Hochwohlgebohrener Herr Hochverehrter Herr Geheimerrath und Staatsminister! Ew. Excellenz hochgeneigtes Schreiben vom 23 sten März Z 23. März 1822 habe ich bisher unbeantwor- tet gelassen, da ich meiner Antwort gleich eine bestimmte Anzeige über den Fort- gang meines chromatischen Unternehmens hinzufügen zu können wünschte. Dieß ist itzt nunmehr der Fall; der in der Anlage beschriebene Apparat ist bis auf We- niges in meinen Händen und vor einigen Tagen habe ich dann endlich auch von dem zu den Versuchen bestimmten, bisher vom Professor Tralles innegehabten Zimmer in der Universität Tralles als Astronom war unter dem Dach des Universitätsgebäudes einquartiert, vgl. Lenz 1918 , S. 369. Nach seinem Tod wurde die Wohnung dem zoologischen Museum zugeschlagen, vgl. Lenz 1910a , S. 427 und Z 25. Juli 1822 . , förmlich Besitz genommen. - Als eine gute Vor- bedeutung sehe ich es an, daß es sich anmuthig gefügt hat daß gerade ein so eifriger Newtonianer, der wahren Lehre das Feld hat räumen müs- sen und ich will nur wünschen daß nicht irgendwo in den Winkeln etwas von dem newtonschen Spuck zurückgeblieben seyn und mir demnächst zur ungele- genen Zeit in die Quere kommen mag. Nun ich habe mich gehörig gerüstet und hoffe daher daß die, zumahl von den französischen Physikern, neuer- dings wieder zu so großem Ansehen gebrachten newtonschen fits und Pa- roxismen mir nichts anhaben sollen. - Einen großen Theil der Oster- ferien habe ich darauf verwendet mich über die neuern Untersuchun- gen die vermeintliche Polarisation des Lichts und die davon hergeleiteten Farbenphänomene betreffend, in's Klare zu setzen und ich habe die ver- drießliche Arbeit nicht von der Hand weisen zu dürfen geglaubt, so ziem- lich Alles zu lesen was darüber seit 1809, vornämlich in Frankreich , verhandelt worden ist. Als ein wahrhafter Leitstern hat sich mir bey dieser Irrfarth fortwährend Ew. Excellenz eben so lichtvolle als naturgemäße Abhandlung über die entoptischen Farben bewährt und ich werde bey meinen Vorträgen, wie überhaupt, so auch bey diesem Capitel mit wohlbegründeter Überzeugung auf das gewissenhafteste den von Ew. Excellenz vorgezeichneten Weg, als den al- lein wahren und zum Ziele führenden, verfolgen. Mir ist, so oft ich mich aus dem bunten Gedränge der mit ihren hypothetischen Eigenschaften und An- wandlungen in sinnverwirrendem Taumel durcheinanderfahrenden Molecülen , mit Bleistift unterstrichen wieder zu der von Ew. Excellenz gegebenen Darstellung des reinen, in sich ei- nigen Lichts gewendet habe, immer zu Muthe gewesen wie Einem der die Woche hindurch sich mit schmutziger Arbeit herumgequält hat und dann am Sonntag dazu gelangt reinliche Kleider anzulegen und innerlich gesammelt sich in Gottes freyer Natur bey heiterem Sonnenschein zu erge- hen. - Überhaupt jemehr ich mit der dermaligen Gestalt der Physik und der Be- trachtungsweise unserer gelehrten Physiker mich vertraut mache, umso deutlicher sehe ich ein, warum die von Ew. Excellenz aufgestellte Lehre bisher so wenig Eingang gefunden hat, denn es ist wohl nicht in Abrede zu stellen daß es sich hier nicht bloß darum handelt einer endlichen und dem bloß verständigen Den- ken zugänglichen Erklärungsweise eine andere, eben so