Ew: Excellenz (wußten wir an Ihrer diesjährigen Geburtstags- Feier, so schön umgeben, beschenkt, bekränzt, daß wir mit unsern kleinen Gaben nicht in die Festreihen zu treten wagten. Wir thun es daher den kleinen Wirths- häusern nach, die an dem Tage, wo die großen Gärten Illumination, Tanz und Musik ankündigen geben , sich ruhig verhalten, hernach aber eine Nachfeier ankündigen, bei der sie immer noch ihre Rechnung finden Nehmen Sie das beiliegende Gedicht: "Die Farben" als ein Zeichen der innigsten Theilnahme an Ihrem Wirken und Ihren Werken auf, der Theilnahme, die sich nicht darauf beschränken will, nur zu genießen, sich nur an dem Schönen und Unvergänglichen was Sie als Dichter der Welt und Nachwelt schenkten mühlos zu erfreuen, sondern die sich thätig bestrebt, durch Erkenntniß dessen was Ihnen die Wissenschaft und namentlich die Physik verdankt, Ihnen die Gewißheit zu geben, daß keine Seite Ihrer Bemühungen, durch welche Sie uns die Natur geistreich aufgeschlossen haben, wenn auch an- gefochten und verkannt, jemals verlohren gehen könnte. Mein Gedicht ist ein Versuch in der Weise Ihres Gedichtes: Me- taphose Me- tamorphose der Pflanzen und war zunächst einigen jungen Freundin- nen bestimmt. Ein Lehrgedicht ist freilich immer ein wagliches Unternehmen und am wenigsten würden Sie es gut heißen, ein Compendium der Physik elegisch vorzutragen, allein hier war es um weiter nichts zu thun, als einigen Frauen gefällig zu sein und einem verstockten Physiker der Gesellschaft zu zeigen, daß uns Ihre Farbenlehre so geläufig ist, daß wir sie in Versen - und wenn es auch nur versus memo- riales sind, vortragen können. In Berlin haben wir während Ihrer Krankheit im letzten Win- ter große Besorgniß gehabt; nur meine liebe Laura blieb immer getröstet. Sie sah nämlich öfter nach den schö- nen Blumen, mit der Sie so gütig waren sie zu beschenken und diese zeigten immer noch so schöne Farben, daß sie daran ein Zeichen zu haben glaubte, daß auch Ihnen der Frühling des Herzens noch erhalten sei. Unser Freund, der Philosoph, schickt Ihnen ernstere Gaben, will aber doch so gut sein mein leichtfertigeres Geschenk an Sie zu besorgen. Ew: Excellenz unterthänigster FFörster Phil. Dr. Berlin den 4 ten Sept: (Breite Straße No: 4.) Farbenlehre . Die Beschwörung . Geister wollen wir bannen in bunten Kleidern um Mittag, Kinder des Lichts und der Nacht, loser gespen- stischer Art. Ueberall sind sie zu Haus, sie wählten den Himmel zur Wohnung, Wählten verborgene Schlucht tief in der Erde sich aus. Flüchtig nahen sie bald, dann eilen sie wieder vorüber, Bald mit geschlossener Kraft halten am Schweren sie vest . Und wir rufen die Fernen herab von der Höhe, wir rufen Aus der Tiefe sie heut lustig herauf an den Tag. Aber des Spruches bedarf es dabei, es bedarf der Beschwörung, Und in verschlossener Thruh bring' ich manch Zaubergerät; Denn die Natur ist ein stummes Gebild und bringst du nicht selber Schon zu der Frage das Wort, löst sie das Räthsel dir nicht. Nahst du ihr aber mit sinnigem Auge, ver- ständig, bedenkend, Dann von der göttlichen Stirn schlägt sie den Schleier zurück. Fromm ist unser Gebet: ich glaube, Natur, dich ver- nünftig, Und mit vernünftigem Sinn tret ich zu deinem Altar. Reich ist der Teppich geschmückt, den du webst, wohin wir auch schauen, Ueberall