IX.) Belehrendes Thema. Das Recht des Menschen über die Thiere . Die Vernunft gebietet dem vernünftigen Wesen, daß es seine Gesinnungen und Hand- lungen nach den Gesetzen der Vernunft be- stimme, daß sie in Allem seine Richtschnur sey. - In Absicht auf alle uns Geschöpfe und Wesen, läßt sich dieses Gebot auch also aussprechen: Erkenne und achte die Vernunft in den vernünftigen Wesen! oder: Erkenne und achte die vernunftgemäßen Zwecke der vernünftigen Wesen. - Daraus geht nun wieder zweierley hervor: 1.) Daß wir nicht hindern, sondern fördern sollen die Zwecke Gottes, als des höchsten vernünftigen Wesens, mit allen Geschöpfen! 2.) Daß wir nicht hindern, sondern fördern sollen die vernunftgemäßen Zwecke der vernünftigen Wesen. Folgerungen aus dem vorhergehenden: I Der Mensch hat keine Pflichten gegen das Thier . Nun können wir aber die vernunftgemäßen selbstständigen Zwecke der Thiere weder achten noch fördern, weil sie der Vernunft ermangeln, und also auch keine selbstständigen vernünftigen Zwecke haben können. Wir sind daher nicht verbunden, in Betreff des Gebotes 2.) nicht moralisch verbunden, die Thiere in ihrer Freyheit nicht zu hindern, in so fern uns nicht das Gebot 1.) verpflichtet, die Zwecke Gottes mit den Thieren nicht zu hindern. Wir können demnach folgendes setzen: Der Mensch hat keine Pflichten gegen das Thier, der Mensch hat Pflichten gegen Gott, in Ab- sicht auf das Thier . - II Der Mensch hat ein Recht auf das Thier. Wenn a eine Pflicht gegen b hat, hat b ein Recht auf a , wenn a keine Pflicht gegen b hat, hat b kein Recht, von b etwas zu fodern. Wenn daher dem Menschen keine Pflichten gegen das Thier obliegen, so kann auch an ihn nicht die Anfoderung geschehen, daß er sich des Thieres nicht nach seinem Willen gebrauche . Der Mensch hat also ein Recht auf die Thiere , in so fern er nicht durch die Aus- übung desselben, die Zwecke Gottes mit den Thieren verletzt . Nun können die Zwecke Gottes mit den Thieren doch nicht ihre geistige Bildung und Entwicke- lung seyn, sonst würde er ihnen Vernunft und Vervollkommnungskräfte gegeben haben. Aber Gott gab ihnen ein Trieb nach Glückse- lichkeit und Lust; und wir wären also verpflichtet dem Trieb gegen Gott, dem Triebe seiner Geschöpfe nach Wohlseyn nicht hinderlich zu seyn. Nun gab uns aber Gott auch den Trieb nach Glückse- ligkeit und zwar nicht umsonst. Unsere Glück- seligkeit ist also auch ein Zweck Gottes. - Da nun die Glückseligkeit des vernünftigen Wesens, und Selbstzweckes, der Lust des vernunftig vernunftlosen Geschöpfes, also eines Mittels vorangeht, so steht uns offenbar auch in Betreff des Gebotes 1.) das Recht zu, uns der Thiere nach unserm eigenen Willen zu bedienen, wenn sie unserer Glückseligkeit hinderlich sind, oder wenn wir durch den Gebrauch derselben unsere Glückseligkeit befördern , - und es läßt sich daraus, daß Gott den Thieren keine Vernunft gab, folgern, daß er sie zu Mitteln für unsere vernunft- gemäßen Zwecke best mittelbar oder unmittelbar bestimmt habe. -