Erwin von Steinbach Am Werktisch sitzt der Meister sinnend Mit Maß und Zirkel in der Hand, Den hehren Wunderbau beginnend, Der klar vor seiner Seele stand. „Ein Bau,“ so spricht er, „soll es werden, Ein Haus des Herrn, so hoch und hehr, Wie nimmer noch auf weiter Erden Empor es ragt zu Gottes Ehr'“. Und sieh, zu Meister Erwins Ruhme Steigt frei empor im deutschen Gau Aus Fels und Stein die Riesenblume, Zu Straßburg stolz des Münsters Bau. Wie laut die Welt sein Werk bewundert, Nicht lüstet's ihn nach Gold und Gunst; So steht es da durch die Jahrhundert', Ein Zeuge gottgeweihter Kunst. Und drinnen, wo durch Farben milder Die Sonne strahlt in Gang und Chor, Da heben hehre Marmorbilder Dein Herz aus Erdenstaub empor. Es sind die heil'gen Gottesboten, Die einst des Evangeliums Holdsel'gen Gruß der Welt entboten, Die Hüter dieses Heiligtums. Und diese holden Lichtgestalten Schuf Meister Erwins Töchterlein; Durchströmt von seines Geistes Walten Haucht sie dem Marmor Leben ein. Was sie erschaut in stiller Kammer, Enthoben über Raum und Zeit, Dem leiht ihr Meißel dann und Hammer Den Zauber schöner Wirklichkeit. So schufen still im ernsten Bunde Hier Geist und Schönheit Hand in Hand, Und herrlich schaut noch diese Stunde Des Münsters hoher Bau ins Land. Sieh, wie die farb'gen Scheiben glühen Im Sonnenglanz so rein und klar, So rein und schön auch möge blühen Die edle Baukunst immerdar! Wilhelminenhöhe am Kieler Hafen Dort Stadt und Dorf im grünen Kranze, Und hier die blaue, blanke Bai Im leichtbeschwingten Wellentanze, Und drüber kreist im Sonnenglanze Die weiße Möwe frank und frei. Von Bord und Masten hörst du schallen Der munteren Matrosen Lied; Hier Anker rasselnd niederfallen, Und dort des Schiffleins Segel wallen, Das in die blaue Ferne zieht. Sieh dort die schwarzen Panzerrosse! Schon braust des Atems heiße Glut Tief aus der Brust der Erzkolosse; Ein Gruß der ehernen Geschosse Rollt donnernd längs der blauen Flut. Zieht hin, des Reiches Schutz und Wehre, Laßt stolz die deutschen Farben wehn, Uns schützt und schirmet Deutschlands Ehre Von Land zu Land, von Meer zu Meere, Fahrt wohl! Auf frohes Wiedersehn! Wir winken still vom grünen Strande Bewegt den Scheidegruß euch nach, Umschlingen uns doch feste Bande; Kehrt froh zurück aus fernem Lande Einst unter euer heimisch Dach. Noch einmal aus metallnem Munde Ertönet fern der Abschiedsgruß, Ein lautes Echo in der Runde Hallt ihn zurück; die nächste Stunde Lenkt still ans Tagwerk unsern Fuß. Aus weiter Werkstatt wieder tönet Berußter Schmiede Hämmerklang, Und längs den Eisensträngen dröhnet Das schwere Feuerroß und stöhnet Daher mit dumpfem Donnergang. Dort Schiffer ihre Netze ziehen Im sauren Schweiße durch die Bucht; Hier klingen süße Harmonieen, Und Kinder durch die Hecken fliehen, Sich haschend in verstellter Flucht. Dort schafft im Feld mit harten Händen Der fleiß'ge Landmann früh und spat, Doch auf den schimmernden Geländen, Umkränzt von grünen Waldeswänden, Keimt auch voll Hoffnung ihm die Saat. Bald reift zur Erde still der Samen, Das grüne Halmenmeer verblaßt, Der Erde Kräfte leis erlahmen, — So spannt sich in den weiten Rahmen Des Lebens Ernst und Lust und Last. Doch ist das Taggestirn geschieden, Rauscht ferne schon die Nacht daher, Dann breitet rings herum hienieden Im Abendgold ein sanfter Frieden Sich lieblich über Land und Meer. Dann löscht ein Engel in den Herzen, Der durch Palast und Hütte zieht, Des Tages Lust und Müh' und Schmerzen; Im Strahlenglanz der Himmelskerzen Summt leis das Meer sein Wellenlied. Wie glänzt der Wald so goldengrün Wie glänzt der Wald so goldengrün Im jungen Blätterschmuck! Nun laß die Freude Funken sprühn Nach langem, bangem Druck. Was zagest du und klagest du, Bedrücktes Menschenherz! Wach auf aus starrer Winterruh', Verbanne Sorg' und Schmerz! Auf Sonnenglanz durch Feld und Flur Weht frischer Lebenshauch; O glaube nur, und hoffe nur, Erschließ dein Herz ihm auch! Vom Walde klingt ein heller Gruß Herüber in dein Haus, So eile mit beschwingtem Fuß Hinaus, hinaus, hinaus! Echo Wenn tausendfarbig glänzt die Au, Der Himmel strahlt im reinsten Blau, Die Lerche froh sich aufwärts schwingt Und laut dem Lenz ihr Loblied singt: O sage, was mit ihrem Lied Als Echo durch die Seele zieht! — Dann zieht der Freude goldner Schein So wonnesam ins Herz hinein, Und jubelnd klingt es durchs Gemüt, Daß aus dem Tod das Leben blüht. Und wenn im Maiensonnenschein Ringsum aus jedem Blütenhain Der Nachtigallen Lied erklingt, Ums Herz dir seinen Zauber schlingt: O sage, was mit ihrem Lied Tief durch die Menschenseele zieht! — Der Mensch durchlebt mit Blum' und Baum Des Erdenlebens Blütentraum, Des heller Abglanz im Gemüt In ewig schönen Farben glüht. Und wenn die Schwalbe unterm Dach, Die früh dich grüßte Tag für Tag, Zum letzten Mal ins Fenster schaut Und Abschied singet sanft und traut: O sage, was mit ihrem Lied Als Echo durch die Seele zieht! — Dann schwebt mit leisem Flügelschlag Erinnrung um dein stilles Dach, Und klagend klingt es durchs Gemüt, Wie Lenz und Lust so bald verblüht! Selbstgespräch Die Wende deiner Lebenstage Liegt hinter dir, dein Haar ward grau, Und nun ich tief ins Aug' dir schau', Les' ich darin: Entsag, entsage! Die Lehre scheint's uralter Mythen Von unsres Daseins Schattenspiel, Als lägen Larven unter Blüten, Als wär's ein Streben ohne Ziel. Doch ist's das Aug', das Erd' und Himmel Einst strahlend offen vor sich sah, Das Auge, dem das Glück so nah Erschien in all dem Weltgewimmel; Das Auge, das in seinem Flimmer Zu schaun gewagt den Siegeskranz, Das sich erfreut' an seinem Schimmer, Als wär' kein eitler Trug der Glanz. Dann wieder sagen mir die Falten Der Stirn und all der Kämpfe Spur, Mit welcher Last und Mühe nur Du noch am Leben festgehalten, Als fort und fort im goldnen Klange Des Tages dich wie Spott gemahnt Die goldne Zeit, die im Gesange Der Dichter — wie so selig — ahnt! Denn, ach, du warst am Lebensbaume Der Menschheit nicht der erste Sproß, Der frei sie dachte, wahr und groß, Bis es verschwand gleich einem Traume, Und mit ihm die Erfüllungsstunde Und jede Hoffnung Stück für Stück, Bis du allein standst in der Runde Und nur der Tod erschien als Glück. Da hilft's nicht mehr, wenn um Ruinen Noch webt ein stilles Abendrot, Wenn ernster Lebenskampf dem Tod Als Aureole scheint zu dienen; Da helfen nicht die hohen Geister, Von denen noch die Sage geht, Und nicht die Namen all der Meister, Die mit der Zeit noch nicht verweht. Da ringelt sich die Muhme Schlange Um jedes Glied, da lähmt das Herz Die ew'ge Qual, der ew'ge Schmerz, Drin uns vor unsrer Gottheit bange. Da wird im großen, wie im kleinen Das Hoffen schwach, der Glaube zag, Bis alles Leben in dem Einen Zusammenfließt: Entsag! Entsag! So dir, dem Kämpfer und dem Krieger, Bis jede Locke weiß, wie Schnee; So dir, trotz aller Täuschung Weh, Auf diesem Feld ein echter Sieger. Nichts mehr für dich, doch Hand und Habe Für alle, die, wie um den Preis, Ums Leben ringen mit dem Grabe, Wie du einst rangst so thränenheiß. Nächtliches Gewitter Zuerst von fern ein dumpfer Strom, Noch grollend, in verhaltnen Tönen, Dann durch der Wolken Riesendom Mit Blitz auf Blitz des Donners Dröhnen, Als strebe jegliches Atom Die feste Ordnung zu verhöhnen, Wie zügellos, im Hippodrom Der Kräfte, tollster Lust zu fröhnen. Umsonst! Es herrscht in all dem Schwall, Ob er der Menschen Zirkel störet, Das Urgesetz, wonach im All Eins zu dem anderen gehöret Vom Kleinsten bis zum Sonnenball, Und wenn sich's noch so sehr empöret, Der Flut folgt Ebbe, Hall dem Schall — Schon da ist, was den Graus beschwöret. Frühlerche Im Osten blitzt' die Sonne Aus Morgengraun hervor, Da stieg auch schon die Lerche Mit Jubelschlag empor. Ihr Schlag, der war so schmetternd, So aller Freuden voll, Daß mir mit ihm die Seele, Dem Licht entgegen schwoll. Mir ist nun Sonnenaufgang Und Lerchenschlag wie eins; Mich dünkt, es fei'rte jenen Des Vögleins Lied wie keins. An einem Grabe Es deckt nun längst der Erde Grund Ein Herz, das treu für dich geschlagen; Du gabst ihm wenig Liebe kund Und kannst nur stehn, dich anzuklagen. So stumm ist wohl das stille Grab Und Staub nur, was es in sich hüllet — Du aber kniest und blickst hinab, Als wär's mit Leben dir erfüllet, — Und sähst ein blasses Menschenbild Dort unter deiner Reue Zähren Mit einem Lächeln, schmerzlich mild, In alter Liebe sich verklären. Sonett Den Weltgeist wähnt' ich mir vorüberschweben In heil'gen Nächten auf Gebirg und Meer, Und meine Seele hob es hoch und hehr, Als könnt' ich Ird'scher, ihn erschauend, leben. Zwar heiß' ich dies ein thöricht Überheben, Doch drum ein Träumen nicht, das hohl und leer. Den Mantel wob die Gottheit um sich her, Und so viel nur, als um empor zu streben Mit Hochgefühl in menschlichem Vermögen Der Seele frommt, entquoll ihr aus dem Sein Der Urgewalt voll Offenbarungssegen. Enthüllte sich die Gottheit ganz und rein In ihrer Füll' vollwirkendem Bewegen, Tot sänk' ich hin — hinschwundner Widerschein. Mythos Es schied das Licht. O thatenfreud'ge Glut! Wie neiget segensvoll ein klarer Mut Sich seiner Wirkung auf der Frühlingserde! Lichtleben, das des Glückes überschwillt, Zu reinem Traum drangvolle Jugend füllt — Nacht, stille Seelenweih' im Fest des Werde! Am Blütenbaume sieh den Dichter stehn. Ihn hießen Luft und Duft die Pfade gehn, Mit da ist er, wo Lebensquellen rinnen: Der Menschheit Sohn, in dem sie freiheitsklar, Erschloss'nen Sinnes in der Größe wahr, Der sich gewonnen, alle zu gewinnen! Er trinkt des Lichts urvolle Lebenslust, Glücksel'ger Klarheit freud'ger sich bewußt, Als wär's in ihm der Menschheit Blütenstunde — Der tiefsten Wirkung ew'ge Zuversicht, Lebend'ger Wahn, daß, so er „Werde!“ spricht, Die Menschheit jäh zu ihrem Glück gesunde! Du Dichterherz, verstummend dem Gesang! Natur, und gabst du Antwort seinem Drang? Sieh einen Strahl, der in den Baum gesunken — O heiß' ihn Traum: Goldwipfel, wundersam! Das Vöglein höre, das zum Baume kam, Auf goldnem Zweig sich wiegend sangestrunken! Geeintes Paar Sie haben einen weiten Schall, Die Brünnlein sondrer Art; Des Wassers Ruhm ward überall, Das sich in ihnen wahrt, Drob lichter Geist die Flügel schwingt So sonnig! Darin die Menschheit sich verjüngt So wonnig! Und gleichwohl ist sie schwarz, die Flut Mit übermächt'ger Kraft, In einem engen Häuslein ruht, Was also innig schafft; Und nahst du dich ohn' eigen Licht Inwendig, So wird's im dunkeln Borne nicht Lebendig. All' Lands, wo man des Brünnleins acht't Der Schwarzkunst Zauber übt, Davor sein dunkler Quell erwacht Und lichte Ströme giebt: Da ist ihm aller Brunnen Feind Gesellig Und ihm, zu wertem Dienst vereint, Gefällig. Neb'an im hunderthür'gen Haus, Und eilt — treu' Dieners Preis! — Zu hundert Pforten gleich heraus In emsigem Beweis; Trinkt ein der Strömlein Überfluß, Daß helle In Wunderkraft verbleiben muß Die Welle. O Menschengeist, magst schauen dich Im kleinsten Dinge groß! Wie ringt vom nächsten Scheine sich Die Kraft tiefsinnig los, Die Kraft, in der sich Gott bekannt Hienieden, Vor der sich eins dem andern band Zum Frieden! Am Ostermorgen Zum Schloß hinauf bei Heidelberg Stieg ich am Ostermorgen. Doch eh ich trat ins Mauerwerk, Blieb ich im Wald verborgen. Der bannte mich in sein Revier Mit Klingen und mit Singen. So wie in diesen Büschen hier Hört' ich's noch nirgends klingen. Der Dompfaff stimmt die Messe an Und wirft sich in den Kragen. Die andern kehren sich nicht dran, Die singen nach Behagen. Spottdrossel gar, die pfeift dazu Und hebt gar stolz ihr Köpfchen. Da pfeifen die andern all' im Nu Aus aufgeblas'nen Kröpfchen. Was kümmert sich der Schelm, der Fink, Um Dompfaff und um Messen! Die Amsel auch, das lust'ge Ding, Die schmettert wie besessen. Schwarzplättchen ruft: Bin überall Beim Singen und beim Scherzen. Im Grunde flötet Nachtigall, Der kommt's so recht von Herzen. Wie alles dies um mich geschah, Saß ich im Wald verborgen, Und schweigend feiert' ich allda Den Auferstehungsmorgen. Auf dem Heidelberger Friedhof Auf dem Heidelberger Friedhof prangt Natur in reichster Fülle. Welch ein Grünen, welch ein Blühen rings, daß es den Tod verhülle! Doch auf blanken Monumenten läßt in ernster Schrift sich's lesen: Was hier ist, das ist gewesen; was gewesen, muß verwesen. Gleicht das Leben einem Strome — hier die See, in die er mündet. Gleicht das Leben einer Reise — hier wird ihr das Ziel verkündet. Hier begrüßt uns ew'ger Friede, ach wie manchen allzufrühe! Mancher ward des Wartens müde, seufzend unter Last und Mühe. Grausam hat der Tod den Liebling aus der Mutter Arm gerissen. Warum mußte das so kommen? Sie vermag's nicht, ihn zu missen. Such ihn nicht im Grabe drunten, such ihn nicht in Himmelsauen! Kannst ihn nur noch in dem eignen treuen Mutterherzen schauen. Trauernd neigt sich dort ein Antlitz über eine heil'ge Stätte, Und es klingt wie Dank und Segen nieder auf das Friedensbette. Wenn zwei Herzen miteinander alles trugen treu gemeinsam, Schwer dann lebt es hinterdrein sich so verlassen und so einsam. Halte still! In dieser Reihe ruhn des Rechts und Lichts Heroen. Mag ihr Leib im Grabe modern, ihre Lichtgedanken lohen, Ob unsichtbar, dennoch sicher zündend fort, bis sie auf Erden Über Lug und Irrtum siegreich zum Gemeingut aller werden. Dort das Kreuz und hier das Denkmal künden Deutsche und Franzosen, Die hier stillen Frieden fanden nach des Kampfes wildem Tosen. Aus den heißen Wundenschmerzen hat der Friedhof sie gerettet Und hieher sie nicht als Feinde, nein, als Mensch zu Mensch gebettet. Warte noch! Hier ruht ein Armer. Bosheit hat an ihm gerüttelt, Bis er endlich mit der Kugel allen Kummer abgeschüttelt. Mögen andre pharisäisch gegen dich die Zungen schärfen — Schlummre sanft! — wir sind nicht willens, einen Stein auf dich zu werfen. Was ist Tod? Mag jedes Wesen, das gewesen ist, verwesen, Doch zum Keim für neues Leben ist auch jeder Tod erlesen. Mag ich doch mein Sonderleben an das ew'ge Ganze geben! Nein, der Tod ist nicht zu fürchten. Nichts ist Tod und alles Leben. Friedhof, pred'ge deinen Frieden tröstend in bedrückte Herzen! Die hier ruhn, sie fühlen nichts mehr von des Lebens Mühn und Schmerzen. Bald vielleicht treibt unser Schifflein auch schon in den Friedenshafen; Ob es hier sei, ob wo anders, überall ist Platz zum Schlafen. Auf dem Felde der Ehre War das ein Heulen, ein Sturmgebraus Die ganze Nacht um das Fischerhaus, Als sollte die Welt schier vergehen! Den Fischer treibt es im Morgengraun, Von luftiger Düne hinaus zu schaun, Ein Fahrzeug vielleicht zu erspähen. Und wahrlich! dort ferne — er täuscht sich nicht — In schäumender Brandung ein Wrack in Sicht. Hoch wälzen die Wogen sich über das Schiff, Das eingekeilt auf dem Felsenriff, Dem tückischen, längst ihm bekannten. Der Segel Fetzen, vom Sturm erfaßt, Wie Möwen flattern sie um den Mast, Drei Männer, so scheint's, in den Wanten. Hier gilt kein Säumen: „Ein Schiff in Not! Herbei, herbei mit dem Rettungsboot!“ Da kommt es, mit sieben Lotsen bemannt; Wie sicher das Auge, wie fest die Hand Der wettergestählten Gesellen! Nicht denken sie lange an Weib und Kind, Sie prüfen die Brandung, die See, den Wind, Das Schiff dort in sprühenden Wellen, Sie müssen's gewinnen, sie müssen hinaus: „Was sinken, ertrinken! Gott wacht übers Haus!“ Die Brandung rollt, und der Sturmwind braust; Sie führen die Ruder mit wuchtiger Faust, Mit Händen von Eisen das Steuer. Voran nun die Spitze — setzt ein mit Macht! Du hinten am Steuer, hab acht, hab acht! Die Woge dort scheint nicht geheuer, Und trifft sie zur Seite des Bootes Wand, Tritt nimmer ein Fuß mehr auf trocknen Sand. Heran rollt die Woge, hoch hebt sie den Kahn, Tief schießt er hinab dann auf schäumender Bahn, Die Planken, sie krachen und beben. Jetzt nahe dem Wrack schon — die Ruder gefaßt! Dort folgen drei Männer am schwankenden Mast Dem Kampf um Tod und um Leben; Doch die See übertönt, und der Sturm verweht Der Hoffnung Ruf und der Angst Gebet. Noch einmal dem Feinde ins Angesicht! Doch menschliche Kräfte, hier reichen sie nicht Im Kampf mit den Winden und Wellen. Noch einmal dort bäumt sich's und rollt heran — Gebrochen das Steuer, gekentert der Kahn, Vom Wrack dort drei Angstrufe gellen! Ein sausender Stoß noch, dann neigt sich der Mast, Und die Woge entführt ihn mit seiner Last. Die Wogen, sie rollen gen Süd und Nord; Wer sucht die Stätte, wer kennt den Ort, Wo sie bleichen, des Seemanns Gebeine! Sein Bett ist tief unten auf grünem Tang, Da singt ihm die Nixe den Totensang Bei des Meerleuchtens dämmerndem Scheine. Tief unter dem Sturm und dem Wogengebraus, Auf dem Felde der Ehr' ist sein letztes Haus. Morgen- und Abendthräne Ein Frühgewitter rauschte durch den Wald, Und große Tropfen glänzten an den Zweigen, Schwer hing die Wolke, dunkel noch und kalt, Und jäh verstummt war rings der Vögel Reigen. Da kam der Sonnenstrahl, und trocknend fiel Sein warmer Kuß auf feuchte Blätter nieder, Es trieb der Frühlingswind sein kosend Spiel, Und wieder jubelten der Vögel Lieder. So auch die Thräne in dem jungen Aug'; Wohl quillt sie leicht, doch währt sie nimmer lange, Sie schwindet in des Morgenwindes Hauch, Vielleicht noch ehe sie erreicht die Wange. Doch wenn sie kommt am Abend, trüb und schwer, Wie Tau des Herbstes bei der Sonne Neigen, Dann trocknet sie der matte Strahl nicht mehr, Und drüber deckt die Nacht ihr starres Schweigen. Spruch Fischlein schnellt aus klarer Flut. Schnelle, Fischlein, schnelle! Erdenluft ist dir nicht gut, Kehrst zurück zur Welle. Menschlein, strebst du aus dem Strom? Menschlein — eitles Streben! Weltenstroms gering Atom Bleibst du Wichtlein eben. Auf! Wie? ist's schon spät, daß ich zur Ruh' soll gehen, Hat schon der Tag zum Abend sich geneigt? Soll ich nur träumend noch das Leben sehen, Wo meines Daseins Bahn noch aufwärts steigt? Wohl glüht die Sonne, und ein groß Ermatten Verlangt die Ruh' für Seele, Leib und Geist, Ersehnt des Nachmittages lange Schatten, Die man des Greisenalters Anrecht preist. Doch lange ist das Ziel noch nicht errungen, Um das als Jüngling schon der Mann gekämpft. Mit Nachdruck sei die Waffe jetzt geschwungen, Wo Zeit der Jugend Brausemut gedämpft. Drum rasch zur That, so lang' die Jahre blühen, Die Parze an dem alten Faden spinnt, So lange uns Hochmittagssonnen glühen Und eh' das Lebenswasser thalwärts rinnt. Ins Stammbuch Motto: Ev. Lucae 24, 29 Die Wasser rinnen zu Thale In kräuselndem Wellenspiel. Im goldigen Abendstrahle Erglühen und flüstern sie viel. Der Ernst kann sie nirgends bannen, Sie sind in beständ'ger Flucht. Sie eilen schon wieder von dannen, Wenn Halt sie eben gesucht. So eilen die Menschen von hinnen: Hier Kosen, dort Scherzeswort. O möchten sie Ruhe gewinnen! Doch wirbelnd geht es fort. Von Tausend verharren nicht Hundert, Von Hundert rechne kaum Eins, Des Weilen die andern verwundert; Doch bleiben kann wohl keins. „So will ich hier bei dir weilen, So lang' das Lied erklingt; Und liesest du wieder die Zeilen, Erinnrung mich zu dir bringt!“ Toblizo! Du schaffest und rennest, Daß eigen du nennest Viel Hab und Gut, O junges Blut! Toblizo! Viel Ämter und Würden, Die goldenen Bürden Erstrebt als Gewinn Dein hoher Sinn. Toblizo! Die Orden und Sterne Vermiß'st du einst gerne, Wenn Frieden und Ruh' Dir fiele zu, Toblizo! So schweb nur, bald steigend, Bald fallend, dich neigend, Im Gnadenlicht, Du armer Wicht! Toblizo! Des Kaisers Traum Zur Feier der Vollendung des Kölner Doms am 15. Oktober 1880 Der Kaiser schläft. Schon grüßt des Frührots Schein Durch busch'ge Wipfel auf des Schlosses Zinnen; Ein feiner Dunst hüllt noch die Wasser ein, Die an dem Fuß des Babelsberges rinnen; Doch rosig glühen, wie ein Werk der Fee Morgana, schon der Havelbrücke Bogen, Und die Fregatte auf dem Jungfernsee Taucht mit den Masten aus des Nebels Wogen. Der Kaiser schläft. Ein Traum hält ihn im Bann: In eine Höhle tritt er — magisch flimmert Ein Lämpchen dort — am Steintisch sitzt ein Mann, Des Vollbart rötlich durch den Dämmer schimmert; Und wie der Kaiser naht, steht jener auf Und spricht: „Mit Euch, mein Fürst, sei Gottes Segen!“ Die Linke stützt er auf des Schwertes Knauf, Die Rechte streckt zum Willkomm er entgegen. Der Kaiser fühlt den Druck der kalten Hand: „Bist du ein Geist? Wie soll ich dich begrüßen?“ — „Der erste Friedrich ward ich einst genannt, Das römisch-deutsche Reich lag mir zu Füßen.“ — „Wie? Barbarossa — Ihr?“ — „Ja, Majestät! Der Rotbart darf Euch kühnlich Weißbart taufen; Der kaiserliche Hohenzollern steht Vor'm Geist des kaiserlichen Hohenstaufen.“ — Und beide Recken sehen lang' sich an, Drauf an dem Steintisch strecken sie die Glieder. „Wie sonderbar,“ — hebt Kaiser Wilhelm an — „Daß Ihr noch immer kehrt zum Lichte wieder! Als zu Versailles der Ruf die Luft durchschnitt: Ein Kaiser ward dem deutschen Reich! da hieß es: Des Harrens ist jetzt Barbarossa quitt, Für immer ledig seines Felsverließes“. — „Wahr sprach man, Herr! denn als Ihr jugendfrisch, Dem greisen Haupt die Kaiserkron' erworben, War ich erlöst! — gewachsen durch den Tisch War schon mein Bart — mein Hoffen fast erstorben. Nun trat ich endlich aus der Felsenkluft Und sucht' ein Plätzchen, das mir ruhsam deuchte; Doch Frieden fand ich nicht — ich mied die Gruft: Ein letzter Wunsch mir noch den Schlummer scheuchte.“ — „Dem Wunsche werde, wenn ich's kann, Gewähr! Sprecht, edler Herr! ich lausche Eurem Worte.“ „Nun wohl — so hört! Als ich von Siegen schwer Aus Mailand kehrte mit erkämpftem Horte, Um durch der heil'gen Könige Gebein Den alten Dom zu Köln mir zu verpflichten, Gelobt' ich mir, einst dem Reliqnienschrein Ein Münster ohnegleichen zu errichten. Treu war mein Sinnen, und mein Plan war gut; Doch erst mit Türken mußt' ich blutig ringen — Was keinem Heidenschwert gelang, der Flut Des Kalykadnus sollte es gelingen: Sie riß mich fort — ich starb. Doch Kaiserwort Geht nicht verloren mit des Kaisers Leben; In deutschen Herzen wirkte fort und fort Der Anstoß, den mein frommer Sinn gegeben. Nach wenigen Jahrzehnten schon begann Zu Köln am Rhein ein freudig-reges Schalten; Was Meister Gerhard wunderbar ersann, In Stein fing's an sich ragend zu gestalten. Hier in der Kluft saß ich erwartungsvoll Und freute mich der Dinge froher Wendung; Doch langsam wuchs das Werk — und bittrer Groll Ließ oft mich zweifeln an des Doms Vollendung. Wie müd' ich war, noch war nicht Schlafens Zeit, Noch blieb mein Geist an diese Welt gekettet; Erst wenn das deutsche Volk in Einigkeit Erstarken würde, war auch ich errettet; Und ahnend wußt' ich's: erst zum Wolkenzug Des Münsters hehre Türme mußten streben, Eh Deutschlands Aar in siegessicherm Flug Durch Stürm' und Wetter würde lichtwärts schweben. So hab' in dieser Höhle ich geharrt; Die Jahre kamen, und die Jahre gingen; Erbarmungslos hat mich die Zeit genarrt; Ich sah sie die Jahrhunderte verschlingen, Und immer blieb das Werk noch weit vom Ziel. Da dröhnte Luthers Trutzwort durch die Gassen — Kampf wogte auf — des Friedens Fahne fiel — Das Baugerüst des Münsters stand verlassen!“ Der Rotbart seufzt, und Kaiser Wilhelm spricht: „Ich selbst bin Protestant! Nicht dürft Ihr zeihen Den Augustinermönch verletzter Pflicht — Nur Duldung kann den Fürsten heut gedeihen.“ Der Andre nickt; „Ja edler Herre, ja! Nie soll der Glaube sitzen zu Gerichte; Vergebens nicht durch sieben Säkula Lauscht' ich dem Genius der Weltgeschichte. Die Formen wechseln, doch der Geist besteht; Einst kommt die Zeit, wo reinen Liebesdranges Die Menschheit nur zum Ewig-Einen fleht, Des Streites müd' und des Gewissenszwanges. Der Vorzeit Finsternisse sind vorbei; Allwärts des Geistes Opferfeuer flammen; Einst wird der Mensch das rohe Feldgeschrei: Hie Katholik, hie Protestant! verdammen.“ — Der Kaiser Wilhelm drückt des Sprechers Hand: „Dies Wort, mein Held und Fürst, sei unvergessen! Zu gleichem Hoffen hat sich Der bekannt, Der mir zuvor auf Preußens Thron gesessen; Ihr wißt, mein königlicher Bruder rief Ein neues Werde dem verlassnen Werke, Und was unfertig schon in Trümmern schlief, Er weckt' es auf zu neuem Wuchs und Stärke“. — „Ich weiß es, Herr; und diese Königs-That Bleibt deutschem Volk ein herrliches Vermächtnis; Daß bis ans Ziel Ihr gingt den gleichen Pfad, Bürgt Eurem Namen ewiges Gedächtnis; Wenn einst der Strom der Zeiten Blatt um Blatt Aus Eurer Siege reichem Kranz entwendet, Wird dauernd doch des Doms geweihte Statt Den Kaiser künden, der den Bau vollendet. Denn jenes Münsters nationales Werk Erzählt, was Deutschlands ein'ge Stämme schufen; Es überhöht Ägyptens Gräberberg, Der Cheops-Pyramide Schwindelstufen. Hoch ragt Sankt Peters Kuppelbau in Rom, Und Rom sah lang' die Welt zu Füßen liegen, Doch höher ragt zu Köln der deutsche Dom, Und deutscher Geist wird einst die Welt besiegen. Und nun, mein Fürst, den letzten Wunsch erfahrt, Der noch mich bannt aus der Entschlaf'nen Reihen: All Deutschland rüstet sich zur Pilgerfahrt Nach Köln am Rhein, der Türme Knauf zu weihen; Gebt diesem Fest durch Eure Gegenwart Die wahre Deutung! rüstet Euch zur Reise! Der deutsche Dom des deutschen Kaisers harrt — Den Schlußstein fügt auf kaiserliche Weise!“ — Der Rotbart schweigt; der Held im weißen Bart Ruft: „Diesen Wunsch will freudig ich erfüllen! Der Kaiser darf beim Feste einz'ger Art Sein Angesicht dem Volke nicht verhüllen. Schürt blinder Eifer auch noch manchen Brand, Und schleppt der Wahn zum Brande dürre Reiser, Doch stehn die Besten all' im Vaterland Ohn' Unterschied des Glaubens um den Kaiser.“ — „Habt Dank, mein Held! Und was ich künde jetzt, Es ist Prophetenwort und wird geschehen: Nach tausend Jahren noch wird unverletzt Der deutschen Einheit Kathedrale stehen! Nach tausend Jahren wird zum Jubelfest Des Doms ein Sproß von Eurem Stamme wallen, Und weil sich deutsche Treu nicht brechen läßt, Wird Gott und ihm ein Lobgesang erschallen! Des Morgenlandes Weise sprach die Gunst Der Kirche heilig: so spricht uns und Euern Gekrönten Bruder heilig einst die Kunst, Und unsre Namen wird der Ruhm verteuern; Des Doms Begründer und das Fürstenpaar, Das ihn gefördert und zum Ziel geführet, Als Dreigestirn sie leuchten immerdar, So lang' ein Menschenwerk die Herzen rühret!“ — Der Schemen schwindet, und des Lämpchens Schein Erlischt; doch hold verklärt ein strahlend Lächeln Des Träumers Antlitz, der sich noch allein In finstrer Höhle wähnt. — Ein frisches Fächeln Geht draußen durch den Park; der Nebel sinkt; Der Vögel Jubelchor die Sonne feiert; Demantenhell der Havel Spiegel blinkt, Und Fahrlands Forst bei Sakrow steht entschleiert. Die Thür zum Schlafgemache öffnet sich; Der Kammerdiener huscht herein: „Noch immer Schläft Seine Majestät! ich scheue mich, Zu wecken ihn — —.“ Da flammt der blaue Schimmer Der Kaiseraugen. „Wie? Freund Engel, schon? Ich schlief wohl lang'? Mich führt' auf fernen Gleisen Ein Traum. Ist Pückler da? Ruf ihn, mein Sohn! Ich will ihn sprechen, weil wir nächstens reisen.“ — Freudige Jugend, du bist nicht mehr! Fährt über Stoppeln der Wind daher, Wird mir das Herz so bang, so schwer. Wogte das Korn in goldenem Glanz, Blitzte darin der Cyanen Kranz, Jubelten Lerchen darüber her — Zierde der Fluren, du bist nicht mehr! Rosen erwachen noch jeden Tag, Aber es welkt auch in Flur und Hag. Leis in den Lüften klingt ein Ton — Will denn die Lerche südwärts schon? Schleicht schon heimlich der Herbst daher? — Sprühende Sommerlust, bist nicht mehr! Frisch noch das Herz, und das Auge klar, Trotze dem Leben noch immerdar! Aber die seligsten Träume — wie fern! Aber mein Hoffen ein sinkender Stern! Kämpfe ringsum und Sorgen schwer — Freudige Jugend, du bist nicht mehr! Das kranke Mädchen im Walde zur Herbstzeit Du goldig schimmernd Laub am Buchenbaum, Wie träumst du selig deinen letzten Traum Und spielst bewegt im leisen Windeswallen. Hat dich berauscht das warme goldne Licht, Und ahnest du die nahe Stunde nicht, Wo du mußt fallen? Den milden Hauch trinkt meine kranke Brust Wie einen letzten Traum der Lebenslust: Mir ist so wohl im herbstlich stillen Walde. Vergessen will ich selig auch wie du, Daß mir vielleicht zur letzten tiefen Ruh' Ein Glöcklein ruft: wer weiß wie balde! Nachwinter Noch herrscht der Winter auf der Flur, Doch fehlt sein schützend Schneegewand. In graue Nebelflöre nur Hüllt fröstend sich das öde Land. Wie fleh'nde Arme streckt der Baum Sein kahl und dürr Gezweig empor. Und wie ein schwerer dunkler Traum Fliegt dort ein Rabe übers Moor. Weh dem, der glücklos und verwaist Jetzt einsam seine Straße zieht! Ihm singt der Schwermut finstrer Geist Bethörend sein Sirenenlied. Einschneidend fährt der Wind ihn an, Wie Grabesodem feucht und kalt, Und schaudernd fühlt er unterthan Sein Herz dämonischer Gewalt. Aufsteht vor ihm verjährte Schuld Und foltert hin mit wilder Pein. Die Sorge drängt mit Ungeduld, In der Verzweiflung Nacht hinein. Verlockend rauscht der Bach ihm zu „Komm, komm, ich ende deine Not! Was kämpfest und was duldest du? Komm, komm! Erlösung bringt der Tod!“ Abendtrost Tief versenkt in bange Sorgen Blieb verborgen Mir des Maienabends Pracht. Plötzlich klang aus blüh'nden Zweigen In mein gramvoll düstres Schweigen Eines Vögleins heller Jubel — Und mein Herz ist aufgewacht. Sah die letzten Sonnenträume Um die Säume Maiengrüner Waldeshöhn, Junger Saaten üppig Wogen, Stromesfluten, überflogen Von den abendroten Strahlen — O wie war die Welt so schön! In der Vöglein Festfrohlocken Klang der Glocken Feierlicher Abendchor; Und ich rief: O Mutter Erde, Reifst du Pein auch und Beschwerde, Deiner Schönheit Zauber tragen Rettend aus dem Staub empor! Erinnerungsblätter Gefallne Blätter spielen Müd' über meinen Pfad — Und wieder denk' ich deiner, Mein alter Kamerad! Hier war's: wir sahen die Schwalben Vom Süden heimwärts ziehn, Hier draußen und uns im Herzen Sproßte das erste Grün. Halb Kinder noch, halb Männer, So gingen wir Arm in Arm, Die Brust von junger Freundschaft, Den Kopf vom Schwärmen warm. Wir sprachen gar tiefe Worte Von Leben, Gott und Natur, Wir kamen selbst den letzten Der Rätsel auf die Spur, Wir sprachen gottlose Worte Und waren doch frömmer nie — Uns klang ja alles, alles Zusammen in Harmonie. O goldnes Kinderdenken Du wurdest klug und alt! Dein letzter Himmelsschlüssel Verblühte längst im Wald. — Mir machen die Knabensorgen Noch heut die alte Not; Dir schloß die ernsten Augen Der Eltern Kuß zum Tod! An ein Kind Heut wacht' ich wunder-, wunderglücklich auf, Wie im Gefild der Seligen der Fromme, Und noch umwob's wie Maiensonnenschein, Wie goldne Unschuld frühlingshold mein Herz. Doch sieh, nicht weiß ich, was mir heut geträumt: Ein Bild, ein Ton, ein weiches, liebes Wort Zog wohl wie eines Engels Scheidegruß Noch lang' verschwebend über meine Seele — Wie ich mich müht', ich konnt' es nicht mehr bannen! Doch flimmernd weilt auf meinem Zimmer heut Den ganzen Tag der Sonnenduft des Traums — 'S ist drin so hell, so kindheitsfrisch, so jung — Die Arabesken der Tapete schlingen Sich wunderlich zu drolligen Gestalten Und schaun so närrisch-gravitätisch drein, Wie unsre Kleinen, wenn sie würd'ge Alte Im Spiele konterfein. Hör, im Kamin Das Feuer kramt gewicht'ge Märchen aus: Dem lauscht im Ofenschirm die Schäferin, Und steif und schmachtend blickt sie in den Himmel — Just wie 'ne Puppe, wenn die kleine Herrin Gelernte Weisheit stolz zum besten giebt. Und durch die Zittergräser, durch die Farne Des Straußes dort im Wasserkruge huscht's Wie Elfenspielen, und die Blumen gar Mit ihren großen, klaren, blauen Augen: Unheimlich sind sie fast, so kindertief Sehn sie mich an. Und sehn sie lang' mich an, Dann denk' ich deiner, süße, kleine Tote, Und wähne fast, daß heute nacht dein Geist. Mit mir geplaudert. Königlich Gebet Senke, Mutter Natur, ewiger Liebe voll, Süßen Wohllautes Geist tief in mein dürstend Herz, Daß ich lebe dir, Schönheit, Heil'ge Himmelentsprossene! Laß mich wachsen und blühn, sicher in deinem Schutz, Frei und fröhlich empor! wehre mit güt'gem Sinn All dem Gifthauch der Seele! Daß mir fromme des Lebens Mai. Laß mich künden dein Lob, deines Gesetzes Wort! Priester treu mich dir sein, schaffen das Gute gut! Weise bessernd die Menschen, Daß da komme der Wahrheit Reich. Wenn das Alter mir naht, rühre mit sanfter Hand Leise dann mir das Haupt! banne hinweg mir still Von den Schläfen die Sorge, — Lächle freundlich dem Genius! Sinkt die Sonne hinab, dunkele mir Aug' und Sinn, Nimm dann, Mutter, mich auf liebend in deinen Schoß! Eins mit dir, laß mich wachsen Ewig durch die Aeonen fort! Allzu schnell Allzu schnell entfliehn die Stunden, Und das Werk ist nicht gethan, Was wir heut als wahr empfunden, Morgen ist's ein schöner Wahn. Irrtum muß mit Irrtum ringen; Denn die Wahrheit dämmert fern. Wollen wir zum Ziele dringen Ist versunken schon der Stern. Um das Gute zu begreifen, Frommt ein langes Leben kaum; Flatterhaft die Blicke schweifen Durch den weiten Weltenraum. Lebensweisheit zu erwerben, Glückt vielleicht in spätem Jahr; Doch wir müssen just dann sterben, Wenn sie unser eigen war. Sie zu nützen und zu künden, Ist zu kurz die Lebenszeit; Um das Höchste zu ergründen, Reicht nur aus die Ewigkeit. Blumenschicksal Wenn Blumen könnten sprechen, Dann wär' ihr Leid bekannt; Es würde sie nicht brechen Die frevle Menschenhand. Es liegt in ihrem Schweigen Verborgen tiefer Sinn; Von Kummer schwer sie neigen Ihr Haupt zur Erde hin. Wenn aufgeküßt vom Lichte Sie lebensfroh erglühn: Die Pracht geht schnell zu nichte; Denn Leben heißt: Verblühn! Drum zittern sie und zagen Im zarten Farbenkleid; Ihr Duft ist süßes Klagen Von tiefem, tiefem Leid. Die Nacht kennt ihre Schmerzen Und stärker wallt ihr Duft; Früh morgens sich die Herzen In Thränen machen Luft. Doch bei der Sonne Scheinen Die Thränen all' vergehn: Es soll ihr stilles Weinen Der laute Tag nicht sehn. So blühn sie uns zur Wonne, Wir merken nicht ihr Leid; Und jede neue Sonne Weckt neue Herrlichkeit. Der erste Veilchenstrauß Es harrt am hohen Portale Ein schönes blasses Kind, Umhüllt vom ärmlichen Kleide, — Und eisig weht der Wind. Im Auge glüht eine Bitte, Der Mund spricht zögernd sie aus: „Ich bringe des Frühlings Grüße, Den ersten Veilchenstrauß!“ — Ich nahm ihn aus ihren Händen, Den lieblichen Blumenbericht; Da verklärte ein Lächeln der Freude Ihr kummerbleiches Gesicht. Wie des Lenzes freundliche Gaben Begleitet nagende Not; Wie nah bei einander sie wohnen, Des Lebens Lust und der Tod: So quellen die süßesten Lieder Hervor aus dem bittersten Leid; Die duftigsten Blüten des Geistes Sind Kinder der Traurigkeit. Winterlied Demantsterne groß und klein Funkeln in der Sonne Schein Zaubrisch von den Zweigen; Kalt und öd sind Wald und Flur, Ausgestorben die Natur, Und die Vöglein schweigen. Doch die Welt, wie ist sie schön, In den Tiefen, auf den Höhn Noch im starren Leben! In des Winters langer Nacht, Aus krystallner Zauberpracht, Frühlingsträume schweben. Harre aus mit deinem Schmerz, Weltverkanntes Dulder-Herz Sonder Furcht und Wanken; Denn aus schmerzerstarrter Brust Sprudeln einst in höchster Lust Leuchtende Gedanken. Abseits vom Wege Willst du auf staub'ger Straße vorwärts schreiten, So wirst du nicht, was dich erquicket, finden, Marksteine nur, die es dir trocken künden, Wie viel du schon durchmessen von den Weiten. Abseits vom Wege fand ich süßre Blüten, So zart, so hold, wie Frühlingshauch im Walde, Wie Elfentanz im Mondschein auf der Halde, Und welche auch, die nächtlich duftend glühten, Wie wenn der Tropen Kuß sie ließ entfalten — Und lauten Herzschlag spürt' ich, leises Klingen, Ich sah sie all', die luftigen Gestalten, Die um den Dichter ihren Reigen schwingen — Und ich erwacht' auf staub'gem Lebensstege Von meinem schönsten Traum abseits vom Wege. Im Gebirg Es rauschet der Gießbach hinab in das Thal Im wilden, im tosenden Schäumen, Hinweg über moosige Steine! Wie schnell, Wie fröhlich du wanderst, du hast'ger Gesell — Zur Seite die Tannen dir träumen. Die stehen so einsam, so dunkel und still, An schmucklose Felsen gelehnet; Sie wachsen und grünen zum Himmel empor, Dem Menschenherz gleichend, das alles verlor Und nur nach oben sich sehnet. Der Gießbach aber stürmt lustig vorbei Und singt seine fröhlichen Lieder, — Besprühend die Farren mit kühlendem Gischt, In den sich's wie leuchtender Sonnenschein mischt, Wie helle Demanten fällt nieder. Gegrüßt sei, du wilder und schäumender Bach, Du freier, du kecker Geselle! Gegrüßt sei, du frische und würzige Luft, Du wonnige Ruhe, du lieblicher Duft, Du felsig-zerklüftet Gefälle! Wie hebt sich die Seele da siegend empor, Wie fühlt sie sich frei! Und sie badet Sich froh in der freien, der sonn'gen Natur, Wo überall Gottes erhabene Spur Zum Schauen und Denken uns ladet. Schwalbenflug Siehst du die Schwalbe, wie sie zieht? Und blitzesschnell zur Ferne flieht? Sie weiß, wohin die Reise geht: Von Meereslüften mild umweht, Durchschneidet sie des Äthers Blau, Wie Erdendunst und Nebel-Grau; Nach den Gesetzen der Natur Folgt sie der eignen lichten Spur. Und sollt' der Mensch es nicht verstehn, Die eigne Lebensbahn zu gehn? Besitzt er nicht die Willenskraft, Die unabhängig, frei ihn macht? Daß er durch innern tiefen Drang, Was gut und wahr, erkennen kann Und seiner Seele fernem Zug Nur folget, ihres Geistes Flug! Frage nicht Frage nicht, warum der Freude Beigesellt das Leid muß sein? Gottes Hand wand dir sie beide In den Kranz des Lebens ein! Blüten, die sich erst entfalten, Hüllt er in der Knospe Grün, Was an Reiz sie reich enthalten, In der Zukunft wird dir's blühn! Schützt er doch die holde Rose Durch der Dornen scharfe Wehr; Um das Veilchen baut aus Moose Ein Versteck er rings umher. Selbst die welk gewordne Blüte Trennt er nicht von aller Pracht, Schafft, daß milde dein Gemüte Das Erinnern glücklich macht. Wie der Sarg des, der vollendet, Unterm Blumenschmucke ruht, Wird, was wohl hier wird beendet, Für das Dort ein heilig Gut! Drum frag nicht, warum der Freude Ward das Leid so nah gestellt: Erd' und Himmel wurden beide So einander zugesellt. Das Rosenblatt Ich hörte dich im Zorn von deinem Bruder sagen: „Des Menschen Treiben läßt sich länger nicht ertragen! Das Maß der Schuld ist voll, und voll das Maß der Duldung; Nun komme über ihn die Folge der Verschuldung!“ Ich aber ging hinweg und ließ den Zorn sich legen, Und mahnend bring' ich nun ein Gleichnis dir entgegen. — Sieh dieses Glas gefüllt, gefüllt zum Überfließen; Du wähnst, es sei nicht mehr ein Tropfen zuzugießen. Ich aber brech' ein Blatt aus jener Rose Gluten, Gebogen wie ein Kahn, und setz' es auf die Fluten. Und in den kleinen Kahn lass' ich manch Tröpflein fallen; Die Flut im Glase trägt's und wird nicht überwallen. So faßt das Maß der Schuld, ob auch gefüllt zum Rande, Gar manchen Tropfen noch, und nichts verrinnt im Sande. Nur sorge, daß die Hand mit weiser Schonung schiebe Als Tragkahn auf die Flut das Rosenblatt der Liebe! Kosmopolitisch In fremde Länder mußt' ich frühe gehen Und fühlte mich in ihnen wie verbannt; Als ich Verbannte dann bei uns gesehen, Von Liebe zu der Heimat übermannt, — Da streifte mich des Weltengeistes Wehen, Und meine Seele hat es tief erkannt: Jedwedes Vaterland ist eine Fremde, Und jede Fremde ist ein Vaterland. Lebenswanderung Ein ewig Wandern ist des Menschen Leben, Von Berg zu Thal, von Thal zu Berge weiter, Bald über sich den Himmel sonnig heiter, Bald von Gewölk der Sonne Glanz umgeben. Und stehst du still auf flüchtige Minuten, Sieh hinter dir der Berge steile Massen, Die blau im fernen Ätherduft verblassen, Noch leis gegrüßt von letzten Abendgluten. Und alle Schluchten, alle rauhen Wege, Die du durchschritten einst in heißen Stunden, Sind in der blauen Ferne längst entschwunden, Als ob ein Eden hinter dir nun läge. Und sieh, dort winken neue Höhn herüber, Mit blauem Duft gekrönt, dich einzuladen, Als ob auf ihren steilen Felsenpfaden Kein heißer Tag dein wartet' und kein trüber. Nur wo du stehst, nur auf dem engen Raume, Da sind zerklüftet, öd und rauh die Steine, Da sengt die Sonn' auf heißen Fels, und keine Erquickung winkt dir unter schattigem Baume. Und dennoch weißt du, daß auch jene blauen Lockenden Fernen solche Klüfte waren, Die du durchpilgert hast vor manchen Jahren, Und die so freundlich jetzt herniederschauen. Wie wund die Steine dir die Füße brennen, Auch sie wird einst der Ferne Zauber hüllen, Und auch der Schmerz wird dich mit Lust erfüllen, Wenn dich von ihm erst Tag' und Jahre trennen. Und auch dem Stein entringt sich manche Blüte, Späh emsig nur umher, sie auszufinden: Vielleicht gelingt es, einen Strauß zu winden, Der Trost verleiht bescheidenem Gemüte. Glockenriß Dumpf und traurig ist der Ton Einer Glocke, die zersprungen, Jede Harmonie entflohn, Die so süß dir einst erklungen; Aber größer brich den Spalt, Und es wird dir wieder bald Das harmonisch süße Klingen Aus dem Riß entgegendringen. Riß ein Menschenherz entzwei, Hin sind seine Melodieen, Und mit dumpfem Klageschrei Muß des Friedens Geist entfliehen; Aber brach des Todes Schmerz Erst das arme bange Herz, Findet es verlorne Lieder Und den alten Frieden wieder. An die Arbeit Wer gebeut den wilden Wellen, Die dem starken Mann Mit gewaltigen Schlägen schwellen Bis ans Herz hinan? Arbeit macht die Qual vergessen, Allen Jammer unermessen Deckt mit sanfter Ruh Arbeit lindernd zu. Wund und matt vom Druck des Lebens Flüchtet' ich zu ihr, Und ich suchte nicht vergebens: Ruhe gab sie mir; War's auch eines Kirchhofs Ruhe, Wenn man in der stillen Truhe In das Grab hinein Senkt sein Liebstes ein. Nicht dies dumpfe finstre Brüten Um verlornes Glück; Ach, die hingewelkten Blüten Bringt es nicht zurück! In den Strom des Lebens eile, Schaff und teile, stärk und heile, Frischer That bewußt, Die gepreßte Brust! Rückwärts fliehn die bleichen Schatten — Laß, o laß sie fliehn! Nach dem Ziele ohn' Ermatten Laß die Seele ziehn! Werd im ernsten Kampf der Geister Der Gefühle sichrer Meister; So nur kehrt das Glück, Glaub es, dir zurück. Fern und Nah Es reißen Erde nicht noch Meere, Es reißet nicht des Grabes Schoß, Ja nicht des Himmels lichte Sphäre Zwei Herzen voneinander los, Die sich in inniger Liebe Banden Für ewig, ewig eins empfanden. Und ob in nachbarlichen Wänden, Wie nahgestellt zu Freud' und Leid, Sich auch zwei Menschenherzen fänden, Die ewig finstrer Haß entzweit: Die Herzen sind sich ewig ferne, Geschieden wie durch Himmelssterne. Nur der Gedanke trennt und gattet Die Menschen hier im Erdenthal, Wo frühe Dämmerung umschattet Der Lieb' und Freundschaft holden Strahl. Kann ein Gedanke wohl uns beiden Mehr Trost verleihn, indem wir scheiden? Im Frühling Bin im Frühlings-Prangen Vorig Jahr gegangen Diesen Weg entlang, Als mein blonder Knabe Leicht am leichten Stabe Lustig vor mir sprang. In das Thal hernieder Steig' ich heuer wieder In des Frühlings Pracht; Doch mein blonder Knabe Liegt im stillen Grabe, Schläft in ewiger Nacht. Schart euch, meine Lieben, Die ihr mir geblieben, Dichter um mich her; Schließt dem Aug' die Lücke, Die in unserm Glücke Riß das Schicksal schwer! Hanna Sieben Nächte, sieben Tage Hallte der Verzweiflung Klage Durch Karthagos Straßen hin; In des Brandes Flammenlodern Über Leichen, die vermodern, Die sich neu im Kampfe türmen, Sah man Romas Krieger stürmen, Scipio als Sieger ziehn. Byrsa nur, die hohe Feste, Ragte noch, wo flücht'ge Reste Trotzten hinter Wall und Turm; Doch der Imperator winket, Vor dem Mauerbrecher sinket, Was die Gluten nicht erreichen; Dreimal scholl der Tuba Zeichen, Gab Befehl zum letzten Sturm. Alle Hoffnung war verloren; Jetzt erst aus des Schlosses Thoren Brach sich eine Schar die Bahn; Mit des Gottes heil'gen Binden, Die sie um den Ölzweig winden, Knien sie hin im Staub und beben, Flehen um das nackte Leben Ihres Feindes Mitleid an. Gnade sprach aus Scipios Blicke, Und sie nehmen ihr Geschicke, Wie es fiel, aus seiner Hand; Schon beim frühen Morgengrauen War ein langer Zug zu schauen; Nieder wanken die Gestalten, Die sich mühsam aufrecht halten, Von des Hügels steilem Rand. Öde war's dort. Waffenblitze Schimmerten nur auf der Spitze Bei Asklepios' Tempelsaal; Hoch hinauf die sechzig Stufen Ging ein Laufen, ging ein Rufen; Zuflucht hier noch zu gewinnen, Eilte zu des Daches Zinnen Mit den Seinen Hasdrubal. Standhaft blieben ihm zur Seite Hundert Krieger als Geleite, Wie dem König es gebührt; Auch die Gattin war nicht ferne, Leuchtend gleich dem Morgensterne, Hanna, sie voll Jugendschöne, Neben ihr die kleinen Söhne, Die sie an den Händen führt. Götterzorn nicht zu beschwören, Sich im Stolz nicht zu bethören, Drängte sie mit Bitten ihn; Doch auch jetzt der Seinen Leben Achtet er nicht preiszugeben, Er, der einst mit blindem Grimme Hörte keiner Warnung Stimme, Als noch Friede möglich schien. Kalt gleich einem Marmorbilde, Steht er, hingelehnt am Schilde, Hinter ihm die kleine Schar; Finster blickt er hin zum Grunde, Zu dem offnen Feuerschlunde, Wo des Qualmes düstre Wolke Hinzieht über seinem Volke, Das sich beut der Fessel dar. Horch! da hört man's näher brausen, Wie des Meeres Stürme sausen, Wie des Samums Atem geht; Bis zum Tempel vorgedrungen, Leckten schon die roten Zungen, Und von unten rief's: „Der Ehre Ward genügt; von Gegenwehre Lasset ab, bald ist's zu spät!“ Hasdrubal vernimmt's; er schwanket, Im Entschluß, er zittert, wanket Und erliegt dem innern Kampf; Von der Stirn die Königsbinde Reißt er, daß sie fliegt im Winde; Straffer zieht er die Gewande, Daß sie bergen seine Schande, Eilt hinab durch Rauch und Dampf. Unten beugt er sich dem Sieger; Doch ihm folgten nicht die Krieger, Und auch Hanna blieb zurück; Lautlos war er fortgegangen, Keine Sehnsucht, kein Vorlangen Nach der Gattin, nach den Sprossen, Deren bittre Thränen flossen, Wandte seinen feigen Blick. Hanna starrt mit bleichem Munde, Und wie ihn die Schreckensstunde Umgewandelt, so auch sie; Wie ihn Todesfurcht umnachtet, Ist's der Tod, nach dem sie trachtet; Soll sie Sklavenketten tragen, Folgen des Triumphes Wagen? Lebend schaut sie Roma nie! Und sie denkt mit Scham der Bitte, Daß er lenke seine Schritte Gnadeflehend niederwärts; Seine Schmach, die eignen Schwächen Will sie sühnen, will sie rächen, Küßt noch einmal ihre Lieben, Küßt den Dolch, der ihr geblieben, Stößt ihn — in der Kinder Herz. Dann die warmen kleinen Leichen Birgt sie in des Mantels reichen Purpurfalten, den sie trägt, Schmückt sich, wie zur Hochzeitsfeier, Mit der Krone, mit dem Schleier, Und, gleich Dido, in der Flammen Glut versinkt sie, die zusammen Über ihrem Haupte schlägt. Krachend stürzt die Tempelhalle Und begräbt mit ihrem Falle, Was noch atmet dort und lebt; Aus des Schuttes schwarzen Grüften Dringt ein Wehschrei zu den Lüften; Punier, Römer, Männer, Frauen, Die es hören, faßt ein Grauen; Selber Scipio erbebt. Sinnend tritt er aus dem Kreise; Mit Polybius spricht er leise, Seinem Freunde, dem er winkt; Ahnungsvoll am Schauerorte Flüstert er des Dichters Worte — Prophezeiung war's und Klage: „Kommen werden einst die Tage, Wo die heil'ge Ilios sinkt!“ An meine Laute Freundin meiner Jugendtage, Noch im Alter mir so treu, Weckest du der Sehnsucht Klage Wieder mir im Herzen neu? Tausend Bilder schönrer Zeiten Rufst du in der Seele wach, Doch im Nachhall deiner Saiten Hör' ich stets ein schmerzlich „Ach!“ Als mir nichts den Frieden trübte, Als ich froh ins Leben sah, Als noch mein war, was ich liebte, O wie anders klangst du da! Einst Gefährtin meiner Freude, Heitrer Sangeslust geweiht, Bist mein Trost du jetzt im Leide, Teilst mit mir die Einsamkeit. Freundin meiner Jugendtage, Noch im Alter mir so treu, Weckst du mit der Sehnsucht Klage Mir nicht auch die Hoffnung neu? Mut'ger rauschen deine Saiten, Stimmen tönen aus den Höhn: „Zage nicht! die Jahre gleiten; Ewig währt das Wiedersehn!“ Seerose Weiße Rose, Die dem Schoße Dunkler Fluten du entquillst, Wem wohl soll ich dich vergleichen? Ach, ich kenne deine Zeichen, Weiß, was du mir sagen willst: Wenn am düstern Abend flüstern Schilf und Busch den Gruß der Nacht, Öffnet sich die Geisterpforte, Und mir ist, als hört' ich Worte Deinem Kelch entsteigen sacht. Reine Blüte Im Gemüte, Die dem Himmel sich erschloß, Ringt sich, um so schnell zu leuchten, Nur aus dunklem thränenfeuchten Grunde tiefer Schmerzen los. Mahnung Beachte, was die Blume klagt, Wann sie dir ihren Kelch erschließt, Und merke, was der Weinstock sagt, Wenn Wein er aus den Adern gießt. „Willst du dein Herz erfreun am Duft, So rieche dran mit heil'ger Scheu, Und atme wieder freie Luft. So bleibt der Duft dir ewig neu!“ — „Und soll mein Blut von Segen sein Und Hohes regen in der Brust, So brauche mäßig nur den Wein, Genieße kurz die süße Lust!“ Und was die Blume dir geklagt, Und was der Weinstock dich gelehrt, Das sei von allem Glück gesagt, Das uns des Lebens Wert beschert. Die Freude bringt nur dann Gewinn, Wenn du sie brauchst mit rechtem Ziel; Doch Fluch liegt tief verborgen drin, Wenn aus dem Wenig wird Zuviel. Den Feinden der Liebe Wenn Natur ihr treues Lieben Uns so recht erschließen will, Öffnet sie der Blumen Kelche, Läßt den Duft entströmen still. Legt so manchem kleinen Sänger Süße Lieder in die Brust, Daß er singe treue Liebe, Wecke Menschenliebelust. Sendet aus dem blauen Himmel Goldnen Strahl auf klare Flut, Läßt der Trauben Fülle schwellen An der Sonne Feuerglut. Läßt durch dunkle Blätterhüllen Goldene Orangen glühn, Läßt im höchsten Farbenglanze Ihre Blumenkinder blühn. Sendet von der ew'gen Liebe Einen Strahl in jede Brust, Daß er sich zur Flamm' entfache, Liebe übe unbewußt. Leider nur in wenig Herzen Dringet echter Liebe Schein; Um die meisten liegt ein Panzer, Führt kein Weg und Steg hinein. Gefahr Ich saß am blumigen Ufer, Der Strom zieht still vorbei, Und murmelt eine dunkle Und seltne Melodei. Doch endlich aus dem Rauschen Versteh' ich manches Wort, Das singet und das klinget Im Traume immer fort: „Willst du nicht mit uns ziehen, Du menschgewordnes Leid, Willst du nicht mit uns fliehen Ins Meer der Ewigkeit? In sanfte, weiche Kissen Wir betten dich hinein, Mit königlichen Weisen Singen wir gern dich ein.“ Den sonderbaren Klängen Hab' lange ich gelauscht, Und bittender, ja klagend, Hat mich der Strom umrauscht. Wie Lieder froher Jugend, So drang es mir zu Herz, Wie Weisen von der Wiege, Voll grünem Liebesscherz. Da wollt' es mich erfassen Und ziehen tief hinab: Ein Schifflein kam geschwommen, Hielt mich zurück vom Grab. Das war mein guter Engel, Vom Himmel mir gesandt, Der hat mein Lebensschifflein Zum Rechten hingewandt. Gefährlich ist's, zu stehen Allein am stillen See, Wenn still im Herzen schlummert Ein unauslöschlich Weh. Trost Herz, du schlägst so bang und traurig, Findest nirgends Ruh noch Rast, Sehnst dich nach vergangnen Zeiten, Wo gesehn du Bess'res hast. Dulde ringend bis ans Ende, Harre aus im heil'gen Krieg, Gingst du drüber auch zu Grunde: Ohne Kampf erblüht kein Sieg. Zage nicht, das tiefste Leiden Ändert sich und wird vergehn. Aus dem Tod erblühet Leben, Aus der Trennung Wiedersehn. Bischof Meinwerk Der Bischof einst zu Paderborn Manch trächtig Schaf erwürgen hieß; Das Fell der Lämmer ungebor'n Als Marderkürsch er nähen ließ. An Kaiser Heinrich, zubenannt Der Heil'ge, ward der Pelz gesandt. Der Kaiser stolz den Mantel trug Und laut den seltnen Marder pries, Bis ihn gar bald ein Höfling klug Aus seinem schweren Irrtum riß: „Der Bischof zog, der schlaue Mann, Dem Kaiser einen Schafsrock an!“ Der Kaiser lacht; er nimmt's nicht schief. Es kam der Bischof selber an Bald drauf bei Hof. Der Kaiser rief Im stillen seinen Kapellan Und sprach: „Schnell nach dem Meßbuch lauf Und schlag die Totenmesse auf!“ Und wo im Buch „pro famulis Et famulabus“ steht, allda Er sauber ihn radieren ließ Hinweg bei jedem Wort das „fa“; Der Bischof, sonst im Kopfe klar, Lateinisch schlecht beritten war. Der Kaiser sprach: „Ehrwürd'ger Herr, Ich bitt' Euch, übernehmt die Müh', Für meine Väter, Gott zur Ehr', Singt eine Messe morgens früh!“ Und früh im Trauermeßgewand Der Bischof am Altare stand. Es sang für der Verstorbnen Heil' Der Bischof fromm in Moll und Dur Vom Pergamente Zeil' für Zeil', Bis daß er stand an der Rasur: Und anstandslos es domentlang „Pro mulis et mulabus“ klang. Der Kaiser in die Lippen biß Und sprach beim Mahl in Heiterkeit: „Herr Bischof, Dank fürs Mardervließ! Doch welche Messe sangt Ihr heut? Ihr habt in Eurem Meßgebet Für Maultiers Seelenheil gefleht!“ Laut alles an zu lachen fing, Mitlachte der gefoppte Mann; Doch als er hörte, wie es ging, Da bleute er dem Kapellan Den Rücken so, daß der verschwur Für ewig jede Korrektur. Das Komma Verachtet mich, das Komma, nicht! Oft ohne mich man sich zerbricht Umsonst das Hirn, es fallen Die Weisen sich ins Haar verpicht; Ein Beispiel steh' statt allen: Es ist der Papst unfehlbar nicht In Irrtum kann er fallen. Allhier, wo unentwirrbar flicht Sich Wort an Wort, bring' ich nur Licht; Und zögernd ernst man langsam spricht Aus Vatikan'schen Hallen: „Es ist der Papst unfehlbar, — nicht In Irrtum kann er fallen!“ Doch wer dagegen hitzig ficht, Läßt es mit Nachdruck schallen: „Es ist der Papst unfehlbar nicht, — In Irrtum kann er fallen!