An das Königl. Ministerium der Geistlichen- Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten. Berlin den 30 März 1822. Durch ein hohes Rescript des Königl. Mi- nisteriums vom 1 Nov. vor. Jahrs ist mir gnädigst aufgetragen worden, gegen das Ende des Monats März des lauff. Jahrs, über die, der hohen Anordnung desselben zu Folge, von dem Dr. von Henning im verflossenen Wintersemester über meine beyden Vorle- sungen abgehaltenen Repetitionen, Bericht zu erstatten, welchem gnädigen Auftrage ich hiemit, nach soeben gemachten Schlusse der Vorlesungen zu entsprechen bemüht bin. Ich kann hienach dem Dr. v. Henning das Zeugniß meinerseits ertheilen, daß er mit pflichtmässiger Pünktlichkeit, und wie ich mich selbst überzeugt habe durch den Be- such dieser Vorlesungen, mit vollkommener Durchdringung der Materie, sowie mit Klar- heit und Besonnenheit des Vortrags diese Repetitionen abgehalten hat; von Seiten der Zuhörer habe ich gleichfalls theilneh- mendes Interesse, Fleiß und Aufmerksam- keit wahrnehmen können. An die vortra- genden Stunden, deren zwey er wöchentlich auf jede meiner Vorlesungen, wie bisher, gewendet hat, hat er ferner Conversato- rien angeknüpft, mit der zweckmässigen, eine grössere Zeitaufopferung erfordern- den Einrichtung, daß er die Antheilnehmen- den in mehrern Parthien von 4 oder 5 Studi- renden theilte, und jeder wöchentlich beson- dere Stunden der Unterhaltung widme- te. Diese Thätigkeit, wie sie der hohen In- tention des Königl. Ministeriums, den Anfängern das Verständniß der philoso- phischen Wissenschaften zu erleichtern, sich ganz entsprechend zeigen wird, möch- te auch darum um so verdienstlicher er- scheinen können, da Dr. von Henning als Pri- vatdocent im verflossenen Semester zugleich ein Privat- und ein öffentliches Collegium gelesen hat. Ich darf auch die gegründete Erwar- tung aussprechen, daß derselbe die von dem Kön. Ministerium, in dem hohen Rescript, den Lections-Katalog der Universität be- treffend, für das bevorstehende Seme- ster angeordnete Fortsetzung dieser Re- petitionen mit gleichem Eiffer und mit gleicher Wirksamkeit betreiben werde. Ich kann dieser dem Studium der Philoso- phie von dem Königl. Ministerium ertheilten Ermunterungen, deren er so sehr bedarf, nicht anders als mit der ehrerbietigsten Aner- kennung begegnen, und ich darf hinzufügen, daß Dr. von Henning in dem von Königl. Ministerium ihm geschenkten Zutrauen und der mit seinem Auftrage huldreichst ver- knüpften Unterstützung die gnädigen Gesinnungen Hochdesselben mit danker- füllter Verehrung erkennt. Indem das mehrjährige Verhältniß, welches mir das hohe Ministerium zu dem Dr. von Henning gegeben, mich in den Stand gesetzt hat, andererseits die Wir- kung zu beobachten, welche eine solche Gele- genheit der Ausbildung und Einleitung in das Docentengeschäft, wie die repetito- rischen Vorträge sind, auf den Dr. von Hen- ning selbst gehabt habe, so halte ich es für meine Pflicht, in diesem meinem gehorsa- men Berichte diese Seite nicht unbe- rührt zu lassen. Ich erlaube mir hierü- ber anzuführen, daß ich aus dem besagten Verhältnisse die Überzeugung geschöpft habe, daß es wohl keine zweckmässigere Veran- staltung geben können, junge talentvolle Männer, im philosophischen Fache vornem- lich, zu Docenten zu bilden, als die repe- titorischen Vorträge. Zu dieser Überzeu- gung führte mich vornemlich die Be- trachtung, daß solche Repetitionen den- jenigen, der sie abhält, nöthigen, die Wissen- schaft in ihrem Zusammenhange und Detail durchzuarbeiten, ihm nicht gestatten, bey dem bloß Allgemeinen, und in sogenann- ten eigenen, zunächst unreiffen Vorstel- lungen und Meynungen fest stehen zu bleiben, - was bey der Philosophie ein so häuf- figes Übel zu seyn pflegt, sondern ihn vielmehr die Gründlichkeit und Freyheit des Gedankens auf dem einzig rechten Wege, nemlich mit der Bekanntschafft und dem Er- gründen dessen, den Anfang zu machen, was bereits geleistet ist, gewinnen lassen. So ist es auch, um noch diese andere Wirkung anzuführen, beynahe eine solche Veranstal- tung allein, welche es einem Mitgliede der Facultät möglich macht, an das Königl. Mi- nisterium im vorkommenden Falle, ein nicht bloß auf unbestimmter Vorstellung beruhendes, sondern ein motivirtes Gutachten abzugeben über einen der vorhandenen Privatdocenten ab- zugeben. Von Dr. von Henning darf ich hier das Urtheil niederlegen, daß derselbe über das räsonnirende Denken in der Philosophie, mit welchem es so leicht ist, sich die Meynung und den Nahmen eines Philosophen zu erwerben, hinauszukommen und zum speculativen Philosophiren durchgedrungen ist, und daß derselbe die besondern Wissenschaften dieses Fachs in ihrem speciellen Inhalt und Zusammen- hang durchgearbeitet hat. Dass er auch die Kenntnisse empirischer Wissenschaften, welche das bestimmtere Material für das Phi- losphiren lieffern, besitze, zeigt derselbe durch die Ankündigung von Vorlesungen über die Farbenlehre für das bevorstehende Semester. Die Klarheit, Besonnenheit und Be- stimmtheit seines Vortrags habe ich oben er- wähnt; ich glaube auch nicht unberührt lassen zu dürfen, daß ich meiner Seits, in ihm einen durchaus rechtlichen Charakter und gegen die Allerhöchste Königl. Regierung und die Gesetze, ehrerbietige und durch das Man- nesalter, in welches er getreten, gereiffte Gesinnungen und Grundsätze erkannt habe. Ich erlaube mir nach allem diesen, gegen das Königl. Ministerium die Ueberzeugung auszusprechen, dass Dr. von Henning , der gnä- digsten Berücksichtigung Hochdesselben für einen Lehrstuhl der Philosophie auf einer Königlichen Universität würdig wäre. Eines hohen Königlichen Ministeriums gehorsamer gez. Hegel, Profesor p.o. der Philosophie, auf hiesi- ger Universität