Hochwohlgeborner Herr Freiherr Hochgebietender Herr Geheimer Staatsminister. Gnädiger Herr Als ich im verflossenen Herbste mich den Viele n anschloß, welche ein schöner und großartiger Zweck aus allen Provinzen der Naturwissenschaften in Berlin versammelte, war ich von freudiger Hoffnung bewegt, Euer Excellenz nach einem langen Zeitraum stiller Thätigkeit wiedersehen zu dürfen, an einem Orte, der so überaus reich für mich ist, an theuren Erinnerungen, der mir insbesondere durch Euer Excellenz gnädige und huldvolle Theilnahme an einem noch jug end- lichen Aufstreben so sehr wichtig geworden ist. Daß mir dieß so sicher gehoffte Glück nicht zu Theil werden konnte, hat mich zwar sehr betrübt; aber jeder Wunsch und Verlangen anderer Art war ja damals durch die Sorge für Euer Excellenz theures Wohlsein beschwichtigt. Wie unendlich beruhigt war ich daher und wie sicher, als ich durch Herrn Geheimenrath von Rehfues persönlich die erfreuliche Nachricht erfuhr, wie so sehr befriedigend Euer Excellenz Wohlseyn sei und wie fest unsere Hoffnungen und Wünsche seyn dürfen. Ein wahrhaft inniges Bedürfniß war es mir seither geworden, Euer Excellenz zu einer glücklichen Rückkehr, mein zwar demüthig aber doch freudig glückwünschend Gelöbniß darzubringen; ich war hieran nur durch den Wunsch aufgehalten, Hochdenselben zugleich den zweiten Jahrgang des Schwedischen Jahresberichtes überreichen zu dürfen, den ich derselben gnädigen und nachsichts- vollen Beurtheilung empfehlen möchte, welche Euer Excellenz der Erscheinung des ersten Bandes haben angedeihen lassen. Ich beabsichtige die Übersetzung des Schwedischen Jahresberichtes über die Fortschritte der Wissenschaften noch eine Zeit lang fortzusetzen, bis ich einmal mit mehr Musse im Stande seyn werde, einen selbstständigen und noch mehr übersichtlichen räsonirenden Bericht zu liefern, wozu mir die bei der Bibliothek der K. Leopoldinischen Academie der Naturforscher einlaufenden naturwissenschaftlichen seltenen und kostbaren Werke besondere Gelegenheit geben. Die Tage in Berlin haben einen sehr heitern, frischen und unauslöschlichen Eindruck in mir hinterlassen; und wie wenig vielleicht überall entschiedene Resultate des Ganzen zum Bewußt- seyn gekommen seyn mögen, so viel Erfreulich es und Schönes ist sicher im Einzelnen bis auf lange Nachwirkungen gewonnen worden. Unter den allgemeinern Wirkungen schien mir besonders bedeutsam, und erhebend, die Representation und Zusammenwirkung aller Zweige der Natur- wissenschaften , ein Zusammenhang, in dem sich so selten der Einzelne bei der Zersplitterung der Wissenschaften fühlt und besonders wieder erfreuli ch die Erscheinung der Medicin in einer so ehrenvollen und erhebenden Gemeinschaft, was auf die Bear - beitung und den Geist derselben nicht ohne heilsa me Folgen seyn kann. Und sollte der Erfolg nicht schon groß seyn, wenn Jeder auch nur einen so allgemeinen Eindruck von jener allerdings groß - artigen Erscheinung mitgenommen. In tiefster Dankbarkeit erkenne ich die Unterstütz ung des Hohen Ministerii zu einer Reise, die ich auch in andern Beziehungen so ersprießlich, wie im mer zu machen suchte. Ich war so glücklich, abermals, während eines ganz en Monates unausgesetzt die öffentlichen Sammlung en für besondere wissenschaftliche Zwecke zu benutzen. Mit einer grossen durch alle Thierclassen ausgedeh n ten anatomischen Arbeit über den innern Bau der Drüsen beschäfftigt, hatte ich jeden kostbaren Augenblick zu benutzen, um tausend Fragen, die ich nirgend sonst lösen konnte, durch eigene Untersuchung zu beantworten. Gern hätte ich meine Zeichnungen, worüber ich in der Specialsection der Zoologen, Ana- tomen und Physiologen einen summarischen Vortrag hielt, Euer Excellenz demnächst vorlegen mögen, um Hochderselben gnädige Aufmerksamkeit und Theil- nahme einem Gegenstand zuwenden zu dürfen, der seit mehreren Jahren, seit der Erscheinung meiner physiologischen Arbeiten über die Sinne, mich in der Stille unablässig beschäfftigt, jetzt aber ans Licht treten darf, und die Aufgabe hat, das tiefe Dunkel, welches den complicirten innern Bau der drüsigen Organe im Menschen und in den Thieren befangen hält, durch eine vollständige innere Anatomie derselben aufzuhellen, und auch hier wieder die unendliche Mannigfaltigkeit der Gestaltung bei einem unveränderlichen Typus zur Anschauung zu bringen. Doch hoffe ich bald Euer Excellenz hierüber öffentlich Rechenschaft geben zu können; denn die Zeichnungen zu 19 Tafeln sind in den Händen der Kupferstecher und zum kleinen Theil vollendet. Höchst dankbar muß ich auch der Unterstützung gedenken, welche der Vorsteher des anatomischen Musei mit einer unbegrenzten Liberalität mir hat angedeihen lassen. Wie glücklich bin ich dadurch, wenn ich hier am Ort bei der Befriedigung meiner wissenschaftlichen Bedürfniss e so manche eifersüchtige Hemmung erfahren muss. Von der Bentzung eines ungeheuren Museums rückkehrend, musste ich, kaum nach Hause zurückgekehrt, die ganze Enge des heimischen Verhältnisses fühlen; worüber ich genöthigt worden, in einer besondern unter- thänigen Vorstellung bescheiden Beschwerde zu führen. Nachdem meine Wirksamkeit auf hiesiger Universität bei einer sonst beschränkten und sehr abhängigen äussern Stellung sich auf eine für mich sehr befriedigende Weise immer mehr ausgedehnt, erfahre ich hierin zum erstenma l ein directes Hinderniß derselben. Möge diese Angelegenheit, in der ich nur das Billigste anzuspre chen mich unterfange, Euer Excellenz gnädige Fürsorge erregen, der ich in tiefer Demuth und Unter- würfigkeit vertraue, und die ein der Wissenscha ft ausschliesslich gewidmetes Leben segenvoll und huldreich seit so langer Zeit begleiet, ja selbst entwickelt hat. Denn tief anregend und ermunternd, ja fast nöthig und unentbe hrlich zu dem heitern Verfolg strebender Thätigkeit ist mir das Gefühl und die Befriedigung geworden, die in dieser heiligen Ver- pflichtung wurzeln. Ich verharre in tiefster Hochachtung und ehrfurchtsvoller treuer und innigst ergebener Gesinnung Euer Excellenz ganz gehorsamer Dr. Joh. Müller Prof. med. extraord. Bonn den 5. Decemb. 1828.