“ Das Komma sprach's, und ins Gesicht Gar boshaft allen lacht der Wicht. Übertriebene Hoffnungen oder Münchhausens Versprechung Ich weiß ein Land (wo? sei verschwiegen), Da ist die Bildung hoch gestiegen; Da trägt das Schaf im Wollenkittel Den Doktorhut und manchen Titel; Da muß der Esel hoch studieren, Der stumme Fisch muß deklamieren; Es bläst der Frosch „die Zauberflöte“, Es liest der Ochs im Stall den Goethe, Nachkratzt die Henne in den Lehm Kaulbachs „zerstörtes Jerusalem“. Und wollt zu dieser Kunst und Tugend Befördern ihr auch eure Jugend, So sagt es nur, ich kann's betreiben: Ich darf nur nach dem — Schulplan schreiben. Der deutsche Manglebaum (1815—1866) Zeitbilder Groß ist der Stamm Deutschlands; doch zur Erde ein jegliches Ästlein Senkt Luftwurzeln und will heißen ein eigener Baum. De mortuis nil nisi bene (1867) Zeitbilder Heuchler, mit Steinen und Kot einst warfst du den schlafenden deutschen Bund; doch seit er verschied, jammerst und heulst du um ihn. Kyffhäuser (1869) Zeitbilder Horch, dumpf trommelt's im Berg! Es bedeutet der fliegenden Raben Banges Gekrächz', daß vom Schlaf endlich der Kaiser erwacht! Das Hermannsdenkmal Zeitbilder Schwinge das Schwert in der riesigen Faust Jahrtausende, Hermann! Fällst du, so schirme dein Geist noch die germanische Mark! Lessings hundertjährige Todesfeier 15. Februar 1881 Zeitbilder Kränze des Danks auf die Gruft nach hundertjährigem Zweifel Deutschland streut dir und fleht: Gieb mir die Wahrheit, o Gott! Denkwürdige Planetenkonjunktion Hohenzollern und Augustenburg. Vermählungsfeier zu Berlin am 26. Feburar 1881 Zeitbilder Jupiter stürzte Saturn. — Nun wundre dich, Erde: die beiden Feindlich Entzweiten vereint Venus im Glück des Olymps! Alpenklub Relative Wahrheiten Der Staatsdienst ist ein Bergansteigen; Die höher stehn, herab sich neigen Zum Schwächern, und sie ziehn mit Kraft Aufwärts die ganze Vetterschaft. Recipe Relative Wahrheiten Wiß alles besser und sei steif und dreist Und ignorier' des Anderen Verdienst und Thaten: Dann hast du mit dem nöt'gen Herrschergeist Untrüglich ein Rezept zu einem Bureaukraten. Überfluß und Mangel Relative Wahrheiten Sei kein Allerweltsverkenner, Sei kein finstrer Zeitverkläger! — Weißt du das nicht? Hosenträger Giebt es immer mehr als Männer. Zeitgeist Sie bauen Kirchen, hoch und hehr, Die stolz zum Himmel streben, Doch sind die Herzen glaubensleer, Dem Weltsinn nur ergeben. Sie baun Paläste für die Kunst Im allerreichsten Stile, Doch schenken sie nur ihre Gunst Dem Aftermusenspiele. Es ist ein inn'rer Widerspruch, Der nimmer kann genügen, Wenn sie mit all dem äußern Trug Sich selber auch belügen! Jugendzeit Jugendfeuer, Jugendlust, Wohliges Behagen, Läßt das Herz in unsrer Brust Frohen Mutes schlagen. Sorge um den andern Tag Soll uns nicht verdrießen: Komme, was da kommen mag, Heute gilt's Genießen! Jugendzeit entschwindet doch Allzu früh auf immer, Wirft sie auch ins Alter noch Der Erinn'rung Schimmer. Laßt drum, unsers Glücks bewußt, Freudig, doch in Ehren, Uns den Becher ihrer Lust Bis zur Neige leeren! Mein Tagebuch Ich fand aus frühern Zeiten Mein altes Tagebuch, Das auf vergilbten Seiten Gar reichen Inhalt trug. Und als ich es gelesen, Dünkt mir vergangen kaum, Was lange schon gewesen — Mir war es wie ein Traum! — Ich sah mein Mühn und Ringen Nach hochgestecktem Ziel Bald scheitern, bald gelingen Im wechselvollen Spiel. Rings tauchten mir Gestalten — Vergess'ne — wieder auf, Und liebe Stimmen hallten Vom Geisterreich herauf. Es waren schöne Stunden, Die mir das Buch gewährt, Wo mir, was längst entschwunden, Die Gegenwart verklärt. Jedem das Seine Ich liebe nicht die ausgetretnen Gleise Und nicht die Bahn, die Tausende schon wandeln. Ich lebe gern auf meine eigne Weise, Ein freier Mann in meinem Thun und Handeln. Doch gönn' ich gleiches Recht auch allen andern Und will auch keinen, mir zu folgen, bitten. Es möge jeder seine Straße wandern, Nur muß er achten Gott, Gesetz' und Sitten. Wie dürften wir auch richten und verdammen? Dient doch verschiedne Kraft dem Weltgetriebe, Und viele Wege gehn am Ziel zusammen: Drum ziemt uns allen Duldsamkeit und Liebe. Bekenntnis eines Optimisten Mein Lied klingt nicht im priesterlichen Stil, Erfüllt von aller Wesen Schuldgefühl; Nicht hängt sein Aug' erbangend an der Gruft, Zum Himmel steigt aus ihm kein Sehnsuchtsduft. Die Sünde ahn' ich und der Sünde Leiden, Doch wilde Blumen wachsen über beiden. Ich klage nicht dem Weltschmerz meinen Zoll, Vom Elend alles Erdendaseins voll; Ich spinne nicht den Sang der Einsamkeit, Noch schrei' ich, wie der Hirsch nach Wasser schreit. Auch ich sah Nattern schleichen, Blitze fallen — Doch eine Sonne strahlet über allen. Ich pfeife nicht des Spötters Melodie. Zu leichter Pfeil dünkt mich verlorne Müh, Der Speerwurf grausam, welcher schmerzlich trifft, Ruchlos die Hand, die träuft in Wunden Gift; Was mir mißfällt, soll nicht von Spott noch kranken, Denn etwas hab' ich jedem Ding zu danken. Ich schelte nicht, ein zorniger Prophet, Der grollend auf der Zeiten Warte steht; Ich drücke nicht mit eiferglühem Stahl Der Schande auf die Stirn das Kainsmal; Nicht Furcht noch Trotz auspräg' ich den Gesichtern; — Das Schlechte beugt von selbst sich seinen Richtern. Ich bin die Lerche, die dem Feld entfliegt Und sich am Wohllaut ihrer Brust vergnügt; Die Blume bin ich, die zur Sonne dreht Ein Lufthauch, der sich gern mit Duft belädt, Die Biene, der selbst gift'ge Blüten taugen, Aus ihrem Kelch den süßen Seim zu saugen. Ich fleh' zur Wolke: Wilde, flieh' vorbei! Ich schaff' im Winter mir ein Stückchen Mai; Ich flög' vom Morgen- bis zum Abendrot, Könnt' ich damit entfliehn nur einer Not; Von Gräbern seh' ich nichts, als drauf die Rosen, — Mein Auge haftet nicht am Wonnelosen. Ich bin nicht feig: giebt mir die Not nicht Raum, Ich zwing' sie nieder, doch dann acht' ich's kaum. Stets rechn' ich mit dem Tag erst, wenn er naht; Auf ferne Zukunft werf' ich keine Saat. Ich habe kein Gedächtnis meiner Leiden, Und doch den Mut, von dieser Welt zu scheiden. Wo ist der Neid? Hier steh' ich, seiner wert; Ich bin vom Tau des Glückes groß genährt. Wo ist, der finster diese Welt verklagt? Ich halt' ihm Widerpart, ich hab's gewagt. Wie viel' Gott hat vom Paradies getrieben: Ich und mein Herz, wir zwei sind drin geblieben. Der deutsche Michel Einst war ich als deutscher Michel Ein Spott der ganzen Welt, — Doch schweigt nun alles Gestichel, Denn ich ward ein berühmter Held. Einst sang ich von Nixen und Elfen Und zärtlichem Herzenserguß — Das kann mir jetzt nichts mehr helfen, Denn ich ward ein Politikus. Einst war ich linkisch und schüchtern, Doch froh beim vollen Glas — Jetzt bin ich stramm und nüchtern, Denn der Ernst geht über den Spaß. Einst folgt' ich dem Glockengeläute Und fehlt' in der Kirche nie — Ungläubig bin ich heute, Denn ich treibe Philosophie. Vergebens mit seiner Sichel Späht nun der Tod umher Nach dem alten deutschen Michel, Denn ich bin ich selbst nicht mehr! Das neue Reich Vollendet steht — Dank unsern Schlachtgewinnern — Und festgegründet schaut in Herrlichkeit Das Reich nach außen sriedlich, — doch im Innern Weckt neu von Rom geschürter Glaubensstreit An sinstre Zeit ein mahnendes Erinnern. Wohl ragt der Baum der Einheit hoch und weit, Und wetterfest, wie sehr der Sturm auch wüte; Doch schmückt ihn noch kein Laub und keine Blüte. Nichts Großes — außer neuem Schlachtenruhme — Enthüllt er uns, als was wir längst schon hatten: Zu seinen Füßen sproßt manch schöne Blume, Die Krone giebt ihr weder Licht noch Schatten; Rings reift das Korn aus setter Ackerkrume, Tas Gras wächst hoch auf wohlgepflegten Matten — So ist es heute, und so war es immer, Es ward damit nicht besser und nicht schlimmer. Schön steht der Heldenstirn der Lorbeerkranz, Toch was das Schwert gewann, kann es verlieren, Und einem großen Reich geziemt's, mit Glanz, Der unvergänglich, seine Macht zu zieren. Mauch hochbegabter Sohn des Vaterlands Muß harmvoll um sein täglich Brot hantieren, Der sorglos, an den rechten Platz gestellt, Ein Stolz des Reiches würde und der Welt. Doch für Genies ist noch kein Platz gefunden, Zu hohem Ziel sie fördernd zu vereinen; An Rang und Titel bleibt, was gilt, gebunden: Am meisten gelten, die am meisten scheinen, Und so vom Ehrenflittern gleich umwunden Gesellt sich leicht das Hohe dem Gemeinen Der Genius wird höchstens nur geduldet Und durch ein Band im Knopfloch angehuldet. Im Felde siegten große Schlachtenmeister Durch Einheitskraft und überlegnen Plan, Zum Sieg des Schönen eint kein Bund die Geister, Ein jeder kämpft sich durch auf eigner Bahn; Die Einzelkraft versagt, wo immer dreister Die Schwärme geistiger Verwildrung nahn; Manch edler Geist verfällt — weil nicht gehalten — Wehrlos dem Zug dämonischer Gewalten. Hier krankt das deutsche Reich. Mög's bald gesunden! Daß Schönheit seinem Glanze sich vermähle; — Wenn echt, ist sie der Wahrheit eng verbunden, Die allem Großen Leben giebt und Seele; Sie scheucht den Trug, hat Balsam für die Wunden Und macht, daß nicht dem Baum die Blüte fehle, Die wunderthät'ge Frucht enthüllt, vom Bösen, Das Deutschland noch bedrängt, uns zu erlösen. Der Vesuv Der Vesuv speit seine Gluten Himmelan aus Höllenschlunde, Und ein Meer von Lavafluten Wogt verheerend bis zum Grunde. Aber höh're Mächte wecken, Wo die Glut erstarrt verglühte, Neues Leben und bedecken Lava selbst mit frischer Blüte. Aus den Schlacken der Zerstörung Rote Blüten treibt die Feige; Aus der Asche der Empörung Streckt der Ölbaum Friedenszweige. Verschiedener Beruf In wen die Götter ihren Odem hauchen, Der ist geweiht, das Höchste zu vollbringen, Klar kann sein Blick in dunkle Tiefen tauchen, Sein Feuergeist zu allen Lichthöhn dringen; Doch für Gemeines ist er nicht zu brauchen Und nur zum Hochflug wuchsen ihm die Schwingen; Treibt Zwang und Not ihn in die Werktagsbahn, So geht er schwankend wie am Land ein Schwan. Recht und Unrecht Wenn sich zwei Menschen streiten, Liegt nie das Recht ganz klar: Ein bißchen ist immerdar Unrecht auf beiden Seiten. Geduld und Nachsicht üben, Ist besser allezeit Als selbst durch Recht im Streit Bewährte Freundschaft trüben. Leicht springt uns von der Zunge Ein unbedachtsam Wort, Hält man's nicht auf im Sprunge, Wirkt's unbedachtsam fort. Alt und Neu Wer das Alte pflegt mit Starrheit, Unberührt vom Strom der Zeit, Ist so groß in seiner Narrheit, Als wer Neues sucht mit Streit. Zu gewahren, was im Innern Sich der ganzen Schöpfung regt, Als ein Ahnen und Erinnern Jede Menschenbrust bewegt: Dies lebendig zu gestalten Durch der keuschen Muse Gunst, Solches war die Kunst der Alten Und bleibt stets die wahre Kunst. In fremder Zone Nun, wo vom eignen Dufte trunken Der Lorbeerwald in Schlummer liegt, Und nur wie ein verirrter Funken Im dunklen Laub der Glühwurm fliegt: Nun führt der Traum den Elfenreigen Und streut den Mohn mit leichter Hand; Ein tiefes, atemloses Schweigen Hält jeden Wunsch von hier gebannt. Und doch, ich weiß es nicht zu sagen, Was mich so eigen mahnt auch hier; Bei all dem Zauber muß ich klagen: Du fehlst, geliebte Heimat, mir. Um stille Haiden gern vertauschen Würd' ich der Wildnis Blütenpracht, Hört' ich der Eichen Wipfelrauschen In einer herbstlich deutschen Nacht. Mit Liebesaugen schaun die Sterne Besänftigend herab auf mich; Doch horch — erscholl da nicht von ferne Ein Lied so deutsch, so feierlich? Und lauter fühl' mein Herz ich pochen, Des Nordens Waldluft weht mich an, Als hätt' ein Freundesmund gesprochen: Glück auf, du wandermüder Mann! Wie griff nach so viel langen Reisen Ans Herz mir der vertraute Klang! O tönet fort, ihr süßen Weisen! Tön fort, du deutscher Heimatsang! In der Nacht Durchs Waldthal unter den Bäumen Im Mondlicht schreit' ich dahin; Ein altes vergessenes Träumen Umspinnt mir lockend den Sinn. Die dunklen gespenstigen Säulen Ragen am Berghang dort, Den Käuzlein nur und den Eulen Ein heimlicher Zufluchtsort. Aus den Felsen klingt's; in den Zweigen Gelinde säuselt der West, Und goldene Türme steigen Aus Schutt und Mauerrest. Aus wallendem Nebel leise Die tote Liebe taucht; Sie bannt mich in ihre Kreise, Vom Glanz der Jugend umhaucht. Wie selig wir damals waren, Weißt du's? so flüstert sie drauf; Und was mir versunken seit Jahren, Lebendig leuchtet es auf. Doch wie es gekommen, so balde Zerrinnt mir das Wundergesicht! Wo ich sie küßte im Walde, Die Holde — ich weiß es nicht. Das luftige Bild ist zerstoben, Der duftige Traum ist verweht! Nur das wüste Gemäuer da droben Gespenstig noch vor mir steht. Im Frühlicht unter den Zweigen Vereinsamt irr' ich umher — Die Sonne dort seh' ich steigen; Die Herrliche schau' ich nicht mehr. Nach dem Sturm Aufatm' ich froh — denn schon verhallt Des Wetters wilder Reigen; Es sinkt der sturmesmüde Wald In traumverlornes Schweigen. Doch neubelebt vom frischen Hauch Abschüttelt er den Schrecken; Es dampft empor der Morgenrauch Aus Moos und grünen Hecken. Die Vögel bergen länger nicht Das Köpfchen bang' im Neste, Und flutend bricht das Sonnenlicht Herein durch Busch und Äste. Tiefinnen fühlt von Sturm und Braus Auch mein Gemüt den Segen, Und fröhlich klingt mein Lied hinaus Dem jungen Tag entgegen. Warum so schweigsam? Eines Arbeiters Antwortschreiben aus fernem Lande Warum so schweigsam? fragst du mich, Mein Kind mit blauen Blumenaugen: O, frag mich nicht! — ich bitte dich — Nein, schau mir in die müden Augen, Sieh, wie die Lippe brennt so heiß, Wie hart die Schwielen in den Händen, Wie an der Stirne perlt der Schweiß, Mich Arbeit ruft an allen Enden; Dann wirst du nicht mehr klagen Und vorwurfsvoll mich fragen: Warum so schweigsam? Du sahst der Schnitter müde Schar Gewiß schon oft vom Felde kehren, — Wenn schwül der Tag der Ernte war, Bei kühler Rast die Schüssel leeren. Kein Wort, kein Laut würzt dann ihr Mahl, Erschöpft sehnt jeder sich nach Ruhe; So geht's auch mir; — des Tages Qual, Die harte Arbeit, die ich thue, Sie mag allein dir Antwort sagen, Wenn deine Blumenaugen fragen: Warum so schweigsam? Darum so schweigsam, holder Stern, Der mir aus schöner Heimat lächelt Und meiner Arbeit aus der Fern' Wie Abendkühle Segen fächelt. Sag, könntest du mich lieben, Kind, Wenn ich mich pflegt' auf weichen Kissen? Des Arbeitsschweißes Perlen sind Saatkörner, die einst reifen müssen; — O dürft' ich dann auf deine Fragen Mit frohem Greisesblicke sagen: Darum so schweigsam! Mütterleins Sorge Laßt mich still zur Kirche gehn, Für mein armes Kind zu beten, Daß die Blume mag erstehn, Die ein rauher Fuß zertreten. Blaue Augen und Thränen darin — Wer vermag den Schmerz zu tragen? Goldiges Haar und düsterer Sinn, Jugend im Antlitz — das Herz voll Klagen — Also schleicht mein Kind einher, Wie ein bleicher Frühlingsengel, Eine Knospe, die zu schwer Ihrem eignen schwanken Stengel. Auch ihr, Herr, zum großen Schmerz Gieb die Kraft, ihn zu ertragen — Lächle wieder, kindlich Herz, Wie der Lenz nach Sturmestagen. Laßt mich drum zur Kirche gehn, Für mein armes Kind zu beten, Daß die Blume mag erstehn, Die ein rauher Fuß zertreten. Die Braut des Nihilisten An der Newa sonn'gem Strand Geht ein Brautpaar Hand in Hand, — Tändelnd, kosend, plaudernd, scherzend Wandern sie durchs grüne Land. Da sieht er so traurig bang Ihr ins Auge tief und lang': „Liebste! wirst du stets mir folgen, Gehst du mit mir schweren Gang? Heute thue ich dir kund: Ich beschwor den heil'gen Bund, Der des Volkes Rechte schützet Und Tyrannen wirft zum Grund. Achtest du mein streng Gebot? Folgst du mir in Not und Tod? Gieb ihr, Herr, zum großen Schmerz Auch die Kraft, ihn zu ertragen.“ Wie ward sie so kalt und bleich Bei dem dumpfen, schweren Streich Seiner unheilvollen Worte! — Doch sie sprach zu ihm sogleich: „Gerne wollt' ich dir vertraun, Folgte dir durch Nacht und Graun, Aber, — zu so bösem Werke Darfst du niemals auf mich baun. Treu verehre ich den Zar, Dem dein Bündnis droht Gefahr, Der, wenn er auch menschlich fehlte, Doch dem Volk ein Vater war. Lieber, unglücksel'ger Mann! Wie bestrickt dich schlimmer Bann! Höre meiner Liebe Flehen, Meiner Liebe Seufzer an! Laß uns beide rasch entfliehn Und in ferne Lande ziehn! Überall will ich dir folgen; Laß die Mordgedanken fliehn!“ — Da schaut er so traurig bang In ihr Auge tief und lang': „Nimmermehr kann ich entrinnen Der Gefährten wildem Drang. Denn ich schwor mit furchtbarm Eid Ihnen Beistand jederzeit; Wollt' ich treulos sie verlassen, Bin ich selbst dem Tod geweiht.“ — Und sie gehen Hand in Hand Schweigend an der Newa Strand; Da hat sie mit leisem Beben Sich dem Liebsten zugewandt: „Wartet dein solch traurig Los, Flüchte in der Newa Schoß! Freudig will ich mit dir sterben, Reiß dich von den Mördern los!“ — Da ward ihm so leicht zu Mut, Lang herzt er sein Liebchen gut; Dann — von ihrem Arm umschlungen — Stürzt er in der Newa Flut. Die Sterne Ihr schönen, lichten Sterne, Weit in des Himmels Ferne, Die ihr so still und leise Dahinzieht eure Gleise, Ihr seid in jenen Reichen Mir soviel Trosteszeichen, — Denn nur ein göttlich Walten Kann also euch erhalten. Kommt ihr am Himmelsbogen So hell einhergezogen Auf hehren stolzen Bahnen, Ergreift mich gläubig Ahnen; Das ist kein ziellos Wagen Das ist kein planlos Jagen, Ihr schreitet sichrer Weise Durch vorbestimmte Gleise. Jahrtausende vergehen, Ihr bleibet fortbestehen, Ihr lichten Himmelszeichen Voll Ordnung ohnegleichen. Ihr strahlt in frischem Glanze, In unverwelktem Kranze Und nur ein göttlich Walten Kann also euch erhalten. Wenn ihr so freundlich winket, Wenn ihr so sanft mir blinket, Wie fällt da eu'r Gefunkel In meines Herzens Dunkel! Wie jauchzet meine Seele, Daß ihr der Trost nicht fehle, Denn nur ein göttlich Walten Kann also euch erhalten. Und trübten mir auch Sorgen Den frischen, heitern Morgen, Und hatte ich am Tage Auch Grund zu mancher Klage, Am Abend schau ich gerne Auf euch, ihr lichten Sterne, Die ihr so sichrer Weise Dahinzieht eure Gleise. Da freue ich mich immer An eurem sanften Schimmer, Da wird der stille Abend So tröstend mir und labend, Da wächst bei eurem Schauen Mein Mut, mein Gottvertrauen, Denn nur ein göttlich Walten Kann also euch erhalten. Gesang des Papyrus von Syrakus O Wandrer im Kahne, vernimm meinen Sang, Wenn sanft die Kyane du gleitest entlang! Aus bläulichen Fluten blüh' dort ich empor: Gefiederte Ruten auf schwankendem Rohr. Zum Strome mich neigend, bei Farren und Moos, Betrachte ich schweigend mein wechselndes Los: Sonst ward mir die Pflege des Wissens vertraut; Jetzt wachs' ich am Wege, ein nutzloses Kraut. Jahrhunderte kommen, Jahrhunderte gehn, Hab' selten vernommen, was draußen geschehn. Aus uralten Tagen, die spärlich erhellt Von dämmernden Sagen, nur kennt mich die Welt. O sonniger Frieden, von Träumen umwallt, Vom Leben gemieden, das ferne verhallt! Stumm kreist die Libelle im zitternden Licht, Die silberne Welle im Schilfe sich bricht. Da rauscht's in den Halmen mit schläfriger Ruh, Am Ufer die Palmen, sie flüstern dazu. Gern lausch' ich dem Klange in träumendem Bann — Ich lausche schon lange, weiß selbst nicht, seit wann. Und sank dann hernieder die tauige Nacht, So sind mir die Lieder der Lüfte erwacht, Sie rauschen und flüstern und künden mir viel Von fernen Geschwistern am heiligen Nil. An die Arbeiter Zur Eröffnung des Gotthardtunnels Ein Lorbeer, schöner als der blut'ge Kranz, Der nach der Schlacht den kühnen Sieger schmückt, Sei freudig euch gewährt, euch wackern Männern, Die ihr das ruhmgekrönte Werk vollendet, Das staunend noch die Nachwelt preisen wird! Als kühne Kämpfer, die der Macht des Geistes Den Arm geliehen, habt ihr der Natur Gewalt'ge Macht gebändigt und bezwungen; Gebahnt habt ihr den Völkern eine Gasse, Die ferner Länder Kraft und Sinn verbindet. Vergebens trotzte stolz die Felsenfeste, Die euerm Mute sich entgegen türmte; Durchbrochen ist die hohe Riesenmauer, Die zwischen Nord und Süd vor tausend Jahren Natur zur ew'gen Trennung einst erhoben; Und nimmer über schneebedeckte Firnen, Wo todesschwanger die Lawine lauert Und schreckensvoll vom Berg die Ströme tosen, Drängt mühsam sich der lastbeschwerte Wagen, Sucht unheilfürchtend seinen Weg der Wandrer. Ihr habt die Bahn geöffnet durch die Felsen, Wo bald des Handels Reichtum sicher zieht Und eine bunte Welt zur Lust verkehrt. Wie viele Jahre, Tage lang und Nächte, Habt um den Siegespreis ihr heiß gerungen! Wie manche wackere Genossen sanken Im Kampf zum Tod verwundet und zerschmettert! Es sank der Führer auch, der Freund und Meister, Des Feuereifer euch das Ziel gewiesen, Das nie sein klares Auge schauen sollte. Sie alle starben auf dem Feld der Ehre, Und über Leichen drangt ihr vor als Sieger. Wo sie gefallen, heben sich zum Ruhm Den Lebenden, den Toten zum Gedächtnis Sankt Gotthards schneeige Firnen in den Äther, Umleuchtet von der Sonne lichten Gluten; Ein Denkmal, herrlicher als dies die Kunst Im stolzen Königsbau der Pyramiden Aus Marmorglanz und goldnem Prunk geschaffen. Und weit ins Land und ferner Zukunft werden Die Alpenfesten eure That verkünden — Mag ihr des Himmels Segen sich verbünden! Des Friedens Werk, es diene stets dem Frieden! Nie möge durch das Alpenthor sich drängen Des Krieges finstrer Dämon blut'gen Sinnes Und Wolken gleich, die des Verderbens Blitze Auf Flur und Hütten fühllos niederschleudern, Die Boten der Zerstörung und des Todes Aus dunklem Bergesschoß ins Thal hernieder Auf Auen, die der Herr gesegnet, senden! Dem Geist des Friedens sei das Werk geweiht, Der Länder nicht, doch Herzen sich erobert! Die Liebe wandle, nicht der Haß die Pfade, Die euer Blut, die euer Schweiß benetzt; Der Süden bringe hier des Landes Schätze Dem Norden, der die Gaben ihm erwidre; Und wie sie tauschen ihrer Fluren Fülle, So mögen wechseln sie des Geistes Gaben, Mit Sinn und Hand wetteifernd in dem Streit, Den Gegner mit der schönsten Frucht zu laben, Daß jeden Kampf verwandeln sie zum Streben, Sich selbst erhebend andre zu erheben. Ob auch die Alpen einst getrennt sie haben, Sei jetzt ihr Felsenpfad ein heilig Band, Das Volk mit Volk verbinde, Land mit Land! Ich harre aus Wem diene ich? — Ich weiß es nicht, Ich kenn' ihn nicht, der mich hierher gesendet; Doch auszuharren, das ist meine Pflicht! Und wenn sich alles gegen mich auch wendet, Ich harre aus, bis er die Wache endet. Ich kämpf' wofür? Ich weiß es nicht! Ihr mögt darum mich einen Söldner schelten. Doch tief im Herzen eine Stimme spricht: Es kann nur etwas Großem, Gutem gelten, Zum Kampfe rief der Schöpfer mich der Welten! Was ist dein Lohn? — Ich frage nicht; Genug, daß er zum Kampfe mich erkoren! Und ruft er mich dereinst vor sein Gericht, Und ward ich nicht zum Kampfe bloß geboren: Dann, Feldherr, bin vor dir ich nicht verloren. Denn treulich übt' ich meine Pflicht! Und konnt' ich nicht den Kampf zum Sieg gestalten, Geflohen, Herr, geflohen bin ich nicht! Trotz aller Wunden hab' ich standgehalten, Und gnädig wirst du, gnädig wirst du walten. So diene ich! Wem — weiß ich nicht, Ich kenn' ihn nicht, der mich hieher gesendet; Doch auszuharren, das ist meine Pflicht! Und wenn sich alles gegen mich auch wendet: Ich harre aus, bis Er die Wache endet. Heimkehr Weltverlassen, gottverlassen, Wankt ein Wandrer durch die Gassen, Steuert hastig nach dem kleinen Raume, wo er an dem einen Treuen Herzen ruhen will, Eh' es steht für immer still. Nur mit Zagen kann er wagen, Seine Schmerzen jetzt zu tragen Zu der Mutter wundem Herzen, Der er schuf ach! tausend Schmerzen, Deren Lieb' er von sich wies, Die er schnöde einst verließ. Angstvoll lauscht er an der Pforte Und vernehmlich hört er Worte Drinnen von der Mutter Munde, Hört, wie sie zu dieser Stunde Innig spricht ihr Nachtgebet Und für ihn, für ihn nur fleht. Und ihm ist's, als schlügen Flammen Über seinem Haupt zusammen; Schluchzend stürzt er ihr zu Füßen Und bedeckt mit heißen Küssen Ihres schlichten Kleides Saum — — Engel schweben durch den Raum. Das schönste Kleinod Wir stiegen eilig ins Koupee: „Wer fährt wohl mit in Freud' und Weh?“ Zwei schöne Frauen nahmen Platz, Und jede trug besondern Schatz. — Der einen strahlt' von Hals und Haar Und Brust Geschmeide wunderbar; Ihr Auge blickte stolz und hoch Und frug: Wer trägt wohl reichres noch? Die andre trug nicht Stein noch Gold, Sie hielt im Arm ein Knäblein hold, Und heller als Gold und Edelstein Glänzten des Kindes Äugelein. Frühlingsgruß Hellschimmerndes Grün und Lerchenschlag Und Blütengesproß allerwegen! Die Menschen begrüßen den leuchtenden Tag Und jubeln dem Lenz entgegen! In engem, düstrem Hofesraum, Von Mauern rings umschlossen, Steht unbeachtet ein Kirschenbaum, Von Blüten übergossen. Doch sieh! am Fenster schmal und klein, In niedrem Stubenraume, Da schaut ein altes Mütterlein Still lächelnd nach dem Baume. Sie trägt nicht mehr der schwache Fuß Hinaus aus dem kleinen Hause, Da schickt ihr der Frühling seinen Gruß Durch den Baum in ihre Klause. Der unpoetische Mann Es lebt ein unpoet'scher Mann, Der doch poetisch ist; In schwarzer Tasche Freud' wie Leid Birgt er zu jeder Frist. Von Tausenden wird täglich er Aufs sehnlichste erharrt; Und dennoch — Schmerz und Täuschung bringt Auch seine Gegenwart. Das Mägdlein eine Stunde wohl Schon hin zum Fenster fliegt, Zu schaun, ob der ersehnte Mann Nicht um die Ecke biegt. Was will sie denn, was hat sie nur? Sie wird bald rot, bald blaß; Die Hände preßt aufs Herzchen sie, Das pocht ohn' Unterlaß. „Kommt er noch nicht?“ Die Mutter fragt, Dieweil sie emsig schafft — Dabei des fernen Sohns gedenkt Sie still voll Liebeskraft. Der Vater aus der Stube ruft: „Ei, ist er noch nicht da?“ Zu wissen ja verlangt's ihn sehr, Was in der Welt geschah. Großmutter in dem Stuhle nickt, Sie hofft nicht mehr so viel; Zu warten hat sie längst gelernt, Sie ist schon bald am Ziel. — Da pocht's; — erstarrt das Mägdlein steht, Die Mutter ruft: „Herein!“ Großmutter schaut zur Thüre hin Und murmelt: „Wer wird's sein?“ — Auf groben Schuhn der Bote tritt Ein mit gemess'nem Schritt; „Die Zeitungen, und Briefe auch!“ Spricht er. „Krieg' ich was mit?“ „Dem Vater bring die Zeitung schnell!“ Die Mutter sagt zum Kind, Und auf dem Brief in ihrer Hand Ruht's Mutteraug' so lind. Das Mägdlein auch, es nahet sich Dem Tische fast verzagt; — Ein Brief auf rosenrot Papier — Wie's da im Antlitz tagt! Vom Sohn ein Brief, vom Bräutigam; O Freude wunderbar! — Großmutter nimmt das Tagblatt auf Und macht die Brille klar. Ei wie? studiert die alte Frau Denn auch noch Politik? — Nein, auf die letzte Seite nur Fällt träumerisch ihr Blick. Sie weiß das Plätzchen gar zu gut, Wo Todeskunden stehn; Da trifft manch liebe Namen sie — Was ist ihr denn geschehn? — „Auch Dieser tot!“ — so spricht sie leis. „Bald bin ich ganz allein!“ — Vor ihrer Seele steht ein Bild In lichtem Jugendschein. Und auf das Mägdlein schaut sie still: „Da war ich auch wie Du!“ — Sie legt das Tagblatt auf die Seit' Und denkt der ew'gen Ruh'! O Mutter „O Mutter!“ Ach, wie wecket in der Brust Des Menschen doch dies Wort ein mächtig Tönen! Wie führt es oft von höchster Freude Lust Zu tiefstem Schmerz, zu reuevollem Sehnen! Sie steht vor dir, die freundliche Gestalt, Du siehst das milde Aug', den Blick voll Liebe, Vernimmst der Rede fesselnde Gewalt, Denkst an der Hände Dienst in reinem Triebe. Ihr Arm umfängt dich, wenn dir Kummer naht, An ihrer Brust beweinst du dein Verschulden, Sie geht mit dir auf deines Glückes Pfad, Dein Vorbild ist sie in ergebnem Dulden. Es klingt kein Ton in Herzens Saitenspiel, Den man dem Mutterherzen nicht vertraute; Es giebt kein schönes, edles, hohes Ziel, Das für ihr Kind die Mutter nicht erschaute. Mit gläub'ger Liebe hoffender Gewalt Und mit der Ahnung wunderbaren Träumen Umschließet sie ihr Kind; ihr Wort erschallt Tief in der Brust, wo auch der Fuß mag säumen. Verlornes Kind, verirrt im Weltgewühl, Hörst du der treuen Mutterstimme Warnen? Zu ihr, zu ihr! Dort winkt noch ein Asyl, Wie auch die Lust der Welt dich mocht' umgarnen. Doch ach, — es naht ein Tag, bald ist er da, — Das treuste Mutterherz hört auf zu schlagen. Wie drücket dann die Brust, was einst geschah! Wie viel blieb noch zu bitten, noch zu sagen! — O Kind, wenn sich die Trauerweide neigt Sanft über der geliebten Mutter Hügel, Wie spricht dann erst der Mund, der fortan schweigt! Der Liebe Botschaft weiht des Todes Siegel. Wohl dem, der dann am teuern Grab darf stehn, Umweht von frommer Mutter heil'gem Segen. Gefaßt in Gott wird er durchs Leben gehn Stets aufwärts der Geschiedenen entgegen. Trost Dünkt das Menschenherz dir oft Kalt wie Schneeesflocken; Scheint dir auch der Menschen Wort Wie die Wüste trocken: — Selbst die Schneeesflocke ja Wärme in sich schließet; Selbst noch aus der Wüste Sand Dich ein Bächlein grüßet. An die deutschen Dichter, die mich zu meinem achzigsten Geburtstage begrüßten Der äußern Welt entzogen, Sah ich in tiefer Ruh' Manch langes Jahr dem Wogen Des lauten Lebens zu; Ich sah's dort leuchten, funkeln, Auch oft in falschem Schein, Und spann mich da im Dunkeln In düstres Sinnen ein. Der Kreis ward immer enger, In dem ich einst gelebt, Hin schwanden wackre Sänger, Mit denen ich gestrebt; Flugs über mich hinüber Schritt rascher stets die Zeit, Ich wurde trüb' und trüber In meiner Einsamkeit. Doch seit Ihr edlen Dichter Mich traut und warm begrüßt, Ward mir der Himmel lichter, Das Herbste mir versüßt; Mir winkt manch heitre Stunde, Da hochbeglückt ich seh', Daß ich in Eurer Runde Noch immer aufrecht steh'. Und aufrecht will ich bleiben, Getreu der hehren Kunst, Wie immer, fern dem Treiben Nach flücht'ger Tagesgunst; Gottlob, noch sind die Schwingen Des Geistes nicht erschlafft, Mein Lied kann hell noch klingen, Noch fühl' ich Schaffenskraft. Wohlan denn! nehmt, Genossen, Mich auf in Euern Bund, Ich bleib' Euch angeschlossen, Und offen werd' es kund, Daß Eure Huld und Liebe, So schön mir dargebracht, Die Glut der Sangestriebe Mir neu zur Flamm' entfacht. Euch dank' ich's, daß geheitert Die Welt mir wieder scheint, Daß sich der Kreis erweitert, Der mich den Besten eint; Ihr habt mit holder Gabe Mich Lebenden erfreut, Ihr habt den Weg zum Grabe Mit Blumen mir bestreut. Aus einem Cyklus: Dichter und Gedichte I Guten Stoff zu gutem Gedicht Mußt du zu suchen dich befleißen; Fandest du ihn, dann frage nicht, Lag er in China oder in Preußen. Frag auch nicht, ob er jetziger Zeit Wechselnder Mod' und Stimmung fröhne; Dichtest du doch nicht nur für das „Heut'“, Ewig schön ist das wahrhaft Schöne. Sorge nur, daß Sinn und Gewand Deines Gedichts von echtem Wesen, Fliege sein Ruf durch Stadt und Land, Oder mögen's nur wenige lesen; Wenige, doch von Weih' und Wert, Edlem geneigt, für das Schöne voll Liebe — Dichter, hast du noch mehr begehrt, Dichtest du nicht aus reinem Triebe. Aus einem Cyklus: Dichter und Gedichte II Ein lyrisches Gedicht ist das! Von fernher klingt die Hirtenflöte, Der Baum ist grün, und grün das Gras, Und purpurn glänzt die Abendröte. Dann Sternenschimmer, Mondesschein, Und Rosenduft und Nachtigallen — Die Verse sind, die Reime rein, Das Lied wird manchem wohlgefallen. Gefällt es dir? — Ich weiß es kaum, Kann seine Wirkung nicht ermessen, Mir schien es wie ein leichter Traum, Den, schnell erwacht, ich schnell vergessen. Der Grundton fehlte mir, der Halt, Ein Festes, dran der Geist sich ranke, Es fehlt der Dichtung Allgewalt, Der alles leitende — Gedanke. Aus einem Cyklus: Dichter und Gedichte III Ich bitt' euch, häuft nicht Epitheta, Ein Bild zu beschreiben, es zu verstärken; Stehn euerm Bilde wir noch so nah, Wir können die rechte Gestalt nicht ermerken. Es ist, als zöge jemand im Wahn, Er möcht' in freier Luft erkalten, Drei Röcke übereinander an, Wo einer genügt, ihn warm zu halten. So ausgestopft, ist der arme Mann Auch noch mit Puffen und Shawl gesegnet, Daß ihn ein Freund nicht erkennen kann, Der eben plötzlich ihm begegnet. Erzürnt wirft Rock um Rock er von sich: „Willst du mich denn mit Absicht meiden?“ Der andre drauf: „Jetzt erkenn' ich dich. Wie mochtest du dich so arg verkleiden! Du sahest ja dir selbst nicht gleich, Warst fremd mir, ganz entstellt, auf Ehre!“ Ihr schwülstigen Dichter, ziehet euch Aus den „drei Röcken“ eine Lehre! — Aus einem Cyklus: Dichter und Gedichte IV Willst du als ein Meteor, Dichter, plötzlich prachtvoll flimmern, Oder zieht dein Sinn es vor, Als ein fester Stern zu schimmern? Meteor! ein Meteor! Alles Volk ruft's im Gedränge, Zu dem Wunder starrt empor Eine unzählbare Menge. Doch das Wunder dauert nicht, Hat allmählich sich verzogen, Nur der Sterne mildres Licht Scheint noch fort am Himmelsbogen. Auf zu ihnen Nacht für Nacht Kann mit Sehnsucht und Entzücken, Wer je Göttliches gedacht, Heiliges empfunden, blicken. Braucht er Trost, dann sternenwärts Wird sein trübes Aug' er lenken, Und er fühlt ins bange Herz Hoffnung und Vertraun sich senken. Doch wenn ihn ein Glück erfreut, Blickt verklärt er in die Ferne, Dankt in seiner Seligkeit Alles seinem guten Sterne. — Dichter, sprich, entscheide jetzt: Willst du einem Feuerzeichen, Das die Welt in Staunen setzt, Oder — einem Sterne gleichen? Aus einem Cyklus: Dichter und Gedichte V Vor allem freut uns ein Gedicht, Das seltsam uns gemahnet, Als hätten wir, was laut es spricht, Schon lange still geahnet; Ans Herz uns legt sich's warm und lind, Wie an der Mutter Brust ein Kind. Gar manches dämmert wie ein Traum Verborgen in der Seele, Wir fühlen es, doch wissen kaum, Wo es sich uns verhehle; Da — plötzlich wird uns alles klar, Im Liede ward's uns offenbar. Hat denn der Dichter es entdeckt In unsers Busens Tiefen, Gedanken und Gefühl erweckt, Die unerkannt dort schliefen, Blickt er ins Innerst' uns hinein? Der Dichter muß ein Zaubrer sein. Kein Zaubrer, doch durch Musengunst Begabt mit feinern Sinnen, Auch läßt die Weihe hehrer Kunst Das Hellsehn ihn gewinnen; Er trägt, sich solcher Kraft bewußt, Das Herz der Menschheit in der Brust. Das Sonett Sonette dichten! 's ist ein kühnes Wagen; In Banden frei und leicht sich zu bewegen, Ja, mit den Fesseln spielend sich zu regen, Als wär' es eine Lust nur, sie zu tragen; In wenig kurzen Zeilen viel zu sagen, In engen Schranken, die uns rings umhegen, Den Hauptgedanken mächtig auszuprägen, Bestimmt, allüb'rall siegend vorzuragen Und dann am Ende diesen Hauptgedanken, Um den sich all' die andern schlingen, ranken, Zusammen noch zu drängen, zuzuspitzen: Ein schwierig Werk! Wen so die Bande drücken, Daß sie das Ziel, nach dem er rang, verrücken, Der lass' es bleiben, ein Sonett zu schnitzen. Die Mondbewohner Weil die qualbefangne Erde, Stets mit Täuschung mich belohnte, Sprach ich jüngst: „O teure Muse! Auf! entführ mich nach dem Monde! Wunder sind dir ja ein Leichtes: Geh, bei Zeus den Aar zu holen! Leih mir Fausts berühmten Mantel Oder Hermes' goldne Sohlen! Soll ich, not- und gramdurchschauert, Ringen nach geträumtem Glücke? Was die Erde mich gelehrt hat, Bosheit war's, Verrat und Tücke. Ewig tönt der Ruf des Jammers Aus der Menschheit bleichem Munde; Ewig rinnt der Strom der Zähren, Ewig brennt die Todeswunde ... Hoch im Mond nur winkt der Friede Und das Ziel des dunklen Sehnens ... Leuchtend blüht die blaue Blume Fern im Wunderland Selenens.“ Und vom Helikon verstohlen Schien ein Kichern mich zu grüßen, Und der düstre Mantel Fausti Wogte rauschend mir zu Füßen. Ha! im Nu versank die Erde Hinter mir als starre Leiche, Und ich nahte sturmbeflügelt Luna's mild verklärtem Reiche. Abend war's; am Ringgebirge Hing der Sonne grelles Funkeln, Und im Schoß der steilen Krater Fing es magisch an zu dunkeln. Jählings brach die Nacht hernieder, Und am farblos finstern Himmel Stand des Erdballs volle Scheibe Flammenklar im Sterngewimmel. Ja, sie ist's, die gramverhüllte, Wo die Dulder flehn und winseln ... Deutlich seh' ich dort Europa Samt den nah'gelegnen Inseln. „Arme Erde, Thal der Leiden, Thal des hoffnungslosen Strebens! Gott sei Dank, ich such' im Monde Jetzt das wahre Ziel des Lebens“! Jubelnd rief ich's, und der Erdball Schien dämonisch mir zu flimmern ... Horch! Da tönt's zu meinen Ohren Wie ein halbverhaltnes Wimmern. Aus der Hütte dort am Hügel Drang der Laut voll Weh und Jammer ... Nach dem Fenster schleich' ich bebend, Schaue blinzelnd in die Kammer ... Von des Gatten Arm umschlungen, Blaß, mit aufgelöstem Haare, Stand ein Weib in heißen Thränen Vor der frisch bekränzten Bahre. Zwischen halberschloss'nen Blüten Hingestreckt auf weichem Moose Lag ihr bestes Glück und Hoffen, Lag ihr Kind, die bleiche Rose. Und der Gatte, schmerzlich lächelnd, Hob den Blick zum Himmelszelte, Nach dem Erdball, der die Kammer Mild und wundersam erhellte: „Tröste dich, du bange Seele! Nichts hienieden geht verloren! Sieh! Auf jener goldnen Kugel Weilt das Kind, das du geboren! Blick empor zur heil'gen Erde Aus dem dunklen Thal der Mängel! Selig dort im Hain des Friedens Wandeln goldbeschwingte Engel ... Dort, im Reich des ew'gen Glanzes, Giebt's kein unverstandnes Sehnen, Keine Trennung für die Liebe, Keinen Tod und keine Thränen!“ Schweigend hört' ich's, und im Herzen Wuchs ein Weh mir allgewaltig, Und es schnob wie bittrer Hohn mir Um die Braue, kraus und faltig. Und zum Mantel griff ich wieder Mit verstörter Gramgebärde, — Und das Weltenweh im Herzen, Flog ich heimwärts nach der Erde. Ein Lied vom Haß Wohl ist der Liebe erster Traum Ein Traum voll Himmelslust ... Doch hat der Haß denn keinen Raum In gottgeweihter Brust? Es schleiche stumm aus unsrem Bund — Hier wird nicht sein begehrt! — Wer nie im tiefsten Herzensgrund Des Hasses Brand genährt! Ihr, die ihr feil nach schnödem Gold Und fahlem Prunke lauft, Und schmunzelnd für Verrätersold Das Vaterland verkauft! Die ihr der Ehre keuschen Sinn Im Schlamm vermodern laßt! Wir haben euch von Anbeginn Mit voller Glut gehaßt! Ihr, die ihr frech die Kunst verhöhnt, Vor der wir betend knien, Und strebt, was diese Welt verschönt, In euren Staub zu ziehn! Die ihr Papiere nur begreift Und Kurse nur erfaßt: So weit die trunkne Seele schweift, Sei eure Brut gehaßt! Und die ihr winselnd euch kasteit In Fasten und Gebet, Und ungerührt im Bettlerkleid Den Bruder darben seht; Die schmachtend ihr zum Himmel schaut, Mit Blicken trüb und naß; Die ihr den Dom der Lüge baut: Erzittert unsrem Haß! Und was das teure Heiligtum Der Menschenwürde kränkt; Und was vom Pfad zum echten Ruhm Die freien Völker lenkt; Und was des Daseins schönste Zier Nur anzurühren droht: Dem schwören ewige Feindschaft wir Und Haß bis in den Tod! Seht unser Banner! Leuchtend weht's Und flammig durch die Nacht ...! Auf sichrer Tempelzinne steht's, Von unserm Haß bewacht! Ja, wenn im Kampf die Liebe fiel, Vom Ringen schlaff und laß, So führt der Haß ans goldne Ziel: Ein Hoch dem deutschen Haß! Zur Saison Im Winter, wenn beim frohen Feste Des Balles Wirbel euch umlärmt Und rings die muntre Schar der Gäste Durch eure Prunkgemächer schwärmt: O mahnte dann mit ernsten Worten Ein Freund euch an des Lebens Not! Ach, schüchtern pocht's an eure Pforten: Das bleiche Elend fleht um Brot! Bedenkt ihr, wenn die Kerzen funkeln, Daß von des Hungers Zahn zernagt, Am nächsten Straßenstein im Dunkeln Vielleicht ein Bruder steht und klagt? Stumm schaut er nach den hellen Scheiben Mit starrer, düstrer Bitterkeit, Und fühlt bei eurem lauten Treiben Nur doppelt tief das eigne Leid. Wie groß — so flüstert er mit Beben — Muß hier des Himmels Segen sein! Ach, was sie ihren Hunden geben, Wär's nur von einer Mahlzeit mein! Wie müssen hier die Kinder prangen In Jugendkraft, gesund und rot! Den meinen härmt die Not die Wangen, Das bleiche Elend fleht um Brot! Wild pfeift des Nordwinds jähes Toben, — Er schickt sich zitternd an zum Gehn Und sieht noch einmal, wie sich droben Die Schatten eurer Tänzer drehn. Er denkt nach Haus, und Thränen dringen Ihm heiß hervor, er stöhnt und schweigt ... Ach, eure Jubeltöne klingen Bis an ein Sterbebett vielleicht ... Ihr aber schlürft im goldnen Becher Den süßen Schaum der eitlen Lust; Die Wange flammt, es blitzt der Fächer, Und höher wallt die trunkne Brust. Ihr glaubt nicht an die düstre Sage Von Angst und Jammer, Qual und Tod, Und nur zum Himmel steigt die Klage, Das Wehgeschrei um Brot, um Brot! Am Grabe der Mutter Still sahst du ins blühende Feld hinaus, Gebannt ans einsame, düstre Haus; Trugst lautlos in der bewegten Brust Den finstren Tod und die Lebenslust. Rings lachte der Frühling im Blumengewand, Und ein Segen ging durchs erwachende Land; Die Lerchen sangen im Sonnenstrahl; Und du weintest, du weintest vor bittrer Qual. Und es zuckte mir wild durchs kindliche Herz, Und ich floh den Jubel und Spiel und Scherz. Ich faßte zitternd dein schlichtes Gewand, Und die lilienreine, geliebte Hand! Was sinnst du, Mutter? o sprich, o sprich! Und du lächeltest freundlich und küßtest mich; Und ich dachte vergangener schöner Zeit, Und weinte, und weinte vor schwerem Leid. Und zuletzt dann, als nun die Stunde kam, Die das Liebste, Beste von hinnen nahm — Da erblichen die Sterne am Himmelszelt, Da erblich mein Himmel für die Welt. Blaß lagst du im Kampf mit dem bitteren Tod; Von fern her glänzte das Morgenrot ... Und der ewigen Sonne beglückender Strahl — Und du weintest, du weintest zum letzten Mal. Am Strande des Meeres Die du fromm und liebend mich geleitet Durch des Lebens rätselvolles Land, Die ums Haupt den Fittich mir gebreitet, Wenn ich bang am Scheidewege stand: In des Himmels ungeheurer Leere Herrlich, wie auf wonnereicher Flur: Dich begrüß' ich gläubig auch im Meere, Allgewalt'ge Göttin, o Natur! Wo der Brandung Lilienbrüste schwellen, Bis die Flut den dunklen Sand betaut; Wo ins Blau der schaumgekrönten Wellen Nur die Möwe hoch herniederschaut: Ach, da schwebt den lichtumwobnen Blicken Weh und Wonne schattengleich vorbei: Wo der Gottheit Schauer mich entzücken, Fühl' ich wieder mich als frei! Manchen Pfad bin sehnend ich gegangen; Treulich hoffend wand ich mich hinan, In die sel'gen Thäler zu gelangen Und das Unvergängliche zu fahn. Doch umsonst verlangte ich nach Gnade, Doch vergeblich suchte ich das Glück: Alle meine wechselvollen Pfade Führten zur Natur zurück. Dämmernd, wie die Schatten ihrer Wogen, Lag das Weh auf meinem düstren Sinn: Um den Himmel fühlt' ich mich betrogen, Nur die Klage deuchte mir Gewinn; Alles sah ich sinken und verderben, Was die Gunst der frohen Stunde gab ... Alles Leben lebte, um zu sterben, Selbst die Liebe sank ins Grab. Aber mild und lächelnd auf die Grüfte Goß der Lenz die blütenreiche Pracht ... Melodieen rauschten durch die Lüfte, Glutgestirne flammten durch die Nacht. Nun begann die Hoffnung ihren Reigen, Neu das Leben seinen Lauf ... Aus des Herbstes halbvergess'nen Leichen Sproßten tausend Kelche auf! Und ich lernte friedlich überwinden, Ebbend schwieg des Herzens bange Not: Nur ein Traum ist Welken und Verschwinden, Nur ein Wandern ist der Tod ... Heil'ge Mutter! gläubig und ergeben Folg' ich deiner glanzumfloss'nen Spur! Du allein versöhnest mit dem Leben, Du allein bist göttlich, o Natur! Nänie Wohin das edle Lächeln Vollendeter Lieblichkeit? Das so feine, geheimnisholde? Zerflattert und, ach, zerstreut! Es war wie Frühlingslichtschein, Der auf Blumen zaubrisch floß; Und das auf ewig vernichtet, Seit der schöne Mund sich schloß? Nicht kann ich's wieder gewinnen Mit Phantasie und Sinn — Verloren und doch unsterblich, O, wohin verweht, wohin? Das war wie geistig Grüßen Aus einem reicheren Sein, Poesie, ein Strahl, Traumwonne, Unendlich gut und rein! Wie von unnennbarem Reize Eine göttliche Melodie, Glückatmend, herzentzückend, Nur einmal hört' ich sie. Eine wunderbare Weise, So süß, so eigen verstummt, Davon mir in tiefster Seele Verstörter Nachklang summt. April Apfelbäumlein in holder Blüt', Wie erquickst du mein wund Gemüt! Jungfräulich rein, von Lüftchen umkost, Leuchtest du, lieblicher Augentrost! Frühling, du schick ihm keinen Sturm, Lenznacht, scheuche den schlimmen Wurm, Himmel, behüt's, ihm sorglich gesinnt, Erd', o Mutter, schütze dein Kind! Das ist der Tag des Herrn Ich stand in eines Tempels Säulenbau, Den einst ein edler deutscher Fürst erschuf Und reich mit Griechengöttern ihn geschmückt, Die aus Athens und Romas Gräberschutt Zu neuen Daseins Glanz er auferweckt In seinem nord'schen Gartenparadies. Weit überflog durchs offene Portal Der Blick des lieblichsten Geländes Rund, Das zu des Hügels Fuß gebreitet lag. Da hielten wie in sel'ger Liebesglut Sich grünes Land und blauer See umarmt, Und wie ein Priester am Altar ergoß Die Sonne goldnen Segen auf das Paar. Der Wipfel lindes Rauschen und des Schilfs Geflüster, Vogelsang und Blütenduft, Am Horizont der blaue Waldesstreif, Die Purpurflocken hoch im Himmelszelt Und Feierstille rings — denn Sonntag war's: Welch Herz kann solchem Zauber widerstehn, Welch Sehnen in die Fremde schwiege nicht, Welch Wünschen steht nicht wonneschauernd still, Wenn solche Pracht sich in die Seele gießt? In Schauen so und Sinnen süß verträumt, Ward ich durch eine Sängerschar geweckt, Die Liederbrocken trällernd nahete — Ihr kennt ja lust'ger Sänger Weis' und Art. Sie traten ein, und schnell gefangen nahm Auch sie des Ortes Genius, und ihr Sang Erhub sich kunstgeübt und weihevoll — 'S war Uhlands Lied: Das ist der Tag des Herrn! Still lehnt' ich mich an die Urania, Und wundersam ward mir der Geist bewegt; Mir war, als töne memnon-gleich ihr Bild, Und holdes Lächeln schweb' um ihren Mund, Als denke sie an Pindars Festgesang. Seltsamer Widerspruch, der mich umgab! Wo prächtig in Pompejis Farbenglanz Die Wölbung strahlte, mich zum Parthenon Der Marmorbilder ew'ger Zauber trug, Da zog mir durch die Seel' ein deutsches Lied, Da weht' ein Hauch der Schwaben-Alp mich an. Und doch, wie löst es sich in Harmonie! Ein jeder Tag, der uns vom Staube hebt Empor in ew'ger Schönheit lichtes Reich, Der uns erschließt die Pforten höhern Seins, So oft der Geist sein Werkeltags-Gewand Abthut und rastet von der Erde Dienst: Das ist ein Tag des Herrn! Den feiern wir, Sei's unter Hellas' blühender Götterwelt, Sei's durch des deutschen Liedes Frömmigkeit, Und unvergeßbar lebt er fort in uns. Morgenwanderung Wie wallt sich's schön durch regenduft'ge Felder Im heitern Morgenlicht, Wo um die gelbe Au das Grün der Wälder Als voller Kranz sich flicht! Viel Tropfen leuchten in demantnen Farben Auf segenschwerem Stiel; Hold mischt sich in den heil'gen Ernst der Garben Der blauen Blumen Spiel. Unsichtbar aus des Halmenwalds Verstecke Die helle Sens' erklingt, Und unter dichtgewölbter Blätterdecke Das Vöglein Frühmeß singt. Die Pappel zittert träumerisch im Winde, Die Mühle rauscht am Fließ, Und alles klopft ans Herz und mahnet linde: O Menschenherz, genieß! Über Nacht Besorgte Mutterhände decken Das innre Walten der Natur, Von ihren Wundern, ihren Schrecken Gewährt sie leise Ahnung nur; Wer sah die Knospe sich erschließen? Wer weiß, wo sich der Sturm entfacht? Die Schleier, die das All umfließen, Sie lüften nur sich über Nacht. Gleich Wundern der Natur, entsteigen Geheimnisvoll der Menschenbrust Im bunten, wechselvollen Reigen Der tiefste Schmerz, die höchste Lust; Wer kennt ihr Kommen, wer ihr Gehen? Der Liebe Glück, der Dichtung Pracht, Des Todes letztes stilles Wehen: Sie alle kommen über Nacht. Wanderlust Das ist die alte Wanderlust, Die ungestillt sich reget Und mir das Herz in tiefster Brust So ungestüm beweget; — Die dem gefangnen Falken gleich Am Käfiggitter rüttelt Und zu dem Flug ins Sonnenreich Die Schwingen sehnlich schüttelt. O gönnt ins Freie mir den Lauf, O öffnet Thür und Riegel! Laßt mich die lichten Berg' hinauf, Bis zu dem letzten Hügel! Daß ich in Zügen voll und lang Des Himmels Odem trinke Und sel'gen Muts, erlöst vom Zwang, Ans Herz der Schöpfung sinke. Wenn kalt ein Herz sich von dir wendet Wenn kalt ein Herz sich von dir wendet, Das innig du und wahr geliebt, Und Trost, wie ihn das Mitleid spendet, Nicht Frieden deiner Seele giebt: Dann pflanz ein Kreuzlein an der Stätte, Die einst in Lieb' euch glücklich sah; Da weile oft in deinem Leide, Und der Verlorne ist dir nah! Du siehst, wie einst in frohen Stunden, Sein Auge klar, sein Auge licht, Und lauschest, wie verständnisinnig, Wie edel, liebevoll er spricht; Und sieh, das Glück, das dich verlassen, Um das du bitterlich geweint, Es lebt aufs neu' in deinem Herzen, Es hält aufs neue euch vereint. Doch triffst du auf des Lebens Straße Ein kaltes, fremdes Angesicht, Und trüg' es des Verlornen Züge, O glaube mir, er ist es nicht! Er starb dem Aug'; in deinem Herzen Lebt er als Friedensengel fort, Und treu wird er dich stets geleiten, Ein starker Schirm, ein starker Hort! Der feste Wille Du zagst, mein Herz, wenn in dem bunten Ringen Des Erdendaseins deine Freuden fliehn, Wenn sie, im Schwall von tausend Nebendingen, Genossen kaum, an dir vorüberziehn, Wenn dir das Glück, das hold sich zu dir neiget, Das sanft und lind die Schläfe dir umfacht, Sich unverhofft als unbeständig zeiget Und kalt sich von dir wendet über Nacht; — Du zagst, mein Herz, wenn dir die heiße Liebe Die trübsten, grellsten Schattenseiten weist, Wenn du im Sonnenstrahle edler Triebe Das Menschenherz siehst kalt und urbeeist; Wenn auf der Freundschaft heiligem Altare Das letzte Licht mit einem Hauch erlischt, Der Priester dort im glänzenden Talare Die letzte Thräne aus dem Auge wischt; — Du zagst, mein Herz, wenn dich verfehmt, verlassen, Das bloße Dasein an die Erde bannt. Auf! Lerne erst des Lebens Kern erfassen, Er schlummert in der Brust, von dir verkannt, Er zeigt sich dir in wechselnden Gestalten, Doch trägt er stets ein ernstes Würdenkleid, Und unterthan sind ihm der Welt Gewalten, Des Glückes Gunst und die Zufriedenheit. Der feste Wille ist's, der ewig hehre, Der alle Erdenleiden überstrahlt, Er ist der beste Schutz, die beste Wehre, Gen Leid, das dir das Leben trübe malt! Er ist der Stern, der ewig lichte, klare, In düstrer, schmerzensvoller Leidensnacht. O, daß sein Glanz sich rein und voll bewahre Dein ganzes Leben lang, hab acht, hab acht!! Gedanken-Begegnung „Schau doch, heute steht der Nachbar Schon so früh vor seiner Thür, Und aus seinem Antlitz leuchtet Neue Vaterfreud' herfür!“ — Und wir halten uns umschlungen, Lippe sich auf Lippe preßt, Und wir sehn uns in die Augen, Ach, so innig und so fest. — „Sag mir doch, mein Liebster, was du Dir soeben hast gedacht, Denn ich seh', daß aus dem Auge Sel'ge Herzenslust dir lacht!“ — „Ach, ich weiß nicht, was ich denke; Wird wohl nichts gewesen sein — Doch aus deinem Auge strahlet Ein so heller Widerschein! O gesteh, welch ein Gedanke Brachte diesen Schein hervor? Sag mir's doch, mein holdes Bräutchen, Sag mir's leise in das Ohr!“ — „Ich — es ist mir just entfallen, Ach, ich kann — ich weiß es nicht — Strahlen von der Morgensonne Fielen wohl auf mein Gesicht.“ — Und kein Laut hat es gesprochen, Was die Herzen sich gedacht, Und kein einzig liebes Wörtchen Hat es zu Gehör gebracht; — Aber eines wußt' vom andern Die Gedanken ganz genau: Liebe hat gar scharfe Augen, Liebe ist gar klug und schlau. Kuß und Thräne Willst du von der Liebe singen? — Laß das eitle Streben sein; Denn des Herzens Worte dringen Nicht auch in das Herz hinein. Einen Laut nur kennt die Liebe, Einen stummen heil'gen Gruß: Ja, des Herzens zarte Triebe Kündet nur der süße Kuß! — Willst du singen von den Leiden, Von dem innerlichen Schmerz? — Dieses mußt du wieder meiden; Machst nur leidender das Herz! Giebt ja nur ein einzig Zeichen Für die Leiden ohne Zahl: Nur die Thräne kann erweichen Alle Schmerzen, jede Qual! Vorsicht Damit im Himmel Frieden und ew'ge Ruh' bestehen, So werden alle Weiber als Männer auferstehen. Mein Lied Wie die Lerche witt! witt! Wie die Schwalbe quiwitt! Möcht' ich fliegen Und mich wiegen In den Lüften, Über Triften Weit, weit in ein schönres Land! Wie die Nachtigall singt, Wie so hell schlägt der Fink, Möcht' ich singen, Sollt' es klingen Auf den Feldern, In den Wäldern Weithin durch die ganze Welt. Wie der Aar auf dem Grat, Wohin steil führt der Pfad, Möcht' ich wohnen, Hoch dort thronen, Wie ein König, Hehr und mächtig, Unter mir die ganze Welt. Hab' nicht Flügel zum Flug, Nur im Herzen den Zug, Hoch zu fliegen, Mich zu wiegen, In den Fernen, Unter Sternen, In den Lüften ätherblau! An Tommaso Cannizaro in Messina Poetische Epistel Unter unserm nebelgrauen, Frostig feuchten Winterhimmel, Der nur selten Sonnenblicken Flüchtigen Besuch gestattet — War ich jüngst dahingewandelt Nach dem neuen Kindergarten, Einer Schöpfung schöner, reiner, Selbstlos wahrer Christgesinnung — Um an jüngster Menschheitblüte Zu erlaben, zu erheben Mein verdüstertes Gemüte Vor dem Mummenschanz und Markte Ungezählter Eitelkeiten Friedenloser großer Kinder, Die bergan den Stein nur wälzen, Daß er wieder abwärts rolle Und in seinem Sturz begrabe Ihre kaum gehäufte Habe, All die Früchte zarter Sorgen: Ihre Hoffnung für das Morgen. Solch ein Anblick froher Kinder Ist mir stets der Feste liebstes. Diesmal hat es mich erinnert An die zaubervollen Tage In Paganos Haus auf Capri, Jener reizend stillen Insel, Wo ich unter Fischerkindern Lebte halkyon'sche Stunden. Kinderaugen, Meer und Inseln, Wonnigliche Südenlüfte, Tempelruhe, würz'ge Düfte, Märchenlicht der blauen Grotte Und die vollen, reichen Laute Der geliebten Sprache Dantes — Alles war zu neuem Leben Mir erwacht mit alter Stärke In dem lust'gen Kindergarten, Und erfüllt von holden Bildern Kam ich heim in meine Kammer — Losgelöst vom Erdenjammer. Da begrüßt mich auf dem Schreibtisch Aus Italien eine Sendung: Ein paar Bändchen Poesieen, Die „In solitudine“ Du Überschrieben, Cannizaro, Du mein Bruder in Apollo, Wackerster der Sizilianer, Würdig Deines edlen Freundes, Des Poeten Lizio Bruno, Deines Kunst- und Kampfgenossen. Und zur Zweisamkeit sofort Ward „in solitudine“ mir; Denn Dein Wesen, guter Thomas, Tapfer, geistvoll, lebensmutig, Trat aus Deinem Werk lebendig Zu mir in die Wirklichkeiten, Und mit holder Wahlverwandtschaft Winkte mir aus jeder Zeile Deiner Lieder Geist des Südens, Schwelgend am Gemüt des Nordens. Ganz Dein eigen in der Dichtung Und ein Sohn der schönen Heimat, Bist Du doch vertraut Germanien Und der deutschen Laute kundig, Bist ein Dolmetsch unsrer Meister An dem Strande von Messina Und mir darum doppelt teuer, Heutzutage dreifach teuer, Da ringsum Barbarenhände Das Palladium bedräuen Deutscher Kunst, Kultur und Sitte, Da Mongolen und Sarmaten Plötzlich sich verbrüdern wollen, Unter eines Herostratus Führung Der Zerstörung Werk zu krönen! Lasse denn auf ein paar Wochen Deine „solitudo“ feiern Auf der prächtig stolzen Insel, Und vertraue Dich dem Dampfe, Daß er Dich herüber trage An die Donau, in die Weltstadt Zu dem „Capua der Geister“, Wo trotzdem und alledem noch Strebensmut'ge Männer wohnen Und auch herzenskund'ge Frauen, Welche Dichtung, sowie Dichter Gern empfangen und verstehen. Komm und laß Dir herzlich danken Für Dein Lied und jene Liebe, So Du deutschem Sang erwiesen. Menschlich schön soll's Dich gemahnen Deiner Heimat — in der Fremde. Solamen Man pflegt zumeist im Leben Nur sehr geringen Wert Dem alten Spruch zu geben, Der also uns gelehrt: Es diene den Elenden Zum Troste allezeit, Daß sie die Blicke wenden Auf andrer Menschen Leid. Ich selber hielt zu jenen, Die solchen Trost verlacht, Als mir noch keine Thränen Das Schicksal hatt' gebracht. Doch als ich, schwer getroffen, Ins Knie danieder sank, Ward Ohr und Herze offen Für jenes Trostes Klang. Da ward in voller Klarheit Erschlossen meinem Sinn, Welch wundertiefe Wahrheit Verborgen liegt darin: Vom Glücke mußt du scheiden, Willst du ein Tröster sein, Mußt selber Schmerzen leiden, Zu lindern fremde Pein! Wanderlied Ich schritt einst meines Weges hin In dunkler Winternacht, Da kam mir's plötzlich in den Sinn: Ob wohl dein Schatz noch wacht? Und aus den Wolken klar und licht Der Vollmond bricht hervor Und flüstert — glaubt es oder nicht! — Mir leise in das Ohr: Ich habe in ihr Kämmerlein Jetzt eben noch geblickt, Da hat sie mit dem Mondenschein Dir einen Gruß geschickt, — Ja, mir befohlen, nicht zu ruhn, Bis daß ich ihn bestellt — Als ob ich weiter nichts zu thun Hätt' auf der Gotteswelt. Nebeltag Wo bist du, Leuchte meines Pfades, Auge der Welt, voll Glanz und Lust? Wie düstere Schatten aus dem Hades, Beklemmen die Nebel meine Brust. Dort kommt es vom Berg, da aus den Wiesen, Bedächtig streift es Halm um Halm! Die Herbstzeitlose wird wuchern und sprießen, Und sättigen sich an Dunst und Qualm. Nun wehe dem armen Schmetterlinge, Der Blume, die noch am Raine blüht! Erlahmen muß die bewegliche Schwinge, Erbleichen, was gestern purpurn erglüht. Komm, Licht, und lasse den Falter schlürfen! Komm, Sonne, die Blume harret dein! — Was sterben muß, das soll sterben dürfen Auf Erden im warmen Sonnenschein. Winter Die weite Erde zeigt sich Verschämt im Armenkleid, Der Himmel aber neigt sich Zu ihr in Heimlichkeit. Er webt aus zarten Flöckchen Zu Häupten ihr den Flaum Und wiegt mit Schlittenglöckchen Sie in den Wintertraum. Nun wird sie bald vergessen Des Sommers heiße Mühn Und wie der Herbst vermessen Geschmeid' ihr nahm und Grün. Dicht wirbeln schon die Flocken, Und starrer wird die Ruh', Die Krähe fliegt erschrocken Dem Heim der Menschen zu. Die Jagd verstummt im Walde, Das Vögelein im Feld; Der Quell hat an der Halde Sein Plaudern eingestellt. So schläft sie nun im Eise — Ein ferner Schlitten klingt, Darauf ein Pärlein leise Von seinem Frühling singt. Wie der Falter entstand Blume mit freudigem Angesicht Blickte sehnend ins Sonnenlicht; Rief: O blendende Mutter du, Löse mich doch, dir flieg' ich zu! Glanz bist du und leuchtende Pracht, Ewiger Tag — ich fürchte die Nacht. Sonne hörte den Klagelaut, Hat voll Erbarmen hinabgeschaut; Sah der Blume verzehrende Qual, Sandte einen befreienden Strahl. Sonnenstrahl mit demantnem Licht Schoß herab — sie erzitterte nicht — Löste die Blüte vom dumpfen Kraut, Küßte sie innig, wie eine Braut, Küßte sie lang' — da taumelt, da hebt Die Blüte sich, erzittert und lebt; Gaukelt als Falter bei Sonnenschein In die leuchtende, blühende Welt hinein. Nachenfahrt Leicht auf den schaukelnden, gaukelnden Wellen Treibt uns der hurtig gleitende Kahn; Sieh, wie sie funkeln, die dunkeln Libellen, Magisch umschwärmen die glitzernde Bahn. Lachende Fluren! azuren der Himmel! Auf dem Gewässer ihr flimmerndes Bild! Drüben ein rankend und schwankend Gewimmel Blühender Nelken am Ufergefild! Nun aber düster Geflüster der Weiden, Ängstliche Kiebitzrufe im Rohr! Fährmann faltet und faltet die beiden Hände zu frommem Gebet empor. Denn wo die Wellen erschwellen und branden, Da ist der Gottesacker im Rhein: Tausend' umschlang er und zwang er, sie fanden Tief ihre Ruh' in Geröll und Gestein. Aus ist das Plaudern. Wir schaudern und sinnen; Über die Gräber gleitet der Kahn. Kannst du die Fluten zum Guten gewinnen, Schiffsmann, hast du Gelübde gethan? Auf dem Kirchhof Auf deinem Grabstein, den das Wetter trifft, O meine Mutter, bleicht nun schon die Schrift. Der Hügel sinkt — ich glaub', der dunkle Schrein Dort unten barst, dein müdes Herz sank ein. Der Rosenbusch will nicht mehr weiter blühn, Die Nelke krankt, es welkt des Epheus Grün. Mir ist, als hätte dich in tiefer Rast Im stillen Grab ein Kummer noch erfaßt, Ein schweres Leid, wie es so oft dich traf, Eh' du noch schlafen gingst den ew'gen Schlaf! Ach ja, ich weiß es, wie du dann geweint In stiller Nacht, gerungen und gemeint, Das wär' das Letzte! Kam der andre Tag, Dann sah ich: eine schwere Furche lag Auf deinem Antlitz; also grub der Gram Dir Furchen, bis die letzte Stunde kam. — Auf deinem Grabstein, den das Wetter trifft, O meine Mutter, bleicht nun schon die Schrift! Doch welche Furchen! — Diesem harten Stein Grub doch das Wetter keine Furchen ein? Da steht er so gebückt und ernst wie du! Ich aber weiß: du hast noch keine Ruh! Es geht ein Leid auf Erden, das dich traf Und dir gestört den tiefen Todesschlaf: Nun gräbt sich deinem stillen Leichenstein Die tiefe Furche deines Kummers ein! Mutter und Sohn Wie fühl' ich es mein Herz bewegen, So oft in stiller Frühlingsau Mir nahe kommt auf meinen Wegen Mit ihrem Söhnlein eine Frau. Das Weib spricht viel, noch Mehres träumend; Der Bub', in kindlich droll'gem Lauf, Bald vorwärts eilend und bald säumend, Blickt altklug zu der Mutter auf. Indessen so die beiden scherzen Mit Blick und Worten süß und traut, Wird selber mir im tiefsten Herzen Gar eine leise Ansprach' laut: „O die du so mit Wohlgefallen Auf deinem kleinen Liebling ruhst, Weißt du, wie deine Lose fallen, Und weißt du, Weib, auch, was du thust? Blick auf zur Hochgebenedeiten Und sieh, welch Schicksal dich bedroht: Wie oft schon war im Lauf der Zeiten Der Sohn schuld an der Mutter Tod!