Berlin den 25 sten November 1819. An des königlichen Geheimen- Staats- und Mini- sters der geistlichen Angelegenheiten und des öffentlichen Unterrichts Herrn Freyherrn von Altenstein Excellenz. Hoch und Wohlgeborener Herr Hochverehrter und Hochgebietender Herr Geheimer-Staats-Minister! Wenn ich es wage Ew. Excellenz mich ehrerbietigst mit einem Gesuche zu nahen, von dessen geneigter Auf- nahme die Erreichung des mir vorgesteckten Zieles, mich zum öffentlichen Lehrer auszubilden und somit auf die meinem innern Berufe entsprechendste Weise mir eine würdige Existenz zu bereiten, zum großen Theil abhängt, so finde ich die Ermuthigung zu diesem Schritte, wesent- lich in der wohlbegründeten Überzeugung, daß Ew. Ex- cellenz allen auf Förderung der geistigen Ausbildung gerichteten Anstrengungen Hochdero huldreichen Beystand angedeihen zu lassen gewohnt sind. Von früher Jugend an zu einem wissenschaftlichen Leben hingezogen und nur durch den Wunsch meiner Eltern und meine äußern Verhältnisse, zu Befol- gung einer practischen Laufbahn bestimmt, habe ich im September des vorigen Jahres, da ich eben dahin ge- diehen war, durch eine definitive Anstellung im Ver- waltungsfach, mir für mein übriges Leben einen be- stimmten Platz in der bürgerlichen Gesellschaft angewiesen zu sehen; mein bisheriges Verhältnis als Referenda- rius bey der Königlichen Regierung zu Erfurt auf- gegeben und seitdem mich ausschließend mit meiner weitern wissenschaftlichen Ausbildung beschäftigt, nach- dem ich bereits früher, seit meinem im Frühling 1813 erfolgten Abgang von der Universität zu Heidelberg alle während eines zweymaligen Kriegsdienstes und neben meinem demnächstigen fernern Berufsgeschäf- ten mir verbliebene Muße auf wissenschaftliche Be- strebungen verwendet hatte. - Zum Theil bey mir selbst noch zweifelhaft darüber, wie ich meinen Plan als academischer Docent aufzu- treten, auf die angemessenste Weise würde zu ver- folgen haben und ob es nahmentlich zweckmäßig sey mich auf den Theil des Wissens, worin ich bereits näher bewandert, auf Geschichte, Politik und Staatswirthschaft nähmlich, zu beschränken und in das Kurze lehrend damit hervorzutreten, oder ob es nicht vielmehr nothwendig sey meiner intellectuellen Ausbildung zu- vörderst noch eine tiefere und mehr philosophische Begründung zu geben und zu dem Ende noch eine Zeitlang ruhig fortzustudieren, - sah ich mich als- bald nach meiner Ankunft hier in Berlin, nachdem ich die Vorlesungen des Herrn Professor Hegel zu be- suchen angefangen hatte, auf das Bestimmteste für das Letztere entschieden. Ich habe durch den Besuch jener Vorlesungen und durch das seitdem mit besonderer Neigung getriebene Studium der speculativen Philo- sophie, klar einsehen gelernt daß es ein eitles Un- ternehmen gewesen seyn würde schon damals mit meinem einer ächt wissenschaftlichen Begründung noch so sehr bedürftigen Wissen, als öffentlicher Lehrer aufzutreten und habe es deshalb, da meine äu- ßern Verhältnisse mich gleichwohl dringend auffor- derten auf einen eignen Erwerb zu denken, durch nebenbey unternommene litterarische Arbeiten und durch äußerste Sparsamkeit, bisher möglich zu ma- chen gesucht mich hier zu erhalten um, in der ange- deuteten Art, meiner weitern wissenschaftlichen Aus- bildung obzuliegen. Zu besonderer Ermuthigung auf der von