Die reinen Frauen Die reinen Frauen steh'n im Leben Wie Rosen in dem dunklen Laub; Auf ihren Wünschen, ihrem Streben Liegt noch der feinste Blüthenstaub. In ihrer Welt ist keine Fehle, Ist Alles ruhig, voll und weich: Der Blick in eine Frauenseele Ist wie ein Blick in's Himmelreich. Wohl sollst du hören hohe Geister, Verehren sollst du Manneskraft; Dich sollen lehren deine Meister, Was Kunst vermag und Wissenschaft. Doch was das Höchste bleibt hienieden. Des Ew'gen nur geahnte Spur, Was Schönheit, Poesie und Frieden: Das lehren dich die Frauen nur! Lieb' und stirb! Durch Erd' und Himmel leise Hinfluthet eine Weise Wie sanftes Harfenwehn, Die jedem Dinge kündet, Wozu es ward gegründet, Woran es soll vergehn. Sie spricht zum Adler: Dringe Zur Sonne, bis die Schwinge Dir trifft ein Wetterschlag; Spricht zu den Wolken: Regnet, Und wenn die Flur gesegnet, Zerrinnt am goldnen Tag. Sie spricht zum Schwan: Durchwalle Die Fluth und dann mit Schalle Ein selig Grab erwirb. Sie spricht zur Feuernelke: In Duft glüh' auf und welke; Zum Weibe: Lieb' und stirb! Menschlichkeit Wohl haben auf ergrauter Erde Die Völker zahllos schon gewohnt, Und auf verschiednem Opferheerde Die Götter mannigfach gethront. Auch nach uns werden andre Frommen Dem Herrn noch schönern Altar weihn; Es werden neue Leiden kommen, Und neue Freuden werden sein. Mich irrt es nicht! Mit Liebesblicke Schau' ich der Zeiten Ringen an: Es wechseln Völker und Geschicke, Die Menschheit geht die gleiche Bahn. Ich weiß, daß nie ein Tag erglommen, Der froh nicht Eine Brust gemacht; Daß nie nach Frost ein Lenz gekommen, Der nicht Ein Lied der Welt gebracht. Ich weiß, daß aus des Bechers Gusse Ein Schöpferstreben aufwärts schießt; Daß sich in süßem Frauenkusse Ein milder Born von Kraft erschließt. Ich weiß, daß überall der Himmel Mit Wolken droht, mit Lächeln blaut, Und Nachts zum ernsten Sterngewimmel Allwärts ein Auge gläubig schaut. So schau' ich ewig nur das Gleiche, Das jede Menschenbrust durchzieht, Und Brüder nur, wohin im Reiche Des Weltenrunds mein Auge sieht. Ein Ring bin ich in großer Kette Der Zukunft, der Vergangenheit; Und durch des Kampfes Brandung rette Das Kleinod ich der Menschlichkeit. Heimweh Oft durch die junge Seele schwinget Ein Ton so fremd und so bekannt, Der Sehnsucht Alphorn ist's, das klinget Aus meiner Jugend Hirtenland. O dunkler Strom voll wilder Klagen, O Kranich, der dort fernab fliegt, Könnt ihr dem müden Wandrer sagen, Wo seine schöne Heimath liegt? Das Heimathland so grün und sonnig, Wo meine schöne Hirtin sang, Wo mir der Born des Lebens wonnig, Ein Quell aus frischem Moose, sprang. O Land der sanften Nachtigallen, Verlornes Jugendparadies, Daß ich aus deinen grünen Hallen Erbarmungslos mich selbst verstieß! Als hätt' ich einen Mord zu tragen, Irr' ich umher, verfehmt, verbannt, Des Kummers Mantel umzuschlagen, Und such' mein altes Heimathland. Umsonst ruft leis', und leiser immer Des Alphorns Tönen mich zurück; Die Welt ist weit! Ich find' euch nimmer, Verlorne Jugend, todtes Glück! Es ist dein Segen ohne Maß O wenn du eine Stätte hast, Wohin dein müdes Haupt sich legt, Wenn eigen eine Seele dir, Die dich nach deinem Kummer frägt, Und wenn der Gram, der in dir ist, Auch eine andre Brust erreicht, Und wenn die Ruh', die dich erfüllt, Auch auf ein ander Herz sich neigt: Wie ist dein Segen ohne Maß, Wie bist du glücklich dann und reich, O wie kommt alles Gut der Welt Nie deinem goldnen Theile gleich; Wenn dieses Glück dein eigen ist, Bewahr' es als den höchsten Schatz, Wirf Alles aus dem Herzen fort Und räume nur für ihn den Platz. Denn wäre dein der Erde Gut Und keine Seele wäre dein, Wie würdest du bei allem Gold, Wie arm bei allem Reichthum sein! Wohl mancher sehnte sich danach, Der eine halbe Welt besaß: O wisse — Überglücklicher — Es ist dein Segen ohne Maß. Wer keinen Frühling hat Wer keinen Frühling hat, dem blüht er nicht! Wer schweigt, dem tönt kein Echo hier auf Erden! Weß Herz nicht dichtet, der faßt kein Gedicht. Und wer nicht liebt, dem wird nicht Liebe werden. Was ist der Geist, der nie zum Geiste spricht, Der selbstgefällig will in sich verwesen? Was ein Gemüth, das nie die Rinde bricht? Was eine Schrift, die nicht und nie zu lesen? Es findet jeder Geist verwandte Geister! Kein Herz, das einsam, ohne Liebe bricht! Nur wer sich selbst verlor, ist ein Verwaister! Wer keinen Frühling hat, dem blüht er nicht! Fragen Wenn die Stern' am Himmel blinken, Wenn ihr Reigen nächtlich webt, Künde treu mir, wo der erste, Wo der Sterne letzter schwebt. Wenn im regen Wogentanze Welle mit der Welle tauscht, O so zeig' mir, wo die erste, Wo der Wellen letzte rauscht. Und vermagst du's, so enträths'le, Löse mir das Schwerste frei, Wann nach Herzens Zeitenrechnung Erst' und letzte Liebe sei. Schwebe, blaues Auge Schwebe, blaues Auge, schwebe Unabwendbar ob dem meinen, Einen Frühling wirk' und webe Rings um mich in lichtem Scheinen. Klinge, süße Stimme, klinge An mein Herz im Tongewimmel, Trag' auf deiner Engelschwinge Mich Verwandelten gen Himmel! Jüngst noch Nacht und Winter war es, Nun ist's plötzlich Tag geworden, Tag und Mai, ein wunderbares Sein in Strahlen und Akkorden. Überall ein Hoffnungsschiller, Ein verheißend Frühlingswetter, Blüthenwellen, Lerchentriller, Nachtigallen-Lustgeschmetter. Laß, o laß ihn nicht vergehen, Diesen letzten Lenz der Erde, Bis ich seine Blumen sehen, Seine Früchte brechen werde! Die Perlen Auf Klippen des Meers, in der brausenden Fluth, Fischt mühsam der Taucher das kostliche Gut, Tief unten, von ewigem Dunkel umhüllt, Da liegen die Muscheln mit Perlen gefullt. Im Kelche des Veilchens, auf duftigem Blau, Wie schimmert die Perle von himmlischem Thau! Fast schon von der glühenden Sonne geknickt, Wird neu von den Perlen das Veilchen erquickt. Wie schäumt im Pokale der feurige Wein! Er bildet sich Perlen von lockendem Schein. Sie kommen und schwinden auf goldenem Grund, Dann nippet und schlürft sie manch' rosiger Mund. Ich weiß ein Paar Lippen, wie Purpur so roth, Die oft schon mein Mädchen zum Kusse mir bot, Und öffnet sich lächelnd das blühende Paar, So wird man zwei Reihen von Perlen gewahr. Doch giebt es noch Perlen von reinerem Licht, Sie haben dort droben das höchste Gewicht, Sie steigen verkläret zum Himmel empor — O locke nur Thränen der Freude hervor! Wandervöglein Die Hoffnung ist ein Wandervöglein, Das jeden Frühling wiederkehrt Und mit den Liedern schön'rer Lenze Das arme Menschenherz bethört. Erst lockt es leise von den Zweigen; Wir lauschen ihm mit scheuer Lust; Dann kommt es näher, endlich baut es Sein Nest wohl gar in unsrer Brust. Bald hören wir ein leises Zwitschern; Was wir gewünscht, ersehnt, erdacht, Ach, was wir längst gestorben wähnten, Ist neu erstanden über Nacht. Ein jeder Wunsch prüft seine Schwingen; Der Himmel ist so blau, so rein; Rings athmet Alles Lust und Liebe, Warum verzagt und traurig sein? Sie fliegen aus in alle Weiten; Verlassen ist das Nest und leer; Das Herz wird still und lauscht und zittert, Und wartet ihrer Wiederkehr. Sie kehren nicht! — die Blätter fallen, Es naht des Winters rauhe Macht; Das Wandervöglein ist entflohen, Und wieder wird's im Herzen Nacht. Hoffnung Hofnung schlummert tief im Herzen, Wie im Lilienkelch der Thau; Hoffnung taucht, wie aus den Wolken Nach dem Sturm des Himmels Blau; Hoffnung keimt, ein schwaches Hälmchen, Auch aus nackter Felsenwand; Hoffnung leuchtet unter Thränen, Wie im Wasser der Demant. Schon so tausendfach betrogen, Armes, schwaches Menschenherz, Immer wendest du dich wieder Gläubig trauernd himmelwärts: Wie Arachne unverdrossen Täglich neue Netze spannt, Kreuze auch durch ihre Fäden Täglich rauh des Schicksals Hand. Herbstgefühl O wär' es blos der Wange Pracht, Die mit den Jahren flieht! Doch das ist's, was mich traurig macht, Daß auch das Herz verblüht; Daß, wie der Jugend Ruf verhallt Und wie der Blick sich trübt, Die Brust, die einst so heiß gewallt, Vergißt, wie sie geliebt. Ob von der Lippe dann auch kühn Sich Witz und Scherz ergießt, 's ist nur ein heuchlerisches Grün, Das über Gräbern sprießt. Die Nacht kommt, mit der Nacht der Schmerz, Der eitle Flimmer bricht; Nach Thränen sehnt sich unser Herz, Und findet Thränen nicht. Wir sind so arm, wir sind so müd', Warum, wir wissens kaum, Wir fühlen nur, das Herz verblüht, Und alles Glück ist Traum. Ein Kern des Lichts Ein Kern des Lichts fließt aus in hundert Strahlen, Die gottentflammte Abkunft zu bewähren, Begeist'rung ist die Sonne, die das Leben Befruchtet, tränkt und reift in allen Sphären! In welchem Spiegel sich ihr Bild mag malen, Mag sie im Liede kühn die Flügel heben, Mag Herz zu Herz sie streben, Sie sucht das Höchste stets, wie sie's erkennet! — Längst im Gemeinen wär' die Welt zerfallen, Längst waren ohne sie zerstäubt die Hallen Des Tempels, wo die Himmelsflamme brennet; Sie ist der Born, der ew'ges Leben quillet, Vom Leben stammt, allein mit Leben füllet. Etwas wünschen Etwas wünschen und verlangen, Etwas hoffen muß das Herz, Etwas zu verlieren bangen, Und um Etwas fühlen Schmerz. Deine Lust und deine Wonne Mußt du an was immer sehn, Soll vergeblich Mond und Sonne Nicht an dir vorubergehn. Gleich von unbegrenztem Sehnen, Wie entfernt von träger Ruh, Müsse sich mein Leben dehnen, Wie ein Strom, dem Meere zu. Das Auge Die Wett ist eine große Seele Und jede Seele eine Welt; Das Auge ist der lichte Spiegel, Der beider Bild vereinigt hält. Und, wie sich dir in jedem Auge Dein eignes Bild entgegenstellt, So sieht auch jeder seine Seele, Sein eignes Ich nur in der Welt! Der Glaube der Freundschaft Wenn eines Menschen Seele du gewonnen, Und in sein Herz hast tief hineingeschaut, Und ihn befunden einen klaren Bronnen, In dessen reiner Fluth der Himmel blaut: Laß deine Zuversicht dann Nichts dir rauben. Und trage lieber der Enttäuschung Schmerz, Als daß du grundlos ihm entziehst den Glauben — Kein größer Glück, als ein vertrauend Herz! Laß adlermuthig deine Liebe schweifen, Bis dicht an die Unmöglichkeit hinan: Kannst du des Freundes Thun nicht mehr begreifen, So fängt der Freundschaft frommer Glaube an. Losungswort O laß des Herzens Zug sich richten Nach Einem Ziele fort und fort, Und all dein Denken, Thun und Dichten Durchglüh' ein mächtig Losungswort; Es heißt dich, treu im Andern leben, Es führt dich selbst zum Frieden ein, Du mußt nur unablässig streben — Ein Mensch, ein ganzer Mensch zu sein. Wohl oft zerfloß dein Sinn in Wehmuth, Wenn dir ein Pfand entrissen ward, Das, hochbegnadet, du in Demuth Als heilig Erbtheil dir bewahrt: Du darfst nicht streng die Menschen richten, Entsagen muß, wer hier gewinnt, O deine Trauer laß sich schlichten Im Quell, der mild vom Auge rinnt! Viel tausend andre Menschenherzen Verzehren sich in gleichem Gram: So hilf ein fremdes Leid verschmerzen, Das einst dich selber überkam. Es läutern sanft sich deine Triebe Und deine Seele wird geweiht Zum Heiligthum der schönsten Liebe, Die weinend Andern Rosen streut. Sterben Es darf im süßen Traum der Wonne, Wenn dir den Kranz die Freude flicht, Nicht sinken deine Lebenssonne, Nicht löschen aus dein Lebenslicht. Sollst du dir ew'ge Ruh' erwerben, So stirbt zuvor dein schönster Traum Erst muß des Baumes Blüthe sterben Und dann erst stirbt der Blüthenbaum. Der Liebe Dauer O lieb', so lang' du lieben kannst! O lieb', so lang' du lieben magst! Die Stunde kommt, die Stunde kommt, Wo du an Gräbern stehst und klagst! Und sorge, daß dein Herze glüht Und Liebe hegt und Liebe trägt, So lang' ihm noch ein ander Herz In Liebe warm entgegenschlägt! Und wer dir seine Brust erschließt, O thu' ihm, was du kannst, zu lieb! Und mach' ihm jede Stunde froh, Und mach' ihm keine Stunde trüb! Und hüte deine Zunge wohl, Bald ist ein böses Wort gesagt! O Gott, es war nicht bös gemeint, — Der Andre aber geht und klagt. O lieb', so lang' du lieben kannst! O lieb', so lang' du lieben magst! Die Stunde kommt, die Stunde kommt, Wo du an Gräbern stehst und klagst! Dann kniest du nieder an der Gruft, Und birgst die Augen, trüb und naß — Sie sehn den Andern nimmermehr — In's lange, feuchte Kirchhofsgras. Und sprichst: O schau' auf mich herab, Der hier an deinem Grabe weint! Vergib, daß ich gekränkt dich hab'! O Gott, es war nicht bös gemeint! Er aber sieht und hört dich nicht, Kommt nicht, daß du ihn froh umfängst; Der Mund, der oft dich küßte, spricht Nie wieder: ich vergab dir längst! Er that's, vergab dir lange schon, Doch manche heiße Thräne fiel Um dich und um dein herbes Wort — Doch still — er ruht, er ist am Ziel! O lieb', so lang' du lieben kannst! O lieb', so lang' du lieben magst! Die Stunde kommt, die Stunde kommt, Wo du an Gräbern stehst und klagst! Auferstehung Wenn Einer starb, den du geliebt hienieden, So trag' hinaus zur Einsamkeit dein Wehe, Daß ernst und still es sich mit dir ergehe Im Wald, am Meer, auf Steigen längst gemieden. Da fühlst du bald, daß Jener, der geschieden, Lebendig dir im Herzen auferstehe, In Luft und Schatten spürst du seine Nähe, Und aus den Thränen blüht ein tiefer Frieden. Ja, schöner muß der Todte dich begleiten, Um's Haupt der Schmerzverklärung lichten Schein, Und treuer — denn du hast ihn alle Zeiten. Das Herz hat auch sein Ostern. wo der Stein Vom Grabe springt, dem wir den Staub nur weihten; Und was du ewig liebst, ist ewig dein. Begrabe deine Todten Begrabe deine Todten Tief in dein Herz hinein; So werden sie dein Leben Lebend'ge Todte sein. So werden sie im Herzen Stets wieder auferstehn, Als gute, lichte Engel Mit dir durch's Leben gehn. Begrab' dein eigen Leben In Andrer Herz hinein; So wirst du, und bist du ein Todter, Ein ewig Lebender sein. O bleibe treu den Todten O bleibe treu den Todten, Die lebend du betrübt; O bleibe treu den Todten, Die lebend dich geliebt! Sie starben, doch sie btieben Auf Erden wesenlos, Bis allen ihren Lieben Der Tod die Augen schloß. Indessen du dich herzlich In Lebenslust versenkst, Wie sehnen sie sich schmerzlich, Daß ihrer du gedenkst! Sie nahen dir in Liebe, Allein du fühlst es nicht; Sie schaun dich an so trübe, Du aber siehst es nicht. Die Brücke ist zerfallen; Nun mühen sie sich bang, Ein Liebeswort zu lallen, Das nie herüber drang. In ihrem Schattenleben Quält Eins sie gar zu sehr: Ihr Herz will dir vergeben, Ihr Mund vermag's nicht mehr. O bleibe treu den Todten, Die lebend du betrübt; O bleibe treu den Todten, Die lebend dich geliebt! Die lieben Todten Ee wird so lau, es wid so linde, So heimlich plaudern Bach und Quell, So flüsternd rauscht das Schilf im Winde, Es wird so sanft, so hold, so hell! Verklungne Kinderträume tauchen Aus Nacht und Trümmerschutt empor, Umgaukeln dein Gemüth, und hauchen Vergess'ne Laute dir in's Ohr. Die lieben Todten kommen leise Mit trautem Gruß an dich heran, Und reden dich in ihrer Weise Mit ihren lieben Stimmen an. Die Rinde schmilzt, die du getragen, Dein Herz wird wieder kleines Kind, Und weiß doch selber nicht zu sagen, Warum so heiß die Thräne rinnt. Die Kapelle Droben sehet die Kapelle, Schauet still in's Thal hinab, Drunten singt bei Wies' und Quelle Froh und hell der Hirtenknab'. Traurig tönt das Glöcklein nieder Schauerlich der Leichenchor; Stille sind die frohen Lieder, Und der Knabe lauscht empor. Droben bringt man sie zu Grabe, Die sich freuten in dem Thal; Hirtenknabe, Hirtenknabe! Dir auch singt man dort einmal. Wenn ich im stillen Friedhof geh' Wenn ich im stillen Friedhof geh', Wird mir so schwer zu Herzen, Daß man die treu'ste Menschenbrust, Die mit getragen Leid und Lust, So eilig kann verschmerzen. Gras wächst darüber, ach wie bald! Das Grab wird selber heiter. Wie wenn ein Blatt vom Wipfel fällt, So geht ein Leben aus der Welt — Die Vögel singen weiter. O Menschenherz mit deinem Stolz! Was flüstern die Cvpressen? „Wir steh'n auf einem schmalen Raum, Darunter liegt ein Herze kaum, So ist es schon vergessen.“ Einst wirst du schlummern Ob Nachts auch thränenfeucht dein Pfühl, Und heiß die ruhelosen Lider, Einst wirst du schlummern sanft und kühl, Und keine Sorge weckt dich wieder. Vergehe nicht in Angst und Qual, Es eilt die Stunde, dich zu retten; Vier Bretter nur braucht's dünn und schmal, Ein müdes Menschenherz zu betten. Und du auch findest eine Hand, Die Augen sanft dir zuzudrücken, Mit einer Blume, einem Band Dir deinen Sarg noch auszuschmücken. Der Tod bringt Ruhe deinem Harm, Die dir das Leben nie vergönnte, Halt' aus: es ist kein Mensch so arm, Daß er nicht endlich sterben könnte. Gute Stunden Zähle nicht die bangen Stunden, Die des Lebens Nacht entsteigen, Zähle nur, wenn sie entschwunden, Wie viel Sterne sie dir zeigen. Denn aus diesen lichten Sternen, Die am Abendhimmel leuchten, Kannst den sichern Trost du lernen, Daß nie Wolken sie verscheuchten. Immer, wenn die trüben wieder In ihr Nichts zurückgesunken, Blicken klar und mild sie nieder Diese goldnen Strahlenfunken. So des Lebens gute Stunden, Reich, unzählig wie die Sterne — Möchten Jedem sie bekunden, Wie er bange tragen lerne. Das Blatt im Buche Ich hab' eine alte Muhme, Die ein altes Büchlein hat, Es liegt in dem alten Buche Ein altes, dürres Blatt. So dürr sind wohl auch die Hände, Die's einst im Lenz ihr gepflückt. — Was mag wohl die Alte haben? Sie weint, so oft sie's erblickt. Von keinem Leid Von keinem Leid, so schwer es sei, Laß stimmen deine Seele trüber. Geht auch dein Leiden nicht vorbei, So gehst du doch vorüber. Seliger Ausgang Das höchste Glück hat keine Lieder, Der tiefste Schmerz hat keinen Laut, Sie spiegeln beide still sich wieder Im Tropfen, der vom Auge thaut. So einen sich in stummen Zähren Das höchste Glück, das tiefste Leid, Bis sie in Liebe sich verklären, Anbetend in Gottseligkeit. Einer Todten Du glaubtest nicht an frohe Tage mehr, Verjährtes Leid ließ nimmer dich genesen: Die Mutterfreude war für dich zu schwer, Das Leben war dir gar zu hart gewesen. Er saß bei dir in letzter Liebespflicht; Noch eine Nacht, noch eine war gegeben! Auch die verrann, dann kam das Morgenlicht. „Mein guter Mann, wie gerne wollt' ich leben!“ Er hörte still die sanften Worte an, Wie sie sein Ohr in bangen Pausen trafen: „Sorg' für das Kind — ich sterbe, süßer Mann.“ Dann halbverständlich noch: „Nun will ich schlafen.“ Und dann nichts mehr; — du wurdest nimmer wach, Dein Auge brach, die Welt ward immer trüber; Der Athem Gottes wehte durch's Gemach, Dein Kind schrie auf, und dann warst du hinüber. Hast du Jemand weh gethan Hast du Jemand weh gethan Und du hörst ein frommes Läuten, Denke, o gedenke d'ran: Seinen Tod könnt' es bedeuten. Geh' ihm nach und bitte ab — Bis du ihm das Herz erweichest, Daß nicht einst an seinem Grab Zagend du vorüber schleichest. Stille Wie liebe ich die stillen Seelen! Die Stille ist des Himmels Bild; Wie hohe Gaben ich mag wählen, Die Stille nur aus Heil'gem quillt. Still ist die Einsamkeit, der Friede, Es weint in Sehnsucht still der Schmerz, Und waltet stille Gluth im Liede, Dringt es am tiefsten in das Herz. Still sind Gedanken, Blumentriebe, Still ist der Schlaf, des Todes Schein, Still ist der Traum mit seiner Liebe, Bewegt doch still ein edles Sein. Auf des Lebens rauhem Gang Auf des Lebens rauhem Gang begegnet Jeder einem Engel, der ihn segnet, Wenn er ihn erkennet und versteht Und nicht blind an ihm vorübergeht. Solch' Erkennen ist das höchste Glück, Und versäumt, kehrt es so schwer zurück — Niemals ganz, nie wieder voll und rein, Niemals in so holdem Blüthenschein, Wie es ungesucht auf deinem Pfad Lächelnd dir zum ersten Mal genaht. Einem Scheinbild huldiget der Eine, Und der Andre wähnt, daß Alles scheine; Beide beten ihren trüben Wahn, Beten gottlos nur sich selber an, Treiben mit der Lüg' Abgötterei, Und in Ketten nennen sie sich frei, Die sie um die Seele ohne Schwingen, Um die eigennütz'ge Seele schlingen: Doch der Freiheit gottbeseelte Blüthe Blüht nur aus der Wahrheit im Gemüthe. Frag' nicht spöttisch, was der Wahrheit Licht sei! Deine Frag' antwortet, was es nicht sei! Frage wie ein Kind mit frommer Seele, Daß die rechte Antwort dir nicht fehle; Sturm und Stille, Früh- und Abendroth, Stern und Blumen, Menschenlust und Noth — Was du siehst und hörst und mitempfindest, Was du unterscheidest und verbindest, Alles ist bereit, von irren Gleisen Auf die Bahn der Wahrheit dich zu weisen. Überall durch diese Welt voll Mängel Sendet Wahrheit ihre guten Engel, Um der Menschen Herzen zu umfrieden; Dir auch ist der deinige beschieden, Ernst und mild auf deinem Gang durch's Leben Dir das sicherste Geleit zu geben; Wenn er naht — o weis' ihn nicht zurück, Denn nur er bringt dir ein dauernd Glück! Mit Gott an's Werk! Gehe hin in Gottes Namen, Greif dein Werk mit Freuden an; Frühe säe deinen Samen! Was gethan ist, ist gethan. Sieh' nicht aus nach dem Entfernten; Was dir nah' liegt, mußt du thun; Säen mußt du, willst du ernten; Nur die fleiß'ge Hand wird ruh'n. Müßigstehen ist gefährlich, Heilsam unverdross'ner Fleiß, Und es steht dir Abends ehrlich An der Stirn des Tages Schweiß. Weißt du auch nicht, was gerathen, Oder was mißlingen mag, Folgt doch allen guten Thaten Gottes Segen für dich nach. Es ist ein tiefer Segen Es ist ein tiefer Segen, Der aus dem Wort dir spricht: „Erfülle allerwegen Getreulich deine Pflicht!“ Das nehme wahr dein Wille, Wie gleichen Pendelschlag, Der nur erst, schweigt er stille, Die Ruh' dir stören mag. Welch' Ziel du magst erstreben, Sei's nah, sei's hoch und fern, — Weiht nicht die Pflicht dein Leben, So fehlt dein guter Stern: Der Stern, der wunderhelle Mit reinem Himmelslicht Von seiner ew'gen Quelle Dir zum Gewissen spricht. Das Glück mag bilden, ründen, Erhöhn und Schmuck verleihn, Doch muß, um fest zu gründen, Die Pflicht geschäftig sein. Du freust dich am Gestalten Und nennst mit Stolz, was dein, Doch wahren und erhalten, Das kann die Pflicht allein. Wie sie mit freud'gem Sorgen Ihr Tagwerk gestern that, So thut sie's heut und morgen Und nimmt von sich nur Rath. Der Lüg' und allem Schlechten Geht sie bedacht vorbei; Schritt hält sie mit dem Rechten, Und dienend ist sie frei. O halte sie in Ehren, Die fromme Schaffnerin; Sie bürgt noch im Entbehren Dir köstlichen Gewinn Und rettet dir aus trüber Bedrängniß dieser Welt, Was über's Grab hinüber Dir Wort und Treue hält. Blick in die Zukunft Rufe nicht vergang'ne Tage, Nicht verschwund'ne Zeit zurück; Leb' der Gegenwart und klage Nimmer um verschwund'nes Glück. Liegt die Welt doch vor dir offen, Lenke kühn des Schiffes Kiel, Du sollst kämpfen, dulden, hoffen. Und erreichst das ferne Ziel. Weh dem Manne, der verzagend Auf verfloss'ne Stunden schaut, Der, die Gegenwart verklagend, Nicht der eignen Kraft vertraut; Der mit Wehmuth und voll Bangen Rückwärts hält den Blick gewandt, Glänzend liegt, du mußt's erlangen, Vor dir das gelobte Land! Vorwärts, vorwärts, immer weiter! Such' der Sehnsucht goldnes Vließ, Dann erkämpfst du siegesheiter, Was die Jugend dir verhieß. Rufe nicht vergang'ne Tage, Nicht verschwund'ne Zeit zurück, Leb' der Gegenwart und klage Nimmer um entschwund'nes Glück! Streb' in Gott Streb' in Gott dein Sein zu schlichten, Werde ganz, so wirst du stark; All dein Handeln, Denken, Dichten Quell' aus Einem Lebensmark. Niemals magst du reinsten Muthes Schönes bilden, Gutes thun, Wenn dir Schönes nicht und Gutes Auf demselben Grunde ruhn. An die Sprache Reine Junafrau, ewig schöne, Geist'ge Mutter deiner Söhne, Mächtige von Zauberbann, Du, in der ich leb' und brenne, Meine Brüder kenn' und nenne, Und dich selber preisen kann! Da ich aus dem Schlaf erwachte, Noch nicht wußte, daß ich dachte, Gabest du mich selber mir, Ließest mich die Welt erbeuten, Lehrtest mich die Räthsel deuten, Und mich spielen selbst mit dir. Spenderin aus reichem Horne, Schöpferin aus vollem Borne, Wohnerin im Sternenzelt! Alle Höhn hast du erflügelt, Alle Tiefen du entsiegelt Und durchwandelt alle Welt. Durch der Eichenwälder Bogen Bist du brausend hingezogen, Bis der letzte Wipfel barst; Durch der Fürstenschlösser Prangen Bist du klingend hergegangen, Und noch bist du, die du warst. Stürme, rausche, lispl' und säusle! Zimmre, glätte, hau' und meißle, Schaffe fort mit Schöpfergeist! Dir läßt gern der Stoff sich zwingen, Und dir muß der Bau gelingen, Den kein Zeitstrom niederreißt. Mach' uns stark an Geisteshänden, Daß wir sie zum Rechten wenden, Einzugreifen in die Reihn. Viel Gesellen sind gesetzet Keiner wird gering geschätzet, Und wer kann, soll Meister sein. Muttersprache Muttersprache, Mutterlaut! Wie so wonnesam, so traut! Erstes Wort, das mir erschallet. Süßes, erstes Liebeswort, Erster Ton, den ich gelallet, Klingest ewig in mir fort. Ach, wie trüb' ist meinem Sinn, Wenn ich in der Fremde bin. Wann ich fremde Zungen üben, Fremde Worte brauchen muß, Die ich nimmermehr kann lieben, Die nicht klingen als ein Gruß! Sprache schön und wunderbar, Ach wie klingest du so klar! Will noch tiefer mich vertiefen In den Reichthum, in die Pracht, Ist mirs doch, als ob mich riefen Väter aus des Grabes Nacht. Klinge, klinge fort und fort! Heldensprache, Liebeswort, Steig empor aus tiefen Grüften, Längst verscholl'nes altes Lied! Leb' auf's Neu' in heil'gen Schriften, Daß dir jedes Herz erglüht. Überall weht Gottes Hauch, Heilig ist wohl mancher Brauch. Aber soll ich beten, danken, Geb' ich meine Liebe kund, Meine seligsten Gedanken, Sprech' ich wie der Mutter Mund. Lorbeer und Rose Gebt den Lorbeer, wem ihr wollt, Gebt ihn jedem Dichter, Gebt die Kette ihm von Gold, Ihr ästhet'schen Richter. Gebt die volle Rose mir, Diese liebverklärte; Liebe war die Muse mir, Die mich dichten lehrte. Poesie Mich hält kein Band, mich fesselt keine Schranke, Frei schwing' ich mich durch alle Räume fort. Mein unermeßlich Reich ist der Gedanke Und mein geflügelt Werkzeug ist das Wort. Was sich bewegt im Himmel und auf Erden, Was die Natur tief im Verborgnen schafft, Muß mir entschleiert und entsiegelt werden, Denn nichts beschränkt die freie Dichterkraft; Doch Schön'res find' ich nicht, wie lang' ich wähle, Als in der schönen Form — die schöne Seele. Die Herzenskapelle Im Herzen heg' ich eine Stelle, Die ist so friedlich und geweiht, Wie eine stille Waldkapelle In grüner Abgeschiedenheit. Der laute Tag mit hellem Scheine Dringt in die süße Dämm'rung nie: Nur leise glimmt vor heil'gem Schreine Die ew'ge Ampel Poesie. An Dichter und Leser Willst du dichten — sammle dich, Sammle dich wie zum Gebete, Daß dein Geist andächtiglich Vor das Bild der Schönheit trete, Daß du seine Züge klar, Seine Fülle tief erschauest, Und es dann getreu und wahr Wie in reinen Marmor hauest. Willst du lesen ein Gedicht — Sammle dich wie zum Gebete, Daß vor deine Seele licht Das Gebild des Dichters trete, Daß durch seine Form hinan Du den Blick dir aufwärts bahnest Und, wie's Dichteraugen sah'n, Selbst der Schönheit Urbild ahnest. Poesie Poesie ist tiefes Schmerzen, Und es kommt das echte Lied Einzig aus dem Menschenherzen, Das ein tiefes Leid durchglüht. Doch die höchsten Poesien Schweigen wie der höchste Schmerz, Nur wie Geisterschatten ziehen Stumm sie durch's gebroch'ne Herz. Wenn du willst im Menschenherzen — Wenn du willst im Menschenherzen Alle Saiten rühren an, Stimme du den Ton der Schmerzen, Nicht den Klang der Freuden an. Mancher ist wohl, der erfahren Hat auf Erden keine Lust; Keiner, der nicht still bewahren Wird ein Weh in seiner Brust. Perle und Lied Die Perle wahrend im Gehäuse, Das seinen Schatz verborgen hält, So schifft die stille Muschel leise Durch's tiefe Wogenmeer der Welt. Der Muschel gleichen meine Lieder: Von einer Thräne sind sie schwer, Und leise ziehn sie auf und nieder Durch meiner Schmerzen tiefes Meer. Des Liedes Geburt Der Welt entfloh'n, sich emsam wiegend Im tiefsten abgeschiednen Hain, Zum Kranze Blüth' an Blüthe fügend Mit leichter Hand im Morgenschein, Des Liedes Preis in raschem Siege Gewinnend in des Waldes Haus: So malst du deines Dichters Züge Mit buntem Farbenspiel dir aus. Und Bächlein, Heerden und Gefieder, Der Sonne segensreiche Pracht, Den Mond und seine Strahlenbrüder, Die heil'ge tiefverschwiegne Nacht Gibst du zu traulichen Geschwistern Ihm, reichlich spendend, an die Hand; Doch sprich: hast du aus ihrem Flüstern Den Pulsschlag seiner Brust erkannt? Du hast nur in dem Wunderspiegel Der Form sein Königreich erschaut Und dich des Liedes leichtem Flügel Nur allzuwillig anvertraut, In Einklang deines Herzens Glocken Mit jenen Tönen froh gebracht: Kann denn sein Lied dich nicht verlocken Hinein in seines Bildens Schacht? Wohl sind Gestalten ihm verliehen, Gestalten, hoch und hehr geschmückt, Die, kaum genaht, dir spurlos fliehen, Ihn schon im Wandel hoch beglückt: Doch wie die raschbewegte Welle Des Ufers sanft gebrochnen Schein, So nahm, in leichtgetrübter Helle, Ihr Bild sein tiefstes Wesen ein. Er trägt die theure Last von dannen, Sein Fuß ist leicht und froh beschwingt, Er sinnt, das Bildniß fest zu bannen, Das nur der Kampf zum Bleiben zwingt. Ob auch, aus Qual und Angst geboren, Der Zweifel in sein Ringen drang: Es blieb der Sieg ihm unverloren, Der nie verzagter Kraft gelang. Er hat dem Bild zu wahrem Leben Verlieh'n des eignen Odems Gluth, Sein bestes Herzblut hingegeben Und mancher Thräne heiße Fluth, Und all sein Lieben, all sein Hoffen Hineingelegt voll Lust und Schmerz — In seinem Reichthum stand ihm offen Ein menschenliebend Dichterherz. Und immer mehr begabt mit Wahrheit, Mit Anmuth heitrer Fleiß sein Bild, Bis hell in morgenfrischer Klarheit Dem Auge flammend sich's enthüllt, In einen Hauch zusammenwebend Die reiche duft'ge Farbenpracht Und, seines Schöpfers Hand entschwebend, Dem fremden Blick entgegenlacht. So naht dir's auf des Klanges Wogen Und fleht um heißersehnte Rast; Zu deinem Herzen eingezogen, Empfängst du den geliebten Gast. Dein Antheil sei, ihn festzuhalten, Dein Dank gebührt der Muse Gunst, Sie lehrt des Dichters Hand gestalten Natur im Liede — durch die Kunst. Spurlos Schneeflocken schweben, sinken, Rieseln hernieder leis; Befiederte Sternchen blinken Auf Wies' und spiegelndem Eis; Kaum gaukelt eins hernieder, So decken die andern es dicht, Kein Aug' erblickt es wieder — Schneeflocken zählen sich nicht. Der Frühling kommt; die Quellchen Erwachen aus dumpfem Traum; Thalabwärts hüpfen die Wellchen Mit dem Helm von Silberschaum; Sie rinnen, rollen, rauschen, Umfangen und küssen sich lieb — Kein Auge mag's belauschen, Wo Well' und Wellchen blieb. Aus dichtem Moose ringen, Tief im schweigsamen Wald, An's Licht, aus Brombeerschlingen, Sich Blumen mannigfalt. Sich still entfalten und färben Ist ihre Seligkeit, Und wenn sie welken und sterben, Trägt Keiner um sie Leid. Und auch in Dichterherzen Stehn Blum' an Blume gedrängt, Genährt vom Thau der Schmerzen, Vom Thau der Lust getränkt; Sie duften, sie welken wieder, Von keinem Auge gesehn: Wollen denn Blumen und Lieder Mehr als blühn und verwehn? Poesie Frägst du mich im Räthselspiele, Wer die zarte lichte Fey, Die sich drei Kleinoden gleiche Und ein Strahl doch selber sei? Ob ich's rathe? ob ich fehle? Liebchen, pfiffig war ich nie, Doch in meiner tiefsten Seele Hallt es: das ist Poesie! Jener Strahl, der, Licht und Flamme, Keiner Farbe zugethan, Und doch, über Alles gleitend, Tausend Farben zündet an, Jedes Recht und Keines Eigen. Die Kleinode nenn' ich dir: Den Türkis, den Amethisten, Und der Perle edle Zier. Poesie gleicht dem Türkise, Dessen frommes Auge bricht, Wenn verborgner Säure Brodem Nahte seinem reinen Licht; Dessen Ursprung Keiner kündet, Der wie Himmelsgabe kam, Und des Himmels milde Bläue Sich zum milden Zeichen nahm. Und sie gleicht dem Amethisten, Der sein veilchenblau Gewand Läßt zu schnödem Grau erblassen An des Ungetreuen Hand; Der, gemeinen Götzen fröhnend, Sinkt zu niedren Steines Art, Und nur Einer Flamme dienend, Seinen edlen Glanz bewahrt; Gleicht der Perle auch, der zarten, Am Gesunden thauig klar, Aber saugend, was da Krankes In geheimsten Adern war; Sahst du niemals ihre Schimmer Grünlich, wie ein modernd Tuch? Eine Perle bleibt es immer, Aber die ein Siecher trug. Und du lächelst meiner Lösung, Flüsterst wie ein Widerhall: Poesie gleicht dem Pokale Aus venezischem Kristall; Gift hinein — und schwirrend singt er Schwanenliedes Melodie, Dann in tausend Trümmer klirrend, Und hin ist die Poesie! Seiner Tage dunkles Ringen Seiner Tage dunkles Ringen, Seines Volks Begehr und Streit, Alles mag der Dichter singen; Aber viel gehört der Zeit. Mag er zorn'gen Kampf erheben, Wenn's der Augenblick gebeut; Doch dazwischen soll er weben, Was sich fort und fort erneut. Denn es werden einst Geschlechter, Die auf seinen Siegen stehn, Ungerührt im wunden Fechter Nur ein prächtig Schauspiel sehn. Das nur wird durch ihre Reihen Gehn mit vollem Widerklang, Was er von den ew'gen Dreien, Gott, Natur und Liebe sang. Dichterberuf Der Freiheit Priester, der Vasall des Schönen, So wird der Dichter in die Welt gesandt; Ein Troubadour zieh' er von Land zu Land, Das Herrlichste mit seinem Lied zu krönen. Die Heldenthat gewinn in seinen Tönen Für alle Zeiten sicheren Bestand, Den eignen Kummer schreib' er in den Sand, Des eignen Herzens mög' er sich entwöhnen. Ein Gärtner, dem der Garten nur gegeben, Für fremde Busen Blumen d'raus zu pflücken, Ein Winzer, der für Fremde baut die Reben — Sei all' sein Trost, nur And're zu beglücken; Dem armen Taucher gleich, wag' er das Leben, Mit selt'nen Perlen seine Zeit zu schmücken. Ich fuhr von St. Goar Ich fuhr von Sankt Goar Den grünen Rhein zu Berge; Ein Greis im Silberhaar War meines Nachens Ferge. Wir plauderten nicht viel; Die Felsen sah ich gleiten Dahin im Wellenspiel, Und dachte vor'ger Zeiten. Und als wir an der Pfalz Bei Caub vorüber waren, Kam hellen Liederschalls Ein Schiff zu Thal gefahren. In's weiße Segel schien Der Abend, daß es glühte; Studenten saßen drin, Mit Laub umkränzt die Hüte. Da ging von Hand zu Hand Der Kelch von grünem Glaste, Das schönste Mägdlein stand In goldnem Haar am Maste. Sie streute Rosen roth Hinunter in die Wogen, Und grüßte, wie im Boot Wir sacht vorüberzogen. Und horch — nun unterschied Das Singen ich der Andern: Da war's mein eigen Lied; Ich sang es einst vom Wandern: Ich sang's vor manchem Jahr, Berauscht vom Maienscheine, Da ich gleich jenen war Student zu Bonn am Rheine. Wie seltsam traf's das Ohr Mir jetzt aus fremdem Munde! Ein Heimweh zuckt' empor In meines Herzens Grunde. Ich lauschte, bis der Klang Zerfloß im Windesweben; Doch sah ich drauf noch lang' Das Schifflein glänzend schweben. Es zog dahin, dahin — Still saß ich, rückwärts lugend; Mir war's, als führe drin Von dannen meine Jugend. Wohl weiß ich einen Kranz zu winden Wohl weiß ich einen Kranz zu winden Aus Blumen, die ich einst gepflückt — Wohl auch das rechte Wort zu finden, Ob ich betrübt bin, ob beglückt. So lang' ich meiner Sinne Meister, So lang' ich weiß, was mir gefällt, Gehorchen dienstbar mir die Geister Der Blumen und der Feenwelt. Doch in der heil'gen Gluth des Kusses, Im Wunderleuchten des Geschicks, Im Augenblick des Vollgenusses, Im Vollgenuß des Augenblicks: Da fehlen mir zum Lied die Töne, Gleichwie der Nachtigall der Schlag, Weil wohl der Mensch das höchste Schöne Genießen, doch nicht singen mag. Wer kann die helle Sonne malen In höchster Gluth, im Mittaglicht? Wer nur sie sehn mit ihren Strahlen Von Angesicht zu Angesicht? Trost Es haben viel Dichter gesungen Im schönen deutschen Land, Nun sind ihre Lieder verklungen, Die Sänger ruhen im Sand. Aber so lange noch kreisen Die Stern' um die Erde rund, Thun Herzen in neuen Weisen Die alte Schönheit kund. Im Walde da liegt verfallen Der alten Helden Haus, Doch aus den Thoren und Hallen Bricht jährlich der Frühling aus. Und wo immer müde Fechter Sinken im muthigen Strauß, Es kommen frische Geschlechter Und fechten es ehrlich aus. Der letzte Dichter Wann werdet ihr, Poeten, Des Dichtens einmal müd'? Wann wird einst ausgesungen Das alte, ew'ge Lied? „Ist nicht schon längst geleeret Des Überflusses Horn? Gepflückt nicht alle Blumen, Erschöpft nicht jeder Born?“ So lang' der Sonnenwagen Im Azurgleis noch zieht, Und nur Ein Menschenantlitz Zu ihm empor noch sieht; So lang' der Himmel Stürme Und Donnerkeile hegt, Und bang' vor ihrem Grimme Ein Herz noch zitternd schlägt; So lang' nach Ungewittern Ein Regenbogen sprüht, Ein Busen noch dem Frieden Und der Versöhnung glüht; So lang' die Nacht den Äther Mit Sternensaat besät, Und noch ein Mensch die Züge Der goldnen Schrift versteht; So lang' der Mond noch leuchtet, Ein Herz noch sehnt und fühlt; So lang' der Wald noch rauschet Und einen Müden kühlt; So lang' noch Lenze grünen Und Rosenlauben blühn, So lang' noch Wangen lächeln Und Augen Freude sprühn; So lang' noch Gräber trauern Mit den Cypressen dran, So lang' ein Aug' noch weinen, Ein Herz noch brechen kann: So lange wallt auf Erden Die Göttin Poesie, Und mit ihr wandelt jubelnd, Wem sie die Weihe lieh. Und singend einst und jubelnd Durch's alte Erdenhaus Zieht als der letzte Dichter Der letzte Mensch hinaus. Noch hält der Herr in Händen Die Schöpfung, ungeknickt Wie eine frische Blume, Auf die er lächelnd blickt. Wenn diese Riesenblume Dereinstens abgeblüht Und Erden, Sonnenbälle Als Blüthenstaub versprüht: Erst dann fragt, wenn zu fragen Die Lust euch noch nicht mied, Ob endlich ausgesungen Das alte, ew'ge Lied? Des Sängers Wiederkehr Jor negt der Singer auf der Bahre, Deß bleicher Mund kein Lied beginnt, Es kränzen Daphne's falbe Haare Die Stirne, die nichts mehr ersinnt. Man legt zu ihm in schmucken Rollen Die letzten Lieder, die er sang; Die Leier, die so hell erschollen, Liegt ihm in Armen, sonder Klang. So schlummert er den tiefen Schlummer, Sein Lied umweht noch jedes Ohr; Doch nährt es stets den herben Kummer, Daß man den Herrlichen verlor. Wohl Monden, Jahre sind verschwunden, Cypressen wuchsen um sein Grab; Die seinen Tod so herb empfunden, Sie sanken alle selbst hinab. Doch, wie der Frühling wiederkehret Mit frischer Kraft und Regsamkeit, So wandelt jetzt, verjüngt, verkläret, Der Sänger in der neuen Zeit. Er ist den Lebenden vereinet, Vom Hauch des Grabes keine Spur! Die Vorwelt, die ihn todt geweinet, Lebt selbst in seinem Liede nur. Glosse 
 „Wort gehalten wird in jenen Räumen 
 Jedem schönen, gläubigen Gefühl, 
 Wage du zu hoffen und zu träumen! – 
 Hoher Sinn liegt oft im kind'schen Spiel.“ 
 Schiller. Was verzagst du, trauerndes Gemüth, Bildest stets zum Leid dir neue Leiden? Armes Herz! da dich die Liebe flieht, Willst auch du die Lieb' erzürnend meiden? Was dich tief und mächtig einst erfüllt, Halt' es fest in Leiden und in Schmerzen! Jeder Gram, den dir die Zeit verhüllt, War ein heil'ger Schmuck in deinem Herzen. Kann der Blinde wohl von Farb' und Glanz, Kann vom Klang der Taubgeborne träumen? Was du ahnst, das täuscht dich nimmer ganz; Wort gehalten wird in jenen Räumen. Doch auch hier soll nie der Geist verzagen, Soll getrost in jedem Kampfe stehn; Herrlich ist's, ein großes Leid zu tragen, Göttlich ist's, in Liebe zu vergehn. Kalt und todt und deutungslos entschwindet Jedes Bild der unbewegten Brust; Nur der Gott, der in uns wohnt, empfindet Tiefen Schmerz und wunderbare Lust. Wird auch nie das Kleinod dir beschieden, Schon die Sehnsucht ist ein großes Ziel. Und es blüht die Palme schon hienieden Jedem schönen, gläubigen Gefühl. Mag der Herbst das welke Laub zerstreu'n, Mag der Sturm die Blüthen dir entführen, Was du liebst, das bleibt auf ewig dein; Nimmer kann das Herz sich selbst verlieren. Zürne nicht, wenn dich die Welt begrenzt! Irdisch ist und endlich jede Schranke, Und im hartbedrängten Herzen glänzt Leuchtender ein göttlicher Gedanke. An dem Glauben bricht des Todes Macht, Aus dem Grabe wird die Hoffnung keimen, Nur der Zweifel irrt in ew'ger Nacht. Wage du zu hoffen und zu träumen! Wenn auch um der Hoffnung Zauberwelten Finster oft ein Sturmgewölk sich zog, Laß es nie die Trösterin entgelten, Daß das Schicksal feindlich dich betrog! Muthig strebt der edle Geist nach oben — Zu der Wünsche luftig holdem Reich; Und der Thron, zu dem er sich erhoben, Sinkt mit seinem Hoffen nicht zugleich. Ward der Kampf vergebens auch begonnen: Würd'ger macht die Mühe dich dem Ziel; Zage nicht, gewagt ist auch gewonnen! — Hoher Sinn liegt oft in kind'schen Spiel! Die Thräne Im Winter, wo die Welt ringsher So schauerlich erblichen, Ist eine Thräne trüb' und schwer Ins Auge mir geschlichen. Die Welt erwacht aus ihrem Tod, Der Winter ist vertrieben! Ich rieb mein Auge feuerroth, Die Thräne ist geblieben. Vergebens wird auf Baum und Flur Sein Gold der Frühling sticken, Ich soll die blühende Natur In Thränen nur erblicken. Im Winter gab es böse Zeit, Da dacht' ich oft so trübe Der seligen Vergangenheit, So voll von Glück und Liebe. Dann dacht' ich, was ich all' gestrebt Und was mir all' mißlungen, Und wie ich ewig gluthbelebt, Doch nie ein Ziel errungen. Ich dachte, wie es schmerzt und brennt, Dies ewig leere Streben: Mein Denken war ein Monument Auf ein verfehltes Leben. Mein Fühlen war so öd' und leer, Und alles Glück entwichen; Da ist die Thräne trüb' und schwer Ins Auge mir geschlichen. Alphorn Ein Alphorn hör' ich schallen, Das mich von hinnen ruft, Tönt es aus wald'gen Hallen? Tönt es aus blauer Luft? Tönt es von Bergeshöhe, Aus blumenreichem Thal? Wo ich nur steh' und gehe, Hör' ich's in süßer Qual. Bei Spiel und frohem Reigen, Einsam mit mir allein, Tönt's, ohne je zu schweigen, Tönt tief in's Herz hinein. Noch nie hab' ich gefunden Den Ort, woher es schallt, Und nimmer wird gesunden Dies Herz, bis es verhallt. Die Heimath der Träume Hoch über allen Wolken liegt ein Ort, Von keines Menschen Auge noch gesehen, Ein unbegrenzter Frühing blühet dort, Ein Garten, wo nur süße Düfte wehen; Hold niederlächelnd auf die heitre Flur, Wölbt sich ein Himmelsbogen von Azur; Dort sammeln sich auf einer bunten Wiese Die jüngsten Engel aus dem Paradiese. Dort sitzen sie gereiht in einen Kreis, Gewiegt von einem Blumenbett und weben Aus feinem Stoff, mit emsigstillem Fleiß, Die Träume, die um unser Lager schweben, Wenn uns die Zeit der ersten Liebe blüht, Der erste Kuß auf uns'ren Lippen glüht, Und uns'ren trunknen Blicken, neugestaltet, Sich selig eine schön're Welt entfaltet. Das Schifflein saust bis in die späte Nacht, Bis jeder Meister seinen Traum vollendet, Da wird der Iris siebenfarbne Pracht, Der Sterne Gold, der Blumen Duft verwendet, Zum Grunde dient ein weißer Nebelflor, Manch köstliches Gemälde steigt empor, Von zartem Blumenstaube überflogen, Mit Morgenroth und Mondesglanz umzogen. Und wenn die Bilder fertig sind, dann fliegt Sein Werk im Arm, auf leuchtendem Gefieder, Sobald die Welt in tiefem Schlummer liegt, Ein jeder Engel auf die Erde nieder; Und wo ein Jüngling oder Mädchen weilt, Da werden Träume ausgetheilt, Erröthend sieht sich, Myrthen in dem Haare, Die Braut mit dem Geliebten am Altare. So ward auch einst ein unvergeßlich Bild Im Heimathland der Träume mir dort oben, Auf jenem ewig blühenden Gefild Von einer lieben Engelshand gewoben; Ich bin erwacht, entschwunden ist mein Glück, Ich sehne nach dem Frühling mich zurück, Mir blieben nur der Dichtung weite Räume, Und meine Lieder sind nur meine — Träume. Um Mitternacht Um Mitternacht, in ernster Stunde, Tönt oft ein wundersamer Klang: 'S ist wie aus liebem Muttermunde Ein freundlich tröstender Gesang. In süßen, unbelauschten Thränen Löst er des Herzens bange Pein, Und alles unmuthvolle Sehnen Und allen Kummer wiegt er ein. Als käm' der Mai des Lebens wieder, Regt sich's im Herzen wunderbar: Da quellen Töne, keimen Lieder, Da wird die Seele jung und klar. So tönet oft das stille Läuten, Doch ich versteh' die Weise nie: Und nur mitunter möcht' ich's deuten, Als wär's der Kindheit Melodie. Schlaf, du liebes Kind! Schlaf, du liebes Kind! Gottes Engel sind Dir zur Wache zugegeben: Ihre Fittige umschweben Dich, und fächeln Ruh Deinem Lager zu. Friede aus der Höh' Hält noch Angst und Weh Von dir ab; noch frei von Kummer Liegst du da in sanftem Schlummer. Schlummre still und lind — Schlaf, du liebes Kind! Laßt mich ruhen Laßt mich ruhen, laßt mich träumen, Wo die Abendwinde linde Säuseln in den Blüthenbäumen, Wo der Nachtigallen Lieder wieder In der Zweige Dämm'rung schallen! Wie des Mondes Silberhelle Auf des Baches dunkler Welle, Spielt in dieser lichten Stunde Auf des Lebens dunklem Grunde Der vergangnen Tage Freud' und Klage. Der Erinn'rung Lust und Schmerzen Flimmern auf in meinem Herzen — Laßt mich ruhen, laßt mich träumen Bei der Nachtigallen Sange Unter vollen Blüthenbäumen Lange — lange! Erheiterung durch Thränen Die Wolken ziehn herüber So dicht gedrängt und grau, Und trüber, immer trüber Wird rings des Himmels Blau. Und du, wie ist entflogen Dir alle Heiterkeit, Die Seele überzogen Von unnennbarem Leid! Die Wolken strömen nieder, Wie blau der Himmel scheint! Wie heiter bist du wieder! Hast du vielleicht geweint? Besseres Loos Wenn Nacht um Bergeshülle Den dunkeln Mantel schwingt Und durch die Todtenstille Auch nicht ein Laut mehr dringt: Dann eil' ich, Trost zu lernen, Durch Felsen, Wald und Wies', Es sucht durch Bergesfernen Mein Herz ein in den Sternen Verlor'nes Paradies. O glücklich, wer inmitten Von hundert Kämpfen steht, Und, wenn er ausgestritten, Im Kampf nicht untergeht, Wer nicht die eignen Wunden Im Kinde wiedersieht, Die Narben jener Stunden, An die uns festgebunden Der Gram hinunterzieht. Wer auf der Höhe Gipfel Das Donnern ringsum hört, Sieht unter sich die Wipfel Im Sturm vom Blitz versehrt. Doch anzuschau'n die Marter Im Herzen, das uns liebt, Der Anblick ist ein harter, Das Auge sieht erstarrter, Das Schmerz der Liebsten trübt. Zu meinen Bürden lade, Geschick, all' dein Gewicht, Doch die mich lieben — Gnade Den Theuren fehle nicht! — Mich muthig durchzuschlagen, Fühl' ich mich wohl beherzt; Doch nie konnt' ich's ertragen, Wenn mein, auch stumm nur klagend Ein Herz, das mich liebt, schmerzt. Die Bilderbibel Du Freund aus Kindertagen, Du brauner Foliant, Oft für mich aufgeschlagen Von meiner Lieben Hand; Du, dessen Bildergaben Mich Schauenden ergötzten. Den spielvergess'nen Knaben Nach Morgenland versetzten: Du schobst für mich die Riegel Von ferner Zone Pforten, Ein kleiner, reiner Spiegel Von dem, was funkelt dorten! Dir Dank! durch dich begrüßte Mein Aug' eine fremde Welt, Sah Palm', Kameel und Wüste, Und Hirt und Hirtenzelt. Du brachtest sie mir näher, Die Weisen und die Helden, Wovon begeisterte Seher Im Buch der Bücher melden; Die Mädchen, schön und bräutlich, So ihre Worte schildern, Ich sah sie alle deutlich In deinen feinen Bildern. Der Patriarchen Leben, Die Einfalt ihrer Sitte, Wie Engel sie umschweben Auf jedem ihrer Schritte, Ihr Zieh'n und Heerdentränken, Das hab' ich oft gesehn, Konnt' ich mit stillem Denken Vor deinen Blättern stehn. Mir ist, als lägst du prangend Dort auf dem Stuhle wieder; Als beugt' ich mich verlangend Zu deinen Bildern nieder; Als stände, was vor Jahren Mein Auge staunend sah, In frischen, wunderbaren, Erneuten Farben da; Als säh' ich in grotesken, Verworrenen Gestalten Auf's Neue die Moresken, Die bunten, mannigfalten, Die jedes Bild umfaßten, Bald Blumen, bald Gezweig, Und zu dem Bilde paßten, An sinniger Deutung reich! Als trät' ich, wie vor Zeiten, Zur Mutter bittend hin, Daß sie mir sollte deuten Jedweden Bildes Sinn. Als lehrte zu jedem Bilde Sie Sprüche mich und Lieder, Als schaute sanft und milde Der Vater auf uns nieder. O Zeit, du bist vergangen! Ein Mährchen scheinst du mir! Der Bilderbibel Prangen, Das gläub'ge Aug' dafür, Die theuren Eltern beide, Der stillzufriedne Sinn, Der Kindheit Lust und Freude — Alles dahin, dahin! Der Jugend Die in der Lebensurne bunte Loose Mit Jugendübermuth ihr lachend greift; Euch, denen glühend noch die Purpurrose Im duft'gen Kranz die blüh'nden Locken streift; Euch, die ihr noch in sel'gen Wahns Gekose Jedwede Blüthe seht zur Frucht gereift, Euch, die ihr selbst noch ringt, will ich sie bringen, Die Lieder, denn nur ihr versteht zu singen. Noch ist die blühende goldene Zeit Noch ist die blühende goldene Zeit, O du schöne Welt, wie bist du so weit! Und so weit ist mein Herz, und so blau wie der Tag, Wie die Lüfte, durchjubelt von Lerchenschlag! Ihr Fröhlichen, singt, weil das Leben noch mait: Noch ist die schöne, die blühende Zeit, Noch sind die Tage der Rosen! Frei ist das Herz, und frei ist das Lied, Und frei ist der Bursch, der die Welt durchzieht, Und ein rosiger Kuß ist nicht minder frei, So spröd' und verschämt auch die Lippe sei. Wo ein Lied erklingt, wo ein Kuß sich beut, Da heißt's: Noch ist blühende goldene Zeit, Noch sind die Tage der Rosen! Ja, im Herzen tief innen ist Alles daheim, Der Freude Saaten, der Schmerzen Keim. Drum frisch sei das Herz und lebendig der Sinn, Dann brauset, ihr Stürme, daher und dahin! Wir aber sind allzeit zu singen bereit: Noch ist die blühende, goldene Zeit, Noch sind die Tage der Rosen! Eines frommen Kindes Gespielen Einfalt heißt das Himmelsmädchen, Das mit Göttern räth und denket, Das an unsichtbaren Fädchen Stern' und Menschenherzen lenket; Einfalt heißt die weiße Taube, Die den Pfad dem Wand'rer weiset, Wo der Himmelsherold Glaube Leuchtend hoch mit Sonnen kreiset. Unschuld heißt die zarte Blume, Ungesehen, kaum vernommen, Duftend still im Heiligthume, Daß wir in den Himmel kommen: Engel lauschen selig nieder, Wo das holde Blümlein blühet, Das uns von der Erde wieder Auf zur Götterheimath ziehet. Frommes Herz im reichen Busen, Selig lebt, wem du beschieden, Du verstehst die Kunst der Musen Und der Geister heil'gen Frieden, Du verstehst die hohen Flammen, Wodurch Menschen Götter werden Und in Einen Bund zusammen Lustig Himmel gehn und Erden. Laß die himmlischen Gespielen Nie von dir, du Stille, weichen, Höchsten Preis von höchsten Zielen Mögen diese Drei nur reichen; Laß das Faß der Danaiden Eitle Thoren rastlos füllen, In des Busens Gottesfrieden Halte fest den frommen Willen. Stimme des Kindes Ein schlafend Kind! o still! in diesen Zügen Könnt ihr das Paradies zurückbeschwören; Es lächelt süß, als lauscht' es Engelchören, Den Mund umsäuselt himmlisches Vergnügen. O schweige, Welt, mit deinen lauten Lügen, Die Wahrheit dieses Traumes nicht zu stören! Laß mich das Kind im Traume sprechen hören, Und mich, vergessend, in die Unschuld fügen! Das Kind, nicht ahnend mein bewegtes Lauschen, Mit dunklen Lauten hat mein Herz gesegnet, Mehr als im stillen Wald des Baumes Rauschen; Ein tief'res Heimweh hat mich überfallen, Als wenn es auf die stille Haide regnet, Wenn im Gebirg' die fernen Glocken hallen. Kindesgruß von drüben O weine nicht! Ich bin dir nicht gestorben; Ein ewig selig Leben ging mir auf. O, sähst du ihn, den Kranz, den ich erworben, Es hemmte gleich sich deiner Thränen Lauf. Hier wohnt der Friede, leuchtet ew'ges Licht. O weine nicht! — O weine nicht! — Was sollt' ich länger wallen Im dunkeln Land, wo Tod und Sünd' euch schreckt? Mir ist das Loos, das herrlichste, gefallen: Mein Palmzweig grünt, mein Kleid ist unbefleckt. Ich schau' in Wonne Gottes Angesicht — O weine nicht! — O weine nicht! Sieh, wie die Jahre schwinden: Auch dich trägt bald dein Engel zu mir her. Du wirst mich strahlend unter Engeln finden Und ewig trennt uns dann kein Sterben mehr. Drum hebe fromm zum Herrn dein Angesicht Und weine nicht! Meiner Mutter Zu ihrem letzten Geburtstage Da schwingt sich über Thal und Hügel Ein rosenfarb'nes Blatt zu dir, Und bringt, auf günst'ger Winde Flügel, Den allerschonsten Gruß von mir: Er soll den andern sich vereinen, Die heute festlich dich umwehn, Daß du und alle Lieben meinen, Mich selbst in ihrem Kreis zu sebn. O daß er doch ein Hymnus wäre Von tausend Stimmen voll und mild, Ein Blumenkranz wie für Altäre, Ein Licht vor ein Madonnenbild! Daß Töne in der Brust mir schliefen, Wie Orgeln stark, wie Glocken rein, Und dir im Chor entgegenriefen: Dein Erstgebor'ner dachte dein! Wenn jemals mir ein Lied gelungen, Das aus den jungen Saiten bricht, Wenn einst mein Wort mit Feuerzungen An gleichgestimmte Herzen spricht: So war, so ist's ja deine Seele, Die sich in meiner spät erschließt, Bald klagend singt wie Philomele, Bald adlergleich gen Himmel schießt. Du lehrtest mich durch Frühlingsauen Mit offnem Blick und Sinn zu gehn, Die Wunder der Natur zu schauen Und ihre Räthsel zu verstehn; Der erste Vers, den ich gestammelt, Du legtest mir ihn lächelnd aus, Und brachtest, durch dich selbst gesammelt, Mir meinen frühen Liederstrauß. Und wie du stets mit Muttersorgen Den schwachen Liebling treu gepflegt, Wenn kalt durch seinen Lebensmorgen Des Todes Schreckenshauch gefegt, So hast du auch mit starkem Schilde Mich vor dem innern Feind bewahrt, Und mich mit ächter Frauenmilde Geführt auf mancher wilden Fahrt. Daß mir ein Gott die Macht verliehen, Nur dir als Schutzgeist nah zu sein! Wie treulich wollt' ich mit dir ziehen, Dir meine ganze Jugend weih'n; Wie sorgsam würd' ich das entfernen, Was dich gedrückt auf trüber Bahn, Wie trüg' ich dich zu ew'gen Sternen Auf Ruhmesflügeln hoch hinan! Statt dessen nimm mit alter Güte Zu deinem Feste diesen Gruß, Als wär' er eine frische Blüthe, Auf deine Hand ein frischer Kuß! Fürwahr, der Gottes-Liedersegen Wird heute erst mir werth und lieb, Weil er auf meiner Mutter Wegen Ein Frühlingsblatt im Herbste trieb. Heimath des Mutterherzens Mein Mütterlein hat mir verkündet, Als einstens ich gefragt als Kind, Wozu die Sterne angezündet Am dunklen Himmelsbogen sind: Es sei für jedes Menschenwesen, Das wir bei uns verweilen sah'n, Ein Stern als Wohnung auserlesen, Wenn hier vollendet seine Bahn. Es würde selig dann von drüben Herüberschau'n mit treuem Blick Auf all die Herzen, die geblieben Noch auf der Erde sind zurück. Und wenn ein Mensch, das Aug' voll Thränen, Noch nicht vollbracht den dunklen Lauf, So soll' sich seine Seele sehnen Nach seiner Lieben Heimath auf. Manch' liebes Haupt hab' ich verloren Und Leid darum gehegt und Schmerz, Manch' treues andre Herz erkoren, Jedoch — kein zweites Mutterherz. Ob ich in Ängsten und Gefahren Mit Sturm und Wogen auch gekämpft, Ob Glück und Heil mir widerfahren, Nie ward in mir die Lust gedämpft, Die Lust, den Blick hinauf zu lenken Zum Sternenhimmel, licht und klar, Und Eines Wesens zu gedenken, Das einst mein Ein und Alles war. Denn wie das Mutterwort vor Jahren Entzückt des Kindes frohe Brust: Hab' ich die Kunde zu bewahren Der Sternenheimath stets gewußt. So wurde denn das schönste Feuer, Das hoch am nächt'gen Himmel kreist, Der Liebe Stern mir ewig theuer, Weil ihn bewohnt der Mutter Geist. Die vier Alter Unter Blumen springt der Knabe Spielend mit der freundlichen Welt, Die er noch als Knospe hält, Hat ein Roß in seinem Stabe Und im Bächlein seinen Belt. Spiele, spiele, froher Knabe! Und genieße, was dir gefällt! An dem Strom der Jüngling stehet Und sein Rauschen ihm schwellt das Herz; Sehnend, was er nicht verstehet, Flammt sein Blick hinüberwärts. Wie ein Täubchen von dem Schlage Fliegt er in die weite Welt, Bis mit jedem goldnen Tage Auch ein goldner Zauber fällt. Auf dem Lande, auf den Wogen Ist er viel umhergezogen Nur die Sorge bringt er mit In das Land der ersten Wiege, . Preis der Mühen, Preis der Siege, Und sie folgt ihm Schritt vor Schritt. In die Enge zieht der Mann Sich im Lebenssturm zusammen, Jeder Tag mit seinen Flammen Fragt ihn, ob er streiten kann; Seines Willens strenger Meister, Jagt er selbst die Hoffnung fort, Suchet in ihm selbst die Geister, Sucht sie nirgends oder dort; Kämpft für seines Herzens Nest, Daß sich Fremde d'rein nicht setzen, Hält, umringt von tausend Götzen, Nur im Schweiß das Heil'ge fest: Das Allmächt'ge, was zertrümmert, Ehrt er wie den Schwur des Styx, Sieht es kommen, aber wimmert Nicht um Gnade des Geschicks. Kraftlos schleicht der müde Greis Zitternd hin am Wanderstabe, Doch ihm blühen selbst am Grabe Blümlein blau und roth und weiß, Geistern trauet er und Träumen, Nimmt die Hoffnung wieder ein, Und mit goldnen Flügelsäumen Kommt sie hell wie Morgenschein. Der Strom Der Strom, sonst reich an vollen Wogen, Floß träg dahin, um auszuruh'n, Da kam der strenge Frost gezogen Und schlägt ihn leicht in Fesseln nun. Wie Mancher, der durch träge Schwäche So glatt, doch kalt und herzlos ward, Wie Mancher gleicht der todten Fläche, Die warnend mir entgegenstarrt. Erstarren kann nur, was verflacht ist, Die Well' als Welle friert nicht ein; Wer sich zu rühren stets bedacht ist, Wird nimmer kalt und fühllos sein. Kein Echo Es zittert durch die Luft ein Klang Und hallt im Herzen nach; Ob eine Aeolsharfe sprang, Ob wo ein Glöcklein brach? Hoch um die Alpenhorner fliegt Ein heller Morgentraum, Und auf dem See, gleich Schwänen, wiegt Sich weißer Segel Saum. O wüßt' ich doch, wie mir zu Muth! Zerfließen möcht' ich ganz, Vergehen in der Berge Gluth, In Abendduft und Glanz! Die Arme breit' ich sehnend aus Und rufe rings herum: Nur eine Hand, ein Herz, ein Haus! — Vergebens! — Alles stumm! Andachtsgefühl Es schlummern Gefühle selt'ner Art Im Herzen, tief und treu bewahrt, Sie weckt nicht auf der gold'ne Wein, Die Liebe selbst nicht schließt sie ein. Sie regen leise sich, erwacht, In heimlicher Stunde stiller Nacht. Wohl von den Sternen sind sie her, Denn Sternenschein ist ihr Begehr; Im nächtlich süßen Maienduft, Der die junge Rose in's Leben ruft, Da schweben sie auf in leichtem Schwung, Und du beugst dich ihnen in Huldigung. Der Seele Himmel durchziehen sie, Wie Morgenroth, du weißt nicht wie; Du wähnst in selt'nem Traum zu sein, Siehst doch in die Ruhe der Sterne hinein Und verweilest am schönen Mondeslicht, Und wahrlich, du träumst und schlummerst nicht. Ein Zauber hat deine Sinne gebannt, Ein Hauch aus fernem Geisterland, Der dir zum Heiligthum erhebt Den Raum, der über der Erde schwebt, — Du hast gebetet unbewußt, Und das ist jener Gefühle Lust. Ich möchte gern mich frei bewahren Ich möchte gern mich frei bewahren, Verbergen vor der ganzen Welt, Auf stillen Flüssen möcht' ich fahren, Bedeckt vom schatt'gen Wolkenzelt. Von Sommervögeln übergaukelt, Der ird'schen Schwere mich entzieh'n, Vom reinen Element geschaukelt, Die schuldbefleckten Menschen fliehn. Nur selten an das Ufer streifen, Doch nie entsteigen meinem Kahn, Nach einer Rosenknospe greifen, Und wieder ziehn die feuchte Bahn. Von ferne seh'n, wie Heerden weiden, Wie Blumen wachsen immer neu, Die Winzerinnen Trauben schneiden, Wie Schnitter mäh'n das duft'ge Heu, Und nichts genießen, als die Helle Des Lichts, das ewig lauter bleibt, Und einen Trunk der frischen Welle, Der nie das Blut geschwinder treibt. Was soll dies kindische Verzagen Was soll dies kindische Verzagen, Dies eitle Wünschen ohne Halt? Da du der Welt nicht kannst entsagen, Erob're dir sie mit Gewalt! Und konntest du dich auch entfernen, Es triebe Sehnsucht dich zurück; Denn ach, die Menschen lieben lernen, Es ist das einz'ge wahre Glück! Unwiderruflich dorrt die Blüthe, Unwiderruflich wächst das Kind, Abgründe liegen im Gemüthe, Die tiefer als die Hölle sind. Du siehst sie, doch du fliehst vorüber, Im glücklichen, im ernsten Lauf, Dem frohen Tage folgt ein trüber, Doch Alles wiegt zuletzt sich auf. Und wie der Mond im leichten Schweben, Bald rein und bald in Wolken steht, So schwinde wechselnd dir das Leben, Bis es in Wellen untergeht. Vertraue dich dem Licht der Sterne Vertraue dich dem Licht der Sterne, Beschleicht dein Herz ein bittres Weh, Sie sind dir nah in weiter Ferne, Wenn Menschen fern in nächster Näh'; Und hast du Thränen noch, so weine, O, weine satt dich ungesehn, Doch vor dem Aug' der Menschen scheine, Als wär' dir nie ein Leid geschehn. Verdammt die Welt dich in Verblendung, So such' auf stillem Waldespfad Dir neuen Muth für deine Sendung, Für starke Treu' und freie That; Um vor dir selber zu bestehen, Trägst du den Sieger in der Brust, Doch nicht die Menschen laß es sehen, Wie schweren Kampf du kämpfen mußt. Ist dir ein schönes Werk gelungen, So sei's zu neuem dir ein Ruf; Hast du ein treues Herz errungen, So denke, daß es Gott dir schuf; Wenn deine süß entzückte Seele Ganz voll von heil'ger Freude ist, O, nicht den Neid der Menschen wähle Zum Zeugen, daß du glücklich bist. Verachte kühn der Selbstsucht Streben, Wie oft sie dir Verfolgung schwur; Vor keinem Throne steh' mit Beben, Furcht hegt ein bös Gewissen nur. Demüthig wirf' in nächt'ger Stille Vor deinem Gott dich auf die Knie, Und bete: „Es gescheh' dein Wille!“ Doch vor den Menschen beug' dich nie. Und wenn dir Gottes Rathschluß sendet Der schwersten Prufung höchste Pein, Dann hast du's, ganz ihm zugewendet, Mit ihm zu thun und dir allein; Davon laß nicht die Lippe sprechen, Ob dir das Herz auch brechen will, Laß es in tausend Stücke brechen, Doch vor den Menschen schweige still. Frage O Menschenherz, was ist dein Glück? Ein räthselhaft geborner Und, kaum gegrüßt, verlorner Unwiederholter Augenblick! Sehnsucht Ach, aus dieses Thales Gründen, Die der kalte Nebel drückt, Könnt' ich doch den Ausgang finden, Ach, wie fühlt' ich mich beglückt! Dort erblick' ich schöne Hügel, Ewig jung und ewig grün! Hätt' ich Schwingen, hätt' ich Flügel, Nach den Hügeln zög' ich hin. Harmonien hör' ich klingen, Töne süßer Himmelsruh, Und die leichten Winde bringen Mir der Düfte Balsam zu. Goldne Früchte seh' ich glühen, Winkend zwischen dunklem Laub, Und die Blumen, die dort blühen, Werden keines Winters Raub. Ach, wie schön muß sich's ergehen Dort im ew'gen Sonnenschein, Und die Luft auf jenen Höhen — O, wie labend muß sie sein! Doch mir wehrt des Stromes Toben, Der ergrimmt dazwischen braust; Seine Wellen sind gehoben, Daß die Seele mir ergraust. Einen Nachen seh' ich schwanken, Aber, ach! der Fährmann fehlt. Frisch hinein und ohne Wanken! Seine Segel sind beseelt. Du mußt glauben, du mußt wagen, Denn die Götter leih'n kein Pfand; Nur ein Wunder kann dich tragen In das schöne Wunderland. Heimkehr In meine Heimath kam ich wieder, Es war die alte Heimath noch, Dieselbe Luft, dieselben Lieder, Und Alles war ein Andres doch. Die Welle rauschte wie vor Zeiten, Am Waldweg sprang wie sonst das Reh, Von fern erklang ein Abendläuten, Die Berge glänzten aus dem See. Doch vor dem Haus, wo uns vor Jahren Die Mutter stets empfing, dort sah Ich fremde Menschen fremd gebahren; Wie weh, wie weh mir da geschah! Mir war, als rief' es aus den Wogen: Flieh, flieh, und ohne Wiederkehr! Die du geliebt, sind fortgezogen, Sie kehren nimmer, nimmermehr. Die sterbende Blume Hofe! du erlebst es noch, Daß der Frühling wiederkehrt. Hoffen alle Bäume doch, Die des Herbstes Wind verheert, Hoffen mit der stillen Kraft Ihrer Knospen winterlang, Bis sich wieder regt der Saft, Und ein neues Grün entsprang. „Ach, ich bin kein starker Baum, Der ein Sommertausend lebt, Nach verträumtem Wintertraum Neue Lenzgedichte webt! Ach, ich bin die Blume nur, Die des Maies Kuß geweckt, Und von der nicht bleibt die Spur, Wie das weiße Grab sie deckt!