Heidelberg. den 20. Jul. 1817. Euer Excellenz haben mich schon sehr erfreut, daß Sie Äusse- rungen, die ich mich nicht enthalten konnte, über das blinde Benehmen der Schule in dem Lichte, das Sie, nachdem die Natur es dem Sinne, dem Geiste angezündet haben, zu machen, - daß Sie diesen Äus- serungen Ihren Beifall haben geben, und mir diß durch Herrn Boisserée haben bezeugen lassen wollen. Euer Excellenz fügen nun noch mehr hinzu, und haben die Güte, nicht nur diß mir auch direct zu sagen, sondern auch mich ungemein durch ein ganz neues Geschenk zu erfreuen. Nachdem ich, wie wir übri- gen Alle, obzwar noch kein grosser Hauffen, Ihnen die richtige Erkenntniß der Natur des Lichts und eines weiten Reichthums seiner Erscheinungen ver- dankt haben, so gestehe ich nun, daß die Auflö- sung des neuen Räthsels mich ordentlich ganz überrascht hat; - eines Räthsels, das ich mehrere Jahre in so vielen Gestalten einfacher und immer zu- sammengesetzter vor Augen schweben, und wobey ich vielmehr aus jeder zusammengesetztern, von der Quelle sich weiter entfernenden Gestalt, die sich zu- wege bringen ließ, eine vergebliche Hoffnung sei- ner Lösung hatte schöpfen sehen; - aber Entfernung von der Quelle kann das Übel des Durstes, statt es zu heben, nur vergrössern. - Euer Excellenz wollen Ihr Verhalten in der Verfolgung der Naturerschei- nungen eine naive Weise nennen; ich glaube meiner Facultät soviel nachgeben zu dürfen, daß ich die Ab- straction darin erkenne und bewundere, nach der Sie an der einfachen Grundwahrheit festgehalten und nun nur den Bedingungen, wie sie in der neuen Ver- wiklung , die aufgefunden worden, gestaltet sind, nach- geforscht, und diese bald entdekt und einfach herausg e- hoben haben. - Bey den ersten, Malus schen Erscheinun- gen, des Verschwindens und Wiederhervortre- tens des Lichts nach der verschiedenen Stellung der Spiegel gegeneinander , konnte ich mich nicht, wie keine r sich erwehren, zu sehen , daß ganz allein die Stellung das Licht schwäche und resp. verschwinden mache. Diß einfache, gesehene Verhältnis haben aber Euer Excellenz allein, nun zur Sache und damit zum Gedanken erhoben und ständig gemacht. Damit haben Sie ferner sogleich den Unterschied von Hellem und Dun- keln gewonnen gehabt, und auf diese Weise für alles Übrige, dem dieser Unterschiede von dem Unterschiede dessen, was in der ReflexionsEbene und was ausser ihr vorgeht, herkommt, alles, was man braucht, so einfach erhalten, daß das Befriedigende eben- so jedem Unbefangenen einleuchtend seyn muß, als es in Vergleich mit den vielfachen theils theore- tischen Anstalten, der Polarisation, Viereckigkeit der Strahlen etc. etc. zur Erklärung theils den experimentativen, - zwar wohl, wie zu wünschen, nicht verdrießlich, aber beynahe möcht ich sagen, lu- stig ist. Der erste Aufsatz in den gütigst übersandten Bogen gibt uns über die Beschaffenheit der Bilder des so interessan- ten Doppelspathphänomens, und daraus über die dabey vor- kommenden Farbenerscheinungen das Wort, das uns gleichfalls über die Bangigkeit vor den vielen immer neu hervorgehenden Farbenspucken, wie dem des Meisterworts vergessenen Famulus über den Geisterschwall, den er nicht mehr gewäl- tigen konnte, hinweghilft. - Nach gegebenem Aufschluß erwähnen Sie S. 24. daß das Kalkspathphänomen sich auch mechanisch behandeln lasse. Mir hatte anfangs die Malus sche, so zu sagen, rhomboidalisirende, Entgegenstellung der Spiegel (wenn sie sich kreutzen) die flüchtige Hoffnung gegeben, daß sie etwa zu einer herausgekehrten Darstel- lung jenes Phänomens verhelfen könnte. Philosophischer- weise darf ich bequem bey dem Gedanken stehen bleiben, daß das Brechungs phänomen der Verdopplung der Bilder in der rhomboidalischen Natur des zugleich durchsichtigen und insofern nur gemein brechenden Spathes seinen Grund habe, und beyde Bestimmungen zusammen das auf einmal erscheinen lassen, was im Malus schen Apparat als Spieglungs phäno- men, aber nacheinander geschieht, durch die entgegengesetz ten Stellungen der Spiegel. Euer Excellenz erwähnen der