“ So denk' ich oft im Wehgefühle Und bete leise ein Gebet Für Eine, deren Ruhepfühle Schon lang' das Kirchhofgras umweht! Zur Warnung Die Eishauer riefen: „Wer kauft den Fluß? Wir führen gefesselt ihn durch die Gassen!“ Der Stromgott weinte: „O herbes Muß! Warum hab' ich Freier mich binden lassen!“ — Beglückt, wer hier im Bild ermißt, Welch hohes Gut die Freiheit ist! Am Karfreitag Sei du mein Lied, Erhabenster von allen, Die einsam je im Opferkampf gefallen Für eine Welt, die sie verriet! Wie Sphärenklang Noch tönet in Äonen, Klingt deine Botschaft fort in allen Zonen, Der Menschheit letzte Spur entlang. Du bliebst uns nah ... In deines Geistes Erben Kamst du noch oft zu kämpfen und zu sterben Auf aller Völker Golgatha. Sei du mein Lied! Du bist die That der Worte, Womit der Mensch erfüllt die heil'gen Orte, Die ich geliebt, dann zweifelnd mied. Mild und versöhnt, Ein Opfer rein vor allen, Bist du im Kampf mit Lug und Wahn gefallen Für eine Welt, die dich verhöhnt. Und dennoch stieg Dein Schatten immer wieder In neuem Fleisch und Bein zur Erde nieder Und rang in Qualen um den Sieg. Noch oft, o Gott, Kamst du in deinen Söhnen, Die Menschen an die Liebe zu gewöhnen Und zu entwaffnen Haß und Spott. Noch oft, noch oft! Und dennoch will's nicht tagen? ... Die Morgenröte kommt mit leisem Zagen; Sie bringt den Tag, den du erhofft! Sie ist getaucht In Ströme deines Blutes; Sie ist durchglüht vom Strahle deines Mutes, Vom Duft des Friedens mild umhaucht. Sie sei gegrüßt, Die neue wärmre Sonne, Die Worte tilgt und Lebenskraft und Wonne In aller Menschen Pulse gießt! Auf Golgatha Im grausen Todesdunkel Sahst du am fernen Himmel ihr Gefunkel Und hörtest ihr Hallelujah! Sei du der Priester deiner selbst! Sei du der Priester deiner selbst, Sprich selbst mit deinem „Ebenbilde“! Kannst du es nicht, so kann es, traun, Auch keiner von der Hirtengilde! Sei du der Priester deiner selbst Und eigner Hüter deiner Seele! Im Herzen wohnt ein Richter dir, Der weiß um alle deine Fehle. Sei du der Priester deiner selbst, Wasch' büßend rein dich von Gebrechen; Was auch ein andrer dir verheißt — Dein eigen Herz muß frei dich sprechen! Sei du der Priester deiner selbst, Auch auf des Sterbelagers Kissen; Des Todes bange Nebel scheucht Dir nur ein lächelndes Gewissen. Der Muttersprache Sinndurchwoben, kraftdurchdrungen, Aus dem Schoße dunkler Tage Rauschet auf in vollen Zungen Meines Volks gewalt'ge Sprache. Ehern, wie der Schilde Tönen, Lieblich, wie des Haines Sang — Allem Starken, allem Schönen Leiht sie ihres Goldes Klang. Hörest du des Zornes Grollen Aus der Schwerter wucht'gen Streichen? Hörest du des Donners Rollen Und die Windsbraut in den Eichen, Und des Freiheitsstromes Rauschen, Und der Treue heil'gen Sang? — Stolzen Blickes magst du lauschen Deiner Sprache Wunderklang! Hörst im schwertdurchklirrten Gaue Singen du von Lieb' und Leide? Hörst du's beten auf der „Aue“, Klingen auf der „Vogelweide“? Hörst vom „Eschenbach“ du rauschen Das gewaltig-tiefe Wort? — Nicht um Indiens Perlen tauschen Möcht' ich solchen Liederhort! Hörest du des Geistes Rufen Aus des Mönches kühner Seele? Furchtlos vor geweihten Stufen Kündet er der Zeit Befehle; Daß im Priester-Heiligtume Kreischend hell der Vorhang reißt Und zu seines Landes Ruhme Jauchzt der auferstandne Geist! Steigt herauf, ihr großen Toten, Aus den engen, dunkeln Betten, Ihr, von Ulfila dem Goten Bis zum Schenk von Winterstetten! Gießet aus von heil'ger Stelle Deutscher Laute eine Flut, Daß des Wohlklangs goldne Welle Läutre das entdeutschte Blut! Sinndurchwoben, kraftdurchdrungen Rausche fort durch alle Tage, Durch das Lispeln fremder Zungen, Alte heil'ge Muttersprache! Blumen bring' und Liedesehre Allen Fraun mariengleich, Und trotz Kön'gen siegreich mehre Das zukünft'ge deutsche Reich! Dem Rhein! Ein „Großer“ wandelt nie allein ... So fließt ein Strom auch mit dem Rhein Vom Münster bis zum Dome: An beiden Ufern wogt entlang Mit lebensprudelndem Gesang Der Wein in goldnem Strome. Ein „Goldner“ wandelt nie allein ... So fließt ein Strom auch mit dem Wein Vom Berge hin zu Thale: Es fließt mit ihm in jede Brust So holder Wahn, so reiche Lust, Wie einst aus Hebes Schale. Die Lust, sie wandelt nie allein ... Gleich sind die Lust'gen hinterdrein, Vorauf die gecken Kölner! Der Strom verschlingt im Karneval Die Frommen und die Freien all', Die Sünder und die Zöllner. Besungen haben dich, o Rhein, Viel trunkne Sänger, groß und klein, Als „alten“, „heil'gen Vater“ ... Der Leier willenloser Spott Macht nimmer alt dich jungen Gott, Dich Weltkind nicht zum Pater. Die „Pfaffenstraße“ schiert dich nicht, Hell ist und bleibt dein Angesicht, Du einzig Duldungsvoller! Und schelmisch übt dein gastlich Haus Die „Parität“ am Zahltisch aus Für Kutte, wie für Koller. Der gleiche Preis — das gleiche Recht! Rein ist die Luft von „Herr“ und „Knecht“, Wo deine Geister schweben. Die Welle blinkt, der Becher schäumt, Der Fels ergrünt, der Zecher träumt Von Frühlings ew'gem Leben ... Der goldnen Fülle deiner Lust Bist du dir selber nicht bewußt, Weil lauter deine Güte. Wie hell und frei, wie froh und rein Lacht deine Jugend, lacht der Wein Aus deiner Rebenblüte! So wallt, o Großer, deine Flut Mit deiner Trauben Wunderglut Zum Hafen aller Herzen. Dich grüße, was da lebt und liebt, Was Wonne sucht und Wonne giebt, Dich Todfeind aller Schmerzen! Einem Romantiker Wie, du klagst, daß jenes Schloß gefallen, Daß verödet seine Kampfeshallen Und die Eule in den Trümmern wohnt? Daß der Harfe goldne Saiten sprangen Und die Lieblichen dahingegangen, Die den Sieger mit dem Kranz belohnt? Klage nicht! Noch manches ist gestorben, Manches „Recht“, das sich dies Schloß erworben Auf der Arbeit schweißbedeckten Lohn. Was die Zeit gegeben, nahm sie wieder; Aus den Wolken fuhr ein Blitz hernieder: Der Leibeigne ward zum Menschensohn! Hoch da droben — eh'mals stolze Zimmer Voller Reichtum, voller Freudenschimmer, Voller Schönheit, Liebe, Heldenmut! Aber unten! — Blicke nicht zu Thale! — Unten Kreuz und blut'ge Nägelmale Und ein erblos Volk auf eignem Gut. Jene Mauern, jene stolzen Zimmer, Jener Reichtum, jener Freudenschimmer, — Ha, du fragst nicht, wer das aufgebaut? Die da unten, die im Schmutz verendet, Haben es gestiftet und vollendet; Die da droben ... haben zugeschaut! „Edle“ Männer, „Helden“ die da droben! Nicht genug kann sie die Nachwelt loben, Wie sie prangen in dem Eisenkleid. Aber — wie sie peitschen ihre Knechte, Wie sie morden ew'ge Menschenrechte, — „Davon schweigt des Sängers Höflichkeit!“ Und du klagst, daß jene Zeit vergangen, Wo der Minne süße Lieder klangen Und der „Held“ die „Jungfrau“ sich „erkämpft“? Freund, mit jener Lieder holden Tönen Drang empor der Unterjochten Stöhnen, Und die Waffe hat den Geist gedämpft! An die Freiheit Im Hinblick auf des Renegaten Ollivier „liberale“ Thätigkeit unter Louis Napoleon Bonaparte Wohl bebt mir's im Herzen, wohl zuckt mir's im Arm, Wohl rötet die fliegende Scham Das Antlitz mir vor dem gleißenden Schwarm, Der dich zur Buhlerin nahm! Der dir mit dem Tand für ein sinnliches Haupt Die züchtige Stirne geschändet Und heimlich indes mit frevelnder Hand Dir deine Perlen entwendet. Wohl flammt mir ein Haß durch Mark und Gebein, Der jegliche Milde verzehrt, Wenn liebend ich denk', o Herrliche, dein Und wie sie dich schmeichelnd entehrt — Sie, jene Verlebten, die nie gewußt Von männlicher Herzen Lieben, Die dich geliebt auf bübische Art, Kurzweil mit dir getrieben! Und doch — gedenkend des höheren Ziels, Das über den Wandlungen schwebt — Wie spott' ich jenes kindischen Spiels, Das eine Welle begräbt! Ja, eine Welle des grollenden Stroms, Der durch die Jahrtausende schäumet Und auf die Gefilde den Segen gießt, Von dem die Weisen geträumet. Wie sicher sich wähne im Ackerloch Der Mäuse diebische Brut — Der wallende Tod ereilet sie doch, Es erstickt sie die brausende Flut! Und über den alten Bauen der List Beginnt es fröhlich zu sprossen: Auf grünt der völkerernährende Halm, Von des Lenzes Strahlen umflossen ... So laß sie spielen und flunkern denn, O Heilige, mit deinem Bild! — Die Buben ersticken wie Mäuse, wenn Der Strom zum Meere schwillt. Laß Dämme sie bauen der steigenden Flut, Die Ufer bepflanzen mit Ruten — — Zu wild ist der Strom, zu schäumend das Blut Der Erschlagnen in seinen Fluten! Auf Theodor Körners Grab Hier, Jugend Deutschlands, ist ein Platz zum Beten, Geheiligt ist der Staub — hier sinke nieder! Hier ruht ein Jüngling, edel, stark und bieder: Es that sein Arm, was seine Lippen flehten. Mit Schwertesstreich fürs Vaterland zu beten, O lern es hier an diesem Grabe wieder! Hier schläft die Harfe jener Sturmeslieder, Die einst des Korsen Adler niederwehten. Hier lerne trau'n auf deutsche Kraft und Treue, Daß du mit stolzem Angesicht aufs neue Darfst an des Sängers Schlummerhügel treten Und mahnen darfst die kommenden Geschlechter: Hier schläft der Freiheit Sänger und Verfechter, Hier, Jugend Deutschlands, ist dein Platz zum Beten! Dort an den drei Eichen Dort an den drei Eichen am Bergeshang, Da seh' ich im Traume mich stehen; Ich spähe hinunter, ich lausche so bang, O möchte sie endlich mich sehen! Es flüstern die Wipfel von seliger Zeit, Von Rosen und Kosen, von Sehnen und Leid Hier an den drei Eichen am Berge. Still raunt es und traut manch liebliches Wort Aus fröhlich grünenden Zweigen: Hier einst, vor Jahren, an diesem Ort Gab sie sich mir zu eigen. Als Kind schon war sie gewogen mir — Wir suchten uns immer, wir fanden uns hier, Hier an den drei Eichen am Berge. Hier blühte mein Leben, hier blühte es aus — So wollten's die ewigen Sterne — Der Kampf ums Brot, er trieb mich hinaus In die schicksalsdunkele Ferne. Mit tausend Schwüren zog ich fort — Hier gaben wir uns das letzte Wort, Hier an den drei Eichen am Berge. Nun kehr' ich wieder — nach manchem Jahr, Seit wir hier oben gesessen. Es ist wohl nimmer, wie es war: Sie hat mich längst vergessen ... Ein fremdes Geflüster treibt jach mich davon — Wie leer ist, ihr Zweige, wie kalt euer Ton Heut' in den drei Eichen am Berge! Wiedersehen Vor langer Trennung hatt' ich Vergessen dich beinah', Ein Schmerz hat mich ergriffen, Da ich dich wiedersah. Du lächeltest mir entgegen Wie in vergangner Zeit, Doch klang aus deiner Stimme Ein langverhaltnes Leid. Es lag auf deinen Wangen Wie bleicher Rosen Schein; Es klagt' aus deinen Augen Wie stille Thränenpein. Lang' hab' ich mich gefraget, Warum dein Lenz erblich, Warum von deinen Wangen Das blüh'nde Leben wich. Nun frag' ich heut' dich selber, Was ich mir oft verneint: Ob's wahr, daß du so lange Um mich, um mich geweint? Am Allerseelentag Ging' ich jetzt mit euch unter jene Linden, Wo, wie ihr glaubt, mein Gatte still vermodert, Aus seinem Auge bräch' ein herber Strahl, Mich fragend: Ist dein Feuer schon verlodert, Daß du dem Brauche fröhnst, im Jahr ein Mal Mit der Vergangenheit dich abzufinden? ... O geht, ihr wollt den letzten Trost mir rauben! Was sagt das Grab, was sagt der Haufen Erde? Daß er dahin und es ein Ende giebt! ... Seht, wie er winkt mit lächelnder Gebärde! Er ist nicht tot, so lang' mein Herz ihn liebt; Es giebt kein Ende, und ich will's nicht glauben! Meeresleuchten Die Sonne geht — ein Flammenball — zu Rüste, Dann legt sich Dunkel übers weite Meer; Ich wandle sinnend einsam an der Küste, Und Wogenlieder rauschen um mich her. Das sind Gesänge aus uralten Tagen, Voll tiefen Wehs, voll himmelhoher Lust, Und was die Lieder singen mir und sagen, Das füllt mit mächt'gem Sehnen meine Brust. Ein Sehnen füllt sie, in die Flut zu steigen, In jene Flut, geheimnisvoll und tief, In deren dunklen Schoß zum frohen Reigen Des Meeres Maid oft den Erkornen rief. Sie schmückte ihn mit bleichen Wasserrosen Und flocht ihm grüne Algen um das Haupt, Doch haben ihre Küsse, hat ihr Kosen Die warme Menschenseele ihm geraubt. Die Menschenseele, deren heil'ge Gluten Einst loderten in majestät'scher Pracht, Erlosch dort unten in den kalten Fluten, Tief in des Meergrunds ewig feuchter Nacht. Erlosch? O nein! Es mühte sich vergebens Das Element um der Vernichtung Preis, Und durch die Wogen glühen noch des Lebens Zersprengte Strahlen weiter, hell und heiß. Und abends, wenn die Sonn' ins Meer gesunken, Wenn tiefes Dunkel lagert in der Rund', Dann sprühen aus den Wassern all' die Funken Und leuchten auf aus dunklem Meeresgrund. Sie sprühen aus dem Wasserreich, dem feuchten, Die weißen Wogenkämme hell entlang — Ach, Grüße sind's, die aus dem Meere leuchten, Die Grüße derer, die das Meer verschlang! Die Blume Poesie Tief in des Herzens Heiligtume, Auf einem Grund von lautrem Gold, Erblüht mir eine Wunderblume, Das wahre Blümchen Wunderhold. Der Kelch der Blume sind Rubinen, Die Blätter sind Smaragdgestein; Die Hoffnung muß als Tau ihr dienen, Die Liebe ist ihr Sonnenschein. Die Blume blüht in ew'ger Schöne, Und sie verdorrt und welket nie; Sie sprühet Glanz und duftet Töne — Die Blume ist die Poesie. Wenn ich den Kelch nur leis berühre, Entsteht ein Klingen, süß und rein; Das läutet lieblich aus der Thüre Des Herzens in die Welt hinein. Wer auf des Lebens dunklen Wegen Der Blume süßen Klang vernimmt, Der fühlet selbst im Herzen regen Ein Klingen, jenem gleichgestimmt. Die dunklen Wege, die er gehet, Ein mildes Himmelslicht erhellt, Und seine Stirn ein Hauch umwehet, Wie Odem aus 'ner andren Welt. Ihn fliehn die niedren Erdensorgen, Von seiner Seele fällt der Bann, Und strahlend bricht der Schönheit Morgen Vor seinen trunknen Augen an. Die Zweifel, die ihn sonst durchglühet, Sie lösen sich in Harmonie, Und in der eignen Brust erblühet Ihm selbst — die Blume Poesie. Ein Lied vom Haß Von Liebe singt man Jahr um Jahr, Von Liebe ohne Unterlaß, Von Lieb' und Frühling immerdar. — So laßt mich singen denn vom Haß! Die Liebe ist ein Mägdlein zart, Mit Blütenkranz und leicht geschürzt; Der Haß ein Ritter edler Art, Der kühn sich auf die Feinde stürzt, Der kämpfend für das gute Recht, Für Wahrheit, Freiheit, Pflicht und Licht, Genüber allem, was da schlecht Und dunkel ist, die Lanze bricht. Das ist ein Mann der Ehrlichkeit, In dem kein Falsch zu finden ist, Der überall und allezeit Mit gleichem, richt'gem Maße mißt. Der nie den richt'gen Pfad verläßt Und falsches Wort nicht leiden kann — Und halt' an solchem Hasse fest Ein jeder richt'ge deutsche Mann! Der Mensch ist seines Glückes Schmied Du Mensch bist deines Glückes Schmied. Nimm nur den rechten Hammer mit, Um an des Lebens sprödem Eisen Des Armes Kräfte zu beweisen. Der rechte, starke Hammer heißt: Ein fester Wille, starker Geist. Das ist der Hammer, den dir gab Der Herrgott, brauch ihn bis ins Grab. Der Teufel selbst ficht den nicht an, Der auf sich selbst vertrauen kann, Der, kalt im Kopf, im Herzen warm, Sein Eisen schlägt mit festem Arm. Trost im Leid Auf Regen folget Sonnenschein, Auf Stürme Zephyrfächeln, Und helle Lust auf Not und Pein, Auf Thränen — sel'ges Lächeln. Drum mögst du nachts beim Wettersturm Zu sehn die Sonne wähnen Und, nagt am Herzen dir ein Wurm, Still lächeln unter Thränen! Die Kunst Die Kunst, die holde Tochter der Kamönen, Vermag in Formen, Farben, Reimen, Tönen Zu Sitt' und Zucht den Roh'sten zu gewöhnen, Des Lebens Widersprüche zu versöhnen, Was hoch und herrlich ist, noch zu verschönen, Und trotz der Welt Verfolgen und Verhöhnen Mit Himmelskränzen Irdisches zu krönen. An den Rhein O Vater Rhein mit deinen blauen Wellen, Wie macht dein Rauschen stark mein Herz und froh! Bei deinem Blicke, flammt, dem silberhellen, Vor Freude meine Seele lichterloh! Wohin nur soll ich schweifen, soll ich wandern? Durchzög' ich auch die Welt ohn' Rast und Ruh', Doch fände keinen Strom ich, keinen andern, Der mir zum Herzen spräche so wie du! Laß seine Lorbeerkrone nur dem Tiber, Dem Rhodanus des Ölzweigs Silberglanz; Dein Schmuck, o hehrer Vater, ist mir lieber, Denn du, du trägst den vollen Rebenkranz. Mit Eichenlaub, das einst gekrönt die Ahnen, Als sie besiegt das königliche Rom, Umflichtst die Schultern du, Hort der Germanen; So walle hin, du stolzer, deutscher Strom! Todesahnung Der heitre Morgen ist vorüber, Die stolze Mittagssonne sank, Jetzt kommt der Abend, trüb und trüber, Und höher steigt die Wolkenbank. Wie dehnt vor mir die Haidestrecke Sich endlos aus! Es gleicht der Rest, Der letzte, dieser Pflanzendecke Den Kränzen, welkgetanzt beim Fest. Ein feuchter Wind streicht durch den Ginster, An dem kein goldnes Knöspchen flammt; Die runden Hügel schwellen finster, Wie'n Katafalk, gedeckt mit Samt. Kein Lichtchen lockt aus ferner Hütte Und lädt zum Herd ein, warm und hell; Nicht hör' ich eines Wandrers Schritte, Nicht eines Wächterhunds Gebell. Im Dunkeln ist mein Pfad verborgen, Doch fühl' ich wohl, es geht hinab; Weh! diese Nacht hat keinen Morgen, Kein Ziel der Weg, als wie das Grab! Beim brennenden Baum Zum brennenden Baum, den das Wetter zerschlug, Kam's hingeflogen mit Geisterflug, Und Schattenstimmen klangen im Kreis Und flüsterten durch die Flammen leis. Hier war's — so hört' ich die erste sagen — Hier war mein Heim; nun ist es zerschlagen! Ich war ein Eidschwur; hier ward ich gesprochen Im Lenz, und im Herbst schon war ich gebrochen! Die zweite sprach: Er gehörte mir! Als böses Gewissen haust' ich hier! Aus Blättern rauschte ich raschelnd nieder; Es floh ein Verbrecher und kam nicht wieder! Dann sprach die dritte mit leisem Klagen: Hier bin ich entstanden in schönen Tagen; Ich war ein lachendes Jugendglück; Nun komm' ich leider zu spät zurück! So sprachen die Schattenstimmen zusammen; Am Boden zerknisterten leis die Flammen. Wer weiß noch, von wem die Stimmen sind? Ein Häufchen Asche, zerstäubt im Wind. Ein verlornes Kind Ein Kind, das im Menschengewühl der Stadt Einst Vater und Mutter verloren hat, Erst schrie es; dann gab ihm das Mitleid zu essen; Dann hat es ganz still das Vergangne vergessen. Nun bettelt es einsam seit vielen Jahren; Nur einmal sah's, im Vorüberfahren, Sein hohes, leuchtendes Elternpaar, Das im Augenblick wieder verschwunden war: So durchbricht mit strahlender Herrlichkeit Ein sonniger Traum aus anderer Zeit Manchmal das umdüsterte Menschenleben Und bringt dir Verheißung und will dich erheben. Dann streifen mit goldenem Flügel dich Boten Ersehnten Glückes und seliger Toten; Und wenn sie wieder verschwunden sind, Ist's Abend um dich, und du weinst wie ein Kind! Der Rhein Wer je am Rhein gewesen Und muß dann ferne ziehn, Den läßt nie mehr genesen Die Sehnsucht nach ihm hin; Und wo er auch mag säumen: In süßen, sel'gen Träumen Trägt sie zum Rhein das Herz ihm fort, Als läg' die Heimat dort! Doch wer am Rhein geboren, Der sagt es treu und laut: Ich bleib' ihm zugeschworen, Wie einer teuern Braut; Es mögen ziehn und wandern Aus aller Welt die andern; Ich bleib', wo's keine Sehnsucht giebt, Die eine andre Heimat liebt! Der Lenz Schlaftrunken schaut vom Blütenbaume Der Lenz verwundert in die Welt; Es ist ihm just als wie im Traume, So schlecht ist alles noch bestellt. Und sinnend schüttelt er die Locken, Da regen sich in Feld und Hain, Zu sammeln flink die Blütenflocken, Die Blumen alle, groß und klein. Ein glühend Rot nimmt sich die Rose, Das Weidenkätzchen greift nach Grau; Das Veilchen, tief versteckt im Moose, Erkürt sich ein bescheidnes Blau. Die Tulpe macht, die eitle, tolle, Mit Rot und bald mit Gelb sich breit, Die Lilie, die unschuldvolle, Wählt sich ein schlichtes weißes Kleid. So streut er all' die bunten Farben Mit milder Hand freigebig aus, Und muß er schließlich selbst auch darben, So macht er sich doch wenig draus. Er freut sich, alles zu verschenken, Bis auf sein grünes Werktagskleid, Drin will er sich gemach bedenken, Auf goldne Frucht zur Herbsteszeit. Dornröschen Dornröschen sitzt am Waldessaum Und strählt die braunen Locken, Der Nordwind pfeift durch Busch und Baum; Dornröschen lauscht erschrocken. Das zieht so kalt durch Herz und Sinn, Wie dumpfe Grabeslieder, Bang sinnend starrt es vor sich hin, Das Kinn gesenkt aufs Mieder: „Wie öd' der Wald und liebeleer! Kein Bienchen kommt zu nippen, Und auch kein bunter Falter mehr, Zu küssen meine Lippen! Dahin sind Jubel und Gesang, Fort all' die muntren Gäste!“ Dornröschen seufzt und blickt gar bang Auf die entlaubten Äste. Und fröstelnd hüllt es tief sich ein, Schließt müd' die Augenlider: „O Lenz voll Lieb' und Sonnenschein, O Lenz, wann kehrst du wieder?“ Auf dem Friedhof Der Friedhof lag im Abend-Dämmerschein; Ein heimlich Flüstern ging durch die Cypressen, Ich saß gedankenvoll auf moos'gem Stein Und hatte rings um mich die Welt vergessen. Nicht fern von mir bemühte sich ein Kind, Ein Knabe war's, mit thränenfeuchten Blicken, Das Lockenhaar umspielt vom Abendwind, Mit Blumen frisch der Mutter Grab zu schmücken. Und wie es bat und was es fromm begehrt, Zu mir herüber leise schluchzend drang es: 's war das Gebet, das sie mich einst gelehrt, Die Mutter mein, in Tagen süßen Klanges. — Da zog's wie Wehmut tief ins Herz mir ein, Als ob die Teure selbst zu mir geredet, — Und scheidend hab' ich für die Mutter mein Nach Jahren wieder kindlich fromm gebetet. Tauwetter Von Westen weht der Wind — Lau und lind. Wie es sickert und rinnt Die Berge herunter Froh und munter, Geschwind, geschwind! Unter dem Schnee hervor Durch ein kleines Thor, Das sie selbst sich gemacht In der stürmischen Nacht, Stürzen die Wässer — Wer springt wohl besser? — Von Stein zu Stein, Um bald unten zu sein In dem weiten Thal, Viel hundert an Zahl. Ihr murmelt und schwätzt — So sagt mir doch jetzt: Wer seid ihr, was wollt ihr? Wer schickt euch, was sollt ihr? Ich hör's mit Entzücken: Lenz will uns beglücken; Er nahet wohl bald Mit Allgewalt. Vorläufer ernannte In euch er und sandte Zu uns sie voraus. Von Haus zu Haus Macht nun die Runde Die frohe Kunde, Und Freude und Lust Schwellt hoch uns die Brust. Willkommen, ihr Boten Des Frühlings, willkommen! Bald wird nun genommen Die Macht dem Despoten, Dem Winter, dem toten, Und Leben und Glück Kehren zurück. Die Schneegefilde Taut fort der milde, Der liebliche Sonnenschein, Und der Himmel wird blau Und blumig die Au, Und grün wird der Hain, Und fröhliche Lieder Erschallen wieder Im Wald, auf der Flur. Die ganze Natur Verjüngt sich, erwacht Aus der Todesnacht. So rinnt nur, rinnt, Ihr Riesel, geschwind Die Berge herunter, Froh und munter! Schneeglöckchen An verborgener Stelle im Nadelwald, Wenn kaum der Schnee geschmolzen, alsbald Ein leises Klingen und Läuten erschallt, Das ungehört zumeist verhallt. Nur wer die Städte und Dörfer flieht, Wen die Sonne lockt und ins Freie zieht, Wem eigen ein tief und sinnig Gemüt, Im Walde draußen die Glöcklein sieht. Und nur wer hoch die Natur verehrt, Wer gern sich aus ihrem Walten belehrt, Wem schlechte Neigung den Sinn nicht bethört, Das Klingen und Läuten der Glöckchen hört. Schneeglöckchen läutet den Frühling ein: Es wird zwar noch manchmal frieren und schnein; Doch bald wird lieblicher Sonnenschein Im ganzem Lande Gebieter sein. Stare Mit dem linden, lauen Weste kam auch eine schwarze Schar, Doch mit trefflichem Atteste: nicht der Priester, nein — der Star. Das sind gern geseh'ne Gäste beim verständ'gen Bauersmann; Wie zu einem hohen Feste kommen sie im Dorfe an. Aufgebaut schon die Paläste für das kleine, schwarze Heer — Jedem Paare eine Meste in den Gärten rings umher. Die wird bald zum trauten Neste von ihm eingerichtet sein; Im etwa vorhandnen Reste nisten sich die Spatzen ein. Ja, der Bauer meint's aufs beste; thut doch nun das Eure auch! Säubert, Stare, alle Äste von den Raupen, jeden Strauch! Seid beim Mahl auch nicht modeste! Freßt, so viel ihr fressen könnt! Was den Raupen ein Gebreste, jeder Bauer Segen nennt. Die Drossel Die Drossel pfeift ihr Abendlied Im stillen, heil'gen Wald, Weithin durch grünes Baumgebiet Die helle Stimme schallt. Ich liebe, Drossel, so wie du, Den stillen, heil'gen Wald, Die feierliche Waldesruh, Im Wald den Aufenthalt. Drum preis' ich, Drossel, gern mit dir Den stillen, heil'gen Wald, Weithin durch grünes Forstrevier Mein frohes Lied erschallt. Wie ist es doch so wunderschön Im stillen, heil'gen Wald, Zumal wenn er auf Bergeshöhn Sich breitet, hoch und alt! Wenn über Kämme weg sich dehnt Der stille, heil'ge Wald; Wo bald die tiefe Bergschlucht gähnt, Und bald der Felsenspalt. Es rauscht, sowie am Strand das Meer, Der stille, heil'ge Wald; Bald kommt es von den Blättern her Und von dem Wildbach bald. Wie herrlich reiht sich Baum an Baum Im stillen, heil'gen Wald! Die Säulen sind's im Tempelraum, Schlank, prächtig von Gestalt. Auch fehlt es nicht an Weihrauchsduft Im stillen, heil'gen Wald; Erquickend kühl die Abendluft, Der Morgen frisch und kalt. Frisch wird der Sinn, das Herz wird weit Im stillen, heil'gen Wald; Es stirbt der Gram in kurzer Zeit, Die Sorge wird nicht alt. So sing' ich, Drossel, gern mit dir Vom stillen, heil'gen Wald; Im weiten, grünen Forstrevier Laut unsre Stinme schallt. So froh! Die Lerche singt, steigt himmelan — Was singt die Lerche so? Von neuem bricht der Frühling an — Wie ist die Lerche froh! Schneeglöcklein guckt hervor und blüht — Was blüht Schneeglöcklein so? Sein Blühen ist ein Frühlingslied — Wie ist Schneeglöcklein froh! Der Lerche Lied, des Blümleins Duft — Was locken sie mich so? Ich atme wieder Frühlingsluft — Wie bin auch ich so froh! Waldbach Schon lange horch' ich lächelnd deinem Schwätzen! Von meiner Muße doch zu profitieren, Will ich dein Sanskritrauschen hier studieren, Du kleiner Bach, ins Deutsch dich übersetzen. Du plauderst mir mit kindischem Ergötzen Von deiner Waldeswiege Lustrevieren, Vom kecken Scherz mit Blumen und mit Tieren, Die sich an deiner frischen Welle letzen. Freust deiner Freiheit dich von Zwang und Bann Und springst thalabwärts rauschend mir voran, Vergnügt in deinem stillen Waldesraum. O halt ihn fest, den holden Jugendtraum! Bald wird der Lauf dir in der Fläche schwer, Im Fluß verloren, wallst du stumm ins Meer! Petrarca und Rückert Hab' ich, Petrarca, dich so lang' gepriesen, Will ich fortan, mein Rückert, dich nun preisen, Der Jüngste du von allen alten Weisen, Der mir so mild den rechten Weg gewiesen. Wie einst ich jenen pries, heut' preis' ich diesen, Wie jener jung mich lehrte Liebesweisen, Lehrt dieser Gottesweisheit nun dem Greisen; Sei jeder denn zu seiner Zeit gepriesen! Und soll ich preisen nicht sie alle beide? Bin ich noch jung genug für Liebesleide, Alt für der Gottesweisheit hehre Freude. So hegt mein Herze beide euch vereint, Wird keiner durch den andern doch verneint, Weil Lieb' und Gottesweisheit Eins erscheint! Medusa Im Dämmerscheine locken Zaubertöne Zum Meeresstrand! Auf schroffem Felsgesteine Sitzt eine Jungfrau einsam und alleine, Von sinnbestrickend wunderbarer Schöne. Bald klagt sie sanft, bald klingt, als ob sie höhne, Ihr wilder Sang, dann, ach! als ob sie weine, Und jedem scheint sie die geliebte Seine: Medusa — Gretchen — Lorelei — Sirene! „Flieh, Jüngling, flieh! Trau nicht der süßen Lippe, Dein Nachen scheitert an der glatten Klippe, Schau, in den Wogen wälzen sich Gerippe!“ — Sie ist zu schön! Er muß sie heiß umfangen — Eiskalt ihr Kuß! Hu! Das sind Totenwangen, Ihr Blick versteint, die Locken werden Schlangen — — So starrt die Sünde — wenn du sie begangen! Form und Inhalt Form oder Inhalt? Das ist doch die Frage! Soll eines mangelhafter sein von beiden, So mag die Form an Unvollendung leiden, Nur daß sie rein und voll den Inhalt trage. Wenn ich an einem heißen Sommertage In hohler Hand den Felsenquell mir fasse, Ha, welch ein Trunk! Ob ich beim frischen Nasse Wohl jemals nach dem schönen Becher frage? Verachten werd' ich wahrlich nicht beim Mahle Den Götterwein in goldenem Pokale, Doch ist und bleibt Hauptsache mir der Trank. Nur satte Zecher haben Zeit zu prahlen Mit Goldgefäßen und kristallnen Schalen, Der Durst'ge sagt nur für den Trank dir Dank! An meinen alten Flügel I. Sie schalten dich, du altes Instrument, Und hast mich doch so innig oft entzückt, Hoch über Erdenräume mich entrückt Zu sel'ger Sphären ew'gem Firmament! Ja was kein Wort der Erdensprache nennt, Kein Ohr gehört, kein Auge je erblickt, Was Menschenweisheit nimmer ausgedrückt, Du sprachst es aus, was dort in Sternen brennt. Ein Flügel wahrlich, hast du mich getragen, Das höchste Jauchzen und das tiefste Klagen In deiner Saiten Klängen angeschlagen. Nun bist du alt — ich ward es ja mit dir, Die Töne stocken mählich dort und hier — Den Schwanensang, du Alter, singen wir! II. Ja, wir sind alt! Was hilft es, drum zu streiten! Das Neue zieht die jungen Herzen an, Ein alter Mann ist ein vergess'ner Mann, Hinab mit ihm zu den Vergangenheiten! Du schmiegtest dich dem Sang, ihn zu begleiten, Mit sanftem Klang bescheiden lieblich an, Jetzt macht sich jeder breit, so viel er kann, Und paukt und donnert greulich vor den Leuten. Wir wußten beide nicht uns vorzudrängen, Zufrieden, wenn an unsres Herzens Klängen Sich gleichgestimmte Seelen still erbauten. Was ew'ge Mächte gnädig uns vertrauten An Himmelsgaben, streuten treu wir aus, Und stiller Dank begleitet uns nach Haus! Der fröhliche Geselle Noch ruht die Welt im Bann der Nacht, Da steigt er von den Bergen sacht, Der fröhliche Geselle; Sein Auge blitzet helle. Sein Hauch berührt die Wälder kaum, Da geht ein Flüstern durch den Raum, Und in den Thälern allen Die Schatten ziehn und wallen. Und wie er schreitet königlich, Erhebt die goldne Sonne sich Und breitet ihm zu Füßen Den Teppich aus mit Grüßen. Und weiter geht sein Siegeslauf, Die Vöglein alle weckt er auf, Er rüttelt an den Zweigen, Die Lerche heißt er steigen. Und wo ein See im Traum noch ruht, Taucht er hinab in seine Flut, Und um ihn goldig helle Erglänzen Wog' und Welle. Dann zu den Blumen minniglich Mit holdem Lächeln neigt er sich: Die Äuglein all' mit Taue Netzt er auf Feld und Aue. Sieht fröhlich drauf die Welt sich an Und spricht: „Ich hab' genug gethan, Ich will den Tag nun senden: Der mag mein Werk vollenden!“ Schlaf, Dornröschen, geh zur Ruh Schlaf, Dornröschen, geh zur Ruh, Schließe nun die Äuglein zu! Lenz und Sommer sind nicht mehr, Und dein Thron ist blumenleer! Schlaf, Dornröschen, schlaf! Deine Krone ward zu Staub, Und dein Schmuck des Herbstes Raub! Horch, die wilden Stürme wehn: Was da lebet, muß vergehn! Schlaf, Dornröschen, schlaf! Was da lebet, muß vergehn! Aber du wirst auferstehn, Wenn das Schneeenglöckchen klingt, Wenn die erste Lerche singt! Schlaf, Dornröschen, schlaf! Zwei Weltanschauungen Griechische Tempel, wie deutet ihr klar auf ein irdisch Genügen! Gotische Dome, wie kühn strebt ihr zum Himmel empor! Mensch und Dichter Jeglichem ward, zu empfinden, was ihn bewegt; das Empfundne Zu bewegen, vermag einzig der Genius nur! Maler und Dichter Was uns der Maler entrollt, das zeig' in der Ruhe Bewegung; In der Bewegung Ruh atme des Dichters Gebild! Warnung Hundert Pfade führen hinauf zu den Tafeln der Götter, Tausend führen von dort dich an die Stätte der Qual! Jerusalem Deine Mauern zerbrach zwar das weltbeherrschende Rom einst, Doch als Ruine bezwangst du noch die ewige Stadt! Der Kulturkampf Immer bekämpfen Ideen und Interessen sich, immer Siegten die letzten zuerst, immer die ersten zuletzt! Memento mori Naht dir der Tod, nicht zählt er die Jahre, die hinter dir sind, die Stunden zählt er, die er dir noch zu leben vergönnt! Dämmerungsstunde Großmutter sitzt in dem Lehnstuhl und spinnt, Drehet das Rädchen und schweiget und sinnt. Neben dem Rädchen, das sauset und surrt, Leckt sich behaglich das Kätzchen und schnurrt. Großmutter weilt in der Gegenwart nicht; Über das runzlige, welke Gesicht Gleitet ein Lächeln wie rosiger Schein — Großmutter dünkt sich wohl, jung noch zu sein? Draußen im Hause, da waltet und schafft Wirtlich die Mutter in rüstiger Kraft. Sondert und sichtet; treppab und treppauf Führt sie der sorglich geschäftige Lauf. Großmutter, Kinder, der Mann und das Haus Füllen ihr Dichten und Trachten noch aus. Stets in der Gegenwart opferbereit, Liegt ihr, was war und was kommen wird, weit. Tief aus dem Winkelchen, bei dem Kamin, Schelmische Äugelein funkeln und sprühn. Dorther ein rosiges Wangenpaar glänzt, Üppig von goldenen Löcklein umkränzt. Das ist das Töchterlein. Bänder und Tand Heftet zusammen des Mägdeleins Hand. Sorgsam im Schoße, vom Schürzchen bedeckt, Ruhet die Puppe, zum Schlummer gestreckt. Aber als leise die Wiege sich regt, Hat sie zur Seite das Püppchen gelegt, Schleicht auf den Zehen zum Brüderlein klein, Wieget und singet in Schlummer ihn ein, Singet gar altklug: „Und kommt auch die Nacht, Sitzt doch die Mutter am Bettchen und wacht; Sei es so spät noch, sei es so früh, Mutter, lieb Herzchen, entschlummert ja nie.“ Büblein entschlummert bei Schwesterleins Sang, Großmutters Rädlein erlahmet im Gang, Liebevoll wirft auf das welke Gesicht Lächeln der Freude sein rosiges Licht. Dann sinkt die zitternde Hand in den Schoß, Fädchen löst achtlos vom Finger sich los, Großmutter murmelt und nicket im Traum, Büblein erglühet im wärmenden Flaum. Mägdlein singt leiser, und leiser sie wiegt, Wange an Wange des Bruders geschmiegt. Scheu durch des Fensters verglimmenden Schein Huscht von der Linde die Dämmrung herein. Zwielicht und Stille im Zimmerchen; nur Pickt und tickt lauter im Takte die Uhr; Lindenbaum flüstert und kost mit dem Wind, Mondenschein schlüpft durch die Blätter geschwind. Laut auf der Schwelle jetzt scharret ein Fuß: Vater kehrt heimwärts mit traulichem Gruß. Mutter eilt schnell mit dem Lichte herbei — Mutter, geh leise, sonst weckst du die Drei! Karfreitag Es kam der Tag, an dem der Herr der Welt Am Kreuz für uns den Sühnungstod erlitten, Und schweren Herzens war ich in das Feld Und auf den Friedhof still hinausgeschritten. Noch rang die Erde mit dem Wintertraum, Ein wolk'ger Himmel deckte weit die Lande, Ein einzeln grünes Hälmchen zeigte kaum, Sie kämpfe frei sich von dem Winterbande. Und zwischen öden Gräbern sah ich ein, Wie nichtig sei des Menschen eitles Streben, Da über Gräbern, für das Grab allein Wir armen Menschenkinder einzig leben. „Und nach dem Grab — was dann?“ — so sprach der Schmerz: „Entsteigen sie dereinst den schwarzen Truhen, Und drückst du wieder sie ans treue Herz Die Lieben, die in kalter Erde ruhen?“ — „Nein!“ — zischte leis des Zweifels gift'ger Hohn, „Hat seinen Raub das Grab je hergegeben?“ — „Ja!“ rief der Glaube laut, „des Menschen Sohn Starb an dem Kreuz und lebt, damit wir leben!“ — Da spaltete die Sonn' des Nebels Brust, Es glänzten hell verklärt die moos'gen Grüfte, Und schmetternd trug die Lerche, siegsbewußt, Die Auferstehungs-Hymne durch die Lüfte. Heimliches Leid Es dunkelte. — Das Mägdlein sitzt Allein. An ihrem Finger glänzt ein Ring Mit blauem Stein. Sie schaut aufs Ringelein hinab So trüb: „Du bist ja alles, alles, was Von ihm mir blieb. Du solltest seiner Treue Pfand Mir sein ... Dahin die Lieb', dahin die Treu, Ich bin allein, Ich bin allein! — O halt dich stark, Mein Herz, Daß keiner schaue deinen Gram Und deinen Schmerz!“ ... Ein bleiches Sternlein hat es doch Gesehn: Sein Strahl schwamm auf dem blauen Stein In einer Thrän'. Der Schwarzdornstab Die Sonne scheinet hell und heiß, Da spricht der Schnee, da ruft das Eis: „Wir ruhten g'nug auf Thal und Höh'n, Komm, komm, wir wollen weiter gehn Und wandern!“ Der Bach, der lang' im Schlummer lag, Warf seine Decke ab und sprach: „Steh auf, steh auf, du lust'ge Well', Der Schlaf ist aus, wir wollen schnell Nun wandern!“ Zum blauen Himmel hoch empor Schwingt sich der Lerchen muntrer Chor: „Auf, auf, ihr Schläfer weit und breit, Es kommt der Lenz, macht euch bereit Zum Wandern!“ Das Knösplein lauscht mit offnem Ohr; Es drängt die grüne Saat empor; Manch Blümlein kommt in lichtem Schein: Sie wollen alle Zeugen sein Beim Wandern. — Am Schwarzdorn, unterm grünen Hag, Ein junger Bursch im Schatten lag. Der Schwarzdorn flüstert: „Wär' ich du, Mir ließe weder Rast noch Ruh Das Wandern! — Steh auf, steh auf, du fauler Knab', Schneid dir von mir den Wanderstab, Wir wollen beide, treugesellt, Hinausziehn in die weite Welt Und wandern!“ — Manch Jahr schon ziehen kreuz und quer Die Beiden in der Welt umher. Und möcht' der Bursche gern nach Haus, Der Schwarzdorn spricht: „Da wird nichts draus: Wir wandern!“ Drei Jahr' sind bald vorbei Als auf die Wanderschaft ich ging, Das war des Morgens früh: Da gaben das Geleite mir Die Ann' und die Marie. Die Anne meine Schwester war, Die trug mein Bündelein; Marie hing an meinem Arm, Das war die Liebste mein. Und wo der Weg sich kreuzen thut, Da standen still wir drei; Da küßt' ich scheidend die Marie Und schwur ihr ew'ge Treu. Ein Wanderbursch des Weges kam, Der sang gar frisch: „Juchhei! Drei Jahre mußt' ich wandern wohl, Drei Jahr' sind bald vorbei.“ Und wie er dicht nun an uns war Und guten Morgen bot, Ward plötzlich Schwester Anna bleich Und plötzlich wieder rot. „Wilhelm!“ rief sie — „Anna!“ rief er Und zog sie an die Brust. Sie herzten und sie küßten sich In sel'ger Liebeslust. Doch ich gab traurig meinem Lieb Den allerletzten Kuß, Nahm's Bündel auf den Rücken und Die Landstraß' untern Fuß. „Behüt' dich Gott!“ rief sie mir nach; Ich rief: „Auch dich, Marei!“ Und schluchzte, ohne umzuschaun: „Drei Jahr' sind bald vorbei!“ Sonnenaufgang Grüne Saaten, Tannendunkel, Taues Diamantgefunkel, Lerchenlied und Finkenschlag, Blauer Himmel, goldne Sonne, Ros'ge Wolken, Herz voll Wonne: Das giebt einen guten Tag! Kraft, Gesundheit, muntre Glieder, Jugendlust, Gesang und Lieder, Freie Brust und heller Mut, Und in tiefstem Herzensschreine Lieb' und Treue für die Eine — Ha, wie wandert's sich so gut! Morgenfrühe Die Kornblum' nickt, die Mohnblum' lauscht, Die grüne Saat im Winde rauscht Und wallt, wie Wellen im Meere. Der Klee färbt rot den grünen Plan, Die Lerche trillert himmelan Und giebt dem Schöpfer die Ehre. Der Himmel wölbt sich rein und blau, Und funkelnd blitzt der Morgentau Wie Perl' und Demantgesteine. Durch ros'ger Wolken Strahlenthor Tritt flammenglühend, stolz hervor Die Sonne in blendender Reine. Licht, Glanz und froher Jubelschall, Lust, Freude, Wonn' allüberall, Wohin die Blicke ich kehre; Und fröhlich stimm' ich in all' die Lust Hell jauchzend ein aus voller Brust: „Herz, gieb dem Schöpfer die Ehre!“ Abenddämmerung Es prangt der Wald in Frühlingstracht; Durch seine Blätterdämmrung lacht Und kost und schmeichelt die Sonne. Durch seine Schatten winkt's und springt, Da wispert's, flüstert's, klingt's und singt: O Herz, wie trägst du die Wonne? — O Wald, o Feld, o Berg und Thal, O Welt, du schöne, allüberall, Gott grüß' dich, Gott grüß' dich vieltausendmal! — Wie lustig ist das Wandern! Es flammt der Berg in Purpurschein, Es springt die Quelle klar und rein Herab mit fröhlichem Rauschen. Im Thale tief ein Glöcklein klingt, Wie mir sein Klang zum Herzen dringt! — Hier will ich ruhn und lauschen. O helles Glöcklein, o murmelnder Fall, O Welt, du schöne, allüberall, Gott grüß' dich, Gott grüß' dich vieltausendmal! — Wie lustig ist das Wandern! Ein Sternlein durch die Wolken bricht, Vertraulich winkt sein goldnes Licht Mir Gruß vom dunkelnden Runde. Gott grüß' dich, holder Liebesstern, Grüß mir die Liebste in der Fern' Zu stiller, nächtiger Stunde! — O du, mein Glück und meine Qual, Marie, du Schönste allüberall, Gott grüß' dich, Gott grüß' dich vieltausendmal! — Wie lustig ist das Wandern! Im Abendwinde Es träumt mir, wenn der Abendwind Um meine Stirne weht, Von einer breiten, grünen Lind', Die in der Heimat steht. Sie steht vor meines Vaters Haus Wohl auf dem freien Platz; Die Vöglein fliegen ein und aus, Und drunter sitzt mein Schatz. Der Schatten sinkt hinab ins Thal, Das Abendglöcklein klingt, Der Abendstern mit hellem Strahl Durchs Blätterdickicht blinkt. Sanft rauscht der Wind im Lindenbaum; Sie schaut den Abendstern Und flüstert still, in süßem Traum: Grüß mir den Liebsten fern! — O Schatz, o Stern, o Lindenbaum, Wie seid ihr ferne mir! — — Ich wollt', das alles wär' kein Traum Und ich säß' neben ihr. Der Blumenstrauß Als ich schied von meinem Mädchen, Steckte sie mir fromm und gut Einen Strauß Vergißmeinnichte Weinend an den Reisehut. Seine Blümlein sind verwelket, Seine Blätter sind verdorrt, Und der Sturm nahm Blatt und Blüten, Eines nach dem andern fort. Heut riß auch das letzte Stielchen Mir der Wind vom Hute ab, Eben heute, wo zur Heimkehr Ich den Schritt gewendet hab'. Ei, das ist ein glücklich Zeichen: Fort das welke Reis vom Hut, Während unverwelkt im Herzen Noch der frische Strauß mir ruht. Neue Wanderlust Die kleine Lerche ist schon da! — Sie schwebte überm Haus Heut' morgen schon, in aller Früh, Und rief: „Heraus, heraus! Dein Bündel schnür, 's ist Wanderzeit, Der Frühling regt sich weit und breit, Heraus, Gesell, heraus!“ Flugs sprang ich in das Kämmerlein, Das Ränzel ward geschnürt, Holt' aus der Eck' den Wanderstab, Mit Namen wohl verziert, Bracht' Pfeif' und Reiseflasche vor, Schob flott den Hut aufs linke Ohr — Juchhei! Jetzt wird marschiert! Und als ich unterm Thorweg stand, Da rief ich keck ins Haus: „Frau Meistrin, ich will wandern gehn, Bring Sie den Paß heraus!“ Die Meistrin kam und sah mich an: „Bist du verrückt, mein lieber Mann? Für dich ist's Wandern aus.“ Potz Blitz! Was hab' ich mich geschämt! Im Wandereifer gar Vergaß ich, daß seit Monden schon Ein Ehemann ich war. Daß mich die Lerche angeführt, Der Kuckuck grausam mich blamiert, Ward mir mit Schrecken klar. Ganz kleinlaut sprach ich: „Liebster Schatz, So arg ist's nicht gemeint. — Wir haben Lenz, der Krokus blüht, Die Frühlingssonne scheint, Der Lerche Jubellied erschallt — Ich wollt' nur schauen, ob auch bald Der Storch — bei uns erscheint.“ Ein Gesicht Im fernen Indierlande Schlief unter einem Baum Der weise Sakiamuni; Da kam ihm dieser Traum: Er wähnt', es wölbe wieder Sich über ihm das Dach Des stolzen Vaterhauses, Das goldene Gemach, Wo er auf weichem Polster Geträumt als junger Mann Und wo des Volkes Elend Das Herz ihm aufgethan. Er träumt', er säße selber Auf hohem Königsthron, Und seine Stirne schmückte Die goldene Herrscherkron'. Da dehnten sich die Hallen, Da dehnte sich das Haus — Die stolzen Pfeiler strebten Ins Himmelslicht hinaus. Und sieh! von nah und ferne, Von Osten und von Süd' Nahn sich die Menschenscharen, Von einem Drang durchglüht. Und immer weiter dehnt sich Der goldene Königsbau, Und seine Pfeiler streben Hinauf ins Himmelsblau. Und alle, die sich nahen, Umfaßt der weite Raum, Und alle, die noch folgen — Und weiter zeigt der Traum: Wie jene Menschenscharen Sich ringsher angebaut, Und einer mit dem andern Lebt friedlich und vertraut. Nicht Haß und blut'ge Fehde Zerstöret das Gefild; Nur Lieb' und Friede schmücken Das anmutvolle Bild. Und froh erwacht der Weise: „O was im Traum ich sah, Möcht' es sich einst erfüllen! O wär' die Zeit doch nah, Da alle Menschenbrüder In freundlichem Verein Die höchste Weisheit übten: Mit Menschen — Mensch zu sein!“ Abwehr Du, der du die Versuchung nie gekannt, Des Herz geschlummert stets in träger Ruh — Ich bin mit deinem Wesen nicht verwandt, Was fragst du mich: warum ich nicht wie du? Mein Lebensschiff ward nicht von kund'ger Hand Sorgsam geleitet zu dem sichren Port; Allein schifft' ich vom trauten Heimatstrand Und trieb auf wilden Wellen hilflos fort. Das Steuer lenkt' ich selbst mit trotz'gem Mut, Kein Gott, kein Stern erleuchtete den Pfad — So kämpft' ich mit der Elemente Wut, Verzweifelnd oft, daß mir ein Retter naht — Und ging nicht unter; aber rauhen Sinn Ertrotzt' ich mir auf wildem Lebensmeer; Nie gab ich je mein bestes Fühlen hin, Doch blieb mein Herz dabei nicht liebeleer. Drum, der du die Versuchung nie gekannt, Des Herz geschlummert stets in träger Ruh — Ich bin mit deinem Wesen nicht verwandt; Was fragst du mich: warum ich nicht wie du? Vorüber rauscht des Tages Welle Vorüber rauscht des Tages Welle; Der Strom der Nacht zieht ernst und groß; Es glänzt mit zauberhafter Helle Der Mond in ihrem blauen Schoß. Kein buntes Treiben mehr und Schwanken, Nur Friede rings und süße Ruh; Selbst dem bewegtesten Gedanken Fällt kindergleich das Auge zu. Die Welt mit ihrer sel'gen Stille Besänftigt jeden wilden Drang: Es stirbt der Wunsch, es fügt der Wille Sich unbewußt dem holden Zwang. Zu süßem Träumen wird das Denken, Nur Bilder flattern hin und her, Bis auch die Bilder sich versenken In des Vergessens tiefes Meer. Nun ist verschmolzen alles Leben; Eins ward der Mensch mit der Natur; Was sie getrennt, es war das Streben, Und wo blieb seine letzte Spur? Für wenig Stunden kehrt die Einheit, Und Gott beschaut sich ungestört Sein Schöpfungswerk, das voller Reinheit Ihm einzig wieder angehört. Die Rosenlacherin Woher der reiche Segen An frischer Rosenpracht, Woher der reiche Segen In jeder neuen Nacht? Es ist ein altes Märchen In meinem Sinn erwacht, Die Mär von jenem Jungfräulein, Das rote Rosen lacht. Giebt's denn in meiner Nähe Ein Kind, das Rosen lacht Und, früh mich zu erfreuen, Sein Spiel treibt in der Nacht? Ich hab' das Kind gefunden, Das mir die Freude macht: Es ist mein lustig Töchterlein, Das rote Rosen lacht. Wenn abends um die Beete Das Kind so herzlich lacht, Was Wunder, daß am Morgen Erblüht der Rosen Pracht. Das Frauenherz Hat Gott ein Wesen dir beschert, Das treu dir angehöret, So halt's vor allem lieb und wert, Was euch auch irrt und störet. O hör auf Neid und Mißgunst nicht, Sei nicht vor Zweifel bange, Und wenn der Bosheit Zunge sticht, Zertritt die gift'ge Schlange. Ja, so dein Lieb dich selber quält, Halt an mit rascher Schelte, Frag, ob du selber nicht gefehlt Durch Mißmut oder Kälte! Doch mußt du tadeln, hüte dich, Mit Bitterkeit zu tadeln — Es soll in echter Liebe sich Der Vorwurf selber adeln. Und wenn dein Lieb oft klagt und weint Und dich bestürmt mit Thränen, — Was dir wie Laune nur erscheint, Ist oft das tiefste Sehnen. Es ist ein schwierig Instrument, Das Frauenherz, das treue, Und wer's nicht gut und gründlich kennt, Schlägt's an zu Leid und Reue. Die einsame Tanne Die Tanne ragt so hoch und stolz — Die Sträucher kichern und schwätzen, Sie haben am stolzen Tannenbaum Gar vieles auszusetzen. Die Tanne hört von allem nichts, Sie sieht die Au'n sich weiten, Sie schaut der Wälder wogend Meer Sich über die Lande breiten. Sie tauscht, wenn unten vom Föhn durchwühlt Die Sträucher zittern und schwanken, Mit ihrem Freunde, dem heiligen Sturm, Gewaltige, hohe Gedanken. Die deutschen Riesen Von Lichtenberg Herr Jakob — im Elsaß blüht sein Haus — Lag einst mit drei Franzosen in einem heft'gen Strauß. Es fordern ihn die Herren zu einem Rennen scharf, Wozu jedoch Herr Jakob zwei Helfer küren darf. Da kürt er sich zwei Helfer: ein Salm der eine war, Ein Fleckenstein der andre, ein ganz gewaltig Paar; Von Lichtenberg Herr Jakob war selbst ein Enakssohn — So ziehn die drei Gefährten getrosten Muts davon. Als sie dem Kampfplatz nahen im Waffenschmuck — par bleu, Wie recken die Franzosen die Köpflein in die Höh: „Mon dieu, das seind die Deutschen? Das keine Menschen seind, Das seind drei Goliathe, das seind drei böse Feind!“ Wie bebte den Franzosen das arme bange Herz: „Mit Riesen sich zu schlagen, das ist ein schlimmer Scherz! Wir fordern, daß zur Stelle sich bild' ein Kampfgericht Und endgültig entscheide, ob solch ein Streit uns Pflicht. Wir dachten uns mit Menschen zu schlagen — Element, Da kommen aus dem Elsaß die Heunen angerennt!“ — Die deutschen Goliathe hell lachend stimmen ein Und warten der Entscheidung bei gutem Frankenwein. Drei Tönnchen sind vertrunken, als so der Spruch ergeht: „Dieweil und sintemalen es klar erwiesen steht, Daß Menschen sie gefordert, doch solche Riesen nicht, So ist in diesem Falle zu kämpfen keine Pflicht.“ Die deutschen Helden lachen: „Uns ist die Sache gleich, Doch kommen wohl noch Zeiten, da spürt ihr unsern Streich.“ Es kamen solche Zeiten, doch währt' es freilich lang: Jüngst als man bei Reichshofen sich traf im Waffengang, Da haben die drei Riesen im Grabe sich gerührt Und rasselnd draus erstanden manch wucht'gen Streich geführt; Gleich düstern Wolkensäulen durchtobten sie die Schlacht, Doch als der Sieg errungen und niedersank die Nacht, Da sind sie still gekehret zum grauen Sarkophag, Doch hört' man, wie der eine zum andern freudig sprach: „Wie vor vierhundert Jahren ist's heute noch bestellt: Noch sind die Deutschen Riesen, Trotz bietend aller Welt.“ Wahnfried Das ist der Fluch, der uns auf Erden Folgt von der Wiege bis zum Grab: Daß niemals wir zufrieden werden, Ob uns auch Gott das Höchste gab; Daß wir, gequält von eitlem Streben, Verzehren unser kurzes Leben, Rastlos getrieben auf und ab! Ein Tantalus in seiner Weise, Wird jeder von Begier zernagt; Fühlt sich nicht wohl im eignen Kreise, Wünscht immer nur, was ihm versagt. Und für Genüsse, die wir träumen In fernen, nie erreichten Räumen, Wird kindisch Gut und Blut gewagt. „Was könnt' ich sein, was thun und haben, Hätt' anders mich mein Pfad geführt! Bei meinem Streben, meinen Gaben Mir wohl ein höh'rer Platz gebührt!“ — Mit solchen oftgehörten Klagen, Die nur vermehren unsre Plagen, Wird stets des Sehnens Glut geschürt. Und doch: — Wär' alles dir beschieden, Was du begehrst: es ist ein Wahn! Dir würde doch nicht Seelenfrieden, Du klagtest doch auf deiner Bahn! Denn ach des Lebens goldne Sterne, Sie bleiben ewig, ewig ferne, Wir können nimmer ihnen nahn. Wissen Gold, Ehre, Macht und Sinnenlust Sind flüchtig, wie der Blumen Glanz; Sie füllen nicht die Menschenbrust, Erfreun uns nur mit kurzem Tanz. Nur was der Geist sich selbst erwarb, Durch eignes Forschen, eignes Thun, Ob alles, was er liebte, starb: Es bleibt im tiefsten Innern ruhn. Der Wahrheit niemand uns beraubt; Ob man uns Gold und Ehre nimmt, Es bleibt, was wir gethan, geglaubt, Auch wenn das Leben längst verglimmt. Kein Schicksal beugt des Weisen Mut. Er trägt im Busen seine Welt — Die Wahrheit ist das höchste Gut, Das uns erfreut, das uns erhält! Träume Du klagst: „Es war ja nur ein Traum, Ein Rausch, der schnell vorüberschwand; Das Glück ist nur ein flücht'ger Schaum An eines bittern Bechers Rand!“ — Nun wohl! Doch warst du nicht beglückt, Als du so kurz, so süß geträumt? Warst du zum Himmel nicht entrückt, Als höchste Lust die Lipp' umschäumt? Das Kind träumt an der Mutterbrust, Am Busen der Natur der Mann; Ruhm, Ehre, Liebe, Macht und Lust — Es ist ein Traum, der schnell entrann! Ja, unsrer Zukunft Wonnebild, Die Schmerzen der Vergangenheit Umziehn als Träume lind und mild Der Gegenwart unendlich Leid. Drum träume, träume oft und gern, Bist du auch manchmal jäh erwacht; Das Glück, am Tage ewig fern, Sucht jeden auf im Traum bei Nacht! Häusliches Glück In dieser Zeit, wo Schmach und Not Das teure Vaterland bedrückt, Wo Recht und Freiheit man bedroht — Fühl' ich daheim mich hochbeglückt. Mag draußen Trug und Heuchelei, Verleumdung wüten, Haß und Neid: Zu Hause bin ich froh und frei, Erfüllt von stiller Seligkeit! Da waltet treu mein liebes Weib, Mein bester Freund in That und Wort; Mir eng' vereint mit Seel' und Leib, Scheucht sie mir Zorn und Kummer fort. Da lebt und lacht mein holdes Kind, So engelrein und unschuldsvoll; Wieg' ich's im Arme leicht und lind, Bin ich befreit von allem Groll! Da schöpf' ich neuen Lebensmut Aus der geliebten Wissenschaft, Der Kunst und Dichtung heil'ge Glut Giebt stets dem Herzen neue Kraft. Drum zieh' ich aus dem Sturm der Welt Mich in mein stilles Heim zurück: Wie viel auch draußen wankt und fällt — Fest steht zu Haus mein Herzensglück! Torringer Der Torringer war ein Rittersmann; Wenn er des Nachts am Kirchhof ritt, Hielt er sein schnaubend Rößlein an Und zügelt sanft es Schritt für Schritt. Und jeden, der dort schlummernd ruht, Befiehlt er leis in Gottes Hut. Er betet recht aus Herzensgrund, Das war kein Beten vor der Welt; Es segnet fromm des Ritters Mund, Wem dort sein stilles Haus bestellt. Oft, wenn es leis im Winde rauscht, Scheint's ihm, daß man der Andacht lauscht. Einmal geschah's, mit wildem Schrei Jagt nachts der Feind dem Ritter nach; Am Kirchhof grade ging's vorbei, Als Mann und Roß zusammenbrach. Da hört er, wie mit Haß und Hohn Die Rotte naht, die Feinde drohn. Der Feind ist nah, die Not ist groß, Der Torringer spricht sein letzt Gebet; Zu sicher schien des Gegners Stoß, Doch kommt die Hilfe nicht zu spät — Aufspringt des Kirchhofs eisern Thor, Die Toten sind's, sie rücken vor. Manch Toter aus dem Grabe sprang Mit hastig schlotterndem Gebein; Dem Beingerippe knochenblank Fügt sich der harte Schädel ein. Sie rücken vor, sie greifen an Zu Wehr und Hilf' dem frommen Mann. O wie im mondlichtweißen Feld So grausig traumhaft wunderbar Der Mordlust sich entgegenstellt Dankbar der Toten stumme Schar. — Nun Torringer, reit du froh nach Haus! Die Feinde fliehn, der Kampf ist aus. Die alte Mühle Das ist die alte Mühle nicht, Die einst in jungen Tagen Im Morgengold, im Abendlicht Die Flügel froh geschlagen. Nun steht sie müde, morsch und lahm, Vereinsamt und gebrochen; Hin ging das Jahr, ein neues kam, So ging's in Tag und Wochen. Doch einmal hat der Sturm gepackt Zur Nacht die alten Glieder Und griff ins Herz und sang im Takt Umschwingend seine Lieder. Und wie er singt und schwingt mit Macht, Kommt jäh der Blitz gesprungen, Wie hat der Feuerräder Pracht Sich leuchtend umgeschwungen! So war's, so mußt' ihr Ende sein, Hell lodernd wunderprächtig — Doch manch ein Wandrer sieht den Schein Noch leuchten mitternächtig. Das Glück ist taub Aufwirbelt der Wind das dürre Laub, Ich poch' ans Thor, das Glück ist taub; Der Abend ist kalt, und hart der Stein, Ich poch' ans Thor, o laß mich ein! Das Glück ist taub, wie sollt' es nicht! Es wärmt sich drin am flammenden Licht, Es dehnt sich drin in behaglicher Ruh — Ich poch' umsonst, das Thor bleibt zu. O wär' ich nicht elend, arm und krank, Du ließest mich ein mit Gruß und Dank! Du locktest mir zu, du riefst mich hinein, Du brächtest im goldnen Becher den Wein. Zum Strande Während noch in müder Seele Halbverträumte Wünsche schlafen, Treibt mich hastig ohne Fehle Schon mein Schifflein fort zum Hafen. Ach so viel noch möcht' ich wissen, Ach so viel noch möcht' ich fragen, Doch dem Traum von Finsternissen Wird kein Tag die Antwort sagen. Und schon gleitet schwärzlich leise Schiff und Flut zum Uferrande, Schon verklingt der alten Weise Letzter Ton — ich bin am Strande. Alles muß vergessen sein Saus', o sause, dürres Blatt, Alles muß vergessen sein! Trank ich einst mich frühlingssatt, Ruh' ich jetzt auf kaltem Stein. Und der feuchte Nebel spinnt Alles tief und tiefer ein, Bis es ganz in Traum verrinnt — Alles muß vergessen sein! Ein Pfingstlied Die Thür mit grünem Kranz geschmückt, Den frohe Hände wanden; Wohin das Auge spähend blickt, Nur Blumen und Guirlanden; Und um uns her ein Meer von Licht, Ein Meer von Frühlingswonne, In dem sich tausendfarbig bricht Der Strahl der jungen Sonne! Und jeder Strahl des goldnen Lichts, Der uns entgegenzittert, Und jeder Hauch des Lebens spricht, Der froh die Luft durchzittert: „Erhebet euch von dumpfem Schmerz Und träumendem Entsagen! Die Lieb' erschuf das Menschenherz, In Lieb' und Lust zu schlagen.