endliche zu substituieren, wie dieß z. B. bey Verdrängung der phlogistischen durch die antiphlogistische Verbrennungstheorie mit Bleistift unterstrichen geschehen, sondern darum, die Vernunft und den gesun- den Menschensinn in einem Gebiet mit Bleistift unterstrichen geltend zu machen, worin der am Endlichen haftende Verstand bisher eine wahrhaft eiserne Gewalt behauptet hat und zur Zeit noch behauptet. - Man rühmt zwar heut zu Tage oft genug den großen Zuwachs an neuen Erfahrungen und Entdeckungen wodurch während der letzten Jahrzehnde fast alle Zweige der Naturwissenschaft bereichert worden sind und es würde undankbar seyn wenn man den großen Werth dessen was in dieser thätigen und strebsamen Zeit erarbeitet worden ist, nicht nach Gebühr annehmen wollte; indeß geschieht doch dem Bedürfniß des Erkennens damit allein noch kein Genüge daß nur immer Er- fahrungen auf Erfahrungen gehäuft und so das Gebiet der Empirie in's Uner- meßliche erweitert wird, sondern es thut sich dann auch das tiefere Bedürf- niß des Geistes hervor die zerstreuten Glieder zu einem Ganzen zu vereini- gen und die bunte Mannigfaltigkeit der Erscheinungen dem Gedanken zu unter- werfen. Auch dafür ist nun wohl, in Deutschland wenigstens, seit Kant Vie- les geschehen; die atomistische Ansicht hat nicht nur in der Philosophie einer tie- fern, geistigern Betrachtungsweise weichen müssen, sondern auch ein großer Theil der deutschen Physiker hat durch Zuhülfenahme der dynamischen Formen sich die Erscheinungen des Magnetismus , der Electricität , des Galvanismus und des Chemismus erklärlich zu machen gesucht. Allein man ist, wie es mir scheint, hier auf halbem Wege stehen geblieben, man hat einerseits sich des Ideellen nicht länger erwehren können, hat den Worten nach die atomi- stische mit der dynamischen mit Bleistift unterstrichen Ansicht vertauscht, aber andererseits nicht die Kraft gehabt dem Aberglauben des abstracten Verstandes, dem das Getrennte und Unterschiedene als ein Wahres und Selbstständiges gilt, entschieden zu ent- sagen; und so ist es denn geschehen daß die deutschen Physiker gegenwärtig mit der Attraction mit Bleistift unterstrichen und Repulsion , mit Bleistift unterstrichen dem Positiven und Negativen mit Bleistift unterstrichen und wie die Gegensätze sonst gefaßt werden mögen, auf eine eben so steife und hölzerne Weise hand- thieren und die Welt aus solchem ein für alle Mal fertigem und erstarrtem Stoffe zusammen zimmern, wie unsre Nachbarn, die Franzosen, aus ihren Atomen mit Bleistift unterstrichen und ihren gleichfalls polarisierten Molecülen . mit Bleistift unterstrichen Das was den eigentlichen Geist der dynamischen Naturansicht bildet, daß das Außereinander und das Mannigfaltige, sey es nun ein aus unendlich Vielen oder auch nur aus den Verschränkungen zweyer Entgegesetzten Bestehendes, überhaupt ein Unwahres und Todtes ist, mit einem Worte das Princip der Idealität, dieß scheint auch den sich zur dynamischen Ansicht bekennenden Physikern, die trotz ihres theilweisen Vornehmthuns gegen die Atomistiker, den alten Götzen noch im Herzen tragen und immer auf dem Sprunge stehen sich der alten Leh- re wieder in die Arme zu werfen, völlig entgangen zu seyn und darum haben sie sich