Frage Du warst mir untreu, — doch der Tod macht's gleich. Der Sehnsucht weicht mein Groll, der schmerzenslinden. Weil ich dich liebt', möcht' ich dich wiederfinden: Woran erkenn' ich dich im Himmelreich? Die süßen Augen, dunklen Perlen gleich, Die läßt der Tod in Ewigkeit erblinden, Die Stimme, die Gestalt, sie müssen schwinden: Woran erkenn' ich dich im Himmelreich? Im Grabe ruht auf Nimmerwiederkehr Die Hülle, der die Seele sich entzogen. Nur sie entflieht zum Himmel, odemgleich Von deiner Seele — ach! — weiß ich nicht mehr, Als daß ich mich so ganz in ihr betrogen: Woran erkenn' ich dich im Himmelreich? Lebensreigen Ach, wie sie sich freuen im Lichterglanz! Komm, misch dich hinein in den fröhlichen Tanz! Laß schweifen die Augen, erhebe das Haupt, Auch dir ist ein Tänzchen, ein rasches, erlaubt — Der Tod steht draußen und wartet. Nimm dir ein Mädchen, ein munteres Blut! Was wählst du so lange? Gar Manche ist gut! Nun misch dich getrost in die lachenden Reihn, Es soll ja ein kurzes Tänzchen nur sein — Der Tod steht draußen und wartet. Hier tanzt es und lacht es noch lange fort, Doch du mußt verlassen den traulichen Ort. Die Zeit geht vorüber, dein Maß ist voll: Der Mahner, der heim dich geleiten soll, Der Tod steht draußen und wartet. Pilgerspruch Inbrünstig suchst du den heiligen Graal Und mußt es verschweigen: das ist die Qual! Du weißt: nur dort ist das Heil dir bereit, Und mußt es verhehlen für alle Zeit. Du darfst keiner menschlichen Seel' es vertraun, Sonst wirst du verlacht von Männern und Frau'n. Du darfst es nicht nennen, dein Ideal: Im Munde der Menschen wie klingt es so schaal! Und wird es den Zungen der Leute zum Raub, Die treiben's umher, wie der Herbstwind das Laub. Und Vetter und Base hält drüber Gericht Mit Thoren und Schelmen und jeglichem Wicht. Am End' ist's verlästert von Jedermann, Und du selbst verlierest den Glauben daran! Sirenenlied Komm lenke den Kahn in die Felsbucht ein, Verlaß die Fluthen, die feuchten! Schau, wie im buhlenden Vollmondschein So schneeig die Schultern mir leuchten! Von Kälte durchfröstelt, vom Schaume durchnäßt, Komm, birg dich in meinen Armen: Wenn heiß du ans Herze dich drücken läßt, Sollst schauernd vor Lust du erwarmen. Was fliehst du vor mir? O kehre zurück! Bald sind dir die Träume zerronnen! Es giebt auf Erden kein himmlisches Glück — Es giebt nur irdische Wonnen! So blaß ist das Leben, so öde die Brust, Die Tage der Jugend verrauschen: O wag' es, mit kurzer, bestrickender Lust Dies schleppende Sein zu vertauschen! Was graut dir? Ahnst du bei mir den Tod? Den findest du allerwegen! Er titt dir, begleitet von Trübsal und Noth, Im Kampf und im Siege entgegen. Das Leben ist Trug, das Leben ist Schein, — Es wird dir im Traume zerfließen! Ich bette dich weich und wiege dich ein — So kannst du noch sterbend genießen! Abendglocken Die Abendglocken klingen, Vom Berge hallt's zurück: Gieb auf dein nutzlos Ringen Nach dem ersehnten Glück! Verlaß die stolzen Gleise Und wandle friedlich hin In dem beschränkten Kreise Nach deiner Brüder Sinn. An Müh' ist reich ihr Morgen, Doch ihre Nacht voll Ruh, Sie tragen Freud' und Sorgen Und fragen nicht, wozu. Im Jubel nicht vermessen, In Leiden trostesreich — Und über Nacht vergessen Sie Freud' und Harm zugleich. Die Abendglocken klingen, Vom Berge hallt's zurück: Gieb auf dein nutzlos Ringen Nach dem ersehnten Glück. Semiramis Im Euphratschilf tönt Unkensang, Grabhügel ziehn sich den Strom entlang, Und aus den Gräbern steigen Die Geister zum nächtigen Reigen. In zahllos strahlender Lichter Pracht Glänzt Babylons Herrscherpalast durch die Nacht, Die Geister flüstern und schauen's Mit Blicken voll lüsternen Grauens: „Schon wieder ein Fest und wieder ein Held, Der ihrem höllischen Zauber verfällt! — Und wieder vor Tages Helle Bei uns ein neuer Geselle!“ „Jetzt trinkt er das Glück, — und ist es vorbei, Wozu noch des Lebens Einerlei? Er lag in Semiramis' Armen! Wir kennen der Herrin Erbarmen.“ Starr blicken sie hin, — da regt sich das Thor, Draus schreiten Sclaven mit Fackeln hervor. Sie tragen ein Tuch von Linnen Und — einen Todten darinnen. Der Chaldäer Hier steh' ich unterm Sternenhimmel Auf einsam hohem Thurmbalkon, Und tief, tief unten das Gewimmel In heller Nacht ist Babylon. Der Lichter tausendfält'ge Menge Strahlt wirr des Euphrat Fluth zurück: Dort herrscht ein brausendes Gedränge Nach Erdenruhm und Erdenglück. Wo weiße Weihrauchwölkchen glänzen Und Fackelqualm im Winde weht, Dort feiern sie mit wilden Tänzen Dich, Liebesgöttin, Astoreth! Ja, wer da unten eine Stunde Dem Tod noch zu entrinnen glaubt, Buhlt heut' in der Genossen Bunde Um einen Kranz noch für sein Haupt. Doch ich bin einsam abgewendet Von ihrem Treiben, ach, wie weit! Den Sternbeschauer hat geblendet Ein Blick in die Unendlichkeit. Vor jenen unermessnen Weiten Ist Nichts auf dieser Erde groß, Ich sah im Spiegel ew'ger Zeiten Das kleine, kurze Menschenloos. Der Selbstsucht Drang gab ich verloren. Den Blick auf's Weltenall gestellt, Ward ich von Stund' an neugeboren Als still betrachtend Aug der Welt. Kein Fürchten mehr und auch kein Sehnen Verwirrt des Denkers ernste Bahn: Denn Beides — Jubelruf und Thränen Hab' ich für ewig abgethan. Der Berg des Glückes Im Märchenland auf dem gläsernen Berge Dort hat das Glück sein goldenes Schloß, Dort hütet's ein Drache, dort hütet's der Zwerge Giftgalliger menschenfeindlicher Troß. Es strahlt das Schloß über Länder und Meere. Da kommen von nahe, da kommen von fern, Gelockt von dem Preis und des Wagnisses Ehre, Das Glück zu holen, die Ritter und Herrn. „O gläserner Berg, wer soll dich ersteigen? Auf deinen Hängen erblüht uns kein Heil! Und würden uns Tigerklauen zu eigen, Der Pfad ist zu schlüpfrig, der Berg ist zu steil! Wir wagen es dennoch! Es haften und kleben Die Hände am Glas durch ihr eigenes Blut. Die flammende Sonne saugt unser Leben, Die Kräfte erlahmen, es sinkt uns der Muth! O gläserner Berg, wer soll dich erklimmen? Und wäre der schwierige Weg vollbracht, Dann schreckt uns der Drache, dann stoßen die schlimmen Gezwerg' uns zurück in des Abgrunds Nacht!“ Am Fuße des Bergs sah Manchen ich stehen, Entmuthigt verflucht' er, was einst er begehrt: „Sagt an, hat Einer das Glück gesehen? Sagt, ist's der unsäglichen Mühe auch werth?“ Der alte Schopenhauer Ohne Furcht und ohne Trauer Trug ich einst vor einem Jahr Dich, du alter Schopenhauer, Lebensfroh zum Antiquar. Noch verknüpfte keine Brücke Deine Welt und meine Welt: Reich war ich an jedem Glücke, Aber immer arm an Geld. Einen Thaler bot der Jude; Ohne Wunsch: „auf Wiederseh'n!“ Ließ ich dich in seiner Bude Unter andern Büchern stehn. Und im nächsten Blumenlädchen Kauft' ich einen duft'gen Strauß, Trug dem allerschönsten Mädchen Liebestammelnd ihn in's Haus. Doch was hat auf Erden Dauer? Ohne Liebe, ohne Glück Dich, du alter Schopenhauer, Holt' ich heute mir zurück. Drei der Thaler mußt' ich geben — Hätt' ich früher das gewußt! Ein Geschäft war's, wie das Leben, Und das Facit — nur Verlust. Schön Hildgard Die Saiten des Sängers verhallten im Saale. Er hatte gepriesen mit prangenden Worten Die Wonne des Mann's, der ein Weib sich erwählt, Wenn keimende Lieb' ihre Augen verkünden, Als Lohn langen Werbens, sehnsüchtig erwartet, Und schöne Lippen, scheulächelnd und schüchtern, Die nahe, huldvolle Erhörung verheißen. Da warf sich Herr Walther der Fürstin zu Füßen: „Schön Hildgard, ich halte mein Herz nicht länger! Ich müh' mich schon Monde um deine Minne, Untrügliche Proben preislicher Treue, Begeisterter Liebe gab ich dir viele. Entsage der Scheu, — entscheid' unser Schicksal! Komm, folge als Fürstin geführt in mein Bergschloß Und sei meine Frau, im fröhlichen Frieden Des Hauses als hütende Herrin geehrt!“ Aufstand die Stolze von ihrem Stuhle: „Hättest früher gehört du, du brauchtest heut Zu vernehmen das Wort nicht: dein Werben ist nutzlos! Hildgard hat kein Herz, die Liebe zu hegen: Meine Freiheit nur lieb' ich! Als Frau eines Fremden Zieh nimmer ich zagend zu fremden Zelten. Keine Haube verlangt mein luft'ges Gelock! ... Denn sobald wir den werbenden Wunsch euch gewähren, Ist Leid unser Lohn und Sorg' unser Loos. In wenig Jahren verwelkt unsre Jugend Und nimmt eure Neigung in's Nichts mit hinab. Ich aber will frei sein und frisch mich erfreun Meiner blühenden Schönheit, des blendenden Schmelzes, Noch lang an der Lust des Lebens mich letzen Und die schmachtenden Schmerzen der Liebe verschmähn!“ So redete sie und kehrt ihm den Rücken. „Sei verwünscht“, rief Walther, „nach deinem Willen! Aufrührerisch trotzst du der alten Ordnung Der Mutter Natur, die die Maid für den Mann schuf. So lebe denn ewig, von lieblichem Lichtglanz Der Jugend umgossen, umgirrt und umgaukelt Von fröhnenden Freiern, selbst frostigen Herzens! Treib Spott und Spiel, bis einst du verspürst Den Fluch, von der Liebe geflohen zu werden, Bis der Andern verachtete Neigung du neidest, Bis arm dir und eitel dein einsames Herz dünkt, Und umsonst du in alle Ewigkeit Nach lebenerlösender Liebe verlangst!“ — Mit Rossen und Reisigen ritt er von dannen, Kein wehender Schleier winkte vom Walle Dem Gramergriffnen den Scheidegruß nach. Hildgard vergaß den leidkündenden Gast. Denn täglich thaten die Thore sich auf, Neu nahende Freier aufzunehmen. Hildgards Schönheit währte wie ihre Bewundrer Und erfüllte manch Herz mit herrlicher Hoffnung. Froh des Triumphes ertrug sie des Trosses Werben eine Weile, und wies sie dann von sich, Daß sie draußen, kummerbedrückt und verdrossen, Enttäuschte Thoren, den Tod sich ersehnten. Nur spann sie ihr Spiel je später je kürzer. Bald schien es ihr schaal, — da schob sie des Riegel Eichenen Pfahl vor die Einlaßpforte Sie dachte, mit Dienern und Rossen von dannen In ferne lockende Lande zu fahren. Doch in der Fremd' ist die freundlose Frau Hilfloser noch als am heimischen Heerd. Der Schöpfung Schönheit zu schaun, befriedigt Allein kein Sehnen, kein sinnendes Trachten, Leiht leerem Herzen nicht lange Lust. Und Hildgard kehrte bekümmert zur Heimath. Ein jedes Jahr verjüngte sie neu: Doch die muntren Gespielinnen mühten sich machtlos Des leidvollen Alters Last zu verläugnen. Da zog sich Hildgard zürnend zurück. Einsam las sie voll Eifer uralte, Zerfallne Folianten voll sinniger Fabeln, Wie in Vorzeit das Volk unsrer Väter gelebt. Nachts hob sie die Augen zum hohen Himmel, Der Sterne stummen Gruß zu verstehn, Und wenn im Schloßpark die Nachtigall schlug, Und die plaudernden Brunnen plätscherten, Hielt sie die Harfe träumend in Händen. Da kam's wie bekanntes Fühlen der Kindheit Mahnend über ihr muthloses Herz Und wuchs zu wildem, unsäglichem Weh. Die Stimmen der Vorzeit, die stillen Sterne, Die sanftsehnsüchtigen Klänge sagten Von einem glühenden Glück ohne Gleichen, Das Hildgard nimmer genossen, das neidisch Ihr leeres, liebloses Leben gemieden. Da dachte sie wieder an Walthers Verwünschung Und fühlte bittres Bangen im Busen Und heißen Wunsch, das Unheil zu wenden; Ließ Boten reiten rings in die Runde, Zu forschen, ob sie Herrn Walther fänden, Zurück ihn zu rufen zur reuigen Hildgard, Um Erlösung vom lastenden Fluch ihn zu flehn. Die Boten kehrten mit karger Kunde: „Schon hundert Jahr ist Herr Walther verschollen! Er ritt mit dem Rothbart aus deutschen Reichen Ins gelobte Land und langte nicht wieder.“ Hildgard erbleichte, starrblickend verblieb sie, Bis die Verzweiflung sie niedergezwungen, Und sie ausbrach in Weinen und wirre Worte: „Du darfst nicht todt sein, Theurer, du darfst nicht! Du mußt noch leben, dein Lieb zu erlösen, Denn du fluchtest im Zorn! dich flehen die Fluthen Zitternder Zähren: verzeihe, verzeih!“ — — — — — — — — — Wenn schweigend der Herbsttag schwebt überm Schwarzwald, Und die röthliche, epheuumrankte Ruine Aus dem Tann auftaucht in die tiefblaue Luft, Dann steht dort stundenlang starr wie ein Spuk In des halbverfallenen Fensters Höhlung, Wo einsam auf unerklimmbarem Austritt Altjungferblümchen Levkojen blühn, Ein wonniges Weib mit wehendem Goldhaar, Mit zaubrisch entzückender Schönheit geziert Gespenstisch spannend späht sie hinaus, Sie winkt mit dem Schleier den Wandrern im Walde Und im Winde vernimmst du wehkündende Worte: „Ich harre, Herr Walther, erhör' mich, erhör' mich! Erlöse dein Liebchen vom leidvollen Fluch!“ Sonnenschein Laßt vom Lichte mich umgeben! Laßt mich diesen Sonnenschein, Dieses reiche Zauberleben Saugen tief in mich hinein; Tauchen unter in die Wellen Der Begeist'rung und der Gluth, Trinken an des Lebens Quellen, Wogen auf der reichen Fluth, Sanft getragen, süß gehoben, Zu der Sternenwelt dort oben. Auf dem Strahlenstrome tanzen Leicht die Geister, frei im Licht, Streben, wie die jungen Pflanzen, Himmelan voll Zuversicht; Jauchzend heben sie die Schwingen, Fliegen kühn zur Höhe auf, Wie die jungen Lerchen dringen Freudig sie zum Licht hinauf: Lust zu athmen in den Höhen, Wo der Heimath Lüfte wehen. Freude Wenn Freude unendlich am Himmelsraum Als Wonne sich zeiget im Strahlenkranz; Und wenn sie auf hüpfender Woge Schaum Erscheinet im spielenden Perlenglanz; — Wenn scherzend auf weitem, ergrünendem Plan, Mit Blüthen des Lenzes zum Feste geschmückt, Sie flieget als Hore dem Tanze voran Und lächelnd die fröhliche Jugend beglückt, Wenn sie im süßen, begeisterten Lied, Wenn sie im wallenden Nebelgewand Melodischer Träume vorüber uns zieht, Und flüchtig wie Iris den Himmel umspannt; Wenn sie im duftigen Blumengefild Im Schmetterlingsfluge mit Zephir sich neckt: Als Rose bezaubernd in Düfte gehüllt Das süße Gefühl ihrer Nähe erweckt: Ich flieg' ihr entgegen; verfolge die Spur — Erkenne ihr Wesen im wechselnden Schein, Am Odem des Lebens, den durch die Natur Ihr himmlisches Dasein verbreitet allein! Doch wie sie auch glänzend und herrlich erscheint, Es fühlet das Herz erst der Göttlichkeit Macht, Die Fülle des Zanbers in einem vereint; „Wenn sinnig im Auge der Liebe sie lacht —“ Die Blumen unter den Ruinen Ich will den Schmetterling nicht stören, Der um mich her durch Blumen schweift; Ich möchte selbst vom Dufte zehren, Den er aus ihren Kelchen streift. Die Pracht ist hehr und Vieles sagend, Die auf der Nacht der Gräber ruht; Und in ihr Herz die Wurzeln schlagend Aus ihrem Marke saugt die Glut. Verstehen sie vielleicht das Leben, Das einst schon diesen Staub beseelt, Und könnten uns Belehrung geben Für Manches, dessen Sinn uns fehlt? — Die Thräne in dem Aug' der Dame, Sie ward wohl zum Vergißmeinnicht, Und jeder Tag, geweiht dem Grame, Zum Dorn der Rose, der uns sticht? — Und wo die frohe Schaar der Zecher Einst beim Bankett voll Jubel saß, Umschwärmen Schmetterlinge Becher Voll Balsamduft im blüh'nden Gras. Die Distel wuchert, wo einst Rache In's Burgverließ den Gegner zwang; Und wo der Zwietracht gift'ger Drache Gehaust und Feindesblut verschlang. Und wo so starr, auf nackten Trümmern Selbst keines Grases Halm gedeiht, Da blühte einst ein hohles Schimmern, Das wurzellos für alle Zeit. — — Und da, wo im Gebete sinnig Die Burgfrau einst vor Gott gekniet, Rankt Epheu, der noch liebeinnig Das alternde Gestein umzieht. — Und jene rothe Feuernelke, Die aus verdorrtem Grund entsprießt, Ist Himmelskraft, die in das welke, Verdorrte Dasein Glut ergießt. Wo eine Mutter mit dem Kinde Des fernen Gatten einst geharrt, Schlingt eine schwanke, blüh'nde Winde Sich um den Fels, der niederstarrt. Und wo die Liebe Ehrenkränze Um eines Siegers Stirne schlang, Da blühet noch in jedem Lenze Ein ganzer duft'ger Rosenhang. So ist mir heilig jede Blume, Die sprießt in solchem Trümmerbau; Sie blüht in einem Heiligthume, Verkläret von Erinnerungsthau. — Lassen und nehmen Willst du den Kern, so brich die Schale; Wirf, was dich hindert, muthig ab. Verjünge dich im Morgenstrahle Und greife froh zum Wanderstab. Dann pilgre muthig sonder Schrecken Durch mancher Wüste öden Graus. Dich wird der Liebe Flügel decken, Und endlich geht's zum Vaterhaus. Die böse Lust, das falsche Streben, Der Welt Genüge und Verdruß, Was dich entfernt vom wahren Leben, Festhält in trüglichem Genuß: Wirf Alles, Alles um das Eine, Was noth ist, fest entschlossen hin. Gieb deinem Gott getrost das Seine, Er giebt sich selbst dir zum Gewinn. Gieb ihm dein Herz, so hast du Frieden, Wie ihn die Welt dir nie gewährt; Gieb ihm dich ganz, und schon hienieden Wirst du in seinem Licht verklärt. Dann bist du sein, schon hier für immer, Schon hier auf ird'scher Lebensbahn, Und seines Himmels sel'ger Schimmer Weht deine Stirn schon heute an. Der Seele Vaterland Der Meister spricht: Es ruhen alle Dinge, Wenn sie zu ihrer Heimathstatt gelangen, Und jedes strebt, daß es zur Heimath dringe. Wirf in die Luft den Stein empor: mit Bangen Strebt nieder er, zu ruhen auf der Erden; Nach seiner Heimath zielet sein Verlangen. Und wie sich auch die Seele mag gebehrden, — Bis sie die Stätte fand, da sie geboren, Wird nie der Seele Fried' und Ruhe werden. Schwer ist's, verbannt sein aus der Heimath Thoren, Und süß, die Heimath wieder zu erwerben. Was in der Fremde weilt, geht leicht verloren. Wirf in die Luft den Fisch, er wird verderben, Von seiner Heimath in der Flut geschieden; Den Vogel in das Wasser: er wird sterben. Und wo ist deiner Heimath Seelenfrieden? Die Gottheit ist dein Vaterland. Geborgen Warst du in ihr, eh' du erschienst hienieden. Drum auf die Gottheit richte sich dein Sorgen, Nicht einen Vater nur in Gott zu finden, Nein, auch dich selbst, wie du am lichten Morgen In Wahrheit bist, wenn alle Hüllen schwinden. Aus meiner Zelle Heit'rer goldner Sonnenstrahl Füllt mit warmer Helle Endlich, endlich doch einmal Meine kleine Zelle. Und ich blick voll neuer Lust Zu der alten Sonne, Und es füllt die junge Brust Sich mit neuer Wonne. Und es tragen Phantasie'n Mich durch Frühlingsräume Und es kommen und es blüh'n Viele holde Träume! Weit und weiter wird der Raum, Wonniglich Gedränge! Rausch' um mich, du grüner Baum, Tönet, Frühlingsklänge! Möcht' hier drum im kleinen Nest Wie ein Vogel singen, Den es nicht in Ruhe läßt, Wenn die Blüthen springen. In mir wogt's wie Weinesschwall, Bin drin ganz versunken, Innen, außen überall Frühlingswonnetrunken! Horch, wie hell die Stadt durchzieht Klang der Abendglocke, Daß es dich, du kleines Lied, In die Weite locke! Solltest du mit diesem Gruß Bis zu Liebchen dringen, Sag': ich würd' ihr meinen Kuß Morgen selber bringen. Der Fischer „O gieb mir doch ein Räthsel auf!“ So bat mich jüngst ein Mädchen, Schon lange spitzt ich mich darauf Und spann ihr dieses Fädchen: „Es stand ein Stern in ferner Höh Und glänzte freundlich Allen, Der ist in einen blauen See Einmal hinabgefallen. Am kühlen Ort gefiel's ihm gut, Sich trennen konnt' er nimmer, Und lieblich strahlt aus blauer Fluth, Des Sternleins holder Schimmer. Da kam ein Fischer jung und fein Zum Strande hingesprungen, Dem ist des Sternes Wunderschein Gar tief in's Herz gedrungen. Und schnell warf er die Angel aus: Dich Sternlein muß ich fangen! Doch ach, er zog sie leer heraus, — Das Sternlein blieb nicht hangen. So saß er denn bei Tag und Nacht, Quält sich manch' liebe Stunde; Ach! zum Verzweifeln ruhig lacht Das Bild auf blauem Grunde. Und wie nun Mond auf Mond entflieht, Das Sternlein nicht gefangen, Ward er des Angelns endlich müd' Und ist — nach Haus gegangen.“ — Ich schwieg; — das Mädchen sah mich an Und sprach mit losem Lachen: „Du wirst es doch, mein junger Mann, Nicht wie der Fischer machen?“ „Denn wer aus blauem Augensee Der Liebe Stern will bringen, Der nicht so schnell nach Hause geh', Vielleicht — wirds doch gelingen!“ Ich hatt' den Hut schon in der Hand, Wollt' eben leis entwischen; Ach Gott! nun blieb ich wie gebannt, Und — muß noch immer fischen! Engelsküsse Hoch herab mit Himmelsgruß Sendet Gott drei Engel; Dreimal trifft uns sel'ger Kuß In der Welt voll Mängel. Erster Engelskuß beglückt, Wenn wir schlummernd liegen, Küssend sich die Mutter bückt Über unsre Wiegen. Hält der Liebe Wonnegruß Küssend Arme offen, Hat der zweite Engelskuß Selig uns getroffen Wenn die Todesfackel glimmt, Küßt der dritte Engel, Der uns mit zur Heimath nimmt Aus der Welt voll Mängel. Wo ein blaues Flämmchen spielt Wo ein blaues Flämmchen spielt Nächtlich über'm Grund, Thut es den verborg'nen Schatz In der Tiefe kund. Blaue Flamme licht und rein Dir im Auge lebt: Glücklich, wer den tiefen Schatz Deiner Liebe hebt! Mein Lieb, bin ich ein See Mein Lieb, bin ich ein See fürwahr, Groß, tief und sturmgehügelt: Sei Du die Sonne, die sich klar Auf stiller Fluth ihm spiegelt! Bin ich die Muschel, die da ruht, Vom Meerschlamm trüb umfeuchtet: Sei Du der Perle reine Gluth, Die ihr im Herzen leuchtet! Bin ich die dunkle Wetternacht, Wo dumpfer Donner dröhnet: Sei Du des Regenbogens Pracht, Der friedlich sie versöhnet! Bin ich ein Schifflein fern im Meer, Fast in ein Nichts verschwommen: Laß Du als Sternbild licht und hehr Zum Hafen heim mich kommen! Das rothe Taschenbuch „Willkommen, Nachbar! Das ist schön von Euch, Daß Ihr mich zu besuchen nicht gezaudert! So ist der Herbst doch auch an Freuden reich! Nun beim Kamin' den Abend hübsch verplaudert!“ So Sigismund, der alte Polengraf, Zu Gustav, der herüber ist geritten; Die Güter sind sich nah', da ist es brav, Wenn gastlich hält man auf der Väter Sitten. — Man schwatzet Dies und Das. „Wie steht das Feld?“ — „Vortrefflich!“ ruft der Gast, „die Ähren glänzen! Doch — wären sie verwandelt schon in Geld! Ich fürchte fast, es kommt zu schlimmen Tänzen, Wenn morgen ich die Zahlung schuldig bleib'! Die Tasche leer! und leer des Gutes Kassen! Hört! Ihr verpflichtet mich mit Seel' und Leib, Wollt, Nachbar, Ihr in Euren Beutel fassen, Mir's heute leih'n auf kurze Ehrenfrist!“ — „Natürlich! gern!“ ruft Sigismund der alte; „Ich denk': jedwedes Gut gelieh'n nur ist! Man sorge nur, daß man es gut verwalte!“ — Und tausend Rubel werden hingezählt, — — Doch halt! Wer kommt? Die Portiere schwanket! Nichts! Zugwind nur! — der hatte noch gefehlt! — Die Zettel streichet Gustav ein und danket. Er streicht sie ein in's rothe Taschenbuch, Steckt dies bedächtig in die Busentasche. Noch eilt ein Abendstündchen hin im Flug, — Die Nacht schon dunkelt bei der heitern Flasche. Nun auf! und fort! Es geht durch öden Wald, Unachtsam reitet Gustav in Gedanken. Was sprengt da quer heran und ruft ein: „Halt!“ Und fällt dem Roß in Zügel und in Flanken? Dicht vor der Brust fühlt Gustav ein Pistol, — „Heraus dein Geld! sonst schieße ich dich nieder!“ — Er braucht das Geld, doch mehr sein Leben wohl, Ist ohne Waffen, auch vom Weine müder. Er zieht's und giebt's, das rothe Taschenbuch, Dem einzelnen, dem dicht vermummten Reiter. Der sprengt seitab; — den armen Gustav trug Sein eigen Rößlein bang die Straße weiter. — Er sinnt — und sinnt; — doch endlich denkt er: halt! Ich muß zurück, daß ich's dem Nachbar melde, Wie mir der Schatz zerronnen ist so bald, Und keine Hülfe ward von seinem Gelde! — Er trabt zurück. Im Schloß ist Alles still; Die Häuser lautlos und die Menschen schlafen. „Ich muß hinein, es koste was es will!“ — Er findet wirklich wachend noch den Grafen. Der hört und staunt und macht ein ernst Gesicht, Weiß sicher Frag' an Frage anzureihen; Umsonst! die dunkle Nacht giebt nirgends Licht! — „Wußt' Jemand früher, daß Ihr kommt zu leihen?“ — „Wahrhaftig, Keiner! Hier erst fiel mir's ein!“ — Des Alten Blick erglüht — wie inn'res Fluchen —: „So muß der Räuber hier zu Hause sein! Kommt mit, mein Herr, gleich wollen wir ihn suchen!“ — Die weiten Räume geht's hinauf — hinab — — Längst ist die Hausfrau aus der Welt geschieden; Ein Sohn nur lebt, die Andern deckt das Grab —; Leis geh'n die Beiden, ohne zu ermüden. Jedweder Diener, Knecht wird aufgesucht, — Sie liegen all' in stiller Schlafesruhe; — Im Keller, unter'm Dach wird hingelugt, Und leis geöffnet manche Kist' und Truhe. Nicht eine Spur. Da ruft der Graf: „Zum Stall!“ — Sie schleichen hin beim Schimmer der Laterne. Da steh'n geputzt die edlen Rosse all', Mit blanker Kruppe, blankem Augensterne. — Doch halt! Ein Roß — mein Gott! weß ist das Roß? — Steht, dampfend noch, dort an der letzten Stelle; Erhitzung scharf noch aus der Nüster schoß, Und weißer Schaum flockt auf dem schwarzen Felle, Des Alten Blicke auf dem Rappen ruhn, — Ein Todesschreck kämpft mit verhalt'nem Grimme! — „Nun haben wir noch einen Gang zu thun!“ — So murmelt er mit dumpfverhalt'ner Stimme. — Zurück in's Schloß, — und in ein still Gemach, Das früher sie beim Suchen nicht betreten. In seinem Bette dort ein Jüngling lag, Die schönen Züge heiße Träume röthen. Er schlummert fest; gewiß! er regt sich nicht. Er mochte neunzehn, zwanzig Jahre zählen. Ist das wohl Schuld, was aus den Zügen spricht? Kann solch'ein Jüngling denn schon rauben, stehlen? — Auf vollem, weißem Kissen ruht sein Haupt; — Herr Gustav blickt zur Seite unter's Kissen, — Er sieht —! Da ist ein kleiner Zug erlaubt! — Herr Gott! — was werden wir erblicken müssen! — Da schaut hervor das rothe Taschenbuch! Verglasten Auges sieht's der Vater liegen, — „Mein Sohn! Mein Sohn! Ein Dieb und Mörder! Fluch!“ So stürzt er hin, mit schmerzverzerrten Zügen. Rasch springt entsetzt er auf — und von der Wand Reißt er die Büchse, die geladne, gute, Fest zielt sein Auge, fest ist seine Hand. — Zerschmettert liegt des Sohnes Haupt im Blute. — Des Richters Urtheil lautet auf den Tod. Graf Sigismund hat selbst sich angegeben; Gleich nach der That beim ersten Morgenroth Ging er und sprach: Ich nahm dem Sohn das Leben! — Und von Instanz geht zu Instanz der Spruch; Und jede sagt: hier kann nur Tod versöhnen! Bis man zum Kaiser selbst das Urtheil trug, — Wie? wird der Kaiser das Gesetz verhöhnen? — Der Kaiser nimmt die Schrift in eig'ne Händ', Liest sinnend Seit' auf Seite nach einander, Mit starkem Herzen liest er bis zu End', Und darauf spricht der zweite Alexander: „Die Strafe ist zu schwer, — und ist zu leicht! Hier Recht zu sprechen, muß ein Mensch verzichten.“ — Mit raschem Zug das Urtheil er durchstreicht, „Den kann nur Gott, der höchste Richter, richten!“ — Nur ein Junker! Die Posttelegge saust im Flug heran. „Schnell Pferde — bitte, gleich! — zum Weiterfahren!“ — Aus der Telegge springt ein junger Mann; Ein Junker von den Ssummischen Husaren, — Drei Pferde werden eilig vorgespannt. Da fliegt heran ein zweiter schmucker Wagen, Drin sitzt ein Herr mit breitem Ordensband Und Epauletts, wie Generale tragen. „Rasch expedirt mich!“ ruft sein barscher Ton. Man zaudert — zuckt die Achseln; — schwüle Pause! „Posthalter! Pferde! — Hörst du nicht, Kujohn!“ — „Hier ist das Buch! Kein einz'ges mehr zu Hause!“ — „Was? Keins? Holla! da steh'n ja drei! Von der Telegge gleich an meinen Wagen!“ — „Die hat der Herr —!“ — „Das ist mir einerlei! Ein General hat, denk' ich, was zu sagen!“ — Die Knechte nah'n den Pferden. Da tritt vor Der Junker: „Excellenz, verzeih'n in Hulden! Die Pferde brauche ich —!“ „Und ich geh vor!“ „Ich habe Eile, — darf mich nicht gedulden!“ — „Ich will Geduld dich lehren!“ — „Großen Dank —!“ „Du wartest!“ „Kann nicht! muß — zur Mutter!“ — „Was — Mutter?! — Angespannt!“ — „Sie ist sehr krank —!“ „Schweig! schweig!“ — „— sie stirbt mir heut', die Mutter!“ „So hole sie —!“ „Ein Eilbot' rief mich hin, Sie will zum letzten Mal mich seh'n und segnen! Zum letzten Mal — den Sohn!“ — „Ich aber bin — Verstehst du! — General!“ — und Flüche regnen. Der Junker bittet, — hilft nichts! — er beschwört; — Sagt ernster: daß zuerst bestellt er habe! Der Andre ballt die Faust, schäumt, nichts mehr hört, Schreit: Pferde? — General! — verfluchter Knabe! — Da spricht der streng: „Es bleibt mir keine Wahl! Ich kenn' das Postgesetz; so muß es walten! Und sei'n Sie hundertmal auch General, Ich hab' hier Recht und werd' es auch behalten!“ — — „Was?“ brüllt die Excellenz, „mir das? du Hund!“ Ergreift die Peitsche, die geflochtne, dichte; „Das ist dein Recht!“ — aus Herzensgrund Haut wüthend er dem Junker in's Gesichte. — Da fällt ein Schuß. Er hat getroffen. Hier Der General im Blute auf der Erde; — In der Telegge dort der Passagier —, Und vorwärts stäuben die drei muth'gen Pferde. — Ein Kriegsgericht. — Ihr wißt, wer steht davor. Er stellte selbst sich, hat die Flucht vermieden. Die Mutter sah ihn, eh' er sie verlor, Sie segnete den Sohn und starb in Frieben. Ein Kriegsgericht: Verhandlung — Urtheil — kurz. Insubordination und Mord zusammen! Zwei Todverbrechen so auf einen Sturz; — „Spießruthen viermal durch je tausend Mann;“ — Wie solches endet, kennt man schon an Andern! — „Kommt mit dem Leben er davon, sodann Für immer nach Sibiriens Gruben wandern!“ — Das ist ein Tod! — ein Doppel-Qualentod! — Doch — kennt der Kaiser Wort für Wort die Sache; Das Urtheil liegt zur Unterschrift. „Hat keine Noth! Man warte!“ ruft er; — schreitet im Gemache Lang' düster auf und ab; — wie sonderbar!? — Ja! die Geschichte hat ihn sehr verdrossen! Es ist unglaublich, aber es ist wahr Ein Junker — einen General erschossen! Furchtbarer Frevel! — aber doch — doch — doch! — Hört meine Herrn! Genau sein kann nur frommen! Was Ihr vergessen, untersuchet noch; Von wo der Junker das Pistol genommen Und ob's geladen war schon vor dem Hieb!“ — „Wir hören, Majestät!“ — Sie geh'n — empfindlich; „Der öffentlichen Meinung nur zu lieb, Will er es so!“ — Sie forschen dennoch gründlich, Und sind nach kurzer Frist auch fertig wohl Mit dem Berichte: „Kaiserliche Gnaden! Aus seinem Busen zog er das Pistol; Und als er ankam, war es schon geladen!“ — — „Dann ist's was Ander's!“ ruft der Kaiser froh, — Sie fallen ein: „Doch unser Spruch muß bleiben! Ganz nach dem Swod, Artikel so und so! Wir bitten, Majestät, zu unterschreiben!“ — Da hebt sich Nikolaus wie ein Leu, — Sein Auge funkelt —; plötzlich wird es heiter: „Der Junker ist von jeder Strafe frei: Er danke — Gott! und dien' in Ehren weiter!“ — Ein Nachtstück Sibiriens Schachte ruh'n in ew'ger Nacht. Es blitzt das Gold, — es klirren dumpf die Ketten. Wer nach Nertschinsk zur Unterwelt gebracht, Den kann kein Mensch zum Lichte mehr erretten! — Ein tiefer Gang; gepreßte, feuchte Luft; — Ein Lämpchen brennet trüb im finstern Grunde. Wer ist der Greis da in der ew'gen Gruft, Am Fuß der Eisenringe Druck und Wunde? Er wankt! — er zuckt! — sein Haar wild, — Auge stier! Mein Gott, er murmelt! — scheint verstört im Hirne! Wer ist der Mensch da? — „Nummer 104! Hauptbösewicht, — gebrannt an Wang' und Stirne!“ — Auch er war Kind; — auch er ein Jüngling schön, Glanzlosen Auges blickt er in die Weiten: — Er sieht ein Schloß auf grünen Wolgahöh'n, — Und träumt von alten, hellen Jugendzeiten. Die Mutter küßt ihn — und die Sonne scheint! „Bleib' fromm, mein Sohn! nicht wahr, du wirst mich lieben!?“ — — Die Mutter stirbt. — „Ach! hab' ich da geweint! — Bei Gott! bei Gott! mein Herz ist gut geblieben!“ — „Verflucht! verflucht! Wer lehrte mich die Kunst, Dies feine Schreiben, Zeichnen und Graviren! — — Beim strengen Vater stand ich nie in Gunst, — Er gibt mir knapp nur eigen Geld zu führen. — Ich brauche mehr, — ich lebe lustig gern, — Champagner! ha Champagner! Höllenwasser! — Die Stadt, die böse Stadt ist ja nicht fern; — Heimliche Schulden hat der junge Prasser.“ — „Ich brauche Geld —, starr auf den Bankoschein —! Im Nu steht sie vor mir die alte Schlange:“ „Kam'rad, sieh' dies Papier! — du zeichnest fein! — Ein nett Geschäftchen! — treib ich's doch schon lange; — Verschwieg'ne Freunde sind dabei! — Komm', folge mir!“ — „Wir sitzen Nachts, — wir zeichnen, stechen, drucken; — Nun fließt der Wein; — Papier gilt auf Papier —; Doch endlich — ha —!“ — Und lang' nur Stöhnen, Zucken. — „Nacht ist's. Ich komm' nach Haus. Im Schloß noch Licht! Wie sonderbar?! nur in des Vaters Zimmer! — An seiner Thür muß ich vorbei, und dicht Davor steht er — so ernst wie immer.“ „Zu mir herein!“ — Wie ist er leichenblaß! — „Falschmünzer, hör' ich, die Gensdarmen fingen! Nur Einer floh! — Wer war es? weißt du das?“ — „Ja! Vater! — Mir gelang es zu entspringen!“ — „Gut! Du gesteh'st! — sonst — liefert' ich dich aus“ — Ich war vor ihn gestürzt — entsetzt, zerbrochen. O Nacht! o Nacht voll Qualen und voll Graus! „Verzeihung, Vater! —“ hab ich nur gesprochen. Und er: „Es gaben dich die Andern an. Doch du bleibst frei; — nie wird die Schuld man kennen! Der Commissionschef ist ein Ehrenmann, — Er schwur mir: Deinen Namen nicht zu nennen, Dagegen schwur ich — hör! was du erwirbst! —: Dich auszuliefern, wenn du nicht gestanden! Dich auszuliefern, wenn du selbst nicht — stirbst!“ — „— Ich lag und stöhnte, wie in Todesbanden! —“ „Du müßtest hängen, ein infamer Schuft; — Nein, das wär' kurz! — es giebt ja läng'res Ende: Du wanderst nach Sibiriens Todesgruft, Und dein — mein Wappen brechen Henkershände, Die Schande — hörst du! — trägt dein Vater nicht! Doch folgt der Tod der Todesthat zum Wohle! Ein Gottesurtheil durch den Vater spricht: Sibirien, — oder — hier die Terzerole!!“ — „Ha, Kampf nun! grauser Kampf! — Er steht; — er winkt! Ich ächze: 'Vater! Vater! habt Erbarmen!' — In's Herz von Erz nicht meine Thräne dringt, Mein heilig Schwören kann ihn nicht erwarmen.“ „Du willst es nicht mehr thun?! — ja! Gott verdamm! Der Teufel wird doch weiter in dir hecken! Fort mußt du! — denn den edlen reinen Stamm Soll nie solch' Reis — ob jung, ob alt — beflecken!“ — „Nein, ich muß — nicht! — Ich hab' gefleht, — wohlan! Ich hab' genug! — Ich lieb und will — das Leben! Ich bin noch jung! ich sterbe nicht!“ — „Hm! dann Muß ich dem Feigling and're Weisung geben!“ „Er greift zur Peitsche, kurz und hart wie er, — Ich — zum Pistol, — weiß Gott, wozu entschlossen —! Schwer fällt der Hieb —! kein zweiter folgte mehr —: Ich hatt' dem Vater in das Herz geschossen.“ Der Greis — er stürzt. — Sibiriens ew'ge Nacht! Kein Kaiserurtheil löste dem die Ketten. — Giebt's in Nertschinsk denn keine, keine Macht, Die aus der Nacht zum Lichte kann erretten?! — Der Greis in Ketten — stürzt. — „Ins Herz! — in's Herz!“ — Er murmelt — stöhnt. — „Schon vierzig, — vierzig Jahre.“ — „Herr Gott! Herr Gott! Du bist ja allerwärts! Mach', daß ich endlich nun von hinnen fahre!“ — Er röchelt — zuckt — „Ich hab' bereut, — gebüßt — Den Schuß in's Herz — im qualzermalmten Herzen“ — — Er zieht das Kreuz, das er so oft geküßt; — „Erbarm' Dich nun, — und ende all' die Schmerzen!“ — Sie enden. — Ha! — aus Nacht und Tod — wohin?! — „— Licht! Licht! Ich seh' am Kreuz den Schächer schweben! Dein Gnadenwort, Herr, sei auch mein Gewinn, — Dein Tod, Erlöser, auch mein ewig Leben!“ — — Er athmet schwerer — leiser —, regt sich kaum. Die Wache naht; — hier muß sie sein von Eisen —: Sieht —: ha! ein Sträfling liegt im Schlaf und Traum! „He Bursch! ich will dich an die Arbeit weisen!“ — Die Peitsche schwingt, — auf schreit noch einmal er: „Herr Jesu Christ! nimm mich in deinen Frieden!“ — Schwer fällt der Hieb —! kein zweiter folgte mehr —: Der Vatermörder war im Nu verschieden. — Weiße Decke Nun hüllt die weiße Decke Des lieben Weibes Grab! Daß er sie ja nicht wecke, Fällt leis' der Schnee herab. Leg dich aufs Bett fein sachte, Und aller Schmerzen Gluth, Die ihr das Leben brachte, Die kühle sanft und gut! Verhüll' die welken Kränze, Die letzte, grüne Spur! Daß nirgends Hoffnung glänze, Als einst im Himmel nur! Hier will ich knie'n und beten: O ew'ge Liebeshuld, In langen Winternöthen Gieb Kraft mir und Geduld. Nur eine kleine Strecke Laß wandern mich im Schmerz, Dann hüll' die weiße Decke Auch mein erlöset Herz. Thränen Ihr kennt den kleinen, hellen Tropfen, Der leise aus dem Auge quillt, Wenn unsre Pulse höher klopfen, Und Seligkeit das Herz erfüllt. Was ich mit Inbrunst längst ersehne, Der Wünsche Ziel ist ja erreicht, Und in der süßen Freudenthräne Zu Gott des Dankes Opfer steigt. Auch jene Perle müßt ihr kennen, Mit welcher Schmerz das Auge schmückt, Die bei des Tages heißem Brennen Wie milder Thau das Herz erquickt. Es löset sich des Lebens Schwere, Und neu erblüht die dunkle Welt, Wenn unsres Schmerzes heil'ge Zähre Auf den Altar der Liebe fällt. Doch kennt ihr auch, wenn heiß und trocken Die Wimper zuckt, das Auge glüht, Die Thränen, die im Herzen stocken, Die Thränen, welche keiner sieht? Sie, die das Auge immer feuchten, Verklären Schmerz und Freude nie, Die Welt mag sonnig draußen leuchten, Im Busen wohnen finster sie. Wenn sich zwei Seelen ernst verstanden, Sich Licht und Leben eingeflößt, Und nun von scheinbar ew'gen Banden Ein Glied sich nach dem andern löst: In solcher Täuschung herber Stunde, Wo Blick und Wort oft kalt wie Eis, Da auf des Herzens dunklem Grunde Bebt eine Thräne brennend heiß. Und wenn ein Herz voll warmem Lieben Vom andern ward gehöhnt, gekränkt, Und keine Sühne dem geblieben, Der das gebrochne nun versenkt: Dann steh'n wir starr am Grab der Treue, Wir machen's nimmer wieder gut; Und in der Brust, zermalmt von Reue, Wogt eine bittre Thränenfluth. Und wenn wir Bosheit triumphiren, Die Ehre scheu im Rückzug seh'n, Wenn Recht und Freiheit durch's Regieren Des Unverstandes untergeh'n, Und sieh, wir finden Keinen, Keinen, Der kühn und stark die Ketten brach: Ja, blut'ge, blut'ge Thränen weinen Muß dann das Herz ob solcher Schmach! Einsamkeit Wenn Nacht mit dunklen Schwingen Des Tages Gluthen kühlt, Dann will ich leise singen, Was meine Seele fühlt. Wenn Erd' und Himmel schweigen, Bei milder Sterne Reigen, Sei dir dies Lied geweiht, Du liebe Einsamkeit Nie hat mich noch verstanden Der Schwarm, der mich umdrängt, Hat wie mit finstern Banden Die Brust mir oft beengt Doch, wenn in heil'ger Stille Ich dir mein Herz enthülle, Machst du es licht und weit, Du traute Einsamkeit! Dir kann ich es vertrauen, Was mich so ganz erfüllt; Empor aus fernen Auen Taucht manches liebe Bild. Bringst alle die Gestalten Mir wieder aus der alten Verklung'nen schönen Zeit, Du treue Einsamkeit. Und bin ich dann so müde Von allem, was geschah, Mit süßem Wiegenliede Bist du mir wieder nah, Umwebst in Schlaf und Träumen Mit ros'gen Hoffnungsträumen Erinnerung und Heut', Du güt'ge Einsamkeit! Wenn einst der dunkle Flügel Mir alle Gluth gekühlt, Und unter stillem Hügel Das Herz nur Ruhe fühlt: Halt dann mich treu umschlungen, Bis ich mich aufgeschwungen In lichte Ewigkeit, Du letzte Einsamkeit! Daheim Es springt hinaus der letzte, kecke Bube Aus stauberfüllter, dumpfer, enger Stube, Frei wie der Vogel, der dem Garn und Leim Entschlüpfte; heim nun geht's im bunten Trubel, Zu toll fast; doch nicht zür' ich eurem Jubel, Ich suche sinnend mein Daheim. Entgegen jauchzt mir schon mein herzig Bübchen, Mein trautes Weib harrt mein im stillen Stübchen, Mein Töchterchen, mein blondes, frisch und firn. Und wie mich Händ' und Lippen traulich grüßen, Abschüttle ich den Staub von meinen Füßen, Das Mal der Mühe von der Stirn. Und auf mein Knie sich keck der Knabe schwinget, Mein goldes Mägdlein kosend mich umschlinget, Mein Weib herzutritt mit dem Säugling süß, Der reicht mir lächelnd seine kleinen Hände: Dann wandeln sich daheim die engen Wände Zu einem stillen Paradies! Auf dem Friedhof Hier hab' ich still zur Ruh' gebettet Das treuste mir und liebste Herz, Die Hand, die mir die Stirn geglättet, War sie umwölkt von Gram und Schmerz. Stumm ist der Mund, der Trost gesprochen, Wenn mich die Sorge schwer umfing, Das süße Auge ist gebrochen, Das so voll Lust am Leben hing. Wie oft beim leisen Überzählen Der Kleinen sprachst du mild und klar: „Wie dürfte wohl die Mutter fehlen Im Kreise dieser kleinen Schaar?“ — Und doch geschah's — und bange Klagen Trag' ich zu dieses Grabes Rand. Vergebens ist der Kinder Fragen, Es fehlt die treue Mutterhand! „Mein Haupt ist müd', ich möchte schlafen, Möcht' schlummern nun in stiller Ruh!“ — So sprachst du leis; — die Laute trafen Mich tief ins Herz, Geliebte du! Im Osten wollt' es eben tagen Und Frühroth glänzte mild herein, Da schlummertest du sonder Klagen Zu einem schön'ren Morgen ein! So mußte früh dahin ich geben, Die meines Herzens Kleinod war, Dich, meines Herzens Lust und Leben, Das nun verwaist auf immerdar! Ach, such' ich sinnend meine Klause, Wird mir das arme Herz so schwer, Denn deine Stätte bleibt im Hause Und bleibt an meinem Herzen leer. Doch! hat die Lerche ausgesungen, Und ist die Rose still verblüht, Trägt, was verduftet und verklungen, Erinn'rung leise durch's Gemüth; Mir ist, als ob auch mir dies bliebe Von Lied und Lust und Rosenpracht: Als leuchtete mir deine Liebe Still wie ein Stern durch diese Nacht! Nu segg, wi is dat kam'n Wie seeten ins alleen tosam'n Un snacken dit un dat; Nu segg mi mal, wi is dat kam'n, Wie hett sik dat denn hadd? Dat Snacken weer't jo ni alleen, Dat weer so wichtig ni; Un doch, ik müß di Dags mal sehn, Sünst lengn mi rein na di. Oft keem ik, wenn dat Hart mi drängn Un snack un bün wer'r gahn; Ik woll di ganz wat Anners seggn, Un harr dat doch ni dahn. Doch ins, Marie, de Vagel sungn, As harr he gern uns narrt, Ach heel vel leeg mi oppe Tungn, Un noch vel mehr opt Hart. Mit eenmal war de Vagel stumm Un kiek dar schrad hendal, As wenn he seggn woll: „Moder kumm Un kiek de Beiden mal!“ Ja, lat er, wenn ik blots doch wüß, Wo hest dat Hart hernahm? Du hest woll hundertmal mi küßt — Nu segg, wi is dat kam'n? Kindergruppe Im Dornbuschschatten eine Kinderschaar, Am Sommertag, die Blumen in dem Schoße; Sie flechten Kränze sich, und frisch und klar Umschmückt ihr Haupt mit goldnem Glanz die Rose. O Dornenbusch, wie du so ernst und still Zu dieser Kinderschaar herab dich neigest! Vor ihrer Kränze anmuthreicher Füll' So feierlich und dunkel dich bezeigest! Ein Wort bist du, wohl tiefer Deutung gleich, Und lösen will ich's und den Kindern sagen: „Freut euch der Blumenkränze, hat für euch Die Liebe doch den Dornenkranz getragen!“ Beim Weine Möcht' reden nicht des Weines Fülle, So leuchtend tief, so glänzend klar? Wie wird nur dieser regen Stille Gebannter Geist uns offenbar! Mir duftet aus des Weines Drange: Erhebt die Gläser rings zum Klange! Wie stimmet doch dies tiefe Läuten Zu seiner Quellen goldnem Schein! Des Lebens sehnendes Bedeuten Drang in entzückte Herzen ein, Und voll von allem Guten, Schönen, Möcht' Herz am Herzen freudig tönen! So laßt denn werden zum Gesange Den Drang, der unsre Herzen füllt. Mir ahnet, wie aus Becherklange Der Geist zum Sange auferschwillt, Um weiter, höher fortzuklingen, Dahin sich durch die Welt zu schwingen! Und glaubt dem Seher: uns umwallet In Ätherglanz ein goldner Chor, Und der Gesang, der uns entschallet, Hallt ihm zum Wiederklang empor, Und selig wird, ob uns verloren, Er neu zu neuem Hall geboren. Und hallet fort von Chor zu Chören, Und hallt in jeden fernsten Duft, Und alle Weiten lassen hören Den Geist entbunden hier der Gruft. Hin klinget er von Stern zu Sternen, Ein Klang der Welt in alle Fernen! Sommer-Abend Mit Rosenfingern nahm die Nacht Den Mantel ab, Dann kam der Tag und ging in Pracht Und Glanz hinab, In Kraft und Fülle wie ein Held, In Thatendrang, Und jubelnd schmückte sich die Welt Vor seinem Gang. Nun harret sein mit Liebeslohn Die Nacht als Braut, Daß ihres Mantels Schatten schon Von fern er schaut, Daß leis' er naht dem dunklen Thor, Wo still und mild Sie ihm den Mantel breitet vor, Der ihn verhüllt. Und feiernd lauscht des Paares Gruß Die Welt von fern Und trägt den Hall von Gruß und Kuß Von Stern zu Stern. Sommernacht Still vom blauen Himmel lächelt Mir der Mond so freundlich zu, Duftgewürzte Kühlung fächelt Mir der Hauch des Windes zu, Und ein Schmeicheln nie erblickter Kräfte, tiefstem Born entrückter, Drängt sich mir, wie mit beglückter Liebe Gruß und Kuß herzu. Dort in der Hollunderlaube Überkam es mich so sacht, Fiel ich, wie im Traum, zum Raube Dieser holden Zaubernacht. War sie doch wie eine weiche, Goldgelockte, anmuthreiche, Eine Schöne ohne gleiche, Ganz zu Lieb und Lust gemacht. Ihre Locken fühlt' ich luftig Mir um Stirn und Wange ziehn, Ihre Lippen rosenduftig, Mir gleich Rosen selber blühn. „Keinen Reiz will ich umdüstern“ — Hört' ich sie ins Ohr mir flüstern, Schüchtern war ich, doch auch lüstern Ganz sie zu mir hinzuziehn. Reizender nun saß sie nieder, Schmiegte nah und näher sich, Ach, ihr war ich nicht zuwider, Und schon warm umfing sie mich. „Stille“, haucht sie lispelnd, „stille!“ Halb nahm ihr der Wind die Hülle Und sie saß in reichster Fülle Vor mir wallend, wonniglich. Und ich sank in ihre Arme Lieberfüllt und lustberauscht, Hab' für meine ihre warme Liebe selig eingetauscht. Ach, wie war ich liebetrunken, Ach, wie war ich hingesunken, Noch die Sonne fand mich trunken, Die früh morgens uns belauscht. Mit einer Schrift „Sokrates“ an meinen Bruder Leopold Du trugst es im Gemüthe Von Jugend her so warm und mild, Nimm hin, o nimm als Blüthe Vertrauten Keims das theure Bild! Dir ahnt, wie er genesen Nach seines Mundes letztem Hauch, Du stellst, was er gewesen, In schön'ren Zügen vor dein Aug'. Frei nun und ohne Schranke — Er starb ihr — ist sein Lebensgleis, Nun klar, wie ein Gedanke, Den Gott gedacht, sein holder Kreis, Und er ist nun die Seele, Die er gesucht hat, jene, die In Tugend, Schönheit, Helle, Erglänzt in reinster Harmonie. Ein Geist, der aus den Fluthen Uralter Zeit den frischen Schein Des ewig Wahren, Guten Stets neuen Zeiten webet ein, Der über neuen Bahnen Und neuer Geister neuem Schwung Mit stillem, ernstem Mahnen Allewig schwebet, fromm und jung. Ein Hauch, wo wir nicht wissen, Woher er kommt, wohin er fährt, Ein Licht, wo wir vermissen Des Fluges Ziel und seinen Heerd. Flammt aus geheimen Kreisen Sein schöner Geist auf Erden klar, Den Guten, Reinen, Weisen Ein Gut, ein Hort für immerdar. Dir blieb, o Bruder, offen Der Spur des Ewigen dein Aug'; Sie hat auch mich getroffen Mit jenes Geistes Zauberhauch; Du trugst es im Gemüthe Von Jugend her so warm und mild, O nimm, nimm hin als Blüthe Vertrauten Keims das theure Bild! Die Hand an's Werk Nicht lange hoffen, träumen, bangen, Die Hand an's Werk! du darfst nicht flieh'n. Willst du das kleinste Glück erlangen, Du mußt es weise dir erzieh'n. Die Sterne gehen auf und unter, Die Blumen blühen und verblüh'n, Die Augen aber habe munter, Wenn endlich deine Sterne glüh'n Laß nie die Schwingen dir ermatten, Die dich hinauf zum Höchsten zieh'n! Trittst du nicht vor, du bleibst im Schatten, Und wären Sonnen dir verlieh'n! Der rechte Himmelssegen Es kam ein leiser Regenhauch Wol über die Haide gegangen, An Moos und Stein, am entblätterten Strauch Blieb er in Tropfen hangen. Nicht mochte mehr der Sonne Kuß Die Todten zu blühen bewegen — Drum war ein frischer Regengruß Der rechte Himmelssegen. Vision I. Du starbst. Ein Telegramm hat's mir verkündet. Doch war schon vor dem Todestelegramm Der Leichenkerze Docht für dich gezündet. Ich wußt' es ja, daß es zu Ende kam. Die frühe Sorge mit der Noth im Bunde, Sie mußten fällen deinen Lebensstamm; Und doch bliebst jung du bis zur letzten Stunde. Man liebte dich. Wer mußte dich nicht lieben? Und leise bebt's im tiefsten Herzensgrunde: O wärst du länger, länger uns geblieben! II. Was für ein unbezwingliches Begehren In dieses Wunsches Schmerz sich feurig mengt Und will mit Fiebergluten mich verzehren! Zurückgestaut, wie's mir die Brust verengt! Und mag die Thorheit auch in Wahnsinn enden, Ich fühle, wie es mir die Fesseln sprengt: Ein Zeichen nur, ein Zeichen wolle senden! Ein Zeichen nur! Du mußt, du mußt mich hören. So ruf' ich laut mit aufgehob'nen Händen. Was auch dein Jenseits sei! Ich will's beschwören. III. Da hob sich Wintersturm. Mit schweren Tropfen Der Regen an die Fensterläden schlug; Es klang, als wollt' ein Geist um Einlaß klopfen. Ein Poltern dann, als ging ein Wasserkrug In Scherben, und ein Kreischen drauf und Wimmern — Das Alles aber schien mir schnöder Trug. So unter wirren Tönen, irren Flimmern Wacht' ich die nahe Mitternacht herbei Und sah den Spätmond schon durch's Fenster schimmern. Da schwand des tollen Spukes Neckerei. Still ward's. Nur leises Athmen hin und wieder. Nicht Schlaf wollt' ich. Doch lag's im Haupt wie Blei — Und wie vom Schlag getroffen sank ich nieder. IV. Und sieh! Im gold'nen Morgensonnenschein Erhoben schwellend Hügel sich an Hügel Von blitzendem Krystall und grünendem Gestein. Und drauf ein Kranz von Seelen schwang die Flügel; Es waren Blumen selbst zum Kranz sich bindend An eines Bergsees klarem Wasserspiegel. Das sang und klang um einen Stern sich windend — Und mich erfaßt ein wonnevolles Grauen Im Stern die Züge deines Wesens findend. In einer Schaar von Männern und von Frauen Stand ich von fern; es konnten meine Augen An deinem Angesicht nicht satt sich schauen. Da wollt' es mir im Thal nicht lange taugen; Ich stieg empor, voll Sehnsucht klomm' ich an, Den Zauber nächster Gegenwart zu saugen. Doch eh' ich noch des Berges Fuß gewann, Von oben zischt herab ein Feuerzeichen, Und donnernd hat der Grund sich aufgethan. Man riß mich weg. Ich mußte fort mich schleichen. V. Erwacht bin ich. Doch will der Traum nicht schwinden. Und immer noch mit glühendem Verlangen Will ich den Weg zu jenem Berge finden. Schon Tage, Monde, Jahre sind vergangen, Und noch seh' ich in voller Farbenglut Dein Bild auf meines Geistes Tafeln prangen! Ich fühle, wie es lebt in meinem Blut, Ich fühle, wie es lockt mit frischen Säften Verjüngte Hoffnung aus verjährtem Schutt. Ja, mag am Geist sich dunkle Erde heften, Der Traum, der Leben scheint, wird einst verschwinden; Und mit vom Staub befreiten Flammenkräften Wirst du den Weg zu jenem Berge finden. Götterdämmerung Ist denn die Sonne gestorben? Ist denn die Erde so grau? Sonst waren wie Lämmer die Wolken, sonst war der Himmel so blau; Nun sausen Fenriswölfe, gepeitscht von Wodans Wuth — In Flammen steht Walhalla, und Balder sinkt in Blut. O hüte dich, Brunhilde! Es ist ein arger Schelm, Es ist nicht Gunther, der milde; es ist im Wolkenhelm Siegfried, der sonnenhelle, der deine Zauber bricht Und um dein Haupt, Walküre, den Kranz der Minne flicht. O traure nun, Chriemhilde, du blonde Siegfriedsbraut, Die, ob er heim nicht kehre, zum fernen Norden schaut! Es schattet schon und schauert der nahe, wilde Tann — Gewalt wird dort dem Hagen, zu morden deinen Mann. Und du, o König Etzel, der, Hela's wilder Sproß, Ein Völkerungewitter, sich durch die Welt ergoß, Chriemhilde willst du freien? du freist Chriemhilde nicht, Du freist, o Geißel Gottes, du freist das Weltgericht. Zum Himmel schreit die Rache, die Rache wird zu Recht; Hin sinkt der Nibelunge, hin sinkt auch dein Geschlecht; Doch aus der Welten Asche aufsteigt ein neuer Thron — Und statt des Göttervaters — es herrscht der Menschensohn. Diana im Bade Glühend von der Nacht umfangen Sinkt die Sonne hinter Bergen, Und im Schatten dunkler Myrthen Leuchtet's auf wie Mondessilber. Nieder von dem schönsten Busen, Nieder von dem schönsten Leibe, Volle Schönheit offenbarend, Fallen schneeige Gewänder. Feurig an die sanften Glieder Schmiegen sich des Meeres Wellen, Nachtigall auf Rosen aber, Schönheitstrunken, stirbt in Liedern. Hast du noch nie recht bitterlich geweint Hast du noch nie recht bitterlich geweint, Daß glüh'nde Thränen dir hervorgedrungen, Noch nie mit einem großen Schmerz gerungen, Noch nie unsäglich elend dich gemeint? Hat hohe Freude nie dein Herz geschwellt, Durchbrausten nie dich stolze Jubelklänge, Daß du fast meintest, deine Brust zerspränge, Und daß du sei'st der Seligste der Welt? Wenn solche Schauer nimmer dich durchbebt, Hast du die Feuertaufe nicht bekommen, Des Daseins Strahlenhöhen nicht erklommen, Und sage nicht, du habest schon gelebt. Im Exil „Sieh, Wein ist hier vom deutschen Rhein Und dort ist feuriger Tokaier; Magyar, komm her zu mir, schenk ein, Laß uns begehen eine Feier. Wohl trugen wir der Schmerzen viel, Manch' Bittres haben wir gelitten; Ach, es ist traurig im Exil, So von der Heimat losgeschnitten. Doch dieser Wein ist Heimatstrank, Den Brüsten unsrer Muttererde Entströmt, daß, wo ein Herz ist krank An Heimweh, es getröstet werde. Und laß dies unsre Feier sein, Daß wir des Vaterlands gedenken. In Wonn' und Weh' bei diesem Wein, Komm her, Magyar, laß ein uns schenken!“ „Was soll das Schwärmen und der Wein? Dir blitzen gar im Auge Thränen? — Laß doch das weiche Wesen sein Und knirsche lieber mit den Zähnen. Stampf mit dem Fuße auf den Grund, Und sollt's Exil auch ewig währen, Und frißt der Haß mein Herz auch wund, Ich will ihn doch und dennoch nähren.“ „Der Frühling kommt, nun wird es grün Und herrlich in den deutschen Wäldern; Wie mag es duften schon und blüh'n — Auf allen Wiesen, allen Feldern!“ „Ja Frühling wird's; im Ungarland Beginnt das schöne Pußtaleben, Es sproßt das Rohr am Donaustrand, Bald grünen Kukuruz und Reben.“ „In Waldestiefe singt sein Lied Einsam der Köhler, der berußte;“ — „Und singend mit den Rossen zieht Der braune Czikos auf die Pußte; Und selbst vom Tatra rinnt der Schnee In tausend Bächen bald von hinnen;“ — „Und gar von deiner Wange seh', Magyar, ich eine Thräne rinnen?“ „Da fällt sie auf des Bechers Rand, Hervorgepreßt von heißem Sehnen; Sei's denn! dein Wohl, o Vaterland, In diesem Wein, in diesen Thränen!