sehn wir erstaunt schweigende Wundergestalt. Doch nicht wollen wir staunen verstummt, wir wollen erkennen, Und so wählen wir heut Eins von den Wundern uns aus. Dir erschließt sich gewiß, o Freundin! manches Geheimnis, Wirst du der Farbenwelt stille Gesetze verstehn. Doch genug des Gesprächs, jetzt gilt es Ver- such und Erfahrung, Glauben sollst Du, du sollst sehen vor Allem dabei. Das Urphänomen Ruft sich der Dichter die Muse, wir rufen den Dichter uns günstig, Der, wie ein Gott einst rief: Werde! Da wurde das Licht, Das uns Newton verbaut mit mathemati- schem Rüstzeug, Führt mit schaffendem Wort Göthe heraus an den Tag. Freudig bringen wir ihm die festliche Spende des Weines, Füllen mit dunkeler Fluth goldengerän- dertes Glas, Welches der Dichter gesandt vom heilquell- sprudelnden Karlsbad, Wo ihm die Nymphe so gern scherzend empfing in der Fluth, Und ihm mit heiligem Thaue die Schläfe netzte benetzte , den Lorbeer, Und in das weiße Gelock zierliche Ro- sen ihm wand, Daß ihm die Anmuth treu und die Freude gefälligen Umgangs Und, zu der Jugend gesellt, treu ihm die Jugend verblieb. Nicht mit Magistergeschwätz, blind überliefertem Schul- zwang Führt er, als Dichter führt Er uns ins Reich der Natur. Wahrheit gab er der Dichtung und dichtend schuf er das Wahre, Nie von der wirklichen Welt hat er sich träu- mend verirrt. Heiter leeren wir ihm dies Glas auf Wohl und Gesundheit, Sind von dem Geiste geführt, ihm dem Be- geisterten nah. Schilt der Professor uns auch, fänd er uns hier bei dem Weinglas, Zeigt uns der Dichter darin wundersam Ur- phänomen. Denn getränkt ist das Glas mit unentschiedener Trübung, Aber es scheiden daraus hell sich die Far- ben dir ab. Hältst du dem Licht entgegen das Glas, so schwin- det die Trübung Und es klärt sich der Streif rein zu ent- schiedenem Gelb. Wendest du aber das Glas abwärts vom Lichte zum Dunkeln Wandelt mit wechselndem Schein Gelb sich zum himmlischen Blau. Aber den schwankenden Schein befestigt die Macht des Gedankens Und der Dichter erkennt Urphänomen u. Gesetz. Dieses nun ists: Die Farben entstehen aus Lich- tem u. Dunkelem Dunklem . Und in dreieinigem Kreis ruhn sie geordnet und fest. Wird in dem Trüben das Dunkle besiegt, es lich- tet zu Gelb Blau sich, Herrscht in dem Trüben das Licht, Drängt in das Lichte die Nacht, wird es gedunkelt zu Gelb. Wie sich zu beiden das dritte gesellt, du wirst es erfahren, Wenn in dem Purpurgewand prächtig die Königin naht. Zweiter Versuch . Die Linse . Immer erweist sich das erste Gesetz mit be- harrlicher Vollmacht, Nim Nimm zu dem zweiten Versuch dieses vergrö- ßernde Glas. Siehst du darunter ein Dunkles gedehnt in die helle Begrenzung, Dann erscheint dir das Bild gelb an dem Sau- me gefärbt. Dehnst du nun aber ein Weißes hinaus in die dunkle Begrenzung Siehst du das helle Bild blau an dem Ran- de gesäumt. (Fig. I.) (230904_1.jpg) Mischung nennen wir's nicht; denn wollten wir's rühren und kneten Gibt uns weiß und schwarz immer ein schmutziges Grau. Dritter Versuch . Das Prisma . Vor dem Gericht erscheinen die Zeugen, zu bürgen die Wahrheit, Und so bring ich dir auch, Freundin, die dritte Ge- währ. Ein dreiseitiges Glas, es rückt das Bild von der Stelle, Wie du den Winkel dir hältst, immer hinab u. hinauf. Hefte von schwarzem Stoff einen Streif an die Scheibe