mir be- tretenen Laufbahn gereichte es mir, bereits zu Anfang des vorigen Semesters mein Unterneh- men, die bis dahin vom Doctor Carové gehaltenen Repetitorien über die philosophischen Vorlesungen des Herrn Professor Hegel fortzusetzen, mit Bey- fall aufgenommen Am Rand mit Bleistift angestrichen. und durch ausgedachten Herrn Professor gebilligt zu sehen, auch bald darauf durch Letzteren zu erfahren daß er es dem bessern Fort- gang der philosophischen Studien seiner Zuhörer für entsprechend erachtet habe, bey Ew. Excellenz darauf anzutragen mich zum öffentlichen Repe- tenten bey der philosophischen Fakultät der hiesigen Universität zu ernennen. – Doppelt erfreulich muß- te mir die auf solche Weise eröffnete Aussicht er- scheinen, da ich nunmehr nicht nur den bisherigen Übelstand die gedachten Wiederhohlungen, zum we- sentlichen Nachtheil des Unternehmens selbst, auf mei- nem Zimmer halten und, bey der nothwendig ge- wordenen Theilung der zu den Repetitorien sich Einfindenden denselben Gegenstand zweymal vortragen zu müssen, beseitigt, sondern mir auch zugleich die äußern Mit- tel geboten zu sehen hoffen durfte, fernerhin ohne zeit- raubende Nebenbeschäftigung, meine ganze Thätigkeit, unter so günstigen Verhältnissen, zugleich lernend und lehrend, auf meine weitere Ausbildung für den von mir erwählten Beruf verwenden zu können. – Wäh- rend ich in so heiterer Erwartung mit verdoppeltem Eifer meinen wissenschaftlichen Beschäftigungen oblag, sah ich mich plötzlich durch die wegen vermeintlicher Theilnahme an geheimen politischen Verbindungen und Umtrieben im Laufe des verflossenen Sommers gegen mich verhängte Untersuchung, auf eine für mich eben so unerwartete als schmerzliche Weise, mitten in mei- nen Bestrebungen unterbrochen. - Noch bis diesen Augenblick ist es mir völlig unbekannt wodurch ein so schwerer Verdacht hat gegen mich entstehen können, da der alsbald nach meiner Verhaftung mir gemach- ten Eröffnung, daß ich der Theilnahme an einer die ge- waltsame Umwandlung der Verfassung der teutschen Staaten und nahmentlich des preussischen Staates, be- zweckenden geheimen Verbindung angeklagt sey, bey meinen Vernehmungen nichts Weiteres hinzugefügt worden ist, wodurch ich über die Veranlassung der ge- gen mich ergriffenen Maßregeln hätte zu einiger Aufklärung gelangen können. Am Rand mit Bleistift angestrichen. - Bey meinen Vernehmun- gen hat man sich im Wesentlichen darauf beschränkt, über den Inhalt einer Anzahl bey mir vorgefundener Brie- fe von Verwandten, Freunden und Bekannten, in so weit darin Urtheile und Aeußerungen über öffentliche An- gelegenheiten vorkommen, Auskunft von mir zu erfor- dern, mich über meine frühern Verhältnisse und über die Gründe die mich bestimmt haben den Staatsdienst zu verlassen zu befragen und mir demnächst eine Reihe zum größten Theil rein theoretischer Fragen über Verfassungs- und damit verwandte Angelegenheiten vorzulegen. - Nach siebenwöchentlicher Gefangen- haltung ist mir endlich die Genugthuung geworden mich von einem Hohen Ministerio des Innern und der Policey für schuldlos anerkannt Am Rand mit Bleistift angestrichen. und mich wie- der in Freyheit gesetzt zu sehen. Bey der von der damals bestandenen Königl. Ministerial-Unter- suchungs-Commission über meine Entlassung aufge- nommenen protocollarischen