“ O zaubergrüne Waldeseinsamkeit O zaubergrüne Waldeseinsamkeit Wo alte, dunkle Fichten stehn und träumen, Wo klare Bächlein über Kiesel schäumen In tief geheimer Abgeschiedenheit. Nur Heerdenglockenlaut von Zeit zu Zeit, Und leises Säuseln oben in den Bäumen, Dann wieder Schweigen wie in Tempelräumen; O zaubergrüne Waldeseinsamkeit! — Hier sinkt des Erdendaseins enge Schranke, Es fühlt das Herz sich göttlicher und reiner, Als könnt' es tiefer schauen und verstehen. Da löst sich manch unsterblicher Gedanke; Woher das kommt, das ahnet selten Einer, — Es ist des Weltengeistes nahes Wehen. Pan schläft Rings Alles still — wohin man horcht und späht, Im schatt'gen Walde, wie auf lichter Flur; Nicht einmal eines einz'gen Vogels Laut, Kein Blattgesäusel, keines Hauches Wehn, Denn die Natur hält ihren Odem an. Weißglühend senkt die Sonne scheitelrecht Ihr Strahlenmeer herab aufs stille All, Und kein Gewölk am ganzen Horizont Erspäht der Blick, nur eine weiße Flocke Hängt leuchtend dort, ganz einsam, wie verloren, Ganz regungslos im glühenden Azur. „Es schlummert Pan,“ so redeten sie einst, „Seid stille, stört den Geist des Waldes nicht.“ Nun aber ist er todt, der alte Pan, Und mit ihm sind gestorben der Dryaden Wie der Najaden gütige Gestalten, Die schützend tief im Walde wohnenden, In grüner, quelldurchrauschter Einsamkeit, Dahin die ganze alte schöne Welt. Du aber, Mensch, befolge noch das Wort, Sei still, in wunderbarer Mittagszeit, Daß du den Traum des Waldes nimmer störst Durch wüsten Lärm, und laß die Arbeit ruhen. Und ruhe selbst und träume. Es ist süß, Ganz aufzugehen in das große Schweigen Und Eins zu werden ganz mit der Natur. Die Sonne sank Die Sonne sank, ich war allein am Strande Und blickte lange in des Himmels Glut Nach jenen Wolken, welche auf die Flut Herniedersanken, blau mit goldnem Rande. Sanft wallten die Gewässer auf und nieder Und plätscherten mit weißem Flockenschaum, Als spielten sie halb wachend, halb im Traum Und summten leise, süße Schlummerlieder. Dann blickte scheidend noch die schöne Sonne Auf all die Pracht halb aus der Flut hervor, Ein selig Flüstern schauerte durch's Rohr, — Dann Alles eine stille große Wonne. Doch mich durchdrang ein tiefes, heißes Sehnen, Gar wunderweh zu Muthe wurde mir, Und meine Seele flog zu dir, zu dir, Und meine Augen füllten sich mit Thränen. So hab' ich still den schönen Strand verlassen; Zu groß war solche Schönheit, solche Lust Für eine einz'ge arme Menschenbrust, Und nur mit dir vereint könnt' ich sie fassen. Spätherbst Der graue Nebel tropft so still Herab auf Feld und Wald und Haide, Als ob der Himmel weinen will In übergroßem Leide. Die Blumen wollen nicht mehr blühn, Die Vögel schweigen in den Hainen, Es starb sogar das letzte Grün; — Da mag er auch wohl weinen. Bin ich in später Nacht allein Bin ich in später Nacht allein, Wenn Alles ruht, wenn Alles schweiget, O wie sich dann mein ganzes Sein Mächtig zu dir hinüber neiget! Und wieder kommt dein liebes Bild, Hold lächelnd wie in jenen Tagen, Und nickt mir zu, als spräch' es mild: „Mein armer Junge, laß dein Klagen! Noch bist du mein, noch bin ich dein, Schütt' aus dein Herz an meinem Herzen, Vergessen wirst du alle Pein Und alle noch so herben Schmerzen.“ — Einst hast du oft dies Wort gesagt, Mich dann gestreichelt und umschlungen, Wenn ich in trüber Zeit geklagt, Wenn ich mit Sorgen bang gerungen. Nun bist du fort, nun bist du fern, Und hast dich selbst von mir gewendet, Doch immer bist du noch mein Stern, Der seine schönen Strahlen sendet, Denn immer kommt dein liebes Bild, Hold lächelnd wie in jenen Tagen, Und nickt mir zu, als spräch' es mild: „Mein armer Junge, laß dein Klagen!“ Auf der Rudelsburg Dort Saaleck, hier die Rudelsburg, Und unten tief im Thale, Da rauschet zwischen Felsen durch Die alte, liebe Saale. Und Berge hier und Berge dort, Zur Rechten und zur Linken; Die Rudelsburg, das ist ein Ort Zum Schwärmen und zum Trinken. Das wissen wir Studenten auch In Jena und in Halle, Wir trinken dort nach altem Brauch Im Hof und auf dem Walle. Umringt von moosigem Gestein, Wie klingen unsre Lieder! Die Saale rauscht so freudig drein, Die Berge hallen wieder. O Vaterland, wie bist du schön Mit deinen Saatenfeldern, Mit deinen Thälern, deinen Höhn Und all den stolzen Wäldern! O Vaterland, drum wollen wir Dir unsre Lieder singen, Vor Allem hier beim kräft'gen Bier Ein kräftig Hoch dir bringen. Wie tönet das in's Thal hinein Vom Felsen hoch hernieder! Die Saale rauscht so freudig drein, Die Berge hallen wieder. Die Berge hier, die Berge dort, Zur Rechten und zur Linken; Die Rudelsburg, das ist ein Ort Zum Schwärmen und zum Trinken. Der alte Name Es steht ein alter Name An einem alten Baum, Bemoost und ganz verwachsen, Und man erkennt ihn kaum. Der Baum, der grünet und duftet, Streut jährlich Blüthen herab; Die Hand, die den Namen geschnitten, Sie modert lange im Grab. Und Alle gehen vorüber Und sehen den Namen nicht an, Nur oft an sonnigen Tagen Wankt still eine Alte heran. Die streichelt mit dürren Händen Den Namen und seufzet für sich: „Ihr schönen, ihr seligen Zeiten!“ Und weinet dann bitterlich. — Der Halligmatrose Kapitän, ich bitt Euch, laßt mich fort, O laßt mich frei, sonst lauf ich von Bord, Ich muß heim, muß heim nach der Hallig! Schon sind vergangen drei ganze Jahr', Daß ich stets zu Schiff, daß ich dort nicht war, Auf der Hallig, der lieben Hallig. — Nein, Jasper, nein, das sag' ich dir, Noch diese Reise machst du mit mir, Dann darfst du gehn nach der Hallig. — Doch sage mir, Jasper, was willst du dort? Es ist ein so öder, armseliger Ort, Die kleine, die einsame Hallig. — Ach, mein Kapitän, dort ist's wohl gut, Und an keinem Ort wird mir so zu Muth, So wohl als auf der Hallig; Doch mein Weib hat um mich manch traurige Nacht, Hab' so lang nicht gesehn, wenn mein Kind mir gelacht Und Hof und Haus auf der Hallig. — So höre denn, Jasper, was ich dir sag': Es ist gekommen ein böser Tag, Ein böser Tag für die Hallig; Eine Sturmflut war wie nie vorher, Und das Meer, das wildaufwogende Meer, Hoch ging es über die Hallig. Doch sollst du nicht hin, vorbei ist die Noth, Dein Weib ist todt, und dein Kind ist todt, Ertrunken beid' auf der Hallig; Auch die Schafe und Lämmer sind fortgespült, Auch dein Haus ist fort, deine Wurt zerwühlt; Was wolltest du thun auf der Hallig? — Ach Gott, Kapitän, ist das geschehn! Alles soll ich nicht wieder sehn, Was lieb mir war auf der Hallig? Und Ihr fragt mich noch, was ich dort will thun? Will sterben und im Grabe ruhn Auf der Hallig, der lieben Hallig. — Kleopatra I. Ob auch vorüber das festliche Mahl, Noch kreist der Pokal, Und Cimbeln und Flöten ertönen im Saal; Und es wogt, es drängt sich Gast an Gast, So viel der Palast, Der stolze, der reiche, geräumige, faßt. Und Alles schaut mit wonnigem Sinn Auf die Königin, Des üppigen Gastmahls Geberin; Auf schwellendem Polster ruhte sie da, Kein Auge sah Je solch ein Weib wie Kleopatra. Wie strahlt aus dem Purpur die Gliederpracht! In der Locken Nacht Erglänzen wie Sterne Rubin und Smaragd, Und die Schulter, weiß wie des Atlas Schnee, Wie die Perle der See, Ein Weib wie Anadyomene. Und Alles ruft ihr trunken zu: „Wie schön bist du! Wer könnte dich sehn mit Herzensruh'? Doch dreimal glücklich preisen wir den, Der dich gesehn, Und freudig wird er zum Orkus gehn!“ Die Königin doch mit Zürnen spricht: „Ich glaub' euch nicht; Ihr schmeichelt, ihr lügt mir ins Angesicht. Hat meine Schönheit so hohen Werth, Wird so sie verehrt, Sei ein Beweis von mir begehrt. Ich gewähre jedem an meiner Brust Zu ruhn in Lust, Doch dessen sei er sich bewußt: Ist sie vorüber, die selige Nacht, Und der Morgen erwacht, Wird auch seinem Leben ein Ende gemacht! Dem Henker verfalle sein Haupt! Ich schwör's! Jupiter, hör's! Brech' ich den Schwur, mein Glück — zerstör's!“ So spricht die Königin, jeder weicht Zurück und neigt Beschämt das Haupt, und Alles schweigt. Da plötzlich treten kühn und frei Der Gäste drei Hervor und rufen: „Wohlan, es sei! Du bist so schön, o Königin, Nimm's Leben hin! Nach deinem Kuß wär's doch kein Gewinn.“ II. Die Nacht ist hin, der Morgen graut, Und man erschaut Das traurige, dunkle Gerüst erbaut; Einen schönen Jüngling führen sie dann Die Stufen hinan, Deß droben harrte der Henkersmann. Wie tief betrübt und wie jung er war, Kaum achtzehn Jahr! Wie wallte so schön sein lockig Haar! „O weh mir, daß ich schon sterben muß! Du bittrer Schluß! Wie süß, o Königin, war dein Kuß!“ Und als der andre Morgen kam, Der Zweite nahm Abschied vom Leben, dem war er gram. Der stieg hinauf, nicht roth, nicht bleich, Ihm war es gleich, Er dachte kaum an den Todesstreich. „Gekostet den Becher bis auf den Grund, Auch ihren Mund, Drum grüß ich dich, Tod, in früher Stund'! Ich weiß nicht, was noch im Leben ich thu', Ich will zur Ruh', Bin satt, bin müde. — Henker, hau' zu!“ Und als zum dritten die Nacht versank, Ging still und bang Der Letzte nun den schweren Gang. Der aber, der hat kein Wort gesagt, Auch nicht geklagt, Hat aufzuschaun nicht einmal gewagt. Sie mußten, als es zu Ende war, Von seinem Haar Eine Locke bringen der Königin dar; Die hat sie lange stumm und fest An die Lippen gepreßt, Und mit tausend glühenden Thränen genäßt. Bei seinem Leichnam hat sie verbracht Die ganze Nacht, Und sie ließ ihn begraben mit Königspracht. Und ist gegangen noch manchen Tag Zum Sarkophag, In welchem der liebe Todte lag. Friedrich II. Ihr sagt, es hab in eitlem Wahn Der große Kaiser sich vermessen, Und auf der stolzen Siegesbahn Der Menschen Satzung dreist vergessen; Ein frevelnd Schwert hab er geschwungen, Dem Papste selbst sich frech empört; Drum, was er Großes auch errungen, Der Kirche Fluch hab es zerstört. Ich aber sing der Seele Glut, Die nicht vor List und Trug erbebet, Und feurig mit Titanenmuth Sich bis zum Himmel selbst erhebet; Der Kirche eitle Wortgefechte Sind für den edlen Geist zu klein, Nur in den Kampf der Riesenmächte Stürzt sich die Heldenbrust hinein. Wohl ist es wahr, nicht länger stand, Was Hohenstaufenkraft gegründet; Das edle Herrscherhaus entschwand, Wie schnell des Lenzes Pracht entschwindet; Denn während schon zum Himmel ragte, Den sie gebaut, der stolze Turm, Vergaßen sie, das unten nagte Der Mißgunst und des Neides Wurm. Drum wenn auch Kirchenfluch und Bann Des großen Kaisers That verdammen, So wird doch stets der edle Mann Für seinen Heldensinn entflammen. Nicht wer, weil er ein Frömmler lebte, Still ruhet in der Kirche Schooß, Wer frei das höchste Ziel erstrebte Mit edlem Geist, den nenn' ich groß. Weihnachtsfeier Wenn scheu die jungen Keime sprießen Beim ersten, lauen Frühlingswehn, Wenn sich die Blüthen neu erschließen Und alle Blumen neu erstehn, Wenn bei dem Allmachtklingen: „Werde“ Von neuem lacht die weite Flur, Und aufsteht aus der starren Erde Die hoffnungsathmende Natur, — Da ist's, wo jeder Keim nach oben Emporstrebt zu dem Sonnenlicht, Und lautes Jauchzen, langumwoben, Aus jedem Herzen jubelnd bricht; Denn alles athmet neues Leben; Und der Geschöpfe zahllos Heer, Sie hören's laut im Busen beben: „Vom Himmel hoch da kommt es her.“ Ja hoch vom Himmel tönt es nieder Und tönt in jedem Herzen nach, In jedem Busen klingt es wieder Und rufet Lust und Liebe wach. Vom Himmel, ewig reich an Segen, Senkt sich der Sonne warmer Strahl, Vom Himmel spricht der laue Regen Und fruchtet Berg und Wald und Thal. Und all die goldnen Sonnenstrahlen, Und jeder Regen, lind und lau, Und all die Sterne sonder Zahlen, Und jeder helle Tropfen Thau, — Ein jedes lebt nur, um zu preisen; Es athmet, duftet um uns her In lautern stets und schönern Weisen: „Wir bringen neue, gute Mär.“ Themistokles In Athens gepriesenen Hallen saßen Jünglinge beim Mahl — Blut der Syrakuser Traube röthete den Goldpokal. Wie den Becher überwallend schäumend stieg die Purpurflut — So aus jeder Wange sprühte Lebensfülle, Jugendmuth. Ob man hier von Rosen-Jungfrau'n — dort vom Vaterlande sprach, Oder siegend hier die Wahrheit aus des Sehers Lippen brach — So gewannst du über Alle, Himmelstochter, doch den Sieg, Freude, die mit goldnem Flügel vom Olympos niederstieg. Einen hast du nicht bezwungen, Siegerin, der lächelt nicht — Ernst wie Pallas' Götterauge blickt sein stolzes Angesicht. Weit entrückt hat seine Seele sich der Gäste munterm Schwarm — Quält nach Ruhm ihn heißes Schmachten, peinigt ihn der Liebe Harm? Und des Gastmahls junger König nimmt ein Lautenspiel zur Hand — Prüft den Ton mit leichtem Finger, bis er sich den rechten fand — Hebet an, ein Lied zu singen, — singt mit süßer Stimme Ton, Wie der Thraker herzbesiegend — schmeichelnd wie Anakreon. Reicht dem Nächsten dann die Laute, und auch der hat sie gestimmt Und gesungen, daß ein jeglich Herz in Lust und Wonne schwimmt. Und von Hand zu Hand ging weiter so die Laute durch die Reih'n, Jeder sang von Lieb' und Rosen, Frühling, Vaterland und Wein. Als sie nun zu dem gekommen, der so finster sitzt und schweigt, Hat er schweigend sie empfangen, schweigend weiter sie gereicht. Und es höhnten ihn die Andern, sprachen: „nicht dem frohen Kreis Nahe sich, wer zu der Laute nicht ein Lied zu singen weiß.“ Und erröthend sprach der Jüngling: „Lieder singen lernt' ich nie — Aber nennt zu Hellas' Ehre eine That, — ich leiste sie!“ Weiter wanderte die Laute — und als unter Phöbos' Joch Längst die Himmelsrosse flogen — klangen hell die Lieder noch. Und wer waren jene Sänger? — ihre Namen hört' ich nicht — Gleich den Rosen ihres Festes welkten sie im Morgenlicht. Willst du wissen, wie der Jüngling, der nicht singen konnte, hieß? Durch Äonen trägt ihn brausend der Gesang von Salamis! Papinian „Was mit dem Glauben nicht verträglich — Was dem Gewissen widerspricht — Das, soll man sagen, ist unmöglich, Denn der Gerechte kann es nicht.“ So zum entarteten Geschlechte Sprach er, der Seher ewiger Rechte, Desgleichen die Jahrtausende nicht sahn — Der göttliche Papinian. Befreit von des Gesetzes Bande — So lehrt's der Knechte Wahnsinn ihn — Thürmt der Despot im Römerlande Verbrechen auf Verbrechen hin. Zuletzt in seiner Mutter Armen Würgt er den Bruder ohn' Erbarmen — Lernt, Römer, höhnt er, was der Kaiser thut, Ist recht und gut! Des Volkes lang erdrückte Stimme Wird vom Entsetzen wieder wach: Wer schützt denn uns vor dessen Grimme, Der frech das Heiligste zerbrach —? Fern schwillt der Menge dumpfes Brausen — Den Bösewicht erfaßt ein Grausen —: „Laßt mich den Fürsten meiner Treuen sehn —! Papinian soll vor mir stehn!“ — Und Caracalla sprach zum Weisen — Gericht im Blicke trat er ein — „Du, den sie den Gerechten preisen, Sollst meiner Thaten Anwalt sein Du sollst dem blinden Volke sagen, Daß ihn mein Schwert mit Recht erschlagen. Dafür des Goldes, was dein Herz begehrt, Sei dir gewährt!“ „Zum Rechte kann ich dir Verbrechen Nicht stempeln — sprach Papinian — Wär' es mein Amt, zum Volk zu sprechen, Ich klagte dich, der Erste, an.“ „Dem Unterthan geziemt's mit nichten, Was sein Gebieter thut, zu richten — Gehorche!“ „Nur dem Recht und meiner Pflicht — Tyrannenlaunen aber nicht!“ — „Dich sollen meine Henker lehren Die Pflichten eines Unterthans — Ich habe Mittel zu bekehren Vom Hochmuth des Juristenwahns.“ Da lächelt ruhig der Gerechte — Der Kaiser rief die Schergenknechte — „Noch ist es Zeit, Papinian, lenk' ein!“ Der Märtyrer sprach sterbend: Nein! „Was mit dem Rechte nicht verträglich, Was dem Gewissen widerspricht — Das, soll man sagen, ist unmöglich — Denn der Gerechte kann es nicht!“ Er hat's bewährt, der das geschrieben, Und darum ist es stehn geblieben. Mehr Ruhm als seiner ewigen Worte Macht Hat ihm die heilige That gebracht. Bettina's Tod So floh auch sie dahin! der letzte Funken, Der uns vom goldnen Alter noch geglüht — Die letzte Blume, die vom Licht getrunken, Das der Heroen Glorien entsprüht. Als sie geboren — o da hat von Sternen Der Himmel, wie ein leuchtend Meer, gelacht — Und nun dahingerauscht in ewige Fernen Die ganze wundervolle Sternennacht. Du Kind der Poesie! Mit reichern Gaben Ward keiner Fürstin Wiege je beschwert — Der Genien höchste Königinnen haben Von ihren goldnen Schätzen dir bescheert. Früh ward das inn're Auge dir erschlossen — Der Schöpfung Tiefen machten sie dir kund — Und Seherworte, geistbeflügelt, flossen Dir kaum bewußt aus deinem Kindesmund Ein Tempel war in deiner Brust gegründet — Altäre, herrliche, darin erbaut. Ein Vesta-Feuer ward darauf gezündet Und deinen Priesterhänden anvertraut. Du hast die keusche Flamme bis an's Ende In jungfräulichem Priesterthum gepflegt, Und unentweiht sie wieder in die Hände Der großen Königin zurückgelegt. O sie war kein Geschenk der Lust, des Scherzes Die Himmelsflamme — ewig ungekühlt Hat sie die Gluten namenlosen Schmerzes In deiner Mädchenbrust emporgewühlt. Wohin, wohin mit dem allmächt'gen Triebe, Sie zu erwärmen, diese Welt von Eis — Wohin mit dieser Fülle reinster Liebe — — Wo lebt ein Herz, das ihr zu rasten weiß? Dies Herz, du hattest endlich es gefunden — Ein Mädchen, rein wie du und gottdurchwebt Sank an den Busen dir in großen Stunden — Und eine Freundschaft, wie sie nie gelebt, Verklärte dich — doch ach! zu Höllenqualen Ward dies Entzücken — früh ging sie dahin — Sie starb — weh' dir und ihr zu tausend Malen — Sie starb des eignen Seins Vernichterin. Und einsam standst du wieder — mit dem größten Gerechtesten der Schmerzen ganz allein. Dich konnten keine Huldigungen trösten, Und nichts verstand die Welt von deiner Pein. Da suchtest du nach deinem Gott — vergebens! Der, den man deiner jungen Sehnsucht bot — Das war der Gott nicht deines Flammenstrebens, Das dich entgegentrieb dem Morgenroth. Wo springt der Labequell dem heißen Dürsten? Wo lebt der heil'gen Glut ein Genius? Hin, hin zu ihm, dem großen Liederfürsten, An seine Dichterbrust — zu seinem Fuß. Noch ist die Erde selig, ihn zu tragen — Er, der die Welt mit seinem Lied bezwang — Er muß verstehn auch dieses Herzens Schlagen, Er muß ihn stillen, diesen Liebesdrang. Hin, hin zu ihm! — was fragt der Hirsch verschmachtend, Ob ihn vom Quell die höchste Mauer trennt? An seine Brust! den Hohn der Welt verachtend, Und ob er selbst mich tausendmal verkennt — Und ob er ewig kalt wie Marmor bliebe, Wenn er nur duldet, wenn er nur versteht, Daß ich ihn liebe, liebe, liebe, liebe — Und meine Liebesopfer nicht verschmäht! Und alle ihre Schätze warf als Gaben Sie zu den Füßen des Geliebten hin. Sie hat ihr ganzes Selbst in ihm begraben Als reine demuthvolle Priesterin. Als er zu den Olympiern gehoben, Von deren Thronen er gekommen war, Stieg nur noch herrlicher die Glut nach oben Vom immer frisch bekränzten Weihaltar. Doch Wem den vollen Becher nun kredenzen — Wen laben aus dem unerschöpften Quell? Da ward's in ihr von himmlischeren Lenzen, Als ihrer Jugend sie geleuchtet, hell. In Hütten, wo Verschmachtende verzagen, Wo junge Waisen knie'n im Trauerkleid, Mit voller Hand Erquickung hinzutragen, Das war auf Erden ihre Seligkeit. Am Thron der Mächtigen hat sie gelegen, Zu klagen um zertretende Gewalt — An Königsthoren hat mit lauten Schlägen Sie angepocht, wo es Verfolgten galt. Für sich und für die Ihren keine Gnaden Hat sie geheischt — so ging verklärt und rein Auf ihrer Liebeswerke lichten Pfaden Sie zu des Paradieses Frieden ein! Den Siegern von Düppel Seid gepriesen in des Sieges Feier, Edle Helden, Vaterlandsbefreier! Euren Stirnen, fleckenlos und rein, Prangend im Rubinenschmuck der Ehre, Wird das Volk mit heißer Dankeszähre Lorbeern, welche nimmer welken, weihn. Die ihr sanket, eh' das Siegsgeschmetter Jubelnd die befreite Lust durchbebt, Leuchten werden eures Kranzes Blätter, Selige, so lang ein Deutscher lebt. Dänentrotz zerbrach vor Euren starken Armen, und in Schleswigs Marken Schwingt der Aar den Fittich wieder frei — Wo der Skandier vor tausend Jahren Durch des großen Kaisers Schwert erfahren, Was in seinem Zorn der Deutsche sei. Trotzend hinter todesschwangren Wällen Bot er Hohn, und immer neuen Hohn. „Drauf im Sturme!“ Blitzend Waffenfällen! Schlachtendonner! und der Feind geflohn! Aber ihr, die, Purpur auf den Wangen, Schweigend steht, die Sieger zu empfangen, Schleswig-Holsteins Söhne, seid getrost! Schlagt das Auge nicht zur Erde nieder! Euch auch schlägt die große Stunde wieder, Wo euch heil'ger Schlachtensturm umtos't, Wo ihr tilgen werdet Idstedts Schmach, Aber heute jauchzt dem Heldenheere, Das der Freiheit erste Gasse brach! Am Morgen Es schwebt empor der Sonne Flammenhaupt, Umschlungen von des Morgens Rosenkranze, Die Nacht hat nichts dem jungen Tag geraubt, Er strahlt in seinem vollen Krönungsglanze. Auf! steig auch du mein Herz aus dunkler Gruft An's Licht! und laß den Morgen dich durchscheinen; Vernimm, was jetzt die neue Schöpfung ruft, Sie spricht zu Jedem und vergißt nicht Einen. Wär' auch dir Lebensmuth und Kraft erstarrt Im Wintersturm der eisgespitzten Sorgen, Und hättest tausend Wünsche du verscharrt In Gräbern der Entsagung still verborgen; Du lebst, du athmest, und der Schöpfung Lust Dringt auf dich ein in tausend neuen Wegen, Verschließe gegen sie nicht deine Brust, Tritt nicht, nein, komme willig ihr entgegen. „Du kennst nur Leid, das Glück liegt außer dir“ Klagst du — o sieh', es kommt zu Millionen, Versenke nur dein Ich ins große Wir, Dann wird das Glück von Allen bei dir wohnen, Der Schmerz verweht zu schnell verwehtem Staub, Wenn wir ihn nicht als Mumie mit uns tragen. Laß doch dem Grab der Zeit all seinen Raub, Hör' auf daran hyänengleich zu nagen. Wir treiben auf dem Meer der Gegenwart Hin in der Zukunft nebeldunkle Wellen, Soll dir der einz'ge Stern für unsre Fahrt, Soll dir die Hoffnung nicht den Weg erhellen? Wenn sich dein Ziel in ihrem Licht nicht fand, Sprich nicht von Täuschung bei dem Unerreichten, Du strebst vielleicht nach eines Abgrunds Rand, Und den kann sie mit Wahrheit nicht erleuchten. Auf! eile an der goldnen Morgengluth, Des Wunsches Flammen wieder anzuzünden; In ihrem Feuer glüht dir Lebensmuth, Und dieser wird dein Schicksal schöner finden. Schau ringsumher in deines Lebens Kreis, Verlange nicht das Glück von einem Grade; Das ganze Rund schließt in sich Gottes Preis, Und jeder Punkt wird dir ein Quell der Gnade. — In der Nacht Die Erde schweigt, die Sterne sprechen Herab zu jeder wunden Brust, O Herz! was wolltest du denn brechen In deines Grams gewohnter Lust? Will dich die Freude nie umarmen Mit süßem Ton, mit sanftem Blick, Sei reich im Schmerz und gieb der Armen Gern deinen stillen Wunsch zurück. Wer mag die wilde Woge spalten, Die ihn dem Untergang geweiht? Vorüber ziehen die Gestalten In wechselnder Unendlichkeit; Alt wird das Glück mit seinen Gaben Und bleich selbst die Erinnerung; Du sollst ein dauernd Kleinod haben, Der ew'ge Schmerz bleibt ewig jung. Wohl giebt es manche alte Sagen: Von einem Kinde schön und rein, Es soll uns trösten, wenn wir klagen, Und Hoffnung soll sein Name sein; Doch längst entschwand das Reich der Mythen, Verschlungen von dem Strom der Zeit, Und seine lebensfrischen Blüthen, Sie schmücken nicht die Wirklichkeit. Ein frommer Wahn, ein kleiner Nachen, Fern von dem rothdurchblitzten Strand; Der Kleinmuth kann beim Ruder wachen, Der Starke schwimmt ans ferne Land. Hindurch durch Wogen und durch Wellen! Du kommst gewiß trotz Sturm und Graus An's Land, denn wenn die Fluthen schwellen — So werfen sie den Leichnam aus. Der heiße Wunsch, das rege Sehnen, Die Träume unsrer Erdennacht, Des Blickes Gram, des Auges Thränen, Des armen Herzens schwere Fracht, O wirf sie ab, verlaß dein Streben, Es feßle nie dich sein Gewicht, Will sich dein Glück dir nicht ergeben, Ergieb dich auch dem Wunsche nicht. Tadel Sinnsprüche Ein ungerechter Tadel schreckt Sekunden lang Betroffene, um schnell dann zu verhallen, Vorwürfe schmerzen nur, wenn sie im Doppelklang Aus des Gewissens Tiefe wiederhallen. Trockene Datteln Sinnsprüche Wer Trauben in der Wüste offen speiste, Wenn seine Nächsten trockne Datteln essen, Der hat der Weisheit Früchte nie besessen. So laß auch du mit Licht von deinem Geiste Johanniswürmchen-Seelen nie erblassen, Sonst werden sie im Dunkel tief dich hassen. Zweite Ehe Sinnsprüche Hat dir der Tod ein liebes Weib genommen, So ehre sie in einem zweiten Bunde, Sonst hörst du bald wohl aus der Spötter Munde: Die erste Ehe ist ihm schlecht bekommen. Der letzte Freier Der Erde Brautstand war längst vorbei, Ein kurzes Erblühn und Erblassen! Der erste Geliebte, der goldne Mai, Er hat sie geküßt und verlassen. Und der Sommer kam und hat sie gefreit, Ein Gatte gar bieder und wacker; Wohl heiß war der Mittag der Lebenszeit, Doch füllten sich Wiese und Acker. Sie freut sich der lachenden, fröhlichen Schaar, Des häuslichen Segens, den sie ihm gebar. Und der Sommer starb mit der Drossel Sang, Und leer ward's im Hause und stille, Auf bleichenden Fluren nur trüb noch klang Das klagende Zirpen der Grille. Im Wittwenschleier nun saß sie allein Und dachte mit sehnendem Sinnen An der Jugend Rosen und Sonnenschein, An des Frühlings Lieder und Minnen. Ein liebliches Traumbild dann zog ihr vorbei Der erste Geliebte, der goldene Mai. Da kam ein Ritter in stolzem Gewand, In des Reichthums prunkender Fülle; Er warb so schmeichelnd um ihre Hand In der augenbestrickenden Hülle. Er schenkt' einen Schmuck ihr von blendender Pracht, Gewänder von Sammet und Seide; Wie war sie so schön in der leuchtenden Tracht, So schön wie im bräutlichen Kleide! Er reichte ihr Früchte und perlenden Wein — Wer mag wohl der Freier, der prächtige, sein? Sie fühlte, wie einst in der Frühlingszeit, Der Lüfte weich fächelndes Kosen; Es blaute der Himmel voll Herrlichkeit Und wieder erblühten die Rosen; Und wieder sah sie der Vögel Schaar Die prangenden Wälder beleben — Da zog durch den Busen ihr wunderbar Ein jugendlich Ahnen und Beben, Und im Herzen erklangs wie ein Freudenschrei: Er ist es wieder, der Mai, der Mai! Und sie flog ihm an's Herz in der Liebe Drang Und hoffte in seinen Armen, Um den sie getrauert, so lang', so bang, Noch einmal wie einst zu erwarmen. Doch kurz war die Freude und kurz der Traum, Verwandelt zu bald war der Freier; Wie die Rose verwelkt und das Laub am Baum, Erloschen die Lieb' und das Feuer. Umwölkt seine Stirn und sein Odem kalt, Und sein Auge blickt finster auf Flur und Wald. Er streift ihr vom Haupte mit rauher Hand Den Schmuck, den er einst ihr verliehen, Entreißt ihr den Kranz und das Festgewand Und des Waldes Sänger entfliehen. Entfesselte Stürme dann schickt er wild Hinaus über Felder und Haiden, Und die Erde, der darbenden Armuth Bild, Muß einsam und glanzlos verscheiden. — Sie schlummert und träumt unter'm Sturmeswehn Von Lerchengesang und von Wiedersehn. 1. Die Senne Bilder aus dem Teutoburger Walde Hier ist der Ort, die alte Stätte, Wo auf der Haide dürrem Sand Vor langer Zeit mein Wiegenbette Im engen Vaterhause stand. Das Vaterhaus! — von dieser Stelle Längst schwand es in der Jahre Lauf, Und gastlich nimmt die fremde Schwelle, Das fremde Dach den Wandrer auf. Auf dieser Flur, so öd' und stille, Sang, als der lange Winter schied, Die Haidelerche und die Grille Dem Knaben einst das Wiegenlied. Ich mein', ich müßt' ihn heut noch hören, Den Nachtwind, in den Wipfeln hoch, Wie durch die Birken und die Föhren Er wunderseltsam rauschend zog. Es klang, es sang wie leises Klagen, Daß sie noch lag, wenn rings die Au Sich schmückte in den Maientagen, Im Alltagskleide, Grau in Grau; Daß sie, gemieden und vergessen, Das blöde Stiefkind der Natur, Im Winkel stand, wenn unterdessen So bräutlich lachten Wies' und Flur. Da wob, als längst der Mai verglühte, Der Sommer ihr das Hochzeitskleid, Flocht ihr in's Haar die Haideblüthe, Und schön in ihrer Dürftigkeit, Der Armuth Kind im schlichten Kleide, Bestrickt sie dich, du weißt nicht wie. Das ist die Poesie der Haide, Der stillen Senne Poesie. — Es raucht kein Schlot auf dieser Fläche, Hier schimmert nicht der Öfen Licht; Es frohnen Dampf und Mühlenbäche Und laute Hammerwerke nicht. Hier frohnt der Mensch mit seinem Arme, Vom Frühroth bis der Abend graut, Schier unermüdlich gleich dem Schwarme Der Bienen hier im Haidekraut. Fern von der Straße, die der volle, Der breite Strom des Lebens rollt, Hängt er an seiner dürren Scholle Und nimmt gelassen, was sie zollt: Des Feldes karg gemess'ne Gaben, Den Bienenfleiß der Sommerzeit; Zufrieden, wenn gefüllt die Waben Und wenn die Knollenfrucht gedeiht. — Schon früh in meiner Kindbeit Tagen Hat mich von hier mein Lebensloos — Ich dank' es ihm! — hinweggetragen In reich geschmückter Fluren Schooß; Wo mit den fruchtbeladnen Auen Sich mischen Wald und Wiesengrün; Wo Heerden läuten, Berge blauen Und silberhelle Bäche ziehn. Da trank ich an dem frischen Borne Der vielbewegten Gegenwart Und nahm, was in gefülltem Horne Mir Lieb' und Leben aufgespart Die neue Zeit mit mächt'gen Schwingen, Dem Großen, was sie angestrebt, Hab' ich gesehn in ihrem Ringen Und mitgefühlt und mitgelebt: Und dennoch — mitten in der Fülle Des Lebens oft und der Natur, Zieht's wie ein Heimweh mich zur Stille, Zum Frieden dieser Haideflur. So kreis't die Schwalbe um's Gemäuer, Wenn heimwärts sie vom reichern Süd Zum alten Nest an alter Scheuer Am sonn'gen Frühlingstage zieht. 2. Am Donoper Teiche Bilder aus dem Teutoburger Walde Es schlummert die Welle, die Erle schweigt, Kein Lufthauch, der flüsternd die Halme neigt, Die Fichten träumen im Mondenlicht, Der Wald im Schlafe, er regt sich nicht. Es deckt ihn — ein Flortuch von seltener Pracht — Der duftige Nebel der Frühlingsnacht, Und still seinen Schlummer bewachend stehn Gleich schweigenden Wächtern die fernen Höhn. Er schläft — doch auf Wasser und Busch und Baum Liegt ausgegossen ein heitrer Traum, Ein Lächeln, als hätt' ihm der Traum entdeckt, Was unter dem Mantel der Nacht versteckt. Er hört wohl ertönen mit Silberklang Der Maiglöckchen Läuten das Thal entlang; Es regt sich, geweckt von dem süßen Schall, In den schlummernden Kelchen der Blumen all'. Die Nymphen erwachen, die Elfen ziehn Im Thau sich badend durch's Waldesgrün Und ordnen zum Spiele, zum Tanz die Reihn, Und der Glühwurm leuchtet mit hellem Schein. Es flimmert im Teich und im Schilf und Moos Und wundersam klingt es im Waldesschooß; Es läutet im Thal und es summt und rauscht, Und der Wald — er schlummert und träumt und lauscht. 3. Die Hünenkapelle Bilder aus dem Teutoburger Walde Zerstreute Trümmer band- und mörtellos, Gesunkne Pfeiler, eingefallne Bogen, Umwuchert von Gestrüpp, von Haid' und Moos Vielleicht seit tausend Jahren überzogen; Rings um des Berges sturmgepeitschten Grat Die überwachsnen, steinerbauten Wälle, In ihrem Kreise diese Trümmersaat, Genannt die Hünenkirche, die Kapelle; Fern des Cheruskers Bild am dunkeln Teut, Um dessen Gipfel sonn'ge Lichter schwanken, Verklärend ihn, so scheint's, von Zeit zu Zeit, Gleich wie des Weisen Stirne die Gedanken: — Hier weht's wie Odem alter Zeit fürwahr, Wie das Geflüster lang' entschwundner Tage, Doch das Verborgne macht's nicht offenbar, Hier schweigt der Stein und stumm ist selbst die Sage. Ob einst mit dem Gebraus des Abendwinds Sich einte hier des Kriegeshorns Geschmetter, Wenn auf dem Plan die Schaaren Wittekinds Um Sieg anriefen ihre heim'schen Götter? Ob hier am ersten christlichen Altar Der Dankeshymnus scholl siegreicher Franken, Nachdem der Sachsen Reihen, Schaar um Schaar, Im Kampf für ihren Heerd und Glauben sanken? Ob einst in dem zerbröckelten Gestein, Tiefsinnend über dunkeln Zeichen hockend, Ein Klausner lebte, mit dem Heil'genschein Die Gläub'gen durch den Sand der Senne lockend? — Grau liegt der Schleier der Vergessenheit: Auf diesem Steingetrümmer, jenen Grüften, Die in der braunen Haide rings verstreut, Und keine Hand vermocht' es, ihn zu lüften. — Vom Thal herüber tönt der Glocke Klang; Ich seh' im Geiste gläub'ge Schaaren ziehen Den Berg hinan in andachtvollem Drang Und still auf dem geweihten Boden knieen. Ob Heid', ob Christ — kein Römling weist zurück Den Wanderer von dieses Betraums Schwelle. Die Glocke schweigt, ein letzter Sonnenblick, Und wie ein Amen hallt's durch die Kapelle. Nicht allein Der junge Tag mit trunkenem Morgenroth Bricht sturmprofetisch über die Wellen her; Ich steur' allein das sinkende, steigende Boot — Ich bin allein auf wildem, dunkelndem Meer. O theilte ein Lebendiges meine Noth! Die Fluth lebt — aber ihr Ruhn ist lebensleer; Der Sturm lebt — doch sein Ruhen ist auch sein Tod — Und ich such' eine Ruhe, die Leben wär'! Was umrauscht den Mast? O weiße Möve du, Sei mir gegrüßt, irrfahrendes Schwesterherz, Und senk' ein Weilchen dich vom luftigen Pfad! Dann hebst du flügelschlagend dich aus der Ruh', Voran mir segelnd, sonnen- und wogenwärts, Dem Licht entgegen, wenn es im Sturm auch naht! Du bist das Leben Du bist das Leben, das ich liebe, Deß Athem schon die Brust erquickt, Wenn sie im öden Weltgetriebe, Wie in versenkter Luft, erstickt. Du bist die Seele, deren Sehnen In echten Schmerzensflammen brennt, Die der Erfüllung süße Thränen, Und selig stille Ruhe kennt. Du bist die Braut, die hold verglühend Den Liebeskuß des Geist's empfängt, Die stets, wie neuvermählt und blühend Den Hochgeliebten träumt und denkt. Wohl küßt er dir die Stirn im Traume, Du rührst den Saum von seinem Kleid, Doch ach, im dämmernd fernen Raume, Entschwebt sein theures Bild so weit. Du willst ihn fassen, willst ihn schauen, Voll, gegenwärtig, groß und klar, Palast und Tempel soll er bauen Und glorreich werden offenbar! Nicht wirst du sehn den holden Frieden, Die schöne Zeit, das Siegesfest — Uns ist der herbe Kampf beschieden, Der keine Schönheit reifen läßt. Du Kind der Freiheit, Kind der Liebe, Das sich nach Schönheit bräutlich sehnt, Nicht wünsch' ich dir im Weltgetriebe Den Lebenspfad noch weit gedehnt. Nur einen Tag, wo es sich lichtet, Wo Geistesstrahl die Welt erhellt, Und wo, von Geistesglück vernichtet, Ein Sterbliches zu Asche fällt. Die aufblühende Maid Thautropfenklar das blaue Himmelsaug', Die Wange blühend wie des Frühlings Rose, Die Stirn umschwebt von einem Lilienhauch, Der Mund geschlossen zart wie die Mimose. So unentweiht, so rein und mädchenhaft Die liebliche Gestalt! Ihr Gang ein Schweben! Ihr Wesen so, als wenn sich Jugendkraft Noch stritte sanft mit jungfräulichem Beben; Von seidenweichen Locken reich umrollt, Erhoben halb und halb in sich versunken, Der Liebe kaum erschlossen noch, doch hold Geschmückt mit Reizen, weckend Liebesfunken; So stand sie da vor meinem trunknen Blick, Der sich elastisch wiegt' auf ihren schlanken, Lenzfrischen Gliedern; ob mein Herz zurück Auch drängte keusch die selbstischen Gedanken. Es flog durch meinen Geist, ich weiß nicht wie, Ein frommes, tiefes, träumerisches Sinnen, Ich dachte still: Gott segne Beide sie, Die Maid und ihn, der einst sie wird gewinnen. Laß der Jugend doch ihr Träumen Laß der Jugend doch ihr Träumen, Ihre Wehmuth, ihre Zähren! Wahre Kraft will überschäumen, Und die Zeit nur bringt Verklären. Muß im Lenz nicht aus der Rebe Auch hervor die Thräne fließen, Daß sie gold'nen Wein uns gebe, Den am Herbsttag wir genießen? Alpen-Gottesdienst Ich stand auf den Alpen im Frühsonnenstrahl, Herauf drang der Glocken Geläut aus dem Thal; Es ruhte die Schöpfung sonntäglich sich aus, Wer wanderte, ging wohl in Gottes Haus. Ich konnte nicht wandern vereint mit dem Strom, Es war hier erbauet kein steinerner Dom, Daher schritt kein Priester im langen Talar, Und las mir die Mess' und fungirt' am Altar. Ich stand auf der Fluh mit entblößtem Haupt; Hab' selbst mir die Predigt zu halten erlaubt; Ich macht' es nur kurz, sah zum himmlischen Schein — Doch ich legte mein Herz in den Blick mit hinein. Es wandert die Sonne Es wandert die Sonne von Osten nach Westen, Es wallen die Wolken, es wehet der Wind, Es wirbeln die Blätter an Zweigen und Ästen, Es kräuselt im Bach sich die Welle geschwind. Es schwirren Libellen im Fluge von dannen, Es schwingt durch den Wald sich das flüchtige Reh, Es schwebet ein Habicht hoch über den Tannen, Es wiegt sich der tanzende Nachen im See. Warum sich doch Alles so regt und beweget, Und eilet von hinnen in jubelnder Hast? Warum selbst das Herz in uns hüpfet und schläget, Als wollt' es vor Freude zerspringen uns fast? Ei, kannst du noch fragen und siehst es doch blühen Und grünen und glühen und sprühen um dich! Der schelmische Lenz will ins Freie dich ziehen: O folg' ihm nur nach und laß Alles im Stich! Hinaus in die blumigen Wiesen und Felder, Hinauf in die sonnenglanzfunkelnde Alp, Hinein in die ambradufthauchenden Wälder, Weg mit dir, o Weisheit, du goldenes Kalb! Die Dinte verschüttet! die Bücher zerrissen! Folianten studieren — welch Pfuscherversuch! Ein Blick in die Schöpfung lehrt wahrhaftes Wissen: O öffne, Natur, mir dein göttliches Buch! Dir gäb' ich die Krone gerne Es hat mich niemals Stolz erfaßt In jungen und alten Tagen, Auch sucht ich nimmermehr mit Hast Hofehren zu erjagen. Nur wenn mir blitzen hell und rein Deine süßen Augensterne: Da wollt' ich, ich könnt' ein König sein, — Dir gäb' ich die Krone gerne. In der Fremde Ich weiß ein theuerwerthes Land, Mein Herz ist zu ihm hingebannt, Ich kann es nimmermehr vergessen: Das liebe Land der blinden Hessen. Nicht ist es sonnenreich und warm, An Gold und Silber ist es arm; Reich ist es nur an tausend Schmerzen Und an der Treue Gold im Herzen. Wenn einstmals auf der weiten Welt Die Treu' der Klugheit räumt das Feld, Sonst nirgends eine Ruhstatt hätte — Das Hessenland bleibt ihre Stätte. Ich wandre fremd in weiter Fern', Hätt's aus dem Sinn geschlagen gern, Doch unablässig singt mir leise Das Heimweh seine schlimme Weise. Wo meiner Lieben Gräber stehn, Wo meiner Fulda Wellen gehn Und dunkle stille Wälder säumen, Bin ich in Nacht- und Tagesträumen. Herr Gott, wenn einst mein Leben stirbt Und seine erste Ruh erwirbt, Laß mich in meiner letzten Wiegen Daheim im Hessenlande liegen. Es rauschen dann in meine Ruh Der Fulda Wellen immerzu, Als sänge mir die Mutter wieder Die alten lieben Schlummerlieder. Weißt du's auch noch? Wie leis die Linde rauschte Und unser Thun belauschte, Weißt du's auch noch? Sie schüttelte die Äste, Als dächt' sie: diese Gäste Sind wunderseltsam doch! Du sahst mich an und lachtest, Ich weiß es wohl, du dachtest: O, der ist mein! Mir war's zu dieser Stunde: Der Erde weite Runde, Die müßt' mein eigen sein. Ich will es nie vergessen, Was, da wir so gesessen, Sich still entspann: Zur Vesper klangen die Glocken, Da fingst du an zu stocken In dem Gespräch und dann — Mag es doch Jeder wissen, Wie ich dir da entrissen Den ersten Kuß; Und wie du, hold verzagend, Dich neigtest leise, sagend: Ich will ja, weil ich muß! Ein Kinder- und Hausmährchen Einen Beutel hast du, holdes Lieb, in Perlen mir gestickt, Mit der Hoffnung künft'gen Goldes Ist er weidlich vollgespickt. Groschen drei hast du geborgen Drin, von denen du gewollt, Daß ich für dereinst'ge Sorgen Treulich sie bewahren sollt'. Schau, sie werden drin sich mehren, Wachsen bis zum Schatz — die Lieb' Wird den Segen schon bescheeren, Sichern sie vor Rost und Dieb. Und sobald die eignen Laren (Wann uns eint das schönste Band) Traut um unsern Heerd sich schaaren, Ist der Beutel schwer zur Hand. Soll ich dir ein Mährlein träumen Von der Zukunft, die uns blüht, Wann des Lebens Wogenschäumen Nur von fern uns noch umsprüht? Unser Beutel baut ein Häuslein, Hinter Weinlaub birgt es sich, Und im Stübchen, Musemäuslein, Wohnen wir gar heimelich. Rings die Wände schmücken Bilder Mächtiger im Kunstrevier: Tiefen Ernstes schaut ein milder Ludwigskopf herab zu dir. Dicht daneben hangt ein Köpflein, Urbehaglich, gottvergnügt: Joseph Haydn, dem fromm ein Zöpflein Hinten sich im Nacken wiegt. Dann die großen Namensbrüder: Wolfgang Eins und Wolfgang Zwei; König der im Reich der Lieder, Der im Reich der Melodei. Gar 'nen lieben Hausgenossen Ich dir auch noch nennen muß, Den wir tief in's Herz geschlossen, Heißt: Mathias Claudius. Wenn einmal ein Mißmuthsnebel Uns die Köpfe dumpf umflicht, Er und Johann Peter Hebel Lächeln sie uns wieder licht. Also noch gar mancher Meister Wohnt im Stübchen um uns her, Und der guten reinen Geister Wird das Haus uns niemals leer. Wann der Tag hinabgeschwunden, Sitzest du an dem Clavier, Weckst in Tönen alte Stunden, Und erinnernd lausch' ich dir. Zwar auch Wolken schweben häufig Uns zu Häupten — doch nur die, Die aus meiner langen Pfeif' ich, Blaue Ringlein blasend, zieh'. So im Frühling wie im Winter, Allsolang 's der Herrgott will, Leben wir zwei großen Kinder Recht ein großes Hausidyll. Meine Groschen in den Netzen, Die du flochtest, blinken hell In ironischem Ergötzen An mir träumendem Gesell. Ja! nicht Jeder, der erzählen Hört ein Mährlein, hält's für wahr, Und so dumme Groschenseelen Die belächeln's auch noch gar. Aber wir — wir glauben's, eben Drum fehlt's uns an Schätzen nie — Die versagt das karge Leben, Die bescheert uns Phantasie! Einer Jugendfreundin Ich kam in's liebe Thal — Es war in trübem Winter — Wo wir gewesen sind einmal Zwei lust'ge Kinder. Im Schneetuch lag der Ort, Des Kirchhofs Lindenbäume, Die alten Freunde, sind verdorrt, Wie uns're Träume. Die Linden wartend stehn In weißer Schlummerdecke, Bis daß der Frühlingslüfte Wehn Sie auferwecke. Die Träume schlafen schwer, Verschneit, verweht, verborgen, Es auferweckt sie nimmermehr Ein Ostermorgen. Beim Abschiede Sieh', wie auf den makellosen Schnee, der Erde Leidgewand, Abendroth die milden Rosen Hold vom Himmel hergesandt. Wo auf's Thal sich Wolken senken, Spielt ein purpurfarb'ner Kranz, Wie ein fröhliches Gedenken An des Tages Sonnenglanz. Laß den Wunsch dich denn geleiten: Über all dein Leid und Weh Mag sich mild ein Schimmer breiten, Gleichwie über diesen Schnee, Ein Gedenken an den reichen, Sonnenschönen Frühlingstag, Der so frostig muß verbleichen, Eh' ich seine Blüthen brach! Dichtermuth Mir will es oft am Herzen heimlich nagen, Daß ich so einsam bin im großen Trosse, Daß mir zur Seite steht kein Kampfgenosse, Wenn meine Götterbilder sie zerschlagen. Doch tiefer Schmerz läßt sich nur einsam tragen. Sei's drum! Werft eure spitzigen Geschosse! Ich dünk' ein Kämpe mich auf edlem Rosse, Den Ehrgeiz spornt, das Höchste kühn zu wagen. Schon früh ward von den Himmlischen gesendet Die Muse mir als Retter und Befreier Aus hartem Druck, den sie von mir gewendet. So schmäht und höhnt nur zu, ihr blöden Schreier! Ich singe noch, wenn müd ihr schon geendet, Denn von den Göttern stammt des Sängers Leier. Stoiker Irrthum und leerer Wahn ist jede Freude, Denn dauernd kann auf Erden nichts beglücken. Der Wein, in dem du taumelnd trinkst Entzücken, Gereicht dir morgen wohl zu argem Leide. Weil wir für ewig halten, was vergänglich, Und so der Dinge Wesen stets verkennen, Muß uns im Herzen heißes Weh entbrennen Beim Flieh'n des Wahn's, für den wir leicht empfänglich. Der wahre Weise kennt nicht Schmerz noch Freude. Er wünscht nichts, darum wird er nichts entbehren. So bleibt er frei von jedem schweren Leide. Das höchste Glück ist steter Seelenfrieden. Erbitte, was du selbst dir kannst gewähren: Dann ist erhabne Ruhe dir beschieden. In stiller Nacht Rings Stille. Nur ein leises Wehen, Wie Flügelschlag der Frühlingsnacht, Scheint durch die Wipfel all' zu gehen. In Dämm'rung bleicht des Tages Pracht. Die Wolken an des Himmels Rande Erglühn im letzten Sonnengold. Nun prangt im blauen Brautgewande Der Himmel mit den Sternlein hold. Das ist der süßen Minne Stunde, Die Lenz und Erde heimlich pflegt, Indeß im grünen Thalesgrunde Frau Nachtigall sehnsüchtig schlägt! Wogt nicht in diesen Zauberklängen Das Liebeleben einer Welt, Das jetzt mit seligem Bedrängen Ins Herz den Siegereinzug hält? Mir ist, als seien müd entschlafen Die Sorge und des Lebens Noth, Da still verschämt im Liebeshafen Die Welt ruht bis zum Morgenroth. Nun ist der letzte Ton verklungen; Ich blicke träumend in die Nacht. O Gott — und hätt' ich tausend Zungen, Ich sänge nicht des Frühlings Pracht! Das schönste Lied giebt matte Kunde Vom tiefsten, glühendsten Gefühl; Weit ist's vom Herzen bis zum Munde: Heiß flammt das Herz, das Wort ist kühl. Das stille, innige Genießen Der Wunder einer Frühlingsnacht Läßt sich ja nicht in Reime gießen: Ich weiß nur, daß mich's selig macht! Nilfahrt Pfeilschnell tanzt das schwanke Fahrzeug durch des Niles gelbe Fluthen, Drüben schwimmt Ägyptens Himmel, aufgelöst in goldne Gluthen. Von den dunkellaub'gen Ufern rauschen laut die Sykomoren, Wellen hüpfen um die Barke, murmeln wie im Traum verloren, Brechen sich in weißem Schaume an des Schiffleins schwarzen Planken. Schweigend ruhn die grünen Ufer, träumend ruhen die Gedanken. Tiefe Stille auf dem Strome; schwach nur klingt der Tauben Girren, Die in wolkendichten Zügen hoch durch gold'ge Lüfte schwirren. Weiße Segel in der Ferne; längs des Strandes Palmenhaine, Deren schlanke Stämme glänzen roth im Abendsonnenscheine. Schaaren von Flamingo's wandeln stolz in üpp'gen Waldgefilden, Fliegen auf beim Nahn der Barke, gleichend ros'gen Dunstgebilden. Fernhin schimmern prächt'ge Villen, hingesät am heil'gen Strome, Dort Kairo's mächt'ge Bauten, Minarets und spitze Dome. An der gelben Wüste Saume ragen Gizeh's Pyramiden, Hochgethürmte Riesensärge, ewig wie des Todes Frieden! Und der alte Nilstrom flüstert von versunk'nen, grauen Zeiten, Die der träumerischen Seele wie im Flug vorübergleiten; Vom Geheimniß seiner Quellen und von Thebens Mumiengrüften; Von dem Memnon, dessen Weisen nimmer klingen in den Lüften. Und die Welt der Monumente steigt berauf vor unsern Blicken: Von den Pyramidenwänden steife Götterbilder nicken; Aus dem Höhlengrabe Ramses' schallen laute Harfenklänge, Wilde Klagen todter Kön'ge und der Priester Grabgesänge. Hoch aus gelber Wasserfläche taucht mit prächt'gen Säulenhallen Auf der Isis heil'ger Tempel, drin die Göttin scheint zu wallen — Hehr in weißem Grabgewande, gramesbleich mit Händeringen, Während zwischen düstern Klippen Priester Weihrauchfässer schwingen. Urgeschichte träumt die Seele, lösend alte Zaubersiegel, Wenn das schnelle Schifflein gleitet auf des Niles goldnem Spiegel. Nachts am Nilufer Leis aus milddurchglänzten Lüften ist die Nacht herabgesunken; Auf den stillen, schwarzen Wassern glitzern helle Sternenfunken. Durch der Palmenwälder Lücken glüht der Mond, des Himmels Rose, Und vom Ufer weht berauschend das Aroma der Mimose. Aus der Sycomoren Wipfel schluchzen laut die Nachtigallen, Während auf dem weiten Strome feine Nebelschleier wallen. An dem Rande einer Klippe ragt empor des Dorfs Kapelle Mit des „Scheches“ ew'ger Lampe — und die Ruder ruhn zur Stelle. Bald ist angelegt die Barke und das Schiffsvolk liegt im Kreise Um das Bugspriet, rauchend, singend nach der Tarabuka leise Liebeslieder aus der Wüste. Aus den Hütten schimmern Lichter, Hart am Ufer zwischen Bäumen gaukeln, blitzen jetzt Gesichter, Wallen lockend weiße Schleier: denn des Dörfchens Bajaderen Kommen, um die fremden Männer durch der Heimath Tanz zu ehren. Hui — wie flink sind die Matrosen, wenn es gilt, an's Land zu gehen! Fingerringe, reine Turbans, wie die Fahrt sie nie gesehen, Werden angethan zum Schmucke; Bretter decken flugs den Rasen, Und die Bühne steht, wo munter sonst Kameel und Büffel grasen. Mit dem Rabab naht der Geiger — und ein Bursch mit schriller Pfeife, Mit der Trommel eine Alte, fein geschmückt mit rother Schleife. Zierlich hüpft die erste Gasieh, schlank, von braunem Angesichte, Mit geschminkten Augenlidern, in den Kreis, beim Sternenlichte Der Gazelle zu vergleichen. Eine leichte Gaze-Hülle, Seidne Höschen und ein Tarbusch heben ihrer Reize Fülle. „Jungen Rehzwillingen ähnlich, welche unter Nelken weiden,“ Könnte um des Busens Liebreiz manche Römerin sie neiden. — Trippelnd folgen ihr die Schwestern. Eine Pfeife macht die Rund Und ein Glas mit duft'gem Tranke geht dabei von Mund zu Munde. Plötzlich rasselt wild die Trommel, und des Geigers Fidelbogen Kratzt des Rababs beide Saiten, daß die Töne kreischend wogen, Während spitz die Pickelpfeife trifft das Trommelfell der Ohren. Hei des Jubels der Matrosen, die, in Wonne ganz verloren, Mit den Händen klatschen und im Takt das Spiel begleiten! Stolz macht Raum sich jetzt die Gasieh, holde Siege zu erstreiten. Hoch schwingt sie die Castagnetten, sucht die Mitte sich im Kreise, Dreht sich auf dem rechten Fuße — und ihr Leib erzittert leise; Ähnlich wie auf Mooren nächtlich schwanken lichte, luft'ge Flammen, Die, durchweht vom Hauch der Winde, schauern in sich selbst zusammen. Ihre Augen funkeln, lodern wie des Diamantes Blitze, Daß in athemloser Spannung Jeder gleitet von dem Sitze. Bald schwebt vorwärts sie, bald rückwärts; alle Muskeln fliegen, beben, Wonneschauer, Liebessehnsucht, Sinnenrausch und glühend Leben Schwellen Adern ihr und Busen: Lust pulsirt in jedem Gliede. Und sie flattert und sie dreht sich mit der Anmuth der Sylphide, Und sie beugt sich wie von Schauern übergossen, tief danieder, Sinkt wie um Erhörung flehend, auf die Knie, erhebt sich wieder. Um mit fieberischem Zucken auf den Boden sich zu strecken, Bis zu neuem Liebestaumel sie die Höllentamtams wecken, Und berauscht der ganze Chorus folgt dem Locken der Signale, Während heiser aus den Wäldern tönt das Heulen der Schakale. — Lange muß die müde Alte ihre Schellentrommel schwingen, Eh' der Morgensonne Strahlen durch die Palmenhaine dringen Und die Gasieh's züchtig fliehen, haschend Schleier und Gewande: Träg an Bord schleicht dann das Schiffsvolk — und die Barke stößt vom Lande. Einer Todten I. Das war ein schmerzlich Ruh'n an deinem Herzen, Wenn Nachts ich mich zu deinem Pfühle stahl! Durch's Fenster flimmerten des Himmels Kerzen, Der kalt herniedersah auf uns're Qual. Ich küßte leis die seidenweichen Locken — Du schliefst, ich hielt den eignen Athem an Und hörte deinen müden Athem stocken Und lauschte, bis die Thräne niederrann. Ein Tropfen fiel auf deine heiße Wange, Du seufztest tief, und ach! wie tief im Traum; Ich aber beugte mich hinweg und lange Weint' ich um Dich — ob wachend, wußt' ich kaum. Wenn jetzt des Mondes blasse Strahlen weben Ihr zart Gespinnst in Nächten still und kühl, So sehn sie mich dahingesunken neben Dem Bett und weinen auf — den leeren Pfühl! II. Dein Auge sah so trüb, so matt; Wen diese müden Blicke trafen, Der fühlte, daß du leidenssatt Nur noch dich sehntest, still zu schlafen. Du reichtest mir die zarte Hand, Die oft, wenn jäh der Trank der Schmerzen Aufschäumte bis zum Kelchesrand, Geruht auf deinem kranken Herzen. Die Hand, so weiß, so fieberheiß — Ich mußte heimlich darauf weinen, Und hauchte auf die theure leis Den letzten Kuß — und dann noch einen! Du seufztest tief: „Du liebster Mann, O daß ich Ruhe, Ruhe fände!“ Die letzte, schwerste Nacht brach an Und dann — war deine Pein zu Ende. — O Gott, warum die meine nicht?! Du schiedst, doch ich muß weiter leben In einer Wüste ohne Licht, Von Nacht und Einsamkeit umgeben! Ein letzter Blick, ein letzter Kuß Das sind die bittersten der Schmerzen! Mir blieb von deinem Scheidegruß Weltmüde Traurigkeit im Herzen. III. Ich habe lang' an ihrer Gruft gesessen Und gramvoll meinem Schicksal nachgesonnen. Da ward mein Leid zum abgrundtiefen Bronnen Zur Seelennacht, in der ich Gott vergessen. Die Vögel droben sangen unterdessen Ihr altes Lied von Lieb' und Frühlingswonnen. Ich weint' um meinen Frühling, längst verronnen, Und modernd unter Epheu und Cypressen! Ich kann's, ich kann's dem Schicksal nicht vergeben, Daß sie von meinem Herzen ward gerissen, Die mehr mir galt als Welt und eignes Leben! Allein mein tiefster Schmerz ist, nicht zu wissen, Ob zu den Sternen durft' ihr Geist entschweben, Ob er erlosch in Erdenfinsternissen? Ich habe das Lachen und Singen verlernt Ich habe das Lachen und Singen verlernt, Seitdem ich dich, Heimat, verlassen; Ein einsamer Wand'rer bei Tag und bei Nacht Durchstreif' ich als Fremder die Gassen. Ich suche vergebens die Theuern im Kreis, Für die ich gekämpft und gerungen, Die hold mir um Schläfe und lockiges Haupt Die Blumen der Freude geschlungen. Die Lust und die Liebe, die kehren, ach, nie In's blutende Herze mir wieder; Verrauscht und verklungen ist jeder Gesang, Versiegt mir die Quelle der Lieder. Nachtfeier Verklungen ist des Tages laute Pracht, Auf ihrem Throne sitzt die stille Nacht, Und sanft ertönt der Liebe hohes Lied, Bis hell vom Osten her der Morgen zieht. Die Nachtigall das Röslein sehnend grüßt, Zum Schwan des Sternes Licht hernieder fließt, Versunken in dem Kelch der Blume liegt Der Falter, sanft in Träumen eingewiegt. Gefangen ruht im Schlaf die Leidenschaft, Der müde Geist, er schöpft sich neue Kraft Und schwingt auf Engelsflügeln neu belebt Hinauf zum Himmel sich, der alles webt. Und Liebe, Liebe! tönt es her vom Bach, Und Liebe, Liebe! hallt das Echo nach, Bis golden aus des Ostens Fernen her Sich rings ergießt der Sonne Strahlenmeer. Im Walde Bist du je im Wald gegangen In Gedanken bang und schwer, Wenn aus allen Schatten drangen Auf dich Geister wild einher, Wenn des Urgeist's tiefe Stimme Zitternd brauset durch die Luft, Und in seinem lauten Grimme Dich bei deinem Namen ruft; Und es dann mit hellen Tönen Himmlisch, mächtig zu dir spricht, Und des Donners stürmisch Dröhnen Eich' um Eiche niederbricht; Und du, wie die leichte Ranke, Um den mächt'gen Stamm dich schlingst — Ach wie nichtig dein Gedanke, Den du mit im Herzen bringst. Lerne d'rum im Waldestoben Kennen deinen Wahn von Macht, Und den Blick, den kehr' nach oben, Wo ein Gott dich still bewacht! An der Scholle festgebunden Ist dein Denken, ist dein Sein, Und gezählt sind deine Stunden, Mensch, so schwach und ach, so klein! Deine Pläne sind so nichtig Wie der Stamm, der dorten liegt, D'rauf die klare Welle flüchtig, Schnell im Lauf vorüberfliegt. Stolze Schlösser, prächt'ge Hallen, Für die Ewigkeit gebaut, Sind zerstücket, sind zerfallen Und verstummt drin jeder Laut. Nichts besteht, was hier geboren, Alles beugt sich vor der Zeit; Kaum entstanden, schon verloren In dem Strom' der Ewigkeit. Lerne d'rum im Waldestoben Kennen deinen Wahn von Macht — Und den Blick, den kehr' nach oben, Wo ein Gott dich still bewacht! Sängerfahrt Wohlauf, wohlauf, in's Feld hinaus, Die Morgenglocken klingen, Und lasset uns dem neuen Tag Die schönsten Lieder bringen. Durch Wald und Thal, auf Berg und Flur Erschall' es dann in Chören Und halle tausendfach zurück Im stillen Wald der Föhren. Der Lieb' ist unser Lied geweiht, Der Lust, dem frohen Leben, Die, milden Himmelslüften gleich, Die freie Brust umschweben. Und nun die Leier frisch zur Hand, Dem grünen Wald entgegen! Dann ströme aus des Liedes Klang Des Himmels milder Segen. Noch ist das Lied nicht ausgesungen Noch ist das Lied nicht ausgesungen, So lang ein Stern am Himmel glänzt; Und Menschen liebend sich begegnen, Ein schönes Weib den Wein kredenzt. So lang' die Blumen duften, blühen, Die Welt sich ewig neu verjüngt; Und hell aus schönen Frauenaugen Die Liebe uns entgegenwinkt. — So lang die Lust an's Leben bindet, Was frisch da webt und fühlt im All: So lange wird es Lieder geben, So lange frohen Liederschall. „st“! Nach dem Engl. der Adelaide A. Proctor Leise lispelt sie: „Kaum hör' ich's, Denn mein Herz pocht laut und bang', Doch aus weiter, weiter Ferne Tönet her zu mir ein Klang.