des Fensters, Daß auf erleuchtetem Grund dunkel Begrenztes erscheint. Tritt mit dem Prisma davor u. richte den Winkel nach unten, Abwärts die Augen gewandt. Wie sich das Bild dir verrückt, Siehst du am obern Rande das Dunkle gelichtet zum Blauen Und an dem unteren Rand Helles gedunkelt zu Gelb. Beide noch stehen sich fern, als wollten sie feindlich sich meiden, Aber den Widerspruch bindet in eins die Na- tur. (Fig: II) (230904_2.jpg) Und zwei Weisen begegnen uns hier der gesuchten Ver- einung Eine gleichgültig, passiv, thätig die andre und frei. Führst du zum Blauen das Gelb, so verhalten die Far- ben sich leidend, Fügen sich äußrer Gewalt, gelben geben gleichgiltiges Grün. Läßt du sie aber gewähren, daß frei sie ihr Inn- res erschließen, Geben sie beide sich dann Eins in dem Andern zurück. Beide wohl tragen ein Andres im Innern, doch beide dasselbe, Dränge das Gelb nur in sich, dränge das Blau nur in sich, Dann erscheinet Orange dir dort, es erscheint Vi- olet hier, Aber die innerste Gluth immer in Beiden ist Roth. Mischen kannst du sie nicht, doch laß sie sich suchen u. einen, Und in dem Purpur gewinnt Liebe den höchsten Triumph. Suche die Farbe dir jetzt am Fenster auf durch das Prisma, Wie sich aus Dunkel und Hell Streifen an Streifen gelegt. Wird ohnmächtig im Blau das Licht, so zeigt sich uns Blauroth, Schwindet in Gelb ihm die Kraft, siehst Du orange den Saum, Langsam tritt nun zurück, du siehst Violet u. Oran- ge Wo sie sich beide berührt, stellen den Purpur sie dar. (Fig: III) (230904_3.jpg) Willst Du nun Gelb und Blau zusammenführen zum Grünen, Sieh nach dem Weißen weißen Streif auf dem ge- dunkelten Grund. Wie sich der Purpur vorher am Fensterbilde dir zeigte, Färbt aus Blau und Gelb hier nun die Mitte sich grün. (Fig. IV) (230904_4.jpg) Objectiv-Prismatischer Versuch . Freier bilden wir nun die Farben des sonnigen Bogens, Welchen mit rosiger Hand Iris am Him- mel gespannt. Rufe die Göttin, sie wird in freundlicher Helle dich grüßen, Waren die Himmlischen doch immer den Guten geneigt. Auch dich rufen wir an, du Erdumwandler Apollon Grüße mit günstigem Blick unser behagliches Spiel. Und du sollst nicht bedrängt dich stehlen durch Ritzen u. Löchlein, Immer im Ganzen erscheint immer im Schönen der Gott; Denn wir empfangen dich gern, wir öffnen dir Fenster und Laden, Schließen den Freien nicht eng in ein dunk- les Gemach. Niemals reden wir auch von Strahlenbündeln und Theilchen, Nehmen das sonnige Bild, wie es der Himmel uns gibt; So empfängt es das Glas u. wie es dann wei- ter hindurchscheint, Wird es herübergerückt über ein dunkleres Bild. Dann erscheinet dir blau am obern Rande, am untern Gelb u. wir bilden so fort wieder den far- bigen Streif. Wie von der Wand du das Glas nur entfernst, so werden die Säume Breiter, ein grüner Streif bildet aus Blau sich u. Gelb. (Fig. V.) (230904_5.jpg) Willst du den Purpur gewinnen, so lege nur über das Prisma Auf die Fläche die du gegen die Sonne gewandt, Jetzt ein Streifchen gedunkelt Papier, du findest Orange Zum Violetten gesellt, wie sie sich einen zu Roth. (Fig. VI) (230904_6.jpg) Körperliche Farben . Die Elemente . Doch nicht flüchtige Schatten nur zeigen die Farben, sie sind auch Mit ursprünglichem Sein fest an die Körper gebannt. Vier Elemente nun sind an die Schwelle der Erde gebunden, Halb