denn auch so einmüthig gegen Ew. Excellenz erklärt, weil in der Farbenlehre sich in der That zum ersten Male, von der Seite der Er- fahrung aus das wahrhaft Vernünftige oder Speculative sich geltend gemacht hat. Als keineswegs gleichgültig sehe ich es übrigens an, daß gerade der Farbenlehre zu- erst die Wohlthat einer naturgemäßen und dem speculativen Erkennen gemäßen zusagenden Behandlung zu Theil geworden ist. Dadurch daß ihr Princip der Chroagenesie erkannt und für immer fest- gestellt worden ist, hat zugleich die Lehre vom Licht ihre absolute Begründung erhalten und nur von diesem Punkt aus kann, meines Erachtens, die nicht länger abzuweisende Reformation des ganzen physikalischen Lehrgebäudes ihren Anfang nehmen. Ich be- halte mir vor Ew. Excellenz demnächst in einer besondern Abhandlung meine An- sicht hierüber ausführlich darzulegen; nur so viel erwähne ich für jetzt, daß es mir eben so unmöglich scheint der newtonschen Irrlehre die wahre Lehre ruhig und friedlich zu substituieren, als es unmöglich war dem Ablaßkram ein Ende zu machen, ohne zugleich das in sich morsche Gebäude der katholischen Hierarchie über den Haufen zu werfen. Besorgen Ew. Excellenz übrigens nicht daß ich in wohlgemein- tem philosophischen Eifer mich ins Maaßlose ergehen und so am Ende der guten Sache, anstelle ihr zu nützen nur schaden werde. Es ist mein festes Vorhaben bey meinen didaktisch-experimentellen Vorträgen, die ich nächsten Dienstag zu eröffnen gedenke, mich aller solchen Digressionen durch welche Verwirrung entstehen könnte zu enthalten und vor allen Dingen einer reinen Darlegung der Erscheinungen und ihres Zusammenhanges mich zu befleißigen, stets eingedenk der von Ew. Excellenz mir gewordenen Ermahnung, darauf zu halten daß wenn wir Recht haben, wir auch in Gegenwart der Erscheinungen Recht haben müssen. - Für den mir gnädigst bestimmten entoptischen Apparat sage ich Ew. Excel- lenz im voraus meinen unterthänigsten Dank, indem ich die Versicherung hinzufüge daß ich Alles aufbieten werde um zu Ehre der Wissenschaft da- von Gebrauch zu machen. - Ehrerbietigst verharre ich Ew. Excellenz ganz gehorsamster Leopold von Henning . Berlin , den 16 ten May 1822 . Übersicht des Apparats zu den Vorträgen über die Farbenlehre nach Göthe . 1. Ein geräumiges, gegen Süden gelegenes Zimmer im Universitätsgebäude, mit zwey Fenstern, welche durch wohlverwahrte Laden verschlossen werden können; der eine Laden mit den nöthigen Schiebern, Blechen pp. versehen. 2. Ein Heliostat , nach s Gravesand's Angaben, mit einer Penduluhr, auf einer Marmorplatte; in der Werkstätte des Geheime-Postrath Pistor ge- arbeitet (wird erst in 14 Tagen ganz fertig). Zu 400 Rth. verdungen. 3. Ein großer Tisch, dessen Platte herumgedreht und, mittelst einer Kurbel, auf­ und ab bewegt werden kann. 4. Das große Wasserprisma ; vom Herrn Geh. Oberregierungsrath Schultz dem chromatischen Cabinet verehrt. 5. Zwölf gewöhnliche Prismen von 6 Zoll Länge und 1 Zoll Breite, den Zuhö- rern bey den subjectiven Versuchen in die Hände zu geben. 6. Drey Prismen von Crownglas, zu 60°, auf messingnen Gestellen. 7. Zwey rechtwinkliche Prismen von 6 Zoll Länge, so in zwey Gestellen aufgestellt daß sie horizontal und vertikal um ihre Axen bewegt wer- den können. 