“ Es sind nur die Schnitter, die singend Heimbringen die Garben, und lind Durch die sterbenden Blätter säuselt Und raschelt der Abendwind. „Horch! ich hör' den Ton von Stimmen!“ Matt die Worte ihr entflieh'n, Matt und flüsternd, leise zitternd, Stirne brennt und Wangen glüh'n. Es sind nur die Kinder, die spielen Nach der Arbeit im grünen Rain, Und sie lachen jubelnd, beschienen Von dem Abendsonnenschein. Schwächer klang die Stimme, schwächer, Als sie ängstlich sprach: „Fernab, In dem dunkeln Kastanienwege Hör' ich eines Reiters Trab.“ Es war nur der Hirsch und die Hindin; Vor den Schnittern, die sie erschreckt, Floh'n sie von dem Kleefeld und haben In dem Dickicht sich versteckt. Nacht und Dunkel, tiefes Schweigen, Vöglein ruht im Nestchen nun, Hirsch und Hindin schlafen beide; Auch die müden Kinder ruh'n. Klagelaute nur von der Lieben, Die am Lager weinend gewacht; Sie fand Ruhe und ew'gen Frieden In der stillen Sommernacht. Natur-Symphonie Hehre Nacht! In tiefer Stille, Ernstem Schweigen liegt Natur; Und in dunkler Schatten Hülle Ruhen Wald und See und Flur! Sterngeflimmer, Mondesschimmer, Gleiten über Höh'n und Thal; — Kein Blatt regt sich; Was bewegt dich, Was erfüllt dein Herz voll Qual? Alles ruht in tiefem Schlummer, Du, nur du, störst diese Ruh', — Laß' dein Leid und deinen Kummer, Schließ' die müden Augen zu! Nimmer find'st du, Nie gewinnst du, Du erreichst es nimmermehr, Deines Strebens Ziel, vergebens Sinnt dein Haupt, gedankenschwer. Ob du marterst dein Gehirn auch, Ob du grübelst spät und früh', Ob sich furcht die Denkerstirn' auch, Eine Antwort wird dir nie! Nie gelingen Wird dein Ringen, Und die Jugendzeit eilt hin; Mußt verjagen Eitle Fragen, Schlag die Zweifel aus dem Sinn! Geh', genieß' dein junges Leben! Folg' dem Vogel in der Luft! Labe dich am Saft der Reben! Bald, ach bald deckt dich die Gruft! Zephyrlüfte Blüthendüfte Fächeln; von der Nachtigall, In der Ferne Wogt sie, lerne: Poesie durchhaucht das All! Wer eine Harfe sich erkor Wer eine Harfe sich erkor, Dem mag es noch gelingen, Vom Schlosseshof zum Burgesthor Sich Minne zu ersingen. — Doch wer auf dunklem Flügelpaar Des Aars sich schwang zur Sonne, Sang zu den Sternen hell und klar Das Lied der eignen Wonne, Und wer es sang, sein schweres Leid Aus seines Herzens Tiefen, Daß Echostimmen nah und weit Es immer wieder riefen: Der laß es still verhallend ziehn Ins Meer der Ewigkeiten, Der mag am letzten Strahl verglühn, Am letzten aller Zeiten. Der laß im lauten Katarakt Und in des Sturmes Wettern Den letzten und den schönsten Takt Verrauschen und zerschmettern. Modernes Ritterthum Bojardo sang von kühnen Rittern, Die mit scharf geschliffnen Stahl, Gleich mastzerschellenden Gewittern, Den Feind verfolgt durch Berg und Thal. Es ist die Ritterzeit verschwunden, Die Burg versank in Schutt und Staub, Das scharfe Schwert ruht rostgebunden, Den Schild vergrub das dürre Laub. Was unsre Ahnen groß vollbrachten, Das klingt im Liede fort und fort, Das stralt aus goldnen Ruhmesschachten, Das rauscht im stolzen Sängerwort. War groß die Zeit, die längst vergangen, Wirkt, daß ihr groß auch unsre schafft, Auch sie hat Zaub'rer, Riesen, Schlangen, Zum Schwerte greifet, greift zum Schaft. Der scharfe Stahl sei der Gedanke, Charaktertreu der scharfe Speer, Zersprengt den Bann der Geistesschranke, Schaut fest mit reinem Blick umher. Laßt hell die Tricolore flammen Des Geistes, der im Freien kreist, Dann schaaren alle sich zusammen, Die Ritter von dem heil'gen Geist. Die Lüge ist der Feind, die Feigen, Das Schlechte, der Ideenmord, Das gleißnerische, falsche Schweigen, Es ist das Schwert, der Schild — das Wort. Das goldne Wort der Überzeugung, Das aus der Seele reinem Born Hervorquillt, mächtigster Verzweigung, In heißer Liebe, kaltem Zorn. Der Sänger sei der Held, der Thaten Vollbringe, die er einst verklärt, Daß seines Geistes goldne Saaten Ein kommendes Jahrhundert ehrt. Sympathie Wo in des Grames Mantel eingeschlagen, In seines Herzens Mitternacht versunken, Den Himmel schilt ein Mensch mit wilden Klagen, Deß Lippen leer den Leidenskelch getrunken; Dem drängt es mich des Trosts ein Wort zu sagen, Daß seines Auges Thränen könnten fließen, Denn jeder Mensch muß hoffnungslos verzagen, Der all sein Weh im Busen muß verschließen. Wo mir der Himmel aus der Kinder Blicken Entgegen lacht, von rosig blühnden Wangen, Da ahn ich, wie von seligen Geschicken Die Glocken rein in ihrer Brust erklangen. Wo nur ein Mensch ein Weh, ein Glück geheim hat, Ist mir mein voller Antheil auch gegeben; Denn jedes Menschenherz ist meine Heimat, Unendlich reich mein scheinbar einfach Leben. Macht der Töne Ein Jüngling wandelt tief im Hain, So frühlingsfroh im Herzen, Die Augen stralen hell und rein, Gleich heilgen Altarkerzen. Hell hebet sich sein Abendlied Auf weichen Westes Wellen, Stolz wie der Aar durch Wolken zieht, Und rein wie Bergesquellen. Ein Wandrer, der am Berge zieht, Hört froh die Töne schallen, Stimmt ein in das bekannte Lied, Hell in des Waldes Hallen. So wandern sie im fremden Land Selbander, ob geschieden, Befreundet schon und schnell bekannt Im stillen Seelenfrieden. Und immer ferner tönt das Lied, Bald ist es ganz verklungen. — Wie wenn der Freund vom Freunde schied, Hat Schmerz die Brust durchdrungen. Die Linde Vor Allem lieb ist mir der Lindenbaum, Darunter oftmals ich gespielt als Knabe, Als Jüngling träumte meinen schönsten Traum, Der einst noch blühen wird auf meinem Grabe. Er ist mir Zeuge einer schönern Zeit; Viel goldne Märchen klingen in den Zweigen, Mit denen einst Großmutter ihn geweiht, Der ich gelauscht mit andachtselgem Schweigen. Als Jüngling dann an treuer Freundesbrust In seinem Schatten hab ich oft gelegen, Und ahnungsbang sah ich mit trüber Lust Der Zukunft Schattenbilder sich bewegen. Vergessen werd ich nie die letzte Nacht, Die ich mit ihr, die mehr mir als mein Leben, Vor meiner Wand'rung traulich zugebracht, Den letzten Kuß, den sie mir, ach! gegeben. Nach langer Zeit bin ich zurückgekehrt. Großmütterchen ist längst im Land der Seelen; Es fiel der Freund im Kampf für Weib und Heerd, Vom Liebchen wollte Niemand mir erzählen. Aus jener Zeit blieb nur der Lindenbaum, Darunter oftmals ich gespielt als Knabe, Als Jüngling träumte meinen schönsten Traum, Der einst noch blühen wird auf meinem Grabe. Regenbogen Wie oft, erhellt vom lichten Sonnenscheine, Der Wolken Nacht in bunten Farben stralet, Ein glänzend Licht, ein heitres Leben malet, Ob fort und fort der trübe Himmel weine: So lächelt oft des Menschen Aug' in Thränen, Und um die Lippen bebt es fast wie Freude, Indeß das bange Herz vergeht im Leide Und im unsäglich, nie gestillten Sehnen. Ihr Bild Sie küßten mich, sie drückten Die Hände mir so warm, Als mich nach langem Scheiden Umschloß der Eltern Arm. Ich schaute rings im Kreise Der Jugendfreund' umher; Ach deine Augen fand ich, Dein Lächeln hier nicht mehr! Ach, deine treuen Augen, So freundlich, dunkelklar, Die mich gefangen halten Fortan nun immerdar. Und trüg' ich nicht im Herzen Dein Bildniß wandellos, Mich tödtete die Ferne Selbst in der Heimat Schooß. Unvergänglich Über die waldigen Höhn hinschwebt und die duftigen Thäler Ewiger Melodieen lieblicher Geistergesang; Klänge entquollen der Brust der Engel am Morgen der Schöpfung, Als sie in Liebe entbrannt küßten die Töchter der Welt. Aus der Heimat, der Brust erheben sich lichte Gedanken, Liebliche Melodieen, Klänge des Engels in uns. Doch verrauschen sie schnell in des Tages gewaltiger Brandung, Schweben mit mächtigem Flug hoch und höher empor. Wenn verklungen der Lärm, doch senken sie still sich hernieder, Finden die Heimat im Geist deß, der dem Geist ist verwandt. Nimmer berühret der Tod, was wirklich lebendig geboren, Ob es Jahrhunderte lang ruhet im Moder und Staub, Endlich erhebt sich der Tag, und die Stunde schlägt, wo der Keim sich Bildet, und Blätter und Zweig bringet und Blüte und Frucht. Erwachen Rein schaut der Jüngling vorwärts in das Leben, Es lauscht sein Ohr vergangner Zeiten Walten, Er achtet nicht der lieblichen Gestalten, Die süß verlockend nah und näher schweben. Den hehren Heldenbildern nachzustreben, Den Thaten, die im Herzen wiederhallten, Möcht jede Kraft des Geistes er entfalten, Indeß zum Fall sich ihm schon Netze weben. Es steht in Thebens Wüst' ein stummes Bild, Das, wenn des Morgens Stral vom Himmel lacht, Mit hellem Ton erklinget wundermild; So ruht der Jüngling noch in sel'ger Nacht, Der, wenn der Liebe Blick sein Herz erfüllt, Aus heil'gem Schlummer, hold erschreckt, erwacht. Sicher Auf die Bussole schaue unverwandt, Im Wogenstreit laß deinen Fuß nicht schwanken, Am Steuer fest die siegessichre Hand, Und in der Seele ruhig die Gedanken. Des Rechts Bewußtsein im gesunden Geist, Gewißheit, daß ein ewiger Gedanke Das Weltall lenkt, das nicht im Zufall kreis't, Wie es auch scheinbar hin und wieder schwanke. — So wirst du sicher den geliebten Strand, Dein heiß ersehntes Ithaka begrüßen. — Beglückt, wem des getreuen Weibes Hand, Wie jenem, wird der Reise Last versüßen. Der Graf von Frohburg Ballade Es steht ein schroffer Felsen so nackt und einsam da, Wo einst der Graf von Frohburg aus seinem Schlosse sah; Es wuchern wilde Schlehen, Stechpalm' und Hagedorn, Wo einst in heitern Hallen erklang der Ritter Sporn. Er thronte hoch und herrisch, er sah so stolz herab Auf all die reichen Fluren, die Glückes Hand ihm gab, Doch nie ertönte unten der Freude Jubelruf, Denn Seufzer nur und Thränen des Grafen That erschuf. Er war des Landes Geißel, kannt' keine Freundlichkeit; Ihn mochten nur vergnügen der Becher, Jagd und Streit, Er trug sein Herz verschlossen jedwedem Hochgefühl; Er brauchte seine Bauern als seiner Launen Spiel. Wo nun so blüh'nde Auen die Blicke rings erfreu'n, Da waren damals Steppen und wilde Wüstenei'n. Wen mochte Arbeit freuen, wenn frech die reife Saat — Des Landmanns frohes Hoffen — des Grafen Jagd zertrat! Einst war er weggezogen auf seines Freundes Schloß, Der auf der Wartburg hauste. Da war der Jubel groß; Da klangen Saitentöne zu süßem Minnesang, Und hörte man dazwischen der vollen Humpen Klang. Da flogen rasch die Paare durch den erhellten Saal, Da saßen kühne Ritter am freudenreichen Mahl. Da lärmten sie und schrieen in wildem Übermuth: „Hätt' nicht gedacht, es munde der Bauernschweiß so gut“! Schon war die Sonne nieder, längst harrte sein der Troß, Da schwingt der Graf sich lustig auf sein geflügelt Roß Und reitet frisch von dannen, in wohlgemuther Ruh Durch dichten Waldesschatten dem Städtlein Olten zu. Tief hüllet sich der Himmel in schwarze Wolken ein, Schon rollet dumpfer Donner, schon zuckt der Blitze Schein, Da drängt der Ritter fluchend das Pferd mit scharfem Sporn; O dränge nur und fluche — bald trifft dich Gottes Zorn! Hei, wie erklang so mächtig des Donners dumpfes Rollen! Hei, wie da von dem Himmel die Regengüsse quollen! Hei, wie im wilden Zickzack herunterschoß der Blitz! Hei, wie der Ritter jaget nach seinem sichern Sitz! O jage nur zermalmend durch das bewegte Korn! Nie wirst du, Thor, entfliehen des Rächers mächt'gem Zorn! Schau', wie von jenem Blitze die Gegend rings erglüht! Schau', wie aus Frohburgs Zinnen die Flamme prasselnd sprüht! Da reißt des Rosses Zügel der Ritter wild zurück, Er wirft hinauf gen Himmel wuthschnaubend seinen Blick, Er ballt in Wuth und Zorn zu Gott empor die Faust, Dann ruft er, daß die Hörer es eisig kalt durchgraust: „Wohl hast du gut gezielet, und sicher traf dein Blitz, Wohl liegt in hellen Flammen mein schmucker Herrensitz, Wohl winken nun Ruinen hinab ins weite Thal, Wo sonst die Frohburg glänzte im hellen Sonnenstrahl!“ „Doch bis sie zehnmal schöner auf jenem Felsen steht, Soll keine Hand mehr rasten, so frühe nicht als spät, Und soll kein Pflug die Schollen der Äcker mehr zerhau'n, Und soll kein Bauer wieder die brache Flur bebau'n.“ Noch sprach der Graf, als flackernd ein Blitz herniederschoß, Der Stolze ist gesunken von seinem schnellen Roß. Noch zürnen seine Blicke, noch ballt die Faust der Graf, Doch kann er nicht mehr schaden, den Gottes Rache traf! So half die Hand des Höchsten vor jenes Zwingherrn Wuth. Da hob in jedem Busen sich frischer Freiheitsmuth. Er hat sich treu erhalten durch viele Jahre fort, Es baute nie ein Ritter sich eine Burg mehr dort. Drauf weihten unsere Väter da, wo der Graf erlag Mit frommem Sinn ein Denkmal, das steht auf diesen Tag, Das mahnt die freien Enkel, daß über jeder Macht Allvaters Auge segnend der Menschenrechte wacht. Die Äckercher Da, Weibche, steck den Gulde ein, Doch sollste mer verzähle, Wie's kommt, daß du jahraus, jahrein Mit Bettle dich mußt quäle. Ach, Herr, ich bin so arm un alt, In Noth un Sorg verdorbe, Mein Mann, daß Gott en selig halt, Is mir nun auch gestorbe. Der war so gut — der Allerbest! Un wie that er sich schinne! Es is en Musikant gewest, So kann mer kein mehr finne. Wo der nur hinkam, da war Lust, Und 's gab net leicht e Danze, Da hat mein Alter hingemußt Mit sein Trompeteranze. Zwei Äckercher han mer gehatt, Ich that se gut besorge, Doch alles hat mich nir gebatt, Mer mußte als druf borge. Lang gabe se was mer so braucht, Warn unser Glück un Hoffe — Das ein davon hat er verraucht, Das annere versoffe. Im Dörfche Armselig Dörfche, was biste so arm, Die Häuscher, die Scheuern, daß Gott sich erbarm! Die Kühcher, die Geise wie mager und klein, An de Bäum da, das müsse Holzäppel sein, So dacht ich und strich durch das Dörfche geschwind Da guckt aus ein Fenster e wundersam Kind; Es ware die Haar aus Gold ihr gemacht, Die Zähncher von Perle unschätzbarer Pracht; Die Haut war von Sammet, die Lippe Rubin Und all um ihr Köppche demantelicht schien. Ei, dacht ich, arm Dörfche, was biste so reich, Is das e Verschwendung, sie das for Gebräuch Und wie ich am Zaun e Blümche mir brach, Warf blaue Juwele ihr Blick mir noch nach. Mainacht In dunkelfeuchter Maienacht, Leuchtkäferche nur glüht; Verstohle noch manch Herzche wacht, Was blühe kann, das blüht. Und's Mädche unnerm Flieder, Da drinn en Hänftling baut, Drückt sich die Händ an's Mieder Und seufzt enaus halblaut: „Ach, wer heint en Schatz hätt!“ Die Geisterschlacht Wenn hoch über Chalons Ebnen hell die goldnen Sterne funkeln, Siehest du von Kriegsgestalten jäh den Himmel sich verdunkeln, Wie wenn in der Lüfte Schichten, fortgepeitscht vom Sturmesfluge, Wetter sich entgegeneilen in gewaltig grimmem Zuge. Sieh, das sind die Geister derer, die im Völkerkampfe sanken, Des Atilla wilde Hunnen, — Römer, Gothen, Sachsen, Franken, Die das catalun'sche Schlachtfeld mit der Brüder Blut geröthet; — Denen nicht der Tod versöhnend ihrer Rache Wuth getödtet. Seht, Westgothen, Römer füllen eilend dort den Himmelsbogen; Unabsehbar dorthin, hieher kommt der Hunnen Volk gezogen; Wo die Heere der Burgunden und die Schaaren von Alanen Wälzen auf sich zu den Sternen, wie einst Griechenlands Titanen. In der Brust des Todes Wunden, stürzen mit erstarrten Blicken Toll entgegen sich die Krieger, wie auf unsichtbaren Brücken, Recken aus die bleichen Arme, ihre Feinde zu ereilen, Als ob sie noch wüthend schwängen wuchtig Schwert und Schild und Keulen. Theodorich mit den Gothen in dem Ring des Schlachtgetümmels, Treibt die Hunnen, die Gepiden von dem nahen Thor des Himmels, Und es fliehen rings die Sterne wie erschrocken vor dem Gräuel, Wo erbittert hin sich stürzen jene düstern Schlachtenknäuel. Immer weiter durch die Lüfte — schauervoll, beim wüsten Ringen Hörst du aus der Kämpfer Lippen keines Odems Stimme dringen; Nicht der Waffen dumpfes Dröhnen und der Heere Klaggesänge, Die um die gefall'nen Helden weinen nach des Kampfs Gedränge. Doch allmählich blasser werden in den Lüften dort die Krieger; Und auf Bergen von Besiegten fallen todesmatt die Sieger, Bis zu fernen bleichen Schemen Alle schwinden und versinken, Und am nächt'gen Himmel wieder ruhig fromme Sterne blinken. Die erste Blume Liebliches Veilchen, Wärst du gekommen Nicht mit dem ersten Lebenden Hauch der Starrenden Erde, Wünschenden Herzen Freundlich entgegen, Würde dein Scheinen, Würde dein Duften Spurlos verwehen Im Klingen und Glühen, Im Wogen und Blühen Des Sommers. Doch an des Weges Dornigen Hecken Lächelst du sinnig, Veilchen, im dunkeln Ärmlichen Kleide, Redend ein Wort uns Vom Auferstehen Gestorbener Freuden. Veilchen, komm, sage: Der Winter ist über; Und du bist lieber Wie Rosen. Auf düstern Pfaden Wandelt die Trauer — Du klagende Seele, Hörst du die Laute Nicht tief in dem Herzen, Unhörbar dem Frohen? Das ist die Sprache Der keimenden Blume Auf düstern Fluren: O hoffe im Klagen. Willst du ertragen Das Leben. Wenn an den Gräbern Fallen die heißen Thränen zur Erde, Herrschet das Schweigen; Da tröstet uns nimmer Der Schlafenden Lippe. Doch siehe die Veilchen, Sie spielen im Grase Und wollen erzählen Von himmlischer Gabe: Auch über'm Grabe Ein Frühling! Breche nicht sogleich den Stab Wenn dir gesagt ein hartes Wort, Das dich mit Kummer hat erfaßt, So denk' in deinem Herzen nach, Ob du es recht verstanden hast. Es ist so leicht ein Wort gesagt, Das uns die schönsten Stunden nahm, Und doch die Lippe, die es sprach, Sie wußte nicht, woher es kam. Es geht das Wort wie Wettersturm Gar manchmal aus des Menschen Mund, Und doch die Menschen wahrten noch Der Liebe Weh'n im Herzensgrund. Im Herzen ist der Frühling noch, Der Frühling redet nicht so laut, Du würdest Blumen finden doch, Wenn du des Menschen Herz geschaut. Du aber gehst so stumm dahin Mit einer Seele liebeleer, Als ob dein alter, froher Sinn Auf immerdar vergangen wär'. Und stehest in der Ferne dann, In der verschloss'nen Brust den Groll, Es irrt dein Freund umher, weiß nicht, Wo er dich wiederfinden soll. Wenn dir gesagt ein hartes Wort, Das dich mit Kummer hat erfaßt, So denke still und denke nach, Ob du es recht verstanden hast. Und wende von des Freundes Herz Nicht gleich die wunde Seele ab; O breche nicht sogleich im Schmerz Den bösen, den Vergeltungsstab. Gleichmuth Wenn des Glückes Sonnen lächeln, Trage nicht zu stolz dein Haupt; Denk', daß oft nach Zephyrslächeln Sturm des Schiffes Masten raubt. Siehst du nicht oft Wetter brüten, Wenn der Strahl am hellsten tagt? Nicht, daß an den schönsten Blüthen Oft Verderben heimlich nagt? Aber wandle grad' und feste, Ist dein Glück entschwunden dir, Vorwärts muthig durch's Geäste, Geht's durch finst'res Waldrevier. Hinter jedem schwarzen Walde Liegt, vielleicht noch unbekannt, Eine saatenreiche Halde Und der Freude schönes Land. Lied aus: Wolfgang von Kronenberg Ich war des heil'gen Sieges froh, Den Gott uns gab in Askalon, Ich sah die Ros' in Jericho, Den Cedernhain am Libanon, Ich sah Damascus Blumenreich, Im myrrhenduftigen Gefilde — Des Landes Frauen perlengleich, Mechtilde! Da aber hab ich dich gesehn Hier in dem wilden Bergeland, Und vor mir sah ich hell erstehn Den Himmel, den ich nie gekannt; Vor deinem Wesen muß verwehn Des gold'nen Orients Gebilde, Wo ist, wie du, die Blüthe schön, Mechtilde! Und doch, nun muß ich scheiden bald Von dir, du traute Bergerin, Am Nordmeer weht die Luft so kalt, Wo ich im Vaterschlosse bin; Und wehn auch dort die Lüfte kalt, In mir doch lacht es frühlingsmilde, Denk' ich zurück zum Bergeswald, Mechtilde! Das Kreuzlein hier aus Nazareth, Es schütz' dich, bis ich wiederkomm', Bewahre es wie mein Gebet: Und bleibe gut und bleibe fromm. O, weiß ich so geborgen dich Stets unter meines Heilands Schilde, Wie will ich ewig freuen mich, Mechtilde! Schau auf des Lebens lachende Haine O schau auf des Lebens lachende Haine Und nicht in der Seele verdunkelte See, Und pflücke die Blumen am grüßenden Raine Und lege sie lindernd über dein Weh! Wie manche Bilder aus düsterer Stunde, Wie manches gesunkene Sternenlicht — Sie liegen dir wohl im ferneren Grunde Der Seele, aber sie starben doch nicht! Laß alle die Leiden, die einst dich trafen, Und das Glück, das treulos dich hat geneckt, In des Herzens Tiefen nur immer schlafen, Als hätte ein Sterben es überdeckt! Schaust du in die schweigende Tiefe nieder, Wird erwachen der Danaidenchor: Es steigen die alten Qualen dir wieder Aus der Seele beweglichem Grund empor. Liebessorge Die Liebe muß mit vielen Sorgen, Mein trautes Kind, vereinet sein. Du bist mein erstes Bild am Morgen, Im Schlummer oft gedenk ich dein. Es wacht mein Geist, als ob ich müßte Dir immerdar zur Seite stehn, Als ob nur ich die Pfade wüßte, Darauf du möchtest glücklich gehn. Drum schließe ich, wenn ich erwache, Zuerst dich in mein Flehen ein, Daß Gott dir deine Wege mache Voll Glück und Freudensonnenschein. Und so ist es mir süße Labe, Wenn ich im Innersten bewegt, Für dich, mein Kind, gebetet habe, Noch eh' ich mich zur Ruh gelegt. Eh' noch die Sonne untergeht So lange lacht der Sonnenschein In deines Lebens irren Garten, Mußt du den edlen Samen streu'n, Willst du der süßen Früchte warten. Schnell kommt die dunkle Nacht hernieder Wo dir dein Blumenpfad verweht; Drum bet' und wirk' für deine Brüder, Eh' dir die Sonne untergeht! Sei mit den Fröhlichen erfreut, Und wein' mit der Betrübten Klagen! Ach Mancher hat ein tiefes Leid, Und mag es nur den Wänden sagen. Wenn du es weißt, so geh und eile Zur Seele, die um Tröstung fleht, Wenn du es kannst, o geh und heile, Noch eh' die Sonne untergeht! Wenn dich der Himmel lieben soll, So mußt du auch die Menschen lieben. Warum in deiner Brust den Groll, Wo du noch könntest Liebe üben? Wenn dir mit bittern Hassesthränen Noch ein Gekränkter ferne steht, O biet' die Hand ihm zum Versöhnen, Eh' noch die Sonne untergeht! Salem Erklungen ist in goldnen Saiten, Dir Israel, der Seher Lied: Der Herr will dir für Ewigkeiten Die Stadt bereiten, Da Ruh und süßer Friede blüht. Zu Bildern schaff' der Cedern Äste, Den Stein zum heil'gen Tempelzelt, Auf, schmücke deine Prachtpaläste! Jerusalem, nun fei're Feste, Und sei die Herrliche der Welt! Wo bist du? — Wehe, Schmach und Trauern Erfaßte dich, o Israel! Rings um dich her ist Todesschauern, In deinen Mauern Loht die Vernichtungsflamme hell; In blutgefärbten Goldtalaren Die Priester starben und der Held: O Zionstochter, aus den Haaren Sank deine Kron' und deine Schaaren Entflohen in die fremde Welt! Wer kann zerbrechen deine Kette, Gefang'ne, ohne Schmuck und Glanz Liegst du im tiefen Todtenbette, Gleich wie die Städte Des lenzbeglückten Griechenlands. Und wo die Tempel sind zerschlagen, Die Königsthrone sind zerschellt, Aus den versunknen Sarkophagen Hört man es immer klagen, sagen: Dahin! Es stirbt die Pracht der Welt. Sie grünt — dann welkt die Blüthenlaube, — Und Schutt begräbt ein Menschenreich; Doch über dem Vernichtungsstaube Kreis't froh die Taube Mit hoffnungsgrünem Palmenzweig. Das ist der Seele Gluthverlangen Nach einem ew'gen Friedenszelt: Wenn unser letzter Traum vergangen, Dann winkt uns, wie die Seher sangen, Ein Salem in der neuen Welt. Vergiß, mein Volk, die treuen Todten nicht! Leer' nur der Freude Becher bis zum Grunde, Den Deiner Helden Siegeslauf Dir bot, Und sonne Dich in feiervoller Stunde In Deines Ruhmes prächt'gem Morgenroth, Laß Fahnen rauschen, hohe Lieder schallen — Dir ward die Freude ja zur Dankespflicht — Doch in des Jubels trunknem Überwallen Vergiß, mein Volk, die treuen Todten nicht! Die Lebenden begrüßt Dein Dank, Dein Segen, — Der schönste winkt an ihrer Lieben Herz! Und tausend weiche Hände wollen pflegen Und tröstend lindern wunder Krieger Schmerz. Die Todten aber ruh'n in fremden Gauen — Den Kranz, der ihre bleiche Stirn umflicht, Kann nur des Himmels Thräne noch bethauen — Vergiß, mein Volk, die treuen Todten nicht! Sie warfen ihre Brust dem Feind entgegen, Ein Schutzwall dem betrohten Vaterland: Sie stürmten vorwärts, trotz Granatenregen, Bis heißer Tod den Weg zum Herzen fand! Sie fragten nicht: wer wird die Lieben stützen, Wann des Berathers Aug' im Tode bricht? Sie riefen: Vorwärts, Deutschland wird sie schützen — Vergiß, mein Volk, die treuen Todten nicht! Was sterbend — doch als Sieger! — sie erwarben, O schütz' es als ein unantastbar Gut, Den neuen Bund, für den sie jauchzend starben, Der Einheit Bund, getauft in Heldenblut! Reizt Wahnwitz Dich auf's Neu' zu innern Fehden, Ruf ihre Geister auf zum Volksgericht, Daß zu den Lebenden die Todten reden! — Vergiß, mein Volk, die treuen Todten nicht! Ihr heilig Opfer flamm' uns in's Gedächtniß, Wenn wir des neuen Reiches Tempel bau'n; Zum Tempelkitt empfah'n wir ihr Vermächtniß: Der Freiheit Geist und brüderlich Vertrau'n! Im Innern frei und eins nach Außen wende, Mein Vaterland, Dich stolz zum Tageslicht, Und segnest Du die Arbeit uns'rer Hände — Vergiß auch dann die treuen Todten nicht! Komm', heil'ge Nacht! Komm', heil'ge Nacht mit deiner Sternenleuchte, Mit deiner Kerzen freudigem Gefunkel! O komm', brich Aller Leiden trübes Dunkel, Das gütig oft dein göttlich Licht verscheuchte. Noch währt dein Zauber — ewig unveraltet — Trotz aller Zweifel kritischem Verneinen: Mit Jubel grüßt das Herz doch dein Erscheinen Und jeden Ort, wo deine Feier waltet; Zum Paradies gestaltet Dein Geist des Hauses Herd auf kurze Stunden: Wo Kinder jauchzen um den Weihnachtsbaum, Rührt selbst der Alten Herz ein Freudentraum, Wie reiner es noch keinen hat empfunden, Daß tief und dankend es erkennt: noch immer Ist uns'rer Welt ein Engelgruß dein Schimmer! Ein Nachglanz jenes Lichts, das um die Hirten Vor Bethlehem einst wetterleuchtend flammte, Prophetisch sprach von des Erlösers Amte: Das Heil des Lichts, der Liebe der verirrten Unsel'gen Menschheit gnadenvoll zu spenden — Ist deinem Leuchten, heil'ge Nacht! verblieben. In deinen Sternen steht es hell geschrieben: „Noch will den Heiland Gott euch Allen senden, Noch will die Noth er wenden, Die in der Zwietracht Fluch die Erdensöhne Wahnsinnverdüstert treibt zum Bruderkrieg. Drum zweifelt nicht, daß dennoch einst den Sieg Erobern wird des Friedens milde Schöne. Und geh'n in Selbstsucht Tausende verloren — Der Liebe Heiland wird euch doch geboren!“ Der Liebe Heiland wird uns doch geboren, Mag auch die Selbstsucht täglich Sclaven werben, Manch Hochgefühl in ihrem Gifthauch sterben, Mag sie den Edlen werfen zu den Thoren; Mag sie auch frech des Geistes Kampf verhöhnen Und einen kurzen Tag das Feld des Lebens Beherrschen und das Ziel des Menschenstrebens: Der Sieg bleibt doch des Geistes treuen Söhnen! Das klingt mit Engelstönen In jedem Herzen nach als Trost und Segen, Dem du die Weihe gabst, hochheil'ge Nacht! O komm' und übe deine Zaubermacht In Hütten und Palästen allerwegen, Daß Liebe wird zum Priesterthum erkoren Und jede Seele jauchzt: Christ ist geboren! Weihnachten im Irrenhause Weihnachtsabend! Der Glocken Ton Wogt durch die Lüfte feierlich schon; Freudig bewegte Menschen ziehn Durch die beschneiten Straßen hin. Da und dort in ihr mystisch Dunkel Bricht eines Christbaums hell' Gefunkel Tönt ein aufjauchzender Freudenschrei Seliger Kinder — aber vorbei Unaufhaltsam zieht Heute mein seltsam Weihnachtslied. Sieh! — da hält es am ödesten Haus Wo ihres heiligen Seelenthaus Balsam die Freude selten schenkt, Meist sie den Flug vorüber lenkt; Aber heut' ist sie doch geladen, Dürstende Herzen zu begnaden. Tritt nur ein mit mir in den Saal, Festlich erhellt von der Kerzen Strahl, Und sieh! wie sie heut' Wonnen mit vollen Händen streut. Mächtig erbraust der Orgel Klang, Jubelt wie Siegsruf der Weihnachtsgesang: „Christ ist geboren! — o selige zeit! Freue dich, freue dich, Christenheit!“ Und doch grüßen die Weihnachtskerzen In den Sängern — verlorene Herzen, Irre Geister nur — und es schallt Herzerschütternd des Lieds Gewalt: „O selige Zeit! Freue dich, freue dich, Christenheit!“ Sieh, wie der Andacht Sonnenlicht Leuchtet auf jedem Angesicht, Als nun der freundliche Priestergreis Spricht von der Weihnacht Segen und Preis: Betend falten sie ihre Hände! — Hat auch ihnen die Sonnenwende Ihres Geistes aus starrer Nacht Finsteren Wahns das Lied gebracht, Das siegend durchbrach Geistererlösend der Menschheit Schmach? Als nun das Priesterwort verhallt, Silbernen Tons ein Glöckchen schallt, Und ein liebliches Christkind tritt Unter die Irren mit leisem Schritt. Wie ein segnender Engel der Freude Strahlt es in golddurchwobenem Kleide, Und es ruft sie beim Namen all', Leitet sie unter des Glöckchens Schall Von Tisch zu Tisch, Spendend der Gaben buntes Gemisch. Dort dem Mann mit dem wirren Haar — Düster funkelt sein Augenpaar — Reicht eine Geige das Kind und spricht: „Wackrer Maestro! nun zögere nicht! Deine Freundin schenk' ich dir wieder, Gib uns dafür bald neue Lieder!“ Zitternd der Meister weint und lacht, Reißt die Geige an sich mit Macht Und eilt davon, Heimlich zu prüfen ihren Ton. Horch! ein erschütternder Jubelschrei! Bebend stürzt dort ein Weib herbei, Fliegenden Haares mit wilder Hast Hat sie des Christkind's Geschenk erfaßt: Eine Puppe! — mit lachenden Augen Hält sie, als wollt es sein Leben saugen, Küsse verschwendend die Lippen fest Auf die Lippen der Puppe gepreßt! „Mein Kind! o mein Kind! Wie mir die Heiligen gnädig sind!“ Dort der Jüngling mit Scepter und Kron' Träumt sich zum mächtigen Königssohn. Dort der Greis mit schwärmendem Blick Kündet prophetisch der Welt Geschick, Hält in der Rechten eine Wage: „So wird der Herr am jüngsten Tage Wägen die Sünden der argen Welt, Aber uns ist ein Retter bestellt Aus David's Stamm, Preiset, o preiset das Gotteslamm!“ Sieh! dort die Jungfrau — der Kerzen Licht Zeigt dir das lieblichste Angesicht! Fesselt dich nicht ihrer Schönheit Glanz, Nicht ihr wehmüthiges Träumen ganz? Träumt sie vom Kranz in ihren Locken? Hört sie den Schall von Hochzeitsglocken? Sinnend betrachtet sie einen Ring: „Ach, daß so weit er wandern ging! Doch über's Jahr Führst du dein Bräutchen zum Altar!“ Und an die Lippen den Ring geschwind Führt glückselig das arme Kind. Singt dann mit leisem, gebrochenem Laut Weiter das Lied der verlassenen Braut. Träume Ophelia-Margarethe, Träume sind ja die heilige Lethe, Die deines Lebens Nachtstück begräbt, Daß sich erlöst deine Seele hebt Aus dem Abgrund voll Schmerz! Träume nur, träume, verlorenes Herz! Wo Du auch wandelst, rings um Dich her Ob Dir Faust oder Ahasver, Hamlet erscheint oder König Lear — Freudige Herzen begegnen Dir, Welche des Christkinds Gabe beglückt, Flüchtig in Träume des Lichts entrückt, Daß auch durch Dein Herz mit Siegesmacht Jubelt der Hymnus der Heiligen Nacht: „O selige Zeit! Freue dich, freue dich, Christenheit!“ Schwarzwälder Heimathlied O Schwarzwald, o Heimath, wie bist du so schön! Wie locken das Herz deine schwarzdunkeln Höh'n Zum fröhlichen Wandern in Hochsommerzeit, Zum Rasten in heimlicher Einsamkeit, Im traulichen Mühlgrund bei Quellengetön — O Schwarzwald, o Heimath, wie bist du so schön! O Schwarzwald, o Heimath, wohl hat mir die Welt Mit köstlichen Wundern die Seele geschwellt: Die lachende Ferne erschloß ihre Pracht — Doch hab ich in Liebe stets deiner gedacht, Im Traum sah ich winken die schwarzdunkeln Höh'n — O Schwarzwald, o Heimath, wie bist du so schön! O Schwarzwald, o Heimath, dein Rauschen erklang In's Träumen des Kindes wie Wiegengesang, Und später, da gabst du dein weites Revier, Zum Tummelplatz fröhlichster Spiele mir; Die lauschigen Thäler, die thauenden Höh'n — O Schwarzwald, o Heimath, wie bist du so schön! O Schwarzwald, o Heimath, noch heut füllt die Brust Ein Nachklang der schwärmenden, brausenden Lust, Mit der du die Stirn mir beim Maitrank bekränzt, Wo Schönheit und Liebe den Becher credenzt, Bei Tanz und bei Liedern und Waldhorngetön — O Schwarzwald, o Heimath, wie war das so schön! O Schwarzwald, dein Zauber bleibt ewig und neu, Drum lieb ich dich innig, dich lieb ich getreu, Und kommt einst mein Stündlein, bei dir nur allein — Von dir überwölbt will begraben ich sein, Wo Waldvögel jubeln von frührothen Höh'n, — O Schwarzwald, o Heimath, wie bist du so schön! Winterabendroth Wie ruhst du auf der Winterflur So bang verglühend, Wie dich um einen einz'gen Liebesblick Vergeblich mühend! Du lösest nicht den starren Bann, Dem du verfallen, Dein Strahl weckt nur den seelenlosen Glanz In Eiscrystallen. Wie auch in deinem letzten Licht Ihr Schneekleid flimmert, Der Leiche gleicht sie nur, auf die der Strahl Der Kerze schimmert. Ist sie erstarrt wie Niobe In Mutterschmerzen, Als ihr der Herr die Blumenkinder riß Vom treuen Herzen? Dann laß sie ruh'n: ihr Winterbann Ward ihr zum Segen! Wer will nicht, wenn sein Liebstes er verlor, Sich schlafen legen? Dämmerung Dunkel wird es im Waldesthal, Nun auch des Tages letzter Strahl Über des Bergjoch's Tannen verglüht Und im Strome sein Bild verblüht. Heimliche Stille allerwärts — Nur der Strom und mein banges Herz Pochen und rauschen immerzu, Kennen die Rast nicht, nimmer die Ruh! Auf dem Waldsteg hab ich gelauscht, Wie die Wasser dahin gerauscht. War's nicht wie flehender Klagelaut, Rufe von Schmerzen, die mir vertraut? Stürmende Wellen, wohin, woher? Wiege das Moos und Grab das Meer? Und dazwischen der ruhlose Streit, Dunkel das Ziel und der Weg so weit! Nieder vom Himmel als funkelnder Thau, Aufwärts als stürmisches Wolkengrau, Wieder zur Erde, wieder die Bahn Wie vordem auch zum Ocean. Bild des Lebens, was sollst du nur Deuten und sagen der Kreatur, Die durch das ewige Einerlei Kämpft und ringt mit der Sehnsucht Schrei? Aber wie lang ich lauschen mag, Bis sich in Nacht verloren der Tag — Rastlos brausen die Wasser fort, Bringen mir nicht das erlösende Wort! Bringen sie's nicht — es ist doch kein Wahn: Einstens nimmt uns ein Ozean Ewigen Friedens nach dem Lauf Ruhlos wogenden Daseins auf. Mit einem Ringe Ich hab' in Dein schimmerndes Auge geschaut Es hat mir das sinnige Räthsel vertraut, Das tiefverborgen die Seele bewahrt, Das nimmer die Lippe geoffenbart: Das liebliche Wunder der Liebe! Und ob es Dein kaltes Wort verhehlt: Tief innen ist doch mir Dein Herz vermählt: Vom Geiste der Liebe mir angetraut, Nennt selig das trunkene Herz Dich, „Braut“, Nennt Braut Dich, Du liebliche Liebe! Der holde Zauber der Kindlichkeit, Der ewige Jugend der Seele verleiht, Der selige Frieden der Reinheit spricht Aus Deinem verklärten Angesicht Und verheißt mir Wunder der Liebe! Nun blick' auch in mein Aug, Du lieblich Kind Und lies, wie die Seele treugesinnt Ihr Glück in dem Deinen zu bauen strebt, — Wie Dein Bild in den dämmernden Tiefen lebt Als ein segnender Engel der Liebe! Dann nimm den Ring, geliebte Braut, Vom Geiste der Liebe mir angetraut: Und auf, „Du und Du!“ in Ewigkeit: Ein Herz, Ein Leben in Lust und Leid, Im Wandel heiliger Liebe! Dann komme, was da kommen mag — Nicht sonnenlos ist der trübste Tag: Hoch über den Wogen des Leides lacht Uns göttlichen Trost in düsterer Nacht Das lichte Gestirn der Liebe. Nun laß uns wandeln des Lebens Bahn, Bis einst die Schatten des Abends nah'n; Und so lang wir wandeln im rosigen Licht Du liebliche Liebe, versiegen uns nicht Die göttlichen Wonnen der Liebe! Maiwein Schon glänzt im Pokale der feurige Wein! Nun rasch mit der Blüthe Waldmeisters hinein: Die würzigen Düfte zu feuriger Kraft! So wird uns das köstlichste Tränklein geschafft! Nun füllet die Gläser, doch voll bis zum Rand, Und jauchzt durch die Mondnacht hinaus in das Land: Es lebe der Geist, der so Wonniges schafft: Den Duft süßer Anmuth, das Feuer der Kraft! Was lieblich und prächtig die Erde geschmückt, Der Frühling, die Jugend, was reizt und entzückt: Dem Bund ist's entquollen der Anmuth und Kraft — Drum lebe der Geist, der so Herrliches schafft! Nachschaffend sein Wunder laßt uns mit dem Trank Des Maien ihm opfern herzinnigen Dank: Glas aus! und Glas ein! es lebe die Kraft, Die segnend den Wein und Waldmeister uns schafft! O Vöglein im duftigen Blüthengezelt O Vöglein im duftigen Blüthengezelt — Wie ist dir in diesen Tagen? Du trillerst und jubelst, als müßtest der Welt Von seltenen Wundern du sagen. In Rosenflammen dein Apfelbaum, Dein Nest in Blüthen begraben, Wie soll da dein kleines Herz noch Raum Für all diese Wonnen haben? Drum schmettert so machtvoll in jubelndem Klang Dein Lied aus den schauernden Zweigen, Als müßtest ausströmen der Freude Drang Du auf einmal und selig dann schweigen! Katerlied Gestern Abend von der Höhle, Wo ich meiner rost'gen Seele Zog den alten Adam aus, Kam ich ganz verjüngt nach Haus — Ach nur etwas wack'lig! Vor der Hausthür stand ich lange: Weiß der Teufel, welche Schlange Mir versetzt das Schlüsselloch: Und ich rief: „ich krieg dich doch“ — Aber ich fand's nimmer! Endlich hört' mich meine Gattin, Und ich hörte: „Ach es hat ihn!“ — Schmollend schloß die Thür sie auf. Zärtlich sang ich dann darauf: Du liegst mir im Herzen. Als ich drauf nach kühnem Wagen Kam in's Zimmer, mußte schlagen Grad die Uhr und — sie schlug drei. War das nicht 'ne Eselei, Dies noch laut zu künden! Endlich fand in Morpheus' Armen Ich ein göttliches Erbarmen — Wußte nicht, wie lang ich schlief: Als ich aufstand, sah ich schief Himmel, Mensch und Erde. Blitzschnell fuhr ich nach dem Kopfe: Wer hat mich an meinem Schopfe? Reißend, sägend poltert's d'rin, Seufzend, heulend her und hin, Wie ein Hexensabbath! Grün der Himmel, blau die Erde, Und mit banger Schmerzgeberde Rief ich nach St. Ullerich. Und er kam, erbarmte sich: Wer beschreibt die Nöthen! Ausgebrannt wie die Saharra, Tränk' ich einen Niagarra, Hätt' ich nicht die Wasserscheu, Und so muß ich denn auf's Neu Opfern dem Gambrinus. Dicke Nymphe — laut Erfahrung Hilft ein wohlgesalzner Harung; Darum rasch! den Harung her Und dann Bier! mich dürstet sehr — Bier! sonst geh' ich flöten! Durst, des Trinkens edler Vater, Warum heißt dein Enkel Kater? Noch einmal so viel Pläsir Hätten wir an Wein und Bier — Ohne dies Gewächse! Wildschützenlaune Über'm Walde glühender Abendschein! In die Lichtung fluthet er voll herein, Um das Jagdhaus, vor dem die Linde rauscht Und heimlich durchs off'ne Fenster lauscht, Wo der Förster mit seinem Kinde sitzt, Glorienhaft sein Leuchten blitzt. Zitternd stiehlt sich ein schwaches Licht Auch auf des Mannes Angesicht, Der dort am Waldsaum lauernd steht, Finstern Blickes um sich späht, Sorgsam prüfend von Zeit zu Zeit Den alten Stutzen, sein treu Geleit. „Dem Teufel mag ich verfallen sein, Vergäß ich je der Schmach und Pein, Die du, Herr Förster, auf mich gebracht, Als höhnend die Waise du verlacht, Die an der Leiche des Vaters geklagt, Dem du die Kugel durchs Herz gejagt. Heut sind es gerade fünfzehn Jahr! Ich seh' noch den Alten mit blutigem Haar; Mit zerschmetterter Brust und mit zuckendem Mund Lag er im stillen Föhrengrund. Und konnt' er nicht sprechen, sein Leiden schrie: Junge, vergiß der Stunde nie! Am Steinkreuz in der Felsenschlucht Begrub ich den Vater, da hab' ich verflucht Mein jungfrisches Leben, bis daß ich gerächt, Was der Herr gesündigt am armen Knecht, Der nur für die hungernde Kinderschaar An fürstlichem Überfluß Frevler war. Wer wagt's, uns zu richten? — Kennt ihr die Noth, Die tödtlich das Leben der Liebsten bedroht? Der Hunger, der wie ein finsterer Geist Auch jegliche Freude von uns weist, Den müden Fuß nur nach Nahrung hetzt Und das karge Mahl nur mit Thränen netzt? Und draußen — da ladet der freie Wald Den Armen in seine Schatten bald Und zeigt ihm in seinem luft'gen Gefild Das fröhlich sich tummelnde Edelwild: Und wir sollten hungern mit Weib und Kind, Weil wir in Armuth geboren sind!? Ihr kennt das Gesetz des Mächtigern nur, Seid nicht barmherzig wie die Natur. Gönnt nicht mal den Abhub vom Überfluß! So leb denn die Rache und — Schuß um Schuß! — Ja tändle nur Graubart mit deinem Kind: Ich weiß, wo die Wunden gefährlich sind! Ich hab es erfahren!“ — Und fiebernd empor Reißt er den Stutzen — da trägt an sein Ohr Ein Wort des Kindes die Abendluft, Wie zärtlich es „lieb Vater!“ ruft: Und reglos ruht seine Hand am Hahn — Lang starrt er Kind und Vater an: Wie der immer finstere Jägersmann Heute so huldreich lächeln kann! Auf des Kindes lieblichem Angesicht, In der blauen Augen sonnigem Licht Ruhet sein Blick so verklärt und mild, Als stimm' ihn zur Andacht das liebliche Bild. Sein Herz ist heiliger Liebe voll: Des Hasses Dämonen und jeglicher Groll Zogen dahin wie Schatten der Nacht, Wann das Frühroth über den Firnen lacht; Seines Kindes trauliches Schmeichelwort, Scherzen und Kosen trieb sie fort. Freudig in süßer Vaterlust Zieht er das Kind an die wogende Brust, Küßt es in innigem Liebesdrang. Möchte für seinen Lebensgang Im stummen Gebet seines leuchtenden Blicks Glühend erfleh'n alle Huld des Geschicks. Plötzlich ein Schuß! und sieh! in die Wand, Nah an dem Förster vorübergesandt, Schlägt eine Kugel pfeifend ein Bleich wie im Sturme des Mondes Schein Springt er empor und birgt geschwind Zitternd am Herzen das theure Kind. „Vergebung, wenn ich dich aufgeschreckt, Zu rauh dich aus deinem Spiel geweckt, Doch wir kennen uns ja — heut jährt sich's, Mann! Daß du mir den Vater erschossen im Tann! Als Knabe schon schwur ich dir gleichen Tod, Und niemals hab ich vergeblich gedroht! Wie zu treffen ich weiß, bewies ich im Scherz — Doch hat dein Kind mir bezwungen das Herz. Leb wohl! ich vergebe die sündige That, Frei wandelst du künftig deinen Pfad, Hoch halte dein Kind — dein Kind allein Beschützte dein Leben und hieß mich verzeih'n!“ — Und eh sich der Förster dem finstern Traum Entrissen, war hinter Strauch und Baum Der Wildschütz entschwunden, auf seiner Spur Nachklang das Rauschen des Waldes nur Wie Worte des Segens für den, der im Drang Brennenden Hasses sein Herz bezwang. Lied Das Verhängniß hat gesprochen Mit dem strengen Richtermund; Ewig schien er, nun gebrochen Liegt in Trümmern unser Bund. Lebe wohl, lebe wohl! Standhaft will ich, soll ich tragen, Jeder Hoffnung mich entschlagen, Lebe wohl! Wunde brennt und Schmerzen nagen, Schreite vorwärts, schau nicht um. „Vor dir liegen weite Bahnen, Ehre, Ruhm und große That, Und es ruft zu seinen Fahnen Dich der Edlen hoher Rath.“ Lebe wohl! Lebe wohl! Süßer Traum von Himmelsleben, Kaum geträumt schon aufgegeben, Lebe wohl! Deine Zauberbilder schweben, Falsche Schatten, stets mir vor. Augenpaar, das nun verdüstert Seele, strahlte tief und klar, Lippen, die mir zugeflüstert Ein Geheimniß wunderbar, Lebet wohl! Lebet wohl! Flüchtig rauschten hin die Stunden, Sehnens Ruhstatt war gefunden, Lebe wohl! Und die Außenwelt verschwunden, In der Liebe Heiligthum. Hat gebrochen das Verhängniß Eh'rnen Armes unsern Bund, Sänken wir in Noth und Drängniß, Niedern Seelen gleich, zu Grund? Lebe wohl! Lebe wohl! Laß im Wind die Spreu zerstieben, Frucht und Kern ist uns geblieben, Lebe wohl! Unser Leben, unser Lieben Sei in dunkler Nacht ein Stern. Gereimte Etymologie Das Schöne kommt vom Scheinen her, Wenn einer dieses lehrte, Er witterte, wir fürchten sehr, Sein Wild auf falscher Fährte; Das Schöne scheint zwar, glauben wir, Nicht minder uns erlauben wir Ein wichtiges Bedenken. Dem Gothen klingt das Schöne skaun, Das führt auf andre Bahnen: Was gut und lieblich anzuschaun, Das nannten schön die Ahnen. Drum bietet sich was Schönes dar, So senden unser Augenpaar Dahin wir auf die Weide. Das Leben wär' ein eitler Dunst, Verlassen von dem Schönen, So laßt ihm in Natur und Kunst Ein Lebehoch ertönen. Das Schöne schaue jeder Mann. Und es genießend denk' er an Den Bildner alles Schönen. Die Pilgerin Du wanderst in der öden Nacht Elendiglich; Die Sterne siehst du blinken Und wieder untersinken, Gehorsam unbekannter Macht. Ob eine Seele wacht Und denkt an dich? Die Sonnenscheibe bricht hervor In Glanz und Licht; Und Kinderstimmen süße Aufjubeln ihre Grüße. Doch pochest du am Gitterthor, So schweigt bestürzt der Chor Und öffnet nicht. Sein Tagewerk thut Jedermann Und sputet sich; Vergnügen und Beschwerde, Das ist der Gang der Erde. Es helfe wer sich helfen kann! Wen, Fremdling, gehst du an? Wer denkt an Dich? So schweifest du bei Tag und Nacht Elendiglich. Von aller Welt gemieden, Erwirb dir innern Frieden. Bald ist die Wanderschaft vollbracht; Denn eine Seele wacht Und denkt an dich. Nur Geld Nur Geld! schreit jetzt die halbe Welt Im Purpur und im Kittel; Oft kauft der seichte Thor um Geld Sich seine Doktortitel. Die Weisheit strauchelt oft und fällt, Ist ihr kein Schatz geworden, Doch Dummheit, pochend auf ihr Geld, Passirt frei aller Orten. Nur Geld und immer Geld! so schallt Es jetzt im Weltgedränge, Und wer auf Freiersfüßen wallt, Fragt: hat sie Geld in Menge? Und bringt die Schönheit nicht in's Haus Auch Geld, so Alles ründet, Fluchs huscht die Eintracht dann hinaus, Und alle Liebe schwindet. Und schreit die Welt sich heiser gleich Nach Geld, ich laß sie schreien Und frag' nicht einzig: bist du reich? Kommt mir die Lust zu freien. Bist reizend du, voll Lieblichkeit, Und schmückt dich edle Sitte, Dann, Mädchen, komm', dir steht bereit Ein Platz in meiner Hütte! Nur eine Rose Wenn ich einst, wie sie, entschlummern werde, Die kein Gruß der Morgensonn' mehr weckt; Wenn das schmale Hügelchen mit Erde Meine dunkle Friedenskammer deckt, — Soll kein Denkstein über mir sich heben, Der so oft von Stolz und Lüge zeugt; Schlicht und schmucklos, wie mein Erdenleben, Sei das Grab, worin die Hülle bleicht. Eine Rose mag im Winde wehen, Die, von schöner, treuer Hand gepflegt, Nach des Himmels heitern, blauen Höhen, Lieblich duftend ihre Stirn bewegt. Am Golf von Neapel „La Terra, il Mare, le Sfere Parlan del tuo potere.“ Die Schatten floh'n, die Nacht hat sich verloren, Vor meinen Blicken wird's so sonnenhell: Das Paradies mit seinen gold'nen Thoren, Es that sich auf; ich lieg' an seiner Schwell' Und trink', umtanzt von leichtgeschürzten Horen, Begeistert aus des Lebens reinem Quell; Ich will d'raus trinken mit gewalt'gen Zügen, Und sollt' ich auch dem Götterrausch erliegen! Der Blüthen Düfte, wie so süß, so milde Mir hergehaucht vom nahen Myrthenhain! Des Himmels ewiglächelndes Gebilde, Des Meeres Spiegel, wie Crystall so rein, Der Hesperiden Frucht, die Prachtgefilde, Die um den Golf der Königstadt sich reih'n: Sie alle, alle eilen mit Vergnügen, In süßer Lust den Fremdling einzuwiegen. Und welch' ein Leben unter diesem Himmel, So hingeschwelgt auf flachem Marmordach; Beim wechselnden, buntwogenden Gewimmel Vergißt man alles früh're Ungemach. Den Schmerz betäubt Toledo's Volksgetümmel, Ihn rufet die Erinn'rung nicht mehr wach, Dem Auge in dem Rosenglanz der Freuden Verschwindet jede Spur vergang'ner Leiden. Hier gähnt mich nicht aus schauerlichen Grüften Die Schmähsucht an; es rauscht der hag're Neid Nicht hinter mir; umwallt von Rosendüften, Geheiligt der Natur, in froher Heiterkeit Kann das Gemüth nicht Haß und Furcht vergiften; Der heit're Geist, von allem Zwang befreit, Kann hier so leicht den strengen Ernst besiegen, In's schöne Reich der Ideale fliegen. Wie jauchzt das Herz, verloren in Entzücken: Wenn aus dem Schooß der Morgendämm'rung sacht Dort hinter Somma's waldbekränztem Rücken Der junge Tag mit Lerchensang erwacht; Wenn unverhüllt den überraschten Blicken Campanien in seiner vollen Pracht Sich zeigt, auf das mit übergüt'gen Händen Die Götter ihren ew'gen Zauber senden; Wenn das Gestad' mit Goldflor überzogen, Der Pausilipp in Sabbathruh getaucht, Und widerleuchtet in des Meeres Wogen Die Flammensäule, die dort aufwärts raucht; Wenn magisch schön am fernen Himmelsbogen Ein leiser West in weiße Segel haucht, Die, kaum erblickt, die Wellen schon verschlingen, Um prächt'ger sie den Wolken nah' zu bringen; Wenn ob der Meerbucht glanzbestrahlten Weiten Der trunk'ne Blick bald nach Sorrento fliegt, Bald, träumend von entschwund'nen Heldenzeiten, Verweilend gern auf Bajä's Hügeln liegt, Die hochgefeiert sich im Halbkreis breiten, Von Mythen und von Wundern eingewiegt; Auf jenen Inseln, die so hold, verschwiegen, Vor grauer Zeit dem Wellenblau entstiegen; Wenn unter Scherz, bekränzt mit Blumenketten, Ein muntres Volk zur Tarantella singt, Indeß zum Tact das Spiel der Castagnetten, Der wilde Laut der Tamburina klingt; Wenn auf der Flur, in duftenden Bosketten, Aus deren Grün das Gold der Früchte blinkt, Voll Sinnenlust und dunkler Augen Sprühen Die schönsten Frau'n der weiten Schöpfung glühen. O Götterlust! o himmlisches Vergnügen! Zu wandeln bald längs der Marina Strand, Bald auf dem Golf im Kahn sich schaukelnd wiegen, Bald den Homer, den Maro in der Hand, Die classischen Gefilde zu durchfliegen Und, hoch begeistert vom Falernerbrand, In Veilchenthälern, unter Palmenbäumen Zum Halbgott dieser Erde sich zu träumen. Was Schönes nur sich Geist und Sinn mag wählen, Hier liegt's zu meinen Füßen ausgespannt: Luft, Land und Meer — welch' reizendes Vermählen, Wenn sie getaucht in glüh'nder Farben Brand! Komm', laß dem Norden seine kalten Seelen Und eil' zu mir in dieses Wunderland, Genieß' des Lebens höchsten Reiz, erwerbe Den Himmel dir und dann, Beglückte, sterbe! Das Blümchen Wohl kenn' ich ein Blümchen so lieblich und hold; Mehr ziert es, wie Edelgestein noch und Gold; Rings waltet der Segen, wo duftend es sprießt; Beglückt, wer süß und dauernd mein Blümchen erkiest! Gern blüht es verborgen und will sich nicht bläh'n Und meidet die Heerstraß' und schwindlichte Höh'n; Am liebsten verweilt es im schattigen Thal, Geschützt vor der Sonne versengendem Strahl; Es kleidet mein Blümchen die Jugend so gut, Färbt höher die Wange mit züchtiger Glut, Und mehr noch strahlt Schönheit hervor und entzückt, Wo man an dem Busen das Blümchen erblickt. Wohl kenn' ich ein Blümchen, so lieblich und hold; Mehr ziert es, wie Edelgestein noch und Gold; Doch leider! oft blüht es verhöhnt und verkannt; Bescheidenheit hab' ich mein Blümchen genannt. Am ersten Januar 1866 Herr, bleib' bei uns! Des Jahres letzte Stunde Hat ausgeschlagen und hat ausgetönt; Manch treues Herz, es schläft in stillem Grunde, Das leidensvoll in dieser Welt gestöhnt; Ein Jahr der Noth, des blut'gen Krieges schwand; Herr, bleib' bei uns und rett' das arme Land! Herr, Dir sei Preis! Wie hast Du uns geleitet Nach Deinem Rathe im verfloss'nen Jahr, Und deine Rechte schirmend ausgebreitet In Stunden naher, dräuender Gefahr! Für alle Wege, die Du uns geführt, Nimm uns'ren Dank, der Deiner Macht gebührt! Herr, bleib' bei uns! Ein neuer Lebensmorgen Steigt aus dem Strom der Zeiten uns herauf; Ein neues Jahr mit Leid und alten Sorgen, Es wandelt heute seinen ersten Lauf; Herr, bleib' bei uns! Geführt an deiner Hand, Stehn wir in dieses Lebens Unbestand. Herr, bleib' bei uns mit Deinem Lebensworte, Daß Jugendschöne uns kein Wechsel raubt, Das feste Burg bleibt und des Trostes Pforte Dem Herzen öffnet, das Dir traut und glaubt! Herr, bleib' bei uns! Laß Hörer nicht allein, Laß uns auch Thäter Deines Wortes sein! Herr, bleib' bei uns! Laß Deine Kreuzgemeine, Die Du erkauft mit Deinem theuren Blut, Laß fest sie steh'n in innigem Vereine, Im Glauben reich, wahr in der Liebe Glut! Herr, bleib' bei uns! Des Sakramentes Kraft Laß Buße wirken, die da Leben schafft! Herr, bleib' bei uns und gib uns Deinen Frieden, Den Du am Oelberg einst für uns erfleht; Den Frieden, der im guten Kampf hienieden Von Deinem Kreuze segnend niederweht; Herr, bleib' bei uns und mach die Seele still, Wenn hier der Muth des Streiters sinken will! Herr, bleib' bei uns, Du Heiland uns'rer Väter, Du hochgelobter, theurer Gottessohn, Dein Blut zur Sühne floß für Übelthäter, Nun lebst Du waltend auf dem Richterthron, So reich an Gnad' und unerschöpfter Huld! Herr, bleib' bei uns! Vergib uns uns're Schuld! Ein Jahr des Heiles willst Du uns noch schenken; Verschon' mich, Herr, im Leuchten deines Zorns! Das matte Herz willst Du noch lebend tränken Mit Segensfluten deines Gnadenborns; Herr, bleib' bei uns! Den schnöden Selbstbetrug Zertrümm're Du! Mach für den Himmel klug! Herr, bleib' bei uns! In heiterfrohen Tagen Bewahre uns vor allem Hochmuthsschein! Herr, bleib' bei uns! In Noth und trüben Tagen Laß dauernder das Licht des Glaubens sein! Herr, bleib' bei uns! und wenn der Abend kommt, Schenk' du der Seele, was ihr ewig frommt! Paris 1871 Wie prasseln Raketen zur Weltstadt hinein! Wie donnern Kanonen den Brummbaß darein! Du fühlst dich verwundert, beleidigt, Paris, Daß Preußens Beherrscher umzingeln dich hieß; Du nennst dich die Stätte der Bildung, Paris, Nur draußen Barbaren und innen Genies; Ich frage dich einfach, ich frage dich nur: Wo bleibt deiner Bildung tiefgreifende Spur? Blüht dort deine Bildung, wo einst in der Glut Des Sommers geflossen unschuldiges Blut? Wo Karl einst, dein König, aus glänzendem Schloß Hernieder auf Ketzer, auf Wehrlose schoß? Blüht dort deine Bildung, wo Schmeichlern zu lieb Dein vierzehnter Ludwig die Order einst schrieb: „Verheert mir den Rheinstrom mit Mord und mit Brand Und macht mir zur Wüste das blühende Land?