“ Die Erde ist kein Jammerthal Zu Thränen nur und Schmerzen, Zu läutern erst durch Not und Qual Die sünd'gen Menschenherzen: Was lebt, hat auch ein heilig Recht Zur Freude! Wehe denen, Die auserkorenem Geschlecht Sie vorbehalten wähnen! Doch nicht dem Tiere gleich, das nur Nach Augenblicksgenusse Sucht auf der immergleichen Spur Nach Fraß im Überflusse, Aus dunklem Trieb sich Höhlen gräbt Bei Frost und Winters Nahen, Für fremde Leben Netze webt, Als Beute sie zu fahen! Dem sei nicht gleich des Menschen Geist In seinem hohen Streben! Wer sich das Bild der Gottheit heißt, Der zeig's in seinem Leben, Zeig', daß, ob Einzelwesen noch, Er über solche Schranken Im Geiste sich erhoben doch Zum wahren Gottgedanken; — Der Wahrheit ist und freie That, Dem Werkzeug Leib und Sinne, Und der das eine Ziel nur hat, Daß jeder sich gewinne, Gewinn' aus jedem fremden Zwang, Der Freiheit macht zu Schanden, Ob es der eignen Sinne Drang, Ob Druck von äußren Banden. Dann ist dem Menschen lieb und wert, Nicht Tand noch Last, das Leben, Das er mit Sorgfalt pflegt und ehrt, Durch menschlich freies Streben; Und ruft der Wahrheit Zeugenschaft, Mag auch die Hölle drohen, Dann flammet seines Geistes Kraft Empor mit offnem Lohen! Dann kündet er der Wahrheit Wort Und scheut nicht Tod noch Bande: Er wird der Geister Schirm und Hort, Ein Schreck der Lügenbande; Sein Auge blitzt in höherm Glanz, Sein Wort hat Feuerzungen, Und ein Prophetenstrahlenglanz Hält seine Stirn umschlungen. Und wer noch hat ein offnes Ohr, Ein Herz, noch unbestochen, Dem kommt so traut die Rede vor, Als wär's in ihm gesprochen; Und wie das Echo tausendfach Des einen Rufes Leiter, So klingt's in allen Seelen nach Und klinget immer weiter. So blüht in alter Sagen Kreis Auch diese „Wunder“-Blume Ihm, der den Duft zu deuten weiß, Zu Geistes Freud' und Ruhme! Du Geist, so licht, so warm, so klar, O weih auch den Geringsten, Mach allenthalben offenbar Die Wunder deiner Pfingsten! Dieselben! (1813—1870) Ha, bei Gott! Noch stets dieselben, Wie vor siebenundfunfzig Jahr: Bauernsöhne mit goldgelben Haaren, und Augen, blau und klar! Kerle, die jetzt wie geflügelt Auf des Schlachtfelds Tennen schreiten Und im Sattel festgebügelt Selbst den Teufel überreiten! Bursche aus dem Weserthale, Märker, Pommern, zäh wie Eschen, Niedersachsen — der Westfale, Glaubt mir, kann ganz furchtbar dreschen! An der Katzbach trotz dem Regen Drauf und dran ging's sonder Scheu: Flegel, die mit Kolbenschlägen Quetschten welsches Korn zu Brei! „Grenadier, dem Bauernsohne“, Rief der Marschall Ney, „mir steh!“ Doch von einem Bataillone Ward zerdroschen das Karree. König rief: „Ihr Schwerenöter, Wie nur könnt ihr“ — „Majestät, Kolben vor! So fluscht es beter, Als wenn Lauf vor Kolben geht.“ Achtzehnhundertdreizehn war das, Als das Volk trat ins Gewehr, Voll Bewundrung russ'scher Zar das Sah; ah wart, er sieht noch mehr! England sieht es und der Däne, Den des Franzmanns Hafer sticht, Ja, selbst zu Paris die Hähne Riefen: So was sahn wir nicht! Preuße, Würtemberger, Bayer — Alles pfeift auf einem Loch! Ach, die alte deutsche Leier Wär' dem Franzmann lieber doch! Preußen, Bayern, Sachsen, Hessen, Schwaben — Deutsche allesamt, Deutsche, welche nicht vergessen, Was aus deutscher Wurzel stammt! Die auf einem Stamm jetzt rauschen, Zweig an Zweig und Ast an Ast, Die, so sehr sie seitwärts bauschen, Doch ein mächtiger Wipfel faßt! O wie mich erquickt dies Wogen! Hab' ich dieses noch erlebt: Daß im kühngeschwungnen Bogen Deutschland ost- und westwärts strebt! O wie jetzt, so ewig haltet Herz an Herz und Hand an Hand! Sieh ein Bild — wie schön gestaltet Stehst du da, o Vaterland! Epigramme Hölderlin Urspünglich für das Hölderlin-Denkmal in Tübingen bestimmt Dem edlen Dichter, der aus tiefer Nacht Zur Höhe strebte, sei der Kranz gebracht! Stockblind „Stockblind ich die Erde finde, Dran man nichts von Absicht spürt!“ Rief der Doktor, den — die Blinde Jährlich um die Sonne führt! Mens movet molem Auf der Eisenbahn Herr Dickwanst Widerbellt angeblich hohlem Geisttum, und der Esel spürt nicht, Wie derweil mens movet molem! Pessimisten In die Flucht den Teufel schlugen, Daß er lahm ward, tapfre Christen; Doch, bereits verteufelt, trugen Ihn zurück die Pessimisten. Auf einem Kirchhofe Einsam lieber fürwahr in des Meers frischatmender Salzflut Ruht' ich, als hier, wo Leib modernd zu Leib sich gesellt! Leichenbestattung durch Verbrennung Seele, du bist im Gefäße des Leibes das geistige Feuer, Feurig entschwebe dem Leib, der sich als Fackel dir beut! Wohlfeiler Ruhm Ärmliches Zeug! wer liest es? Doch wurde das Männlein berühmt, weil Pomphaft Reklamen von ihm täglich das Publikum liest. Stümper Pfui mit der Form! — so ruft, auf den Geist sich berufend, der Stümper, Weil er, zu schwächlich, dem Geist schaffen nicht konnte die Form. Verlornes Glück Wenn mein verlornes Glück mir vor die Seele Des Abends tritt, da sehn' ich mich zum Strande Des ew'gen Friedens und der sel'gen Ruhe, Wo schon so mancher schmerzerfüllte Wandrer, Des Sterne sich verdunkelten in Träume, Nach langem Leiden fand des Friedens Segen. Wenn ich gesprochen dann den Abendsegen, Dann sucht nach frohen Bildern meine Seele, Sie träumt sich fort bis hin zum fernsten Strande, Will suchen sich in süßen Träumen Ruhe, Doch bleibt sie plötzlich stehn, gleich einem Wandrer, Des Hoffnung leichter Hauch, des Pläne — Träume. Dann blick' ich hin auf die verblichnen Träume Und spreche: Nein, bei Gott! es ist kein Segen, Daß eine junge muterfüllte Seele Am kahlen Felsen eitler Hoffnung strande, Daß niemals von der Kämpfe Mühen ruhe Ein müder Krieger, ein gequälter Wandrer. Wohl spricht mit müden Lippen manch ein Wandrer, Legt er des Abends sich zum Schlafe: Träume Von bess'rer Zeit, mein Herz! Da kommt der Segen Der schönsten Bilder ihm vor seine Seele, Ein Eiland schwebt ihm vor mit blum'gem Strande, Dann ruft er froh: Dies ist mein Ort der Ruhe. Wenn sich erhoben dann von nächt'ger Ruhe Zu neuen Tagereisen hat der Wandrer, Dann haben ihn gestärkt die lichten Träume, Im Herzen tief fühlt er den heil'gen Segen, Und Hoffnungsbilder wiegen seine Seele: Er naht ja bald dem süßen Heimatstrande. Mein Hoffnungsschiff liegt längst zerschellt am Strande, Wo find' ich nun, als nur im Grabe, Ruhe, Ein vielgeprüfter, tiefgebeugter Wandrer? Die kurze Nacht nur hebt mich, wo ich träume; Dann, wenn mein Herz genießt den holden Segen, Fühlt nichts von herben Leiden meine Seele. Wohl sehnt die Seele sich zum dunkeln Strande, Ich selbst zur Ruhe mich, ein müder Wandrer, Hätt' ich die Träume nicht und ihren Segen. Allsiegerin, Liebe! Du bist die höchste der Erdengewalten, Allsiegerin, Liebe; Wunderbarste von allen Gestalten, Allsiegerin, Liebe! Von der Erde zum Himmel und durch unermeßliche Räume Fliegst du, beglückend mit zaubrischem Walten, Allsiegerin, Liebe! Lächelnd winkst du, da blühen empor holdschimmernde Rosen Aus des Felsens unwirtlichen Spalten, Allsiegerin, Liebe! — Darum laß mich auch heute an deinem bekränzten Altare Niederknieen, um Andacht zu halten, Allsiegerin, Liebe! Huldreich warst du mir wieder, drum laß zum wonnedurchglühten Dankgebete die Hände mich falten, Allsiegerin, Liebe! Wie ein Priester will ich dir dienen, und mag auch das Alter Einst mein Antlitz durchfurchen mit Falten, Allsiegerin, Liebe! Höre den Weihespruch denn! — O daß doch ewig die Worte, Dir zu Ehren, die Welt durchhallten, — Allsiegerin, Liebe: Alles, was je ward um Liebe gesungen, geweint und gelitten, Läßt sich in diese zwei Worte gestalten: Allsiegerin, Liebe! Der Ring Daß auch ein äußres Band umranke ewig Uns Liebende, wie ein Gedanke ewig, Reich' ich den Ring dir. Rein soll unsre Liebe Erstrahlen, wie sein Gold, das blanke, ewig; Die Liebe soll ja nicht der Lilie gleichen: Du meinst, in Schönheit blüh' die Schlanke ewig, Doch, wär' sie auch unsterblich, magst du's hindern, Daß sie in wilden Stürmen schwanke, ewig? Nein! Unsre Liebe soll der Eiche gleichen, Umspannt von Epheus grüner Ranke, ewig. Ein Ring bedeutet Ewigkeit. So schwebe Um diesen Ring auch der Gedanke: „Ewig!“ Geharnischtes Ghasel Kein Lied sing' ich zu Ende je, das würdig eines Knaben ist, Weil solch Gedicht auf Gassen stets zu hören und zu haben ist. Denn wenn ich singe, wünsch' ich auch, daß manches gramgebeugte Herz Turch meines Liedes frohen Ton zu trösten und zu laben ist. — Auch giebt es Rezensenten, die gar gierig bei mißlungnem Lied, Gleichwie beim Hochgerichte stets die Schar gefräß'ger Raben ist. — Drum töne fürder nur Gesang, der über schnödem Mittelmaß, — O wollte Gott! — auch überm Neid und seiner Macht, erhaben ist. Ich müßte sonst erröten auch in meinem Innern vor dem Geist Des Dichters, der im Palmenwald zu Syrakus begraben ist. Höchstes Glück Höchstes Glück hienieden Ist zu jeder Zeit Innrer Seelenfrieden Und Genügsamkeit. Erhoffter Nachruhm Motto: Auf daß die stumpfen Herzen Du doch zuletzt besiegst, Wenn frei von allen Schmerzen Tief unterm Gras du liegst. Platen. Die Welt hat eine schmerzensvolle Krone Aus blütenlosen Dornen mir gewunden, Manch herbes Wort hat sie hineingebunden Und setzt aufs Haupt sie mir, dem Liedersohne. Allein bei meines Sanges vollem Tone Ist aus der Brust mir aller Schmerz entschwunden, Und ahnungsvoll hab' ich's im Traum empfunden, Wie einst ein spätes Herz mein Lied belohne: Ein Mägdelein vernimmt mit Glutverlangen Mein Lied — und spricht, indes an ihren blauen, Lichtvollen Augen feuchte Perlen hangen: „Warum bist du zu jenen Lenzesauen, Verklärter Geist, so früh emporgegangen?! O könnt' ich einmal dir ins Auge schauen!“ Abend am Nil Sanft durchströmt der Nil das Thal, Schlank und stolz wiegt sich die Palme, Und die leis bewegten Halme Küßt der Sonne letzter Strahl. Müde von des Tages Bangen, Ziehn vom Strome heim die Fischer, Um am heim'schen Herd zu frischer Arbeit — Ruhe zu empfangen. Seht dort übertaucht die Wogen Jetzt das Krokodil, das grause, Durch das Riedgras mit Gebrause Kommt das Flußpferd angezogen. Bei des Abends Purpurglühn Sieht man über ferne Hügel Mit in Glut getauchtem Flügel Den Flamingo heimwärts ziehn. Frieden rings — wie Grabesfrieden, Als der Zeit Vernichtungszeichen, Die den Grabdenkmälern gleichen, Starren dort die Pyramiden! Beglückung der Muse In des Waldes Schatten Auf der Wiesen Grün Und den saft'gen Matten Seh' ich Leben blühn. Wenn vom Süd die Störche Kehren heim zum Ried, Wenn im Blau die Lerche Schmettert froh ihr Lied, Wenn in Lenzes Sonne Veilchen wieder blüht, Mir im Innern Wonne Neues Leben glüht; Wenn der Sonne Strahlen, Gottes Purpurschein, Ferne Berge malen: Wiegt mich Zauber ein. Ruht im Thal, auf Hügeln Welten-Harmonie, Naht auf Geisterflügeln Göttin Poesie! Das Leben Das Leben gleicht auf Erden Dem Meer mit Ebb' und Flut, Man muß Matrose werden, Nur dann durchschifft man's gut. Wir richten nach den klaren Gestirnen unsern Lauf Und blicken bei Gefahren Getrost zum Himmel auf. Dort oben aber wohnet Der freundliche Pilot, Der unsre Mühe lohnet, Wenn Schiffbruch uns bedroht. Der uns schon nah dem Riffe Als Pharus freundlich winkt, Und der dann unsre Schiffe Zum sichern Hafen bringt. Trost Laß dich's nie verdrießen, Wenn der Sturm auch heult, Wenn dein Schiff mit Mühe Well' um Well' zerteilt. Wenn am nächt'gen Himmel Dir kein Sternchen blinkt, Wenn der Hoffnungsstrahlen Letzter dir versinkt; Wenn der Brust Bussole, Deine Jugendkraft, Auch dem Sturme weichet, Müd' wird und erschlafft: Laß dich's nie verdrießen, Steure mutig fort; Unverhofft, doch sicher Lächelt dir ein Port. Häfen giebt es viele Auf dem Erdenrund, Und der beste Hafen Ist der Meeresgrund. Sonntag im Meere Sonntag ist's, der Tag des Herren, Der uns ladet zum Gebet; Alles wandelt still zum Dome, Am Altar der Priester steht. Segen spendet er der Menge, Die in tiefer Andacht kniet Und ihr Halleluja singet Und das schönste Kirchenlied. Alles tauchet fromm die Hände In geweihtes Wasser ein, Will gereinigt von der Sünde, Will vom Herrn gesegnet sein. — Tausend Meilen weit vom Lande, Fern im stillen Ozean, Treibt ein Schiff am Sonntagsmorgen, Auf der großen Weltenbahn; Ringsumher die Wasserwüste, Keinen milden Weihrauchduft, Keine Kirche, keine Glocke, Die zur Sonntags-Andacht ruft; Doch als Dom der blaue Himmel, Der auf uns hernieder sieht, Im Ornat als Hoherpriester Glänzt die Sonne im Zenith; Durch die Taue und die Takel Säuselt es wie Orgelklang, Und die Wellen plätschern lieblich Einen sanften Chorgesang. Und ich tauche meine Hände In die gottgeweihte Flut Und bekreuze meine Stirne, Wie man's in der Kirche thut. Solche Andacht auf den Wellen Billigt man wohl auch in Rom: Mit Choral, geweihtem Wasser Und in Gottes eignem Dom. Logik „Ja, wenn der Wind nicht wär',“ Sagte zu mir das Meer In einer Sternennacht, Die ich an Bord verbracht, „Ja, wenn der Wind nicht wär', Gäb's keine Stürme mehr. Still wie ein frommes Kind Wär' ich stets ohne Wind.“ — „Wirklich, und ohne Wind,“ Säuselt die Brise lind, „Denke nur, was das Meer Ganz ohne Winde wär'! Gräuliches Totenbild, Immer so glatt und mild, Mir gebührt das Verdienst, Daß du an Weg gewinnst.“ — Ich geb' euch beiden recht, Weil ihr so logisch sprecht, Habe nur eins gehofft: Zankt euch nicht gar zu oft. Matrosenlied Ich bin ein lustiger Matros Und leb' in lust'ger Weise, Beneidenswert erscheint mein Los, Weil ich beständig reise. Heut säuselt günst'ge Brise mir Und schaukelt mich die Welle, Und wenn ich morgen auch lavier', So geht's doch von der Stelle. Und tobt der Wind, und brüllt die See, Und treibt sie wilde Wogen, So blick ich hoffnungsvoll zur Höh, Bis sich der Sturm verzogen. Erreiche ich ein freundlich Land, Lass' ich den Anker fallen; Dort sieht man mich dann Hand in Hand Mit meinem Liebchen wallen. Beschwört die Liebe Sturm herauf Und traurige Geschichten, Dann kommandier' ich: „Klüver auf!“ Und lass' die Anker lichten. Und meine Hängematte schwingt Mich freundlich auf und nieder; Der Wind im Takelwerke singt Mir schöne Wiegenlieder. Und ruft der Sturm mich aufs Verdeck Zum oft erlebten Ringen, So blick' ich ihm ins Auge keck Und such' ihn zu bezwingen. Es geht schon, wenn man ernstlich will, Nach alter Lebensregel, Und endlich kommt man doch ans Ziel, Auch mit gerefftem Segel. Wolkentrost Wenn das Meer dich wild umstürmt, Rasend um dich tost, Sich die Woge schäumend türmt: Suche Wolkentrost. Schau, wie sie der Sturmwind treibt, Jagend grau in grau, Bis er endlich sie zerstäubt, Und der Himmel blau. Schneller klären Lüfte sich, Wenn der Sturm sie fegt, Als wenn trüber Nebel sich Auf den Himmel legt. Gleichgültigkeit Liebe oder hasse mich, Alles ist willkommen; Jedes Wetter nehm' ich hin, Windstill' ausgenommen. Denn die Stille ist der Tod, Nur im Kampf ist Leben, Gegen einen jeden Sturm Kann man sich erheben. Aber hat sich Äolus Ganz zurückgezogen, Dann ist man der sichre Raub Wild bewegter Wogen. Darum liebe, hasse mich! Alles will ich tragen; Nur wenn ich dir gar nichts bin, Bin ich zu beklagen. Meine Jugend Ach, wo sind die goldnen Tage, Da ich ohne Gram und Plage Hingeträumt den Jugendtraum, Froh mit jedem Blatt am Baum! Lenzerwachen, Herbstesschauer, Heller Jubel, süße Trauer, Morgenstrahl und Abendschein Füllten meine Seel' allein. Tief empfand ich, daß auf Erden Größre Dinge nicht mehr werden, Als seit Ewigkeit Natur Vorbestimmt für Wald und Flur. Und so blieb ich wonnetrunken Selbst in Ewigkeit versunken, Wenn ich fort und fort gelauscht, Wie's in Wald und Strömen rauscht. Ach, dahin die goldnen Tage! Eingeschränkt in Gram und Plage Harr' ich jetzt, zum Tod bereit, Einer andern Ewigkeit. Naturfriede Ich stand auf hohem Berg im Abendrot; Kein Vogel will das tiefe Schweigen brechen, Wenn aufgelöst in Ruh, die nicht der Tod, Natur und Geist unhörbar sich besprechen. Dann ruht ein Zauber auf Gebirg' und Thal! Sie lauschen still, beglückt und einverstanden Mit dem verborgnen Sinn der Erdenqual, Als wüßten sie, wozu der Schmerz vorhanden. Wie kommt's, daß wir die Qual, die uns zerreißt, In der Natur als Friedensglück gefunden? Den Zauber hat erforscht kein Menschengeist, Kein Menschenherz das gleiche Glück empfunden. Aufwärts Die Jahre fliehen, von dem Strom der Zeiten Dahingerollt ins Meer der Ewigkeit; Nur ihre Engel, die sie still begleiten, Sie bleiben treu in ihrer Wesenheit; Sie schmiegen sich an jede Menschenseele, In jede Brust gießt sich ihr klarer Schein, Und daß der Mensch nur immer Gutes wähle, Sind sie durchs ganze Erdenleben sein. Wenn alles, was die Finsternis geboren, Sich wie ein wüster Knäul zusammenballt; Wenn sich die kranke Seele giebt verloren Und jeder milde Friedenston verhallt — Da löst die Gotteskraft dich aus den Banden, Es leitet aufwärts dich der Wahrheit Licht, Und Wahn und Trug, sie werden dann zu Schanden, Wenn kühn der Geist des Schmerzes Fesseln bricht. Wenn solcher Kampf dem Geist einmal gelungen Fühlst du des Nachwehs leisen Ton verwehn, Dann halten dich die Engel zart umschlungen Und führen sanft dich auf des Lebens Höhn: Dort blühet der Erkenntnis reine Blume, Sie rankt sich um des Wissens ew'gen Baum, Sie giebt dir selber sich zum Eigentume, Und dein ist dann des Friedens sel'ger Traum. Tief unter dir liegt das gemeine Leben, Denn in dir hat sich dann dein Gott verklärt, Du kannst empor in alle Himmel schweben, Denn du bist solcher Seligkeiten wert: So deut' ich der Propheten schöne Sagen, So wird mir klar der Christenlehre Sinn, So stieg Elias in den Himmelswagen, So schwebte Christus in den Wolken hin. In dir ist Gott, das mußt du stets erkennen: Bedenke nur, o Geist, wie groß du bist! Ich kann dir nichts im weiten Weltall nennen, Was nicht dem Menschengeist erreichbar ist: Des Meeres Fluten hat er längst bezwungen, Zum Heil gebändigt wilde Feuersglut, Selbst in die Lüfte hat er sich geschwungen, Und sein ist dieser Erde reiches Gut. Zur wahren Größe mußt du dich erheben Und deinen Lebensengeln gern vertraun — Dann wird dir licht das ganze Erdenleben, Kannst du der Wahrheit treue Augen schaun; Dann siehst du still der Jahre Zahl entschwinden, Du thust das Gute um des Guten Preis, Und deine Liebeswerke — sie verkünden Dein reines Streben in der Engel Kreis. Am Wasser O Wasser, du aller Frische Quell, Du Ader rinnend voll Leben, Du Spiegel von allem, was hoch und hell, Du Mehrer von Blüten und Reben! Hier sitz' ich an deinem Rande so grün, Und sauge ein deine Kühle; Stromauf, stromab die Gedanken ziehn, Wog' auf, Wog' ab die Gefühle. Stromauf zu den Bergen hoch und hehr, Den steinernen Bronnen der Quellen; Stromab hin zu dem ewigen Meer, Dem endlichen Ziele der Wellen. Es will sich mir stellen keine Gestalt, Die Frische, das Wogen, das Schimmern Sind meiner Seele ganzer Gehalt, Da ist kein Suchen noch Kümmern. Möcht' ruhen den ganzen Morgen hier aus, Vergessen der Sorgen und Mühen, Da kommt die Schwalbe, Genossin vom Haus, Und mahnt mich, nach Hause zu ziehen. Die Laute und das Horn Die Laute mit goldnen Saiten Am rosenroten Band Hub an mit dem Horne zu streiten Am rost'gen Panzergewand. „Wie bist du so rauh von Tönen, Du scheuchest sogar das Wild; Ich aber verlocke die Schönen, So süße kling' ich und mild.“ Spricht's Horn: Was hilft es, zu streiten Mit Worten, das ist mir zu lang, Ein Schloß dort liegt im Weiten, Da streiten wir um den Dank. Nun horch, welch liebliches Klingen Dort unter dem hohen Altan, Dazu ein herrliches Singen Vom Sehnen der Liebe hebt an. Ein holdes Antlitz sich neiget Mit Augen, helle und blau; O glückliche Laute, es beuget Nach dir sich die schönste Frau. Es fällt eine Rose hernieder, Es ruft eine Stimme so hold: „Zum Herzen gingen die Lieder, Vom Herzen nimm diesen Sold.“ In Weisen, in siegesfrischen, Die Laute da hat gerauscht, Derweile verstohlen in Büschen Das Horn am Panzer noch lauscht. Nun läßt's einen Ruf erschallen, Der Ruf, der klang wohl rauh, Bracht' keine Rose zum Fallen, Zwang doch die schönste Frau. Sie hat es gekannt gleich wieder, Das Horn, das den Ruf gethan, Sie wirft ihm den Lohn nicht nieder, Sie winkt es selber hinan. Wohl Rosenlippen statt Rosen Da hemmen des Hornes Klang, Am Panzer, da brachte mit Kosen Das Herz sich selber zum Dank. Da perlten wohl Wonnethränen; Da rief es zur Laute zurück: „Schön sangst du der Liebe Sehnen, Nun sing' uns der Liebe Glück. Und hast du es lieblich gesungen, Wir lohnen's mit Wein und mit Gold.“ Wohl hat da die Laute geklungen, Doch klang sie nicht helle, noch hold. Um Liebes- und Siegesfreude Nicht hallt' es da mehr zumal; Von herbem Liebesneide, Scholl's fern und ferner im Thal. Die Umkehr Aus Marmor ausgehauen Im Garten ist zu schauen Apollos göttlich Bild; Der Goldfisch plätschert niedlich, Orangen duften südlich, Das Herz des Dichters schwillt. „O laßt mich dorthin ziehen, Wo das mag heimisch blühen, Was hier ist fremde Zier; Was soll ich ewig bangen, Im kargen Land gefangen, Fort treibt es mich von hier.“ Rasch ist er aufgesprungen; Da ist es rings erklungen: „Fahr wohl, zur Reise Glück!“ Die Nachtigallen schlagen's, Die grünen Plätze sagen's, Der Quelle Silberblick. Ein Mägdlein spricht's herzinnig, Ein Mägdlein treu und sinnig. Der Schritt versagt ihm schier. „Fahrt selber wohl, ihr Träume! So grünen doch die Räume, So nirgends Lieb' wie hier.“ Der Dichter im Frühling Lenz öffnet seine Thüren; Ein Dichter ging spazieren; Aufstieg ein Schneeglöcklein, Fing an sich umzusehen, Wußt' nicht, wie ihm geschehen Im schönen Sonnenschein. Möcht' singen gern und sagen Sein Wohlsein, sein Behagen, Ach keine Sprach' es fund; Der Dichter spricht: Nicht kränken Mag dich dein stummes Denken, Mein Mund ist euer Mund. Dich hebend aus dem Schneee, Da dacht'st du wohl: O wehe, Wie grimm ist Winters Wut! Ach wär' ich doch geblieben Im Mutterschoß, dem lieben, Da ruhte sich's so gut. Doch, als dein Kelch war offen, Dich Sonnenstrahl getroffen, Da hast du wohl gedacht: Tod war mein früher Leben, Ja Leben ist nur Streben Zum Lichte aus der Nacht. Und sieh, nach einem Weilchen Gar schüchtern drängt ein Veilchen, Noch kleines Wickelkind, Hervor sich aus dem Boden, Fühlt, wie der Lüfte Odem Es anweht sanft und lind. Da wickelt's auf sich schneller Und breitet grüne Teller Ringsum, sein Häuptlein nickt; Was mag das Blümlein sinnen? Nicht Rede kann's gewinnen, Und wehmutsvoll sich's bückt. Da ist der Dichter kommen, Hat wieder's Wort genommen: Du Blümchen zart und blau, Du denkst: Ach wie verdiene Ich doch mein Kleid, das grüne, Und daß die Sonn' ich schau', Und weißt nicht, daß die Lüfte Schon stehlen deine Düfte, Kennst nicht dein still Verdienst; Würd'st sonst dich nicht so bücken, Fühlst heimlich doch Entzücken, Wie du im stillen grünst. Drauf auch die Anemone, Sich sehnend nach dem Tone, Den Dichter schaute an; Der Dichter wollt's wohl sagen, Was sie im Sinn getragen, Da hat sich aufgethan Dort eine Blum', noch eine, Es grünen alle Steine, Die Knospe quillt am Strauch, Die Fische in den Wellen, Die Bienlein, die gar schnellen, Sehn an den Dichter auch. Für alle soll er sprechen, Da mag ihm wohl gebrechen Das Wort, das er versprach, Und wie er um sich blicket, Für das, was ihn entzücket, Ihm selbst das Wort gebrach. An die Heimat Heimat, Heimat, süßes Träumen, Heimat, Heimat, liebstes Glück, Mächtig zieht nach deinen Räumen Mich es fort und fort zurück! Jeden Tag, wohl jede Stunde Denk' ich deiner sehnsuchtsvoll, Und es schließt sich nicht die Wunde, Daß ich fern dir bleiben soll. Ach, wo hört' ich solche Lieder Als in deinem Waldesgrün, Sah ich solche Blumen wieder, Wie auf deinen Auen blühn? Was dem Aug' kann Lust bereiten, Was nur schuf des Künstlers Hand, Seiner Wunder Herrlichkeiten Zeigte mir das fremde Land. Doch ob Köstliches ich schaute, All mein Sehnen blieb bei dir, Deine Sprache, deine Laute Klangen fort und fort in mir! Schöner noch als Prachtpaläste Dünket mich das liebe Haus, Wo die Mutter mir, die beste, Wand den ersten Blütenstrauß. Wo sie Märchen mir erzählte, Manches Sprüchlein mich gelehrt, Wo sie liebreich, wenn ich fehlte, Meinem kind'schen Sinn gewehrt. Heimatstätte, da sich einte, Was mir Lieb' und Freundschaft gab, Teure Stätte, wo ich weinte An dem ersten offnen Grab! Erste Freuden, erste Schmerzen, Die bewegt des Kindes Brust: Tiefer wurzeln sie im Herzen, Als des Mannes Weh und Lust! Heimat, Heimat, süßes Träumen, Heimat, Heimat, liebstes Glück, Ja nach deinen trauten Räumen Zieht es mächtig mich zurück! Wanderlied Wer die Welt will fröhlich lieben, Schaue selber sie nur an; Was in Büchern steht geschrieben, Führet leicht zu Trug und Wahn: Frisch hinaus mit frohem Lauf, Schließe Herz und Augen auf, Sieh, wie überall die Welt Gottes Lieb' hat wohl bestellt! Wandern, wandern durch die Wälder Hin an Bach und Thal und See, Durch die Au'n und goldnen Felder Nimmt der Menschenbrust ihr Weh! Auf der Berge Gipfel stehn, Aus in weite Lande sehn, Und ein Lied aus voller Brust: Wanderglück, o Wanderlust! Sinket in des Meeres Wogen Tief hinab der Sonne Rot, Kommt der Abend leis gezogen, Endend Tages Freud' und Not: Dann in sel'ger Friedensruh Winkt des Mondes Glanz dir zu, Mit dir wandern Stern an Stern In des Himmels heil'ger Fern'! Still wird's in der Welt, ganz stille, Stille wird es auch in dir, Und du fühlst: 's ist Gottes Wille, Daß wir alle wandern hier, Bis ein neuer Morgenstrahl Weg aus diesem Schattenthal Nach des Wanderns Ernst und Spiel Leuchtet uns zu ew'gem Ziel! Waldlied Grüner Wald, mit deinem Rauschen Stillest du der Seele Drang; Fern den Menschen laß mich lauschen Deiner Lieder trautem Klang! Wald, du lieber, grüner Wald, Ach wie bald, ja wie bald Lernt in dir man wieder glauben, Was der Klugheit eitles Wort, Was uns Kleinmut wollte rauben Aus des Herzens heil'gem Hort. Reh und Vöglein wohlgeborgen Finden in dir warmes Zelt; Müden nimmst du gern die Sorgen, Die so emsig schafft die Welt. Wald, du lieber, grüner Wald, Ach wie bald, ja wie bald, Scheuchest du mit deinem Segen Haß und Groll so weit zurück, Daß uns blühet allerwegen Neuer Liebe Lust und Glück! Durch der Bäume stilles Dunkel Streuet milder Sonnenschein Goldig flimmerndes Gefunkel Leise über Moos und Stein. Wald, du lieber, frommer Wald, Ach wie bald, ja wie bald, Lässest du die Herzen hoffen, Daß sie aus der Erde Nacht Schaun den goldnen Himmel offen, Wo der ew'ge Waldherr wacht! Ewiger Frühling Ach, es sind die alten Lieder, Sind die süßen Melodein, Und der Frühling ziehet wieder Mir in Herz und Seele ein. Und es sproßt und grünt und blühet, Milde weht und weich die Luft, Erd' und Himmel rosig glühet In dem goldnen Abendduft. Und ich denk' der alten Zeiten In der neuen Frühlingslust, Und die alten Seligkeiten Füllen wieder mir die Brust. Altes Herz, was soll das Schlagen, Bist du immer wieder jung? Laß dir doch in deinen Tagen G'nügen an Erinnerung! Nein, ach nein! Laß mich auch hoffen! Eben weil das Herz jung bleibt, Sieht es auch den Himmel offen, Wo es neue Blüten treibt. Lenzweihnacht Kastanie, du Frühlingsweihnachtsbaum Mit leuchtenden Blütenkerzen, Welch wunderlieblichen Mainachtstraum Zauberst du meinem Herzen! Die lind sich senket auf Hain und Flur, Die blumenduftige Mainacht, Mir scheint sie das Wiegenfest der Natur, Der Schöpfung heilige Weihnacht. Und ob auch silbern der Quell vom Stein, Der Tau von den Blumen sintert, Es muß ja nicht immer nur Weihnacht sein, Wenn's stürmt und schneit und wintert; Mir ist so weihnachtlich zu Sinn, So will ich denn Weihnacht haben, Ich kenne die Gottgebärerin Und kenne den Jesusknaben. Ich kenne sie, seit die Lerche schwirrt, Verkündigend große Freude, Die allem Volk widerfahren wird, Und weiß ihre Namen beide: Schön Hertha heißt die Jungfrau hold, Zur Heilands-Mutter erkoren, Sie hat im Abendsonnengold Den Gottsohn Lenz geboren. Sie hat ihn geküßt vieltausendmal Mit kräuterwürziger Lippe, Sie hat ihn gebettet ins blumige Thal, Das Thal ist seine Krippe; Es kommen, zu schauen das Wunderkind, Die Sippen aus weitester Ferne; Es spenden ihr goldstrotzend Angebind' Die Sonne, der Mond und die Sterne. Die Morgenlands-Könige fehlen zwar, Doch kommen, geleitet vom Maihauch, Die Dichter der Völker und bringen ihm dar Gesänge statt Myrrhen und Weihrauch, Und an die Hirten ergeht das Lied Der Lerchen und Nachtigallen: Ehre sei Gott und auf Erden Fried' Und den Menschen ein Wohlgefallen! Lied vom Johannistage Die Sommersonnenwende mit ihrer Blütenpracht Und Sommerwonnenspende hielt ihre Weihenacht. Und am Johannistage da ist ein Sprühn und Glühn, Da öffnen sich die Berge, verborgne Schätze blühn. Es tönet Glockenläuten herauf aus tiefen Seen, Und Wunder über Wunder die Sage läßt geschehn. Wer Augen hat, zu sehen, den dünket nicht ein Wahn Der Väter Wundersage; er sieht, was jene sahn. Wer Augen hat, zu sehen ins Innre der Natur, Gewahret allerwegen der Gottheit Wunderspur. Er sieht die Höhn und Tiefen erschließen ihren Schoß, Und blüh'nde Schätze liegen vor seinen Blicken bloß. — Wer Ohren hat, zu hören, den dünket nicht ein Trug Der Väter Wundersage; sie weissagt ihm genug. Wer Ohren hat, zu hören, dem tönt aus all dem Drang Und Lärm des Weltgetriebes ein ahnungsvoller Klang. Er hört aus Wald und Wellen in jedem Laut und Ton Am Sankt-Johannistage die Weihnachtsglocken schon. Johannistag und Christtag sind von verwandtem Schlag, Der eine wie der andre ein Heilverkündungstag. Geweiht der Sonnwendfeier seit Menschen-Anbeginn, Sind sie uns zwiefach heilig im höhern Christen-Sinn. Johannistag wie Christtag ward ein Verbrüdrungsfest Für alle Menschenkinder der Welt von Ost bis West. Ein Fest, da wir uns fühlen vor Gott dem Vater gleich Als Erben der Verheißung vom ew'gen Himmelreich. Ein Fest, da wir gedenken der Lieben nah und fern, Auch derer, die gestorben und ruhen in dem Herrn. Da wir den Freunden Liebes, den Fremden Gutes thun Und pilgern zu den Stätten, wo unsre Toten ruhn. Denn auf dem Gottesacker, o seht, wie noch zur Stund' Die Sankt-Johanniswunder der Sage werden kund! Seht, vom Johannisfeuer verklärt die Gräber glühn! Es öffnen sich die Grüfte, und ihre Schätze blühn. Hervor aus Grabestiefen erklingt ein hold Getön, Dem süße Sphärenklänge antworten aus den Höhn. Wer Augen hat, zu sehen, sieht seiner Toten Bild; Wer Ohren hat, zu hören, hört ihre Stimme mild. Die Sommersonnenwende macht alles Bangens quitt, Sie bringt als Wonnenspende uns frohe Botschaft mit. Die Botschaft, so geschrieben in Blumen uns verheißt: „Aufblüht zu höherm Leben aus Leibestod der Geist!“ O Leipzig, Stadt der Opfer so mancher blut'gen Schlacht, Die nun in deiner Erde verruhn die Todesnacht! Du menschenfreundlich Leipzig, auf dessen Leichenfeld So friedlich Staub und Asche von Freund und Feind gesellt! Du Stadt der linden Linden! Das hast du wohl bedacht, Daß du den Tag Johannis zum Totenfest gemacht. Zum Sommertotenfeste den heil'gen Täufertag, Zum Feste aller Seelen den Allerblumentag! Glosse Im Glück nicht stolz sein und im Sturm nicht zagen; Das Unvermeidliche mit Würde tragen; Das Rechte thun, am Schönen sich erfreun; Das Leben lieben und den Tod nicht scheun; Und fest an Gott und bess're Zukunft glauben: Heißt leben, heißt dem Tod sein Bittres rauben. Streckfuß. Des Menschen Leben ist von kurzer Dauer, Wenn er es mißt nach Spannen nur der Zeit; Doch wenn nach Lust und Last, nach Freud' und Trauer, Nach Sieg und Niederlag' in Kampf und Streit: Dann fühlet er voll tiefer Wonneschauer Es angelegt für alle Ewigkeit, Lernt gleichen Muts genießen und entsagen, Im Glück nicht stolz sein und im Sturm nicht zagen. Denn nicht nach Würdigkeit und nach Verdiensten Sind sie verteilt, die Güter dieser Welt; Dem Frechsten oft, nicht immer nur dem Kühnsten, Noch Besten zeigt das Glück sich hold gesellt; Einst aber winkt das Lorbeerreis am grünsten Ihm, der das höchste Ziel im Auge hält; Nur er auch kann in allen Lebenslagen Das Unvermeidliche mit Würde tragen. Und für jedweden Sterblichen, gleichviel Ob Könige, ob Bettler seinesgleichen, Ist es erkennbar, dieses höchste Ziel, Ein jeder kann's erstreben und erreichen; Die Tugend heißt es! Wer im Ernst, im Spiel Sie nimmt zur Richtschnur und zum Wegeszeichen, Der wird in Sonnenschein, in Sturmesdräun Das Rechte thun, am Schönen sich erfreun. Sie ist kein nebelhaft Mysterium; Ihr Sinn ist klar, ihr Blick gen Himmel offen; Ihr Priester, das Gewissen, nimmer stumm, Lehrt das dreiein'ge Glauben, Lieben, Hoffen; Welch Opfer sie auch heische, sei es drum! Der Tugendstarke wird durch nichts betroffen; Ihn dünket es kein Widerspruch zu sein: Das Leben lieben und den Tod nicht scheun. Dereinst'ger Lösung aller Widersprüche Im Leben selbst harrt er ergebungsvoll; Ob auch das Laster falsche Wohlgerüche Der Tugend streut als heuchlerischen Zoll; Ob Kaiserkronen feil um Eidesbrüche: Er, weit entfernt von Neid und frei von Groll, Wird keinem Zweifel Raum und Macht erlauben Und fest an Gott und bess're Zukunft glauben. Drum ob auch alle Freuden dir erstarben, Gott lebet noch, der einst belebt, was tot; Und ob die Gegenwart dich lasse darben An manchem, was zum Leben scheinet not; Dir winkt mit desto reichern, vollern Garben Des großen Erntetages Morgenrot; Nur treu der Tugend hoffen, lieben, glauben: Heißt leben, heißt dem Tod sein Bittres rauben! Sonnenaufgang Wie mit der Schlang' ein Löwe, So ringen Tag und Nacht: Er in der goldnen Mähne, Sie in der Schuppen Pracht. Er, wie er majestätisch Den Berg im Ost erklimmt; Sie, wie sie wegelagernd Sich auf dem Bauche krümmt. Er, wie er groß und edel Sein feurig Auge rollt; Sie, wie sie listig lauernd Ihm gift'gen Blickes grollt — Und zischelnd dann und züngelnd Ihn eng und fest umschlingt, Daß durch die schwarzen Ringe Die goldne Mähne dringt. Er aber, angefallen Zu ungerechtem Kampf, Entgegenreckt die Glieder, Durchzuckt von Zorneskrampf; Entgegenschwellt den Banden Die königliche Brust, Sich seiner Riesenstärke Und Leuenkraft bewußt; Und reißt die Schlang' in Stücke, Daß triefend rings von Blut Der Horizont erglänzet In purpurfarbner Glut. Dann ruhig weiter schreitend, Ein sieggewohnter Held, Vollendet er am Himmel Die Laufbahn um die Welt. Frühlings-Ghasel Sieh, wie das junge morgenfrische Licht In goldnen Spitzen durch die Büsche bricht; Sieh, wie der Berge neuergrünter Kranz Sich um der Fluren bunte Tische flicht; Die Vögel singen, und im Wellentanz Des Baches wimmeln muntre Fische dicht: Nun, Herz, sei ruhig und erschließ dich ganz Der Frühlingslust; dein Seufzen zische nicht Durch all den Jubel; all den Farbenglanz Mit deiner Thränenflut verwische nicht, Und Wimperntau in Frühtau mische nicht! Vergißmeinnicht Sonder Sinn ist keine Blum', Sonder Reiz kein Blümlein; Hat die Rose ihren Ruhm, Veilchen hat sein Rühmlein; Aber allergrößten Ruhm Hat die allerkleinste Blum', Deren Blick ist Himmelsahnung, Und ihr Gruß die Gottesmahnung: Vergißmeinnicht! Vergißnichtmein! Nun und nimmer vergess' ich dein. Darum wo zwei Herzen sind, Zwei vertraute Seelen, Die ein tröstend Angebind' Sich zum Abschied wählen, Sie erkiesen Hand in Hand Jenes Blümlein sich als Pfand, Dessen Blick voll Himmelsbläue Das Gelöbnis ew'ger Treue: Vergißmeinnicht! Vergißnichtmein! Nun und nimmer vergess' ich dein. Sonder Reiz ist keine Blum', Sonder Sinn kein Blümlein; Hat die Rose ihren Ruhm, Veilchen hat sein Rühmlein; Aber allergrößten Ruhm Hat die allerkleinste Blum', Deren Äuglein, sanft erhoben, Stumm gemahnen, still geloben: Vergißmeinnicht! Vergißnichtmein! Nun und nimmer vergess' ich dein. Maler und Dichter Wenn nicht der Maler auch zugleich ein Dichter, Wenn nicht der Dichter auch zugleich ein Maler, So sind sie beide Pfuscher nur und Prahler, Nicht Lichter ihrer Kunst, nur leicht Gelichter. Des Kunstwerks Inhalt sei ein noch so schlichter, An äußrem Reiz sein Stoff ein noch so kahler: Nicht ohne Dichtersinn schafft es der Maler, Nicht ohne Bildnersinn schafft es der Dichter. Drum wie die bildnerischen Augenmerke Der Maler sich erliest am Dichterwerke Und das Gedicht im Bilde dichtet weiter: So malt auch der Poet die Traumgesichte Des Malers nach im schildernden Gedichte; Denn einer ist des andern bester Deuter. Dorflandschaft Ein Hüttlein, mit des Giebels Schindelmütze Ins Freie lugend, sonst versteckt in Bäumen, Die Schatten bieten seinen stillen Räumen, Und seinen Menschen, was zur Labe nütze; — Ein Kirchlein, mit des Turmes Fingerspitze Gen Himmel weisend, sonst versteckt in Bäumen, Die seines Friedhofs Schläfer ernst umträumen, Doch Pilger laden ein zu kühlem Sitze; — Dazu der Vortrab einer Rinderherde, Zublökend trauten Gruß dem Herrn der Erde, Der nicht sich seiner Macht hier überhebet: O du, des Kunst geschaffen dies Naturbild, Das mir die Sehnsucht weckt nach seinem Urbild, Sprichst du von einer Landschaft, so da lebet? Erste und letzte Wanderschaft Das Kindlein in der Wiegen Will nicht mehr stille liegen, Strampelt im Bett und richt't sich auf; Kommt die Mutter in raschem Lauf, Nimmt das Kindlein auf. Von einem Arm zum andern Muß nun mein Kindchen wandern: Mühmchen nimmt's aus Mutters Arm, Mutter nimmt's aus Mühmchens Arm, Halten es weich und warm. Von einem Arm zum andern Muß so mein Kindchen wandern. Bis es kann alleine stehn, Bis es kann alleine gehn: Wann wird das geschehn? Da sieht das liebe Kindchen Spazieren gehn das Hündchen, Will sich machen frei und los Von der Mutter Arm und Schoß, Dünket sich stark und groß. Die Mutter ganz gelassen Lehrt festen Fuß es fassen; Kindlein wackelt kreuz und quer; Mühmchen ruft: Komm her! komm her! Aller Anfang ist schwer. Großväterchen steht daneben, Beschaut sein eignes Leben, Wie er sprang als kleiner Knab' Und nun wankt als Greis am Stab Hin zur Wieg' im Grab. Beim Gastfreund auf Kephallonia Rings nun habt Ihr durchstreift Kephallonias herrliches Eiland Freund, den Zauber des Süds nordischem Nebel entführt; Berg nun kennt Ihr und Thal, Weingärten, Olivengefilde, Saht altgriechischer Kunst manchen zerfallenden Rest; Fürder zieht es Euch nun zur Burg der athenischen Pallas, Aber zur Fülle der Lust fehlet, o Bester, noch eins: Kommt zum Gestade hinab! Seht an: zu entzückender Strandfahrt — Blauend in lichtestem Glanz — laden uns Himmel und Meer. Wohl! Der Kahn ist bereit, steigt ein! Nun greifet zum Ruder! Seht, schon schweben wir leicht über die Fläche dahin. Hinter uns, goldig umstrahlt, versinkt Akarnaniens Küste, Ithakas Felsengeklipp ragt in den Äther empor. Vor uns steigt aus der Flut, der lichten, das liebliche Zante, Während zur Seite uns rechts grüßt Kephallonias Strand. Ferner und ferner entweicht, dem jüngst wir entfuhren, sein Hafen, Rasch mit beflügeltem Bug steuert nach Süden der Kahn. Seht: da türmt er sich auf, der Berg, der erhabene Ainos, An des Gewaltigen Fuß schmiegt sich ein Inselchen an. Als Kephallonias Kap, als äußerstes, ragt es im Süden, Geister verwichener Zeit hausen im öden Gestein. Fragend seht Ihr mich an; wohlan. so wollet vernehmen Seltsame Kunde, die hier geht von Geschlecht zu Geschlecht: Einst — Jahrhunderte längst entschwanden, ob griechischen Fluren, Brünstig in Tempeln verehrt, herrschten noch Zeus und Apoll — Seht: da segelte hier, von schäumenden Wellen geschaukelt, Rings von Klippen bedroht, keuchend ein schwankendes Schiff. Enokles hatt' es gebaut, der reichste der cyprischen Kaufherrn, Fracht unschätzbaren Werts führt' es zu Sybaris' Bucht. Selber stand er am Bug und sah in die tosenden Fluten, Welche mit gähnendem Tod Menschen bedrohten und Schiff. Da, in der drängendsten Not, zur heimischen cyprischen Göttin, Die einst dem Meere entstieg, hob er anbetend die Hand: „Göttliche, die wir daheim in Amathus' Tempeln verehren, Scheuche die grause Gefahr, zwinge das rasende Meer! Wenn du mein Flehen erhörst, mich selbst und die Ladung mir rettest, An Kephallonias Strand bau' ich ein Heiligtum dir!“ Kaum noch sprach er das Wort und gelobt' es mit stygischem Eidschwur, Da — o Wunder — vom Land nahte ein Vogel dem Mast, Ja, sie war es — o Lust — die heilige Taube der Venus, Und wie durch Zaubergewalt ruhte das Tosen der Flut. Rasch am Felsengeklipp anlandete sicher der Kaufherr, Rasch im Myrtengebüsch baute die Taube ihr Nest. Traun, und zur Seite dem Nest, wie's Enokles flehend gelobte, Über dem felsigen Grund hob sich ein Tempelchen bald. Weithin schaut' es aufs Meer mit ragender offener Halle, Leuchtender Farben Gemisch schmückte Gesimse und Wand. Aber von Myrten umblüht, von Bläue des Himmels umflossen, Ragte inmitten des Raums Cyprias steinernes Bild. Fern aus der lärmenden Stadt dem einsamen Tempelbezirke Einmal stetig im Mond nahte die Priesterin sich, Blumen brachte sie dar und Dank für die gnädige Rettung, Spendete Nahrung zugleich Tauben im Myrtengebüsch. Würdig, zu walten des Amts, galt einzig das schönste der Mädchen, Neigte das Jahr sich zum Schluß, wurde sie ledig der Pflicht; Hatte sie treu sich bewährt, ward Lohn ihr, reicher, zu eigen, Fülle erfreulichen Guts brachte dem Gatten sie zu. Also hatt' es bestimmt der Herr des geretteten Schiffes, Also blieb es im Schwang viele Jahrhunderte lang. Trüb schon nahte die Zeit, als wankend auf himmlischen Thronen Sich der Olympier Schar bange des Endes versah, Doch in Romas Bezirk noch flammten die Weihrauchaltäre, An Kephallonias Strand flehte die Priesterin noch. Seht: da einstens geschah's, daß Zeus von hehrem Triumphfest, Des er in Rom sich erfreut, heim zum Olympe sich hob. Rasch mit ehernem Huf durchs Luftmeer stürmten die Rosse, Goldige Mähne umflog stolz den ambrosischen Hals. Aber gar weit war die Fahrt zum fernen Thessalierlande, Sommerlich hoch im Zenith flammte des Helios Glut. Süßes Ermatten bezwang die Glieder des höchsten der Götter, Siehe: da stieg vor dem Blick lockend der Ainos herauf. Rasch drauf hemmt' er die Fahrt, und hoch auf dem Gipfel des Berges, Schützend von Wolken umhüllt, gab er dem Schlummer sich hin. Stunde um Stunde verstrich, schon dämmerte mählich der Abend, Hell in Purpur erglomm rings das ionische Meer, Da erst scheuchte den Schlaf der Gott und schaute zu Thale: Ach, welch himmlisches Bild sah er mit staunendem Blick! Schön wie Io nicht war, auch Semele nicht und Europa, Schön wie die Himmlische selbst, der sie zum Dienste geweiht, Lehnte die Priesterin dort an Aphroditens Altare, Blickte mit träumendem Sinn über die schäumende Flut. Erstmals hatte sie heut des göttlichen Amtes gewaltet, Harrte nun rastend des Kahns, der sie entführte zur Stadt. Sehnsucht, zehrende, schlich ins Herz des alternden Gottes, Liebe, die letzte, bezwang bannend des Schauenden Herz. Wenden nicht konnt' er den Blick von der Lieblichen drunten, der Jungfrau, Gern ihr wär' er sofort liebend zu Füßen gestürzt. Aber nicht frommt' es, zu nahn der Zarten in göttlicher Hoheit, Ach und der süße Betrug, des er vordem sich befliß — Wandelnd Form und Gestalt — er wollte nicht fürder verfangen; Klug ward der Menschen Geschlecht und es zu täuschen nicht leicht. Lang' nachsann er, der Gott; doch eh' er noch Mittel und Weg fand, Trug hernahend der Kahn, die ihn bestrickte, hinweg. Selbst auch zog er darauf von dannen zum hohen Olympos, Aber nicht Ruhe fortan labte sein pochendes Herz. Rasch herrief er zu sich Merkur, den Boten der Götter, Hieß ihn enteilen im Flug nach Kephallonias Strand, Klug dort sollt' er erspähn der Jungfrau Leben und Wesen, Und wie am füglichsten Zeus stillte des Herzens Begehr. Hermes eilte hinweg und Botschaft bracht' er bald rückwärts: Doris sei sie genannt, wackeren Fischern entstammt, Liebend glühe ihr Herz dem schönsten der Fischer des Eilands, Gönne ihm Seele und Hand, wenn sie des Priestertums frei, Aber noch elfmal zuvor betrete sie opfernd die Insel, Bis sich in rollendem Lauf schließe das wechselnde Jahr. Zeus aufatmete froh, nun war er dem Zweifel enthoben, O wie harrt' er des Tags, der sie zum Opfer berief! Endlich zog er heran; zuvor am Abend — des Morgens Früh im Dämmerungsgraun galt es das Opfer zu weihn — Rings mit Blumen bekränzt, geschaukelt von silbernen Fluten, Nahte, der Jupiters Glück trug, der gesegnete Kahn. Langsam fuhr er zurück, doch sie, die entzückende Jungfrau, Wieder am Marmoraltar lehnte sie träumend wie einst; Freundlich vom Tempel umschmiegt, sich hüllend in fromme Gedanken, Fern dem Getriebe der Welt, harrte sie schweigend der Nacht. Seltsam-üppiger Duft enthauchte dem Myrtengebüsche, Über die Wogen erklang's gleichwie Sirenengesang, Zaubrisch strahlte wie nie im Lichte des Abends die Göttin, Feucht erglänzte der Blick, Lächeln umspielte den Mund. Seltsam stieg es herauf und wogte im Busen der Jungfrau, Da, noch eh' sie's gedacht — täuschte sie Auge und Ohr? — Ja, da stand er vor ihr, wie Tiefen der Erde entstiegen, Er, dem liebenden Sinns sich ihre Seele ergab. Ach wie strahlte so lieb im Schimmer der Jugend der Jüngling, Glanzreich-dunkles Gelock fiel von der Stirne herab, Augen wie Sterne der Nacht! Es lachte der Mund apollinisch, Anmutszauber umfloß rings den geschmeidigen Leib. Ach und wie sank er zu Füßen ihr hin, der zärtlich Geliebte, Flehte und bat und beschwor, daß sie verzeihe sein Nahn. Wer doch hätt' es vollbracht, so stürmischem Drängen zu zürnen? Grollend verzog sie den Mund, aber sie grollte nicht lang'. Huldreich wich sie zur Seit' auf schimmernden Stufen des Tempels, Gönnt' ihm voll Liebe die Hand, maß ihn mit schmachtendem Blick, Zärtlicher wurde das Wort, stets kühler wehte der Nachthauch, Leicht erschauernd gemach lehnte da Brust sich an Brust. Leuchtend den Wogen entstieg Selenes silbernes Antlitz, Ungestümer im Laub tönte der Taube Gegirr, Mund sank nieder zu Mund, die Worte erstarben in Stammeln, Glücklich war Doris' Gemahl, glücklich — der liebende Gott. Mählich dämmerte auf der Eos rosiges Leuchten, Ruf der Lerche im Blau trennte die Liebenden erst, Er zog scheidend hinweg, der Gott, zu den Höhn des Olympos, Sie an der Göttin Altar pflegte des heiligen Amts, Drauf die Stunden des Tags erfüllte des Glückes Erinnrung, Bis sie am Abend der Kahn wieder entführte zur Stadt. Einsam schwanden und grau die Tage dem höchsten der Götter, Sehnend harrt' er aufs neu, daß sich vollende der Mond. Drauf als nahte der Tag, der brachte des Glückes Erneuung, Ehe noch Doris erschien, harrt' er als Fischer am Strand. O wie weilte sie lang'! Da sieh, was naht auf den Fluten? Das ist nicht Doris' Gestalt, Himmel! welch seltsames Bild! Vorn am Buge des Schiffs, mit Furchen im hageren Antlitz, Bleich, langwallend der Bart, stand eines Greisen Gestalt, Hoch mit zitternder Hand aufreckt' er das Zeichen des Kreuzes Gleichwie zum Schutze und Schirm wider verderblichen Spuk. Also landeten sie am Ufer des seligen Eilands, Zogen mit düsterm Gesang hin vor der Göttin Altar, Stürzten ihr leuchtendes Bild, aufschäumend begrub es die Meerflut, Und des Gekreuzigten Bild ragte am Ufer dafür. Doch der Olympier, weh, im Schreck ob der argen Enttäuschung War ihm entfallen das Wort, das ihn aus Menschengestalt Wieder erhöhte zum Gott, und schnöde im Garne gefangen Haust er verborgen seitdem ewig im Felsengeklipp. Einmal im Monat allein, am Tage, der einst ihn beglückt sah, Statt prometheischer Qual winken ihm Stunden der Lust. Früh dann findet sein Blick am Ufer die schaukelnde Barke, Die ihn als Fischer einst trug an Kephallonias Strand, Rasch besteigt er den Kahn und segelt auf wonniger Meerflut, Mustert aufs neue die Welt, die einst zu eigen ihm war; Oft auch fährt er um Lohn, frachtführend, zu andern Gestaden, Rasend mit Windesgewalt eilt er von Strande zu Strand; Jeglicher sah ihn bereits und meidet den fliegenden Schiffer, Wenn er im schwanken Gefährt gähnende Fernen durchmißt. Oft auch über die Flut hinrudert er Fremde aus Norden, Weist dem bewundernden Blick Reize von Meer und von Land. Also fuhr er zuletzt — so raunt man im Volke die Kunde — Steuernd den britischen Lord, der Kephallonias Strand Heiß vor andern geliebt und lang in Metaxata hauste, In Missolunghi zuletzt schleichendem Tode erlag. Doch wie er steuert und schweift, der Gott in des Fischers Erscheinung, Heim stets zwingt ihn sein Los, ehe der Abend sich neigt. Weilt er noch fern auf der Flut, wenn Schatten des Abends sich senken, Bleibt er zwölf Monde dafür tief ins Geklüfte gebannt — Also vernahm ich die Mär schon oft aus dem Munde des Volkes, Stets von der früheren Zeit erbt sie das Enkelgeschlecht. Aber der Abend bricht ein, ums Berghaupt türmen sich Wolken, Drum zum Hafen zurück sei nun gewendet der Kahn. Freundlich winkt uns daheim das Mahl der harrenden Gattin, Und der Moscato wird Glut gießen ins fröstelnde Herz. An Friedrich von Bodenstedt Ich grüße Dich und rufe froh: Ein Lied soll Dir gesungen sein; Mög' es wie unsrer Reben Saft Von frischer Kraft durchdrungen sein. Des Weines Geister führ' ich vor, Die des Ohio Strand erzeugt. Ein Becher soll zu Deinem Preis Von jedem hoch geschwungen sein. Catawba dort, der wilde Bursch, Ist wie ein Trapper stark und rauh. Stets wird der Trunk, den er kredenzt, Von Waldesduft durchdrungen sein. Die dunkle Isabell' enthüllt Nur schüchtern ihrer Jugend Reiz. Wen Schiras' Götterwein erquickt, Wird der von ihr bezwungen sein? Ives Seedling, mürrischer Gesell, Zeig heut dein freundlichstes Gesicht, Sonst denkt Schaffy, du könntest der Retorte gar entsprungen sein. Nun Concord-Rebe, tritt heran, Du Backfisch, süß, doch ohne Geist. Wann dich der Jungfrau Reife schmückt, Soll auch dein Lob gesungen sein. Der Jüngling dort ist unser Stolz, Held Delaware, reich den Pokal Dem Dichter dar — bald wird dein Blut Ein Labsal aller Zungen sein. Nun huldigt unserm hohen Gast, Er preise eurer Blume Duft Und möge, wenn von Anmut nicht, So doch von Kraft bezwungen sein. Dir floß des Ostens Wunderborn, Nimm auch des Westens Gabe an. Das deutsche Herz wird stets von Dank Für Deinen Sang durchdrungen sein. Und ist der Trunk noch etwas herb — Die Wildnis will bezwungen sein; Was unsrem Wein noch fehlt, wird bald Durch deutschen Fleiß errungen sein. Der deutsche Farmer Ich sah dich im Regen und Sonnenbrand, Im Kampf mit der Wildnis Gewalten Die Steppen des Westens mit schwieliger Hand Zum blühenden Garten gestalten. Wo jagend der Puma durchschweifte das Moor, Da sproßte dir goldener Weizen empor. Ich hörte dich sprechen am Waldesrand Vom Volk und von ewigen Rechten, Und was du als lautere Wahrheit erkannt Mit trotzigen Worten verfechten. Und wenn deine Rede des Glanzes entbehrt, Nie fehlte ihr Kraft und der innere Wert. Oft hast du im ärmlichen Werktagskleid Gesetzesverächter gerichtet Und redlichen Sinnes verderblichen Streit Im Kreise der Nachbarn geschlichtet. Und war dir der Römer Gesetz nicht bekannt, Dir sagte, was Recht ist, dein klarer Verstand. Wie kühn seine Brut der gereizte Aar Befreit vom verfolgenden Schwarme, So hast du gerettet aus Not und Gefahr Die Deinen mit schützendem Arme. Und als es Rebellen zu züchtigen galt, Da traf deine Büchse in Feld und in Wald. Oft fragt' ich voll Staunens, ist dies der Mann, Den Armut gen Westen getrieben, Der zagend des Elends entnervendem Bann Entflohn mit den weinenden Lieben? Der Mann, der hier wirket mit Wort und mit That, Im Kampf ein Held und ein Weiser im Rat? Wohl bist du derselbe! Doch stolz, wie der Baum Zum Himmel erhebt seine Krone, Wenn man ihn verpflanzet in sonnigen Raum Aus kalter, unwirtlicher Zone, So reifte der Freiheit erwärmender Schein, Was menschlich in dir und was edel und rein. Am Meere I. Im freudigsten Vereine, Beim schäumenden Pokal — Nicht traue du dem Scheine! — Sitzt oft der Schmerz beim Mahl. Das Lächeln auf den Lippen Birgt oft das tiefste Weh! Kein Auge ahnt die Klippen Bedeckt von heitrer See. II. Und die Welle, sie sprach: Was dich in unserm Spiel Also fesselt? In uns siehst du das eigne Bild Schnell sich heben und kurz glänzen, und schnelle dann Spurlos sinken ins ew'ge Nichts. Doch mir sagte das Herz: „Nicht wie der Woge fiel, Mensch, dein Los; es umschließt hohe Genüsse dir, Lang' nachwirkende That reichlich das Leben. Hoch Halt es, mach es bedeutend mir!