“ — Wenn du denn die Blume bist, O bescheidenes Gemüth, Tröste dich, beschieden ist Samen Allem, was da blüht. Laß den Sturm des Todes doch Deinen Lebensstaub verstreu'n. Aus dem Staube wirst du noch Hundertmal dich selbst erneu'n. — „Ja, es werden nach mir blüh'n Andre, die mir ähnlich sind; Ewig ist das ganze Grün, Nur das Einzle welkt geschwind. Aber, sind sie, was ich war, Bin ich selber es nicht mehr, Jetzt nur bin ich ganz und gar, Nicht zuvor und nicht nachher. Wenn einst sie der Sonne Blick Wärmt, der jetzt noch mich durchflammt, Lindert das nicht mein Geschick, Das mich nun zur Nacht verdammt. Sonne, ja du äugelst schon Ihnen in die Fernen zu; Warum noch mit frost'gem Hohn Mir aus Wolken lächelst du? Weh' mir, daß ich dir vertraut, Als mich wach geküßt dein Strahl; Daß in's Aug' ich dir geschaut, Bis es mir das Leben stahl! Dieses Lebens armen Rest Deinem Mitleid zu entziehn, Schließen will ich krankhaft fest Mich in mich, und dir entfliehn! Doch du schmelzest meines Grimms Starres Eis in Thränen auf; Nimm mein fliehend Leben, nimm's, Ewige, zu dir hinauf! Ja, du sonnest noch den Gram Aus der Seele mir zuletzt; Alles, was von dir mir kam, Sterbend dank' ich dir es jetzt: Aller Lüfte Morgenzug, Dem ich sommerlang gebebt, Aller Schmetterlinge Flug, Die um mich im Tanz geschwebt; Augen, die mein Glanz erfrischt, Herzen, die mein Duft erfreut; Wie aus Duft und Glanz gemischt Du mich schufst, dir dank' ich's heut'. Eine Zierde deiner Welt, Wenn auch eine kleine nur, Ließest du mich blühn im Feld, Wie die Stern' auf höh'rer Flur. Einen Odem hauch' ich noch, Und er soll kein Seufzer sein; Einen Blick zum Himmel hoch, Und zur schönen Welt hinein. Ew'ges Flammenherz der Welt, Laß verglimmen mich an dir! Himmel, spann' dein blaues Zelt, Mein vergrüntes sinket hier. Heil, o Frühling, deinem Schein! Morgenluft, Heil deinem Wehn! Ohne Kummer schlaf' ich ein, Ohne Hoffnung, aufzustehn.“ Im Moose Als jüngst die Nacht dem sonnenmüden Land Der Dämm'rung leise Boten hat gesandt, Da lag ich einsam noch in Waldes Moose. Die dunklen Zweige nickten so vertraut, An meiner Wange flüsterte das Kraut, Unsichtbar duftete die Haiderose. Und flimmern sah ich, durch der Linde Raum, Ein mattes Licht, das im Gezweig der Baum Gleich einem mächt'gen Glühwurm schien zu tragen. Es war so dämmernd wie ein Traumgesicht, Doch wußte ich, es war der Heimath Licht, In meiner eignen Kammer angeschlagen. Ringsum so still, daß ich vernahm im Laub Der Raupe Nagen, und wie grüner Staub Mich leise wirbelnd Blätterflöckchen trafen. Ich lag und dachte, ach, so Manchem nach, Ich hörte meines eignen Herzens Schlag, Fast war es mir, als sei ich schon entschlafen. Gedanken tauchten aus Gedanken auf, Das Kinderspiel, der frischen Jahre Lauf, Gesichter, die mir lange fremd geworden; Vergess'ne Töne summten um mein Ohr, Und endlich trat die Gegenwart hervor, Da stand die Welle, wie an Ufers Borden. Dann, gleich dem Bronnen, der verrinnt im Schlund, Und drüben wieder sprudelt aus dem Grund, So stand ich plötzlich in der Zukunft Lande; Ich sah mich selber, gar gebückt und klein, Geschwächten Auges, am ererbten Schrein Sorgfältig ordnen staub'ge Liebespfande. Die Bilder meiner Lieben sah ich klar, In einer Tracht, die jetzt veraltet war, Mich sorgsam lösen aus verblich'nen Hüllen Löckchen, vermorscht, zu Staub zerfallen schier, Sah über die gefurchte Wange mir Langsam herab die karge Thräne quillen. Und wieder an des Friedhofs Monument, D'ran Namen standen, die mein Lieben kennt, Da lag ich betend, mit gebroch'nen Knieen, Und, horch — die Wachtel schlug! Kühl strich der Hauch, Und noch zuletzt sah ich, gleich einem Rauch, Mich leise in der Erde Poren ziehen. Ich fuhr empor und schüttelte mich dann, Wie Einer, der dem Scheintod erst entrann, Und taumelte entlang die dunklen Hage, Nech immer zweifelnd, ob der Stern am Rain Sei wirklich meiner Schlummerlampe Schein, Oder das ew'ge Licht am Sarkophage. Durch die Felder Durch die Felder mußt du schweifen, Die im Sonnenstrahle prangen, Durch die grünen Wälder streifen, Ist dein Herz von Gram befangen; Laß von Quellen, laß von Bächen, Über dich den Segen sprechen! Nicht in deiner dumpfen Klause Sitze mit des Schmerzes Geistern, Herren werden sie im Hause, Draußen wirst du sie bemeistern; Draußen vor dem freien Glücke Fliehn sie scheu und klein zurücke! In der Lüfte Wellen tauche Deine Brust, die kummerschwüle, In des Himmels reinem Hauche Deine heiße Stirne kühle; Schau', allüberall liegt offen, Wie gediegnes Gold, das Hossen! Wieder lernst du frohe Lieder, Und mit menschlich schönem Triebe Lernest du die Liebe wieder, Ach, die längst vergess'ne Liebe; Quellen, Bäume, Blumenkerzen Reden dir von Menschenherzen. Der Ring Ich saß auf einem Berge Gar fern dem Heimathland, Tief unter mir Hügelreihen, Thalgründe, Saatenland. In stillen Träumen zog ich Den Ring vom Finger ab, Den sie, ein Pfand der Liebe, Beim Lebewohl mir gab. Ich hielt ihn vor das Auge, Wie man ein Fernrohr hält, Und guckte durch das Reifchen Hernieder auf die Welt; Ei, lustig grüne Berge Und goldnes Saatgefild, Zu solchem schönen Rahmen Fürwahr ein schönes Bild! Hier schmucke Häuschen schimmernd Am grünen Bergeshang, Dort Sicheln und Sensen blitzend Die reiche Flur entlang! Und weiterhin die Ebne, Die stolz der Strom durchzieht; Und fern die blauen Berge, Grenzwächter von Granit. Und Städte mit blanken Kuppeln, Und grünes Wälderreich, Und Wolken, ziehend zur Ferne, Wohl meiner Sehnsucht gleich! Die Erde und den Himmel, Die Menschen und ihr Land, Dies Alles hielt als Rahmen Mein goldner Reif umspannt. O schönes Bild, zu sehen Vom Ring der Lieb' umspannt Die Erde und den Himmel, Die Menschen und ihr Land! Der Frühling kommt Der Frühling kommt, das Eis zergeht Und blaue Veilchen bringt der März; Der Frühling kommt, und wieder weht Die Luft der Sehnsucht durch das Herz. Ich greife träumend nach dem Stab, Geh' zu dem Kirchhof still hinaus, Und wo ein recht vergessen Grab, Da bleib' ich stehn, da ruh' ich aus. Und denk' an all' die Freunde mein, Die mir der Tod schon zugedeckt, Und denk' an all' die Liebespein, Die mir das Leben aufgeweckt. Und denk' an den, auf dessen Gruft Nun keine Hand mehr Blumen legt, Und dem der Sehnsucht Frühlingsluft Dereinst wie mir das Herz bewegt. Im Garten klagt die Nachtigall Im Garten klagt die Nachtigall Und hängt das feine Köpfchen nieder: Was hilft's, daß ich so schöne Lieder Und wundersüße Töne habe — So lange ich dies grau Gefieder, Und nicht der Rose Schöne habe! — Im Blumenbeet die Rose klagt: Wie soll das Leben mir gefallen? Was hilft's, daß vor den Blumen allen Ich Anmuth, Duft und Schöne habe — So lang ich nicht der Nachtigallen Gesang und süße Töne habe! Mirza-Schaffy entschied den Streit. Er sprach: Laßt euer Klagen beide, Du Rose mit dem duft'gen Kleide, Du Nachtigall mit deinen Liedern: Vereint, zur Lust und Ohrenweide Der Menschen, euch in meinen Liedern! Amor als Landschaftsmaler Saß ich früh auf einer Felsenspitze, Sah mit starren Augen in den Nebel; Wie ein grau grundirtes Tuch gespannet Deckt' er Alles in die Breit' und Höhe. Stellt' ein Knabe sich mir an die Seite, Sagte: Lieber Freund, wie magst du starrend Auf das leere Tuch gelassen schauen? Hast du denn zum Malen und zum Bilden Alle Lust auf ewig wohl verloren? Sah ich an das Kind und dachte heimlich: Will das Bübchen doch den Meister machen! Wllst du immer trüb' und müßig bleiben, Sprach der Knabe, kann nichts Kluges werden: Sieh, ich will dir gleich ein Bildchen malen, Dich ein hübsches Bildchen malen lehren. Und er richtete den Zeigefinger, Der so röthlich war wie eine Rose, Nach dem weiten ausgespannten Teppich, Fing mit seinem Finger an zu zeichnen: Oben malt' er eine schöne Sonne, Die mir in die Augen mächtig glänzte. Und den Saum der Wolken macht' er golden, Ließ die Strahlen durch die Wolken dringen; Malte dann die zarten leichten Wipfel Frisch erquickter Bäume, zog die Hügel, Einen nach dem andern, frei dahinter; Unten ließ er's nicht an Wasser fehlen, Zeichnete den Fluß so ganz natürlich, Daß er schien im Sonnenstrahl zu glitzern, Daß er schien am hohen Rand zu rauschen. Ach, da standen Blumen an dem Flusse, Und da waren Farben auf der Wiese, Gold und Schmelz und Purpur und ein Grünes, Alles wie Smaragd und wie Karfunkel! Hell und rein lasirt' er d'rauf den Himmel Und die blauen Berge fern und ferner, Daß ich ganz entzückt und neugeboren Bald den Maler, bald das Bild beschaute. Hab' ich doch, so sagt' er, dir bewiesen, Daß ich dieses Handwerk gut verstehe; Doch es ist das Schwerste noch zurücke. Zeichnete darnach mit spitzem Finger Und mit großer Sorgfalt an dem Wäldchen, Grad' an's Ende, wo die Sonne kräftig Von dem hellen Boden wiederglänzte, Zeichnete das allerliebste Mädchen, Wohlgebildet, zierlich angekleidet, Frische Wangen unter braunen Haaren, Und die Wangen waren von der Farbe, Wie das Fingerchen, das sie gebildet. O du Knabe! rief ich, welch' ein Meister Hat in seine Schule dich genommen, Daß du so geschwind und so natürlich Alles klug beginnst und gut vollendest? Da ich noch so rede, sieh, da rühret Sich ein Windchen und bewegt die Gipfel, Kräuselt alle Wellen auf dem Flusse, Füllt den Schleier des vollkommnen Mädchens, Und was mich Erstaunten mehr erstaunte, Fängt das Mädchen an den Fuß zu rühren, Geht zu kommen, nähert sich dem Orte, Wo ich mit dem losen Lehrer sitze. Da nun Alles, Alles sich bewegte, Bäume, Fluß und Blumen und der Schleier, Und der zarte Fuß der Allerschönsten: Glaubt ihr wohl, ich sei auf meinem Felsen Wie ein Felsen still und fest geblieben? Reue Wie rafft' ich mich auf in der Nacht, in der Nacht, Und fühlte mich fürder gezogen, Die Gassen verließ ich, vom Wächter bewacht, Durchwandelte sacht In der Nacht, in der Nacht, Das Thor mit dem gothischen Bogen. Der Mühlbach rauschte durch felsigen Schacht, Ich lehnte mich über die Brücke, Tief unter mir nahm ich der Wogen in Acht, Die wallten so sacht In der Nacht, in der Nacht, Doch wallte nicht eine zurücke. Es drehte sich oben, unzählig entfacht, Melodischer Wandel der Sterne, Mit ihnen der Mond in beruhigter Pracht, Sie funkelten sacht In der Nacht, in der Nacht, Durch täuschend entlegene Ferne. Ich blickte hinauf in der Nacht, in der Nacht, Ich blickte hinunter aufs Neue: O wehe, wie hast du die Tage verbracht, Nun stille du sacht In der Nacht, in der Nacht, Im pochenden Herzen die Reue! Der Elfen Abendfeier Wenn der Sonne letzter Strahl verglommen Und es still und stiller wird im Garten. Tritt ein Elfe an die Glockenblume, Rüttelt an dem zarten Lilienstengel, Bis die Glocken an zu läuten fangen. Und nun wird's lebendig in dem Garten; All' die Elfen, die verborgen lagen, In den Blumenkelchen, unter Blättern, Wandern schweigend nach dem nahen Dome, Nach der Lilie weißem Blüthenkelche, Den als Ampel ein Johanniswürmchen Mild mit seinem goldnen Schein erleuchtet. Und nun knien die Elfen in dem Dome, Falten betend ihre kleinen Hände, Danken freudig ihrem Herrn und Schöpfer, Preisen ihn für seine ew'ge Güte, Für den Sonnenstrahl, der sie erwärmte, Für das Tröpfchen Thau, das sie erquickte, Für den Tropfen Honig, der sie nährte, Für die Blume, ihre kleine Hütte. Und nachdem sie ihr Gebet beendet, Kehren sie zurück in ihre Wohnung, Schlummern ohne Kummer, ohne Sorge, Im Vertrauen auf den güt'gen Vater, Dessen Auge über ihnen wacht. Kind, mein Kind, hörst du die Abendglocken? Komm und falte betend deine Hände, Und dann wirst du auch so selig schlummern Wie der Elfe dort im Rosenkelche. Aus dem Walde Mit dem alten Jörster heut' Bin ich durch den Wald gegangen, Während hell im Festgeläut' Aus dem Dorf die Glocken klangen. Golden floß in's Laub der Tag, Vöglein sangen Gottes Ehre, Fast, als ob's der ganze Hag Wüßte, daß es Sonntag wäre. Und wir kamen ins Revier, Wo, umrauscht von alten Bäumen, Junge Stämmlein sonder Zier Sproßten auf besonnten Räumen. Feierlich der Alte sprach: „Siehst du über unsern Wegen Hochgewölbt das grüne Dach? Das ist unsrer Ahnen Segen. Denn es gilt ein ewig Recht, Wo die hohen Wipfel rauschen; Von Geschlechte zu Geschlecht Geht im Wald ein heilig Tauschen. Was uns Noth ist, uns zum Heil Ward's gegründet von den Vätern, Aber das ist unser Theil, Daß wir gründen für die Spätern. Drum im Frost auf meinem Stand Ist mir's oft, als böt' ich linde Meinem Ahnherrn diese Hand, Jene meinem Kindeskinde. Und sobald ich pflanzen will, Pocht das Herz mir, daß ich's merke, Und ein frommes Sprüchlein still Muß ich beten zu dem Werke: Schütz' euch Gott, ihr Reiser schwank! Mögen unter euren Kronen, Rauscht ihr einst den Wald entlang, Gottesfurcht und Freiheit wohnen; Und ihr Enkel, still erfreut Mögt ihr dann mein Segnen ahnen, Wie's mit frommem Dank mich heut' An die Väter will gemahnen.“ Wie verstummend im Gebet Schwieg der Mann, der tiefergraute, Klaren Auges, ein Prophet, Welcher vorwärts, rückwärts schaute. Segnend auf die Stämmlein rings Sah ich dann die Händ' ihn breiten; Aber in den Wipfeln ging's Wie ein Gruß aus alten Zeiten. Strophen aus der Fremde Ich möchte hingehn, wie das Abendroth Und wie der Tag mit seinen letzten Gluthen — O leichter, sanfter, ungefühlter Tod! — Mich in den Schooß des Ewigen verbluten. Ich möchte hingehn, wie der heit're Stern, Im vollsten Glanz, in ungeschwächtem Blinken; So stille und so schmerzlos möchte gern Ich in des Himmels blaue Tiefen sinken. Ich möchte hingehn, wie der Blume Duft, Der freudig sich dem schönen Kelch entringet Und auf dem Fittig blüthenschwang'rer Luft Als Weihrauch auf des Herren Altar schwinget. Ich möchte hingehn, wie der Thau im Thal, Wenn durstig ihm des Morgens Feuer winken; O wollte Gott, wie ihn der Sonnenstrahl, Auch meine lebensmüde Seele trinken! Ich möchte hingehn, wie der bange Ton, Der aus den Saiten einer Harfe dringet, Und, kaum dem irdischen Metall entflohn, Ein Wohllaut in des Schöpfers Brust verklinget. Du wirst nicht hingehn, wie das Abendroth, Du wirst nicht stille, wie der Stern versinken, Du stirbst nicht einer Blume leichten Tod, Kein Morgenstrahl wird deine Seele trinken. Wohl wirst du hingehn, hingehn ohne Spur, Doch wird das Elend deine Kraft erst schwächen; Sanft stirbt es einzig sich in der Natur, Das arme Menschenherz muß stückweis brechen. Einkehr Wohl bin ich oft hinausgegangen, Dem Bettler gleich, durch Stadt und Feld, Und hätte gern mein Theil empfangen Von all' dem Glück der reichen Welt. O Herz! nicht länger kannst du's tragen; Du sollst in deinen jungen Tagen, Wo du genießen willst — entsagen: Und weißt so viel, das dir gefällt. Rings von des Abends goldnem Kusse Erglüht die Welt; manch bunter Kiel Zieht, sanft gewiegt, hinab im Flusse; Herüber weht's wie Saitenspiel. O einmal nur, du holdes Leben, Die Seele ganz dir hinzugeben! Doch ach! zu lassen all' sein Streben, Das dünkt dem Herzen doch zu viel. So wandle heim und baue weiter, Die schöne Schöpfung in der Brust! Du gehst in Fesseln ein Befreiter, Dein Gut vermehrt sich im Verlust. Vom Himmel winken tausend Kerzen — O selig! wer in Lust und Schmerzen Im treuen unverlornen Herzen Der sichern Einkehr sich bewußt. Meine Freundin Die soll nicht meine Freundin sein, Die nicht die Blumen liebt, Nicht Blumen-gleich dem Himmelschein Ihr Herzblatt offen gibt; Wär' ihre Wange rosenroth, Ihr Aug' ein Himmelsblau, Wär' Sonn' ein Lächeln, das sie bot, Und ihre Red' ein Thau; Ob eine Blum' aus Milch und Blut Sie selber ging' und schwebt', Aus Blumenschnee und Blumengluth Gegossen und gewebt; Und wenn sie nach der Blume, die Sich auf vom Boden rankt, Um ihr den Saum zu küssen, nie Sich niederneigt und dankt; Und achtet nicht den leisen Trieb, Der im Verborg'nen glüht, Und ist ihr nur der Flitter lieb, Der in die Augen sprüht — Ihr Blumen, die ihr still und rein Blüht, welket und zerstiebt! Die soll nicht meine Freundin sein, Die nicht die Blumen liebt. Vor der Thür Der Weg an unserm Zaun entlang, Wie wunderschön war das, War Morgens früh mein erster Gang, Bis an das Knie im Gras. Da spielt' ich bis zum Dämmerschein Mit Steinen und mit Sand, Großvater holt' mich Abends rein Und nahm mich an die Hand. Dann wünschte ich mir groß zu sein, Um über'n Zaun zu sehn — Großvater meinte: „warte fein, Wird früh genug geschehn!“ Es kam so weit, ich hab' besehn Die Welt da draußen mir — Es war darin nicht halb so schön, Als damals vor der Thür. Möcht' noch einmal lustig sein! Möcht' noch einmal lusig sein, Wie in jungen Tagen, Eh' das Leben Stein um Stein Mir in's Herz getragen. Lustig, wie ein Vogel schwingt Sich in blaue Lüfte, Lustig, wie die Gemse springt Über Felsenklüfte! Lustig, wie der Waldbach rennt Nach den blum'gen Wiesen, Wie durch's helle Element Fischlein ruhig schießen! Fort ist alle Lustigkeit, Fort der Flug nach oben! Ja! ja! Steine hat die Zeit Mir in's Herz geschoben! Und die Schwere drückt mich noch Nieder zu der Erden. Werd' kein Engel, könnt' ich doch Nur ein Vöglein werden! Ein Blatt aus der Jugendzeit Ich möchte schlafen gehn Dort, wo die Hügel wallen, Und wo die Tannen stehn, Dort möcht' ich niederfallen, Und ohne Herzensqual Zum letzten Mal Die blauen Wolken sehn Und ewig schlafen gehn. O lang' ersehnte Lust, Die Menschen zu vergessen, Und diese heiße Brust In feuchten Thau zu pressen! Ein letzter Traum — Und Alles ist geschehn, So möcht' ich schlafen gehn. Ich habe lang' gewacht, Von süßer Hoffnung trunken, Nun ist in Todesnacht Der Liebe Stern versunken. Fahr' wohl, o Himmelslicht! Ich klage nicht — Doch wo die Tannen stehn, Da möcht' ich schlafen gehn. Ein Heimathklang Wie viel auch in dem Wechseldrange Des Lebens täglich untergeht, Von einem theuren Heimathklange Der Nachhall nimmer mir verweht. Das ist der alten Linden Rauschen Vor meinem stillen Vaterhaus; Wenn ich des Abends saß, zu lauschen In's Traumeswehn der Nacht hinaus. Das ist der alten Linden Flüstern In tiefem, traurigem Accord, Als man zum Grabe dich, dem düstern, O Mutter! trug vom Hause fort! — Wie mich des Schicksals wilde Welle Seit jenem Tag verschlagen hat! Selbst zu des Vaterhauses Schwelle, Wie lange ging ich nicht den Pfad? — Doch ob auch täglich wechselnd tauschen Des Lebens Klänge, immer zieht Der alten Linden heimlich Rauschen Nachhallend noch durch mein Gemüth. Heilig ist der Schlaf Siehst du den Schlaf auf einem Augenlide, O, stör' ihn nicht, denn heilig ist der Friede, Mit dem er eine Menschenbrust begnadet, O, stör' ihn nicht, wenn deinen Feind er auch Umweht mit seinem sanften Balsamhauch, In des Vergessens Wunderquell ihn badet! Achtsamen Herzens hemme deine Schritte! Verscheuch' mich nicht! Mit dieser frommen Bitte Spricht jeder Athemzug des Schlafs dich an; Leis auf den Zehen schleich' an ihm vorüber, Und wünsch' ihm, daß kein Traum, kein banger, trüber, Sich neidisch möge seinem Frieden nah'n. Bei jedem Schlafe hält ein Engel Wacht, Der legt den Finger auf die Lippen sacht Und winket schweigend dir: Sei stille! zu; Auch selbst bei dem entschlaf'nen Missethäter Wacht er, ein ernst versöhnungsvoller Beter, Um Frieden für die Seele ohne Ruh'. Ja, heilig ist der Schlaf, wie die Natur, Wie das geheime Wachsthum auf der Flur, Das leise webt im Blatt und in der Blüthe; So ist auch er ein stillgeheimes Weben, Und keine Waff' ist ihm zum Schutz gegeben, Hegst du vor ihm nicht Ehrfurcht im Gemüthe! Epilog zu Schiller's Glocke Bei Schiller's Todtenfeier 
 „Freude dieser Stadt bedeute, 
 Friede sei ihr erst Geläute.“ 
 Und so geschah's! Dem friedenreichen Klange Bewegte sich das Land, und segenbar Ein frisches Glück erschien; im Hochgesange Begrüßten wir das junge Fürstenpaar; Im Vollgewühl, in lebensregem Drange Vermischte sich die thät'ge Völkerschaar, Und festlich ward an die geschmückten Stufen Die Huldigung der Künste vorgerufen. Da hör' ich schreckhaft mitternächt'ges Läuten, Das dumpf und schwer die Trauertöne schwellt. Ist's möglich? Soll es unsern Freund bedeuten, An den sich jeder Wunsch geklammert hält? Den Lebenswürd'gen soll der Tod erbeuten? Ach; wie verwirrt solch ein Verlust die Welt! Ach! was zerstört ein solcher Riß den Seinen! Nun weint die Welt, und sollten wir nicht weinen? Denn er war unser! Wie bequem gesellig Den hohen Mann der gute Tag gezeigt, Wie bald sein Ernst, anschließend, wohlgefällig, Zur Wechselrede heiter sich geneigt, Bald raschgewandt, geistreich und sicherstellig Der Lebensplane tiefen Sinn erzeugt Und fruchtbar sich in Rath und That ergossen: Das haben wir erfahren und genossen. Denn er war unser! Mag das stolze Wort Den lauten Schmerz gewaltig übertönen! Er mochte sich bei uns, im sichern Port, Nach wildem Sturm zum Dauernden gewöhnen. Indessen schritt sein Geist gewaltig fort In's Ewige des Wahren, Guten, Schönen, Und hinter ihm, in wesenlosem Scheine, Lag, was uns alle bändigt, das Gemeine. Nun schmückt er sich die schöne Gartenzinne, Von wannen er der Sterne Wort vernahm, Das dem gleich ew'gen, gleich lebend'gen Sinne Geheimnißvoll und klar entgegen kam. Dort, sich und uns zu köstlichem Gewinne, Verwechselt er die Zeiten wundersam, Begegnet so, im Würdigsten beschäftigt, Der Dämmerung, der Nacht, die uns entkräftigt. Ihm schwollen der Geschichte Fluth auf Fluthen, Verspülend, was getadelt, was gelobt, Der Erdbeherrscher wilde Heeresgluthen, Die in der Welt sich grimmig ausgetobt, Im niedrig Schrecklichsten, im höchsten Guten Nach ihrem Wesen deutlich durchgeprobt. — Nun sank der Mond, und zu erneuter Wonne Vom klaren Berg herüber stieg die Sonne. Nun glühte seine Wange roth und röther Von jener Jugend, die uns nie entfliegt, Von jenem Muth, der, früher oder später, Den Widerstand der stumpfen Welt besiegt, Von jenem Glauben, der sich stets erhöhter Bald kühn hervordrängt, bald geduldig schmiegt, Damit das Gute wirke, wachse, fromme, Damit der Tag dem Edlen endlich komme. Doch hat er, so geübt, so vollgehaltig Dies bretterne Gerüste nicht verschmäht; Hier schildert er das Schicksal, das gewaltig Von Tag zu Nacht die Erdenachse dreht, Und manches tiefe Werk hat, reichgestaltig, Den Werth der Kunst, des Künstlers Werth erhöht. Er wendete die Blüthe höchsten Strebens, Das Leben selbst, an dieses Bild des Lebens. Ihr kanntet ihn, wie er mit Riesenschritte Den Kreis des Wollens, des Vollbringens maß, Durch Zeit und Land, der Völker Sinn und Sitte, Das dunkle Buch mit heiterm Blicke las; Doch wie er athemlos in unsrer Mitte In Leiden bangte, kümmerlich genas, Das haben wir in traurig schönen Jahren, Denn er war unser, leidend miterfahren. Ihn, wenn er vom zerrüttenden Gewühle Des bittern Schmerzes wieder aufgeblickt, Ihn haben wir dem lästigen Gefühle Der Gegenwart, der stockenden, entrückt, Mit guter Kunst und ausgesuchtem Spiele Den neubelebten edlen Sinn erquickt, Und noch am Abend vor den letzten Sonnen Ein holdes Lächeln glücklich abgewonnen. Er hatte früh das strenge Wort gelesen, Dem Leiden war er, war dem Tod vertraut, So schied er nun, wie er so oft genesen: Nun schreckt uns das, wofür uns längst gegraut. Doch schon erblicket sein verklärtes Wesen Sich hier verklärt, wenn es hernieder schaut. Was Mitwelt sonst an ihm beklagt, getadelt, Es hat's der Tod, es hat's die Zeit geadelt. Auch manche Geister, die mit ihm gerungen, Sein groß Verdienst unwillig anerkannt, Sie fühlen sich von seiner Kraft durchdrungen, In seinem Kreise willig festgebannt: Zum Höchsten hat er sich emporgeschwungen, Mit Allem, was wir schätzen, eng verwandt. So feiert Ihn! Denn was dem Mann das Leben Nur halb ertheilt, soll ganz die Nachwelt geben. So bleibt er uns, der vor so manchen Jahren — Schon zehne sind's! — von uns sich weggekehrt! Wir haben alle segensreich erfahren, Die Welt verdank' ihm, was er sie gelehrt; Schon längst verbreitet sich's in ganze Schaaren, Das Eigenste, was ihm allein gehört. Er glänzt uns vor, wie ein Komet entschwindend, Unendlich Licht mit seinem Licht verbindend. Goethe's Heimgang Süß mag das Aug' des Sterbenden sich schließen, Der Freundesthränen auf der Stirne fühlt, Die drauf wie eine Todestaufe fließen, Daß sich der bange Schweiß des Sterbens kühlt. Doch Götterloos ist's, unbeweint zu scheiden, Wenn man der Thränen und der Trauer werth! Wozu soll eine Seele um sie leiden, Wenn die Vollendung zu den Sternen fährt? Ja, Götterloos ist's, unbeweint zu scheiden! Zu scheiden wie der Tag im Abendroth! Er gab uns Wärme, Licht genug und Freuden, Und zieht dahin, weil seine Zeit gebot! Zu fallen wie ein Feld voll goldner Ähren, Die schlank gewallt im grünen Jugendkleid, Doch nun ihr lastend Haupt zur Erde kehren! Wer weint darob, daß es nun Erntezeit? In Nacht zu sinken wie des Meeres Wogen, Drauf Sonnenglanz, Goldwimpel, reiche Fracht, Gesang und Schwäne tagesüber zogen! Die Zeit ist um, ihr Recht will auch die Nacht! Und zu zerstäuben wie die flücht'ge Wolke! Sie hat Gedeihn geregnet auf die Flur, Den Friedensbogen hell gezeigt dem Volke, Und löst sich nun in leuchtenden Azur. So schied auch Er, der nun dahin gegangen, Der hohe Mann, der kräft'ge Dichtergreis, Auf dessen Lipp', auf dessen bleichen Wangen Der Kuß des Glücks noch jetzt verglühet leis. — Ein kalter, starrer Arm, reglos gebeuget, In dem die goldne Leier lichtvoll blitzt; Ein greises Silberhaupt, im Tod geneiget, Drauf immergrün der frische Lorbeer sitzt! Sah dies mein Aug', nie konnt' es Thränen thauen! Nein, stillbefriedigt, ruhig, glanzerhellt Mußt' unabwendbar drauf es niederschauen, — Fürwahr, durch eine Thräne wär's entstellt! Am Grabe Chamisso's Wo habt ihr mir den Alten hingebettet? Kommt, führt mich an den eng beschränkten Port, Darein der Weltumsegler sich gerettet! Ihr zeigt auf eine dürre Scholle dort, Wo falbes Herbstlaub rieselnd niederregnet; Dort ruht er, sagt mir euer Trauerwort. O sei, du heilig Dichtergrab, gesegnet; Du birgst ihn, dem mein Geist viel tausendmal, Mein sterblich Auge nimmermehr begegnet! Ich sah ihn nie: an seiner Blicke Strahl Hat meine Kraft sich nicht entzünden sollen; Er stand zu hoch, ich ging zu tief im Thal. Doch in der Brust, in der begeistrungsvollen, Trag' ich sein Bild wohl tiefer und getreuer, Als sie in Wort und Farb' es malen wollen. Ich seh' ihn ganz: der Augen dunkles Feuer, Die lichte Stirn, die Brauen stolz geschweift, Und streng der Mund, als seien Worte theuer. So steht er da, die Locken weiß bereift, Und in den Flocken, die die Jahre senden, Den Lorbeerkranz, zu vollem Grün gereift. Er selbst ein Fels mit scheitelrechten Wänden, Salas y Gomez, ragt er aus der Fluth, Von Wellendrang umbraust an allen Enden. Doch in dem Steine schlägt ein Herz voll Gluth, Ein Herz, das hält die ganze Welt umschlungen, D'ran wie an Vaterbrust die Menschheit ruht. Wer hat ihr Leid so laut wie du gesungen Und wer wie du gen wild' und zahme Horden In ihrem Dienst sein Dichterschwert geschwungen? Ein Fremdling warst du unserm deutschen Norden, In Sitt' und Sprache andrer Stämme Sohn, Und wer ist heimischer als du ihm worden? Nun schläfst du in der fremden Erde schon, Und die den Wandernden nicht konnte wiegen, Beut ihm ein Grab mit Lorbeer und mit Mohn. D'rauf soll gekreuzt sein Pilgerstecken liegen Und unser Banner, das dem Sängerheer Voran er trug, zu kämpfen und zu siegen. Wir aber stehen klagend rings umher, Denn gönnen wir ihm die verdiente Rast, So gönnten wir den Führer uns noch mehr. O Zeit der Noth! Es stürzen Stamm und Ast, Rechts klingt und links die Axt im grünen Wald, Gefallnes Laub wird wirbelnd aufgefaßt. Die Wolken haben dräuend sich geballt, Von Sturmesfurchen ist der See gekräuselt; Bald hörst du nur den Herbstwind, welcher kalt Durch kahle Forsten, über Stoppeln säuselt. Bei Koblenz Am Grabe Schenkendorf's Dorten durch der Brücke Bogen Eilt die Mosel in den Rhein, Dorten ragt die Kastorkirche, Dort der Ehrenbreitenstein. Um die Berge klimmt die Rebe, In der Eb'ne wallt das Korn, Mädchen mit dem Pfeil im Haare Füllen Krüge sich am Born. In des Herbstes milder Sonne Sanft und feiernd liegt die Welt, Schwalben rüsten sich zur Reise, Und ich irre durch das Feld, Irr' auf unbetret'nen Wegen, Wie der Landmann rauh sie bahnt, Bis zur Einkehr unter Weiden Mich ein Gottesacker mahnt. Gottesacker, Gottesfrieden! Auf den Gräbern Sonnenstrahl, Und der Jahrszeit letzte Blumen Duften um der Kreuze Zahl. Bunt die Blumen, grau die Kreuze! Eines seh' ich dort erhöht, D'rauf mit ernsten, schlichten Lettern „Schenkendorf“ geschrieben steht. Nahe dem geliebten Strome, Dem es laut in Zorn und Schmerz Freiheitslieder zugesungen, Schläft das reine Dichterherz. Ach, die Freiheit, die du meintest, Kam noch nicht mit ihrem Schein! Ach, und wiederum in Fesseln Zieht dein Felsenkind, dein Rhein! Was du sangst, wofür du strebtest, Ach, von Allem nichts erfüllt! Wohl dir, daß du nicht erlebtest, Was dein Hügel dir verhüllt! Ich indeß will ihn bedecken Mit dem frisch gebroch'nen Strauß, Will an meinem Wanderstecken Grollend ziehn zum Land hinaus. Ob ich je zum Rheine kehre, Heimathdurstig, wandermatt? Ob die Freiheit je, die hehre, Wache hält auf dieser Statt? In des Herbstes milder Sonne Sanft und feiernd ruht das Feld, Sanft und feiernd ruht dein Hügel — Laß mich! Vor mir liegt die Welt! Lenau's Tod Als die Seele ausgezogen War aus dem Palast, der längst zerfallen, Kam ein Engelpaar geflogen, Um auf blauen Ätherwogen Sie zu tragen in die Himmelshallen. Doch die lichten Gottesboten Waren, ach, den Weg umsonst gekommen: Einen Theil vom Geist des Todten Hatten sich die lebensrothen Blumen auf den Feldern schon genommen. Und die süßen Nachtigallen Kamen zugesprungen so behende, Und die Lerchen sah man wallen, Weil den lieben Vöglein allen Angehörte eine kleine Spende. Sieh, der Westwind kam gefahren, Trug sein Theil der Donau in die Wellen, Um den muthigen Magvaren, Der Zigeuner braunen Schaaren Das geweihte Erbe zu bestellen. Auch der Nordwind blieb nicht sitzen In den Höhlen und erschien mit Brausen, Nahm sein Theil, es auf die Spitzen Hoher Alpen, in die Ritzen Eilig bringend, wo die Adler hausen. Und der Erdgeist, still bedenkend Seines Erbtheils, war herbeigekommen, In den tiefen Schacht es senkend, Und damit das Eisen tränkend, Für den Kampf der Menschheit, der entglommen. Traurig durch den Äther flogen Wieder heim die gottentsandten Boten, Und im Himmel eingezogen, Meldend, daß man sie betrogen Um die Seele dieses edlen Todten. Die Gräber zu Ottensen Erstes Grab Zu Ottensen auf der Wiese Ist eine gemeinsame Gruft; So traurig ist keine wie diese Wohl unter des Himmels Luft. Darinnen liegt begraben Ein ganzes Volksgeschlecht, Väter, Mütter, Brüder, Töchter, Kinder, Knaben, Zusammen Herr und Knecht. Die rufen Weh zum Himmel Aus ihrer stummen Gruft, Und werden's rufen zum Himmel, Wann die Trommet' einst ruft. Wir haben gewohnt in Frieden Zu Hamburg in der Stadt, Bis uns daraus vertrieben Ein fremder Wüthrich hat. Er hat uns ausgestoßen Im Winter zur Stadt hinaus, Die hungernden, nackenden, bloßen; Wo finden wir Dach und Haus? Wo finden wir Kost und Kleider, Wir zwanzigtausend an Zahl? — Die Andern schleppten sich weiter, Wir blieben hier zumal. Die Andern nahmen die Britten Und Andre die Dänen auf; Wir brachten mit müden Schritten Bis hieher unsern Lauf. Wir konnten nicht weiter keuchen, Erschöpft war unsre Kraft; Frost, Elend, Hunger und Seuchen, Sie haben uns hingerafft. Ein ungeheuerer Knäuel, Zwölfhundert oder mehr; Es zieht sich über den Gräuel Ein dünner Rasen her. Der deckt nun unsre Blöße, Ein Obdach er uns gab; Man merkt des Jammers Größe Nicht an dem kleinen Grab. Zweites Grab Zu Ottensen an der Mauer Der Kirch' ist noch ein Grab, Darin des Lebens Trauer Ein Held gelegt hat ab. Geschrieben ist der Namen Nicht auf den Leichenstein; Doch er sammt seinem Saamen Wird nie vergessen sein. Von Braunschweig ist's der Alte, Karl Wilhelm Ferdinand, Der vor des Hirnes Spalte Hier Ruh' im Grabe fand. Der Lorbeerkranz entblättert, Den auf dem Haupt er trug, Die Stirn vom Schlag zerschmettert, Der ihn bei Jena schlug; Nicht, wo er war geboren, Hat dürfen sterben er: Von seines Braunschweigs Thoren Kam irrend er hierher; Umirrend mit den Scherben Des Haupts von Land zu Land, Das, eh' es konnte sterben, Erst allen Schmerz empfand; Das erst noch mußte denken Der Zukunft lange Noth, Eh' es sich durfte senken Beschwichtigt in den Tod. Jetzt hat sich's hier gesenket, Doch hebt sich's, wie man glaubt, Noch aus der Gruft und denket, Das alte Feldherrnhaupt. Da sieht es die Befreiung Nun wohl auf deutscher Flur, Doch auch von der Entweihung Die unvertilgte Spur. Da sieht es der Zwölfhundert Grabstätte sich so nah, Und ruft wohl aus verwundert: Ein Feldherr ward ich ja. O Feldherrnamt, wie grausend! Um mich, den Feldherrn, her Gelagert sind die Tausend, Ein großes Schmerzensheer. Euch hat auf andern Pfaden, Und doch aus gleichem Grund, Der Tod hieher geladen, Ihr seid mit mir im Bund. Daß ohne Todtenhemde Ihr auf den Gräbern sitzt, Das schmerzt mich, weil der Fremde Noch steht in Purpur itzt. Ist Keiner mehr am Leben, Den Purpur auszuziehn Dem Fremden, und zu geben Euch nackten Todten ihn? Mit seinen dunklen Schützen Der Öls, mein wackrer Sohn, Der könnte wohl euch nützen; Doch fiel auch er nun schon. Jetzt kann ich Keinen nennen, Da ihn der Tod geraubt; Und schmerzlich fühl' ich brennen Die Spalt' in meinem Haupt. Drittes Grab Zu Ottensen, von Linden Beschattet, auf dem Plan, Ist noch ein Grab zu finden, Dem soll, wer trauert, nahn. Dort in der Linden Schauer Soll lesen er am Stein Die Inschrift, daß die Trauer Ihm mag gelindert sein. Mit seiner Gattin lieget Und ihrem Sohne dort Ein Sänger, der besieget Den Tod hat durch ein Wort. Es ist der fromme Sänger, Der sang des Heilands Sieg, Zu dem er, ein Empfänger Der Palm', im Tod entstieg. Es ist derselbe Sänger, Der auch die Hermannsschlacht Sang, eh' vom neuen Dränger Geknickt ward Deutschlands Macht. Ich hoffe, daß in Frieden Er ruht' indeß in Gott, Nicht sah bei uns hienieden Des Feinds Gewalt und Spott. Und so auch ruht' im Grabe Sein unverstört Gebein, Als ob geschirmt es habe Ein Engel vor'm Entweihn. Es sind der Jahre zehen Voll Druck und Tirannei, Voll ungestümer Wehen Gegangen d'ran vorbei. Sie haben nicht die Linden Gebrochen, die noch wehn, Und nicht gemacht erblinden Die Schrift, die noch zu sehn. Wohl hat, als dumpfer Brodem Der Knechtschaft uns umgab, Ein leiser Freiheitsodem Geweht von diesem Grab. Wohl ist, als hier den Flügel Die Freiheit wieder schwang, O Klopstock, deinem Hügel Enttönt ein Freudenklang. Und wenn ein sinn'ger Waller Umher die Gräber jetzt Beschaut, tret' er nach aller Beschaun an dies zuletzt. Wenn dort ein trübes Stöhnen Den Busen hat geschwellt, So ist als zum Versöhnen Dies Grab hierher gestellt. Die Thränen der Vertrieb'nen, Des Feldherrn dumpfe Gruft, Verschwinden vor'm beschrieb'nen Stein unter'm Lindenduft; Wo wie in goldnen Streifen Das Wort des Sängers steht: Saat von Gott gesät, Dem Tag der Garben zu reifen. Bei Beethoven's Begräbniß Was strömt das Volk dort jenem Haus entgegen, An dessen Thor sich eine Woge bricht? Unzählbar eilt es hin auf allen Wegen, Es faßt der Raum die Fluth der Menschen nicht! — Und von den Thürmen tönt's in dumpfen Schlägen, Um einen Sarg reiht sich der Fackeln Licht, Und Trauersang und der Posaunen Klänge Ertönen in's entfernteste Gedränge. Liegt dort ein König? Geht ein Fürst zu Grabe, Daß weinend ihn ein ganzes Volk beklagt? Ich sehe nichts von Herrscherbind' und Stabe Auf jener Bahre, wo das Kreuz nur ragt! Und doch war eine Krone seine Habe, Und doch ist es ein König, den ihr tragt: Gekrönt hat ihn die himmlische Kamöne, Und König ist er in dem Reich der Töne. Und auf sieht man den Sarg vom Boden heben, Auf treuen Schultern ruhet seine Last; Und sechs ruhmwürd'ge Meister ziehn daneben, Des Bahrtuchs Bänder haben sie gefaßt; Ja Alle, die der Kunst, der hohen, leben, Begleiten ihn zu seiner letzten Rast: Und die ihn liebten, Freunde nah und ferne, Nach blicken sie dem ausgeglommnen Sterne. So naht der Zug dem stillen' Friedensorte, Wo sich der Mund der Erde aufgethan; Geöffnet harrt die dunkle Grabespforte, Was sterblich war am Todten, zu empfahn! Und als verhallt die letzten Klageworte, Und als das Licht wegschied vom Himmelsplan, Versinkt der Sarg, und unsre Augen sehen Zugleich zwei Sonnen von der Erde gehen. Und um das Grab schließt, mit bethränter Wange, Von heimathlichen Sängern sich ein Kreis: Ein Jeder legt mit liebevollem Drange Auf jenen Hügel Blüthe, Blume, Reis; Nicht einen Wettkampf gilt es im Gesange, Hier ringet Keiner um des Liedes Preis; Nur ihre Klagen wollen sie vereinen, Gemeinsam trauern, ihn vereint beweinen! Meine Todten Wer eine ernste Fahrt beginnt, Die Muth bedarf und frischen Wind, Er schaut verlangend in die Weite Nach eines treuen Auges Brand, Nach einem warmen Druck der Hand, Nach einem Wort, das ihn geleite. Ein ernstes Wagen heb' ich an, So tret' ich denn zu euch hinan, Ihr, meine stillen strengen Todten; Ich bin erwacht an eurer Gruft, Aus Wasser, Feuer, Erde, Luft Hat eure Stimme mir geboten. Wenn die Natur in Hader lag Und durch die Wolkenwirbel brach Ein Funke jener tausend Sonnen, — Sprecht aus der Elemente Streit Ihr nicht von einer Ewigkeit Und unerschöpften Lichtes Bronnen? Am Hange schlich ich, krank und matt, Da habt ihr mir das welke Blatt Mit Warnungsflüstern zugetragen, Gelächelt aus der Welle Kreis, Habt aus des Angers starrem Eis Die Blumenaugen aufgeschlagen. Was meine Adern muß durchziehn, Sah ich's nicht flammen und verglühn, An eurem Schreine nicht erkalten? Vom Auge hauchtet ihr den Schein, Ihr, meine Richter, die allein In treuer Hand die Wage halten. Kalt ist der Druck von eurer Hand, Erloschen eures Blickes Brand, Und euer Laut der Öde Odem, Doch keine andre Rechte drückt So traut, so hat kein Aug' geblickt, So spricht kein Wort, wie Grabesbrodem! Ich fasse eures Kreuzes Stab, Und beuge meine Stirn hinab Zu eurem Gräserhauch, dem stillen, Zumeist geliebt, zuerst gegrüßt, Laßt, lauter wie der Äther fließt, Mir Wahrheit in die Seele quillen. Des Waldes Kind In Waldes Nacht bin ich geboren, In Waldes Dunkel stand mein Haus, Da lebt' ich einsam, wie verloren, Und sehnte nimmer mich heraus. Der erste Ton, der mir erklungen, War Waldes Flüstern leis und lind; Der Wald hat mir ein Lied gesungen, Wie eine Mutter ihrem Kind. Und diesem Ton, so langsam leise, Ihm lauschte ernst des Kindes Ohr, Schon klang ihm aus der düstren Weise Der süße Inhalt traulich vor. Als ich gesetzt aus meinem Hause Zum ersten Mal den jungen Fuß, Erklang durch Flüstern und Gebrause Für mich des Waldes trauter Gruß. Und ich verstand des Waldes Worte, Er sprach: sei mir gegrüßt, mein Kind! Gegrüßt am heilig stummen Orte! So klang's zu mir im Abendwind. Und weiter sprach er: jedem Kinde Ziemt ein Geschenk von Vaters Hand, So wähle, was zum Angebinde Dein junges Herz am schönsten fand. Ich aber sprach: So lehr' mich singen Wie das, was rauschend dich durchweht, Von dem die Berge mächtig klingen, Was sanft von Baum zu Baume geht. Was süß aus jedem Vogel schallend So stark ergreift die Menschenbrust, Und was die Quelle, weiter wallend, Erzählt, sich selber unbewußt. So sprach ich, und in alter Weise Des Waldes Wipfel rauschten lind, Und es ertönte flüsternd leise: Dir sei's gewährt, mein liebes Kind! Sieh, hier schließt die Natur — Sieh, hier schließt die Natur den Ring der ewigen Kräfte; Doch ein neuer sogleich fasset den vorigen an, Daß die Kette sich fort durch alle Zeiten verlänge, Und das Ganze belebt, sowie das Einzelne, sei. Jede Pflanze verkündet dir nun die ew'gen Gesetze, Jede Blume, sie spricht lauter und lauter mit dir, Aber entzifferst du hier der Gottheit heilige Lettern, Überall siehst du sie dann, auch in verändertem Zug: Kriechend zaudre die Raupe, der Schmetterling eile geschäftig, Bildsam ändre der Mensch selbst die bestimmte Gestalt! An die Natur Da ich noch um deinen Schleier spielte, Noch an dir wie eine Blüthe hing, Noch dein Herz in jedem Laute fühlte, Der mein zärtlichbebend Herz umfing, Da ich noch mit Glauben und mit Sehnen Reich, wie du, vor deinem Bilde stand, Eine Stelle noch für meine Thränen, Eine Welt für meine Liebe fand, Da zur Sonne noch mein Herz sich wandte, Als vernähme seine Töne sie, Und die Sterne seine Brüder nannte Und den Frühling Gottes Melodie, Da im Hauche, der den Hain bewegte, Noch dein Geist, dein Geist der Freude sich In des Herzens stiller Welle regte: Da umfingen goldne Tage mich. Wenn im Thale, wo der Quell mich kühlte, Wo der jugendlichen Sträuche Grün Um die stillen Felsenwände spielte Und der Äther durch die Zweige schien, Wenn ich da, von Blüthen übergossen, Still und trunken ihren Odem trank Und zu mir, von Licht und Glanz umflossen, Aus den Höh'n die goldne Wolke sank — Wenn ich fern auf nackter Haide wallte, Wo aus dämmernder Geklüfte Schooß Der Titanensang der Ströme schallte Und die Nacht der Wolken mich umschloß, Wenn der Sturm mit seinen Wetterwogen Mir vorüber durch die Berge fuhr Und des Himmels Flammen mich umflogen: Da erschienst du, Seele der Natur! Oft verlor ich da mit trunknen Thränen Liebend, wie nach langer Irre sich, In den Ocean die Ströme sehnen, Schöne Welt! in deiner Fülle mich; Ach! da stürzt' ich mit den Wesen allen Freudig aus der Einsamkeit der Zeit, Wie ein Pilger in des Vaters Hallen, In die Arme der Unendlichkeit. — Seid gesegnet, goldne Kinderträume, Ihr verbargt des Lebens Armuth mir, Ihr erzogt des Herzens gute Keime, Was ich nie erringe, schenktet ihr! O Natur! an deiner Schönheit Lichte, Ohne Müh' und Zwang entfalteten Sich der Liebe königliche Früchte, Wie die Ernten in Arkadien. Todt ist nun, die mich erzog und stillte, Todt ist nun die jugendliche Welt, Diese Brust, die einst ein Himmel füllte, Todt und dürftig, wie ein Stoppelfeld; Ach! es singt der Frühling meinen Sorgen Noch, wie einst, ein freundlich tröstend Lied, Aber hin ist meines Lebens Morgen, Meines Herzens Frühling ist verblüht. Ewig muß die liebste Liebe darben, Was wir lieben, ist ein Schatten nur, Da der Jugend goldne Träume starben, Starb für mich die freundliche Natur; Das erfuhrst du nicht in frohen Tagen, Daß so ferne dir die Heimath liegt, Armes Herz, du wirst sie nie erfragen, Wenn dir nicht ein Traum von ihr genügt. Der Äther Hoher Äther, hoher Äther Gestern sonnig, heut' mit sanften Schatten meine Schläfe kühlend, O wie preis' ich deine Wunder! Wie ein Vater, ruhig, heiter, Trägst am Busen du den Erdkreis, Und er lächelt dir und läßt dich Seines Wesens Duft und Blüthe, Seine ganze Schönheit saugen; Denn die hohen Berge athmen Zu dir auf, die Wälder streu'n dir Rauschend ihren besten Weihrauch, Thal und Fluß und Quelle dampfen Dir ihr täglich Morgenopfer, Und die Menschen — gleich als zög' es Ewig sie zu deiner Stille — Senden dir zu jeder Stunde Ihrer Brust lebend'gen Odem, Ihre Lieder, ihre Seufzer. Und du nimmst die reichen Gaben Willig hin und sammelst alle; Aber nicht für dich — in Wolken Deine Stirn verhüllend, wandelst Du den Schatz in lautern Segen, Und in lichten Feuerflammen, Und in Tropfen und in Güssen Gibst du, wonniglich befruchtend, Ihn der durst'gen Erde wieder. Hoher Äther, hoher Äther, Wie der Geist des Dichters bist du, Der, auf Flügeln über'm bunten Farbenspiel des Lebens schwebend, Seine Schönheit selig einsaugt. Und dann wogt's in ihm, dann wölkt sich's Wunderbar, er kann die Fülle Seiner Schätze nimmer halten, Und wie du in Blitz und Regen Steigt er nieder im Gesang. Osterlied Die Glocken läuten das Ostern ein In allen Enden und Landen, Und fromme Herzen jubeln darein: Der Lenz ist wieder erstanden! Es athmet der Wald, die Erde treibt Und kleidet sich lachend mit Moose, Und aus den schönen Augen reibt Den Schlaf sich erwachend die Rose. Das schaffende Licht, es flammt und kreist Und sprengt die fesselnde Hülle; Und über den Wassern schwebt der Geist Unendlicher Liebesfülle. Maienglöcklein Maienglöcklein läuten wieder, Denn der Frühling ziehet ein, Und der Vögel helle Lieder Heißen ihn willkommen sein. Und mit Sonnenschein beladen, Und mit Blumenduft besät, Nahet er von Gottes Gnaden, Er, des Frühlings Majestät. Und an eines Berges Halde Schlägt er auf sein Königszelt, Und beruft aus Feld und Walde Hin zu sich die Sängerwelt. Und er spricht zu ihnen allen: Hört, ihr Sänger groß und klein! Jeder singe nach Gefallen, Frei soll alles Singen sein! — Und die Maienglöckchen klangen Niemals noch so hell und laut, Und die kleinen Vöglein sangen Niemals noch so hold und traut. Warum klingen doch die Lieder Und die Glöckchen weit und breit? Ja, dem Frühling gilt es wieder, Mehr doch gilt's der Singfreiheit. O Frühling! O Frühling, komm! Laß deine Blumen keimen, Erweck' im Hain der Vögel süßes Lied, Und schmücke bunt dein fröhliches Gebiet Mit Duft und Glanz und goldnen Wolkensäumen! Wenn Liebe singt in allen grünen Bäumen, Im Quelle rauscht, im hellen Haine blüht, Dann wird vielleicht mein trauerndes Gemüth, Vom Glück umringt, sich selber glücklich träumen. Doch wehe mir! was blickt mein stiller Gram Den Strahlen nach, die scheidend lang' verglommen, Und ruft umsonst die Schatten schön'rer Tage! Die jedes Glück aus meinem Leben nahm, Hat auch dem Lenz die Liebeslust genommen, Und ließ ihm nichts als seine Liebesklage. Frohe Botschaft Nach langem bangen Winterschweigen Willkommen, heller Frühlingsklang! Nun rührt der Saft sich in den Zweigen, Und in der Seele der Gesang. Es wandelt unter Blüthenbäumen Die Hoffnung über's grüne Feld; Ein wundersames Zukunftsträumen Fließt wie ein Segen durch die Welt. So wirf denn ab, was mit Beschwerden, O Seele, dich gefesselt hielt! Du sollst noch wie der Vogel werden, Der mit der Schwing' im Blauen spielt. Der aus den kahlen Dornenhecken Die rothen Rosen blühend schafft, Er kann und will auch dich erwecken Aus tiefem Leid zu junger Kraft. Und sind noch dunkel deine Pfade, Und drückt dich schwer die eigne Schuld: O glaube, größer ist die Gnade, Und unergründlich ist die Huld. Laß nur zu deines Herzens Thoren Der Pfingsten vollen Segen ein, Getrost, und du wirst neugeboren Aus Geist und Feuerflammen sein. Vorüber O darum ist der Lenz so schön, Mit Duft und Strahl und Lied, Weil singend über Flur und Höh'n So bald er weiter zieht; Und darum ist so süß der Traum, Den erste Liebe webt, Weil schneller wie die Blüth' am Baum Er welket und verschwebt. Und doch! Er läßt so still erwärmt, So reich das Herz zurück; Ich hab' geliebt, ich hab' geschwärmt, Ich preis' auch das ein Glück. Gesogen hab' ich Strahl auf Strahl In's Herz den kurzen Tag; Die schöne Sonne sinkt zu Thal, Nun komm', was kommen mag. Sei's bitt'res Leid, sei's neue Lust, Es soll getragen sein — Der sich're Schatz in meiner Brust Bleibt dennoch ewig mein. Dauer im Wechsel Siehe, der Frühling währet nicht lang': Bald ist verhallt der Nachtigall Sang. Blühen noch heute Blumen im Feld, Morgen ist öd' und traurig die Welt. Aber der Liebe selige Lust Ist sich des Wandels nimmer bewußt. Alles auf Erden hat seine Zeit, Frühling und Winter, Freuden und Leid, Hoffen und Fürchten, Ruhn und sich mühn, Kommen und Scheiden, Welken und Blühn. Aber der Liebe selige Lust Ist sich des Wandels nimmer bewußt. Weil uns des Lebens Sonne noch scheint, Wollen wir leben liebend vereint, Wollen der Zukunft Wetter nicht scheu'n, Wollen des Augenblicks uns erfreu'n! Was auch des Himmels Fügung uns gibt: Glücklich ist nur das Herz, das da liebt! Frühlingsglaube Die linden Lüfte sind erwacht, Sie säuseln und weben Tag und Nacht, Sie schlafen an allen Enden. O frischer Duft, o neuer Klang! Nun, armes Herze, sei nicht bang'! Nun muß sich Alles, Alles wenden. Die Welt wird schöner mit jedem Tag, Man weiß nicht, was noch werden mag, Das Blühen will nicht enden. Es blüht das fernste, tiefste Thal: Nun, armes Herz, vergiß der Qual! Nun muß sich Alles, Alles wenden. Frühlingslied Süß ist der Schlaf am Morgen Nach durchgeweinter Nacht, Und alle meine Sorgen Hab' ich zur Ruh' gebracht. Mit feuchtem Augenlide Begrüß' ich Hain und Flur, Im Herzen wohnt der Friede, Der tiefste Friede nur. Schon lacht der Lenz den Blicken, Er mildert jedes Leid, Und seine Veilchen sticken Der Erde junges Kleid. Schon hebt sich hoch die Lerche, Die Staude steht im Flor, Es ziehn aus ihrem Pferche Die Heerden sanft hervor. Das Netz des Fischers hanget Im hellsten Sonnenschein, Und sein Gemüth verlanget Der Winde Spiel zu sein. Und weil am Felsenriffe Das Meer sich leiser bricht, Wird rings der Bauch der Schiffe Zur neuen Fahrt verpicht. Den Uferdamm erklettern Eidechsen rasch bewegt, Und Nachtigallen schmettern, Die jede Laube hegt. Gezogen von den Stieren Wird schon der blanke Pflug, Und Menschen scheint und Thieren Die Erde schön genug. Nicht findet mehr der Waller Das Gottesbild zu weit, Es sind die Seelen Aller Gestimmt zur Frömmigkeit. O mein Gemüth, erfreue An diesem Glanz dich auch, Sei glücklich und erneue Der Lieder Flötenhauch, Auf daß die stumpfen Herzen Du doch zuletzt besiegst, Wenn frei von allen Schmerzen Tief unter'm Gras du liegst. An den Frühling Willkommen, schöner Jüngling! Du Wonne der Natur! Mit deinem Blumenkörbchen Willkommen auf der Flur! Ei! ei! da bist ja wieder! Und bist so lieb und schön! Und freu'n wir uns so herzlich, Entgegen dir zu gehn. Denkst auch noch an mein Mädchen? Ei, Lieber, denke doch! Dort liebte mich das Mädchen, Und's Mädchen liebt mich noch. Für's Mädchen manches Blümchen Erbat ich mir von dir — Ich komm' und bitte wieder, Und du? — du gibst es mir. Willkommen, schöner Jüngling! Du Wonne der Natur! Mit deinem Blumenkörbchen Willkommen auf der Flur! Wenn der Frühling auf die Berge steigt Wenn der Frühling auf die Berge steigt Und im Sonnenstrahl der Schnee zerfließt, Wenn das erste Grün am Baum sich zeigt Und im Gras das erste Blümlein sprießt — Wenn vorbei im Thal Nun mit einem Mal Alle Regenzeit und Winterqual, Schallt es von den Höh'n Bis zum Thale weit: O, wie wunderschön Ist die Frühlingszeit! Wenn am Gletscher heiß die Sonne leckt, Wenn die Quelle von den Bergen springt, Alles rings mit jungem Grün sich deckt Und das Lustgetön der Wälder klingt — Lüfte lind und lau Würzt die grüne Au', Und der Himmel lacht so rein und blau, Schallt es von den Höh'n Bis zum Thale weit: O, wie wunderschön Ist die Frühlingszeit! War's nicht auch zur jungen Frühlingszeit, Als dein Herz sich meinem Herz erschloß? Als von dir, du wundersüße Maid, Ich den ersten langen Kuß genoß; Durch den Hain erklang Heller Lustgesang, Und die Quelle von den Bergen sprang — Scholl es von den Höh'n Bis zum Thale weit: O, wie wunderschön Ist die Frühlingszeit! O süße Mutter! „O süße Mutter, Ich kann nicht spinnen, Ich kann nicht sitzen Im Stübchen innen, Im engen Haus; Es stockt das Rädchen, Es reißt das Fädchen, O süße Mutter, Ich muß hinaus. Der Frühling gucket Hell durch die Scheiben; Wer kann nun sitzen, Wer kann nun bleiben Und fleißig sein? O laß mich gehen Und laß mich sehen, Ob ich kann fliegen Wie Vögelein. O laß mich sehen, O laß mich lauschen, Wo Lüftlein wehen, Wo Bächlein rauschen, Wo Blümlein blühn. Laß sie mich pflücken Und schön mir schmücken Die braunen Locken Mit buntem Grün. Und kommen Knaben In wilden Haufen, So will ich traben, So will ich laufen, Nicht stille stehn; Will hinter Hecken Mich hier verstecken, Bis sie mit Lärmen Vorüber gehn. Bringt aber Blumen Ein frommer Knabe, Die ich zum Kranze Just nöthig habe: Was soll ich thun? Darf ich wohl nickend, Ihm freundlich blickend, O süße Mutter, Zur Seit' ihm ruhn?“ Der Wandrer geht alleine Der Mai ist auf dem Wege, Der Mai ist vor der Thür: Im Garten, auf der Wiese, Ihr Blümlein, kommt herfür! Da hab' ich den Stab genommen, Da hab' ich das Bündel geschnürt, Zieh' weiter und immer weiter, Wohin die Straße mich führt. Und über mir ziehen die Vögel, Sie ziehen in lustigen Reih'n; Sie zwitschern und trillern und flöten, Als ging's in den Himmel hinein. Der Wandrer geht alleine, Geht schweigend seinen Gang; Das Bündel will ihn drücken, Der Weg wird ihm zu lang. Ja, wenn wir allzusammen So zögen in's Land hinein! Und wenn auch das nicht wäre, Könnt' Eine nur mit mir sein! Frühlingseinzug Die Fenster auf, die Herzen auf! Geschwinde! Geschwinde! Der alte Winter will heraus, Er trippelt ängstlich durch das Haus, Er windet bang' sich in der Brust Und kramt zusammen seinen Wust Geschwinde, geschwinde. Die Fenster auf, die Herzen auf! Geschwinde! Geschwinde! Er spürt den Frühling vor dem Thor, Der will ihn zupfen bei dem Ohr, Ihn zausen an dem weißen Bart Nach solcher wilden Buben Art, Geschwinde, geschwinde. Die Fenster auf, die Herzen auf! Geschwinde! Geschwinde! Der Frühling pocht und klopft ja schon — Horcht, horcht, es ist sein lieber Ton! Er pocht und klopfet, was er kann, Mit kleinen Blumenknospen an, Geschwinde, geschwinde. Die Fenster auf, die Herzen auf! Geschwinde! Geschwinde! Und wenn ihr noch nicht öffnen wollt, Er hat viel Dienerschaft im Sold, Die ruft er sich zur Hülfe her Und pocht und klopfet immer mehr, Geschwinde, geschwinde. Die Fenster auf, die Herzen auf! Geschwinde! Geschwinde! Es kommt der Junker Morgenwind, Ein bausebackig rothes Kind, Und bläst, daß Alles klingt und klirrt, Bis seinem Herrn geöffnet wird, Geschwinde, geschwinde. Die Fenster auf, die Herzen auf! Geschwinde! Geschwinde! Es kommt der Ritter Sonnenschein, Der bricht mit goldnen Lanzen ein, Der sanfte Schmeichler Blüthenhauch Schleicht durch die engsten Ritzen auch, Geschwinde, geschwinde. Die Fenster auf, die Herzen auf! Geschwinde! Geschwinde! Zum Angriff schlägt die Nachtigall, Und horch, und horch ein Wiederhall, Ein Wiederhall aus meiner Brust! Herein, herein, du Frühlingslust, Geschwinde, geschwinde! O süßer Lenz — O süßer Lenz, beflügle deine Schritte, Komm früher diesmal, als du pflegst zu kommen! Du bist ein Arzt, wenn unsre Brust beklommen, Ein milder Arzt von immer sanfter Sitte! O könnt' ich schon in deiner Blumen Mitte, Wann kaum der Tag am Horizont entglommen, Bis er in's Abendroth zuletzt verschwommen, Von Träumen leben, ohne Wunsch und Bitte! Wann deine helle Sonne flammt im Blauen, Würd' ich, in's Gras gestreckt, nach oben blicken, Und würde glauben, meinen Freund zu schauen! Geblendet würde dann mein Auge nicken, Ich würde schlummern, bis die Sterne thauen, Und mich im Schlaf an seinem Bild erquicken! Maienthau Auf den Wald und auf die Wiese, Mit dem ersten Morgengrau, Träuft ein Quell vom Paradiese, Leiser, frischer Maienthau; Was den Mai zum Heiligthume Jeder süßen Wonne schafft, Schmelz der Blätter, Glanz der Blume, Würz' und Duft, ist seine Kraft. Wenn den Thau die Muschel trinket, Wird in ihr ein Perlenstrauß; Wenn er in den Eichbaum sinket, Werden Honigbienen d'raus; Wenn der Vogel auf dem Reise Kaum damit den Schnabel netzt, Lernet er die helle Weise, Die den ernsten Wald ergötzt. Mit dem Thau der Maienglocken Wäscht die Jungfrau ihr Gesicht, Badet sie die goldnen Locken Und sie glänzt von Himmelslicht; Selbst ein Auge, roth geweinet, Labt sich mit den Tropfen gern, Bis ihm freundlich niederscheinet, Thaugetränkt, der Morgenstern. Sink' denn auch auf mich hernieder, Balsam du für jeden Schmerz! Netz' auch mir die Augenlider, Tränke mir mein dürstend Herz! Gib mir Jugend, Sangeswonne, Himmlischer Gebilde Schau, Stärke mir den Blick zur Sonne, Leiser, frischer Morgenthau! Freundeswunsch Wenn vom Frühling rund umschlungen, Von des Morgens Hauch umweht, Trunken nach Erinnerungen Meine wache Seele späht; Wenn, wie einst am fernen Herde, Mir so süß die Sonne blinkt, Und ihr Strahl in's Herz der Erde Und der Menschenkinder dringt; Wenn, umdämmert von der Weide, Wo der Bach vorüber rinnt, Tief bewegt von Leid und Freude, Meine Seele träumt und sinnt; Wenn im Haine Geister säuseln, Wenn im Mondenschimmer sich Kaum die stillen Teiche kräuseln: Schau' ich oft und grüße dich. Edles Herz, du bist der Sterne Und der schönen Erde werth, Bist deß werth, so viel die ferne Nahe Mutter dir bescheert. Sieh, mit deiner Liebe lieben Schönes die Erwählten nur; Denn du bist ihr treu geblieben, Deiner Mutter, der Natur. Der Gesang der Haine schalle Froh, wie du, um deinen Pfad! Sanft bewegt vom Weste, walle, Wie dein friedlich Herz, die Saat! Deine liebste Blüthe regne, Wo du wandelst, auf die Flur, Wo dein Auge weilt, begegne Dir das Lächeln der Natur! Oft im stillen Tannenhaine Webe dir um's Angesicht Seine zauberische, reine Glorie das Abendlicht! Deines Herzens Sorge wiege D'rauf die Nacht in süße Ruh' Und die freie Seele fliege Liebend den Gestirnen zu! Frühlingsgrün Die Lerche jubelt lauter d'rein, Den Frühling zu begrüßen, Sieht unter sich in lichtem Schein Das erste Grün sie sprießen. Und wär's ein Grab auch, d'rauf es schoßt, Sie ändert nicht die Weise, Das Grün auch, das auf Gräbern sproßt, Mahnt an den Frühling leise. Die sanften Tage Ich bin so hold den sanften Tagen, Wann in der ersten Frühlingszeit Der Himmel, blaulich aufgeschlagen, Zur Erde Glanz und Wärme streut; Die Thäler noch von Eise grauen, Der Hügel schon sich sonnig hebt, Die Mädchen sich in's Freie trauen, Der Kinder Spiel sich neu belebt. Dann steh' ich auf dem Berge droben Und seh' es Alles, still erfreut, Die Brust von leisem Drang gehoben, Der noch zum Wunsche nicht gedeiht. Ich bin ein Kind und mit dem Spiele Der heiteren Natur vergnügt, In ihre ruhigen Gefühle Ist ganz die Seele eingewiegt. Ich bin so hold den sanften Tagen, Wann ihrer mildbesonnten Flur Gerührte Greise Abschied sagen; Dann ist die Feier der Natur. Sie prangt nicht mehr mit Blüth' und Fülle All' ihre regen Kräfte ruhn, Sie sammelt sich in süße Stille, In ihre Tiefen schaut sie nun. Die Seele, jüngst so hoch getragen, Sie senket ihren stolzen Flug. Sie lernt ein friedliches Entsagen, Erinnerung ist ihr genug. Da ist mir wohl im sanften Schweigen, Das die Natur der Seele gab; Es ist mir so, als dürft' ich steigen Hinunter in mein stilles Grab. Frühlingsblick Durch den Wald, den dunklen, geht Holde Frühlingsmorgenstunde, Durch den Wald vom Himmel weht Eine leise Liebeskunde. Selig lauscht der grüne Baum, Und er taucht mit allen Zweigen In den schönen Frühlingstraum, In den vollen Lebensreigen. Blüht ein Blümlein irgendwo, Wird's vom hellen Thau getränket, Das einsame zittert froh, Daß der Himmel sein gedenket. In geheimer Laubesnacht Wird des Vogels Herz getroffen Von der großen Liebesmacht, Und er singt ein süßes Hoffen. All' das frohe Lenzgeschick Nicht ein Wort des Himmels kündet; Nur sein stummer, warmer Blick Hat die Seligkeit entzündet; Also in den Winterharm, Der die Seele hielt bezwungen, Ist ein Blick mir, still und warm, Frühlingsmächtig eingedrungen. Morgens Ein sanfter Morgenwind durchzieht Des Forstes grüne Hallen, Hell wirbelt der Vögel munt'res Lied, Die jungen Birken wallen. Das Eichhorn schwingt sich von Baum zu Baum, Das Reh durchschlüpft die Büsche, Viel hundert Käfer im schattigen Raum Erfreu'n sich der Morgenfrische. Und wie ich so schreit' im lustigen Wald, Und alle Bäum' erklingen, Um mich her Alles singet und schallt, Wie sollt' ich allein nicht singen? Ich singe mit starkem freudigen Laut Den, der die Wälder säet, Und droben die luftige Kuppel gebaut, Und Wärm' und Kühlung wehet. Mailied Wie herrlich leuchtet Mir die Natur! Wie glänzt die Sonne! Wie lacht die Flur! Es dringen Blüthen Aus jedem Zweig Und tausend Stimmen Aus dem Gesträuch, Und Freud' und Wonne Aus jeder Brust. O Erd'! o Sonne O Glück! o Lust! O Lieb'! o Liebe! So golden-schön, Wie Morgenwolken Auf jenen Höh'n! Du segnest herrlich Das frische Feld, Im Blüthendampfe Die volle Welt. O Mädchen, Madchen, Wie lieb' ich dich! Wie blickt dein Auge! Wie liebst du mich! So liebt die Lerche Gesang und Luft, Und Morgenblumen Den Himmelsduft, Wie ich dich liebe Mit warmem Blut, Die du mir Jugend Und Freud' und Muth Zu neuen Liedern Und Tänzen giebst. Sei ewig glücklich, Wie du mich liebst! Morgenfrühe Noch sind die Blumen halb geschlossen, Noch sind die Vöglein schlummermatt, Der Thau, der sich bei Nacht ergossen, Fällt leis im Wald von Blatt zu Blatt. Es zittert durch die grünen Hallen Des Morgenwindes duft'ger Hauch, Und wie des Thaues Tropfen fallen, Fällt von der Brust die Schwermuth auch. Und wieder bebt mir durch's Gemüthe Die Wonne, die mich einst entzückt; Auf's Neue blüht sie auf, die Blüthe, Die fast des Lebens Last erdrückt. Was bei des Tags Gewitterschwüle Sich um der Seele Flügel spinnt, Aus meinem Busen treibt's der kühle, Der frühlingsfrische Morgenwind. Gesegnet sei, du Morgenfeier! Schon leuchtet's um der Berge Knauf; Die Seele hebt den Fittig freier Und mit den Lerchen steigt sie auf. Ich möcht' an's Herz den Himmel pressen, Die Blume küssen, die ich pflück'. O, eine Stunde Schmerzvergessen Ist schon ein unermeßlich Glück! Die Nebel auf des Thales Matten Verscheucht der Sonne goldne Pracht, Es sind die letzten dunklen Schatten Von dem Gewand der flücht'gen Nacht. Empor, empor, ihr Liederschwingen! Fort, Sorgennebel, dumpf und schwer! — O Gott, wenn doch die Sorgen gingen Einmal auf Nimmerwiederkehr! Die Luft so still Die Luft so still und der Wald so stumm An dieser bewachsenen Halde, Ein grüngewölbtes Laubdach ringsum, Ein Wiesenthal unten am Walde. Wildblühende Blumen sprießen umher, Rings fließen süße Düfte, Ohne Rauschen raget der Bäume Meer Hoch in die sonnigen Lüfte. Nur Amselschlag einsam und weit, Und Falkenschrei aus der Höhe, Und nichts Lebendiges