“ Blüht dort deine Bildung, wo Glaubenswuth tobt, Wo man zur Bekehrung Dragoner erprobt, Wo Argwohn die Schritte und Tritte bewacht, Und gähnt der Bastille grabähnliche Nacht? Blüht dort deine Bildung, wo einst in den Staub Die Krone gesunken wie fallendes Laub? Wo fern mit dem Ölblatt die Taube entflog? Bluttriefend der Schrecken die Straßen durchzog? Blüht dort deine Bildung, wo Wahrheit nicht gilt, Und hinter der Ehre verlockendem Schild Die Lüge hochfährt und die prahlende Kunst? Paris, deine Bildung ist Nebel und Dunst! Blüht dort deine Bildung, du herrlich Paris, Wo man ohn' Erbarmen die Deutschen verstieß? O rühm' dich der Bildung! Ich gönn' sie dir gern; Wo Bildung, die ächte, bleibt Liebe nicht fern; Du Weltstadt voll Sünden! Erkenne dein Loos Vom Raub einst geknechteter Länder so groß! Laß fahren den Hochmuth! Verlerne den Spott, Und kehre zur Wahrheit und kehre zu Gott! Stets näher und näher heran kommt der Tag; Wo birgst du die Schande? Und wo deine Schmach? Wirf fort deine Bildung! Sie hilft dir ja nichts; Thu' Buße im Feuer des ersten Gerichts! Der Todtengräber Es tritt mein Fuß der Heimgekehrten Hügel; Ich grabe hier, Und Wehmuth schwebt auf lindem Geisterflügel Herab zu mir; So mancher rastet; den ich hergeleitet Zum stillen Reich; Ob niedrig, ob einst Glanz sein Haupt umbreitet; Hier liegt er bleich. Wie schlummerte der Säugling kurzen Schlummer Auf dieser Welt! Ihm hab' ich, früh entronnen allem Kummer, Sein Grab bestellt; Wie schwelgte einst der Prasser bei der Habe Fortunens hier! Er ließ sein Gut und seine ganze Habe Und kam zu mir. Ich kannte einst des Mannes Kraft und Stärke Im Mittagsschein; Ihn rief ein Gott von seinem Tagewerke; Ich senkt' ihn ein; Ich sah den Heimathlosen, sah den Müden Durchs Leben geh'n; Man trug ihn her; ich sprach: „Hier soll dich Frieden Und Ruh' umwehn!“ Wen deckt das Grab, von dem ich Rosen pflücke? Der Mädchen Zier. Wie flogen einst des Jünglings Flammenblicke Berauscht nach ihr! Man sah' ihr Kränze der Verehrung streuen; Sie sank dahin; Sie schlingt nicht mehr den deutschen Ringelreihen Bei Lenzesgrün. So bleicht der Glanz! So welkt der Jugend Schöne! So flieht das Glück! Und keine Klage, keine Sehnsuchtsthräne Lockt es zurück; Ob niedrig, ob einst Ruhm sein Haupt umbreitet: Hier liegt er bleich; Vielleicht, daß bald auch mir die Glocke läutet Zum stillen Reich. Dann fällt der langgeführte Spaten nieder Aus müder Hand; Dann hüllt, gesellt zum Staub entfloh'ner Brüder, Mich wenig Sand; All' meine Lieben sind vorangegangen Seit Jahren schon; Einst halt' ich droben freudig sie umfangen Vor Gottes Thron. Beruhigung Sie senden Lauscher aus und flüstern: „Was kann denn also sie entzünden, Daß sie fortan auf allen Wegen Sich immer suchen nur und finden?“ O sei nicht furchtsam mehr und spröde! Wir reden traulich fort und fort; Im Kuß ergänzen wir die Rede, Fehlt dem Gefühle ja das Wort! O laß sie späh'n in unsern Thaten, Was wol in uns so magisch spricht; Wie könnten sie es nur errathen? Wir wissen es ja selbst noch nicht! Liebessehnsucht Sind Schlangen die Locken an deinem Haupt, O laß sie umringeln mein Haupt und mein Herz, Nie hätt' ich dann süßer zu sterben geglaubt! Und ist dein Aug' eine dunkle Nacht, Da wär' ich wol gern zum ewigen Schlaf, Zum ewigen Traum zur Ruh' gebracht. Und ist dein Aug' ein spiegelnder See, Ich stürze verzweifelnd in seinen Grund, Da löst sich auf immer mein Groll und mein Weh. Sind Wangen und Lippen ein Rosenstrauch, O laß mich ihn nehmen in's Schlafkämmerlein, Daß er süß mich betäube mit tödtlichem Hauch! Und ist ein Himmel deine Stirne, so frei, So laß sie mich küssen im Todeskrampf, Daß ich bald im Himmel und glücklich sei! Vorüber Ich sah dich oft allein und spät am Tag Vom Fenster nach dem Waldesrande blicken; Die Abendwinde strichen durch den Hag, Und alle Bäume sahst du weh'n und nicken. Da rauschte wol das Laub so wunderlich, So seltsam schlug der Klang an deine Ohren, Als irrte dort ein Wandrer still für sich Und hätte wieder einsam sich verloren. Da dringt zu dir ein wolbekannter Laut; So beugt auch nicht der Wind die jungen Tannen! Doch fürchte nichts! Die Spur im Heidekraut, Waldgruß und ich, — wir schwinden schnell von dannen! Das Feld Hab' ein Feld mir angesäet, Reich an grünen Saaten; Muß hinaus und muß doch sehen, Wie sie mir gerathen! Doch, wo ist mein reiches Feld! Meine Saaten starben, Blumen haben sie verdrängt, Wuchernd in allen Farben! Labkraut wiegt die goldnen Trauben Um die blaue Weberkarde; Prachtvoll hebt der träumerische Mohn die flammende Kokarde. O wie gleich ich diesem Feld, Wenn ich lässig säume; Blüthen treibe statt der Frucht Und träume! Träumerei Die Weiden, die sich niederbeugen Versteh'n es nicht, Was die rauschende Welle spricht; Und die Vöglein in den Zweigen Versteh'n es nicht, Was das Rauschen der Blätter spricht. Und doch neigt sich das Weidengebüsch Sehnend hinab in den blauen Strom, Der da rauschet so kühl und so frisch; Und doch verstummt der Vögel Geschmetter, Und es lullt sie in süßen Traum Spät am Abend das Rauschen der Blätter. Also im tiefsten Innern Klingt uns bald Das, bald Dies; Wenn wir's auch nicht verstehen, Träumen wir doch so süß! Des Menschen Seele gleicht dem Wasser Goethe O meine Seele, Unsterbliche Seele, Wie gleichst du dem Wasser! Von ragenden Felsen, Von den Höhen der Menschheit, Wie stäubest du brausend, Ein stürmender Gießbach In herrlicher Jugend, In's friedliche Thal! Doch bald ein breiter, Stolz rollender Strom, Ziehest du segnend An regsamen Städten, An Weilern vorüber Und Rebengeländern! O meine Seele, Geängstigte Seele, Wie gleichst du dem Wasser! Kein schäumender Gießbach, Kein rollender Strom mehr! Ein einsamer See, Felsüberhangen, Moosüberwuchert! Da zieh'n in der Tiefe Die stummen Fischlein; Da zieh'n ihre Bahnen, Ihr Sterbelied singend, Die schneeweißen Schwäne! Oft kommt, wie ein wilder, Tobender Schmerz, Der rauschende Sturm Und rüttelt die Wellen Aus dem Schlaf empor. Wie wühlen die Blitze Im tiefsten Gewässer, Daß wieder empor Die Inseln steigen, Die glücklichen Inseln Versunkener Kindheit, Der Hoffnungskähne Vermorschte Trümmer, Die blutig rostenden Anker des Glaubens, Die Perlenbänke Der heiligen Thränen Der ersten Liebe! Ahasvera Ich seh ein Weib durchschreiten alle Lande Mit stieren Blicken, abgehärmten Wangen, Die Haare wild um Haupt und Schultern hangen; Der schlaffe Leib im härenen Gewande. Als ob hier wandelte die nackte Schande, So faßt Besitz und Macht ein scheues Bangen, Und Themis selbst fühlt heftiges Verlangen, Zu schlagen jenes Weib in eh'rne Bande. So wandelt es seit vielen — vielen Jahren. Zuweilen nur sah man sein Auge flammen, Wollt' es der Welt sein Elend offenbaren. Dann schaarten sich Gesetz und Macht zusammen, Ergriffen es bei seinen losen Haaren Und straften es mit Hunger und Verdammen. Die Jagd nach dem Glücke Es schwebt ein Gebilde in zaubrischer Pracht, Eine Königin sinnlicher Mächte, Vor der Menschen Blicken bei Tag und Nacht, Und gebietet dem feigen Geschlechte. Und allüberall ertönet ihr Lied Von berauschendem, lockendem Klange, Und wem es gesungen, den mächtiglich zieht Es hin zum Sirenengesange. Eine goldene Krone vom Haupte ihr strahlt, Es flattern die Locken, die dunkeln, Und Siegesgewißheit im Antlitz sich malt, Die Augen verhängnißvoll funkeln. Der schlanke, ätherische Leib ist umwallt Von einem güldnen Gewande; Die wunderbar reizende Lustgestalt Durchfliegt berückend die Lande. Und hinter ihr her in gigantischem Zug Die Menschen athemlos rennen; Es lechzen die Seelen nach glänzendem Trug, Und die gierigen Blicke brennen. Sie rennen und rasen in tobender Jagd, Es sinken und stürzen so Viele, Und hinweg über sie, noch bevor man's gedacht, Die Andern stürmen zum Ziele. Und Allen voran von Lust berauscht jagt Ein blühender, kecker Geselle; Er hat seine Seele, sein Leben gewagt, Zu gewinnen die köstliche Stelle. Und nahe und näher kommt er dem Bild, Ihm wachsen im Fluge die Schwingen; Ihren Odem schon trinkt er, so glühend und wild, Das Herz will vor Lust ihm zerspringen. Er streckt seine Hand, zu empfahn ihre Gunst, Seine Augen leuchten wie Flammen, Da zerrinnt das Gebilde in Nebel und Dunst, Und schaudernd bricht er zusammen. Titanenschicksal Du wirst nie ungestraft den Schleier heben, Der deckt des Weltgeists tief geheimstes Walten, Die Wunder, die er uns will vorbehalten, Die Räthsel, deren Lösung wir erstreben. Die Götter neiden dir dein ganzes Leben, Wenn du es wagst, dich ihnen gleich zu halten, Versuchst wie sie zu herrschen und zu schalten, Am Weltenschicksal weise mit zu weben. Wer reiner Wahrheit Fackel will entzünden Und der Gesetze letzten Grund ergründen, Der Welt ihn triumphirend zu verkünden; Dem wird ein neid'scher Gott das Auge blenden, Sein Wissen und sein Können jählings enden, Sein schrankenloses Streben rückwärts wenden. Morgengebet Noch athme ich wieder den jungen Tag, Noch jubelt die Seele dem Lichte entgegen, Noch hör' ich der Nachtigall süßen Schlag, Noch fühl' ich des Lebens unendlichen Segen. O weihe, mein Herz, eh der Tag entflieht, Auch Du Dich mit Inbrunst dem göttlichen Leben, Und hilf mit dem Kranze, der ewig blüht, Die Stirne mir heute noch fröhlich umgeben! So will ich dann leben, ein grünend Reis Am göttlichen Baume des Lebens hienieden! So möcht' ich dann sterben, ein Gottes-Preis, Ja sterben dereinst in seligem Frieden. Mannesthräne Thränen sind wie Perlen Frühen Morgenthau's; Labung fließt und Schönheit Edlen Seelen draus. Doch des Mannes Thräne, Um das Volk geweint, Ist ein Stern der Hoffnung, Der im Unglück scheint. Kindeseinfalt Holde Kindesseele, Selig fromm Gemüth, Das im Thau der Thräne Schöner nur erblüht: Will mich still verklären In Dein Bild hinein; Werde dann erst selig, Selig wieder sein! Sanftmuth Blitz und Sturm zerstören Paradiesesflor; Linde Lüft' und Strahlen Zaubern es hervor: Also ist die Liebe Stärker als der Zorn; Licht und Leben fließen Nur aus ihrem Born! Wuodan „Odhin bist Du, Der Allerschaffer!“ Edda, Wegtamsl. 18 Feiern laßt uns Wuodans Minne, Weihen uns dem höchsten Gott! Alle Seelen, werdet inne Seines Geistes Machtgebot! Ihm zu dienen, ihm zu gleichen, Schwört bei seinen heilgen Eichen! Er nur führt den Weltenzügel, Wohnt im weiten Sternenhaus, Sendet auf des Sturmes Flügel Flammend seine Boten aus: Bebt die Eich' in seinem Zorne, — Betet Riese, Zwerg und Norne. Geht er still in tiefer Wonne Alles segnend durch die Flur, Naht er mild im Strahl der Sonne, Sanft im Odem der Natur; Raunt er in der Eiche Zweigen: Betet an in heilgem Schweigen! Schirmt die Saat er in den Gauen Und den Schiffer auf dem Meer, Lehrt er Männer Staaten bauen, Schwerdter führen und den Speer; Spricht er Recht im Eichenhaine: Schwört ihm Treu am Runensteine! Tönt er Dir im Harfenklange, Spricht er durch des Priesters Mund, Lebt er in des Skalden Sange, Giebt er sich dem Seher kund; Rauscht er sanft im Eichenlaube, Lauscht — und betet an im Staube! Wie im Süden so im Norden, Wuodan ist's, der alles schafft, „Nimmer alternd, ungeworden,“ Aller Wesen Geist und Kraft; Steht in ihm, — wie seine Eichen, — Fest und schön und ohne Gleichen! Feiern laßt uns Wuodans Minne, Weihen uns dem höchsten Gott, Alle Seelen, werdet inne Seines Geistes Machtgebot: Ihm zu dienen, ihm zu gleichen, Schwört bei seinen heiligen Eichen! Fenrir Loki zeugete Fenrir. Edda, 206 Es war ein Riese im Nordenland, Ein Riese von wachsender Stärke; Mit Namen wurde er Fenrir genannt, Der hatte gar Böses im Werke: Er drohet der Welt mit wüstem Verderben, Die Götter selbst fürchten durch Fenrir zu sterben. Da machten die Götter ein eisernes Band, Zu fesseln den Riesen, den Groben! Das haben sie schmeichelnd ihm hingesandt, Er möge die Kraft dran erproben! Und er ließ sich gefallen die hämischen Tücken: Kaum schloß es die Glieder — so sprang es in Stücken! Da machten die Götter viel fester noch Die Fesseln aus ehernen Strängen, Sie sprachen zu Fenrir, er möge doch Versuchen die Kette zu sprengen. Und der Stolze läßt fesseln die riesigen Glieder: Ein Ruck — und die Fesseln — sie fallen hernieder! Da haben die bangenden Götter gesandt An die heimlichen Künstler, die Zwerge, Zu schaffen ein unzerreißliches Band Aus dem dunkelen Zauber der Berge. „Und kann Euch der Riese das Band nicht zerbrechen, So wollen wir ewige Huld Euch versprechen!“ Und die Wichtlein, die klugen, nach ihrer Art, Sie holten die Zauber zusammen. Die Stimme der Fische und Weiberbart, Die Sonnenfäden und Irrlichtsflammen, Den Schall von der Katze schleichendem Tritte, Und Speichel der Vögel, dem Ganzen zum Kitte. Und als sie vollendet, so seidenweich, Das Band in geschmeidiger Glätte, Da sprachen die Götter im Himmelreich: „O Fenrir, was gilt nun die Wette? Wir nehmen Dich auf in den himmlischen Reigen, Vermagst Du dies Band uns zerbrochen zu zeigen!“ Wohl wittert der Riese Betrug im Spiel, Wohl scheut er das feine Geschmeide; Doch er schaut auf das leichte, das himmlische Ziel, Verachtet die Fäden der täuschenden Seide. Und er spricht zu den Göttern nach kurzem Besinnen: „Wohlauf, ja, wohlan; laßt die Probe beginnen.“ Da winden die Götter in stillem Triumph Die Bande ihm leis' um die Glieder. Wohl dehnet und reckt er den riesigen Rumpf, — Den Zauber zerbricht er nicht wieder! Wohl trifft noch sein Fluch die lachenden Götter, — Doch erst — wenn sie sterben — ersteht ihm der Retter. O sei du nie was weiter O sei du nie was weiter, Du theures Engelskind, O bleibe, süße Blume, Was sanfte Veilchen sind. Was hinter deinem Auge, Laß nimmer es verglühn, Die frommen Kindesgluthen Laß wonneselig sprüh'n. Laß deine blonden Locken So flattern um das Haupt, Und laß dein Köpfchen hangen So leicht, so keck, so traut. Dein Mündchen, wenn du grollest, Verziehe anders nicht, Das sanfte, weiche Grollen Den härtsten Willen bricht. Dein Herzchen kannst du ändern, Es hat noch etwas Raum, Raum noch für einen Himmel, Für einen Liebestraum. Italia Wie haben wir mit kühner Brust Gelästert dich, Italia, Gespottet Deiner Freiheitslust, Die hier aufbrodelte und da! Von Deinen Flöhen, meinten wir, So gleichsam sei Dein Herz gezwickt, Das Schreien nur behage Dir, Sei furchtbar auch, was Dich bedrückt. Nun prangest Du einmüthig stark, Wenn nicht im alten Römerglanz, Doch sichernd Deines Lebens Mark In Deines Rechtes guter Schanz'. Nun jubelt laut Europa Dir, Wo Jugendblut nur feurig wallt, Und reicht Dir höchsten Kranzes Zier In Frühlings leuchtendster Gestalt. Wir aber steh'n, das Antlitz roth Von heißer, bittrer Scham gefärbt. Wir faseln von der Freiheit Tod, Ach, von der Freiheit selbst enterbt. Wir bau'n Denkmäler weit und breit, Wir tapeziren Gräber aus, Statt unsrer Helden Herrlichkeit Zu schlingen in des Schwertes Graus. Wir bleiben ewig, wie wir sind, Von schnöden Dunkels Wahn gebläht, An Wollen reich und gleich ein Kind, Wenn laut der Morgenhahn uns kräht. Wohl wahr, es müßt' ein Meisterguß Ersteh'n, brächst Du die Form entzwei, Germania, doch leider muß Dein Stoff noch kochen schlackenfrei. Holde Verwirrung Herz, wie pochst du so gewaltsam! Liebchen zieht dich Nacht und Tag Unaufhaltsam Immer nach. Wenn du zu ihr eilst, Tönen Lieder; Wenn allein du weilst, Singst du wieder. Gaukelnd fließt die Zeit vorbei Unter Kosen und Küssen. Ob es März, ob Mai, Kann ich's wissen? Immer fühl' ich nur Lau und linde Auf der Seele Flur Frühlingswinde. Nimmt die Nacht schon zu? Weicht die Sonne? Herz, was fragest du! Liebchens Wonne, Die dich traumumfacht Hält gebunden, Hat zu eins gemacht Jahre, Stunden, Tag und Nacht. Ergebenheit Selig und doch liebeswund Macht dein Mund! Wenn mich seine Küsse laben, Soll dem süßen Schmerz ich wehren? Ruhe möcht' ich wieder haben, Doch ich kann ihn nicht entbehren. Muß ich einmal denn gefangen Fest in Liebesketten hangen, Will ich leben, wie ich kann! Sieht nach kurzer Trauer Doch der Falk sein Bauer Gleich der Freiheit an. Darum, Lieb, Komm und gieb Mir in heißersehnten Stunden Neue Fesseln, neue Wunden! Altes Schneiderlied Im Lumpensacke piept 'ne Maus, O Schreck! Die Schneiderlein sprangen zum Fenster hinaus Meck, meck! Die Schneiderlein liefen zur Polizei, O Schreck! Weil in der Stub' ein Unhold sei, Meck, meck! Doch als sie wieder zurücke sind, O Schreck! Ein Dieb nahm ihren Kram geschwind, Meck, meck! Der Altgesell die Labb' aufriß: O Schreck! „Mir seind verfluchte Hasenfüß'! Meck, meck!“ „Solch elend Viech, wenn mir's ersah'n — O Schreck! Ich hätt' es ganz allein bestahn! Meck, meck!“ Da pfiff im tiefsten Baß die Maus, O Schreck! Und wieder gieng es zum Fenster hinaus, Meck, meck! o Schreck! meck, meck! Der Blaustrumpf Sie ist nicht jung, nicht alt, doch zum Vermählen Nicht hübsch genug, denn Reichthum hat sie nicht. Ästhetisch flieht sie zu den schönen Seelen, Woran es unsern Zirkeln nie gebricht. Sie liest die Dichter christlich frommer Musen, Wo Minnelust vom Kreuz geregelt wird; Es amaranthet ihr so schwül im Busen, Sie fühlt sich unbeschreiblich klar verwirrt. Was sie empfindet, kann sie zwar nicht nennen, Und hört doch stets, was sich der Wald erzählt; Die Vögelsprache selber lernt sie kennen Und fühlt zum Produciren sich gestählt. Sie glaubte: es sei schwer, doch der polirte Rhythmus und Reim, er duselt ja so sehr Durch unsre allgemein epidemirte Tiefseichte Bildung mundrecht hin und her. Das Buch ist voll von neuen Themen wieder: „Treulose Liebe“; „Mondlied“; „Frühlingswind“; — Zart ist der Goldschnitt, zarter sind die Lieder, Die vor- und rückwärts schön zu lesen sind! Beim Dichten Was man am grünen Tisch ersinnt, Verweht so oft der erste Wind; Was draußen man im Freien schafft, Das athmet der Freiheit frische Kraft; Doch was uns kommt von Ungefähr, Die Musen trugen es selber her. Roß wie Reiter Sie reiten wie Ritter so stolz und fein Und jagen über Berg und Hain, Sag an, wer sind die Genossen? — Poeten auf Flügelrossen — Da zockeln noch Andre hinterdrein, Wer mögen die grauen Gestalten sein Mit ängstlichen Experimenten? — Sind Esel mit Recensenten. — Höchste Ergebenheit Dein Lieben ist so treu und groß, So innig warm Deine Seele, Daß selbst, wenn ich Dich schonungslos Mit heftgem Vorwurf quäle Und rede manches schwere Wort Voll bittrer Kränkung fort und fort, So trägst Du Alles mit Geduld, Und freundlich bittend ist dein Blick, Du nimmst auf Dich die ganze Schuld Und giebst kein böses Wort zurück. Ich kann Dir wehthun, wie ich will, Dein Herz das blutet, doch hältst Du still. Ach! voller Rührung seh' ich's dann Dir, Engel, an den Augen an, Daß Dir selbst diese Stunde, Wo Du von mir gepeinigt bist, Doch unvergleichlich lieber ist, Als jedes andre Glück auf diesem Erdenrunde. In der Ferne Kaum bin ich allein, Die Gedanken schweifen; Ich glaube bei Dir zu sein, Deine Hand zu ergreifen: Die Seele lacht, der Mund fängt an Laut zu Dir zu sprechen — O kurze Täuschung! Als Antwort dann Nur Thränen hervor mir brechen. Nachsicht des Herzens Der Liebe im erzürnten Muth Darfst Du das Wort nicht wägen Sie fühlt, wenn sie Dir wehe thut, Es dreifach selbst, denn in ihr ruht Doch nichts für Dich als Segen. Allgemeinheit Thut je Dein Loos Dich alteriren, Fang nur nicht an zu phantasiren, Daß Du so ganz eine Ausnahme seist, Und denk' nicht, daß Dir's anders ist Wie den übrigen Menschen in Leib und Geist. Wie ich bin und wie Du bist, So sind die Andern zu allermeist. Natur hat so viele Ausnahmen erdacht Im Kleinsten und im Kleinen, Daß Ausnahme wieder die Regel macht. König, Lakai und Minister, Bettelmann, Graf und Küster, Sind alle ein Seelenregister Und von denselben Gebeinen. Sie fühlen sämmtlich im Herzen — Hat Mancher sein Herz auch im Magen — Gleichartige Freuden und Schmerzen. Ein Kantschu wird Alle schlagen: Das Schicksal, dies Erbtheil des ärmsten Wichts; Nur Mancher bekommt einen Schlag mehr Wie'n Hund oder sonst Wer, Weiter Nichts! Der Jäger Es wollte der Jäger auf's Waidwerk gehen, Er konnte dem Drange nicht widerstehen; Gerade heute mußt' es sein. Er konnte nicht weilen, er konnte nicht bleiben, Er fühlte ein mächtig anziehendes Treiben Hinaus zum jagdbefreundeten Hain. Und g'rade heute Trieb's, Jäger, Dich hinaus Von Weib und Kind und Haus. — Mit ihrem Sein verwoben Der Menschen Thaten sind, Die Folgen, wenn verschoben, Doch nicht erlassen sind. Es bellet und wedelt erfreut die Meute Und sehnt sich von hinnen zum Wald nach Beute. Da tritt vor ihn sein liebendes Weib Und sagt ihm: Ich hatte gar scheußliche Träume, Sah wankend und triefend vom Blute die Bäume, Ach, Theurer, heute, heute hier bleib! Und g'rade heute Trieb's, Jäger, Dich hinaus Von Weib und Kind und Haus. — Mit ihrem Sein verwoben Der Menschen Thaten sind, Die Folgen, wenn verschoben, Doch nicht erlassen sind. Nicht schrecken den Jäger die Traumgesichte, Mag wanken und triefen von Blut die Fichte, — Zum Waidwerk eilt er dennoch hinaus, Und freut sich beim Suchen und Bellen der Hunde, Und merket drob nicht das Enteilen der Stunde, Indeß das Weib besorgt ist zu Haus. Und g'rade heute Trieb's, Jäger, Dich hinaus Von Weib und Kind und Haus. — Mit ihrem Sein verwoben Der Menschen Thaten sind, Die Folgen, wenn verschoben, Doch nicht erlassen sind. Es nähert und nähert sich jetzt das Bellen, Er muß sich am richtigen Platze stellen; Er schreitet vor und suchet den Ort; Und als er beginnt jetzt forschend zu schauen, Erfasset ihn Furcht und entsetzliches Grauen, Und ohne Halt muß eiligst er fort. Und g'rade heute Trieb's, Jäger, Dich hinaus Von Weib und Kind und Haus. — Mit ihrem Sein verwoben Der Menschen Thaten sind, Die Folgen, wenn verschoben, Doch nicht erlassen sind. Und während mit hastigem Schritt er fliehet, Die Meute laut bellend ob ihm hinziehet Und löset einen wuchtigen Stein. Der rollet herab, das es weithin erdröhnet, Und jeglicher Hinderung spottend er höhnet, — Dem Jäger schlägt er den Schädel ein. Und g'rade heute Trieb's, Jäger, Dich hinaus Von Weib und Kind und Haus. — Mit ihrem Sein verwoben Der Menschen Thaten sind, Die Folgen, wenn verschoben, Doch nicht erlassen sind. Da schwimmt er im Blute und spricht im Sterben: So bringet die Sünde uns stets Verderben; Gerade vor zwanzig Jahren dahier Hab' ich mit gelösetem Felsstück erschlagen Den, welcher zur Gleichen auch Liebe getragen, — Gerächt wird's beute schrecklich an mir! Und g'rade heute Trieb's, Jäger, Dich hinaus Von Weib und Kind und Haus. Mit ihrem Sein verwoben Der Menschen Thaten sind, Die Folgen, wenn verschoben, Doch nicht erlassen sind. Die Grabschrift Die Eselin hatte ihren Mann verloren Und senkte wehmuthsvoll die langen Ohren. Zur Elster sie sich bittend wendet: Ihr wißt, was mir der Tod entwendet Und habt das Licht der Poesie, D'rum macht ein Epitaph voll Melodie, Das männiglich zum Herzen dringt. Die Elster ist gerührt. Sie schwingt Alsbald die Federn kühn und bringt Den inhaltsschweren Satz zu Stande: „Ein Esel schläft allhier im kühlen Sande, Und Mancher geht darüber hin; Nun weißt Du, Leser, fühlst Du, Leserin: Was Du bist und was ich gewesen bin!“ Die Wege zum Einen Der Wege durch dies Leben gibt es viele; Ganz gleich ist keiner: Doch aus dem Leben und zum letzten Ziele Führt uns nur Einer. Die Niedern Die Tanne sprach zum Moos: Wie niedrig ist dein Loos! Da kam ein wüthender Sturm herbei Und brach die stolze Tanne entzwei. Wie glücklich, sprach das Moos, Ist doch mein niedrig Loos. In der Nacht (Nach dem Tode eines meiner Kinder) Nun schlafen alle meine Kinder, Sie sind versorgt und haben Ruh. Das Eine mehr, das Andre minder Schließt müde seine Augen zu. Zwei schlafen in des Friedhofs Räumen, Kein Sturm erschreckt sie in der Nacht; Der Wiederschein von ihren Träumen Erglänzt in goldner Sterne Pracht. Zwei ruhen unter meinem Dache, Sie sind vergnügt wie Engelein, Wenn ich an ihrem Bettlein wache, Erglüht's in mir wie Sternenschein. Nun schlafen alle meine Kinder, Die Einen hier, die Andern dort, Und ruht sich's süßer dort und linder, Ein Jedes schläft am rechten Ort. Herr Gott im Himmel, der die Kleinen In Tod und Leben treu bewacht, Laß' ihnen Deine Sterne scheinen, Gib Allen eine gute Nacht! Jetz cha mis Chätzli rite Jetz cha mis Chätzli rite; Chum, Büsi, a mi Site, E Lustfahrt mueß es ge. De Schmied hät's Rößli bschlage, De Heiri stoßt de Wage, Er chunt jetz gli, juhe! Jetz cha mis Chätzli rite Zur Tante und zur Grite; Sie händ e prächtigs Hus, Und händ en schöne Garte Und Obs von alle-n-Arte Und mängi feißi Mus. Jetz cha mis Chätzli rite A miner liebe Site Und gseht dänn allerlei — Da seit zum Chind das Chätzli: „I dank der für mis Plätzli Und gumpet lustig hei!“ Das Leben trennt, der Tod vereint Sie war mir hold so lange Zeit; Mein Leben war nur ihr geweiht, Doch unser Weg schied sich am End'. Die Liebe losch, das Leben trennt. Nun liegt sie da, vom Tod' erfaßt, Das Auge starr, die Wang' erblaßt, Und Thränen hab' ich viel geweint, Und heiß geschluchzt, der Tod vereint. Der Liebe nur hab' ich gedacht, Was uns geschieden, deckt die Nacht. Ein heller Stern ihr Bild mir scheint: Das Leben trennt, der Tod vereint. Am gesprengten Thurm Alt Heidelberg, in deinen Mauern Hab' ich als Knabe oft geschwärmt, Um deine alte Pracht mit Trauern, Mit stillem Zorn mich viel gehärmt. Sie mahnten an die Zeit der Schande, Sie mahnten an die Zeit der Schmach, Da eine feige Schergenbande Frech über Deutschlands Fluren brach. Da hat sie Weib und Kind geschändet, Da hat sie Burg und Stadt verbrannt, Und unsre Perlen uns entwendet, Straßburg und Metz dem deutschen Land. Dort winket mir des Wasgau's Kette Aus blauer Ferne traulich her, Getrennt von ihrer Mutterstätte, Wie Heimatsklänge über'm Meer. Was ich in Wehmuth halb und Grollen Geträumt, zu hoffen nie gedacht, Es ist erfüllt mit Donnerrollen, Mit Blitzeslodern über Nacht. Denn wieder steh' ich hier; doch heute Hebt sich die Brust im Thatendrang, Mein Ohr umwogt's wie Festgeläute Wie Siegesjubel, Friedenssang. Heil dir, daß du den Tag gesehen, Heil dir, du heutiges Geschlecht! Den alten Fluch sah'st du verwehen, Die alte Schmach hast du gerächt. Denn unser sind sie, wieder unser Die Marken, die der Feind geraubt, Und unser, unser, endlich unser Ein Kaiserreich, ein Kaiserhaupt! Saul un David De Keunig Saul weur, wie bekannt, Vun Körperbildung en Gigant, Ook leidlich hübsch; he weur man blos Mitünner etwas schruuvenlos. Drum lööt he sick sien Doctors kam', De neumen ehr Latien tosam', Verschreeven dütt, un preuven datt; Indeß hulp weder dreug noch natt Und endlich mussen se bekenn': „Wir sind mit uns' Latein zu Enn'.“ De Hofnar säd: „Datt is Io recht! Warum leert Ii keen Düütsch? Doch seggt Mi mal, Ii Herrn vun Medici, Watt meent Ii to en Sympathie?“ „Ach was!“ säd'n de gelehrten Herrn, „Da kann kein Mensch gesund bei wer'n.“ „Nich? Na laat good sien!“ — lach de Nar; „Ick kenn mal Een', de Tähnpien har; De goode Mann neum kott un rund En Mundvull Waater in den Mund, Sett op en Füürfatt sick — un süh! Als 't Waater kaak — weur All'ns perdü! Watt seggt Ii nu ?“ — „Ach was! Das war Ja eine Peerkur, oller Nar. Geh' ab mit deine Sympathie'n! Kraft sitzt nur in die Medizin.“ — „Denn wünsch' ick gooden Appetiet,“ Säd d'rop de Nar, und treed op Siet. Gesang erfreut des Menschen Herz; Datt weet wi. Man singt allerwärts Wo goode Minschen froh sick feuhlt; Denn beuse Minschen sind verkeult. Doch davun angeseh'n; ganz gliek: Saul har en Fehsen; un Musik Alleen, so meen sien Lievprophet, Weur Plaaster vör de Majestät. Bi Saul versöch, statt bittern Trank, Man't also eenmal mit Gesang. — David, en armes Schäperbloot, Verstünn dat Harpenklimpern good, Wirk oft ook in gemischtem Chor Mang siener Schaapsheerd als Tenor. Man haal den lüttjen Kerl in Hast Denn also foorts in den Palast. „So,“ heet et, „speel dem Kreetelkopp Vun Keunig nu mal fix watt op!“ Lüttj David sett sick vör de Harp, Bekeek den Keunig Saulus scharp, An speel mit kunstgeövter Hand: „Was ist des Deutschen Vaterland?“ „Holl op!“ wenk Saul, „sei nich so dreist, Und frag' mich, was du selbst nich weißt! Meinst, daß ich Landwirthschaft studir? — Hast nich en ander Lied vor mir? Son Extradings?“ — De Harp erklüng Gar lieblich und lüttj David süng: „Schier dreißig Jahre bist Du alt, Hast manchen Sturm erlebt!“ Halloh! mit puterrohdem Kopp Fahr ungesüümt de Kennig op: „Was soll das heißen? Grobian! Geht Dir das überhaupt was an, Wie lang' ich durch die Welt getappt, Und wie viel mal 'nen Sturm gehabt? Allons! Gleich sing' ein ander Lied!“ Lüttj David drück sick op de Siet Und süng mit pfiffigem Gesicht: „Du bist der beste Bruder auch nicht!“ Da pack de Wuth den Keunig schier. „Sprich!“ brüll he, „meinst du mich? —“ „Ne, mir!“ Säd David; un mit luudem Schrill, Fahr widder he döör't Seitenspill, Un quinkilir und süng dato: „Es war einmal ein König, Der hat' nen großen Floh!“ „Ha!“ reup de Keunig, wuthentbrannt, „Verdammter Krabbelandiewan! Jetzt drängst du dich sogar in mein Familiengeheimniß ein? Das is Dein Dood!“ He neum den Speer Un smeet em achter David her. Doch ehr' em noch de Lanzenspitz Erreich, weur David op vum Sitz. Kneup gau die Harp sick ünner'n Rock, Leup 'ruut un grööl döör't Slöötellock: „Weest watt? Wenn Di meschuggen Knecht De scheunsten Leeder noch nich recht, — Denn kniep en Kater und en Katt In'n Steert, un komponir Di datt!“ De Thierschau In Dingskerch — oder wie datt heet — Leeg, wie uns to berichten weet De Kronik uut dee oole Tiet, Volk un Regierung stets in Striet. Datt Volk wull Foortschritt, fix, man to! Doch de Regierung söch sik so Ganz suutje d'rum herüm to schüür'n, Un wull bloots Stüür'n un nix als Stüür'n. Dato weur'n de Beamten schroff, Ja, gegen Den gar eklig grov, De, wenn man em entgegen snar, Nich heemlich in Papier watt har. Genoog, en saubern Tostand weur't. Doch ganz so, wie sick datt geheurt: Wenn't dumme Volk sien Muulwark bruukt, Man ümmer düchtig dahlgedunkt! In Dingskerch kreegen nu de Buur'n Mal wedder en von jem ehr Schuur'n, Un wull'n en groote Thierschau. — Foorts Erbeeden se sick Heuchstenoorts Per ünnerthänigstes Geseuk Erlaubniß. Aver süh, man smeuk Iem av. Datt Ministerium Säd: „Wird nicht deferiret“ Schrumm! Un nochmals wurr datt Dings versöcht, Un doch nich tor Bewill'gung bröcht. Da swull uns' Buuren denn de Kamm Un se, de sünst so still und tamm, Wähl'n gau en Dep'tatschoon, un fix Rück düsse, fein im Sünndagswix — De Ledderbüren weur'n noch Mod' — Dem Ministerium vör de Bood. Versammelt weur'n de hohgen Herrn Bet op den letzten Subaltern. „Thierschau?“ snar de Minister, „wie?“ — „Wer hat denn Eurem dummen Vieh Den Unsinn in den Kopf gesetzt? Wer hat Euch dazu aufgehetzt? — Das dumme Volk; von Thierschau spricht's! Marktschreierei! und weiter nichts!“ Du wurr'n de Buuren fühnsch. Da läd De beste Spreeker uut, un säd: „Watt seggt de Herr Minister? Ne?! — Könnt wi nich prahl'n mit unser Veeh? Hevt wi tom Bispill nich, potz Blitz, De gröttsten Ossen an de Spitz? — Hevt wi nich Staatspeer hier? un treckt De, watt wi hevt, nich ganz perfect? — Wart unse Schaap nich all siet Jahr'n Mehr, als in ann're Länner, schar'n? — Watt? datt sull nix vör'n Thierschau sien? Na, denn verwies' ick op de Swien; De Swienwerthschaft in unser Land De is doch överall bekannt!“ Watt darop deferirt wurr, slah Man in datt Strafgesetzbook nah. Der tolle Geiger Wild wogt es durch die Schenke Wie wüster Jubelruf, Auf die geborst'nen Dielen Stampft es wie Eisenhuf; Hoch wirbeln sich die Dirnen, Von kräft'ger Hand geschnellt, Und kreischend eine Geige Ihr Lied dazwischen gellt. Die Knechte sind's und Mägde, Gebräunt bei Hack' und Pflug; So derb wie auf der Tenne, Bei'm Tanze wie bei'm Krug; Und Der im schäb'gen Mantel, Verwittert und gebückt, Der ist der tolle Geiger, Der jeden Fuß berückt. Ihm schatten busch'ge Brauen Das düst're Augenpaar; Wirr ringelt auf den Nacken Das graue Lockenhaar; Die herben Züge spiegeln Manch bitt'res Seelenleid, Und die gepreßte Lippe Hält losen Spott bereit. Dämonisch fährt sein Bogen Hinunter und hinauf; Bei jedem Striche bäumen Sich schroff die Töne auf; Je mehr sie sich zerreißen In grelle Dissonanz, Je toller wird der Jubel, Je rasender der Tanz. Spät ist's; obgleich die Glieder Noch nicht der Spannkraft bar, Winkt heimwärts doch der Schlummer; Hinaus zieht Paar bei Paar; Und hinterd'rein der Geiger, In sich vergrämt und stumm, Geduckt in seinen Mantel; Nach ihm schaut keiner um. Er schleicht, wo an den Hecken Der Weg sich feldwärts biegt, Wo vor der weiten Haide Der weiße Markstein liegt; Hier nimmt er seine Geige Hervor und stimmt sie rein, Prüft leis' sie mit dem Bogen Und setzt sich auf den Stein. Gespenstisch zieh'n die Töne Hin in die weite Nacht Und weben sich zu Bildern Voll bunter Farbenpracht. Das ist nicht mehr der Alte, Der in der Schenke stand; Ein heil'ges inn'res Feuer Führt plötzlich ihm die Hand. Er läßt die Töne perlen Wie süße Schmeichelei; Läßt sie hinübergleiten In sel'ge Träumerei; Jetzt unaufhaltsam jubelnd Stürmen sie himmelwärts; Jetzt wieder spricht in Seufzern Ein blutend Menschenherz; Jetzt ist's, als thauten Thränen Vom braunen Holz herab, Und tropften voll und glühend Auf ein geliebtes Grab. — So klingt es durch die Haide Bald stürmisch und bald mild, Und droben wölbt der Himmel Sein ewig Sternenbild. Das ist nicht mehr der Alte, Der auf zum Tanz gespielt; Das ist nicht mehr die Geige Die lust'ge Kirmeß hielt; Aus ihren Saiten fluthet Von Meisterhand beseelt, Was ein bewegtes Leben Von Lust und Leid erzählt. Wem immer auch die Muse Den Weihekuß gezollt, — So nur kann Der es schildern, Der uns sein Selbst entrollt! Horch! jetzt ertönt die Geige Rauh, wie vom Sturm erregt, Vom Sturm, der welke Kränze Durch öde Schluchten fegt; Vom Sturm, der durch die Tannen Saust mit gewalt'ger Wucht, Die prächtigste zu stürzen Mit roher Lust versucht. Sie stürzt — man hört sie fallen! Im Abgrund liegt der Schaft; Zerschmettert ist die Krone, Gebrochen ist die Kraft; Und in dies wirre Treiben Mischt schneidend sich ein Klang — Als ob, im Weh' sich windend, Ein Saitenspiel zersprang! Wild pfeift es durch die Haide In grauser Dissonanz. Das ist der tolle Geiger — Und morgen gehts zum Tanz! An Wilhelm Grimm Als ich, daheim noch, deinen Namen hörte, Begann's im Knaben ahnend sich zu regen, Und einen Wunsch, nur einen thät er hegen: — Dich einst zu schaun, dich, den er hoch verehrte. Dem Himmel Dank, der ihm den Wunsch gewährte! — Ich schaute dich, — und mit noch raschern Schlägen Schlug, theurer Meister, dir dies Herz entgegen, Weil Ehrfurcht sich in Liebe nun verklärte. Doch als dein Wort mir jene Welt enthüllte Voll goldner Märchen und voll Wundersagen, Durch die ein Geist der deutschen Vorzeit weht: Welch eine Glut da meine Seel' erfüllte! War's doch, als wollt es himmelan mich tragen, Denn zur Begeist'rung war die Lieb' erhöht. An die Entfernte Sinnend steh ich hier allein, Luna schaut ins Kämmerlein; Und auf diese Welt hienieden Sinket holder Mainachtsfrieden, Wiegt die Erdenkinder ein. Schläfst du auch schon, liebes Herz? Blickst du auch so himmelwärts? Oder tragen Traumgebilde Dich in jene Lichtgefilde, Wo ein Lieben ohne Schmerz? Ach, nach dir steht jetzt mein Sinn, Ja, zu dir nur denk ich hin! Wessen sollt ich sonst gedenken, Wohin sonst die Seele lenken, Da ich ganz dein eigen bin! Schlafe süß, geliebte Braut! Schlafe bis der Morgen graut! Nichts mag deinen Schlummer trüben; Träume nur, wie wir uns lieben, Dafür gibt's ja keinen Laut! Hebräer 13, 2 Wenn deinem Haus ein Gast sich naht, So nimm ihn freundlich an die Hand, Und führ ihn ein zu jeder Frist, Und sieh, ob's nicht ein Engel ist, Den dir der Herr gesandt. Gar mancher nahm schon unbewußt Solch einen Engel auf als Gast, Doch weil sein Sinn verblendet war, Und er nicht sah das Flügelpar, Da ward er ihm zur Last. Drum, naht ein Gast sich deiner Thür, Und säh er auch gering nur aus, Schau ihn recht an, es könnte sein, Er trät als Engel bei dir ein, Der Segen bringt ins Haus. Vielleicht, daß er von einer Last, Die lange dir schon drückend ward, Gar unverhofft dich nun befreit Und in der Not dir Rettung beut, — Wär' das nicht Engel-Art? Vielleicht, daß er den Schmerzensdorn, Der lange dir im Herzen saß, Heraus dir zieht gar unvermerkt Und dich mit Trostesbalsam stärkt, — Wär' nicht ein Engel das? Vielleicht, daß er den Sündendorn, Der noch viel schmerzlicher dich sticht, Und den dir Herz und Welt verschweigt, Mit Lieb und Freundlichkeit dir zeigt, — Wär' das ein Engel nicht? Und nicht, daß er ihn bloß dir zeigt, — Ach nein, er führt dich dann wol auch Dem Einen zu, der einzig ist Der rechte Arzt, dem Herren Christ, — Wär' das nicht Engel-Brauch? Drum, naht ein Gast, o merk es dir, So führ ihn freundlich bei dir ein, Schau ihm nur hold ins Angesicht Und raub ihm das Vertrauen nicht, Es könnt ein Engel sein! 1. Korinther 13 Wüßt ich jedem zu gefallen, Wär ich außen noch so mild, Hätt ich, allen zum Entzücken, Liebreiz wie ein Himmelsbild; Wogte mir im Herzen drinnen Der Gefühle Überschwang, Hätt ich, Engeln gleich, der Rede Wundersamsten Zauberklang, Ohne Liebe wär' mein Herz Dennoch nur ein tönend Erz. Hätt ich selbst das Meer des Wißens Ausgeschöpft bis auf den Grund, Wären mir die tiefsten Tiefen Der Natur und Gottes kund, Wäre noch so fest gegründet Meines Glaubens Wunderkraft, Ja so feste, daß er Berge, Berge von der Stelle schafft', — Trotz des Glaubens, trotz des Lichts Wär ich ohne Liebe nichts. Gäb ich alle Hab und Güter Denen, die die Not umstellt, Darbte aber selbst im tiefsten, Tiefsten Elend dieser Welt; Ja, hätt ich das eigne Leben Unter Marter, Angst und Pein Mutig auch dahingegeben, Fremdem Heil es ganz zu weihn, Und nicht Liebe trieb mich an, Ach, so wär's umsonst gethan! Lieb ist immer freundlich, gütig, Keinen je beneidet sie, Bläht sich auch nicht übermütig Und das Ihre sucht sie nie. Sie ist fern von Groll und Eifer Hat nach Rache nie Begehr; Haßt sie auch das Sündenwesen, Sünder liebt sie um so mehr; Treu, gerecht und immer wahr Stellt sie überall sich dar. Liebe glaubt und hofft in Demut, Ist mit Wenigem begnügt, Liebe trägt in stiller Wehmut Jedes Leid, das Gott gefügt. Ohne Lieben, Hoffen, Glauben Blieben wir vom Heil getrennt; — O drum liebe! Denn nimmt's Hoffen, Glauben einst auch dort ein End': Liebe, Liebe bleibt bestehn, Kann auch droben nicht vergehn. Trostlied Laß du in allen Sachen Den lieben Herrn nur machen, Wie er es macht, ist's gut. — Dein Sorgen, Thun und Treiben Muß doch vergebens bleiben, Wenn er nicht stets das Beste thut. Er löst aus allen Ängsten; Und wenn dir recht am bängsten, Eilt er, dir beizustehn; Er hat ja nie verlaßen, Die gläubig ihn umfaßen Und treu in seinen Wegen gehn. Drum, Seele, halte stille; Ist's deines Herren Wille, So schafft er bald dir Ruh; — Wo nicht, sei auch nicht bange, Und frag nicht stets: „Wie lange?“ Nein, frage lieber: „Herr, wozu?“ Und sollt er auch nicht eben Sogleich dir Antwort geben, Weil noch dein Sinn nicht klar; Wart' nur, eh Tage schwinden, Wirst du's mit Staunen finden, Daß alles lauter Gnade war. Ja, Gnade will er, Gnade, Am meisten dann gerade, Wenn er uns hüllt in Nacht; Drum wolle nicht verzagen, Er wird auch dich wol tragen Mit stillverborgner Liebesmacht. Mond und Menschenherz O sieh doch! Hoch am Himmel steht der Mond, Schaut klar und ruhig diese Welt sich an; Und wie sie auch sich täglich, stündlich anders Im Sturm des Wechsels unter ihm gestaltet, Er zieht doch still die Bahn, die der bezeichnet, Der allen Dingen Maß und Ziel gesetzt. — O wärst du Menschenherz doch gleich dem Mond — Und stündest auch so klar, so still und heiter So in dir einig über deiner Welt! Liebchens Wohnort Ich weiß kein liebres Städtchen Im ganzen deutschen Land, Als das, wo ich mein Mädchen, Mein traut Herzliebchen fand. Gar einsam liegt's und stille, Kaum daß es einer kennt; Des Waldes grüne Fülle Hat's von der Welt getrennt. Ein Kirchlein, das vom weiten Schon überm Walde ragt, Ein Thurm aus grauen Zeiten Sind seine einz'ge Pracht. Und doch liegt mir das Städtchen Wol Tag und Nacht im Sinn: — Wohnt doch mein süßes Mädchen, Mein traut Herzliebchen drin. Ein Gruß von Heinrich Heine Sie ist hold und schön fürwahr; Aber sie ist spröde. — Er ist klug und jugendklar; Aber er ist blöde. — Lange sucht er, wie er soll Ihr sein Herz bekunden, Und mit Hilfe von Apoll Endlich ist's gefunden. Zaghaft tritt er still heran Zu der Holden, Süßen: „Gnäd'ges Fräulein“, hebt er an, „Ich — ich soll Sie grüßen.“ „Grüßen! — mich? — von wem?“ darauf Flüstert froh-erschreckt sie. „Heinrich Heine trug mir's auf.“ — Da wird glutbedeckt sie. Und voll Zorn in Rosenglut, — Denn sie denkt, er neckt sie, — Strengen Blicks voll Übermut Hoch ihr Hälschen reckt sie. Doch verzweifelt fährt er fort: „Er ist bei den Todten Und hat mir für dich von dort Diesen Gruß entboten; Diesen Gruß, — und ob dir graust, — Leg ich dir zu Füßen: ‚Wenn du eine Rose schaust, Sag, ich laß sie grüßen.‘“ Der Besuch Saß bei Büchern und Brochüren Gestern Abend ganz allein. — Zehne schlug's, da schlich zur Thüren Still ein alter Freund herein. Unbequem war mir sein Kommen, Leise grollt ich in den Bart; Dennoch hat er Platz genommen Ganz nach alter Freunde Art. Mich wie sonst zu unterhalten, Wagt' er anfangs freilich nicht; Sah ich doch dem guten Alten, Scheel genug ins Angesicht. Doch mit wunderbarer Gabe Hat er plötzlich mich entzückt Und mit seinem Zauberstabe Mich der Bücherwelt entrückt. Dachte nicht ans Weiterlesen, Ihm gehört ich ganz allein, Und er nahm mit Zauberwesen Meine ganze Seele ein. Ach, ich war wie geistestrunken, Fühlte nichts von Lust und Harm! Aufgelöst und hingesunken Nahm er mich in seinen Arm. Als er endlich scheiden wollte, Wußt' ich nicht, wie mir geschehn; Daß er noch verweilen sollte, Gab ich stammelnd zu verstehn. Doch als früh nach Wonnestunden Heut ein Sonnenblick mich traf, Neune schlug's, — da war verschwunden Auch mein alter Freund — der Schlaf. Das Rosenblatt Ich hörte dich im Zorn von deinem Bruder sagen: „Des Menschen Treiben läßt sich länger nicht ertragen! Das Maß der Schuld ist voll und voll das Maß der Duldung, Nun komme über ihn die Folge der Verschuldung!“ Ich aber gieng hinweg und ließ den Zorn sich legen, Und mahnend bring ich nun ein Gleichnis dir entgegen: — Sieh dieses Glas gefüllt, gefüllt zum Überfließen! Du wähnst, es sei nicht mehr ein Tropfen zuzugießen. Ich aber brech ein Blatt aus jener Rose Gluten, Gebogen wie ein Kahn, und setz es auf die Fluten. Und in den kleinen Kahn laß ich manch Tröpflein fallen; Die Flut im Glase trägt's und wird nicht überwallen. So faßt das Maß der Schuld, ob auch gefüllt zum Rande, Gar manchen Tropfen noch, und nichts verrinnt im Sande. Nur sorge, daß die Hand mit weiser Schonung schiebe Als Tragkahn auf die Flut das Rosenblatt der Liebe. Char-Freitag Heut ist der Todestag des Herrn: So tönt es mahnend nah und fern, Daß jedes Christenherz vergißt, Was irdisch und vergänglich ist. Ach, was ist eures Lebens Kern! — Heut ist der Todestag des Herrn: Laßt ab von Last, laßt ab von Lust, Und reint das Herz in eurer Brust! Die ihr in Hass entzweiet seid, O, seid zum Frieden heut bereit! Heut ist der Todestag des Herrn: Am Kreuzesstamm versöhnt euch gern! Die ihr in tiefer Sündennacht Auf eurem Lager weinend wacht: Heut leuchtet euer Gnadenstern, Heut ist der Todestag des Herrn! Heut ist der Todestag des Herrn! Bekehrt euch, Menschen nah und fern, Zu ihm, der Gnade uns erwarb, Als er für uns am Kreuze starb! Der letzte Tropfen Vom frühen Sonnenschein war schon vergangen Der frische Morgenthau auf Blatt und Moose, Nur in dem duft'gen Kelch der Purpurrose Blieb noch ein einzig klares Tröpflein hangen. Da kam mit trockner Kehle, sinnbefangen, Die Seele matt vom Singen und Gekose, Die Nachtigall, die nächtlich ruhelose, Nach kühler Labung suchend voll Verlangen. Sie sah die Rose schönheitprangend ragen, Und flatternd mit dem grauen Glanzgefieder Trank sie den letzten Tropfen mit Behagen. Dann hob sich ihre Brust begeistert wieder, Sie fieng noch ein Mal köstlich an zu schlagen, Und schlagend sank sie todt zur Erde nieder. Andreasnacht Die Nacht war kalt und sternenhell, Margret gieng mir zur Seite; Wir schritten durch die Gaßen schnell Und schneller in die Weite. Vorbei der Tanz, vorbei das Spiel, Und weit vor uns des Weges Ziel! Da hält sie plötzlich inne, Als ob sie sich besinne. Und dann, den Blick zu mir gewandt, Sprach sie mit leisem Zagen: „Versunken ist das Zauberland Der Märchen und der Sagen; Aus seinem Schachte dringt empor Ein dumpfes Tönen an mein Ohr, Die Sage tief im Grunde Erzählt von dieser Stunde: Zwei, deren Herzen lieberglüht Nur für einander schlagen, Wie, Scheu und Zweifel im Gemüt, In Einsamkeit verzagen, — Ob heiß auch ihre Wunde brennt, Wie oft, ach! blieben sie getrennt, Erlangten sie nicht Kunde Von sich zu dieser Stunde. Der Geist der Sanct-Andreasnacht Löst ihres Mundes Sigel: — Er stellt mit holder Zaubermacht, Als wie in einem Spiegel, Im Wachen und im Träumen klar Des Einen Bild dem Andern dar Zur mitternächtgen Stunde. — — So gibt die Sage Kunde.“ Sie schwieg, — und aus der Wolken Flor Mit glänzend hellem Strale In stiller Schönheit trat hervor Der Mond mit einem Male; Ich stand vor ihr wie festgebannt, Ich drückt ihr warm die weiche Hand: Da zeigten auf den Matten Des Schnees sich unsre Schatten — Ich sah sie an, — da stralt' zurück Aus ihrer Augen Bläue Unendlichkeit von Lieb und Glück, Unendlichkeit von Treue. Vom Himmel glitt ein Stern zu Thal, Da küßt ich sie zum ersten Mal Beim letzten Glockenschlage Vom Sanct-Andreastage. 1. Nun stieg von seinem Wolkenthrone König Herbst Nun stieg von seinem Wolkenthrone Der König Herbst ins Land hinein; Auf seinem Haupte prangt die Krone, Doch nicht von Gold und Edelstein. Sie ist von rot und gelbem Laube Und funkelt von Demantenthau, Ihr Perlenschmuck die volle Traube, Wie Amethyst so dunkelblau. So zieht er hin am Wanderstabe Mit klarem Aug und kräft'gem Schritt; Am Berge lehnt der wilde Knabe, Der Sausewind, — den nimmt er mit! 2. Der Herbst, der reichste aller Fürsten König Herbst Der Herbst, der reichste aller Fürsten, Regirt mit Vaterhuld das Land, Läßt niemand hungern, niemand dürsten Und spendet stets mit milder Hand. Er kränzt mit Gold das Fest der Rebe, Erheitert aller Gäste Sinn, Und schlingt als Band ein weiß Gewebe Um Winzer und um Winzerin. — 3. Wer kommt so stolz dahergebraust König Herbst Wer kommt so stolz dahergebraust, Den Jagdspeer in der nervigen Faust? Er reitet durch den Eichenforst Und schwingt sich auf zum Felsenhorst. Er stößt gewaltig in sein Horn Und stürmt herab durch Busch und Dorn. So fliegt voran geschwind, geschwind Als Jagdgesell der Sausewind. Fort gebt es über Stock und Stein! Der König Herbst zieht hinterdrein. Des Wildes Spur kennt er genau, Des Adlers Flug im Ätherblau. Er schießt den Hirsch, der steht und stutzt, Das Häslein, das den Bart sich putzt. Sprengt über Felsen, sprengt zum See, Erlegt die Gemse und das Reh. Dann stürmt er fort, der Wald erkracht: So zieht der König Herbst zur Jagd! 4. Wie ist der König Herbst so hold König Herbst Wie ist der König Herbst so hold Den Knaben und den Mädchen! Er lockt mit hellem Sonnengold Sie aus dem engen Städtchen. Zum Spielen führt er sie vors Thor Und läßt den Drachen steigen; Die Knaben jubeln froh empor. Die Mägdlein staunen und schweigen. Er schaut so selig lächelnd drein; — Dann faßt er der Mägdlein Hände Und tanzt mit ihnen Ringelreihn Bis vor das Rebgelände. Dort hat er ihnen hingehängt Zur süßen Kost die Traube; Da kommen auch herangesprengt Die Knaben zu der Laube. Es steht davor der Apfelbaum; Drin hat er aufgehangen Die rote Frucht mit weißem Schaum, Die reizte ihr Verlangen. Da läßt er gleich den Sausewind Zum Gipfel des Baumes steigen, Der schüttelt den Knaben ganz geschwind Die Früchte von den Zweigen. Und gestern fragte Hänschen Tropf, Ob er auch Kirschen hätte; Da warf er Nüße ihm an den Kopf Und in das Haar die Klette. 5. Wie glänzt das freundliche Auge König Herbst Wie glänzt das freundliche Auge Des alten Königs so matt! Aus seiner Blätterkrone Sinkt leise Blatt um Blatt. Wie ist so ernst geworden Der lustige Sausewind! Wehklagend spielt er die Orgel, Dann weint er wie ein Kind. Dann fährt er in Verzweiflung Wild durch die Wipfel daher: — Der alte König will sterben, Das schmerzt ihn gar zu sehr! Dann stürmt er gegen die Wolke: — Da sitzt auf des Herbstes Thron Der alte Despot, der Winter, Als neuer König schon! Der Herbst liegt im Verscheiden, Wird blässer — und wird blass: — Da keucht der Winter hernieder Mit dem eisigen Boreas! Laßt mich! Laßt mich meine kranke Seele baden In der kühlen Flut der dunklen Nacht! Und als Arzt sei mir der Schlaf geladen, Der mir Himmelsbalsam oft gebracht! Nächtlich wird er meine Seele heilen, Die verwundet von des Tages Pfeilen. Laßt, o laßt mich mit ihm ganz alleine! Schließt die Thüren, hängt die Fenster zu, Daß ich noch, bevor er mir erscheine, Eingetaucht in kühlen Fluten ruh! Heiß und heißer brennen meine Wunden, Tückisch eingebohrt und unverbunden. Schlaf, du bist der beste Arzt dem Kranken, Dem zur Neige geht des Lebens Wein! — Laßt mich ihm den süßen Wahn verdanken, Ungestorben und doch todt zu sein! Ihm im Arme laßt mich leben dürfen Und Vergeßenheit des Todes schlürfen! Rosenzeit und Todesleid 1. Rosenzeit, wie bist du doch Schnell dahingegangen! — Deine Düfte streiften noch Gestern meine Wangen. Rosenzeit! — Der Rosen zwei Hat sie mir gebrochen Und die Finger sich dabei An dem Dorn zerstochen. Als sie mir die Rosen bot, Die sich weiß erschloßen, Sind von ihrem Blute rot Perlen drauf gefloßen. Weißer Grund bei jenem Rot Du bist zu vergleichen Ihren Wangen, da ich bot Ihr das Liebeszeichen; — Ihren Wangen, da ich bot Ihr das Liebeszeichen, — Ihren Wangen, weiß und rot, Die nun mußten bleichen. — 2. Der Thürmer bläst vom Thurme Ein Todtenlied herab, Die Blätter wehn im Sturme Um meiner Liebsten Grab. Die Blätter wehn im Winde Und wirbeln um mein Haus; — Wie zog doch so geschwinde Mein ganzes Glück hinaus! — Schön ist die Nacht! Schön ist die Nacht nach heißem Sommertage, Wenn kühle Lüfte durch die Wipfel rauschen; Schön ist die Nacht, wenn wir im Rosenhage Mit unsrer Liebsten süße Küsse tauschen; Schön ist die Nacht, wenn wir beim Festgelage Im Saft der Reben fröhlich uns berauschen; Am schönsten ist die Nacht, die wir im Hafen Des Friedens sanft verschlafen! — Abendstunde Frühe Morgenstunde Hat im Purpurmunde Gold und Rosenschein; Aber, späte Abendstunde, Aus des Herzens tiefstem Grunde Lieb ich dich allein; Denn mit dir ist Ruh im Bunde, Frieden im Verein, Und auf Schwingen der Nacht Hast du oft mir gebracht Poesie und — Wein. Oderfahrt Wir fuhren im Oderbote, Die Andern, ich und du, Bei flammendem Abendrote Den fernen Mauern zu. Ein Duften rings und Prangen Von Blüten rot und weiß! Die Nachtigallen sangen So süß, so liebesheiß! Ich blickte zum blühenden Strande Und blickte zu dir zur Seit', Da wußt ich: im Schlesierlande Bist du die holdeste Maid! Die Andern nach lustiger Weise Sangen ein Lied im Chor; Du aber lispeltest leise Mir liebliche Dinge ins Ohr. Du sprachst von schlesischen Liedern, Von Zwergen und Rübezahl; Ich lauschte und pries im Erwiedern Schlesiens Berg und Thal. Da tönten vom Ufer Geigen, Die Andern fielen ein: „Ach, wenn du wärst mein eigen, Wie lieb sollt'st du mir sein!