“ Trost im Unglück Wie rasch verrauschten mir die Jugendjahre Im Bann der Liebe und im Dienst des Schönen, Indes ich freudig ließ mein Lied ertönen, Begeistert für das Hohe und das Wahre! Wie trat ich hochbeglückt dann zum Altare, Um meiner Liebe Bund vor Gott zu krönen, Bereit, mit aller Welt mich zu versöhnen, — Wie jetzt, mit Silberstreifen in dem Haare! Doch Freude, Sangeslust und Glück verschwanden, Seit schweres Leid mein treues Weib getroffen Und wir des Schicksals vollste Wucht empfanden. Mein letzter Trost ist nun allein mein Hoffen, Daß sie befreit wird von des Siechtums Banden, Und daß mein Herz für fremdes Leid noch offen! An meinen Wanderstab Trauter Freund in jungen Tagen, Du mein lieber Wanderstab, Seh' dir's an, du möchtest klagen, Daß ich dir den Abschied gab. Doch schau her, ich muß mich stützen Leider auf ein Krückenpaar, Würde lieber dich benützen, Wär' zu groß nicht die Gefahr. Ungern mag ich dich betrüben, Doch die Not zwingt mich dazu, Muß dich in den Winkel schieben, Ist verhaßt dir auch die Ruh. Zeuge meiner Jugendfreuden, Kannst du mich auch leidend sehn, Mußt geduldig und bescheiden Jetzt dort hinterm Ofen stehn! Kernig, fest bist du geblieben, Unberührt vom Zahn der Zeit, Könntest ferner Pflichten üben, Wie du mir sie einst geweiht. Doch mein Lenz ist längst geschwunden, Herbst und Winter folgten nach. Flocken Schnee, ums Haupt gewunden, Mahnen an den Abschiedstag. Dich jetzt Fremden überlassen, Wäre wahrlich Treuebruch, Gäb' ein Recht dir, mich zu hassen, Und mich träfe gar dein Fluch. Drum mußt du geduldig tragen, Was nicht mehr zu ändern ist, Darfst nicht trüben gar durch Klagen Meine kurze Lebensfrist. Treuer Freund auf Lebenswegen, Sollst mir's auch im Tode sein: In mein Grab soll man dich legen, Mir zur Seit' im kleinen Schrein. Geistes-Freiheit Wenn gar zu schwer die Sorgen drücken, Gehäuft auf uns als Zentner-Last, Dann muß dem Irdischen entrücken Sich unser Geist in schneller Hast; Zum Himmel muß er sich nur wenden, Und alle Sorgen werden enden. Dem Mutigen wird's stets gelingen, Selbst in der größten Not und Pein, Frei seinen Geist hinaufzuschwingen, Frei von der Erde Last zu sein; Und sollt' der Körper auch erliegen, So wird der Geist doch immer siegen. Nur kurz ist hier ja unser Leben, Nichts als ein rascher Übergang, Und eitel wäre alles Streben, Geweiht dem sichren Untergang: Dürft' nicht der Geist auf Zukunft hoffen, Und stünde nicht der Himmel offen. Die letzte Stunde Was ist's, so oft der Mensch dran denkt, Was dann in Schwermut ihn versenkt; Was täglich ihm vor Augen schwebt, Er sicher weiß, daß er's erlebt, Ihn schmerzt im Herzensgrunde? Es ist die letzte Stunde. — Was ist's, was gar zu oft vergißt Der Jüngling, da's ihm ferne ist, Der Sieche kaum erwarten kann, Nur schmerzlich scheint dem reichen Mann, Doch heilt auch manche Wunde? Es ist die letzte Stunde. Was ist's, das manchen Kummer stillt, Mit Hoffnung unser Herz erfüllt, Uns ruft zum wahren Leben wach, Wie's einst der Heiland uns versprach Mit seinem eignen Munde? Es ist die letzte Stunde. Da kurz hier nur die Lebensfrist, In Nacht gehüllt die Zukunft ist, So sei der Mensch auch stets bedacht, Was er im Leben hier vollbracht; Vom Jenseits bringt ihm Kunde Des Lebens letzte Stunde. Sprüche Den Baum, der stets bei schwachem Winde kracht Den Baum, der stets bei schwachem Winde kracht, Bricht nicht der Sturm so leicht, wie man's gedacht. Wenn dir dein herrlich Schloß zusammenfällt Wenn dir dein herrlich Schloß zusammenfällt, Das du dir hast auf leichte Luft gebaut, So sei dein Trost: es kostet dir kein Geld, Hat dich erfreut, so lang' du's angeschaut. Nicht eine Thräne darf verschwinden Nicht eine Thräne darf verschwinden, Die man aufs Grab geschiedner Freunde weint; Man wird sie bei den Freunden finden Als Perlenschmuck im schönsten Glanz vereint. Sei nur getrost, es keimt die gute Saat Sei nur getrost, es keimt die gute Saat, Die du gestreut durch eine edle That; Und darf auch hier manch Korn der Sturm verwehn, Wird dort dein Feld in schönster Blüte stehn. O forsche nicht Ein kleiner Friedhof! An der Mauer Stand Kreuz und Denkmal, groß und klein, Dazwischen auch ein altersgrauer Bemooster, helmgezierter Stein. Mit Forscherlust begann zu schaben Das Moos vom grauen Stein ich fort, Und als ich lange schon gegraben, Las endlich ich das ernste Wort: O forsche nicht! Da hielt ich tieferschrocken inne, Ein Frevel schien mir, was ich that; Wehmütig ward es mir zu Sinne; Der unbekannte Tote bat: „O lasse ruhn mich müden Recken, Den lange schon der Tod besiegt, Und wolle nicht aus Neugier wecken, Was mit mir hier begraben liegt — O forsche nicht! Was kann's dir Nachgebornem frommen, Wenn dir mein Grabesstein verriet, Wann ich in diese Welt gekommen Und wann ich wieder von ihr schied? Ob ich für Ehr' und Pflicht gestritten, Ob Eid und Treu ich brach entzwei, Ob Unrecht ich gethan, gelitten — Was kümmert's dich — es ist vorbei. O forsche nicht!“ Seither vergingen Jahr' und Stunden, Ohn' daß ich ihn vergessen kann, Den stillen Ort, den ich gefunden In Böhmen einst im grünen Tann. Und treff' ich auf ein Menschenwesen, Dem schwere Zeit grub Runen ein, Denk' ich des Worts, das ich gelesen Auf jenem übermoosten Stein: „O forsche nicht!“ Albumblätter I. Noch ist des Lebens Drang dir ferne, Dein Dasein ist noch Licht und Lust, Und hell wie deines Auges Sterne, Trägst du den Himmel in der Brust. Doch wie das Laub rollt von den Bäumen, So wird dein Jugendtraum verwehn Und unbewußt aus deinen Träumen Wirst du ins ernste Leben gehn. Doch hast du dir mit Kindestraum Der Jugend Unschuldsinn bewahrt, Dann wird dir immerdar aufs neue Vergangenheit zur Gegenwart; Dann wird dich lange noch umschlingen Erinnrungreich ein lichtes Band, Oft wird's wie Alphornklänge klingen Aus deiner Jugend schönem Land. O bleib dir treu auf allen Wegen, Bewahr ein Herz, das hofft und glaubt — So laß zu meinem Dichtersegen Die Hand dir legen auf das Haupt, Daß nie mit ernstem, trübem Scheine Dein frommes Auge sich umflort, Daß nie der Schmerz sich in das reine, Ins warme Kindesherz dir bohrt; Daß, wie der Schiffer auf den Wellen Nach der Plejaden Sternbild schaut, Der Jugend Sterne dir erhellen Den Platz, auf den dein Herd gebaut. II. Wenn dich die Menschen verspotten, verwunden, Lehne dich still ans Herz der Natur, Dir auch sind ihre Kränze gewunden, Dir auch blüht es in Wald und Flur; Hoch am Himmel gehen die Sterne, Dein sind sie auch, o glaub es nur, Scheinen sie gleich in unendlicher Ferne, Treulich leuchten sie deiner Spur. Das ist das ärmste der menschlichen Wesen, Das, von der Welt gequält und betrübt, Nicht aus dem Buch der Natur kann lesen, Daß es auch einen Schöpfer giebt. Unverzagt Warum denn gleich verzagen, Wenn eine Hoffnung trügt, Wenn dunkle Wolken jagen Und alles schlimm sich fügt? 's ist nicht zum ersten Male, Zum letzten Male nicht! Von neuem Sonnenstrahle Ein neuer Morgen spricht. Im ew'gen Wechsel ziehen Uns Leid und Glück vorbei, Eins um das andre fliehen, So Angst- wie Freudenschrei. Darin ruht alles Leben, Im Wogen auf und ab; Steh fest, und ohne Beben Nimm hin, was es dir gab! Doch gilt's nicht nur zu dulden, Zu kämpfen gilt's noch mehr; Nur eigenes Verschulden Erlahmt so Hand als Wehr. Die Wolken zu verjagen Vermögen wir ja nicht — Doch kann der Geist uns tragen Durch sie zu höherm Licht! Im Hochsommer Hochsommer, schöne Erntezeit, Wo klar der Himmel blaut, Die Sonn' im hellsten Strahlenkleid Den Segen sich beschaut. Den Segen, den sie selber schuf Auf Wiesen und im Feld — Nun klingt's wie froher Dankesruf Zu ihr zum Himmelszelt. Es singt ihr Preis der Schnitter Chor, Die Ähren flüstern drein: Du locktest uns zum Licht hervor, Gabst Leben und Gedeihn! Nun sinken wir bei deinem Kuß, Der wonnig uns gereift; Ein letztes Lied, ein letzter Gruß An uns vorüberstreift. Es ist so wie ein Echohall Aus unsrer Blühenszeit, Da Lerchengruß und Nachtigall Uns früh und spät geweiht. Sie sind verstummt, bald ist vorbei Der Erde höchstes Glück — Drum nimm uns hin in stolzer Reih', Wir bleiben nicht zurück! — Die Sonne hört's und glüht und winkt: Ihr sterbt gar schön und hold; Ein Segen, ihr für andre sinkt, Gott hat es so gewollt. Des Lebens Lied Als ich in zarter Kindheit Tagen Versteckt mein erstes Lied gesungen, Mit tiefem Augenniederschlagen Das Wort vernahm: es sei gelungen: Da weint' ich, daß man es erlauscht, Und war doch stolz und glückberauscht. Nicht Lob noch Ruhm mocht' ich begehren, Vor niemand wollt' ich eitel glänzen, Ich dachte nie an äußre Ehren, Ich träumte nie von Lorbeerkränzen; Noch höher Ziel mein Herz mir riet: Mein ganzes Leben sei ein Lied. Ein Lied, vor Gottes Thron gesungen Im höhern Chor, in Himmelsnähe, So von Begeisterung durchdrungen, Daß nur Begeistertes geschähe, Daß alles Sein in Poesie Vor mir ersteh' und anders nie! Und anders nie! — ein kühnes Sinnen; Doch was ich wollt', hab' ich gehalten — Die Prosa jagt' ich stolz von hinnen, Vergönnt' ihr nie ein stetig Walten; Hoch ging mein Flug, und Himmelsschein Verbannte alles, was gemein. Wird einst mein letztes Lied ertönen, Nach allen Kämpfen schwerer Zeiten: Mein Leben war ein Dienst des Schönen, Der Trost soll an mein Grab mich leiten; Ich danke Gott, der mir beschied, Mein ganzes Leben war ein Lied. Im Vorwinter Menschwerdung In den Werken hoher Meister, In den Werken der Natur Folgt' ich schon seit langen Jahren, Hehre Schönheit, deiner Spur. Endlich trittst du mir entgegen Wieder in dem Menschenbild, Wie die lichte Frühlingssonne, Lang' ersehnt, verklärt und mild. Entschuldigung „Äugelst du nach schönen Mädchen, Falten im Gesicht? Lieber Alter, laß dir sagen: Dieses schickt sich nicht“. Ihr seid schon mit dreißig Jahren Schläfrig, matt und kalt; „Dichterherzen und die Engel“ Werden niemals alt. Deutsch und Welsch Unsre finstren Tannenbäume Können sich mit den Cypressen An des Mittelmeers Gestaden Kühn an stolzer Hoheit messen. Flötet eure Sprache weicher In geschmolzenen Akkorden, Tränkt die unsre urgewaltig Noch der Götter Born im Norden. Verständnis Wer mag einem Ohre dichten, Welches nur die Trommel spürt, Das das Rasseln eines Wagens, Nicht des Rhythmus Wohllaut rührt? Doch für dich, du liebes Mädchen, Dicht' ich, dicht' ich emsig fort, Denn du liest, eh' ich's geschrieben, Mir im Auge jedes Wort. Widerspruch Täglich seh' ich dich vor Augen, Süße, liebliche Gestalt; Dich an meine Brust zu ziehen, Hindert der Verstand mich kalt. Senkte sich von meiner Stirne Doch der Schnee herab ins Blut, Oder stieg', um ihn zu schmelzen, Wild empor des Busens Glut! Angeschneit Hat das Wetter sich verzogen, Decket weiß und rein Neuer Schnee des Berges Scheitel, In der Sonne Schein. Wenn des Herzens Stürme schweigen, Und der Sieg mir winkt, Sind gebleicht wohl diese Haare, Wie der Schnee dort blinkt. Äquinoktium Wenn im Lenz die Stürme rasen, Werden länger auch die Tage, In des holden Frühlings Anfang Tönt der Nachtigallen Klage. Wenn die Tage kürzer werden, Rasen auch die Stürme wieder, Nur entführen mit den Blumen Sie uns auch der Vögel Lieder. Lektüre Greife lieber zu den Alten, Warum alle neuen Moden? Zwar nicht rat' ich zum Messias, Oder auch zu Platens Oden. Wähle Shakespeare, wähle Byron, Wenn ihn England auch verbannte; Sollte dich im Winter frieren — Wag die Höllenfahrt mit Dante. Symposion Warum willst du Plato lesen? Dieser schrieb ja nicht für Frauen, Aber seine schönsten Mythen Will ich gern dir anvertrauen. Daß die Liebe und die Tugend Eins im hohen Sternenkreise, Das erkläret bei dem Gastmahl Ernst und sinnig dir der Weise. Architektur Gotisch, Renaissance, Barock dann, — Keines macht mir heiß, Dem Erfinder, nicht dem Finder Geben wir den Preis. Reich zwar ist der Vorwelt Erbe, — Doch was hilft uns das? Trinken will ich nicht vom Tropfschaff, Sondern von dem Faß. Das neunte Gebot Nicht des Nächsten Frau begehr' ich, Auch des Nächsten Mädchen nicht, Aber sonnen will ich immer Mich an junger Schönheit Licht. Nur mein Lied soll sie begleiten, Wenn sie wandelt hold und klar; Junger Freund, du sollst sie führen Stolz mit dir zum Trau-Altar. Der Bräutigam Aber wem soll ich dich gönnen? Doch wohl nicht dem nächsten Besten, Den sie fashionable preisen, Mit Glacee und feinen Westen! Nur der Jüngling, welcher mutig Wagt für deutsches Recht zu ringen, Darf dir einst zum Hochzeitskranze Den erkämpften Lorbeer bringen. Vorzeichen Wenn der Stern der Liebe funkelt In der lauen Sommernacht; — Plötzlich flammt ein Wetterleuchten, Und der wilde Sturm erwacht. Dichten wir nicht Leitartikel, Singen wir von Lieb' und Wein; Bis uns ruft der Zukunft Zeichen Und des nahen Wetters Schein. Wien Reiche Stadt der Babenberger, An dem Strom der Nibelungen, Denkst du, wie zu deutschen Harfen Einst das deutsche Lied geklungen? Wie ein steingewordnes Märchen Ragt dein Dom mit seiner Blume, Und in Östreichs Wappen steigen Deutsche Lerchen ihm zum Ruhme. Der Ost Zwischen Buchen wilder Hopfen, Unten reift die süße Traube, Auf dem Nibelungenstrome Schwimmt mein Hoffen und mein Glaube. Flatternd stolz im Morgenwinde, Ziehn mit dir einst unsre Fahnen Bis zum fernsten Oriente, Denn der Ost ist des Germanen. Wetterläuten Es reiten die Wolken Mit Donner und Sturm; Es kann sie nicht bannen Die Glocke vom Turm. So schreitet das Schicksal, Und wenn es dich fällt, Du kannst es nicht biegen, Ob Feigling, ob Held. Trauerkunde Der Morgenstern tritt glänzend an dein Lager, Du wirst kein Aug' mehr, ihn zu grüßen, heben, Anstatt des Salve tragen schon die Glocken Die Trauerbotschaft hin mit dumpfem Beben. In alle Fernen zwitschern sie die Schwalben, Aus Blumen fließt der Tau wie Thränentropfen, Ich fahr' empor und greife an die Seite: Warum, mein Herz, hörst du nicht auf, zu klopfen? Adam Aus dem Paradies vertrieben, Mochte Adam rückwärts schauen, Bis er mit der Hand voll Schwielen Lernte sich ein neues bauen. Sei's denn! Fahre fort zu kämpfen — Ziehest du dabei auch Nieten — Bis zum letzten Atemzuge, Wie dir Ehr' und Pflicht gebieten. Zenith Näher, scheint es, gehst der Sonne Du nach Ost mit jedem Schritte, Aber sie steigt fern und höher Flammend auf zu dem Zenithe. Sinkst du müd' am Abend nieder, Mußt du dich nach rückwärts drehen, Willst du, eh' dein Aug' geschlossen, Sie noch einmal scheidend sehen. Vergänglich Nicht allein die Blumen welken, Wie's ihr Erdenlos, Auch die Sterne sind vergänglich In des Weltalls Schoß. Warum soll ich mich beklagen, Wenn mein Ende naht? Nur dem Wurm möcht' ich nicht gleichen, Den ein Fuß zertrat. Eine Heimkehr Noch seh' ich dich, den apollinisch Schönen, Voran zum Wettkampf eilen hoheitsvoll, Voran dich streben dieses Eilands Söhnen Zum Hochgebirg, wenn froh das Jagdhorn scholl; Im Geiste hör' ich deine Harfe tönen, Der Wohllaut, wie ein Brautgesang, entquoll, Und seh' dich schreiten zu des Tempels Thoren, Als du die Anmutreichste dir erkoren. Du warst es wert, mit jenen Auserwählten, Des Geistes Rittern, frei zu stehn im Feld, Mit den Erhabenen, im Streit Gestählten Zu teilen Brot und Wein im Lager-Zelt; Denn ihnen, denen Götter sich vermählten, Hat dich Athene huldreich zugesellt, Dich lockend nach entlegenen Gestaden, Wie einst den vielgeliebten Laërtiaden. Und hast du jemals dort den Kampf gemieden? Stand dein Panier nicht auch vor Ilios? Hast du, gleich jenem zürnenden Peliden, Zur Ruh verurteilt mürrisch Mann und Roß? O nein! auch du bist eher nicht geschieden, Als bis erlag die stolze Pergamos: Erst mit den Letzten, als das Werk vollendet, Hast du dein Segel heimatwärts gewendet. Und Schätze hast du eingeheimst: nicht golden, Nicht silbern zwar erglänzte deine Fracht — Was dir Athene bot und jene holden Neun Schwestern schenkten, hast du heimgebracht: Ein Saitenspiel, bekränzt mit Blüten-Dolden, Ein Heldenlied von deiner letzten Schlacht, Den freien Blick in der Erkenntnis Weiten Und hohen Mut, das Ew'ge zu erstreiten. Du kehrtest heim — an wohlbekannter Küste Bohrt sich des Meerschiffs Anker in den Grund, Als ob die Flur des Eigners Rückkehr wüßte, Schmückt sich mit Rosen rasch des Eilands Rund, Und daß auch sie zum Willkomms-Gruß sich rüste, Entquellen Perlen Philomelens Mund, Wie sie noch keinen Königsschatz verschönten, Auch des Atriden nicht, des ruhmgekrönten. — Du eilst ans Land; wem schlüg' das Herz nicht wärmer, Wenn er die eigne Scholle froh betritt? Ein Ophir selbst schien dem Phönikier ärmer, Wenn, trotz des Golddursts, er an Heimweh litt — Kein Argonaut, kein Weltumseglungs-Schwärmer Bestreitet dies, wohin sein Kiel auch glitt, Ein Heimweh nur war Iphigeniens Sehnen, Das Land der Griechen suchten ihre Thränen. Vor dir dein Vaterhaus! Im Sternenflimmer, Beleuchtet von des Mondes Silberglanz, So stand es hell vor deiner Seele immer, Ob dich, umspielt vom Nerëiden-Tanz, Das Schiff auf purpurfarbner Wogen Schimmer Hintrug auf heil'ger Meerflut Griechenlands, Ob mutvoll trotzend troischem Geschosse, Du im Skamander tränktest deine Rosse. Schon öffnen sich die lang' vermißten Hallen — Berückt den Vielgewanderten ein Traum? Gespenstisch hört er seine Tritte schallen Allein im schaurig-öden, weiten Raum! Ach, niemand grüßt ihn von den Teuern allen, Die er verließ — vor wenig Lustren kaum: Sie sind den dunkeln Weg vorangeschritten, Das liebste Band hat Atropos zerschnitten. Nicht wartet dein der Mord, wie des Atriden, Nicht Freier tafeln in Odysseus' Haus, Und doch ist dir Entsetzliches beschieden: Die Sonne deines Lebens löschte aus; Still ist's im Saal, doch ist's des Todes Frieden — Du bist daheim und sehnest dich hinaus; O hartes Los, das dir der Gott bereitet, Der unerforschlich die Geschicke leitet! Wie öd' erscheinen plötzlich die Gelände! Was du geschaffen und der Väter Fleiß, Dünkt dir vernichtet, wie durch Feindeshände Verwüstet auf des Kriegsgotts wild Geheiß — Ein Bettler stehst du vor des Reichtums Ende, In goldnen Locken ein gebrochner Greis, Und deine thränenschweren Blicke fragen Nach jenem Meerschiff, das dich hergetragen. Im Winde siehst du seinen Wimpel wehen — Ein letzter Blick auf das, was dein einst war, Und neu den Kampf des Daseins zu bestehen, Rufst du zum Strande der Gefährten Schar; „Wohin die Fahrt?“ „Das mag der Gott versehen, Vor dessen Blitzstrahl sank mein Hausaltar!“ Und dann hinaus! — Der Brandung wildes Tosen Klingt wie Musik ins Ohr dem Heimatlosen. Der Hakelberger Hubertustag — der Hirschbock schrie; Das Laub war gelb, da jagten sie Am kleinen Teich im Hakelwald, Die Jagdgenossen jung und alt. Getroffen lag am Hakelteich Ein Sechzehnender bald so weich Auf feuchtem Moos mit Kopf und Bauch An einem dürren Haselstrauch. Der fromme Bischof Buko stand Dabei, den Jagdspieß in der Hand. Herr Buko sprach von Halberstadt, Als man den Hirsch betrachtet hatt': „Der Herr, dem unsre Herde brüllt, Der uns im Herbst die Speicher füllt, Die Sau zum Mahl uns hält bereit: Sein Name sei gebenedeit! Ihm, der die Rehe machet feist, Mit Rotwild uns so oft gespeist, O Brüder, benedicite Für Schnepfen, Hasen, Hirsch und Reh! Er lässet zu den Brünnlein gehn Die Hirsche und die schlanken Rehn Und ruft einst mit Posaunenstoß Die Jäger all' in seinen Schoß.“ Darauf der Hakelberger spricht: „Der Seligkeit begehr' ich nicht! Ich wünsche nicht die ew'ge Ruh; Ich möchte jagen immerzu.“ Mit Hund und Jäger stimmt er dann Im Walde das Halali an. Die schwarze Drossel sang darein; Es bellt der Fuchs, die Hirsche schrein. Nun zogen aus dem tiefen Thal In Hakelbergers Ahnensaal Die Jäger alle, die als Gäst' Er einlud zum Hubertusfest. Jedoch erkrankte nach dem Mahl Der Hakelberg im Ahnensaal Und starb nach der Hubertusjagd In stürmischer Novembernacht. Und schon am nächsten Morgen schallt Geläut und Klingeln durch den Wald: Denn Bischof Buko las gar schnell Die Seelenmess' in der Kapell'. Es ging im Wald das schlanke Reh So zierlich auf dem ersten Schnee; Da trugen spät bei Fackelschein Den Sarg die Förster durch den Hain. Dem Sarge schritt ein Knabenchor In weißen Mänteln singend vor. Der Bischof Buko folgte nun Mit goldnen Ringen an den Schuhn. Sie kamen in der Ordnung auch Bis an den dürren Haselstrauch: Da übertönt' ein Hirschgeschrei, So hell und wild, die Litanei. Sogleich nun aus dem Sarge scholl Gebell von Hunden laut und voll. Ein Sechzehnender sprang empor Dort in die Luft aus Busch und Rohr. Schon übertönte den Gesang Des Hakelbergers Hörnerklang. Die Hunde führt der Junker frei Aus seinem Sarge mit Geschrei. Der Ritter fliegt dem Harze zu, Das Wild verfolgend ohne Ruh'. Verdammt hat ihn der Bischof jetzt, Die frommen Knaben fliehn entsetzt. Noch jetzt, wenn Wind die Stoppeln fegt Und Regen an die Fenster schlägt, Dann hört im Dorfe groß und klein Die Jäger nachts Halali schrein. Waldesnacht Es sinkt die Sonne nieder Auf blauer Himmelsbahn, Es kehrt der Mondschein wieder In seinem Silberkahn. Er bringt dem Walde Stille Und Kränze, die er flicht In seine Blätterfülle Aus mildem Sternenlicht. Es schließen sich die Blüten; Aus ihrem Blumenhaus, Die Unschuld sich zu hüten, Der Falter muß hinaus. Es träumen Birken, Eichen, Sie schlummern Arm in Arm; Es träumen in Gesträuchen Die Vögel liebeswarm. Verweil bei Waldesträumen In stiller Waldesnacht, Weil unter seinen Bäumen Gewiß dein Herz erwacht. Kärntners Heimatsliebe Du Land mit deinen Wäldern, Seeen, Du Land, wo meine Wiege stand, Wo mich die Mutter lehrte gehen, O schönes, liebes Heimatland, Ich muß dich lieben! Dich Land mit deinen Alpenrosen, Gepflücket oft mit Müh' und Fleiß, Dich Land mit Gletschern, Wäldern, Moosen, Mit deinem schönen Edelweiß, Ich muß dich lieben! Dich Land mit deinen Gärten, Auen, Wo ich die erste Blume brach, Dich Land mit deinen holden Frauen, Wo mich die erste Rose stach, Ich muß dich lieben! Dich Land, wo mich die Trauben laben, Wo mich umwehet Alpenluft, Dich Land mit deinen Eisengaben, Dich Land mit meiner Eltern Gruft, Ich muß dich lieben! Schatten und Licht „Wer nicht gelitten, hat nur halb gelebt; Wer nicht gefehlt, hat wohl auch nicht gestrebt; Wer nie geweint, hat halb auch nur gelacht; Wer nie gezweifelt, hat auch kaum gedacht!“ O klage nicht, daß ernste, bange Stunden In deinem Leben häufig sich gefunden, Daß tiefer Schmerz die Brust dir oft zerschnitt: Der bittren Thränen keine ging verloren, In Schmerzen nur wird Höheres geboren, Der Kern der Muschel führt die Perle mit; O denk, wenn deine Brust sich seufzend hebt: „Wer nie gelitten, ... hat nur halb gelebt!“ Verzweifle nicht, wenn in des Lebens Treiben Manch edler Vorsatz auch zurück muß bleiben, Du bist kein Gott, der frei von Fehlen ist! Wenn du den Irrtum nur erkannt, gefunden, Wenn kämpfend du die Schwäche überwunden, Wenn besser stets du nur geworden bist, Wenn nur dein Herz sich ob Gemeinem hebt: „Wer nicht gefehlt, hat wohl auch nicht gestrebt!“ Bedaure nicht, daß dir ein banges Sehnen Gar manches Mal die Augen füllt mit Thränen: Das Höchst' und Schönste bleibt oft unerreicht. Der Wurm nur mag vom Staube sich ernähren, Ein edles Herz muß edler Sinn verklären, Es trauert, wenn das Ideal entweicht: Der Nacht folgt Tag, dem heitren Tage Nacht: „Wer nie geweint, hat halb auch nur gelacht!“ Erschrecke nicht, wenn gegen feste Normen, Das tote Wort, die abgelebten Formen Dein freier Geist sich zweifelsstark erhebt; Es kann dem Schwachen nur der blinde Glauben Das heil'ge Recht des freien Urteils rauben; Der rechte Mann für Licht und Wahrheit lebt! Drum sei das Leben beiden dargebracht: „Wer nie gezweifelt, hat auch kaum gedacht!“ Moses und der Fels Als einst im heißen Wüstensand, Verschmachtend in der Sonne Brand, Der Juden Volk nach Wasser schrie, Streckt Moses seinen Stab nur aus, Und aus dem Felsen sprang heraus Ein frischer Quell und labte sie. „Welch Wunder!“ — schreit noch heut die Welt — „Wer solchen Stab in Händen hält, Dem fehlt es wohl an Labung nicht!“ Ich kann bei dem, was hier geschehn, Bei Gott kein großes Wunder sehn, Weil's uns an Gleichem nicht gebricht. Denn in des Lebens Wüstenland Ich manches Felsenherz schon fand: — Wer suchte Seelen-Labung hier? Doch schlug ich, als verständ'ger Mann, Nur mit dem richt'gen Stabe an, So bot es reiche Schätze mir. Sonst und jetzt Einst sah mein junges Auge Dem Falken gleich; Da war mein Haar noch dunkel Und lockenreich; Da kannt' ich keine Sorgen Und keinen Gram, Bis in dem Sturm der Zeiten Das Alter kam. Jetzt ist das Haar mir silbern Und dünn und licht; Dem sonst so scharfen Auge Die Kraft gebricht. Des Lebens rauhe Stürme, So eisig kalt, Sie machten mürb den Körper Und müd und alt. Doch ist mir Eins geblieben: Ein Herz voll Glut, Ein Geist voll Licht und Wärme, Und Lebensmut! Drum laßt die grauen Haare; Was liegt daran! Im Haar nicht ... in dem Herzen, Da wohnt der Mann! Dichterlos „O traurig Los! Verlornes Streben! Umsonst verschwend' ich Müh' und Zeit — Und mag ich auch mein Bestes geben — Was ist mein Lohn? — Vergessenheit. Manch sinnig Lied hab' ich gedichtet; Doch ach! kein Auge weilt darauf, Kein Bild, kein Stein wird mir errichtet, Ist einst vollbracht mein Lebenslauf!“ Der Dichter spricht's, in seine Kammer Bricht Abendsonnengold herein Und webt um ihn und seinen Jammer Aus Strahlen einen Märtrerschein. Und irgendwo — er hat nicht Kunde Davon — in einem fernen Land, Hält eine Maid um diese Stunde Sein Liederbüchlein in der Hand; Sie hat es eben zugeschlagen Und träumt noch in die Nacht hinein: „Wer solches singen kann und sagen — O Gott! wie glücklich muß er sein!“ Anwandlung Mich wandelt jezuweilen an Ein ahnungsvolles Beben, Als müßt' — ich weiß nicht, wo und wann — Sich Unerhörtes begeben. Sei ruhig nur! 's geht schlecht und schlicht Der Weltlauf weiter eben, Und hättest du deine Träume nicht, Es lohnte sich kaum zu leben! Die vier Äpfel Ein Bäumchen stand am Spalier, Es trug der Äpfel vier; Mit Bast war's ausgeputzt, Beschnitten war's und gestutzt. Es wurde gehegt und gepflegt; Mit Mist war's unten belegt; Es kam auch öfter Besuch, Zu sehen, was es trug. Der Onkel, der geschickte, Dem stets das Pfropfen glückte, Hat's in der Kur gehabt Mit Äpfeln verschiedener Art; Der erste war weiß und zart; Der zweite sah darein Wie Gold, so gelb und fein; Dem dritten die roten Wangen Sogar wie Purpur prangen; Der vierte war häßlich und grau, Geädert war er und rauh. Der rote und der weiße Lachten und kicherten leise; Der gelbe stimmte bei, Sie spotteten alle drei Über den vierten, der grau, Der häßlich war und rauh. Sie riefen: „Seht doch, wie plump Sich vordrängt der graue Lump; Er ist mit Runzeln bedeckt, Gesprenkelt und häßlich gefleckt, Er ist ein Bettelmann, Man sieht's ihm von weitem an; Wir aber sind vornehme Leut', Es schmückt uns glänzend Kleid, Das in der Sonne blinkt; Wir sind geputzt und geschminkt!“ Es türmten am Abend darauf Am Himmel sich Wolken auf; Ein Wind flog daher aus Westen, Er rüttelte an den Ästen Des Bäumchens; es fuhr das Wetter Zerzausend durch die Blätter; Es platschte herab mit Macht Der Regen in der Nacht. Am Morgen aber war Der Himmel wieder klar; Die Dünste waren verflogen, Das Wetter war fortgezogen. Die Flur war wie erquickt; Lächelnden Auges schickt Die Sonne belebenden Strahl Ins gärtengeschmückte Thal. Dem Bäumchen an der Mauer Haben die Regenschauer Der sturmdurchtobten Nacht Nicht Kümmernis gebracht; An seiner Blätter Spitzen Regentropfen blitzen; Es freut sich der blanken Zier Und klammert sich ans Spalier. Von den Apfeln trug es jedoch Nur einen einzigen noch; Nicht war es einer der schönen, Die im Spotten sich übten und Höhnen, Die erhaben sich dünkten und schlau — Der häßliche war's, der rauh Und faserig war wie Bast; Er hing noch an seinem Ast, Im Laube bescheiden versteckt, Von Blättern halb verdeckt. Die übrigen lagen im Gras, Beschmutzt und vom Regen naß. Der eine sowohl, der hold Und prunkend war wie Gold; Wie auch der andre, der weiß Wie Lilien war und Eis; Nicht minder der, dessen Wangen Sogar wie Purpur prangen; Sie hatten im Innern den Wurm, Drum fielen sie vor dem Sturm. — Der graue ward später gebrochen; Wie Moschus hat er gerochen; Er hatte ein Fleisch, das weich Und saftig war zugleich; Man pflanzte seinen Kern Im Hofe, vom Hause nicht fern. Er erhob sich als Baum in die Lüfte: Jetzt spendet er Schatten und Düfte. Nach der Schale frage nicht, Auch nicht, ob glatt das Gesicht; Denn beide verbergen gern Verdorbenen, morschen Kern! — Köln Erhabne Stadt! an Deutschlands hehrstem Strome Entstrebst du Fluren, goldnen, ährenreichen, — Und ein Juwel, ein Denkmal sondergleichen, Umschlingt dein Arm: den König aller Dome! Und ob, o Dom, auch deine Stirn Symptome Erlittner Unbill trägt: vor dir erbleichen Die Tempel selbst in Indiens fernen Reichen, Im holden Heim des Zephyrs, der Azome. Denn suchet in Hispaniens blum'gem Raine, Durchforscht das Land der Pinien und Cypressen, Das Eden auch der schaumgetränkten Weine: Ihr findet Marmors Prunk und Elfenbeine! Doch keine Räume, gottgeweihte, messen Dem Dome Kölns an Hehre sich und Reine! An die Lerche Ja, schwinge dich nur hoch im Blau, Erfrischt vom klaren Morgentau, Und bade dich im goldnen Licht; Ich neide deinen Flug dir nicht. Wie hoch du schwebst in blauer Luft, Hell schmetternd in den Morgenduft, Weit höher sich die Seele schwingt, Die, gottentstammt, empor sich ringt. Hinauf, hinauf zum Wettgesang, Du, meiner Seele Lerchenklang, Und bring als Siegespreis zu Thal Vom Himmelslichte einen Strahl! Zartsinn im Leid Quäle nicht mit Trost ein Herz, Dem noch frisch die Wunde! Niemand glaubt im ersten Schmerz An die bessre Stunde. Laß den Freund an deiner Brust Klagen, weinen, schweigen; Was an Liebe dir bewußt, Mußt du still erzeigen. Nimm von ihm in schwerer Zeit Alle harten Pflichten; Ist sein Herz voll Bitterkeit, Wolle milde richten. Leite jeden Sonnenstrahl In sein armes Leben: Bessern Trost in tiefer Qual Kann dein Herz nicht geben. Leeres Trosteswort im Schmerz Schneidet in die Wunde; Zarter Liebe dankt das Herz Auch in schwerster Stunde. Den stillen Frauen Die Frauen lieb' ich, die im stillen walten Und deren Wirken ein harmonisch Fügen, Die mit erborgtem Geistesglanz nicht lügen Und dennoch für das Schöne nie erkalten; Die Geist und Anmut auch daheim entfalten, Aus deren feinen, liebevollen Zügen Die Sanftmut spricht und heiteres Genügen Und die stets fest an ihren Pflichten halten. Wohl hört man ihre Namen selten nennen, Denn ihres Wesens Tiefe zu erkennen Genügt nicht der Gesellschaft eitles Treiben; Doch wer in ihrem Haus, in trauten Stunden Den Segen ihrer Nähe je empfunden, Dem wird ihr Zauber unvergeßlich bleiben. Herbsttrost Laß dich's nicht kümmern, wenn so manche Blüte, Die schön sich zu entfalten schon versprach, Für deren Glanz dein Herz im Traum erglühte, Ein rauher Frühlingssturm dir grausam brach. Laß düstre Trauer nicht dein Herz umnachten, Wenn Frühlingstage dir statt Sonnenglanz Nur unglücksschwangre Wolkenschatten brachten, Die trüb umnachten den verwelkten Kranz. Sieh die Natur! Wie oft hat Sturm und Regen Den Mai betrogen um die Blumenpracht, Und doch ist ihre Triebkraft nicht erlegen; Von neuem keimt's in ihres Busens Schacht. Und reich an Blüten, reich an sonn'gen Tagen, Und reich an farbensattem Blätterschmuck, Wagt sie im Herbst die Rose noch zu tragen, Erlöst von schwerer Frühlingstage Druck. Läßt farbenglänzend sie es so vergessen, Daß Maienlust erlitt ein Herbstgeschick, So wird auch aus des Frühlingstraums Cypressen Dein Herbst dir sprießen lassen Maienglück. Besitz und Verlust Was wir besitzen, ach, wir schätzen's kaum, Weil wir es trotzig unser Recht nur nennen Und oft in heißer Sehnsucht nur entbrennen Nach Sternen, hoch und fern im Weltenraum. Doch wenn zerfloß der Hoffnung goldner Schaum, Wenn wir von Glück um Glück uns mußten trennen, Erst dann wir des Verlornen Wert erkennen, Und reicher noch erscheint es uns im Traum. So lernt das Herz, sich weise zu bescheiden, Erst, wenn es fühlt des Schicksals Gunst ermatten Und möcht' im heißen Kampf zurück erstreiten Des einst verschmähten Glückes blasse Schatten; Doch härter straft der Himmel kein Vergehen, Als wenn wir seine Gnade nicht verstehen. An Robert Schumann bei der C-dur Symphonie Wie kühne Taucher aus dem Grund der See Die Perle an das Licht zu heben wagen, So ziehst du aus der Menschenbrust zur Höh' Die Perlen, die dort tiefverborgen lagen; Was je ein Herz an ungesprochnem Weh, An ungesprochner Seligkeit getragen, Das offenbarst du ihm in diesen Tönen, Du kühner Taucher in dem Meer des Schönen. Nun jubelt's in uns auf, die Fessel sprang, Nun haben wir erst voll und rein empfunden, Was sich als Seufzer einst der Brust entrang In unsern stillen, weihevollen Stunden, Und nicht mehr an des Wortes kalten Klang Ist unsre Lust und Seligkeit gebunden: So hebst du uns mit dir aus ird'schen Schranken, Die vor der Macht des Genius versanken. Aus der „Flucht nach Ägypten“ In Ägyptens Wüste raget Ein steinern Rätselbild, Ein Weib von Antlitz und Busen, Von Rumpf eine Löwin wild. So liegt es hingestrecket Im heißen Wüstensand, Mit steinernen Augen starrend, Auf seinem Haupte zittert der Sonnenbrand. Die Sage weiß zu melden, Vom lebenden Löwenweib, So vordem hier gehauset In gräßlichem Zeitvertreib; Es gab den erschrockenen Wandrern Dunkele Rätsel auf, Und wer sie nicht gelöset, — Die Gebeine dorren zerstreut rings und zuhauf. Nun aber ruht das Steinbild Im gleißenden Mondenlicht. Da naht eine Wandrergruppe; Ein Mann, demütig, schlicht, Am Leitseil führt ein Lasttier, Darauf, vom Mantel umwallt, Eine Mutter sitzt mit dem Kindlein, Jedoch in zart jungfräulicher Gestalt. War's nicht, als ob das Steinbild Plötzlich sich geregt, Als ob die steinernen Augen Funkelnd es bewegt? Als ob auf die mächtigen Pranken Gestemmt es sich höb' empor, Als träf' ein Zischen und Murren Der heiligen Wandrer überraschtes Ohr? Schwebt auf den geöffneten Lippen Der tückische Spruch voll Not, Des Lebens dunkeles Rätsel, Das Rätsel vom grimmigen Tod, Das keiner noch gelöst hat Der Erdenwanderer all, Drob manchem das Herz verschmachtet? Tönt's von den Lippen mit gepreßtem Schall? Da wickelt aus dem Schleier Und zeigt dem Mondenlicht Die Jungfrau still das Kindlein, Ob es den Zauber bricht, — Das Wort, das Fleisch geworden, Das Welterlösungswort, Das alle Rätsel löset! — Ein Grau'n durchfährt die Löwin allsofort. In starrendes Entsetzen Sie zu versinken scheint; Es ist, als wär' das Steinbild Itzund erst versteint. Und horch: zu seinen Füßen Sacht es rieselt und rinnt; Als wollt' er das Bild begraben, Der Sand an ihm emporzuschwellen beginnt. In Ägyptens Wüste raget Noch heut ein steinern Haupt; Der Rumpf ist vom schwellenden Griese Dem Anblick längst geraubt. Es starrt mit steinernen Augen Hinaus in das Meer von Sand; Das Wort der Erlösung aber Den Umzug hält durch alles Erdenland. Schwalbenankunft Seglerin, Schwalbe, Bote des Frühlings! Keines von allen Kindern der Lüfte Freuet die Herzen Innig, wie du! Keinem von allen — Liebling des Lenzes — Jauchzen der Menschen sehnende Scharen Hoffenden Herzens Freudiger zu! Kehre denn wieder, Segenverkündend! Schwing dich durchs Luftmeer, schwimmend im Äther, Lenzlichtumleuchtet, Weither im Flug! Baue dein Nestlein Wieder am Dache! Zwitschre und singe, daß wir vergessen, Ach, wie der Winter Wunden uns schlug! Brüte in Ruhe —! Blau wie in Hellas, Wo du geweilet, ist nun des Himmels Wogende Weite Ringsum auch hier. Ach, und wenn wieder Schwindet die Helle, Folgen, o Vöglein — sprößlingumflattert — Fernhin die Herzen Sehnsuchtvoll dir! Mein süßes Kind, du weißt noch nicht ... Da hüpft mein liebes, lockiges Kind Im grünen, sonnigen Rosenhag, Umrankt von Knösplein, weiß und rot, Umschallt von hellem Lerchenschlag. Sein Äuglein strahlt, sein Mündchen jauchzt In unbewußter Lebenslust. Mein süßes Kind, du weißt noch nicht, Wie bald du wieder sterben mußt. Wie sieht sich doch im Wahne ewigen Lebenstags ein Frühling an? Du fühlst, was aufblüht; doch was welkt, Zu Grabe sinkt? Du denkst nicht dran. Ein junger Gott bist heute noch; Wie wirst du dich entsetzen, Kind, Wenn dir die erste Nachricht kommt, Daß alle Wesen sterblich sind. Ja, ich verschweig' dir, was ich weiß, Nur blick mir nicht ins Aug' hinein, Es könnt' sich spiegeln drinnen noch, Was ich gesehn im weißen Schrein. — O leb in Glück, mein Kind, und erst Wenn du von allem, allem satt, Erst dann vernimm, was Gott In seiner Lieb' für dich bereitet hat. Des Daseins holdbekränztes Ziel Das Grünen, das ist Auferstehn, Das Reifen ist schon Sinken; Drum laß das Kind zu seiner Zeit Die reinen Freuden trinken. Das Kind in seiner jungen Zeit Ist Brennpunkt aller Sonnen, Des Daseins holdbekränztes Ziel, Des heiligen Glückes Bronnen. Wächst es heran, ist nichts mehr sein, Muß um die Wette laufen; Mit jedem Tag und jeder Plag' Muß es sich neu erkaufen. Der erste Drang der Lieb' ist schon Des Todes erstes Fordern; Ein Korn, das junge Keime treibt, Fängt selbst schon an zu modern. Das Grünen, das ist Auferstehn, Das Reifen ist schon Sinken: Drum laß das Kind zu seiner Zeit Die reinen Freuden trinken. Erfolgreiche Worte Blüchers Paßt auf! ein Held tritt jetzt heran; Das war ein Mann, ein deutscher Mann, Von altem, echtem Schrot und Korn Und, galt's dem Vaterland, stets vorn; Von wenig Worten, rascher That, Voll Demut, ehrend treuen Rat, Doch, wenn es galt, den Augenblick Gleich zu benutzen, mit Geschick. Der alte Blücher ist's, man hat Von ihm erzählt manch kühne That. Ein Schlagwort „Vorwärts!“ und so weiter Ermutigte stets seine Streiter Und half gar oft aus großer Not; Gesagt, ging's freudig in den Tod. In heißer Schlacht einst stießen sie Auf eine feindliche Batterie; Da sprach der Held: „Seht, Kameraden! Die kann und wird uns mächtig schaden; Doch haben wir sie, ja, dann auf Ehr', Dann thut sie sicher uns nichts mehr; Drum drauf und dran!“ — Der Gang wohl schien Selbst manchem Tapfern toll und kühn; Doch frischen Muts erkämpften sie Kraft Blüchers Wort die Batterie. Blümleins Gebet Der erste freundliche Morgenstrahl Begrüßet das Blümlein im Wiesenthal. Das hat sich gebadet im Morgentau Und schaut nun erquickt ins Himmelsblau. Dann nach der Sonne neigt's betend sich: Du hast mich erweckt, nun erwärme auch mich. — Sehr möglich „Wohin so eilig, Doktor Keil?“ — „Hans Latz will sterben, darum eil' Ich so; dem muß ich helfen!“ Ein glücklicher Schreibfehler Hans dankt dem Doktor Braß, Daß er am Leben blieben, Nicht, daß er ihm etwas, Nein, daß er sich verschrieben. Die blinde Nachtigall Zu Leipzig, in der Lindenstadt, Wohnt' ich am wohlbekannten Brühl. Es rauschte um mich überlaut Der Ostermesse Marktgewühl. Doch wenn zu Nacht die Straßen leer, Da hört' ich süßen Zauberschall: „Laïsk tüdrück, laïsk tüdrück“ — Das Lied der blinden Nachtigall. Von Sonnengold und Blitzesprühn, Von der Gefährtin, treu und traut, Von heißem Mühn im Kampfe kühn Um die geliebte kleine Braut, Von Lenzeswehn und Minneglück Im maiengrünen, duft'gen Wald, — Laïsk tüdrück, laïsk tüdrück — Die wundervolle Stimme schallt. Nach arbeitvoll durchwachter Nacht, Im würz'gen Frühlingsregenduft, Erklang der Flötenstimme Pracht Wie Engelsgruß mir durch die Luft. Und kehrt' ich abends spät zurück Ins schlafbefangene Revier, Laïsk tüdrück, laïsk tüdrück — Erklang, wie Geisterstimme, mir. Wohl hört' ich manchen holden Sang In Rußlands dunkler Wälderpracht, Doch keiner hat, wie der, mein Herz In süße Träumerei gebracht. Wohl lernte deuten ich den Ruf: Laïsk tüdrück, laïsk tüdrück — Am Moskwastrand, im Zarenheim, Umrauscht, umwogt vom blüh'nden Glück. Aus feuchter Erde steigt ein Hauch Im Lenzesweben himmelwärts, Wie gläubig inniges Gebet Aus hoffnungsbangem Menschenherz. Da rankt es sehnend sich empor: Laïsk tüdrück, laïsk tüdrück — Nicht suche hier, o armer Thor, Nicht auf der Erde wohnt das Glück. Wohl hielten Fesseln, sanft und stark, Mich fest im heitern welschen Land, Doch Lied und Gruß dem Vaterland Blieb treu und innig zugewandt. In Albions Metropolis Laïsk tüdrück, laïsk tüdrück — Erklang mir wie ein Mahnungsruf: Zur Heimat kehr, o kehr zurück! Nun ruht das Nachtigallenherz Wohl längst von seinem letzten Sang, Nun schweigt die Klage, schweigt der Schmerz, Die liederreiche Brust zersprang; Doch lange, lange tönt ihr Lied Noch in der Hörer Ohren nach Und ruft in Träumen, schwer und bang, Erinnrung an ihr Leiden wach. Es fiel in meine Leidensnacht Verheißungsreich ein Strahl von Glück, Doch als ich ihn erfassen wollt', Da zog die Sonne sich zurück, Und klagend tönt's, wie Schwanensang: Laïsk tüdrück, Laïsk tüdrück — Sei stille, stille, armes Herz, Entsag, entsag dem Erdenglück! O wann erscheinest du auch mir, Du heißersehnter letzter Tag, Da endlich sich mein blutend Herz Erhebt zum letzten Pulseschlag? O wollte Gott, ich hörte dann: Laïsk tüdrück, laïsk tüdrück — Der Himmel jauchzenden Gesang: „Geh ein, geh ein zum ew'gen Glück!“ — Taubenbotschaft O fliege, meine Taube, In sehnsuchtsvoller Hast! Der Holden Hand dir raube Die thränenfeuchte Last. Sprich, wenn sich dein Gefieder Sanft kosend an sie schmiegt, Vom Sänger süßer Lieder, Der hier verschmachtend liegt, Der gern sein junges Leben, Den letzten Tropfen Blut, Für sie dahin gegeben; O blieb' sie treu und gut! Was lebend sich nicht einte, Das eint zuletzt der Tod; Und ob um mich auch weinte Kein liebes Aug' sich rot: Hinauf zum Vaterlande Lenk' ich den Glaubensflug, Der schon im Staubgewande Mich oft gen Himmel trug. Dort will ich dir begegnen, Du Maid, so schön und rein, Und deine Treue segnen; Dort bleibst du ewig mein. Sehnsucht Wie sich des Kindes Seele Sehnt nach dem Elternhaus, Wie aus der Kerkerhöhle Der Gefangne strebt hinaus: So nach der Heimat droben Schwingt sich mein Geist hinauf, Des Herren Rat zu loben Nach hier vollbrachtem Lauf. O stärke und behüte Mich ferner in Geduld, Gieb Frieden dem Gemüte, Bewahre mich vor Irrtum und Schuld! Hausmärchen Um des Schlößleins ragende Zinnen Bei des Vollmonds blasser Pracht Webt des Winters erste Nacht Leis aus Reif und Duft und Glanz Sich den schimmerndsten Strahlenkranz. — Und auf den Treppen, den Gängen innen, Flüsternd und knisternd und raunend leis, Ziehen schwebend mit flatterndem Wehn, Ungeahnet und ungesehn, Durch die hallende Einsamkeit Lauschende Geister der alten Zeit. — Doch im Stüblein beim flackernden Reis Webt und wallet des Abends Friede. An der Wiege mit summendem Liede, Selig sinnend und bangend allein, Sitzt das rosige Mütterlein. Träumend auf dem schneeigen Linnen Dehnt sich das Kindlein und lächelt hold; Und sich neigend mit süßem Kosen, Küßt sie der Locke wallendes Gold Und auf den Wänglein die blühenden Rosen, Nickt und lächelt dem Träumer zu: „Schlummre, liebliches Herzlein du!“ Doch ob dem Lauschen und Schauen und Sinnen Sinken ihr endlich die Lider sacht Nieder auf die schwellende Wange, Bis der Schlummer, der Gott der Nacht, Sie mit leisem Liebesgesange Selbst umwoben mit Zaubermacht. Der Schnee Nun zitterst du, Erde, verlassen, allein; Ich komme, mein Liebling, und schläfre dich ein, Ich komme auf Flügeln so leise, so lind, Wie Schritte der Mutter zum schlafenden Kind. Wie hat doch der Sommer geküßt dich so warm, Und der Blitz dich umschlungen mit flammendem Arm, Bis der purpurne Kranz dir gesunken vom Haupt, Dir die Sichel die goldenen Locken geraubt! Wie hat dich der Sturm und der Donner geschreckt, Und der Hagel die zitternde Brust dir bedeckt! Wie hat dir der Regen gebleicht dein Gewand! Ich komme, mein Liebling, mit heilender Hand. Ich komme nicht laut, wie Gewitter dich trifft, Nicht rauh, wie des Reiffrosts ätzendes Gift; Ich komme nicht klirrend mit blitzendem Speer, Wie der Frost, mein grimmiger Bruder, daher. Ich bringe nicht Farben und Düftepracht, Nicht die wonnigen Schauer der Julinacht; Ich presse nicht wild, wie der Sturm, dich ans Herz, Ich schmeichle nicht süß, wie Lenzluft im März. Nicht wie Maienwind kosend, der, irisbeschwingt, Dir Nachtigall, Rose und Schmetterling bringt; Ich komme nicht prächtig, wie Nordlichtschein flammt, Doch lieb' ich dich mehr, als sie alle mitsamt. Ich komme und mach' dir ein Lager bereit In demantflimmernder Herrlichkeit; Ich hülle in wärmende Schleier dich ein, Aus Silber gesponnen und Mondenschein. Ich komme, mein Liebling, dein Treuer, der Schnee, Und Blüten ersprießen, wo immer ich geh'; Ich hab' dir kristallene Blüten gebracht, Wie prächtiger nie sie der Frühling erdacht. Dann liegen wir zwei wie im Tode gestreckt, Es hält dich mein blitzender Mantel bedeckt; Doch sind wir nicht tot, nein, wir leben, und heiß Klopft Herz uns an Herz unterm hüllenden Weiß. Ich halte dich fester und treuer, als je Der Lenz dich umfing, und ob weinend ich geh', Verdrängt einst von Liedern und Blumen und Blatt, Doch kehr' ich, wenn alles verlassen dich hat. Am Ufer Am Wasser stand sie und schaute hinein; „Siehst, Kindlein, du drunten das Engelein? Das will sich erbarmen“, die Mutter spricht, „Doch die Welt und die Menschen, die wollen's nicht. Es streckt dir die Ärmchen entgegen, mein Kind; Seine Locken sind licht, wie die deinen sind; Laß beide uns fliehn zu dem Englein hin, Damit du nicht werdest, was ich jetzt bin: Eine arme Mutter, verlassen, allein, Verstoßen, verhöhnt, mit dem Kindchen klein! Laß sterben uns, Liebchen, damit nicht die Not Dich mit deinem Kinde einst treib' in den Tod! Du weißt nichts vom Leben, vom Tode noch nichts; Du gleichst dem da unten, dem Englein des Lichts, Und ich weiß, daß du elend wie ich einst würd'st sein. Komm mit mir, und mög' mir der Himmel verzeihn! Wir haschen die Fischlein mit silbernem Glanz Und pflücken uns goldene Tulpen zum Kranz, Und die Wellen, die wogen und wiegen uns ein — Komm mit mir, und mög' mir der Himmel verzeihn! Wohl hab' ich geklopft an die Thüren so oft, Hab' gekämpft und gerungen, geliebt und gehofft. Und weil ich dich lieb', lass' ich nicht dich allein — Komm mit mir, und mög' mir der Himmel verzeihn!“ — Und als sie gefunden das arme Weib Am Wehre, im schäumenden Wassergestäub, Mit dem Kind, das geflohn zu dem Englein hin, Da fluchten sie ihr mit frommem Sinn — Und gruben sie ein, wie's Recht ist und Brauch, Im Friedhof beim Armensünderstrauch, Drauf sangen die Vöglein im Abendrot Von Lieben und Leiden und bittrer Not. Den Dichtern Wo ist im Wirrsal dieser Tage Ein gottbegeisterter Poet, Der in der Völker Not und Klage Nicht opfermutig vorwärts geht? — Ihm sei des Himmels Thor verschlossen, Der nur vom eignen Leide singt, Der nicht des Geistes volle Sprossen Als Opfer, von Gesang umgossen, Zum Hochaltar der Menschheit bringt. Der hehren Worte tönten viele Vom Weltberuf der Poesie, Doch meint der Wahn, daß nur zum Spiele Ein heitrer Gott die Kunst ihm lieh: Wer sie verpraßt, die Himmelsgaben, Nicht vor dem Volk enthüllt ihr Licht, Der soll nicht Teil am Lorbeer haben, Der wandle stumm, in Nacht begraben Am Tage, wo man Kränze flicht. Ruhmreiche Bahnen wirst du wallen, Wann, wo ein Aug' in Thränen steht, Vom Priestermund du läßt erschallen Den Psalm des Trostes, o Poet, Wann auf des Glaubens sel'ger Schwinge Dein Lied uns trägt in lichte Gaun, Daß es wie Sphären uns umklinge Und wir die Harmonie der Dinge, Im Wechsel das Beständ'ge schaun. Der Unbestand mag flüchtig gleiten Vorüber am verhüllten Kern; Der Dichter sing', daß alle Zeiten Und Kreaturen sind des Herrn; Mit Flammenschrift begnadet, deute Sein Lied der Offenbarung Hort: Entrissen ist dem Tod die Beute, Es giebt kein Gestern, giebt kein Heute Vor dir, du unerschaffen Wort! Nicht soll die Menschheit er befeuern, Wenn der Parteiung Wunde klafft; Er soll der alten Zwietracht steuern Im Sturm und Drang der Leidenschaft; Ein Siegfried, stark und mild und weise, Geh' er gepanzert durch den Spott, Verein' er die getrennten Kreise Und führ' auf friedevollem Gleise Die Herzen zum lebend'gen Gott. Ein Thor nur mag vom Dichter fodern, Daß er Partei-Apostel sei: Frei soll der Dichtung Flamme lodern, Beirrt von keiner Tyrannei! Die Bruderhand beim frohen Reigen, Der Sänger beut sie allen gern: Gen Himmel läßt sein Lied er steigen, Daß die verworrnen Stimmen schweigen In heil'ger Ruh vor Gott dem Herrn. Zu baun, zu ordnen, zu versöhnen, Dies Amt, o Dichter, lernt verstehn, Dann ruht ein Segen auf den Tönen, Die lieblich euch vom Munde wehn; Dann seid ihr in der Stürme Tosen Die Felsen der Gerechtigkeit, Die Anker für die Hoffnungslosen, Die Gärtner für der Liebe Rosen, Die Bildner einer neuen Zeit. Trinklied Ob wir Schwaben oder Preußen, Müller oder Schulze heißen, Das thut nichts dazu; Aber ob wir deutschen Blutes, Deutschen Geistes, deutschen Mutes: Das thut was dazu. Ob in Östreich, ob in Sachsen Oder Bayern aufgewachsen, Das thut nichts dazu; Aber ob wir deutsch im Herzen, Deutsch in Wort und Lied und Scherzen: Das thut was dazu. Ob wir in Palästen thronen Oder Aftermiete wohnen, Das thut nichts dazu; Aber ob mit heil'gen Trieben Volk und Vaterland wir lieben; Das thut was dazu. Ob wir Dichter oder Maler, Gulden wechseln oder Thaler, Das thut nichts dazu; Aber ob wir tief im Sinne hegen reines Gold der Minne: Das thut was dazu. Ob wir jung in braunen Locken Oder alt im Lehnstuhl hocken, Das thut nichts dazu; Aber ob die alte Treue In uns grünt und blüht aufs neue: Das thut was dazu. Ob wir uns mit Fischen ätzen Oder an Fasanen letzen Das thut nichts dazu; Aber ob wir bei dem Essen Auch der Arnen nicht vergessen: Das thut was dazu. Ob wir Bürger oder Ritter, Edelleute oder Schnitter, Das thut nichts dazu; Aber ob wir feind dem Schlechten, Freund dem Schönen, Wahren, Echten: Das thut was dazu. Unserm Volk zum Heil und Segen Laßt uns Fuß und Hände regen, — Das thut was dazu; Kräftig wird es aus den Wehen Seiner Neugeburt erstehen, Thun wir all' dazu! Wenn du ein echter Dichter bist Was du nicht fühlst, das singst du nicht, Wenn du ein echter Dichter bist, Schwärmst nicht von Küssen im Gedicht, Wenn du dein Liebchen nicht geküßt. Du malst uns keine Thräne vor, Die nicht von deiner Wimper rann, Und klagst nicht wie ein kranker Thor, Wenn du ein kerngesunder Mann. Strohfeuerwerk ist dein Gedicht, Wenn deine Glut erheuchelt ist: Was du nicht fühlst, das singst du nicht, Wenn du ein echter Dichter bist. Italienische Nacht Säng' ich in tausend Schwüren Des Südens Sternenpracht, Du würdest immer spüren Der lauen Sommernacht Bestrickendes Verführen Und holde Liebesmacht, Wenn rings an allen Thüren Die Jugend scherzt und lacht. Du mußt wie ich erküren Die schlichte Pilgertracht, Vom Hut mit Muschelschnüren Die Schläfe leicht bedacht, Dich von der Scholle rühren, Von Reiselust entfacht, Den Zauber selbst zu spüren Der italienischen Nacht. Musik und Gesang Musik! Gesang! Im Dichterrohre, Im Sturm, im Wogenkatarakt, Im Waldgerausch, im Sternenchore — Allüberall Gesang und Takt! Du wohnst, wie Gott, in allen Dingen, Und Allmacht ist auch dir verliehn, Durch alle Menschenherzen klingen Die Zauber deiner Melodien. Wo wär' ein Land, das nicht umhauchte Ein Ton aus deinem Wunderhorn? Ein Dulder, der nicht gerne tauchte In deinen Melodieenborn? Du weckst im Kind, im neugebornen, Der Sehnsucht ahnungsvollen Sinn, Strömst durch die Seelen der Verlornen Die reinigenden Flammen hin. Der Jungfrau erste zarte Neigung, Das Hochgefühl der Jünglingsbrust, Das Wort, das bei der Thronbesteigung Der König schwört in ernster Lust, Der Opfermut des tapfern Kriegers — Sagt, was erhabner ihn beschwingt, Was, gleich dem Lied, ums Haupt des Siegers Des Ruhms geweihte Kränze schlingt! Lieh Orpheus doch Getier und Steinen Ein Herz für seine Melodien, Und deiner ersten Priester einen, Arion, schützte der Delphin; Schürzt, Griechenmädchen, die Gewänder, Die Zimbel lockt und die Schalmei, Und festlich wogen Meer und Länder Zum eleusinischen Tanz herbei. Zum ew'gen Schnee, wo Adler kreisen, Auf seiner Berge freien Höhn, Singt froh der Schweizer seine Weisen, Wenn durch die Schluchten braust der Föhn; Doch wenn der Heimat süßen Reigen Zum fernen Land der Älpler singt, Das tönt so wundersam, so eigen, Daß uns die Thrän' ins Auge springt. Wo fromme Menschenherzen lauschen, Im Sturm, im Wogenkatarakt, Im Weizenfeld, im Waldesrauschen — Allüberall Gesang und Takt! Die Nachtigall, das Sterngewimmel, Sie jauchzen laut einander zu; Verbrüdert tönen Erd' und Himmel: Der Anfang und das End' bist du. Ein Wort Es giebt ein Denken solcher Tiefe, Daß es des Meeres Ungrund gleicht, Wohin kein Sturm, so laut er riefe, Doch wohin auch kein Anker reicht. Ein Wort kann es heraufbeschwören, Ihm folgt's, ein schauervoll Geleit; Was läßt sich alles nicht enthören Dem einen Worte: Ewigkeit! Wie aus der Muschel engem Hause, Hältst du die leere an dein Ohr, Allmählich sich ein dumpf Gebrause, Gleich ferner Brandung, schleicht hervor; Das immer lauter, immer stärker, Sich endlich steigert zum Getos, Als bräche aus dem schwachen Kerker Das ganze Weltmeer donnernd los: So öffnet in dem einen Worte Dem Geiste, der sich drein versenkt, Auch leise eine dunkle Pforte Den Pfad, der nie zum Ziele lenkt. Durch Todesgraun, Verwesungsschrecken Führt weit und weiter er den Sinn, Bis fahle Nebel alles decken; Horch dennoch kühn dem Worte hin! Denn den allein der Welt verbürgten, Unwandelbaren Trost verspricht's: Nichts hast du Mensch dort mehr zu fürchten, Doch auch zu hoffen hast du nichts! Zum Himmel Die Lerche, die noch kurz zuvor Mit lautem Jubel sich empor Zum Himmel warf, Dem Auge sich bereits verlor, Und bald verzittert auch dem Ohr Ihr zart Geharf. Im Felde saß sie still, versteckt, Als sie, durch Schritte aufgeschreckt, Vom Neste floh; Und nun, wo zwar kein Halm sie deckt, Doch wohin auch kein Arm sich streckt, Lobsingt sie froh. O, daß es nicht ein jeder hält Der Lerche gleich, wenn ihm die Welt Den Frieden stört! Sich jubelnd schwingt zum Himmelszelt, Wohin der Menschen Blick nicht fällt, Ihr Ohr nicht hört! Menschen und Wolken Die Menschen unten, Wolken oben wandern, In Sehnsucht stets — die einen wie die andern; Die einen weinend nach des Himmels blauen, Die andern nach der Erde grünen Auen. Wenn nun hernieder träuft der Wolke Regen, Gereicht dem Erdengarten sie zum Segen — Treibt fest verschloss'ne Knospen zur Entfaltung, Blüht duftend auf in holder Umgestaltung! Und wenn sich aufwärts schwingt des Menschen Seele — Glaub nicht, daß sie allein ihr Ziel verfehle — So wird auch ihrer in des Himmels Garten Gewiß noch mancherlei Verwandlung warten. Am Felde Das war in tauverweinter Nacht, Ein leises Lüftchen seufzte sacht, Als, folgend grüblerischem Hang, Ich ging das dunkle Feld entlang. Mir war so klein zu Mut, so zag — Die sonst auf deinen Locken lag, Die Rechte, nun des Spiels beraubt, Glitt ob der Ähren blondem Haupt. Die Halme — ohne Widerstand — Kaum rauschend, beugten sich der Hand; Sie neigten tief sich ihrem Druck Und hoben dann sich wieder schmuck. Da blieb ich stehn und sprach zu mir: Du schwaches Herz, so lerne hier An diesen Halmen, leicht bewegt, Zu tragen, was dir auferlegt! Gleich ihnen harre still gebückt, Wenn dich die Hand des Schicksals drückt; Gleich ihnen richte auch darauf Dich ungebrochen wieder auf! Und so, in stetem Wechselspiel Erstarkend, wachs zu deinem Ziel, Daß einst in dir die Sichel schneid' Ein für die Scheuer reif Getreid! Das Alter Der du des Sommers Blüten erbst, Nicht nur, um rauh sie abzustreifen, Auch um zu Früchten sie zu reifen, — Sei mir ein schönes Vorbild, Herbst! Daß einst, wenn anders meinem Leben Ein höh'res Alter zubestimmt — Es meine Hoffnung einzig nimmt, Um Glauben mir dafür zu geben! Einem Sonderling Dornstrauch zu sein, darfst du nur wagen, Weißt Rosen du zugleich zu tragen; Denn trägst als solcher du nur Schlehen, So läßt ein jeder bald dich stehen. Zum Wettkampf Willst du an das Ziel gelangen, Schaue vorwärts unverwandt, Wo die Lebenskronen prangen, Wenn das Herz im Kampf bestand. Schau in Hochmut nicht zurücke, Wenn du Vorsprung schon gewannst; Fallend würdst du dem zur Brücke, Dem du Spott nicht wehren kannst. Weit vor Augen liegt das Schöne, Vor uns winkt der hohe Preis, Daß er uns am Ziele kröne; — Selig, wer zu kämpfen weiß. Hinüber Hinüber! Hinüber! Noch fehlen mir Schwingen, Noch soll die vergängliche Welt mich umringen: Verzagen, Verwelken, Erbleichen und Sterben, Verlöschende Lichtlein und klirrende Scherben. Noch lachen die Augen, die einst mich beweinen, Soll ihnen nicht früher ihr Stündlein erscheinen. Hinüber! Hinüber! Da wird ja das Leben Mit Frieden und Freuden auf ewig gegeben. Da stehet der Tempel auf ewig gegründet, Da sind wir dem Retter auf ewig verbündet, Da giebt es nicht Schein und nicht Leid und nicht Grauen, Wo ewig die Sonne der Liebe zu schauen. Drei „frische Lieder vom Rhein“, gesungen in diesem Jahr von dem „alten Landsknecht“ I. Frei und selig am Rhein Den Staub von den Füßen, Die Sorg' von der Brust, Die Schultern entlastet, Es winket die Lust! Die Berge, sie nicken, Es locket das Thal: „Hoch lebe die Freiheit, Zu End' ist die Qual!“ Zum Teufel das „Müssen“, Das „Wollen“ allein Bestimmet mein Wesen, Verschönet das Sein! Wo sind nun die Grillen, Die stets mich umsummt? Das „Wandern“ erlöset, Das „Hocken“ verdummt! Da drunten die Wellen, Sie eilen ins Meer; Verlorene Tage Bringt nichts wieder her! Gott grüß' euch, ihr Berge! Willkommen, o Rhein! Hier braucht's keine Pfaffen, Um selig zu sein! II. Sankt Rochus Sankt Rochus war ein frommer Mann, Er bannt' die Pest, so gut er kann, Und pflanzte schlau am Bergesrand Die feinsten Reben in das Land! Kein besser Mittel, daß ihr's wißt, Wohl gegen Pest und Seuchen ist, Als duft'ger, reingehaltner Wein Vom Rochusberge überm Rhein! Doch „Pfui“ den Menschen ins Gesicht! „Sankt Rochuswein“ trinkt keiner nicht; Doch „Scharlachberger“ schlemmen all', Der Bischof wie der Knecht im Stall! Daraus zieht euch die weise Lehr': Thut wohl den Menschen nicht zu sehr! Sitzt erst der frömmste Mann beim Wein, Verduftet jeder Heil'genschein! III. Rauenthaler Sonnenseite Aus den Trauben in die Kelter, Aus der Kelter in das Faß, Aus dem Fasse in die Flasche, Aus der Flasche in das Glas! Aus der Sonne in das Dunkel, Aus dem Dunkel an das Licht! Hei! das giebt ein Goldgefunkel, Wenn der Geist die Nacht durchbricht! Was die Pfaffen einst versteckten, Nicht die Lüge war es, traun! Nur die Wahrheit sie bedeckten Mit den Kutten, schwarz und braun! Hatten sie dich auch verschlossen: Süßer Geist mit goldnem Hut? Wir befreien unverdrossen Dich mit frischem, frohem Mut! Her um mich, ihr Gut-Gesellen, Füllt die Römer, hell und licht! Diese grünen Klosterzellen Gönnen wir den Pfaffen nicht! Rauenthaler Sonnenseite, Unser A und unser O: Hin bis zu den Sternen leite Uns dein Geist, so lichterloh! Angestoßen — ausgetrunken! Meer der Wahrheit glänz' im Licht! Das giebt echte Götterfunken, Wenn der Geist die Nacht durchbricht. — Neuer Frühlingsgruß Starr schlummerten die Fluren, Da kamen über Nacht Auf einmal tausend Gäste Und singen laut: „Erwacht!