weit und breit, Als im Waldthal grasende Rehe. Natur, in dein Leben still und kühl Liege ich selig versunken: Ein süßes Kindermärchengefühl Macht mir die Sinne trunken. Liebesfeier An ihren bunten Liedern klettert Die Lerche selig in die Luft; Ein Jubelchor von Sängern schmettert Im Walde, voller Blüth' und Duft. Da sind, so weit die Blicke gleiten, Altäre festlich aufgebaut, Und all' die tausend Herzen läuten Zur Liebesfeier dringend laut. Der Lenz hat Rosen angezündet An Leuchtern von Smaragd im Dom; Und jede Seele schwillt und mündet Hinüber in den Opferstrom. Einsamkeit Hörst du nicht die Quellen gehen Zwischen Stein und Blumen weit Nach den stillen Waldesseen, Wo die Marmorbilder stehen In der schönen Einsamkeit? Von den Bergen sacht hernieder, Weckend die uralten Lieder, Steigt die wunderbare Nacht, Und die Gründe glänzen wieder, Wie du oft im Traum gedacht. — Und die Nachtigallen schlagen, Und rings hebt es an zu klagen, Ach, von Liebe todeswund; Von versunk'nen schönen Tagen — Komm, o komm zum stillen Grund. Abendstille Nun hat am klaren Frühlingstage Das Leben reich sich ausgeblüht; Gleich einer ausgeklungnen Sage, Im West das Abendroth verglüht. Des Vogels Haupt ruht unter'm Flügel, Kein Rauschen tönt, kein Klang und Wort; Der Landmann führt das Roß am Zügel, Und Alles ruht an seinem Ort. Nur fern im Strome noch Bewegung, Der weit durch's Thal die Fluthen rollt: Es quillt vom Grunde leise Regung, Und Silber säumt sein flüssig Gold. Dort auf dem Strom noch ziehen leise Die Schiffe zum bekannten Port, Geführt vom Fluß im sichern Gleise — Sie kommen auch an ihren Ort. Hoch oben aber eine Wolke Von Wandervögeln rauscht dahin; Ein Führer streicht voran dem Volke Mit Kraft und landeskund'gem Sinn. Sie kehren aus dem schönen Süden Mit junger Lust zum heim'schen Nord, Nichts mag den sichern Flug ermüden — Sie kommen auch an ihren Ort! Und du, mein Herz! in Abendstille Dem Kahn bist du, dem Vogel gleich, Es treibt auch dich ein starker Wille, An Sehnsuchtsschmerzen bist du reich. Sei's mit des Kahnes stillem Zuge, Zum Ziel doch geht es immer fort; Sei's mit des Kranichs raschem Fluge — Auch du, Herz, kommst an deinen Ort! Lockung Hörst du nicht die Bäume rauschen Draußen durch die stille Rund'? Lockt's dich nicht, hinabzulauschen Von dem Söller in den Grund, Wo die vielen Bäche gehen Wunderbar im Mondenschein, Und die stillen Schlösser sehen In den Fluß vom hohen Stein? Kennst du noch die irren Lieder Aus der alten, schönen Zeit? Sie erwachen alle wieder Nachts in Waldeseinsamkeit, Wenn die Bäume träumend lauschen Und der Flieder duftet schwül Und im Fluß die Nixen rauschen — Komm herab, hier ist's so kühl. Wald und Wiese. Blumen des Waldes, so wunderbar eigen; Blumen der Wiese, reicher und bunter, Lieblicher Wechsel der freundlichen Farben, Blumen der Wiese, was seid ihr so munter? Blumen des Waldes, in düsterem Schatten Mußtet ihr einsam und freundlos erblühn. Blumen der Wiese, euch lachte das Schicksal, Rings euch umgebend mit Hoffnungsgrün. Frühling ohn' Ende Nun brechen aller Enden Die Blumen aus grünem Plan; Wo ich mich hin mag wenden, Da hebt ein Klingen an! Möcht' dir ein Sträußlein binden, Möcht' dir ein Lied erfinden. Wo aber fang' ich an? Hier blühn Mariensterne, Dort Primeln dicht und bunt; Bald ruft ein Horn zur Ferne, Bald rauscht's im kühlen Grund. Ganz wirr ist mir zu Sinne, Weiß nicht, was ich beginne; Mein Herz ist mir verwund't. Ja, möchtest selbst du kommen, Da wär's wohl gute Zeit, All' Leid wär' mir benommen Und lauter Seligkeit; Die Blumen könnten blühen, Die Klänge weiter ziehen, Ist doch die Welt so weit. Wenn sich zwei Augen gefunden, Wer schaut die Blumen an? Wenn sich zwei Mündlein runden, Was braucht's der Lieder dann? Wenn einig Herz und Hände: Welch' Frühling ohne Ende Hebt da zu blühen an! Im Walde Geh' ich einsam durch den Wald, Durch den grünen, düstern, Keines Menschen Stimme schallt, Nur die Bäume flüstern: O wie wird mein Herz so weit, Wie so hell mein Sinn! Märchen aus der Kinderzeit Treten vor mich hin. Ja, ein Zauberwald ist hier: Was hier lebt und wächst, Stein und Blume, Baum und Thier, Alles ist verhext. Die auf dürren Laubes Gold Sich hier sonnt und sinnt, Diese Natter, krausgerollt, Ist ein Königskind. Dort in jenen dunklen Teich, Der die Hindin tränkt, Ist ihr Palast, hoch und reich, Tief hinabgesenkt. Den Herrn König, sein Gemahl, Und das Burggesinde, Und die Ritter allzumal Halten jene Gründe; Und der Habicht, der am Rand Des Gehölzes schwebt, Ist der Zaubrer, dessen Hand Diesen Zauber webt. O wüßt' ich die Formel nun, Die den Zauber lös't: Gleich in meinen Armen ruhn Sollte sie erlös't, Von der Schlangenhülle frei, Mit der Krone blank, In den Augen süße Scheu, Auf den Lippen Dank. Aus dem Teiche wunderlich Stiege das alte Schloß; An's Gestade drängte sich Ritterlicher Troß. Und die alte Königin Und der König, beide, Unter sammt'nem Baldachin Säßen sie; der Bäume Grün Zitterte vor Freude. Und der Habicht, jetzt gewiegt Von Gewölk und Winden, Sollte machtlos und besiegt Sich im Staube winden. — Waldesruhe, Waldeslust, Bunte Märchenträume, O, wie labt ihr meine Brust Lockt ihr meine Reime! Waldfrieden Mich lockt der Wald mit grünen Zweigen Aus dumpfer Stadt und trüber Luft; Er lockt mit seiner Sänger Reigen, Mit seinem feierlichen Schweigen Und seiner Blüthen mildem Duft. Es wölbt sich stolz der Buchen Krone Und über Kiesel rollt der Bach; Die Drossel pfeift auf grünem Throne, Es spielt der Wind mit Orgeltone Im dichtverschlungnen Blätterdach. Und welch' ein Reichthum in den Weisen, Die in dem kühlen Waldeszelt Bald in Akkorden, milden, leisen, Und bald in vollern mächtig preisen Die reiche, wunderbare Welt! Am fernen Abhang stehn die Föhren, Dort ruht der Hirsch im kühlen Tann; Sie stimmen auch in vollen Chören, Um nicht die Harmonie zu stören, Ein feierliches Loblied an. Es fliegt ein Falke durch's Gehege Mit lautem und mit heiserm Schrei; Den starken Fittig schlägt er trage, Hoch über ihm zieht seiner Wege Ein stolzer, königlicher Weih'. Und Stille, wie in Kirchenhallen, Senkt sich auf Waldung, Thal und Flur; Des Abends dunkle Schleier fallen, Im trauten Zwielicht horst du schallen Den lauten Ruf des Uhu's nur. Dann steigt der Mond mit goldnem Scheine Am blauen Himmelsdom empor, Und streut sein Gold rings auf die Haine, Auf Feld und Flur, auf grüne Raine Und auf das düstre, stille Moor. Die Ruhe, die das All umschlungen, Zieht auch in deine Seele ein; Der inn're Zwiespalt ist verklungen, Du hast den Frieden dir errungen, Des Herzens Saiten tönen rein. Waldträume Ich weiß nicht, ein süßes Sehnen Erwacht in meiner Brust, Und meinen Busen dehnen Lenzträume und Maienlust. Mir ist, als sollt' ich träumen Im abendsonn'gen Wald, Wenn unter schattigen Bäumen Das Waldhorn rufend hallt. Mir ist, als sollt' ich sinken In's abendfeuchte Gras, Aus Blumenkelchen trinken Des Thaues Perlennaß; Als sollt' ich über mir schauen Eilender Vögel Flug, Und hoch im sonnigen blauen Äther der Wolken Zug; Als sollt' ich lächelnd fragen: Wohin sie so eilig ziehn, Und mich in süßem Behagen Dehnen im weichen Grün. Mir ist, als wären wieder In tiefer Winternacht Die alten Träume und Lieder Im Herzen aufgewacht. Wie konnt' es im Busen nur bleiben So warm und frühlingslicht, Und eisige Flocken treiben Mir in das heiße Gesicht? Abschied O Thäler weit, o Höhen, O schöner grüner Wald, Du meiner Lust und Wehen Andächt'ger Aufenthalt! Da draußen, stets betrogen, Saus't die geschäft'ge Welt, Schlag' noch einmal die Bogen Um mich, du grünes Zelt! Wenn es beginnt zu tagen, Die Erde dampft und blinkt, Die Vögel lustig schlagen, Daß dir dein Herz erklingt: Da mag vergehn, verwehen Das trübe Erdenleid, Da sollst du auferstehen In junger Herrlichkeit! Da steht im Wald geschrieben Ein stilles, ernstes Wort Von rechtem Thun und Lieben Und was des Menschen Hort. Ich habe treu gelesen Die Worte, schlicht und wahr, Und durch mein ganzes Wesen Ward's unaussprechlich klar. Bald werd' ich dich verlassen, Fremd in der Fremde gehn, Auf buntbewegten Gassen Des Lebens Schauspiel sehn; Und mitten in dem Leben Wird deines Ernst's Gewalt Mich Einsamen erheben, So wird mein Herz nicht alt. Stille Heimath Ich lag an deiner Mutterbrust, Dein Pflegekind, Natur, Das Blumenbeet war meine Lust, Und meine Welt die Flur. Wohin, wohin, mein Paradies? Wo find' ich wieder dich? Seit ich das Friedensthal verließ, Verließ der Segen mich. Ich schweife rastlos durch die Welt Und sehne mich zurück; Die Welt hat Manches, das gefällt, Doch fremd ist ihr das Glück. Einsamkeit Wild verwachs'ne, duntle Fichten, Leise klagt die Quelle fort; Herz, das ist der rechte Ort Für dein schmerzliches Verzichten! Grauer Vogel in den Zweigen! Einsam deine Klage singt, Und auf deine Klage bringt Antwort nicht des Waldes Schweigen. Wenn's auch immer schweigen bliebe, Klage, klage fort; es weht, Der dich höret und versteht, Stille hier der Geist der Liebe. Nicht verloren hier im Moose, Herz, dein heimlich Weinen geht, Deine Liebe Gott versteht, Deine tiefe, hoffnungslose! Schlaf' auch du! Die Sonne sank, der Abend naht Und stiller wird's auf Straß' und Pfad, Und süßer Friede, Ruh' und Rast Folgt auf des Tages Sorg' und Last. Es schweigt der Wald, es schweigt das Thal: Die Vöglein schweigen allzumal, Sogar die Blume nicket ein Und schlummert bis zum Tag hinein. Schon rieselt nieder kühler Thau Auf Halm und Blatt in Feld und Au'. Im Laube spielet frische Luft, Und Blüth' und Blume spendet Duft. Der Abendstern mit güldnem Schein Blickt in die stille Welt hinein, Als rief' er jedem Herzen zu: Sei still, sei still, und schlaf' auch du! Bete auch du! Wie ist der Abend so traulich, Wie lächelnd der Tag verschied! Wie singen so herzlich erbaulich Die Vögel ihr Abendlied! Die Blumen müssen wohl schweigen, Kein Ton ist Blumen bescheert, Doch, stille Beter, neigen Sie Alle das Haupt zur Erd'. Wohin ich gehe und schaue, Ist Abendandacht. Im Strom Spiegelt sich auch der blaue, Prächtige Himmelsdom, Und Alles betet lebendig Um eine selige Ruh', Und Alles mahnt mich inständig: O Menschenkind, bete auch du! Abendfeier Es lebt ein wundersames Leben In eines Maienabends Duft, Die ew'ge Gnade fühl' ich schweben Beglückend durch die weiche Luft: Sie breitet aus die milden Hände, Daß reicher Segen niederträuft, Daß Licht und Liebe sonder Ende Sich auf das Haupt des Menschen häuft. Des Himmels Schatz wird ausgespendet: Das Herz faßt all' die Fülle nicht, Es wird das Seligste verschwendet: Duft, Liebe, Wärme, Friede, Licht! Kein Hauch von Flur und Wald Kein Hauch von Flur und Wald, Vom Fluß ein Rauschen kaum; Mein Schritt allein erschallt Gedämpft im weiten Raum. Ihr Sternenzwielicht gießt Die Lenznacht erdenwärts, Und ihre Frische fließt Verjüngend an mein Herz. Die wild in mir gestrebt, Des Tags Begier, entweicht; In meinen Adern schwebt Das Leben licht und leicht. Fast ist's, als streifte kühl Mir eine Geisterhand Vom Haupte das Gefühl Der Schwere, die mich band. Und schauernd wonniglich In dunkler Lüfte Schwall Ergießt die Seele sich, Und schwimmt gelöst im All. Abend Sehet, es kehret der Abend uns wieder, Dämmernde Wolken geleiten ihn her, Himmel und Erde hinauf und hernieder Waltet ein heilig geheimer Verkehr. Sterne, ihr Blumen des Himmels, ihr winket, Blumen, ihr Sterne der Erde, ihr lauscht, Duftig die Strenge der Schranken versinket, Sehnende Liebe hat Alles berauscht. Götter entsenden in ähnlichen Stunden Segnende Boten im Menschengewand — Heil, wer den Gast in der Hülle gefunden Und ihn an leuchtenden Spuren erkannt. Wehmuth Wenn die Abendstunden nieder Wallen, einst so reich an Glück, Denk' ich sehnend immer wieder An die schöne Zeit zurück, Als mir jede Wolke däuchte Einer Hoffnung rosig Kleid, Jedes Sternlein eine Leuchte Auf dem Pfad zur Seligkeit, Als ein Liebeshauch sich regte, Wo gebebt die Espe nur, Einen Freudengott mir hegte Jeder Blumenkelch der Flur! Sinket jetzt der Abend nieder, Müßt's wie damals, mein' ich, sein, Und es kommen wirklich wieder Blumen, Wolken, Sternenschein. Ach, es sind die gleichen Stunden, Doch des sel'gen Inhalts leer: Denn die Lieb' ist d'raus entschwunden, Und ich finde sie nicht mehr! Abendlied Ich stand auf Berges Halde, Als heim die Sonne ging, Und sah, wie über'm Walde Des Abends Goldnetz hing. Des Himmels Wolken thauten Der Erde Frieden zu, Bei Abendglockenlauten Ging die Natur zur Ruh'. Ich sprach: O Herz, empfinde Der Schöpfung Stille nun, Und schick' mit jedem Kinde Der Flur dich auch, zu ruhn. Die Blumen alle schließen Die Augen allgemach, Und alle Wellen fließen Besänftiget im Bach. Nun hat der müde Sylphe Sich unter's Blatt gesetzt, Und die Libell' am Schilfe Entschlummert thaubenetzt. Es ward dem goldnen Käfer Zur Wieg' ein Rosenblatt; Die Heerde mit dem Schäfer Sucht ihre Lagerstatt. Die Lerche sucht aus Lüften Ihr feuchtes Nest im Klee, Und in des Waldes Schlüften Ihr Lager Hirsch und Reh. Wer sein ein Hüttchen nennet, Ruht nun darin sich aus; Und wen die Fremde trennet, Den trägt ein Traum nach Haus. Mich fasset ein Verlangen, Daß ich zu dieser Frist Hinauf nicht kann gelangen, Wo meine Heimath ist. Abendstille Leiser rauschet der Bäume Gezweig. Stiller fließt der beruhigte Bach; Abend winkt schon, es schläft die Natur; Ich bin allein und allein noch wach. Aus der milde schimmernden Fluth Taucht noch einmal ein Fischchen empor, Taucht dann unter; die Welle vergeht, Alles ringsum still wie zuvor. Träumerisch neigen die Blumen ihr Haupt, Dunklere Schatten decken den Bach Und des Abends ersterbender Hauch Lebt wie ein Seufzer der Sonne nach. Süßer duftet das schwellende Moos An des Ufers erquickendem Saum. Hier ist's so heimlich, so still und traut, Friede athmet der dämmernde Raum. Raste denn, bis das Licht sich erneut, Alles spricht ja zum Herzen dir. Lang' gesuchte selige Ruh', Winkst du endlich dem Müden hier? Abendfriede Die Schwalbe schwingt zum Abendliede Sich auf das Stänglein unterm Dach, Im Feld und in der Stadt ist Friede, Fried' ist im Haus und im Gemach. Ein Schimmer fällt vom Abendrothe Leis' in die stille Straß' herein, Und vor'm Entschlafen sagt der Bote, Es werd' ein schöner Morgen sein. Schlummer im Walde Ich hab' einmal ein Lied gehört, Das klang so weich und voll, Daß lustberauscht, daß wehmuthschwer Mein Herz mir überquoll. Dies Lied vergess' ich nimmermehr; Wie in des Lenzes Schein Den Honigseim die Biene saugt, So sog ich's in mich ein. Und als sich jüngst im Waldesgrün Der Schlummer mir genaht, Da ward des Liedes Melodie Begebenheit und That; Gestaltet traten vor mich hin Die Töne wunderbar, Und was ich je gehofft, ersehnt, Verkörpert bot sich's dar; Und als die Hand ich ausgestreckt, War leer der stille Raum: — O wär' der Traum doch Wirklichkeit, Die Wirklichkeit doch Traum! Gute Nacht Schon fängt es an zu dämnern, Der Mond als Hirt erwacht, Und singt den Wolkenlämmern Ein Lied zur guten Nacht. Und wie er singt so leise, Da dringt vom Sternenkreise Der Schall in's Ohr mir sacht. Schlafet in Ruh', schlafet in Ruh'! Vorüber der Tag und sein Schall, Die Liebe Gottes deckt euch zu Allüberall. Nun suchen in den Zweigen Ihr Nest die Vögelein, Die Halm' und Blumen neigen Das Haupt im Mondenschein, Und selbst des Mühlrads Wellen Lassen das wilde Schwellen Und schlummern murmelnd ein. Schlafet in Ruh', schlafet in Ruh'! Vorüber der Tag und sein Schall, Die Liebe Gottes deckt euch zu Allüberall. Von Thür zu Thüre wallet Der Traum, ein lieber Gast, Das Harfenspiel verhallet Im schimmernden Palast; Im Nachen schläft der Ferge, Die Hirten auf dem Berge Halten um's Feuer Rast. Schlafet in Ruh', schlafet in Ruh'! Vorüber der Tag und sein Schall, Die Liebe Gottes deckt euch zu Allüberall. Und wie nun alle Kerzen Verlöschen durch die Nacht, Da schweigen auch die Schmerzen, Die Sonn' und Tag gebracht; Lind säuseln die Cypressen, Ein seliges Vergessen Durchweht die Lüfte sacht. Schlafet in Ruh', schlafet in Ruh'! Vorüber der Tag und sein Schall, Die Liebe Gottes deckt euch zu Allüberall. Und wo von heißen Thränen Ein schmachtend Auge blüht, Und wo in bangem Sehnen Ein liebend Herz verglüht, Der Traum kommt leis' und linde Und singt dem kranken Kinde Ein tröstend Hoffnungslied. Schlafet in Ruh', schlafet in Ruh'! Vorüber der Tag und sein Schall, Die Liebe Gottes deckt euch zu Allüberall. Gute Nacht denn, all ihr Müden, Ihr Lieben nah' und fern, Nun ruh' auch ich in Frieden, Bis glänzt der Morgenstern. Die Nachtigall alleine Singt noch im Mondenscheine Und lobet Gott, den Herrn. Schlafet in Ruh', schlafet in Ruh'! Vorüber der Tag und sein Schall, Die Liebe Gottes deckt euch zu Allüberall. Der Abendfalter Der Lerche letztes Abendlied War hoch im Wolkenraum verklungen, Und einsam hat die Nachtigall Der Liebe hohes Lied gesungen. Im Wiesengrunde noch am Bach Die Unke leise, leise rief, Da ward der Abendfalter wach, Der im Gebüsch den Tag verschlief. Wie regte er sein Schwingenpaar! Wie ist er hin und her geflogen! Aus diesem und aus jenem Kelch Hat süßen Trunk er schnell gesogen. Die Blumen faßte Liebesgram, Weil keiner Blüth' der Falter treu, Doch, wenn der Schalk nur wiederkam, So liebten alle ihn auf's Neu'. Es hat der Schmetterling geschwelgt; Mit allen Blüthen Kuß er tauschte, Bis kühler, immer kühler stets Der Nachtwind durch die Wipfel rauschte, Bis dicht und dichter sank der Thau Hin auf der Blumen duft'gen Kranz; Bis dunkler ward des Äthers Blau Und heller ward der Sterne Glanz: Da flog der wilde Schwärmer sacht Zu einer kaum erblühten Rose. Er sank in ihres Kelches Pracht, Sie nahm ihn auf mit Liebgekose. Als aber licht das Morgenroth Umsäumt' im Ost des Himmels Ring, Der bunte Abendfalter todt Im Kelch der jungen Rose hing. Abendfeier In der Fremde Begraben in Waldesschatten, Lieg' ich im Abendschein. Wie lieblich duften die Matten, Wie traulich säuselt der Hain! Die Tannen ragen düster Hoch in die Wolken hinein, Und wiegen mit süßem Geflüster In liebliche Träume mich ein. Das Bächlein rauscht in der Tiefe, Es klaget der Nachtigall Ton — Mir ist, als ob ich schliefe Tief unter der Erde schon. Wohl ruh' ich an fremder Stätte, Von allen Lieben so weit — Doch dünkt mich's fast, als hätte Vergessen ich längst mein Leid. Die Wälder rauschen und klingen, Die Abendsonne erglüht, Die Vöglein schmettern und singen Das alte Heimathlied. Mir ist's, als küßte die Thränen Hinweg lieb' Mütterchens Mund, Die ich in bangem Sehnen Geweint um die Heimath jetzund. So laß mich lange noch träumen, O stille Abendzeit, Umwebt von duftenden Bäumen, Versunken in Seligkeit! Mondaufgang Ferne blasse Blitze sprühen Leuchtend durch die schwüle Luft, Und der Blumen erstes Blühen Haucht im allerstärksten Duft; Nachtigallen in trunk'ner Lust, Fluthen im Springquell heben die Brust, Östlich am Äther entdämmert ein Glühen. Dunkler wird's im Schattenreiche, Hoher Bäume Wipfelgold, Bergesklüfte, tiefe Teiche Zitern lichter. Blond und hold Neigt sich herüber das Mondgesicht, Lieblich, ein schlafendes Sonnenlicht, Glänzend in ruhiger Bleiche. Und wie einst in Delphi's Hainen, Wie an Isis Tempelthor, Tönend noch in Baum und Steinen, Flüsternd noch in Laub und Rohr, Ringt die Natur nach lebendigem Wort, Möchte mit uns auch wieder wie dort Leben und reden und jauchzen und weinen. Ach, verstummt ist ihre Lippe, Fern am tauben Himmel ziehn Die entseelten Thiergerippe Leerer Sternenbilder hin! Welch' ein Geheimniß umschleiert den Pol? Was uns zu klagen verworren und hohl, Murmelt der Sturm und die Fluth an der Klippe? Nicht mehr weckt aus Felsenschranken Nymphenchor und Elfentanz, Über Fluth und Epheuranken Bleiches Licht dein Mythenglanz; Wandle dahin in erloschener Pracht, Klagende Seele der einsamen Nacht, Deine Geschlechter versanken! Der frühe Mond Noch ist die Nacht nicht eingeläutet, Noch kehrt vom Feld der Schnitter nicht, Und auf den Bergen ausgebreitet Ist noch des Himmels Sonnenlicht; Und doch ist schon der Mond zur Stelle, Blickt bleich hernieder in den Tag, Daß ihn des Baches Spiegelhelle Kaum flüchtig wiederstrahlen mag. Du bist zu zeitig heut' gekommen, Du lieber Mond, und d'rum so bleich! Du hast im Lauf dich übernommen Und denkst, die Sterne kämen gleich? O sieh der Wälder stolzes Prangen, Des Himmels Blau, die Wiesenflur, Die Blumen mit den vollen Wangen, — Sie spotten deiner Blässe nur. Doch laß dich nicht den Spott verdrießen, Denn wenn die Blumen schlummern ein, Die stolzen Wälder schlafen müssen, Dann schwillt und wächst dein Silberschein. Die Welle, die mit Widerstreben Jetzt wiederstrahlt dein bleiches Bild, Wird dir mit Lust entgegenbeben, Wenn sich vor ihr dein Glanz enthüllt. Unendlichkeit Wie sie so himmlisch ruhig droben kreisen, Kein Laut, der je zu uns herüber drang; Sie wandeln ihren stillen, ewig leisen, Geheimnißvollen, wunderbaren Gang. Die Winde sausen aus der fernsten Ferne; Des Weltalls Boten fliehn sie hin und her; Doch bringen sie aus dem Bereich der Sterne Nicht einen Ton, der uns vernehmbar wär'. Vergebens ist des Ohr's gespanntes Lauschen, Der Geist nur überwindet Raum und Zeit, Und ihm ertönt im stummen Sphären-Rauschen Der Donnerruf des Alls: Unendlichkeit! Sommernacht Der laute Tag ist fortgezogen, Es kommt die stille Nacht herauf, Und an dem weiten Himmelsbogen Da gehen tausend Sterne auf, Und wo sich Erd' und Himmel einen In einem lichten Nebelband, Beginnt der helle Mond zu scheinen Mit mildem Glanz ins dunkle Land. Da geht durch alle Welt ein Grüßen Und schwebet hin von Land zu Land; Das ist ein leises Liebesküssen, Das Herz dem Herzen zugesandt, Das im Gebete aufwärts steiget, Wie gute Engel, leicht beschwingt, Das sich zum fernen Liebsten neiget Und süße Schlummerlieder singt. Und wie es durch die Lande dringet, Da möchte Alles Bote sein; Ein Vogel es dem andern singet, Und alle Bäume rauschen d'rein; Und durch den Himmel geht ein Winken Und auf der Erde nah und fern; Die Ströme heben an zu blinken, Und Stern verkündet es dem Stern. O Nacht, wo solche Geister wallen Im Mondenschein, auf lauer Luft! O Nacht, wo solche Stimmen schallen Durch lauter reinen Blüthenduft! O Sommernacht, so reich an Frieden, So reich an stiller Himmelsruh': Wie weit zwei Herzen auch geschieden, Du führest sie einander zu! Und ob der holde Tag vergangen Und ob der holde Tag vergangen Mit seiner frühlingshellen Pracht, Der Blume wird es doch nicht bangen Vor trüber, sternenloser Nacht. Denn was von Strahlen sich ergossen, Das webt in ihr den schönsten Traum; Des Frühlings Wonne ruht verschlossen In ihres Kelches duft'gem Raum. So öffne dich, o Herz, der Liebe, Schließ ihre Strahlen in dich ein, Dann wird's in Nächten bang' und trübe In deinem Innern Frühling sein. Trost der Nacht Ee heilt die Nacht des Tages Wunden, Wenn mit der Sterne buntem Schein Das königliche Haupt umwunden Sie still und mächtig tritt herein. Die milden, leisen Hauche kommen, Der Farben grelle Pracht erblaßt; In weicher Linie ruht verschwommen Des scharfen Zackenfelsen Last. So legt die Nacht mit Muttergüte Sich um die Seele schmerzenvoll: Es läutert still sich im Gemüthe Zur Wehmuth jeder bittre Groll. Die Thränen, die vergessen schliefen, Nun strömen sie in mächt'gem Lauf: Es steigt aus wunden Herzenstiefen Ein rettungahnend Beten auf. Waldfriede Im Kreis von Wald und Binsen, Bedeckt mit Wasserlinsen, Wie ruht der kleine See! Zu den geheimsten Stellen, Umgaukelt von Libellen, Tritt hier ein badend Reh. O sei nicht scheu und blöde! Bei mir ist keine Rede Von Jagd, Verletzung, Tod; Mir thut's um Waldesfrieden, Den Gott auch dir beschieden, Ja selber einzig noth. Nachtstille In stiller Nacht, die Sterne gingen Am Himmel hoch in ernster Pracht, Ein Säuseln hört' ich und ein Klingen Wohl durch die stille Mitternacht. Doch war es nicht der Blätter Rauschen, Es war nicht Nachtigallensang: Aus tiefster Seele mußt' ich lauschen Dem nie gehörten, süßen Klang. Und, o, mir war's, als käm' geflogen Ein Flötenton aus Fels und Stein, Als sängen aus des Baches Wogen Sirenen ihren Zauberreihn; Als lullten leise, schlummertrunken, In süßen Traum sich Feld und Wald, Wie halb in Schlummer schon gesunken Ein Kindlein noch Gebete lallt; Als ob in seinem Silbernachen Der Mond ein Schifferlied sich sang, Als ob geheim in tausend Sprachen Der Sterne nächtlich Plaudern klang; Als stiege schon vom Himmel nieder Der Träume leichtbeschwingter Chor, Und sänge Märchen, sänge Lieder Dem Schlummernden in's wache Ohr! Das, o Natur, ist deine Weise, Es ist dein nächtlich Feierlied; Das hell wie Orgelklang, und leise Wie ein Gebet, das All durchzieht. Und wo dich Sterbliche vernehmen, Da machst du schnell die Herzen weit: Zu linder Wehmuth wird ihr Grämen, Zu stiller Hoffnung wird das Leid. So tönet fort, ihr süßen Lieder, Ihr Engelsstimmen hell und rein! Strömt leise wie ein Balsam nieder In jedes wunde Herz hinein! Und wo getrennt von seiner Schönen Ein Jüngling unter Thränen wacht, Da sagt ihm mit der Liebsten Tönen Ein herzig süßes: Gute Nacht! Die Nacht Wie schön, hier zu verträumen Die Nacht im stillen Wald, Wenn in den dunklen Bäumen Das alte Märchen hallt! Die Berg' im Mondesschimmer Wie in Gedanken stehn, Und durch verworr'ne Trümmer Die Quellen klagend gehn. Denn müd' ging auf den Matten Die Schönheit nun zur Ruh', Es deckt mit kühlen Schatten Die Nacht das Liebchen zu. Das ist das irre Klagen In stiller Waldespracht, Die Nachtigallen schlagen Von ihr die ganze Nacht. Die Stern' gehn auf und nieder — Wann kommst du, Morgenwind, Und hebst die Schatten wieder Von dem verträumten Kind? Schon rührt sich's in den Bäumen, Die Lerche weckt sie bald — So will ich treu verträumen Die Nacht im stillen Wald. Es hat geflammt Es hat geflammt die ganze Nacht Am hohen Himmelsbogen, Wie eines Feuerspieles Pracht Hat es die Luft durchflogen; Und nieder sank es tief und schwer Mit ahnungsvoller Schwüle, Ein dumpfes Rollen zog daher Und sprach von ferner Kühle: Da fielen Tropfen warm und mild, Wie lang' erstickte Thränen; Die Erde trank, doch ungestillt Blieb noch ihr heißes Sehnen. Und sieh, der Morgen steigt empor — Welch Wunder ist geschehen? In ihrem vollen Blüthenflor Seh' ich die Erde stehen. O Wunder, wer hat das vollbracht? Der Knospen spröde Hülle, Wer brach sie auf in einer Nacht Zu solcher Liebesfülle? O still, o still und merket doch Der Blüthen scheues Bangen Ein rother Schauer zittert noch Um ihre frischen Wangen. O still, und fragt den Bräutigam, Den Lenz, den kühnen Freier, Der diese Nacht zur Erde kam, Nach ihrer Hochzeitfeier! Sommernacht Mit stillem Schmachten spähen Die Sterne her vom Blau, Und alle Lüfte wehen Wie Liebesodem lau. Sanft schauert's in den Bäumen, Und halbverstohlen lacht In wonn'gen Liebesträumen Die Taube durch die Nacht. Gesang der Nachtigallen Durchzittert tief die Luft, Und Schlafgemach und Hallen Erfüllet Rosenduft. Es lüftet die Gardinen Ein leiser Fächelwind, Das nützt mit schlauen Mienen Der heitre Mond geschwind. Guckt ohne mein Erlauben Zum Fenster dreist herein, Und will mir gar nicht glauben, Daß ich so ganz allein. An die Sterne und Blumen Verschwiegen seid ihr, liebe Sterne, Und blinkt so freundlich Trost und Rath; Euch und den Blumen meldet gerne, Was Einer auf dem Herzen hat. Wie Vieles hat der Mensch zu sagen, Was sich vor Menschen schließet zu, Den hohen Sternen darf er's klagen, Den Blumen nickt und winkt er's zu. Ihr Rosen, Veilchen und Narcissen Und, holder Mond, der Vierte du, Geheimes, was wir Fünfe wissen, Klingt Echo keinem Sechsten zu. Der süße Mai ist wiederkommen Und alles Leben sprudelt neu, Vom warmen Sonnenstrahl durchglommen, Und jauchzet Mai! und aber Mai! Nun kommt, Geliebte! kommt, Vertraute! Kommt, Sterne! kommt, ihr Blumen all'! Kommt, Strahlen, Düfte, Lieder, Laute! Und du sei Sprecher, Nachtigall! Was wir uns still geheim vertrauten, Nun glüh' und blüh' und kling' es laut! Neu kling's in Millionen Lauten: Natur spielt Bräutigam und Braut. Waldnacht Frühmorgen, wenn die Hähne krähn, Eh' noch der Wachtel Ruf erschallt, Eh' wärmer all' die Lüfte wehn, Vom Jagdhornruf das Echo hallt, Dann gehet leise, nach seiner Weise, Der liebe Herrgott durch den Wald. Die Quelle, die ihn kommen hört, Hält ihr Gemurmel auf sogleich, Auf daß sie nicht in Andacht stört So Groß als Klein im Waldbereich, Die Bäume denken: „Nun laßt uns senken Vor'm lieben Herrgott das Gezweig!“ Die Blümlein, wenn sie aufgewacht, Sie ahnen auch den Herrn alsbald, Und schütteln rasch den Schlaf der Nacht Sich aus den Augen mit Gewalt Und flüstern leise ringsum im Kreise: „Der liebe Gott geht durch den Wald!“ Der Morgen Fliegt der erste Morgenstrahl Durch das stille Nebelthal, Rauscht erwachend Wald und Hügel, Wer da fliegen kann, nimmt Flügel! Und sein Hütlein in die Luft Wirft der Mensch vor Lust und ruft: Hat Gesang doch auch noch Schwingen, Nun, so will ich fröhlich singen! Hinaus, o Mensch, weit in die Welt, Bangt dir das Herz in krankem Muth! Nichts ist so trüb' in Nacht gestellt, Der Morgen leicht macht's wieder gut. Sountagsfrühe Aus den Thälern hör' ich schallen Glockentöne, Festgesänge, Helle Sonnenblicke fallen Durch die dunklen Buchengänge, Himmel ist von Glanz umflossen, Heil'ger Friede rings ergossen. Durch die Felder still beglücket Wallen Menschen allerwegen; Frohen Kindern gleich geschmücket, Gehn dem Vater sie entgegen, Der auf goldner Saaten Wogen Segnend kommt durch's Land gezogen. Wie so still die Bäche gleiten, Wie so licht die Blumen blinken! Und aus längst entschwundnen Zeiten Zieht ein Grüßen her, ein Winken, — Wie ein Kindlein muß ich fühlen, Wie ein Kindlein muß ich spielen. Die Blumen Kinder der verjüngten Sonne, Blumen der geschmückten Flur, Euch erzog zu Lust und Wonne, Ja, euch liebte die Natur. Schön das Kleid mit Licht gesticket, Schön hat Flora euch geschmücket Mit der Farben Götterpracht. Holde Frühlingskinder, klaget! Seele hat sie euch versaget, Und ihr selber wohnt in Nacht. Nachtigall und Lerche singen Euch der Liebe selig Loos, Gaukelnde Sylphiden schwingen Buhlend sich auf euren Schooß. Wölbte eures Kelches Krone Nicht die Tochter der Dione Schwellend zu der Liebe Pfühl? Zarte Frühlingskinder, weinet! Liebe hat sie euch verneinet, Euch das selige Gefühl. Aber hat aus Nannv's Blicken Mich der Mutter Spruch verbannt, Wenn euch meine Hände pflücken, Ihr zum zarten Liebespfand: Leben, Sprache, Seelen, Herzen, Stumme Boten süßer Schmerzen, Goß euch dies Berühren ein. Und der mächtigste der Götter Schließt in eure stillen Blätter Seine hohe Gottheit ein. Sonntags am Rhein Des Sonntags in der Morgenstund', Wie wandert's sich so schön Am Rhein, wenn rings in weiter Rund' Die Morgenglocken gehn. Ein Schifflein zieht auf blauer Fluth, Da singt's und jubelt's drein; Du Schifflein, gelt, das fährt sich gut In all' die Lust hinein? Vom Dorfe hallet Orgelton, Es tönt ein frommes Lied, Andächtig dort die Prozession Aus der Kapelle zieht. Und ernst in all' die Herrlichkeit Die Burg herniederschaut, Und spricht von alter, guter Zeit, Die auf den Fels gebaut. Das Alles beut der prächt'ge Rhein An seinem Rebenstrand, Und spiegelt recht im hellsten Schein Das ganze Vaterland. Das fromme, treue Vaterland In seiner vollen Pracht, Mit Lust und Liedern allerhand Vom lieben Gott bedacht. Sommersegen So warm und herrlich liegt die Welt, Der Himmel blau von Saum zu Saume, Das goldne Korn durchwogt das Feld, Es wächst und schwillt die Frucht am Baume; Die Lerche schweigt, die Biene nur Schwärmt blüh'nden Linden froh entgegen Ein Brüten liegt auf der Natur: Das thut, sie reift im Sommersegen. Von Rebenranken uberdacht, Schau'n wir hinaus stillernst versunken; So wie die Welt von Sonnenpracht, Sind wir von holder Liebe trunken. Wir ruhn so sicher uns im Arm, Kein Zweifel kann die Liebe regen, Sie ist so wonnig, voll und warm: Das thut, sie reift im Sommersegen. Die Sommergeister Sommers laufen in Mittagsgluth, Ohne die Sohlen zu ritzen, Luftige Geister ohne Blut Über der Ähren Spitzen. Wenn die Erde recht dürr und heiß, Werden sie erst lebendig; Wenn der Himmel von Hitze weiß, Spielen sie fort beständig. Jedes Wölkchen die Kinder verscheucht, Daß sie sich eilig verschlupfen; Wenn ihnen würden die Füßchen feucht, Stürben sie hin am Schnupfen. Leicht gekleidet im güldenen Hemd, Glänzen die weißen Gliedchen, In silberner Sprache, seltsam und fremd, Singen sie köstliche Liedchen. Doch wenn die Sichel mit drohendem Schall Schwingen gebräunte Hände, Dann hat der glänzende Kinderball, Das Spiel des Sommers, ein Ende. Fröstelnd in Höhlen kauern sie Sich jetzt im Herbste zusammen; Sehnend und weinend betrauern sie Des Sommers liebliche Flammen. Lüfteleben Wär' ich die Luft, um die Flügel zu schlagen Wolken zu jagen, Über die Gipfel der Berge zu streben, Das wär' ein Leben! Tannen zu wiegen und Eichen zu schaukeln, Weiter zu gaukeln, Seele den flüsternden Schatten zu geben, Das wär' ein Leben! Echo, die schlummernde, neckend zu wecken, Nymphen zu schrecken, Über die schauernden Fluren zu beben, Das wär' ein Leben! Rosen mit Schmeicheln entkosen ein Lächeln, Nelkengluth fächeln, Duftige Lilienschleier zu heben, Das wär' ein Leben! Bräuten an ihrem Gewande zu säuseln, Locken zu kräuseln, Düfte von beiden als Steuer erheben, Das wär' ein Leben! Myrrhen und Weihrauch zum Opfer zu tragen, Sel'ges Behagen, Heiligen Flammen den Athem zu geben, Das wär' ein Leben! Schwellende Fülle zu schütteln von Zweigen, Ähren zu neigen, Trauben zu küssen im Schooße der Reben, Das wär' ein Leben! Morgens dem Reh und der Blum' auf dem Rasen Wache zu blasen, Abends die Träume der Schöpfung zu weben, Das wär' ein Leben! Kühl bei des Mittags versengenden Gluthen Tauchen in Fluthen, Auen mit träufelnder Schwinge beschweben, Das wär' ein Leben! Rosen, aus euern verschlossenen Thüren Düfte entführen, Um sie in Freimunds Lieder zu weben, Das wär' ein Leben! Herbstkummer Die Blumen vergehen, Der Sommer ist hin, Die Blätter verwehen, Das trübt mir den Sinn. Ein Röslein, das bracht' ich Im Sommer in's Haus. Es hält ja, so dacht' ich, Den Winter wohl aus. Die Vöglein sangen, Es lauschte der Hain, Die Rehlein, sie sprangen Im Mondenschein. Der Blümlein so viel hier Erblühten im Thal, Von allen gefiel mir Das Röslein zumal Der Herbst ist gekommen, Der Sturm braust heran, Die Lust ist verglommen, Der Winter begann. Gern wollt' ich nicht klagen Um Stürme und Schnee, Könnt's Röslein vertragen Das eisige Weh. O, schon' mir die Zarte, Das liebliche Kind! Die Eiche, die harte, Umbrause, du Wind! Blüh', Röslein, ohn' Bangen, Von Liebe bewacht, Bis Winter vergangen, Und Mai wieder lacht. Herbstlied Durch die Wälder streif' ich munter, Wenn der Wind die Stämme rüttelt Und mit Rascheln bunt und bunter Blatt auf Blatt herunterschüttelt. Denn es träumt bei solchem Klange Sich gar schön vom Frühlingshauche, Von der Nachtigall Gesange, Und vom jungen Grün am Strauche. Lustig schreit' ich durch's Gefilde, Wo verdorrte Disteln nicken; Denk' an Maienröslein milde Mit den morgenfrischen Blicken. ⸗ Nach dem Himmel schau' ich gerne, Wenn ihn Wolken schwarz bedecken; Denk' an tausend liebe Sterne, Die dahinter sich verstecken. Durch Reif und Frost — Durch Reif und Frost im falben Hage Schreit' ich dahin bei rauhem Wehn. So fühl' ich, ach, durch meine Tage Mit leiser Klage Des Herbstes kühle Schauer gehn. Wo bist du, reiche Jugendwonne, Du trunkner Glanz mir im Gemüth! Ach, bleich und lässig hangt die Sonne Im Nebel, die so schön geglüht. Die Freuden brechen auf und wandern, Zugvögelschwärme, fern hinab, Und eine Hoffnung nach der andern Fällt welk vom Baum des Lebens ab. Nur du, gedämpfte Liedesweise, Du meiner Sehnsucht tröstlich Wort, Du bliebst mir treu und rauschest leise Auch unterm Eise Wie eine heiße Quelle fort. Herbstlied Feldeinwarts flog ein Vögelein Und sang im muntern Sonnenschein Mit süßem, wunderbarem Ton: Ade! ich fliege nun davon, Weit, weit Reis' ich noch heut'! Ich horchte auf den Feldgesang, Mir ward so wohl und doch so bang'; Mit frohem Schmerz, mit trüber Lust Stieg wechselnd bang' und sank die Brust: Herz! Herz! Brichst du vor Wonn' oder Schmerz? Doch als ich Blätter fallen sah, Da dacht' ich: ach, der Herbst ist da! Der Sommergast, die Schwalbe zieht; Vielleicht so Lieb' und Sehnsucht flieht! Weit, weit! Rasch mit der Zeit. Doch rückwärts kam der Sonnenschein, Dicht zu mir d'rauf das Vögelein, Es sah mein thränend Angesicht Und sang: die Liebe wintert nicht. Nein, nein! Ist und bleibt Frühlingsschein! Im Walde nach dem Blätterfall Von aller eiteln Weltbegier In tiefer Sammlung mich zu heilen, Wo könnt' ich besser, als bei dir, Entlaubter, ernster Wald, verweilen? Jüngst standet ihr so rauschend froh, Ihr Bäume, rings in bunter Gruppe, Im grün-gelb-rothen Domino, Gleich einem lust'gen Maskentruppe Nun seid ihr müd' der eitlen Pracht, Es hat der Ernst euch aufgerüttelt, Und eure weltlich bunte Tracht Habt ihr entsagend abgeschüttelt. Wir üben heut' ein gleiches Thun, So lasset uns die Hände falten Und in uns selbst einkehrend nun Zusammen Aschermittwoch halten Ein Schmetterling Ein Schmetterling, vom Frost betäubt, Hängt an dem welken Blatt, Hebt seine Flügel halb entstäubt, Sie sind zum Flug zu matt. Er flattert nur, er flieget nicht, Von Stern zu Sternchen fort, Und ahnet selbst nicht, daß er spricht; Doch hör' ich dieses Wort: O weh, ich kam zur späten Braut, Ein später Bräutigam, Vom Himmel reift, was einst gethaut, Und alle Lust ward Gram. Die Sonne scheint, doch ohne Kraft, Und leblos haucht die Luft. Der Blume Kelch ist ohne Saft, Ihr Stengel ohne Duft. Die Schwalb' ist weggezogen, die An unsern Schwingen nascht; Und selbst der Knab' ist nicht mehr hie, Der meine Brüder hascht. Der Spinne Fäden schweben noch, Allein das Netz ist leer; Gefahrlos ist das Leben, doch Es ist kein Leben mehr. Herbstbild Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah! Die Luft ist still, als athmete man kaum, Und dennoch fallen raschelnd fern und nah Die schönsten Früchte ab von jedem Baum. O stört sie nicht, die Feier der Natur! Dies ist die Lese, die sie selber hält, Denn heute löst sich von den Zweigen nur, Was vor dem milden Strahl der Sonne fällt. Im Spätherbst Es fallen von den Bäumen Die welken Blätter ab, Ich wandle still in Träumen Den Felsenpfad hinab. Die Wolken, wie sie jagen, Im Abendgolde blühn, Von Stürmen fortgetragen, Und in die Nacht verglühn! In Schwärmen kommt gezogen Der Wandervögel Schaar, Dem Süden zugeflogen: Zu Ende geht das Jahr Die Blumen an dem Bache, Vom letzten Thau gestärkt, Verblühn in stillem Ache, Allmählig, unvermerkt. Vergang'ne Jahre schweben Mit Wind und Wolken fort, Vergangen Leid und Leben, Verklungen Lied und Wort. Der Wind entlaubt die Bäume — Mir ist es einerlei — Die Tage werden Träume, Die Freuden sind vorben. Im Winter Winter ist es. In dem weiten Reiche Der Natur herrscht tiefe Einsamkeit, Und sie selbst liegt, eine schöne Leiche, Ruhig in dem weißen Sterbekleid. Ihre Blumenkinder ruhn geborgen An der Mutter Brust, mit ihr bedeckt, Träumend von dem Auferstehungsmorgen, Wo der Lenz sie aus dem Schlummer weckt. Aller deiner Pracht bist du entledigt, Erde, deine Schönheit ist dahin, Und du selbst bist eine Leichenpredigt Von erbauungsvollem, tiefem Sinn. Was die Erde hat, kann nicht bestehen, Ihre Gabe heißt Vergänglichkeit; Aufwärts zu dem Himmel mußt du sehen, Suchst du ew'ge Schön' und Herrlichkeit. Laß zum Himmel dich die Erde weisen, Suche deine Heimath nicht auf ihr, Du mußt weiter, immer weiter reisen, Deines Bleibens ist nicht lange hier. Ew'ge Güter suchst du hier vergebens, Darum such' im Himmel deinen Schatz, Von der Erde nur am Ziel des Lebens, Für das Kleid vom Staube einen Platz. Aber wenn die Osterlieder klingen Und der große Ostermorgen graut, Muß dir auch die Erde wiederbringen Deine Hülle, die ihr anvertraut. Sieh, so ist und so bleibt nichts ihr eigen, Suche nicht, was sie nicht hat, bei ihr; Laß von ihr dich hin zum Himmel zeigen, Ew'ges Heil find'st du nur über dir. Weihnachten Markt und Straßen stehn verlassen, Still erleuchtet jedes Haus, Sinnend geh' ich durch die Gassen, Alles sieht so festlich aus. An den Fenstern haben Frauen Buntes Spielzeug fromm geschmückt, Tausend Kindlein stehn und schauen, Sind so wunderstill beglückt. Und ich wandre aus den Mauern Bis hinaus in's freie Feld, Hehres Glänzen, heil'ges Schauern! Wie so weit und still die Welt! Sterne hoch die Kreise schlingen, Aus des Schnees Einsamkeit Steigt's wie wunderbares Singen — O du gnadenreiche Zeit! Hoffnung Und dräut der Winter noch so sehr Mit trotzigen Geberden, Und streut er Eis und Schnee umher, Es muß doch Frühling werden. Und drängen die Nebel noch so dicht, Sich vor den Blick der Sonne, Sie wecket doch mit ihrem Licht Einmal die Welt zur Wonne. Blas't nur, ihr Stürme, blas't mit Macht, Mir soll darob nicht bangen, Auf leisen Sohlen über Nacht Kommt doch der Lenz gegangen. Da wacht die Erde grünend auf, Weiß nicht, wie ihr geschehen, Und lacht in den sonnigen Himmel hinauf, Und möchte vor Lust vergehen. Sie flicht sich blühende Kränze in's Haar, Und schmückt sich mit Rosen und Ähren, Und läßt die Brünnlein rieseln klar, Als wären es Freudenzähren. D'rum still! Und wie es frieren mag, O Herz, gib dich zufrieden! Es ist ein großer Maientag Der ganzen Welt beschieden. Und wenn dir oft auch bangt und graut, Als sei die Höll' auf Erden, Nur unverzagt auf Gott vertraut! Es muß doch Frühling werden Wasser Wasser trägt im Oceane Tröstend fernhin den Betrübten, Spült im Fluß auf leichtem Kahne Den Geliebten zur Geliebten. Wasser rauscht aus Felsgeklüften Als Gesang herab zum Thale, Perlt als Thau aus Morgenlüften In der Blumen Duftpokale. Wasser träuft als milder Regen Kühlend in die trockne Erde, Wasser labt als Quell an Wegen Wandrer, Hirten, Wild und Heerde. Ohne daß es Wasser sauge, Stürb' auf Erden alles Schöne, Ach, und nur im Menschenauge Ist das Wasser — eine Thräne! Schilflied Auf dem Teich, dem regungslosen, Weilt des Mondes holder Glanz, Flechtend seine bleichen Rosen In des Schilfes grünen Kranz. Hirsche wandeln dort am Hügel, Blicken in die Nacht empor; Manchmal regt sich das Geflügel Träumerisch im tiefen Rohr. Weinend muß mein Blick sich senken; Durch die tiefste Seele geht Mir ein süßes Deingedenken, Wie ein stilles Nachtgebet! An die Nordsee Ich lieg' auf's Neu' anbetend dir zu Füßen, Du ewig schöne, wunderbare See! Aus tiefster Brust laß mich auf's Neu' dich grüßen, Du nur allein verstehst mein heimlich Weh. Geheimnißworte will ich mit dir tauschen, Laß durch mein Singen deine Wogen rauschen! O ich verstehe dich, du Wandelbare, In deiner Wonne, deiner tiefen Qual, In deinem Frieden, wenn der blaue, klare Himmel dich grüßt mit heil'gem Liebesstrahl Am besten doch versteh' ich dein Erbeben, Wenn sich im Sturm die Wogen brandend heben. So sah ich dich, o See, vor wen'gen Tagen, Wie kämpften da, wie flogen deine Wellen! In jeder schien ein stürmisch Herz zu schlagen, In jeder eine Brust im Kampf zu schwellen, Aus jeder stieg ein Ton der bangen Qual, — So sangen Millionen den Choral. Doch jetzt, wie schön! In Reue hingegossen, Liegst du, wie Magdalena, still und groß, Du hast des Himmels heil'ges Bild umschlossen, Und Frieden sinkt herab in deinen Schooß. Und über all' dein Sündigen, dein Leiden Will er den blauen Liebesmantel breiten. Ruhe am See Einsam oben auf dem Hügel, An des Felsens Überhang, An des Sees blauem Spiegel Ruh' ich Stunden, Tage lang. Über mir das Laub der Baume, Um mich heller Frühlingsschein, Wie in's Feenland der Träume Schau' ich in den See hinein Was am Ufer steht und wehet, Und den ganzen Himmelsplan, Was nur dort vorüber gehet, Zeigt der treue Spiegel an. Herz, mein Herz, was soll dein Schlagen? Bist du wieder gar so wild, Daß du nicht vermagst zu tragen, Wie der See, des Himmels Bild? Herz, mein Herz, was willst du bangen, Herz, mein Herz, in deinem Weh? Sturm und Winter sind gegangen, Hell und ruhig steht der See! Begrüßung des Meeres Unermeßlich und unendlich, Glänzend, ruhig, ahnungsschwer, Liegst du vor mir ausgebreitet, Altes, heil'ges, ew'ges Meer! Soll ich dich mit Thränen grüßen, Wie die Wehmuth sie vergießt, Wenn sie trauernd auf dem Friedhof Manch ein theures Grab begrüßt? Denn ein großer, stiller Friedhof, Eine weite Gruft bist du, Manches Leben, manche Hoffnung Deckst du kalt und fühllos zu; Keinen Grabstein wahrst du ihnen, Nicht ein Kreuzlein, schlicht und schmal, Nur am Strande wandelt weinend Manch ein lebend Trauermal. — Soll ich dich mit Jubel grüßen, Jubel, wie ihn Freude zollt, Wenn ein weiter, reicher Garten Ihrem Blick sich aufgerollt? Denn ein unermeßner Garten, Eine reiche Flur bist du, Edle Keime deckt und Schätze Dein krystallner Busen zu. Wie des Gartens üpp'ge Wiesen Ist dein Plan auch glatt und grün, Perlen und Korallenhaine Sind die Blumen, die dir blühn. Wie im Garten stille Wandler, Ziehn die Schiffe durch das Meer, Schätze fordernd, Schätze bringend, Grüßend, hoffend, hin und her. — Sollen Thränen, soll mein Jubel Dich begrüßen, Ocean? Nicht'ger Zweifel, eitle Frage, Da ich doch nicht wählen kann! Da doch auch der höchste Jubel Mir vom Aug' als Thräne rollt, So wie Abendschein und Frühroth Stets nur Thau den Bäumen zollt Zu dem Herrn empor mit Thränen War mein Aug' im Dom gewandt; Und mit Thränen grüßt' ich wieder Jüngst mein schönes Vaterland; Weinend öffnet' ich die Arme, Als ich der Geliebten nah; Weinend kniet' ich auf den Höhen, Wo ich dich zuerst ersah. Auf dem Wasser Nun wollen Berg und Thale wieder blühn, Die Winde säuseln durch der Wipfel Grun, Des Waldhorns Klang verschwimmt im Abendroth, — Ich möchte froh sein, doch mein Herz ist todt. Die Freunde rudern frisch und säumen nicht, Des Wassers Furche blinkt im Sternenlicht, Die Cither klingt, im Takte schwebt das Boot, — Ich möchte froh sein, doch mein Herz ist todt. Der Mond geht auf, und lauter wird die Lust, Es drängen Lieder sich aus jeder Brust, Der Wein im Becher gluthet dunkelroth, — Ich möchte froh sein, doch mein Herz ist todt. Und stiege meine Lieb' aus ihrem Grab Mit all' den Wonnen, die sie einst mir gab, Und böte Alles, was sie einst mir bot: Umsonst! — Denn hin ist hin, und todt ist todt! Am See Wie geheimnißvoll sind jene Wasserlilien anzusehen, Welche dort wie Elfenkähne Wartend an den Ufern stehen! Und die Elfen werden kommen Und sich in die Blumen legen, Und im Dunkel fortgeschwommen Sind sie bald auf stillen Wegen. Stehn sie auch am selben Orte Morgens wieder, weiß ich immer Doch, daß sie durch Geisterworte Sich bewegt im Mondenschimmer. Fischerlied Abend zieht gemach heran, Dunkel wird es in der Höh', Aus den Wolken leis und linde Wehn die stillen Abendwinde, Weht's herüber von der See: Fischer, komm! Fischer, komm Die See ist fromm. Sterne zünden sacht sich an, Grüßen schweigend aus der Höh' Ihre tiefen feuchten Brüder, Fragen still und hoch hernieder: Ist sie fromm, die See? Und die Tiefe spricht zur Höh': Sie ist fromm, die See. Und herüber nickt der Stern: Fischer, komm! die See ist fromm. Sterne, unser Gottvertrauen, Fischerlicht, auf das wir bauen, Wenn ihr es saget, sei's gewaget: Mann und Zeug, macht fertig euch, Fischer, in die See! Lied des alten Schiffers In meinen frühen Jahren, Wie war der Himmel so licht! Da standen die wunderbaren, Die klaren, Die klaren Sterne so dicht. Ich sah sie niederfahren Wildflammend in mancher Nacht; In Freuden und Gefahren, Die klaren, Verlöschten sacht und sacht. Nun schiff' ich in weißen Haaren Durch die beruhigte Fluth; Die meine Geleiter waren, Die klaren, Sie starben in ihrer Gluth. In meinen späten Jahren, Wie wird der Himmel so leer! Die lieben feurigen Schaaren, Die klaren, Versanken im großen Meer. Meeresabend Sie hat den ganzen Tag getobt Als wie in Zorn und Pein, Nun bettet sich, nun glättet sich Die See und schlummert ein Und drüber zittert der Abendwind, Ein mildes, heiliges Wehn, Das ist der Athem Gottes, Der schwebet ob den See'n. Es küßt der Herr auf's Lockenhaupt Die schlummernde See gelind Und mit säuselndem Segen: Schlaf' ruhig, wildes Kind! Gebet auf den Wassern Die Nacht ist hehr und heiter, Das Land ist weit, wie weit! Es ruht das Meer in breiter Smaragdner Herrlichkeit. Mir ist zu Muth, als schliefe Der Woge Grimm und Macht, Und schwebte über der Tiefe Der Herr durch die heilige Nacht Mir ist, als müßt' ich zur Stunde Hinsinken tief und jäh Zum grünsten Meeresgrunde, O Herr, vor deiner Näh'! Mir ist, als müßte hoch über Mir ruhn die feuchte Gruft, Und dieses Lied darüber Weben als Morgenluft. Stromfahrt Mit dem Wind, den Wellen, Geht das Schiff zu Thal! Grüne Ufer stellen Sich im Sonnenstrahl. Ros'ge Wolken gaukeln Leicht im Morgenwind, Und die Wellen schaukeln Unser Boot gelind. Berg und Thal verschwinden — O, wie reich beglückt, Immer Neues finden, Was das Herz entzückt! Fröhliches Gewimmel Spiegelt ab den Strand, Hier den blauen Himmel, Dort das grüne Land. Bald ein schmuckes Städtchen, Burg und Kloster bald; Hier ein schönes Mädchen, Dort den kühlsten Wald. Fehlt auch nicht ein Andrer, Der sich gern gesellt — — Dreimal Heil dem Wandrer! Ihm gehört die Welt. Abends auf dem See Welch stiller Abend! Schweigen rings verbreitet! Kein Hauch bewegt Die glatte Strömung, d'rauf das Schifflein gleitet, Das uns zum Ufer trägt. Nur unser Ruder zeichnet sanfte Kreise In stille Fluth, Und auf kristallnem Spiegel zittert leise Des Abends ros'ge Gluth. In Duft verklärt die ew'gen Berge stehen, Im goldnen Schein, Und ihre ernsten Riesenhäupter sehen Tief in den See hinein. O wär' mein Herz, von manchem Sturm ermüdet, Der Woge Bild! So unerschöpflich, doch so still umfriedet, So ruhig klar und mild! Daß stets des Himmels Strahlen auf ihm ruhten, Wie auf dem See, Und wiederspiegelten die reinen Fluthen Nur Bilder aus der Höh'! Abenddämmerung Am blassen Meeresstrande Saß ich gedankenbekümmert und einsam. Die Sonne neigte sich tiefer und warf Glührothe Streifen auf das Wasser, Und die weißen weiten Wellen, Von der Fluth gedrängt, Schäumten und rauschten näher und näher — — Ein seltsam Geräusch, ein Flüstern und Pfeifen, Ein Lachen und Murmeln, Seufzen und Sausen, Dazwischen ein wiegenliedheimliches Singen — Mir war, als hört' ich verscholl'ne Sagen, Uralte, liebliche Märchen, Die ich einst, als Knabe, Von Nachbarskindern vernahm, Wenn wir am Sommerabend Auf den Treppensteinen der Hausthür Zum stillen Erzählen niederkauerten, Mit kleinen, horchenden Herzen Und neugierklugen Augen; — Während die großen Mädchen Neben duftenden Blumentöpfen Gegenüber am Fenster saßen. Rosengesichter, Lächelnd und mondbeglänzt. Der Alpensee Ihr Alpen, es ist wohlgethan, Daß ihr des Seees blauen Plan Euch lagern laßt an euren Fuß. Die Schönheit will zum Vollgenuß, Daß sie zugleich im Spiegel ruht, Wie ihr im See es leuchtend thut. Die Alpenrose Hoch auf dem Berg, im braunen Moose, Von Eis umglänzt und halb verschneit, Blüht still empor die Alpenrose: En süß Gedicht der Einsamkeit. Der lauen Frühlingslüfte Fächeln Küßt ihre jungen Blätter nicht; Sie steht wie ein verloren Lächeln Im starren Felsenangesicht. Die kalten Gletscherwände steigen Anthürmend mächtig Stück für Stück, Und unbemerkt im ew'gen Schweigen Wächst sie wie ein verschwiegen Glück. O selig der, dem wohlgeborgen, Im oft durchfrosteten Gemüth, Hoch über allen Erdensorgen So eine süße Blume blüht! Wanderlied Wohlauf! noch getrunken Den funkelnden Wein! Ade nun, ihr Lieben! Geschieden muß sein Ade nun, ihr Berge, Du väterlich Haus! Es treibt in die Ferne Mich mächtig hinaus. Die Sonne, sie bleibet Am Himmel nicht stehn, Es treibt sie, durch Länder Und Meere zu gehn. Die Woge nicht haftet Am einsamen Strand, Die Stürme, sie brausen Mit Macht durch das Land. Mit eilenden Wolken Der Vogel doch zieht, Und singt in der Ferne Ein heimathlich Lied. So treibt es den Burschen Durch Wälder und Feld, Zu gleichen der Mutter, Der wandernden Welt. Da grüßen ihn Vögel Bekannt über'm Meer, Sie flogen von Fluren Der Heimat hieher, Da duften die Blumen Vertraulich um ihn, Sie trieben vom Lande Die Lüfte dahin. Die Vögel, die kennen Sein väterlich Haus. Die Blumen einst pflanzt' et Der Liebe zum Strauß, Und Liebe, die folgt ihm, Sie geht ihm zur Hand: So wird ihm zur Heimat Das ferneste Land. Der frohe Wandersmann Wem Gott will rechte Gunst erweisen, Den schickt er in die weite Welt; Dem will er seine Wunder weisen In Berg und Wald und Strom und Feld. Die Trägen, die zu Hause liegen, Erquicket nicht das Morgenroth, Sie wissen nur von Kinderwiegen, Von Sorgen, Last und Noth um Brod. Die Bächlein von den Bergen springen, Die Lerchen schwirren hoch vor Lust, Was sollt' ich nicht mit ihnen singen Aus voller Kehl' und frischer Brust? Den lieben Gott lass' ich nur walten; Der Bächlein, Lerchen, Wald und Feld Und Erd' und Himmel will erhalten. Hat auch mein' Sach' auf's Best' bestellt! Weihe Ich war ein froher, heitrer Knabe, Ich blickte muthig in die Welt; O, Jugendlust, die beste Gabe, Die Glücklichen vom Himmel fällt! Ich schweifte gern durch Thal und Auen, Und weithin über Bergeshöh'n: Ich wollte gern die Welt beschauen, Sie war so reich, sie war so schön Und als ich einst im stillen Haine, Im Schatten hoher Eichen saß, So innig, sinnig, und am Raine Mir dunkelblaue Veilchen las: Da spielte mit den goldnen Locken, Da pochte mir an's warme Herz Ein wunderliches Wehn und Locken, Ein heiß Gefühl, halb Lust, halb Schmerz. Es war das erste dunkle Sehnen In meiner tiefbewegten Brust, Die ersten Wünsche, die sich dehnen Weit über kindisch eitle Lust. Und wie ich noch des Räthsels dachte, Drang leises Rauschen mir in's Ohr, Und aus des Waldes Dickicht sachte Trat eine schöne Frau hervor. Sie war geschmückt mit Wunderblumen, Die hohe, herrliche Gestalt, Sie trat aus Himmels Heiligthumen Wie eine Göttin in den Wald. Sie gab mir ihren milden Segen Und einer Blume göttlich Pfand, Mein Herz schlug sehnend ihr entgegen, Doch lächelt' hold sie und verschwand. Ihr Bild ist aber nicht verschwunden Aus meiner Brust, ihr Segen blieb; Ich bin an ihre Spur gebunden, Ich trage sie im Herzen lieb. Und wenn im wirren, dunklen Leben Die Sorgen oft sich düster nah'n, Seh' ich die Hehre mich umschweben, Und heiter wandl' ich meine Bahn. Mädchenlied Der du am Sternenbogen Als Erstling kommst gezogen, Schön vor den Brüdern du, O sei mit deinem Strahle Gegrüßt sei tausendmale, Lieblicher Bote der Ruh'! Schon lösest du das Bangen, Das mich am Tag umfangen, Mit kühlem Dämmer sacht. Und lässest mir im Innern Aufgehn ein süßes Erinnern, Wie eine Blume der Nacht. Mein Herz, ich will dich fragen Mein Herz, ich will dich fragen, Was ist denn Liebe, sag'? „Zwei Seelen und ein Gedanke, Zwei Herzen und ein Schlag!“ Und sprich, woher kommt Liebe? „Sie kömmt und sie ist da!“ Und sprich, wie schwindet Liebe? „Die war's nicht, der's geschah!“ Und was ist reine Liebe? „Die ihrer selbst vergißt!“ Und wann ist Lieb' am tiefsten? „Wenn sie am stillsten ist!“ Und wann ist Lieb' am reichsten? „Das ist sie, wenn sie gibt!“ Und sprich, wie redet Liebe? „Sie redet nicht, sie liebt!“ Geheimniß Was an Liebe du erfahren, Trage tief in deiner Brust, Wo es Keiner mag gewahren, Keinem außer dir bewußt. Sieh den Berg, im Felsenherzen, Wie er Alles wohl versteckt, Was sein Schacht an edlen Erzen Und Gesteinen je bedeckt. Sieh die Perlen, wie Gedanken Schlafen sie im Muschelhaus, Das sie innen ganz durchranken, Niemals treten doch heraus. Und dein eignes Herz, der Riese, An Gefühlen und an Gluth, Sieh, wie es im Paradiese Deiner Brust verborgen ruht. Also deine Liebe wahre Tief in deines Busens Schrein, Das Geheimniß offenbare Der Geliebten nur allein. Denn nur Liebende beglücken Kann die Liebe — Andre nicht: So wie Sterne nur entzücken, Die da sehen - Blinde nicht. Wenn still mit seinen — Wenn still mit seinen letzten Flammen Der Abend in das Meer versank, Dann wandeln traulich wir zusammen Am Ufer in den Buchengang. Wir sehn den Mond durch Wolken steigen, Wir hören fern die Nachtigall; Wir athmen Düfte, doch wir schweigen — Was soll der Worte leerer Schall? Das hochste Glück hat keine Lieder, Der Liebe Lust ist still und mild, Ein Kuß, ein Blicken hin und wieder, Und alle Sehnsucht ist gestillt. O glücklich, wer ein Herz gefunden O glücklich, wer ein Herz gefunden; Das nur in Liebe denkt und sinnt, Und, mit der Liebe treu verbunden, Sein schön'res Leben erst beginnt! Wo liebend sich zwei Herzen einen, Nur Eins zu sein in Freud' und Leid, Da muß des Himmels Sonne scheinen Und heiter lächeln jede Zeit. Die Liebe, nur die Lieb' ist Leben: Kannst du dein Herz der Liebe weihn, So hat dir Gott genug gegeben, Heil dir! die ganze Welt ist dein! Im wunderschönen Monat Mai Im wunderschönen Monat Mai, Als alle Knospen sprangen, Da ist in meinem Herzen Die Liebe aufgegangen. Im wunderschönen Monat Mai, Als alle Vögel sangen, Da hab' ich ihr gestanden Mein Sehnen und Verlangen. Auf Flügeln des Gesanges Auf Flügeln des Gesanges, Herzliebchen, trag' ich dich fort, Fort nach den Fluren des Ganges, Dort weiß ich den schönsten Ort. Dort liegt ein rothblühender Garten Im stillen Mondenschein; Die Lotosblumen erwarten Ihr trautes Schwesterlein. Die Veilchen kichern und kosen, Und schau'n nach den Sternen empor; Heimlich erzählen die Rosen Sich duftende Märchen in's Ohr. es hüpfen herbei und lauschen Die frommen, klugen Gazell'n; Und in der Ferne rauschen Des heiligen Stromes Well'n. Dort wollen wir niedersinken Unter dem Palmenbaum, Und Liebe und Ruhe trinken Und träumen seligen Traum. Leise zieht durch mein Gemüth Leise zieht durch mein Gemüth Liebliches Geläute. Klinge, kleines Frühlingslied, Kling' hinaus in's Weite! Kling' hinaus bis in das Haus, Wo die Blumen sprießen! Wenn du eine Rose schau'st, Sag', ich lass' sie grüßen! Sonnenblicke Kleine Blume im engen Thal, Dich auch fand der Sonne Strahl, Armes Herz in der kranken Brust, Dir auch ward der Liebe Lust. Und die Blume das Köpfchen hing, Als die Sonne weiter ging, Und das Herz, es brach entzwei, Als das kurze Glück vorbei! Zwiegesang Im Fliederbusch ein Vöglein saß In der stillen, schönen Maiennacht, Darunter ein Mägdlein im hohen Gras In der stillen, schönen Maiennacht. Sang Mägdlein, hielt das Vöglein Ruh', Sang Vöglein, hört' das Mägdlein zu, Und weithin klang Der Zwiegesang Das mondbeglänzte Thal entlang. Was sang das Vöglein im Gezweig Durch die stille, schöne Maiennacht? Was sang doch wohl das Mägdlein gleich Durch die stille, schöne Maiennacht? Von Frühlingssonne das Vögelein, Von Liebeswonne das Mägdelein. Wie der Gesang Zum Herzen klang, Vergess ich nimmer mein Leben lang. Oft sinn' ich hin und wieder Oft sinn' ich hin und wieder: Was treibt mich zu ihr hin? Sind's ihre süßen Lieder, Ist es ihr froher Sinn? Was hält mich so gefangen, Wenn ihre Stimme schallt? Ist's unbewußt Verlangen, Ist's ihres Aug's Gewalt? 's ist nicht der Wuchs, der schöne, Und nicht des Auges Strahl, Auch nicht die süßen Töne: 's ist Alles allzumal! Ein Blick Ich kenn' ein Aug' und einen Blick, Die sind so lieb und hold und gut; Wie dankbar segn' ich mein Geschick, Daß solch ein Blick Manchmal in Gnaden auf mir ruht! O wüßte sie, wie wohl er thut, Wie er zerstreuet jedes Leid, Wie er mir höhet Herz und Muth, Sie ist so gut, Sie säh' mich an zu jeder Zeit! Er tauchet nicht in Trunkenheit, Wie alter oder neuer Wein, Er gibt so stille Freudigkeit. Wie Maienzeit, Wie Blumenduft, wie Mondenschein. Und Alles scheint ein Wahn zu sein, Was bis zur Stunde Unglück hieß; Du blickst in dieses Aug' hinein, Und kehrest ein In dein verlornes Paradies. O, daß mein Leben, holder Blick, Hinflösse stets in deiner Hut! — Doch dankbar segn' ich mein Geschick, Daß solch ein Blick Manchmal in Gnaden auf mir ruht. Das Mädchen und der Schmetterling Lustwandelnd schritt ein Mädchen In kühlem Waldesgrund, Und als sie dort sich bückte, Zum Strauß sich Blumen pflückte, Da kam ein bunter Falter Und küßte ihren Mund. „Verzeih' mir,“ sprach der Falter, „Verzeih' mir mein Vergehn, Ich wollte Honig nippen Und hatte deine Lippen, Dein rothes, rothes Mündchen, Für Rosen angesehn.“ Da sprach zu ihm das Mädchen: „Für diesmal, kleines Ding, Will ich dir gern vergeben; Doch merke dir daneben: Nicht blühen diese Rosen Für jeden Schmetterling.