und Seiten nicht kennt, in und auf welchen sich eine Sache dem menschlichen Verstande darstellt. Man bleibt um so mehr auf seinen Meinungen ersessen, und taub gegen alle
bessre
bessere
Einsichten, je weniger Seiten einer Sache, und je weniger man die
Gründe
Gründe kennt, die
Andre
Andere
, an ders zu urtheilen, oder sich
auszudrucken
auszudrücken
, bewogen haben. Nur alsdann
kan
kann
man dem Mißverstand und
den
Wortstreitigkeiten
Wortstreitigkeiten vorbeugen, die so ganz alle richtige Entscheidung verhindern, Irrthümern und
Zweydeutigkeiten
Zweideutigkeiten
auf den Grund kommen, richtiger und billiger von
Andrer
Anderer
Meinungen und ihrer Unschuld oder ihrem Werth urtheilen, und selbst bestimmter denken und sich
ausdrucken
ausdrücken
lernen, wenn man hinlänglich mit der Geschichte dieser Lehren und der
verschiednen
verschiedenen
Vorstellungen davon bekannt ist.
Anm.
Der Eifer, mit dem
Nestorius von Konstantinopel
Nestorius
Nestorius
und die Morgenländer sich dem Ausdruck
Mutter Gottes
(
Θεοτόκος
(
Θεοτοκος
)
widersetzten
wiedersetzten
, hingegen auf stete Unterscheidung der
beyden
beiden
Naturen in
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christo
drangen, und umgekehrt des
Cyrill von Alexandrien
Cyrillus
Cyrillus
Eifer für jenen und wider diese, gründete sich
bey
bei
jenen auf die Furcht
für den
Apollinarismus
vor dem
Apollinarismus
, der in Syrien, und
bey
bei
diesem auf den Eifer gegen den
Arianismus
Arianismus
, der in Aegypten mehr herrschte. Dieses
Beyspiel
Beispiel
, so wie
Jovinian
Jovinians
Jovinian's
Satz: omnia peccata paria
esse;
esse,
der dem
Johannes Philoponus
Johannes Philoponus
Johannes Philoponus
Schuld
gegebne
gegebene
Tritheismus;
Tritheismus,
Agricola, Johannes
Joh. Agricola
Joh. Agricola
und der
Antinomer
Antinomer
Eifer wider das
Gesetz;
Gesetz,
der
Streit über den Satz: ob gute Werke zur Seligkeit nöthig sind? und tausend
andre Beyspiele
andere Beispiele
, erläutern das hier Gesagte.
Vergl.
Vergleiche
Ernesti, Johann August
J. A. Ernesti
Opuscula theologica, 13te
Abhandl.
Abhandlung
und
Walch, Christian Wilhelm Franz
J.
C.
W. F. Walch
Gedanken von der Geschichte der Glaubenslehre,
zweyte
zweite
Ausgabe, Göttingen 1764.
8.
Nestorius und die Morgenländer sich dem Ausdruck Mutter Gottes (
Θεοτόκος
) widersetzten […] Unterscheidung der beyden Naturen in Christo drangen
Zum nestorianischen Streit vgl. I § 63.
Cyrillus Eifer für jenen und wider diese
Als der große Gegenspieler des Nestorius von Konstantinopel (s.o.) sah Bischof Kyrill von Alexandrien (gest. 444) in der nestorianischen Lehre, Christi göttliche und menschliche Natur sei geteilt und unvermischt, einen Angriff auf die Trinität, im Hinblick auf Maria war er ein Verfechter der Bezeichnung
Gottes
gebärerin (
Θεοτόκος
). Vor dem Hintergrund des Machtkampfes zwischen Rom und Konstantinopel konnte Kyrill Papst Caelestinus I. (422–432) von seiner Position überzeugen, so dass Nestorius auf dem Konzil von Ephesus (431), einem Zentrum der Marienverehrung, verurteilt wurde.
Apollinarismus
Vgl. II § 102.
Arianismus
Vgl. I § 63.
Jovinians Satz: omnia peccata paria esse
Der im Jahre 390 als Häretiker verurteilte und v.a. aus der Darstellung des Hieronymus (
Adversus Iovinianum
) bekannte Mönch Jovinianus (gest. vor 406) vertrat eine antiasketische Lehre, nach der Ehe und Ehelosigkeit, Fasten und Genuß, freiwillige Armut und Reichtum u.Ä. für alle, die die Taufe bewahren, den gleichen himmlischen Verdienst nach sich ziehen. Der in diesem Zusammenhang von Augustin referierte Grundsatz Jovinians, alle Sünden seien gleich (
omnia peccata paria esse
), ist stoischer Herkunft.
Johannes Philoponus Schuld gegebne Tritheismus
Als Philosoph ist der neuplatonisch geschulte Johannes Philoponus (gest. nach 575) insbesondere als Kritiker des Neuplatonismus sowie als Aristoteles-Kommentator hervorgetreten, in seinen später verfassten theologischen Werken optierte er u.a. für den Monophysitismus (vgl. I § 63) und hob gleichzeitig die Unterschiedenheit der drei trinitarischen Personen hervor, die er als drei Substanzen betrachtete (vgl. II § 83). Auch wenn Johannes aus diesem Grund auf dem Dritten Konzil von Konstantinopel (680/681) als Tritheist verurteilt wurde, gehört er zu den wichtigsten Gelehrten des 6. Jh.s und hat die byzantinische und arabische Philosophie wie auch das naturphilosophische Denken des Mittelalters und der Frühen Neuzeit beeinflusst.
Joh. Agricola und der Antinomer Eifer wider das Gesetz
Die guten Beziehungen des Reformators Johannes Agricola (1492/1494–1566) zu Luther und Melanchthon wurden ab 1525 in seiner Zeit als Rektor und Prediger in Eisleben und auch nach seiner 1536 erfolgten Rückkehr nach Wittenberg von Differenzen im Hinblick auf die Bedeutung des Gesetzes überschattet, die Agricola 1540 fluchtartig an den brandenburgischen Kurfürstenhof wechseln ließen. Gegen die lutherische Auffassung, das Gesetz lege das vollkommene Angewiesensein des sündigen Menschen auf die Gnade Gottes offen (
usus elenchticus
), vertrat Agricola die Position, dass das Gesetz keine Bedeutung für das Heil besitze, sondern der Glaube allein zureiche. Dieser erste antinomistische Streit flammte im Zusammenhang des sog. majoristischen Streites zwischen Gnesiolutheranern und Philippisten wenige Jahre später als zweiter antinomistischer Streit erneut auf. Eine Entscheidung brachte die
Konkordienformel
(II § 83).
Streit über den Satz: ob gute Werke zur Seligkeit nöthig sind
Vgl. II § 83.
J. A. Ernesti Opuscula theologica, 13te Abhandl.
Die dreizehnte Abhandlung in Johann August Ernestis
Opuscula theologica
(1773) trägt den Titel
De theologiae historicae et dogmaticae coniungendae necessitate et modo universo
(aaO 565–590).
J. W. F. Walch
Die
Gedanken von der Geschichte der Glaubenslehre
stammen, wie in der Erstauflage der
Anweisung
korrekt bibliographiert, von Christian Wilhelm Franz Walch.
115
402
.
Unter den
Quellen der christlichen
Lehrgeschichte
Lehrgeschichte
Quellen der christlichen Lehrgeschichte
haben die Schriften dererjenigen den ausgebreitetsten
Nutzen
Nutzen, welche über christliche Lehren geschrieben haben, es
sey
sei
daß sie ihre
eigne
eigenen
Gedanken darüber
äusserten
äußerten
, oder
verschiedne
verschiedene
Meinungen darüber, oder wenigstens eine Er klärung und einen bestimmten Sinn einer christlichen Lehre
erwähnten
erwehnten
. Durch sie wird man nicht nur mit mehrern Vorstellungen über einen
Lehrpunct
Lehrpunct
Lehrpunkt
, man wird auch zum Theil mit den Gründen bekannt, wodurch man jene unterstützt hat, oder mit den Meinungen, die auf jene geführt, oder ihr ein gewisses
Ansehn
Ansehen
verschafft haben; welchen Nutzen
andre
andere
Denkmahle
Denkmale
, selbst öffentliche
Bekenntnißschriften
Bekenntnißschriften, nicht leisten, wenn sie nicht zugleich Schutz- und Vertheidigungsschriften sind. Diejenigen christlichen Schriftsteller, welche
bey
bei
der in gewissen christlichen Ländern herrschenden
Lehrpartey
Lehrpartey
Lehrparthey
Lehrpartei
ein vorzügliches
Ansehn
Ansehen
erlangt haben, entweder als Zeugen und treue Fortpflanzer derjenigen Vorstellung von einer Lehre, die dergleichen
Partey
Parthey
Partei
für die richtigste hält, oder als solche, welche die richtige Vorstellung getroffen haben, sind in so fern die wichtigsten, als ihr Ansehen
bey
bei
solchen
Parteyen
Partheyen
Parteien
die Kraft eines Beweises erlangt hat, und man aus ihrer Geschichte sieht, wie und warum sie, wenigstens in gewisser Absicht, dieses Ansehen erhalten haben. In diesem Ansehen stehen die sogenannten
Kirchenväter
Kirchenväter
(Patres)
bey
bei
allen
den
Parteyen
Partheyen
denen
, welche eine
historische Lehrtradition
historische Lehrtradition
als verbindlich zum Glauben ansehen,
bey andern
bei Andern
aber als Zeugen der Vorstellungen, die in den herrschenden Kirchen für die richtigsten gehalten worden sind, oder wenigstens jetzt gehalten werden.
Anm.
Anm.
1.
Anm.
1)
Bekanntlich ist der
Begrif
Begriff
von
Kirchenvätern
sehr schwankend, und muß es, nach dem bisher Gesagten, seyn. Denn da es 1) mehrere herrschende
Parteyen
Partheyen
Parteien
giebt, worunter sich jede für die rechtgläubigste hält, und jede in ihren Meinungen,
zumal
zumahl
in denen, worin sie sich von andern unterscheidet, von gewissen Schriftstellern gestimmt worden ist: so hat
mancher
Mancher
in einer den ehrwürdigen Namen eines Vaters bekommen, der in der andern als Ketzer angesehen, oder nicht geachtet wird; wie
Theodorus von Mopsuestia
Theodor von Mopsveste
Theodor von Mopsveste
in der chaldäischen,
Cyrill von Alexandrien
Cyrill von Alexandrien
Cyrill von Alexandrien
in der
jacobitischen,
Ambrosius von Mailand
Ambrosius
,
Hieronymus
Hieronymus
,
Augustin von Hippo
Augustin
, Pabst
Leo III.
Leo 3.
jakobitischen
Ambrosius
,
Hieronymus
,
Augustin
, Papst
Leo III.
und
Gregor d. Gr.
Gregor der
Große
Grosse
Gregor der Große
in der lateinischen Kirche
etc.
2) Manche,
Tertullian
Tertullian
Tertullian
z. B.
und
Origenes
Origenes
Origenes
, haben, durch irgend eine Ursach, entweder kein entscheidendes dogmatisches
Ansehn
Ansehen
erlangt oder es
verlohren
verloren
, und werden nur als Zeugen oder Erhalter der
Tradition
Tradition geachtet. 3) In einer herrschenden Kirche ist nicht immer eine Vorstellung die herrschende,
z. B.
die
augustinianische
Augustinianische
Vorstellung von Prädestination, den
Kräften des Menschen und der Gnade, die
Lehre von der
Brodtverwandlung
Brodverwandlung
und der
Kelchsverweigerung; daher
(der sehr pelagianisirende)
Hilarius von Poitiers
Hilarius von Poitiers
Hilarius von Poitiers
und
Cassian
Cassian
Caßian
Cassian
lange nicht das
Ansehn
Ansehen
erlangt oder erhalten haben, das sich
Augustin von Hippo
Augustin
Augustin
erwarb.
Ueberhaupt, so
Ueberhaupt so,
wie durch
besondre
besondere
Zufälle und Zeitumstände gewisse Vorstellungen herrschend, und durch Kirchengesetze bestätigt, folglich die
Freyheit
Freiheit
im Glauben gehemmt worden; so wie herrschende Kirchen sich von andern herrschenden Kirchen getrennt haben, jede sich auf Tradition berufen, und jede gesehen hat, mit welchen Schriftstellern
ihr
Lehrbegriff am meisten einstimmte, oder von ihnen am deutlichsten war vorgetragen worden: so hat sie diese erhoben,
zumal
zumahl
wenn sie von
ihrer
Kirche waren, und die andern sinken oder liegen
laßen
lassen
. So gelten,
ausser
außer
den
erwähnten
erwehnten
, der
heilige
Bernhard von Clairvaux
Bernhard
Bernhard
und
Thomas von Aquin
Thomas von Aquino
Thomas von Aquino
in der lateinischen Kirche überhaupt mehr, als
Clemens von Alexandrien
Clemens von Alexandrien
Clemens von Alexandrien
und
Johannes von Damaskus
Johann von Da mascus
,
Hieronymus
Hieronymus
Johann von Damascus
,
Hieronymus
mehr als
Origenes
Origenes
,
Ambrosius von Mailand
Ambrosius
Origenes
,
Ambrosius
mehr als
Basilius d. Gr.
Basilius
,
Basilius
, –
so sehr auch
Hieronymus
Hieronymus
Hieronymus
und
Ambrosius von Mailand
Ambrosius
Ambrosius
die
beyden
beiden
andern ausgeschrieben haben.
Anm.
Anm.
2.
2)
So wie das dogmatische
Ansehn
Ansehen
der Kirchenschriftsteller den
Begriff
Begrif
der
Kirchenväter
sehr schwankend macht: so auch die Gewohnheit, diesen Namen nur auf Schriftsteller einer
gewissen Zeit
gewissen Zeit
einzuschränken. Manche rechnen dahin nur Schriftsteller der
sechs ersten Jahrhunderte; andre
sechs ersten Jahrhunderte
; Andere
dehnen den Namen bis auf den
Ursprung der
Scholastiker
Scholastiker
, oder vielmehr bis auf die Zeit aus, wo im
12ten Jahrhundert
Petrus Lombardus
Peter der Lombarde
Peter der Lombarde
in der lateinischen Kirche angefangen hat, ein theologisches System aus den Aussprüchen der Kirchenväter
zusammenzusetzen; noch andre
zusammenzusetzen. Noch Andere
geben diesen Namen auch
andern
Andern
bis gegen die Zeiten der Reformation. Vielleicht rührt der
erste
gewöhnlichste
Begriff
Lehrbegriff
daher, daß seit dem
7ten Jahrhundert
Isidor von Sevilla
Isidorus von Seville
Isidorus von Seville
,
und nach ihm
mehrere
Mehrere
in der lateinischen Kirche angefangen, die Sentenzen vorhergehender Schriftsteller unter gewisse Rubriken zusammenzutragen, so wie es
Johannes von Damaskus
Johann von Damascus
im 8ten in der griechischen Kirche that, und daß seit
dem
der
Synodo Trullana im Jahr 692, noch mehr aber seit der
Trennung der
Päbste
Päpste
von der griechischen Herrschaft, und des griechischen und abendländischen Kaiserthums im 8ten Jahrhundert, und vollends der
griechischen und lateinischen Kirche im 9ten, jede Kirche ihre Tradition und Kirchengesetze vor sich gehabt, also keine Schriftsteller mehr von da an ein dogmatisches Ansehen,
ausser
außer
ihrer besondern Kirche, bekommen haben,
zumal
zumahl
da seitdem
theils
in
beyden
beiden
Kirchen fast alle Schriftsteller die vorhergehenden ausgeschrieben, und sich selbst dadurch das Ansehen der Orthodoxie zu geben gesucht,
theils
die römischen Bischöfe eine
beynahe
beinahe
ausschließende
ausschliessende
gesetzgebende Gewalt erlangt haben. Die
zweyte
zweite
Bedeutung, die der lateinischen Kirche eigen ist, rührt ohne Zweifel vom Ursprung der compilirten Sentenzen
Petrus Lombardus
Peters
Peter's
des Lombarden
her, die seitdem das allgemeine Lehrbuch wurden, und von der gedachten
entscheidenden Gewalt der
Päbste
Päpste
in allen Streitigkeiten über noch nicht bestimmte Lehrfragen. Die
dritte
ist die ungewöhnlichste, und hat einigen wenigen Schriftstellern, als dem
heil.
heiligen
Thomas von Aquin
Thomas
,
Gerson, Johannes
Gerson
u. a.
u. a.,
bloß wegen ihres
großen
grossen
Ansehens diesen Namen zuwege gebracht.
Theodor von Mopsveste in der chaldäischen
Theodor von Mopsuestia (ca. 350–428) ist während seines sich über vier Jahrzehnte erstreckenden Episkopats als bedeutender theologischer Schriftsteller hervorgetreten. Sein dogmatisches Schrifttum wurde im Zuge des Drei-Kapitel-Streites (vgl. II § 98) zwar nahezu vollständig vernichtet, war jedoch zuvor längst ins Syrische übersetzt worden, große Teile seiner Exegetica sind im griechischen Original oder in lateinischer Übersetzung überliefert. Zwar galt Theodor zu Lebzeiten als orthodox, doch wurde er im Rahmen der nestorianischen Auseinandersetzungen (vgl. I § 63) von Kyrill von Alexandrien (s.u.; vgl. II § 114) als Häretiker desavouiert. Tatsächlich erreichte die Zwei-Naturen-Lehre mit Theodor, neben seinem Schüler Nestorius der bedeutendste Theologe der chaldäischen, d.h. nestorianischen, Kirche (ostsyrisches Christentum), einen vorläufigen Höhepunkt.
Cyrill von Alexandrien in der jacobitischen
Der als Gegner des Nestorianismus bekannte Kyrill von Alexandrien (vgl. II § 114) vertrat eine monophysitische Christologie (vgl. I § 63), die sich nach dem Konzil von Ephesus (431) rasch durchsetzen konnte und die Anhänger einer antiochenischen Christologie, wie sie von etwa Theodor von Mopsuestia (s.o.) vertreten wurde, nach Osten bis in das Sassanidenreich abdrängte. Die nach dem Bischof und Kirchenorganisator Jakob Baradäus (gest. 578) benannte jakobitische Kirche ist eine Fremdbezeichnung für die sich auf Kyrill berufende syrisch-orthodoxe Kirche (westsyrisches Christentum), wird von dieser jedoch abgelehnt. Von einem syrisch-orthodoxen Monophysitismus zu sprechen, ist insofern problematisch, als die Christologie eines Eutyches (gest. nach 454) verworfen wurde. Im Hinblick auf das syrische Christentum insgesamt werden die aus häresiologischem Kontext stammenden Bezeichnungen
Monophysiten
und
Nestorianer
(s.o.) heute vermieden.
Ambrosius, Hieronymus, Augustin, Pabst Leo 3. und Gregor der Große in der lateinischen Kirche
Ambrosius (vgl. II § 104), Hieronymus (vgl. II § 83), Augustin (vgl. II § 19) und Papst Gregor I. d. Gr. (vgl. II § 121) werden als die vier großen Kirchenlehrer des lateinischen Westens zusammengefasst (im 19. Jh. ergänzt durch Johannes von Damaskus [s.u.]) und als Heilige verehrt. Papst Leo III. hatte Karl d. Gr. zum Kaiser gekrönt (vgl. II § 98).
augustinianische Vorstellung von Prädestination
Vgl. II § 113.
Kräften des Menschen und der Gnade
Im Zusammenhang der zuvor genannten Prädestinationslehre Augustins (s.o.) ist hier sicher zuerst an die pelagianischen (vgl. II § 88), dann aber auch an die jansenistischen Streitigkeiten (vgl. II § 98) zu denken; zum Verhältnis von Glaube (
fides
) und guten Werken (
bona opera
) vgl. II § 83.
Lehre von der Brodtverwandlung
Vgl. II § 83.
Kelchsverweigerung
Vgl. II § 83.
(der sehr pelagianisirende) Hilarius von Poitiers
Wenige Jahre nach seiner Taufe wurde der aus vornehmer nicht-christlicher Familie stammende Hilarius (Pictaviensis) (ca. 315–367) Bischof von Poitiers und im Rahmen des arianischen Streites einer der bedeutendsten Verteidiger des nizänischen Glaubens (vgl. II § 63). Da er die Verurteilung des Athanasius von Alexandrien (II § 83) verweigerte und im Verbund mit anderen Bischöfen Saturninus von Arles (gest. nach 361) – Arianer und führender Vertreter der kaiserlichen Religionspolitik in Gallien – exkommunizierte, wurde er von Constantius II. (317–361) 356 nach Phrygien exiliert. Hier mit der Theologie des Ostens in Kontakt gekommen, hielt er Verbindung zu seinen gallischen Mitbischöfen und setzte seinen Kampf gegen den Arianismus auch nach seiner Rückkehr 361 fort. Ein kurz darauf unter seiner Leitung in Paris abgehaltenes Konzil erneuerte die Exkommunikation des Saturninus; der Versuch, den homöischen Bischof Auxentius von Mailand abzusetzen, scheiterte. 1851 schließlich zum Kirchenlehrer erhoben, ist Hilarius als Exeget und Hymnendichter hervorgetreten, sein dogmatisches Hauptwerk
De trinitate
ist auch unter dem programmatischen Alternativtitel
Contra Arianos
bekannt. Dass Hilarius im Hinblick auf die Erbsündenlehre eine andere Position als Augustin (vgl. II § 113) erkennen lässt und von daher als
pelagianisierend
(vgl. II § 88) bezeichnet werden kann, ist im 18. Jh.
opinio communis
.
Cassian
Nach seinem Klostereintritt in Bethlehem und einem mehr als zehnjährigen Aufenthalt bei den Mönchen Palästinas und Ägyptens (Evagrius Ponticus), zog Johannes Cassianus (ca. 360–435) im Zuge der origenistischen Streitigkeiten (vgl. II § 98) 399 nach Konstantinopel, nach der Verbannung des Johannes Chrysostomus (II § 104) zu dessen Verteidung nach Rom und schließlich in das südliche Gallien, wo er 415 in Marseille ein Frauen- (St. Salvator) und ein Männerkloster (St. Victor) gründete. Seine die monastischen Verhältnisse im Osten widerspiegelnden
Institutiones
und
Conlationes
machen Cassian zum frühesten Lehrautor des lateinischen Mönchtums, bei
De incarnatione contra Nestorium
handelt es sich um den einzigen Widerlegungsversuch des Nestorius aus dem lateinischen Westen. Im Hinblick auf die Erbsünden- und Prädestinationslehre Augustins (vgl. II § 113) geht auch Cassian von der Unmöglichkeit der Sündenfreiheit aus, betont jedoch die zusammen mit der Gnade Gottes wirkende Freiheit des menschlichen Willens. Dieser pelagianisierende (vgl. II § 88) Mittelweg wird seit dem 16. Jh. mit dem Begriff
Semipelagianismus
belegt, der jedoch wie auch der Begriff
Pelagianismus
weniger auf die historische Kontroverse um Pelagius abgestellt ist, sondern im Wesentlichen der dogmatischen (polemischen) Beschreibung des Verhältnisses von göttlicher Gnade und der Möglichkeit menschlichen Zutuns dient.
heilige Bernhard
Der Zisterzienserabt Bernhard von Clairvaux (ca. 1090–1153) gehört zu den bedeutendsten Theologen nicht nur des Mittelalters. Aus seinem unermüdlichen weltlichen und kirchlichen Wirken seien die Parteinahme für Papst Innozenz II. (1130–1143) gegen Anaklet II. (1130–1138), die Auseinandersetzung mit Abaelard (vgl. II § 186), sein Wirken gegen die Katharer (vgl. II § 19) sowie seine Predigtinitiative für den letztlich erfolglosen Zweiten Kreuzzug (1147–1149) hervorgehoben. Theologisch ist Bernhard einer der Hauptvertreter der mittelalterlichen Christusmystik (v.a. Passionsmystik) und Marienverehrung (
doctor marianus
), sein hervorragender sprachlicher Stil brachte ihm den Titel
doctor mellifluus
(vgl. die gleichnamige Enzyklika des Jahres 1953) ein. Bereits 1174 heilig gesprochen, wurde der bisweilen als letzter Kirchenvater geltende Bernhard 1830 offiziell zum Kirchenlehrer erhoben.
Thomas von Aquino
Der zu den bedeutendsten Denkern des Abendlandes gehörende Dominikaner und Scholastiker (vgl. II § 19) Thomas von Aquin (ca. 1225–1274) ist philosophisch, v.a. vermittelt über seinen Lehrer Albertus Magnus (gest. 1280), Aristoteles verpflichtet, der nach seiner Wiederentdeckung nicht nur Thomas (sondern etwa auch den von ihm bekämpften Averroisten) als entscheidende Autorität einer außerchristlichen Vernunft galt. Theologisches Grundanliegen ist die Vermittlung von natürlicher Vernunfteinsicht und geoffenbarter Wahrheit. Ausweis seiner als exzessiv zu bezeichnenden wissenschaftlichen Arbeit ist ein monumentales Werk, aus dem die
Summa contra gentiles
, v.a. aber die
Summa Theologiae
als systematische Hauptschriften hervorragen. Kirchlicherseits wurde Thomas' philosophisches und theologisches Werk zunächst zögernd (Verurteilung des Aristotelismus einschließlich einiger Lehren des Aquinaten im 13. Jh.), nach seiner Heiligsprechung 1323 jedoch umso stärker rezipiert. 1567 zum Kirchenlehrer erhoben, ist sein Einfluss bis in die Gegenwart hinein beachtlich (Neuthomismus bzw. Neuscholastik).
Clemens von Alexandrien
Über (Titus Flavius) Clemens von Alexandrien (gest. ca. 220) ist wenig bekannt und manches umstritten. In der Mitte des 2. Jh.s vielleicht in Athen geboren, unternahm er ausgedehnte Studienreisen und schloss sich in Alexandrien schließlich Pantaenus (2. Jh.) und seiner Katechetenschule an. Nachdem er seinem verehrten Lehrer als Schulleiter nachgefolgt war, verließ er Alexandrien im Jahre 202. Dies dürfte nicht so sehr mit der Verfolgung unter Septimius Severus (146–211), sondern vielmehr mit Bischof Demetrius (gest. 232) in Zusammenhang gestanden haben, der auch mit Origenes in Konflikt geraten sollte (vgl. II § 85). Clemens' Hauptwerk, die sieben Bücher umfassenden
Teppiche
(
Στρωματεῖς
), stellen kein dogmatisches System dar, sondern sind der antiken Buntschriftstellerei zuzuordnen. Im Mittelpunkt steht die nicht im häretischen Sinne
gnostische
Erkenntnis der christlichen Offenbarung. Insgesamt lässt sich sein Werk als Versuch einer Synthese von biblischem Glauben und griechischem Denken verstehen, exegetisch ist ein Rückgriff auf Philo (gest. ca. 45) und dessen allegorische Schriftauslegung erkennbar. Clemens' Einfluss etwa auf den größeren Alexandriner Origenes ist unverkennbar, sein Ansehen wohl auch mit den Streitigkeiten um dessen Lehre (vgl. II § 98) verknüpft.
Johann von Damascus
Johannes von Damaskus (ca. 675–754) entstammte einer christlichen Familie der griechischen Oberschicht, die hervorragende Beziehungen zum Hof unterhielt. Um 700 zog sich Johannes aus dem Dienst des Kalifen in das Kloster Mar Saba bei Jerusalem zurück, entfaltete als Priester und Berater des Patriarchen eine umfangreiche schriftstellerische Tätigkeit und schuf mit seinem dreiteiligen Hauptwerk
Quelle der Erkenntnis
(
Πηγὴ γνώσεως
) eine systematische Summe christlicher Dogmatik, die sich als prägnante Zusammenfassung der altkirchlichen Lehrtradition darstellt und auf die mittelalterliche Scholastik (vgl. II § 19) gewirkt hat. Der letzte Teil wurde als
Expositio fidei
ins Lateinische übersetzt, in Anlehnung an die Sentenzen des Petrus Lombardus (s.u.) in vier Abteilungen untergliedert und vielfach auch als
Sententiae Damasceni
bezeichnet. Überdies verfasste Johannes Abhandlungen gegen Häretiker, bezog im byzantinischen Bilderstreit gegen die Ikonoklasten Position (vgl. II § 113) und ist als Autor von Hymnen und dichterischen Werken (die Zuschreibung des Mönchsromans
Barlaam und Josaphat
ist nicht mehr zu halten) hervorgetreten. Durch sein handschriftlich breit überliefertes und in viele Sprachen übersetztes Werk avancierte er in der griechischen Orthodoxie zum Normtheologen und gilt nach seiner Rezeption im lateinischen Abendland ab dem 12. Jh. als letzter gemeinsamer Kirchenlehrer des Ostens und des Westens (s.o.).
Basilius
Basilius d. Gr. (ca. 329–378) entstammt einer begüterten und christlichen Familie und war nach Studienaufenthalten in Konstantinopel und Athen 355/356 kurzzeitig als Rhetoriklehrer in seiner Heimatstadt Caesarea tätig. Nach einer entschiedenen Hinwendung zum christlichen Glauben begann Basilius, wohl dem Beispiel seiner Schwester Makrina folgend, ein monastisches Leben mit intensivem Bibelstudium, wandte sich als Teilnehmer von Synoden und Unterstützer seines weniger talentierten Bischofs Eusebius zunehmend jedoch auch kirchenpolitischen Aufgaben zu. Im Jahre 370 zum Bischof von Caesarea ernannt, sah er sich mit unterschiedlichen Auseinandersetzungen konfrontiert, als Hauptlinien seines Wirkens können jedoch die Konsolidierung des nizänischen Christentums (vgl. I § 63) und die Annäherung an den Westen hervorgehoben werden. Zwar blieben seine Bemühungen um eine Union mit Rom erfolglos, doch gelangen ihm und seinen Mitstreitern die Befestigung der neunizänischen Orthodoxie in Kleinasien. Sein umfang- und facettenreiches Werk macht Basilius zu einem der bedeutendsten Theologen der Antike. Basilius, sein jüngerer Bruder Gregor von Nyssa (gest. vor 400) und sein Freund Gregor von Nazianz (vgl. II § 102) werden als die
drei Kappadozier
bezeichnet, neben Gregor von Nazianz, Johannes Chrysostomus (vgl. II § 104) und Athanasius (vgl. II § 83) zählt er zu den vier griechischen Kirchenlehrern.
Ursprung der Scholastiker
Unter Verweis etwa auf Berengar von Tours (vgl. II § 113) oder Anselm von Canterbury (gest. 1109) wird der Ursprung der Scholastik (vgl. II § 19) Ende des 18. Jh.s eingedenk aller damit verbundenen Unwägbarkeiten immer wieder im 11. Jh. verortet. Noch vor der Gründung von Universitäten sind dabei bischöfliche oder Klosterschulen von besonderer Bedeutung.
12ten Jahrhundert Peter der Lombarde […] angefangen hat, ein theologisches System aus den Aussprüchen der Kirchenväter zusammenzusetzen
Der aus der Lombardei stammende Scholastiker (vgl. II § 19) Petrus Lombardus (ca. 1095–1160) kam ca. 1135 nach Paris und zählte hier zu den bedeutendsten Lehrern an der Domschule zu Notre-Dame. 1159 wurde er zum Bischof geweiht. Neben biblischen Glossen (vgl. II § 19) ist sein Name insbesondere mit den aus seiner Lehrtätigkeit hervorgegangenen vierbändigen
Sententiae
verbunden (
magister sententiarum
), einer Zusammenstellung von Kirchenväter- bzw. Kirchenlehrerzitaten. Dieses Werk wurde in der Folge immer wieder kommentiert (u.a. von Thomas von Aquin, Albertus Magnus und Bonaventura) und blieb, insbesondere nachdem die hier vertretene Trinititätslehre auf der Vierten Lateransynode (1215) gegen Joachim von Fiore (vgl. II § 83) gebilligt worden war, trotz mancher Kritik bis in das 16. Jh. hinein (im römisch-katholischen Kontext bisweilen deutlich länger) das allgemeine und wichtigste theologische Lehrbuch. Angeordnet sind die
Sentenzen
nach heilsgeschichtlichem Schema (I. Gotteslehre, II. Schöpfungs- und Sündenlehre, III. Christologie und Tugendlehre, IV. Sakramentenlehre und Eschatologie), eine ausgearbeitete Ekklesiologie fehlt, die Gnadenlehre wird im Zusammenhang mit dem Urstand (vgl. II.) formuliert.
7ten Jahrhundert Isidorus von Seville […] angefangen, die Sentenzen vorhergehender Schriftsteller unter gewisse Rubriken zusammenzutragen
Der einer hispano-römischen Familie entstammende Isidor von Sevilla (ca. 560–636) erhielt vermutlich an der bischöflichen Schule von Sevilla, wo sein älterer Bruder Leander (geb. vor 549) ab 584 das Bischofsamt versah, eine umfassende Ausbildung und folgte seinem Bruder ab 601 im Amte nach. Nach der Einigung Spaniens unter dem westgotischen König Leovigild (gest. 586) und der Bekehrung der arianischen (vgl. I § 63) Westgoten zum Katholizismus auf dem Dritten Konzil von Toledo (589) bestand Isidors Aufgabe insbesondere in der Reorganisation der Kirche und des Bildungswesens, die er in Zusammenarbeit mit König Sisebut (gest. 621) und dessen Nachfolger Suinthila (gest. 631) vornahm. Aus Isidors didaktischen, exegetischen, dogmatischen und kirchenrechtlichen Schriften ragen die 20 Bücher umfassenden
Etymologiae
oder
Origines
als Hauptwerk hervor, das erst von seinem Schüler Braulio von Saragossa (gest. 651) in seine endgültige Form gebracht wurde und durch seinen enzyklopädischen Charakter einen großen Teil des antiken Bildungsgutes an das Mittelalter überliefert hat. Im Blick sind hier jedoch auch die v.a. auf Augustin und Gregor d. Gr. (vgl. II § 121) fußenden
Sententiae
, ein dogmatisches und ethisches Lehrbuch für die westgotische Gesellschaft. Zu bemerken ist, dass Isidors Autorität Anlass zu Fälschungen gegeben hat (vgl. II § 83).
Synodo Trullana im Jahr 692
Die nach dem Kuppelbau (
trullum
) des Versammlungsorts, der konstantinopolitaner Kaiserresidenz, benannte zweite trullanische Synode (692) wurde 691 von Kaiser Justinian II. (ca. 668–711) einberufen und sollte der Klärung von Angelegenheiten dienen, die im Rahmen des Zweiten bzw. Dritten Konzils von Konstantinopel (553 bzw. 680/681) offen geblieben waren. Da v.a. Fragen der kirchlichen Praxis (Fastengebote, Simonieverbot, Verbot von Wahrsagerei und antiken Bräuchen, Zölibat, Ehe u.a.m.) entschieden wurden, die der Westen bisweilen anders handhabte, verweigerte Papst Sergius I. (gest. 701) zunächst die Zustimmung. Nachträglich und insofern der römischen Lehre nicht entgegenstehend wurden die insgesamt 102
in trullo
verabschiedeten Kanones jedoch auch im Westen akzeptiert. Als Abschluss der vorangegangenen konstantinopolitaner Konzilien hat die zweite trullanische Synode die kirchliche Praxis des orthodoxen Christentums entscheidend geprägt und der Auseinanderentwicklung von griechischer und lateinischer Kirche Vorschub geleistet.
Trennung der Päbste von der griechischen Herrschaft, und des griechischen und abendländischen Kaiserthums im 8ten Jahrhundert
Die im byzantinischen Bilderstreit (vgl. II § 113) präludierte Loslösung des Papsttums von Byzanz und die heute als
Zweikaiserproblem
diskutierte Entwicklung eines östlichen (Konstantinopel) und eines westlichen Kaisertums (Frankenreich) sind eng miteinander verbunden. Nach dem Untergang Westroms sah sich das oströmische Reich als alleiniger Nachfolger des römischen Imperiums, verschiedene Versuche, das Kaisertum im Westen zu erneuern, scheiterten. Im Jahre 754 schloss dann der von den Langobarden bedrängte Papst Stephan II. (752–757) in Abwendung von Byzanz ein Bündnis mit dem fränkischen König Pippin d. J. (714–768), der dem Papst gegen die Langobarden beistehen sollte. Im Gegenzug wurde Pippin zum Schutzherrn Roms (
patricius Romanorum
) ernannt, zudem sollte seine und auch die Herrschaft seiner Söhne Karl und Karlmann durch päpstliche Salbung bestätigt und dynastisch abgesichert werden. Nach Pippins Sieg über die Langobarden gingen umfangreiche langobardische Hoheitsbereiche, aber auch byzantinisches Territorium in Mittelitalien an den Papst (Pippinsche Schenkung). Diese Gebiete stehen am Beginn des Kirchenstaates, der in Gestalt des Vatikans bis heute existiert. Ihren Höhepunkt fand die Verbindung zwischen Papst und fränkischem Königshaus dann in der Krönung Karls d. Gr. durch Papst Leo III. (vgl. II § 98).
griechischen und lateinischen Kirche im 9ten
Gemeint ist wohl das in die Vorgeschichte des Großen Schismas von 1054 gehörende Photios-Schisma, das 858 mit der Verbannung des Ignatios (ca. 798–877) und der Einsetzung des Photios (ca. 810–894) als Patriarch von Konstantinopel begann. Nachdem Papst Nikolaus I. (858–867) Photios exkommuniziert und das Patriarchat des Ignatios bestätigt hatte, erklärte Photios Papst Nikolaus für abgesetzt, so dass es zu einem kurzzeitigen Schisma zwischen der Ost- und der Westkirche kam, in dessen Zusammenhang bereits bekannte, sich später jedoch kirchentrennend auswirkende Grundsatzfragen (v.a. nach dem
Filioque
) aufgeworfen wurden. Mit der Machtübernahme Basileios' I. (ca. 812–886) wurde der auch von dem neuen Papst Hadrian II. (867–872) gestützte Ignatios im Jahre 867 wieder als Patriarch eingesetzt, doch gelang Photios nach Ignatios' Tod die Rückkehr ins Amt. Nach seiner Bestätigung durch Synodalbeschluss wies er den Primatsanspruch Roms erneut zurück und unterstrich die Gleichrangigkeit beider Patriarchate (vgl. II § 102).
entscheidenden Gewalt der Päbste in allen Streitigkeiten über noch nicht bestimmte Lehrfragen
Vgl. II § 98.
heil. Thomas
D.i. Thomas von Aquin (s.o.).
Gerson
Johannes (Jean) Gerson (1363–1429), Theologe und Kanzler der Sorbonne, wandte sich ab der Jahrhundertwende verstärkt Studierenden und Laien zu. Vor diesem Hintergrund entwarf er ein Reformprogramm für die Pariser Fakultät und verfasste volkssprachliche Schriften, die später auch ins Lateinische übersetzt wurden. Zudem machte er in Vorlesungen die mystische Gotteserkenntnis gegenüber der Wissenschaft stark. Als Teilnehmer am Konzil von Konstanz (1414–1418) sprach er sich als Gutachter für die der
devotio moderna
verpflichteten
Brüder und Schwestern vom Gemeinsamen Leben
aus. In der Sache des Pariser Juristen und Theologen Jean Petit (ca. 1364–1411), der die brutale Ermordung des Herzogs von Orléans 1407 als Tyrannenmord gerechtfertigt hatte und deswegen bereits posthum 1413/1414 in Paris verurteilt worden war, setzte er sich für eine erneute Verurteilung ein und musste nach dem Konzil vor dem Herzog von Burgund, der diesen Mord veranlasst hatte, ins Exil nach Rattenberg am Inn und ins Kloster Melk fliehen. Seine letzten zehn Lebensjahre verbrachte er schriftstellerisch in Lyon. Gerson gilt als einer der prägenden Theologen des 15. Jh.s und wird, auch wenn er in Konstanz die Verurteilung des Jan Hus u.a. (vgl. II § 83; II § 98) mitverantwortet hat, bisweilen in die Vorgeschichte der Reformation eingeordnet.
116
403
.
Nach dem Namen der
Kirchenväter
Kirchenväter
Kirchenväter
(Patrum) nennt man die Erklärungen derselben über die christlichen Lehren zusammengenommen, oder den
Inbegrif
Inbegriff
ihrer Vorstellungen von dem, was zur christlichen Lehre gerechnet wird,
Patristik
Patristik im engern Verstande
, oder besser
patristische Theologie
, auch wohl
historische Theologie
im engsten Sinn
. Im
weitern Verstande
aber begreift man unter
Patristik
nicht nur dieses, sondern auch zugleich mit alle Kenntnisse, die zur Verständlichkeit und zum Gebrauch ihrer Schriften nöthig sind. Nun
ist
ist, wie schon bemerkt,
der
Begrif
Begriff
, der mit dem Namen der
Kirchenväter
verbunden wird, vieldeutig (§.
115
402
115.
Anm.
2
), und
2.);
Protestanten
aber
erkennen kein
dogmatisches
dogmatisches
, sondern bloß
historisches Ansehen
historisches Ansehen
derselben, welches die Kirchenväter mit jedem christlichen Schriftsteller gemein haben. Daher könnte man Patristik, wie patri stische Theo logie, auch
in dem weitesten Verstande
, von der Bekanntschaft mit den Umständen und dem
Lehrbegrif
Lehrbegrif
Lehrbegriff
christlicher Schriftsteller nehmen. Wenigstens gilt das, was im Folgenden davon gesagt wird, von allen Schriftstellern über christliche Lehre, obwohl
insbesondre
insbesondere
von denen, deren entscheidendes dogmatisches Ansehn in
denenjenigen
denjenigen
Kirchen anerkannt wird, welche sich an eine gewisse dogmatische Tradition, als Erkenntnißgrund der rechten
christlichen
christl.
Lehre, halten.
Anm.
Diese Kenntnisse machen also einen Theil der Kirchengeschichte aus, und, wenn Patristik im
engern
Sinn genommen wird, einen Theil der Geschichte christlicher Lehre.
117
404
.
Wer diese Kenntnisse besitzen will, der muß nicht nur die Schriftsteller selbst, wenigstens die merkwürdigern, kennen, die sich über die christliche
Lehre
Lehre entweder selbst erklärt, oder Erklärung Anderer darüber
erwähnt
erwehnt
haben; er muß auch wissen, was sie darüber für Schriften bekannt gemacht
haben
? ob diese Schriften und die dahin gehörigen Stellen und Lesearten wirklich ihnen, oder wem sie sonst angehören? und welchen Werth oder wenigstens Ansehen sie und ihre Schriften erlangt, besonders was
sie
für Veränderungen
sie
dadurch in der Kirche hervorgebracht haben?
118
405
.
Die Mühe, welche man auf das Studium der Schriften der eigentlichen
Kirchenväter
Kirchenväter (im gewöhnlichsten und engsten Verstande) wendet, belohnt sich zwar sehr wenig durch wirkliche
Aufklärung
Aufklärung der christlichen
Erkenntniß
Erkenntniß,
oder durch wahre
Erbauung
Erbauung, weil es den Meisten unter ihnen an gründlicher Kenntniß des Sprachgebrauchs der heiligen Schrift und an gesunder Philosophie fehlte, sie sich unglaublich viel
willkührliche
willkürliche
Einfälle zu gute hielten, und sie
meistens,
meistens
– die wenigstens, welche eben das meiste Ansehen der Rechtgläubigkeit erlangt
haben,
haben
– die
hergebrachte
hergebrachten
Lehrvorstellung
Lehrvorstellung fortpflanzten, oder derselben ihre Erklärungen anpaßten. Auch waren sie so wenig unfehlbar, als
immer Kenner
der ältern Vorstellungen von den christlichen Lehren unter
Christen
Christeu
und des wahren Sinnes
derselben hinlänglich kundig, noch
derselben, oder
uneingenommen genug für und wider die
Wahrheit
Wahrheit dieser Vorstellungen, als daß sie nicht
hätten,
hätten
mehr nach dem Herkommen, als nach reinen Gründen, Wahrheit und
Aechtheit
Echtheit
der
Tradition
Tradition entscheiden sollen. Sie können daher für uns, die wir diese Fehler an ihnen erkennen, und den Widerspruch sehen, in welchen sie theils oft mit sich selbst, theils mit andern eben so angesehenen, wenigstens eben so achtungswürdigen, Kirchenvätern
stehn
stehen
, keine Quelle der Erkenntniß wahrer christlichen Lehre seyn.
Anm.
S.
die in der
Anweisung
zur Kenntniß der Bücher in der Theologie §.
28
28.
und
389
389.
angeführten Schriften, nebst den daselbst §.
393
393.
bis
402
402.
erwähnten
erwehnten
protestantischen Schriftstellern über die Geschichte der christlichen Lehre.
Anweisung zur Kenntniß der Bücher in der Theologie […] daselbst §. 393 bis 402
Vgl. I § 43.
119
406
.
Dennoch
Deswegen
hat auch dieses Studium, und überhaupt die Bekanntschaft mit denen, welche über die christliche Lehre geschrieben haben,
sonderlich wenn sie im Ruf der vorzüglichen Richtigkeit christlicher Erkenntniß stehn,
seinen
großen
grossen
Nutzen
Nutzen. 1) Je weniger entfernt diese
Kirchenväter
Kirchenväter von den Zeiten der Apostel waren,
*)
oder je mehr sie in ihrem Vortrag
einzelne
einzle
Ausdrücke und Redensarten der heiligen Schrift in einem deutlichern Zusammenhang brauchen, oder statt derselben deutlichere setzen, oder je mehr sie Volksmeinungen
erwähnen
erwehnen
, auf welche auch in der heiligen Schrift angespielt wird:
je
desto
brauchbarer sind sie zur Kenntniß des eigentlichen Sprachgebrauchs und Sinnes der
Bibel
Bibel; so wie sie 2) dadurch, daß sie uns so viele Stellen der heiligen Schrift aufbehalten haben, zur
Kritik
Kritik des Textes des neuen Testaments unentbehrlich bleiben. 3) Sind es wirklich selbst denkende, und wenigstens da, wo sie nicht durch hergebrachte kirchliche Vorstellungen oder Meinungen ihrer besondern Philosophie gehindert wurden, untersuchende Männer: so führen sie uns auf manche nützliche Aussichten und Entdeckungen, auf die wir selbst,
bey
bei
einem gewissen gewohnten
Gesichtskreis
Gesichtskreise
, nicht gerathen seyn würden, und tragen in so fern viel wenigstens zur Erweiterung
unsrer
unserer
Erkenntniß der christlichen Lehre
bey;
bey,
bei;
verhindern wenigstens, daß wir nicht so leicht in die gewöhnlichen Fehler
dererjenigen
derjenigen
, die nur
vor
für
sich untersuchen,
d. i.
auf ein seitige Vorstellungen und auf die Einbildung, daß unsre Zeiten allein
aufgeklärt
aufgeklärt sind, verfallen. Hauptsächlich aber sind sie 4) die vornehmsten Quellen
bey
bei
allen Theilen der Kirchengeschichte, vornehmlich
bey
bei
Geschichte der christlichen Lehre, aus welchen wir nicht nur die Kenntniß der Veränderungen in der
Kirche
Kirche und
Lehre
Lehre, nebst deren Ursachen und Folgen, sondern auch die Kenntniß der kirchlichen Sprache schöpfen können; und
so fern
sofern
gewähren sie auch 5) den Nutzen, der oben der Kirchengeschichte in Absicht auf die systematische Theologie
beygelegt
beigelegt
wurde. Finden sich 6) in ihnen
Aeusserungen
Aeußerungen
, die von den jetzt herrschenden Vorstellungen in der Kirche
abgehn
abgehen
, so dienen deren Kenntnisse uns
alsdann
alsdenn
wenigstens zur
Schutzwehr
Schutzwehr gegen unglimpfliche Beurtheilungen oder Verketzerungen, und machen doch eher harte Richter in Glaubenssachen geneigt, Meinungen, die von den hergebrachten abgehen, mit mehrerer Mäßigung
anzusehn
anzusehen
, oder erst zu untersuchen.
Anm.
Wären nur gerade die, welche dem Ursprunge des Christenthums am nächsten stehen, bessere Sprachkenner, bessere Kritiker, bessere Hermeneuten gewesen! – Hätten die Gelehrtern nur nicht so viel fremde Ideen zum Christenthum mitgebracht! Hätte es nur nicht unter ihnen so vielen an rechtem philosophischem Geist gefehlt, – dann würden sie doch noch weit wichtiger für uns seyn.
A. d. H.
120
407
.
Wer
Muße
Musse
genug und Neigung hätte, die
Kirchenväter
Kirchenväter und Kirchenschriftsteller zu studieren, würde doch 1) wegen ihrer
großen
grossen
Menge, und weil so viele einander ausgeschrieben, oder doch wenig oder nichts Eignes haben, was man nicht in Andern schon besser fände, eine vorsichtige Wahl unter ihnen beobachten, und die vorzüglich ausheben müssen, welche
theils
für Andre den Ton angegeben, und durch ihr erlangtes
Ansehn Andre
Ansehen Andere
nach sich gezogen,
theils
gewisse
Lehrpuncte
Lehrpuncte
Lehrpunkte
oder Theile der Kirchengeschichte am deutlichsten und ausführlichsten abgehandelt haben; 2) eben daher, und um sie recht verstehen zu können, sich vorher wohl von ihren Umständen und Schriften vorläufig unterrichten, und sowohl alle oben (§.
104
104.
) angegebene
391
) angegebne
Hülfsmittel mitbringen, als die daselbst bemerkten Regeln beobachten; und 3) um den
Hauptnutzen
Hauptnutzen zu erreichen, den man aus dieser Lectüre in Absicht auf die Kirchengeschichte und den Ursprung und Fortgang der
verschiednen
verschiedenen
Vorstellungen von der christlichen Lehre ziehen
kan
kann
, die Kirchenschriftsteller nach der Zeitordnung, ihre
einzelne
einzle
einzelnen
Schriften aber nach ihren
verschiednen
verschiedenen
Arten oder
Classen
Klassen
, lesen, und
dabey
dabei
die correctesten und mit den zweckmäßigsten Erläuterungen versehenen Ausgaben zu gebrauchen suchen, unter welchen sich die, welche die
Benedictiner von der
Congregation des heiligen
Maurus von Subiaco
Maurus
Congregation des heiligen
Maurus
besorgt haben, besonders auszeichnen.
Anm.
Wer sich
aber
diesem Studium nicht mit
besondern
besonderm
Fleiß widmen könnte, thäte wenigstens wohl, die
trefliche
Rösler, Christian Friedrich
rößlerische
treffliche
Bibliothek der Kirchenväter in Uebersetzungen und Auszügen
(Leipzig 1776–86
in
von
Rößler
, Leipzig 1776–1786,
10
Theilen in
gr.
groß
8.)
Theile,
zu studieren, aus
der
denen
auch die, welche weiter gehen wollen, das lernen können, worauf sie vornehmlich
bey
bei
Lesung dieser Schriftsteller ihre Aufmerksamkeit zu richten haben.
Die
übrigen
hier nöthigen Schriften
s.
in der
Anweisung
etc.
§. 409
flgg.
folg.
Benedictiner von der Congregation des heiligen Maurus besorgt haben
Vgl. II § 104.
rößlerische Bibliothek der Kirchenväter in Uebersetzungen und Auszügen (Leipzig 1776–86 in 10 Theilen in gr. 8.)
Zusammengestellt und erarbeitet hat dieses Werk Christian Friedrich Rösler (1736–1821).
Anweisung etc. §. 409 flgg.
Vgl. I § 43.
121
408
.
Zunächst mit der
Geschichte
Geschichte der
Lehre
Lehre ist die
Geschichte der theologischen Wissenschaften
verbunden, die man, auch wie jene, Historiam doctrinae (der Gelehrsamkeit) genannt hat; denn von der Versäumniß oder der
Aufklärung
Aufklärung gewisser Arten
der Kenntnisse
von Kenntnissen
, der Sprachkunde, Kritik, Philosophie, Geschichte und der schönen Wissenschaften, mußte
freylich
freilich
die Gestalt der theologischen
Wissenschaften
Wissenschaften,
und somit auch der Vorstellungen von christlichen
Lehren
Lehren,
abhängen. Doch
kan
kann
diese Geschichte eben sowohl für einen Theil der Literar- als der Kirchengeschichte angesehen werden. Sie müßte zeigen: wie die theologischen und die dazu diensamen Wissenschaften, oder doch Kenntnisse, von Zeit zu Zeit und in verschiedenen Gegenden, unter den Christen beschaffen gewesen, und wodurch sie zu- oder
abgenommen?
abgenommen;
wer
Wer
, wie
weit
weit,
und
wodurch,
wodurch er
auf diesen Fortgang oder Verfall Einfluß gehabt
habe?
habe.
Dadurch würden alle Theile der Kirchengeschichte gewinnen, und man würde auf manche oft verkannte oder nicht genug erkannte Hindernisse und Hülfsmittel derselben aufmerksam gemacht werden.
Anm.
Man denke nur an die aus dem
Judenthum und der Hieroglyphik
andrer
anderer
Völker ins Christenthum
übergangne
übergegangene
Allegoriesucht
Allegoriesucht; an die aus der morgenländischen, griechischen und neuplatonischen Philosophie
herübergeleitete
herübergeleiteten
Principien; an den
Einfluß der theologischen Streitigkeiten seit dem 4ten Jahrhundert, und das
dabey
dabei
emporgekommene Anse hen menschlicher ge setzmäßig
gemachter
gemachten
Entscheidungen; an die
Wirkungen des ausgebreiteten Mönchsgeistes auf die Cultur; an den
Einfluß des
Origenes
Origenes
,
Chrysostomus
Chrysostomus
,
Augustin von Hippo
Augustins
,
Gregor d. Gr.
Gregorius des
Großen
Grossen
, der
Scholastiker
etc.
Scholastiker,
der sogenannten
Pietisten,
Methodisten
etc.
auf Andre. – Einige Versuche in dieser Geschichte sind in der
Anweisung
etc.
§.
389
389.
angezeigt.
Judenthum und der Hieroglyphik andrer Völker ins Christenthum übergangne Allegoriesucht
Im Rahmen der in der Aufklärungszeit verbreiteten und nicht mehr allein auf Schrift beschränkten Beschäftigung mit der Hieroglyphik (Warburton, Diderot, Herder u.a.) wurde angenommen, dass die gesamte, also auch religiöse Denkart der ältesten Völker (v.a. der Ägypter) hieroglyphisch, d.h. bildsprachlich bzw. sinnbildlich, verfasst gewesen sei und dass sich dies u.a. auch in den Vorstellungen des frühen Christentums niedergeschlagen habe.
Einfluß der theologischen Streitigkeiten seit dem 4ten Jahrhundert […] Ansehen menschlicher gesetzmäßig gemachter Entscheidungen
Gemeint sind v.a. die christologischen Auseinandersetzungen des 4. Jh.s und die mit ihnen verbundenen, die Lehre der Kirche feststellenden Konzilsentscheidungen (vgl. I § 63).
Wirkungen des ausgebreiteten Mönchsgeistes auf die Cultur
Gemeint ist die
Mönchsmoral
(vgl. II § 199), von der Nösselt auch als
Mönchsmaximen
(vgl. II § 186) spricht.
Einfluß des Origenes
Vgl. II § 85.
Chrysostomus
Vgl. II § 104.
Augustins
Vgl. II § 19; II § 113.
Gregorius des Großen
Der aus einer römischen Senatorenfamilie stammende, auch als auch Gregor der Große bekannte spätere Papst Gregor I. (590–604) schlug zunächst eine Verwaltungslaufbahn ein und hatte 572/573 als
praefectus urbi
die höchste Position der römischen Zivilverwaltung inne. Nur wenige Jahre später legte er dieses Amt jedoch nieder und wandte sich einem monastischen Leben zu, 590 folgte er schließlich Papst Pelagius II. (579–590) nach, für den er zuvor als Berater tätig war. Sein Pontifikat gestaltete sich äußerst schwierig (Glaubensspaltungen, Hungersnöte, Missstände im Klerus etc.), doch konnte der in seiner Grabinschrift als
consul Dei
bezeichnete Gregor aufgrund seiner administrativen Fähigkeiten angemessen reagieren und zudem auch die Mission vorantreiben (vgl. II § 128). Seine große Bedeutung (vgl. II § 115) beruhte jedoch nicht nur auf seinem Wirken als Reformpapst, sondern nicht zuletzt auch auf seinen Bibelkommentaren und Homilien.
Scholastiker
Vgl. II § 19.
Pietisten
Vgl. II § 98.
Methodisten
Der in der dritten Auflage der
Anweisung
nachgetragene Methodismus (aufgrund des strukturierten Lebensstils eine ursprünglich abwertende Bezeichnung) entstand in den 1730er Jahren als geistliche Erneuerungsbewegung innerhalb der anglikanischen Kirche und war in seiner Frühphase durch puritanische, pietistische und brüder-unitäre (herrnhutische) Einflüsse geprägt. Verbunden ist diese Zeit v.a. mit den Namen George Whitefield (1714–1770) sowie John (1703–1791) und Charles Wesley (1707–1788). Kennzeichnend für den frühen Methodismus waren eine intensive Predigttätigkeit, die Organisation in kleinen Gruppen außerhalb der Amtskirche sowie ein grundlegend spirituelles Gepräge. Die Gnadenlehre rechnet mit einem freien Willen, das Erlösungswerk Christi gilt anders als bei Augustin (vgl. II § 113) oder Calvin allen Menschen, die alle die Möglichkeit der christlichen Vollkommenheit besitzen. In der Folgezeit breitete sich der Methodismus zu einer weltweiten Religionsgemeinschaft aus, spaltete sich jedoch in eine Reihe methodistischer Kirchen auf.
Anweisung etc. §. 389
Vgl. I § 43.
122
409
.
Wenn die Verschiedenheit der Vorstellungen über gewisse
Lehren
Lehren,
oder der daher entstandenen Einrichtungen und
Gebräuche
Gebräuche,
für so wichtig angesehen wurde, daß man, wenigstens von der
Einen
einen
Seite
†)
,
Seite,
*)
glaubte, nicht mehr mit den hier anders Denkenden oder Handelnden
äusserliche
äußerliche
Kirchengemeinschaft
Kirchengemeinschaft unterhalten zu dürfen: so
entstanden besondre
bildeten sich besondere
Gesellschaften oder
Religionsparteyen
Religionsparteyen
Religionspartheyen
Religionsparteien
, in welchen, durch eine
entstandne
entstandene
eben so beurtheilte Verschiedenheit, wieder neue erzeugt wurden. Aller Nutzen, den die Geschichte der Lehre haben
kan
kann
, findet auch
bey
bei
der
Geschichte der
Religionsparteyen
Religionspartheyen
statt,
Religionsparteien
Statt;
ja der Nutzen dieser letztern ist
gewissermassen
gewissermaßen
noch
größer
grösser
, und diese Geschichte unterhaltender und lehrreicher, weil sie
große
grosse
Revolutionen, die
große, durch solche Trennungen
in der Kirche
durch solche Trennung entstanden sind
entstandene Revolutionen
, und keine
bloße
blosse
bloßen
Gegenstände der Speculation, sondern
Handlungen
Thatsachen
mit ihren Ursachen und
Folgen,
Folgen
darstellt.
†) Denn meistens
Anm.
*) Meistens
lag die Schuld der Trennung nicht an denen, die etwas Neues oder von den herrschen den Meinungen und Einrichtungen Abgehendes einzuführen schienen, sondern an der herrschenden
Partey
Parthey
Partei
, die
dergleichem
dergleichen
nicht dulden wollte, und die
anders Denkenden
Dissentirenden
ausstieß. So wollten sich weder die
Pelagianer noch
Jansenisten von der Kirche trennen; selbst,
ausgestoßen
ausgestossen
durch Anathemen, haben sie keinen abgesonderten Gottesdienst oder andre Einrichtungen eingeführt,
und
und,
wo es
gewissermassen
gewissermaßen
, wie
bei
bey
den
holländischen Jansenisten, geschehen müssen, haben sie doch immer sich für Glieder der Kirche erklärt, die sie
ausgestoßen
ausgestossen
hatte. Blieb die Verschiedenheit nur in
Meinungen:
Meinungen:
Meinungen
,
so entstand keine
besondre äusserliche
Partey
Parthey
besondere äußerliche Partei
, wie man
bey
bei
den Streitigkeiten in unsrer Kirche, den
synkretistischen
synkretist schen
,
pietistischen
u. d. gl.
u. dergl.
sieht; wohl aber, wenn die Verschiedenheit
äusserlicher
äußerlicher
Einrichtungen
äusserlicher Einrichtungen
dazu kam, oder die Verschiedenheit in Meinungen keine
äusserliche
äußerliche
Gemeinschaft
zuzulaßen
zuzulassen
schien, wie
bey
bei
den
Trennungen der Taufgesinnten.
Pelagianer
Vgl. II § 88.
Jansenisten
Vgl. II § 98.
holländischen Jansenisten […] haben sie doch immer sich für Glieder der Kirche erklärt, die sie ausgestoßen hatte
Hier handelt es sich um die Altkatholiken, die nach dem Tode des Petrus Codde (1648–1710), der als Apostolischer Vikar mit Sitz in Utrecht den niederländischen Katholiken vorstand, aufgrund seiner vorgeblichen Nähe zum Jansenismus (vgl. II § 98) jedoch suspendiert wurde. Unter Berufung auf das dem Utrechter Bistum im Hochmittelalter verliehene Recht der Bischofswahl wurde im Jahre 1723 Cornelius Steenoven (gest. 1725) zum Erzbischof von Utrecht gewählt. Geweiht wurde Steenoven durch den ebenfalls aufgrund seiner vorgeblichen Nähe zum Jansenismus suspendierten französischen Missionsbischof Dominique-Marie Varlet (1678–1742). Nach der umgehend erfolgten Exkommunikation Steenovens und seiner Anhänger bildete sich in Utrecht mit Unterstützung der niederländischen Regierung die altkatholische Kirche heraus, die von Beginn an immer wieder um eine Verständigung mit Rom bemüht war und mehrfach, da Katholizität nach altkatholischem Verständnis nicht notwendigerweise mit der Anerkennung des römischen Primates verbunden ist (vgl. II § 98), an ein allgemeines Konzil appelliert hatte. Nach dem Ersten Vatikanischen Konzil (1870) gründete sich 1889 die Utrechter Union, in der heute mehrere altkatholische Kirchen zusammengeschlossen sind.
synkretistischen
Unter dem synkretistischen Streit versteht man eine in der zweiten Hälfte des 17. Jh.s geführte Auseinandersetzung zwischen der lutherischen Hochorthodoxie und der Universität Helmstedt um Georg Calixt (1586–1656). Zunächst mit antikatholischer Zielrichtung hatte dieser die Vorstellung von der Lehrübereinstimmung innerhalb der ersten fünf Jahrhunderte entwickelt (
consensus antiquitatis
bzw.
quinquesaecularis
), die dann zur Grundlage der von Calixt anvisierten Kircheneinheit wurde. Diese sollte letztlich in einer Universalkirche aus Orthodoxen, Katholiken, Lutheranern und Reformierten bestehen. Derartige Unionsbestrebungen wurden als Synkretismus und Verrat an der reformatorischen Lehre auf lutherischer Seite abgelehnt, Calixt im Rahmen des Thorner Religionsgesprächs (1645) v.a. auf Betreiben Abraham Calovs (1612–1686) nicht als ihr Vertreter anerkannt. Als kurz darauf Anhänger Calixts nach Königsberg berufen wurden und Cölestin Myslenta (1588–1653), bedeutender Vertreter der ostpreußischen Orthodoxie, entfernt wurde, löste dies eine Welle von Streitschriften aus. Nach Calixts Tod nahmen die Auseinandersetzungen ab, lebten im Zusammenhang der Religionsgespräche von Kassel (1661) und Berlin (1662–1663) unter der Führung des Helmstedters Friedrich Ulrich Calixt (1622–1701) auf der einen und des Wittenbergers Calov auf der anderen Seite jedoch erneut auf und kamen erst mit dem Tod Calovs zu einem Ende.
pietistischen
Vgl. II § 98.
Trennungen der Taufgesinnten
Unter Taufgesinnten (niederl. Doopsgezinde) sind die aus der deutschen, schweizerischen und niederländischen Täuferbewegung der Reformationszeit hervorgegangenen Religionsgemeinschaften zu verstehen, die sich laut der von Semler herausgegebenen Darstellung Siegmund Jacob Baumgartens (vgl. II § 124 c) grob in die nach Menno Simons (1496–1561) benannten Mennoniten und die englischen Baptisten gliedern. Im Hinblick auf die Lehre zeichnen sich die Taufgesinnten v.a. durch die Verwerfung der Kindertaufe sowie eine besondere Bibeltreue und Kirchenzucht aus, daneben spielt die Ablehnung von Waffengewalt und ein begrifflich unverstelltes Verständnis des Trinitätsdogmas eine besondere Rolle. Seit der Reformation haben sich die Taufgesinnten immer wieder gespalten (im niederländischen Raum etwa in die Waterländer, die Sonnisten und Lammisten u.a.), sich an bestehende Glaubensgemeinschaften (z. B. Arminianer, Remonstranten) angenähert und mit den Amish und den Hutterern besondere Formen der religiösen Vergemeinschaftung hervorgebracht.
123
410
.
In einer solchen Geschichte
müßte
muß nun
der Ursprung und Fortgang einer solchen
Partey
Partey
Parthey
Partei
; ihr eigentlicher Unterschied von der
Partey
Parthey
Partei
, von der sie getrennt worden, und von Andern, sowohl in Lehren und Lehrvorstellungen, als auch in
äusserlichen
äußerlichen
Einrichtungen; besonders
müßten
aber
die genauern Bestimmungen in der Lehre, die sie entweder eingeführt, wenigstens mehr und als erheblicher hervorgezogen, oder nicht
hatte
zulaßen
zulassen
, noch
hätte zulassen, und
jedermann aufgedrungen wissen wollen, sowohl nach den Erklärungen, die sie selbst, als die ihnen ihre Gegner gegeben, nebst der Wich tigkeit, die
beyde
beide
auf den
Unterschied
Unterschied gelegt
hätten
haben
; desgleichen ihre
Bekenntnißschriften
Bekenntnißschriften und deren genau bestimmte Absicht, und weiter oder enger ausgedehnte Verbindlichkeit; die wieder in dieser
Partey
Parthey
entstandnen verschiednen
Partei enstandenen verschiedenen
Erklärungen eben derselben gemeinschaftlichen
Lehre;
Lehre,
die dadurch erzeugten Zwistigkeiten, oder gar
Trennungen;
Trennungen,
und, auf eben die gedachte Art, die Geschichte, die
Lehrvorstellungen
Lehrvorstellungen und
Einrichtungen
Einrichtungen dieser neuen Abtheilungen der
Partey
Parthey
Partei
; endlich die Annäherung an andre
Parteyen
Partheyen
Parteien
, oder Zusammenschmelzung mit denselben, wenigstens die zu einer solchen Vereinigung gemachten Versuche, deutlich
aus einander gesetzt
auseinandergesetzt
, und
alles
Alles
so zusammenhängend vorgelegt werden, daß man
die Mittel
dadurch von den Mitteln,
sich auszubreiten oder zu erhalten,
die
den
Ursachen und Folgen aller ihrer Meinungen, Unternehmungen und Einrichtungen
einsehen könnte
einsähe
eine deutliche Einsicht bekomme
.
124
411
.
Vorzüglich
Es
verdient diese Geschichte
gewiß
eine recht genaue Bearbeitung; sie ist aber auch
sehr
vorzüglich
schwer,
–
weil sie eine ungemein ausgebreitete Kenntniß, selbst von der politischen und Literargeschichte, selbst von vielen kleinen, an
Oertern
Orten
, wo man sie nicht sucht, zerstreuten Nachrichten erfordert;
–
weil,
zumahl
zumal
von
unterdruckten
unterdrückten
oder
ausgestorbnen
Parteyen
Parteyen
Partheyen
ausgestorbenen Parteien
, entweder wenig Nachrichten bekannt, oder diese
unterdruckt
unterdrückt
worden, oder diese
Parteyen
Partheyen
Parteien
sich nicht deutlich er klärt, oder ihre Gegner die Vorstellungen sol cher
Parteyen
Partheyen
Parteien
zu sehr nach ihren eignen Vorstellungen genommen haben;
–
nirgends aber der
Parteygeist
Parteygeist
Partheygeist
Parteigeist
mehr als hier die Sachen verstellt hat, entweder eigne Fehler zu
bedecken
bedecken,
und unsichtbar zu machen, oder die Fehler der Andern in einem
gehässigem
gehäßigem
gehässigen
Lichte vorzustellen.
–
Auf ein genaues und
unparteyisches
unpartheyisches
unparteiisches
Zeugenverhör
Zeugenverhör, das den Werth und die Beschaffenheit der Nachrichten bis auf seine kleinsten Falten entwickelt, kommt hier das Meiste an; aber oft fehlt es an Zeugen, oder sie widersprechen einander, oder sind sonst
verdächtig; und daher
verdächtig. Daher
ist die
Aufspürung
Auffindung
und wahrscheinliche Zusammensetzung kleiner
Spuren
Spuren,
dergleichen
verglichen
mit
Berücksichtigung
der
Denkungs-
Denk-
und Handlungsart der Menschen überhaupt, noch mehr aber der
dabey
dabei
Interessirten
Intereßirten
,
durch Spuren in
und was von
ihren
Umständen
sonst
bekannten Umständen
bekannt ist
, oder
doch
aus den Sitten der Zeit, des Landes und der Gesellschaft
hervorgeht
, eben so nothwendig.
Anm.
1) Wie viel auch gegen
Arnold, Gottfried
G. Arnold's
unparteiische Kirchen- und Ketzergeschichte bis aufs Jahr 700, Frankfurt 1700,
zu sagen seyn mag – er hat viel dazu beigetragen, den Blick freier, das Urtheil unbefangener zu machen, und manchen verdienten Ketzer zu Ehren zu bringen.
A. d. H.
2)
Die bisherigen Versuche in diesem Fache
s.
in der
Anweisung
etc.
§. 472
flgg.
Noch
fg.
Baumgarten, Siegmund Jacob
J. S. Baumgarten's
Geschichte der Religionsparteien bleibt noch immer sehr brauchbar. Doch
ist
Walch, Christian Wilhelm Franz
C. W. F.
Walchs
Walch's
Entwurf einer vollständigen Historie der
Ketzereyen
etc.
Leipz.
1762–1785
1762–1785.
in
Ketzereien etc., Leipzig 1762–1785.,
11
Theilen in
Theile,
gr.
8. das musterhafteste Werk dieser Art, wenigstens in Absicht auf das Zeugenverhör, hauptsächlich vom 5ten Theil an. Aber wer giebt uns eine eben so gute Fortsetzung über die
folgende
folgende,
größtentheils noch dürftigere oder verwirrtere Geschichte solcher
Parteyen
Partheyen
Parteien
? In Absicht auf einen Theil der Geschichte der evangelisch-lutherischen Kirche
wird
ist
es die
Planck, Gottlieb Jakob
(
Plankische
(
plankische
) Geschichte der Entstehung, der Veränderungen und der Bildung des protestantischen
Lehrbegriffs,
Lehrbegriffs
werden, wovon bisher erst
3
2
6
Bände,
der dritte in 2 Theilen,
Leipz.
1781, 83, 88
1781
und
89
83
in
gr.
8, auch vom erstern eine zweyte verbesserte Auflage 1791,
8.
erschienen sind
Leipzig 1781–1800
.
G. Arnold's unparteiische Kirchen- und Ketzergeschichte bis aufs Jahr 700, Frankfurt 1700
Der erste Band (Teil 1/2) von Gottfried Arnolds (1666–1714)
Unparteyische[r] Kirchen- und Ketzer-Historie. Von Anfang des Neuen Testaments biß auff das Jahr Christi 1688
stammt aus dem Jahr 1699, der zweite Band (Teil 3/4) aus dem Jahr 1700 enthält die
Fortsetzung und Erläuterung
. Allerdings ist der erste Band 1700, diesmal mit herrschaftlichen
privilegiis
, erneut erschienen. Nösselt selbst hat die Ausgabe aus dem Jahr 1729 besessen (vgl. Bibl. Nöss. 148 Nr. 56.57).
Anweisung etc. §. 472 flgg.
Vgl. I § 43.
J. S. Baumgarten's Geschichte der Religionsparteien
Siegmund Jacob Baumgartens
Abris einer Geschichte der Religionsparteien, oder gottesdienstlichen Geselschaften, und derselben Streitigkeiten so wol als Spaltungen, ausser und in der Christenheit
(1755) ist 1766 als
Geschichte der Religionspartheyen
von Johann Salomo Semler erneut herausgegeben worden. Es fällt auf, dass Nösselt dieses Werk seines Lehrers Baumgarten in den ersten beiden Auflagen der
Anweisung
nicht nennt.
125
412
.
Man
kan
kann
nicht sagen, daß man eine
Gesellschaft
Gesellschaft kenne, wenn man nicht die Absicht
kennt
kennt,
wozu sie zusammengetreten ist, oder vereinigt bleibt, und wenn man der
Einrichtungen
Einrichtungen unkundig ist, die zur Beförderung und Erhaltung dieser Absicht gemacht worden sind; ja selbst darum ist die Kenntniß ihrer Geschichte nothwendig, um solche Absichten und die deswegen eingeführten
Anstalten
Anstalten
Anstalten,
nebst deren Abänderungen zu begreifen. Diese Anstalten und Einrichtungen
zusammengenommen
zusammengenommen,
nennt man die
Verfassung
Verfassung
einer solchen Gesellschaft, dergleichen auch
bey
bei
der christlichen Kirche, als einer Gesellschaft betrachtet,
statt finden
stattfinden
muß; und so fällt in die Augen, daß ihre Kenntniß eben so nothwendig
sey
sei,
als die Kenntniß der christlichen Kirchengeschichte, wiewohl sie auf einander ein wohlthätiges Licht werfen. Billig sollte man also diese Kenntniß der
christlichen
Kirchenverfassung
Kirchenverfassung
von der christlichen Kirchengeschichte selbst absondern,
ohngefähr
ohngefehr
so, wie man die Statistik von der Staatengeschichte getrennt hat. Weil aber dieses noch nicht, wenigstens nicht nach dem ganzen
Umfang dieser
Umfange der kirchlichen
Verfassung, geschehen ist, und doch die Kenntniß der einen von der andern abhängt: so
nehmen
betrachten
wir sie hier als einen Theil der christlichen Kirchengeschichte.
126
413
.
In ihrem ganzen Umfang müßte diese Geschichte vorstellen: 1) den
äusserlichen
äußerlichen
Unterschied
Unterschied der Christen,
d. i.
anfänglich nur zwischen Unterrichtenden und Zuhörern, mit gleichen Rechten
bey
bei
öffentlichen
Angelegenheiten;
Angelegenheiten,
hernach in schon geordneten
Gemeinen, bey
Gemeinden, bei
zunehmenden Vorzügen der an eine
Gemeine
Gemeinde
gebundenen Lehrer, zwischen Klerikern und Laikern, so wie unter jenen, zwischen Bischöfen, Aeltesten, Diakonen und den niedrigern Kirchendienern, nebst allen erst nach und nach
entstandnen
entstandenen
Abtheilungen dieser Arten, unter diesen aber zwischen
Katechumenen, Gläubigen und
Gefallnen
Gefallenen
, mit Einschluß der Mönche und Orden, als einer Mittelgattung, seit dem 4ten
Jahrhundert –
Jahrhundert;
den Unterschied zwischen
einzelnen
einzlen
Gemeinen
Gemeinden
und nach und nach
entstandnen
entstandenen
engern und weitern
Diökesen –
Diökesen;
die eingeführte Kirchenzucht und
nachwärts
nachmals
aufgekommene, sehr
mannichfaltig
mannigfaltig
abgeänderte,
Gerichtsbarkeit –
Gerichtsbarkeit;
die
verschiednen
verschiedenen
Arten von
bloßen
blossen
Lehranstalten, Synoden oder Concilien von sehr
verschiednem
verschiednen
verschiedenem
Umfang und
Ansehn
Ansehen
, Kirchengesetze und Kirchenordnungen, als Mittel, den Wohlstand der
Gemeinen
Gemeinden
, und nachher die Gerichtsbarkeit, zu
erhalten –
erhalten;
die
bey
bei
dem Gottesdienst und kirchlichen Handlungen eingeführten Gebräuche, und darüber gemachte Ordnungen in
Liturgien
Liturgieen
,
Pönitentialbüchern
u. d. gl.
u. dergl.
2) Alles dieses in seiner ganzen
Verschiedenheit
Verschiedenheit in
verschiednen
verschiedenen
Kirchen und Ländern sowohl als Zeiten, und 3)
bey entstandnen verschiednen
bei entstandenen verschiedenen
, keine Kirchengemeinschaft mehr mit den andern unterhaltenden,
Kirchenparteyen
Kirchenparteyen
Kirchenpartheyen
Kirchenparteien
; 4) das
hienach
hiernach
sehr
verschiedne
verschiedene
Verhältniß der Kirchen gegen nicht
christliche,
christliche
und hernach gegen christliche Obrigkeiten, der
Gemeinen
Gemeinden
und Diökesen gegen einander, und eben so der
verschiednen
Kirchenparteyen
Kirchenpartheyen
verschiedenen Kirchenparteien
gegen einander (
z. B.
in Absicht auf Wiedertaufe der
Uebergetretnen
Uebergetretenen
); endlich 5) die jedesmaligen Ursachen und Folgen des Aufkommens oder der
verschiednen
verschiedenen
Einrichtungen aller solcher Anstalten, besonders in Absicht auf die mannichfaltige Gestalt und den dadurch sehr verschieden gebildeten
Character
Charakter
der Christen.
Katechumenen
D.h. Taufanwärter (vgl. III § 10 c).
Gefallnen
Die Frage, wie mit den vom Glauben Abgefallenen (Apostaten) umzugehen sei, durchzieht das frühe Christentum, wurde jedoch im Zuge der decischen Verfolgung besonders dringend. Als Decius (ca. 190–251) als Loyalitätsbeweis ein Opfer für die Götter forderte, kamen einige Christen, die daraufhin als Gefallene (
lapsi
) bezeichnet wurden, dieser Aufforderung nach (
sacrificati
) oder konnten zumindest eine betreffende Bescheinigung (
libellum
) vorweisen (
libellatici
), andere bekannten sich zu ihrem Glauben und erlitten das Martyrium (
confessores
bzw.
martyres
). Die Frage nach den
lapsi
führte schließlich zum sog. Ketzertaufstreit, an dem u.a. Cyprian von Karthago (vgl. II § 129) maßgeblich beteiligt war.
Pönitentialbüchern
Die seit dem frühen Mittelalter der Regelung der Buße dienenden
libri poenitentiales
bzw.
poenitentialia
listen Sünden und die dazugehörigen Bußleistungen auf.
127
414
.
Hier ist ein in der That noch sehr unbebautes Feld, das
Wenige
wenige
ausgenommen, was hierüber in den Kirchengeschichten sehr im Allgemeinen gesagt wird, oder in Absicht auf
besondre
besondere
Theile dieser Verfassung in einigen gelehrten Werken geschehen ist. Zwar hat man daraus unter dem Namen der
christlichen
Alterthümer
Alterthümer
eine besondere Wissenschaft zu machen
gesucht,
gesucht
(
s.
die
Anweisung
zur theol.
Bücherkenntniß
Bücherkenntniß,
§. 435
f.
)
f.),
aber in den meisten allgemeinern Werken dieser Art, dem
Bingham, Joseph
Bingham
z. B.
und seinen Ausschreibern, wird man fast durchaus die so sehr
verschiednen
verschiedenen
Zeiten und Kirchen in
verschiednen
verschiedenen
Gegenden unter einander geworfen, und
Einrichtungen
Einrichtungen der ältern christlichen Kirche
beygelegt
beigelegt
finden, die nur
hie
hier
und da oder dann und wann üblich
waren; sie
waren. Sie
gehen
bey
bei
weitem nicht über die ganze Kirche,
zumahl
zumal
der neuern Zeiten,
ja
gemeiniglich nicht über das
vierte und sechste
4te oder 6ste
Jahrhundert hinaus; zeigen meistens nur gewisse
vorhandne
vorhandene
Einrichtungen an, ohne ihren Ursprung, Absicht und Fortgang zu
untersuchen,
untersuchen;
und erstrecken sich nur auf Einrichtungen der herrschenden Kirche, unbekümmert um die Einrichtung der verschiedenen
Parteyen
Partheyen
Parteien
.
Anweisung zur theol. Bücherkenntniß §. 435 f.
Vgl. I § 43.
Bingham
Joseph Bingham (1668–1723) war zunächst
Fellow
am
University College
in Oxford, musste sich nach Häresievorwürfen jedoch nach Hampshire in den kirchlichen Dienst zurückziehen. Hier entstanden seine zehnbändigen
Origines Ecclesiasticae, or, The Antiquities of the Christian Church
(1708–1722), die sich v.a. durch die umfangreiche Benutzung von Primärquellen und die Ordnung des Materials auszeichnen. Später entstanden eine lateinische und eine niederländische Übersetzung sowie eine kürzere Fassung in deutscher Sprache.
128
415
.
Gleichwohl ist die Kenntniß dieser
Verfassung
Verfassung theils unentbehrlich, theils wenigstens sehr nützlich, 1) weil weder die
Denkmahle
Denkmähler
, noch die Schriften, worauf sich die Kenntniß der Kirchengeschichte gründet, noch irgend ein Theil der Kirchengeschichte selbst, ohne diese Kenntniß verstanden werden
kan
kann
. – Denn, so wie falsche Meinungen oder Mißverstand richtiger Lehren Gelegenheit zu gewissen
Kircheneinrichtungen
Kircheneinrichtungen gegeben
haben
hat
: so, umgekehrt, wurden diese wieder eine Veranlassung zu
Irrthümern
†)
. Aeusserliche
Irrthümern.
1
)
Aeußerliche
Einrichtungen gaben eben sowohl Gelegenheit zu Spaltungen und besondern
Parteyen
Partheyen
Parteien
, als der
Unterschied
Unterschied in Lehren und Vorstellungen.
*)
2
)
– Ausbreitung des Christenthums wurde immer mehr Ausbreitung der
Kirche
Kirche, und der kirchlichen
mehr
als der christlichen
Lehren
††)
.
Lehren.
3
)
– Und überhaupt läßt sich schlechterdings nicht erklären, wie gewisse Lehren, Vorstellungen oder Ge wohnheit herrschend
worden
geworden
sind, und mit den wesentlichen Lehren des
Christenthum
Christenthums
einerley
einerlei
Rang oder gar Vorrang bekommen haben; wie das
sanfte und leichte
Joch
Joch
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
in das eiserne Joch der Kirche verwandelt, das innere Christenthum durch das
äusserliche
äußerliche
verdrängt worden, der Geist des Christenthums, der nur durch Ueberzeugung und Liebe wirken soll, in Zwang und Unterdrückung ausgeartet, aus einer Gesellschaft, wo wir alle Brüder, und nur Einer,
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christus
, unser Herr seyn soll, ein geist licher Staat entstanden
sey
sei
, als aus der nach und nach entsprungenen und umgebildeten Verfassung der
Kirche
Kirche.
†††)
.
Kirche.
4
)
†)
Anm.
1)
So gab die Einbildung vom Fegfeuer oder Reinigung nach dem Tode und die
übertriebne
übertriebene
Achtung gegen Heilige und Märtyrer, Gelegenheit zu Einführung der Seelmessen, zur
Kanonisation und Verehrung der Heiligen und ihrer Reliquien, den Wallfahrten nach heiligen
Oertern
Orten
u. d. gl.
;
u. d. gl.
und umgekehrt, veranlaßten Kircheneinrichtungen,
z. B.
als
die ungebührliche Erhebung der Geistlichen über die Laien, daß der
Gebrauch des
Brodts
Brods
im
heil.
heiligen
Abendmahl allein Dogma der Kirche wurde; die Einführung der Beichte und der von Priestern
geweihten
geweyhten
Dinge, daß die Lehre von den sieben
Sacramenten
Sakramenten
, und von der Kraft aufkam, die sie erst von dem Priester bekommen; unbestimmte und grob
verstandne
verstandene
Kirchenformeln,
z. B.
Meßkanon, daß die Lehre vom Meßopfer, der
Brodtverwandlung
Brodverwandlung
u. s. f.
entstand.
*)
2)
Wie die Geschichte der
Montanisten,
Novatianer,
Meletianer,
Quartodecimaner,
Luciferianer, der
Gegner der chalcedonischen Kirchenversammlung, der
Trennung der griechischen von der lateinischen Kirche seit dem 9ten Jahrhundert, der
Bogomilen, der
Hussiten
Hußiten
u. a.
von der römischen Kirche, lehrt.
††)
3)
Geschichte der
Bekehrung der Angelsachsen im
6ten
6sten
, der
Deutschen und Sachsen durch
Bonifatius
Bonifacius
u. a.
im 8ten, der
Bulgarn
Bulgaren
im 9ten Jahrhundert.
†††)
4)
Die ganze Geschichte der Concilien, der Patriarchen, Metropolitanen und Bischöfe, und ihrer Streitigkeiten unter einander, sonderlich der
Päbste
Päpste
und des
Pabstthums
Papstthums
, ist ein Commentar hierüber.
sanfte und leichte Joch Christi in das eiserne Joch der Kirche verwandelt
Vgl. Mt 11,29f. bzw. Jer 28,13f.
Kanonisation und Verehrung der Heiligen und ihrer Reliquien
Vgl. II § 83.
Gebrauch des Brodts im heil. Abendmahl allein Dogma der Kirche wurde
Zum Abendmahl
sub una specie
vgl. II § 83.
Brodtverwandlung
Vgl. II § 83.
Montanisten
Die Informationen über die Montanisten, die sich selbst
Neue Prophetie
nannten, von ihren Gegnern als
phrygische
oder
kataphrygische Häresie
bezeichnet wurden und erst ab dem 4. Jh. den Namen ihrer Gründungsfigur trugen, sind vergleichsweise vage. Gemeinsam mit den Prophetinnen Priscilla (Prisca) und Maximilla trat Montanus in der Mitte des 2. Jh.s in Phrygien auf und scheint zum Zeitpunkt des Todes der Maximilla um 179 bereits gestorben zu sein. Neben ekstatischen Prophetien zeichnet sich der Montanismus durch Naherwartung, schroffe Askese und Martyriumsfreude aus und konnte sich trotz großkirchlicher Widerstände bis zum Ende des 2. Jh.s. bis nach Rom sowie nach Nordafrika und Gallien verbreiten. Auch wenn sich besonders prominent bei Tertullian (vgl. II § 129) montanistische Einflüsse feststellen lassen, hat der Montanismus nie größere Bedeutung erlangt. Zwar sind montanistische Gemeinden noch im 4. Jh. belegt, doch war ihre Ausgrenzung aus der Großkirche bereits im 3. Jh. vollzogen, später waren sie Verfolgungen ausgesetzt, die zu ihrem Niedergang führten.
Novatianer
Der hochgebildete und in Rom nicht zuletzt wegen seines Hauptwerks
De trinitate
geschätzte Novatian (ca. 200–258) übernahm nach dem Tod Fabians (gest. 250) während der decischen Verfolgung und der damit verbundenen Sedisvakanz die führende Rolle in der römischen Gemeinde und trat in dieser Eigenschaft mit Cyprian (vgl. II § 129) über die Frage nach den
lapsi
(vgl. II § 126) in Kontakt. Als ein Jahr später der in der Bußfrage gemäßigtere Cornelius (gest. 253) zum Nachfolger Fabians gewählt wurde, ließ sich Novatian ebenfalls zum Bischof weihen, und es kam zum Schisma. Nachdem Novatian und seine Anhänger durch eine Synode von 60 Bischöfen aus der Kirche ausgeschlossen worden waren, begann er mit der Organisation einer eigenen Kirche der
Reinen
(griech.
καϑαροί
) und lehrte, dass allein Gott und nicht die Kirche den Abgefallenen vergeben könne. Nach dem vermutlich während der valerianischen Verfolgung erlittenen Märtyrertod ihres Gründers vertrat die novatianische Kirche im 4. Jh. christologisch eine orthodoxe Position, wurde später jedoch gewaltsam unterdrückt. Einzelne Gemeinden konnten sich bis in das 7. Jh. halten.
Meletianer
Wie die Novatianer forderten auch die auf Meletius von Lykopolis (gest. nach 325) zurückgehenden Meletianer einen rigorosen Umgang mit den
lapsi
(vgl. II § 126). Während der diokletianischen Verfolgung hatte Meletius das durch die Inhaftierung anderer ägyptischer Bischöfe und die Flucht Petrus' I. von Alexandrien (gest. 311) entstandene Machtvakuum gegen den Widerstand der abwesenden Kirchenführer für seine kirchenpolitischen Zwecke ausgenutzt und den ägyptischen Klerus nach seinen Vorstellungen umgestaltet. Durch Verhaftung und Zwangsarbeit zum
confessor
geworden, vertrat Meletius nach der Rückkehr des Petrus eine unnachgiebige Haltung gegenüber den
lapsi
, wurde des Bischofsamtes enthoben, konnte jedoch eine
Kirche der Märtyrer
gründen, die dann in die Auseinandersetzung um den Arianismus (vgl. I § 63) hineingezogen wurde. Während Meletius selbst gegen Arius auftrat, stieß dieser bei den Meletianern grundsätzlich auf große Zustimmung, so dass das Konzil von Nicäa (325) das meletianische Schisma ausdrücklich verurteilte, Meletius als Bischof und die von ihm Geweihten jedoch unter Auflagen bestätigt wurden. Erst im 5. Jh. verloren die Meletianer an Bedeutung, können jedoch bis in das 8. Jh. nachgewiesen werden. Wohl nicht gemeint ist hier das von Lucifer von Calaris (s.u.) verursachte und nach Meletius von Antiochien (gest. 381) teils
antiochenisch
, teils
meletianisch
genannte Schisma.
Quartodecimaner
Mit dem Sammelbegriff
Quartodezimaner
wurden Christen bezeichnet, die das Osterfest nach der jüdischen Berechnung des Pessachfestes am 14. Tag des Monats Nisan feierten und so nach der Chronologie des Johannesevangeliums den Kreuzestod Christi im Zentrum des Ostergeschehens sahen. Gegen diese christologische Ausdeutung des Pessachfestes (die wohl als älteste Form des Osterfestes gelten kann) stand die Praxis, das Osterfest nach dem Auferstehungsgeschehen auszurichten und es immer an einem Sonntag zu begehen. Zu den Schwierigkeiten, die sich dann auch im Zusammenhang mit der Fastenzeit ergaben, kam, dass dem quartodezimanischen Ostertermin bisweilen auch die Chronologie der synoptischen Evangelien zugrundegelegt wurde, nach der die Kreuzigung am 15. Nisan stattfand. Nachdem auf dem Konzil von Nicäa (325) der Sonntagstermin durchgesetzt und die Verbindung zum jüdischen Pessachfest damit endgültig durchtrennt worden war, verlor die quartodezimanische Osterpraxis schnell an Verbreitung. In der von Semler herausgegebenen Darstellung Siegmund Jacob Baumgartens (vgl. II § 124 c) wird bemerkt, dass es später zu Auseinandersetzungen um die Deutung der Bestimmungen von Nicäa gekommen sei und man die von Rom abweichenden Kirchen in Gallien und Britannien ebenfalls als Quartodezimaner bezeichnet habe.
Luciferianer
Der ältnizänische, radikal antiarianische Bischof Lucifer von Calaris (Cagliari) auf Sardinien (gest. 370), der 355 verbannt worden war, weil er der Absetzung des Athanasius nicht zustimmen wollte, weihte nach seiner 362 erfolgten Rehabilitierung den Presbyter und Eustathianer Paulinus (gest. 388) zum Bischof von Antiochien. Da Lucifer den dem Arianer Eudoxius (gest. 370) im Jahre 360 nachgefolgten Meletius von Antiochien (gest. 381), der eine führende Rolle unter den Jungnizänern einnehmen und als Vorgänger Gregors von Nazianz (vgl. II § 102) das Erste Konzil von Konstantinopel (381) leiten sollte, nicht als rechtgläubig anerkannte, trug er maßgeblich zur Verlängerung des antiochenischen Schismas bei, das erst im 5. Jh. beigelegt werden konnte. Gelegentlich wird diese Verlängerung auch als meletianisches Schisma (s.o.) bezeichnet. Hinzu kommt, dass die Weihe des Paulinus zum Bischof auf der Synode von Alexandrien (362) keine Billigung fand und Lucifer den hier von Athanasius für Antiochien unternommenen Vermittlungsversuch (
Tomus ad Antiochenos
) als zu nachgiebig empfand. Das so herbeigeführte luciferianische Schisma verbreitete sich v.a. auf Sardinien und in Spanien, war jedoch nicht von langer Dauer. Nach Lucifers Tod übernahm Gregor von Elvira (gest. 392) eine führende Rolle.
Gegner der chalcedonischen Kirchenversammlung
Gemeint sind v.a. die auf dem Konzil von Chalcedon (451) verworfenen Monophysiten, Nestorianer und Arianer (vgl. I § 63).
Trennung der griechischen von der lateinischen Kirche seit dem 9ten Jahrhundert
Vgl. II § 115.
Bogomilen
Bei den auf den zur Zeit des bulgarischen Zaren Petăr I. (gest. 969) lebenden, jedoch weitgehend unbekannten Priester Bogomil (d.h. Gottlieb) zurückgehenden Bogomilen handelt es sich um eine bedeutende Ketzerbewegung, die vom 10. bis zum 15. Jh. in Südosteuropa verbreitet war, aber auch nach Westen wirkte und etwa die Katharer (vgl. II § 19) beeinflusste. Im 18. Jh. leitete man den Namen von der von den Bogomilen häufig verwendeten Formel
Bogomilui
(Gott erbarme dich) her und nahm als ihren Anführer einen Mönch namens Basilius an, der wegen seiner Lehransichten in Konstantinopel verbrannt wurde. Wie die Paulizianer (vgl. II § 19) u.a. zeichnen sich auch die Bogomilen durch ein dualistisches Weltbild aus, das durch die eigene Ungerechtigkeitserfahrung noch verstärkt worden sein dürfte und nach dem nicht Gott, sondern der abgefallene Satanael die Welt geschaffen habe. In der Suche nach dem fernen, wahren Gott, die in teils schroffer Askese gipfelte, verwarfen sie kirchliche Hierarchien, Liturgie und Sakramente, Gotteshäuser samt Kreuz und Ikonen sowie die Heiligung des Sonntags, zudem lehnten sie das Alte Testament ab.
Hussiten
Vgl. II § 83; II § 98.
Bekehrung der Angelsachsen im 6ten
Obgleich zeitgleich von Irland aus in Schottland und Nordengland missioniert wurde, verbindet sich die Christianisierung der Angelsachsen mit Papst Gregor dem Großen (vgl. II § 121), in dessen Auftrag der römische Missionar Augustin von Canterbury (gest. ca. 604) im Jahre 597 nach Kent kam, König Aethelberht (560–616) zum Christentum bekehren und die angelsächsische Mission als erster Bischof von Canterbury anschließend weiter vorantreiben konnte. Auf der Synode von Whitby (664) konnten die Vertreter des römischen Katholizismus ihre iroschottische Konkurrenz entscheidend schwächen, die endgültige Konsolidierung des römischen Christentums und seiner Strukturen vollzog sich dann unter Erzbischof Theodor von Tarsus bzw. Canterbury (668–690). Als bedeutendste Quelle dieser Zusammenhänge ist die 731 fertiggestellte
Historia ecclesiastica gentis Anglorum
des Beda Venerabilis (ca. 672–735) zu nennen.
Deutschen und Sachsen durch Bonifacius u. a. im 8ten
Nachdem der bei Exeter geborene Wynfrith bzw. Winfried (ca. 675–754) im Alter von etwa 40 Jahren als Missionar nach Kontinentaleuropa kam, ließ er sich nach einem gescheiterten Missionsversuch unter der Friesen von Papst Gregor II. (715–731) eine Vollmacht erteilen, erhielt den Namen Bonifatius und wurde nach weiteren Missionsreisen 722 im Rom zum Missionsbischof geweiht. Auf Bitten des Papstes erhielt Bonifatius zudem einen Schutzbrief von Karl Martell (ca. 688–741), der seine Missionsbemühungen darüber hinaus jedoch kaum unterstützte. Bekannt ist die in der
Vita Sancti Bonifatii
berichtete Fällung der Donareiche im hessischen Geismar. Im Jahre 732 zum Erzbischof erhoben, konnte Bonifatius die Errichtung kirchlicher Hierarchien im fränkischen Missionsgebiet nicht wie geplant umsetzen, und auch die 742 auf dem von Karl Martells Sohn Karlmann (ca. 708–754) einberufenen
Concilium Germanicum
gefassten Beschlüsse fanden Gegner in Adel und Geistlichkeit, so dass sich Bonifatius, nachdem Karlmann 747 zugunsten Pippins d. J. (714–768) abgetreten war, ebenfalls zurückzog. Als er später abermals unter den Friesen missionierte, wurde Bonifatius erschlagen und in dem von ihm gegründeten Kloster Fulda bestattet. Die der auch auf dem Kontinent aktiven iroschottischen Mission entgegenstehende Romverbundenheit (s.o.) des sog.
Apostels der Deutschen
hatte einigen Einfluss auf die Allianz der Karolinger mit Rom. Diese kam nicht zuletzt im Zusammenhang der von Karl d. Gr. (747–814) geführten Kriege gegen die Sachsen zum Ausdruck, die nach der Taufe des
dux Saxonum
Widukind im Jahre 785 und der Errichtung von Bistümern auf sächsischem Gebiet (Münster u.a.) christianisiert wurden. Ein weiterer bedeutender Missionar ist etwa der auch als
Apostel der Friesen
bekannte Angelsachse Willibrord (ca. 658–739).
Bulgarn im 9ten Jahrhundert
Die im Zusammenhang der Auseinandersetzung zwischen der griechischen von der lateinischen Kirche (s.o.) stehende Bekehrung der Bulgaren im 9. Jh. erfolgte, nachdem der bulgarische Zar Boris I. (gest. 907) 864/865 das Christentum byzantinischer Prägung und den Taufnamen Michael annahm, sich nach Erhalt der
Responsa Nicolai papae ad consulta Bulgarorum
Nikolaus' I. (858–867) im Jahre 866 jedoch Rom unterstellte. Als die daraufhin erfolgte Latinisierung des bulgarischen Christentums (v.a. die Annahme des
Filioque
) auf den Unwillen des Patriarchen Photios (ca. 810–894) stieß und Boris 869/870 das bulgarische Christentum erneut an Konstantinopel anschloss, stieß dies wiederum auf den Unwillen Roms. Nach 885 nahm Boris von lateinischen und fränkischen Bischöfen vertriebene Schüler der bedeutenden Slawenmissionare Kyrill (gest. 869) und Method (gest. 885) auf (v.a. Kliment von Ochrid), die für die Ausbreitung des auf Kyrill und Method zurückgehenden Kirchenslawischen und eine eigenständige bulgarisch-orthodoxe Identität sorgten. Das erste bulgarische Patriarchat entstand im sog. Goldenen Zeitalter unter Simeon I. (864–927), verlor seine Eigenständigkeit nach der Eroberung durch den als
Bulgarentöter
bekannten byzantinischen Herrscher Basileios II. (976–1025) im Jahre 1018 jedoch vorläufig wieder.
129
416
.
Und sonach
kan
kann
ohne diese Kenntniß 2) kein
Lehrsatz
Lehrsatz, der,
ausser
außer
den klaren Sätzen der
Vernunft
Vernunft und den ausdrücklichen Aussprüchen der heiligen Schrift, in die
Theologie
Theo logie aufgenommen worden, gründlich, und für die, welche kirchliche Tradition als Quelle der christlichen Wahrheit annehmen, überzeugend beurtheilt, noch die Unverbindlichkeit
besondrer
besonderer
Vorstellungen von einer christlichen Lehre für jeden Christen, deutlich dargethan, noch
3),
3)
zur Aufrechterhaltung der christlichen
Freyheit
Freyheit,
Freiheit
hinlänglich gezeigt werden, daß gewisse positive
Kirchenrechte
Kirchenrechte uns gar nicht
ver binden
†)
.
verbinden.
1
)
Sehr nützlich ist endlich diese
Kenntniß
Kenntniß,
4) um den Ursprung und die Absichten solcher Einrichtungen kennen zu lernen, die wir noch in unsern Kirchen haben, wohin sie aus dem frühern oder spätern
Alterthum
Alterthum ge kommen sind, und danach ihren wahren Werth oder Verbindlichkeit zu
beurtheilen
††)
.
beurtheilen.
2
)
†)
Anm.
1)
Z. B.
alles das, was auf der angeblich göttlichen Einführung der bischöflichen Würde und dem
sogenannten
sogenannnten
Primat des römischen Bischofs beruht.
S.
das unschätzbare Werk
de la Primauté en l'Eglise, par
Blondel, David
D.
Blondel
,
Blondel
und
andre
andere
in der
Anweisung
etc.
§.
453.
453
genannte Werke.
††)
2)
So hat der Exorcismus in der Taufe, wenn er ja schon zu
Cyprian von Karthago
Cyprians
Cyprian's
Zeit im dritten Jahrhundert in
Afrika
Africa
üblich war, (wie man aus dessen
76sten
76stem
Brief
S.
157.
157
nach
Baluze, Etienne
Baluze
Ausgabe, geschlossen
hat,)
hat),
sicherlich aus der
Einbildung,
Einbildung
(die
Tertullian
an.
39.57
Tertullian
de
anima
anima,
c.
39 und 57
erwehnt,)
erwähnt),
daß der Satan in den
Heidenkindern
Heiden-Kindern
wohnte, und durch die Anrufung der Götzen
bey
bei
der Niederkunft der Weiber eingeladen würde, solche Kinder zu bewohnen, oder aus einer ähnlichen Grille, seinen Ursprung. – Der unter uns noch herrschende unbiblische, und gewiß aus der spätern römischen Kirche herübergeleitete
Begriff
Begrif
von
Consecration
des heiligen Abendmahls, wodurch
Brodt
Brod
und Wein der Leib und das Blut
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
werden, und die Kraft desselben bekommen sollen, ist ganz gegen den Sprachgebrauch der ältesten christlichen Kirche (
s.
Pfaff, Christoph Matthäus
Pfaffs
Pfaff's
Disp. de consecr.
Euchar.
Euch.
vet. in
s.
Syntagm. Diss.
p.
407
sq.
sq.)
und
Ernesti, Johann August
Ernesti
Antimur.
p.
24
sq.
), die das Wort nicht anders als
1 Tim. 4, 5.
nahm. – So ist der Gebrauch
unsrer evangelischen
unserer
evangelischen
und
epistolischen Texte
epistolischen Texte
(Pericopen), die man billig mit meistens weit lehrreichern Stellen der Bibel vertauschen sollte, lange nicht so
alt
alt,
als man sich gemeiniglich einbildet, wie man sich aus dem
alten römischen Calen dario in
Martène, Edmond
Martene
und
Durand, Ursin
Durand
thesauro novo anecdot.
Tom.
V.
p.
65
seq.
leicht überzeugen
kan
kann
. – Und der in unsern Formeln
bey
bei
der Taufe der
Kinder
übliche (selbst gegen die
Apolog. Aug. Confess.
p.
51 laufende) Ausdruck: „was ihm von
Adam
Adam
angebohren
angeboren
ist, und
er selbst dazu gethan hat
,“ war in alten Agenden nur auf
dem Rande
den Rand
gesetzt, als ein Ausdruck, der
bey
bei
der Taufe
erwachsener
Personen sollte hinzugefügt werden, und ist aus Unverstand oder Irrthum hernach in den Text gezogen, und allgemein gemacht worden. (
S.
Hartknoch, Christoph
Hartknochs
Hartknoch's
preußische
Kirchenhistorie
Kirchenhist.
Kirchenhistorie,
S.
637.)
de la Primauté en l'Eglise, par D. Blondel
Vgl. II § 90.
Anweisung etc. §. 453
Vgl. I § 43.
Cyprians
Caecilius Cyprianus (ca. 200–258) entstammte einer wohlhabenden, nicht-christlichen Familie aus der Oberschicht Karthagos, erhielt eine Rednerausbildung und war zunächst als Rhetoriklehrer tätig. Unter dem Einfluss des Presbyters Caecilianus wandte er sich ab 240 dem Christentum zu und stieg nach seiner Taufe bis 248/249 schnell zum Bischof von Karthago auf. Cyprian, der während der decischen Verfolgung selbst aus Karthago geflohen war, griff als wichtigster nordafrikanischer Bischof in die insbesondere mit Novatian (vgl. II § 128) geführten Auseinandersetzungen um die
lapsi
und den Ketzertaufstreit ein (vgl. II § 126). Ein unter seiner Leitung herbeigeführter Synodalbeschluss im Jahre 253 regelte die Wiederaufnahme aller reuigen
lapsi
, im Rahmen des Ketzertaufstreites hielt Cyprian im Gegensatz zu Stephanus I. von Rom (gest. 257) die von Ketzern und Schismatikern gespendeten Sakramente für ungültig, wodurch es zu einem zwischenzeitlichen Bruch zwischen der nordafrikanischen Kirche, den sie unterstützenden kleinasiatischen Bischöfen und Rom kam. Auskunft über die Positionen Cyprians, der im Zuge der 257 einsetzenden valerianischen Verfolgungen hingerichtet wurde, geben erhaltene Briefe und Traktate, die insgesamt einen bedeutenden Einblick in das Kirchen- und Gemeindeleben der vorkonstantinischen lateinischen Kirche bieten und den Einfluss des zweiten großen nordafrikanischen Lateiners, Tertullian (s.u.), erkennen lassen.
76sten Brief S. 157. nach Baluze Ausgabe
Die häufig aufgelegten
Opera
(1726) Cyprians wurden durch den französischen Historiker Etienne Baluze (1630–1718) vorbereitet und von den Maurinern (vgl. II § 104) ediert.
Tertullian
Über das Leben des in Karthago wirkenden, ersten lateinischen (aber zweisprachigen) christlichen Autors Quintus Septimius Florens Tertullianus (ca. 150–220) ist wenig bekannt. Wie Cyprian (s.o.) ist er in einem nicht-christlichen Umfeld aufgewachsen und erhielt eine umfassende Bildung. Vor 197 wurde er getauft. In seinen Schriften, die in Abwehr nicht-christlicher und häretischer Positionen (
Adversus Marcionem, Adversus Praxean
u.a.) vorwiegend apologetisch motiviert sind, vertritt er großkirchliche Positionen, später wird ein zunehmend montanistischer Einfluss erkennbar. Insgesamt sind 31 Werke erhalten, als das bedeutendste kann das
Apologeticum
gelten. Sein Latein muss als eigenwillig bezeichnet werden, besonders richtungsweisend ist Tertullian im Hinblick auf die Terminologie der westlichen Trinitätstheologie (vgl. II § 83). Immer wieder festzustellende juristische Kenntnisse haben dazu geführt, dass er bisweilen mit einem Juristen gleichen Namens identifiziert wurde.
Pfaffs Disp. de consecr. Euchar. vet. in s. Syntagm. Diss. p. 407 sq.
Christoph Matthäus Pfaffs
Dissertatio de consecratione Eucharistiae in primitiva ecclesia usitata
findet sich in den
Syntagma dissertationum theologicarum
(1720), 395–540, die auf der hier angegebenen Seite beginnende Erörterung altkirchlicher Positionen fängt mit Cyprian an.
Ernesti Antimur. p. 24 sq.
Vgl. II § 105.
alten römischen Calendario in Martene und Durand thesauro novo anecdot. Tom. V. p. 65 seq.
Im fünften und letzten Band des von den Maurinern (vgl. II § 104) Edmond Martène (1654–1739) und Ursin Durand (1682–1771) erarbeiteten
Thesaurus novus anecdotorum
(1717) (vgl. II § 113) findet sich der
Antiquum Calendarium Sanctae Romanae Ecclesiae
(aaO 63–84), dem eine
admonitio
(aaO 63f.) vorangestellt ist.
Apolog. Aug. Confess. p. 51
Zur
Apologia Confessionis Augustanae
vgl. II § 211.
Hartknochs preußische Kirchenhistorie S. 637
Christoph Hartknochs (1644–1687)
Preussische Kirchen-Historia
(1686) bietet als Beleg dafür, dass es sich bei dem in der
Anweisung
angeführten Beispiel des Taufformelzusatzes ursprünglich nur um eine auf die Erwachsenentaufe zielende Marginalie handelt, die nicht in Kraft gesetzte
Deutsche Kirchenordnung
des Jahres 1558.
130
417
.
Die
Um die
Ursachen sowohl der Einführung als der Veränderungen solcher besondern
Einrichtungen
Einrichtungen in gewissen Kirchen zu entdecken, ist,
ausser
außer
den andern allgemeinern Hülfsmitteln und Kenntnissen
bey
bei
der Kirchengeschichte, vorzüglich nöthig, die bürgerlichen
Verfassungen
Verfassungen zu der Zeit und an dem Ort, wo sie entstanden, die Beschaffenheit des
Klima
Klima's
, die Volksmeinungen sowohl, als die unter den Gelehrtern
herrschende
herrschenden
philosophischen Hypo thesen, auch
Kirchentheologie
Kirchentheologie, und überhaupt die Meinungen, Gebräuche und
andre
andere
Einrichtungen, die unter Juden und Heiden, da, wo Kirchen gepflanzt worden, üblich gewesen, und wonach man sich
bey
bei
den Einrichtungen der Kirchen sehr gerichtet hat, nebst den Verbindungen zu kennen, in welchen solche Kirchen mit andern gestanden, und was in diesen für Einrichtungen getroffen worden.
131
418
.
Einige Theile dieser
Verfassung
Verfassung, oder die Geschichte
besondrer
besonderer
Arten von kirchlichen Einrichtungen, sind schon einzeln bearbeitet worden, als: die
Hierarchie
, die
religiösen Orden
, die
Kirchengesetze
allerley
allerlei
Art, die
Kirchenversammlungen
, und was zur
Liturgie
gehört,
gehört;
wenigstens fehlt es nicht an Hülfsmitteln
dazu
†)
,
dazu,
1
)
in welchen noch
große
grosse
Schätze unbearbeitet liegen. Es wäre, nach dem, was bisher schon gesagt worden,
überflüssig
überflüßig
, den
Nutzen
Nutzen des Studiums dieser besondern Theile, oder die Art, wie sie studiert werden
müßten
müssen
, anzugeben. Ob jemand diese Theile? welche? und in welcher Rücksicht? er sie besonders zu treiben habe, muß jeden sein
eignes
eigenes
Bedürfniß
Bedürfniß lehren. Für den künftigen
Lehrer
Lehrer der
Religion
Religion unter
uns
uns,
möchte das
besondre
besondere
Studium der Geschichte der
Hierarchie
Hierarchie überhaupt, und besonders der
Päbste
Päpste
und des
Pabstthums
††)
,
Papstthums,
2
)
so wie unsrer evangelisch-lutherischen Kircheneinrichtungen, sie mögen erst durch die
Reformation
Reformation eingeführt, oder aus der Kirche vor der Refor mation genommen seyn, die meiste Wichtigkeit haben.
†)
Anm.
1)
S.
Anweisung
zur Kenntniß der Bücher
etc.
§.
423–447
423–447.
und 451–469.
††)
Pabstthum
2)
Papstthum
heißt manchmal der
Inbegrif
Inbegriff
derjenigen Lehren, die durch das Ansehen der römischen Bischöfe eingeführt worden sind; und so wäre dessen Geschichte ein Theil der Geschichte christlicher Lehre. Bisweilen aber begreift man darunter den ganzen Umfang der
päbstlichen
päpstlichen
Macht, oder der angeblichen Rechte der römischen Bischöfe, und ihren Einfluß auf die Veränderungen der Lehre und der Kirche; und die Geschichte desselben würde den Ursprung, Fortgang und Abfall dieser Macht, nebst den Ursachen derselben, oder den dazu gebrauchten Mitteln, und die dadurch
entstandnen
entstandenen
Wirkungen, in sich fassen müssen.
Anweisung zur Kenntniß der Bücher etc. §. 423–447 und 451–469
Vgl. I § 43.
Dritter
Theil
Theil
. Systematische Theologie.
132
419
.
Wenn wir einen Blick auf die Lehren werfen, die
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Jesus Christus
und seine Apostel ausbreiteten, und auf die
Lehrart
Lehrart,
der
deren
sie sich
dabey bedienten:
dabei bedienten;
so zeigt sich bald, daß sie das, was sie zu sagen hatten, immer gelegentlich und nach den
Bedürfnisse
Bedürfnissen ihrer jedesmaligen Zuhörer oder Leser vortrugen. – An
Verständlichkeit
Verständlichkeit
konnte es diesem Vortrag damals nicht
fehlen. Denn
fehlen; denn
sie richteten sich immer nach dem
Sprachgebrauch
Sprachgebrauch derer, mit welchen sie redeten; sprachen mit dem Volke, als
Volke
Volk
, in Sentenzen und Bildern, die diesem vor Augen, oder geläufig waren; mit den Gelehrteren, nach ihrer
Denk-
Denk-,
Beweis- und Sprachart. Blieb ja noch etwas dunkel, oder mußten sie, wegen Neuheit der Sachen, gewissen Ausdrücken neue Bedeutungen unterlegen: so gab der Zusammenhang, in dem sie sprachen, es gaben die Umstände, unter denen, und in Beziehung auf die sie redeten, den Ausdrücken die nöthige
Deutlichkeit
Deutlichkeit; und was dieser ja abgehen
mochte,
mochte
das konnte man
bey
bei
diesen Lehrern selbst, man konnte es
bey
bei
ihren Schü lern leicht erfragen. – Die
Gewißheit
Gewißheit
von dem, was sie als Gottes Gesandten vortrugen, gründete sich, für den Anfang, zum Theil auf die Wunder, wodurch sie sich als solche gezeigt hatten, zum Theil, und
bey allen
bei Allen
, die sie einmal willig hören wollten, auf die Beruhigung und Besserung, als die
ohnfehlbaren
unfehlbaren
Wirkungen, wodurch sich die göttliche Wahrheit ihrer Lehren
bey
bei
jedem rechtfertigte, der diesen
Lehren folgte
redlich folgte.
(
Joh. 7,
17).
17.)
Daher führten sie auch weiter keine
Beweise
Beweise für ihre Wahrheit, als da, wo gewisse Vorurtheile, Zweifel,
Laster
Laster,
oder Unachtsamkeit und Leichtsinn ihrer
Zuhörer
Zuhörer eine nähere Ueberzeugung nöthig machten;
alsdann
alsdenn
bezogen sie sich entweder auf Sätze der gesunden Vernunft, oder auf Stellen der heiligen Schrift, je nachdem es die Fähigkeit der Zuhörer zuließ, oder das Bedürfniß derselben
erforderte.
erforderte
– Uebrigens suchten sie
nur
richtige Kenntnisse in der Religion zu
gründen
,
gründen
und
eindrücklich zu machen
. Die nähere
Anwendung
Anwendung
auf die jedesmaligen Angelegenheiten der Zuhörer mußten sie diesen selbst
überlaßen
überlassen
, eben so wie das
Fortbauen
auf diesen gelegten
Grund:
Grund;
denn daß sie dieses Fortbauen voraussetzten und verlangten, läßt sich schon sowohl aus der Bestimmung des Christenthums für
allerley
allerlei
Völker und für die künftigen Zeiten, als aus den Fähigkeiten des Menschen, immer
vollkommner
vollkommener
zu werden,
schliessen
schließen
, wenn sie auch nicht ausdrücklich darauf drängen (
Matth. 13, 12.
Kap.
25, 14
flgg.
folg.
1 Kor. 3, 11
flgg.
folg.
Eph. 4, 12
f.
Ebr. 5, 11
f.
etc.
)
133
420
.
Was jene Stifter des Christenthums über die christlichen Lehren gesagt und geschrieben haben, ist auch für die folgenden Zeiten in den Büchern des neuen Testaments aufbehalten worden. In dieser spätern Zeit mußten sich, wie es die Sache mit sich bringt, nothwendig in der Erkenntniß der Christen
große
grosse
Veränderungen ereignen, man mag auf die
Verständlichkeit
Verständlichkeit
jenes Unterrichts
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
und seiner Apostel, oder auf die
Gewißheit
Gewißheit
von den in der heiligen Schrift
enthaltnen
enthaltenen
Lehren, oder auf ihre
Anwendung
Anwendung
, oder auf die
Erweiterung
Erweiterung
und
Aufklärung
Aufklärung
dieser Erkenntniß sehen.
134
421
.
Nach dem Tode der Apostel und ihrer nächsten
Schüler
Schüler,
traten immer weniger
Juden
Juden
zum Christenthum
über;
über,
über. Wie sie überhaupt gegen die Heiden nur die kleine Zahl überall ausmachten, so waren auch natürlich, als sich das Christenthum erst mehr ausbreitete,
die
meisten
neuen Christen
waren
der Mehrzahl nach
bisherige
Heiden, und
Heiden
, folglich
des jüdischen und morgenländischen
Sprachgebrauch
Sprachgebrauchs
unkundig. Die
unkundig; die
Kenntniß der Umstände, unter welchen jene Stifter geredet hatten, verlor sich;
und
nachfragen konnte man
bey
bei
den ersten Lehrern nicht
mehr. Die
mehr; die
griechische Sprache
litte
litt
, wie alle Sprachen, in Dingen, die ihrer Natur nach nicht nothwendig sind, viele
Abänderungen. Die
Abänderungen; die
Begierde, was man in der Religion für wahr hielt, auch in der heiligen Schrift zu finden, verursachte, daß man einen ganz fremden
Sinn
Sinn
hineintrug. Selbst
hineintrug; selbst
die
Uebertragung
Uebertragung der biblischen Ausdrücke und Be griffe in
andere
andern
Sprachen, und, wenn man auch nicht auf ungeschickte oder flüchtige Uebersetzer zu rechnen hätte, die Unmöglichkeit, biblische Ausdrücke ohne Mißverstand in fremde Sprachen zu übersetzen,
machte,
machte
die heilige Schrift zu
verstehen,
verstehen
schwerer, und die Verschiedenheit in der Auslegung nothwendig. – Auch die Art des von den Stiftern des Christenthums zu ihrer Zeit so weislich gebrauchten
gelegentlichen
und
populär
populären
Vortrags
Vortrags,
trug das Ihrige dazu
bey
bei
. Der
populäre
Vortrag ist
fasslicher
faßlicher
und
eindrücklicher,
eindrücklicher
als der gelehrte, und
beydes
Beides
zu
werden
werden,
war die Absicht jener Stifter; aber was er an jenen Eigenschaften gewinnt, verliert er an Bestimmtheit, und ist daher eine reichere Quelle des Mißverstandes. Was man
gelegentlich
sagt, das sagt man in Beziehung auf die Bedürfnisse der jedesmaligen
Zuhörer
Zuhörer. Waren
Zuhörer; waren
diese, oder die Absicht
bey
bei
ihrer Belehrung, verschieden, so
erklärten
erklären
sich auch jene
erste christliche
ersten christlichen
Lehrer über eben dieselbe Sache sehr verschieden; und so entstanden nothwendig scheinbare
Widersprüche
Widersprüche in der Bibel, die der Eine Leser so, der
Andre
Andere
anders zu heben suchte,
wobey
wobei
dem Einen diese, dem Andern jene Behauptung der heiligen Schrift deutlicher oder wichtiger
schien
†)
.
schien.
*)
So konnte es an einer
großen
grossen
Verschiedenheit der Vorstellungen von dem
Sinn
der heiligen Schrift nicht fehlen.
†)
Anm.
*)
Man
vergleiche
vergl.
z. B.
Joh. 5,
23.
23
mit
Kap.
K.
14, 28.
Röm. 3, 23
f.
mit
Kap.
K.
2,
6
6.
f.
Kap.
6.
6
und
Jak. 1,
25.
25
auch
Kap.
2.
1 Tim. 2,
4.
4
mit
Matth. 20, 16.
135
422
.
Die
Gewißheit
Gewißheit
der
christl.
christlichen
Erkenntniß war einer ähnlichen Revolution ausgesetzt. Es ist recht, und sogar Pflicht, nach der uns möglichsten Gewißheit zu streben, weil von der Festigkeit der Ueberzeugung auch der Eifer, nützliche Wahrheit weiter auszubreiten, und die Willigkeit, ihr zu folgen, abhängt. Nach dem
Abschied
Abschiede
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
und seiner nächsten
Schüler
Schüler,
konnte man weder, wie zu ihrer Zeit, sie in der Verlegenheit befragen, noch Zeuge ihrer Wunder seyn. Man hatte
freylich
freilich
ihre Lehren und Thaten in der heiligen Schrift;
aber,
aber
daß es
ihre
Schriften, daß diese durchaus in der Lehre
unverfälscht
wären, dies
wären: dieß
forderte, wenn es
zuverläßig
zuverlässig
seyn sollte, Beweise, und das um so mehr, da es schon in den ältesten Zeiten Leute gab, die das Eine oder das Andere bezweifelten, oder selbst den Aposteln falsche Schriften unterschoben. War aber diese
Aechtheit
Aechtheit
Echtheit
ihrer Aussprüche auch gewiß genug: so konnte man doch mit Recht immer mehr Ueberzeugung von ihrer
Wahrheit
Wahrheit
suchen, immer mehr
eigne
eigene
und fremde Erfahrungen von ihren heilsamen Wirkungen, und somit von ihrem göttlichen Werthe,
sammlen;
sammlen,
sammeln;
alle weitere Fortschritte in der Kritik, in Sprachen, in der Philosophie, in der Geschichte und andern Wissenschaften zur stärkern Ueberzeugung
benutzen;
benutzen,
die christlichen Lehren mit andern Grundsätzen und Kenntnissen in eine immer nähere Uebereinstimmung bringen, um dadurch die sonst aufsteigenden oder von Andern erregte Zweifel zu entkräften. Und hätte man auch alles dieses nicht selbst bedurft: so wäre es um
Andrer
Anderer
willen nöthig gewesen, wenn man diese heilsamen Lehren, und richtige Begriffe oder Ueberzeugung von ihrer Wahrheit, mittheilen, und sie gegen falsche Vorstellungen oder Zweifel verwahren wollte.
136
423
.
Selbst
bey
bei
der
Anwendung
Anwendung
der christlichen Lehren auf sich selbst oder
Andre
Andere,
mußte manche Verlegenheit, mußten sehr
verschiedne
verschiedene
Meinungen eintreten. Ist dieses oder jenes (
z. B.
Matth. 19, 21.
Apostelgesch. 15, 20
etc.
) auch uns, oder ist es nur den damaligen Schülern
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
gesagt? und in jenem Fall, wie
ferne
fern
? Ist der mir vorkommende Fall eben der, auf den der oder jener biblische Ausspruch (
z. E.
z. B.
Matth. 6, 25.
1 Kor. 3, 19.
) geht? und wenn mehrere solche Aussprüche, die doch einander nicht wirklich widersprechen können, nicht zugleich können in
einerley
einerlei
Absicht wahr seyn (
s.
die
Anmerk.
zu §.
134
421
134.
), wie fern ist jeder wahr? wie
laßen
lassen
sie sich mit einander ver einigen? oder, wenn
zwey
zwei
Gebote nicht zugleich können gehalten werden (
z. B.
Matth. 7, 6.
und
Kap.
10,
27
27.
), welches geht vor? oder, wie weit
kan
kann
man
beydes
Beides
beobachten? –
Erweiterten
Nun
erweiterten
sich
nun
überdieß
vollends, mit fortgehender Zeit,
allerley
allerlei
Arten der mensch lichen Kenntnisse und
Wissenschaften
Wissenschaften, die entweder in eine Art von
Widerspruch
Widerspruch mit den biblischen Aussprüchen zu kommen, oder diese
aufklären
aufzuklären und zu bestätigen
schienen; fing man an
schienen. Man fing an,
mit eben dem Fleiß über diese Aussprüche, wie über die Sätze in andern Wissenschaften,
nachzudenken – und dies
nachzudenken. Dies
machte selbst der Widerspruch gegen manche,
nebst den verschiednen
so wie die Verschiedenheit der
Vorstellungen von ihrem Sinn und ihrer Ausdehnung,
nothwendig, wenn
nothwendig. Auch waren
diese Aussprüche
nicht
schon
vor
an
sich einer solchen weitern
Aufklärung
Aufklärung werth
gewesen wären
, die man nicht anderwärts her, als aus dem fleißigen Studium des
Sprachgebrauch
Sprachgebrauchs der Bibel und aus klaren Sätzen der
Vernunft
Vernunft, nehmen
konnte –: so
konnte. Nothwendig
mußten sich
also
auch die Kenntnisse vom Christenthum erweitern, noch mehr befestigen, und bestimmter und zusammenhängender werden. Wie endlich diese Masse von Kenntnissen immer mehr zunahm, eine Läuterung derselben zur
Scheidung
Scheidung des Wahren und Falschen nöthig wurde, nach und nach
Lehranstalten
Lehranstalten aufkamen, wo man,
zumahl
zumal
angehenden Lehrern der Religion, eine allgemeinere Uebersicht des Ganzen geben, und diese mannichfaltigen Kenntnisse vom Christenthum durch ihren innern Zusammenhang, durch ausgesuchtere, bewährtere Beweise und die nöthigen Bestimmungen befestigen wollte: so entstand natürlich eine mehr
wissenschaftliche Form
wissenschaftliche Form
christlicher Kenntnisse.
137
424
.
Hier haben wir den
Aus dem allen erklärt sich nun der
Ursprung der
systematischen Theologie
, oder der
Theologie
Theologie
, im Unterschiede von der
Religion
Religion
Religion
(
Theil 1.
§.
3
3.
Anm.
2),
2.)
im eigentlichsten und engsten Verstande (
Th.
2
2.
§.
1
288
1.
),
d. i.
des zusammenhängenden
Inbegrif
Inbegrifs
Inbegriffs
gelehrter Kenntnisse von der Religion. Man könnte, wenn Religion, wie hier, von der christlichen genommen wird, diese Theologie durch eine Wissenschaft (oder den
Inbegrif
Inbegriff
der Wissenschaften) erklären, worin die in der heiligen Schrift zerstreuten Lehren erklärt, in einen
ordentlichen
regelmäßigen
Zusammenhang
Zusammenhang gebracht, durch einander bestimmt und eingeschränkt, bestätigt, und weiter
aufklären
aufgeklärt werden.
Anm.
Wenn mehrere Lehrsätze, die mit einander zusammenhängen,
d. i.
deren einer mit und durch
den
dem
andern
besteht,
besteht
(oder mit dem andern zugleich und um seinetwillen wahr
ist,)
ist),
zusammen genommen,
d. i.
zu Einem Zweck verbunden werden, so entsteht ein
System
System
; und, sind
diese
dieses
Lehrsätze der Religion, ein
Religions-System
Religions-System
; folglich
Religions-System
. Folglich
ist
systematische Theologie
der Inbegriff aller Religionslehren, die in einem
solchen
Zusammenhange erkannt oder vorgetragen werden.
Bey
Bei
ihr kommt demnach
alles
Alles
auf
drey
drei
Stücke an: 1) daß man die
einzelnen
einzlen
Lehrsätze verstehe oder erkläre, 2) sie mit einander verbinde, und zwar 3) so, daß einer mit und durch
dem
den
andern bestehe.
138
425
.
Man darf nur auf die bisher
beschriebne
beschriebene
Art Acht geben, wie systematische Theologie ent standen ist, und über die Natur derselben nachdenken, um sogleich überzeugt zu werden, wie nützlich es
sey
sei
, daß man die christlichen
Lehren
Lehren in ein solches
System
System gebracht habe. Wer sich einer christ lichen Kenntniß, und noch mehr einer Ueberzeugung von ihrer Wahrheit rühmen, oder sie anwenden will, muß doch 1) wenigstens sie
verstehen
verstehen
. Dazu ist zwar die Kenntniß des biblischen Sprachgebrauchs unentbehrlich; aber, wenn dieser Gebrauch mehr als Einen Sinn
zuläßt;
zuläßt,
oder wenn ein Satz, den wir zu verstehen glauben, mit einem andern biblischen Satz nicht bestehen
kan
kann
: so muß ich den Satz, von dessen Sinn die Frage ist, mit dem Zusammenhang, in dem er in der Bibel vorkommt, mit der Absicht des Schriftstellers, mit seinen anderweitigen Erklärungen, vergleichen, um zu finden, welcher
Sinn
Sinn, allein oder am meisten, damit übereinstimme; oder, scheinen
zwey
zwei
biblische Sätze einander zu widersprechen, wie fern und in welchem Sinn jeder wahr
sey
sei
, und mit dem andern bestehen könne.
†)
1
)
Hier ist offenbar die versuchte
Verbindung
Verbindung eines
zweydeutigen
zweideutigen
Satzes mit dem Zusammenhange, der Absicht des Schriftstellers und den Parallelstellen, oder mit andern eben so biblischen Sätzen, das Mittel, hinter dessen wahren Sinn zu kommen. Ja eben dieser Versuch, einen
Zusammenhang
Zusammenhang
zu finden, leitet
mich
sehr
oft auf die Entdeckung des wahren
Sprachgebrauch
Sprachgebrauchs, indem er
mich
darauf
aufmerksam macht, anderweitigen
Beyspielen
Beispielen
von
dem
Sprachgebrauch nachzuforschen,
bey
bei
dem
ich
allein
den
der
Satz
als
denkbar
finde
††)
.
erscheint.
2
)
Oft finde
ich
sich
auch
bey
bei
dem Sinn eines biblischen Satzes gar kein Bedenken, und
kan
man kann
daher einen wirklich falschen Sinn für wahr annehmen, bis
ich
man
ihn erst – wie eben in dem System geschieht – mit andern biblischen Sätzen
zusammenstelle
zusammenstellt
, und dadurch von
meinem
seinem
Irrthum in der Erklärung überzeugt, dadurch genöthigt werde,
mich
sich
nach
einen
einem
richtigern Sinn umzusehen. Schon
dies
dieß
ist also ein
großer
grosser
Vortheil, den
mir dieses
ein solches
Zusammenstellen
Zusammenstellen und der Versuch, die biblischen Sätze in ein System zu bringen, gewährt, daß
ich
dadurch
den wahren
der wahre
Sinn dieser Sätze
entdecken kan
entdeckt werden kann
, ohne welchen alle
meine
Erkenntniß aus der
Bibel
Bibel keinen festen Grund haben würde.
†)
Anm.
1)
So
kan
kann
es scheinen, als wenn die Stelle
Röm. 5, 12
f.
die Lehre
enthalte: daß wir selbst zugleich mit unserm ersten Stammvater, und dadurch, daß er sündigte, gefallen wären; es
kan
kann
diese Stelle wenigstens
von unsrem eignen Falle mit der ersten Versündigung
Adam
Adams
, oder doch
eine eigentliche Zurechnung seines Falls
bey
bei
seinen Nachkommen,
d. i.
den Satz zu enthalten scheinen, daß wir
um
jenes Falls willen
bestraft
würden
, wohl gar mit dem
ewigen Tode
bestraft würden. Es ist auch bekannt genug, daß sie so
sey
sei
verstanden worden
. Aber eben sowohl
kan
kann
ἁμαρτάνειν
,
wie
auch
von solchen verstanden
werden,
werden
die nicht
gesündigt
, sondern nur ein gleiches
Schicksal
mit
andern Verbrechern
ihnen
haben;
θανατος
θάνατος
kan
kann
den
leiblichen
Tod bedeuten; und
Paulus
Paulus
kan
kann
eine ganz natürliche Veränderung, die auch ohne Verbrechen erfolgt seyn würde, nach einer
bey
bei
den
Hebräern
Ebräern
gewöhnlichen Art zu reden, als eine
Strafe
beschreiben, wenn sie gleich keine, sondern ihr nur (materialiter) ähnlich ist, wie
1 Mos. 3, 14. 16.
17–19.
Kap.
9, 12
f.
und in vielen Stellen, die aus dem alten Testament im neuen, nicht nach ihrer eigentlichen Absicht, sondern wegen einer Aehnlichkeit, angeführt werden. Vergleiche ich nun den biblischen Ausspruch
Ezech. 18,
20
20.
, den sogar der gemeine Menschenverstand als recht billigt; erkenne ich die deutliche Anspielung der Worte des Apostels auf
1 Mos. 2,
17,
17.
verglichen mit
Kap.
3,
19
19.
; finde
ich
ich,
daß
Paulus
P.
im Zusammenhang nur bloß den
Tod
erwähnt
erwehnt
, und weder ihn
Strafe
nennt, noch von einer andern Strafe
ausser
außer
dem Tode
redet;
redet,
vornehmlich aber, daß er unser Schicksal nicht von
unsrer
unserer
, von
vieler
Menschen Sünde herleitet, sondern in allen Versen von
Eines
Sünde
V.
15. 16. 17. 18.
19;
19,
19.;
und daß er endlich den
Adam
Adam
und
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christum
vergleicht,
mit
oder
in
wel chem letztern wir ja nicht recht gehandelt haben, sondern nur
seinetwegen
als Gerechte von Gott
behandelt
werden: so
kan
kann
man vernünftiger Weise an der Richtigkeit der letztern Erklärung nicht zweifeln. – So scheint auch
1 Joh. 3,
6
6.
und
9
9.
mit
Kap.
1,
8
8.
zu streiten, und man hat
allerley
allerlei
Arten, den Sinn jener Stelle zu mildern, versucht.
Johannes
Johannes
hebt doch selbst allen Mißverstand, da aus
Kap.
5,
18
18.
augenscheinlich wird,
μὴ ἁμαρτάνειν
sey
sei
so viel als
τηρεῖν ἑαυτὸν
,
sich
für
vor
Sünden zu hüten suchen
.
††)
2)
Wie
bey
bei
gedachter Stelle
1 Joh. 3.
und
bey
bei
solchen, wo es scheint, daß Gott für die Ursach des Bösen ausgegeben werde; welcher in die Augen fallende Mißverstand gänzlich gehoben wird, wenn
ich
man
aus ähnlichen Redensarten
Apostelgesch. 13,
29
29.
und
Kap.
