München 21. April 1822. Wohlgebohrner Herr Medizinalrath Verehrter Freund! Da Sie in Ihrem gütigen Schreiben möglichste Be- schleunigung der Antwort und zwar mit umgehender Post verlangt hatten, so schrieb ich, da die Post sogleich abging, binnen 36 Minuten vorgestern Nachmittags diese Antwort; welche Sie hoffentlich schon ein Paar Tage in Handen haben werden. Indem dieselbe Antwort aber wegen der Eile nur unvoll- kommen ausfallen konnte, so will ich nachträglich noch folgendes als meine unerschütterliche Willensmeynung in Erwähnung bringen. 1) Ich folge unfehlbar nach Breslau für 1200 Reichs- thaler P. Ct. (1 Karolin wie ich höre zu 6 Reichsthaler 4 Gr., oder 11 Gulden unsern Geldes) jährlichen Gehalt, und lese dafür a ) Physiologie , ganz auf die zuver- läßigsten Entdeckungen aller Zeiten und auf meine eigenen Untersuchungen über die niedrigsten Thier- klassen, und nicht auf blosse Meynungen gegrün- det, und b ) Pathologie (allgemeine und besondere), an welcher ich zur Herausgabe bereits seit 1815 arbeite, und wovon die Fragmente , welche die mediz. chirurg. Zeitung 1816 N . 34 etc. enthält nur un- vollkommene Proben sind. Obgleich die Summe des schätzbaren Offerts Ihrer Universität die Gesammteinkünfte, welche mir die Universität Freyburg geboten hat, vielleicht um 100 - 150 Rthlr übersteigt, so sind, was mich besonders zu Ihnen hinzieht, es doch vorzüglich obige Lehrgegenstände, die (ohne dabey irgend einen andern na- turwissenschaftlichen zu vernachläßigen) von je her meine Lieblingsgegenstände waren (was einigermaßen in allen meinen Recensionen, welche ich mit G-th- unterzeichnet hatte, wohl kenntlich seyn wird). In dieser Hinsicht freue ich mich unsäglich des Schwunges, den ich in solchem Wir- kungskreise diesen beyden Gegenständen werde geben können. In meinen Vorträgen liebe ich sehr das Ex- periment und überhaupt jeden logischstrengen Beweis, zum Theil selbst durch Anschauung, wenn diese auf der Stelle möglich ist; und ich habe von der Nothwendigkeit beyder bereits in meinen Beyträgen zur Eauto- gnosie gesprochen. 2) Durch das Budget beschränkt kann die hiesige Regierung mich nicht anders halten, als durch Combi- nation mehrerer Lehrstellen in meiner Person, sowohl bey unserer zu reorganisirenden Schule, als auf dem Lyceum. Allein diese Art von Verbesserung würde mich, wenn sie weiter noch ginge, unter der Last der Arbeit begraben. Künftig belaufen sich meine fixirten Einkünfte hier auf 1560 f. Von dieser Seite kann also Ihre Universität sicher seyn. Und diese Rufs-Unterhand- lungen sind schon darum angenehmer, als jene von Freyburg , weil ich den pecuniären Haupt-Artikel bereits als geschlossen ansehen darf. 3) Da ich aber nach Breslau einen zweymal so weiten Weg, als nach Freyburg in das Breisgau habe, und hier alles Möbelwerk mit Verlust verkauft werden muß, so zweifle ich gar nicht, daß die Universität das Doppelte, was Freyburg an Zuggeld geben will, bewilligen werde. Meine grossen Bücher-, Naturalien- und Instrumenten-Sammlungen müssen ja doch mit. 4) Allerdings habe ich eine Frau, für jetzt zwar ohne weitere Familie, allein in Mitte September wird diese sich zum Erstenmale und, wie ich hoffe nur um 1 vermehren. Also als Familienvater muß ich wohl im Fall des erfolgten Rufs, auf das Indigenat sowohl als auf alle Rechte der Kön. Preußischen Staatsdiener und auf den durch Sie mir angebottenen Gehalt von 1200 rl Anspruch machen. Uebrigens glaube ich jedoch, daß ich zu Anfang des Win- tersemesters werde eintreffen können. Kollegien- hefte, Antrittsrede u. s. w. fertige ich bis dahin hier noch. Schließlich danke ich Ihnen und allen meinen vielleicht künftigen Herrn Mitcollegen verbindlichst, für die mir zugedachte Ehre der Vocation, ich werde ihnen dafür mit Achtung und Freundschaft an- hangen. Ihr ergebenster Freund und Diener Franz de Paula Gruithuisen Lehrer der Physik , Chemie , Botanik Zoonomie , Anthropologie , Encyclopädie u Geschichte der Medizin , allg. u. bes. Pathologie , Naturge- schichte und mehrerer gel. Gesellschaf- ten Mitglied.