Abschrift Berlin den 30 n May 1820 An des Königl. StaatsCanzlers Herrn Fürsten von Hardenberg Durchlaucht hier. Durchlauchtiger Fürst Gnädigster und höchstgebietender Herr StaatsCanzler! Euer Durchlaucht werden vielleicht davon Kenntniß zu nehmen geruht haben, daß im verwichenen Sommer auf Befehl des damals bestandenen hohen Polizey- Ministerii meine sämtlichen Papiere in Beschlag genom- men worden sind, ich selbst aber am Tage darauf, als der Theilnahme an staatsgefährlichen und aufrühreri- schen Unernehmungen verdächtig, zur gefänglichen Haft gebracht worden bin. Als einen besonders gün- stigen Umstand, wofür ich mich denn den mit der Unter- suchung gegen mich beauftragt gewesenen Herrn Commissarien und den dieselben leitenden hohen Behör- den, noch heute zu Dank verpflichtet fühle, muß ich es betrachten, daß in einer so wichtigen und rücksichtlich der gleichzeitig verhafteten und auch in der That mehr oder weniger schuldig befundenen Personen, verwickelten Sache meine Angelegenheit bereits nach Verlauf von nicht ganz sieben Wochen, so weit ins Klare gebracht worden war, daß ich, in Gemäßheit einer Verfü- gung des hohen Ministerii des Innern als der Theilnahme an jener verbrecherischen Handlungen oder der Mitwißerschaft um solche, nicht schuldig befunden, meiner Haft entlaßen wurde und seitdem auch mit allem weitern, sowohl polizeylichen als ge- richtlichen Anspruch verschont geblieben bin. - Wäh- rend ich somit auf der einen Seite mich des Ausfalls der gegen mich verhängten Untersuchung, besonders in der Beziehung zu erfreuen habe, daß ich darauf rechnen zu können glaube, in den Augen der hohen und höch- sten Behörde des Staats, den ich als mein Vaterland liebe und zu lieben nicht aufhören werde, nicht ferner als zu jenen in feindseliger und gehässiger Richtung gegen den Staat und seine Anordnungen begriffenen Menschenklasse gehörig, zu erscheinen, - so hat es sich doch auf der andern Seite so gefügt, daß die Folgen des, allerdings nicht ohne Grund gegen mich entstandenen Verdachts, noch bis auf den heutigen Tag auf eine so harte Weise auf mir lasten, daß ich mich dadurch schmerzlicher gedrükt und im weitern Fortschreiten auf der von mir betretenen wißenschaftlichen Laufbahn entschiedener gehemmt fühle, als solches selbst bey Verhängung einer sehr harten directen Strafe hätte geschehen können. Während es nemlich, wie man mich versichert, vor meiner Verhaftung im ver- wichenen Sommer, die ausgesprochene Absicht des HE: StaatsMinis- ters von Altenstein Excellenz war, mich gegen eine meine Subsistenz sichernde Remuneration, bey der philosophischen Facultät der hiesigen Universität, und in specie für die philosophischen Vorlesun- gen des Herrn Prof: Hegel als Repetenten anzustellen, oder, insofern das Repetenten-Institut in der für dasselbe anfäng- lich beabsichtigten weitern Ausdehnung nicht zweckmäßig be- funden würde, bey Euer Durchlaucht ausnahmsweise zur An- stellung in Vorschlag zu bringen - so ist, seitdem jene Untersu- chung gegen mich völlig stattgefunden hat, nicht allein diese erfreuliche Aussicht für mich völlig verschwunden, sondern es ist mir auch, was das schmerzlichste für mich ist, eröffnet worden, daß die weitere Verfolgung der academischen Laufnahn innerhalb des preußischen Staats mir nicht könne gestattet werden. Nach einer mündlichen Mittheilung des Regierungs-Bevollmäch- tigten an hieseiger Universität, Herrn Geh. OberRegie- rungsRath Schultz , beruft diese von Seiten