Ew. Wohlgeboren sende hiebey ein Briefchen für Boisseree , welches Sie ihm, je nachdem die Umstände sind, entweder nachschicken oder aufbewahren. Es freut mich gar sehr daß er Sie gesehen hat, denn das Wiedersehen von Freunden giebt neue Kräfte. Möchte mir es doch auch gelingen Sie bald zu besuchen, doch habe leider Ursache daran zu zweifeln: eine Woche geht nach der andern hin und ich sehe der mancherley Beschäftigungen kein Ende. Wenn Sie mir den dicklichen Peter Vischer und die Kalkspäthe senden, so werden Sie mich erfreuen. Die Spiegel sind immer aufgestellt, und ich bin nach meiner Weise bemüht, mir die Elemente und Bedingungen möglichst zu entwickeln und zu sim- plificiren, vielleicht sende ich bald einen kleinen Aufsatz und erbitte mir Ihre Gedanken darüber. Diese Phänomene dienen mir auch auf noch andere Weise zur Unterhaltung. Da nämlich der Apparat vor jedermanns Augen steht, so laß ich einen jeden Be- suchenden das Hokus-Pokus betrachten, wobey denn freylich mit Betrübniß zu bemerken ist, wie wenig Organ die Menschen zu solchen Dingen haben. Die Schriftgelehrten rezitiren bey dieser Gelegenheit ihren alten Rosen- kranz, die autodidacten machen wunderliche Sprünge, die übrigen fragen gleich woher und wohin und es ist niemand der nicht glaubte, man könne mit solchen Dingen gleich fertig werden, sie wollen erklärt haben nur um die Sache los zu seyn. Lesen Sie doch baldmöglichst ein Büchlein: über das Sehn und die Farben von A. Schopenhauer und sagen mir Ihre Gedanken darüber; ich hatte es schon als MSCt gelesen, konnte aber nicht damit fertig werden. Es wird mir immer schwerer , mir die Differenzen der Mein- ungen klar zu machen. Man muß sich in den Kopf des andern versetzen und dazu verliert sich die Biegsamkeit. Jetzt leben Sie schönstens wohl mit den lieben Ihren, gedenken mein und sagen mir bald von Ihren Fortschritten Weimar , d. 11 May. 1816. Goethe