1,
18
18.
gelernt
habe
hat
, daß die Ebräer von jeder entfernten, selbst mit Mißfallen verknüpften
Veranlassung
einer Handlung,
als
gerade
wie von einer
Ursach
derselben reden.
{Ob freilich die strenge Bestimmtheit und Consequenz bei so populären und selbst im Schreiben ungeübten Schriftstellern,
ἰδιώταις λόγου
, wie die
V. des neuen Testaments waren, überall angenommen und vorausgesetzt werden dürfe, ist eine andere Frage.
A. d. H.
}
P.
D.i. Paulus.
ἰδιώταις λόγου
Vgl. 2Kor 11,6.
V.
D.i. Verfasser.
139
426
.
Zur Ueberzeugung von der
Wahrheit
Wahrheit
der biblischen
Sätze
Sätze,
müssen uns zwar schon die Aussprüche der heiligen Schrift selbst zureichend seyn; aber die
Gewißheit
Gewißheit davon wächst doch noch mehr 2) dadurch, wenn wir sie mit andern Sätzen, die uns gewiß sind, in
Verbindung
Verbindung bringen; es mögen diese andern Sätze biblische, oder anderwärtsher gewisse seyn. Denn, so wie diese Gewißheit der Sätze leidet, wenn wir sie nicht mit solchen andern zu reimen wissen: so wird sie befestigt, wenn sie aus diesen
fließen
fliessen
, oder diese ohne jene nicht bestehen
können
†)
.
können.
1
)
Indem
ich
man
sie ferner mit andern Sätzen
zusammenhalte
zusammenhält
, so
sehe ich
sieht man
3) wie einer den andern bestimmt und einschränkt,
füge
fügt
also im
System
System diese Einschränkungen hinzu, und
verhüte
verhütet
dadurch theils die Mißdeutung dieser Sätze, theils Zweifel und Vorwürfe gegen sie; wodurch Irrthümer abgeschnitten werden, und der richtige Verstand derselben sowohl wieder befördert, als die Gewißheit der Sätze aufs neue verstärkt
wird
††)
.
wird.
2
)
Anm.
1)
Dies ists, was vornehmlich der deutlichen und gelehrten Kenntniß vor der undeutlichen und gemeinen, dem Vortrag der erstern Art vor dem
populär
populären, den Sätzen im System vor den abgerissenen Sätzen, einen so
großen
grossen
Vorzug giebt.
Bey
Bei
Köpfen, die zum Nachdenken aufgelegt und an deutliche Begriffe gewöhnt sind, ist systematische Kenntniß der Religion unentbehrlich, und dahin, in seinem Maaß, zu trachten, Pflicht eines jeden Christen,
zumal
zumahl
Lehrer
Lehrers,
zumal
zumahl
in
aufgeklärter
aufgeklärtern Zeiten. Siehe den sehr lesenswürdigen
Teller, Wilhelm Abraham
tellerischen
Tellerischen
Excursus III. hinter
Burnet, Thomas
Th. Burneti
lib.
de fide et offic.
Christianorum
Christianorum,
p.
290
sqq.
†)
2)
So wird die
Lehre von Unentbehrlichkeit der Gnade Gottes zu allem Guten und von seiner schonenden Erbarmung, gewiß in dem Grade überzeugender
erkannt
erkannt,
als die Ueberzeugung von unserer Ohnmacht und unserm Verderben auf einer, und von dem, was wir wohl könnten, wenn wir wollten, auf der andern Seite, stark ist; und die wahre Lehre der
heil.
heiligen
Schrift von der
Versöhnung durch
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christum
ist
bey
bei
einer richtigen Vorstellung von der Gerechtigkeit Gottes weit weniger Zweifeln ausgesetzt, als ohne diese.
††)
Beyspiele
Beyspiele
3) Beispiele
giebt hier die Vergleichung der
biblischen Lehre, daß der Glaube ein Geschenk
Gottes
Gottes
sey
sei
, mit anderen Stellen, die doch den Mangel des Glaubens dem
Men
schen
selbst Schuld geben
Menschen zum Vorwurf machen
; der
Lehre, die den Glauben an
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Jesum Christum
als nothwendig zur Seligkeit fordert, mit der Lehre
Röm. 2, 11–15.
26.
27
27.
; der Lehre, die Gott als den vorstellt, der allen Menschen wolle geholfen wissen, und
der
daß er
durch sein Wort oder Lehre die Menschen selig mache, mit dem Erfahrungssatz, daß doch die wenigsten Menschen Gelegenheit
gehabt haben, die christliche Lehre
, selbst viele nicht einmal Fähigkeit
gehabt haben, die christliche Lehre
, eine natürliche
Roli gion
Religion
kennen zu lernen; der Lehre von Vergebung der Sünden, und hingegen der
Erfahrung
Erfahrung, daß natürliche Strafen nach unsern Vergehungen nicht ausbleiben.
tellerischen Excursus III. hinter Th. Burneti lib. de fide et offic. Christianorum p. 290 sqq.
Der 1786 von Wilhelm Abraham Teller besorgten Ausgabe des mehrfach aufgelegten Werkes
De fide et officiis Christianorum
(1722) des englischen Theologen Thomas Burnet (1635–1715) sind drei Exkurse angehängt. Der dritte Exkurs trägt den Titel
De usu argumentorum veritatis Christianismi ex miraculis et vaticiniis in ecclesia adulta
(aaO 282–296), auf den angegebenen Seiten bespricht Teller das Verhältnis von
πίστις
und
γνῶσις
.
Lehre von Unentbehrlichkeit der Gnade Gottes zu allem Guten
Zum Verhältnis von göttlicher Gnade und menschlichem Zutun vgl. II § 115.
Versöhnung durch Christum
Vgl. I § 61; II § 170.
biblischen Lehre, daß der Glaube ein Geschenk Gottes sey
Zu den reformatorischen Grundsätzen
sola fide
und
sola gratia
vgl. II § 83 (vgl. Eph 2,8 u.a.).
Lehre, die den Glauben an Jesum Christum als nothwendig zur Seligkeit fordert
Im Blick ist das reformatorische
solus Christus
(vgl. Apg 15,11; 1Tim 2,5f. u.a.).
140
427
.
Eben diese richtige und bedächtige
Vergleichung
Vergleichung der
Lehren
Lehren unter einander und die Bestimmung der einen durch die
andre
andere
, zeigt auch 4) den verhältnißmäßigen Werth oder
dergleichen
auch
Entbehrlichkeit einer Lehre. Diese Würdigung
kan
kann
sehr viel
beytragen
beitragen, theils
zur Bestimmung, ob gewisse Lehren oder Vorstellungen
auch
eben sowohl
in den gemeinen
Unterricht
Unterricht,
oder nur
als
für
Gelehrtere
Gelehrtere
Gelehrte
gehören;
theils
zur Beruhigung
unsrer selbst
, wenn wir uns von gewissen Lehren nicht überzeugen, sie nicht so sehr, als wir es wünschten, uns
aufklären
aufklären, nicht alle Zweifel dagegen heben können;
theils
zur billigern Beurtheilung derer, die über gewisse
Lehren
Punkte
anders denken als wir;
endlich
zur Absonderung unnützer oder entbehrlicherer Untersuchungen.
†)
1
)
Und wie viele neue Aufschlüsse gewährt 5) eine solche Vergleichung und
Zusammenstellung
Zusammenstellung?
Zusammenstellung,
die so viele Vorurtheile, Irrthümer und Zweifel verdrängen
können.
können!
Denn
können; denn
wodurch anders gelangen wir zu solchen erweiterten und mehr geläuterten Einsichten, als durch Vergleichung mehrerer Sätze, und ihrer Bestandtheile, mit einander?
††)
2
)
†)
Anm.
1)
Man denke hier an den so
äusserst zweydeutigen
äußerst zweideutigen
Streit über
Grundartikel
Grund- und
Nebenartikel
Nebenartikel
des christlichen Glaubens (articulos fundamentales primi und secundi ordinis und non fundamentales), und an den unverständigen höchst schädlichen Eifer, der menschliche Vorstellungen von christlichen Lehren mit diesen selbst, der Wichtigkeit nach, in
eine Classe
Eine Klasse
setzte, auf einer,
wie
und
auf der andern Seite, an die Kälte und Gleichgültigkeit gegen gewisse Lehren, sowohl als an den Unverstand, eine Lehre selbst zu verwerfen, wenn eine Vorstellungsart davon verwerflich ist. Die Lehren von dem göttlichen Ansehen der heiligen Schrift und ihrer
göttlichen
unmittelbaren
Eingebung; von dem moralischen Verderben der Menschen, der Erbsünde und der Zurechnung des Falles
Adam
Adams
, und so viele
andre
andere
, mit den
verschiednen
verschiedenen
Vorstellungen davon, die keinesweges zusammen stehen und fallen, können hier zum
Beyspiele
Beispiele
dienen.
††)
2)
Gute und schlechte
Beyspiele
Beispiele
dieser
Aufklärung
Aufklärung christlicher Lehren sind bekannt genug. Wie ärmlich und
willkührlich
willkürlich
sieht die Lehre von der Eingebung der
heil.
heiligen
Schrift vor der letztern
Zeit
Hälfte
des vorigen Jahrhunderts aus, gegen die Gestalt, die sie
seltdem
seitdem
, zumal in den neuesten Zeiten,
als
z. B.
in
Töllner, Johann Gottlieb
Töllners
Töllner's
Buch von der göttlichen Eingebung, gewonnen hat? Wie ganz anders erscheinen uns jetzt die Lehren von der wahrhaftigen Göttlichkeit des Christenthums, von der
Deutlichkeit der
heil.
heiligen
Schrift, von der göttlichen Vorhersehung der
freyen
freien
Handlungen der Menschen, von der göttlichen
Vorsehung
Fürsehung
, von den göttlichen Strafen, von der Versöhnung
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
und seinem thätigen und leidenden Gehorsam, von der wahren Besserung des Menschen, und dem, was
dabey
dabei
Gottes und des Menschen ist, von dem Glauben und der möglichen Seligkeit derer, die keine Gelegenheit gehabt
haben
haben,
das Christenthum kennen zu lernen, von der steten Fortdauer der Strafen nach dem Tode, und mehrere
andre
andere
? die alle so laut für den
Nutzen
Nutzen der systematischen Untersuchungen sprechen.
Streit über Grund- und Nebenartikel des christlichen Glaubens (articulos fundamentales primi und secundi ordinis und non fundamentales)
Im Zusammenhang der Glaubensartikel (
articuli fidei
) kennt das 18. Jh. folgende Einteilung: Hinsichtlich des Erkenntnisgrundes wird in reine, d.h. allein aus dem biblischen Zeugnis erkannte, Artikel (
articuli puri
) und vermischte, d.h. aus der Bibel und der Vernunft erkannte, Artikel (
articuli mixti
) unterschieden. Hinsichtlich der Wichtigkeit oder Entbehrlichkeit für die biblisch geoffenbarte Heilsordnung wird mit Grund- (
arcticuli fundamentales
) und Nebenartikeln (
articuli non fundamentales
) gerechnet. Zu den Nebenartikeln gehört z.B. die Höllenfahrt Christi, die Grundartikel werden weiter in Artikel erster und zweiter Ordnung (
articuli fundamentales primi
bzw.
secundi ordinis
) aufgeteilt. Während die auch als
articuli constituentes
oder
consecutivi
bezeichneten Artikel erster Ordnung von wesentlicher Bedeutung für die Heilsordnung sind (z.B. die Lehre von Gott, von Christus, von der Gnadenwahl), hängen die auch als
articuli conservatorii
bzw.
conservativi
bezeichneten Artikel zweiter Ordnung notwendig mit denen der ersten zusammen und beschreiben entweder als
articuli antecedentes
deren Voraussetzungen (z.B. die Lehre von der Schöpfung, vom Fall) oder als
articuli consequentes
deren Folgen (z. B. die Lehre von der Kirche, von der letzten Dingen). Im Gegensatz zu den nicht heilsnotwendigen Nebenartikeln (
qui salva salute et ignorari et negari possunt
), ist die Kenntnis und die Zustimmung zu den Grundartikeln erster Ordnung unbedingt heilsnotwendig (
qui salva salute nec ignorari nec negari possunt
), die Kenntnis um die Grundartikel zweiter Ordnung ist zwar nicht unbedingt heilsnotwendig, doch dürfen diese auch nicht abgelehnt werden (
qui salva salute ignorari, sed non negari possunt
).
Töllners Buch von der göttlichen Eingebung
Gemeint ist Johann Gottlieb Töllners (1724–1774) Werk
Die göttliche Eingebung der heiligen Schrift
(1772), in dem, nach einem historischen Abriss, unterschiedliche Grade der Eingebung bestimmt werden. Töllner zufolge ist durchaus mit einer göttlichen Eingebung zu rechnen, jedoch sei diese nicht wortwörtlich geschehen.
Deutlichkeit der heil. Schrift
Vgl. II § 21.
141
428
.
Alle diese Vortheile
kan
kann
die systematische Theologie, zur bessern
Erkenntniß
Erkenntniß des Christenthums, leisten. Sie erleichtert aber auch das gründliche Studium der
Religion
Religion, besonders angehenden
Theologen
Theologen.
Denn
6)
schon
Schon
für den langsamen Kopf, und eben so sehr für jeden, der noch zu wenig Bekanntschaft mit der heiligen Schrift und deren rechtem Verstande, mit Philosophie, mit Geschichte der Lehre und den so vielfältigen Versuchen gelehrter Theologen, das Christenthum
aufklären
aufzuklären, noch zu wenig feste Grundsätze und Uebung im Denken, und
in
reifer, nüchterner Prüfung, hat, ist es ein
großer
grosser
Vortheil, wenn ihm
Andre
Andere
darin mit Sammlung dessen, was am bewährtesten
erfunden
befunden
worden, mit
eigner
eigener
Untersuchung
Untersuchung, vorarbeiten, ihm durch ihr eigenes
Beyspiel
Beyspiel
Beispiel
die rechte Art zeigen, wie er, aufs sicherste und überzeugendste, Untersuchungen über die Religion und das Christenthum anstellen müsse, ihn dadurch
für
vor
Dünkel und zu rascher Entscheidung einerseits, und
andererseits
anderseits
für
vor
Trägheit
bey
bei
dem einmal Gelernten, verwahren. 7) Er bekommt dadurch eine allgemeinere und geschwindere
Uebersicht
Uebersicht des Ganzen, an die er hernach viel leichter seine übrigen erlangten Kenntnisse und Untersuchungen knüpfen und ordnen
kan
kann
. 8) Er wird durch ein wohleingerichtetes
System
System von dem Leichtern zum Schwerern fortgeführt, oder doch,
bey
bei
der zusammenhängenden Stellung der Lehren, durch das Vorhergehende zu dem Nachfolgenden
zubereiten
zubereitet
. Er gewöhnt sich, durch einen solchen erläuternden und mit Beweisen unterstützten Commentar über die biblischen Lehren, gleich anfangs zu deutlichen und bestimmten
Begriffe
Begriffen, die ihn gegen seichte Erkenntniß, Ausschweifungen der Phantasie, halbwahre Zweifel, und mehrere dergleichen Uebel, sichern. 9) Der stete
Zusammenhang
Zusammenhang, verbunden mit solchen deutlichen Begriffen, gewährt einem
Selbstdenkender
Selbstdenkenden und nach gründlicher Kenntniß Durstenden ein
großes
grosses
Vergnügen, macht ihm das Studium der Religion selbst interessanter, und befördert dadurch zugleich seinen Fleiß. Auch drückt sich 10) das, was man so
im
in
Zusammenhang gebracht hat, viel tiefer ein, und setzt uns in den Stand, das leichter zu behalten, und sich
dessen
eher wieder zu erinnern, als was man nur einzeln und stückweise gelernt hat.
142
429
.
Freylich
Freilich
führt dieser systematische Vortrag des Christenthums auch manches Unbequeme mit sich, und veranlaßt oft genug Uebel, die der rechten Erkenntniß
desselben
derselben
nachtheilig werden. – Die Bequemlichkeit, die er verschafft, und das Vertrauen auf
Andrer
Anderer
Vorarbeit, verleitet sehr leicht zur Trägheit, hemmt den Trieb zu
eigner
eigener
Untersuchung, und zieht blinde Anhänglichkeit an dem System nach sich. – Nur zu oft wird darüber das Schöpfen aus der
Quelle
Quelle, das Studium der heiligen Schrift,
vernachläßigt
vernachlässigt
; man be gnügt sich mit Beweisen aus der Natur der Sache und aus dem Zusammenhang der Lehren, und, anstatt das
System
System nach der heiligen Schrift zu bilden, trägt man aus jenem den Sinn in diese hinein; wenigstens hindert die stete Rücksicht auf das System, wogegen man nicht
verstoßen
verstossen
will, das recht
unbefangne
unbefangene
Forschen in der
Bibel
Bibel. – Und da man in dem System, nebst den christlichen Lehren, auch menschliche Vorstellungen davon vorträgt: so wird man gar leicht verführt,
einerley
einerlei
Gewißheit und Wichtigkeit diesen wie jenen
beyzulegen,
beizulegen;
und dies verursacht wieder den Schaden, daß die oft gerechten
Zweifel
Zweifel gegen solche menschliche Begriffe, zur Bestreitung der christlichen Lehren selbst gebraucht werden. – Endlich scheint
dabey
dabei
die
Fruchtbarkeit
Fruchtbarkeit und das eigentlich
Praktisches
Praktische der Religion, nebst der
Anwendung
Anwendung des Christenthums auf
unsre
unsere
Besserung
Besserung und
Beruhigung
Beruhigung, zu leiden. Denn je mehr Fleiß auf die Speculation verwendet wird,
je
desto
mehr wird gemeiniglich die Anwendung, und, über dem Streben nach
Deutlichkeit
Deutlichkeit und
Gewißheit
Gewißheit, die Beförderung des Eindrucks, den die Lehren machen sollten, vergessen. Und, weil die Untersuchungen in dem System durch Streitigkeiten über
einzelne
einzle
Lehren und durch die Umstände der Zeit, wo sie für nothwendig befunden wurden, veranlaßt worden sind: so sind viele, zum Theil wichtigere, Untersuchungen ganz versäumt, viel Un nützes, wenigstens für uns Entbehrliches, in das System getragen, auf Vieles ein Gewicht gelegt worden, was ihm nur die Zeitumstände und Leidenschaften der Menschen gaben, und das Christenthum ist durch die Ideen gewisser Schulen, Völker und Zeiten so
verstellt
entstellt
, der Vortrag so dürre, und durch den Gebrauch der
Schulausdrücke
Schulausdrücke so unverständlich
worden
geworden
, daß man oft Mühe hat, die einfältige Lehre
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
darin wieder zu finden.
143
430
.
Alles dieses ist
wahr;
wahr,
ob es gleich von den Feinden der systematischen Lehrart und eines besondern
System
Systems selbst, sehr übertrieben, und zu gar zu einseitiger Beurtheilung derselben angewendet wird. – Billig fordern solche Gegner, daß sie gehört, daß die Fehler gebessert werden, die dieser
Lehrart
Lehrart und einem besondern System ankleben. Aber eben so gerecht ist die Forderung, die
großen
grossen
Vortheile dieser Lehrart nicht zu
verleugnen
verläugnen
, die vorhin dargestellt wurden, und das nicht zu verkennen, was selbst die syste matische Behandlung der christlichen Lehren zur Beförderung desjenigen
beytragen kan
beitragen kann
, wovon man sich einbildet, daß es durch diese Behandlung verhindert
werde
†)
. Ja
werde.
1
)
Ja,
diese Forderung ist
bey
bei
einzelnen
einzlen
Systemen um so gerechter, je mehr man wahrnimmt, daß die Meisten, welche sie so schnell verurtheilen, sich nicht einmal die Mühe gegeben haben, den wahren
Sinn
Sinn gewisser Vorstellungen und die Einschränkungen zu
studieren
studiren
, mit welchen man sie in dem System
behauptet
††)
;
††)
,
behauptet;
2
)
als wozu eine viel ausgebreitetere
Belesenheit
Belesenheit, eine weit
größere
grössere
Biegsamkeit der Seele, um sich in
Andrer
Anderer
Vorstellungen hineinzudenken, mehr bedachtsame Prüfung und weit mehr historische, philologische und philosophische Kenntnisse gehören, als diese zu raschen Richter verrathen.
†††)
3
)
†)
Anm.
1)
So vermindert
z. B.
die systematische Behandlung des Christenthums nicht nothwendig den
Fleiß
Fleiß, den man auf das Studium der Bibel wendet. Vielmehr, wenn man aus dem System sieht, wie getheilt die Christen über gewisse Stellen und Lehren der Bibel gewesen sind: so wird man nicht nur auf manchen Sinn geführt, der uns vorher gar nicht
einfiel;
einfiel,
man wird auch ermuntert, recht genau die Bibel zu studieren, um unter so
verschiednen
verschiedenen
Vorstellungen zu entscheiden, und eine recht feste, auf allen Seiten wohl verwahrte, Ueberzeugung von dem richtigen Sinn und dessen Gründen zu erhalten. Und wenn man
bey
bei
dem System findet, wie sehr
Ein
ein
Satz
dem Andern
den andern
einschränke, und auf wie grobe Irrthümer oder unauflösliche Zweifel man gerathen würde, wenn man die biblischen Sätze so gerade nähme, wie sie sich uns zuerst darstellen: so wird man ja viel vorsichtiger,
nicht geradezu
einen gutscheinenden Sinn
nicht geradezu
zu billigen, und keine Ideen an gewisse Sätze der Bibel zu hängen, die hernach diese Sätze mit andern in Widerspruch bringen. Was
kan
kann
uns von dem so verführerischen Vorurtheil:
man müsse sich einfältig an den Buch staben der
heil.
heiligen
Schrift halten, und einfältig
glauben,
glauben –
was
kan
kann
uns davon abbringen, als eben die Bemerkung, die das System so augenscheinlich macht, zu was
fär
für
Irrthümern und Widersprüchen uns die Befolgung dieses Grundsatzes verleite?
††)
2)
Zum
Beyspiel kan
Beispiel kann
hier die Lehre der evangelischen Kirchen von der Versöhnung der Menschen mit Gott durch
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Jesum Christum
, und von der
Rechtfertigung allein durch den Glauben, dienen, gegen welche viele noch immer den Vorwurf erneuern, daß sie die Sicherheit der Menschen
befördre
befördere
, und der Nothwendigkeit der Heiligung Eintrag thue; desgleichen die Fragen: von
Nothwendigkeit der guten Werke (der Tugend) zur Seligkeit, und des
Glaubens an
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Jesum Christum
zu jeder guten
That,
That;
von der
Seligkeit derer, die das Christenthum nie gekannt haben, und
der
den
Satz, daß ihre Tugenden splendida vitia wären
(Fehler
(Fehler,
oder Mängel, die besser zu seyn scheinen, als sie sind). – In diesem Fehler liegt der Grund zu aller Verketzerung
, der sich übereilte und halbgelehrte Reformatoren eben so leicht schuldig machen, als im Gegentheil Andere, die steif an den gewohnten Vorstellungen von gewissen Lehren hängen
.
†††) Denn, was
3) Was
man
System
System
überhaupt
überhaupt
nennt –
und
denn
die obigen Einwürfe sind ja gegen
alles
Alles
gerichtet, was so heißt – ist nicht
einerley
einerlei
mit dem
besondern
besondern
System einer gewissen Kirche oder eines besondern Lehrers. Wer also
einzelne
einzele
Lehren, wie sie philosophisch und im Zusammenhange mit andern vorgestellt worden sind, beurtheilen will, muß nicht bloß Eine oder
Eine
eine
und die
Andre
andere
Vorstellung, sondern eigentlich alle Versuche kennen, die man zur
Aufklärung
Aufklärung einer Lehre gemacht
hat;
hat,
und dazu gehört keine geringe Belesenheit, Scharfsinn, Fähigkeit, sich in
Andrer
Anderer
Gedanken zu versetzen
u. d. gl.
u. dergl.
Welch eine ganz andere schrift- und vernunftmäßige Gestalt haben gewisse Lehren unter den Händen gelehrter und scharfsinniger
Lehrer
Lehrer bekommen,
zumal
zumahl
je nachdem durch Streitigkeiten nähere
Veranlaßung
Veranlassung
, darüber weitere Unteruchungen anzustellen, entstanden war! Wie groß erscheint
z. B.
Leibniz, Gottfried Wilhelm
Leibnitz
auch in den Erklärungen, die er über gewisse hergebrachte und angefochtene
Vorstellungen
stellungen
in der Theologie, gelegentlich in seinen Schriften eingestreuet hat!
man müsse sich einfältig an den Buchstaben der heil. Schrift halten
Vgl. II § 21; II § 70.
Rechtfertigung allein durch den Glauben
Zu den reformatorischen Grundsätzen
sola fide
und
sola gratia
vgl. II § 83.
Nothwendigkeit der guten Werke
Zu den
bona opera
vgl. II § 83.
Glaubens an Jesum Christum zu jeder guten That
Vgl. II § 139.
Seligkeit derer, die das Christenthum nie gekannt haben, und der Satz, daß ihre Tugenden splendida vitia wären
Der Grundsatz
omnes virtutes paganorum splendida vitia sunt
(Alle Tugenden der Heiden sind glänzende Sünden) war im 18. Jh. als Zitat des Kirchenvaters Augustin verbreitet, doch hat er ihn in dieser Form nie gebraucht (vgl. Aug. civ. XIX 25).
Leibnitz
Der bereits in jungen Jahren durch besondere philosophische, mathematische und juristische Begabung aufgefallene und später als
lebendige Enzyklopädie
bezeichnete Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) gehört zu den prägendsten Denkern des deutschen Barock, verfügte durch seine Reisetätigkeit und als Mitglied der bedeutendsten wissenschaftlichen Gesellschaften über gute Kontakte zu den namhaftesten europäischen Gelehrten seiner Zeit (Spinoza, Huygens, Malebranche, Bayle u.a.) und war zudem auch als Wissenschaftsorganisator, Bibliothekar und Diplomat tätig. Im Hinblick auf sein vielschichtiges Werk, zu dem u.a. auch die Erfindung einer Rechenmaschine gehört, sei hier auf die in seiner
Theodizee
(1710) vorgetragene Sichtweise, trotz allen Übels habe der gute, weise und allmächtige Gott die
beste aller möglichen Welten
erschaffen, sowie auf die posthum 1720 erschienene
Monadologie
verwiesen.
144
431
.
Freylich
Freilich
sind alle menschliche Werke unvollkommen, und die besten Unternehmungen dem Mißbrauch ausgesetzt: soll man aber deswegen lieber nichts versuchen, weil es doch immer nur
Stückwerk seyn wird?
Oder
oder
haben die Gegner der systematischen Theologie nicht auch schon einmal ihre
Partey
Partey
Parthey
Partei
genommen, ohne die Sachen
aufs
auf's
Neue nach der heiligen Schrift zu untersuchen?
Haben
haben
sie nicht auch
Ihr
ihr
System
System, das sie oft in die heilige Schrift hineintragen?
Und
und
, wenn die Natur eines Systems zu gewissen besondern Fehlern leicht
verführt,
verführt:
giebts nicht wieder
andre
andere
gleich schädliche Fehler, in die man um so eher verfällt, je weniger man gewisse Sätze im System versteht?
verworrne
verworrene
Begriffe
z. B.
und daher entstehende
Zweydeutigkeit
Zweydeutigkeit
Zweideutigkeit
, falsche damit einschleichende
Nebenvorstellungen
Nebenvorstellungen, Widersprüche, welchen man die Lehren aussetzt
u. d. gl.
u. d. gl.?
–
Und jenen
Jenen
Fehlern des Systems, nebst dessen zufälligem Mißbrauch läßt sich doch abhelfen, wenn man
folgende
nur die itzt näher anzudeutenden
Regeln
Regeln nicht aus den Augen
läßt:
läßt.
Die
Sie können
zugleich dienen
können
,
theils
den Werth
besondrer
besonderer
Systeme, und der Verfahrungsart
bey
bei
Aufklärung
einzelner
einzler
Lehren zu bestimmen;
theils
Vorsichtigkeit zu befördern, wenn man sich selbst sein System
macht,
macht –
eine Pflicht, die jeder auf sich hat, wer
eine gewissenhafte
nach einer gewissenhaf ten
Erkenntniß der Religion, und wer überall eigne Ueberzeugung
sucht;
sucht; –
theils
gerechter und billiger von denen zu urtheilen, die über gewisse Lehren oder deren Erweislichkeit anders
als wir
denken
wie wir
.
Stückwerk
Vgl. 1Kor 13,9f.
145
432
.
Zuerst
müßte man überall bey
ist bei
einem christlichen
System
System
überall
die heilige Schrift zum Grunde
zu
legen. Es kommt aber
dabey
dabei
so viel auf die Art an,
wie
dieses geschieht, und es werden
dabey
dabei
so manche unerkannte Fehler begangen, so manche Sätze und Beweise für biblisch ausgegeben, die nichts weniger als
biblisch
biblisch sind, daß es sehr der Mühe werth ist, diesen
rechten
Gebrauch
Gebrauch der heiligen
Schrift,
Schrift
zu
dieser
Absicht etwas bestimmter anzugeben.
Hier müßte
Es muß
1)
znvörderst
zuvörderst
ausgemacht seyn, ob das zur heiligen Schrift, wie sie
hier
gebraucht werden soll, gehöre, was man dahin rechnet. Denn es versteht sich a) von selbst, wenn eine Leseart
unsrer
unserer
gedruckten Bi beln falsch oder unsicher, und eine Stelle
unächt
unecht
ist, daß man darauf auch im System nichts bauen
dürfe
†)
dürfe.
1
)
(§.
24
).
311.
).
24.
)
b) Eben so viel aber, und noch weit mehr, kommt darauf an, daß man überzeugt
sey
sei
, was in der heiligen Schrift als
Quelle
Quelle der
Belehrung
Belehrung für Christen
angesehen werden müsse. Denn wenn man
erwegt
erwägt
: –
erwegt,
daß Gott seine in der heiligen Schrift
enthaltnen
erhaltenen
nähern
Offenbarungen
Offenbarungen nach und nach und immer
stufenweise
stuffenweise
deutlicher bekannt gemacht habe;
–
daß
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Jesus
und seine Apostel
selbst
selbst,
theils von den Offenbarungen im alten
Testament
Testament,
als von einem noch
unvollkommnen
Untericht
Unterricht
unvollkommenen Unterricht,
sprechen, theils ganz
andre
Gesinungen
Gesinnungen
andere Gesinnungen
von Christen fordern, als sich zu den Zeiten des alten Testaments fanden (
Luc. 9, 54–56.
Joh. 1, 17.
Gal. 3, 23–25.
K.
4, 9
f.
Ebr. 8, 6.
12, 18–24
); – daß das alte Testament doch eigentlich für Israeliten, als ein
besondres
besonderes
Volk Gottes, bestimmt war, und augenscheinlich nach israelitischen Nationalumständen und Bedürfnissen eingerichtet
ist
sey
††)
;
ist;
2
)
–
daß hingegen die eigentliche Belehrung für
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
Schüler
Schü ler in dem Unterricht ihres Stifters und Herrn und seiner unmittelbaren Schüler gesucht werden müsse, und diese Reden in den Schriften des neuen Testamentes vorkommen: so
kan
kann
der
große
grosse
Unterschied
Unterschied zwischen den Büchern
des
neuen und alten Testamentes, als einer
Quelle
Erkenntnißquelle
und als eines für Christen unmittelbar verbindlichen Unterrichts, nicht
geleugnet
geläugnet
werden.
†)
Anm.
1)
Z. B.
Röm. 8,
11.
11
διὰ τοῦ
ἐνοικοῦντο ς
ἐνοικοῦντος
πνεύματος ἐν ὑμῖν
statt der bessern
διὰ τὸ ἐνοικοῦν πνεῦμα
ἐ. ὑ.
Matth. 5,
22
22.
εἰκῆ
.
Joh. 5,
4
4.
u. a.
††)
S.
Die Schriften des A. T. nach ihrem Inhalt und Zweck bearbeitet - - von
Hufnagel, Wilhelm Friedrich
W. F. Hufnagel
, Erstes Bändchen, Erlangen 1784.
8.
2) Mehr hierüber bei §.
147
f.
ἐ. ὑ.
D.i. erneut
ἐν ὑμῖν
.
146
433
.
Nur aus den Zeugnissen der ältern jüdischen und christlichen
Kirche
Kirche
können wir
wissen
wir allein
, welche Bücher von solchen Männern herrühren, die, als göttliche
Gesandten
Gesandte
, die Lehren der göttlichen
Offenbarung
Offenbarung im alten und neuen Testament zuerst bekannt gemacht
haben; und in
haben.
1
)
– In
dieser zwiefachen Kirche hat es
unleugbar verschiedne
aber unläugbar verschiedene
Meinungen über das göttliche Ansehen
einzelner
einzler
Bücher gegeben, aus welchen man die erste Kenntniß jener
Lehre
Lehren
schöpfen könne, ohne daß man jemanden, der darüber anders als
Andre
Andere
dachte, des Namens eines Juden oder Christen unwürdig gehalten hätte, –
zumahl
zumal
da nie ein
göttliches
göttlich
Zeugniß
Zeugniß diese Frage entschieden hat. So gewiß es auch ist, daß einige Bücher der heiligen Schrift (als die Bücher
Mose
Mosis
, die Evangelien, und manche Briefe des neuen Testaments) in der Absicht geschrieben worden sind, die Lehren der den Juden und Christen mitgetheilten göttlichen Offenbarung zuerst schriftlich bekannt zu
machen,
machen
und für die Nachwelt zu erhalten: so wenig läßt
sichs
sich's
doch von andern,
zumahl
zumal
historischen, bewei sen, die aber deswegen immer glaubwürdig sind, auch in
einzelnen
einzlen
Stellen solche Lehren enthalten, und, wenn sie auch nicht eigentlich in jener Absicht geschrieben
sind
wurden
, doch von Gott als ein Mittel gebraucht werden konnten, die Aufschlüsse, die er den Menschen über die
Religion
Religion geben wollte, auszubreiten und fortzupflanzen. Da aber viele dieser
Bücher
Bücher,
oder die darin erzählten Reden der göttlichen Gesandten, an gewisse
besondre
besondere
Arten von Lesern oder Zuhörern gerichtet, und nach deren besondern Fähigkeiten, Kenntnissen und Bedürfnissen vorgetragen, folglich, nur
den
dem
Inhalt
nach, auch für
andre
andere
Arten von Lesern, hingegen, der
Einkleidung
Einkleidung
nach, oft nur für die damaligen Leser oder Zuhörer bestimmt sind: so läßt sich hieraus, so wie aus dem Uebrigen vorher Gesagten,
schließen
schliessen
, daß weder alle
Bücher
der heiligen Schrift, noch alle
Stellen
derselben, noch
vielweniger
viel weniger
alle
Worte
, geradezu als ein Grund angesehen werden können, worauf sich die ungezweifelte Erkenntniß des Christenthums bauen läßt.
2
)
Anm.
1) Neben den Zeugnissen der Kirche ist allerdings auch die
Kritik
Kritik als Prüfungsmittel zu nennen, wiewohl neuerdings besonders die
sogenannte höhere
sich oft mehr anmaßt, als sie billig sollte, besonders wo die kirchliche Ueberlieferung sie behutsam machen müßte.
A. d. H.
2)
Was hier nur ganz im Allgemeinen gesagt ist, soll die Vorsichtigkeit in der Wahl des Beweises der göttlichen Lehren empfehlen, und die
Zweydeutigkeit
Zweideutigkeit
des Begriffs von dem, was
biblisch
ist, begreiflich
machen;
machen,
welcher Begriff eben sowohl nur von dem gebraucht wird, was in der Bibel
steht
, als von dem, was uns
Gott
darin über seinen Willen
geoffenbart
hat. Die Gränzen näher zu bestimmen, wo sich
beydes
Beides
scheidet, verdiente gar sehr eine recht genaue und vorsichtige Bestimmung, wozu hier der Ort nicht ist.
historischen
Vgl. II § 63.
147
434
.
Wenn ausgemacht ist, daß etwas in dem §.
145
432
angegebnen
145.
angegebenen
Sinn zur heiligen Schrift gehöre: so tritt die
2te
zweite
Hauptfrage (§.
145
432
145.
) ein: wie nun die Kenntniß der Lehren aus der heiligen Schrift zu schöpfen
sey? Dies
sei? Dieß
gründet sich auf die richtige
Erklärung
Erklärung
der heiligen Schrift, und diese lediglich auf ihren erweislichen
Sprachgebrauch
Sprachgebrauch. Man
kan
kann
daher das früh zeitige Studium der
Bibel
Bibel und ihres Sprachgebrauchs nicht genug empfehlen, um so mehr, als sonst auch das unbefangenste Gemüth durch einen bereits empfangenen systematischen Unterricht gar zu leicht verstimmt und verleitet werden
kan
kann
, gewisse Lehren in der Bibel zu
suchen
, anstatt sie, ohne Rücksicht auf ein vorgefaßtes
System
System, so aus der Bibel
anzunehmen
, wie man sie darin
findet
. Was über das Auffinden des wahren biblischen Sprachgebrauchs zu sagen wäre, ist überhaupt schon oben
bey
bei
der exegetischen Theologie angegeben. Hier nur einige Anmerkungen über die Auffindung
des christlichen
Lehrbegriff
Lehrbegriffs in der Bibel
, und einige
dabey
dabei
gar zu oft übersehene Fehler.
Anm.
Hier ist noch viel zu leisten übrig, und die Sache ist für den christlichen Lehrbegriff von
äusserster
äußerster
Wichtigkeit, wenn man nicht
auf
aufs
Gerathewohl handeln, oder der Bibel seine
eigene
eigne
eigenen
Begriffe unterschieben, und wenn man das viele
willkührliche
willkürliche
Gerede über
reinbiblisch
reinbiblische
rein-biblische
Theologie gehörig sichten will. Nie können die wichtigsten Streitigkeiten über biblische Lehren aus dem Grunde gehoben
werden,
werden;
nie werden harte Urtheile über
Dissentirende
Dissentirede
aufhören, ehe man diese Begriffe nicht vorsichtig und nach festen Regeln aus der Bibel auffindet und klar macht, wie weit, und warum man nicht weiter in Bestimmung der biblischen Begriffe gehen dürfe. Noch enthält unsre
Hermenevtik
Hermenevtik
Hermeneutik
keine solche hinlängliche
Regeln
Regeln,
Regeln;
aber man hat einige sehr gute Versuche über
einzelne
einzle
biblische Begriffe. Ich muß mich sehr irren, oder ältere christliche Theologen haben hierin gar nichts
geleistet;
geleistet,
unsre ältere sprachkundige protestantische
unsere älteren sprachkundigen protestantischen
Theo logen etwas weniges mehr, aber nur wenig,
z. B.
über den
Begriff der
δικαιωσεως
; viel mehr einige Theologen
unsrer
unserer
Zeit.
Ernesti, Johann August
Ernesti
hat in seiner
vortreflichen
vortrefflichen
Institutione interpretis N. T. und
seiner theologischen Bibliothek zuerst die Bahn
geöfnet;
geöfnet,
geöffnet;
weiter sind nur wenige, meistens einige seiner würdigen Schüler, gegangen, besonders
Teller, Wilhelm Abraham
W. A. Teller
, (zum Theil auch einige,
die gegen
die, wie
Campe, Joachim Heinrich
Campe
, über
sein Wörterbuch geschrieben
haben,)
haben),
Morus, Samuel Friedrich Nathanael
Morus
(selbst in Absicht
anf
auf
Regeln)
Regeln),
und
Tittmann, Johann August Heinrich
Tittmann
, in
einzelnen
einzlen
kleinen
Schriften
Schriften, so wie Alle, die das Temporelle und Lokale in der Schriftlehre, desgleichen den Unterschied zwischen Hauptlehren und Introductionslehren des Christenthums näher erörtert haben
. Ich gebe hier einen schwachen Versuch, der jedem bessern und vollständigern gern Platz machen will.
Begriff der
δικαιωσεως
D.i. Rechtfertigung (
δικαίωσις
) (vgl. Röm 4,25; 5,18) (vgl. II § 83).
Ernesti hat in seiner vortreflichen Institutione interpretis N. T.
Vgl. II § 51.
seiner theologischen Bibliothek
Kurz nach seinem Wechsel an die Theologische Fakultät in Leipzig gründete Johann August Ernesti eine Rezensionszeitschrift, die zunächst als
Neue theologische Bibliothek
(1760–1769) in zehn und später als
Neueste theologische Bibliothek
(1771–1777) in vier Bänden erschien. Viele der ohne Verfasserangabe veröffentlichten Beiträge stammen laut der Mitteilung von Zeitgenossen von ihm selbst.
W. A. Teller, (zum Theil auch einige, die gegen sein Wörterbuch geschrieben haben,)
Wilhelm Abraham Tellers
Wörterbuch
(vgl. I § 283) sah sich unterschiedlicher Kritik ausgesetzt, die bis hin zu lexikalischen Gegenentwürfen reichte. So ist Friedrich Christoph Oetingers (1702–1782)
Biblisches und emblematisches Wörterbuch
(1776) dem Untertitel nach
dem Tellerischen Wörterbuch und Anderer falschen Schrifterklärungen entgegen gesezt
, außerdem hat Tellers Bruder Johann Friedrich Teller (1739–1816) ein zweibändiges, dem lutherisch-orthodoxen Lehrbegriff verpflichtetes
Wörterbuch des Neuen Testaments
(1775) vorgelegt, das sich nicht zuletzt auch gegen das
Wörterbuch
seines Bruders richtete. In der dritten Auflage der
Anweisung
ist dann nicht mehr von Autoren die Rede, die
gegen
, sondern schlicht
über
Tellers
Wörterbuch
geschrieben haben. Zu diesen zählt der u.a. durch sein
Wörterbuch der deutschen Sprache
(vgl. I § 99 c) hervorgetretene Joachim Heinrich Campe (1746–1818), der sich als Student in Helmstedt öffentlich zu seinem Lehrer Teller bekannt und daraufhin sein Stipendium verloren hatte. Eine eigene Schrift hat Campe Tellers
Wörterbuch
nicht gewidmet, doch bezeichnet er es in seiner 1793 erschienenen, u.a. im
Wörterbuch zur Erklärung und Verdeutschung der unserer Sprache aufgedrungenen fremden Ausdrücke
(
2
1813) erneut abgedruckten Berliner Preisschrift
Grundsätze, Regeln und Grenzen der Verdeutschung
als
vortrefflich
(aaO 43).
Morus (selbst in Absicht auf Regeln)
Da Samuel Friedrich Nathanael Morus' zweibändige
Hermeneutik
erst um die Jahrhundertwende erschienen ist (vgl. II § 56 c) und bereits die erste Auflage der
Anweisung
den Hinweis auf seine Bedeutung für die Formulierung hermeneutischer Regeln enthält, dürften diese den bis 1786 erschienenen Schriften zu entnehmen und im Wesentlichen an der Hermeneutik seines Lehrers Ernesti orientiert sein.
Tittmann, in einzelnen kleinen Schriften
Der zwischen Rationalismus und Supranaturalismus einzuordnende Johann August Heinrich Tittmann (1773–1831) rückte nach außerordentlichen Professuren der Philosophie und Theologie bis 1818 bis zur ersten theologischen Professur in Leipzig auf, übernahm daneben weitere Ämter (Frühprediger an der Leipziger Universitätskirche, Domherr in Meißen, Vorsitz des Leipziger Missionshilfsvereins, der Bibelgesellschaft und des Taubstummeninstituts) und war zudem auch politisch tätig (Verhandlungen mit Napoleon, Teilnahme am Wiener Kongress u.a.). In Vorlesungen und Veröffentlichungen hat Tittmann nahezu alle theologischen Disziplinen in den Blick genommen, an dieser Stelle sind jedoch insbesondere die Programme
De causis praecipuis contortarum interpretationum Novi Testamenti
(1800) und
De scriptorum Novi Testamenti diligentia grammatica recte aestimanda
(1813) zu nennen. Bemerkt sei, dass als Ausweis seiner oft gerühmten rhetorischen Fähigkeiten auch im Lateinischen immer wieder auf Tittmanns Rede anlässlich des fünfzigjährigen akademischen Jubiläums August Hermann Niemeyers im Jahre 1827 verwiesen wird.
148
435
.
Da sich die heilige Schrift so oft über unsichtbare und geistige Sachen
sinnlich
sinnlich
ausdruckt
ausdrückt
, so
wäre I)
ist I.
vor allen Dingen zu untersuchen, ob die
Wörter
Wörter
und
Redensarten
Redensarten
, worauf man bauen will,
eigentlich
eigentlich oder
uneigentlich
uneigentlich zu nehmen
wären
sind
. Denn
wären; denn
wäre
ist
das
Letztre
Letztere
, so würde man, wenn man sie eigentlich nähme, Sätze der heiligen Schrift
beylegen
beilegen
, die gar nicht darin behauptet wären,
und wäre das Erstere,
im ersteren Fall aber
Sätze übersehen, die sie wirklich hätte lehren wollen. Sehr oft läßt sich
dies
dieß
gleich unterscheiden, wenn entweder die Natur der Sache die eigentliche Bedeutung nicht
zuläßt
†)
,
zuläßt,
1
)
oder durch
beystehende
beistehende
Anzeigen
††)
2
)
oder Anspielungen
†††)
3
)
zu erkennen gegeben wird, ob es eigentlich oder uneigentlich gemeint
sey
sei
. Giebt aber
beyderley
beiderlei
Bedeutung einen denkbaren
Sinn:
Sinn,
so muß der Vorzug des einen vor dem andern entschieden werden, nach der
eignen
eigenen
Erklärung der heiligen Schrift in der Stelle selbst und in ihrem
Zusammenhang
*)
,
Zusammenhang,
4
)
oder in offenbar ähnlichen
Stellen
**)
,
Stellen,
5
)
oder nach dem Zweck eines
Ausspruchs
***)
,
Ausspruchs,
6
)
oder nach dem Sinn des Wortes in ähnlichen Verbindungen, und dem
bey
bei
den letztern üblichen eigenthümlichen
Sprachgebrauch
Sprachgebrauch der heiligen Schriftsteller.
****)
7
)
†)
Anm.
1)
Z. B.
zur rechten Hand Gottes sitzen; theilhaftig werden der göttlichen Natur
2 Petr. 1,
4.
4.,
desgl.
Ephes. 5, 27
und
30.
††)
2)
Ephes. 2, 22. 4, 14.
Kap.
3,
17
17.
,
vergl.
mit
2 Tim. 1,
15
15.
, und
Koloss. 3, 16.
Röm. 12,
1
1.
, und
Ebr. 13, 15.
Kol. 2, 11
.
†††)
3)
So
θάνατος
θανατος
eigentlich
Röm. 5,
12
12.
wegen Anspielung auf
1 Mos. 2, 17. 3,
19
19.
; hingegen
Joh. 8,
44
44.
ἀνθρωποκτόνος
, und
Ebr. 2,
14
14.
τὸ κράτος ἔχων τοῦ θανάτου
uneigentlich, wegen der Anspielung auf
1 Mos. 3
.
*)
4)
So ist
1 Petr. 5,
8
8.
uneigentlich zu nehmen, weil es
Petrus
Petrus
v.
V.
9.
9
durch
παθήματα
erklärt; hingegen
Joh. 5, 21
f.
die Auferweckung der Todten eigentlich, wegen der Verbindung mit dem Gericht
v.
22
V. 22.
und den
v.
28
V. 28.
erwähnten
erwehnten
Gräbern.
Röm. 6,
8
8.
ist so wenig als
Kap.
8,
10 und 11
10. u. 11.
, oder
Eph.
Ephes
.
2, 5
f.
von Hoffnung
unsrer
unserer
künftigen Auferstehung gesagt, sondern von der geistlichen Auferstehung und dem Leben zur Ehre Gottes, weil es der ganze Zusammenhang giebt. So zeigt auch die ausdrückliche Erklärung
Paulus
Pauli
2 Kor. 4,
6
6.,
warum
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christus
v.
4
V. 4.
εἰκὼν
τοῦ
του
Θεοῦ
heisse
heiße
, und daß es da im uneigentlichen Sinn zu nehmen
sey
sei
,
vergl.
v.
V.
3 und 4
.
**)
5)
Röm. 6,
6
6.
zum
Beyspiel
Beispiel
,
desgl.
v.
12
12.
und
13
13.
, und
K. 7,
24 kan
24. kann
man unmöglich
leugnen
läugnen
, daß
da,
da
nicht vom sterblichen Körper, sondern von den Tod bringenden (ins Verderben stürzenden) Lüsten die Rede
sey
sei
, wenn man nicht nur den ganzen Zusammenhang vergleicht, sondern auch findet, daß
Paulus
Paulus
Kol. 3,
5
5.
τὰ μέλη
durch
πορνείαν
u. s. w.
erklärt, und damit
Matth. 5, 29
und
30
30.
zusammenhält.
***)
6)
So würde, wenn es nicht schon das so eben Gesagte lehrte,
Matth. 5,
29
29.
und
30
30.
nicht anders als uneigentlich können genommen werden, weil, wenn man es eigentlich nehmen wollte, der Zweck, wozu dieses Mittel vorgeschlagen wird, dem Zweck
dieser Regel
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Jesu
nicht
entspräche,
entspräche;
verglichen mit
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
eignen Worten
v.
28
V. 28.
am Ende.
****)
7)
Die Juden sprachen
z. B.
von allem Unglück und Sünden so, vermuthlich wegen
1 Mos. 3
, als wenn der Teufel dieses alles in die Welt gebracht hätte, so wie sie alles Gute und alles Glück Gott
beylegten
beilegten
. Diese Art zu reden behält die
heil.
heilige
Schrift,
z. B.
von Gott,
2 Kor. 8, 1
und
16
.
Kap.
14;
14.;
9, 14,
vom Teufel
Ebr. 2, 14.
Joh. 13, 2.
Apostelgesch.
Apostelgesch
.
5, 3.
2 Kor. 12, 7
etc.
etc.,
legt
ihr
ihm
aber ohne Zweifel einen uneigentlichen Sinn unter, wie
z. B.
bey
bei
dem Tode, als einer natürlichen Veränderung des Menschen,
bey
bei
den Sünden der Menschen, die sonst nicht ihnen könnten zugerechnet werden, und aus
1 Petr. 5,
8
8,
8.
verglichen mit
V.
9
9.
offenbar ist. Wegen dieses beständig uneigentlichen Sprachgebrauchs in solchen Redensarten, würde man sie in andern Redensarten eben derselben Art eben so
uneigentlich
erklären müssen, wie man im Gegentheil die Versöhnung der Menschen mit Gott durch
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christum
immer von seinen Leiden und
Tode
Tod
, nicht von seiner Lehre, also
eigentlich
, erklären muß, weil die
heil.
heilige
Schrift so beständig diese Versöhnung dem Tode und Blute
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
, niemals
seiner
seine
Lehre, zuschreibt. Nach eben dieser Bemerkung würde ich
Apostelgesch.
Apostelgeschichte
5,
4
4:
4.
ἐψεύσω τῷ
Θεῶ
Θεῷ
nicht eigentlich von Gott, sondern
uneigentlich von den Aposteln, als Gottes Gesandten, erklären müssen, weil es in ähnlichen Redensarten so geschehen
muß,
muß;
z. E.
Apostelgesch. 7,
51
51.
ἀντιπίπτειν τῷ
Πνεύματι
Πνεύματι
,
welches durch
διώκειν
τοὺς
τὰς
προφήτας
προφέτας
v.
52
52.
V. 52.
erklärt wird.
{Ob ich gleich gestehe, daß mir nicht jede dieser Erklärungen einleuchtet, so habe ich doch Bedenken getragen, dem
sel.
Verfasser meine Ansichten unterzuschieben, oder hier darüber zu streiten. Die Hauptregel steht fest, wenn auch nicht jedes Beispiel für sie beweiset.
A. d. H.
}
149
436
.
Und
Doch – welches ist
nun
den
der
Sinn
Sinn
solcher
uneigentlich
uneigentlichen
Ausdrücke.
Ausdrücke? –
Dieser ist oft schon mitgefunden, wenn man den Grund gefunden hat, warum ein
Ausdruck
Ausdruck uneigentlich zu nehmen
sey
sei
, wenigstens in den Fällen, wo man dieses
Letztre
Letztere
aus den
eignen
eigenen
Erklärungen der heiligen Schriftsteller, aus dem Zusammenhang oder der Absicht eines Satzes, oder aus dem uns bekannten jüdischen Gebrauch, erkannt hat. Ueberhaupt aber darf man nur immer
auf
die
eignen
eigenen
Erklärungen der heiligen
Schriftsteller
†)
, und,
Schriftsteller,
1
)
und
wo die nicht gleich
dabey
dabei
, oder im Zusammenhang sich finden, auf ähnliche
Stellen
††)
Stellen,
2
)
Acht haben. Schwerlich wird sich irgend ein tropischer Ausdruck finden, der die christliche Lehre angeht, welchen man nicht auf diese Art aus der Bibel selbst könnte verstehen lernen. Indessen haben manche
solche
solcher
uneigentliche Ausdrücke
verschiedne
verschiedene
Bedeutungen
Bedeutungen, aus welchen man das herausziehen muß, was sie mit einander gemein haben.
†††)
3
)
Hat man einmal einen
Trope
Tropen verstehen
gelernt:
gelernt,
so
kan
kann
man da nach
ähnliche
*)
,
ähnliche,
4
)
und eben so die mit ihm in einer Stelle verbundenen, erklären.
†)
Anm.
1)
So ist der
innre
innere
Mensch
Röm. 7,
22
22.
gewiß anders nichts, als
v.
23
V. 23.
ὁ νοῦς
,
der Verstand,
so fern er Gottes Gesetze erkennt;
Friede mit Gott
haben
haben
,
Römer
Röm.
5,
1
1.
eben so viel, als
keine Strafen von
ihm
ihn
fürchten
dürfen
v.
9;
9,
dürfen
,
V. 9.;
und aus eben diesem Zusam menhang, oder vielmehr
aus
Paulus
Pauli
Erklärungen, läßt sich der wahre Begriff von
Versöhnung
Versöhnung der Menschen mit Gott durch
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christum
abnehmen. Denn
v.
10 heissen
V. 10. heißen
καταλλαγέντες
eben die, welche
v.
V.
9.
9
δικαιωθέντες
heissen
heißen
, oder solche, die nicht mehr als Strafwürdige von Gott behandelt werden, so wie sie vor
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
Tod
v.
V.
8.
und
10
10.
ἁμαρτωλοὶ
(Strafwürdige)
(Strafwürdige
)
und
ἐχθροὶ
(Feinde)
heissen
heißen
. Aus diesem Letztern ist zu ersehen, warum
Paulus
Paulus
das Wort
Versöhnen
brauche,
nemlich
nämlich
weil man dieses von denen sagt, die vorher als Feinde angesehen
wurden,
wurden:
und demnach liegt in diesem uneigentlichen Ausdruck der
Versöhnung
weiter kein
andres
anderes
Bild
und
der
Aehnlichkeit, als
dies
dieß
, daß Gott uns, wegen des Todes
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
, nicht als
Strafwürdige
Strafwürdige
oder Feinde behandeln
wolle
will
.
††)
2)
Der so eben angegebene Begriff von
Versöhnung
z. B.
wird durch ähnliche Stellen augenscheinlich
bestätiget
bestätigt
. Denn
2 Kor. 5.
heissen
heißen
die
Versöhnten
v.
19,
19
V. 19.,
Gerechtigkeit
Gottes,
Gottes
(Gerechte vor
Gott,)
v.
21
Gott),
V. 21.
, und
Gott versöhnte die Welt durch
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christum
mit
sich
v.
19
sich
,
V. 19.
erklärt
Paulus
Paulus
gleich durch: er rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu.
Röm. 11,
15
15.
wird
καταλλαγὴ
Κόσμου
Κοσμου
durch
ζωὴν ἐκ νεκρῶν
erklärt (
d. i.
vermöge dieses Gegensatzes, die Heiden waren
Todeswürdige
, und ihnen ist nun das
Leben
zugesprochen); hingegen
heis sen
v.
28
heißen
V. 28.
die
Juden,
Juden
Feinde,
Feinde
(gerade wie
Röm. 5,
10)
10.),
im Gegensatz gegen
Beliebte
(denen Gott wohl will);
und sie sind
versöhnt
, sobald dieß Wohlgefallen anders möglich ist;
also können
Feinde
nicht seyn die Gott hassen, und Versöhnung
kann
kan
nicht
Besserung bedeuten,
Besserung
bedeuten;
sondern
Feinde
sind, an welchen Gott keinen Wohlgefallen haben
kann
kan
. – So sind
Ephes. 2,
1
1.
und
5
5.
Todte
nicht: ganz Unfähige zu allem Guten, sondern Strafwürdige, nicht nur, weil sie
v.
3
V. 3.
τέκνα ὀργῆς
heissen
heißen
, sondern auch, weil
Kol. 2,
13
13.
Lebendigmachen
durch
Sünde vergeben
erklärt wird.
†††)
3)
Ein
Beyspiel
Beispiel
ist der Name
Kinder Gottes
(
S.
mein
das
Programm de nomine filiorum Dei, in
den
Opusculis
Fascicul. II.
No.
13.).
13.)
Tom.
II.).
Dieser bedeutet
bald
den, der Gott gleich gesinnt
ist
ist,
Matth. 5, 45.
1 Joh. 2,
29
29.
,
bald
den, der das für wahr annimmt, was göttliche Wahrheit
ist
ist,
1 Joh. 4,
6
6.
,
bald
bald
den, der eben so selig ist wie
er
er,
1 Joh. 3, 1.
Röm.
8, 17
8., 17.
; also überhaupt, wer ihm
ähnlich
ist.
*)
4)
Nach der vorstehenden Anmerkung wäre also klar, was das
sey
sei
:
der göttlichen Natur theilhaftig
werden
werden
,
2 Petr. 1,
4
4.
, welches selbst die
beygefügte
beigefügte
Erklärung
lehrt;
lehrt:
von oben her geboren
werden
werden
,
Joh. 3,
3
3.
;
das Reich Gottes als ein Kind annehmen
Marc. 10, 15.
– Weiß man einmal,
Joh. 14,
23 heisse
23. heiße
Gott wohnt
bey
bei
uns
, so viel, als: er unterrichtet, belehrt
uns,
uns
(wie aus
v.
V.
22
und
26
26.
,
vergl.
mit
v.
V.
16
und
17
, desgleichen
17.,
desgl.
aus
Kap.
15, 7.
Kol. 3,
16
16.
und
Ephes. 3,
17–19
17–19.
offenbar ist): so weiß man auch, daß
μένειν ἐν Θεῷ
oder
Χριστῶ
Χριστῶ
,
Joh. 15, 3.
7
7.
und anderwärts, nichts anders
heisse
heiße
, als: sich an diese Belehrung
halten,
halten;
und danach ist die ganze Allegorie
Joh. 15, 1
f.
zu verste hen;
s.
das
Programm über diese Stelle in
den
meinen
Opusc.
Fasc. II.
N.
2.
Tom.
II.)
mein Programm de nomine filiorum Dei, in den Opusculis Fascicul. II. No. 13
Nösselts
De vera vi nominis filiorum Dei disputatio
ist in
Opusculorum ad interpretationem Sacrarum Scripturarum fasciculus II
(1787), 333–350 (XIII.) abgedruckt.
Programm über diese Stelle in den Opusc. Fasc. II. N. 2
In
Opusculorum ad interpretationem Sacrarum Scripturarum fasciculus II
(1787), 25–62 (II.) findet sich Nösselts
Interpretatio grammatica capitis XV et XVI. Evangelii Ioannis
.
150
437
.
Hiernächst (§.
148.
435
)
müßten
müssen
wir uns
II)
II.
sowohl
bey
bei
diesen
uneigentlich
uneigentlichen als überhaupt
bey
bei
allen
Begriffe
Begriffen und Sätzen der heiligen
Schrift dies
Schrift, dieß
zur allgemeinen
Regel
Regel machen, niemals einen Begriff unterzulegen, er
sey
sei
an sich
so wahr, oder
unserm
, gemeinen oder gelehrten, Sprachgebrauch so gemäß, als er wolle; wenn wir nicht beweisen können, dieser Begriff
sey
sei
wirklich in der Bibel an ein gewisses Wort oder
eine
Redensart geknüpft, und zwar in der Stelle, wo derjenige
Ausdruck
Ausdruck vorkommt, worauf wir bauen. Denn es
kan
kann
etwas wahr, und doch von
jemand
jemandem
nicht ge meint; es
kan
kann
eine Bedeutung in der Bibel üblich seyn, und doch ist sie in einer gewissen Stelle nicht gebraucht; es
kan
kann
etwas nach
unsrer
unserer
Sprachart
Sprachart gewöhnlich seyn, und ists doch in der Sprache der Apostel nicht; es
kan
kann
ein Begriff sogar allen Sprachen gemein seyn, und doch
kan
kann
er von einem besondern Schriftsteller eine nähere Einschränkung oder Erweiterung bekommen haben. Wenn wir von der heiligen Schrift
lernen
sollen:
sollen,
so müssen wir auch nur
sie
hören, und nicht das unterschieben, was sich zu
unsrer
unserer
Art zu reden und zu
unsern
Urtheilen am meisten reimt. Wo diese Regel aufhört, da hört auch das
Biblisches
Biblische
auf, da fangen
unsre
unsere
Zusätze an. So ungereimt es ist, so gewöhnlich ists doch,
dies Beydes
dieß Beides
zu verwechseln: dieses
steht
in der Bibel, und es
steht in dem Sinn
darin, wie wirs nehmen; man begnügt sich nur zu oft mit dem Erstern, und vergißt das
Letztere
Letztre
, worauf es doch hier allein ankommt.
Anm.
Zu den Vergehungen gegen diese Regel gehört:
1. wenn man den biblischen Wörtern
Bedeutungen
Bedeutungen giebt, die sie überall in der Bibel nicht
haben;
haben:
als, daß
χάρις
von übernatürlichen Wirkungen Gottes in den Menschen (von gratia
inhaesiva)
inhaesiua)
inhaesiva),
im Gegensatz gegen natürliche Kräfte des Menschen, gebraucht werde, da doch
χάρις
stets in der Bibel entweder von Gottes
freyer
freier
Güte,
Ephes. 2,
5
5.,
verglichen mit
V.
4
4.
, oder von seinen Wohlthaten überhaupt gebraucht wird;
desgl.
desgleichen
daß
διαθήκη
einen eigentlichen Vertrag bedeute, worauf man die ganze Föderaltheologie, die Lehre von Zurechnung des Falls
Adam
Adams
, von
Adam
Adam
Adam,
als
einen
einem
Repräsentanten des menschlichen Geschlechts,
u. d. gl.
u. dergl.
gebaut hat; daß
1 Kor. 2,
14
14.
πνευματικοὶ
und
ψυχικοὶ
, Wiedergeborne und Unwiedergeborne sind
etc.
2. Wenn man Bedeutungen in eine Stelle trägt, die sie in
der
der
Stelle nicht haben, woraus man etwas beweisen will; als in
die
der
Stelle
Röm. 5, 12
f.
den gewöhnlichsten Begriff
der
die
Zurechnung, worauf hernach die Lehre von einer
mit
und
in
Adam
begangnen
begangenen
Sünde, von schon daher rührender Strafwürdigkeit der Menschen
etc.
gegründet wird; oder in das Wort
αἰώνιος
αἰωνιος
Matth. 25,
46
46.
den Begriff von
nicht immer
, sondern nur
lange
dauernden Strafen, weil man dieses besser mit Gottes unendlicher Güte, oder vielmehr die gewöhnlichen falschen
Begriffe
von eigentlicher Ewigkeit der Strafen, nicht mit dieser Güte zu reimen weiß, so sehr auch für die
erstre
erstere
Bedeutung der Gegensatz in der Stelle selbst (
ζωὴ
ἀιώνιος
αἰώνιος
) und die Stelle
Marc. 9,
46
46.
spricht.
3. Wenn man einen Unterschied zwischen biblischen Ausdrücken erdichtet, den sie, wenigstens in den Stellen, wo man diesen Unterschied anbringt, nicht haben; als zwischen
ἐκπορεύεσθαι
und
ἐξέρχεσθαι
bey
bei
Joh. 15,
26
26.,
die doch
Kap.
16,
28
28.
gleichgültige Ausdrücke sind; desgleichen zwischen den Wörtern
Matth. 22, 37.
Gal. 5, 19
f.
u. d. gl.
u. dergl.
4. Wenn man gewöhnliche
und,
und
der Sache selbst
nach,
nach
richtige Abtheilungen in Stellen trägt, wo gar nicht zu beweisen ist, daß die
heil.
heiligen
Schriftsteller diese
Verschiedenheit
Verschiedenheit im Sinn gehabt haben; als die Abtheilung in das rituelle und moralische Gesetz
bey
bei
Röm. 3, 20
f.
, den Unterschied zwischen Gott- und Menschheit
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
etc.
den Unterschied zwischen
Wieder-
und
Unwiedergebornen
Röm. 7, 14
f.
etc.
5. Wenn man an die Wörter
Nebenbegriffe
Nebenbegriffe hängt, wovon keine Spur im Wort oder dem Texte
liegt;
liegt,
als
Joh. 6,
44
44.,
von
unmittelbaren
oder
übernatürlichen
Wirkungen,
Röm. 5.
von unserm Tode als
Strafe
u. d. gl.
und dergleichen.
151
438
.
Doch hier ist nicht sowohl die Frage, wie man
hinter
den
dem
Sprachgebrauch
Sprachgebrauch der heiligen Schrift überhaupt
komme,
komme
entdecken könne
(davon ist schon oben geredet worden), sondern wie
ich
man
den
bestimmten
Sprachgebrauch,
vornemlich
vornehmlich
in Rücksicht auf
Lehrbegriffe
Lehrbegriffe,
d. i.
wie
ich
man
finde, welche Erweiterung oder Einschränkung die heiligen Schriftsteller ihren
Ausdrücke
Ausdrücken gegeben haben, um weder zu wenig noch zu viel aus ihren Ausdrücken zu nehmen? Nun ist doch offenbar, daß sie dieselben nicht überall nach
einerley
einerlei
Umfang nehmen (
z. B.
πίστις
,
μετάνοια
,
βασιλεία τοῦ Θεοῦ
,
τοῦ Χριστοῦ
,
τῶν οὐρανῶν
), daß sie bisweilen nur Einen Theil, Eine Eigenschaft einer Sache, Einen
Gesichtspunct
Gesichtspunct
Gesichtspunkt
erwähnen
erwehnen
, woraus man sie ansehen
kan
kann
, daß sie bisweilen genauer, bisweilen unbestimmter davon reden
u. s. f.
Daher müssen diese Ausdrücke
erst
in
einzelnen
einzlen
Stellen untersucht,
hernach
diese
einzelne
einzle
einzelnen
Stellen verglichen, und mit einander verbunden werden, um den ganzen Umfang desjenigen zu erkennen, was sie von den Lehren durch ihre Ausdrücke anzeigen wollen. In
beyden
beiden
Fällen würde man sowohl auf die
einzelnen
einzlen
Wörter und Redensarten, als auf die Sätze sehen
müßen
müssen
, worin sie einen Begriff mit einem andern verbinden.
152
439
.
Worauf hätte man also
III)
III.
(§.
150.
437
) zu sehen, um zu finden, in welchem Umfang die mit biblischen
Ausdrücke
Ausdrücken
verbundne
verbundenen
Begriffe in
einzelnen
einzlen
Stellen genommen werden? Hier
müßen
müssen
wir 1) untersuchen, welche
Bestimmung
Bestimmung oder Umfang haben die von den heiligen Schriftstellern gebrauchten Ausdrücke schon in der Sprache, der sie sich bedienten, besonders in der
ebräischgriechischen
ebräisch- griechischen
†)
?
ebräisch-griechischen?
1
)
2) Bekommen sie in
einzelnen
einzlen
Stellen von
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christo
oder den heiligen Schriftstellern eine nähere Bestimmung, oder nicht? und, wenn jenes ist, welche? Denn oft
brauchen
gebrauchen
sie, wie es in dem
populär
populären Vortrag gewöhnlich ist, die Ausdrücke nicht nach der strengen
Bedeutung
Bedeutung
††)
;
††)
,
Bedeutung;
2
)
sie legen ihnen gereinigtere Begriffe
unter
†††)
;
†††)
,
unter;
3
)
sie verengen oder erweitern die mit den Ausdrücken
verbundene
verbundne
Begriffe
*)
;
*)
,
verbundenen Begriffe;
4
)
sie geben nicht nur die Sachen an, sie erklären sie auch
näher
**)
.
näher.
5
)
Wie dieses alles in
eine
einer
Stelle
sey
sei
, das
müßen
müssen
die schon oft genannten Hülfsmittel, die ausdrückliche Erklärung, der Zusammenhang, der Zweck der Rede und die eigentlichen Parallelstellen lehren.
†)
Anm.
1)
So brauchen die griechischen Uebersetzer, Symmachus
z. B.
z. B.,
Hiob 36,
10
10.
und
Jes. 30,
15
15.
μετανοεῖν
und
nd
μετάνοια
statt des hebräischen
שׁוב אל יהוה
oder
שׁובה
, und dieses
Letztre
Letztere
, welches sie
ἐπιστρέφειν πρὸς τὸν Θεὸν
übersetzen, wird
5 Mos. 30,
10
10.
offenbar erklärt durch: der Stimme des Herrn gehorchen, und seine Gebote befolgen; daher heißt
μετάνοια
nach dem hebräischen Sprachgebrauch gewiß die gänzliche Besserung des
Menschen;
Menschen,
und
Buße
Busse
(
μετανοια
(
μετάνοια
) und
Bekehrung
(
ἐπιστροφὴ
) ist gewiß
einerley
einerlei
.
Φόβος
κ. τρόμος
Phil. 2, 12.
ist nicht
Furcht und Zittern
, sondern
Achtung, Scheu, Bescheidenheit
, wie
1 Petr. 3,
15
15.
2 Petr. 2,
10
10.
1 Kor. 2,
2
2.,
verglichen
2 Kor. 10,
10
10.
, fordert also keine Aengstlichkeit
bey
bei
der Besserung, die ohnehin, nach
Röm. 8,
15,
15
15.,
dem Geiste des Christenthums zuwider ist.
††)
2)
Wie in den Redensarten, die Gott
scheinen
zum Urheber des Bösen zu
machen,
machen scheinen
(§.
138.
425
Anm.
††
2.
); in
πεπραμένος ὑπὸ τὴν ἁμαρτίαν
Röm. 7,
14
14.,
verglichen mit
Kap.
8,
12
12.
; in
ἀδύνατον
, was sehr schwer, nicht, was unmög lich ist,
Ebr. 6,
4.
4
4.,
verglichen mit
κατάρας
ἐγγὺς
ἐγγύς
,
V.
v.
8
8.
und
Matth. 19,
26.
26
26.,
verglichen mit
V.
v.
23.
†††)
3)
Z. B.
der
βασιλείᾳ
βασιλειᾳ
τοῦ Χριστοῦ
Joh. 18,
36
36.
und
Marc. 1,
15
15.
, wenn sie es auch nicht immer ausdrücklich sagen, wie
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christus
Christus,
Apostelgesch. 1, 7
f.
f.,
in seiner Antwort; den jüdischen Redensarten vom Satan oder Teufel, womit sie offenbar in vielen Stellen alle Hindernisse des Guten bezeichnen, es mögen Irrthümer oder Laster, oder
Unglück,
Unglück
oder feindselige Menschen seyn, wie
Joh. 14,
30
30.
verglichen mit
16,
33
33.
Luc. 10, 18.
19
19.
Röm. 16,
20
20.
verglichen mit
V.
v.
17
.
*)
4)
D. i.
sie geben ihnen entweder einen Nachdruck oder
Nebenbegriff
Nebenbegriff, den die Ausdrücke an sich nicht haben, wie dem
Auferwecken
, nämlich zur Seligkeit
Joh. 6,
39
39.
verglichen mit
V.
v.
37
37.
, der
γνῶσει τοῦ
Θεου
Θεοῦ
,
1 Joh. 2,
3
3.,
verglichen mit
Kap.
4,
6
6.
, dem
μεριμνᾶν
Matth. 6,
25
25.
;
oder
nehmen die mit den Worten gewöhnlich
verbundnen
verbundenen
Begriffe bald weiter, bald enger,
z. B.
πίστις
,
νόμος
u. dgl.
u. d. gl.
u. dergl.
**)
5)
So erklärt
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Jesus
Luc. 15, 11
f.
was zur
μετανοίᾳ
V.
v.
10
10.
gehöre,
gehöre
Joh. 3,
14
14.,
was er
V.
v.
15
15.
und
16
16.
für einen
Glauben an sich
verstehe, und
Joh. 6,
44–46
44–46.,
daß er von keiner gewaltsamen Besserung rede, sondern von
einer
einer,
die durch Unterricht, und zwar durch mittelbaren Unterricht, geschieht.
ebräischgriechischen
Vgl. II § 72.
κ.
Phil 2,12 liest
καὶ
(vgl. II § 67).
153
440
.
Eben darauf muß man 3)
bey
bei
ganzen
Sätze
Sätzen Acht geben, und ihre Ausdehnung darnach bestimmen. Von
wem
welchen Personen
reden sie
allein
in einer Stelle?
†)
1
)
wie weit legen sie ihnen etwas
bey
bei
, oder fordern es von ihnen?
††)
2
)
4) Haben sie aber einen
Sinn
Sinn oder die Beschaffenheit und
Ausdehnung
Ausdehnung eines Begriffs oder Satzes nicht näher
angegeben:
angegeben,
so muß es nach dem verstanden werden, was sie
bey
bei
ihren Zuhörern oder Lesern, nach ihren Umständen, aus der ihnen bekannten Natur der Sache, oder dem sonst bekannten Sprachgebrauch, oder Gewohnheiten, oder anderweitigen Unterricht derselben, voraussetzen
konnten
*)
.
konnten.
3
)
Indessen müßte man sich
dabey
dabei
bescheiden, daß, wenn dieses, was
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Jesus
und seine Apostel
bey
bei
denen, mit welchen sie sprachen, voraussetzen konnten, uns nicht ganz gewiß bekannt ist, daß
alsdann
alsdenn
, was wir
dabey
dabei
denken müssen, nur wahrscheinlich
sey
sei
, und weder den Grad von
Gewißheit
Gewißheit noch
Verbindlichkeit
Verbindlichkeit haben könne, als das, was sie selbst deutlich irgendwo erklärt haben.
†)
Anm.
1)
So wird
Matth. 18,
6
6.
ganz falsch auf den Glauben der kleinen Kinder,
Röm.
9
9.
auf die Seligkeit der Menschen (
s.
die
1ste und 6ste Abhandlung in den Opusculis
Tom.
I.),
Phil. 2,
12
12.
auf die Sorge für
unsre
unsere
Seligkeit gezogen. So reden viele Stellen offenbar nur von den Aposteln, als
Joh.
14–16
14–16.
Joh. 20, 22.
23
23.
und
2 Kor. 3,
5
5.
, die man fälschlich auch auf
Andre
Andere
gezogen hat, wenigstens nicht, ohne weitere Untersuchung, gleich hätte auf
Andre
Andere
ziehen sollen.
††)
2)
So erlaubt doch die
Veranlaßung
Veranlassung
der Rede
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
Christi,
Matth. 18,
3
3.,
nur an die Pflicht der Demuth zu
denken;
denken,
und daß
Matth. 5, 3
f.
von leiblicher Armuth und Traurigkeit zu
verstehn sey
verstehen sei
, und die Prädicate nur von denen
gelten
, die um des Christenthums willen in Dürftigkeit und traurige Umstände gerathen, zeigt die Stelle
Luc. 6,
20–26
20–26.
und
Matth. 19, 23
und
29;
29.,
so wie nach dem
Matth. 19,
22
22.
erwähnten
erwehnten
Umstand,
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
Worte daselbst
v.
21
V. 21.
keine allgemeine Pflicht enthalten.
*)
3)
Wie fern
Paulus
Paulus
die
heil.
heilige
Schrift (
A.
Test.
T.
)
2 Tim.
3, 16
4, 16.
θεόπνευστον
nenne, erklärt er weiter nicht; ists also bloß
einerley
einerlei
mit
ἱερὰ γράμματα
v.
V.
15
? oder, wenn es mehr ist, geht es auf alle Bücher? (denn
πᾶσα
γραφὴ
γραφή
, nicht
π.
ἡ γραφὴ
, heißt doch nur
eine jede
Schrift, die
θεοπν.
ist), und wenn auch
dies
dieß
, wie weit dehnt
Paulus
P.
dabey
da bei
die Eingebung aus? – Schließt
Matth. 28,
19
19.
auch
Kindertaufe
Kindertaufe mit in sich?
V.
20
20.
entscheidet nichts dagegen, denn sie konnten hinterdrein unterrichtet werden über
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
Gebote, wie mehrere damalige Erwachsene,
Apostelgesch. 2, 37.
38
38.,
verglichen
v.
V.
42
. Schwerlich aber konnten die Apostel diese Worte anders als auf die Kindertaufe auch mit
ziehn
ziehen
, weil sie hörten, durch die Taufe sollte jemand ein Schüler
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
werden, und wußten, daß die Beschneidung, wodurch jemand unter das Volk Gottes aufgenommen wurde, auch
bey
bei
Kindern befohlen war.
1ste und 6ste Abhandlung in den Opusculis Tom. I
In
Opusculorum ad interpretationem Sacrarum Scripturarum fasciculus I
(
2
1785), 1–28 (I.) bzw. 139–212 (VI.) abgedruckt sind die 1770 von Gotthelf Wilhelm Waltsgott (Breslau) verteidigte
Ad orationem Christi Matthaei XVIII, 6sqq. de offendendo contemnendoque nullo minimorum qui credunt in eum disputatio
sowie die 1761 von Wilhelm Gottlieb Jütting (Leer) verteidigte
Interpretatio grammatica capitis VIIII epistolae D. Paulli ad Romanos
. In beiden Fällen hatte Nösselt den Vorsitz, beide Respondenten sind darüber hinaus nicht weiter hervorgetreten.
4, 16
Gemeint ist 2Tim 3,16.
π.
D.i. erneut
πᾶσα
(hier mit Artikel in prädikativer Stellung).
θεοπν.
Hier ist der Nominativ
θεόπνευστος
zu lesen.
P.
D.i. Paulus.
154
441
.
Weil es nun aber
IV)
IV.
zur
Entdeckung
Entdeckung des wahren christlichen
Lehrbegriff
Lehrbegriffs nöthig ist, mehrere oder eigentlich alle Stellen zu Rathe zu
ziehn
ziehen
, die darüber einiges Licht geben können (§.
152
439
152.
): so müßte man 1) alle Stellen
sammlen
sammeln
, wo entweder eben dieselben oder gleichbedeutende
Ausdrücke
Ausdrücke gebraucht
werden,
werden;
wo von eben den Sachen, wenn gleich mit andern Umständen, geredet, oder das Verhalten
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Jesu
und seiner Apostel erzählt wird, welches man als einen praktischen Commentar über ihre Lehren ansehen
kan
†)
.
kann.
1
)
2) Fände sich überall derselbe bestimmte
Begriff
Begriff mit einem Ausdruck
verknüpft:
verknüpft,
so müßte man auch
den
diesen
durchaus daran
binden
††)
.
binden.
2
)
Wären
binden
††)
; wären
aber 3) diese Begriffe in
verschiednen
verschiedenen
Stellen verschieden
angegeben:
angegeben,
so müßte diese Verschiedenheit bemerkt, und der
Gesichtspunct
Gesichtspunct
Gesichtspunkt
aufgenommen werden, unter welchen der Begriff bald
die
diese
, bald eine
andre
andere
Bestimmung
bekommt
†††)
;
bekommt;
3
)
doch müßte man 4) das aufsuchen, was diese
verschiedne
verschiedenen
Begriffe mit einander gemein haben, und dadurch einen allgemeinen Begriff bilden, unter den sie sich alle bringen
ließen
lassen
*)
;
ließen;
4
)
und 5) nach diesen gefundenen bestimmten
Begriffen,
Begriffen
das, was von ihnen gesagt wird, erklären und
bestimmen
**)
;
bestimmen;
5
)
6) nirgends aber, weder die von
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Jesu
und seinen Aposteln erst stufenweise
gegebne
gegebene
Aufklärung
Aufklärung und genauere Bestimmung, noch den Unterschied dererjenigen aus den Augen
laßen
lassen
, mit welchen und nach deren Bedürfnissen sie
reden
***)
.
***)
.
reden.
6
)
†)
Anm.
1)
Z. B.
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
und
Paulus
Pauli
Beyspiele
Beispiele
Joh. 18,
23
23.
Apostelgesch. 16,
37
37.
Phil. 3, 4
f.
um zu zeigen, wie weit Erduldung des Unrechts gehen, und man auf Ehre halten dürfe; wodurch selbst der Miß verstand allgemeiner Lehrsätze, als
Matth. 5, 39
f.
gehoben wird. Doch dieser (gehörig eingeschränkte) Gebrauch der
Beyspiele
Beispiele
fällt von selbst in die Augen;
weniger,
weniger
der
Nutzen
Nutzen für
Bestimmung
Bestimmung dogmatischer Sätze. Indessen läßt sich, was
z. B.
zur wahren Besserung der Menschen gehört, eben so, und fast noch besser, aus dem Verhalten
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Jesu
und seiner Apostel in Bearbeitung derselben, abnehmen, als aus eigentlichen
Lehrstellen.
Lehrstellen
(
s.
allgemeine deutsche
Bibliothek
Bibliothek,
Band
12
12.
St.
2.
S.
142
f.
)
f.)
; und wer gegründete Begriffe von der Eingebung der
heil.
heiligen
Schrift sucht,
kann
kan
sie allein aus Wahrnehmung des Verfahrens der
heil.
heiligen
Schriftsteller in ihren Schriften sicher erkennen, und sich
z. B.
dadurch überzeugen, wie ungegründet die Hypothesen sind, daß Gott ihnen
alles
Alles
dictirt habe, und sie sich
dabey
dabei
bloß leidentlich verhalten, daß sie stets die allerbeste Ordnung und Ausdrücke gewählt haben
u. d. gl.
u. dergl.
Eben so
bey
bei
der Lehre von der Deutlichkeit der
heil.
heiligen
Schrift.
††)
2)
So redet die Bibel stets von der
Versöhnung
Versöhnung,
als durch
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
Tod, niemals als durch
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
Lehre, geschehen. So versteht sie unter den
ἀπίστοις
, denen sie die Seligkeit abspricht, niemals die, so keine Gelegenheit zur Erkenntniß der christlichen Lehre gehabt, noch sich von deren Wahrheit überzeugen
gekonnt
können
, sondern welche jene Gelegenheit und die Mittel zur Ueberzeugung nicht
brauchen
gebrauchen
wollen,
z. B.
Marc. 16,
16
16.
vergl.
mit
v.
V.
11.
Joh. 3,
18
18.
vergl.
v.
V.
19.
20, 27
20. 27.
Apostelgesch. 19,
9
9.
etc.
†††)
3)
So der sehr
verschiedne
verschiedene
Begriff von
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christo
Christo,
als einem König und von seinem Reich.
S.
meine
die
Abhandlung de
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christo
homine regnante im 2ten Bande der Opuscul. ad interpret. SS.
Script
.
Script.
N.
14.
Script.
*)
4)
Ganz anders
z. B.
wird der Gegenstand des in der
heil.
heiligen
Schrift
empfohlnen
empfohlenen
Glaube
Glaubens
Ebr. 11,
1
1.
, anders
Marc. 1,
15
15.
und
Kap.
16
16.
vergl.
mit
Matth. 28,
20
20.
, anders
Matth. 21,
21
21.
, anders
Matth. 8, 5
f.
, anders
Joh. 3,
16
16.
vergl.
mit
V.
14,
14.,
v. 14
und
Röm. 3,
25
25.
angegeben. Eben
25, angegeben; eben
so ist
Ebr.
11
11.
in einigen
Beyspielen
Beispielen
,
z. B.
Abraham
Abrahams
, gewiß der
Glaube,
Glaube
Vertrauen, in andern nur
Beyfall
Beifall
, oder
Für wahr
halten;
halten,
Fürwahrhalten;
so wie
Röm. 14, 2. 22.
23
23.
Ueberzeugung von
dem,
dem
was recht, was zu thun oder zu
laßen
lassen
ist. Alle diese Bedeutungen geben den allgemeinsten Begriff: Glauben
sey
sei,
etwas für wahr oder recht halten, der
dann
denn
in
einzelnen
einzlen
Stellen eine nähere Bestimmung bekommt, entweder in Absicht des Gegenstandes, als Gottes,
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
, des Todes
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
für uns, solcher Dinge, die ihrer Natur nach nicht gewiß sind
u. d. gl.
,
u. d. gl.
u. dergl.
,
oder in Absicht der Art, die immer nach den Umständen jeder Stelle zu nehmen ist, ohne den einen,
zumal
zumahl
häufigern Begriff, überall hinzutragen. So ist
z. B.
Matth. 15,
25–28
25–28.
und
Joh. 9,
35–38
35–38.
vergl.
mit
V.
v.
16
16.
gewiß
die
die
Art des Glaubens sehr von der gewöhnlichen, in der
heil.
heiligen
Schrift
empfohlnen
empfohlenen
, verschieden, und
kan
kann
viel Licht auf die Lehre vom Glauben werfen, die gemeiniglich zu sehr verengt wird.
**)
5)
Z. B.
was die sogenannte Unterwerfung
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
unter Gott
1 Kor. 15,
28
28.
sagen wolle, oder die
dunkle
dunkele,
oft durch
Mystik
Mystik verunstaltete Stelle
2 Kor. 3, 18.
S.
die
schon
erwähnte
erwehnte
Abhandlung de
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christo
regnante, und eine
andre
andere
über
2 Kor. 4,
6
6.
in dem 2ten Bande der Opusculorum ad interpr. SS. Script.
N.
7.
***)
6)
Denn vieles ist doch
theils
erst durch später
aufgetretne
aufgetretene
Propheten, durch
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Jesum
, und, da selbst
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Jesus
noch
viel
Vieles
unbestimmt ließ,
Joh. 16,
12
12.
, durch seine Apostel aufgeklärt und bestimmt
worden,
worden;
theils
erforderten
oder widerriethen
die Umstände der Zuhörer und Leser, sonderlich der Juden, manche Bestimmung, die nur für
sie
sie
nöthig, oder
wider riethen manche nähere Bestimmung,
die
ihnen
ihnen
nicht zuträglich war. Wer also die heilige Schrift, zur
Aushebung
Aushebung des christlichen Lehrbegriffs daraus, mit weiser Vorsichtigkeit studieren will, wird sich auf der einen Seite hüten, keine solche Bestimmung in Schriftstellen sogleich für allgemeine christliche Lehre anzunehmen, wenn sie sich nirgends als in gewissen Arten von heiligen Büchern, oder in besondern Reden an eine gewisse Art von Lesern und Zuhörern findet, und auf der andern Seite, sie von dieser Lehre für alle Christen
bloß darum
auszuschließen
auszuschliessen
, weil sie nur in einigen Stellen oder Büchern vorkommt.
allgemeine deutsche Bibliothek Band 12 St. 2. S. 142 f.
In der von Friedrich Nicolai (1733–1811) herausgegebenen
Allgemeine[n] deutsche[n] Bibliothek
12 (St. 2) (1770), 136–156 (XIII.) findet sich eine Rezension zu Siegmund Jacob Baumgartens
Ausführliche[m] Vortrag der Theologischen Moral mit einer Vorrede Herrn D. Joh. Salomo Semlers
(1767), die nach dem von Nicolais Enkel Gustav Parthey (1798–1872) besorgten
Mitarbeiterverzeichnis
(1842) von Friedrich Gabriel Resewitz (1729–1806) verfasst wurde. Resewitz geht an der hier benannten Stelle auf die Lehrart Jesu und der Apostel ein, die sich immer nach dem bei den Menschen Vorfindlichen gerichtet habe.
meine Abhandlung de Christo homine regnante in 2ten Bande der Opuscul. ad interpret. SS. Script
.
N. 14
Gemeint ist die 1773 unter dem Vorsitz Nösselts von Johann Heinrich Sigismund Koblanck (1751–1834) verteidigte
Dissertatio theologica de Christo homine regnante in qua de ea re dicta in Sacris Scripturis et explicantur et inter se conciliantur
. Erneut in den
Opusculorum ad interpretationem Sacrarum Scripturarum fasciculus II
(1787), 351–384 (XIV.) abgedruckt, bezeichnet sie Nösselt ab der zweiten Auflage der
Anweisung
als sein Werk. Nachdem Koblanck Halle verlassen hatte, wurde er zunächst als Nachfolger Campes Lehrer im Hause von Humboldt und später Prediger in Berlin.
schon erwähnte Abhandlung de Christo regnante
S.o.
andre über 2 Kor. 4, 6 in dem 2ten Bande der Opusculorum ad interpr. SS. Script. N. 7
Hier handelt es sich um die
Disputatio
ΠΕΡΙ ΤΟΥ ΦΩΤΙΣΜΟΥ ΤΗΣ ΓΝΩΣΕΩΣ ΤΟΥ ΘΕΟΥ ΕΝ ΠΡΩΣΩΠΩΙ ΙΗΣΟΥ ΧΡΙΣΤΟΥ
ad locum 2 Corinth. IV, 6.
in
Opusculorum ad interpretationem Sacrarum Scripturarum fasciculus II
(1787), 157–182 (VII.).
155
442
.
Wenn man nun von dem ganzen Lehrvortrage der heiligen Schrift, nach dem bisher Ge sagten, 1) alles das absondert, was entweder
bloßes
blosses
Bild
Bild
†)
,
Bild,
1
)
oder aus
Herablaßung
Herablassung
zu den besondern Lesern oder Zuhörern, und nach den ihnen geläufigen Vorstellungen und Ausdrücken, gesagt ist
††)
2
)
– denn dieses
beydes
Beides
gehört doch offenbar nur zur
Einkleidung
Einkleidung der
Lehre –;
Lehre; –
wenn man 2) das
bey
bei
Seite, oder zur gelehrtern Untersuchung aussetzt, was die heilige Schrift selbst nicht näher angegeben und bestimmt
hat
†††)
;
†††)
,
hat;
3
)
und wenn man 3) gefunden hat, daß viele Ausdrücke in der That nur
einerley
einerlei
Begriff und Sache, und welche
sie? bezeichnen
*)
:
sie bezeichnen:
4
)
so gelangen wir
theils
zu gewissen
Hauptbegriffe
Hauptbegriffen
**)
,
Hauptbegriffen
,
5
)
theils
zu gewissen
Hauptsätze
Hauptsätzen
, die aus solchen Begriffen
bestehn
***)
bestehen,
6
)
welche das ganze in der heiligen Schrift
angegebne
angegebene
Verhältniß zwischen Gott und uns,
d. i.
unser
Elend und
moralisches
Verderben,
dann
die Anstalten Gottes zu unserm Besten,
unsre
unsere
daraus
entstehende
entstehenden
Pflichten und Erwartungen, im Ganzen vorlegen.
7
)
Diese Begriffe und Sätze sind das eigentliche
Christenthum
Christenthum, als
Lehre
Lehre
genommen,
genommen;
und wer diese für wahr annimmt, der ist (seiner Erkenntniß oder der Lehre nach) ein Christ, so sehr seine Vorstellungen von dem Uebrigen auch von den
Meinungen
Meinungen
Andrer
Anderer
abgehen
mögen
****)
;
mögen;
8
)
und diese Hauptbegriffe und Sätze sind es auch, nach welchen alles
Andre
Andere
beurtheilt, und auf eine ihnen angemessene Art erklärt werden
muß
*****)
.
muß.
9
)
Anm.
1)
S.
Morus, Samuel Friedrich Nathanael
Sam.
Friedr
.
Friedr.
Nath. Morus
trefliche
treffliche
Disp. de notionibus
universis
vniuersis
in Theologia,
und, von dem
großen
grossen
Nutzen dieser Begriffe, dessen Programm de utilitate notionum
universarum
vniuersarum
in Theo logia,
beyde
beide
Lips.
1772,
1772.
4. Sie sind wieder aufgelegt in
s.
Dissertatt. theolog. et philologicis, Lips.
1787
in
1787.
8.
4to.
†)
2)
Z. B.
Feuer und die danach gebildeten Redensarten,
brennen, nicht verlöschen
u. d. gl.
u. dergl.
von künftigen Strafen; Menschen sind
Feinde Gottes, liegen unter seinem Zorn
, sind mit ihm
ausgesöhnt
, von dem hergestellten guten Vernehmen mit Gott und von
unsrer
Seligkeit,
Seligkeit;
unserer Seligkeit;
als ein
Kind
ins Reich Gottes
gehn
gehen
, ein
neuer
Mensch,
wieder-
oder
von oben her geboren
werden, von Besserung des Menschen
u. s. f.
So auch die Ausdrücke: Gott giebt die Menschen
hin
in einen verkehrten
Sinn,
Sinn;
giebt ihnen Augen,
Augen
daß sie nicht
sehen,
sehen;
bestimmt sie zum ewigen Leben
u. d. gl.
u. dergl.
,
von
bloßer
Zulaßung
Zulassung
blosser Zulassung
oder Anstalten, die zu einem gewissen Verhalten der Menschen Gelegenheit geben.
††)
3)
Wie augenscheinlich
Matth. 12, 43–45.
verglichen mit
Tob. 8,
3
3.
und
Jes. 13, 21.
22
22.
;
Matth. 8, 11.
11, 14.
18,
10
10.
;
Joh. 7, 37. 38. 14, 30.
2 Petr. 2,
4,
4.
4.,
im Brief an die
Hebräer
Ebräer
,
Gal. 4.
und in
unzählichen
unzählich
andern Stellen.
†††)
4)
Z. B.
den Begriff von
θεόπνευστος
, die Beschaffenheit und Umstände der künftigen Auferstehung, das Allgemeine
ausgenommen
ausgenommen,
daß wir einen wirklich bessern, als den
irdischen,
irdischen
Körper haben werden
u. d. gl.
u. dergl.
*)
5)
Z. B.
Θεὸς
Θεός
ἐμφανίζει ἑαυτὸν ἡμῖν
,
ἔρχεται πρὸς ἡμᾶς
,
μονὴν ποιεῖ παρ' ἡμῖν
,
μένει
,
περιπατεῖ
,
ἐν
ἡμῖν;
ήμῖν
,
und von
den Menschen:
uns
μένειν ἐν Θεῷ
,
ῥήματα
αὐτοῦ ἐν
᾿ἡμ.
ἡμ.
μένουσι
,
θεοδίδακτοι
,
κοινωνίαν ἔχειν μετ' αὐτοῦ
,
ἄγεσθαι πνεύματι Θεοῦ
;
ὁ κόσμος
,
οἱ ἄπιστοι
,
τὸ σκότος
,
ἔχθροι
,
ἔχθροι
;
ἀντικείμενοι
ἀντικειμενοι
,
ἐκ τοῦ πονηροῦ ὄντες
,
οὗτος ὁ αἰών
;
μετανοεῖν
,
ἐπιστρέφεσθαι
,
ἀνανεοῦσθαι
und viele
andre
andere
.
**)
6)
Als
σωτὴρ
und
μεσίτης
;
μεσίτης
,
ἁμαρτία
und
ἐπιθυμία
;
ἐπιθυμία
χάρις
,
σωτηρία
,
δικαιοσύνη
,
ἐπίγνωσις τοῦ Θεοῦ
,
πίστις
,
μετάνοια
;
μετάνοια
,
ζωὴ
und
θάνατος
,
σωτηρία
,
δικαιοσύνη
u. a.
***)
7)
Als
Joh. 3,
16
16.
Ephes. 2,
5
5.
Röm. 3, 23.
24
24.
Koloss. 1, 12.
13
13.
1 Joh. 1,
5–7
5–7.
etc.
****)
8)
Daher auch die
heil.
heiligen
Schriftsteller in den Stellen, wo sie den Inhalt des Christenthums zusammen nehmen, mehr nicht angeben,
z. B.
1 Thess. 1, 9.
10
10.
Tit. 2, 11.
12
12.
Kap.
3, 4.
7
7.
, und noch kürzer
1 Kor. 3,
11
11.
und
1 Joh. 5,
1
1.
verglichen mit
Matth. 28, 20
.
****)
*****)
Dies
9) Dieß
sind die wahren
notiones directrices des ganzen
Christenthums,
Christenthums;
und in der
Uebereinstimmung
Uebereinstimmung damit besteht die wahre Analogia fidei oder doctrinae.
Sam. Friedr
.
Nath. Morus trefliche Disp. de notionibus universis in Theologia […] wieder aufgelegt in s. Dissertatt. theolog. et philologicis, Lips. 1787
Sowohl
De notionibus universis in theologia
als auch
De utilitate notionum universarum in theologia
sind 1782 erschienen. Mit
De notionibus
hat Morus den theologischen Doktorgrad erworben, bei
De utilitate
handelt es sich um Morus' Antrittsvorlesung als ordentlicher Professor der Theologie in Leipzig. Der Überschrift nach findet sich
De notionibus
im ersten Band der
Dissertationes theologicae et philologicae
(1787), 239–307 (VIII.), ab 284ff. ist jedoch fortlaufend der Text von
De utilitate
angefügt worden. Im
Journal für Prediger
24 (1791), 275–334 bzw. 417–445 und dem ersten Band von Morus'
Kleine[n] Schriften theologischen und philologischen Inhalts
(1794), 193–282 ist eine deutsche Übersetzung abgedruckt.
ἡμ.
D.i. erneut
ἡμῖν
.
notiones directrices
Laut Christian Wolff ist eine
notio directrix
ein zur Richtschnur dienender oder Leitbegriff.
156
443
.
Nun erst, wenn der Grund der christlichen Lehre aus der heiligen Schrift gelegt ist,
kan
kann
man
hernach
hernach
(§.
145
432
145.
) darauf bauen, oder über diese christlichen Lehren
philosophiren
philosophiren
*)
.
philosophiren.
*)
Und
philosophiren
*)
, und
wer sich an dieses Wort oder an die Sache selbst stößt, weil er besorgt, dadurch werde das
Christenthum
Christenthum nach Philosophie geformt und umgeändert, und der ganze Wust menschlicher Einfälle in das Chri stenthum
gebracht:
gebracht,
der hat zwar
Beyspiele
Beispiele
genug
für
vor
sich, die seine Besorgniß bestätigen, wie es
bey
bei
keiner einzigen Sache in der Welt an Mißbräuchen
fehlt;
fehlt,
aber er ist entweder zu kurzsichtig, oder nicht gerecht genug. Denn
–
nothwendig ist dieser verkehrte Gebrauch der Philosophie nicht. – Philosophie
kan
kann
entweder in so fern gebraucht werden, als sie die
Regeln
Regeln alles vernünftigen
Denken
Denkens, oder
so fern
sofern
sie unwidersprechliche
Vernunftsätze
Vernunfsätze
enthält. Jene muß man überall, muß man ja selbst
bey
bei
Erklärung
Erklärung und
Anwendung
Anwendung der heiligen Schrift, und
bey
bei
dem Beweis ihres göttlichen Ansehens, befolgen; diese, wenn sie wirklich
unwidersprechlich
unwidersprechlich sind, sind die Grundlage aller richtigen Erkenntniß, und, wenn gleich nicht überall
zureichend
zureichend
zur Entdeckung der
Wahrheit
Wahrheit, doch in so fern der
Prüfstein
Prüfstein
Prüfestein
aller
Wahrheit,
Wahrheit
als nichts wahr seyn
kan
kann
, was sich nicht mit ihnen
verträgt
. Wer
beyde
beide
nicht
will
für das
will
gelten
laßen
lassen
, was uns
bey
bei
aller Untersuchung leiten muß, und sich auf die Schwäche und Trüglichkeit der menschlichen Erkenntniß beruft, der überlegt nicht, daß man sich ja auch trügen
könne
kan
, wenn man etwas für göttliche
Offenbarung
Offenbarung hält, daß man sich auch in ihrer Erklärung irren
könne
kan
, daß man also entweder eine allgemeine Ungewißheit aller menschlichen Erkenntniß annehmen, oder zugeben
müsse
muß
, es müssen
Grundsätze
Grundsätze
Grundgesetze
überall vorausgehen, die
mir
da
zeigen,
wie
und
wonach
ich
man
Wahrheit, auch
bey
bei
Prüfung einer angeblich göttlichen Offenbarung
und
ihres Sinnes,
finde
zu finden sicher sei
.
Anm.
†)
†)
*)
Töllner, Johann Gottlieb
Töllners
Töllner's
theologische Untersuchungen, Band 1.
St.
2.
S.
264
f.
Töllners theologische Untersuchungen, Band 1. St. 2. S. 264 f.
Das zweite Stück des ersten Bandes von Johann Gottlieb Töllners (1724–1774) zweibändigen
Theologische[n] Untersuchungen
(1772–1774) ist 1773 erschienen.
157
444
.
Haben wir nun eine Menge
theils
von
Begriffe
Begriffen und
Sätze
Sätzen, die wirklich, nach richtigen
Regeln
Regeln der
Auslegung
Auslegung, aus der heiligen Schrift
selbst
geschöpft
sind
,
theils
von vernünftigen Regeln und Sä tzen, die unwidersprechlich sind: so können jene mit diesen letztern, oder unter einander, zu streiten scheinen; und daher ist das
erste
bey
bei
Bildung eines theologischen
System
Systems, die Vereinigung derselben unter einander, daß sie mit einander bestehen können. Wirk lich
unwidersprechlich
unwidersprechliche Sätze der
Vernunft
Vernunft und wirklich
geoffenbart
geoffenbarte Sätze können einander nicht wirklich widersprechen; wenn sich also ein
Widerspruch
Widerspruch
zeigt:
zeigt,
so muß
entweder
ein Satz der Vernunft, den man für unwidersprechlich hält, nicht unwidersprechlich
wahr
†)
,
wahr,
1
)
oder
der biblische Satz muß unrecht
verstanden
††)
,
verstanden,
2
)
oder
unrecht bestimmt seyn,
d. i.
man muß etwas hineingeschoben haben, was nicht darin liegt, oder etwas in demselben übersehen
haben
†††)
.
haben, was darin lag.
3
)
Nur durch Entdeckung eines oder mehrerer dieser Fehler
kan
kann
man den Widerspruch heben, und bewirken, daß die Sätze mit einander bestehen.
†)
Anm.
1)
Wenn
z. B.
die
heil.
heilige
Schrift die Anstalt Gottes, die er mit
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christo
und durch ihn zum Besten der Menschen gemacht hat, überall von Gottes
Liebe
zu uns herleitet,
Joh. 3,
16
16.
, und sogar ihm diese Liebe
vor
der Versöhnung der Menschen durch
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christum
beylegt
beilegt,
Röm. 5,
8
8.
; was aber aus
Liebe
und
Gnade
geschieht, nicht seiner Natur nach geschehen
muß
muß
,
Röm. 4,
4
4.
: so
kan
kann
es kein unwidersprechlicher Satz der Vernunft seyn, daß Gott habe die Menschen, oder einen von ihnen an ihrer
Statt
Stelle
, strafen
müssen
, so wie alle angebliche Demonstrationen dieses Satzes auf
willkührlichen
willkürlichen
und undenkbaren Voraussetzungen beruhen, und mit allem
ihren
ihrem
Gott und das Christenthum
entehrendem Gefolge
entehrenden Gefolge,
von einem erzürnten und
erst
durch
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christum
befriedigten Gott
u. d. gl.
u. dergl.
wegfallen. Gegen wie viele Hypothesen und vermeintliche Demonstrationen a priori hätte
bloß
das
bloße
blosse
fleißige Studium der
heil.
heiligen
Schrift sichern können! Wenn man
z. B.
zusammengenommen hätte, daß die heiligen Schriftsteller so klar in ihren
Schriften
Schriften,
z. B.
Philem. 9.
1 Kor. 2, 1
f.
f.,
von sich selbst und von Gott, als einem
dritten
Dritten
,
reden;
reden,
Gebete an Gott
richten;
richten,
erzählen, woher sie ihre Nachrichten genommen haben,
Luc. 1,
2
2.
Joh. 19,
35;
35,
35.;
einander scheinbar
widersprechen;
widersprechen,
zusammengehörige Begebenheiten verschiedentlich stellen
,
z. B.
Matth. 4.
und
Luc.
4;
4.
einerley
4.; einerlei
Reden
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
mit ganz
verschiednen
verschiedenen
Worten
ausdrucken
ausdrücken
: wie hätte man darauf fallen können, die heiligen Schriftsteller hätten sich
bey
bei
Abfassung ihrer Schriften ganz leidentlich verhalten, nicht sie, sondern Gott
hätte
durch sie
alles
Alles
geschrieben
u. d. gl.
u. dergl.
?
††)
2)
So scheint der Satz
Röm. 3,
24
24.
nicht nur gegen
Jak. 2, 14
f.
f.,
sondern auch gegen das stete Dringen der
heil.
heiligen
Schrift auf Heiligkeit und
Tu gend
Tugend,
Röm. 2,
7
7.
Ephes. 2,
10
10.,
zu streiten.
Letztre
Letztere
Stellen leiden keinen
verschiednen
verschiedenen
Sinn, also liegt
Mißverstand
Mißverstand im ersten Satz, und
ἔργα
oder
ἔργα
νόμου
νομου
sind entweder nur
äusserliche
äußerliche
Beobachtungen des mosaischen Gesetzes durch Gebräuche, Opfer
etc.
oder, mir wahrscheinlicher, was wir nach Gottes Gesetz thun
sollten
, aber nicht thun, verglichen
Kap.
2,
13
13.
Röm. 8,
3
3.
Kap.
7, 14
f.
; denn
dies
dieß
heißts doch
Kap.
2,
15,
15.
15.,
wie
ἔργον
τ. Θεοῦ
Joh. 6,
29;
29,
29.;
und im ganzen Zusammenhang wird
νόμος
niemals vom Gesetz der Gebräuche (
Ephes. 2,
15
15.
), sondern stets von der nähern göttlichen Offenbarung gebraucht,
z. B.
Vers 19
und
31
.
†††)
3)
Wenn man es
z. B.
unverträglich mit Gottes allgemeiner und
unparteyischer
unpartheyischer
unparteiischer
Liebe findet,
alle
Alle
, die keine Gelegenheit, das Christenthum kennen zu lernen, gehabt haben, oder
alle
Alle
, die nicht getauft sind, zu verdammen, wegen
Apostelgesch. 4,
12
12.
1 Joh. 5,
12
12.
Joh. 3, 5
u. d. gl.
u. dergl.
,
oder es wenigstens für bescheidner hält, nichts darüber zu
entscheiden,
entscheiden
(also es auch
lassen
dahin gestellt seyn
läßt
, ob Gottes Liebe allgemein und
unparteyisch
unpartheyisch
sey
unparteiisch sei
?) so
kan
kann
ja schon 1) der gemeine Menschenverstand lehren, daß alle allgemein klingende Sätze den Fall voraussetzen, daß man etwas
könne
oder
wisse
, wie
2 Thess. 3,
10
10.
2 Joh. 1
etc.
2)
daß
Daß
die
heil.
heilige
Schrift nur die
ἀπίστους
verdamme, und nur die so nenne, die etwas wissen und wovon überzeugt werden
konnten
(§.
154.
Anm.
††)
2.)
;
konnten
,
und 3) daß sie sogar wahren Glauben denen
beylege
beilege
, die keine Versicherung, vielmehr das Gegen theil, vor sich hatten, wie
Matth. 15,
28
28.,
ver glichen
V.
v.
24
24.
; keine nähere Kenntniß von ihm
besaßen
besassen
,
Joh. 9,
16
16.,
verglichen mit
V.
v.
35–38
35–38.
; und weder getauft waren, noch sich
äusserlich
äußerlich
zu den Christen
hielten
hielten,
Marc. 9, 38–42
. Und so würde man jene zuerst angeführten Stellen nicht auf bloß des Christenthums Unkundige
ausdehneu
ausdehnen
,
ausdehnen:
man würde einen allgemeinern und
unentwickelt
unentwickelten
Glauben von einen
ausdrücklich
ausdrücklichen
oder bestimmten unterscheiden, nicht von eben demselben Glauben im alten, wie im neuen Testament, und dessen Nothwenigkeit,
reden,
reden
u. s. f.
– Hingegen ist ein
Beyspiel
Beispiel
von
falschen
, Widerspruch veranlassenden,
Bestimmungen
, wenn, wider alle klare
Schriftstellen
Schriftstellen,
1 Tim. 3,
4
4.
Kap.
4,
10
10.
1 Joh. 2, 2
u. a.
, in allen Sätzen von Gottes Bereitwilligkeit,
alle
Menschen selig zu machen,
alle
alle
nur
alle Auserwählte
heissen sollen
heißen sollten
. Und
bey
bei
dem Anstößigen, das die wirkliche Lehre der heiligen Schrift von
ewigen
Strafen nach dem Tode giebt, hängt sicherlich das Anstößige da von ab, daß man sich zum Begriff der
Verdammniß
, die gänzliche Unmöglichkeit der Besserung, und zu
ewig fortgehenden
(protensive ewigen) Strafen, ins
unendliche
Unendliche
zunehmende
(intensive ewige)
hinzudenkt
.
τ.
Joh 6,29 liest
τοῦ
.
158
445
.
Ausser
Außer
dem
(
§.
157
(§.
444
(§.
157.
) bleibt noch übrig, die
Begriffe
Begriffe durch
Erklärungen
Erklärungen
Erklärungen
oder
Beschreibungen
Beschreibungen
deutlicher und bestimmter zu machen, um allen
Mißverstand
Mißverstand und falsche
Nebenvorstellungen
Nebenvorstellungen zum voraus abzuschneiden, und dadurch die Quelle fast aller
Streitigkeiten
Streitigkeiten zu verstopfen – die Lehren selbst immer mehr, durch Vergleichung unter einander, und mit andern richtigen Kenntnissen, aufzuklären, und ihnen noch mehr Licht, Stärke und Anwendbarkeit zu geben – zuletzt sie so zusammen zu stellen, wie eine zur Kenntniß und Ueberzeugung von der andern vorbereiten
kan
kann
. – Wie weit man hierin gehen müsse,
dies
dieß
müssen
muß
die
Absicht
solcher Untersuchungen, das
Maaß
unsrer
unserer
Kräfte und Kenntnisse, und
unsre eignen
unsere eigenen
oder dererjenigen
Bedürfnisse
zeigen, für die wir dergleichen Untersuchungen anstellen.
159
446
.
Denn die
Absicht
Absicht
dabey kan
dabei kann
entweder
Verbesserung
Verbesserung
Verbesserung
der Erkenntniß,
oder
des
Willens
Willens
seyn, so wie das Christenthum Erkenntniß der Wahrheit zur
Gottseligkeit
Gottseligkeit ist. Der Hauptzweck aller solcher Untersuchungen muß also stets seyn, den Menschen glücklich zu machen, seine
Besserung
Besserung und
Beruhigung
Beruhigung zu befördern, und was überall dazu nicht
beyträgt
beiträgt
, ist keiner Untersuchung
werth;
werth,
es ist sogar schädlich, und veranlaßt, seine Kräfte unnütz zu verschwenden, die man zu etwas Besserm
brauchen
gebrauchen
könnte. Aber ohne überzeugende Kenntniß desjenigen, was uns bessern und beruhigen
kan
kann
, ist keines von
beyden
Beiden
möglich. Kenntniß der göttlichen Wahrheiten und Eindruck aufs Herz ist also gleich nöthig; man schadet dem Einen, wenn man es auf Kosten des Andern erhebt oder treibt.
160
447
.
Indessen
kan
kann
nicht jeder
alles
Alles
oder
beydes
Beides
gleich gut leisten; das
Maaß
Maaß
der
Gaben
Gaben
und der
Kenntnisse
Kenntnisse
ist sehr verschieden ausgetheilt; und der
Beruf
Beruf, in den Gott jeden gesetzt hat, erfordert die Anwendung der Kräfte zu gewissen Zwecken,
wobey
wobei
man nicht mit eben der Anstrengung das
andre
Andere
eben so
Nützliches
Nützliche treiben
kan
kann
. Ein jeder muß sich daher mit der Art von Untersuchung und Uebung am meisten beschäftigen, wozu er die meiste Fähigkeit, Kenntnisse, und äusserlichen Beruf hat, und das Uebrige zwar nie
vernachläßigen
vernachlässigen
, aber doch vorzügliche
Beschäftigungen
Beschäftigung
damit denen
überlaßen
überlassen
, die dazu geschickter sind, und mehr durch die Umstände, unter welchen sie leben, dazu aufgefordert werden.
Sehr
Anm.
So
viel hängt hier von den
Zeitumstände
Zeitumständen ab, unter welchen gewisse Wissenschaften mehr
wie
als
sonst
aufklären
aufgeklärt;
aufgeklärt,
und von unsern besondern Umständen, wodurch wir glücklicher Weise auf Entdeckungen geführt werden, an die
Andre
Andere
nicht dachten.
Dies
Dieß
sind Winke der göttlichen
Vorsehung
Vorsehung
Fürsehung
, denen wir mehr als andern folgen müssen, denn sie weisen jedem, der dazu Fähigkeit hat, gerade dasjenige an, was er bearbeiten soll.
Vergleiche Theil
Vergl. Th.
1.
§.
37.
161
448
.
Vornemlich
Vornehmlich
ist das
Gefühl
Gefühl desjenigen, was wir selbst, oder was die
bedürfen
bedürfen
, die wir belehren, bessern und beruhigen sollen, immer das, was uns anweiset und ermuntert, etwas vor andern aufzusuchen, und mit vorzüglicher Aufmerksamkeit zu treiben. Mag es seyn, daß der
Genuß
Genuß besser ist, als das Aufsuchen desjenigen, was
ich geniessen will,
man genißen will;
daß jenes Zweck, dieses nur Mittel
ist,
ist;
daß also
Anwendung
Anwendung
meiner
unserer
Erkenntniß
Erkenntniß
zu meinem
zum eignen
oder Anderer Besten wichtiger ist, als die Erkenntniß selbst: so ist doch jenes ohne dieses nicht möglich, und
ich kan
man kann
entweder gar nicht, oder nicht ohne
größern
grössern
Schaden,
genießen
geniessen
oder anwenden, wenn
ich
man
das, was
ich brauchen
man gebrauchen
will, noch nicht erlangt
habe
hat
, oder es erst sichern und erhalten, oder erst wissen muß, ob
mir
es gut ist, ob
ich
man
nicht über dem Genuß das
mir
, dermalen wenigstens,
Nützlicheres
Nützlichere verliere. Darum
kan
kann
hier, wenn die Frage von dem ist, was
ich
man
jedesmal vorzüglich suchen müsse, nicht das entscheiden, was
überhaupt
das
Nützlichste
, sondern was das
Dringendste
ist (
Matth. 26,
11);
11),
11.);
und wenn
meine
Besserung
Besserung und
Beruhigung
Beruhignng
Beruhigung
auf der
Aufklärung
Aufklärung gewisser Sätze, auf Ueber zeugung von ihrer Wahrheit, auf Wegräumung gewisser Zweifel beruht: so wird die Untersuchung auch dessen, was sehr geringfügig scheint,
mir,
unter diesen Umständen, wichtiger seyn müssen, als was überhaupt wichtiger
genommen
seyn mag.
162
449
.
Dieses
mein größres
größere
Bedürfniß
Bedürfniß
eines Jeden
, und auch das Bedürfniß derer, für die wir, in Absicht auf Religion, arbeiten müssen, wird offenbar durch die
Zeitumstände
Zeitumstände
bestimmt. So wie jede Zeit
ihr
Gutes und
ihre
Mängel hat, jede in einem besondern Verhältniß gegen das Ganze und gegen Gottes Absichten steht, jedes Glied des großen Körpers in seinem Maaß und seiner Lage zum Besten des Ganzen arbeiten muß: so müssen wir für
die
Zeit leben und arbeiten, in die uns Gott gesetzt hat (
1 Kor. 12, 14
f.
).
f.)
Was
f.); was
diesen Zeitumständen gemäß ist,
interessirt
intereßirt
uns auch mehr, und setzt
unsre
unsere
Kräfte mehr in Thätigkeit, erleichtert den Gebrauch
unsrer
unserer
Kräfte, ist für das Ganze von einem wirksamern Erfolg. Selbst unser Herr und seine Gesandten arbeiteten recht eigentlich und am meisten für
ihre
Zeit und deren Bedürfnisse. (§.
132
419
f.
) – Jede Zeit hat ihre
eigne
eigenen
Angelegenheiten
Angelegen heiten, die am meisten zur Untersuchung
anziehn
anziehen
, und so allgemein
bey allen
bei Allen
, denen
Religion
Religion theuer ist, der
Hauptzweck
Hauptzweck,
Besserung
Besserung und
Beruhigung
Beruhigung der Menschen bleibt: so verschieden
sind
sind,
zu
verschiednen
verschiedenen
Zeiten
Zeiten,
die Beschäftigungen mit den
einzelnen
einzeln
Sachen, die
dazu
dazu,
als
Mittel
Mittel,
etwas
beytragen
beitragen
können. Was Eine Zeit erfindet, das gährt in der
Andern
andern
, in der folgenden setzt sichs, und das Klare scheidet sich von den Hefen. So arbeitet, nach der
göttlichen
göttlichen,
allezeit weisen
Vorsehung
Vorsehung
Fürsehung
, jede Zeit für die folgende, und diese
letztere
sollte nicht das Vorbereitete
benützen
benutzen
, und
wieder
für die
wieder
folgende arbeiten?
163
450
.
Selbst die glücklichen
und
oder die
mißlichen
Zeitumstände
Zeitumstände sind eine Aufforderung Gottes, Gutes zu stiften. – Wenn die weitere
Aufklärung
Aufklärung und Ausbreitung der Wissenschaften, namentlich derer, die mit der
Religion
Religion in der nächsten Verbindung stehen, auf einer Seite Untersuchungen in der Religion rege macht, und auf der andern sie befördert; wenn die Wißbegierde, auch in der Religion, allgemeiner wird, und selbst das Volk nach Aufklärung dürstet; wenn die
Freyheit
Freyheit
Freiheit
der Untersuchung nicht durch Einschränkung gelähmt, sondern vielmehr ermuntert wird; wenn alte heftige Streitigkeiten verraucht, und die Gemüther zur
kühlblütigern
kaltblütigern
Untersuchung derselben gestimmt sind; wenn der öffentliche
Geschmack
Geschmack mehr zur Liebe des
Praktisches
Praktischen, auch in der Re ligion, gebildet ist; wenn selbst die
größere
grössere
Gefahr für die Religion, die aus Zweifeln entsteht, diejenigen, die überall den wichtigen Einfluß der Religion zu schätzen wissen, bereitwilliger macht, auch das Neuentdeckte, das ihnen sonst bedenklich war, darum anzunehmen, weil es die Zweifel löset, und die Ehre der Religion befestigt; wenn man also auch geneigter ist, Mißverstand
beyzulegen
beizulegen
, und, so weit es ohne Nachtheil der Wahrheit geschehen
kan
kann
, sich zum Frieden die Hände zu bieten: –
alsdann
alsdenn
ist es Dankbarkeit gegen Gott, Pflicht gegen Wahrheit und Frieden, diese
Umstände
Umstände zur nähern Untersuchung zu
brauchen
gebrauchen
, und das von uns oder Andern
Gefundne
Gefundene
mit Weisheit auszubreiten.
164
451
.
Und wenn eben diese günstigen
Umstände
Umstände, durch eine anderwärtshin
genommne
genommene
Wendung, Gelegenheit zu
mancherley
mancherlei
Angriffen auf die Religion, wenigstens zu mehrern Zweifeln, zur Beeinträchtigung der Wahrheit und zur Verminderung ihres Werthes und Einflusses auf die Menschen, geben; wenn sich gerechtscheinende Klagen der Besorgniß eines immer weiter um sich greifenden Schadens erheben; wenn diese die weitere Untersuchung, zu der selbst die anscheinende Gefahr auffordern sollte, hemmen, und durch Verdächtigung ihren Nutzen vernichten oder einschränken, den edlern Theil der nach Wahrheit und gegründeter Ruhe
durstenden
Durstenden
des Mittels seiner Befriedigung berauben, und den Feinden der Religion, die nicht durch Klagen, sondern nur durch
Untersuchung
Untersuchung entkräftet werden können, die Freude über ihren vermeinten Sieg in die Hände spielen:
– alsdann
alsdenn
wäre es unchristliche Muthlosigkeit, Unglaube gegen Gott, oder Versuchung desselben,
Verrätherey
Verrätherei
gegen die göttliche Wahrheit,
offenbare
thätige
Gleichgültigkeit gegen die Ruhe, die der Mensch mit so
großem
grossem
Rechte in der Religion sucht, nicht immer weiter untersuchen, die
Ueberzeugung
Ueberzeugung der Menschen von ihr nicht auf einen immer festern
Grund
Grund setzen, ihren unaussprechlichen Werth nicht immer einleuchtender und dringender darlegen zu wollen.
Anm.
Es ist eines verständigen Christen ganz unwürdig, über solche Untersuchungen, und das, was dadurch entdeckt wird, als über
Neuerungen
Neuerungen
zu klagen, auf seine Meinungen, weil sie alt sind, stolz zu thun, und alles Neue mit
bloßer
blosser
Verunglimpfung von der Hand zu weisen. –
Freylich
Freilich
fassen alte Schläuche den neuen Wein nicht (
Luc. 5, 37
f.
); aber es ist doch Undank gegen Gott, Einschläferung
unsrer
unserer
Kräfte, mit denen wir zum Guten, wenigstens durch Sichtung, mitwirken könnten, Versündigung gegen den, der Hülfe bedarf, und gegen den, der ihm helfen will, nicht nur selbst nichts zu thun, und nichts zu
brauchen
gebrauchen
, was
Andre
Andere
statt
unsrer
unserer
thun, sondern auch selbst
Andre
Andere
davon abzuhalten, und ununtersucht den guten Keim, den Gott aufgehen läßt, wie
Unkraut
Unkraut,
zu zertreten. – Rotte das Unkraut aus, weil es
Unkraut
, nicht weil es
neu
ist; du möchtest eine sehr heilsame Pflanze vertilgen, von der du nur vorher noch nichts gehört
hattest
hast
. Doch vergiß auch
bey
bei
dem Ausjäten des Unkrautes das nicht, was unser Herr sagt
Matth. 13,
39
29
. – Allerdings giebts nur Einen Grund, auf den wir bauen müssen, der, daß
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Jesus
der Christ
sey
sei.
(
1 Kor. 3,
11).
11.)
Auf den hat man hölzerne und steinerne Häuser
gebaut
gebaut.
(
V.
(v.
12).
12.)
Sind alle alte dieser, und alle neue jener Art? Die Zeit wirds klar machen, sagt der Apostel
(
V.
(v.
13
13.
); aber wie
kan
kann
sie
dir
das
das
, wenn alles Neue, was die Zeit lehrt, schon
darum
darum
das Zeichen der
Verwerfung
Verwerfung
trägt, weil es neu ist? – Die
Wahrheit
Wahrheit ist ewig, aber sie wird oft erst spät erkannt. Wer das bisher Unerkannte ans Licht bringt, der sagt
freylich
freilich
etwas Neues; aber verdient er die schnöde Verachtung, er, den Gott vielleicht zum Werkzeug
brauchen
gebrauchen
will, dich zu erleuchten? –
Ephes. 4, 11–15.
1 Kor. 13, 9
f.
Ebr. 5, 12–14.
1 Kor. 3, 21
f.
– Es ist wohl kaum nöthig zu sagen, daß wer darum nicht das Neue will weggeworfen wissen, weil es neu ist, damit keinesweges
alles Neue
alles Neue
billigt, eben
weil es neu
weil es neu
ist. Ob etwas neu oder alt
ist?
ist,
muß gar nicht, ob es wahr
sey?
sey,
sei?
muß allein in Anschlag kommen.
Matth. 13, 39
In Übereinstimmung mit der ersten Auflage der
Anweisung
ist Mt 13,29 gemeint.
165
452
.
Auf die beschriebene Art sollte sich ein jeder
selbstdenkend
selbstdenkender Christ, der alle dazu erforderliche Fähigkeit und
Muße
Musse
hätte, wenigstens jeder
Lehrer
Lehrer
Lehrer
, sein christliches
System
System bilden; und
alsdann
alsdenn
wäre es Zeit, auch
Ande
rer
Vorstellungen zu hören. Denn
–
der
bloße
blosse
Selbstforscher
Selbstfor scher urtheilt gar zu leicht einseitig, und läßt sich von geheimen Vorurtheilen, aufgefaßten
Gesichtspuncten
Gesichtspunkten
, wohin er
alles
Alles
allein zieht, und selbst Leidenschaften, beschleichen. – Da uns über dies so viele, denen gewiß
Aufspürung
Aufspürung
Auffindung
des wahren Christenthums
Herzensangelegenheit
Herzensangelegenheit war, und denen es nicht an den nöthigen Fähigkeiten und Kenntnissen fehlte, vorgearbeitet
haben:
haben,
warum sollten wir ihre
Vorarbeit
Vorarbeit nicht
benutzen
benützen
, ihnen wenigstens nicht danken, daß sie
unsre
unsere
Aufmerksamkeit auf
Vieles
vieles
lenken, was ihr
entwischt
entgangen
ist, und uns zeigen, was und wo es noch weiterer Untersuchung bedürfe? – Wollen wir
aber selbst
vollends als
Lehrer
Lehrer
Anderer
Andrer
auftreten:
auftreten,
so erfordert die gesellschaftliche
Ordnung
Ordnung, uns zu einer gewissen kirchlichen Gesellschaft zu halten, deswegen die Vorstellungen in der Religion, die sie von ihren Mitgliedern erwartet, kennen zu lernen, und zu prüfen, ob wir sie mit Ueberzeugung fortpflanzen, wenigstens öffentlich unbestritten
laßen
lassen
können. Es erforderts auch die
Weisheit und
Gerechtigkeit gegen
Andre, unsre
Andere, so wie die Lehrweisheit, unsere
Kenntnisse vom Christenthum möglichst ihren
Vorstellungen
Vorstellungen, wenn sie nicht schädliche Irrthümer sind,
anzuschmiegen;
anzuschmiegen,
anzubequemen;
ihres, wenn gleich oft irrenden, Gewissens zu
schonen;
schonen,
und nicht durch Unvorsichtigkeit oder
Allgenügsamkeit
Allgenugsamkeit
ein Mißtrauen oder
eine
Abneigung zu erregen,
das
die
einen Lehrer der Religion so sehr hindert,
bey
bei
Andern Gutes zu stiften. Alles dieses führt die Pflicht mit sich, uns um
Andrer
Anderer
Vorstellungen zu bekümmern, und auf diese, wenigstens eine prüfende,
Rücksicht
Rücksicht zu nehmen.
{
Anm.
So urtheilt auch
Fichte, Johann Gottlieb
Fichte
in dem System der Sittenlehre: „Der Diener einer Kirche muß davon ausgehen, worüber Alle einig sind, vom
Symbol
. – Er muß darauf hinausgehen, worüber Alle einig werden sollen. Er muß sonach weiter sehen, als die Einzelnen; das beste und sicherne Resultat der moralischen Cultur des Zeitalters in der Gewalt haben: und zu diesem hat er sie zu führen. – Alle sollen einig werden; sie sollen aber auch, während ihres Fortschreitens, einig bleiben; mithin muß er stets so gehen, daß man ihm folgen kann. – Sobald er in
seinem
Vortrage zu sehr der Cultur seiner Zuhöhrer voreilt, sobald redet er nicht mehr zu Allen (einer Gemeinde)
u. s. w.
“ – Ausführlicher habe ich den Begriff und die Natur der Lehrweisheit, welche schon eine gründliche Kenntniß des Systems voraussetzt, entwickelt in den
Briefen an christliche Religionslehrer, 3te Sammlung.
A. d. H.
}
Fichte in dem System der Sittenlehre: „Der Diener einer Kirche […] sobald redet er nicht mehr zu Allen (einer Gemeinde) u. s. w.“
Wiedergegeben wird Johann Gottlieb Fichtes (1762–1814)
System der Sittenlehre nach den Principien der Wissenschaftslehre
(1798), 472.
Briefen an christliche Religionslehrer, 3te Sammlung
Hier dürfte die zweite Auflage (1803) gemeint sein (vgl. I § 285 c).
166
453
.
Diese
Vorstellungen
Vorstellungen
Andrer sind
Anderer, haben
entweder
solche, welche
in einer besondern
Kirche
Kirche eine Art von
gesetzmäßigem
gesetzmäßigen
Ansehen erlangt
haben
,
oder
es sind bloß
Privatgedanken
Privatgedanken und Resultate solcher Untersuchungen, die von
einzelnen
einzeln
gelehrten Männern angestellt sind. Die
erstern
verdienen
unsre
genaue
Kenntniß und Prüfung, nicht nur weil sie
das Vorurtheil vor
wenigstens das für
sich haben, daß sie nach
öftrer
öfterer
Untersuchung vieler redlichen, verständigen und gelehrten Christen bewährt befunden worden, sondern noch
vielmehr
vielmehr,
wegen der so eben (§.
165
165.
) erwähnten
452
) erwehnten
Gründe
Gründe für einen
Gründe, von Seiten des
öffentlichen
Lehrer
Lehrer
Lehrers
. Die
letztern
hingegegen scheinen noch mehr wichtige Aufschlüsse über Religion und Christenthum zu versprechen,
zumahl
zumal
wenn sie den
Beyfall
Beifall
der
gelehrtesten und untersuchendsten
gelehrtesten, unermüdet forschenden
Männer
für
vor
sich haben. Denn
bey
bei
solchen besondern Untersuchungen
einzelner
einzler
Lehrsätze
kan
kann
man mehr eigentlichen Fleiß und neue
Aufklärung
Aufklärung erwarten; man
kan
kann
erwarten, daß dergleichen Männer weniger durch die Fesseln eines
Kirchensystem
Kirchensystems oder eingeschränkter
Lehrfreyheit
Lehrfreyheit
Lehrfreiheit
zurückgehalten worden,
freye
freie
Untersuchungen anzustellen; der
Beyfall
Beifall
, mit dem man ihre Untersuchungen aufgenommen, hat weniger den Verdacht wider sich, daß er durch kirchliches Ansehen oder Schonung des Hergebrachten gestimmt
sey
sei
; und, wenn solche Untersuchungen von
Männern
Gelehrten
herrühren, denen man, neben wahrer Bescheidenheit, vorzügliche Bekanntschaft mit den Hülfsmitteln zur
Aufklärung
Aufklärung der Theologie, wenigstens in den Theilen, woran sie gearbeitet haben, und vorzügliche
Uebung
Uebung in solchen
Untersuchungen
Unteruchungen
nicht absprechen
kan
kann
: so
kann
kan
man sicherlich mehr von ihnen lernen, als von denen, die nur der gebahnten
Heerstraße
Heerstrasse
folgen.
167
454
.
Indessen
ist
eigen
eigne
bleibt
eigene
Untersuchung doch immer das Nöthigste. Was ist wahr? was ist Christenthum?
dies
dieß
ist doch eigentlich die Hauptsache,
davon
muß man
wollen
im
System
System unterrichtet seyn
wollen
; was der oder jener, diese oder jene Kirche, geglaubt
hat,
dies
das
hat: dieß
zu wissen, ist, wenn es nicht Gelegenheit giebt,
Wahrheit
Wahrheit zu finden, fast von gar
keinem
keinen
Werth. Sammlungen von Meinungen, wenn sie nicht geprüft, sondern der Wahl eines jeden
überlaßen
überlassen
werden, verwirren nur, und stimmen die Seele zum ewigen Schwanken zwischen menschlichen Einfällen. Und wie? wenn unter
allem
Allem
, was bisher
worüber
über eine Lehre
gesagt ist, gerade die rechte Vorstellung noch fehlte?
*)
– Was übrigens zur Bildung eines immer vollkommnern Systems geschehen müsse, ist schon oben gesagt. Hier nur noch etwas über den bessern Vortrag desjenigen, was man, nach oben
erwähntem
erwehntem
Verfahren
Verfahren,
von dem Christenthum gefunden hat, oder besser, gefunden zu haben glaubt.
Anm.
*) Eine
Dogmatik
Dogmatik
, die in eine bloße
Dogmengeschichte
Dogmengeschichte verwandelt wird, hört auf, da sie ihren eigenthümlichen Charakter,
Glaubenslehre
Glaubenslehre
und
Untersuchung der Lehre
zu seyn, verliert,
Dogmatik
zu seyn, und wird ein Theil der
historischen
Theologie.
A. d. H.
168
455
.
Allerdings bleibt
Wahrheit
Wahrheit immer Wahrheit, und
es ist übel gesprochen
man drückt sich wenigstens unbequem und unrichtig aus
, wenn man sagt, daß
die
Wahrheit leiden,
die
Religion
Religion in Gefahr kommen könne, obgleich die Ueberzeugung der Menschen davon, und die Achtung und Liebe zu ihr leiden
kan
kann
. Auch nutzt sich die Wahrheit nie ab, daß man auf Erfindung einer andern denken müßte. Da auch die christliche Theologie sich auf die heilige Schrift gründet, diese aber einen bestimmten Umfang hat: so
laßen
lassen
sich eigentlich neue
Entdeckungen
Entdeckungen über christliche Lehren selbst nicht machen, wenn man nicht
bessere
beßre
Erklärung
einzelner
einzler
Stellen, die mehrere Entwickelung desjenigen, was in der heiligen Schrift liegt, die weitern Aussichten, die aus Vergleichung der christlichen Lehren unter einander, und mit natür lich bekannten Sätzen, entstehen, und die Wegräumung falscher Vorstellungen, dahin rechnen will. Aber man
kan
kann
die
Ueberzeugung
Ueberzeugung
der Menschen von der Wahrheit und von dem Christenthum, oder der rechten Vorstellung davon, durch neue Gründe, und den bessern
Eindruck
Eindruck
derselben, durch neue Anwendung befördern.
