Hoch- und Wohlgeborner Herr Freiherr! Hochgebietender Herr Geheime- Staats- und Cabinets- Minister! Gnädigster Herr! Ew. Exellenz mögen es mir zu Gnaden halten, wenn ich mich erdreiste, in einer amtlichen Angelegenheit mich privatim an Höchstdieselben zu wenden; - der Grund dazu ist die Meinung, daß es mir so erlaubt sein dürfte, mich gerader auszusprechen. Ich meine die Berufung des Professors von Gruithuisen , eine Angelegenheit, in der ich doppelt interessirt bin, weil Ew. Exellenz selbst geruht haben, mich mit einer Anfrage dehalb zu beehren, und weil auch die hiesige Fakul- tät mich leider als Mittelsorgan zwischen sich und von Gruithuysen gebraucht hat. - Es hat sich nun, da ich von einer kurzen Badereise zurückgekehrt bin, das Gerücht verbreitet, daß Ew. Exellenz nicht geruhen würden, den Gruithuisen zur hiesigen vakanten Professur zu berufen; - die Quelle dieses Gerüchts ist mir unbekannt, und ist vielleicht bloß aus der unter jetzigen Verhältnissen sehr natürlichen Verzögerung von Ew. Exellenz höchster Entscheidung entstanden. Ich erlaube mir, in der festen Hoffnung, daß Ew. Exellenz meine bescheidenen und anspruchslosen Bemerkungen zu verzeihen geruhen werden, ein paar Worte hierüber. Aus der Nichtberufung des von Gruithuisen würden, wenn ich nicht irre, hauptsächlich drei Übelstände hervorgehen: der erste und ernstlichste scheint mir der, daß es der Weisheit und höheren Umsicht Ew. Exellenz in diesem Falle kaum möglich sein dürfte, uns einen paßlicheren Physiologen zu senden, da wir in Deutschland so wenig gute Physiologen haben, und diese alle theils zu alt, theils so situirt sind, daß sie den Ruf nicht annehmen würden. Dann aber wünschen wir uns, und vielleicht nicht mit Unrecht gerade einen Physiolo- gen welcher nicht bloß das Bekannte deutlich vorträgt; sondern einen solchen, der seinen eigenen Gang geht und dabei Experi- mentator ist. Als solchen aber hat sich von Gruithuisen , wenn ich nicht irre, bewährt; - er ist zwar ein Autodidakt und mag daher wie alle solche, wohl manchmal irren, aber das schadet in der Physio- logie , worin hauptsächlich das Denken des jungen Arztes geübt werden soll, vielleicht weniger als in andern Disciplinen und ist wirklich unvermeidlich. Dann aber scheint wirklich wohl wohl auch wenig Wahl zu sein. Man hatte uns von Seiten der Berliner Fakultät lebhaft die Herren Neumann und Wagner empfohlen, aber dem ohnerachtet war in unserer Fakultät nicht eine Stimme für sie, weil trotz der Achtung, die wir sonst für diese Männer haben, wir sie grade nicht für Physiologen hielten, worauf es uns doch ankommt. Aber es ist leicht möglich, daß Äußerungen, die vielleicht Ew. Exellenz über von Gruithuisen gemacht sind, aus dieser Quelle entstanden wären. Der zweite Übelstand, welcher aus der Nichtberufung des von Gruithuisen mir zu entstehen scheint, ist die Lage, worin die hiesige Fakultät sich befindet. Von Ew. Exellenz mit dem Auftrage beehrt, zur vakanten Stelle einen Candidaten zur Berufung vorzuschlagen, und uns vorher zu unterrichten, ob derselbe auch Neigung habe den Ruf anzunehmen, mußten wir natürlich mit Herrn von Gruithuisen selbst unterhandeln; wir würden also nicht allein ohne unsere Schuld einigermaßen prostituirt werden, sondern auch in den Augen Gruithuisens als halb unredlich erscheinen. Endlich jammert mich von Gruithuisen selbst; es ist selten daß Süddeutsche gern nach Breslau , an die Polnische Grenze gehen, - er aber kommt gern, weil er in München mit den Arbeiten vieler kleiner Posten überladen ist, und hier Muße zu finden hofft, sich ganz allein seinem Haupt- und Lieblingsfach zu widmen. Ich habe ihm wiederhohlentlich geschrieben, daß seine Berufung noch ungewiß sei, daß er daher noch keine Schritte in München in Beziehung auf den Wechsel thun mögte, und habe, um das Unangenehme, was hierin für ihn liegen mußte, und was mich fürchten ließ, er möge uns den Kauf aufsagen, doch einig er- maßen zu versüßen, hinzugefügt, daß ich hoffe, seine Berufung verzögere sich nur durch die Maßregeln, welche Ew. Exellenz der allerhöchsten Königlichen Cabinetsordre zu Folge unfehlbar treffen würden. Dessenunerachtet glaubt von Gruit- huisen , wahrscheinlich dadurch verführt, daß in Süddeutschland die Vorschläge der Fakultäten gewöhnlich die höchste Denomina- tion zur Folge haben, daß seine Berufung durch Ew. Exellenz sehr wahrscheinlich sei, wie aus beigehendem Briefe an mich erhellt. Aus diesem Schreiben können Ew. Exellenz aber auch andrerseits die vernünftigen und wackeren Gesinnungen des Mannes zu ersehen geruhen. Ich habe in dieser ganzen Angelegenheit ohne alles Inter- esse und Nebenrücksichten gehandelt, und bloß nach meinem besten Wissen das Wohl der Universität vor Augen gehabt; auch das vorliegende unterthänige Schreiben entspringt aus diesem Gefühle; und ich würde mich sehr glücklich schätzen wenn Ew. Exellenz es so zu betrachten geruhen wollten und mir deshalb die genommene Freiheit zu verzeihen die Gnade hätten. Mit den Gesinnungen des größten amtlichen und persönlichen Respekts und Vertrauens habe ich die Ehre zu verharren Ew. Exellenz unterthänigster Diener Dr. Otto . Breslau d. 7ten September 1822.