noch flüchtiger Art, halb nach flüchtiger Art schon dem Festen verwandt. Und es vertheilte mit schicklicher Wahl die Natur an die Schwestern Farbige Kleider zum Schmuck Jeder ein andres Gewand. Trage, so sprach sie zur Luft den blauen Schleier des Himmels, Heiter von oben herab leuchte der glück- liche Tag. Vester gürte sich dann die Erde mit ehrenem Harnisch, Und in dem Irdischen sei Gold das geronnene Licht. Schlage die Flamme dann auf aus dem Berg in purpurner Rothgluth Und in dem Feuerkleid fahre vom Himmel der Blitz. Unentschieden erscheint dann zwischen dem Vesten und Losen Wellenschlagendes Meer immer im grünen Gewand. Physiologische Farben . Das Auge . Wie du die Welt nun außer dir findest, geordnet, ein Ganzes, Also findest du auch in dir geordnet die Welt. Wurde dem Himmel die Sonne verliehn zur leuchtenden Freude, Ging in dem Auge dir auf treulich ein leuch- tend Gestirn. Und ich gedenke zuerst des Spieles, das uns als Kinder Öfter mit lieblichem Schein bunter verän- Veränd- d rung erfreut. Brachte die Mutter uns Abends zu Bett, da baten wir schmeichelnd, Daß sie ein Weilchen noch blieb still mit dem brennenden Licht. Nicht als hätten wir uns vor Butt gefürchtet und Kobold, Nein wir riefen uns dreist selbst die Ge- spenster herbei. Also geschah's: wir sahn in das Licht und schlossen die Augen, Und wir erwarteten still Geistererscheinung zu sehn. Bald erschien uns ein leuchtender Stern, er färb- te sich wechselnd Und wir gestalteten uns feurige Drachen daraus. Friedrich der Große erschien uns dann auch in blauer Mondierung, Jäger im grünen Kleid, Blumen der buntesten Art. Aber am glücklichsten war, wer zuerst in dem Purpurgewande Mit diamantener Kron' herrlich die Königin sah. Was uns als Kinder ergötzt, nicht fehlet ihm Sinn u. Bedeutung Und mit bedächtigem Ernst wollen das Spiel wir erneun. Schau mit unverwandtem Gesicht in die blenden- de Sonne, Schließe die Augen dann zu gegen das Dunkle gewandt, Und dir gehen vorüber in wechselnd farbigem Abklang Alle die Geister, die wir früher als Kinder citirt. Achtest du weiter darauf, so findest Du Ordnung im Wechsel, Und ein beharrlich Gesetz ward auch dem Auge ver- liehn, Und es ruft sich mit schaffender Kraft aus dem Dun- kel die Farben Ruft aus dem Licht sie hervor fest in geschlosse- nem Kreis. (230904_7.jpg) Aber das strenge Gesetz wird uns zu freier Ge- wohnheit, Unbewußt suchen wir uns Farbe mit schicklicher Wahl. Und den Frauen zumal ist ein sinniges Auge gegeben; Denn es ruht ihr Gemüth näher der stillen Natur; Immer zeigen sie uns, was sich ziemt und ordnen das Rechte, Sicher geführt vom Gefühl, wo der Verstand sich verirrt. Wählt die Brünette doch gern zu Himmelblau sich Orange Blaßgelb zu violet wählt die Blondine sich aus. Nie mit grünem Band umgürtest ein blaues Ge- wand du Windest den Veilchengranz Veilchenkranz um den italischen Hut. Auch durch die Zimmer hindurch, wir finden ge- ordnete Farben, Gelbe Gardine verziert gern violettes Gemach, Und zu der rothen Tapete du wähltest grün dir den Sopha Zu der orangenen Wand stellst du das blaue Geräth Nicht zufällige Wahl u. Modegeschmack nur bestimmt Dich Frage dein Auge, das zeigt immer das Rechte dir an. Denn es lebt ein Gesetz in der Welt der Natur und des Geistes Daß zu dem Einen sich immer sein Anderes fügt. Wo