“ Im Bann des Cölibats Wo heimlich der ruhelose, Der junge Priester steht, Da ruht eine Mädchenrose Todt unterm Rosenbeet. Daß sich ihre Seelen fanden In namenloser Lust, Sie haben sich's niemals gestanden, Und niemand hat es gewußt. An den Schlaf Du bist mir untreu geworden, Freund meiner Jugend, Süßer Schlaf, Der du allabendlich sonst mich besuchtest Zur guten Stunde Und mich in deine Arme nahmst, Damit ich an deiner Brust Vergeßen möchte Das kleine Leid des Tages! Du wischtest der Wehmut Thräne Von der Wange des Jünglings Und lulltest seinen Schmerz ein; Du warst ein Tröster Wie keiner mehr. — Und wenn Freude mein Herz schwellte, Dann zögertest du, Bis die Wogen der Wonne Gelinder wallten, Bis die schwärmende Schar Der Freudengenoßen Davongezogen; Dann tratest du still und bescheiden herein, Mir luftige Bilder Im Spiegel des Traumes zu zeigen. Du bist mir untreu geworden, Freund meiner Jugend, Süßer Schlaf! Und an der Stelle, Wo du sonst niedersaßest Vor Mitternacht, Da kauern jetzt Zwei wichtigthuende, Weh und Wonne verkündende Weiber Von zweifelhafter Herkunft. Das eine, im grauen Gewande, Ruhelos raunend In mein Ohr Alte Geschichten Von vergangenen Tagen, Die nicht gut waren: Das ist die Erinnerung Im grauen Gewande, Hoch und hager Und hohläugig. — Und zur andern Seite kauert Das andere Weib Im scharlachroten Kleide Mit buhlerischem Blick; Sie flüstert mir leise Von lieblicher Lust, Von glänzendem Glück In künftigen, wonnigen Tagen. Und kehr ich mich ab, Zu lauschen der andern, Dann zischelt sie in mein Ohr: „Zweifler!“ Und zögert nicht zu zeigen Ihre verborgenen Reize: Das ist die Hoffnung Im scharlachroten Kleide Mit buhlerischem Blick. — Du bist mir untreu geworden, Freund meiner Jugend, Süßer Schlaf! Wo weilst du? — — Wehren die Weiber Deinen Eintritt bei mir? Oder fliehst du vor ihnen, Die mich umgarnen Mit ihrem dunklen Wesen? Freund meiner Jugend, Süßer Schlaf, Kehre wieder! Kehre wieder Und wehre ab von mir Die ruheraubenden, Dämonischen Weiber Und sitze nieder An meiner Seite, Und laß mich legen Mein Haupt an deine Brust, Wie ehemals, Freund meiner Jugend, Süßer Schlaf! — Suchen und Verfehlen Das Mägdlein kam vom Reigen Wohl auf den grünen Plan, Nahm's Röselein vom Mieder Und blickte trauernd nieder Und sprach's mit Thränen an: „Was soll dein stilles Glühen, Was soll mir deine Zier? Ach von den Hirten keiner Verlangt, mein Röslein, deiner: Stirb unbegehrt, gleich mir!“ Und aus den blassen Händen Röslein zur Erde sank. Sie ging mit schwankem Schritte Nach ihrer öden Hütte Einsam den Pfad entlang. Der Knabe kam gegangen, Sah's Röselein am Plan; Hat's schnell emporgenommen, Steckt's an die Brust beklommen Und hub mit Seufzen an: „Schön war gewiß die Dirne, Die, Röslein, du geschmückt, O glücklich sonder Gleichen, Hätt' Eine dich beim Reigen Mir in die Hand gedrückt!“ Die Skieläufer „Wer klopft so eilig und mit Macht An meine Thür in später Nacht? 's mag ein verirrter Wandrer sein! Du ärmster Mann, tritt hurtig ein!“ Er legt die Arbeit schnell zur Seiten, Ergreift den Kieferspan mit Hast Und eilt, in's niedre Haus zu leiten Mit frohem Gruß den fremden Gast. Der Riegel knarrt, er tritt hinaus, — Er steht gelähmt vom nächt'gen Graus, Die Leuchte seiner Hand entfällt: Er sah vom Feind das Haus umstellt. Schnell greifen ihn vier kräft'ge Arme Und zieh'n ihn von der Schwelle fort; Und einer aus dem wilden Schwarme Giebt ihm das unwillkomm'ne Wort: „Du führst uns den verborg'nen Pfad Hoch über den Kiölengrat Zur nächsten Stadt in Norreland; Denn wider sie ist unsre Hand.“ Doch er mit männlichem Erröthen: „Unmögliches verlanget ihr! Wann hielt's ein Normann mit den Schweden? Ihr kamt nicht vor die rechte Thür.“ Und sie mit wilder Ungeduld: „Ob ungern, oder ob mit Huld — Das gilt uns gleich! Du hast die Wahl Nur zwischen Geld und hartem Stahl. Ein nächt'ger Gang von wenig Meilen Befreit dich schnell aus aller Noth! Bleibst Du, so stirb! und mit dir theilen Dein Weib und Kind den Rachetod.“ Zusammen brach der kräft'ge Mann, Der Schweiß von seiner Stirne rann; Zwiespältig ringt in ihm der Geist, Bis sich empor der Normann reißt Und spricht das Wort voll Grimm und Schmerzen: „Ihr Jünglinge, vergelt' euch Gott, Daß ihr mit eines Mannes Herzen Treibt solch unmenschlich' Spiel und Spott. Wohlan! nicht um den eig'nen Leib, Nur um die Kindlein und mein Weib Füg' ich mich eurem harten Zwang: Den Sündensold ich nicht verlang'.“ Er wendet sich ins Haus und bindet Die Schneeschuh an den Knöcheln fest, Ergreift den hohen Stab und zündet Die Leuchte an dem Kohlenrest. Noch einmal fällt sein trüber Blick Auf seine Theueren zurück: Sie schlummern ohne Sorg' und Harm So selig, wie in Gottes Arm; Und leise spricht er seinen Segen; Dann tritt er vor den Kriegerzug, Er schreitet aus, und rasch entgegen Dem Hochgebirge geht's im Flug. Da saust der Skie, da stäubt der Schnee, Aus braunen Nebeln schwankt die Höh'! Vorüber fliegt im Geisterreih'n Der Wassersturz, der Fels, der Hain. Im Schwung und Sprung auf glatten Sohlen Durchbraust der Hauf' die Winterflur, Es keucht der Sturm, ihn einzuholen, Und tilgt die flücht'ge Menschenspur. So durch der Schluchten Doppelnacht Zur Höh', wo die Lawine kracht, Und ob des Gießbachs schwanken Steg Führt er sie den verborg'nen Weg. Dem matten Scheine der Laterne Folgt keck der rasche Kriegerhauf', Und endlich hebt sich in der Ferne Die schwerbedrohte Stadt herauf. Dort liegt sie, — einsam Thurm und Thor, Kein Lichtlein schimmert daraus hervor, Und wie die Wolke trüb und schwer Liegt Mitternachtsschlaf drüber her. — Er sieht's mit Gram; hört die Bedränger Jetzt kühner stürmen durch das Feld; Merkt, wie der Feind sich immer enger An seine flücht'gen Fersen hält. Er schaut hinüber, schaut zurück, Und alles flirrt vor seinem Blick; Es ruft aus jedem Busch und Rohr: „Normann, halt ein! was hast du vor?“ Da muß er vor sich selbst erbeben, Er seufzet, bis zum Tode matt: „O Herr, nimm hin mein schuldig Leben, Errette nur die gute Stadt!“ Ihm ist, als hab' es Gott bejaht, Und kühn erwächst ihm Will' und Rath. — Dort läuft den steilen Bergeshang Ein hoher Tannenwald entlang. Ein Pfad lockt in die Waldeshalle, Der dichtumschattet abwärts führt, Und unversehns in jähem Falle Im tiefsten Abgrund sich verliert. Den schlägt er ein, die Hand auf's Herz, Das feste Auge himmelwärts, Fliegt er des Wegs zur Felsenwand Und stürzt sich von des Abgrunds Rand. Noch flammt die Leuchte im Gesträuche, Die Schweden folgen ihrem Schein: Und drunten deckt des Normanns Leiche Der Feinde zuckendes Gebein. Bruder Franzisco Allabendlich, wenn sich die Sonne neiget, Tritt aus des Klosters San Martino's Mauern Franzisco schweigend hin auf den Balkon. Mit seiner här'nen Kutte spielt der Wind — doch achtet Er nicht darauf — den Finger im Brevier, Läßt er die Blicke in die Berge schweifen. Dann aber blickt er nieder zu der Stadt Und auf Neapels Häusermeere ruht Sein Auge nun — der Brust entsteigen Seufzer. „Was hast du denn, geliebter Bruder Franz, Des Klosters jüngster und mir doch der liebste?“ Franzisco neigt das Haupt, sein Auge schweift, Kaum daß er's abgewendet, eilig wieder Zum Golfe hin — „dort jenes kleine Haus“ — — „Geliebter Bruder Franz?“ — „Ave Maria!“ Bitte O komm und ruhe bei mir aus, An meinem Herzen halte Rast. So lange Zeit trieb's dich hinaus, Nun sei daheim willkomm'ner Gast. In eines Weibes treuen Armen Erblühe dir ein Paradies; An meiner Brust wirst du erwarmen; — O bleibe bei mir und genieß! Genieße, was der Augenblick In tiefer Stille uns bescheert; Nicht ferner zürne dem Geschick, Das oft die Lust in Pein gekehrt. Dir ward die Palme früh verliehen, Und wenn du je gefehlet hast, Hat Liebe dir voraus verziehen — Nun komm' und halte bei ihr Rast! Ich will dir aus vergangner Zeit Erwecken die verklungne Lust; Erinnern an erlosch'nen Streit Bring' holdes Leben deiner Brust. Den kleinsten Harm will ich verküssen, Und eine Welt voll Seligkeit Soll herrlich uns erstehen müssen. O komm' — o komm', ich bin bereit! — Endlich doch So bist du endlich doch gekommen Mit Sonnenglanz und Blüthenpracht, Und hast die Nacht von mir genommen, Die mich so kummervoll gemacht. O Lenz der Liebe! Deinem Drängen Ergiebt sich die befreite Brust; Ausströmt in seligen Gesängen Das Übermaß der Himmelslust! Wer sie vernimmt, bleibt lauschend stehen; Und wie von süßem Duft berauscht, Wird er beglückt von dannen gehen, Als hätt' er Kuß um Kuß getauscht. Ol Moder an't Spinnrad Ol Moder sitt an't Rad un spinnt Un sinnt un sprickt halwlud: „So spinn ick nu all mennig Dag För di, mien lew Gertrud!“ „Dien Hochtieds-Dag is vör de Döhr Un kommt all rasch ran, Hef nicks to Utstüer, lewes Kind, As wat id spinn'n kann.“ Dat Rad ward jümmer liser gahn, As wenn dat nich mehr will, De Hann sackt dahl, — de Fadn ritt, — Dat Moderhart steiht still! Mien Schleswig-Holsteensch Vaderland Mien Schleswig-Holsteensch Vaderland Du büst doch richti schön! Wo sünd de Bökn woll so slank, De Wischn woll so grön! Wo waßt so prächtig Korn, as hier, Wo is so blank dat Veh, Wo pett de Köh woll so, as hier, In Klewer bet an't Knee! Is Wohlstand süns so allgemeen, Un Armoth unbekannt, Höert'n von Unglücksfälln süns So wenig innen Land? Lewt hier nich rech en körnig Volk, Von Hart'n god un tru, Finnt wo en jungn Kerl inswo För sick en beter Fru? Un doch, mien lewes Vaderland, Fehlt leider di een Stück, Dormit ick freidig seggn kunn, Vollkommen is dien Glück! Dat is de Fredn in dien Hus, Denn de is leider stöert, Sietdem man Demokratnvolk Hier raisonneeren höert, Dat Allns, wat uns heilig is, Antast mit Munn un Hand, Un Twiespalt weckt mit alle Macht In unser Vaderland. Glöw mi, den oln truen Fründ, Dat Slag het Legs in Sinn Un lockt mit sien gottlosen Snack Di in dien Unglück rin! Verslutt dien Ohr, wo düt Volk red Un höer op Gottes Wort, Denn wat uns' Herr in Himmel is, De blifft de wahre Hort! Wer an em glöft, op em vertrut, De hat den wahr'n Stab, De em dört ganze Lebn dehnt Bet an dat stille Grab! Junges Paar auf Reisen Wir tragen unser junges Glück Hoffend hinaus in's Land, Und dann als ew'ges Gut zurück, Was Eins im Andern fand. Des Tages Wandern, Abends Ruh', Nur Liebe um und um, Du küssest mir die Augen zu, Ich dir die Lippe stumm. Wie ist so anders doch die Flur, Mit deinem Aug' gesehn, Wie spendest du mir der Natur Tiefinniges Verstehn! Und ob uns keine Seele kennt, Uns ist es kaum bewußt, Und was man Glück auf Erden nennt, Das wohnt in unsrer Brust. Uns ist die Welt mit ihrer Zier Als wie ein Haus bestellt, Und heimgekehret finden wir In unserm Haus die Welt! Noli tangere! Drängt euch nicht mit kühlen Fragen An ein frisch genesend Herz, Laßt es still zu Grabe tragen Seine Todten, seinen Schmerz. Unter Thränen bricht der Triebe Eigensücht'ger Widerstreit, Und der Glaube, wie die Liebe Reift nur in der Einsamkeit. Doppelt freut euch dann die Heilung, Findet ihr es neu erfrischt, Daß ihr nicht in Übereilung Euch in seinen Kampf gemischt. Hollunderstrauch Hollunderstrauch! Durch deine Blüten geht Der Maiwind kosend wieder, Und grüßend auf mich nieder Ein süßes Duften weht, Wie eines Kusses Hauch, Hollunderstrauch! Hollunderstrauch, Wie weh' thust du mir auch! Willst du mir mahnend sagen, Wie Sie in sel'gen Tagen In deines Schattens Hut Mir traut im Arm geruht, Hollunderstrauch? Hollunderstrauch, Ein And'rer bin ich nun, Denn Sie ist fern, so ferne, Und ihre Augensterne Verlernten längst den Brauch, Sich liebend aufzuthun, — Hollunderstrauch! Hollunderstrauch! — All' Glück ist nur wie Rauch! Jetzt blühst du sangdurchschmettert, Doch wenn du stehst entblättert, Umweht vom Herbsteshauch O dann verstehst du's auch, Hollunderstrauch! Ich stand gelehnt am Leichenstein Ich stand gelehnt am Leichenstein Am Allerseelentag, Von hundert Kerzen lichter Schein Auf all den stummen Gräbern lag. Ich dachte, wie viel Glück und Schmerz Hier tief begraben liegt, Wie manches sturmbewegte Herz Auf ewig ward zur Ruh' gewiegt. Da gingst du still vorbei an mir, Ich sah dir in's Gesicht, Und eine Thräne blitzte dir Im Aug', bestralt vom Kerzenlicht. Im tiefsten Herzen hat sich da Ein Grab mir aufgethan, Und die gestorb'ne Jugend sah Aus deinem Aug' mich lebend an. Ins Auge deinem Kinde Lähmt dir die schwerste aller Ketten, Die Alltagsnot, des Geistes Kraft, Hast du, die Deinen warm zu betten, In Sorgen Tag und Nacht geschafft, Und naht kein Hoffnungshauch, der linde Das bange Vaterherz durchweht, Dann schau' ins Auge deinem Kinde, Das kräftigt dich, wie ein Gebet! Wenn dich ein falscher Freund verraten, Dem du vertraut in Lust und Leid, Wenn deines Lebens beste Thaten Verläumdung dir entstellt und Neid, Und wenn die Welt ringsum, die blinde Dein treustes Wollen nicht versteht: Dann schau' in's Auge deinem Kinde, Das tröstet dich, wie ein Gebet! Und denkt dein Herz in bittrer Reue, Wie kalt du fremdes Glück zerstört, Wie du das Wort der Lieb' und Treue In eitlem Wahn oft überhört, Legt sich der Schmerz wie eine Rinde Um's Herz dir, daß es fast vergeht, Dann schau' ins Auge deinem Kinde, Das läutert dich, wie ein Gebet! Fränkisches Schaumweinlied Löst des gefesselten Geistes Bande, Haltet die blinkenden Kelche bereit, Und von dem überschäumenden Rande Schlürft aller Leiden Vergessenheit! Duftige Blume des fränkischen Weines, Lieblich durchgeistet, thue dich auf, Steig' aus der Tiefe, demantenen Scheines, Perle des deutschen Gemütes herauf! Künd' es, indem du mit Wonne durchflammest, Trunkene Seelen von Nah und Weit, Daß du dem deutschen Boden entstammest, Wo alles Edle so herrlich gedeiht! Tiefere Weisheit, du perlender Schaumwein, Lehret der Weisen Weisester kaum, Lehrst den Versunk'nen ein seliges Traumsein: Schaum ist das Leben, das Leben ist Schaum! Ezzelino I. Im Prunksaal auf stolzem Sitze Ist der Podesta zu schau'n, Die Augen lodern wie Blitze Unter den dunklen Brau'n. Die Tochter ihm zur Seite Mit eiserner Hand er faßt, Daß sie zu Boden nicht gleite Unter des Jammers Last. Vor ihm steht, senkend das Auge, Ein Jüngling, noch Knabe halb, Von des jähen Schreckens Hauche War ihm die Wange falb. Es rief der Podesta mit Beben: „Dir steht so hoch dein Sinn, Ein herrlich ritterlich Leben Sei deines Strebens Gewinn. Mit Zauberkünsten beschworen Hast du die Tochter mir, Nicht war sie zu hoch geboren Deiner flammenden Gier. Du bist ein Knecht nur freilich, Doch was fragt die Liebe darnach? Der Tochter zu lieb ertheil' ich Noch heut' dir den Ritterschlag. Ihr Diener, ergreift ihn zur Stunde Und thut nach meinem Geheiß, Ganz Padua hör' die Kunde, Wie ich Treue zu lohnen weiß. Dann, edler Ritter, dann reite, Ein Esel dein stolzes Roß. Ein Bratspieß als Schwert dir zur Seite Die Meute dein Dienertroß. So hetzt ihn durch Paduas Gassen, Am Thore haltet ihr still, Dann mögt ihr ihn ziehen lassen, Wohin sein Fluch es will!“ Die Diener ihn zögernd greifen, Stolz ruft er: „Laßt mich, — ich geh'!“ Noch einmal, wie brechend, sich streifen Vier Augen voll Liebesweh! Ins Schloß die Pforten fallen, Die Tochter zusammenbricht, Der Vater verläßt die Hallen, Wendet sein Auge nicht. II. Im Prunksaal auf stolzem Sitze Ist der Podesta zu schau'n, Die Augen lodern wie Blitze Unter den dunklen Brau'n. Die Tochter ihm zur Seite Mit eiserner Hand er faßt, Daß sie zu Boden nicht gleite Unter der Wonne Last. Vor ihm steht in fürstlichem Prangen Ein Mann, gewaltig und mild, Die Blicke sehnend umfangen Das liebliche Frauenbild. „Podesta, erkennt Ihr den Knaben? — Seit jenem entsetzlichen Tag Auf manchem Schlachtfeld begraben Hab' ich die blutige Schmach. Die empörten Lombarden, sie lagen Am Boden, gebändigt durch mich, Da hat mich zum Ritter geschlagen Der deutsche Friederich. Ich hab' es mir mutig erstritten Mit Thaten, das trotzige Glück, Als Knecht bin ich fortgeritten, Als Herzog kehr' ich zurück. Darf nun ich die Augen erheben Zu der herrlichen Jungfrau hier? Wollt Ihr sie zu eigen mir geben, Die Krone theil' ich mit ihr!“ „Wol magst du sie haben zu eigen Und theilen die Krone mit ihr, Doch zuvor erst will ich mich neigen, In Demut, mein Herzog, vor dir!“ Da sprang er empor vom Sitze, Umfaßte die Tochter und stieß Ins Herz ihr des Dolches Spitze: „Sieh, Herzog, Dein Weib ist dies!“ Ezzelino, zu Boden sinkt er, Hemmt nicht der Thränen Erguß, Aus den brechenden Augen trinkt er Den letzten Liebesgruß. Er küßt ihr das Leben vom Munde, Dann geht er schweigend hindann, — Und herrscht von dieser Stunde Als Padua's Tyrann. Meinen Kindern Ihr gemahnt mich, meine Beiden, An den raschen Flug der Zeit; Haare schwarz und goldig seiden, Und die meinen grau beschneit. Möchtet ihr, — der Wunsch nur eben Leise durch die Brust mir bebt, — Was ich leicht geträumt, erleben, Träumen, was ich schwer erlebt! An meine Lampe Welch eine Welt hältst du umschlossen Mit deines sanften Lichtes Kreis: Voll Thränen, tiefstem Leid geflossen, Voll Wonnen, davon ich nur weiß. Du leuchtetest der hohen Stunde, Da mir das erste Lied gelang, Du sahst es, wie mein Herz, das wunde, Nach Trost und Frieden zitternd rang. Warst Zeugin, wie in stillen Nächten Mein Aug' in heil'gem Zorn geblitzt, Da ich zum Kampf mit finstern Mächten Des Todes scharfen Pfeil geschnitzt. Sahst, wie im kleinen Freundeskreise Der Becher in die Runde ging, Und wie ich, lauschend ew'ger Weise, An hoher Geister Munde hing. Du sahst es, wie mich die Erkor'ne, Die Holde liebend reich gemacht, Wie mich mein Glück, das neugebor'ne, Aus Kindesaugen angelacht; Wie auf des todten Lieblings Stirne Dein Schimmer zitternd niederrann, Und wie ich oft mit müdem Hirne Treu für die Meinen sorgt und sann. Wohl mögen glückverwöhnte Spötter Verachten dich, du schlicht Geräth, Fromm ehret meines Hauses Götter Bei deinem Scheine mein Gebet. Welch eine Welt hältst du umschlossen Mit deines sanften Lichtes Kreis, Von Thränen, tiefstem Leid geflossen, Von Wonnen, davon ich nur weiß. Anna. Einer Braut Ich sah dein Bild aus Kindertagen; Wie waren da so still und groß Die blauen Augen aufgeschlagen, Als wollten sie mich forschend fragen: „Was ruht in meiner Zukunft Schooß?“ Nun ich dir selbst ins Auge schaue, Blitzt es so wundersam daraus, Als ob's von selgen Thränen thaue, Und drüber spannt sich noch der blaue Tiefklare Kinderhimmel aus. Und ob dein Mund es auch verhehle, Du wehrst umsonst, daß lusterglüht Dein treues Auge mir erzähle, Wie deine liebe reine Seele Für Einen liebend aufgeblüht. O gib das Bild aus Kindertagen Dem Einen, der dein Herz gewann, Daß ihn die blauen Augen fragen: Wohl dir und ihm, wenn ohne Zagen Er ihnen Rede stehen kann! Otaheiti Es werde Licht! Der Ruf durchtönt das All, Und tausend Welten tönen Wiederhall. Und tausend Welten, die in öder Nacht, Entfalten sich zur tageshellen Pracht. Es zuckt der Strahl, es leuchtet rothe Gluth. Jetzt erst erkennt der Schöpfer, daß es gut, Daß gut das Werk, das der gewalt'ge Ruf Aus leerem Nichts zum ew'gen Sein erschuf. Im Lichte lebt und webt die Kreatur, Im Strahlenglanze färbt sich die Natur, Es leuchtet goldig gelb der Küste Sand Ins dunkle Meer, indeß das ferne Land Erst grün, bald bläulich schwindet und die Höhen Von Schnee erglänzen. In den dunklen See'n, Da spiegelt sich des Himmels ganze Pracht. O Himmelsbläue, die so herrlich lacht Im schönen Süd'; es zieht des Herzens Sehnen, Wo die Erinnerung schwelgt. In fahlen Tönen Umgiebt mich hier des Nordens rauhes Bild. Wie denk' ich dein o Süd', so schön und mild! Noch war es Nacht, der Silhouette gleich, So lag vor uns ein zackig Inselreich. Auf spiegelglatter Fläche zog das Schiff. Ein fernes Brausen vom Corallenriff Gebot uns Vorsicht. Stern an Stern verschwand Am Firmament und vor uns war die Wand Von mattem, weißem Zwielicht schon umgeben. Noch starr und farblos ohne jedes Leben, Hob sich der Berge Haupt gigantisch, riesengroß; Doch mit dem Licht riß Fels und Kluft sich los, Getrennt durch Schatten noch. Jetzt zuckt ein Strahl Vom Tagsgestirn, und vor uns zeigt das Thal Vergoldet Grün in dunkelblauer Fluth, Der Brandung Gischt, des Aethers farb'ge Gluth, Des Eilands Spiegelbild in Wölkchen hundertfach. Wer blieb noch kalt? Aus jeder Brust ein Ach Ertönt am Bord! Wohl sah den ersten Strahl Des Sonnenlichts im waldbegrenzten Thal Auf Bergeshöhen ich. Am fernen Wüstensaum, Auf offnem Meer, auf unbegrenztem Raum Sah den Coloß ich seinem Bett entsteigen, Doch nie wie heut'. Es muß die Lippe schweigen. — Taheiti du! O wär' die Lyra mein, Die in des edlen Franken Hand erklungen, Der einst, wie ich, von deinem Reiz bezwungen, Dich sah, wie heut', beim ersten Tagesschein, Wie anders würde heut' mein Lied verkünden, Daß in der Welt kein Eiland sei zu finden, An Pracht und Schönheit deinen Reizen gleich, Du Perle Du, Du schönes Inselreich! — Laut donnernd über Riffe schäumt das Meer, Die eine Mauer bilden rings umher, Und eng das kleine Eiland schließen ein, Als sollten sie der Insel Feste sein, Dem freien Volk ein sich'res Unterpfand, Daß nie des Eigennutzes schnöde Hand Voll roher Gier, nach dem Besitz bewegt, Den Völkermord nach diesem Eden trägt. Doch ach, umsonst war Riff und salz'ge Fluth, In Strömen floß der Männer bestes Blut, Als sich der Franken wohlbewehrtes Schiff Einst nächtlich stahl durch den Corallenriff. Nicht feige, um der Knechtschaft schnöden Lohn, Ergab sich Otaheiti's edler Sohn. Manch' Jahr verging, das tödtliche Geschoß, Dem Franken war's ein siegender Genoß. Wie färbte sich das Grün der Rasen roth, Die Männerschaar, sie starb den Heldentod, Den schönen Tod fürs Vaterland. Nun weh'n Der Franken Fahnen von der Insel Höh'n. Rings an den Saum des Meers im Halbmondkreis, Nicht weit, wo man Point Venus nennt die Spitze, Da leben still, im traulichen Besitze Der kleinen Häuschen, die in schlichter Weis' Geschaffen man aus Bambus und aus Brettern, Vor Sonnengluth ein Schutz und jähen Wettern, Der Franke und Neuenglands Sohn vereint. Friedfert'gen Sinns, so sucht der einst'ge Feind Des Wilden Freundschaft, giebt ihm Schmuck und Tand Und was die Schiffe aus dem Heimathland, Zur Lust und Zier des Otaheitiers, bringen. Wohl hängt sein Herz, dem unsern gleich, an Dingen Von äußerm Glanz. Er kennt die Sorge nicht Um Leibesnahrung. Jegliches Gericht, Nach dem der Inselsohn nur trägt Verlangen, Beut ihm sein Land. An hohen Palmen hangen Die süßen Nüsse, die gefüllt mit Saft; Der Brodfruchtbaum giebt ihm des Körpers Kraft, Bananen wachsen wild auf leichten Höh'n. An Fischen reich sind Flüsse hier und See'n. Papäiti wird die Colonie genannt. Ein Kreis von schatt'gen Gärten rahmt sie ein. Wo weiterhin gedrängt am Meeresstrand Die Bambushütten stehen, zieht ein Hain Von Cocuspalmen sich zur Höh' hinauf, Von der herab manch' kühler Bach den Lauf Zum Meere nimmt. Dicht an der Bucht Wächst der Guavabusch mit säftereicher Frucht; Der Kaffeebaum und die Orange dort, Die edle Frucht, der schönen Insel Hort, So goldig gelb, so voller Wohlgeschmack. Bis zu den Hügeln hin steht gelblicher Taback, Der grüne Bambus und die Ananas, Kakteen, Schlinggewächs und Alles, was Nur Raum gewinnen kann. Bis zu den höchsten Höh'n Zieht sich das Grün, ein Chaos, doch wie schön, Ein Schmuck von seltner, auserles'ner Pracht, Mit dem Natur die Tropenwelt bedacht. Von allen Wundern, die Natur zum Zoll Dem Eiland bringt, von dem das Herz noch voll In der Erinnerung schwelgt nach manchem Jahr', Gedenk' ich Dein, Taheitis Mädchenschaar, Der Schönen, die an Wuchs den Palmen gleich, Im Blumenschmucke wie aus Flora's Reich, Der Augen dunklen Gluth, verheißend süße Lust, Der schwarzen Lockenzier, der sanftgeschwellten Brust, Der Formen, die sich durch Gewänder schmiegen, Die faltenreich die schlanken Glieder decken, Der Lippen, die so holde Sehnsucht wecken, Zum Kusse süß geschwellt und so verschwiegen! Unstät zog mich des Wandertriebes Macht, Zu schau'n des Eilands Paradieses-Pracht, Am Meeresstrand und durch der Wälder Grün. Nach Allem, was nur sehenswerth mir schien, Lenkt' ich den Fuß. Auf hohen Bergeshöh'n Hab' ich geruht, wie an den blauen See'n. Ich sah den Fluß im Regenbogenstrahl Sich stürzen in das wiesenreiche Thal. Dort von den Höh'n, die noch kein Fuß betrat, Brach jäh der Sturzbach sich den wilden Pfad. Ich stand an Tinauwairas Höllenschlund. Die Geisterhöhl', so nennt des Volkes Mund Die weite Kluft, das kühle Höhlengrab, In das der Blick taucht in die Nacht hinab. Bis dort, wo sich ein schmaler Isthmus findet, Der Otaheitis Inselpaar verbindet, Bis zu dem Paß lenkt' rüstig ich die Schritte Trotz Tropengluth. Da ist Taheiti's Mitte. Dann aber zog's mich zu den Freunden wieder. Schon sank im Fluthenbett die Sonne nieder, Als an bekannter Stätte ich mich fand. Bald schien die Hügelkette mir bekannt; Die weite Bucht, nicht konnt' das Aug' sich trügen, Die Schiffe dort, sah ich Papäiti liegen, Die Häuschen all', die gastlich mich geschützt. Dort wo Eimeo liegt, ein Strahl noch blitzt Und läßt des Tobreonus Haupt erglänzen Im Abendschein. Schon hört mein Ohr Gesang Von Mädchenmund. Bei einer Geige Klang Dreht sich die Schaar in leichten, üpp'gen Tänzen. Und näher nun am Ziel bekannte Weise hallt Zu meinem Ohr. Viel' Schiffer sah ich bald, Gebräunte, aber fröhliche Gesellen. Ein Wallfischfänger, dem Magnet die Quellen Der schönen Insel und das lust'ge Leben, Hat heut im Hafen sich zur Rast begeben Nach langer Fahrt. Nach schönerem Asyl Trieb nie den Schiffer laun'ger Winde Spiel, Wo ihm an eines braunen Mädchens Brust Für seines Standes Mühsal süße Lust Gewährt das lauschige, verschwieg'ne Grün. Des schönen Tages letzte Strahlen flieh'n. Die kurze Dämmerung schwindet und die Nacht Senkt nieder sich mit ihrer ganzen Pracht. Das Sternenheer auf Meer und Insel breitet Sein Silberlicht. Von allen Schiffen läutet Der Abendglocke Klang. Bald Stille ringsumher. Ein fernes Brausen nur tönt durch die Nacht vom Meer, Dort, wo des Wassers ungestüme Wellen Im steten Kampf an dem Gestein zerschellen. So schlummere denn, mein Otaheiti du! Ein milder Himmel wacht ob deiner Ruh', Hell scheint das Sternenkreuz durch deine Nacht. Doch jeder Reiz von deiner Tropenpracht Soll sich als Bild durch meine Träume winden; Im Geiste seh' ich dich, ob auch die Jahre schwinden. Ich denk' an dich, wie an verfloss'ne Zeiten, Die sonnig schön der Seel' vorüber gleiten, Wie an der Jugendliebe seel'ge Stunden, Wo höchstes Glück das Herz zuerst empfunden. Wie schön bist du, welch' Eiland ist dir gleich Im weiten Meer, du lieblich Inselreich! — Der Tod für's Vaterland Erhellt vom Silberlicht des Vollmondscheins, Stand Zelt an Zelt gereiht, wo sich der Weg Nach Capua, dem prachterfüllten, zieht. Die Nacht war still, es schritten schweigend nur Die Wächter einsam, ihre Wehr im Arm, Die lange Reih' der Zeltengasse durch, Hinüber spähend, dort wo Latiums Volk, Von Siegen träumend, noch des Schlummers pflog. Im Mantel eingehüllt, im Feldherrnzelt Lag ruhend Decius, der Consul Roms, Der besten einer der Quiriten, zwar Vom Stande der Plebejer nur, doch glich Kein and'rer Bürger ihm im weiten Rom An hohem Muthe und des Herzens Werth. Kein fester Schlaf, der Leib und Seel' erquickt, War's, was ihn also auf dem Lager hielt; Ein Schlummer fesselte des Helden Sinn. Sein Denken, das ihn eben noch hinaus Zu seinem Heere und zum Kampfe zog, Zum wilden Schlachtgewühl des künft'gen Tag's, Ward bald umgauckelt durch ein Traumgesicht. Ein seltsam Bild. Ihm war's, als ständ' vor ihm Ein Mann in leuchtend blankem Waffenschmuck, Das Antlitz lichterfüllt. Prophetisch sprach Die Traumgestalt: „Es sendet mich zu Dir Der hohe Götterrath. Beschlossen hat Das waltende Geschick, daß in der Schlacht, Der kommenden, dem Kriegesheer der Sieg Zu eigen wird, deß tapf'rer Feldherr sich Mit aller Feinde Schaar den Göttern weiht. Zwei Opfer sind begehrt, ein streitbar Heer, Sei es von Roma's oder Latiums Volk, Und von den Gegnern ist's das edle Haupt, Was das unwandelbare Schicksal will.“ Erwachend hob sich von des Lagers Pfühl Der Feldherr schnell. „Geleite, Lictor, mich, Zu Consul Manlius Torquatus' Zelt.“ Und schweigend schritten Beide durch die Nacht. Nicht fern, wo lagerte Torquatus' Heer, Dem Schreitenden entgegen kam ein Mann In jäher Hast. Es schwand im Morgengrau'n, Dem Schattenbilde gleich, des Eilenden Erhabene Gestalt. Doch Decius Erkannte bald den edlen Consul, den Zum Kriegsgenossen Rom ihm beigesellt, Den starren Feind latin'schen Übermuths. Nachdem nach hergebrachtem, schlichtem Brauch Das Consulpaar begrüßend sich genaht, Begann zu reden Decius, der Held: „Viel Heil und Segen über Roma's Volk, Es künden uns die Himmlischen den Sieg, Prophetisch ward die Weisung mir zur Nacht.“ Und Decius erzählt, was ihn der Traum In Bild und Wort zu Roma's Heil gelehrt. Und staunend lauschet Manlius dem Wort. Doch als verhallt der letzten Silben Schall, Sprach er: „O Kampfgenoß, den gleichen Traum Bracht' mir die Nacht. Ein schweres Opfer will Das ewige, das waltende Geschick. Doch willig weihe ich für Roma mich Den styg'schen Göttern. Sei es, Decius, Laß schwören uns bei der Quiriten Gott, Bei uns'ren Göttern all' im heil'gen Rom, Daß der von uns, deß Heeresflügel weicht Im Kampfesdrang vor Latiums Kriegesmacht, Zum Opfer sich den ew'gen Mächten bringt.“ Drauf Decius — „Du sprichst wie Roma's Sohn: Ihr Götter der Quiriten hört den Schwur. Wen Ihr begehrt von uns für Roma's Sieg, Weiht willig sich dem Vaterland und Euch, Euch, heil'gen Göttern, die ihr Roma schützt.“ Von beider Männer Lippen drang der Schwur Durch's Frühgewölk auf zu der Götter Höh'n. Mit biederm Händedrucke schied das Paar, Ein jeder wendend sich zu seinem Heer. Im Angesicht des Bergs, aus dem Gewölk Seit Urzeit her zum blauen Äther steigt, Am Fuße des Vesuv's, wo sich der Weg Hin nach dem Meere zieht, stand kampfbereit, Hier Latiums, dort Roma's Kriegesheer. Schon traf der Spieß, schon hob sich Schild an Schild. Das Schlachtgetös', der wilde Mord begann; Kein Fuß breit Raum gab Rom noch Latium frei. Da plötzlich wich, der Feinde jähem Drang Nicht haltend Stand, das Heer des Decius. Laut rief der Feldherr: „An Euch Göttern ist's, Zu schirmen Rom; Markus Valerius, Lehr', Priester, mich der Weihe Form und Spruch.“ Nicht fern vom Kampfgewühle ragt ein Hain, Den Himmlischen seit frühster Zeit geweiht, Deß grüne Eichenkronen schon gerauscht, Als Latiums Ahnen noch ein Hirtenvolk, Nicht ahnend seiner spätern Tage Ruhm. Nach jenem Haine, von dem Priester und Von der Lictoren Schaar geleitet, sprengt Auf schnellem Rosse Feldherr Decius. Vom Pferde steigend, hüllet auf Gebot Des Priesters er sich in ein Friedenskleid. Und jeden Brauch, der diesem Opfer frommt, Erfüllet er. Auf einen Pfeil sodann Setzt er den Fuß und spricht, das Haupt verhüllt, Mit lauter Stimme das Gebet, wie's ihn Marcus Valerius, der Priester, lehrt. Wild wogt die Schlacht und weiter rückwärts zieht In Decius erprobten Reihen sich Schon der Hastaten jugendliche Schaar. Da, wie der Schlachtengott auf weißem Roß, Von dem gabinischen Gewand umhüllt, Sprengt der geweihte Held ins Kampfgewühl. Den Sterblichen nicht gleichend, scheint er selbst Ein Rachegott, von überird'schem Licht Erstrahlend ganz. Vor Staunen starr, entwich, Des heil'gen Grauens voll, der Feinde Schwarm Und siegreich drangen Roma's Männer vor, Voran, den Tod aussäend, Decius. Nur sichtbar ihm, zog vor dem Helden her Die Göttin Roms. Wie lusterfüllt ein Weib In des Geliebten Aug' beseligt blickt, So lächelte sie dem Geweihten zu, Und mächtig wuchs durch diesen Liebesblick Des Decius Herz. Erschlagen deckten bald Die Männer Latiums das blut'ge Feld, Und vorwärts drang begeistert Roma's Macht. Als pfeilbedeckt der edle Decius fiel, Da war des röm'schen Volkes Schmach getilgt, Vernichtet und besiegt der Feinde Heer. Von solchem hohen Muthe selbst besiegt, Gab den Geweihten Tellus willig frei. Die styg'schen Mächte leisteten Verzicht, Und Götterboten trugen zum Olymp Des Decius Seele, wo sie lichterfüllt Herniederstrahlet, kündend uns'rer Zeit, Daß frommer Wahn die Götter einst verehrt, Und was ein edler Held dem Vaterlande werth. Nutzloser Fund Ich streift' am Frühlingsmorgen So munter durch die Au — Da hatte sich's verborgen Im Grase zart und blau. Das erste Märzenveilchen! Es duftete so rein; Ich schaut' es an ein Weilchen — Es lud zum Pflücken ein. Und soll ich dich denn pflücken? Blüh immer fort in Lust! Kann doch mit dir nicht schmücken Eine geliebte Brust. Das Kind schläft Die Mutter lullt den Knaben Mit süßen Liedern ein; Er will's nicht anders haben, Sie muß am Bettchen sein. Wie kann's der Schelm nur wissen, Ob sie am Bette sitzt, Der kaum aus seinem Kissen Mit halbem Auge blitzt? Und wie er ohne Kummer Frisch athmend, rosig liegt! Das ist ein süßer Schlummer, Worein die Lieb' uns wiegt. Der Vater am Christabend Ei, wie wimmeln nur die Straßen Von den froh bewegten Mengen! Durch die dichtgereihten Massen Will sich auch ein Stiller drängen. Seht, ein Bäumchen in den Händen, Biegt er um des Hauses Ecke, Eilt, daß er das Werk vollende, Und zur Zeit es noch verstecke! Was nur will sein Lächeln meinen, Wie er zündet jetzt das Licht? Allen Jubel seiner Kleinen Trägt er schon im Angesicht. Der Kärner Einsam zieht der arme Kärner Hinter seiner Bürde her: O wie lastet's auf den Händen, Auf den Schultern — o wie schwer! Trauernd schaut er auf zum Himmel, Und beseufzet sein Geschick; Neben, vor ihm ziehen Leute — Wer gewahrt den Trauerblick? Muthig trabt der arme Kärner Hinter seiner Bürde her, Leichter dünkt ihm seine Mühe, Und doch lud er etwas mehr; Denn auf den gewohnten Waaren Sitzt ein Flachskopf fest und lacht; Ob wohl der dem armen Kärner Seine Mühe leichter macht? Beschränkung Kannst du das Schöne nicht erringen, So mag das Gute dir gelingen. Ist nicht der große Garten dein, Wird doch für dich ein Blümchen sein. Nach Großem dränget dich die Seele? Daß sie im Kleinen nur nicht fehle! Thu' heute recht — das ziemte dir; Der Tag kommt, der dich lohnt dafür. So geh' es Tag für Tag: doch eben Aus Tagen, Freund, besteht das Leben. Gar viele sind, die das vergessen: Man muß es nicht nach Jahren messen. Der Säugling Herr Friedrich auf der Wartburg sitzt Mit seinen Kampfgenossen, Ein Lanzenwald im Thale blitzt Und hält den Fels umschlossen; Der Herzog sieht's, der Herzog lacht, Wie man sein Land ihm streitig macht: „Die Wartburg steht noch feste — So wartet, liebe Gäste!“ Und droben perlet goldner Wein Und Alles lacht und scherzet — Sein neugebornes Töchterlein Der Herzog küßt und herzet. „Ihr Männer,“ ruft er jauchzend aus, „Zu Thale geht's, zum Gotteshaus — Nun gibt's ein tüchtig Raufen: Mir müssen's Kindlein taufen!“ Und früh am Morgen — horch! der Troß Herunterbraust vom Hügel, Voran der Herzog, hoch zu Roß, Im Hui, als hätt' er Flügel. Die Söldner stehn im Thal verdutzt, Der Hauptmann staunt, der Knappe stutzt — Dem Schweigen folgt ein Mahnen: „Ein Ausfall! Zu den Fahnen!“ Der Trommler muthig schlägt Allarm, Da sammeln sich die Scharen, Der Herzog ist mit seinem Schwarm Frisch zwischen sie gefahren. Bald Schwert an Schwert, bald Speer an Speer, Und flugs zertheilt das Söldnerheer Herr Friedrich mit den Seinen — Da hört er's Kindlein weinen. „Sprich, Amme, sprich, was fehlt dem Kind?“ — „Ach, Herr, der Wurm will trinken!“ „So steig' vom Zelter ab geschwind, Uns soll der Muth nicht sinken. Reich ihm die Brust nur unverzagt, Wir schützen unsre kleine Magd, Wir decken dir den Rücken, Ging' Thüringen in Stücken!“ — Wie Mauern steh'n die Männer bald Und ohne sich zu regen, Sie halten ihren Lanzenwald Dem feindlichen entgegen. Das Kriegshorn tönt, das Schlachtschwert blinkt, Die Amme stillt, der Säugling trinkt, Lacht unbewußt dem Siege In seiner Lanzenwiege! Der kranke Löwe Es lag der gnädige Löwe krank — In seiner Höhle war großer Stank. Sich zu zerstreun, ließ seine Gnaden Die Thiere zum Besuche laden. Des Kämm'rers Ruf erging an drei: An den Esel, den Bock und Fuchsen dabei; Die hätten sich gern der Ehr' enthoben, So ward der Esel vorgeschoben, Der zitternd trat in die Höhle ein — Da lag der König im Dämmerschein. Der spricht, indem die heiße Gier Aus seinem Feuerauge blinkt: „Freund Baldwyn, sag', wie riecht es hier?“ — „Herr König,“ schnuppert der Esel, „es stinkt.“ Das Eselein, der Wahrheit beflissen, Ward für sein keckes Wort zerrissen Kam drauf der Bock gehüpft, vor Graus Stehn ihm die Augen beim Kopf heraus. „Mein Böcklein, sprich, wie riecht es dir?“ — „Herr König, wie Bisam duftet's mir.“ Der Schmeichler war nichts Bessres werth: Ihm ward sein Innres herausgekehrt. Nun kam der Fuchs auf leisen Sohlen; Was wird Herr Reineke sich holen? — „Mein guter Fuchs, du treue Seele, Sprich doch, wie riecht's in meiner Höhle?“ Der Reinhard niest: „Ich kann's nicht sagen Mich thut ein arger Schnupfen plagen.“ Der König schweigt, beißt in die Lippe Und reicht ihm eine Eselsrippe: „Da nimm und iß, du kluger Mann, Ich seh's, du bist kein heuriger Hase; Wer den Geruch verläugnen kann, Der hat die allerfeinste Nase.“ Aus Feigenknospen werden Feigen Aus dem „Poetischen Tagebuch“ Aus Feigenknospen werden Feigen, Die Traubenblüte wird zur Traube; So Jedem wird, was ihm zu Eigen — Das ist mein allertiefster Glaube. Es darf dir nicht den Sinn verwirren Aus dem „Poetischen Tagebuch“ Es darf dir nicht den Sinn verwirren, Dein Herz fürs Gute nicht erkalten: Weit lieber mit dem Edlen irren, Als mit dem Schurken Recht behalten. Was Gott am nächsten ist Aus dem „Poetischen Tagebuch“ Was Gott am nächsten ist? Ein Herz, das überfließt Und demuthvoll genießt. Was vernünftig ist, ist wirklich Aus dem „Poetischen Tagebuch“ „Was vernünftig ist, ist wirklich“ — Das mag wahr sein, jetzt und künftig; Doch das Wirkliche war wirklich Oft bis jetzt sehr unvernünftig. Wem Gott ein Amt gibt Aus dem „Poetischen Tagebuch“ Wem Gott ein Amt gibt, Dem gibt er auch Verstand; Ja, aber wem er Verstand gibt Dem gibt er selten ein Amt. Ich höre so viel vom Volke reden Aus dem „Poetischen Tagebuch“ „Ich höre so viel vom Volke reden — Wie meint man das zu dieser Frist?“ — Ich glaube, sie meinen Jeden, Der ihrer Meinung ist. Was ist das: Constitution Aus dem „Poetischen Tagebuch“ „Was ist das: Constitution? Das sag' mir Einer!“ — Ei nun, man setzt dich auf den Thron Und regiert statt deiner. Regieren ist nicht so leicht als man glaubt Aus dem „Poetischen Tagebuch“ Regieren ist nicht so leicht als man glaubt, Es versuchen's so Viele und treffen's nie; — Regieren ist nicht schwer als man glaubt, Es treffen's so Viele und versuchten's nie. Was fürchtet ihr die Communisten Aus dem „Poetischen Tagebuch“ Was fürchtet ihr die Communisten? Sie sind das Chaos, sind das Nichts; Und wo das war, zu allen Fristen, Ward's nur die Quelle neuen Lichts. Was hast du gelernt in diesen Jahren Aus dem „Poetischen Tagebuch“ „Was hast du gelernt in diesen Jahren?“ — Daß der Mäßige nie gewinnt, Und daß die Menschen immer waren, Wie sie noch sind. Die Liebespfänder Über meine Liebespfänder Hielt ich jüngst die Musterung; Schleifen lagen da und Bänder — O wie ist man doch so jung! Briefchen fand ich mancher Art, An Gefühl ganz sapphisch, Ernst und heiter, tief und zart, — Auch unorthographisch. Einen eignen Moder hauchen Die vergilbten Briefruinen — Aus den blassen Lettern tauchen Süße Blicke, holde Mienen! Rückblicke Und so sind sie hingeschwunden, Jahre, voll von Leid und Glück, Tief im Innersten empfunden — Lächelnd schau ich jetzt zurück. Jugendgährung ist vorüber, Fühle Ruhe, fühle Kraft, Doch die Unruh war mir lieber, Die nur einzig zeugt und schafft. Beifallsjubel, Frauenhuld, Ist vorbei, das ganze Treiben — Und so lernt man: Ungeduld In der größten Ruhe schreiben! 1. Der Bergmann Aus der Mappe des Fabulisten Treu hält zu seinen Gruben Das Volk des Tubal Kain; Sind eine stille Gemeinde Knapp', Steiger und Bergwardein. Ein Märchen Bergmanns Leben, Die Welt, er kennt sie kaum — So träumt er in seinen Schachten Den unterirdischen Traum. In diesen Tiefen und Teufen Ist ewig dämmernde Nacht, Und kommen „böse Wetter“, Der Berggeist hat sie gebracht. Der Bergmann glaubt an Geister Zu manches Klüglings Spott, Er glaubt an die bösen Zwerge Und auch an den lieben Gott. 6. Der Schatz Aus der Mappe des Fabulisten Eine Kiste, schwer von Eisen, Mit drei Schlössern wohl versehen, Steht im Schlafgemach des Alten — Niemand weiß, was drin sich birgt. Wohl ein Schatz! meint jeder Nachbar, Und die drei, des Alten Söhne, Hoffend auf ein reiches Erbtheil, Pflegen ihren Vater bestens. Als der Alte kam zu sterben, Reicht er jedem seiner Söhne Einen Schlüssel zu der Truhe — Segnet sie und geht zur Ruhe. Gierig öffnen sie die Kiste, Finden nichts als einen Schlegel, Einen harten schweren Schlegel, Und auch eine Schrift. Sie lesen: „Als ich noch am Leben war, Gab ich Alles meinen Kindern; Hoffend auf ein weit'res Erbe, Hatten die mich gut behandelt. Dieses dank' ich meiner Weisheit. — Nehmt den Schlegel, das Gehirn Jedem Thoren einzuschlagen, Der den Kindern Alles gibt.“ Das Herz Das Menschenherz ist eine Laute, Es stimmte sie der Meister rein, Daß d'ran er selber sich erbaute, Wenn sie erklang zum Lobe sein. Doch ach, die wilde Hand des Lebens Zerstörte ihren holden Klang, Und griff hinein, daß bangen Bebens So manche goldne Saite sprang. Nur manches Mal in stiller Runde, Wenn rings kein störend Auge wacht, Ertönt, wie wunderbare Kunde, Das Saitenspiel in tiefer Nacht. Die sanften Töne sich verbreiten Harmonisch über Flur und Land, Und wieder durch die goldnen Saiten Zieht leis des Meisters Liebeshand. Die Blume Ich kenne eine Blume, Hab' sie am Tag' gesehn, Den schönen Kelch gesenket, Einsam im Haine stehn. Die bunten Flatt'rer zogen Unachtsam ihr vorbei, Als ob sie abgeblühet Und schon gestorben sei. Doch als zur nächt'gen Stunde Entschlafen die Blumen all', Hat sie den Kelch entfaltet Beim Schlag der Nachtigall; Und hat die Sterne bezaubert Mit ihren Düften lind, Daß sie vom Himmel nieder Zu ihr gestiegen sind. Wie sie erzählt ihre Schmerzen, Da hat man rings gemeint, Der Mond und alle Sterne Haben mit ihr geweint. Und wie der goldne Morgen Gekommen über die Höh'n, Da sah man Bäum' und Blüthen In hellen Thränen stehn. Mitleid Doppelt lieblich glänzt ein Stern, Wenn er aus der blauen Höhe Niedersendet seinen Strahl In des Lebens dunkles Wehe. Aber schöner als der Stern, Der am Himmel scheinet, Glänzt die Thräne, die im Aug' Um ein andres Auge weinet! Gleichviel Gleichviel, zu welchem Gott wir beten, Ob sichtbar oder unsichtbar! Zeigt nur der Weg, den wir betreten, Daß es ein Gott der Liebe war. Zeigt nur die Spur von unsern Tagen, Daß uns ein höh'rer Geist entflammt, Der sich der Fesseln kühn entschlagen, Und nicht aus ird'scher Quelle stammt. Läßt Du Dir nicht die Seele rauben Und hemmt Dich nichts in Deinem Lauf: Gleichviel, an welchen Gott wir glauben, Des Himmels Pforten thun sich auf! Durch dicke Mauern Liebe sieht durch dicke Mauern, Liebe spricht auch ohne Mund, Liebe kann nicht lange trauern Schweigend in des Herzens Grund. Liebe fliegt auch ohne Flügel, Liebe bauet ohne Plan, Liebe leidet keinen Zügel, Der sie hemmt auf ihrer Bahn. Darum flieh' nicht so behende Mir vorbei in raschem Lauf! Zögst Du bis an's Weltenende, Suchte doch mein Herz Dich auf! Eh' Du noch mit stolzem Munde Sie zurückgewiesen hast, Träf' in unbelauschter Stunde Einst die Liebe ein als Gast. Gefangen Die Vöglein warneten mich alle, Als ich an Dir vorüberging, Und ach, Dein Auge war die Falle, Worin mein junges Herz sich fing! Nun lachen sie mich aus, die losen, Die freien Lenzeskinder all'; Die Vöglein stimmen ein, die Rosen Und Abends gar die Nachtigall. Mit unerträglichen Gesängen Durchtoben sie ihr grünes Haus; Ich aber lass' die Flügel hängen Und kann nicht aus dem Netz heraus. Bethörung Süße Thorheit ist die Liebe, Nur ein Narr kann sie verstehn; Vorsichtig und klüger ist es, Aus dem Wege ihr zu gehn. Denn schon Mancher, der am Morgen Grade trug sein kluges Haupt, Nicht an Geister, noch Gespenster, Noch an Tod und Hölle glaubt: Spricht am Abend mit den Sternen, Klagt den Blumen gar sein Leid, Und verschwört zwei blauen Augen Seiner Seelen Seligkeit. Warmer Regen Es müssen viel Tropfen fallen, Bevor die Erde blüht; Es muß der Himmel weinen, Bevor er sie grünen sieht. Und aus dem Menschenauge So manche Thräne fällt, Bevor im Herzen erblühet Die goldne Liebeswelt. — Frauenliebe Frauenlieb' ist eine Blume, Die verborgen — stille blüht — Deren labend süßes Duften In das öde Herz dir zieht. Frauenliebe ist der Perle Tief im Meeresgrunde gleich, Ist unschätzbar — auch das ärmste Leben macht sie wieder reich. Frauenlieb' ist eine Krone, Welche Gott dir gnädig reicht, Die dir bleibt, wenn alle Kränze Dieses Lebens längst erbleicht. Frauenlieb' ist eine Stimme, Die von guter Botschaft spricht, Dich erweckt zu schönerm Leben, Glaub' ihr nur — sie täuscht dich nicht. Schöner Stern! der Himmelsgrüße Schickt aus einer bessern Welt, Und mit seinem milden Lichte Dieses Lebens Nacht erhellt. Du des Lebens schönste Gabe, Höchstes Glück — wenn Alles still — Die du es mit Balsam tränkest, Wenn das Herz verblühen will. Wo seid ihr holdseligen Tage Wo seid ihr holdseligen Tage, Da noch mein Herz voll Jugendmuth Der Liebe Lust — der Sehnsucht Klage — Im Lied ergoß mit inn'ger Gluth; Da noch am Abend wie am Morgen Ich auf der Laute stets gespielt, Noch nicht mit tausend ekeln Sorgen Das Leben mich umklammert hielt. Ein Dichter, dem verstummt die Lippe, Ist ein erloschner Stern allein, Er ist ein wandelndes Gerippe, Ein Grabmal voller Todtenbein; Ist eine Welt voll wüster Trümmer, Durch die der Sturmwind heulend zieht, Ist mitten auf dem Meer ein Schwimmer, Vor dem das Ufer ewig flieht. Erloschen sind ihm Mond und Sonne, Erloschen ihm der Sterne Glanz, Verkehrt in Unlust jede Wonne, Verwelkt, verdorrt ist jeder Kranz. Mühselig schleppt er seine Tage, Das Lied zog aus — die Sorgen ein — Und ohne Thräne, ohne Klage, Lebt er nur kaum — sein Herz ist Stein. 2. Wie doch ein Paar schöne Augen Die Maid von Dorpat Wie doch ein Paar schöne Augen Auch den langweiligsten Ort Gleich zum Zaubergarten wandeln, Drin man weilte fort und fort. Ja, ich muß es nur gestehen, Hatte sie zum Tode satt, Diese Stadt der Professoren, Diese Professorenstadt. Heißer schlägt das Herz nun wieder, Meine Thräne schwillt und sinkt, Täglich geh' ich dort vorüber, Wo dein liebes Fenster blinkt. 3. Wenn ich dir begegne, senke Die Maid von Dorpat Wenn ich dir begegne, senke Nie dein schönes Auge nieder, Gieb mir lieber alle meine Sehnsuchtsvollen Blicke wieder. Ja es laden deine Augen Ein zu tausend heißen Fragen — Solche schöne, schwarze Augen Mußt du nie zur Erde schlagen. Tausend helle Funken glimmen Hier auf diesem dunklen Heerde — Wüßt' ich nur, ob ich zur Flamme Jemals sie entfachen werde. 9. Sonett Die Maid von Dorpat O hätt' ich Schätze! wär' ich reich geboren! Ich würde dir mit übervollen Händen, Verschwenderisch all meinen Reichthum spenden, Kein Tag ging ohne Freuden dir verloren. Wie wollt' ich schmücken, die ich auserkoren! Dir wallte Sammet von den schlanken Lenden, Dich zierten Edelstein', die Jeden blenden, Die schönsten Perlen, die das Meer geboren. Doch ich bin arm, wie jener Bettelknabe, Der flehend letzt vor deiner Thüre stand, Und dem du reichtest eine milde Gabe, Und kann dir nur, was ich für dich empfand, Aus meinen leeren, öden Kerkerwänden, Den einz'gen Reichthum, meine Lieder, senden. 10. Als uns der Herr aus Edens Garten stieß Die Maid von Dorpat Als uns der Herr aus Edens Garten stieß, Da ward uns doch ein Blümchen noch gerettet, Das uns, die wir vom Leben schwer gekettet, Gemahnt an das verlor'ne Paradies. Es blüht so sanft, sein Duften ist so süß — Und wen das Leben noch so hart gebettet, Er fühlt aus jedem Sturme sich gerettet, Wenn ihm dieß Blümchen seine Blüthe wies. O Paradiesesblume! süße Liebe! Die du so schön das karge Leben schmückst, Erfülle jede Brust mit deinem Triebe. Wie bald bist du verblüht, dann sucht vergebens Der Mensch dich an dem öden Strand des Lebens, Daß du ihm deine süßen Schmerzen schickst. 15. Schlank wie eine Pappel bist du Die Maid von Dorpat Schlank wie eine Pappel bist du, Und dein Auge, traumbefangen Blickt es, wie der nächt'ge Himmel, Wenn die Sterne aufgegangen. Himmelsahnung wecken diese Blauen Tiefen im Gemüthe, Dämpfen jeden Sturm der Seele, Ob er noch so stürme, wüthe. Nein, die blauen Himmelstiefen Sind nicht dieser Erde Gaben, Solche fromme blaue Augen Mögen wohl die Engel haben. Liebchen, wer das Herz besäße Liebchen! wer das Herz besäße, Standhaft dir zu widersteh'n, Solchen Mann, den pries' ich glücklich, Sieger, würd' er von dir geh'n. Wär' es obendrein ein Dichter, Doppelt glücklich pries' ich ihn, Objectiv würd' er dich singen, Objectiv für dich erglüh'n. Doch, ich armer Mensch vergehe Schier vor subjectiver Pein, Und ich kann es nie vergessen, Daß du einmal einzig mein. An meine Aufwärterin Fünf und sechzig Jahre zählst du, Und dein Haar ist worden grau. Gott erlöse bald die schwache, Alte, lebensmüde Frau. Kanntest nicht der Erde Freuden, Ihre Last nur fiel dir zu; Dennoch sorgst du fromm und redlich, Alte, gute Seele du. Oft ertrugst du meine Launen, Aber immer bliebst du treu, Flicktest meine alten Hosen, Und sie waren immer neu. Manchen Vers schrieb ich für junge, Schöne Mädchen, doch zum Dieb Wurden sie an meinem Herzen, Hatte sie zu lieb — zu lieb. Dich auch lieb' ich, gute Alte, Aber nur mit keuschem Triebe, So mag eine Jungfrau lieben, Wie ich diese Alte liebe. Ghaselen 9. Mit dem Strome schwimmen Alle, die gemüthlich leben wollen, Denen nie von edlem Muthe je das kleine Herz geschwollen; Alle Versler, alle Krittler, alle kleinen Seelen, die Nimmer wohl in ihrem ganzen Leben wußten, was sie sollen; Alle, die nicht kämpfen mochten, weil das Schlafen leichter ist, Die nur nach Erfolgen spähen, aber schnell davon sich trollen, Merken sie, daß durchzuschwimmen bis zum Ufer nicht so leicht. Seh'n sie einen kühnen Schwimmer — dann beklagen sie den Tollen, Der, trotz ihres klugen Rathes, immer stromentgegen schwimmt, Und sie schütteln gar bedächtig ihren Kopf, den nicht zu vollen. Aber sagt mir, liebe Christen, las't ihr Weltgeschichte nie? Jedes Blatt kann euch belehren: daß, ob hoch die Wogen schwollen, Dennoch stromentgegen immer, jeder rechte Schwimmer schwamm, Alle stromentgegen schwimmen, die da wissen, was sie sollen. Huldigung Einst, ein blühendes Mädchen, erblickt' ich dich öfter im Ballstaat, Jahre vergingen indeß, seit ich zuletzt dich geseh'n. Wie du mich einst entzückt durch Schönheit, weibliche Anmuth, Rührst du als Hausfrau mich heute am häuslichen Heerd. Selberverleugnende Liebe — man findet sie selten im Leben, — Manchmal sah ich jedoch solche vom Weibe geübt. Schönheit opfertest du dem Manne und Jugend, gabst ihm Söhne und Töchter, erziehst selber sie christlichen Sinn's. Alt zwar wurdest du bald, doch alterte nicht dir die Liebe, Noch in dem Alter sogar pflegst du den kränklichen Mann. Mögen die Töchter dereinst auch gleich dir werden als Hausfraun, Schönheit haben sie schon jetzt von der Mutter geerbt. An Platens Grabe Epigramme Hier ruht Platen, der Schrecken der Dichterchen, ihnen unnahbar Allen im Leben, sie nahn selber dem Grabe mit Furcht; Denn, den einst dir, o Platen! bestritten die Krittler, den Lorbeer, Schützend beschattet er dir jetzo das friedliche Grab. Sehr gut bestandenes Examen Epigramme Freilich prüft' er dich gründlich, aber die dunkelen Augen Halfen dir durch, es gerieth arg in das Stocken der Mann, Ja — du bestandest cum laude die Prüfung — wurdest sogleich auch Frau Professorin und prüfst heute nun wieder den Mann. Er soll dein Herr sein Epigramme Taugt dein Frauchen dir nichts — so bist du gewiß daran selbst schuld, Keinen Gehorsam darf wollen ein Narr von dem Weib. Freilich wird uns die Herrschaft manchmal sauer genug wohl, Sagte ja Salomo schon: „Bitter ist, bitter das Weib.“ Aber er hatte in Ordnung tausend Weiber zu halten, Während, Bester, du kaum eins zu regieren vermagst. Simson der Richter in Israel, er erlag der Delila, Du der Lisette — du bist aber ein Lieutenant nur. Auf dem Königssee Einsam längs den Felsenmauern Fährt der Sänger auf dem Kahn, Alpenjoche, wilde Tauern Starren ihn wie Riesen an; Und es rauschet in den Wipfeln, Und es murmelt durch die Kluft, Bis herab von allen Gipfeln Warnend so die Stimme ruft: „Zu der Hütte kehre wieder, Fremdling, aus dem Felsenhaus; Eile, fliehe, eh' dich nieder, Schmettert der Vernichtung Graus; Blick' zum Abgrund hin mit Beben, Blick' hinauf zu unserm Thron; Schwankest zwischen Tod und Leben, Du, der Erde schwächster Sohn! Fliegst du wohl mit Adlers Schwingen, Der uns kühn das Haupt umsaust? Kannst du gleich der Gemse springen, Wo der Schneesturz niederbraust? Grausam kannst du wohl sie tödten, Bald verwesest du wie sie; Aber uns're Gipfel röthen Immer neu sich, schwinden nie. Machtlos an der Alpen Dome Muß die Zeit vorüberflieh'n, Die dich fortreißt in dem Strome; Well' um Welle sinkt dahin. Drum, zur Hütte kehre wieder, Fremdling, aus dem Felsenhaus; Eile, fliehe, eh' dich nieder Schmettert der Vernichtung Graus!