“ Schnell schütteln Erl' und Weide Die Blütenlocken auf, Und Krokus, Anemone, Schneeglöckchen kommt herauf. Und in den Lüften webet Ein wunderbares Wehn, Ein zärtliches Verheißen, In heil'ger Lieb' Aufgehn. — Auch du, Lied, regst dich wieder, Entgegen ihm zu ziehn, Dem Lenz, dem Freudebringer, Mit Klang zu grüßen ihn. So sag ihm: schlichte Liebe Hab' ich ihm treu bewahrt Als gläubiger Genosse Auf seiner Erdenfahrt. Sag ihm: des Welkens Trauer Kommt er, leg' ich sie ab, Vergess' der Jahre Trauer, Vergess' das nahe Grab. Sein Sprossen und sein Blühen, Neu weckt's des Schaffens Lust Und macht des Schöpfers Güte Mich wieder froh bewußt. Zum Aufbruch Ansteckt der Lenz im Freudensprung Die Auferstehungslichter In Wald und Flur, bei alt und jung, Im Träumereich der Dichter. Da sprosset, was nur sprossen mag, In kecken Blütentagen; Da klinget, was nur klingen mag, Von Lieb' und Lust zu sagen. Dem Bache gleich, der hochgeschwellt Enteilt mit Hast von hinnen, Eilt, Freunde, nun auch in die Welt, Noch jung sie zu gewinnen! — Zu bald, zu bald erscheint die Zeit, Da fehlt der Mut zu wandern, Da folgt die Erdenmüdigkeit, Der Zug zur Welt, der andern. — Ja, schon ist auch mein einzig Glück, Zum Aufbruch euch zu mahnen Und, während still ich bleib' zurück, Zu segnen eure Bahnen. Am Tagessaume Schon schliefen Busch und Aue Im Abendlispeln ein, Da läßt sich noch vernehmen Hell Waldes Vögelein. Eh' es die Augen schließet, Gedenkt es noch einmal Des Tages Lust und danket Auch seinem letzten Strahl. — Nun hat es ausgesungen Und birgt das Haupt im Flaum, Und schlummert sanft und sinket Vielleicht noch heut vom Baum. — Wie's Vöglein will ich's halten: Hab Dank, du schöner Tag; Ich segne dich befriedigt, — Sorg' nicht, was folgen mag! — Im Abenddämmer Es schweigt nach Tages Lärm die Flur; Nur leiser wag' ich aufzutreten, Denn stille Andacht hält Natur Und mahnt den Wandrer, mitzubeten. O Gott, aus vollem Herzen flehn Möcht' ich und kann nicht Worte finden; Ich kann nur ahnend dich verstehn, In Liebessehnsucht dich empfinden. — Sanft säuselnd reget sich das Laub — Bist du's? Mir ist, als hab' gesprochen Aus dem Gezweig ein Hauch: „Ja, glaub, Glaub an des Herzens ahnend Pochen!“ Müder Erdenwaller Müde bin ich, oft so müde, Sehne mich nach nichts, als Ruh; Abgeschlossen scheint mein Tagwerk, Neues füg' ich nichts ihm zu. Auch die Welt bringt mir nichts Neues, Bin fast fremd geworden ihr, Und, o schmerzliches Erkennen, Fremd geworden selber mir. Von dem Blütenflor, der sproßte Um mich, in mir, von der Frucht, Zu der froh mein Schaffen reifte, Blieb Erinnrung nur der Flucht. — Müde bin ich, oft so müde, Sehne mich nach nichts, als Ruh, Harre, daß, der sie erschlossen, Sanft mir schließt die Lider zu. — Sei's zum hohen Geisterfluge In ein Reich des ew'gen Lichts, Sei's zum friedlichen Versinken In das schmerzenlose Nichts. Tagesstimme Bummeln, das ist mein Vergnügen, Bummeln, mein Beruf, mein Stolz; Mag die Menge säen, pflügen, Ich bin nicht aus solchem Holz. Plagen sich, um zu verdienen — Es ist auch so wenig fein; Gar für andre, wie die Bienen, Honig sammeln — Narretein! Narren setzen ein ihr Leben Für die Menschheit; wer kein Thor, Greift zum Nächsten, Besten eben; Wesp' und Hummel macht's uns vor. — Bummeln wär' des Tropfs Vergnügen? — Meine Weisheit sagt euch stolz: Mögt ihr säen, ernten, pflügen, Jeder fragt zuletzt: „Was soll's?“ — Bummle ja auch nicht alleine: Bursche, Backfisch, Überlauf, Männer, Frauen, ja, Vereine Bummeln auch in hellem Hauf; Nicht von Viertel nur zu Viertel Und nicht nur von Stadt zu Stadt, Bummeln um der Erde Gürtel, Müßig, bis sie lebensmatt. Arbeitslust und Schaffens Wonne — Nichts, als eingebildet Glück! Auf die Straße lockt die Sonne, Lockt, was sie bescheint, zurück. Im Verborgenen Soll dichten ich in wilder Eile, Fehlt's leicht an Form, an letzter Feile, Und die Kritik, von Haus aus bitter, Sie macht zum Balken gern den Splitter. Drum mag die Seele weiter dichten; Doch vor der Welt gilt es verzichten. Nicht fragt der Tag mit seinen Pflichten, Was holde Träume uns berichten; Er heischt nur des Berufes Thaten — Und weh, wenn flüchtig sie geraten; Nicht kann ein Herz, das schuldbeladen, Im frohen Licht der Dichtung baden. So lasset denn, ihr trauten Lieder, Die ihr noch sprosset hin und wieder, Genügen es euch mit dem Lose Der Waldesblumen, die im Schoße Der heil'gen Einsamkeit erstanden, Geblüht und ungesehn entschwanden. Tiefste Ruhe Im Häuschen am Ufer, so still und klein, Da liegt die Mutter in Todespein. Sie fühlt nicht der Sonne belebenden Strahl, Sie weiß nicht, ob Dunkel bedeckt das Thal. Der Mutter zu Häupten, an Schmerzen reich, Da sitzet die Tochter, so traurig und bleich. Sie nimmt von der Stirne, durchfeuchtet und heiß, Die Binde, die lindernde, sorglich und leis. Sie wechselt die Tücher mit liebender Hand, Sie legt um das Haupt ihr das kühlende Band. Die Sonne, sie wandert, sie neigt sich zum Wald; Da fährt's durch die Seele ihr ängstlich und kalt. Im Zimmer, da ist's so still und stumm, Es rührt sie ein Schauer, sie weiß nicht, warum. Doch säumt sie nicht lange, mit liebendem Blick Zur Pflicht, zur gewohnten, kehrt bald sie zurück. Sie wechselt die Tücher mit sorgender Hand, Sie legt um die Stirne das kühlende Band. Doch endlich da neiget ihr Haupt sich zur Ruh, Die Lider, die müden, sie sinken ihr zu. Durchs Fenster da schimmert das Abendrot, Die Tochter, sie schlummert, — die Mutter ist tot! Am Pfühle da schwärmen die Fliegen frei, Leis ticket die Wanduhr, die alte, dabei. Pfingsten Schmeichelndes Lüftchen, so kühlend und labend, Felder und Fluren mit Düften begabend, Liebliches Lüftchen, woher und wohin? — „Aus des Allgütigen Hauche geboren, Himmlische Liebe zu künden, erkoren, Frohen zur Freude! — Daher und dahin!“ Herrscher der Wolken, zerstörungumwittert, Der die gewaltigen Eichen zersplittert, Brausender Sturmwind, woher und wohin? — „Himmlischen Heeres Gefilden entstiegen, Höhnende Häupter zu brechen, zu biegen, Mahnung den Mächt'gen! — Daher und dahin!“ Fliegender Funke in flammenden Wettern, Die durch die Waldung zünden und schmettern, Zündende Blitze, woher und wohin? — „Zeugen des Zornigen, heilige Schrecken, Sünder zur Buße zu rufen, zu wecken, Fragender Forscher! — Daher und dahin!“ — Geister der Pfingsten, geheiligte Gluten, Die durch die Herzen erbrausen und fluten, Sturmwind der Seelen! — woher und wohin? — „Öffne die Pforte dem stürmenden Freier, Opfre das Herze dem himmlischen Feuer, Fragest nicht fürder Woher? noch Wohin?“ Herbstahnung Verschwunden sind des Sommers muntre Gäste, Schon kühlt ein rauher Nord des Südens Wange; Es schweigen, die mit fröhlichem Gesange Gebirg' und Wald und Flur belebt aufs beste. Des Parkes Lauben, falber Blüten Reste Durchstreicht der Nachtwind seufzend herbstlich bange, Vergilbte Blätter dort, mit leisem Klange Sie gleiten nieder, lassen kahl die Äste. Und wie sie welk zur Erde hin sich senken, Durch meine Seele zieht ein herbstlich Mahnen, Das Ende aller Dinge zu bedenken. O segne, Herr, du selbst mein ernstes Ahnen Und gieb mir Mut, die Blicke hinzulenken Zu meiner Wallfahrt Ziel auf rechten Bahnen! Das Lied 'S ist eine wunderbare, heil'ge Macht, Womit das Lied die Menschenherzen feit; 'S ist eine Macht, vor der sich jung und alt, Vor der sich Könige und Bettler beugen. Der Töne süße Sprache, sie erklingt Von Pol zu Pol, und — wer versteht sie nicht? Die innersten Empfindungen der Seele, In dieser Sprache geben sie sich kund, In dieser Sprache jauchzt die höchste Wonne, In dieser Sprache klagt der tiefste Schmerz. Ja, der Gesang schlingt seine Zauberbande Um Volk und Volk, um Herz und Herz. Er tönt In ferner Wildnis, tönt im Festsalon Und tönt im traulich stillen Kämmerlein. Den Säugling grüßt das Lied; die Jugend pflegt's Wie einen lieben Freund; ihm lauschet gern Des Mannes Ohr, und selbst den müden Greis Begleitet es auf seiner letzten Reise. Gesegnet sei der Genius der Töne! Gesegnet sei, wer ihm Altäre baut! Gesegnet jede schöne Feierstunde, Die wir begeistert seinem Dienste weihn! Die schöne Sage aus der alten Welt, Wie Orpheus mächtig seine Leier schlug, Und wie die wilden Tiere, wie die Felsen Dem Zauber seiner süßen Töne folgten: Daß sie in ihrer sinnigen Bedeutung In jedem Sängerkreis lebendig würde! Daß, wie die Töne kunstreich sich vermählen, So auch die Herzen freundlich sich umschlingen Und keine Dissonanz die Harmonie Der Seelen und des Lebens Frieden störe! Ja, dann erfüllet sich des Dichters Spruch: „Da, wo man singt, da laß dich ruhig nieder, Denn böse Menschen haben keine Lieder.“ So wollen wir in Lust und Liebe singen, So lang' das Herz noch lebenskräftig wallt! Bis einst — ob spät, ob früh — mit leisen Schwingen Das letzte Lied, der letzte Ton verhallt. Dann — nach der großen Pause — laßt uns ziehen Ins ew'ge Reich der Himmelsharmonieen. Mein Lied Was in der Jugend längst entschwundnen Tagen Entzückend auf das Herz sich mir gelegt; Was, von Erinnerung mit fortgetragen, Aus jener Zeit noch heut sich in mir regt: Das ferne Glück, die kleinen, leichten Sorgen, Mit denen früh das Leben sich umzieht — In meinen Liedern hab' ich es geborgen, Und aus dem Herzen kam mir jedes Lied. Und später, als in Liebestraum gewoben, Ein süß Geheinnis mir im Herzen schlief, Hat mich zum Himmel selbst das Lied gehoben, Darin mein Glück ich wahrte treu und tief. Es steht vor mir, ein lichter Frühlingsmorgen, Von dessen Glanze noch kein Strahl mir schied — In meinen Liedern hab' ich es geborgen, Und aus dem Herzen kam mir jedes Lied. Dann zog des Vaterlandes Ruhm und Ehre Mit mächt'gem Stolze durch des Mannes Brust: Der heil'ge Waffengang der deutschen Heere Und der errungnen Siege Glück und Lust. Der neuen Einheit und der Freiheit Morgen Pries meine Harfe, als das Schwert entschied — In meinen Liedern hab' ich es geborgen, Und aus dem Herzen kam mir jedes Lied. Nun ist ein stilles, trautes Heim gewähret Dem Sänger, der ernst mit den Wogen rang; Sein größtes Glück, von treuer Lieb' verkläret, Bleibt immer noch ein Lied, das ihm gelang. Und nahen auch so manche Erdensorgen, Ich weiß ein Heil, vor dem die schwerste flieht: In meinen Liedern halt' ich es geborgen, Und aus dem Herzen kommt mir jedes Lied. Am Jahresschlusse Wieder hat uns ein langes Jahr Der Herr in Gnaden gegeben, Mit mancher freudigen Stunde war Uns geschmücket das Leben. Wieder hat seine gütige Hand Uns am Wege geleitet, Hat um das teuere Vaterland Schützend den Segen gebreitet. Und ob auch manchmal unser Herz Fand ein getäuschtes Hoffen: Es hat, den Er gesandt, kein Schmerz Unverdient uns getroffen. Drum wird auch fürder keine Pein Unseren Frieden zerschmettern; Er schickt immer noch Sonnenschein Nach den stürmenden Wettern. Vom alten deutschen Kaiser Seit manchen hundert Jahren Hat man die Mär' erfahren Vom alten deutschen Kaiser, Der sitzet im Kyffhäuser. Im Haare weiß wie Schlehen Erharrt er das Erstehen, Bis ihm die Vögel der Runde Geben die rechte Kunde. Dann hebt er sich, gleich Stürmen, Das Reich zu schützen und schirmen, Und Siegesglanz erscheinet, Weil er die Stämme vereinet. O einst'ges Singen und Sagen, Es hat sich zugetragen, Und sichtbar ist den Landen Der alte Kaiser erstanden! Im Bart und Haar wie Schlehen That er das Banner erhöhen, Er hob sich, gleich den Stürmen, Das Reich zu schützen und schirmen. Die schwarzen Adler flogen, Sind allen vorangezogen, Und gaben in der Runde Das Zeichen rechter Stunde. Die Stämme, tief zerklüftet, Haben neu den Bund gestiftet, Und helles Ruhmesscheinen Erstrahlte beim Vereinen! Nun sei der Herr gepriesen, Hat uns ein Wunder gewiesen — An Kaiser und Reiches Walten Ist fürder das Erhalten! Kreuzesdeutung Habe oft aufs Kreuz gesehen, Stetig wollt' die Form mir deuten: Streb empor zu lichten Höhen Mehr als nach der Scholle Breiten! Und so mag's als Sinnbild gelten Allen, allen, die da leben, Daß sie zwischen beiden Welten Mehr sich nach den Höhen heben! Hoch das Haupt und offne Arme, Liebreich gen die Welt gerichtet, Fest in allem Sturmesharme, Anker, der nach oben lichtet! Bienleins Reigen Ich saß am Waldesraine Bedeckt vom Laubenschatten, Vor mir im hellen Scheine Erglänzten Blumenmatten. Im feierlichen Schweigen Schien die Natur zu lauschen — Ein Bienlein begann zu reigen Mit Summen und mit Rauschen. Die schönsten Blütenräume Durchschwärmt es mit Behagen; Mir aber stört's die Träume, Ich wollt' das Bienlein jagen. Da hört' ich's aus dem Brause, Als spräch's mir klar ins Herze: Hol dir Honig zum Freudenschmause Und Wachs zur Totenkerze! Venezia Sie saß am Meere, ein Jahrtausend lang, Sie wuchs, sie träumte bei der Wogen Sang. Geheime Schönheit, fernem Ost entschwebt, Hielt sie mit wundersamem Reiz umwebt. Doch auch des Meeres mitternächtig Grau'n Lag, wie ein Duft der Flut, um ihre Brau'n. In ihre Wiege legte eine Fee Die Zaubergabe: daß sie schön im Weh; Daß sie, die nicht geglänzt im Krongeschmeid, Bestrickend blieb auch noch im Bettlerkleid; Daß jede Falte, die sie, gramversteint, Im Antlitz trägt, noch wie ein Reiz erscheint. — So ruht auf ihr bis heut der Duft, der Schein, Doch traurig starrt sie in die Flut hinein. Und lange prüft sie jeden Schmerzenszug, Und bange fragt sie, ob noch Reiz genug. Und dunkel träumt sie, daß ein Tag wohl kommt, An dem die Zaubergabe nicht mehr frommt. Das Nebelmännlein und der Ritter von Schauenburg Elsässische Sage Im Lager bei Jerusalem, Im Feld, nicht weit von Bethlehem, Da schlief im Zelt ein Ritter. Vom Elsaß fern seit Jahr und Tag, An schweren Wunden er niederlag, Die schlug ihm ein Lanzensplitter. Allmählich heilen die Wunden aus, Wie innig sehnet er sich nach Haus, Nach Gertrud, seiner Frauen! Wie freut sich der Edle von Schauenburg, Bald wieder seiner Väter Burg Zu Herlisheim zu schauen! Doch plötzlich — es graute der Morgen kaum — Da weckt ihn ein banger, böser Traum: Er stand an des Burghofs Schwelle Und sah einen Brautzug feierlich nahn Mit Priester und Chor, mit Kreuz und Fahn', Beim Glöcklein der Kapelle. Wer ist die Braut mit Schleier und Kranz? Schön Gertrud ist es im Jugendglanz — Ach, ist sie in Untreu gefallen? Und wer ist ihr Freier? Wer führt sie heim? Es ist der Nachbar von Isenheim, Der Burg mit den stolzen Hallen. Wie peinlich schreckt ihn das Traumgesicht! Auf einmal erfüllt ein Gewölk voll Licht Des Ritters Gezelt, und siehe! Mit grauem Mäntelchen angethan, Tritt vor den Ritter ein Männchen heran, Kaum reicht es ihm an die Kniee. „Das Nebelmännlein bin ich genannt, Am Rhein und im Wasgau wohlbekannt; Ich komme zur guten Stunde. Es droht Euch wirklich die Gefahr, Die Euch im Traume ward offenbar, Sie droht Eurem Herzensbunde. Doch wenn Ihr mir folgt, so weiß ich Rat, So bringt Euch rasch meine rettende That Nach Haus in die festliche Runde; Und ehe der Priester den Trauring weiht, Vernimmt schön Gertrud zu rechter Zeit Von Eurer Heimkehr die Kunde. Denn wisset, sie brach Euch die Treue nicht, Hielt unverbrüchlich der Ehe Pflicht, Verschmähte Freier in Menge; Erst, als ihr der böse Nachbar schwor, Ihr wäret gefallen vor Zions Thor, Da kam ihre Lieb' ins Gedränge. Im Witwenschleier ging sie umher, Ihr Auge war naß, ihr Herz war schwer; Doch endlich gelang's dem Freier. Sie lieh seinem Kosen und Flehn ihr Ohr Und tauschte den schwarzen Trauerflor Mit dem weißen, bräutlichen Schleier. Noch, edler Herr! ist es nicht zu spät, Vertraut mir nur, und wohl gerät Der Flug mit Euch in die Ferne. Sobald schön Gertrud Euch erblickt, Zerreißt sie das Band, das sie umstrickt, Ist wieder die Eure gerne. Doch eines bitt' ich mir flehend aus: Sobald wir im Wasgau sind zu Haus Und neblige Tage grauen, So lasset die Glocken läuten all' In Schloß und Dorf mit hellem Schall, Bis weicht der Dunst von den Auen. Denn wisset, ich bin ein verwünschter Geist, Im Leben war ich ein Mönchlein feist, Gar sündig war einst mein Handeln; Zur Strafe muß ich durch Au und Gau Nun fröstelnd, gehüllt in Wolkengrau, Als Nebelmännlein wandeln. Wohl schafft zuweilen der Sonnenschein Mir etwas Linderung meiner Pein; Doch ganz vom Fluche des Bösen Kann nur die Glocke, dem Herrn geweiht, Durch helles Läuten zur Nebelzeit Mein armes Seelchen erlösen.“ — Der gute Ritter sofort verheißt Den Liebesdienst dem gequälten Geist, Dann eilt er, sich aufzuraffen; Er kleidet sich an, er tritt vors Zelt Und steht, vom Morgenschimmer erhellt, Gerüstet in blanken Waffen. Jetzt hüllt ihn das Nebelmännchen fein In seinen Zaubermantel ein Und hebt ihn hoch in die Lüfte; Auf Sturmesflügeln fährt es einher Und trägt ihn über das weite Meer Und über die Alpenklüfte. Der Sturmflug währt eine Stunde kaum, Dem Ritter däucht es ein kurzer Traum, Schon tritt er ans Burgthor eben Und sieht Frau Gertrud bräutlich geschmückt Und ihren Verlobten hochbeglückt, Von schmuckem Gefolg umgeben. „Ach Gertrud!“ Klagend eilt er herbei. „Mein Hugo!“ ruft sie mit Freudenschrei, Fällt weinend ihm in die Arme. Der falsche Nachbar schleicht sich davon, Das Fest wird gefeiert, doch ihm zum Hohn, In fröhlicher Gäste Schwarme. Dem Nebelmännchen hält auch sofort Der treue Ritter mit Dank sein Wort, Läßt läuten das Nebelglöcklein; Zu Herlisheim erscholl es noch lang, Bis endlich verstummte sein heller Klang: Nun ward wohl zum Schäfchen das Böcklein. Vernunft Vergöttert die Vernunft ja nicht, Doch schmäht, verteufelt sie auch nie! Von Gott geschaffen für sein Licht, Ist unsres Geistes Auge sie. Füchse und Gänse „Die höheren Töchterschulen — ach wozu? Verschont die Mädchen mit gelehrtem Plunder!“ So eifern Klerikale, und was Wunder? Den Füchsen sagen eben Gänse zu. Poesie und Leben O Poesie auf lichten Höh'n! Für dich zu leben, ist so schön; Doch von dir leben um den Lohn, O welch ein schnöder Spott und Hohn! Silber im Haar Sie legte in traulicher Stunde Um seinen Hals den Arm Und blickt' dem geliebten Gatten Ins Auge treu und warm. „Ei Väterchen!“ spricht sie flüsternd, „Was nehme ich plötzlich wahr? Es schimmert ja weiß und silbern In deinem gekrausten Haar.“ — „So ist's“, entgegnet er lächelnd, „Doch, wie ich eben es seh', Glänzt in deinen weichen Locken, Mütterchen, auch schon der Schnee!“ — „Was Wunder? Wir standen zusammen So lang' in Freud' und Leid, Bis fünfundzwanzig Jahre Uns Schnee ins Haar gestreut.“ — Da hat er die teure Gattin Bewegt an sein Herz gepreßt; Beseligt feierten beide Das silberne Hochzeitsfest. Laßt friedlich uns die Hände reichen Sieh dort den Krüppel, der von Thür zu Thür Mit mattem Schritt und scheuen Blicken wankt Und jedem, der ihn mild beschenkt, dafür Mit Thränen in den Augen innig dankt! Hilf ihm, du kannst ihn leicht erreichen! — „O nein! er ist nicht meinesgleichen“. Siehst du den Mann im Leinenkittel dort, Dem von der Stirn der Schweiß wie Perlen rinnt? Siehst ihn sich mühn an jenem steilen Ort, Daß er sein täglich Brot ihm abgewinnt? Tröst ihn, du kannst ihn leicht erreichen! — „O nein! er ist nicht meinesgleichen“. — Vom Kohlenstaub geschwärzt das Angesicht, Mit kräft'ger Hand ein Bursch den Hammer schwingt, Er läßt von seiner schweren Arbeit nicht, Bis nicht im West die Sonne untersinkt. Hilf ihm, du kannst ihn leicht erreichen! — „O nein! er ist nicht meinesgleichen.“ Wer war's wohl, den man dort zu Grabe trägt, Weil niemand hinter seinem Sarge geht? Ein Pfründner nur, im Armenhaus gepflegt, Des Herzschlag nun auf ewig stille steht. Folg ihm, du kannst ihn leicht erreichen! — „O nein! er ist nicht meinesgleichen“. Sag an! Warum nicht deinesgleichen er? Hat doch in ihm auch Gottes Geist gelebt, Und bist du selbst nur Mensch und wohl nicht mehr, Und redlich hat er auch gleich dir gestrebt. Laßt friedlich uns die Hände reichen, Da wir uns alle, alle gleichen! Weltbetrachtung Selber baut sich die Seele ihr Haus hier, Selber vermag's die beflügelte Kraft; Aber die Seelen entschweben dem All, Alle die unsrigen kamen von oben! Ungleich sind sich die Häuser, die Leiber: Hütten, Paläste, niedrig und hoch; Alle doch gleich vor dem Weltallsherrn Ganz wie das Gräschen der Palme hier gleich ist. Kinder und Greise, Starke und Schwache, Irrende Grübler und Freunde des Lichts, Alle zusammen blicken ins All, Keiner ins Ganze, doch jeder ein Teilchen. Wo sie auch stehen, sie sehen ein Teilchen, Und was die andern nimmer erschaun, Leuchtet dem Einzelnen einzig im Hirn, Jeder ein Äuglein ewiger Gottwelt. Drum unzählbar bleiben die Strahlen Jener unendlich unfaßbaren Macht; Genüge denn jedem der Platz, wo er steht, Doch soll er ehren die fremde Gesinnung. Hoch wohl ragen die herrlichen Türme, Zinnen der Dichter und Weisen der Welt; Solche ersteige und blicke hinaus, Freu dich der weitesten göttlichen Aussicht. Aber Weltweise und alle die Dichter, Alle Propheten, sie blicken's nicht aus; Rühme sich keiner der ganzen Enthüllung, Allen mitsammen nur ist es enthüllt. Auf der Pilgerschaft I. Es klingt vom Turm des Städtchens Hoch oben der Choral, Am Herde sitz' ich unten, Müd' und bestaubt zumal. Die Wanderschaft war schwer und lang, Nun dünkt mir, seit das Lied erklang, Ich wär' daheim, daheim. Der Wirt spricht: „Schön willkommen!“ Drückt mir die Hand so warm; Den Krug bringt mir die Wirtin Und hält das Kind im Arm. Am Blick und Gruße merkt der Gast: Er hält bei Lieb' und Treue Rast, Als wär' er schon daheim. Und zieh' ich morgens weiter, Halt' bei der Kirch' ich an; Es schlummern rings die Schläfer, Die längst ihr Werk gethan. Da hebt sich hoch die Lerch' empor, — Still betend schreit' ich durch das Thor Und denk an mein Daheim. II. Die kleine Lerche flog empor Bis an das goldne Himmelsthor. Sie pickt' mit ihrem Schnabel an, Da ward das Thor ihr aufgethan. Und Engel hier und Engel dort Drin singen Psalmen fort und fort. Die Lerche lauscht und stimmt mit ein, Da ward sie selbst ein Engelein. — Seit wandl' ich traurig und allein, Ich glaub', es war die Seele mein; Die Seele mein, der Jugend Lied, Das immer mich nach oben zieht. Die Zeit ist kurz, der Raum ist klein, Bald werden wir beisammen sein. Der Schmied von Rotenburg Der harte Amboß ist mein Teil, Schlag drauf, Gesell, schlag drauf! Er ist mir um die Welt nicht feil, Schlag drauf, Gesell, schlag drauf! Mein Hab und Gut Heißt froher Mut, Gern grüß' ich Kron' und Fürstenhut, — Doch wer sich knechtisch schmiegt und biegt, Ist wert, daß er im Staube liegt; Schlag drauf, Gesell, schlag drauf! Und steh' ich an dem hellen Herd, Schür an, Gesell, schür an! So halt' ich mich des Besten wert, Schür an, Gesell, schür an! Bei Wehr und Schild, Sobald es gilt Für Weib und Kind und Stadtgefild, Die Faust, die erst den Hammer schwang, Sie liebt auch Schwertes Sang und Klang; Schür an, Gesell, schür an! O Rotenburg, du edle Stadt, Stoß an, Gesell, stoß an! Heil dem, der einst gebaut dich hat, Stoß an, Gesell, stoß an! Das Glück begleit' Dich allezeit In Fried und Lust, in Kampf und Streit, — Dein treuster Bürger ruft es laut, Dem nie vor Schwert noch Amboß graut, — Stoß an, Gesell, stoß an! Ein Gruß Blauer Himmel, wölbe dich, Grüner Rasen, sprieße! Ruft der Mai doch aus dem Wald: Menschenherz, genieße! Wird nicht müd' bei Tag und Nacht, Durch die Welt zu schweifen Und von Baum und Busch und Strauch Blüten abzustreifen. Und die schönsten, die er pflückt, Legt er mir zu Füßen, Von dem Kirchhof bringt er sie, Heimlich mich zu grüßen. Blauer Himmel, wölbe dich, Sprieße, grüner Rasen! Decke sanft, die von der Lust Und dem Weh genasen. Ein ungelöstes Rätsel Wer hätte nicht, — wenn in das dunkle Land Der Tod entführt ein heißgeliebtes Leben — Wer hätte nicht versucht, mit leiser Hand Den Schleier, der das Jenseits deckt, zu heben? Wer hätte nicht gesonnen und geträumt, Wie drüben, durch des Weltenmeisters Walten, Das Leben, das dem ird'schen Tod entkeimt, Sich einst zu neuer Blüte wird entfalten? Doch kein Verstand, wie er sich rühmt und preist, Vermag die dunkle Pforte zu entriegeln; Es liegt das Jenseits vor dem Menschengeist, Ein festverschloss'nes Buch mit sieben Siegeln. — — So hab' auch ich — wenn in der stillen Nacht Am Himmel wandelten die ew'gen Sterne — So hab' auch ich gefragt oft und gedacht; Doch keine Antwort tönte aus der Ferne. Jetzt, wo mein Blut nicht mehr so stürmisch wallt, Wo ich so nah der Wandrung Ziel auf Erden, Jetzt harr' ich still, ich weiß es ja, so bald Wird Antwort mir auf jene Frage werden. Ich weiß, ob sie zu sterben auch verdammt, Die ird'schen Glieder, die mich jetzt umgeben, Mein Geist, der aus dem Geiste Gottes stammt, Der wird durch ihn und mit ihm ewig leben. Was mich umgiebt dann für ein neu Gewand — Wo mein Daheim? — Das kümmert mich nicht weiter; Ich weiß, es führet seine Vaterhand Mich hoch und höher auf der Wesenleiter. — Die Unvermählte I. Sie fand ihn nicht für diese Lebensreise, Den Mann, um reich die Tage ihm zu schmücken; Nun drängt es sie, die Teuren zu beglücken, Die nah ihr stehn im häuslich stillen Kreise; Es lebt ihr ja der Vater noch, der greise, Auf den die Lasten langer Jahre drücken; Die treue Mutter, die mit Liebesblicken Das Wiegenlied ihr sang einst, süß und leise. — So strömt sie denn der Liebe ganzen Segen Aus auf die Häupter dieser teuern Beiden; So müht sie sich, die Schwachen treu zu pflegen, Bis sie einst müde aus dem Leben scheiden. Und kann sie so auch Großes nicht erstreben: Nicht nutzlos ist und nicht verfehlt ihr Leben. — II. Sie gingen heim, wie unser Los hienieden! Doch daß sie jetzt auch nicht die Ruhe missen, Hat sie mit zarter Hand auf weiche Kissen Gebettet zu dem langen Schlaf die Müden; Und ob sie auch getrennt sind und geschieden: Das schöne Band hat nicht der Tod zerrissen; — Sie nahen ihr mit warmen Liebesgrüßen, Zu senken in das Herz ihr stillen Frieden. Sie fühlet ihre Nähe, wenn die Freude Als heller Stern die Pfade ihr beleuchtet; Sie sind ihr tröstend nahe, wenn im Leide Das Auge sich in heißen Zähren feuchtet; Sie fühlt's, was ihr auch sonst das Leben raubte: Der Eltern Segen ruht auf ihrem Haupte! Der edle Stein Ich hörte jüngst von einem edlen Steine, Der kühn gewonnen aus der Erde Schacht Und von dem Strahl der Sonne angelacht, Die Strahlen alle eng in sich vereine; Der, wenn sich auf die Fluren, auf die Haine Mit ihren Schleiern niedersenkt die Nacht, Ausströmt sein Licht in wunderbarer Pracht, Verklärend alles rings mit mildem Scheine. — Gleich jenem edlen Steine faß, o Herz, Der Freude Strahlen eng in dir zusammen, Die dir in sonnenhellen Tagen flammen, Als Talismann, droht Sorge dir und Schmerz; Als Talismann, der trotz des Winters Macht Dein Leben schmückt mit Lenz und Blütenpracht — Centaurea Cyanus Wer kennt die Blume des Kaisers nicht, Die zartbefiederte, blaue, Die, mild, wie freundlicher Sterne Licht, Sich mischt der prangenden Aue? Wie oft zu ihm in Freud' und in Leid, Der Bote des Volks im bescheidenen Kleid, Hat sie Grüße der Liebe getragen! — Doch erst vor kurzem erfuhr die Welt, Warum er sie hoch und teuer hält Seit seiner Kindheit Tagen. Das war in trüber, unseliger Zeit, Nach Jenas blutiger Schande, Als der Korse schmählichem Fall geweiht Und zermalmt die preußischen Lande; Da war in Berlin nach dem gastlichen Recht, Das niemals ruht für der Großen Geschlecht, Die Welt von Napoleons Gnaden, Generäl' und Gesandte mit ihrem Troß Nach dem altehrwürdigen Fürstenschloß Zum heitren Feste geladen. Und sie kamen, sie füllten Hallen und Saal, Auf den Lorbeer der Sieger trotzend, Die fränkischen Damen und Ritter zumal, Von Gold und Juwelen strotzend; Doch keine ward in den schimmernden Reihn In unverwelklicher Anmut Schein, Wie Preußens Herrin erfunden: Sie schien eine Königin ganz und gar, Doch um ihr blondes, leuchtendes Haar War — ein Kranz von Cyanen gewunden. Das gab ein Flüstern und Zischeln rings Und spöttischer Blicke Wechseln! Die Herren vergaßen schlechterdings Das Komplimentedrechseln. „Wohl wagt in Paris und in Fontainebleau Die Letzte sich nicht zu Hofe so“, — Und der Keckste: „Bei meinem Eide! Fürstinnen kenn' ich in großer Zahl, Doch seh' ich heute zum erstenmal Eine Königin ohne Geschmeide!“ Des Frechen Wort, einer Natter Stich, Nicht war's Luisen entgangen, Und sie wandte sich stolz und königlich Ihm zu mit flammenden Wangen. „Herr Marschall!“ — wie brennt ihr heißer als je Im Herzen der Zorn und das tiefe Weh, An dem ihr Leben verblutet! — „Was Ihr vermisset, der Edelstein Und die Perlen dürften Euch näher sein, Herr Marschall, als Ihr vermutet! Einst ließ in Frieden der Erde Schoß Uns reichlichen Segen sprossen, Nun liegt die Flur uns wüst und bloß, Zertreten von Frankreichs Rossen! Ringsum im Lande nicht Dorf, nicht Haus, Das Ihr nicht beraubt und geplündert aus, Keine Truh', die Ihr nicht zerschlagen —: Unsre Habe wandert nach Frankreich hin, Drum kann auch Preußens Königin Nur Blumen des Feldes tragen!“ Was der Spötter empfunden, bekannt' er nie, Verschwiegen hat's die Geschichte; Doch eine neue Glorie lieh Sie dem holdesten Angesichte. Voll Hoheit unter der Leiden Druck, Stellt sie fortan sich in edlerem Schmuck, Als Perl- und Demantensträußen, Dem liebenden Auge des Volkes dar: Mit der blauen Blume im goldenen Haar, Die schöne Luise von Preußen! Und die Blume selbst, die die Herrliche trug, Umringt von den fränkischen Horden, Sie ist von dannen mit Recht und Fug Des Sohnes Liebling geworden. Und wie er in ihrem bescheidenen Wert Der hohen Mutter Gedächtnis ehrt, So tön' es immer aufs neue: Vor den stolzen Schwestern, voll Duft und Schein, Soll sie die Blume des Kaisers sein, Die Blume des Muts und der Treue! Dornen I. Was tretet ihr zu mir und sprechet: Halte Zurück die Thränen! — eh' mein Aug' verdorrte? Was redet ihr verlorne Trostesworte Und zwinget mir die Hand, die schmerzgeballte? Was zählt ihr meine Pulse, deckt mir über Die fieberische Stirne feuchte Linnen Und seht die Tropfen mir vom Antlitz rinnen Und lächelt fröhlich: Sieh, es geht vorüber! Ihr guten Herzen! Fieber könnt ihr heilen, Den Todestrank mir von den Lippen reißen, Doch aus der Brust, der wunden, brennend heißen, Zieht ihr mir keinen von den Schmerzenspfeilen! Nur Eine kann das, Eine! Daß zur Stunde Sie sanft die Hand aufs kranke Haupt mir lege, Nur leise betend ihre Lippen rege, Mir ein Mal lächle nur, und ich gesunde! Nie — niemals mehr! Stumm ruht sie unterm Boden, — Ich lebe noch und schau' — in öde Weiten; Noch Jahre vor mir, Monde, Ewigkeiten, Und keine Hoffnung! — Selig sind die Toten! II. Ein Kind zu sein! — Es streckt sich meine Hand Nach meiner Jugend, meiner Unschuld Land; Aus rauher Wirklichkeit reiß' ich mich los Und flüchte, Mutter, mich in deinen Schoß! Wie sonst ich's that im stillen Abendlicht, Vor meinem Blick dein liebes Angesicht, An deinen sanften Lippen hing mein Ohr, Die Märchen mir und Lieder sprachen vor! Und dann wohl fragtest du mit leisem Ton: Du bleibst mir doch mein guter, frommer Sohn? An deiner Wimper hing ein Tropfen da — Ich aber küßte dich und lallte: Ja! Nun schläfst du längst im dunklen Grabesschrein, Um deinen Hügel spielt der Mondenschein, — Der alte Freund — er lächelt Frieden dort, Doch nicht die Thränen mir vom Auge fort! Wohl über bleiche Wangen gleiten sie, Und eine Totenklag' bereiten sie Zerriss'nen Kränzen, welkem Hoffnungsgrün, Erstorbnem Mut, verloschnem Lebensglühn! Der Tag am Rhein Rheinlieder Im sonnigen Schein Ein Morgen am Rhein: Wie strahlend die Lüfte, die Wellen! Und ins Städtchen voll Wein Zum Thore herein Viel durstige, frohe Gesellen. Und ihr Liedersang durch die Gassen hallt, Und die Mädchen lauschen am Fensterlein — Es beschwingt die Seele mit Sturmesgewalt Ein Morgen am Rhein. Nachmittags am Rhein Welch Leben muß sein Überm Strom in den schattigen Lauben! Wie sprudelt vom Faß, Wie funkelt im Glas Der köstliche Labsaft der Trauben! — Und manch trefflich Wort, manch kerniger Spruch Von den Lippen dringt in die Herzen ein — Wie füllst du mit Weisheit der Seele Buch, Nachmittag am Rhein! Den Vollmondschein Mild spiegelt der Rhein Und zum Tanze die Brummfiedeln laden. Doch wer schleichet allein Aus dem wiegenden Reih'n Auf des Weinbergs steinichten Pfaden? Und am Felseneck regt sich's: und an die Brust Ihm sinkt erglühend das Mägdelein — Und wie wiegst du die Seele in Himmelslust, O Mondnacht am Rhein! Anderlei Herbste Rheinlieder Ich zog im Herbst den Rhein entlang — Der Jahrgang ist mißraten. Da hallt so dumpf der Glocken Klang, Und die Mienen so bang, Die Herzen Buße thaten. Und trüb der Wein im Römerglas, Ja, trüb und herb, Und die Lippen der Mädchen — o trauriger Spaß! — Ach, die Lippen der Mädchen so herb, so herb! — Wo bist du, o Rhein, Mein goldner Rhein? In der Uckermark träum' ich zu sein! Ich zieh' im Herbst den Rhein entlang: Der Jahrgang wohlgeraten! Hell übermütig Glöckleinklang, Und es tönet Gesang, All duftet's wie Festtagsbraten. Und klar der Wein im Römerkelch, Ja, klar und süß, Und die Lippen der Mädchen — nun, Trinker, schwelg! — Ja, die Lippen der Mädchen so voll, so süß! — Das bist du, o Rhein, Mein goldner Rhein: Im Eden träum' ich zu sein! Ode an den Tod Stiller Weltgott, einziger aller Götter, Den die zahllos sprießenden Menschen alle, Weil die Not zwingt, glauben und alle fürchten, Wenige lieben, — Tod, dies Fleh-Lied heilige reinen Herzens Deiner Willkür ewiger Majestät ich. Sieh, auch ich weiß, daß ich in deiner Hand bin. Höre mein Flehen! Nicht vor mir nimm meine Geliebte zu dir, Daß im Holzschrein nimmer ich sie, dem schwarzen, Liegen sehn müss', bleich und in kalten Linnen! Nimmer ertrüg' ich's! Doch mich selbst führ lächelnd und leis von hinnen, Wenn der Tag kommt, welchen ich nicht ersehne, Leis und lächelnd, Lieber, so daß ich leis und Lächelnd dir folge. Im neunzehnten Jahrhundert Ein Sonett „Hepp, hepp!“ Was war das? Halbverschollne Lieder, Die höhnend sich von Stadt zu Stadt verbreiten, Hör' ich durch meine Morgenträume gleiten; Und schon im Traume drückt die Furcht mich nieder. „Hepp, hepp!“ Kein Traum! ich hör' den Ruf schon wieder. Den Schatten längst verweht geglaubter Zeiten Seh' ich gespenstisch über Deutschland schreiten, Und jäher Schrecken lähmt mir alle Glieder. Ich war so stolz aufs neunzehnte Jahrhundert, War über Deutschlands Größe voller Freude, Und muß nun Stolz und Freude fahren lassen. Der Fortschritt war nur Schein, den ich bewundert; Nur blinder Kreislauf herrscht im Weltgebäude, Und ewig werden sich die Menschen hassen! Sonnenglanz Steig herauf mit deinen Strahlen, Morgensonne, klar und mild, Brich der Dämmrung dunkle Schalen Still mit deinem Feuerschild; Stecke an des Himmels Räumen Nach der Nacht und wirren Träumen Nun fürs weite Erdenhaus Deine goldne Fahne aus! Ha, du kommst! Im Lichtgewande Seh' ich alles auferstehn, Bis hinauf zum blauen Lande Fühl' ich Lust und Leben wehn. Auf der Eiche, auf der Rose, Auf dem Felsen, auf dem Moose Schmückt sich liebend die Natur Mit des Taues Perlenschnur. Aus dem Strauche, aus dem Felde Schwingen Vöglein sich empor, Aufwärts nach dem luft'gen Zelte Tragen sie den reinen Chor. Alles flieht die Ruhekammer; Aus der Werkstatt tönt der Hammer, Und die Hütte, arm und klein, Offnet sich dem Sonnenschein. Und wer hat mich eingeladen Zu des Sonnenmahles Pracht? Sie, die über Myriaden Solcher Sonnen liebend wacht; Sie, die Urkraft alles Lebens, Alles Denkens, alles Strebens, Sie, die frei auch mich durchweht, Sie, die mein Gebet versteht. Mensch, richte nicht! Mensch, richte nicht! geheimnisvolle Blätter Giebt's in dem Tagebuche deiner Brüder, Und jeder trägt solch Buch tief in der Seele, — Dicht an der Tugend stehn oft Schuld und Fehle, Und diese Schrift kein fremder Blick durchdringt. Wie hart auch oft des Richters Urteil klingt, Und wie die Menge dann verdammend schreit — Sei mild, o Mensch, und übe Menschlichkeit! Bedenke doch, was ist's, daß noch dein Schritt Nicht abwärts von dem rechten Wege glitt? Warst du nicht oft gar nahe schon daran, Zu thun, was jener Schuldige gethan? Du thatst es nicht, — ein Vorteil sprang dir bei Und machte dich vom nahen Falle frei, — Ein Freund vielleicht, er reichte dir die Hand, Ein kräft'ger Ruderschlag — du warst am Land, Ein kecker Wurf, ein einz'ges Wagestück, Ein einz'ger Zufall festete dein Glück. Drum schlage wen'ge Blätter nur zurück Parteilos in dem eignen Tagebuche. — Und nicht beladen wirst du den mit Fluche, Der heißer wohl als du im Kampf gerungen, Und dem doch nicht gelang, was dir gelungen. Ob das Gesetz daher den Stab auch bricht, — Doch du, o Mensch, verdamm und richte nicht! Marksteine Schrift oder Feld: Steh recht als Mensch, dann bist du ein Held! Staat oder Haus: Halt wacker nur im Sturme aus! Lied oder Wort: Nur Wahrheit klinge im Akkord! Frei oder Haft: Nur Mut und Trost durch eigne Kraft! Blatt oder Kranz: Nur aus der Seele ganz! Sieg oder Tod: Nur nach dem Kampf ein Morgenrot! Hoch über brandenden Wogen Welch reicher, welch üppiger Zauber liegt ringsum auf Thälern und Hügeln! Es wiegt sich der Falke in schwindelnder Höh auf leichten, geschmeidigen Flügeln; So zieht er ruhig die endlose Bahn fern in die schimmernde Weite, So schwebt er in einsamer Größe dahin, kein Gegner steht ihm zur Seite. Er überblickt von dem einsamen Thron die grünenden Saaten und Felder, Er sieht die Ströme zum Meere entfliehn, ihm rauschen die herrlichen Wälder. Doch unter ihm wandelt im Schutt und im Staub der Mensch auf der irdischen Bühne Und hebt den Blick zu dem endlosen Blau: „O wär' ich der Falke, der kühne!“ Doch weiter schweift stets des Menschen Blick, wenngleich in anderer Weise, Und zieht durch der Welten unendlichen Bau die nimmer sich schließenden Kreise. Das ist der Gedanke! Wie schwingt er sich weit in die unermeßliche Ferne, Weit über der Erde Nebel und Dunst, bis über den Schimmer der Sterne! Und weiter noch geht sein endloser Flug; wer setzte auch Grenzen und Schranken, — Den keiner gemessen mit irdischem Maß — dem kühnen Flug der Gedanken? Beneide, o Mensch, den Wanderer nicht, der hoch über gähnenden Klüften, Dem Staube entzogen, die Schwingen dehnt in höheren, reineren Lüften. Denn dir auch ward eine Schwinge verliehn, die trägt dich mit kräftigen Schlägen, Die hebt dich empor, ein allmächtiger Gott, dem Licht der Erkenntnis entgegen. Versuche und prüfe der Fittige Schwung, versuche nur, ohne zu wanken, Den nie und nimmer besiegten Flug unsterblicher, hoher Gedanken. Und höher, stets höher, steigst du empor, dem Nebel der Erde entzogen, Und schwebst, ein freier, entfesselter Geist, hoch über den brandenden Wogen! Entfaltet haben die Blätter Entfaltet haben die Blätter Sich leise über Nacht, Beim linden Frühlingswetter Stehn Wald und Feld in Pracht. Die Knospen strecken und dehnen Sich nach des Winters Traum, Welch freudiges Hoffen und Sehnen Durchrieselt jeden Baum! Gegrüßt, ihr seligen Tage! Gegrüßt, du selige Zeit! Nun liegen Schmerz und Plage So endlos fern und weit. Nun jubeln allenthalben Mit Stimmen, hell und klar, Hoch in den Lüften die Schwalben Und auf dem Dache der Star. Vor meinem Fenster blühn Winden, Und fernab rauschet der Strom, Es strecken grünende Linden Die Zweige zum Himmelsdom. Als möchten sie fassen die Freude Mit ihrem grünen Arm, Die durch das Weltgebände Zieht lebensfrisch und warm. So such auch du zu erringen, Was sich dir täglich beut, Es eilt auf flüchtigen Schwingen, Was unser Herz erfreut. Drum preise mit seligem Munde, Von keiner Sorge beschwert, Des Lebens glückliche Stunde, Die nimmer dir wiederkehrt! Abendruhe Wie still die Luft; kein Blatt bewegt sich Rings in den Buchen, dichtbelaubt; Der Sonne letzter Strahl, er legt sich Den stolzen Bäumen auf das Haupt. Und wie in Schlummer hingesunken, Liegt rings die schöne, weite Welt, Noch von dem Glanz der Sonne trunken, Der farbenprächtig sie erhellt. Es wirft der Abend seine Schatten Und seines tiefen Schweigens Spur Rings auf der Wiesen grüne Matten, Auf Thal und Hügel, Feld und Flur. Und aus dem Walde kommt geschritten Der stolze Hirsch, das scheue Reh; Sie nahen sich mit flücht'gen Tritten Dem stillen, schilfumkränzten See. Es tritt der Mond am Waldessaume In stiller Majestät hervor, Die Birken flüstern wie im Traume, Und leise regt sich Schilf und Rohr. Dazwischen schallt in banger Klage Mit lautem Ton des Uhus Schrei, Er fliegt mit leisem Flügelschlage Am Saum des Waldes dir vorbei. Die Sterne ziehn im ew'gen Wandern, Um zu vollbringen ihren Lauf, Hell leuchtend, einer nach dem andern, Am ew'gen Himmelsdom herauf. Und ringsum liegt ein heil'ger Frieden Auf Wald und Hügel, Flur und Thal; O, würde deiner Brust hienieden Solch heil'ge Ruhe auch einmal! Walkyrenritt Hört ihr, wie die Woge wimmert? Nur für Augenblicke flimmert Bleich die Flut. Durch die Fichtenkronen rasselt Sturmeswut; Blitze fliegen — horch — es prasselt — Und mit stolzem Laubgefieder Stürzen Esch' und Eiche nieder. — Aus geborstner Scholle quellen Tausend blutigrote Wellen Jäh empor. Gleißendgelbe Schlangen zischen Jetzt hervor, Und in ihren Reigen mischen Gift'ge Molche sich und Drachen, Die den morschen Fels durchbrachen. Und es ächzt in Bergesschlüften, Und es stöhnt aus dunklen Grüften Todesqual. Alles zittert; denn es spüren Berg und Thal Schon die Rosse der Walkyren, Welche aus dem Land der Wonnen Ihren wilden Ritt begonnen. Wie sie nahn in dunst'gen Ringen! Gräßlich klirren ihre Schwingen Durch die Nacht. Wodan sendete die Herben In die Schlacht; Sieg zu bringen oder Sterben, Müssen sie zur Erde schweben Und die Schicksalswage heben. Sieh, schon blitzen Pfriem und Gere! Tuiskonen, schwingt die Wehre, Kampfbedroht! Sinkt ihr dann aufs Blachgefilde — Bleich und tot — Werden euch die Jungfraun milde Auf den stillen Rossen führen Zu Walhallas goldnen Thüren. Japanesisches Fischerlied Nach einer Volkssage Urasima, Fischerknabe, Komm herauf mit lichter Gabe Aus der purpurdunkeln Flut! Bring uns Perlen und Korallen, Wenn wir hier am Strande wallen — Bring des Bernsteins gelbe Glut! Hast du uns vergessen alle, Seit im Silberwogenschwalle Dich hinab die Nymphe riß? Schwelgst du nur an ihren Lippen, Während Blitz und Sturm die Klippen Unsers Eilands wild zerschliß? Steig empor mit deiner Holden, Tanze durch des Maises Dolden Wieder wie im ersten Jahr! Glänzen werden dann die Ähren, Schwellen werden Frucht und Beeren, Die gestreift der Göttin Haar. Aber uns, den Schifferleuten, Die wir armen Fang erbeuten, Segne Hamen, Netz und Speer! Urasima, Fischerknabe, Teile Liebe, Lust und Habe Mit den Brüdern hier am Meer! Ein Wort Mahomeds Unter Allahs Throne ruhen Tausend goldenschwere Truhen: Sie umblitzen tausend Lichter; Doch die Zungen nur der Dichter Sind die Schlüssel zu der Pracht, Die aus jenen Schätzen lacht. Das Schloß Ein König war ein Wundermann, Der baute sich in Ätherhöhn Ein Schloß, so herrlich, wunderschön, Wie niemand schöner sich's ersann. In buntem Marmor strahlte hehr, In Gold und Edelstein das Schloß; Durch alle Räume sich ergoß Des Überflusses schäumend Meer. Und rings in Gärten und in Au'n Ergeht sich froh der Bäche Schar, Bis sie im Seee, spiegelklar, Sich alle froh vereinigt schaun. In weiten Sälen ist beschickt Der langen Tafeln große Zahl, Wein und Drommete ruft zum Mahl, Der Diener Aug' erwartend blickt. Der König spricht zur Königin: „Schau hier, was meines Wortes Ruf Im Flug mit Zaubermacht erschuf! Nun wohn und walte froh darin! Ich, König Wunsch, bin stets bereit, Dir, traute Hoffnung, mein Gemahl, Zu bieten ganz nach deiner Wahl Des Lebens höchste Herrlichkeit. Wer buhlte nicht um unsre Gunst? Ja, unbegrenzt ist unsre Macht! Wo Hoffnung freundlich schimmernd lacht, Da schafft der Wunsch mit Zauberkunst. Nun sieh, da kommt der Gäste Schwarm! Sie nahn mit flügelschnellem Lauf, Sie klimmen zu dem Schloß herauf, Verlangend strecken sie den Arm. Sie nahn mit fröhlichem Gesang; Sie schaun der Königskrone Gold, Der Wirtin Blicke, süß und hold; Sie hören der Drommete Klang!“ Da plötzlich saust der rauhe Wind Der ernsten Wirklichkeit darein — Und, ach, der königliche Schein, Des Schlosses Pracht und Glanz zerrinnt! Gebaut war in die Luft das Schloß, Aus Nebeldunst war es gefügt: Drum hat ein Windstoß auch genügt, Daß es zerfiel, in nichts zerfloß. Willst du des Glückes Wohnung sehn, Und nicht des Glückes offne Gruft: Bau auf die Erd', nicht in die Luft! Dann wird dein Haus im Sturm bestehn. Die Macht der Sprache Ein blinder Mann, ein armer Mann! Doch ärmer ist fürwahr der Mann, Der hören nicht, noch sprechen kann. Mehr wert als Farben und Gestalt Ist für den Geist des Worts Gewalt, Das aus der Seele Tiefen schallt. Ein großer Bilderrätselsaal Ist's, was uns zeigt des Lichtes Strahl Mit seinen Farben allzumal. Du siehst das Bild, die Deutung nicht; Doch wenn das Wort zum Geiste spricht, Dann schaust du erst das wahre Licht. Du siehst verwundert hellen Glanz, Im Saale duftet Kranz an Kranz, Man reihet sich zu Spiel und Tanz: Da ladet dich ein gastlich Wort — Und nicht als Fremdling eilst du fort, Du teilst die Freud' am fremden Ort. Das Meer von Hellas Es sprach der Capitano und strich den schneeweißen Bart — Wir ließen ab, zu spielen, und lauschten enggeschart: — „Die Welt hab' ich durchwandert zu Wasser und zu Land, Nun laßt mich ruhn und rasten am sonnigen Heimatstrand! Ich fror in den Eispalästen, die sich der Nordpol baut, Dem Süden hab' ich schauernd ins Flammenherz geschaut; Ich war im Paradiese, wovon die Bibel spricht; — Doch all die Länder und Meere, mich reizen und locken sie nicht. Nur eines noch von allen vergess' ich nimmermehr: Das uralt wunderbare, das heilige Griechenmeer; Noch immer in meinen Träumen befahr' ich's auf schimmernder Yacht, — Selene steht am Himmel in silberheller Pracht. Doch hat sie kaum gewendet ihr blasses Angesicht, Sich Eos schmückt die Wangen mit zartem Purpurlicht; Demeter wird, der hehren, der schwellende Gürtel los, Oliven und goldene Ähren entsteigen ihrem Schoß. Was klingt aus klarer Ferne melodisch mit einem Mal? Was duften ambrosisch die Wolken? Was singt die Nachtigall? Was schaffen, geschäftig sich drängend, die Wellen freie Bahn? Was werden für Wunder geschehen? — Von Cypern wallt's heran. Da muß ich Thränen vergießen, da muß ich niederknien: Die Göttin Aphrodite seh' ich vorüberziehn; Noch taut vom rosigen Leibe der silberne Meeresschaum, Geschlossen sind die Augen, die Lippen atmen kaum. Und wie ihr küßt die Seele Phöbos Apollon wach, Da stürzt ihr flammend zu Füßen der ganze Himmel nach: Die Grazien kommen und schürzen das wallende Gewand, Und Iris knüpft die Locken mit farbenhellem Band. Und rauschend teilt sich die Tiefe der blauen Spiegelbahn, Poseidons Rosse bringen der Göttin Muschelkahn; Er selbst, der Erderschüttrer, schläft im kristallnen Palast, Und lächelnd Amphitrite nach seinem Dreizack faßt. O Göttermeer von Hellas, tiefglänzend weit und breit, Was hast du mir verborgen des Höchsten Herrlichkeit? Nur seinen Adler sah ich umkreisen in Wolken hoch, Was ihm von der Welt verblieben — ein kahles Felsenjoch. Da ist's gar still und einsam, kein Laut, kein Leben ringsum; Kein Sterblicher aber komme zu nahe dem Heiligtum! Aufbrausen empört die Wasser, es schleudert Blitze das Riff, Und in der tosenden Brandung zerschellt das Frevelschiff.“ — So sprach und starrte träumend der wetterbraune Held, Ein Bild des Zeus er selber, ins öde Wasserfeld; Uns Knaben aber brannten die Wangen flammendrot, Durch unsre Seelen zogen Homer und Herodot. Rhein- und Weinlied eines alten Archäologen Am Rhein, am schönen Rheine, Da scheint die Sonne so hell; Ich aber suche Steine, Ein trauriger Gesell. In Staub wühl' ich und Asche, In längst vergangener Zeit; Und drüben winkt die Flasche Voll goldener Seligkeit. Doch als ich mir Mut genommen Zu einem Becher Wein, Was kommt da lustig geschwommen Wohl über den grünen Rhein? Was kollert da kunterbunter Zu allen Fenstern herein? Und wirft mir den morschen Plunder Hinab in den tiefen Rhein? „O Gnade“, ruf ich, „Gnade! Das ist nicht wohlgethan;“ Sie aber: „Nicht Schade, Schade! Jetzt kommst du selber dran“. Wer nennt mir die losen Wesen Mit Locken, hold und kraus? Sie nehmen die Reben wie Besen Und kehren das Herz mir aus. Sie kehren aus manchen Winkel Manch staubige Herrlichkeit, Unsterblichen Eigendünkel, Unendliches Seelenleid; Und manche volle Garbe Von Haß und Neid und Zorn, Aus mancher blutenden Narbe Den schmerzenden Rosendorn. In Ehren ergraute Sorgen, Sie finden wenig Respekt; Wie gut sie sich verborgen, Sie werden bald entdeckt. Und erst das Traumgesindel, Der Wünsche buntes Heer, Der Hoffnung Riesenbündel, — Es nimmt kein Ende mehr. Es hilft kein Schmeicheln und Küssen, — Der treugepflegteste Wahn, Sich krümmend zu ihren Füßen, — Auch er, auch er, muß dran. Es hilft kein Küssen und Schmeicheln, — Der feinste Spott und Hohn Erbetteln und erschmeicheln Nicht Aufschub noch Pardon. Viel namenlose Dingse, Sie wandern ungejagt, Und auch die häßlichen Sphinxe, Die mich mit Rätseln geplagt. Melancholei nur verwogen Maskiert sich mit Humor, Die Hexe wäre geflogen Sonst auch hinaus zum Thor. An die Wandervöglein Ihr Vöglein, zieht ihr in die Welt Mit wanderlust'gen Flügeln, Zieht über Frankreichs Schlachtenfeld Dort zu den vielen Hügeln, Wo unter Blumen und Rasengrün Die deutschen Soldaten begraben, Die bis zum Tod im Streite kühn Die Siege erkämpfet haben. Wißt ihr, o Vöglein, wer da ruht? Da ruht manch edles, junges Blut. Der Freund, der Bruder, treu und gut, Getrennt vom Lande der Heimat weit, Doch nie vergessen von eilender Zeit. Ihr Vöglein, an dem heiligen Ort, Da lasset euch sinnig nieder Und rastet bei unsern Helden dort Und singt eure schönsten Lieder: Bringt Grüße innig, fromm und traut, Eh ihr euch weiter schwinget, Vom Mutterherzen, von Weib und Braut, Vom Vaterhause o singet! Erzählt von unserm Trennungsschmerz, Von Hoffnung, die erfüllt das Herz, Und schwingt euch hoch und himmelwärts Und singt mit freudigem Getön Von Leidvergehn und Wiedersehn! Deingedenken Ich seh' die treuen Sterne Am Himmel leuchtend gehn, Und du in weiter Ferne Kannst auch die Boten sehn: Es ist mir oft in Nächten, Als blickten sie nach mir, Als ob sie freundlich brächten Ein grüßend Wort von dir. Es geht aus fernem Lande Des Stromes Wanderbahn; Steh' ich am Ufersrande Und hör' das Rauschen an, Möcht' ich die Wellen fragen: O sagt, was bringet ihr? Und mein, ich hörte sagen, Ein grüßend Wort von dir. Und ziehn die Abendwinde Vom Berg in unser Thal, Dann spricht es mild und linde Von dir so manches Mal. So dein gedenkend klingen Fernher die Stimmen mir: Luft, Strom und Sterne bringen Des Herzens Gruß von dir! Des Liedes Segen O glücklich Land, wo noch das Lied, Wie's Gott dem Vogel lehrt, Aus segensreicher Kehle zieht, Von jung und alt geehrt. Ein solches Volk ist noch nicht alt, Sein Kern ist noch nicht faul; Das Lied, es übt noch die Gewalt, Wie David über Saul. Es dämpfet sanft den bösen Trieb, Erweckt den frohen Mut, Ein Nachhall, der vom Himmel blieb, Ein Trank aus Edens Flut. Es wiegt den schwachen Säugling ein, Erhält die Mutter wach, Bewahrt den kecken Knaben rein, Tönt fromm im Jüngling nach. Verklärt der ersten Liebe Strahl, Der glüht gewitterheiß; Den Mann verjüngt es, färbt sich fahl Des Lebens grünes Reis. Geleitet hin zu Schlacht und Tod Und hüllt in Glanz das Grab Und ruft, ist aus die letzte Not, Erbarmung noch herab! Göttliche Richtung Fromme werden, wie Böse, auf Wegen der Sünde betroffen; Aber sie finden sich stets wieder zum Pfade des Rechts. Wie es den Kompaß drängt, nach Norden sich ewig zu wenden, Neigt sich das göttliche Herz hin zu dem göttlichen Pol. Nur zeitweilig vermag ein Stoß zu beirren den Kompaß, Der, so lang' er irrt, ruhelos zittert und zuckt. Wer vom unendlichen Geist mit unendlicher Weihe berührt ist, Wird von dem Blick auf Gott nur in Momenten verrückt. Stets zur unendlichen Ruh ersteht er aus endlicher Unruh; Kein unlauterer Arm zerret ihn ewig zurück. Phantasie und Herz Wisse phantastische Glut von der Glut des Gefühles zu scheiden: Erst mit dieser vermählt, findet sich jene zu Gott. Haben Phantasten der Welt Millionen Wunden geschlagen, Hat das Gefühl sie stets, war es noch möglich, geheilt. Feuriger Phantasie und eisigen Herzens verbrennen Auf dem Altar der Idee Schwärmer die Opfer des Wahns. Herzenserglühen beglänzt so mild wie die göttliche Sonne Feinde und Freunde zugleich, Sünder und Gute zumal. Eins noch merke: Nicht alle in deinen Gefühlen Vergnügte Haben dasselbe Gefühl; mancher erschwärmet es nur. Trunken vermögen Phantasten sich jedes Gefühl zu erbilden; Aber die Bilder des Seins, sind sie das Seiende selbst? Bilder der Phantasie sind nicht die Gestalten des Herzens; Farben, von jener geschaut, zieren nicht immer das Herz. Selber die ewige Größe hat vielen Phantasten gedämmert; Aber im Herzen allein thronet das Ewige selbst. Zwiesprach Nicht weltflüchtig entrinn' ich den großen geselligen Kreisen; Aber der höchste Genuß ist mir ein einziges Herz. Selten vermag ich in jenen das innerste Sein zu entfalten, Und mein heiligstes Gut zieht sich verschüchtert zurück. Lange vergess'ne Gedanken, nicht böse, doch nichtig, erneuernd, Red' ich vom Niederen mit, halte das Beste zurück. Wallen mir auch in der Seele die Fluten der himmlischen Weisheit: Wird mir der weltliche Ton leider zum wehrenden Damm. Doch wenn ein einziges Herz zu mir in die Stille sich flüchtet, Strömt's aus dem meinen in seins, strömt's aus dem seinen in meins. Und ich empfinde das Glück in seinem und meinem Gemüte, Nehmend das Beste von ihm, gebend das Beste von mir. Zwei stillfreudige Herzen verlassen die selige Sitzung; Was sie so glücklich gestimmt, ahnt es die rauschende Welt? Lachen und Weinen Wenn du es siehest, wird nicht das Weinen und Lachen geboren; Und was beides erregt, deckt nur Vorhandenes auf. Spotte nicht, siehst du ein Auge bei kleinern Leiden in Thränen; Großes verborgenes Weh bricht bei dem kleineren aus. Spotte nicht, hörst du bei flacheren Witzen ein herzliches Lachen; Große verborgene Lust jauchzt bei der kleinen sich aus. Grundlage des Staatenglücks Ohne das Heilige wird in dem Staate das Gute verwelken, Welches aus jenem erwächst, wie aus der Wurzel der Baum. Kinder bepflanzen die Erde mit abgehauenen Zweigen; Aber nach Eintagspracht dorret das Gärtchen dahin. Also verdorret der Staat, wenn nicht in den Herzen der Bürger Wurzelt die heilige Kraft, welche das Sittliche nährt. Raubt ihr die göttliche Liebe, so gebet Gesetze wie Götter, Und der entgöttlichte Staat stirbt in der Sünde dahin! Luxus Luxus ist Pflicht für die Reichen; bekleidete keiner die Wände, Glaub, es entkleideten sich endlich die Leiber des Volks. Die Großen und das Große Wenn die Großen der Welt das wahrhaft Große verachten, Dann verachtet das Volk endlich die Großen der Welt. Stimmenmehrheit Wollet ihr über Ideeen nach Majoritäten entscheiden? Merket, den Heiland schlug Mehrheit der Stimmen ans Kreuz. Doppelte Ansprüche „Lieber Mann, ei, sag mir doch: Gleicht mir unser Bübchen? Löcklein golden, Äuglein blau, In den Backen Grübchen?“ „Dein, mein Weibchen, ist das Haar, Dein das Aug', die Grübchen; Doch ein Mädchen ist es nicht, Denn es ist ein - Bübchen.