dir das Wahre begegnet in Licht, im in Leben u. Lieben Liebe Hat das Verwandte sich immer gewählt u. geeint. So verlangt auch das Auge zur einen Farbe die andre Gibst du die Eine ihm nur, schafft es die Andre sich selbst. Willst du es prüfen, Du findest im Kästchen bunte Papiere, Nim sie zu weitrem Versuch, wie wir es leh- ren heraus. Bring auf den weißen Grund ein rothes Blätt- chen u. richte Läßlich das Auge darauf, nim es dann wieder hinweg. Und ein Schatten erscheint, ein flüchtiges Bild auf der Fläche, Nenn es nicht Täuschung, du siehst hier das geforderte Grün. Gelbes ruft Violet , es ruft sich Orange das Blaue Wechseln magst du das Spiel, wie es dir eben gefällt. Nun zu gleichem Versuche wir nehmen uns farbige Gläser, Zwischen zwei Lichter zuerst stellen dieß rothe wir auf. Hältst Du ein Stäbchen dazwischen, so müssen zwei Schatten erscheinen, Roth ist der Eine gefärbt, aber der andre ist grün. So versuch' es mit Blau, mit grünem Glas und orangem, Nach dem bewährten Gesetz wählt sich Dein Au- ge das Bild. Dritter Versuch Farbiger Mondschatten . Was uns im Kleinen gelang, versuchen wir später im Großen, Wenden vom irdischen Sehen Licht uns zu dem himmlischen Schein. Wenn uns am Morgen die Sonne geführt in be- lehrenden Umgang, Abends vertrauen wir uns gern dem ver- schwiegenem Mond. Wieß uns der freundliche nicht den Weg durch die duftige Waldung, Wo er durch flüsterndes Laub schattiger Bu- chen sich stahl; Wurzeln suchten wir nicht zu Zaubergeträn- ken u. Kräuter, Aber du suchtest am Bach stille Vergiß- meinnicht auf. Heut nun suchen wir nicht umschattetes Dunkel der Waldnacht Luna, du sei uns gegrüßt heiter mit vollem Gesicht. Dieß nun bemerke zuvor: auf weißem Grunde gefangen Zeigt das Mondenlicht immer gemildertes Blau Weiß . Und empfängst du dagegen das Kerzenlicht auf dem Papiere, Siehst du orange das Blatt bräunlich beim Lichte gefärbt. Halte dann zwischen den Mond u. zwischen die Kerze das Stäbchen, Und zwei Schatten vor Dir siehst Du nun wie- der gefärbt. Wo du dem Mondlicht wehrst mit Deinem Stab die Beleuchtung, Hat orangenfarb Kerze den Schatten gefärbt Wo du das Kerzenlicht verdeckst mit gehaltenem Stäbchen Zeigt sich der Schatten dir blau, den du daneben entdeckst erblickst . Und du weißt es, warum? es suchte die Sehnsucht des Auges, Zu dem orangenen Bild sich das gefor- derte Blau. Farben-Kunst. Ward nothwendig Gesetz der Natur und den Sinnen gegeben, Schafft sich der denkende Geist freier die eigene Welt. Denn es weiß der Mensch, was er sieht, u. was ihm begegnet, Trägt er von außen herein tief in die füh- lende Brust. Und das Innere trägt er nach außen u. stellt sichs entgegen, Außen u. Innen in Eins faßt er mit gei- stiger Kraft. Wozu wäre denn auch des Weltalls rasender Aufwand, Sonnen, Planeten, Gestirn über den Himmel verstreut? Wozu der Erde Pracht, des Frühlings duftende Wittrung, Wenn sich zuletzt nicht daran fühlend ein Glücklicher freut! Nennst du nun aber die Welt den Tem- pel Gottes, so nenne Allerheiligstes drin menschlich vernünf- tigen Geist; Denn nicht redet zu uns die Morgenröthe, die Blume, Mit so vernehmlichen Ton, als es der Künst- ler vermag, Der, ein Rafael, uns des Glaubens heilig Geheim- niß, Da uns das Wort noch gefehlt, herrlich in Farben enthüllt. Nicht in Marmor u. Erz den griechischen