“ Des Mädchens Geständniß Der Abend war so wunderschön, Da gingen beide wir durch's Feld; Die Sonne wollte untergehn, Und schien noch freundlich in die Welt; Die Vögel sangen im Gesträuch, Im Korn und in der blauen Luft; Die Blumen blühten voll und reich, Und um uns her war lauter Duft. Mir war gar feierlich zu Muth Und doch dabei ohnmaßen froh; Ich war der ganzen Welt so gut, Gott weiß, mir war noch niemals so. Da sprachen wir denn allerlei, Wovon, das weiß ich selbst nicht mehr, Und er auch war so gut dabei Und ging so stille nebenher. Doch als ich einmal mich gewandt, Ich weiß nicht mehr, aus welchem Grund, Da drückt' er plötzlich meine Hand, Und küßt' mich leise auf den Mund; Und ich, ich konnt' nicht widerstehn, Ich habe wieder ihn geküßt, Und kann noch immer nicht verstehn, Wie's mir nur eingefallen ist. Doch bin ich wirklich mir bewußt, Daß dieser Kuß nichts Böses war; War's doch nachher in meiner Brust So rein, wie es gewesen war. Ich hätt's auch Jedem gern gethan, Der irgend mir begegnet wär', Und doch! — wär' es ein andrer Mann, — Je nun, — das fragt sich doch noch sehr! Die geweihte Stelle Erblick' ich dort am Ufer jene Stelle, So dringt es bis an's Herz mir warm und helle. Ein Liebeshauch schwebt über allen Lüften, Ein Liebesruf hallt wieder aus den Klüften. Mit dir einst stand ich unter diesen Bäumen; In ihre Wipfel auf stieg unser Träumen, Und tönet nun wie Aeolsharfenlieder Harmonisch säuselnd aus den Blättern wieder. Die Bäume werden stolz noch aufwärts streben, Wenn längst zum Staub gesunken unser Leben; Mit jedem lenzgeweckten jungen Triebe Leis rauschen sie die Botschaft unsrer Liebe. Daß stürmender in weicher Dämmerstunde Der Mund des Knaben häng' an Liebchens Munde, Und heilig weihend ihre Brust durchfluthen Verscholl'nen Sängerpaars verschwieg'ne Gluthen. Veilchengabe Die ersten Veilchen, die entsprossen, Du nahmst sie an und danktest still; Doch heut' ist deine Thür verschlossen Da ich die letzten bringen will. Die ersten wollten kaum entkeimen, Die letzten wollen schon vergehn; So hab' ich auch von meinen Träumen Die volle Blüthe nicht gesehn. Doch meine Träume blühn und leben In leisen Liedern noch für dich; Die Veilchen können nichts mehr geben, Wenn matt ihr zartes Herz verblich. Jetzt welken sie in kaltem Regen, Weil ich sie fort in's Dunkel warf: Nicht mag ich Schönes sehn und pflegen, Wenn ich es dir nicht bieten darf. Gute Nacht Gute Nacht, du süßes Kind, Mögen Engel dich behüten, Und der Schlummer leis und lind Streue dir die schönsten Blüthen. Gute Nacht, und träume mild Von den Schwesterlein, den Rosen, Die, dein schönes Ebenbild, Mit den Frühlingswinden kosen. Gute Nacht, und denke mein Mindestens in holden Träumen, Mochtest so im Tagesschein Meiner zu gedenken säumen. Gute Nacht, und bleib' mir gut, Lächle gütig mir entgegen; Deiner Blicke Zauber ruht Auf mir wie ein milder Segen. Gute Nacht, die Äuglein zu, Schließ die holden Blicke gerne: Schöner, selbst in Schlafesruh', Sind sie doch als alle Sterne. Nachtwache Leise Töne der Brust, geweckt vom Odem der Liebe, Hauchet zitternd hinaus, ob sich euch öffne ein Ohr, Öffn' ein liebendes Herz, und wenn sich keines euch öffnet, Trag' ein Nachtwind euch seufzend in meines zurück. Liebe hab' ich gefunden, und Liebe hab' ich verloren: Neue Liebe, mein Herz, blickest du suchend umher. Ach! ist einmal das Leben hinab in die Grüfte gestiegen, Seinen Schatten allein senden die Götter herauf. Leise schlummertest du mir einst am Busen, so leise, Daß dich mit flüsterndem Hauch weckte der nahende Kuß. Ach, so schlummert nun leise dein Bild mir, Liebste, im Busen; Wie sich reget ein Hauch, schauet es wachend mich an. Daß du wärest gestorben! so könnt' ich mit Augen der Sehnsucht Droben suchen dein Bild, das ich hienieden verlor. Doch nun lebst du der Welt, und bist dem Herzen gestorben; Wie ich dich sehe so nah', fühl' ich so ferne dich doch. Ruh'n sie? rufet das Horn des Wächters drüben aus Westen, Und aus Osten das Horn rufet entgegen: Sie ruh'n! Hörst du, zagendes Herz, die flüsternden Stimmen der Engel? Lösche die Lampe getrost, hülle in Frieden dich ein. Der Preis Es ist kein hoher Berg so hoch, So tief kein tiefes Thal, Es dringt hinauf ein Vögelein, Hinab ein Sonnenstrahl. Und wärst du selbst die Perl' im Meer Und wärst das Abendgold, So hoch und tief hätt' ich dein Herz, Kostbares Kind, geholt. Wie gerne dir zu Füßen Wie gerne dir zu Füßen Sing' ich mein tiefstes Lied, Indeß das heil'ge Abendgold Durch's Bogenfenster sieht. Im Takte wogt dein schönes Haupt, Dein Herz hört stille zu, Ich aber falte die Hände Und singe: wie schön bist du! Wie gerne dir zu Füßen Schau' ich in dein Gesicht! Wie Mitleid bebt es d'rüber hin; Dein Mitleid will ich nicht! Ich weiß es wohl, du spielst mit mir, Und dennoch sonder Ruh' Lieg' ich vor dir und singe, Singe: wie schön bist du! Wie gerne dir zu Füßen Stürb' ich in stummer Qual! Doch lieber möcht' ich springen empor Und küssen dich tausendmal. Möcht' küssen dich, ja küssen dich, Einen Tag lang immerzu Und sinken hin und sterben Und singen: Wie schön bist du! Schlehenblüth' und wilde Rose Schlehenblüth' und wilde Rose Hab' ich mir im Wald gepflückt, Und dazu mit frischem Moose, Liebster Schatz, dein Bild geschmückt. Alle Tag' mit jungen Blüthen, Herzgeliebte, schmück' ich dich; Frühling muß die Liebe hüten, Und die Liebe hütet mich. Immer, will es Frühling werden, Fängt die Erde an zu blühn; Und so lang' es grünt auf Erden. Bleibt auch meine Liebe grün. Ich liebe dich Das Abendglöcklein hör' ich klingen, Bald klang es leis', bald klang es laut, Galt's eines Herzens letztem Ringen? Galt's einer myrthenschmucken Braut? Im Klange sprach ein leises Mahnen: So tönet voll beglückter Pein, So muß das schwärmerische Ahnen Der Liebe sein! Es summte auf dem Blumengrunde, Es trank aus einem Honigkrug Das Bienchen mit dem süßen Munde, Das heimlich doch den Stachel trug. Im Summen sprach ein leises Mahnen: So sticht voll Lust, so sticht voll Pein, So muß das schwärmerische Ahnen Der Liebe sein! Die Nachtigall vernahm ich schlagen, So freudiglich, so wehmuthsvoll, Als ob ihr bei des Liedes Klagen Die Thräne aus dem Auge quoll! Im Liede sprach ein leises Mahnen: So tönt in Lust, so tönt in Pein, So muß das schwärmerische Ahnen Der Liebe sein! Ach, und des Abendglöckleins Klagen, Dies Bienensummen fern und nah, Und dieses Nachtigallenschlagen Vernahm ich, als ich dich ersah. Erst rauschten wirr die Klänge alle, Bald wehmuthsvoll, bald freudiglich, Und starben dann in einem Halle: Ich liebe dich! Mein Engel hüte dein Daz iuwer mîn engel walte! Alter Gruß Und willst du von mir scheiden, Mein herzgeliebter Knab', Soll Alles dich begleiten, Was ich von Freuden hab'. Mir bleibt, wenn du geschieden, Mein traurig Herz allein; Fahr' hin, mein Lieb', in Frieden! Mein Engel hüte dein! Ihm ward zur Hut gegeben Mein Glück und meine Ruh'; Ach, Glück und Ruh' im Leben, Herzlieb, das bist ja du! Und bist mir du geschieden, Flieht auch der Engel mein; Fahr' hin, mein Lieb', in Frieden! Mein Engel hüte dein! O, daß er dir verschwiege, Was dich betrüben mag, Wie ich verlassen liege In Sehnsucht Nacht und Tag! Mein Bild soll mit dir gehen Im alten Freudenschein; Fahr' hin, auf Wiedersehen! Mein Engel hüte dein! Du sollst das Glück mir nicht zerstören Du sollst das Glück mir nicht zerstören, Das unbewußt du selber bist; Ich will von dir das Wort nicht hören, Das nicht die Liebe selber ist. Und irrt mein Herz, so laß es irren, Es findet seine Heimath doch, Und kann durch dieses Lebens Wirren Froh singen, denn es liebet noch. Für seinen Irrthum büßt es nimmer — Denn hat es nicht gebüßt genug? Das Mondlicht ist nur Sonnenschimmer, Und doch erfreut uns dieser Trug. Rose, Meer und Sonne Rose, Meer und Sonne Sind ein Bild der Liebsten mein, Die mit ihrer Wonne Faßt mein ganzes Leben ein. Aller Glanz, ergossen, Aller Thau der Frühlingsflur Liegt vereint beschlossen In dem Kelch der Rose nur. Alle Farben ringen, Alle Düft' im Lenzgefild, Um hervorzubringen Im Verein der Rose Bild. Rose, Meer und Sonne Sind ein Bild der Liebsten mein, Die mit ihrer Wonne Faßt mein ganzes Leben ein. Alle Ströme haben Ihren Lauf auf Erden blos, Um sich zu begraben Sehnend in des Meeres Schooß. Alle Quellen fließen In den unerschöpften Grund, Einen Kreis zu schließen Um der Erde blüh'ndes Rund. Rose, Meer und Sonne Sind ein Bild der Liebsten mein, Die mit ihrer Wonne Faßt mein ganzes Leben ein. Alle Stern' in Lüften Sind ein Liebesblick der Nacht, In des Morgens Düften Sterbend, wenn der Tag erwacht. Alle Weltenflammen, Der zerstreute Himmelsglanz, Fließen hell zusammen In der Sonne Strahlenglanz. Rose, Meer und Sonne Sind ein Bild der Liebsten mein, Die mit ihrer Wonne Faßt mein ganzes Leben ein. Der Liebsten Herz ist aufgewacht Der Liebsten Herz ist aufgewacht Aus einer Nacht voll Sorgen; Ich hab' ihm einen Gruß gebracht Zu neuem Freudenmorgen. Der Liebsten Herz ist aufgewacht Als wie aus tiefem Traume, Es sieht erstaunt die Frühlingspracht Um sich im Weltenraume. Der Liebsten Herz ist aufgewacht Zu einem neuen Leben; Ein Himmel hat es angelacht, Darein es will verschweben. Der Liebsten Herz ist aufgewacht Als wie die Ros' am Strauche; Die Liebe hat es angefacht Mit einem frischen Hauche. Der Liebsten Herz ist aufgewacht, Es ringt und springt in Freuden, Und will nun seine reiche Macht Der Lust an mich vergeuden. Der Liebsten Herz ist aufgewacht, Ich hab' es aufgewecket, Und wache, daß es keine Nacht Des Grames wieder decket. Die Zufriedenen Ich saß bei jener Linde Mit meinem trauten Kinde, Wir saßen Hand in Hand. Kein Blättchen rauscht' im Winde, Die Sonne schien gelinde Herab auf's stille Land. Wir saßen ganz verschwiegen, Mit innigem Vergnügen, Das Herz kaum merklich schlug. Was sollten wir auch sagen? Was konnten wir uns fragen? Wir wußten ja genug. Es mocht' uns nichts mehr fehlen, Kein Sehnen konnt' uns quälen, Nichts Liebes war uns fern. Aus liebem Aug' ein Grüßen, Vom lieben Mund ein Küssen Gab Eins dem Andern gern. Ich kann es dir nicht sagen Ich kann es dir nicht sagen, Wie ich so verloren bin, Mein Herz ist mir zerschlagen, Zerrissen ist mein Sinn. Ich bin so krank und trübe, Und alles um meine Liebe, Von der ich geschieden bin. Am blauen Himmel ziehen Die Wolken luftig hin, Im Feld die Bäume blühen, Die Saaten grünen d'rin; Ich seh' hinüber so trübe, Und alles um meine Liebe, Von der ich geschieden bin. Die Lüfte füllt ein Klingen, Die Vöglein jubeln d'rin, Blühende Jungfrau'n singen Durch helle Gärten hin: Ich lausche hinaus so trübe, Und alles um meine Liebe, Von der ich geschieden bin. O Lenz, dich grüßt das Leben Durch Erd' und Himmel hin! Was soll ich Armer geben? Der Schmerz ist mein Gewinn: Ich traure krank und trübe, Und alles um meine Liebe, Von der ich geschieden bin. Ich kann es dir nicht sagen, Wie ich so verloren bin, Mein Herz ist mir zerschlagen, Zerrissen ist mein Sinn: Ich bin so krank und trübe, Dahin ist meine Liebe, Mein Leben ist dahin! Das zerbrochene Ringlein In einem kühlen Grunde Da geht ein Mühlenrad, Mein' Liebste ist verschwunden, Die dort gewohnet hat. Sie hat mir Treu' versprochen, Gab mir ein'n Ring dabei, Sie hat die Treu' gebrochen, Das Ringlein sprang entzwei. Ich möcht' als Spielmann reisen Weit in die Welt hinaus, Und singen meine Weisen, Und gehn von Haus zu Haus. Ich möcht' als Reiter fliegen Wohl in die blut'ge Schlacht, Um stille Feuer liegen Im Feld bei dunkler Nacht. Hör' ich das Mühlrad gehen: Ich weiß nicht, was ich will — Ich möcht' am liebsten sterben, Da wär's auf einmal still! Liebesahnung Wissen es die blauen Blumen, Die am Wiesenbache nicken, Daß sie hold und lieblich duften, Sinn und Auge sie erquicken? Wissen es die Nachtigallen, Die man in den Buchen höret, Daß dem Sehenden ihr Schallen Süße Sehnsuchtsruh' gewähret? Weißt du, daß dem Vielverirrten, Der nur einmal dich geschauet, Wie von einem Gnadenbilde Stiller Friede niederthauet? Zuflucht Wildzerrißne Wolten treiben An dem dunklen Himmelsraum; Also schweifen die Gedanken Rastlos, wie im Fiebertraum. Dem verwirrenden Gedränge Zu entfliehn vermag ich nicht, Und die Schatten wenden dräuend Gegen mich ihr Angesicht. Laß an deinem reinen Herzen Bergen mich mein krankes Haupt! Du nur kannst die Qual verscheuchen, Die mir meinen Frieden raubt. Rühret nicht daran! Wo still ein Herz von Liebe glüht, O rühret, rühret nicht daran! Den Gottesfunken löscht nicht aus — Fürwahr, es ist nicht wohlgethan! Wenn's irgend auf dem Erdenrund Ein unentweihtes Plätzchen gibt, So ist's ein junges Menschenherz, Das fromm zum ersten Male liebt. O gönnet ihm den Frühlingstraum, In dem's voll ros'ger Blüthen steht! Ihr wißt nicht, welch ein Paradies Mit diesem Traum verloren geht. Es brach schon manch ein starkes Herz, Da man sein Lieben ihm entriß, Und manches duldend wandte sich, Und ward voll Haß und Finsterniß; Und manches, das sich blutend schloß, Schrie laut nach Lust in seiner Noth, Und warf sich in den Staub der Welt; Der schöne Gott in ihm war todt. Dann weint ihr wohl und klagt euch an, Doch keine Thräne heißer Reu' Macht eine welke Rose blüh'n, Erweckt ein todtes Herz auf's Neu'. Leben des Lebens Leben des Lebens Ist Jugend allein, Laßt uns vergebens Nicht jugendlich sein! Blüthe der Jugend Ist Liebe allein, Laßt uns die Jugend Der Liebe weihn! Warum so besonnen? Das Leben vergeht, Eh' recht ihr begonnen, Ist Jugend verweht; Und ist sie verronnen, Dann ist es zu spät! Wer hat noch die Sonnen Zurücke gedreht? Ach! in dem Alter Versiechet der Quell, Dann scheinet die Sonne Nicht warm und nicht hell! — Wie schön ist die Jugend, Wie feurig und roth! Dann für das Alter Ist nur der Tod. Leben des Lebens Ist Jugend allein, Laßt uns vergebens Nicht jugendlich sein! Blüthe der Jugend Ist Liebe allein, Laßt uns die Jugend Der Liebe weihn! Ach über die falschen Zungen! Viel Blüthen hingen am Apfelbaum, Nun sind die Zweige leer; Und hab ich geträumt einen süßen Traum, So träum' ich fortan nicht mehr. Ach über die falschen Zungen! Aus deinen Augen so manch ein Blick Hat mir gar Vieles gesagt. Du solltest werden mein einziges Glück — Wer hat nach meinem Glücke gefragt? Ach über die falschen Zungen! Daß du auf die falschen Zungen gehört, Und mehr als auf dein eigenes Herz, Und daß du geglaubt, was sie dich gelehrt, Das ist mein Schmerz! Ach über die falschen Zungen! Wenn sich zwei Herzen scheiden Wenn sich zwei Herzen scheiden, Die sich dereinst geliebt, Das ist ein größes Leiden, Wie's größ'res nimmer gibt. Es klingt das Wort so traurig gar: Fahrwohl, fahrwohl auf immerdar! Wenn sich zwei Herzen scheiden, Die sich dereinst geliebt. Als ich zuerst empfunden, Daß Liebe brechen mag: Mir war's, als sei verschwunden Die Sonn' am hellen Tag. Mir klang's im Ohre wunderbar: Fahrwohl, fahrwohl auf immerdar! Da ich zuerst empfunden, Daß Liebe brechen mag. Mein Frühling ging zur Rüste, Ich weiß es wohl, warum; Die Lippe, die mich küßte, Ist worden kühl und stumm. Das eine Wort nur sprach sie klar: Fahrwohl, fahrwohl auf immerdar! Mein Frühling ging zur Rüste, Ich weiß es wohl, warum. Neue Liebe, neues Leben Herz, mein Herz, was soll das geben? Was bedränget dich so sehr? Welch ein fremdes neues Leben! Ich erkenne dich nicht mehr. Weg ist alles, was du liebtest, Weg, warum du dich betrübtest, Weg dein Fleiß und deine Ruh', — Ach, wie kamst du nur dazu? Fesselt dich die Jugendblüthe, Diese liebliche Gestalt, Dieser Blick voll Treu' und Güte Mit unendlicher Gewalt? Will ich rasch mich ihr entziehen, Mich ermannen, ihr entfliehen, Führet mich im Augenblick, Ach, mein Weg zu ihr zurück. Und an diesem Zauberfädchen, Das sich nicht zerreißen laßt, Hält das liebe lose Mädchen Mich so wider Willen fest; Muß in ihrem Zauberkreise Leben nun auf ihre Weise. Die Veränd'rung, ach, wie groß! Liebe! Liebe! laß mich los! Du hast es so begehrt Es hat die Nachtigall Zu Tode sich gesungen; Von all' dem Liederschall Ist ihr das Herz zersprungen. Es hat die glüh'nde Kerze Von innen sich verzehrt, Und du, mein brennend Herze, Du hast es so begehrt. Liebesgeläute In meiner Brust eine Glocke klingt, Bald hell, bald leiser und trübe. Die Glocke, sie ist mein eigenes Herz, Die Töne sind Klänge der Liebe. Mein Lieb, mein schönes, mein rosiges Lieb, Du erregst der Glocke Klingen: O läute du sacht, o nimm dich in Acht, Sonst muß sie vor Wehe — zerspringen. Dein Bild Die Sonne sinkt, die Berge glühn, Und aus des Abends Rosen Seh' ich so schön dein Bild mir blühn, So fern dem Hoffnungslosen. Strahlt Hesperus dann hell und mild Am blauen Himmelsbogen, So hat mit ihm dein süßes Bild Die Sternenflur bezogen. Im mondbeglänzten Laube spielt Der Abendwinde Säuseln, Wie freudig um dein zitternd Bild Des Baches Wellen kräuseln! — Es braus't der Wald, am Himmel ziehn Des Sturmes Donnerflüge, Da mal' ich in die Wetter hin, O Mädchen, deine Züge. Ich seh' die Blitze trunkenhaft Um deine Züge schwanken, Wie meiner tiefen Leidenschaft Aufflammende Gedanken. Vom Felsen stürzt die Gemse dort, Enteilet mit den Winden; So sprang von mir die Freude fort, Und ist nicht mehr zu finden. Da bin ich, weiß nicht selber wie, An einen Abgrund kommen, Der noch das Kind der Sonne nie In seinen Schooß genommen. Ich aber seh' aus seiner Nacht Dein Bild so hold mir blinken, Wie mir dein Antlitz nie gelacht; Will's mich hinunter winken? Die Rastlose Der Tag ist längst vergangen Und Alles ist zur Ruh', Nur, meine Seele, du Schweifst irrend voll Verlangen Und findest keine Ruh'. So falte deine Schwingen Hier auf dem stillen Grab, Und kannst du nicht hinab Zu der Geliebten dringen, So träum' auf ihrem Grab. Einst Die Haide ist braun, einst blühte sie roth, Die Birke ist kahl, grün war einst ihr Kleid; Einst ging ich zu zwei'n, jetzt geh' ich allein, Weh über den Herbst und die hieblose Zeit! O weh, o weh, Weh über den Herbst und die lieblose Zeit! Der Fink ist verstummt, einst sang er so hell, Die Nachtigall schlug, jetzt schweiget sie müd'; Einst sang ich zu zwei'n, jetzt sing' ich allein Von meiner verlorenen Liebe ein Lied. O weh, o weh, Von meiner verlorenen Liebe ein Lied! Einst blühten die Rosen, jetzt welkten sie all', Voll Duft war das Kraut, jetzt zog er heraus; Einst pflückt' ich zu zwei'n, jetzt pflück' ich allein, Es wird ein dürrer, ein duftloser Strauß. O weh, o weh, Es wird ein dürrer, ein duftloser Strauß! Die Welt ist so öd', einst war sie so schön, Einst war ich so reich, jetzt bin ich voll Noth; Einst ging ich zu zwei'n, jetzt geh' ich allein; Mein Lieb ist falsch, o wäre ich todt! O weh, o weh, Mein Lieb ist falsch, o wäre ich todt! Sehnsucht auf der Wanderung O nur noch einmal, holdes Bild, Umschwebe meine Seele mild, Laß leuchten deines Auges Schein Tief in mein dunkles Herz hinein! Dein denk' ich stets, seitdem ich schied, Dich sehnt herbei mein klagend Lied, Dir gilt der Ruf der Nachtigall, Dir winken rings die Blumen all'. Das Bächlein eilt, nach dir zu spähn, Die Vöglein möchten gern dich sehn, Das Rosenwölkchen schwebt zu dir Und bringt den schönsten Gruß von mir. Und ist mein Ziel auch noch so fern, Bist du doch meines Wanderns Stern, Allüberall ruf ich dir zu: Mein einz'ger Wunsch, mein Glück bist du! Rückkehr Das ist gewiß die größte Noth, Wer aus der Fremde kommt nach Haus, Und findet seine Liebste todt; Da gehn ihm alle Freuden aus. Es war an einem Sonntag früh, Da kam ich in die Stadt hinein; Ich dachte nur allein an sie, Wir wollten nun recht glücklich sein! Und an der Kirche zog ich hin, Wo ich das erste Mal sie sah; Ich hörte Orgelklang darin, Wie schlug so froh mein Herze da! Hier, dacht' ich, wirst du sie nun sehn, Wie sie für dich zum Heiland fleht; Ich wollt' auch ganz von ferne stehn, Um nicht zu stören ihr Gebet. Und wie ich in die Kirche kam, Ward plötzlich mir so angst und bang', Ein jedes Aug' in Thränen schwamm, Sie sangen einen Grabgesang. Und wie ich kam zum Hochaltar, Da sah ich, ach, du lieber Gott! Den Rosenkranz im blonden Haar, Die Liebste kalt und blaß und todt! Wie da mir ward, ich weiß es nicht, Solch' Schmerz ist wirklich auch zu groß; Und daß er nicht das Herz zerbricht, Ist wohl das allerschlimmste Loos. Das waren schwere sieben Jahr', Seit ich von meiner Liebsten schied; Nun liegt sie auf der Todtenbahr' — Das ist das End' von solchem Lied. Mairegen Es ist der Wolke Segen Geflossen über Nacht, Erquickt von mildem Regen Steht neu der Fluren Pracht; Die Bäume tröpfeln leise, Das klingt so wunderbar, Als wie verstohlnerweise Sich küßt ein liebend Paar. So hat in unsre Herzen, Von Kümmerniß getränkt, Sich eine Fluth der Schmerzen Wohl einstmals auch gesenkt; Viel tausend Thränen flossen In stiller Mitternacht, Und nun, o nun sieh sprossen Des Frühlings ganze Pracht! Sei, Liebste, dir's ein Zeichen Und fühl' dich neubeherzt: Die Wolke muß ja weichen, Die unsern Himmel schwärzt. Komm, reiche mir die Hände: Der uns hierher gebracht, Er führt's zu gutem Ende; Der Gott der Liebe wacht! Gedenke mein Gedenke mein, wenn in des Abends Schweigen Durch Saitenklang der Friede dich umthaut, Die Thränenweiden ihre Zweige beugen Und Ahnung dich in ihrer Nacht umgraut. Gedenke mein, wenn in der Nacht, der blinden, Nur Himmelsaugen friedlich niederglühn, Und deutungslose Tonaccorde künden, Daß sie in Liebe ihre Bahnen ziehn. Gedenke mein, wenn in den Saiten wühlend Die Brust begeistert im Gesange schwellt, Und leis' umfangend, linde wiegend, spielend, Aus ihnen mahnt der Traum von jener Welt. Gedenke mein, wenn dich der Kranz umschlungen, Den dir der Kuß des Bundes aufgedrückt, Und wenn rückschwelgend in Erinnerungen Dein Geist an manchem Strahle sich entzückt. Wenn Alles sinkt, des Lebens Träume fallen, Und Alles stirbt, dann auch im matten Schein Gedenke mein, laß eine Thräne fallen; Ich bleibe treu, gedenke mein. Frauen-Liebe und Leben I. Seit ich ihn gesehen, Glaub' ich blind zu sein; Wo ich hin nur blicke, Seh' ich ihn allein; Wie im wachen Traume, Schwebt sein Bild mir vor, Taucht aus tiefstem Dunkel Heller nur empor. Sonst ist licht- und farblos Alles um mich her, Nach der Schwestern Spiele Nicht begehr' ich mehr, Möchte lieber weinen Still im Kämmerlein; Seit ich ihn gesehen, Glaub' ich blind zu sein. II. Er, der Herrlichste von allen, Wie so milde, wie so gut! Holde Lippen, klares Auge, Heller Sinn und fester Muth. So wie dort in blauer Tiefe Hell und herrlich, jener Stern, Also er an meinem Himmel, Hell und herrlich, hoch und fern. Wandle, wandle deine Bahnen; Nur betrachten deinen Schein, Nur in Demuth ihn betrachten, Selig nur und traurig sein! Höre nicht mein stilles Beten, Deinem Glücke nur geweiht; Darfst mich nied're Magd nicht kennen, Hoher Stern der Herrlichkeit! Nur die Würdigste von allen Soll beglücken deine Wahl, Und ich will die Hohe segnen, Segnen viele tausend Mal. Will mich freuen dann und weinen, Selig, selig bin ich dann, Sollte mir das Herz auch brechen, Brich, o Herz! was liegt daran? III. Ich kann's nicht fassen, nicht glauben, Es hat ein Traum mich berückt: Wie hätt' er doch unter allen Mich Arme erhöht und beglückt? Mir war's, er habe gesprochen: Ich bin auf ewig dein — Mir war's — ich träume noch immer, Es kann ja nimmer so sein. laß im Traume mich sterben, Gewieget an seiner Brust, Den seligsten Tod mich schlürfen In Thränen unendlicher Lust! IV. Du Ring an meinem Finger, Mein goldnes Ringelein, Ich drücke dich fromm an die Lippen, Dich fromm an das Herze mein. Du Ring an meinem Finger, Da hast du mich erst belehrt, Hast meinem Blick erschlossen Des Lebens unendlichen Werth. Ich werd' ihm dienen, ihm leben, Ihm angehören ganz, Hin selber mich geben und finden Verklärt mich in seinem Glanz. Du Ring an meinem Finger, Mein goldnes Ringelein, Ich drücke dich fromm an die Lippen, Dich fromm an das Herze mein. Vorsatz Ich will's dir nimmer sagen, Wie ich so lieb dich hab', Im Herzen will ich's tragen, Will stumm sein wie das Grab. Kein Lied soll dir's gestehen, Soll flehen um mein Glück: Du selber sollst es sehen, Du selbst — in meinem Blick. Und kannst du es nicht lesen, Was dort so zärtlich spricht, So ist's ein Traum gewesen: Dem Träumer zürne nicht! Vergib! Ich hab' dir nie vertraut Was mir das Herz erfüllt, Ich hab' dich angeschaut Wie ein Marienbild. Ich hab' mich still gesehnt Nach dir und deiner Huld — Sieh wie mein Auge thränt Vergib mir meine Schuld! Die Braut an der Myrthe Sie stand in tiefen Träumen Und sah die Myrthe an: „Nicht lange wirst du säumen, Geliebter, ferner Mann, Dann schlingst du durch die Locken Ein solches Kränzlein mir, Und führst beim Klang der Glocken Mich fort, von hier zu dir. Dann lebet wohl, ihr Träume Der Kindheit, unschuldvoll; Des Vaterhauses Räume, Auf ewig lebet wohl! Die alten Stimmen schweigen, Doch ob man sie vergißt, Wenn man so ganz zu eigen Dem Fernen, Fremden ist?“ Sie sprach's, das Köpfchen neigend, Zur Myrthe, grünbelaubt, Die aber wiegte schweigend Auf ihre Frag' das Haupt; Ein Schütteln oder Nicken, Wer sagt ihr, was es war? Doch in des Mädchens Blicken Stand eine Thräne klar. Noch stehen am Himmelsbogen — Noch stehen am Himmelsbogen Die Sterne hell und klar; Sie aber ist weggezogen, Die einst mein Liebchen war. Ich hörte die Nachtigall singen Am laubigen Gartenthor; Des Liebchens Worte dringen Nicht mehr zu meinem Ohr. Ich war im Süden, im Norden, Durchschiffte die weite See; Ich bin so alt geworden, Und fühle mich jünger, als je. Aus jeglicher Blume lächelt Mir Jugend und Liebe zu, Und jegliches Lüftchen fächelt, Als spräch' es: wie glücklich bist du! Ja, Glück, wie könntest du schwinden? O wärst du vergangen mit mir! Wohl konnt' ich die Stätte noch finden, Dich aber, dich find' ich nicht hier. Noch stehen am Himmelsbogen Die Sterne hell und klar; Sie aber ist weggezogen, Die einst mein Liebchen war. Einst Wir standen vor einem Grabe, Umweht von Fliederduft; Still mit den Gräsern des Hügels Spielte die Abendluft. Da sprach sie bang' und leise: „Wenn von der Welt ich schied, Und kaum mein Angedenken Noch lebt in deinem Lied; Wenn du auf weiter Erde Verlassen und einsam bist, Und nur im Traum der Nächte Mein Geist dich leise küßt: Dann komm zu meinem Grabe, Von Flieder und Rosen umlaubt, Und neig' auf die kühlen Gräser Das heiße, müde Haupt. Ein Sträußchen duftiger Blumen Bringst du wie sonst mir mit; Mich weckt aus tiefem Schlummer Dein lieber bekannter Schritt. Dann will ich mit dir flüstern So heimlich und vertraut, Wie damals, wo wir innig In's Aug' uns noch geschaut. Und wer vorübergehet, Der denkt: es ist der Wind, Der durch die Blüthen des Flieders Hinsäuselt leis und lind. Und wie du lebst, das Kleinste Berichten sollst du mir, Und ich will dir erzählen, Was ich geträumt von dir. Wenn dann der Abend gekommen Und Stern an Stern erwacht, Dann wünschen wir uns leise Und heimlich: gute Nacht. Du gehst getröstet nach Hause Im Abenddämmerschein, Und unter meinen Blumen Schlaf' still ich wieder ein.“ An die Vergessene Das Grab hat dich verschlungen, Da schlummert dein Gebein; Das Sterblied ist verklungen, Wer denkt noch fürder dein? Ach! Alle sind verschwunden, Die einst geweint mit mir; Ich hab' allein gefunden Den stillen Weg zu dir. Ich kann es nimmer fassen, Daß noch der Frühling glüht, Daß nicht die Blumen blassen, Seitdem du ausgeblüht; Daß nicht ein schmerzlich Bangen Durch jeden Jubel geht, Seitdem du heimgegangen Still, wie ein Nachtgebet. Unendlich war dein Lieben, Groß wie die Welt dein Herz; Dies bleibet tief geschrieben In meines Schmerzes Erz. Laß dich getrost vergessen — Wenn jedes Band zerbricht, Wenn Alle dich vergessen, Mein Herz vergißt dich nicht! Ein Lied, das, kaum geboren, Auf leisem Hauch entschwebt, Und doch so unverloren In treuem Busen lebt — So lebst du mir in Dauer: Bist ein verklungnes Lied, Das durch der Seele Trauer Mit ew'gem Singen zieht. Seit sie gestorben Seit sie gestorben, ist mir Eins gewiß: Daß es ein Ewiges muß geben; Denn über meines Herzens Riß Fühl' ich ein ew'ges Leben schweben, Seit sie gestorben. Seit sie gestorben, bin ich stolz und kühn: Ich weiß es nun, was Herzen tragen; Was sind mir fürder alle Müh'n? Was gibt es ferner noch zu wagen, Seit sie gestorben? Seit sie gestorben, lebt im Herzen mir Ein Bild der heiligsten Verklärung, Bin ich ein Baum, den für und für Die Heil'ge schützet vor Zerstörung, Seit sie gestorben. Seit sie gestorben, ist ein fester Wall Von Einsamkeit um mich gezogen; Vergebens ist der Überfall Der Freuden, die mich rings umwogen, Seit sie gestorben. Seit sie gestorben, hat die tiefste Ruh' Sich heimisch in mein Herz gesenket, Die Seele schließt die Augen zu Und ahnt und träumt mehr, als sie denket, Seit sie gestorben. Das kranke Mädchen Es geht ein krankes Mädchen Hin durch die Sommernacht; Ihr Liebster ist gestorben, Das hat sie krank gemacht. Es scheinen Mond und Sterne Vom lichten Himmel her, Und wie sie aufwärts schauet, Da weinet das Mädchen sehr. „Ach, könnt' ich doch mich schwingen In den lichten Himmel hinein! Da würd' ich wiederfinden Den Herzallerliebsten mein. Du schöner, lichter Himmel, Erhör' mein süßes Flehn, Senk' dich herab zur Erde, Daß ich hinein kann gehn!“ Und während sie's gesprochen Aus ihres Herzens Grund, Da war sie weiter gegangen, Auf einer Brücke sie stund. Und als sie schaute nieder In die stille Fluth hinein: Sieht sie den Himmel drinnen Und Mond- und Sternenschein. „Hab' Dank, du lieber Himmel! Du hast erhört mein Flehn, Und bist zur Erde kommen, Daß ich hinein kann gehn. Es winkt der Mond so freundlich Und jeder lichte Stern, O Gott, und auch der Liebste Aus weiter, weiter Fern'! Ich komme schon, ich komme! Du Erde, gute Nacht!“ — Da haben die stillen Fluthen Sie in den Himmel gebracht. Wenn etwas in dir leise spricht Wenn etwas in dir leise spricht, Daß dir mein Herz ergeben, So zweifle, Holde, nicht, Du leuchtest in mein Leben. Doch nie wirst du von mir begehrt; Wo schön're Sterne funkeln, Sei dir ein Loos bescheert, Ich bete nur im Dunkeln. Ich liebe dich, wie man Musik Und wie man liebt die Rose, Du bist mir wie ein Blick In's Blaue, Wolkenlose. In Freude nur gedenke mein; Mir aber wird ein Segen Dein Angedenken sein Auf allen meinen Wegen. Denn Glück genug besitz' ich doch, Und wär' mir nichts geblieben, Als dieses Eine noch, Ein Herz, um dich zu lieben. An die Erwählte Hand in Hand! und Lipp' auf Lippe! Liebes Mädchen, bleibe treu! Lebe wohl! und manche Klippe Fährt dein Liebster noch vorbei; Aber wenn er einst den Hafen Nach dem Sturme wieder grüßt, Mögen ihn die Götter strafen, Wenn er ohne dich genießt. Frisch gewagt ist schon gewonnen, Halb ist schon mein Werk vollbracht; Sterne leuchten mir wie Sonnen, Nur dem Feigen ist es Nacht. Wär' ich müßig dir zur Seite, Drückte noch der Kummer mich; Doch in aller dieser Weite Wirk' ich rasch und nur für dich. Schon ist mir das Thal gefunden, Wo wir einst zusammen gehn, Und den Strom in Abendstunden Sanft hinunter gleiten sehn. Diese Pappeln auf den Wiesen, Diese Buchen in dem Hain! Ach! und hinter allen diesen Wird doch auch ein Hüttchen sein! Wonne der Wehmuth Trocknet nicht, trocknet nicht, Thränen der ewigen Liebe! Ach, nur dem halb getrockneten Auge, Wie öde, wie todt die Welt ihm erscheint! Trocknet nicht, trocknet nicht, Thränen unglücklicher Liebe! Wenn Zwei von einander scheiden Wenn Zwei von einander scheiden, So geben sie sich die Händ' Und fangen an zu weinen Und seufzen ohn' End'. Wir haben nicht geweinet, Wir seufzten nicht Weh und Ach, Die Thränen und die Seufzer, Die kamen hintennach. Röthet dir, Liebchen — Röthet dir, Liebchen, der Purpur die Wangen, Glänzt auf dem Liliengrund rosige Pracht, Fasset dich namenlos seliges Bangen, Leuchtet das Aug' und verschwimmt es in Nacht; Tritt dir mein Bild dann von ferne entgegen, Fühlst du im Innern gar lieblichen Schmerz, Pocht es im Busen mit heftigen Schlagen: Glaub' mir, Geliebte, dann ist es dein Herz! Senkst du das Augenlid, wenn ich dich grüße, Stockt dir der Athem und fliegt deine Brust, Wähnst du, daß Alles in Nebel zerfließe, Fühlst du zum Tod betrübt wonnige Lust, Kannst du kein Wort meinen Worten entgegnen, Senkst du das Angesicht stumm niederwärts, Wagt meinem Auge nicht deins zu begegnen, Glaube, Geliebte, dann spricht wohl dein Herz! Auf eine Unbekannte Die Dämmerung war längst hereingebrochen, Ich hatt' dich nie gesehn, du tratst heran, Da hat dein Mund manch mildes Wort gesprochen In heil'gem Ernst, der dir mein Herz gewann. Still, wie du nahtest, hast du dich erhoben, Und sanft uns Allen gute Nacht gesagt, Dein Bild war tief von Finsterniß umwoben, Nach deinem Namen hab' ich nicht gefragt. Nun wird mein Auge nimmer dich erkennen, Wenn du auch einst vorüber gehst an mir, Und hör' ich dich von fremder Lippe nennen, So sagt dein Name selbst mir Nichts von dir. Und dennoch wirst du ewig in mir leben, Gleichwie ein Ton lebt in der stillen Luft, Und kann ich Form dir und Gestalt nicht geben, So reißt auch keine Form dich in die Gruft. Das Leben hat geheimnißvolle Stunden, D'rin thut, selbstherrschend, die Natur sich kund; Da bluten wir und fühlen keine Wunden, Da freu'n wir uns und freu'n uns ohne Grund. Vielleicht wird dann zu flüchtigstem Vereine Verwandtes dem Verwandten nah' gerückt, Vielleicht, ich schaudre, jauchze oder weine, Ist's dein Empfinden, welches mich durchzückt. Bitte Weil' auf mir, du dunkles Auge, Übe deine ganze Macht, Ernste, milde, träumerische, Unergründlich süße Nacht! Nimm mit deinem Zauberdunkel Diese Welt von hinnen hier, Daß du über meinem Leben Einsam schwebest für und für! Zu spät Es hat dein schönes Angesicht Des Scheidens Hauch getrübt, Du starbst dahin und wußtest nicht, Wie heiß ich dich geliebt! Denn kärgliche Minuten nur Hast du bei uns verweilt Und bist sodann auf höh'rer Spur Mir rasch voran geeilt. Das ist es, was mit bitt'rem Weh Die Seele mir bewegt Und auf des Herzens tiefem See Stets neuen Sturm erregt; Nicht, daß so früh zu reinerm Glück Du zogst in's bess're Land, Wohin die Sehnsucht fromm den Blick Still hoffend hält gewandt, Wohin jedweder Ruf der Lust, Wohin jedwedes Lied Und jeder Schmerz der Menschenbrust Als leuchtend Opfer zieht; Doch daß so traumesähnlich mir Dein theures Bild entschwand, Bevor ich meine Liebe dir, Die flammende, gestand, Und daß ich von dem Trost gebannt, Der Glück mir war im Schmerz: Daß du begriffen und erkannt Mich und mein treues Herz. Wolle Keiner mich fragen — Wolle Keiner mich fragen, Warum mein Herz so schlägt, Ich kann's nicht fassen, nicht sagen, Was mich bewegt. Als wie im Traume schwanken Trunken die Sinne mir; Alle meine Gedanken Sind nur bei dir. Ich habe die Welt vergessen, Seit ich dein Auge gesehn; Ich möchte dich an mich pressen Und still im Kuß vergehn. Mein Leben möcht' ich lassen Um ein Lächeln von dir, Und du — ich kann's nicht fassen — Versagst es mir. Ist's Schicksal, ist's dein Wille, Du siehst mich nicht; — Nun wein' ich stille, stille, Bis mir das Herz zerbricht. Sie sagen wohl, ein Kuß sei Scherz Sie sagen wohl, ein Kuß sei Scherz, Sie sagen wohl, ein Kuß sei Spiel, O wie ein Kuß mir fiel auf's Herz, O wie ein Kuß auf's Herz mir fiel! Ich küsse nicht zum Scherze dich, Ich küsse dich aus vollem Ernst, Und wenn du anders küssest mich, So bitt' ich, daß du's besser lernst. Ich sage dir mit diesem Kuß, Daß ich die Deine bin und bleib', Ich sage dir, daß ewig muß Ich mich bekennen als dein Weib. Du hast dasselbe mir gesagt, Du liebst im Ernst und nicht im Scherz, Und wenn mein Mund dich zweifelnd fragt, So küss' es wieder mir in's Herz. So sei mit Gott gegrüßet So sei mit Gott gegrüßet, Viel hunderttausendmal! Der Frühling weht und sprießet, Und ruft mit Klang und Schall. Das läßt mich nicht im engen Haus, Nun fahr' ich in die Welt hinaus. Das Thränlein, das da fließet, Schwellt nicht der Ströme Zahl' Wohl uns, daß wir uns scheiden, Dieweil wir frisch und jung, Dieweil für alle Leiden Des Trostes noch genung! Nun bleibt in alle Ewigkeit, Wohl durch die Welt, so groß und weit, Der Jugend Glück uns beiden Ein frischer Labetrunk. Und wirst du einst erglühen Von neuem Wonnestrahl, In deinem Kranz erblühen Die Knospen dann zumal. Sie waren mir ein theures Gut, D'rum hege sie in treuer Hut. Ade, nun laß uns scheiden, Ade, zum letzten Mal! Perlenfischer Du liebes Auge, willst dich tauchen In meines Aug's geheimste Tiefe, Zu spähen, wo in blauen Gründen Verborgen eine Perle schliefe? Du liebes Auge, tauche nieder, Und in die klare Tiefe dringe, Und lächle, wenn ich dir dein Bildniß Als schönste Perle wiederbringe! Du bist wie eine Blume Du bist wie eine Blume, So hold und schön und rein; Ich schau' dich an, und Wehmuth Schleicht mir in's Herz hinein. Mir ist, als ob ich die Hände Auf's Haupt dir legen sollt', Betend, daß Gott dich erhalte So rein und schön und hold. Du bist die herrlichste von Allen Du bist die herrlichste von Allen, So sonder Falsch, so schön und rein, Ein Stern, vom Himmel frisch gefallen, Er könnte selbst nicht schöner sein. Du bist ein stilles, liebverklärtes Gemüth, von Kindessinn beseelt, Und das Bewußtsein deines Werthes Die einz'ge Tugend, die dir fehlt. Ich sehe, wie in einem Spiegel Ich sehe, wie in einem Spiegel, In der Geliebten Auge mich; Gelöst vor mir ist jedes Siegel. Das mir verbarg mein eignes Ich. Durch deinen Blick ist mir durchsichtig Mein Herz geworden und die Welt; Was in ihr wirklich und was nichtig, Ist vor mir ewig aufgehellt. So wie durch meinen Busen gehet Hier deines Herzens stiller Schlag, So fühl' ich, was die Schöpfung drehet Vom ersten bis zum jüngsten Tag. Die Welten drehn sich all' um Liebe, Lieb' ist ihr Leben, Lieb' ihr Tod; Und in mir wogt ein Weltgetriebe Von Liebeslust und Liebesnoth. Der Schöpfung Seel' ist ew'ger Frieden, Ihr Lebensgeist ein steter Krieg; Und so ist Friede mir beschieden, Sieg über Tod und Leben, Sieg. Ich spreche still zur Lieb' im Herzen, Wie Blume zu der Sonne Schein: Du gib mir Lust, du gib mir Schmerzen! Dein leb' ich und ich sterbe dein! Schaut dein Aug' den Himmel an Schaut dein Aug' den Himmel an, Springen Sternlein licht heran; Schaust du an die Knospen hell, Werden sie zu Blumen schnell: Wo du wandelst Schritt um Schritt, Klingen Melodien mit. Deines Lächelns Wiederschein Weiht den ganzen Frühling ein. Auf weichen Abendlüften — Auf weichen Abendlüften Fliegt mein Gedanke zu dir, Und wollt' ich mit Ketten ihn binden, Ich könnt' ihn nicht fesseln bei mir. Ich fürchte nur, daß er irret, Den Flug wo andershin lenkt, Und sich in einer Rose Aufblühenden Kelch versenkt. Ich fürchte, daß er sich stürzet Dort in den Abendstern, Und glaubt, es sei dein Auge, Worin er schwelget so gern. Ich fürchte, daß in den Strom er Sich senket, unterzugehn, Seit er in deinem Auge Die letzte Thräne gesehn. Doch, wohin er immer auch wandle, Ob er irret dort und hier; So kehrt er doch immer wieder Zurück in die Seele mir. Komm, o komme bald! Immer leiser wird mein Schlummer, Nur wie Schleier liegt mein Kummer Zitternd über mir. Oft im Traume hör' ich dich Rufen draus vor meiner Thür, Niemand wacht und öffnet dir; Ich erwach' und weine bitterlich. Ja, ich werde sterben müssen, Eine Andre wirst du küssen, Wenn ich bleich und kalt; Eh' die Maienlüfte wehen, Eh' die Drossel singt im Wald, Willst du mich noch einmal sehen, Komm, o komme bald! Trost in Thränen Wie kommt's, daß du so traurig bist, Da Alles froh erscheint? Man sieht dir's an den Augen an, Gewiß, du hast geweint. „Und hab' ich einsam auch geweint, So ist's mein eigner Schmerz, Und Thränen fließen gar so süß, Erleichtern mir das Herz.“ Die frohen Freunde laden dich: O komm an unsre Brust! Und was du auch verloren hast, Vertraure den Verlust. „Ihr lärmt und rauscht und ahnet nicht, Was mich, den Armen, quält. Ach nein, verloren hab' ich's nicht, So sehr es mir auch fehlt.“ So raffe denn dich eilig auf, Du bist ein junges Blut! In deinen Jahren hat man Kraft Und zum Erwerben Muth. „Ach nein, erwerben kann ich's nicht, Es steht mir gar so fern. Es weilt so hoch, es blinkt so schön, Wie droben jener Stern.“ Die Sterne, die begehrt man nicht, Man freut sich ihrer Pracht, Und mit Entzücken blickt man auf In jeder heitern Nacht. „Und mit Entzücken blick' ich auf So manchen lieben Tag; Verweinen laßt die Nächte mich, So lang' ich weinen mag.“ Gute Nacht Im tiefsten Innern Ein süß Erinnern Und einen Gruß Zum Tagesschluß. Daß Gottes Güte Mein Glück behüte, Daß seine Treu' Stets mit dir sei; Daß deine Seele Sich mir vermähle, Auf ewiglich: Das bete ich. Auf ihn nur zähl' ich, Uns Beid' empfehl' ich Fromm seiner Macht — Nun, gute Nacht! Wohl fühl' ich, wie das Leben rinnt Wohl fühl' ich, wie das Leben rinnt, Und daß ich endlich scheiden muß, Daß endlich doch das letzte Lied Und endlich kommt der letzte Kuß. Noch häng' ich fest an deinem Mund' In schmerzlich bangender Begier; Du gibst der Jugend letzten Kuß, Die letzte Rose gibst du mir. Du schenkst aus jenem Zauberkelch Den letzten goldnen Trunk mir ein; Du bist aus jener Märchenwelt Mein allerletzter Abendschein. Am Himmel steht der letzte Stern, O halte nicht dein Herz zurück; Zu deinen Füßen sink' ich hin, O fühl's, du bist mein letztes Glück! Laß einmal noch durch meine Brust Des vollsten Lebens Schauer wehn, Eh' seufzend in die große Nacht Auch meine Sterne untergehn. Stille Wenn ein Kranker schlummernd liegt, Mild von Traumes Arm gewiegt, Schweigen Alle im Gemach, Daß der Arme nicht erwach'. Leis ihr Hauch und stumm ihr Mund, Kaum berührt ihr Fuß den Grund, Und der Kranke schlummert weiter, Ruht beseligt traumesheiter. Innig fleh' ich jetzt zu dir: Halte du es so mit mir, Mit dem tieferschöpften Herzen, Das entschlummert ist voll Schmerzen. Halb verblutet, schläft es fort, Weck' es nicht mit deinem Wort! Trage schonendes Erbarmen Um den Kranken, Müden, Armen. Willst du's wecken, sei's zum Glück; Kannst du's nicht, so tritt zurück; Gieße Gift nicht in die Neige Meines Lebens, schweige, schweige! Begegnung Es zieht mit schmelzenden Akkorden Ein heller Klang durch meine Brust, Denn wißt, mir ist ein Lieb' geworden, Ein Lieb' voll wundersüßer Lust. So Mancher sucht nach einem Wesen Voll Mitgefühl für seinen Schmerz, Ich habe mir's nicht auserlesen, Der Augenblick warf's an mein Herz. Wir sprachen nicht; wie konnt' ich's wagen? Wir sahen Beid' uns schweigend an: O Vieles weiß ein Blick zu sagen. Was keine Lippe sagen kann. Sei du mein eigen! O mit der ganzen Kraft der Liebe Sei du mein eigen, o sei mein, Laß wachsen alle deine Triebe In mein getreues Herz hinein! Ich kann nicht dich, du mich nicht meiden, Mein Herz liebt deins und deines meins, Da gibt's kein Ende, gibt's kein Scheiden, Für alle Zeiten sind wir eins. O, fürchte nicht, daß nichts dir bliebe Für jene, deren treu du denkst, Wenn mit dem ganzen Schatz der Liebe Du überschwänglich mich beschenkst. Das eben ist der Liebe Segen, Daß jede Mißgunst sie entfernt, Und daß in ihr man allerwegen Die Menschen recht erst lieben lernt. Sagst du's nicht selbst, daß deinem Leben Jetzt erst das höchste Glück ersprießt? Wer aber hat mit Wonnebeben Beim ersten Athmen dich begrüßt? Wer ist sich immer gleich geblieben, Wer zog dich auf, so gut, so rein? Und sollte jetzt dein dankbar Lieben Nicht tausendfach gesteigert sein? So hat mit Einer Gab' auf's Neue Gott alle andern dir bescheert, So wird durch Eine Lieb' und Treue Erst jede andre Lieb' verklärt. O d'rum laß wachsen alle Triebe In mein getreues Herz hinein, Und mit dem ganzen Schatz der Liebe Sei du mein eigen, o sei mein! Wanderlied In die Ferne geht mein Sehnen, Zu den Wolken dringt mein Blick, Aus dem Auge rinnen Thränen Um das längst vergang'ne Glück. Lüfte, die ihr, in den Bäumen Leise flüsternd, weiter eilt, Wißt ihr wohl von jenen Räumen, Wo die Allerschönste weilt? Weiden weinen an den Bächen, Quellen an der Felsenwand, Klagend scheinen sie zu sprechen Von dem wunderbaren Land. Doch mein Leid, wer kann es theilen? Luft und Welle darf entfliehn, Über Erd' und Himmel eilen; Ich nur langsam weiter ziehn. Einsamkeit Daß ich dein auf ewig bliebe, Tiefes, felsumschloss'nes Thal, Traurig-schön wie unsrer Liebe Tiefe hoffnungsvolle Qual! Tannen schauern an den Wänden, In der Schlucht der Bergstrom tos't, Winkt als wie mit weißen Händen: Komm, o komm und trinke Trost! Und ich schleiche um die Föhren, Horche auf der Wasser Gang, Glaube immer noch zu hören Deinen schmerzlichen Gesang. Jenes Lied voll Qual und Beben, Das die Seele mir umspann, Von dem Herzen, das nicht leben, Ach, und doch nicht sterben kann! Rausche fort, du wild Gewässer, Überschrei' des Herzens Noth — Nie geboren wäre besser, All' mein Sehnen ist der Tod! Die du mein Alles bist Du weißt es wohl, daß du mein Alles bist; O wende nicht dein schönes Aug' von mir, Red' ich von unsrer Liebe Glück mit dir, Die du mein Alles bist! Du weißt es wohl, daß du mein Alles bist; O sieh beneidend nicht den Blumen nach, Die frühverblüht von hinnen führt der Bach, Die du mein Alles bist! Du weißt es wohl, daß du mein Alles bist; O bald, ich fuhl's, wirst du gestorben sein, Und lässest dieses arme Herz allein, Dem du sein Alles bist! Daheim Daheim, daheim! es klingt das Wort Mir tief im Herzen fort und fort Und schafft mir bittre Leiden. Und doch, mir ist ganz recht geschehn, Wer hieß mich in die Fremde gehn Und von der Liebsten scheiden? Daheim, daheim sitzt sie wohl jetzt Und sinnt und spinnt und weint und netzt Den goldnen Flachs am Rocken; Der Faden reißt, sie merkt es nicht, Es wallen tief ihr in's Gesicht Die reichen blonden Locken. Daheim, daheim! o tröst' dich, Lieb', Und wein' dir nicht die Augen trüb', Ist Scheiden doch nicht Meiden! Und bist du dort und ich bin hier, Mein Herz ist alle Zeit ber dir, Ob Berg und Thal uns scheiden. Daheim, daheim! und wenn es lenzt, Das Thal mit Veilchen sich bekränzt Und alle Knospen springen: Thu' auf, thu' auf dein Kämmerlein! Dein Liebster naht, will Sonnenschein Auch seinem Röslein bringen. Mir ist, als müßtest du empfinden — Mir ist, als müßtest du empfinden, Wie oft ich dein, wie treu gedacht, Als spräch' zu dir mit lauen Winden Statt meiner jede Sommernacht, Als läsest du in jedem Sterne Mein Grüßen still und sehnsuchtsvoll; Ich weiß ja nicht, wie deine Ferne Ich anders je erreichen soll. Es wälzt das Meer schon seine Wogen, Die blauen, zwischen dir und mir, Du bist zur Heimath fortgezogen, Ich steh' noch in der Fremde hier; Und über's Wasser, durch die Steppen Führt keine Brücke mich, kein Steg, Hoch über meiner Klage schleppen Sich bange Tage langsam weg. Vielleicht, daß du mich längst vergessen, Vielleicht, daß du mich nie erkannt, Vielleicht, daß Andern unterdessen Dein Blick sich huldvoll zugewandt? Ich weiß es nicht; von Stund' zu Stunde In Zweifeln irr' ich scheu umher, Von dir kein Trost und keine Kunde, Für mich kein Bote über's Meer! Und doch den Grund soll nichts mir rauben, Den Ankergrund im Sturmgebiet, An meine Liebe will ich glauben, Die dich magnetisch an mich zieht; Du mußt sie fühlen, mußt sie ahnen, Mein Bild muß dir vor Augen stehn, Und so, trotz früh-zerriss'nen Bahnen, Weiß ich, daß wir uns wiedersehn! Mit einem gemalten Band Kleine Blumen, kleine Blätter Streuen mir mit leichter Hand Gute junge Frühlings-Götter Tändelnd auf ein luftig Band. Zephyr, nimm's auf deine Flügel, Schling's um meiner Liebsten Kleid; Und so tritt sie vor den Spiegel All in ihrer Munterkeit. Sieht mit Rosen sich umgeben, Selbst wie eine Rose jung, Einen Blick, geliebtes Leben, Und ich bin belohnt genung. Fühle, was dies Herz empfindet, Reiche frei mir deine Hand, Und das Band, das uns verbindet, Sei kein schwaches Rosenband. Nähe des Geliebten Ich denke dein, wenn mir der Sonne Schimmer Vom Meere strahlt; Ich denke dein, wenn sich des Mondes Flimmer In Quellen malt. Ich sehe dich, wenn auf dem fernen Wege Der Staub sich hebt; In tiefer Nacht, wenn auf dem schmalen Stege Der Wandrer bebt. Ich höre dich, wenn dort mit dumpfem Rauschen Die Welle steigt. Im stillen Haine geh' ich oft zu lauschen, Wenn Alles schweigt. Ich bin bei dir, du seist auch noch so ferne, Du bist mir nah! Die Sonne sinkt, bald leuchten mir die Sterne. O wärst du da! O frage nicht! O frage nicht, Was auf des Auges stillem Grunde Mir oft wie eine Thräne bebt, Was schüchtern oft zu meinem Munde Wie ein verstohlner Seufzer schwebt! Es ist ein Wort, unausgesprochen, Ein selig goldnes Traumgesicht, Und nur mein Blick, mein Herzenspochen Verräth es dir — o frage nicht! O frage nicht, Was ruhelos in deine Nähe Mich wie ein Zauber mächtig bannt, Warum ich dennoch seitwärts stehe, Wenn du mich lächelnd kaum erkannt! Von Schmetterlingen rings umgaukelt, Genährt vom ersten Sonnenlicht, Ein Röschen du, vom West geschaukelt, Entblättert' ich — o frage nicht! O frage nicht, Zu welcher frühen Sonnenwende Mein kurzes Leben sich gesenkt, Zu welchem Abgrund, welchem Ende Mein müder Fuß hinunterlenkt! Dir sei die Welt ein ew'ger Morgen Voll Maienglanz und Duft und Licht; Was Schmerzen sind, dir sei's verborgen; Leb' wohl, vergiß — und frage nicht! Du süße, liebliche Marie! Nun ist die holde Maienzeit, Warm geht die Luft, süß weht der Duft. Nun komm heraus, du braune Maid, Die lang' ersehnte Stunde ruft! Sieh mild herab auf mein Geschick, Den Gram und Kummer, löse sie Mit einem Wort, mit einem Blick, Du süße, liebliche Marie! Du thatest mir so hold Gewalt, Daß ich für dich in Lieb' entglüht, So wonnig bist du von Gestalt, So voller Anmuth von Gemüth. Bei dir wird arm, was hoch und reich, Ein liebres Wesen sah ich nie; Du stehst ob jeglichem Vergleich, Du süße, liebliche Marie! Das ist schon lange Jahre lang, Daß ich dir trage diesen Sinn: Zu Lust und Tanz und zu Gesang Bin ich gefolgt dir immerhin. Und fehltest du bei Fest und Spiel, Dann ohne mich wohl lachten sie: Du warst der stillen Wünsche Ziel, Du süße, liebliche Marie! O treib mit ihm nicht länger Scherz, Der gern sein Leben für dich gibt! O quäle länger nicht mein Herz, Das einzig fehlt, weil es dich liebt! Ach, ohne deine Liebe, Maid, Genest die wunde Seele nie: Heil' mich in dieser Maienzeit, Du süße, liebliche Marie! Nachtwache der Liebe Nachtwache der Liebe, du Sabbath im Herzen, Du singende, herzenverjüngende Zeit, Du Weihnacht bei duftigen, lustigen Kerzen, Sei ewig und ewig gebenedeit! Ein Wandeln im Schatten wildrauschender Palmen, Ein Schaukeln im Kahne in träumender Ruh', Ein Beten im Dome bei hallenden Psalmen, Nachtwache des liebenden Herzens, bist du! Sie schloß mich an sich mit den blühenden Armen, Sie haucht' mir in's Ohr ein unsterbliches Wort Ich kniete und flehte: O habe Erbarmen, Und küss' mir die zagende Seele nicht fort! Nun wandl' ich im Dämmerlicht blühender Bäume, Ich fasse der Nachtigall Jubel und Schmerz, Ich zähle die Sterne, ich wache und träume — Ein schwebender Stern ist mein seliges Herz. Nachtwache der Liebe, du Hoffen und Wähnen, Du Sabbath im Herzen, du heilige Zeit, Du Seligkeit nächtig verrinnender Thränen, Sei ewig und ewig gebenedeit! Die Mühle Was zieht dich wohl so weich und mild Zur Mühle dort im Thale? Ist es der Welle schimmernd Bild Im goldnen Sonnenstrahle? Ob es die rothen Rosen sind Mit ihren süßen Düften? Ob es der laue Frühlingswind? Die Vöglein in den Lüften? Ob es der kühle, frische Wald? Sein hoher Götterfriede? O glaube mir — nur allzubald Wärst du des Ganzen müde! Wenn du des Müllers Töchterlein Nicht jeden Abend küßtest, Dann möcht' es wohl die Frage sein, Ob du die Mühle wüßtest. Wunsch O könnte doch an deinen Blicken, Der Welt entrückt und ungesehn, Des Dichters Seele in Entzücken Wie ein Phantom der Nacht vergehn! Und könnt' dies Herz mit seinen Gluthen, Mit seiner Qual und seinem Wahn, Sich still und heiß in dir verbluten, Wie dort die Sonn' im Ocean! Wenn ich in deine Augen seh' Wenn ich in deine Augen seh', So schwindet all' mein Leid und Weh; Doch wenn ich küsse deinen Mund, So werd' ich ganz und gar gesund. Wenn ich mich lehn' an deine Brust, Kommt's über mich wie Himmelslust; Doch wenn du sprichst: ich liebe dich! So muß ich weinen bitterlich. Der Jüngling am Bache An der Quelle saß der Knabe, Blumen wand er sich zum Kranz, Und er sah sie fortgerissen, Treiben in der Wellen Tanz. Und so fliehen meine Tage, Wie die Quelle, rastlos hin! Und so bleichet meine Jugend, Wie die Kränze schnell verblühn! Fraget nicht, warum ich traure In des Lebens Blüthenzeit! Alles freuet sich und hoffet, Wenn der Frühling sich erneut. Aber diese tausend Stimmen Der erwachenden Natur Wecken in dem tiefen Busen Mir den schweren Kummer nur. Was soll mir die Freude frommen, Die der schöne Lenz mir beut? Eine nur ist's, die ich suche, Sie ist nah und ewig weit. Sehnend breit' ich meine Arme Nach dem theuren Schattenbild; Ach, ich kann es nicht erreichen, Und das Herz bleibt ungestillt! Komm herab, du schöne Holde, Und verlaß dein stolzes Schloß! Blumen, die der Lenz geboren, Streu' ich dir in deinen Schooß. Horch, der Hain erschallt von Liedern, Und die Quelle rieselt klar! Raum ist in der kleinsten Hütte Für ein glücklich liebend Paar. Du stehst vor mir — Du stehst vor mir, der einst mein Herz In Leid und Lust erbebte; Wie liegt das Alles hinter mir, Als ob ich's nie erlebte! Und doch ist dies der süße Mund, Deß Lächeln mich entzückte, Es ist der süße Blick, der mich Zum Paradies entrückte. Kann, was das Herz so tief empfand, Gleich einem Traum entschweben? Verfliegt das heiligste Gefühl? O eitles, eitles Leben! O sag', hab' ich dich je geliebt? Kaum kann ich mich besinnen; Ich fühle, wie vom Auge mir Die heißen Thränen rinnen. Letzte Sühne Meiner Jugend Lebe du, Bild voll Lust und Schmerzen, Gehst du wieder auf in Ruh' Über meinem Herzen? Ach, nicht ewig kann die Brust Schuld um Schuld ermessen, Eins nur ist mir unbewußt, Daß ich dich besessen. Die mit ihrem finstern Wahn Mein Gemüth verschattet, Jeder Groll ist abgethan, Jeder Gram bestattet. Lächelnd, wie ich einst dich sah, Da mein Herz erglühte, Stehst du wieder vor mir da In der Anmuth Blüthe. Und so schließ' ich schön und hoch, Sonder Schuld und Fehle, Mit dem Blick der Liebe noch Dich in meine Seele. Nie mehr will ich nun von fern Deinem Pfad begegnen; Doch als Jugendmorgenstern Soll dies Bild mich segnen. Und am Ende meiner Bahn, Hoff' ich, soll voll Milde Mir der Todesengel nahn, Ach! in diesem Bilde. Die Verlassene Ob er wohl in der Welt so weit Noch manchmal mein gedenkt, Wenn ihn in Liebesseligkeit Sein holdes Weih umfängt? Wenn sie ihm nach des Tages Drang Sein Kind entgegenhält, Umweht ihn nicht ein sanfter Klang Aus ferner Blumenwelt? O könnt' ich leicht, wie Wolkenschaum, Durch seinen Schlummer wehn, Und wie ein alter, schöner Traum In's liebe Herz ihm sehn! Ich wollt' ihm wie ein Engel leis Weghauchen Reu' und Schmerz, — Und eine Thräne still und heiß Hinweinen auf sein Herz. Heimkehr Das war dereinst ein Tag der Schmerzen, Der uns getrennt auf immerdar; Du wandtest dich von einem Herzen, Das reich und das dein eigen war. Ich weiß, ich hatte viel verschuldet, Doch nicht so viel, als du gemeint, Und bitter hab' ich d'rum geduldet, Und blutig hab' ich d'rum geweint. Doch nun auf's Neu' in deine Nähe Nach manchem Jahr mein Stern mich führt: Empfind' ich, wie sich Lust und Wehe In meinem Busen machtig rührt. Mir ist's, ich sollte dich nicht meiden, Und sprechen möcht' ich: O vergib! Ob Welt und Sitt' uns ewig scheiden, Du bist mir dennoch schön und lieb. Wohl lenkt' ich still nach andern Zielen, Ich rang mich fort durch Freud' und Pein, Doch, wie des Lebens Würfel fielen, Vergessen konnt' ich nimmer dein. Ich warb um Lust, um Ruhm, um Tugend, Und manches Schöne fiel mir zu, Doch bleibt das schönste Glück die Jugend, Und meiner Jugend Glück warst du. Rückblick Da lieg' ich sill und traure, Mein Herz ist von Weh erfüllt, Voll Sehnsucht denk' ich wieder An ein entschwund'nes Bild. O wärst du mir geblieben, Ein Engel zur Seite mir, Ich wäre nimmer geworden Der düstere Fremdling hier. Ich hätte mein Herz bewahret Vor mancher wilden That; Ich wäre so rein geblieben, So rein ich dir genaht. Manch Bild vergessener Zeiten Manch Bild vergessener Zeiten Steigt auf aus seinem Grab, Und zeigt, wie in deiner Nähe Ich einst gelebet hab'. Am Tage schwankte ich träumend Durch alle Straßen herum; Die Leute verwundert mich ansahn, Ich war so traurig und stumm. Des Nachts, da war es besser, Da waren die Straßen leer; Ich und mein Schatten selbander, Wir wandelten schweigend einher. Mit wiederhallendem Fußtritt Wandelt' ich über die Brück'; Der Mond brach aus den Wolken Und grüßte mit ernstem Blick. Stehn blieb ich vor deinem Hause Und starrte in die Höh', Und starrte nach deinem Fenster, — Das Herz that mir so weh. Ich weiß, du hast aus dem Fenster Gar oft herabgesehn, Und sah'st mich im Mondenlichte Wie eine Säule stehn. Trübe Ahnung Er hat mich noch wie sonst umfangen, Er hat mich noch wie sonst geküßt; Und doch, mich faßt ein trübes Bangen, Mir ist, als ob ich weinen müßt'! Er sah so oft zu Boden nieder, Und immer blieb sein Auge trüb', Und immer fragt er, immer wieder: „Hast du mich noch wie sonst so lieb?“ Wie sprang ich ihm so froh entgegen! Wie sprach ich ihn so liebend an, Als ich ihn auf den Wiesenwegen Am Abend sah der Hütte nahn! Nicht hört' ich da wie sonst ihn fragen In Lieb', was mir der Tag gebracht; Er wußt' mir gestern nur zu sagen, Wie müde ihn der Gang gemacht. Ich hab' sein Lieblingslied gesungen. So oft des Liedes Ton erschallt, Dann hat er glühend mich umschlungen, Dann hat sein Herz in Lust gewallt! Kein Kuß, kein lieber Blick, nicht einer, War gestern des Gesanges Lohn; Er fragte nur: „War heller, reiner Nicht früher deiner Stimme Ton?“ — Am Fenster steht in einem Scherben Ein Myrthenstrauch, an Knospen reich. Ich sah im Traum den Strauch verderben, Sah knospenlos den Myrthenzweig. Ich weiß, es ist ein Nichts, ein Schimmer, Ein bloßer Schemen ist ein Traum, Und dennoch denk' ich immer, immer An meinen armen Myrthenbaum! — Schon früh sah ich den Liebsten scheiden; Die Nacht war kalt, der Weg ist weit! Nun trag' ich einsam meine Leiden, Des Herzens tiefe Traurigkeit. O wär's doch Abend! Wär' verglommen Doch jetzt, schon jetzt der Sonne Strahl! Doch wird er denn am Abend kommen? — Er kam vielleicht zum letzten Mal! Und wüßten's die Blumen — Und wüßten's die Blumen, die kleinen, Wie tief verwundet mein Herz, Sie würden mit mir weinen, Zu heilen meinen Schmerz. Und wüßten's die Nachtigallen, Wie ich so traurig und krank, Sie ließen fröhlich erschallen Erquickenden Gesang. Und wüßten sie mein Wehe, Die goldnen Sternelein. Sie kämen aus ihrer Höhe Und sprächen Trost mir ein. Die Alle können's nicht wissen, Nur Eine kennt meinen Schmerz: Sie hat ja selbst zerrissen, Zerrissen mir das Herz. Des Mädchens Klage Der Eichwald brauset, die Wolken ziehn, Das Mägdlein sitzet an Ufers Grün, Es bricht sich die Welle mit Macht, mit Macht, Und sie seufzt hinaus in die finstre Nacht, Das Auge von Weinen getrübet: „Das Herz ist gestorben, die Welt ist leer, Und weiter gibt sie dem Wunsche nichts mehr. Du Heilige, rufe dein Kind zuruck, Ich habe genossen das irdische Glück, Ich habe gelebt und geliebet!“ Es rinnet der Thränen vergeblicher Lauf, Die Klage, sie wecket die Todten nicht auf; Doch nenne, was tröstet und heilet die Brust Nach der süßen Liebe verschwundener Lust; Ich, die Himmlische, will's nicht versagen. „Laß rinnen der Thränen vergeblichen Lauf, Es wecke die Thräne den Todten nicht auf! Das süßeste Glück für die trauernde Brust Nach der schönen Liebe verschwundener Lust Sind der Liebe Schmerzen und Klagen.