des Hohen Ministerii des öffentlichen Unterrichts rücksichtlich meiner getroffenen Be- stimmung, zunächst auf einer amtlich abgegebenen, gutachtlichen Aeußerung des HErrn Ministers des Innern Excellenz, welche dahin geht, daß ich der Theilnahme an gesezwidrigen Verbindun- gen und Unternehmungen zwar nicht schuldig befunden worden sey, daß sich im Laufe der Untersuchung indeßen immer so viel ergeben habe, daß ich rücksichtlich der Art meines frühe- ren Benehmens und meiner Gesinnung, mich nicht dazu eigne, beim öffentlichen Unterricht beschäftigt zu werden. - Hier- mit stimmt auch der Innhalt einer von des vorerwähnten Herrn Staats Ministers Excellenz unterm 9 n Decbr: v. J. , auf mein Gesuch um Ertheilung eines Zeugnißes über den Ausfall der ge- gen mich stattgefundenen Untersuchung, erlassene Verfü- gung, im Wesentlichen überein. - Ich habe nun zwar, in der stillen Hoffnung, daß der üble Eindruck den meine Persönlichkeit und dasjenige, was von mir zur Sprache gebracht worden ist, erregt hat, durch ein nicht nur streng gesezliches, ruhiges, und zu keinerley Beschwerde Anlaß gebendes, sondern auch außerdem meinen Verhält- nißen entsprechendes, angemessenes Betragen, mit der Zeit sich wieder verlieren werde, bisher vor wie nach meinen Studien mit Eifer obgelegen, und außerdem durch privatim, jedoch mit Vorwißen und Zustimmung des Herrn RegierungsBevollmächtigten, nunmehr im 3 n Semester fort- gesetzte, unentgeldliche Repetitorien über die Vorlesungen des Herrn Profeßor Hegel meinen guten Willen, an der wißenschaftlichen Ausbildung der hiesigen Studirenden nach meinen geringen Kräften nützlichen Antheil zu nehmen, mich bemüht, - gleichfals bleibt es mir dabey immervon der größten Wichtigkeit, nunmehr durch einen Ausspruch der höchsten Behörde, die mir dis jetzt verschloßene Aussicht, für mich wieder eröffnet zu sehen, demnächst im preußi- schen Staate, den ich der Gesinnung nach nie verlaßen kann und für den ich, wenn der Fall einträte, wie schon Einmal mit Freuden nochmals die Waffen tragen würde, dem Berufe eines academischen Lehrers mich widmen zu dürfen. Ich erlaube mir deshalb an Euer Durchlaucht vertrauensvoll in meiner Bedrängniß mich zu wenden, nicht in der Absicht über erlittenes Unrecht oder auch nur über unbillge Härte ir- gend einer hohen Behörde Klage zu führen, welches dem wah- ren Sachverhältniß nicht entsprechend und in jeder Hinsicht un- angemessen seyn würde, sondern um von Höchstdenselben das offene und ungeheuchelte Bekenntniß abzulegen, daß ich mich selbst udn mein früheres Benehmen, als einzige Ursache des Ungemachs das mich betroffen, und dessen Folgen noch auf mir lasten, betrachte und damit die ausdrückliche und unter- thänigste Erklärung zu verbinden, daß ich durch mancherley un- besonnene, und unangemeßene Reden, zumal während mei- nes früheren Aufenthalts in Erfurth , - sowie auch durch den Umgang mit Personen, die auf den der als ihr Genosse er- scheint, ein übles Licht zu werfen geeignet sind, allerdings mir die wohlbegründete Unzufriedenheit der höchsten Staatsbe- hörden zugezogen und zu dem gegen mich entstandenen Ver- dacht genugsam Veranlaßung gegeben haben mag. - Ob und wieviel ich durch jene frühere, Unzufriedenheit mit der Gegenwart verrathenden und leidenschaftlichen Reden, wirk- lich geschadet, darüber dürfte der Natur der Sache nach, nicht mit Bestimmtheit zu entscheiden seyn, und ich will mich in dieser Hinsicht weder anklagen noch vertheidigen, so