Hochwohlgeborner Herr Freiherr, Hochgebietender Herr Geheimer Staatsminister Gnädiger Herr! Es war im Anfang des verflossenen Winters, als ich Euer Excellenz meinen innigsten und tiefsten Dank für die von Hochdenselben zur Kräftigung meiner Gesundheit huldreichst getroffene Maßregeln und diese so höchst erfreuliche gnädige Theilnahme an einem nur der Wissenschaft gewidmeten thätigen Leben, demüthigst zu bezeugen suchte. Ich konnte schon damals den segenreichen Erfolg dieser hohen Fürsorge berichten, so daß ich von der zur Kräftigung meiner Gesundheit einge- leiteten Ferienreise vollkommen hergestellt zu meinen Berufsarbeiten zurückgekehrt war. Seitdem allen meinen Bestrebungen und einer nicht geringen äussern Thätigkeit in ihrem ganzen Umfange hingegeben, hatte ich auch Grund auf die Ausdauer und Energie meiner Natur wieder alles Vertrauen zu gewinnen; und ich kann wohl sagen, daß ich kaum jemals mit dieser Lust und Freude meine Studien der lebenden Natur verfolgte. Die Theilnahme an meinen Vorträgen über Physiologie und allgemeine Pathologie schien nach jener Unterbrechung sich auch eher erhöht zu haben; sie war wenigstens nie größer als im verflossenen Winter- semester, wo mir der Lehrvortrag über Physiologie zudem allein anvertraut war. Auch in practischen anatomischen Arbeiten behufs der Vorlesungen über Physiologie und vergleichende Anatomie wurde Vieles gefördert, wiewohl ich in Beziehung auf Anschaffung nöthiger Thiere, und des für mich nicht unbedeutenden Aufwandes für Gläser und Weingeist meine beschränkten Mittel nur allzu oft zu bedauern hatte. Indessen kann das Verzeichniß meiner Präparate, die sich gegenwärtig auf einige Hundert belaufen und im anatomischen Museum zur Ansicht aufgestellt sind, doch zeigen, daß es an dem besten Willen bisher nicht gefehlt hat. Mögen Euer Excellenz diese Details gnädigst entschuldigen wollen. War es mir doch zur süssen Gewohnheit geworden, Euer Excellenz von allen Bestrebungen und Fortschritte demuthsvolle Rechenschaft zu geben; wie viel mehr muß es mir Bedürfniß werden, da mich Natur unter höherer heilsamer Mitwirkung nach einem halben Jahre kleinmüthiger Kränklichkeit in voller Frische wieder auf die hohe See des Lebens und Wirkns getrieben. Die Versuche über den Einfluß des farbigen Lichtes auf die Vegetation und Generation, welche Euer Excellenz freigebig gnädigst haben unterstützen wollen, werden nunmehr sicher in diesem Sommer zum Abschluß kommen, und sind schon mit dem Beginn der Vegetation eingeleitet worden. Euer Excellenz würden wir schon den nähern Bericht darüber unterthängst haben vorlegen können, wenn diese Arbeiten nicht im vorigen Sommer durch mein Erkranken ganz gestört worden wären. Beiliegende Abhandlung über ein bisher ganz und gar unbeachtetes Nervensystem niederer Thiere, wodurch der grosse Unterschied der Wirbelthiere und Wirbellosen abermals geschmälert wird, wurde von mir während meines Unwohlseyns im vorigen Sommer ausgearbeitet. In dem ich dieselbe Euer Excellenz in demuthsvoller Ergebenheit überreiche, wünsche ich damit zugleich ein Zeugniß ablegen zu können, daß ich in jener für mich sonst so traurigen Zeiit meine^ gewohnten Bestrebungen doch nicht ganz entbehren konnte, um die mir sparsam gegebene Musse von mancherlei Affectionen doch einiger- massen theuer zu machen. In diese Periode fällt auch die Fortsetzung meiner Übersetzung der physiologischen Schriften des Aristoteles, wovon ich in dem Büchlein über die phantastischen Gesichts- erscheinungen schon ein Specimen gegeben hatte. Mögen Euer Excellenz die gegenwärtige Arbeit in dem angedeuteten Sinne nachsichtig gnädigst beurtheilen wollen, und mögen Hochdieselben auch fernerhin Ihre huldreiche, für mich höchst aufmunternde Theilnahme und großmüthige Unterstützung eines gewiß allein nur der wissenschaftlichen Naturbetrachtung unverwandt gewidmeten Lebens gnädigst erhalten wollen. Mir bleibt zu verharren in tiefster Verehrung und unwandelbarer tief dankbarer und treuer Ergebenheit Euer Excellenz unterthäniger Dr. Joh. Müller. Prof. E. Bonn am 12. April 1828.