“ Du denkst an mich so selten Du denkst an mich so selten, Ich denk' an dich so viel, Getrennt wie beide Welten Ist unser beider Ziel. Doch möcht' ich beide Welten Durchziehn an deiner Hand, Bald schlummern unter Zelten, Bald gehn von Land zu Land. Und möchtest du vergelten Durch Liebe dies Gedicht, So fließt um beide Welten Ein rosenfarbnes Licht. Der Abschied Ach, scheiden von der Lieben, Das thut dem Herzen weh! Das will mich sehr betrüben, Wo ich auch geh' und steh'. Muß oft der Stunde denken, Wo ich zuletzt sie sah; Sie saß mit bitt'rem Kränken Bei Vater und Mutter da. Ich sah sie dort zerpflücken Ein Zweiglein Rosmarin; Aus blauen, milden Blicken Eine helle Thräne schien. Die Mutter unterdessen Las in dem Bibelbuch; Ich mußt' die Augen pressen Vor wildem Schmerz in das Tuch. Wie war mir doch beklommen; Sie barg ihr Angesicht, — Ob Abschied ich genommen, Weiß ich noch heute nicht. Ach, dürft' zu ihren Füßen Mein Herz ich legen hin, Dorthin, wo sie zerrissen Das Zweiglein Rosmarin! Mag auch heiß das Scheiden brennen Mag auch heiß das Scheiden brennen, Treuer Muth hat Trost und Licht, Mag auch Hand von Hand sich trennen, Liebe läßt von Liebe nicht. Keine Ferne darf uns kränken, Denn uns hält ein treu Gedenken Ist kein Wasser so ohn' Ende, Noch so schmal ein Felsensteg, Daß nicht rechte Sehnsucht fände Drüberhin den sichern Weg. Keine Ferne darf uns kränken, Denn uns hält ein stark Gedenken. Über Berg und tiefe Thale, Mit den Wolken, mit dem Wind, Täglich, stündlich tausend Male Grüß' ich dich, geliebtes Kind; Keine Ferne darf uns kränken, Denn uns hält ein frisch Gedenken. Und die Wind' und Wolken tragen Her zu mir die Liebe dein, Die Gedanken, die da sagen: Ich bin dein und du bist mein; Keine Ferne darf uns kränken, Denn uns hält ein lieb Gedenken. Überall, wohin ich schreite, Spür' ich, wie unsichtbarlich Dein Gebet mir zieht zur Seite Und die Flügel schlägt um mich; Keine Ferne darf uns kränken, Denn uns hält ein fromm Gedenken. Und so bin ich froh und stille, Muß ich noch so ferne gehn; Jeder Schritt — ist's Gottes Wille Ist ein Schritt zum Wiedersehn. Keine Ferne darf uns kränken, Denn uns hält ein froh Gedenken. Frühlingsnacht Über'm Garten durch die Lüfte Hört' ich Wandervögel ziehn, Das bedeutet Frühlingsdüfte, Unten fängt's schon an zu blühn. Jauchzen möcht' ich, möchte weinen, Ist mir's doch, als könnt's nicht sein! Alte Wunder wieder scheinen Mit dem Mondesglanz herein. Und der Mond, die Sterne sagen's, Und in Träumen rauscht's der Hain, Und die Nachtigallen schlagen's: Sie ist deine, sie ist dein! Eine Frage der Liebe Eine Rose, kaum erschlossen, Hing am braunen Rosenstab; Perlen des Entzückens flossen Von den Blättern still herab. Düfte quollen, Lüfte flogen Mit dem Raub von süßem Duft, Junge Sylphen, schwergesogen, Taumeln in der Sommerluft. Und vorüber zieht die Wolke, Und vorbei die Sommerzeit; Von dem schönen Blumenvolke Wird die letzte Spur zerstreut. Wo die Düfte, wo die Farben? Wo das weiche, weiße Blatt? Ach! der Lenz, wenn sie verdarben, Ist der eignen Kinder satt. Nur dem Dichter, nur der Liebe Gilt die Blumenseele hoch! Selbst das Blatt verblühter Triebe Wahren sie am Herzen noch. Wer nun kränkt dich, süße Rose, Wer verletzt der Liebe Pflicht, Der dich welken läßt im Moose, Oder wer dich liebend bricht? Der Trostlose Dicht von Felsen eingeschlosen, Wo die stillen Bächlein gehn, Wo die dunklen Weiden sprossen, Wünsch' ich bald mein Grab zu sehn. Dort im kühlen, abgelegnen Thal, Such' ich Ruh' für meines Herzens Qual. Hat sie dich ja doch verstoßen, Und sie war so süß und schön! Tausend Thränen sind geflossen, Und sie dürfte dich verschmähn — Suche Ruh' für deines Herzens Qual, Hier ein Grab im einsam grünen Thal. Hoffend und ich ward verstoßen, Bitten zeugten nur Verschmähn — Dicht von Felsen eingeschlossen, Wo die stillen Bächlein gehn, Hier im stillen, einsam grünen Thal Such' zum Troste dir ein Grab zumal. Meerleuchten O komm in mein Schiffchen, Geliebte, daher! Die Nacht ist so still und Es leuchtet das Meer! Und wo ich hin rud're, Entbrennet die Fluth: Es schaukelt mein Nachen In wallender Gluth! Die Gluth ist die Liebe, Der Nachen bin ich: Ich sink' in die Flammen, O rette du mich! In dieser Stunde In dieser Stunde denkt sie mein, Ich weiß, in dieser Stunde! Die Vögel schlafen groß und klein, Es schlafen die Blumen im Grunde. An blauem Himmel hell und klar Stehn tausend Sterne wunderbar, Sie schaut hinauf und denket mein, Ich weiß, in dieser Stunde. Sie sitzt wohl einsam und allein, Ich weiß, in dieser Stunde, Und flüstert wohl den Namen mein Halbleise mit schüchternem Munde. Sie schickt mir Grüße lieb und schön Und winkt mir zu, als könnt' ich's sehn, Sie weint um mich, und denket mein, Ich weiß, in dieser Stunde. Gute Nacht und schließ die Äugelein, Gute Nacht in dieser Stunde, Ich will im Traume bei dir sein, Mit fröhlicher, seliger Kunde: Von einer Nacht, o, träume du, Wo ich in deinen Armen ruh'! Ja, bis dahin gedenke mein, Jetzt und in jeder Stunde! Nachtgesang O gib vom weichen Pfühle, Träumend, ein halb Gehör, Bei meinem Saitenspiele Schlafe! was willst du mehr? Bei meinem Saitenspiele Segnet der Sterne Heer Die ewigen Gefühle; Schlafe! was willst du mehr? Die ewigen Gefühle Heben mich hoch und hehr Aus irdischem Gewühle; Schlafe! was willst du mehr? Vom irdischen Gewühle Trennst du mich nur zu sehr, Bannst mich in diese Kühle; Schlafe! was willst du mehr? Bannst mich in diese Kühle, Gibst nur im Traum Gehör. Ach, auf dem weichen Pfühle Schlafe! was willst du mehr? Abends In stiller Dämmerstunde, O Liebste, denk' ich dein; Es perlt im Herzensgrunde Mir der Erinn'rung Wein. In diesem halben Schimmer, Vom Tag nicht mehr belauscht, Hast du mit mir ja immer Der Liebe Lust getauscht. Aus dieser Büsche Düster Ringt sich ein Säuseln los — So hört' ich dein Geflüster, Mein Haupt auf deinem Schooß. Es brennt auf meine Wangen Durch's Laub des Abends Gluth, Wie gestern voll Verlangen Die deinen dort geruht. Im Busen tief beklommen Hör' ich des Herzens Schlag, Wie ich ihn da vernommen, Als ich an deinem lag. Die Lippen mir ein lindes Erbeben süß durchzückt; Die langen Küsse sind es, Die du auf sie gedrückt. Doch still ist's in der Runde, Und ich bin, ach! allein — In weicher Dämmerstunde, O Liebste, denk' ich dein! Die Sterne Die Nacht ist lau, die Nacht ist lind, Der Wind bringt Grüße aus der Ferne — Du sitzest stumm, holdselig Kind, Und blickst hinan, und zählst die Sterne. O sprich ein Wort! Was deutet dein Verklärter Blick aus jenen Sphären? Glaubst du wie ich, es muß dies Sein Noch jenseits dieser Erde währen? Glaubst du, ein Volk von Sel'gen singt Auf jenen Sternen Jubellieder? Sind's schöne Engel, lichtbeschwingt? Und du, von welchem stiegst du nieder? Vom schönsten! kühn ruf' ich das Wort; Doch wie die Flur auch grün und golden, Es suchen Augen dich noch dort Und denken deiner noch, der Holden. Wie schön auch dort die Blumen blühn, Es muß doch den verklärten Seelen Zum vollen Glücke noch das Glühn, Geliebte, deiner Augen fehlen! D'rum wende, wende ab den Blick Vom Heimathland, das dich geboren, Aus Furcht, man riefe dich zurück, Dich Engel, den man dort verloren. Mein Schicksal ist bei dir, mein Kind, Dein Leben ist noch nicht gemessen, Mag dich der Himmel, mild gesinnt, Noch eine Zeitlang hier vergessen! Worte der Liebe Worte der Liebe, ihr flüstert so süß Wie Zephyrswehen im Paradies, Ihr klingt mir im Herzen nah' und fern; Worte der Liebe, ich trau' euch so gern. Streng mag die Zeit, die feindliche, walten, Darf ich an euch nur den Glauben behalten. Wohl gibt es im Leben kein süßeres Glück, Als der Liebe Geständniß in Liebchens Blick; Wohl gibt es im Leben nicht höhere Lust, Als Freuden der Liebe an liebender Brust. Dem hat nie das Leben freundlich begegnet, Den nicht die Weihe der Liebe gesegnet. Doch der Liebe Glück, so himmlisch, so schön, Kann nie ohne Glauben an Tugend bestehn; Der Frauen Gemüth ist rein und zart, Sie haben den Glauben auch treu bewahrt. D'rum traue der Liebe, sie wird nicht lügen, Denn das Schöne muß immer, das Wahre muß siegen. Und flieht auch der Frühling dem Leben vorbei, So bewahrt den Glauben doch still und treu. Er lebt, wenn hier Alles vergeht und zerfällt, Wie ein Strahl des Lichts aus der bessern Welt; Und tritt auch die Schöpfung aus ihren Schranken, Der Glaube an Liebe soll nimmer wanken. D'rum flüstert ihr Worte der Liebe so süß, Wie Zephyrswehen im Paradies, D'rum klingt ihr im Herzen noch nah' und fern, D'rum, Worte der Liebe, d'rum trau' ich euch gern. Und wenn im Leben nichts Heiliges bliebe, Ich will nicht verzagen, ich glaube an Liebe. An Emma Weit in nebelgrauer Ferne Liegt mir das vergangne Glück, Nur an einem schönen Sterne Weilt mit Liebe noch mein Blick; Aber wie des Sternes Pracht, Ist es nur ein Schein der Nacht. Deckte dir der lange Schlummer, Dir der Tod die Augen zu, Dich besäße doch mein Kummer, Meinem Herzen lebtest du. Aber ach! du lebst im Licht, Meiner Liebe lebst du nicht. Kann der Liebe süß Verlangen, Emma, kann's vergänglich sein? Was dahin ist und vergangen, Emma, kann's die Liebe sein? Ihrer Flamme Himmelsgluth Stirbt sie wie ein irdisch Gut? Das warst du Der Morgen kam auf rosigem Gefieder Und weckte mich aus stiller Ruh'; Da wehte sanft Begeist'rung zu mir nieder, Ein Ideal verklärten meine Lieder: Und das warst du! Bald aber warf in heißer Mittags-Schwüle Die Sonne ihre Gluth mir zu. Da schwoll die Brust im höheren Gefühle, Mein ganzes Streben flog zu einem Ziele, Und das warst du! Doch endlich wehte den durchglühten Fluren Der Abend süße Kühlung zu, Und nur ein Bild in duftigen Conturen Umschwebte mich auf leisen Geisterspuren, Und das warst du! Und aus dem Meere kam die Nacht gestiegen, Und lockte mich zur süßen Ruh'; Da träumt' ich, hold an schöner Brust zu liegen, In eines Mädchens Armen mich zu wiegen, Und das warst du! Doch ach! das schöne Bild war mir entrissen, Die Welt der Träume schloß sich zu! O! laß mich wachend jetzt das Glück genießen; Dann ruf' ich laut, durchglüht von deinen Küssen: Ja! das warst du! An den Sonnenschein O Sonnenschein! o Sonnenschein! Wie scheinst du mir in's Herz hinein, Weckst drinnen lauter Liebeslust, Daß mir so enge wird die Brust! Und enge wird mir Stub' und Haus, Und wie ich lauf' zum Thor hinaus, Da lockst du gar in's frische Grün Die allerschönsten Mädchen hin! O Sonnenschein! du glaubest wohl, Daß ich wie du es machen soll, Der jede schmucke Blume küßt, Die eben nur sich dir erschließt? Hast doch so lang' die Welt erblickt, Und weißt, daß sich's für mich nicht schickt; Was machst du mir denn solche Pein? O Sonnenschein! o Sonnenschein! Liebesboten Wer treulich liebt, ist nicht verlassen, Sei er auch einsam und allein: Es will ihn Alles lind umfassen, Es will ihm Alles Bote sein. Die Thäler blühn, die Wipfel klingen, Die Auen grüßen, wo er zieht; Und manche trauten Orte singen Von Liebe ihm ein heimlich Lied. Und wo er wandelt auf den Wegen, Lauscht seinem Wunsch das stille Land Und bringet Blumen ihm entgegen Zu einem süßen Liebespfand. Und Vögel tragen seine Lieder Auf ihren muntern Schwingen fort; Und seine Grüße hallen wieder Zum fernen Lieb von Ort zu Ort. Und Windes Wehn und Waldes Rauschen, Die bringen tausend Küsse mit; So kann er Liebeskunde tauschen In weiter Welt auf jedem Schritt. Und selbst des Himmels goldne Sterne Sind seiner Liebe zugethan Und ziehen in die dunkle Ferne Von Herz zu Herzen lichte Bahn. Und Alles will ihn lind umfassen, Und Alles will ihm Bote sein — Wer treulich liebt, ist nicht verlassen, Sei er auch einsam und allein. O klingender Frühling, du selige Zeit! O klingender Frühling, du selige Zeit! Und bist du vorüber, uns thut es nicht leid: Wir liebten uns gestern, wir lieben uns heut', Wir lieben uns morgen, wir glückliche Leut'! Einst holten wir Bursche die Buke voll Muth, Und zogen zum Dorfe, die Maien am Hut; Da traten die Mädchen aus jeglichem Haus, Wie lachtest du, Herzlieb, verstohlen heraus! Das Fest ging vorüber, da gabst du zur Stund' Die Hand mir zum Drucke, zum Kuß mir den Mund; Mein warst du, o Schatz, und, o Schatz, ich war dein: Wir wollten verbunden in Ewigkeit sein. Und sieh, nicht umsonst stand die Ros' auf der Haid', Ich brachte den Strauß dir, du wonnige Maid; Wir theilten zur Ernte den Tanz und das Lied, Wir schnitten die Trauben und wurden's nicht müd'. Jetzt stürmet der Winter so kalt durch die Welt, Wir können nicht jubeln durch Berge und Feld, Wir sitzen zu Hause, ein Herz und ein Sinn. Im Herzen ist Sommer, blüht Liebe darin. O klingender Frühling, du selige Zeit! Und kehrst du, für ewig vereint sind wir beid': Wir liebten uns gestern, wir lieben uns heut', Wir lieben uns morgen, wir glückliche Leut'! Ich hör' ein Vöglein locken Ich hör' ein Vöglein locken, Das wirbt so süß, das wirbt so laut Beim Duft der Blumenglocken Um die geliebte Braut. Und aus dem blauen Flieder Singt ohne Rast und ohne Ruh' Millionen Liebeslieder Die holde Braut ihm zu. Ich hör' ein leises Klagen, So liebesbang', so seelenvoll — Was mag die Stimme fragen, Die in dem Wind verscholl? Erhörung In süßer Lenznacht bei der Sterne Schein, Vom hellen Mondenglanze übergossen, Von Kühl' und Duft und Stille mild umflossen, Ging ich mit ihr vertraulich und allein In süßer Lenznacht, bei der Sterne Schein! Reich an Gefühlen, doch an Worten arm, Ruht Aug' in Aug' in seligem Umfangen, Schlägt Herz an Herz, und Wangen ruh'n auf Wangen: „Dein, dein auf ewig!“ ruf' ich wahr und warm, Reich an Gefühlen, doch an Worten arm! Und „dein auf ewig!“ tönt es mir zurück; Der Himmel schien sich über mir zu spalten, Das Leben seine Wunder zu entfalten; Das Herz durchströmt ein lang' entbehrtes Glück, Und „dein auf ewig!“ tönt es mir zurück. Abendgang Durch die kühle Herbstesmondnacht Sind wir stumm dahingeschritten, Träumrisch-stille lag das Städtchen Mit dem Kirchlein in der Mitten. In den niedern Giebelhäusern Ist kein müdes Auge munter, Nur der Thürmer schaut von droben In die klare Nacht hinunter. Laß uns wandeln, süßes Liebchen, Holdumschlungen, ohne Zaudern, Nimmer wird's der gute Alte Unsern bösen Nachbarn plaudern. Was er unten hier erlauschte, Seinen Glocken wird er's sagen, Und die werden's morgen frühe Weit in fremde Lüfte tragen! Amaranth's Lieder. Es muß was Wunderbares sein. Es muß was Wunderbares sein Um's Lieben zweier Seelen! Sie schließen ganz einander ein, Sich nie ein Wort verhehlen! Und Freud' und Leid, und Glück und Noth So mit einander tragen! Vom ersten Kuß bis in den Tod Sich nur von Liebe sagen! Amaranth's Lieder. Ich will dich auf den Händen tragen. Ich will dich auf den Händen tragen, Und dir ein treuer Engel sein; Will legen meine junge Seele Ganz in dein liebes Herz hinein. Ich will für mich ja Nichts erflehen, Für dich nur Alles ganz allein; Ach! wenn so ganz ich in dir lebe, Schließt ja auch mich der Segen ein. Amaranth's Lieder. Ich will mich in dein Herz gewöhnen. Ich will mich in dein Herz gewöhnen, Daß ich erfülle deinen Willen; Will dir nur leben zum Versöhnen, Dir muthig jede Thräne stillen. Und was dich freuen mag vom Tage, Will froh am Abend ich dir sagen, Und alles Trübe, jede Klage Will ich allein verschwiegen tragen. Amaranth's Lieder. Du armer Wald. Du armer Wald! Wer hat geglaubt, Daß wir noch so zusammenkommen? Der Herbst hat uns zumal entlaubt, Und alle Freud' uns abgenommen. Doch du darfst nicht so traurig sein, Darfst wieder auf den Frühling warten! Der meine blüht vielleicht allein, O Gott! in deinem Himmelsgarten. Amaranth's Lieder. Ach! Gibt's denn gar kein Vöglein mehr. Ach! Gibt's denn gar kein Vöglein mehr, Das mir vom Frühling wollte sagen? Es ist mein Herz zum Sterben schwer Von den gestorb'nen, sel'gen Tagen. Ihr wißt es ja vom Frühling noch, Wie ich so lieb die Lieder habe! O Vöglein, Vöglein, singt mir doch Ein einzig Lied nur noch vor'm Grabe! Amaranth's Lieder. Ich will gewiß nicht besser scheinen. Ich will gewiß nicht besser scheinen, Und will mein Unrecht gern gestehn; Doch Jeder müßte mit mir weinen, Wenn in mein Herz er dürfte sehn. Ich meine grad', es sei durchbohret Von einem Messer spitz und scharf, Von einem Schleier schwarz umfloret — Ob ich wohl da nicht weinen darf? Amaranth's Lieder. Und wie ich sonst voll Kindeslust. Und wie ich sonst voll Kindeslust Mein einsam Waldeshaus geliebt! Was hat mein Kindesherz gewußt, Daß es auch solche Schmerzen gibt! Nun kam und zog er allzugleich, Und machte mich so ganz allein! Und macht' mein Herz an Lieb' so reich, Wem geb' ich sie? — Sie ist nur sein. Amaranth's Lieder. Nur das thut mr so bitterweh. Nur das thut mir so bitterweh, Daß Niemand mir von ihm erzählt, Ob ich ihn je nur wiederseh', Und ob er glücklich hab' gewählt. Ich möcht nur einmal noch ihn sehn, Und zög' er auch an mir vorbei, Wollt' ungesehn am Fenster stehn, Nur schauen, ob er glücklich sei! Amaranth's Lieder. Denn so mein Geist nur sein gedenkt. Denn so mein Geist nur sein gedenkt, Als gäb' er trauernd mir die Hand, Sein feuchtes Aug' in mich versenkt, Wie einst er scheidend vor mir stand. Doch dürft' ich froh sein Auge schaun, Ging's in mir auf wie Sternenschein, Wollt' mich an seinem Glück erbaun, Nur betend noch gedächt' ich sein! Amaranth's Lieder. Ich höre leis den Baum mich fragen. Ich höre leis den Baum mich fragen: „Was ist dein Herz so gramverstimmt? Ich will ja auch darum nicht klagen, Daß mir der Herbst die Blätter nimmt! Denn wie mir Gott zur rechten Stunde Die Blätter nimmt und wieder leiht, So schlägt und heilt des Herzens Wunde Auch dir dein Gott zur rechten Zeit.“ Amaranth's Lieder. Und aus dem Bächlein hör' ich's sprechen. Und aus dem Bächlein hör' ich's sprechen: „Was weinest du? Verzage nicht! Ich muß durch Kluft und Dornen brechen, Und komme doch am End' an's Licht. Viel goldner aus der Klüfte Dunkeln Mir dann das Licht des Tages scheint; So wird die Freude sel'ger funkeln Dereinst aus Augen, trübverweint.“ Amaranth's Lieder. O Gott! wie war mein Herz so blind. O Gott! wie war mein Herz so blind, Daß ich mich zagend so vergrämt! Ich, eines ew'gen Vaters Kind! Des Waldes Wort hat mich beschämt. Ja, Gott, du bist mein Vater treu! Ich geb' als Kind mich treu dir hin; Und ob ich wein', ob ich mich freu', Stets ich in deinen Händen bin. Amaranth's Lieder. So komm, mein einsam Waldeshaus. So komm, mein einsam Waldeshaus, Will wieder ganz dein eigen sein! Es söhnte Gott mich mit dir aus, Er bleibt bei dir, bin nicht allein. Will wieder an die Arbeit gehn, Mit freud'gem Sinn und frommem Muth. Dort droben gibt's ein Wiedersehn, Und hier steh' ich in Gottes Hut. Schäfers Klagelied Da droben auf jenem Berge, Da steh' ich tausendmal, An meinem Stabe gebogen, Und schaue hinab in's Thal. Dann folg' ich der weidenden Heerde, Mein Hündchen bewahret mir sie; Ich bin herunter gekommen Und weiß doch selber nicht wie. Da stehet von schönen Blumen Die ganze Wiese so voll; Ich breche sie, ohne zu wissen, Wem ich sie geben soll. Und Regen, Sturm und Gewitter Verpass' ich unter dem Baum. Die Thüre dort bleibet verschlossen; Doch alles ist leider ein Traum. Es stehet ein Regenbogen Wohl über jenem Haus! Sie aber ist weggezogen, Und weit in das Land hinaus. Hinaus in das Land und weiter, Vielleicht gar über die See. Vorüber, ihr Schafe, vorüber! Dem Schäfer ist gar so weh. Ruhe in der Geliebten So laß mich sitzen ohne Ende, So laß mich sitzen für und für! Leg' deine beiden frommen Hände Auf die erhitzte Stirne mir! Auf meinen Knien, zu deinen Füßen, Da laß mich ruhn in trunkner Lust; Laß mich das Auge selig schließen In deinem Arm, an deiner Brust! Laß es mich öffnen nur dem Schimmer, Der deines wunderbar erhellt; In dem ich raste nun für immer, O du mein Leben, meine Welt! Laß es mich offnen nur der Thräne, Die brennend heiß sich ihm entringt; Die hell und lustig, eh' ich's wähne, Durch die geschloss'ne Wimper springt! So bin ich fromm, so bin ich stille, So bin ich sanft, so bin ich gut! Ich habe dich — das ist die Fülle! Ich habe dich — mein Wünschen ruht! Dein Arm ist meiner Unrast Wiege, Vom Mohn der Liebe süß umglüht; Und jeder deiner Athemzüge Haucht mir in's Herz ein Schlummerlied! Und jeder ist für mich ein Leben! — Ha, so zu rasten Tag für Tag! Zu lauschen so mit sel'gem Beben Auf unsrer Herzen Wechselschlag! In unsrer Liebe Nacht versunken, Sind wir entflohn aus Nacht und Zeit: Wir ruhn und träumen, wir sind trunken In seliger Verschollenheit! Ich hab' die Nacht geträumet Ich hab' die Nacht geträumet Wohl einen schweren Traum, Es wuchs in meinem Garten Ein Rosmarienbaum. Ein Kirchhof war der Garten, Ein Blumenbeet das Grab, Und von den schönen Bäumen Fiel Kron' und Blüthe ab. Die Blüthen thät' ich sammeln In einen goldenen Krug, Der fiel mir aus den Handen. Daß er in Stücken schlug. D'raus sah ich Perlen rinnen, Und Tröpflein rosenroth: Was mag der Traum bedeuten, Ach, Liebster, bist du todt? Der Spinnerin Lied Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall, Das war wohl süßer Schall, Da wir zusammen waren. Ich sing' und kann nicht weinen, Und spinne so allein Den Faden klar und rein, So lang' der Mond wird scheinen. Da wir zusammen waren, Da sang die Nachtigall, Nun mahnet mich ihr Schall, Daß du von mir gefahren. So oft der Mond mag scheinen, Gedenk' ich dein allein, Mein Herz ist klar und rein, Gott wolle uns vereinen. Seit du von mir gefahren, Singt stets die Nachtigall, Ich denk' bei ihrem Schall, Wie wir zusammen waren. Gott wolle uns vereinen, Hier spinn' ich so allein, Der Mond scheint klar und rein, Ich sing' und möchte weinen! Haidenröslein Sah' ein Knab' ein Röslein stehn, Röslein auf der Haiden, War so jung und morgenschön, Lief er schnell, es nah' zu sehn, Sah's mit vielen Freuden. Röslein, Röslein, Röslein roth, Röslein auf der Haiden. Knabe sprach: ich breche dich, Röslein auf der Haiden! Röslein sprach: ich steche dich, Daß du ewig denkst an mich, Und ich will's nicht leiden. Röslein, Röslein, Röslein roth, Röslein auf der Haiden. Und der wilde Knabe brach 's Röslein auf der Haiden; Röslein wehrte sich und stach, Half ihm doch kein Weh und Ach, Mußt' es eben leiden. Röslein, Röslein, Röslein roth, Röslein auf der Haiden. Müllers Abschied Da droben auf jenem Berge Da steht ein goldnes Haus, Da schauen alle Frühmorgen Drei schöne Jungfrauen heraus. Die eine die heißet Susanne, Die andre Anne-Marei, Die dritte darf ich nicht nennen, Die soll mein eigen ja sein. Da unten in jenem Thale Da treibet ein Wasser das Rad, Das treibet nichts als Liebe Von Morgen bis Abend spat. Das Mühlrad ist zerbrochen, Die Liebe die hat ein End'; Und wenn sich zwei Herzlieb thun scheiden, So reichen sie einander die Händ'. Scheiden, ach, ach! Wer doch das Scheiden erdacht haben mag, Der hat mein jung frisch Herze So frühzeitig traurig gemacht. In der Fremde Ich hör' die Bächlein rauschen Im Walde her und hin, Im Walde in dem Rauschen Ich weiß nicht, wo ich bin. Die Nachtigallen schlagen Hier in der Einsamkeit, Als wollten sie was sagen Von der alten, schönen Zeit. Die Mondenschimmer fliegen, Als säh' ich unter mir Das Schloß im Thale liegen, Und ist doch so weit von hier! Als müßte in dem Garten, Voll Rosen weiß und roth, Meine Liebste auf mich warten, Und ist doch lange todt. Ich wollt' ein Sträußlein binden Ich wollt' ein Sträußlein binden, Da kam die dunkle Nacht, Kein Blümlein war zu finden, Sonst hätt' ich dir's gebracht. Da flossen von den Wangen Mir Thranen in den Klee, Ein Blümlein aufgegangen Ich nun im Garten seh'. Das wollte ich dir brechen Wohl in dem dunklen Klee, Doch fing' es an zu sprechen: „Ach, thue mir nicht weh! Sei freundlich in dem Herzen, Betracht' dein eigen Leid, Und lasse mich in Schmerzen Nicht sterben vor der Zeit!“ Und hätt's nicht so gesprochen, Im Garten ganz allein, So hätt' ich dir's gebrochen, Nun aber darf's nicht sein. Mein Schatz ist ausgeblieben, Ich bin so ganz allein, Im Lieben wohnt Betrüben, Und kann nicht anders sein. Das Sträußchen Ihr' rosenrothen Wangen Und zwei Blauäugelein, Die müssen allerzeiten Mein's Herzens Wonne sein. Und wind' ich mir ein Sträußlein, So g'fällt mir nur das Ein': Hellrothe Hagerosen Mit zwei Kornblumen drein. Und wer ein Sträußlein pflücket, Der thut es nicht für sich; Wenn ich mir denn eins suche, An wen dann denke ich? An sie, der'n rothe Wangen Und zwei Blauäugelein Zu allen, allen Zeiten Mein's Herzens Wonne sein. Treue Liebe Wie ist es möglich dann, Daß ich dich lassen kann? Hab' dich von Herzen lieb, Glaub's sicherlich! Du hast das Herze mein So sehr genommen ein, Daß ich kein Andern mehr Liebe so sehr! Es soll kein Andrer sein, Der mich soll nehmen ein, Als du, o schönes Kind! Dir bleib' ich treu. Dir will ich jederzeit Zu Diensten sein bereit, Bis daß ich kommen werd' Unter die Erd'. Stoß mir das Herz entzwei, Wann eine falsche Treu', Oder nur falsche Lieb' Bei mir verspürst! Obschon das Glück nicht wollt', Daß ich dein werden sollt', So lieb' ich dennoch dich, Glaub's sicherlich! Nach meinem Tod alsdann, Damit man sagen kann, Auf meiner Todtenbahr' Die Grabschrift steh': Hier liegt begraben ein, Den ich geliebt so fein, Den ich geliebet hab' Bis in das Grab. Der verschwundene Stern Es stand ein Sternlein am Himmel, Ein Sternlein guter Art; Das thät so lieblich scheinen, So lieblich und so zart. Ich wußte seine Stelle Am Himmel, wo es stand; Trat Abends vor die Schwelle Und suchte, bis ich's fand. Und blieb dann lange stehen, Hatt' große Freud' in mir, Das Sternlein anzusehen, Und dankte Gott dafür. Das Sternlein ist verschwunden, Ich suche hin und her, Wo ich es sonst gefunden, Und find' es nun nicht mehr. Wenn ich ein Vöglein wär' Wenn ich ein Vöglein wär' Und auch zwei Flüglein hätt', Flög' ich zu dir; Weil's aber nicht kann sein, Bleib' ich allhier. Bin ich gleich weit von dir, Bin ich doch im Schlaf bei dir, Und red' mit dir; Wenn ich erwachen thu', Bin ich allein. Es vergeht keine Stund' in der Nacht, Da nicht mein Herz erwacht Und an dich gedenkt, Daß du mir viel tausend Mal Dein Herz geschenkt. Das Vogelnest Der beste Vogel, den ich weiß, Der hat kein bunt Gefieder, Sein Kleid ist schlicht, sein Ton ist leis, Doch süß sind seine Lieder. Der Vogel fliegt am Bache nicht, Sitzt nicht auf grünen Weiden, Er wohnet nicht im Buchwald dicht, Streicht nicht auf grauer Haiden, Er singt — ist doch kein' Nachtigall — Bei Mondlicht und bei Sternen; Er hat allein so süßen Schall, Kein Andrer kann ihn lernen. Er hat nur einen einz'gen Laut Für alle Lust und Schmerzen, Und hat sein kleines Nest gebaut In meines Liebchens Herzen. Das Veilchen Ein Veilchen auf der Wiese stand Gebückt in sich und unbekannt; Es war ein herzig's Veilchen. Da kam eine junge Schäferin Mit leichtem Schritt und munterm Sinn Daher, daher, Die Wiese her, und sang. Ach! denkt das Veilchen, wär' ich nur Die schönste Blume der Natur, Ach, nur ein kleines Weilchen, Bis mich das Liebchen abgepflückt Und an dem Busen matt gedrückt! Ach nur, ach nur Ein Viertelstündchen lang! Ach! aber ach! das Mädchen kam Und nicht in Acht das Veilchen nahm, Ertrat das arme Veilchen. Es sank und starb und freut' sich noch: Und sterb' ich denn, so sterb' ich doch Durch sie, durch sie, Zu ihren Füßen doch. Der Gärtner Wohin ich geh' und schaue, In Feld und Wald und Thal, Vom Berg' hinab in die Aue: Viel schöne, hohe Fraue, Grüß' ich dich tausend Mal. In meinem Garten find' ich Viel Blumen, schön und fein, Viel Kränze wohl d'raus wind' ich Und tausend Gedanken bind' ich Und Grüße mit darein. Ihr darf ich keinen reichen, Sie ist zu hoch und schön, Die müssen alle verbleichen, Die Liebe nur ohne Gleichen Bleibt ewig im Herzen stehn. Ich schein' wohl froher Dinge Und schaffe auf und ab, Und ob das Herz zerspringe, Ich grabe fort und singe Und grab' mir bald mein Grab. Der Palmbaum Ännchen von Tharau ist, die mir gefällt, Sie ist mein Leben, mein Gut und mein Geld, Ännchen von Tharau hat wieder ihr Herz Auf mich gerichtet in Lieb' und in Schmerz. Ännchen von Tharau, mein Reichthum, mein Gut, Du meine Seele, mein Fleisch und mein Blut! Käm' alles Wetter gleich auf uns zu schlahn, Wir sind gesinnt, bei einander zu stahn. Krankheit, Verfolgung, Betrübniß und Pein Soll unsrer Liebe Verknotigung sein. Recht als ein Palmbaum hoch über sich steigt, Je mehr ihn Hagel und Regen anficht, So wird die Lieb' in uns mächtig und groß, Durch Kreuz, durch Leiden, durch allerlei Noth. Würdest du gleich einmal von mir getrennt, Lebtest da, wo man die Sonne kaum kennt: Ich will dir folgen durch Wälder und Meer, Durch Eis, durch Eisen, durch feindliches Heer. Ännchen von Tharau, mein Licht, meine Sonn', Mein Leben schließ' ich um deines herum. Soldatenliebe Steh' ich in finstrer Mitternacht So einsam auf der fernen Wacht, So denk' ich an mein fernes Lieb, Ob mir's auch treu und hold verblieb. Als ich zur Fahne fort gemüßt, Hat sie so herzlich mich geküßt, Mit Bändern meinen Hut geschmückt, Und weinend mich an's Herz gedrückt! Sie liebt mich noch, sie ist mir gut, D'rum bin ich froh und wohlgemuth: Mein Herz schlägt warm in kalter Nacht, Wenn es an's treue Lieb gedacht. Jetzt bei der Lampe mildem Schein Gehst du wohl in dein Kämmerlein, Und schickst dein Nachtgebet zum Herrn Auch für den Liebsten in der Fern'! Doch wenn du traurig bist und weinst, Mich von Gefahr umrungen meinst: Sei ruhig, bin in Gottes Hut, Er liebt ein treu Soldatenblut. Die Glocke schlägt, bald naht die Rund', Und löst mich ab zu dieser Stund'; Schlaf' wohl im stillen Kämmerlein Und denk' in deinen Träumen mein! Gruß So viel Stern' am Himmel stehen, An dem güldnen blauen Zelt, So viel Schäflein als da gehen In dem grünen, grünen Feld, So viel Vögel als da fliegen, Als da hin und wieder fliegen, So viel Mal sei du gegrüßt! Soll ich dich denn nimmer sehen, Nun ich ewig ferne muß? Ach, das kann ich nicht verstehen, O du bittrer Scheideschluß! Wär' ich lieber schon gestorben, Eh' ich mir ein Lieb erworben, Wär' ich jetzo nicht betrübt. Weiß nicht, ob auf dieser Erden, Die des herben Jammers voll, Nach viel Trübsal und Beschwerden Ich dich wiedersehen soll. Was für Wellen, was für Flammen Schlagen über mir zusammen, Ach, wie groß ist meine Noth! Mit Geduld will ich es tragen, Denk' ich immer nur zu dir, Alle Morgen will ich sagen: O mein Lieb, wann kommst zu mir? Alle Abend will ich sprechen, Wenn mir meine Äuglein brechen: O mein Lieb, gedenk an mich! Ja, ich will dich nicht vergessen, Enden nie die Liebe mein; Wenn ich sollte unterdessen Auf dem Todbett schlafen ein, Auf dem Kirchhof will ich liegen, Wie das Kindlein in der Wiegen, Das die Lieb' thut wiegen ein. Wohl heute noch und morgen Wo's schneiet rothe Rosen, Da regnet's Thränen d'rein „Wohl heute noch und morgen Da bleibe ich bei dir, Wenn aber kommt der dritte Tag, So muß ich fort von hier.“ „Wann kommst du aber wieder, Herzallerliebster mein, Und brichst die rothen Rosen Und trinkst den kühlen Wein?“ „Wenn's schneiet rothe Rosen, Wenn's regnet kühlen Wein; So lang' sollst du noch harren, Herzallerliebste mein!“ Ging sie in's Vaters Gärtelein, Legt nieder sich, schlief ein; Da träumet ihr ein Träumelein, Wie's regnet kühlen Wein. Und als sie da erwachte, Da war es lauter nichts, Da blühten wohl die Rosen Und blühten über sie. Ein Haus thät sie sich bauen Von lauter grünem Klee, Thät aus zum Himmel schauen, Wohl nach dem Rosenschnee. Mit gelb Wachs thät sie's decken, Mit gelber Lilie rein, Daß sie sich könnt' verstecken, Wenn's regnet kühlen Wein. Und als das Haus gebauet war, Trank sie den Herrgotts-Wein; Ein Rosenkränzlein in der Hand, Schlief sie darinnen ein. Der Knabe kehrt zurücke, Geht in den Garten ein, Trägt einen Kranz von Rosen Und einen Becher Wein. Hat mit dem Fuß gestoßen Wohl an das Hügelein, Er fiel, da schneit' es Rosen, Da regnet's kühlen Wein. Sag', ich ließ sie grüßen Wenn du bei mei'm Schätzel kommst, Sag', ich ließ sie grüßen. Wenn sie fraget, wie mir's geht, Sag', auf beiden Füßen. Wenn sie fraget, ob ich krank, Sag', ich sei gestorben. Wenn sie an zu weinen fangt, Sag', ich käme morgen. Das verlassene Mägdlein Früh, wenn die Hähne krähn, Eh' die Sternlein verschwinden, Muß ich am Herde stehn, Muß Feuer zünden. Schön ist der Flammen Schein, Es springen die Funken; Ich schaue so d'rein, In Leid versunken. Plötzlich, da kommt es mir, Treuloser Knabe, Daß ich die Nacht von dir Geträumet habe. Thräne auf Thräne dann Stürzet hernieder! So kommt der Tag heran — O ging er wieder! Curiose Geschichte Ich bin einmal etwas hinaus spaziert, Da ist mir ein närrisch Ding passirt: Ich sah einen Jäger am Waldeshang, Ritt auf und nieder den See entlang; Viel Hirsche sprangen am Wege dicht; Was that der Jäger? — Er schoß sie nicht, Er blies ein Lied in den Wald hinein — Nun sagt mir, ihr Leut', was soll das sein? Und als ich weiter bin fort spaziert, Ist wieder ein närrisch Ding mir passirt: In kleinem Kahn eine Fischerin Fuhr stets am Waldeshange dahin; Rings sprangen die Fischlein im Abendlicht; Was that das Mädchen? — Sie fing sie nicht, Sie sang ein Lied in den Wald hinein — Nun sagt mir, ihr Leut', was soll das sein? Und als ich wieder zurück spaziert, Da ist mir das närrisch'ste Ding passirt: Ein leeres Pferd mir entgegen kam, Im See ein leerer Nachen schwamm, Und als ich ging an den Erlen vorbei, Was hört' ich d'rinnen? — Da flüsterten Zwei, Und 's war schon spät und Mondenschein — Nun sagt mir, ihr Leut', was soll das sein? Du meinst, o liebe Mutter Du meinst, o liebe Mutter, Wann ich beim Liebsten bin, Es kam' uns gar nichts And'res Als Küssen in den Sinn. Du irrst, o liebe Mutter! Ich darf den Liebsten ja, Auch wann du's siehest, küssen, Sieh her! ich küss' ihn da. Doch wenn allein wir sitzen In stiller Traulichkeit, Wie ernstliche Gedanken Verkürzen uns die Zeit! Wie hat mir wicht'ge Dinge Der Liebste zu vertrau'n! Er gibt sein Herz, sein Leben Von Grund aus mir zu schau'n. Er will mir nichts verhehlen, Und ihm verhehl' ich nichts. Wir kennen unsre Seelen, Wie Züge des Gesichts; Denn Alles muß auf Erden Sein zwischen uns ganz klar, Bevor wir können werden Ein wohlverständigt Paar. Ade Was macht dir, Herzliebster, Die Wange so blaß? Was macht dir das Auge Von Thränen so naß? O Liebchen! Herzliebchen! Wohl ist es mir weh; Weit muß ich von hinnen, Weit über die See! Und mußt du von hinnen — Dort über der See Gibt's wohl noch ein Liebchen. Herzliebster, ade! Es scheinen viel Sterne Am Himmelsgezelt; Doch keiner von allen Wie Luna gefällt. So nimm nur dies Ringlein Von Golde so schwer, Und wird es zu eng dir. So wirf's in das Meer. So steck' nur dies Blümlein An's klopfende Herz; Und duftet's dir nimmer, Verging auch dein Schmerz. Jung sterben Soll ich denn sterben? Bin noch so jung. Wenn das mein Vater wüßt', Daß ich schon sterben müßt', Er thät' sich kränken Bis in den Tod. Wenn es die Mutter wüßt', Wenn es die Schwester wüßt', Thäten sich härmen Bis in den Tod. Wenn es mein Mädel wüßt', Daß ich schon sterben müßt', Sie thät' sich kränken Mit mir in's Grab. Thränen und Rosen Ein Knäblein ging spazieren Wohl um die Abendstund' In einen Rosengarten, Da blühten Blümlein bunt. Er ging wohl auf und nieder Vor eines Gärtners Haus, Da lag ein Mägdlein schöne Zum Fensterlein heraus. Ein Röslein thät er brechen, Warf's in das Fensterlein: Thust schlafen oder wachen, Herzallerliebste mein? „Ich habe nicht geschlafen, Ich habe nicht gewacht, Ich habe nur geträumet, An dich hab' ich gedacht.“ Du hast ja auch geweinet, Deib' Äuglein sind so naß; Eine Thrän' fiel aus dem Fenster, Da wuchs eine Ros' im Gras. „Und ist eine Ros' gewachsen, So wuchs sie nur für dich; Und wenn ich hab' geweinet, So weint' ich nur um mich.“ Was zog er aus der Tasche? Ein seidnes Tüchelein: Nimm hin, Herzallerliebste, Wisch' ab dein' Äugelein! Und bin ich in der Fremde, Weit, weit von deinem Haus, So weine deine Thränen Zum Fenster nicht hinaus; So weine sie bedächtig All' in das Tuch hinein, Damit kein böser Bube Zertritt die Röselein. Lebewohl Morgen mus ich weg von hier, Und muß Abschied nehmen; O du allerhöchste Zier! Scheiden das bringt Grämen. Da ich dich so treu geliebt, Über alle Maßen, Soll ich dich verlassen. Wenn zwei gute Freunde sind, Die einander kennen, Sonn' und Mond bewegen sich, Ehe sie sich trennen. Noch viel größer ist der Schmerz, Wenn ein treu verliebtes Herz In die Fremde ziehet. Dort auf jener grünen Au' Steht mein jung frisch Leben, Soll ich denn mein Lebelang In der Fremde schweben? Hab' ich dir was Leid's gethan, Bitt' dich, woll's vergessen, Denn es geht zu Ende. Küsset dir ein Lüftelein Wangen oder Hände, Denke, daß es Seufzer sein, Die ich zu dir sende; Tausend schick' ich täglich aus, Die da wehen um dein Haus, Weil ich dein gedenke. Gelähmter Flug Wär' ich ein wilder Falke, Ich wollt' mich schwingen auf, Und wollt' mich niederlassen Vor meines Grafen Haus. Und wollt' mit starkem Flügel Da schlagen an Liebchens Thür, Daß springen sollt' der Riegel, Mein Liebchen trät' herfür. „Hörst du die Schlüssel klingen, Dein' Mutter ist nicht weit, So zieh mit mir von hinnen, Wohl über die Haide breit.“ Und wollt' in ihrem Nacken Die goldnen Flechten schön Mit wildem Schnabel packen, Sie tragen zu dieser Höh'n. Ja wohl zu dieser Höhen, Hier wär' ein schönes Nest; Wie ist mir doch geschehen, Daß ich gesetzet fest? Ja, trüg' ich sie im Fluge, Mich schöß der Graf nicht todt, Sein Töchterlein zum Fluche Das fiele sich ja todt. So aber sind die Schwingen Mir allesammt gelähmt, Wie hell ich ihr auch singe, Mein Liebchen sich doch schämt. Bienenlied Ein Liedlein will ich singen Vom Honigvögelein, Die hin und her sich schwingen, Wo bunte Blumen sein. Das Völklein in dem Grünen, Es schmauset auf der Weid', Ich singe von den Bienen Auf dieser freien Haid'. Der Winter hält gefangen Das zarte Jungfernvolk, Bis daß der Schnee vergangen, Frost, Schauer, Nebelwolk'. Und wann die Weste stimmen Nach linder Lenzen Art, So machen sich die Immen Auf ihre Blumenfahrt. Sie ziehen mit der Trummel, Der Stachel weist das Schwert; Ihr Brummel und Gehummel Hat Niemand noch gefährd't. Sie nehmen sonder Morden Den zarten Blumenraub, Und ihre Beut' ist worden Der Baum und Blüthen Laub. Wie sie die Wachsburg bauen Aus güldnem Pergament, Kann Niemand nicht beschauen, Ja, keines Künstlers Händ' Hat man so sehr bewundert, Die Zimmerchen so gleich, Sechseckigt ist gesondert Das Honigkönigreich. Man sieht sie friedlich leben Ohn' Eigennutz und Streit, In steter Mühe weben Zu Lenz und Winterszeit; Sie pflegen einzutragen Der Blumen Saft und Thau, Und führen mit Behagen Gesammt den Zuckerbau. Auf der Wanderung Zwischen Frankreich und dem Böhmerwald, Da wachsen unsre Reben. Grüß' mein Lieb am grünen Rhein, Grüß' mir meinen kühlen Wein! Nur in Deutschland, Da will ich ewig leben. Fern in fremden Ländern war ich auch, Bald bin ich heimgegangen, Heiße Luft und Durst dabei, Qual und Sorgen mancherlei — Nur nach Deutschland Thät heiß mein Herz verlangen. Ist ein Land, es heißt Italia, Blühn Orangen und Citronen. Singe! sprach die Römerin, Und ich sang zum Norden hin: Nur in Deutschland, Da muß mein Schätzlein wohnen. Als ich sah die Alpen wieder glühn Hell in der Morgensonne: Grüß' mein Liebchen, goldner Schein, Grüß' mir meinen grünen Rhein! Nur in Deutschland, Da wohnet Freud' und Wonne. Vom Tannenbaum Dort oben auf dem Berge Da steht ein Tannenbaum, Da sitz' ich ja alle Frühmorgen Und schau' in's Land hinaus. Der Storch, der kommt geflogen, Die Blümelein blühen im Feld, Mein Schatz, der ist fortgezogen, Wohl in die weite Welt. Und die Röselein blühen im Garten, Da schneidet man das Korn: Auf meinen Schatz will ich warten, Ob er wohl wiederkommt. Und die Blätter werden so gelbe, Die Blätter werden so roth, Und wenn mein Schatz nicht kommen will, So wollt' ich, ich wär' todt! Ach Tanne, ach grüne Tanne, Warum wirst du nicht gelb und nicht roth? Ach Liebe, du heiße Liebe, Was brennst du mich immerfort? Ach Tanne, ach grüne Tanne, Warum wirst du nicht welk und alt? Ach Herze, du heißes Herze, Wirst du denn nimmer kalt? Der schwere Traum Mir träumt, ich flög' gar bange Weit in die Welt hinaus, Zu Straßburg durch alle Gassen Bis vor Feinsliebchens Haus. Feinsliebchen ist betrübet, Als ich so flieg', und weint: Wer dich so fliegen lehret, Das ist der böse Feind. Feinsliebchen! was hilft lügen, Da du doch Alles weißt! Wer mich so fliegen lehrte, Das ist der böse Geist! Feinsliebchen weint und schreiet, Daß ich am Schrei erwacht, Da lieg' ich, ach! in Augsburg Gefangen auf der Wacht. Und morgen muß ich hangen, Feinslieb mich nicht mehr ruft, Wohl morgen als ein Vogel Schweb' ich in freier Luft. Agnes Rosenzeit! wie schnell vorbei, Schnell vorbei Bist du doch gegangen! Wär' mein Lieb nur blieben treu, Blieben treu, Sollte mir nicht bangen. Um die Ernte wohlgemuth, Wohlgemuth Schnitterinnen singen. Aber ach! mir krankem Blut, Mir krankem Blut Will's nicht mehr gelingen. Schleiche so durch's Wiesenthal, So durch's Thal, Als im Traum verloren, Nach dem Berg, da tausendmal, Tausendmal Er mir Treu' geschworen. Oben auf des Hügels Rand, Abgewandt, Wein' ich bei der Linde; An dem Hut mein Rosenband, Von seiner Hand, Spielet in dem Winde. Das Mühlrad Dort hoch auf jenem Berge, Da geht ein Mühlenrad, Das mahlet nichts denn Liebe Die Nacht bis an den Tag. Die Mühle ist zerbrochen, Die Liebe hat ein End': So gesegn' dich Gott, mein feines Lieb! Jetzt fahr' ich in's Elend. Kein Glück noch Stern Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht, Er fiel auf die zarten Blaublümelein: Sie sind verwelket, verdorret! Es hatt' ein Knab' ein Mägdlein lieb, Sie flohen gar heimlich von Hause fort, Es wußte nicht Vater noch Mutter. Sie sind gewandert hin und her, Sie haben gehabt weder Glück noch Stern: Sie sind verdorben, gestorben! Das taube Mütterlein Wer öffnet leise Schloß und Thür? Wer schleicht in's Haus herein? Es ist der Sohn, der wiederkehrt Zum tauben Mütterlein. Er tritt herein! Sie hört ihn nicht, Sie saß am Herd' und spann; Da tritt er grüßend vor sie hin, Und spricht sie: Mutter, an. Und wie er spricht, so blickt sie auf, Und — wundervoll Geschick — Sie ist nicht taub dem milden Wort, Sie hört ihn mit dem Blick. Sie thut die Arme weit ihm auf, Und er drückt sich hinein, Da hörte seines Herzens Schlag Das taube Mütterlein. Und wie sie nun beim Sohne sitzt, So selig, so verklärt — Ich wette, daß taub Mütterlein Die Englein singen hört. Mutterherz Ich höre trauern euch und klagen, Daß kalt die Welt und liebeleer, Und mitleidsvoll muß ich euch fragen: Habt ihr denn keine Mutter mehr? Habt ihr die Mutter schon vergessen, Das treue Herz, d'ran ihr geruht, Den Schooß, d'rin ihr so weich gesessen, So sicher, wie in Gottes Hut? Die Mutter seht mit süßen Schauern, Die auf dem Arm ihr Kindlein trägt: So lange wird die Liebe dauern, So lang' ein Mutterherz noch schlägt! O Mutterherz, du Born der Milde, Du gottgeweihter, heil'ger Ort, Haßt auch die Welt, die rauhe, wilde, In dir weilt still die Liebe fort! Du lebst nur in des Kindes Leben, Sonnst dich in seiner Freuden Glanz, Sein Leiden nur macht dich erbeben, Und deiner selbst vergißt du ganz. Gequält, gemartert und zerstochen, Liebst du im herbsten Schmerze noch, Vom Kinde frevelnd selbst gebrochen, Im Brechen segnest du es doch! D'rum, hält euch Gram und Leid umfangen, Seid eigner Schuld ihr euch bewußt, So lehnt die thränenfeuchten Wangen An eurer Mutter treue Brust. Und ist die Mutter euch geschieden, Weint ihr allein in finstrer Nacht, O glaubt: ihr Herz ließ sie hienieden, Es hält bei ihrem Kinde Wacht! Wie mein Kind sich freuen kann! Wie mein Kind sich freuen kann! Sieht es nur ein Licht, Sieht es nur ein Blümchen an, Lächelt sein Gesicht. Welche Freude wird es sein, Wenn's im Frühlingsfeld Laufen kann im Sonnenschein Durch die Blumenwelt! Wie's die Händchen dann erhebt Nach dem Schmetterling! Wie's nach Allem hascht und strebt! Nichts ist ihm gering. Und das Hälmchen in dem Ried, Und das Blatt am Strauch, Alles, Alles, was es sieht, Alles freut es auch. Und wie wird die Freude sein In der Sommernacht, Wenn der Mond mit güldnem Schein Ihm entgegenlacht! Freue dich, mein liebes Kind! Wer sich freuen kann, Ist, sobald er nur beginnt, Schon ein bess'rer Mann! Dem Knäblein eines Freundes Dem Vater wie aus den Augen geschnitten — Ein prächtiger Junge mit hellblondem Haar, So liegt er auf weißen Linnen, inmitten Der Wiege; wie leuchten die Augen ihm klar! Es werden die rollenden Jahre entschwinden, Dann bist du ein Jüngling, wir wurden alt; Wir geben die Locke, die graue, den Winden, Du prangst dann in Jugend und Wohlgestalt! O könnt' ich dein Leben vergeistigt erschauen, Wie du auf den Wogen des Daseins dich wiegst, Und wie du als Knabe die blumigen Auen, Noch Sorgen enthoben, lautjubelnd durchfliegst! Und wie du als Jüngling von Stufe zu Stufe Den Tempel der Wissenschaft muthig ersteigst, Und wie du als Mann in dem ernsten Berufe Das Haupt, wie dein Vater, oft sorgenschwer neigst! Dir werden erblühen die lieblichsten Rosen, Und wenn sie dir winken, erquick' dich ihr Glanz! Es werden dich donnernde Stürme umtosen, Du winde dir Schmerzen und Freuden zum Kranz! Das Banner der Ehre, hoch sollst du es halten, Trotz aller Verleumdung und Nattergezisch, Und wie sich dein Leben auch möge gestalten, Blank halte die Ehre, das Herz halte frisch! Kühn wirf dich in's Leben und schlinge den Reigen Mit blühender Wange und lächelndem Mund! Doch fliehe das Lager der Lauen und Feigen Und schließe mit ehrlichen Herzen den Bund! Dann wirst du die Fülle des Lebens erschauen, Dann wirst du das Walten der Gottheit verstehn; Dann wirst du mit hohem, mit heil'gem Vertrauen In's Auge der Jungfrau, der blühenden, sehn. Schnell werden die rollenden Jahre entschwinden, Bald bist du ein Jüngling, wir wurden alt, Wir geben die Locke, die graue, den Winden, Du prangst dann in Jugend und Wohlgestalt! — Dem Vater wie aus den Augen geschnitten! Ein prächtiger Junge mit hellblondem Haar! Da liegt er auf weißen Linnen, inmitten Der Wiege — wie leuchten die Augen ihm klar! Die nickende Mutter Die Kinder spielen Nachts am Tisch, Die Mutter strickt; Der Kinder Augen blicken frisch, Die Mutter nickt. Die Äpfel stehn noch auf dem Tisch, Und Jeder blickt Die Kindlein an verführerisch, Die Mutter nickt. Ein purpurstreif'ger, mit Gemisch Von Gold gestickt, Lacht einem gar zu zauberisch, Die Mutter nickt. Da streckt es nach dem goldnen Fisch Die Hand geschickt; „Nehm' ich ihn?“ fragt es schmeichlerisch; Die Mutter nickt. Und eines folgt dem andern risch, Und Jedes spickt Sich seine Taschen räuberisch; Die Mutter nickt. Die Vöglein räumen ab den Tisch, Und Alles pickt Und fürchtet sich vor keinem Wisch; Die Mutter nickt. Der Vater fragt gebieterisch, Ob das sich schickt; Die Knaben doch antworten frisch: „Die Mutter nickt.“ Einem Knaben Was trauerst du, mein schöner Junge, Du Armer, sprich, was weinst du so? Daß treulos dir im raschen Schwunge Dein liebes Vögelein entfloh? Du blickest bald in deiner Trauer Hinüber dort nach jenem Baum, Bald wieder nach dem leeren Bauer Blickst du in deinem Kindestraum. Du legst so schlaff die kleinen Hände An deines Lieblings ödes Haus, Und prüfest rings die Sprossenwände Und fragst: „wie kam er nur hinaus?“ An jenem Baume hörst du singen Den Fernen, den dein Herz verlor, Und unaufhaltsam eilig dringen Die heißen Thränen dir hervor. Gib acht, gib acht, o lieber Knabe, Daß du nicht dastehst trauernd einst, Und um die beste, schönste Habe Des Menschenlebens bitter weinst! Daß du die Hand, die sturmerprobte, Nicht legst, ein Mann, an deine Brust, Darin so mancher Schmerz dir tobte, Dir säuselte so manche Lust; Daß du die Hand mit wildem Krampfe Nicht drückest deinem Busen ein, Aus dem die Unschuld dir im Kampfe Entflohn, das scheue Vögelein. Dann hörst du flüstern ihre leisen Gesänge aus der Ferne her; Neigst hin dich zu den süßen Weisen, Das Vöglein aber kehrt nicht mehr. Mädchen mit dem Siegesblicke Mädchen mit dem Siegesblicke, Wie das Gold der Morgensonne Strahlt auf deinem Angesichte Frühlingspracht und Lebenswonne. Doch mit tausend Reizen prunkend, Die dein junges Leben zieren, Denkst du auch an deine Zukunft Bei so eitlem Triumphiren? Thöricht Mädchen, thöricht Mädchen, Ach, das Alles geht vorüber, Deine Wangen werden bleicher, Deine Augen werden trüber. Nicht den süßen Klang bewahren Deiner Stimme Silberglocken, Und nicht reicher mit den Jahren Werden deine vollen Locken. Alle, die mit Honigreden Dein betäubtes Ohr verführen, Opfern, ach, wer weiß, wie bald schon, Eine Jüng're ihren Schwüren. Hegst du in der Brust ein Kleinod, Frage dich mit ernstem Sinne, Das dir nach verblühtem Lenze Gute Herzen noch gewinne? Mädchen, denk' an deine Zukunft; Seelenadel ist alleine Bürgschaft deines wahren Glückes, Das nicht fliehet mit dem Scheine. Die junge Mutter Der Knabe weint, die Mutter legt Den holden Liebling auf die Kissen, Doch er, vom Weinen aufgeregt, Will nichts von Rast und Schlummer wissen. Da singt die Mutter Lied um Lied, Und immer süßer wird die Weise, Und um das kleine Bettchen zieht Der Schlummer seine Zauberkreise. Und wie die Weise sanft verklingt, Wird immer leiser auch das Weinen, Bis am geschloss'nen Auge blinkt Die stumme Thräne nur dem Kleinen. Bald spiegelt auch ein lichter Traum Sich in den klaren Zügen wieder, Die Mutter aber athmet kaum Und beugt sich zu dem Liebling nieder; Mit scheuem Finger hüllt sie dicht Den Schläfer in die warmen Decken, Sie möcht' ihn küssen, wagt es nicht, Aus Furcht, ihn mit dem Kuß zu wecken. Sie blickt ihn lange selig an, Und geht dann fort, und kehret wieder, Und thut, was sie nicht lassen kann, Und neigt sich küssend zu ihm nieder; Und sinkt, von Dankgefühl durchweht, Auf ihre Knie' am kleinen Bette, Und spricht ein inniges Gebet, Und sucht dann selbst die Schlummerstätte. Abends, wenn die Kinder mein — Abends, wenn die Kinder mein Mit der Mutter beten, Pfleg' ich an ihr Kämmerlein Still heranzutreten. Leise lausch' ich an der Thür Ihrem Wort von ferne; Ob sich's gleiche für und für, Hör' ich doch es gerne. Und wenn Alles nachgelallt Mägdelein und Bube, Wenn das Amen leicht verhallt, Tret' ich ein zur Stube. Wenn sie dann so lieb und warm Gute Nacht mir nicken, Mit dem weichen Kindesarm Mich zum Kuß umstricken — O, dann muß im Kämmerlein Wohl mein Herz sich regen: Linde strömt es auf mich ein Wie ein Abendsegen! Gewisse Worte O, Worte gibt's, die nie verhallen! Sie sind wie Steinchen, die gefallen In einen Brunnen schwarz und tief, Und die von Kant' zu Kante springen Und stets von Neuem aufwärts klingen, Wenn scheinbar längst ihr Ton entschlief. Es sind die Worte, die sich senken In unsers Herzens tiefen Schacht: Aus der Vergessenheiten Nacht Klingt ewig neu ihr Angedenken. Ich kehrte heim nach langen Jahren; Des Lebens Wucht hatt' ich erfahren, Gekostet auch des Lebens Freude: Mit meiner Jugend zahlt' ich beide. Die Mutter hielt mich lang' umfangen, Und als die erste Lust gestillt, Sprach sie mit Tönen, traurig-mild: O Gott, wie blaß sind deine Wangen! O Gott, wie blaß sind deine Wangen! Es glückt mir nicht, aus meinem Herzen Die Mutterworte auszumerzen, Ob Jahre d'rüber hingegangen. Ob nun in Freude, ob in Leide Der Wangen Frühling von mir scheide: Die Worte sind mein treu Geleite. Ich höre stets an meiner Seite In Tönen, traurigen und bangen: O Gott, wie blaß sind deine Wangen! Und sitz' ich Nachts allein und schaue Mit falt'ger Stirne, düstrer Braue Tief zu des Bechers goldnem Grunde, Ist mir, als ob aus treuem Munde Heraus die Klageworte klangen: O Gott, wie blaß sind deine Wangen! Fürwahr, ich glaube, wenn ich liege Einst auf der schwarzen Todtenwiege, Wo mich kein Menschenlaut mag stören — Ich werde noch die stillen, bangen Und vorwurfsvollen Worte hören: O Gott! wie blaß sind deine Wangen! Marienbild Ihr schlummernd Kind im Arme habend, Eine junge Mutter saß allein; Ihr Haupt umspann der Frühlingsabend Mit einem goldnen Heil'genschein. Sie neigt' es sinnend zu dem Kleinen, Nicht ahnend, daß ein Lauscher da; Ich zögerte, ihr zu erscheinen, Und blieb ihr ungesehen nah'. Doch was sie still sich selbst vertraute, Und was aus ihrem Lächeln sprach, Und was in ihrer Thräne thaute, Ich fühlt' es tief im Herzen nach. Das feuchte Aug' emporgehoben, Schien sie zu fragen, wie verklärt: „Du guter Gott im Himmel droben, Bin ich so heil'gen Glückes werth?“ Das Kind, das sie mit Schmerz geboren, Mit sel'ger Freude küßte sie's Und hauchte leise: „Unverloren Ist noch der Erde Paradies!“ Mir war's, als zöge durch mein Leben Mit einem Mal ein lichter Strahl, Als sei mir alle Schuld vergeben Und mir erlassen alle Qual. Mir war's, als müßt' ich niederknieen, Anbetend vor dem Mutterglück, Und gläubig dacht' ich an Marien, Die uns den Himmel gab zurück. Die Dorfkirche In einem Dorf, am frühen Morgen, Sah ich ein Kirchlein offen stehn, Und wie's mir freundlich schien zu winken, Trieb mich das Herz, hinein zu gehn. Nur wenig Beter fand ich knieen, Denn Werktag war's und Erntezeit; Ein greiser Priester sprach den Segen Und hielt das heil'ge Mahl bereit. Da naht ein Weib sich dem Altare, Den zarten Säugling an der Brust: Ihr Antlitz schwamm in Doppelgluthen Der Andacht und der Mutterlust. Und als ihr Mund das Brot des Lebens Empfangen aus des Priesters Hand, Sie's kaum berührt mit ihren Lippen Und mit verklärtem Blicke stand, Da drückte schnell in hoher Wonne Sie an den Mund den Säugling zart; Reicht' ihm den Theil der Himmelsspeife, Den sie ihm liebend aufbewahrt. O süße Macht der Mutterliebe, Du Gottesblume dieser Welt, Die Alles theilt, den Leib des Herren Selbst nicht für sich allein behält! Zieh', junge Frau, mit frommem Troste, Und reicher Segen sei dein Theil! Wie du vertraut, so sei erhöret, Dem Kinde blühe Glück und Heil! Und weinend trat ich aus der Kirche Und dacht' an ein entferntes Grab: Dort ruht schon längst, bedeckt von Rasen, Die beste Mutter, die es gab! An meine Mutter Ich lese mit erinnerndem Gemüthe Im Buch des Lebens, das mir aufgeschlagen, Und find' auf jedem Blatt die Lieb' und Güte, Die, Mutter, du mir Tag und Nacht getragen. Stets denk' ich d'ran mit innigem Bewegen, Wie du um mich gejauchzt, gelacht, geweinet: Im Wiegenliede gabst du mir den Segen, Der sich dem Jüngling und dem Mann geeinet. So folget mir dein Bildniß nah und ferne, Es war mir Sühn' und Trost an jedem Orte; Betrübt gedacht' ich deiner Augensterne, Bekümmert deiner freundlich milden Worte. Wie lohn' ich dir? Ich ruh' an deinem Herzen Und bring' den Dank. Kann es ein schönrer werden? Nach mancher irren Fahrt durch Lust und Schmerzen Fand ich in dir das treu'ste Herz auf Erden! Nachtgedanken Denk' ich an Deutschland in der Nacht, Dann bin ich um den Schlaf gebracht, Ich kann nicht mehr die Augen schließen, Und meine heißen Thränen fließen. Die Jahre kommen und vergehn! Seit ich die Mutter nicht gesehn, Zwölf Jahre sind schon hingegangen; Es wächst mein Sehnen und Verlangen. Mein Sehnen und Verlangen wächst. Die alte Frau hat mich behext, Ich denke immer an die Alte, Die alte Frau, die Gott erhalte! Die alte Frau hat mich so lieb, Und in den Briefen, die sie schrieb, Seh' ich, wie ihre Hand gezittert, Wie tief das Mutterherz erschüttert. Die Mutter liegt mir stets im Sinn, Zwölf lange Jahre flossen hin, Zwölf lange Jahre sind verflossen, Seit ich sie nicht an's Herz geschlossen. Deutschland hat ewigen Bestand, Es ist ein kerngesundes Land; Mit seinen Eichen, seinen Linden, Werd' ich es immer wieder finden. Nach Deutschland lechzt' ich nicht so sehr, Wenn nicht die Mutter dorten wär'; Das Vaterland wird nie verderben, Jedoch die alte Frau kann sterben. Seit ich das Land verlassen hab', So Viele sanken dort in's Grab, Die ich geliebt — wenn ich sie zähle, So will verbluten meine Seele. Und zählen muß ich — mit der Zahl Schwillt immer höher meine Qual, Mir ist, als wälzten sich die Leichen Auf meine Brust — Gottlob! sie weichen! Treue Hut Ein lichter Engel hält die Wacht Vor meines Herzens Thür, Er ist auf all' mein Thun bedacht, Auf jedes Wort von mir. Er hütet mein bei Tag und Nacht Wohl treuer als ein Freund, Und wenn der Gram mich trüb' gemacht, Hat er mit mir geweint. Er spricht zu mir, ich weiß nicht wie, In Tönen lieb und mild, Ich sah den holden Engel nie Und ahn' nur leis sein Bild. „Wer mag der treue Hüter sein, Der all' dein Sehnen stillt, Deß Blick mit goldnem Frührothschein Das Leben dir erfüllt?“ Du fragst mich? O du glücklich Herz, Du kennst den Engel nicht, Du bargst im allertiefsten Schmerz Noch nie dein Angesicht. O laß mich still mit ihm allein, Ein kindlich fromm Gemüth — Dem Geist von meinem Mütterlein, Das mir im Leben schied. Nach der Krankheit der Mutter Krank warst du, krank! — Und siegergroß Stand schon der Tod an deinem Bette, Indeß im warmen Lebensschooß Ich mich gewiegt an ferner Stätte. Ich schwelgte in der Sternenpracht, Die heilungsvoll mein Herz durchzückte: Es war dieselbe Mitternacht, Die dich mit Leiden fast erdrückte. O nimmermehr vergeb ich mir, Daß ich in Ahnung nicht erkrankte, Und daß ich nicht dem Tod mit dir, Wenn auch entfernt, entgegen schwankte. Und Sünde scheint mir, daß ich nicht Mit dir geduldet in der Ferne, Und daß mir nicht wie Grabeslicht Geleuchtet damals alle Sterne. Und daß es mir nicht vorwurfsvoll Herabgeweht von Busch und Bäumen, Auf daß ich weinen, weinen soll — Daß ich nicht starb in hundert Träumen. Nicht eher ist die Schuld gesühnt, Bis daß ich lieg' in deinen Armen, Bis daß ich wieder unverdient Am Mutterherzen darf erwarmen. Wenn eine Mutter betet Der reinste Ton, der durch das Weltall klingt, Der reinste Strahl, der zu dem Himmel dringt, Die heiligste der Blumen, die da blüht, Die heiligste der Flammen, die da glüht, Ihr findet sie allein, wo, fromm gesinnt, Still eine Mutter betet für ihr Kind. Der Thränen werden viele hier geweint, So lange uns des Lebens Sonne scheint; Und mancher Engel, er ist auserwählt, Auf daß er unsre stillen Thränen zählt — Doch aller Thränen heiligste, sie rinnt, Wenn eine Mutter betet für ihr Kind. O schaut das Hüttchen dorten, still und klein, Nur matt erhellt von einer Lampe Schein, Es sieht so trüb', so arm, so öde aus, Und gleichwohl ist's ein kleines Gotteshaus; Denn drinnen betet, fromm gesinnt, Still eine Mutter für ihr Kind. O nennt getrost es einen schönen Wahn, Weil nimmer es des Leibes Augen sah'n, Ich lasse mir die Botschaft rauben nicht, Die Himmelsbotschaft, welche zu uns spricht: Daß Engel Gottes stets versammelt sind, Wenn eine Mutter betet für ihr Kind. Wiegenlied Schlummre sanft! — Noch an dem Mutterherzen Fühlst du nicht des Lebens Qual und Lust; Deine Träume kennen keine Schmerzen, Deine Welt ist deiner Mutter Brust. Ach! wie süß träumt man die frühen Stunden, Wo man von der Mutterliebe lebt; Die Erinnerung ist mir verschwunden, Ahnung bleibt es nur, die mich durchbebt. Dreimal darf der Mensch so süß erwarmen, Dreimal ist's dem Glücklichen erlaubt, Daß er in der Liebe Götterarmen An des Lebens höh're Deutung glaubt. Liebe gibt ihm ihren ersten Segen, Und der Säugling blüht in Freud' und Lust. Alles lacht dem frischen Blick entgegen, Liebe hält ihn an der Mutterbrust. Wenn sich dann der schöne Himmel trübte, Und es wölkt sich nun des Jünglings Lauf: Da, zum zweiten Mal, nimmt als Geliebte Ihn die Lieb' in ihre Arme auf. Doch im Sturme bricht der Blüthenstengel, Und im Sturme bricht des Menschen Herz: Da erscheint die Lieb' als Todesengel, Und sie trägt ihn jubelnd himmelwärts. Im Arm der Liebe Im stillen Stübchen dämmert die Nacht, Am Bettlein sitzet ein Weib und wacht; Ein blonder Knabe lächelt ihr zu. Am Mutterbusen wie fromm die Ruh'! Sie wieget und singet beim Lampenschein: „Im Arm der Liebe — so schlummre ein!“ Im kühlen Grunde am Waldeshang — Die Wipfel rauschten, die Quelle klang; Wir saßen einsam, nur ich und du. Ach, Herz am Herzen wie süß die Ruh'! Du sangst in die Seele mir tief hinein: „Im Arm der Liebe — so schlummre ein!“ Vom Friedhof tönet ein Glöcklein bang Dem Pilger zu seinem letzten Gang; Hier legt' er nieder so Stab als Schuh: Im Schooß der Erde wie tief die Ruh'! Sie segnen hinab den schwarzen Schrein: „Im Arm der Liebe — so, schlummre ein!“ Nach Jahren I. Die Mutter lehnt am schattigen Thor, Ihr blondes Töchterchen kniete davor, Brach Rosen sich und Vergißmeinnicht, Und küßt sie mit lachendem Angesicht: „Ei! Mutter, bin ich so groß wie du, Dann trag' ich dir Alles im Hause zu. Dann heg' ich und pfleg' ich dich lieb und fein, Wie die Rosen und die Vergißnichtmein.“ II. Und Jahre schwanden, — am schattigen Thor Ragt höher und voller der Flieder empor! Ein Mägdlein umfaßt des Geliebten Arm, Es schlagen ihre Herzen so treu und warm; Doch wie sie sich küßten auf Wang' und Mund, Weinte das Mädchen aus Herzensgrund; Denn die sie wollt' pflegen so lieb und fein, Lag still unter Ros' und Vergißnichtmein. Ich hör' ein Glöcklein klingen Ich hör' ein Glöcklein klingen, Wem gilt der helle Klang? Ich hör' im Thale singen, Wem aber gilt der Sang? Nicht zu dem Traualtare Zieht dieser Zug empor; Sie tragen eine Bahre Hinein zum Friedhofsthor. Die Kirchenfahne flittert Daher im Morgenglanz, Und auf dem Sarge zittert Ein frischer Myrthenkranz. Ich hör' ein Glöcklein klingen, Wie bange klingt sein Laut! Ich hör' ein Grablied singen: Gestorben ist die Braut. Auf meines Kindes Tod Als ich nun zum ersten Male Wieder durch den Garten ging, Busch und Bächlein in dem Thale Lustig an zu plaudern fing. Blumen halbverstohlen blickten Neckend aus dem Gras heraus, Bunte Schmetterlinge schickten Sie sogleich auf Kundschaft aus. Auch der Kuckuck in den Zweigen Fand sich bald zum Spielen ein, Endlich brach der Baum das Schweigen: „Warum kommst du heut' allein?“ Da ich aber schwieg, da rührt' er Wunderbar sein dunkles Haupt, Und ein Flüstern konnt' ich spüren Zwischen Vöglein, Blüth' und Laub. Thränen in dem Grase hingen, Durch die abendstille Rund', Klagend nun die Quellen gingen, Und ich weint' aus Herzensgrund. Das Todtenhemdchen Starb das Kindlein. Ach, die Mutter Saß am Tag und weinte, weinte, Saß zur Nacht und weinte. Da erscheint das Kindlein wieder, In dem Todtenhemd, so blaß; Sagt zur Mutter: „Leg' dich nieder! Sieh, mein Hemdchen Wird von deinen lieben Thränen Gar so naß, Und ich kann nicht schlafen, Mutter!“ Und das Kind verschwindet wieder, Und die Mutter weint nicht mehr. Dort ist so tiefer Schatten Dort ist so tiefer Schatten, Du schläfst in guter Ruh', Es deckt mit grünen Matten Der liebe Gott dich zu. Die alten Weiden neigen Sich auf dein Bett herein, Die Vöglein in den Zweigen, Sie singen treu dich ein. Und wie in goldnen Träumen Geht linder Frühlingswind Rings in den stillen Bäumen — Schlaf wohl, mein süßes Kind! Das Kind Die Mutter lag im Todtenschrein, Zum letzten Mal geschmückt; Da spielt das kleine Kind herein, Das staunend sie erblickt. Die Blumenkron' im blonden Haar Gefällt dem Kindlein sehr, Die Busenblumen, bunt und klar, Zum Strauß geweiht, noch mehr. Und sanft und schmeichelnd ruft es aus: Du liebe Mutter, gib Mir eine Blum' aus deinem Strauß, Ich hab' dich auch so lieb! Und als die Mutter es nicht thut, Da denkt das Kind für sich: Sie schläft, doch wenn sie ausgeruht, So thut sie's sicherlich. Schleicht fort, so leis' es immer kann, Und schließt die Thüre sacht, Und lauscht von Zeit zu Zeit daran, Ob Mutter noch nicht wacht. Das Kind am Grabe der Mutter Schläfst sanft in deinem Kämmerlein, Schläfst tief in süßer Ruh'; Ach Mutter, liebste Mutter mein, Laß mich doch auch in's Kämmerlein, Ach, schließe doch nicht zu! Ich möchte ja so gern bei dir, Dein Kindlein wieder sein; Ist gar zu kalt und stürmisch hier, Bei dir ist's warm, 's ist still bei dir. Ach, laß mich, laß mich ein! Nahmst sonst so gern mich zu dir hin, Reicht'st mir so gern die Hand; Ach sieh, wie ich verlassen bin, Nimm mich doch diesmal auch mit hin, In's schöne Himmelsland! Meiner Mutter Längst haben sie dich geschlagen In's weiße Leichentuch; Du, deren Schooß mich getragen, Du, die mich im Herzen trug. Liegst selber im Mutterschooße, Das Moos wächst über den Stein; Die Welt, die verwandelte, große, Hat längst vergessen dein. Die dein gedachten mit Danken, Die reden längst nicht mehr, Es waren die Armen, die Kranken; Sie schlafen rings um dich her. Wie haben, so früh begrabend, Sie dich hinunter gebracht! Mein Frühroth war dein Abend, Mein Morgen deine Nacht. Voll Lieb' und Dankes küssen Wollt' ich die Hände dein, Da hab' ich dich suchen müssen Tief unter'm kalten Stein. O könnt' ich dich umschlingen! Wie ward meine Liebe so neu! O Mutter, was kann ich dir bringen Für deine Lieb' und Treu'? Deine Enkel will ich führen Einst an den moosigen Stein; Da soll dein Hauch sie berühren, Dein frommer Geist sie weihn. Des Kindes Traum Die Lampe glimmt in stiller Nacht, Das Kindlein schläft, die Mutter wacht, Und durch das Fenster bebt der Schein Der Mondensichel bleich herein. Das Kindlein träumt, die Mutter sinnt, Das Fenster klirrt von jedem Wind, Die Lampe flackert hin und her, Das wache Herz schlägt bang' und schwer Die Mutter weint, das Kindlein lacht: Es spielt mit Engeln diese Nacht, Die werfen aus des Himmels Au' Ihm Rosen zu voll Sternenthau. Die Mutter küßt das liebe Kind, Das schlägt die Augen auf geschwind, Und lächelt fort so wundersüß, Als spielt' es noch im Paradies. Ein Engel nimmt es in den Arm Und legt es an die Brust so warm, Sein Wangenroth die Rosenau', In seinem Blick der Sternenthau. Sprachversuche O süßes Lallen einer Kinderzunge, O Kindermund, du reiner, sei gegrüßt! O Lächeln, rein, als wie im Paradiese, Das irdisch Mühen wunderbar versüßt! Noch ist dein Stammeln klares Offenbaren Des Himmels, der im kleinen Herzen blüht, Noch spiegelt sich in dir mit hellen Zügen Das Köstlichste der Welt, ein rein Gemüth. O süßes Lallen einer Kinderzunge, O Kindermund, du reiner, sei gegrüßt! Wie sanft ein leiser West in stillen Nächten, Daß sie erschließe sich, die Rose küßt, So will der Geist in Worten sich entfalten Und treten in die weite, neue Welt. Wohlan, es sei! und mög' dein Schutzgeist walten, Der Wache um das Heiligthum dir hält. O süßes Lallen einer Kinderzunge, O Kindermund, du reiner, sei gegrüßt! Dich lehrt die Macht, die Welten hat geschaffen, Und uns durch Stern und Blumen freundlich grüßt; Der Liebe Macht, sie treibet dich zu Worten, Sie lehrt sie dich — frei treten sie hervor: Und gleichwie reinen, himmlischen Accorden, So lauscht entzückt dem Stammeln unser Ohr. Der Pfarrer Noch schimmert durch das Fenster Der Pfarrer-Wohnung Licht; Das ganze Dörfchen schlummert, Allein der Pfarrer nicht. Er sitzet vor der Bibel, Und trocknet mit dem Tuch Gar manche volle Thräne, Die niederrollt auf's Buch. Daneben in der Kammer, Als Leiche hingestreckt, Ruht seine einz'ge Tochter, Vom Leichentuch bedeckt. Er hebt die weiße Hülle Mit thränenvollem Blick, Und küßt die kalte Stirne, Und schleichet still zurück. Das Echo Es irrt ein Mägdlein ganz allein Auf ödem Pfade durch den Hain. Es klagt und weint die Äuglein roth: Seine Mutter, sagen sie, ist todt. Und jammernd ruft es durch den Wald, Daß laut das Echo wiederhallt: „Wo bist du, Mutter? sage mir!