Helden vergleichbar Treten des Christentums himmlische Scharen heran. Schönres, wir wissen es wohl, als euch, ihr Olym- pischen Götter, Sah nie vergangene Zeit, wird nie die künf- tige sehn. Aber nach außen nur seid ihr gewandt in voll- kommner Gestaltung, Zu dem verschloßnen Gemüt öffnet das Auge sich nicht. Anders hat sich die christliche Welt nach Jenen gewendet, Himmel u. Erde gebannt eng in ein liebendes Herz. Siehst du den griechischen Gott, du freust dich der Form u. der Schönheit, Von Goethe gestrichen. Tief aus dem christlichen Bild redet ein innerer Gott. Von Goethe gestrichen. Doch kein Nächtliches soll das Göttliche sein, kein Verschloßnes. Was wir im Herzen gefühlt, sehnt sich heraus an den Tag. Farben erwählte zu sinnlichem Stoffe der christli- che Künstler, Tief auf die Fläche gelegt waren sie selbst nur ein Schein. Aber das Leben erscheint uns darin u. die Freude des Daseins, War doch der ewige Gott selbst erschienen im Fleisch. Da genügte nicht hartes Gestein, den Gott zu ge- stalten, Mit aufquellender Lust lag in der Krippe das Kind; Blühend lag es u. frisch u. es reichte die Mut- ter die Nahrung, Aber mit seligem Schmerz ruhten die Augen auf ihm. Wählte die christliche Kunst sich Farben zur Sprache des Bildes, So mit bedeutendem Sinn hat sie der Künst- ler vertheilt. Rosenfarbnes Gewand umschließt die lieben- de Mutter, Die als demüthige Magd göttliche Gnade gewann. Naht als Himmelskönigin sie, das Kind auf dem Arme, Hüllet die Göttliche sich ein in das himmlische Blau. Christus als siegender Held trägt purpurfarbenen Mantel, Joseph, bescheidenen Sinns, kleidet ein bräunlicher Rock. Tragen die Heiligen so die Farben nach Wahl u. Bedeutung, Sind auf dem Bilde sie Euch auch schicklich zusam- mengestellt. Die Farben-Symbolik . Scherzhaft sangst du mir einst ein Lied von der Farbenbedeutung Farben Bedeutung , Aber im ernsteren Sinn hab ich dein Wort mir bedacht. Blau bedeutet die Treue: die goldenen Sterne des Himmels Und ein vertraulicher Blick leuchtet aus freund- lichem Blau. Gelb ist die Farbe des Neids, die Farbe der ir- dischen Flamme, Die mit dem Andern zugleich gierig sich selber verschlingt. verzehrt. Grün ist die Farbe der Saat u. der Knospenhülle der Blätter Eh noch mit reicherem Schmuck farbige Blüthe sich zeigt. Und so nennen wir grün die Farbe der glück- lichen Hoffnung, Aber im stillen dabei denken der Blüthe wir nach. Hold begegnet uns dann die Königin unter den Blumen, Und in dem rosigen Schein fanden wir, Liebe dein Bild. Aber die Jungfrau empfing mit schüchternem Auge die Gabe Und von der Rose zu ihr flog auf die Wange die Gluth. Schweigend kündiget dann die Morgenröthe der Liebe Im jungfräulichen Zorn stille Verheißung uns an. Hat uns die ernste Belehrung geführt zum Gruß der Geliebten, Freun wir mit heiterem Sinn uns des ge- wonnenen Glücks! Mögen die Farben umher mit flüchtigem Schein dich umgaukeln, Ruhig erkennst du darin Ordnung u. stetes Gesetz. Aber die Deutung ist dein, dir begegnet das Wahre, das Schöne, Wie du die Welt anschaust, schaut sie auch wieder zurück. So vertraue dem Geist, vertraue dem sinnigen Auge; Das, wie ein leitender Stern, sichere Bahn Dich geführt. Sagt uns ein Freund: Es ruht in deinem Auge die Welt mir, Dann verstehst du des Worts holde Be- deutung gewiß. Fr. Förster in Berlin