169
456
.
So wie sich alle Wissenschaften durch neue
Entdeckungen
Entdeckungen oder gründlichere Einsicht des bereits Bekannten erweitern, namentlich Sprachkunde und Philosophie: so ist kein Zweifel, daß da durch auch für die Religion und das Christenthum neue Bestätigung möglich wird, und daß, wenn die
Aufklärung
Aufklärung der Wissenschaften immer fortgeht, und Geschmack und Denkungsart mehr gebildet wird, allerdings auch auf neue oder neu geschärfte und einleuchtender gemachte
Beweise
Beweise
der Lehren gedacht werden müsse. – Noch mehr findet dieses
bey
bei
der
Anwendung
Anwendung
der Lehren statt. Die
Willigkeit
Willigkeit, sich an die christlichen Lehren, zur Beförderung
unsrer
unserer
Gemüthsruhe, zu halten, und dieselben treulich zu befolgen, hängt offenbar von dem Werth ab, den man auf diese Lehren legt,
d. i.
auf den deutlich und lebhaft erkannten Einfluß derselben auf
unsre
unsere
Glückseligkeit
Glückseligkeit. Diesen
Einfluß
Einfluß
müßte man
vornemlich
vornehmlich
klar machen, und diesen recht
darstellen,
darstellen;
das ists, wie mich dünkt, eigentlich, was man
praktisch
praktischen
Vortrag nennen sollte.
Anm.
Es ist ein sehr gewöhnlicher Mißverstand, das
Praktisches
Praktische
mit dem
Moralisches
Moralischen
zu verwechseln, und die Folge davon ist nur zu oft Verachtung oder Gleichgültigkeit gegen
alles
Alles
, was nicht
unmittelbar
unmittelbar
das
Thun
und
Laßen
Lassen
der Menschen
betrift
betrifft
.
Praktisch
ist
doch alles
im Grunde Alles
, was auf die menschliche Glückseligkeit anwendbar ist. Nun beruht diese Glückseligkeit 1) keinesweges bloß auf unserm Thun und
Laßen
Lassen
, oder der Beobachtung
unsrer
unserer
Pflichten, sondern auch auf
Gemüthsruhe
, die zwar auch von dem guten Gewissen abhängt, aber eben so sehr von der
Ueberzeugung
Ueberzeugung, daß
alles
Alles
, was uns begegnet, wirklich für uns gut ist, und daß wir uns zu Gott und dessen Regierung immer des Besten versehen können. Diese
letztre
letztere
Ueberzeugung ist zu
unsrer
unserer
Glückseligkeit unumgänglich nothwendig, in Absicht auf solche Veränderungen, die nicht in
unsrer
unserer
Gewalt stehen, wohin auch diejenigen gehören, die wir nicht können ungeschehen machen,
namentlich
unsre
unsere
vielfältigen Vergehungen, und die daher
entstehenden
entstehende
Folgen. 2)
Kan
Es kann aber
der Einfluß eines Satzes auf
unsre
unsere
Glückseligkeit eben sowohl mittelbar als unmittelbar seyn, und wir urtheilen wie Kinder, wenn wir das Nutzbare, auch in
der
Religion, bloß auf das Letztere (auf das materialiter
oder unmittelbar
Praktische) einschränken,
ohnerachtet
ungeachtet
uns die ganze Einrichtung der physischen und moralischen Welt so deutlich an den auch sehr entfernten Einfluß gewisser Ursachen auf unser Wohl und Weh erinnert. Daher ist
jeder
jeder,
noch so
speculative
Satz,
Satz
spekulative Satz
praktisch
, wenn er
1)
a)
die zu
unsrer
unserer
Gemüthsruhe unent behrliche Ueberzeugung von Gottes allezeit weisen und gütigen Anstalten und Fügungen zu unserm Besten überhaupt und in
einzelnen
einzeln
Fällen, auf eine nähere oder entferntere Art, befördern, irgend einen Beweis dafür geben, irgend einem Zweifel dagegen zuvorkommen, oder ihn
heben kan. 2) Wenn
heben; wenn
er
b)
irgend einen Grund zu einer Pflicht enthalten, irgend eine Ermunterung dazu, irgend eine Erleichterung derselben in der
Ausübung,
Ausübung
geben
kan. Und einen
kann. Einen
Satz
praktisch
machen
machen,
ist
demnach
nichts anders, als zeigen, welchen
Einfluß
Einfluß derselbe auf unser Bestes haben könne, es
sey
sei
auf die eine oder die
andre
andere
so eben angegebene Art; welches auch dadurch geschehen
kan
kann
, wenn wir ihn so erklären, so bestimmen, in eine solche Verbindung mit andern stellen, daß
andre
andere
diesen Einfluß leicht einsehen, und die Anwendung desselben auf ihre Gemüthsruhe oder Besserung leicht machen können.
{Dieß ist die wahre Idee, die Allen, welche die
praktische Theologie
im Gegensatz der
Schultheologie
verarbeitet haben, vorgeschwebt hat.}
170
457
.
Zu
diesem
einem
guten
Vortrag
Vortrage der systematischen Theologie gehört auch der weise Gebrauch
gewisser
gewisser,
dem
System
System
eigenthümlichen
eigenthümlicher
Ausdrücke, welche man gemeiniglich mit dem Namen der
Schulsprache
Schulsprache
(termini technici)
belegt, und welche viele aus dem Vortrag der Religion wollen entfernt, an ihrer Statt aber
biblische
biblische
, zum Theil
auch mystische
wohl gar
mystische
, oder Ausdrücke aus der Sprache des gemeinen Le bens, eingeführt
wissen
†)
.
wissen.
1
)
Wahr ist es,
Ausdrücke
Ausdrücke sind gleichgültig, wenn sie nur die Sachen verständlich und ohne Irrthümer bezeichnen, wenn sie also nur, falls sie dunkel oder
zweydeutig
zweideutig
sind, erklärt werden, daß man dadurch wirklich die Sachen verstehen
lernt
kan
, und gegen falsche Vorstellungen gesichert wird; wahr ist es auch, daß, wo man
bey
bei
einem
einen
Vortrag
Vortrage
nicht sowohl deutliche und genaue Einsicht, als vielmehr
Eindrücke
Eindrücke der Religion, selbst
bey
bei
undeutlicher Erkenntniß derselben, befördern will, die
gelehrte
Schulsprache völlig entbehrt, und der Gebrauch unbestimmter und sinnlicher Ausdrücke selbst nützlicher werden
kan
kann
, weil sie durch
Nebenbegriffe
Nebenbegriffe den Eindruck befördern; wahr ist es, daß man die Absicht der Schulsprache oft ohne sie erreichen
kan
††
;
††)
;
kann;
2
)
wahr
ists
ist's
endlich, daß die gelehrte Sprache in der Theologie manche Unbequemlichkeit mit sich führt. Denn durch sie wird die Erlernung der Theologie erschwert; der Vortrag wird trocken, und, weil sie die Sachen bloß dem Verstande, nicht der
Einbildungskraft
Einbildungskraft,
darstellet
darstellt
, so wird die Anwendung der Sachen auf sich selbst und auf das
Herz
Herz,
weniger einleuchtend oder nahe gelegt; sie ist dem größten Theil der Zuhörer entweder unverständlich, oder erweckt eben sowohl falsche
Nebenbegriffe
Nebenbegriffe,
wie
andre
andere
Arten der
Sprache
*)
,
Sprache,
3
)
und, was
beynahe
beinahe
das Schlimmste ist, sie verbindet gewisse menschliche, zum Theil irrige, Vorstellungen so
inniglich
innig
mit den
eigentlichen
Lehren des Christenthums, daß jene eben das Ansehn wie diese erhalten, und so lange nicht ausgerottet werden können, als man an dieser Schulsprache hängt.
**)
4
)
†)
Anm.
1)
S.
die, den Gegenstand sehr einseitig fassende, Schrift:
Gründe für die gänzliche Abschaffung der Schulsprache des theologischen Systems
Gründe für die gänzliche Abschaffung der Schulsprache des theologischen Systems
, Berlin 1772.
8.
††)
2)
Entweder
wenn man
uneigentlich
uneigentliche, sinnliche, und überhaupt
unbestimmte
unbestimmmte
Ausdrücke mit gemeinbekannten eigentlichen vertauscht,
z. B.
statt
Vergebung der
Sünden
,
Sünden
Verschonung mit Strafen, statt
Wiedergeburt
, gänzliche oder
Herzenbesserung,
Herzensbesserung, oder Sinnesänderung
setzt;
oder
sich durch wohlgewählte Umschreibungen, Beschreibungen und
Beyspiele
Beispiele
erklärt, wie
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Jesus
in seinen Parabeln, als
Luc. 15, 11
f.
18, 10
f.
etc.
;
etc.
oder
wohlerklärte, und durch
weitre
weitere
Erläuterungen sonst schon den Zuhörern bekannte Hauptbegriffe und Hauptsätze (§.
155
442
) beybehält
155.
) beibehält
.
*)
3)
Z. B.
Person
in der
Gottheit;
Gottheit,
an welches Wort die
meisten
Meisten
gar nicht den metaphysischen Sinn knüpfen, worin es
unsre
unsere
Theologen wollen genommen wissen, und daher entweder gar nichts
dabey
dabei
, oder grobe Begriffe von Theilbarkeit, menschlicher Gestalt, oder, wie
einige in der ältern Kirche
bey
bei
dem Wort
πρόσωπον
,
bloße
blosse
Verhältnisse
hinzu denken
hinzudenken
.
**)
4)
Als eben
bey
bei
dem Wort
Person
;
bey
bei
dem Ausdruck
Person
,
Entäusserung
Entäußerung
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
, dem man den falschen Begriff von einem
Christi
für
unterlaßnen
unterlassenen
Gebrauch göttlicher
Eigenschaften untergelegt hat;
Genugthuung
Genugthuung
,
Eigenschaften,
Genugthuung
,
wenn es nicht in gut lateinischem Verstande genommen
wird;
wird,
Caput
morale
morale, foederale,
von
Adam
Adam
gebraucht
u. d. gl.
u. dergl.
Gründe für die gänzliche Abschaffung der Schulsprache des theologischen Systems, Berlin 1772
Über den Zusatz
von dem Verfasser der Schrift: Was für einen Werth kann man – den schnellen Bekehrungen – zueignen, u.s.w.
lässt sich Gotthilf Samuel Steinbart (1738–1809), dessen
System der reinen Philosophie oder Glückseligkeitslehre des Christenthums
(
1
1778–
4
1794) im Rahmen der
Bibliothek der Neologie
ediert wird (BdN VIII), als Autor ermitteln. Steinbarts
Gründe
haben Johann Leonhard Frisch (1737–1795), der 1781 auch als Opponent der
Glückseligkeitslehre
hervorgetreten ist, sowie August Friedrich Brackmann (1753–1830) zu Gegenschriften herausgefordert (1775 bzw. 1778).
einige in der ältern Kirche bey dem Wort πρόσωπον, bloße Verhältnisse hinzu denken
Vgl. II § 83.
Entäusserung Christi, dem man den falschen Begriff von einem unterlaßnen Gebrauch göttlicher Eigenschaften untergelegt hat
Gemeint ist die
Kenosis
(
κένωσις
) Christi, wie sie im Philipperhymnus (Phil 2,5–11) grundgelegt ist (Phil 2,7
ἑαυτὸν ἐκένωσεν
). Vor dem Hintergrund der Lehre von der
communicatio idiomatum
kam es in diesem Punkt Anfang des 17. Jh.s zum sog.
Kenosis-Krypsis
-Streit zwischen den Fakultäten Gießen und Tübingen. Während man in Gießen (wie zuvor Martin Chemnitz) der Meinung war, Jesus habe sich der mit seiner göttlichen Natur einhergehenden Eigenschaften entäußert (
Kenosis
), vertrat man in Tübingen (wie zuvor Johannes Brenz) die Auffassung, Jesus habe diese Eigenschaften weiterhin besessen, jedoch (mit Ausnahme der Fähigkeit, Wunder zu bewirken) verhüllt (
Krypsis
). Unter veränderten Vorzeichen erlebte diese Frage im 19. Jh. eine Neuauflage („Kenotiker“).
Genugthuung […] lateinischem Verstande genommen wird
D.h. im Sinne von
satisfactio
(vgl. I § 61).
Caput morale von Adam
Im Hintergrund steht die in der
Anweisung
immer wieder aufgegriffene Lehre von der Zurechnung der Sünde Adams. Insbesondere nach dem pelagianischen Streit (vgl. II § 88) und im Anschluss an die Prädestinationslehre Augustins (vgl. II § 113) gilt Adam als Repräsentant der gesamten Menschheit. In imputationstheologischer Perspektive hat Gott die Schuld des Sündenfalls (vgl. Gen 3) mitsamt der Strafe seinen Nachkommen zugerechnet, da der Mensch
der Möglichkeit nach
bzw.
als Same
in Adam bereits existiert habe. In föderaltheologischer Perspektive hat Gott den Bund stellvertretend mit Adam geschlossen, so dass der Bundesbruch auch dessen Nachkommen betrifft (vgl. II § 150).
171
458
.
Dieses
alles
Alles
beweiset aber
nur:
nur,
daß dergleichen gelehrtere Sprache nicht
überall
überall
nöthig, oft, und in
den
dem
gemeinen
Vortrag
Vortrag insbesondre
Vortrage insbesondere
, unschicklich
sey
sei
; daß man sich also hüten müsse, allein darin zu denken und vorzutragen; daß sie noch, besonders die eingeführte
Kirchensprache
Kirchensprache, mancher Verbesserung bedürftig
sey;
sei:
lauter
Vorwürfe, die man den andern Arten der
Sprache, welche
Sprache die
man statt dieser gebraucht wünscht, und die man jeder eigenthümlichen Sprache in irgend einer Wissenschaft und
Kunst,
Kunst
mit eben dem Recht und Unrecht
machen kan,
wie dieser
machen kann
. Hingegen beweiset alles dieses nicht, daß sie
gar nicht
, daß sie auch selbst nicht in dem systematischen
Vortrag
Vortrage
, daß nicht nur ihr
Gebrauch
Gebrauch nicht, sondern auch nicht einmal ihre
Kenntniß
Kenntniß nöthig
sey
sei
. Vielmehr hat sie und ihre Kenntniß allerdings, in der systematischen Theologie, wenn sie nur gehörig erklärt, und mit Weisheit gebraucht wird, sehr
große
grosse
Vortheile, die ganz
verlohren
verloren
gehen würden, wenn man sie abschaffen wollte. Sie ist 1) einmal da, und nicht nur in vielen, ja gerade in den
gründlichsten,
gründlichsten
theologischen Schriften, sondern auch selbst in öffentlichen Bekenntniß- und
Lehrbücher
Lehrbüchern eingeführt, die man also ohne die Kenntniß dieser Sprache nicht verstehen, vielweniger beurtheilen
kan
kann
. Und wenn man sich über seine Unbekanntschaft mit ihr damit trösten will, daß solche Schriften nicht brauchten gelesen zu werden, und bald nur noch zur Geschichte der Lehre nöthig seyn würden: so überlegt man nicht, daß doch
symbolisch
symbolische Schriften nicht so nach eignem Gutbefinden können
bey
bei
Seite gelegt werden, oder dem Lehrer, der sich zu einer gewissen Kirche bekennt, unbekannt oder unverständlich bleiben dürfen; daß mit Wegschaffung der in der
Schulsprache
Schulsprache
geschriebnen
geschriebenen
Schriften ein
großer
grosser
Schatz von Kenntnissen und Bestimmungen
verloren gehen
würde
verlohren gehen
; daß die Kenntniß der Schulsprache doch immer unentbehrlich bleibe, wenigstens
um
theologische Streitigkeiten und Irrthümer ganzer Kirchen zu verstehen und zu beurtheilen.
172
459
.
Indessen mag dieses der kleinste Vortheil seyn, den wenigstens die
historische Kenntniß
der theologischen
Schulsprache
Schulsprache mit sich führt; aber selbst der
Gebrauch
Gebrauch
dieser Sprache ist sehr nützlich. Denn
2)
es
lassen sich
2)
manche Begriffe gar nicht, oder doch nicht so kurz
ausdrucken
ausdrücken
, als durch Hülfe dieser
Sprache
†)
;
†)
Sprache;
1
)
und die reichhaltige Kürze kommt doch nicht nur dem Gedächt niß zu Hülfe, und befördert die leichtere Uebersicht der
großen
grossen
Menge von Sachen, sondern sie befördert auch die Schnelligkeit im Denken, und führt auf neue Begriffe. 3) Hauptsächlich ist sie zu der so unschätzbaren
Bestimmtheit
Bestimmtheit der
Begriffe,
Begriffe
wenigstens da unentbehrlich, wo Bestimmtheit mit Kürze vereinigt werden soll. Sie hebt die
Zweydeutigkeit
Zweydeutigkeit
Zweideutigkeit
der Begriffe und Sätze, die der Grund des Mißverstandes und der daher entstehenden Streitigkeiten
ist;
ist,
und wenn alles
dies
dieß
durch die gelehrte Sprache sogar zum voraus
kan
verhütet werden
kann
, wie viele unnütze Untersuchungen und Zweifel erspart sie uns?
aus
Aus
wie
vielerley
vielerlei
Verwirrung hilft sie, welche die Quelle aller Ungewißheit ist?
*)
4)
2
)
Sie befördert selbst die Einsicht des
Zusammenhang
Zusammenhangs der Lehren, und giebt ihnen ein gewisses Licht und eine Stärke, die sie ohne diese Sprache würde entbehren müssen.
**)
3
)
†) Bey
Anm.
1) Bei
den so schwierigen Fragen,
z. B.
von Mitwirkung Gottes
bey
bei
sündlichen
Handlungen;
Handlungen,
von den Absichten, die Gott hat, und nicht
erreicht;
erreicht,
von der Seligkeit derer, die keine Gelegenheit zur
Erkenntniß
Kenntniß
des Christenthums gehabt
haben;
haben,
welche Fragen mit Gottes Heiligkeit und Weisheit, und mit der Nothwendigkeit des Glaubens an
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christum
, worauf die heilige Schrift dringt, so sehr in Widerspruch zu stehen scheinen, giebt der Unterschied zwischen dem Materiellen und Formellen der
freyen
freien
Handlungen,
dem
der
voluntate absoluta und inabsoluta Dei, dem ausdrücklichen und unentwickelten
Glauben,
Glauben
sehr kurze und bestimmte Entscheidung.
*)
2)
Man weiß, welche Unbestimmtheit und
Zweydeutigkeit
Zweideutigkeit
in der gemeinen Sprache liegt, und wie oft an den Ausdrücken derselben
Nebenbegriffe
Nebenbegriffe hängen, die mit derselben in die Erkenntniß der Religion übergehen, und Irrthümer verursachen (
Theil 1
Th. 1.
§.
61
61.
), oder doch von dem festen
Gesichtspunct bey
Gesichtspunkt bei
einer Untersuchung ableiten, und auf Nebensachen führen, welchem Fehler man
alsdann
alsdenn
nur durch eine bestimmtere Sprache zuvorkommen
kan
kann
. –
Freylich
Freilich
mag diese Sprache bisweilen zarten Ohren widrig klingen, und
dann
denn
stehts
bey
bei
jedem, sie durch besser gewählte Ausdrücke harmonischer zu
machen. Sonst
machen; sonst
aber ist nicht abzusehen, warum man die
Ausdrücke von fide quae und fide qua, von der Rechtfertigung durch den Glauben
correlatiue
correlative
ad
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christum
,
von der Rechtfertigung im medicinischen und juristischen Verstande,
mißbilligen will, wenn man die dadurch
ausgedruckte
ausgedrückte
Sache versteht, und sie selbst nicht mißbilligt. – Selbst durch bestimmte Ausdrücke und Erklärungen der biblischen
Begriffe
Begriffe,
wird die Abhandlung der Sachen ungemein
abgekürzt,
abgekürzt
und unnöthige Untersuchung verhütet; wie man aus Vergleichung
dererjenigen
derjenigen
Lehrbücher sehen
kan
kann
, die aus der
Lehre von den sogenannten
drey
drei
Aemtern
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
, von Erleuchtung, Bekehrung,
Buße
Busse
, Wiedergeburt, Heiligung, mystischer Vereinigung
u. d. gl.
besondre
u. dergl.
besondere
Artikel machen, wenn man sie mit andern vergleicht, wo sie zusammengenommen sind, weil man fand, daß ein und dieselbe Sache nur durch
verschiedne
verschiedene
Tropen
Tropen
ausgedruckt
ausgedrückt
war, die alle durch Einen bestimmten Ausdruck vereinigt werden.
**)
3)
So wird man schwerlich den Zusammenhang zwischen Gottes höchster Seligkeit, Gütigkeit, Heiligkeit und Gerechtigkeit, wenigstens schwerlich ohne Weitläufigkeit, populär zeigen können. Aber man nehme die vorher wohl erklärte Terminologie vom
bono
bono
physico und morali zu Hülfe, und denke sich die Sache so: Gott will allezeit was bonum (oder vielmehr optimum) ist,
bey
bei
sich und
bey Andern,
bei Andern;
das bonum aber ist
entweder
physicum
oder
morale; folglich will Gott aufs höchste 1) das bonum physicum
bey
bei
sich, 2) das bonum mo rale
bey
bei
sich, 3) das bonum physicum
bey Andern
bei
Andern
, und 4) das bonum morale
bey
bei
Andern (
es
versteht sich, die dessen fähig sind). Was ist das
erste
Erste
anders, als die höchste
Seligkeit
, das
zweyte
Zweite
die höchste
Heiligkeit
, das
dritte
Dritte
die höchste
Gütigkeit
, das
vierte
Vierte
die höchste
Gerechtigkeit
? So fällt der Unterschied dieser Eigenschaften, der nothwendige Zusammenhang unter ihnen, und zugleich der wichtige Umstand in die Augen, daß Gottes Gerechtigkeit
nichts
nichts,
anders als seine höchste Gütigkeit
sey
sei
, so fern sie das bonum morale
bey freyen
bei freien
Geschöpfen als Mittel zu deren bono physico will. Wenn auch nichts als dieser allein würdige Begriff von Gottes
Gerechtigkeit
durch diese
Terminologie
Terminologie
gewonnen
gewonnen, wenigstens mehr ins Klare gebracht
würde:
würde,
zu wie viel herrlichen Folgen würde diese führen, sowohl uns über
alles
unser Schicksal zu beruhigen, als uns Gottes Gesetze werth, und uns zu ihrer Befolgung willig zu machen? welches
bey
bei
dem gewöhnlichern Begriff von Gottes Gerechtigkeit, die man als abgesondert von der Liebe, oder
gar
als ihr entgegengesetzt denkt, gar nicht zu erhalten ist.
voluntate absoluta und inabsoluta Dei
Gemeint ist die dogmatische Unterscheidung zwischen der
voluntas absoluta Dei
und der
voluntas conditionata
bzw.
ordinata Dei
. Unter der
voluntas absoluta
ist der Wille Gottes zu verstehen, insofern er nicht an außer ihm liegende Bedingungen geknüpft ist (Schöpfung, Wunder); die
voluntas conditionata
bzw.
ordinata
meint dagegen den Willen Gottes, der von bestimmten äußeren Bedingungen abhängt (
sub certa conditione
) oder in Absicht auf eine bestimmte Ordnung (
certum ordinem
) geschieht. Während sich der Mensch der ersten
voluntas
nicht entziehen kann, ist dies im Falle der zweiten
voluntas
durchaus möglich (vgl. z.B. Mt 23,37). Bedeutsam wurde diese Unterscheidung insbesondere in der reformatorischen Auseinandersetzung um die Prädestination, da sich der Mensch nach der calvinistischen Lehre von der doppelten Prädestination (vgl. II § 113) der unbedingten Gnadenwahl als Akt der göttlichen
voluntas absoluta
nicht widersetzen kann, wohingegen er die Gnadenwahl nach lutherischer Vorstellung als Akt der
voluntas conditionata
oder
ordinata
Gottes im Glauben annehmen muss.
Ausdrücke von fide quae und fide qua
D.i. die auf Augustin zurückgehende Unterscheidung zwischen der
fides qua creditur
, d.h. dem Glauben,
durch den
geglaubt wird (Glaubensakt), und der
fides quae creditur
, d.h. dem Glauben,
der
geglaubt wird (Glaubensinhalt).
Lehre von den sogenannten drey Aemtern Christi
Nach der Lehre der drei Ämter (
munus triplex
) hat Christus das prophetische (
munus propheticum
), das priesterliche (
munus sacerdotale
) und das königliche Amt (
munus regium
) inne.
173
460
.
Die Beschwerden, welche man schon längst gegen den
Gebrauch
Gebrauch der gelehrteren Sprache in der Theologie, wie gegen den gelehrteren Vortrag des Christenthums überhaupt, erhoben hat, rührten
freylich
freilich
wohl am meisten von der Besorgniß her, daß dadurch das
Christenthum
Christenthum zu sehr eine Sache des
Verstand
Verstandes, und zu wenig Sache des Herzens werden
möchte; ob man gleich
möchte, daher sie auch häufig, wie die Geschichte der Kirche in allen Zeiträumen lehrt, gerade von denen erhoben sind, denen das Praktische in der Religion Hauptsache war, und am meisten am Herzen lag. Man darf
von der Billigkeit dieser Gegner erwarten
kan
, daß sie
würden
milder geurtheilt haben
würden
, wenn sie mehr Bekanntschaft mit der
Gelehrsamkeit
Gelehrsamkeit, sonderlich der
Philosophie,
Philosophie
und ihrem Werth, gehabt, mehr diese gelehrte
Sprache
Sprache und die dadurch bezeichneten Sachen verstanden,
mehr,
mehr
aus eigner Uebung im Nachdenken über die Lehren des Christenthums und ihre Verbin dung unter einander, die
großen
grossen
Vortheile der philosophischen Behandlung dieser Lehren, auch in Absicht auf den Ausdruck, gekannt hätten. Diese letzteren Ursachen, nebst dem Gefühl der Unschicklichkeit des Gebrauchs dieser Sprache und
Lehrart
Lehrart in
jeder
jeder
Art des Vortrags, auch vor den Ungelehrten, mögen wohl
bey
bei
Andern die Beschwerden darüber veranlaßt
haben,
haben;
und diese Klagen mußten nothwendig mehr Eindruck machen, nachdem man hauptsächlich zu
unsrer
unserer
Zeit angefangen hatte, die Nothwendigkeit einer Absonderung des gelehrten und gemeinen Vortrags
bey
bei
dem Christenthum einzusehen.
Anm.
Die
Vernachläßigung
Vernachlässigung
des
Volksunterricht
Volksunterrichts überhaupt; die bald unter den Christen
eingerissene
eingerißne
Gewohnheit, das Volk mehr durch
Ansehn
Ansehen
der Kirche, als durch verständliche Lehren und durch Ueberzeugung, zu regieren; und der größre Werth, den man, auch sehr frühzeitig unter Christen, auf Beobachtung äusserlicher Disciplin, mehr als auf wirkliche Erkenntniß des Christen thums, gelegt, mögen wohl am längsten, die Nothwendigkeit dieses Unterschieds einzusehen, verhindert haben. Da nun vollends das
Ansehn
Ansehen
der Kirche eine gewisse gelehrte Sprache im Christenthum
geweyht
geweiht
, und auf die Nothwendigkeit, diese
geweyheten
geweiheten
Ausdrücke
beyzubehalten
beizubehalten
, eben so sehr, als auf den rechten Glauben selbst, gedrungen hatte: wie schwer mußte es da werden, diese Sprache, selbst wenn sie unbequem, wenn sie am unrechten
Ort, bey
Orte, bei
dem
Volk
Volke
, gebräuchlich war, mit einer schicklichern zu vertauschen?
174
461
.
Diese eingesehene Nothwendigkeit hat den Unterschied zwischen der sogenannten
scholastisch
scholastischen
,
scholastischen
akroamatisch
akroamatischen
oder
gelehrten
, und zwischen der
populär
populären
oder
katechetisch
katechetischen Theologie
hervorgebracht, wel cher auf der Verschiedenheit des Vortrags der Religion beruht.
–
Jene
ist für den
Gelehrtern
Gelehrteren
bestimmt. Sie braucht also alle Hülfsmittel der
Gelehrsamkeit
Gelehrsamkeit, die Lehren der heiligen Schrift, als solche, vorzulegen, und sie
in in
in
einen
Zusammenhang
Zusammenhang zu stellen, in welchem eine der andern noch mehr Licht und Stärke ertheilt. Sie arbeitet ganz eigentlich für den Verstand und für Deutlichkeit und Gründlichkeit der Erkenntniß, um durch eine solche Art der
Ueberzeugung
Ueberzeugung aufs Herz zu wirken. Sie erfordert deswegen auch eine strengere Lehrart, eine bestimmtere Sprache, und Untersuchungen, die zur weitern
Aufklärung
Aufklärung der Religion für den scharfsinnigern Denker gehören.
–
Diese
hingegen, weil sie für den
Ungelehrtern
Ungelehrteren
bestimmt ist, übergeht
alles
Alles
, was ohne gelehrte Kenntniß nicht be greiflich gemacht werden
kan;
kan,
kann;
schränkt sich bloß darauf ein, aus den deutlichen Stellen der heiligen Schrift die Lehren
vorzustellen,
vorzustellen;
sie mehr aus der
Erfahrung
Erfahrung und aus Sätzen, die der gemeine
Menschenverstand
Menschenverstand begreifen
kan
kann
, als durch scharfsinnige Beweise und Erläuterungen einleuchtend zu machen, und, wo sie etwas nicht ohne alle Gelehrsamkeit deutlich machen
kan
kann
, legt sie mehr das Resultat gelehrter Untersuchungen vor, als daß sie dergleichen selbst vor denen, die sie unterrichtet, anstellen sollte. Ihr Hauptzweck ist
Fasslichkeit
Fasslichkeit,
Faßlichkeit,
Faßlichkeit
;
und
kan
kann
sie deutliche Vorstellungen der Lehren nicht
fasslich
faßlich
machen:
faßlich machen,
so begnügt sie sich, für die Einbildungskraft und den gemeinen Menschenverstand zu arbeiten, und dadurch den Lehren Eindruck aufs Herz zu geben. Sie enthält sich daher eben sowohl der
gelehrtern
gelehrteren
Sprache, als aller Untersuchungen, die nicht nothwendig sind, um die Wahrheit und den Einfluß der Lehren auf die menschliche
Glückseligkeit
Glückseligkeit, auf die gedachte Art einleuchtend zu machen, und Zweifeln zuvor zu kommen, oder sie zu heben, auf die auch der nachdenkende Ungelehrte leicht gerathen
kan
kann
. Kurz,
beyde
beide
Arten der Theologie sind nach ihrem
Zweck
Zweck
verschieden, und nach der darnach sich richtenden
Wahl
der Sachen und der Art sie vorzutragen.
Anm.
Anm.
1.
Anm.
1)
So, scheint es, könnte man die Gränzen am richtigsten
bestimmen;
bestimmen,
ob sie gleich gemeiniglich nicht ganz, weder im mündlichen noch schriftlichen Vortrage beobachtet werden, auch es nicht immer können, weil man
bey beyderley
bei beiderlei
Vortrag sehr oft Leser und Zuhörer von überaus
verschiednen
verschiedenen
Fähigkeiten und Kenntnissen in Absicht auf Gelehrsamkeit hat. Doch noch eher
kan
kann
man sich in
Schriften
Schriften
eine gewisse
Classe
Klasse
von Lesern denken, für die man arbeiten will, und, da man unter den sehr weit ausgedehnten Namen der
Ungelehrten
Ungelehrten,
eben sowohl Leser von ganz gemeinen Fähigkeiten, als solche begreifen
kan
kann
, die höhere Fähigkeiten, und die sie, wo nicht durch
hieher
hierher
gehörige
Lectüre
Lektüre
, doch durch Nachdenken und Uebung in scharfsinnigen Untersuchungen, gebildet haben: so ist es sehr gut, für
beyderley
beiderlei
Arten von sogenannten Ungelehrten durch
besondre
besondere
, nach ihren
verschiednen
verschiedenen
Bedürfnissen eingerichtete, Schriften zu sorgen. Man findet die
besten
besseren
in der
Anweisung
zur Kenntniß der besten theologischen Bücher §.
228–230. erwähnt
228–30 erwehnt
. Zu der letztern Art
gehören
gehöret noch
vorzüglich:
das Handbuch der Religion von
Hermes, Johann August
Joh. Aug. Hermes
,
zweyte
zweite
vermehrte Ausgabe, Berlin
1780
1780.
in
zwey Bänden in
zwei Bänden,
gr.
8.; und
Doederlein, Johann Christoph
Johann
Joh.
Christoph
Döderleins
Döderlein
Döderlein's
christlicher Religionsunterricht nach den Bedürfnissen
unsrer
unserer
Zeit, wovon zu Nürnberg
1785–1791
1785–1791.
zeither erst fünf
1785 und 86 erst zwey
Theile in 8. erschienen sind; so wie
der Zweck von
Griesbach, Johann Jakob
Joh. Jak.
Griesbachs
Griesbach's
Anleitung zum Studium der populären Dogmatik,
zweyte
Ausgabe
Ausg.
zweite Ausgabe,
Jena
1786
in
1786.
gr.
8.,
8. schon aus dem Titel erhellt.
zwar die rechte Wahl zwischen gelehrter und populärer Theologie lehren soll, zugleich aber wirkliche Darstellung der populären Dogmatik ist.
und
Niemeyer, August Hermann
A. H. Niemeyer's
populäre und praktische Theologie, 5te Auflage, Halle 1805.,
verbunden mit
Desselben Briefen
an christliche Religionslehrer, als eine Art von Commentar über einzelne Materien, 1ster und 2ter Theil.
Anm.
Anm.
2.
2)
Der Name der
scholastischen
Theologie ist daher entstanden, daß die Scholastiker der mit lern Zeit vorzüglich diese Vortragsart in Vorstellung der Theologie gebraucht haben; und der Name der
akroamatischen
(eigentlich
akroatischen
)
ist aus der Schule des
Aristoteles
Aristoteles
entlehnt;
s.
Gellius
noct. att.
XX, 5
Gellii
noctes Att.
XX,
XX.
5.
Katechetische Theologie
bezeichnet die Materialien des ersten Religionsunterrichts für Anfänger, und
ist nicht mit der
Katechetik
, oder der Anweisung zu
dergleichen Vortrage,
dem Vortrage derselben
zu verwechseln.
scholastischen
Vgl. II § 19.
akroamatischen
D.i. nur zum Hören bestimmt (griech.
ἀκροαματικός
), ein Austausch zwischen Lehrer und Schüler ist bei dieser Lehrart nicht vorgesehen. Wie am Ende der zweiten Anmerkung erwähnt, bezeichnet dieser Begriff die aus Vorträgen entstandenen philosophischen Schriften des Aristoteles.
katechetischen
Einen Gegensatz zur akroamatischen Methode (s.o.) bildet die erotematische oder dialogische Lehrweise. Hier besteht der Unterricht in gezielten Fragen des Lehrers (griech.
ἐρωτηματικός
) und den betreffenden Antworten des Schülers (vgl. III § 10). Bisweilen wird dieses Vorgehen auch als sokratische (mäeutische) bzw. im religiösen Zusammenhang auch als katechetische Methode bezeichnet (vgl. I § 122 c).
Anweisung zur Kenntniß der besten theologischen Bücher §. 228–230
Vgl. I § 43.
Johann Christoph Döderleins christlicher Religionsunterricht […] wovon zu Nürnberg 1785–1791 zeither erst fünf Theile in 8. erschienen sind
Dieses Werk entstand als Bearbeitung der mehrfach aufgelegten
Institutio theologi christiani in capitibus religionis theoreticis nostris temporibus accommodata
(1780/1781). Die ersten fünf Teile wurden von Doederlein selbst besorgt (1785–1791), nach seinem Tod im Jahre 1792 ließ Christian Gottfried Junge (1748–1814) sieben weitere Teile folgen (1796–1803).
A. H. Niemeyer's […] verbunden mit Desselben Briefen an christliche Religionslehrer, als eine Art von Commentar über einzelne Materien, 1ster und 2ter Theil
Bei der
Populäre[n] und praktische[n] Theologie oder Methodik und Materialien des christlichen Volksunterrichts
handelt es sich um den ersten Teil von Niemeyers mehrfach aufgelegtem
Handbuch für christliche Religionslehrer
(1790/1792). Die drei Sammlungen der ersten Auflage der
Briefe an christliche Religionslehrer
tragen zwar den verwandten Untertitel
Ueber populäre und praktische Theologie
, doch dürfte, da hier von
Teilen
die Rede ist, die zweite Auflage gemeint sein (vgl. I § 285 c).
Gellii noctes Att. XX, 5
In
Noctes Atticae
XX 5 berichtet Aulus Gellius (2. Jh.), Aristoteles habe sich zwei unterschiedlicher Unterrichtsmethoden bedient: einer allgemein fasslichen und an alle Hörer gerichteten für die äußeren (
ἐξωτερικά
) Lehrgegenstände (rhetorische Übungen, Logik etc.) und einer für den nur ausgewählten Zuhörern vorbehaltenen (
ἀκροατικά
oder
ἐσωτερικά
) höheren Unterricht (v.a. vertiefte Kenntnis der Philosophie). Entsprechend habe Aristoteles auch seine den Unterrichtsstoff beinhaltenden Schriften in exoterische auf der einen und akroatische oder esoterische Werke auf der anderen Seite eingeteilt.
175
462
.
Es ist ganz unnütz, über den Vorzug der einen Art vor der andern streiten zu wollen, welches Niemand in den Sinn kommen
kan
kann
, der den wahren Zweck
beyder
beider
Arten kennt, und nicht aus Unwissenheit, aus Verwechslung zufälliger und nothwendiger Fehler, oder aus Vorliebe zu Einer Art, die
seinen
Fähigkeiten und Umständen
angemessener
angemeßner
ist, gegen die Vortheile der andern ungerecht wird. Die
populär
populäre
Theologie
Theologie ist unstreitig gemeinnütziger, und für die allermeisten
zuträglicher
zugänglicher
; es ist auch nichts weniger als leicht, sich selbst zu den gemeinsten Fähigkeiten
herabzulaßen
herabzulassen
; es muß dem noch schwerer werden, der sich
bey
bei
Treibung der Wissenschaften an die gelehrtere Art gewöhnt hat. Daher bleibt es eine sehr wichtige Pflicht für den künftigen
Lehrer
Lehrer des
Volk
Volks, sich ja mit dem ersinnlichsten Fleiß zu üben, um diese wirklich
seltne
seltene
Fertigkeit zu erlangen, sich die Lehren der Religion so zu denken, und sie so vorzutragen, wie es der Zweck der populären Theologie erfordert.
176
463
.
Auf der andern Seite ist die
scholastisch
scholastische
, so wie sie vorhin beschrieben wurde (§.
174
461
174.
), in ihrer Art eben so
nothwendig,
nothwendig:
erstlich
, weil es eben sowohl scharfsinnige Köpfe giebt, die anders als durch eigentlich deutliche Gründe nicht können befriedigt, und gegen
Zweifel
Zweifel be waffnet, oder davon
befreyet
befreiet
werden, die auch nicht auf menschliches Ansehen und
bloße
blosse
Versicherung glauben, so lange die Natur der Sache erlaubt, deutliche Gründe für solche Versicherungen anzugeben;
hernach
dann
, weil eine recht überzeugende Kenntniß vom Christenthum doch nicht ohne alle gelehrte Kenntnisse möglich ist.
†)
*)
†)
Anm.
*)
Schon zur
eignen
eigenen
Ueberzeugung, daß 1) etwas der heiligen Schrift gemäß
sey
ist
sei
, gehört Kenntniß ihres Sinnes; und Ueberzeugung von dessen Richtigkeit erfordert Sprach- und andere gelehrte Kenntnisse. 2) Eben so
kan
kann
ohne alle Kenntniß von Geschichte und Philosophie nicht die Glaubwürdigkeit und Göttlichkeit der heiligen Schrift oder ihres Inhalts überzeugend und zur Wegräumung aller Zweifel dagegen eingesehen werden. Und ist jemand 3) in solchen Umständen, wo er
Religionsvorstellungen
Religionsvorstellungen
verschiedner
verschiedener
Menschen oder
Parteyen
Partheyen
Parteien
vergleichen muß,
z. B.
wenn er Religionsschriften von verschieden Denkenden gelesen hat, oder unter Leuten lebt, die ihn durch scheinbare Gründe zu ihrer
Partey
Parthey
Partei
zu bringen suchen: so
kan
kann
er wenigstens ohne alle historische Kenntnisse schwerlich, was das Beste
sey
sei
, beurtheilen. – Wahr ists, wer sich geradezu an die wesentlichen Lehren des Christenthums hält, und sie durch die Erfahrung zu seiner Besserung und Gemüthsruhe
bewähret
bewährt
findet,
kan
kann
immer sicher genug seyn, daß er in der
Hauptsache
Hauptsache
nichr
nicht
fehlen werde; und was er ja von gelehrten Kenntnissen braucht,
kan
kann
er
bey
bei
Gelehrtern erfragen, wo
alsdann
alsdenn
der
nothwendige
Glaube an ihre Einsicht die Stelle des Beweises und der
eignen
eigenen
Ueberzeugung
Ueberzeugung vertritt. Allein
erstlich
ist es doch ganz etwas anders, wenn
ich wovon
man von etwas
überzeugt
,
d. i.
aus
eigner
eigener
Kenntniß und Unter suchung davon gewiß
bin
ist
, und wenn
ich
man
etwas auf
Glauben
an dasjenige
annehme
annimmt
, was
andre
andere
Menschen wissen, oder zu wissen
meinen
meynen
; und es
kan
kann
Fälle geben, wo
mir
ein Satz so wichtig ist, und
die
Zweifel dagegen so stark sind, daß
ich mich
damit nicht
nicht damit
man sich nicht damit
begnügen
kan
kann
, auf
bloßen
blossen
Credit
Credit
bloßes Ansehen
anderer
andrer
Menschen zu bauen,
zumahl
zumal
wenn diese ganz
verschiedne
verschiedene
Einsichten
äussern
äußern
, und ihr
Ansehn
Ansehen
in solchen Sachen
bey mir
gleich
ist.
Hernach
groß scheint.
Nächstdem
ist zwar jener Weg der
Erfahrung
Erfahrung vollkommen sicher (
Joh. 7,
17)
17.),
in solchen Sachen, welche durch die Erfahrung können erkannt und dadurch bestätigt werden, auch hinlänglich, wenn man bloß auf die Hauptsache des Christenthums sieht. Aber wie, wenn die Frage von Dingen ist, wo
Erfahrung
nichts entscheiden
kan
kann
,
z. B.
über die Glaubwürdigkeit der Evangelisten, und die
Aechtheit
Echtheit
der biblischen Bücher? oder, wo
mir
mir,
zu meiner
zur
besondern Ueberzeugung, und sonderlich
bey
bei
sehr scheinbaren Zweifeln,
daran viel
viel daran
liegt, auch von gewissen Lehren überzeugt zu werden, die eigentlich zur Hauptsache des Christenthums nicht gehören?
177
464
.
Für solche zu schärferem Nachdenken aufgelegte, daher auch mehr dem Zweifeln ausgesetzte,
zumahl
zumal
durch gelehrte
Lectüre
Lektüre
gebildete, oder in Verlegenheit gesetzte Christen, ist
gelehrt
gelehrte
Kenntniß
Kenntniß des Christenthums, und desjenigen, was dazu gehört, sehr nützlich, ja unter gewissen (am Ende der Anmerkung zum vorigen §.
gemeldeten
berührten
) Umständen sogar eigentliches Bedürfniß. Ein
Lehrer
Lehrer der
Religion
Religion aber bedarf dieser gelehrte ren Kenntniß eben so sehr, und überhaupt noch mehr, als
andre
andere
Christen. Denn wenn er, nach seinem
Beruf
Beruf, für
andre
Andere
denken, und untersuchen, und denen, die ihm
anvertrauet
anvertraut
sind, in aller Verlegenheit, welche die Religion angeht, zu Hülfe kommen soll: so
kan
kann
er, in Absicht auf nachdenkende und untersuchende Christen, solche Kenntnisse schlechterdings nicht entbehren, und, wenn sie nicht durch blinden Glauben geleitet werden sollen oder können, so muß er ihnen deutliche
Rechenschaft
Rechenschaft geben, oder, wo er diese ihnen nicht geben
kan
kann
, weil es ihnen an Fähigkeiten oder gelehrten Vorerkenntnissen mangelt, so muß er wenigstens sich alles nöthige Vertrauen auf seine
vollkommnere
vollkommneren
Einsichten erwerben, damit dieses
Vertrauen
Vertrauen
bey
bei
ihnen den Abgang der Ueberzeugung ersetzen könne; wie
kan
kann
er sich aber dieses
bey
bei
Verständigern erwerben, wenn er nur eine gemeine Erkenntniß der Religion hat?
–
Bedürft' er aber auch dazu der gelehrten Kenntniß
nicht:
nicht,
so
hätte
hatte
er sie zu seiner
eigen
eignen
eigenen
Ueberzeugung
Ueberzeu gung nöthig, wozu er viel mehreres und
es
dieß
viel gründlicher wissen muß, als er es zum
bloßen
blossen
Vortrag vor Andern nöthig hat. Es ist daher die Pflicht eines jeden gewissenhaften Lehrers der Religion, der sich selbst und Andern ein Genüge thun will, sich mit der gelehrtern
Theologie
Theologie bekannt zu machen, und
sich
durch alle ihm mögliche
Hülfsmittel
Hülfsmittel auch auf eine gelehrte Art von der Religion zu überzeugen; er müßte denn so wenig natürliche Fähigkeiten dazu haben, daß er sich dergleichen Kenntnisse nicht erwerben
könnte
, oder gewiß seyn, er würde bloß mit Zuhörern von
ganz gemeinen
zu geringen
Fähigkeiten zu thun haben,
als
daß er
sie nicht
sich auch diese
zu erwerben
brauchte
.
Dieses
ist nicht zu erwarten, und
jenes
nicht zu
wünschen;
wünschen,
auch würde es ihm keinen Beruf geben, einen
Lehrer
vorstellen zu wollen,
ausser bey
außer bei
bloß einfältigen und
alles
Alles
mit
blinden
blindem
Glauben annehmenden Zuhörern, und nur
dann
denn
,
wo
wenn
keine
geschicktere
geschickteren
Lehrer, als er selbst, vorhanden wären.
Anm.
Anm.
Nach dem, was hier gesagt ist, bedarf es keiner Widerlegung der Ausflucht: daß der Lehrer nur
Volkslehrer
Volkslehrer
seyn dürfe, nur
Religion
Religion
und nicht
Theologie
Theologie
vorzutragen, und überall keine
Gelehrsamkeit
Gelehrsamkeit auf die
Kanzel
Kanzel
Canzel
zu bringen habe; zumal wenn man das vergleicht, was darüber schon anderwärts, sonderlich
Theil 1.
§.
33
–
40.
Theil 2. §.
8
210
–
14.
295
f.
und
138
425
f.
gesagt worden ist. – Uebrigens versteht sichs von selbst, wenn man den
angegebnen
angegebenen
Zweck
erwegt
erwägt
, warum man sich mit
dieser
dieser
gelehrten Theologie bekannt machen müsse, daß man sie nicht in ihrem weitesten
Umfang
Umfange
zu lernen
brauche
nöthig habe
, der ohnehin ins Unendliche geht, weil immer neue Fragen
können
aufgeworfen
werden können
, und darüber immer
vielerley
vielerlei
Meinungen
seyn
herrschen
, und
vielerley
vielerlei
Erläuterungen Statt finden werden. Es ist genug, so viel von dieser gelehrten Theologie zu wissen, als zur gründlichen Ueberzeugung seiner selbst und
Andrer
Anderer
in solchen Sachen dient, die das
praktisch
praktische Christenthum (§.
169
456
169.
Anm.
) betreffen, und mit diesem näher zusammenhängen. In Absicht auf Kenntnisse, die erst durch besondere Umstände und individuelle Bedürfnisse nothwendig werden,
kan
kann
der eigene Fleiß noch immer viel nachholen, wenn man nur erst die nothwendigsten ge lehrten
Kenntnisse
Kenntnisse hat, und eine hinlängliche Bücherkenntniß besitzt, um zu wissen, woraus man, bedürfenden Falls, seine Kenntnisse erweitern könne.
178
465
.
Die von
einigen
Einigen
immer wieder erneuerten Vorwürfe gegen die gelehrtere
Theologie
Theologie
Theologie,
sind überhaupt schon durch das weggeräumt, was bisher für den Nutzen und die Nothwendigkeit der systematischen Theologie und der sogenannten
Schulsprache
Schulsprache gesagt worden ist (§.
142
429
f.
und §.
171
458
f.
), ob sie gleich noch die ehemaligen und zum Theil manche jetzige
Systeme
Systeme treffen. Wer sie aber gegen gelehrte Theologie überhaupt
brauchen
gebrauchen
, deswegen das Studium derselben widerrathen, und bloß
populär
populäre Theologie zu treiben empfehlen wollte, der würde entweder verra then, daß er die jetzige sich immer mehr ausbreitende
Art
Art,
sie zu
behandeln
behandeln,
nicht
erkennte
kennte
oder nicht kennen wollte, oder sich, in seinen Beschuldigungen und Forderungen, der Ungerechtigkeit schuldig machen. Denn alle angebliche Fehler der gelehrten Theologie sind
entweder
bloß zufällig,
oder
es sind keine Fehler.
–
Man hat jene in
unsrer
unserer
Zeit schon längst zu bessern angefangen, unnütze Untersuchungen
weggelaßen
weggelassen
, und wichtigere, nach unsern
Zeitbedürfnisse
Zeitbedürfnissen,
aufgenommen. Man
aufgenommen; man
hat durch
bessere
beßre
Auslegung
Auslegung der heiligen Schrift und durch bestimmtere Erklärungen der
Sachen,
Sachen
eine
große
grosse
Menge von Zweifeln und Streitigkeiten
abgeschnitten. Man
abgeschnitten; man
erinnert
bey
bei
dem, was zur hi storischen Kenntniß
verschiedner
verschiedener
Vorstellungen gesagt werden muß, daß es nur zu
diesen
diesem
Zweck gesagt werde, und wie weit es höchstens noch gekannt zu werden
verdiene. Man
verdiene; man
bestimmt
bey
bei
dem, was allerdings gelehrte Untersuchungen erfordert, wie fern es nöthig, und warum es nicht in den
Unterricht
Unterricht des Volks zu bringen, sondern zu seiner
eignen
eigenen
Ueberzeugung und
zur
zu
Befriedigung nachdenkender Christen mit Weisheit zu brauchen
sey
sei
. Man
sey; man
bedienet
bedient
sich einer
gelehrt
gelehrten
Sprache
Sprache, aber einer verbesserten, und nicht allein der gelehrten Sprache, und nur da, wo sie, nach den oben
erwähnten
erwehnten
Umständen (§.
172
459
172.
) nützlich oder gar nothwendig
ist; man hat sogar
ist. Andere gelehrte Theologen, wie
Griesbach, Johann Jakob
Griesbach
,
Henke, Heinrich Philipp Conrad
Henke
u. a.
, haben selbst
angefangen, auf Universitäten eine populäre Theologie,
ausser
außer
der gelehrtern, vorzutragen. Wenn von allem
diesen
diesem
noch nicht genug, noch nicht überall geschehen ist, so ist zu hoffen, daß die
Nachwelt
Nachwelt noch mehr thun
werde. Was
werde; was
bereits geschehen ist, beweiset doch wenigstens, daß viele, und daß die am meisten
auffallende,
auffallenden
Fehler nicht von der gelehrten Theologie unzertrennlich sind.
Griesbach, Henke u. a., haben selbst angefangen, auf Universitäten eine populäre Theologie, außer der gelehrtern, vorzutragen
Gemeint ist Johann Jakob Griesbachs in erster Auflage unter dem Titel
Anleitung zur gelehrten Kenntnis der populären Dogmatik
(1779) erschienene und bereits zuvor (vgl. II § 174) genannte
Anleitung zum Studium der populären Dogmatik
(BdN III). Über den besonders als Kirchenhistoriker (vgl. II § 102) hervorgetretenen Heinrich Philipp Conrad Henke (1752–1809) ist bekannt, dass er Vorlesungen über populäre Theologie nach Johann Samuel Diterichs (1721–1797)
Auszug der Unterweisung zur Glückseligkeit nach der Lehre Jesu
(
2
1781) gehalten hat.
179
466
.
Aber die
Gegner
Gegner
der
gelehrtern
Theologie
Theologie
gelehrten
Thologie
übertreiben auch oft ihre Forderungen. –
Universitäten
Universitäten sind nicht für
Schulmeister
Schulmeister angelegt, sondern zur
Bildung
Bildung künftiger
Gelehrte
Gelehrten, und wenn nicht
da
für
Letztre
Letztere
, auch in der Religion, gearbeitet werden soll, wo sollen sie
dann
denn
gebildet, oder soll
gar nur
in der Religion
wohl gar nur
für den
großen
grossen
Haufen, nicht eben so sehr für denkendere Christen, gearbeitet werden? – Soll man den Hauptzweck der Wissenschaften, ausgebreitetere Kenntnisse und gründliche Ueberzeugung,
bey
bei
Seite setzen, um nur für das
Volk
Volk, das ohnehin nur einen sehr eingeschränkten Unterricht
braucht
gebraucht
, zu sorgen?
bey
bei
der Physik nichts vortragen, als was der Kinderlehrer auch den Kindern, der
Landprediger
Landprediger dem Landmann sagen
kan? bey
kann? bei der
Erklärung der heiligen Schrift nur auf gemeine
Erbauung
Erbauung, nicht auf überzeugende Darstellung ihres Sinnes sehen? den Wißbegierigen, der Unterhaltung für den Verstand sucht, mit den gemeinsten Kenntnissen ermüden? oder den künftigen Lehrer gar die Form und
Einkleidung
Einkleidung der Sachen vorsagen, daß er nur nachschreiben und nachsprechen dürfe? – Wer so wenig Fähigkeiten hat, und nicht einmal so viel
eignen
eigenen
Fleiß anwendet, daß er den von Andern empfangenen Unterricht nach seiner
eignen
eigenen
Art zu denken umändern, vor seine
eigne
eigene
Ueberzeugung
Ueberzeugung bringen, in seine
eigne
eigene
Sprache verwandeln, Andern nach ihren Bedürfnissen mittheilen, und was für Einen, nicht für den Andern gehört, unterscheiden
kan,
kann:
der ist zum Lehrer
Andrer
Anderer
verdorben,
und
wird
alles
Alles
, was man ihm auch vorgesagt hat, niemals mit Weisheit und nach den besondern
Bedürfnisse
Bedürfnissen seinen Zuhörern vorzutragen wissen. Hat jemand aber diese Fähigkeit und diese Lust, sich selbst zum Lehrer zu bilden: so gewöhne er sich nur,
alles
Alles
, was er über die Religion hört, immer mit Rücksicht auf seine und
Andrer
Anderer
Beruhigung
Beru higung und
Besserung
Besserung, zu betrachten;
alsdann
alsdenn
wird er bald selbst finden, was dazu etwas
beytrage
beitrage
oder nicht, und worauf er sehen müsse, um dem Gelernten Eindruck für Verstand und Herz zu verschaffen; er nutze den Unterricht, den er in der
Homiletik
Homiletik und
Katechetik
Katechetik haben
kan
kann
; er lese fleißig wahrhaftig
populär
populäre Schriften über die Religion, und lerne ihnen die Art des Vortrags ab; er übe sich in populären Aufsätzen und Vortrag, und
laße
lasse
sie von Verständigern und Geübtern streng beurtheilen. Alsdann
brauche dazu die oben (§.
287
) vorgeschlagne Kritik. Alsdenn
hat er gar nicht nöthig, sich die Sachen, von denen er zum Volk reden, oder gar die
Einkleidung,
Einkleidung
vorsagen zu
laßen
lassen
, in der er sie vortragen soll.
180
467
.
Man hat die
gelehrte
oder
vielmehr
viemehr
scholastisch
scholastische
Theologie
Theologie auch noch durch eine andere Vergleichung um ihr Ansehen zu bringen gesucht, indem man ihr eine sogenannte
biblisch
biblische
entgegen gestellt
entgegengestellt
hat. So schwankend die Begriffe von einer solchen
biblischen Theologie
zu seyn
scheinen:
scheinen,
so kommen doch die, welche sie jener
entgegensetzen
entgensetzen
, darin überein, daß sie die Theologie lediglich
wollen
aus der Bibel hergeleitet wissen
wollen
, und es mißbilligen, wenn man in die Theologie Sätze aufnimmt, die nicht in der heiligen Schrift stehen, oder nicht unmittelbar daraus, oder nicht aus
bloßer
blosser
Vergleichung der biblischen Sätze unter einander,
fließen. Sie
fliessen; sie
scheinen also unter
scholastischer
Theologie
Theologie,
(oder, wie sie es bisweilen nennen, unter dem
System
System
)
System
),
einen zusammenhängenden
Inbegriff
Inbegriff der (wahren oder vermeintlichen)
Religionskenntnisse
Religionskenntnisse zu verstehen,
so fern
sofern
er nicht bloß auf die
heilige
heil.
Schrift, sondern auch auf
natürlich
natürlich be kannte Sätze gegründet wird. Die Abneigung von derselben scheint darauf zu beruhen, daß doch die
heilige
heil.
Schrift allein uns sichere Kenntniß von dem Christenthum
gebe;
gebe,
daß die Lehren desselben über der Untersuchung natürlich bekannter Wahrheiten, oder daß die biblischen
Beweise
Beweise über den Beweisen aus der
Vernunft
Vernunft zu sehr
vernachläßigt;
vernachläßigt,
vernachlässigt,
daß jene Lehren selbst durch Zusätze oder Erklärungen, über welche die
heilige
heil.
Schrift nichts entscheidet, sehr verstellt, oft wohl gar verdrängt worden; wiewohl auch ein Vorurtheil gegen
alles
Alles
, was Gelehrsamkeit und besonders Philosophie heißt, und die Abneigung von dem System einer besondern Kirche, viel zu dieser Abneigung mit mag
beygetragen
beigetragen
haben.
181
468
.
Es wird also
bey
bei
Beurtheilung des Streites über den Vorzug der
biblisch
biblischen
biblischen
vor der
scholastisch
scholastischen
scholastischen
Theologie
Theologie auf
zwey
zwei
Fragen ankommen: 1) ob es nothwendig schädlich, wenigstens unnöthig
sey
sei
, in der Religion, wenigstens
bey
bei
dem Christenthum, etwas auf
natürlich
natürlich bekannte Wahrheiten zu bauen? und 2) ob und wie fern die so eben
erwähnte
erwehnte
biblische Theologie jener vorzuziehen
sey
sei
? Die
erste
Frage ist für die Unschuld, den Nutzen, und in gewisser Weise Nothwendigkeit der sogenannten scholastischen und überhaupt gelehrten Theologie durch
dasjenige
das
hinlänglich entschieden, was darüber
§.
(§.
138
–
144.
176
und
177
177.
)
425
–
431.
463.
464
gesagt worden ist, wo immer mit auf den Gebrauch natürlich bekannter Sätze Rücksicht genommen wurde; und
dies kan
dieß kann
zugleich die Einschränkungen lehren, unter welchen dieser Gebrauch gewiß nicht bloß unschädlich, sondern auch nothwendig
ist
.
ist.
Die
zweyte
zweite
Frage läßt sich wohl am besten beantworten, wenn man die
verschiednen
verschiedenen
Vorschläge hört, wie eine solche biblische Theologie beschaffen seyn oder ausgeführt werden soll.
182
469
.
Alle diese Vorschläge scheinen auf
zwey
hinaus zu laufen
hinauszulaufen
zwei hinauszulaufen
. Man empfiehlt
entweder
eine bloße Sammlung von Stellen der
Bibel
Bibel, die unter gewisse
Hauptmaterien
Hauptmaterien gebracht werden möchten, ohne alle Erklärung und nähere Bestimmung ihres
Sinn
Sinnes, so daß es jedem
frey
frei
bleibe, sich das
dabey
dabei
zu denken, was ihm das Richtigste zu seyn
scheine.
Oder
scheint;
oder
man schlägt vor:
bey
bei
jeder Lehre die davon handelnden Stellen der heiligen Schrift zum Grunde zu legen, sie sorgfältig zu erklären, bloß daraus unmittelbare Folgerungen zu
ziehn
ziehen
, diese biblischen Aussprüche mit ihren nothwendigen Folgen unter einander zu vergleichen, und sie durch einander
aufklären
aufzuklären, weiter nicht, als so weit diese Sätze selbst oder deren unmittelbare Folgen
leiten,
leiten;
hingegen alle Sä tze für problematisch zu halten, die entweder auf Stellen, deren Sinn nicht ganz klar gemacht werden
kan
kann
, oder auf Folgen beruhen, die nicht nothwendig aus den biblischen Sätzen
fließen
fliessen
.
183
470
.
Der
erstere
Vorschlag mag
bey
bei
Friedensformeln
Friedensformeln gut seyn, wo man Personen oder
Parteyen
Partheyen
Parteien
, die über die Lehren des Christenthums sehr verschieden denken, doch in den nothwendigsten und unstreitigen Lehren vereinigen will; und dieses scheinen diejenigen zu bezwecken, die auf ein sogenanntes Universal- oder
Urchristenthum
Urchristenthum dringen.
Aber,
ausser dem
ausserdem
Aber außerdem,
daß eine solche Sammlung ein
bloßes
blosses
Spruchbuch
Spruchbuch, und kein Lehrbuch seyn würde, so
kan
kann
1) ein jeder eben sowohl ganz falsche als wahre
Vorstellungen
Vorstellungen damit verbinden, wie man aus dem
Catechismus
Katechismus
der Quäcker, einigen Aufsätzen der
Socinianer
u. a.
weiß; und, wenn es nicht gleichgültig für das Christenthum ist, falsche Vorstellungen davon zu verhüten: so
kan
kann
es auch nicht gleichgültig seyn, jedem bloß dergleichen Text in die Hände zu geben.
Ueber dieses kan
Ueberdieß kann
man 2) durch eine solche
bloße
blosse
Sammlung sogar den Lesern Irrthümer in die Hände spielen, wenn man den Text so wählt, daß man das übergeht, was man nicht will zum Christenthum gerechnet haben, und wenn man die Stellen so stellt und verbindet, daß eine auf die
andre
andere
ein falsches Licht, eben vermittelst des gemachten
Zusammenhang
Zusammenhangs, wirft;
nicht zu
nichtzu
gedenken, daß 3) wenn nicht vorher ausgemacht ist, ob und welche Sätze der Bibel bloß auf gewisse Leser,
z. B.
der damaligen Zeit, gehen, oder gar nur Vorstellungen enthalten, die
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Jesus
und seine Apostel mehr stehen
ließen
liessen
als billigten, oder wohl gar aus einem gewissen
Sprachgebrauch
Sprachgebrauch
beybehielten
beibehielten
, ohne damit eben dieselben irrigen Begriffe zu verbinden, welche die damaligen
Zuhörer
Zuhörer damit
verbanden,
verbanden;
daß
alsdann
alsdenn
sogar Sätze für biblisch gehalten werden, die zwar in der Bibel
stehn
stehen
, aber keineswegs in dem Sinn, wie sie die Stifter der christlichen Religion nahmen. Es ist daher ein solch
reinbiblisch
reinbiblisches
Christenthum
Christenthum
, das
viele
Viele
vorgeben, eine sehr
zweydeutige
zweideutige
Sache; und wie oft durch das Vorgeben, sich
allein
an die Bibel und an die
ganze
Bibel zu halten,
andern
Andern
Staub in die Augen gestreuet worden
sey
sei
, ist so bekannt, daß es keiner besondern
Beyspiele
Beispiele
bedarf.
Catechismus der Quäcker
Die während des englischen Bürgerkrieges (1642–1660) entstandene und unter dem Spottnamen
Quäker
(
Zitterer
) bekannte
Religious Society of Friends
ist in ihrer Anfangszeit v.a. mit George Fox (1624–1691) verbunden. Fox wollte den der Staatskirche abhandengekommenen Geist des Urchristentums wiederherstellen und konnte eine große Zahl von Anhängern um sich sammeln (
Seekers, Dissenters
etc.). Man verzichtete auf die Rituale der
Church of England
und überließ sich bei den Zusammenkünften in Privathäusern oder unter freiem Himmel der unmittelbaren Führung durch den Heiligen Geist. Überdies verweigerten Fox' Anhänger den Kirchenzehnten, Eide oder den Waffendienst und lehnten äußerlich sichtbare Sakramente, aber auch die als unbiblisch deklarierte kirchliche Trinitätslehre ab. Die unvermeidlichen Konflikte führten im Zusammenspiel mit den innenpolitischen Entwicklungen in England schließlich zum Verbot der Quäker. Nachdem sie mit dem
Toleration Act
(1689) das Recht auf freie Religionsausübung erhalten hatten, entwickelten sich die Quäker zu einer respektierten Religionsgruppe, die sich früh auch in Nordamerika etablieren konnte (vgl. das
heilige Experiment
von Pennsylvania). Als Katechismus der Quäker ist der mehrfach nachgedruckte, übersetzte und bis in die Gegenwart hinein bedeutende
Catechism and Confession of Faith
(1673) des Schotten Robert Barclay (1648–1690) gemeint, der neben Fox, dessen Widerpart James Nayler (1618–1660), William Penn (1644–1718) und Margaret Fell (1624–1702) eine der bedeutendsten Personen des frühen Quäkertums war.
Socinianer
Vgl. II § 110.
184
471
.
Die
zweyte
zweite
Art,
biblisch
biblische
Theologie
Theologie abzuhandeln, kommt mit der oben (§.
145
432
f.
) be schriebenen besten Einrichtung der systematischen, wovon die gelehrte oder
scholastisch
scholastische nur eine
besondre
besondere
Art ist, darin überein, daß sie die Lehren auf
Erklärung
Erklärung der Schriftstellen und
Vergleichung
Vergleichung ihres Inhalts unter einander gründet; nur darin geht sie, wenn man sie der scholastischen
entgegensetzt
entgegengesetzt
, von ihr ab, daß sie nicht auch bloß natürlich bekannte Sätze mit
den
denen
aus der Bi bel
gezognen
gezogenen
verbindet.
*)
1
)
1) In jener Rücksicht beruht der Unterschied bloß auf der
Methode
Methode, so daß die
biblische
von den Quellen zu den Lehren geht, die daraus
fließen;
fliessen,
die
scholastische
aber – wenn sie nach den obigen Regeln eingerichtet ist – gleich die Resultate, und
alsdann
alsdenn
erst die Beweise aus der
Bibel;
Bibel,
Bibel:
ob man gleich in der Untersuchung selbst zu jenen durch diese gelangt
war. Bey
war; bey
beyderley Methode
war. Bei beiderlei Methoden
hat man die Lehren auf
einerley
einerlei
Art
gefunden
,
gefunden
;
sie werden nur
denen
den
Lesern oder Zuhörern in
verschiedner
verschiedener
Ordnung
Ordnung
vorgelegt
.
Beyderley
Beiderlei
Methoden haben ihre
Vorzüge
Vorzüge
. Die sogenannte
biblische
,
biblische
nicht sowohl darin, daß man
dabey
dabei
viel mehr
auf die heilige Schrift
sieht, aus ihr
lernt
, anstatt schon vorgefaßte Meinungen darin erst zu
suchen
–
(denn
denn
man
kan
kann
ja auch schon
bey
Erklärung
Erklärung
bei Erklärungen
der heiligen Schrift auf die Sätze
schielen
hinblicken
, die man für christliche Lehren hält, und danach, oft unvermerkt, jene
erklären –),
erklären, –
als vielmehr darin, daß sie den Zuhörern oder Lesern die rechte Art zeigt, wie sie selbst lernen sollen, aus der heiligen Schrift die christlichen Lehren herzuleiten. Aber sie hat die Unbequemlichkeit, a) daß die Lehren nur aus
einzelnen
einzeln
Hauptstellen hergeleitet werden. Diese aber enthalten oft bloß einen meist ohnehin schon bekannten Satz, ohne den geringsten weitern Aufschluß darüber zu geben, sonderlich in moralischen oder solchen Stellen, die keine näher geoffenbarten Lehren
vortragen,
vortragen;
und, indem man sich an solche
einzelne
einzle
Stellen hält,
vergisst
vergißt
man die Aufschlüsse, die uns die Bibel nicht sowohl durch Wörter und ausdrückliche Sätze, als vielmehr durch erzählte Thaten, Einrichtungen des Vortrags, und unangezeigte
Voraussetzungen
Voraussetzungen giebt (
s.
§.
154.
441.
Anm.
†,
1.
und §.
153.
440.
Anm.
*)
3.)
Auch führt diese Methode b) zu gar zu
großer
grosser
Weitläuftigkeit. Denn die meiste Zeit wird auf exegetische Untersuchungen verwendet, die man dem Ausleger
überlaßen
überlassen
könnte
†)
,
überlassen könnte,
2
)
und dadurch wird der Zuhörer, der
Resultate
Resultate sucht, zerstreut; aus mehrern Stellen werden die
nehmlichen
nämlichen
Sätze
wiederholt
widerholt
; und, da
bey
bei
einzelnen
einzlen
Stellen die darin liegenden Sätze angegeben werden, so wird die allgemeine
Uebersicht
Uebersicht aller von Einer Sache redenden Stellen erschwert, oder man muß nachher wieder das vorlegen, was sie alle gemein haben, oder was nur einigen eigen ist.
*)
Anm.
1)
S.
die in der
Anweisung
zur theologischen Bücherkenntniß §.
232
232.
angeführten
Schriftsteller.
Schriftsteller, wozu noch das
Hufnagel, Wilhelm Friedrich
hufnagelsche
Handbuch der biblischen Theologie,
erster
Theil, Erlangen 1785.
gr.
8. kommt.
Doch haben diese oft nicht Umgang nehmen können,
auch
natürlich bekannte Sätze mit zu
brauchen
gebrauchen
.
†)
2)
Wer als
bloßer
blosser
Ausleger handelt, also
nur
die Absicht hat, den Sinn der Schriftstellen zu finden, der wird sie im
Zusammenhang
Zusammenhange, wo er sie lieset und
erkläret
erklärt
, viel deutlicher
verstehen,
verstehen
und den Verstand derselben darstellen können, als wer
eiue
eine
Schriftstelle zum dogmatischen Behuf aushebt, und den Zusammenhang nicht so ganz deutlich machen
kan
kann
, wie er ihm war, wenn er sie in Verbindung des Ganzen las. Auch hat der
bloße
blosse
Ausleger
bloße Ausleger
gar kein dogmatisches Interesse, sieht also, was wirklich in
der
der
Stelle liegt, viel reiner und bestimmter, als wer sie in der
Absiche
Absicht
lieset, sich daraus über ein Dogma zu unterrichten.
Zusatz.
Es scheint mir doch, als habe der Verfasser den Begriff einer
biblischen Theologie
zu einseitig aufgenommen, und ihr danach nicht volle Gerechtigkeit widerfahren lassen. Wenn nämlich bei ihrer Bearbeitung lediglich der Zweck im Auge behalten wird, das, was von
Religionsideen
Re ligionsideen und Religionslehren erweißlich in den heiligen Schriften enthalten ist, zu ergründen, und zu zeigen, theils wie weit sie sich über gewisse Punkte ganz bestimmt erklären, oder etwas unbestimmt lassen, theils weil in ihnen selbst eine Verschiedenheit der
Vorstellungsarten
Vorstellungsarten (
τρόπων παιδείας
) Statt finden, so wird doch das Resultat von nicht geringer Wichtigkeit seyn. Denn es soll ja eine Lehre nicht aus
einer einzigen
, sondern aus mehrern, ja aus
allen
Stellen gezogen werden, welche davon handeln. So kann doch
z. B.
nur auf diesem Wege die Frage beantwortet werden, wie weit alle die in der Lehre von der
Dreieinigkeit
im System enthaltenen Bestimmungen und Subtilitäten führen, in der heiligen Schrift
wörtlich
oder
dem Sinne
nach enthalten sind, oder was Zusatz der spätern Zeit und Erzeugniß einer über die Bibel hinaus philosophirenden Schultheologie ist. Hiermit möchte ich indeß nicht behaupten, daß in den bisherigen
Bearbeitungen der
biblischen Theologie
von
Hufnagel, Wilhelm Friedrich
Hufnagel
,
Zachariae, Gotthilf Traugott
Zachariä
,
Ammon, Christoph Friedrich von
Ammon
, dieser Gesichtspunkt überall festgehalten sei.
D. H.
Anweisung zur theologischen Bücherkenntniß §. 232
Vgl. I § 43.
hufnagelsche Handbuch der biblischen Theologie, erster Theil, Erlangen 1785
Der Autor ist Wilhelm Friedrich Hufnagel (1754–1830), die erste Abteilung des unvollendet gebliebenen zweiten Bandes ist 1789 erschienen.
Bearbeitungen der biblischen Theologie von Hufnagel, Zachariä, Ammon
Zu Hufnagel s.o. Weiter handelt es sich um den nach seinem Magisterabschluss in Halle bis 1755 ebenda auch als Dozent tätigen Gotthilf Traugott Zachariae (1729–1777) und seine vierteilige
Biblische Theologie oder Untersuchung des biblischen Grundes der vornehmsten theologischen Lehren
(1771–1775), zu deren dritter Auflage (1786) Johann Karl Volborth (1748–1796) einen fünften Band ausgearbeitet hat, sowie um den von Friedrich Schleiermacher (1768–1834) angegriffenen Christoph Friedrich von Ammon (1766–1850) und seinen
Entwurf einer reinen biblischen Theologie
(1792) in zwei Hälften, der in zweiter Auflage als
Biblische Theologie
in drei Bänden erschienen ist (1801).
185
472
.
Warum sollen nun aber 2) von der
christlich
christlichen
Theologie
Theologie alle Sätze und alle Beweise ausgeschlossen werden, die nicht in heiliger Schrift liegen, sondern
auch ohne sie
natürlich
bekannt sind? – Vieles, was doch wirklich zur Religion gehört, sonderlich von
moralisch
moralischen
Grundsätze
Grundsätzen, ist in der Bibel gar nicht eigentlich
erwähnt
erwehnt
, oder nur berührt, nicht
ausgeführt;
ausgeführt,
weil
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Jesus
und seine Apostel es entweder als bekannte Lehre und Pflicht voraussetzten, oder sie sich in
ihrem
ihren
Vortrag
Vortrage
nach den vornehmsten
Bedürfnisse
Bedürfnissen ihrer Zeit und
Zuhörer
Zuhörer, mit Uebergehung
andrer
anderer
eben so
wichtigen
wichtiger
Sachen, richteten, oder weil sie von vernünftigen Zuhörern und Lesern erwarteten, daß sie die ihnen mitgetheilten Kenntnisse (die über haupt ihren bisherigen Kenntnissen
vielmehr
mehr
eine bessere und heilsamere Richtung geben, als sie mit neuen bereichern sollten), mit denen, welche ihnen vorhin bekannt waren, oder
ohne besondern Unterricht von
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Jesu
den Seinen
natürlich
bekannt werden konnten, vergleichen, und so durch immer neue
Anwendung
Anwendung auch auf neue Aufschlüsse kommen würden. Warum soll also dieses Mittel, das Gott
jedem
jeden
vernünftig
vernünftigen Menschen gegeben hat, nicht gebraucht werden, um die mehrere
Entwickelung
Entwickelung der christlichen Lehre zu befördern?
– warum
Warum
nicht, um sie noch einleuchtender und anschaulicher zu machen, ihre Gewißheit zu verstärken, Zweifel dagegen zu benehmen, ihre vielfältige mögliche Anwendung zu zeigen, und dadurch ihren Werth noch mehr zu empfehlen? – Und wie ist die so wichtige
praktisch
praktische
 Darstellung des Christenthums möglich, wenn man bloß
biblische
Sätze
sammlet
sammelt
und
verbindet
, ohne ihren Einfluß auf unsre
Glückseligkeit
Glückseligkeit klar
zn
zu
machen? – Hat
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Jesus
selbst es nicht für unnöthig gehalten, seinen Zuhörern, was ihnen schon aus dem alten Testament bekannt war, vollständiger vorzulegen, und mehr zu entwickeln (
Matth. 5,
17
17.
); hat er
dabey
dabei
offenbar die Natur und Bestätigungen daraus zu Hülfe genommen (
Matth. 6, 24
f.
und anderwärts); haben
dies
dieß
seine Apostel mit dem
christl.
christlichen
Unterricht ebenfalls gethan: warum sollen wir sie darin nicht nachahmen?
–
Haben diese vollends Manches
nur
für ihre Zuhörer gesagt, und manche allgemeine
Pflichten
Pflichten, wegen ihrer besondern Bedürfnisse, nur
eingeschränkt
(wie
Matth. 19,
21
21.
): wie können wir
bloß
aus der heiligen Schrift wissen, ob und wie weit sie
für uns
gehören? ob eingeschränkt
ausgedruckte
ausgedrückte
Pflichten, und wie
fern
sie für uns
allgemeine
allgemeiner
werden können, ohne hier natürlich bekannte Sätze und Betrachtun gen über die Natur der Pflichten und der Menschen zu Hülfe zu nehmen.
S.
Prüfung der philosophischen Predigten, (von
Hess, Felix
Felix Heß
,) 1767.
in 8.
Prüfung der philosophischen Predigten, (von Felix Heß,) 1767
Der genaue Titel lautet
Prüfung der philosophischen und moralischen Predigten
(1767), der als Autor ermittelte Felix Hess (1742–1768) war mit Johann Caspar Lavater bekannt (vgl. I § 283 c).
186
473
.
Eine
andre
andere
Eintheilung der systematischen
Theologie
Theologie, nach der man diese sogar in
besondre
besondere
Wissenschaften zerfället hat,
ist nach
beruht auf
den
verschiednen Arten
verschiedenen
Arten
der
Lehren gemacht
Lehren
, die darin sollen abgehandelt werden. Sie betreffen entweder das, was das Christenthum für
wahr
, oder was es für
recht
erkennt, was es
geglaubt
, oder was es
gethan
wissen will. Den zusammenhängenden Inbegriff
jener
jener
Lehren nennt man die
dogmatisch
dogmatische,
speculativ
speculative
, auch
theoretische
,
und einen solchen
den
Inbegriff
dieser
dieser
aber
, die
Moral-
oder
praktisch
praktische Theologie
, auch
theologische
Moral
Moral
. Und weil man
bey beyden
bei beiden
die Lehren entweder selbst darstellen, beweisen und erläutern, oder falsche Vorstellungen davon und deren Gründe widerlegen
kan
kann
: so nennt man die Wissenschaft, worin jenes geschieht, auch die
dogmatische
, die
thetisch
thetische
, auch wohl die
positiv
positive
oder
positive,
didaktisch
didaktische
; worin aber dieses geschieht, die
antithetisch
antithetische,
elenchtisch
elenchtische
, oder
polemisch
polemische
Theologie.
Anm.
Anm.
1.
Anm.
1)
Diese in der systematischen Theologie gemachte Absonderung ist, wie die Namen selbst, ein Werk der neuern Zeit. Ehe
Abaelardus, Petrus
Abelard
in einer Art von System Gebrauch von der Dialektik machte, waren alle Abhandlungen der Theologie überhaupt, anders nichts als
Rhapsodien
Aphorismen
, oder ein Inbegriff von Rubriken, unter die man Sätze über christliche Lehren geschichtet, und sie meistens nur durch kirchliches, zum Theil auch biblisches Ansehn unterstützt hatte.
Pulleyn, Robert, s. Pullus, Robertus
Pullus, Robertus
Robert Pulleyn
, und noch weit mehr
Petrus Lombardus
Peter
der Lombarde
, die der alten Lehrart, durch Autorität zu beweisen, aufhelfen wollten, veran laßten durch ihre
Sentenzen
den Gebrauch der Philosophie noch mehr, und wenn die folgenden Systematiker den Titel der
Sentenzen
oder
Summen
brauchten, so war doch Philosophie das eigentlich zur
Aufklärung
Aufklärung der Theologie gebrauchte Mittel, und die Theologie
scholastisch
, so wie die nach jener alten Methode abgehandelte Theologie den Namen der
positiven
erhielt. Auch
noch
die protestantischen Theologen
brauchten noch
bis gegen das jetzige Jahrhundert
brauchten
die allgemeinen Namen Loci theologici, Institutiones religionis Christianae oder Theologiae, Systema oder Corpus, Epitome, Compendium oder Breviarium
Theol. Seit
Bellarmino, Roberto
Bellarmins
Bellarmin's
Dispp. de
controversiis
controuersiis
Chr. fidei ward es in der römischen Kirche üblich, die Streitigkeiten mehr von der
dogmatischen
dogmatischen
Behandlung abzusondern, und in der
zweyten
zweiten
Hälfte des 17ten Jahrhunderts betraten protestantische Theologen eben den Weg.
In dieser Zeit fing man auch unter
ihnen
ihnen, besonders nach
Calixt, Georg
Calixtus
, Versuch
an, die
Moraltheologie
Moraltheologie besonders abzuhandeln, welches die in der römischen Kirche schon seit dem Anfang des 17ten Jahrhunderts gethan hatten.
Anm.
Anm.
2.
2)
Warum diese Scheidung nicht eher geschehen
sey
sei
, davon liegt der Grund wohl darin, daß überall die
christl.
Moral zu sehr
vernachläßigt
vernachlässigt
,
und
anfänglich bloß Sammlung von
asketischen
ascetischen
oder Mönchsmaximen war, bis
Thomas von Aquin
Thomas von Aquino
in seiner Summe anfing, ihr einen besondern Theil zu widmen; so wie die
ersten
erstern
protestantischen Systematiker keine
andre
andere
Abhandlung als nach den 10 Geboten kannten, das Wenige ausgenommen, wozu besondere Streitigkeiten mit der römischen Kirche oder Schwärmern Gelegenheit gegeben hatten. Und da die weitere Cultur der systematischen Theologie durch Streitigkeiten veranlaßt wurde, so war es natürlich, diese anfänglich nicht von der dogmatischen Abhandlung zu trennen.
Anm.
Anm.
3.
3)
Nützlicher ist es allerdings, die
dogmatische
dogmatische
Theologie von der
moralischen
moralischen
zu scheiden, weil diese nur selten Folge von jener ist, und auf einer ganz andern Art von Gründen beruht, zumal nachdem man seit der Mitte des 17ten Jahrhunderts mehr die
ersten Grundsätze der
Sittenlehre
Sittenlehre
ersten Grundsätze der Sittenlehre
entwickelt, und die Moral überhaupt mehr auf die Natur
gebauet
gebaut
hat. – Streitiger
kan
kann
hingegen der Nutzen von Absonderung der dogmatischen und elenchtischen Theologie seyn, und es scheint
überhaupt
besser, sie
beysammen
beisammen
zu
laßen
lassen
, weil sie doch
einerley
einerlei
Gegenstand betreffen, und die
Beweise mit den Gegenbeweisen
Gegensätze und Gegenbeweise
einleuchtender werden, wenn man sie sogleich einander entgegen stellt.
Abelard
Nachdem der durch die berühmte Liebesbeziehung zu seiner Schülerin Heloisa (ca. 1101–1164) bekannte Petrus Abaelardus (1079–1142) nach seiner Verurteilung auf der Synode von Soissons (1121) aus der Haft entlassen worden war, gründete er bei Quincey ein Oratorium (
Paracletus
), wurde 1127 zum Abt von St. Gildas im bretonischen Rhuys gewählt, war jedoch knapp zehn Jahre später wieder als Lehrer in Paris tätig. V.a. Bernhard von Clairvaux (vgl. II § 115) betrieb seine erneute Verurteilung auf der Synode von Sens 1140. Zuflucht fand Abaelard bei Petrus Venerabilis (ca. 1092–1156) in Cluny, der eine Versöhnung mit Bernhard und die Aufhebung des päpstlich bestätigten Urteils erreichte. Von großem Einfluss war Abaelards synonym immer wieder auch als Logik bezeichnete Dialektik, die sich v.a. mit der für die Entwicklung der Scholastik (vgl. II § 19) bedeutenden
Sic-et-non
-Methode verbindet. Besonders hervorzuheben ist Abaelards Einfluss auf Petrus Lombardus (vgl. II § 115).
Robert Pulleyn
Nach dem vermutlich nach 1103 in Paris absolvierten Studium lehrte der als Kritiker Abaelards (s.o.) bekannte Robertus Pullus (Pulleyn) (ca. 1080–1146) zunächst in Oxford. Etwa im Jahre 1134 wurde er Archidiakon von Rochester, 1142 Nachfolger des zum Bischof seiner Heimatstadt ernannten Gilbert von Poitiers (ca. 1080–1154) in Paris und erhielt schließlich 1144 als erster Engländer die Kardinalswürde. Mit seinem durch eine hohe systematische Geschlossenheit auffallenden Sentenzenwerk zählt Robertus Pullus zu den Vorläufern des Petrus Lombardus (vgl. II § 115).
Peter der Lombarde
Vgl. II § 115.
Sentenzen den Gebrauch der Philosophie noch mehr
Vgl. II § 19.
Theol.
D.i. Theologiae (vgl. Samuel Friedrich Nathanael Morus' in der dritten Auflage der
Anweisung
wörtlich zitierten [vgl. I § 3 c]
Epitome Theologiae Christianae
[vgl. II § 190] sowie Christian Wilhelm Franz Walchs
Breviarium theologiae symbolicae ecclesiae Lutheranae
[vgl. II § 214]) oder, je nach Bezugswort, auch Theologicum bzw. Theologica.
Bellarmins Dispp. de controversiis Chr. fidei
Die
Disputationes de controversiis Christianae fidei adversus huius temporis haereticos
(1586–1593) des jesuitischen Kontroverstheologen und später zum Kardinal erhobenen Roberto Bellarmino (1542–1621) sind in drei Bänden erschienen, fanden europaweite Verbreitung und blieben über Jahrhunderte das apologetische Standardwerk des römischen Katholizismus. In den ersten hundert Jahren nach Erscheinen zogen die sog.
Controversiae
auf protestantischer Seite etwa 200 Gegenschriften nach sich.
In dieser Zeit fing man auch unter ihnen an, die Moraltheologie besonders abzuhandeln
Wie in der dritten Auflage der
Anweisung
erwähnt, verbindet sich die Trennung von Dogmatik und Moraltheologie mit Georg Calixt (vgl. I § 208 c).
asketischen oder Mönchsmaximen
Gemeint ist die
Mönchsmoral
(vgl. II § 199), die Nösselt auch als
Mönchsgeist
(vgl. II § 121) bezeichnet.
Thomas von Aquino in seiner Summe anfing, ihr einen besondern Theil zu widmen
D.i. der zweite Teil der
Summa Theologiae
(vgl. II § 115).
187
474
.
Nach dem, was bisher von dem
Nutzen
Nutzen der systematischen Theologie, in Absicht auf diese
Art
Art
,
die Theologie abzuhandeln, und von ihrer rechten Einrichtung, um diesen Nutzen zu befördern, gesagt worden ist, bedarf es über diese
verschiedene
verschiedenen
Theile derselben keiner
Weitläuftigkeit;
Weitläuftigkeit,
und die folgenden Anmerkungen über diese
einzelnen
einzle
Wissenschaften sollen sich bloß auf ihren zweckmäßigen Inhalt, den Nutzen, der aus
ihrem
ihren
Inhalt
zu ziehen ist, und die wahre Art einschränken, sie mit Vortheil zu studieren.
188
475
.
Wenn also die
dogmatische Theologie
oder
christliche
Glaubenslehre
Glaubenslehre
†)
1
)
noch von den gedachten
beyden
beiden
andern Wissenschaften unterschieden
wird:
wird,
so
müßte
muß
sie,
sollte
soll
sie ihrem Zweck (§.
186
473
186.
) und dem Zweck der systematischen Theologie entsprechen, 1)
alles
Alles
enthalten, was wir als Christen, abgesehen von den uns aufgelegten
Pflichten
, in Absicht auf Gott und dessen Verhältniß gegen uns, für wahr zu
erkennen
erkennen haben, es mag zu
unsrer
unserer
Belehrung oder Ermunterung oder Trost dienen,
mag
aus der heiligen Schrift oder aus
unleugbaren
unläugbaren
Sätzen der Vernunft erkennbar seyn;
desgleichen
2) die
verschiednen
verschiedenen
, wenigstens wichtigern, Vorstellungen, die man sich von diesen Lehren unter Christen gemacht hat, mit Beurtheilung derselben. Diese Wichtigkeit
müßte
ist
nach einer doppelten Rücksicht
bestimmt werden
zu bestimmen
:
erstlich
nach ihrem Einfluß auf die Befestigung der christlichen
Erkenntniß
Erkenntniß, folglich auch danach, ob dadurch Zweifel und Widersprüche am besten abgeschnitten werden, und nach ihrem Einfluß auf die
Besserung
Besserung und
Beruhigung
Beruhigung der
Menschen
††)
;
sodann
††)
,
sodenn
Menschen;
2
)
sodann
auch danach, ob eine solche Vorstellung vielen
Beyfall
Beifall
gefunden hat,
zumahl
zumal
wenn sie
Unterscheidungslehre
Unterscheidungslehre ganzer
Kirchenparteyen
Kirchenparteyen
Kirchenpartheyen
worden
Kirchenparteien geworden
ist. Und weil eine Beurtheilung derselben nöthig ist – denn wozu sollte bloß historische Kenntniß dienen, da
bey
bei
der christlichen Erkenntniß
alles
Alles
auf
Ueberzeugung
Ueberzeugung und Untersuchung des Wahren und Falschen ankommt? – so müßte auch 3) die Unrichtigkeit des Irrthums eben sowohl als die
Wahrheit
Wahrheit einer christlichen Lehre und der richtigsten
Vorstellung
Vorstellung davon, gezeigt
werden
*)
.
werden.
3
)
†) Ein
Anm.
1) Glaubenslehre – ein
nicht ganz angemessener Ausdruck! denn diese Wissenschaft begreift auch
Vieles
vieles
, was wir
wissen
können, und nicht bloß auf ein Zeugniß der
heil.
heiligen
Schrift
glauben
, und sie enthält nicht bloß die christlichen
Lehren
, sondern auch die richtigen
Vorstellungen
davon.
††)
2)
Wenn auf die §.
152
439
f.
angezeigte Art der bestimmte Begriff klar genug wird, den die
heilige
heil.
Schrift mit einer gewissen Lehre
verbindet;
verbindet,
und eben so, wenn durch die Vergleichung der biblischen Sätze unter einander und mit unwidersprechlichen
Vernunftwahrheiten
Vernunftwahrheiten, der Begriff von einer Lehre genau bestimmt wird: so fallen viele auf Mißverstand beruhende Vorstellungen von selbst weg, und brauchen nicht einmal erzählt zu werden, wenn sie nicht durch den erlangten
Beyfall
Beifall
wichtig
worden
geworden
sind.
*)
3)
Wenn Wahrheit und Irrthum untersucht werden
soll:
soll,
so können 1) Beweise für die Wahrheit, und 2) gegen den Irrthum vorgelegt; so wie 3) Gründe oder Zweifel gegen die Wahrheit, und 4) Gründe für den Irrthum beantwortet werden. Ehe man die
Dogmatik
Dogmatik
Dogmatik
von der
Polemik
Polemik
Polemik
trennte,
geschahe
geschah
alles dieses zusammen, mit Vortheil; weil nicht getrennt wurde, was zur Vollständigkeit der Untersuchung gehörte. Jetzt hat man die
zwey
beiden
ersten Arten zu
untersuchen
untersuchen,
in die
Dogmatik
, und die
zwey
beiden
letztern in die
Polemik
verwiesen; und
dies
dieß
mit Recht; denn
Beweise
für die Wahrheit sind zugleich
Beweise
Beweise gegen den Irrthum, und um die Wahrheit zu
vertheidigen
vertheidigen
,
ist sowohl
nö thig
nöthig,
die Gründe
gegen
gegen
die Wahrheit, als die Gründe
fürs
für
das
Gegentheil zu entkräften.
189
476
.
Hiernach läßt sich der
Nutzen
Nutzen dieser dogmatischen Theologie bestimmen, der oft übertrieben, oder zu sehr heruntergesetzt wird, und den man genau kennen sollte, um zu wissen, worauf man
bey
bei
Beschäftigung mit derselben eigentlich zu sehen
hätte
habe
. Sie giebt uns 1) richtige
Begriffe
Begriffe von dem
Verhältniß
Verhältniß zwischen Gott und uns,
d. i.
von seiner und
unsrer
unserer
Natur, seiner Gesinnung gegen uns, seinen zu unserm Besten gemachten moralischen Anstalten,
unsrer
deren uns
erforderlichen
Gemüthsbeschaffenheit
Gemüthsbeschaffenheit,
wenn seine Absichten mit uns erreicht werden sollen,
unsren
unseren
daher entstehenden sichern Erwartungen, oder den im Gegentheil gewiß zu befürchtenden Folgen. Sie enthält somit 2)
Grundsätze
Grundsätze zu den übrigen theologischen Wissenschaften, – besonders zur
Polemik
Polemik
, indem sie uns zeigt, was wir zu vertheidigen brauchen oder nicht, und wie? denn aller Widerspruch gegen Wahrheit beruht doch zuletzt auf Mißverstand, dem eben schon in der
Dogmatik
Dogmatik vorgebeugt werden muß, – zur
Moral
Moral
, denn
unsre
unsere
Pflichten beruhen ja auf dem gedachten Verhältniß, und dieses giebt uns auch Bewegungsgründe und Ermunterung zu Ausübung der Pflichten – und zur weisen
Führung des
Lehramt
Lehramtes
, damit man lerne, was für Begriffe und Ueberzeugungen man
bey
bei
Andern befördern, oder welchen man entgegenarbeiten solle. Sie eröffnet uns 3) die
Quellen
Quellen der wahren Beruhigung, die zu
unsrer
unserer
Glückseligkeit
Glückseligkeit so unentbehrlich ist, als die Beobachtung
unsrer
unserer
Pflichten
Pflichten. 4) Sie unterrichtet uns von dem richtigsten
Lehrbegriff
Lehrbegriff, und zeigt dadurch, wenn wir uns, wie es mehrere Gründe erfordern, zu einer
vorhandnen äusserlichen
vorhandenen äußerlichen
Kirche
Kirchengemeinschaft
zu schlagen haben, welcher wir nach der richtigsten Ueberzeugung
beytreten
beitreten
müssen?
müssen;
und 5) setzt sie uns in den Stand, die
verschiednen
verschiedenen
Vorstellungen von göttlichen Lehren und ihren Werth richtig zu beurtheilen, welches sehr
großen
grossen
Nutzen hat.
Anm.
Der Nutzen dieses
Letzten
Letztern
zeigt sich 1) in Absicht auf die
Zweifel
Zweifel, welche die Ueberzeugung von gewissen Lehren hindern. Denn nur zu oft verwechselt man die Vorstellungen von gewissen Lehren mit den Lehren selbst, und verwirft entweder diese, weil man jene falsch befindet, oder bestehet eben so eigensinnig auf gewissen Vorstellungen, weil man gewohnt ist, die Lehren anders
nicht,
nicht
als nach diesen für wahr zu halten. 2) Ueberhaupt wird man von
Vorurtheile
Vorurtheilen in der Religion darum nicht
frey
frei
, weil man sich die Lehren auf keine andere, als
auf
Eine, Art denken
kan
kann
; man
kan
kann
also davon anders nicht zurückkommen, als durch Bekanntschaft mit mehrern Vorstellungen davon, und ihren Gründen, die uns auch oft zeigen, wie fälschlich man etwas für Vorurtheil halte, was dergleichen nicht ist. Und eben diese Kenntniß befördert 3) die Billigkeit gegen die, welche nicht
unsrer
unserer
Meinung sind, wenn wir einsehen, daß entweder ihre Meinung die nicht
sey
sei
, die wir ihnen
beygemessen
beigemessen
, oder, daß sie aus
den Gesichtspunct
dem Gesichts punkt
betrachtet, woraus sie die Sache ansehen, ihren guten Grund, oder, wenn sie auch irrig ist, den schädlichen oder nothwendigen Einfluß nicht habe, den wir uns
dabey
dabei
einbildeten.
190
477
.
Bey
Bei
dem Gebrauch guter Vorlesungen oder Lehrbücher über die dogmatische Theologie
würde
kommt
es hauptsächlich darauf
ankommen
an
, daß man sich 1)
daraus
sowohl die
Lehren
Lehren
Lehren
als die
Vorstellungen
Vorstellungen davon
Vorstellungsarten
von ihnen
, mit ihren genauen Bestimmungen, wohl
bemerkte
bemerkt
; 2) genau auf die
Beweise
Beweise
Acht gäbe
achtet
, womit
beyde
beide
unterstützt werden, und
wie
diese Beweise geführt sind; 3) die Lehren selbst, wie sie in der
heil.
heiligen
Schrift liegen, oder in der
Vernunft
Vernunft unwidersprechlich gegründet sind, von den Vorstellungen darüber, und wo jene aufhören und diese anfangen, recht unterscheiden
lernte
lernt
; 4) die Beweise für
beyde
beide
sorgfältig
prüfte
prüft
, ohne, aus Begierde einen Satz zu unterstützen, mit jedem Beweise zufrieden zu seyn, oder, um eines schlechten Beweises willen, die Sätze selbst zu verwerfen; 5) den wahren
Werth
Werth jeder Lehre und Vorstellung davon,
d. i.
ihren Einfluß auf
andre
andere
Lehrsätze sowohl, als auf die menschliche
Glückseligkeit
Glückseligkeit, recht schätzen
zu lernen
lernt
, und besonders 6) die ganze erlangte Erkenntniß sich recht
praktisch
praktisch zu machen
suchte
sucht.
(§.
169.
456.
Anm.
).
Anm.)
Je vorsichtiger man hier
bey
bei
jedem Schritt ist;
je mit
mit je
unbefangnerm Gemüthe man
alles
Alles
prüft, bereit, die
Wahrheit
Wahrheit, sie
sey
sei
alt oder neu, geachtet oder verachtet, anzunehmen, wo sie sich findet; je mehr man sich
für
vor
Gleichgültigkeit auf einer, und
für
Vorwitz,
d. i.
Neugier nach Entdeckungen, wozu uns Kräfte oder Hülfsmittel versagt sind, auf der andern Seite, hütet; und je mehr es
uns
dem Forscher überhaupt
um wahre Besserung und Beruhigung durch erkannte göttliche Wahrheit zu thun ist:
je sichrer, glücklicher
desto sicherer, gelingender
und heilsamer wird diese Beschäftigung seyn.
Anm.
Die
hieher
hierher
gehörigen
allgemeinern
allgemeinen
Bücher
s.
in der
Anweisung
etc.
§. 233
flg.
folg.
,
und von der Beurtheilung ihres Werthes ebendaselbst §. 225 und 227.
Für diejenigen Leser, denen zunächst das gegen wärtige Buch bestimmt ist,
d. i.
für solche, die,
bey
bei
vorausgesetzten übrigen nothwendigen
Vorerkenntnisse
Vorerkenntnissen, nach einer gründlichern und gelehrtern Kenntniß dieser Wissenschaft trachten, und sie
vor
für
sich selbst studieren wollen, würde ich unter den ältern Lehrbüchern
Buddeus, Johann Franz
Jo.
Io.
Franc. Buddei
Institutiones Theologiae
Dogmaticae
dogmaticae
, Lips.
1723
in
1723.
4.; doch noch mehr, theils an sich, theils nach den Bedürfnissen
unsrer
unserer
Zeit,
Doederlein, Johann Christoph
Jo.
Io.
Christoph. Döderlein
Institutio Theologi Christiani,
Edit.
2.
6.
Norimb.
1782
in 2 Bänden in
gr.
8.
1797.
; und die
Epitome Theologiae Christianae von
Morus, Samuel Friedrich Nathanael
S. F. N. Morus
, Lips.
1789
in 8.
1799,
Ed.
4.
, vor allen Büchern dieser Art empfehlen.
{Eine recht gute Uebersicht des historischen, dogmatischen und polemischen Theils der
Dogmatik
giebt
Seiler, Georg Friedrich
G. F. Seiler
Theologia dogmaitico-polemica cum compendio historiae dogmatum. Erlang. 1789.
Den streng kirchlichen Lehrbegriff stellt auf
Storr, Gottlob Christian
C. C. Storr
doctrinae christ. pars theoretica.
Edit.
2. Stuttg. 1801.,
und deutsch von
Flatt, Carl Christian
Flatt
, 1803.
Unter den neuesten von demselben auf sehr verschiedenen Wegen abweichenden Systemen, sind die
Lehrbücher von
Henke, Heinrich Philipp Conrad
Henke
,
Ammon, Christoph Friedrich von
Ammon
,
De Wette, Wilhelm Martin Leberecht
de Wette
,
Wegscheider, Julius August Ludwig
Wegscheider
und andern bemerkenswerth. Letzteres stellt am anschaulichsten die rationalistische Ansicht des christlichen Religionssystems auf.
A. d. H.
}
Anweisung etc. §. 233 flg. und von der Beurtheilung ihres Werthes ebendaselbst §. 225 und 227
Vgl. I § 43.
Jo. Christoph. Döderlein Institutio Theologi Christiani, Edit. 2. Norimb. 1782 in 2 Bänden
Der zweite Band ist 1783 erschienen.
Epitome Theologiae Christianae von S. F. N. Morus, Lips. 1789
Vgl. I § 3 c.
G. F. Seiler Theologia dogmatico-polemica cum compendio historiae dogmatum. Erlang. 1789
D.i. die dritte verbesserte Auflage.
C. C. Storr doctrinae christ. pars theoretica. Edit. 2. Stuttg. 1801., und deutsch von Flatt, 1803
Gottlob Christian Storrs (1746–1805)
Doctrinae Christianae pars theoretica e Sacris Literis repetita
(1793) avancierte in Württemberg zum dogmatischen Standardwerk und ist 1807 in zweiter Auflage erschienen. Storrs Schüler Carl Christian Flatt (1772–1843) hat dieses Werk unter dem Titel
Lehrbuch der Christlichen Dogmatik
(1803) ins Deutsche übersetzt und mit Erläuterungen und Zusätzen versehen.
Lehrbücher von Henke, Ammon, de Wette, Wegscheider
Gemeint sind Heinrich Philipp Conrad Henkes (1752–1809)
Lineamenta institutionum fidei Christianae historico-criticarum
(1793;
2
1795), die unter dem Titel
Grundriß einer historisch-kritischen Unterweisung der christlichen Glaubenslehre
(1802) ins Deutsche übersetzt wurden, dann die als
Inbegriff der evangelischen Glaubenslehre
(1805) ebenfalls ins Deutsche übersetzte
Summa theologiae Christianae
(1803;
4
1830) Christoph Friedrich von Ammons (1766–1850), Wilhelm Martin Leberecht De Wettes zweibändiges
Lehrbuch der christlichen Dogmatik
(1813/1816;
3
1831/1840) und schließlich die mehrfach aufgelegten
Institutiones theologiae Christianae dogmaticae
(1815) des Henke-Schülers Julius August Ludwig Wegscheider (1771–1849).
191
478
.
Diese dogmatische Theologie verdient billig eher als die
Polemik
Polemik
Polemik
und
Moral
Moral
Moral
getrieben zu werden, weil diese sich auf die
Dogmatik
Dogmatik gründen (§.
189
476
). Mit ihr könnte das, was man der
Polemik
Polemik
angewiesen hat, am besten gleich verbunden werden (§.
186
473.
186.
Anm.
3); so wie diese auch ei gentlich gar keine besondere Wissenschaft ist, weil sie keine Lehren im
Zusammenhang
Zusammenhange
vorträgt, sondern nur eine Vertheidigung des Inhalts der Dogmatik.
†)
*)
Womit sie sich eigentlich beschäftige, ist schon §.
186
473
186.
gesagt. Es müßte darin 1) jede Frage, worüber man
verschiedner
verschiedener
Meinung ist, genau und bestimmt vorgetragen werden, so daß man angäbe, worin die, so darüber uneins sind, gleichwohl in Rücksicht auf
unternommene
die unternommne
Untersuchung, übereinstim men, und alles das absonderte, was in die Untersuchung gemischt worden, ohne dazu zu gehören, mithin den eigentlichen
Gesichtspunct
Gesichtspunct
Gesichtspunkt
anzeigte, woraus die
Dissentirende
Dissentirenden die Frage angesehen, und ob sie
einerley Gesichtspunct genommen
einerlei Gesichtspunkt angenommen
hätten
haben
oder nicht. Ist das
Letztere
Letztre
, – und das ist gemeiniglich der Fall, – so fällt der ganze Streit von selbst weg; und schon in
so fern
sofern
ist diese Bestimmung der
Streitfrage
Streitfrage gerade das Wichtigste
bey
bei
solchen Untersuchungen; sie ists aber auch deswegen, weil ohne sie der Streit nie aufs Reine kommen
kan
kann
. 2) Müßte man diejenigen und ihre Schriften angeben, welche einen von uns behaupteten Satz mit der meisten Kenntniß der Sache, oder doch am scheinbarsten, bestritten haben, und, wenn der Streit mit einer ganzen
Partey
Partey
Parthey
Partei
ist, die Schriften, wozu sie sich öffentlich bekannt
hat;
hat,
damit der Leser oder Zuhörer nachsehen könne, ob man die richtige Meinung der Gegner
gefasst
gefaßt
und angegeben habe; 3) das wahre
Verhältniß
Verhältniß zeigen, worin die Frage gegen
andre
andere
Lehrsätze steht, die damit stehen oder fallen, oder wenigstens an Stärke oder Werth verlieren; und sich hüten, die Folgen aus einer Meinung zu übertreiben, auch anzeigen, ob die Gegner diese Folgen anerkennten oder nicht; und
alsdann
alsdenn
4) die Gründe der Gegner wider
unsre
unsere
und für ihre Meinung in völliger Deutlichkeit und Stärke vor legen, und zeigen, daß sie entweder
unsre
unsere
Meinung nicht treffen, oder daß sie unrichtig oder doch unbewiesen sind.
†)
Anm.
*)
Auf diese
dogmatischen
Sätze schränkt man sich in der Polemik ein, obgleich mit eben so vielem Recht auch Streitigkeiten über Sätze der christlichen Moral könnten und sollten hineingezogen, oder den Einwürfen dagegen eine
besondre
besondere
Untersuchung gewidmet werden. Daß man dieses nie in der Polemik gethan hat, rührt wohl daher, weil man sich ehedem überhaupt weit weniger um genauere Untersuchung der Moral als der Dogmatik bekümmerte, weil darüber selten Streitigkeiten mit ganzen
Parteyen
Partheyen
Parteien
entstanden, und weil man ehedem solche streitige Sätze der Moral, da diese von der Dogmatik noch nicht abgesondert war, mit in die Dogmatik aufnahm, daher auch nur diese wenigen Streitigkeiten über moralische Sätze
,
z. B.
über die Rechtmäßigkeit des
Eydes,
Eides,
in die heutige Polemik mit übergegangen sind.
192
479
.
Wenn man diese Absicht und Einrichtung der sogenannten
polemisch
polemischen Theologie wohl und ohne Vorurtheile
überlegt;
überlegt,
so läßt sich der
große
grosse
Nutzen, den sie haben
kan
kann
, nicht verkennen. Schon
dies
dieß
wäre 1) viel werth, daß man daraus die
verschiednen
verschiedenen
Vorstellungen von
Lehren
Lehren der
Religion
Religion, mit ihren Bestimmungen und Gründen kennen
lernte
lernt
. Dadurch würden einseitige Vorstellungen verhindert, und man lernte einsehen, daß
unsre eigne
unsere eigene
Vorstellung
Vorstellung gar nicht die einzige mögliche
sey
sei
, mit der die Lehre selbst stünde oder fiele, und daß, wenn wir unauflösliche Zweifel gegen
unsre
unsere
Vorstellung bekommen, diese uns noch keinesweges
nöthige,
die Lehre selbst aufzugeben
nöthigten
. Man lernte,
das
daß
Vieles
daß vieles
, was verschrieen ist, so gefährlich nicht
sey
sei
, daß wir uns
dafür
davor
entsetzen, und wohl selbst die Untersuchung scheuen
müssten
müßten
. Man
stieße
stiesse
selbst auf manche nicht bekannte oder verkannte und sehr nützliche
Wahrheit
Wahrheit. Man würde wenigstens zur neuen Untersuchung veranlaßt, an die man vorhin nicht gedacht
hatte;
hatte,
und die
Geschichte
Geschichte lehrt ja offenbar, daß nie die Kenntniß der Religion erweitert und bestimmter
worden
geworden
, als durch solche Untersuchung, die fast immer erst durch
Streitigkeiten
Streitigkeiten erweckt worden ist. Man würde den wahren Werth einer Lehre und Vorstellung kennen lernen, und dadurch einer Seits
für
vor
Gleichgültigkeit gegen Wahrheit, auf der andern
aber
für
vor
Unbilligkeit gegen anders Denkende verwahrt werden.
193
480
.
Selbst 2)
unsre
unsere
Ueberzeugung
Ueberzeugung von der
Wahrheit
Wahrheit, und
die
Standhaftigkeit
bey ihr,
bei ihr
würde dadurch gewinnen. Denn kennen wir,
bey
bei
jener Ueberzeugung, zugleich auch die
Gegenmeinungen
Gegenmeinungen mit ihren Gründen, so setzen sie uns nicht so sehr in Verlegenheit, als wenn wir hernach sie unerwartet erfahren. Wir gerathen
alsdann
alsdenn
nicht hinterher auf den Verdacht, daß man sie uns verheimlicht habe, aus Furcht, sie nicht widerlegen zu können; welcher Verdacht immer ein
schädlich
schädliches
Vorurtheil gegen das bisher Geglaubte, und für das Neue giebt, welches die ruhige
unparteyische
unpartheyische
unparteiische
Untersuchung hindert. Wir lernen durch diese Kenntniß einsehen, daß entweder diese Gegenmeinung mit unsrer bestehen
könne,
könne:
und so leidet
unsre
unsere
Ueberzeugung von der Wahrheit nicht; oder wir sehen ein, daß sie falsch ist, und werden dadurch in
unsrer
unserer
Ueberzeugung befestigt; oder daß sie wahr
sey,
sei:
und so
befreyt
befreit
sie uns von einem Irrthum.
194
481
.
In so fern wir aber 3) aus der
Polemik
Polemik das Verhältniß eines
Irrthum
Irrthums gegen
andre
Andere
lernen, die durch diesen Irrthum unterstützt werden, oder zu dessen Unterstützung dienen: so sehen wir ein, wie man auf einen solchen Irrthum
sey
sei
geleitet worden, und lernen also, welchen Sätzen man vorbauen, oder welche man
mitentkräften
mit entkräften
müsse, wenn ein Irrthum verhütet, oder er widerlegt werden solle. Und wenn 4)
Zweifel
Zweifel
unsre
unsere
Ueberzeugung von der Wahrheit zerstören, wenigstens vermindern, oder uns in Zweifelsucht stürzen, worunter oft genug
unsre
unsere
Gemüthsruhe leidet, und die Wahl zwischen Gutem und Bösem, wenigstens die Ausführung des Guten, gehindert oder aufgehalten wird: so erfordert es die Liebe zur
Wahrheit
Wahrheit, das Streben nach gewisser
Erkenntniß
Erkenntniß, die Liebe zu uns selbst und zu Andern, diese Zweifel aus dem Grunde zu heben. Da aber die
Wenigsten
wenigsten
Kenntniß genug von
Irrthümer
Irrthümern in der Religion und ihren bloß scheinbaren Gründen, so wenig wie von alle dem haben, was zur gründlichen Beurtheilung derselben erfordert wird; da die
Wenigsten
wenigsten
Scharfsinn oder Fähigkeit besitzen, das Wahre und Scheinbare zu unterscheiden, und eben so wenig Geduld und Uebung, verwirrte Untersuchungen aus einander zu wickeln: so
kan
kann
die Polemik
große
grosse
Dienste dem leisten, der selbst noch nicht die nöthige Fähigkeit, Kenntniß und
Uebung
Uebung in solchen Untersuchungen hat, ja sie
kan
kann
selbst für ihn eine
vortrefliche
vortreffliche
Schule zu solchen Uebungen werden.
195
482
.
Und eben in dieser
Uebung
Uebung besteht 5) einer der
größesten
grössesten
größten
Vortheile, den die
Polemik
Polemik stiften
kan
kann
. Wenn man sieht, wie die streitige Frage mit gehöriger Genauigkeit bestimmt, und
bey
bei
der Beantwortung der
Gegengründe
Gegengründe bestimmt angegeben wird, wie weit und warum man sie einräumen
kan
kann
oder nicht: so gewöhnt man sich an
Verdeutlichung
Verdeutlichung der
Begriffe
Begriffe; man gewöhnt sich, eine Frage nicht gleich abzuurtheilen, sondern sie
erst
auf mehrern Seiten zu betrachten; verwirrte Untersuchungen aus einander zu wickeln; vorsichtig zu werden, und was man behauptet, auf allen Seiten zu befestigen, um weder
Blößen
Blössen
zu geben, noch Zweifel und Streitigkeiten zu
veranlaßen
veranlassen
; discret zu werden, um nicht mit dem
verworfnen
verworfenen
Irrthum die
Wahrheit
Wahrheit zugleich zu verwerfen, oder mit dem, was man zugeben
kan
kann
, auch das Falsche zu billigen, und dem Gegner Gelegenheit zu geben, in jenem Fall die
verworfne
verworfene
Wahrheit in Schutz zu nehmen, und den Streit von der wahren Frage abzulenken, und in diesem Fall den
zugelaßnen
zugelassenen
Irrthum gegen uns zu
brauchen
gebrauchen
. Kurz, es giebt keine Art von Uebungen,
wobey
wobei
man so sehr könnte den Verstand schärfen, sich zur
Präcision
Präcision in Gedanken und Ausdrücken gewöhnen, recht nüchterne und geläuterte Untersuchungen anstellen lernen, als die Polemik, wenn sie recht eingerichtet wird.
Anm.
Anm.
1.
Anm.
1)
Dieser Vortheil, den man aus ihr schöpfen
kan
kann
, scheint der allerbeträchtlichste zu seyn, so wie schon oben gesagt ist, daß die
Hauptsache
Hauptsache
bey
bei
dem Studieren darin bestehe, nicht sowohl immer mehr Kenntnisse zu erlangen, als vielmehr guten Lehrern und Schriftstellern die rechte Art abzulernen, wie man sie behandeln soll. Denn alle uns je vorkommende streitige Fragen in der Religion, und alle Einwürfe dagegen, können doch nicht darin abgehandelt werden, da die Möglichkeit der Entdeckungen ins Unendliche geht; also wird keine Polemik je für alle Zweifel
zureichen,
zureichen;
aber wenn sie unsern Verstand bildet, macht sie uns zu allen
Religionsuntersuchungen
Religionsuntersuchungen geschickt.
Anm.
Anm.
2.
2)
Schon um dieses
angegebnen
angegebenen
Nutzen
Nutzens
willen
willen,
sollte sie für einen Studierenden unschätzbar
seyn,
seyn;
und in der Versäumung dieser Uebungen scheint eine
Hauptursach
Hauptursache
zu liegen, warum seichte Kenntnisse,
dreuste
dreiste
und oberflächige Urtheile über streitige Wahrheiten so gewöhnlich sind, Festigkeit der Ueberzeugung hingegen so selten ist, und die Seele sich von jedem scheinbaren
Geschwätz
Geschwätz so leicht
hinreissen
hinreißen
läßt. – Auch wird man finden, daß viele Untersuchungen und Bestimmungen in der
Dogmatik
Dogmatik eher nicht recht verstanden, noch weniger geschätzt werden, bis man erst in der Po lemik sieht, warum etwas behauptet oder so bestimmt
wurde
wurde, und warum das nöthig war
. – Da es auch viel leichter ist,
Andrer vorgefundne
Anderer vorgefundene
Gedanken zu beurtheilen, als selbst zu erfinden, so wie Fehler zu entdecken leichter, als es selbst besser zu machen: so würde
bey eignen
es bei eigenen
Uebungen viel rathsamer seyn, wenn wir nur erst die nothwendigsten Kenntnisse von einer Sache erlangt haben, und ein Geschickterer uns die Streitfrage recht bestimmt vorlegte, sich in Prüfung der Einwürfe dagegen zu üben, als selbst dogmatische Ausarbeitungen vorzunehmen.
196
483
.
Bey
Bei
so
großen
grossen
Vortheilen, die dieses Studium gewährt,
müßte
könnte
es
beynahe
beinahe
unbegreiflich
seyn
scheinen
, wie Viele so verächtlich davon urtheilen oder es widerrathen könnten. Daß seichte und flüchtige Köpfe,
welche
die
Anstrengung, Mühe und bedächtige
Untersuchungen scheuen,
Untersuchung scheuen;
daß Leute, die gegen
Wahrheit
Wahrheit sehr gleichgültig sind, oder mehr überreden als überzeugen wollen, oder
bey
bei
Ueberraschung
Andrer
Anderer
mit scheinbaren Gedanken ihre Rechnung
finden,
finden;
daß diese also dagegen eingenommen sind, ist nicht zu verwundern. Aber
bey
bei
Verständigern und Gewissenhaftern rührten diese verächtlichen Urtheile ohne Zweifel von der Wahrnehmung her, daß gewöhnlich die
Polemik
Polemik voll unnützer und über die Gebühr wichtig gemachter Untersuchungen, und daß sie von jeher ein Schauplatz der
bösartigsten Zänkereyen
bösartigen Zänkereien
und Leidenschaften gewesen
sey
sei
. Je lebhafter man sich die Verletzung der
Billigkeit
Billigkeit
und
des Friedens, den
Verfolgungsgeist
Verfolgungsgeist, die Verabsäumung des
praktisch
praktischen Christenthums und
andre
andere
Uebel denkt; je mehr
Aufklärung
Aufklärung sich ausbreitet, dadurch Mißverstand gehoben, und der Werth eines Lehrsatzes richtiger gewürdigt; je mehr das
äusserliche
äußerliche
Interesse verändert wird, welches gewissen Untersuchungen eine Wichtigkeit gab, die sie ihrer Natur nach nicht hatten; je gemeiner Liebe zur Duldung der anders Denkenden, zum Theil auch Gleichgültigkeit gegen das nicht unmittelbar
Nützliches
Nützliche,
Nützliche
wird: je natürlicher ist diese Abneigung.
Je
Desto
mehr ist hinwieder auch zu besorgen, daß man sich durch den
Geschmack
Geschmack seiner Zeit, und durch das zu lebhafte
Gefühl
Gefühl gewisser Uebel, zu sehr in seinem Urtheil leiten
laße
lasse
, und nicht genug auf seiner Hut
sey
sei
gegen die Versuchung, ungerecht zu werden.
197
484
.
Denn alle diese Uebel beweisen doch nur, daß die
Polemik
Polemik, gleich der
verdorbnen
verdorbenen
Justizpflege
Justizpflege, müsse gebessert, nicht daß sie müsse ganz weggeworfen werden. Untersuchungen müssen doch seyn, und dazu gehört, daß man eine
Partey
Partey
Parthey
Partei
wie die
andre
andere
höre, und mit aller Weisheit, Vorsichtigkeit und Billigkeit richte. Wenn dieses Verhör auf die Art geschieht, wie §.
191
,
191.
159
478
,
446
f.
und
169
456
169.
Anm.
angegeben wurde, und wenn man in der Polemik wie in der Dogmatik untersucht, um
Wahrheit
Wahrheit, nicht um Nahrung der Leidenschaft, zu finden: so fallen alle jene Uebel weg, welche die Polemik mit Recht in einen üblen Ruf
brachten,
brachten;
und sie wird
alsdann
alsdenn
ein sehr heilsames Mittel, wahren
Friede
Frieden,
Frieden
ohne Nachtheil der
Wahrheit,
Wahrheit
zu befördern.
198
485
.
Wenn man das zusammennimmt, was bisher von der rechten Einrichtung dieser Art der Theologie, von dem Nutzen derselben, von den gewöhnlichen Fehlern
bey
bei
Führung theologischer Streitigkeiten, und
bey
bei
dem Vortrag derselben in einer besondern Wissenschaft, gesagt worden ist: so
kan
kann
man von selbst leicht erkennen, wie sie müsse
studieret
studiert
, und worauf eigentlich Acht gegeben werden, um den
versprochnen
versprochenen
Nutzen
Nutzen daraus
zu ziehn. –
ziehen.
Uebrigens ist die Methode, die
Polemik
Polemik nach der Ordnung der
Lehren
Lehren
vorzutragen, überhaupt weit nützlicher, als die Ordnung nach
verschiednen
Religionsparteyen
Religionsparteyen
Religionspartheyen
verschiedenen
Religionsparteien
. Der
Hauptzweck
Hauptzweck
müßte
soll
doch
bey
bei
polemischen Untersuchungen 1) immer seyn,
Wahrheit
Wahrheit und Irrthum oder Schein unterscheiden, und sich überzeugen zu lernen, was für und wider jeden
verschiednen
verschiedenen
Lehrsatz oder Vorstellung einer Lehre gesagt werden könne, und mit welchem Grunde.
Dies kan
Dieß kann
aber am besten geschehen, wenn wir
bey
bei
Untersuchung der
Lehren
in der
Dogmatik
Dogmatik gleich auch das Gegentheil mit, wenigstens gleich in der Polemik dasselbe in Beziehung auf jene Lehren untersuchen. 2) Man lernt auch nach die ser Methode
bey
bei
jeder Lehre sogleich die
verschiednen
verschiedenen
Meinungen
Meinungen darüber mit
Einem
Mahle
Male
einemmal
, und braucht sie nicht erst zerstreut unter den
verschiednen
Parteyen
Partheyen
verschiedenen Parteien
aufzusuchen; und eben dadurch wird 3) verhütet, daß man nicht die
nehmlichen
nämlichen
Gründe
Gründe, und meistens eben dieselben Antworten,
bey
bei
Prüfung einer
Partey
Partey
Parthey
Partei
zu wiederholen braucht, wenn man sie schon
bey
bei
einer
der
andern erwogen hat, welches unnöthige
Weitläuftigkeiten
Weitläufigkeiten
erspart. Auch werden 4)
bey
bei
Untersuchung der Meinungen einer
Partey
Parthey
Partei
nur solche
Puncte
Punkte
erörtert, die zwischen
Parteyen
Partheyen
Parteien
streitig
sind,
sind;
und diese sind nicht gerade der
Sache
Sache
nach die wichtigsten, als welche
letztre
letztere
oft gar nicht einmal Unterscheidungslehren ganzer
Parteyen
Partheyen
Parteien
ausmachen; sehr oft enthalten gewisse Privatmeinungen viel wichtigere Aufschlüsse, und Gründe
einzelner
einzler
gelehrten Theologen sind oft viel ausgesuchter und geschärfter, als die, so in öffentlichen Bekenntnißbüchern gebraucht sind. So
nähret
nährt
auch 5) die Abhandlung der Streitigkeiten nach
Parteyen
Partheyen
Parteien
mehr den
Sectenhaß
Sectenhaß
Sektenhaß
, erschwert die
unparteyischere
unpartheyischere
unparteiischere
Untersuchung, und nöthigt den Untersucher 6) viele ganz unnütze Untersuchungen
beyzubehalten
beizubehalten
, an deren Statt viel erheblichere, und unsern
Zeitbedürfnisse
Zeitbedürfnissen
gemäßere
gemässere
, könnten aufgenommen werden.
Anm.
Anm.
1.
Anm.
1)
Zwar fällt
bey
bei
der Abhandlung nach den
Parteyen
Partheyen
Parteien
der Zusammenhang eines Irrthums mit dem andern besser in die Augen; aber dieser kleine Vortheil ist für den Verlust der in dem §. angeführten Vortheile der andern Me thode ein zu geringer Ersatz; und den Abgang dieses Vortheils
kan
kann
eine
gute
Geschichte der
Religionsparteyen
Religionsparteyen
Religionspartheyen
Religionsparteien
hinlänglich ersetzen, wenn darin der
innre
innere
Zusammenhaug
Zusammenhang
der Lehrsätze dieser
Partey
Parthey
Partei
wohl vorgelegt wird.
Anm.
Anm.
2.
2)
Es
kan
kann
seinen guten Nutzen haben, wenn man auch die Lehrsätze einer besondern
Partey
Parthey
Partei
besonders untersucht, in dem Fall, wenn
äusserliche
äußerliche
Verhältnisse,
z. B.
mit der römischen Kirche, oder die Zeitumstände, wo gewisse Arten von Irrthümern vornehmlich im
Gang
Gange
sind, dergleichen
besondre
besondere
Untersuchung
Untersuchuug
nöthig machen,
z. B.
die
Streitigkeiten
Streitigkeiten mit den
Deisten
Deisten. – Vorzüglich nützlich würde es seyn, gerade diejenigen Streitigkeiten recht gründlich zu untersuchen, die
unsrer
unserer
Zeit eigen sind, weil dieses
unsre
gerade unsre
unsere
Bedürfnisse
am meisten
erfordern. Ein, wiewohl in
vielerley
mancherley
vielerlei
Absicht sehr
unvollkommner,
unvollkommener
Versuch davon, ist das
Lehrbuch für die neueste Polemik
Lehrbuch für die neueste Polemik
, Halle
1782
in
1782.
gr.
8.
Dagegen behauptet die
Baumgarten, Siegmund Jacob
Baumgarten
sche
Geschichte der Religionsparteien noch immer ihren Werth.
Deisten
Unter
Deismus
versteht man eine (religions-)philosophische Strömung, die im 17. Jh. zunehmend an Bedeutung gewann und sich insbesondere von England aus über Europa und Nordamerika ausbreitete. Auch wenn der Deismus keine einheitliche oder organisierte Schulrichtung darstellt, lässt sich grundsätzlich festhalten, dass er jedweder christlichen Offenbarung überaus skeptisch gegenüberstand und auch in religiösen Fragen allein die Vernunft als Autorität gelten ließ. Die gegenüber der geoffenbarten Religion auf diese Weise aufgewertete natürliche Religion entspreche der vollkommenen Natur Gottes und reiche zum ewigen Heil aus. Im Umkehrschluss sei das christliche Lehrgebäude, insofern es sich auf vermeintlich göttliche Offenbarung gründe, abzulehnen, da es sich um das Ergebnis einer Korrumpierung der ursprünglich einfachen Lehre Jesu handele. Auch sei nicht mit einem Eingreifen Gottes in die Geschichte zu rechnen, da ein solches als Korrektur einer fehlerhaften Vorsehung anzusehen wäre. Zu den einflussreichsten Werken zählt Matthew Tindals (1657–1733)
Christianity as Old as the Creation
(London 1730), als deutscher Hauptvertreter ist insbesondere Hermann Samuel Reimarus (1694–1768) zu nennen. Aufgrund seiner grundsätzlichen Bibel- und Dogmenkritik wurde der Deismus nicht selten als Bedrohung empfunden und die Bezeichnung
Deist
als Schimpfwort verwendet.
Lehrbuch für die neueste Polemik, Halle 1782
Dieses Werk stammt von dem Königsberger Theologen, Historiker und Bibliothekar Friedrich Samuel Bock (1716–1786).
Baumgartensche Geschichte der Religionsparteien
Vgl. II § 124 c.
199
486
.
Die
christl.
christliche
Moral
Moral
, oder der zusammenhängende Unterricht, den uns das Christenthum über die Einrichtung unsers
freyen
freien
Verhaltens nach Gottes
Wille
Willen, giebt,
kan
kann
nicht bloß auf dasjenige eingeschränkt werden, was die
heil.
heilige
Schrift davon enthält, sondern muß auch
alles
Alles
mit in sich fassen, was uns die Betrachtung der
Natur
Natur darüber lehrt, zumal da die
heil.
heilige
Schrift diesen Theil des Christenthums nicht so ausführlich vorgetragen hat, als theoretische
Lehren
Lehren.
(
S.
§.
185
472
und
156.
443.
186.
) Ihr Unterschied von der
philosophischen Moral
philosophischen Moral
besteht daher nicht darin, daß diese, na türlich bekannte, und die christliche, geoffenbarte
Pflichten
Pflichten enthält – denn der letztern sind nur sehr wenige, die
nemlich
nämlich
, welche aus den dem Christenthum eingethümlichen Lehren
fließen
fliessen
– sondern darin, daß die christliche auch noch solche
Gesinnungen
Gesinnungen und Pflichten empfiehlt, die nicht aus der
bloßen
blossen
Natur erkennbar sind, und die natürlichen Pflichten durch neue, aus den eigentlichsten Christenthum
hergenommne
hergenommene
, Bewegungsgründe unterstützt. Da es aber
bey
bei
der wahren
Gottseligkeit
Gottseligkeit, welche die christliche Moral lehren und empfehlen soll, nicht sowohl auf
Handlungen
Handlungen als auf Gesinnungen ankommt, die sich nur durch gute Handlungen
äussern
äußern
, und das Christenthum, als eine Religion betrachtet,
alles
Alles
auf unser
Verhältniß
Verhältniß gegen Gott zurückführt: so muß die christliche Moral
theils
sowohl und vorzüglich auf
Beförderung
Beföderung
einer guten Gesinnung, als der Ausübung
einzelner
einzler
Pflichten arbeiten,
theils
beydes
Beides
beständig
, wenigstens mit
auf
Gott
Gott,
zurückführen.
Hienach
Anm.
Hiernach
schließt der Name einer
Sittenlehre
Sittenlehre der
heil.
heiligen
Schrift
weniger in sich, als der Name der
christlichen Sittenlehre
. – Den Theil der
Letztern
letztern
, der sich mit dem Unterricht zur Hervorbringung guter Gesinnungen beschäftigt, nennen einige die Ethicam, und den, der
einzelne
einzle
Pflichten vorträgt, die Jurisprudentiam divinam. – Da das Christen thum
die Natur des Menschen nicht aufhebt, sondern nur verbessert, so dürfen die ihm eigenthümlichen Gesinnungen und Pflichten nie von den natürlichen getrennt werden; welche Trennung Gelegenheit gegeben hat, gemeinnützige Tugenden und Pflichten über Handlungen der
bloßen
blossen
Andacht zu ver ges sen, oder jene für
unwichtiger,
unwichtiger
als diese anzusehen, oder die wahre Frömmigkeit in
Schwärmerey
Schwärmerei
zu verwandeln, wie unter andern das
Beyspiel
Beispiel
der
Mönchs-Moral
Mönchs-Moral
beweiset.
die Natur des Menschen nicht aufhebt, sondern nur verbessert
Hier greift Nösselt die Maxime
gratia non tollit naturam, sed perficit
des Thomas von Aquin auf (
Summa Theologiae
I, 1, 8 ad 2; vgl. II-II 26,13 s. c.).
Mönchs-Moral
Die mittelalterliche Mönchsmoral mit ihren Hauptelementen Ehelosigkeit, Gehorsam und Armut ist in der zweiten Hälfte des 18. Jh.s ein gängiges Lehrstück der christlichen Sittenlehre und wird durchaus kritisch gesehen. Nösselt spricht auch vom
Mönchsgeist
(vgl. II § 121) und von
Mönchsmaximen
(vgl. II § 186).
200
487
.
Wenn die christliche
Sittenlehre
Sittenlehre ihre Absicht erfüllen
soll:
soll,
so muß sie
dreyerley
dreierlei
leisten. Sie muß 1)
alles
Alles
, was zur wahren
Gottseligkeit
Gottseligkeit gehört, und den ganzen Umfang der
Pflichten
Pflichten eines Christen vorstellen; sie muß wenigstens – da ihr Umfang ins Unendliche geht, und jede neu erlangte Kenntniß, jede neue Art von Umständen, in die wir kommen, uns neue Pflichten auflegt – so allgemeine und in vorkommenden Fällen anwendbare
Grundsätze
Grundsätze vorlegen, daß wir daraus, indem wir sie mit unsern Umständen vergleichen, unser rechtmäßiges Verhalten in
einzelnen
einzeln
Fällen bestimmen können. Um diese Pflicht in ihrem ganzen
Umfang
Umfange
vorzustellen, müssen nicht nur
–
die gesammten Pflichten selbst
angegeben –
angegeben,
es muß auch bestimmt werden, wie weit sie reichen, um sie nicht zu weit auszudehnen, und Pflichten zu fordern, die dergleichen nicht sind, oder sie zu sehr einzuschränken, und Pflichten
auszuschließen
auszusschliessen
, die darin mit begriffen seyn sollten; – es muß selbst die
Collision
Collision der
Pflichten
Pflicht
nicht übersehen, und, durch Zusammenhaltung derselben, gezeigt werden, wie weit eine durch die
andre
andere
eingeschränkt werde, oder die eine in vorkommenden Fällen der andern weichen müsse. Man sieht leicht ein, wie nöthig hier
deutlich
deutliche und bestimmte Begriffe sind, und wie wenig es zureiche, nur überhaupt zu wissen, was man zu thun oder zu
laßen
lassen
habe.
Die
Anm.
Beispiele hiervon geben: die
Lehre von der Demuth und
Bescheidenheit
Bescheidenheit, welche gleich weit von Niederträchtigkeit und Stolz entfernt bleiben soll; von dem Vertrauen auf Gott, das nicht in Unthätigkeit oder Versuchung Gottes ausarten muß; vom Diebstahl, der auch das Verfertigen schlechter Arbeit, den Andern zugefügten aber
verschwiegnen
verschwiegenen
Schaden, unüberlegtes Schuldenmachen und
unterlaßne
unterlassene
Bezahlung derselben, und noch viele
andre
andere
wenig erkannte
Sünden,
Sünden
in sich schließt; die Lehre von der Aufrichtigkeit und Verschweigung seiner Kenntnisse, Ueberzeugungen und Gesinnungen; die Pflicht,
bessere
beßre
Einsicht in der Religion auszubreiten, oder
vor
für
sich zu behalten, und die
dabey
dabei
nöthige, selbst auf
Menschenliebe
Menschenliebe gegründete
Weisheit,
u. a.
können hier zum Beyspiel dienen.