“ Im Gebirge Wilde Wasser schäumen Von der wilden Höh, Stille Fische träumen In dem dunkeln See. Wolken schweben flüchtig Über die wilde Höh, Schauen gern hinunter In den dunkeln See. Wild und Weidmann jagen Über die wilde Höh, Doch die wunden Tiere Labt der dunkle See. Alles schwebt und schweifet Über die wilde Höh, Nur in ewiger Ruhe Träumt der dunkle See. Dein Auge Wenn ich in Kinderaugen schaue, Will Wehmut mich ergreifen — Ist's Kinderunschuld, die mich rührt In meinem Irren und Schweifen? Wenn ich in Freundesaugen schaue, Rührt mich das ernste Wesen: Ich muß darin Beständigkeit Und treue Milde lesen. Wenn ich in deine Augen schaue, O seliges Ergründen! Des Kindes Unschuld kann ich drin, Des Freundes Milde finden. An die Mädchen Man vergleicht euch mit den Blumen, Tausendfarbig, mannigfalt, So des Schöpfers Odem zaubert Auf die Fluren, in den Wald. Doch man schweigt vom bösen Frostwind, Von des Todes kaltem Neid, Und man schweigt, daß tausend Blumen Sterben in Vergessenheit. O! ihr schönen Menschenblumen, Tausendfältig, zauberreich, Ja, ihr gleichet ganz den Blumen — Eine Thräne weih' ich euch! Das Totenkreuz Es pfeift ein lustig Liedel Der Bursche sonder Arg, Das Totenkreuz er hobelt Wohl zu dem frischen Sarg. Nach diesem will er schaffen Für seine Braut den Schrank Zusamt dem Ehebette Gar zierlich, fein und blank. Noch fehlt dem Kreuz der Name, Der Bursche nach ihm schaut — Er sinket tot danieder: Es ist die eigne Braut. — Sociologische Sonette I. Seh' ich, wie oft sogar die Starken, Klugen, Selbst schiebend hier, dort wieder bloß geschoben, Das fördern, was, wenn einst zur Norm erhoben, Den Staat muß endlich reißen aus den Fugen; Und seh' ich dann, wie wenig Früchte trugen Des Weltbuchs Lehren, die da ernst geloben, Daß Völker stets durch Haß und wildes Toben Die eignen Fesseln nur noch fester schlugen; Frag' ich: Was ist's, das heut, gleich einem Fluche, Die Menschheit so mit Wahn umstrickt und macht, Daß sie zum Abgrund eilt durch Sturm und Nacht? Da ruft's in mir — dem Wort zum Widerspruche, Das Faust vernahm —: Ein Teil ist's jener Kraft, Die stets das Böse will und ... es auch schafft. II. Zur Größe aufgebauscht das nichtig Kleine, Für Satzungen erklärt rethor'sche Kniffe, Was Selbstsucht ist, verkündet als das Reine — Oh, welch ein schlimmes Wirrnis der Begriffe! Noch schlimmer: daß der Trieb stimmt fürs Gemeine, Daß im Gemüte drohn des Bösen Riffe, Daß Gott und Ideal nur da zum Scheine — Weh uns! wenn's so steht auf des Lebens Schiffe. Als Schlimmstes aber will es mich fast dünken, Daß man in Tagen, wo Sturmzeichen winken, Die Gärung schleudert in die dumpfe Masse; Daß man aus kleinlich eitler Ruhmbegierde Hereinzerrt in den Kampf der Menschenwürde Die Gallerie, die Kneipe und die Gasse. Leben und Wirken I. O sage nicht, wie tief auch deine Wunden: Du möchtest lieber ruhn im stillen Grabe; Verleugne nicht des Himmels höchste Gabe, Die „Leben“ heißt — ein Lenztraum wen'ger Stunden. Sieh um dich her, welch eine Welt von Freuden, Von Licht und Duft und Glanz und goldnen Bildern; Wie viel der Blumen und des Taus, zu mildern Die Fiebergluten deiner Seelenleiden! So lang' du lebst, sind dein all' diese Wonnen, So lang' du lebst, beherrscht sie dein Gedanke; Wie eng und finster auch die ird'sche Schranke, Er bricht sie ab und trägt dich zu den Sonnen. Und ob dein guter Engel noch so ferne, Er flüstert dir im Rauschen der Cypressen: O glaube nicht, du seist allein vergessen; Geduld! Geduld! einst glühn auch deine Sterne! Ein Etwas giebt es, das wir alle kennen, Das plötzlich, pfeilschnell blitzt vor unsrem Blicke; Es naht, es trifft — da schwelgst du schon im Glücke — Die Thoren pflegen „Zufall“ es zu nennen. II. Und glaube nicht, von deinen Thaten, Träumen Geh' nur ein Keim, ein einziger, verloren; Gewiß trägt ihn ein Sturm nach fernen Räumen, Und wo er fällt, wird eine Frucht geboren. Wie klein dir auch dein Wirken mag erscheinen, Das Weltmeer selbst besteht aus kleinen Wellen: Sei nur ein Lenz, im großen oder kleinen, Des Lebens Urkraft strömt aus ew'gen Quellen. Was du gethan — vielleicht wird es vergehen; Der Geist der That jedoch kennt keine Trümmer: Der Thaten Segen, der wird fortbestehen — Die Rosen sterben — doch der Frühling nimmer. Heut traurig, morgen munter Sprüche Heut traurig, morgen munter, Das ist der Dinge Lauf; Sinkt auch die Sonne unter, So gehn die Sterne auf. So lange wir vertrauen Sprüche So lange wir vertrauen Auf unsern eignen Mut Und hoffend vorwärts schauen, So lang' ist alles gut. Und sei dies Hoffen, Sehnen Auch nur ein schöner Traum: Zu trocknen deine Thränen, Gieb ihm im Herzen Raum! In dir das Glück! Sprüche In dir das Glück! Nimm, was als Glück mag gelten: Nimm Reichtum, Macht, nimm Ruhm und Glanz und Licht, Schmück dich mit allen Schätzen beider Welten — Doch innren Friedens Glück erreicht es nicht. I. Da ich noch jung, da wollt' ich nimmer rasten Tagebuchblätter Da ich noch jung, da wollt' ich nimmer rasten, Mich drängte vorwärts ein geheimer Zug, Ich wollte tiefer in die Tiefen dringen Und höher, höher nehmen meinen Flug! Und jetzt — ein Greis, blick' ich zurück voll Sehnsucht; Vor jeder neuen Stunde bangt mein Herz; Bringt sie mir Leben oder Tod? Wer sagt mir's? Das Quentchen Lust zerdrückt ein Zentner Schmerz. II. Du fragst, was Unrecht sei, und dann, was Recht Tagebuchblätter Du fragst, was Unrecht sei, und dann, was Recht? Und meinst: ich soll' es faßlich dir erklären. — Versuchen will ich es, ob gut, ob schlecht — Zeigt sich, gelang es mir, dich zu belehren: Du hast gesehn, wo eine Natter sich Ihr Schlupfloch höhlte; nun tritt zu der Stelle Dein Todfeind hin; ach doch, was kümmert dich, Wohin sich eben lagert der Geselle! Setzt er sich dorthin, wo die Schlange sacht Hineingeschlüpft, dann ist's um ihn geschehen; Du siehst, er will es thun, hast es bedacht; Was kümmert's dich, und wenn du auch gesehen, Daß dort die Natter sich verbarg, jedoch Das brauchst du deinem Todfeind nicht zu sagen. Du aber sollst es thun, wenn jemals noch, So dieses eine Mal, da gilt kein Fragen, Und thust du es, dann hast du recht gethan, Thust du es nicht, ist unrecht dein Beginnen: Durchschaut die Welt auch nicht dein Herz, o dann Durchschaut ein Höherer dein tiefstes Sinnen! Und auch in deinem Innern wird sich's regen: Ob du dir Unheil sätest oder Segen. III. Stolz streckt die Eiche ihre Äste Tagebuchblätter Stolz streckt die Eiche ihre Äste, Hebt ihre Blätterkrone hoch, Beut Schutz dem sanftgetragnen Neste; Wie lange noch? Kaum ist's geschehn, daß jener Falter Aus seiner Seidenhülle kroch; Du fliegst wie toll, zwei Stunden alter! Wie lange noch? Die Rose hat den Kelch erschlossen, Der Blumen Kön'gin ist sie doch! So purpurprangend, duftumflossen — Wie lange noch? Der Freunde Schar ruft zu dem Greise: Noch viele Jahre lebe hoch! Ein Ungesehner flüstert leise: Wie lange noch? IV. Mensch! es umschwärmt dich jeden Augenblick Tagebuchblätter Mensch! es umschwärmt dich jeden Augenblick Ein Geist, wie du ihn auch magst nennen, Schutzengel, Fatum, Nemesis, Geschick, Er wird sich niemals von dir trennen. Oft ahnst du seine Nähe, dir ist oft: Als flüsterte dir jemand in die Ohren, Und dann geschieht stets etwas; unverhofft Hilft dir, wenn du dich selbst schon gabst verloren. Im letzten Todeskampf ist er dir nah, Der Geist, du fühlest dich von ihm umgeben, Dann war es auch, daß ihn dein Auge sah, Nur damals und — dann hörst du auf zu leben. V. Die Firnen blitzen im Demantschein Tagebuchblätter Die Firnen blitzen im Demantschein; Das Eis, vom Sonnenstrahle Geschmolzen, stürzt über Fels und Grat In silberner Flut zu Thale; Und reißt die Felsenstücke herab, Sie stürzen verderbend herunter, Dann fließt das Wasser als freundlicher Bach Durch Wiesen und Felder gar munter. Die Großen der Erde machen's ihm nach: Nachdem sie zerstören, vernichten, Dann schwelgen sie in seliger Hast Von ihrer Verwüstung Früchten. Glassplitter Eines goldenen Hämmerchens Pochen Eines goldenen Hämmerchens Pochen Hat schon erzene Thüren durchbrochen. Der Genius bedarf zumeist der Pflege Der Genius bedarf zumeist der Pflege, Sonst bringt er Unkraut statt Frucht zuwege. Magst du um und um die Erde umschiffen Magst du um und um die Erde umschiffen, Du hast sie gesehn und nicht — begriffen. Wie aus dem alten Testament Wie aus dem alten Testament Das neue ist hervorgegangen: So wird aus diesem wohl am End' Ein neueres seinen Keim empfangen. Nicht schwer zu finden ist der Weg zum Ziele Nicht schwer zu finden ist der Weg zum Ziele: Nur fest im Aug' behalten ihn nicht viele. Nicht, was du weißt, nicht, was du kannst Nicht, was du weißt, nicht, was du kannst, Nur wie du Langeweile bannst Und sonst dich nützlich magst erweisen, Giebt Wert dir in Gesellschaftskreisen. Wenn noch so hell die Sonne lacht Wenn noch so hell die Sonne lacht, Zur Hälfte liegt doch die Erd' in Nacht. Wer mit der Hand über Ähren streicht Wer mit der Hand über Ähren streicht, Den stechen Wespen und Bienen leicht. Die Mette von Marienburg I. „Nachtlockiges Weib, jagellonisches Blut, So siegte doch endlich die süße Glut! Lang' blieb ihr verhaßt der Deutsche, der Fremde Mit dem weißen Mantel auf schuppigem Hemde: Doch endlich ward sie inne Der siegenden Frau Minne, Daß sie mir freud'ge Botschaft schrieb: „O komme, so wahr dir dein Leben lieb, In der Christnacht auf Podol, mein Schloß.“ Nun, Greif, mein Rappe, mein wackres Roß, Die schöne Feindin soll nicht warten!“ Und er zieht geheim in den Burgwallgarten Am Zügel das leise wiehernde Tier: „Schweig, trauter Greif, das rat' ich dir! Wenn uns die Gebiet'ger erlauschten, die frommen, Wir würden in sichern Verwahr genommen, Und wir flögen wohl niemals wieder, wir beide, Auf Minnefahrt durch Wald und Haide.“ Und sacht und rasch auf beschneitem Rasen Führt er das Roß an die Ausfall-Pforte: „Still, alter Hans, keine Predigt-Worte! Willst du vielleicht das Lärmhorn blasen Und den Priestern deinen jungen Herrn Verraten, daß sie ihn fahn und sperrn Sein Leben lang zu Brot und Wasser, Die gottseligen Burgunder-Prasser!“ Da lachte Hans, dann sprach er ernst: „Daß du doch niemals Sitte lernst! O lieber Falk, mein Junker wert, Weit ist gerühmt dein rasches Schwert: Jedoch du läss'st nicht von der Minne! Die frommt dem Deutschherrn-Ritter nicht! Wohin stehn dir heut nacht die Sinne, Heut nacht, da heil'ge Christenpflicht Uns alle ruft zur Mittnacht-Mette?“ „Auf, Hans, rasch fort die Riegelkette! Vielschönes Weib berief mich heiß!“ „Die Nogat geht in Trümmereis!“ — „Greif schwimmt gleich einem Neckarhecht!“ „Im Weichsel-Walde fährt sich's schlecht: Dort rennen rudelweis die Wölfe.“ „Nicht fürcht' ich ihrer zehn und zwölfe!“ „Im Tanne von Podol verhohlen Masuren bergen sich und Polen.“ „Gleich ihren Wölfen acht' ich sie: Zwölf gegen einen fürcht' ich nie! Rasch auf das Thürlein! Greif, nun lauf: Frau Aventiure, nimm mich auf!“ — II. „Gesteh, du wilder, geliebter Mann, Ob Zauber dir mein Herz gewann? Du bist wie Sturm und Glut und Gewitter, Bist heißer als all' die blonden Ritter, Bist mark'ger als die Polenknaben: Aus deinen dunklen Augen und Locken Sprüht's und knistert's wie Feuerflocken, Du bist wie Gold und Stahl und Flamme“ — „Schön Lieb, das rührt von meinem Stamme! Ich bin vom freud'gen Volk der Schwaben, Ich bin aus Deutschlands wonn'gem Süd, Wo heißer Blut und Minne glüht! Wer suchte wohl den Falk von Stauf Heut nacht bei schön Lodoiska auf!“ „Wie kamst du in den frommen Orden?“ „Der Heimat war ich urdrüß worden: Mein Schwert schlief ein auf leichten Siegen: Da drang der Ruf ins Neckarland: — „Die deutschen Herrn erliegen! Marienburg wird heiß berannt, Sie schüttelt kaum vom Nacken Die Wölfe, die Polacken, Und Tag um Tag tobt grimmes Morden.“ — Da dacht' ich: Falk, flieg aus nach Norden! So trat ich in den frommen Orden: Traun, nicht fürs Werk der Pfaffen, Fürs freud'ge Werk der Waffen.“ „So magst du leichtern Herzens hören, Was ich erst jetzt enthüllen kann: Du wirst den Plan nicht mehr zerstören, Der meinem Volk den Sieg gewann: Als ich dich sterben sollte wissen, Da ward mein Lieben grell mir klar: Geliebter Mann, dich hat entrissen Lodoiska sichrer Todgefahr: Weißt du, weshalb ich dich beschworen Heut aus Marienburg hierher? All' deine Brüder sind verloren, Sie schaun den nächsten Tag nicht mehr! Verrat erschließt das Nogat-Thor Beim letzten Schlag der Mitternacht: Sechstausend Polen stehn davor: Was drinnen lebt, wird umgebracht. So siegt mein Volk — die Deutschen fallen: — Doch du, der einz'ge, sollst von allen, Du wilder Edelfalke mein, Durch mich, für mich gerettet sein: Ich liebe dich! Komm an mein Herz“ — Auffuhr der Stauf in Schreck und Schmerz: „Marienburg! der Brüder Leben! Gott, Flügel mußt du jetzt mir geben!“ Und eh die Polin sich's versehn, War schon der kühne Sprung geschehn Vom Erkerfenster in den Schnee: „Jetzt renne, Greif! sonst ewig: Weh!“ III. Den Nacken gesenkt, die Zügel verhängt, Durch die Nacht kommt der rasende Reiter gesprengt. Längst ließ er die Straße, verlor er den Pfad, Nach Süden, nach Süden nur pfeilgerad! Über der Haiden endlos Weiß, Über der Bäche krachendes Eis, Über die Schluchten von mürbem Schnee, Über den spiegelglatten See, Hinab die Halden, hinan die Hügel Trägt ihn das Roß wie Adlerflügel: Die Dornen reißen im heißen Hetzen Vom flatternden weißen Mantel Fetzen! Schon gewann er den dichten Wald von Podol: Zu seinen Häupten lacht es hohl: — Das sind in den Föhrenwipfeln die Eulen. Doch näher und immer näher heulen Die Wölfe zur Rechten, die Wölfe zur Linken: Dem Rappen wollen die Kniee sinken; Es schnaubt, es zittert das edle Tier. „Greif, Freund Greif, nicht bange dir! Halt aus, halt aus, es gilt viel mehr, Als unser Leben: es gilt die Ehr'! Laß sie nur kommen, die Hunde, die feigen: Ich will ihnen schwäbisches Eisen zeigen.“ Und er klopft ihm den Hals — ausgreift das Roß —: Doch nah schon rennt der heulende Troß: Zur Linken, zur Rechten sieht er sie jagen, Doch den Ansprung will keiner wagen: Herr Stauf zieht jetzt sein breites Messer: Er schwingt's im Mondlicht — das scheucht sie besser: Aber die eine, die Wölfin, die magre, Die graue, die große, die hungrige, hagre, Reißt endlich hin die lechzende Gier: Sie springt auf den Bug dem schnaubenden Tier: — Da fährt durch die Gurgel ihr scharfer Stahl, Und die sterbende schleudert Herr Falk zur Erde — Und sofort sie zerfleischen die andern zumal Und lassen vom Reiter und seinem Pferde. — Der weiße Mantel ward blutig rot: „Vorüber, Freund Greif, die Wolfes-Not!“ — Aus dem Tann in das Freie jagt der Stauf: Was stutzt der Rappe? Was hält ihn auf? Vor ihnen welch Gurgeln! Der Mond tritt grell Aus dunklem Gewölk: er leuchtet hell! Und ringsum kracht's und knistert und dröhnt: Die Nogat ist's, die im Eisgang stöhnt! Im Strahl des Monds, weiß, grün und grau, Wogt Wasser und Eis — welch grimme Schau! Bald Fluten, schwarz wie Todesnacht, Bald Eisgezack kristall'ner Pracht: Es rauscht, es knirscht, es zieht, es kracht: — — Falk spornt das Roß: doch der treue Greif, Er sperrt sich todesbang und steif: Die Vorderfüße vorgestemmt, Den Hinterbug zurückgehemmt, Die Mähne weht kopfüber wirr, — So starrt er in das Eisgeklirr; In die dunkle Flut, in den kalten Wind: — — „Greif aus, mein Greif, geschwind, geschwind! Schwimm durch! schwimm durch! es gilt viel mehr, Als unser Leben! es gilt die Ehr'! Nun spring und schwimm! es muß, es muß!“ Und in den eisigen, grollenden Fluß Setzt der Rappe mit edlem Schwung: Er springt und watet und schreitet und klimmt Ans Ufer, ans steile, mit sichrem Sprung! Da grüßet schon — das ist kein Stern! — Das Licht Marienburgs von fern, Das rote Licht vom Remterturm! — Doch vor der Burg, wie ein ringelnder Wurm, Was kauert und schleichet und lauert dort? „Halt, Reiter, gieb das Losungswort!“ So ruft's in zischelndem Slaventon! — „Der Teufel ist's, du Wolfessohn, Der Teufel kommt euch holen, Ihr gottverfluchten Polen!“ So ruft Herr Falk und jagt vorbei, Da hallt ein halb verhaltner Schrei: „Nach, nach! mit allen Rossen! Mit sausenden Geschossen, Doch leis, daß von der Zinne Man unser nicht wird inne.“ Und hinter dem keuchenden, schäumenden Rappen Die kleinen polnischen Hufe klappen: Und verrät der Mond den weißmantligen Reiter, Dann schwirren die Pfeile, weit und weiter Schon jagt er voraus — noch einmal ein Schwarm Von Geschossen auf Schulter und Rücken und Arm — Da hält er auch schon vor dem Nogat-Thor: Tot stürzt das Roß: — aus dem Sattel empor Der Reiter springt, und mit letzter Kraft Schlägt er ans Thor das Schwert mit Macht, Ein-, zwei-, dreimal: — und geisterhaft Anschlägt die Glocke Mitternacht. Er ruft: „Verrat! auf! auf! Euch Brüder warnt der Stauf, Laßt jetzt Gebet und Metten, Das Leben gilt's zu retten! Verrat erschließt das Nogat-Thor — Beim letzten Schlag der Mitternacht — Sechstausend Polen stehn davor — Ich kann nicht mehr — es ist — vollbracht!“ Ein lauter Hornruf scholl vom Wall, Rings Fackeln, Waffen überall: Bald brachen wie Gewitter Hervor die deutschen Ritter, Die Polen flohn mit Eilen — Doch tot, mit sieben Pfeilen, Hob man den Warner auf, Den Schwaben Falk von Stauf! Märznacht Ich habe die milden Nächte so gern Im stürmischen frühen Märzen; Hie und da im Gewölk ein einzler Stern, Wie ein Hoffen in dunklem Herzen. Ein Wallen und Wehen in Flur und Wald; Die braunen Zweige beben In freudiger Ahnung, daß sie bald Sich mit sprossendem Grün beleben. Ein zitterndes Licht auf den Wassern schwebt, In der Luft ein geschäftiges Rauschen, Als sei sie von tausend Geistern belebt — Dann wieder ein harrendes Lauschen. Das sind die Nächte, da ferne her Die Grüße des Frühlings wogen: Geduld! ich säume nicht länger mehr; Dann komm' ich ins Land gezogen. An der Wiege meines Knaben Oft, wenn ich an deinem Bette, Kind, gerührten Sinnes stehe, Fühl' ich's, daß in leiser Nähe Geister schweben um die Stätte. Künft'ger Freuden seh' ich viele! Flieget lang' und flieget heiter Um sein Haupt als Wegbegleiter, Frohe deutsche Knabenspiele! Und ihr, süße Jünglingsträume, Kaum dem Vater ganz verloren, Bauet ihm mit goldnen Thoren Eden in die blauen Räume. Aus dir soll sein Glück genesen, Ist der Traum ihm erst zerronnen, Du, der höchsten Freuden Bronnen, — Heil'ger Stolz auf deutsches Wesen! Und ihr, feindliche Gewalten, Die ihr auch schwebt um die Wiege, Treue Lieb' in stetem Kriege Soll euch ferne von ihm halten. Schlafe ruhig! Um dein Bette Wachen treue, tapfre Geister, Und ich fühl's, sie bleiben Meister — Friede weilt an dieser Stätte. — Dante Durch die Straßen von Ravenna schritt der florentin'sche Dichter, Der die Göttliche Komödie schrieb als seiner Zeiten Richter. Und er sah es, wie die Knaben, welche auf dem Markte spielten, Da er ihnen schritt vorüber, ängstlich ihn im Auge hielten. Und er hört' es, wie der eine leise seinen Namen nannte Und zu den Gespielen sagte: „Sehet, das ist jener Dante! Jener Mann, der aus der Hölle wieder ist heraufgekommen, Der den Leuten nun verkündet, was er drunten wahrgenommen. Seht nur, wie so schwarz er aussieht von der Hölle Feuerlohe!“ — Und sie weichen scheu zurücke, da vorüberschritt der Hohe. Doch er sprach mit bitterm Lächeln: „Fürchtet nichts von mir, ihr Knaben! Glaubet nicht, daß ich mich jemals in die Unterwelt begraben; Daß ich dort erst hab' entdecket jene Sünden, jene Qualen, Die ich mit getreuen Farben nach dem Leben konnte malen. Schon hier oben fand ich alles, was ich wie von dort berichtet, Und hier oben ist die Hölle, die ich einfach nachgedichtet.“ Die Tochter der Herodias Dies Haupt ward mir von deinem Ehgemahle, O Mutter! von Herodes mir bescheret; Dies Haupt hab' ich auf dein Geheiß begehret, Da vor dem Fürsten ich getanzt im Saale. Er schwelgte, halbberauscht, beim üpp'gen Mahle Und rief: „Wähl eine Gunst, sie sei gewähret!“ Da sprach ich, wie du, Mutter, mich's gelehret: „Gieb mir das Haupt des Täufers in der Schale!“ So letze dich am Blute des Gerechten Und freue dich, daß jetzt die Lippen schweigen' Die einst so streng mit dir gewagt zu rechten! Mich aber lasse niemals mehr den Reigen Anführen, noch zum Tanz die Locken flechten, Seit mir dies Haupt im Tod sich mußte neigen. Der Gebirgsführer Der Fuß ist wund, die Stirne feucht, Vom Felsen prallt zurück die Glut; Mein Führer schleppt sich schwer und keucht Und schweiget mit verdross'nem Mut. — Die Last, die seine Schulter drückt, Sie fällt am Ziel und lohnt ihn reich; Ach Gott, wie fühlt' ich mich beglückt, Wär' meine Last der seinen gleich! Im Thale wohnt ihm Weib und Kind, Für sie nur trieb es ihn hinaus, Und was ihm Müh und Schweiß gewinnt, Bringt einen frohen Tag ins Haus. — Ich ließ nicht Weib, nicht Kind zurück, Ein Fremdling bin ich dort wie hier; Am stillen Herd der Liebe Glück Beut nimmermehr das Leben mir. Sieh da! das schöne Ziel erreicht! Er schaut sich lächelnd nach mir um; Nun ist ihm wohl, nun ist ihm leicht, Er bleibt nicht länger trüb und stumm. Zum Abschied reich' ich ihm die Hand: Lebwohl! — Schon wendet sich sein Fuß, Schon schwebt er fern am Bergesrand, Noch einmal winkt er mir zum Gruß. Wohl mag verschmähn er gern die Rast, Verschmähn den Trunk, den ich verhieß; Er denkt nicht mehr der Müh und Last: Dort unten winkt sein Paradies! Ich sah im Aug' der Freude Strahl, Und leichter, freier schau' ich aus, Und trifft mein Blick das leere Thal, So fleh' ich: Segen seinem Haus! Trost im Herbst Ein Bäumlein klagt im Hage, Vom rauhen Herbst entlaubt: „Seid ihr, o schöne Tage, Auf ewig mir geraubt?“ Da hält auf seiner Reise Ein Vogel Rast im Baum Und singet ihm die Weise: „Gieb nicht der Trauer Raum! Sieh, braune Hüllen decken Die Knospen warm und dicht, Es darf kein Sturm sie schrecken, Der Frost erreicht sie nicht. So harre froh des Maien! Ich will dir still vertraun: Wir kommen dann zu zweien, Bei dir ein Nest zu baun.“ Weinlob Aus dem Becher lernt der Zecher, Daß sein Glaube durch die Traube, Daß sein Leben durch die Reben Aus dem Staube sich erheben. In der Schenke Hier unterrichten alt und jung Sich gegenseitig in der Tugend: Das Alter trinkt Begeisterung, Und Weisheit trinkt die Jugend. Wein und Philister. Er vertobt die Jugend: darin ist eins Er vertobt die Jugend: darin ist eins Mit jedem Philister der Geist des Weins; Drauf trennt sich ihr Schicksal — jener erschlafft, Doch er wächst im Alter an Feuer und Kraft. Wein und Philister. Nimmer wird aus dem Wein er geboren Nimmer wird aus dem Wein er geboren, Wenn dir versagt den Geist die Natur: Weiser trinken sich Weise nur, Aber thörichter stets die Thoren. Wein und Philister. Im Rausche sieht man sonnenklar Im Rausche sieht man sonnenklar, Daß nüchtern man verblendet war; Und nüchtern drauf — o schlimmer Tausch! — Daß man verblendet war im Rausch. Der Rezensent Criticus pusillus Er liest vom reichen Blumenstrauß, Dem farbenprächt'gen, duftig süßen, Sich gern ein welkes Blatt heraus Und läßt den Geber schlimm es büßen. Durchs Augenglas das eine Blatt Betrachtet er und rufet weise: „Nach Moder riecht's — sein Glanz ist matt; Dem Wurm nur ist es wert als Speise.“ Er ritzt sich an der Rose Dorn, Und Ärger malt sich in den Zügen; Drauf schleudert er sie fort im Zorn: „Wer wird an Disteln sich vergnügen!“ Ja, seht! kurzsichtig ist der Wicht, Sein Blick kann nicht den Strauß erfassen, Drum will er seiner Weisheit Licht Im kleinsten Punkte leuchten lassen. Und dabei ist der Kerl verschnupft; Vom Duft so wenig wie vom Glanze Bemerket er und zupft und zupft Und lehrt: „Dem Fetzlein gleicht das Ganze.“ — So nützt den eigenen Defekt, Womit der Kleine ward geboren, Er schlau und setzt sich in Respekt Beim Heer der Esel und der Thoren. Die Martersäule Am Kreuzweg vor dem Dorfe Steht ein Marienbild, Das bei dem gläub'gen Volke Für wunderthätig gilt. Von Würmern ist's zernaget, Die Sonne hat's gebleicht, Das Holz, worauf's gemalet, Ist moosig, dumpf und feucht. Als ich nach langen Jahren Zur Heimat rückgekehrt, Da ruhten Vater, Mutter Tief in der kühlen Erd'. Ich suchte die Gespielen Aus froher Kinderzeit, Es mocht' mich keiner kennen Zu meinem großen Leid. Ich zog vor Liebchens Fenster, Wo ich so manche Nacht Beim Sternenlicht gestanden, Mit ihr gekost, gelacht. Das Fenster, das war trübe, Ihr Kämmerlein war leer; Sie selbst war Braut geworden — Ich fand sie nimmermehr. Da ging ich in Gedanken Vor's stille Dorf hinaus Und sank dort auf die Kniee Und weinte mich recht aus. Drauf fühlt' ich mich getröstet, Erleichtert war mein Herz; Ein Wunder war geschehen — Das Bild nahm mir den Schmerz! Der erste Schnee Zwei Mütter Sieh her, mein Kind, wie so lustig es schneit, Wie Flocke auf Flocke den Wolken enteilt; Die sendet das Christkind als Boten voraus, Zu künden sein Nahen in jeglichem Haus. Auf glitzernder Bahn, auf schneeigem Pfad, So zieht es vom Himmel zur Weihnacht herab. Drum bleibe, mein Kind, nur so brav, wie du bist, Dann kommt auch zu dir der heilige Christ Mit Spielzeug und Backwerk — der Weihnachtsbaum, Erschien er dir nicht erst gestern im Traum? Es schneit. O Kind, wie ist mir kalt! Der Winter hält den Einzug bald. Kein Winterkleid, kein Geld im Schrank, Kein Holz im Haus — ich sterbenskrank! Die Hütte morsch, der Vater tot, Erbarme du dich unser, Gott! Blick auf dies Kind, zur Weihnachtszeit Muß frieren es in schleiß'gem Kleid! So brav und fromm und gut es ist, — Zu ihm kommt nie der heil'ge Christ! O Herr! Erbarme du dich sein, Erlöse mich von meiner Pein! Wahre Freude Wenn du dich je einmal gefreut In tiefster Brust und voll und ganz, Und wußtest du von keinem Leid Und schautest nichts als Sonnenglanz, Und ward kein Wünschen dir verneint, Und schien die Welt dir klar und licht: Hast du im Lachen nicht geweint — So kennst du wahre Freude nicht! Die Freude, die man recht genießt, Kann nimmer ohne Sehnen sein, Und in des Glückes Becher fließt Ihr eine Thräne still hinein. Sie weiß von keinem Übermut; Sie stimmt das Herz zu ernstem Klang; Sie zahlt dem Schmerze schon Tribut — Und, ach! der Schmerz verzieht nicht lang'. Deutsche Art Dédié à mon cousin d'outre-Rhin Daß wir so spröde oft und hart, Karg, ohne freies Streben? — Wir sind nun einmal deutscher Art, Und deutsch ist unser Leben. Die Eiche steht — es bleibt dabei — Bald winternacht-umfangen, Bald siehst du sie im jungen Mai Im Schmuck des Frühlings prangen. Will dir die Sache nicht zu Sinn, So merk dir das, Herr Vetter: Es hat ein Baum, der immer grün, Auch immer faule Blätter. Guter Rat Dichtest du, sei nicht bedenklich, Sag's, wie dir's der Gott gegeben! Sei auch nicht zu überschwenglich, Jedes Wort sei echtes Leben! Wenn das Herz dir wahr entglommen, Wenn du's frisch herausgesungen, Wie dir's aus der Brust gekommen, Dann ist dir ein Lied gelungen. Am siebenzigsten Geburtstage I. Weihgeschenke Mit Palmen sind geschmückt des Hauses Pforten, In den Gemächern Blumen auf Geländen, Rings Lorbeerbäume, Kränze an den Wänden, An weißen Schleifen schwarz-rot-goldne Borten. Bei Goldpokalen Reben edler Sorten, Gemälde, Tand von schönen Frauenhänden, Unsterbliches in reich verzierten Bänden, Und Briefe fast aus allen Erdenorten. Die Arzenei des Alters zu versüßen, Will Lieb', ein weiser Arzt, sich zu mir kehren, Als sollte eine Nachwelt mich begrüßen, Mit stetem Glanze mir das Haupt verklären, — Was hätt' ich Herrliches vollbringen müssen, Um zu rechtfertigen die tausend Ehren! II. Leid durch Glück Mein edles Weib, das Söhne mir geboren, Wie blickst du mich beglückend an mit beiden! Wie bin ich, ihr Geliebten, zu beneiden, Zum Götterliebling schein' ich auserkoren. Und doch! was sich als Glück mir zugeschworen, Erzeugt in meiner Brust das tiefste Leiden: Wie lange noch? und ich muß von euch scheiden, Für alle Ewigkeiten mir verloren. Mir ist, als hört' ich knirschen schon die Säge Am Baum, aus dem sie meinen Sarg einst zimmern, Als ob auf ihm der bunte Pomp schon läge. Wie trüb zu Häupten mir die Kerzen schimmern! Nur fehlen noch die letzten Hammerschläge, Der Meinen Wehruf, der Gesänge Wimmern. III. Bald sind die Tage um Einsamer immer mehr, Wo ich auch bin, Trag' ich des Alters schwer Lastenden Sinn. Freuden sind all' entflohn, Lieb' und Gesang, Jugendgenossen schon Ruhen — wie lang'! Aber die Lust, das Leid, Die mich verzehrt, Durch die Vergangenheit Sind sie verklärt. Doch auf der Zukunft Spur Traurige Pracht: Welkende Blätter nur, Sternlos die Nacht. Klage nicht, trage stumm, Du hast gestrebt; Bald sind die Tage um, Die du gelebt. Sieh, wie der Vogel thut: Schwärmet und singt, Doch wenn es dämmert, ruht, Schattenumringt. Schlummert im grünen Wald, Rühret sich kaum, Einzelne Laute lallt Er noch im Traum. Einmal beim Morgenschein Liegt er im Moos Und ist die Lust und Pein Immerdar los. Weiter im schönen Wald Singet der Chor, Schweigen wird der auch bald — Grämst du dich, Thor? Alles mag der Dichter singen Seiner Tage dunkles Ringen, Seines Volks Begehr und Streit, Alles mag der Dichter singen: Aber viel gehört der Zeit. Mag er zorn'gen Kampf erheben, Wenn's der Augenblick gebeut; Doch dazwischen soll er weben, Was sich fort und fort erneut. Denn es werden einst Geschlechter, Die auf seinen Siegen stehn, Ungerührt vom wunden Fechter, Nur ein prächtig Schauspiel sehn. Das nur wird durch ihre Reihen Gehn mit vollem Wiederklang, Was er von den ew'gen Dreien: Gott, Natur und Liebe sang. Der Spielmann Sie sagen, im Freien einst lag er zu Nacht, Da haben ihm Feien die Fiedel gebracht, Da hat auf den Klippen bei Monduntergang Der Nix ihm die Lippen gelöst zum Gesang. Nun geigt er und singt er, nun singt er und geigt, Die Herzen bezwingt er, sobald er sich zeigt; Im Dorf an der Linde, im Fürstenpalast, Wie drängt sich geschwinde der Schwarm um den Gast! Schon hebt er den Bogen, schon weckt er den Schall, Da strömt es, wie Wogen aus klarem Kristall; Wie schwellen die reinen so stark und so weich! Wer's hört, der muß weinen und jauchzen zugleich. Was lächelt vor Wonne der Greis dort und schwärmt? Er träumt, daß die Sonne der Jugend ihn wärmt. Was blickt in die Runde der Kriegsmann so kühn? Vom Siegsfeld die Wunde beginnt ihm zu glühn. Was staunen befangen die Knaben im Kreis? Was brennt auf den Wangen der Mädchen so heiß? Im bangenden Sinne die Lust und die Qual, Den Zauber der Minne verstehn sie zumal. Dem Weidmann erklingt es wie grüßendes Horn, Den Schnitter umsingt es wie Wachteln im Korn, Den Schiffer am Lande befällt's wie ein Weh, Er hört das Gebrande der rollenden See. Und wo sich im Kreise verblutet ein Herz, Da kühlt ihm die Weise den brennenden Schmerz; Aufatmet's betroffen, als träufelte mild Balsamisches Hoffen vom Sternengefild. Wie Adlersgefieder jetzt schwingt sich der Schall, Jetzt säuselt er nieder wie Tropfen im Fall, So wandeln die Boten des jüngsten Gerichts; So grüßen die Toten vom Orte des Lichts. Nun sterben die Klänge, nun schweigen sie ganz — Da jubelt die Menge, da bringt sie den Kranz; Doch stolz sich verneigend, als drück ihn der Lohn, Ins Dunkel ist schweigend der Spielmann entflohn. Beim Glanze der Sterne, von Winden umrauscht, Schon wandert er ferne, wo niemand ihm lauscht; Da geigt er in Thränen sich selbst noch ein Stück: Verlorenes Sehnen, begrabenes Glück. Lied und Ton Verzaubert lag, verschollen, Dornröschen gleich im Walde tief: Das Lied auf staub'gen Rollen, Das Musenkind, und schlief. Da bricht durchs Dorngestrüppe Mit hellem Ruf ein Königssohn: Da küßt mit warmer Lippe Die Schläferin der Ton. Und sieh, zu raschen Schlägen Urplötzlich ist ihr Herz erwacht; Sie hebt sich ihm entgegen, Ihr Auge weint und lacht. Vom Lager aufgesprungen, Die Arme strickt sie um ihn her; Sie halten sich umschlungen Und lassen sich nicht mehr. Und auf der Liebe Flügel Nun ziehn die beiden treugesellt Wohl über Strom und Hügel Hinaus in alle Welt. Lebensstimmung Hab' ich einst ehrgeizigen Wunsch als Jüngling Unbedacht im Busen genährt: ich bannt' ihn Längst; dem Weltlaufkundigen geht kein Gut mehr Über die Freiheit. Mag, wer will, am Sessel der Macht um Einfluß Buhlend, stets abhängiges Los ertragen, Oder, laut vom Volke bejauchzt, des Volkes Laune gehorchen! Mir gefällt's, nach eigenem Trieb in ernster Muße, fern vom Stimmengebraus des Marktes, Bald im Schicksalsbuche der Zeit die dunkle Schrift zu enträtseln; — Bald am Reichtum griechischer Kunst und Schönheit, An Homers einfacher Gewalt zu prüfen, Was die Neuzeit Mächtiges schuf, von andern Sternen geleitet; — Oder tagwerkmüde dem Zug der Wolken Nachzuschaun und irgend ein Lied zu summen, Wie's dem einsam Träumenden Hoffnung eingiebt Oder Erinnrung. An eine junge Sängerin Ach, noch einmal diese Töne, Die mir Flügel in das schöne Zauberland der Jugend sind! Laß sie schwellen voll und leise! Diese Weise Sang einst deine Mutter, Kind. Am Klavier dort in der Nische Saß sie, wenn des Abends Frische Klar ins offne Fenster drang; Golden wob's um ihre Locken, Und wie Glocken Schwebte wogend ihr Gesang. Ach, das war vor langen Jahren, Eh ich in die Welt gefahren, Hoch im Sturm noch trieb mein Herz; Aber stets bei ihrem Liede Kam ein Friede In des Jünglings Lust und Schmerz. Grau jetzt, mit gedämpftem Feuer, Einsam kehr' ich; die mir teuer, Gingen alle fast zur Ruh; Sie auch schläft, die süße Rose, Unterm Moose, Doch ihr Ebenbild bist du. Singe, Kind, und in die blauen Augen laß mich tief dir schauen! Jugendheimwärts träumt mein Sinn, Und von längst entschwundnen Lenzen Zieht ein Glänzen Durch die müde Brust dahin. Unter den alten Rüstern Ihr alten Rüstern! Wie süß zur Rast Lädt euer Flüstern den müden Gast! O wogt und schattet ums Haupt mir kühl! Noch dröhnt's, ermattet vom Stadtgewühl, Wo, nie entlastet, das Leben rollt, Gewinnsucht hastet, Parteiwut grollt, Nach Brot die Menge und Spielen schreit Und hohl Gepränge die Kunst entweiht. Vom eitlen Rauschen, wie bin ich satt! Nun will ich lauschen auf Blüt' und Blatt; Nun will ich hören die Weise nur, Die du in Chören mir singst, Natur, Die große Weise, die, wo sie klingt, In Schauern leise mein Herz verjüngt: Das Lied vom Wachsen und vom Vergehn, Nach dem die Achsen der Welt sich drehn. Hoffe du nur! Die Nachtigall auf meiner Flur Singt: Hoffe du nur! Hoffe du nur! Die Frühlingslüfte wehen. Ein Dornenstrauch schlief ein zu Nacht, Ein Rosenbusch ist aufgewacht: So mag's auch dir geschehen. Hoffe du nur! Halte fest am frommen Sinne Sprüche Halte fest am frommen Sinne, Der des Grenzsteins nie vergaß! Alles Heil liegt mitten inne, Und das Höchste bleibt das Maß. Glücklich, wem die Tage fließen Wechselnd zwischen Freud' und Leid, Zwischen Schaffen und Genießen, Zwischen Welt und Einsamkeit. Das ist das alte Lied und Leid Sprüche Das ist das alte Lied und Leid, Daß dir Erkenntnis erst gedeiht, Wenn Mut und Kraft verrauchen; Die Jugend kann, das Alter weiß, Du kaufst nur um des Lebens Preis Die Kunst, das Leben recht zu brauchen. Verruchtes Dilettantenwesen Sprüche Verruchtes Dilettantenwesen! Hat einer wo ein gut Gedicht gelesen, Zerpflückt er flugs den schönen Strauß, Thut Unkraut, Stroh und Disteln drunter Und bindet sich vergnügt und munter Im Umsehn einen neuen draus. Die Zeit zum Handeln jedesmal verpassen Sprüche Die Zeit zum Handeln jedesmal verpassen Nennt ihr: die Dinge sich entwickeln lassen. Was hat sich denn entwickelt, sagt mir an, Das man zur rechten Stunde nicht gethan? Es ist der Glaub' ein schöner Regenbogen Sprüche Es ist der Glaub' ein schöner Regenbogen, Der zwischen Erd' und Himmel aufgezogen, Ein Trost für alle, doch für jeden Wandrer Je nach der Stelle, da er steht, ein andrer. Religion und Theologie Sprüche Religion und Theologie Sind grundverschiedene Dinge: Eine künstliche Leiter zum Himmel die; Jene die angebor'ne Schwinge. Am guten Alten Sprüche Am guten Alten In Treuen halten, Am kräft'gen Neuen Sich stärken und freuen, Wird niemand gereuen. Bergauf, bergab, zuletzt ins Grab Ein Weilchen noch, so gehst auch du Zu deiner Ruh! — Dann tragen sie ins enge Haus Auch dich hinaus, Und all dein Sorgen bleibt zurück, So Leid wie Glück. Ein Weilchen noch! Noch ist es Tag, Und wandeln mag Dein Fuß, so lange Gott es will. Zu Ende still Geh deinen Weg — bergauf, bergab, Zuletzt ins Grab. Zwei Blumen Du, Passiflore, hältst an den Gräbern Wacht, Und dich umhauchen Schauer der Todesnacht! Der Menschheit Weh, das nie veraltet, Hast du im düsteren Schoß entfaltet. Die Dornenkrone trägst du so stolz zur Schau, Es steigt aus deinem Kelche des Kreuzes Bau, Und deine Purpurfäden prahlen Mit den unsterblichen Wundenmalen. Du schlürfst den Moder und die Verwesung ein, Du schmückst das Haupt mit zuckender Flammen Schein, Die nächtig um die Gräber schleichen, Feurige Boten der kalten Leichen! Du Totenblume, ewiger Marter Bild, O dich umweht der Odem vom Schlachtgefild, Der Scheiterhaufen brand'ge Düfte, Eisiger Moder der Kerkergrüfte. Der Hauch, der von den Schwingen der Seuche träuft, In raschem Fluge zuckende Opfer häuft, Die Seufzer aus der Folterkammer, All der unendliche Erdenjammer. Und selbst Natur, die wilde Zerstörerin, Sie schüttet Flammen über ein Eden hin, Zerreißt die Erde, jagt die Meere Über des Landes zersprengte Wehre. Qual und Vernichtung schauern auf jeder Bahn, Wo Menschen ringend höherem Ziel sich nahn. Im Opferdienst, in jeder Frohne Schau' ich die Stacheln der Dornenkrone. Du aber winkst mir dort an des Baches Rand, Parnassia, im schimmernden Festgewand, Ein heller Stern auf samtnen Matten, Tief in der silbernen Birke Schatten. Rings stehn die Wälder stumm, und kein Hauch bewegt Der Ähren Gold, das sich um die Hügel legt! Wenn atemlos die Fluren schweigen, Muß sich die Liebe zur Liebe neigen. In deinem Kelche regt es sich zauberhaft, Es schwankt, es neigt sich, wie mit beseelter Kraft. Die Kronenträger sind, die stolzen, Plötzlich zu seligem Kuß verschmolzen. Du Kelch der Freuden, wo durch der Liebe Macht Zu geist'ger Regung schlummerndes Sein erwacht, Wo Blütenfäden Wonne trinken, Durstig sich neigen und süß versinken! Parnassia, dich schling' ins Gelock entzückt Ein neu Geschlecht, das heilige Freude schmückt! Vergessen an des Todes Thore Blühe und welke die Passiflore! Ovid Ein Schneegewölk, vom Sturm getrieben, Weht frostig über den Euxin; In diesen Wolken steht's geschrieben: So soll mein Leben arm an Lieben Und arm an Glück vorüberziehn Die Wogen, die ans Ufer branden, Sie kommen aus kimmer'scher Nacht, Wo über unwirtbaren Landen Der Stern am Pol verdrossen wacht. O düstrer Gruß der schwarzen Wellen, Die hoffnungslos am Strand zerschellen! Und wie der Pontus der Sarmaten Dehnt endlos grau die Steppe sich: Da knistern keine goldnen Saaten; Den ewig wandernden Penaten Winkt keine Stätte heimatlich. Da liegt die Öde unermessen So schlummertrunken hingestreckt, Als ob die Erde ganz vergessen, Daß sie der Sonne Kuß geweckt: So traumlos ohne Blütensegen Gähnt mir ringsum die Welt entgegen. O rauhe Pflicht für den Poeten, Der stets nur Amors Waffen trug; Jetzt heißt es auf die Wälle treten; Es nahn die Schwärme wilder Geten, Emporgescheucht wie Mottenflug. Sie nahn wie ein gespenst'ger Schrecken, Ihr Pfeil ist spitz, ihr Schwert ist scharf; Da gilt's, sich mit dem Schild zu decken, Den einst Horaz bei Seite warf: Den Dichtern, welche Ew'ges schaffen, Ziemt andrer Ruhm und andre Waffen. Doch wird das Herz mir schwer und bange: Noch ist des Geistes Flug nicht matt; Er trotzt des Schicksals dumpfem Zwange Und preist mit letztem Schwanensange Noch deinen Zauber, ew'ge Stadt. O glüh'nde Bilder, selig Sinnen, In das der Geist sich gern verliert: Da mit dem Kranze der Korinnen Seh' ich die heitre Stirn geziert! Kein Cäsar darf dem Dichter wehren, Der Liebe süße Kunst zu lehren. Und meine duft'gen Blätter fliegen Von Haus zu Haus, von Hand zu Hand: Sie lehren euch, in Amors Kriegen Zu nahn, zu sehen und zu siegen, Ob locker auch der Liebe Band. Sie lehren euch ein Glück zu schenken, Das jeden feinen Sinn entzückt, Des Gottes Pfeile leis zu lenken, Daß ihrer Wunden Schmerz beglückt. Mit seinem süßen Zwang versöhne Der Witz der spielenden Kamöne. So wird mein Lied der Freuden Quelle, Die herrlich in der Stille blühn: Es lockt mich über manche Schwelle Ein Flüsterwort mit Zauberschnelle, Ein holdes, feuriges Erglühn. Ein Wort des Danks tönt mir entgegen, Ein Wort der Liebe folgt ihm schnell: Ein jeder Vers wird mir zum Segen, Ein jeder Spruch der Freuden Quell. Um solcher Weisheit Schatz zu mehren, Vergess' ich lernend auf das Lehren. Da naht ein Zug, beim Fackelglanze, Im Venustempel dem Altar, Und übers Forum schweift im Tanze, Mit Thyrsusstab im Epheukranze, Im Mondlicht die Bacchantenschar. Wie glühn die Blicke, die Gesichter Vom Rausch, den Bacchus angefacht! Wie sprühn die dunklen Fackellichter Auf der enthüllten Reize Pracht! Da rast des Pindus wildes Fieber Durch die verschlafne Stadt am Tiber. Voran, im üpp'gen Rausch sich wiegend, Das Enkelkind Oktavians: Das Haar gelöst im Winde fliegend, An des Geliebten Brust sich schmiegend, Stürmt sie dahin, die Braut Silens. Das Kapitol der alten Tugend, Der neuen Herrschaft Palatin Sehn grollend die berauschte Jugend Im Reigentanz vorüberziehn. Mich feiert sie als ihren Meister: Mir huld'gen ihre Taumelgeister. Mir ward das Lächeln der Mänade Und ihre Gunst verhängnisvoll: Zum Abgrund ging's auf jähem Pfade; Es war mein Licht des Cäsars Gnade, Und in die Nacht stieß mich sein Groll. Nicht länger wand ich Blumenketten Im Spiel der Liebe freudenreich; Die mich umkost, die Amoretten, Verfolgten mich, Lemuren gleich. Das letzte Lächeln meiner Muse Ward mir zum Antlitz der Meduse. Und doch — Erinnrung lebt im Herzen, Vergangenheit wird Gegenwart. Da leuchten die erloschnen Kerzen, Da mischen Küsse sich mit Scherzen, Die Liebe winkt, die Liebe harrt! Und wenn sich Glutenwolken ballen Im Westen, wo die Sonne sinkt: Ich seh' den Purpurvorhang wallen, Dahinter üpp'ge Schönheit winkt, Und in der endlos öden Steppe Bau' ich mir zum Olymp die Treppe. Und lehnt im Winkel Amors Bogen, Und ist sein Köcher öd' und leer: Von ihrer Tauben Flug umflogen, Steigt Venus aus dem Staub der Wogen: Ambrosisch Licht entströmt dem Meer. Wenn rings die dichten Flocken schwärmen, Wenn eis'ger Panzer deckt die Flut, Muß altes Lied mein Herz erwärmen Und meiner Träume ros'ge Glut; Und wenn am Herd die Flammen knistern, Hör' ich Korinna traulich flüstern. Mein Lied hat keine Feuerzungen, Kein Aar ist's, der zur Sonne schwebt: Doch nimmer ist sein Klang verklungen Erworben bleibt, was ich errungen, Es stirbt nicht mehr, was ich erlebt. Und du, im glänzenden Palaste, Gefeiert als der Herr der Welt; Ich, der Verbannte, der Verhaßte, Der Wüste wildem Schwarm gesellt: In Einer Glorie der Flammen Schmilzt einstens unser Bild zusammen. Erinnerung Den hellen See, das dunkle Thal, Der fernen Berge duft'gen Schwung Verklärt im Abendsonnenstrahl Dein mildes Licht, Erinnerung! Die Berge standen licht und blau, Wie Wächter vor dem Paradies, Als jede Blume auf der Au Mir noch ein bräutlich Glück verhieß. Sind auch die Blüten über Nacht In meinem ersten Strauß verdorrt — Taufeucht in frischer Morgenpracht Blühn sie in meinem Herzen fort. Wie stehn die Büsche rings im Licht! Wie steht die Flur im Zauberglanz! Vergangenheit, ein Traumgesicht, Erfüllt die Seele voll und ganz. Sie war an stolzer Hoffnung reich, Das Glück so nah, die Welt so weit! Jetzt träumt das Herz wehmütig weich Im Schatten der entschwundnen Zeit. Den hellen See, das dunkle Thal, Der fernen Berge duft'gen Schwung Verklärt im Abendsonnenstrahl Dein mildes Licht, Erinnerung! Frühlingsahnung Das ist ein Frühlingstag! O welch ein Duft der Ferne! Das sind im grünen Hag Die ersten Frühlingssterne! Und jedem schwillt das Herz: Wie schön ist's hier auf Erden! Begraben sei der Schmerz, Eh wir begraben werden. Der Nachtigallen Sang Tönt aus des Thales Linden; Ich aber, wehmutsbang, Kann nicht den Frühling finden. Wann wird ein Lenzestraum Die Menschheit selbst beglücken? Wann wird ihr kranker Baum Mit neuem Grün sich schmücken? Die Wurzel „Menschenrecht“, Und „Menschenglück“ die Krone, Daß freudig dies Geschlecht In seinem Schatten wohne! Noch ist der Baum verschneit, Des Winters Stürme wüten, Und keine Frühlingszeit Bringt Blätter ihm und Blüten. Der Felsensee Es küßt der Mond den Felsensee, Der strahlt und freut sich der himmlischen Näh' Und heget das goldige Bildnis. Und die düsteren Felsen, sie halten die Wacht, Und ringsum schweiget die duftige Nacht, Und ringsum schweiget die Wildnis. Stille, mein Herz Stille, mein Herz, und begehre nichts, Rege dich kaum: es schläft der Sturm! Wehe, wenn er rasend erwacht, Schwillt der Seele Woge empor, Und von finsterer Wolke verhüllt, Schwindet des Friedens lieblicher Stern; Stille, mein Herz, und begehre nichts, Rege dich kaum: es schläft der Sturm! Der Abend O Abend, dein rosiges Schimmern, O Abend, dein liebliches Wehn! Da droben die himmlischen Wolken, Da nieden die duftigen Höhn: Das glühet so leuchtend umkränzet, Das wehet verkühlend so mild — O Abend, du rosiger Abend, Hast meine Seele gestillt! Verschollenes Glück Ich weiß ein Märchen, daß ein Wandrer kam Zum Waldesgrund, da läutet' es wie Glocken, Und eine Blume fand er, wundersam, Und schmückte traumvoll seine braunen Locken. Als er zurück zu Menschen kam voll Gram, Bestaunten ihn die Leute fast erschrocken. Die Welt war älter schon um hundert Jahre, Und keiner kannt' ihn mit dem Kranz im Haare. So bist du, meine Zauberblume, auch, Und von des Traumes Bann bin ich umfangen; Ich weiß nicht mehr, was bei den Menschen Brauch, Mir ist, als wären hundert Jahr' vergangen; Ein Fremdling bin ich worden, denn ein Hauch Des Alters weht in dieser Welt, der bangen. Nur ich bin jung und fremd im blütenvollen Lenzschmuck des Glücks wie vor der Welt verschollen. Drum kehr' ich nun auf immer heim zu dir, Ein Einsiedler des Glücks im Waldesgrunde. Vergessen will ich sein. Mir sprubelt hier Des Lebens Quell und Heil für jede Wunde. Dein Auge feuchten Strahles über mir, Ein Flüstern weggeküßt von deinem Munde. So mögen mir Jahrtausende verschwinden, Zur Welt den Rückweg will ich nimmer finden. Je älter du — Je älter du, je voller wird dein Herz, Doch wie ein Kirchhof nur, der voll von Toten, Die ausgelitten ihren Erdenschmerz. — Einst war es eine Au', von rosenroten Maiwolken überstrahlt, ein lust'ger Hain, Wo dunkle Wipfel holden Schatten boten. — Von Märchenblumen leuchtete der Rain, In tiefer Waldnacht hundert Brunnen rauschten, Auf Marmorgöttern blitzte Mondenschein. — Das war dein junges Herz. Verstohlen lauschten Gedanken, Phantasieen, welche kühn Mit Gleichgesinnten reiche Rede tauschten. Nun stehn Denkmale rings voll Immergrün — Denkmale rings — begrabener Gedanken, Begrabner Träume, die im Sturm verglühn. Verschollner Tage Pläne hier versanken, Verschollner Freunde Namen stehn auf Stein, Bedeckt von Moos und blumenreichen Ranken. Zum Kirchhof ward des Herzens Jugendhain. Beisammen liegt, was sündig war und wacker, Je älter du, je voller wird er sein — Das Menschenherz auch ist ein Gottesacker! Erinnerung Ihr kurzen, flüchtigen Minuten, Wo heiter mir die Sonne schien, Schnell zogt ihr hin wie Stromesfluten, Doch spurlos zogt ihr nicht dahin: Noch denk' ich jedes flücht'gen Glückes, Das dieses glüh'nde Herz gewann, Und jedes sel'gen Augenblickes, Den golden mir die Parze spann! Dankbar gedenk' ich jeder Stelle, Wo ich gehalten süße Rast, Und jeder leisen Murmelquelle, Daran ich trank als müder Gast, Und jeder Blume, draus in Düften Ein Gruß mir in die Seele drang, Und jedes Vögleins, das in Lüften Mir Trost und Lenzesfreude sang. Dankbar gedenk' ich jedes Mundes, Der traut und milde zu mir sprach, Und jedes lichten Augengrundes, Draus mir ein Strahl der Liebe brach: So lass' ich ewig in mir leben, Was mich mit holdem Reiz gegrüßt Und still mich im Vorüberschweben Mit flücht'gem Liebeshauch geküßt. Von allem Sehnen, allem Lieben Blieb meiner Brust ein teurer Hort, Gleichwie ins tiefste Herz geschrieben Mit Flammenschrift ein Liebeswort. Und keine Zunge kann sie schildern, Die Zauberwelt, die mich umschwebt, Wenn von den tausend süßen Bildern Die stille Nacht den Schleier hebt. Dann ziehn sie lockend mir vorüber, Berühren mich so mild und weich; Und meine Seele schwebt hinüber In der Erinnrung Himmelreich: Da freu' ich still mich jedes Glückes, Das einst mein glühend Herz gewann, Und jedes sel'gen Augenblickes, Den golden mir die Parze spann. Rollende Räder O Nacht! So lang und bange! — Horch, fegt mit Sturmesdrange Die Straßen jetzt der Wind? Nein — es beginnt zu tagen: Das Rollen ist's der Wagen, Die heim vom Feste tragen Manch blühendschönes Kind. 'S ist Karneval. Isolde, Umwallt vom Lockengolde, Kehrt heim zu dieser Stund' ... Im Glanz der goldnen Spangen, O zauberhaftes Prangen! Wie leuchten ihre Wangen, Wie selig blüht ihr Mund! Ich glaube dir, du Schöne! Wie thöricht ist die Thräne, Belächelnswert das Weh! Hei, deines Wagens Rollen Klingt in mein dumpfes Grollen Gleich einem fastnachtstollen, Lustfreud'gen Evoë! Die Welt war schön, du Schöne, Als dort im Braus der Töne Dein Haar im Tanze flog, Indes ein armer Frager, Kleinmütiger Verzager Auf seinem Schmerzenslager Das Leid der Welt erwog. Menschenleben Heut lallen an der Mutterbrust, der weichen, Zu Rosse morgen ziehn in stolzem Trabe, Und übermorgen dann als müder Knabe Mit grauen Haaren an der Krücke schleichen: Das Glück erspähn und nimmer es erreichen, Sich hundert Mal als einzig süße Labe Den Tod erflehn und schaudern vor dem Grabe, Das Sein verwünschen, vor dem Nichts erbleichen: In langer Weil', in Weinen oder Lachen, In Sehnen, Sinnen, Hoffen und Erbeben Den Tag verträumen und die Nacht durchwachen, Dazu die Frage schmerzlich oft erheben, Was all das soll: — das ist in tausend Sprachen Ein altes Lied, betitelt Menschenleben. Im Walde Am frischen Frühlingsmorgen Hinaus in die Waldesluft, Dort blühet die goldene Freiheit; Auf Höhen und in der Kluft, Wie ihm der Schnabel gewachsen, Der Vogel schwatzt und ruft. Das ist die wahre Freiheit, Dies heitere Vogellatein, Die Raben und die Elstern Den König der Lüfte beschrein, Und all' die andern Kleinen, Die lachen zwischen drein. Kein Richter und kein Kerker Sperrn ihnen die Schnäbel zu; Kein bunter Polizeimann Gebietet ihnen Ruh, Nicht mal dem Nachtskandaler, Dem trotzigen Uhu. Ohn' jegliche Erlaubnis Die Frösche versammeln sich frei, Erheben über alles Viel Lärmen und Geschrei; Und dennoch läßt sie in Ruhe Die löbliche Polizei. Den Ameisen, den flinken, Wohl wird ihnen manchmal heiß; Bei ihrer schweren Arbeit Geraten sie gar in Schweiß — Kein Anderer aber verprasset Die Früchte von ihrem Fleiß. Es wagen die Blümlein zu blühen Sogar in Rebellen-Rot; Kein Staatsanwalt beantragt Für Hochverrat den Tod. Im frischen, freien Walde Bestehet kein Verbot. Und doch ist alles geordnet, Es regen sich Zauberhänd' — Husch — husch — die Waldesgeister — Wie alles fliegt und rennt! Es führt die alte, heil'ge Natur ihr Regiment. Augensprache Liebchen weint'. Auf ihren Wangen Standen große Vorwurfsthränen, Doch sie gab mir beide Hände, Sprach kein einzig leises Wörtchen. Und ich küßte diese Thränen Von der Wange ihr und sagte Zur Entschuld'gung nicht ein einzig, Nicht ein einzig leises Wörtchen. Doch ich schaut' ihr in die Augen, Fleht' mit Blicken um Vergebung Und versprach mit meinen Augen, Sprach kein einzig leises Wörtchen. Und sie lächelt' durch die Thränen, Rührung in den schönen Augen, Glaubte und vergab im Kusse, Sprach kein einzig leises Wörtchen. Erkämpft! Fällt dir das Glück so in den Schoß, Es ist dir wenig wert; Du läßt es leicht auch wieder los, Was dir so leicht beschert. Doch hast erkämpfet du dein Glück Durch sorgenvolles Mühn: Du hältst es fest bei dir zurück Und siehst es immer blühn. Zu rechter Zeit Der höchste Schmerz, das höchste Glück, Sie kennen keine Lieder; Doch wenn das Leid gelindert ist, Doch wenn das Glück gemindert ist, Dann klingt es mächtig wieder. Freudenthränen Seht die Braut am Traualtare, Freude strahlt ihr Angesicht; Doch erglänzt im Augenpaare Auch der Thränen Demantlicht. Dort die Mutter mit dem Kleinen, Sanft entschlummert ihr im Schoß, Seht sie, selig lächelnd, weinen, Preisend ihres Daseins Los. Seht den Sohn, der, reich an Ehren, Kehrt beglückt ins Vaterhaus: Seine und der Eltern Zähren, Drücken sie nicht Freude aus? Weinen sie nicht Freudenthränen Alle nur, voll reinster Lust? — Ach, sie weinen — kindisch Wähnen! — Schmerzensthränen unbewußt. Ahnung ist's von künft'gem Leide, Zitternd durch das frohe Herz, Mitten in des Lebens Freude, Ein Gefühl von künft'gem Schmerz. Ahnung ist's von Trennungsstunden, Ahnung ist's von Qual und Tod, Ahnung ist's von tausend Wunden, Ach, womit das Leben droht. Diese ist es, die sich immer In das Herz des Menschen schleicht, Trübend seines Glückes Schimmer, Ihm der Wehmut Becher reicht. Darum seht das Auge feuchten Thränen ihr im höchsten Glück; Darum seht ihr Perlen leuchten Auch im hellsten Freudenblick. Thränen hat der Schmerz geboren, Freudenthränen giebt es nicht, Sind wir doch zum Leid erkoren, Bis im Tod das Aug' uns bricht. Wert der Freundschaft Wenn noch so weit des Goldes reicher Segen Den niedern Alltagssorgen dich entrückt, Des Paradieses Pracht dein Aug' entzückt Und freudig sich des Geistes Schwingen regen; Wenn Blumen blühn auf allen deinen Wegen Und Frauenlieb' dein Leben herrlich schmückt: So bist du ohne Freund nur halb beglückt Und wirst Befried'gung nicht im Busen hegen. Sei arm an Gütern, überreich an Sorgen, Und nenne dein ein treues Freundesherz, Das für dich glüht, so bist du wohlgeborgen! Ward dir ein Freund, der voll erfaßt dein Streben, Dann trägst du stark des Daseins Leid und Schmerz, Dann fühlst du ganz, wie schön das Menschenleben! An die Schriftsteller Noch überall, sowie in alten Zeiten, Hält ritterliche Krieger man in Ehren, Und wenn sie aus dem Kampf als Sieger kehren, Erschallt ihr Ruhm, ihr Lob in allen Weiten. Die Ritter, welche mit der Feder streiten, Soll man nicht minder hoch und warm verehren, Da sie erfreun, erleuchten und belehren, Die Kunst, das Wissen fördern und verbreiten. Sie hegen des Prometheus Götterfunken; Es schliche ohne sie in Wahn versunken, In Finsternis dahin der Menschheit Leben. Drum blühe fort ihr freies Geistesstreben! Das Schwert hat stolze Siege wohl errungen, Die Feder aber hat die Welt bezwungen! Mutter und Kind Mutter, Mutter, bring mir Blumen, Leg sie auf mein Bettchen her, Mit den Blumen will ich spielen, Andres Spiel mag ich nicht mehr! — Ach, mein Liebling, wie so gerne Brächt' ich recht viel Blumen dir, Doch der Frühling ist noch ferne, Kalt und eisig ist es hier! — Stille legt das Kind sein Köpfchen Auf das weiche Kissen hin, Engel mit den schönsten Blumen Sieht es da vorüberziehn. Und mit süßem Lächeln reichen Sie ihm alle Blumen hin, Und die Mutter, bang erschauernd, Sieht ihr Kind zu Engeln fliehn. Als der Frühling wiederkehrte, Sank die Mutter auch ins Grab; So der Blumen reichste Fülle Trägt sie ihrem Kind hinab. Rückkehr zur Natur Als hätt' uns längst ein Zwist geschieden, Der nun geschlichtet wunderbar, So trat ich ein in deinen Frieden Und ward im Tiefsten warm und klar. Ich sah das Meer sich leuchtend dehnen, In Frühlingswonnen stand die Flur, Da warf ich wieder mich in Thränen An deine Mutterbrust, Natur! Ich kannte dich, und doch im stillen Trotzt' ich der Liebe, die mich zwang, Die um so spröden Eigenwillen So zarte Fesseln freundlich schlang. Am Geiste sucht' ich mein Genügen, Und eine Schwäche schien mir's nur, Mich unter deine Zucht zu fügen Und still zu wandeln deine Spur. Du schwiegst, und fort und fort im Traume Geselltest du dich noch zu mir, Den nicht'gen Unmut zu zerstreuen, Und riefst so sanft: „Ich bin bei dir!