“ — Also rief's mit Geistertönen Von den schroffen Höh'n herab, Bis der Erde Riesensöhnen Antwort bald der Sänger gab. Seinen Nachen ließ er gleiten An dem steilen Uferrand, Und er sang und griff die Saiten, Aufwärts seinen Blick gewandt. „Was ist höher, als der Tauern Schneebedeckte, wilde Höh'n? Stärker, als die Felsenmauern, Tiefer, als der Berge See'n? Was fliegt höher, als die Aare, Was ist freier, als das Wild, Was ist heller, als die klare Fluth, des Himmels Spiegelbild? Stärker, als der Fels, ist Liebe, Unergründlich, wie der See; Liebe, die mit heil'gem Triebe Niederzwingt der Erde Weh; Lieb' ist heller, als die klare Spiegelfluth im Abendroth, Schwingt sich höher, als die Aare; Lieb' ist stärker, als der Tod!“ — Und das Echo hallte wieder: „Lieb' ist stärker, als der Tod!“ — Um der Berge Riesenglieder Floß das letzte Abendroth. — Und die grauen Häupter schweigen, Wie gebannt vom Zauberwort; Nebel fallen, Nebel steigen, Und das Schifflein gleitet fort. Frühling und Liebe Gerne, wie gerne Über die weite Blühende Erde Irret der ferne, Schwankende Blick! Knospen und Keime Rufen so leise Bildende Träume Schlummernder Sehnsucht Heimlich zurück Tage des Frühlings, Wunderbar webt ihr Reicher das Leben, Süßer der Liebe Wonniges Glück! Herz und Gedanke Rastlos ziehen die Gedanken Wie der Wolken Sturmgewühl; Oben siehst du Wellen schwanken, Doch der Grund ist still und kühl. In dem Herzen sind die Schranken, Alles Sinnens Ruheziel; Ferne bleibt von Flucht und Wanken Nur das liebende Gefühl. Des Ritters Traumbild Ruhend von der Jagd im Walde, Spät, allein, Lag im Gras der Frühlingshalde Hingestreckt der junge Ritter; Mondenschein durch Laubesgitter, Lindes Säuseln in den Zweigen, Quellgemurmel, Elfenreigen Wiegten ihn zum Schlummer ein. Und es kam ein tiefes Träumen Über ihn; Aus den Büschen, aus den Bäumen Drang ein Leuchten, schien ein Flimmern, Funken schweben, Strahlen schimmern, Bis die zarten, bunten Flammen Farbig glänzend sich zusammen Bildend und gestaltend ziehn. Schlafend sinnt er: Ist es Wahrheit, Was sich zeigt? Eine Jungfrau, hell in Klarheit, Sah der Jüngling näher schweben, Sah die Engelgleiche heben Ihre Hände, schwergebunden, Von der Fesseln Zwang umwunden, Flehend zu ihm hingeneigt. Rasch entglomm in ihm der Minne Heiße Glut; Hin zu ihr mit jedem Sinne Zog ihn Sehnsucht und Verlangen; Sie zu lösen, die gefangen, Die Geliebte zu erretten, Zu befreien aus den Ketten, Gäb er gerne hin sein Blut. Sieh! da hebt bei ihrem Bilde Sich ein Haupt; Rohe Züge, furchtbar wilde, Übermenschlich, Trotzumnachtet, Zeigten ihm, bei wem sie schmachtet, Zeigten ihm den Zauberriesen, Der beim Spiel auf blumgen Wiesen Einst das Königskind geraubt. Und er zuckte nach den Waffen Halb im Schlaf, Wollte sich zum Kampfe raffen; Doch sie wehret und sie winket, Sein umflortes Auge sinket Wieder, und die Traumgestalten Läßt er weben, ruhig walten, Seit ihr Blick ihn warnend traf. Mit dem Tone sanfter Klage Sprach sie dann: „Denke dessen, was ich sage: Ach, nicht lange darf ich weilen, Bin getrennt durch hundert Meilen; Nimmer würdest du mich finden, Nie dem Räuber mich entwinden; Eins nur löset meinen Bann.“ „Willst du, daß ich sei dein eigen, Deine Braut, Zwölf der Monde mußt du schweigen, So, als seist du stumm geboren; Harte Probe hat erkoren Jene Fee in fernen Landen, Die allein mich aus den Banden Retten kann, die du geschaut.“ „Breitet neu des Maien Wonne Hellen Schein, Strahlt auch dir des Glückes Sonne, Wenn du fest und treu geblieben, Treu im Glauben, Hoffen, Lieben; Warte mein am Waldessaume, Und, erlöst, nicht mehr im Traume, Wahr und wirklich werd ich dein!“ Noch ein Scheidegruß — in Düfte Floß das Bild, Und es rauschten Morgenlüfte, Die den jungen Waidmann weckten; Warens Geister, die ihn neckten, Ihm des Herzens Ruh zu rauben? Soll er einem Traume glauben, Hoffen, was sich nie erfüllt? Alle Zweifel schlug er nieder, Stieg hinan Zu der Burg der Väter wieder, Wo man sein in Sorge harrte; Von des Schloßthurms hoher Warte Kündet Hörnerklang sein Nahen, Und es eilt ihn zu empfahen An das Thor der Castellan. Ihn zu fragen triebs den Alten Mancherlei; Antwort konnt er nicht erhalten, Ihm nicht eine Silb entlocken, Bis auch ihm die Worte stocken; Klagend flog die Trauerkunde Durch das Schloß und in die Runde, Daß der Ritter sprachlos sei. Ruhig blieb er und gelassen, Aber stumm; Keiner kann das Räthsel fassen. Ließ er sich von Schreck bemeistern? Ists ein Werk von bösen Geistern? Freunde kommen Tag für Tage, Doch beim Wein und Zechgelage Lautlos geht sein Becher um. Mond um Monde sah er schwinden Unbewegt; Bei den ersten Frühlingswinden Zeigt er ein geheim Entzücken, Saal und Pforte läßt er schmücken Wie zum hochzeitlichen Feste, Ob auch Niemand kennt die Gäste, Die er still im Sinne hegt. Endlich war entrollt im Schwunge Ganz das Jahr, Seit gefesselt seine Zunge Jenes Traumgesicht im Walde; Wieder grünte rings die Halde, Und in früher Morgenhelle Zog er zur bekannten Stelle, Hinter ihm der Knappen Schaar. Stattlich wie zum Prunkturniere Ritten sie; Daß sich Jeder köstlich ziere, Hat der Ritter anbefohlen; Welchen Fürsten einzuholen Gilt es? mochte Mancher sinnen; Seltsam ist des Herrn Beginnen, Seltsam heute wie noch nie! Mitten in des Waldes Schooße Hielt er still, Wo am Quell die Flatterrose, Wo am Stamm der Epheu ranket: Zwischen Furcht und Hoffnung schwanket, Pocht sein Herz mit stärkerm Schlage Am verhängnißvollen Tage, Der sein Loos entscheiden will. Und er lauscht nach allen Seiten, Mittag naht; Horch! Sinds Tritte nicht, die schreiten? Tönt Geräusch nicht aus der Ferne? Glänzt es nicht im Laub, wie Sterne? Helme, Schilde, Speere blitzen, Und es wogt von blanken Spitzen Wie des Kornfelds reiche Saat. Nahe schon des Hügels Rande Sind zu schaun Krieger aus dem Morgenlande; Schutz gewährten sie der Reise, Lagern fröhlich um im Kreise, Und vom weißen Zelter steiget, Minniglich dem Ritter neiget Sich die schönste aller Fraun. Ja, sie ists, es ist die hehre Lichtgestalt, Über Länder, über Meere Suchte sie des Freundes Spuren, Zog zu seiner Heimat Fluren, Hin zu ihm, der sie gerettet, Den ihr himmlisch Auge kettet Wie mit magischer Gewalt. Und der Jüngling, den man lange Stumm geschaut, Grüßt sie jetzt mit frohem Klange; In des Doppelglücks Genusse Einte sich das Wort dem Kusse, Liebe war sein erster Laut. Dann zum Aufbruch mahnt das Zeichen Hin zum Schloß; Wohl ein Zug wars sonder Gleichen, Rosse wiehern, Banner wallen, Flöten, Cymbeln, Hörner schallen, Und es trugen Mohrenknaben Aus dem Osten seltne Gaben, Nachgefolgt vom reisgen Troß. Rückwärts zu des Waldes Säumen Sah das Paar; Und er flüstert: Ists ein Träumen? Fliehn nicht wieder die Gestalten? Werd ich dauernd fest dich halten? — Doch sie lächelt: Laß die Sorgen! Träumend, wachend, heut wie morgen Bleibt die treue Liebe wahr. In das Album eines jungen Dichters Wie reizend auch zu leichtem Spiele Uns locken mag des Liedes Bahn, Zu ihrem letzten höchsten Ziele Führt reife Bildung nur hinan; Dem Dichter gibt Natur die Weihe, Nicht mangeln darf der Musen Gunst, Doch, was ihm auch ein Gott verleihe, Erringen muß er sich die Kunst. Wenn dann die volle Kraft des Strebens Ausprägt die Schönheit der Gestalt, Wenn tiefer Ernst des innern Lebens Durchleuchtet ihren Vollgehalt, Wenn zu dem Sonnenlicht der Wahrheit Die Schwinge des Gesanges dringt, Wie sich hinauf zur Ätherklarheit Der Adler durch die Wolken schwingt: Dann sind vereint im seltnen Bunde Begabung, Kunst und hoher Sinn, Und was entquillt des Dichters Munde, Es zählt die Welt sich's zum Gewinn; Es ist kein Spielen mehr, es glänzet Der Ideale herrlich Reich; Der Lorbeer, der den Dichter kränzet, Er kränzt den Menschen auch zugleich. Abel Im Blut lag Abel, gemordet von Bruderhand; Es war die Mutter, die ihn erschlagen fand. Sie warf sich über die Leiche mit Jammerlaut; Zum Himmel empor sie dann verzweifelnd schaut. „Dieß ist der Tod“ — so klagt sie — „der Lohn der Schuld; Verwirkt, verloren auf ewig ist Gottes Huld!“ „Es hat den Gerechten nicht sein Grimm geschont; Nun weiß ich, daß nimmer bei ihm Erbarmen wohnt.“ „O Kain, Kain, du lebst und Abel todt! Was half dem Frommen, zu halten des Herrn Gebot?“ „Er kennt nicht Gnade, und zürnet immerdar; Weh' mir und Allen, die ich zum Fluch gebar!“ So trieb zur Lästrung sie der stürmende Schmerz, Der ihr durchschnitt, durchwühlte das Mutterherz. Doch Er, der prüfet der Seele tiefsten Grund, Verzieh, was redete frevelhaft ihr Mund. Er war ihr nahe, da sie Ihn ferne wähnt, Er kannte den Trost, den sie im Leid ersehnt. Und wie Er winkte, so gingen die Boten aus; Sie sollten wenden von ihr des Wahnsinns Graus. Sie schwebten um Abels Leiche mit Liedesklang, Und Eva hörte den süßen Trostgesang: „Sanft schlummere, du blutige Rose, Im Schooße Der Erde geborgen, nach göttlichem Rath! Das Reich des Zornes steht offen, Doch hoffen Wir still auf der rettenden Liebe That.“ „Bald eilet von Munde zu Munde Die Kunde Von alter Verheißung untrüglichem Wort, Wie wann sich pflanzet ein Flüstern Im düstern, Tiefschattenden Walde zur Ferne fort.“ „Schon zieht vom Mittler ein Ahnen Die Bahnen Gleich Sternen in finster umwölkter Nacht; Einst wird Er auf Erden wallen, Und schallen Am Kreuze Sein Ruf: ‚Es ist vollbracht!‘“ „Dann wird Maria umfangen Mit Bangen Den Sohn, der zum ewigen Opfer sich gab; Ihn werden der Hölle Gewalten Nicht halten; Ein herrlicher Sieger entsteigt Er dem Grab.“ So tönte das Lied, wie Harfenton gelind; Noch weinte Eva über dem todten Kind. Nicht war's der erste, der stürmende, sündige Schmerz, In sanfte Trauer war aufgelös't ihr Herz. Und als sie den Todten zum letzten Kuß umschlang, Verhallte nach oben der himmlischen Chöre Sang: „O schlummre, du blutige Rose, Im Schooße Der Erde geborgen, nach himmlischem Rath! Im Glauben, im Lieben, im Hoffen Steht offen Das Reich der Gnade, die rettende That!“ Klage nicht Will auch das Herz dir fast im Gram vergehen, Verbirg die Wunde, die sich nimmer schließt! Wenn rückhaltlos dein Innres sich ergießt, Es wird dich Niemand, auch kein Freund, verstehen. Du scheinst um Mitgefühl ihn anzuflehen, Doch er, der Glückliche, der froh genießt, Dem wie ein sanfter Strom das Leben fließt, Nicht fassen kann er deine bittern Wehen. Und hält ihn selber schweres Leid umfangen, Auch dann sei stumm, daß er nicht Herbes sage; Willst du vom Trostbedürft'gen Trost verlangen? Genug, daß er die eig'ne Bürde trage! Die Seufzer, die sich seiner Brust entringen, Was sind sie, als ein Echo deiner Klage? Alles wieder gut Gar einsam war's im Kämmerlein, Es blinkte der Abendstern; Verlassen schien ich mir zu sein, Von allen Menschen fern. Da klopft's! Wer ist der späte Gast? Der Freund war's, wohlgemuth; Er hielt mit heiterm Gruße Rast, Verplaudert ward ein Stündchen fast, Und Alles war wieder gut. Mich floh der Schlaf in finstrer Nacht Mein Geist war stumpf und leer, Er hielt nicht mehr die treue Wacht Und schweifte irr umher; Da kam der Morgen, kam das Licht, Des Frühroth's gold'ne Gluth; Es schwand Gespenst und Traumgesicht, Zum Schaffen rief des Tages Licht, Und Alles war wieder gut. Daß ich verlor, die mich geliebt, An welcher hing mein Herz, Oft dacht' ich dran, und war betrübt, Mich quälte der Sehnsucht Schmerz! Da ist mir manchmal wohl gescheh'n, Als stärke sie meinen Muth, Als hört' ich ihre Schritte geh'n, Als fühlt' ich ihren Athem weh'n, Und Alles war wieder gut. So wird es wohl zuletzt auch sein Am Ziel der Erdenzeit, Wenn in das ew'ge Leben ein Wir geh'n nach hartem Streit; Wir sinken hin, wir athmen aus, Der Leib im Grabe ruht. Da schwingt sich aus des Todes Graus Die Seele in ein himmlisch Haus, Und Alles ist wieder gut. Und wie es gut ist, bleibt es gut, Nicht wechselt mehr das Glück, Es schwebt nicht auf der Zeiten Fluth Als flücht'ger Augenblick. Unwandelbar, so wird's besteh'n, Weil es in Gott nun ruht; Kein Abschied folgt dem Wiederseh'n, Dem Lenz kein Welken und Vergeh'n — O, dann ist Alles gut! Ein Donnerschlag Wens mächtig treibt ins Meer hinaus, ins wilde, Wo, vom Orkan gepeitscht, die Wogen schäumen, Der kann nicht still auf trocknem Lande säumen, Wo Frohe sich ergehn im Saatgefilde, Wo zu Schalmaien sanft die Bäche fließen, Und Blumen langsam auf in Samen schießen; Der muß mit Thaten kämpfen, mit Gedanken; Die Ruhe ist ein Weib, groß kann sie säugen, Gebären nur, nicht schaffen, nicht erzeugen; Der muß des Schicksals steingeformte Schranken So lang an seines Willens Stahl zerschlagen, Bis rings umher die hellen Funken jagen. Mich drängts hinaus ins Stürmen und ins Grauen, Wo Völker bluten, Männerthränen blitzen; Auf des Gedankens Eichen möcht' ich sitzen, Ein Aar ins dunkle Thal hinunterschauen; Kein Vöglein, das begehrt im sichern Hafen Auf eines Mädchens Busen einzuschlafen. Die Eisenbahn Gleich ists den Philistern allen Was zu Markt die Zeiten bringen, In die Ohren muß es schallen, In die Augen muß es springen. Ihres Mundes Thor ist offen, Dort in bangen Mutterwehen Schleicht die Neugier, schleicht das Hoffen — Rings umher auf tausend Zehen. Wie sie rechnen, wie sie sinnen: Unsre Gelder — in Papieren — Freunde, werden wir gewinnen? Freunde, werden wir verlieren? Fluch den Neuerungen, eifert Jener mit erhitzter Wange, Grade meine Flur begeistert, Meine Saat die Eisenschlange. Tobt ihr nun im tollen Fieber? Möcht es Euch darnieder raffen! Kleine Münzen sind Euch lieber Als des Geistes höchstes Schaffen. Regen ist Euch eben Regen, Kiese sind Euch eben Kiese; Doch im Regen träumt der Segen Und im Kies des Feuers Riese. Nur der Dichter steht im Bunde Mit den Geistern, kann sie hören, Kann, ein Faust, aus jedem Hunde Einen Geist heraufbeschwören. Und nach neuen Welten tastet Er mit jedem Herzensschlage; Baut, zerstört und baut — und rastet Nicht wie Gott am letzten Tage. Die Papiere — feilgeboten — Steigen — Fallen — o Gemeinheit! Mir sind die Papiere Noten, Ausgestellt auf Deutschlands Einheit. Diese Schienen, Hochzeitsbänder, Trauungsringe blankgegossen: Liebend tauschen sie die Länder, Und die Ehe wird geschlossen. Eisen! Du bist zahm geworden! Sonst gewohnt, mit wildem Dröhnen Hinzuwettern, hinzumorden, Ließest endlich dich versöhnen; Magst nicht mehr dem Tode dienen, Liebst am Leben festzuhangen, Und auf deinen spröden Schienen Wird ein Hochzeitsfest begangen. Hört Ihr brausen die Karossen? Deutsche Länder sitzen drinnen, Halten brünstig sich umschlossen; Wie sie kosen! Wie sie minnen! Und des Glöckleins helles Klingen Sagt uns, daß die Paare kamen, Und die Wolkenpfaffen singen Drauf ein donnernd dumpfes Amen. Rasend rauschen rings die Räder, Rollend, grollend, stürmisch sausend, Tief im innersten Geäder Kämpft der Zeitgeist freiheitsbrausend. Stemmen Steine sich entgegen, Reibt er sie zu Staub zusammen, Seinen Fluch und seinen Segen Speit er aus in Rauch und Flammen. Sie sagten ihr Glück nicht leise noch laut Sie sprach zu ihm so wundertönig, Sie streichelte lind sein wirres Haar, Bis trunken der kranke Geisterkönig An ihrem Busen entschlummert war. So wachte die allerschönste der Frauen, So scheuchte sie den düstern Sinn, Den trotzigen Adler von seinen Brauen, Und setzte die Taube des Friedens hin. Sie preßte zehn Liljen auf seine Locken, Zwei brennende Rosen aus seinen Mund, Auf schlug er das Auge, süß erschrocken, Und ward für alle Zeiten gesund. Sie schwuren sich keine Liebeseide, Sie sagten ihr Glück nicht leise, noch laut, Nur die duftige Lenznacht hat sie Beide Die Hände falten und beten geschaut. Zur Nacht Die Lichter brannten. Es blühten die schlanken, Die prächtigen Blumen, von dir gesandt, Und mächtig erwuchsen die zarten Ranken Zu Bäumen, im Schatten an der Wand. Wie unter stolzen geheiligten Palmen, Die Hände gefaltet, das Auge zu, Saß ich und sann auf rauschende Psalmen Zu Deinem Ruhm, Kind Gottes, Du! Die Düfte der Blumen durft ich borgen, Den Frieden der Nacht für dieß Gebet; Um ihre wonnig klingenden Sorgen Hab ich die Nachtigall gefleht. So saß ich, bis der Morgen graute, Bis mich der Schlummer süß beschlich — Mein rauschender Psalm — die sieben Laute: Vom Herzen, mit Schmerzen lieb ich Dich! Still für sich An meinem Herzen einzuschlafen, Ist Dein Begehr? Es ist für Dich kein Hafen, Es stürmt zu sehr. Du aber, Theure, sollst nicht missen Die Ruh zu Nacht; Du schlummre sanft auf weichem Kissen, Von mir bewacht. Und nah ich dann mit scheuen Sohlen, Ists ein Vergehn? Kaum will ich Athem holen, Nur an Dich sehn. Und reißt es mich an Deine Lippe, Ein Küßchen — husch! So glaube nur, die Biene nippe Vom Rosenbusch. Wenn dann ein Traumbild Dich umkreiste, Was sprach es traut? Es sprach von einem Geiste, Der ohne Laut Beim reichen Schatz, den er verborgen Fern von der Welt, Bis an den sonnengoldnen Morgen Die Wache hält. Geh zur Ruh! Sorgenvolle, wetterschwüle Mädchenstirne, geh zur Ruh! Lieblich weht des Abends Kühle, Werde kühl auch Du! Träume, daß der Hauch der Nacht Dir ein Palmenblatt gebracht, Geh zur Ruh! Laß dein Hangen, laß dein Bangen, Irrend Auge, schließ Dich zu! Sieh, der Tag ist schlafen gangen, Schlafen geh auch Du! Ach, das süßerlebte Glück Spiegelt Dir der Traum zurück, Geh zur Ruh! Das Röslein Er hat den Vater erschlagen, Der trotzige ungrische Graf; Er kann nicht schweigen und klagen, Die Wuth des Tyrannen ertragen, Deß Schwert die Getreuen traf. Zum Richtplatz wird er gefahren, Sieht Volk wie Meeressand — Ein Jüngling von zwanzig Jahren, Mit schwarzen, wallenden Haaren, Ein Röslein in der Hand. Er mißt die tausend Gestalten, Die farbig am Fenster stehn! Da fassen ihn Göttergewalten, Da läßt er die Rosse halten, Und kann nicht satt sich sehn: „Nie hat mich die Minne gehoben, Nie hab ich der Liebe begehrt; Doch Jene, ach! Jene dort oben, Von schwarzen Gewändern umwoben, Ist meines Rösleins werth.“ Das Röslein darf er ihr senden, Der weinende Diener fliegt — Er kann die Blicke nicht wenden, Bis zitternd in ihren Händen Die reizende Blume sich wiegt. Sie sehn sich im irdischen Leben Zum ersten, zum letzten Mal — Zwei Herzen erkennen sich eben — Zwei Herzen lieben und beben — Hell funkelt des Henkers Stahl. Wenn ich dich liebe, was gehts dich an? Ich hab dich erspäht im Gewühle der Massen, Und folge beschwingt, ein seliger Mann, Du zürnst, — und mußt es geschehen lassen, Denn, wenn ich dich liebe, was gehts dich an? Ich starre hinauf nach deinen Scheiben, Wann zeigt sich die Heißersehnte, wann? Du kannst nicht wehren dem losen Treiben, Denn, wenn ich dich liebe, was gehts dich an? Ich sitze bei dir in stummer Wonne Und segne den Zauber, der mich umspann, Du mußt es dulden, daß ich mich sonne, Denn, wenn ich dich liebe, was gehts dich an? Ich bete für dich aus tiefstem Herzen, Und träume von dir, bis der Tag begann, Die hundert Küsse, du mußt sie verschmerzen, Denn, wenn ich dich liebe, was gehts dich an? Ich sende dir Lieder, süß und seiden, Die schönsten, so meine Kunst ersann, Du wirst gefeiert und mußt es leiden, Denn, wenn ich dich liebe, was gehts dich an? Nicht hoch und herrlich! Nicht hoch und herrlich bist du zu schauen, Kein staunendes Auge fliegt dir zu: Wie Blumen, die schlicht im Kornfeld blauen, Bist, Liebling meiner Seele, du! Man feiert sie nicht mit Schmeichelgrüßen, Gleich Rosen und Lilien am stolzen Fest, Doch bauen am liebsten zu ihren Füßen Die Lerchen ihr heiliges Sängernest. Mein Leben ist auch ein Lerchenleben, Ein Sehnen, ein Steuern ins All hinaus, Doch abendlich ruht mit wonnigem Beben Mein Flügel zu deinen Füßen aus. Da säum ich, da träum ich, da reim ich leise, Du horchst, du lächelst, du glühest still, Vernimmst schon heute vor Allen die Weise, So morgen der Freund verkünden will. Ein kurzer Traum Wenn mild im Winter die Sonne blinkt, Der lüsterne Baum, er saugt und trinkt, Nun endlich, träumt er, soll es Frühling bleiben! Er sammelt das Mark in jäher Hast, Das gährt und wirft sich in jedem Ast, Schon morgen will er Blätter treiben. Da ziehen die Strahlen sich schnell zurück, Ein sonniger Blick — vergängliches Glück! Die Windsbraut faßt von neuem nun den armen: Er kämpft mit der wilden und widersteht, Im Herzen befehden sich Groll und Gebet, Ein Bild, o traurig zum Erbarmen! Du glühtest mich an mit deinem Licht, Es glänzte verjüngt mein Angesicht, Ich jauchzte laut: das Leben hat mich wieder! Und seliger war ich als der Baum, Ihm fehlte der Vogel im Wonnetraum, Mir aber quollen reich die Lieder. Du warest mein, Geliebte, mein, Im Winter ein kurzer Sonnenschein, Dahin! Und wieder muß mein Herz erkalten! Das Dunkel rings ist so lang, so bang — Es war ein Sonnenuntergang, Was ich für Morgenroth gehalten. Drei Perlen Ein Wettersturm ist los mit hohlem Braus, Da bricht der Räuber in des Juden Haus, Er weiß den reichen Abraham im weiten; Am Sterbebett des theuren Knaben wacht Frau Sarah noch und betet in der Nacht, Der Busen athmet schwer, die Thränen gleiten. Und finster tritt des Waldes Sohn herein: „Verstumme Weib, daß nicht die Streitaxt mein Den Todesstreich nach deinem Haupte führe! Die Schlüssel gib!“ Er mustert jeden Schrank, Den Säckel trächtigt er mit Münzen blank Und späht, was fürder noch die Hand erküre. Da faßt mit Einemmal ein tiefster Schmerz Des wüsten Mannes gottverlassnes Herz, Verlöschen sieht er leis den holden Knaben; Er spricht: „Drei Monde sind's, da starb mein Kind, Die Mutter weinte sich die Augen blind, Wir haben es im Eichenforst begraben;“ „Verzweifelnd haben wir die Faust geballt, Die Locken uns zerrauft, die Brust zerkrallt, Wir lebten nur wie du dem Einzigeinen; Ich aber drohte dir, du zages Weib! Verdorret ist die Frucht von deinem Leib, Doch wagst du kaum im Leide still zu weinen?“ „Beklage laut dein frühverlornes Glück, Doch nimm, was ich dir raubte, voll zurück!“ Mit Freuden legt er nun die Beute nieder; Vom Tische nimmt er nur ein schwarzes Brot; „Das wehrt auf einen Tag der herben Noth,“ So stammelt sie, „komm alle Tage wieder!“ — Nach seiner Wildniß flügelt er den Schritt, Dort stöhnt das Räuberweib: „Was bringst du mit?“ „Der Perlen drei, das laß mich selig künden: Den Engelsgruß von unserm süßen Lieb, Ein ehrlich Brot und einen heißen Trieb — O wärs noch Zeit — zu sühnen meine Sünden!“ Getrost Wenn das am dürren Baum geschieht Was jetzt dein feuchtes Auge sieht, Dann athme ferner nicht beklommen: Urplötzlich wird in stiller Nacht Auch über dich mit ganzer Pracht Die Zeit der grünen Ostern kommen. Was ihm der Regen, o das ist Die Thräne dir zu dieser Frist, Befruchtet dich mit neuen Trieben; Getrost, und wieder blühst du bald: Denn minder als das Holz im Wald Wird Gott ein Menschenherz nicht lieben! Frei Ein russischer Knecht mit grauem Haar Ward seines Kreuzes ledig, Er floh der Brüder unselige Schaar, Nach Danzig floh er, dem deutschen Venedig. Er sprach: „O Deutscher, du hast es erzielt, Wie lebst du wohlgemutet! Wirst nicht verkauft, wirst nicht verspielt, Wirst nicht wie wir zu Tode geknutet; Darfst sagen und klagen in Lust und Qual, Darfst schweigen, willst du schweigen, Darfst lieben und werben in freier Wahl, Und deine Kinder, sie sind dein eigen; Darfst glauben, was zu glauben gebot Der Ahnen heilige Lehre, Und hast in allerhöchster Not Ein Schwert zu Gottes größerer Ehre.“ — Ihm dünkte frei das deutsche Reich, — Er kam von russischen Steppen — So scheint dem Auge der Sonne gleich Ein Stümpfchen Licht auf finsteren Treppen. Und als er so ging zum Thore hinein, Kam heiter ein Knabe gegangen, Feil bot er die farbigen Vögelein, Aus Nestern geraubt, in Schlingen gefangen. Hin warf der Russe das Silber blank, Erschloß behende das Bauer, Da scholl in den Lüften ein Tausenddank Und füllte sein Herz mit kirchlichem Schauer. „Fliegt, fliegt,“ so rief er, „ihr seid ja frei; Doch wißt, ihr kindlichen Sänger: Ein kurzer Schmerz ist des Jägers Blei, Ein langer das Garn der Vogelfänger.“ — Das Bauer zerbrach er mit Manneskraft, Dumpf murmelnd: „Auf der Erden Soll jegliche Leib- und Seelenhaft Dereinst wie diese zertrümmert werden.“ An die Schwarzamsel Du schwarze Amsel mit goldnem Mund, Aus Deutschland über's weite Meer gebracht, Sag' an, was singst du so zu jeder Stund' Des heißen Tages und der schwülen Nacht? So weit von deinem deutschen Nest entfernt, Gefangen in dem frei'sten Land der Welt, — Wie kommts, daß du das Pfeifen nicht verlernt, Und daß du immer singst — und nicht für Geld? Hat dich vielleicht ein Kukuk in dem Hag Durch seinen losen Schelmenruf geneckt; Hat einer Drossel Lied, der Finken Schlag Aus deinen Kerkerträumen dich geweckt? Hast du der Lerche, die aus blauer Luft In Trillern Erd' und Himmel jubelnd preist, Der Wachtel, die den Schnitterinnen ruft Zum Erndtefeste, zugehorcht im Geist? Hast du das Schluchzen einer Nachtigall, Hast des Zaunkönigs Zirpen du gehört, Hat eines Murmelbächleins Wasserfall Den Frieden deiner kleinen Brust gestört? Hat dir ein sanfter Wind der Fidel Sang Vom Kirchweihtanze leise zugeführt, Hat Hirtenflötenton, der Waldhornklang Des „Jägers aus Kurpfalz“ dich so gerührt? Hast du des Mühlrads Rauschen in dem Thal Vernommen, „wo man nichts als Liebe mahlt,“ Sah'st du die Wiese, die bei'm Morgenstrahl Der Sonn' im Perlenthau erblitzt und strahlt? Sind's Veilchendüfte, ist's der würz'ge Hauch Der Maienglöcklein, was dich hat berauscht, Sah'st du „Vergißmeinnicht“ zu tief ins Aug'? Hast „deutscher Eichen Flüstern“ du gelauscht? Hast du im Traum die Elfen, so dein Nest Umtanzten einst im Buchwald an der Rhön, Hast den Waldmeister du zum Hochzeitsfest Mit seiner Braut, der Rebe, ziehen seh'n? Ach, nichts von Alledem! Kein deutscher Spatz Gilbcht hier dich an, und Niemand lauschet dir; Du armes Ding, du singst nur für die Katz', Die schier dich fressen möcht' vor Liebesgier. Der Mockingbird, der Spötter aus dem Süd, Im Käfig dort nur kreischt und schreit dir zu, Er ahmt nicht, spottet nach nur deinem Lied Aus Neid, weil er's so gut nicht kann wie du. Ja, von den Deutschen hinter'm Bier sogar Wirst du ob deiner „Grünheit“ ausgelacht. Spricht einer: „Dieser schwarze Narr Schafft für sein Board bei Tag und selbst bei Nacht. Wo nimmt er nur die Zeit zum Fressen her?“ „Und wo zum Trinken erst?“ ein andrer schreit, Ein dritter ruft: „Wenn ich der Vogel wär', Ich wollte Euch was — pfeifen — allezeit.“ Und Gläserklirr'n, Gelächter übertönt Unpatriotisch deinen Waldgesang, Zum Dank für deinen Fleiß wirst du verhöhnt — Und noch dazu in englisch-deutschem Slang. Dir geht's wie's andern Schwarzen einst erging, Die man — ums Geld — im heißen Afrika Mit List und Hunden hetzte, stahl und fing Und dann verkaufte nach Amerika, Um hier in Knechtschaft einem fremden Herrn Zu dienen für der Atzung kargen Lohn, Und, freundlos und der theuren Heimath fern, Zu tragen kalter Menschen Spott und Hohn. — Doch das ist jetzt vorbei; die schwarze Brut, Sie ist jetzt frei. Das gute, ew'ge Recht In hunderttausend Bleichgesichter Blut Hat sich gerächt am frevelnden Geschlecht. Auch für die Schwarzen kam der Freiheit Tag, Und jeder lunzt jetzt, spielt und singt und tanzt Und schafft, den Weißen gleich, so viel er mag: D'rum, Schwarze, mach' es auch so, wenn du kannst. Schaff' nicht zu viel und mache dir's bequem, Nimm dir zum Essen Zeit und kühlen Trunk; Acht Stunden, nach dem neueren System, Für eines Tages Arbeit sind genug. Und werde praktisch — laß den süßen Kram, Sing' nicht von Herz und Schmerz und solchem Tand, Wir lieben solches Zeug nicht, sind ihm gram, Wir sind ein praktisch Volk im freien Land. Sing' nicht vom Fliederbaum, sing' uns vom Stump, Sing nicht vom Waldesgrün, vom Greenback sing', Denn dann versteht dich Gentleman und Lump, Und Alles lauscht dem kleinen schwarzen Ding. — Doch sollte Nachts um zwei noch ganz allein, Wenn Alle fort, sich ein Reporter nah'n, Um nach des Tages Müh'n sein müd Gebein Mit kühlem Gerstensaft zu stärken: dann — Dann sing' ihm deine schönsten Lieder all, Sing' ihm die ganze deutsche Litanei Vom Heidenröslein und Frau Nachtigall, Von der Prinzessin Ils' und Lorelei — Und anderm solchen Zeug, — auf daß er nicht Von Selbstmord träum' und Coroners Inquest, Von Mord und Todtschlag, Polizei-Gericht, Von Picnic-Keilen, Puffs und all' dem Rest Der local items: sondern daß er nur Vom „Fuhrmann's Wirthshaus“ träum' „am Rheine dort,“ Vom Mühlbach, Drachenfels und von der „Flur, Wo wir als Knaben spielten“ — und so fort, Vom „Jägerhäuschen“ auch „am Waldessaum“ Und Allem, „was stolzirt in grüner Tracht“ Et caeteris. — Nun, Amsel, gute Nacht! Schlaf' wohl, und träume selbst denselben Traum! Trinklied So laßt nach leid'gem deutschen Brauch Die Gläser laut erklingen. Und sollen sie in Scherben auch Zehntausendfach zerspringen! Das Reich des Louis Napoleon Liegt heut' ja auch in Scherben, Und zum schönsten Stück davon Sind lachend wir die Erben. Nicht Allen freilich lacht das Herz So froh wie uns'res heute. Gar mancher deutschen Mutter Schmerz Mischt sich in unsere Freude; Doch weg damit! Was liegt daran! Macht Euch doch keine Sorgen! Pah! einmal müssen wir auch dran, Sei's heute oder morgen. Sei's morgen; doch nur heute nicht! Heut' wollen wir noch trinken, Bis daß erlischt des Mondes Licht, Und bis die Sterne sinken. Sind doch am deutschen Himmel jetzt Uns Sterne aufgegangen, Die bis zum allerletzten Letzt Dort glänzend werden prangen. Stoßt an! Die edle deutsche Brut, Die Tapfer'n sollen leben, Die frei ihr bestes Heldenblut Für Deutschland hingegeben. Die unverzagt und löwenkühn Den tapfern Feind bezwangen, Und — uns zum Spaß — zuletzt auch IHN Sammt seinem Heer gefangen. Entblößt das Haupt und schwenkt den Hut, Ein Hundsfott, wer sie tadelt, Sie, die durch ihren Heldenmuth Das deutsche Volk geadelt! Sie sollen dreimal leben hoch Durch alle deutsche Lande! Stoßt an! trinkt aus! Es lebe hoch Die ganze „deutsche Bande!“ Im deutschen und im fremden Wald Wie ist der deutsche Wald so schön, Der Buchenhain an Bergeshöhn, Der starken Eiche Stolz und Macht, Der schlanken Birke Wipfelpracht, Wie rauscht es in den Kronen stolz, Wie flüstert's hold im Unterholz, Wie rinnt so hell Der muntre Quell, Und hüpft aus Waldesdunkel Mit Murmeln und Gefunkel! Wie traurig ist der fremde Wald, Wie öde, still und ungestalt Das starre Laub am fremden Holz, Das ist zum Flüstern viel zu stolz, Das hat nicht Worte, heimisch traut, Das knarrt und klappt in fremdem Laut. Und schwarz und schwach Schleicht dort der Bach, Umstrüppt von Reis und Dorne, Aus schlammgefülltem Borne. Wie bist du, deutscher Wald, so schön, Du heil'ger Wald im Frühlingswehn, Wenn es in allen Wipfeln schallt Von Liebeslust und Lenzgewalt, Von Finkenruf und Amselschlag, Von Stimmen all im Blätterdach! O Wiederhall Im Waldessaal, O grüne Wipfellieder, Wie traut tönt ihr hernieder! Beim Finden eines Veilchens in Australien Sei mir gegrüßt am steilen Felsenhange, Du zarte Blüthe aus dem Heimathland! Ich drücke dich in meiner Sehnsucht Drange An Mund und Brust, du Wiedersehenspfand. Schon lange schweift mein Fuß in toller Irre Von Wald zu Wald, von Hang zu Hang, Bis er durch fremder Formen wüst Gewirre Zu dir und in dein stilles Felsthal drang. Und augenblicklich ist's wie Heimathlieder, Wie Freundes Grüßen und der Mutter Kuß, Und längst vergeß'ne Zeiten kehren wieder, Im Eukalyptus rauscht's wie Eichengruß. Nun gehst du Heimathsbote unter Palmen Mit über's blaue Meer zum trauten Nord Und flüsterst Schwesterblüthen unter Halmen Von Südens Wundern leises Blumenwort. Abschied von Indien O das Land, das Land, wo die Sonne glüht, Durch Waldesschatten Jasminduft zieht, Des Kokos Wipfel zum Äther steigt, Der Goldfrucht Schwere den Pisang beugt. Um strahlende Blüthen der Falter fliegt, Sich an schwankem Zweige die Mango wiegt, Wo, vom kräuselnden Wellenringe umrauscht, Das braune Mädchen im Bade lauscht, Der Tiger im Bambusdickicht schleicht, Dem Flusse das Krokodil entsteigt, Wo die Wolke klimmt an des Berges Höh', Und die Gluth kocht unter dem Alpenschnee. Und wie der Schnee deckt feurige Fluth, Hüllt Orients Ruhe des Herzens Gluth; Wie der Gluthstrom brausend durch Felsen sich drängt, Der Leidenschaft Feuer die Fesseln zersprengt. Das Land, wo man liebt, das Land, wo man haßt, Wo die Hand den Dolch im Tode noch faßt. Das Land, wo man haßt, o das Land, wo man liebt, Wo das Mädchen im Kusse die Seele gibt. Und ich kann nicht bleiben, und ich muß fort, Muß heim zum kalten, verständigen Nord. Doch ewig bleibt mein Sehnen gebannt, Wo die Wogen schäumen am Kokosstrand. Gottesfriede Auf Blumen ruht ein schöner, lieber Knabe, Ein klarer Stern blinkt sanft in finst'rer Nacht, Ein Blümlein blüht am thränenreichen Grabe, Ein Engel steht am Thor der Tugend Wacht, Ein Silberquell macht grün die öde Wüste, Ein Felsen schützt, wenn nächt'ger Donner kracht, Ein Leuchtthurm steht an felsenstarrer Küste, Und wehrt der Wogen finst'rer Unglücksmacht: Und frägst du, wer der Engel sei, die Quelle, Der Felsenschutz, des Leuchtthurms nächt'ge Helle, Der holde Knabe und der klare Stern? — „Das ist der Friede in der Hand des Herrn.“ Bitte Sei mir gut! — der Erde feile Freuden Biete ich dir nimmer spielend dar, Diese Lust kann nie zur Freiheit leiten: Über Wolken schwebt der Königsaar! Bleib' mir gut! — Wenn oft am Kerker rüttelt Meine Ahnung, sehnend sich zum Licht, Wenn mein Geist oft seine Schwingen schüttelt, Trauernd, weil ihm noch die Kraft gebricht — Theures Lieb! blick' in mein Herz hinein, Meine Liebe will vollendet sein! — Ein Kaiserwort Heim zieht Ihr, Helden! Dank und Freude legen Den Lorbeerkranz auf Euer würd'ges Haupt; Die Liebe fliegt Euch sel'gen Flugs entgegen, Die Siegeslust jauchzt schwärmend, frisch belaubt, Die Lieder weckend, auf geschmückten Wegen — Doch was hat plötzlich ihr den Stolz geraubt? Sie schweigt, ihr tönt das heil'ge Wort, das schwere: „Gott war mit uns, Ihm sei die Ehre!“ Das Kaiserwort! — Krieg klang wie Donnerrollen, Krieg, Krieg! durch Deine unversöhnten Gau'n, O Land des Bruderstreits, des jammervollen, Auf Deine Fluren sank ein nächt'ges Grau'n; Aufjauchzt Dein Feind bei Deinem Zwietrachtgrollen — Doch horch! herab wie Frühlingsregen thau'n Eintracht und Liebe, reich vom Fels zum Meere — „Gott war mit uns, Ihm sei die Ehre!“ Der Herrscher naht, Europa hat geschauert Bei seinem leisen Worte; sprungbereit Die Tigerschaar zu seinen Füßen kauert, Sein Kriegerheer durch Sieg und Ruhm gefeit — Wörth! Grab des Ruhms, wo Frankreichs Ehre trauert! Germania, wer zog mit Dir in den Streit? Die Wüstensöhne todt — und Frankreichs Heere? „Gott war mit uns, Ihm sei die Ehre!“ Noch herrscht der Kaiser. Solchen Stamm zu fällen Vermag, mein Deutschland, nur ein heil'ges Schwert; Er selbst ein Heer, und hinter Riesenwällen Geübte Kämpfer, muthig, streitbewährt — Muß machtlos nicht die Kriegsfluth hier zerschellen? Der Kaiser ist gefangen, und verzehrt Vom deutschen Heldenfeu'r der Wall, auf daß er lehre: Gott war mit Euch, Ihm sei die Ehre! Das Kaiserheer gefangen — wenn den Hügel Gethürmten Sand's, der lang die Fluth gedämmt, Hinweggeweht des Frühlingssturmes Flügel, Daß stolz das Meer die Länder überschwemmt: So jagt durch Frankreich mit verhängtem Zügel Der Freiheitstraum jetzt, tobend, ungehemmt — Wer schützt mein Volk vor seinem Feuerspeere? „Gott war mit uns, Ihm sei die Ehre!“ Es lagern um die große Sündenstätte Die deutschen Heere; — horch! wie dumpf, wie bang Braust aus dem Süden, aus verlass'nem Bette Des Volkes Heerstrom! Dröhnend klirrt sein Gang, Einmal erbebte schon die Riesenkette, Die um Paris die kalten Ringe schlang — Metz fällt: die Sieger stellen sich zur Wehre — „Gott war mit uns, Ihm sei die Ehre!“ Doch nur gehemmt nah'n neue Völkerwogen Vom Nord im Grimm der Winternacht; voran Ist Gräuel schaffend, blutbetrieft geflogen, Aufregend jedes Herz zum Haß, der Wahn; Die Hütte täuscht, der Wald hat Schutz gelogen, Und auf Verrath selbst Friedhofsruhe sann, Doch nur, daß sich der Ruhm des Ew'gen mehre — Gott war mit Euch, Ihm sei die Ehre! Doch horch! wie schallt von wahnbefang'nen Freiern Der Freiheit hin das Lied am Rohnestrand! Die Schaar tobt nordwärts: so in ungeheuern Sturmwellen wälzt sich hin der Wälderbrand — Wer widersteht ein Fels den Riesenfeuern? Ein Werder wacht, sei ruhig Vaterland! Als Asche fliegt die Gluth in öde Leere — Gott war mit Euch, Ihm sei die Ehre! Gott war mit Euch! Er hat Euch treu geleitet, Sein Mantel hat Euch schirmend oft umwallt, Die Hände hat er segnend ausgebreitet, Wo Tod der Sieger Wange bleich gemalt. Doch jetzt, — mit schweren Donnerschritten schreitet Dahin der Herr; die göttliche Gestalt Mahnt ernst die Weltstadt, daß sie sich bekehre — Gott war mit Euch, Ihm sei die Ehre! Er bot ihr Frieden: sie sprach ihm zum Hohne. Da naht der Geisterreiter finstre Schaar: Der Mord, der Hunger und mit blut'ger Krone Der Wahnsinn — durch die Nächte furchtbar klar Loh'n auf die Feuer bis zum Sternenthrone, Von dem das Richterwort erklungen war: Daß sich die Stadt der Sünden selbst verzehre — Gott ist gerecht, Ihm sei die Ehre! Gott ist gerecht! — Dies, o mein Volk, bedenke; Der gnädig auf der Krieger Treue sah, Er trifft vernichtend Zweifel, Hohn und Ränke, Sein Segen ist, wie Sein Gericht, Dir nah. So sei auch Du gerecht, sei fromm und lenke Nach Seinem Stern den Blick, Germania! Daß sich an Dir das Kaiserwort bewähre: Gott ist mit uns! — Ihm sei die Ehre! Lucifer Atlas Verflossen sind Millionen schon von Jahren, Wer weiß, wie viel? Gezählt hab' ich sie nicht, Seitdem mich, sondernd von der Engel Scharen Hieher verwies des Herren streng Gericht, Mich, Atlas Lucifer, den sonnenklaren, Zu stützen seiner Erde schwer Gewicht. So wurzl' ich hier, einst Herr der Wandelsterne, Tief unten in der Erde flüss'gem Kerne. Das kocht, das brodelt, zischt um meine Sohlen, Das tanzt um mich, ein glüh'nder Flammenbrei, Das keucht empor und wirbelt nach den Polen, Frei will sich's streifen, aller Bande frei. Es stürzt zurück, es stöhnt, als wie verhohlen Verstoß'ner Engel banger Weheschrei. Harr' aus, umtost vom wilden Flammenmeer, Harr' schweigend aus, o Atlas Lucifer! Harr' aus bei jenem Stolz, womit die kecken, Herrschsücht'gen Hände nach des Schöpfers Throne Du einstmals dich erkühnt hast auszustrecken; Beim Stolz, den du bewahrt, als er die Krone Vom Haupt dir riß, in diesem Reich der Schrecken Dir knirschend noch bewahrt in tiefster Frone Als Stütze dieses fels'gen Erdenbau's! Nicht schwach zu sein, sei jetzt dein Stolz, harr' aus! Den Stolz beschäme dieser Erdenwürmer, Die Stück um Stück der Erde Eingeweiden Entreißen als erhabne Denkmalsthürmer Zu ew'gen Zeugen ihrer Lust und Leiden. Minutenvolk, du lockest selbst die Stürmer: Die Lava schlägt zusammen über beiden, Begräbt die beiden, aus der Erde Spalten Auflohend mit dumpfdonnernden Gewalten. Baut eure Bauten, die zu Schutt vermodern, Baut, baut indeß, erleichtert meine Last! Auf euern Trümmern, wenn die Flammen lodern, Halt' ich befreit dereinstens meine Rast Und will vom Schöpfer meine Rechte fodern Als seiner Welten erster, ältster Gast. Als Geist von seinem Geist erheb' die Stirne Ich dann zu ihm, ich Herrscher der Gestirne. O Sternenwelt, nach rollenden Äonen Werd' ich genießen wieder deines Lichts, O Sternenwelt, wo meine Freunde wohnen, Sie glückumstralt — — ich ein verworfen Nichts! Bliebt ihr noch Freunde mir, ihr Millionen Seit jenem Tag des schrecklichen Gerichts? Ja, einen seh' allnächtlich ich mir blinken Durch diesen Spalt, als wollt' er Gnade winken. Ja Gnade, Gnade bei dem ewig Einen, Nicht strenges Recht erhoff' ich selbst für mich. Ja er ist groß, drum möcht' ich weinen, weinen, Daß treulos ich von seinem Pfad entwich. Die größten Sonnen schwingt er wie die kleinen In ewig lichter Harmonie um sich. Groß war auch ich, durch ihn zum Thron erhoben, Er stürzte mich — ich kann nichts als ihn loben. Mich trieb mein Stolz, ich wollte herrschen wild Und mit dem Sturmwind über Welten reiten. Ich lobt' ihn nicht, als sanftmutvoll und mild Ich ihn erblickte seine Welt durchschreiten Und jedem seiner Schritte Bild um Bild Von Leben und von Segen sah entgleiten. Es ward der Mensch, der freut sich, was er schafft, Bedünkt sich groß, als sei's durch eigne Kraft. Er gleicht nicht mehr dem Schöpfer, dem er glich, Sein Wirken ist die That nur einer Motte; Doch auch der Mensch ist Geist vom Geist wie ich — Warum vermess' ich mich zu frevlem Spotte, In dem ja auch des Schöpfers Bild erblich, Und dessen Werke fremd sind seinem Gotte? Wohl ist es leicht, im Sturm einherzufahren — Nur seine Hand schützt in des Sturms Gefahren. Es wähnt der Mensch sein eigner Gott zu sein, Ein Werkzeug ist er nur, mich zu belehren, Daß, was Geschöpf ist, nichts als Widerschein Des Einen nur, des Herren aller Ehren. So steh' ich denn mit meinem Stolz allein, Und ihn umtanzt von ungezählten Sphären Ein liebeüberquellendes Gebraus. Er ist die Liebe, er verzeiht — harr' aus! Erynnis Über den Eichwald, über die Kornflur, über den grüngekräuselten See, Über des Abgrunds dunkelnde Tiefen, über der Gletscher blendenden Schnee Schreit' ich als Räch'rin, schreit' ich, die ew'ge Tochter der ew'gen Mutter, der Nacht, Rufe den Wehruf über den Frevler, und der Orkan in Lüften erwacht. Mancherlei Schicksal gossen die Götter auf das Geschlecht der Sterblichen aus, Aber mein Fuß tritt nicht in ein lachend, nicht in ein klagetönendes Haus. Thränen verlieh'n die Götter der Wehmut, und sie verlieh'n der Trauer das Lied, Das wie ein Lufthauch lindernd die schuldlos leidenden Herzen tröstend durchzieht. Jammer vernahm, die Thräne bemerkt' ich, die von den Augen reichlicher rann, Als sich im Helmschmuck wand aus des Weibes Armen der abschiednehmende Mann. Horch, da erschollen rauschende Lieder, mahnend zum Kampf für heimischen Herd — Sieh, wie die Wangen glüh'n vor Begeist'rung, wie sich das Weib der Thränen erwehrt! Fern durch die Ebne tobte die Feldschlacht, mutig erklang das schmetternde Erz, Eherne Waffen brachten zur Ruhe manches noch heißdurchflutete Herz. Blutende Krieger reichten die Hand sich liegend im Feld, vor'm Tode versöhnt; Zähren der Wehmut tropften beim Schalle, der um das Grab der Helden getönt. Rauchende Reste lodernder Dörfer, wilder Verzweiflung gellender Schrei Rufen beschwörend mich, die Erynnis, rufen den Arm der Rache herbei. All die geballten Hände der Armen, fleh'nd nach den Wetterwolken gestreckt, Fluchen, verfluchen jene Verruchten, welche des Kriegs Hyäne geweckt. Rache, ja Rache will ich gewähren reichlich für jedes schuldige Haupt, Welches den Frieden eueren Hütten, welches die Hütten selbst euch geraubt. Ob auch der Stral nicht schmettre hernieder von des gewalt'gen Donnerers Sitz, Schleudr' in die Herzen jener Verworf'nen furchtbarer ich den zündenden Blitz. Alle vergoß'nen Thränen versammelnd träufl' ich als Gift ins Herz sie hinein, Daß sich die Frevler namenlos angstvoll winden vor inn'rer nagender Pein. Alle die Schrecken grauser Zerstörung zeige des Traums rückspiegelndes Bild, Daß sie das Grausen rüttle vor'm eignen Wesen, ein Grausen nimmer gestillt. Gleichwie die Pflugschar, gleichwie die Egge Schollen zerreißt und Felder durchfurcht, Reiße und furche durch ihre Seele stündlich vor andern Menschen sie Furcht, Legen das müde Haupt sie an Brüste, foltre der Aufschreck jäh sie auf's neu, Ärger als Treubruch Liebendgeglaubter sei vor dem Treubruch ihnen die Scheu. Niemals von Thränen perle das Auge, welche beim Rinnen mildern den Schmerz, Niemals die Wohlthat weicherer Wehmut zieh' durch ein Lied den Verlass'nen ins Herz! Einzig den Wehschrei sollen im Sturm sie hören, der meinen Lippen entquillt, Wenn an der Flücht'gen Fersen geheftet ihnen mein Fuß folgt fort durch's Gefild. Suchen sie Rast im dunkelnden Abgrund, flüchten zum Gletschergrat sie empor, Sinneverwirrend schlage mein Lied nur an der Verscheuchten zagendes Ohr! Stürzen vom Eichwald, drin sie mich hören, sie nach dem grüngekräuselten See, Über zusammenschlagenden Wellen halle im Echo wider mein, „Weh“. Meerballade Du lieblich Mädchen mit Korallenlippen, Mit halsumspielendem Korallenband, Umrauscht — gleichwie die Bauten der Polypen Vom Meer — vom meergrünschimmernden Gewand, Laß dort im Saale tanzen deine Sippen, Du reiche mir vertraulich deine Hand Hier in dem heimlich lauschigen Verstecke Der Pinien- und Oleanderhecke! Du fragtest mich, von süßer Scham beklommen, Wie sich's begab, daß ich, der fremde Mann, Der fernher durch den Ozean geschwommen, Zufällig eben deine Spur gewann, Daß ich so schnell dein arglos Herz genommen, So sicher, daß uns nichts mehr scheiden kann; Du fragtest mich — o laß auf deine Fragen Dir dein Korallenband die Antwort sagen. Wer lehrte sie, von den Geschöpfen allen Die unscheinbarsten in dem weiten Meer, Einträcht'gen Sinnes sich zusammenballen Zu einem millionenfachen Heer? Wer lehrte sie die Berge von Korallen Aufbauen, wo sonst alles flach und leer? Das that der unerforschlichste der Triebe, Das that die alles einigende Liebe. Schon hob sich eine Bank im weiten Kranze, Da schwoll das Meer von tiefem Neidgefühle Und schlug darüber hin im häm'schen Tanze, Und mit ihm kam's, als käm' im Flutgewühle Die Fischwelt mit, die Pflanzenwelt, die ganze. Doch als die Flut versank vom roten Bühle, Was blieb zurück von allem dem Geschiebe? Des Meeres unfreiwillig Werk der Liebe. Denn sieh, der Kokuspalme süße Nuß War liegen blieben auf dem Berg von Schlamme, Daraus erhoben sich mit jähem Schuß Die Palmenschößlinge von kräft'gem Stamme, Gesäugt vom Regen und vom Sonnenkuß. Und Leben wuchs um Leben auf dem Damme, Als Vögel landeten, vom Sturm getrieben — Dies that das eine unerforschte Lieben. Manch Körnchen, aufgescharrt im Wüstensand, Und mancher Same von des Ätna Zonen Und, wo mit Zagen vor dem Pampasbrand Heißblütige Kastilianer wohnen, Von manchem, Menschen noch verhüllten Strand Erwuchsen Keime hier zu stolzen Kronen; Selbst Sprossen unter dem Gestirn der Sieben Durch Vogelmund trug hieher höhres Lieben. Ein Schiff in Sicht! — Mit Gott hieher gesteuert! Hier winkt der Palme heilig Friedenszeichen. Die Segel auf! Die Ruderkraft erneuert, Wenn matte Brisen durch die Segel schleichen! Korallenbank! Wie sie das Wort befeuert! Sie sind so nah, daß sie die Segel streichen. Der Bootsmann mit des Beils gewalt'gen Hieben Gewinnt hier Schätze für sein fernes Lieben. Und die Korallen, die der Schiffsherr fand, Sie sinds vielleicht, die deinen Busen schmücken; Die Palme, die drauf wuchs, sei uns das Pfand Des stillen Friedens, der uns soll beglücken: Drum reiche mir die Palme deiner Hand, Zum Schwur der Treue will ich sie dir drücken, Und was uns unenträtselbar begegnet, Als Gabe ew'ger Liebe sei's gesegnet! Stürme Ein Schreckensabend ist's, denn ungeheuer, Indes uns hier mit Wärme und mit Glanz Den trauten Raum erfüllt des Herdes Feuer, Im Wald dort kracht's, als wollte des Gewands Der Bäume völlig sich Natur entkleiden, Eh' sie sich schmückt mit neuem Frühlingskranz. Sieh, dort entwurzelt stürzen hin die beiden Blutbuchen, aufwärts starren ihre Äste, Der Boden klafft bis zu den Eingeweiden. Wie's an die Fenster stürmt! Du bangst, o Beste, Du bangst für uns und deines Leibes Segen? Vorüber geht der Sturm am jungen Neste — Du kannst dein Haupt an meine Schulter legen, Die Träume mit mir träumen, die die Kohlen Warmzüngelnd dort im Herde mir erregen. Dumpf brütend lagen zwischen beiden Polen Dunstnebel schwül in beiden Hemisphären Auf Riesenwäldern, welche aus der hohlen, Feuchtwarmen Rinde, brodelnd noch im Gären, Der große Weltgeist über allen Breiten Vor Millionen Jahren ließ gebären. Durch diese Welt des Schweigens ließ er schreiten Eintön'gen Schritts Jahrtausend um Jahrtausend, Und niemand war, zu zählen diese Zeiten. Doch eine neue Welt begann, als brausend Und prasselnd Dämpfe niederschossen: Die Erde barst, und Stürme wühlten sausend Sich durch die Wälder, wilde Fluten flossen Um ihren Fuß, bis krachend sie erlagen, Und sich die Wellen über ihnen schlossen. Ein Weltreich war beendet. Willst du klagen, Daß alles dann, wann seine Zeit gekommen, Aufhört — so jetzt und so in jenen Tagen? Ein alt Geschlecht geht unter, doch zum Frommen Der neuen Welt, die auf dem Schutt der alten Sich jetzt das Recht zu leben hat genommen. Selbst im Zerstören denkt er ans Erhalten, Der große Geist, für die erst nach Äonen Von ihm zum Sein berufenen Gestalten. Zu Kohlen wurden jener Wälder Kronen, In denen nie ein Vogellied erklungen, Daß unsre Welt jetzt mag vergnüglich wohnen, Wenn gleich bei unsrer Erde Wandelungen Der Winterfrost in diese nord'sche Scholle, Auf der wir siedeln, starrend eingedrungen — — — Horch! Ist es nicht, als ob jetzt enden wolle Der wilde Sturm? Der Winter ist vorbei, Zu Früchten drängt der Lenz, der blütenvolle. Er zeitigt neue Frucht auch für uns zwei: Schon unter deinem Herzen regt sich Leben, Bald grüßt uns unsers Kindes erster Schrei. Wohl wird in Angst und Schmerz dein Leib erbeben Wie die Natur, wenn sie in Stürmen kreist, Doch ob dem Schmerz wird Mutterliebe schweben. Und ob du selbst als Weib ein Glied nur seist In der Natur geheimnißvoller Kette, Vorsorgend bist ein Theil du von dem Geist, Der kommenden Geschlechtern schafft die Stätte. Glück Schlich im Feld, und Ähren ließ ich Prüfend gleiten durch die Hand, Eine blaue, liebe blaue Blume da mein eigen fand. Ging am Weg, ein Falter hob sich Goldig prunkend von dem Sand, Schwankte, schwebte, saß und bebte, Wo ein Wunderkleeblatt stand. Klomm zu Berge, blicken wollt' ich Wie der Adler über's Land, Eine Quelle rief so helle, Schlang zu Thal ihr Silberband. Schritt im Wald, zu lesen dacht' ich In 'nem Buche voll Verstand, Und ein kleines, süßes kleines Liedchen schrieb ich an den Rand. Der Engel der Kindheit Es ist die schönste all' der frommen Sagen, Daß jedem bessern Menschen an der Seite Ein Engel liebend und behütend schreite, Der ihm noch treu blieb aus der Kindheit Tagen. Ich aber glaube kaum an sein Geleite. Im Leben Einmal muß es Jeder wagen, Dem unverdienten Glücke zu entsagen — Mit seinem Engel liegt er dann im Streite. Sein Paradies muß Jeglicher verlieren; Der Boden starrt, es brennt die Sonne heiß, Und von des Menschen Antlitz trieft der Schweiß. Und wird er alt und hat sich müd' gefröhnt, Dann naht der Kindheit Engel sich versöhnt, In's Paradies ihn wieder heimzuführen. Die Trauerweide Am Grabe einsam stehst Du, Trauerweide! Der rauhe Herbstwind nahm Dir Deinen Schmuck; Du ringst und stöhnst und beugst Dich tief dem Druck Des Grams, und alles zeigt von herbem Leide. Im Lenz dann wirst Du mild're Trauer wehen; In zartes Grün gekleidet kündest Du: Dem Staub, den ich beweint in seiner Ruh, Kommt auch sein Lenz, ein fröhlich Auferstehen! Der Großmutter Segen Als ich ein Kind noch war, Wann ich zur Ruhe ging, Trat ich zur Großmama, Die mich so lieb umfing. Ich blickt' in's treue Aug': Großmutter, segne mich! Sie legt die Hand auf's Haupt. Der Herr behüte Dich! Einmal hab' ich umsonst Des Segens lang geharrt; — Da war das Auge todt, Die Hand kalt und erstarrt. Zwar Jahre sind entfloh'n, Doch nie verging ein Tag, Daß nicht ihr Segenswort Mir in der Seele lag. Ich stelle mich im Geist Allabendlich noch hin Und fühle jederzeit, Daß ich gesegnet bin. Abends Nacht ist nun herabgesunken, und der Tannen Wipfel rauschen Schlafgesänge; nur im Dickicht noch des Waldes Rehe lauschen, Leise zieht ein sanft Gesäusel durch der Buchen hohe Hallen, Fernher von der öden Straße müden Wandrers Schritte schallen. Sieh! da hebt sich aus der Tiefe voll und hell der Hirt der Sterne, Freundlich lächelnd blickt er nieder aus des Himmels blauer Ferne, Und gedankenschnell erglänzen rings der Berge stolze Spitzen, Drunten aus dem Mühlenbache Silberwellen neckisch blitzen. — Leiser wird des Windes Wehen und der Bäume Nachtgeflüster, Ferner tönt der Fuß des Wandrers auf der Straße, still und düster, Und als ob sie sich in Demuth wolle vor dem Höchsten neigen, Ruht die Erde duftumwoben und umhüllt von tiefem Schweigen. Und als ob ein Himmelsodem mild auf mich herniederwehte, Sammeln sich des Herzens Wünsche mir zu brünstigem Gebete: „Senke, Herr, mit jedem Lichte, das Du freundlich mir beschieden, In mein Herz des Abends Balsam; gib mir Deiner Schöpfung Frieden.