Berlin den 2tn Jun 1819 G. P. M. die von dem Mahler H. Raabe auf dessen Reise in Italien für die Lehre der Harmonie der Farben zu sammelnden Studien betreffend. Die Reise des H. Raabe nach Italien giebt die erwünschte Gelegenheit, einen Gedanken aus zu führen, der für das Studium der Mahlerey von Wichtigkeit ist, bisher aber von keinem der dorthin reisenden Künstler berücksichtigt wurde, nemlich: für die Lehre von der Harmonie der Farben , zweckmäßige u vollständige Studien zu sammeln . Diese Lehre liegt noch in der Kindheit, nachdem die schätzba- ren Grundsätze, in deren Besitz die Alten sich befunden haben, in der neuern Kunst Epoche nicht wieder erweckt worden sind. Die Versuche späterer Theore tiker, von denen letztlich Raphael Mengs besondere Erwähnung verdient, haben nicht zum Ziele geführt, und erst in unseren Jahren hat, wie man unbedenklich gestehen muß, diese Lehre durch die Bemühungen der Weimar . Kunstfreunde von neuem einen sicheren Grund erhalten; daher ich mich über den Begriff derselben lediglich auf die betreffenden, sehr unterrichtenden, Aufsätze in den von v Goethe herausgegeben Propyläen , Winckelmann und sein Jahrhundert , vorzüglich aber in dem Werke: Zur Farbenlehre , auch in der Meyer schen Abhandlung über die Aldobran- dini sche Hochzeit , beziehen zu dürfen glaube. Zeichnung, Composition , Ausdruck und Colorit im engeren Sinne mit Einschluß des Helldunkels, waren bisher die Gegenstände, denen die Mahler ihre Studien wid- meten. Die Harmonie der Farben , die selbst den größesten Meistern der neuern Kunst, dem Begriffe, nach unbekannt blieb, u die sich nur in einzelnen wenigen Werken derselben der Vollkommenheit nähert, ist meistens unbe- achtet geblieben gelassen worden, weil niemand wußte, nach welchen Grundsätzen sie zu erkennen u zu erreichen sey. Da nun die wesentliche Wirkung der Mahlerey in der richtigen Anwendung der Farben , als ihre r Elemente, beruhet, so läßt sich schon aus der Achtlosigkeit auf diesen Hauptteil der Kunst, der zunehmende Verfall der Mahlerey seit jener Epoche herleiten, wo die großen Mahlerschulen aufgehört haben, in denen wenige durch die Werke selbst sich vom Meister auf den Schüler fortpflanzende Maximen, verbunden mit dem Glück u der Kühnheit des Talents, den Mangel eines vollständigen u consequent en Lehrganges zu ersetzen vermogten. In dem Zeitalter der Kunst, in welchem wir leben, ist es daher von unumgänglicher Nothwendigkeit, die Harmonie der Farben eben so wie alle andern Theile der Mahlerey zum Gegenstande des Unterrichts zu machen , und zu diesem Ende keine Bemühung zu verabsäumen, um die Lehre derselben auf Principien zu bringen, wozu in jenen Schriften der Weimar . Kunst Gelehrten höchst gründliche u überzeugen- de Anweisungen zu finden sind. Diese Principien, durch Auf- stellung anschaulicher Beyspiele aus der älteren und neueren Kunst- Epoche prac tisch zu machen u dadurch eine weitere Ausbildung der Lehre selbst vorzubereiten, ist die Absicht meines gegen- wärtigen Antrages. Der Künstler nun, welcher berufen seyn soll, für dieses Lehr- fach mitzuwirken, muß mit besonderem Talente dafür begabt seyn, und darin schon in vorzüglichem Grade geübt seyn. Diese Eigenschaften scheinen sich glücklich in H. Raabe zu vereinigen, u es wäre zu- vörderst nur noch zu wünschen, daß derselbe sich mit den genannten Schriften auf das genaueste bekannt mache u in ihren Geist ein- zudringen suche. Sodann käme es auf die Aufgaben an, welche er für den Zweck in Italien zu leisten hätte. H. G. OBR. Schinckel hat bereits in dem für H. Raabe entworfenen prac tischen Cursus "genaue u viele Studien für "die Farbenwahl, für's Colorit überhaupt, in den Herculani schen "u Pompeji schen Gemählden u in den Verzierungen des Vatican 's" als Haupt Zweck der Reise angegeben, weil davon wenig Gutes öffentlich erschienen u zu benutzen ist; womit ich um so mehr einverstanden bin, als das Studium der antiken Gemählde in dieser Hinsicht allerdings von erster Wichtigkeit ist. ich