“ Und horch! das Echo tönet: hier! Das Mägdlein lauscht, ihm wird so bang', Weiß nicht, woher die Stimme klang; Schaut in das Thal, schaut in die Höh', Fährt auf, wie ein gescheuchtes Reh, Und läuft durch Dorn und Busch und Grund, Das Kleid zerreißt, der Fuß ist wund: Sie aber jammert durch den Wald, Daß laut das Echo wiederhallt: „Wo bist du, Mutter? sage mir!“ Und wieder tönt das Echo: hier! Sie kam an eines Sees Rand, Geschmückt mit Blumen allerhand, Mit Rosen und mit Rosmarin, Mit Trauerweiden dicht und grün. Dem Kinde däucht die Fluth so blau, Als ob's in's Mutterauge schau'; Die Welle rauscht so sanft, so weich, Dem Wiegenlied der Mutter gleich: „Wo bist du, Mutter? sage mir!“ Und aus den Wassern tönt es: hier! Da schwillt vor Ungeduld ihr Herz, Und heitern Auges, ohne Schmerz, Rasch in die Fluth stürzt sie hinein: „Nun hab' ich dich, lieb Mütterlein!“ Maiblumen Die weite Stadt auf nacktem Fuße Durchwandert sie von Haus zu Haus Und bietet scheu mit blödem Gruße Des Lenzes liebste Kinder aus. „Maiblumen kauft! kauft aus Erbarmen, Auf Stroh der Vater sterbend liegt, Die Mutter in den welken Armen Ein schmachtend Kind in Thränen wiegt!“ Ist das des Frühlings erstes Grüßen, Ein Weheschrei der bittren Noth? Sie feilscht mit seinem Duft, dem süßen, Um einen Bissen trocken Brot. Maiglöckchen, Perlen, die voll Liebe Der Braut in's grüne Haar er flicht, Wie, darum sproßten eure Triebe, Daß ein verhungernd Kind sie bricht? O dieses Kind — die zarten Glieder Verhüllen schlechte Lumpen kaum, Das blaue Auge spiegelt wieder Des jungen Lenzes schönsten Traum, Die Locke schließt mit goldnem Rahmen Ein rührend Bild der Unschuld ein, Und selber rufst du deinen Namen, Du Maienblume, zart und rein! Der Mutter Wangen, hohl und mager, Verblichen in der dumpfen Luft, Den Vater auf dem Sterbelager Umwehest du mit frischem Duft, Und wie vom Hauch des Abendwindes Das Maienglöckchen leis erklingt, So tönt's um sie, wenn ihres Kindes Gebet sich auf zum Himmel schwingt. Du zarte, lenzentsproßte Blüthe, Die Gott so hold und rein erschuf, Daß treu sein Auge dich behüte, Daß Mitleid wecke dir dein Ruf: „Maiblumen kauft! kauft aus Erbarmen, Auf Stroh der Vater sterbend liegt, Die Mutter in den welken Armen Ein schmachtend Kind in Thränen wiegt!“ Der Abend am See Die Sonne tauchet leise Zum blauen See hinein, Die goldnen Wellenkreise Erglühn vom Wiederschein. Im Nachen, der gelinde Bewegt am Ufer liegt, Vom ält'ren Fischerkinde Ein jüng'res wird gewiegt. Die Mutter kehrt zurücke Und schürt des Herdes Brand, Mit Gruß und süßem Blicke Hinaus zum Kahn gewandt. Der junge Fischer richtet Die Netze mit Bedacht, Die Tonnen stehn geschichtet Zum Fange für die Nacht. Großvater, dem in's Kühle Den Lehnstuhl sie gerückt, Ist auf dem weichen Pfühle In Schlummer eingenickt. Vom nahen Hügel schwanket Ein morsches Kreuz in's Thal, Mit wildem Grün umranket, Ein schlichtes Todtenmal. Es sieht dem warmen Weben Im Thale sinnend zu: „Dort ist so schön das Leben, Als selig hier die Ruh'!“ Die Mutter und das Kind Wie ward zu solchem Jammer Der stolzen Mutter Lust? Sie weint in öder Kammer, Kein Kind an ihrer Brust; Das Kind gebettet haben Sie in den schwarzen Schrein, Und tief den Schrein vergraben, Als müßt' es also sein. Wie da die Erde fallend Auf den versenkten Sarg, Ihn, dumpf und schaurig schallend, Vor ihren Augen barg, Hat Thränen sie gefunden, Die nicht zu hemmen sind, Sie weint zu allen Stunden Um ihr geliebtes Kind. Wann Andrer Lust und Sorgen Der laute Tag bescheint, Weilt schweigsam sie verborgen In finstrer Klaus' und weint; Wann Andrer Schmerzen lindert Die Nacht, und Alles ruht, Vergießt sie ungehindert Der Thränen bittre Fluth. Wie einst sie unter Thränen Die stumme Mitternacht In hoffnungslosem Sehnen Verstört herangewacht, Sieht wunderbarer Weise Das Kindlein sie sich nahn, Es tritt so leise, leise, Es sieht sie trauernd an. „O Mutter, in der Erden Gewinn' ich keine Rast, Wie sollt' ich ruhig werden, Wenn du geweinet hast? Die Thränen fühl' ich rinnen Zu mir ohn' Unterlaß, Mein Hemdlein und das Linnen, Sie sind davon so naß. O Mutter, laß dein Lächeln Hinab in's feuchte Haus Mir laue Lüfte fächeln, Dann trocknet's wieder aus; Und scheinet deinem Kinde Dein Auge wieder klar, Umblühn es Ros' und Winde, Wie sonst es oben war. O weine nicht! sei munter! Was helfen Thränen dir? Komm lieber doch hinunter Und lege dich zu mir; Da magst du leise kosen Mit deinem Kindelein, Du liegst auf weichen Rosen Und schläfst so ruhig ein.“ Sie hat aus süßem Munde Die Warnung wohl gehört, Sie hat von dieser Stunde Zu weinen aufgehört. Wohl bleichten ihre Wangen, Doch blieb ihr Auge klar, Sie ist hinab gegangen, Wo schon ihr Liebling war. Liebe deine Kinder! Geh' fleißig um mit deinen Kindern! Habe Sie Tag und Nacht um dich, und liebe sie Und laß dich lieben einzig schöne Jahre; Denn nur den engen Traum der Kindheit sind Sie dein, nicht länger! Mit der Jugend schon Durchschleicht sie Vieles bald — was du nicht bist, Und lockt sie Mancherlei — was du nicht hast, Erfahren sie von einer alten Welt, Die ihren Geist erfüllt; die Zukunft schwebt Nun ihnen vor. So geht die Gegenwart Verloren. Mit dem Wandertäschchen dann Voll Nöthigkeiten zieht der Knabe fort. Du siehst ihm weinend nach, bis er verschwindet, Und nimmer wird er wieder dein! Er kehrt Zurück, er liebt, er wählt der Jungfrau'n eine, Er lebt! Sie leben, Andre leben auf Aus ihm — du hast nun einen Mann an ihm, Hast einen Menschen — aber mehr kein Kind! Die Tochter bringt vermählt dir ihre Kinder Aus Freude gern noch manchmal in dein Haus! Du hast die Mutter, aber mehr kein Kind. — Geh' fleißig um mit deinen Kindern! Habe Sie Tag und Nacht um dich, und liebe sie, Und laß dich lieben einzig schöne Jahre! Familiengemälde Großvater und Großmutter, Die saßen im Gartenhag, Es lächelte still ihr Antlitz Wie sonniger Wintertag. Die Arme verschlungen, ruhten Ich und die Geliebte dabei, Uns blühten und klangen die Herzen Wie Blumenhaine im Mai. Ein Bächlein rauschte vorüber Mit plätscherndem Wanderlied; Stumm zog das Gewölk am Himmel, Bis unseren Blicken es schied. Es raschelte von den Bäumen Das Laub, verwelkt und zerstreut, Und schweigend an uns vorüber Zog leisen Schrittes die Zeit. Stumm blickte auf's junge Pärchen Das alte stille Paar; Des Lebens Doppelspiegel Stand vor uns licht und wahr: Sie sahn uns an und dachten Der schönen Vergangenheit; Wir sahn sie an und träumten Von ferner, künft'ger Zeit. Treueste Liebe Ein Bruder und eine Schwester, Nichts Treueres kennt die Welt Kein Goldkettlein hält fester, Als Eins am Andern hält. Zwei Liebsten so oft sich scheiden, Denn Minne die ist voll Wank; Geschwister in Lust und Leiden Sich halten ihr Lebelang So treu, als wie beisammen Der Mond und die Erde gehn, So nah', wie der Sterne Flammen Alle Nacht bei einander stehn. Die Engel im Himmel sich's zeigen Frohlockend von Herzensgrund, Wenn Bruder und Schwester sich neigen Und küssen sich auf den Mund. Wer sich mit einem Weib verbind't Wer sich mit einem Weib verbind't, Der waget viele Schmerzen; Wohl paßt sich Mund auf Mund geschwind, Doch langsam Herz zum Herzen. Es glaubt sich leicht im grünen Hag, Die Liebe sei zu wagen, Wenn laut am blauen Sommertag Die frohen Finken schlagen. Es glaubt sich leicht bei goldnem Wein, Die Liebe sei gefunden, Wenn rasch und hell wie Sonnenschein Vorüber ziehn die Stunden. Da hat für eine Ewigkeit Schon Mancher sich verschworen — Und rasch wie Rausch und Sommerzeit Die Liebe war verloren. Wer sich mit einem Weib verbind't, Soll sich auf Gott besinnen, Und sehn, ob ihre Augen sind, Daß Gott sich spiegle drinnen. Des Jägers Weib Den Kopf gestützt auf meinen Arm, Steh' ich am Fensterlein — Die Stirn wird mir so schwer und warm, Es schläft der Arm mir ein. Weit, weit herunter von den Höh'n Hallt einer Büchse Knall, Und wenn die Lüft' in's Ohr mir wehn, Klingt mir's wie Hörnerschall. Ach, solltest du so fern noch sein, In dieser kalten Nacht? Und weißt doch, bin ich hier allein, Wie bang' mich Alles macht. Ich wage kaum den Kopf zu drehn, Die Kammer ängstet mich, Und sollt' ich nach der Thüre sehn, Ich glaub', ich sähe dich. Die Büchsen hängen hinter mir Und schlagen an die Wand; Ist es der Zug des Fensters hier? Ist's eine Geisterhand? So starr' ich in den Wind hinaus Und friere, was ich kann, Und überläuft mich dann ein Graus, Stimm' ich ein Liedchen an; Das treibt die Grillen in die Luft Und macht die Brust mir leicht, Wenn's wiederhallt von Kluft zu Kluft, Von Berg zu Berge steigt. Doch, Liebster, klingt zu Ohren dir Einmal der helle Klang, Glaub' nicht, es sei das Herze mir So froh wie mein Gesang. Gesang der Blinden Horch, aus tiefstem Lebensabgrund, D'rin kein Lichstrahl je hinabtaucht, Sucht die Stimme frommer Blinden Aufzutönen Nach dem Schönen, Im Gesang ein Licht zu finden. Klaglos in der dunklen Wohnung, Wo kein Bild die kahle Wand schmückt, Träumen sie hinab die Stunden Still genügsam, Fromm und fügsam, Und in Eintracht gramverbunden. Lichtlos sitzen sie beim Nachtmahl, Wie die Schatten in der Grabnacht, Keiner Lampe trautes Leuchten Kann der Kranken Nachtgedanken Mit der Hoffnung Thau befeuchten. Niemals können sie sich selig Blick in Blick und liebend ansehn, Nur im Hauch, nur im Berühren Nahen süße Seelengrüße, Wenn sie Hand an Hand sich führen. Steigt vor ihrem Geist die Schöpfung Als ein Tönemeteor auf, Schmerzlich ringen sie nach Bildern, Ihr Entzücken Auszudrücken, Ewiges im Wort zu schildern. Wie ein Sturm der Nacht durchathmet's Ihre Brust in wilder Andacht, Drängt ihr Herz, ein Wonnetoben Auszuweinen Vor dem Einen, Den auch Sterne tönend loben. Der Wanderer in der Sägemühle Dort unten in der Mühle Saß ich in süßer Ruh' Und sah dem Räderspiele Und sah den Wassern zu. Sah zu der blanken Säge, Es war mir wie ein Traum, Die bahnte lange Wege In einen Tannenbaum. Die Tanne war wie lebend, In Trauermelodie, Durch alle Fasern bebend, Sang diese Worte sie: „Du kehrst zur rechten Stunde, O Wanderer, hier ein; Du bist's, für den die Wunde Mir dringt ins Herz hinein; Du bist's, für den wird werden, Wenn kurz gewandert du, Dies Holz im Schooß der Erden Ein Schrein zur langen Ruh'.“ Vier Bretter sah ich fallen, Mir ward's um's Herze schwer, Ein Wörtlein wollt' ich lallen, Da ging das Rad nicht mehr. Wandergruß Dort vor'm Bergschloß, daß ich raste, Läd't der Blüthenbaum mich ein, Freundlich winkt der Vogt zu Gaste Mit dem vollen Becher Wein. Den Urahn und seine GÄste Hat dies Kelchglas schon geletzt, Und an ihrem Hochzeitfeste Ahnfrau diesen Baum gesetzt. D'rum, wie seinen Blüthenregen Über mich der Baum jetzt streut, Dünkt's mich wie ein Ahnensegen Aus der alten fernen Zeit. Und wie ich, vom Born zu nippen, Mit dem Glas berührt den Mund, Ist's, als ob des Ahnherrn Lippen Böten mir den Gruß zum Bund. Die in weiter Welt sich mieden, Einte dieses Glases Kreis; Was durch Zeit und Land geschieden, Drückt hier Lipp' an Lippe leis. Von Geschlechten zu Geschlechten Schlinge sich der heil'ge Bund! Fort und fort sein Band zu flechten, Weiht, o Glas, dich Herz und Mund! Diesen Kuß, zu fernen Tagen, Wenn zu Staube längst ich bin, Sollst du auf die Lippen tragen Einer späten Enkelin. Für den Enkel Gruß und Segen Will ich dir, o Baum, vertrau'n, Daß du ihn als Blüthenregen Um sein Haupt magst niederthau'n. Viel Glück zur Reise — Viel Glück zur Reise, Schwalben! Ihr eilt, ein langer Zug. Zum schönen warmen Süden In frohem kühnen Flug. Gern möchte wohl die Reise Ich einmal thun mit euch, Zu sehn die tausend Wunder, Die darbeut jedes Reich. Doch immer käm' ich wieder, Wie schön auch jedes Land Und reich an Wundern wäre, Zurück in's — Vaterland! Die drei Zigeuner Drei Zigeuner fand ich einmal Liegen an einer Weide, Als mein Fuhrwerk mit müder Qual Schlich durch sandige Haide. Hielt der Eine für sich allein In den Händen die Fiedel, Spielte, umglüht vom Abendschein, Sich ein feuriges Liedel. Hielt der Zweite die Pfeif' im Mund, Blickte nach seinem Rauche, Froh, als ob er vom Erdenrund Nichts zum Glücke mehr brauche. Und der Dritte behaglich schlief, Und sein Cymbal am Baume hing. Über die Saiten der Windhauch lief, Über sein Herz ein Traum ging. An den Kleidern trugen die Drei Löcher und bunte Flicken, Aber sie boten trotzig frei Spott den Erdengeschicken. Dreifach haben sie mir gezeigt, Wenn das Leben uns nachtet, Wie man's verraucht, verschläft, vergeigt, Und dreimal es verachtet. Nach den Zigeunern lang noch schau'n Mußt' ich im Weiterfahren, Nach den Gesichtern, dunkelbraun, Den schwarzlockigen Haaren. Zigeunerleben Im Schatten des Waldes, im Buchengezweig, Da regt sich's und raschelt's und flüstert zugleich; Es flackern die Flammen, es gaukelt der Schein Um bunte Gestalten, um Laub und Gestein. Das ist der Zigeuner bewegliche Schaar Mit blitzendem Aug' und mit wallendem Haar, Gesäugt an des Niles geheiligter Fluth, Gebräunt von Hispaniens südlicher Gluth. Um's lodernde Feuer im schwellenden Grün, Da lagern die Männer, verwildert und kühn, Da kauern die Weiber und rüsten das Mahl Und füllen geschäftig den alten Pokal. Und Sagen und Lieder ertönen im Rund, Wie Spaniens Gärten so blühend und bunt, Und magische Sprüche für Noth und Gefahr Verkündet die Alte der horchenden Schaar. Schwarzäugige Mädchen beginnen den Tanz, Da sprühen die Fackeln in röthlichem Glanz, Heiß lockt die Guitarre, die Cymbel erklingt, Wie wilder und wilder der Reigen sich schlingt. Dann ruhn sie, ermüdet vom nächtlichen Reih'n, Es rauschen die Buchen in Schlummer sie ein, Und die aus der glücklichen Heimath verbannt, Sie schauen im Traume das südliche Land. Doch wie nun im Osten der Morgen erwacht, Verlöschen die schönen Gebilde der Nacht; Laut scharret das Maulthier bei'm Tagesbeginn, Fort ziehn die Gestalten — wer sagt dir, wohin? Heimath „Nieder in die Palmenhaine Wollen senken wir den Flug.“ Ruft der Sängerinnen eine Aus dem langen Pilgerzug; „Dort in Gärten laßt uns wohnen, An Gestaden voller Pracht, Wo in hohen Baumeskronen Frucht und Blüthe duftend lacht!“ „Ferne noch.“ sagt eine andre, „Liegt der einsam kleine Ort; Dahin zieht's, wohin ich wandre, Mich mit ganzer Seele fort. Wenn schon Gärten dort nicht prangen, Fluß und See nicht strahlt und schallt, Nur. von Büschen eng umfangen, Durch die Wies' ein Bächlein wallt: Meine Vaterhütt' ist dorten; Liebend rufen mir zurück Bäum' und Steine aller Orten In dem neuen altes Glück. Nur der Heimath ist gegeben Dieses Doppel-Freudenleben.“ Heimweh O Land, das mich so gastlich aufgenommen, O rebenlaubumkränzter stolzer Fluß — Kaum bin ich eurer Schwelle nah gekommen, Klingt schon mein Gruß herb wie ein Scheidegruß. Was soll dem Auge eure Schönheit frommen, Wenn diese arme Seele betteln muß? Er ist so kalt, der fremde Sonnenschein, Ich möchte, ja ich möcht' zu Hause sein. Die Schwalben seh' ich schon im stillen Flug Die Häuser — nur das meine nicht — umschweben; O warme Luft, und doch nicht warm genug, Verpflanzte Blumen zu beleben! Der Baum, der seine jungen Sprossen schlug, Was wird dem Fremdling er im Herbste geben? Vielleicht ein Kreuz und einen Todtenschrein — Mich friert, mich friert! — Ich möcht' zu Hause sein! Drang in die Ferne Vater! du glaubst es nicht, Wie mir's zum Herzen spricht, Wenn ich die Wolken seh', Oder am Strome steh'. Wolkengold, Wellengrün Ziehen so leicht und kühn, Wandernd von Ort zu Ort, Weit in die Ferne fort. Weilen und rasten nie, Eilen, als wüßten sie Irgend ein schön'res Land, Das noch kein Schiffer fand. Ach! von Gewölk und Fluth Hat auch mein junges Blut Heimlich geerbt den Drang: Stürmisch die Welt entlang! Vaterlands Felsenthal Wird mir zu eng, zu schmal, Ahnung und Wunsch und Traum Findet darin nicht Raum. Laßt mich! ich muß, ich muß Fordern den Scheidekuß. Vater und Mutter mein! Müsset nicht böse sein. Hab' euch ja herzlich lieb; Aber ein wilder Trieb Jagt mich waldein, waldaus Weit von dem Vaterhaus. Sorget nicht! Welch Geheg' Einsam durchirrt mein Weg, Monden- und Sonnenschein Leuchtet auch dort hinein. Über ein jed' Gefild Wölbt sich der blaue Schild, Den ob der ganzen Welt Schirmend der Vater hält. Ach! und, ihr Lieben! kehr' Nimmer zurück ich mehr, Denket getrost: Er fand Glücklich das schön're Land. Alte Heimath In einem dunklen Thal Lag jüngst ich träumend nieder, Da sah ich einen Strahl Von meiner Heimath wieder. Auf morgenrother Au' War Vaters Haus gelegen; Wie war der Himmel blau! Die Flur, wie reich an Segen! Wie war mein Heimathland Voll Gold und Rosenhelle! Doch bald der Traum verschwand, Schmerz trat an seine Stelle. Da irrt' ich weit hinaus In's öde Land voll Sehnen; Noch irr' ich, such' das Haus, Und find' es nicht vor Thränen. Wandervögel Ihr Wandervögel in der Luft Im Ätherglanz, im Sonnenduft, In blauen Himmelswellen, Euch grüß' ich als Gesellen! Ein Wandervogel bin ich auch, Mich trägt ein freier Lebenshauch, Und meines Sanges Gabe Ist meine liebste Habe. Im Beutel rostet mir kein Geld, Das rennt wie ich in alle Welt, Die ganze Welt durchfliegen Ist besser als verliegen. Dem blanken und dem frischen gar, Dem gönn' ich gern die Wanderjahr', Das muß mit all' dem andern Gleich wieder weiter wandern. Wo mir ein voller Becher blinkt — Den möcht' ich sehen, der mich zwingt, Daß ich das Gottgeschenke Nicht voller Freuden tränke! Beim Schopfe nimm den Augenblick! Das ist mein Spruch, das ist mein Schick. Ich hasse was da staubig, Nur an das Frische glaub' ich! Wanderschaft Das Wandern ist des Müllers Lust, Das Wandern! Das muß ein schlechter Müller sein, Dem niemals fiel das Wandern ein, Das Wandern. Vom Wasser haben wir's gelernt, Vom Wasser! Das hat nicht Rast bei Tag und Nacht, Ist stets auf Wanderschaft bedacht, Das Wasser. Das sehn wir auch den Rädern ab, Den Rädern! Die gar nicht gerne stille stehn, Die sich mein Tag nicht müde drehn, Die Räder. Die Steine selbst, so schwer sie sind, Die Steine! Sie tanzen mit den muntern Reihn Und wollen gar noch schneller sein, Die Steine. O Wandern, Wandern, meine Lust, O Wandern! Herr Meister und Frau Meisterin, Laßt mich im Frieden weiter ziehn Und wandern. Heimkehr Vor der Thüre meiner Lieben Häng' ich auf den Wanderstab, Was mich durch die Welt getrieben, Leg' ich ihr zu Füßen ab. Wanderlustige Gedanken, Die ihr flattert nah und fern, Fügt euch in die engen Schranken Ihrer treuen Arme gern! Was uns in der weiten Ferne Suchen hieß ein eitler Traum, Zeigen uns der Liebe Sterne In dem traulich kleinen Raum. Schwalben kommen hergezogen — Setzt euch, Vöglein, auf mein Dach! Habt euch müde schon geflogen, Und noch ist die Welt nicht wach; Baut in meinen Fensterräumen Eure Häuschen weich und warm! Singt mir zu in Morgenträumen Wanderlust und Wanderharm! Unter den dunkeln Linden Zurückgekehrt zum Heimathsort, Seh' endlich ich im Thale dort Die alten dunkeln Linden; Dort hat sie mich zuletzt geküßt, Hat mir noch lange nachgegrüßt; Bald werd' ich sie nun finden! Und doch ist mir das Herz so schwer, Welch' tiefe Stille rings umher! Es rauschen nur die Linden; Und aus dem süßen Blüthenduft Ein kleiner Vogel lockt und ruft, Als müßt' ich dort sie finden. Das war des Liebchens liebster Schall, Der Sang der lieben Nachtigall In einer dunkeln Linden; Das war von je ihr liebster Baum, Da träumten wir so schönen Traum, Da war sie stets zu finden! Und als ich kam dem Orte nah, Manch schwarzes Kreuz erblickt' ich da, Umrauscht von dunkeln Linden; Dazu ein Grab, noch frisch umblüht, Da sang die Nachtigall ihr Lied, — Da war mein Lieb zu finden! Bei der Rückkehr Nur wenig Jahre sind verschwunden, Seit ich die Stadt nicht wiedersah; Nun ich mich freudig heimgefunden, Wie ganz verändert stand sie da! Wie aufgewachsen aus der Erde, Hob Haus an Haus sich fremd hinan; Zu manchem einst mir lieben Herde Trat ich, ein unbekannter Mann. Und Mancher, den ich kennen sollte, Ging stumm und kalt an mir vorbei; Von Manchem, den ich grüßen wollte, Vernahm ich, daß er nicht mehr sei. Und liebe Plätze, traute Stellen, Mir heilig durch Erinnerung, Wie weggewaschen von den Wellen, Vermodert, was ich kannt' als jung. Mit frohem Herzen, leichtem Fuße War ich genaht dem lieben Ort, Und schritt mit meinem besten Gruße Jetzt, ohn' ihn anzubringen, fort. Ging fort, hinaus, wie ein Verbannter, Hinaus zum nahgeleg'nen Wald, Vielleicht, daß dort noch ein Bekannter, So dacht' ich, Gruß mit Gruß bezahlt. Und da war Alles noch geblieben, Da nichts verändert, nichts gestört, Noch Alles, so wie's einer lieben Erinn'rung ewig angehört. Die abenteuerlichen Föhren, Der Fels mit seinem Hut von Moos, Die Quelle mit den Finkenchören, Die Grotte mit dem Westgekos, Dieselben Pfade längs den Hecken, Dieselben Bäume d'rüber her, Dasselbe Flüstern, Rauschen, Necken: Ich hört', ich sah nichts Fremdes mehr. Und meinen Gruß rief ich entgegen Der theuern Sippschaft dieses Hains, Und fühlte tief den ganzen Segen Des seligsten Zuhauseseins. Marie vom Oberlande Wie sind so schon auf Helgoland Die Mädchen und die Weiber! Der rothe Rock mit gelbem Band Umschließt die schlanken Leiber. Ja, Perlen sind's von klarem Schein Im öden Dünensande: Die schonste Perle nenn' ich mein, Marie vom Oberlande! Es grünt ein Bäumlein auf dem Falm, Ein Häuslein steht darunter: Rings um die Thür wächst Busch und Halm Und rauscht allzeit so munter. Aus Rosen schaut ein Fensterlein Wohl nieder bis zum Strande: Die schönste Rose nenn' ich mein, Marie vom Oberlande! Zum grünen Wasser heißt ein Saal, Das ist ein fröhlich Klingen, Wenn bei der Sonntagslichter Strahl Die lust'gen Schiffer springen. Wie leuchtet dann der Mädchen Reih'n Im festlichen Gewande: Die schönste Dirne nenn' ich mein, Marie vom Oberlande! Vom flachen Strande stößt ein Kahn, Der Wind, die Wellen toben. Ein Fensterlein ist aufgethan, Ein Tüchlein weht von oben. Ach Gott, es muß geschieden sein, Ob wild die See auch brande: Auf Wiedersehn, Herzliebste mein, Marie vom Oberlande! Die Heimath Was ist die Heimath? Is's die Scholle, D'rauf deines Vaters Haus gebaut? Ist's jener Ort, wo du die Sonne, Das Licht der Welt, zuerst geschaut? O nein, o nein, das ist sie nimmer! Nicht ist's die Heimath, heißgeliebt. Du wirst nur da die Heimath finden, Wo's gleichgestimmte Herzen gibt! Die Heimath ist, wo man dich gerne Erscheinen, ungern wandern sieht. Sie ist's, ob auch in weiter Ferne Die Mutter sang dein Wiegenlied. Mein Lieben Wie könnt' ich dein vergessen! Ich weiß, was du mir bist, Wenn auch die Welt ihr Liebstes Und Bestes bald vergißt. Ich sing' es hell und ruf' es laut: Mein Vaterland ist meine Braut! Wie könnt' ich dein vergessen! Ich weiß, was du mir bist. Wie könnt' ich dein vergessen! Dein denk' ich allezeit; Ich bin mit dir verbunden, Mit dir in Freud' und Leid. Ich will für dich im Kampfe stehn, Und soll es sein, mit dir vergehn. Wie könnt' ich dein vergessen! Dein denk' ich allezeit. Wie könnt' ich dein vergessen! Ich weiß, was du mir bist, So lang' ein Hauch von Liebe Und Leben in mir ist. Ich suche nichts als dich allein, Als deiner Liebe werth zu sein. Wie könnt' ich dein vergessen! Ich weiß, was du mir bist. An mein Vaterland Wie fern, wie fern, o Vaterland, Bist du mir nun zurück! Dein liebes Angesicht verschwand Mir, wie mein Jugendglück! Ich steh' allein, und denk' an dich, Ich schau' in's Meer hinaus, Und meine Träume mengen sich In's nächtliche Gebraus. Und lausch' ich recht hinab zur Fluth, Ergreift mich Freude schier: Da wird so heimisch mir zu Muth, Als hört' ich was von dir. Mir ist, ich hör' im Winde gehn Dein heilig Eichenlaub, Wo die Gedanken still verwehn Den süßen Stundenraub. Im ungestümen Wogendrang Braust mir dein Felsenbach, Mit dumpfem, vorwurfsvollem Klang Ruft er dem Freunde nach. Und deiner Heerden Glockenschall Zu mir herüberzieht, Und leise der verlorne Hall Von deinem Alpenlied. Der Vogel im Gezweige singt, Wehmüthig rauscht der Hain, Und jedes Blatt am Baume klingt Und ruft: gedenke mein! — Als ich am fernen Grenzefluß Still stand auf deinem Saum, Als ich zum trüben Scheidegruß Umfing den letzten Baum, Und meine Zähre trennungsscheu In seine Rinde lief: Gelobt' ich dir die ew'ge Treu In meinem Herzen tief. Nun denk' ich dein, so sehnsuchtschwer, Wo manches Herz mir hold, Und ströme dir in's dunkle Meer Den warmen Thränensold! Die hohle Weide Der Morgenthau verstreut im Thale Sein blitzendes Geschmeide; Da richtet sich im ersten Strahle Empor am Bach die Weide. Im Nachtthau ließ sie niederhangen Ihr grünendes Gefieder, Und hebt mit Hoffnung und Verlangen Es nun im Frühroth wieder. Die Weide hat seit alten Tagen So manchem Sturm getrutzet, Ist immer wieder ausgeschlagen, So oft man sie gestutzet. Es hat sich in getrennte Glieder Ihr hohler Stamm zerklüftet, Und jedes Stämmchen hat sich wieder Mit eigner Bork' umrüstet. Sie weichen auseinander immer, Und wer sie sieht, der schwöret, Es haben diese Stämme nimmer Zu einem Stamm gehöret. Doch wie die Lüfte d'rüber rauschen, So neigen mit Geflüster Die Zweig' einander zu, und tauschen Noch Grüße wie Geschwister; Und wölben über'm hohlen Kerne Wohl gegen Sturmes Wüthen Ein Obdach, unter welchem gerne Des Liedes Tauben brüten. Soll ich, o Weide, dich beklagen, Daß du den Kern vermissest, Da jeden Frühling auszuschlagen Du dennoch nie vergissest? Du gleichest meinem Vaterlande, Dem tief in sich gespalt'nen, Von einem tiefern Lebensbande Zusammen doch gehalt'nen. Heimkehr aus Frankreich Deutsche Worte hör' ich wieder — Sei gegrüßt mit Herz und Hand! Land der Freude, Land der Lieder, Schönes heitres Vaterland! Fröhlich kehr' ich nun zurück, Deutschland, du mein Trost, mein Glück! O wie sehnt' ich mich so lange Doch nach dir, du meine Braut, Und wie ward mir freudebange, Als ich wieder dich erschaut! Weg mit wälschem Lug und Tand — Deutschland ist mein Vaterland! Alles Guten, alles Schönen Reiche, sel'ge Heimath du! Fluch den Fremden, die dich höhnen, Fluch den Feinden deiner Ruh'! Sei gegrüßt mit Herz und Hand, Deutschland, du mein Vaterland! Lied eines Verbannten Und wieder hatt' es mich getrieben Dahin, wo ich gewandert aus: Ich kehrte heim zu meinen Lieben, Froh trat ich ein in's Vaterhaus. Es zogen alte Kläng' und Lieder Beseligend durch meine Brust. Ich war in meiner Heimath wieder, Im Reiche meiner Jugendlust. Da wollt' ich unter Blüthenbäumen Die alten stillen Tag' erneu'n, Und meine Kindheit wieder träumen, Und mich wie Kinder wieder freu'n. Da wollt' ich voller Sehnsucht warten, Gelehnt auf meinen Wanderstab, Bis in dem öden Friedhofsgarten Grün würde meiner Mutter Grab. Doch nein — ich soll den Frühling sehen Nur fern vom väterlichen Haus: Ich bin verbannt — so muß ich gehen In eine fremde Welt hinaus. Die Auswanderer des Ahrthals So wollt ihr fort? O seht im Abendbrande Die ernsten Felsenstirnen mild erglühn! Schaut diesen weiten Blick in lichte Lande Vom Fels herab aus dunklem Rebengrün: Lockt euch nicht mehr des Herbstes würz'ger Segen, Der purpurn in die Tonnen niederrinnt? Nicht mehr das Lied, das rings auf schroffen Stegen Um Burgentrümmer seinen Eppich spinnt? Hält euch nicht fest des Dorfes duft'ge Linde, Die schon der Väter Lust und Liebe sah, Wo euch beim Flußgeräusch im Abendwinde Von eurem Schatz der erste Gruß geschah? Ihr wollt nicht mehr vom Wald den Maibaum bringen Und mit den Dirnen, die nach altem Brauch Am Maifest ihr erkauft, im Tanz euch schwingen? Ach, Bräuche sterben mit der Heimath auch! Und doch, was schelt' ich? Die Natur nur fehlte, Als sie einst dichtend formte diese Höh'n Und nicht die Fülle mit dem Reiz vermählte; Denn ach! dies Land, sie schuf es allzuschön! Sie gab den Geist euch in des Weines Gabe, Doch Korn und Weizen maß sie euch zu klein — Nun darbet ihr in eurer eignen Habe Und nicht für euch mehr zieht ihr euern Wein! So geht in Frieden denn, und nehmt den Segen Des Dichters, den das Vaterland noch hält! Nicht zagt mein Herz um euch! ihr tragt entgegen Gesparte Kraft dem Werk der neuen Welt. Zieh' hin, o Greis! wenn schon dein Haupt sich lichtet, Die Faust ist fest noch und von Arbeit stark; Bis du den Kindern hast ein Haus errichtet, Vertrocknet dir noch nicht im Arm das Mark. Du Rothkopf, der auf schneebedeckten Fluren So scharf die Fährte sieht beim Otterfang, Leicht witterst du im feuchten Gras die Spuren, Die dir verrathen einer Rothhaut Gang. Den Fuchs zu fangen kennst du jede Finte, Und wohl zu messen weißt du Kraut und Loth; Nicht beben wird in deiner Hand die Flinte. Wenn dort das Horn des Bisons dich bedroht. Das weiße Tuch um's braune Haar geschlagen, Mit Wangen roth, mit Augen deutsch und blau, Du munt'res Mädchen, willst den Zug auch wagen? Die weiße Haut nur hüte dir genau! Arm fährst du aus des Vaterlandes Hafen; Dort gibt dein Blut schon Adel dir und Stand; Vielleicht gebeutst du selbst noch über Sclaven An eines farb'gen Pflanzers derber Hand. Auch manche Thräne wird die Täuschung kosten! Der Hauch der Freiheit ist wie Märzluft scharf; Schwer pflanzen sich der neuen Hütte Pfosten, Und jeder wird euch nehmen, was er darf. Doch euch wird auch die neue Freiheit stärken, Ihr werdet rasch ergreifen euer Recht; An euern Kindern werdet bald ihr merken, Wie klug und stark erwächst ein frei Geschlecht! O haftet an der mütterlichen Erde, Die dort aus unerschöpftem Schooß euch speist! Seid treu dem Pflug und der geliebten Heerde, Seid treu der Heimath traulich stillem Geist! Bleibt fern von Bostons lautem Weltmarkttosen Und von des Yankee kalter Gierigkeit! Bleibt rein vom nicht'gen Hochmuth der Franzosen, Von des Creolen träger Lüsternheit! So zieht denn hin mit eurem kargen Gute, Ein Einzelkorn in jener Völkersaat, Und wenn in Zukunft aus gemischtem Blute Ein einig Volk wird, eins in Sinn und That, Dann gebt hinzu die keusche deutsche Ehre, Dann haltet fest den redlich deutschen Muth, Mit frommem Sinne pflegt des Geist's Altäre Und weckt im kalten Volk der Künste Gluth! Abschied Ade! Gott segn' euch allezeit Und geb' euch gutes Glück! Muß wandern in die Ferne weit — Ihr bleibt daheim zurück. Mein Segel schwellt der leichte Wind Und führt mich über's Meer. Ade, ade! die Thräne rinnt Und macht das Herz mir schwer. Ein Händedruck, ein feuchter Blick, Ein Gruß zum letzten Mal; Dann treibt mich fort ein fremd Geschick, Dann trennt uns Berg und Thal. Und doch, es geht der Liebe Hauch Heut' Nacht mit mir zur Ruh', Und schließt mein weinend Pilgeraug' In sanftem Schlummer zu. Der Liebe Hauch, der Liebe Wort — Ein Gruß vom deutschen Strand! Er klingt zu mir, und lächelt fort, Zurück in's Heimathland. Und wenn zur Nacht der Sterne Schein In's Meer herniederlacht, Dann schützt mich Gott, dann habt ihr mein In Lieb' und Schmerz gedacht! Die Welle klingt, das Segel schwellt Der Winde leicht Gebraus. Behüt' dich Gott, du alte Welt, Muß wandern weit hinaus! Die Lieb' ist dort, die Lieb' ist hier; Sie schlingt ein goldnes Band Von mir zu euch, von euch zu mir — Leb wohl, mein Heimathland! Fahrwohl Den letzten Becher bring' ich dir, Du schöner fremder Strand; Ach, bitter wird das Scheiden mir, Als wär's mein Heimathland. Fahrwohl, fahrwohl! Im Segel ruht Der Wind und treibt sein Spiel, Und rauschend furcht die grüne Fluth Der Barke scharfer Kiel. Die Sonne sinkt in's Inselmeer, Die Luft glüht rosenroth — Dort schimmert noch das Häuschen her, Wo sie mir Abschied bot. Wie gern, wie gern, du holdes Kind, Hätt' ich bei dir gesäumt! Umsonst, auch dieser Traum zerrinnt, Und war so schön geträumt. Das ist das Leben: Kommen, Gehn, Treiben in Wind und Fluth, Fortziehn auf Nimmerwiedersehn, Wenn kaum wir sanft geruht, Geliebt sein und vergessen sein, Selbst lieben — still! — mir däucht, Es blendet mich der Abendschein, Mir wird die Wimper feucht. Vorbei! vorbei! Die Thräne fällt; Vorbei so Lust als Schmerz! Und wieder einsam in der Welt Schlägt nun dies wilde Herz. Sei's drum! — Des Mondes erster Strahl Beglänzt das Meer in Pracht; Die Küste flieht. — Zum letzten Mal. Mein Mädchen, gute Nacht! Mein Herz ist am Rheine Mein Herz ist am Rheine, im heimischen Land! Mein Herz ist am Rhein, wo die Wiege mir stand, Wo die Jugend mir liegt, wo die Freunde mir blühn, Wo die Liebste mein denket mit wonnigem Glühn, O wie ich geschwelget in Liedern und Wein: Wo ich bin, wo ich gehe, mein Herz ist am Rhein! Dich grüß' ich, du breiter, grüngoldiger Strom, Euch Schlösser und Dörfer und Städte und Dom, Ihr goldenen Saaten im schwellenden Thal, Dich Rebengebirge im sonnigen Strahl, Euch Wälder und Schluchten, dich, Felsengestein: Wo ich bin, wo ich gehe, mein Herz ist am Rhein! Dich grüß' ich, o Leben, mit sehnender Brust, Beim Liede, beim Weine, beim Tanze die Lust! Dich grüß' ich, o theures, o wackres Geschlecht, Die Frauen so wonnig, die Männer so recht! Eu'r Streben, eu'r Leben, o mög' es gedeihn: Wo ich bin, wo ich gehe, mein Herz ist am Rhein! Mein Herz ist am Rheine, im heimischen Land! Mein Herz ist am Rhein, wo die Wiege mir stand, Wo die Jugend mir liegt, wo die Freunde mir blühn, Wo die Liebste mein denket mit wonnigem Glühn! O möget ihr immer dieselben mir sein! Wo ich bin, wo ich gehe, mein Herz ist am Rhein! Warnung vor dem Rhein An den Rhein, an den Rhein, zieh' nicht an den Rhein, Mein Sohn, ich rathe dir gut: Da geht dir das Leben zu lieblich ein, Da blüht dir zu freudig der Muth. Siehst die Mädchen so frank und die Männer so frei, Als wär' es ein adlig Geschlecht: Gleich bist du mit glühender Seele dabei: So dünkt es dich billig und recht. Und zu Schiffe, wie grüßen die Burgen so schon, Und die Stadt mit dem ewigen Dom, In den Bergen, wie klimmst du zu schwindelnden Höh'n Und blickst hinab in den Strom. Und im Strome, da tauchet die Nix aus dem Grund, Und hast du ihr Lächeln gesehn, Und sang dir die Lurlei mit bleichem Mund, Mein Sohn, so ist es geschehn: Dich bezaubert der Laut, dich bethört der Schein, Entzücken faßt dich und Graus. Nun singst du immer: „Am Rhein, am Rhein,“ Und kehrst nicht wieder nach Haus. Am Strande Auf hochgestapelte Ballen blickt Der Kaufherr mit Ergötzen; Ein armer Fischer daneben flickt Betrübt an zerriss'nen Netzen. Manch rüstig stolz bewimpelt Schiff! Manch morsches Wrack im Sande! Der Hafen hier, und dort das Riff, Jetzt Fluth, jetzt Ebb' am Strande. Hier Sonnenblick, Sturmwolken dort; Hier Schweigen, dorten Lieder, Und Heimkehr hier, dort Abschiedswort; Die Segel auf und nieder! Zwei Jungfrau'n sitzen am Meeresstrand; Die Eine weint in die Fluthen, Die Andre, mit dem Kranz in der Hand, Wirft Rosen in die Fluthen. Die Eine, trüber Wehmuth Bild, Stöhnt mit geheimem Beben: „O Meer, o Meer, so trüb' und wild, Wie gleichst du so ganz dem Leben!“ Die Andre, lichter Freude Bild, Jauchzt selig lächelnd daneben: „O Meer, o Meer, so licht und mild, Wie gleichst du so ganz dem Leben!“ Fortbraust das Meer und überklingt Das Jauchzen wie das Stöhnen; Fort wogt das Meer und, ach, verschlingt Die Rosen wie die Thränen. Andenken an Venedig Will mich auf's Neu' die Wanderlust erfassen, Und lockt mich fort der Sehnsucht süßer Laut, So zieht's mich hin zu deinen Wassergassen, Venedig, du, des Meer's verlass'ne Braut! Als damals ich am Busen dir gelegen, Und deines Herzens glüh'nden Schlag gefühlt, Da hast du mich umstrickt, daß allerwegen Dein Zauberbild in meiner Seele spielt. Da hast du mir den Liebeskuß gegeben, Wie Fee'n dem Dichter thun im Vollmondschein, Da gönntest mild du in dein treues Leben Mir einen tiefen, vollen Blick hinein. Von deinem Glanze hast du mir gesprochen, Von deiner schönen stolzen Jugendzeit Und wie, der treulos jetzt den Bund gebrochen, Der Ocean um deine Gunst gefreit. Wie er empor dich hob zum Herrscherthrone, Das Scepter führen lehrte deine Hand — Du selbst die schönste Perl' in seiner Krone, An seiner Brust der glänzendste Demant: Geflüstert hast du dann von dunklen Sünden, Von Schmach, Verrath, von Buße und von Schmerz, Und wärmer lernt' ich nur für dich empfinden, Denn reulos schlägt kein leidenschaftlich Herz! Und dann — entthront, verstoßen und verlassen, Des Gatten Platz an deiner Seite leer! — Wohl schleicht der Falsche noch durch deine Gassen, Doch tauscht den Ring der Treue ihr nicht mehr. Und dort noch siehst du seine Schätze schimmern, Die höhnend er vorbei zu Andern führt; Der Bucentaur, dein Brautbett, liegt in Trümmern, Und Fremde sind mit deinem Schmuck geziert. O wohl verstand ich deine tiefen Klagen, Die Seufzer deiner dunklen Marmorpracht, Und was es heiße, ew'gen Schmerz zu tragen, Ich hab's gelernt in jener stillen Nacht! Und ob auch Grazien noch die Stirn dir fächeln, Ob nächtlich noch ein bunt Gewand dich schmückt, — Das ist des stolzen Weibes zuckend Lächeln, Das eine schwell'nde Thränenfluth erstickt! O klage nur! O wolle nicht gesunden! Die Zähre schmückt, die dir vom Auge fällt, Und reizender mit deinen Todeswunden Bist du, als aller Lebensglanz der Welt! Strandbild Das Fischerdorf ist leer, Am Strande stehn die Frauen, Die auf's bewegte Meer Mit trüben Blicken schauen. Es war ein arger Sturm, Der sich zur Nacht erhoben, Die Leuchte auf dem Thurm Erlosch vor seinem Toben. Hier Planken an den Strand Stürmt's aus dem Fluthenreiche, Daneben ruht im Sand Wohl manche nasse Leiche. Das Meer verschlang den Rest, Froh stießen sie vom Lande, Jetzt ist's ein Todtenfest — Nur Wittwen stehn am Strande. Die Unbesungenen 'S gibt Gräber, wo die Klage schweigt, Und nur das Herz von innen blutet, Kein Tropfen in die Wimper steigt, Und doch die Lava drinnen fluthet; 's gibt Gräber, die wie Wetternacht An unserm Horizonte stehn Und alles Leben niederhalten, Und doch, wenn Abendroth erwacht, Mit ihren goldnen Flügeln wehn Wie milde Seraphimgestalten. Zu heilig sind sie für das Lied, Und mächt'ge Redner doch vor Allen, Sie nennen dir, was nimmer schied, Was nie und nimmer kann zerfallen; O, wenn dich Zweifel drückt herab, Und möchtest athmen Ätherluft, Und möchtest schauen Seraphsflügel, Dann tritt an deines Vaters Grab! Dann tritt an deines Bruders Gruft! Dann tritt an deines Kindes Hügel! Treuer Tod Der Ritter muß zum blut'gen Kampf hinaus, Für Freiheit, Ruhm und Vaterland zu streiten; Da zieht er noch vor seines Liebchens Haus, Nicht ohne Abschied will er von ihr scheiden. „O weine nicht die Äuglein roth, Als ob nicht Trost und Hoffnung bliebe! Bleib' ich doch treu bis in den Tod Dem Vaterland und meiner Liebe.“ Und als er ihr das Lebewohl gebracht, Sprengt er zurück zum Haufen der Getreuen, Er sammelt sich zu seines Kaisers Macht, Und muthig blickt er auf der Feinde Reihen: „Mich schreckt es nicht, was uns bedroht, Und wenn ich auf der Wahlstatt bliebe! Denn freudig geh' ich in den Tod Für's Vaterland und meine Liebe!“ Und furchtbar stürzt er in des Kampfes Gluth, Und Tausend fallen unter seinen Streichen, Den Sieg verdankt man seinem Heldenmuth, Doch auch den Sieger zählt man zu den Leichen. „Ström' hin, mein Blut, so purpurroth! Dich rächten meines Schwertes Hiebe; Ich hielt den Schwur, treu bis in Tod Dem Vaterland und meiner Liebe.“ An die Freiheit Freiheit, die ich meine, Die mein Herz erfüllt, Komm mit deinem Scheine, Süßes Engelsbild. Magst du nie dich zeigen Der bedrängten Welt? Führest deinen Reigen Nur am Sternenzelt. Auch bei grünen Bäumen In dem lust'gen Wald, Unter Blüthenträumen Ist dein Aufenthalt. Ach! das ist ein Leben, Wenn es weht und klingt, Wenn dein stilles Weben Wonnig uns durchdringt Wenn die Blätter rauschen Süßen Freundesgruß, Wenn wir Blicke tauschen, Liebeswort und Kuß. Aber immer weiter Nimmt das Herz den Lauf, Auf der Himmelsleiter Steigt die Sehnsucht auf. Aus den stillen Kreisen Kommt mein Hirtenkind, Will der Welt beweisen, Was es denkt und minnt. Blüht ihm doch ein Garten, Reift ihm doch ein Feld Auch in jener harten, Steinerbauten Welt. Wo sich Gottes Flamme In ein Herz gesenkt, Das am alten Stamme Treu und liebend hängt. Wo sich Männer finden, Die für Ehr' und Recht Muthig sich verbinden, Weilt ein frei Geschlecht. Hinter dunklen Wällen, Hinter eh'rnem Thor Kann das Herz noch schwellen Zu dem Licht empor. Für die Kirchenhallen, Für der Väter Gruft, Für die Liebsten fallen, Wenn die Freiheit ruft. Das ist rechtes Glühen, Frisch und rosenroth, Heldenwangen blühen Schöner auf im Tod. Wollest auf uns lenken Gottes Lieb' und Lust, Wollest gern dich senken In die deutsche Brust! Freiheit, holdes Wesen, Gläubig, kühn und zart, Hast ja lang' erlesen Dir die deutsche Art. Frühlingsathem weht entgegen Frühlingsathem weht entgegen, Blumenduft verkündet frei, Nahe sei mit reichem Segen Der geliebte holde Mai. Und ich trete bang' in's Grüne, Laue Luft lockt weit hinaus, Ängstlich flieh' ich unsre Bühne, Unser kaltes, düstres Haus. Als ich nun die feuchten Blicke Hebe, wo gerieth ich hin? Geh' ich vor — geh' ich zurücke, Weil ich auf dem Kirchhof bin? Nein, ich bleibe! Laßt mich sehen, Wie aus diesem großen Grab Zweig und Blümchen froh erstehen — Nur ein Veilchen pflück ich ab. Alle Keime, die das Leben In der Erde Tiefe barg, Durften heiter sich erheben Aus dem kalten Wintersarg. Alle Vögel singen wieder, Neu erblüht der Blumen Heer, Blatt und Gras erstehen wieder, Nur die Todten nimmermehr! Nur ihr Lebensfeuer lodert Aus dem großen Aug' nicht mehr, Ihre zarte Hülle modert, Tiefe Nacht bedeckt sie schwer. Aber, was in ihr gewaltet, Ihre Seele, ihr Gemüth, Lebt, so lange unveraltet Noch ein Geist des Guten glüht. Ja, sie lebt zum Eigenthume Mir in der Erinnerung, Ja, sie lebt in jeder Blume, In dem Laube grün und jung. Dieser Trost soll mich erlaben, Meine Hoffnung setz' ich d'rauf: Die ein Winter hat begraben, Jeder Frühling weckt sie auf. Vor dem Marmorbilde der Königin Louise Du schläfst so sanft! — Die stillen Züge hauchen Noch deines Lebens schöne Träume wieder; Der Schlummer nur senkt seine Flügel nieder, Und heil'ger Friede schließt die klaren Augen. So schlummre fort, bis deines Volkes Brüder, Wenn Flammenzeichen von den Bergen rauchen, Mit Gott versöhnt die rost'gen Schwerter brauchen, Das Leben opfernd für die höchsten Güter. Tief führt der Herr durch Nacht und durch Verderben; So wollen wir im Kampf das Heil erwerben, Daß unsre Enkel freie Männer sterben. Kommt dann der Tag der Freiheit oder Rache: Dann ruft dein Volk; dann, deutsche Frau! erwache, Ein guter Engel für die gute Sache. Abschied vom Leben Die Wunde brennt — die bleichen Lippen beben. Ich fühl's an meines Herzens matterm Schlage, Hier steh' ich an den Marken meiner Tage Gott, wie du willst! dir hab' ich mich ergeben. Viel goldne Bilder sah ich um mich schweben: Das schöne Traumbild wird zur Todtenklage. Muth! Muth! Was ich so treu im Herzen trage, Das muß ja doch dort ewig mit mir leben! Und was ich hier als Heiligthum erkannte, Wofür ich rasch und jugendlich entbrannte, Ob ich's nun Freiheit, ob ich's Liebe nannte: Als lichten Seraph seh' ich's vor mir stehen; Und wie die Sinne langsam mir vergehen, Trägt mich ein Hauch zu morgenrothen Höhen. Der todte Müller Die Sterne über'm Thale stehn, Das Mühlrad nur man höret. Zum kranken Müller muß ich gehn, Er hat den Freund begehret. Ich steig' hinab den Felsenstein, Es donnert dumpf die Mühle, Und eine Glocke tönt darein: „Die Arbeit ist am Ziele!“ In Müllers Kammer tret' ich nun: Starr liegt des Greisen Hülle, Es stockt sein Herz, die Pulse ruhn, Und draußen auch wird's stille. Die treuen Lieben weinen sehr, Still bleibt sein Herz und kühle; Die Wasser fließen wohl daher, Still aber steht die Mühle. Die Sägemühle Es fließt ein Bach im Thale Und fließet fort und fort, Und heute geht, wie ehmals, Die Sägemühle dort. Wuchs eine grüne Tanne Einst hoch am Wasser dort; Wohl wußt' ich und mein Liebchen Den heimlich stillen Ort. Die Tanne ist gefället, Sie haben sie zersägt Und d'rein mein Eins und Alles, Mein todtes Lieb, gelegt. Es fließt der Bach im Thale, Und fließet fort und fort, Und heute geht, wie ehmals, Die Sägemühle dort. Wohl in die Bretter bettet Gar mancher Eine sich: Die Mühle sägt und säget, Und immer keins für mich. Wenn deine Lieben von dir gehn Wenn deine Lieben von dir gehn, Blick' auf in deinen Thränen! Gott will, du sollst gen Himmel sehn Und dich nach oben sehnen. Und schied er durch des Todes Hand Dich von den Lieben allen, So wirst du nach dem Vaterland Nur um so leichter wallen. Ein Pilger gehst du durch die Welt, Die Heimath aufzufinden; Bricht ab der Tod ein Wanderzelt, Wird all' dein Kummer schwinden. Die letzten Thränen sind geweint, Nichts kann dich mehr betrüben, Du bist auf Ewigkeit vereint Mit allen deinen Lieben. Der Postillon Lieblich war die Maiennacht, Silberwölklein flogen, Ob der holden Frühlingspracht Freudig hingezogen. Schlummernd lagen Wies' und Hain, Jeder Pfad verlassen; Niemand als der Mondenschein Wachte auf den Straßen. Leise nur das Lüftchen sprach, Und es zog gelinder Durch das stille Schlafgemach All' der Frühlingskinder. Heimlich nur das Bächlein schlich, Denn der Blüthen Träume Dufteten gar wonniglich Durch die stillen Räume. Rauher war mein Postillon, Ließ die Geißel knallen, Über Berg und Thal davon Frisch sein Horn erschallen. Und von flinken Rossen vier Scholl der Hufe Schlagen, Die durch's blühende Revier Trabten mit Behagen. Wald und Flur im schnellen Zug Kaum gegrüßt — gemieden: Und vorbei wie Traumesflug Schwand der Dorfer Frieden. Mitten in dem Maienglück Lag ein Kirchhof innen, Der den raschen Wanderblick Hielt zu ernstem Sinnen. Hingelehnt an Bergesrand War die bleiche Mauer, Und das Kreuzbild Gottes stand Hoch in stummer Trauer. Schwager ritt auf seiner Bahn Stiller jetzt und trüber, Und die Rosse hielt er an, Sah zum Kreuz hinüber. „Halten muß hier Roß und Rad, Mag's euch nicht gefährden; Drüben liegt mein Kamerad In der kühlen Erden! Ein gar herzlieber Gesell! Herr, 's ist ewig schade! Keiner blies das Horn so hell Wie mein Kamerade! Hier ich immer halten muß, Dem dort unterm Rasen Zum getreuen Bruderkuß Sein Leiblied zu blasen!“ Und dem Kirchhof sandt' er zu Frohe Wandersänge, Daß es in die Grabesruh' Seinem Bruder dränge. Und des Hornes heller Ton Klang vom Berge wieder, Ob der todte Postillon Stimmt' in seine Lieder. — Weiter ging's durch Feld und Hag Mit verhängtem Zügel; Lang' mir noch im Ohre lag Jener Klang vom Hügel. Der Todesengel singt Der Abend kommt, der Tag entwich, Die Schatten wehn und weben; Schon wächst ein langer Schattenstrich Dir langsam über's Leben. Gemach versinkt im Dämmerschein Gebirg und Thal und Feld und Hain — Schlaf, müdes Herz, schlaf ein! Und Lust und Leid, dir wohl bekannt, Verlassen den Genossen; Und Alles, was du dein genannt, Ist wie in Duft zerflossen. Wie war der Tag voll heißer Pein, Wie nahn die Sterne mild und rein — Schlaf, müdes Herz, schlaf ein! Am Himmel flammt die letzte Gluth, Und flackert trüb' und trüber; Es haucht der Wind, es rauscht die Fluth, Und Alles ist vorüber. Die Nacht bricht wie ein Meer herein, Du wiegest auf den Wellen sein — Schlaf, müdes Herz, schlaf ein! Der blasse Engel Ich kenn' den blassen Engel nur zu gut. Auf seinen Wangen blühn die Rosen nicht; Nicht Liebesgluth, nicht frische Lebensgluth Aus seinen dunklen Augen spricht. Er sah mich an. Wohl bebt' ich einst zurück Vor seinem Aug' — mein Leben schien's zu saugen! Und doch, in seinen Augen wohnt das Glück, Der Frieden Gottes wohnt in seinen Augen. Ich kenn' den blassen Engel nur zu gut. Im Arm der Mutter lag ich einst und schlief. Mir aber war's in einem Traum zu Muth, Als ob die Mutter Hülfe rief. Der bleiche Bote Gottes beugte sich Zur Mutter nieder, ihr den Kuß zu geben, Er sprach zu mir: „Dich, Kleiner, segne ich“ Und segnend sah ich seine Hand ihn heben. Ich kenn' den blassen Engel nur zu gut. Ich dacht' an ihn an meiner Mutter Grab, Als in der Kirchhofserde sich're Hut Man meiner Mutter Leiche gab. Am Krankenlager stand der Bleiche oft; Ich sah in seiner Augen düstre Sterne. Ich hab' umsonst auf seinen Kuß gehofft, Doch seinen Segen gab der Engel gerne. Ich kenn' den blassen Engel nur zu gut. Und blieb er ferne mir auch manchen Tag, Auf meinem Haupt ein Engelsegen ruht, Der Segen, den der Bleiche sprach. O Engel, komme! Sieh, vor deinem Blick Erbeb' ich nicht; mein Leben mag er saugen! Ich weiß, in deinen Augen wohnt das Glück, Der Frieden Gottes wohnt in deinen Augen. Das Gewitter Urahne, Großmutter, Mutter und Kind In dumpfer Stube beisammen sind; Es spielet das Kind, die Mutter sich schmückt, Großmutter spinnet, Urahne gebückt Sitzt hinter dem Ofen im Pfühl — Wie wehen die Lüfte so schwül! Das Kind spricht: „Morgen ist's Feiertag, Wie will ich spielen im grünen Hag, Wie will ich springen durch Thal und Höh'n, Wie will ich pflücken viel Blumen schön; Dem Anger, dem bin ich hold!“ — Hört ihr's, wie der Donner grollt? Die Mutter spricht: „Morgen ist's Feiertag, Da halten wir Alle fröhlich Gelag, Ich selber, ich rüste mein Feierkleid; Das Leben, es hat auch Lust nach Leid, Dann scheint die Sonne wie Gold!“ — Hört ihr's, wie der Donner grollt? Großmutter spricht: „Morgen ist's Feiertag, Großmutter hat keinen Feiertag, Sie kochet das Mahl, sie spinnet das Kleid, Das Leben ist Sorg' und viel Arbeit; Wohl dem, der that, was er sollt'!“ — Hört ihr's, wie der Donner grollt? Urahne spricht: „Morgen ist's Feiertag, Am liebsten morgen ich sterben mag; Ich kann nicht singen und scherzen mehr, Ich kann nicht sorgen und schaffen schwer, Was thu' ich noch auf der Welt?“ — Seht ihr, wie der Blitz dort fällt? Sie hören's nicht, sie sehen's nicht, Es flammet die Stube wie lauter Licht: Urahne, Großmutter, Mutter und Kind Vom Strahl miteinander getroffen sind, Vier Leben endet ein Schlag — Und morgen ist's Feiertag. Die alte Waschfrau Du siehst geschäftig bei dem Linnen Die Alte dort in weißem Haar, Die rustigste der Wäscherinnen Im sechsundsiebenzigsten Jahr. So hat sie stets mit sauerm Schweiß Ihr Brot in Ehr' und Zucht gegessen, Und ausgefüllt mit treuem Fleiß Den Kreis, den Gott ihr zugemessen. Sie hat in ihren jungen Tagen Geliebt, gehofft und sich vermählt; Sie hat des Weibes Loos getragen, Die Sorgen haben nicht gefehlt; Sie hat den kranken Mann gepflegt; Sie hat drei Kinder ihm geboren; Sie hat ihn in das Grab gelegt Und Glaub' und Hoffnung nicht verloren. Da galt's die Kinder zu ernähren; Sie griff es an mit heiterm Muth, Sie zog sie auf in Zucht und Ehren, Der Fleiß, die Ordnung sind ihr Gut. Zu suchen ihren Unterhalt, Entließ sie segnend ihre Lieben, So stand sie nun allein und alt, Ihr war ihr heitrer Muth geblieben. Sie hat gespart und hat gesonnen Und Flachs gekauft und Nachts gewacht, Den Flachs zu feinem Garn gesponnen, Das Garn dem Weber hingebracht; Der hat's gewebt zu Leinewand; Die Scheere brauchte sie, die Nadel, Und nähte sich mit eigner Hand Ihr Sterbehemde sonder Tadel. Ihr Hemd, ihr Sterbehemd, sie schätzt es, Verwahrt's im Schrein am Ehrenplatz; Es ist ihr Erstes und ihr Letztes, Ihr Kleinod, ihr ersparter Schatz. Sie legt es an, des Herren Wort Am Sonntag früh sich einzuprägen, Dann legt sie's wohlgefällig fort, Bis sie darin zur Ruh' sie legen. Und ich, an meinem Abend, wollte, Ich hätte, diesem Weibe gleich, Erfüllt, was ich erfüllen sollte In meinen Grenzen und Bereich; Ich wollt', ich hätte so gewußt Am Kelch des Lebens mich zu laben. Und könnt' am Ende gleiche Lust An meinem Sterbehemde haben. Einkehr Wer durch's Lebensmeer gesucht, Und ein Gut gefunden, Flüchte sich zur stillen Bucht, Weit'rer Fahrt entbunden. Eh' erschlafft die Segel sind, Kann der Wind nicht rasten; Immer lockt der Hoffnung Wind Unversuchte Masten. Drüben, wo die goldne Frucht Reift der Hesperiden! Eh' auch du das Land gesucht, Hast du heim nicht Frieden. Nicht den Zaubergarten wirst Finden du, den fernen, Aber ihm, indem du irrst, Zu entsagen lernen. Gib dem Herzen, was es will, Laß die Welt es lehren, Daß kein Heil ihm bleibt, als still In sich einzukehren. Wer ein Leben hat gelebt, Mag sich wohl verschließen; Aus der Welt, die er begräbt, Wird sein Himmel sprießen. Der Sänger und die Fremden Ein Harfner sitzt auf moos'gen Steinen, Er läßt das Volk des Weges ziehn, Er spielt und kümmert sich um Keinen, Und Keiner kümmert sich um ihn. Zuweilen schielet wohl den Sänger Ein Waidmann oder Pflüger an, Und denkt: wer ist der Müßiggänger, Der nur zum Liede klimpern kann? Man sieht, es mag ihn Niemand hören, Er fährt, in sich versunken, fort, Als spielt' und säng' er Geisterchören, Die in der Wolke lauschen dort. Jetzt nimmt der Wind auf seinen Flügel Den Ton, der in den Lüften schwamm, Und trägt ihn über grüne Hügel In's Thal zu einem frohen Stamm. Da spielt um's Ohr der Hirtensöhne Der ferne, wunderbare Klang, Die Frauen horchen auf die Töne, Und manches pilgert nach dem Sang. Sie steigen von dem Berge nieder, Sie reih'n sich um den Mann im Kreis, Und trinken seine süßen Lieder, Indeß er nichts von ihnen weiß. Die Mütter mit den Töchtern lauschen, Sie senken hold ihr Lockenhaupt, Des Harfners Töne mächtig rauschen, Der immer noch sich einsam glaubt. Doch wie er nun sein Lied geendet, Schlägt er die Augen auf, erschrickt; Er spricht: „wer hat mir euch gesendet, Euch, die in Wolken ich erblickt?“ Und voller schlägt er in die Saiten: „Nimm an, o Muse, mein Gebet! Du trägst mein Lied in alle Weiten, Wenn es die Nähe nicht versteht! Du hütest deines Sängers Ehre, Nie bleibt um ihn die Stätte leer; Du brächtest ihm selbst über Meere Das Ohr, das ihn vernommen, her.“ Der Sänger „Was hör' ich draußen vor dem Thor, Was auf der Brücke schallen? Laß den Gesang vor unserm Ohr Im Saale wiederhallen!“ Der König sprach's, der Page lief; Der Knabe kam, der König rief: „Laßt mir herein den Alten!“ „Gegrüßet seid mir, edle Herrn, Gegrüßt ihr, schöne Damen! Welch reicher Himmel! Stern bei Stern! Wer kennet ihre Namen? Im Saal voll Pracht und Herrlichkeit Schließt, Augen, euch; hier ist nicht Zeit, Sich staunend zu ergötzen.“ Der Sänger drückt' die Augen ein Und schlug in vollen Tönen; Die Ritter schauten muthig d'rein, Und in den Schooß die Schönen. Der König, dem das Lied gefiel, Ließ ihm zum Lohne für sein Spiel Eine goldne Kette bringen. „Die goldne Kette gib mir nicht, Die Kette gib den Rittern, Vor deren kühnem Angesicht Der Feinde Lanzen splittern. Gib sie dem Kanzler, den du hast, Und laß ihn noch die goldne Last Zu andern Lasten tragen. Ich singe, wie der Vogel singt, Der in den Zweigen wohnet; Das Lied, das aus der Seele dringt, Ist Lohn, der reichlich lohnet; Doch darf ich bitten, bitt' ich eins: Laß mir den besten Becher Weins In purem Golde reichen.“ Er setzt' ihn an, er trank ihn aus: „O Trank voll süßer Labe! O dreimal hochbeglücktes Haus, Wo das ist kleine Gabe! Ergeht's euch wohl, so denkt an mich, Und danket Gott so warm, als ich Für diesen Trunk euch danke.“ Des Sängers Fluch Es stand in alten Zeiten ein Schloß, so hoch und hehr, Weit glänzt' es über die Lande bis an das blaue Meer, Und rings von duft'gen Gärten ein blüthenreicher Kranz, D'rin sprangen frische Brunnen im Regenbogenglanz. Dort saß ein stolzer König, an Land und Siegen reich, Er saß auf seinem Throne so finster und so bleich; Denn was er sinnt, ist Schrecken, und was er blickt, ist Wuth, Und was er spricht, ist Geißel, und was er schreibt, ist Blut. Einst zog nach diesem Schlosse ein edles Sängerpaar, Der Ein' in goldnen Locken, der Andre grau von Haar; Der Alte mit der Harfe, er saß auf schmuckem Roß, Es schritt ihm frisch zur Seite der blühende Genoß. Der Alte sprach zum Jungen: „Nun sei bereit, mein Sohn! Denk' unsrer tiefsten Lieder, stimm' an den vollsten Ton. Nimm alle Kraft zusammen, die Lust und auch den Schmerz! Es gilt uns heut', zu rühren des Königs steinern Herz.“ Schon stehn die beiden Sänger im hohen Säulensaal, Und auf dem Throne sitzen der König und sein Gemahl; Der König furchbar prächtig, wie blut'ger Nordlichtschein, Die Königin süß und milde, als blickte Vollmond drein. Da schlug der Greis die Saiten, er schlug sie wundervoll, Daß reicher, immer reicher der Klang zum Ohre schwoll, Dann strömte himmlisch helle des Jünglings Stimme vor, Des Alten Sang dazwischen, wie dumpfer Geisterchor. Sie singen von Lenz und Liebe, von sel'ger goldner Zeit, Von Freiheit, Männerwürde, von Treu' und Heiligkeit; Sie singen von allem Süßen, was Menschenbrust durchbebt; Sie singen von allem Hohen, was Menschenherz erhebt. Die Höflingschaar im Kreise verlernet jeden Spott; Des Königs trotz'ge Krieger, sie beugen sich vor Gott, Die Königin, zerflossen in Wehmuth und in Lust, Sie wirft den Sängern nieder die Rose von ihrer Brust. „Ihr habt mein Volk verführet, verlockt ihr nun mein Weib?“ Der König schreit es wüthend, er bebt am ganzen Leib, Er wirft sein Schwert, das blitzend des Jünglings Brust durchdringt, D'raus, statt der goldnen Lieder, ein Blutstrahl hochauf springt. Und wie vom Sturm zerstoben ist all der Hörer Schwarm, Der Jüngling hat verröchelt in seines Meisters Arm; Der schlägt um ihn den Mantel und setzt ihn auf das Roß, Er bind't ihn aufrecht feste, verläßt mit ihm das Schloß. Doch vor dem hohen Thore, da hält der Sängergreis, Da faßt er seine Harfe, sie, aller Harfen Preis; An einer Marmorsäule, da hat er sie zerschellt, Dann ruft er, daß es schaurig durch Schloß und Gärten gellt: „Weh' euch, ihr stolzen Hallen! nie töne süßer Klang Durch eure Räume wieder, nie Saite, noch Gesang, Nein! Seufzer nur und Stöhnen und scheuer Sclavenschritt, Bis euch zu Schutt und Moder der Rachegeist zertritt! Weh' euch, ihr duft'gen Gärten im holden Maienlicht! Euch zeig' ich dieses Todten entstelltes Angesicht, Daß ihr darob verdorret, daß jeder Quell versiecht, Daß ihr in künft'gen Tagen versteint, verödet liegt. Weh' dir, verruchter Mörder! du Fluch des Sängerthums! Umsonst sei all dein Ringen nach Kränzen blut'gen Ruhms! Dein Name sei vergessen, in ew'ge Nacht getaucht, Sei, wie ein letztes Röcheln, in leere Luft verhaucht!“ Der Alte hat's gerufen, der Himmel hat's gehört, Die Mauern liegen nieder, die Hallen sind zeistört. Noch eine hohe Säule zeugt von verschwund'ner Pracht; Auch diese, schon geborsten, kann stürzen über Nacht. Und rings, statt duft'ger Gärten, ein ödes Haideland, Kein Baum verstreuet Schatten, kein Quell durchdringt den Sand, Des Königs Namen meldet kein Lied, kein Heldenbuch; Versunken und vergessen! das ist des Sängers Fluch. König Erich Herr Erich, der junge Königssohn, Klein Anna liebgewann, Klein Anna mit dem goldnen Haar, Die schönste Fischermaid es war, Die je man finden kann. Für sie früh Morgens in dem Wald Er jagte Hirsch und Bär; Des Abends, wann die Sonne sank, Er fuhr mit ihr den See entlang, Zog ein die Netze schwer. „Leb wohl, mein Lieb, es rufet mich Des Vaters streng Gebot; Doch bleib' ich treu dir immerdar!“ Er kehrte zurück das and're Jahr, Schön Anna, die war todt. — Der alte König sank in's Grab, Herr Erich empfing die Kron'. — Herr Erich, es ist die höchste Zeit, Laß ab von Liebesgram und Leid, Jetzt gilt es Volk und Thron! Herr Erich ließ vom Liebesgram, Sein Reich er treu bewacht': Im Frieden hielt er weisen Rath, Zu Meer und Land gekämpfet hat Der Held manch' heiße Schlacht. Und als er hoch zu Jahren kam, Und wohlbestellt sein Haus, Da segnet' er sein glücklich Land, Nahm wieder Speer und Netz zur Hand Und fuhr zum See hinaus. Von keinem Menschen mehr gesehn, Dort weilt' er ganz allein In seiner Liebsten ödem Haus; Die Stürme wehten ein und aus, Ihn dünkt's wie einst zu sein. Früh Morgens zog er in den Wald, Zu jagen Hirsch und Bär; Des Abends, wann die Sonne sank, Er Netze warf den See entlang, Als ob's für Anna wär'. So harrt der greise König dort — Sein Herz der Liebe voll, Sein Haupt von Silberhaar umwallt, — Des Tages, der ihn nun so bald Mit ihr vereinen soll. Und wie er einst im Schlummer ruht, Ein Traum ihn selig macht: Schön Anna, in der Engel Chor, Sie öffnet ihm des Himmels Thor, — Dort ist er aufgewacht. Der versenkte Hort Es war einmal ein König, Ein König war's am Rhein, Der liebte nichts so wenig Als Haders Noth und Pein. Es stritten seine Degen Um einen Schatz im Land Und wären fast erlegen Vor ihrer eignen Hand. Da sprach er zu den Edeln: Was frommt euch alles Gold, Wenn ihr mit euren Schädeln Den Hort erkaufen sollt? Ein Ende sei der Plage, Versenkt ihn in den Rhein; Da bis zum jüngsten Tage Mag er verborgen sein. Da senkten ihn die Stolzen Hinunter in die Fluth: Er ist wohl gar geschmolzen, Seitdem er da geruht. Zerronnen in den Wellen Des Stroms, der d'rüber rollt, Läßt er die Trauben schwellen Und glänzen gleich dem Gold. Daß doch ein Jeder dächte Wie dieser König gut, Auf daß kein Leid ihn brächte Um seinen hohen Muth. So senkten wir hinunter Den Kummer in den Rhein Und tränken frisch und munter Von seinem goldnen Wein. Der König in Thule Es war ein König in Thule Gar treu bis an das Grab, Dem sterbend seine Buhle Einen goldnen Becher gab. Es ging ihm nichts darüber, Er leert' ihn jeden Schmaus; Die Augen gingen ihm über, So oft er trank daraus. Und als er kam zu sterben, Zählt' er seine Städt' im Reich, Gönnt' alles seinem Erben, Den Becher nicht zugleich. Er saß beim Königsmahle, Die Ritter um ihn her, Auf hohem Vätersaale Dort auf dem Schloß am Meer. Dort stand der alte Zecher, Trank letzte Lebensgluth, Und warf den heil'gen Becher Hinunter in die Fluth. Er sah ihn stürzen, trinken Und sinken in das Meer. Die Augen thäten ihm sinken; Trank nie einen Tropfen mehr. Der junge König und die Schäferin I. In dieser Maienwonne, Hier auf dem grünen Plan, Hier unter der goldnen Sonne, Was heb' ich zu singen an? Wohl blaue Wellen gleiten, Wohl goldne Wolken ziehn, Wohl schmucke Reiter reiten Das Wiesenthal dahin. Wohl lichte Bäume wehen, Wohl klare Blumen blühn, Wohl Schäferinnen stehen Umher in Thalesgrün. Herr Goldmar ritt mit Freuden Vor seinem stolzen Zug, Einen rothen Mantel seiden, Eine goldne Kron' er trug. Da sprang vom Roß geschwinde Der König wohlgethan, Er band es an eine Linde, Ließ ziehn die Schaar voran. Es war ein frischer Bronne Dort in den Büschen kühl; Da sangen die Vögel mit Wonne, Der Blümlein glänzten viel. Warum sie sangen so helle? Warum sie glänzten so baß? Weil an dem kühlen Quelle Die schönste Schäferin saß. Herr Goldmar geht durch Hecken, Er rauschet durch das Grün; Die Lämmer d'rob erschrecken, Zur Schäferin sie fliehn. „Willkommen, gottwillkommen, Du wunderschöne Maid! Wärst du zu Schreck gekommen, Mir wär' es herzlich leid.