Weisheit
u. a. m.
201
488
.
Nächstdem
müßte
muß billig
die christliche
Moral
Moral 2) überall
dazu eingerichtet seyn, uns würklich gottselig zu machen,
d. i.
es müßte uns alles
so abgehandelt werden, daß durch sie wirkliche Gottseligkeit befördert werde,
d. i.
, sie muß Alles
so einleuchtend, so dringend, so überwiegend angenehm
gemacht werden
machen
, daß
bey uns –
bei uns eine
wahrhafte
Ueberzeugung
Ueberzeugung:
Ueberzeugung,
so müssen
daß
wir
so
seyn und handeln
müssen
, wenn es uns wohl gehen
soll –
soll,
wahrhafte
Neigung
Neigung, so zu werden und zu
verfahren –
verfahren,
und zwar überwiegende Neigung dazu, entstehen
könnte, die
und
in wirkliche That
überginge
übergehen könne
. Dieses
kan
kann
geschehen durch deutliche und lebhafte Dar stellung –
zuerst
der wahren
Tugend
Tugend
oder
Gottseligkeit
Gottseligkeit,
theils
als einer Sache, ohne die man unmöglich glücklich seyn,
bey
bei
der man hingegen auf die seligsten Folgen rechnen könne,
theils
als eines Ganzen,
d. i.
als einer durchgängigen Lust an
allem
Allem
, was Gottes
Wille
Willen gemäß ist, und eines durchgängigen Mißfallens am Gegentheil, verbunden mit einem beständigen, immer wieder erneuerten, Bestreben, durchaus nach Gottes Willen zu handeln;
hernach
sodann
– aller
einzelnen
einzeln
Pflichten
Pflichten
im Zusammenhang,
d. i.
als solcher, die Gott
ohnfehlbar
unfehlbar
von uns fordert, und die sowohl nothwendige Folgen von den anerkannten Pflichten, als neue Quellen der seligsten Folgen sind, die aus ihrer Ausübung entspringen. Die Vorlegung der wohlthätigen Absichten, die
Gott
Gott
bey
bei
allen seinen Gesetzen und Anstalten hat, können uns nicht nur willig machen zu Gesinnungen und Handlungen, die seinen Absichten entsprechen; sie können uns auch Aufschlüsse geben über die Verbindung einer Pflicht mit der andern, und über unsre rechte Wahl, wenn diese Pflichten mit einander in
Collision
Collision kommen sollten.
Anm.
Hieraus erhellet, wie höchst nützlich es
sey
sei
, das, was zur christlichen Moral gehört, ja im Zusammenhange zu studieren
, und sich nicht mit guten Maximen und Sentenzen zu behelfen
.
202
489
.
Weil aber
Ueberzeugung
Ueberzeugung von einer
Pflicht
Pflicht,
die Ueberzeugung, daß etwas Pflicht sei, die
Ueberzeugung von ihrer
Möglichkeit
Möglichkeit
voraussetzt, und weder Willigkeit, etwas zu werden oder zu thun, noch viel weniger That entstehen
kan
kann
, wenn man nicht einsieht, wie man es anzugreifen habe, um so zu werden oder zu handeln: so muß sich die christliche
Moral
Moral nicht bloß auf Vorlegung und Einschärfung guter Gesinnungen und Pflichten einschränken, sondern auch 3) die
Art
Art
zeigen, wie wir jene erlangen, erhalten und verstärken, und diese ausüben, wodurch wir uns dieses erleichtern, und die Hindernisse desselben aus
den Weg
dem Wege
räumen, oder doch vermindern können.
203
490
.
Ob
dieses
ein solches
Studium der christlichen
Moral
Moral nützlich
sey? – dies
sei, darüber
sollte
bey
bei
vernünftig
vernünftigen Menschen und Christen eigentlich gar
nicht einmal bezweifelt werden
kein Zweifel entstehen
, weil es eben so viel ist, als wenn jemand noch fragen wollte: ob der Mensch
seine
Pflicht
Pflicht thun, und immer recht handeln müsse, oder nicht? ob er
nach
Glückseligkeit
Glückseligkeit streben müsse, oder nicht? ob er glücklich werden könne ohne die Mittel, die er dazu in Händen hat, und
ohne
seine Kräfte zu gebrauchen? ob die deutliche und leben dige Kenntniß und Ueberzeugung von seinen Pflichten und ihrer Quelle, einer guten Gesinnung, von den seligen Folgen derselben, und von der besten
Art,
Art
sie zu erlangen oder auszuüben, diesen fleißigen Gebrauch jener Mittel
befördre
befördere
, oder
hindre
hindere
? Und doch haben viele, auch sehr verständige redliche Christen, wirklich dieses Studium nicht nur für entbehrlich, sondern selbst für schädlich
gehalten, und
gehalten. Oft
sind
sie auch
in ihren
Vorurtheile
Vorurtheilen dagegen durch
übertriebne
übertriebene
Lobsprüche auf diese Wissenschaft verstärkt worden.
Beyderley
Beiderlei
ausschweifende Vorurtheile rühren von unrichtigen, unvollständigen oder überspannten
Begriffe
Begriffen her, die man sich von dem Umfang und von dem Zweck der Moral, von ihrem
mehrern
größeren
oder
mindern
geringeren
Einfluß auf denselben, und von dem Werth
andrer
anderer
Mittel zur Glückseligkeit der Menschen
macht,
macht;
und diese Vorurtheile fallen weg, wenn man alle diese Begriffe berichtigt. Schon die ganze Absicht und Natur dieser Wissenschaft zeigt, daß es, nächst der christlichen
Glaubenslehre
Glaubenslehre, keine
Wissenschaft
gebe, deren Werth und unmittelbarer Einfluß in die Glückseligkeit des Menschen mit
ihrem
dem ihrigen
verglichen werden könne.
Anm.
Durch
meinen Versuch: Ueber den Werth der Moral, der Tugend und der späten Besserung,
zweyte
zweite
Ausgabe, Halle
1782
1782,
in Octav
1782. 8.
, hoffe ich mir den weitern Commentar über diese Sache, wie über die nächst vorhergehenden §§. erspart zu haben.
M. s.
Bartels, August Christian
A. C.
Bartel's
über den Werth der christlichen Sittenlehre, Hamburg 1788.
meinen Versuch: Ueber den Werth der Moral, der Tugend und der späten Besserung, zweyte Ausgabe, Halle 1782
Die zweite Auflage stammt aus dem Jahr 1783.
A. C. Bartels' über den Werth der christlichen Sittenlehre, Hamburg 1788
August Christian Bartels (1749–1826) Werk
Ueber den Werth und die Wirkungen der Sittenlehre Jesu
besteht aus zwei Teilen (1788/1789).
204
491
.
Wie diese edle Wissenschaft mit
wahren
wahrem
Nutzen
Nutzen
studieret
studiert
werden könne, läßt sich aus dem leicht folgern, was bis her §.
200
–
202
487
–
89
200
–
202.
über die Erfordernisse
bey dieser Wissenschaft
bei derselben
, ausführlicher im gedachten Buche, auch oben §.
188
475
188.
gesagt worden ist. Aber nirgends ist auch das für Annehmung alles Guten
offne
offene
und willige Herz so unentbehrlich als hier. – Um die rechte Behandlung der christlichen
Moral
Moral nach der
heil.
Schrift und der
Vernunft
Venunft
zu lernen, möchten die obigen Anmerkungen §.
145
432
f.
und
156
443
f.
sehr dienlich seyn.
Anm.
Die besten allgemeinern Schriften, welche die christliche
Moral
Moral enthalten, sind in der
Anweisung
zur
thoelogischen
theologischen
Bücherkenntniß §. 272
f.
angezeigt. Seitdem man angefangen hat, mehr die
Natur
Natur der menschlichen
Seele
Seele zu studieren, und darauf sowohl, als auf die genauer untersuchte Natur der Sittlichkeit überhaupt, die Moral zu gründen, haben wir sehr schätzbare Versuche über die Moral überhaupt erhalten, die keinem,
wer
der
die christliche Moral recht studieren will, gleichgültig seyn
müssen, unter welchen die
philosophischen Bemerkungen und Abhandlungen zu
Cicero
Cicero's
Bücher
Büchern
von den Pflichten, von
Garve, Christian
C. Garve
, Breslau 1783,
in drey Bänden groß Octav, vorzüglich bemerkt zu werden verdienen
dürfen
.
Anweisung zur theologischen Bücherkenntniß §. 272 f.
Vgl. I § 43.
philosophischen Bemerkungen und Abhandlungen zu Cicero's Bücher von den Pflichten, von C. Garve, Breslau 1783, in drey Bänden
Vgl. I § 200 a.
Zusatz des Herausgebers.
Die älteren
wissenschaftlichen
Lehrbücher der christlichen Moral, folgen doch fast sämmtlich dem Ideengange irgend eines philosophischen
System
Systems, und zeichnen sich auch durch philosophischen Geist vor vielen Lehrbüchern der ältern Dogmatik aus. Dieß ist der Fall in den Systemen von
Buddeus, Johann Franz
Buddeus
,
Baumgarten, Siegmund Jacob
Baumgarten
,
Canz, Israel Gottlieb
Canz
,
Crusius, Christian August
Crusius
.
Mosheim, Johann Lorenz von
Mosheim
ging einen freiern Gang, ward aber auch eben daher oft mehr wortreich als gründlich.
Die Erscheinung der kritischen Philosophie hat auf die Wissenschaft einen sehr bedeutenden Einfluß gehabt. Ihr Stifter
Kant, Immanuel
Kant
hatte selbst behauptet, sein Moralsystem sei in seinen Hauptideen vollkommen mit den Grundsätzen des christlichen übereinstimmend. Sein Prinzip sei kein anderes, als was
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christus
seiner Lehre zum Grunde gelegt habe.
Die große Sensation, welche diese Philosophie machte, der hohe und reine Geist, welcher sich besonders in dem praktischen oder moralischen Theil aussprach, das Anschließen desselben an die Aussprüche des neuen Testaments, bewog viele Theologen, nunmehr ihre theologischen Lehrbücher ganz nach den Kantischen Ideen zu bilden, dieselben Terminologieen zu gebrauchen, und allerdings wohl vieles in das neue Testament hineinzutragen, was in einer so populären Behandlung moralischer Wahrheiten kaum zu erwarten war. Die
Compendien von
Schmid, Johann Wilhelm
F. W. Schmid
,
Ammon, Christoph Friedrich von
Ammon
,
Snell, Johann Peter Ludwig
Snell
, mit einigen Modificationen aber von
Vogel, Paul Joachim Siegmund
Vogel
,
Stäudlin, Karl Friedrich
Stäudlin
und Andern, liefern die Beweise. Andere, wie
Reinhard, Franz Volkmar
Reinhard
, sträubten sich zwar Anfangs dagegen, nahmen aber doch unvermerkt immer mehr von den Kantischen Ideen auf, da sie sich von so vielen Seiten durch Würde und Consequenz empfahlen, wie dieß
Garve, Christian
Garve
in seiner Schrift über die
Moralprincipien
alter und neuer Schulen, mit großer Unparteilichkeit ins Licht gesetzt hat. Das
Moralsystem
Reinhard, Franz Volkmar
Reinhard's
, wovon er den letzten Theil nicht vollenden konnte, bleibt übrigens ein Hauptbuch, mehr durch seine Anordnung, die Wiederholungen unvermeidlich machte, als durch den Schatz von Kenntniß, Gründlichkeit der Exposition vieler Materien, und die reiche und gewählte Literatur.
Fast könnte man übrigens fürchten, daß die beinahe ganz philosophische Gestalt, welche die christliche
Sittenlehre
Sittenlehre erhalten, ihren eigenthümlichen Charakter zu sehr in Schatten gestellt, und daß sie wohl eigentlich, um sich von der philosophischen zu unterscheiden, mehr unmittelbar aus ihrer Urkunde hergeleitet werden müßte.
Eine solche Bearbeitung liegt, wenn Gott mein Leben fristet, in meinen Plänen für die Zukunft.
D. H.
Buddeus
Vor seinem Wechsel nach Jena im Jahre 1705 bekleidete Johann Franz Buddeus (1667–1729) ab 1693 eine Professur für Moralphilosophie und ab 1704 für Theologie in Halle. Neben Crusius (s.u.) zählt er zu den bedeutendsten Gegnern der Philosophie Christian Wolffs, der sich seinerseits gegen die Umsturz- und Atheismusvorwürfe robust zur Wehr setzte. Mit Blick auf die Sittenlehre sind die 1719 ins Deutsche übersetzten und 1721 von Johann Anton Strubberg (1696–1731) in Tabellenform gebrachten
Institutiones theologiae moralis
(1711) zu nennen.
Baumgarten
Durch sein umfangreiches Werk und als Schulhaupt (Semler, Nösselt u.a.) gehört Siegmund Jacob Baumgarten (1706–1757) zu den prägendsten Gestalten der bereits als Student bezogenen Universität Halle. Von hier aus hat er die theologische Entwicklung nicht nur des 18. Jh.s entscheidend beinflusst, Voltaire sah in ihm gar die Krone deutscher Gelehrsamkeit. Die christliche Sittenlehre hat Baumgarten, der nach der Vertreibung Wolffs aus Halle dessen Lehre zu behaupten suchte, insbesondere in seinem
Unterricht vom rechtmäßigen Verhalten eines Christen oder Theologische Moral zum academischen Vortrag ausgefertiget
(1738;
4
1750) bearbeitet. Dass Alexander Gottlieb Baumgarten und seine
Ethica philosophica
(1740) gemeint sein könnten, erscheint unwahrscheinlich.
Canz
Mehr noch als Baumgarten zeichnet der Tübinger Israel Gottlieb Canz (1689–1753), zunächst Professor für Beredsamkeit und Dichtkunst, dann für Logik und Metaphysik und ab 1747 Professor der Theologie, für die Anwendung der Wolffschen Philosophie auf die Theologie verantwortlich, auch wenn dieser v.a. in
Philosophiae Leibnitianae et Wolffianae usus in theologia
(1728) vorgetragene Ansatz (1732 und 1737 folgten zwei weitere Bände) massive Angriffe seitens der Theologischen Fakultät und der Kirche bis hin zur Zensur nach sich zog. Räumlich unmittelbar auf Württemberg beschränkt, wird Canz gleichwohl eine besondere Rolle innerhalb der theologiegeschichtlichen Entwicklung hin zur Neologie zugesprochen. Die christliche Sittenlehre ist im
Unterricht von den Pflichten der Christen, oder theologische Moral, zum academischen und allgemeinen Gebrauch ausgefertigt
(1749) abgehandelt.
Crusius
Der von der Orthodoxie respektierte, in neologischen Kreisen dagegen verspottete Christian August Crusius (1715–1775) wirkte ab 1744 als außerordentlicher Professor der Philosophie und ab 1750 als Professor der Theologie in Leipzig (als entschiedener Gegner Ernestis) dem Wolffianismus entgegen. Immer wieder wird in diesem Zusammenhang auch auf seinen Einfluss auf Kant hingewiesen. Theologisch war Crusius' von Johannes Coccejus (1603–1669) und den apokalyptischen Vorstellungen Johann Albrecht Bengels beeinflusst. In seiner Konzeption der Sittenlehre, wie sie v.a. in der zweibändigen Darstellung
Kurzer Begriff der Moraltheologie oder nähere Erklärung der praktischen Lehren des Christenthums
(1772/1773) niedergelegt ist, wird der Gehorsam gegen den Willen Gottes zum obersten Prinzip erhoben, Moral also theonom begründet.
Mosheim
Im Hinblick auf die christliche Moral verbindet sich der Name Johann Lorenz von Mosheims insbesondere mit der fünfbändigen
Sitten-Lehre der Heiligen Schrift
(1735–1753), die von Johann Peter Miller (1725–1789), einem Schüler und Vertrauten Mosheims, um vier Bände erweitert wurde (1762–1770). Nicht zuletzt aufgrund der immer wieder gerügten Weitschweifigkeit besorgte Miller zudem einen
Auszug
(1765).
Compendien von F. W. Schmid, Ammon, Snell
Gemeint ist der auch als
Moralschmid
bekannte Johann Wilhelm Schmid (1744–1798), der den zunächst in kleineren Schriften vertretenen Einklang von philosophischer und theologischer bzw. kantischer und christlicher Moral in seiner
Theologische[n]
(1793) und der
Christliche[n] Moral
(1797–1804), deren zweiter und dritter Band von Carl Christian Erhard Schmid (1761–1812) besorgt wurden, ausgeführt hat. Kompendiösen Charakter haben sein
Kurzer Abriß der Religions- und Sittenlehre für die christliche Jugend
(1791) sowie das
Lehrbuch der theologischen Moral für Vorlesungen
(1794). Ebenfalls unter dem Einfluss Kants stehen Christoph Friedrich von Ammons (1766–1850)
Die christliche Sittenlehre nach einem wissenschaftlichen Grundrisse zunächst für seine Vorlesungen
(1795) sowie Johann Peter Ludwig Snells (1764–1817)
Critik der Volksmoral für Prediger nach Kantischen Grundsätzen bearbeitet
(1793).
Vogel, Stäudlin
Für Paul Joachim Siegmund Vogel (1753–1834) ist das aus dem
Lehrbuch der christlichen Moral zu akademischen Vorlesungen
(1803) hervorgegangene
Compendium der christlichen Moral zu akademischen Vorlesungen
(1805) zu nennen, aus den unterschiedlichen Arbeiten Karl Friedrich Stäudlins (1761–1826) zur Moral kommen der die Tugendlehre enthaltende erste Teil der
Grundrisse der Tugend- und Religionslehre zu akademischen Vorlesungen für zukünftige Lehrer in der christlichen Kirche
(1798), die
Grundsäze der Moral zu akademischen Vorlesungen für zukünftige Lehrer in der christlichen Kirche
(1800) sowie dessen
Neues Lehrbuch der Moral für Theologen nebst Anleitungen zur Geschichte der Moral und der moralischen Dogmen
(1813) in Frage.
Reinhard
Indem Franz Volkmar Reinhard in seiner Moralkonzeption zum einen auf Begründungen aus der Wolffianischen Tradition zurückgreift, zum anderen aber auch die Lektüre Kants erkennen lässt, markiert sein zweibändiges
System der christlichen Moral
(1788), in späteren Auflagen auf fünf Bände erweitert, einen Übergang. Aufgrund seines Verhaftetseins im Wolffianismus wird Reinhard bisweilen auch als konservativer Aufklärer bezeichnet.
Garve in seiner Schrift über die Moralprincipien alter und neuer Schulen
Christian Garves
Uebersicht der vornehmsten Principien der Sittenlehre, von dem Zeitalter des Aristoteles an bis auf unsre Zeiten
(1798) reicht bis Kant. Zeitnah erschienen auch
Eigene Betrachtungen über die allgemeinsten Grundsätze der Sittenlehre. Ein Anhang zu der Uebersicht der verschiednen Moralsysteme
(1798).
Moralsystem Reinhard's, wovon er den letzten Theil nicht vollenden konnte
S.o.
Eine solche Bearbeitung liegt […] in meinen Plänen für die Zukunft
Den Plan einer christlichen Sittenlehre auf biblischer Grundlage hat Niemeyer nicht mehr umgesetzt.
205
492
.
Noch könnte man als Theile der christlichen
Moral
Moral das ansehen, was
manche
Manche
unter dem Na men der
Casuistik, Ascetik
und
Mystik
begreifen. – Unter dem Namen der
Casuistik
Casuistik
,
Casuistik
oder casuistischen Theologie,
könnte
versteht
man
sich
eine
Anweisung denken, wie
Anweisung,
die göttlichen Gesetze auf vorkommende
einzelne
einzle
Fälle mit
Vorsichtigkeit müßten angewendet werden
Vorsicht anzuwenden
. Weil aber diese weise Anwendung stets in Rücksicht auf die ins Unendliche
verschiedne
verschiedene
Umstände
bey
bei
einzelnen
einzeln
Fällen geschehen muß, so sind der dahin gehörigen allgemeinen
Regeln
Regeln nur so wenige, und sie sind so allgemein, daß sie
bey
bei
der wirklichen Anwendung viel zu unzureichend sind. Und dieses
wenige
Wenige
,
z. B.
über die
Collision
Collision der
Pflichten
Pflichten,
kan
kann
ja in der Moral eben sowohl mit vorgetragen werden, ohne daß man nöthig hat, eine besondere Wissenschaft daraus zu machen. Der beste Unterricht in einer solchen vorsichtigen
Anwendung
Anwendung
Anwendung,
liegt in recht deutlichen und bestimmten Begriffen von unsern Pflichten, in genauer Aufsuchung der Absichten Gottes
bey
bei
besondern Gesetzen
oder ihres
Geistes
im Gegensatz des bloßen Buchstabens
, und in genau bestimmten Gründen, die uns
wozu
zu etwas
verpflichten, wozu hernach eine reifliche
Erwegung
Erwägung
der jedesmaligen Umstände kommen muß. Die fleißige
Uebung
Uebung in praktischer Beobachtung und Beurtheilung
(§.
209
)
nach gedachten Begriffen, Absichten und Gründen; das Studium der moralischen Natur des Menschen und der Geschichte,
(§.
222
);
und die sorgfältige Aufmerksamkeit auf
(freylich
(freilich
nicht häufige)
Beyspiele
Beispiele
von weisen Entscheidungen solcher
einzelnen
einzeln
Fälle, helfen hier weit mehr, als das ängstliche Studium allgemeiner Regeln. Die meisten casuistischen Schriftsteller sprechen mehr nach Herkommen, menschlichem Ansehen und Gutdünken, als nach ge dachten richtigen Grundsätzen und
Beobachtungen,
Beobachtungen;
verlieren sich auch zum Theil so sehr in bloß
abstrakten
abstracten
Speculationen
Speculationen, daß ihre Versuche, der Moral und brauchbaren Entscheidung
einzelner
einzler
Fälle danach, mehr schädlich als nützlich
worden
geworden
sind.
206
493
.
Ascetik
Ascetik
(Uebungslehre)
, als ein Theil der
Moral
Moral genommen, wird 1) bisweilen in weiterm Verstande von der Anweisung verstanden,
tugendhaft
gottselig
zu werden, und sich so zu beweisen. So fern die Moral überhaupt auch von den Mitteln zur
Tugend
Tugend
Gottseligkeit
handelt, und
bey
bei
den
einzelnen
einzeln
Pflichten
Pflichten die beste Art zeigt, wie sie ausgeübt werden müssen (§.
202
489
202.
), macht sie eine
besondre
besondere
Wissenschaft dieser Art entbehrlich. Es ist auch nicht rathsam, sie von der Moral zu trennen, weil gegründete und nicht willkürliche Regeln oder Rathschläge auf deutlichen und bestimmten Begriffen von der wahren
Gottseligkeit
Gottseligkeit und unsern Pflichten beruhen müssen. Gründet man sie darauf nicht – und das scheinen die zu thun, welche Ascetik noch von Moral unterscheiden: – so können ascetische Schriften viel Gutes enthalten, das aber nicht immer allgemein wahr und nützlich
ist; sie legen auch gemeiniglich
ist,
auf zufällige Dinge zu
großen
grossen
Werth
legt
, und
mischen
so
so
so
manches Willkürliche und Irrige mit
ein
einmischt
, daß man sich nicht sicher
auf sie
verlaßen kan
verlassen kann
darauf verlassen kan
, ja oft,
bey
bei
der besten Meinung, zu Ausschweifungen ver leitet wird. – Bisweilen aber unterscheidet man auch
moralische
und
ascetische
Schriften 2) nachdem sie mehr auf Erkenntniß der
Tugend
Gottseligkeit
und
unsrer
unserer
Pflichten, oder mehr auf das Herz und zur Beförderung des Eindrucks jener Erkenntniß arbeiten. –
Beydes
Beides
sollte nicht getrennt werden, obgleich das Eine zunächst mehr der Zweck des Un terrichts seyn könnte, als das
Andre
Andere
. – Manchmal nennt man auch
3)
moralische
Schriften,
Schriften
die, welche mehr durch deutliche Begriffe und Bewegungsgründe, und ascetische, die mehr durch sinnliche Vorstellungen die Gottseligkeit lehren und empfehlen sollen.
Beyderley
Beiderlei
Vortrag
kan
kann
nach Beschaffenheit der
Umstände
Umstände nützlich seyn (§.
175
–
177
462
–
64
175
–
177.
), und müßte billig, so weit es möglich ist, verbunden werden; nur müßte man auch
bey
bei
jedem das nicht aus der Acht
laßen
lassen
, was oben (§.
174
461
174.
) gesagt worden ist. – Wollte man
aber
aber, wie Einige gethan haben,
4)
Ascetik
eine Anweisung zu
einen
einem
Vortrag von der letztern Art
nennen:
nennen,
so würde Ascetik von der
Anweisung zum populären Vortrag
Anweisung zum
populär
populären Vortrag
nicht verschieden seyn.
3)
In der ersten Auflage der
Anweisung
fehlt die Aufzählungszahl „3)“, auf „2)“ folgt „4)“.
207
494
.
Bey
Bei
den schwankenden Begriffen, die man mit dem Wort
Mystik
Mystik
oder
mystische Theologie
verknüpft, scheint es doch, wenn man auf den Gebrauch Acht giebt, den man von diesem Namen macht, und nach diesem einen bestimmten
Begriff
Begriffe
sucht, daß sich diese
verschiedne
verschiedenen
Begriffe auf
drey
drei
zurückführen
laßen.
lassen.
lassen:
1) Eine
Anwei sung, Gott
ähnlich
ähnlich zu werden
Anweisung, Gott ähnlich zu werden
.
Alsdann
Alsdenn
ist sie, wenn es nur von einer sittlichen, nicht physischen, Aehnlichkeit verstanden wird, von der Moral eigentlich nicht verschieden,
ausser
außer
daß man in dieser letztern auch vieles, was recht ist, ohne Beziehung auf
Gott
Gott
betrachten
kan
kann
, und daß gewisse
Pflichten
Pflichten,
z. B.
Erhaltung unsers Lebens durch gesunde Nahrungsmittel und gute Lebensordnung, zwar immer Gottes Willen gemäß seyn müssen, aber in Gott nichts Aehnliches haben.
In einem andern Sinn versteht man darunter
2) Anweisung zu Uebungen überhaupt, wo durch man zu dieser Aehnlichkeit mit Gott gelangen
kan. Alsdenn
kann. Alsdann
wäre sie mit der Ascetik im ersten Verstande (§.
206
493
) einerley
206.
) einerlei
, und ein Theil der Moral. 3) Im eigentlichsten und engsten Verstande aber, eine Anweisung zu solchen Uebungen, wodurch man, vermittelst des unmittelbaren Einflusses Gottes, dem man sich ganz überläßt, ohne ihn durch den Gebrauch
eigner
eigener
Kräfte oder
äusserlicher
äußerlicher
Hülfsmittel zu stören, zur höchst möglichsten
Aehnlichkeit
Aehnlichkeit mit Gott, in Gesinnungen und in Seligkeit, gelangt.
Hiebey
Hierbei
würde
dann
denn
unser Betragen zu diesem Zweck, nicht auf dem Gebrauch und Befolgung weder der
Vernunft
Vernunft, noch der
heil.
Schrift
beruhen,
beruhen;
wenigstens würde, was diese
beyde
beide
uns von Gottes Willen lehren, erst dem Ausspruch
unsrer
unserer
innern Empfindungen unterworfen
werden; welches
werden müssen. Dieß ist
der nächste Weg zur
Schwärmerey
Schwärmerey ist
Schwärmerei
. Da nun die Verwechselung unsrer
Phantasien
Phantasieen
mit unsern
Empfindungen
Empfindungen so leicht ist, und wir
ausser
außer
dem Gebrauch der Vernunft und der
heil.
Schrift schlechterdings kein Mittel haben, Wahres vom Falschen, göttliche Weisheit von menschlicher Thorheit, zu unterscheiden: so mag immerhin die Mystik, oder was man durch ihre Anweisung lernt, viel Schätzbares enthalten, welches, nach der Vernunft und Schrift geprüft, und danach geläutert, uns wenigstens manches Gute eindrücklicher machen
kan,
kann;
aber trüglich bleibt sie
vor
für
sich immer, und verdient ohnehin, da sie nicht auf deutlichen Begriffen beruht,
auf keine Weise
den Namen einer Wissenschaft
nicht
.
Anm.
S.
noch die
Anweisung
zur Kenntniß der theologischen
Bücher
Bücher,
§. 280
f.
{
Mehr über diesen Gegenstand, namentlich die
Mystik unserer
Zeit, im 3ten Theil bei der praktischen Theologie.
D. H.
}
Anweisung zur Kenntniß der theologischen Bücher §. 280 f.
Vgl. I § 43.
Mehr über diesen Gegenstand, namentlich die Mystik unserer Zeit, im 3ten Theil bei der praktischen Theologie
Im dritten Teil der
Anweisung
kommen einzig die Ausführungen zum Begriff der
Salbung
in Frage (vgl. III § 55).
208
495
.
Ehe man zur systematischen Theologie schreitet, ist es zur deutlichen Ueberzeugung nothwendig, vorher eine feste
Ueberzeugung
Ueberzeugung von den Sätzen zu haben, worauf das göttliche
Ansehn
Ansehen
der heiligen Schrift und der darin
enthaltnen
erhaltenen
Lehre sowohl, als der
Glaubwürdigkeit
Glaubwürdigkeit ihrer Geschichte beruht, ohne welche Ueberzeugung die aus der
heil.
Schrift
gezogne
gezogenen
Sätze nicht
können
als sicher angenommen und aufgeklärt werden
können
. Diese vorläufig nothwendigen Sätze müssen also nicht erst aus der
heil.
Schrift, sondern schon
anderwärtsher
aus Betrachtung der Natur
bekannt und erweislich
seyn;
seyn:
und dahin gehört 1)
alles
Alles
, was uns von
Gott
Gott, seinen Eigenschaften, und dem daraus
fließenden
fliessenden
Verhältniß zwischen ihm und
uns aus der Natur
uns, natürlich
bekannt seyn
kan.
kann;
2)
Alles
Alles,
was die Geschichte der
Bibel
Bibel selbst, und der darin
vorgetragnen
vorgetragenen
Lehre angeht, deren gött liches
Ansehn
Ansehen
mit deutlicher Ueberzeugung erkannt werden soll; folglich sowohl die Geschichte der biblischen Bücher, wenigstens der ganzen Sammlung, die wir unter dem Namen der
heil.
Schrift für eine Quelle der göttlichen Wahrheit
ansehn
ansehen
, als auch die Geschichte der darin stufenweise bekannt gemachten göttlichen
Offenbarungen
Offenbarungen. Und da diese
letztre
letztere
meistens und allein recht
zuverläßig
zuverlässig
aus der Bibel selbst geschöpft, das göttliche
Ansehn
Ansehen
dieser Nachrichten aber nicht schon vorausgesetzt werden
kan
kann
: so ist nicht nur eine Kenntniß der
Regeln
Regeln nöthig, wonach die Glaubwürdigkeit dieser Nachrichten
kan
kann
erwiesen werden, sondern wir bedürfen auch historischer Kenntnisse,
wonach sich
um
darthun
laße
lasse
zu können
, daß die in den biblischen Büchern
vorkommende
vorkommenden
Nachrichten von den göttlichen Lehren und ihrer Geschichte, alle Kennzeichen der Glaubwürdigkeit haben.
209
496
.
Jene
natürlich
natürlichen Kenntnisse von
Gott
Gott sind zwar in der natürlichen Theologie
(§.
195
)
enthalten, und die andern vorläufigen historischen Kenntnisse von der
Bibel
Bibel und von ihrer
Geschichte
Geschichte,
findet man in den Büchern, welche die Kritik der heiligen Schrift, oder eine Einleitung in das alte und neue Testament liefern (§.
25.
34
34.
312.
321
und
51
338
51.
); auch pflegt man die nothwendigsten
hieher
hierher
gehörigen Kenntnisse vorläufig
bey
bei
Abhandlung der
dogmatisch
dogmatischen Theologie vorzutragen.
–
Allein in der natürlichen Theologie nimmt man nicht immer Rücksicht auf die Möglichkeit und die Kennzeichen einer nähern göttlichen
Offenbarung
Offenbarung; es
laßen
lassen
sich auch von vorne her zwar wohl Merkmale angeben, woran eine fälschlich
vorgegebne
vorgegebene
Offenbarung erkannt werden
kan
kann
, aber keine
unleugbare
unläugbaren
Kennzeichen, woran eine wirklich wahre Offenbarung zu erkennen
wäre
ist
.
Ueberdies kan
Ueberdieß kann
man diese,
jedem
jeden
Menschen
nothwendige
nothwendigen
, Kenntnisse von
Gott
Gott,
nicht gemeinnützig und anschaulich genug machen, um lebhafte Eindrücke davon zu
befördern,
befördern:
und daher sind Betrachtungen über die sichtbare
Natur
Natur, und die in ihr
unleugbar
unläugbar
herrschende
Ordnung
Ordnung und Absichten sehr nöthig
(§.
197
)
, die unmöglich so in der Kürze vorgelegt werden können, sondern vielmehr ein
besondres
besonderes
Studium erfordern.
–
In den sogenannten Einleitungen in die
heil.
Schrift
Schrift,
oder zur biblischen
Kritik
Kritik, sind entweder, nach ihrer eingeschränkten Absicht, nur die historischen Kenntnisse vorgetragen, ohne eine nähere Anwendung auf das göttliche Ansehen, oder auch nur auf die Glaubwürdigkeit der biblischen Bücher zu machen, oder daraus den
Beweis
Beweis für dieselbe deutlich zu führen; oder dieser Beweis ist mit so weniger Genauigkeit und Discretion geführt, daß man darauf keine
sichere
sichre
Ueberzeugung gründen
kan
kann
.
–
Endlich, wenn man auch den Beweis des göttlichen Ansehens dieser Bücher wohl entbehren
könnte:
könnte,
so ist es doch sehr nöthig, die Vorurtheile wegzuräumen, und die allgemeinen Zweifel zu heben, die man mit
großem
grossem
Schein gegen die biblischen Bücher oder deren Inhalt machen
kan
kann
, als welche weit mehr die wahre Ueber zeugung von ihrem
großen
grossen
Werth hindern, als der Mangel eines Beweises von ihrem göttlichen Ursprung. Denn jene hindern selbst die Aufmerksamkeit auf diese Bücher und deren Gebrauch; ist man aber erst so weit gebracht, daß man sie nur mit
unbefangnem
unbefangenem
Gemüth lieset, betrachtet, und die Probe davon macht, was für selige Folgen aus der Beobachtung ihrer Lehren
entstehn
entstehen
: so rechtfertigt sich
nachher
nachwärts
ihr göttlicher Werth von selbst.
–
Aus allen diesen Ursachen sind
besondere
besondre
Vorlesungen über die
Wahrheit
Wahrheit und den
Werth
Werth der
Religion
Religion und des
Christenthum
Christenthums überhaupt, oder das Studium dahin abzielender Bücher sehr zu
empfehlen; zumahl
empfehlen, zumal
wenn die Umstände der Zeit dergleichen Untersuchungen noch weit nothwendiger machen als
andre
andere
über
besondre
besondere
angebliche Lehren des Christenthums.
Anm.
Die vornehmsten sind in der
Anweisung
etc.
§. 178 bis
197
197.
angeführt.
Anweisung etc. §. 178 bis 197
Vgl. I § 43.
Vierter
Theil
Theil
.
symbolisch
Symbolische Theologie.
210
497
.
Wenn ganze Gesellschaften sich über Lehren der Religion von anders Denkenden getrennt, und diese Lehren, darin sie von andern
abgehn
abgehen
, oder die Vorstellungen, welche sie für die richtigsten über gewisse Lehren halten, in öffentlichen und
feyerlichen
feierlichen
Aufsätzen vorgetragen haben: so nennt man diese Aufsätze
Symbolen
Symbolen
Symbole
oder
Bekenntnißschriften
Bekenntnißschriften
, auch wohl, wenn sie ausführlich sind,
symbolische Bücher
, die also nichts anders
sind
sind,
als Erklärungen einer besondern
Religionspartey
Religionspartey
Religionsparthey
Religionspartei
über das, was sie in der Religion für wahr hält,
vornemlich
vornehmlich
im Widerspruch gegen
andre
andere
von ihr
verschiedne
Parteyen
Partheyen
verschiedene Parteien
.
Anm.
Dergleichen symbolische Schriften sind
alsdann
alsdenn
stets dann
erst für nothwendig befunden worden, wenn sich eine
Partey
Partey
Parthey
Partei
von der andern über gewisse Lehren oder Vorstellungen
zu trennen für nöthig befunden
getrennt
hat, um zu
zeigen
zeigen,
worüber sie sich von ihnen getrennt habe, bisweilen auch mit, um
gehäßige
gehässige
Vorwürfe von Irrthümern von sich abzulehnen. Daher sind solche Schriften nur Zeugnisse von den Lehren einer
Partey
Parthey
Partei
(
Formul. Concord.
p.
570 und 572), auch keinesweges ein Verzeichniß oder Inbegriff aller ihrer
Lehren;
Lehren,
so wenig wie dadurch weitere
Aufklärung
Aufklärung der Lehre gehemmt werden
soll (
s.
soll. (
S.
Nochmalige Hauptvertheidigung des - - Augapfels
Nochmalige Hauptvertheidigung des - - Augapfels
,
Kap.
18).
18.)
Formul. Concord. p. 570 und 572
Zur
Konkordienformel
vgl. II § 83. Die Seitenzahlen beziehen sich vermutlich auf eine Ausgabe des
Konkordienbuches
(vgl. II § 212).
Nochmalige Hauptvertheidigung des - - Augapfels, Kap. 18
Die von Matthias Hoë von Hoënegg (1580–1645) in kurfürstlichem Auftrag verfasste
Nohtwendige Vertheidigung Des heiligen Römischen Reichs Evangelischer Chur-Fürsten und Stände AugApffels. Nemlich der wahren reinen ungeänderten Kayser Carln dem fünfften Höchstlöblichster Gedächtniß Anno 1530 ubergebenen Augspurgischen Confession, und des auff dieselbe gerichteten hochverpoenten ReligionFrieds
(1628) zog eine Reihe von Streitschriften nach sich, so dass eine
Nochmahlige unvermeidenliche und gründliche Haupt-Vertheidigung Des […] Aug-Apffels
(1630) notwendig erschien. Das Bild des Augapfels geht auf Spr 7,2 zurück und wird in den Titeln der Streitschriften in kreativer Weise aufgegriffen (
Brillenputzer, Starenstecher
u.Ä.).
211
498
.
symbolisch
Symbolische Theologie
wird entweder mehr im dogmatischen oder mehr im historischen Ver stande genommen. Im
erstern
Fall würde sie im
weitern Verstande
eine Vorstellung der christlichen Lehre nach den
verschiednen
verschiedenen
Vorstellungen aller christlichen
Parteyen
Partheyen
Parteien
seyn, wenigstens sofern sie diese Vorstellungen in ihren
Bekenntnißschriften
Bekenntnißschriften
geäussert
geäußert
haben.
Dies
Dieß
wäre immer nützlich, ihren Unterschied kennen und danach wählen zu lernen, zu welcher man sich, nach seiner Ueberzeugung, zu halten hätte; wiewohl man diesen Unterschied, nur nicht zu so bequemer Uebersicht, auch in polemischen Büchern findet.
Im engern Verstande
aber wäre sie eine Vorstellung der christlichen Lehre nach den symbolischen Schriften einer gewissen
Kirche
Kirche; und würde sie ausgeführt,
d. i.
der darin gegründete
Lehrbegriff
Lehrbegriff einer Kirche weiter
aus einander
auseinander
gesetzt, und, besonders nach den in solchen symbolischen Schriften selbst
vorgetragnen
vorgetragenen
Beweisen, bestätigt: so würde dergleichen Theologie nichts anders seyn, als theologisches System einer solchen Kirche; nur mit dem Unterschied, daß es kein vollständiges System wäre, weil nicht alle Lehren einer Kirche in symbolischen Büchern vorgetragen werden. (§.
210
497
210.
Anm.
) – Aber gemeiniglich nimmt man
symbolische Theologie
in einem
mehr historischen
Sinn
Sinne
von dem Inbegriff der historischen und Lehrkenntnisse, die zum richtigen Verstande der symbolischen Schriften einer gewissen Kirche erfordert werden. – Im engsten und gewöhnlichsten Sinn heißt sie
bey
bei
uns, in der evangelischen Kirche
augspurgischer
augsburgischer
Confession
Confeßion
, der Inbegriff aller solcher Kenntnisse, die zur Einsicht in den richtigen Verstand des sogenannten
Concordienbuch
Concordienbuchs, wenigstens der fünf ersten Stücke
derselben,
derselben
(der
augspurgischen Confeßion
augsburgischen Konfession
,
ihrer Apologie, der
schmalcaldischen
schmalkaldischen
Artikel und des
größern
grössern
und
kleinern
kleinen
Catechismi
Luther, Martin
Luthers
,)
Katechismi
Luthers
),
gehören. Auf diese
Bedeutung
Andeutung
schränken wir uns hier ein.
Concordienbuchs
Das 1584 auch auf Latein erschienene
Konkordienbuch
(1580) wurde unter dem Titel
Concordia. Christliche, wiederholete, einmütige Bekenntnüs nachbenannter Churfürsten, Fürsten und Stände Augsburgischer Confession und derselben Theologen Lehre und Glaubens
am 50. Jahrestag der Verlesung des Augsburger Bekenntnisses (25.6.1530) veröffentlicht und enthält neben den im Folgenden genannten Texten zudem die drei altkirchlichen Hauptbekenntnisse (
Apostolicum, Nicäno-Konstantinopolitanum, Athanasianum
), als Ergänzung zur
Confessio Augustana
(s.u.) Melanchthons
De potestate et primatu papae tractatus
, die
Konkordienformel
(vgl. II § 83) sowie eine Zusammenstellung altkirchlicher Zeugnisse für die lutherische Christologie (
Catalogus Testimoniorum
). Obgleich das
Konkordienbuch
in einigen Gebieten nicht angenommen und in anderen später wieder für unverbindlich erklärt wurde, stellt es dennoch die verbreitetste Sammlung der lutherischen Bekenntnisschriften dar.
augspurgischen Confeßion
Bei dem im Wesentlichen auf Melanchthon zurückgehenden
Augsburger Bekenntnis
(
Confessio Augustana [CA]
) handelt es sich um die wichtigste Bekenntnisschrift der lutherischen Kirche. Als Karl V. (1500–1558) Anfang 1530 einen Reichstag nach Augsburg einberief, erhofften sich die protestantischen Stände nicht zuletzt vor dem Hintergrund der drohenden Türkengefahr Zugeständnisse des Kaisers. Kurfürst Johann der Beständige von Sachsen (1468–1532) ließ eine theologische Rechtfertigungsschrift für sein religionspolitisches Vorgehen ausarbeiten, die während der Reise nach Augsburg und auch nach der Ankunft weiter umgearbeitet und erweitert wurde. Als Grundlage dienten dabei bereits bestehende Lehrartikel (vgl. II § 212). Da Karl V. jedoch wider Erwarten nicht zu den erhofften Zugeständnissen bereit war, wurde der ursprünglich kursächsische Text auch mit Blick auf die übrigen protestantischen Reichsstände angepasst, so dass es sich nunmehr um ein umfassendes evangelisches Bekenntnis handelte. Der deutsche Text wurde am 25.6.1530 vor dem Kaiser verlesen und anschließend zusammen mit einer lateinischen Fassung übergeben. Das Bekenntnis selbst zerfällt in zwei Hauptteile: die Hauptartikel des protestantischen Glaubens (CA 1–21) und solche Artikel, in denen die von den Protestanten angeprangerten kirchlichen Missbräuche aufgezählt werden (
articuli, in quibus recensentur abusus mutati
) (CA 22–28). Da Melanchthon das Bekenntnis immer wieder redigiert hat, wird zwischen der
Confessio Augustana invariata
(1530) und einer bis in die 1660er Jahre (vgl. II § 212) deutlich breiter rezipierten, den theologischen und konfessionspolitischen Entwicklungen angepassteren
Confessio Augustana variata
(1540) unterschieden, doch fand nicht die
variata
, sondern die
invariata
Aufnahme in die
Konkordienformel
(vgl. II § 83) und damit auch in das
Konkordienbuch
(s.o.).
ihrer Apologie
Da die altgläubige Widerlegung des
Augsburger Bekenntnisses
(s.o.), die sog.
Confutatio
, am 3.8.1530 zwar verlesen, den Protestanten jedoch nicht ausgehändigt wurde, waren Melanchthon u.a. bei der Ausarbeitung der
Apologie
(
Apologia Confessionis Augustanae
) zunächst auf Mitschriften angewiesen. Nachdem Karl V. (1500–1558) die Annahme der
Apologie
verweigert hatte, kam Melanchthon unversehens doch in den Besitz der
Confutatio
und gestaltete den Text der
Apologie
grundlegend um. Ein im Frühjahr 1531 erschienener lateinischer Drucktext (
Quarttext
) wurde von Melanchthon bis zum September 1531 überarbeitet (
Oktavtext
), ein kurz darauf von Justus Jonas verfasster deutscher Text der
Apologie
wurde 1533 von Melanchthon revidiert. Obgleich der
Oktavtext
in der Reformationszeit größere Bedeutung hatte, bot die lateinische Übersetzung des
Konkordienbuches
(1584) (s.o.) wieder den
Quarttext
. Ihrem Entstehungszusammenhang gemäß ist die dem Aufbau der
Confessio Augustana
folgende
Apologie
stark von dem gescheiterten Reichstag zu Augsburg geprägt und reagiert mit aller Schärfe auf die in der
Confutatio
, aber auch auf die in den Augsburger Gesprächen vertretenen altgläubigen Positionen.
schmalcaldischen Artikel
Die Ende 1536 auf Bitte des sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich I. (1503–1554) von Luther verfassten
Schmalkaldischen Artikel
sollten ursprünglich in Sinne eines theologischen Testaments die nach dem Ableben des lebensbedrohlich erkrankten Reformators zu erwartenden innerprotestantischen Lehrstreitigkeiten verhindern. Dringlich wurde die Frage nach einem lutherischen Lehrbekenntnis kurz darauf zusätzlich auch durch die Einberufung eines allgemeinen Konzils in Mantua durch Papst Paul III. (1534–1549), so dass Johann Friedrich I. nun auch Melanchthon, Agricola u.a.m. hinzuzog. Die Anfang 1537 von Luther übersandten und von Melanchthon nur unter Vorbehalt mitgetragenen Artikel wurden dem Schmalkaldischen Bund zur Annahme vorgelegt, jedoch abgelehnt. Melanchthon verfasste daraufhin seinen
De potestate et primatu papae tractatus
, der von der Bundesversammlung angenommen wurde. Verschärft und mit neuem Vorwort veröffentlichte Luther die
Schmalkaldischen Artikel
nun als Privatschrift, die wie Melanchthons Traktat später ins
Konkordienbuch
(s.o.) aufgenommen wurde. Sie enthält deutliche Aussagen über die Opfermesse und das Papsttum, die als Verfehlungen gegen das Amt und die Ehre Christi und daher als Werke des Antichristen dargestellt werden.
größern und kleinern Catechismi Luthers
Der zunächst auf Niederdeutsch, dann auf Hochdeutsch erschienene
Kleine Katechismus
(1529) lag bis zu Luthers Tod in über 60 Ausgaben vor und wurde schnell auch in andere europäische Sprachen übersetzt. Neben der religiösen Kurzunterweisung diente der
Kleine Katechismus
vielfach auch als Lehrbuch für den ersten Lese- und Schreibunterricht. Der umfangreichere, zuerst als
Deudsch Catechismus
erschienene
Große Katechismus
(1529) wird auch als Ersatz für die von Luther nicht in einem eigenen Werk abgehandelte Dogmatik verstanden, Luther selbst hielt ihn neben
De servo arbitrio
für sein gelungenstes Buch. Die inhaltlich v.a. auf Predigten zurückgehenden Katechismen stehen im Zusammenhang der ab 1528 durchgeführten kursächsischen Visitationen und richten sich an Pfarrer und Prediger, aber auch an Hausväter, die Luther, der die Katechismen als Laienbibel verstand, im Hinblick auf die religiöse Erziehung in besonderem Maße in der Pflicht sah. Im Zuge der Bekenntnisbildung und der Aufnahme in das
Konkordienbuch
(s.o.) wurden die katechetisch-seelsorgerlich angelegten Katechismen zu Bekenntnisschriften und damit zur verbindlichen Lehrnorm. Erklärt werden die Zehn Gebote, das Apostolische Glaubensbekenntnis, das Vaterunser sowie Taufe, Beichte und Abendmahl, der
Kleine Katechismus
bietet zusätzlich den Morgen- und Abendsegen, Tischgebete (
Benedicite
und
Gratias
), die Haustafel sowie das Trau- und das Taufbüchlein.
212
499
.
In dieser
symbolisch
symbolischen Theologie
müßte
muß
theils
die Geschichte solcher symbolischen Bücher selbst genau vorgetragen,
theils
ein hinlänglicher und richtiger Commentar über ihren Text gegeben werden. – Jene
müßte
muß
1) von der
Veranlaßung
Veranlassung
, dem Verfasser und den
Zeitumstände
Zeitumständen, unter welchen ein solches Buch abgefaßt ist, eine richtige Vorstellung machen; denn ohne diese
muß
würde
vieles in
dergleichen
einem solchen
Buche unverständlich bleiben, oder falsch erklärt werden, weil es sich auf damalige Zeitumstände, Bedürfnisse, Begriffe, Meinungen und Gewohnheiten bezieht. – Danach schränkt sich auch der Zweck eines
solchen
symbolischen
Buchs ein, dessen Inhalt und
einzelne
einzle
Aeusserungen
Aeußerungen
nur, nach ihrem
Zweck
Zwecke, gewissen damaligen Irrthümern und Sätzen widersprechen, oder den Verdacht derselben ablehnen sollten, folglich auch nur in dem Sinn zu nehmen sind, in welchem sie von
denenjenigen
denen
genommen wurden,
welchen
denen
man wi dersprechen, oder gegen die man sich rechtfertigen wollte. (
z. B.
Augsp.
Z. B. Augsb.
Conf.
Art.
17, und
Art.
7.
Abus.
p.
42
seq.
) – Ist der Verfasser eines solchen Buchs oder sind aus der Geschichte Aufsätze bekannt, woraus
dasselbe
hernach
ein solches Buch
selbst
entstanden ist, oder wodurch es hat sollen
authentisch
avthentisch
erklärt werden: so giebt dieses den besten Aufschluß nicht nur über den Zweck
einzelner
einzler
Theile des
geäusserten
geäußerten
Lehrbegriffs, sondern auch über den wahren Sinn
einzelner
einzler
Sätze und Ausdrücke, wenn man sie nach solchen Aufsätzen und des Verfassers sonst bekannten Begriffen und Sprachgebrauch
nimmt;
nimmt,
wofern nicht durch eine
andre
andere
authentische
avthentische
Erklärung
Erklärung
dererjenigen
derjenigen
, die ein solches Buch zu einem öffentlichen gesetzmäßigen Bekenntniß zu machen das Recht hatten, oder durch den ganzen Geist der Lehre einer solchen
Partey
Partey
Parthey
Partei
, deren Bekenntnißbuch es ist, der Sinn anders bestimmt wird. –
Ausser dem
Außerdem
zeigt auch diese Geschichte, ob und wie weit
ein solches Buch
eine solche Schrift
irgendwo ein symbolisches und verpflichtendes
Ansehn
Ansehen
bekommen habe oder nicht.
Anm.
So
müßte
sollte
von Rechts wegen
bey
bei
Erklärung der
Apogie
Apologie
der
augspurgischen
Augspurger
Confeßion
augsburgischen Confession
nicht nur die
Confutation der
augsp.
augsb.
Conf. von einigen papistischen Theologen, der eigentlich die Apologie entgegengesetzt
ist,
ist
(
s.
Bertram, Joachim Christoph
J. C.
Bertrams
litterarische Abhandlungen
Bertram's
litterar. Abhandlungen,
Stück 4.
S.
116
f.
)
f.),
sondern auch die erste kurze Abfassung derselben auf
dem
den
Reichstag zu
Augspurg 1530, beyde
Augsburg 1530., beide
nach ihren
verschiednen
verschiedenen
Recensionen, verglichen
werden,
werden
(
s.
Bertram, Joachim Christoph
Bertram
Bertram
i. a. B.
Stück 3.
S.
37
f.
)
f.),
und
bey
bei
der
augsp.
augsb.
Confession
Confeßion
die
torgischen Artikel (in
Coelestini hist.
comitiorum
comitiorum,
T.
I.
p.
25.
25
seq.
)
25 seq.),
die
Schwabacher von
1529,
1529.
(in
Luther, Martin
Luthers
Werken der hall.
Ausgabe
Ausgabe,
B.
16.
S.
681)
681),
nebst den
Artikeln des
marpurgischen
marburgischen
Vergleichs (in
Melanchthon, Philipp
Melanchthonis
Consil. lat.
p.
81
82
seq.
) aus der in
Riederer, Johann Bartholomäus
Riederers
Riederer's
Nachrichten zur
Kirchen-
Kirchen-,
Gelehrten- und
Büchergeschichte
Büchergeschichte,
B.
Band
1.
S.
57
f.
angeführten
Ursach
Ursache
; und vornehmlich die so unbillig verachtete sogenannte
veränderte
augsp. Confeßion
augsb. Confession
, die selbst von den
evangelischen Fürsten auf dem Naumburger
Fürstentag 1561
Fürstentage 1561.
für eine „etwas stattlicher und ausführlicher wiederholte Edition“ erklärt, und bis auf die Zeit der Concordienformel eben so
im
in
öffentlichen und gesetzmäßigen Gebrauch gewesen ist, als die sogenannte unveränderte.
Augsp. Conf. Art. 17, und Art. 7. Abus. p. 42 seq.
Zum
Augsburger Bekenntnis
(CA) vgl. II § 211. In Annahme der Lehre vom doppelten Ausgang (vgl. II § 113) verwirft CA 17 die Auffassung der Wiedertäufer, nach der auch den Gottlosen und Teufeln keine ewige Höllenstrafe zuteil werde, sowie jüdische Vorstellungen von der Vertilgung der Gottlosen und der Errichtung eines chiliastischen irdischen Reiches der Frommen noch vor der Auferstehung der Toten. Art. 7 des zweiten, die kirchlichen Missbräuche (
abusus
) aufzählenden Teils (= CA 28) behandelt die Gewalt der Bischöfe (
De potestate ecclesiastica
). Die Seitenzahlen beziehen sich auch hier vermutlich auf eine Ausgabe des
Konkordienbuches
(vgl. II § 210).
Confutation der augsp. Conf. von einigen papistischen Theologen […] die erste kurze Abfassung derselben auf dem Reichstag zu Augspurg 1530
Vgl. II § 211.
J. C. Bertrams litterarische Abhandlungen Stück 4. S. 116 f.
Im vierten und letzten Teil der
Litterarische[n] Abhandlungen
(1781–1783) des halleschen Bibliothekars Joachim Christoph Bertram (1730–1802) ist der Aufsatz
Von catholischen Confutationen der Augspurgischen Confeßion
(aaO 116–158 [V.]) abgedruckt. Dieser Beitrag war zuvor über mehrere Nummern in den
Wöchentliche[n] Hallische[n] Anzeigen
(Jg. 1770) erschienen und hat von hier aus Eingang in die zweite Auflage von Christian Wilhelm Franz Walchs
Breviarium
(vgl. II § 214) gefunden.
Bertram i. a. B. Stück 3. S. 37 f.
Im dritten Teil (1782) der
Litterarische[n] Abhandlungen
(s.o.) findet sich die Untersuchung
Von der Apologie der Augspurgischen Confeßion, und ihren verschiedenen Abfassungen
(aaO 37–190 [II.]). Diese wird im vierten Teil (1783) fortgesetzt (vgl. aaO 1–76 [I.]). Auch diese Ausarbeitung war zunächst über mehrere Nummern in den
Wöchentliche[n] Hallische[n] Anzeigen
(Jg. 1769) erschienen.
torgischen Artikel
Wenige Tage nachdem die Ausschreibung zum Augsburger Reichstag ergangen war, forderte Kurfürst Johann der Beständige von Sachsen (1468–1532) Luther, Melanchthon u.a. auf, ein Gutachten über die Differenzen zwischen Protestanten und Altgläubigen zu erstellen. Über die im Zuge dessen zusammengestellten, v.a. auf Melanchthon zurückgehenden Artikel wurde am 27.3.1530 vor dem Kurfürsten in Torgau beraten, Textgeschichte und -gestalt der ursprünglichen
Torgauer Artikel
konnten bisher jedoch nicht abschließend rekonstruiert werden. Gegen den Wunsch des Kurfürsten gingen die Artikel allein auf die Kirchenbräuche ein, im Hinblick auf die Lehre schienen den Verfassern die ein Jahr zuvor ausgearbeiteten
Schwabacher Artikel
(s.u.) ausreichend zu sein. Die
Torgauer Artikel
finden sich daher v.a. im zweiten Hauptteil des
Augsburger Bekenntnisses
(vgl. II § 211).
Coelestini hist. comitiorum T. I. p. 25. seq.
Die
Torgauer Artikel
sind im ersten der vier Bände von Georg Coelestins (1525–1579)
Historia comitiorum anno 1530 Augustae celebratorum
(1577;
2
1597), 25–28 abgedruckt.
Schwabacher von 1529
Die bereits im Sommer 1529 verfassten und den
Marburger Artikeln
(s.u.) zugrunde liegenden
Schwabacher Artikel
(1529) gehören wie die
Torgauer Artikel
(s.o.) in die direkte Vorgeschichte des
Augsburger Bekenntnisses
(vgl. II § 211). Die von den Wittenberger Theologen verfassten 17
Schwabacher Artikel
sollten auf dem kurz nach dem Marburger Religionsgespräch (1529) stattfindenden Schwabacher Konvent (1529) als dogmatische Grundlage für eine Verständigung der unterschiedlichen protestantischen Positionen dienen, wurden jedoch von Straßburg und Ulm abgelehnt. Als es die Situation in Augsburg für Melanchthon erforderlich machte, die für den Reichstag vorbereitete kursächsische Rechtfertigungsschrift durch Lehrartikel zu ergänzen, zog er zu deren Ausarbeitung die
Schwabacher
, aber auch die
Marburger Artikel
heran. Diese finden sich v.a. im ersten der beiden Hauptteile des
Augsburger Bekenntnisses
wieder.
Luthers Werken der hall. Ausgabe B. 16. S. 681
Die in insgesamt 24 Bänden erschienene Ausgabe
D. Martin Luther's Sämtliche Schriften
(1740–1750) wird nach ihrem Erscheinungsort als
Hallische Ausgabe
bezeichnet, ist nach ihrem in Jena wirkenden Herausgeber Johann Georg Walch (1693–1775) jedoch v.a. als
Walchsche Ausgabe
bekannt geworden. Die
Schwabacher Artikel
finden sich im
Sechzehente[n] Theil, Welcher Die zur Reformationshistorie gehörige Documenten von 1525. bis 1537. enthält, nebst einem Vorbericht von dem Ursprung und Fortgang der Reformation
(1745), 681–686.
Artikeln des marpurgischen Vergleichs
Vgl. II § 113.
Melanchthonis Consil. lat. p. 81 seq.
In Übereinstimmung mit der ersten Auflage der
Anweisung
finden sich die
Marburger Artikel
in den von Melanchthons Schüler Christoph Pezel (1539–1604) besorgten
Philippi Melanchthonis Consilia sive Iudicia theologica
(1600), 82–86.
Riederers Nachrichten zur Kirchen- Gelehrten- und Büchergeschichte B. 1. S. 57 f. angeführten Ursach
Im ersten Band von Johann Bartholomäus Riederers (1720–1771) vierbändigen
Nachrichten zur Kirchen- Gelehrten- und Bücher-Geschichte
(1764–1768) findet sich der Beitrag
Anmerkung von dem Orte und der Zeit, wo und wenn die sogenannten schwabachischen Artickel aufgesetzt und verfertiget worden
(aaO 48–66 [V.]). Riederer identifiziert die
Schwabacher
mit den
Torgauer Artikeln
und argumentiert, dass diese wie die Artikel des Marburger Vergleichs (s.o.) in Marburg verfasst worden sein müssen (vgl. aaO 57–60).
veränderte augsp. Confeßion […] als die sogenannte unveränderte
Zur
Confessio Augustana variata
(1540) bzw.
invariata
(1530) vgl. II § 211.
evangelischen Fürsten auf dem Naumburger Fürstentag 1561 für eine „etwas stattlicher und ausführlicher wiederholte Edition“ erklärt
Auf dem Naumburger Fürstentag (1561) unterzeichneten und bekräftigten die nicht zuletzt vor dem Hintergrund der erneuten Einberufung des Trienter Konzils (vgl. II § 98) um Einheit bemühten evangelischen Stände Augsburger Konfession (vgl. II § 211) die
Confessio Augustana invariata
(1530), genauer die dritte lateinische Oktavausgabe aus dem Jahr 1531. Gleichzeitig erkannten sie die
variata
(1540) mit dem von Melanchthon im Zuge der Konsensverhandlungen der
Wittenberger Konkordie
(vgl. II § 98) offener formulierten Abendmahlsartikel (CA 10) ausdrücklich als Interpretation der
invariata
an. Johann Friedrich II. von Sachsen (1529–1595), genannt der Mittlere, sowie zahlreiche andere Fürsten verweigerten jedoch die Unterschrift, da sie diese Verständigung als eine Verschleierung der Lehrunterschiede auffassten. Das Zitat gibt die Vorrede des Naumburger Fürstentagsabschieds wieder.
213
500
.
Auch
sollte
muß
der Ausleger
symbolisch
symbolischer Bücher 2) der ganzen Kritik derselben wohl kundig seyn, die in unserm Zeitalter durch genauere Untersuchungen eine ganz
andre
andere
Gestalt gewonnen
hat
*)
,
hat,
1
)
weil ein so
großer
grosser
und mannigfaltiger Un terschied zwischen den Originalen unsrer symbolischen Bücher und ihren Uebersetzungen, und zwischen den
verschiednen
verschiedenen
Recensionen der lateinischen und deutschen Ausgaben ist. Denn, obgleich durch die Aufnahme eines gewissen Textes in das
Concordienbuch
Concordienbuch, wenigstens durch die jetzige stete
Beybehaltung
Beibehaltung
dieses Textes in den Ausgaben dieser Sammlung, dieser Text sein bestimmtes
Ansehn
Ansehen
erhalten hat: so bleibt doch immer
–
der Unterschied des Originals und der davon oft sehr
ver schiednen
verschiedenen
Uebersetzungen, die eben sowohl ins Concordienbuch aufgenommen sind; und selbst das Concordienbuch hat nicht in allen unsern Kirchen ein verbindliches Ansehen.
–
Hauptsächlich aber ist diese kritische Kenntniß nützlich,
–
um den Sinn aus andern gleichsinnigen Lesearten zu
erklären
erklären; –
erklären,
um sich nicht unnöthige Mühe mit Vertheidigung oder Vereinigung auffallender Stellen zu geben, wenn diesem Anstößigen durch eine
andre
andere
richtigere Leseart
kan
kann
abgeholfen werden;
–
und um eben sowohl den
Neckereyen
Neckereien
der Gegner dieser Bücher, die auf den
vorgeworfnen
vorgeworfenen
Veränderungen derselben beruhen, zu
begegnen,
begegnen
als
–
die Vorurtheile von dogmatischer Unrichtigkeit der
sogenannten
veränderten
augspurgischen Confeßion
††)
†)
augsburgischen Confession
2
)
abzulegen, oder sie sowohl als unnütze
Wortklauberey
Wortklauberey
Wortklauberei
und Verunglimpfung derer zu verhüten, die nicht jeden Ausdruck und jeden Satz darin billigen.
†)
Anm.
1)
Vornehmlich durch die Kritische Geschichte der
augsp. Confeßion
augsb. Confession
aus archivalischen Nachrichten etc. herausgegeben von
Weber, Georg Gottlieb
Georg Gottlieb Weber
,
Frankf.
Frankfurt
am
Mayn
Main
1783 und
84
in
84.,
2
Theilen in
Theile,
gr.
8
8.
, und die dadurch veranlaßten
Streitschriften, die man meistens in der
allgemeinen
Allgemeinen
deutschen
Bibliothek
Band
Bibliothek, Bd.
60.
S.
60
f.
angezeigt findet.
††)
2)
S.
Apologie
Melanchthon, Philipp
Melanchthons
Melanchthon's
†) Apologie
Melanchthons
von
Strobel, Georg Theodor
Georg Theodor
Srrobel
;
Strobel
,
Nürnberg 1783.
gr.
8.
S.
85
f.
Concordienbuch
Vgl. II § 211.
veränderten augspurgischen Confeßion
Zur
Confessio Augustana variata
vgl. II § 211.
Streitschriften, die man meistens in der allgemeinen deutschen Bibliothek Band 60. S. 60 f. angezeigt findet
In der
Allgemeine[n] deutsche[n] Bibliothek
60 (1785), 60–66 findet sich eine Rezension von Georg Gottlieb Webers (1744–1801) Textausgabe
Augspurgische Confession nach der Urschrift im Reichsarchive. Nebst einer Ehrenrettung Melanchthons
(1781). Diese habe einigen Zweifel erregt und eine literarische Auseinandersetzung ausgelöst (vgl. aaO 66), die im Folgenden über die Besprechung der betreffenden Schriften nachgezeichnet wird (vgl. aaO 66–92). Zu diesen Schriften gehören z.B. Webers zuvor genannte zweibändige
Kritische Geschichte
(1783/1784) sowie eine Replik (1783) Johann Melchior Goezes (1717–1786) auf die in der nachfolgenden Anmerkung genannte
Apologie Melanchthons
(s.u.).
Apologie Melanchthons von Georg Theodor Strobel; Nürnberg 1783. gr. 8. S. 85 f.
In Georg Theodor Strobels (1736–1794)
Apologie Melanchthons wider einige neuere Vorwürfe des Herrn Hauptpastor Götzen zu Hamburg
(1783), 85–122 findet sich das Kapitel
Von Veränderung der Augspurgischen Confession
.
214
501
.
Der Commentar über die
symbolisch
symbolischen Bücher (§.
212
499
212.
) müßte eigentlich nur historisch seyn, weil die Absicht eines
Ausleger
Auslegers derselben nur seyn
kan
kann
, nicht die dogmatische
Wahrheit
Wahrheit, sondern den
Sinn
Sinn dieser Bücher
darzustellen; höchstens kan
darzustellen. Höchstens kann
das
erstre
Erstere
nur
Nebenzweck
Nebenzweck seyn. Wer der
Kirchengeschichte
Kirchengeschichte, der öffentlichen und Privatlehren in der römischen Kirche und ihrer Verfassung, vor der Reformation, besonders aber der Geschichte unsrer Kirche und ihrer Streitigkeiten, vornehmlich mit der römischen Kirche, in dem 16ten Jahrhundert, selbst der Sprachart der damaligen Römischgesinnten und unsrer Theologen jener Zeit, genau kundig, und gewohnt ist,
alles
Alles
nach den damaligen, nicht nach
spätern,
spätern
Zeitumständen zu erklären: der wird allein im Stande seyn, diese Bücher richtig und verständlich zu erklären.
Anm.
Noch immer fehlt es an einem Buche, das diesen Forderungen ein hinlängliches Genüge leistete, worin auf alles dasjenige wirklich Rücksicht genommen wäre, was aus der
Geschichte
Geschichte der
christl.
Kirche und Lehre, besonders aus der Geschichte, Verfassung und Lehre der römischen Kirche, vornehmlich wie sie
bey
bei
dem Ursprung der Protestanten war, und aus der Geschichte der evangelischen Kirche selbst, ein historisches Licht auf die symbolischen Bücher der
augsp. Confeßions-Verwandten
augsb. Confessions-Verwandten
überhaupt,
nnd
und
einzelne Stellen insbesondere, werfen könnte. Wenn man auch den Verfassern solcher Erläuterungsschriften den Mangel
eigner
eigener
Untersuchung in diesem Stück nachsieht: so ist, selbst in den neuesten Schriften dieser Art, nicht einmal das schon Vorgearbeitete benutzt worden.
Bey
Bei
diesem Mangel muß man sich mit dem behelfen, was da ist, und wir haben noch nichts Besseres, als, unter den kleinern Schriften,
Walch, Christian Wilhelm Franz
C. G. F. Walchii
Bre viarium theolog. symbol. Eccles. Lutheranae, nach der vermehrtern
Aufl.
Göttingen
1781
in 8
1781. 8.
, wie unter den größern
Carpzov, Johann Benedict
Jo.
Io.
Bened. Carpzovii
Isagoge in librr. Ecclesiar. Lutheran. symbolicos,
Edit.
3. Lips.
1699
in
1699.
4. und
Walch, Johann Georg
Jo.
Io.
Ge. Walchii
Introductio in librr. Eccl. Luth. symbolic. Jenae
1732
in
1732.
4. Das Uebrige muß man sich nach und nach selbst dazu
sammlen
sammeln
.
{Hiermit vergleiche man
Planck, Gottlieb Jakob
C. J. Plank's
Abriß einer historischen und vergleichenden Darstellung der dogmatischen Systeme, Göttingen 1804.,
und
Marheineke, Philipp Konrad
P. K. Marheinecke
christliche Symbolik, Heidelberg 1810.,
und
Weber, Michael
M. Weber
libri symbolici eccles. ev. luther., Wittenb. 1809.
}
C. J. Plank's Abriß einer historischen und vergleichenden Darstellung der dogmatischen Systeme, Göttingen 1804
Der Name des Autors lautet Gottlieb Jakob Planck (1751–1833). Außerdem handelt es sich um die zweite Auflage.
P. K. Marheinecke christliche Symbolik, Heidelberg 1810
1810 sind die ersten beiden Bände dieses Werkes erschienen, 1813 folgte ein dritter Band.
215
502
.
Da es übrigens die
Pflicht
Pflicht eines jeden Gliedes einer Kirche, so weit es die Fähigkeit, hierin selbst zu urtheilen, hat, vorzüglich die Pflicht eines öffentlichen
Lehrer
Lehrers in derselben ist, diejenigen Lehren oder Vorstellungen zu kennen, wodurch sich diese Kirche von andern unterscheidet, um von denselben und der Ursach, warum er sich zu dieser Kirche bekennt, Rechenschaft geben zu können; –
überdies
überdieß
in den meisten Kirchen öffentliche Lehrer auf diese Bücher verpflichtet werden, und sie ohne Gewissenlosigkeit diese
Verpflichtung
Verpflichtung nicht übernehmen können, wenn sie dieser Bücher oder ihres Verstandes nicht kundig sind; –
und
auch endlich
es eben so zu den Pflichten derselben gehört, die Rechte im Lehrvortrag nicht von Andern unbefugter Weise einschränken, oder sich Lehren auflegen zu
laßen
lassen
, die in diesen Büchern nicht bestimmt sind: so bedarf es keiner Weitläufigkeit, zu zeigen, daß und warum, wenigstens für einen Lehrer unsrer Kirche, das Studium dieser Bücher und der symbolischen Theologie nöthig
sey
sei
.
Anweisung zur Bildung angehender Theologen,
von
D.
Nösselt, Johann August
Johann August Nösselt
.
Dritter und letzter Band.
Zweyte vermehrte und verbesserte Auflage.
Halle, bey
Curt, Johann Jacob
Joh. Jac. Curts
Wittwe
.
1791.
Anweisung zur Bildung angehender Theologen,
von
D.
Nösselt, Johann August
Johann August Nösselt
.
Dritter und letzter Theil.
Halle, bey
Curt, Johann Jacob
Joh. Jac. Curts
Wittwe.
1789.
Anweisung zur Bildung angehender Theologen,
von
Nösselt, Johann August
Johann August Nösselt
,
weil.
Königl.
Preußischem Geheimderath, Doctor und Professor der Theologie zu Halle.
Herausgegeben und mit Anmerkungen, literarischen Zusätzen und Ergänzungen begleitet von
D.
Niemeyer, August Hermann
August Hermann Niemeyer
,
Königl.
Preuß.
Oberkonsistorialrath, Kanzler und Professor der Theo- logie auf der vereinigten Friedrichsuniversität Halle und Wittenberg, Director der Frankischen Stiftungen, auch Ritter des rothen Adlerordens dritter Klasse.
Dritter Band.
Dritte Auflage.
Halle, im Verlage der
Curt, Johann Jacob
Curtschen
Buchhandlung.
1819.
Vorrede.
Hier liefere ich den Beschluß meiner Anweisung zur Bildung angehender Theologen, in der ich meine Beobachtungen, Begriffe und Vorschläge über das Studium der Theologie, die ich bey vieljähriger Erfahrung und öfterer Prüfung bewährt fand, so weit zusammengedrängt habe, als sie sich mir wieder unter dem Schreiben darstelleten, und wie ich sie für angehende Studierende, oder vielmehr überhaupt bey wahrhaftig nützlicher Beschäftigung mit den dahin gehörigen Wissenschaften zuträglich hielt. Denn, obgleich meine Absicht eigentlich auf diejenigen ging, die sich auf Universitäten diesen Wissenschaften widmen: so wünsche ich doch zugleich auch Andern nützlich zu werden, denen, wenn sie gleich schon in Aemtern stehen, Manches neu oder in ein neues Licht gestellet scheinen möchte, was ihnen hoffentlich auch noch jetzt erst willkommen seyn düfte, zumal wenn sie es in
diesem
Buche, nach dem Titel, nicht erwartet hätten. Nur, eben deswegen, weil vieles hier bloß beyläufig, oft kaum mit einem oder zwey Worten, gesagt ist, und weil ich fürchten muß, bisweilen, wegen der geflissentlichen Kürze, nicht gleich verstanden zu werden, eben deswegen wünsche ich mir zugleich aufmerksame und bedächtige Leser, denen die Mühe nicht dauret, auch bisweilen bey einzelnen Worten mit ihrem Nachdenken zu verweilen.
Vielleicht kommt Manchem das, was ich in diesem Theile über die grossen Schwierigkeiten bey guten und ihrer völligen Absicht entsprechenden
Predigten
Predigten, sowohl als über ihre diesem Zweck förderliche Einrichtung gesagt habe, überflüßig oder zu weitläuftig vor. Mir nicht; weil ich weiß, daß die Meisten gerade mit dem, was ihnen am bekanntesten seyn sollte, am wenigsten bekannt sind. Der Leser, dem diese Sache wichtig ist, und dem die grossen, seligen und traurigen, Folgen würdiger und unwürdiger Predigten lebhaft vor Augen schweben, mag selbst darüber richten. Ich werde mich für sehr reichlich belohnet halten, wenn ich irgend einige dadurch sollte auf eine Sache aufmerksamer gemacht haben, die keinem, dem Christenthum und Wohl der Menschen am Herzen liegt, gleichgültig seyn sollte. Halle, den 7ten des Mayes 1789.
Vorrede des Herausgebers.
Der
dritte Theil
dieser Schrift ist recht eigentlich für künftige
Religionslehrer
Religionslehrer bestimmt. Aber auch die, welche schon im Amte sind, werden noch sehr vieles zu ihrer Belehrung und Ermunterung darin finden. Mehrere Abschnitte scheint der
sel.
Verfasser mit besonderer Vorliebe gearbeitet zu haben. Daraus erklärt sich die Ausführlichkeit, womit er manche Materien behandelt, welche man kaum in einer Schrift dieser Art erwarten konnte, namentlich was er über die
Meditation
und
Abfassung der
Predigten
Predigten
erinnert hat, ohne gleichwohl, wie er selbst äußert, die Absicht zu haben, homiletische Regeln geben zu wollen. Ganz vorzüglich aber spricht sich seine Gesinnung in dem aus, was er über die
Bestimmung der Universitäten
sagt, von welchen er eine sehr hohe Meinung hatte, und eben daher auch unter die warmen Vertheidiger ihrer Rechte und Freiheiten gehörte. Wenn man seine, bereits in der
Vorrede
zum ersten Theil von mir erwähnte,
Lebensbeschreibung
, und mehrere derselben beigefügte schriftliche Aufsätze über diesen Gegenstand, namentlich
Th.
2.
S.
117 und 134 vergleicht, so wird man darin die hier nur kurz berührten Ideen und Ueberzeugungen noch weit genauer und stärker ausgeführt finden.
Zu
literarischen
Berichtigungen und Zusätzen hat übrigens auch dieser Theil sehr häufig Veranlassung gegeben, wobei ich mich jedoch gehütet habe, so manches zu nennen, was höchstens einen temporären Werth gehabt hat. Einzelne Zusätze habe ich, häufiger als bei den vorigen Theilen, gleich dem Texte eingeschaltet, ohne sie besonders bemerklich zu machen. Nur längere Anmerkungen und Ergänzungen sind von den eigenen Worten des Verfassers unterschieden worden.
Möge denn aufs neue diese Schrift, welche schon so viel Gutes gestiftet, und so manchen Studierenden auf den rechten Weg geleitet hat, ferner segenvoll wirken! Sie unterscheidet sich von ähnlichen
encyklopädisch
encyklopädisch-methodologischen
Werken, besonders durch den
praktisch
praktischen Geist
, der sie in allen ihren Theilen durchdringt. Denn das gehörte zu dem Eigenthümlichen ihres Verfassers, daß er, bei der hohen Werthschätzung echter und gründlicher Gelehrsamkeit, und bei dem unablässigen Streben nach Erweiterung seiner eigenen so reichen Kenntnisse, nie die
Hauptsache
aller menschlichen Bildung aus dem Auge verlor, nie die Cultur des
Gemüths
von der Cultur des
Verstandes
getrennt wissen wollte. Ein
wahrhaft religiöser Sinn
war und blieb ihm doch immer die Haupteigenschaft des Theologen, und er übersah vieles an denen, oder wußte es wenigstens mild zu entschuldigen, bei welchen er nur den guten Willen und die reine Liebe zur Wahrheit nicht vermißte.
Oft habe ich bei der Revision seines Werks den vollendeten Mann mir nahe gewünscht; oft mich gefragt, wie er über den gegenwärtigen Zustand der Kirche urtheilen, was er hoffen, was er fürchten würde. Doch er ist den Kämpfen entrückt, die nicht aufhören werden, so lange noch Gutes und Böses, Licht und Finsterniß neben einander steht. Er gehört einer höheren Gemeinde an, in welcher ihm wohl sehr vieles, was uns wichtig dünkt, und worüber wir uns bald selbst beunruhigen, bald leidenschaftlich mit Andern kämpfen, in einem ganz andern Lichte erscheinen mag.
Halle, den 25. April 1819.
Vorrede zum ersten Theil von mir erwähnte, Lebensbeschreibung […] namentlich Th. 2. S. 117 und 134
Im zweiten Band von Niemeyers Nösselt-Biographie (vgl. Vorrede Hg. c XIf.) finden sich
Nösselts Ansichten der Bestimmung und der Würde der Universitäten
(aaO II, 117–140 [VI.]), die beispielhaft aus dessen
Vorstellung des akademischen Senats an S. K. Maj. die Befreyung der Universität von der Aufsicht des Oberschulcollegiums betreffend
(aaO II, 117–134) sowie einem
Auszug aus einem zweyten Bericht vom Jahre 1801
(aaO II, 134–140) hervorgehen sollen.
Zu literarischen Berichtigungen und Zusätzen […] Nur längere Anmerkungen und Ergänzungen sind von den eigenen Worten des Verfassers unterschieden worden
Vgl. Vorrede Hg. c IVf.
Inhalt des ganzen Buchs.
Einleitung. 1) Würdiger Begriff von einem Theologen. Daher: von Vortreflichkeit der Religion §.
1.
Gemeine, philosophische und gelehrte Kenntniß derselben §.
2
und
3.
Nutzen, Nothwendigkeit und Unschuld der Gelehrsamkeit in Absicht auf Religion, §.
4
–
14.
Nothwendigkeit des geistlichen Standes, §.
15
–
19.
2) Vorbereitung zu diesem Stand,
20.
Nöthige Wissenschaften dazu,
21
–
27.
Ausschweifende, zu weit getriebne und gar zu geringe Forderungen, besonders übelverstandne und übelangebrachte Begriffe von gemeinnützigen Studien,
28
–
41.
3) Nutzen einer allgemeinern Anleitung zum theologischen Studium,
42
–
50.
4) Dahin einschlagende Bücher,
51.
5) Entwurf der folgenden Abhandlung,
52.
Erster Theil.
Von den Vorbereitungs- und Hülfswissenschaften der Theologie.
Einleitung. Wissenschaften und Bücher, die dahin gehören
53.
54.
Erster Abschnitt. Philologie.
Begriff davon
55.
Vorurtheile gegen das Sprachstudium und grosser Einfluß der Sprachkenntniß,
56
–
67.
Nothwendigkeit des Studiums der Sprachregeln,
68
–
70.
Lesung guter Schriften in einer Sprache. Ihre Nothwendigkeit,
71.
Wie man sie, in Rücksicht auf Sprache lesen müsse,
72.
Kritik,
73
–
75.
Worauf zu sehen sey, um solche Schriften verstehen zu lernen
76
–
81
, um dadurch den Verstand, den Geschmack und das Herz zu bilden,
82
–
86.
Uebungen in der Sprache: im Uebersetzen, Schreiben und Sprechen,
87
–
89.
Bücher zur Kritik,
90.
Welche Sprachen am nöthigsten und warum?
91.
Studium der deutschen Sprache,
92
–
103.
anderer lebenden Sprachen
104
, der alten, lateinischen und griechischen, oder der Humaniorum, (besonders: grosser Nutzen der alten Claßiker und Apologie der lateinischen Sprache)
105
–
149
, und der morgenländischen Sprachen,
150
–
165.
Zweyter Abschnitt. Philosophie.
Begriff davon,
166
–
170.
Nutzen
171.
Abtheilung derselben 1) nach den verschiednen Gegenständen. Speculative und praktische Philosophie. Logik. Metaphysik and deren Theile. Theile der praktischen Philosophie,
172
–
205.
2) Nach der verschiednen Art, wie darin untersucht wird. Wissenschaftliche und populäre Philosophie. Darstellung ihrer beyderseitigen Vortheile,
206
–
214.
Erfordernisse zum Studium der Philosophie und Kenntniß ihrer Schriftsteller,
215
–
216.
Geschichte der Philosophie,
217
–
218.
Dritter Abschnitt: Geschichte und schöne Wissenschaften.
1) Geschichte. Begriff,
220.
Ihr grosser Nutzen,
221
–
224.
Ihre Eigenschaften, wenn sie recht nützlich werden soll.
225
–
228.
Abtheilung derselben. Beste Art sie zu studieren,
229
–
246.
Litterärgeschichte, ihre Theile, Nutzen und vortheilhafteste Art sie zu treiben,
247
–
263.
2) Schöne Wissenschaften. Begriff und Zweck derselben
264
und
265.
Dicht- und Redekunst,
266
und
267.
Nutzen des Studiums der schönen Wissenschaften
268
–
273
, besonders für den Gelehrten und den Lehrer der Religion,
274
–
276.
Wie weit diesem dieses Studium zu empfehlen sey,
277
–
279.
Wie sie sollten getrieben werden,
280
–
287.
Zweyter Theil.
Von den eigentlich theologischen Wissenschaften.
Begrif der
Theologie
,
288
–
291.
Exegetische Theologie.
Nothwendigkeit, die Bibel, und zwar mit eignem Fleisse, zu studiren. Besondre Apologie ihrer historischen Theile,
292
–
306.
Vielfältige Kenntnisse, die dazu gehören,
307
–
310.
1) Biblische Kritik, deren Nothwendigkeit und grosse Schwierigkeiten.
311
–
322.
2) Biblische Exegetik
323.
Nothwendigkeit a) der Sprachenkenntnisse dabey,
324.
b) der historischen Kenntnisse
325
–
339.
Gelegentliche Wegräumung des Mißbrauchs der Göttlichkeit der biblischen Bücher
329
–
333.
Von der sogenannten Kirchengeschichte des alten Testaments,
339.
c) Nothwendigkeit der Auslegungsregeln und der biblischen Hermenevtik,
340
–
343.
4) Uebung in Erklärung der
heil.
Schrift,
344
–
347.
a) Rechte Wahl und Benutzung cursorischer und exegetischer Vorlesungen, guter Scholien und Commentarien,
348
–
351.
b) Eigene Uebungen
352
, um den Verstand der
heil.
Schrift zu finden
353
–
360
, und um sie zur Erbauung anzuwenden
361
bis
364.
Historische Theologie.
Begrif von derselben oder von der Geschichte der Religion, und ihrem Nutzen,
365
–
368.
Begrif von der Geschichte der christlichen Kirche
369
und
70.
Darstellung des Nutzens dieses Studiums
371.
in Rücksicht sowohl auf alle Theile der Theologie
372
–
81
, als auf die Bildung des Charakters eines Lehrers der Religion
382
–
385.
Nothwendigkeit ausführlicher Vorlesungen darüber
386.
Vorschläge wegen der Schwierigkeiten bey diesem Studium
387
–
389
, und Regeln wenn man sie selbst studieren wolle,
390
–
396.
Studium der einzelnen Theile dieser Geschichte
397
, der Geschichte der Schicksale des Christenthums und der christlichen Kirche
398
, der Geschichte der christlichen Lehre
399
flgg.
und der sogenannten Patristik
402
–
407.
, der theologischen Wissenschaften
408
, der Religionspartheyen
409
bis
411
, und der christlichen Kirchenverfassung oder der sogenannten Alterthümer,
412
–
418.
Systematische Theologie.
Entwickelung ihres Ursprungs und Begriffs,
419
–
424.
Ihre grossen Vortheile,
425
–
428.
Vertheidigung derselben gegen den Vorwurf der daraus entstandenen Uebel,
429
–
431.
und Regeln diesen Uebeln vorzubauen durch einen Versuch, dasjenige aus einander zu setzen, was erfordert wird, 1) aus der
heil.
Schrift die Hauptbegriffe und Hauptsätze der christlichen Lehre mit Vor sichtigkeit aufzufinden
432
–
442
, und 2) darauf einen zusammenhängenden Lehrbegrif zu bauen
443
, durch Verbindung dieser Begriffe und Sätze mit einander
444
, und durch Bestimmung, Aufklärung und Befestigung des einen durch den andern, nach den verschiednen Absichten, Kräften und Bedürfnissen eines jeden
445
–
451.
Wie man Anderer Vorstellungen davon benutzen
452
und
453.
und wie selbst untersuchen müsse?
454
und
455.
Immer mehrere Verbesserung dieses Systems und genauere Bestimmung des Begriffs von dem, was
Praktisch
ist
456.
Vertheidigung der sogenannten Schulsprache in der Theologie,
457
bis
460.
Unterschied der systematischen Theologie 1) nach der Verschiedenheit des Vortrags. Unterschied der
gelehrten
und
populären
oder
katechetischen Theologie
461.
Beyderseitiger Nutzen
462
–
464.
Apologie der gelehrten Theologie
465
und
466.
Unterschied der gelehrten und sogenannten biblischen Theologie
467
–
472.
2) nach den verschiednen Arten der Lehren
473
und
474.
Dogmatische
Theologie, ihr Umfang, Nutzen und rechtes Studium
475
–
477
;
Polemik
oder
elenchtische Theologie
, nach eben diesen Rücksichten
478
–
485
; und
christliche Moral
, auf eben diese Art,
486
–
491.
Bey der letzten gelegentlich von
Casuistik
492
,
Ascetik
493
, und
Mystik
494.
Zuletzt, von der vor dem Studium der systematischen Theologie nöthigen Ueberzeugung von dem göttlichen Ansehen der
heil.
Schrift und der darin enthaltnen Lehre und Geschichte,
495
–
496.
Symbolische Theologie,
497
–
502.
Dritter Theil.
Von der Anweisung zur rechten Führung des Amtes eines Lehrers der Religion.
Einleitung. Nothwendigkeit der rechten Anwendung der Religionskenntnisse eines Lehrers zu Andrer Besten
503
–
507.
Dahin gehörige Wissenschaften
508
–
514.
Homiletik und Katechetik.
1) Vorstellung der so wenig erkannten Wichtigkeit und der Schwierigkeiten des erbaulichen (homiletischen oder katechetischen) Vortrags
515
–
522.
, so fern sie in der Natur eines solchen Vortrags
523
–
527.
, in den Mängeln des Predigers selbst und den Bedürfnissen seiner Zuhörer
528
–
530.
; und in unsern öffentlichen Einrichtungen liegen
531
und
532.
2) Wie der erbauliche Vortrag müsse beschaffen seyn?
533.
Was dazu gehöre, wenn der Vortrag
belehren
533
–
536.
,
überzeugen
537
–
543.
,
rühren
544
–
549.
, und (welches zu diesem letzten mit gehört)
beruhigen
soll
550
–
555.
, mit nähern Vorschlägen, was man thun müsse, um ihm diese Eigenschaften zu geben? Wie man die guten Eindrücke dauerhaft machen könne?
556
–
558.
3) Hülfsmittel dazu. Ob und wie fern der besondere Unterricht der Homiletik und Katechetik dazu nöthig sey?
559
, desgleichen gute Muster, und wie sie zu gebrauchen?
560
und
561
; was bey der eignen Uebung darin zu thun sey?
562
–
69.
Pastoraltheologie und Kirchenrecht.
1) Pastoraltheologie. Nothwendigkeit der Seelsorge und des daher nothwendigen gewissenhaften und übrigen Betragens eines Lehrers,
570
–
575.
Wie fern, was dazu nöthig ist, aus Kirchenordnungen, eigner Erfahrung und Belehrung anderer erfahrnen und verständigen Geistlichen zu lernen sey, und was diese letztre für Eigenschaften besitzen müßten, auch von dahin gehörigen Schriften,
576
–
581.
2) Kirchenrecht. Begrif davon
582
und
583.
Verschiedne Arten des Kirchenrechts
584
und
585.
Wie fern es für einen Geistlichen nothwendig sey, das Kirchenrecht und dessen verschiedne Arten kennen zu lernen
586
–
589
Quellen desselben und Hülfsmittel
590
–
592.
Vierter Theil.
Fähigkeiten eines künftigen Lehrers der Religion und allgemeinere Anstalten und Uebungen um sich dazu zu bilden.
Nothwendigkeit dieser Untersuchung,
593
–
595.
1) Fähigkeiten
596
und
597.
a) Kräfte: der Seele, die dazu erfordert werden, nebst einer Anzeige der Kennzeichen, wornach man sich prüfen könne, ob man sie besitze,
598
–
607.
Verschiedenes Maaß derselben, was, nach Verschiedenheit der Bestimmung eines Lehrers, erfordert wird,
608
und
609.
Kräfte des Körpers,
610.
Gabe sich wohl auszudrücken,
611.
b) Nothwendige Gemüthsfassung und Eigenschaften des Charakters, deren Nothwendigkeit und Kennzeichen,
612
–
618.
2) Anstalten und Uebungen. Zweck und grosser Nutzen der Universitäten, deren Abgang der gute Kopf, gelehrter Umgang, Schulen und Lectüre nicht hinlänglich ersetzen können,
619
–
629.
Nöthige Vorerkenntnisse, die man dahin mitbringen muß
630.
Vorsichtige und kluge Wahl der Vorlesungen die man hören will,
631
–
633.
und der Lehrer, nebst deren erfoderlichen Eigenschaften,
634
–
639.
Verhütung der blinden Anhänglichkeit und des zu wenigen Vertrauens gegen die Lehrer
640
und
641.
Rechte Benutzung ihres öffentlichen Unterrichts, allgemeineres und besonderes Verhalten in Absicht auf ihre Vorlesungen,
642
–
651.
Benutzung ihres Umgangs
652
und
653.
Eigner Fleiß
654.
Rechte Eintheilung seiner Zeit
655.
Uebungen in eignen Aufsätzen
656.
, in Gesellschaft seines gleichen
657.
und in vorsichtiger und nützlichzer Lesung der Bücher
658
und
659.
Beste Art, das Merkwürdigste aus diesen zu excerpiren
660.
325–339
Gemeint ist II § 325–329.
Inhalt des dritten Theils.
Von der Anweisung zur rechten Führung des Amtes eines Lehrers der Religion.
Einleitung.
Nothwendigkeit der rechten Anwendung der Religionskenntnisse eines Lehrers zu Anderer Besten
1
–
5.
Dahin gehörige Wissenschaften überhaupt
6
–
12.
Erster Abschnitt. Homiletik
und
Katechetik.
I. Vorstellung der so wenig erkannten Wichtigkeit und der Schwierigkeiten des erbaulichen (homiletischen und katechetischen) Vortrags
13
–
20
, so fern sie
1. in der Natur eines solchen Vortrags und den daraus entstehenden Erfordernissen auf Seiten des Lehrers selbst liegen
21
–
25.
2. in dem Mangel derselben bei dem Lehrer, oder in der Beschaffenheit der Zuhörer
26
–
28.
3. in unserer ganzen Erziehungsart und Verfassung
29.
30.
II. Wie der
erbauliche
Vortrag müsse beschaffen seyn,
1. überhaupt
31.
2. Was dazu gehöre, wenn der Vortrag wirklich
a.
belehren
32
–
34.
b.
überzeugen
35.
oder die Lehren gegründet
36.
, interessant
37
–
40
, und ausführbar darstellen soll
41.
c. wenn er
rühren
42.
43.
,
d. i.
sowohl
bessern
44
–
47.
, als
beruhigen
soll
48
–
53.
mit Vorschlägen, alles dieses zu bewirken.
d. Wie man die gemachten guten Eindrücke könne dauerhaft machen
54
–
56.
III. Hülfsmittel zu einem solchen Vortrage.
1. Wie fern der Unterricht in der Homiletik und Katechetik nöthig sei
57.
2. und der Gebrauch guter Muster. Regeln bei diesem Gebrauch
58.
59.
3. Was bei der eigenen Uebung darin zu thun sei
60
–
67.
Zweiter Abschnitt. Pastoraltheologie
und
Kirchenrecht.
I.
Pastoraltheologie.
1. Nothwendigkeit der Seelsorge und des selbst daher nothwendigen gewissenhaften und klugen Betragens eines Lehrers
68
–
73.
2. Wie man die dazu nöthigen Kenntnisse erlange. Gebrauch der Kirchenordnungen; eigene Erfahrung; Belehrung von andern erfahrenen und verständigen Geistlichen. Was diese letztere müßten für Eigenschaften besitzen. Hieher gehörige Schriften
74
–
79.
II.
Kirchenrecht.
1. Begriff davon
80.
81.
2. Verschiedene Arten desselben
82.
83.
3. Wie fern das Studium desselben einem Lehrer der Religion nöthig sei
84
–
87.
4. Quellen und Hülfsmittel desselben
88
–
90.
Vierter Theil.
Von den Fähigkeiten eines künftigen Lehrers der Religion, und allgemeinen Anstalten und Uebungen, um sich dazu zu bilden.
Einleitung.
Nothwendigkeit dieser Untersuchung
91
–
93.
Erster Abschnitt. Fähigkeiten eines künftigen Lehrers der Religion.
I. Begriff und Arten derselben überhaupt
94.
95.
II. insbesondere.
1. Natürliche Fähigkeiten.
a. Kräfte der Seele, ihr Einfluß, nebst einer Anweisung, wie man sich prüfen könne, ob und in wie fern man eine jede derselben besitze
96
–
105.
Verschiedenes Maaß derselben, welches nach Verschiedenheit der Bestimmung eines Lehrers erfodert wird
106.
107.
b. des Körpers
108.
c. Gabe, sich wohl auszudrucken
109.
2. Nothwendige Gemüthsfassung und Eigenschaften des Charakters, deren Nothwendigkeit und Kennzeichen
110
–
116.
Zweiter Abschnitt. Allgemeinere Anstalten und Uebungen zur Bildung eines Lehrers der Religion.
I. Universitäten
1. und deren Zweck
117.
118.
2. Ihre großen Vortheile, deren Abgang weder der gute Kopf, noch der gelehrte Umgang, noch Schulen, noch Lectüre, hinlänglich ersetzen können
119
–
127.
3. Ihre rechte Benutzung.
a. Nöthige Vorerkenntnisse, die man dahin mitbringen sollte
128.
b. Kluge Wahl der Vorlesungen
129
–
131.
c. und der Lehrer.
α
) Eigenschaften, worauf man bei ihnen zu sehen hat
132
–
137.
β
) Verhütung der blinden Anhänglichkeit und des zu wenigen Vertrauens gegen sie,
138.
139.
γ
) Benutzung ihres öffentlichen Unterrichts. Regeln zur nützlichen Anhörung ihrer Vorlesungen
140
–
149.
δ
) Benutzung ihres Umgangs
150.
151.
II. Privatfleiß
152.
und dazu nöthige Vertheilung der Zeit
153.
1.
Eigeues
Nachdenken, Nachforschen und Ausarbeitungen
154.
2. Gelehrte Uebungen in Gesellschaft unsers gleichen
155.
3. Lesen gelehrter Schriften. Regeln dabei und zum nützlichen Excerpiren
156
–
158.
Anweisung zur Bildung angehender Theologen. Dritter Theil.
Dritter Theil. Von der Anweisung zur rechten Führung des
Amt
Amtes eines Lehrers der Religion.
1
503
.
Wenn wir den Absichten Gottes in der Welt und
unsrer
unserer
Pflicht
Pflicht kein Genüge thun, ohne die
höchst-möglichste
treueste
Anwendung
unsrer
unserer
Kenntnisse und Kräfte
zu Andrer
Besten;
Besten,
eben sowohl zum Besten Anderer als zu unserer eigenen vollkommneren Ausbildung;
und wenn es ganz eigentlich die Absicht
desjenigen
des
Standes ist, dem sich ein
Lehrer
Lehrer der Religion widmet, Menschen durch die wirksamste Empfehlung der
Religion
Religion glücklich zu machen (
Theil 1.
§.
16
f.
): so muß es einem solchen Lehrer eben so theure Pflicht seyn, sich die Geschicklichkeit zu erwerben,
bey
bei
Andern richtige und überzeugende Kenntnisse der Religion, und eine dieser
gemäße
gemässe
Gesinnung
hrevorzubringen
hervorzubringen
, als es seine Pflicht war, selbst nach solchen Kenntnissen und Gesinnungen zu streben.
2
504
.
Wahr ists, er
kan
kann
, ohne erst so für sich gesorgt zu haben, nicht für
Andre
Andere
sorgen, nichts mittheilen, was er nicht selbst besitzt, wenigstens es nicht so angelegentlich thun, als er sollte; und eben
dadurch
dadurch
, daß Er sich selbst rechte
Kenntnisse
Kenntnisse in der
Religion
Religion erwarb, und sich nach diesen bildete, lernte er
auch diese Sachen
ausdrucken
ausdrücken
, und sonach
sie nicht nur ausdrücken, sondern auch
Andern
vortragen;
vortragen,
lernte er
dadurch
auch
das Brauchbarere von dem Unbrauchbarern, das Unentbehrliche von dem unterscheiden, was bloß nützlich, und nur für gewisse Fälle nöthig
ist;
ist,
ist. Ja es
ward ihm auch
dadurch
die
Religion
selbst erst recht
wichtig und eigentliche Angelegenheit des
Herzens
†)
. Allein,
Herzens.
*)
Will
er
muß doch immer, wenn er damit
aber
Andern
nutzbar
nutzbar werden will,
recht nützlich werden, so muß er
sich nach ihren Bedürfnissen richten, und, da diese von den seinigen sehr verschieden sind, sich
wissen
auch in seinem
Vortrag
Vortrag
Vortrage
und in seinem ganzen Betragen zu ihnen
herabzulaßen
herabzulassen
,
herabzulassen wissen, und
seine Art zu denken, zu reden und zu handeln, nach
Ihrer
der Ihrigen
zu bilden. Eben
bey
bei
diesem Bestreben, seine Ueberzeugung und Gesinnung Andern wirksam mitzutheilen,
bemerkt
bemerckt
er, wie oft er seine Absicht
bey
bei
ihnen verfehle, und wie
viel
weit
die Schuld davon an seiner Vorstellung oder
Vortrag
an seinem Vortrage
liege; er lernt nun oft erst, daß Er selbst Manches bisher nicht
ganz
verstanden, nicht deutlich gedacht, nicht überzeugend genug erkannt, nicht angelegentlich genug getrieben habe. Er kommt selbst
hiebey
hierbei
, indem er sich Andern im
Vortrag
Vortrage
oder
Umgang
Umgange
mittheilt, auf Manches, woran er vorhin nicht dachte, lernt Manches besser verstehen und mehr berichtigen, überzeugt sich mehr von dem Nutzen mancher
Religionslehren
Religionslehren, und wird mehr für sie eingenommen, lernt sie auch nutzbarer für
Andre
Andere
machen. So gewinnt
Er
er
durch diese
Mittheilung
Mittheilung selbst, indem er zugleich Andern nützlich wird.
†)
Anm.
*)
Aus dieser doppelten Anmerkung ergiebt sich 1) daß die Beschäftigung mit den bisher abgehandelten Wissen schaften zwar ein
Mittel sey
Mittel
sei
, den guten
Lehrer
zu bilden, aber keinesweges
bloßes
blosses
Mittel, und folglich minder wichtig als die Bildung zum guten Vortrag, sondern daß sie für ihn eben so, ja noch mehr als dieser, wichtig und unentbehrlich
, mithin die Bildung zum
Prediger
Prediger
Predigen
, als Prediger, keinesweges die Hauptsache
bey
bei
einem Lehrer der Religion
sey
sei
. Denn jene Wissenschaften geben ihm ja eben das,
was
er mittheilen soll,
durch den Vortrag wird es nur Andern genießbarer.
das Lehrmaterial, ohne dessen Besitz das Predigen so leicht ein leeres Geschwätz wird. Es ergiebt sich aber auch
2)
Daß
daß
man, indem man
Wissenschaften und das darin Enthaltene recht gut
die Wissenschaft
lernt,
lernt;
nicht bloß
Materialien
Materialien
zum Vortrag erhalte, sondern auch zugleich
mit lerne
immer fähiger wird
, eine weise
Auswahl
Auswahl
zu treffen, und sie so überzeugend und eindrücklich
mitzutheilen
mitzutheilen
, als man sie, und in dem Grade, wie man sie selbst gefaßt hat. Je ausgebreiteter und praktischer also jene Kenntnisse sind,
je
desto
besser muß dadurch der Vortrag gebildet
werden,
werden;
und es ist vergebliche Einbildung,
wenn man
dieses
Letztre bey
Letztere bei
einer gemeinen oder flüchtigen Erkenntniß des Erstern zu erreichen
hofft
hoffen
.
3
505
.
Wer
Andre
Andere
über die Religion so belehren will, daß sie
dafür eingenommen
für sie gewonnen
,
d. i.
von
deren
ihrer
Wahrheit und
ihrem
Einfluß auf ihr wahres Bestes überzeugt, und dadurch geneigt gemacht werden sollen, sich darnach zu richten: der muß nicht nur die nöthigen
Kenntnisse
Kenntnisse
desjenigen, was er ihnen mittheilen will,
haben
besitzen
, er muß nicht nur selbst
dafür
eingenommen
seyn,
davon erfüllt und durchdrungen seyn:
er muß auch, weil er es hier mit Andern, und mit
mancherley
mancherlei
Zuhörern von verschiedenen Fähigkeiten, Neigungen und
Bedürfnissen,
Bedürfnissen
zu thun hat,
Klugheit
Klugheit
besitzen, und anzuwenden wissen.
–
Er
besitzt
sie, wenn er die Fähigkeiten
hat
hat,
zu beurtheilen, was
gedachten
gerade ihren
Umständen
derselben
am angemessensten ist.
Bey
Bei
dem
Lehrer
Lehrer der
Religion
Religion also gehört dazu: Kenntniß der Religion,
für
welche, und Kenntniß desjenigen,
wodurch
er
sie
Andere
dafür
einnehmen will –
gewinnen will;
Menschenkenntniß
Menschenkenntniß
–
und
Beurtheilungskraft
Beurtheilungskraft, um das schicklichste Verhältniß jener Kenntnisse
gegen diese
zu denen, die er unterrichten soll,
zu finden.
–
Er
Er
Er
weiß sie
in vorkommenden Fällen
anwenden
anzuwenden
, wenn er
alsdann
alsdenn
fähig ist,
–
die Umstände, so wie sie gegenwärtig sind, aufzufassen,
–
sich die gedachten Kenntnisse, so weit er sie für diesen Fall braucht, recht zu vergegenwärtigen,
–
und darnach zu beurtheilen, was er seinem Zweck und diesen Umständen gemäß zu thun habe.
4
506
.
So unumgänglich nothwendig es also ist, um die Stelle eines
Lehrer
Lehrers der
Religion
Religion mit Würde zu bekleiden, daß man vorher
Theologie
Theologie
und die übrigen oben
erwähnten
erwehnten
Wissenschaften studiere,
damit
verwandten Wissenschaften
studiere;
um zu wissen,
was
und
wie
man
überhaupt
Andere über Religion belehren, und sie ihnen empfehlen solle: so ist doch dieses allein nicht zureichend, um ein recht nützlicher Lehrer zu werden.
–
Dieses
Man könnte sogar in einem gewissen Sinne sagen, daß gerade das
Studium
erschwert selbst
gewissermaßen
gewissermassen
die Erlangung
gewissermaaßen die Weisheit
und
Anwendung der
Klugheit
Klugheit
erschwere
. Denn indem
es
sich
der Geist dabei
größtentheils mit unsichtbaren Dingen
beschäftigt:
beschäftigt,
so entwöhnt
es den
sich der
Blick vom Gegenwärtigen, vom
Handlen,
Handlen
und vom
Handeln, von dem
gesellschaftlichen Leben überhaupt, welches das eigentliche Feld
der
ist, auf welchem
Klugheit
ist. Und, indem
und Gewandtheit gewonnen wird. Indem
man
bey diesem
bei dem
Studieren
zunächst
mehr darauf bedacht ist,
sich
vorerst die nöthigen Kenntnisse zu erwerben, als
sie
sich
Andern
mittheilen zu lernen; indem man
vor allen Dingen
sich
selbst
gründlich
zu überzeugen sucht, nach
deutlich
deutlichen
Begriffe
Begriffen strebt, und daher die Untersuchung sehr ins
Umständliche
und Kleine
gehen
führen
muß: so gewöhnt man sich weniger an lebhafte und anschauliche Erkenntniß, übt über den Beschäftigungen des
Verstand
Verstandes die Einbildungskraft zu wenig; gewöhnt
sich
sich,
mehr langsam und bedächtig zu denken, als schnell
etwas
aufzufassen und zu
übersehen
überblicken
; wird daher mehr
unentschlüßig
unentschlüssig
und verlegen, als schneller
Entschließungen
Entschliessungen
fähig; zerstreut sich zu sehr durch kleine Umstände, als daß man das Ganze überschauen
lernte; welches
lernte. Dieß
alles
der Klugheit
ist dem
nicht
zuträglich ist
zuträglich, was man die
Klugheit
, und in Beziehung auf das Lehren, die Lehrweisheit nennt
, die oft schnelle Empfindung, allgemeineres
Ueberschauen und
Ueberschauen,
geschwinde
Entschließung
Entschliessung
und vielseitige Behandlung eines Stoffs
erfordert.
5
507
.
Es setzt demnach diese
Klugheit
Klugheit
eines Lehrers der Religion kan ohne
und Lehrweisheit
gewisse
Fähigkeiten
eigenthümliche
Fähigkeiten
und
Kenntnisse
Kenntnisse
voraus, ohne die sie
nicht
seyn.
–
erworben werden kann.
Zu
jenen
gehört die
Gabe
Gabe,
recht zu beobachten und recht zu urtheilen, in Absicht auf die Umstände, unter welchen man zu
reden und zu
handeln hat,
d. i.
praktisch
praktischer
Beobachtungsgeist
Beobachtungsgeist
und
praktischer
Verstand
Verstand
.
–
Die
Kenntnisse
aber müssen sich auf die
mitzutheilende
Lehren der Religion
selbst
, auf die Art, Andern etwas aufs Wirksamste mitzutheilen, auf Fähigkeiten, Neigungen, Denk- und Handelsart,
auch verschiedne
auf die verschiedenen Lagen und
Umstände der Menschen überhaupt, und derer, mit welchen man jedesmal zu thun hat,
insbesondre
insbesondere
erstrecken. Jene Fähigkeiten und Kenntnisse recht zu gebrauchen, würde fleißige
Uebung
Uebung
in ihrem Gebrauch nöthig seyn.
–
Zwar
kan
kann
sich niemand diese Fähigkeiten selbst
geben;
geben,
kan
kann
sich nicht selbst eine solche günstige Lage verschaffen, die ihn zu der hier dienlichen
Menschenkenntniß
Menschenkenntniß
führte;
führte,
kan
kann
auch selten zum voraus, eh' er ein öffentliches
Lehramt
Lehramt erhält, beträchtliche Uebungen dieser Art
haben. Aber
haben: aber
er
kan
kann
doch mittelmäßige Fähigkeiten durch Fleiß und Uebung verstärken; in seinem, obgleich kleinen, Kreise überhaupt Menschen, und die Art sie zu lenken, beobachten und beurtheilen lernen. Selbst
bey
bei
seinen bisherigen Studien, wenn er sie auf die oben vorgeschlagene Weise treibt, wird es ihm weder an Gelegenheit zur Menschenkenntniß, noch an Uebung im Beobachten und Urtheilen, in Absicht auf die Bearbeitung der Menschen, fehlen; besonders wird ihm das Studium der
Psychologie
Psychologie, der
Moral
Moral, der
Historie
Historie,
vornemlich
vornehmlich
der
Kirchengeschichte
Kirchengeschichte, der schönen Wissenschaften, selbst der Sprachen,
große
grosse
Dienste thun können.
Anm.
Daß man den Menschen in der Regel am besten im Umgange mit Menschen, das Leben am besten in vielgestaltigen
Lebenssituationen
Lebenssituationen kennen lerne, leidet zwar keinen Zweifel; aber wenn man gleichwohl sehr oft findet, daß solche, die mit sehr Vielen in Berührung gekommen, in sehr verschiedenen Lagen gewesen sind, dennoch sehr wenig wahre Weltkenntniß und eben so wenig Umsicht und Klugheit im eigenen Handeln besitzen: so liegt der Grund offenbar darin, daß ihnen der Beobachtungsgeist fehlte, und eine Vorbereitung zum Beobachten, wozu man unstreitig durch die oben genannten Studien gelangt. Dagegen haben sich Manche fast bloß durch diese die großen Menschen- und Seelenkenntnisse erworben, und den tiefen Blick in das innerste Getriebe der Leidenschaften, ohne je viel weiter als in die Umgebung ihres Wohnorts, und oft kaum aus ihrem Arbeitszimmer gekommen zu seyn. Der Umgang mit den Todten, die sie da umgaben, hat sie mehr gelehrt, als Andere das Gewühl der Lebendigen, in welchem sie sich ihr ganzes Leben hindurch umhergetrieben hatten.
A. d. H.
6
508
.
Was ihm
dann
denn
noch an
eigner
eigener
Fähigkeit, Gelegenheit und Uebung abgeht, wird er, wie
bey
bei
allen Arten von Kenntnissen, durch
Andrer
die
Erfahrungen
Erfahrungen und
der
Belehrung
Belehrung
von ihnen,
Anderer
ersetzen müssen, die ihm theils auf die
verschiednen
verschiedenen
Umstände, in die er, als
Lehrer
Lehrer der
Religion
Religion, kommen
kan
kann
, aufmerksam machen, theils ihn anweisen können, wie er sich darin mit Klugheit zu betragen habe. Man hat dergleichen Anweisung in eine Art von Wissenschaft gebracht, und sie mit dem Namen der
Pastoraltheologie
Pastoraltheologie im weitern Verstande
, der
Anweisung zur
Pastoralklugheit
Pastoralklugheit
,
der
Pastoralwissenschaft
und andern ähnlichen, belegt; und sie muß ohne Zweifel die Grundlage seines ganzen künftigen Betragens, als eines Lehrers der Religion, (
Theil 1.
§.
17.
17
) seyn.
Anm.
Anm.
1. Lehrer
Anm.
1) Unter Lehrern
der Religion
nimmt
versteht
man
entweder
von denenjenigen, die Andre, welche
die, welche Andere, die
keine hinlängliche Fähigkeit, Hülfsmittel oder
Muße
Musse
, sich selbst in der Religion zu unterrichten oder zu leiten, haben, mit
einem
Einem
Wort, sogenannte
Ungelehrte, über dieselbe
Ungelehrte
(das Volk), selbst darüber
belehren, oder
deren
ihr
Gewissen
rathen,
leiten
(
Theil 1.
§.
15
f.
)
f.),
oder
von denen, die Andre
die, welche Andere
zu
solchen Lehrern
solchen Lehrern
bilden sollen. Nur die
erstern
Erstern
haben den Namen der
Pastoren
Pastoren
Pastoren
und
eigentlichen
Geistliche
Geistlichen
eigentlichen Geistlichen
, und daher hat gedachte Wissenschaft ihren Namen bekommen, weil sie sich auf die Bildung derselben zu Volkslehrern einschränkt.
Anm.
Anm.
2.
2)
Nichts verdient den Namen der
Klugheit
Klugheit
im echt sittlichen und christlichen Sinn
, was nicht
zugleich recht ist
mit dem, was
Recht
ist, bestehen kann
. Aber es
kan mehreres
rechtmäßig,
rechtmäßig
kann Mehreres
recht
mäßig
,
und doch
eines
eins
besser als das andre
seyn;
seyn,
und da
Eines besser als das Andere
seyn. Da nun
die Absicht des geistlichen Standes, die Religion aufs deutlichste und überzeugendste zu lehren, und sie aufs eindrücklichste zu empfehlen, Rücksicht auf die Umstände
dererjenigen
derer
erfordert, die in dieser Absicht sollen bearbeitet werden: so verlangt die Absicht dieses Standes Klugheit in Beziehung auf
Andrer
die
Bearbeitung
Anderer
durch die Religion, daher man sie, in dieser Beziehung,
Pastoralklugheit
nennt, welche aber rechtmäßiges
nennt. Im weiteren Sinne beschreibt sie das ganze recht, und pflichtmäßige
Betragen
voraussetzt,
voraussetzt
oder in sich schließt, doch
des Lehrers jedoch
nur in Rücksicht auf Führung
dieses Amtes; andre
seines Amtes. Andere
Pflichten, die
solche
der
Lehrer mit
Andern
allen Christen
gemein
haben
hat
, gehören nicht
hieher
hierher
, sondern in die Moral.
7
509
.
Die ganze Fürsorge eines solchen Lehrers für die, so sich ihm anvertrauen, besteht
entweder
in
Belehrung
Belehrung
Belehrungen
, im weitesten Umfange genommen,
oder
in
Handlungen
Handlungen; beyden
gewissen Handlungen: beide
, sofern sie die Re ligion betreffen. – Die
Belehrung
ist
entweder
eine allgemeinere
oder
eine
besondre
besondere
, welche durch die besondern Umstände
einzler
einzelner
Personen,
bey
bei
Religionszweifeln, Krankheiten
u. d. gl.
u. dgl.
, nothwendig gemacht wird. Nun
giebts
giebt es
zwar unter
denenjenigen
denen
, die sich der Belehrung und der
Gewissenspflege
Gewissenspflege eines
Seelsorger
Seelsorgers bedienen, manche sehr Denkende und
Aufgeklärte
Aufgeklärte; aber diese machen doch nur den kleinsten Theil aus, und sind, gegen die übrigen gerechnet, so selten, daß sie verdienen, als eine ganz
besondre
besondere
Klasse von Zuhörern behandelt zu werden; der größte Theil, der auch des Unterrichts und der Leitung am meisten bedarf,
kan
kann
doch nur einen
populär
populären
Vortrag
Vortrag der Religion benutzen. Es muß also der öffentliche Vortrag vor einem vermischten Haufen – wenn die Zahl der
wirklich
(nicht in der Einbildung)
Aufgeklärtere
Aufgeklärtern
Aufgeklärteren und Gebildeten
nicht
größer
grösser
als der Uebrigen ist – billig populär, und dieses um so mehr seyn, weil die Absicht des Vortrags eines
Volkslehrer
Volkslehrers eigentlich seyn muß, die Religion
praktisch
praktisch
und in Anwendung auf das
Herz
Herz
vorzustellen, auch nicht sowohl erst zu unterrichten – denn dieses ist, nach
unsrer
unserer
Einrichtung, schon vorher in Schulen oder
bey
bei
der Zubereitung zur sogenannten Confirmation geschehen – als vielmehr das wieder aufzufrischen, was die Zuhörer schon wissen, und es immer eindringlicher und anwendbarer zu machen.
8
510
.
Man hat deswegen für gut befunden, die ganze
Anweisung zur rechten Führung des christlichen
Lehramt
Lehramts in zwey Hauptwissenschaften
Anweisung zur rechten Führung des christlichen Lehramts in zwei Hauptwissenschaften
zu theilen. Die
eine
betrift
betrifft
die Belehrung des Volks, und soll den
Prediger
Prediger
bilden;
bilden,
die
andre
andere
aber die kluge Einrichtung der Handlungen eines Lehrers nach den
verschiednen
verschiedenen
Theilen seines
Am tes,
Amtes:
und
diese
soll ihn als
Seelsorger
Seelsorger
unterrichten. In so fern
bey
bei
diesen Handlungen auch
Vortrag der Religion
Vortrag
oder doch Gespräch
über Religion
nöthig ist, muß sich
dieser
dieses
nach den besondern Umständen der
einzelnen
einzelen
Pflegebefohlene
Pflegebefohlnen
Pflegebefohlenen
richten, mit welchen der Seelsorger zu thun
hat. Er
hat; er
muß also zwar alle Eigenschaften
des guten
Vortrag
Vortrags
einer guten mündlichen Mittheilung
haben, aber die
besondre
besondere
Einrichtung für die
einzelnen
einzlen
Fälle nach
jenen
den
besondern
Umständen
Umständen, unter welchen gelehrt wird,
bekommen; und, weil diese erst
können
in der
letztern
erwähnten
erwehnten
letzterwähnten
Wissenschaft berührt
werden:
werden können,
so gehört die Anweisung zum guten
Religionsvortrag
Religionsvortrag
Religionsvortrage
überhaupt in die
erstre
erstere
, hingegen die Unterweisung, wie
dieser Vortrag
religiöse Belehrungen
in
einzelnen
einzeln
Fällen, und in dem
Umgang
Umgange
mit
einzelnen
einzeln
Personen, nach ihren besondern Fähigkeiten und Bedürfnissen einzurichten
sey
sind
, in die
letztre
letztere
Wissenschaft. Der Kürze wegen wollen wir diese
letztre
letztere
Art
des Vortrags den
Privatvortrag
Privatvortrag
, und
Privatbelehrungen
,
die
erstre
erstere
, weil der Vortrag
mehrern
Mehrern
zusammen ertheilt wird, den
öffentlichen Religionsvortrag
nennen.
9
511
.
Dieser letztre läuft
Oeffentliche Religionsvorträge
sind
entweder
eine
in Eins
fort, und ist
bloßer
blosser
Vortrag des Predigers, ist
fortgehende ununterbrochene,
d. i.
,
eine eigentliche
Rede
oder
Predigt
Predigt
;
oder
er ist
sie sind
unterbrochen durch das, was die Zuhörer
auf die andern vorgelegten Fragen
antworten,
in Beziehung auf das, was der Prediger gefragt
hat;
hat,
er ist
also eine
Art von
Unterredung
Unterredung
des Predigers mit den Zuhörern.
Jene
Eine zusammenhängende
Rede nennt
man eine
Homilie
Homilie
,
ein alter Sprachgebrauch
Homilie
;
und
daher
Homiletik
Homiletik
die Anweisung
zu dem öffentlichen in Eins fortlaufenden
Religionsvortrag
Religionsvortrag
dazu hat davon den Namen der
Homiletik
erhalten
. Sie ist also, weil
dabey
dabei
eine vermischte Versammlung, meistentheils von Ungelehrten, vorausgesetzt wird (§.
7.
509
), und die Eigenschaften des Religionsvortrags für jedermann, ohne Rücksicht auf die besondersten Umstände
einzelner
einzler
Zuhörer, darin
sollen
vorgelegt werden
sollen
(§.
8.
510
), eine
Anweisung zum gemeinnützigen oder
populär
populären, und zwar an einander hängenden öffentlichen Religionsvortrag
Anweisung zum gemeinnützigen oder populären, an einander hängenden öffentlichen Religionsvortrage
.
10
512
.
Eine Unterredung des
Prediger
Predigers mit
seinen Zuhörern
den erwachsenen oder unmündigen Gliedern seiner Gemeinde
, wodurch er ihre Antworten auf seine Fragen über die Religion
erfahren
erfahren, oder sie durch Unterhaltung darüber zu immer richtigern Einsichten bringen
will, nennt man eine
Katechisation
Katechisation
, oder, in Absicht auf
den Prediger, einen
katechetischen
Vortrag
; und,
Vortrag
, und
da dieser
die Form, eine
katechetische Lehr
art
. Da diese
die Absicht hat, zu erforschen, was sie für Begriffe von der Religion haben, oder sie selbst auf
wichtige
richtige
Begriffe davon zu leiten, dieses aber nicht sowohl
bey
aufgeklärter
aufgeklärtern
bei Gebildeten
und zum
eignen
eigenen
Nachdenken
schon gewöhnten
Gewöhnten
, als vielmehr
bey
bei
solchen
Zuhörern
nöthig ist, die noch in der Erkenntniß zurück sind: so versteht sichs von selbst, daß
dieser Vortrag
sie
vorzüglich
populär
populär seyn müsse. Die Anweisung zu
einem
einer
solchen katechetischen
Vortrag
Behandlung der Materien
heißt die
Katechetik
Katechetik
, welche man nicht, wie wohl geschieht, mit der
katechetischen Theologie
(
Theil 2.
§.
174.
Anm.
2.
461
) verwechseln muß.
Anm.
Nach dem Sprachgebrauch der ersten Kirche, ist jede Mittheilung von Religionswahrheiten eine
Katechese
, so wie das Wort
etymologisch
(von
κατηχεῖν
antönen, ansprechen
) den Begriff der Frage und Antwort gar nicht in sich schließt. Erst später ist er hinzugekommen, indem man für
die zu unterrichtenden Anfänger (die
Katechumenen
) gerade diese populäre Lehrart für die schicklichste hielt, wie sie es auch ihrer Natur nach war.
A. d. H.
die zu unterrichtenden Anfänger (die Katechumenen)
Vgl. II § 126.
11
513
.
Alles
andre
Andere
, was nicht eigentlich den
Vortrag
Unterricht
des Predigers, sondern seine
obigen Verhältnisse und
Handlungen
betrift
betrifft
, so fern sie unmittelbar oder mittelbar seine Amtsführung
angehn
angehen
(§.
8
510
8.
), gehört in eine
andre
andere
Anweisung, der man den Namen der
Pastoraltheologie
Pastoraltheologie im engern Verstande
(§.
6.
508
) gegeben hat. Das
Amt
Amt eines
Lehrer
Lehrers, der für das Beste der ihm Anvertrauten sorgen soll, bringt es mit sich, den äussern
Gottesdienst
Gottesdienst, und was dazu gehört, nicht bloß durch seinen Vortrag, sondern auch in den übrigen Theilen, zu besorgen; dem Gewissen seiner
Pflegebefohlnen
Pflegebefohlenen
unter
allerley
allerlei
Umständen treulich zu
rathen;
rathen,
und überhaupt die Kenntniß der Religion, nebst der Liebe zu ihr und Anwendung der Kenntniß zur Besserung und Beruhigung derselben, zu befördern; sich deswegen überall, auch um des
Lehramt
Lehramtes willen, als ein Muster eines wahren Christen zu betragen; endlich, wenn die Sorge für
äusserliche
äußerliche
Angelegenheiten nicht von denen, die ihn zum Lehrer angenommen ha ben, Andern übertragen ist, auch für den Unterricht und die
Erziehung
Erziehung der
Jugend
Jugend, für die Verpflegung der Armen und für die Aufrechthaltung der Rechte der ihm anvertrauten
Gemeine
Gemeinde
, und der Rechte seines Standes und Amtes, Sorge zu tragen, und sich daher diese Rechte und desjenigen, worauf sie sich gründen, wohl bekannt zu machen.
Anm.
Anm.
1.
Anm.
1)
Die Anweisung zum musterhaften Betragen, als ein wahrer Christ und kluger Mann, gehört zwar in die
Moral
Moral, aber der Prediger muß doch den Nutzen, welchen sein Amt stiften
kan
kann
, nicht durch Unklugheit, durch unvorsichtige oder anstößige und das Vertrauen zu
ihn
ihm
schwächende Handlungen, noch weniger durch wirkliche Ausschweifungen, verhindern oder schwächen; er muß vielmehr diesen
Nutzen
Nutzen, durch den Beweis des seligen Einflusses des Christenthums auf sein Betragen und
Glückseligkeit
Glückseligkeit an seinem eigenen
Beyspiel
Beispiel
, zu befördern, und sich eben dadurch das so sehr wirksame Ansehen
bey Andern
bei Andern,
und ihr Vertrauen, zu erwerben suchen. Es giebt
über dies
überdies
, ausser
überdies, außer
den Pflichten, die er mit jedem verständigen
Mann
Manne
und jedem Christen gemein hat, noch einige allgemeine Pflichten, die ihm eben sein Stand und die damit verbundenen Umstände auflegen,
z. B.
keine unrechte Mittel zu
brauchen
gebrauchen
, um dieses Amt zu erlangen, seinem
eignen
eigenen
Hause wohl vorzustehen, Eintracht und gemeinschaftlichen Fleiß mit seinen Collegen zu beobachten, und
dergleichen.
dergl.
Diese
allgemeinere
allgemeinern
Pflichten seines besondern Standes gehören in die Pastoraltheologie,
wenn sie
wennsie
gleich nur mittelbar den Zweck des geistlichen Amtes befördern.
Anm.
Anm.
2.
2)
Den Theil der Pastoraltheologie, der die beste Einrichtung des öffentlichen
äussern
äußern
Gottesdienstes
betrift
betrifft
, könnte man die
Liturgik
Liturgik
nennen, worunter sonst nur der
Inbegriff
Inbegrif
historischer Kenntnisse von den
äusserlichen
äußerlichen
Einrichtungen des öffentlichen Gottesdienstes in der christlichen Kirche überhaupt, oder in einer besondern Kirche, verstanden wird, der einen Theil der Kirchengeschichte ausmacht. Diese Einrichtung wird selten dem Lehrer
überlaßen
überlassen
, und ist durch Gesetze oder Herkommen bestimmt.
Alsdann
Alsdenn
bleibt ihm nichts übrig, als durch vernünftige und
bescheidne
bescheidene
Vorstellungen
bey
bei
der Obrigkeit, oder, wenn er weiß, daß diese ihn nicht hindern wird, lieber
bey
bei
der
Gemeine
Gemeinde
, an Abschaffung der Mißbräuche und des Unerbaulichen, und an immer mehrerer Besserung des
Gottesdienst
Gottesdienstes zu arbeiten; und wo er dies nicht erreichen
kan
kann
, wenigstens den ganzen
äussern
äußern
Gottesdienst, und selbst was er
dabey
dabei
nicht ändern darf, theils durch
eigne
eigene
Andacht
Andacht, theils durch seine den Zuhörern gegebene Erklärung der Absicht und des Nutzens vorhandener Einrichtungen, so
erbaulich,
erbaulich
als möglich zu machen.
Anm.
Anm.
3.
3)
Eben so kommt unter uns selten dem Lehrer der Religion die Erhaltung und Vertheidigung der Rechte der Kirche
zu,
zu;
er ist deswegen an Aufseher oder
Consistorien
Consistorien gewiesen. Aber er ist doch, wenn er dieses Amt und eine
Gemeine
Gemeinde
hat, verbunden, über die Rechte jenes und dieser, als einer
Gemeine
Gemeinde
, zu wachen, also sie zu kennen, nicht nur die besondersten Rechte der Stelle, die er bekleidet, und der
Gemeine
Gemeinde
, der er vorsteht, sondern auch die allgemeinern Kirchen- und wenigstens
Pfarr-Rechte
Pfarrrechte
. Man pflegt daher in manchen Anweisungen zur Pastoralklugheit das, was jedem solchen Lehrer davon zu wissen am nothwendigsten ist, mit zu lehren.
12
514
.
Die Kenntniß dieser Rechte, oder des
Kirchenrecht
Kirchenrechts
, verdient, ob sie gleich mehr zur
Rechtsgelehrsamkeit
Rechtsgelahrtheit
als zur Theologie gehört, einen besondern Fleiß, und ist einem Lehrer der Religion sehr nützlich, in gewissen Fällen unentbehrlich. Von dem Studium desselben, wenigstens so weit es einem protestantischen Lehrer nöthig ist,
kan
kann
in dieser Anweisung nirgends bequemer als
bey
bei
diesem Theil gehandelt werden. Es wird daher dieser Theil
zwey
zwei
Abschnitte in sich fassen:
1. von der
Homiletik
und
Katechetik
, als welche
beyderseits
beiderseits
den Lehrer zum
guten Vortrag
Unterricht in
der Religion
für alle Stände und Alter
bilden
sollen;
sollen.
2. von der
Pastoraltheologie
mit Einschluß der
Liturgik
und dem
Kirchenrechte
, die mehr bestimmt sind, ihn von seinem rechtmäßigen und klugen Betragen, als
Lehrer
Lehrer
und
Seelsorger
, zu unterrichten.
Erster Abschnitt.
Homiletik
Homiletik und
Katechetik
Katechetik.
13
515
.
Nach dem Leichtsinn oder der Gleichgültigkeit zu urtheilen, mit der ein
großer
grosser
Theil wirklicher oder künftiger
Prediger
Prediger den Vortrag der
Religion
Religion behandelt, scheint es, daß man das sogenannte
Predigen
Predigen
, und die Erreichung seiner Absicht, für etwas sehr
leichtes
Leichtes
, oder den Fleiß, der auf den guten Vortrag gewendet werden soll, für sehr entbehrlich halte. Liegt nicht
dabey
dabei
Verachtung der Religion selbst, Gleichgültigkeit gegen das wahre Wohl
andrer
anderer
Menschen, oder Mangel der Ueberzeugung von dem
großen
grossen
Einfluß der Religion auf das Beste der Menschen, zum Grunde: so ist nicht abzusehen, wie es ohne jene Einbildung möglich wäre, daß man sich für reif zu einem solchen
Vortrage,
Vortrage
oder für berechtigt halten
könnte
könnte,
–
könnte,
wenn man kaum mehr wie die ersten Schritte zur deutlichen Kenntniß und Ueberzeugung in der Religion gethan
hat;
hat,
noch eben so arm an Kenntniß des menschlichen Herzens als an mannichfaltigen Kenntnissen zu Befriedigung so vieler Bedürfnisse des Verstandes und Herzens
andrer
anderer
Menschen
ist;
ist,
noch so wenig sich selbst durch
eigne
eigene
Erfahrung
Erfahrung und
Uebung
Uebung in der wahren
Gottseligkeit
Gottseligkeit gebildet
hat –
hat,
alsdann
alsdenn
schon auf den Lehrstuhl zu eilen, und sich zum Lehrer
Andrer
Anderer
, gewiß oft an Kenntnissen und Erfahrungen reicherer Zuhörer, auf zuwerfen. Es wäre unbegreiflich, wie viele Prediger diese Beschäftigung als
bloßes
blosses
Hand- und
Tagewerk, ohne wahrhaftige Theilnehmung oder gar mit Verdruß treiben,
alles
Alles
, was und wie sie es sagen, für gut genug für ihre Zuhörer halten, sich mit der Vorstellung einwiegen könnten, daß Gottes Wort schon an sich kräftig genug
sey
sei,
Gutes zu wirken, ohne daß es einer sorgfältigen Auswahl der Sachen, eines
eignen Fleisses
eigenen Fleißes
im Ausdrucke bedürfte, oder daß diese Wahl und dieser Fleiß Mißtrauen gegen die göttlichen Lehren selbst voraussetzte, und gar dem Eindruck derselben hinderlich wäre. Es
bliebe,
bliebe aber auch
ohne
dies,
dies
eben so unerklärlich, wie manche
Andre,
Andre
Andere,
unbekümmert um das, was sie lehren und einschärfen, fast den einzigen oder
größesten
grössesten
größten
Werth auf Einkleidung und auf das
Aeusserliche
Aeußerliche
des
Vortrag
Vortrags setzen, anstatt Verstand und Herz reden zu
laßen
lassen
, nach
allerley
allerlei
Künsten, den Vortrag auszuschmücken, haschen, und sich einbilden könnten, mit einem, ihrer Meinung nach, schönen und lebhaften
Vortrag alles
Vortrage Alles
gethan zu haben, was man von dem Prediger erwarten dürfe.
14
516
.
Sicherlich würde man nie auf diese Einbildungen und Ausschweifungen verfallen, oder sich leichter von ihnen loswinden können, wenn man sich von der Wahrheit folgender Betrachtungen recht lebhaft überzeugte, und sie stets gegenwärtig zu erhalten suchte, Betrachtungen, die der ernsthaftesten Untersuchung,
zumal
zumahl
eines jeden, der sich dem Beruf eines
Lehrer
Lehrers der Religion
weyhen
weihen
will, höchst würdig sind.