Verhandlung, sah ich mich ver- anlaßt auf Aushändigung eines Zeugnisses über den Ausfall der gegen mich verhängten Untersuchung anzutra- gen und zu näherer Begründung dieses Antrags machte ich der gedachten Königl. Commission bemerklich, wie es nahmentlich für mich von Wichtigkeit sey, mich durch ein solches Zeugniß, über den Ungrund des gegen mich ent- standenen Verdachts, bey Ew. Excellenz auf eine genügen- de Weise legitimieren zu können. Obschon die Gewährung meines Antrags mir ausdrücklich zu Protocoll zugesi- chert wurde, so eröffnete mir gleichwohl am folgenden Tage, da ich eben im Begriff war nach meiner Vaterstadt, Gotha , abzureisen, um dort die noch übrige Zeit der Universi- tätsferien zuzubringen, die erwähnte Königl. Commission, wie es ihr bey nochmaliger Erwägung jenes Antrags (dessen Gewährung mir bereits zugesichert war) nicht zweckmäßig erschienen sey, demselben in der von mir gewünschten Art zu genügen, daß sie indeß dem ihr vorgesetzten Hohen Ministerio darüber Anzeige gemacht und bey demselben darauf angetragen habe Ew. Excellenz von dem Ausfall der gegen mich ver- fügt gewesenen Untersuchung unmittelbar in Kenntniß zu setzen. - Welche Gründe die mehrerwähnte Königl. Commission dazu veranlaßt haben das mir geleistete Versprechen zurückzunehmen und ob dabey vielleicht die Besorgniß zum Grunde gelegen hat, ich möchte von einem solchen Zeugniß einen zu öffentlichen Ge- brauch machen, darüber wage ich nicht zu entscheiden. Am Rand mit Rötel angestrichen. Da es vor der Hand außer meinem Interesse lag, mich über den Ausfall der gegen mich verhängten Unter- suchung außer gegen Ew. Excellenz sonst noch amtlich auszuweisen Am Rand mit Rötel angestrichen. , so nahm ich umso weniger Anstand mich bey dem Beschluß der mehrgedachten Königl. Commission zu beruhigen, da mir damals Alles daran gelegen war, möglichst bald nach meiner Heimath zu gelan- gen um meiner kränklichen und durch den Unfall der mich betroffen aufs äußerste gebeugten Mutter, diejenige Beruhigung zu gewähren, die ihr nur durch meine Gegenwart selbst vollständig zu Theil wer- den konnte. Mit dem Schluß der academischen Ferien bin ich, um die von mir betretene Laufbahn weiter zu verfol- gen, hierher zurückgekehrt und ich darf wohl mit Gewißheit voraussetzen, daß Ew. Excellenz inmit- telst von dem Hohen Ministerio des Innern und der Policey, darüber daß ich völlig schuldlos befunden worden bin, genügende Auskundt erhalten haben. Am Rand mit Rötel angestrichen. In- dem ich es sonach nunmehr wage mich Hochdensel- ben mit der ehrerbietigen Bitte zu nahen, mich durch die Ernennung zum Repetenten bey der philosophischen Fakultät der hiesigen Universität, in den Stand zu se- tzen meine Ausbildung für den Beruf eines academi- schen Lehrers zu vollenden Am Rand mit Rötel angestrichen. , erlaube ich mir mich hinsichtlich meiner diesfalsigen Qualifikation, auf das Zeugniß des Herrn Professor Hegel zu berufen. - Daß es mir vor allen Dingen wahrhaft darum zu thun ist mich für meinen Beruf gehörig zu befähi- gen und zugleich schon jetzt, so viel in meinen Kräften steht zu Förderung der wissenschaftlichen Ausbildung mei- ner jüngern Commilitonen beyzutragen, mögen Ew. Excellenz daraus zu entnehmen geruhen, daß ich nicht nur bereits über die beyden Vorlesungen welche der Herr Professor Hegel im Laufe