“ „Bin wahrlich nicht erblichen, Als ich dir schwören mag; Ich meint', es hab' durchstrichen Ein loser Vogel den Hag.“ „Ach! wolltest du mich erquicken Aus deiner Flasche hier, Ich würd' es in's Herz mir drücken Als die großte Huld von dir!“ „Meine Flasche magst du haben, Noch Keinem macht' ich's schwer, Will Jeden daraus laben, Und wenn es ein Konig wär'.“ Zu schöpfen sie sich bücket, Aus der Flasch' ihn trinken läßt; Gar zärtlich er sie anblicket, Doch hält sie die Flasche fest. Er spricht, von Lieb' bezwungen: „Wie bist du so holder Art! Als wärest du erst entsprungen Mit den andern Blumen zart. Und bist doch mit Würd' umfangen, Und strahlest doch Adel aus, Als wärest hervorgegangen Aus eines Königs Haus.“ „Frag' meinen Vater, den Schäfer: Ob er ein König was? Frag' meine Mutter, die Schäf'rin: Ob sie auf dem Throne saß?“ Seinen Mantel legt' er der Holden Um ihren Nacken klar, Er setzet die Krone golden In ihr nußbraunes Haar. Gar stolz die Schäferin blicket, Sie ruft mit hohem Schall: „Ihr Blumen und Bäume, bücket, Ihr Lämmer, neigt euch all'!“ Und als den Schmuck sie wieder Ihm beut mit lachendem Mund, Da wirft er die Krone nieder In des Bronnen klaren Grund. „Die Kron' ich dir vertraue, Ein herzlich Liebespfand, Bis ich dich wiederschaue Nach manchem harten Stand. Ein König liegt gebunden Schon sechzehn lange Jahr', Sein Land ist überwunden Von böser Feinde Schaar. Ich will sein Land erretten Mit meinen Rittern traut, Ich will ihm brechen die Ketten, Daß er den Frühling schaut. Ich ziehe zum ersten Kriege, Mir werden die Tage schwül. Sprich! labst du mich nach dem Siege Hier aus dem Brunnen kühl?“ „Ich will dir schöpfen und langen Soviel der Bronne vermag, Auch sollst du die Kron' empfangen So blank, wie an diesem Tag.“ Der erste Sang ist gesungen, So folget gleich der letzt'; Ein Vogel hat sich geschwungen, Laßt sehen, wo er sich setzt! II. Nun soll ich sagen und singen Von Trommeten und Schwerterklang, Und hör' doch Schalmeien klingen, Und höre der Lerchen Gesang. Nun soll ich singen und sagen Von Leichen und von Tod, Und seh' doch die Bäum' ausschlagen Und sprießen die Blümlein roth. Nur von Goldmar will ich melden, Ihr hättet es nicht gedacht: Er war der erste der Helden, Wie bei Frauen, so in der Schlacht. Er gewann die Burg im Sturme, Steckt auf sein Siegspanier; Da stieg aus tiefem Thurme Der alte König herfür. „O Sonn'! o ihr Berge drüben! O Feld und o grüner Wald! Wie seid ihr so jung geblieben, Und ich bin worden so alt!“ Mit reichem Glanz und Schalle Das Siegesfest begann; Doch wer nicht saß in der Halle, Das nicht beschreiben kann. Und wär' ich auch gesessen Dort in der Gäste Reih'n, Doch hätt' ich das And're vergessen Ob all dem edeln Wein. Da thät zu Goldmar sprechen Der königliche Greis: „Ich geb' ein Lanzenbrechen, Was setz' ich euch zum Preis?“ „Herr König, hochgeboren, So setzet uns zum Preis, Statt goldner Helm' und Sporen, Einen Stab und ein Lämmlein weiß!“ Und was sonst Schäfer laufen In die Wett' im Blumengefild, D'rum sah man die Ritterhaufen Sich tummeln mit Lanz' und Schild. Da warf die Ritter alle Herr Goldmar in den Kreis; Er empfing bei Trommetenschalle Einen Stab und ein Lämmlein weiß. Und wieder begann zu sprechen Der königliche Greis: „Ich geb' ein neues Stechen Und setz' einen hohern Preis. Wohl setz' ich euch zum Lohne Nicht eitel Spiel und Tand, Ich setz' euch meine Krone Aus der schönsten Königin Hand.“ Wie glühten da die Gäste Beim hohen Trommetenschall! Wollt' jeder thun das Beste, Herr Goldmar warf sie all'. Der Konig stand im Gaden Mit Frauen und mit Herrn, Er ließ Herrn Goldmar laden, Der Ritter Blum' und Stern. Da kam der Held im Streite, Den Schäferstab in der Hand, Das Lämmlein weiß zur Seite An rosenrothem Band. Der König sprach: „Ich lohne Dir nicht mit Spiel und Tand, Ich gebe dir meine Krone Aus der schönsten Königin Hand.“ Er sprach's und schlug zurücke Den Schleier der Königin. Herr Goldmar mit keinem Blicke Wollt' sehen nach ihr hin. „Keine Königin soll mich gewinnen Und keiner Krone Strahl, Ich trachte mit allen Sinnen Nach der Schäferin im Thal. Ich will zum Gruß ihr bieten Das Lämmlein und den Stab. So mög' euch Gott behüten! Ich zieh' in's Thal hinab.“ Da rief eine Stimme so helle, Und ihm ward mit einem Mal, Als sängen die Vogel am Quelle, Als glänzten die Blumen im Thal. Die Augen thät er heben, Die Schäferin vor ihm stand, Mit reichem Geschmeid umgeben, Die blanke Kron' in der Hand. „Willkommen, du viel Schlimmer, In meines Vaters Haus! Sprich! willst du ziehn noch immer In's grüne Thal hinaus? So nimm doch zuvor die Krone, Die du mir ließest zum Pfand! Mit Wucher ich dir lohne, Sie herrscht nun über zwei Land'.“ Nicht länger blieben sie stehen, Das Eine vom Andern fern. Was weiter nun geschehen, Das wüßtet ihr wohl gern? Und wollt' es ein Mädchen wissen, Dem thät' ich's plötzlich kund, Dürft' ich sie umfahn und küssen Auf den rosenrothen Mund. Der Rosenkranz In des Maies holden Tagen, An der Aue Blumenglanz, Edle Knappen fechten, jagen Um den werthen Rosenkranz. Wollen nicht mit leichtem Finger Blumen pflücken auf dem Plan, Wollen sie, als wackre Ringer, Aus der Jungfrau Hand empfahn. In der Laube sitzt die Stille, Die mit Staunen Jeder sieht, Die in solcher Jugendfülle Heut' zum ersten Male blüht. Volle Rosenzweig' umwanken, Als ein Schattenhut, ihr Haupt; Reben mit den Blüthenranken Halten ihren Leib umlaubt. Sieh! im Eisenkleid ein Reiter Zieht auf krankem Roß daher, Senkt die Lanz', als müder Streiter, Neigt das Haupt, wie schlummerschwer. Dürre Wangen, graue Locken; Seiner Hand entfiel der Zaum. Plötzlich fährt er auf, erschrocken, Wie erwacht aus bangem Traum. „Seid gegrüßt auf diesen Auen, Schönste Jungfrau'n, edle Herrn! Dürfet nicht ob mir ergrauen, Eure Spiele schau' ich gern. Gerne möcht' ich für mein Leben Mit euch brechen einen Speer, Aber meine Arme beben, Meine Kniee wanken sehr. Kenne solche Zeitvertreibe, Bin bei Lanz' und Schwert ergraut, Panzer liegt mir noch am Leibe, Wie dem Drachen seine Haut. Auf dem Lande Kampf und Wunden, Auf dem Meere Wog' und Sturm; Ruhe hab' ich nie gefunden, Als ein Jahr im finstern Thurm. Weh! verlorne Tag' und Nächte! Minne hat mich nie beglückt; Nie hat dich, du rauhe Rechte, Weiche Frauenhand gedrückt. Denn noch war dem Erdenthale Jene Blumenjungfrau fern, Die mir heut' zum ersten Male Aufgeht, als ein neuer Stern. Wehe! könnt' ich mich verjüngen! Lernen wollt' ich Saitenkunst, Minnelieder wollt' ich singen, Werbend um der Süßen Gunst. In des Maien holden Tagen, In der Aue Blumenglanz, Wollt' ich freudig fechten, jagen Um den werthen Rosenkranz. Weh! zu früh bin ich geboren! Erst beginnt die goldne Zeit. Zorn und Neid hat sich verloren, Frühling ewig sich erneut. Sie, in ihrer Rosenlaube, Wird des Reiches Herrin sein. Ich muß hin zu Nacht und Staube, Auf mich fällt der Leichenstein!“ Als der Alte dies gesprochen, Er die bleichen Lippen schloß, Seine Augen sind gebrochen, Sinken will er von dem Roß. Doch die edlen Knappen eilen, Legen ihn in's Grüne hin; Ach! kein Balsam kann ihn heilen, Keine Stimme wecket ihn. Und die Jungfrau niedersteiget Aus der Blumenlaube Glanz; Traurig sich zum Greise neiget, Setzt ihm auf den Rosenkranz; „Sei des Maienfestes König! Keiner hat, was du, gethan. Ob es gleich dir frommet wenig, Blumenkranz dem todten Mann.“ Schön Hedwig Im Kreise der Vasallen sitzt Der Ritter, jung und kühn; Sein dunkles Feuerauge blitzt, Als wollt' er ziehn zum Kampfe, Und seine Wangen glühn. Ein zartes Mägdlein tritt heran Und füllt ihm den Pokal. Zurück mit Lächeln tritt sie dann, Da fällt auf ihre Stirne Der klarste Morgenstrahl. Der Ritter aber faßt sie schnell Bei ihrer weißen Hand. Ihr blaues Auge,frisch und hell, Sie schlägt es erst zu Boden, Dann hebt sie's unverwandt. „Schön Hedwig, die du vor mir stehst, Drei Dinge sag' mir frei: Woher du kommst, wohin du gehst, Warum du stets mir folgest; Das sind der Dinge drei!“ „Woher ich komm'? Ich komm' von Gott, So hat man mir gesagt, Als ich, verfolgt von Hohn und Spott, Nach Vater und nach Mutter Mit Thränen einst gefragt. Wohin ich geh'? Nichts treibt mich fort, Die Welt ist gar zu weit. Was tauscht' ich eitel Ort um Ort? Sie ist ja allenthalben Voll Lust und Herrlichkeit. Warum ich folg', wohin du winkst? Ei, sprich, wie könnt' ich ruhn? Ich schenk' den Wein dir, den du trinkst, Ich bat dich d'rum auf Knieen Und möcht' es ewig thun!“ „So frage ich, du blondes Kind, Noch um ein Viertes dich; Dies Letzte sag' mir an geschwind, Dann frag' ich dich nicht weiter, Sag', Mägdlein, liebst du mich?“ Im Anfang steht sie starr und stumm, Dann schaut sie langsam sich Im Kreis der ernsten Gäste um, Und faltet ihre Hände Und spricht „Ich liebe dich! Nun aber weiß ich auch, wohin Ich gehen muß von hier; Wohl ist's mir klar in meinem Sinn: Nachdem ich dies gestanden, Ziemt nur der Schleier mir!“ „Und wenn du sagst, du kommst von Gott, So fühl' ich, das ist wahr. D'rum führ' ich auch, trotz Hohn und Spott, Als seine liebste Tochter Noch heut' dich zum Altar. Ihr edlen Herrn, ich lud verblümt Zu einem Fest euch ein; Ihr Ritter stolz und hoch gerühmt, So folgt mir zur Kapelle, Es soll mein schönstes sein.“ Das Grab im Busento Nächtlich am Busento lispeln bei Cosenza dumpfe Lieder, Aus den Wassern schallt es Antwort, und in Wirbeln klingt es wieder! Und den Fluß hinauf, hinunter ziehn die Schatten tapfrer Gothen, Die den Alarich beweinen, ihren Volkes besten Todten. Allzufrüh und fern der Heimath, mußten hier sie ihn begraben, Während noch die Jugendlocken seine Schulter blond umgaben. Und am Ufer des Busento reihten sie sich um die Wette, Um die Strömung abzuleiten, gruben sie ein frisches Bette. In der wogenleeren Höhlung wühlten sie empor die Erde, Senkten tief hinein den Leichnam, mit der Rüstung, auf dem Pferde. Deckten dann mit Erde wieder ihn und seine stolze Habe, Daß die hohen Stromgewächse wüchsen aus dem Heldengrabe. Abgelenkt zum zweiten Male, ward der Fluß herbeigezogen: Mächtig in ihr altes Bette schäumten die Busentowogen. Und es sang ein Chor von Männern: Schlaf in deinen Heldenehren! Keines Römers schnöde Habsucht soll dir je das Grab versehren! Sangen's, und die Lobgesänge tönten fort im Gothenheere; Wälze sie, Busentowelle, wälze sie von Meer zu Meere! Die nächtliche Heerschau Nachts um die zwölfte Stunde Verläßt der Tambour sein Grab, Macht mit der Trommel die Runde, Geht emsig auf und ab. Mit seinen entfleischten Armen Rührt er die Schlägel zugleich, Schlägt manchen guten Wirbel, Reveill' und Zapfenstreich. Die Trommel klinget seltsam, Hat gar einen starken Ton; Die alten todten Soldaten Erwachen im Grab davon. Und die im tiefen Norden Erstarrt in Schnee und Eis, Und die in Welschland liegen, Wo ihnen die Erde zu heiß; Und die der Nilschlamm decket Und der arabische Sand, Sie steigen aus ihren Gräbern, Sie nehmen 's Gewehr zur Hand. Und um die zwölfte Stunde Verläßt der Trompeter sein Grab, Und schmettert in die Trompete, Und reitet auf und ab. Da kommen auf luftigen Pferden Die todten Reiter herbei, Die blutigen alten Schwadronen In Waffen mancherlei. Es grinsen die weißen Schädel Wohl unter dem Helm hervor, Es halten die Knochenhände Die langen Schwerter empor. Und um die zwölfte Stunde Verläßt der Feldherr sein Grab, Kommt langsam hergeritten, Umgeben von seinem Stab. Er trägt ein kleines Hütchen, Er trägt ein einfach Kleid, Und einen kleinen Degen Trägt er an seiner Seit'. Der Mond mit gelbem Lichte Erhellt den weiten Plan: Der Mann im kleinen Hütchen Sieht sich die Truppen an. Die Reihen präsentiren Und schultern das Gewehr, Dann zieht mit klingendem Spiele Vorüber das ganze Heer. Die Marschäll' und Generale Schließen um ihn einen Kreis: Der Feldherr sagt dem Nächsten In's Ohr ein Wörtlein leis. Das Wort geht in die Runde, Klingt wieder fern und nah': „Frankreich“ ist die Parole, Die Losung: „Sankt Helena!“ Dies ist die große Parade Im elyseischen Feld, Die um die zwölfte Stunde Der todte Cäsar hält. Die Grenadiere Nach Frankreich zogen zwei Grenadier', Die waren in Rußland gefangen. Und als sie kamen in's deutsche Quartier, Sie ließen die Köpfe hangen. Da hörten sie Beide die traurige Mär: Daß Frankreich verloren gegangen, Besiegt und zerschlagen das große Heer, Und der Kaiser, der Kaiser gefangen. Da weinten zusammen die Grenadier' Wohl ob der kläglichen Kunde. Der Eine sprach: „Wie weh wird mir, Wie brennt meine alte Wunde!“ Der Andere sprach: „Das Lied ist aus, Auch ich möcht' mit dir sterben, Doch hab' ich Weib und Kind zu Haus, Die ohne mich verderben.“ „Was schert mich Weib, was schert mich Kind, Ich trage weit bess'res Verlangen; Laß sie betteln gehn, wenn sie hungrig sind, Mein Kaiser, mein Kaiser gefangen! Gewähr' mir, Bruder, eine Bitt': Wenn ich jetzt sterben werde, So nimm meine Leiche nach Frankreich mit, Begrab mich in Frankreichs Erde. Das Ehrenkreuz am rothen Band Sollst du auf's Herz mir legen; Die Flinte gib mir in die Hand, Und gürt' mir um den Degen. So will ich liegen und horchen still, Wie eine Schildwach', im Grabe, Bis einst ich höre Kanonengebrüll Und wiehernder Rosse Getrabe. Dann reitet mein Kaiser wohl über mein Grab, Viel Schwerter klirren und blitzen; Dann steig' ich gewaffnet hervor aus dem Grab, Den Kaiser, den Kaiser zu schützen.“ Der Deserteur Auf der Hauptwacht sitzt geschlossen Des Gebirges schlanker Sohn, Morgen frühe wird erschossen, Der drei Mal der Fahn' entflohn. Heute gönnten mit Erbarmen Sie ihm Wein und Prasserkost; Doch in seiner Mutter Armen Gibt und nimmt er letzten Trost: „Mutter, seht, die närr'schen Leute Heischten Treu' und Eid mir ab, Die ich doch, und nicht erst heute, Meiner lieben Sennin gab! Soll mein Blut dem Fürsten geben, Mag wohl sein ein guter Mann; Doch er fordre nicht mein Leben! Was blieb' euch, o Mutter, dann? Eures Hauptes Silberflocken, Acker schirmen, Hof und Haus, Und der Liebsten goldne Locken, Füllt's nicht schon mein Leben aus? Hoch von langen Stangen wallten Fetzen Tuchs, d'rauf sie recht fein Ein geflügelt Raubthier malten; Und da sollt' ich hinterdrein! Dem Gevögel Adlern, Geiern, War ich doch mein Lebtag gram; Schoß manch einen, der zu euern Und der Liebsten Heerden kam! Über eine blanke Schachtel Spannten sie ein Eselsfell: Welch' Gedröhn, statt Lerch' und Wachtel, Die im Korn einst schlugen hell! Trommellärm trieb mich von dannen, Alphorn trieb mich zu den Höh'n, Wo die grünen, duft'gen Tannen, Meine ächten Fahnen, wehn! Unserm Küster lauscht' ich lieber Mit dem tapfern Fiedelstrich, Während vom Gebirg herüber Süßrer Klang mein Ohr beschlich! In zweifarbig Tuch geschlagen, Knebelten mich Spang' und Knopf; Einen Höcker sollt' ich tragen Und als Hut solch schwarzen Topf! Besser läßt, das sieht doch Jeder, Mir der grüne Schützenrock, Auf dem Hut die Schildhahnfeder, Stutzen auch und Alpenstock! Wachtstehn sollt' ich Nachts vor Zelten! Lullt mein Wachen sie in Ruh'? Legt der Herr den mir geschmälten Schlummer wohl dem ihren zu? Besser als durch mich geborgen Stellt' in Himmels Schutz ich sie; Und vor Liebchens Haus am Morgen Stand als Ehrenwacht ich früh. Morgen, wenn die Schüsse schüttern, Mutter, denkt, daß fern von euch Im Gebirg bei Hochgewittern Mich erschlug ein Wetterstreich! Besser will mir's so behagen! Kann doch auf den Lippen treu Euren, ihren Namen tragen, Wie der blüh'ndsten Rosen zwei!“ Und der Morgen stieg zur Erde! Unter laub'gem Blüthenbaum Ruht die Sennin; ihre Heerde Weidet rings am Bergessaum. Horch! im Thalgrund Büchsenknalle, Daß, aus seinem Morgentraum Aufgeschreckt vom rauhen Halle, Bang und zitternd lauscht der Baum! Daß ihm's aus der Krone rüttelt Blüthenflocken taumelnd hin, Tropfen Thau's, wie Thränen, schüttelt Auf das Haupt der Sennerin! Und entsunken sind zur Stunde, In dem Thale grün und frei, Einem rothen Jünglingsmunde Wohl der blüh'ndsten Rosen zwei. Der gute Kamerad Ich hatt' einen Kameraden, Einen bessern find'st du nit. Die Trommel schlug zum Streite, Er ging an meiner Seite In gleichem Schritt und Tritt. Eine Kugel kam geflogen, Gilt's mir, oder gilt es dir? Ihn hat es weggerissen, Er liegt mir vor den Füßen, Als wär's ein Stück von mir. Will mir die Hand noch reichen, Derweil ich eben lad'. Kann dir die Hand nicht geben, Bleib du im ew'gen Leben Mein guter Kamerad! Reiters Morgengesang Morgenroth, Leuchtest mir zum frühen Tod? Bald wird die Trompete blasen, Dann muß ich mein Leben lassen, Ich und mancher Kamerad. Kaum gedacht, War der Lust ein End' gemacht. Gestern noch auf stolzen Rossen, Heute durch die Brust geschossen, Morgen in das kühle Grab! Ach, wie bald Schwindet Schönheit und Gestalt! Thust du stolz mit deinen Wangen, Die wie Milch und Purpur prangen? Ach! die Rosen welken all'! Darum still, Füg' ich mich, wie Gott es will. Nun, so will ich wacker streiten, Und sollt' ich den Tod erleiden: Stirbt ein braver Reitersmann. Der todte Soldat Auf ferner fremder Aue Da liegt ein todter Soldat, Ein ungezählter, vergess'ner, Wie brav er gekämpft auch hat. Es reiten viel Generale Mit Kreuzen an ihm vorbei; Denkt keiner, daß, der da lieget, Auch werth eines Kreuzleins sei. Es ist um manchen Gefall'nen Viel Frag' und Jammer dort, Doch für den armen Soldaten Gibt's weder Thräne noch Wort. Doch ferne, wo er zu Hause, Da sitzt, beim Abendroth, Ein Vater voll banger Ahnung Und sagt: „Gewiß, er ist todt!“ Da sitzt eine weinende Mutter, Und schluchzet laut: „Gott helf'! Er hat sich angemeldet: Die Uhr blieb stehn um Elf!“ Da starrt ein blasses Mädchen Hinaus in's Dämmerlicht: „Und ist er dahin und gestorben, Meinem Herzen stirbt er nicht!“ Drei Augenpaare schicken, So heiß ein Herz nur kann, Für den armen todten Soldaten Ihre Thränen zum Himmel hinan. Und der Himmel nimmt die Thränen In einem Wölkchen auf, Und trägt es zur fernen Aue Hinüber im raschen Lauf; Und gießt aus der Wolke die Thräne Auf's Haupt des Todten als Thau, Daß er unbeweint nicht liege Auf ferner fremder Au'. Schwerting der Sachsenherzog Der Schwerting, Sachsenherzog, der saß bei Festesmahl, Da schäumten Weine perlend in eisernem Pokal, Da rauchten Speisen köstlich in eisernem Geschirr, Da war von Eisenpanzern ein wild und rauh Geklirr. Der Dänenkönig Frotho genüber Schwerting saß, Mit staunender Geberde die Eisenketten maß, So diesem niederhingen von Hals und Brust und Hand, Und dann die Eisenspangen am schwarzen Trau'rgewand. „Sagt an, was soll das deuten? Herr Bruder, gebt mir kund, Warum ihr mich geladen zu solcher Tafelrund'? Als ich herabgezogen aus meinem Dänenland, Da hofft' ich euch zu finden in güldenem Gewand.“ „Herr König, Gold dem Freien, und Eisen für den Knecht! Das ist der Sachsen Sitte, und so allein ist's recht. Ihr habt in Eisenbande der Sachsen Arm gezwängt, Wär' eure Kette gülden, sie wäre längst zersprengt. Doch, mein' ich, gibts noch Mittel, zu lösen solches Erz, Ein biedrer Sinn und Glaube, ein hoch und muthig Herz, Das muß den Arm befreien, gefesselt hundertfach, Das muß den Eidschwur löschen, und tilgen niedre Schmach!“ Als so der Fürst gesprochen, da traten in den Saal Zwölf schwarze Sachsenritter, mit Fackeln allzumal, Die harrten stumm und ruhig auf Schwertings leises Wort, Und sprangen dann in Eile, die Brände schwingend, fort. Nicht lang', da scholl von unten zu Herrn und Gastes Ohr Ein Knistern und ein Prasseln von Feuerswuth empor; Nicht lang', da ward's im Saale gar schwül und sommerheiß, Und: „'s ist die Stund gekommen,“ sprach dumpf der ganze Kreis. Der König will entfliehen, der Herzog hält ihn stark: „Halt, steh' und laß erproben dein ritterliches Mark! Hält es dem rauhen Gegner, der unten prasselt, Stand, Dein sei die Sachsenkrone, dein sei das Sachsenland!“ Und heißer, immer heißer wird's in der weiten Hall', Und lauter, immer lauter erdröhnt der Balken Fall, Und heller, immer heller wird rings der rothe Schein, Die Thüre sinkt in Trümmer, die Lohe schießt herein. Da knieen betend nieder die wackern Rittersleut': „Herr, sei den Seelen gnädig, die selber sich befreit!“ Der Herzog doch sieht ruhig der Flamme Windeslauf, Der König sinkt zu Boden, er reißt ihn wüthend auf. „Schau' hin, du stolzer Sieger, erzittre, feiges Herz! So löst man Eisenbande, so schmilzt dein mächtig Erz!“ Er ruft's und ihn erfasset der Flamme wild Gesaus, Und nieder stürzen Alle, und nieder stürzt das Haus. Columbus „Was willst du, Fernando, so trüb' und bleich? Du bringst mir traurige Mär!“ „Ach, edler Feldherr, bereitet euch! Nicht länger bezähm' ich das Heer! Wenn jetzt nicht die Küste sich zeigen will, So seid ihr ein Opfer der Wuth! Sie fordern laut wie Sturmgebrüll Des Feldherrn heiliges Blut.“ Und eh' noch dem Ritter das Wort entflohn, Da drängte die Menge sich nach, Da stürmten die Krieger, die wüthenden, schon Gleich Wogen in's stille Gemach, Verzweiflung im wilden, verlöschenden Blick, Auf bleichen Gesichtern der Tod: „Verräther! wo ist nun dein gleißendes Glück? Jetzt rett' uns vom Gipfel der Noth! Du gibst uns nicht Speise, so gib uns dein Blut!“ „Blut!“ rief das entzügelte Heer. Sanft stellte der Große den Felsenmuth Entgegen dem stürmenden Meer. „Befriedigt mein Blut euch, so nehmt es und lebt! Doch bis noch ein einziges Mal Die Sonne dem feurigen Osten entschwebt, Vergönnt mir den segnenden Strahl! Beleuchtet der Morgen kein rettend Gestad', So biet' ich dem Tode mich gern; Bis dahin verfolgt noch den muthigen Pfad, Und trauet der Hülfe des Herrn!“ Die Würde des Helden, sein ruhiger Blick Besiegte noch einmal die Wuth. Sie wichen vom Haupte des Führers zurück Und schonten sein heiliges Blut. „Wohlan denn, es sei noch! Doch hebt sich der Strahl Und zeigt uns kein rettendes Land, So siehst du die Sonne zum letzten Mal! So zittre der strafenden Hand!“ Geschlossen war also der eiserne Bund; Die Schrecklichen kehrten zurück. — Es thue der leuchtende Morgen nun kund Des duldenden Helden Geschick! Die Sonne sank, der Tag entwich, Des Helden Brust ward schwer, Der Kiel durchrauschte schauerlich Das weite wüste Meer. Die Sterne zogen still herauf, Doch ach, kein Hoffnungsstern! Und von des Schiffes ödem Lauf Blieb Land und Rettung fern. Vom Trost des süßen Schlafs verbannt, Die Brust voll Gram, durchwacht, Nach Westen blickend unverwandt, Der Held die düstre Nacht. „Nach Westen, o nach Westen hin Beflügle dich, mein Kiel! Dich grüßt noch sterbend Herz und Sinn, Du meiner Sehnsucht Ziel! Doch mild, o Gott, von Himmelshöh'n Blick' auf mein Volk herab! Laß nicht sie trostlos untergehn Im wüsten Fluthengrab!“ Es sprach's der Held, von Mitleid weich; Da horch! welch eiliger Tritt? „Noch ein Mal, Fernando, so trüb' und bleich? Was bringt dein bebender Schritt?“ „Ach, edler Feldherr, es ist geschehn! Jetzt hebt sich der östliche Strahl!“ „Sei ruhig, mein Lieber! von himmlischen Höh'n Entwand sich der leuchtende Strahl. Es waltet die Allmacht von Pol zu Pol; Mir lenkt sie zum Tode die Bahn.“ „Leb' wohl denn, mein Feldherr! leb' ewig wohl! Ich höre die Schrecklichen nah'n!“ Und eh' noch dem Ritter das Wort entfloh'n, Da drängte die Menge sich nach; Da stürmten die Krieger, die wüthenden, schon Gleich Wogen in's stille Gemach. „Ich weiß, was ihr fordert, und bin bereit; Ja, werft mich in's schäumende Meer! Doch wisset, das rettende Ziel ist nicht weit; Gott schütze dich, irrendes Heer!“ Dumpf klirrten die Schwerter, ein wüstes Geschrei Erfüllte mit Grausen die Luft; Der Edle bereitete still sich und frei Zum Weg in die fluthende Gruft. Zerrissen war jedes geheiligte Band; Schon sah sich zum schwindelnden Rand Der treffliche Führer gerissen; — und „Land! Land!“ rief es und donnert' es, „Land!“ Ein glänzender Streifen, mit Purpur gemalt, Erschien dem beflügelten Blick; Vom Golde der steigenden Sonne bestrahlt, Erhob sich das winkende Glück, Was kaum noch geahnet der zagende Sinn, Was muthvoll der Große gedacht. Sie stürzen zu Füßen des Herrlichen hin Und priesen die göttliche Macht. Prinz Eugen, der edle Ritter Zelte, Posten, Werda-Rufer! Lust'ge Nacht am Donauufer! Pferde stehn im Kreis umher Angebunden an den Pflöcken; An den engen Sattelböcken Hangen Karabiner schwer. Um das Feuer auf der Erde, Vor den Hufen seiner Pferde, Liegt das östreich'sche Piket! Auf dem Mantel liegt ein Jeder, Von den Tschako's weht die Feder, Leutnant würfelt und Kornet. Neben seinem müden Schecken Ruht auf einer woll'nen Decken Der Trompeter ganz allein: „Laßt die Knöchel, laßt die Karten! Kaiserliche Feldstandarten Wird ein Reiterlied erfreu'n! Vor acht Tagen die Affaire Hab' ich, zu Nutz dem ganzen Heere, In gehör'gen Reim gebracht; Selber auch gesetzt die Noten; D'rum, ihr Weißen und ihr Rothen! Merket auf und gebet Acht!“ Und er singt die neue Weise Einmal, zweimal, dreimal leise Denen Reitersleuten vor; Und wie er zum letzten Male Endet, bricht mit einem Male Los der volle kräft'ge Chor: „Prinz Eugen, der edle Ritter!“ Hei, das klang wie Ungewitter Weit in's Türkenlager hin. Der Trompeter thät den Schnurrbart streichen, Und sich auf die Seite schleichen Zu der Marketenderin. Der Knabe im Moor O schaurig ist's über's Moor zu gehn, Wenn es wimmelt vom Haiderauche, Sich wie Phantome die Dünste drehn Und die Ranke häkelt am Strauche, Unter jedem Tritte ein Quellchen springt, Wenn aus der Spalte es zischt und singt, O schaurig ist's über's Moor zu gehn, Wenn das Röhrig knistert im Hauche! Fest hält die Fibel das zitternde Kind Und rennt, als ob man es jage; Hohl über die Fläche sauset der Wind — Was raschelt drüben am Hage? Das ist der gespenstige Gräberknecht, Der dem Meister die besten Torfe verzecht; Hu, hu, es bricht wie ein irres Rind! Hinducket das Knäblein zage. Vom Ufer starret Gestumpf hervor, Unheimlich nicket die Föhre. Der Knabe rennt, gespannt das Ohr, Durch Riesenhalme wie Speere; Und wie es rieselt und knittert darin! Das ist die unselige Spinnerin, Das ist die gebannte Spinnlenor', Die den Haspel dreht im Geröhre! Voran, voran, nur immer im Lauf, Voran, als woll' es ihn holen; Vor seinem Fuße brodelt es auf, Es pfeift ihm unter den Sohlen Wie eine gespenstige Melodei; Das ist der Geigemann ungetreu, Das ist der diebische Fiedler Knauf, Der den Hochzeitheller gestohlen! Da birst das Moor, ein Seufzer geht Hervor aus der klaffenden Höhle; Weh, weh, da ruft die verdammte Marg'reth: „Ho, ho, meine arme Seele!“ Der Knabe springt wie ein wundes Reh, Wär' nicht Schutzengel in seiner Näh', Seine bleichenden Knöchelchen fände spät Ein Gräber im Moorgeschwehle. Da mählig gründet der Boden sich, Und drüben, neben der Weide, Die Lampe flimmert so heimathlich, Der Knabe steht an der Scheide. Tief athmet er auf, zum Moor zurück Noch immer wirft er den scheuen Blick: Ja, im Geröhre war's fürchterlich, O schaurig war's in der Haide! Mutterfluch Es wankt durch nächt'ge Haide Ein Weibsbild riesengroß, Im Nebellkeid entstiegen Des Moores feuchtem Schooß. Das streckt die hagern Arme In freie Luft hinaus Und legt sie mit Gewimmer Auf's erste beste Haus. Und wo sich das begeben, Da bringt es Angst und Noth; Denn eh' der Mond noch wechselt, Ist d'rin ein Kindlein todt. Warum der Spuk so grausam Die Mutterherzen quält, Das hat der Hirt des Dorfes Mir jüngst also erzählt: „Es zog einst eine Mutter Durch öde Haide her Mit einem kleinen Kinde, Die litten Hunger sehr. Und als sie fast verschmachten, Und schon der Tag sich neigt, Da jauchzen sie, da haben Das Dörfchen sie erreicht. Die Mutter steht und bettelt Um Brot in jedem Haus; Ach, aber drohend stößt man Sie überall hinaus. Da wankt sie in die Haide In grimmer Hungersnoth, Und jammernd sterben beide Den graus'gen Hungertod. Die welken Leichen fanden Im Moor sie nächst dem Ort: Der Fluch der todten Mutter Vergilt es fort und fort.“ Der gefangene Räuber Von Sabinerbergen mieder Wallt das braune Räuberweib, Schmiegend ihres Knäbleins Glieder Sorglich fest an ihren Leib. Wie sie tritt durch Roma's Pforte, Glocken, Trommeln und Gebet! Ist's ein Fest, ist Markt am Orte? Beides hier gar nahe steht! Feierklänge von Sankt Peter! Dudelsack hier schnarrend grell! Possen reißen heil'ge Väter, Salbung predigt Pulcinell. Affen, Charlatane, Springer, Auf dem Seile Gauklertritt! Jetzt an fremder Bestien Zwinger Lenkt das Räuberweib den Schritt. Ab und auf in wildem Satze Tobt ein Königstiger hier, An den Käfig schlägt die Tatze, Glühend flammt das Aug' dem Thier. „Mutter, warum sperrt das gute, Schöne Thier so fest man ein?“ „Kind, weil's durstig lechzt nach Blute, Weil's unbändig, wild im Frei'n.“ Ruhig nebendran im Bauer Sitzt ein fremdes Täublein zart, Senkt das Haupt in milder Trauer In's Gefieder weißbehaart. „Mutter, warum schließt dies gute Fromme Vöglein auch man ein? Dieses lechzt doch nicht nach Blute?“ „Kind, weil's trägt zwei Flügelein.“ Kapitols Steintreppen stiegen Sie empor im Menschenstrom, Wo geseh'n nach Kränzen fliegen Seine alte Kraft einst Rom! Wo es jetzt auch seine ächte Ungeschwächte, rauhe Kraft, Doch gefahn, in Kerkernächte, Seine Räuber, hingeschafft! Seht dort der Gefang'nen Einen Rasch am Fenster, pfeilgeschwind! Zu ihm hebt das Weib den Kleinen: „Siehe deinen Vater, Kind!“ Auf das Kind durch Eisenstangen Blickt der Mann so blaß und mild, Herzt es lachend, ob die Wangen Thränenfluth auch überquillt; Überdeckt ihm ganz mit Küssen Zärtlich Wang' und Äugelein; Und das Kind hat denken müssen — Jener Taube, fromm und rein. Nun sie Lebewohl ihm sagen, Sträubt sein Haar sich auf in Wuth, Seine Faust' an's Gitter schlagen, Und sein Auge rollt in Gluth! Doch die Mutter fest umfangend, Flieht das Kind dies grause Bild; Und gedenken muß es bangend Jenes Königstigers wild. Der reiche Mann von Köln Zu Köln ein reicher Kaufherr saß, Der hatt' ein Herz von Eisen; Er lebte dahin in Saus und Braus, Und drückte Wittwen und Waisen. Er zählte sein Silber und wog sein Gold, Und lachte dazu im Stillen; Der Richter bog um Gunst und Geld Das Recht nach seinem Willen. Da war ein Mägdlein in der Stadt, Ein Kind von jungen Jahren, Er trieb es fort von Haus und Hof Mit grimmigem Gebahren. Und als der Schnee im Winter fiel, Und ging der Rhein mit Eise, Ihn jammerte nicht des Kindes Noth, Das hatte nicht Kleid noch Speise. Und als der Frühling kam in's Land, Die Vöglein sangen mit Schalle — Sie fanden das Mägdlein Morgens todt Auf einer Streu im Stalle. Sie trugen es fort und gruben es ein Am Friedhof auf der Wiese; Die Seele ging in Sankt Michael's Schooß Hinauf zum Paradiese. Den Tag darnach der Kaufmann ritt Wohl lachend daher im Trabe, Da standen drei Lilien weiß wie Schnee Gewachsen auf dem Grabe. Da standen drei Lilien weiß wie Schnee, Im Winde die Blumen gingen; Ein Vöglein schwang vom Hügel sich auf, Im Flug hub's an zu singen: „Herr Marx von Köln, Herr Marx von Köln, Wie bleich ist dein Gesichte! Du bist ein Mörder, Herr Marx von Köln, Ich lade dich zu Gerichte!“ Dem Kaufherrn wohl das Lachen verging, Sein Muth war all' verloren; Er wandte sein Roß und jagte nach Haus, Vom Blute troffen die Sporen. Er wollte nicht nehmen Speise noch Trank Vor ängstlichen Gedanken; Wohin er schaut' in Saal und Hof, Drei Lilien sah er schwanken. Und als er Nachts auf den Kissen lag, Keinen Schlaf konnt' er erzwingen; Sobald ihm fielen die Augen zu, Hört' er das Vöglein singen. „Ach helft mir, helft mir, lieber Arzt! Ich will's euch neunfach zahlen; Mir brennt's im Herzen wie höllisch Feu'r; Helft mir von diesen Qualen!“ Wohl ging der Arzt, mit Sorg' und Fleiß Manch' bittern Trank zu mischen; Es that nicht gut, es that nicht schlimm, Das Vöglein sang dazwischen: „Herr Marx von Köln, an deiner Sünd' Wird alle Kunst zunichte. Du bist ein Mörder, Herr Marx von Köln, Ich lade dich zu Gerichte.“ Und um die dritte Mitternacht Ging an der Thür ein Klopfen; Den Kranken trieb's vom Lager auf, Ihm floß die Stirn von Tropfen. Und als seine Hand den Riegel schob, Sie flog vor Angst und Schmerze; Und als die Thür' in den Angeln ging, Ein Zug blies aus die Kerze. Der draußen stand, das war der Tod; Er nahm Herrn Marx von Köllen, Er setzt' ihn auf sein aschfarb Roß Und fuhr mit ihm zur Höllen. Der Bleicherin Nachtlied Wellen blinkten durch die Nacht, Blaß der Mond am Himmel stand, Mägdlein saß an Ufers Rand, Hielt bei ihrem Leinen Wacht, Sang in leisen Melodei'n In die weite Nacht hinein: „Bleiche, bleiche, weißes Lein, In des stillen Mondes Hut! Bist du bleich, dann bist du gut, Bist du bleich, dann bist du rein. — Bleiche, bleiche, weißes Lein! Bleich muß alles Ende sein. — Sonne gibt zu lichten Schein, Läßt dem Herzen keine Rast; Ist der Tag nur erst erblaßt, Wird das Herz auch ruhig sein. — Bleiche, bleiche, weißes Lein! Bleich muß alles Ende sein. War ein thöricht Mägdelein, Roth und frisch mein Angesicht; Rothe Wangen taugen nicht, Locken Unglück nur herein. — Bleiche, bleiche, weißes Lein! Bleich muß alles Ende sein. Eile dich und bleiche fein! Hab' ja treu gewartet dein; Legt man mich in's Grab hinein, Deck' in Frieden mein Gebein! — Bleiche, bleiche, weißes Lein! Bleich muß alles Ende sein.“ Die Ilse Ich bin die Prinzessin Ilse, Und wohne im Ilsenstein; Komm mit nach meinem Schlosse, Wir wollen selig sein. Dein Haupt will ich benetzen Mit meiner klaren Well', Du sollst deine Schmerzen vergessen, Du sorgenkranker Gesell! In meinen weißen Armen, An meiner weißen Brust, Da sollst du liegen und träumen Von alter Märchenlust. Ich will dich küssen und herzen, Wie ich geherzt und geküßt Den lieben Kaiser Heinrich, Der nun gestorben ist. Es bleiben todt die Todten, Und nur der Lebendige lebt; Und ich bin schön und blühend, Mein lachendes Herze bebt. Komm in mein Schloß herunter, In mein kristallenes Schloß, Dort tanzen die Fräulein und Ritter, Es jubelt der Knappentroß. Es rauschen die seidenen Schleppen, Es klirren die Eisenspor'n, Die Zwerge trompeten und pauken Und fiedeln und blasen das Horn. Doch dich soll mein Arm umschlingen, Wie er Kaiser Heinrich umschlang; Ich hielt ihm zu die Ohren, Wenn die Trompet' erklang. Der Fischer Das Wasser rauscht', das Wasser scholl, Ein Fischer saß daran, Sah nach der Angel ruhevoll, Kühl bis an's Herz hinan. Und wie er sitzt und wie er lauscht, Theilt sich die Fluth empor; Aus dem bewegten Wasser rauscht Ein feuchtes Weib hervor. Sie sang zu ihm, sie sprach zu ihm: „Was lockst du meine Brut Mit Menschenwitz und Menschenlist Hinauf in Todesgluth? Ach wüßtest du, wie's Fischlein ist So wohlig auf dem Grund, Du stiegst herunter wie du bist Und würdest erst gesund. Labt sich die liebe Sonne nicht, Der Mond sich nicht im Meer? Kehrt wellenathmend ihr Gesicht Nicht doppelt schöner her? Lockt dich der tiefe Himmel nicht, Das feuchtverkärte Blau? Lockt dich dein eigen Angesicht Nicht her in ew'gen Thau?“ Das Wasser rauscht', das Wasser schwoll, Netzt' ihm den nackten Fuß; Sein Herz wuchs ihm so sehnsuchtsvoll, Wie bei der Liebsten Gruß. Sie sprach zu ihm, sie sang zu ihm; Da war's um ihn geschehn: Halb zog sie ihn, halb sank er hin, Und ward nicht mehr gesehn. Ein Traum Im fernen, fernen Meere, Da segelt' ein Schiff bei Nacht, Der Schiffsherr in der Kajüte Entschlief auf der Matte sacht. Der Kiel schnitt still und ruhig Den weiten stillen Raum; Jedoch so still und ruhig War nicht des Schiffsherrn Traum: Ihm träumt', ein Blitzstrahl habe Den stolzen Mast zerspellt, Es sei an einem Felsen Im Sturm das Schiff zerschellt, Und über Bord geschleudert Schwimm' er im tosenden Meer, Und Wogenkolosse und Blitze, Die sausen um ihn her. Er rudert mit brechenden Armen, Schon sieht er die Küste nahn, Doch brausend an ihre Felsen Schlägt hoch die Brandung hinan. Auf einem der grauen Felsen Sieht er eine Jungfrau stehn: Sie winkt und läßt hernieder Zu ihm eine Rose wehn. Doch dort schwimmt nun ein Balken Zur Rettung ihm heran; Soll er zuerst die Rose, Zuerst den Balken umfahn? Schon brechen die Arme, schon sinkt er In's fluthende Grab hinein; Da faßt ihn die Brandung und schleudert Ihn an das Felsengestein. Der Schiffsherr erwacht und stürzet Rasch auf's Verdeck hinan; Doch ruhig und sicher gleitet Das Schiff durch die stille Bahn. Die flüsternden Wellen baden Die Häupter im Morgenlicht; Wohl sah er keine Trümmer, Doch auch die Rose nicht. Lorelei Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, Daß ich so traurig bin; Ein Märchen aus alten Zeiten, Das kommt mir nicht aus dem Sinn. Die Luft ist kühl und es dunkelt, Und ruhig fließt der Rhein; Der Gipfel des Berges funkelt Im Abendsonnenschein. Die schönste Jungfrau sitzet Dort oben wunderbar, Ihr goldnes Geschmeide blitzet, Sie kämmt ihr goldenes Haar. Sie kämmt es mit goldenem Kamme, Und singt ein Lied dabei; Das hat eine wundersame, Gewaltige Melodei. Den Schiffer im kleinen Schiffe Ergreift es mit wildem Weh; Er schaut nicht die Felsenriffe, Er schaut nur hinauf in die Höh'. Ich glaube, die Wellen verschlingen Am Ende noch Schiffer und Kahn; Und das hat mit ihrem Singen Die Lorelei gethan. Der Blumen Rache Auf des Lagers weichem Kissen Ruht die Jungfrau, schlafbefangen, Tiefgesenkt die braune Wimper, Purpur auf den heißen Wangen Schimmernd auf dem Binsenstuhle Steht der Kelch, der reichgeschmückte, Und im Kelche prangen Blumen, Duft'ge, bunte, frischgepflückte. Brütend hat sich dumpfe Schwüle Durch das Kämmerlein ergossen, Denn der Sommer scheucht die Kühle, Und die Fenster sind verschlossen. Stille rings und tiefes Schweigen! Plötzlich, horch! ein leises Flüstern! In den Blumen, in den Zweigen Lispelt es und rauscht es lüstern. Aus den Blüthenkelchen schweben Geistergleiche Duftgebilde; Ihre Kleider zarte Nebel, Kronen tragen sie und Schilde Aus dem Purpurschooß der Rose Hebt sich eine schlanke Frau; Ihre Locken flattern lose, Perlen blitzen d'rin, wie Thau. Aus dem Helm des Eisenhutes Mit dem dunkelgrünen Laube Tritt ein Ritter kecken Muthes: Schwert erglänzt und Pickelhaube. Auf der Haube nickt die Feder Von dem silbergrauen Reiher. Aus der Lilie schwankt ein Mädchen; Dünn, wie Spinnweb, ist ihr Schleier. Aus dem Kelch des Türkenbundes Kommt ein Neger stolz gezogen, Licht auf seinem grünen Turban Glüht des Halbmonds goldner Bogen. Prangend aus der Kaiserkrone Schreitet kühn ein Scepterträger; Aus der blauen Iris folgen Schwertbewaffnet seine Jäger. Aus den Blättern der Narcisse Schwebt ein Knab' mit düstern Blicken, Tritt an's Bett, um heiße Küsse Auf des Mädchens Mund zu drücken. Doch um's Lager drehn und schwingen Sich die andern wild im Kreise; Drehn und schwingen sich, und singen Der Entschlafnen diese Weise: „Mädchen, Mädchen! von der Erde Hast du grausam uns gerissen, Daß wir in der bunten Scherbe Schmachten, welken, sterben müssen! O, wie ruhten wir so selig An der Erde Mutterbrüsten, Wo, durch grune Wipfel brechend, Sonnenstrahlen heiß uns küßten; Wo uns Lenzeslüfte kühlten, Unsre schwanken Stengel beugend, Wo wir Nachts als Elfen spielten, Unserm Blätterhaus entsteigend! Hell umfloß uns Thau und Regen; Jetzt umfließt uns trübe Lache; Wir verblühn, doch eh' wir sterben, Mädchen! trifft dich unsre Rache!“ Der Gesang verstummt; sie neigen Sich zu der Entschlafnen nieder. Mit dem alten dumpfen Schweigen Kehrt das leise Flüstern wieder. Welch' ein Rauschen, welch' ein Raunen! Wie des Mädchens Wangen glühen! Wie die Geister es anhauchen; Wie die Düfte wallend ziehen! Da begrüßt der Sonne Funkeln Das Gemach; die Schemen weichen. Auf des Lagers Kissen schlummert Kalt die lieblichste der Leichen. Eine welke Blume selber, Noch die Wange sanft geröthet, Ruht sie bei den welken Schwestern, Blumenduft hat sie getödtet! Das Kind am Brunnen Frau Amme, Frau Amme, das Kind ist erwacht! Doch die liegt ruhig im Schlafe. Die Vöglein zwitschern, die Sonne lacht, Am Hügel weiden die Schafe. Frau Amme, Frau Amme, das Kind steht auf, Es wagt sich weiter und weiter! Hinab zum Brunnen nimmt es den Lauf, Da stehen Blumen und Kräuter. Frau Amme, Frau Amme, der Brunnen ist tief! Sie schläft, als läge sie drinnen! Das Kind läuft schnell, wie es nie noch lief, Die Blumen locken's von hinnen. Nun steht es am Brunnen, nun ist es am Ziel, Und pflückt es die Blumen sich munter, Doch bald ermüdet das reizende Spiel, Da schaut's in die Tiefe hinunter. Und unten erblickt es ein holdes Gesicht, Mit Augen, so hell und so süße. Es ist sein eignes, das weiß es noch nicht, Viel stumme freundliche Grüße. Das Kindlein winkt, der Schatten geschwind Winkt aus der Tiefe ihm wieder. Herauf! herauf! so meint's das Kind; Der Schatten: Hernieder! hernieder! Schon beugt es sich über den Brunnenrand, Frau Amme, du schläfst noch immer! Da fallen die Blumen ihm aus der Hand, Und trüben den lockenden Schimmer. Verschwunden ist sie, die süße Gestalt, Verschluckt von der hüpfenden Welle, Das Kind durchschauert's fremd und kalt, Und schnell enteilt es der Stelle. Begegnung Wohl unter der Linde erklingt die Musik, Da tanzen die Burschen und Mädel, Da tanzen Zwei, die Niemand kennt, Sie schau'n so schlank und edel. Sie schweben auf, sie schweben ab, In seltsam fremder Weise, Sie lachen sich an, sie schütteln das Haupt, Das Fräulein flüstert leise: „Mein schöner Junker, auf eurem Hut Schwankt eine Nelkenlilie, Die wächst nur tief im Meeresgrund — Ihr stammt nicht aus Adams Familie. Ihr seid der Wassermann, ihr wollt Verlocken des Dorfes Schönen. Ich hab' euch erkannt, beim ersten Blick, An euren fischgrätigen Zähnen.“ Sie schweben auf, sie schweben ab, In seltsam fremder Weise, Sie lachen sich an, sie schütteln das Haupt, Der Junker flüstert leise: „Mein schönes Fräulein, sagt mir, warum So eiskalt eure Hand ist? Sagt mir, warum so naß der Saum An eurem weißen Gewand ist? Ich hab' euch erkannt, beim ersten Blick, An eurem spöttischen Knixe — Du bist kein irdisches Menschenkind, Du bist mein Mühmchen, die Nixe.“ Die Geigen verstummen, der Tanz ist aus, Es trennen sich höflich die Beiden. Sie kennen sich leider viel zu gut, Suchen sich jetzt zu vermeiden. Zwei Liebchen Ein Schifflein auf der Donau schwamm, D'rin saßen Braut und Bräutigam, Er hüben und sie drüben. Sie sprach: Herzliebster, sage mir, Zum Angebind' was geb' ich dir? Sie streift zurück ihr Ärmelein, Sie greift in's Wasser frisch hinein. Der Knabe, der thät gleich also, Und scherzt mit ihr und lacht so froh. Ach, schöne Frau Done, geb' sie mir Für meinen Schatz eine hübsche Zier! Sie zog heraus ein schönes Schwert, Der Knab' hätt' lang' so eins begehrt. Der Knab', was hält er in der Hand? Milchweiß ein köstlich Perlenband. Er legt's ihr um ihr schwarzes Haar, Sie sah wie eine Fürstin gar. Ach, schöne Frau Done, geb' sie mir Für meinen Schatz eine hübsche Zier! Sie langt hinein zum andern Mal, Faßt einen Helm von lichtem Stahl. Der Knab' vor Freud' entsetzt sich schier, Fischt einen goldnen Kamm dafür. Zum Dritten sie in's Wasser griff: Ach weh! da fällt sie aus dem Schiff. Er springt ihr nach, er faßt sie keck, Frau Done reißt sie Beide weg: Frau Done hat ihr Schmuck gereut, Das büßt der Jüngling und die Maid. Das Schifflein leer hinunter wallt; Die Sonne sinkt hinter die Berge bald. Und als der Mond am Himmel stand, Die Liebchen schwimmen todt an's Land, Er hüben und sie drüben. Der Alpenjäger „Willst du nicht das Lämmlein hüten? Lämmlein ist so fromm und sanft, Nährt sich von des Grases Blüthen. Spielend an des Baches Ranft.“ „Mutter, Mutter, laß mich gehen. Jagen nach des Berges Höhen!“ „Willst du nicht die Heerde locken Mit des Hornes munterm Klang? Lieblich tönt der Schall der Glocken In des Waldes Lustgesang.“ „Mutter, Mutter, laß mich gehen, Schweifen auf den wilden Höhen!“ „Willst du nicht der Blümlein warten, Die im Beete freundlich stehn? Draußen ladet dich kein Garten; Wild ist's auf den wilden Höh'n!“ „Laß die Blümlein, laß sie blühen! Mutter, Mutter, laß mich ziehen!“ Und der Knabe ging zu jagen, Und es treibt und reißt ihn fort, Rastlos fort mit blindem Wagen An des Berges finstern Ort; Vor ihm her mit Windesschnelle Flieht die zitternde Gazelle. Auf der Felsen nackte Rippen Klettert sie mit leichtem Schwung, Durch den Riß gespalt'ner Klippen Trägt sie der gewagte Sprung; Aber hinter ihr verwogen Folgt er mit dem Todesbogen. Jetzo auf den schroffen Zinken Hängt sie auf dem höchsten Grat, Wo die Felsen jäh versinken, Und verschwunden ist der Pfad. Unter sich die steile Höhe, Hinter sich des Feindes Nähe. Mit des Jammers stummen Blicken Fleht sie zu dem harten Mann, Fleht umsonst, denn loszudrücken, Legt er schon den Bogen an; Plötzlich aus der Felsenspalte Tritt der Geist, der Bergesalte. Und mit seinen Götterhänden Schützt er das gequälte Thier. „Mußt du Tod und Jammer senden,“ Ruft er, „bis herauf zu mir? Raum für Alle hat die Erde; Was verfolgst du meine Heerde?“ Zwei Königskinder Es waren zwei Königskinder, Die hatten einander so lieb, Sie konnten beisammen nicht kommen, Das Wasser war viel zu tief. „Ach Schätzchen, könntest zu schwimmen, So schwimm doch herüber zu mir! Drei Kerzchen will ich anzünden, Und sie soll'n leuchten zu dir.“ Das hört ein falsches Nönnchen, Die that, als wenn sie schlief; Sie thät die Kerzlein auslöschen, Der Jüngling ertrank so tief. Es war an ein'm Sonntags-Morgen, Die Leut' war'n alle so froh; Nicht so die Königstochter, Ihr' Augen saßen ihr zu. „Ach Mutter, herzliebste Mutter, Mein Kopf thut mir so weh! Ich möcht' so gern spazieren Wohl an die grüne See.“ „Ach Tochter, herzliebste Tochter, Allein sollst du nicht gehn; Weck' auf dein' jüngste Schwester, Und die soll mit dir gehn!“ „Ach Mutter, herzliebste Mutter, Meine Schwester ist noch ein Kind, Sie pflückt ja all' die Blümlein, Die auf Grünhaide sind.“ „Ach Tochter, herzliebste Tochter, Allein sollst du nicht gehn; Weck' auf deinen jüngsten Bruder, Und der soll mit dir gehn!“ „Ach Mutter, herzliebste Mutter, Mein Bruder ist noch ein Kind, Der schießt ja all' die Vöglein, Die auf Grünhaide sind!“ — Die Mutter ging nach der Kirche, Die Tochter hielt ihren Gang, Sie ging so lang spazieren, Bis sie den Fischer fand. „Ach Fischer, liebster Fischer, Willst du verdienen groß' Lohn, So wirf dein Netz in's Wasser Und fisch' mir den Königssohn!“ Er warf das Netz in's Wasser, Es ging bis auf den Grund; Der erste Fisch, den er fischet, Das war sich des Königs Sohn. Sie faßt ihn in ihre Arme Und küßt seinen todten Mund: „Ach Mündlein, könntest du sprechen, So wär' mein jung Herze gesund!“ Was nahm sie von ihrem Haupte? Eine goldene Königskron': „Sieh da, wohledler Fischer, Hast dein verdientes Lohn!“ Was zog sie von ihrem Finger? Ein Ringlein von Golde so roth: „Sieh da, wohledler Fischer, Kauf' deinen Kindern Brot!“ Sie schwang sich um ihren Mantel Und sprang wohl in die See: „Gut' Nacht, mein Vater und Mutter, Ihr seht mich nimmermeh'!“ Da hört man Glöcklein läuten, Da hört man Jammer und Noth: Hier liegen zwei Königskinder, Sie sind alle beide todt! Mythus vom Dampf Es ruht auf klarem Perlenthrone Die Meerfei im Krystallpalast, Der Feuergeist mit güldner Krone Durchschweift die Lüfte sonder Rast; Sie meiden sich mit finsterm Grollen, Sie stören, was des andern ist; So lang' des Erdballs Achsen rollen, Währt unversöhnt ihr grimmer Zwist. Da fängt in erzgetrieb'nen Schranken Der Mensch, der Schöpfung Herr, die zwei, Daß dienstbar seines Haupts Gedanken Ihr ungestümes Walten sei; Er bändigt ihren Grimm gelassen, Er gibt dem dumpfen Trieb das Ziel; In's Brautbett zwingt er, die sich hassen, Zu unerhörtem Minnespiel. Und sieh, aus ihrem dunkeln Bunde, Aus Lieb' und Abscheu, Brunst und Kampf Erwächst in mitternächt'ger Stunde Das starke Riesenkind, der Dampf. Mit wildem Tosen hochgestaltig Entspringt er aus der Wiege Haft, Durch all' sein Wesen gährt gewaltig Des Vaters Zorn, der Mutter Kraft. Er fühlt's in seinen Adern sieden, Ihn dünkt kein Werk zu schwer, zu groß. Doch ach, es ward ihm nicht beschieden Ein Feld des Ruhms, ein Heldenloos. Nicht darf er in die Wolken greifen, Nicht spielen mit des Blitzes Loh'n, In Lüften nicht die Welt durchschweifen, Ein freigeborner Königssohn. Nein; wo der Mensch von Eisenschienen Sein unabsehbar Netz gespannt, Da muß in hartem Frohn er dienen, Ein Herkules im Knechtsgewand; Da muß er mit des Windes Flügel Wettlaufen in erglühter Hast, Und über Haide, Strom und Hügel Dahinziehn die gethürmte Last. Des Mühlrads ungeheure Speichen Muß er im Schwunge rastlos drehn, An's Schiff geschmiedet, muß er keuchen Als Ruderknecht bei Sturmesweh'n; Er muß den Riesenhammer führen Zu ewig wiederholtem Schlag. Des Webstuhls Spulen sausend rühren; Ein neues Werk bringt jeder Tag. Seit Jahren trägt er's; doch im Stillen Gedenkt er seines Stammes noch, Und feindlich allem Menschenwillen, Ingrimmig knirscht er in sein Joch. O, wenn von seiner Kraft getrieben Ihr Nachts durchflogt ein weit Gebiet, Vernahmt ihr bei der Funken Stieben, Vernahmt ihr nie sein dräuend Lied? „Frohlocket nur, ihr Herrn der Erde, Ihr Staubgebilde, bläht euch nur, Daß ihr uns herzwangt zur Beschwerde Die alten Götter der Natur! Ein schnöder Raub ist eure Krone, Ein Hochverrath ist euer Ruhm; Denn uns verstießet ihr vom Throne Und theiltet unser Fürstenthum. Wohl dienen wir euch nun als Knechte, Und dulden eurer Geißel Schlag; Doch murren wir im Schooß der Nächte, Und harren auf der Sühnung Tag. Es bleibt des Glückes Sonnenwende Für kein Geschlecht von Herrschern aus; Auch euer Reich hat einst ein Ende, Auch euer Bau zerfällt in Graus. Wenn ihr dereinst in Eisenbande Des letzten Eilands Wildniß schlugt, Wenn prunkend ihr durch alle Lande Die Fackel stolzer Weisheit trugt; Wenn dann von euren Königssesseln Ihr greifet nach des Himmels Schein: Dann springen jählings unsre Fesseln, Dann bricht der Tag des Zorns herein. Dann wird des Vaters Krone blitzen, Und jeder Blitz ist Weltenbrand; Dann wird bis zu der Berge Spitzen Die Mutter ziehn ihr Schaumgewand; Dann will ich selbst auf freier Schwinge Durch's All, Zerstörung brausend, wehn, Und über'm Trümmersturz der Dinge Aufjauchzen, und in's Nichts vergehn.“ Die verlorene Kirche Man höret oft im fernen Wald Von oben her ein dumpfes Läuten, Doch Niemand weiß, von wann es hallt, Und kaum die Sage kann es deuten. Von der verlornen Kirche soll Der Klang ertönen mit den Winden; Einst war der Pfad von Wallern voll, Nun weiß ihn keiner mehr zu finden. Jüngst ging ich in dem Walde weit, Wo kein betretner Steig sich dehnet; Aus der Verderbniß dieser Zeit Hatt' ich zu Gott mich hingesehnet. Wo in der Wildniß Alles schwieg, Vernahm ich das Geläute wieder, Je höher meine Sehnsucht stieg, Je näher, voller klang es nieder. Mein Geist war so in sich gekehrt, Mein Sinn vom Klange hingenommen, Daß mir es immer unerklärt, Wie ich so hoch hinauf gekommen. Mir schien es mehr denn hundert Jahr', Daß ich so hingeträumet hätte: Als über Nebeln, sonnenklar, Sich öffnet eine freie Stätte. Der Himmel war so dunkelblau, Die Sonne war so voll und glühend, Und eines Münsters stolzer Bau Stand in dem goldnen Lichte blühend. Mir dünkten helle Wolken ihn, Gleich Fittigen, emporzuheben, Und seines Thurmes Spitze schien Im sel'gen Himmel zu verschweben. Der Glocke wonnevoller Klang Ertönte schütternd in dem Thurme, Doch zog nicht Menschenhand den Strang, Sie ward bewegt von heil'gem Sturme. Mir war's, derselbe Sturm und Strom Hätt' an mein klopfend Herz geschlagen; So trat ich in den hohen Dom Mit schwankem Schritt und freud'gem Zagen. Wie mir in jenen Hallen war, Das kann ich nicht mit Worten schildern. Die Fenster glühten dunkelklar Mit aller Märt'rer frommen Bildern; Dann sah ich, wundersam erhellt, Das Bild zum Leben sich erweitern, Ich sah hinaus in eine Welt Von heil'gen Frauen, Gottesstreitern. Ich kniete nieder am Altar, Von Lieb' und Andacht ganz durchstrahlet. Hoch oben an der Decke war Des Himmels Glorie gemalet; Doch als ich wieder sah emvor, Da war gesprengt der Kuppel Bogen, Geöffnet war des Himmels Tbor Und jede Hülle weggezogen. Was ich für Herrlichkeit geschaut Mit still anbetendem Erstaunen, Was ich gehört für sel'gen Laut, Als Orgel mehr und als Posaunen: Das steht nicht in der Worte Macht. Doch wer darnach sich treulich sehnet, Der nehme des Geläutes Acht, Das in dem Walde dumpf ertönet! Vineta Aus des Meeres tiefem, tiefem Grunde Klingen Abendglocken dumpf und matt, Uns zu geben wunderbare Kunde Von der schönen alten Wunderstadt. In der Fluthen Schooß hinabgesunken, Blieben unten ihre Trümmer stehn. Ihre Zinnen lassen goldne Funken Wiederscheinend auf dem Spiegel sehn. Und der Schiffer, der den Zauberschimmer Einmal sah im hellen Abendroth, Nach derselben Stelle schifft er immer, Ob auch rings umher die Klippe droht. Aus des Herzens tiefem, tiefem Grunde Klingt es mir wie Glocken, dumpf und matt; Ach, sie geben wunderbare Kunde Von der Liebe, die geliebt es hat. Eine schöne Welt ist da versunken, Ihre Trümmer blieben unten stehn, Lassen sich als goldne Himmelsfunken Oft im Spiegel meiner Träume sehn. Und dann möcht' ich tauchen in die Tiefen, Mich versenken in den Widerschein, Und mir ist, als ob mich Engel riefen In die alte Wunderstadt herein. Das Schloß am Meere „Hast du das Schlos gesehen, Das hohe Schloß am Meer? Golden und rosig wehen Die Wolken d'rüber her. Es möchte sich niederneigen In die spiegelklare Fluth; Es möchte streben und steigen In der Abendwolken Gluth.“ „Wohl hab' ich es gesehen, Das hohe Schloß am Meer, Und den Mond darüber stehen Und Nebel weit umher.“ „Der Wind und des Meeres Wallen, Gaben sie frischen Klang? Vernahmst du aus den Hallen Saiten und Festgesang?“ „Die Winde, die Wogen alle Lagen in tiefer Ruh', Einem Klagelied aus der Halle Hort' ich mit Thränen zu.“ „Sahest du oben gehen Den König und sein Gemahl? Der rothen Mäntel Wehen, Der goldnen Kronen Strahl? Führten sie nicht mit Wonne Eine schöne Jungfrau dar, Herrlich wie eine Sonne, Strahlend im goldnen Haar?“ „Wohl sah ich die Eltern beide, Ohne der Kronen Licht, Im schwarzen Trauerkleide; Die Jungfrau sah ich nicht.“ Der Glockenguß zu Breslau War einst ein Glockengießer Zu Breslau in der Stadt, Ein ehrenwerther Meister, Gewandt in Rath und That. Er hatte schon gegossen Viel Glocken, gelb und weiß, Für Kirchen und Kapellen, Zu Gottes Lob und Preis. Und seine Glocken klangen So voll, so hell, so rein; Er goß auch Lieb' und Glauben Mit in die Form hinein. Doch aller Glocken Krone, Die er gegossen hat, Das ist die Sünderglocke Zu Breslau in der Stadt. Im Magdalenenthurme, Da hängt das Meisterstück, Rief schon manch starres Herze Zu seinem Gott zurück. Wie hat der gute Meister So treu das Werk bedacht! Wie hat er seine Hände Gerührt bei Tag und Nacht! Und als die Stunde kommen, Daß Alles fertig war, Die Form ist eingemauert, Die Speise gut und gar; Da ruft er seinen Buben Zur Feuerwacht herein: „Ich lass' auf kurze Weile Beim Kessel dich allein, Will mich mit einem Trunke Noch stärken zu dem Guß, Das gibt der zähen Speise Erst einen vollen Fluß. Doch hüte dich, und rühre Den Hahn mir nimmer an, Sonst wär' es um dein Leben, Fürwitziger, gethan!“ Der Bube steht am Kessel, Schaut in die Gluth hinein: Das wogt und wallt und wirbelt, Und will entfesselt sein, Und zischt ihm in die Ohren, Und zuckt ihm durch den Sinn, Und zieht an allen Fingern Ihn nach dem Hahne hin. Er fühlt ihn in den Händen, Er hat ihn umgedreht; Da wird ihm angst und bange, Er weiß nicht, was er thät. Und läuft hinaus zum Meister, Die Schuld ihm zu gestehn, Will seine Knie' umfassen Und ihn um Gnade flehn. Doch wie der nur vernommen Des Knaben erstes Wort, Da reißt die kluge Rechte Der jähe Zorn ihm fort. Er stößt sein scharfes Messer Dem Buben in die Brust, Dann stürzt er nach dem Kessel, Sein selber nicht bewußt. Vielleicht, daß er noch retten, Den Strom noch hemmen kann: — Doch sieh, der Guß ist fertig, Es fehlt kein Tropfen d'ran. Da eilt er abzuräumen, Und sieht, und will's nicht sehn, Ganz ohne Fleck und Makel Die Glocke vor sich stehn. Der Knabe liegt am Boden, Er schaut sein Werk nicht mehr: Ach, Meister, wilder Meister, Du stießest gar zu sehr! Er stellt sich dem Gerichte, Er klagt sich selber an. Es thut den Richtern wehe Wohl um den wackern Mann. Doch kann ihn Keiner retten, Und Blut will wieder Blut; Er hört sein Todesurthel Mit ungebeugtem Muth. Und als der Tag gekommen, Daß man ihn führt hinaus, Da wid ihm angeboten Der letzte Gnadenschmaus. „Ich dank' euch,“ spricht der Meister, „Ihr Herren lieb und werth; Doch eine andre Gnade Mein Herz von euch begehrt: Laßt mich nur einmal hören Der neuen Glocke Klang! Ich hab' sie ja bereitet, Möcht' wissen, ob's gelang.“ Die Bitte ward gewähret, Sie schien den Herr'n gering; Die Glocke ward gelautet, Als er zum Tode ging. Der Meister hört sie klingen, So voll, so hell, so rein! Die Augen gehn ihm über, Es muß vor Freude sein! Und seine Blicke leuchten, Als wären sie verklärt; Er hat in ihrem Klange Wohl mehr als Klang gehört. Hat auch geneigt den Nacken Zum Streich voll Zuversicht; Und was der Tod versprochen, Das bricht das Leben nicht. Das ist der Glocken Krone, Die er gegossen hat, Die Magdalenenglocke Zu Breslau in der Stadt. Die ward zur Sünderglocke Seit jenem Tag geweiht; Weiß nicht, ob's anders worden In dieser neuen Zeit. Der Mönch von Heisterbach Ein junger Mönch im Kloster Heisterbach Lustwandelt an des Gartens fernstem Ort, Der Ewigkeit sinnt still und tief er nach, Und forscht dabei in Gottes heil'gem Wort. Er liest, was Petrus der Apostel sprach: Dem Herren ist ein Tag wie tausend Jahr, Und tausend Jahre sind ihm wie ein Tag. Doch wie er sinnt, es wird ihm nimmer klar. Und er verliert sich zweifelnd in den Wald; Was um ihn vorgeht, hört und sieht er nicht. Erst wie die fromme Vesperglocke schallt, Gemahnt es ihn der ernsten Klosterpflicht. Im Lauf erreichet er den Garten schnell, Ein Unbekannter öffnet ihm das Thor, Er stutzt — doch sieh! schon glänzt die Kirche hell, Und d'raus ertönt der Brüder heil'ger Chor. Nach seinem Stuhle gehend, tritt er ein — Doch wunderbar — ein Andrer sitzet dort! Er überblickt der Mönche lange Reih'n, Nur Unbekannte findet er am Ort. Der Staunende wird angestaunt ringsum, Man fragt nach Namen, fragt nach dem Begehr. Er sagt's — da murmelt man durch's Heiligthum: Dreihundert Jahre hieß so Niemand mehr. Der Letzte dieses Namens, tönt es dann, Er war ein Zweifler und verschwand im Wald; Man gab den Namen Keinem mehr fortan! — Er hört das Wort, es überläuft ihn kalt. Er nennet nun den Abt und nennt das Jahr, Man nimmt das alte Klosterbuch zur Hand; Da wird ein großes Gotteswunder klar: Er ist's, der drei Jahrhunderte verschwand. Ha, welche Lösung! Plötzlich graut sein Haar, Er sinkt dahin und ist dem Tod geweiht, Und sterbend mahnt er seiner Brüder Schaar: Gott ist erhaben über Ort und Zeit. Was er verhüllt, macht nur ein Wunder klar! D'rum grübelt nicht, denkt meinem Schicksal nach! Ich weiß, ihm ist ein Tag wie tausend Jahr, Und tausend Jahre sind ihm wie ein Tag! Legende vom Hufeisen Als noch, verkannt und sehr gering, Unser Herr auf der Erde ging, Und viele Jünger sich zu ihm fanden, Die sehr selten sein Wort verstanden, Liebt' er sich gar über die Maßen, Seinen Hof zu halten auf der Straßen, Weil unter des Himmels Angesicht Man immer besser und freier spricht. Er ließ sie da die höchsten Lehren Aus seinem heiligen Munde hören; Besonders durch Gleichniß und Exempel Macht' er einen jeden Markt zum Tempel. So schlendert' er in Geistesruh' Mit ihnen einst einem Städtchen zu, Sah etwas blinken auf der Straß', Das ein zerbrochen Hufeisen was. Er fagte zu Sankt Peter d'rauf: „Heb' doch einmal das Eisen auf!“ Sankt Peter war nicht aufgeräumt, Er hatte so eben im Gehen geträumt, So was vom Regiment der Welt, Was einem Jeden wohlgefällt: Denn im Kopfe hat das keine Schranken; Das waren so seine liebsten Gedanken. Nun war der Fund ihm viel zu klein, Hätte müssen Kron' und Zepter sein; Aber wie sollt' er seinen Rücken Nach einem halben Hufeisen bücken? Er also sich zur Seite kehrt Und thut, als hätt' er's nicht gehört. Der Herr, nach seiner Langmuth, d'rauf Hebt selber das Hufeisen auf, Und thut auch weiter nicht dergleichen. Als sie nun bald die Stadt erreichen, Geht er vor eines Schmiedes Thür, Nimmt von dem Mann drei Pfennig dafür. Und als sie über den Markt nun gehen, Sieht er daselbst schöne Kirschen stehen, Kauft ihrer, so wenig oder so viel, Als man für einen Dreier geben will, Die er sodann nach seiner Art Ruhig im Ärmel aufbewahrt. Nun ging's zum andern Thor hinaus Durch Wies' und Felder ohne Haus, Auch war der Weg von Bäumen bloß; Die Sonne schien, die Hitz' war groß, So daß man viel an solcher Stätt' Für einen Trunk Wasser gegeben hätt'. Der Herr geht immer voraus vor Allen, Läßt unversehens eine Kirsche fallen. Sankt Peter war gleich dahinter her, Als wenn es ein goldner Apfel wär'; Das Beerlein schmeckte seinem Gaum. Der Herr nach einem kleinen Raum Ein ander Kirschlein zur Erde schickt, Wonach Sankt Peter schnell sich bückt. So läßt der Herr ihn seinen Rücken Gar vielmal nach den Kirschen bücken. Das dauert eine ganze Zeit. Dann sprach der Herr mit Heiterkeit: „Thät'st du zur rechten Zeit dich regen, Hätt'st du's bequemer haben mögen. Wer geringe Ding' wenig acht't, Sich um geringere Mühe macht.“ Die Wallfahrt nach Kevlaar I. Am Fenster stand die Mutter, Im Bette lag der Sohn. „Willst du nicht aufstehn, Wilhelm, Zu schau'n die Prozession?“ „Ich bin so krank, o Mutter, Daß ich nicht hör' und seh', Ich denk' an das todte Gretchen, Da thut das Herz mir weh.“ „Steh' auf, wir wollen nach Kevlaar, Nimm Buch und Rosenkranz; Die Mutter Gottes heilt dir Dein krankes Herze ganz.