Zuförderst
Zuvörderst
1) beruht alle wahre wesentliche
Glückseligkeit
Glückseligkeit, so fern sie in
unsrer
unserer
Gewalt ist, auf
Tugend
Tugend
, und, so fern sie nicht in unsern
Händen
Häuden
steht, auf
Zufriedenheit
Zufrieden
heit
. Diese Glückseligkeit
kan
kann
nur
alsdann
alsdenn
vollkommen seyn, wenigstens nähern wir uns dieser Vollkommenheit
nur
in dem Grade,
a)
je weiter Tugend und Zufriedenheit reichen,
b)
je mehr sie Ermunterung und Unterstützung haben, und
c)
je dauerhafter sie sind. Aber es läßt sich kein Mittel denken, das in dieser
dreyfachen
dreifachen
Absicht so weit reichte, als die
Religion
Religion
.
15
517
.
Sie giebt
a)
A)
der
Tugend
Tugend und
Zufriedenheit
Zufriedenheit den weitesten Umfang. Wer an einen
Gott
Gott glaubt, der der Vater aller Geschöpfe
ist;
ist,
wer alle Geschöpfe, und die Menschen insonderheit, als
Glieder Eines
großen
grossen
Körpers ansieht; wer eine allweise und gütige Regierung des Ganzen erkennt, wo Alles als Mittel zu
Einem
Einen
gemeinsamen Zweck, zur
Glückseligkeit
Glückseligkeit
Aller mitwirkt;
Aller, mitwirkte,
wer also auch glaubt, daß kein Fleiß in dem Trachten nach dem, was wahr ist, ganz vergebens seyn könne, daß dies vielmehr die Ursach des weitern Fortrückens in jeder Vollkommenheit seyn
müsse,
müsse;
daß endlich uns schlechterdings nichts begegnen könne ohne Gottes
Wille
Willen, der immer das erfolgen läßt, was für uns das Beste ist: wie sollte dem, der dieses mit Ueberzeugung und von Herzen glaubt, der sich über das Sichtbare zum Unsichtbaren erheben
kan
kann
, irgend etwas gleichgültig, von seiner Liebe und seinem Bestreben,
Andrer
Anderer
Bestes zu befördern, ausgeschlossen, irgend etwas, das ihm begegnet, niederschlagend, und nicht vielmehr Ermunterung zur Dankbarkeit seyn? –
b)
B)
Alsdann
Alsdenn
sind ihm alle
Gesetze
Gesetze, als so viele Anzeigen der Quellen seines Glücks, wahre Wohlthaten, an welchen er um so mehr Antheil hat, je mehr er Gutes thut. Ihm sind alle seine Kräfte
eben
so viele Mittel glücklich zu werden; alle Erkenntniß des
wahren
Wahren
und alle Ausübung des Guten so viele Belohnungen; und von der unerschöpflichen Macht, Weisheit und Liebe Gottes
kan
kann
er, selbst
bey
bei
gefühlter Ohnmacht,
bey
bei
fehlgeschlagenen bestimmten Hoffnungen, sogar
bey
bei
Vergehungen, Unterstützung, Ersatz, Nachsicht und Lenkung dessen, was versehen ist, oder vergeblich scheint, zum Besten, erwarten. Wie dieses stete Ermunterung ist,
Gutes
Gutes zu thun, und nie müde zu werden, weil der Gedanke, Gott ist Zeuge und Vergelter meiner Handlungen und Gesinnungen, überall und auch dahin reicht, wo es an andern Beweggründen fehlt, oder diese nicht wirksam genug sind: so ist es auch kräftiger Antrieb, seine Begierden zu mäßigen, und Verwahrungsmittel wider Eigennutz, Miß muth und Neid. – Und da
c)
C)
weder die seligen Folgen der Tugend, ihrer Natur nach, ausbleiben können,
diejenige
die
wenigstens nie, welche in dem Wohlgefallen Gottes daran besteht, noch Gott sich in seinen
erwähnten
erwehnten
Eigenschaften
verleugnen kan
verläugnen kann
: so steht Tugend und Zufriedenheit auf einem
unerschütterlichem
unerschütterlichen
Grunde, so lange die Ueberzeugung von der
Wahrheit
Wahrheit und dem
Werth
Werth
Werthe
der
Religion
Religion bleibt, und wir uns immer an dieselbe halten. – Die Religion müßte also die
wichtigste Angelegenheit des Menschen seyn
wichtigste Angelegenheit des Menschen seyn
.
Glieder Eines großen Körpers
Vgl. 1Kor 12,12–27.
Gutes zu thun, und nie müde zu werden
Vgl. Gal 6,9.
16
518
.
Diese
große
grosse
Angelegenheit
Angelegenheit für die Menschen zu der zu machen, die sie seyn soll, ist 2)
(§.
14
14.
)
der sogenannte
geistliche
Stand
Stand
geistliche Stand
ganz eigentlich errichtet. Man erwartet von denen, die sich ihm widmen, daß sie für Andere, welche zur Untersuchung der Religion nicht Fähigkeit, oder Hülfsmittel, oder
Muße
Musse
genug haben,
untersuchen
diese Untersuchung anstellen
, ihnen, nach ihren
so
verschiedenen Fähigkeiten
und Bedürfnissen
, Ueberzeugung von den Lehren der Religion und deren
großem
grossen
Werth beybringen
Werthe beibringen
, ihnen diese durch Vorstellungen und
Beyspiele
Bepspiele
Beispiele
eindringlich machen, Zweifel benehmen, in Gewissensangelegenheiten rathen, sie mit Trost unterstützen, kurz, sie durch Religion leiten und beruhigen sollen. Man hat ihnen, um diesen
Pflichten
Pflichten besser und ungestörter obliegen zu können, in der bürgerlichen Gesellschaft gewisse kleine Gesellschaften oder
Gemeinen
Gemeinen
Gemeinden
angewiesen, auf die sie zu nächst ihre Beschäftigungen einschränken sollen; man hat sie von manchen bürgerlichen Plichten und Lasten
befreyet
befreiet
; man hat sogar deswegen für ihren bequemen
Unterhalt
Unterhalt gesorgt. Man
rech net
erwartet
um so mehr
auf ihre
von ihrer
Geschicklichkeit, Fleiß und
Redlichkelt
Redlichkeit
, da sie eigentlich den einzigen Stand ausmachen, dem die Aufrechterhaltung und Beförderung der Religion selbst anvertraut ist. Wie verabscheuungswürdig muß derjenige seyn, der, in einer Sache von
der
Wichtigkeit, einen
Beruf
Beruf übernimmt, von dem er nicht
weiß,
weiß
ob er ihn würdig und nach den billigen Erwartungen der Gesellschaft erfüllen
kan
kann
, oder, wenn er ihn übernommen hat, der nicht, alles dies erfüllen zu wollen, willig, oder fleißig, oder redlich genug ist.
17
519
.
Nun hat zwar 3) der,
wer
welcher
den
Unterricht
Unterricht und die
Seelsorge
Seelsorge für
Andre
Andere
übernimmt, in dem
Privatumgang
Privatumgang
Privatumgange
mit
ihnen,
ihnen
Gelegenheit genug, sich mit ihnen über die
Religion
Religion zu unterhalten, und nach jedesmaligem Befinden der Umstände ihre rechte Anwendung und ihren
großen
grossen
Einfluß auf Besserung und Beruhigung der Menschen zu zeigen. Er
kan
kann
selbst da recht eigentlich für jeden
insbesondre
insbesondere
mit Weisheit und mit dem glücklichsten
Erfolg
Erfolge
arbeiten, gerade auf
die
Art, wie dieser es am meisten braucht, und wie Religion am ersten
bey
bei
ihm Eingang findet; und wird er sonderlich selbst dazu aufgefordert durch einen solchen, der in besondern Umständen,
z. B.
Krankheiten, fühlt, wie unentbehrlich ihm die Religion und die
Aufklärung
Aufklärung darüber und über seinen Gemüthszustand
sey:
sei,
so
kan
kann
er sie mit desto mehrerer Wirksamkeit empfehlen. Aber es giebt
derer
deren
nicht
viel
viele
, die den Umgang des
Prediger
Predigers deswegen suchen, oder gern sehen, um sich mit ihm über dergleichen geistige Angelegenheiten zu unterhalten: selbst die, welchen Religion unter bedrängten Umständen Bedürfniß wird, oder werden sollte, werden durch Sicherheit, Dünkel, Schüchternheit oder abergläubische Furcht abgehalten, den Prediger zu Rathe zu
ziehen;
ziehen,
kennen sich selbst, ihre Verderbnisse und deren Quelle zu wenig, oder
verhehlen
verheelen
sie sich und
ihm;
ihm,
oder sind,
zumahl bey
zumal bei
Krankheiten, so wenig zum Nachdenken fähig, aufgelegt und geneigt, als daß da die Unterredung des Predigers mit ihnen wirksam genug werden könnte. Und wäre dieses alles auch nicht: so ist selten viel auszurichten, wenn nicht schon vorher
bey
bei
solchen der Grund zu einer rechten Erkenntniß der Religion und zum Geschmack daran gelegt worden ist; wenigstens
kan
kann
der Prediger durch öffentlichen Vortrag weit Mehrern nutzbar werden, als durch den Privatumgang. Jener bleibt also doch immer die wichtigste Beschäftigung, von der
bey
bei
den meisten der ihm Anvertrauten, die selten
andre
andere
Quellen des
Religionsunterricht
Religionsunterrichts haben, und nutzen können, sowohl ihre ganze Bildung durch die Religion, als ihre Neigung abhängt, sich auch in besondern Angelegenheiten seiner Leitung zu bedienen.
18
520
.
Aber hier kommt 4) überaus viel auf die
Art
an, wie dieser
Vortrag
Vortrag eingerichtet
ist,
ist;
und die gute Wirkung desselben, so weit sie von dem
Prediger
Prediger selbst abhängt, beruht immer entweder auf dem Vertrauen, das er
bey
bei
den Zuhörern hat, oder auf der guten Einrichtung seines Vortrags. Jenes Vertrauen
kan freylich
kann freilich
auch aus seiner anerkannten Geschicklichkeit, aus seiner Liebe gegen die Zuhörer, und der thätigen Theilnehmung an ihrem Besten, aus seinem ganzen exemplarischen und anziehenden Betragen, entspringen. Aber, so lange man ihn nach diesen Eigenschaften noch nicht kennt, muß er sich doch dieses Vertrauen erst durch den guten Vortrag erwerben; seinen Werth
als
als
Lehrer
Lehrer
kan
kann
und pflegt man doch erst nach diesen zu schätzen; und das Vertrauen selbst ist nichts anders, als nur Mittel, nur Vorbereitung, das ihm den Weg bahnt, um gern gehört, und
so
erst
durch den Vortrag
den Zuhörern nutzbar zu werden.
19
521
.
Der
Vortrag
Vortrag hat doch ganz
andre
andere
Wirkungen, wenn er die Aufmerksamkeit der Zuhörer fesselt, wenn er ihnen die
vorgetragnen
vorgetragenen
Sachen deutlich und einleuchtend macht, wenn er sie dafür einnimmt, und daher ihren Fähigkeiten und Neigungen, wenigstens ihren Bedürfnissen angemessen ist, als wenn es ihm an diesen oder einer dieser Eigenschaften fehlt, oder wenn entweder gewisse Fehler desselben den Zuhörern die Sachen verleiden, oder der Vortrag, indem er ihren Leidenschaften oder ihrer Einbildungskraft schmeichelt, ganz sie von dem Zweck abführt, sie von der
Religion
Religion zu überzeugen, und sie zur Befolgung derselben willig zu machen. – Selbst dieser Zweck und die Natur der Religion hat, wenigstens für die meisten Menschen, nichts Anziehendes. Es gehört schon manche
Cultur
Kultur
der
Seele
Seele, mindestens ein Gefühl, wie wenig uns sichtbare Dinge befriedigen, und eine gewisse Verlegenheit über unsern Gemüthszustand, dazu, wenn der Mensch nur erst
Geschmack
Geschmack an Beschäftigung mit unsichtbaren Dingen finden soll; und die stete Beschäftigung mit sichtbaren Dingen, das Vergnügen, das aus ihrem Genuß entsteht, und die Gewöhntheit daran, nebst der Kunst, den Ueberdruß dieser Vergnügungen durch mannichfaltige Abwechselung zu verdrängen, läßt vollends jenen Geschmack selten aufkommen. Soll
dann
denn
auch das, was zur Religion gehört, den Menschen nicht bloß unterhalten, sondern wirklich
bessern
bessern:
bessern,
so muß er sich sehr
bittre
bittere
Wahrheiten
Wahrheiten gefallen
laßen
lassen
, ihnen gegen sich selbst und seine Eigenliebe
recht
Recht
geben, seinen Neigungen Gewalt anthun, gewohnte und fast unentbehrlich
gewordne
gewordene
Vergnügungen aufopfern, beschwerliche Uebungen
übernehmen;
übernehmen:
lauter Dinge, von welchen der Mensch nicht gern hören mag. Und wenn auch schon die
Zuhörer
Zuhörer, durch sonst erlangte Kenntniß der Religion, durch einigen Geschmack daran, durch manche Erfahrungen, wie übel sie
bey
bei
dem Leichtsinn und
den
Ausschweifungen gefahren sind, vorbereitet scheinen mögen, das, was ihnen die Religion vorhält, williger anzunehmen: wie ganz etwas anders ist es, etwas gern zu hören, und es willig zu thun? welch ein
großer
grosser
Unterschied ist zwischen vorübergehenden Bewegungen und zwischen einem dauerhaften
Eindruck
Eindruck, der in religiöse
Gesinnung
Gesinnung übergeht? also, wie unumgänglich nöthig, wenn die selige Absicht der Religion erreicht werden soll, sie nicht nur vorzutragen, sondern es so zu thun, daß wahrhaftige
Willigkeit
Willigkeit, sich nach ihr zu bilden, und bleibender Eindruck entstehe.
Anm.
So unverantwortlich
hienach
hiernach
der Prediger handelt, wenn er nicht den
äussersten möglichen
höchstmöglichen
Fleiß auf den Vortrag zu dieser Absicht
wendet:
wendet,
so sehr wird auch dadurch die Einbildung geschwächt: man müsse den Eindruck der Religion und des Christenthums
insbesondre
lediglich
ihrer
eignen
eigenen
Kraft zutrauen; Künste des Redners verhinderten ihn eher; und die heilige Schrift warne selbst
dafür
davor,
1 Cor. 1
und
2
.
2 Tim. 4, 3. 4.
–
Freylich
Freilich
macht der gute Vortrag jenen guten Eindruck,
zumal
zumahl
wenn er bleiben, und die ganze Gesinnung ändern soll,
allein
nicht; auch hängt dieser heilsame Eindruck eigentlich von der Wahrheit und ihrem Werth selbst, und von den Umständen der Zuhörer ab, welcher sich Gott bedient, ihnen Eingang
bey
bei
diesen zu verschaffen. Aber zu diesen Umständen gehört der gute Vortrag mit; und die heilsamste
Arzeney
Arznei
ist unnütz, wenn der Kranke nicht an ihre Kraft glaubt,
und
nicht bewogen werden
kan
kann
, sie zu nehmen. Eben auf diese Kraft der Religion die Aufmerksamkeit der Zuhörer zu ziehen, Glauben an ihre Wahrheit und an ihren Werth hervorzubringen, sie zu ihrem Gebrauch zu bewegen, dies, dies soll die Absicht des guten Vortrags seyn. – Sonach
kan
kann
er auch ihrer Kraft keinen Eintrag thun.
Sogenannte
Rednerkünste
Rednerkünste
Die sogenannte
Rednerkunst
, wenn sie
den
nur jenen
heilsamen Endzweck
haben
hat
, und dazu etwas
beytragen können, sind
beitragen kann, ist
nicht verwerflicher, als jedes
andre
andere
in der Natur der Dinge liegende, und den menschlichen Bedürfnissen angemessene Mittel; sie
sind
ist
nur
alsdenn
alsdann
hier übel angebracht, und jener Absicht hinderlich, wenn sie bloß die Zuhörer angenehmer unterhalten
sollen
will
, ohne auf jenen
wesentlichen
weit wesentlicheren
Zweck zu arbeiten. –
Und diese falschen Künste
Nur die eitlen Rednerkünste
mißbilligt die heilige Schrift
allein
, wie auch schon
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
und seiner Apostel
Beyspiel
Beispiel
beweiset, die selbst jene
bessern Künste
echte Kunst
nicht verschmähten, und
Allen
alles
Alles
wurden, um doch überall Einige für die Religion zu gewinnen.
Eine recht gefaßte Homiletik ist gerade das Mittel, vor neuen Verirrungen des Geschmacks zu bewahren.
Christi und seiner Apostel Beyspiel beweiset, die selbst jene bessern Künste nicht verschmähten […] um doch überall Einige für die Religion zu gewinnen
So berichtet etwa die Apostelgeschichte, dass im Anschluss an die sog.
Areopagrede
des Paulus (Apg 17,22–31) einige Personen gläubig wurden (vgl. Apg 17,34).
Allen alles wurden
Vgl. 1Kor 9,22.
20
522
.
Aber zu
einen
einem
guten
Vortrag
Vortrag
Vortrage
der Religion gehört 5) überaus viel, gewiß mehr, als sich
Mancher
Mancher, der nie gründlich darüber nachgedacht,
nur
–
vorzustellen vermögend ist.
Gut
nenne ich dergleichen Vortrag, wenn er durchaus der Absicht gemäß ist, die
bey denenjenigen, bey
bei denen, bei
welchen man ihn braucht, erreicht werden soll. Diese muß seyn, ihnen
wahrhaftig
{wahrhaft}
die Religion und ihren Werth einleuchtend, und sie willig zu machen, ganz ihre
Gesinnungen
Gesinnungen und
Handlungen
Handlungen
danach
darnach
einzurichten. Denn, daß
der
Vortrag, wo es der
Prediger
Prediger bloß darauf anlegt, daß
Er
selbst
gefallen will, wo es ihm nur darum zu thun ist, seine
Zuhörer
Zuhörer zu unterhalten, und wo nicht das herzliche Verlangen zum Grunde liegt, die Zuhörer wirklich zu
bessern
bessern
, oder wo es ihm gar genügt, sein Tagewerk mechanisch gethan zu haben, daß
der
Vortrag jenen Namen nicht verdiene, und dem
großen
grossen
Zweck
Zwecke
, worauf der Prediger durch Religion arbeiten soll,
bey
bei
weitem nicht entspreche, bedarf doch wohl keines Beweises. Aber
daß
eben
jener
jenen
des Namens wahrhaftig
würdige Vortrag, daß
der
sehr schwer
würdigen Vortrag
zu erreichen
sey
ist
nicht leicht sei
, davon
kan
kann
man sich
einigermaßen
einigermassen
einigermaaßen
überzeugen, wenn man folgende Schwierigkeiten wohl überlegt,
die –
die zum Theil
in der Natur der Sache
selbst
und den daraus entstehenden
großen
grossen
Erfordernissen auf Seiten des Predigers selbst
§.
21
–
25
–
21
–
25.
,
in dem Mangel derselben
bey
bei
dem Prediger oder
in der Beschaffenheit der
Zuhörer §.
26
–
28
–
26
–
28.
,
Zuhörer –
und zum Theil in
unsrer
unserer
ganzen Erziehungsart und Verfassung
§.
29.
30
,
30.
liegen.
21
523
.
Zuerst in der Natur der Sache selbst
, oder
In der Natur der Sache selbst. – Zuvörderst
in der Natur
eines solchen
Vortrag
Vortrags, der durch Nichts die abgezweckte Wirkung verhindern oder stören, sondern durchaus durch alle jedesmal mögliche Mittel sie befördern soll. Nothwendig muß der
Prediger
Prediger oder
Katechet
Katechet wissen, 1)
woher
er
theils
die vorgetragenen
Sachen
Sachen
nehmen
,
theils wie
er sie
empfehlen
soll. Zu
jenem
gehört ein gewisser Reichthum von recht
praktisch
praktischen Kenntnissen des ganzen Umfangs der Religion; zu
diesem
ein ansehnlicher Vorrath selbst von praktischen Kenntnissen aus der Philosophie,
vornemlich
vornehmlich
der Psychologie und Logik, und aus den schö nen Wissenschaften, hauptsächlich aus der Rhetorik.
Beyderley
Beiderlei
Kenntnisse, jene, die den Stoff, diese, welche die Form dem Vortrage geben, muß
eigner
eigener
Fleiß
Fleiß und
Uebung
Uebung
erlangt und verarbeitet haben. Die Sache verdient eine etwas deutlichere Erläuterung.
22
524
.
Erstlich
sollte jede
Erkenntniß
Erkenntniß, und vorzüglich
unsre
unsere
Kenntniß der Religion, in dem oben (
Theil
2
2.
§.
169
456
) angegebenem
169.
) angegebenen
Verstande,
praktisch
praktisch
seyn, daß wir nie bloß auf ihre
Wahrheit
Wahrheit
sähen
sehen
, sondern eben so sehr auf ihren
Werth
Werth
und ihre
Brauchbarkeit
,
d. i.
ihren
Nutzen
Nutzen und Einfluß in die menschliche
Glückseligkeit
Glückseligkeit, es mag dieser Einfluß mittelbar oder unmittelbar seyn (
ebendas.
Anmerk.
).
Wozu
weiß oder lernt man sonst?
vornemlich
vornehmlich
, wie
kan
kann
der die Absicht der Religion und seines Berufs erfüllen, wer auch die richtigsten Sätze derselben nicht zu
Andrer
Anderer
Besten anzuwenden
weiß.
weiß?
– Aber es giebt
ausser dem
ausserdem
außerdem
noch eine weit mehr verkannte praktische Erkenntniß, die darum so
heissen
heißen
könnte, weil die
Art
, wie man sie erlangt hat und wieder anwendet,
praktisch
ist. Wer als ein vernünftiger, wirklich
freyer
freier
Mensch, gewissenhaft lernen, und so wieder mittheilen will, der muß nicht bloß von
Andern
Sachen, Beweise und deren Anwendung lernen, oder dies ihnen nachsagen; er muß nicht bloß wiedergeben was er empfangen hat, und es von Hand in Hand
fortpflanzen. Er
fortpflanzen: er
muß vielmehr – in Absicht auf
Erkenntniß
–
eigenthümlich
eigenthümliche
Begriffe
Begriffe und
Ueberzeugung
Ueberzeugung davon erlangt,
d. i.
sich es nach
seiner
Art
vorgestellt,
vorgestellt
und klar gemacht, mit
seinen
übrigen Begriffen vereinigt
haben;
haben,
er muß, so viel er
kan
kann
, durch
eigne
eigene
Beobachtung
Beobachtung und
eignes
eigenes
Nachdenken
Nachdenken versuchen, sie deutlich und einleuchtend zu machen,
vornehmlich
und vornemlich
, was er erkennt, in so vielen Beziehungen auf menschliche Glückseligkeit zu
denken;
denken,
und fleißig
insbesondre
insbesondere
auf den Einfluß Acht geben, den dies auf seine Gewißheit, auf seine Gesinnung und auf alle Handlungen hat, daß ihm
einzelne
einzle
Lehren der Religion zu seiner und Anderer Besserung und Beruhigung immer brauchbarer werden. Und, in eben dem
Maaß
Maaße
, wie diese seine Erkenntniß wächset, muß er – in Absicht auf
Anwendung
Anwendung
derselben – immer mehr
eignen
eigenen
Antheil daran nehmen, sich wirklich
dabey
dabei
beruhigen, wirklich darnach handeln, sich immer mehr darüber freuen lernen, und den Trieb unterhalten, Andern auf eben die Spur zu helfen,
bey
bei
ihnen die
nemliche
nämliche
Ueberzeugung, Gesinnung, Freude und Art zu handeln, zu befördern. – Sonach muß er Anderer mündlichen oder schriftlichen Vortrag mehr als
Veranlaßung
Veranlaßung
Veranlassung
zum
eignen
eigenen
Denken, mehr als Winke, als
Eröfnung weitrer
Eröffnung weiterer
Aussichten brauchen, die
ihm
ihn
aufmerksam machen, ihm zu
eignen
eigenen
Gedanken helfen sollen, ihnen mehr die
Art
, selbst Erfahrungen anzustellen, darüber nachzu denken, und sie nutzbar zu machen, ablernen, als die
Kenntnisse selbst
von ihnen annehmen. – Durch diesen
eignen
eigenen
Fleiß,
eigne
eigene
Beobachtungen oder benutzte Erfahrungen,
eignes
eigenes
Nach denken,
eigne
eigene
Anwendung, wird seine Erkenntniß, Gesinnung und Handlungsart ihm eigenthümlich und wahrhaftig gewissenhaft.
Anm.
Um sich dieses deutlicher zu machen,
erwege
erwäge
man nur, wie wir es
bey
bei
Anhörung des
Vortrages
Vortrags
eines Andern oder der Lesung seiner Schriften machen, und welch ein
großer
grosser
Unterschied es
sey
sei
, bloß da dem
Andern
zu folgen, und im Gegentheil das Buch
bey
bei
Seite zu legen,
sich selbst
sich selbst
zu fragen, ob man das nicht bloß verstehe, sondern Ueberzeugung fühle? was man sonst davon wisse? und wie man dies damit verbinden, dadurch bestätigen,
eins
Eins
durch das
andre
Andere
berichtigen, wie und wozu man es brauchen könne? wie es in der Anwendung zu Hebung von Zweifeln,
zur
Entdeckung neuer Vorstellungen, zu neuer Ermunterung im Guten diene
u. s. f.
23
525
.
Es ist kein Zweifel, daß, wer
so
die Religion erkennt, daß der auch mehr dadurch selbst gebildet werde, sie klärer und anschauender erkenne, mehr von ihrer Wahrheit und
Werth
ihrem Werthe
überzeugt, mehr dafür eingenommen
sey
sei
; daß er weit kräftigern
Antrieb
Antrieb habe, sie Andern mitzutheilen; mit mehr Deutlichkeit, und, so zu sagen, Herzlichkeit davon spreche; mehr aus
eigner
eigener
Erfahrung
Erfahrung wisse, sie Andern wirksam
beyzubringen
beizubringen
; folglich auch auf
Andre
Andere
weit kräftiger
wirke;
wirke:
daß dies also, dieses
Praktisches
Praktische
der Erkenntniß in der Religion, in
beyderley
beiderlei
Sinn (§.
22
524
22.
) genommen, die Hauptsache
sey
sei
, wenn ein Lehrer der Religion wahrhaftig sie Andern recht
nutzbar
nutzbar machen will. Sehr schwer ist es immer, zu dieser praktischen Erkenntiß zu gelangen, und angestellte Versuche werden es jeden lehren, der es im Ernst darauf anlegt. Beständige
Aufmerksamkeit,
viel und ein
viel,
Aufmerksamkeit; ein
eben so ruhiger als
reger und
geschäftiger
Beobachtungsgeist,
Beobachtungsgeist;
Gewohnheit, eine Sache auf mehrern Seiten anzusehen, und über den Einfluß eines
Satzes
Lehrsatzes
auf
Andre
andre
Andere
sowohl als auf den Verstand und das Herz des Menschen
nachzudenken,
nachzudenken;
Kenntniß dessen, worauf man
bey
bei
einer solchen Untersuchung Acht zu geben, woraus man die Kenntnisse zu schöpfen
hat,
hat;
gute Hülfsmittel,
fleissige
fleißige
Uebung, selbst hinlängliche Zeit
dazu – dieses
dazu: dies
alles erfordert viele Fähigkeiten, Kenntnisse,
Geschmack
Geschmack an solchen Betrachtungen, Fleiß und glückliche Umstände. – Gemeiniglich schöpft der angehende
Prediger
Prediger oder
Katechet
Katechet seine Kenntnisse aus dem Unterricht auf Schulen und Universitäten, und aus Büchern.
Daraus
zu lernen, macht ihn, wie schon gesagt,
allein
nicht zu
seinen
Beruf
Beruf
seinem Berufe
tüchtig. Gesetzt auch, daß er in der Wahl oder
bey
bei
dem Zufall, der ihn auf diese Anweisung führte, nicht unglücklich gewesen, durch diesen genossenen
Unterricht
Unterricht nicht verstimmt worden
sey
sei
, also nicht erst noch zu lernen habe, wie viel er gar nicht, wie viel er vergebens gelernt habe, wie viel er also erst wieder verlernen müsse; gesetzt daß er auch selbst den besten, zu seinem künftigen besondern
Beruf,
Beruf
zweckmäßigsten Unterricht erhalten, daß er ihn mit der gehörigen Aufmerksamkeit
benützt
benutzt
habe – Fälle, die
äusserst
äußerst
selten
sind –:
sind: –
so
kan
kann
ihm zwar dieser Unterricht sehr nützlich, ja in so fern unentbehrlich seyn, daß er
alles
Alles
kürzer, bestimmter, zu einer allgemein zusammenhängenden Uebersicht der Religion brauchbarer,
lernt,
lernt;
daß er auf das aufmerksam gemacht wird, was und wie er es lernen, untersuchen, anwenden, auch wohl wie er das Gelernte praktisch machen soll. Aber es ist doch alles dieses mehr ein
Faden
Faden, woran er seine
eignen
eigenen
erworbenen Kenntnisse an reihen, eine Grundlage, worauf er erst selbst weiter fortbauen, ein angewiesenes
Fachwerk
Fachwerk, worin er erst noch viel zusammentragen und ordnen soll. Und wenn er selbst dem Lehrer die gute
Methode
Methode abgelernt hat, selbst von ihm in praktischer Behandlung des Gelernten geübt worden ist: so sind dieses doch nur Muster in wenigen
Beyspielen
Beispielen
, so wie der allgemeinere Unterricht nur Entwurf im Ganzen, den er selbst, nach den künftigen besondern Umständen und Bedürfnissen seiner
eignen
eigenen
Zuhörer, erst ausführen muß. Kurz, er wird nur mit vorläufigen allgemeinen Kenntnissen, mit einer allgemeinen Instruction, wie er sich zu benehmen habe, mit einigen Handgriffen und Uebungen ausgerüstet, in die Welt geschickt, und es wird ihm nun, da er unmöglich auf Alles vorbereitet werden
kan
kann
, was er für sich und
Andre
Andere
nöthig haben wird, ihm nun selbst
überlaßen
überlassen
, sich weiter zu bilden, seine Kenntnisse zu vermehren, und immer neue Anwendung zu machen.
Anm.
Anm.
Demnach lerne er von seinem Lehrer oder dem guten Schriftsteller, den er lieset, nicht nur die Lehren der Religion, ihre genaue Bestimmung, ihre Gründe und ihre Anwendung. Er lerne ihm auch die
Art
Art
ab, wie man untersuchen, sich überzeugen, Mißverstand und falsche Vorstellungen absondern,
alles
Alles
praktisch machen müsse. Er gewöhne sich aber, gleich zu
der
Zeit schon, wo er noch Verständigere befragen, seine Ideen durch sie berichtigen, sich in unternommenen
eignen
eigenen
Uebungen leiten
laßen
lassen
kan
lassen kann
, zu
eignen
Fleiß
eigenem Fleiß
und
Uebung
eigener Uebung
, und arbeite eben so eifrig an der Besserung seines Herzens, an dem Geschmack an allem Guten, an der Erweiterung und Befestigung seiner guten Gesinnung, an der steten Anwendung alles Gelernten und Entdeckten zur wahren Gottseligkeit, als an
Aufklärung
Aufklärung seines Verstandes. Ohne diesen
erworbnen
erworbenen
Schatz, der sicherlich nicht leicht zu erwer ben ist, wird er niemals selbst nur recht brauchbaren
Stof
Stoff
erlangen, den er
verarbeiten,
verarbeiten
und Andern wieder aufs nützlichste mittheilen
kan
kann
.
24
526
.
Was bisher eigentlich nur
darüber
darüber
gesagt worden ist,
woher
man die vorzutragenden Sachen
nehmen
soll, gilt auch in seiner Art von dem,
wodurch
man sie Andern
empfehlen
soll
soll.
(§.
21
).
523
).
21.
)
Man hat schon
Vieles
vieles
gewonnen, wenn man seine
eigne
eigene
Kenntniß der Religion
praktisch
praktisch gemacht hat. Sie
für Andere
eben so
praktisch
zu machen, die gemeiniglich weniger Fähigkeiten, weniger
Geschmack
Geschmack an
Religion
Religion, weniger Kenntniß derselben, und weniger Uebung in praktischer Kennt niß der Religion haben, ist nicht nur nöthig, aus den oben (§.
21
523.
21.
) angegebenen Wissenschaften und aus
eigner
eigener
fleißigen Beobachtung und Nachdenken die beste Art zu lernen, wie man
jemandem
jemanden
Sachen interessant, deutlich und eindrücklich machen könne, sondern auch fleißig mit
Anderen
Andern
, zumal Leuten von geringeren Fähigkeiten, in der Absicht umzugehen, um ihre Fähigkeiten, Kenntnisse, Gesinnungen und Bedürfnisse
auszustudieren
auszustudiren
, und
auf diesem Wege
die wirksamste Art
ausfündig
zu
machen
finden
, wie man ihnen am besten
beykommen
beikommen
könne
kan
. Daß dieses keine leichte Sache
sey
sei
, braucht kaum erinnert zu werden.
25
527
.
Ausser
Außer
dem
Auffinden
Auffinden
desjenigen, was und wie man es am wirksamsten in dem
Vortrag
Vortrage der Religion vorstellen soll, trägt 2) (§.
21
523
21.
) die
Ordnung
Ordnung
, in welcher die Gedanken gestellt werden, der
Ausdruck
Ausdruck
, worein man sie kleidet, und das
Aeusserliche
bey
Aeußerliche
bei
Ablegung des Vortrags (die
Action
) ungemein viel zur Wirksamkeit des Vortrags
bey
bei
. – Wenn die Unordnung in Stellung der Gedanken auch nicht so groß ist, daß sie Undeutlichkeit der Begriffe und Verwirrung
in
der
Vorstellungen hervorbringt, den Vortrag widerlich, und das Gesagte zu behalten unmöglich
macht,
macht
oder erschwert: so unterhält doch lichtvolle Ordnung und natürliche Folge der Gedanken die Aufmerksamkeit; jeder Gedanke giebt dem andern Licht und Stärke,
und
bereitet den
Zuhörer
Zuhörer auf das Folgende; der natür liche Zusammenhang giebt eine angenehmere Unterhaltung, eine zusammenhängendere Uebersicht des Ganzen, und macht die Eindrücke dauerhafter, weil der Vortrag
behältlicher
behaltbarer
ist, indem eine Idee die
andre
andere
, wegen ihres
Zusammenhang
Zusammenhangs, leichter wieder ins Gemüth bringt. –
3)
Wie viel der gute Ausdruck, der den Sachen und ihrer Würde angemessen ist, zur Empfehlung der Sache selbst thue, ist schon
oben
im ersten Theile
(
S.
284
)
berührt worden
(§.
274
f.
)
. – Und daß
4)
der den Sachen selbst entsprechende, und nach ihrer Verschiedenheit abgeänderte Ton der Stimme, die ganze natürliche Gebärdensprache, der ganze
äusserliche
äußerliche
Anstand, mit
einem Wort,
Einem Wort:
das ganze
äusserliche
äußerliche
Benehmen
Benehmen, in welchem sich die anschauliche Ueberzeugung von den vorgetragenen Sachen und ihrem
Werth
Werthe
, die wahrhaftige Theilnehmung daran und an dem Wohl der Zuhörer, abdrückt,
großen
grossen
Einfluß auf diese habe, weiß ein jeder, der einiges Gefühl hat. – Aber daß dieses alles, was den Vortrag so sehr empfiehlt, zu erlangen, die rechte
Mittelstraße
Mittelstraße
Mittelstrasse
zwischen der ungebildeten Natur und der Kunst
dabey
dabei
zu treffen, den Einfluß der oft unbemerkten Naturfehler und
üblen
übeln
Gewohnheiten auf einer, und der
Ziererey
Ziererei
oder der unnatürlichen Nachahmung auf der andern, abzuwehren, auch sehr schwer
sey
sei
, lehren die seltenen
Beyspiele
Beispiele
genug, wenn man auch nicht wüßte, wie viel
dabey
dabei
natürliche Talente,
ein
eiu
durch viele Uebung aufgeräumter Kopf, genaue Bekanntschaft mit den Sachen, ein für alles Gute warmes und wohlwollendes Herz, Reichthum der Sprache und Gewalt über sie, ein feines Gefühl des
Schicklichen,
Schicklichen
und ein sehr gebildeter
Geschmack
Geschmack,
Geschmack
vermögen.
26
528
.
Zu diesen Schwierigkeiten, die in der
Natur des
Vortrag
Vortrags
und dessen Theilen liegen (§.
21
21.
), kommen noch mehrere andere
523
),
kommen noch mehrere andere
, die mehr von gewissen
Mängeln des
Prediger
Predigers
selbst und den
Bedürfnissen der
Zuhörer
Zuhörer
abhängen, denen er
vielleicht
nicht gewachsen ist (§.
20
522
). –
20.
).
Jeder hat nicht nur seine
eigne Grundsätze,
eigenen Grundsätze;
er hat auch seine eigne Art, Begriffe und Sätze zu verbinden, zu ordnen, zu bestätigen und
auszudrucken;
auszudrücken;
auszudrucken:
deswegen ist das, was
uns
verständlich, deutlich, überzeugend und eindrücklich ist, nicht
Andern
eben so. Es ist schon nichts Leichtes, zu empfinden, daß man sich oft selbst nicht recht verstehe, selbst nicht deutlich denke, sich mehr überedet als
überzeuget
überzeugt
habe; wie
käm'
käme
es sonst, daß man seine
Ausdrücke
Ausdrücke, zumal wenn man in Bildern und Tropen spricht, nicht in deutlichere einkleiden, seine Gedanken nicht weiter
auseinander setzen
auseinandersetzen
oder zusammenziehen
kan
kann
, seine Ueberzeugung oder Rührung oft zerstört sieht, wenn man die
Ordnung
Ordnung oder
Einkleidung
Einkleidung der Gedanken geändert hat? Wie viel schwerer muß es seyn, sich in
Anderer
Lage nur vorerst
hinein zu denken
, um zu erkennen, was ihnen verständlich, überzeugend und anziehend seyn möchte, um deswegen den Grad ihrer
Fassungskraft
Fas sungskraft, ihre Vorurtheile und vermuthlichen Kenntnisse, ihre Neigungen, ihre Bedürfnisse, an welches
alles
man den
weitern
weiteren
Unterricht und dessen Anordnung
anschließen
anschliessen
soll, und die beste Art zu kennen, wie man ihrem Verstande und Herzen
beykommen kan
beikommen kann
? Wie noch viel schwerer, sich in Anderer Lage
hinein zu versetzen
,
d. i.
seine
eigne
eigene
Art zu denken, sich in Bewegung zu setzen, und sich
auszudrucken
auszudrücken
, in
diejenige
die
gleichsam umzuschmelzen, die ihnen eigen ist? Wie
viele
viel
feine
Menschenkenntniß
Menschenkenntniß gehört dazu? wie viel Beugsamkeit des Verstandes und Herzens? welche Mannichfaltigkeit und
welcher
Reichthum von Gedanken, Worten und Wendungen?
Anm.
Wahr ists, es giebt gewisse Begriffe, die alle Menschen für wahr
halten,
halten;
gewisse Neigungen, wodurch alle gelenkt werden
können; jene
können. Jene
sind das, was man unter dem
gemeinen
Wahrheitssinn
Wahrheitssinn
, diese, was man, wenn sie auf
freye
freie
Handlungen
gehn
gehen
, unter
moralischem
Gefühle
, beydes
Gefühl
, Beides
zusammen vielleicht, was man unter
Gemeinsinn
Gemeinsinn
(sensus communis) zu begreifen pflegt. Dem, sagt man, dürfe man nur
alles
Alles
anschließen
anschliessen
, so könne man mit dem Menschen machen was man wolle.
–
Aber 1) eben dieses
Anschließen
Anschliessen
und das so lange fortgesetzte Herumwenden aller Begriffe, bis sie sich
jedes
Jedes
Begriffen und Neigungen
anschließen, dies
anschliessen, das
ist eben
eben ists
, was so schwer, ohne die am Ende
unsers Textes erwehnte
des vorstehenden §. erwähnten
Eigenschaften, und ohne lange Uebung unerreichbar ist. 2) Vieles, dasjenige wenigstens,
wobey
wobei
irgend historische Kenntnisse, wie
bey
bei
Erklärung der
heil.
heiligen
Schrift und
bey
bei
der in ihr vorkommenden Geschichte, oder eine genauere Kennt niß der Natur der Dinge, zum Grunde gelegt werden
müssen
muß
, wie
bey
bei
manchen zwar oft gemeinen, aber sehr verwickelten Zweifeln und sehr gewöhnlichem Mißverstande, läßt sich durch diesen Gemeinsinn allein, nicht zur Ueberzeugung oder
Entschließung
Entschliessung
bringen. Und wenn vollends 3) vieles zu diesem Gemeinsinn gezogen würde, was dahin nicht gehörte, oder dieser durch Vorurtheile und
Schwärmerey
Schwärmerei
verdorben wäre; kostete es da nicht viel Mühe, den so
Verdorbnen
Verdorbenen
zu überzeugen, daß er sich täuschte, daß sein Sinn zerrüttet wäre? und könnte man ihn wohl eben durch diesen Sinn dahin bringen, daß er empfände, er habe keine Empfindung, oder empfände nicht recht? Wie diese Ueberzeugung durch ganz etwas
Anders
anders
, als durch den
bloßen
blossen
Gemeinsinn, bewirkt werden muß: so hat 4) jeder Mensch,
ausser
außer
dem, worin seine Begriffe und Neigungen mit
Andrer ihren
denen anderer
Meschnen
übereinstimmen, noch viele
besondre
besondere
Vorstellungen, die
bey
bei
ihm
Ueberzeugung wirken, noch sein
eignes
eigenes
Interesse, National- und
Zeitvorurtheile,
Zeitvorurtheile
z. B.
die aus seinem besondern Temperament, seiner Lebensart, seiner besondern Art zu denken, zu
schließen
schliessen
, zu erklären
u. s. f.
entspringen; und gerade das wirkt auf ihn am meisten, was sich
daran
schließt. Ists denn also weniger nöthig, oder weniger schwer,
daran
sich zu halten, wenn man ihn
wofür
für
oder
wowider
wider etwas
einnehmen will? – Man hat
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Jesum
als ein
zum
Muster des
populär
populären und eindringlichen Vortrags dargestellt, und man hat es mit dem
größesten
grössesten
Recht gethan. Aber eben seine ganze so vollkommen weise Lehrart zeigt, daß er sich
bey
bei
denen, die er bekehren oder bessern wollte, keineswegs bloß an den Gemeinsinn
hielte
hielt
, sondern gewiß auch das
andere
Andere
, was hier berührt worden ist,
vornehmlich
vornämlich
das zuletzt genannte
Eigne
seiner Zuhörer, zu Hülfe nahm.
Man vergleiche
Hauff, Karl Viktor
Hauff
Bemerkungen über die Lehrart
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Jesu
, mit Rücksicht auf jüdische Sprache und Denkart. Offenbach 1798.
Hauff Bemerkungen über die Lehrart Jesu, mit Rücksicht auf jüdische Sprache und Denkart. Offenbach 1798
Bei Karl Viktor Hauffs (1753–1832)
Bemerkungen über die Lehrart Jesu mit Rücksicht auf jüdische Sprach- und Denkungsart. Ein Beitrag zur richtigen Beurtheilung dessen, was Lehre Jesu ist
(1798) handelt es sich um die zweite Auflage. Die Erstauflage stammt aus dem Jahr 1788.
27
529
.
Und gerade der
natürlich
natüelich
schöne
natürlich-schöne
Vortrag
Vortrag, der allen Arten von Zuhörern gefällt, weil er für
Alle
alle
nicht nur verständlich, sondern auch unterhaltend ist, der eben so wenig
künstlich
künstlich
als
kunstlos
ist, ob er gleich das
Letztre
Letztere
zu seyn scheint; der so einnimmt, daß jeder sagen muß:
so
stellen sich die Sachen in ihrer natürlichen
Einfalt
Einfalt dar; von dem jeder glauben
kan
kann
,
der
koste die wenigste Anstren gung – gerade der ist am
allerschweresten
allerschwersten
zu erreichen, weit schwerer als der,
wobey
wobei
man die Anstrengung des Verstandes oder der Einbildungskraft, oder gar das ängstliche Bestreben, etwas Schönes und Auffallendes zu sagen, wahrnimmt. Woher käm' es sonst, daß wir so
äusserst
äußerst
wenige Muster desselben fänden? woher sonst so
große
grosse
Schwierigkeiten, wenn man, was man selbst gedacht, sich es selbst ganz deutlich gemacht, sich es ganz zu seiner eigenen Zufriedenheit
ausgedruckt
ausgedrückt
hat, in eine ganz
andre
andere
Form
Form für anders Denkende
gießen
giessen
soll? woher,
bey
bei
einer nicht geringen Anzahl recht guter
Prediger
Prediger, so ungleich weniger recht gute
Katecheten
Katecheten? Es ist wahr, ein solcher Vortrag gelingt nur in solchen Stunden, wo die Seele ruhig,
d. i.
von keinem andern Gegenstande gestört, wo sie ganz heiter, ganz von
dem
Gegenstande eingenommen, voll von ihm, aber nicht überladen ist.
Allein
Aber
er wird da nur
geboren oder empfangen,
geboren, empfangen
und lange gebildet ist er schon vorher; oder, um ohne Bilder zu reden, er könnte da nicht gelingen, wenn nicht ein reicher Schatz von
praktisch
praktischen Kenntnissen in der Seele läge, die sich gerade zu rechter Zeit darstellten, um
dieser
Sache Licht und Wärme zu geben; wenn
er
sie
nicht von vielen feinen Kenntnissen der Menschen und ihrer hier in Anschlag kommenden Umstände unterstützt würde; wenn
die Seele
sie
nicht viele Regeln kennte, die man zur Gewinnung des menschlichen Verstandes und Herzens befolgen muß; wenn sie sich nicht durch viele Uebung die Fertigkeit erworben hätte, Sachen von vielen Seiten zu denken, mannichfaltig
auszudrucken
auszudrücken
, und sich gleichsam in
mancherley
mancherlei
Formen zu
gießen
giessen
; nur daß zu der Zeit zwar die Vorstellung von den
Sachen
Sachen
lebhaft in der Seele ist, aber die
Art
sie zu sagen, nicht ganz deutlich gedacht wird, sondern mehr im Verborgnen wirkt, und jene Kenntnisse von Menschen, jene Regeln und
Fertigkeiteu
Fertigkeiten
sich mehr unvermerkt in den Vortrag
ergießen
ergiessen
. Es muß jedem einleuchten, wie viel mehr dazu der ehemalige Erwerb aller jener Kenntnisse und Fertigkeiten, als die Stimmung der Seele in einer solchen Stunde selbst,
beytrage
beitrage
, und wie schwer es
sey
sei
, sich erst jenes zu erwerben, wenn man sich Hoffnung machen solle, daß ein solcher Vortrag gelingen werde.
28
530
.
Wenn der
Prediger
Prediger immer eine Versammlung von Zuhörern vor sich hätte, die wahres Interesse für die Religion, und für ihre wahre geistige Wohlfahrt, einen reichen Vorrath von praktischen Kenntnissen der Religion, und
heisse
heiße
Lernbegierde mitbrächten,
und
die zum Denken über ernsthafte und unsichtbare Dinge, zur gewissenhaften Anwendung des Erlernten gewöhnt
wären;
wären:
die sich nicht bloß führen
ließen
liessen
, sondern, an der Hand des Lehrers, über das Vorgetragene selbst dächten, und es auf ihren besondern Zustand
anwendeten:
anwendeten;
so würde
er
sich
der Prediger bey seinen
bei seinem
Vortrag
Vortrag sehr erleichtert, und dieser sicherlich mehr Eingang finden. So sind und handeln aber die wenigsten Zuhörer; selbst der
aufgeklärter
aufgeklärtere und der frömmere Theil denkt gemeiniglich, jener zu wenig an die Anwendung, dieser zu wenig an die Läuterung und feste Gründung der
Religionserkenntniß
Religionserkenntniß
Religionskenntniß
. Noch dazu ist fast immer die Versammlung ein vermischter Haufe; wo, was dem Einen verständlich, dem Andern schaal und wässerig, und was
diesen
diesem
unterhält, jenem undeutlich und zu hoch ist; wo die Fähigkeiten, Kenntnisse, Geschmack und Interesse so
verschieden
entschieden
sind, daß es sehr schwer wird, sich ganz zu dem einen Theil herabzulassen, und ihn zu sich hinaufzuheben,
dem
den
andern hinlängliche Unterhaltung zu geben, durchaus aber
Allen Alles zu werden. –
Dies
Dieß
und das Unvermögen des Predigers, sich in die
Umstände
Um stände der Zuhörer zu schicken,
ist
also
die
zweyte
Hauptursach
zweite
Hauptursache
(§.
20
522
20.
) der
großen
grossen
Schwierigkeiten
bey
bei
einem
einen
guten
Vortrag
Vortrage
Vortrag, die in der Beschaffenheit und Verschiedenheit der Zuhörer liegt
.
Allen Alles zu werden
Vgl. 1Kor 9,22.
29.
531
Indessen würden sie sehr vermindert werden, und der
Prediger
Prdiger
Prediger
oder
Katechet
Katechet würde sie weit leichter überwinden können, wenn ihm – welches das
dritte
Dritte
war (§.
20
530.
20.
und
26
522
26.
) – nicht manche
Einrichtungen unter uns
im Wege stünden, und
die
Anstalten
dazu mehr angelegt wären, worin
Christen
Christen,
und worin vornehmlich Lehrer der Religion sollen gebildet werden. – Es versteht sich von
selbst
sebst
, und die Geschichte bestätigt es, daß, wenn Wißbegierde,
Aufklärung
Aufklärung in der Religion, Interesse für sie und für geistige Angelegenheiten, allgemeiner würde, ein
großer
grosser
Theil der Schwierigkeiten wegfallen müßte, welcher von
Beschaffenheit
Beschaffenheit
des Predigers selbst und
der
Zuhörer
Zuhörer
herrührt.
selbst herrührt,
Und, wenn gleich
alsdann
alsdenn
immer noch eine
große
grosse
Verschiedenheit der
Lehrer und
Zuhörer bliebe: so würde doch auch die den Vortrag weniger erschweren, wenn, wenigstens öfters,
besondre
besondere
Vorträge für die
verschiednen
verschiedenen
Arten der Zuhörer, bloß für Kinder,
Handwerker, Dienstboten,
*)
für Landleute, für Gelehrtere
u. s. w.
gehalten würden, und wenn man in Besetzung der Lehrstellen mit mehr Weisheit und Gewissenhaftigkeit verführe, um jeden Lehrer an
den
Ort, unter
die
Art von Zuhörern zu versetzen,
und
ihm
die
Art des Vortrags anzuweisen, die seinen Fähigkeiten am angemessensten wäre.
Anm.
*) Ich kann mich noch immer nicht überzeugen, daß eine solche von Zeit zu Zeit eintretende Absonderung der Zuhörer, wenigstens auf dem Lande oder in kleinen Städten, nicht möglich sein sollte, sobald es nur der Prediger auf die rechte Art anzufangen wüßte. Siehe
meine Vorschläge darüber im Journal für Prediger,
Bd.
17.
A. d. H.
meine Vorschläge darüber im Journal für Prediger, Bd. 17
Im
Journal für Prediger
17 (1785), 125–139 findet sich August Hermann Niemeyers
Vorschlag zur besondern Bearbeitung einzelner Classen von Mitgliedern christlicher Gemeinen
.
30
532
.
Eigentlich aber ziele ich hier auf die Anstalten zur Bildung
unsrer
unserer
Christen und ihrer Lehrer. Diese sind entweder
Schulen
Schulen
Schulen
oder
Universitäten
Universitäten
Universitäten
, und, wenn man will, besondere Pflanzschulen für die
Lehrer. –
Letztern.
In
Schulen
Schulen
wird gemeiniglich die Jugend fast bloß zu Gelehrten, oder bloß zum gemeinen Leben und den Nahrungsstand erzogen,
bey
bei
jenen die Bildung zu recht
praktisch
praktischen Kenntnissen in den Wissenschaften, und besonders in der
Religion
Religion,
bey
bei
diesen die Kenntniß und das Nachdenken über unsichtbare Dinge,
bey beyden
bei beiden
moralische Bildung und Gewöhnung zu
eignem
eigenem
Fleiß zu sehr
vernachläßigt
vernachlässigt
.
–
Auf
Universitäten
Universitäten
, wo der künftige Lehrer
nothwendig muß
zu gelehrten Kenntnissen
angeführet
nothwendig angeführt
werden
muß
, führt die Natur der Wissenschaften, worin
es
vorzüglich
auf
Bestimmtheit und Gründlichkeit
herrschen muß
ankommt
, und der Vortrag, wodurch nicht das Volk, sondern Lehrer
sollen
gebildet werden
sollen
, auf eine gewisse einförmige und gelehrte Art zu denken, worüber gemeiniglich die praktische Art, die Religion zu behandeln,
versäumet
versäumt
wird, und der künftige Lehrer eine Art zu denken und sich
auszudrucken
auszudrücken
annimmt, die es ihm hernach sehr schwer macht, sich zu Ungelehrten
herabzulaßen
herabzulassen
, und mit ihnen nach ihren Bedürfnissen zu reden.
–
Ueberhaupt aber werden in
beyderley
beiderlei
Anstalten zu sehr die
Uebungen
Uebungen im guten, besonders praktischen und
populär
populären, Vortrag
vernachläßigt,
vernachlässigt
populären Vortrage vernachlässigt
und immer
seltner,
seltener:
Uebungen, zu welchen man frühzeitig, vorzüglich auf Schu len, sollte angehalten werden. Denn
da
ist nicht nur die meiste Zeit dazu;
da
da
könnte auch die Leitung und Kritik eines verständigen Lehrers die Aufmerksamkeit des jungen Lehrlings gerade auf das richten, was
eigentlich
eigenlich
zum guten
Vortrag
Vortrage
gehört, ihm die Quellen, woraus er schöpfen sollte, anweisen, oder ihm selbst zu den nöthigen Gedanken helfen, und
alles
Alles
durch nöthige Erinnerungen
verbessern;
verbessern:
da
da
kan
kann
man noch an Achtsamkeit auf
klein scheinende
kleinscheinende
Umstände, die auf den Vortrag so
großen
grossen
Einfluß haben, gewöhnt werden, weil das Gemüth noch nicht durch die Aufmerksamkeit auf nöthigere Dinge abgelenkt, und der
Geschmack
Geschmack noch nicht durch sogenannte reelle Kenntnisse verwöhnt ist;
da
da
läßt sich auch noch die Flüchtigkeit des jungen Kopfs durch stete
Uebung
Uebung und einen heilsamen Zwang einschränken. – Sind aber diese Uebungen versäumt
worden;
worden,
ist der Geschmack nicht frühzeitig zum Gefühl der wahren natürlichen Schönheit des Vortrags
gebildet;
gebildet,
kommt noch eine unvorsichtige Lectüre dazu, und der Trieb, mehr sein Vergnügen dadurch zu befriedigen, oder höchstens Kenntnisse
einzusammlen
einzusammeln
, als den zweckmäßigen Vortrag der Religion zu bilden: so muß es, wie auch die Erfahrung
lehret
lehrt
, unbeschreiblich schwer werden, hinterher erst einen solchen Vortrag, wie er bisher beschrieben ist, in seine Gewalt zu bekommen.
31
533
.
Worauf käme es nun eigentlich an, wenn der
Vortrag
Vortrag der Religion, – er
sey
sei
aneinan derhangend, oder mehr Unterredung mit
Anderen,
Andern
– so seyn sollte, daß die Absicht, Andere durch Religion glücklich zu machen, erreicht werden könnte?
–
Willigkeit
Willigkeit
Willigkeit,
sie anzunehmen und zu befolgen,
kan
kann
anders nicht, als durch erweckte Vorstellungen entstehen, die uns das, was zur Religion gehört, als wahr und als gut zeigen. Wenn also der Vortrag jene Absicht befördern
soll:
soll,
so muß
er: – bey
er bei
den
Zuhörer
Zuhörern Vorstellungen
erwecken
erwecken
–
erwecken
,
die von ihnen als
wahr
wahr
,
d. i.
als der Sache selbst, oder dem Grunde, worauf sie beruhen, gemäß erkannt
werden –
werden,
und deren
Werth
Werth
ihnen in Rücksicht auf ihr Bestes einleuchtet. In der ersten Absicht ist der Vortrag
belehrend
belehrend
(unterrichtend); in der
zweyten
zweiten
überzeugend
überzeugend
; in der dritten
rührend
rührend
(im
weitern
weiteren
Verstande
;
s.
siehe
unten §.
43.
)
†)
1
)
. Diese
drey
drei
Eigenschaften
kan
kann
man unter dem Namen der
Erbaulichkeit
Erbaulichkeit
zusammenfassen, und der Vortrag ist
erbaulich
, wenn er so eingerichtet ist, daß er
–
die
Erkenntniß
Erkenntntß
–
der göttlichen Wahrheit
–
zur
Gottseligkeit
Gottseligkeit
–
befördern
kan
kann
; wiewohl er auch von Manchen schon so genannt wird, wenn er auch nur
Eine
eine
dieser Eigenschaften, vornehmlich wenn er die
dritte,
dritte
hat.
2
)
†)
Anm.
Anm.
1.
Anm.
1)
In dem gedachten ersten
Fall
Falle
wirkt der Vortrag auf die
bloße
blosse
Vorstellungskraft
,
erweitert
die Erkenntniß, und verbannt die
Unwissenheit
oder
Unbedachtsamkeit
; im
zweyten
zweiten
wirkt er auf den
Verstand
,
berichtigt
die Erkenntniß, und vertreibt
Vorurtheile
und
Irrthümer
; im dritten wirkt er aufs
Herz
Herz
, oder auf den Willen, macht die Erkenntniß
lebendig
, und hebt die
Gleichgültigkeit
.
Anm.
Anm.
2. Das Folgende
2) Wenn wir diese Haupttendenz öffentlicher Vorträge etwas weiter verfolgen, so
soll
dies doch
weder eine
Anweisung zum Predigen
Anweisung zum Predigen
, noch zum
Katechisiren
Katechisiren
seyn. Es soll nur auf die Hauptsache
bey
bei
dem
erbaulichen Vortrage
erbaulichen Vortrage
aufmerksam machen, und zeigen, wie viel dazu gehöre, wenn ein solcher Vortrag seiner wahren Absicht entsprechen soll. Einzelne Regeln lassen sich hernach leicht daraus ableiten.
{Die Bedeutung des
Erbaulichen
wird oft sehr einseitig aufgefaßt, wie es meistentheils
tropisch
tropischen
Aus drücken geht. Die Hauptidee, welche auch den Stellen des neuen Testaments, woraus er genommen ist (
Apostelgesch. 20, 32.
Eph. 21, 22. 23.
Jud. 20.
,
1 Kor. 14, 5. 26.
u. s. w.
) zum Grunde liegt, ist das
Emporsteigen eines Baues auf einem gelegten Grunde
; eigentlich also ein
Zunehmen, Besser-
und
Vollkommnerwerden
, wie denn
Luther, Martin
Luther
selbst in mehreren Stellen
οἰκοδομη
durch
Besserung
übersetzt hat (
1. Kor. 14, 3. 26.
). Dieß wird eben sowohl auf Wachsthum an
Erkenntniß
als an
Heiligung
bezogen; und Alles, was das Eine oder das Andere, sei es durch
Aufklärung
Aufklärung der Vorstellungen, sei es durch Erweckung sittlicher und frommer Gefühle, sei es durch Belebung des Eifers in allen Tugenden befördert, ist
erbaulich
. Häufig aber hat man das Erste davon ausgeschlossen, und nicht nur Vorträge, die mehr den Zweck hatten zu erleuchten, als zu erwärmen,
unerbaulich
genannt. Allerdings sind
Erbauungsbücher, Erbauungsstunden, erbauliche Predigten
nicht bloße Verstandesbeschäftigungen, oder Belehrungen über Dinge, und Materieen, die keinen Einfluß auf die ganze Besserung des Menschen haben, wie schon früherhin so viele streng dogmatische und gar polemische Predigten enthielten; aber es giebt auch
heilsame Erkenntnisse
und eine Berichtigung der Begriffe, die von großer Wichtigkeit für die Tugend des Menschen ist. Außer
Koppe, Johann Benjamin
J. B. Koppe
genauere Bestimmung des Erbaulichen in Predigten, Göttingen 1778
, vergleiche man
Spalding, Johann Joachim
Spalding's
Predigt von dem was erbaulich ist, Berlin 1781
, und die lehrreiche
Abhandlung in
Paulus, Heinrich Eberhard Gottlob
Paulus
neuem theologischen Journal 1797
,
N.
6. über den Begriff des Erbaulichen, und in
meinen
Briefen an christliche Religionslehrer, 3te Sammlung.
A. d. H.
}
Eph. 21, 22. 23.
Gemeint ist Eph 2,20–22.
J. B. Koppe genauere Bestimmung des Erbaulichen in Predigten, Göttingen 1778
D.i. Johann Benjamin Koppe (1750–1791) und seine
Genauere Bestimmung des Erbaulichen im Predigen
(1778).
Spalding's Predigt von dem was erbaulich ist, Berlin 1781
Es handelt sich um Johann Joachim Spalding (vgl. SpKA II/3, 52–72).
Abhandlung in Paulus neuem theologischen Journal 1797, N. 6. über den Begriff des Erbaulichen
In dem seit 1795 von Heinrich Eberhard Gottlob Paulus herausgegebenen
Neue[n] theologische[n] Journal
9 (6. St.) (1797), 521–546 findet sich eine anonym erschienene Rezension zu Georg Wilhelm Rullmanns (1757–1804)
Anweisung zu einem erbaulichen und populären Canzelvortrag nach den Bedürfnissen unserer Zeiten
(1796). Eingeschaltet ist ein Exkurs über den für die Homiletik wichtigen Begriff der Erbauung (vgl. aaO 535–542), der im Inhaltsverzeichnis unter dem Titel
Was ist Erbauung?
als eigenständiger Beitrag verzeichnet ist.
meinen Briefen an christliche Religionslehrer, 3te Sammlung
Gemeint ist wohl die zweite Auflage (vgl. I § 285 c; II § 174 c).
32
534
.
Belehrung
Belehrung
, wodurch die Kenntniß des Zuhörers immer mehr erweitert, und er zum Besinnen und Denken ge bracht wird, ist die
erste
erste
unentbehrliche Eigenschaft eines guten
Vortrag
Vortrags,
Vortrags;
und
nur
in dem Grade
kan
kann
dieser nützlich seyn, in welchem er diese Eigenschaft hat. – Denn wie
kan
kann
man etwas für wahr
und
oder
gut halten, was man nicht kennt? woher anders, als daraus, können Gründe genommen werden, wodurch man sich überzeugt, und wonach man etwas begehrt oder verabscheut? oder wie
kan
kann
der
Beyfall
Beifall
, den man einem
Satz
Satze
giebt, und die Willigkeit, mit der man ihn befolgt, gewissenhaft seyn,
d. i.
d. i.:
wie
kan
kann
man sich selbst Rechenschaft geben, daß man etwas für wahr annehmen und wollen müsse, ohne durch die Kenntniß, die man von einer solchen
Sache
Sache hat? Immer rührt auch alle Gleichgültigkeit gegen das, was wahr und gut ist, und alle Verwerfung desselben da her, daß man es entweder nicht kennt, oder zu der Zeit nicht daran denkt, oder sichs nicht lebhaft genug vorstellt; und diesem allen
kan
kann
nur rechte Belehrung abhelfen. – Das Bekannte verliert, weil man dessen gewohnt wird, nach und nach den Eindruck, und
kan
kann
nur dadurch aufgefrischt werden, daß man immer Mehreres hinzu lernt, wodurch das Bekannte in uns in neuen Verbindungen erscheint, und uns neue Aussichten
eröfnet
eröffnet
werden, welche die Beschäftigung mit bekannten Sachen unterhaltender machen. – Was nicht wirklich belehrt,
wobey
wobei
man nichts Bestimmtes denkt, was bloß die Phantasie in Bewegung, und das Gemüth in Affekt setzt, das geht wie ein Rausch vorüber, und
kan
kann
keine
dauerhafte
dauerhaften
Eindrücke
hinterlaßen
hinterlassen
. Je mehreres man hingegen von einer Sache
weiß; je
weiß, desto
mehr erzeugt Eines das Andere, weckt Eins das
Andre
Andere
wieder auf, wirkt Eins wenn das
Andre
Andere
unwirksam schläft, verstärkt das Eine die Wirkungen des Andern. – Wenn nun vollends der
Religionsunterricht
Re ligionsunterricht in den früheren Jahren, es
sey
sei
aus Schuld des Lehrers oder der Unfähigkeit und Flüchtigkeit des Alters, bloß auf das Gedächtniß gewirkt hat; wenn aus der Denkungsart und aus anderweitigen
angenommnen
angenommenen
Vorurtheilen eines Menschen sich Vorstellungen in seine
Religionskenntnisse
Religionskenntnisse eingeschlichen haben, die, so denkbar sie sonst seyn mögen, in der Religion undenkbar sind; wenn sein Gemüth durch
angefangne
aufgefangne
angefangene
Zweifel oder verführerische, zumal den Leidenschaften des Men schen schmeichelnde, Gedanken verwirrt, oder von der Achtung und Liebe zur Religion abgezogen worden ist; wenn ohnehin mit den Jah ren der Unmündigkeit der jugendliche Religionsunterricht aufhört; wenn die sich nun selbst
Ueberlaßenen
Ueberlassenen
keines aneinanderhängenden förmlichen Unterrichts in derselben mehr
genießen
geniessen
, und sich entweder gar nicht mehr um Unterricht in der Religion und dessen Erweiterung bekümmern, oder sich selbst nach mangelhaften und
willkührlichen
willkürlichen
Begriffen eine Religion bilden: was bleibt dann, diesem Uebel abzuhelfen, noch übrig, als daß durch öffentliche Vorträge der Religion diese Belehrung entweder erst ertheilt, oder unbestimmten, halbwahren und unrecht angewendeten Vorstellungen eine
andre
andere
Richtung gegeben
werde.
werde?
33
535
.
Soll der Vortrag
belehrend
belehrend
seyn: so muß er nicht nur Dinge bekannt machen, die der Zuhörer vorhin nicht wußte, oder an die er nicht dachte; er muß auch
bey
bei
ihm wirklich
Begriffe
Begriffe, und zwar bestimmte
Begriffe
Begriffe,
davon hervorbringen können. – Er muß ihm 1) etwas zu denken geben, sowohl in Absicht auf
Sachen
Sachen
als auf
Worte
. – – Auf
Sachen
.
Sachen
!
Und hier sollte aus dem Vortrage
alles
Alles
entfernt werden, was entweder an sich undenkbar ist, oder doch, so fern es von Gott und in der Religion gebraucht wird, sich nicht denken läßt, oder, weil die ganze Religion
praktisch
praktisch seyn
muß (
Theil 2.
§.
169
456
)
muß, Alles
, was überhaupt oder
bey denenjenigen
bei denjenigen
Zuhörern, mit welchen man zu thun hat, weder zu ihrer Besserung, noch zu ihrer Beruhigung brauchbar vorgetragen werden
kann
kan
.
†)
Was sich hingegen denkbar und praktisch machen läßt, müßte man so sehr an die Begriffe, die man
bey
bei
den
Zuhörer
Zuhörern voraussetzen
kan
kann
, anknüpfen, durch Gegensätze, durch Erfahrungen,
Beyspiele
Beispiele
und Beschreibungen so erläutern, und, wenn man Stellen der heiligen Schrift braucht, diese durch faßlichere Gedanken und Umschreibungen so klar und anschauend machen, daß aller nachtheilige Mißverstand verhütet, und der Gedanke ihnen so
anschaulich,
anschaulich
als möglich gemacht würde. – In Absicht auf
Worte
Worte
aber müßte man sich aller Ausdrücke enthalten, die den Zuhörern unverständlich sind, sie mögen übrigens sonst so gut, und durch den Gebrauch so gangbar gemacht und geheiligt seyn, als sie
wollen; man
wollen. Wenigstens
müßte
wenigstens
nichts unerklärt
laßen
lassen
, wobey
bleiben, wovon
man
wüßte
weiß
, daß sie nichts oder leicht etwas Falsches zu denken gewohnt
wären
sind
;
und alles müßte
Alles dagegen
in so faßliche, darstellende und edle Ausdrücke eingekleidet werden, als man
irgend,
nur irgend
der Natur der Sachen
angemessen
angemessen,
finden könnte.
†)
Anm.
undenkbar
Undenkbar
an sich
ist
z. B.
die
dogmatische
Lehre von
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
Allwissenheit, der er sich in besondern Fällen soll
entäussert
entäußert
haben. Undenkbar
in der Religion
sind die gemeinen
groben
Begriffe von dem
erzürnten
erzürnten
und erst durch
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christum
besänftigten
besänftigten
Gott, von Vergebung der Sünden, als einer Aufhebung aller nachtheiligen Folgen
unsrer
unserer
Vergehungen, von Strafen Gottes als
bloßen
blossen
Uebeln
u. d. gl.
u. dgl.
Undenkbar
im praktischen Verstan
de
, die Lehre von der
Höllenfahrt
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
Höllenfahrt
Christi
im eigentlichen
Verstande
Verstand
, die von einer
eigentlichen
Zurech nung des Falls
Adam
Adams
u. a.
–
Beyspiele
Beispiele
zu den übrigen Theilen des §., sonderlich von unverständlichen, gemißdeuteten, theils vieldeutigen, theils uneigentlichen Ausdrücken, als: wesentlicher Leib
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
, Glaube,
Buße
Busse
, Gnade, Wiedergeburt
u. d. gl.
und dergleichen,
werden jedem leicht
beyfallen
beifallen
.
Lehre von Christi Allwissenheit, der er sich in besondern Fällen soll entäussert haben
Vgl. II § 170.
34
536
.
Doch dieses allein würde zur rechten
Belehrung
Belehrung nicht dienen, wenn der Vortrag nicht auch so eingerichtet wäre, daß er 2)
bestimmte
Begriffe
Begriffe erwecken könnte. Wer diese Eigenschaft
seinen Vortrag
seinem Vortrage
mittheilen, und verhindern wollte, daß dieser nicht entweder Irrthümer erzeugte, welchen doch die Belehrung eben mit vorbeugen will, oder daß der Vortrag
den
Zweck nicht erreichte, den er doch haben soll, Belehrung zu geben: der müßte sich durchaus solcher Ausdrücke bedienen,
wobey
wobei
er voraussehen
könnte
kan
, der Zuhörer werde, nach dem ihm bekannten
Sprachgebrauch
Sprachgebrauch, gerade das
denken
denken, was der Lehrer ihm dadurch sagen
will. Er
will; er
müßte sich aller
zweydeutigen
zweideutigen
und schwankenden Ausdrücke enthalten, die nach dem Sprachgebrauch entweder mehr oder weniger Vorstellungen, als der Lehrer wirklich mittheilen will, oder gar fremde Vorstellungen, erregen
könnten. Wäre
könnten; wäre
dieses aber zu besorgen, und wären entweder keine Ausdrücke in der Sprache vorhanden, die diese Fehler nicht hätten, oder gäbe es zwar bestimmtere, aber
denen
den
Zuhörern, vor denen man redete, nicht verständliche Ausdrü cke, so müßte durch deutliche und faßliche Erklärungen und Erläuterungen, auf die
im vorigen
in vorigem
§.
erwähnte
erwehnte
Art, diesem Mißverstande abgeholfen werden.
Anm.
Man sieht
sowohl
aus diesen
zwey
§§
§§.
als den vorigen §§.
1.
1)
Wie ausnehmend viel auf die Klugheit des Lehrers in der Wahl der vorzutragenden Sachen und Worte ankomme, und worauf er
bey
bei
dieser Wahl zu sehen habe. Die wahren
Bedürfnisse
und
Kenntnisse
der
Zuhörer
Zuhörer
, die er belehren will, müssen der Maaßstab seyn, wonach er sich in seiner
Wahl,
Wahl
aufs gewissenhafteste und
schonendste,
schonendste
richten muß.
2.
2)
Wie höchst nöthig es
sey
sei
, daß ein Lehrer seine Zuhörer, wenigstens überhaupt nach ihrer Fähigkeit,
ihren
Kenntnissen, herrschender Denkungsart, Geschmack und Sitten kenne; mit den gewöhnlichen Begriffen, Vorurtheilen, moralischen Grundsätzen, und selbst der Sprache des Volks,
alles
Alles
besonders in Absicht auf Religion, bekannt
sey;
sei,
und nicht nur die Wahrheit, sondern auch den wahren praktischen Werth und
die
Wichtigkeit der Lehren zu schätzen wisse; und
3.
3)
wie sehr ein wahrer Volkslehrer nach
Menschenkenntniß,
Menschenkenntniß
und nach ausgebreiteter, bestimmter und fruchtbarer Kenntniß der Religion, der Moral, des guten Vortrags und der Sprachen,
wenigsten
wenigstens
der Sprache, worin er seine Vorträge hält, und nach der gehörigen Fertigkeit darin, durch öftere und
fleissige
fleißige
Uebung streben sollte.
35
537
.
Durch die
Belehrung
Belehrung lernt der Zuhörer die Sachen recht kennen; soll er aber
dabey
dabei
nicht gleichgültig bleiben, sondern sie zu seinem Besten
benutzen;
benutzen,
so muß er einsehen lernen, daß dasjenige, was er gehört hat,
wahr
sey
sei
,
d. i.
er muß es, so fern es seine Kenntniß angeht,
glauben
glauben
, und, so fern es seinen Willen betrifft, für seine
Pflicht
Pflicht
ansehen, und sich, es zu thun oder zu
laßen
lassen
, für verbunden achten. Ein Vortrag, der dies bewirken
kan
kann
, ist
überzeugend
überzeugend
; welches die
zweyte
zweite
Eigenschaft
war
war.
(§.
31
).
533
).
31.
)
Die Einsicht der
Wahrheit
Wahrheit beruht auf Gründen, die den Zuhörer nöthigen, eine Lehre für wahr zu halten; er wird aber diesen keine hinlängliche Aufmerksamkeit schenken, wenn er die Lehre nicht in Beziehung auf sein Bestes ansieht,
d. i.
wenn sie nichts Anziehendes für ihn hat, wenn sie ihm nicht
interessant
ist;
ist:
und
dies kan
dieß kann
sie für ihn, wenn sie
praktisch
praktisch ist, nicht seyn, falls er nicht einsieht, daß sie in der Anwendung möglich
sey
sei
,
und
daß er ihr gemäß handeln könne. Hieraus entstehen
drey
drei
Eigenschaften des
überzeugenden
Vortrags. Er muß darauf eingerichtet seyn, daß die
Zuhörer,
Zuhörer
die Lehren
–
für
gegründet
,
–
für
interessant
und
–
für
ausführbar
erkennen.
36
538
.
Um den
ersten
Zweck zu erreichen, ist
1)
die
bloße
Wärme
blosse Wärme
oder
der
Eifer
Eifer
im
Vortrag
Vortrag nicht hinlänglich;
sie
er
beweiset nur, daß der Lehrer für das, was er sagt, eingenommen
sey
sei
. Der
Affekt
Affekt
Affect
läßt sich nicht immer den Zuhörern
mittheilen. Er
mitthei len; er
wirkt nur da, wo der Zuhörer schon durch seine Denkungsart, durch seine Grundsätze, durch seine
Neigungen,
Neigungen
dazu gestimmt ist, aber nicht da,
wo
worauf
er eben am
nöthigsten wäre; ich meine
meisten arbeiten sollte
, wo gerade alles dieses nach den Lehren, und durch sie, sollte verbessert
werden. Es
werden; er
wird
so gar
sogar
der
Affekt
Affect
da
sogar da
, wo die Zuhörer nicht blindlings zu folgen gewohnt sind – und
dies
dieß
sollte der Lehrer nicht einmal wünschen, wenn ihm Gewissenhaftigkeit der Zuhörer lieb
wäre
ist
– er wird
bey
bei
nüchternen, selbstdenkenden, gewissenhaften, oder gegen eine Lehre
eingenommnen
eingenommenen
Zuhörern vielmehr das Vorurtheil einer übeln Sache, oder doch wenigstens der Unfähigkeit des Lehrers,
Andre
Andere
zu überzeugen,
hervorbringen; weil jeder glauben muß, daß der Lehrer den einzigen Weg zur wahren Ueberzeugung, die nur durch
Gründe
Gründe bewirkt wird, gehen würde, wenn er wirkliche Gründe hätte, und nicht den Abgang der Gründe durch sinnliche Betäubung der Zuhörer ersetzen wollte. – 2)
Scharfsinnige
hervorbringen. Scharfsinnige
und
gelehrte
Beweise
Beweise
gelehrte Beweise
wirken eben so wenig, weil sie die Wenigsten fassen können, und die Meisten ohnehin gelehrte Angaben auf das bloße Wort des Lehrers annehmen müssen. – Man führe hingegen
alles
Alles
, wovon man überzeugen will, so viel man immer
kan
kann
, auf den gemeinen
Menschenverstand
Menschenverstand und auf das
moralisch
moralische
Gefühl
Gefühl;
Gefühl,
auf Sätze, die man
bey
bei
den Zuhörern, als wahr erkannt, gewiß voraussetzen
kan;
kan,
kann;
auf bekannte Erfahrungen, deutliche
Gleichnisse
Glelchnisse
, einleuchtende
Beyspiele
Beispiele
, auf Vergleichung mit offenbar ähnlichen unbezweifelten Sätzen und
Fällen;
Fällen,
auf ganz klare oder leicht klar zu machende Stellen der heiligen Schrift zurück. Man nehme
bey
bei
moralischen Sätzen die natürliche Billigkeit und die augenscheinlichen oder leicht abzusehenden Folgen der Handlungen zu Hülfe. Man mache, zumal wenn uns die bisher erwähnten Mittel abgehen, die Lehren
praktisch
praktisch, und zeige, wie viel besser man, in Absicht auf Beförderung des Guten und
unsre
unsrer
unsere
Beruhigung, als
bey
bei
dem Gegentheil, fahre. Man hüte sich insbesondere
für
vor
unbestimmten Behauptungen, die man nicht ganz wahr machen, und
wobey
wobei
der Zuhörer leicht Ausflüchte finden
kan
kann
, und
für übertriebnen
vor übertriebenen
Sätzen und Forderungen, welchen er leicht gegenseitige Erfahrungen oder die Unmöglichkeit entgegensetzen
könnte. Man
könnte; man
zeige vielmehr, wie weit jemand, der anders denken möchte,
recht
Recht
habe, und
laße
lasse
selbst der Schwachheit und den Fehlern Gerechtigkeit
wiederfahren
widerfahren
. Man hüte sich endlich, keine
Zweifel
Zweifel zu erwähnen, oder zu bestreiten, wenn sie nicht jedem von selbst aufzustoßen schei nen, oder als sehr gangbar bekannt sind; man richte vielmehr den Vortrag so behutsam, bestimmt und discret ein, daß dadurch selbst die Zweifel verhindert werden, oder der ir gend nachdenkende Zuhörer schon in dem
Vorgetragnen
Vorgetragenen
selbst hinlängliche Auflösung der etwa entstehenden Zweifel finde.
37
539
.
Wenn wir uns eine Sache – es
sey
sei
ein allgemeiner Satz oder ein
besondrer
besonderer
Fall – in Beziehung auf
uns
vorstellen, und
ihren
den
vortheilhaften
Einfluß
Einfluß
derselben
auf uns
bemerken,
bemerken
oder ahnden, so ist sie
anziehend
für uns, oder
in
teressant
,
interessant
(sie
nimmt uns ein
, wir
nehmen daran Theil
, bleiben dagegen
nicht
gleichgültig
)
†)
;
gleichgültig
);
*)
und ein Vortrag ist
anziehend
, wenn er diese Wirkung hervorbringt. Diese
zweyte
zweite
Eigenschaft
(§.
35
) kan
35.
) kann
(§
537
) kan
entweder
in den Sachen selbst liegen, die man vorträgt,
oder
in der Art, wie sie vorgetragen werden, wodurch das einen Reiz bekommen
kan
kann
, was für uns sonst gar keinen, oder, weil es uns schon geläufig war, nicht mehr den starken Reiz, wie vorhin, hatte. – Ein solcher Vortrag erregt und fesselt
unsre
unsere
Aufmerksamkeit
Aufmerksamkeit. Er überzeugt,
d. i.
er macht, daß wir etwas für wahr und gegründet erkennen, weil wir es, in solcher Beziehung, mit
unserm
unsern
Zustand, unserer Denkungsart oder sonstigen Kenntnissen und Neigungen, übereinstimmend finden; er verstärkt wenigstens
unsre
unsere
Ueberzeugung, oder vertritt doch ihre Stelle, wenn wir einsehen, daß wir, ohne dieses als wahr vorauszusetzen, uns gewisse für wahr erkannte Dinge nicht erklären, oder ein gefühltes Bedürfniß nicht befriedigen können. Und überhaupt
kan
kann
ein Vortrag nicht den geringsten
Eindruck
Eindruck auf uns machen, und also auch nicht erbauen (§.
31
533
31.
), wenn er für uns gar nichts Anziehendes hat.
†) Es scheint, daß das
Anm.
*) Das
Interessante
wird
nicht immer in
einerley
einerlei
Sinn genommen
werde
. Wir
nennen schon alles interessirend
sagen von Allem, daß es uns interessire
, was wir uns in Beziehung auf unsern Zustand denken, es mag ihm eine angenehme Veränderung versprechen, oder eine unangenehme drohen; wir bleiben
bey
bei
diesem so wenig gleichgültig als
bey
bei
jenem. Aber oft nennen wir nur das anziehend oder interessant, was wir uns
gern
vorstellen
vorst llen
; wir wenden uns vom Unangenehmen weg, und es hat nur einen Reiz für uns, so fern es mit etwas Angenehmen verbunden ist,
z. B.
mit der Vorstellung von moralischer Stärke der leidenden Menschheit, von
Mitteln,
Mitteln
dem Unangenehmen abzuhelfen
u. d. gl.
u. dgl.
Man könnte jenes
interessant im weitern
,
dieses,
dieses
im engern Verstande
nennen. In dem letztern ist es hier genommen.
38
540
.
Nach dem bisher erläuterten Begriff wird es überhaupt auf
zwey
zwei
Stücke ankommen, wenn der Vortrag
anziehend
anziehend
werden soll. –
Zuerst
,
–
weil die Zuhörer das, was gesagt wird, auf
sich
ziehen, für ihre Angelegenheit erkennen sollen,
–
daß man
alles
Alles
vermeide, was sie auf den Gedanken bringen könnte, als redete der Lehrer bloß Amts
halben
halber
, hörte sich selbst gern, suchte seine Talente oder Kenntnisse zu zeigen, wollte über das Gewissen der Zuhörer herrschen, oder sie durch Vorwürfe kränken, kurz,
seinetwegen
reden; hingegen den
Vortrag
Vortrag so einrichte, daß die Zuhörer merken können, er sage alles bloß
ihretwegen
, und mache ihre Angelegenheit zu der seinigen. –
Hernach
,
Hernach
–
weil nur das interessirt, was einen Einfluß auf unser
Bestes
hat,
–
daß der Vortrag nichts enthalte, als was
praktisch
praktisch
ist (
Theil 2.
§.
169
456
169.
), und
so
dargestellt werden
kan
kann
.
39
541
.
Dieses doppelte Interesse
kan
kann
man dem
Vortrag
Vortrage
1) durch die
Sachen
Sachen
selbst geben (§.
37
539
37.
). Es giebt gewisse Sachen, die jeden Menschen, der nicht ganz unempfindlich ist,
andre
andere
, die gewisse
Classen
Klassen
von Menschen, oder die sie unter gewissen Umständen vorzüglich interessiren, weil sie mit ihrer besondern Denkungsart, Beschäftigungen, Bedürfnissen und Wünschen zusammenhängen. Davon hören sie gern sprechen, darüber wünschen sie weitere Belehrung, an deren Gewißheit liegt ihnen, und dagegen sind ihnen Zweifel, oder Verlegenheit darüber, peinlich; was
da hinein schlägt
dahin einschlägt
, ihnen darüber Licht, Gewißheit und Auskunft giebt, findet allezeit willig
Gehör
Gehör; und wer
selbst solche
auch
Sachen, die ihnen gleichgültig sind, daran zu knüpfen versteht, wird
sogar
selbst
, durch jener Hülfe, auch für diese einnehmen. Man mache ihnen also nur, was man sagt, durch ihre
eignen
eigenen
erlangten oder leicht zu erlangenden
Erfahrungen
Erfahrungen
begreiflich;
begreiflich,
zeige ihnen über all, wozu und wie sie das Gesagte brauchen, wie sie Gottes nie entbehren, aber
bey
bei
ihm immer Rath und Hülfe finden können, wie die
Gottseligkeit
Gottseligkeit zu allen Dingen und in allen und
allerley
allerlei
Angelegenheiten nütze
sey
sei
, und was alle Arten des Bösen für schädliche Folgen haben; man bleibe nie bloß
bey
bei
dem Allgemeinen stehen, wovon sie die Beziehung auf sich nicht absehen, oder sich einbilden möchten, es gehe sie nicht
an
†)
;
†)
,
an:
sondern
man
gehe mehr ins Einzelne, und
laße
lasse
sich zu den besondern Angelegenheiten der Zuhörer
herab:
herab,
so wird man sie gewiß anziehen, so weit es durch die Natur der Sache selbst möglich ist.
†)
Anm.
Man dringe
z. B.
nicht bloß auf
Besserung
Besserung oder Glauben, sondern zeige zugleich, auf die §.
36
538.
36.
erwähnte Art, was und wie viel dazu gehöre, nebst den Hindernissen und den
Mitteln
Mitteln,
sie zu überwinden; man bestreite vornehmlich praktische Vorurtheile und schädliche Mißverständnisse, und mache ihren Schaden klar. Man zeige, wenn von besondern Tugenden oder Lastern und Sünden die Rede ist, die Gränzen, wo Recht und Unrecht aufhört, ziehe die feinern unerkannten
Vergehungen,
Vergehungen
(
z. B.
beym
beim
Diebstahl, die Verfertigung schlechter Arbeit, die Verwendung zu vieler Zeit darauf, das Beziehen eines unbilligen Preises, die Benutzung öffentlicher Bedürfnisse und deren Seltenheit zur Uebertheurung Anderer
u. d. gl.
u. dgl.
) ans Licht, mache das darin liegende Unrecht, mit aller Billigkeit und Schonung, begreiflich. Eben so
bey
bei
der Beurtheilung sogenannter
unschuldigen
unschuldiger
Vergnügungen, des falschen Vertrauens auf Gott
u. s. f.
40
542
.
Denn es
kann
kan
der Vortrag 2) auch durch die
Art
anziehend
anziehend gemacht werden, wie man die Sachen darstellt. Je natürlich schöner und dem guten
Geschmacke
Geschmack
gemäßer
gemässer
der Vortrag ist; je mehr er Erguß des von dem Werth der Sachen und von Liebe zu den
Zuhörer
Zuhörern vollen Herzens ist; je mehr er den
Reiz
Reitz
des Neuen hat,
d. i.
nicht des Paradoxen oder überhaupt Auffallenden, sondern so, daß der Zuhörer auf das bisher Unbemerkte, oder, wenn es gefunden ist, sich durch seine Einfalt und Werth so leicht Empfehlende aufmerksam gemacht wird; je natürlicher Eines sich aus dem Andern ergiebt; je leichter man es dem Zuhörer macht,
selbst
Entdeckungen zu machen, und das Ge sagte
selbst
anwenden
anzuwenden; je vertraulicher und
herablaßender
herablassender
der Lehrer mit ihnen spricht; je natürlicher selbst der Ton seiner Stimme und der ganzen
Aktion
Action
ist: je mehr Wirkung
kan
kann
er thun. – Wie nöthig es zu allem bisher Erwähnten
sey:
sei,
seine
Zuhörer,
Zuhörer
nach ihren Fähigkeiten, Beschäftigungen, allgemeinen und besondern Bedürfnissen, herrschenden Vorurtheilen, Meinungen und Sitten zu kennen; eine recht ausgebreitete
praktisch
praktische
Kenntniß
Kenntniß der
Religion
Religion, besonders nach
ihren
ihrem
Werth und Einfluß aufs Herz und
Glückseligkeit
Glückseligkeit der Menschen; viele Uebung, diese Lehren darauf anzuwenden; viele vertraute Bekanntschaft mit dem menschlichen Herzen, denen darin liegenden Hindernissen des Guten, der mannichfaltigen besten Art ihm
beyzukommen
beizukommen
, der Geschichte und dem gemeinen Leben, endlich der schönen Wissenschaften, zu haben – das bedarf kaum einer Erinnerung.
41
543
.
Und eben dieses ist nöthig, um das Gesagte
drittens
(§.
35
537
35.
)
ausführbar
ausführbar
darzustellen. Denn, wenn der
Zuhörer
Zuhörer in der Einbildung steht, daß das, was ihm empfohlen wird, unmöglich, oder über seine Kräfte
sey
sei
, oder wenigstens nicht weiß, wie er es anfangen solle: so
kan
kann
es
bey
bei
ihm keine Frucht
schaffen. Ihm
schaffen; und ihm
jene Einbildung zu benehmen, zu zeigen wie er der werde, der er seyn soll, wie er das
Empfohlne
Empfohlene
in
Ausübung
Ausübung bringen, wie er die
vorgeschlagnen
vorgeschlagenen
Mittel wirklich anwenden
könne, dies kan
könne: dieß kann
ohne jene
eigne
eigenen
Kenntnisse des Lehrers nicht geschehen.
†)
*)
Bloße
Blosse
Vermahnungen und Gewissensrügen, oder
bloße
blosse
Verweisungen auf Gott, ohne Aufmunterung zu
eignem
eigenem
Fleiß, helfen nicht. Der
Lehrer
Lehrer gewinnt schon viel, wenn er den Zuhörern die Vorurtheile benehmen
kan
kann
, worauf jene Einbildungen beruhen. Er verhindert oder schwächt die Ausflüchte, wenn er seine Forderungen nicht überspannt, wenn er nichts Unmögliches und das Schwere nicht auf
einmal
einmahl
Einmal
fordert. Noch mehr, wen er an ähnlichen Fällen des menschlichen Lebens die Möglichkeit der Ausführung und die Art zeigt, wie es anzufangen
sey
sei
.
–
Je mehr er die
Selbstliebe
Selbstliebe der Zuhörer in Bewegung zu setzen, und es ihnen einleuchtend zu machen weiß, was für selige Folgen der Fleiß habe, das Gute auszuüben, und wenigstens öftere Versuche zu machen, und wie unglücklich der Mensch werde oder bleibe, wenn er es
nicht nicht
nicht
thue: je mehr wird er ihre Trägheit besiegen, welche die
größeste
grösseste
größte
, oft die einzige, Ursache ist, warum sie den Lehren nicht folgen, und sich von ihrer Wahrheit oder Werth oft nicht
einmahl
einmal
überzeugen
laßen
lassen
.
†)
Anm.
*)
Es ist
z. B.
eben so
vergeblich,
vergeblich
als
leicht, gesagt:
leicht gesagt,
daß man Zweifel, Gram und Sorgen wegwerfen solle. Man
laße
lasse
dagegen auch diesen Gerechtigkeit
wiederfahren;
wiederfahren,
widerfahren;
mache sie nicht geradezu und durchaus zur
Sünde,
Sünde;
nehme wirklich mitleidigen
Antheil;
Antheil,
warne nur
für
vor
dem bloß sinnlichen
Nachhängen,
Nachhängen
oder der Verfolgung trauriger Gedanken,
für den
vor dem
süßen Gift, das sie mit sich führen, besonders
dafür
davor
, daß die Leidenden sich nicht diese
Verfolgung
geflissentliche Nährung
trüber Gedanken
zur Gewissenspflicht
machen;
machen,
benehme, durch heilsame
Aufklärung
Aufklärung ihrer Religionsbegriffe, allem schädlichen Wahne die
Nahrung;
Nahrung,
suche sie durch wahrhaftig tröstende Vorstellungen und
heitre
heitere
Aussichten, auch Verdeutlichung der, ohne unser Verdienst und Denken, überall, selbst
bey
bei
Leiden, väterlich sorgenden Güte und Weisheit Gottes, auf angenehme Umstände zu lenken, ihnen wirklich
ihren
ihre
Zweifel aufzulösen, oder, wo sie, den Umständen nach, zu
beyden
beiden
noch nicht fähig sind, sie nützlich zu zerstreuen
u. d. gl.
u. dergl.
42
544
.
Der
dritte
Zweck des
erbaulich
erbaulichen Vortrags (§.
31
31.
und
35
35.
533
u.
537
) muß auf das Herz und die Neigungen der Zuhörer gerichtet seyn, und dahin gehen, die Erkenntniß lebendig zu machen, oder
bey
bei
ihnen wirksame
Entschließungen
Entschließungen
Entschliessungen
hervorzubringen, dem zu folgen, was man als wahr und gut erkannt hat. Ein Vortrag, der so eingerichtet ist, daß er diese
Wirkung
Wirkung hervorbringen
kan
kann
, ist ein
rührend
rührender
Vortrag (§.
31
533
31.
) – Ohne diese Eigenschaft desselben würde alle noch so verbesserte Kenntniß das Beste des Menschen nicht wirklich
befördern;
befördern,
ohne zugleich mit auf das Herz zu arbeiten, würde nicht
einmal
einmahl
die Aufmerksamkeit des Zuhörers an das, was zu seiner Belehrung gesagt wird, genug gefesselt, noch die Ueberzeugung vollendet werden, wenn sich Neigungen und Gewohnheiten gegen die Ueberzeugung
streubten
sträubten
.
43
545
.
Nun hängt alle wahre
Glückseligkeit
Glückseligkeit der Menschen davon ab, daß sie
theils
, in Absicht auf diejenige, die in ihrer Gewalt steht, und von ihrem Willen abhängt, immer recht handeln, und daher stets mit
sich
zufrieden seyn können;
theils
, in Absicht auf die, welche nicht in ihren Händen ist, aber ihnen von der stets weisesten und gütigsten Regierung Gottes
zugetheilet
zugetheilt
wird, immer das für ihr wahres Beste halten, was diese über sie fügt, und sich
dabey
dabei
, zufrieden mit
Gott
Gott
,
beruhigen.
beruhigen.s
Folglich entspricht ein Vortrag der Religion nur
alsdann
alsdenn
seinem wirklichen
Zweck,
Zwecke
die Menschen glücklich zu machen, wenn er so eingerichtet ist, daß er die Menschen wirklich
–
bessern
bessern
–
und
beruhigen
beruhigen
kan
kann
. In jener
Absicht,
Absicht
könnte man ihn
rührend
rührend
,
rührend
oder bessernd,
im engern Verstande
, in
dieser,
dieser
ihn
beruhigend
nennen.
Anm.
Anm.
Es scheint wegen des Folgenden, und um allen Mißverstand zu verhüten, nöthig, zu bemerken, daß, was wir hier
rührend
nennen, keinesweges mit dem
Interessantes
Interessanten
(§.
37
) einerley sey
37.
) einerlei sei
. Alles
einerley sey; alles
Rührende muß interessant
seyn,
seyn;
aber es
kan
kann
etwas interessiren, ohne mich zu rühren. Schon
alles
Alles
, was
ich denken kan
mir Stoff zum Denken giebt
, interessirt mich, weil es meine Vorstellungen bereichert, oder meine Thätigkeit beschäftigt: ich habe dann immer eine, wenn gleich oft nur dunkle, Vorstellung von einer Beziehung, in der das Erkannte auf mich steht. Je näher diese Beziehung ist, oder je stärker ich sie mir
denke: je
denke, desto
lebhafter
kan
kann
das Vergnügen über die Betrachtung dieser Sache, und
je
desto
stärker das Interesse werden. – Aber deswegen
begehren
begehre
ich die Sache noch nicht. Ich
kan
kann
durch einen Satz oder durch eine Handlung in einer wahren oder erdichteten Geschichte sehr angezogen werden, und mit großem Vergnügen
dabey
dabei
verweilen, ohne jenem folgen, oder so werden zu wollen; wie dieses der Fall
bey
bei
allen Sätzen und Handlungen ist, die
Anstrengung
und
Aufopferung
erfordern,
z. B.
bey
bei
dem
Satz
Satze
, daß ich durchaus auf Gott vertrauen, daß ich nicht Böses mit
Bösen
Bösem
vergelten
soll,
u. d. gl.
soll
u. dergl.
,
und
bey
bei
dem
erhabnen Beyspiel
erhabenen Beispiel
eines
vernünftigen
Märtyrers
für Recht und Wahrheit
. Soll ich also nicht bloß bewundern, hochachten, lieben, mich woran vergnügen, es auch wohl zu besitzen wünschen, sondern
wirklich,
wirklich
so zu werden und zu
handeln,
handeln
begehren
: so muß ich die Sache ohne Zweifel in einer noch näheren Beziehung auf mich ansehen,
theils
in sofern
insofern
sie
mir möglich
, und meine
Anstrengung
nicht vergeblich,
theils
in sofern
theils insofern
sie werth ist, daß
ich
ein
andres
anderes
Gut darüber
verleugne
verläugne
, und lieber ein Uebel übernehme, als diese erkannte Sache entbehre. Jenes, daß ichs als
mir
mir
möglich
ansehe, scheint noch zur
Ueberzeugung
zu gehören, zu der ich oben
(§.
41
41.
)
das Ausführbare gerechnet habe, denn ohne diese Einsicht ist
für mich
die Sache nicht wahr oder gut. Dieses aber, der erkannte so
große
grosse
Werth der Sache, der mir Aufopferung abdringt, dieses, sag' ich, scheint eigentlich das zu seyn, was mich nöthigt, es wirklich zu
wollen
, meine
Gesinnungen
und
Handlungen
danach
darnach
abzuändern
.
Dies
Dieß
ist doch offenbar mehr, als wenn ich bloß sage, daß mich eine Sache
interessire
. Ein solches wirkliches
Wollen
und
Begehren
im
eigentlichsten
Verstande beruht ohne Zweifel auf der
Vergleichung
mehrerer Güter der Welt mit einander, und auf der lebhaften Vorstellung, daß, was ich begehre, weit mehr für mich gut und nothwendig ist, als das, was ich darüber
verleugnen
verläugnen
muß.
In so fern
Insofern
nun der Vortrag
dieses
Wollen
Wollen
hervorbringt, nenne ich ihn
rührend
; und sollte es scheinen, daß ich mich hierin von dem gewöhnlichen Sprachgebrauch
entfernte:
entfernte,
so wird man mir diese Abweichung in
eine
einer
Sache zu gute halten, wo die Verschiedenheit der Begriffe bisher noch nicht genug mit
angemeßnen
angemessenen
Worten bestimmt zu seyn scheint.
{Allerdings weicht diese Auffassung des Begriffs des Rührenden von dem angenommenen Sprachgebrauch ab, und möchte sich kaum rechtfertigen lassen. Wenn die
Rührung
Rührung
immer das
Wollen
zur Folge hätte, so müßte man von vielen Vorträgen, welche mit großer Rührung angehört werden, eine ganz andere Wirkung gewahr werden.}
44
546
.
Wenn nun durch den rührenden
Vortrag
Vortrag nicht bloß
Wohlgefallen
am Guten und Mißfallen am Bösen soll hervorgebracht werden, sondern auch
Willigkeit
Willigkeit
, jenes zu
thun,
thun
und dieses zu
laßen
lassen
, oder eigentlich Gewohnheit, immer so zu handeln: so muß ein solcher Vortrag so eingerichtet seyn, daß 1) der Zuhörer durch die gemachten Vorstellungen genöthigt werde, das Erkannte, welches für ihn anziehend ist (ihn interessirt),
auf sich
ziehe, zu
seiner
Angelegenheit
Angelegenheit
mache,
d. i.
einsehe,
so
müsse er
werden
, und das Gegentheil
ablegen
, jenes sich
an-
an-,
und dieses sich abgewöhnen, jenes
thun
und befördern, dieses
laßen
lassen
und verhüten.
Dies
Dieß
würde sogleich, nach der Natur der menschlichen Seele, von selbst erfolgen,
so bald
sobald
nur der Vortrag ihn, auf die oben beschriebene Art, überzeugte, interessirte, und ihm die
Möglichkeit
Möglichkeit,
es
auszuführen
auszuführen,
einleuchtend machte, wenn nicht in dem Menschen selbst Hindernisse lägen, welche diese
Entschließung
Entschliessung
zurückhielten. Diese liegen unstreitig in der
Gewohnheit
Gewohnheit
,
Böses
Böses, und in der
Ungewohnheit
, Gutes zu thun,
d. i.
weil ihm die Vorstellungen von dem mit dem Bösen vermischten Nutzen oder Vergnügen, und von den mit Ausübung des Guten verknüpften Uebeln oder Mißvergnügen geläufig, hingegen die Vorstellungen des aus dem Bösen für ihn entspringenden
Schadens,
Schadens
und der mit Ausübung des Guten verbundenen
Seligkeit,
Seligkeit
ihm nicht geläufig sind, folglich die dadurch geleiteten Neigungen ihn vom Guten
ab-
ab-,
und zum Bösen
hinziehen;
hinziehen:
kurz, es liegt die Schuld an dem
Geschmack
Geschmack
und
Hang
Hange
zum Bösen, und an dem
Mangel des Geschmacks
Mangel des Geschmacks
und Hanges zum Guten. Soll also der Vortrag rühren,
d. i.
wirklich Besserung
hervorbringen:
hervorbringen,
so müssen 2)
bey
bei
den Zuhörern a) die reitzenden Einbildungen von dem Bösen und die davon abhängende Lust dazu geschwächt; hingegen die Vorstellungen von dessen traurigen Folgen mit der daraus entstehenden Unlust gestärkt; und eben so b) in Absicht auf das Gute, die bessern Vorstellungen von dessen seli gen Folgen, nebst der dadurch gewirkten Neigung dazu, immer mehr erweckt und vermehrt, im Gegentheil die Einbildungen oder
übertriebnen
übertriebenen
Vorstellungen von
dem
den
mit dem
Guten
Guten,
verknüpften Uebeln und Schwierigkeiten, nebst der daher entstehenden Abneigung vom
Guten
Guten,
geschwächt werden.
Anm.
1.
Anm.
1)
S.
Mehreres über die
mehreres der
hier
geäusserten
geäußerten
Grundsätze in
meinem
dem
Buch
über
meiner Schrift:
Ueber
den Werth der Moral
etc.
2te
Auflage
Auflage,
S.
76
f.
Anm.
2.
Anm.
2)
Aus dem ersten Stück des §. erhellt, warum es,
ausser dem
ausserdem
außer dem,
was oben über die Besserung der Erkenntniß gesagt ist, keiner besondern Bemü hung bedürfe, den Zuhörer zu bewegen, daß er das so Erkannte auch wirklich
wolle
, und daß
alles
Alles
nur darauf ankomme, die
Hindernisse
Hindernisse
des Wollens zu heben. Gleichergestalt werden die
Neigungen
somit schon gebessert, als die falschen Vorstellungen vom Werth des Guten und Bösen verbessert, und die bessern Vorstellungen lebhafter als jene gemacht werden.
meinem Buch über den Werth der Moral etc. 2te Auflage S. 76 f.
Laut Inhaltsverzeichnis der aus dem Jahr 1783 (vgl. II § 203) stammenden zweiten Auflage gibt Nösselt auf den betreffenden Seiten eine
Beyläufige Erklärung was Geschmack am Bösen und Hang dazu sey?
(aaO 74–78).
45
547
.
Erstlich
in Absicht auf das
Böses
Böse
, woran der Mensch hängt, und
wobey
wobei
er seine Rechnung zu finden glaubt, würde ihm zu zeigen
seyn:
seyn
1) wie falsch die Vorstellungen
seyen
seien
, die er sich
theils
von seinem
Glück
Glücke
dabey
dabei
,
theils
von seiner vermeinten guten Gemüthsbeschaffenheit und Verhalten macht; – wie nichtig also, wie unbefriedigend und verbittert, wie vergänglich das
sey
sei
, was er für sein Glück halte; – und wenn es auch wahre Güter sind, wonach er trachtet, wie wenig gleichwohl es immer von
ihm
abhänge, dieses Glück zu erlangen, wie
viele
viel
unverantwortliche Handlungen er sich dieserwegen erlauben müsse; wie
und
nnd
wodurch er sich selbst den Zugang zu solchem Glück
ver schließe
verschliesse
, oder sich wieder darum bringe; wie sehr er sich durch seine Gesinnung und Betragen
ausser
außer
Stand setze, es recht zu
genießen
geniessen
, und damit zufrieden zu seyn; wie gar keine, oder armselige, oder unbeständige Tugenden das
seyn
seien
, worauf er sich verläßt, oder wie so ohne Grund er sich wirkliche Tugenden einbilde. – 2) Wie traurig die Folgen
seyen
seien
, die er sich durch seine Gemüthsbeschaffenheit und Verhalten zugezogen habe, oder zuziehen müsse,
d. i.
– wie und wodurch er sich, es
sey
sei
aus Unachtsamkeit, oder falschen Vorstellungen, oder Trägheit, oder
Leidenschaften,
Leidenschaften
oder
üblen
übeln
Gewohnheiten, selbst unglücklich mache, und wie groß das daraus entstehende Elend
sey
sei
; – wie er eben dadurch, auch wenn sein Unglück unverschuldet
sey
sei
, es vermehre, oder sich
ausser
außer
Stand
setze
setze,
es zu ertragen, oder zu seinem Besten anzuwenden; und, wenn er auch auf einer Seite einsehe, in welches Unglück er sich stürze, und er das Böse
gerne
laßen
lassen
gern lassen
möchte, um diesem zu entgehen, auf der andern aber, wie wohl ihm seyn würde,
wenn
sobald
er besser wäre und handelte,
und,
und
wenn er es deswegen auch gern möchte, wie ohnmächtig er gleichwohl und wie stark sein Hang zum Bösen und die Macht der Gewohnheit
sey
sei
.
46
548
.
Eben
so müßten ihm, in Absicht auf das
Gutes
Gute
, 1) die seligen und weitreichenden Folgen deutlich gemacht werden, welche aus wahrer
Tugend
Tugend und
Gottseligkeit
Gottseligkeit entspringen; – wie recht man alsdann erst alles Gute, was uns begegnet, schätzen und
genießen
geniessen
, es weit herzlicher und dankbarer empfinden, und zu seinem wahren Besten anwenden lerne; – wie sehr selbst unverschuldete Leiden uns dadurch erträglich,
wie diese
die beste Schule, im Guten zu wachsen, eine Quelle von vielem erst hinterher sich zeigenden Glück, eine nähere Vorbereitung auf die
Glückseligkeit
Glückseligkeit einer bessern Welt, werden; – wie sehr wir uns dadurch die Herrschaft über
unsre
unsere
Neigungen, wie viele Verdienste um Andere, wie viel Vertrauen und Liebe von andern Menschen erwerben, wie zufrieden und dankbar gegen Gott, und ihm immer ähnlicher werden. 2)
Allein
Und, – weil
die meisten Menschen
haben
so
sehr falsche Begriffe von
Besserung
Besserung und
Tugend. Sie machen
Tugend haben, daß sie
sich
entweder
die Tugend zu
dieselbe sehr
leicht
machen
, und
ziehen
sie sehr ins Kleine
zusammen. Sie setzen sie
zusammenziehn,
in
bloße
blosse
fromme Empfindung oder
äusserliche
äußerliche
, zumal gottesdienstliche, Handlungen, oder
bloße
blosse
Ehrbarkeit, Gerechtigkeit, Menschenliebe, bürgerliche und gesellschaftliche
Tugenden.
Oder
sie stellen
Tugenden setzen,
oder
sie sich als einen unnatürlichen Zwang und lästige Einschränkung
vor
vorstellen
, die den Geist seiner Heiterkeit, das Leben seiner Freuden beraube, und den Menschen zur menschlichen Gesellschaft, und Beobachtug seiner natürlichen und bürgerlichen Pflichten unfähig
mache.
Oder
sie sind
mache,
oder
aus überspannten Begriffen, Gefühl ihrer Ohnmacht, und Erinnerung oft mißlungener Versuche der Besserung,
muthlos. Daher
muthlos sind: – so
muß zwar jenen falschen
Begriffe
Begriffen, die nur auf eine
oberflächige
oberflächliche
Besserung zielen, beständig
entgegen gearbeitet
entgegengearbeitet
,
es muß
ihnen keine Schwierigkeit
verheelt
verhehlt
oder verkleinert, und der
große
grosse
Umfang wahrer Tugend, die durchaus auf
alles
alles
Gute gehen, und in wahrhaftiger Besserung der
Gesinnung
Gesinnung
bestehen müsse, einleuchtend dargestellt
werden. Aber
werden; aber
man muß ihnen auch eben so sehr die trübseligen Begriffe von
Frömmigkeit
Frömmigkeit be nehmen, und ihnen
eines Theils
den
großen
grossen
Werth der Gottseligkeit in aller Absicht, und des Zeugnisses eines guten Gewissens, immer fühlbarer,
andern Theils
andern Theils
ihnen, durch Vorstellung, wie Vieles thätiger, ausharrender Fleiß, fortgesetzte Uebung und gewissenhafte Treue, unter Gottes uns nie entstehendem
Beystande
Beistande
, vermöge, immer guten Muth machen.
47
549
.
Bey
Bei
dem
Vortrag
Vortrag
Vortrage
dieser Sachen, wenn er wirklich für die Zuhörer rührend werden soll, kommt es hauptsächlich darauf an: 1) sie auf ihren
Gemüthszustand
Gemüthszustand
, besonders auf ihre
eigenthümlichen
und am meisten
eingewurzelten,
eingewurzelten
oder durch ihr Temperament und ihre besondern Umstände am meisten begünstigten Fehler aufmerksam zu machen; weil, ohne
dieses
zu erkennen, keine Reue und wahre Besserung mög lich ist, und gerade diese von einem jeden am meisten übersehen, oder am wenigsten als Fehler erkannt werden; 2) nicht nur das daraus entstehende Elend, sondern auch das ihnen begreiflich zu machen, daß und wie
sie selbst
daran Schuld sind, und wie viel auf
sie selbst
ankomme, um besser und glücklicher zu werden; und 3) daß und wie ihnen nur durch
Besserung
Besserung und durch die
Religion
Religion könne geholfen werden. – Es giebt keinen Menschen, der nicht die Eitelkeit und das Leere sündlicher Vergnügungen, die
üblen
übeln
Folgen der
Ausschweifungen
Ausschweifungen, und selbst die wohlthätigen Wirkungen der
Tugend
Tugend,
wenigstens dann und wann,
sollte erfahren haben. Auch der schlechteste Mensch hat doch manchmal etwas Gutes gethan, und weiß, wie wohl ihm
dabey
dabei
gewesen ist, wenn er nach seinem Gewissen gehandelt, zumal sich selbst überwunden hat; er sieht doch, wie heiter und zufrieden
rechtschaffne
rechtschaffene
Menschen, auch
bey
bei
traurigen Umständen, sind, und wie bald sie sich zu finden wissen, wenn sie nur recht und mit
Ueberlegung
Ueberlegung verfahren wollen; er weiß, wie gut es ihm thut, wenn jemand sich gegen ihn rechtschaffen beträgt, und ist leicht zu überzeugen, welche Hölle aus der menschlichen Gesellschaft werden würde, wenn sich alle Menschen erlaubten, schlecht, oder, ohne sich einzuschränken, nur nach ihren Lüsten zu handeln. Er fühlt
dies
dieß
am meisten, wenn er die Folgen seines Leichtsinns und seiner Ausschweifungen erlebt; fühlt, was er ohne gutes Gewissen und Religion ist, wenn er in Gefahr oder Verlegenheit kommt; wird doch durch besondere Wohlthaten, die ihm
wiederfahren
widerfahren
, manchmal gerührt, und zu
der
Zeit geschmeidiger gemacht. Zu
solchen
Zeiten ihn anfassen, ihn an seinen erwähnten
Erfahrungen
Erfahrungen
fest halten
festhalten
, und
dann
ihm den
großen
grossen
Werth der Tugend und Religion lebhaft
vorstellen,
dies
kan
kann
vorstellen:
dieß
kann
doch schwerlich ohne alle gute Eindrücke bleiben, die ihn zu rechter Zeit verfolgen werden. – Nur arbeite man nicht bloß auf seine
Sinnlichkeit
Sinnlichkeit,
Sinnlichkeit;
und wenn man es thut, welches
sehr
auch im rechten Maaß
nützlich
nützlich werden
kan
kann
, und oft unentbehrlich ist, so geschehe es mehr, um gute Eindrücke zu
verstärken
, als
hervorzubringen
.
Anm.
Es versteht sich von
selbst:
selbst,
daß man von Ausschweifungen nie so reden müsse, daß der Mensch erst solche dadurch lerne, die er vorher nicht kannte, und also auch nicht beging; daß alle Erbitterung der Zuhörer verhütet, und eben so sehr alle
Veranlaßung
Veranlassung
vermieden werde, sie muthlos zu machen, oder sie zu verleiten, daß sie denken, es treffe
sie
etwas nicht; wohin alle
übertriebne
übertriebene
Vorstellungen
Vorstellung
vom moralischen Verderben und alle zu allgemeine Behauptungen gehören.
Unerkannte
Sünden
Sünden,
und feinere,
unschuldig scheinende
, oder
unschuldige
, aber zu leicht dem
Mißbrauch
unterworfne
unterworfene
Ausschweifungen, sollten am meisten hervorgezogen werden. – Im Privatumgange und
bey
bei
besondern Vorfällen, Krankheiten
u. d. gl.
kan
u. dgl.
kann
der Lehrer mehr Gutes stiften als
bey
bei
öffentlichen Vorträgen. –
Bey
Bei
letztern wird die Geschichte noch viel zu wenig benutzt. Wie viel recht eigentlich Rührendes
ließe
liesse
sich über die
Geschichte vom
verlohrnen
verlorenen
Sohn, vom
Falle
Petrus
Petri
, von der
Versuchung
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
, über dessen Leidensgeschichte, selbst über die Geschichte des alten Testaments – mit discreter Anwen dung auf die Umstände und Bedürfnisse
unsrer
unserer
Zuhörer – sagen, wie sehr
sich
dadurch der Vortrag unterhaltender, anschauender, individueller machen!
Geschichte vom verlohrnen Sohn
Vgl. Lk 15,11–32.
Falle Petri
Vgl. v.a. Mk 14,26–31.66–72 parr.
Versuchung Christi
Vgl. v.a. Mt 4,1–11; Lk 4,1–13.
48
550
.
Bey
Bei
allen
denjenigen
solchen
Veränderungen des menschlichen Lebens, die wir nicht nach Belieben und Ueberlegung hervorbringen, oder
verhindern,
verhindern
oder lenken können, und
bey
bei
dem Gefühl alles desjenigen, was wir ohne unser Zuthun sind, bleibt uns nichts weiter übrig, als uns zu
unterwerfen;
unterwerfen,
und – da das Gefühl der Leiden sich mit den Vorstellungen
unsrer
unserer
doch möglichen
Glückseligkeit
Glückseligkeit nicht verträgt, und wir in so
ferne
fern
unglücklich sind, auch der Mensch zu selbstthätig ist, als daß er selbst dann, wenn er sich nur leidentlich verhalten zu können scheint, nicht wenigstens Etwas sollte zu seinem Besten thun können –
unsre
unsere
Vorstellungen von unserm
Zustand
Zustande
zu berichtigen, oder unangenehmere durch
andre
andere
angenehmere zu verdrängen, oder das unangenehme Gefühl dieses Zustandes zu mildern, mit
einem
Einem
Wort: uns vernünftig zu
beruhigen
beruhigen
beruhigen
.
(§.
43
).
545.
).
43.
)
Alle Unruhe, Gram und Sorgen scheinen nur in den
drey
drei
Fällen zu entstehen: 1) wenn wir zu bemerken glauben, daß wir glücklicher seyn würden, wenn wir
frey
frei
von einem Uebel oder dessen
Gefühle
Gefühl
, oder im Besitz und Genusse eines gewissen Gutes
wären;
wären.
2) wenn wir uns gewisser Vergehungen bewußt sind, deren Andenken wir nicht vertilgen können, und deren Folgen wir nicht abwenden zu können glauben; und 3) wenn wir,
bey
bei
allem Wunsch und Vorsatz uns zu bessern,
unsre
unsere
Ohnmacht und die unüberwindliche Gewalt der bösen Gewohnheit fühlen. Uns vernünftig zu
beruhigen
,
beruhigen
ist daher zu
unsrer
unserer
Glückseligkeit eben so unentbehrlich nothwendig,
als, uns
als
uns
zu
bessern
bessern
.
Darauf
in dem Vortrage der Religion zu arbeiten, ist also eine unumgängliche
Pflicht,
Pflicht;
und wer das wollte, müßte suchen, jenen
drey
drei
Ursachen der Gemüthsunruhe entgegen zu arbeiten.
49
551
.
Der
ersten
Ursach.
Ursach!
– Wenn wir unglücklich, oder nicht glücklich genug zu seyn glauben, und der Grund
beyder
beider
Uebel liegt
a)
in unserm
eignen freyen
eigenen freien
Verhalten
Verhalten
, das wir abändern
können:
können,
so ist uns ohne wahrhafte Besserung unsers Herzens und Lebens schlechterdings nicht zu helfen. Was der Lehrer in Absicht auf die
Beruhigung
Beruhigung
solcher
Zuhörer thun müsse, und um
diese
Ursach ihres Mißvergnügens zu heben, das zeigen die obigen Regeln, wonach an der Besserung der Menschen zu arbeiten
ist
ist.
(§.
44
546
bis
47
).
549
).
47.
)
– Rührt aber das Elend, das wir empfinden, und das versagte Glück, das wir mit Schmerzen entbehren,
b)
gar nicht
gar nicht
, so viel wir wenigstens zu sehen vermögen,
gar nicht
von
unsrer
unserer eigenen
Schuld her
; läßt sich wenigstens auch durch
unsre
unsere
Besserung
Besserung jenes nicht verhüten oder wegschaffen, und dieses nicht erwerben: so steht es doch unter der höchst weisen und gütigen Aufsicht der Regierung Gottes, der es über uns nie anders, als wie ein höchst wohlthätiges und unentbehrliches Mittel zu unserm Besten, verhängt
hat;
hat:
und
dies
dieß
wird es in der Hand seiner
Vorsehung
Vorsehung gewiß, wenn wir uns unter diese demüthigen, und Ihn allein walten
laßen;
lassen,
lassen;
ohne diese
wohlthätige
wohlthätigen
Wirkungen durch
unsre
unsere
Beschwerden und ängstliche Sorgen zu stören, und uns dadurch um unser von ihm
dabey
dabei
bezieltes
Glück
Glück, wenigstens um die ruhige
Heiterkeit
Heiterkeit der
Seele,
Seele
zu bringen, die aus dem stillen Zusehen, wie sich nach und nach
alles
Alles
so schön, so zu
unsrer
unserer
Beruhigung, entwickelt und aufklärt, und aus der schon vorläufig dankbaren Erwartung des besten Ausgangs, entspringen würde.
50
552
.
Ein
Lehrer
Lehrer, der diese Gesinnung und deswegen richtigere und eindrücklichere Vorstellungen von der wahren Beschaffenheit der Uebel und ihrem Verhältniß gegen unser Bestes, unter der väterlichen Regierung Gottes, befördern wollte, müßte folgende und ähnliche Betrachtungen, durch öftere, mannichfaltige und einleuchtende Darstellung aus der ähnlichen, eigenen, wirklichen, oder leicht zu
erhaltenden,
erhaltenden
Erfahrung
Erfahrung der Zuhörer, mit steter Rücksicht auf ihre
besondre
besonderen
Umstände und Bedürfnisse,
anschaulich
anschaulich zu machen suchen. – Wie sehr sorgt
Gott
Gott überall, sowohl durch die Mannichfaltigkeit der Dinge und ihrer Eigenschaften, als durch das in uns gelegte Gefühl für ihre Reitze, nicht bloß für
unsre
unsere
Nothdurft, sondern auch für
unsre
unsere
Bequemlichkeit, Vergnügen und Ueberfluß?
–
Wie viel hat jeder Mensch
insbesondre
insbesondere
vor unzählichen Andern voraus, und, wo ihm Etwas abgeht, durch wie viel
andres
anderes
, gerade für
ihn
zuträglicheres, Gute wird
dies
dieß
ersetzt?
–
Wie viele ganz unerwartete, uns ohne unser Zuthun
wiederfahrne
wiederfahrene
, oder, wenn auch dieses mitwirken muß, durch die schon zum voraus
gemachte
gemachten
Anlagen
Anlagen unsers Geistes und
unsrer
unserer
Umstände, in welchen der Keim
unsrer
unserer
künfti gen
Glückseligkeit
Glückseligkeit und der Grund seiner
Entwicklung
Entwickelung
liegt, veranstaltete und erleichterte,
oder ganz
oderganz
wider den sichtbaren Gang der Dinge
ausgefallne
ausgefallene
, so sehr unverdiente Wohlthaten, erzeigt er uns? hilft uns aus so vieler Gefahr und Verlegenheit?
–
Wie unendlich viele
unerkannte
unerkannte
Wohlthaten
wiederfahren
widerfahren
uns durch Abwendung unsers möglichen Unglücks, oder solcher Umstände, die es uns unvermeidlich bereiten würden, an welche zu denken und sie
bey
bei
Würdigung
unsrer
unserer
Glückseligkeit mit in Anschlag zu bringen, uns, wegen Gottes
verborgner
verborgener
Wirkungen, nicht einmal in den Sinn kommt, und deren dereinstige Entdeckung uns überaus angenehm unterhalten, das Gefühl der wirklich genossenen Wohlthaten unendlich erheben, uns bis zur innigsten
Rührung
Rührung beschämen, und
unsre
unsere
Dankbarkeit
Dankbarkeit gegen Ihn erhöhen wird?
–
Wie viele und
große
grosse
Uebel sind mit vorzüglichen Fähigkeiten, Glücksumständen, Ansehen, weitläuftigen Verhältnissen
u. s. f.
verbunden, deren wir überhoben sind, wenn uns nur ein eingeschränktes Glück zu Theil worden ist?
–
Und
überhaupt
überhaupt,
leiden wir wirklich Mangel oder Verlust, wenn uns Etwas versagt ist oder entrissen wird? hatt' es den Werth, den wir darauf legten? würd' es den Werth für uns behalten haben? würd' es uns nicht an einem andern
größern
grössern
Glück
Glücke
hinderlich
worden
geworden
seyn?
51
553
.
Und das Unglück, ist es nicht eine Quelle eines sonst nicht erhaltenen
Glück
Glücks?
–
Diente es nicht, unserm Glück
beygemischt
beigemischt
, die angenehme Empfindung dieses letztern zu erhöhen?
–
Ists,
bey
bei
aller seiner Bitterkeit, nicht herzstärkende
Arzeney
Arzenei
, wahre Schule der Genügsamkeit, der Vorsichtigkeit, der Klugheit, des gänzlichen
Anschließens
Anschliessens
an
Gott, ohne und
ausser
außer
dem doch
alles
Alles
eitel ist, und aller Tugenden, wozu es uns sonst an
Veranlaßung
Veranlassung
und Uebung fehlt; ohne welches wir nie eifrig genug vorwärts zur wahren Vollkommenheit streben würden?
–
Bey
Bei
mißlungener
Ausführung
Ausführung
unsrer
unserer
guten Absichten,
bey
bei
mißrathenen Mitteln,
bey
bei
unerwarteter Richtung, die
unsre
unsere
gutgemeinten Anstalten
nehmen,
nehmen
und selbst Uebel erzeugen, die wir nicht vorhersehen, oder denen wir entgegenarbeiten, von welchen wir gerade das Gegentheil befördern wollten, – ist da durchaus Alles verloren?
Haben
haben
wir, wenn gleich nicht
Alles
alles
, doch
Etwas
etwas
, wenn gleich nicht
Dieses
dieses
, doch etwas
Andres
andres
anderes
Gute, wenn gleich nicht vor der Hand, doch auf die Zu kunft, wenn gleich nicht
bey
bei
Andern, doch
bey
bei
uns und durch
eigne
eigene
Uebung
Uebung im Guten, gestiftet?
Was
kan
kann
dieser ausgestreute,
verlohren scheinende,
verloren scheinende
Saame, unter Gottes Pflege und Segen, hie und da, früh oder spät, für eine reiche und selige
Aerndte
Ernte
geben, von der uns jetzt noch gar nichts
träumet
träumt
.
–
Und,
bey
bei
dem,
ausser
außer
jenem
mißlungnen
mißlungenen
Guten, für jeden guten
Menschen,
Menschen
gerade schmerzhaftesten Unglück, das wir empfinden, wenn
unsre
unsere
guten Absichten verkannt, nachtheilig gedeutet, oder wir durch ungerechte Bedrückungen gemißhandelt werden: sind wir denn Gott nicht auch Opfer, aus
Dankbarkeit
Dankbarkeit auch
grosse
große
Aufopferungen, ihm auch darin Nachahmung schuldig, daß wir Versündigungen Anderer gegen uns dulden?
–
Ist es nicht gegen Gott Dankes werth, wenn er uns dadurch von der Eitelkeit, Selbstsucht und
dem
Anhängen
Abhängen
von Meinungen und Willen der
Menschen,
Menschen
abzieht, und uns aus Pflicht, um Seinetwillen, zu handeln gewöhnt? Erhebt nicht eben diese Gesinnung und Art zu handeln,
wobey
wobei
es uns nur darum zu thun ist,
recht
zu handeln, und unser höchster Wunsch,
Ihm
werth zu seyn,
unsre
unsere
Seele recht eigentlich zu der höchsten
Würde
Würde des Menschen?
–
Können wir nicht eben darum auf desto größre Vergeltung und darauf desto gewisser rechnen, je weniger wir durch irgend etwas Vergängliches belohnt waren; und muß sie uns nicht desto
angenehmer fallen
belohnender erscheinen
, da sie nicht
bloßer
blosser
Zufall, sondern Belohnung, Belohnung von dem ist, der allein höchst gerecht richtet?
Anm.
Es versteht sich, daß alles in diesen
beyden
beiden
§§. Gesagte nur
Hinweisung
Hinweisung
sey
sei
auf gewisse Gesichtspunkte, woraus man die Leiden vorstellen müsse; die jedesmalige Gelegenheit muß es einem verständigen Lehrer zeigen, aus welchem am wirksamsten könne
Beruhigung
Beruhigung geschöpft werden. Diese Punkte recht anschaulich und eindrücklich zu machen, ist
freylich
freilich
sehr
schwer,
schwer;
es scheint selbst – aus mehrern Gründen, die sich hier nicht erklären
laßen
lassen
– weit
schwerer,
schwerer
jemanden
wahrhaftig
durch Vorstellungen zu
beruhigen
beruhigen
,
als zu
bessern
. Erregte Aufmerksamkeit auf den Lauf der Dinge in der Welt thut
bey
bei
Leidenden sehr
viel;
viel,
aber ohne feste innige Ueberzeugung von Gottes
Vorsehung
Vorsehung und von der
Ewigkeit
Ewigkeit,
wird sie immer wenig zur Beruhigung wirken, oder Leidende nur gleichgültig und leichtsinnig machen. Kurze, fruchtbare Sentenzen, zumal wenn sie den Zuhörern
geläufig,
geläufig
und von ihnen oft zu
ihren
ihrem
Trost gebraucht sind, zu rechter Zeit angebracht (
z. B.
Jonä 4, 10. 11.
Matth. 18, 11
f.
1 Tim. 1, 15.
16
16.
u. d. gl.
16.
u. dgl.
) – nebst dem Ansehen und Vertrauen, das der Lehrer, zumal
bey
bei
fleißiger
Hausbesuchung
Hausbesuchung der Elenden, sich als ein gesetzter,
erfahrner
erfahrener
und mitleidender Mann erworben hat, wirken in solchen Fäl len mehr als die bündigsten Predigten. Man
kan
kann
daher junge Lehrer nicht genug auf Vorsichtigkeit und Mäßigung im
Umgang
Umgange
mit Leidenden aufmerksam machen, und sie warnen, nicht zu viel von der
schönen Welt
, von der
Freude
, wozu der Mensch geschaffen ist, von
milzsüchtigen Klagen
u. s. f.
zu
reden. Junge Lehrer
reden; sie
haben ohnehin schon das Vorurtheil einer noch nicht genug reifen Erfahrung, jugendlicher Flüchtigkeit, und, weil sie noch in
wenigen
wenigen,
entweder die zarte Empfindung nährenden oder sehr drückenden Verbindungen stehen, nicht genugsamer
Theilnehmung,
Theilnehmung
gegen
sich,
sich.
–
Röm. 12, 15.
1 Tim. 5, 1. 2.
Gott, ohne und ausser dem doch alles eitel ist
Vgl. Koh 1,2.14 u.ö.
Was kan dieser ausgestreute, verlohren scheinende, Saame […] für eine reiche und selige Aerndte geben
Vgl. Mk 4,1–9.13–20 parr. sowie Mk 4,26–29.
milzsüchtigen
D.h. hypochondrischen.
52
554
.
Wird jemand durch das Andenken seiner Vergehungen, auch wohl wissentlicher und grö berer Verbrechen, oder der selbst unvertilgbar scheinenden Folgen derselben
bey
bei
sich oder Andern,
beunruhigen
beunruhigt – welches das
zweyte
Zweite
war (§.
48
):
550
):
48.
),
– so müßte ihm der Lehrer
1)
(1
den eigentlichen Inhalt des
Evangelium
Evangeliums, das ganz eigentlich zur Absicht hat, diese Bekümmernisse zu heben, fleißig und einleuchtend vorstellen; vorzüglich, wie Gott seine Gnade auch dem Unwürdigsten (dem, der es
sogar
so gar
nicht
verdient,
verdient
) zugedacht,
wie unser Heiland sich nicht für einen Arzt der Gesunden, sondern der Kranken erklärt habe, nicht nur keinen
hinausstossen
hinausstoßen
wolle
wer zu ihm kommt
, sondern auch gekommen
sey,
aufzusuchen
,
sei
aufzusuchen
was sich
verlohren
verloren
habe,
u. d. gl.
u. dgl.
2) Und wenn ein solcher zweifelte, ob jene
göttliche Verheissungen
göttlichen Verheißungen
ihm
zukämen:
zukämen,
so müßte er ihm diese Besorgniß dadurch benehmen, daß er
ihm
ihn
darauf führte: – schon
dies sey
dieß sei
ein Zeichen, wie ihn Gott nicht
verlaßen
verlassen
habe, daß er nicht fühllos
sey
sei
gegen das Andenken seiner Vergehungen, noch gleichgültig gegen Gottes Gesinnungen gegen
ihn:
ihn
– er würde bis zu dieser Unruhe des
Gewissen
Gewissens nicht einmal gekommen seyn, ohne
besondre
besondere
Umstände, die dieses Gewissen aufweckten, und die ja alle unter der väterlichen Regierung Gottes standen;
–
und
Gott
Gott
veranstaltete
veranstalte
keine Mittel wozu, wenn er nicht auch die Absicht wolle, worauf diese abzielen. Er müßte ihm 3) zeigen, wie sehr Gott
bey
bei
allen solchen Hülflosen auf den
Glaube
Glauben
dringe, und wie
dies
dieß
– gerade wie
bey
bei
dem Verhältniß des Arztes und des Kranken, des Vaters und des
Kindes,
Kindes
– das Bil ligste
sey
sei
, was Gott fordern, und das
Leichteste
Leichteste,
was ein Hülfloser leisten könne, sich an
den
Gott zu halten, und
dem
ganz zu
überlaßen
überlassen
, der unerschöpflich, wie an Güte, so an Mitteln ist, dem Menschen zu helfen, und von dem er ja
ohne
dies
dieß
ohnedem
in aller möglichen Rücksicht abhänge; daß es auch 4) der erste Schritt zur wahren
Besserung
Besserung
sey
sei
, dadurch
gerecht
zu seyn gegen Gott und gegen sich selbst, daß man geduldig die natürlichen Folgen trage, die man sich selbst zugezogen habe, und es Gott zutraue, daß er uns auch dadurch wolle zur Besserung leiten. Er müßte endlich 5), so viel es immer die Fähigkeiten und Kenntnisse
der
des
Bekümmerten erlauben, ihnen, besonders durch ihre
eigne
eigenen
Erfahrungen
Erfahrungen, begreiflich
machen:
machen,
wie sehr es Gott in seiner Gewalt habe,
selbst
auch
schädliche Folgen böser Handlungen durch die unter seiner Regierung stehenden dazwischenkommenden Umstände abzuwenden; auch das, was auf
unsrer
unserer
Seite unrecht ist, zu Mitteln zu machen, die viel Gutes stiften, welches ohne jenes nicht würde erfolgt seyn; auch dadurch,
–
daß er uns diese Wendung, die
unsre
unsere
Vergehungen nehmen, dereinst wird erkennen
laßen
lassen
, und durch unsere auf
unsre
unsere
wahre Besserung und an gestrengtern Fleiß zum Guten erfolgte
größere
grössere
Glückseligkeit
Glückseligkeit und deren lebhafte Empfindung, – das schmerzhafte Andenken an
unsre
unsere
Vergehungen und deren Folgen zu schwächen, oder ganz auszulöschen, oder dadurch die Empfindung
unsrer
unserer
Seligkeit zu erhöhen, so daß wir begreifen, wie wir
dahin
nicht würden gekommen seyn, wenn Gott nicht, indem er uns tief fallen ließ, unsern Fleiß und Eifer im Guten erhoben hätte.
wie unser Heiland sich nicht für einen Arzt der Gesunden, sondern der Kranken erklärt habe […] sondern auch gekommen sey, aufzusuchen, was sich verlohren habe
Vgl. Mk 2,13–17 parr.
53
555
.
Endlich in dem
dritten
Fall (§.
48
550
48.
