An den Königlichen Staatsminister und Oberpräsidenten des Großherzogthums Niederrhein Freiherrn von Ingersleben , Excellenz. Hochwohlgeborner Herr Hochgebietender Herr Staatsmi nister und Oberpräsident, Gnädiger Herr! Durch die Güte des Herrn Landrath Burret hatte ich bey meiner Anwesenheit in Coblenz vor einem Monate Gelegenheit, Euerer Excellenz vorgestellt zu werden un d Hochdenselben meine unterthänigsten Gesinnungen an den Tag zu legen u nd zugleich ein Exemplar meiner Inaugura l- dissertation zu überreichen. Euer Excellenz waren so herablassend sich nach dem Laufe meiner academischen Studien zu erkundigen und mir gnädigst zu erlauben, Hochdieselben mit meinen übrigen Lebensverhält- nissen bekannt zu machen. Diese von Euerer Excellenz mir bewiesene Theilnahme ist von zu hohem Werthe für mich, als daß ich den Wunsch unter- drücken könnte, ja legt mir als Pflicht auf, durch gegenwärtige Zeilen das zu ergänzen, was ich mündlich über meine Verhältnisse zu sagen die Ehre hatte. Meine Schulbildung genoß ich auf dem Königlichen Gymnasium in Coblenz , nachdem dieses durch zweckmässige Organi- sation umgeschaffen war. Einige besondere Vorzüge, welcher ich mich dadurch erfreue, verdanke ich dem Einflusse des Herrn geheimen Oberregierungsraths Schulz in Berlin und des Herrn Regierungs- rath Lange in Coblenz , welche beyde sich, bey dem Mangel an tauglichen Lehrern, unsere Bildung zum Behufe der academischen Studien sehr angelegen seyn liessen und die namentlich meiner ganzen spätern Entwickelung eine sehr vortheilhafte Richtung gegeben haben. - Mit dem Zeugnisse bedingter Tüchtigkeit diesen Kreis verlassend, bezog ich die Rhein- universität , wo ich mich viertehalb Jahre lang unausgesetzt dem Studium der medicinischen, naturgeschichtliche n und philosophischen Wissenschaften hingab. Im zweyten Jahre schon hatte ich meinen Vater verloren, mit ihm meine Stütze. - Ich hätte die Universität verlassen müssen, wäre nicht von Seiten der Universität selbst meine Existenz durch Königlich e Mittel gesichert worden. - Ich darf es als Erfolg meines Fleisses ansehen, daß, als durch die Güte Sein er Majestät unseres allergnädigsten Königs die Academie im Jahre 182 0 ihre ersten Preisaufgaben aufstellte , meine Schrift über das Athmen des Embryo , wovon ich den Herrn Medic inal- rath Dr. Heymann gebeten habe Euerer Excellenz ein Exemplar zu überreichen, am 3ten August des folgenden Jahres nach meinem zweyjährigen Aufentha lt auf der Rheinuniversität , von der medicinischen Facultät gekrönt wurd e . Am 14ten December verflossenen Jah res hatte ich das Glück, graduirt zu werde n . Gegenwärtig versehe ich am medicini schen Clinicum die Functionen eines Hülfs arztes. Die Richtung meiner Studien ist mehr eren Gliedern des Medicinalcollegiums in Coblenz bekannt. - Ich darf mich auf deren Zeugniß, insbesondere auf jenes des Regierungsraths und Medicinalraths Dr. Wegeler berufen. Diese Richtung meiner Studien, insofern dieselbe einen soliden Zweck begründen kann, mein junges Alter, wodurch ich füglich nicht schon ins practische Leben treten kann, die entschiedenste Neigung, mich dem wissen- schaftlichen Leben ganz und auf immer hinzugeben, die aufmunterndste Anregung und Aufforderung, machen mir zum Bedürfniß, meinen Kenntnissen höhere Ausbildung und Weihe zu geben. Diesem Zwecke halten es meine Lehrer mit mir am angemessensten, einige Zeit im Auslande meine Studien fortzusetzen. Genugsame Bekanntschaft mit den neuern Sprachen mussten diese Aufforderung unterstützen. - Die besondere Richtung, welche ich meinen Studien zu geben gedenke und die sie auch seit viertehalb Jahren genommen, soviel es die practischen Zweige erlaubten, bestimmen mich, Paris zu einem, wenn möglich, mehrjährigen Aufenthalte zu wählen. Anstreichung mit Tinte am linken Rand. Den geringen Antheil meines mir noch bleibenden Vermögens zu diesem Zwecke zu opfern, würde mir die liebste Verwendungsart desselben seyn. Allein es ist zu gering, um mehr als zur Einleitung meines Plans hinzureichen, Anstreichung mit Tinte am linken Rand. und es bleibt mir nichts übrig, als die Hoffnung, auch hierin eine Unterstützung höheren Ortes erflehen zu können. - Ich hege diese Hoffnung um so mehr, als mir, wie bereits erwähnt, nur dur ch dieselbe meine academische Laufbahn zu vollführen möglich gewesen ist. Auch hat das Königliche Hohe Ministeriu m der Geistlichen, Unterrichts- und Medic i- nal-Angelegenheiten , als ich vor andertha lb Jahren die Universität Berlin zu beziehe n gedachte, auf Anfrage der Universitä ts- behörde, meine Aufnahme bey der Universität Berlin betreffend, ein e höchstgnädige Antwort erlassen. - Der ausserordentliche Königliche Regier ungs- bevollmächtigte und Curator der Rheinuniversität Herr Geheimrath Rhefues , dessen Wohlgewogenheit und väterliche Güte mich auf allen Schritten meiner academischen Laufba hn begleitet, hat es übernommen, zu der oben erwähnten Unterstützung meiner Studien im Auslande de m Hohen Ministerium den Antrag Anstreichung mit Rötel am linken Rand. zu machen. Euer Excellenz habe n es sich zum Geschäfte gemacht, nich t allein Vaterpflichten an Hochderselbe n Untergebenen zu üben, sondern haben Ihre Liebe für Wissenschaft u nd gelehrte Bildung auf das vielfältigs te und entschiedenste beurkundet. - Diese Umstände bestimmen mich, Hochden- selben gehorsamst die Bitte vor- zulegen, den durch den Herrn Geheim- rath Rhefues schon geschehenen Antrag höheren Ortes hochgeneigtest unter- stützen und befördern zu wollen. Ich bin unter dem wohlthätigen Einflusse der neuen Bildungsanstalten, womit Seine Majestät unser allergnädigster König die Rheinprovinzen beglückten, auferwachsen und als Zögling derselben ausgegangen. Es ist mein sehnlichster Wunsch, es ist mein eifrigstes Be- streben, dem Staate Beweise von jenem Einflusse zu geben. Dieser Umstand ist der grösste Beweggrund meiner Bitte. Ich bin bereit,von dem mir anvertrauten Gute einst Rechen- schaft zu geben. Ich glaube in dem vollen Vertrauen auf Euerer Excellenz väterliche Güte ausruhen zu können, die mir eine huldreiche Gewährung meiner Bitte sichern. - Euerer Excellenz ganz unterthäniger Diener Jo. Müller , Dr. d. Med. aus Coblenz . Bonn am 3ten Februar 1823.