Das dem Herrn Hofmaler Raabe mitgegebene Pro Memoria oder Instruc- tion: über diejenige Angelegenheiten der Kunst auf welche er in Italien besondere Aufmerksamkeit wenden solle, ist seinem allgemeinen Inhalt nach vollkommen zweckmäßig, und es ist zu hoffen, daß eben durch die Rei- se und Bemühungen des Herrn Raabe ein bisher vernachläßigter Theil der Malerey zu neuem Leben erweckt wer- den könne. Um nur beym Nöthigen über die dem Herrn Raabe gemachten Aufträ- ge zu verweilen, so ist es in Bezieh- ung auf gemalte Ornamente der Baukunst allerdings hinreichend wenn er sich in Rom vor allem andern an die Logen des Raphael im Va- tikan halt , wo ihm zumal die Logen im ersten Stockwerck, auch die im dritten zwar nicht schönere aber doch weniger bekannte Muster für seine Studien liefern werden, als die mit recht wegen schöner Ausführung der Or- namente und wegen den Gemälden aus der biblischen Geschichte berühmten Logen im zweyten Stockwerck. Zugleich möchte er auch das bekannte Cabinet P. Julius II. , desgleichen die reiche von Perin del Vaga gemalte Decke der Sala Borgia , die Villen Madama und Lanti für seinen Zweck benutzen. Die Bäder der Livia des Titus und die Villa des Hadrian zu Tivoli liefern zwar auch manches Schöne, allein da die Farben meistens erloschen oder undeutlich sind so würde es eine viel zu große Zeit bedürfen, um daselbst Studien zu verfertigen. Auch wird der reisende Künstler in Hinsicht auf gemalte antike Ornamente zu Pompeji und im Herculanischen Museum einen größeren Erwerb machen können. Daß Herr Raabe sich die möglich- ste Mühe gebe um eine Copie der Alto- brandinischen Hochzeit in der Größe des Originals zu verfertigen, scheint uns durch- aus wünschenswerth, theils in der Hinsicht, weil besagtes Gemälde durch Abwaschen der aufgemalten Stellen wieder in den Zustand gekommen seyn soll in welchem es gefunden worden und also eine treue Copie selbst dem Alterthumsforscher intereßant seyn kann, theils weil es an sich als eins der wichtigsten Denkmale der alten Malerey eben für die Farben und ihre Harmonie von vorzüglicher Bedeutung ist, und endlich weil Herr Raabe sich, indem er eine Copie davon verfertigt, mit der antiken Malerey bekannter und also eine höchst zweckmä- ßige Vorarbeit macht für seine später an den Herkulanischen Malereyen vorzunehmenden Studien. Diese Studien müßen, wenn er nach Neapel kömmt sein Hauptau- genmerck seyn, ja sie können für ihn und andere den größten Nutzen haben. Man wird dadurch mit der Malerey der Alten beßer als es bisher der Fall war bekannt werden, und eben die Harmonie der Farben dürfte, in sofern sie daraus zu erforschen ist, große Aufklärung erhalten. Da dem Hrn. Raabe in seiner Instruction von der Behörde mit weisem Bedacht nachgelassen worden, sich zu dergleichen Studien der Kupfer- stiche, Behufs der Umriße, zu bedie- nen; so kann er dazu entweder das große Herkulanische Museum benutzen, oder die verkleinerten Nachstiche, welche man zu Rom findet, oder auch allenfalls nur die nachgestochenen und von Murr zu Nürnberg herausgegebenen Um- risse. Wir zeigen hier absichtlich diese drey Werke an damit er sich dasjenige zu Nutz mache, welches am nächsten zur Hand ist, weil es hier mehr darauf ankömmt eine bedeutende Zahl solcher colorirter Studien zu ver- fertigen, als wenige wo auch die Zeich- nung mit Sorgfalt berücksichtigt wor- den. So ist es z. B. auch nothwendig daß er vornemlich von den Tänzerinnen und von den Centauren Gruppen Copien verfertige, in denen nicht nur die Far- ben auf das genauste angegeben seyen, sondern auch Licht und Schatten, indem Licht und Schatten bekannter Maßen Ein- fluß auf das Colorit, die Harmonie der Farben und allgem ein e Wirkung der Bilder haben, und gerade die erwähnten Ge- mälde vielleicht die vorzüglichsten sind, so aus dem Alterhum übrig geblieben. Noch einmal sey es wiederholt daß Hr. Raabe seine Zeit um soviel beßer benutzt haben wird, für sich und andere nützlich angewendet, jemehr er colorirte Studien nach Herkulanischen Ge- malden mit bringt. Die neueren Meister, von Seiten der Harmonie der Farben betrachtet, dürf- ten bis etwa auf die Zeit Raphaels