), wenn jemand durch das Gefühl seiner
Ohnmacht
Ohnmacht, der Macht böser Gewohnheiten, nicht merklicher Fortschritte im Guten, oder durch Wahrnehmung so oft gescheiterter und nicht ausgeführter guten
Vorsätze,
Vorsätze
niedergeschlagen
würde:
würde,
müßte der Lehrer 1) allen Fleiß anwenden, um, mit der möglichsten Sanftmuth, Theilnehmung und Schonung seiner Schwachheit, ihm die
Vorurtheile
Vorurtheile zu benehmen, die
hauptsächlich
vorzüglich
dergleichen
jene
Muthlosigkeit
hervorbringen
hervorzubringen
oder
zu
unterhalten
†)
. –
pflegen.
*)
Und
unterhalten:
†)
und –
wenn er weiß oder merkt, daß diese zu tief eingewurzelt, und so mit den guten Kenntnissen und Gesinnungen desselben verschlungen sind, daß zu besorgen ist, diese möchten darunter leiden, wenn man jene angriffe, oder der Versuch, jene auszurotten, möchte ihn gegen den Lehrer einnehmen: – so mache er ihn aufmerksam darauf, wie oft die besten Gedanken und Grundsätze uns zu weit führen können, und wie nöthig er habe, auf seiner Hut zu seyn, um nicht durch gänzliche Unthätigkeit sicher, durch
unterlaßenen
unterlassenen
Gebrauch auch geringer Kräfte, die ihm
Gott
Gott giebt, und ermunternder Umstände, untreu und undankbar gegen ihn zu werden, oder Gott durch zu weit getriebene Forde rungen und Erwartungen zu versuchen.
–
Er suche ihn wenigstens dahin zu brin gen, die Gelegenheit, immer mehr sich selbst und Gottes Willen erkennen zu lernen, jede Aufmunterung zum Guten, besonders zum Fleiß und zum Vertrauen auf Gott, und den Umgang mit redlichen, heitern und solchen Christen zu benutzen, die sich aus ihren
Erfahrungen
Erfahrungen einen Schatz von wahrer
Klugheit
Klugheit
gesammlet
gesammelt
haben, und die Fähigkeit besitzen, sich theils zu Anderer Bedürfnissen und Schwächen
herabzulaßen
herabzulassen
, theils vernünftige Rechenschaft von ihrem Rath und Belehrung zu geben. 2) Er suche ihm besonders durch sehr klare
Grundsätze
Grundsätze,
vornemlich
vornehmlich
aus der
Bibel
Bibel, durch
Beyspiele Andrer
Beispiele Anderer
, die mit ihm in gleichen Umständen waren, und durch die
nemliche
nämlichen
Erfahrungen, die er selbst müsse gehabt haben,
einleuchtend
einleuchtend zu machen: wie
herablaßend
herablassend
und billig Gott
sey
sei
, der mehr nicht
fordert
forderte
als der Mensch
vermag, nicht ärndten will wo er nicht gesäet, oder den Saamen dazu gegeben hat;
vermöge, und
wie
Gott
er
so oft durch
manche
Umwege und anhaltende Prüfungen den Menschen zum Ziel
führe,
führe
und recht reif zum Guten mache; wie die wahre
Besserung
Besserung nie anders als allmählig, nach vielem Fallen und
Wiederaufstehn,
Wiederaufstehen
Wiederaufstehen,
erfolge, und in dem Grade fortrücke, gründlicher und merkbarer wer de, in welchem der Mensch auch mit wenigen Kräften treu umgeht; und wie durch
jedes
jedes,
auch
geringe
geringe,
Fortrücken in der Besserung, was uns schwer oder unmöglich schien, immer leichter werde. 3) Er stelle das, was der Mensch an seinem Theile thun muß, immer mehr auf der angenehmen Seite und nach den
großen
grossen
Vortheilen vor, die jeden redlichen Fleiß gewiß belohnen, je nachdem er weiß, daß die Vorstellung dieses oder
jenes
jenen
Vortheils
bey
bei
dem Bekümmerten den meisten Eindruck mache. 4) Er begnüge sich endlich nicht mit
bloßen
blossen
Ver mahnungen und Aufmunterungen, sondern zeige dem
Unentschlossenen
Unentschloßnen
und Muthlosen, wie er seine Pflichten ausüben, oder sich deren Ausübung erleichtern könne.
†)
Anm.
*)
Dergleichen sind: daß Gott die
Seligkeit
Seligkeit oder Verdammniß der Menschen und die Mittheilung wirksamer Kräfte, nach
bloßem
blossem
Willkühr
bloßer Willkür
bestimme; daß die Besserung des Menschen
allein
von Gott abhänge, und man durch
eigne
eigene
Thätigkeit sein Werk störe und
hindre
hindere
; daß die Tugenden und guten Handlungen der Menschen (nicht etwa nur immer unvollkommen seyn, sondern) gar keinen Werth vor Gott haben; daß der gute und schlechte Zustand des Menschen nach sinnlichen, freudigen oder traurigen Gefühlen müsse entschieden werden; daß alle Theilnehmung an sinnlichen Vergnügungen, die sehr
leichten
leichtem
Mißbrauch unterworfen sind, sündlich
sey
sei
; nebst so manchen
Mißverständnisse
Mißverständnissen
vom allein seligmachenden Glauben. Sehr oft,
vornemlich bey
vornehmlich bei
dem Unterricht der Kinder,
kan
kann
der Lehrer schon viele dieser falschen Vorstellungen verhüten, zumal wenn er vorsichtig genug
bey
bei
dem Vortrage der Lehre vom natürlichen Verderben des Menschen ist; und
hiebey
hiebei
, so wie
bey
bei
Wegräumung solcher schädlichen Vorurtheile überhaupt, wird ihm eine gehörig
bestimmte
Kenntniß der Religion, ein
vorsichtiger
Gebrauch gemachter Erfahrungen,
behutsame
Entfernung mystischer und
ähnlichen
ähnlicher
Schriften aus den Händen seiner Zuhörer, und Empfehlung solcher Schriften, die nicht sowohl jene Vorurtheile
bestreiten
, als vielmehr gleich reinere Begriffe vom praktischen Christenthum geben, sehr zu Statten kommen.
{So viel Verdienst die
Spener, Philipp Jakob
Spenersche
Schule hatte, so ist doch nicht zu verkennen, daß sie durch vorstehende fehlerhafte Vorstellugen auch manche Gemüther nicht nur sehr beunruhigt, sondern auch einer guten Sache einen übeln Namen gemacht hat.}
Spenersche Schule
Vgl. II § 63 c.
54
556
.
Alle auf die bisher beschriebene Art gemachten guten Eindrücke würden doch dem
großen
grossen
Zweck
Zwecke
des erbaulichen Vortrags nicht völlig entsprechen, wenn sie nicht
dauerhaft
dauerhaft
würden, und in feste
Grundsätze
Grundsätze
und
Gesinnungen
Gesinnungen
übergingen. Dieses zu bewirken, möchten folgende Mittel am dienlichsten seyn.
Zuerst,
daß aller Vortrag so eingerichtet werde,
daß
damit
ihn die Zuhörer leicht übersehen, und sich dessen wieder erinnern können.
Hiezu
Hierzu
würde 1) schon vieles thun, wenn der
Vortrag
Vortrag nicht zu lang, nicht verwirrt wäre, nicht zu viele Abtheilungen, und nicht zu
vielerley
vielerlei
Sachen enthielte, hingegen wohl zusammenhinge,
1
)
so daß ein Gedanke leicht und natürlich auf den andern führte, auch die
Hauptsachen
Hauptsachen
umständlich
aus einandergesetzt, und auf
mannichfaltige
Art erläutert und eindringlich gemacht
würden
†)
.
würden.
2
)
2)
wenn
Wenn
der
Prediger
Prediger die
Kunst
Kunst verstünde, die Aufmerksamkeit der Zuhörer durch eine gewisse wirklich
nutzbar
nutzbare Neuig keit der Sachen und des Vortrags zu fesseln; weil eben das Neue besonders die Aufmerksamkeit reitzt, und man es gern wiederholt, es sich
einzudrucken
einzudrücken
, geläufig zu
machen,
machen
und anzuwenden sucht.
††)
3
)
3)
wenn
Wenn
er sich
vornemlich
vornehmlich
an einige kurze
Kernsprüche
Kernsprüche hielte, die den Zuhörern bekannt oder leicht zu behalten wären, und sie, nicht bloß durch öftere Wiederholung, sondern
vornemlich
vornehmlich
durch die möglichste Verdeutlichung, und Zurückführung oder Anwendung auf besondere Fälle, anschaulich und interessant zu machen suchte; und 4) auch darin
das
dem
Beyspiel
Beispiel
des
größesten
grössesten
Musters
größten Meisters
,
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Jesu
, nachahmte, daß er
alles
Alles
, was er den Zuhörern nützlich oder nöthig findet, mehr gelegentlich,
d. i.
bey
bei
einzelnen
einzlen
vorkommenden Fällen, wo die Umstände des
z. B.
kranken,
niedergeschlagnen
niedergeschlagenen
etc.
Zuhörers es
veranlaßen
veranlassen
, und was oder wie es den Zeitumständen und Bedürfnissen des Zuhörers am
gemäßesten
gemässesten
ist, vortrüge.
†)
Anm.
Anm.
1.
Anm.
1)
Je mehr sich der Lehrer gewöhnt,
alles
Alles
, was er sagen will, vorher wohl
durchzudenken
, und je mehr er Achtung gegen die Sachen, wie gegen seine Zuhörer und deren Bestes hat: je mehr wird er diese erste Regel beobachten. – Hätten die vor Haltung des Vortrags gedruckten
Predigtentwürfe
Predigtentwürfe
Predigteutwürfe
nicht manche
andre
andere
Unbequemlichkeiten, und wären sie gut – mit Rücksicht auf das in dem §. selbst
erwähnte
erwehnte
, – eingerichtet:
erwähnte – eingerichtet,
so könnten sie die vorläufige Aufmerksamkeit auf die Predigten und die Wiederholung des Gepredigten sehr befördern. Selbst die Gewohnheit,
bey
bei
dem Unterricht in der Religion, ein besonderes gut zusammenhängen des und mit bestimmter Kürze
geschriebnes
geschriebenes
Buch, und
bey
bei
Predigten einen
Text
, zum Grunde zu legen, erleichtert das Behalten desjenigen, was gesagt ist.
Anm.
Anm.
2.
2)
Die sogenannte
synthetisch
synthetische
Methode
bey
bei
dem Vortrag der Religion hat
freylich
freilich
auch ihre Vortheile.
Vollständiger
und zum Theil
bestimmter
laßen
lassen
sich
dabey
dabei
die Sachen ausführen, und, hätte man lauter oder meistens solche Zuhörer, die hauptsächlich weiter
aufklären
aufgeklärt zu werden wünschten, und gewohnt wären, immer im Zusammenhange zu denken: so wäre sie
dann
denn
die schicklichste, wenigstens die zwangloseste
Methode
. Aber die
analytisch
analytische
, die einen biblischen Text zum Grunde legt, und sich überall an diesen hält,
–
befördert doch das bessere Behalten, und giebt dem Zuhörer ein gutes Mittel, durch dessen Hülfe er sich an das Gesagte besser wieder erinnern
kan
kann
; – sie gewöhnt ihn mehr an die Bibel, deren kurze, edel und anschaulich
ausgedruckte
ausgedrückte
Kernsprüche mehr wirken als allgemeine Sätze, und Ausführung derselben, die im Allgemeinen stehen bleibt; (man weiß ja, was Sprüchwörter, Verse, Fabeln, Geschichten thun, wie leicht sie sich dem Gedächtniß und der Einbildungskraft wieder darstellen, wie sie sich an alle Vorfälle des Lebens anschlingen, wie leicht in Grundsätze und Gesinnungen
übergehn
übergehen
); – und, was das Vornehmste ist, sie lehrt und gewöhnt ihn, seine Bibel nun selbst fleißig zu lesen, sie besser zu verstehen, und, wie er es nach und nach
seinen
seinem
Lehrer abgelernt hat, sie in beständiger
Anwendung
Anwendung
auf sich zu
brauchen
gebrauchen
, wodurch er die
Erbauung
Erbauung fortsetzen, und sich selbst erbauen
lernt;
lernt,
ohne welche Uebung selbst der beste Vortrag wenig
dauerhafte
Eindrücke machen, und die Andacht des Zuhörers nur an Gelegenheiten binden, nie aus ihr etwas
Ganzes
machen wird. Je
seltner
seltener
die Bekanntschaft mit der Bibel, ihrem wahren Verstande und ihrem so weit greifenden höchst fruchtbaren Inhalte wird; je mehr die Gewohnheit abnimmt, über sie und ihren unerschöpflichen Reichthum wahrhaftig praktischer Ideen nachzudenken, und sie auf alle Angelegenheiten des Herzens anzuwenden; je mehr die Einbildung überhand nimmt, daß man
alles
Alles
am besten aus sich selbst herauswickeln könne, und der Wahn, daß es ein Zeichen eines
größern
grössern
und gründlichern Kopfes
sey, alles
sei, Alles
von
vorne
vorn
her und aus der Natur der Sache zu erkennen, und im Zusammenhange zu denken; je herrschender der Geschmack an
bloßer
blosser
Aufklärung
Aufklärung wird, und je mehr die Anwendung der bessern Kenntnisse auf wirkliche Besserung des Herzens
vernachläßigt
vernachlässigt
wird:
je
desto
weniger ists zu verwundern, daß analytische Predigten immer seltner werden. Wiewohl die synthetischen auch leichter sind. Man braucht dazu (wie sie wenigstens gemeiniglich sind) nur wenige, allgemeine
Sätze;
Sätze,
bedarf wenig oder gar keiner exegetischen Kenntnisse, keines mühsamen Studiums der Erfahrung, keines feinern Studiums des, nach den individuellen Umständen, so
äusserst verschiednen
äußerst verschiedenen
menschlichen Herzens, und der besondersten Bedürfnisse desselben, keiner vielfältigen Uebungen, den Vortrag diesen
anzuschmiegen,
anzuschmiegen;
und, je dürftiger man an Kenntnissen und unreifer zu einem wahren
Religionslehrer
Religionslehrer ist,
je
desto
besser kommen dem Geistesarmen die allgemeinen und unter gewisse Hauptpunkte geschichteten Belehrungen von Universitäten her, zu Statten. Aber ob es für den
Zuhörer
Zuhörer
mehr frommt? –
Anm.
Anm.
3.
3)
Es ist hier nicht die Rede von Befriedigung
bloßer
blosser
Wißbegierde oder Neugier über
ausserordentliche
außerordentliche
und unbegreifliche Sachen, oder über Fragen, die eben jedesmal zu einer gewissen Zeit die Aufmerksamkeit des Publikums beschäftigen, und dessen Meinungen
theilen;
theilen,
noch von parodoxen Behauptungen oder raschen und auffallenden
Aeusserungen
Aeußerungen
, die der Zuhörer wenigstens in
dem
Zusammenhang
Zusammenhange
nicht erwartet. Denn alles
dies
dieß
ist dem
Zweck
Zwecke
des Religionsvortrags, der Erbauung, so wenig, als eigentliche Gelehrsamkeit, gemäß; oder zerstreut die Zuhörer mehr,
zieht
ziehr
wenigstens ihre Aufmerksamkeit von wichtigern Hauptsachen ab; und schadet oft, weil es fremdartig und
vielen
Vielen
anstößig ist, dem Vertrauen auf die Weisheit und Andacht des Lehrers. – Ich meine nicht einmal Predigten über die sichtbare Natur, über Aberglauben und
andre besondre
andere besondere
Ausschweifungen des gemeinen Lebens, über bürgerliche Pflichten und Gegenstände, oder irgend etwas Nützliches, das doch nicht eigentlich zur Religion gehört. Hängt es irgend mit der Religion
zusammen:
zusammen,
so verdient
es,
es
sowohl als Religion selbst, gepredigt, wenigstens zur Beförderung der wahren Religion und
Erbauung
Erbauung,
benutzt zu
werden;
werden,
sofern es den Kenntnissen und Bedürfnissen der Zuhörer gemäß ist, oder gemacht werden
kan;
kan,
kann;
und sofern es mit Mäßigung und Würde geschieht, nicht den Vortrag der Religion selbst verdrängt, der doch die öffentlichen Vorträge eigentlich gewidmet sind, und nur so selten geschieht, daß der Geschmack der Zuhörer nicht verwöhnt, und von den eigentlichen Religionsvorträgen abgezogen wird. –
Neuigkeit
Vielmehr
verstehe ich
hier wirklich im eigentlichen
erbaulich
erbaulichen
Vortrage der
Religion
.
unter dem, was durch
Neuheit
Interesse erregt, das, was auch bei einem Religionsvortrage, der sich Erbauung zum höchsten Zweck setzt,
neu
seyn kann. Dieß gilt
1)
Schon
schon
von den dahin gehörigen
Sachen
selbst kan vieles neu seyn
. Der gewöhnliche Religionsunterricht in Schulen und Lehrbüchern ist noch sehr eingeschränkt, ist eigentlich nur Grundlage des weitern Unterrichts, durch den ein Christ immer mehr auch in der Erkenntniß wachsen soll. Von vielen wichtigen Sachen (
z. B.
dem richtigen
praktisch
praktischen
Begriff
Begrif
des
Glaubens
Glaubens
, und was
wir
thun
können
können,
ihn hervorzubringen und zu nähren, von
Genügsamkeit
Genügsamkeit
, von
wahrer Ehrliebe
wahrer Ehrliebe
, von
Standhaftigkeit
Standhaftigkeit
gegen herrschende unschuldig scheinende Gewohnheiten, und dem weisen Kampf dagegen, von der Pflicht,
alles
Alles
was man, auch in seinem Beruf, thut,
gut
gut
zu machen, von vielen
unerkannten Sünden und Wohlthaten Gottes, und tausend andern
Sachen
unerkannten Sünden und Wohltaten
Gottes
u. s. w.
) wird auf den Kanzeln und
bey
bei
Katechisationen wenig oder gar nicht geredet. Auch
bey
bei
bekannten und oft zu wiederholen nöthigen Lehren und Anstalten
Gottes,
Gottes
ließe
liesse
sich viel Lehrreiches über Gottes Absichten
dabey
dabei
sagen,
es ließen sich
viele unerkannte Pflichten und Tröstungen daraus herleiten
u. d. gl.
u. dgl.
Und
kan
kann
wenigstens der Lehrer nicht, gleich durch die Anwendung der Lehren
und
oder
durch die Situationen, in die er die Zuhörer
dagegen bringt
zu versetzen sucht
, viel Neues sagen, das immer den Zuhörer unterhält, woran dieser schwerlich selbst gedacht hätte, und sich doch immer getroffen, immer das auf diese Art
Gesagte,
Gesagte
für sich brauchbar
findet?
findet.
Eben so
kan
kann
2) in den
Vortrag
Neues gebracht, es können bekannte Sachen durch neue Beweise, durch neue Anwendung der biblischen Texte, durch neue Motive unterstützt, durch dazu gewählte Geschichten und
Beyspiele
Beispiele
aus der Bibel, durch
besondre
besondere
Fälle aus dem gemeinen Leben
u. d. gl.
u. dgl.
anschauender und lehrreicher gemacht werden. (Wie wenig mag
z. B.
Marc. 9, 38
f.
auf die Duldung und billige Beurtheilung derer, die
anders,
anders
als
wir,
wir
in der Religion denken,
1 Kor. 7,
23.
23.,
auf die Pflicht des Kampfs gegen Mode und
Beyspiele
Beispiele
,
Kap.
8, 1
f.
f.,
auf den Mißbrauch der
Aufklärung
Aufklärung
etc.
angewendet worden seyn?
und
Und
wie viel Lehrreiches liegt noch in der Geschichte der Apostel und in an dern biblischen
Geschichten
? nicht nur in den Sätzen, sondern auch in der ganzen Stellung und Verbindung derselben in der Bibel?) – Wer sich
gewöhnt
gewöhnt,
über
alles
Alles
, und besonders über den Inhalt der Bibel und des menschlichen
Lebens,
Lebens
nachzudenken, und
beydes
Beides
täglich zu studieren, fleißig selbst an seiner
eignen
eigenen
Erbauung zu arbeiten, die Religion überall anzuwenden, und
allenfalls sich, nicht gemeine
sich allenfalls, feinere
Bemerkungen, die irgend etwas Neues lehren, oder ein neues Licht worauf werfen, aufzuzeichnen, um sie gelegentlich
bey
bei
seinen Zuhörern zu
brauchen
gebrauchen
: dem wird, viel Neues zweckmäßig zu sagen, so schwer nicht seyn können.
{Wo der Prediger an die gewöhnlichen
Perikopen
Perikopen gebunden ist, da sollte er sich ganz vorzüglich bemühen, den gewöhnlichen Texten neue Seiten abzugewinnen, auch dazu Predigten geistvoller Männer über diese Abschnitte vergleichen. Ganz vorzüglich zeichnen sich die
Reinhard, Franz Volkmar
Reinhardtschen
auch von dieser Seite aus.
A. d. H.
}
††)
In der ersten und zweiten Auflage der
Anweisung
hat das Zeichen „††)“ keine Entsprechung in den Anmerkungen. Die dritte Auflage der
Anweisung
lässt jedoch vermuten, dass es sich auf
Anm. 3.
bezieht.
synthetische Methode […] analytische, die einen biblischen Text zum Grunde legt, und sich überall an diesen hält
Im Gegensatz zur
synthetischen
Predigt, in der der Predigttext unter einem bestimmten Hauptthema behandelt wird, legt die auch als
Homilie
bezeichnete (vgl. III § 65 c)
analytische
Predigt den Predigttext Schritt für Schritt (aber nicht unbedingt Vers für Vers) und ohne Berücksichtigung eines bestimmenden Hauptthemas aus. Eine derart durchgeführte Textauslegung bindet nicht selten aus der wissenschaftlichen Exegese stammende philologische, antiquarische u.a. Beobachtungen ein und bewegt sich so auf einem durchaus hohen Bildungsniveau.
Reinhardtschen
Vgl. I § 283 c.
55
557
.
Sehr viel
tragen
trägt
zur Befestigung guter Eindrücke
auch
2) (§.
54
556
) die dem Vortrag
eingedruckten
eingedrückten
Spuren der eignen
Ueberzeugung
Ueberzeugung des
Lehrer
Lehrers
54.
) bei, wenn der Zuhörer gewahr wird, wie innig der Lehrer
von der vorgetragenenen Wahrheit und ihrem Werthe
überzeugt sei
, und
seines
welches warme
Interesse für das Wohl der
Zuhörer, bey
Zuhörer ihn beseele
.
Theilnehmung
Theilnehmung
wirket
wirkt
wieder Theilnehmung, und wenn wir merken, daß jemand angelegentlich zu unserm Besten arbeitet, so giebt unser
eignes
eigenes
Interesse, und die Vorstellung von dem Lehrer, als unserm
Freund
Freunde
, einen mächtigen Reitz, seine Gedanken weiter zu
verfolgen;
verfolgen,
zumal, wenn uns die Sache ohnehin schon anzieht, und die durch den Vortrag durchscheinende Ueberzeugung des Lehrers
unsre
unsere
Meinung von der Wahrheit und Wichtigkeit des Gehörten bestätigt. Selbst die Wärme und noch vielmehr die ruhige
Heiterkeit
Heiterkeit des Geistes, die den Verdacht des Gesuchten und Künstlichen ausschließt, fesselt die Aufmerksamkeit, und macht uns geneigt, den ersten angenehmen Eindruck zu wiederholen, und darüber weiter nachzudenken. Wer es dahin
bey
bei
dem Zuhörer bringen will, muß selbst von dem, was er sagt, und
vornemlich
vornehmlich
von dessen Werth, lebendig überzeugt seyn, die Sache wohl und praktisch durchdacht haben, und in dem Augenblick, wo er sie vorträgt, ganz
dabey
dabei
, und von ihr eingenommen seyn.
Dies
Dieß
und ein wohlwollendes Herz sind die Haupterfordernisse
dabey
dabei
; lebhafte Einbildungskraft und Reichthum der Sprache, den er in
seine
seiner
Gewalt hat, unterstützen es. Das
Aeussere
Aeußere
giebt sich alsdann von selbst. Etwas
kan
kann
auch dazu
beytragen
beitragen
, wenn man das Gemüth vorher in die gehörige Ruhe setzt, und durch Lesung
körniger
körnigter
Stellen aus der heiligen Schrift, oder ähnlicher Schriften, seinem Geiste Nahrung giebt.
Anm.
Die hier
beschriebne
beschriebene
Eigenschaft des Vortrages ist
ohngefehr
ungefähr
das, was die Franzosen mit dem mystischen Namen der
Salbung
Salbung
belegen. Die Kraft, welche dauerhafte Eindrücke hervorbringen soll, liegt in der vorgetragenen Sache selbst, und muß von dem Lehrer hervorgezogen oder entwickelt werden. Ist jenes
nicht
, und geschieht
dieses
dieses,
nicht; wirkt der Vortrag bloß auf die
Sinne,
Sinne
oder Einbildungskraft der Zuhörer: so mag er betäuben und
hinreissen,
hinreißen;
dauerhaft
dauerhafte
Eindrücke wird er nie machen.
{Der Ausdruck
Salbung
(
χρισμα
und
χριειν
) ist aus
1 Joh. 2, 20. 27.
Apostelg. 10, 38.
2 Kor. 1, 21.
entlehnt, wo er in der tropischen Bedeutung die
Einweihung
in eine Lehre oder ein Lehrgeschäft bezeichnet, folglich überhaupt den den Menschen gewordenen Unterricht in der Religion bezeichnet. Erst späterhin hat man in der homiletischen Sprache darunter eine besondere Eigenschaft des Vortrags verstanden. Wenn er nämlich nicht bloß den Verstand beschäftigt, sondern Geist und Gemüth zugleich ergreift, durch die Stimmung des Redenden seine sichtbare Theilnahme an der Sache unterstützt, und damit eine gewisse Feierlichkeit, wie sie dem hohen Gegenstande angemessen ist, verbindet, so pflegt man dem Redenden,
Salbung
zuzuschreiben. Die beiden Hauptzwecke des Begriffs scheinen demnach
Herzlichkeit
und
Würde
zu seyn. So gebrauchen auch besonders französische Schriftsteller das Wort onction.
A. d. H.
}
Salbung
Zur Klärung des Begriffs
Salbung
vgl. den Nachtrag in der dritten Auflage der
Anweisung
.
56
558
.
Auch der lebhafteste Eindruck verliert
in
auf
die Länge seine Kraft, und wird durch
andre
andere
neue und lebhaftere Vorstellungen geschwächt oder ver drängt. Man
kan
kann
ihn nur dadurch befestigen, daß man ihn gleich, wenn das Gemüth noch ganz davon eingenommen ist, in
Ausübung
Ausübung
bringt;
bringt,
daß man, wenn
dies
dieß
nicht gleich geschehen
kan
kann
, ihn mit seinen Gedanken verfolgt, ihn sich dadurch geläufig macht, und ihn in
Empfindung
Empfindung
vewandelt
verwandelt
; daß man ihn endlich
öfters,
öfters
durch
alles
Alles
, was die Andacht unterhält, wieder auffrischt. Alles dieses zu befördern, wäre also das
3te
Dritte
(§.
54.
55
55.
556.
557
), was der Lehrer zur Erhal tung des guten Eindrucks thun müßte. Er bewege den
Zuhörer
Zuhörer, gute Vorsätze (
z. B.
sich mit seinen Feinden auszusöhnen, Almosen zu geben, seine Angelegenheiten Gott zu
empfehlen),
empfehlen)
ohne Aufschub zu vollziehen. Er suche durch
das
Gebet, durch wohlgewählten Gesang, durch den Genuß des heiligen
Abendsmahls
Abendmahls
u. d. gl.
Abendmahls
u. dgl.
die guten Eindrücke
bey
bei
den Zuhörern zu befestigen. Er empfehle ihnen durch sein
Beyspiel
Beispiel
religiöse Uebungen, Lesung der heiligen und anderer, ihren Fähigkeiten
angemeßnen
angemessenen
, Schriften, Besuchung des öffentlichen Gottesdienstes, frommen Umgang, Nachdenken über alles Gehörte oder Gelesene, in beständiger Beziehung auf sie und die Bedürfnisse ihres Geistes und Herzens; erbiete sich gegen sie zu weiterer
Belehrung;
Belehrung,
und nehme Gelegenheit,
bey
bei
schicklichen
Veranlaßungen
Veranlassungen
sich mit ihnen über das, was ihre
besondre
besondere
geistliche Wohlfahrt
betrift
betrifft
, näher zu unterhalten.
57
559
.
Wer die Pflichten eines guten christlichen
Volkslehrer
Volkslehrers, nach dem bisher
Gesagten,
Gesagten
erfüllen wollte, müßte – ein Mann von gesundem Verstande; – von
gutem
Geschmacke,
Geschmacke
richtigem Geschmacke
oder
richtigem
Gefühl des Schicklichen und
Unschicklichen;
Unschicklichen,
– selbst klarer
Begriffe
Begriffe fähig, und gewohnt seyn, klar und ordentlich zu denken; – eine ausgebreitete, richtige, bestimmte, anschauende und
praktisch
praktische
Erkenntniß
Erkenntniß der
Religion
Religion;
Religion,
–
vornemlich
vornehmlich
Interesse für Wahrheit, besonders in der Religion, und für alles
Gute;
Gute,
– die
Gabe
Gabe,
sich gut
auszudrucken
auszudrücken
, und daher auch hinlänglichen Reichthum der
Sprache,
Sprache
besitzen; – selbst von Herzen fromm seyn, und die eigentliche Absicht haben, auch
andre
andere
Menschen dahin zu bringen; – endlich, so viel als möglich, die Fähigkeiten und Bedürfnisse seiner Zuhörer kennen, – und nach diesen seinen Vortrag einzurichten verstehen.
– Alsdann
Alsdenn
könnte er allenfalls eines besondern Unterrichts der
Homiletik
Homiletik
und
Katechetik
Katechetik
, so wie guter
Beyspiele
Beyspiele
Beispiele
im Vortrage, entbehren, und
eigne
eigene
Uebung
Uebung
würde diesen Abgang ersetzen
können;
können,
ohne
welche
die
können. Ohne diese
und ohne jene
Eigenschaften,
Eigenschaften können ihn
bloße
Anweisung
theoretische Anweisungen
und
Beyspiele ihn
Beispiele
nicht zum guten Lehrer des Volks
machen können. Aber,
machen. Aber
– wenn auch jene Eigenschaften nicht so selten, und nicht noch seltner
beysammen
beysammen,
wären:
beisammen
wären,
– so bedürfen sie doch einer mehrern Ausbildung durch den Unterricht, Rath und
Beyspiel
Beispiel
Anderer, die mehr Geschicklichkeit, Kenntniß und Erfahrung haben; – und ein
besondrer
besonderer
Unterricht über die Einrichtung des guten Vortrags
kan
kann
, wie
bey
bei
allen Wissenschaften, das Studium desjenigen, was dazu erfordert wird, sehr erleichtern. – Selbst, wenn ein junger Mann sich bloß nach guten
Beyspielen
Beispielen
bilden wollte, müßte
er,
er
– um nicht in seiner Wahl zu irren,
und
gute Eigenschaften der Predigten, oder ihre
Fehler,
Fehler
zu übersehen, jene zu
vernachläßigen
vernachlässigen
und diese
anzunehmen,
anzunehmen
–
doch erst auf
beyde
beide
überhaupt aufmerksam gemacht worden seyn. –
Vornemlich
Vornehmlich
giebt es so viele Vorurtheile darüber, die auf Unwissenheit,
verdorbnen
verdorbenem
verdorbenen
Geschmack, und der so allgewaltig wirkenden Mode beruhen, daß es schon deswegen nöthig ist, frühzeitig sich um gesunde und feste
Grundsätze
Grundsätze
von der wahren Vollkommenheit des Religionsvortrages zu bewerben.
Anm.
Gut eingerichtete Vorlesungen über die
Homiletik
Homiletik,
von einem Lehrer, der ein eben so guter Theoretiker als Praktiker wäre,
der
nicht bloß zur Wohlredenheit, sondern zu wahrer nützlicher Beredtsamkeit, oder vielmehr zu rechter Einrichtung des
erbaulich
erbaulichen
, zusammenhängenden oder Gesprächsvortrags der Religion, Anweisung gäbe,
der
nicht sowohl Kunst als Befolgung der Natur, auch in diesem Stücke,
lehrte;
lehrte, und
gute Grundsätze durch wohlgewählte
Beyspiele
Beispiele
deutlich und anschaulich
machte;
machte,
auch, wenn es seyn
könnte
kan
, die nöthigen Uebungen der Zuhörer unter seiner Aufsicht, damit verbände – nebst dem
Umgang
Umgange
mit erfahrnen und in dieser Art bewährten Predigern – würden hier am diensamsten seyn.
Gute Anweisungen dazu findet man vorzüglich in den
Grundsätzen
Unter den älteren Anweisungen enthalten auch für die jetzige Zeit noch sehr viel Brauchbares: Dr.
Erasmus, Desiderius
Erasmi
Ecclesiastes s. de ratione concionandi, L. IV. 1554.,
und
Hyperius, Andreas
And. Hyperius
de formandis concionibus sacris, 1553.
denuo edidit
Wagnitz, Heinrich Balthasar
H. B. Wagnitus
, Halae 1781.
Unter den neueren:
Grundsätze
zur Bildung künftiger Volkslehrer, Prediger, Katecheten
und
Pädagogen, von
Seiler, Georg Friedrich
Georg Frie
drich Seiler
,
2te
(2te
Auflage, Erlangen,
Ausgabe, Erlangen
1786.
gr.
8.;
8.)
und in
8.
Niemeyer, August Hermann
Aug. Herm.
Niemeyers
Niemeyer's
Handbuch für christliche Religionslehrer
,
zweyter Theil,
zweiter Theil
(auch unter dem Titel:
Homiletik, Pastoralanweisung
und
Liturgik
,)
Liturgik
), 5te Ausgabe,
Halle
1790
in
1807.
8.
Entwurf der wesentlichen Pflichten christlicher Lehrer
, (Halle, 1786.
in
gr.
8.)
{
Schmid, Johann Wilhelm
J. W. Schmidt's
Anleitung zum populären Kanzelvortrag, 1ster bis 3ter Theil. Jena 1787
f.
Schott, Heinrich August
H. A. Schott
Theorie der Beredtsamkeit, mit besonderer Anwendung auf die geistliche. Leipzig 1781.
; und
Dessen
kurzgefasster Entwurf der Theorie der Beredtsamkeit. 1815.
Ammon, Christoph Friedrich von
C. F. Ammon
Handbuch, oder Anleitung zur Kanzelberedtsamkeit. Marburg 1812.
Unter den rhetorischen
Vorlesungen
Lehrbüchern
, die wenigstens zur
feinern
feineren
Bildung des Predigers dienen, verdienen
Blair, Hugh
Hugo Blair's
Vorlesungen über Rhetorik und schöne
Wissenschaften
,
Wissenschaften
(aus dem Englischen übersetzt von
Schreiter, Carl Gottfried
K. G. Schreiter
,
Liegnitz,
Liegnitz
1785 bis
1788
in
1788.,
3
Theilen
Theile
,
gr.
8.)
vornemlich studieret
vornehmlich studiert
zu werden.
A. d. H.
}
Grundsätzen zur Bildung künftiger Volkslehrer, Prediger, Katecheten und Pädagogen, von Georg Friedrich Seiler, 2te Auflage, Erlangen, 1786
In allen drei Auflagen der
Anweisung
ist der Titel der ersten Auflage genannt. Der Titel der zweiten Auflage lautet jedoch
Grundsätze zur Bildung künftiger Volks und Jugendlehrer oder der Homiletik, Katechetik, Pädagogik
(1786).
Dr. Erasmi Ecclesiastes s. de ratione concionandi, L. IV. 1554
Gemeint sind Erasmus' von Rotterdam
Ecclesiastae sive de ratione concionandi libri IIII
(1554).
(auch unter dem Titel: Homiletik, Pastoralanweisung und Liturgik), 5te Ausgabe, Halle 1807
Der Nebentitel der fünften Auflage lautet
Homiletik, Pastoralwissenschaft und Liturgik
.
J. W. Schmidt's Anleitung zum populären Kanzelvortrag, 1ster bis 3ter Theil. Jena 1787 f.
Die drei Teile sind zwischen 1787 und 1789 erschienen.
H. A. Schott Theorie der Beredtsamkeit, mit besonderer Anwendung auf die geistliche. Leipzig 1781
Heinrich August Schotts (1780–1835) dreiteilige
Theorie der Beredsamkeit
ist in erster Auflage zwischen 1815 und 1828 in Leipzig erschienen.
Dessen kurzgefasster Entwurf der Theorie der Beredtsamkeit. 1815
Es handelt sich um die zweite umgearbeitete Auflage des
Kurze[n] Entwurf[s] einer Theorie der Beredsamkeit
.
C. F. Ammon Handbuch, oder Anleitung zur Kanzelberedtsamkeit. Marburg 1812
Christoph Friedrich von Ammons (1766–1850)
Handbuch der Anleitung zur Kanzelberedsamkeit für christliche Religionslehrer
ist 1812 in zweiter Auflage in Nürnberg erschienen.
Hugo Blair's Vorlesungen über Rhetorik und schöne Wissenschaften, (aus dem Englischen übersetzt von K. G. Schreiter, Liegnitz, 1785 bis 1788 in 3 Theilen, gr. 8.)
Vgl. I § 279 c.
58
560
.
Eben so
großen
grossen
und vielleicht noch
mehrern
größern
Nutzen
Nutzen, als Anweisungen zum
erbaulich
erbaulichen Vortrag, haben gute
Muster
Muster
von
Predigten
Predigten
und
Katechisationen
Katechisationen
;
Katechisationen
,
weil es dem Anfänger schwerer fällt, gute Grundsätze und Regeln wohl anzuwenden, als sie zu
verstehen,
verstehen
oder überzeugend einzusehen; weil es den
meisten
Meisten
leichter wird, sich nach
Beyspielen
Beispielen
als nach Grundsätzen zu bilden; und weil gute
Beyspiele
Beispiele
mehr Lust zur Nachahmung machen, und den Fleiß in ähnlichen Versuchen ermuntern. Manches,
z. B.
die Kunst, den Vortrag
concret
concret zu machen,
d. i.
allgemeine Sätze auf besondere Umstände und Bedürfnisse der Zuhörer zurück zu führen, läßt sich auch nicht durch Regeln, wohl aber aus
Beyspielen
Beispielen
lernen. Man müßte nur
bey
bei
dem Gebrauch derselben 1) in der Wahl vorsichtig seyn. – Es giebt Predigten, die eher gelehrte oder scharfsinnige Untersuchungen, eher Meisterstücke der Kunst, als Predigten sind, die also, wenn es uns um
eigne
eigene
Belehrung, Ueberzeugung und Erbauung überhaupt, oder um Fortschritte in den schönen
Wissenschaften,
Wissenschaften
zu thun wäre,
für uns
unterhaltender und nützlicher seyn
mögen;
mögen,
die es aber deswegen nicht sind, sofern wir unsern Vortrag zu
Anderer
Erbauung darnach bilden wollen. Oft täuscht auch der berühmte Name; denn selbst die musterhaftesten Prediger sind es nur in gewisser
Absicht;
Absicht,
sie sind es auch nicht in allen ihren Arbeiten, und ihre früheren Versuche kommen selten ihren spätern und reifern Früchten
bey
bei
. Und sehr oft verursacht die Mode und herrschende Gewohnheit, welche auf manche gute Eigenschaften einer Predigt einen zu
großen
grossen
Werth legt, nebst der Neigung zu dem, was uns leichter wird, oder mehr nach unserm Geschmack und
unsern
Fähigkeiten ist, daß man sich nur an Eine
Art,
Art
populär
(populärer
Predigten
Predigten,
z. B.
die oft sehr arm an Sachen, richtigen und bestimmten Gedanken, und um so reicher an Worten
sind),
sind)
hält, und
andre
andere
, aus welchen man mehr
lernen
könnte und sollte,
vernachläßigt
vernachlässigt
. Man müßte also, wenn es uns wirklich Ernst wäre, in aller Absicht,
und
auch als
Prediger,
Prediger
vollkommen
vollkommner
zu werden,
mehrere
mehrere
Arten von nachahmungswürdigen Predigten oder Katechisationen, nach den oben beschriebenen Eigenschaften, studieren,
vornemlich
vornehmlich
die, welche nach unserm besondern
Beruf
Beruf, und der Art der Zuhö rer, mit welchen wir zu thun haben, uns am nöthigsten sind, und die sich durch solche Eigenschaften auszeichnen, an welchen es uns noch mehr als
an
andern fehlt.
59
561
.
Aber man müßte sie 2) nicht eigentlich
oder unbedingt
nachahmen
nachahmen
,
d
.
i.
d. i.
seine Art zu denken, zu empfinden, und sich
auszudrucken
auszudrücken
, nicht nach Andern stimmen, nicht Natur mit Kunst vertauschen wollen. Denn –
ausser dem
ausserdem
außerdem
, daß eine solche Begierde nachzuahmen, gemeiniglich auf das
Eigenthümliches
Eigenthümliche
(die Manier)
eines Predigers fällt, welches sich ohne unnatürlichen Zwang nicht nachahmen läßt, und
Vieles
vieles
, was selbst fehlerhaft ist, den kleidet, dem es natürlich ist,
bey
bei
Andern aber lächerlich wird, wenn man ihnen die Mühe ansieht, die sie sich geben, unnatürlich zu handeln: – so hemmt es die
Freyheit
Freiheit
des Geistes, und verhindert das Gute zu stiften, das jeder nach
seiner
Art gerade am meisten stiften könnte. Der Vortrag verliert das
natürlich Schöne
natürlich-Schöne
, und, wenn ich so reden darf, das Herzliche, welches eben daraus entsteht, daß, was man sagt, aus
eigner
eigener
Ueberzeugung
Ueberzeugung und
Empfindung
Empfindung, aus wahrer Theilnehmung an der
Sache
Sache
, wie sie sich
uns
darstellt, fließt, daß es natürlicher Ausbruch des von ihr ganz
eingenommnen
eingenommenen
, durch keine fremden Rücksichten zerstreuten, Verstandes und
Herz
Herzens ist, und, weil es vom Herzen kommt, auch wieder zu Herzen geht. – Vielmehr müßte man 3) erst, nach
eigner
eigener
Empfindung des
Nützliches
Nützlichen und nach bewährten Grundsätzen einer vernünftigen
Homiletik
Homiletik, wohl untersuchen,
was
an gewissen Mustern wirklich nachahmungswürdig
sey
sei
? und, wenn man bemerkte, daß man es selbst noch nicht, oder nicht genug, in seiner Gewalt hätte, 4) alsdann, ob man danach trachten
könnte
?
d. i.
die Fähigkeit hätte, zwar durch Fleiß und Uebung, aber nicht mit Zwang, eben dieses zu erreichen; welches zu entdecken nicht gar schwer werden
kan
kann
, wenn man nur aufrichtig sein
Gefühl,
Gefühl
und, um weniger zu irren, die Urtheile anderer Verständigern befragt. Hernach 5) ob man es auch
dürfe
?
d. i.
d. i.,
ob
unser
Beruf, nebst den Fähigkeiten, Kenntnissen und Bedürfnissen
unsrer
unserer
Zuhörer, diese Eigenschaften des Vortrags ertragen, oder gar fordern. Wäre man von allem diesen
überzeugt:
überzeugt,
so müßte man 6) wahre
Muster
Muster sorgfältig in ihre Theile zerlegen, um zu sehen, wie der Andere seine
Hauptgedanken
Hauptgedanken erklärt, ausgeführt, sie und ihre Erläuterungen geordnet und
ausgedruckt
ausgedrückt
, auch untersuchen,
warum
er es lieber so, als anders, dargestellt, und was er für Mittel dazu gebraucht hätte?
Anm.
Anm.
1.
Anm.
1)
Gute Regeln und Grundsätze der Homiletik, nebst frühzeitigen Uebungen, einen Autor recht zu studieren und auszulegen, kommen uns hier sehr zu
Statten
statten
. Wird es uns im Anfange zu schwer, oder traut man seinem
eignen
eigenen
Urtheil
nicht:
nicht,
so nehme man, wo möglich, den Verfasser selbst, oder
andre
andere
gültige
Richter,
Richter
zu Hülfe. Wenn man sein so durchstudiertes Muster auf eine geraume Zeit zurücklegt, um die Lebhaftigkeit der Eindrücke, die es
bey
bei
uns gemacht hat, sich setzen zu
laßen
lassen
, darauf
lassen, alsdann
den Versuch macht, eben dasselbe nach
unsrer
seiner
unserer
Art auszuführen, und alsdann mit dem Muster zu vergleichen: so wird man bald sehen, ob man im Stande
sey
sei
, das Gute demselben wirklich abzulernen, und sich eigen zu machen. Doch
dies
dieß
gehört mehr zu den
eignen
eigenen
Uebungen.
Anm.
Anm.
2.
2)
Vorzügliche
hieher
hierher
gehörige Predigten und Katechisationen sind in der
Anweisung
zur Kennt niß der besten allgemeinern Bücher in der Theologie, §. 561
f.
genannt, deren Verzeichniß sich aus der neuesten Zeit noch vermehren läßt.
Als Katechisationen verdienen zum Theil die
Unterhaltungen für Kinder und Kinderfreunde
(von
Salzmann, Christian Gotthilf
C. G. Salzmann
,) Leipzig, 1778
folgg.
in
9
8
Bändchen in 8; das
Handbuch für Kinder und Kinderlehrer über den Katechismus
Luther, Martin
Lutheri
, von
Beyer, Johann Rudolph Gottlieb
J. R. G. Beyer
, Leipzig,
1785−1787.
1784−1787.
in 7 Bändchen in 8;
Katechetisches Magazin, herausgegeben von
Lang, Georg Heinrich
G. H. Lang
, Nördlingen,
1781–1784
1781−1784.
in
drey
3
, und
dessen
Fortsetzung
Fortsetzungen
, oder
Neues katechetisches
Magazin, Erlangen,
1785−1789
1785−1788.
bisher in
drey
3
Bänden
und einem Stück des 4ten
in 8. vor andern studiert zu werden.
{Unter den
Lehrbüchern für Katechetik
sind zu vergleichen vorzüglich:
Seiler, Georg Friedrich
G. F. Seiler's
katechetisches Methodenbuch. Erlangen 1789.
Graeffe, Johann Friedrich Christoph
J. F. C. Gräff's
vollständiges Lehrbuch der allgemeinen Katechetik (ganz nach
Kant, Immanuel
Kantischen
Grundsätzen), 3 Bände, Göttingen 1795
f.
, nebst des
Verfassers
Grundriß
der Katechetik.
Wolfrath, Friedrich Wilhelm
F. W. Wolfarth's
Versuch eines Lehrbuchs der religiös-moralischen Katechetik und Didaktik, Lemgo 1808.
Katechetische Magazine haben
Lang, Georg Heinrich
Lang
und
Graeffe, Johann Friedrich Christoph
Gräff
herausgegeben. Das Wahre, so wie die vorzüglichsten Proben von
Katechisationen
s. m.
in
Niemeyer, David Gottlieb
Niemeyer's
und
Wagnitz, Heinrich Balthasar
Wagnitz
Predigerbibliothek, 3ter und 4ter Theil.
A. d. H.
}
Anweisung zur Kenntniß der besten allgemeinern Bücher in der Theologie, §. 561 f.
Vgl. I § 43.
Unterhaltungen für Kinder und Kinderfreunde (von C. G. Salzmann,) Leipzig, 1778 folgg. in 9 Bändchen
Wie in der ersten Auflage der
Anweisung
angegeben, ist dieses Werk nur in acht Bänden (1778–1787) erschienen.
Handbuch für Kinder und Kinderlehrer über den Katechismus Lutheri, von J. R. G. Beyer, Leipzig, 1785–1787. in 7 Bändchen
Wie in der ersten Auflage der
Anweisung
angegeben, stammt der erste Band aus dem Jahr 1784. 1787 ist eine zweite Ausgabe in zwei Bänden erschienen. Diese enthält den Text der ersten sechs Bände der Erstausgabe (1784–1786), deren siebter Band (1787) gleichzeitig als Anhang zu den beiden Bänden der zweiten Ausgabe fungiert.
dessen Fortsetzung, oder Neues katechetisches Magazin, Erlangen, 1785–1789 bisher in drey Bänden und einem Stück des 4ten
Bisweilen wird der Erscheinungszeitraum aller vier Bände mit 1785–1791 angegeben, doch dürfte das
Neue katechetische Magazin
mit dem Erscheinen der ersten Abteilung des vierten Bandes (1789) eingestellt worden sein.
J. F. C. Gräff's vollständiges Lehrbuch der allgemeinen Katechetik (ganz nach Kantischen Grundsätzen), 3 Bände, Göttingen 1795 f.
Der Verfasser des dreibändigen
Lehrbuchs
(1795–1799) ist Johann Friedrich Christoph Graeffe (1754–1816).
Verfassers Grundriß der Katechetik
D.i. Johann Friedrich Christoph Graeffes (1754–1816)
Grundriß der allgemeinen Katechetik nach Kantischen Grundsätzen nebst einem kurzen Abrisse der Geschichte der Katechetik von dem entferntesten Alterthume bis auf unsere Zeiten
(1796).
F. W. Wolfarth's Versuch eines Lehrbuchs der religiös-moralischen Katechetik und Didaktik, Lemgo 1808
Gemeint ist Friedrich Wilhelm Wolfrath (1757–1812).
Katechetische Magazine haben Lang und Gräff herausgegeben
Georg Heinrich Langs (1740–1805)
Katechetisches
und
Neues Katechetisches Magazin
sind in diesem Paragraphen in den ersten beiden Auflagen der
Anweisung
ausführlich bibliographiert. Johann Friedrich Christoph Graeffes (1754–1816)
Neuestes katechetisches Magazin zur Beförderung des katechetischen Studiums
(1789–1801) ist in vier Bänden erschienen, von denen der erste Band eine zweite (1793) und der zweite eine dritte Auflage (1798) erlebt hat, sein
Katechetisches Journal
(1793) hat Graeffe auch als
Neues Journal der Katechetik und Pädagogik
(1795–1801) veröffentlicht und insgesamt sieben Jahrgänge herausgegeben.
Niemeyer's und Wagnitz Predigerbibliothek, 3ter und 4ter Theil
Vgl. I § 43 c.
60
562
.
Zu allem diesen muß noch
eigne
eigene
Uebung
Uebung
in
beyderley
beiderlei
Vortrag
Vortrag kommen, ohne welche man sich weder das Andern abgelernte Gute zu eigen machen, noch jemals eine Fertigkeit im guten Vortrage erhalten
kan
kann
. Sie
dient
kann
auch
zur eignen Demüthigung und Gründung der so nöthigen
Bescheidenheit
Bescheidenheit
am besten bescheiden machen
, wenn man,
bey
bei
angestellten
eignen
eigenen
Versuchen, sieht, – das Ideal vorausgesetzt, das wir oben entworfen haben, – wie so schwer es
sey
sei
, ein recht guter
Prediger
Prediger oder
Katechet
Katechet zu werden. Mangel
an
dieser
Tugend,
Bescheidenheit
– der immer
voraussetzt
ein Zeichen ist
, daß man entweder für die Wichtigkeit der Sache kein Gefühl habe, oder nicht wisse, wie viel zum guten
Vortrag
Vortrage
gehöre, oder sich selbst nicht
kenne,
kenne
– macht blind gegen
eigne
eigene
Fehler, halsstarrig gegen
Andrer
Anderer
Erinnerungen, und verhindert, wie den Wachsthum in der
Vollkommenheit
Vollkommenheit, so besonders die Biegsamkeit der Seele, die so nöthig ist, um sich nach den Fähigkeiten und Bedürfnissen der Zuhörer zu richten. Auf der andern Seite hilft die Uebung wieder der Blödigkeit auf, und macht guten Muth, weil man seine Kräfte und ihren Wachsthum fühlen lernt.
61
563
.
Bey
Bei
diesen
eignen
eigenen
Uebungen
Uebungen
kan
kann
man 1) nicht oft und dringend genug
dem
den
Prediger an den
Zweck
Zweck erinnern, wozu er predigen soll. Du redest – in
Gottes
Namen; sollst, als
sein
Werkzeug,
seinen
Willen und
seine
Gesinnung verkündigen; bist eigentlich dazu da, die wichtigste
Angelegenheit
Angelegenheit der Menschen zu besorgen, sie durch Religion zu wahren, ihre Würde fühlenden, und ihr gemäß handelnden, wahrhaftig glücklichen Menschen zu machen, ihr Lehrer, ihr Rathgeber, ihr Erinnerer, ihr Tröster,
bey
bei
allen Angelegenheiten zu seyn, die ihr Gewissen und ihre Gemüthsruhe betreffen. Aber du bist kein
Orakel
Orakel; und, wenn auch Gott unmittelbar durch dich redete, so kannst du ihnen doch weder Glauben, noch Gehorsam, noch Zufrie denheit
abzwingen
; sie dürfen nicht nur, sie müssen auch prüfen, ob
Gott
durch dich redet, und
dann
erst dir folgen. Du mußt also als Mensch mit
vernünftig
vernünftigen Menschen reden, die anders nicht gewonnen werden können, als durch Vorstellungen, welche es ihnen, nach ihren Fähigkeiten, Begriffen und Bedürfnissen, klar machen, daß, was du sagest, wahr und gut, und ihnen nothwendig
sey
sei
, und welchen der Zugang zu eben der Quelle, aus der du schöpfest, zur Vernunft, zur heiligen Schrift und zur Erfahrung, eben so wie dir, offen steht. – Wer
diese
Zwecke nicht stets vor Augen behält, und nicht alles Ernstes
darauf
arbeiten will, dessen Vortrag mag übri gens
vortreflich seyn;
vortrefflich seyn:
erbaulich
erbaulicher Vortrag, gute Predigt, gute
Katechisation,
Katechisation
ist er nicht.
62
564
.
Schon
dies kan
dieß kann
uns
2)
vor
für
einer Menge höchst verderblicher
Fehler
Fehler bewahren, die sich hier nicht alle nennen
laßen
lassen
. – Wer immer bedächte, daß er in Gottes Namen die Menschen zur Seligkeit weisen sollte, wie könnte der sichs erlauben, fremdartige Dinge, die nicht Religion zum Gegenstande haben, oder sich nicht durch
Religionsgründe
Religionsgründe unterstützen
laßen
lassen
, in den gottesdienstlichen Vortrag zu bringen?
†)
1
)
wie
der
könnte er
predigen,
bloß
um sich
bloß
hören zu
laßen
lassen
, und seiner Eitelkeit ein Opfer zu bringen? sich bloß im
Predigen, oder gar in Declamation,
Declamiren
zu
üben
††)
?
üben
?
2
)
bloß
glänzen, oder sich überhaupt empfehlen
zu
wollen? oder auf der andern Seite, sei ner Würde vergessen, und sich unanständige
Aeusserungen
Aeußerungen
, niedrige oder pöbelhafte Ausdrücke,
Action eines Comödianten, oder ähnliche
Ausschweifungen,
Ausschweifungen
zu gute halten, oder gar affectiren? wie
der
könnte es ihm Hauptzweck seyn
, die Zuhörer
nur
angenehm
zu
unterhalten, oder den gelehrten und tiefdenkenden Untersucher spielen, oder den Abgang kräftiger Gedanken, heilsamer Vermahnungen und guter
Gesinnungen
Gesinnungen,
durch schöne Redensarten und Bilder ersetzen wollen? – Wie
wird
könnte dann
der
,
wer da
welcher es
weiß, wie Menschen
müssen
vernünftig
vernünftig behandelt und gewissenhaft geleitet
werden, wie wird
der
werden müssen,
jeden Vortrag gut genug für seine Zuhörer
halten?
halten, und
anstatt die
Bedürfnisse
Bedürfnisse
derselben zu studieren und zu befriedigen, das predigen, was
ihm
das Leichteste wird, oder
ihm
das Wichtigste scheint, oder zur Unzeit und ohne Schonung
aufklären
aufklären
wollen? oder, statt der Gründe
dreiste
dreuste
Versicherungen, Betheurungen oder Wehklagen brauchen?
wollen,
oder
nie
auf die Sinne und Ein bildungskraft arbeiten, und den Verstand der Zuhörer unbeschäftigt, ihr Herz leer und kalt
laßen
lassen
?
lassen, überhaupt
mehr die
Kunst
Kunst
, als seine
praktisch
praktischen Einsichten und sein
Herz
Herz
um Rath fragen?
Anm.
Anm.
1. †)
Anm.
1)
Was diese Gewohnheit, die seit einiger Zeit Mode zu werden anfängt, für erhebliche Bedenklichkeiten gegen sich habe, würde hier aus einander zu
setzen,
setzen
zu weitläufig fallen. Die Frage
kan
kann
nicht
seyn:
seyn,
ob nicht die Religion
müsse
auch auf das gemeine Leben und auf die besondern Umstände der Zuhörer angewendet, die Zuhörer
also,
also
auch durch
Predigten,
Predigten
gewöhnt werden
müssen
, sie überall anzuwen den?
(Dies
(Dieß
sollte ja ein
Hauptzweck
Hauptzweck aller Predigten und Katechisationen
seyn).
seyn.)
Es leidet auch keinen vernünftigen
Zweifel:
Zweifel,
ob nicht die sichtbare Schöpfung und deren weise Einrichtungen, falls sie den Zuhörern
können
deutlich
gemacht,
gemacht
und mit Anständigkeit gebraucht werden
kann
, und ob nicht die besondern Erfahrungen und irdische Beschäftigungen der Zuhörer mit zu Hülfe
dürfen
genommen werden
dürfen
, um Lehren der Religion faßlich, einleuchtend und anschaulich zu machen? Sondern die Frage ist: ob Sachen, die entweder nicht zur Religion oder zur Erweckung und Unterhaltung
rechtschaffner
rechtschaffener
Gesinnungen gehören, oder wenigstens nicht durch Gründe aus der Religion dargethan und empfohlen werden können, ob
z. B.
Verbesserungen im bürgerlichen und häuslichen Leben,
ökonomische, medizinische, polizeiliche Rathschläge
zum Zweck der
Predigten
Predigten oder
Katechisationen
Katechisationen gemacht werden dürfen? Versteht sich der Prediger darauf, und findet er es
zuträglich;
zuträglich,
so breite er Belehrungen oder Empfehlungen
solcher
Sachen im Umgange oder in besondern dazu ausgesetzten Stunden,
ausser
außer
dem Gottesdienste, aus.
{Auch von dieser Meinung scheint man immer mehr zurückzukommen, die eine Folge der sogenannten
Aufklärungsperiode
Aufklärungsperiode war, wo man von manchen
Kanzeln
Kanzeln Alles eher als das Evangelium predigen hörte, und wo statt dessen die Zu hörer mit dem Neuesten aus der
Landwirtschaft, Naturlehre, Heilkunde, Pädagogik
unterhalten wurden. – Dieß ist in seiner Zweckwidrigkeit eingesehen. Nur in
politische
Gegenstände hat sich unser Zeitalter wieder zu sehr in Predigten eingelassen.}
Anm.
Anm.
2. ††)
2)
Nur vom
Halten
der
Predigten
Predigten ist hier die Rede, und wenn es
dabey
dabei
zum vornehmsten oder gar einzigen Zweck gemacht wird,
sich
zu üben, anstatt
Andere
zu
erbauen
erbauen; nicht von
Entwerfung
oder
Ausarbeitung
einer Predigt. Wie am rechten Orte würde hier eine Bitte an Vorgesetzte stehen, nur mit der
äussersten
äußersten
Vorsicht die Erlaubniß zu
öffentlichen
Vorträgen, zumal vor ansehnlichen christlichen Versammlungen, zu geben, und eine eben so dringende Bitte an Studierende, sie nicht, ohne vorhergehenden reiflich überlegten Rath und genaue Prüfung von verständigen und gewissenhaften Kennern, zu
suchen!
suchen
– wenn mein Zweck
sie
sie,
hier auszu führen er laubte. Man ist sich zu üben schuldig; aber man ist noch
Mehr
mehr
einer christlichen
Gemeine
Gemeinde
schuldig; und nichts verdirbt, oft auf immer, einen jungen Prädicanten mehr, als das frühzeitige Predigen – und, was noch schlimmer ist, unverständige
Bewunderung,
Bewunderung.
–
Matth. 9, 36.
1 Tim. 4, 12.
Röm. 2,
24!
24.
Action eines Comödianten
Vgl. III § 66.
63
565
.
Ueberhaupt sollte es 3) niemand wagen,
predigen
predigen zu wollen, wer sich nicht nach der strengsten und gewissenhaftesten
Selbstprüfung
Selbstprüfung
diese zwey sich
folgende beide ihm
vorgelegte Fragen befriedigend beantworten könnte: – Bist du mit der
Sache
Sache wirklich bekannt, wovon du reden willst,
so
bekannt, wie es der
Zweck
Zweck erfordert, zu dem du reden sollst? und – wie steht es um dein Herz und deine Gesinnung gegen diese Sache? – Was
kan
kann
aus einer Predigt werden, die nicht aus diesen
zwey
Quellen fließt? Wer noch gar keinen nur etwas reichen Vorrath von Kenntnissen
der
Sache, der
praktisch
praktischen
Kenntniß derselben,
d. i.
ihrer verschiedentlichen Beziehung auf Wohl und Weh des Menschen, auf Besserung und Gemüthsruhe,
hat;
wer sie nicht wenigstens unmittelbar vorher wohl durchdacht, und auf mehreren Seiten
angesehen,
angesehen;
wer, wenn er sie auch erst von Andern lernen muß, nicht wenigstens sie
selbst
gedacht, sie zu seinem wirklichen
Eigenthum
Eigenthum
gemacht, sie sich nach
seiner
Art und von seinem
Eignen
Eigenen
viel dazu gedacht hat: was
kan
kann
dessen Predigt anders seyn, als
bloßer Wiederhall,
blosser Wiederhall
oder schale, unfrucht bare Rede, die dem Zuhörer weder zu Verstand noch zu Herzen dringt? wofür Er sich selbst nicht interessirt,
wobey
wobei
es ihm gleichgültig ist, ob sich die
Zuhörer
Zuhörer dafür interessiren, wenn Er nur sein Tagewerk gethan hat, allenfalls Sie nur mit
Ihm
zufrieden sind, mag die
Wirkung
Wirkung der
Predigt
so gering oder schlecht seyn als sie wolle. – Und wie
kan
kann
er daran Theil nehmen, wenn er selbst noch nie, oder nicht mit allem Ernst, daran gedacht hat,
der
zu werden, wozu er seine Zuhörer machen will, noch nie selbst die wohlthätigen dauerhaften Wirkungen dieser Lehren erfahren hat?
Ach des
großen
grossen
Segens frühzeitiger
Frömmigkeit
Frömmigkeit,
Anm.
Wie groß ist
auch in
dieser
Absicht!
Absicht der Segen frühzeitiger Frömmigkeit.
– Lieber junger Freund! Wenn dir das Interesse für das, was irgend in Absicht auf Religion und Tugend praktisch ist, nicht über
alles
alles
andre
andere
Interesse geht; wenn du über das Wahre und Gute dieser Art noch nie
verlegen
verlegen
und unruhig
worden
geworden
bist;
bist,
Religion noch nie an
deine
deine
Bedürfnisse geknüpft, sie nicht zu
deinem täglichen
deinem täglichen
Geschäfte gemacht hast; wenn du noch keinen Trieb fühlst, Andern in
diesen
Angelegenheiten nach deinem besten Vermögen zu rathen und zu helfen: so hast du noch keinen Beruf zum Predigen. Schone dann wenigstens
Andrer
Anderer
, und
entweyhe
entweihe
das Heiligthum
Gottes
nicht!
64
566
.
Dies
Dieß
vorausgesetzt, wäre es
bey eignen
bei eigenen
Uebungen
Uebungen 4) immer rathsam, wenn man es
haben
möglich machen
könnte,
eher
sie nicht
eher
zu unternehmen, als bis man die Grundsätze und Regeln des guten Vortrags sich wohl bekannt gemacht hätte, und den Anfang der Uebungen mit genauer Zergliederung
musterhaft
musterhafter
Predigten
Predigten von Andern zu machen. Man lernt dadurch erst recht einsehen, was und wie viel zu einer guten Predigt und der
Ausführung
Ausführung
einer Lehre gehört; man gewöhnt sich an Ordnung, die Seele alles guten Vortrags, an Verdeutlichung der Sache, an gehörige Darstellung derselben, an bedächtigere Ueberlegung.
†)
1
)
– 5)
Wegen des
Ausdruck
Ausdrucks
– so
Der
Ausdruck
wird sich zwar
der
meistens von selbst bilden, wenn nur das
Beyde
da ist, was nach dem vorigen §. voraus zu setzen war. Ausdruck und Vorstellungen hängen so innig zusammen, daß, wer sich ordentlich, deutlich und bestimmt zu denken gewöhnt, sich gewiß auch so
ausdrucken
ausdrücken
, und selbst eindrücklich sprechen wird, wenn er nur spricht, wie es ihm ums Herz ist. Auch selbst Fehler im Ausdruck, falls sie nur nicht
zu
auffallend sind, mißfallen nicht, wenigstens nicht lange, wenn sie nur dem Redenden
eigenthümlich
sind; Fehler der Natur sind erträglicher als Schönheit und Kunst, der man den Zwang und die Mühe ansieht. Aber
freylich
freilich
gehört auch
Gewandtheit
Gewandtheit in der
Sprache
Sprache dazu, ohne welche man selbst nicht recht gut denken
wird,
wird;
und deswegen ist fleißige frühzeitige Uebung im guten Ausdruck in derjenigen Sprache nöthig,
worinn
worin
der Prediger dereinst reden soll. Nun giebts in jeder gebildetern Sprache
verschiedne
verschiedene
Arten
des Ausdrucks: eine gemeinere und
eine
feinere, letztere mit mehr oder weniger Ge schmack gebildet,
na türlich schön
natürlich-schön
oder geziert. Selbst der Sprachgebrauch hat ge wisse Ausdrücke nur gewissen Gegenständen gewidmet, nur in gewissen Arten des Vortrags gebilligt, so daß sie deswegen,
anderswo
gebraucht, für unnatürlich gehalten werden. Der
Hauptcharakter
Hauptcharakter der religiösen Sprache ist
Würde
Würde
. Diese Sprache leidet daher gewisse
feyerliche
feierliche
Ausdrücke, die in der gewöhnlichen, selbst feinern, Sprache nicht üblich, oder abgekommen sind; von
gemeinen
Ausdrücken verträgt sie nur die, welche nicht bloß der gemeinen Sprache eigen sind; und aus der
feinern
Sprache nur die, welche sich durch Würde empfehlen, und nicht bloß in der
Büchersprache
Büchersprache gewöhnlich sind.
††)
2
)
Doch leidet auch die religiöse Sprache von Zeit zu Zeit Veränderungen. Sie ist selbst in
verschiednen
verschiedenen
Gegenden und
verschiednen Classen
verschiedenen Klassen
von Lesern verschieden, die oft dergestalt ihre Vorstellungen und Empfindungen in der Religion an sie binden, daß durch
andre
andere
Arten des Ausdrucks ihre Andacht gestört, wenigstens nicht so, wie durch die ihnen geläufige
Religionssprache
Religionssprache, befördert und unterhalten, ja selbst die Sache ihnen verleidet, und der Lehrer, der sich nicht nach ihrer religiösen Sprache richtet, anstößig wird.
†††)
3
)
Man sollte also mehr den Charakter der religiösen Sprache studieren, sich
für
vor
aller Verderbung derselben
sowohl
aus der
gemeinen, als aus der
gemeinen oder
feinern Sprache hüten, und sich die besonders bekannt machen, an welche die besondere Art der Zuhörer gewöhnt ist, mit der man zu thun hat, und auch
darinn
darin
sich nach ihren Bedürfnissen bequemen.
†)
Anm.
Anm.
1.
Anm.
1)
Es versteht sich, daß hier von keiner ängstlichen, steifen Methode die Rede
sey
sei
. Im Vortrage
kan
kann
sehr viele natürliche
Ordnung
Ordnung herrschen, die der Zuhörer wohl fühlt, ohne daß man sie ihm vorzuzeichnen braucht. Nur da, wo nicht
eines
Eins
aus dem
andern, beym
Andern, beim
ordentlichen Denken natürlich folgt, scheint es, wenigstens zur Beför derung der Aufmerksamkeit und zum bessern Behalten, nöthig zu seyn, daß der Prediger durch Worte oder durch Zahlen, angebe, wo eine neue Vorstellung anfange. Uebrigens tritt hier, nach angestellter Zergliederung fremder Arbeiten, noch die Uebung ein, die schon oben §.
59.
561.
Anm.
1.
erwähnt
erwehnt
worden ist.
††)
Anm.
Anm.
2.
2)
Hiernach, dünkt mich, müßte das bestimmt werden, was, in Absicht auf das
Anständiges
Anständige
des Ausdrucks, dem Religionsvortrage geziemt. Von je her hat man unter gebildetern Nationen, da, wo etwas mit einem gewissen Ansehen
würken
wirken
sollte, in der Poesie,
bey feyerlichen
bei feierlichen
Urkunden und Gesetzen, in der Religion insbesondere, eine dergleichen Vorträgen eigenthümliche Sprache gebraucht. Man wird alsdann, selbst durch die
Art
der Wörter, an die
Würde
der Sachen
erinnert,
erinnert:
und wo ist
dies
dieß
nöthiger, als
bey
bei
der Religion? Man
kan
kann
nicht würdig genug von Gott und den höchsten
Angelegenheiten
Angelegenheiten des Menschen denken, und
geweyhte
geweyhete
geweihte
Ausdrücke halten dem Hange der Menschen, zu gering oder zu menschlich von Gott zu denken,
einigermaßen
einigermassen
einigermaaßen
das Gleichgewicht.
Ueberdies
Ueberdieß
hängen den Ausdrücken, die man aus dem
gemeinen
Leben
hernehmen,
hernehmen
und auf Gegenstände der Religion anwenden mußte, oft so viele
Nebenbegriffe
Nebenbegriffe an, die selbst Irrthümer oder doch niedrige Vorstellungen in der Religion erwecken;
und eben so sind
die Wörter der
feinern
Gesellschaftssprache
Gesellschaftssprache
sind
mehr zur angeneh mern und gefälligern, als zur ernsthaftern Unterhaltung erfunden, und arten daher leicht in leere und täuschende Wörter aus; sie sind mehr fein als stark, mehr witzig oder höflich als edel; und die
gelehrtere
Sprache neigt sich mehr zum Trocknen als Lebhaften, ist ganz für den Verstand, nicht fürs Herz gemacht, befördert mehr die deutliche und bestimmte als die anschauliche Erkenntniß: daß alle diese Spracharten nicht ganz dürfen im
Vortrag
Vortrage
der Religion nachgeahmt werden, wenn dieser nicht seine Würde und die so nöthige Wirkung aufs Herz verlieren soll.
Anm.
Anm.
3.
3)
Wenn die
Bibel
Bibel
Bibel
auch nicht schon das unter Christen allgemein gebräuchlichste Religionsbuch wäre, woran sich also
unsre
unsere
Religionsbegriffe und Empfindungen fast unzertrennlich knüpfen, und
ihre
Sprache zu der eigentlich
geweyhten
geweihten
Religionssprache
machen:
machen,
so verdiente sie das Muster zu seyn, nach der sich diese ganz bilden sollte. Auch der gereinigtste Geschmack, wenn er die Natur religiöser Empfindungen und Würde zu Rathe zieht,
kan
kann
keine edlere, kraftvollere, von Trockenheit und Schwulst gleich weit entferntere, eben so deutliche und einfältige als herzliche, der vernünftigen Andacht
angemessnere
angemeßnere
Sprache, erfinden, als
die
in der Bibel da herrscht, wo sie Lehren darstellt, oder religiöse Empfindung
ausdruckt
ausdrückt
– und glücklicher Weise ist davon in keiner Uebersetzung weniger verloren
gegangen
gegangen,
als in der
Luther, Martin
Lutherschen
Lutherschen
. Auch in
dieser
der
Absicht sollte jeder Prediger die Bibel, und namentlich
auch
Luther, Martin
Luthers
Uebersetzung, zu seinem täglichen Handbuch machen, und nicht glauben, daß er irgend woher eine
bessere
beßre
Religionssprache leiten könnte. Es versteht sich,
wo
daß dieß nur in so weit gilt, als
sie verständlich, und
wo
in
Luther, Martin
Luthers
der
Uebersetzung der Sinn nicht verfehlt ist. Verliert die Sprache der Bibel nichts an Kraft des Ausdrucks, wenn man sie in deutlichere Worte
umkleidet:
umkleidet,
so wähle man letztere, um nicht für die meisten Zuhörer leere Worte einzuführen, oder Mißverstand zu
veranlaßen
veranlassen
. Und eben
dies
dieß
mag erlaubt seyn, wo morgenländische Vorstellungen, Ort- und
Zeitideen
Zeit-Ideen
der Vorwelt,
bey
bei
der biblischen Sprache und Bildern zum Grunde liegen, wenn dieses, und daß sie unsern richtigern Begriffen nicht gemäß sind, erweislich ist.
Ausserdem
Außerdem
, und wenn man nur dem
Volk
Volke
, in Schulen zumal, die
ebräischartigen
ebräisch-artigen
und ähnlichen Ausdrücke und Bilder recht erklärte, daß es
dabey
dabei
das denken lernte, was sie sagen
sollen:
sollen,
wäre es rathsamer, selbst die eigenthümliche Sprache der Bibel, wegen der vorhin angeführten Ursachen, überall
beyzubehalten
beizubehalten
.
{Man irrt, wenn man glaubt, das viele Bildliche und oft Poetische sei durchaus einzig der Deutlichkeit hinderlich.
Poesie
Poesie
ist älter als
Prosa
Prosa
, und die wahre Volkssprache, und so alles mehr durch Versinnlichung veranschaulicht. Man hat unrecht gethan in neuern Zeiten, alles Bildliche der Bibelsprache in eine oft wortvolle Prosa übersetzen zu wollen, und sehr viele biblische Wörter ausgehoben, die unbedenklich auch in populären Unterricht beibehalten werden können. Man macht sich oft allzu geringe Vorstellungen von dem Fassungsvermögen des Volks.
A. d. H.
}
†††)
Anm.
Anm.
4.
4)
Die Religionssprache, und die
besondre
besondere
an einem Ort oder
bey
bei
gewissen Zuhörern übliche
Art
Art,
sich
darin
auszudrucken
auszudrücken
darinn auszudrücken
, richtet sich nach den Erbauungsbüchern und Gesängen, die von ihnen gewöhnlich gebraucht werden, und ist daher biblisch, mystisch, wissenschaftlich
u. s. f.
,
je
je,
nachdem es jene sind. Je mehr sich der Ton der Bücher, die man lieset, von der
Würde
der Religion
entfernt;
entfernt,
je mehr verdirbt man sich durch Lesung solcher Bücher zum guten Vortrag der Religion. Eine Hauptursache des immer mehr überhand
nehmenden
nehmenden,
schön oder philosophisch seyn sollenden, für jeden, der wahre
Erbauung
liebt, und auf
Würde
in der Religion sieht, unerträglichen Tons, der unzeitigen
Aufklärungssucht
Aufklärungssucht
Neuerungssucht
, und des Vortrags ganz
andrer
anderer
Sachen als der Religion und des Christenthums, in Predigten,
ist,
ist
die
bey
bei
vielen
beynahe
beinahe
ausschließliche und schwelgerische Lectüre der Zeitschriften und Lesebücher, die gemeiniglich eben so sehr den Geschmack vieler künftigen Prediger, als ihren Verstand und ihr
Herz, verdirbt.
Herz verdirbt, und wobei gar nicht bedacht wird, daß wenn auch manche neue Ausdrücke recht brauchbar wären, doch die Zuhörer nicht eben so wie etwa der an die Lectüre der neuesten Schriften gewöhnte Prediger, mit der Sprache fortgehen könne, folglich ihnen daher selbst der glücklichste neue Ausdruck doch sehr unverständlich seyn kann. –
Poesie ist älter als Prosa, und die wahre Volkssprache
Die Vorstellung einer gegenüber der Prosa ursprünglicheren Poesie wird von Johann Georg Hamann (1730–1788) in seiner erstmals 1760 veröffentlichten
Aesthetica in nuce
vertreten und findet sich dann auch bei Herder und Hegel.
65
567
.
Vorzüglich sollte man sich 6) in Predigten über historische Texte und Parabeln der
Bibel
Bibel, und überhaupt in
Homilien
Homilien, üben. Denn
Homilien
, üben; denn
sie sind dem, der es versucht, schwerer, als eigentliche
Lehrvorträge
Lehrvorträge.
Bey
Bei
diesen glaubt man sich, ohne viel gelernt zu haben, mit seinem Nachdenken und mit dem genossenen
allgemeinern
Unterricht in der Religion helfen zu können;
bey
bei
jenen wird mehr eigner Fleiß, mehr Bekanntschaft mit dem Sinn der heiligen Schrift, mit dem Herzen und Leben der Menschen, mehr
praktisch
praktischer Verstand, mehr Biegsamkeit und Gewandtheit der
Seele,
Seele
erfordert; und gute Muster hat man in dieser Art weniger, als
bey
bei
dem Lehrvortrag. Sie sind auch für den Zuhörer faßlicher, anziehender und praktischer.
Anm.
S.
oben §.
54
556.
54.
in der 2ten Anmerkung, und einige schöne Erinnerungen darüber in
(
Herders
(
Herder's
)
Briefen
, das
Studium der Religion betreffend
, 4ter Theil, im 40sten und
den
folgenden Briefen.
{Hülfsmittel und Muster sind von verschiedenen Seiten
Chrysostomus
Chrysostomus
,
Luther, Martin
Luther
, unter den Neuern
Teller, Wilhelm Abraham
Teller
,
Sonntag, Karl Gottlob
Sontag
,
Lange, Gottlieb
Lange
,
Nebe, Johann August
Nebe
und
Fischer, Gottlob Eusebius
Fischer
. Die
doppelte Seite der Homilien ist von
Ammon, Christoph Friedrich von
Ammon
, im Handbuch für Kanzelberedtsamkeit
S.
101, sehr gut ins Licht gesetzt.
A. d. H.
}
(Herders) Briefen, das Studium der Religion betreffend, 4ter Theil, im 40sten und folgenden Briefen
Der Titel lautet korrekt
Briefe, das Studium der Theologie betreffend
(vgl. I § 51).
Chrysostomus
Aus dem überaus umfangreichen Predigtwerk des Johannes Chrysostomus entfallen allein 90 Homilien auf Mt, 88 auf Joh, 74 auf 1Kor und 2Kor, 67 auf Gen, 55 auf Apg, 32 auf Röm usw. Charakteristisch für die Homilien des Chrysostomus ist, dass sie nicht allein Schrifterklärung bieten, sondern nahezu immer mit einer paränetischen Stellungnahme zur christlichen Lebenspraxis schließen.
Luther
Christoph Friedrich von Ammons (1766–1850)
Handbuch
(s.u.) lässt erkennen, dass bei der grundsätzlich obligat erscheinenden Aufnahme Martin Luthers in die Liste der Musterprediger an konkrete bibliographische Angaben gedacht ist. Ammon verweist auf den elften Teil (1742) der
Hallischen Ausgabe
(vgl. II § 212),
welcher den Ersten Theil von der Kirchenpostill, nemlich die Auslegungen derer Evangelien auf alle Sonn- Fest- und Aposteltage enthält
, sowie auf Luthers
Hauspostille
in der zweiteiligen Ausgabe (1794/1795) des sächsischen Pfarrers und Kirchenlieddichters Christian Gottlieb Frohberger (1742–1827).
Teller
Unter den Werken Wilhelm Abraham Tellers nehmen Predigten einen großen Raum ein. Gedruckt sind etwa einzelne Gedächtnispredigten (z.B. auf Spalding) und Predigtsammlungen (z.B. Sonn- u. Festtagspredigten, Predigten zur häuslichen Frömmigkeit), besonders hervorgehoben seien an dieser Stelle die zweiteiligen
Predigten und Reden bey besondern Veranlaßungen gehalten nebst einigen sogenannten Homilien
(1787). Berichtet wird von Tellers undeutlicher Aussprache, die dazu geführt habe, dass man seine Predigten lieber gelesen als gehört hat. In diesem Zusammenhang ist auch das von Teller herausgegebene
Neue Magazin für Prediger
(1792–1802) und als Hilfsmittel nicht zuletzt auch sein
Wörterbuch
(BdN IX) zu nennen.
Sontag
Nach dem Studium in Leipzig wurde Karl Gottlob Sonntag (1765–1827) auf Empfehlung Morus' 1788 zunächst Rektor der Domschule in Riga und ein Jahr später Rektor des Kaiserlichen Lyzeums. Gleichzeitig wurde er Diakon, später Oberpastor an der St. Jakobi-Kirche. Seit 1799 im Livländischen Oberkonsistorium tätig, wurde er 1803 dessen Präsident, zudem Generalsuperintendent und erhielt 1805 die theologische Ehrendoktorwürde der Universität Dorpat. Vielseitig engagiert, hat Sonntag ein umfangreiches Werk hinterlassen. Aus seiner Zeit als Diakon bzw. Oberpastor stammen
Einige Predigten
(1789;
2
1790) sowie
Ueber Menschenleben Christenthum und Umgang. Eine Sammlung Predigten aufs ganze Jahr für gebildetere Leser
(1794–1802) in vier Teilbänden, daneben finden sich auch einzeln gedruckte Predigten.
Lange
Hier handelt es sich um den vergleichsweise unbekannten, zuletzt in Pötewitz bei Zeitz wirkenden Prediger Gottlieb Lange (1769–1837), der u.a. durch seine zweibändigen
Biblische[n] Religionsvorträge oder Homilien über einige historische Stellen des neuen Testaments
(1797/1801) mitsamt einer knapp 100 Seiten umfassenden
Abhandlung über die Homilie
hervorgetreten ist, auf die wegen ihrer Musterhaftigkeit auch in Christoph Friedrich von Ammons (1766–1850)
Handbuch
(s.u.) verwiesen wird (vgl. aaO § 44 u.ö.).
Nebe
Johann August Nebe (1775–1854) wurde als Sohn eines Predigers und Waisenhausinspektors in Halle geboren und stand hier besonders unter dem Einfluss Niemeyers, mit dem er mütterlicherseits verwandt war. Nach dem in Halle absolvierten Studium übernahm er nach der üblichen, im Jahre 1800 angetretenen Wissenschaftsreise zunächst eine Inspektorenstelle am halleschen Waisenhaus, 1802 eine Pastorenstelle bei Merseburg und 1814 die Superintendentur in Frauenprießnitz. 1816 wurde Nebe als Oberpfarrer, Generalsuperintendent und Oberkonsistorialrat nach Eisenach berufen und trat hier bis 1853 insbesondere in Schulangelegenheiten hervor. Bereits 1817 verlieh ihm die Theologische Fakultät in Halle die Ehrendoktorwürde. Zu Nebes bedeutendsten Schriften zählen seine pädagogischen Werke, doch sind mit
Das Gebet Jesu Christi. Homilieen für christliche Leser aller Confessionen
(1802) und den
Homilien für Landgemeinen, größtentheils bei Trauerfällen und bei der Feier des Abendmahls
(1799) auch Predigten gedruckt, daneben ist Nebes
Ueber die Gefahr, sich auszupredigen. Ideen, Winke und Vorschläge für jetzige und künftige Prediger
(1805) zu nennen.
Fischer
Gemeint ist wohl Gottlob Eusebius Fischer (1769–1847), ab 1797 Diakon in Zschaitz bei Döbeln, 1801 Archidiakon in Wurzen, 1810 Pfarrer im thüringischen Ranis und ab 1819 Superintendent und Oberpfarrer in Sangerhausen. Von ihm stammt der Band
Homilien. Ein Erbauungsbuch für Christen
(1796). Nicht auszuschließen ist jedoch auch der Königsberger Pfarrer Karl Gottlieb Fischer (1745–1801), der eine dreiteilige Sammlung seiner
Homilien über merkwürdige Erzälungen aus der Geschichte Jesu
(1799) herausgegeben hat.
doppelte Seite der Homilien ist von Ammon, im Handbuch für Kanzelberedtsamkeit S. 101, sehr gut ins Licht gesetzt
In Christoph Friedrich von Ammons (1766–1850)
Handbuch
(vgl. III § 57), in dem alle an dieser Stelle genannten Prediger als Musterbeispiele aufgelistet sind (vgl. aaO § 50), findet sich im Anschluss an die Unterscheidung von synthetischer und analytischer Predigt (vgl. III § 54) die Behandlung der auch als Homilien zu bezeichnenden analytischen Predigten (vgl. aaO § 44.45–50). Ihre doppelte Seite besteht laut Ammon darin, dass sie zum einen die Kenntnis der biblischen Überlieferung befördern, zum anderen jedoch den freien Gedankengang des Predigers und die Konzentration auf ein einzelnes Thema behindern (vgl. aaO § 51).
66
568
.
Anfänglich ist es 7) zu rathen, daß man seine Aufsätze
ganz ausarbeite,
ganz ausarbeite
und
wörtlich niederschreibe
wörtlich niederschreibe
; denn da ist strenge Aufmerksamkeit auf den
ganzen
Vortrag
Vortrag,
Vortrag
und Genauigkeit
nöthig.
Bey
Bei
nöthig; bey
zugenommener Fertigkeit, und wenn erst die guten Eigenschaften des Vortrags uns geläufig
worden
geworden
sind,
kan
kann
man,
ausserordentliche
außerordentliche
Fälle ausgenommen, oder wenn man ausgesuch tere Zuhörer vor sich hat, sich mit einen guten Entwurf begnügen, wenn man ihn nur ganz durchdenkt. – Aber man hüte sich ja
für
vor
dem
Ablesen
Ablesen
bey
bei
dem Vortrag selbst.
Gut
ablesen,
ablesen
können ohnehin nur
Wenige.
Wenige
.
Die Lebhaftigkeit des Vortrags leidet
bey
bei
dem Ablesen. Die
Aufmerksamkeit
Aufmerksamkeit der Zuhörer wird weit mehr durch den eigentlichen Vortrag unterhalten.
Bey
Bei
diesem fällt dem Prediger viel Gutes und Dringendes erst ein, und wird durch die Umstände oder durch den Eindruck, den man
bey
bei
den Zuhörern gemacht zu haben glaubt, veranlaßt. Und wer öfters und bisweilen ohne viele Vorbereitung predigen muß, würde oft in
große
grosse
, selbst dem Vor trage
nachtheilige,
nachtheilige
Verlegenheit kommen. Man gewöhne sich also frühzeitig, ganz aufgeschriebene Vorträge nicht wörtlich, sondern durch wiederholtes bedächtiges
Durchlesen,
Durchlesen
sich
einzudrucken
einzudrücken
, immer aber, nach dem gemachten Entwurfe, das, was man darüber sagen will, ausführlich und deutlich durchzudenken. – 8) Eine
besondre
besondere
Uebung im sogenannten
Declamiren
Declamiren
Declamiren
ist meistens sehr entbehrlich, wenn man nicht Fehler der Natur und der Gewohnheit durch Uebung zu überwinden hat. Prediger sollen ja keine
eigentliche
eigentlichen
Redner,
noch weniger
Schauspieler
Schauspieler seyn. Wer voll von der Sache ist, die er empfehlen
will,
will;
wer aus wahrer Ueberzeugung, und mit dem ernsten Willen, seine Zuhörer zu bessern,
spricht,
spricht;
wer gegenwärtiges Geistes ist, und wer sich nicht an wörtliches Auswendiglernen gewöhnt
hat,
hat:
dem wird es nicht schwer werden, auch
äus serlich
äußerlich
gut vorzutragen. Aber die frühzeitige Uebung, gut zu
lesen
oder
auszusprechen
,
d. i.
die Stimme so abzuändern, wie es die Natur der Sache erfordert, oder dem Ausdruck der Begriffe, auf die man am meisten aufmerksam machen will, dem
Affect
Affect, der Verhütung des Mißverstandes
u. d. gl.
u. dgl.
angemessen ist –
kan
kann
man nie genug empfehlen
†)
.
†)
S.
Gesammlete Schulschriften von
Gedike, Friedrich
Friedrich Gedike
S.
368
f.
{
Anm.
Gewisse Uebungen in dem, was man Declamiren nennt, so fern man nur nicht unrichtige Begriffe damit verbindet, dürften auch nicht zu verwerfen seyn. Aber eigentlich gehören sie unter die frühern Vorbereitungsstudien des Theologen, und die
Homiletik
, die allerdings auch auf mündlichen und feierlichen Vortrag Rücksicht nimmt, muß ja das, was in der Predigt schicklich und würdig ist, gehörig bestimmen.
A. d. H.
}
noch weniger Schauspieler seyn
Hier richtet sich Nösselt (vgl. auch I § 277; III § 62) gegen das
enfant terrible
der Aufklärungstheologie, Carl Friedrich Bahrdt (1741–1792), der seine
Homiletik
(1773) mit der Forderung beschlossen hatte, Kandidaten der Theologie sollten sowohl in Deklamation als auch in Aktion von Schauspielern unterrichtet werden (vgl. aaO 56 [§ 142]). Die nur wenige Sätze umfassende Rezension in der
Allgemeine[n] deutsche[n] Bibliothek
20 [1773], 496 geht allein auf diesen Punkt ein und äußert die Befürchtung, die Kandidaten könnten zu theatralisch werden und so einen besonders abstoßenden Fehler auf der Kanzel begehen. Zudem seien die meisten deutschen Schauspieler miserabel, so dass es ratsamer sei, diesen Unterricht einem geschickten Prediger zu überlassen. Der Idee, angehende Pfarrer von Schauspielern unterrichten zu lassen, hat auch Johann Gottfried Herder (1744–1803) in
An Prediger
(1774) vehement widersprochen. Bemerkt sei, dass diese Debatte Eingang in Goethes
Faust
gefunden hat (vgl. Faust I, 522–529) und bereits im in der ersten Hälfte der 1770er Jahre entstandenen
Urfaust
vorkommt.
Gesammlete Schulschriften von Friedrich Gedike S. 368 f.
Gemeint ist der Beitrag
Einige Gedanken über die Uebung im Lesen
in Friedrich Gedikes (1754–1803)
Gesammlete[n] Schulschriften
I (1789), 368–380 (IX.).
67
569
.
Hierbey
Hierbei
und
bey
bei
aller dieser
eignen
Uebung
Uebung,
eigenen Uebung
muß man sich aber 9) nie auf sein Urtheil allein
verlaßen
verlassen
, sondern das Urtheil der Verständigeren zu Rathe
ziehen;
ziehen:
weil oft
Gewohnheit
Gewohnheit
unsre
unsere
Fehler schön macht; ein Anfänger, wenn er auch die guten Eigenschaften und Fehler des erbaulichen Vortrags kennte, doch noch nicht schon auf alles dieses aufmerksam ist; und es
bey
bei
dem Vortrage nicht in Anschlag kommt, was uns, sondern was Andern gut oder fehlerhaft scheint,
bey Ihnen
bei ihnen
, nicht
bey
bei
uns, gewisse Wirkungen hervorbringt. – Am besten arbeitet man unter der Aufsicht, wenigstens unter der
Kritik
Kritik, eines
Kenner
Kenners.
Kan
Kann
man diese nicht
haben:
haben,
so gebe man auf die Urtheile
acht
Acht
, die man etwa
von den Zuhörern
die Zuhörer
über den abgelegten Vortrag fällen hört, oder auf die Wirkungen, die unser Vortrag
bey
bei
den Zuhörern, in Absicht auf Erkenntniß und Besserung, gethan hat; vorausgesetzt, daß man versichert seyn
kan
kann
, die Ursache, warum und wie fern er gefallen oder mißgefallen hat, liege nicht in gewis sen zufälligen Umständen, die, anstatt des Vortrags selbst, die Urtheile gestimmt, oder die und die Wirkungen verursacht haben, – und arbeite danach immer mehr an der Besserung des
Vortrags
Vortrages
.
Anm.
Unbestimmte Urtheile ohne Anzeige desjenigen,
was
eigentlich den Zuhörern gefiel oder mißfiel, und – wenn dieses Urtheil nicht von selbst klar ist – ohne Anzeige des Grundes,
warum?
können hier gar nichts
helfen;
helfen:
und dem muß es wenig um
eigne
eigene
Verbesserung zu thun seyn, dem ein solches Lob gefallen, und
ihm
ihn
blenden
kan
kann
.
–
Unter den Urtheilen derer, die nicht eigentliche
Kenner
der Erfordernisse eines guten erbaulichen Vortrags sind, verdienen die Urtheile oder Anzeigen
dererjenigen
derer immer
den Vorzug,
bey
bei
welchen sich Wirkungen auf ihre
Erkenntniß der
vorgetragnen
vorgetragenen
Sachen oder auf ihre Besserung
äussern. Bey
äußern. Bei
Katechisationen
z. B.
und Wiederholungen der Predigten, zeigt schon die Verlegenheit solcher Kinder oder
Zuhörer
Zuhörer, die sonst wegen ihrer Fähigkeiten, Kenntnisse, und Gabe sich
auszudrucken
auszudrücken
, bekannt sind, oder Mißverstand, den sie in ihren Antworten
äussern
äußern
, daß ein Fehler in dem Vortrage des Lehrers liegen müsse; und die
Aeusserung
Aeußerung
guter, zumal nicht durch Wissenschaften
gebildeter
gebildeten
Christen, daß sie dieses und jenes
beniemte
Beniemte
nicht recht verstanden, oder daß sie es zur Befestigung in der und der Ueberzeugung und
in dem und dem
Vorsatz dienlich, in der und der Absicht sich gedemüthigt oder ermuntert befunden haben, – ist mehr werth und lehrreicher, als alle
andre
andere
Urtheile.
Zusatz des Herausgebers.
Je länger ich unser
kirchliches
und namentlich unser
Predigtwesen
Predigtwesen
beobachte, desto mehr will sich meiner die Besorgniß bemächtigen, daß die Wirkungen davon geringer sind, als sich viele selbst von denen, die es mit ganzem Ernst treiben, vorstellen mögen. Es würde sehr ungerecht seyn, den Grund davon in den Lehrenden oder in der Be schaffenheit der Vorträge allein zu suchen. Er liegt eben sowohl in der Beschaffenheit der Zuhörer und in dem Geiste der Zeit – der, wenn er nicht schlimmer als vordem, doch auf keinen Fall von dieser Seite besser geworden ist.
Indeß erfordert es doch wohl eine recht ernstliche Prüfung, ob, wenn man viele christliche Gemeinden nimmt wie sie sind, und die Stufe der Bildung, auf der sie stehen, in Anschlag bringt, nicht in der Art und Weise, wie von den meisten Predigern gepredigt wird, auch ein Grund der geringen Wirkung zu suchen sei. Die Predigt, als
Kunstwerk
Kunstwerk nach rhetorischen Gesetzen und homiletischen Formen zugerichtet, überhaupt jeder lange zusammenhängende Vortrag, geht für die meisten Ungelehrten verloren, und es ist psychologisch unmöglich, daß er ihre Aufmerksamkeit zusammenhalte und ihre Theilnahme erwecke. Die
Länge
selbst schadet auch dem populärsten Vortrage; und regt sich erst der Wunsch und die Sehnsucht nach dem Ende, so rechnet man vergebens auf einen bleibenden Eindruck.
Man sollte daher auf die größte Mannichfaltigkeit in der Form der Mittheilung sinnen; Alles mehr abkürzen, aber desto kräftiger zum Herzen sprechen; viel mehr wenigstens in Gegenwart der Erwachsenen katechesiren; oder einer rührenden und würdigen
Abendmahlsfeier
nicht lange
Vorträge
vorhergehen lassen, und wo möglich öfter, Alter, Stände und Berufsarten
(wie schon oben bemerkt ist) von einander sondern.
In den Schriften, welche neuerlich über die Mittel, die gesunkene Religiösität wieder zu heben, erschienen sind, findet man auch hierüber viele beachtungswerthe Ideen und Vorschläge. Ich darf auch wohl an
meine Briefe an christliche Religionslehrer, besonders die 3te Sammlung, errinnern.
(wie schon oben bemerkt ist)
Vgl. III § 29.
meine Briefe an christliche Religionslehrer, besonders die 3te Sammlung
Gemeint ist wohl die zweite Auflage (vgl. I § 285 c).
Zweyter
Zweiter
Abschnitt.
Pastoraltheologie
Pastoraltheologie und
Kirchenrecht
Kirchenrecht.
68
570
.
Die Absicht, wozu man unter uns
besondre
besondere
Religionslehrer
Religionslehrer bestellt, ist keinesweges, daß sie bloß in der Religion
unterrichten
, und
öffentlich
lehren sollen. Man weiset denen, die nicht solche Lehrer selbst bilden oder regieren, oder die sich nicht nur auf Unterricht und Erziehung der Jugend einschränken sollen, also den eigentlichen sogenannten Geistlichen und
Pastoren
Pastoren,
besondre
Gemeinen
Gemeinen
besondere Gemeinden
an, die sie, in Absicht auf
alles
Alles
, was zum
Gottesdienst
Gottesdienst und zu dem nach den Vorschriften der Religion einzurichtenden
Verhalten,
Verhalten
gehört,
regieren
, also dahin arbeiten sollen, daß sie
denenjenigen
denen
, welche ihnen in dieser Absicht anvertraut sind, nicht nur die Religion bekannt machen, und dringend empfehlen, sondern ihnen auch
bey
bei
allen solchen Angelegenheiten zu Hülfe kommen, und die Ausübung jener Vorschriften befördern. Sie sollen keine
bloße
blosse
Prädicanten
bloßen
Prädicanten
, sie sollen auch, wenn man sie so nennen darf,
Vormünder, Erzieher, Rath geber
Vormünder, Erzieher, Rathgeber
und Aufseher ihrer Anvertrauten in allen solchen
geistlich
geistlichen
Angelegenheiten
Angelegenheiten seyn.
69
571
.
Ohne dieses würde auch der Zweck, den man
bey
bei
Einführung eines besondern
Stand
Standes, zur Aufrechterhaltung und Beförderung der Religion gehabt hat, nicht hinlänglich, es würde selbst nicht einmal der Zweck des
Predigen
Predigens
,
Predigers,
Predigens
erreicht werden. – Der Mensch vergißt nur gar zu leicht, seine gute Erkenntniß
anwenden
anzuwenden
, und dann ist sie für ihn unnütz; sie ist sogar alsdann, je ausgebreiteter sie ist, auch um so schädlicher, weil, was der Mensch nicht geflissentlich zum Guten anwendet, unvermerkt ein Werkzeug wird, seinen Eigennutz und
seine
Leidenschaften noch mehr zu befriedigen, wenigstens sich zu gewöhnen, gleichgültig auch
bey
bei
der besten Erkenntniß zu bleiben, und unempfindlich gegen ihre Eindrücke zu werden. Und wenn er sie auch anwenden will, so macht doch die Verlegenheit, in der er sich über die Art befindet,
wie
er sie
bey
bei
vorkommenden Fällen anwenden soll, oder die
Collision
Collision zwischen seinen
verschiednen
verschiedenen
Pflichten
Pflichten und der Kampf zwischen seinen guten
Grundsätze
Grundsätzen und seinen Leidenschaften, daß er sie nicht wirklich anwendet, weil er sie
nach Beschaffenheit der vorliegenden Umstände nicht
oft weder
zu wählen
oder
noch
anzuwenden
versteht
.
Wenn sich nun die wenigsten
Die meisten
Menschen
in geistigen Angelegenheiten recht
gut
zu benehmen wissen
, zumal
wenn sie
die, welche
durch ihre Le bensart und Beschäftigungen gewöhnt sind, weniger an unsichtbare als sichtbare Dinge zu denken, und sich mehr durch
äussere
äußere
Vortheile als
durch
Grundsätze des Gewissens leiten zu
laßen
lassen
; wenn
lassen, bedürfen in den Angelegenheiten ihrer Seele einer Leitung;
sie
müssen
an ihre Pflicht und an die Lehren der Religion, die sie über
andre
anderen
Beschäftigungen oder Zerstreuungen vergessen, oft wieder
müssen
erinnert werden; und
wenn sie bey
können bei
zweifelhaften
Gewissensfälle
Gewissensfällen sich weder selbst helfen
können
, noch von ihres gleichen berathen
werden: so
werden. Daher
bedürfen sie nur gar zu sehr eines besondern Füh rers, der sie gewissenhaft und mit Klugheit leite, oder zu dem sie, als zu einem, der in solchen
Angelegenheiten
Angelegenheiten
erfahrner
erfahrener
und gewandter ist, ihre Zuflucht nehmen können.
70
572
.
Hiezu
Hierzu
, und um selbst die eigentlichen Predigten ganz nach den Kenntnissen und Bedürfnissen der besondern
Zuhörer
Zuhörer einzurichten, ist
ja
dem Lehrer ein näherer
Umgang
Umgang mit diesen nöthig, ohne welche er jene nicht
zuverläßig kan
zuverlässig kann
kennen lernen.
Da
Da
erst
lernt
wird
er
ihre Vorurtheile, ihre Mißverständnisse, ihre Gesinnung
näher bekannt mit ihren Vourtheilen, ihren Mißverständnissen, ihren Gesinnungen
gegen das Gute,
ihre
ihren
Leidenschaften,
die
der
ihnen
eignen
eigenen
Hindernisse des Guten,
die
der
besondern Quellen der
Unordnungen
Unordnungen, überhaupt
Unordnungen; da erst lernt er überhaupt,
woran es ihnen fehle, wie ihnen am besten
beyzukommen sey
beizukommen sei
, und wie er sie nach ihren besondern Umständen behandeln müsse. Er
kan
kann
auch da am besten ihre Entschuldigungen oder Gegenvorstellungen hören, mehr mit ihnen im Ton einer freundschaftlichen Unterredung als in dem auf der
Canzel
Canzel
Kanzel
üblichen
Lehrton
Lehrtone
reden, mehr sich auf das
Besondre einlaßen
Besondere einlassen
, die Gemüther besser gewinnen, und sie selbst zu öffentlichen heilsamen Anstalten und Ver besserungen
zubereiten,
zubereiten
und williger machen.
Bey
Bei
dem
größesten
grössesten
größten
Theil der Menschen wirkt Ansehen und Vertrauen, das jemand
bey
bei
ihnen hat, wirken gute
Beyspiele
Beispiele
mehr, als die bündigsten Vorstellungen und Gründe.
–
Wie soll sich der Prediger jenes erwerben, wenn sein ganzes Betragen nicht eben so für ihn
spricht
spricht,
als seine Geschicklichkeit im Vortrage; wenn er seine Bemühungen um das Beste seiner Zuhörer auf die wenigen
Stücken
Stunden
einschränkt, die zum eigentlichen öffentlichen
Gottesdienst
Gottesdienste bestimmt sind, und nicht eben den geflissentlichen Eifer für ihr Wohl überall, wie auf der
Canzel
Kanzel
, zeigt; wenn sie ihn nur als einen Mann kennen lernen, der in
feyerlichen
feierlichen
Fällen sein Amt verrichtet, aber nicht
im
in
nähern vertraulichen Umgange sich ihrer eben so, und noch eigentlicher,
annimmt,
annimmt;
der
mehr der Mann der
Gemeine
Gemeine
Gemeinde
,
als aller
einzelnen Glieder
ist,
ist;
der nur
erbeten
sie besucht, nicht um selbst nach ihren Angelegenheiten zu sehen, der durch sein
eignes Beyspiel
eigenes Beispiel
das leidige Vorurtheil bestätigt, daß das Christenthum nur in die
Kirche
Kirche
und nicht ins
ganze Leben
gehöre? Was
kan
kann
die beste Predigt fruchten, wenn er selbst nicht mit
freyem
freiem
Gewissen reden
kan;
kann; wenn er
selbst das Vorurtheil gegen sich erregt hat, daß er das nicht glaube, oder ernstlich meine, was er öffentlich sagt; wenn er durch einen schlechten oder unvorsichtigen Wandel gute Eindrücke des Vortrags wieder zerstört, im Umgange gar nicht, oder mit Gleichgültigkeit, von Religions- und Gewissenssachen spricht, oder durch Unbesonnenheit und Mangel der Klugheit das Vertrauen wieder verscherzt, was er sich durch Eifer für die Religion erworben hatte? Wie mächtig hingegen wird er auf seine Anvertrauten wirken, wenn durchaus sein ganzes Betragen, seine Uneigennützigkeit, sein Fleiß, seine Gutthätigkeit und
Behäglichkeit
Dienstfertigkeit
, seine Gewissenhaftigkeit, seine Klugheit, seine
Ordnung
Ordnung, sein, auch unter dem Druck und Leiden, immer guter Muth
u. d. gl.
u. dgl.
beweiset, daß er der Mann
ist
, der er seyn
soll
oder
scheinen
will, der durch sen
Beyspiel
Beyspiel
Beispiel
zeigt, was die Kraft der Religion vermag, wenn man sich ihr von ganzem Herzen
weyht
weiht
, und der eben diese Tugenden so durch sein ganzes
Beyspiel
Beispiel
empfiehlt?
mehr der Mann der Gemeine als aller einzelnen Glieder
Vgl. 1Kor 12,12–27.
71
573
.
Noch sind
zwey
zwei
ganz einander entgegenstehende Dinge, die jedes in seiner Art den
großen
grossen
Nutzen verhindern, den ein
rechtschaffner
rechtschaffener
Geistlicher für die Religion stiften könnte. –
Verachtung
–
Geringschätzung
auf der einen,
und
Achtung
Achtung
, die
Ueberschätzung
auf der andern Seite, so fern sie
auf
Anderer
falschen Begriffen von Religion und von
seinem
dem
Amte beruht. – Wer überzeugt ist, daß die Religion mit keiner magischen Kraft, sondern durch
Vorstellungen,
Vorstellungen
wirkt, und daß jede vermeinte Besserung oder Beruhigung, die nicht auf diese Art entsteht,
bloße
blosse
Täuschung und Selbstbetrug ist: dem muß es wehe thun, wenn auch Menschen, die keine
Verächter
Verächter der Religion sind, ihm in
Religionssachen
Religionssachen
blind
blind
glauben, oder seinen, besonders gottesdienstlichen, Handlungen, Gebet, Absolution, Segensprechen
u. d. gl.
u. dgl.
oder von ihm
geweyheten
geweiheten
Sachen, eine Kraft
beylegen
beilegen
, die ihnen
alles
Alles
, was auf ihrer Seite nöthig wäre, erspart, oder höchstens eine sinnliche Andacht für den Augenblick erfordert; weil diese Art zu denken, falsche
Religionsbegriffe
Religionsbegriffe, Sicherheit und
Trägheit,
Trägheit
nährt, wahre Besserung verhindert, und, statt Gewissenhaftigkeit, Gewissenlosigkeit verursacht.
Bloßes
Blosses
Predigen dagegen wird wenig helfen, weil solche
Einbildungen
Einbildungen dem Menschen gar zu bequem sind, und sich
bey
bei
der
größesten
grössesten
größten
unaufgeklärten
Classe
Klasse
der Menschen durch gewisse dunkle oder undeutliche Vorstellungen von dem
Göttlichern
und
Wundervolleren
, das in unmittelbaren (ohne ihre Mitwirkung erfolgenden) Wirkungen Gottes liege, empfehlen und erhalten. Aber fleißiger, erbaulicher
Umgang
Umgang des Predigers
kan
kann
desto mehr
thun;
thun:
weil er da mehr die oft sonderbaren Ursachen ihrer Einbildungen erfahren, und diesen entgegen ar beiten
kan
kann
; weil sie ihn da als einen Menschen gleich wie sich kennen lernen, der
keine mehrere
nicht mehr
Kraft, Menschen selig zu machen, und Unglück von ihnen abzuwenden hat, als sie, in ihrer Art, wenn sie wollen, auch erlangen können; und
vornemlich
vornehmlich
, weil er sie da immer mehr gewöhnen
kan
kann
, nur in Gottes Wort,
d. i.
nur in Betrachtung der göttlichen Wahrheit und deren Anwendung aufs gan ze Leben, Trost zu suchen, und dieses als das alleinige und unentbehrliche Mittel zu ihrer immer
mehrern
mehreren
Besserung
Besserung überall zu gebrauchen.
72
574
.
Doch zu unserer Zeit mag
Verachtung
Verachtung
Geringschätzung
den
Stand
Stand eines
Geistlicher
Geistlichen wohl mehr drücken, und das Gute, was er stiften könnte, erschweren.
Gewissermassen
Gewissermaaßen
liegt die Ursache in der immer wachsenden, und sich weiter ausbreitenden
Aufklärung
Aufklärung und Verfeinerung der Sitten.
–
Jene
verursacht:
verursacht,
Jene verursacht,
daß
bloßes
blosses
Ansehen der Person oder des Standes weniger wirkt
als ehedem
, und man mit Recht Klarheit der Sache und Gründe verlangt, wo Ueberzeugung und Folgsamkeit entstehen soll; daß der Lehrer der Religion, wenn er
vorzüglich
gehört seyn, und
Andre
Andere
leiten
will, auch
vorzügliche
Kenntnisse, wenigstens in der Religion, und, wenn man ihm auch diese erläßt, wenigstens
vorzügliche
Geschicklichkeit und Fertigkeit haben muß,
Religionskenntnisse
Religionskenntnisse in
einzelnen
einzlen
Fällen
nützlich
nützlich zu machen; daß
man,
man
bey
bei
der Vervielfältigung der wissenswürdigen Gegenstände, von ihm Kenntnisse und Geschicklichkeit auch in vielen andern Sachen, als bloß in der Religion, fordert.
–
Die
Verfeinerung
Verfeinerung
der
Sitten
Sitten
will selbst
verlangt
jetzt mehr, daß er umgänglich, gesellig, unterhaltend, ein Mann von gutem Ton seyn soll, als sonst, wo man
vormals
mit Schlecht und Recht zufrieden war, auch wohl dem Mangel guter oder feiner Lebensart nachsahe, wenn er durch exemplarisches Betragen ersetzt wurde. Mag diese Forderung übertrieben, mag wenigstens die
allgemeine
Forderung nicht bloß
anständiger
, sondern auch
feiner
Lebensart, ungerecht seyn: so gehört doch Bequemung nach Sitten, die auf bloß
willkührlichen
willkürlichen
Begriffen vom Wohlstand beruhen mögen, wenn sie
nichts Sündliches fordern
nicht an sich sündlich sind
, und Erwerbung solcher Kenntnisse und Geschicklichkeiten, die nicht zu unserm eigentlichen Beruf gehören – falls wir
beydes,
Beides
ohne Versäumung näherer und höherer Pflichten erlangen
können
, – zu der
großen
grossen
Pflicht,
Allen Alles zu werden, ohne die man Viele nicht für die Religion gewinnen
kan
kann
. Die andern erwähnten Folgen der
Aufklärung
Aufklärung aber sind so wünschenswürdig, und die darauf gegründeten Forderungen so gerecht, daß
jene
allen Geistlichen, die mehr
Christus, s. Jesus Christus
Jesus Christus
Christi
Ehre als ihre
eigne
eigene
suchen, lieb,
diese
aber, kräftige Ermunterung zu mehrerm
Fleisse,
Fleiße
seyn, und sie wie Paulus denken
sollten
sollten.
Phil. 1, 18.
und
Kor. 13, 7.
†)
*)
†)
Anm.
*)
„Möchte doch Gott, nach meinem Wunsch, verhüten, daß ihr nie unrecht handeltet.
Mags
Mag's
immer geschehen, daß unser
Ansehn
Ansehen
falle! wenn ihr nur immer recht handelt, und wir dann unser Ansehen nicht
brauchen
können
geltend
zu
machen.“
Dies
Dieß
ist wenigstens der Sinn dieser Stelle.
Allen Alles zu werden
Vgl. 1Kor 9,22.
Kor. 13, 7
D.i. 2Kor 13,7.
73
575
.
Wollte Gott, es gäbe keine
andre
andere
Ursachen dieser
Verachtung
Verachtung! Freylich
Geringschätzung des Standes! Allerdings aber
ist ein sehr
großer
grosser
Theil der
Geistliche
Geistlichen
selbst
durch ihr Verhalten, in
Absicht
Abscht
auf Lehre, Methode und Sitten, eben sowohl Schuld daran, als durch ihr Eindringen in einen
Stand
Stand, wozu
sie
keinen innern
Beruf
Beruf haben, oder sich doch nicht dessen durch gewissenhaften Fleiß und redliche unermüdete Treue immer würdiger
machen;
machen:
ein Vorwurf, der eben so wahr, als
bey
bei
der Anwendung gegen
den Stand selbst
höchst ungerecht ist, und, wenn er so oft geflissentlich hervorgezogen, und so unbestimmt gebraucht wird,
bey
bei
aller Protestation gegen
gehäßige
gehässige
Absichten, ganz
andre
andere
Ursachen verräth, als
bloßen
blossen
Unmuth über
viele
viele
unwürdige Mitglieder dieses Standes
Unwürdige, die sich
Geistliche
nennen
. Falsche und unedle Würdigung dieses Standes nach dem geringern Verhältniß, in dem er gegen Beförderung
sichtbarer
und
unmittelbarer
Vortheile der bürgerlichen Gesellschaft und des Nahrungsstandes steht; Mißgunst gegen billige Entschädigung des Verlustes der Zeit, der Kräfte, und anderweitiger Arten der Erwerbungsmittel, die gehöriger Fleiß, auf Geistesbeschäftigungen gewendet, nicht erlaubt; Mißvergnügen über einen Stand, der, selbst durch Erhaltung und Empfehlung der Religion, Tugend und
Gewissenhaftigkeit
Gewissenhaftigkeit, der Zügellosigkeit im Denken und in den Sitten entgegen, einem gewissenlosen zeitlichen Interesse im Wege steht, und Ausbrüche des letztern, wo nicht verhindert, doch erschwert, auf diese aufmerksam, und sie verabscheuungswürdig macht; und – worauf
aller
alle
dieser Haß zuletzt
beruht,
beruht
– Gleichgültigkeit oder gar Verachtung gegen Religion und Tugend selbst, – sind unstreitig die vornehmsten Ursachen dieser
bezeigten
zunehmenden
Verachtung eines Standes, den seine Absicht und sein
unleugbar
unläugbar
möglicher Einfluß auf die menschliche
Wohlfahrt
Wohlfahrt verehrungswürdig machen sollten. Jenen Haß durch ein würdiges Verhalten, durch vorzüglichen Fleiß, Treue, Klugheit, Unsträflichkeit, Gemeinnützigkeit, selbst durch
Herablaßung
Herablaßung
Herablassung
zu menschlichen Schwachheiten, und vorsichtige Bequemung zu unschuldigen Gewohnheiten, zu
entwaffnen,
entwafnen,
entwaffnen:
auch
dies machts
dieß macht's
, daß die
rechtschaffne
rechtschaffene
Führung des geistlichen
Amt
Amts weit mehr erfordert, als Geschicklichkeit im Vortrage, wenn man die
ganze
Absicht desselben erfüllen, und den so weit reichenden Nutzen stiften will, den es wirklich stiften
kan
kann
.
Anm.
Alle diese wichtigen Eigenschaften sich zu erwerben, und vorbereiteter, als leider! von den
meisten
Meisten
geschieht, dieses Amt anzutreten, wäre sehr zu wünschen, daß die Einrichtung gemacht würde, Keinem ein solches Amt anzuvertrauen, der sich nicht mehrere Jahre im Unterricht und
in der
Erziehung der Kinder, so wie, unter der Aufsicht
erfahrner
erfahrener
und verständiger Führer, in den künftig nöthigen Stücken der Seelsorge, es
sey
sei
in Schulen, oder
allenfalls Conditionen
als Privatlehrer in Familien
, oder
bey einer Predigerstelle, wo er bloß auf der Probe wäre,
unter den Augen eines würdigen Geistlichen
geübt hätte, und dann, nach mehr oder weniger bewährt gefundener Fähigkeit, Geschicklichkeit, Fleiß und
exemplarischen
exemplarischem
Betragen, zu wichtigern oder geringern Stellen selbst befördert würde.
–
Es wäre auch Pflicht der
Vorgesetzte
Vorgesetzten,
bey
bei
Prüfung junger
Geistlichen,
Geistlichen
keineswegs bloß
nach ihren Kenntnissen
auf ihre Kenntnisse
,
vornemlich
practischen
practische
vornehmlich praktischen
, sondern eben so sehr danach zu forschen, ob sie Klugheit, Bedachtsam keit, Eifer sich
vollkommner
vollkommener
zu machen, wenigstens Anlage und Neigung dazu,
besäßen
besässen
? ob ihr bisheriges Betragen exemplarisch gewesen? ob sie Interesse für Religion gezeigt hätten? So lange diese Einrichtungen nicht gemacht sind, ist es wenigstens Pflicht jedes
rechtschaffnen
rechtschaffenen
jungen Mannes,
selbst sich
sich selbst
darüber zu prüfen, und erst jene Gelegenheiten zu suchen, ehe er ein
Predigtamt
Predigtamt
begehret
begehrt
. – Eben so nothwendig wäre es, fleißige
Revision
Revision der wirklich schon angestellten Prediger zu halten, und,
–
wenn es zu hart seyn möchte, unfleißige, bloß mechanisch ihr Amt treibende, ihrem Amte, nach ihrem besten Vermögen, keine Ehre
machende Geistliche
machenden Geistlichen
, davon zu entfernen, oder in weniger erfordernde Stellen zu versetzen,
–
doch
jedoch
die Bessern verhältnißmäßig zu belohnen. So lange
dies
dieß
nicht geschieht, sollte sich jeder
rechtschaffen
rechtschaffne
rechtschaffene
Mann selbst
treiben. Denn
treiben; denn
Vorgesetzte sehen selten auf sie; und die gewöhnlichen Kirchenvisitationen, wo man oft allein darauf sieht, daß die
Rechnungen
Rechnungen
ordentlich gehalten sind, daß keine
Klagen
, die sich allenfalls wohl abwenden oder entkräften
laßen
lassen
, einlaufen, oder Weitläuftigkeit machen, und daß die Schul- oder Pfarrkinder gut antworten können, helfen sehr wenig zu diesem Zwecke, zumal wenn
der Prediger
man
die Zeit vorher sehen kann,
wenn
wo
sie sollen gehalten werden.
74
576
.
Etwas Näheres nun über die ganze Art zu sagen, wie sich der Prediger, als wirklicher
Seelsorger
Seelsorger
,
bey
bei
allen Theilen seines Berufs zu benehmen habe, würde hier am unrechten Orte stehen. Das Allgemeinere, was hier Platz finden könnte, ist schon bisher
bey
bei
Gelegenheit des Vortrags und dessen Einrichtung erwähnt, und das Uebrige §.
3
505
und
11.
–
513.
Wie erlangt man aber die Kenntnisse, die zur gewissenhaften und klugen Führung dieses Amtes nöthig sind?
75
577
.
Manches ist zwar
jeden Ortes
gewissermaaßen
durch
Kirchenordnungen
Kirchenordnungen
bestimmt, und es ist
vor
an
sich klar, daß, wer in einem besondern
Amt
Amte angestellt ist, sie sich eben so, wie jeder gute Bürger die Landesgesetze, bekannt machen müsse.
Allein
Aber
sie betreffen doch eigentlich nur die
Polizey
Polizey
Polizei
der Kirche, das
Aeusserliche
Aeußerliche
, das man ohne Verantwortung und Ahndung der Obrigkeit nicht
unterlaßen
unterlassen
darf, nur
erzwingliche Pflicht
Pflichten, die allenfalls erzwungen werden können
; aber nicht die viel
wichtigere Pflicht
wichtigern
, sich gerade so zu betragen, daß der heil same Zweck des Amtes, die geistige Wohlfahrt der
uns
Anvertrauten, aufs beste erreicht werde, und nichts geschehe, was auf irgend einige Art den Nutzen hindern könne, den der Prediger stiften
kan
kann
. – Eigene nach und nach erlangte
Erfahrung
Erfahrung
thut
freylich
freilich
auch viel, und ohne sie würde sich der Geistliche nicht
selbst
bilden;
bilden,
zumal, da er nicht
alles
Alles
, was er zu seinem rechtmäßigen Betragen wissen muß, durch allgemeinern Unterricht lernen
kan
kann
; da die kluge
Anwendung
Anwendung des Allgemeinern auf besondere Fäl le eigene Geschicklichkeit erfordert; da die besondern Umstände, in die er kommt, vieles erst lehren, und ihm zeigen müssen, wie er sich eben hier, nach den besondern Bedürfnissen derer, mit welchen er zu thun hat, zu verhalten
habe;
habe,
und da es überhaupt sehr mißlich ist,
bey eignen Erfahrungen,
bei eigenen Erfahrungen
erst durch Schaden klug zu werden, der oft sich nicht ganz wieder gut machen läßt, oder unangenehme Folgen mit sich führt, deren Eindrücke sich nicht immer ganz wieder auslöschen
laßen
lassen
. – Nützlicher, wenigstens nicht so
Gefahrvoll
gefahrvoll
, sind zwar die
Belehrungen
Belehrungen
, die man
von andern
erfahrnern
erfahrneren
und
verständigern
verständigeren
Geistliche
Geistlichen
einziehen
kan
kann
. Allein es giebt
dieser
der
Geistlichen nicht
viel
Viele
, die diese Eigenschaften wirklich besitzen, und deren Erfahrungen oder
Pastoralkenntnisse
Pastoralkenntnisse sich weiter, als über das Herkommen oder über das Gewöhnliche, erstrecken. Sie können uns wohl zeigen, was sie
gethan
haben; aber nicht, ob sie, selbst wenn es glückte,
recht
und
wohl
daran thaten? ob es im Grunde nicht mehr
geschadet
schadete
als
genutzt habe
nutzte
? und, wenn auch alles
dies
dieß
nicht
wäre
, ob
wir
es in
unsern
Umständen nachahmen dürfen? Der geringste Umstand
kan
kann
die Sache und die Pflicht verändern. Und wer hat in dringenden Fällen, wo man sich auf der Stelle
entschließen
entschliessen
muß, den Mann immer
bey
bei
der Hand, der ihn an das Nöthige erinnerte?
76
578
.
Indessen ist der
Umgang
Umgang mit solchen, die
einerley
einerlei
Geschäfte mit uns treiben, allerdings die beste Schule, wo wir
dies
dieß
lernen können, wenn die Männer darnach sind, und wenn wir ihre Belehrung zu benutzen verstehen. Denn wie
kan
kann
sich der
praktisch
praktische Verstand und Beobachtungsgeist besser, als in den
Geschäften selbst
, bilden, und, wenn man noch wenig eigene Gelegenheit dazu gehabt hat, oder sich
für
vor
Uebereilung oder Unentschlossenheit fürchtet, wie besser, als durch den Umgang mit solchen, deren Grundsätze, Erfahrungen und
Beyspiele
Beispiele
musterhaft sind, in dem besondern Kreise
vornemlich, worinn
vornehmlich, worin
wir auch zu handeln haben? Aber es müßten Männer seyn, die,
bey
bei
wahrer
Gewissenhaftigkeit
Gewissenhaftigkeit
und
thätigem
thätigen
Eifer für ihren Beruf,
praktisch
praktischen
Beobachtungsgeist
Beobachtungsgeist
und
praktische
Beurtheilungskraft
Beurtheilungskraft
praktische Beobachtungsgeist
und
praktischen Beurtheilungskraft
besäßen
besässen
, und
willig
genug wären, den
Unerfahrneren
Unerfahrenern
auf das rechte Betragen in einzelnen vorkommenden Fällen aufmerksam und selbstthätig zu machen.
77
579
.
Unstreitig muß der, dem man
Klugheit
Klugheit ablernen soll, selbst die nothwendigen Eigenschaften wahrer Klugheit besitzen. Er muß 1) die Welt und das menschliche Herz wohl kennen, also fähig zu genauen Beobachtungen dieser Art, und aufmerksam darauf seyn, wie verschieden die Menschen in ihrer Denkungsart und
ihrem
Charakter sind, in wie
mancherley
mancherlei
Lagen sie kommen können, welchen Eindruck die Umstände auf sie, nach ihrer besondern
Gemüthsbeschaffen heit
Gemühsbeschaffenheit
, machen, wie sich dadurch ihre Vorstellungen und Neigungen verändern
laßen
lassen
, oder eine
andre
andere
Richtung bekommen, was für Hindernisse und was für Beförderungsmittel in diesem allen liegen, wenn man auf ihr Gemüth wirken will.
Dies
Dieß
giebt den Stoff zur Klugheit, der in
einzelnen
einzlen
Erfahrungen
Erfahrungen besteht. Aber er muß auch 2) diese
einzelnen
einzle
Beobachtungen wohl benutzen, und daraus das Allgemeine, wenigstens das, was gewöhnlich geschieht oder zu erwarten ist, abziehen, um
sichre
sichere
Regeln
Regeln zu haben, die ihn in ähnlichen Fällen leiten können, wenn er die Menschen und die Umstände richtig beurtheilen, oder gewisse Veränderungen in ihnen hervorbringen will. Wer einen solchen Schatz von allgemeinen
praktisch
praktischen Regeln oder Maximen besitzt, die er aus
einzelnen
einzlen
Beobachtungen abgezogen, und sich dadurch von ihrer Wahrheit und Brauchbarkeit überzeugt hat, nur der verdient den Namen eines
erfahren
erfahrnen
erfahrenen
Mannes. Einen Verstand, der dieses vermöchte, könnte man den
praktischen Verstand
nennen. –
Beyde
Beide
Stücke, ich meine: viele Beobachtungen und der praktische Verstand, müssen
bey
bei
wahrer Klugheit
zum Grunde liegen
, und man wird so viel
fähiger
zur
Klugheit
, je mehr Gelegenheit man hat, Beobachtungen dieser Art anzustellen, je stärker
unsre
unsere
Aufmerksamkeit darauf ist, und je mehr Geistesfähigkeiten man besitzt, zu vergleichen, und daraus bestimmte allgemeine praktische Regeln zu ziehen. – Kommt nun dazu die fleißige
Uebung
Uebung in Anwendung dieser erlangten Erfahrungen auf vorkommende Fälle, wo man selbst
handeln,
handeln
und auf
Andre
andre
Andere
wirken
soll:
soll,
so bildet sich nach und nach die Fertigkeit,
theils
die Umstände, unter welchen man handeln, und die Menschen, die man leiten soll, so weit wenigstens,
durchzuschauen
durchzusehen
, als man es zu seiner Absicht braucht,
theils
gleich
hienach
hiernach
das Rathsamste und
Thulichste
Thunlichste
in
einzelnen
einzlen
Vorfällen zu erkennen. Jenes ist der
praktische
Beobachtungsgeist
Beobachtungsgeist
, dieses die
praktische
Beurtheilungskraft
Beurtheilungskraft
(
Th.
1. §. …)
(§.
209
)
, welche eigentlich die
Bestandtheile
der Klugheit ausmachen.
Anm.
Anm.
1. Klugheit
Anm.
1)
Klugheit
ist eine so nothwendige Eigenschaft eines würdigen Geistlichen, als alle übrige Eigenschaften der Erkenntniß und des Herzens immer seyn
mögen;
mögen:
weil seine ganze Bestimmung es mit sich bringt, stets auf
andre
andere
Menschen zu wirken, ihnen in geistlichen Angelegenheiten zu rathen, und sie bloß durch das Mittel der Ueberzeugung zu Gesinnungen und Handlungen zu bringen, zu welchen sie gemeiniglich nur zu wenig Neigung haben; und weil auch ein Mensch vom besten Verstand und Herzen durch Unklugheit seine
eigne
eigene
Absicht vereitelt, und der Beförderung des Guten oft unüberwindliche Hindernisse in den Weg legt. Man sollte daher
bey
bei
Besetzung
Besetzung der geistlichen Stellen eine eben so sorgfältige Prüfung der
Candidaten
Candidaten
Kandidaten
in Absicht auf ihre Klugheit anstellen, und nicht damit zufrieden seyn, daß sie das Ihrige gelernt hätten, und redliche oder
unbescholtne
unbescholtene
Menschen wären.
Anm.
Anm.
2. Freylich kan
2) Freilich kann
man
bey
bei
der
großen
grossen
Anzahl der Geistlichen, folglich auch ihrer so
großen
grossen
Ver schiedenheit, so wenig wie in andern Ständen, erwarten, daß die Anzahl wahrhaftig kluger Männer beträchtlich
sey
sei
; zumal da
die
Klugheit nicht vor den Jahren kommt, und nicht ohne lange Uebung entsteht, auch die ganze Beschäftigung eines Studierenden mit unsichtbaren Dingen und allgemeinen Sätzen, eben ihrer Natur nach, ihn von Aufmerksamkeit auf gegenwärtige und concrete Dinge abzieht. – Es giebt eine
allgemeine
und eine
besondre
besondere
Klguheit
Klugheit
in Absicht auf gewisse Arten von Beschäftigungen. Die letztere, die man
Amtsklugheit
Amtsklugheit
nennen könnte,
kan
kann
einem sehr fehlen, der sonst überhaupt gar nicht unklug ist, und sie ists
vornemlich
vornehmlich
, diese Achtsamkeit auf seinen
besondern
Beruf und auf die
Art
Art,
sich
dabey
dabei
gehörig zu benehmen, die von dem Geistlichen erfordert wird, ob sie gleich der nie erlangen wird, dem es an jener sehr fehlt, welche dem Geistlichen eben so nothwendig als die
Amtsklugheit
Amtsklugheit
(Prudentia pastoralis)
ist, da er nicht bloß mit seinem
Amt
Amte
zu thun, sondern auch viele
andre
andere
Pflichten auf sich hat.
(Th. I. §. …)
Für den späteren Nachtrag ist die Paragraphenzahl offengeblieben (vgl. I § 120 a; III § 105).
78
580
.
Diese Eigenschaften sind zur Bildung des klugen Mannes unentbehrlich; aber unzureichend, den klugen
Seelsorger
Seelsorger,
Seelsorger
und durch diesen
Andere,
Andere
zu eben demselben Beruf zu bilden, wenn nicht noch
zwey
zwei
andere Eigenschaften hinzukommen. Die
erste
, daß er
gewissenhaft
und voll thätigen
Eifer
Eifers
für seinen
Beruf
Beruf
sey
sei
; nicht zufrieden, sein
Amt
Amt
ohngefähr
ungefähr
und im
Aeussern
Aeußern
zu thun; nicht gleichgültig gegen kleinscheinende Mängel, Fehler oder Versäumnisse;
überhaupt,
überhaupt
nicht gleichgültig gegen immer weitere Fortschritte in der Erkenntniß, in
eigner
eigener
Besserung, im Wohlwollen gegen Andere; sondern seinem
Beruf
ganz gewidmet; gleich aufmerksam und sorgfältig in Absicht auf
alle Theile
desselben; überall bedacht auf dessen
Zweck
, auf die
Besserung
Besserung der Menschen in ihrem ganzen Umfange; durchaus eifrig, alle Mittel zu
finden,
finden
und mit Weisheit zu gebrauchen, die sie befördern können. Die
zweyte
zweite
, daß er
willig
willig
sey
sei
,
sich Andern
sich Andern
, die er zu gleichem Zweck bilden könnte,
mitzutheilen
mitzutheilen
, sie auf alle in Anschlag kommende Umstände und auf das diesen angemessenste Betragen aufmerksam zu machen, sie zur Selbstthätigkeit zu ermuntern.
Anm.
Wenn
Candidaten
Candidaten
Kandidaten
frühzeitig zu
verständigen
und in ihrem Beruf
eifrigen
Geistlichen
Geistlichen,
oder in besondere Pflanzschulen gethan würden, wo sie sich, unter gehöriger Aufsicht, in der Seelsorge üben lernten; und wenn von Zeit zu Zeit in jeder Diöces eine Art von Synoden
zu diesem Zweck
gehalten würden, wo jeder die ihm vorgekommenen Vorfälle und Angelegenheiten dieser Art vortragen, und jeder freundschaftlich seine Gedanken von dem besten Verhalten
dabey
dabei
mittheilen könnte: so lernte nicht nur jeder diejenigen in seinem Bezirk kennen, welchen sich diese Klugheit am besten ablernen
ließe
liesse
, sondern er würde auch auf
Vieles
vieles
aufmerksam gemacht, woran er sonst schwerlich gedacht hätte, und lernte immer mehr durch An derer Klugheit sich selbst dazu bilden. Wo keine solche Anstalten sind, oder wo man wenig Geistliche findet, die dafür Interesse oder dazu Fähigkeit haben, ist die öftere Zusammenkunft gleichgesinnter
Prediger
Predigern
zu diesem
Zweck
,
Zweck
das Mittel, welches niemand versäumen sollte.
S.
Ueber praktische Vorbereitungsanstalten zum Predigtamt
, von
Sextro, Heinrich Philipp
Heinrich Phil. Sextroh
,
Göttingen,
Göttingen
1783.
8.
79
581
.
Kan
Kann
man einen solchen lehrreichen
Umgang
Umgang mit bewährten Geistlichen nicht
haben:
haben,
so bleibt,
ausser
außer
den andern oben (
§.
75
75.
§
577.
) erwähnten Hülfsmitteln, nichts übrig, als das fleißige Studieren der besten Schriften, die einen Geistlichen über den ganzen Umfang seiner
Pflichten
Pflichten und über
besondre bey
besondere bei
seinem
Amt
Amt
Amte
vorkommende Fälle, so wie von dem gewissenhaften und klugen Betragen
dabey
dabei
, unterrichten; und welche auch
bey
bei
dem Gebrauch der übrigen Mittel
nothwendig
erforderlich
sind,
theils
, um sich wenigstens vorläufig mit den nothwendigsten Eigenschaften und Vorfällen
bey
bei
seinem
Beruf
Beruf bekannt zu machen,
theils
, um das Ganze mehr übersehen zu lernen, und selbst in Absicht auf
seltenere
seltnere
und schwerere Fälle vorbereitet zu seyn.
Ausser
Anm.
Außer
den oben §.
57
559.
57.