“ Du sahst mich an aus Himmelsreine, Aus Wald und Blumen mütterlich — Umsonst! nicht war ich mehr der Deine, Und so verscherzt' ich dich und mich. Empfinden sollt' ich's. Wie die Schwüle Des engen Tagwerks mich empfing, Wie mir im hastigen Gewühle Der gleiche Mut verloren ging — Der Leib verfiel dem lange Kranken, Die Seele zittert' in der Pein, Da zogen sehnliche Gedanken An deine Heilkraft in mich ein. Und nun — o magst du schon den Knaben Die noch verhüllte Seele weihn, Dem Mann aus hundert Quellen laben, Dem Greisen eine Freistatt sein: Nur, wer genest, fühlt ganz tief innen Die Fülle deiner Liebeskraft, Und rein und reizbar noch an Sinnen, Umfängt er dich mit Leidenschaft, So nimm mich wieder, hehres Leben, In deinem Schoße birg den Sohn! Du lächelst mir, du hast vergeben Und segnest den Verirrten schon. Du übertönst mit Vogelstimmen Die Beichte, die dein Ohr vernahm, Und in des Morgens Glühn und Glimmen Begräbst du dieses Rot der Scham. Die Todeswürfel Ballade (nach einer wahren Begebenheit) I. „O Mädchen, hüte dein Augenpaar Und halte dein Zünglein im Zaum; Bist rosig und fein, hast lockiges Haar, Doch Jugend flieht rasch wie ein Traum. Mein Röschen, setz deinen Stolz zur Wehr, Du guckst mir nach Heinrich zu sehr!“ — „Ach Vater mein, bist wieder grimmig und wild. Was Heinrich! auch Ralph bin ich gut! Schmied ruhig deine Waffen und stähle den Schild, Dein Röschen ist wohl auf der Hut. Das bißchen Geplauder am Brunnenstein Kann doch wahrhaft nicht Sünde sein!“ Der Vater kehrt zum Amboß zurück, Holt aus zu wackerem Schlag: „Das Mädel ist mein einziges Glück, Doch macht's den Gedanken Plag' — Ich kann's nicht erziehen — du liebe Not, Und die Mutter so lange schon tot!“ Schön Röschen plaudert am Brunnenrand Und kichert im Mondenschein, Der schmucke Heinrich hält ihre Hand — Sie glauben sich beide allein. Zum Liebesgeflüster das Brünnlein rauscht, ... ... Es hat doch niemand gelauscht? ... II. Es fliegt die jähe Schreckenskunde Von Mund zu Munde Die Straßen entlang der weiten Stadt, Daß man zu später Abendstunde Mit tiefer Wunde Ein Mädchen ermordet gefunden hat. „Das einz'ge Kind des Schmiedes Walter! ... Im Blütenalter!“ — „Du meinst doch Röschen, sein Kleinod, nicht?“ — „Da droben liegt ihr Leib, ihr kalter! — Bet einen Psalter — Daß ihrem Vater das Herz nicht bricht!“ Den Mörder an das Licht zu bringen, Will nicht gelingen. Ob's Einer that, ob ein Andrer half? ... Doch endlich begann nach langem Ringen Verdacht zu dringen Auf zwei Soldaten: Heinrich und Ralph. Schon ward's versucht, mit Folterleiden Sie zu bekleiden, Doch keiner bekennt die schwere Schuld; Drum soll ein Gottesgericht entscheiden: — Wer war's von beiden? 'S wird morgen klar. Bis dahin Geduld. III. Der strenge Kurfürst sitzt im Richtersaale, Von allen Würdenträgern ernst umgeben. Zwei Würfel liegen in der Marmorschale Bereit, das Gottesurteil kund zu geben. Bei denen, so zunächst am Throne standen, War Walter auch, der Waffenschmied. Wie wanken Die Kniee ihm, da er in Eisenbanden Die „Zwei“ geführt sieht vor die Richterschranken. Des Fürsten Auge prüfet rings die Hallen: „Wer“, spricht er scharf nach kurzem Sinnen, „Die kleinste Zahl wirft, ist dem Tod verfallen, So will es Gott ... und Ralph hat zu beginnen.“ Dem zuckt es hämisch um den Mund. Mit Lachen Nimmt er die Würfel — schüttelt — wirft sie nieder: „Zwei Sechsen! Ha! wer könnt' es besser machen?“ Doch böses Murmeln grollt da hin und wieder. Nun kommt die Reih an Heinrich. Tiefe Stille. Er knieet zum Gebet: „Mein Gott! durchschauen Kannst du mein schuldlos Herz! Jedoch dein Wille Gescheh', in dich nur setz' ich mein Vertrauen!“ Und aller Blicke fest an Heinrich hangen, Der steht, die Hand zum Wurfe hoch gehalten. Und als die Würfel knatternd niedersprangen, Hat sich der eine jäh entzwei gespalten. „Sechs — eins — und sechs! so steht es auf drei Steinen.“ Viel hundert Stimmen in Verwundrung brechen ... Doch Ralph, von Schreck erfaßt, schreit auf mit Weinen: „Aus Eifersucht beging ich das Verbrechen!“ Der Kurfürst blickt zum Himmel tief betroffen, Und alles Volk mit ihm die Hände faltet: „Du machst zu Schanden nicht, die auf dich hoffen; Du bist der Gott, der als Gerechter waltet.“ Frühlingsladung Rings Frühlingslust und Frühlingspracht In Haide, Moor und Hain; Vorbei, vorbei des Winters Nacht, Der Lenz, der Lenz ist aufgewacht, Springt in die Welt hinein. — Die Vöglein singen: Komm zu mir! Die Blumen duften: Komm zu mir! O komm zu mir, mein Lieb! In tausend Blumen blüht empor All meine Seligkeit; Es singt der Vöglein süßer Chor Mir meiner Liebe Wonnen vor, Mir meiner Liebe Leid. — Die Vöglein singen: Komm zu mir! Die Blumen duften: Komm zu mir! O komm zu mir, mein Lieb! Die Zweige flechten hier ein Dach Hoch über dich und mich; Der Wald ist treu, und treu der Bach — Nur ich und du sind hier noch wach, Kein Mensch, als du und ich! — Die Vöglein singen: Komm zu mir! Die Blumen duften: Komm zu mir! O komm zu mir, mein Lieb! Kommen und Gehen Es ist ein Kommen — Gehen, Wohin dein Ange sieht. Was jetzt du noch umschlossen, Wer sagt dir, wann es flieht? Du meinst, es muß dein eigen Für ewig, ewig sein — — Du nennest dich ja selber Nicht einmal ewig dein. Ach! „ewig“ ist ein Traum nur, Ist nur ein leeres Wort; Ach! selbst dein Liebstes reißt dir Der Tod vom Herzen fort. Und mutterseelen-einsam Bist du dann früh und spat — Drum denke schon beim Kommen, Daß einst ein Scheiden naht. Allein Die Sonn' verlischt, die Abendschatten steigen Dort aus der Haide so gespenstig grau; Des Waldes tausend Blätterzungen schweigen, Nur leise fällt von Ast zu Ast der Tau; Die Blume schläft, der Sonne letzte Strahlen Birgt sie getreu in ihres Busens Schrein — — Nur du, nur du wachst noch in tiefen Qualen Du bist allein! Das treuste Herz, das hier für dich geschlagen, Das Mutterherz, es stockt für immer nun; Die dich geschützt, die liebend dich getragen, Die Hände jetzt erschlafft auf ewig ruhn. Dort liegt sie, dort tief unterm kalten Sande, Dein Klagen dringt zu ihr nicht mehr hinein, Zerrissen ist das heiligste der Bande — Du bist allein! Ein Mutterherz verscharret man doch nimmer, Sie lebt in dir, in ihrem Kinde, fort, Sie tröstet dich, sie schützet dich noch immer — Das Mutterherz ruht nicht im Sande dort. Sie wird dich stets noch liebevoll umschweben, Wo du auch immer in der Welt magst sein — Die Mutter lebt in ihres Kindes Leben — Du bist allein! — Und ich, wie gern, wie gern wollt' ich dich hegen, Mein Haideröslein, meine wilde du, Wie gern dein Haupt an meinen Busen legen Und fingen deine Sorgen all' zur Ruh; Wie gern doch wollt' ich — — düstre Wolken steigen, Am Himmel stirbt der letzte rote Schein; Bang' flüstert es und schaurig in den Zweigen — Du bist allein! Sei mitleidsvoll Sei mitleidsvoll, o Mensch! Zerdrücke Dem Käfer nicht die goldne Brust, Und gönne selbst der kleinen Mücke Den Sonnentanz, die kurze Lust! Ein langes, mütterliches Bilden Hat rührend in der Larve Nacht Gereift an diesen Flügelschilden Den Schmelz von grünmetallner Pracht. Er muß nach einem Sommer sterben, Wo du dich siebzig Jahre sonnst; O laß ihn laufen, fliegen, werben, Er sei so prachtvoll nicht umsonst. Ein Wasserwürmchen lag im Moore, Vom Himmel träumend, fußlos, blind: Da wächst ihm Fuß und Aug'; am Rohre Ersteigt es Lüfte, warm und lind. Von Sommerglut getrocknet, springen Die Gliederschalen; blaue Höhn Erstrebt's auf zart gewobnen Schwingen Und summt: Wie schön, wie wunderschön! Nun ist's in seinen Himmelreichen; Sein höchstes Glück — ein Tag umspannt's. So gönn ihm nun mit seinesgleichen Den Elfenchor im Abendglanz. Sei mitleidsvoll! Was wir erfuhren, Das schläft im Stein, das webt im Baum, Das zuckt in allen Kreaturen Als Dämmerlicht, als Fragetraum. Sei mitleidsvoll! Du bist gewesen, Was todesbang vor dir entrinnt. Sei mitleidsvoll! Du wirst verwesen Und wieder werden, was sie sind. Sei mitleidsvoll, o Mensch! Zerdrücke Dem Käfer nicht die goldne Brust, Und gönne selbst der kleinen Mücke Den Sonnentanz, die kurze Lust! Warten in Geduld Wir warten, weil wir müssen, Gar manchen lieben Tag, Stumm, ohne je zu wissen, Wie bald es enden mag. Wir warten ohne Klage Und schlafen drüber ein — Doch ernst ertönt die Frage: „Heißt das geduldig sein?“ Geduld heißt, nicht ermüden Im schweren Gram und Leid; Geduld ist tiefer Frieden Im wilden Kampf und Streit. Geduld heißt, vorwärts gehen, Wenn uns die Kraft versagt; Geduld heißt, aufwärts sehen, Bis uns die Sonne tagt. Geduld ist unermüdlich Auf der gewies'nen Bahn; Geduld ist still und friedlich Im wilden Ozean. Herr, brechen Sturm und Wellen Wild über mich herein, Daß sie mein Schiff zerschellen, — Hilf mir, geduldig sein! Ade — auf Wiedersehn Es giebt ein Wort im Leben, Ein bittres Abschiedswort, Das wird uns mitgegeben Von manchem trauten Ort. Es bringt dem warmen Herzen Gar oft ein schneidend Weh, Entzündet tiefe Schmerzen, Das kleine Wort „Ade!“ — Doch giebt's ein Wort dagegen, Das man beim Scheiden sprach, Das tönt auf fremden Wegen Als süßes Echo nach. Wer Trennungsschmerz empfunden, Lernt erst dies Wort verstehn, Den Stern in Trennungsstunden, Das Wort: „Auf Wiedersehn!“ Der Riese ven Mariposa Des dunklen Hochwalds schweigende Domäne Erstreckte sich ringsum — der Mariposa-Hain —, Dahingebaut auf grüner Bergeslehne Vor der Sierra türmendem Granitgestein; Der schlanken Föhren Wipfel schienen Dem Himmel nah, — doch über ihnen Erhoben gewaltige Säulen, belaubt, Die Fürsten im Urwald, ihr mächtiges Haupt. Wie ist so klein der Mensch vor deinen Bauten, Du herrliche Natur, die mit verborgner Kraft Aus eines Samenzapfens zarten Rauten Der Mammutbäume riesige Gestalten schafft! Jahrtausende sind schon verflossen, Seit jene aus der Erde sprossen: Doch die Baumgiganten werden noch stehn, Wenn neue Jahrtausende kommen und gehn! Du grüner Dom liegst da im dunklen Schatten, Wie eines Gottestempels ernster, heil'ger Raum; Wie Opferflammen loht's aus moof'gen Matten — Der feuerroten Blumen prächt'ger Frühlingstraum! Des Urwalds Tote sind ein Bildnis Gefallner Größe in der Wildnis; Die lebendigen Säulen, mit rötlichem Kleid, Sind wie lichte Gedanken der ewigen Zeit. Hier ragt empor mit den gewalt'gen Ästen, Als wollt' den Himmel er ergreifen, ein Koloß In königlicher Pracht: man nennt im Westen Den „grauen Riesen“ ihn. Stolz meidet er den Troß Der Fichten, welche wie Pygmäen Im weiten Kranze um ihn stehen. In den Wäldern der Erde ist keiner ihm gleich; Der Hain Mariposa sein grünendes Reich! Ich stand an seinem ungeheuren Stamme Und blickte schweigend auf zu seinem grauen Haupt, Das einst zerrissen von des Blitzes Flamme, Und dem die Stürme längst der Krone Schmuck geraubt. Es konnte nehmen ihm die Blüten Der Elemente grimm'ges Wüten: Doch die Macht der Orkane, des Donnerers Strahl Hat nie ihn erschüttert ein einziges Mal! Als der Koloß, ein schwaches Reis, dem Schoße Der dunklen Erd' entstieg, zuerst die Sonne sah, Lag dieser Kontinent, der reiche, große, Als unbekannte Welt noch ganz vereinsamt da. Es saßen damals auf den Thronen Am heil'gen Nil die Pharaonen, Und am Tigris, am Euphrat war Leben und Macht, Und Ninive blühte, voll Reichtum und Pracht. Des Morgenlandes mächt'ge Völker starben, Und immer neue kamen, die die Zeit gebar; Du, Urwaldsriese, trägst die alten Narben, Noch immer ungebrochen, schon manch tausend Jahr! Ob wohl, eh dich die Stürme fällen Und deine Pracht im Sturz zerschellen, Das jüngste der Völker, ein Riese wie du, Sich gelegt, wie die alten, zur Grabesruh? Die Jugend lieb' ich Die Jugend lieb' ich! — Wenn des Blutes Wellen Bedächt'ger in gereiften Jahren fließen, Und ruhiger nach sturmumrauschtem Leben Der Geist im innern Sein sich mehr versenket: Da wird im Seelenaustausch mit der Jugend Der Puls dir wieder wärmer, schneller schlagen. Dem Alter gleicht die Stromflut nah am Meere, Die langsam sich im tiefen Bett beweget. Es fühlt die Woge, wenn ein steiles Ufer Sie plötzlich trifft, die Kraft erneuert wieder, Mit der sie einst im Hochgebirge brausend Der Felsen Schranken trotzig fortgeschleudert. Auch ich verkehre gern im Kreis der Jugend, Der noch die Zukunft voll von goldnen Bildern, Von Ruhm und Glück. Es scheucht ihr keckes Treiben Mir von der Stirn die Wolken fort, erwärmet Das Herz mir, wie erfüllt von Sonnenstrahlen. Wer denket, wenn die Jahre weiter eilen, Nicht gern bei sich zurück in stillen Stunden An seines eignen Lenzes schöne Tage! Die Jugend lieb' ich! — Ihre Ideale Sind schöner als die stolzesten Gedanken, Die eines Denkers ernster Stirn entspringen. Ihr Feuer ist die ew'ge Opferflamme, Daran die größten Thaten sich entzünden. Vor allen Völkern, die im Lauf der Zeiten Der Erde Zonen wechselvoll bewohnet, Bist, Hellas, lieb du mir, du heitre Jugend Der Menschheit, die den Kranz von ew'gen Rosen Du selbst dir lächelnd um das Haupt gewunden! Das Dasein ist so kurz! Drum will ich weise Des Lebens Lenz an meine Schwelle laden, Daß er auf meinen Pfad des Frohsinns Blüten Verschwenderisch, mit offnen Händen, streue. Im Spätherbst soll man mir den Wein kredenzen, Worin die Sonne ihre Glut gekeltert. Und kommt mein Winter, will ich Blumen suchen, Mich dran zu freun — wie wenn aus schnee'ger Decke Der Krokus golden sich zum Lichte dränget. Ein Reiterstücklein von 1870 „Die Fahnen wehen, die Trompeten blasen, Zu Hause bleiben Kinder nur und Hasen; Frisch auf, den rost'gen Säbel umgeschnallt, Zu Roß und auf den frechen Feind geknallt!“ — Ein wackrer Reitersmann das hat gesprochen, Zwar weiß an Haar, doch markig in den Knochen, Ein Edelmann, der nicht nur von Geblüt Zu sein sich rühmt, der's ist nach dem Gemüt. Und aus Berlin zieht freudig unser Held Für's teure Vaterland ins Schlachtenfeld; Wohin er kommt, der Franzmann hält nicht Stand, Und mancher sinkt für immer in den Sand. Gefangen sind der Feinde längst die Fülle, Und so gebietet nun ein höh'rer Wille: „Die Fresser lasset laufen!“ — Der Soldat Gehorcht, den Führern läßt er gern den Rat. Und unser Freiherr eben ist im Jagen, Als sie die neue Ordre ihm ansagen; Er macht ein schief Gesicht, mit seiner Schar Umzingelt hält er an die hundert gar. „Wie, sollt' ich mir den Ehrenpreis vergeben, Den Kerlen Freiheit schenken und das Leben? Nein, nein! O Schlauheit, stehe jetzt mir bei: Ich hab's gefunden, des Columbus Ei! — Heda, ihr, abgezogen stracks die Hosen! Und nun vorwärts, sonst giebt es auf den Bloßen!“ — Die laufen lebensfroh, wohin er wies, Und kommen graden Weges nach Paris. Ob sie noch etwas außer ihren Ohren Auf diesem Marsche haben sich erfroren, Nicht weiß ich es, die Hosen zeigt der Welt Als Siegeszeichen in der Hand der Held. Und das aus der Historie man kann Ersehen, daß ein preuß'scher Edelmann Ein richt'ges Herz und Kraft in Kopf und Beinen Stets mit Gehorsam auch versteht zu einen. Oratio pro domo Gute Menschen sind die Dichter, Glaube nur es meinem Worte; Nimmer sind sie Splitterrichter, Schleichen nicht zu fremder Pforte; Haben voll von sich die Köpfchen Und nicht Zeit für andrer Sachen, Böse nur, wenn sich ein Tröpfchen Über sie will lustig machen. Wolkenschatten Wenn hell die Welt im Sonnenlichte prangt Und blau und heiter glänzt der Himmelsbogen, Zieht oft, dem Menschenauge sichtbar kaum, Ein leichtes Wölkchen an der Sonn' vorüber, Verhüllend nicht ihr leuchtend Angesicht, Doch ihre Strahlengluten sanft verschleiernd. Und wie die Ahnung durch die Menschenbrust, Zieht leis ein Schatten über Thal und Hügel; Schnell flieht er, wie er nahte, und die Erde Blickt fragend auf, weiß nicht, wie ihr geschehen. Im Freudenrausche des ersehnten Glücks, In seines Lebens höchster Wonnestunde, Wenn Gegenwart und Zukunft golden winkt, Vergangenheit selbst scheint in mildem Lichte, Zieht durch das hochentzückte Menschenherz Ein Schauer stiller, schmerzlich süßer Wehmut. Umschleiernd froher Augen hellsten Glanz, Schwebt wie ein sanfter Hauch er durch die Seele, Im Augenblicke reinsten Erdenglückes Der Wolkenschatten einer höhern Welt. Enge und Weit Im Lenz und Sommer mag ich gern Den Blick ins Weite schweifen lassen; Wie glänzt, wie prangt es nah und fern Von frischem Grün und Blütenmassen! Da thut das Herz gar weit sich auf, Es möchte aus der Brust enteilen, Zur Ferne richten seinen Lauf, Mit allen seine Freude teilen. Doch wenn der Herbst vorüberwallt, Die Blüten ab, die Blätter streifet, Der Himmel trüb, der Wind so kalt Das Totenlied der Erde pfeifet: Da wird es einsam mir zu Mut, Seh' ich die unermess'nen Grenzen, Nach innen blick ich, seh' die Glut Des heim'schen Herdes froh erglänzen. Im Lenz des Lebens scheint die Welt Uns auch von Blütenglanz umgeben, Der Hoffnung Morgenrot erhellt Die Wolken selbst, die uns umschweben, Das junge Herz, so voll und weich, Fühlt sich zu Thaten angetrieben. Die ganze Welt ist sein Bereich, Ihr gilt sein Streben und sein Lieben. Doch wenn des Lebens Sommerglut Gewelkt der Jugend Ideale, Entrissen ward das beste Gut Uns von des Unglücks Wetterstrahle: Fühlt einsam sich das Herz und bang, Vom engsten Kreise angezogen, Wo nur von ferne es den Klang Vernimmt der lauten Lebenswogen. Wenn's schneiet rote Rosen, wenn's regnet kühlen Wein „Der Abendsonne Feuer erlischt schon auf den Höhn, Ade, nun muß ich scheiden auf Nimmerwiedersehn!“ „Ach, kehrst du niemals wieder, Herzallerliebster mein?“ — „Wenn's schneiet rote Rosen, wenn's regnet kühlen Wein!“ Und fort ist er gezogen; noch von des Berges Wand Sah grüßend sie ihn schwenken das Tüchlein in der Hand; Und hat ihm nachgeschauet so lang' in bittrem Schmerz, Bis ihr in tausend Thränen zerflossen ist das Herz. — Wohl ist zurückgekehret der Knab' nach langem Jahr, Da lag im tiefen Grabe, die seine Wonne war; Da sproß auf ihrem Hügel lang' schon die Rose rot: „Was blühst so hell, o Rose? Dein Schwesterlein ist tot!“ Zum Grabe thät er schreiten und nieder thät er knien, Da warf die Blütenblätter der Rosenstock auf ihn; Da fielen Tau und Thränen: „Du Heißgeliebte mein, Nun schneit's ja rote Rosen, nun regnet's kühlen Wein.“ Kunst und Natur Wohl ist das höchste Kunstwerk die Natur, Doch ist's nicht Kunst, sie einfach zu kopieren, Von Holz und Erz, Papier und Marmor nur Als Photograph ihr Bild zu reflektieren. Im besten Falle wär' es nur — Natur, Wenn's noch gelänge, treu es auszuführen; Doch lockt sie gar zu gern auf falsche Spur Die, um zu stehlen, nur die Finger rühren. Kunst ist Natur, vom Menschengeist geboren! Ureignes Werk, nicht toter Schattenriß Von der, die Leben sprüht aus tausend Poren! Ureignes Werk! doch so, daß Gott gewiß, Beliebt es ihm, auf sich es könnte nehmen Und brauchte doch sich dessen nicht zu schämen. Ein Greis Ich bin ein Greis! Wo sind des Lebens Blüten? Die Flammen wo, die in der Brust mir glühten? Wo ist der Sehnen Kraft? Des Geistes Licht?! — Der Geist ist trüb, die Sehne spannt sich nicht; Statt Blüten dürres Laub, statt Gluten Eis! O Wort voll düstern Klangs: ich bin ein Greis! Ich bin ein Greis! Das ist der Rest des Lebens, Der Jünglingsträume und des Mannesstrebens; Entschwunden ist das Hoffen und die That! Das ist die Frucht der ganzen Lebenssaat! O bittrer Hohn für den, der endlich weiß, Was uns das Leben bringt! Ich bin ein Greis! Ich bin ein Greis! Mein Herz war jung geblieben, Das arme Herz! Es wollte Menschen lieben, Es dürstete — man reicht' ihm bittren Trank! Nun kann's nicht lieben mehr, nun ist es krank; Nach Liebe pocht' es um des Lebens Preis Und blieb so liebeleer! Ich bin ein Greis! Ich bin ein Greis! Bald schließen sich die Augen, Die, trüb und matt, fürs Licht des Tags nicht taugen, Bald schließen sie zum letzten Mal sich zu! O, frene dich, mein Herz, du kommst zur Ruh; Nun halte ein und poch nicht mehr so heiß — 'S ist bald genug, genug! Ich bin ein Greis! Das Schicksal Du klagst das Schicksal an ob seines Grollens? Das Schicksal steht nicht über uns, nicht fern; Wenn du dir klar bewußt bist deines Sollens, Macht dich dies Wissen zu des Schicksals Herrn. Es giebt kein Fatum, das da oben thronet, Das fremd und kalt dein irdisch Los bestimmt, Das blind ins Leben greift und keinen schonet, Und launenhaft die Güter schenkt und nimmt. Dein Schicksal bist du selbst! Du bist der Richter, Wie du sein Schöpfer bist — nur du allein! Nur du bist deines wahren Glücks Vernichter — Was man dir rauben konnte, war nur Schein! Sieh! Was du bist, das hast du selbst geschaffen, Doch, kaum geschaffen, ward es dein Despot; Nun zwingt es dich mit deinen eignen Waffen Und heischt Gehorsam dem, was es gebot. So folge ihm, es wird dich sicher leiten; Wohin es wandelt, wandelt dein Geschick, Und mag der Weg dir Kummer nun bereiten — Auch aus dem Kummer strahlt ein Segensblick. Du bist's ja selbst! was Fremdes dir begegnet, Das ist ein flücht'ger Staub, der bald verweht; Doch wenn dich eignes Glück und Leiden segnet, Ein Segen ist's, der immerdar besteht. Denn deinem eignen Wesen ist's entstiegen, Du hast's geschaffen dir, aus eignem Sein, Drum — willst du, Mensch, des Schicksals Macht besiegen — Besiege dich — dann ist das Scepter dein! Die Rechte der Frauen Ihr wollt der Freiheit eine Gasse machen, Sie soll erlösend ihre Fahne schwingen; Ihr kämpft voll Mut für euch, fürs Recht der Schwachen, Und wollt das Recht zum Schaffen euch erzwingen! Geht kühn voran; Georg bezwang den Drachen, Und so auch werdet ihr den Sieg erringen; So manche Geistesschlacht wird jetzt geschlagen — Nicht für die Starken nur soll Freiheit tagen! Wie edel ist das Ziel, für das ihr streitet! Nicht träge Lust, nicht üppiges Behagen Wird durch den Sieg euch Kämpfenden bereitet: Ihr strebt nach ernsten, mühevollen Tagen! Fürwahr, ein edler Stolz ist's, der euch leitet, Auf schwachen Schultern schwere Last zu tragen; Ihr habt den Fluch voll Segen nicht vergessen: Im Schweiß des Angesichts das Brot zu essen! Ihr wollt für euch das edle Recht, am Leben, An seinen Zielen eure Kraft zu messen: Auch ihr seid schaffensfroh, auch ihr wollt streben, Ihr wollt nicht träg' und müßig ruhn, indessen Die Männer rastlos an dem Webstuhl weben, Sie, die bisher dies Recht allein besessen! Euch soll es schützen vor des Hungers Zähnen, Und eure Unschuld vor der Reue Thränen! Das ist des Kampfes Ziel! Ihr werdet siegen, Doch müßt ihr brechen mit verwegnen Plänen, Die euch in Träume künft'ger Größe wiegen: Ihr dürft nach außen nicht zu herrschen wähnen! Wollt ihr wie Icarus zur Sonne fliegen, So seht des Abgrunds Tiefe drohend gähnen! Am Staate nicht, am Herde sollt ihr bauen, Dort ist die Grenze für das Recht der Frauen! Das Meerleuchten Zu einer Zeit, da es der klugen Leute Viel wen'ger in der Welt noch gab als heute, Als jeder, was die Weisen sagten, glaubte Und selbst zu denken niemals sich erlaubte: Da war die Erde zirkelrund und eben — Das hatten so die Weisen angegeben; Da sank die Sonne, wenn ihr Lauf vollendet Und sie der Welt genug des Lichts gespendet, Den Himmel schmückend mit den letzten Gluten, Zu neuem Werk sich stärkend, in die Fluten; Und war die Nacht vorüber dann gegangen, Stieg sie vom feuchten Pfühl zu neuem Prangen, Und legt' so immer, kehrt' der Abend wieder, Zu nöt'ger Ruh aufs Wogenbett sich nieder. Das ging, so lang' es ging; doch bösen Zungen War's endlich wohl nach vieler Müh gelungen, Dem Meer 'nen Floh — pardon! — ins Ohr zu setzen Und gegen Helios es aufzuhetzen; Genug, es sprach zur Sonn' einmal mit Grollen: „Ich weiß nicht, Herr, was Sie hier bei mir wollen. Sie kommen nun seit, Gott weiß, wieviel Tagen Hier in mein Bett, und ohne mich zu fragen! Will man ein Bett, so muß man es bezahlen, Sie sind ja reich genug an goldnen Strahlen; Bei Geldgeschäften, sagen mir die Leute, Hat die Gemütlichkeit ein Ende heute; Drum, wollen Sie noch ferner bei mir wohnen, So mögen Sie den Beutel auch nicht schonen!“ So sprach das Meer. Was sollt' die Sonne machen? Es war ein schlimmer Fall und nicht zum Lachen; Die Weisen sagten, daß ins Meer sie tauche, Und denen glaubte man — nach altem Brauche — Und so auch sie und mußte drum sich fügen, Der Forderung des Meeres zu genügen. Sie feilschten hin und her; das Meer verlangte, Daß von dem Glanz, mit dem die Sonne prangte, Mit dem sie tags auf seinen Wellen spielte, Es einen Strahl als Zahlung stets erhielte, Den es der Sonne abends, wenn sie käme, Gleich für den Tag von ihrem Haupte nähme. Wär' nun die Sonne klug wie wir gewesen Und hätt' manch astronomisch Werk gelesen, So hätte sie im Streit den Sieg errungen, Mit einem Worte, ihren Feind bezwungen; Sie hätte ihm gesagt — was jeder Knabe Heut weiß — daß sich die Sonne niemals labe, Daß es nicht Nacht für sie, noch Ruhe gebe Und daß sie leucht und wach', so lang' sie lebe. Doch das ist ja das Übel für die Dummen, Die nichts gelernt: sie müssen gleich verstummen. So ging's der Sonne hier! Und Advokaten, Die gab es damals nicht, um ihr zu raten; Kurz — da das Meer geschickt verstand zu sparen, Ward es an Strahlen reich nach wenig Jahren! — Da, eines Tags — es ist mir noch wie heute! — Da riefen plötzlich all' die weisen Leute: Die Erde gleiche nicht mehr einer Scheibe — Nein, einer Kugel, die sich selber treibe, Die niemals still auf einem Flecke stehe Und gar sich um die eigne Achse drehe; Auch steh' die Sonne fest am Himmelsbogen Und schlafe nachts nicht in den Meereswogen. — (So schnell zwar war die Meinung nicht gekommen, Wie's hier erzählt wird zu der Leser Frommen; Doch wenn wir all die Thorheit euch erzählten, Mit der die Weisen Welt und sich zerquälten, Würd's eurem Kopf so wie der Erde gehen: Er hielt's nicht aus und fing' an sich zu drehen. —) Die Sonne hörte das, und auf der Stelle Ward eine Sache ihr ganz sonnenhelle: „Schlaf' ich im Meer nicht, brauch' ich nichts zu zahlen, Und so behalt' ich lieber meine Strahlen.“ Das Meer verlachte zwar die neuen Lehren, Doch konnt' es nicht den Strahlenschatz vermehren; Denn wie's auch grollen mocht' und wütend toben, Der Mietkontrakt, der wurde aufgehoben! Nun dacht' das Meer gar blutig sich zu rächen Und fing gleich an die Strahlen zu zerbrechen, Daß sie zu Funken wurden, zu Millionen, Nicht einen wollte seine Wut verschonen! Als nun die nächste Nacht kam, still und dunkel, Da lacht' das Meer: „Auch ich hab' mein Gefunkel! Nun kommt die Zeit, wo ich des Feindes lache Und wo ihn treffen soll des Meeres Rache: Lass' ich die Funken auf dem Wasser scheinen, Wird man der Sonne Glanz zu sehen meinen, Und so mach' ich mit ihrem eignen Lichte Die geiz'ge, stolze Sonne noch zu nichte!“ — Das ist der Grund, warum die Wellen leuchten; Doch es gelang noch nicht dem Schaum, dem feuchten, Das Sonnenlicht vom Himmel zu vertreiben — Und vor der Hand läßt's wohl das Meer auch bleiben. Die Genien der Menschheit In blühenden Gärten, wo sich ergingen Lustwandelnde, wo vom Baum Die Purpuräpfel niederhingen, Wo Quellen ergossen den Silberschaum Vom Felsen sprudelnd im Schattengrün, Wo Kinderreigen Und Festlied war und Rosenblühn, Wo sich zum Meer Der Himmel schien herabzuneigen, Da sieh, von den Bergen zückt Speer an Speer, Es droht der Erobrer, es donnert sein Heer; Ein Blick von ihm, es richten die Schlangen Von Erz sich auf, es sinkt verdorrt Der Garten in Flammen, er spricht ein Wort, Und Paradiese sind untergegangen. „Heil ihm!“ jauchzen die stolzen Fanfaren, „Weh ihm!“ zittern die Thränen im Staub, „Heil ihm!“ rufen die siegstrunkenen Scharen, Die Kriegerscharen, beladen mit Raub, „Fluch ihm!“ die rauchenden Trümmer, die brandroten Nachtwolken, und „Fluch ihm! Fluch!“ Die starrenden Blicke der Toten Und der Schlachtfelder Leichentuch. „Mög' er schlachten,“ stöhnt es, „schlachten, Bis ihm graut auf seiner Höhe. O, daß alles Leben entflöhe, Wohin er kommt! Was hilft ihm sein Beten, Sein Almosengeben, es kann Dem Schöpfer doch nicht gefallen sein Niedertreten, Oder es gliche Gott ihm, und dann, ja, dann Wär' auch die Gottheit nur ein Tyrann; Und das leugnet mir höchstens das Lallen Der Unschuld, davon lebt in allen Geschöpfen kein Gegenbeweis, Denn alle leiden, alle nur umschließt Der Vernichtung rauchender Feuerkreis, Und aus ewigen Wunden fließt Der unaufhörliche Schmerz des Seins, Der Wesen aller laut und stilles Klagen.“ — So kann er zu sich selber sagen Und dastehn, ein klagender Enkel Kains. „Und ja, er hat recht,“ spricht gewitterschwer Die Wolke hierauf, „er soll streiten; Ich will ihm die Wege bereiten, Ich schick den Hagelschauer vor ihm her, Dann kann er schreiten Mit seiner Elefanten und Bogenschützen Heer Und ungehindert zu Tode reiten, Denn seiner Ehre Geltung wiegt mehr Als alle die Ähren, die da sprießen, Wovon an ihrem Herde Die Menschen ihr Brot genießen, Auch düngt er ja nur die Erde Mit Blutvergießen.“ „Heil ihm!“ jauchzen Trompeten des Siegs, „Heil ihm!“ die gefüllten Pokale Und all' die großen Tugenden des Kriegs Mit wehendem Banner, im glänzenden Stahle, Der trotzige Mut, der sich im Grauen Der Schlacht bewährt, des Geistes Kraft In seiner strahlendsten Eigenschaft, Im Lenken der Massen und Überschauen, Und, wenn schon die Todeswunde klafft, Noch im unerschütterten Selbstvertrauen. Doch wehrend erhebt sich dagegen die Hand Des Fleißes am Pflug, der Armen Zufriednes Genügen, die Freude, das Band Des Blutes, alles schmäht ihn, nur das Erbarmen Geht mit ihm, aber weinend im Trauergewand. „Wen kümmert noch,“ sagt es, „nach Jahren, Was unterging an Leben und Menschenglück, Worüber die Sichelwagen weggefahren? Nur Namen in Steinen blieben zurück, Ein Frösteln der welken Kränze Und über Grabblumen der Schatten Spur. Wer fragt, ob denn die Natur Noch immer geduldig ergänze, Was frevelnd der Mensch zerstört, zertritt? Ist sie die stumme, trauernde Niobe nur, Ohnmächtig, oder fühlt sie nicht mit?“ Doch dort, wo niemals noch Blut geflossen, Auf höchster Gebirge Graten, Da stürmen heran auf Flügelrossen, Hellschimmernd wie der Stern am Pol, Die Genien guter Thaten, Um über der Menschheit Wohl Und ihre Zukunft zu beraten. „Ich,“ beginnt einer im Lichtgewand, „Schlachtfelder durcheil' ich, ich suche Neu zu verknüpfen das Band Der Völkereintracht, das vom Fluche Des Krieges zerrissen; ich biete die Hand Zum Frieden über Schutt und Rauch, Wenn das geordnete Mordwerk vorbei; Aus sterbenden Blicken und letztem Hauch Samml' ich die von Schwertern, vom Todesblei Zerschnittnen Leben, die verlornen Gedanken, die im Kampfgeschrei Erstickten Gefühle, — den Ungebornen Bewahr' ich sie — denn keine Sekunde Von dem, was Gutes ein Mensch gedacht, Gewollt, gestrebt, geht mir zu Grunde, Es wird durch mich neu zum Leben gebracht. So hinter den blutigen Schnittern Schreit' ich durchs Schlachtfeld, ich bin In ihren Stürmen und Ungewittern Der Menschheit Ährenleserin. Über dem Kriegsgeschrei Ruf' ich die Psalmen. Friede den Völkern sei — Hütten und Halmen!“ „Und ich,“ spricht ein Flammender, „ich wehre Der Lüge, dem Vampir, der Schar, Die nächtlich über dem stummen Heere Emporsteigt, um den Altar Dem Götzen des Stolzes aufzurichten, Ich rufe der Zeit und dem nagenden Frost, Auf daß sie das Denkmal, daß sie mit Rost Die prahlende Schrift in Erz vernichten.“ „Und ich,“ rief ein Dritter, „ich bin zu Schiff Und bin in der Stürme Gefahren Bei der Männer vereinten, mutigen Scharen. Auch gegen des Feuers Übergriff, Auch im Bergschacht, im Kohlendampf, Mit der länderdurchfurchenden Züge Lenkern, Mit der Forschung unermüdlichen Denkern, Überall führ' ich den edlen Kampf Gegen der Elemente blinde Wut, Werke des Friedens nur nenn' ich gut. Planken und Bretter Splittern im Sturmgetos, Mutige Retter Binden die Boote los. Hilfreich sein — das allein ist groß!“ „Ich,“ sprach der Hellste dann, „ich gründe Für ein künftiges, bess'res Geschlecht Menschlichkeit, aller Völkerbünde Höchstes Gesetz und erstes Recht. Dann werden wir sie sehn Festlich nur jene Tage begehn, Wenn ein Werk des Geistes ward erdacht, Wenn edle Thaten geschehn, Wenn ein kühn Unternehmen ward vollbracht, Wenn schönem, innigem Streben geglückt Eine Schöpfung der Kunst, die alles entzückt! Wenn sie dann mit bekränztem Pokale Schreiten zum festlich gemeinsamen Mahle, All der Kühnen wird froh gedacht, Die des Eises Feste gebrochen, Die des Polarmeers ewige Nacht, Felsen und trennendes Land durchstochen Und die Wüste fruchtbar gemacht; Aller auch, die Blut und Leben Gegen Willkür und Übermacht Todesfreudig dahingegeben.“ Also die Genien, und heiligen Mutes Über verwüstender Heere Zug, Über den Strömen vergossenen Blutes Schwingt sich der Zukunft entgegen ihr Flug. — Der Mensch des XIX. Jahrhunderts Wie stolz und groß in des Jahrhunderts Mitte Steht jetzt der Mensch, ein Herr der Welt, Und vorwärts, vorwärts richtet er die Schritte Durch Nacht zum Licht, ein Sieger und ein Held. Der Elemente Geister neigen Sich dienstbar seiner Herrlichkeit Und schlingen brausend ihren Reigen, So wie sein Blick gebeut. Er winkt — und sieh: das Dampfroß keucht daher Und trägt geduldig jede Last, Die er ihm auflegt, ob sie noch so schwer, Hin, wo er will, mit Sturmeshast. — „Zu langsam,“ murmelt er; — da muß der Blitz Des Herrscherwortes Träger sein Und, beugend sich vor Menschenwitz, Ihm Flügel leihn. Griesgrämlich grollt das graue Elternpaar: Der Raum, die Zeit, dem Übermut Des jüngsten ihrer Kinder, dem die Schar Ältrer Geschwister allen Willen thut. Es lacht das Kind, der Mensch, zu ihrem Grollen Und springt vom Schoß der Mutter Zeit; Umsonst hat Vater Raum ihn halten wollen, Er hat sich schnell von ihm befreit. Da zornentbrannt schickt seinen Knecht, den Tod, Der Alte aus, den Jungen ihm zu langen; Auch schleicht der Mutter Dienerin, die Not, Um den verzognen Liebling einzufangen. Die beiden fassen ihn mit wildem Schnauben; Er aber schüttelt leicht sie von sich ab: „Ihr könnt mir meine Glieder einzeln rauben, Doch lebt der Mensch! Dem Elend und dem Grab Zum Trotze leb' ich! Die verlornen Glieder Wachsen mir frischer bald und stärker wieder; Und als ein Sieger schreit' ich heiter Dahin, wohin ich strebe, weiter: Durch Nachtgespenster fort zum Morgenlicht Der Ewigkeit, das schon durch Wolken bricht!“ So gründet sich der Mensch sein eignes Reich, In dem er herrschet einem Gotte gleich. Von ihrem Stuhle stürzt er die Dämonen: Den Raum, die Zeit, den Tod, die Not, Und beugt sie unter sein Gebot: Es müssen dienstbar nun die Alten Sich beugen vor des Jungen Walten. Es ward der Mensch zum Herrn der Erde, Wie's ihm verheißen war von Anbeginn; Doch daß er königlich geschmückt auch werde, Ruft er die Künste zu sich hin. Sie sollen seinen Launen fröhnen Und seine Sinne reizen zum Genuß; Er will berauschen sich am Schönen Und schwelgen in dem Überfluß. Ein Feuerwerk von blendenden Gedanken Und sprudelnden Gefühlen soll im Spiel Vor seinen trunknen Augen schwanken; Das sei fortan der Dichtung Ziel. Dann mag Musik erklingen Zu Becherklang und Tanz, Um flatternde Locken schlingen Den duft- und farbenreichsten Kranz. In lichten Nebeln lasse gaukeln Die Bildnerei ein Feeenreich, In üppige Träume einzuschaukeln Den Herrn der Erde göttergleich. Und über all dem Schimmer, all dem Flimmer Auf Marmorsäulen bau' ein schirmend Dach Architektur, daß Störung nimmer Eindringe und der Mensch erwach' Aus seinem süßen, traumbeglückten Schlummer Zu altem Jammer, abgethanem Kummer. Der Mensch als Gott will seinen Tempel haben, Allwo er thront in sichrer Macht Und sich ergötzt an Opfergaben, Die Kunst ihm und Natur gebracht. Es darf das Licht zum heiligen Orte Nur durch gemalte Fenster gehn, Und durch die wohlbewachte Pforte Muß Wohlgeruch und Kühlung wehn. Auf seidne Kissen hingegossen, Von der Genüsse luftiger Schar Umgaukelt, hold von Dämmerlicht umflossen, So liegt der junge Gott auf dem Altar Und schaut sein Bild im Spiegel lächelnd, Den Eitelkeit, die bei ihm steht, Vor seine Augen hält, indem sie, fächelnd Mit einem Pfauenschweif, ihm Kühlung weht. Was ficht den Glücklichen urplötzlich an? — Er springt empor — er schleudert wutentbrannt Den Spiegel aus der Hand Der Eitelkeit, die schnell in Luft zerrann. „Fluch!“ ruft er, „meinem ganzen Leibe Ist der Verwesung Brandmal aufgedrückt. Wer sagt mir, ob ich selber bleibe, Wenn Glied um Glied mir wird entrückt? Ich, Herr der Welt, bin nicht mein eigen, Bin eines andern jämmerlich Gemächt; Über ein kleines wird sich zeigen Der Herr vor seinem Knecht. Dies Haus hier ist kein Tempel, kein Palast, So wie ich selbst kein König und kein Gott, Ich hielt, ein Narr, im Narrenhause Rast Und war mit meiner Tollheit nur zum Spott All den Dämonen, welche mir zu dienen Bereit ich wähnte, wenn sie mir erschienen. Fluch ihnen allen, welche mich bethört, Und Fluch der Narrenwelt, die ich erschaffen, Und giebt es einen Gott, der sieht und hört, So mag sein Blitz zermalmen seinen Affen!“ — So schreit in der Verzweiflung Jammer Der Mensch, der jüngst sich Gott gewähnt; Sein Wollusttempel ward zur Marterkammer, In der ein Grab ihn schwarz angähnt. Am Grabesrande sinkt er hin Und starrt hinein mit wirrem Blick: „Wer sagt mir, was und wo ich bin, Und wer enthüllt mir mein Geschick?“ — — „Ich sag' es dir, vermagst du, mir zu traun —“ So flüstert's leis und sanft ihm zu. Er blickt umher, doch niemand ist zu schaun; Er ruft: „Wer sprach? wie heißest du?“ Und wieder flüstert's mild und mitleidvoll: „Unsichtbar nah, Bin ich gerufen da. Die Sorge heiß' ich; doch ich habe Noch andre Namen. Sage: soll Ich führen dich aus diesem Grabe Zu ewiger Wahrheit Hochaltar? Dort weilt der Künste heilige Schar —“ „Der Künste — nein! ich habe sie durchschaut, Sie haben heuchelnd mich betrogen; Ich bin vom Wahn erwacht, mir graut Vor dem, was sie mir vorgelogen.“ Und wieder sprach's: „Du kennst noch keine Kunst. Du hieltst für Kunst die eitle Sinnlichkeit, Die buhlt um Beifall und um Gunst, Die von der Kunst sich nur den Mantel leiht, Um zu verbergen ihre Mißgestalt. Die wahre Kunst ist nicht von dieser Welt, Und nicht gehorcht sie menschlicher Gewalt; Sie dient dem großen Geiste unverstellt, Der die Natur, der die Dämonen, dich Und alles das, was Wesen hat und Sein, Erschaffen, Ihm, der seinen Kindern sich Stets liebreich offenbart, dem sich zu weihn Die höchste Seligkeit, und den doch nur Die wenigsten verstehn zu finden, Weil in sich ihrer Abkunft Spur In Eitelkeit sie ließen schwinden. Die Künste sind die holden Himmelsboten, Die Gott zu seinen Kindern sendet; Sie steigen nieder zu den Toten, Das Leben bringend, das Er spendet. Wohl tragen sie das Kleid der Sterblichkeit, Auf daß sie irdisch Aug' bemerke; Doch ist's der Geist und nicht das Kleid, Womit sie schaffen Gottes Werke. Willst du sie sehn? An dem Altar der Wahrheit, Wo sie den heiligen Priesterdienst versehn, Kannst du sie finden, in des Lichtes Klarheit, Das dort erstrahlt, erst wirst du sie verstehn; Denn in dem Spiegel, den die Eitelkeit Vor Augen dir gehalten, Hast höchstens du geschaut ihr Kleid, Doch nie sie selbst in ihrem seligen Walten.“ — Sehnsüchtig streckt der Mensch die Arme aus; „So nimm mich hin und führe mich hinaus; Fort von dem Lügenbau, hin zum Altar Der Wahrheit, zu der Künste heiliger Schar.“ Da weht ein Atemzug auf sein Gesicht — Ein leiser Hauch — und ihm entschwindet Vor seinen Augen jede Spur von Licht, — Es ist der Mensch — erblindet. Er schaudert — doch er folgt, als eine Hand Ihn jetzt erfaßt und sanft ihn vorwärts leitet; Ihm ist, als ob ein magisch Band Um ihn und seinen Führer gleitet. So geht er schweigend, sinnend, lange Wege, Hört Wasser rauschen, Stürme sausen Und Flammen lodern, über schmale Stege, Bergauf, bergab; zuweilen will ihm grausen, Ein sanfter Händedruck beruhigt ihn; Zuweilen will die Kraft ihn schier verlassen, Da fühlt er wunderbar empor sich ziehn Von Armen, welche herzlich ihn umfassen. — „Wir sind am Ziele“, flüstert endlich leise Sein Führer, „und du hast dich treu bewährt; Auf einer langen, mühevollen Reise Hast du nach nichts als nach dem Ziel begehrt. Der Sorge hast du ganz dich hingegeben, Damit zur Wahrheit endlich du gelangst; Du hast gering geachtet selbst dein Leben, Indem du sehnend nach Erkenntnis rangst; Ob blind, erschreckt und matt, doch unbezwungen, Bist du zum Licht, zur Wahrheit durchgedrungen. Jetzt muß ich dich verlassen — zage nicht — Über ein kleines und du stehst im Licht!“ Der Blinde steht allein, doch unverzagt. Seit er den eignen Übermut bezwungen Und seit der Eitelkeit er abgesagt, Seit er nach Wahrheit demutvoll gerungen, Geführt von Sorge um sein ewiges Heil, Ist ihm zu Mut als Neugeborner Und als zum höchsten Glück Erkorner. — Da horch! — Aus weiter Ferne schallen Ihm Melodieen wunderbar Von Pilgern, welche näher wallen, Und bald ertönen laut und klar: Heil, Heil dem Strebenden, Vom Staub sich Hebenden, Sehnsuchtvoll Ringenden, Selbst sich Bezwingenden — Er wird uns sehn. Dem Geistig Mündigen Weisheit wir kündigen, Stärken den Schwankenden, Helfen dem Krankenden Rüstig erstehn. Seelen beglücken wir, Geister entzücken wir, Welten verklären wir, Wonnen gewähren wir, Die nie vergehn. Dem Unverfänglichen, Nimmer Vergänglichen Dienen wir gern; Dem allumfassenden, Niemand verlassenden Gott, unserm Herrn. Es horcht der Mensch entzückt, in seinem Innern Entbrennt ein Funke, bald ein helles Licht. Ihm scheint's zuerst ein heiliges Erinnern, Doch wird's zur Hoffnung, wird zur Zuversicht. Und durch die Augen nun des Blinden Drängt sich's heraus — ein heitrer Strahl, Der eine neue Welt ihn finden Und schauen läßt mit einemmal. In einem wunderbaren Garten, Wo Lilien und Akazien blühn Und Rosen in viel tausend Arten Im grünen Blätter-Schmucke glühn, Steht ein Altar, drauf sieben Flammen In sieben Farben lodernd glänzen, Die sich vereinend dann zusammen Zum lautern, weißen Licht ergänzen. Und rings um den Altar sieht wallen Der Mensch, der Künste heilige Schar, Sie lassen wechselnd Lieder schallen, Indem sie schmücken den Altar Mit wunderreichen Liebesgaben, Mit Farben, mit Gestalten und mit Tönen, Mit alledem, was lieblich, was erhaben, Mit allem Herrlichen, mit allem Schönen. Heilig, heilig, heilig Ist Gott Zebaoth! Heilig, heilig, heilig Ist der starke Gott, Der da ist, sein wird und war, Preis ihm jetzt und immerdar! Preis und Ehre, Herr, sei Dir! Groß ist Deine Stärke! Staunend tief bewundern wir Deiner Hände Werke. Was sich reget Und beweget, Lebt, weil Dir's gefällt. In der Stille Wirkt Dein Wille Und erschafft die Welt. Die ganze Welt, Des Himmels Heer, Was Erd' enthält, Was birgt das Meer, Was leibt und lebt — Erheb' im Chor Gott, der uns hebt Zu sich empor! Weisheit und Stärke, Schönheit und Pracht Schmücken die Werke Göttlicher Macht! In Andacht steht der Mensch versunken. Da naht ihm aus der Künste Schar Ein hehres Wesen — wonnetrunken Reicht seine Rechte es ihm dar. Es spricht in wohlbekannten Tönen: „Mensch, folge mir, ich will dich weihn, Um mit der Gottheit ewigen Söhnen Vereint für Ewigkeit zu sein! Es wird vom Irrtum und vom Bösen, Der Allbarmherzige dich befrein, Denn alle kommt er zu erlösen, Die frei sich seinem Dienste weihn.“ — Es schwankt der Mensch hin zum Altare, Da taucht die leuchtende Gestalt Ins Flammenmeer, das farbig klare, Die Hand: es blitzt, es schäumt, es wallt; Und auf des Menschen Haupt ergießet Die Flamme sich — als kühle Flut — Das Wasser, das herniederfließet, Stillt brennender Sehnsucht heiße Glut. Den Menschen fassen selige Wonnen, Als taufend ihn das Wesen spricht: „Aus ewiger Wahrheit Feuerbronnen Weih' ich dich, Mensch, dem lautern Licht, Weih' ich dem ewig jungen Leben, Weih' ich der reinen Liebe dich! — Und nun — schau her — erkenne mich! Als Sorge hab' ich mich, da du die Wahrheit Noch suchtest, dir dereinst genannt, Jetzt schaust du mich in meiner Klarheit, Denn mit der Wahrheit hast du mich erkannt. Ich bin die Kunst der Künste, am Altare Der Wahrheit hier die Hohepriesterin, Damit sich Gott den Seinen offenbare, Bin ich bestellt zur Herzensbildnerin. Mit all den andern Künsten im Vereine Führ' ich der Kinder Herzen lind zurück Zum ewigen Vater; als der Seine Erkenn auch dich, o Mensch, zum höchsten Glück. Einst wähntest du, es wären Raum und Zeit Die Eltern dein; in kühnem Übermute Stieß'st du die Schwachen von dir weit, Und hattest recht! Du bist von edlerm Blute! Du machtest dich nach angestammtem Rechte Zum Herrn der Erde, doch in deinem Wahn Nahmst für das Gute du das Schlechte Und sahst für Wahrheit Lüge an. Von Eitelkeit verblendet, irrtest du, Und frei dich wähnend, dientest du dem Bösen; Da schickt' mich dir dein rechter Vater zu, Denn Er beschloß dich zu erlösen; Er selber wird, was ich begonnen, An dir vollenden, wie mit Wasser ich, Wird, wenn die Prüfungszeit verronnen, Er einst mit Feuer taufen dich! Halt aus! bleib treu dem Leben! Bleib treu der Liebe! treu dem Licht! Er wird zu sich empor dich heben, Er läßt von dir im Tode nicht!“ Vergiß für mich die Rose nicht! Der Frühling beut die letzte Spende, Die Nachtigall klagt leiser schon, Sie ahnt des Glückes Sonnenwende, Dieweil in Saaten blüht der Mohn; Hoch überm Scheitel steht die Sonne, Uns strahlend jetzt im stärksten Licht; — O Lenz, in deiner Scheidewonne Vergiß für mich die Rose nicht! Akazien und Linden sprühen Balsamisch süße Düfte aus; Es zieht beim ersten Morgenglühen Die Freude schon von Haus zu Haus; Das Herz, das sorgenvoll gepreßte, Erhebt sich, seine Fessel bricht; Es naht das schönste aller Feste: — Vergiß für mich die Rose nicht! Johannistag, du Fest der Liebe, Bist zu beglücken uns bereit; Und ob des Frühlings Pracht zerstiebe, Du spendest doch uns Seligkeit; Du führst zur Weisheit, Schönheit, Stärke, Nimmst uns die Binde vom Gesicht; Du weihest uns zum guten Werke: — Vergiß für mich die Rose nicht! Es wankt sogar am Wanderstabe Der Greis herbei im Silberhaar; Der Kinder Lust ist seine Labe, Die frische, muntre Enkelschar; Und auf dem Lager selbst der Kranke, Er ist heut voller Zuversicht, Was ihn beseelt, nur ein Gedanke: — Vergiß für mich die Rose nicht! Akazien und Linden blühen Auch auf des Friedhofs stillem Plan, Johannisgrüße auszusprühen In diesem grünen Ozean; Und aus den Wellen unverrücket, Den Gräbern, eine Stimme spricht: Du, den ich liebend einst beglücket, Vergiß für mich die Rose nicht! Im Kreise Es zieht die Erde ihre Bahn; Von wo sie ausging, kommt sie an; Und also auch die Sterne kreisen, Denn alles, alles geht auf Reisen. Es reift das Kind zum Mann geschwind, Der Mann wird Greis, der Greis wird Kind; Den müden Leib umfängt die Erde, Auf daß der Staub zum Staube werde! Fort strebt die Welt, der Riesengeist; Sie geht im Kreis, wie alles kreist. Habt ihr vom Paradies gelesen? Die Welt wird einst, was sie gewesen! Blumentrost Einst in milder Winterszeit Kam ich in den Garten, Blumen blühten weiß wie Schnee, Konnten's nicht erwarten. Sprach zu ihnen: „Gebt wohl acht, Wie es euch wird gehen, 'S ist noch lange, bis im Lenz Frühlingslüfte wehen! Schon die erste kalte Nacht Könnt ihr was gewahren, Winterfrost mit Schnee und Eis Treibt euch bald zu Paaren!“ Sahen mich die Blümlein an, Hatt' mir zwei genommen: „Jeder Tag, da wir geblüht, Bleibt uns unbenommen!“ Und ich dacht': ein schönes Wort! Will mir fein es merken; Wenn es Winter auch bei mir, Mag's den Armen stärken. Und es hat nicht lang' gewährt, Glück war fortgeflogen, Die mir Liebe einst gelobt — Hatt' mich angelogen. War das Herz so trüb und schwer, Dacht' der schönen Tage, Ach! wenn Lieb' und Glück vorbei, Alles wird zur Klage! Sieh, da fiel ein Wort mir ein, Rief es freudbeklommen: „Jeder Tag, da ich geliebt, Bleibt mir unbenommen!“ Der goldne Sonnenschein Das giebt der Erde erst den Glanz Und Weihe der Natur, Macht ihr zum schönsten Feierkleid Die blütenärmste Flur: Macht ihr den Bach zum Perlenband, Zum Schmuck den schlechtsten Stein: — Liegt leuchtend über aller Welt Der goldne Sonnenschein! O doppelt glücklich, wem dann auch Des Lebens Sonne glüht! Wer froh, mit freiem Wandersinn, Durch Wald und Auen zieht! Die Lerche schwingt sich jubelnd auf, Und jauchzend stimmt er ein: — Liegt leuchtend über aller Welt Der goldne Sonnenschein! Doch sank auch deines Tags Gestirn, Und ward es in dir Nacht, — Schan nur hinaus in Gottes Flur, Wenn alles blitzt und lacht; Es schleicht sich auch ins ärmste Herz Ein Strahl des Lichts hinein: — Liegt leuchtend über aller Welt Der goldne Sonnenschein! Trotzkopf Mich hat zu einer eigenen Art Die Mutter Natur geboren. So hab' ich mich treu bis heute bewahrt Zum Trotze den Weisen und Thoren. Und was sie auch reden hin und her, Das ändert und wandelt mich nimmermehr; Ihr Reden ist verloren. Ich liebe im ganzen vollen Sinn Und bin dem Geliebten ergeben Mit allem, was ich habe und bin, Mit meinem Wollen und Streben. Mein Lieben ist tief und echt und wahr, Verschmolzen im Innern ganz und gar Mit meinem eigensten Leben. Ich hasse, und hasse mit glühender Kraft — Vor allem die Feinde des Schönen Und jeden, dem es Freude schafft, Die Würde des Menschen zu höhnen; Die hass' ich mit wilder, flammender Glut Und sag' es mit frohem, offenem Mut: Ich lasse mich nicht versöhnen. Ihr Lieben! und wenn euch denn mißfällt Mein Denken und mein Streben, So hat die weite, breite Welt Für viele Raum zu leben. Da suchet sich jeder sein eigen Ziel, Und wer nicht mit mir gehen will, Der gehe fein daneben. Der Stieglitz hat einen roten Schopf, Einen blauen hat die Meise; So trag' ich denn auch meinen Kopf Nach meiner eignen Weise. Es geht seinen Weg ein rechter Mann, Und wollt ihr ihn irren — das geht nicht an, Er bleibt in seinem Gleise. Verstummen Schöne Zeit der Frühlingstage, Holder Mai, willst du entfliehn, Wo noch Lieder jedem Hage, Wo dem Schmerz doch seine Klage, Allem Sprache war verliehn? Wo die Weste Küsse tauschten, Wo vom Fels der Wasserfall Und die Wiesenbäche rauschten, Wo die Wälder schauernd lauschten Auf das Lied der Nachtigall; Wo das Echo aus den Grüften Sprach in süßer Sympathie, Wo die Blume sprach in Düften, Wo der Sturm sprach in den Lüften Und die Welt war Melodie! Schönrer Frühling meines Lebens, Meiner Seele holder Mai, Lenz der Jugend und des Strebens, Ruft mein Sehnen dir vergebens, Eilst du wirklich mir vorbei? Lerchenzeit, o kehre wieder, Wo das Herz noch überfloß, Wo der reiche Strom der Lieder, Wie vom Fels die Quelle nieder, Von den Lippen sich ergoß! Ach! und mehr, als Worte sagen, Sprach der stummen Lippen Kuß, Sprach ein Blick in jenen Tagen, Sprach des Blickes Niederschlagen, Unterm Tische selbst der Fuß. Und die Blume, die sie pflückte, Sprach von ihrer Zärtlichkeit, Und wenn sie die Hand mir drückte, Zum Verstummen mich entzückte, Sprach es mehr als Schwur und Eid. All mein Sinnen, all mein Leben Schien wie Lied und Melodie, Schien wie Äolsharfenbeben Zu verhallen, zu verschweben In der Sphären Harmonie. Stille wird's im weiten Raume, Herbstlich schweiget Wald und Flur, Nur im fall'nden Blatt vom Baume Seufzet leis noch wie im Traume, Wie im Sterben die Natur. Und versiegen schon und stocken Will auch mir der Strom der Zeit, Und in meine braunen Locken Hat der Kummer weiße Flocken Hier und da schon eingeschneit. Meine Augen werden blöde, Und sie sehnen sich nach Ruh, Und die Lippe mird so spröde, Alles kalt und stumm und öde, Und das Herz, es schließt sich zu. König Föhn Wieder spielt die Riesenharfe König Föhn mit aller Macht, Und es braust das schwerterscharfe Hochlied durch die Sternennacht! Wenn er so im wilden Reigen, Herrscherkühn, vorübergeht: Rings sich alle Wälder neigen Tief vor seiner Majestät! Die wahre Ehre Das nur ist die wahre Ehre auf des Lebens wirrer Bahn, Die der Mensch sich selber geben und auch selber nehmen kann. Die Lawine Es wird die schlafende Lawine Leis wachgeküßt vom Sonnenmund, Und donnernd stürzt sie sich, die kühne, Vom Felsengrat zum Thalesgrund. Da liegt sie, überragt von Erlen, Bleich auf der Matte jungem Grün, Und weint befruchtend ihre Perlen, Allmählich sterbend, drüber hin. Der Bergsee Mit süßem, maienheitrem Blinken Ruht, unberührt vom Erdenweh, Umragt von grauen Felsenzinken, Auf hoher Alp ein Silbersee. Der Frühling hat ihn wunderniedlich Mit frischen Blumen rings umsäumt, Er aber schlummert hold und friedlich Am Bergesbusen fort und träumt. An diese Zeit Bei so viel Licht, o Zeit, welch tiefe Schatten Seh' ich dein ruhmgekröntes Haupt umwehen! Nur halb dienst du der Menschheit großer Sache; Denn eins gebricht dir: Schönes zu verstehen, Und wo des Nutzens Hämmer nie ermatten, Da heimt die Kunst nicht unterm lauten Dache. Drum daß dein Herz verflache Im staub'gen Dienst von deinen Werkeltagen, Daß du trotz üpp'gen Glanzes goldnen Bergen Nichts als der Schönheit Schergen Erziehst — die Furcht beschleicht mich oft mit Zagen. Wer Edles sucht, bleibt kalt an deinem Busen; Denn deine Kunst dient schnöder Weltlust Musen. Dem Geiste nicht, du opferst nur den Sinnen, Seh' ich doch rings auf deinen Schaugerüsten Nicht Helden schreiten mit erhabner Stirne, Nein, sich das Laster und die Narrheit brüsten: Du machst die Kunst mit frevelndem Beginnen Zur Bajadere und zur Gauklerdirne. Es bleichen die Gestirne Der Anmut — in die Leier der Gesänge Greift jeder Schwächling, und des Beifalls Ehren Seh' ich ihm reich bescheren Die allzu willige, bethörte Menge. Doch lorbeerlos, vereinsamt und in Blöße Bleibt ungeehrt die echte Künstlergröße. Drum mögen, Zeit! trotz deiner Wolkenflüge, In Schwermut dir des Dichters Strophen fluten; Denn das Geschlecht, das sich gewandt vom Schönen, Hat sich zugleich entzweiet mit dem Guten, Und wer verzerrt der Kunst geweihte Züge, Wird ihre Schwester auch, die Sitte, höhnen. Orakel hör' ich tönen Aus der Geschichte Mund: Im Zorn gerichtet Sei jene Zeit, die, im Gemüt umnachtet, Nicht ehret und nicht achtet, Was edle Kunst in edlen Formen dichtet! Entadelt muß sie öde Pfade wallen — Das Diadem ist ihr vom Haupt gefallen. Haus, Staat, Menschheit Ein Tempel ist das Haus, das Liebe bauet; Der hat ein Glück, das heilig ist, erloset, Dem hold am Herde nach des Tags Vollendung Die Schläfe weiche Frauenhand umkoset, Der, da er seinem Kind ins Auge schauet, Sich froh bewußt wird seiner Erdensendung. Wohl schenkt ihm in Verschwendung Ein Gott mit höchster Freude tiefste Schmerzen: Mit Glück' kommt Sorg'; es wechselt Lust mit Leide — Ihn aber adeln beide, Weil er sie teilet mit geliebten Herzen. So schleicht ein Lächeln sich selbst in sein Sterben, Weil Kind und Kindeskind sein Leben erben. Und aus des Hauses Heiligtum erblühet, Dem Dasein menschenwürd'ge Formen leihend, Ruhmreich der Staat: Begeistert ihm ergeben, Sich willig seinen höhern Zwecken weihend, Verliert in ihn sich thatenlustdurchglühet, Ein schwindendes Atom, das Einzelleben. Und groß ins Ganze streben Die Geister, und des Ichseins Schranken fallen, Und „Bürgerliebe!“, „Vaterland!“ und „Ehre!“ Und „heil'ge Völkerwehre!“ Hör' ich als stolze Losungen erschallen, Und Lorbeerkränze seh' ich fernher winken Und Heldenleichen auf Trophäen sinken. Und immer weiter öffnen sich die Bahnen: Es schließen Staaten glorreich sich an Staaten, Und Völker reichen Völkern rings die Hände. Das Werk des Genius, des Helden Thaten, Im Nord gezeitigt oder wo Platanen Im Hauche stehn der Tropensonnenbrände — Es münden ohne Ende Des Menschen weltdurchpulsende Gedanken All' in der Menschheit großes Herz hinüber: Zeitalter gehn vorüber, Und andre kommen; Erdendinge schwanken, Und Scepter selbst vermorschen auf den Thronen — Die Menschheit lebt und blüht durch die Äonen. So ströme denn, o du mein armes Leben, Dich selbst vergessend, frohgemut vorüber An weicher Eigenliebe Hesperiden! Ström in das volle Menschheitsmeer hinüber, Das Ganze suchend mit dem heißen Streben Des Feuerdurstes eines Tantaliden! Und was mir auch beschieden, Soll ich Cypressen oder Palmen tragen, Ich will, indem die Zeiten abwärts rauschen, Der Menschheit Puls belauschen, Bis meine eignen Pulse ausgeschlagen. Dann komm' auch mir, was kommt nach diesen Sonnen, Sei's das Nirwana, sei's ein Reich der Wonnen! Die Klugheit ist selten weise Sprüche Die Klugheit ist selten weise; Die Weisheit ist selten klug; Im Staube geht Klugheit leise, Doch Weisheit nimmt höhern Flug. Es hat die Strömung mit sich fort Sprüche Es hat die Strömung mit sich fort Den Stein genommen; Der denkt, er sei an seinen Ort Allein geschwommen. Es soll ein Gotteshaus Sprüche Es soll ein Gotteshaus Die hohe Kunst uns sein: Gereinigt tret' heraus Wer sündig ging hinein.