“ Es flattern die Kirchenfahnen, Es singt im Kirchenton; Das ist zu Köllen am Rheine, Da geht die Prozession. Die Mutter folgt der Menge, Den Sohn, den führet sie, Sie singen beide im Chore: Gelobt seist du, Marie! II. Die Mutter Gottes zu Kevlaar Trägt heut' ihr bestes Kleid; Heut' hat sie viel zu schaffen, Es kommen viel kranke Leut'. Die kranken Leute bringen Ihr dar, als Opferspend', Aus Wachs gebildete Glieder, Viel wächserne Füß' und Händ'. Und wer eine Wachshand opfert, Dem heilt an der Hand die Wund'; Und wer einen Wachsfuß opfert, Dem wird der Fuß gesund. Nach Kevlaar ging Mancher auf Krücken, Der jetzo tanzt auf dem Seil. Gar Mancher spielt jetzt die Bratsche, Dem dort kein Finger war heil. Die Mutter nahm ein Wachslicht Und bildete d'raus ein Herz. „Bring' das der Mutter Gottes, Dann heilt sie deinen Schmerz.“ Der Sohn nahm seufzend das Wachsherz, Ging seufzend zum Heiligenbild; Die Thräne quillt aus dem Auge, Das Wort aus dem Herzen quillt: „Du Hochgebenedeite, Du reine Gottesmagd, Du Königin des Himmels, Dir sei mein Leid geklagt! Ich wohnte mit meiner Mutter Zu Köllen in der Stadt, Der Stadt, die viele hundert Capellen und Kirchen hat. Und neben uns wohnte Gretchen, Doch die ist todt jetzund — Marie, dir bring' ich ein Wachsherz, Heil' du meine Herzenswund'. Heil' du mein krankes Herze, Ich will auch spät und früh Inbrünstiglich beten und singen: Gelobt seist du, Marie!“ III. Der kranke Sohn und die Mutter, Die schliefen im Kämmerlein: Da kam die Mutter Gottes Ganz leise geschritten herein. Sie beugte sich über den Kranken Und legte ihre Hand Ganz leise auf sein Herze, Und lächelte mild und schwand. Die Mutter schaut Alles im Traume Und hat noch mehr geschaut; Sie erwachte aus dem Schlummer, Die Hunde bellten so laut. Da lag dahin gestrecket Ihr Sohn, und der war todt; Es spielt' auf den bleichen Wangen Das lichte Morgenroth. Die Mutter faltet' die Hände, Ihr war, sie wußte nicht wie; Andächtig sang sie leise: „Gelobt seist du, Marie!“ Die stille Gemeinde Von Bretagne's Hügeln, die das Meer Blühend hell umsäumen, Schaute ein Kirchlein trostreich her Zwischen uralten Bäumen. Das Kornfeld und die Wälder weit Rauschten im Sonntagsglanze, Doch keine Glocken klangen heut' Vom grünen Felsenkranze. Denn auf des Kirchhofs schatt'gem Grund Die Jacobiner saßen, Ihre Pferde alle Blumen bunt Von den Grabeshügeln fraßen. Sie hatten am Kreuz auf stiller Höh' Feldflasch' und Säbel hangen, Derweil sie, statt des Kyrie, Die Marseillaise sangen. Ihr Hauptmann aber lehnt' am Baum, Todmüde von schweren Wunden, Und schaute wie im Fiebertraum Nach dem tiefschwülen Grunde. Er sprach verwirrt: „Da drüben stand Der Vaters Schloß am Weiher, Ich selbst steckt's an; das war ein Brand, Der Freiheit Freudenfeuer! Ich seh' ihn noch: wie durch den Sturm, Zwischen den feurigen Zungen, Mein stolzer Vater da vom Thurm Sein Banner hat geschwungen. Und als es war entlaubt vom Brand, Die Fahn' im Wind zerflogen: Den Schaft als Kreuz nun in der Hand, Theilt' er die Flammenwogen. Er sah so wunderbar auf mich, Ich konnt' ihn nicht ermorden — Da sank die Burg, er wandte sich Und ist ein Pfaff geworden. Seitdem hor' ich in Träumen schwer Von ferne Glocken gehen Und seh' in rothem Feuermeer Ein Kreuz allnächtlich stehen. Es sollen keine Glocken gehn, Die Nächte zu verstören, Kein Kreuz soll mehr auf Erden stehn, Um Narren zu bethören! Und dieses Kirchlein hier bewacht, Sie sollen nicht Messe singen, Wir reißen's nieder über Nacht, Licht sei, wohin wir dringen!“ Und als die Nacht schlich leis daher, Der Hauptmann stand am Strande, So still im Wald, so still das Meer, Nur die Wachen riefen im Lande. Im Wind die Glock' von selbst anschlug, Da wollt' ein Hauch sich heben, Wie unsichtbarer Engel Flug, Die über's Wasser schweben. Nun sieht er auch im Meere fern Ein Lichtlein hell entglommen; Er dacht': wie ist der schöne Stern Dort in die Fluth gekommen? Am Ufer aber durch die Nacht In allen Felsenspalten Regt sich's und schlüpft es leis und sacht, Viel dunkle, schwanke Gestalten. Nur manchmal von den Buchten her Schallt Ruderschlag von Weitem, Auf Barken lautlos in das Meer Sie nach dem Stern hin gleiten. Der wächst und breitet sich im Nah'n Und streift mit Glanz die Wellen, Es ist ein kleiner Fischerkahn, Den Fackeln mild erhellen. Und einsam auf des Schiffleins Rand Ein Greis kommt hergezogen, In wunderbarem Meßgewand, Als wie der Hirt der Wogen. Die Barken eine weite Rund' Dort um den Hirten machen, Der laut nun über'm Meeresgrund Den Segen spricht im Nachen. Da schwieg der Wind und rauscht' das Meer So wunderbare Weise, Und auf den Knieen lag ringsher Die stille Gemeinde im Kreise. Und als er das Kreuz hob in die Luft, Hoch zwischen die Fackeln trat er — Der Hauptmann schauert im Herzensgrund, Es war sein alter Vater. Da taumelt' er und sank in's Gras, Betend im stillen Grunde, Und wie Felsenquellen im Frühling brach Sein Herzblut aus allen Wunden. Und als die Gesellen kommen zum Strand, Einen todten Mann zu finden — Voll Gram sie sprengen durch das Land, Als jagt' sie der Tod in den Winden. Die stürzten sich in den Krieg so weit, Sie sind verweht und zerstoben, Das Kirchlein aber steht noch heut' Unter den Linden droben. Das Schloß Boncourt Ich träum' als Kind mich zurücke, Und schüttle mein greises Haupt; Wie sucht ihr mich heim, ihr Bilder, Die lang' ich vergessen gealaubt? Hoch ragt aus schatt'gen Gehegen Ein schimmerndes Schloß hervor, Ich kenne die Thürme, die Zinnen, Die steinerne Brücke, das Thor. Es schauen vom Wappenschilde Die Löwen so traulich mich an, Ich grüße die alten Bekannten, Und eile den Burghof hinan. Dort liegt die Sphinx am Brunnen, Dort grünt der Feigenbaum, Dort, hinter diesen Fenstern, Verträumt' ich den ersten Traum. Ich tret' in die Burgkapelle Und suche des Ahnherrn Grab, Dort ist's, dort hängt vom Pfeiler Das alte Gewaffen herab. Noch lesen umflort die Augen Die Züge der Inschrift nicht, Wie hell durch die bunten Scheiben Das Licht darüber auch bricht. So stehst du, o Schloß meiner Väter, Mir treu und fest in dem Sinn, Und bist von der Erde verschwunden, Der Pflug geht über dich hin. Sei fruchtbar, o theurer Boden! Ich segne dich mild und gerührt, Ich segn' ihn zwiefach, wer immer Den Pflug nun über dich führt. Ich aber will auf mich raffen, Mein Saitenspiel in der Hand, Die Weiten der Erde durchschweifen, Und singen von Land zu Land. Die Löwenbraut Mit der Myrthe geschmückt und dem Brautgeschmeid, Des Wächters Tochter, die rosige Maid, Tritt ein in den Zwinger des Löwen; er liegt Der Herrin zu Füßen, vor der er sich schmiegt. Der Gewaltige, wild und unbändig zuvor, Schaut fromm und verständig zur Herrin empor; Die Jungfrau, zart und wonnereich, Liebstreichelt ihn sanft und weinet zugleich: „Wir waren in Tagen, die nicht mehr sind, Gar treue Gespielen wie Kind und Kind, Und hatten uns lieb und hatten uns gern; Die Tage der Kindheit, sie liegen uns fern. Du schütteltest machtvoll, eh' wir's geglaubt, Dein mähnen-umwogtes, königlich Haupt; Ich wuchs heran, du siehst es, ich bin Das Kind nicht mehr mit kindischem Sinn. O wär' ich das Kind noch und bliebe bei dir, Mein starkes, getreues, mein redliches Thier; Ich aber muß folgen, sie thaten's mir an, Hinaus in die Fremde dem fremden Mann. Es fiel ihm ein, daß schön ich sei, Ich wurde gefreiet, es ist nun vorbei; — Den Kranz im Haare, mein guter Gesell, Und nicht vor Thränen die Blicke mehr hell. Verstehst du mich ganz? schaust grimmig dazu; Ich bin ja gefaßt; sei ruhig auch du; Dort seh' ich ihn kommen, dem folgen ich muß, So geb' ich denn, Freund, dir den letzten Kuß!“ Und wie ihn die Lippe des Mädchens berührt, Da hat man den Zwinger erzittern gespürt; Und wie er am Gitter den Jüngling erschaut, Erfaßt Entsetzen die bangende Braut. Er stellt an die Thür sich des Zwingers zur Wacht, Er schwinget den Schweif, er brüllet mit Macht; Sie flehend, gebietend und drohend begehrt Hinaus; er im Zorn den Ausgang wehrt. Und draußen erhebt sich verworren Geschrei, Der Jüngling ruft: „bringt Waffen herbei; Ich schieß' ihn nieder, ich treff' ihn gut!“ Auf brüllt der Gereizte, schäumend vor Wuth. Die Unselige wagt's, sich der Thür zu nahn, Da füllt er verwandelt die Herrin an; Die schöne Gestalt, ein gräßlicher Raub, Liegt blutig, zerrissen, entstellt in dem Staub. Und wie er vergossen das theure Blut, Er legt sich zur Leiche mit finsterem Muth, Er liegt so versunken in Trauer und Schmerz, Bis tödtlich die Kugel ihn trifft in das Herz. Die Sonne bringt es an den Tag Gemächlich in der Werkstatt saß Zum Frühtrank Meister Nicolas, Die junge Hausfrau schenkt' ihm ein, Es war im heitern Sonnenschein. — Die Sonne bringt es an den Tag. Die Sonne blinkt von der Schale Rand, Malt zitternde Kringeln an die Wand, Und wie den Schein er in's Auge faßt, So spricht er für sich, indem er erblaßt: Du bringst es doch nicht an den Tag. Wer nicht? was nicht? die Frau fragt gleich, Was stierst du so an? was wirst du so bleich? Und er darauf: sei still, nur still; Ich's doch nicht sagen kann, noch will. Die Sonne bringt's nicht an den Tag. Die Frau nur dringender forscht und fragt, Mit Schmeicheln ihn und Hadern plagt, Mit süßem und mit bitterm Wort, Sie fragt und plagt ihn fort und fort: Was bringt die Sonne nicht an den Tag? Nein, nimmermehr! — Du sagst es mir noch. — Ich sag' es nicht. — Du sagst es mir doch. — Da ward zuletzt er müd' und schwach, Und gab der Ungestümen nach. — Die Sonne bringt es an den Tag. Auf der Wanderschaft, 's sind zwanzig Jahr', Da traf es mich einst gar sonderbar, Ich hatt' nicht Geld, nicht Ranzen, noch Schuh, War hungrig und durstig und zornig dazu. — Die Sonne bringt's nicht an den Tag. Da kam mir just ein Jud' in die Quer', Ringsher war's still und menschenleer: „Du hilfst mir, Hund, aus meiner Noth; Den Beutel her, sonst schlag' ich dich todt!“ Die Sonne bringt's nicht an den Tag. Und er: „vergieße nicht mein Blut, Acht Pfennige sind mein ganzes Gut!“ Ich glaubt' ihm nicht, und fiel ihn an; Er war ein alter, schwacher Mann — Die Sonne bringt's nicht an den Tag. So rücklings lag er blutend da; Sein brechendes Aug' in die Sonne sah; Noch hob er zuckend die Hand empor, Noch schrie er röchelnd mir in's Ohr: „Die Sonne bringt es an den Tag.“ Ich macht' ihn schnell noch vollends stumm, Und kehrt' ihm die Taschen um und um: Acht Pfenn'ge, das war das ganze Geld. Ich scharrt' ihn ein auf selbigem Feld — Die Sonne bringt's nicht an den Tag. Dann zog ich weit und weiter hinaus, Kam hier in's Land, bin jetzt zu Haus. — Du weißt nun meine Heimlichkeit, So halte den Mund und sei gescheidt; Die Sonne bringt's nicht an den Tag. Wann aber sie so flimmernd scheint, Ich merk' es wohl, was sie da meint, Wie sie sich müht und sich erbos't, — Du, schau' nicht hin, und sei getrost: Sie bringt es doch nicht an den Tag. So hatte die Sonn' eine Zunge nun, Der Frauen Zungen ja nimmer ruhn. — Gevatterin, um Jesus Christ! Laßt euch nicht merken, was ihr nun wißt. — Nun bringt's die Sonne an den Tag. Die Raben ziehen krächzend zumal Nach dem Hochgericht, zu halten ihr Mahl. Wen flechten sie auf's Rad zur Stund'? Was hat er gethan? wie ward es kund? Die Sonne bracht' es an den Tag. Ammonium „Fremdling, laß deine Stute grasen, O, zieh nicht weiter diese Nacht! Dies ist die grünste der Oasen; Im gelben Sandmeer glänzt ihr Rasen, Gleichwie inmitten von Topasen Ein grüner funkelnder Smaragd!“ Er sprach: „Gern will ich mich entgürten!“ Und nahm dem Pferde das Gebiß. Er setzte sich zu seinen Wirthen; Des Wüstengeiers Flügel schwirrten An ihm vorüber nach den Syrten, Zu ruhn in der Pentapolis. Die Lieder und die Cymbeln klangen, Die Mappe lag auf seinen Knie'n. Die Rosse mit den blanken Stangen, Die finstern Reiter mit den langen Gewanden und den bärt'gen Wangen, Die Zelte — fremd ergriff es ihn. Mit farb'gen Stiften schuf er glühend Ein Bildniß dieser Wüstenrast. Die Dromedare lagen knieend Am Quell; des Wirthes Töchter, blühend Und schlank, bald nahend und bald fliehend, Umtanzten singend ihren Gast: „Fremdling, laß deine Stute grasen! O, zieh' nicht weiter diese Nacht! Dies ist die grünste der Oasen; Im gelben Sandmeer glänzt ihr Rasen, Gleichwie inmitten von Topasen Ein grüner funkelnder Smaragd!“ Der Unbekannte Durch das enge Thor des Städtchens Zieht ein alter Bettler fort, Niemand spendet ihm Geleite, Lebewohl und Abschiedswort. Nicht verräth die graue Wolke, Daß sie Botschaft Gottes trägt; Nicht verräth der graue Felsen, Daß er Schachte Goldes hegt. Und dem kahlen Baum im Winter Seht ihr's auch nicht an sogleich, Daß er einst so fröhlich grünte Und an Blüth' und Frucht so reich. Von dem Mann am Bettelstabe Hätt' es Keiner wohl geglaubt, Daß er einst im Purpur strahlte, Kronumglänzt sein Lockenhaupt! Meuter rissen ihm die Krone Und den lichten Purpur ab, Reichten ihm, anstatt des Zepters, Einen morschen Wanderstab. Und so wallt er schon seit Jahren, Ungegrüßt und ungekannt, Mit dem schwergebeugten Haupte Durch so manches fremde Land. Müde, todesmüde sinkt er Unter einen Blüthenbaum, Von den Zweigen eingesungen In den tiefen, ew'gen Traum. Menschen, die vorübergingen, Sprachen da in stillem Gram: Wer ist wohl der arme Alte, Der so elend hier verkam? Doch Natur mit lichtem Auge Hat den Schläfer wohl erkannt, Und ein feierlich Begängniß. Wie's dem König ziemt, gesandt. Blüthenkränze wehn vom Baume Ihm als Kron' auf's Haupt herab, Und zum Zepter übergoldet Sonne ihm den Bettelstab. Rauschend wölben sich die Zweige Über ihm als Baldachin, Und den königlichen Purpur Legt das Abendroth auf ihn. Am Fenster Sitzt die Mutter mit der schönen Tochter An dem Fenster in der Abendkühle, Geht ein junger Wandersmann vorüber, Blickt verstohlen nach dem hohen Fenster, Und sein Auge trifft ein andres Auge, Und wie Purpur glühen seine Wangen Und ein Zauber hemmet seinen Schritt. Und zur Mutter spricht die Tochter hastig: „Wie ist's doch so schwül noch in dem Zimmer!“ Und sie eilet nach dem nächsten Fenster, Wo auf reichgeschmücktem Blumenbrete Eine duft'ge Rose sich erschlossen. Und sie öffnet mit Geräusch das Fenster, Beugt sich weit hinaus und ruft erschrocken: „Mütterlein, ach wirst du mir nicht zürnen, Meine Rose, meine schöne Rose, Die du mir am Namenstage schenktest Und die heut' so lieblich sich erschlossen, Hab' ich Ungeschickte abgebrochen. Wäre sie nur nicht hinabgefallen, Blühte sie mir lange noch im Glase. Aber sieh! dort hat sie schon ein Fremder Eilig von der Straße aufgehoben Und mit ihr den Wanderhut geschmückt.“ Und sie küßt die Hand der Mutter schmeichelnd Und es ruht der Mutter Auge selig Auf dem schönen Kind und tröstend spricht sie: „Sollt' ich wegen einer Rose zürnen? Mag der Wanderer sich ihrer freuen, Der vielleicht, der lieben Heimath denkend, In der Rose, die ein wildes Mädchen Wider Willen ihm hinabgesendet, Einen Gruß sieht, den sein theures Liebchen Nach ihm ausgesandt in ferne Lande. Wie! noch immer glühen deine Wangen? Und nun Thränen gar noch in dem Auge? Ei, so tröste dich doch nur, mein Kindchen! Morgen schenk' ich dir ein andres Röschen, Viel noch sah ich bei bei dem Gärtner stehn.“ Und die Tochter birgt ihr weinend Antlitz An der Mutter liebevollem Busen, Und die Mutter kann es nicht begreifen, Daß ihr wildes, ausgelass'nes Mädchen Eines abgeknickten Rösleins willen Gar so still und traurig ist. Liebesdienst Es war ein Markgraf über dem Rhein, Der hatte drei schöne Töchterlein; Zwei Töchterlein früh heirathen weg, Die dritt' hat ihn in's Grab gelegt. Dann ging sie singen vor Schwesters Thür: „Ach, braucht ihr keine Dienstmagd hier?“ „Ei Mädchen, du bist viel zu fein, Du gehst gern mit den Herrelein.“ „Ach nein! ach nein! das thu' ich nicht, Daß ich so mit den Herrlein geh'.“ Sie dingt das Mägdlein ein halbes Jahr. Das Mägdlein dient ihr sieben Jahr. Und als die sieben Jahr um war'n, Da ward das Mägdlein schwach und krank; „Sag', Mägdlein, wenn du krank willst sein, So sag' mir, wer sind die Eltern dein?“ „Mein Vater war Markgraf über dem Rhein Und ich bin sein jüngstes Töchterlein.“ „Ach nein! ach nein! das glaub' ich nicht, Daß du meine jüngste Schwester bist.“ „Und wenn du mir's nicht glauben willst, So geh' nur an meine Kiste hin, Daran wird es geschrieben stehn, Du kannst es mit deinen Augen sehn.“ Und als sie an die Kiste kam, Da rannen ihr die Thränen ab: „Ach bringt mir Weck, ach bringt mir Wein, Das ist mein jüngstes Schwesterlein!“ „Ich will auch kein Weck, ich will auch kein'n Wein, Will nur ein kleines Särgelein.“ Abschied Was klinget und singet die Straß' herauf? Ihr Jungfern, machet die Fenster auf! Es ziehet der Bursch in die Weite, Sie geben ihm das Geleite. Wohl jauchzen die Andern und schwingen die Hüt', Viel Bänder darauf und viel edle Blüth', Doch dem Burschen gefällt nicht die Sitte, Geht still und bleich in der Mitte. Wohl klingen die Kannen, wohl funkelt der Wein: „Trink' aus und trink' wieder, lieb Bruder mein!“ — „Mit dem Abschiedsweine fhehet, Der da innen mir brennet und glühet!“ Und draußen am allerletzten Haus, Da gucket ein Mägdlein zum Fenster heraus, Sie möcht' ihre Thränen verdecken Mit Gelbveiglein und Rosenstöcken. Und draußen am allerletzten Haus, Da schlägt der Bursche die Augen auf, Und schlägt sie nieder mit Schmerze Und leget die Hand auf's Herze. „Herr Bruder! und hast du noch keinen Strauß, Dort winken und wanken viel Blumen heraus. Wohlauf, du Schönste von Allen, Laß ein Sträußlein herunter fallen!“ „Ihr Brüder, was sollte das Sträußlein mir? Ich hab' ja kein liebes Liebchen, wie ihr. An der Sonne würd' es vergehen, Der Wind, der würd' es verwehen.“ Und weiter, ja weiter mit Sang und mit Klang! Und das Mägdlein lauschet und horchet noch lang': „O weh! er ziehet, der Knabe, Den ich stille geliebet habe. Da steh' ich, ach! mit der Liebe mein, Mit Rosen und mit Gelbveigelein; Dem ich Alles gäbe so gerne, Der ist nun in der Ferne.“ Liebesprobe Es sah eine Linde in's tiefe Thal, War unten breit und oben schmal; Worunter zwei Verliebte saßen, Vor Lieb' ihr Leid vergaßen. „Feins Liebchen, wir müssen von einander, Ich muß noch sieben Jahr wandern.“ „Mußt du noch sieben Jahr wandern, Nehm' ich mir keinen Andern.“ Und als nun die sieben Jahr umme waren, Flocht sie in Seiden ihr Haar; Sie ging wohl in den Garten, Ihren Liebsten zu erwarten; Sie ging wohl unter die Linden, Ob sie ihren Liebsten möcht' finden; Sie ging wohl in das grüne Holz, Da kam ein Reiter geritten stolz: „Gott grüß' dich, Mägdlein feine, Was machst du hier alleine? Ist dir dein Vater oder Mutter gram, Oder hast du heimlich einen Mann?“ „Mein Vater und Mutter sind mir nicht gram, Ich hab' auch heimlich keinen Mann. Gestern war's drei Wochen über sieben Jahr, Da mein feins Liebchen ausgewandert war.“ „Gestern bin ich geritten durch eine Stadt, Da dein feins Liebchen Hochzeit hatt'. Was thust du ihm denn wünschen an, Daß er seine Treu' nicht gehalten hat?“ „Ich wünsch' ihm so viel gute Zeit, So viel wie Sand am Meere breit; Ich wünsch' ihm so viel Glücke fein, So viel wie Stern' am Himmel sein; Ich wünsch' ihm all' das Beste, So viel der Baum hat Äste. Ich wünsch' ihm auch eine gute Nacht, Weil er mein nimmer hat gedacht.“ Was zog er von seinem Finger? Ein Ring von reinem Gold gar fein. Er warf den Ring in ihren Schooß, Sie weinte, daß der Ring gar floß. Was zog er aus seiner Taschen? Ein Tuch, schneeweiß gewaschen. „Trockn' ab, trockn' ab dein Äugelein, Du sollst fürwahr mein eigen sein. Ich thät' dich nur versuchen, Ob du würd'st schwören oder fluchen; Hätt'st du einen Fluch oder Schwur gethan, Von Stund' an wär' ich geritten davon.“ Der kleine Hydriot Ich war ein kleiner Knabe, stand fest kaum auf dem Bein, Da nahm mich schon mein Vater mit in das Meer hinein, Und lehrte leicht mich schwimmen an seiner sichern Hand Und in die Fluthen tauchen bis nieder auf den Sand. Ein Silberstückchen warf er drei Mal in's Meer hinab, Und drei Mal mußt' ich's bolen, eh' er's zum Lohn mir gab. Dann reicht' er mir ein Ruder, hieß in ein Boot mich gehn, Er selber blieb zur Seite mir unverdrossen stehn, Wies mir, wie man die Woge mit scharfem Schlage bricht, Wie man die Wirbel meidet und mit der Brandung ficht. Und von dem kleinen Kahne ging's flugs in's große Schiff, Es trieben uns die Stürme um manches Felsenriff. Ich saß auf hohem Maste, schaut' über Meer und Land, Es schwebten Berg und Thürme vorüber mit dem Strand. Der Vater hieß mich merken auf jedes Vogels Flug, Auf aller Winde Wehen, auf aller Wolken Zug; Und bogen dann die Stürme den Mast bis in die Fluth, Und sprützten dann die Wogen hoch über meinen Hut, Da sah der Vater prüfend mir in das Angesicht — Ich saß in meinem Korbe und rüttelte mich nicht — Da sprach er, und die Wange ward ihm wie Blut so roth: „Glück zu, auf deinem Maste, du kleiner Hydriot!“ Und heute gab der Vater ein Schwert mir in die Hand, Und weihte mich zum Kämpfer für Gott und Vaterland. Er maß mich mit den Blicken vom Kopf bis zu den Zeh'n; Mir war's, als thät sein Auge hinab in's Herz mir sehn. Ich hielt mein Schwert gen Himmel und schaut' ihn sicher an, Und däuchte mich zur Stunde nicht schlechter als ein Mann Da sprach er, und die Wange ward ihm wie Blut so roth: „Glück zu, mit deinem Schwerte, du kleiner Hydriot!“ Gott grüße dich! Gott grüße dich! Kein andrer Gruß Gleicht dem an Innigkeit. Gott grüße dich! Kein andrer Gruß Paßt so zu aller Zeit. Gott grüße dich! Wenn dieser Gruß So recht vom Herzen geht. Gilt bei dem lieben Gott der Gruß So viel wie ein Gebet. Geduld Es zeht ein stiller Engel Durch dieses Erdenland, Zum Trost für Erdenmängel Hat ihn der Herr gesandt. In seinem Blick ist Frieden Und milde, sanfte Huld; O folg' ihm stets hienieden, Dem Engel der Geduld! Er führt dich immer treulich Durch alles Erdenleid, Und redet so erfreulich Von einer schönern Zeit. Denn willst du ganz verzagen, Hat er doch guten Muth; Er hilft das Kreuz dir tragen, Und macht noch Alles gut. Er macht zu linder Wehmuth Den herbsten Seelenschmerz, Und taucht in stille Demuth Das ungestüme Herz. Er macht die finstre Stunde Allmählig wieder hell, Er heilet jede Wunde Gewiß, wenn auch nicht schnell. Er zürnt nicht deinen Thränen, Wenn er dich trösten will; Er tadelt nicht dein Sehnen, Nur macht er's fromm und still. Und wenn im Sturmestoben Du murrend fragst: warum? So deutet er nach oben, Mild lächelnd, aber stumm. Er hat für jede Frage Nicht Antwort gleich bereit, Sein Wahlspruch heißt: ertrage, Die Ruhstatt ist nicht weit! So geht er dir zur Seite, Und redet gar nicht viel, Und denkt nur in die Weite, An's schöne, große Ziel. Nicht in die Weite Herz, mein Herz, nicht in der Weite, In der Nähe wohnt das Glück! Glaube, liebe, hoffe, leide Und kehr' in dich selbst zurück. Wüchsen über Nacht dir Flügel Schneller als der Sonne Strahl, Trügst doch über Thal und Hügel Rastlos deiner Sehnsucht Qual. Denn die Welt kann dir nicht bieten Das, wonach du heiß verlangst; Denn die Welt hat keinen Frieden, Hat nur Streit und Noth und Angst. Ewig wechselnd ist ihr Streben, Ewig wechselnd ist ihr Ziel: Was ihr heute Rast gegeben, Morgen ist's der Winde Spiel. D'rum, mein Herz, nicht in der Weite, In der Nähe such' dein Glück! Glaube, liebe, hoffe, leide Und kehr' in dich selbst zurück. Trost Wenn Alles eben käme, Wie du gewollt es hast, Und Gott dir gar nichts nähme, Und gäb' dir keine Last, Wie wär's da um dein Sterben, Du Menschenkind, bestellt? Du müßtest fast verderben, So lieb wär' dir die Welt. Nun fällt — eins nach dem andern — Manch' süßes Band dir ab, Und heiter kannst du wandern Gen Himmel durch das Grab, Dein Zagen ist gebrochen, Und deine Seele hofft; — Dies ward schon oft gesprochen, Doch spricht man's nie zu oft. Die Zeit flieht hin, und immer näher — Die Zeit flieht hin, und immer näher Rückt dir die ernste Ewigkeit. Wird dir es wohler oder weher Bei solchem raschen Flug der Zeit? Hast du nur Seufzer, Klagen, Thränen Um das, was rasch vorüber fliegt; Und kennt dein armes Herz kein Sehnen Nach dem, was drüben vor dir liegt? Empfängst du nur die Lebenssäfte Aus dem, was diese Welt enthält; Und hast du nie geschmeckt die Kräfte Der ewigen und bessern Welt? Fühlst du nur heimisch dich auf Erden? Ist dir der Himmel fern und fremd? O Mensch, wie wird es endlich werden, Wenn Tod und Grab dies Leben hemmt? Stell' dich an's Ziel der Lebenstage, Du, ach so weit verirrter Geist! Stell' dich dahin, bedenk' und frage: Was solch ein Leben dir verheißt? Bald ist für dich die Zeit verflossen, Dein Herz steht still, dein Auge bricht, Das Grab ist unter dir erschlossen, Doch über dir der Himmel nicht. O laß dich retten vom Verderben Der Sünde und der Eitelkeit; Such' dir ein Leben vor dem Sterben In dieser angenehmen Zeit. Nur Einer kann und will es geben, Er ist das Leben selbst, und spricht: Wer an mich glaubt, wird ewig leben, Und sieht den Tod im Tode nicht. O du, vor dem die Stürme schweigen O du, vor dem die Stürme schweigen, Vor dem das Meer versinkt in Ruh', Dies wilde Herz nimm hin zu eigen, Und führ' es deinem Frieden zu; Dies Herz, das ewig umgetrieben, Entlodert allzurasch entfacht, Und ach! mit seinem irren Lieben Sich selbst und Andre elend macht. Entreiß es, Herr, dem Sturm der Sinne, Der Wünsche treulos schwankem Spiel; Dem dunkeln Drange seiner Minne, Gib ihm ein unvergänglich Ziel; Auf daß es, los vom Augenblicke, Von Zweifel, Angst und Reue frei, Sich einmal ganz und voll erquicke, Und endlich, endlich stille sei. Sühne Herr! du schufst mich rein und milde, Da dein Odem mich durchfuhr; Aber ach! von deinem Bilde Trag' ich kaum noch eine Spur. Ganz befleckt ward es mit Erde Durch der Welt und meine Schuld, Und mich treibet von der Heerde Seelenangst und Ungeduld. Ach! vielleicht im Frühlingsbade Werd' ich rein von Schuld und Groll, Dort, erblüht in deiner Gnade, Dort ist Alles, wie es soll. Wasche außen mich und innen, Reiner, heller Morgenthau! Wasche Weg das Netz der Spinnen, Das versperrt des Himmels Blau! In mir ist die Welt zerfallen, Dunkles Chaos wüthet dort. Waldgesäusel, Nachtigallen, Rufet das Erschaffungswort! Ja, ich fühl's! Beim Klang der Lieder Löst der Kampf sich allgemach, Leis und licht erbaut sich wieder, Was in Schutt und Nacht zerbrach. Froher Maienstrahl! erleuchte Jeden Winkel meiner Brust, Bis dein lichtes Walten scheuchte Schwarzer Schatten Traumeswust. Zieht, ihr süßen Maiendüfte, In des Herzens Hallen ein, Daß vom Moderhauch der Grüfte Jede Stätte werde rein! Jetzt ist alle Angst vergessen, Weggeworfen alle Last, Und ich werde, wie vordessen, Als du mich geschaffen hast. Gott, so lasse du dich nieder! Thor ist offen, Schwelle rein. Zieh' in deinen Tempel wieder, Zieh' in Haupt und Herz mir ein! Psalm Nach schwerer Irrfahrt langen bangen Stunden Nun endlich hat die Schwalb' ihr Nest gefunden. Sie baut im Vorhof an des Herrn Altären, Das ist die Statt, da trocknen alle Zähren. Da säuseln in den Palmen Heimathlüfte, Da blühn die Lilien, Frieden ihr Gedüfte. Da springt wie Silber klar der Born der Gnaden, Die Seele trinkt und sie genest vom Schaden. Die blutroth war von Sinnenlust und Grolle, Wird rein wie Schnee und junger Lämmer Wolle. Wo ist ihr Leid nun? Wie ein Traum zerronnen. Wo bleibt ihr Seufzer? Er verging in Wonnen. Ein Tag der Rast in diesen Säulenhallen Ist mehr, denn draußen tausend Jahre wallen. Und besser ist's, hier an den Schwellen wohnen, Als in der Welt ob allen Reichen thronen. Pilgergang Was ist die Erde? was das Leben? Ein Augenblick, ein flücht'ger Ton. Ein enges Thal von Nacht umgeben, Durchpilgert von des Staubes Sohn. Er schreitet an dem Wanderstabe Dahin, indeß die Jahre fliehn. Zu seinem nahen Ziel, dem Grabe, Begleiten Schmerz und Sorge ihn. Doch ob das Thal auch dunkel, enge; Ob Wolkenfluth und Sturm mir droht; Ob mich der Schmerz, der Sorgen Menge Geleiten möge bis zum Tod: Nicht zagt mein Herz. In meinen Händen Ruht mir des Glaubens sich'rer Stab. Mit ihm will ich die Wand'rung enden, Auf ihn mich stützen bis an's Grab. Gebet Nicht fleh' ich um den Segen ew'gen Glückes, Nicht fleh' ich um ein flüchtig Erdengut. Gib, Ew'ger, nur in Stürmen des Geschickes Dem Geiste Kraft und meinem Herzen Muth! Den Pfad des Rechtes laß mich ruhig schreiten, Ob still die Luft, ob wild die Stürme wehn, Und Eines gib mir, Gott, zu allen Zeiten: O, die ich liebe, laß mich glücklich sehn! Nur Der ist arm, der einsam zieht die Pfade, Von dem hinweg der Liebe Engel fliehn. Dir, Schicksal, Dank! Du hast in deiner Gnade Der Lieb' und Freundschaft Segen mir verliehn. O, alle, die mir Liebe je gespendet, Auf Blumenauen laß sie ewig gehn, Daß nie ihr Glück und ihre Wonne endet! O, die ich liebe, laß mich glücklich sehn! Sieh, ihre Freuden will ich jubelnd theilen, Mich soll bewegen, was ihr Herz bewegt. Ich weiß es, meine Wunden werden heilen, So lang' sie mild die Hand der Liebe pflegt! An ihrer Freude soll mein Herz sich sonnen, Wenn welkend meines Glückes Blumen stehn, Und ihre Wonnen seien meine Wonnen. — O, die ich liebe, laß mich glücklich sehn! Vertrauen auf Gott Hoffe, Herz, nur mit Geduld! Endlich wirst du Blumen brechen; O, dein Vater ist voll Huld, Kindlich darfst du zu ihm sprechen. Auf dein gläubiges Vertrau'n Wird er gnädig niederschau'n. Wolken kommen, Wolken gehn; Bau' auf deines Gottes Gnade! Zu der Freude Sonnenhöh'n Führen stürmisch dunkle Pfade; Doch ein treues Auge wacht; Zitire nicht in Sturm und Nacht! Ankre du auf Felsengrund, Schwinge dich zu Gottes Herzen. Mach' ihm deine Leiden kund, Sag' ihm deine tiefsten Schmerzen; Er ist gütig und erquickt Jedes Herz, das Kummer drückt! Fass' im Glauben kühnen Muth; Kraft wird dir dein Helfer senden! Mit der Hand, die Wunder thut, Wird er deine Leiden enden. Er ist lauter Lieb' und Huld: Hoffe, Herz, nur mit Geduld! Wenn dich der Herr liebt — Wenn dich der Herr liebt, wirft er arm Und nackt dich in das reiche Leben, Und nährt das Kind mit Noth und Harm, Den Jüngling mit zerbrochnem Streben. D'rum klag' ihn nicht der Härte an, Hast du der Reichen Glück gezählet; Die kämpfend suchen ihre Bahn, Die hat der Herr sich auserwählet. Gibt er nicht täglich früh und spat Der Thränen viel dir und der Schmerzen? O glaub', aus dieser reichen Saat Keimt goldne Fülle dir im Herzen. Er schickt dir viel der Stürme zu — Die Saat gedeiht nur in Gewittern; Und nur im Kampfe spürest du Der Seele Tiefen dir erzittern. Keim und Kind Wenn ich den kleinen Keim betrachte, Aus dem einst frisch die Pflanze dringt, Aus dem, wenn Lebensgluth erwachte, Die bunte Blume sich entschwingt, Aus dem ein Heilkraut sich entfaltet, Aus dem ein Fruchtbaum sich erhebt, Aus dem die Eiche sich gestaltet, Die riesig gegen Himmel strebt: Dann tief im innersten Gemüthe Bestaun' ich still die hohe Kraft, Die Frucht erweckt aus Keim und Blüthe, Im Kleinsten wirkt und Größtes schafft; Und allen Keimen wünsch' ich Segen, Und guten Grund in Feld und Au', Und Sonnenschein und milden Regen, Und warme Nächt' und kühlen Thau. Doch wenn ein holdes Kind ich sehe, Gewiegt von treuer Mutterhand, Halb ist's noch in des Himmels Nähe, Noch Gast und Fremdling unserm Land, Ein tief Geheimniß dieser Erden, Das erst die Zukunft einst erklärt, Ein Räthsel, eine Welt im Werden, Die im Gestaltungskampfe gährt — Wenn ich es seh', ein solches Wesen, Da faßt ein Sturm mich von Gefühl, In seinen Zügen möcht' ich's lesen, Was einst sein Loos im Weltgewühl; Wird's glücklich sein, wird's Glück gewähren? Das Aug', das jetzt so selig lacht, Wird's nicht, erfüllt von bittern Zähren, Durchwachen manche lange Nacht? Das Kind, wenn Mann einst, wird es wirken Für's Heil der Menschheit ernst und kühn, Wird's wenn es Weib, in den Bezirken Des engern Hauses freudig blühn? Wird's nicht vielleicht die Welt erschüttern, Vielleicht vergessen untergehn? Wird man es lieben, vor ihm zittern, Wird auch ein Herz sein Herz verstehn? Weisheit, die du Knospenkeime Bewahrst vor Frost und vor Gewürm, Noch mehr als Pflanzen, Blumen, Bäume, Bedarf das Kindlein deinen Schirm. Ist es bedroht von Unglücksblitzen, Dann nimm es lieber wieder heim; Doch winkt ihm Heil, so woll' ihn schützen, Den kleinen großen Menschenkeim! Führung Auf deiner Fahrt in's bunte Leben, Sprich, gehst du auch die rechte Bahn? Wohl mag es viele Wege geben, Doch führt uns jeder himmelan? Verhüllt der Nebel mir die Sterne? Wallt dort ein stiller, grüner See? O, wie verworren liegt die Ferne Dem trüben Blick, mit dem ich seh'! Sind's Irrwischflammen, die dort blinken? Ist es ein gastlich Lampenlicht, Zum Herde freundlich mir zu winken? O Herr, das Alles weiß ich nicht. Und doch vertrau' ich diesem Pfade, Denn du beschirmest ja mein Boot! Mein Ruder senk' ich — Herr, die Gnade Verläßt mich nicht in Nacht und Noth. Schon seh' ich's fern im Osten flammen, Schon glüht's wie heller Morgenschein — Ich nehme frisch die Kraft zusammen Und fahr' in's goldne Licht hinein! Verlassen Wohl keine Klage spricht der Mund; Doch drückt das Weh, das Herz ist wund, Windstill' im Meer des Lebens! Am Baum des Daseins nagt der Wurm, Zu Hülfe ruf' ich selbst den Sturm, Doch auch den Sturm vergebens! Kein Freund ist, der es redlich meint, Kein Auge, das mit meinem weint, Ich seh' mich ganz verlassen! Doch weil verlassen, weiß ich auch: Ein Freund wird bis zum letzten Hauch Mit Liebe mich umfassen! Ihm sag' ich Alles, was mich drückt, Was mich erhebt, erschreckt, entzückt, Und wenn ich rathlos zage. Du bist's, mein Gott, mein Vaterherz! Du linderst, lösest allen Schmerz, Und machst die Nacht zum Tage! Mein Leitstern Freud' und Schmerzen, Lust und Sorgen, Mittag, Abend, Nacht und Morgen, Lenzeshauch und Herbstesfülle, Sommerleben, Winterhülle, Grabgesang und Wiegenlieder Wechseln, kommen, gehen wieder, Und des Jahres schnellen Lauf Hält kein irdisch Machtwort auf. Doch — ob Alles vorwärts treibt, Ob von uns zuletzt nichts bleibt; Ob wir bei des Sturmes Wehen, Der das Sein umbraust, vergehen; Ob, was war, was ist auf Erden, Asche ward und Staub muß werden — An der Menschheit Himmel lacht Hell ein Stern von Gott bewacht; Hell ein Stern, deß Sonnenlicht Auch durch Zweifels Nächte bricht; Der, wo Glaubenszwietracht waltet, Sühnend seine Macht entfaltet; Der, wenn Thränen es befeuchtet, Sanften Trost in's Auge leuchtet; Bei deß Glanze sich des Armen Fürstensöhne selbst erbarmen Und des Elends niedre Hütten Reich mit Wohlthun überschütten; Dessen Strahl geprüfte Gatten Unterm Kreuz nicht läßt ermatten; Der sein Licht — wenn's nach ihm schaut — Sanft in's Herz des Kindes thaut; Der, wenn Alles ringsum altet, Wenn das Leben selbst erkaltet, Wenn uns Sterbensnacht umzieht, Wenn des Glaubens Engel flieht, Wenn die Hoffnung zweifelnd weint, Hell und warm in's Herz uns scheint. Welcher Stern? Sollt' ich es wagen, Dem Jahrhundert es zu sagen, Dessen Schiff, von ihm geleitet, Kühn durch Sturm und Wellen schreitet? Deß Geschlecht, in ihm der Weisen Stern aus Morgenland zu preisen, Langem Traum sich rasch entringt Und, erwacht, die That vollbringt? Nein! Aus Millionen Augen Seh' ich seine Strahlen tauchen. Tief im Süden, hoch im Norden Ruft's, zu einem Mund geworden, Was beglückt ein Engel schriebe: „Ewigflammt der Stern der Liebe!“ Als ich im stillen Dämmergrau'n — Als ich im stillen Dämmergrau'n Das Auge jüngst erhoben, Nach eines Sternes Licht zu schau'n, Fand ich noch keinen droben. Doch als ich länger, tiefer sah In das geheime Dunkel, Wie regte leis, wie grüßte da Lebendiges Gefunkel! So richt' auch, sprach's mit mildem Glanz, Nach oben deine Seele, Nicht flüchtig nur, nein, voll und ganz. Daß ihr das Licht nicht fehle. Gebet Einem Ruf hab' ich gelauschet, Den du mir in's Herz gesendet, Ew'ger Vater, Quell des Lichts! Mein Verderben ist gewendet, Nicht mehr todverkündend rauschet Mir der Sturm des Weltgerichts. Doch wie sie mir Schaden brächten, Stets die Schaar der Feinde sinnt — Rette du aus diesen Nächten, Vater, dein geliebtes Kind! Maßlos in der Welten Reiche Strebt des Geistes kühne Schwinge Hoch ob allen Klüften hin. Doch zu mächtig sind die Dinge; Nimmer zwing' ich sie in's Gleiche, Ewig schwankt und fehlt mein Sinn. Ach, ich weiß nicht, ob zur Rechten, Ob zur Linken Pfade sind — Rette du aus Zweifelsnächten, Vater, dein geliebtes Kind! Mag in heil'gem Muth ich streben, Ganz die Welt mir zu erkämpfen, Daß sie diene deinem Reich: Ach, ich kann sie doch nicht dämpfen, Oft noch muß ich mich ergeben Ihrem Locken süß und weich. Schau', wie sie mit Zauberflechten Ihrer Schönheit mich umspinnt — Rette du aus Sündennächten, Vater, dein geliebtes Kind! Ja, du nährst die Kraft! Gewaltig Steh' ich in dem Streit als Sieger! Aber weh, mich trifft ihr Zorn, Und den kühnen Gotteskrieger Trifft, verschmäht, sie vielgestaltig Mit des bittern Todes Dorn. Mit dem letzten Feind zu fechten Hilf, Herr! meine Kraft verrinnt — Rette du aus Todesnächten, Vater, dein geliebtes Kind! Ruhe! Hoch aus den himmlischen Höhen Lächelt ein Auge so hehr, Hast du dir's lächeln gesehen; Ruhe — was willst du mehr! Ob sich ein Wetter entladet, Ob es zu Kampf und Wehr: O, wenn dein Gott dir genadet, Ruhe — was willst du mehr! Weinst du, er zählet die Thränen. Klagst du, er gibt dir Gehör. Flehst du, er stillet dein Sehnen. Ruhe — was willst du mehr! Wird in verlassenen Ständen Manchmal das Harren auch schwer: Alles muß herrlich sich enden! Ruhe — was willst du mehr! Gebet Du Urquell aller Güte, Du Urquell aller Macht, Lind hauchend aus der Blüthe, Hochdonnernd aus der Schlacht, Allwärts ist dir bereitet Ein Tempel und ein Fest, Allwärts von dir geleitet, Wer gern sich leiten läßt. Du siehst in dies mein Herze, Kennst seine Lust und Noth: Mild winkt der Heimath Kerze, Kühn ruft glorwürd'ger Tod; Mit mir in eins zusammen Schlingt sich des Kindleins Huld, Und draußen leuchten Flammen, Abbrennend Schmach und Schuld. Bereit bin ich zu sterben Im Kampf, der Ahnen werth, Nur sich're vor Verderben Mir Weib und Kind am Herd. Dein ist in mir die Liebe, Die diesen beiden quillt, Dein auch sind muth'ge Triebe, Davon die Brust mir schwillt. Kann es sich mild gestalten, So laß es, Herr, geschehn, Den Frieden fürder walten Und Sitt' und Ruh' bestehn. Wo nicht, so gib zum Werke Uns Licht in Sturmesnacht; Du ew'ge Lieb' und Stärke, Dein Wollen sei vollbracht. Wohin du mich willst haben, Mein Herr, steh' ich bereit, Zu frommen Liebesgaben, Wie auch zum wackern Streit. Dein Bot' in Schlacht und Reise, Dein Bot' im stillen Haus, Ruh' ich auf alle Weise Doch einst im Himmel aus. Beruhigung Sprich, was soll dein irres Sehnen, Was dein hoffnungsloser Schmerz? Blicke muthig durch die Thränen, Blicke freudig himmelwärts. Wenn das Schicksal dir hienieden Unheilbare Wunden schlug, Und der Kummer deinen Frieden In die öden Grüfte trug; Wenn der kurze Lenz verflossen Und das Leben herbstlich kalt, Ungewünscht und ungenossen Blüthenlos vorüberwallt: Blicke gläubig in die Räume, Wo die ew'ge Liebe thront, Wo das goldne Glück der Träume Einst der Tage Leiden lohnt; Wo, was jetzt vorüberwehend Wie ein Himmelston erklingt, Jugendkräftig und bestehend Alle Schmerzen niederzwingt. Wünsche dir entfloh'ner Stunden Helle Freuden nicht zurück, Denn das Glück ist nie verschwunden, Was verschwindet, ist kein Glück. Christnacht Heil'ge Nacht, auf Engelschwingen Nahst du leise dich der Welt, Und die Glocken hör' ich klingen Und die Fenster sind erhellt. Selbst die Hütte trieft von Segen, Und der Kindlein froher Dank Jauchzt dem Himmelskind entgegen, Und ihr Stammeln wird Gesang. Mit der Fülle süßer Lieder, Mit dem Glanz um Thal und Höh'n, Heil'ge Nacht, so kehrst du wieder, Wie die Welt dich einst gesehn, Da die Palmen lauter rauschten Und, versenkt in Dämmerung, Erd' und Himmel Worte tauschten, Worte der Verkündigung; Da mit Purpur übergossen, Aufgethan von Gottes Hand, Alle Himmel sich erschlossen, Glänzend über Meer und Land; Da, den Frieden zu verkünden, Sich der Engel niederschwang, Auf den Höhen, in den Gründen Die Verheißung wiederklang; Da, der Jungfrau Sohn zu dienen, Fürsten aus dem Morgenland In der Hirten Kreis erschienen, Gold und Myrrhen in der Hand; Da mit seligem Entzücken Sich die Mutter niederbog, Sinnend aus des Kindes Blicken Nie gefühlte Freude sog. Heil'ge Nacht, mit tausend Kerzen Steigst du feierlich herauf, O so geh' in unsern Herzen, Stern des Lebens, geh' uns auf! Schau', im Himmel und auf Erden Glänzt der Liebe Rosenschein: Friede soll's noch einmal werden Und die Liebe König sein! Letztes Gebet Ich habe dir mich hingegeben, O Herr, der die Gestirne lenkt! Dir bring' ich wieder Leib und Leben, Die du in Gnaden mir geschenkt. Mit manchem Feind hab' ich gerungen. Nun kommt als letzter Feind der Tod. Gib, daß die Seele unbezwungen Nicht bang' verzagt in letzter Noth. O, naht euch, lichte Engelschaaren, Der Feind rückt an in raschem Lauf — Tragt aus den irdischen Gefahren Den freien Geist zum Himmel auf! Stilles Leben In der Stille Ist mein Wille Nur auf dich, mein Gott, gestellt! All mein Ringen, all mein Denken Strebt in Gott sich einzusenken, Dessen Hauch mich süß umschwellt. Seelenfrieden Ist beschieden Mir, der so in Gott sich wiegt. O, ihr Schmerzen, Gram und Trauer, Seid ihr mehr als Mainachtschauer, D'raus der Tag erglänzt und siegt? Gebet Herr! Schicke was du willt, Ein Liebes oder Leides; Ich bin vergnügt, daß Beides Aus deinen Händen quillt. Außer dir nur, was in dir Die Lüge sieht von Pol zu Pol Ein Lügennetz gewebt, Denn Jeder schaut nur in der Welt, Was ihm im Busen lebt! Wie's innen, so ist's draußen auch! Ist's innen licht und hell, So dünkt die Welt dir lieb und schön, Ein reicher Freudenquell. Doch ist dein Herz geplagt, gequält, Von Gram und Sorgen matt, So scheint die Welt dir öd', und fahl Ein jedes Blüthenblatt. Wer Nacht und Trug im Busen hegt, Sieht immer Nacht und Trug; Wer Gott im tiefsten Herzen trägt, Sieht ihn im Weltenbuch. Trost Am Himmel wandern ewig klar die Sterne Und strömen durch die Nacht ihr heitres Licht, Und weinend seufz' ich auf nach jener Ferne; Doch meine Klage trübt die Sterne nicht. Und jubelnd kommt der holde Lenz gezogen, Und schmückt die Erde mit dem Feierkleid Und wiegt sich lächelnd auf den Blumenwogen; Was weiß der Lenz von meinem tiefen Leid? Und lustige Gesellen ziehn vorüber, Und durch die Lüfte tönet Sang und Klang; Sie grüßen flüchtig wohl nach mir herüber, Doch keiner fragt: Was seufzest du so bang'? So stünd' ich einsam mitten in der Freude, Wärst du nicht bei mir, ew'ger Gnadenhort, Gingst du, mein Vater, mir nicht treu zur Seite Und sprächest Trost mir zu mit deinem Wort. Gebet auf den Bergen Die Berge sind die Festaltäre, Darauf der Sonne Feuer rollt, Wo edler Herzen freud'ge Zähre Das Opfer frommen Dankes zollt. Ich knie' auf deinen stillen Hügeln, Natur! von dir allein belauscht, Und betend fühl' ich, daß auf Flügeln Der Geist der Liebe mich umrauscht. Wie sich dem Sohn aus Juda's Stamme Der Herr im Feuerbusch gezeigt, So in des Waldes grüner Flamme Seh' ich dein Wesen mir geneigt. Im Spiegel jener klaren Flüsse Erkenn' ich deines Auges Licht, Und in der Blume, die ich küsse, Küss' ich dein heil'ges Angesicht! Gottinnigkeit Wenn durch die reiche Frühlingspracht Du staunend und bewundernd gehest, Und unter heller Sternenpracht Oft aufwärts blickend stille stehest, Und manche Frage dich bewegt, Und manches Räthsel dich erregt, Dann, Freund, laß einzig und allein Nur deinen Gott dein Führer sein. Denn wisse, nur an seiner Hand, Von ihm geleitet, ungesehen, Lernst du sein Erd- und Himmelsland, Sein Werk, so viel dir nützt, verstehen. Gib dich mit kindlich reinem Sinn Dem großen Vaterherzen hin, Und lern', daß seine Lieb' es ist, Die dich aus jeder Blume grüßt. Und bitt' in Demuth um sein Licht, O glaube mir, es wird dir werden, Dann quälen Räthsel, Zweifel nicht Dich mehr auf dieser Schattenerden. Die Himmelsgabe dieser Zeit, Ihr Name ist Gottinnigkeit, Mit ihr allein, durch sie allein Kannst du auf Erden selig sein. Morgengebet O wunderbares, tiefes Schweigen, Wie einsam ist's noch auf der Welt! Die Wälder nur sich leise neigen, Als ging der Herr durch's stille Feld. Ich fühl' mich recht wie neu geschaffen, Wo ist die Sorge nun und Noth? Was mich noch gestern wollt' erschlaffen, Ich schäm' mich deß im Morgenroth. Die Welt mit ihrem Gram und Glücke Will ich, ein Pilger, frohbereit Betreten nur wie eine Brücke Zu dir, Herr, über'm Strom der Zeit. Und buhlt mein Lied, auf Weltgunst lauernd, Um schnöden Sold der Eitelkeit: Zerschlag' mein Saitenspiel, und schauernd Schweig' ich vor dir in Ewigkeit. Gebet Wollest mit Freuden Und wollest mit Leiden Mich nicht überschütten! Doch in der Mitten Liegt holdes Bescheiden. Am Morgen Das Morgenroth schwimmt still entlang Den Wolkenozean; Den Gliedern zart, mit Liebesdrang Schmiegt sich die Welle an. Ihm folgt die Sonn' im Sphärenklang, Ein rother Flammenkahn; Ein lindes Rauschen grüßt den Tag, Ist es ihr Ruderschlag? Und es erwachen mit Gezisch Die bunten Vögelein; Sie strecken keck aus dem Gebüsch Die Köpflein rund und klein, Und tauchen in die Thauluft frisch Die feinen Glieder ein; Die Schnäblein üben sie zumal In Liedern ohne Zahl. Und auch die Blumen senden früh Den leisen Duft in's Land, Um ihre Stirnen winden sie Ein hell Juwelenband. Das Spinnlein selbst mit großer Müh' Braucht die geübte Hand, Es hat fein Netzlein reich gestrickt, Mit Perlenreih'n geschmückt. Ich sinne, wem solch' heitres Fest Mag zubereitet sein, Und wem zu Liebe läßt sein Nest Das treue Vögelein. Da spricht zu mir der linde West Mit seinem Stimmlein fein: Bist du denn also hart und blind, Du thöricht Menschenkind? Was gehst du doch so stumm einher, Wo Alles Jubel singt? Was wandelst du so arm und leer, Wo Alles Gabe bringt, Daß selbst zu Gottes Lob und Ehr' Vom Aug' der Erde dringt Gar manche Thräne, daß sie ganz Davon bedeckt mit Glanz? Er ist es, den so minniglich Das Lied der Vögel trägt, Dem mit Gesang so inniglich Der Baum die Zweige regt, Für den die Sonne rings um sich Die Strahlenwimpel schlägt. All Herz thut sich ihm freudig auf: Wach' auf, wach' auf, wach' auf! Dem Herrn sei Lob und Ehr'! Die Vöglein regen ihre Schwingen Im morgengoldnen Wolkenmeer, Und ihre Sprache ist ihr Singen, Und aus den Lüften hör' ich's klingen: Dem Herrn sei Lob und Ehr'! Und bunte Blumen seh' ich blühen, Umwogt von grünem Halmenmeer, Und ihre duft'gen Kelche glühen, Und ihre Sprache ist ihr Blühen: Dem Herrn sei Lob und Ehr'! Und tausend goldne Sternlein wandern Bei Nacht auf dunklem Äthermeer, Und wie sie kommen, wie sie wandern, Spricht eines grüßend zu dem andern: Dem Herrn sei Lob und Ehr'! Und finden sich verwandte Seelen Auf wechselvollem Lebensmeer, Die sich in Lieb' und Treu' vermählen, Wird auch der fromme Gruß nicht fehlen: Dem Herrn sei Lob und Ehr'! Palmsonntagmorgen Es fiel ein Thau vom Himmel himmlisch mild, Der alle Pflanzen bis zur Wurzel stillt; Laß dein Sehnen, Laß die Thränen! Es fiel ein Thau, der alles Dürsten stillt. Ein sanftes Sausen kommt aus hoher Luft, Still grünt das Thal und steht in Veilchenduft; Göttlich Leben Fühl' ich weben, Ein sanftes Sausen kommt aus hoher Luft. Wie Engelsflügel blitzt es über Land; Nun schmück' dich, Herz, thu an ein rein Gewand! Sieh, die Sonne Steigt in Wonne, Wie Engelsflügel blitzt es über Land. Macht weit das Thor! Der König ziehet ein, Die Welt soll jung und lauter Friede sein; Streuet Palmen! Singet Psalmen! Hosiannah singt, der König ziehet ein! Sonntag am Meere Wie ist die Welt so selig heut', Wie andachtsklar der Himmelsbogen! Des Glöckleins feierlich Geläut' Schallt in des Meeres dumpfes Wogen. Schon steigt die Fluth; sie flirrt und gleißt, Die Wellen murmeln goldbeschienen; So sanft ihr Hauch, als ob der Geist Des Herren wehte über ihnen. Den Weg herauf, am Sandberg, geht Die fromme Schaar der Kirchenganger; Und aus dem alten Kirchlein weht Schon der Choral andächt'ger Sänger. So träum' ich still am Felsenwall Und schaue auf das Meer hernieder — Die Brandung rauscht wie Orgelschall, Die Winde singen Kirchenlieder. Und was in Meer und Himmel rauscht, Das muß im Herzen wiederschallen, Und still, von keinem Aug' belauscht, Muß ich anbetend niederfallen. Wie sie dich nennen, wie du heißt, Dem alle Wunder sich entschleiern: Fürwahr, du bist der heil'ge Geist, Und weil du's bist, will ich dich feiern. O du, deß Odem mich umweht, Wie eines Geisterfittigs Wehen, Laß untergehn mich im Gebet Und selig in dir auferstehen. Abendlied Die Welt thut ihre Augen zu, Und Alles wird so still, Auch ich bin müde, und zur Ruh' Ich auch mich legen will; Ich leg' im stillen Kämmerlein Mich in mein Bettchen warm, Und Engel sollen Wächter sein Vor jedem Trug und Harm. Du lieber Gott, der uns die Nacht Mit Mond und Sternen schuf, Der himmlisch uns das Herz gemacht Für himmlischen Beruf, Der uns den lichten Himmelsschein Gesenkt in tiefe Brust, Damit wir sollen selig sein Durch deiner Liebe Lust — Du lieber Gott, du gehst mit mir In's stille Kämmerlein Und stellst die Wächter an die Thür, Die Engel fromm und fein; Sie treten leis und sanft daher Und halten treue Hut, Daß diese Nacht und nimmermehr Mir nichts was Leides thut. Nun habe Dank für diesen Tag Und Dank für jede Freud'! Ich weiß nicht, was ich beten mag Mit rechter Herzlichkeit; Du weißt am besten, was ich will, Du liebster, treu'ster Hort, D'rum bin ich mit den Lippen still, Gott ist mein einzig Wort. Herr, du bist groß! „Herr, du bist groß!“ — so ruf' ich, wenn im Osten Der Tag wie eine Feuerros' erblüht, Wenn, um den Reiz des Lebens neu zu kosten, Natur und Mensch in junger Kraft erglüht. Wo lässest du, o Herr, dich güt'ger sehen, Als in des Morgens großem Auferstehen? „Herr, du bist groß!“ — so ruf' ich, wenn's von Wettern Am Mittagshorizonte zuckend drobt, Wenn du mit deines Blitzes Flammenlettern Auf Wolkentafeln schreibst dein Machtgebot. Wo wärst, o Herr, furchtbarer du zu schauen, Als im empörten Mittagswettergrauen? „Herr, du bist groß!“ — so ruf' ich, wenn im Westen Der Tag sein Auge sanft bewältigt schließt, Wenn's in den Wäldern schallt von Liederfesten, Und süße Wehmuth sich auf's All ergießt. Wodurch, o Herr, stimmst du das Herz uns milder, Als durch den Zauber deiner Abendbilder? „Herr, du bist groß!“ — so ruf' ich, wenn das Schweigen Der Mitternacht auf allen Landen liegt, Die Sterne funkelnd auf und niedersteigen, Und sich der Mond auf Silberwölkchen wiegt. Wann winkst du, Herr, erhabner uns nach oben, Als wenn dich stumm die heil'gen Nächte loben? Herr, du bist groß in jeglichem Erscheinen, In keinem größer, stets der Größte nur; Du führst im Staunen, Lächeln, Grau'n und Weinen, In jeder Regung uns auf deine Spur. Herr, du bist groß! O laß mich's laut verkünden Und selbst mich groß in deiner Größ' empfinden! Schäfers Sonntagslied Das in der Tag des Herrn! Ich bin allein auf weiter Flur; Noch eine Morgenglocke nur, Nun stille nah und fern. Anbetend knie' ich hier. O süßes Grau'n, geheimes Weh'n! Als knieten Viele ungesehn Und beteten mit mir. Der Himmel nah und fern, Er ist so klar und feierlich, So ganz, als wollt' er öffnen sich. Das ist der Tag des Herrn! Lied Das eben ist nun meine Lust, Wenn ich aus voller, frischer Brust Ein frommes Lied kann singen, Ein Lied, das gläubig himmelan Die Seele trägt auf hoher Bahn Mit starken freien Schwingen. Was mir das volle Herz bewegt, Daß rascher jeder Puls mir schlägt, Im Lied laß ich's erklingen; Für Gott und Weib und Vaterland Steht hell mein Herz in Liebesbrand, So will ich's aufwärts schwingen. Hoch durch die Wolken geht die Bahn, Und höher, höher himmelan Mit adlergleichen Schwingen; Es glüht mein Herz als wie ein Stern Und eilet, sich dem Herrn der Herr'n Als Opfer darzubringen. O, nimm es auf in deine Hand Und läutre dir den Opferbrand, Nimm Wollen für Gelingen, Und tilge allen falschen Schein, Um es mit Liebe, göttlich rein, Auf ewig zu durchdringen. Der Einsiedler an die Nacht Komm, Trost der Welt, du stille Nacht! Wie steigst du von den Bergen sacht, Die Lüfte alle schlafen; Ein Schiffer nur noch, wandermüd', Singt über's Meer sein Abendlied Zu Gottes Lob im Hafen. Die Jahre wie die Wolken gehn, Und lassen mich hier einsam stehn, Die Welt hat mich vergessen; Da tratst du wunderbar zu mir, Wenn ich beim Waldesrauschen hier Gedankenvoll gesessen! O Trost der Welt, du stille Nacht! Der Tag hat mich so müd' gemacht, Das weite Meer schon dunkelt; Laß ausruhn mich von Lust und Noth, Bis daß das ew'ge Morgenroth Den stillen Wald durchfunkelt! Müde bin ich Müde bin ich, geh' zur Ruh', Schließe beide Äuglein zu; Vater, laß die Augen dein Über meinem Bette sein! Hab' ich Unrecht heut' gethan, Sieh es, lieber Gott, nicht an! Deine Gnad' und Jesu Blut Macht ja allen Schaden gut. Alle, die mir sind verwandt, Gott, laß ruhn in deiner Hand. Alle Menschen, groß und klein, Sollen dir befohlen sein. Kranken Herzen sende Ruh', Nasse Augen schließe zu; Laß den Mond am Himmel stehn Und die stille Welt besehn. Ein geistlich Abendlied Es ist so still geworden, Verrauscht des Abends Weh'n, Nun hört man aller Orten Der Engel Füße gehn. Rings in die Thale senket Sich Finsterniß mit Macht — Wirf ab, Herz, was dich kränket Und was dir bange macht! Es ruht die Welt im Schweigen, Ihr Tosen ist vorbei, Stumm ihrer Freude Reigen Und stumm ihr Schmerzenschrei. Hat Rosen sie geschenket, Hat Dornen sie gebracht — Wirf ab, Herz, was dich kränket Und was dir bange macht! Und hast du heut' gefehlet, O schaue nicht zurück; Empfinde dich beseelet Von freier Gnade Glück. Auch des Verirrten denket Der Hirt auf hoher Wacht — Wirf ab, Herz, was dich kränket Und was dir bange macht! Nun stehn im Himmelskreise Die Stern' in Majestät; In gleichem festen Gleise Der goldne Wagen geht. Und gleich den Sternen lenket Er deinen Weg durch Nacht — Wirf ab, Herz, was dich kränket Und was dir bange macht! Wanderers Nachtlied Der du von dem Himmel bist, Alles Leid und Schmerzen stillest, Den, der doppelt elend ist, Doppelt mit Erquickung füllest, Ach, ich bin des Treibens müde! Was soll all der Schmerz und Lust? Süßer Friede, Komm, ach komm in meine Brust! Gruß an die Nacht Wie hast du mich so müde gemacht, O Tag, mit deiner leuchtenden Pracht, Mit deiner Farben buntem Schein, Mit deinen rauschenden Melodei'n! Willkommen, o Nacht! und decke du Die Erde mit deinem Schleier zu, Laß schwinden die Farben, die Töne verwehn, Laß alles Leben um mich vergehn, Und lasse mich träumen, allein mit dir, Vom leuchtenden Himmel hoch über mir. Zur guten Nacht Vollendet hat der Tag die Bahn, Sein Licht der Abend ausgethan, Und überall die dunkle Nacht Die Zeit der Ruhe hergebracht. O reicher Gott, nun segne du Uns diese Nacht zu guter Ruh'. Was du uns Gutes hast bescheert, Wie du uns heut' versorgt, ernährt, In aller Fährlichkeit beschützt, Uns zugewendet, was uns nützt: Wir danken dafür inniglich, Und Herz und Lippen preisen dich. Was aber Übels wir gethan, Das rechn' aus Gnaden uns nicht an; Wir klagen dir's mit Reu' und Schmerz, Und zeichnen unser Haus und Herz Mit deines lieben Sohnes Blut Zu Glaubenstrost und Glaubensmuth. Nun gib uns Ruhe, die erquickt, Nach der das müde Auge blickt. Des Wächters Hut und Wachsamkeit, Der Thor' und Riegel Festigkeit, Das Lager weich und warm und dicht: Das Alles gibt die Ruhe nicht. Hältst du nicht selbst im Herzen auf Der Sorgen und Gedanken Lauf, So fährt es aufgeregt einher, Wie ein vom Sturm bewegtes Meer, Und manche Stunde stiller Nacht Wird Ruhe suchend hingebracht. D'rum bring' du unser Herz zur Ruh' Und schließ uns bald die Augen zu. Mit deiner Güte decke uns, Zur rechten Zeit erwecke uns. Dann sei dir unser Dank gebracht Für dein Geschenk, die gute Nacht. Träume Ich danke dir, mein Gott, für jeden Traum der Nacht, Der, ob er gut, ob bös', mir immer Heil gebracht; Mag mir im Traume Glück, mag Unglück mir begegnen, Für Dunkles muß ich ihn, wie für das Helle segnen. Denn malt er Düstres mir, Gefahren, Kummer, Noth, Verfolgung, Feindschaft, Haß, malt Kämpfe, Krankheit, Tod, Da wach' ich auf, und, schnell von Sorg' und Angst genesen, Bin ich beseligt ganz, daß Alles Traum gewesen. Und wenn im Schlummer mir manch Herrliches erscheint, Verstorb'ner Lieben Bild, ein weit entfernter Freund, Ein nie gehoffter Fund; wenn ich am Meerstrand liege, Und dann auf Alpen steh', dann durch die Himmel fliege. Und wenn ich dann, erwacht, weiß, daß ich träumte blos, Werd' ich doch lange nicht die holden Bilder los. Ich hab' gesehn, gelobt, genossen, tief empfunden, Was mir gewährt nicht war in meinen wachen Stunden. Jüngst, als ich litt so tief und meint', ich trüg' es kaum, Da sandtest du, o Herr, zur Nacht den schwersten Traum, So voll von Qual und Pein und Angst und Graus und Schrecken, Daß mich der Schmerz zuletzt vom Schlafe mußt' erwecken. Und — um mich blickt' ich her, und auch in mich hinein, Und fühlte, größ'rer Schmerz noch könn', als meiner, sein, So hoch nicht wußt' ich mehr mein Leiden anzuschlagen, Und raffte mich empor, es muthig zu ertragen. D'rum dank' ich dir, mein Gott, für jeden Traum der Nacht, Der, ob er gut, ob bös', mir immer Heil gebracht; Wie du für Arme sorgst, für Trübe und Verzagte, Die Träume sagten's mir, wenn sonst es nichts mir sagte. Zur Ruh', zur Ruh'! Zur Ruh', zur Ruh', Ihr müden Glieder! Schließt fest euch zu, Ihr Augenlider! Ich bin allein, Fort ist die Erde; Nacht muß es sein, Daß Licht mir werde. O führt mich ganz, Ihr innern Mächte, Hin zu dem Glanz Der tiefsten Nächte. Fort aus dem Raum Der Erdenschmerzen Durch Nacht und Traum Zum Mutterherzen! Wehmuth und Trost Ah! die heiligsten von unsern Freuden, Auch in sie mischt sich der herbe Schmerz, Und die Welt hat keine reinen Wonnen Ohne Kummer für das Menschenherz. Wenn die fernen Phantasiegebilde Nun die rauhe Wirklichkeit enthüllt, Wird so Weniges von unsern Träumen Und dies Wenige nur halb erfüllt. Glücklich, wenn ein stiller Geist im Menschen Seine Wünsch' und Hoffnungen beschränkt, Oder wenn er sie mit frommer Seele Auf das Land der bessern Heimath lenkt! Erwarten in Demuth Wißt ihr, wo sind die Myriaden, Die waren, seit die Erde steht? Hat sie ein Gott zu sich geladen? Hat eine Windsbraut sie verweht? Ich kann nicht fordern noch ein Leben, Ein Paradies noch nach dem Tod. Was hab' ich dieser Welt gegeben? Nichts — gegen das, was sie mir bot. Ich kann nur stehn in stummer Wehmuth, Und wenn mein Geist vom Leib sich trennt, Erwarten nur in tiefer Demuth, Ob Gott ihn noch als Geist erkennt. Frühe Vollendung Dringe leise, Sanfte Weise, Aus der Brust hervor! Lüftchen, trage Meine Klage Durch des Friedhofs Thor! Ach, hier haben Sie begraben, Was, wie Morgenroth, Meinem Herzen Selbst in Schmerzen Freude, Hoffnung bot! Wie die Rose Weich im Moose Eingewiegt zur Ruh', Schläfst hienieden Nun in Frieden, Blüthenleben, du! Thränen fließen Und begießen, Was der Tod gesä't. Elternherzen, Reich an Schmerzen, Sind sein Blumenbeet. — — — Still, ihr Lüfte! Fühlt ihr Grüfte Nicht ein heilig Weh'n? Laßt mich lauschen! Hört ihr's rauschen: „Freudig Wiedersehn!?“ Nun so schweige, Schmerzensreiche Klag' in meiner Brust! Todtenkränze Blühn im Lenze Auf zu neuer Lust! „Was wir bergen In den Särgen, Ist das Erdenkleid. Was wir lieben, Ist geblieben, Bleibt in Ewigkeit.“ Froher Glaube, Der dem Staube Leben, Hoffnung gibt! Nein! sie haben Nicht begraben, Was mein Herz geliebt. Auf Wiedersehn! Es ist bestimmt in Gottes Rath, Daß man vom Liebsten, was man hat, Muß scheiden; Wiewohl doch Nichts im Lauf der Welt Dem Herzen, ach, so sauer fällt, Als Scheiden! ja Scheiden! So dir geschenkt ein Knösplein was, So thu' es in ein Wasserglas, — Doch wisse: Blüht morgen dir ein Röslein auf, Es welkt wohl schon die Nacht darauf; Das wisse! ja wisse! Und hat dir Gott ein Lieb bescheert, Und hältst du sie recht innig werth, Die Deine: Es wird wohl wenig Zeit um sein, Da läßt sie dich so gar allein; Dann weine! ja weine! Nur mußt du mich auch recht verstehn, Ja recht verstehn: Wenn Menschen auseinander gehn, So sagen sie: auf Wiedersehn! Ja Wiedersehn! Das letzte Blatt Von des Abends Schein geröthet, Schwebt die Wolk' am Himmelszelt, Und es schläft, vom Herbst ertödtet, Weithin unter ihr die Welt. In des Nebels Meer entschwindet Ihres Daseins kurzer Lauf; Denn der Tod, der Alles findet, Löst sie selbst in Nebel auf. Aus der Schatten düsterm Reiche Steigt der bunten Träume Chor Lichtverbannt auf dunklem Steige Zu der Menschenwelt empor. Müde von des Tages Sorgen, Auf das Lager hingestreckt, Schläft und träumt sie, bis der Morgen Sie zu neuen Sorgen weckt. Aber leis, indeß in Träumen Sich ein wirres Dasein webt, Regt sich in den dürren Bäumen Jetzt ein Lüftchen, das noch lebt. Mit den Ästen, mit den Zweigen Plaudert's von Vergänglichkeit. Seiner Rede lauschend, schweigen Sie in nächt'ger Einsamkeit. Und vom höchsten Wipfel nieder, Einsam dort und lebenssatt, Sinkt, getragen vom Gefieder Sanften Hauchs, das letzte Blatt. Nach des Friedhofs nahen Mauern Schwebt es flatternd hin und fällt, Wo die Herzen blutend trauern, Sterbend auf die Gräberwelt. Wo vom Blumenkranz der Schwestern, Mit der Myrthe hold geschmückt, Sich der Tod die letzte gestern An die kalte Brust gedrückt, Ruht das Blatt. Die Todtenkränze Decken's zu und ihm vereint Ruhn sie, bis der Thau im Lenze Seine Thränen um sie weint. Eine Hand voll Erde Eine Hand voll Erde Deckt mich einstens zu! Wenn ich müde werde, Geh' zu meiner Ruh, Dann stört mich kein Kummer; Sanft in kühler Gruft Schlaf' ich Todesschlummer, Bis Jehova ruft! Eine Hand voll Erde Soll mir heilig sein, Mehr als Prunkbeschwerde Von des Bildners Stein! Schon mein Leben drückte Mancher Tage Schmerz, Und der Gram erstickte Oft mein fröhlich Herz. Eine Hand voll Erde Wird zuletzt doch mir: Ob ich hier Beschwerde Bitte für und für, Ob mich Armuth quälte Oder ob ich reich, Ob ich Ahnen zählte, Ist dann Alles gleich! Eine Hand voll Erde Ist für mich genung, Weiß doch, daß ich werde Würmersättigung! Doch im Grab ist Friede, Und der Kummer ruht, Werde nicht mehr müde, Und hier ruht sich's gut! Eine Hand voll Erde Wirft vielleicht mein Freund, Traurig von Geberde, Auf mein Grab und weint! Wenn ich den nur habe, Der zum Hügel schleicht, O, dann wird im Grabe Gottes Erde leicht!