Anm.
und in
der
der
Anweisung zur Kenntniß der besten theol. Bücher
, §. 568
f.
angeführten Schriften, verdienen
der
Der
patriotische Landprediger
(von
Reß, Johann Heinrich
Joh.
Johann
Heinr. Reß
),
Leipzig, 1779–84.
in
Leipzig 1779–84.,
4
Stücken in
Stücke,
gr.
8
8.
;
Ueber
Predigerbeschäftigungen,
Predigerbeschäftigungen
und
Predigerbetragen
Predigerbetragen,
von
Ewald, Johann Ludwig
J. L. Ewald
,
Lemgo
Lemgo,
1783–89.
1783–86.
bisher in
6
4
Heften in
1783–89.,
gr.
8; die
8.;
Briefe zur Bildung eines Landpredigers
,
Hof
Hof,
1785–90.
in 3 Bänden
1785.
in 8
1785–90., 3 Bände, 8.
; und
das
Repertorium über Pastoraltheologie und Casuistik für angehende Prediger
, von
Oemler, Christian Wilhelm
Christ. Wilh. Oemler
,
Jena
Jena,
1786–89.
1786–88 bisher
in
4
3
Theilen in
gr.
8, in
welchen
welchem
man auch die besten neuesten Schriften über einzelne Be schäftigungen angezeigt findet,
1786–89., 4 Theile, gr. 8., nebst dem
Supplementband 1801
f.
, wegen der großen Weitschweifigkeit des Werkes noch brauchbarer, der
Loy, Johann Wilhelm
J. W. Loysche
Auszug aus
Oemler, Christian Wilhelm
Oemler's
Repertorium, 2 Theile. Kemten 1805.
;
vorzüglich verglichen zu werden.
Die neuesten Schriften sehe man im
4ten Bande der Predigerbibliothek und in
Fuhrmann, Wilhelm David
Fuhrmann's
Handbuch der theolog. Literatur besonders für Prediger, 2ter
Th.
1819.
Anweisung zur Kenntniß der besten theol. Bücher, §. 568 f.
Vgl. I § 43.
der patriotische Landprediger (von Joh. Heinr. Reß), Leipzig, 1779–84. in 4 Stücken
Das letzte Stück datiert aus dem Jahr 1783.
Ueber Predigerbeschäftigungen, und Predigerbetragen von J. L. Ewald, Lemgo 1783–89. bisher in 6 Heften
Die Reihe
Ueber Predigerbeschäftigung und Predigerbetragen
ist in insgesamt neun Heften (1783–1794) erschienen.
Briefe zur Bildung eines Landpredigers, Hof 1785–90. in 3 Bänden
Die
Briefe zur Bildung des Landpredigers
stammen von Johann Georg Gottfried Kiesling (1748–1819).
Supplementband 1801 f.
Ein Supplementband ist 1793 erschienen, doch können auch Christian Wilhelm Oemlers (1728–1802)
Vermischte und letzte Beyträge zur Pastoraltheologie und Casuistik für angehende Prediger
(1801) als Supplement gelten.
J. W. Loysche Auszug aus Oemler's Repertorium, 2 Theile. Kemten 1805
Gemeint sind Johann Wilhelm Loy (1752–1805) und sein zweiteiliger
Zweckmäßiger Auszug aus Ch. W. Oemlers Repertorium über Pastoraltheologie und Casuistik für angehende Prediger
(1805/1806).
4ten Bande der Predigerbibliothek
Vgl. I § 43 c.
Fuhrmann's Handbuch der theolog. Literatur besonders für Prediger, 2ter Th. 1819
D.i. Wilhelm David Fuhrmanns (1764–1838)
Handbuch der theologischen Literatur oder Anleitung zur theologischen Bücherkenntniß für Studirende, Candidaten des Predigtamts und für Stadt- und Landprediger in der protestantischen Kirche
(1818/1819.1821) (vgl. I § 43 c).
80
582
.
Zur Erhaltung des einem Geistlichen so nöthigen Ansehens gehört auch die Erhaltung seiner
Rechte
Rechte
, und, da er in seinem Beruf keines Andern Rechte, besonders in geistlichen und kirchlichen Dingen – die hier eigentlich nur in Anschlag kommen – kränken, zugleich auch die Rechte seines Standes, seines Amtes, seiner Kirche und seiner
Gemeine
Gemeinde
insbesondere, aufrecht erhalten muß: so
kan
kann
er eine Kenntniß dieser Rechte, ihrer Gränzen, wie weit ihre Erhaltung ihm anvertraut
sey
sei
, und wie er sie handhaben und erhalten solle, nicht entbehren.
81
583
.
Jeder Mensch hat, wie die Pflicht, so das Recht,
alles
Alles
zu thun, was zu seinem Besten dient, also auch nach Kenntniß alles dessen zu trachten, was sein Verhältniß gegen Gott
betrift
betrifft
, dieser Erkenntniß gemäß zu handeln, und
alles
Alles
zu thun, was jene Kenntniß und die Befolgung derselben, mit
einem
Einem
Wort, was seine Religion befördern
kan
kann
. Wollte man den Inbegriff aller dieser
Rechte
Rechte in Absicht auf Religion des Menschen unter
Einem
einem
Namen zusammenfassen: so könnte man ihn das
geistliche
oder
religiöse
Recht nennen. Vereinigen sich mehrere Menschen in Eine
Gesellschaft
Gesellschaft, um ihre durch die Religion zu erhaltende,
d. i.
geistliche, Wohlfahrt besser zu
befördern:
befördern,
so entsteht eine
gottesdienstliche Gesellschaft
, und, wie man gar wohl sagen könnte, eine
Kirche
Kirche
– obgleich dieser Name nur von und unter Christen gebräuchlich
ist
ist;
– und tritt sie zusammen, um jene gemeinschaftliche Wohlfahrt durch die christliche Religion zu befördern, so entsteht der Begriff einer
christlichen Kirche
. Die Gesetze und ihre Folgen,
d. i.
die Pflichten und Rechte einer Kirche, müßten sich auf die Natur der Sittlichkeit, der Religion, und einer Gesellschaft, die der christlichen Kirche aber, zugleich auf die Lehren des Christenthums, gründen; und niemand hätte das Recht, ihre Rechte und deren Ausübung einzuschränken, oder ihr Gesetze vorzuschreiben, als sie sich selbst. Sogar alsdann, wenn in ihr eine Verschiedenheit der Meinungen über den Umfang des Zwecks, wozu sie sich vereinigt hat, oder über das Verhältniß gewisser Mittel dazu, entsteht, behält jedes
einzelne
einzle
Glied der Kirche das Recht, entweder sich mit den andern durch einen
Vertrag
Vertrag zu vergleichen, oder an gewissen Anstalten nicht Theil zu nehmen, oder sich von dieser Gesellschaft selbst zu trennen. Wenn sie nun einander durch irgend einen
Vortrag
Vertrag
nachgäben, der alsdann die Kraft eines Gesetzes bekommt, oder ihre vermeinten Rechte kämen in Widerspruch mit den Rechten
andrer
anderer
Personen oder Gesellschaften, deren Rechte, in Absicht auf den zweifelhaften
Punct
Punkt
, sie anerkenneten, oder diesen Widerspruch durch eine Uebereinkunft ausglichen: so entstünden mensch liche
Kirchengesetze
Kirchengesetze und Rechte, die, sofern sie unter verglichenen Bedingungen gemeinschaftlich angenommen sind, eben so unverbrüchlich als die göttlichen Gesetze, und so lange zu halten wären, als diese Bedingungen durch die Umstände keine Veränderungen litten.
82
584
.
Diejenigen, natürlichen oder positiven, göttlichen oder
menschlichen,
menschlichen
Gesetze, welche Religion und deren Ausübung betreffen, nebst den daraus entspringenden Rechten, so fern
beyde
beide
aus Quellen
fließen
fliessen
, die allgemein von allen Christen als Quellen anerkannt werden, machen das
allgemeine
(christliche)
Kirchenrecht
Kirchenrecht
aus; die aber,
welche
welche,
in gedachter Rücksicht, nur ein Theil der Christen anerkennt, oder wenigstens genehm hält, das
besondre
besondere
Kirchenrecht
,
welches
das
so verschieden ist, so viele
besondre
besondere
kirchliche Gesellschaften es giebt, die sich nach diesen Gesetzen als Eine gottesdienstliche Gesellschaft zusammenhalten. Eine Art dieses besondern Kirchenrechts ist das sogenannte
kanonische Recht
(im engern Verstande), welches auf kirchlichen Verordnungen (canonibus ecclesiasticis) beruht, die in der römischen Kirche und den mit ihr verbundenen für verbindlich gehalten werden, von welchem noch manche das
päbstliche
päpstliche
Recht
(ius pontificium) unterscheiden, das nur von den Theilen der
römischkatholischen
römisch-katholischen
Kirche anerkannt wird, die alle Verordnungen der römischen
Päbste
Päpste
, um des an sich verbindlichen Ansehens der
Päbste
Päpste
willen, als gesetzmäßig annehmen.
83
585
.
Das
deutsche protestantische
Kirchenrecht
Kirchenrecht
ist eine
andre
andere
Art des besondern Kirchenrechts, und wird in ein
öffentliches
und
Privat-Kirchenrecht
Privat-Kirchenrecht
getheilt. Jenes, das man auch das
deutsche
Kirchen-Staatsrecht
Kirchen-Staatsrecht
,
nemlich
nämlich
der Protestanten, nennt, ist allen deutschen evangelischen Kirchen gemein, und seine vornehmste Grundlage ist der
Augspurger
Augsburger
Religionsfriede von
1555
1555.
, und der
westphälische von 1648. Das
protestantische Privat-Kirchenrecht
ist nach den verschiedenen evangelischen Landeskirchen sehr verschieden, und
beruhet
beruht
auf den Kirchenordnungen, Recessen, Verordnungen der Landesobrigkeit, und der sogenannten wohl hergebrachten Observanz. Es setzt das öffentliche protestantische, und dieses wieder das allgemeine Kirchenrecht, als verbindlich voraus, wo es nicht durch
besondre
besondere
Landesverordnungen oder Einrichtungen eine Einschränkung bekommen hat.
Augspurger Religionsfriede von 1555
In dem zwischen Ferdinand I. (1503–1564), ab 1531 römisch-deutscher König, den protestantischen und den römisch-katholischen Reichsständen geschlossenen Augsburger Religionsfrieden vom 25.9.1555 wurde eine paritätische Reichskirchenverfassung und die obrigkeitliche Territorialkirchenherrschaft vereinbart. Dies bedeutete eine gleichberechtigte Koexistenz zwischen Altgläubigen und den Anhängern des Augsburger Bekenntnisses (vgl. II § 211) und gleichzeitig den Verlust der mittelalterlichen Einheit der Kirche bzw. von Kirche und Reich. Insofern gilt der Augsburger Religionsfriede als das wichtigste Fundamentalgesetz des Reichs im Konfessionellen Zeitalter, dessen Folgen bis in die Gegenwart hinein spürbar sind.
westphälische von 1648
Der den Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) beendende Westfälische Friede von Münster und Osnabrück (1648) bestätigte und aktualisierte die Vereinbarungen des Augsburger Religionsfriedens (s.o.) und garantierte überdies auch den Reformierten den gleichen reichsrechtlichen Status.
84
586
.
Warum, und wie
ferne
fern
ist das Studium dieser
Rechte
Rechte,
Rechte
einem Lehrer der Religion
insbesondre
insbesondere
nothwendig? – Schon deswegen, weil er seine eigenen Rechte in Absicht auf Religion, als Mensch und als Lehrer, kennen muß.
Pflichten
Pflichten und Rechte hängen unzertrennlich zusammen. Jede Pflicht, von der
ich mich
man sich
überzeugen oder die
ich
man
ausüben soll, giebt
mir
auch ein Recht, die dazu nöthigen Mittel zu
brauchen
gebrauchen
; und wenn
ich mich
man sich
gleich
meines
seines
Rechts nur bedienen
darf
, nicht immer
muß
:
muß
;
so
muß
ich
doch nach gewissen Gesetzen
bestimmen
bestimmt werden
, ob
ich mich
man sich
dessen bedienen soll oder
nicht,
nicht:
und nach diesen Gesetzen, die eben
meine Pflicht
die Pflichten selbst
bestimmen,
kan ich
kann man
pflichtmäßig oder pflichtwidrig handeln, wenn
ich
man
von dem Rechte Gebrauch
mache
macht
oder nicht. Wir können also nicht einmal immer recht handeln, und
unsre
unsere
Pflicht beobachten, wenn wir nicht
unsre
unsere
Rechte kennen, und wissen, wo wir sie üben müssen, und wo es uns
frey
frei
steht,
steht
sie zu
veräussern
veräußern
, oder ihren Gebrauch zu
unterlaßen
unterlassen
. Wie viele und
große
grosse
Sünden entstehen
z. B.
aus der
unterlaßenen
unterlassenen
eignen
unterlassenen eigenen
Untersuchung in der Religion und Mittheilung
meiner mir
der einem jeden
richtiger und nützlicher scheinenden Entdeckungen darin an Andere, oder aus dem
schrankenlosen
unbeschränkten
Gebrauch des Rechts zu
beyden
beiden
?
85
587
.
Eben so wenig darf
ich
jemand
Anderer
Rechte
Rechte beeinträchtigen.
Dies
Dieß
würde
ich
er
thun, wenn
ich
er
ihnen ihre Rechte, in Absicht auf Religion, Gottesdienst, und was zu dessen Beförderung dient, absprechen, oder einschränken, oder durch den Gebrauch der
meinigen
seinigen
sie an der
Ausübung
Ausübung der ihrigen hindern, oder sie auch nur bereden wollte, diese, ohne ihre, selbst oft wider
ihre,
ihre
Ueberzeugung, zu
veräusseren
veräußern
, und
mir nachzugeben
ihm
abzutreten
, oder sie hindern, ihre
veräusserten
veräußerten
, aber ihrer Natur nach
unveräusserlichen,
unveräußerlichen
Rechte wieder an sich zu bringen. Noch mehr, wenn
ich
er
die Rechte Anderer, deren Untersuchung, Erhaltung und Ausübung
mir
ihm
anvertraut ist,
vernachläßigte
vernachlässigte
oder veruntreuete.
–
Nun sind viele solche dem Lehrer der Religion anvertrauet,
vornemlich
vornehmlich
so fern er einer besondern kirchlichen Gesellschaft vorge setzt ist; und, wenn er sie auch allein weder bestimmen noch handhaben
darf:
darf,
so hat er doch das Recht und die
Pflicht
Pflicht, Acht zu geben, wo sie
vernachläßigt
vernachlässigt
oder beeinträchtigt werden, um den Obern davon Anzeige zu thun, und Vorstellungen zu machen. Daher muß er in
aller Absicht
allen diesen Absichten
diese Rechte, wenn er nicht seine Pflichten, zum
großen
grossen
Schaden Anderer,
vernachläßigen
vernachlässigen
, oder überhaupt Anderer Rechten zu nahe treten will, sorgfältig suchen kennen zu lernen.
Beyspiele
Anm.
Beispiele
zu dem Gesagten sind: wenn der
Lehrer
Lehrer, so fern er als ein an eine
besondre
besondere
kirchliche Gesellschaft
gebundner
gebundener
Lehrer handelt, derselben gewisse Lehren wider ihren Willen und wider den Zweck vorträgt, wozu sie in eine besondere Gesellschaft zusammengetreten sind; wenn er eigen mächtig, und da, wo ihm die
Gemeine
Gemeinde
, oder die,
bey
bei
welchen die Regierung derselben steht, nicht, wenigstens stillschweigend, bevollmächtigt haben, Veränderungen in der Liturgie vornimmt, oder dergleichen hindert; wenn er durch Aufopferung seiner Rechte den Rechten seiner Mitbrüder etwas vergiebt
u. d. gl.
u. dgl.
Sehr recht und edel handelten hingegen die deutschen Fürsten
bey
bei
der Reformation im 16ten Jahrhundert, wenn sie, auf Anhalten ihrer evangelischen Unterthanen, die
unveräusserlichen
unveräußerlichen
Gewissensrechte derselben wieder herstellten.
86
588
.
Zu diesen
Rechte
Rechten gehören nicht nur die, welche aus der Natur des Menschen, der Gesellschaft, der Religion und des Gottesdienstes nothwendig
fließen
fliessen
, sondern auch die, so auf einer
willkührlichen
willkürlichen
Uebereinkunft
Uebereinkunft, oder auf den Verordnungen und Veranstaltungen
dererjenigen
derjenigen
beruhen, die das Recht hatten, das, was aus jenen Quellen nicht nothwendig floß, oder dadurch unbestimmt war, um der guten
Ordnung
Ordnung willen, zu bestimmen,
welches
das
hiedurch
hierdurch
also von ih nen, die in solchen Sachen eine gesetzgebende Befugniß hatten, auch eine gesetzmäßige, oder, durch das
unwidersprochne
unwidersprochene
Herkommen, eine ähnliche
Kraft
Kraft
bekam. Da solche Verfügungen, die sich auf bloß menschliches Ansehen gründen, in
verschiednen
verschiedenen
gottesdienstlichen Gesellschaften sehr verschieden sind (§.
82
u.
83
):
585.
):
82.
und
83.
),
so ist es
Pflicht
Pflicht eines in einer solchen besondern Gesellschaft angestellten
Lehrer
rers
Lehrers
, sich auch diese positiven kirchlichen Gesetze und Anstalten, und die daraus
fließenden
fliessenden
Rechte und Pflichten bekannt zu machen, um keine zu
vernachläßigen
vernachlässigen
, zu verletzen, oder sich dadurch Verantwortung zuzuziehen, um dieselben aufrecht zu erhalten, und
andern
Andern
, die darüber belehrt seyn wollen, Unterricht und Rath zu
ertheilen;
ertheilen,
welches ja,
so fern
sofern
solche
äussere
äußere
Anstalten auch eine innerliche Verbindlichkeit, sie zu beobachten, mit sich führen, einen Theil der ihm anvertrauten
Seelsorge
Seelsorge ausmacht. Man sieht von selbst, daß, in dieser
Rücksicht,
Rücksicht
ein protestantischer Lehrer verbunden
sey
sei
, vorzüglich
sich
das
protestantische
allgemeinere
allgemeinere
, und, als ein Glied und Vorsteher einer besondern protestantischen
Landeskirche
Landeskirche, auch das ihn und seine gottesdienstliche Gesellschaft angehende
besondre
besondre
besondere
Kirchenrecht
Kirchenrecht
zu studieren.
Anm.
Je mehrere Eingriffe in solche Rechte öfters
selbst
von denen geschehen, die
Diener der Gerechtigkeit seyn sollen; je öfter diese den Grundsatz haben, daß Rechte nur für die geschrieben sind, welche darüber wachen; und je
unwiederbringlicher,
unwiederbringlicher
einmal
verlorne
verlorene
oder eine Zeitlang ungebraucht
gelaßene Rechte,
gelassene Rechte
dahin,
gelassene Rechte nie, oder
wenigstens schwer wieder geltend zu machen sind: desto unverantwortlicher ist es für einen Geistlichen, der sie erhalten sollte, sie aus Unwissenheit oder Unachtsamkeit zu
vernachläßigen
vernachlässigen
.
–
Je häufiger es
überdies
überdieß
geschieht, daß allgemeine und natür liche geistliche und Kirchenrechte durch positive menschliche Verordnungen verdrängt oder eingeschränkt werden, und je gewöhnlicher es unter Rechtsgelehrten ist, diese eher als jene zu hören, mehr nach diesen als jenen zu sprechen: desto dringlicher wird für Geistliche die Pflicht, das
allgemeine, geistliche,
allgemeine geistliche
und
allgemeine geistliche
und
Kirchenrecht
gründlich zu studieren.
Diener der Gerechtigkeit
Vgl. 2Kor 3,9; 11,12–15 (vgl. Röm 6,13.18).
87
589
.
Minder nothwendig könnte einem protestantischen
Geistlicher
Geistlichen das Studium des
kanonischen
Recht
Rechtes
Rechts
scheinen, und ist es auch für die meisten. Aber, – nicht zu gedenken, daß es zu besserer Einsicht der Kirchengeschichte dienen
kan
kann
, und manche Veränderungen der Kirche ohne die Kenntniß der in ihr
angenommnen
angenommenen
Gesetze und Rechte nicht recht verständlich oder begreiflich
sind;
sind,
– so enthält das protestantische
Kirchenrecht
Kirchenrecht zum Theil noch viele Ueberbleibsel aus dem
kanonischen;
kanonischen,
und die
Protestanten
Protestanten in Deutschland haben selbst durch Verträge sich zur
Beybehaltung
Beibehaltung
mancher auf das kanonische Recht gegründeten Einrichtungen verstanden. Um diese zu verstehen, ist die Kenntniß des kanonischen nicht zu entbehren. –
Ueber dies
Ueberdies
Ueberdieß
leben viele protestantische Geistliche an solchen Orten, wo die
Römischkatholischen
römisch-katholischen
entweder die herrschende Kirche ausmachen, oder neben den Protestanten
leben;
leben,
wo sie also auf einer Seite nie die Rechte derselben kränken, noch zu Gegeneingriffen Gelegenheit geben, auf der andern aber wachen müssen, daß ihre
eignen
eigenen
Rechte nicht durch die Ansprüche jener beeinträchtigt werden, und daß, wenn man diese letztern oder die daher
entstehende
entstehenden
Bedrückungen auf gewisse Rechte gründet, alsdann die gute Sache der Protestanten nach den von den Gegnern selbst durch Friedensschlüsse und Verträge zu gestandenen protestantischen, oder selbst nach
kanonischen,
kanonischen
Rechten vertheidigt werde. – Ueberhaupt aber ist schon die Kenntniß des kanonischen Rechts sehr
nützlich
nützlich,
zu
besserer
beßrer
Einsicht und Beurtheilung der zwischen
unsrer
unserer
und der
römischkatholischen
römisch-katholischen
Kirche obwaltenden Streitigkeiten, die größtentheils ihren Grund in dem kanonischen Rechte haben; so wie dieses manches Zeugniß der Wahrheit gegen jene Kirche enthält, und die Unschuld oder Nothwendigkeit des Abgangs der Protestanten von jener Kirche rechtfertigt. – Endlich wird die Kenntniß dieses Rechts protestantische
Lehrer
Lehrer vorsichtig machen, aus falschen Begriffen von Toleranz oder aus Unkunde desjenigen, was
die
man
in der
römischkatholischen
römischcatholischen
römisch-katholischen
Kirche für Recht
halten
hält
, keine Schritte zu thun, wodurch man ihnen
Blößen
Blössen
giebt, oder etwas einräumt, wonach sie glauben können, in den Besitz gewisser Rechte gesetzt zu seyn, und sich nicht eine mögliche Vereinigung mit dieser Kirche zu erträumen, die allezeit auf Kosten der Protestanten gehen würde.
88
590
.
Aus dem bisher Gesagten erhellet schon, daß das Studium der geistlichen
Rechte
Rechte nicht jedem gleich nothwendig, wem es am unentbehrlichsten, und welche Arten derselben für einen Geistlichen
unsrer
unserer
Kirche die nothwendigsten
seyen
seien
; und da zugleich oben angegeben ist, worauf sich diese
verschiedene
verschiedenen
Arten
gründen:
gründen,
so sind
–
eben damit auch die
Quellen
Quellen
angezeigt, woraus jede dieser Wissenschaften zu schöpfen ist.
Vernunft
Vernunft und die
heil.
heilige
Schrift, so weit sie uns auf christliche
Kirchenrechte
Kirchenrechte führt, sind jedem zugängliche
Quellen;
Quellen,
und je fleißiger und
unbefangner
unbefangener
man
beyde
beide
, mit den gehörigen Kenntnissen und Hülfsmitteln ver sehen,
studiert:
studiert,
je
studiert, desto
mehr werden alte Vorurtheile in der geistlichen
Rechtsgelehrsamkeit
Rechtsgelahrtheit
verschwinden, und neue Aufschlüsse, wenigstens eine gründliche Ueberzeugung von den wahren geistlichen Rechten, entstehen. Noch ist hier nach jenen
zwey
beiden
Quellen, und zumal der ersteren,
Vieles
vieles
aufzuräumen; es fehlt auch wirklich noch an einem recht geläuterten und gründlichen
allgemeinen
Kirchenrecht. – Zur Kenntniß dessen, was in dem geistlichen Rechte positiv ist, und auf einer von Menschen beliebten Ordnung beruht, ist genauere Kenntniß der christlichen
Kirchengeschichte
Kirchengeschichte und Bekanntschaft mit solchen Sammlungen nöthig, welche die Gesetze und gesetzmäßige Einverständnisse enthalten.
89
591
.
Wem es, diese zu
brauchen,
gebrauchen
oder zu
verstehn
verstehen
, an Fähigkeit, Gelegenheit oder
Muße
Musse
fehlt, oder wer doch gern das Vornehmste dieser
Rechtswissenschaft
Rechtswissenschaft
mehr im Ganzen übersehen will,
dem möchten vorzüglich folgende Bücher zu empfehlen seyn
muß dazu die
Hauptwerke
benutzen
, die selbst in Rücksicht auf Geistliche unter den Protestanten und auf mehrere Verständlichkeit
für sie
für sie
die brauchbarsten
zu seyn scheinen:
sind.
Anm.
Für den
Anfang
Anfang
, in Absicht auf das
protestantische deutsche
und das damit verbundene allgemeine Kirchenrecht
gehören dahin
:
Wiesenhauern, Just Karl
Just
Carl Wiesenhavers
Karl Wiesenhaver's
Grundsätze des allgemeinen und besondern Kirchen-Staatsrechts der Protestanten in
Deutschland. Neue
Aufl.
Frankf.
Deutschland, neue Aufl., Frankfurt
und
Leipz.
Leipzig
1764.
in
8.
Mosheim, Johann Lorenz von
Johann Lorenz von Mosheim
allgemeines Kirchenrecht der Protestanten,
mit Anmerkungen von
Windheim, Christian Ernst von
C. E. von Windheim
,
Helmstädt
Helmstädt,
1760.
in
gr.
8.
und
und:
8., besonders nach der neuen trefflichen
Bearbeitung von
Günther, Christian August
G. A. Günther
, Leipzig 1800.
gr.
8.
Deutsches geist liches Staatsrecht, von
Majer, Johann Christian
Johann Christian Majer
, Lemgo 1773.
in
2
Theilen in
Theile,
8.
Schnaubert, Andreas Joseph
A. J. Schnaubert's
Grundsätze des Kirchenrechts der Protestanten in Deutschland, zweite Auflage, Jena 1795.
gr.
8. (Es macht
eine Abtheilung der Grundsätze des Kirchenrechts der Protestanten und Katholiken in Deutschland, von
Schnaubert, Andreas Joseph
Schnaubert
, dritte Auflage, Jena 1805.
, aus.)
Wiese, Georg Walter Vincent von
G. W. V. Wiese
Grundsätze des gemeinen in Deutschland üblichen Kirchenrechts, dritte Auflage, Göttingen 1805.
8., wozu als Commentar
dessen
Handbuch des gemeinen
etc.
, 3 Theile, Leipzig 1799–1804.
gr.
8. gehört. Schon der Titel zeigt, daß er das katholische Kirchenrecht nicht übersehen habe. –
Zur
ausführlichern Kenntniß
tiefern
und
vollständigern Kenntniß
aber:
Böhmer, Justus Henning
Justi Henningii Böhmeri
Jus Ecclesiasticum Protestantium
Ius ecclesiasticum protestantium
,
Edit.
3.
5.
Halae
Halae,
1730.
in
1789.
,
5
Tomis in 4.
Tomi, 4.,
und dessen
Jus
Ius
parochiale,
Edit.
4.
6.
Halae
Halae,
1730.
in
1760.
4.
Pfaff, Christoph Matthäus
Christoph Matthäi Pfaffen
akademische Reden
Erläuterungen
über das sowohl allgemeine als auch
deutsche
teutsche
protestantische Kirchenrecht,
Frankf. 1747.
in 4. und:
Frankfurt 1753.
4., und
Das
das
geistliche Recht der evangelisch-lutherischen Landesherren und ihrer Unterthanen in
Deutschland
Teutschland
, praktisch entworfen von
Lange, Heinrich Arnold
Heinrich Arnold Lang
,
Culmbach
Culmbach,
1786.
in
2
Theilen in
Theile,
gr.
8.
Das
gedachte
böhmerische
Böhmersche
Kirchenrecht dient zugleich zur Kenntniß des
kanonischen
, so fern man es
will
mit dem protestantischen
zu
vergleichen
lernen
wünscht, wozu auch
Schnaubert, Andreas Joseph
Schnaubert
und
Wiese, Georg Walter Vincent von
Wiese
sehr dienlich sind
.
–
Zur nähern Erkenntniß des kanonischen wäre rathsam, erstlich sich die Geschichte derselben aus
Spittler, Ludwig Timotheus von
Spitlers
und
Pertsch, Johann Georg
Pertschens
Geschichte (
s.
Anweis. zur Kenntniß theol. Bücher, §. 424.)
Spittler, Ludwig Timotheus von
L. T. Spitler's
Geschichte des kanonischen Rechts bis auf die Zeiten des falschen
Pseudo-Isidor
Isidorus
. Halle 1778.
Dr.
Pertsch, Johann Georg
E. G. Pertsch
kurze Historie des kanonischen und Kirchenrechts. Leipzig 1783.
, und
Planck, Gottlieb Jakob
G. J. Plank's
Grundriß einer Geschichte der kirchlichen Verfassung
etc.
Göttingen 1791.
8.
bekannt zu
machen,
machen;
alsdann ein gutes Handbuch, etwa
Riegger, Paul Josef von
Paulli Josephi a Riegger
Institutio
Jurisprudentiae Ecclesiasticae
Iurisprudentiae ecclesiasticae
,
Edit. nov.
Vindob.
1774.
in
1780.
,
4
Theilen in
Theile,
8.
zum Grunde zu legen,
oder
Böhmer, Georg Ludwig
G. F. Böhmeri
principia iuris canonici, speciatim iuris ecclesiastici publici et privati, quod per Germaniam obtinet.
Edit.
7. curavit
Schoenemann, Karl Traugott Gottlob
C. I. G. Schönemann
. Gotting. 1802.
gr.
8.
zu lesen,
und dann das
Corpus
Juris
Iuris
canonici selbst, nach der
böhmerschen
Böhmerischen
Ausgabe,
Halae
Halae,
1747.
gr.
4.
zu
studieren.
studieren, womit Hinsichts der neuesten Zeit zu vergleichen wäre:
Corpus iuris ecclesiastici Catholicorum novioris per Gemaniam. Collegit
Gärtner, Corbinian
C. Gaertner.
Salisb. 1797.
Just Carl Wiesenhavers Grundsätze des allgemeinen und besondern Kirchen-Staatsrechts der Protestanten in Deutschland. Neue Aufl. Frankf. und Leipz. 1764
Aus dem Titelblatt von Just Karl Wiesenhauerns (1719–1759)
Grundsätze[n] des allgemeinen und besondern Kirchen-Staats-Rechts der Protestirenden in Teutschland
(1764) geht nicht hervor, dass es sich um eine neue Auflage handelt. Die erste Ausgabe stammt aus dem Jahr 1749.
Johann Lorenz von Mosheim allgemeines Kirchenrecht der Protestanten, Helmstädt 1760
Wie in der dritten Auflage der
Anweisung
nachgetragen, wurde diese Ausgabe posthum von Christian Ernst von Windheim (1722–1766) besorgt und mit Anmerkungen versehen.
Bearbeitung von G. A. Günther, Leipzig 1800
Bearbeitung und Fortsetzung stammen von Christian August Günther (1758–1839).
eine Abtheilung der Grundsätze des Kirchenrechts der Protestanten und Katholiken in Deutschland, von Schnaubert, dritte Auflage, Jena 1805
Andreas Joseph Schnauberts (1750–1825)
Grundsätze des Kirchenrechts der Protestanten und Katholiken in Deutschland
(3. bzw. 2. Auflage 1805/1806) bestehen aus der dritten Auflage der
Grundsätze des Kirchenrechts der Protestanten in Deutschland
(1805) als erster und der zweiten Auflage der
Besondere[n] Grundsätze des Kirchenrechts der Katholicken in Deutschland
(1806) als zweiter Abteilung.
Justi Henningii Böhmeri Jus Ecclesiasticum Protestantium, Edit. 3. Halae 1730. in 5 Tomis
Die fünf Bände der dritten Auflage sind zwischen 1730 und 1763 erschienen, die vier Bände der in der dritten Auflage der
Anweisung
nachgetragenen fünften Auflage zwischen 1756 und 1789. Der fünfte Band der dritten Auflage (1763) enthält die Indices und wird bisweilen auch als fünfter Band der fünften Auflage gezählt.
Das geistliche Recht der evangelisch-lutherischen Landesherren […] praktisch entworfen von Heinrich Arnold Lang, Culmbach 1786. in 2 Theilen
Dieses Werk stammt von Heinrich Arnold Lange (1724–1783) und wurde posthum von Johann Jakob Lang (1731–1801) herausgegeben.
Spitlers und Pertschens Geschichte (s. Anweis. zur Kenntniß theol. Bücher, §. 424.)
Wie in der dritten Auflage der
Anweisung
aufgelöst, handelt es sich um Ludwig Timotheus von Spittlers
Geschichte des kanonischen Rechts bis auf die Zeiten des falschen Isidorus
(1778) sowie Johann Georg Pertschs (1694–1754)
Kurze Historie des Canonischen und Kirchen-Rechts
, die jedoch, wie an der angegebenen Stelle in der sog.
Bücherkenntniß
(vgl. I § 43) aufgeführt, im Jahre 1753 erschienen ist (s.u.).
Dr. E. G. Pertsch kurze Historie des kanonischen und Kirchenrechts. Leipzig 1783
Dieses Werk stammt von Johann Georg Pertsch (1694–1754) und ist 1753 erschienen (s.o.).
G. J. Plank's Grundriß einer Geschichte der kirchlichen Verfassung etc. Göttingen 1791
Gottlieb Jakob Plancks
Grundriß einer Geschichte der kirchlichen Verfassung
ist 1790 erschienen.
Paulli Josephi a Riegger Institutio Jurisprudentiae Ecclesiasticae, Edit. nov. Vindob. 1774. in 4 Theilen
Paul Joseph von Rieggers (1705–1775) vierbändige
Institutiones iurisprudentiae ecclesiasticae
sind sowohl im Jahre 1774 als auch im Jahre 1780 als
editio nova et emendata
in Wien erschienen.
G. F. Böhmeri principia iuris canonici, speciatim iuris ecclesiastici publici et privati […] curavit C. I. G. Schönemann. Gotting. 1802
Gemeint sind Georg Ludwig Böhmer (1715–1797) und Karl Traugott Gottlob Schoenemann (1765–1802).
Corpus Juris canonici selbst, nach der böhmerschen Ausgabe, Halae 1747
D.i. das
Corpus juris canonici
(1747) des an der Universität Halle wirkenden Juristen Justus Henning Böhmer (1674–1749), der bereits zuvor mit zwei Werken genannt ist (s.o.).
Corpus iuris ecclesiastici Catholicorum novioris per Germaniam. Collegit C. Gaertner, Salisb. 1797
Das
Corpus juris ecclesiastici Catholicorum novioris, quod per Germaniam obtinet
besteht aus zwei Bänden (1797/1799).
90
592
.
Die
Kenntniß
Kenntnisse
des
deutschen protestantischen
Privat-Kirchenrecht
Privat-Kirchenrechts
, das in verschiedenen Kirchen so verschieden ist, muß jeder aus der
Kirchenordnung
Kirchenordnung seines Landes und den dazu nach und nach
gekommnen
gekommenen
Landesverordnungen
schöpfen.
schöpfen, welche er theils in eigenen Schriften darüber, theils in Sammlungen mehrerer Kirchenordnungen findet.
Anm.
Mehrere
solche
Kirchenordnungen
verschiedner Provinzien
verschiedener Provinzen
enthält
z. B.
Moser, Johann Jacob
Joh. Jac.
Mosers
Moser's
Corpus iuris
Euangelicorum
evangelicorum
ecclesiastici,
Züllichau
Züllichau,
1737.
in zwey Quartbänden; kürzer
1737., zwei Quartbände.
Kürzer
und besser geordnet
kan
kann
man
aber
das Wichtigste aus solchen Kirchenordnungen in der
Pastoraltheologie
- -
von
Spoerl, Volckmar Daniel
Volkmar Dan. Spörl
,
Nürnberg
Nürnberg,
1764.
in
8.
übersehen.
Für
die preußischen
die preußischen
Kirchen findet man das Wesentlichste der Kirchenverordnungen
beysammen
beisammen
in
Beckher, Wilhelm Heinrich
Wilh. Heinr.
Beckhers
Beckher's
Kirchenregistratur
- -
des Königreichs
Preus sen
Preußen
, der
zweyten
2ten
zweiten
vermehrten Auflage,
Königsberg
Königsberg,
1769.
in 4.
4.,
mit der
Fortsetzung, 1773.
Fortsetzung 1773.,
und
in
Borowski, Ludwig Ernst von
Ludw. Ernst
Borowski
Borowski's
neuem
neuen
preußischen Kirchenstaat,
ebendaselbst
ebendaselbst,
1788.
4.
4., ferner:
Allgemeines
preußisches
Kirchenrecht
etc.
Dortmund 1798.
8., und
Bielitz, Gustav Alexander
G. A. Bielitz
Handbuch des preußischen Kirchenrechts. Leipzig 1818.
8. Auch
Deyling, Salomon
Sal. Deylingii
Institutiones iurisprudentiae pastoralis,
Ed.
3. auctior per
Küstner, Christian Wilhelm
Chr. Wilh. Küstnerum
, Lips. 1768.
8.
enthalten
auch
viel
Besonderes, vornemlich
Specielles
, vornehmlich
in Rücksicht auf die
sächsischen Kirchen.
sächsischen
Kirchen, wohin jedoch vorzüglich
Kees, Jakob Friedrich
J. F.
Kee's
Handbuch des protestantischen Kirchenrechts, nach den neuesten besonders kursächsischen Gesetzen. Leipzig 1791.
8.
gehört.
In Hinsicht auf die
churhannöverschen
Kirchen ist
Schlegel, Johann Carl Fürchtegott
J. C. F. Schlegel's
churhannöversches Kirchenrecht, 1ster und 2ter Theil, Hannover 1801 und 1802.
;
in Hinsicht auf die
mecklenburgschen
Siggelkow, Friedrich Wilhelm Christoph
(
Sippelkow's
) Handbuch des mecklenburgschen Kirchen- und Pastoralrechts. 3te
Aufl.
, Schwerin 1797.
u. a. m.
zu empfehlen.
Joh. Jac. Mosers Corpus iuris Euangelicorum ecclesiastici, Züllichau 1737. in zwey Quartbänden
Der zweite Teil ist 1738 erschienen.
Pastoraltheologie - - von Volkmar Dan. Spörl, Nürnberg 1764
Gemeint ist Volckmar Daniel Spoerls (1733–1807)
Vollständige Pastoral-Theologie aus den fürnehmsten Kirchen- und Landes-Ordnungen der, des H. Röm. Reichs Churfürsten, Fürsten und Stände
(1764).
Wilh. Heinr. Beckhers Kirchenregistratur - - des Königreichs Preussen, der zweyten vermehrten Auflage, Königsberg 1769. in 4. mit der Fortsetzung, 1773
Wilhelm Heinrich Beckhers (1694–1768)
Preußische[r] Kirchenregistratur, oder: Kurze[m] Auszug Königlich-Preußischer Edicten und Verordnungen, welche in Kirchen- und Schulsachen in dem Königreich Preußen publiciret worden
(
2
1769) ist, wie den weiteren Titelangaben zu entnehmen, eine von Friedrich Samuel Bock (1716–1786) verfasste Vita Beckhers vorangestellt. Ludwig Ernst von Borowski (1740–1831) hat die Fortsetzung
nebst einer Betrachtung, über die gegenseitige Verhältniße der Obrigkeit und des Predigers
(1773) herausgegeben.
Ludw. Ernst Borowski neuem preußischen Kirchenstaat, ebendaselbst 1788
Gemeint ist wohl Ludwig Ernst von Borowskis (1740–1831)
Neue Preußische Kirchenregistratur, die neuern Verordnungen und Einrichtungen in Kirchen- und Schulsachen im Königreiche Preußen enthaltend
(1788), die als Nachtrag zu Beckher (s.o.) zu verstehen ist.
Allgemeines preußisches Kirchenrecht etc. Dortmund 1798
Der vollständige Titel lautet
Allgemeines Preußisches Kirchenrecht, ein systematisch-geordneter Auszug desjenigen, was in dem allgemeinen Landrechte, und in der Gerichtsordnung für die Preußischen Staaten darauf Bezug hat, vorzüglich für Prediger, Candidaten und Kirchencollegia
(1798), als Herausgeber ist Franz Gotthilf Heinrich Baedeker (1752–1825) ermittelt.
Sal. Deylingii Institutiones iurisprudentiae pastoralis, Ed. 3. auctior per Chr. Wilh. Küstnerum, Lips. 1768
Der Titel von Salomon Deylings (1677–1755) Hauptwerk lautet
Institutiones prudentiae pastoralis
.
J. C. F. Schlegel's churhannöversches Kirchenrecht, 1ster und 2ter Theil, Hannover 1801 und 1802
Dieses Werk ist in insgesamt fünf Bänden erschienen (1801–1806).
(Sippelkow's) Handbuch des mecklenburgschen Kirchen- und Pastoralrechts. 3te Aufl., Schwerin 1797
Das
Handbuch des Meklenburgischen Kirchen- und Pastoralrechts
stammt von dem zumindest auf dem Titelblatt ungenannten Schweriner Kanzleirat Friedrich Wilhelm Christoph Siggelkow (1745–1807).
Zusatz des Herausgebers.
Daß auch nach der Reformation in dem protestantischen Kirchenwesen nicht Alles vollkommen, und noch fortdauernd viel zu verbessern übrig geblieben ist, haben die Unbefangenen zu allen Zeiten gefühlt; und es ist daher auch, wenigstens in manchen Ländern immerfort daran gearbeitet worden, so manche Ueberreste aus der katholischen Zeit wegzuschaffen, und so manchen Einrichtungen eine bessere, den Fortschritten des menschlichen Geistes und dem Bedürfniß der Zeit angemeßnere Gestalt zu geben. Daher ist auch hierin ein Land dem andern, selbst eine Provinz der andern voraus, ja sogar manche Stadt desselben Landes der andern, wenn es thätigen und exergischen Männern oder Konsistorien gelungen ist, diese und jene Verbesserung früher zu Stande zu bringen. Es ist aber auch Manches, was früherhin allgemein anerkannt und befolgt ward, nach und nach von selbst eingeschlafen, wo nicht verschwunden, weil die Zeit überhaupt einen andern Charakter angenommen hat.
Die neueste Zeit ist, aufgeregt durch die großen Begebenheiten, die wir erlebt haben, und in welchen Religion und Kirche selbst wieder mehr ein Gegenstand des allgemeinen Gesprächs und Nachdenkens geworden ist, vorzüglich fruchtbar an Vorschlägen und Versuchen gewesen, Altes umzugestalten, oder das Wankende wieder zu befestigen. Ganz besonders hat in dem Preußischen Staate die Organisation der Synodalverfassung Anlaß gegeben, und wird ihn noch ferner geben, vieles, was auf
Kirchenregiment, Kirchenordnung, Kirchenzucht
und
Kirchenvereinigung
, und über die Mittel, den Kirchen und der Religion selbst wieder aufzuhelfen, Beziehung hat, zur Sprache zu bringen. Es sind auch schon vorläufig manche Vorschläge dazu erschienen, welche, nachdem sie mehr oder minder in einem hierarchischen oder in einem liberalen Geiste geschrieben waren, auch mehr oder minder Widerspruch gefunden haben. Besonders verdienen von der einen oder der andern Seite beachtet zu werden:
Schuderoff, Johann Georg Jonathan
D. Schuderof's
Grundzüge zur evangelisch-protestantischen Kirchenverfassung zu einem neuen evangelischen Kirchenrecht. Leipzig 1817.
Greiling, Johann Christoph
J. C.
Greling
, Hieropolis über das Verhältniß des Staats und der Kirche. Magdeburg 1802.
Stephani, Heinrich
H. Stephani
absolute Einheit des Staats und der Kirche. Magdeburg 1812.
Versuch einer zweckmäßigen Verfassung der protestantischen Prediger mit Rücksicht auf das Herzogthum Berg. Düsseldorf 1807.
Greiling, Johann Christoph
J. C. Greiling
über die Urverfassung der apostolischen Christengemeinden, und biblischen Winke für die evangelischen Synoden. Halle 1819.
und ganz vorzüglich:
Spieß, Johann Christoph
J. C. Spieß
Versuch einer protestantischen Kirchenordnung nach den Bedürfnissen unserer Zeit. Duisburg 1808.
Die im Jahr 1818. den Synoden des
Preuß.
Staats zur Prüfung übergebene Anleitung zum Entwurf der Kirchenordnung, wird unstreitig noch immer mehr Anlaß zu gründlichen Erörterungen dieser nicht leichten Aufgabe an die Hand geben.
D. Schuderof's Grundzüge zur evangelisch-protestantischen Kirchenverfassung zu einem neuen evangelischen Kirchenrecht. Leipzig 1817
Die
Grundzüge zur evangelisch-protestantischen Kirchenverfassung und zum evangelischen Kirchenrechte
(1817) wurden durch den Ronneburger Oberpfarrer und Superintendenten Johann Georg Jonathan Schuderoff (1766–1843) zum Reformationsjubiläum herausgegeben, in dessen Rahmen er von der Theologischen Fakultät der Universität Jena den Doktorgrad erhielt. Für diesen dürfte das
D.
zu nehmen sein.
H. Stephani absolute Einheit des Staats und der Kirche. Magdeburg 1812
Heinrich Stephanis (1761–1850)
Über die absolute Einheit der Kirche und des Staates
ist 1802 in Würzburg erschienen, die zweite Auflage 1839 in Erlangen.
Versuch einer zweckmäßigen Verfassung der protestantischen Prediger mit Rücksicht auf das Herzogthum Berg. Düsseldorf 1807
Gemeint ist wohl der zweiteilige
Versuch, eine zweckmäßige Verfassung für den protestantischen Prediger- und Schullehrerstand zu entwerfen, mit Rücksicht auf das Herzogthum Berg
(1807), sein Verfasser ist Johann Abraham Küpper (1779–1850), ab 1801 Pfarrer in Mettmann, ab 1817 u.a. als Schul- und Konsistorialrat in Trier (hier taufte und unterrichtete er Karl Marx) und zuletzt ab 1846 Generalsuperintendent der Rheinprovinz. Neben Küpper (vgl.
Neuer Nekrolog der Deutschen
28 [1839], 405) wurde der anonym erschienene
Versuch
jedoch auch Friedrich Heinrich Christian Schwarz (1766–1837) zugeschrieben (vgl. aaO 15 [1839], 405).
J. C. Greiling über die Urverfassung der apostolischen Christengemeinden, und biblischen Winke für die evangelischen Synoden. Halle 1819
Johann Christoph Greilings (1765–1840)
Ueber die Urverfassung der Apostolischen Christengemeinen oder Biblische Winke für die Evangelischen Synoden
ist 1819 in Halberstadt erschienen.
Die im Jahr 1818. den Synoden des Preuß. Staats zur Prüfung übergebene Anleitung zum Entwurf der Kirchenordnung
Die im Sommer 1818 als Zirkularschreiben ergangene
Anleitung zum Entwurf der Kirchenordnung
stammt von Friedrich Ehrenberg (1776–1852), der im Jahr zuvor von Friedrich Wilhelm III. (1770/1797–1840) als Nachfolger von Friedrich Samuel Gottfried Sack (1738–1817) in das neu eingerichtete Kultusministerium berufen worden war und bereits den
Entwurf einer Synodalordnung
(1817) erarbeitet hatte. Vor dem Hintergrund der Unionsbestrebungen Friedrich Wilhelms, der Neuorganisation des preußischen Kirchenwesens und dem ausbrechenden Agendenstreit waren Kreis- und Provinzialsynoden aufgerufen, sowohl über den
Entwurf
als auch über die von Schleiermacher in einem Brief an Gaß vom 31.8.1818 als
erzhölzern
(vgl.
Fr. Schleiermacher's Briefwechsel mit J. Chr. Gaß
[1852], 154) bezeichnete
Anleitung
zu beraten, die in sechs Abschnitten (Von der Gemeine und dem Presbyterio; Von dem Prediger und dessen Amte; Von dem öffentlichen Gottesdienste und den heiligen Handlungen; Von der Pfarr-Schule und ihren Lehrern; Von den untern Kirchen-Bedienten; Von der Kirchenzucht) und 113 Paragraphen einen umfangreichen Aufriss bot und einzelne Fragen zur Diskussion stellte.
Vierter Theil. Von den Fähigkeiten eines künftigen Lehrers der Religion, und von den
allgemeinen
allgemeinern
Uebungen
Uebungen, wodurch er zu
einen
einem
solchen gebildet werden
kan
kann
.
91
593
.
Bey
Bei
allen Schritten, die ein Mensch mit Ueberlegung thut, und vorzüglich
bey
bei
der Wahl eines
Beruf
Berufs oder einer Beschäftigung, der er ganz eigentlich seine ersten Kräfte widmen will, wird er sich allezeit
zwey
zwei
Fragen vorlegen, wenigstens eher nicht wählen, als bis er von diesen
zwey
Puncten
Punkten
zwei Punkten
gewiß ist.
Erstlich:
Wenn
ich
er
eine gewisse
Absicht
Absicht
habe
hat
, was wird erfordert, wenn sie erreicht werden soll?
Hernach:
Bin ich
Sodann
: Ist er auch
der, der
dies
dieß
leisten
kan
kann
? oder wie
werde ich
kann er
es
werden
? – Wir haben bisher von dem
Zweck
Zweck der
Religion
Religion und des zu ihrer Förderung bestimmten Lehrstandes sowohl, als von den dazu nöthigen Wissenschaften, und der zu jenem Zweck diensamen Anwendung
derselben,
derselben
geredet, und dadurch den, der sich diesem Berufe widmen will, in den Stand zu setzen gesucht,
das
daß
überzeugend
einzusehn
ein zusehen
, was zur würdigen Bekleidung desselben erfordert werde. Noch ist also nur die
zweyte
zweite
Frage übrig, die eine sehr ernstliche Untersuchung verdient.
92
594
.
Denn,
Denn
gesetzt,
ich
er
hätte die
Fähigkeiten
Fähigkeiten nicht, die zur
Erfüllung
Erfüllung
meiner
seiner
Pflichten
Pflichten, als eines
Lehrer
Lehrers der
Religion
Religion, erforderlich sind;
ich
er
hätte auch keine gegründete
Hoffnung
Hoffnung,
sie durch gehörige Uebung
meiner
seiner
Kräfte zu erlangen; oder
ich
er
nähme
mir
sich
nicht einmal die Mühe, reiflich zu überlegen, ob
ich
er
sie hätte oder erlangen
könnte:
könnte?
was würden die Folgen davon seyn? – In Absicht auf
mich
ihn selbst
, – und wenn
ich
ich,
er
selbst keinen Geschmack an diesen Beschäftigungen fände, – daß
ich
er
dann die Pflicht
meines
seines
Beruf
Berufs entweder gar nicht, oder mit Widerwillen oder
Gleichgültigkeit, erfüllete
Gleichgültigkeit erfüllte
, und
mir alles
ihn Alles
, was
mir
ihm
das Vornehmste und Liebste seyn sollte, eine stete Quaal und elende
Sclavenarbeit
Sklavenarbeit
würde; – wenn
ich
er
aber doch noch diese Beschäftigungen liebte – daß
ich
er
dann auf die größtentheils vergeblich verwendete Mühe und Zeit, die
ich
er
hätte nützlicher und nutzbarer brauchen können, mit Reue zurück, so wie mit Gram in die Zukunft hinsehen müßte.
–
In Absicht auf
Andre
Andere
aber, wie muß
mir
dem
zu Muthe seyn,
wenn ich bedenke:
der bedenkt,
daß
ich
er
die
Erwartung
Erwartung derer, die
mich
ihn
zu diesem Stande berufen,
mir
ihm
ihre wichtigste Angelegenheit, die Sorge für die Religion, für ihr Gewissen, für ihre Gemüthsruhe, anvertraut haben, die
mich
ihn vielleicht
selbst deswegen von ihrem Vermögen erhalten, und
mich
von andern bürgerlichen Beschäftigungen lossprechen, wenn
ich
er
also diese und
meine
seine
Hauptabsicht nicht, wenigstens nicht mit
gebührenden
gebührendem
Fleiß, erfüllte noch erfüllen könnte; wenn
ich
er
ihnen zur
großen
grossen
Last
fiele;
fiele,
und Andern hinderlich gewesen wäre, die weit würdiger diesen Beruf würden bekleidet
haben? Wie
haben? – wie
sehr müßte dieses alles
mein
sein
Leben verbittern,
mir
ihm
selbst noch im Tode die angenehme Rücksicht auf ein bestmöglichst angewendetes Leben, und die
süße
süsse
Aussicht auf die Zukunft
rauben?
rauben!
93
595
.
Unumgänglich nothwendig also, ehe man sich dem
Beruf
Beruf
Berufe
eines
Lehrer
Lehrers der
Religion
Religion widmet, ist:
einmal,
zu wissen: ob man diesem Stande und den
darinn
darin
zu erfüllenden
Pflichten
Pflichten gewachsen
sey;
sei,
folglich wohl zu
untersuchen:
untersuchen,
welche Fähigkeiten dieser Beruf und dessen ganzer Umfang erfordert? und woraus man es abnehmen könne, daß man sie besitze oder nicht? damit man im Stande
sey
sei
, sich vernünftig und gewissenhaft zu prüfen.
Hernach
Sodann
,
zu untersuchen: durch welche Mittel oder Uebungen man diese Fähigkeiten, nebst den
bey
diesen
diesem
bei diesem
Beruf nöthigen Kenntnissen, erlangen und vermehren, und wie man diese Mittel aufs vortheilhafteste dazu anwenden könne.
Anm.
Diese Wahl
kan
kann
eigentlich dann erst recht geschehen, wenn man die Jahre des Verstandes erreicht, und diesen schon durch
mancherley
mancherlei
zusammenhängende Kenntnisse und Uebungen, überhaupt zu Wissenschaften, gebildet
hat;
hat:
und sie wird gemeiniglich zu der Zeit vollzogen, wo man die Schule verläßt, um sich nun näher zu einer bestimmten
Lebensart
Lebensart vorzubereiten. Aber nur sehr
wenige
Wenige
können zu dieser Zeit schon vernünftig und bestimmt genug
wählen; –
wählen,
weil die Wenigsten rechte Vorerkenntnisse von den sogenannten höhern Wissenschaften, ihrem
Umfang
Umfange
und ihren Erfordernissen besitzen;
–
weil die Meisten ihren
Verstand
Verstand
nicht genug gebildet haben, und zu sehr gewohnt sind, nach sinnlichen Eindrücken und dem
äusserlichen Reitz
äußerlichen Reitze
eines gewissen Standes zu urtheilen; und
–
weil nur Wenige so vorzüglich zu gewissen Beschäftigungen und Wissenschaften aufgelegt sind, daß
bey
bei
ihnen die Natur selbst unwidersprechlich für die ihnen angemessenste Beschäftigung entschieden hätte.
–
Daher sollte man schon auf
Schulen
Schulen,
Schulen
denen,
bey
bei
welchen man wirkliche Anlage zu Gelehrten bemerkte, eine allgemeine vorläufige Idee von allen Wissenschaften und dem, was dazu erfordert wird,
etwa nach der
Meinecke, Johann Heinrich Friedrich
Meineckschen
Synopsis eruditionis
vniuersae
vuiuersae
(§.
255
)
,
ja eine recht zweckmäßige Schulencyklopädie
geben;
bey
bei
allem
Schulunterricht
Schulunterricht ja auf
eignes
eigenes
Denken junger Leute, auf Uebung ihres Verstandes, und auf Hervorbringung einer zusammenhängenden Erkenntniß sehen; ihnen in Zeiten richtige Begriffe von der wahren Gestalt und dem eigentlichen
Werth äusserlicher
Werthe äußerlicher
Dinge in der Welt, so wie von dem rechten Zweck
verschiedner
verschiedener
Stände,
beybringen
beibringen
, und
sie,
sie
Rechtschaffenheit und Gewissen über
alles
Alles
schätzen
schätzen,
lehren; endlich, wenn man
bey
bei
ihnen nicht ganz entscheidende Talente für eine
besondre
besondere
Wissen schaft bemerkte, durch öftere Unterredungen und aufgegebene
Versuche,
Versuche
besondre
besondere
Gegenstände in gewissen Wissenschaften zu bearbeiten, zu entdecken suchen, wozu sie sich am besten schickten, und ihre Neigung besonders darauf leiten.
Meineckschen Synopsis eruditionis vniuersae
Vgl. I § 253; I § 255 a.
Erster Abschnitt.
Von den
Fähigkeiten
Fähigkeiten eines künftigen
Lehrer
Lehrers der
Religion
Religion.
94
596
.
Wir nehmen hier diese
Fähigkeiten
Fähigkeiten
in weiterm
im weitern
Verstande, und rechnen dahin: – die natürlichen
Kräfte
Kräfte
zu diesem
Beruf
Beruf – die zu dessen würdiger Führung
nöthigen
nöthige
Kenntnisse
Kenntnisse
– und die
Gemüthsfassung
Gemüthsfassung
, welche erfordert wird, die dahin
gehörige
gehörigen
Beschäftigungen gern und mit gewissenhaftem
Fleisse
Fleiße
zu treiben. Von dem
zweyten
zweiten
Stück ist schon bisher geredet worden; von den
beyden
beiden
übrigen also hier das Weitere.
Anm.
Man könnte noch
hieher
hierher
auch
äusserliche
äußerliche
Umstände
Umstände rechnen, auf die allerdings
bey
bei
der Wahl einer
Lebensart
Lebensart mit sollte gesehen werden, weil sie nicht nur auf das
äussere
äußere
Fortkommen und die
mehrere Möglichkeit
größere Wahrscheinlichkeit
, mit seinen Kräften und Kenntnissen recht nutzbar zu werden, sondern auch selbst auf die Entwickelung
unsrer Fähigkeiten,
unserer Fähigkeiten
einen
großen
grossen
Einfluß haben.
Indessen
Indeß
sollten sie nur dann eine Regel seyn, wonach wir eine Lebensart
wählten
wählen
, und eine
andre
andere
, wozu wir vorzüglich Fähigkeit und Neigung haben, fahren
ließen
lassen
, wenn es uns
entweder
durch die Umstände ganz unmög lich wird, diese
letztre
letztere
Lebensart zu ergrei fen,
oder
wenn diese Umstände die Uebernehmung der letztern oder die Zubereitung dazu gar zu sehr erschweren, und wir überzeugt sind, daß wir zu einer andern Lebensart eben so gut aufgelegt
seyn
seyen
, und nicht weniger Nutzen stiften können, als
bey
bei
derjenigen, die wir sonst
würden
, nach sorgfältiger Prüfung
unsrer
unserer
selbst,
würden
vorgezogen haben.
Ausser
Außer
diesen
zwey
beiden
Fällen würde man sein Gewissen und seinen innerlichen Beruf einem zeitlichen
Verlust
Verluste
oder Gewinn aufopfern. Selbst die
größeste
grösseste
größte
Armuth sollte
niemand
niemanden
abschrecken, denjenigen Beruf zu wählen, wozu er sich am fähigsten, und, nach vernünftigen Gründen, am geneigtesten erkennt. Sie erschwert
freylich
freilich
dem, der sich den Wissenschaften weihen will,
seinem
seinen
Beruf auf mehr als Eine
Art. Aber
Art; aber
sie giebt auch, wie alles Gefühl des Bedürfnisses, dem, der mit Verstand und redlichem Herzen gewählt hat, mehr Ermunterung zum angestrengten
Fleiß
Fleiße
; und es ist Unglaube und
Verleugnung
Verläugnung
der Vorsehung Gottes, sich nur
dadurch
abschrecken zu
laßen
lassen
. Wer auch mit sehr mittelmäßigen Umständen zufrieden ist, sich gehörig einzuschränken versteht, und sich durch
Tugenden
Tugenden
Freunde zu machen weiß, wird, wenn er wahren innern Beruf zum Studieren hat, gewiß nicht
verlaßen
verlassen
werden.
95
597
.
Die natürlichen
Kräfte
Kräfte
, welche hier in Anschlag kommen, sind: –
Kräfte der
Seele
Seele
– (oder, wie es
einige
Einige
nennen,
der gute
Kopf
Kopf
,
Kopf
oder das
Genie
Genie
, im Gegensatz gegen
Fleiß
Fleiß) –
Kräfte des Körpers
– und, weil es hier auf Bildung eines Lehrers ankommt – die
Kraft
oder
Gabe
Gabe,
sich wohl
auszudrucken
auszudrücken
.
Anm.
Ueber die
Geisteskräfte
Geisteskräfte und deren Prüfung, siehe den
treflichen
trefflichen
Versuch über die Prüfung der Fähigkeiten in der
Sammlung einiger Abhandlungen
von
Garve, Christian
Christian
Garve
Garve
,
Leipzig
Garve
, Leipzig,
1779
, in Octav,
1779. 8.
S.
8
flgg.
f.
Es versteht sich von selbst, daß – da der Umkreis von Beschäftigungen, der einem Lehrer der Religion in seinem besondern
Beruf
Berufe
angewiesen ist,
größer
grösser
und kleiner, einfacher und
zusammengesetzter
zusammengesetzter,
seyn
kan
kann
, zu so
verschiednen
verschiedenen
Aemtern nicht immer
ausserordentliche Menschen
außerordentliche Talente
erfordert werden,
und
ja
selbst
große
grosse
Fähigkeiten
Fähigkeiten in einem kleinen und
einfachen
beengten
Kreise das Interesse an gewissen Beschäftigungen schwächen, und leicht verleiten, über das Ziel hinauszulaufen – daß, sag' ich,
theils
diese Fähigkeiten nicht
bey
bei
allen
im hohen
in hohem
Grade brauchen vorhanden zu seyn,
theils
ein jeder sich, nach der besondern Art
von Fähigkeit wozu
der
seinigen
,
derjenigen
der
besondern Art von Beschäftigungen widmen müsse, die jenen am angemessensten
sind
ist
, und hinwiederum nach seinem vorzüglichen Geschmack an gewissen Beschäftigungen des Lehramts sich prüfen, ob und wie weit er dazu die ihnen
entsprechende
entsprechenden
Fähigkeiten
habe,
habe
oder erlangen könne.
Versuch über die Prüfung der Fähigkeiten in der Sammlung einiger Abhandlungen von Christian Garve Leipzig 1779, in Octav, S. 8 flgg.
Der Aufsatz
Versuch über die Prüfung der Fähigkeiten
findet sich in Christian Garves
Sammlung einiger Abhandlungen aus der Neuen Bibliothek der schönen Wissenschaften
(1779), 8–115.
96
598
.
Wir
empfinden
empfinden
, innerlich oder
äusserlich
äußerlich
, was wir uns als gegenwärtig vorstellen, oder was einen Eindruck auf uns macht, dessen wir uns bewußt sind; es
sey
sei
, daß wir es selbst wahrnehmen, oder daß es uns von Andern mitgetheilt werde, in so fern wir es bloß auffassen, und zu
unsrer eignen
unserer eigenen
Vorstellung machen. Das Vermögen zu
empfinden
empfinden,
verschafft uns alle
Vorstellungen
Vorstellun gen, die hernach erst die Seele vergleichen, bearbeiten und anwenden
kan
kann
, und seine gute Beschaffenheit hat also einen Einfluß auf die
Vollkommenheit
Vollkommenheit desjenigen, was
unsre
unsere
übrigen
Seelenkräfte
Seelenkräfte hervorbringen. – Die Vollkommenheit
dieser Kraft
des
Empfindungsvermögens
läßt sich
daraus abnehmen: –
am sichersten
im
folgenden Merkmalen erkennen: – 1)
wenn jemand viel Wißbegierde hat; wenn ihm also alle Gelegenheit willkommen ist, wo er etwas lernen, und je der Vorfall, Umgang, jedes Buch
u. d. gl.
u. dgl.
um so weniger für ihn anziehend, je weniger er daraus etwas
Neues
Neues,
oder das Bisherige besser lernen
kan; –
kann; 2)
wenn ihm die Art der Sache, und ob sie gut oder schlecht, brauchbar oder nicht
sey
sei
, nicht gleichgültig ist, sondern seine
Wißbegierde
Wißbegierde desto mehr erregt und unterhalten wird, je mehr er den Werth einer solchen Sache wahrnimmt; welches beweiset, daß ihn nicht Eitelkeit oder nur Liebe zu Veränderungen, sondern vernünftige Wißbegierde
leite; –
leite; 3)
wenn er nicht unter
vielerley
vielerlei
Dingen herumirrt, und
alles
Alles
ergreift, was sich ihm darstellt, sondern
bey
bei
besondern Eindrücken gern stehen bleibt, die Auf merksamkeit fest daran heftet, sie genau aufzufassen sucht; weil dieses ein Zeichen der Thätigkeit und des Interesse für eine Sache
ist; –
ist; 4)
wenn er weniger Vergnügen an übersinnlichen als an sinnlichen
Vorstellungen
Vorstellungen hat,
bey
bei
den ersten wenigstens immer geschäftig ist, sie sich durch Bilder und
Beyspiele
Beispiele
zu versinnlichen; ein Beweis, wie thätig die
Empfindungskraft
Empfindungskraft
sey
sei
, und wie wenig sich die Seele selbst Genüge thue, wenn sie nicht empfinden
kan; –
kann; 5) wenn
eben deswe gen
, wenn
jemand sich nicht mit Worten begnügt, ohne
dabey
dabei
etwas Bestimmtes zu denken, und wenigstens die Einbildungskraft arbeitet, um den Abgang der Empfindung oder
deutlich
deutliche
Begriffe
Begriffe zu
ersetzen; –
ersetzen; 6)
wenn man sich desjenigen, was man ehedem empfunden hat, leicht genau wieder erinnern
kan
kann
; ein Zeichen, daß man die Sache gut aufgefaßt
habe; –
habe; 7)
wenn die Begierden, die aus gewissen Empfindungen entspringen, lebhaft, und noch mehr, wenn sie dauerhaft sind, und durch die Erinnerung des Empfundenen die Leidenschaft leicht wieder erregt wird; jenes, ein Zeichen von einer lebhaften,
dies
dieß
ein Zeichen
von
einer tiefen Empfindung; – endlich,
8)
wenn es uns leicht wird, uns in Anderer Lage zu versetzen, die uns gewisse Vorstellungen mittheilen, oder deren Ereignisse oder Handlungen uns erzählt
werden; obgleich dabey
werden. Obgleich dabei
auch andere Seelenkräfte, so wie gute Kenntniß der Sprache,
worinn
worin
uns etwas vorgestellt wird,
mit wirken; denn
mitwirken; so beweiset
es
beweiset,
doch auch
die
Fähigkeit
Fähigkeit,
leicht mit zu empfinden.
Anm.
Wie sehr uns
diese glückliche Empfindung
ein solches glückliches Empfindungsvermögen
, in Absicht auf Theologie, insbesondere
bey
bei
allen Gegenständen der
Erfahrung
Erfahrung, wie
sehr
es
sie
bey
bei
Auslegung der heiligen Schrift,
bey
bei
dem Studium der Geschichte, wenn wir uns
andrer
Anderer
Vorstellungen und Meinungen bekannt zu machen haben, und sie gerecht beurtheilen wollen,
bey
bei
dem Gefühl der Bedürfnisse
unsrer
unserer
Zuhörer,
bey
bei
Theilnehmung an ihren Umständen,
bey
bei
einer anziehenden und lebhaften Darstellung für sie, zu Statten komme, bedarf kaum einer Erinnerung. Es läßt sich auch leicht absehen, zu welchen Theilen der Theologie ein Mensch von guter Empfindungskraft, wenn
sonst
alles
Alles
gleich ist, am meisten aufgelegt
sey
sei
, und welche man vorzüglich studieren müsse, wenn man dieses Vermögen üben und verbessern wolle.
97
599
.
Das
Gedächtniß
Gedächtniß
, oder die Kraft der Seele, wodurch das Wahrgenommene erhalten wird, und wodurch wir uns der Vorstellungen eben so, wie ehedem, wieder bewußt werden, stellt entweder die Sachen wieder dar, ohne daß wir uns anzustrengen oder zu besinnen brauchen, oder es erfordert Anstrengung, um durch eine erweckte Vorstellung andere damit verbundene zu erwecken. Jenes könnte man das
mechanische
, dieses das
intellectuell
intellectuelle
nennen. – Ob man
jenes
habe,
kan
kann
man daraus wissen, wenn wir leicht, selbst wörtlich, etwas auswendig lernen können, selbst das,
wobey
wobei
wir wenig oder nichts denken, oder was wenig oder nicht zusammenhängt, wenigstens mit dem, dessen wir uns zugleich erinnern, in keinem natürlichen Zusammenhange steht; auch zum Theil, wenn wir uns überhaupt aufgelegter und geneigter zum
Lernen,
Lernen
als zum
Nachdenken
Nachdenken,
Nachdenken
finden.
–
Das
Letztere
Letztere
aber, wenn es uns leicht wird, natürlich zusammenhängende Dinge zu behalten, und durch diesen Zusammenhang Vorstellungen wieder zu erwecken. – Da eigentlich das Gedächtniß die sonst gehabten Vorstellungen, wenigstens für die Erkenntniß, dauerhaft, und sie für die Zu kunft brauchbar macht; da kein
Fortschritt
Fortschritt und Wachsthum in der
Erkenntniß
Erkenntniß möglich ist, ohne wenn das in
unsrer
unserer
Erkenntniß bleibt, was wir schon wissen, und wo wir etwas hinzu lernen; da die Schnelligkeit und zum Theil die
Zuverläßigkeit
Zuverlässigkeit
im Denken davon abhängt, daß uns das Gedächtniß
alles
Alles
, was und wenn wir es brauchen, wiedergiebt: so sieht man die Unentbehrlichkeit des guten Gedächtnisses.
Anm.
Anm.
1.
Anm.
1)
Es ist also
thöricht:
thöricht,
zu
schließen
schliessen
, daß dem, der ein gutes Gedächtniß habe, ein desto kleineres Maaß vom Verstande müsse zu Theil
worden
geworden
seyn; sich um so mehr vielen
Verstand
Verstand einzubilden, je schwächer unser Gedächtniß ist; zu glauben, daß Verstand den Abgang des Gedächtnisses hinlänglich ersetze; oder gleichgültig gegen die Erhaltung und Uebung des Gedächtnisses zu seyn. Jene Irrthümer oder Einbildungen rühren von Verwechselung der
beyden
beiden
angegebenen Arten des Gedächtnisses
her.
her, und werden durch die Beispiele so vieler trefflichen und geistvollen Gelehrten, die ein vorzüglich bewundernswürdiges Gedächtniß hatten, widerlegt.
Anm.
Anm.
2.
2)
Da Erinnerung gleichsam nur perennirende Empfindung ist, oder das Gedächtniß nur gemachte Wahrnehmungen
aufbehält
aufhebt
und wiedergiebt: so gilt, in Absicht auf
besondre
beson dere
Theile der Theologie, hier eben das, was in der Anmerkung zum vorigen
§en
§.
von dem Vermögen zu empfinden gesagt wurde. Für den, dem es an
mechanischen
mechanischem
Gedächtniß fehlt, wird das Studium der angeblichen
Gedächtnißwissenschaften
Gedächtnißwissenschaften doch sehr erleichtert, wenn ihre Theile nicht als abgerissene Stücke, sondern im Zusammenhange studiert werden, wenn die Geschichte bündig und pragmatisch, und eine Sprache nach allgemeinen Regeln und philosophisch studiert wird. Je gründlicher man eine jede Disciplin, und je mehr man sie im Zusammenhange studiert, desto leichter läßt sie sich auch behalten, und das Gelernte wieder erinnern.
{Dagegen ist die Anwendung einer künstlichen
Mnemonik
Mnemonik
oder Gedächtnißkunst ein ganz vergebliches Beginnen. (
S.
Niemeyer, August Hermann
Niemeyer's
Grundsätze der Erziehung, 1ster Theil,
S.
489 der 2ten Ausgabe
.)}
Niemeyer's Grundsätze der Erziehung, 1ster Theil, S. 489 der 2ten Ausgabe
Im ersten Band der dritten Auflage der
Anweisung
(1818) sind Niemeyers
Grundsätze
noch in der sechsten Auflage (1810) angeführt worden (vgl. I § 64 c), hier ist dagegen der erste Teil der siebenten Auflage (1818/1819) gemeint. Der Titel der fünften Beilage des ersten Teils (1818) lautet
Ueber die Uebung der Gedächtnißkraft, mit Rücksicht auf die neuesten Bearbeitungen der Mnemonik
(aaO 489–515).
98
600
.
Was man empfunden und was das
Gedächtniß
Gedächtniß aufbehalten hat, das verarbeitet unsere
Seele
Seele auf mehr als Eine Art. Zuvörderst durch
Zusammenstellung
Zusammenstellung
solcher Dinge, die sie ehedem einzeln empfunden hat, oder deren Eindrücke, ohne daß sie sichs selbst bewußt ist, so
zusammenfließen
zusammenfliessen
, daß sie dadurch neue Vorstellungen von vorher noch nicht erkannten Dingen bekommt, die Empfindungen zu seyn scheinen, weil und
so ferne
sofern
sie sich die Art nicht angeben
kan
kann
, wie sie dieselben zusammengesetzt hat. Man nennt diese Kraft der Seele,
Einbildungskraft
Einbildungskraft
(Imagination). Sie ist also eine Kraft,
theils
Empfindungen zu erneuern, und dadurch tritt sie in die Stelle des Vermögens zu empfinden,
theils
sich neue Empfindungen zu verschaffen, die nicht, wie
bey
bei
der Empfindungskraft, durch
bloße
blosse
einzelne Eindrücke, sondern durch deren Zusammenhang entstehen. Je richtiger sie jene wiedergiebt, und je richtiger,
d. i.
je mit einander verträglicher, sie die ehemals empfundenen Sachen
zusammenstellt.
zusammenstellt,
desto
zuverläßiger
zuverlässiger
ist
sie. Je
sie; je
mehr sie solche Verbindungen machen, oder je mehr sie Aehnlichkeiten und mit einander
beysammen
beisammen
mögliche Dinge wahrnehmen
kan
kann
, desto
fruchtbarer
fruchtbarer
ist
sie. Je
sie; je
mehr sich den wiederholten
Empfinduugen
Empfindungen
beson dre
besondere
Umstände
derselben
derselben,
oder Wahrnehmungen des
Nutzen
Nutzens von dem Empfundenen,
beymischen
beimischen
, desto
lebhafter
lebhafter
ist sie.
99
601
.
Sie ist nicht nur eine sehr ergiebige und unerschöpfliche Quelle neuer Entdeckungen, sondern sie verstärkt auch die ehemaligen Empfindungen selbst; sie ist daher ein unschätzbares Mittel, die menschliche
Erkenntniß
Erkenntniß vollkommner zu machen, und ihren
Einfluß
Einfluß auf das Herz zu befördern. Sie bildet in allen Wissenschaften die Erfinder, sie bildet den klugen Mann und den Redner, oder jeden, der im Umgang oder durch seinen
Vortrag
Vertrag
auf
Andre
Andere
wirken soll. Wenn man diese Kraft oder deren
größre
größere
Vollkommenheit glaubte in der Theologie entbehren zu können, weil man wähnte, daß die Natur der (geoffenbarten, oder durch
kirchlichen Willkühr
kirchliche Willkür
einmal festgesetzten)
Theologie
Theologie keine neuen Aussichten erlaubte: so sollte man doch ihre Nothwendigkeit
bey
bei
dem erbaulichen oder wirklich eindrücklichen Vortrage und der ganzen
Amtsführung
Amtsführung eines Geistlichen anerkennen. Selbst die so leichten, ungeheuren, und für die ganze Religion gefährlichen Ausschweifungen der
Einbildungskraft
Einbildungskraft, machen es zur
großen
grossen
Pflicht, an der steten Verbesserung dieser unter allen
Seelenkräfte
Seelenkräften am meisten zu Ausschweifungen geneigten
Kraft
Imagination
zu arbeiten.
100
602
.
Kennzeichen, daß es
jemanden
jemandem
an
Einbildungskraft
Einbildungskraft
Einbildungskraft
nicht fehle, sind schon zum Theil die Eigenschaften, welche oben (§.
96
598
) bey
96.
) bei
dem Vermögen zu empfinden angegeben sind, weil und so fern die Einbildungskraft
ehemaliger
ehemalige
Empfindungen
Empfindungen wieder erneuert;
z. B.
Abgeneigtheit von
trocknen
trockenen
, übersinnlichen, und Streben nach bildlichen
Vorstellungen
Vorstellungen. So fern sich aber diese Kraft im
Zusammenhang
Zusammensetzen
Zusammenhange
zeigt, dient Folgendes, diese Fähigkeit
bey
bei
sich zu
entdecken. –
entdecken. 1)
Schon der starke Reitz, den das Neue für uns hat, wenn
nemlich
nämlich
dieses Neue nicht in bisher uns ganz unbekannten Dingen, sondern in der Gestalt und
Darstellung
Einbildung
auch des sonst
Bekannten,
Bekannten
(nicht in der Materie, sondern in der
Form,) liegt. –
Form) liegt. 2)
Vergnügen an Aufsätzen, die sich durch schöne Darstellung und durch das Unterhaltende des Vortrags
empfehlen. –
empfehlen. 3)
Theilnehmung an
allem
Allem
, was Leidenschaften erregt und unterhält, und über haupt an dem, was auf das Herz
wirkt. – Oeftre
wirkt. 4) Oeftere
Wahrnehmung solcher Gemüthsbewegungen
bey
bei
sich, die sich aus unsern gegenwärtigen Empfindungen nicht erklären
laßen
lassen
. – Die Gabe, Andern wahre oder erdichtete Begebenheiten gut und darstellend zu erzählen, oder Personen auf diese Art zu
charakterisiren. –
charakterisiren. 5)
Die Hinlänglichkeit eines
bloßen
blossen
Winks, oder einer
bloßen
blossen
Andeutung und
Veranlaßung
Veranlassung
, um auf eine detaillirte Vorstellung einer Sache und ihres Ganges gebracht zu
werden,
werden, –
und die an uns gemachte Bemerkung der Gabe, in den Wissenschaften bisweilen durch glückliche
Sprünge
Sprünge auf Entdeckungen zu kommen, oder auch sonst aus einer Menge von erkannten Umständen augenblicklich den Erfolg abzunehmen, ohne sich in
beyden
beiden
Fällen seines Schlusses bewußt zu seyn; überhaupt die Gabe, eine ganze Reihe von Vorstellungen mit
einem
Einem
Blick zu übersehen.
101
603
.
Die Richtigkeit oder Regelmäßigkeit
unsrer
unserer
Einbildungskraft
Einbildungskraft können wir
aber
danach erproben:
–
wenn wir
bey
1) bei
dem in
einzelnen
einzeln
Fällen von ihr genommenen
Gange
Gange,
das Wahrscheinliche von dem Unwahrscheinlichen, das Schickliche von dem Unschicklichen, das mit einander Verträgliche von dem Unzusammenhängenden wohl und schnell zu
unterscheiden
unterscheiden wissen;
–
wenn wir
2)
etwas mit seinen
Umstände
Umständen so gut zu erzählen verstehen, daß Andere es, auf diese Art erzählt, wahrscheinlich und begreiflich finden, oder wenn Andere durch unsere gemachte Beschreibung von gewissen Personen oder
Handlungen
Handlungen,
beyde
beide
völlig als dieselben wieder erkennen;
–
wenn
3)
das, was wir nach gewissen vorausgesetzten Umständen vorhersehen, genau
eintrift
eintrifft
, oder wir doch,
bey
bei
genauerer Prüfung, einsehen, daß es
so
würde eingetroffen seyn, wenn nicht manche veränderte besondere Umstände dem
Lauf
Laufe
der Sache eine andere Richtung gegeben
hätten;
hätten; –
und
überhaupt,
–
überhaupt, 4)
wenn das, was ein Werk
unserer
einer
Imagination
Imagination ist, in deutliche Begriffe
aufgelöset
aufgelöst
, denkbar
erscheinet
erscheint
, und dessen Theile, mit einander verglichen, wohl zusammenhängend gefunden werden.
102
604
.
Diese Beurtheilung ist ein Werk des
Verstand
Verstandes
, oder des Vermögens zu
deutlich
deutlichen Vorstellungen, dem also die
Scheidung
Scheidung
der empfundenen Dinge und ihrer Theile zukommt, so wie der
Einbildungskraft
Einbildungskraft ihre Zusammensetzung; der auch, indem er verschiedene Dinge vergleicht, das Aehnliche und Verschiedene derselben entdeckt, und das, was sie mit einander gemein haben, von dem, wodurch sie sich von einander unterscheiden, absondern, und dieses Gemeinschaftliche in einen allgemeinen Begriff vereinigen
kan, wobey
kann, wobei
also ganz von den
Dinge
Dingen
selbst abgesehen wird, und nur die ihnen gemeinsamen
Eigenschaften
Eigenschaften
als Eins betrachtet werden.
Freylich
Freilich
nimmt auch die Einbildungskraft, welche einzelne Empfindungen zusammensetzt, dieses Aehnliche und Verschiedene
einzelner
einzler
Dinge wahr, aber nur undeutlich, und so,
das
daß
sie das Aehnliche oder das Gemeinschaftliche anders nicht, als mit den Dingen zugleich und in denselben, vorstellt. Daher hat man dieses Vermögen der Seele, sich dieses Gemeinschaftliche undeutlich und unabgesondert von den Dingen vorzustellen, den
praktisch
praktischen
Verstand
Verstand
genennet
genannt
(§.
77
77.
genennet – (§
579.
), in so fern sie eben das,
nemlich
nämlich
die
Wahrnehmungen
Wahrnehmung
dessen, was mehrere Dinge gemein haben, durch die Einbildungskraft, in Absicht auf undeutliche Vorstellungen,
verrichtet
rrichtet
, was sie durch den Verstand, vermittelst deutlicher Vorstellungen, vermag; hingegen hat man das Vermögen der Seele, sich dieses deutlich vorzustellen, mit
den
dem
Namen des
theoretisch
theoretischen
oder
speculativ
speculativen Verstandes
belegt.
Anm.
Praktisch
nennt man jenen Verstand, weil in Geschäften (Praxi) des Lebens undeutliche Wahrnehmung des Aehnlichen und Unähnlichen der Dinge zureicht; und, obgleich derselbe mit der Einbildungskraft
einerley
einerlei
ist, so fern diese auf die Bemerkung des Aehnlichen oder Unähnlichen
bey
bei
einzelnen Dingen angewendet wird, so hat doch dieselbe uneigentlich den Namen des
Verstandes
wohl deswegen erhalten, weil der Verstand sich mit deutlichen Begriffen beschäftigt, also das
Unterschiedne
Unterschiedene
in den einzel nen Dingen von einander, mithin auch die Eigenschaften der Dinge von den Dingen selbst, trennt.
103
605
.
Wenn die
Seele
Seele nicht bloß einzelne Dinge, sondern ihre Uebereinstimmung oder das Gegen theil, kurz, ihre
Verhältnisse
Verhältnisse, folglich auch nicht bloß das Einzelne, sondern auch das Gemeinschaftliche und
Allgemeinere,
Allgemeinere
wahrnehmen
kan
kann
: so könnte man dieses Vermögen
Verstand
Verstand
nennen; er möchte es deutlich oder undeutlich wahrnehmen, abgesondert von den Dingen selbst, oder mit ihnen, und so ist, wie gesagt, abzusehen, warum man diese Wahrnehmung, die, so fern sie undeutlich ist, der Einbildungskraft zukommt,
praktisch
praktischen
Verstand
genannt hat. – Ein Kennzeichen des Verstandes überhaupt – im Unterschiede von dem Vermögen zu
empfinden,
empfinden
oder wieder zu empfinden, oder bloß zusammen zu setzen, ohne auf das Allgemeine zu
merken,
merken
– ist es: wenn man
bey
bei
sich Trieb und Fähigkeit findet, nicht bloß Kenntnisse zu empfangen, oder Andern nachzuempfinden, nachzuglauben und nachzusprechen, sondern zu
prüfen
prüfen, ob sie wahr und gut sind, und warum sie es sind; selbst zu untersuchen, und
ausfündig
ausfindig
zu machen; sich nicht mit Kenntnissen einzelner Dinge zu begnügen, sondern sie im
Zusammenhang
Zusammenhang
Zusammenhange
zu
betrachten,
betrachten
und darein zu bringen; nicht
bey
bei
dem
Einzelnen
Einzeln
stehen zu bleiben, sondern das Allgemeine abzuziehen, und wieder in ähnlichen Fällen anzuwenden. Wer nur Wißbegierde, und nicht auch
Wahrheitsliebe
Wahrheitsliebe besitzt; wer leicht glaubt, und
eigne
eigene
Untersuchung scheut; wer in Sprachen, in der Geschichte, in den schönen, und überhaupt in Wissenschaften, mit historischen Kenntnissen zufrieden ist, oder sich mit dem Mechanischen begnügt, ohne Alles ins Allgemeine zu führen, sich Grundsätze, Regeln oder Maximen aus den Beobachtungen abzuziehen, und ihre
Anwendung
Anwendung in ähnlichen Fällen zu denken: der
kan
kann
auf Verstand gewiß wenig oder gar keinen Anspruch machen.
104
606
.
Da der
praktisch
praktische
Verstand
Verstand
eigentlich eine Art der
Einbildungskraft
Einbildungskraft ist (§.
102
):
604
):
102.
),
so sind die Merkmahle, woraus man diese abnehmen
kan
kann
(§.
100
602.
100.
), auch Merkmahle von jenem, doch nur alsdann, wenn zugleich die Merkmahle des Verstandes überhaupt (§.
103
605.
103.
) damit verbunden sind. Man
kan
kann
ihn am besten in Geschäften, wo es auf das Schickliche, auf Wahrscheinlichkeit, Klugheit, Wohlstand und Unterhaltung ankommt, wo auf
besondre
besondere
Umstände Rücksicht zu nehmen ist, wo es einer schnellen Uebersicht vieler, auch kleinen Umstände, und einer schnellen
Entschließung
Entschliessung
bedarf, und in solchen Wissenschaften, bemerken, die dergleichen nicht im strengsten Verstande
(§.
264.
Anm.
3.)
sind, und mehr
besondre
besondre,
besondere
als allgemeine Dinge zum
Gegenstande
Gegenstand
haben, –
da
kan
kann
man ihn eigentlich kennen lernen, und auch da ist er am unentbehrlichsten.
105
607
.
Hingegen zeigt sich der eigentliche oder
theoretisch
theoretische
Verstand
Verstand
(§.
102
102.
)
, der
vornemlich bey
vornehmlich bei
Wissenschaften nothwendig ist,
–
an dem Trieb und Bestreben,
alles
Alles
sich zu verdeutlichen; nicht nach dem
Ob?
nicht sowohl nach dem
Wie?
als nach dem
Warum?
zu fragen; die Gedan ken nicht nach einer oder mehrern Seiten zu betrachten, sondern alle Seiten aufzusuchen und zu
erwegen
erwägen
; die
Gründe
Gründe für Alles bedächtig und langsam abzuwägen; überall gemessene
Ordnung
Ordnung,
Methode
Methode zu beobachten und zu
classificiren
claßificiren
; an der Liebe, mehr zur bestimmten und gründlichen, als lebhaften Erkenntniß; und an der Fähigkeit, allgemei ne Dinge und Sätze als abgesonderte Gegenstände der Betrachtung, oder sie ohne Bilder und
Beyspiele
Beispiele
, zu denken und zu behandeln.
Anm.
Es wäre
überflüßig
überflüssig
, die vorzügliche Nothwendigkeit des Verstandes
bey
bei
dem Studium und der Anwendung der Theologie darzuthun, oder
diejenige
diejenigen
Theile derselben, wo er besonders sich zeigen muß, anzugeben. – Es scheint eben so
überflüßig
überflüssig
, von dem
Witz, Scharfsinn, Geschmack
und
Genie
, oder der Nothwendigkeit dieser Fähigkeiten, besonders zu reden. Denn
Witz
Witz
(im weitern Verstande) oder das Vermögen, die
Aehnlichkeit
Aehnlichkeit
, und
Scharfsinn
Scharfsinn
, oder das Vermögen, die
Verschiedenheit
Verschiedenheit
der Dinge, sinnlich oder
deutlich,
deutlich
zu erkennen, erfordert eben sowohl Einbildungskraft als
Verstand,
Verstand;
der Witz mehr jene, der Scharfsinn mehr diese.
Hienach
Hiernach
und durch Vergleichung dessen, was bisher von den Kennzeichen der Einbildungskraft und des Verstandes gesagt worden,
kan
kann
man bald von selbst finden, ob und wie weit uns gedachte Fähigkeiten zu Theil
worden
geworden
sind. – Eben
dies
dieß
gilt in seiner Art von dem
Geschmack
Geschmack
und dem
Genie
Genie im engern Verstande
(
Theil 1. §.)
(§.
270
)
. Das
Letztere
letztere
bildet den eigentlichen Er finder. Weil aber unter mehrern Fähigkeiten doch
bey
bei
jedem, der sie besitzt, eine am meisten hervorsticht, und diese von den übrigen nur unterstützt wird, auch jeder, unter den
verschiednen
verschiedenen
Gegenständen der Wissenschaften, zu Einem mehr aufgelegt und geneigt
ist,
ist
sich damit zu beschäftigen, als mit einem
Andern:
andern:
Andern;
so entstehen daher
verschiedne
verschiedene
Arten des
Genie's
,
Genie's
:
ein
exegetisches
z. B.
dichterisches z. B.,
ein historisches, ein speculatives, praktisches
u. d. gl.
u. dgl.
, die ein jeder, wer Genie hat, bald an sich erkennen, und sehen wird,
welche
Arten von Wissenschaften er vorzüglich trei ben sollte. –
S.
mit mehrern den
Versuch über den Geschmack
,
von Alexander
Gerard, Alexander
Gerard
, (übersetzt)
Gerard
(übersetzt),
Breslau 1766.
in
8., und
Ebendesselben
Versuch über das
Genie
, (übers.) Leipz.
Genie
(übersetzt), Leipzig
1766.
in
8.
{Die neuen Psychologen weichen zwar in dem Audruck, und selbst den Erklärungen mehrerer in den nächst vorhergehenden §§. erörterten Begriffe von den Seelenvermögen ab; indeß harmoniren sie doch in der Hauptsache, und eine Vergleichung der Ansichten würde theils zu weit führen, theils außer dem Plan dieser Schrift liegen, die vielleicht hier schon selbst zu sehr in ein fremdes Feld übergegangen ist.
A. d. H.
}
Theil. I. §.
Für den späteren Nachtrag ist die Paragraphenzahl offengelassen (vgl. I § 120 a; III § 77). Da in der ersten Auflage der
Anweisung
an dieser Stelle auf § 270 verwiesen wird, dürfte in der zweiten Auflage § 268 gemeint sein. Zudem wird in der dortigen Anmerkung auf III § 105 verwiesen.
Versuch über den Geschmack, von Alexander Gerard, (übersetzt) Breslau 1766
Die Übersetzung von Alexander Gerards (1728–1795)
An Essay on Taste
(1759) stammt von Karl Friedrich Flögel (1729–1788), der nach dem Studium in Halle zunächst in den Schuldienst in seiner Heimatstadt Breslau eintrat und schließlich als Professor für Philosophie an die nahegelegene Liegnitzer Ritterakademie berufen wurde. Neben Flögels Übersetzung enthält der in Breslau und Leipzig erschienene Band zudem
Zwo Abhandlungen über eben die Materie vom Herrn von Voltaire, und Hrn. v. Alembert
.
Ebendesselben Versuch über das Genie, (übers.) Leipz. 1766
Die von Christian Garve besorgte Übersetzung von Gerards
An Essay on Genius
(1774) ist 1776 erschienen.
106
608
.
Es ist schon oben gesagt (§.
95
597.
Anm.
):
95.
Anm.),
daß von denen, die sich der
Theologie
Theologie widmen, nicht gleich
Vieles
vieles
könne gefordert werden; der besondere
Beruf
Beruf, den man
hiebey
hierbei
wählen oder ergreifen will, muß es entscheiden, was vorzüglich von solchen Fähigkeiten nöthig
sey
sei
, und ob der
innre
innere
Beruf, auf den es am meisten ankommt, dem
äussern
äußern
entspreche. – Ist jemand zum
bloßen
blossen
Volkslehrer
Volkslehrer
bestimmt: so
ist
ists
–
ausser
außer
den hernach anzugebenden Eigenschaften des Charakters – genug, wenn er mittelmäßige Fähigkeiten besitzt, falls er nur zugleich das Gefühl einer ihm unerreichbaren
Vollkommenheit
Vollkommenheit hat, um nicht mit
verschnittnen
verschnittenen
Flügeln nach der Sonne fliegen zu wollen, und sich aus dem Kreise zu entfernen, den ihm die Natur und sein
äusserlicher
äußerlicher
Beruf vorgezeichnet hat. Es ist genug, wenn er guten schlichten
Menschenverstand
Menschenverstand
(§.
206.
Anm.
)
hat, der das Schickliche von dem Ungereimten zu
unterscheiden
unterscheiden weiß; wenn er leicht in den Sinn desjenigen, was er hört,
liest
lieset
und sieht, eindringen
kan
kann
; wenn er ein treues oder durch die Uebung leicht zu schärfendes Gedächtniß besitzt; wenn es ihm an der Gabe des
populär
populären Vortrags, und an Klugheit nicht fehlt, um seine Kenntnisse nach den wirklichen Bedürfnissen
Andrer
Anderer
wohl anzuwenden. Mag es ihm an eigentlicher
Gelehrsamkeit
Gelehrsamkeit
fehlen; wenn er nur das eigentlich
Praktisches
Praktische in der Religion versteht, und die zu seiner
eignen
eigenen
Ueberzeugung und gewissenhaften Führung seines Berufs nothwendigen Kenntnisse derselben und der menschlichen
Angelegenheiten
Angelegenheiten hat, besonders der Angelegenheiten seiner Zeit, der Bedürfnisse derer, die ihm empfohlen sind, und desjenigen, was
ihn
ihm
, diese zu beurtheilen und ihnen gewachsen zu seyn, in
den
Stand setzt; endlich die Kenntniß der nöthigen Hülfsmittel, wodurch er sich
bey
bei
vorkommenden
ausserordentlichen
außerordentlichen
Fällen zu helfen weiß. Daß zu allen diesem noch eine fleißige
Uebung
Uebung kommen, und er nie glauben müsse, völlig genug gelernt zu haben, sondern sich zu seinem Beruf immer reifer machen, wird ohnehin vorausgesetzt.
Anm.
Hat er mehr Fähigkeiten oder Kenntnisse, als er
gerade
in seinem engern Kreise
braucht:
gebraucht,
so nutze er sie so gut als er
kan,
kann;
nur nicht mit
Vernachläßigung
Vernachlässigung
und zum Nachtheil der Pflichten seines besondern Berufs. Er vergesse
insbesondre
insbesondere
nie, sich mit den Hülfsmitteln und besonders Schriften bekannt zu machen, wodurch er, wenn er in einen weitumfassendern Kreis versetzt wird, das nachholen könne, was ihm, diesen würdig zu bestreiten, nöthig seyn möchte.
{Die Zweifel, ob man nicht von dem praktischen Religionslehrer viel zu viel fordere, fällt weg, sobald man ihn nur in seiner doppelten Qualität betrachtet, 1) als Volkslehrer, wozu er in der That weit weniger nöthig hat, als er auf Universitäten lernt und treibt, und 2) als Mitglied des Gelehrtenstandes. Als solchem liegen ihm doch die theologischen und angränzenden Kenntnisse am nächsten, und er gewinnt an Achtung in dem geselligen Kreise, und, was noch viel wichtiger ist, er gewinnt an Selbstgenuß, wenn er ein viel ausgebreiteteres Wissen hat, als er gerade für das Amt nöthig hätte. Dasselbe ist ja auch der Fall bei andern Geschäftsmännern, die für das bloße Geschäft mit sehr Wenigem ausreichen könnten, aber die man um so höher achtet, je mehr sie
über das Nothwendige
hinaus wissen, und nicht bloß handwerksmäßige Routiniers sind.
A. d. H.
}
107
609
.
Ist er hingegen zum
Lehrer
Lehrer der
Theologie
Theologie
oder der damit verbundenen Wissenschaften, überhaupt zu Bildung künftiger Lehrer, oder zur
Regierung und
Aufsicht
Aufsicht der
Volkslehrer
Volkslehrer
, oder an einer
Gemeine
Gemeinde
angestellt, die aus
gelehrtern
Gelehrten
oder doch gebildetern Zuhörern besteht: so muß er
freylich
freilich
höhere Fähigkeiten haben, und in den für sein Fach bestimmten Wissenschaften ausgebreitetere, feinere und gründlichere Kenntnisse besitzen. Alsdann bedarf er auch weniger einer näheren Anweisung, und was er dann können und verstehen, wenigstens wornach er trachten
müsse,
müsse:
dazu möchten die bisher in
diesem Buche
dieser Schrift
geschehenen Vorschläge nicht undienlich seyn, da es besonders auch in Rücksicht auf
die
diese
Classe
diese Klasse
künftiger
Religionslehrer
Religionslehrer abgefaßt ist.
108
610
.
Daß
bey
bei
der
Ergreiffung
Ergreifung
des theologischen Studiums auch die Kräfte des
Körper
Körpers
(§.
95
597.
95.
) mit in Anschlag kommen müssen, bedarf kaum einer Erinnerung; da die natürliche Beschaffenheit und die Veränderungen
des Körpers
desselben
einen so
großen
grossen
Einfluß in die Beschaffenheit und den Gebrauch der
Seelenkräfte
Seelenkräfte haben; Anstrengung des Geistes, eine sitzende Lebensart, und andere Umstände
bey
bei
Studierenden die
Gesundheit
Gesundheit merklich zerrütten; und
bey
bei
dem Lehrer
in äusserlichem
im äusserlichen
im äußerlichen
Vortrage so viel von der Stimme, von der
freyen
freien
Brust, selbst vom körperlichen Ansehen und Bildung, so wie,
bey
bei
der ganzen Führung seines Amts, von einer dauerhaften Gesundheit, Abhärtung des
Körpers,
Körpers
und ähnlichen
Umständen,
Umständen
ab hängt. Was uns hier möglich
sey
sei
oder abgehe, ist noch viel leichter, als die Beschaffenheit
unsrer
unserer
Seelenkräfte,
Seelenkräfte
zu erkennen.
Anm.
Tissot, Samuel
Tissot
von der Gesundheit der
Gelehrten
Gelehrten,
(übersetzt), Zürich,
und in einer andern Uebersetzung,
Leipz.
Leipzig,
Leipzig
1768.
in 8.
8.,
und
auszugsweise in
Tissot, Samuel
Tisso'ts
Tissot's
medicinischen
medicinischen,
praktischen
medicinisch-praktischem
Handbuche,
Leipz.
Leipzig
1785.
in
8
8.
8.
(im ersten Theile); Ueber die Krankheiten der Gelehrten
- -
von
Ackermann, Johann Christian Gottlieb
J. C. G. Ackermann
,
Nürnb.
Nürnberg
1777.
in
gr.
8
8.
; und
der Arzt der Gottesgelehrten (von
Franz, Johann Georg Friedrich
J. G. F.
Franz
),
Franz
)
zweyte
Aufl.
Leipzig,
Leipzig
zweite Aufl., Leipzig
1770.
in 8.
8.,
Jördens, Johann Heinrich
J. H. Förders
über die menschliche Natur – zur Beherzigung junger Studierenden, 2 Bände, Leipzig 1797.,
sind Bücher, deren Empfehlung hier gewiß nicht
überflüßig
überflüssig
ist.
Tissot von der Gesundheit der Gelehrten (übersetzt), Zürich, und in einer andern Uebersetzung, Leipz. 1768
Die aus dem Jahr 1768 stammende Zürcher Übersetzung von Samuel Tissots (1728–1797) ursprünglich auf Latein (1766) publiziertem Traktat
De la Santé des Gens de Lettres
(1768) wurde von Johann Rudolph Füssli (1709–1793) besorgt. Die Leipziger Übersetzung desselben Jahres ist anonym erschienen.
auszugsweise in Tissot's medicinischen praktischen Handbuche, Leipz. 1785. in 8 (im ersten Theile)
Der Auszug aus Samuel Tissots (1728–1797)
Von der Gesundheit der Gelehrten
findet sich als
Von der Gesundheit der Gelehrten und kränklicher Personen
in dessen von Christian Friedrich Held (1740–1788) herausgegebenem
Medicinische[n], praktische[n] Handbuch
I (1785), 437–512.
der Arzt der Gottesgelehrten (von J. G. F. Franz), zweyte Aufl. Leipzig, 1770
Der Artzt des Gottesgelehrten welcher Vorschriften giebt wie sich Prediger in Ansehung ihrer Gesundheit bey Führung ihres Amtes zu verhalten haben
des Leipziger Mediziners Johann Georg Friedrich Franz (1737–1789) ist auch in der ersten Auflage (1769) anonym erschienen.
J. H. Förders über die menschliche Natur – zur Beherzigung junger Studierenden, 2 Bände, Leipzig 1797
Das zweibändige Werk
Über die menschliche Natur und die Mittel ein hohes Alter zu erreichen. Zur frühen Beherzigung junger Studierenden auf Schulen und Universitäten, und für Personen die sich einer sitzenden Lebensart widmen
(1797) stammt von Johann Heinrich Jördens (1764–1813).
109
611
.
Von der Nothwendigkeit der
Gabe sich wohl
auszudrucken
auszudrücken
(§.
95
597.
95.
), ist schon oben,
bey
bei
der Abhandlung von den Sprachen (
Theil 1.
§.
59
flgg.
59.
f.
) und im
ersten
Abschnitt des
dritten
Theils geredet worden. Da die
Sprache
Sprache der Abdruck
unsrer
unserer
Ideen ist, und jeder Verständige so gute Mittel
braucht
gebraucht
, um sein Ziel zu erreichen, als in seiner Gewalt
sind:
sind;
so
kan
kann
man sicher
schließen
schliessen
: wie der natürliche
Vortrag
Vortrag eines Menschen ist, so sind seine Begriffe und Ueberzeugung von den Sachen selbst.
Kan
Kann
man sicher seyn, daß jemand nicht eitel
sey
sei
, um nur sich selbst gern zu hören oder zu lesen, oder Andern bloß zu gefallen, und daß er nicht so arm an
Verstand
Verstande und
Menschenkenntniß
Menschenkenntniß
sey
sei
, um zu glauben, wenn nur das gut
sey
sei
,
was
er sagt, so
sey
sei
es gleichviel,
wie
er es sage: so
kan
kann
man selbst
schließen:
schliessen,
wie sorgfältig er in seinem Vortrag ist, so viel hat er Interesse für die Sachen, die er vorträgt, und so viel Eifer, mit seinen Kenntnissen
bey
bei
Andern Gutes zu stiften. – Um sich über die Gabe des Vortrags zu prüfen, gebe man nur
acht
Acht
, ob und warum uns
wohl geschriebene
wohlgeschriebene
Schriften, oder warum uns Vorträge, die auch im Ausdruck vorzüglich sind, gefallen? ob uns
beyde
beide
um so mehr anziehen, je faßlicher, deutlicher, ordentlicher, zusammenhängender, bestimmter
u. s. f.
sie sind? oder ob uns alle, oder einige, und welche, Eigenschaften des Vortrags, uns gleichgültig sind? Man mache selbst
Versuche
Versuche, anfänglich eines Andern guten mündlichen oder schriftlichen Vortrag über eine Sache,
nachher
nachher,
was man überhaupt von Andern ausgeführt gelesen hat, im Zusammenhange
frey
frei
, nach seiner
eignen
eigenen
Art, zu wiederholen,
d. i.
fremde Gedanken in seine
eigne
eigenen
umzukleiden, und bemerke, wie weit es uns gelinge, unsern Mustern nachzukommen. Man mache zuletzt öfters Versuche, was man selbst gedacht und untersucht hat, über eine Sache or dentlich aufzuschreiben, oder Andern mündlich, genau vorbereitet oder nicht, vorzutragen. Man
laße
lasse
sich von
Kenner
Kennern beurtheilen, und genau nach der strengsten Kritik sagen,
worin
worinn
unser Vortrag gut oder fehlerhaft
sey
sei
, und gewisse Vollkommenheiten uns, nach vielen Versuchen, erreichbar
seyn
sind
seien
oder nicht? –
Alsdann
alsdann
wird man wohl finden, welche Art des Vortrags uns möglich, wenigstens durch fleißige anhaltende Uebung zu erlangen
sey
sei
.
110
612
.
Wenn alle bisher erwähnte Fähigkeiten wohl angewendet, selbst, wenn sie gehörig gebildet werden
sollen:
sollen,
so erfordern sie eine gewisse
Gemüthsfassung
Gemüthsfassung
Gemüthsfassung
,
oder gewisse Eigenschaft des
Charakter
Charakters
Characters
(§.
94
596
94.
), über die man sich wohl prüfen sollte, ehe man sich zur Wahl des theologischen Studiums entschlösse. Auf folgende Tugenden möchte es hier
vornemlich
vornehmlich
ankommen. – Zuerst, auf
Liebe
Liebe zur
Wahrheit
Wahrheit
, wo man diese auch immer finden sollte. Veränderungen in der Seele eines Andern
kan
kann
man nur durch Vorstellungen hervorbringen, wenn diese der von ihnen erkannten Natur der
Sache
Sache,
oder andern schon für wahr erkannten Vorstellungen gemäß sind; und
dies
dieß
setzt voraus, daß man sie selbst als wahr erkannt habe. Wem also Wahrheit gleichgültig ist, dem liegt entweder nichts daran, Andere zu belehren und zu bewegen, oder er
kan
kann
nicht sicher darauf rechnen, daß er seinen Zweck erreichen werde; vielweniger wird er sich selbst bemühen, hinter die rechte Wahr heit zu kommen. Je inniger
bey jemanden
bei jemandem
die Liebe zur genauesten Wahrheit ist, um so mehr wird er selbst die Wahrheit finden können, so weit sie ihm erreichbar ist; um so mehr wird er dafür und für ihren Werth eingenommen seyn; um so mehr auf
Andre
Andere
wohlthätig wirken, wenigstens mehr sich darum bemühen, und es mit mehr Hoffnung eines glücklichern Erfolgs unternehmen.
–
Der allgemeine
Prüfstein
Prüfstein dieser
unparteyisch
unparteyischen
unparteiischen
Wahrheitsliebe
Wahrheitsliebe ist: wenn wir es uns bewußt sind, oder es
bey
bei
der strengsten Prüfung finden, daß
unsre
unsere
Neigungen und Abneigungen keinen Einfluß in die Annehmung oder
Prüfung
Verwerfung
einer Sache haben.
Wäre dir
Wäre – so frage sich jeder selbst – mir
eine Sache auch noch so theuer, schiene sie
dir
mir
unzertrennlich von
deinem
mei nem
Wohl, und
entbehrtest du
entbehrte ich
sie höchst ungern, läge sie
dir
mir
selbst, als
deine
meine
Erfindung, sehr am Herzen:
würdest du
würde ich
gleichwohl, auch
bey
bei
dem geringsten Anlaß zum Zweifel,
dich
mich
nicht scheuen, sie aufs neue zu prüfen, sie dennoch aufopfern, wenn
du
ich
sie
bey
bei
der Prüfung ungegründet
fändest? Bist du
fände? Bin ich
geneigter, die Wahrheit nach den
dir
mir
schädlich oder nützlich scheinenden Folgen derselben, oder unabhängig von dieser Rücksicht, zu beurtheilen? Kommt
bey dir
bei mir
, wenn
du
ich
für oder wider
einer Sache entscheidest, dies
einen Streitpunkt entscheide, dieß
in Anschlag, ob die, so
du liebest
ich liebe
oder
achtest
achte
, oder die, so
du hassest
ich hasse
und
verachtest
verachte
, eben das behaupten?
Kanst
Kannst
du
Kann ich
Widerspruch
Widerspruch vertragen, wenn er mit Gründen geschieht,
siehst du
sehe ich
ihn selbst gern, und
forderst
fordere
Andere dazu auf, als ein Mittel,
dich
mich
zum weitern Nachdenken zu bringen?
Wenn
Erkennst
du
ich
auch die sen Widerspruch für ungegründet
erkennst
, benutzest du
erkenne, benutze ich
gleichwohl alsdann
alsdenn
doch auch das wenige Wahre, was
darinn
darin
liegt,
deine
meine
Erkenntniß immer mehr zu berichtigen, und durch
kleine
nähere
Bestimmungen zu mehrerer Genauigkeit zu bringen? Ist
dir's
mir's
gleichgültig, auch unbekannt zu bleiben, wenn nur das, was
du
ich
gesagt, oder gar erfunden
hast
habe
, für wahr erkannt wird?
Siehst du
Sehe ich
es gern, wenn
Andre
Andere
auf
dein
mein
Ansehen oder
dir
mir
zu Gefallen, etwas für wahr
annehmen, legst du
annehmen? Legte ich
es wohl gar darauf an, bloß durch
dein
mein
Ansehen zu
wirken? Dies
wirken? – Dieß
sind die
Merkmahle
Merkmahle, woran
du sehen
kanst
kannst
jeder erkennen kann
, ob
du
er
wirklich Liebe zur
Wahrheit
hast
habe
, oder nicht
.
Anm.
Eine kurze aber treffliche Betrachtung von
Fichte, Johann Gottlieb
Fichte
: Ueber Belebung und Erhöhung des reinen Interesse an
Wahrheit
, findet man in den
Horen
. Nachdem er den Begriff selbst tief begründet und klar dargestellt, schließt er mit folgenden Worten, die hier wohl eine Stelle ver dienen, da der Aufsatz nicht so leicht bei der Hand seyn möchte, und die Sache vorzüglich auch für den
Religionslehrer
Religionslehrer
, dessen ganzes Leben ein
Forschen nach Wahrheit
seyn soll, von so hoher Wichtigkeit ist.
„Mit dieser sichern Ueberzeugung, stets einig mit sich selbst zu seyn, geht der entschiedene Freund der Wahrheit auf dem Wege der Untersuchung ruhig fort; er geht muthig Allem entgegen, was ihm auf demselben aufstoßen möchte. Es ist für denjenigen, der mit sich selbst noch nicht recht Eins geworden ist, was er denn eigentlich suche und wolle, äußerst beängstigend, wenn er auf seinem Wege auf Sätze stößt, die allen seinen bisherigen Meinungen und den Meinungen seiner Zeitgenossen und der Vorwelt widersprechen: und gewiß ist diese Aengstlichkeit eine der Hauptursachen, warum die Menschheit auf dem Wege zur Wahrheit so langsame Fortschritte gemacht hat. Von ihr ist derjenige, der die Wahrheit um ihrer selbst willen sucht, völlig frei. Er blickt jeder noch so befremdenden Folgerung kühn in das Gesicht. Ob sie ein befremdendes, oder bekanntes Aussehen habe, ob sie seiner und aller bisherigen Meinung widerspreche, oder nicht, davon war nicht die Frage. Die Frage war: ob sie, seinem besten Wissen nach, mit den Gesetzen des Denkens übereinstimme, oder nicht, und das wird er untersuchen. Wird sich finden, daß sie damit übereinstimme, so wird er sie als heilige ehrwürdige Wahrheit aufnehmen; wird sie nicht damit übereinstimmen, so wird er sie als Irrthum verwerfen, nicht weil sie der gemeinen Meinung, sondern weil sie, seinem besten Wissen nach, den Gesetzen des Denkens widerspricht. Bis dahin ist er völlig gleichgültig gegen sie; über ihren Inhalt hat er die Frage nicht erhoben; derselbe ist ihm bekannt; ihre Form hat er noch zu untersuchen.“
„Mit dieser kalten Ruhe und festen Entschlossenheit, blickt er hinein in das Gewühl der menschlichen Meinungen überhaupt und seiner eigenen Einfälle und Zweifel. Es wirbelt und stürmt
um ihn herum
, aber nicht
in ihm
; er selbst sieht aus seiner unerreichbaren Burg ru hig dem Sturme zu. Er wird ihm zu seiner Zeit gebieten, und eine Welle nach der andern wird sich legen. – Er will nur Harmonie mit sich selbst, und er bringt sie hervor, so weit er bis jetzt gekommen ist. Dort ist noch Verwirrung in seinen Meinungen; das ist nicht seine Schuld, denn bis dahin hat er noch nicht kommen können. Er wird auch
dahin
kommen, und dann wird jene Unordnung in die schönste Ordnung sich auflösen.“
„Was wäre denn wohl endlich das Härteste, was ihm begegnen könnte? Gesetzt er fände, entweder weil die Schranken der endlichen Vernunft überhaupt, welches unmöglich ist, oder weil die Schranken seines Individuums solches mit sich bringen, als letztes Resultat seines Strebens nach Wahrheit, daß es überhaupt gar keine Wahrheit und keine Gewißheit gebe. Er würde auch diesem Schicksale, dem härtesten, das ihn treffen könnte, sich unterwerfen; denn er ist zwar unglücklich, aber schuldlos; er ist seines redlichen Forschens sich bewußt, und das ist statt alles Glücks, dessen er nun noch theilhaftig werden kann.“
„Eben so ruhig – wenn dieser Umstand der Erwähnung werth ist – bleibt der entschiedene Freund der Wahrheit darüber, was
Andere
zunächst zu seinen Ueberzeugungen sagen werden, wenn er in der Lage seyn sollte, sie mittheilen zu müssen; und der Gelehrte ist immer in dieser Lage, da er nicht bloß für sich selbst, sondern zugleich für Andere forscht. Die Frage ist ja gar nicht, ob wir mit Andern, sondern ob wir mit uns selbst übereinstimmend denken. Ist das Letztere, so können wir des Erstern ohne unser Zuthun, und ohne erst die Stimmen zu sammeln, bei allen denen gewiß seyn, die mit sich selbst in Uebereinstimmung stehen; denn das Wesen der Vernunft ist in allen vernünftigen Wesen Eins, und eben dasselbe. Wie
Andere
denken, wissen wir nicht, und wir können davon nicht ausgehen. Wie
wir
denken sollen, wenn wir vernünftig denken wollen, können wir finden; und so, wie wir denken sollen, sollen alle vernünftige Wesen denken. Alle Untersuchung muß von innen heraus, nicht von außen herein, geschehen.
Ich
soll nicht denken, wie
Andere
denken; sondern wie
ich
denken soll, so, soll ich annehmen, denken auch Andere. – Mit denen übereinzustim mend zu seyn, die es mit sich selbst nicht sind, wäre das wohl ein würdiges Ziel für ein vernünftiges Wesen?“
A. d. H.
Fichte: Ueber Belebung und Erhöhung des reinen Interesse an Wahrheit, findet man in den Horen
Johann Gottlieb Fichtes (1762–1814) Aufsatz
Ueber Belebung und Erhöhung des reinen Interesse für Wahrheit
ist anonym in der von Friedrich Schiller herausgegebenen Monatsschrift
Die Horen
I,1 (1795), 79–93 (IV.) erschienen. Das in der dritten Auflage der
Anweisung
auf den folgenden Seiten wiedergegebene Zitat findet sich aaO 88–91.
111
613
.
Eine
andre
andere
Tugend ist die
Bescheidenheit
Bescheidenheit
. – Je weniger man selbst weiß, oder es recht und mit Ueberzeugung versteht; je weniger man den
großen
grossen
Umfang desjenigen kennt, was zur rechten Wissenschaft einer Sache und zur wahren Ueberzeugung gehört; je weniger man die Schwierigkeiten
bey
bei
einer jeden Untersuchung, die Schranken der menschlichen
Erkenntniß
Erkenntniß überhaupt, und die
großen
grossen
Lücken seiner eigenen Erkenntniß, nebst dem eingeschränkten Maaß seiner Fähigkeiten,
insbesondre
insbesondere
, wahrnimmt: desto eingenommener ist man von sich selbst, und desto mehr verachtet man
Andre
Andere
. Dieser Dünkel hält uns selbst von Einsicht dieser Fehler, und von weitern Fortschritten in der Erkenntniß und der wahren Besserung überhaupt zurück; macht uns ungeschickt, von Andern zu lernen; erstickt den
eignen
eigenen
Fleiß, der von dem mehrern oder mindern Gefühl dieses Bedürfnisses abhängt, und macht uns abgeneigt, die Wahrheit überall, wo wir sie finden, anzunehmen. – Demnach sind alle Kennzeichen der
Wahrheitsliebe
Wahrheitsliebe (§.
110
612.
110.
) auch Kennzeichen der Bescheidenheit.
Wenn du
Wer
lieber schlecht als vortheilhaft von Andern
denkst
denkt
, und
Andrer
Anderer
Erklärungen oder Entschuldigungen nicht gern
hörst,
hörst
hört,
oder gelten
läßest
lässest
; wenn du
läßt; wer
nicht von Andern Erinnerungen über
dich an nimmst; wenn du dich schämst
sich annimmt; wer sich schämt
, gegen Andere unrecht zu haben;
wenn du
wer
, ohne anhaltende bedächtige Prüfung, gleich zu entscheiden geneigt
bist; wenn du
ist; wer
, anstatt Andern Gründe vorzulegen,
dir
sich
Machtsprüche, oder
Spöttereyen
Spöttereien
, oder
Hohn, erlaubst; wenn du
Hohn erlaubt; wer
schon Sachen zu
verstehen,
verstehen
und durchzuschauen
glaubst
glaubt
, und
Andre
An dere
zu belehren
suchst
sucht
, ehe
du
er
noch im Stande
bist
ist
, sie Andern deutlich und mit Gründen vorzutragen;
wenn du
wer
nicht noch lieber
lernest
lernt
als
lehrest;
lehrt,
und wenn
du
er
von einem
lehrreichen,
lehrreichen
zumal mit gründlichen Untersuchungen
beschäftigtem,
beschäftigten
Umgange, oder von
dergleichen Buche, zurückkommst
einem Buche der Art zurückkommt
, ohne
dich
sich
an
deine
seine
Brust zu schlagen, und das Bekenntniß tief zu fühlen: O wie viel ists, was
ich
noch nicht
weiß: – so bist du
weiß! – da ist er
von
der Bescheidenheit
dieser
Bescheidenheit
noch weit entfernt.
112
614
.
Fleiß
Fleiß
ist eine dritte Tugend, und besteht in einer angestrengten
Wirksamkeit
Wirksamkeit, die verschiedent lich betrachtet werden
kan
kann
, daher auch die
verschiedenen
verschiednen
Bedeutungen des Wortes entstanden sind, die selbst durch
besondre
besondere
Namen bezeichnet werden. Wird diese Wirksamkeit mehr in Rücksicht auf die Menge der Beschäftigungen,
–
oder auf
dabey
dabei
beobachtete Genauigkeit und Sorgfalt,
–
oder auf die anhaltende, selbst durch die Schwierigkeiten oder den langsamen Fortgang nicht
ermüdete,
ermüdete
Anstrengung genommen: so ist der Fleiß im ersten Fall
Arbeitsamkeit
Arbeitsamkeit
;
–
im
zweyten
ten
zweiten
,
Fleiß im engern
Verstande
,
Verstande
(man sagt
z. B.
ein Kunstwerk
sey
sei
mit Fleiß
gemacht,)
gemacht),
oder
genauer Fleiß
oder
Indüstrie
Indüstrie
Industrie
(wiewohl dieses
letztre
Letztere
gemeiniglich anders, als das lateinische Industria, für Betriebsamkeit oder immer auf Erweiterung einer Kunst gerichtete Beschäftigung genommen wird);
–
im dritten Falle aber
Unverdrossenheit
Unverdrossenheit
. Oder
Unverdrossenheit
; oder
kürzer, die
erste
erste
scheint mehr extensive, die
zweyte
zweyte
zweite
mehr intensive, die
dritte
mehr
dritte
protensive Geschäftigkeit zu seyn.
113
615
.
Es ist ein sehr leidiges Vorurtheil, daß sich
Fleiß
Fleiß
Fleiß
mit
Genie
Genie
Genie
nicht vertrage. Wahr ist es, Leute von Genie, und, noch mehr, Leute, die sich Genie zu haben einbilden, sind selten eigentlich fleißig, weil sie sich zu sehr auf ihre Kräfte
verlaßen
verlassen
, und zu ungeduldig sind, lange
bey
bei
einer Sache zu beharren. Wahr ists auch, daß dem Genie
alles
Alles
leichter wird, und daß ohne dasselbe durch
bloßen
blossen
Fleiß keine Werke von vorzüglicher
Vollkommenheit
Vollkommenheit entstehen. Aber, Fleiß
kan
kann
doch den Abgang des Genies
einigermaßen
einigermassen
ersetzen, so wie die
Kunst
Kunst, die immer Fleiß erfordert, der Natur nachhelfen, und sie verbessern
kan
kann
. Alle Fähigkeiten des Geistes bleiben unbrauchbar, oder werden nicht in dem Grade
nützlich
nützlich, als sie es könnten, wenn nicht
theils
mannichfaltige und genaue Kenntnisse hinzukommen, ohne welche das Genie nichts hat, was es verarbeiten
kan
kann
,
theils
viele, genaue und anhaltende Uebungen in einer Sache angestellt werden, wodurch erst Fertigkeiten entstehen. Und so sehr auch dem
bloßen
blossen
Genie oft ein
vollkommenes
vollkommnes
Werk
gelingt:
gelingt,
so können doch weder Ausschweifungen desselben verhütet, noch dessen Erfindungen gehörig geprüft, berichtigt, und in
dem
Grade vollkommen werden, als wenn noch anhaltender und bedächtiger Fleiß dazu kommt. – Es ist
beynahe
beinahe
unnöthig, Kennzeichen des
Fleißes
Fleisses
anzugeben. Man darf sich nur aufrichtig
prüfen,
prüfen, –
ob uns nichts gleichgültig
sey
sei
, was uns irgend der Vollkommenheit näher bringen
kan
kann
, – ob es uns genug
sey
sei
,
daß
etwas gemacht werde, unbekümmert
wie
es geschehe; – ob wir sehr die Veränderungen lieben, und uns durch Schwierigkeiten abschrecken
laßen
lassen
: so werden wir bald davon urtheilen können.
114
616
.
Zu diesem Fleiß muß sich
Liebe
Liebe zur
Ordnung
Ordnung
gesellen. – Unordnung in dem Gange
unsrer
unserer
Gedanken und
Geschäfte
Geschäfte,
verräth und erzeugt
Verwirrungen,
Verwirrungen
und Mangel des Zusam menhangs in Begriffen; erschwert auch das Denken, die Untersuchung und die Ausführung der Sachen. – Wenn man
bey
bei
sich bemerkt, – daß man leicht von Einem auf das Andere falle, wenn Beschwerlichkeiten uns von einem angefangenen Werk leicht abschrecken, und erwartete Vergnügungen oder Erleichterungen uns leicht zu andern Unternehmungen hinziehen; – wenn man ungewohnt ist, sich
bey
bei
dem, was man nach einander vornimmt, Grund anzugeben, warum man so und nicht anders handle, das Eine früher und das
Andre
Andere
später thue; – und wenn man Sachen zu unternehmen pflegt, ohne sich vorher um das zu bekümmern, was
dabey muß
dabei
vorausgesetzt werden
muß
: so kann man mit Recht fürchten, daß es uns an dieser Liebe zur Ordnung fehle.
115
617
.
Wer an einer gewissen Art von Beschäftigung keinen solchen
Geschmack
Geschmack findet, daß ihm diese mehr Vergnügen macht, und ihn mehr anzieht als
alle
andre
andere
Arten von Beschäftigungen: der wird es weder
darinn
darin
jemals zu einer rechten
Vollkommenheit
Vollkommenheit bringen, noch auch nur den schuldigen Fleiß darauf wenden, wenn er sich ihr vorzüglich zu widmen beschlossen hat; er wird noch weniger sich Mühe geben, Andern damit aufs möglichste
nutzbar
nutzbar zu werden. Man
kan
kann
daher von dem, der das Studium und die Empfehlung der
Religion
Religion zu
seinen
seinem
eigenthümlichen
Beruf
Beruf machen will, mit Recht fordern, daß er sich wohl prüfe, ob
bey
bei
ihm der
Geschmack an dieser Wissenschaft
und den damit verbundenen Beschäftigungen über alles
Andre
Andere
gehe; um so mehr, da diese überwiegende Neigung ein sicheres Kennzeichen ist, daß er dazu die meiste natürliche verhältnißmäßige Fähigkeit
habe,
habe
(
d. i.
die meiste Fähigkeit wenigstens zu
den
Theilen der Beschäftigung, die ihn eigentlich
interessiren
intereßiren
). – Die sen vorzüglichen Geschmack
kan
kann
man sich leicht abmerken. Beschäftige ich
mich
mich – so darf man sich nur fragen –
wirklich am liebsten damit? Ist mir
alles
Alles
interssant, was dahin einschlägt? Beziehe ich
alles
Alles
, was ich
ausser
außer
dieser Wissenschaft lese, oder sonst vorfinde, darauf, um es zur Verbesserung meiner Erkenntniß, zur Nahrung meiner Gesinnung, in Absicht auf die Religion, zu benutzen? Ist mir kein Schicksal der Religion, und überhaupt nichts gleichgültig, was sie und ihren Eindruck
bey
bei
Andern fördern oder hindern
kan
kann
? Würd' ich auch bereit seyn, wenn es nicht anders seyn könnte, ansehnlichere Einkünfte,
größeres
grösseres
Ansehen, und andere
äusserliche
äußerliche
Vortheile zu entbehren, oder aufzuopfern, wenn ich, falls ich diese erhalten wollte, mich weniger mit der Religion und dem zu ihrer
Anwendung
Anwendung
bey
bei
Andern nöthigen
Geschäfte
Geschäften
abgeben müßte? Finde ich einen unüberwindlichen
Trieb
Trieb
bey
bei
mir, Andern meine verbesserten Einsichten in der Religion und meine darüber gemachten Bemerkungen mitzutheilen, ihnen ihre Zweifel
darinn
darin
zu benehmen,
sie selbst
ihnen
die Religion
werth zu machen, sie
bey
bei
allen Angelegenheiten Anderer aufs weiseste und nützlichste anzuwenden?
Dies
Dieß
wären
ohngefähr
ungefähr
die sichersten Kennzeichen eines solchen überwiegenden Geschmacks daran.
116
618
.
Endlich ist
Wie dürfte aber endlich dem, der sich ganz und vorzüglich zum Lehrer der Religion bilden will,
Liebe
Liebe zur
Tugend
Tugend
überhaupt und
wahre
Frömmigkeit
Frömmigkeit
eine nothwendige
fehlen, oder nicht gerade für die nothwendigste
Eigenschaft
desjenigen, der sich ganz und vorzüglich zum Lehrer der Religion bilden will.
gehalten werden?
–
Die
Religion
Religion ist durchaus
praktisch
praktisch
praktisch
, und hat ja eben ganz unmittelbar die Absicht, die Menschen durch Tugend glücklich zu machen, sie ganz an Gott zu binden, durch die Vorstellung Gottes und seines Willens Tugend und wahre Beruhigung zu
befördern. Wie
befördern; wie
könnte uns die Beschäftigung damit, die uns immer an
unsre
unsere
Pflichten, an
unsre
unsere
Fehler und Vergehungen, und an deren unausbleibliche Folgen erinnert, wie könnte die uns wahrhaftig werth seyn, wenn es uns gleichgültig wäre, dahin zu streben, daß wir ihr immer gleichgesinnter würden und gleichförmiger lebten?
Wie,
wie
könnten wir sie zu
unsrer
unserer
vornehmsten Beschäftigung machen, ohne uns selbst, wegen
unsrer
unserer
Unredlichkeit, Vorwürfe zu erregen, oder uns auf eine unnatürliche Art dagegen zu betäuben? Wie könnten wir, wenn wir dieses unentbehrliche Mittel zu unserm
eignen
eigenen
Besten nicht anwendeten, geneigt seyn, für Andere dadurch zu sorgen?
Wie
wie
sie Andern mit angestrengtem Fleiß, Wärme und
eigner
eigener
Freudigkeit empfehlen, wenn sie uns selbst nicht an Herzen läge?
Wie
wie
,
so gar
sogar
nicht fürchten, durch unsern Wandel das wieder zu zerstören, was wir mit Mühe durch Unterricht gebauet hät ten, oder, wie sie mit Ernst empfehlen, ohne es zugleich durch das noch viel stärker, als alle
bloße
blosse
Vorstellungen, wirkende
eigne
eigene
gute
Beyspiel
Beispiel
, und durch die auf uns selbst so wirksame Kraft der Religion zu thun?
Wie
wie
, nicht der so starken Versuchung un terliegen, selbst die Religion zum Mittel sträflicher Absichten und Leidenschaften zu mißbrau chen?
–
Auch hängen alle zur treuen und gewissenhaften Führung unsers
Amt
Amts nöthigen Tugenden so sehr von dem Einfluß der Frömmigkeit und von dem Gedanken ab: Es ist
Gott
Gottes
Sache, die wir
bey
bei
den Menschen befördern sollen;
wir
sind Schuld, daß Seine Ehre unter ihnen leidet, wenn wir Ihn nicht auch durch
unsre
unsere
ganze Gesinnung und Wandel ehren;
unsre
unsere
Rechenschaft
Rechenschaft ist desto schwerer, je Mehreres und je etwas Wichtigeres uns anvertrauet
ist
ist:
– von diesen uns stets vorschwebenden Gedanken hängen alle andere Tugenden so sehr ab, und werden dadurch so sehr ermuntert und verstärkt, daß wir ohne wahre Frömmigkeit uns nie eines
solchen
Beruf
Berufs würdig betragen können. – Es ist nicht schwer zu erkennen, ob wir wahrhaftig diese Liebe zur Tugend und Frömmigkeit haben, wenn wir nur wissen, was diese ist, und die im vorigen
§en
§§.
angegebenen Kennzeichen auch hier, in ihrer Art, anwenden. Je früher wir nach dieser wahren Frömmigkeit getrachtet haben, desto leichter und unverdächtiger wird uns diese Beurtheilung werden.
Anm.
Wenn es auf der einen Seite allerdings scheint, daß niemand mehr Antrieb zum Guten, und namentlich zu einem religiösen Sinn habe, als gerade der
Prediger
Prediger, da er sich beständig mit Gegenständen dieser Art beschäftige, und gleichsam in dem Element der Religion lebe, so ist doch daneben nicht zu übersehen, daß, weil er die
Religion
, ihr
Lehren
und
Verwalten
als ein
Geschäft
, als ein
Amt
treibt, dieß auch Veranlassung werden könne, daß sie, – da Alles, was gewohnheitsmäßig wird, leicht in etwas Mechanisches oder Bewußtloses übergeht, – dieß auch hier der Fall seyn könne. Es wird daher wenigstens diese Bemerkung die Urtheile über den Prediger billig machen, wenn er nicht stets mit gleichem Eifer, in gleicher höherer Stimmung der Seele seine
Amtsgeschäfte
Amtsgeschäfte verrichtet, und das, was
z. B.
bei der Verwaltung der heiligen Gebräuche anfangs ihn mächtig ergriffen hat, nach und nach ihm schon gewohnter wird und kälter läßt. Aber sie muß zugleich den Prediger aufmerksam darauf machen, wie leicht er in diese Gefahr kommen kann, und doppelt antreiben, das Interesse stets aufs neue in sich zu erwecken und zu beleben.
A. d. H.
„Wie sehr, sagt
Zollikofer, Georg Joachim
Zollikofer
in seiner Predigt über das christliche Lehramt (in den Predigten über die Würde des Menschen, 2ter Theil,
S.
474), wie sehr müssen wir nicht über uns selbst wachen. – Eben dadurch, daß wir uns so oft, und auch wohl zu solchen Zeiten, wo wir keinen besonderen Antrieb dazu haben und weniger aufgelegt sind, mit den Lehren der Religion beschäftigen müssen, können sie in Absicht auf uns viel von ihrer Kraft verlieren. Diese Gedanken werden uns durch die öftere Wiederholung leicht allzu geläufig, und Andachtsübungen selbst verlieren durch den häufigen Genuß viel von ihrer Lebhaftigkeit.“
A. d. H.
Zollikofer in seiner Predigt über das christliche Lehramt (in den Predigten über die Würde des Menschen, 2ter Theil, S. 474)
Georg Joachim Zollikofers Predigt mit dem Titel
Das christliche Lehramt
über Eph 4,11 ist im Anhang des zweiten Bandes der Neuauflage seiner
Predigten über die Würde des Menschen, und den Werth der vornehmsten Dinge, die zur menschlichen Glückseligkeit gehören, oder dazu gerechnet werden
(1784), 459–492 abgedruckt. Die bei der bibliographischen Angabe wiedergegebene Passage findet sich aaO 474f.
Zweyter
Zweiter
Abschnitt. Allgemeinere Anstalten und Uebungen, wodurch man zu
einen
einem
künftigen
Lehrer
Lehrer der
Religion
Religion gebildet werden
kan
kann
.
117
619
.