“ Das erste Veilchen Holde Blume, die noch gestern Eine Knospe träumend lag, Nun die erste deiner Schwestern Grüßest du den jungen Tag. Ob dich auch der Blätter Hülle, Meinem Blick zum Trotz, versteckt, Hat mir doch des Duftes Fülle Dein verborgnes Sein entdeckt. Und nun blickst du mich so minnig Mit den blauen Augen an, Nickst mir so bescheiden innig, Daß ich dich nicht lassen kann. Wirst mir doch darob nicht grollen, Daß ich dich zu lieben kam? Nicht das Köpfchen senken wollen, Daß ich dich von hinnen nahm? Sieh, im Glase neu erblühet, Träumst du fort den süßen Traum, Und ein Hauch des Lenzes ziehet Durch des Zimmers stillen Raum. Seligkeit Blauer Himmel, grüne Felder, Klare Quellen, dunkle Wälder, Frühlingssonne, Frühlingslüfte, Blüthenflocken, Blüthendüfte, Amselschlag und Lerchensang, Heller Kirchenglockenklang, Froher Menschen frohes Nicken, Zweier Augen treues Blicken, Zweier Lippen Honigsüße, Eines Herzens Liebesgrüße, Eines Kusses Feuerwunde, Eine stille sel'ge Stunde — Wem dies Alles ward beschieden, Der ist selig schon hienieden. Heutiges Lesepublikum Wenn Du ein Buch geschrieben, Zwei kaufen's, die Dich lieben, Zwei um daran zu meistern, Einer, sich zu begeistern; Daß sie Dir die Sünde verzeihen, Mußt Du's den Übrigen — leihen. Kleine Kokette Kleine Kokette Schreibt mir Billette: — Komm', o Geliebter mein, Komm' zu dem Stelldichein! Vater schläft, Mutter schläft, Tante und Base schläft, — Unter dem Apfelbaum Träumen auch wir 'nen Traum — Komm', o Geliebter mein, Komm' zu dem Stelldichein. Und spät im Mondenschein, Als still die Sommernacht, Hab' ich zum Stelldichein Mich auf den Weg gemacht. — Reizend und traut sie war. — Unter dem Schleier Wallte das dunkle Haar; Spanisches Feuer Strahlt' aus dem Augenpaar; — Und an die volle Brust, Schwellend in Liebeslust, Zog sie mich nieder. — Schmelzend verklang Nachtigallsang. — Schmelzend verklangen die Lieder — — — — Geliebte, in Deinem Zimmer Geliebte, in Deinem Zimmer, Da athme ich süße Ruh', Da schließen sich ganz sachte Die bösen Wunden zu. Im heimlichen Lehnstuhleckchen Da ist's so lieb und traut, Am Fenster, wo die Schwalbe Ihr Nestchen hat gebaut. Der Blumentisch mit den Blüthen, Der bietet mir duftigen Gruß, Der Nachbarin alte Katze, Die schmeichelt um meinen Fuß. Mir gegenüber, Geliebte, Da sitzest Du, in der Hand Ein Buch, und machst mich vertraulich Mit Deinem Geschmack bekannt. Du hast keine strenge Richtung, Doch ist sie mir lieb und werth, Da sie meine ganzen Werke Als höchst vorzüglich erklärt. Du hast keine strenge Richtung — Du küssest mir oft den Mund Und pressest meine Hände Und lachst, ohn' jeden Grund. O, lache nur, lach', Geliebte, Das Lachen thut mir Noth, Mach mir das Leben heiter, Denn ernsthaft ist der Tod. — — Die Wanduhr brummt und schnurret — Sie mahnt mich an die Zeit, Wo einstens ist vorüber Die ganze Herrlichkeit. Verachteter, was küssest Du ... Verachteter, was küssest Du die Steine Vor ihres Hauses Thür' im Mondenscheine, Was soll die Thrän', die Dir im Auge steht, Was soll Dein Lied, das in dem Wind verweht? Verachteter, das ist die Letzte nicht, Die Dich verliebt macht in ihr schön Gesicht — Und dem Besitze mußt Du doch entsagen, Hör' darum auf mit Deinen dummen Klagen! Schneid' eine höhn'sche Miene, lache laut, Recht höhnisch grell, daß selbst davor Dir graut — Und such' im Kampfe mit des Lebens Nöthen Das holde Bildniß Deiner Lieb' zu tödten. Schöne Schenkin, noch ein Glas! Schöne Schenkin, noch ein Glas! Will mir alle Sorgen schwenken Durch die Gurgel, daß mein Denken Auslöscht das geliebte Naß, Daß ich selber ganz vergesse, Daß Du bist die schönste Frau Und daß Deiner Augen Blau Sonntags lockt mich in die Messe. Schöne Schenkin, gar so schön Kannst Du lachen, kannst Du scherzen! Nie, bei allen Liebesschmerzen, Hab ich Schöneres geseh'n! Nimmer, nimmer, bei Gott Bacchus, Sah ich je ein schöner Weib! Ja, verführen könnt' Dein Leib Nestor selbst und Telemachus! Schöne Schenkin, noch ein Glas! Nieder will ich zechen, prassen All mein Lieben, all mein Hassen — Noch ein Glas und noch ein Glas! — Will vergessen selbst die Flammen, Die Du schürest allgewaltig, Und will selig sinken baldig Unter diesen Tisch zusammen! — Du wußtest, Weib ... Du wußtest Weib, wie sehr ich Dich geliebt, Daß Du mir Alles warst — und dennoch hast Du dieses böse Werk an mir verübt, Daß mir die Jugend vor der Zeit verblaßt. Heut' ist Dein Hochzeittag, Dein Sterbetag, Denn Du bist todt für mich von dieser Stund', Wo Du mit ihm, der Dich bestrafen mag, Geschlossen hast den ehelichen Bund. — Der Tag ist schaurig — Schnee verweht im Wind, — Noch schauriger wird für mich sein die Nacht, Die lust'ge Nacht, in der das schöne Kind In seines Mannes Armen zärtlich lacht. Bekenntniß Vorüber sei die Zeit der Thränen, Die Zeit des Leidens und der Pein, Sie sei begraben, denn wir sehnen Uns nach der Freude Heil'genschein. Nicht fühlen wir uns als die Schuld'gen, Lockt uns die Jugend und die Lust, Mit frischem Muthe gibt's zu huld'gen Der Gottheit, deren wir bewußt. Es sei das Büßerhemd zerrissen, Der Aberglaube sei verdammt, Wir glauben das nur, was wir wissen, Das, was der Erde ist entstammt! Die Erde gab uns dieses Leben Mit seinem Unglück, seinem Glück — Und wir, der Erde Kinder, geben Der schönen Mutter es zurück. Rigolette Frei und kühn wie's mir gefällt Will ich kränzen diese Stirne, Eine Lanze vor der Welt Brech ich jetzt für eine Dirne! Die Gesellschaft blaß und krank Mag verlachen diesen Fechter: Die durch sie zu Boden sank War nicht kränker und nicht schlechter. Sie auch hatte keusch und rein An der Mutter Brust gehangen — In der Jungfrau Heil'genschein Einst den Leib des Herrn empfangen — Sie auch hatte keusch und mild Einst geliebt in Frühlingstagen, Hatte eines Mannes Bild Tief im Herzen einst getragen. Weiches Herz, Du trägst die Schuld — Liebtest zu sehr Licht und Rosen — Glaubtest an der Menschheit Huld — — Lachend wurdest Du verstoßen. Wahnsinn, der dich jetzt umhüllt, Wird fortan dein Frühling heißen, Bilder malend lusterfüllt, Singend süße Liebesweisen ... Bis die kranke Bettlerin, Die sich auf dem Throne dünket, Mit zerstörtem Leib und Sinn In den Bettlersarg versinket. Unabwendbar Es lebt in mir die dunkle Sage, Daß, eh' auf Erden ich entstand, Ich alle Lust schon, alle Plage Auf einem andern Stern empfand. Vertraulich grüßt mich Unbekanntes, Und was erst heute vor mir steht, Enthüllt sich mir als längst Verwandtes, Das doppelt durch mein Leben geht. So bist auch Du, die stolz und spröde Ein Räthsel scheint, mir längst bekannt, So hört ich einst schon Deine Rede Und sah das Drohen Deiner Hand. Besinne Dich — es kommt die Stunde, Wo liebentflammt Du um mich wirbst, Und meine Liebe wird die Wunde, An der du selber später stirbst. Der Schutzengel Schützend steht er dir zur Seite Von der Wiege bis zur Gruft, Daß dein Fuß nicht strauchelnd gleite, — Hör' ihn, wenn er mahnend ruft! Will Verführung dich umgarnen, Locken von der rechten Bahn, Wird er stets dich sorglich warnen, Bis dich flieht der schlimme Wahn. Ist dir Mißgeschick beschieden, Das bei jedem Schritte droht, Gießt in's Herz er dir den Frieden, Hilft dir tragen Leid und Noth. Will nicht alles gleich gelingen, Und erfaßt dich Ungeduld, Lerne zeitig sie bezwingen, Sonst verläßt dich seine Huld. Will die Welt dein Thun verkennen, Erntest Undank du statt Lohn, Wird er tröstend Den dir nennen, Der da trug die Dornenkron'. „Harre, dulde!“ wird er mahnen, „Such' nicht hier dein Glück, mein Sohn, Wandelst ja auf Dornenbahnen; Jenseits winkt dem Dulder Lohn!“ Wenn du auf dem Krankenbette Schier vergehst in Pein und Angst Bei der langen Schmerzenskette Vor der letzten Stunde bangst: Führt er liebreich eine Schale Trost verheißend dir zum Mund, Und macht dich mit einem Male Wieder von dem Weh gesund. O, vertraue seinem Walten! Er verläßt die Guten nicht; Leiten wird er dich und halten Bis dein müdes Auge bricht. Glück und Jugend schwinden schnell Lieblich ist der Frühlingstraum, Hold die Zeit der Rosen, Wenn auf Blüthe, Strauch und Baum Wieder Bienen kosen; Wenn durch's Thal zum Berg empor Die Schalmeien klingen, Und in hellem Jubelchor Munt're Hirten singen. Dir auch lächelt Lenzesglück In der Jugend Tagen, Wo stets heller Sonnenblick Scheuchet alle Klagen; Wo die Brust vom Jubelklang Freudig überfließet Und dem frischen Lebensdrang Sich das Glück erschließet. Wohl dir, wanket nicht dein Muth. Wenn die Jugend weichet, Bei des Abends matter Gluth Wunsch für Wunsch erbleichet. Glück und Jugend schwinden schnell Nicht so schnell das Leiden ... Schöpfe d'rum am Lebensquell, Eh' die beiden scheiden; Er wird stärken dein Gemüth Für die lange Reise, ... Ist die Jugend einst verblüht, Bangt es nicht dem Greise. Oudenarde Einst sollte Karl den Großen Stadt Oudenard' empfahn; Gespannt die guten Bürger Dem Herrn entgegen sahn. Rath, Schöff und Bürgermeister Am Thore harren sein Vom ersten Hahnenschreie Bis spät zum Sternenschein. Und thäten so drei Tage Ausharren heldenhaft, Den Vätern doch versagte Zuletzt dazu die Kraft. Es sprach der Bürgermeister Zum Thürmer: „Halt' gut Wacht! Auf Wagen, Roß und Reiter Hab' recht getreulich Acht! Laß hell dein Horn erschallen, Sobald der Kaiser naht, Daß schnell erscheint am Platze Ein hochwohlweiser Rath!“ Die Luft war schwül, die Herren Begaben sich zur Ruh, Es fielen selbst dem Thürmer Die müden Augen zu. O gutes Oudenarde, So gut auch sonst bewacht! Dein vielgesunder Schlaf hat Dir vielen Spott gebracht. Hoch wirbeln Staubeswolken Die Heerstraß' weit entlang ... Die Stadt erweckt kein Hornruf, Nicht Sang und Glockenklang. Der Kaiser naht dem Thore, Doch das ist unbewacht, So öd' ist Oudenarde, Als wär's um Mitternacht. Erst als er eingezogen Mit Saus und Schall durch's Thor, Da stürzt aus Haus und Hofe Erschreckt der Rath hervor. „Ihr pflichtvergeßne Herren, Die den Respekt verletzt, Deß' sollt ihr Schaden nehmen An eurem Seckel jetzt! Um tausend güldne Gulden Ich pön' die träge Stadt!“ So herrschet Karl, — verdutzet Vernimmt's der Magistrat. Da fleht der Bürgermeister: „O Herr, vergebt in Huld! Verzeihung, großer Kaiser! Ich bin an Allem schuld. Wohl gab ich streng Befehle, Doch sind sie schlecht vollführt, Dieweil ich hab' zum Wächter Den faulen Knecht erkürt. Blöd, Herr, sind meine Augen, Der Rath sieht auch nicht weit; Submissest sind, zu zahlen Die Strafe, wir bereit!“ Mit Glimpf versetzt der Kaiser: „So hört, was ich gewillt! Hinfüro führ' eine Brille Die Stadt im Wappenschild. Und soll mit diesem Wappen Bemalt sein jedes Thor, Und soll am Rathhaus prangen Und ragen hoch empor!“ Held Karl, bei diesen Worten Mit Lachen ritt er fort; Gar pünktlich aller Orten Die Stadt vollzog sein Wort. Und daß nicht auch in's Wappen Die Zipfelmütz' gerath', Ließ nimmer sich ertappen Ein hochwohlweiser Rath. An meine Mutter Gelobt sei der Herr, daß ich deine Hand Mit heißen Thränen darf nässen — Ich habe dich wieder, o Mutterherz, Und will nun Alles vergessen. Die Jugend ging hin und die Freundschaft mit, Die Liebe vergaß das Lieben — O Mutter, von Allem, was ich besaß, Bist du, nur du mir geblieben. Du hast dein Wohl, dein Hoffen, dein Weh' Mit dem deines Kindes geeinet, Du hast, da mir nicht mehr zu helfen war, Gebetet für mich und geweinet. Du hast dich in meiner Freude gefreut, Und die Wunden, die mir geschlagen, Du hast sie alle gleich mir gefühlt — Doch ohne gleich mir zu klagen. Vergieb mir, Herr, daß ich gar so oft Vergiftet habe ihr Leben, Vergieb mir, daß sie es getragen hat, Vergieb mir, daß sie es vergeben! Sieh, Mutter, nach manchem langen Jahr Kehr' ich dir wieder aufs Neue, Nur deines von allen Herzen ich fand Voll der alten Liebe und Treue. Weinend leg' ich mein müdes Haupt An diesem Herzen nieder — Und was mir auch draußen verloren ging, Hier find' ich es Alles wieder! O wenn dir Gott ein Lieb geschenkt O wenn dir Gott ein Lieb geschenkt, Behalt' es treu im Herzen, Und was dich drückt und was dich kränkt, Mit ihr kannst du's verschmerzen; Es schwindet jedes Leid der Welt, Wenn Liebchens Thräne darauf fällt — Drum, wenn dir Gott ein Lieb geschenkt, Behalt es treu im Herzen! Wenn fromm auf dich ihr Auge schaut, Aus Bitterm wird das Süß'ste, Wie, wenn der Himmel tröstend blaut, Zum Paradies die Wüste. Der Hader und der Wahn schläft ein, Das wilde Herz wird gut und rein — Wenn fromm auf dich ihr Auge schaut, Aus Bitterm wird das Süß'ste. Zieh von dir, wenn du zu ihr trittst, Die staub'gen Erdenschuhe, Und was du duldetest und littst, Das singt ihr Wort zur Ruhe; Wie, wo der Herr beschritt den Grund, Blüh'n tausend Blumen auf zur Stund' — Zieh von dir, wenn du zu ihr trittst, Die staub'gen Erdenschuhe! Doch wenn du sie verloren hast Voll Jammers unermessen, O denk' in deiner Schmerzen Last, Denk', daß du sie besessen! Und will das Herz dir brechen schier, Fluch' nicht der Welt, noch ihr und dir — Auch wenn du sie verloren hast, Denk', daß du sie besessen! I. In leisen Weh'n ist der Tag verhallt Poetische Reliquien In leisen Weh'n ist der Tag verhallt, Es geht durch die Lüfte wie Glocken; Die Nachtigall schlägt mit wilder Gewalt, Als wollt' sie die Sterne verlocken. Die Blume regt sich im Traume nur, Als wenn sie mit Elfen spielte; Es ist, als ob die ganze Natur Eine selige Traumnacht hielte. Schau hin, Du wildes Indianerkind, In die weite schweigende Ferne, Wie so lüstern schattig die Wälder sind, Wie blinkend begehrlich die Sterne. Komm', laß mich die Träume der alten Zeit Verbrennen in Deinen Blicken, Den Jammer, der mir im Herzen schreit, Mit Deinen Küssen ersticken. Um meinen heißen Busen fest Die leuchtenden Arme schlinge, Und halte mein Herz an Deines gepreßt, Daß es vor Gram nicht zerspringe. So will ich Dir singen ein deutsches Lied, Und träumen, Du kannst es verstehen; Und wenn der Ton fremd klagend entflieht, In Deinen Armen vergehen. II. Dein Bild, das makellose Poetische Reliquien Dein Bild, das makellose, Vor meiner Seele steht, So schön wie eine Rose, So rein wie ein Gebet. In stummer Andacht weil' ich Davor bei Tag und Nacht, Und bin mir selber heilig, Wenn ich an Dich gedacht! Das Vaterhaus Mein Vaterhaus! O süßer Klang voll Frieden, Der wunderbar das Menschenherz durchbebt! Dem ist fürwahr ein hohes Glück beschieden, Den hold das Bild vom Vaterhaus umschwebt. Sei's ein Palast, sei's eine nied're Hütte, Den Unterschied gleicht Elternliebe aus; An ihrer Hand versucht die ersten Schritte, Reich oder arm, das Kind im Vaterhaus. Mein Vaterhaus! O schönster aller Namen! Es mahnt dein Klang an jene gold'ne Zeit, Wo Eltern einst der Tugend heil'gen Samen Mit sanfter Hand in's junge Herz gestreut. Du Schauplatz jener frohen Jugendspiele, Die einst das Kind in deinen Räumen trieb, Wo es geschirmt vor Frost und Mittagsschwüle, Behütet auch vom Hauch des Lasters blieb. Des Hauses Glanz und der Familie Glieder, Sie schwanden hin im mächt'gen Strom der Zeit; Nur spärlich ragen daraus hin und wieder Vertraute Zeichen der Vergangenheit. Vor meinem Geiste ziehen die Gestalten Vom Vater und dem guten Mütterlein; Ihr Sorgen schau ich und ihr stilles Walten Vom Morgenroth bis zu des Abends Schein. Dort schimmern lieblich an dem Weihnachtsbaum Die gold'nen Früchte aus der Märchennacht; Und herrlich strahlt, wie einst im Kindertraume Der Lichtlein Glanz in überird'scher Pracht. Dann wieder klingt's im Ohr wie leis Geflüster: Und Trauer zieht durch's liebe Vaterhaus; Den kleinen Liebling, eines der Geschwister, Trägt man voll Leid zum Friedhof still hinaus. Der Mutter Bild und ihre süßen Lieder, Die glockenrein mein lauschend Ohr entzückt, Sie tauchen leis aus der Erinn'rung wieder, Wie Heimathsklänge, die mich einst beglückt. Und heiter lächelt in des Zeitstroms Fluthen Ihr theures Bild im Vaterhaus hervor; Die Wehmuth flüstert, daß ich mit der Guten Die beste Freundin in der Welt verlor. Beklagenswerth ist jeder wohl, dem nimmer Ein Vaterhaus in der Erinn'rung blieb; Doch dreifach mehr, den das Geschick für immer Nicht ohne Schuld von seiner Schwelle trieb. Stets wird auf's Neu' der Sehnsucht Stachel brennen, So lang das Herz im öden Busen schlägt, Hört er der Heimath süßen Namen nennen, Den Zufall oft in weite Ferne trägt. Drum denk ich dein, o Haus, in fernen Landen, Obwohl getrennt von dir durch's weite Meer! Vielleicht ist dort, wo eh'mals du gestanden, Dein Herd verwaist und deine Stätte leer. Die Erde deckt schon längst die treuen Herzen, Die für mich schlugen in des Hauses Raum, Und die so gern mit Lust und frohen Scherzen Für mich geschmückt den grünen Tannenbaum. Es steigt mein Blick zu jenem Vaterhause, Von dem mit Hohn sein Aug' der Spötter lenkt Und dennoch schauernd an die dunkle Klause, Sein letztes Heim, — in stillem Grauen denkt; Zu dem mein Blick in kindlichem Vertrauen Und ohne Wissensdünkel sich erhebt, Wohin der Geist, befreit von Todesgrauen, Bricht seine Hülle, freudig einst entschwebt. Damals und jetzt Als wir mit Steinchen spielten, Wie waren wir so reich; Ich weiß, wir Alle fühlten Uns jedem König gleich. Wir bauten da Paläste Und hielten Hochzeitsschmaus, Und ach die guten Gäste, Sie schimpften uns nicht aus. Jetzt ist es wahr geworden, Was damals nur Gedicht, Manche haben Gold und Orden, Doch glücklich sind sie nicht. Wir saßen oft beisammen Und hielten Hand in Hand, Und sagten ohne Namen, Was unser Herz empfand. Kein Mensch that sich da kränken, Wenn wir bei Tag und Nacht Mit Tändeln, Plaudern, Schwänken Die gold'ne Zeit verbracht. Jetzt gibt's ein boshaft Deuten, Wenn wir beisammen steh'n Und uns nach langen Zeiten Halt manchmal wiederseh'n. Die Welt war voll von Rosen; — Die Dornen sah'n wir nicht, — Und unser Lieben, Kosen Verdrehte man noch nicht. Jetzt ist uns jene Wonne In Bitterkeit verkehrt, Und manche Dornenkrone Wird uns dafür verehrt. Der Traum war schnell entschwunden Hinab in's Zeitenmeer, Und was wir da empfunden, Das kommt, ach, nimmermehr! In's Herz fließt süßes Sehnen Nach jener gold'nen Zeit, In's Auge Wehmuthsthränen, — Mein Sang ist aus für heut'. Der Schwalbe Wiederkehr Nun, Schwälbchen, sei mir tausendmal willkommen, Daß deine Reis' ein solches End' genommen! — Nun komm' in meine Hütte, Gewähr mir diese Bitte! Erzähl', welch' Länder du durcheilet, Und wo du gar so lang verweilet! So schwer mir auch dein Scheiden war, Dein Kommen freut mich wunderbar. „Als Herbst gekommen, trieb's mich Nordpolmüden Flugs hinzuziehen nach dem warmen Süden. Die sanften Lüfte faßten Mich ohne Ruh und Rasten, Bis daß sie mich dahingefächelt, Wo holder Frühling ewig lächelt. Bei mancher Insel Palmenhain Da kehrt' ich auf der Reise ein. Mein Haus war nieder bald, bald in den Lüften, Bald auf Palästen, bald auch in den Grüften, Wo in der Sonne Gluthen Der Nil wälzt seine Fluthen. Bald baut' ich bei den Beduinen, Auch wohl auf Babylons Ruinen; Und wo Stamm Jesse's Wurzel trieb, Verweilt' ich, ach, erst gar so lieb! Vom Land des Cyrus und auch des Ulysse, Von Mekka, dem gelobten, bring ich Grüße; Vom Land der Sarazenen Und jenem der Hellenen, Worüber Manche so viel dichten, Könnt Vieles ich dir noch berichten; Auch über manches weite Meer, Da flog ich furchtlos überher. Was nützt es, wenn auch mehr noch ich dir sage? Du hast ja doch die alte Sorg' und Plage. — Die sind in jedem Lande Mir trauliche Bekannte: Die Ersten, die mich immer plagen, Und stets nach bess'ren Ländern fragen: Nur wisse, daß das bess're Land Auf dieser Erd' noch nicht bekannt.“ Die Sterbenacht Als ich der Mutter lange Sterbenacht — Bewußtlos lag sie schon und röchelt' leise — In stummem Schmerz und schlummerlos durchwacht, Vernahm ich eines Pendels gleiche Weise Und Nichts, als jenen Ton die ganze Nacht. Die Uhr ward mein. Sie geht denselben Gang, Wie einst in jener Nacht vor langen Jahren. Zu Zeiten schläft im Ohr eintön'ger Klang, Wie Jeder wohl im Leben hat erfahren. Ich hört' ihn Tages nicht in Lärm und Drang. Erloschen völlig schien mir dann zu sein Erinn'rung an die Todt' und jene Stunden; Doch bricht die Nacht mit ihrer Stille ein, Bringt mir die Uhr von Beiden wieder Kunden: Ich höre jenen Sterbelaut von Neu'n. Dank sei der Mahn'rin, theuer mir und werth! Sie hat mir oft des Lebens Ernst verkündet, Hat, wie die Mutter, dulden mich gelehrt, In Liebe wirken, eh' das Leben schwindet Und ich den Ton zum letzten Mal gehört. So hat das Leben Mahner uns gestellt. Laßt uns, auf sie zu achten, nicht versäumen! Bald sind es Stimmen aus der Menschenwelt, Bald ists ein Bild, ein Buch, ein Grab, ein Träumen, Bald ists ein Ton, der, wie vom Jenseits, fällt. Ich habe nicht um dich geweint Ich habe nicht um dich geweint, Als du die Treue mir gebrochen; Ich fühlte fast mein Herz versteint, Als du aufs Neue dich versprochen. Doch als ich todt dich und erbleicht In deinem Leichenhemd sah liegen, Da erst ward mir das Auge feucht Beim tiefen Gram in deinen Zügen. Gondellied Sieh, wie das Mondlicht weit und breit Auf die Lagune Silber streut. Die Luft ist klar und still das Meer; Die Gondel wiegt uns hin und her Zu süßer Ruh. Von deinem Antlitz hebt sich leis' Der Schleier, der, wie schön du, weiß. Was wallt dir deine Brust so schwer? Die Gondel wiegt uns hin und her Zu süßer Ruh. Wie schön auch blitzt der Sterne Licht, Doch gleicht es deinem Auge nicht, Wenn's sagt: Ich liebe dich so sehr! Die Gondel wiegt uns hin und her Zu süßer Ruh. Herzog Heinrich von Lüneburg. 1416 Wie stets die Welfenfürsten geehrt den Bauernstand Und seine Rechte schirmten mit väterlicher Hand, Deß gab zu allen Zeiten die Chronik uns Bericht, Und haben's wohl erfahren die Männer, gut und schlicht. Doch keiner rächte strenger der Raublust Übermuth Von Mächt'gen wider Schwache an jener Leib und Gut, Als Heinrich, Sohn des Magnus. Wohl bebt das Herz uns heut Vor jenen Blutgerichten in streitbar finst'rer Zeit! „Zum Lüneburger Schlosse eil' schnell die Haide durch!“ Sprach einst zu seinem Vogte Heinrich von Lüneburg, „Die Botschaft fordert Eile, drum säume länger nicht.“ Der Vogt wirft sich zu Rosse und folgt dem Ruf der Pflicht. Zur späten Herbstzeit war es. Auf offner Haide weit Durchschnob der Nord, der eis'ge, des Ritters leichtes Kleid, Es schauert ihn vor Kälte; es treibt ihn Pflicht wie Noth. Er spornt dem Roß die Seiten mit stachelndem Gebot. Ein Bauer pflügt nicht ferne, und hart am Wege lag Sein grober Wollenkittel. Ei, denkt der Vogt, gemach! Bei Sturm auf offner Haide leiht der gar guten Dienst, Ist er auch abgetragen und grob auch von Gespinnst. Als staunend kaum der Pflüger sich zu ihm umgewandt, Stand schon der kecke Borger gehüllt in Zwilchgewand. Und jener kommt gelaufen und schreit: „Was treibt Ihr dort? Freund, laßt mir, was mein eigen und packt des Weg's Euch fort.“ „Erheb' um Deinen Kittel, Du Narr, nicht solch' Geschrei, Als ob, der vor Dir stehet, ein Strolch und Schnapphahn sei. Ei, rechn' es dir zur Ehre, du tiefgeborner Stock, Daß hohe Ritter tragen solch' einen Bauernrock.“ Der Pflüger will nicht trauen und heischt zurück sein Gut; Doch mag er dräun und rufen, nichts frommt ihm seine Wuth. „Ich nehm' ihn mir zu Borge,“ ruft Jener lachend aus, Und spornt sein Roß von dannen in windesschnellem Saus. Der Rächer war nicht ferne. Nicht lang', so ritt die Bahn Mit seinem Waidgefolge der Herzog selbst heran; „Was ist Dir widerfahren, Du siehst so traurig drein? Kann ich worin Dir helfen, mag dir geholfen sein. Hat Jemand Dich geschädigt, fiel Dir in Deinen Trieb Ein Wolf etwa?“ - „Ja, Gnaden, ein Wolf und arger Dieb.“ — „Mann, sprich, wie sich's begeben!“ — Der Bauer kurz und schlicht Gab von des Vogtes Unbill dem Landesherrn Bericht. „Wer ist der Friedebrecher?“ Er rollt die finstern Brau'n. „Als Eurer Ritter einer, Herr, war er anzuschau'n.“ Noch sann der Fürst; — da sprengte der Bote fern heran. — „Ist das mein Vogt? Wie seltsam! Wie bist du angethan?“ „Mich fror; — ich nahm den Kittel vom Weg.“ — „Ein Dieb bist Du! Vogt und doch Friedebrecher?“ Er sprach's und zog im Nu Den Zaum vom nächsten Pferde: „Du kannt'st mein streng Gebot Und hast es frech gebrochen. Bereite dich zum Tod. Das Eigenthum der Armen will ich geheiligt seh'n, Der Ritter Raubgier brechen, sollt' ich drum untergeh'n. Ist das Gesetz gegeben, soll's auch gehalten sein! Trotzt Ihr den schwachen Fürsten, so lernt die strengen scheu'n!“ Herr Volkmar Herr Volkmar in der Schmiede saß, Die Flamme lodert ohn' Unterlaß. Den Hammer thät er schwingen. Und draußen rauscht der Tannenwald, Der Sturm wie dumpfe Klage hallt, Unheimlich wird's dem Meister. Wie Glockenschall sein Hämmern klingt, Darein er laut und lauter singt: „Der Wald soll mich nicht narren!“ Da ungebeten vor die Thür Ein junger Kriegsmann tritt herfür, Ragt über den Schmied drei Häupter. „Schaut, Meister, hier mein gutes Schwert: Stahlblau, zweischneidig, unversehrt — Thut nur das Heft d'ran fehlen! Doch fand ich jüngst sein Elfenbein, Denk wohl: ein guter Griff wird's sein; Den schmiedet an die Klinge. Ist Eure Arbeit schön und klar, Ich zahl' sie Euch wohl blank und baar, Ihr sollt darob nicht klagen!“ Herr Volkmar blicket düster d'rein: Ein Knochen dünkt ihm das Elfenbein. Zum Ambos geht er schweigend. Zuschaut der Fremdling unverwandt: Dem Schmied wird's heiß wie Höllenbrand, Er schwitzt die hellen Perlen. „Ei Schmiedlein, Schmiedlein, raste nicht!“ Der Meister schweigt, der Hammer fliegt, Das Schwert beginnt zu glühen „Was leuchtet der Stahl so purpurroth?“ Der Schmied wird bleicher als der Tod, Doch kann er nicht mehr rasten. „Ei Schmiedlein, hast Du Wunder gethan? Es fängt das Heft zu bluten an Dir unter den rußigen Händen!“ Es rinnt, als brächen Wunden auf; Der Meister blickt nicht weg, nicht auf, Er muß das Werk vollenden. Kaum war die Klinge angeschweißt, Der Fremdling das Schwert vom Ambos reißt: „Nun will ich dich bezahlen! Das Heft war meines Vaters Gebein, Und Du nur kannst sein Mörder sein!“ — Der Schmied war eine Leiche. Scheiden und Wiedersehen Das Blatt, das leis' vom Baume schwebet, Gefaßt wird es vom flücht'gen Wind; Wer weiß, wohin die Blätter alle Im Herbste wohl verwehet sind? Der Ton, den hell die Luft getragen, Zerrinnet in dem Himmelsraum, Und stirbt im fremden Thal allmählich — — Ein leises Echo — wie ein Traum! Die Menschen, die von uns sich scheiden, Die sprechen wohl: „Auf Wiederseh'n!“ Doch eine höh're Macht verfüget Der Menschen Kommen und ihr Geh'n. Doch nicht, wie todter Raub der Pflanze, Nicht wie der Klangeswelle Schall: Im Herzen lebt in klaren Farben Das Bild des Freundes überall. Und Pilger sind wir doch hienieden, Wir Alle auf dem Erdenrund, Für Jeden einmal kommt im Leben Die bitterwehe Scheidestund'. Den letzten Blick, das letzte Grüßen, O halt' in treuer Seele fest, Und glaub', daß Gott die, die sich lieben, Gewiß auch wiederfinden läßt! Mein Ziel O laßt mich ruhig meine Wege zieh'n Und stört mich nicht in meinem Wahn. Goethe Seht ihr am Horizont den hehren Stern? Er taucht hervor mit wunderbaren Strahlen! Seht ihr das gold'ne Ziel in blauer Fern'? Vergeblich ist's, euch seinen Reiz zu malen! Es zieht mich fort — Wohlan! ich folge gern, Sei's leichten Kampfes, sei's durch herbe Qualen, Und seht ihr ohne Aufenthalt mich flieh'n: O laßt mich ruhig meine Wege zieh'n. Seht, wie verklärt es mir entgegenlacht! Die Freuden alle, die dem Menschen starben, Und tausende, im Herzen nie erwacht, Sie prangen dort in zaubervollen Farben. Wie glücklich, die den kühnen Lauf vollbracht! Sie sind es, die das Paradies erwarben; Und dahin führt auch meine Sternenbahn: Drum stört mich nicht in meinem süßen Wahn! O stört mich nicht in meinem süßen Wahn, Der mich mit tausend Seligkeiten krönet! Er schmückt mit Blumen meine Lebensbahn. Er ist es, der die Tage mir verschönet; Er giebt mir Kraft, er hebt mich himmelan, Bis Seraphklang mein lauschend Ohr umtönet, Und lehrt mich sehnsuchtsvoll hinüberflieh'n: O laß mich ruhig meine Wege zieh'n! Stört nicht den Wahn, der meine Seele rührt! Fragt nicht, ob Schein, ob Wahrheit dessen Wesen, Was euch beglückt durch dieses Leben führt, Und selbst im Tod ein Tröster stets gewesen! O sel'ger Wahn, dem lauter Preis gebührt, Wohl dem, der ihn als Führer sich erlesen! Er giebt ihm Muth, er tröstet, stärket ihn: — — O laßt mich ruhig meine Wege zieh'n! O laßt mich ruhig meine Wege zieh'n, Daß Niemand mich in meinem Wahne störe! Und wem mein Zauberstern noch nicht erschien, O daß ihn nicht mein Pilgersang empöre! Der gnädig mir des Liedes Ton verlieh'n, Er ist es, dem mein Liederschatz gehöre, Er ist mein Ziel, zu ihm führt meine Bahn: Drum laßt mich zieh'n und stört nicht meinen Wahn! Himmelfahrt Der Morgen kommt, die zarten Knospen springen, Ein lauer West mit balsamischem Wehen, Ruft die Natur zu neuem Auferstehen, Indeß die Vöglein Maienlieder singen. Die Sonne schwebt empor mit gold'nen Schwingen, Umfließt mit sanftem Zauberschein die Höhen, Daß sehnsuchtsvoll die Blicke aufwärts spähen Und immer höher in den Himmel dringen. Mir wird so wohl in diesen hehren Räumen, Es lauscht mein Ohr den sel'gen Sängerschaaren, Von Heimathlüften fühl' ich mich umfangen; O Glück der Unschuld, himmlisches Verlangen, Mit meinem Heiland bin ich aufgefahren, Und wie ein Kind kann ich vom Vater träumen. Du bist's, o Herr Ich bin ein Fremdling nur aus fernem Lande, Und überall kommt man mir gern entgegen, Streut Blumen gar auf meines Lebens Wegen, Als ob umschlängen uns die engsten Bande. Was ist's, daß ihr mich liebt, die ich nie kannte, Mich überhäuft mit eurer Freundschaft Segen, Daß oft mein Herz zu doppelt schnellen Schlägen In heißem Dank für eure Lieb' entbrannte? Du bist's, o Herr, du Herzensüberwinder, Du schenkst mir Gnade wunderbarer Weise, Daß ich entzückt das Aug' gen Himmel schlage; Drum schaaren sich um mich so gern die Kinder, Drum sieht mich alt und jung wohl gern im Kreise, Weil deinen Frieden ich im Herzen trage. Der Owestern Was gickelsch denn so frindli dryn, Du Sternele dort drowwe? Witt du mer mit dym helle Schyn Saaue-n-e guede-n- Owe? Mer sinn Bekannti jo schun lang, Hab gern als Kind di gsehne; Un isch's mer gsinn als seelebang, Sinn gflosse heißi Thräne; Do hesch mi liebli als gedröst: Hab di als höre redde; Un's Herzeleid, ja's Allergröst Vergange-n- isch durch's Bedde. Saa, Frind, du liewer Owestern, I hab myn Kind verlore, Myn Kind, wo di hett gsehn so gern: E-n- Engele gebore! Hesch de myn Maidele nitt gsehn, Mit Aue, schwarze, schlöue; Wo zue der als hett welle gehn? O loß mi nitt lang fröue! De nicksch so frindli — wie wurd's mir! Ja, duesch mer heimli saaue! — Du liewes Kind, kumm ball zue dir! O Gott! i will nimm klaaue! 's Dannebäumel uff der Kurrwaau Do sitz i mit mym Herzeleid: Myn Kind, wo mi so lieb hett ghett, Leijt in dem kalte, fichte Bett — Myn einzi Freid im Grundloch leijt! Dief us em Grüen grüeßt d' Veijelott; Arrikkele, zwei, winzischeen, Wie Gikkele hell anzusehn, Lueje dort nuff zuem liewe Gott. Die Blüemle uf dyn Grab hiengsäijt, Sie lueje frindli dryn, wie du, Sinn morje schun verwelkt, wie du, Vum Märzeluft wytt furtgewäijt. Dich, guedi Seel, verwäijt kein Wind: Dief in mer blüejt dyn liebli Gstalt; Ja, wie's im liewe Hergott gfallt, Glich kumm i zue der, Herzenskind! E Dannebäumel, safti, grüen, 's Christkindel hett diß Johr der gschenkt: Statt Zuckerdings, isch Schnee dran ghenkt! Wil i's uff's Grab ha setze müen. Es duurt, i spüer's, e kurzi Zytt! Ball, eb zuem Baum diß Bäumel wurd, Bin i us allem Jammer furt: Zuem Engele isch jo nitt wytt! Die ersten Schwalben Mit den dunkelblauen Wolken Dieses Frühlings, licht und lind, Auch zu mir die ersten Schwalben Schon zurück gekommen sind. Könntest Du mich doch verstehen, Kleiner Wand'rer! Weit und breit Ist zum Baue Deines Hauses Niemand, so wie ich, bereit! Sorgsam will ich Dich belauschen Und Dein emsig rasches Thun; Anzublicken Deine Arbeit, Laß ich gern die meine ruh'n! Zu der Zierde Deines Nestes, Das Du flink und nett gefügt, Diese weiche, weiße Wolle Auf dem Fenstersimse liegt. Nimm die kleine Liebesgabe Immer in Dein Häuschen ein! Nach der Arbeit kommt die Ruhe, Und Du wirst wohl müde sein! Morgen früh, wenn ich erwache, Will ich wieder nach Dir seh'n, Und gar manche, manche Stunde Wird so rascher mir vergeh'n. Seh' Dich mütterlich bewahren Deines Nestes junge Brut; Sehe Deinen Gatten fliegen, Der nicht rastet und nicht ruht, Bis er Dich und Deine Kleinen Mit gewohnter Kost bedacht, Ist er rüstig, unermüdet, Bis den Tag begrenzt die Nacht. Aber wenn des Abends Sterne Tauchen aus dem Wolkenmeer, Klingt ein muntres, frohes Liedchen Von der kleinen Freistatt her. Meine Schwalben geh'n zur Ruhe, Und sie singen jetzt sich ein. Möchte selber eine Schwalbe In dem kleinen Neste sein! Hätte Liebe dann und Leben Eines Sommers langen Tag, Bis des Herbstes Sturm zur Reise Wieder fort mich drängen mag! Flöge über weite Meere, Über Wälder, tief und grün, Säh' vielleicht des Glückes Blume Auf verborg'nem Eiland blüh'n! Kommt der Frühling, kehrt' ich wieder, Baute mir mein kleines Nest; Und es wär' vielleicht mein Kommen Für ein einsam Herz ein Fest! Sei gegrüßt, du kleine Schwalbe! Magst in Frieden immer bau'n. Und ich will mit stiller Freude Auf zu Deiner Arbeit schau'n! Frischer Muth Du ewiges, herrliches Sonnenlicht, Ich trink' Dich mit durstigen Zügen! So glücklich ist selbst der Gefang'ne nicht, Der eben dem Kerker entstiegen, Da meine Seele zu Dir sich erhebt, Nachdem ihr die Wolke des Grames entschwebt. Die Welt ist freundlich! Die Welt ist groß! Warum denn weinen und kümmern? Fiel uns ein schweres, ein einsames Loos, Und seh'n wir am Ziele nicht schimmern Den heißersehnten, begehrten Kranz — Es blühen viel Blumen in lieblichem Glanz! Es ist das Leben ein Durchgang nur, Empor nach den ewigen Hütten. So laß verwehen des Schmerzes Spur Und all' das, was wir gelitten! Des Herzens Kampf und des Lebens Pein, Sie werden dort oben vergessen sein. Und ist das Grab nicht ruhig und still? Dort können wir schlafen und träumen, Wenn das Herz nach Kämpfen zur Ruhe will, Und der Becher des Lebens verschäumen. Du ewiges, herrliches Sonnenlicht, Du vergißt auch die Blumen der Gräber nicht! Die Treue Es ist ein Engel, so wahr und rein, Der leitet uns Menschen durchs Leben; Er lichtet die Nächte zum Sonnenschein Und lehrt uns die Seele erheben. Ergreift uns des Lebens gewaltiger Schmerz, So wendet zum Licht er das kämpfende Herz. Wenn das Höchste im kurzen Erdentraum Die Weihe des Himmels gefunden, Zwei Herzen, vereinigt für Zeit und Raum, Die innigste Liebe verbunden, Da ward er als Schutzgeist herabgesandt Und liebend der Engel der Treue genannt. Wenn einsam, in schweigender Mitternacht, Bewegt von den zärtlichsten Sorgen, Die Mutter am Lager des Lieblings gewacht Und hält ihn nun glücklich geborgen, Da entfaltet der Engel sein Flügelpaar, Der Zeuge der heiligsten Treue war. O lieblicher Name! Du heimatlich Haus! Umglänzt von den freundlichen Sternen! Zwar sehnt sich der muthige Geist hinaus, Zu erforschen die dunkelsten Fernen; Doch hält ihn der Treue Engel zurück, Denn nur in der Heimat, da wohnt das Glück! Und ist einst das Leben — ein Traum — vorbei, Mit dunklen und sonnigen Stunden, Bleibt doch, von irdischen Fesseln frei, Vereint, was die Liebe verbunden! — Erleuchtet von der Verklärung Schein Wird ewig die treueste Liebe sein! — Marcus Curtius Schaut Marcus Curtius! — In Triumphespracht Heim zog er mit dem Heer aus heißer Schlacht. Doch ihrem Festmarsch, ihrem Siegsgesang Antwortet nicht des Jubels Wiederklang. Was ist's, daß Roma, die doch sonst mit Lust Drückt jeden tapfern Sohn an ihre Brust, Heut nicht zum Willkomm froh entgegeneilt, Daß sie am Thor verhüllten Hauptes weilt? Stumm grüßt den Zug sie, dann mit trübem Sinn Lenkt sie des Feldherrn Roß zum Forum hin — Zum Forum? nein — o Anblick voller Graun! Das ew'ge Forum ist nicht mehr zu schaun; Statt seiner, wo sein hochgeweihter Grund Gestanden, gähnt ein breiter Schreckensschlund. Als über den der Held sich staunend neigt, Zuckt seine Wimper und sein Streithengst steigt, Denn unermeßlich tief, ein Riesengrab, Senkt sich die Felswand unter ihm hinab. Und Roma spricht: „Verkündet hat Apoll, Daß nie mehr diese Kluft sich schließen soll, Es wäre denn, daß als ein Opfer drein Versenket wird das Köstlichste, was mein. Da brachten ihre Schätze Jung und Alt, Des Goldes Fülle warf man in den Spalt, Es riß die Braut den Kranz aus ihrem Haar, Der Kette Schmuck bot die Matrone dar, Der Jüngling spendet' seiner Toga Zier, Der Mann die Waffen, all das opfern wir — Umsonst! Der Abgrund schloß sich doch nicht zu. Mein guter Sohn, so sprich, so hilf nun Du!“ — Der Jüngling sinnt. Auf einmal hocherglüht Er auf die bange Roma niedersieht, Und spricht zu ihr mit leisem, süßem Ton: „Dein Bestes, Mutter, ist ein guter Sohn!“ Dann lenkt er rückwärts, dann noch einmal stumm Zur Sonne schaut er, dann im Kreis ringsum; Nun sprengt er an, mit freudigem Gewieh'r Im Sturm trägt ihn daher sein herrlich Thier, Ein Gott fast scheint er. An des Abgrunds Rand Wie zum Gebet erhebt er seine Hand; Nun schweben Roß und Mann in hoher Luft, Versinken nun — im Nu schließt sich die Kluft. Die Trommel Rings wirbelt die Trommel im Preußenland. Still liegt nur ein Hüttchen am baltischen Strand. Was jammert das Weib drin bei Tag und bei Nacht? Ihr Mann ist gefallen in heißer Schlacht. Auch traf ihr die Kugel der Söhne zwei; Der jüngste nur lebt und ihr Kummer dabei. Und lebt dir ein Knabe, was härmst du dich bleich? O preise den Himmel! noch bist du ja reich. Doch horch, welche Töne das Ufer entlang! Das Weib schrickt zusammen, was macht ihr so bang? „Horch, Mutter, wie schallt es so mächtig laut!“ — „Mein Sohn, zur Kirche wohl führt man die Braut.“ „Nein, Mutter, das klingt nicht wie Hochzeitston!“ — „So trägt man den Paul wohl zu Grabe, mein Sohn.“ „Nein, nein! so klingt auch nicht Sterbegesang, Schon kenne den Ton ich, schon hört' ich den Klang. Als einst ich ihn hörte zum erstenmal, Da war's für den Vater das Abschiedssignal. Und als er zum andern getroffen mein Ohr, Da folgten die Brüder dem werbenden Corps. Nun ruft er zum dritten, er ruft es nun mir: Die andern sind todt, und die Reih' ist an dir! Die Reih' ist an mir, das Gewehr in der Hand Zu fechten für Freiheit und Vaterland. Hinaus denn, hinaus in des Kampfes Glut! Leb', Mutter, wohl! bleib in Gottes Hut!“ — Hin ziehet der Knabe, das Schwert er schwingt, Einhüllt sich das Weib, und die Trommel verklingt. Die Großmutter Schön Suschen, noch gestern wie Milch und Blut, Und heute schon todt auf der Bahre sie ruht. Die Mutter weint, und der Vater spricht: „So lächelt mir nie mehr dein holdes Gesicht?“ Der Bruder, die Schwestern — vor Gram sie vergehn; Großmutter allein ist betrübt nicht zu sehn. Sie müht sich und schafft, sie durchmustert den Schrein Nach Kleidern, zu kleiden schön Suschen darein. Zum Garten dann eilt sie; für Suschen zum Strauß Wählt sorglich die schönsten Blumen sie aus. Schon kehrt sie zurück. An die Todtenbahr' Hin tritt sie, dem Mägdlein zu flechten das Haar. Und als sie's umwunden mit rosigem Band, An legt sie der Jungfrau das weiße Gewand. Drauf steckt sie den Strauß in ihr Busentuch Und giebt in die Hand ihr das heilige Buch. Nun ist es vollbracht. Wie ein Engel so schön Ist Suschen im Schmucke der Todten zu sehn. Großmutter beschaut sich die holde Gestalt, Da rollen die Thränen hervor mit Gewalt. Sie bückt sich noch näher in liebendem Schmerz, Da sinkt in die Knie sie, da bricht ihr das Herz. Zwei Todte geleitet der weinende Schwarm, Großmutter — und Suschen in ihrem Arm. Am Gitter Im Garten ist des Hauses Kind, Vor'm Gitter arme Kinder sind. Die spielen fröhlich im Verein, Das andre muß für sich allein. „Komm doch heraus!“ ein Knabe spricht. „Wie gern, wie gern! doch darf ich nicht.“ Sacht tritt an's Gitter sie heran, Sieht sich die Lust ein Weilchen an. Jtzt — einen scheuen Blick auf's Haus, Und husch, zur Gartenthür hinaus. Gleich wird mit Jubel sie umringt, Sie jubelt mit, sie singt und springt. „Nun angefaßt zum Ringelreihn, Und sie soll die Prinzessin sein!“ Von Blumen, die im Feld gepflückt, Wird ihr ein Kranz auf's Haupt gedrückt, Ein kleiner Prinz ihr naht darauf Und kniet vor ihr, sie hebt ihn auf. Nun „Ringel-Ringel-Rosenkranz“, Der Bräut'gam führt die Braut zum Tanz. „Ein andres Paar!“ — Im Kreise nun Hüpft froh sie mit, da gilt kein Ruhn; Die Wange glüht ihr rosig, nie Im Leben war so glücklich sie. Die Mutter hat's mit angesehn, Die Thränen ihr im Auge stehn. Karl IX. Nach der Bartholomäusnacht Der König fährt vom Schlaf empor: „Ha, welch Geräusch dringt an mein Ohr!“ Zum Fenster eilt er, horcht hinaus In's dumpfe, nächtliche Gebraus. Ein Toben, Jammern, gräßlich wie Die Blutnacht von Barthelemy. Drei Boten müssen eilends gehn: „Nun sprecht: was wieder ist geschehn?“ „Paris ist stiller als die Gruft, Der Lärm ist drüber in der Luft.“ Erbleichend hört's die Höflingsschaar, Dem Vetter Henri sträubt's das Haar. Der König spricht: „Sie lassen nie Mir Ruh mehr bis in St. Denis!“ In St. Denis, kein Jahr danach, Der König still im Sarge lag. Moskau Vom weiten Marsch, von Sturm und Schlacht, von halben Siegen matt, Verdrossen zieht der Franken Heer auf Rußlands alte Stadt, Schon Murren rings, die Garden nur gehn fürbaß ohne Laut, Da plötzlich ruft die Vorderhut: „Dort Moskau, kommt und schaut!“ Und wie ein Blitz durchfliegt's die Reih'n, und wieder rosenroth Steht Allen gleich die Zukunft vor, wer dachte noch an Noth? 's giebt ja Quartier und Beute nun, drum rasch in munter'm Lauf Dringt Zug an Zug und Mann an Mann zum Hügelrand hinauf. Hier welch ein Bild! aus jedem Mund ertönt ein staunend Ha! Im Schein der Sonne prächtig liegt das stolze Moskau da; Der Häuser Meer, der Thürme Wald zeigt auch Paris und Wien, Doch einzig strahlt der Kuppeln Gold vom einzigen Kremlin. Man zeigt, man ruft: „Seht dort den Preis der Sieger in der Schlacht!“ Nur Einer, Frankreichs Kaiser nur bleibt finster wie die Nacht. Ahnt Unheil ihm? erspäht Gefahr sein Adlerauge wohl? Schaut er im Sonnenglanz der Stadt ein dräuendes Symbol? Sieht er's wie Funken sprühen hier und leuchten dort wie Gluth Und in einander strömen rings der Flammen düstre Fluth? Sieht er die Schlösser stehn in Brand, die Kirchen, den Bazar? Ganz Moskau, sieht er's lodern auf des Vaterlands Altar? Er sieht es nicht, er ahnt es nicht. Zorn nur sein Auge blickt, Daß nicht der Demuth Zeichen ihm die Stadt entgegenschickt. Ein dunkler Geist! es spricht kein Gott in diesem Busen mehr; Ge'n Moskau zieht des Frankenreichs Belsazar und sein Heer. Aus drei Jahren 1869 An x. x. Du zürnest, Freund? dir währt zu lange schon Der neue Bau, des Vaterlands Gestaltung, Dem trägen Gang der Dinge sprichst du Hohn, Warnst sorgenvoll vor drohender Erkaltung, Hindrängst du mit stets ungestümer'm Ton Zu rascher'm Thun, zu kühnerer Entfaltung — Seis! nur gedenk' im edeln Übereifer Des Sprüchleins auch: was lange währt, wird reifer! Und dies noch höre: Einst beklagt' auch ich Des holden Lenzes allzulanges Säumen, Daß nicht der rauhe Nord vor'm Süd' entwich, Das Knöspchen fast verkam an Pflanz' und Bäumen, Dem Alten zürnt' ich, daß so schwer er sich Entschloß, dem Jüngern seinen Platz zu räumen — Da hör' nun, was sich plötzlich zugetragen Und schnell verstummen ließ mein thöricht Klagen: Mich weckt aus tiefem Schlaf um Mitternacht Ein Donnerschlag. Ihm folgt' ein mächtig Brausen, Blitz kam auf Blitz, es wettert, tost und kracht, Vom Himmel strömt's, durchheult von Sturmes Sausen, Allmälig stillt' es sich, doch hört' ich sacht Noch lang' den Regen niederfallen draußen, Ein süßer Klang! — Am Ende schloß ich wieder Zu neuer Ruh' die müden Augenlider. Früh schaut' ich aus. O, wie mir da geschah! Verwandelt war die Welt zum Paradiese, Ein Meer von Glanz, soweit mein Auge sah, Frisch wie am Schöpfungsmorgen Hain und Wiese, Ein blüh'nder Garten Alles fern und nah, Kein Fleckchen, das nicht grüne oder sprieße; Ein Märchen schien's. Mir aber ward's zum Frommen, Erfüllung — über Nacht war sie gekommen! 1870 Nach Gravelotte Sieg kommt auf Sieg! — Ob auch verzweifelnd wehre Der Gallier sich, doch muß mit Händeringen Er sehn die Unsern, wie von Fels und Meere Herstürmend sie ihn fassen, ihn umschlingen, Muß sehn, wie alle seine stolzen Heere Mit ehr'nen Armen wir ihm niederzwingen, Gefesselt muß er sehn den Raub von unsern Gauen Sich wieder abgejagt, entrissen seinen Klauen. Sie bleiben unser! — Nicht umsonst geflossen Darf so viel Blut sein — senkt die Trauerfahnen Auf die gefall'nen Brüder! — nein, vergossen Für Deutschland, muß es feierlichst uns mahnen, Daß, die da draußen ruhn und die zerschossen Uns wiederkehren von des Ruhmes Bahnen, Nicht beifallshalb gekämpft wie Helden auf der Bühne, Nein, daß uns Friede wird durch alten Frevels Sühne! Auf, nach Paris denn! — Laßt den König leben, Der uns gemahnt, auch wenn den Feind wir schlugen, Doch Gott allein die Ehre nur zu geben, Der herrlich nun uns führt von Sieg zu Siegen, Ein ganzer Mann — da hilft kein Widerstreben, Die Herzen müssen ihm entgegenfliegen — O, daß die Fürsten auch wie ihre Völker denken! Ge'n Aachen wird dann bald der Blick der Welt sich lenken. Hindurch, hinan! — Und wenn es Wahrheit worden, Wofür sich tapfer schon die Väter schlugen, Wenn von der Grenzmark, die erkämpft der Orden, Bis wo des Reiches Sturmpanier sie trugen, Ein einig Volk wir, wenn der Süd den Norden Umarmt als Bruder — jüngst noch Spott der Klugen — Dann auf die Knie! Laßt tief in Demuth sie sich neigen, Laßt Dank und Jubelklang empor zum Himmel steigen! 1871 Am Sylvester-Abend Als ich noch Studiosus war, Wenn da gekommen das neue Jahr, Da haben wir in der Sylvesternacht Dem alten ein Pereat gebracht. O, Undank! man mag sich ja freu'n auf das neue, Doch soll man dem alten auch wahren die Treue — Dem alten zumal, das erstehn uns ließ Den Kaiser, das Reich vor'm entthronten Paris; Drum, Brüder, ein Hoch, daß die Mauern erbeben: Das alte, das Jahr 71 soll leben! Einer jungen Freundin in's Album Abwärts aus dem Reich der Himmel Schickt zu ungezählten Malen Gott in's irdische Gewimmel Seiner Güte Sonnenstrahlen. Schickt in ihnen uns hernieder Kraft zum Glauben, Lieben, Hoffen, Fordert einzig nur hinwieder, Daß das Herz sie finden offen. Am Rhein Bei der Rückkehr aus Frankreich Der Tag geht schon zu Ende, Die Nacht, sie bricht herein, Mit Purpur säumt die Wolken Der letzte Sonnenschein. Die müden Heerden ziehen Hinab ins stille Thal, Der Ruhe süße Schauer Sich regen allzumal. Und Frieden, tiefer Frieden, Sinkt auf die Welt herein, Der Sturm vergißt sein Brausen, Still zieht der deutsche Rhein. Der Vögel Sang verstummet, Im Traume liegt der Wald, Nur aus dem Weizenfelde Des Heimchens Klang erschallt. Die treuen Blümlein haben Ihr Duften eingestellt, Wie leises Geisterwehen, So zieht es durch das Feld. Am tiefen, blauen Himmel, Hoch über'm dunklen Hain, Schifft leis' im Silbernachen Des Mondes Silberschein. Da hör' ich etwas klagen, Es ist die Nachtigall, Und in die Lüfte zittert Der Töne süßer Schall. Recht kann man nur empfinden Des Lebens tiefste Lust, Wenn stilles Weh' auch schlummert In reich beglückter Brust. Frieden Es lagert tiefe Stille Auf weiter breiter Flur, Ich wage kaum zu athmen, Ich fühl' und schaue nur. Dem tiefen Blau des Himmels Entquillt der Sonne Gluth, Und schmilzt in gold'ne Hüllen Des Weines Feuerblut. Im goldnen Scheine wogen Die Ähren auf und ab, Und von der Bergeshalde Ein Glöcklein schallt herab. Kein Wellchen trübt die Ruhe Der spiegelklaren Fluth, In der die Sonne kühlet Die unnennbare Gluth. Die Erlen und die Weiden Rings um des Weihers Saum, Sie wagen kaum zu rauschen Und flüstern wie im Traum. Es scheinen auch zu schlafen Die treuen Vögelein; — Die Lerche nur singt Frieden Ins Menschenherz hinein. Und Krieger sah' ich ziehen Im festlichen Gewand, So froh, so stolz, so heiter, Mit Lorbeer in der Hand. Da ist mir aufgegangen Die stille, selge Lust; Fried' bringt die Friedensfeier Auch der betrübten Brust. Manch Sternlein Manch Sternlein blinkt hernieder Vom Himmel hell und klar, Es ist so nah und ferne, Wie es vor Zeiten war. Manch Herz wirft einen Schimmer In unsre Einsamkeit; Wir glauben es zu haben — Und ist so himmelweit. Reim-Ode Dem Großherzog von Sachsen zum 24. Juni gewidmet Wem Schönheit und Hoheit das Dasein versüßen, Dem fließen Die Jahre in Segen voll Wonne dahin; Beglückt überschaut er die Bahnen des Lebens Und Strebens, Befried'gung durchzieht seinen glücklichen Sinn Dir war es, o Fürst, das beglückendste Streben, Das Leben Zu weihen dem Wissen, der Schönheit, der Kunst; Mit Hoheit gewannst Du, ein fürstlicher Meister, Die Geister, Es fesselte sie Deine fürstliche Gunst. Drum bringen die Musen am heutigen Feste Das Beste Als Wunsch Dir, Beschützer, zur Huldigung dar; Sie winden aus Blumen in ewigem Lenze Die Kränze Unsterblichen Ruhms in Dein fürstliches Haar. Mäcen! Dir mög' blühen auf all' Deinen Wegen Der Segen Voll lieblicher Fülle in Zukunft fort! Dein Banner es strahl' in nie endender Schöne, Und Söhne Der Musen, sie preisen Dich, schützenden Hort! An Hellas Hellas, Land der edlen Griechen, Wo sind deine alten Götter? Wo ist Zeus, der Allgewalt'ge, Daß er schleud're seine Wetter? Wo sind deine alten Helden, Und wo deine Heldenweiber? Wo Hephaistos, daß er schmiede Panzer für die kühnen Leiber? Wo sind deine edlen Dichter, Deine Sänger, groß vor Allen, Wo die Reihen stolzer Städte, Die in Staub und Schutt zerfallen? Weh', du schweigst! Zu Tod getroffen Senkest du dein Haupt zu Boden, Gramumflort, und denkst mit Thränen Nur an deine großen Todten. Schamroth zürnst du deinen Söhnen, Weinst du über ihre Schande, Daß statt Helden freche Räuber Hausen im gefall'nen Lande. Kalt ist es in dir geworden, Düster trauern deine Haine Ob des Mord's; die Matten welken, Und das Meer schlägt nackte Steine. Stumm, in ew'ges Eis gegossen, Starren des Olympos Gipfel, Düst're Tannen schütteln traurig Ihre schneebedeckten Wipfel. Einsam und verödet liegen Des Parnasses Herrlichkeiten, Kalte Ströme ziehn vorüber, Rauschen von vergang'nen Zeiten. Gedanken I. Auf freien Liedesschwingen Erhebe dich, mein Herz, Und laß im Lied verklingen Dein Lieben, deinen Schmerz. Ein singend Herz hat Frieden, Genießt die reinste Lust, Und todte Worte wehen Das Leben in die Brust. II. Wenn alle dich verlassen, Das Lied, es bleibt dir treu, Giebt todten Worten Leben, Macht alte Liebe neu. Gefrorne Fenster Über Nacht an meinem Fenster Waren Blumen aufgeblüht, Alle weiß wie Nachtgespenster, Ächte Geister von Geblüt. Blumen waren's, Blätter, Bäume, In Gestalten mannigfalt, Fast verworren, wie die Träume, Dichter selbst als mancher Wald. „Ei, ein wundersam Gebilde,“ Also dacht' ich — „rein und zart, Nicht ensproßt dem Erdgefilde, Blumen wohl von Himmelsart!“ Und mich freut es, daß der Winter Auch mit Blumen war geschmückt, Wie durch holde Erdenkinder Frühling, Sommer, Herbst entzückt. Aber sieh! da kam die Sonne Mit des Lichtes warmem Strahl, Und die Blumen sind zerronnen, Bäum' und Blätter allzumal. Und zu Wasser wurden Bäume, Fanden bald ein nasses Grab; Was mich erst entzückt wie Träume, Rann als Thräne nun herab. Wäret wahrhaft ihr gewesen Blumen, wie ihr schien't so hell, Wär't ihr an der Sonn' genesen, Die der Pflanzen Lebensquell. Aber so: in Nacht geboren, Lügengeister, feind dem Licht, Seid im Lichte ihr verloren, Das durch Nacht die Bahn sich bricht. Wie die Blumen an dem Fenster, Siehst du Manches vor dir steh'n, Das zuletzt wie Nachtgespenster Vor der Sonne muß zergeh'n. Im Winter Die Kinder stehen am Fenster Und jubeln: „Wie schöner Schnee!“ Die Spätzlein auf der Scheune, Die denken: „Wie schneit's! o weh!“ Die Kinder sagen: „Nun fahren Wir Schlitten wohl im Schnee!“ Die Spätzlein: „Nun müssen wir hungern, Und Hunger thut so weh!“ Da scheint die Sonne kräftig Und schmilzt den schönen Schnee, Die Spätzlein jubeln und zwitschern, Die Kinder rufen: „O weh!“ So geht's gar oft im Leben; Dein Schmerz ist Anderer Lust, Gott hat doch beides gegeben Und hat's gar wohl gewußt. Ghaselen 6. Was da lebt und webt auf Erden, dringt von unten stets nach oben, Weil des Lichtes Allmacht Alles zwingt von unten stets nach oben. Alles will die Fesseln sprengen. Wenn die Pflanze soll erstehen, Leis' der Keim durch harte Schollen ringt von unten stets nach oben. Lerche schweigt auf Feldesauen; aber in des Himmels Lüften Singt sie frisch und frei; ihr Lied erklingt von unten stets nach oben. Nah' der Sonne Strahl zu weilen ist des Adlers höchste Wonne; Drum den mächt'gen Fittig kühn er schwingt von unten stets nach oben. Aufwärts mit dem Blick, ihr Menschen! Was ihr klagt, gen Himmel Klagt es! Was ihr singt in Freuden, singt von unten stets nach oben. Gemeinschaft Durch dunkle Thäler werd' ich müssen gehen, Da ausgelöschet alle Sterne scheinen Und wilde Stürme allenthalben wehen Und meine Augen bittre Thränen weinen. Doch darf ich nimmer ohne Trost verzagen: Getheilter Kummer ist nur halb zu tragen; Und all' mein Leid — ich trag' es nicht allein; Denn Du bist mein! Mit mancher Blume auch wird mir sich schmücken Der lange Weg, mit mancher Freud' und Wonne, Im Stillen werd' ich jubeln vor Entzücken Im hellen Strahl von Gottes Gnadensonne — Doch drängt's mich aus der Selbstheit engen Kreisen: Getheilte Freude doppelt ist zu preisen, — Und meine Freud' — ich trag' sie nicht allein; Denn Du bist mein! Und wenn zuletzt, in Gnaden groß gezogen, In Leid und Freude, treu dem ew'gen Worte, Das Leben hinter mich zurückgeflogen Und ich als Pilger steh' an heil'ger Pforte — Dann möcht' ich einsam nicht gen Himmel gehen, Mir sagt's ein tief geheimnißvolles Wehen: Auch in den Himmel geh' ich nicht allein; Denn Du bist mein! Ernstes Wortspiel Weil du bist von meinem Fleische genommen, So mußt' ich wieder zu meinem Eigenthum kommen; Und als ich dich zum Weibe genommen, Da bin ich erst ganz zu mir selbst gekommen. Herostratus Murmelnd bricht sich am Gestade Des Caystros Silbergluth: Daß den keuschen Leib sie bade, Stieg Diana in die Fluth; In des Mondlicht's Schlafgewande Schlummert still, des Tagwerks müd', Ephesus, — nur fern vom Strande Tönt ein träumend Fischerlied. Leis durchbebt ein Windesschauer Der Oliven heil'gen Chor; Zu der Göttin Tempelmauer Rauscht es wie Gebet empor; Auf des Haines Hüter breitet Morpheus längst des Schlummers Bann; Sieh, die Marmorstufen schreitet Noch ein Jüngling schnell hinan. An der Säule, goldumflossen, Lehnt er, düst'ren Angesicht's: — Durch die Hallen, übergossen Von der Fluth des Mondenlichts, Um der Pfeiler Prachtgefüge, Zu des Giebels stolzer Höh' Schweift sein Blick: — um seine Züge Zuckt es, wie ein tiefes Weh. „Der du kühn die Marmormassen,“ Spricht er, „zwangst zur Harmonie, Hehrer Geist, ich muß dich hassen, Denn ich muß bewundern sie; Formen dem Gestein zu geben, Die mein Geist verschönend sah, Wähnt' auch ich einst — und mein Leben Weiht' ich Dir, Urania!