Berlin den 2. Aug. 1821. Euer Excellenz habe ich so vielen Dank und zugleich die Entschuldigung solcher Verspätung desselben zu machen, daß ich nicht weiß, wo anzu- fangen. Das wohlverpakte schöne Geschenk also, ist unversehrt angekommen und ich habe mich nicht genug ergötzen können, itzt an der Urgründlichkeit des Phänomens, itzt an dem Sinnrei- chen der Darstellung, itzt an der Zierlichkeit der Ausführung, itzt an der Fruchtbarkeit der Folgen, - und es ist nur eben diese vielseitige Ergötzung, die sich in der Erfreuung über die freundliche Güte Euer Excellenz vereinigt, welche mich nicht früher zum gebührenden Worte des Danks hat kommen lassen. Weil doch einmal das Glas beym abstracten Phänomen der Farbe eine Hauptrolle spielt, so ist schon an und für sich das Trink- glas ein so viel vergnüglicheres Stük von Apparat, als der dreyeckige Glasprügel, womit ohnehin der Satansengel, ihn in seinen Fäusten führend, die Physiker schlägt. Durch jenen Von jenem zier- lichen Apparat sollten sich wenigstens die Weintrinker unter ihnen verleiten lassen, sich jenen dreyschneidigen Pfahl aus dem Fleische zu ziehen und vielmehr in das Glas zu guken und damit auf das objective Hervorkommen der Farbe, das sich hier in seiner ganzen freyen Naivität zu sehen gibt. Auch die Phänomene der abgeleiteten Farben treten so annehmlich hervor, wenn wir dazu schreiten, das Trinkglas seine specifischere Bestimmung, mit dem verschiedenfarbigen Wein, erfüllen zu lassen. So instructiv von je ein Glas Wein gewesen, so hat es nun durch Euer Excellenz Wendung hieran unendlich gewonnen. Wenn der Wein schon eine mächtige Stütze der Naturphilosophie gewesen, als welche zu zeigen bemüht ist, daß Geist in der Natur ist, somit an ihm das nächste und stärkste Document für solche Lehre hat, - wenn schon von den Alten Bacchus wesentlich als mystischer Dionysos erkannt und verehrt worden ist, - der alte Freund Voß mag noch so sehr dagegen sich ereiffern, erpoltern und ergeiffern -, so will mir nun auch scheinen, daß mir itzt in Euer Excellenz Geschenk über meines Freundes Creu- tzer mystischen Weltbecher, erst das rechte Verständniß aufgegangen ist. Was kann er anders seyn als die allgemeine durch- sichtige Umschließung mit dem gelben, von den zwölf goldnen Zeichen durchrankten Zodiakalgürtel, der gewendet so gegen den glänzenden Ormuzd als gegen den schwarzen Ahriman, die bunte Welt der Farben zur Erscheinung bringt? Auf daß Sie aber nicht eine Schemenwelt bleibe, dafür sorgen jene goldnen Belaubungen und Früchte, die den Becher mit dem Blute erfüllen, aus dem sich die bunten Schatten, wie die elysischen aus dem Boksblute , das ihnen Ulyßes zu kosten gab, sich zur Kraft und Ge- sundheit herauftrinken. Es ist aber die Gesundheit Euer Ex- cellenz, die ich zu jedem Experiment aus dem bedeutungs- vollen Becher trinke und in diesem Andenken, mehr noch als in der symbolischen Urgeschichte, Belebung schöpfe, und die Bewährung mei- nes Glaubens an die Transsubstantiation des Innern und Aüssern des Gedankens in das Phänomen und des Phänomens in den Gedanken, und den Dank gegen dessen Bewährer feyre. Bey diesen Vivat s geschieht es denn freylich auch, daß sich da- bey ein und anderes - Pereat für die Philister mit herauswirft. Es ist mir als ob ich mich erinnerte, daß Euer Excellenz sich vor ein zwanzig Jahren hatten entfallen lassen, daß Sie noch den Physikern die Eselsohren auf den Tisch nageln