In den
Schulen
Schulen wird zwar der erste Grund zu den Wissenschaften, also
gleich
zugleich
zur Bildung des künftigen Lehrers der Religion gelegt. Aber, wenn auch
unsre
unsere
meisten Schulen nicht einen vermischten Haufen von Lehrlingen enthielten, wovon nur ein Theil sich künftig mit den Wissenschaften beschäftigen soll, sie also dann die Anstalten nicht seyn können,
worinn
worin
Jünglinge zu künftigen Gelehrten, oder überhaupt zu brauchbaren Männern in höhern Ständen
, sollen
erzogen werden
sollen
: so würde es doch sehr nöthig seyn, noch
andre
andere
Anstalten zu haben, wodurch, wie in Schulen, Kinder zu reifern Jünglingen, so diese zu Männern gebildet würden, die in so
verschiednen
verschiedenen
Ständen und Aemtern die Absicht eines besondern
Beruf
Berufs erfüllen könnten. Denn
ließen
liessen
sich gleich die Schulanstalten so erweitern, daß auch da diese weitere
Bildung
Bildung möglich würde: so unterscheiden sich doch Schulen, wo der erste Anfang dieser Bildung gemacht wird, von höhern Anstalten in
zwey
zwei
wesentlichen
Stücken; erstlich darinn
Stücken:
erstlich
darin
, daß der Jüngling nun zu einem besondern
Stand
Stande
erzogen und vorbereitet werde, dem er sich für sein ganzes Leben allein oder vorzüglich widmen soll;
hernach
sodann
, daß er sich nun noch gewöhne, sich nicht mehr bloß von Andern leiten zu lassen, sondern
selbst
selbst
nach
Ueberlegung
Ueberlegung
,
Ueberlegung
Ueberlegung
das zu wählen, was
ihm
ihn
zu diesem besondern Stande brauchbar machen
kan
kann
. Man hat also mit Recht den Zweck der Schulen nur auf diejenigen Wissenschaften eingeschränkt, die allen und jeden, wenigstens den Studierenden
allerley
von allerlei
Art, nützlich sind, und zu einer Vorbereitung auf alle höhere Stände und Aemter dienen können.
118
620
.
Zu den
höhern
höhern
oder solchen Anstalten, in welchen die nähere Vorbereitung zu einem besondern Beruf geschehen soll, gehören, wenigstens nach
unsrer
unserer
jetzigen Verfassung, die
Universitäten
Universitäten
,
Universitäten
Universitäten
und alle Arten von
Seminarien
Seminarien
Seminarien,
für eine
besondre Classe
besondere Klasse
solcher Personen, die zu einem künftigen öffentlichen Amte bestimmt sind. Diese letztern
Pflanzschulen
Pflanzschulen scheinen doch, wenn wir die Sache nehmen, wie sie ist, nicht wie sie seyn könnte, mehr in der Absicht angelegt zu seyn, um nie einen Mangel an guten Lehrern zu haben, oder den Seminaristen, nach vollendetem akademischen Studium, die künftige Beförderung zu sichern, als überhaupt für die
Bildung
Bildung aller sol cher Lehrer in einem Lande zu sorgen; es sind ihrer auch nur Wenigere, die so zum künftigen Berufe näher vorbereitet werden, und alsdann sind
besondere
besondre
Gesetze vorgeschrieben, nach welchen sie sich bilden müssen. Hingegen sind Univeristäten für alle künftige
Religionslehrer
Religionslehrer errichtet und eingerichtet, und es ist gewöhnlich ihrer
eignen
eigenen
Wahl
überlaßen
überlassen
, wie sie sich da selbst aufs künftige zubereiten wollen. Auf diese sollen sich daher die hiesigen Anmerkungen allein
einschränken,
einschränken.
Und zwar nur,
Anm.
Nur
so weit von dem nützlichen Gebrauch die Rede ist, den
Studierende
Studierende
von Universitäten und der dortigen Bildung zu künftigen guten Lehrern der
Religion,
Religion
machen
können
können, kann hier davon gehandelt werden
. Von
können; von
andern Umständen, Vortheilen und nützlichen Einrichtungen der Universitäten, verdient
außer den Schriften von
Meiners, Christoph
Meiners
, über die Geschichte des Entstehens der hohen protestantischen Schule, und
Heyne, Christian Gottlob
Heyne
de universitatibus literariis in V Opusculis, VIII.,
das
Raisonnement über die protestantischen Universitäten in
Deutschland,
Deutschland
(von
Michaelis, Johann David
J. D. Michaelis
J. D. Michaelis
,) Frft.
J. D. Michaelis
), Frankfurt
und
Leipz. 1768–76.
in
Leipzig 1768–76.,
4
Theilen in
Theile,
8.
und von dem ganzen Verhalten
bey
bei
dem akademischen Leben, das
Akademische
akademische
Lehrbuch für studierende Jünglinge, von
König, Johann Christoph
Joh. Christoph König
,
Nürnberg
Nürnberg,
1785.
in
8.
vor
mehrern
mehreren
andern verglichen zu werden.
Meiners, über die Geschichte des Entstehens der hohen protestantischen Schule
Hier handelt es sich um Christoph Meiners' (1747–1810)
Kurze Darstellung der Entwickelung der hohen Schulen des Protestantischen Deutschlandes, besonders der hohen Schule zu Göttingen
(1808).
Heyne de universitatibus literariis in V Opusculis, VIII.
Christian Gottlob Heynes
Iudiciorum de universitatibus litterariis recognitio
findet sich in dessen
Opuscula academica collecta et animadversionibus locupletata
IV (1796), 302–317 unter der laufenden Nummer XVIII.
119
621
.
So sehr man aus
mancherley
mancherlei
Ursachen, zumal in den neuesten Zeiten, die
Nutzbarkeit
Nutzbarkeit der höhern Schulen oder Universitäten herunter zu se tzen gesucht hat; so sehr mancher sich oder
An dre
Andere
zu bereden sucht,
–
gute Köpfe könnten sich selbst genug helfen,
–
schon auf Schulen könnte man
alles
Alles
das lernen, was bisher nur ein Eigenthum der Universitäten schien,
–
allenfalls könne der Unterricht und Umgang eines
einzelnen
einzlen
Mannes, der in seinem Fache Meister
sey
sei
, den, der sich eben diesem besondern
Beruf
Berufe widmen wolle, hinlänglich zur wirklichen guten Bestreitung dieses Berufs, wenigstens eben so gut und noch
besser,
besser
zubereiten, als es auf Universitäten möglich
sey
sei
: so läßt sich doch der
große
grosse
Werth und Vorzug der
Universitäten
Universitäten von keinem
unbefangnen
unbefangenen
Richter verkennen.
Vorausgesetzt, wenn
Nun wird dabei vorausgesetzt, daß
Universitäten wirklich so eingerichtet sind, daß sie das leisten, was sie ihrer Natur nach, und
bey
bei
einer guten
Einrichtung,
Einrichtung
können und sollen, und daß, wenn
Eine
manche
Universität nicht ganz so eingerichtet ist,
doch
die
andre doch
andere
diesen Abgang ersetzen könne;
und vorausgesetzt
deßgleichen
, daß man den Zweck der Universitäten nicht verkenne, und mehr nicht
fordre
fordere
, als dieser Zweck mit sich bringt, der nicht dahin gehen soll, alles irgend Wissenswürdige zu lehren, sondern nur das, wozu
Gelehrsamkeit
Gelehrsamkeit
Gelehrsamkeit
erfordert wird, und sofern diese dazu hinlänglich ist.
Denn
Anm.
Handwerke, Künste und Geschäfte gehören
daher nicht
zur Absicht der
Universitäten nicht;
Universitäten:
dazu mag man allenfalls Kunstschulen,
Handlungsakademien
Handlungsakademieen
, praktische Pflanzschulen errichten. Auch versteht sichs, daß der Augenschein, gewisse Handgriffe, Erfahrung, Weltkenntniß und Uebungen noch in
Vielen
Vielem
nachhelfen, und zu einem besondern Beruf reifer machen
müsse. Und wenn
müssen. Wenn aber
Universitäten das nicht leisten, was nur dann möglich ist, wenn die Lehrlinge die nöthige Vorbereitung von
Schulen
Schulen
mitbringen:
mitbringen,
so dient
ihnen
dies
dieß
zu
keinen
keinem
gerechten Vorwurf.
Handlungsakademien
D.i. Handelsakademien.
120
622
.
Wenn auch
große
Köpfe
Köpfe
grosse Köpfe
, die sich selbst forthelfen können, nicht so selten wären, als sie sind, und man nicht zu den so
mancherley
mancherlei
öffentlichen Geschäften noch mehr mittelmäßige brauchte, als jene; wenn sie auch nicht so viele ihnen
eigne
eigene
Fehler hätten, namentlich eine gewisse einsei tige Art zu denken, und
einen,
daher sowohl, als aus dem Gefühl ihrer
überlegnen
überlegenen
Kräfte, entstehenden Dünkel, Eigensinn, Ungelehrigkeit und Ungeduld,
bey
bei
dem, was beschwerlich ist, zumal wenn es ins Kleine geht, zu verweilen: so bedürfen sie doch des
Stoff
Stoffs, den sie verarbeiten sollen,
und
einer
großen
grossen
Menge
Kenntnisse
Kenntnisse, auch
von Kenntnissen,
um ihn richtig zu beurtheilen, und zu wissen, wie sie ihn anwenden sollen; sie bedürfen allgemeinerer
richtigen
richtiger
Grundsätze
Grundsätze, die, wenn sie richtig und allgemein seyn sollen, sich nicht bloß aus
eigner
eigener
Erfahrung abziehen, oder ohne tiefes Studium und
ausgebreitete
ausgebreitete,
von Andern entlehnte Kenntnisse sicher genug annehmen und anwenden
laßen
lassen
. Und
lassen; und
, wenn sie auch dergleichen Kenntnisse von Andern entlehnen wollten, so ist
dies
dieß
doch ganz etwas
Anders
Anderes
, als wenn sie unser
Eigenthum
Eigenthum
sind, uns zu
aller
Zeit zu Dienste stehen, und aus den
Ge sichtspuncten
Gesichtspunkten
angesehen werden, wo
wir
sie nöthig haben. – Auch von einem
einzelnen
einzelnen
,
in seinem
Fach
Fache
noch so
bewandertem Manne
laßen
bewanderten Manne
, lassen
einzelnen in seinem Fach noch so bewandertem Manne, lassen
sich
gründliche
Kenntnisse von
mehrerley
mehrerlei
Arten, die sich doch einander mehr oder weniger die Hand bieten müssen, nicht lernen, weil er
meistentheils
entweder ganz nur für sein
Fach,
Fach
und für das, was ganz zunächst
dahinein schlägt
dahin einschlägt
,
vollkommen,
oder ein seichter
Vielwisser
Vielwisser seyn wird.
Anm.
Die Erinnerungen in diesem bis zu
den
dem
124sten
§. beziehen sich auf die §.
119.
erwähnten angeblichen
Ersetzungsmittel des Abgangs
Mittel welche man statt
der Universitäten
vorgeschlagen hat
.
121
623
.
Eben so wenig können dies die eigentlichen
Schulen
Schulen
Schulen
leisten. Denn man hat sich da so sehr mit noch ganz ungebildeten Zöglingen zu beschäftigen, die noch so wenig selbst sich helfen können, und denen dieselben Sachen so oft wiederholt werden müssen, um die ersten nothwendigsten Kenntnisse, welche die Grundlage von Andern sind, recht tief einzuprägen, und ihnen recht geläufig zu
machen. Es
machen; es
bleibt
da
so wenig Zeit,
Vielerley
Vielerlei
zu
treiben. Es
treiben; es
ist selbst so wenig nützlich, sogenannte höhere Wissenschaften ohne viele Vorerkenntnisse deutlich, oder auch nur ihren Nutzen eigentlich begreiflich zu machen, und dem
jugendlichen
jugendlicheu
Alter
Geschmack
Geschmack daran
beyzubringen
beizubringen
, daß, wo auf Schulen
vielerley
vielerlei
Wissenschaften, und wo besonders höhere Wissenschaften getrieben werden, nothwendig eine höchst
oberflächige
oberflächliche
und seichte Erkenntniß derselben entstehen muß, die auf das ganze Studium solcher Wissenschaften einen sehr nachtheiligen Einfluß
hat. Noch
hat, und noch
dazu
giebt die Beschäftigung mit sogenannten höhern Wissenschaften auf Schulen,
Gelegenheit
giebt
, die
Vorbereitungswissenschaften
Vorbereitungswissenschaften, die eigentlich der Bestimmung der niedern Schulen gemäß sind, zu versäumen, oder sie nicht brauchbar genug für die künftigen Wissenschaften zu lernen, oder gar, wenn man wirklich Geschmack an hö hern Wissenschaften und den Geschäften des Lebens findet, auch selbst den Geschmack an den Vorbereitungswissenschaften zu verderben, und den darauf zu verwendenden Fleiß zu vermindern. Die
Erfahrung
Erfahrung bestätigt dies nur gar zu sehr, und ein solcher
un-
unzeitiger
oder
frühzeitiger
zu früher
Unterricht verhindert es sogar, daß man jenes Versäumte nicht einmal auf Universiäten oder anderwärts nachholen
kan
kann
und mag. Denn da ist die Seele nicht mehr so beugsam und empfänglich für das, was, wie
z. B.
die Sprachen, sehr viel Mechanisches und ein leicht
auffangendes
auffassendes
Gedächniß
erfordert. Der
erfordert; der
Geschmack ist schon so durch Gegenstände des eigentlichen
Verstandes
Ve standes
oder des geschäftigen Lebens verwöhnt; und der Dünkel, was man noch nachholen könnte, habe man schon auf Schulen vergessen, und brauche es nicht erst zu lernen, verhindert, nebst einer falschen Schaam, so sehr die nun erst rechte Erlernung, daß an einen solchen Ersatz des gar nicht oder schlecht Gelernten schwerlich zu denken ist.
122
624
.
Selbst
Bücher
Bücher
Bücher
können nicht ganz den Abgang des akademischen
Unterrichts
Unterrichtes
ersetzen, oder das so gut leisten, was der mündliche Vortrag auf Universitäten vermag. – Schon der
mündliche
mündliche
Vortrag
Vortrag hat seine
eignen
eigenen
Vortheile. Er wirkt auf mehrere Sinne zugleich. Der abwechselnde Ton der Stimme, der die Hauptbegriffe, den Unterschied der Ideen, und das, worauf die Gedanken des Zuhörers sich vorzüglich heften sollen, merkbarer macht; die den Vortrag begleitende Geberdensprache; zum Theil auch der
Affect
Affect
Affekt
, womit man spricht; und die Idee von der wenigern Kunst, die da weniger als in einer ausgearbeiteten Schrift erwartet
wird,
wird
und eine
leichtre
leichtere
, sich im Reden gleichsam von selbst
ergebende,
ergebende
Ueberzeugung vorauszusetzen scheint, giebt dem Vortrage eine
eigne
eigene
Kraft, die sich durch keine
todte
todten
Zeichen oder Buchstaben so mittheilen läßt. Und selbst die Gewohnheit, im menschlichen Leben den Unterricht durchs Gehör mitgetheilt zu bekommen, macht uns das leichter, was uns so, als was uns durch Schriftzeichen gesagt wird. Alles dieses giebt dem mündlichen Vortrage ein gewisses Leben, das uns immer
weit
mehr als das Todte und Leblose
anzieht. Er
anzieht; er
befördert also die Aufmerksamkeit, die Verständlichkeit, die anschaulichere Erkenntniß, und den Eindruck des Gesagten weit mehr, als was wir bloß
lesen.
Des
Deß
lesen; des
nicht zu gedenken, daß man
bey
bei
dem Reden sich mehr
Wiederholungen
Wiederholungen, selbst mit andern Worten, erlaubt, welche verursachen, daß das, was der Zuhörer überhört, oder nicht recht verstanden hat, ihm dadurch faßlicher wird, sich ihm durch die Abänderung der Worte in eben derselben Sache bisweilen auf mehreren Seiten darstellt, wenigstens durch die Mannichfaltigkeit des Ausdrucks sich mehr empfiehlt.
123
625
.
Hat denn auch der
Zuhörer
Zuhörer Manches nicht oder nicht genug und zu seiner völligen Befriedigung verstanden, so
kan
kann
er den
Lehrer
Lehrer näher befragen, und die Schwierigkeiten oder Zweifel, die ihm übrig bleiben, von ihm aufgelöset bekommen. – Ist der Lehrer, wie man doch
bey
bei
den Meisten voraussetzen
kan
kann
, ein
selbstdenkend
selbstdenkender und untersuchender
Mann:
Mann,
so wird er viele Entdeckungen in dem mündlichen Vortrage mittheilen, die man in Anderer Schriften nicht findet; und ist er Schriftsteller, so wird man Vieles in diesen Schriften erst dann recht verstehen, wenn man ihn über die
nemlichen
nämlichen
Sachen reden, oder das entwickeln hört, was vielleicht in seinen Schriften nur als
bloßes
blosses
Resultat vorhin angesteller Untersuchungen liegt. Oft muß er auch Bedenken tragen, Etwas in Schriften zu
äussern
äußern
, was er entweder noch nicht öffentlich schreiben mag, weil es ihm noch nicht reif genug scheint, und was doch für
den
dem
Zuhörer Winke und Veranlassungen zu wichtigen Entdeckungen geben
kan
kann
, oder was er dem
Publicum
Publikum
, welches aus sehr vermischten Lesern besteht, wegen besorglicher Mißdeutung und
Mißbrauch
Mißbrauchs
, nicht wohl sagen
kan
kann
, das er hingegen seinen Zuhörern, die er näher kennt, für sehr zuträglich hält. – Und wie oft macht er erst während des Vortrags gewisse Entdeckungen, an die er vorher nie dachte, oder ist so glücklich, eine leichtere Wendung, einen deutlichern und bestimmtern Ausdruck zu finden; welches alles ihm vielleicht nie wieder einfällt, und für ihn, wie für jeden andern,
ausser
außer
denen, die ihn gehört haben, verloren ist? – Wie viel giebt es auch Dinge, die sich durch keine Schrift, selbst wenn sie von Kupferstichen begleitet ist, deutlich, wenigstens
anschaulich
anschaulich
anschaulich,
machen lassen,
bey
bei
Sprachen
z. B.
, in der Botanik,
bey
bei
Alterthümern, Kunstwerken,
bey
bei
der Declamation
u. s. f.
? Wie nothwendig ist es dem Lernenden, nicht nur
Theorien
Theorieen
zu hören, oder zu lesen, sondern auch
Handgriffe
Handgriffe zu sehen, ohne die er oft nicht weiß, wie er die Theorie anwenden soll?
124
626
.
Ließe
Liesse
sich denn auch aus
Bücher
Büchern
Büchern
alles das lernen, was man aus dem
Vortrag
Vortrage auf Universitäten schöpfen
kan
kann
: wie Viele haben Kenntniß der wirklich besten Bücher in jedem Fache, und derer, die gerade
ihren
Bedürfnissen angemessen sind? und wie viele Gelegenheit, sie
würklich
wirklich
zu bekommen? Wie viele
Nebendinge
Nebendinge, wie viel noch Unverständliches, oder wie viel noch zu schwere Kenntnisse und
Untersuchungen,
Untersuchungen
enthalten diese, die den Anfänger zerstreuen, oder unnöthig aufhalten? wie Vieles, was ihm unerheblich und unbrauchbar, oder was ihm wichtig scheinen
kan
kann
, und
beyderley
beiderlei
, für ihn wenigstens, nicht ist? zumal da er noch so wenig mit dem Innern der Wissenschaften, mit den wahren Fortschritten der Zeit, mit dem
Werth
Werthe
gewisser Kenntnisse und Untersuchungen bekannt ist, als daß er sich durch diese Bücher allein sollte selbst forthelfen können.
–
Akademische
Lehrer
Lehrer hingegen müssen sich, ihrem ganz
eignen Beruf
eigenen Berufe
nach, ganz den Wissenschaften widmen; ihre wirklichen Fortschritte besser kennen; das Wahre, das Brauchbare, das gerade
der
Classe
Klasse
von Studierenden, mit der sie zu thun haben,
deren
künftigen Bestimmung und gewöhnlichen Vorbereitung nach, mit der sie auf Universitäten kommen, angemessene, und durch die Zeitbedürfnisse erforderte, gefunden haben; gerade also für diese das
Wesentlichstes
Wesentlichste, was ihnen nöthig ist, ausheben, und ihnen auf die ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten
gemässeste
gemäßeste
Art vortragen
können. Sie
können;
haben auch dazu gemeiniglich bessere Gelegenheit und Hülfsmittel, als irgend ein
Anderer. Selbst
Anderer; selbst
ihr
eignes
eigenes
Interesse erfordert es, um ihr Ansehen
zn
zu
erhalten, auf alles dieses bedacht zu seyn, und ihren Vortrag durch die beste Wahl, Ordnung, Deutlichkeit und Fruchtbarkeit zu empfehlen.
125
627
.
Ueberhaupt haben
Universitäten
Universitäten, ausser
Universitäten
, außer
dem schon Gesagten, ganz
eigne
eigene
Vortheile für die Wissenschaften und für den daraus entspringenden
Nutzen
Nutzen,
Nutzen
in Absicht auf das
Publikum
überhaupt,
überhaupt
Publicum überhaupt
und die Studierenden
insbesondre
insbesondere
. – Nach
unsrer
unserer
jetzigen Verfassung sind Universitäten diejenigen Anstalten,
worinn
worin
fast alle diejenigen gebildet werden, die sich den Wissenschaften widmen, von welchen die
Erziehung
Erziehung der Jugend abhängt, und mit welchen öffentliche Aemter besetzt werden, die irgend einen Einfluß in die
Cultur
Cultur
Kultur
der Länder haben. Universitäten haben also einen ungemeinen Einfluß auf die Wissenschaften und auf die davon abhängende
Cultur
Kultur
; durch sie werden wissenschaftliche Kenntnisse am allgemeinsten ausgebreitet; und wenn dieses gleich auch durch Schriftsteller geschieht, so sind doch nicht nur die meisten wissenschaftlichen Schriftsteller auf
Universitäten;
Universitäten,
sondern die Schriftsteller haben auch die allgemeinsten Kenntnisse auf Universitäten erlangt; was sie hinzu erfinden, wird von akademischen Lehrern geprüft, benutzt,
verarbeitet;
verarbeitet:
und so entsteht ein beständiger Umtausch und eine gegenseitige Mittheilung, die immer in dem
Publicum
Publikum
einen gewissen Umlauf von wissenschaftlichen und nützlichen Kenntnissen erhält. – Hierzu kommt, daß, wenn auch, zur Aufnahme
besondrer
besonderer
Wissenschaften,
besondre
besondere
Anstalten mit
großen
grossen
großem
Vortheil können angelegt werden
(Bergakademien
(Bergakademieen
z. B.
), doch die Universitäten dazu bestimmt sind, den Unterricht in
allen
eigentlichen Wissenschaften zu befördern. Da
stoßen
stossen
treffen
also Männer zusammen, die einander, ein jeder mit seinen vorzüglichen Kenntnissen in einer besondern Wissenschaft, in die Hände arbeiten können, und wo ein jeder
bey
bei
dem, was er zu mehrerer
Vervollkommnung
Vervollkommnung seiner Wissenschaft aus einer andern zu entlehnen hat, sich des Raths, der Unterstützung und der Vorarbeit des Andern bedienen
kan
kann
. Da wird dann auch mancher Studierende, der sich sonst nur auf seine Wissenschaft und die damit unmittelbar zusammenhängenden würde eingeschränkt haben, gereitzt, sich zugleich mit andern Wissenschaften wenigstens so weit bekannt zu machen, als zu einer allgemeinen Kenntniß nöthig
ist;
ist,
weil er eben die Gelegenheit findet, sie zu lernen.
126
628
.
Sind
über dies
überdies
Universitäten
Universitäten
gemeine
öffentliche
Sammelplätze, wo die, welche zu Wissenschaften und öffentlichen Aemtern sollen gebraucht werden, in
großer
grosser
Anzahl, selbst oft aus sehr verschiedenen Gegenden und Ländern,
zusammenfließen
zusammenfliessen
: so wird durch sie nicht nur die Ausbreitung und
Circulation
Circulation wissenschaftlicher Kenntnisse sehr befördert, sondern das
Beyspiel
Beispiel
und die Wetteiferung reitzt und ermuntert auch den Fleiß weit mehr, als
bey
bei
den Privatstudien und kleinen Schulanstalten. Es werden
Bekanntschaften
Bekanntschaften, besonders literarische, gestiftet, die, selbst noch nach dem Verlauf der Universitätsjahre, auf mehrere nützliche Verbindungen zu öffentlichen Verdiensten und auf das gemeinschaftliche Bestreben zur Ausbreitung und
Aufklärung
Aufklärung der Wissenschaften
großen
grossen
Einfluß haben. Und junge
Studierende
Leute
haben die sonst nirgends so
vorhandne
vorhandene
Gelegenheit, die
verschiednen
verschiedenen
Charaktere der Menschen, in Absicht auf Geschäfte ihres Standes, kennen zu lernen, und mit der so sehr
verschiednen
verschiedenen
Denkungsart und Sitten der Menschen bekannter zu werden; welches ihnen einen gewissen offnern Sinn giebt, eine gewisse mehrere Theilnehmung an öffentlichen Angelegenheiten (public Spirit) wirkt, und die eingeschränkte einseitige Dekungsart, die engherzige Gesinnung, die
ausschließende
ausschliessende
unduldsame Einschränkung der Bemühungen auf Privatvortheil, wo nicht verhindert, doch
einigermaßen
einigermassen
schwächt.
127
629
.
Endlich kommen noch
bey
bei
Universitäten
Universitäten mehrere Umstände zusammen, die sie, vor allen andern Anstalten, bequem machen, studierende Jünglinge, durch Unterricht in den Wissenschaften, auf künftige Stände vorzubereiten, und sie in den Wissenschaften weiter, als sonst, zu bringen.
–
Sicherlich erleichtern sie doch auf einer Seite den
compendiarisch
compendiarischen Unterricht, ersparen ihnen Mühe, vergebliche Arbeit, Zeit und Kosten, und liefern ihnen den Kern desjenigen, was in jeder Wissenschaft bisher erfunden und erprobt worden ist, also die
Grundlage
Grundlage, auf
die
der
sie nachher immer weiter fortbauen, und die nachher erlangten einzelnen Erweiterungen, ohne Verwirrung, gleich in Ordnung bringen, und als an einen Faden anknüpfen können.
–
Auf der andern Seite geben sie ihnen Gelegenheit, wenn sie nur selbst wollen, weitere Aufschlüsse, feinere Bemerkungen, wenigstens die heilsamsten Räthe in Absicht auf den Fortgang in Wissenschaften, von solchen Lehrern zu bekommen, die die Obrigkeit, als die vorzüglichsten Gelehrten in ihrem Fach, und als die Geschicktesten in Mittheilung ihrer Kenntnisse an Andere, irgends finden konnte; die, ihrem
Beruf
Berufe
nach, sich
ganz
einer besondern Wissenschaft widmen, und es daher, in ihr, natürlich weiter bringen können, als nicht leicht irgend jemand, der eine
andre
andere
Hauptbeschäftigung hat; die durch die beständige Gelegenheit, gleich ihre bessern erlangten Kenntnisse und gemachten Entdeckungen Andern wieder mittheilen zu können, und durch den Fleiß oder
die
Wißbegierde der Zuhörer ermuntert, durch deren Fragen und Zweifel, durch die Wetteiferung mit andern Lehrern, und durch die Verschiedenheit der Meinungen und Methoden unter mehrern ihres
gleichen
Gleichen
, gedrungen werden, immer weiter vorwärts zu gehen.
–
Auch giebt es fast überall, wo Universitäten sind, so ansehnliche öffentliche und
Bibliotheken
Privat-Bibliotheken,
Buchhandlungen
Buchhandlungen, wenigstens
Gelegenheit
Gelegenheit,
leichter, als an den meisten andern Orten, die neuesten Bücher zu
bekommen;
bekommen,
und die meisten akademischen Gelehrten stehen mit auswärtigen Gelehrten in solchen Verbindungen und
Briefwechsel
Briefwechsel, daß es auf Universitäten weniger, als meistens anderwärts, an den besten Hülfsmitteln zu den Wissenschaften und Gelegenheit zu weitern
eignen
eigenen
Fortschritten in denselben, fehlen
kan. Wozu
kann. Hierzu kommt
noch der Vortheil
kommt
, daß Studierende von ihren Lehrern die besondern Schriften und Hülfsmittel überhaupt erfragen können, die für sie, oder um sich über
besondre
besondere
Gegenstände einer Wissenschaft näher zu unterrichten, die zuträglichsten sind, ohne
daß sie in der Verlegenheit sind,
sich von einem Ohngefähr oder öffentlichen Vorurtheile leiten
laßen
lassen
zu müssen
zu lassen
.
Anm.
Die neuesten Schriften über diesen Gegenstand,
z. B.
von
Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst
Schleyermacher
über die Universitäten in deutschem Sinn, Berlin 1808.
Steffens, Henrik
Steffens
Vorlesungen über die Idee der Universitäten, 1808.
, enthalten schätzbare Beiträge zu der vorstehenden Bemerkung.
A. d. H.
Schleyermacher über die Universitäten in deutschem Sinn, Berlin 1808
Gemeint sind Friedrich Daniel Ernst Schleiermachers (1768–1834)
Gelegentliche Gedanken über Universitäten in deutschem Sinn. Nebst einem Anhang über eine neu zu errichtende
(1808).
Steffens Vorlesungen über die Idee der Universitäten, 1808
Die Vorlesungen
Ueber die Idee der Universitäten
des Schleiermacher nahestehenden und ab 1804 in Halle wirkenden Henrik Steffens (1773–1845) stammen aus dem Jahr 1809.
128
630
.
Die bisherigen Anmerkungen über den Werth und die Vortheile der
Universitäten
Universitäten
Universitäten,
hatten
vornemlich
vornehmlich
die Absicht, Studierende, die auf ihnen sollen gebildet werden, zu
mehrern
mehrerm
Fleiß und Wahrnehmung dieser
treflichen
trefflichen
Gelegenheit zu ermuntern, die nie wiederkommt, und durch nichts ganz ersetzt werden
kan
kann
. Es ist noch übrig,
einiges
Einiges
von ihrer rechten
Benutzung
Benutzung
Benutzung
zu sagen. –
Zuerst
Zuerst
muß der, wer eine Universität bezieht, und da mit
wirklichen
wirklichem
Nutzen studieren will, einige
Vorerkenntnisse
Vorerkenntnisse
mitbringen, ohne die er schlechterdings den Docenten nicht gehörig verstehen
kan
kann
, weil dieser, eingedenk des Zwecks der Universitäten, die zu höhern Wissenschaften und zu weitern Fortschritten in allen Wissenschaften führen sollen, sie voraussetzt, und darauf baut, auch wegen der wenigern Unwissenden nicht den bessern Theil seiner Zuhörer mit Sachen aufhalten darf, die ihnen schon bekannt und geläufig sind. Wem es daran fehlt, der muß nothwendig zurückbleiben; er wird nicht ein mal die Lust zu lernen behalten, weil das, was er nicht versteht, ihn auch nicht
interessiren
intereßiren
kan;
kann:
eine
Hauptursache
Hauptursach
, warum die, welche den Schulen zu früh entlaufen
sind,
sind
oder überhaupt
ganz
ganz,
oder in gewissen Wissenschaften versäumt auf die Universität kommen, selten etwas Rechtes lernen, und selbst aus langer Weile sich dem
Müßigang
Müßiggang
Müßiggange
und Unordnungen ergeben. Oder er muß nur erst das Versäumte
nachholen;
nachholen,
wozu nicht immer Gelegenheit, wenigstens nicht ohne
große
grosse
Kosten, ist, wozu die meisten zu stolz sind, wodurch man die ohnehin so kurz auf Universitäten
zugeschnittne
zugeschnittene
Zeit den eigentlichen Wissenschaften entzieht, und, wenn man nicht
ausserordentliche
außerordentliche
Fähigkeiten und Fleiß besitzt, doch wenig vor sich bringen wird. – Zu den unentbehrlichsten Vorerkenntnissen für die, welche
Theologie
Theologie studieren wollen,
gehört, – ausser
gehört – außer
der Bekanntschaft mit der Muttersprache, wie sie in Büchern herrscht, – so viele Kenntniß der
lateinisch
lateinischen, daß man ein nicht zu schweres lateinisches
Buch,
Buch
ohne fremde
Beyhülfe,
Beihülfe
verstehen, und sich in dieser Sprache wenigstens nothdürftig ausdrücken könne; die ersten Anfangsgründe der griechischen Sprache, und wenigstens einiger Anfang, leichte griechische Bücher zu verstehen; ein wenigstens allgemeiner Begriff von der Geschichte und Geographie, und die nothdürftigsten Kenntnisse von der
Vernunftlehre
Vernunftlehre. Nicht viel entbehrlicher
ist wenigstens:
ist: wenigstens
eben so viele Kenntniß der ebräischen wie der griechischen Sprache, eine allgemeine Bekanntschaft mit den Wissenschaften überhaupt, oder eine literarische
Encyclopädie
Encyclopädie
Encyklopädie
, und die nothdürftigste Kenntniß von den besten Büchern in solchen Wissenschaften, die schon auf Schulen getrieben werden, oder auf die
man
er
sich
ins künftige
inskünftige
legen will.
Anm.
Dies ist der
geringste
geringste
Anschlag, von dem nichts
kan
erlaßen
erlassen
kann erlassen
werden. Die zuletzt
angegebnen
angegebenen
Kenntnisse würden hier mit den andern völlig
seyn
in
eine Classe
gesezt
gesetzt
Eine Klasse gesetzt
worden
seyn
, wenn es nicht leider wirklich, auch selbst auf manchen sonst guten Schulen, noch an Gelegenheit zu diesen Kenntnissen fehlte, und nicht auf Universitäten noch eher, als zur Erlangung der Kenntnisse der ersten
Classe
Klasse
, Gelegenheit wäre, die dann sogeich im
Anfange
benutzt werden müßte, ehe man weiter gehen wollte.
129
631
.
Diese Kenntnisse wenigstens vorausgesetzt, ist das
nächste
nächste
Nächste
: kluge Wahl der
Vorlesungen
Vorlesungen, die man hören soll. Etwas Allgemeines läßt sich hier zwar weder über die Wahl der Wissenschaften, auf die man sich legen, noch über die Ordnung sagen, in der man sie nach einander hören sollte. Denn, nach den
verschiednen
verschiedenen
Absichten derer, die Theologie studieren wollen, ist eine oder die
andre
andere
Wissenschaft, zumal Hülfs- oder
Nebenwissenschaft,
Nebenwissenschaft
(siehe den
ersten
Theil,)
Theil),
mehr oder minder
nothwendig. Die
nothwendig; die
gemeiniglich kurze Dauer des akademischen Lebens erlaubt nicht, alle, die man wohl könnte, zu
treiben. Und
treiben; und
es ist weit nachtheiliger, viel und
vielerley
vielerlei
Wissenschaften mit einander, als wenige, aber mit rechtem
Fleiße
Fleisse
, zu hören.
†)
*)
Auch die Wahl ihrer Folge steht nicht immer in
unsrer
unserer
Gewalt, weil manche Vorlesungen eben nicht, wenn man es wünschte, oder nicht von solchen gehalten werden, denen man, sich
darinn
darin
anvertrauen zu dürfen, glauben könnte, oder weil die Stunden, wo sie gelesen werden, mit andern nothwendigen Arbeiten besetzt sind.
†)
Anm.
Anm.
Anm.
*)
Wenn man nicht bloß hören, sondern auch wiederholen, und selbst über das Gesagte nachdenken soll; so ists höchst verderblich, täglich mehr als vier bis fünf Stunden Vorlesungen zu hören, zumal wenn sie schwere oder solche Wissenschaften betreffen,
worinn
worin
uns (
z. B.
in der Kirchengeschichte)
beynahe
beinahe
noch
alles
Alles
fremd ist. Denn, wenn auch nicht mit auf Gesundheit und Verhütung zu
großer
grosser
Anstrengung zu sehen wäre; wenn man auch nicht Ursach hätte, in den
Vorbereitungswissenschaften
Vorbereitungswissenschaften sich weiter nachzuhelfen, und fortzuschreiten: wo soll die hinlängliche Zeit zur Wiederholung und zum
eignen
eigenen
Nachdenken bleiben? Am schlimmsten ist diese Ueberhäufung, wenn sie im Anfange geschieht, weil man alsdann weniger mit den Sachen und mit der Art des Vortrags eines Docenten bekannt ist. Wer sehr gut vorbereitet auf die Universität kommt,
kan freylich
kann freilich
im Nothfall schon eher etwas Mehreres auf sich nehmen, weil er nicht so viel Aufhalt als ein
Andrer
Anderer
findet. Wer sich aber, unbekümmert um das Verstehen, Wiederholen und Nachdenken, mit Lectionen überhäuft, im Vertrauen auf seine
Hefte
Hefte,
Hefte
worinn
worin
er doch das Gehörte
beylegen
beilegen
, und
dereinst
eine Wissenschaft daraus lernen
könne;
könne,
der bedenkt nicht, daß das ohne Verstand und Wahl Nachgeschriebene nothwenig sehr fehler- und mangelhaft ausfallen müsse, daß er sich dadurch zum Hören ohne Sinn und Ueberlegung gewöhne, daß er sich doch dadurch die
Zeit
Zeit,
das Andere besser zu lernen benehme, und den Kopf verwirre, also im Grunde Wenig gewinne und Vieles verliere.
130
632
.
Indessen
sey
sei
immer dies das
erste
Erste
, daß man
theils
das gleich Anfangs auf Universitäten nachhole, was man schon mitbringen sollte, aber es versäumt hat,
theils
, die Hülfswissenschaften voraus höre, ohne die man in der
Theologie
Theologie oder ihren Theilen nicht fortkommen
kan
(
z. B
.
(z. B.
Metaphysik),
kann (z. B. Metaphysik);
theils
, daß man sich vor allen Dingen orientire,
d. i.
wenn man es haben
kan
kann
, sich eine An weisung zur rechten Kenntniß und
zum
Studium aller Theile der Theologie und der damit zunächst verbundenen Wissenschaften geben, und eine eigentliche
Encyklopädie
Encyklopädie derselben (
Theil 1.
§.
24
42.
24.
Anm.
) votragen
laße
lasse
. – Auch bleibe immer die allgemeine Regel: von einer Wissenschaft zur andern fortzugehen, so wie die eine zur Kenntniß der andern erfordert wird.
†)
*)
Ist aber die eine nicht schlechterdings zur Verständlichkeit und Ueberzeugung in der andern nothwendig; nimmt die eine Manches aus der andern, und diese wieder aus jener; oder werfen
beyde
beide
gegenseitiges Licht auf
einander,
einander
(wie
z. B.
Dogmatik
Dogmatik auf
Kirchengeschichte
Kirchengeschichte,
Hermenevtik
Hermenevtik
Hermeneutik
auf Auslegung, und umgekehrt): so
kan
kann
es ziemlich gleichgültig seyn, welche man früher oder später höre.
†)
Anm.
*)
Wonach denn am rathsamsten seyn würde, unter den
theologischen
Wissenschaften erst
Hermenevtik
Hermeneutik
neben wirklicher Erklärung der heiligen Schrift; alsdann Dogmatik und Polemik zu gleicher Zeit, oder letztere nach der erstern; Kirchengeschichte, wenn man sie
zweymal
zweimal
hören könnte, noch
vor beyden
vor
beiden
, wo nicht, lieber erst
nach beyden
nach
beiden
; hierauf die christliche Sittenlehre; und die Symbolik erst nach gehörter Dogmatik, Polemik und Kirchengeschichte; zuletzt, oder auch noch vor der Symbolik, die oben im dritten Theil
beschriebnen
beschriebenen
praktischen Wissenschaften zu hören.
Theil 1. §. 24 Anm.
Wie in der ersten Auflage der
Anweisung
ist auch hier I § 42 Anm. gemeint. In der dritten Auflage der
Anweisung
hat dieser Paragraph keine Anmerkung.
131
633
.
Ist jemandes akademische Zeit sehr
eingeschränkt,
eingeschränkt:
so thut er besser, nur die
für ihn
nothwendigsten, und solche
Vorlesungen
Vorlesungen zu hören,
worinn
worin
er sich selbst künftig am wenigsten durch gute Bücher forthelfen
kan
†)
,
kann,
1
)
als zu
vielerley
vielerlei
auf einmal, oder
besondre
besondere
Theile der Wissenschaften, oder
einzelne
einzle
Wissenschaften zu
wiederholten malen
wiederholtenmalen
zu hören. –
Freylich
Freilich
ist es für die gründliche Erlernung der Wissenschaften höchst nachtheilig, wenn man sie so sehr ins Enge zieht; denn man lernt sie alsdann, genau genommen, eigentlich gar nicht, zumal wenn dem Zuhörer
darinn beynahe alles
darin beinahe Alles
ganz fremd, und er alle Augenblicke in Verlegenheit ist, wie er sich orientiren solle; oder die erlangte Erkenntniß ist kaum werth, daß man sich damit abgegeben hat, und eines verständigen Studierenden unwürdig.
*)
2
)
Wenn aber jemand durch
äusserliche
äußerliche
Umstände genöthigt ist, die Zeit, welche man auf Universitäten zubringt, abzukürzen, oder er hat so wenig Fähigkeiten, oder so eingeschränkte Absichten
bey
bei
der Erlernung der Theologie, daß er nicht über die unterste
Classe
Klasse
der Geistlichen hinausgehen
kan
kann
und will, und also nur nach den
nothdürftigsten
Kenntnissen trachtet: so ist es wohl zu entschuldigen, wenn er
gelehrtere
Disciplinen
Disciplinen nur kurz hört, oder sicht mit einem
bloßen
blossen
Cursus (
z. B.
in der Philosophie) begnügt, um desto mehr Zeit auf eigent lich praktische Studien verwenden zu können. – Hat man Zeit genug, um über eine Wissenschaft mehr als
einmal
Einmal
zu
hören:
hören,
so würde dies von
großem
grossem
Nutzen
Nutzen seyn, weil doch auch der fleißigste Zuhörer viel überhört, oder nicht recht
fasset
faßt
, oder den Werth
einzelner
einzler
Bemerkungen und der Darstellung der Sachen noch nicht so einsieht, als wenn er erst noch mehrere
andre
andere
Wissenschaften gehört hat, die ihn
bey
bei
abermaliger Hörung einer Disciplin auf viele Sachen
darinn
darin
, und deren Wichtigkeit, erst aufmerksam machen werden.
**)
3
)
Anm.
Anm.
1. †)
Anm.
1)
Die
für ihn nothwenigsten
Wissenschaften
bestimmmt
bestimmt
der
besondre
besondere
Beruf
Beruf, dem er sich
widmen
weyhen
will. Der künftige Prediger
kan
kann
doch wohl eher der Kritik der Bibel, einer weitläufigen Polemik, und dergleichen gelehrterer Studien, als der Moral und der Pastoraltheologie, und der künftige Schulmann eher der
Vorlesungen
Vorlesung
über symbolische Bücher, Homiletik
etc.
als der Sprachen, der Geschichte
etc.
entbehren. – Hat man für eine gewisse Wissenschaft noch keine solche Bücher, die, nach dem Bedürfniß des
gründlich
zu unterrichtenden
Anfängers
Anfängers
, vollständig und gründlich genug wären, um selbst sich daraus eine gute Kenntniß derselben zu verschaffen,
wie dies
z. B.
der Fall bey der christlichen Kirchengeschichte ist;
oder könnte man glauben, daß ein gewisser Docent in einer Wissenschaft, wenigstens nach den Bedürfnissen des Zuhörers, mehr leisten würde, als alle davon vorhandene Bücher: so
müßen
müßten
müssen
dergleichen
Vorlesungen vor andern gehört werden.
Anm.
Anm.
2. *)
2)
Zum
Beyspiel kan
Beispiel kann
hier wieder die Geschichte der christlichen Kirche dienen. Fast ihr ganzer Inhalt ist dem Anfänger unbekannt und neu; er
kan
kann
sich
darinn
darin
nicht, wie in eigentlichen Wissenschaften,
mit
durch bloßes
Nachdenken helfen; sie setzt eine Menge von geographischen, historischen, antiquarischen und statistischen Kenntnissen voraus, die immer dem Zuhörer gegenwärtig und geläufig seyn müssen, und die, wenn er sie, wie man fast durchgängig annehmen
kan
kann
, nicht hat, ihm das Meiste unverständlich
laßen
lassen
. Auch
lassen; auch
ist sie kaum des Lernens werth, wenn sie nicht pragmatisch, im wirklichen
Zusammenhange
Zusamenhange
, und zum Theil, wegen der
ausserordentlichen
außerordentlichen
Verunstaltung derselben durch Fabeln, die selbst in Religionsvorurtheile übergegangen sind, kritisch vorgetragen wird. Dazu aber gehört viel Zeit, theils wegen des nothwendigen Details, theils um die Erklärung aller historischen Begriffe einzuschichten, ohne die schlechterdings die Geschichte unverständlich bleibt, und die Vorstellung ihres Verlaufs keine Ueberzeugung gewährt.
Anm.
Anm.
3. **)
3)
Welche Lectionen am ersten verdienten, wiederholt gehört zu werden, würde nicht sowohl nach der vermeinten Wichtigkeit der Wissenschaften, die deswegen doch sehr verständlich seyn
könnten,
könnten
(Dogmatik
z. B.
und
Pastoraltheologie,)
Pastoraltheolo gie),
sondern danach zu beurtheilen seyn, ob sie für den besondern Zuhörer schwerer als andere zu verstehen und zu behalten sind (wovon die Kirchengeschichte wieder ein
Beyspiel
Beispiel
abgiebt). Dahin gehören auch die,
worinn
worin
man merkt, daß man noch am meisten zurück
sey; worinn
sei; worin
uns ein Docent, den man darüber hörte, nicht Genüge gethan hat; und die, welche man im Anfange des akademischen Lebens hörte, wo man wegen noch nicht genugsamer Hülfskenntnisse, und selbst wegen Ungewohnheit des Vortrags eines Lehrers,
alles
Alles
ohnehin nur halb gehört hat.
132
634
.
Bey
Bei
der
Wahl
Wahl der
Lehrer
Lehrer
, deren Unterricht man sich anvertrauen will, – wenn sie anders in
unsrer
unsre
unserer
Gewalt steht – ist mehr Vorsichtigkeit nöthig, als man gemeiniglich denkt, weil davon der wirklich
größeste
grösseste
größte
Nutzen
Nutzen abhängt, den man von dem Aufenthalt auf Universitäten zu erwarten hat. Es ist eben so nachtheilig, sich
darinn
darin
bloß auf
Andrer
Anderer
Rath, als auf sein
eignes
eigenes
Urtheil zu
verlaßen
verlassen
. – Nicht bloß auf jenen. Denn, –
ausser dem
ausserdem
außer dem,
daß die, so oft am besten rathen könnten, nicht immer rathen wollen, um sich nicht
jemanden
jemandem
aufzudringen, oder nicht für
parteyisch
parteiisch
gehalten zu werden, oder Feindschaft und Verdacht von Abneigung gegen Andere zu verhüten, oder weil sie merken, daß der Stolz der Fragenden möchte beleidigt werden, und diese sonach gerade das Gegentheil thun, – so kennen sie die besondern Bedürfnisse der Fragenden nicht genug, weil sie weder mit ihren Fähigkeiten, noch mit ihren Vorerkenntnissen und besondern Absichten
bey
bei
ihrem Studieren bekannt sind; oder sie kennen die Lehrer nicht hinlänglich in Absicht auf ihren mündlichen Vortrag und ihre Fähigkeit, Anfängern gewisse Kenntnisse
beyzubringen
beizubringen
; oder haben unrichtige, oft sehr seltsame, Begriffe und Vorurtheile von dem Werthe eines Lehrers; oder handeln gar nach Leidenschaften und
äusserlichen
äußerlichen
Rücksichten. – Auf der andern Seite fehlt es dem Anfänger selbst gemeiniglich an eben diesen Kenntnissen, und er versteht noch zu wenig von dem, was eigentlich zu seinem künftigen Studium gehört, von der besten Art sie zu treiben, und den besten Hülfsmitteln und Vortheilen
dabey
dabei
, als daß er sich selbst hinlänglich rathen könnte.
133
635
.
Will man Andere zu Rathe
ziehn:
ziehen,
so muß man solche Lehrer, oder Mitstudierende, oder überhaupt
Menschen-
Personen dazu wählen, die Menschen-,
Zeit- und
Sachkundige
Sachkundige dazu wählen, von
Sachkenntniß in sich vereinigen, und
denen man
es gewiß weiß, oder
es
ihnen
sicher
zutrauen
kan: –
kann,
daß sie wissen, was zur
Gelehrsamkeit
Gelehrsamkeit und zu deren Zweigen und Hülfsmitteln, zu deren Gestalt und Bedürfniß, in der
Zeit
Zeit,
wo wir leben, und zu der besten Art gehört, überhaupt und einzelne Wissenschaften zu studieren;
–
daß sie
unsre
unsere
Bedürfnisse kennen, die man, falls dies nicht seyn könnte, ihnen aufrichtig entdecken muß;
–
und daß sie einen guten
Charakter
Charakter haben, zumal in Absicht auf Bescheidenheit, Uneigennützigkeit, Menschenliebe, Schonung Anderer, gewissenhafte Gefälligkeit und Aufrichtigkeit. – Will man sich selbst zugleich mit rathen – denn, was auch Andere noch so gut zu rathen scheinen, müssen wir doch nie ohne gewissenhafte Prüfung annehmen: – so muß man sich selbst dieser Tugenden und Kenntnisse bewußt seyn, oder doch vorher sich von den letztern, durch Nachfragen
bey
bei
solchen, die obige Eigenschaften
haben
besitzen
, und aus einer guten Anleitung zur Kenntniß der Wissenschaften und zur besten
Art sie,
Art, sie
nach den Bedürfnissen
unsrer Zeit,
unserer Zeit
zu treiben, unterrichtet haben; überall aber auf seine
eignen
eigenen
besondern Bedürfnisse
sehen,
sehen
und den Werth eines Lehrers nach richtigen Gründen beurtheilen.
134
636
.
Diese Gründe oder diese Eigenschaften eines
Lehrer
Lehrers, die hier in Anschlag kommen,
sind,
sind
nicht
das gemeine Gerüchte und
der öffentliche Ruf oder die
Celebrität eines Lehrers, überhaupt, oder an dem Orte, wo er lehrt, sondern: – 1) ob er mit
der
Wissenschaft, die
ich
man
durch seinen Unterricht will kennen lernen, vorzüglich bekannt, vielleicht gar Meister in derselben
sey
sei
; 2) ob er einen deutlichen
Vortrag
Vortrag habe.
Dies
Dieß
schließt
zweyerley
zweierlei
in
sich;
sich:
zuerst
, daß der Vortrag den Zuhörern wirklich
Begriffe
Begriffe von den
Sachen
Sachen
beybringe
beibringe
, die sie bisher nicht gekannt, oder nicht so gekannt haben, wie sie sie nun durch diesen Vortrag kennen lernen;
hernach
, daß er auch
Ueberzeugung
Ueberzeugung von der Wahrheit des Vorge tragenen wirke. – Zu dem
ersten
Stück gehört
Faßlichkeit
Faßlichkeit
und
Bestimmtheit
Bestimmtheit
.
Faßlich
ist der Vortrag, wenn der Zuhörer durch die nothwenigsten
Vorerkenntnisse
Vorerkenntnissen
, die er auf die Universität mitbringen muß (§.
128
630
128.
), oder durch das, was der Lehrer sagt, in den Stand gesetzt wird, etwas
bey
bei
dem, was gesagt wird, zu denken.
Bestimmt
ist er, wenn durch die
gegebne
gegebene
Erklärung aller Mißverstand abgeschnitten, und der Zuhörer so
belehret
belehrt
wird, daß er die
vorgetragne
vorgetragene
Sache von allen andern unterscheiden und einsehen lernt, in wie fern
etwas
etwas,
so
beschaffen,
beschaffen
und wahr ist. – Das
zweyte
zweite
Stück, oder das Ueberzeugende des Vortrags, setzt jene
beyden
beiden
Eigenschaften voraus, und erfordert
noch,
ausser
außer
diesen,
Gründlichkeit
Gründlichkeit
,
d. i.
d. i.,
daß der Leh rer nie etwas, wenn es sich nicht von selbst versteht, sage, ohne das
beyzufügen
beizufügen
, woraus der Zuhörer erkennen
kan
kann
, warum es wahr
sey. – Beyde
sei. – Beide
Stücke werden durch die
Ordnung
Ordnung
befördert,
d. i.
durch eine solche Stellung der Sachen und Worte, welche der Natur der Sachen und der Sprache und dem natürlichen Gange gemäß ist, den die menschliche Seele nimmt, wenn sie von dem Bekannten zum Auffinden oder Verstehen des Unbekannten fortgeht.
Anm.
Anm.
1.
Anm.
1)
Es ist also ein sicheres Merkmahl, daß der Lehrer entweder die vorgetragenen Sachen selbst nicht recht verstehe, oder die Bedürfnisse seiner Zuhörer nicht kenne, oder daß er nicht wirklich darauf bedacht
sey
sei
, ihnen nützlich zu werden, oder daß er die Gabe des guten Vortrags nicht habe, wenn er, – in Absicht auf
Faßlichkeit
, nicht
alles
Alles
, es
sey
sei
durch eigentlichste Erklärungen (Definitionen), Beschreibungen,
Beyspiele
Beispiele
oder sonstige Erläuterungen erklärt, was er nicht billig
bey
bei
der Art von Zuhörern, die er vor sich hat, als bekannt voraussetzen
kan
kann
; es müßte denn seyn, daß er etwas sagte, was bloß auf seiner
eignen
eigenen
Erfahrung
beruhete
beruhte
, oder was er, der Kürze wegen, und um nicht die dermalige Aufmerksamkeit der Zuhörer zu zerstreuen, überginge, und auf Schriften verwiese, wo er oder Andere es näher erklärt hätten, oder es seinen Zuhörern deswegen nicht deutlicher machte, weil sie die dazu nöthigen Vorerkenntnisse noch nicht haben könnten, und er sie ihnen, ohne von seinem jetzigen Zweck abzukommen, nicht jetzt mitzutheilen vermöchte. – Eben dergleichen übles Kennzeichen, in Absicht auf
Bestimmtheit
, wäre
dies
dieß
, wenn er
zweydeutig
zweideutig
spräche, oder die Zuhörer durch seinen Vortrag in Verlegenheit
ließe
liesse
, wie sie das Gesagte von ähnlichen ihnen bekannten Dingen, oder wie sie ihnen gleich wahr scheinende Sätze unterscheiden könnten. – Bloße Versicherungen oder Machtsprüche, und was dem ähnlich
ist,
ist
(
die
Fälle ausgenommen, so eben erst
bey
bei
der Faßlichkeit angegeben wurden), verrathen Mangel an
Gründlichkeit
, – Mangel des natürlichen Zusammenhangs, Mangel an
Ordnung
– so wie das
bloße
blosse
Discuriren, Mangel an allen diesen, sonderlich an den
drey
drei
letzten, Eigenschaften.
Anm.
Anm.
2.
2)
Die
Faßlichkeit
des Vortrags muß man nur nicht mit der
Leichtigkeit
verwechseln;
verwechseln:
ein Fehler, den
vornemlich
vornehmlich
diejenigen begehen, welche verlangen, daß jeder gute Vortrag
populär
populär
seyn solle. Wenn zur Einsicht einer Sache Anstrengung erfordert wird, und diese Einsicht nicht
kan
kann
ohne gewisse Vorerkenntnisse, die uns geläufig sind, erhalten werden: so ist sie auch
bey
bei
dem deutlichsten Vortrag demjenigen schwer, dem die letztern fehlen, oder nicht gleich zu Gebote
stehn
stehen
, und der sich nicht anstrengen will.
Popularität kan
Popularität
kann
in eigentlichen
Wissenschaften
Wissenschaften
nicht gefordert werden; sie sind für den nicht,
wer
der
der Popularität im Vortrage bedarf. Sie würde der Bestimmtheit und Gründlichkeit schaden, und demjenigen nicht genug Unterhaltung gewähren, der, wegen mehrerer Fähigkeit, Uebung und Kenntniß der Sachen, nicht nöthig hat am Gängelbande der Popularität geleitet zu werden. – Ganz anders verhält sichs mit möglichster
Verdeutlichung
Verdeutlichung
der
Begriffe,
Begriffe
und mit der daher nöthigen
langsamen
langsamen,
oder vielmehr bedächtigen
Methode
Methode
. Die
erstre
erstere
, und, wenn diese sonst wegen Mangel an Kennt nissen und Uebungen der Zuhörer nicht zu erreichen steht, auch die
letztre
letztere
, ist unumgänglich nöthig, wenn der Vortrag die vorhin erwähnten Eigenschaften haben soll.
Bey
Bei
Anfängern
insbesondre
insbesondere
ist sie ein Zaum der Flüchtigkeit und Ungeduld, und gewöhnt frühzeitig zu gedachten Eigenschaften, ohne die man nie in Wissenschaften zur Vollkommenheit gelangt. Wer diese der Schönheit des Vortrags aufopfern
kan
kann
, ist gewiß zum Lehrer der Wissenschaften, und wer den Werth des guten Vortrags mehr nach Schönheit oder Anmuth desselben, als nach den andern Eigenschaften schätzt, zur Beurtheilung des rechten akademischen Vortrags, wie zu großen Fortschritten in den Wissenschaften, verdorben.
135
637
.
Wenn
über dies
überdies
überdieß
3) gleich das Interessante des
Vortrag
Vortrags
(§.
37
539.
37.
) nicht nothwendig zum guten
Lehrvortrag
Lehrvortrage, der
eigentlich
doch immer
Belehrung zum Zweck haben muß, erfordert wird, sondern es schon genug ist, wenn nur der Lehrer das Interessante der
Sachen
Sachen
hervor zu ziehen weiß: so befördert doch das Interesse, welches er
bey
bei
den Zuhöhrern den Sachen durch den
Vortrag
zu geben versteht, die Aufmerksamkeit derselben, und die Lust, sich damit zu beschäftigen, ja selbst die Faßlichkeit des Vortrags; und diese Eigenschaft verdient
daher,
daher
nicht übersehen zu werden. Ob sie der Lehrer in seiner Gewalt habe, ist nach dem, was davon oben gesagt ist, zu beurtheilen. – Fast noch nöthiger ist es, 4) Acht zu geben, ob der Lehrer eine gute
Wahl
Wahl zwischen dem Nöthigen und Unnöthigen in seinem Vortrage halte. Wer für die erkannte Wahrheit und den Werth desjenigen, was er vortragen soll, eingenommen, auf das Beste seiner Zuhörer bedacht ist, den Zweck, warum er
lehret
lehrt
, immer vor Augen hat, und mit Besonnenheit und Ueberlegung handelt, wird sich nicht nur lustige Ausschweifungen, Ausfälle auf Andere,
u. d. gl.
u. dgl.
nicht erlauben; er wird selbst das
Nützliches
Nützliche von dem Unfruchtbaren, das überhaupt Nützliche von dem, was denen, die ihn hören, zuträglich ist, absondern, also auch zu tief geschöpfte, aus dem Innersten der Wissenschaften
hervorgezogne
hervorgezogene
, mehr zur vollkommnern Erkenntniß und für schon
Eingeweyhete
Eingeweihete
, als zur allgemeinern Kenntniß einer
Wissenschaft,
Wissenschaft
und für
Anfänger,
Anfänger
gehörende feinere Bemerkungen und Untersuchungen übergehen; er wird sich hingegen die Mühe nicht
verdrießen
laßen
lassen
verdriessen lassen
, auch sehr bekannte, und ihm selbst kaum noch
interessirende,
intereßirende,
interessirende
Sachen vorzutragen, wenn sie zur voll ständigen, deutlichen und gründlichen Einsicht in die vorzutragende Wissenschaft gehören.
136
638
.
Bey
Bei
einem
Lehrer
Lehrer, von
den
dem
man wirklich, zumal nach den Zeitbedürfnissen,
Nutzen
Nutzen ziehen will, kommt 5) sehr viel darauf an, ob er in der Erkenntniß der Wissenschaft, die er lehrt, und in Verbesserung seines
Vortrags,
Vortrags
immer fortschreite.
Freylich kan
Freilich kann
er nicht lauter Neues sagen, darf es auch wegen seiner Zuhörer nicht. Er muß nicht nach dem Neuen und
Ausserordentlichen
Außerordentlichen
haschen,
noch
und
über dem Neuen,
das
oft nicht der Rede
werthen
werth ist
, bewährte alte
Wahrheit
Wahrheiten
vergessen, oder
sie
übergehen –
zwey
zwei
Fehler, die gemeiniglich aus
Eitelkeit,
Eitelkeit
und
bloßer
blosser
Begierde zu gefallen, herrühren. Er hat nicht nöthig, es immer zu sagen, daß Etwas neu
sey
sei
, oder daß er Etwas in Rücksicht auf gangbare Streitigkeiten berühre – ein Fehler, der die Zuhörer leicht verwöhnt, und ihnen
alles
Alles
, was nicht
ausserordentlich
außerordentlich
ist, unin teressant
macht;
macht
– er
kan
kann
oft besser das Neue oder Ungewöhnliche verstecken, im Vertrauen auf die verständigen Zuhörer, die das Gesagte auch auf
Zeitbedürfnisse
Zeitbedürfnisse wohl anwenden werden. Auch können gewisse Theile einer Wissenschaft von ihm so gut durchdacht, mit so guten Bestimmungen und Gründen unterstützt, durch treffende
Beyspiele
Beispiele
so gut
aufgeklärt
aufgeklärt seyn, daß Abänderung desjenigen, was er sonst darüber gesagt hat, unnöthig, oder selbst schädlich seyn würde. Allein in den Wissenschaften gehen die
Verbesserungen
Verbesserungen, wenigstens Abwechselungen, und zu gewissen Zeiten gehen sie mit sehr schnellen
Schritten,
Schritten
fort. Es muß also ein akademischer Lehrer, der wirklich Interesse für die Wahrheit und für die
Vollkommenheit
Vollkommenheit einer
Wissen schaft
Wissenschaft,
hat, der selbst
vornemlich
vornehmlich
dazu bestellt ist, den
Fortgang
Fortgang und die Erweiterung der Wissenschaften zu befördern, alle solche Veränderungen sich nicht nur wohl bekannt machen; er muß sie auch prüfen, sichten, und das
würklich
wirklich
Gegründete und Nützliche nicht unbenutzt
laßen
lassen
; und
dies
dieß
um so mehr, da sonst seine wißbegierigen Zuhörer bald glauben werden ihn zu übersehen, und, was für die Wahrheit selbst noch schlimmer ist, das Neue, was sie hören oder lesen, ungeprüft annehmen, oder in ihrer Ueberzeugung irre, oder doch von ihm gegen Mißverstand und Zweifel nicht genug gedeckt werden. Wie viele Verbesserungen leidet nicht auch selbst der gute Vortrag, und wie viele Gelegenheit findet nicht der aufmerksame Lehrer, selbst das Alte und Bekannte durch neue Zusätze zu erweitern,
verständlicher
verständiger
und einleuchtender zu machen, genauer zu bestimmen, besser auszudrucken, interessanter darzustellen, und fruchtbarer anzuwenden?
Anm.
Wer mit der Literatur der Zeit und deren Vorübungen, wäre es auch nur aus Recensionen neuer Schriften, irgend bekannt ist; und wer darauf Acht giebt, ob der Lehrer sich nicht schämt, bisweilen zu bekennen, daß er Etwas bisher nicht gewußt, oder nicht recht verstanden habe, oder ob er Etwas anders lehre und sage, als man
weiß
weiß,
daß er es sonst im Reden und Schriften sagte, wenigstens, ob er nicht Alt oder Neu oft als Regel des Wahren oder Falschen angebe: der wird bald entdecken, ob der Lehrer fortschreite oder
zurück bleibe
zurückbleibe
, und ob er es mit Wahl und Verstand thue oder nicht?
137
639
.
Noch giebt es 6) ein sehr gegründetes Vorurtheil gegen
einen
einem
Lehrer
Lehrer, wenn man weiß, daß er seine Vorträ ge ohne gehörige Vorbereitung halte. Denn, wenn er auch die
größesten
grössesten
größten
Fähigkeiten, Kenntnisse und Gabe zu sprechen
besäße
besässe
; so ists doch unmöglich, daß ihm, zumal wenn er an Einem Tage
vielerley
vielerlei
Beschäftigungen hat, alles das
bey
bei
einer
Vorlesung
Vorlesung gleich
beyfiele
beifiele
, alle Sachen und Worte sich in
der
Ordnung
Ordnung, mit
der
Präcision
Präcision, mit
der
Lebhaftigkeit
Lebhaftigkeit
darstellen
darstellten
, wie es würde geschehen seyn, wenn er das vorher wohl durchdacht hätte, was er sagen
wollte. Es
wollte; es
ist vielmehr
ohne diese Zubereitung
nothwendig, daß er oft verlegen seyn, in Verwirrung gerathen, das
erste beste
Erste Beste
ergreifen, seine Zuhörer mit Nebendingen unterhalten, wenigstens das
Zweckmäßigstes
Zweckmäßigste versäumen oder
vernachläßigen
vernachlässigen
müsse. Der Mangel deutlicher Auseinandersetzung und des ordentlichen Zusammenhangs, nebst der
Beymischung
Beimischung
ganz fremdartiger, oder der ermüdenden Ausdehnung bekannter Sachen, verräth diesen Fehler bald; und wer viele Geschäfte hat, und doch
dabey
dabei
täglich viele Vorlesungen hält, hat die höchst wahrscheinliche Vermuthung gegen sich, daß er sich dieser
Nachläßigkeit
Nachlässigkeit
, unvorbereitet zu lesen, schuldig mache, selbst deswegen, weil ihm eben diese Menge der Arbeiten nicht Zeit genug läßt,
vor
für
sich seine Kenntnisse zu erweitern, alles etwa
Eingesammlete
Eingesammelte
zu prüfen und zu sichten, die nöthige Wahl dessen, was er weiß, für seine Zuhörer zu machen, und die Heiterkeit des Geistes zu behalten, die zum guten
Vortrag
Vortrage
so nöthig, und, weil man zu einer gesetzten Zeit ihn halten muß, oft so schwer zu erhalten ist.
Anm.
Anm.
1. –
Anm.
1)
Ob ein Lehrer die bisher erwähnten Eigenschaften habe, läßt sich zwar oft nur erst entdecken, wenn man ihn mehrmals gehört
hat,
hat;
und daher wäre es gut, wenn man einen, den man zum Lehrer wählen wollte, vorher öfters und mehrmals hinter einander, oder, noch besser, mehrere Lehrer in einem Fach über eben dieselben Sachen hören könnte. Indessen da
dies
dieß
nicht leicht, wenigstens nicht von dem geschehen
kan
kann
, der erst auf die Universität
kommt:
kommt,
so muß man sich,
ausser
außer
der eingezogenen Erkundigung über diese Eigenschaften eines Lehrers
bey
bei
denen, die ihn als einen solchen kennen, wenn sie anders die oben (§.
133
635.
133.
) erwähnten Kenntnisse und
Unparteylichkeit
Unparteilichkeit
besitzen, an das vorläufig halten, was man von
einem
einen
solchen nach seinen uns bekannten
Schriften
Schriften, oder nach dem Urtheil der Kenner, weiß. – Man
kan freylich
kann freilich
nicht von der Güte seiner Schriften auf seinen mündlichen Vortrag
schließen
schliessen
; schreibt aber jemand viele
Schriften
Bücher
, schreibt er sich in diesen selbst viel aus,
hat er
bemerkt man
in diesen die
angegebnen
angegebenen
Fehler des
Vortrags:
Vortrags,
so
kan
kann
man wohl fürchten, sein mündlicher Vortrag werde eben so, oder noch fehlerhafter seyn; weil er sich
in seinen Schriften
als Schriftsteller
mehr Zeit nehmen, und man ihm so viele Achtung für's
Publicum
Publikum
, oder wenigstens für seine
eigne
eigene
Ehre, zutrauen
kan
kann
, daß er
in
auf seine
Schriften
werde den
meisten
möglichsten
Fleiß
angewendet
gewendet
haben. – Ob jemand als
Kenner
über einen akademischen Docenten urtheile, ist daraus abzunehmen, wenn er selbst mit der Wissenschaft,
worinn
worin
er den Docenten
beurtheilet
beurtheilt
, wohl bekannt ist (vorausgesetzt, daß er gewissenhaft, und nicht nach Leidenschaften spricht), und wenn er (
z. B.
in Recensionen) mit einleuchtenden Gründen dieses sein Urtheil wahr gemacht hat.
Anm.
Anm.
2.
2)
Ueberhaupt aber muß man sich nie
anmaßen
anmassen
, selbst ein Urtheil über den Werth eines Lehrers zu fällen, wenn man nicht
theils
diejenigen Vorerkenntnisse mit auf Universitäten bringt, die jeder
Docent
Docent billig voraussetzen darf,
theils
selbst schon richtige Begriffe von den erforderlichen Eigenschaften des
zweckmäßigen
zweckmässigen
akademischen Vortrags hat. Denn ohne jene wird man seinen Vortrag oft nicht
verständlich, oft sogar
ungründlich,
ungründlich
verständlich oder ungründlich
finden, weil man noch gar zu unreif, und mit den bekanntesten Sachen, die man auf Schulen lernen müßte, unbekannt ist. Und wer selbst nicht weiß,
was
zu einem solchen guten Vortrage gehöre; wer
z. B.
dessen Werth nach dem
Ton
Tone
seiner populären Lesebücher oder unwissenschaftlicher, mehr zum Vergnügen, als zur Belehrung und Ueberzeugung, gelesener Schriften, die so sehr den
Geschmack
Geschmack an ernsthaften und gründlichen Untersuchungen
verderben,
verderben;
wer, sag' ich, den Werth jenes Vortrags danach beurtheilen, oder wer in einer Wissenschaft und den einzelnen Untersuchungen in denselben gleich am
Ziel
Ziele
seyn, gleich entscheiden will, ohne erst das, was
dabey
dabei
zum Grunde liegen muß, wohl gefaßt, deutlich durchdacht, bedächtig untersucht zu haben: wird nie anders als verkehrt urtheilen.
Anm.
Anm.
3.
3)
Uebrigens, da alle menschliche Vollkommenheit,
unser Wissen und unser Lehren (
γινώσκειν καὶ
προφητεύειν
),
Stückwerk
Stückwerk; da selbst der beste Lehrer nicht immer Herr über die Heiterkeit seiner Seele ist; da die Lebensart eines seinem Beruf treuen und auf das Wachsthum seiner Kenntnisse und auf die Erweiterung der Wissenschaften eifrig bedachten Gelehrten, selbst
bey
bei
allem Angenehmen, so vieles Leib und Geist Niederdrückende mit sich führt, sollte es auch nur aus der Unlust entstehen, wenn man eine Arbeit, die man gern vollenden, und eine Untersuchung, die man gern ins Reine bringen möchte, unterbrechen muß; da endlich niemand weniger über den Gelehrten in seinem Fach urtheilen
kan
kann
, als der
bloße
blosse
Anfänger: so ist das
Horaz
horazische
Vbi
Horazische
Ubi
plura nitent und Optimus ille est, qui minimis
vrgetur
urgetur
vitiis, auch in Beurtheilung der Lehrer nicht zu vergessen.
unser Wissen und unser Lehren (
γινώσκειν καὶ προφητεύειν
), Stückwerk
Vgl. 1. Kor 13,9f.
horazische Vbi plura nitent und Optimus ille est, qui minimis vrgetur vitiis
Das erste Zitat stammt aus Horaz' knapp gehaltener Schrift
De arte poetica
, das zweite aus dessen
Satiren
. In Hor. Art. Poet. 351f. heißt es: „Zeigt das Gedicht aber insgesamt Klarheit, stören mich kaum noch einzelne Flecken (
verum ubi plura nitent in carmine, non ego paucis offendar maculis
)“ (Text und Übers. nach Tusculum [Ed. Herrmann/Fink], Düsseldorf/Zürich 2000, 270.271). In
Hor. Sat.
I 3,68f. stellt Horaz fest: „Ohne Mängel kommt keiner zur Welt, und gut ist noch der dran, den die Wenigsten plagen (
nam vitiis nemo sine nascitur; optimus ille est, qui minimis urgetur
)“ (Text und Übers. aaO 28.29).
138
640
.
Hat man sich, nach den bisher beschriebenen Regeln der Vorsichtigkeit, zum Unterricht in einer Wissenschaft denjenigen
Lehrer
Lehrer gewählt, der unter allen, die man haben
kan
kann
, dem angegebenen
Muster
Muster am nächsten
kommt:
kommt,
so muß man ihm, auf einer Seite alles vernünftige
Vertrauen
Vertrauen schenken, auf der andern sich
für
vor
aller blinden Anhänglichkeit an ihm hüten. – Je weniger man selbst Fähigkeiten,
vornemlich
vornehmlich
je weniger man Verstand hat, je träger und unthätiger, je mehr man in Kenntnissen, besonders in einer Wissenschaft, noch zurück ist, je weniger man andere Lehrer in eben dem Fache kennt, und je mehr man Stolz besitzt, der, wenn er in sich selbst nichts
findet
findet,
was
ihm
ihn
stützen könnte, sich gern auf Andere lehnt, und durch erborgtes Licht zu glänzen sucht: desto mehr ist man in Versuchung, sich bloß an das Ansehen seines Lehrers zu hängen, ihm ungeprüft zu folgen, und ihn über alle
andre
andere
zu setzen; desto unfähiger auch, künftig selbst ein
Lehrer
zu werden. Oft ist der Lehrer selbst Schuld daran; und, um sich von dieser Seite gegen
blinde Achtung
blinde Achtung
desselben
zu verwahren, würde sehr dienlich seyn,
in dem
Fall
Falle,
daß
wenn
jener, anstatt bedächtig und bescheiden zu untersuchen, gern ruhmredig von sich und seinen Kenntnissen oder Erfindungen spricht, und sich wegwerfende oder verachtende Machtsprüche erlaubt, desto mehr gegen ihn auf seiner Hut zu seyn; auch, wenn man es
kan
kann
, mehrere Lehrer, und, wo möglich, auf mehrern Universitäten, zu hören, welches auch noch den Vortheil hat, daß man viel Mehreres lernt, und sich nicht so sehr an einseitige Beurtheilung gewöhnt.
139
641
.
Hinwiederum entspringt das zu wenige Vertrauen auf den gewählten
Lehrer
Lehrer und die herabsetzende Kritik, die man sich gegen ihn zu Gute hält, aus eben denselben Quellen, nur daß sie mit etwas
mehrerem
mehreren
Dünkel versetzt ist, der durch Disputirgeist, durch
Gewohnheit
Gewohnheit,
schnell
abzuurtheln,
abzuurtheln
und vor bedächtiger Untersuchung zu entscheiden, so wie durch dem Umgang mit gleich rasch urtheilenden Leuten, oder mit Gelehrten, deren Urtheile man gern auffängt, und sich mit ihnen, als mit seinen
eignen
eigenen
Federn schmückt, erzeugt und genährt wird. Je mehr man den
großen
grossen
Werth der zumal einen Jüngling so wohl kleidenden
Bescheidenheit
Bescheidenheit (§.
111.
613.
) erkennt, und diese
Tugend
Tugend annimmt; je mehr man sich selbst und seine Schwächen studiert; je mehr man sich zu überzeugen sucht, daß
Verstand
Verstand nicht vor den Jahren reif
werde
wird
, und daß Männer, die schon viel studiert, gedacht, und sich in Untersuchungen geübt haben, natürlich weiter müssen gekommen seyn, als der Anfänger, auch
bey
bei
dem besten Kopf; je mehr man endlich bedenkt, wie sehr man sich
bey
bei
Verständigern und Kennern durch dieses jähe Absprechen verächtlich, und durch Undankbarkeit verhaßt mache: je mehr wird man sich gegen diese Unbescheidenheit verwahren. – Allerdings muß aber das
Vertrauen
Vertrauen auf seinen Lehrer
vernünftig
vernünftig
seyn. Einiges, was der Lehrer vorträgt,
kan freylich
kann freilich
der Zuhörer auch schon wissen und beurtheilen, Vieles aber auch nicht. Was der Lehrer anders nicht als bloß
versichern
(§.
134.
636.
Anm.
1.),
nicht,
nicht
den Beweis
davon
führen, oder ihn begreiflich machen
kan, darinn
kann, darin
muß man ihm
glauben
, bis man anderwärtsher von dem Gegentheil überzeugt wird, oder man muß auf alles
Lernen
von Andern Verzicht thun. Was die Wahl der vorzutragenden Sachen und die
Methode
Methode
betrift
betrifft
: so muß man es ihm, als
den
dem
Verständigern und Geübtern, zutrauen, daß er am besten wissen werde, was das Zuträglichste
sey
sei
. Wenn man aber glaubt, etwas schon besser zu wissen oder beurtheilen zu
können:
können,
so ists doch vernünftig, sein Urtheil aufzuschieben, bis man Gründe und Gegengründe richtig gegen einander abgewogen, und dem Lehrer selbst seine Zweifel vorgelegt hat, überhaupt aber sich zu bescheiden, daß man, wegen Mangel an Kenntnissen, Erfahrung und Uebung, leichter irren und einseitig urtheilen könne, als
An dre
Andere
, die, nach allen Regeln der Wahrschein lichkeit, es in
Kenntnissen und Fertigkeiten
allen diesem
schon weiter gebracht haben.
140
642
.
Will man den gewählten
Lehrer
Lehrer so gut benutzen, als man immer
kan:
kann,
so
kan dies
kann dieß
eben sowohl durch den
Umgang
Umgang
als durch
Unterricht
Unterricht
geschehen. –
Bey
Bei
Benutzung seines
Unterrichts
Unterrichts
,
hängt sehr viel davon ab, daß man sowohl auf die
mannigfaltige
mannichfaltige
Art
sehe, wie man ihn zu seinem Vortheil brauchen könne, als auf die dazu nöthige
Gemüthsfassung
Gemüthsfassung
. Von der
Letztern
letzteren
ist schon oben geredet worden (§.
110
flgg.
);
f.
),
612.
flgg.),
und ich darf nur noch
insbesondre
insbesondere
an den ununterbrochenen
Fleiß
Fleiß
bey
bei
Besuchung der Vorlesungen erinnern, dessen einmalige Unterbrechung öftere nach sich zieht, und bald zur bösen Gewohnheit, allemal aber deswegen nachtheilig wird, weil jede Lücke Dunkelheit zurückläßt, den Zusammenhang zerreißt, und der Docent im Folgenden auf dasjenige bauet, was er, als aus dem Vorhergehenden bekannt, voraussetzt. – Also hier nur noch Etwas über die
Art
, den akademischen Unterricht zu benutzen.
141
643
.
Die nächste Absicht
bey
bei
Errichtung der
Universitäten
Universitäten und dem daselbst eingeführten Un terricht, war: angehenden Studierenden, nach genugsamer Vorbereitung auf Schulen,
Belehrung
Belehrung über diejenigen Wissenschaften zu verschaffen, die sie
bey
bei
der besondern Art ihres künftigen öffentlichen
Beruf
Berufs nöthig hätten,
so fern
sofern
dieser Beruf
er
gelehrter
Kenntnisse
Kenntnisse bedarf, und zwar eine solche Belehrung, die sie mit dem Hauptinhalte jeder Wissenschaften im Zusammenhange bekannt machen, und zur Grundlage
bey
bei
dem
eignen
eigenen
weitern Fortbaue
darinn
darinn,
darin
dienen könnte. Man setzte also Jünglinge voraus, die auch
hierinn
hierin
wollten Männer werden, sich nicht mit dem akademischen Unterricht, nicht einmal mit der
bloßen
blossen
Anwendung
desselben,
desselben
begnügen, sondern wirklich weiter fortbauen. Wie könnt' er auch sonst
Vorbereitung
auf die künftige verständige und weise Führung eines öffentlichen Amtes werden? Daraus folgt, daß
der
, wer auf Universitäten studiert, keineswegs seine Pflicht erfülle, wenn er bloß Unterricht
empfängt
und
einsammlet
einsammelt
; welches allein ohnehin der
Selbstthätigkeit
Selbstthätigkeit eines vernünftigen Menschen unwürdig ist; sondern daß er nur dann jene Absicht
erreiche: –
erreiche,
wenn er sich das Gelernte zu eigen
macht,
macht;
–
wenn er es als Gelegenheit zum weitern
Nachdenken
Nachdenken und
Anwendung
Anwendung braucht,
–
und wenn er dem Lehrer die Art ablernt, wie man
bey
bei
Auffindung, Untersuchung und Mittheilung der Wahrheit verfahren müsse.
142
644
.
Die Gedanken eines Andern werden alsdann die
meinigen
unsrigen
, wenn
ich
wir
nicht nur eben das
bey
bei
seinen Worten oder Zeichen
denke
denken
, was er dadurch wollte zu verstehen geben, sondern auch noch vielmehr, wenn
ich
wir
sie, wie er, für
wahr
wahr und
gut
gut
erkenne
erkennen
. Dadurch gehen sie in
meine
unsere
Vor stellungen,
in meine
Ueberzeugung und
in meine
Neigungen über; und so lange sie nicht auf diese Art
mein
unser
Eigenthum
Eigenthum
worden
geworden
sind,
kan ich
können wir
sie weder für
mich
uns
noch für
Andre
Andere
brauchbar machen, weil sie mit
meinen
unsern
übrigen Gedanken und Neigungen nicht
zusammenfließen
zusammenfliessen
. Wenn
ich
wir
das, was
ich
wir
von Andern gehört oder gelesen
habe
haben
, nicht wörtlich
wiederhole
wiederholen
, sondern in
meine eignen
eigene
Worte
einzukleiden,
einzukleiden
und
mir
aus der Sprache und aus der Absicht desjenigen, von dem
ich
wir
sie
habe, bey
haben, bei
dem
Gebrauch
Gebrauch derselben, Grund anzugeben
weiß
wissen
, warum
ich
wir
es so
verstehe
verstehen
; wenn
ich mir
wir uns
eben so
Rechenschaft
Rechenschaft geben
kan
können
, warum
ich
wir
es für wahr
halte
halten
, zumal wenn
ich
wir
es durch
eigne
eigene
Gedanken zu verbessern oder zu vermehren
weiß
wissen
; wenn
ich erkenne
wir erkennen
, wozu
ich
wir
es
brauchen kan
gebrauchen können
, und es in irgend ein Verhältniß mit
meinen
unsern
Bedürfnissen zu setzen
verstehe
verstehen
: dann
kan ich
können wir
gewiß wissen, daß
ich
es
in mein Eigenthum verwandelt habe
unser
Eigenthum
geworden ist
.
143
645
.
Ich kan
Man kann
aber noch weiter gehen, und es auch als
mein
Eigenthum
Eigenthum
verarbeiten
, um
mir
sich
gleichsam als mit
meinem eignen Capital
einem eigenen Kapital
Zinsen zu erwerben, welches dadurch geschieht, wenn
ich
man
es als
Gelegenheit
benutze
benutzt
, weiter
darüber
nachzudenken,
nachzudenken
und es
anwenden
anzuwenden
anzuwenden
.
(§.
141
).
643.
).
Dies
141.
) Dieß
führt
mich
auf
eigne
eigene
Entdeckungen, wodurch
meine
die
Kenntnisse mit neuen bereichert werden, und selbst das von Andern Gelernte mehr berichtigt, bestätigt, und nutzbar gemacht wird. Wer
dies
dieß
nicht thut und auf diese Art mit seinen Kenntnissen
wuchert,
wuchert;
wird zwar ein nützlicher und treuer Lehrer werden können, aber immer nur mittelmäßig bleiben, ohne die Gränzen seiner Wissenschaft zu erweitern.
144
646
.
Nächst dem
Nächstdem
läßt sich aus dem
Vortrag
Vortrage
des
Lehrer
Lehrers noch mehr Nutzen ziehen, wenn
ich
man
nicht bloß von ihm, obgleich mit
eignem
eigenem
Fleiß,
lerne
lernt
, nicht bloß von dem Gelernten
Anlaß
zu
eignen
eigenen
Entdeckungen
Entdeckungen
nehme
nimmt
, sondern auch ihm
ablerne
ablernt
, wie
ich
man
es anzustellen habe, um Etwas zu finden, zu prüfen, und Andern mitzutheilen (§.
141
643
). Denn
141.
); denn
sonst bleibt
mein
das
Lernen immer noch zu
mechanisch
mechanisch, und mehr, obgleich
eigne,
eigner
eigene,
Wiederholung desjenigen, was er gesagt
hat;
hat:
und, wenn
mich
auch
mein eigner
der eigene
Kopf
Kopf auf weitere Entdeckungen führt, so
werde ich mir
werden ihm
doch diese sehr
erleichtern
erleichtert
und
vervielfältigen
vervielfältigt
, wenn
ich
man
auf die Quellen,
woraus
woher
er
der Lehrer
schöpft, Acht
gebe
giebt
, um sie selbst zu benutzen, und
mir
aus der Wahrnehmung des Verfahrens, das er beobachtet, allgemeine
Regeln
Regeln
abziehe
abzuziehen
, die
mich bey
man bei
ähnlichen Fällen
leiten können
befolgen könne
. Gesetzt
dann
denn
auch, daß
ich
man
Vieles von dem, was der Lehrer gesagt hat, nicht
lerne,
lerne
lernt,
oder wieder
vergesse:
vergißt,
so
werde ich
wird man
doch durch dieses Absehen der Regeln und der Art, nach ihnen zu verfahren, eine Menge von
Grundsätze
Grundsätzen
gewinnen, die immer, wenn gleich in ganz andern Fällen,
mir
große
ihm grosse
Dienste thun werden, so wie dadurch und durch
mein eignes
das eigne
eigenes
Nachdenken
Nachdenken (§.
143
) mich
645.
) sich
143.
) sich,
so gut
üben
, daß
ich
er
man
eine Fertigkeit erhalten
werde
wird
, selbst
wird,
Vieles, was
ich
er
man
in dem
Vortrag
Vortrage
des Lehrers überhört
habe
hat
, und
wohl
noch Mehreres
über den Gegenstand
zu finden.
145
647
.
Doch auf den recht nützlichen Gebrauch der akademischen
Vorlesungen
Vorlesungen insbesondere zu kommen, so ist es sehr nützlich,
vor
Anhörung der einzelnen Stunden, in dem Buche, worüber gelesen wird, das bedächtig durchzugehen, was in dieser Stunde möchte erklärt werden, und sich das zu bemerken, was man nicht versteht, oder worüber man vorzüglich Erklärung wünscht. Denn dies erspart nicht nur unnöthiges Nachschreiben, sondern es befördert auch die Aufmerksamkeit, und, wenn diese auch in der Stunde erschlaffte, so wird man doch dasjenige wenigstens vorzüglich bemerken, was uns am meisten
inte reßirt
interessirt
, oder uns sonst
bey
bei
dem Studium der Wissenschaften am meisten aufhalten möchte.
146
648
.
Bey
Bei
dem Anhören des Vortrags 
selbst
selbst,
läßt sich zwar das
dreyfache
dreifache
Verhalten (§.
142
–
144
644
–
646.
142
–
144.
) nicht ganz zugleich und mit genugsamer Anstrengung beobachten. Es ist genug, wenn man vor der Hand nur auf das erste (§.
142
644.
142.
) bedacht ist, und alle Aufmerksamkeit auf den Vortrag mitbringt, um durchaus demselben mit
seinen
seinem
Gedanken zu folgen, und das Gesagte nicht bloß mit dem
Gedächtnisse,
Gedächtniß
sondern auch mit dem Verstande aufzufassen; sichs also bewußt ist, ob und was man
dabey
dabei
denke, ob es uns einleuchte oder zweifelhaft bleibe,
nutzbar
nutzbar scheine oder nicht. Wer zu Wissenschaften wirklich aufgelegt ist,
bey
bei
dem wird, selbst unbemerkt, die Kraft und der Trieb nachzudenken,
anwenden
anzuwenden, und sich allgemeine Regeln des Verfahrens abzuziehen, doch schon wirksam seyn; und diese Kraft weiter
bey
bei
dem Gehörten zu brauchen, bleibt der Zeit der
Wiederholung,
Wiederholung
und überhaupt der künftigen
Zeit,
Zeit
ohnehin vorbehalten.
147
649
.
Sehr rathsam ist es,
bey
bei
Anhörung des Vortrags sich Einiges von dem, was man hört, mit vernünftiger Wahl
aufzeichnen
aufzuzeichnen. Denn
aufzuzeichnen; denn
dies befördert die Aufmerksamkeit, weil man auch den uns oft störenden Augen und Händen eine Beschäftigung
giebt. Es druckt die Sachen
giebt: es drückt das Gehörte
dem
Gedächtniß
Gedächtniß besser ein, und ist
bey
bei
solchen Sachen, die
uns
vorher
meist oder durchaus unbekannt
sind, beynahe
waren, beinahe
unentbehrlich. Was man hintennach wieder vergessen hat, ist denn doch nicht verloren, und das
Aufgeschriebne
Aufgeschriebene
erinnert
uns
wieder an das, was dem Gedächtniß
entwischt
entfallen
war. Man gewöhnt sich auch dadurch, einen ausführlichen Vortrag zu concentriren, und auf die
Hauptsachen
Hauptsachen zusammen zu ziehen, welches
uns
hernach
bey
bei
dem Lesen der Bücher und
bey
bei
dem eignen Denken
große
grosse
Dienste thut. – Aber nur
Einiges
Einiges
, und mit
vernünftiger
Wahl
vernünftiger Wahl
, müßte man
aufschreiben. Sonst
aufschreiben: sonst
fällt der letzterwähnte Nutzen weg; selbst die eigentliche Aufmerksamkeit leidet darunter, weil das Anhören bloß
mechanisch
mechanisch
geschiehet
geschieht
; und man ist
dabey
dabei
ganz ausser Stande, sichs bewußt zu seyn, ob man es auch verstehe,
und, noch vielmehr,
oder während man hört und schreibt, zugleich
nachzudenken.
Anm.
Noch seltsamer ist das Nachlesen vorher abgeschriebener
Hefte
Hefte, die den
sonstigen
früheren
Vortrag des Docenten über diese Wissenschaft enthalten. Denn,
ausser
außer
der Unzuverläßigkeit solcher Nachschriften, verhindert das
Verhör
Ueberhören
des Docenten nach der zugleich nachgelesenen Handschrift, die Aufmerksamkeit auf seinen jetzigen Vortrag. Lieset er vollends nicht bloß seine Hefte ab, und hält, wie billig, einen
freyen
freien
Vortrag: so geht dem Protocollirenden
alles
Alles
, was jener jetzt erst und neu sagt, und über dem Suchen, wo jedes einzutragen
sey
sei
, auch die Revision des Bisherigen verloren.
Doch diese Sache ist zu verächtlich, um mehr davon zu sagen.
148
650
.
Soll
dieses
Nachschreiben
Nachschreiben
das
Nachschreiben
nicht seinem
Zweck
Zwecke
mehr hinderlich als förderlich
seyn:
seyn,
so muß es
erstlich
in mög lichster Kürze und Geschwindigkeit geschehen, um weder zu ermüden, noch über dem Nachschreiben etwas, vielleicht Wichtigeres, vom Vortrage zu überhören. Und dies wird sehr erleichtert, wenn man, mit Bemerkung dessen, was eigentlich die Sachen angeht,
alles
Alles
wegläßt, was im Vortrage fremdartig oder
bloße
blosse
Einkleidung ist; wenn man sich vor der Stunde den Text, worüber gelesen wird, wohl bekannt macht (§.
145
647.
145.
); und wenn man sich gewöhnt, nicht sowohl mit
Abkürzungszeichen
Abkürzungszeichen zu schreiben, als vielmehr mit Zahlen und Zeichen, die auf den Text verweisen, und bloß mit
einzelnen
einzlen
Wörtern die
Hauptgedanken
Hauptgedanken, und so viel anzumerken, als hinreichend ist,
uns
an das Uebrige leicht wieder zu erinnern. – Nächst dem muß man mit weiser Wahl aufzeichnen, aus eben den und andern §.
147
649.
angegebnen
147.
angegebenen
Ursachen; also – mit gänzlicher Uebergehung alles dessen, was schon im
Text
Texte
steht, was man sonst schon weiß, oder von selbst finden, oder wessen man sich durch Hülfe des Andern leicht wieder erinnern
kan
kann
, – die Hauptge danken mit den angegebenen Bestimmungen, zumal wenn sie uns noch gar nicht bekannt sind, und wir sie nicht durch
Nachdenken
Nachdenken ergänzen können; die Gründe und treffende
Beyspiele
Beispiele
, womit die Bemerkungen unterstützt oder erläutert werden; was der Lehrer zu reiferer Untersuchung, oder was er besonders der Aufmerksamkeit empfiehlt; und was uns selbst, während des Vortrags, zur
Aufklärung
Aufklärung, Bestätigung oder Bezweifelung einfällt. – Angestrengte Aufmerksamkeit, Verstand und Uebung gehört
freylich
freilich
dazu:
dazu;
aber wer
jenes beydes
dieß beides
besitzt, dem wird die Uebung, und dadurch auch eine zweckmäßig vollständige Aufzeichnung des Gehörten bald geläufig
werden; vornemlich
werden, vornehmlich
, wenn er
bey
bei
der Wiederholung wahrnimmt, was ihm von dem Gehör ten entgangen ist, und er das Aufgezeichnete, nebst dem, was ihm dadurch erinnerlich wird, mit dem vergleicht, was Verständigere oder Geübtere ihm einzuhelfen wissen.
Anm.
Es wäre ungemein wünschenswerth, daß junge Leute schon in den obersten Schulklassen eine Anleitung erhielten, wie man einen Vortrag nachschreiben solle. Aber leider halten sogar schon Schullehrer streng darauf, daß ihre Schüler Alles Wort für Wort nachschreiben müssen, was sie ihnen vortragen.
A. d. H.
149
651
.
Nach
vollendeter
Vorlesung
Vorlesung ist
nicht das weitere Abschreiben des Gehörten oder
ein abermaliges
Abschreiben
nur Zeitverschwendung. Selbst
das Nachlesen gewisser Schriften über eben die Sachen, die man gehört hat,
nöthig. Beydes nimmt
nimmt Anfangs
viel Zeit weg, die man besser anwenden
kan
kann
. Jenes
kan; jenes
befördert auch die Trägheit und das schädliche Vertrauen auf seine
Hefte
Hefte
guten Hefte
.
(§.
147
).
147.
)
Für
649.
); und für
das
weitre Nachlesen
Nachlesen
großer Werke
ist die Zeit auf Universitäten nicht bestimmt, wo man
nur
zunächst mehr
hören und
darüber denken
nachdenken
soll. Es
soll; es
verwirrt auch den Zuhörer, weil in Schriften oft
etwas
ganz
was
Andres
etwas Anderes
über die Sache gesagt, oder das
Nemliche
Nämliche
anders vorgetragen
wird;
wird,
oder es
stehet
steht
oft das Gelesene mit dem Gehörten
in
im
Widerspruch, und setzt in unzeitige Verlegenheit, wenn man
beydes
Beides
nicht mit einander vereinigen, oder beurtheilen
kan
kann
, welches von
beyden
beiden
das Bessere
sey
sei
. – Vielmehr wiederhole man bloß das Gehörte,
ohngefehr so:
ungefähr so,
daß man sich, allenfalls mit Hülfe des erklärten Textes, doch noch besser ohne denselben, wieder das zu vergegenwärtigen
suche
sucht
, was man gehört hat, und es sich gleichsam selbst
vortrage
vorträgt
; oder, wenn wir ja so selbst nicht alles wieder finden, daß man dann das erläuterte Buch oder das
Nachgeschriebenes
Nachgeschriebene
Nachgeschriebne
zu Rathe
ziehe
zieht
; daß man darüber
nach denke,
nachdenke
und sich das, was uns dagegen oder darüber
beyfällt
beifällt
, wenn man es nicht gleich auflösen oder genug beurtheilen
kan
kann
, aufzeichne, um es ein andermal
bey
bei
mehrerer Muße und weiter erlangten Aufschlüssen genauer zu untersuchen, oder darüber, zumal wenn man etwas nicht recht verstanden oder gefaßt hat, Andere, die weiter sind, oder noch lieber den Docenten selbst, zu befragen.
– Kan man das Gehörte in Gesellschaft Andrer wiederholen, so gewinnt man noch mehr dabey. Doch davon nachher.
Anm.
Ganz dürfte doch das
Nachlesen
nicht zu verwerfen seyn, zumal der Lehrer es ja selbst oft empfiehlt, und ihm daran liegen kann, daß der Zuhörer noch eine andere Ansicht kennen und vergleichen lerne.
A. d. H.
150
652
.
Ausser
Außer
dem akademischen
Vortrage
Vortrage
,
sollte man ja nicht
unterlaßen
unterlassen
, auch aus dem
Umgang
Umgange
mit seinen
Lehrer
Lehrern den möglichsten Nutzen zu
ziehn
ziehen
. – Es gehört
, dünkt mich,
schon zur Dankbarkeit gegen sie, die jeder gutgeartete Jüngling für eine seiner theuersten und angenehmsten Pflichten halten wird, ihnen Beweise seines Vertrauens nicht vorzuenthalten, als wodurch allein das engere, für
Beyde
Beide
so
wohlthätige,
wohlthätige
Band der
Freundschaft
Freundschaft geknüpft werden
kan
kann
. Ein edeldenkender Lehrer, dem es mehr um
das
Verdienst, als um
den
Verdienst zu thun ist, wünscht gewiß, seinem Zuhörer so nützlich als möglich zu werden, nicht nur um ihn zu
Aemtern
Stellen
oder Wohlthaten zu verhelfen, wenn es in seiner Gewalt steht, sondern, was weit wichtiger ist, so viel, als er
kan
kann
, zu seiner
Bildung
Bildung
beyzutragen
beizutragen
. Um jenes, nach den wahren Be dürfnissen desselben und mit gutem Gewissen zu thun, muß er ihn, nach seinen Fähigkeiten, Fleiß und Charakter
kennen;
kennen:
und dazu hat er
ausser
außer
dem nähern Umgang keine Gelegenheit. Um, mehr als nur im Allgemei nen an seiner Bildung zu arbeiten, ihm mehr als nur durch Verbesserung seiner Erkenntniß zu nützen, muß er mehr Gelegenheit
haben
haben,
als den
bloßen
blossen
öffentlichen Vortrag. Und den Lehrer, unter so manchen drückenden Umständen,
bey
bei
guten Willen zu erhalten, ihn zu jener vielumfassenden Wohl thätigkeit zu
ermuntern,
ermuntern:
was
kan
kann
erheiternder seyn, als wenn er unter so vielen, die zu dem
Stand
Stande
, dem sie sich
äusserlich
äußerlich
widmen, wenig oder gar keinen innern Beruf haben, die wenigen Auserwählten, die wahre Blüthe der Jugend, auf der so sehr die Hoffnung der allgemeinern
Glückseligkeit
Glückseligkeit der Welt beruht, wenn er
die
kennen lernt, wenn er sich, an
diesen
wenigstens, nicht vergebens gearbeitet zu haben, freuen, mit diesen in engere Verbindung treten
kan
kann
, um mit angestrengterem und
vorzüglicherm
vorzüglichern
vorzüglicherem
Fleisse an ihnen, und, durch sie, an dem allgemeinen Besten zu arbeiten?
151
653
.
Wirklich hat dieser
Umgang
Umgang auch für den studierenden Jüngling ganz
eigne
eigene
Vortheile. Er
kan
kann
, durch nähere
Befragung
Befragung des
Lehrer
Lehrers, das, was er nicht verstanden hat, besser verstehen lernen, seine Zweifel in seinen Schooß ausschüt ten, umständlichere und genauere Belehrung einziehen. Er
kan
kann
da von ihm
Vieles
vieles
lernen, was der Lehrer im öffentlichen Vortrage nicht berührte, es
sey
sei
daß es ihm nicht
beyfiel
beifiel
, oder die Gränzen der Zeit, es zu sagen und auszuführen, nicht erlaubten, oder daß er Bedenken
fand
fand,
vor einem vermischten Haufen zu sagen, was er gern in dem
freyern
freiern
vertraulichen
Umgang
Umgange
denen mittheilt, die es tragen können, die dessen
bedürfiger
bedürftiger
sind, für die es auch, weil es durch ihre
eignen
eigenen
Fragen oder Gedanken veranlaßt wird, mehr Interesse hat. Der Lehrer
kan
kann
da weit mehr mit Rücksicht auf die besondern Bedürfnisse und Fähigkeiten des Zuhörers sprechen, als in dem
Vortrag
Vortrage
vor sehr
verschiednen
verschiedenen
Zuhörern. Er
kan
kann
ihm, so zu reden, mehr Handgriffe zeigen, ihn auf den Werth der Sachen und ihrer Bestimmungen aufmerksamer machen, ihm die nützliche Anwendung derselben auf
besondre
besondere
Fälle einleuchtender zeigen. Dem Zuhörer werden dann auch die
Vorlesungen
Vorlesungen werther; weil sie ihm durch das im
Privatumgang
Privatumgang Gehörte verständlicher werden; weil er nun glauben
kan
kann
, was der Lehrer da öffentlich sagt, das sage er mit veranlaßt durch seine Fragen, und er habe dadurch Gelegenheit zu öffentlicher Belehrung Mehrerer gegeben;
dies
dieß
wird seinen Fleiß noch mehr, es wird ihn selbst ermuntern, sich durch
seinem
seinen
Fleiß dem Lehrer noch beliebter zu machen. Und wie viele Gelegenheit bekommt dieser nun, auch den
Charakter
Charakter und das
Herz
Herz seines Zuhörers mehr zu bilden, ihn mit der vollen Vertraulichkeit eines Vaters oder
Freundes
Freundes,
zu vermahnen, ihm zu rathen, ihm alles Gute zu erleichtern?
Für
Vor
wie vielem Unfleiß und
wie vielen
Ausschweifungen wird dieser sich hüten, wie viele Fehler abzulegen suchen, um sein Vertrauen nicht zu verlieren, und sich seines nähern wohlthätigen Umgangs nicht unwürdig zu machen? Welche vertraulichere
Freundschaft
Freundschaft wird durch
dies
dieß
alles zwischen
beyden
Beiden
ent stehen, deren Folgen sich auch auf die Zukunft, weit über die Zeit des kurzen akademischen Lebens, erstrecken werden?
Anm.
Anm.
1.
Anm.
1)
Es ist daher schon ein sehr gutes Zeichen, wenn jemand einen solchen nähern Umgang, in gedachter Absicht, sucht;
und,
und
wenn man,
um
diese Gelegenheit zu benutzen, nicht aus
bloßer
blosser
Blödigkeit
Blödigkeit, oder aus Furcht,
dem
den
Lehrer zu
stören,
stören
und ihm beschwerlich zu fallen, unterläßt: so ist sehr zu befürchten, daß böses Gewissen, oder die Furcht, sich mehr im Fleiß anstrengen, oder sich in gewissen Unordnungen einschränken zu müssen, oder Gleichgültigkeit gegen Wissenschaften, und deren gründliche Erlernung, oder gar Abneigung vom Guten und von Besserung, die Ursach dieser Zurückziehung
sey
sei
. – Blödigkeit, die uns um so vieles Gute bringt, sollte Niemanden abschrecken; sie läßt sich eben durch einen solchen Umgang an besten ablegen. – Billiger ist die Furcht, dem Lehrer beschwerlich zu fallen, zumal wenn sich Viele, wie zu wünschen wäre, nach
diesen Umgang
diesem Umgange
bemüheten. Dieses Letzte ist,
bey
bei
der Denkungsart der meisten Studierenden, sicher nicht zu befürchten, und man
kan
kann
es getrost dem Lehrer
überlaßen
überlassen
, solche Anstalten zu treffen, wo er Mehrern zugleich durch den
Privatumgang
Privatumgang nützlich werden
kan
kann
.
–
Schonung und Verhütung unzeitiger Störung in nützlichen Arbeiten ist zwar, wie
bey
bei
allem Umgange, so besonders gegen Lehrer, eine
große
grosse
Pflicht,
welche
die
wegen der Menge der Geschäfte und wegen der mehreren Zurückziehung vom Umgange,
die
welche
selbst durch ihre Lebensart nothwendig gemacht wird, weniger Zeit auf den Umgang wenden können, vielleicht auch,
ausser
außer
ihrem Kreise, weniger dazu aufgelegt sind. Aber, wenn man nur nicht selbstsüchtig ist, sondern überall mit Weisheit und Schonung handelt; wenn man daher nur Acht giebt, oder sich erkundigt,
wenn
wann
ein solcher
frey
frei
von eigentlichen Arbeiten
sey
sei
; sich eben so sehr darauf versteht, kurz und ohne Umschweife seine Gedanken zu sagen, als bescheiden zu seyn, und sich aller Zudringlichkeit zu enthalten; ihn nicht länger
aufhält
aufhält,
als es der Zweck des jedesmaligen Besuchs mit sich bringt, und diesen Zweck immer
dabey
dabei
vor Augen hat: so wird man diese befürchtete Beschwerlichkeit leicht verhüten können.
Anm.
Anm.
2.
2)
Dieser Zweck sollte nicht seyn, bloß
äusserliche
äußerliche
Gefälligkeiten von dem Lehrer zu erhalten; es
sey
sei
denn, daß man seines Raths in Lebensgeschäften bedürfte; oder gar sich bloß zu
zeigen
; oder die Zeit mit
bloßen
blossen
Conversationsgespräche
Conversationsgesprächen zu verderben, wenn er nicht etwa selbst dergleichen anfängt oder unterhält: sondern, einen lehrreichen Umgang, in Absicht auf die Bildung zu Wissenschaften und Beförderung oder Erhaltung guter Gesinnungen, zu
genießen;
geniessen;
genießen:
und deswegen müßte man vorher an das denken, wovon man näher mit ihm sprechen wolle. Daß man
dabey
dabei
zugleich die Pflichten des Umgangs nicht vergessen müsse, bedarf kaum einer Erinnerung.
152
654
.
Das Studieren auf Universitäten und die gute Gelegenheit, sich da, in Vorlesungen und durch den
Umgang
Umgang mit seinen
Lehrer
Lehrern, zum Gelehrten oder zum Geschäftsmann zu bilden, so fern dieser auch gelehrte Kenntnisse nöthig hat, ist doch immer nur
Vorbereitung
Vorbereitung
auf einen künftigen Stand, zu
welchen
welchem
sich immer fähiger zu machen,
eigner
eigener
Fleiß
Fleiß
eben so nothwendig ist, als zu der wirklichen Benutzung des akademischen Unterrichts und Umgangs. Dieser Fleiß beruht auf einer gehörigen Vertheilung seiner Zeit, und schließt, so fern er
Privatfleiß
Privatfleiß
, oder von dem verschieden ist, der sich bloß mit Anhörung und
bloßer
blosser
Wiederholung der Vorlesungen beschäftigt,
dreyerley
dreierlei
Uebungen in sich:
– eignes
1) eigenes
Nachdenken und Nachforschen in den Wissenschaften, nebst den Versuchen, etwas Zusammenhängendes
auszuarbeiten; –
auszuarbeiten; 2)
gelehrte Uebungen in Anderer
Gesellschaft;
Gesellschaft
– und
3)
das Lesen gelehrter Schriften, mit Anwendung des Gefundenen auf die Erweiterung
unserer
seiner
gelehrten Kenntnisse.
Anm.
Da in diesem ganzen Buche nur die Absicht ist, eine Anweisung zur Bildung
angehender
Gelehrten zu geben, und in dem
Theil
Theile
, worauf ich hier komme, nur zum
akademischen
Fleiße
Fleisse
: so brauchte ich mich nur auf die hier
angegebne
angegebene
Stücke
einzulaßen
einzulassen
.
153
655
.
Wer seine
Zeit
Zeit wohl einzutheilen weiß, findet allezeit gleich etwas, womit er sich nützlich beschäf tigen
kan
kann
, ohne lange Weile zu haben, oder die Zeit mit der Ueberlegung zu verderben, was er jetzt wohl am besten thun könnte? Er findet auch zu
allem
Allem
, was er sich zu thun vorgesetzt hat, seine
Zeit;
Zeit:
weil er nichts unternimmt, wozu er nicht schon zum voraus sich eine bestimmte Zeit angewiesen hat, und weil er diese gerade zu dem bestimmten Zweck anwendet. Er gewöhnt sich auch dadurch zur
Ordnung
Ordnung (§.
114
616.
114.
), und, wenn er sich an seine einmal festgesetzte Zeit genau hält, ohne sich durch Laune oder
andre
andere
zufällige Umstände zu Ausnahmen verleiten zu
laßen
lassen
, gewöhnt er sich auch zu der unschätzbaren Fertigkeit, selbst das, was ihm beschwerlich oder nicht gemüthlich ist, aus
Pflicht
Pflicht
zu thun. – Diese Vortheile zu
erhalten
erhalten,
mache man sich, wenigstens auf eine gewisse bestimmte Zeit, einen wohl überlegten Entwurf, wie man seine Arbeiten und etwa vorkommende Geschäfte täglich vertheilen wolle; man überdenke, zu welcher Zeit sich schwerere oder leichtere Arbeiten am besten verrichten
laßen
lassen
, wie eine die andere erleichtern oder vorbereiten könne, wie und
wenn
wann
man das gleich ersetzen wolle, wovon man zu der festgesetzten Zeit durch unvermeidliche Umstände gehindert worden ist; und halte streng über
diesen
diesem
Entwurf.
Dies
Dieß
wird
uns
zugleich zu der
edlen
edeln
Zeitsparkunst
Zeitsparkunst gewöhnen, und den so schädlichen Vorsatz verhüten,
alles
Alles
lernen zu wollen, was man als nützlich erkennt, über welchem man,
bey
bei
dem
ungeheuren Umfang
ungeheuern Umfange
des Wissenswürdigen, und dem eingeschränkten Maaß menschlicher Kräfte, sich vor der Zeit schwächt, seinen Fleiß zerstreut, und
bey
bei
allen dem Vielen, was man lernt, es in Keinem zur rechten
Vollkommenheit
Vollkommenheit bringt.
Anm.
Eine bestimmte Tages- und Wochenordnung kann nicht dringend genug empfohlen werden, wobei selbst auf die zufälligen Freistunden (ausfallende Collegien) Rücksicht zu nehmen ist. Sehr viel Zeit geht über dem Besinnen, was man eben thun wolle, verloren. Man fängt bald dieß, bald jenes an. Man greift nach dem angenehmsten zuerst, und verliert darüber das Wichtigere, weil es an Zeit fehlt. Bindet man sich auch nicht sklavisch an den Entwurf, so bleibt er doch ein bestimmtes Regulativ, und bringt Plan in das ganze akademische Leben, der zugleich eine treffliche Vorbereitung auf das künftige Geschäft ist. Bloß durch dieß Mittel können so viele an ordentliches Arbeiten und die Stunden zu benutzen Gewöhnten, mit halber Zeit so viel vor sich bringen, als Andere, die mit weit mehr Stunden doch nie fertig werden.
A. d. H.
154
656
.
Von dem
eignen
eigenen
Nachdenken
Nachdenken
, als der ersten Art von Uebungen (§.
152
654.
152.
), ist schon oben geredet
worden
worden.
(§.
143
).
645
).
143.
)
Das
eigne
eigene
Nachforschen
Nachforschen
(§.
152
654.
152.
) begreift noch mehr; es schließt auch das
Sammlen
Sammeln
und Aufzeichnen desjenigen in sich, was uns selbst gelegentlich
bey
bei
dem Lesen, Hören oder Denken über Wissenschaften
beyfällt
beifällt
, oder was wir von Andern mitgetheilt bekommen, aber noch bis auf weitere Prüfung und Sichtung zurücklegen müssen, weil es entweder
bloße
blosse
Fragmente und unvoll ständige Kenntnisse sind, oder wir es noch nicht genug beurtheilen können, oder weil wir darüber würden den Gang bestimmter Beschäftigungen unterbrechen müssen. –
So viel, als
Alles, was noch
hier von
eignen
eigenen
Aufsätzen und deren
Ausarbeitung
zu sagen wäre,
kan
kann
man aus dem abnehmen, was oben
Theil 1.
§.
88.
89
89.
287.
89.
und am Ende des
zweyten
zweiten
Abschnitts im dritten Theil gesagt ist. Hier mögen nur noch folgende Anmerkungen stehen. – Man thut wohl, wenn man frühzeitig sich seine Gedanken, seine Gründe
für
für,
und seine Zweifel wider eine Sache, auch so viel, als man zu deren Beurtheilung
beyzubringen
beizubringen
vermag, aufschreibt, und sich eher dadurch übt, als man Aufsätze
auszuarbeiten
unternimmt. – Will man sich in
eignen
eigenen
Aufsätzen üben, so ist es viel leichter und von
weit
mannichfaltigerm
mannichfaltigerem
Nutzen, wenn man Anderer Meinungen und Aufsätze
worüber
über irgend einen wichtigen Gegenstand
prüft, als wenn man selbst seine Gedanken ausführen
will. Denn
will; denn
Fehler zu entdecken ist leichter, als selbst etwas besser zu machen. Der Vorrath von Kenntnissen ist
bey
bei
Anfängern noch nicht sehr
reich,
reich
und der
Uebungen
Uebungen sind sehr viele nöthig, ehe man etwas
Eignes
Eigenes
nicht gar zu Gemeines liefern
kan. Bey
kann. Bei
der Prüfung fremder Aufsätze hat man immer etwas, woran man sich halten
kan
kann
, was selbst eine Quelle oder
Veranlaßung
Veranlassung
zu Gedanken wird. Man gewöhnt sich auch dadurch den Sinn Anderer besser aufzufassen, strenger in Beurtheilung der Gründe zu werden, nothwendige Bestimmungen oder Einschränkungen
aufzufinden,
aufzufinden:
kurz,
kurz
eine Sache auf mehrern Seiten zu betrachten. – Die meisten dieser Vortheile zu
erreichen
erreichen,
wäre auch der Vorschlag nicht undienlich, sich aus gelehrten und zusammenhängend geschriebenen Büchern bisweilen eine Art von gedrängtem
Auszug
Auszug zu machen, wodurch der wesentlichste Inhalt im Zusammenhange
dargestellt,
dargestellt
oder in einer Art von genauen Tabelle aufgeführt würde. Man gewöhnt sich
dadurch,
alles
Alles
,
dadurch alles
was ein Andrer, und sonach auch was man
selbst,
selbst
über einen Gegenstand ordentlich gedacht hat, wohl zu concentriren, das Wesentliche vom Zufälligen abzusondern, und
einem
einen
Aufsatz nebst dem Verhältniß seiner Theile gegen einander besser und geschwinder zu übersehen; man gewöhnt sich zur
Ordnung
Ordnung und zum zusammenhängenden Denken, welches uns
bey
bei
unseren
eignen
eigenen
Aufsätzen hernach sehr zu Statten kommt. – Daß man übrigens, wenn man etwas selbst ausarbeiten will, immer nur das, dem man gewachsen
ist,
ist
und was man wohl durchgedacht hat, wählen, es in der Absicht, sich im ordentlichen Vortrage zu üben, unternehmen, der
Anwandelung
Anwandlung
, ein Schriftsteller zu werden, nicht bald nachgeben, und eher etwas drucken zu
laßen
lassen
sich nie
entschließen
entschliessen
müsse, als bis man sich lange geübt, viel Kritik darüber von Verständigern gehört hat, und etwas Neues oder auch das
Bekannte
Bekanntre
neu zu sagen weiß –
dies
dieß
sollte sich wohl von selbst verstehen.
155
657
.
Gelehrte
Uebungen
Uebungen in Gesellschaft mit
ihres Gleichen
,
andern akademischen Freunden
(§.
152
654.
) kan
152.
), kann
man jungen Studierenden nicht genug empfehlen; sie mögen in
gemeinschaftlicher Wiederholung
gemeinschaftlicher Wiederholung
der Vorlesungen,
1
)
oder in verfertigten
Aufsätzen,
Aufsätzen
die man von
Andern
anderen
streng, nach Sachen und Ausdruck, beurtheilen läßt, oder im
Disputiren
Disputiren
, zumal über dazu entworfene Ausarbeitungen, bestehen. – Solche Uebungen, vornehmlich das
Disputiren
Disputiren
Disputiren
, ist ein sehr gutes
Mittel,
Mittel
zu erfahren, ob man das Gehörte recht gefaßt und verstanden, ob man dar über wirklich nachgedacht habe, ob man davon und von seiner vermeinten Ueberzeugung
Rechenschaft
Rechenschaft
geben,
geben
und eines Andern Gedanken in seine
eigne
eigenen
umkleiden könne? Mehrere sehen weiter als Einer, und leiten uns durch ihre Zweifel oder Erinnerungen auf Dinge, woran wir vielleicht nie gedacht
hätten,
hätten;
sie
veranlaßen
veranlassen
wenigstens weitere Untersuchung einer Sache. Man ge wöhnt sich zugleich
dadurch
dadurch,
eine Sache auf mehreren Seiten anzusehen, das, was man gedacht hat, so zu
bestimmen,
bestimmen
daß es gegen
Einwendungen
Einwendungen gedeckt werde, und seine
eignen
eigne
eigenen
Arbeiten, gegen die man oft zu viele Vorliebe hat, genauer zu prüfen. Man erlangt eine
Fertigkeit
Fertigkeit,
wohl zu denken und sich wohl
auszudrucken
auszudrücken
. Man gewöhnt
sich,
sich
vorzüglich im Disputiren, zu einer gewissen Gegenwart des Geistes, zum schnellen Durchschauen und Beurtheilen der Gedanken Anderer; selbst, wenn man auf die Art Acht
giebt,
giebt
wie sich der Andere, ohne
Sophisterey
Sophisterei
, heraushilft, oder wie oft man, ohne es zu denken, geirrt hat, zur billigern Beurtheilung. Und wie ungemein viel thut die Wetteiferung mit Andern, den
Untersuchungsgeist
Untersuchungsgeist und die Lust an gelehrten Uebungen zu befördern?
2
)
Anm.
1) Das
gemeinsame Wiederholen
der Vorlesungen, ist ungleich nützlicher, als das bloße Durchlesen des Heftes. Nach dem Inhalt und Stoff kann es auf verschiedene Art geschehen: bald so, daß Einer den gehörten Vortrag summarisch wieder vorträgt, und die Uebrigen ihre Bemerkungen machen, wo sie ihn anders gefaßt haben; bald durch Fragen über historische Gegenstände, welches unter den Mitgliedern abwechselt, und sowohl von Seiten des Fragenden als des Antwortenden eine gehörige Vorbereitung voraussetzt. – Bei der
eigenen Wiederholung
ists übrigens besser, mehrere Lehrstunden
zusammen-
zu ziehen, nachdem die Materie zusammenhängt, als ängstlich jeden Tag das Gehörte sogleich wieder vorzunehmen.
A. d. H.
Kan
2) Kann
man es haben, so ist es immer rathsamer,
dergleichen gemeinschaftliche
gemeinschaftlich wissenschaftliche
Uebungen unter den Augen und
der
Leitung eines Lehrers vorzunehmen. Er
kan
kann
doch weiter sehen als
bloße
blosse
Anfänger und Ungeübte. Er
kan
kann
durch sein Ansehen eher zu weit gehende leidenschaftliche Streitigkeiten verhüten; eher den verwirrt
gewordnen
gewordenen
Streit in das rechte Geleise zurückbringen; die Untersuchung ins Kurze ziehen, und mehr auf die gehörige Bestimmung des Untersuchungspunctes aufmerksam machen; dadurch und durch Gründe entscheiden, wo die Untersuchenden selbst nicht den Ausgang zu finden wissen. – Es ist auch
besser,
besser
über wirklich ausgearbeitete Aufsätze
noch
Materien
und
Formen
, als über
bloße
blosse
Sätze
(Thesen)
zu disputiren, und sehr vortheilhaft, wenn der
nehmliche
nämliche
Aufsatz, den der eine ge macht hat, auch von Andern nach der Reihe vertheidigt
wird;
wird,
weil durch
beydes
Beides
mehr die in dem §.
erwähnten
erwehnten
Vortheile zugleich erhalten werden.
156
658
.
Endlich gehört noch das
eigne
eigene
Lesen
Lesen gelehrter Schriften
hieher
hierher
, mit
Anwendung
Anwendung des Gefundenen zur Erweiterung, und überhaupt zur
Verbesserung,
Verbesserung
unserer
Kenntnisse
Kenntnisse.
(§.
152
).
654
).
152.
)
Gelehrter
Schriften, sage ich, und deren
Anwendung. Denn
Anwendung; denn
von andern hier zu reden, von erbaulichen oder bloß oder mehr nur vergnügenden Schriften, ist mein Zweck nicht; wiewohl eine
Warnung,
Warnung
oder, wenn man will, ein Rath wegen der Vorsichtigkeit in der Wahl und in dem Gebrauch der letztern hier nicht am unrechten Orte steht. Denn, so sehr wir auch zur Erholung und Aufheiterung des Gemüths, sowohl als zur
Bildung
Bildung des
Geschmack
Geschmacks, solcher Schriften
bedürfen:
bedürfen,
so ist doch die Anzahl der so genannten Lesebücher
allerley
allerlei
Art, zu
unsrer
unserer
Zeit,
Zeit
so
groß,
groß;
sie werden von den Meisten so ganz ohne Unterschied, so häufig mehr als die zu den Wissenschaften gehörigen, gelesen, daß im Ganzen der daraus entstehende Schade weit
größer
grösser
als der Nutzen ist. Wenn auch ein
großer
grosser
Theil derselben nicht so offenbar die Sitten verdürbe, die Religion
verächtlich,
verächtlich
oder gegen sie gleichgültig machte, und wenig oder gar nichts zur Bildung des guten Geschmacks
beytrüge
beitrüge
, wo nicht gar ihm schadete: so ist eine unvorsichtige
oder gar
und
zu häufige Lesung der selben besonders den Studirenden darum sehr
nachtheilig:
nachtheilig;
nachtheilig,
weil das Gemüth zu sehr
zerstreut,
zerstreut
und vom
Fleiß
Fleiß
, der mit Beschwerlichkeit zu kämpfen hat, abgezogen; der Geschmack zu sehr an sinnliches Vergnügen und vom Ernsthaften abgewöhnt; und der Hang zu einer bloß auf
Streifereyen
Streifereien
erhaschten, nicht mit Rücksicht auf einen fest ins Auge genommenen Hauptzweck des Studirens gesuchten, vielmehr fragmentarischen und unzusammenhängenden Erkenntniß, genährt, dadurch also die wahre und durch ernstliche Anstrengung zu
bewürkende
bewirkende
Bildung des Verstandes und Herzens sehr verhindert wird.
157
659
.
Ueberhaupt sollte man – weil der Zweck, warum man Universitäten bezieht, nicht
Lectüre
ist,
die
viel zu lesen
, was
ja zu Hause eben
sowohl
so wohl
geschehen
kan
kann
, sondern
die
Bildung
Bildung
zu Wissenschaften
zur Wissenschaft
durch mündlichen
Unterricht
Unterricht und gelehrten oder lehrreichen
Umgang
Umgang – so lange man
da
lebt, nur sehr wenige Schriften
lesen;
lesen,
nicht einmal eigentlich die, welche eben die Gegenstände betreffen, worüber man Vorlesungen hört (§.
149
651.
). Sondern
149.
); sondern
nur:
einige
gelehrte
Zeitschriften,
Zeitschriften
um mit den Hülfsmitteln der Gelehrsamkeit und den Fortschritten derselben bekannt zu werden; auserlesene Hauptschriften über
die
Wissenschaften,
Wissenschaften
die
das, was
man
gerade
treibt, nur (wegen der im gedachten §.
angegebnen
angegebenen
Ursachen) nicht
bey
bei
der Wiederholung der Lectionen über eben diese Wissenschaften, sondern, wenn man Zeit genug von den akademischen Arbeiten übrig behält,
späterhin,
späterhin
und mehr zur weitern Ausbildung in solchen
Wissenschaften,
Wissenschaften
die man nicht wiederholt hören
kan
kann
, oder wo uns der Docent nicht scheint Genüge gethan zu haben; und, in eben der Absicht, vorzügliche Schriften über gewisse uns besonders wichtige
besondre Puncte
besondere Punkte
; allenfalls solche, die man, nach Verlauf der
Universitätsjahre,
Universitätsjahre
wieder zu
bekommen
bekommen,
keine Gelegenheit hoffen
kan. Wiewohl
kann. Denn
die Zeit auf Universitäten, wenn man sie gehörig
abwarten
auskaufen
und benutzen will,
ist
so kurz und besetzt
ist
, daß man
ohnehin
wenig Zeit zu der
Lectüre eigentlicher Bücher
Lesung größerer Werke
übrig behalten wird.
158
660
.
Soll
aber
denn
diese Lesung der
Bücher
Bücher
das
Bücherlesen
auf Universitäten, oder noch vielmehr in der Zukunft, recht nützlich
werden:
werden,
so muß sie nach eben den Regeln geschehen, die oben
bey
bei
der
nutzbar
nutzbaren Anhörung der Vorlesungen angegeben sind (§.
146
648.
146.
), und so, daß man sich vornehmlich über ihren Inhalt, und was
uns
während des Lesens
besonders merkwürdig oder zweifelhaft oder unverständlich schien, in dem gelehrten
Umgang
Umgange
mit Andern, sonderlich mit seinen Lehrern, bespreche, auch sich daraus das Merkwürdigste aushebe, und als Zusätze zu den Wissenschaften, die man treibt, sammle. Dadurch
kan
kann
man zu
einen
einem
großen
grossen
Schatz von nützlichen Kenntnissen gelangen, der uns auf die Zukunft
trefliche
treffliche
Dienste thun wird, wenn man sie mit gehöriger Wahl, mit
Verstande
Verstand
, und so
sammlet
sammelt
, daß man
alles
Alles
bald
wieder finden
wiederfinden
kan
wiederfinden kann
. Unter den verschiedenen
Vorschlägen,
Vorschlägen
sich solche
Excerpte
Excerpte zu machen, möchte doch immer folgende Art die diensamste seyn. Man
laße
lasse
sich das Buch, worüber man eine besondere Wissenschaft auf Universitäten vortragen hört,
durchschießen
durchschiessen
, oder, lieber noch, ein Buch
machen
einrichten
, dessen Seiten sich auf die Seiten des
erwähnten
erwehnten
Handbuchs beziehen, an welches man sich,
bey
bei
der Grundlegung zu einer Wissenschaft, gewöhnen will. In dieses trage man ein, was man nicht schon weiß, und so, daß, wenn man selbst das Buch, woraus man excerpirt,
besitzt,
besitzt
oder leicht wieder bekommen
kan
kann
, man nur mit wenig Worten die Sachen und
dabey
dabei
dasjenige Buch und dessen Seiten bemerke, wo über diese eine weitere Erläuterung zu finden ist.
Kan
Kann
man aber nicht hoffen, daß man es
werde bey
bei
der Hand haben
werde
, wenn man es wieder nachschlagen
will:
will,
so zeichne man sich zugleich ganz kurz die Erläute rung der Sachen, die dazu
gefundnen
gefundenen
Gründe,
Gründe
und dasjenige auf, was
uns
einem
selbst etwa
dabey
dabei
von Zweifel oder Bestätigung und Erklärung
beyfiel
beifiel
, oder was
wir
man
darüber
bey weitrer
bei weiterer
Untersuchung oder
bey
bei
Besprechung mit Andern, gefunden
haben
hat
.
Anm.
Wenn
Collegienhefte
Collegienhefte
gleich so eingerichtet werden, daß sie entweder einen breiten Rand haben, oder durchschossen sind, so sind sie unstreitig am besten geeignet, um Alles, was man aus der Lectüre, oder gelehrten Gesprächen über irgend einen Gegenstand sammelt, darin anzumerken, und sie dadurch recht eigentlich zu Revertorien für das ganze Leben zu machen. Bei der Exegese
z. B.
würde man Alles, was man über die Erklärung in dunkeln Stellen gefunden, nachträglich bei der Stelle selbst anmerken. So bei der einzelnen Materie, der Dogmatik, Moral, Kirchengeschichte. Auch die hinzukommende Literatur wird weit zweckmäßiger da supplirt, als in ein Collektaneenbuch getragen, wo sich das Einzelne in der Menge so leicht verliert. – Durch gute
Register
, die jedes nachgeschriebene Collegium haben sollte, wird auch der Gebrauch erleichtert.
A. d. H.
Unter den Schriften, welche über die in diesem letzten Abschnitt abgehandelten Materien nachgelesen und benutzt zu werden verdienen, gehören noch folgende:
Brehm, Georg Niklas
G. M. Brehm's
Einleitung in die gesammten akademischen Studien für Ankommende auf der Akademie. Leipzig 1810.
Beck, Christian Daniel
C. D. Beck
Grundriß zu hodegetischen Vorlesungen für angehende Studierende auf deutschen Universitäten. Leipzig 1810.
Schlegel, Gottlieb
G. Schlegel
Summe von Erfahrungen und Beobachtungen, zur Beförderung der Studien in gelehrten Schulen und Universitäten. Riga 1790.
Müller, Johann Georg
J. Müller's
Briefe über das Studium der Wissenschaften, besonders der Geschichte. Zürch 1798.
Schütz, Christian Gottfried
C. G. Schütz
Anweisung, wie Studierende ihre Studien zu Hause einrichten sollen. Jena 1785.
Meiners, Christoph
Meiner's
Anweisung für Jünglinge zum Lesen, Excerpiren und Schreiben. Bonn 1791.
Bergk, Johann Adam
Bergk
, die Kunst Bücher zu lesen, nebst Bemerkungen über Schriftsteller und Schriftstellerei. Jena 1791.
Eigenthümliche Ansichten enthalten:
Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von
J. M. F. Schelling's
Untersuchungen über die Methode des akademischen Studiums. Tübingen 1803.
durchschießen
D.h. zwischen zwei bedruckten Seiten eines Buches eine Leerseite einfügen. Nösselt selbst ist auf diese Weise vorgegangen (vgl. Bibl. Nöss. 413 Nr. 137–139).
G. M. Brehm's Einleitung in die gesammten akademischen Studien für Ankommende auf der Akademie. Leipzig 1810
Georg Niklas Brehms (1753–1811)
Einleitung
ist bereits 1809 erschienen.
C. D. Beck Grundriß zu hodegetischen Vorlesungen für angehende Studierende auf deutschen Universitäten. Leipzig 1810
Dieses Werk ist 1808 erschienen.
G. Schlegel Summe von Erfahrungen und Beobachtungen, zur Beförderung der Studien in gelehrten Schulen und Universitäten. Riga 1790
Hier handelt es sich um die zweite Auflage, die Erstauflage stammt aus dem Jahr 1786.
J. Müller's Briefe über das Studium der Wissenschaften, besonders der Geschichte. Zürch 1798
Johann Georg Müllers (1759–1819)
Briefe
sind, wie auch die zweite Auflage aus dem Jahr 1817, laut Titelblatt in
Zürich
erschienen, als ältere Bezeichnung ist
Zürch
jedoch ebenfalls geläufig.
C. G. Schütz Anweisung, wie Studierende ihre Studien zu Hause einrichten sollen. Jena 1785
Diese Schrift des von Halle nach Jena gewechselten Kantianers und Gründers der
Allgemeine[n] Literatur-Zeitung
Christian Gottfried Schütz (1747–1832) wird in der zeitgenössischen Literatur immer wieder angeführt, lässt sich bibliothekarisch jedoch nicht nachweisen. Soweit zu sehen ist, handelt es sich um ein Programm im Rahmen der Wahl zum Prorektor, auf das anscheinend auch unter dem Titel
Ueber die Einrichtung des häuslichen Studirens auf Universitäten
verwiesen wurde.
Meiners' Anweisung für Jünglinge zum Lesen, Excerpiren und Schreiben. Bonn 1791
Bei dem Autor handelt es sich um Christoph Meiners (1747–1810), dessen
Anweisungen für Jünglinge zum eigenen Arbeiten besonders zum Lesen, Excerpiren, und Schreiben
1791 in zweiter Auflage in Hannover erschienen sind. Die Erstauflage erschien 1789 ebenfalls in Hannover.
Bergk, die Kunst Bücher zu lesen, nebst Bemerkungen über Schriftsteller und Schriftstellerei. Jena 1791
Vgl. I § 76 c.
J. M. F. Schelling's Untersuchungen über die Methode des akademischen Studiums. Tübingen 1803
Gemeint sind Friedrich Wilhelm Joseph von Schellings (1775–1854)
Vorlesungen über die Methode des academischen Studium
(1803).
Druckfehler.
§.
523.
Zeile 1.
u.
2. muß es heissen:
In der Natur der Sache selbst
oder
eines solchen Vortrags
u. s. w.
Erläuterungen
von Bastian Lemitz
Querverweise innerhalb der
Anweisung
werden mit römischer Bandzahl und Paragraphennummer angegeben und richten sich grundsätzlich nach der Leitauflage. Bei Verweisen in die erste oder dritte Auflage wird die jeweilige Auflage nachgestellt (‚a‘ oder ‚c‘). Bisweilen wird in den
Erläuterungen
auf die
Bibliotheca Nösseltiana
(1810), einen nach Nösselts Tod zur Veräußerung seiner umfangreichen Privatbibliothek gedruckten Auktionskatalog, verwiesen. Dieser Katalog wird mit ‚Bibl. Nöss.‘ abgekürzt.
Register
Das
Bibelstellenregister
enthält alle im Original nachgewiesenen Bibelstellen. Das
Personenregister
gibt die Namen in Anlehnung an die Gemeinsame Normdatei (GND) der Deutschen Nationalbibliothek wieder, auch wenn sie im Original abweichend notiert wurden. Das
Register der antiken Autoren
gibt die Namen nach dem heutigen deutschen Sprachgebrauch wieder und orientiert sich im Wesentlichen an der lateinischen Schreibweise. Es verzeichnet zudem die im Textkorpus erwähnten Belegstellen. Das
Sachregister
folgt dem graphematischen Bestand des Textkorpus und erfordert eine assoziative Nutzung unter Berücksichtigung orthographischer Varianz. Ergänzend zum Sachregister ist die kritische Wiedergabe des Inhaltsverzeichnisses zu konsultieren.
Bibelstellen
Personen
Antike Autoren
Sachen