viel dürfte indeß, wie ich mich beim ruhigen Nachdenken und durch die Betrachtung deßen, was geschehen ist, belehrt, genugsam überzeugt haben, außer Zweifel bleiben, daß durch dergleichen wüstes und unverständiges Gerede, zu- mal wenn es unter der Jugend zur allgem: Sitte wird, allerdings sehr viel geschadet werden kann und in der That auch geschadet worden ist. - Ich sehe desfals wohl ein, daß es dem Staate und seinen höchsten Behörden auf alle Weise darum zu thun seyn muß, jener, hin und wieder durch unbesonnene Lehrer noch genährten, ver- derblichen Richtung der Jugend entschiedenen Einhalt zu thun, und daß zumal solche, die das Geschäft eines öffentli- chen Lehrers sich zu ihrem Lebenslauf erwählt haben, nicht darauf rechnen dürfen von Seiten des Staats hiebey eine Unterstützung oder auch nur die Erlaubniß zu erhalten, jenem wichtigen Beruf durch öffentliche Thä- tigkeit sich zu widmen, bevor sie sich nicht auf eine un- zweideutige und genügende Weise über die Reinheit ih- res Wandels, wie ihrer Gesinnung ausgewiesen haben. - In sofern da wo durch das frühere Benehmen und die frü- hern Aeußerungen eines, noch in seiner Ausbildung begriffenen, jungen Mannes, in der vorgedachten Be- ziehung gerechte Bedenken gegen ihn entstanden sind, das offene und unumwundene Eingeständniß begange- ner Fehler, das erste Erforderniß seyn dürfte um ihm Verzeihung angedeihen zu laßen, und ihm die weitere Verfolgung der erwählten Laufbahn zu getsatten, so darf ich mir vielleicht schmeicheln, durch das obige einfache Bekenntniß, jener Erforderniß bey euer Durchlaucht genügt zu haben und damit die unterthänigste Versiche- rung verbinden, daß ich, weit entfernt eigensinnig auf einem frühern Standpunct höchst mangelhafter Einsicht zu verharren, mich vielmehr auf das eifrigste bemüht habe mir eine beßere Erkenntniß zu erwerben und, nicht sowohl durch äußere Noth gedrängt, als vielmehr durch stilles und anhaltendes Studium, durch den fortge- setzten Besuch jener philosophischen Vorlesungen in de- nen eine andere Lehre als die eines HE. Fries und sei-lb/>ner Gesietsverwandten vorgetragen wird, so wie auch endlich durch die persönliche Zurechtweisung von mir hochverehrter Männer belehrt, bereits zu gediegenerer und mit dem Interesse und den Principien des Staats und der Öffentlichen Ordnung durchaus übereinstimmender Ueber- zeugung und wißenschaftlicher Erkennntiß gelangt zu seyn hoffen darf. Unter solchen Umständen und in der freudigen Hoffnung, daß nachdem die Gerechtigkeit und eine väterliche Zucht an mir geübt worden, nunmehr auch der Milde, zu der Euer Durchlaucht sich ja nicht minder so vielfältig geneigt und bereit erweisen haben, in Beziehung auf mich, Raum wer- de gegeben werden, wage ich es Höchstdenselben, un- terthänigste Bitte vorzutragen: Höchstgeneigtest dem hohen Ministerio des öffentlichen Unterrichts p die Eröffnung zugehen zu laßen, daß kein weiteres Bedenken obwalte, mich, in sofern ich wißenschaftlich qualificirt befunden werde, zu seiner Zeit versuchsweise und auf Widerruf beim öffentlichen Unterricht in der akademischen Lauf- bahn zu beschäftigen - mich selbst aber, von dem was Höchstdieselben zu beschließen geruhen wer- den: zu meiner Beruhigung, demnächst gnä- digst in Kenntniß zu setzen. Einer huldreichen Gewährung meines unterthänigen Gesuches vertrauensvoll entgegensehend, verharre ich ehrfurchtsvoll Euer Durchlaucht unterthänigster / gez. / Leopold von Henning Wilhelmstr. N. 71.