zu über- gehen seyn, weil die Zeit nicht hinreichen wird, von allen denen die sich früher um dieses Fach verdient gemacht, ausge- malte Nachbildungen zu verfertigen. Merkwürdig wäre es zwar von Lorenzo de Bicci , von Giov: Angelico da Fiesoli , wie auch vom Masaccio in einigen Bey- spielen zu sehen wie sie sich benommen haben; indeßen kann man ihnen in Hinsicht auf Harmonie der Farben, kein entscheidendes Verdienst und Verfahren nach nützlichen und nachahmungswerthen Regeln zuschreiben. Wir glauben daher, daß es beßer sey, sich auf die Meister der Venetianischen und Lombardischen Schule zu beschränken, und so möchte Hr. Raabe etwa Nachbildungen von ein Paar heiteren Bildern des Giorgione , dann des Titian und des Paul Veronese verfertigen, weil es hier darauf an- kömmt zu sehen, wie diese Meister Farben gegen Farben zu stellen pflegten. So müßte sich Hr. Raabe vorzüglich an ihre reichern Compositionen halten und könnte sich vielleicht auch hier für die Umrisse mit Vortheil der Kupferstiche bedienen, wo- zu das überall zu findende Werck des le Febre zu empfehlen ist. Aus der Lombardischen Schule möchten vor allen anderen Coreggio und Schidone nützliche Beyspiele liefern können. Von dem Ersteren enthält die Dresdener Gallerie den größten Bilderschatz aus allen den verschiedenen Zeiten seines Lebens. Hätte indessen Hr. Raabe so viel Zeit übrig auch ihm in Italien einige Zeit zuzuwenden, so wäre die in der Tribune zu Florenz hängende Ruhe auf der Flucht nach Ae- gypten als eine der früheren Arbeiten des Correggio wünschenswerth in colorir- ter Abbildung zu besitzen. Wenn ferner das zu Parma in einem Frauen-Kloster von ihm mit Gegenständen aus der Fa- bel ausgemalte Zimmer noch zugänglich ist, wie es vor einigen Jahren war, so verdiente auch dieses einige Aufmerk- samkeit. Die Kuppel der Domkirche ist al- lerdings auch zu beachten, es läßt sich aber von einem so sehr weitläufigen Werck nicht ohne großen Zeitaufwand eine colo- rirte Nachbildung verfertigen. Von Schidone finden sich vortreffliche Gemälde an der Decke eines Saals im Stadthause zu Modena, und die besten Werke dieses Meisters finden sich in der Gallerie zu Capo di Monte zu Neapel. Wir überlaßen Hrn. Raabe davon zu benutzen was er selbst für gut achten wird. Francesco Mazuoli , genannt Parmegianino , ist auch nicht ganz zu übergehen. Ein oder ein Paar seiner besten Bilder, in colorirter Abbildung dürf- ten lehrreich seyn. Die Römische Schule hat keinen Meister der hinsichtlich auf Harmonie der Farbe gro- ße Beachtung verdiente; denn von Raphaels Wercken sind so häufige Copien vorhanden, daß man dem Hrn. Raabe keine neuern aufzutragen braucht. Unter den neueren Florentinern ist Peter von Cortona unseres Wissens der Einzige welcher Beachtung verdient, aber er ist auch überhaupt derjenige unter allen Neueren, so auf die Harmonie der Farben den meisten Werth geleget und nach Regeln verfahren ist. Wir möchten daher vorschlagen daß Hr. Raabe den Werken dieses Meisters besondere Auf- merksamkeit zuwendete. Acht Lunetten, Beyspiele der Enthaltsamkeit darstellend, im Pallast Pitti zu Florenz rechnen wir zu deßen besten Werken; und möchten solche besonders empfehlen. Zu Rom ist das Barberinische große Deckengemälde vielleicht noch schätzbarer aber zu reich und zu weitläufig als daß Hr. Raabe daran denken könnte, solches ganz oder auch nur Theilweise nach zu malen. Das in der Instruction ebenfalls erwehnte Altargemälde in der Capuzinerkirche ent- hält des Meisters ganze Kunst und ist werth daß Hr. Raabe demselben seine ganze Aufmerksamkeit widme. Staffeley Gemalde welche das Auge durch ihren Farbenreitz höchst freundlich ansprechen kommen von Peter v. Cortona in meh- reren Gallerien vor und wir möchten den Hrn. Raabe bitten, auf dieselben Acht zu haben, wenn seine Zeit es er- lauben sollte. Weiter diese Nachweisungen aus- zudehnen, ist die Zeit zu kurz auch möchte solches überflüßig seyn weil unsers Künstlers und Freundes Beob- achtungsgabe und Empfänglichkeit ihn bald in den Stand setzen wird selbst das Zweckmaßige ja das Zweckmä- ßigste zu wählen wodurch er dem erhaltenen Auftrage Genüge leisten kann.