würde daher vorschlagen, dem H. Raabe aufzugeben: 1) von den Herculani schen u Pompejani schen Gemählden diejenigen, in welchen die harmoni sche Licht- u Farben-Wirkung am bedeu- tendsten hervortritt, in der Größe der in dem Königl. Werke von den Herculani schen Alterthümern enthaltenen Blätter, auf das sorg- fältigste in Farben zu copi ren. 2) Sodann wäre zu wünschen, daß durch H. Raabe von der Aldo- brandini schen Hochzeit in der Original Größe eine Copi e in Farben angefertigt würde. Dieses Gemählde, welches unter allen wiedergefundenen antik en Gemählden noch immer den ersten Rang behauptet, ist nach der lehrreichen Abhandlung des Hof- rath Meyer als Canon für die Beleuchtung u Farben Gebung zu betrachten. Neueren Nachrichten zu Folge soll dasselbe das Colorit desselen durch geschickte Reinigung gegen den früheren Zustand, in welchem H. Meyer solches cop irt hat, um vieles gewonnen haben ; . Eine genaue Copi e davon in seinem jetzigen Zustande würde daher für das Studium der Alten in Absicht der Farben höchst wichtig seyn. Jede Academie der Künste sollte eine gute Copie dieses Werkes besitzen. 3) Von den Gemählden der großen itali änischen Meister sind im Ver- hältniß ihrer Zahl, nur wenige in Rücksicht der Harmonie der Farben von vorzüglichem Interesse. Die Veneti anische Schule zeichnet sich im Allgemeinen durch Wahrheit u Lebhaftigkeit des Colorit s u durch Reinheit der Local farben aus. Harmoni sche Wirkung wurde von ihr nicht eigentlich bezielt, u so ist es wohl mehr dem glücklichen Naturell, als den Grundsätzen des Paolo Veronese zuzuschreiben, wenn einige seiner Gemählde durch richtig getroffene Gegen- sätze in den kräftigsten u heitersten Local farben sich in hohem Grade auszeichnen. Diese würden allenfalls aufzusuchen u in der angegebenen Hinsicht genau zu copi ren seyn. Correggio soll, weniger kräftig in Farben , durch die großartigste Behandlung des Helldunkels in einigen seiner besten Gemählde eine harmoni sche Wirkung erreicht haben, welche von dieser Seite musterhaft ist. Von diesen Gemählden könnten mit besonderer Rücksicht auf diesen Zweck Copi en gefertigt werden. Von allen Werken der neueren Mahlerey sollen aber, nach dem Urtheile der Weimar . Kunstfreunde, in Rücksicht der Farbenharmonie einige Gemählde des Peter von Cortona sich auszeichnen, unter denen als die bedeutendsten das Altarblatt in der Capuziner Kirche zu Rom , der Paulus , wie er sein Gesicht wiedererhält, und das große DeckenGemählde im Barberini schen Pallaste genannt werden ; . Diese müßten vorzugsweise mit Sorgfalt copi rt werden. Sollte H. Raabe noch mehrere musterhaft beleuchtete u colorirte Gemählde zum Beleg der Lehre auffinden und copi ren wollen, würde solches sehr verdienstlich seyn, und eben so, als 4) in Betreff der farbigen Copi en der gemahlten Verzierungen in nach den Antiken sowohl, als aus dem Vatican u ande- ren neueren Gebäuden, die Auswahl lediglich seiner Einsicht überlassen bleiben. Alle diese Copi en würden, mit Ausnahmen der Altobrandini - schen Hochzeit, für welche die Original Größe nothwendig ist, in zweckmäßig verkleinertem Maaßstaabe, in Betreff der Farben aber mit sorgfältigster Treue u Rücksicht auf die Gesammt-Wir- kung, zu fertigen seyn; und da es hiebey auf Zeichnung u Ausdruck weniger ankommen dürfte, so könnte H. Raabe zur Ersparung von Zeit und Mühe die vorhandenen Kupferstiche zur Hilfe nehmen, in so fern sie nicht auffallend vom Original abweichen. Ob solche in Oel- oder WasserFarben auszuführen seyn werden, könnte ebenfalls der Einsicht des H. Raabe überlassen bleiben, da selbiger mit der Farbenbehandlung vertraut ist, u den Zweck, daß die Copi en der Wirkung der Original e entsprechen sollen, stets im Auge behalten wird. Sehr glücklich ist es, daß H. Raabe über Weimar zu reisen gedenkt, u dort, bey dem Vertrauen, welches er schon früher zu erwerben Gelegenheit gehabt hat, sich zu dieser Aufgabe noch näher vorzubereiten im Stande seyn dürfte. Berlin den 2 tn Juny 1819 Schultz