8. Das dreyfache Prisma aus Crown- und Flintglas, in einer Fassung von Mes- sing. 9. Zehn kleine Prismen von 5° bis 90°; darunter 3 von 15°. 10. Ein dreyfach zusammengesetztes Objectivglas , zum Auseinandernehmen; 15 Zoll Brenn- weite 1 3 / 8 Zoll Apertur. 11. Ein zweyzolliges Convexglas in einem messingnen Gestell, mit einer Ein- theilung in Zolle und Linien, auf und ab beweglich. ( Farbenlehre I. § 199. S. 75 ) 12. Eine gewöhnliche Lorgnette. 13. Eine Einrichtung in Messing mit den dazu gehörigen Gläsern , concav, con- vex und plan, um durch den Druck einiger Schrauben die epoptischen Farben - benerscheinungen hervorzubringen. 14. Sechs keilförmige Gefäße von Glastafeln , 8 Zoll lang und 3 Zoll breit, zum Aneinanderschieben. 15. Ein gläserner Würfel, 2 1 / 2 Zoll hoch. 16. Farbige Glasscheiben von allen Farben (Roth ausgenommen). Rothe Glasschei- ben sind durch Auftragung eines durchsichtigen Firniß vorerst hergestellt. (Opalglas ist bis jetzt nicht aufzutreiben gewesen) 17. Eine starke Tafel von grünem Glas . (Diese und auch alle die übrigen farbigen Scheiben zeigen das von der vordern Fläche herrührende Bild sehr schön in der jedes Mal geforderten Farbe ). 18. Ein kleiner Spiegel von 3 / 4 Zoll starkem Glas . 19. Ein dergleichen von gewöhnlicher Stärke, mit einem hölzernen Griff. 20. Drey mattgeschliffene Glastafeln , von verschiedener Durchsichtigkeit. 21. Ein cubisches Gefäß von Blech, 1 Cubikfuß, inwendig weiß angestrichen, um die Phänomene der Brechung und Hebung zu zeigen. 22. Ein blechernes Gefäß, mit einem Spiegelboden . 23. Ein längliches Gefäß von Blech nebst einem breiten Lineal von Blech, auf welches die Farben des prismatischen Bildes aufgetragen sind; nach Antonius Lucas nicht in der GND zur Controverse gegen Newton . 24. Ein Paar Stufengefäße von Porcellan. 25. Ein Schwungrad, nach der Angabe des Herrn General von Helvig , durch den Druck eines Fadens in beliebig schnelle Bewegung zu setzen. 26. Ein Rad mit zarten Speichen zum newtonschen 12 ten Versuch des 2 ten Theils. Farbenlehre I. Pol. § 529. S. 586. 27. Der Apparat zum 2 ten newtonschen Versuch d. 1 sten Theil; nach der Anga- be § 69 und § 171. Farbenlehre I. Pol. - Die Linse läßt sich auch auf ei- nem Schlitten rechts und links seitwärts bewegen, so daß die Mitte der- selben abwechselnd vor den einen oder den andern Theil des Vorbildes gebracht werden kann. (Der Herr Prof. Hegel wird darüber eine beson- dere Abhandlung liefern). 27.b. Zwey Linsen , eine größere und eine kleinere. - 28. Fünf Schirme von verschiedener Größe zum Auffangen und zum theilweisen Durchlassen des prismatischen Bildes. 29. Alle die übrigen kleinen Geräthschaften und Gegenstände so zur Darstellung der chromatischen Erscheinungen erforderlich sind, als überzogene Pappen, buntes Papier, Pergamentbätter , Stahldrath, Flor, geblümtes Zeug, Seifenspiritus, wohlriechendes Wasser, nephritisches Salz - desgleichen eine Auswahl chemischer Substanzen pp. sind entweder bereits zur Hand oder werden doch binnen hier und einigen Tagen zusammenge- bracht seyn. - 30. Die betreffenden Tafeln zu den subjectiv-dioptrischen Versuchen sind im gehörigen Maaßstabe nachgezeichnet und auf Pappe aufgezogen. -