Berlin den 1 sten Novber 1821 . An den Herrn Professor Hegel hierselbst Das Ministerium hat aus Ihrem Berichte vom 26 ten v. M. mit beson- derer Theilnahme ersehen, daß die Repetitionen, die der Dr. v. Hen- ning über die während des ver- flossenen Semesters von Ihnen gehaltenen Vorlesungen angestellt hat, ihrem Zwecke entsprechen, und von Seiten der Studierenden ein unausgesetztes Interesse er- halten haben. Das Ministerium wünscht, daß dies auch im Laufe des jetzigen Semesters der Fall seyn möge, und will Ihren wei- tern Bericht hierüber gegen das Ende des Monats März k. J. erwar- ten. Was Ihre Bemerkung betrifft, daß die studierende Jugend so sehr ohne Vorbereitung und ohne die Bekanntschaft und Gewohn- heit, mit förmlichen Gedanken umzugehen, auf die Universität zu kommen pflege, so entsteht hiebei die Frage, ob es räthlich und nothwendig sei, in den Gym- nasien besondere philosophische Vor- bereitungsstudien anzuordnen, die Schüler dadurch nach und nach zum spekulativen Denken praktisch anzuleiten, und sie durch eine solche stufenweise Uebung zu dem systematischen Studio der Philoso- phie, welches ausschließlich dem Unterrichte auf der Universität vorbehalten bleiben muß, noch in besondern Lektionen vorzuberei- ten. Das Ministerium hat bis jetzt Anstand genommen, eine des- fallsige allgemeine Verfügung zu erlassen, theils weil es er- wartet hat, daß die Lehrer auf den Gymnasien durch strenge und methodische Behandlung der vor- geschriebenen Wissenschaften die Jugend auch ohne Anwendung be- sonderer philosophischer Vorberei- tungsstudien zum spekulativen Denken an den hiezu geeigneten Gegenständen des bisherigen Gymn- nasialUnterrichts anleiten vorüben wer- den, theils weil mit Grund zu fürchten ist, daß bei dem gegen- wärtigen Standpunkte der Philoso- phie in Deutschland manche Lehrer den eigentlichen Hauptzweck, der mit solchen philosophischen Vorberei- tungsstudien auf dem Gymnasio verbunden werden muß, verfeh- len, und entweder sich in ein hohles Formelwesen verlieren, oder über die Gränzen des Schulunterrichts hinausgehen, und, anstatt das spe- kulative Denken der Schüler prak- tisch zu wecken und zu bilden, denselben die philosophischen Wissen- schaften in einem System und blos theoretisch vortragen werden. Da aber seit einiger Zeit von mehrern Seiten, und namentlich auch von dem Professor Herbart in Königsberg die Klage erhoben worden, daß die studierende Jugend ohne die erforderliche Vorbereitung für das systematische Studium der Philoso- phie auf die Universität zu kommen pflege, so muß das Ministerium allerdings annehmen, daß seine oben gedachte Erwartung, wenig- stens auf mehrern Gymnasien, nicht in Erfüllung gegangen sei. Zur Beseitigung des in dieser Hin- sicht bemerkten Mangels beab- sichtigt das Ministerium daher, für die beiden obern Klassen oder doch, für die oberste Klasse der Gymnasien besondere philosophi- sche Vorbereitungsstudien anzuord- nen, und wünscht zu dem Ende, daß Sie sich mit Rücksicht auf die bestehende Verfassung der Gymna- sien sowohl über die Ausdehnung welche den fraglichen Studien zu ge- ben, als auch über die Stufenfolge welche hiebei zu beobachten, und über die Lehrbücher, welche bei die- sem Unterrichte zum Grunde zu legen, und den Lehrern zu empfeh- len seyn möchten, gutachtlich zu äußern. Berlin p Ministerium p Altenstein