wollten. Wenn spätere Mildigkeit Sie solcher Gerechtigkeit den Lauff zu lassen, abhielte, so möchte die Geschichte der Aufnahme der Farbenlehre jedoch ein interessantes Gemähl- de, - eine Art Gegenstück zur Aufnahme Werthers - abgeben, und eine detaillirte Auseinander- und Widerlegung des gegen Sie Vorgebrachten von bedeutendem Effect seyn, ja sogar nothwendig scheinen, damit mehr der Zustand einer Verhandlung des Dafür und Dawider herbeygeführt würde. Das Stillschweigen, keine Notiz nehmen, ist die beliebteste Waffe der Morgue und der Trägheit, und gegen das Publicum zu die wirksamste, um die Autorität zu behalten. Es ist noch ein Glük , daß doch etliche gesprochen haben; aber diß gibt wieder dem lieben Handwerk die Rede an die Hand, Euer Excellenz soge- nannte Einwürfe seyen beantwortet worden, und dabey bleiben sie stehen, es sei nichts erwiedert worden. Diese Getröstung wünschte ich den vornehmen Leuten verkümmert zu sehen; dieser Wunsch wird aufs neue rege in mir, da mir soeben ein junger Mann meines Kollegen in Kiel, von Bergers, Allg Grundzüge der Wissensch 2r Th , bringt, worin es von der Kritik der Für- und Wider-Versuche und der Schlüsse aus ihnen simpliciter und per parenthesin heißt: - (in welcher Hin- sicht wir auf die lichtvolle Darstellung und Beurteilung der Streit- frage von unserem Freunde C. H. Pfaff in sr Schrift u. s. w. verweisen ). Wenn ich mich dieser sogenannten Schrift des etc. Pfaff noch recht erinnere, so ist darin vornemlich auf einen Versuch mit Linsen gefußt; ohnehin sind Sie uns in der Farbenlehre diese Seite vom Reflex des Urphänomens noch schuldig geblieben, und dieser Umstand würde sogar dem Abthun Pfaffs die polemische Ge- stalt, wenn Sie dieselbe nicht in Prosa, - denn in Versen greiffen Sie wohl dazu, - annehmen wollten, abstreiffen. - Solches simples Verwei- sen ist aber doch in der That gar zu getrost und zu behaglich, als daß es Euer Excellenz so ruhig gebahren lassen sollten; es ist auch gar allein nur so lange möglich, als der Freund das letzte Wort noch behalten hat. Jener junge Mann, Herr Dr. von Henning , der, soviel ich weiß, die Ehre hat, Euer Excellenz bekannt zu seyn, eröffnet mir heute die Absicht, die sämmtlichen öffentlichen Beurtheilungen der Farbenlehre in einer Schrift durchmustern zu wollen; er besitzt Eiffer, Einsichten und gute Vorkenntnisse von der Sache, und ich habe gute Hoffnung von ihm; doch ist er sonst sehr beschäftigt und kann nicht etwa, was wohl erforderlich wäre, ein halb Jahr ausschließlich auf diese Arbeit wenden; ich werde nicht unterlassen, ihn aufzumuntern und ihm soviel bey mir steht, an die Hand zu gehen. - Ich sollte diß etwa nicht in demselben Zusammenhange sagen, in wel- chem ich den Wunsch, ein solches Unternehmen durch Euer Excellenz ausgeführt zu sehen, aüssere; jedoch, indem ich die Hoffnung hiezu, wenigstens zur Abhandlung für sich interessanter Punkte durch E. E. nicht aufgebe, hoffe ich, daß die Arbeit meines Freundes in ihrer Art noch von Nutzen sein könnte. Wenn es mit derselben weiter gedeyht, werde ich Nachricht geben, u. Sie erlauben dann vielleicht auch, hin u. wieder Raths bey Ihnen zu erhohlen. Und zum Schluße erlauben Euer Excellenz mir noch einen herzlichen und dankbaren Trunk aus dem Kelche nicht nur des Glaubens sondern auch Sehens, für itzt und im Voraus auf den 28sten d. auf Ihre theure Gesundheit, - nam de te cetera sumis. Euer Excellenz ergebenster Hegel.