Spieg- lung in den feinen Lamellen des schönen Spathexemplars, das Sie besitzen, wenn ich recht gefaßt habe, für die Neben- bilder , ausserdem daß das Epoptische den Durchgängen, als existirenden Zerklüfftungen angehören wird. - Ich glaube daher Sie auch noch recht zu fassen, wenn ich das Hauptdoppelbild ganz der Brechung vindicire; - indem ich auch nur dabey stehen bleibe, daß im ganz wasserklaren Spath sich dasselbe zeigt, wie auch bey den entoptischen Figuren (ein Name, den ich mich freue, daß Sie ihn, wie ich ihn dem epoptischen nachgräcisirt habe, gelten lassen) in der Sprödigkeit des Glases, die ich als Puncktualität sei- ner Natur andeute, nicht die geringsten Ritzen und Punkte sich erkennen lassen, (so wenig als z. B. im Zähen, Linien- bündel u. dergl. ) und in der Physik Poren und Atome eben darum nicht gelten können, weil man sie nicht sieht; (mit ihnen aber als Gedankendingen, was sie sind, die Metaphysik schon fertig wird.) - Unter einer me- chanischen, oder herausgekehrten Darstellung des Brechungs- phänomens des Doppelspaths hätte ich mir also eine solche Verbindung von parallelen und andern sich kreutzenden Spiegeln vorgestellt, daß hier sich in der Spieglung das sogenannte ordinäre Bild durch jene und zugleich ein extraordinäres durch diese zeigen liesse, und der veränderte Winkel auch die Abwechslung des Verstärkens des einen und des Schwächens des andern, - auch des Verschwindens des einen (beym Kalkspath, wenn ich mich noch recht erinnere, im Hauptschnitte) sich ergeben könnte. - Den Zweifel abgerechnet, ob sich eine solche Vorrichtung mechanisch zu Stande bringen lasse, bliebe immer sowohl von der Weise der Bre- chung der Sprung zur Weise der Spieglung, als auch der Sprung von existirendem, mechanischem Unterschie- denseyn zum einen Unterschiede, der nur in die innere Natur der Sache eingeschlossen bliebe. Aber ein noch stärkerer Sprung bietet sich itzt mir dar, wenn ich sehe, daß ich Euer Excellenz kla- res und schönes Bild, mit einem Einfalle, gleichsam als einem ganz schattenhaften Nebenbilde, zu erwi- dern scheinen kann. Ich darf aber bitten, denselben nur dem Interesse zuzuschreiben, welches Ihre schöne Expo- sition in mir erweckt hat, und welches zu sol- chem Ergehen verleiten kann. Wollen Sie daher einen solchen Herling Nach Adelung, Tl. 2 , Sp. 1127, „in dem Weinbaue, solche Weinbeeren und Trauben, welche, weil sie zu spät geblühet haben, nicht die gehörige Reife oder Zeitigung erhalten, folglich sauer und herbe bleiben.“ unter den Früchten übersehen, welche Ihre so folgereichen als einfachen Ansichten schon getragen, und ohnehin andern nur eine ge- ringe Nachlese gestatten können, und als die ein- zige Erwiderung die mir so erfeuliche Bereiche- rung ansehen, welche meine Erkenntnis durch die berührten Aufsätze, so wie durch den mineralogischen erlangt hat, der mir mit so vielem Vergnügen die An- schauung zugleich in Erinnerung gebracht, die Eure Excel- lenz lenz mir an der mitgebrachten Sammlung in Jena zu geben vormals die Güte hatten. Ausser dem Ge- nusse, der sich aus den mehrern ebenso tieffen als heitern Zeilen ergibt, womit Sie als Vignetten den Anfang dieser naturwissenschaftlichen Sammlung geschmückt ha- ben, verspricht derselbe uns noch so vieles andere, theils Neues, theils Erneuertes, welches, ob es gleich wenig namentlich anerkannt worden ist, bereits so wirk- sam durch seinen innewohnenden Geist in die ganze Weise der Naturforschung eingegriffen hat. Wenn Eure Excellenz meine neuen Bestrebungen Ihrer Aufmerksamkeit würdigen wollen, so wünsche ich, daß Sie meinen Hauptzweck nicht ganz verfehlt finden möchten, mit festem Fusse fortzugehen, obgleich die Ausbreitung dadurch sich sehr beschränkt, und allgemeinen Analogien, phantastischen Combinationen, und dem blossen soge- nannten Anschliessen zu entsagen; – eine Weise, welche die bessere Grundlage der philosoph. Tendenz in der Naturwissen- schaft beynahe um allen Credit gebracht hat. Mit hochachtungsvollster, unwandelbarer Verehrung Euer Excellenz ergebenster Diener Prof. Hegel