dieses Semesters hält, Repetitorien begonnen, habern auch gleichzeitig den Anfang gemacht habe mit mehrern Zuhörern des ausgedachten Herrn Professors dessen, im ver- flossenen Sommer gehaltenen Vorträge über die Logik zu wiederhohlen und, wenn es meine äußern Verhältnisse nur irgend verstatten, jedenfalls ent- schlossen bin mit diesen Beschäftigungen so lange fort- zufahren Am Rand mit Rötel angestrichen. , bis daß ich als selbstständiger Lehrer mit Nutzen aufzutreten mich werde in den Fall gesetzt sehen. - Indem ich Ew. Excellenz hochgeneigter Entscheidung die Berücksichtigung meines ehrerbietigen Gesuches vertrauensvoll anheim stelle, sey es mir noch ver- stattet hinsichtlich der der Gewährung dieses Gesuches vielleicht entgegen stehenden Bedenken zu erwähnen, daß ich von der Wichtigkeit der Stellung eines öffent- lichen Lehrers zu lebhaft durchdrungen bin um nicht überzeugt zu seyn, daß auch der sittliche und staatsbür- gerliche Ruf desjenigen der darauf Anspruch macht an der Ausbildung des heranwachsenden Geschlechts An- theil zu nehmen, durchaus unbescholten seyn muß und daß ich sonach, wenn ich mich hinsichtlich des gegen mich entstandenen Verdachts der Theilnahme an verbrecheri- schen Unternehmungen, nicht als völlig gereinigt be- trachten zu dürfen glaubte, es nicht gewagt haben wür- de Ew. Excellenz mit einem Gesuche zu behelligen Am Rand mit Rötel angestrichen. , des- sen Gewährung ein so wesentliches Hinderniß würde entgegen gestanden haben. Ew. Excellenz werden in- deß selbst ermessen, daß ich nicht blos als von der Instanz freygesprochen zu betrachten bin, da sich nicht einmal hinreichender Grund ergeben hat mich vor Gericht zu stellen, sondern vielmehr in der von dem Hohen Ministerio des Innern und der Policey über meine Freylas- sung ergangenen und mir vorgelegten Verfügung, aus- drücklich gesagt worden ist, daß ich der Theilnahme an geheimen Verbindungen und sonstigen staatsgefährlichen Un- ternehmungen, unschuldig befunden worden sey. Am Rand mit Rötel angestrichen. Wenn ich sonach mit Grund annehmen darf, daß ich in den Augen derer die mich kennen und auch in der öffentlichen Meinung, aus der gegen mich verfügten Untersuchung ohne Befle- ckung meines guten Nahmens hervorgegangen bin und ich mich, nach jenem Unfall, bereits mannigfaltiger Be- weise von Wohlwollen und Theilnahme zu erfreuen ge- habt habe, so bleibt mir zunächst nur noch der, gewiß nicht unbescheidene, Wunsch übrig, nunmehr auch von dem Staate selbst, dem ich mich aus freyer Wahl und in der Überzeugung daß darin Gerechtigkeit und groß- artiger Sinn mehr als in allen andern teutschen Staa- ten einheimisch sind, angeschlossen, dessen Dienst ich be- reits vier Jahre mit treuem Bemühen und mit Auf- opferung eines großen Theils meines geringen väter- lichen Erbes, gewidmet Am Rand mit Rötel angestrichen. und für den ich mit freudigem Gefühl die Waffen getragen habe, - mir nicht sowohl äußerer Ersatz für das in einer bewegten Zeit und in Folge außerordentlicher Maaßregeln, erduldeten Un- gemach, sondern vielmehr ein Beweis von Vertrau- en und Gelegenheit mich für dessen Dienst auf eine würdige Weise ferner auszubilden, gewährt werden möge. Am Rand mit Rötel angestrichen. Ehrerbietigst verharre ich Ew. Excellenz unterthänigster Leopold von Henning (Wilhelmsstraße Nr: 71.)