“ Mit dem Richtstab, mit dem Meißel, Rang auch ich um Deine Gunst; Doch das Werkzeug ward zur Geißel, Und zum Frohne ward die Kunst: Prachtpaläste seh ich ragen, Marmorbilder meisterhaft; Doch will ich zu formen wagen, Dann versagend flieht die Kraft. Götter — gabt Ihr mir zum Hohne Diesen schaffensfreud'gen Geist, Daß Ihr der Vollendung Krone Grausam meinem Werk entreißt?! Warum ließt das Herz ergreifen Ihr von heißer Ruhmessucht, Wenn in ihren Gluthen reifen Nimmer soll der Schöpfung Frucht?! Doch auch der Zerstörung Waffen Winkt der Preis, des Ruhmes Zier! Ward mir nicht die Kraft zu schaffen, Zu vernichten ward sie mir! Stolzer Tempel, brich zusammen, Sei zum Opfer jetzt geweiht, Und ein Phönix aus den Flammen Steige mir, Unsterblichkeit! Wehe — in die heil'gen Räume Schleudert er den Brand hinein; Sieh — des Vorhangs Goldgesäume Lodert auf in grellem Schein! Gierig schleicht die Flamme, züngelt Wachsend am Gebälk hinauf, Eine Riesenschlange ringelt Sie sich um der Säulen Knauf. Wie vom Herrscherhaupt die Krone, Stürzt das säulenlose Dach — Und zerschmetternd reißt vom Throne Es der Göttin Bildniß nach! — Der für ew'ge Zeit gegründet, Rauchend starrt der Bau, zerschellt; — Doch des Frevlers Name kündet Schaudernd heute noch die Welt. Die Chansonettesängerin Im leichtgeschürzten Florgewande, Den Lilienarm mit Gold behängt, Das volle Haar mit buntem Bande Zur Flechtenkrone eingezwängt, — Der Wange Weiß bemalt mit Schminke, So trittst Du auf das Podium — Rings Zuruf, Klatschen, Beifallswinke, Du neigst Dich — da wird Alles stumm. Du singst, zwar sind's nur Chansonetten, Des Cancan's lust'ge Melodie, Der Venus Loblied, der Loretten Weltlustdurchglühte Poesie, Doch zittert immer mir und immer Durch Deinen Sang ein Klang, ihn mild Verklärend gleich dem Heil'genschimmer Auf Magdalenen's üpp'gem Bild. Das ist nicht gleißende Comödie, Die Heuchelei dem Laster paart, Das ist der Herzton der Tragödie, Zu der Dein junges Leben ward. Aus Deines Glückes Grab erklingt es, Das wonnesangverhüllte Weh' — So tönt ein Lied, ein windbeschwingtes Aus Merlins Grab, dem Weißdornschnee. Mich tragen Deines Sanges Flügel Zu Deiner Jugend Welt zurück; Wie aus Morgana's Zauberspiegel Entsteigt mir Dein versunk'nes Glück: Mondsilbernacht, frühsommerwarme, — Lenzduft und Nachtigallensang, Du ruhst in des Geliebten Arme Berauscht von Liebesgluthentrank. Du hast die Welt, hast Dich vergessen! Was thut's? Du warst ein leichtes Blut. Verdamm' ein Frömm'rer Dich ob dessen, Mir feit den Fehl der Liebe Gluth. Doch war's die Gluth, die wetterschwanger Auch jenen Sturm heraufbeschwor, Der Deines Lebens Blumenanger Zum Opfer seiner Wuth erkor. Der Winter stieg in's Thal hernieder — Da schnürtest Du Dein leichtes Tuch, Die Schande trugst Du unter'm Mieder, Im Herzen tief des Vaters Fluch. Der Nordwind pfiff Dir um die Wangen, So zogst Du bettelnd durch das Land, — Der Buhle war davongegangen, Das Kind — es starb am Grabenrand. Da kam des Weges der Versucher, Wies Dir des Lasters glatten Pfad. „Kind! Du bist schön! Das ist zum Wucher Ein schätzbar Pfand, der Freuden Saat.“ — So kauftest mit der Schande Preise Du frei Dich von der Herrin Noth, Sie, die Dir einst die Götterspeise, Die Liebe — ward Dir nun zum Brod. Als sich des Leides Kelch gewandt in Der Wonne Trank in jähem Tausch — Da stürztest, eine Corybantin, Du ihn hinab in tollem Rausch. Fort zogst Du nach der Seine Borden, Zu der Cocotte Lustasyl, Sie hießen Dich den „Stern vom Norden“. So prunktest stolz Du in Mabille. — Zu Ende Glanz und Tanz und Prassen, — Verweht war Deiner Schönheit Flor, Die Freunde flohn; — Du standst verlassen, Im Lasterpfuhl ein schwankes Rohr — Da bot Dir jener Lieder Quelle Den dürft'gen Trank zum Leben dar, Die in des Glückes Sonnenhelle Du einst erlauscht im Alcazar. Dein Sang verstummt. — Es klatscht die Menge, Horch, wie sie stürmisch Bravo! kreischt, Noch ist's der Flitter der Gesänge, Der gleißend ihren Beifall heischt. Wie aber, wenn des Sanges Spende, Wenn Dir die Zeit auch diese stahl — Was dann? — dann ist des Liedes Ende Ein Sterbebett im Hospital. Ob Blümchen weinen kann? Ein Knäblein schlendert durch den Wald Den schmalen Pfad entlang, Trinkt aus der Quelle klar und kalt Und lauscht der Vögel Sang. Er spielt, wo Alles lebt und blüht, Er ruht sich aus am Rain, Sein junges Herz voll Sehnsucht zieht Ihn immer mehr waldein. Im tiefen Forst auf kühlem Grund Ein Blümlein stehet hold; Die Blüthen sind wie Falter bunt, Die Griffel wie von Gold. Wie steht der Wald so traut und still! Des Knaben Herz pocht laut, Und als er's Blümlein pflücken will, Die Hand sich's nicht getraut. Im Westwind hat sich schön und tief Des Blümleins Haupt geneigt, Wie wenn es „bitte, bitte“ rief. — Das Knäblein staunt und schweigt. Noch glänzt wie Thränen hell und klar, Der Thau auf Strauch und Baum; Dem Knäblein wird's ganz wunderbar, Es geht ihm wie im Traum. Er eilt betrossen heimathwärts Und fragt bei Mutter an: Ob Blümchen fühlet Freud' und Schmerz, Und ob es weinen kann? Der gefangene Vogel Im Kerker soll ich Lieder singen, Und draußen weht die Luft so rein. Ich soll zum frohen Ton mich zwingen, Vorm Fenster dort spielt Sonnenschein. Und ob mein Käfig auch von Gold, Den Liedern ist er nimmer hold. So mancher Fant fliegt hier vorüber Und neidet den, der so beglückt, Ich seufze: Draußen wär' ich lieber, Wo keine Fessel je mich drückt! Der Wange Roth, der Lieder Duft Erglühn nur in der Freiheit Luft. O meine Freiheit gebt mir wieder, Im grünen Baum den Zweig zur Rast; Dann flieg' ich fröhlich auf und nieder, Ein armer, doch zufried'ner Gast, Dann tönt auch noch im Abendschein Mein Danklied froh durch Feld und Hain. Ruinen am Chacama Ein Bild aus Central-Amerika Am Waldesstrom Chacama in heißer Sonnengluth, Da werfen Trümmerhaufen die Schatten in die Fluth. Es ziehen Boote stille durch Forst und Dickicht hin, Wie wenn die Pilger betend zum Wallfahrtsschreine ziehn. Der Fluß schleicht dunkel, schweigend dem Meeresschooße zu, Des braunen Schiffers Stimme nur stört die lange Ruh. Die schlanken Palmen baden ihr Haupt in blauer Luft, Viel tausend Blumen opfern dem Schöpfer süßen Duft. Um Riesenbäume schwebet ein bunter Vögelchor, Und grüne Reben klimmen aufs halbverfallne Thor. Kein Friedhof je so schweigend auf dieser Erde lag, Hier schlafen die Azteken bis auf des Herren Tag. Einst wallte hier die Menge zum Tempel und Palast, Zum fernen Markte trugen die Kähne ihre Last, Rings wogte Lust und Leben: man hat gestrebt, gebaut, Und goldne, schöne Früchte des Menschen Fleiß geschaut. Wo sind sie hin, die Schiffe? Wo weilt der Menschentroß? Begraben und vermodert in kühler Erde Schooß. Es stehen Völker — Städte hier unterm Monde auf; Sie blühen und sie welken — vollendet ist ihr Lauf. Dann folgt der Lust die Öde, wo Nacht und Grauen wohnt, Und wo der Stolz sich blähte, bald ew'ges Schweigen thront. Es ist kein Wall gemauert, der nicht der Zeit erliegt, Das Heer ist nicht erstanden, das nicht der Tod besiegt. Nur eine Stadt wird blühen, wenn alles Andre fällt, Weil sie in Gottes Augen ist köstlich auserwählt. Und ihre Mauern stürzen kann keines Feindes Macht, Die Freude drinnen schweiget auch niemals Tag und Nacht. Wie sie vor tausend Jahren einst Sankt Johannes sah, Steht sie noch rein und heilig in ihrem Brautschmuck da. Ballade Ich stand am Meer und schaute Hinaus in Sturm und Nacht, Und auf die wilden Wogen Zog's mich mit Geistermacht. Da sah ich an dem Strande Ein Schiffermädchen gehn. Tiefsinnig und in Trauer, Wie ich's noch nie gesehn. Sie war so schön und lieblich Und glich dem Sonnenlicht, Das unverhofft am Himmel Durch dunkle Wolken bricht, Als wär' sie aus dem Meere, Vom Morgenstrahl durchglüht, Eh' sich's im Sturm erhoben, So rosig aufgeblüht. Ihr Blick war so gewaltig, Daß er mich ganz durchdrang Und wie mit einem Zauber Mich ihr zu eigen zwang. Ich trat zu ihr und sagte: „O glücklich würd' ich sein, Dürft' ich dir meine Liebe, Du holdes Mädchen, weihn.“ Sie schwieg und kam zum Ufer, Wo sie im Sturmgetos Ein schwankes Schifflein machte Von seinem Anker los. Als wie in Wahn besangen Zog's mich ihr mächtig nach, Ob sich die wilde Brandung Auch an dem Felsen brach. Drauf wandte sich die Kühne Zu mir mit solchem Wort: „Wohlan, willst du es wagen, So schiffe mit mir fort. Wie auch die Donner rollen, Komm mit nach jenem Kahn; Ich mache durch die Wellen Dir eine freie Bahn. So oft die Wogen schäumen, Fahr' ich in Nacht und Graus, Von einem Geist getrieben, In's wilde Meer hinaus. Graut dir, wenn sich die Woge Am Felsenriffe bricht? Sieh mich; ich bin ein Mädchen Und bang' im Sturme nicht.“ — „Wohlan, du kühnes Mädchen! Ich schiffe mit dir fort; Laß mich hier träumend sitzen, Stell dich an's Steuerbord. Es soll mir Lust gewähren, Mit dir im Blitzes Schein Auf hoher Flut zu fahren; Die Donner schlagen drein.“ Sie stand im Wetterleuchten Und fuhr durch Sturm und Nacht. Da, an dem Steuerruder Faßt sie des Wahnsinns Macht. „Wohlan, sprach sie, mein Trauter, Du sollst mein eigen sein. Wir tanzen todesmuthig Den schönsten Hochzeitsreih'n. Um dich verrieth ich jenen, Der mein Verlobter war: Um ihn zum Opfer bring' ich Dich in dem Sturme dar. Er muß das Opfer haben, Ein Leben frisch und warm; Dann kehrt er wieder freudig Zurück in meinen Arm. Du bist der frevle Freier, Dir gab ich meine Hand, Als mein Geliebter weilte An einem fernen Strand. Du sprachst: 'Er ist gestorben' Und brachtest mir ein Pfand; Du warbst um meine Liebe; Ich gab dir meine Hand. Er aber kehrte wieder; Und als er mich gesehn, Da trieb es ihn von dannen Durch Nacht und Sturmeswehn. Weil ich ihm brach die Treue, Starb er im Wogen-Graus. Nun kommt er mit dem Donner Und fordert mich hinaus. Sobald der Herbst gekommen, Wo ich ihm Treue schwor, Steigt er aus seinem Grabe Im Sturmgebraus empor. Ich höre seine Stimme, Die aus dem Sturme dringt, Siehst du, wie er sich mächtig Auf jene Welle schwingt? Und wenn die Wogen schlagen Dort an das Felsenriff, Da zieh' ich ihm entgegen Auf meinem kleinen Schiff. Ich möcht' ihn gern umarmen, Er steht so herrlich dort Auf hoher Flut; doch stößt er Mich immer wieder fort. Und erst, wenn du gesunken, Reicht er mir seine Hand, Und ob der Kahn zerschellt auch, Führt er mich an das Land.“ Des Mädchens Feuerauge, Das glühend auf mich sieht, Hält mich für jenen Frevler, Der ihn und sie verrieth! Ruht er von ihr begraben Im Meeresgrunde schon, Soll mir von ihren Händen Dasselbe Schicksal drohn? Ich saß in einem Sarge, An dem das Leichentuch Sich wie ein Segel spannte, Und fuhr mit einem Fluch. Sie sang vom Wahn umfangen Ihr Lied im Meeres Sturm Und stürzte ihren Nachen Von einer Woge Thurm. Sie selber ward das Opfer, Und ruhig ward das Meer. Es warf mit letzter Woge Mich an das Ufer her. Das Gewand der Schönheit Um der Schönheit Geist zu verkörpern, wähl' ich Hier des Rohres Rauschen an dunklen Wassern Und den Stern des Abends, der seine Sehnsucht Senkt in die Wasser. Dann des Mondes streifende Silberlichter Und den Duft der schwimmenden Wasserlilie Nehm' ich und was tief in der stillen Brust mir Ahnend erbebet. Zum Gewand ihr hol' ich der Sonne Purpur, Der vom Himmel schwand und die dunkle Wolke, Die ich gestern sah, und den Regenbogen, Daß er sie gürte. In die Seele leg' ich so viel Gedanken, Als am Himmel leuchtende Sterne scheinen. Könnt' ich's thun! Doch, was ich auch immer Schönes Sinnend erfinde, Kann aus ihm ich nie der erhabenen Griechen Form gestalten, da aus dem eig'nen Geiste Sie noch Schön'res selbst sich erschafft und strahlend In die Natur wirft. An den Schlaf Heiliger Schlaf, versöhnender Gott der Ruhe, Unbezwungner, stärker als aller Menschen Willenskräft'ger Geist, des entstehenden Lebens Ganzes umfangend! Gott des Schlafs! Zu sinken in deine Tiefen, Nichts zu wissen, und zum Bewußtsein freier Aus dem eigenen Sein und dem Weltgedanken Wieder erwachen: Das dein Preis. — O nahe dich, Nachtverhüllter, Frei von Träumen, lösche des wirren Denkens Wetterleuchten aus. Wie den Tod Ahasver, Suche den Schlaf ich. Am Abend des 3. Juli 1866 Berlin war einer neuen Sonne Leuchten Am dunklen Himmel, in des Sieges Pracht, Daß über ihm der Sterne Lichter bleichten; Jetzt wird es dunkel, um die Mitternacht. Und auf die fahnenstolzen Siegesbogen Des Brandenburger Thores blickt allein, Nachdem den Himmel Sturmgewölk umzogen, Der Stern des Mars mit rothem Flammenschein. Es ist ein Stern, gestürzt in wilde Trümmer, Auf dem das Feuer von Vulkanen glüht, Deshalb der unheilvolle Flammenschimmer, Mit dem er auf die Erde niedersieht. Er ist der Stern, der Krieg der Erde kündet, Und ihr die bluterrung'nen Siege schafft; Mit seiner Glut hat er zugleich entzündet Im Menschengeiste die dämon'sche Kraft. So wie des Mars ergrimmte Blicke flammen, Zieht sich die Venus, die des Friedens Glück Mit Strahlen, die von einem Eden stammen, Am Himmel weissagt, in die Nacht zurück. Ich hab den Mars gesehn am Himmel siegen, So stolz wie jetzt, und auf ein Schlachtfeld schaun; Es schien, als war von ihm herabgestiegen Der Tod, gehüllt in der Verwesung Graun. Zwei große Völker hatten ausgerungen, Der Adler Preußens flog der Sonne zu, Die sich auf Königgrätz herabgeschwungen, Und auf den Schlachtgefilden wurde Ruh. Die Leichen lagen weit hinausgebreitet; Ich wandte mich zurück auf nächt'gen Pfad Und wandelte allein, vom Mars geleitet, Der blutig schimmernd aus den Wolken trat. Da war's, als habe sich zu mir gefunden Ein dunkles Wesen, graunhaft von Gestalt, Bald sichtbar, bald in Moderduft verschwunden, Und mich befiel Entsetzen eiseskalt. Es war der Tod. — Ich hatte nicht gezittert, Ihm in das starre Angesicht gesehn, Als um mich her die bange Schlacht gewittert; Wie sollt' ich jetzt aus Schreck vor ihm vergehn? Ich sprach zu ihm: Wohlan, sei mir zu Willen, Zu deinen Opfern tritt mit mir heran, Du sollst bei einem jeden mir enthüllen, Was er im letzten Augenblicke sann. Da konnt' ich neben mir wie aus dem Glimmen Des wilden Mars den Tod gestaltet sehn, Und wie gewandelt in Orakelstimmen, War auf dem weiten Feld der Lüfte Wehn. „Mir ist, als hört ich noch das Lied ertönen Heil dir im Siegerkranz — wie Geisterhall —“ „Das war des Offizieres letztes Stöhnen, Als ihm die Brust zerreißt ein Feuerball.“ „Von dorther kommt wie Grabeshauch gezogen Das Lied: Was ist des Deutschen Vaterland?“ — „Das kommt von einem tollen Demagogen Der seinen Tod in Preußens Heeren fand.“ „Noch hör' ich dort, als müßt' er ewig siegen, Den Ruf: Mit Gott für König, Vaterland.“ — „Der also rief, der mußte mir erliegen, So wie der Ruf in seiner Brust entstand.“ „Und doch hör' ich den hellen Ruf noch weilen Auf dieser öden leichenvollen Bahn.“ „Du irrst dich, Thor, das ist der Ruf der Eulen, Die sich zum Fraß der todten Leiber nahn.“ „Mit welchem Wort hat sich der Mund geschlossen Des durch die Brust geschoss'nen Kriegers da?“ „Als ihm das letzte heiße Blut entflossen, Bracht' er dem Könige noch ein Hurrah!“ „Die um den Sieg des besten Königs warben, Gedachten nicht des eitlen Lebens mehr“ — „Nicht fern von hier, auf Wagrams Feldern starben Die tollen Franken rufend — vive l'empereur —“ „Da liegen sie, die einst so muthig waren, In ihres Leben Kraft und Hochgefühl“ — „Was ist des Menschengeistes bunt Gebaren! Ich bin des höchsten Strebens letztes Ziel.“ „Es lebt der Ruhm, wenn auch der Leib zerfallen, Des Namens Größe ist des Kriegers Preis!“ „Umsonst prangt auch der Nam' in stolzen Hallen, Wenn nichts davon des Namens Träger weiß.“ „Es lebt des Menschengeistes froher Glaube, Die Liebe lebt, der Hoffnung Zuversicht“ — „Was einmal mir geworden ist zum Raube, Das glaubt nicht mehr, das liebt und hofft auch nicht.“ „Des Geistes Einheit lebt in der Verwesung, Der Geist vergeht nicht, Sterben ist Gewinn.“ „Du dauerst mich, was hoffst du da Erlösung, Wo ich der allgewalt'ge Herrscher bin.“ Ein Todter liegt vor mir, der Kopf zertrümmert, Das Hirn vergossen auf dem feuchten Moor, Und eines Irrlichts wirre Flamme schimmert Wie ein dem Grab entstandner Geist empor. Und neben mir auf blutgefärbten Leichen Seh ich den Tod als wie auf einem Thron. Er streckt die Hand aus, läßt die Lüfte schweigen Und spricht zu mir mit eiseskaltem Hohn: „Bethörter Mensch! laß ab mit deinen Fragen, Sieh da des Geistes auferstandnen Wahn. Für mich allein ward diese Schlacht geschlagen, Jetzt schick' ich Seuchen auf der Sieger Bahn.“ Es war ein Traum, der mir dies Schreckniß brachte; Aus tiefster Nacht der Sonne hellstes Licht, Durch Kampf und Tod zum Sieg. — Als ich erwächte, Sah ich der Sonne Strahlenangesicht. Und auf dem dunstgewobnen Purpurschleier, Den sie auf weitem Schlachtgefilde wob, Erschien es mir, als wenn in stiller Feier Der Geist von jedem Todten sich erhob, Als wenn sich der Gedanke neu belebte, Der nach des Lebens ruhmbekränztem Ziel Auf diesen blutgetränkten Feldern strebte, Und in den Tod zum Scheine nur verfiel. Wer für ein solches Ideal gestorben, Der sah im Tod des Lebens höchsten Werth; Er hat es sich am herrlichsten erworben Und neu auflebend, sich darin verklärt. Der Leitstern O, Mutterherz, o Mutterlieb, Als mich die Lust zu wandern trieb, Wie ward das Herz mir schwer gemacht, Als ich von dir schied in der Nacht! Und als das Posthorn lustig klang, Die Räder rollten thalentlang, Da lag verhüllt der Heimat Bild; Nur auf dem Hügel stralend mild Stand groß und hell ein Himmelsstern. Es war dein Licht, und schimmern fern Sah ich es lang, bis daß es schwand In tannendüstres Hügelland. O Mutterherz, o Mutterlieb, Die auf dem Hügel stehen blieb, Du leuchtetest mir mit dem Schein Weit in die dunkle Welt hinein. Schleswig-Holstein in dänischer Knechtschaft Du starker Baum am Strand der See, Wie stehst du lang im tiefen Schnee, Wie ächzet dumpf im Wind dein Ast, Gebeugt von starrer Eiseslast! Doch wie auch rauft der Sturm dein Haar, Du träumest fort von Jahr zu Jahr, Umstürmt, umeist, in Nacht, allein, Von Laub und Frühlingssonnnenschein. Tropenmorgen Wo die Negerhütte rauchet, Von der Palme Blatt bedacht, Glühend in die Wipfel tauchet Dort der Mond, Traumbild der Nacht. Athmend hält Lianenschlinge Den geliebten Baum umfaßt, Und der Schlangen braune Ringe Schlummern um den Riesenast. Und aus Blatt und Blumenranken Schwirren tausend Stimmen laut, Wie das Haupt der säulenschlanken Palme in den Morgen schaut. Tiger, Panther klimmt zum Raube Durch die Äste, mit Geschrei Flattert aus dem breiten Laube Auf der bunte Papagei. Und die Antilopen eilen Zitternd vor des Löwen Schritt, Bis vor gift'gen Negerpfeilen Selbst der Löwe rückwärts tritt. Eulenschwur Im finstern Urwald sitzt im Nest Die Eule mit Behagen Und schwört: Nun wird es tagen! Als eben untersinkt im West Der goldne Sonnenwagen. Moderne Sklaverei Frei ruht der Schäfer nun bei seinen Schafen, Frei kann ein Bettler in der Hütte schlafen; Es folgt der Knecht dem Pflug mit freien Schritten, Der Freiheit Gut, es ward im Kampf erstritten. Vergessen sind des Frohnherrn Wut und Strafen. Beglückte Zeit, du kennest keine Sclaven, Wie sie dereinst gefesselt den Quiriten Die goldnen Halme in den Fluren schnitten! Und dennoch, horch, welch ein geheimes Stöhnen? Es liegt, o Volk, auf deinen besten Söhnen Das Joch, o sieh, wie sie sich mühn und dienen Im Schweiße dir mit den zerknickten Mienen! Denn freie Männer weiß Gewalt zu schulen Zu wortgefügen, stummen Hierodulen. An die Schwalbe Du heil'ger Vogel, des Sommers trauter Gast, Gepriesen werde die Zeit, wo du dein Nest An unsre Mauern leimend klebst in Emsiger Eile. Hoch jauchzend unter den Wolken streift ihr bald, Zald huscht ihr, kreuzenden Flugs, am Boden hin, Die Käfer haschend in der Flucht mit Gähnendem Schnabel. Schnell eilt die flüchtige Zeit, wie du, dahin, Die Zeit der Blüthe, der Jugend und des Glücks; Wie du, im Fluge, soll der Mensch die Freuden erhaschen! Iduna wurde, der Jugend Göttin, einst Dem Göttersaale geraubt durch Riesenlist, Und ach, es fehlten ihre süßen, Goldenen Äpfel. Und Alter bleichte der Götter Jugend schon, Kein Frühling weckte die Erd' aus ihrem Schlaf; Da kam die Göttin froh zurück als Schwalbe geflogen. Und frische Jugend durchbebte die Natur, Und Jubel scholl in Walhalla's hohem Saal, Und jubelnd grüßte dich die Erde, Göttliche Schwalbe. Unsichtbares Wesen Unsichtbares Wesen, Das überall uns umschwebt, Das mit den Wolken daherzieht, Und aus der Bläue des Himmels uns anschaut, Und in Nacht gehüllt, Im Sternendiadem Det ahnenden Seele Demuth einhaucht: Wie soll ich Dich preisen Mit meinem Liede? Wo soll ich beginnen Mit meinem Lobe? — Wenn im Gebete Die Brust des Menschen Erfüllt ist Von Dir: Dann preist Dich Sein Stammeln; Und was Worte nicht ausdrücken, Das sagt Dir Sein Schweigen! Einst Wir standen an des Gartens Planke, Bei Sternenschein in stiller Nacht; An mich gelehnt war Deine schlanke Gestalt in schattenhafter Pracht. Du schautest träumend auf in's blaue Lichtmeer, wo Sterne sonnengroß Herniederblickten auf das graue Phantastisch hohe Grafenschloß. Kein Aug' wie Dein's hat je in Minne Von dort geschaut zum Silbersee, Und ihm von hoher Mauerzinne Geklagt ein tief geheimes Weh: Kein Leib so schön wohl, wie der Deine, Sich grüßend dort herniederbog, Indeß ein Schiffer an der Leine Den Kahn an's grüne Ufer zog. Kein Grafenkind hat dort umwunden Des Ritters Brust, umstarrt von Erz, In Liebe, so wie Du gebunden An Dich des Dichters krankes Herz! — Und dennoch trübe, holdes Wesen, Stehst da Du mit umflortem Blick, Als wolltest im Voraus Du lesen In fernen Sternen Dein Geschick. Es zuckt um Deinen Mund die Frage: „Was dann?“ — „Du schauderst? — Frage nicht! Laß Deines Leides dumpfe Klage Hier unterm hellen Sternenlicht. Hat uns der gold'ne Wahn gelogen, Bricht auch die Zukunft unser Glück, Die Stunde hat uns nicht betrogen — Den Himmel wog der Augenblick!“ Da hat geglänzt ein freudig Leuchten Auf Deiner Stirn, wie Maienstrahl, Die letzte Perle aus dem feuchten Glutaug' entferntest Du zumal: „Ich mag nicht in die Zukunft schauen, Da ich so selig bin zur Zeit; Will gold'ne Schlösser für uns bauen, Der Raum für diese ist so weit!“ Gelbe Blätter I. Still, in tiefen Thales Grunde, fließt dahin der blaue Strom, Drüber sich der Bäume Kronen wölben, wie ein stolzer Dom. Leuchtend, wie ein Silberstreifen, glänzt er — reinsten Lebens Bild, Süße Wellenlieder rauscht er rings dem blumigen Gefild. Mit dem reichen Blätterschmucke schattet ihn der Lindenbaum, Traumhaft flüsterts in den Zweigen — doch die Wellen merken's kaum; Unaufhaltsam, ewig wechselnd, zieh'n sie glänzend, still und hehr Von des Hochlands stolzen Firnen bis hinab zum fernen Meer. Sieh' da, aus der Kron', der reichen, sinkt ein gelbes Blatt herab, Mit geheimnißvollem Flüstern sucht es sich sein Wellengrab. Noch vor wenig Monden prangt' es lebensvoll im hellsten Grün Und der Frühlingssonne Strahlen zuckten goldig drüber hin. Amsel, Fink und Kelchen sangen wechselnd ihm ihr Morgenlied, Bis der Lenz, der schöne Knabe, wie der Quell vom Walde, schied, Heißen Sommers starke Gluthen dorrten seines Lebens Saft, Mit des Herbstes kalten Reifen schwand des Lebens beste Kraft. Doch nur fallen, nicht versinken kann es in der Welle gleich — Wie die Mutter hält ihr Kindlein, nimmt sie's in den Schooß so weich; Hell, vom Abendroth umzittert, auf der letzten, weiten Bahn Trägt das Sterbende sie milde hin zum fernen Ozean. II. Blätter, Menschen! unerbittlich unter dieses Himmels Dom Sinkt ihr, wie das Sonnenstäubchen, in der Zeiten ew'gen Strom! Aber nicht ein jedes Blättchen sinkt umglänzt vom Sonnengold — Jedem Menschen nicht, beim Sterben, ist des Nachruhms Welle hold. Manches fühlt, bevor es scheidet, noch der Liebe letzten Kuß, Manches tritt das spät're Leben leichthin unter seinen Fuß; Und nicht jedes überdauert seines Lebens kurze Bahn, Wie der Sängergreis von Seewis, wie des Hochlands Silberschwan. Aber, wie mein Blatt zu enden, noch bevor der Winter kam, Und dem Lebensherbst die reichen, lebensvollen Farben nahm, So, vom Abendgold umspielet, sinken in des Meeres Schooß — Seht, das wäre wohl das rechte, wohl das schönste Dichterloos! Euer Auge feucht erglänzend und ein Abschiedswort dazu — Also solltet ihr mich senken einst zu meiner Grabesruh! Keinen Lorbeer auf die Bahre! Doch mit still bescheid'nem Glanz Legt ein Blättchen auf die Haare mir von eurem Dichterkranz! Aber nicht im Frost des Winters, nicht an Leib und Seele matt, Möcht ich, Freunde, einst versinken, wie ein ganz verdorrtes Blatt, Nein, im milden Glanz des Herbstes, farbenprächtig, früchteschwer Laßt die Bahn mich ziehen — die, auf Nimmerwiederkehr. Malerleben Wir ziehen fröhlich durch die Welt, Sind überall zu Hause, In Stadt und Dorf, in Wald und Feld, Im Schloß und in der Klause. Was uns gefällt, das zeichnen wir In wenig Augenblicken, Das hübsche junge Mädchen hier, Den Greis dort mit den Krücken. Des höchsten Zieles uns bewußt, Seht Ihr daheim uns ringen, Das Ideal in uns'rer Brust In Farb' und Form zu bringen. Versagt auch oft des Glückes Gunst Erfolg dem besten Streben, Beglückt im Hochgefühl der Kunst Ist froh das Malerleben. Wechselwirkung der Künste Der Maler hat ein herzig Lied Aus Sängermund vernommen, Und als er lauscht', ist ihm der Plan Zu neuem Bild gekommen. Er hält ihn fest, er führt ihn aus, Bald wird das Werk vollendet Und — eins der besten, die er schuf — Fort in die Welt gesendet. Der Dichter hat das Bild erblickt; Und als er es gesehen, Weckt es ein Lied in seiner Brust — Kaum weiß er, wie's geschehen. Der Künste Wechselwirkung zeigt Belebend stets sich wieder: Gesänge regen Bilder an, Und Bilder wecken Lieder. Der sterbende Sänger Der Sänger liegt in kalten Fieberschauern Auf seinem Lager todeskrank und bleich. Der greise Vater sieht's mit stillem Trauern, Mit wildem Schmerz die Gattin, liebereich. Wie sollten sie nicht klagend um ihn weinen? Er war die Hoffnung ja, das Glück der Seinen, Des deutschen Sanges Stolz, der Bühne Zier, Ein Meister seiner Kunst, wie Wen'ge hier. Die Lippen brennen ihm, die Augen funkeln, Er spricht verworren viel, dann schweigt er ganz, Und todtenstill ist's im Gemach, dem dunkeln, Des Vorhangs Seide wehrt der Sonne Glanz. Schwül ist's und dumpf, die Herzen klopfen bänger — Da plötzlich hebt der Kranke sich empor, Und einmal noch der weltberühmte Sänger, Eh' er versammelt zu der Sel'gen Chor, Läßt seine Zauberstimme hell ertönen Und singt und singt — wie klingt es wunderbar! — Die alten Weisen noch, die ewig schönen, Die er geliebt, gesungen manches Jahr. Und seine Stimme schallt so rein, so klar Wie sonst, wo Tausende ihr Beifall riefen. Die Gattin lauscht — ihr Herz will schier zerspringen, Erinnerungen, die verborgen schliefen, Erwachen bei des Heißgeliebten Singen, Und Furcht und Hoffnung machen sie erbeben. Der Vater steht bestürzt — was soll das geben? Ein Seufzer ringt sich aus des Herzens Tiefen. - Und eine Stunde schwand in trägem Gange, Und immer noch verhallte nicht sein Lied. Die zweite folgt ihr nach — da im Gesange Welch herzerschütternd jäher Unterschied! Das sind nicht mehr die reinen Melodien, Die eine kreuzt die andre wild und schaurig, Zerrissen ist das Band der Harmonien, Nun sind's gesung'ne Fieberphantasien — Wie hört sich's an so grauenhaft, so traurig! Und wieder rückt die Uhr zum Schlage vor — Drei Stunden sind bei dem Gesang entschwunden, Drei schwere, unermeßlich lange Stunden — Da ringt der letzte Ton sich mühsam vor. Der Kranke sinkt erschöpft in seine Kissen, Ein selig Lächeln spielt um seinen Mund, Sein Geist träumt sich der Gegenwart entrissen, Noch einmal auf die Bühne, froh, gesund, Von Tausenden gefeiert hoch-entzückt, Die sein Gesang der Erde Leid entrückt. Er sieht verklärten Blicks die Seinen an Und schließt zum letzten Schlaf die Augen dann. Zwei Stunden später hat er ausgerungen. — Wol war's vom Schicksal eine seltne Gunst, Daß, so noch einmal übend seine Kunst Der Schwan sich selbst sein Schwanenlied gesungen. Abendstimmung Abends, wenn die Sonne scheidet Und mit ihrer letzten Gluth Noch in Gold die Erde kleidet, Die in heil'ger Stille ruht: Regt ein wunderbares Sehnen Oftmals sich in meiner Brust, Lächeln möcht' ich unter Thränen, Wehmuth bebt durch höchste Lust. Jene Pforte scheint mir offen, Welche uns die schön're Welt, Die wir nach dem Tod erhoffen, Sonst so fest verschlossen hält. Und bewundernd sink' ich nieder Vor des Höchsten Majestät, Die Gedanken werden Lieder, Jeder Odem wird Gebet. — Die alten Lieder Ich hörte die alten Lieder Von Liebeslust und Leid Aus anderm Munde wieder Nach jahrelanger Zeit. Und als sie ausgeklungen, War mir das Herz so schwer: So schön, wie Du sie gesungen, Singt sie doch keine mehr Charfreitag Stille rings — ein heil'ger Friede Liegt gelagert auf der Welt, All ihr Sorgen, all' ihr Mühen Scheint auf einmal eingestellt. Ob sie auch in stolzem Wahne Ihren Mittler oft verhöhnt, Ob sie täglich auch auf's Neue Noch sein Haupt mit Dornen krönt, Dennoch spürt sie Gottes Segen, Den er uns am Kreuz erwarb, Als er, frei von jeder Sünde, Für die Sünden Aller starb. Und Charfreitagsruhe ziehet Ungeahnt und unbewußt, Friede bringend und Versöhnung, Heute in der Menschen Brust. Alle Leidenschaften schweigen, Und die Hoffnung neu erwacht, Daß ein lichter Ostermorgen Folgt auf jede Leidensnacht. Mondnacht Weiden nicht weiße Rehe Dort am wogenden Korn? Droben hütet Diana Sie mit silbernem Horn. Hüte dich, schöner Jäger, Zu treffen der Herrin Wild! Schnell ist Götterrache, Ihre Liebe ist mild! Lege dich lieber nieder An dem thauigen Rain: Unter ihren Küssen Schläfst du selig ein! Melancholie Das Frühlingslaub ob meinem Haupt, Das rauscht mit frohem Grüßen; Wie balde, daß es der Herbstwind raubt, Dann rauscht es zu meinen Füßen! O all ihr Hoffnungen frisch und grün, Die mir um die Stirne lauschen, Wie balde möget ihr welk dahin Zu meinen Füßen rauschen! Frühlingsonntag In der weiten, stillen Gotteskirche Ist ein tiefes, andachtvolles Schweigen; Nur die Grille zirpt im Rauch der Ähren, Lerche singt in silbergrauen Lüften. Und mir ist, als ginge Gott der Vater Ungesehen, segnend durch die Fluren; Jeder segenschwere Halm erkennt Ihn: Leise, leise neigen sich die Ähren. Aber heilig schauernd knie' ich nieder, Kniee nicht — ich lege mich zur Erde, Küsse sie mit sanften, leisen Lippen, Denk', es sei der Saum von Seinem Mantel. Beten möcht' ich, hoch und herrlich beten, Sage nichts, als: Vater, lieber Vater! Das Lieblichste Es schaut sich lieblich in die junge Rose, Die duftig unser Pflegen lohnt und Pflanzen; Es schaut sich lieblich in die goldnen Lanzen, Keck sprossend aus des Waldes dunklem Moose! So seh' ich gern auch, wenn im Windgekose Auf stillem Weiher Licht und Schatten tanzen: Hold blickt aus saft'gem Grün der Pomeranzen Der Trauben Pracht, Granat' und Aprikose. Doch all der Anblick muß dem Einen weichen: In Deines Kindes Wiege Dich zu bücken, Und leugnest Du, so hast Du's nie erfahren! Nur Eins auf Erden mag sich wohl vergleichen: In's Herz des Weibes, das Du liebst, zu blicken, Und nichts als Glück und Liebe zu gewahren. Der Herr Marquis Am fahlen Himmel die Wolkenjagd Hinflieht in wildem Reigen: Der Sturm hat sich im Park zu Nacht Ein Bett gemacht von Zweigen. Er hat mit Laub die Quer und Läng' Bestreut des Schlosses Rampen Und drunten am bemoos'ten Bassin Die Nymphen und Hippocampen. Am Gitterthor im Sonnenblick Die grünen Jäger harren; Die Meute heult und zerrt den Strick, Die Renner wiehern und scharren. Was starrt in die Wolken, beiseit vom Troß, So trüb ein blasser Jäger? — Des Herrn braungelbes Lieblingsroß Führt dort im Kreis ein Neger. In bunter Tracht der geschmeidige Mohr, Er lacht und weis't die Zähne; Er pfeift dem Roß — es spitzt das Ohr — Er kos't ihm die schwarze Mähne. Er spricht — sein Wort an das stolze Thier, Sein Blick auf den Mann zur Seiten: „Geduld, Leone! Wir warten hier, Wir werden sobald nicht reiten! Dein Herr ruht wohl noch weich und warm Im schönsten Gemach vom Schlosse: Seinen Nacken umschlingt ein weißer Arm — Was kümmern ihn Jäger und Rosse!“ Der bleiche Jäger ward bleicher noch Und nächtlicher seine Brauen; Des Schwarzen Wort ans Herz ihm kroch, Eine Schlange mit kaltem Grauen. — „Sie spricht gewiß mit schmeichelndem Wort: Verlaß mich noch nicht, Du Süßer! Rauh geht der Wind in den Eichen dort: Laß heute Fasan und Spießer! Bei meinem Dolch, ein verführerisch Weib Mit ihrem blutrothen Munde! Ich gönne dem Herrn seinen Zeitvertreib: Was kümmern ihn Jäger und Hunde! Wär' auch viel lieber an Ihrem Gewand, Als draußen im Herbstgebrause! He, Charles? Du hast sie ja auch gekannt, Die Rose vom Försterhause!“ Wild warf der Bleiche sein Haar zurück: „Schweig, Teufel, und laß mich fahren!“ Der Neger lacht', als spräche sein Blick: „Ich halte Dich bei den Haaren!“ Dann sprach er sacht: „In Afrika, Dem Lande der glühenden Sonne, Da kennt man, Charles — man kennt nur da Der Liebe rasende Wonne! Nur da die Rach' und die Eifersucht! — Bei Euch, was ist's denn eben? Man stiehlt Euch ein Weib — Ihr weint und flucht! — Wir ließen den Dieb nicht leben!“ Der Blasse sah auf — wie Kohlen glüh Seine tiefen Augen brannten. Die Stiegen herab kam der Herr Marquis; Die Diener geschäftig rannten. Seine frischen Lippen brannten vom Kuß, Sein Auge war lustumschleiert: Zur Fenstergardin' einen letzten Gruß Hat's lachend empor gefeuert. Er schwang sich leicht auf das gelbe Roß, Er stieß ihm den Sporn in die Seiten, Zurücke winkt er den Jägertroß — Es folgten ihm Zwei vom Weiten. Zwei Reiter folgten — so Mann als Roß Hat fern der Wald umfangen: Zwei Augen blickten ihm nach vom Schloß, Ein Busen sich hob mit Bangen. Vom fahlen Himmel die Wolkenjagd Zog grau um Wald und Hügel — Der Falbe nur kam zurück bei Nacht, Blut an Schabrack' und Bügel. Die Dame von Faverne Saht Ihr Navailles? Spiegelnd hebt's im See Die spitzen grauen Thürme in die Höh', Das Schloß Navailles. Drüben liegt die Stadt Im Sonnenschein, den Fuß im blauen Bad; So Stadt als Schloß gehörten schon von je Den Herren von Faverne. Des Schlosses Dame stand im hohen Saal, Im Trauerkleide noch um den Gemahl, — Ein Jahr war's her, daß spurlos er verschwand — Und ehrerbietig vor der Fraue stand In Schmuck und Waffen die Vasallenzahl Der Herrschaft von Faverne. Sie sprach: „Das Wort der Kirche giebt mich frei: Mein eigner Willen, Euer Wunsch — es sei! Dem Vetter des Gemahls reich' ich die Hand, Er herrsche über mich und alles Land! Den Eid der Treue schwört Ihr morgen neu Dem Herren von Faverne!“ Am Hochzeittag vom Schlosse Fahnen weh'n, Geschmückt mit Teppichen und Blumen schön Schwimmt durch den See der Kahn mit Sang und Klang: Drin sitzt der Bräutigam, in Waffen blank, Und ihm zur Seite, bräutlich anzusehn, Die Dame von Faverne. Da ist geschehn ein wundersames Ding: Die weiße Hand der Braut ins Wasser hing; Sie spielte drin in süßer Träumerei — Da thut sie plötzlich einen leisen Schrei: Hinweg vom Finger war der goldne Ring Der Dame von Faverne. Der Ring, den ihr der erste Eh'herr gab, Den sie zu tragen schwur bis in das Grab; Sie bricht in Thränen aus — sie will nicht frei'n: Der Ring muß wieder erst gefunden sein! In Schloß und Stadt sagt man die Hochzeit ab Der Dame von Faverne. Vom See die Fischer ruft man all' zusamm — Was bringen sie herauf aus tiefem Schlamm? Ein Mannsgeripp — am Finger stak der Ring: Ein rost'ger Dolch in seinen Rippen hing Mit goldnem Knauf — der Dolch vom Bräutigam Der Dame von Faverne. Der Mörder flieht, die Rache folgt ihm nach; Man spricht, daß er am Kreuzweg sterbend lag. Den Wittwenschleier und den goldnen Ring Trug bis zum Tag, da sie zu Grabe ging, Und trägt ihn drin wohl bis zum jüngsten Tag Die Dame von Faverne. Der Ulan Ich weiß eine That, ohne Sang und Klang In dunkler Nacht geschehn: Doch gäbe mir Gott den rechten Sang, So sollte sie nicht vergeh'n! Den preist man, der in Siegesschlacht Die blut'ge Palme bricht: Doch größer ist in stiller Nacht Der stumme Tod der Pflicht! Der Nebel wob, der Regen stob Herab in leisem Fall: Ein dunkler Schwarm, Gewehr in Arm, Rückt an auf Wesels Wall. Ihr Preußenstahl trug kalten Gruß Dem Franzmann, der dort schlief — Da stutzten sie: vor ihrem Fuß Ein breites Wasser lief. „Zurück!“ — Sie knirschten leise dort, Und die Faust preßt' ihr Gewehr: Zurück? — Zurück? Ein schlechtes Wort! Probiren wir's vorher! Nicht schreckt so leicht man ab vom Tanz Den rechten Tanzcumpan! Der Führer spricht zur Ordonnanz: Reit' uns vorauf, Ulan! Und hoch voran nun reitet der Mann In die dunkle Fluth zur Stund. Jedes Ohr nun lauscht — die Welle rauscht — Und das Roß zieht Schlamm zum Grund. Er spricht kein Wort, den Andern dort Zurück winkt seine Hand; Zur Tiefe dann sinkt Roß und Mann. — Sein Nam' ist nicht genannt. Das war eine That in dunkler Nacht, Ohne Klang und Ruhmesglanz: O hätte das Lied, mein Lied die Macht, Zu flechten ihm den Kranz! Den preist man, der in Siegesschlacht Die blut'ge Palme bricht; Doch größer ist in stiller Pracht Der stumme Tod der Pflicht. Soldaten Friedrichs 1. Von den weißen Husaren Die Natzmer-Ulanen hatten böses Glück: Sie wollte nimmer schauen des großen Königs Blick, Und lobt' er all die Seinen, zu Fuß und zu Pferd, Doch schalt er: „Die Hullanen seindt das Brodt nicht wehrt!“ An Einem Tag verdarben mit Blut und bangem Schweiß Sie ihre neuen Farben, das Himmelblau und Weiß; Und hieben die Rothen von Ziethen sie nicht heraus mit Glück, Kam dort von Grottkau Keiner der Blau und Weißen zurück! Und weil sie mit den Piken erlegen im ersten Strauß, Umschuf sie bald der Kriegsherr und macht' Husaren draus; War's Strafe, war's aus Gnaden, sie trugen Blau wie eh' Dolman und Scharawaden, dazu die Pelze weiß wie Schnee. Sie hießen drob die Schafe zum Spott bei Freund und Feind, — Und pflegten Husaren zu weinen, so hätten sie drum geweint! Sie bissen die Zähne zusammen und ballten die Fäuste stumm: In Garnison und Lager gab's blutige Köpfe drum! Einst kommt auf sie zu reiten ein ungarisch Regiment: — Ob das nicht schon von weitem die weißen Pelze kennt? Sie wissen's nicht deutsch zu sagen, doch ärger noch klingt's beinah': Sie preschen heran und jauchzen ein tausendfach „Bäh“ und „Bah“! Man weiß nicht, wessen Commando die Weißen entgegenschmiß: Zu halten hätte sie Keines vermocht, das ist gewiß! Ausgreifen die Gäul', aufblitzen die Säbel, die Kolpaks wehn, Und hui gehts über die Ungarn, die hatten sich's nicht versehn! Sie waren überritten, sie waren überrannt, Da war nur Stürzen und Liegen, nicht Fechten noch Widerstand: Und waren die Preußen Schafe, so waren die Ungarn Gras — Mitstarb an jenem Tage der alte schlechte Spaß! Man weiß nicht, ob ein Restchen der Spaßer sich wiederfand: Ihr Oberst allein gefangen vor König Friedrich stand, Er klagte, daß er dem Tode mit knapper Noth entflohn: „Wir mochten schreien und bitten, man gab uns nicht Pardon!“ Da sprach mit heiterm Muthe des Fritzen Majestät: „Hat Er denn nicht gelesen, was in der Bibel steht? Nehmt euch in Acht vor denen, — das weiß ja jedes Kind — Die Schafskleider tragen und reißende Wölfe sind!“ Die Ährenwellen Ich gehe zum Hügel am Roggenfeld, Das tief im Thal sich verbreitet, Ich weiß nicht, was hier so fest mich hält, Was so oft hierher mich geleitet. Mir ruft das Lied, das die Lerche singt, Mich lockt der Käfer Geschrille, Mich faßt, indeß es vom Walde klingt, Umher die menschliche Stille. Was aber das Auge vor Allem reizt, Es sind die Ährenwellen; Wonach mein Blick mit Begierde geizt, Es ist dieß Wogen und Schwellen. Ob drückend ein wilder Sturm sie erfaßt, Ob säuselnde Lüftchen sie regen, Bewegen sie stets doch und ohne Rast Sich goldener Reife entgegen. Bewegte sich meine Seele doch auch Solch freudiger Reife entgegen, Wie hoch sie auch schwellen der Liebe Hauch, Wie tief sie der Haß mag erregen! Weinlied Es steht dem Mann nichts besser Als der Gesang beim Wein, Und hätt' ich hundert Fässer, Sie alle schenkt' ich ein. Kannst du dich sonst ergetzen In Hitze und im Sand, Als dir den Mund zu letzen, Den Becher in der Hand? Von Heimath mögt ihr schwatzen, Von tollem Liebeswahn, Nur nicht, wie schlaue Katzen Politisch Mäuse fahn! Es ist doch wohl zum Lachen, Wie klug der Weise träumt, Und wo es gilt zu wachen, Das Beste stets versäumt! Doch seh' ich, wie es treibe, Wer Lust und Thorheit kennt, So lacht das Herz im Leibe, Wenn's auch vor Liebe brennt. Das Mädchen in dem Herzen, In Händen der Pokal, Rings Sang und Klang und Scherzen, Das heißt mir doch ein Mahl! Mir wird so wohl, so wählig, Als flög' ich himmelan, Und schilt mich einer selig, So thut er wohl daran. Stoßt an! Ein Jeder liebe, Was seinem Sinn gefällt, Und, wie sie ihn auch schiebe, Doch lach' er keck der Welt! Amor Domini Sie war nicht wie andrer Leute Kind, Sie war ein eigenes Wesen; Sie liebte nicht Dinge, die da sind, Nur solche, die längst gewesen. Die alte Eiche war ihr lieb — Ein morscher Baum ohne Blätter, — Da saß sie oft und sang ihr Lied Bei gutem und schlechtem Wetter. Doch wenn die Morgenstund' verfloß, Da hörte sie auf zu singen, Da ging sie auf das graue Schloß, Wo die alten Bilder hingen. Vor einem Bilde blieb sie steh'n — Versunken in langem Betrachten; Das war ein innig, innig Seh'n, Bis die Sterne am Himmel erwachten. Es war ein altes düstres Bild, Verblichen waren die Farben, Undeutlich schon die Züge mild, Die auf dem Kreuz verdarben. Ein Ecce homo, in der Art, Wie ihn Zurbaran malte, Der lange ungepflegte Bart — Die tiefe Wangenfalte — Und von der blut'gen Dornenkron', Der bittern Gabe des Spottes, Da fallen einzelne Tropfen schon Auf die hehre Stirne des Gottes; Der Ausdruck höchster, größter Pein, Und die himmlischen Augen voll Milde, Augen erfüllt vom unendlichen Sein — Das Alles war in dem Bilde. Sie sah es an und fühlt' die Lust, Der Liebe Lust im Herzen, Sie sah es an, und unbewußt Fühlt sie des Heilands Schmerzen. So war ihr ganzes Dasein, Freund, Ein Träumen von wenigen Jahren; Doch was im Leben ihr ward verneint, Das sollt' sie im Tode erfahren: Denn gestern früh man sie nicht fand, Wie sonst, bei der morschen Eiche, — Das Bild, gefallen von der Wand, Bedeckte eine Leiche! Meine Schwalbe Der sonnige Lenz hat Den Winter verscheucht; Geschmückt sind die Auen, In Lüften, den blauen, Die Schwalbe erscheint, die vom Lenze nicht weicht. Sie zieh'n und sie kommen Zusammen zurück; Sonst, wenn ich im Flieder Die Beiden sah wieder, Da jauchzte mein Herz und ich träumte von Glück. Doch jetzt ist es anders, Und schwarz sieht mein Blick; Nicht lau sind die Lüfte, Nicht süß sind die Düfte, Denn ach, meine Schwalbe, sie kam nicht zurück! Grabschrift Hier liegt Usur, der Wittwen schund Und Waisen arg beraubte; Die ganze Stadt sagt es jetzund, Daß er an Gott nicht glaubte. Ich aber, der — obwohl sehr schwer — Credit bei ihm erworben, Behaupte steif und fest, daß er Als Gläubiger gestorben. Einem Heine-Nachahmer Dein Singen nach Heine'scher Melodie — Wie geist- und anmuthverlassen! Den Mangel an eigner Physiognomie Verdeckst Du mit fremden Grimassen. Hans Makart „Ich bitt' Dich, Deine Bilder zu verändern — Das Nackte weckt den sittlichen Degout! So male doch die Schönheit in Gewändern!“ — Ach, Freund, ich habe nicht das Zeug dazu! Ermuthigung Dem Dummen ist auf dieser Welt Der Dümmere zum Trost gesellt. Drum nie das Selbstvertraun verloren! Der Dümmste ist noch nicht geboren. Den Antikritikern Ob gegen die Kritik Ihr tobt, Ihr liebt sie doch ... wenn sie Euch lobt. Ihr duldet selbst des Tadels Gift. Nur daß er Eure Freunde trifft! Verleger-Geständnisse „Ich bin Verleger und mache in Geist. Mein Hauptwort heißt: Verdienen. In meinem Verlag ist das 'Elend der Welt' Auf Schreibpapier erschienen. Das ist die Perle meines Verlags, Im Umseh'n wurd' es Mode. Professor Dunkel schrieb mir das Buch Nach induktiver Methode. In jeden Winkel des deutschen Reichs Wird täglich es versendet. Die Kritiker haben dem Elend der Welt Den freudigsten Beifall gespendet. Tragödien und Epen liegen wie Blei, Gedichte gehen spärlich, Doch Dunkels köstliches Leidensbuch Wird aufgelegt alljährlich! Denn kein System ist an Freuden so reich, Wie der aufgewärmte Buddhismus! Drum lebe die Schopenhauerei, Es lebe der Pessimismus. Es lebe die Krankheit, es lebe der Tod, Denn wären uns die nicht geblieben, So hätte mir Dunkel sein ganzes Buch Am Ende gar nicht geschrieben. Und kehrt auch manchmal ein Krebs zurück, Als unwillkomm'ne Reptilie — Dem Elend der Welt verdanke ich Den Wohlstand meiner Familie ...“ So hat ein deutscher Verleger einst Mir offenherzig betheuert. Er wird als Träger der Wissenschaft Von seinen Collegen gefeiert. Einem Klagenden Wer mag wohl härter dulden von uns beiden? ... Mit Teufelsfaust ward uns das Glück erschlagen, Und Du entströmst in fessellosen Klagen, Das Dir die Brust zerkrallt, das herbe Leiden. Doch ich bin stumm: Ich seh' die Tage scheiden In kaltem Groll, in trotzigem Entsagen. Ich hörte auf, zu forschen und zu fragen, Und möcht' um Deine Schmerzen Dich beneiden. Mir sagt die Welt, daß Leben — Sterben heißt. Dir nistet eine Sehnsucht noch im Herzen, Die auf ein Glück in blauer Ferne weist. Mit Thränen löschst Du aus die Todtenkerzen! Bis das Erinnern selbst sich Dir entreißt — O, wie beneid' ich Dich um Deine Schmerzen. Gleichniß Seh' ich, wie er sich auf ihrem Schooße Sanft, von ihrem Arm umschlungen, wiegt: Dünkt sie mir des Frühlings schönste Rose, Dünkt er mir der flatterhafte, lose Schmetterling, der schnell von dannen fliegt. Scheiden und Leiden Ach, Scheiden, böses Scheiden, Wer hat dich einst erdacht? Was hast du doch für Leiden Den Liebenden gebracht! Wol ist das Sterben bitter, Wol ist das Sterben schwer: Doch, von dem Liebsten scheiden, Das schmerzet noch viel mehr. Zwei muntre Bächlein rinnen Verbunden durch das Thal, Da müssen beide scheiden, Sehn sich zum letzten Mal: Die sonst vereint geflossen, Ziehn einsam jetzt daher, So trübe, so verdrossen: Ach, Scheiden ist so schwer! Es sitzt ein Täubchen trauernd Im öden Felsenspalt: Sein Liebchen ist gezogen Weit in den grünen Wald, Weit über Feld und Haide, Weit über's wilde Meer; Sein Herz bricht ihm vor Leide, Ach, Scheiden ist so schwer! Mein Schatz ist von mir 'gangen, Was soll ich Arme thun? Der Tag weckt mich zu Thränen, Die Nacht läßt mich nicht ruhn. Ach, daß ich schon gestorben, Daß ich begraben wär'! Kann leben nicht, noch sterben, — Ach, Scheiden thut so schwer! Freund Hein's Besuch Jüngst erschien mir Vetter Hein Mit den Worten: „Du mußt sterben! Wenig Stunden noch sind dein; Flugs ernenn' dir einen Erben!“ „Lieber Tod,“ sprach ich, „o laß, Laß mich noch ein wenig leben! Unberühret steht ein Faß Ächten Saftes deutscher Reben; Und ein Lied von Lieb' und Wein Fordert, daß ich es vollende.“ „Possen!“ fiel er zürnend ein; „Fördre dich, es naht dein Ende!“ „Noch ein Wörtchen!“ seufzte ich: „Müßt ich jetzt schon Abschied nehmen, Ach, mein Hannchen würde sich Bis zum Sterben um mich grämen.“ Und ich sah um sein Gesicht Einen Zug von Mitleid schweben; „Hannchen — die betrüb' ich nicht!“ Rief der Tod und ließ mich leben. Herbstgefühl Der Lenz entfloh, der Sommer schwand, Es geht das Jahr zur Neige; Schon spielt des Herbstes rauhe Hand Mit manchem dürren Zweige, Im Haine, den der Sturm entlaubt, Wohnt öde Trauerstille, Und tiefer birgt der Tag sein Haupt In grauer Wolken Hülle. O süßes Glück, zur trüben Zeit, Wann Flur und Hain verarmen, Voll Reichthums innrer Seligkeit, In Liebe zu erwarmen! Verklingen mag des Lenzes Lust, Des Sommers Glanz verfliegen, Wann nur in Liebchens treuer Brust Die Flammen nicht versiegen. An den Tod Im Winter nicht, im Winter nicht Hol', Tod, mich ab! Ach, nicht im rauhen Winter Leg' mich in's Grab! Da liegt das Land so traurig, Da weht so kalt die Luft; Da ist, ach, so schaurig Und öde die Gruft! Wann Flur und Wald sich malen Mit frischem Grün, Auf Hügeln und in Thalen Die Blumen blühn, Im schönen Lenze Hol', Tod, mich ab! Mit Blumen kränze Mein frühes Grab! Die Jungfraun kommen, wandelnd Im Abendlicht, Sie pflücken sich vom Grabe Vergißmeinnicht; Sie ruhn auf seinem Moose, Sie plaudern das und dies, Und unter dem Gekose Schlaf' ich so süß. Die drei Sänger Der König saß beim frohen Mahle, Die Frau'n und Ritter um sich her; Es kreisten festlich die Pokale, Und manches Becken trank man leer; Da tönte Klang von goldnen Saiten, Der süßer labt als goldner Wein, Und sieh, drei fremde Sänger schreiten Sich neigend in den Saal hinein. „Seid mir gegrüßt, ihr Liedersöhne,“ Beginnt der König wohlgemuth, „In deren Brust das Reich der Töne, Und des Gesangs Geheimniß ruht. Wollt ihr den edlen Wettstreit wagen, So soll es höchlich uns erfreun; Und wer den Sieg davon getragen, Mag unsres Hofes Zierde sein!“ Er spricht's. Der Erste rührt die Saiten, Die Vorwelt öffnet er dem Blick, Zum grauen Anfang aller Zeiten Lenkt er der Hörer Schar zurück; Er meldet: wie sich, neugeboren, Die Welt dem Chaos einst entwand; Sein Lied entzückt die feinsten Ohren, Und willig folgt ihm der Verstand. Drauf, mehr die Hörer zu ergötzen, Erklingt des Zweiten lust'ge Mähr: Von Gnomen, Fei'n und ihren Schätzen Und von der grünen Zwerge Heer; Er singt von manchen Wunderdingen, Von manchem Schwanke, schlau erdacht; Da regt der Scherz die losen Schwingen, Und jeder Mund im Saale lacht. Und an den Dritten trifft die Reihe. Und sanft, aus tiefbewegter Brust, Haucht er ein Lied von Lieb' und Treue, Und von der Sehnsucht Schmerz und Lust; Und kaum, daß seine Saiten klingen, Schaut jedes Antlitz in den Schooß, Und Thränen des Gefühles ringen Sich aus verklärten Augen los. Und tiefes Schweigen herrscht im Saale, Als seines Liedes Ton entschwand; Da steht der König auf vom Mahle Und reicht dem Dritten seine Hand. „Bleib' bei uns, Freund! dir ist's gelungen, Du bist es, dir gebührt der Preis; Das schönste Lied hat der gesungen, Der unser Herz zu rühren weiß.“ Der Lebensweg Du mußt den Weg mit Gott betreten Und ihm vertrauen jeden Tag; Du mußt zu ihm im Glauben beten: Dann schützt er Dich vor Ungemach. O, stelle alle Deine Pfade, Die Du auch gehst in Freud' und Leid, Beständig unter Gottes Gnade, In stiller, reiner Frömmigkeit. Und wird Dir wohl ein Glück beschieden, So danke freudig Gott, dem Herrn. Genieße dann mit Herzensfrieden, Was Dir verliehn ist, froh und gern. Gehst Du mit Gott auf Deinen Wegen, So lenkt er gnädig Dein Geschick; Von Gott kommt aller Himmelssegen, Von Gott kommt alles Heil und Glück. Dat Halslock Dar lett sik veles wol bereken, Sülbst wie de Sünn un Maan sik dreiht; Doch nich wat alle Dag un Weken Blot dörch dat lüttje Halslock geit! Dat is unmöglich to beschrieben, Un to benennen jede Spies': Man mutt den Rum ganz öwerdrieben, Denn dat geit immer föderwies'. Süh blot, wat op dat Feld is wussen, Wat nüdlich is un zart un fien; Ne, ganze Driften fette Ossen Un ganze Föders fette Swien! Bald ward dat wagen un bald meten, Bald geit't na Stieg un bald na Schock — Dat geit man ümmer uptofreten, Un Allens dörch dat lüttje Lock! Dat geit all los an jeden Morgen, Denn Allens langt glik darna to. Nu mutt man för den Middag sorgen, Des Abends geit dat ebenso. Ja, mennig Minsch vergitt sin Plichten Un denkt man ümmer an de Klock; Dat geit man ümmer to vernichten, Un Allens dörch dat lüttje Lock! Un fangt wi gar eerst an to drinken, Da ward nich blot na Gläser köfft, Man süht nich blot mit Buddel's winken, Ne, orhoftwies' geit dat Geschäft! Man kann dat knapp to sluken föhlen, Dat smeckt so leevlich, as en Kuß; Dat Halslock düchtig uttospölen Is mennig Minsch sien Hochgenuß. De ganze Minschheit klagt un klammert Beständig um de knappe Tid, Wo kummt dat her, warüm man jammert? — Dat Halslock is to grot un wiet! Ach, möch mi Jeder doch erhören, Den dat man knapp un simpel geit: Dat Halslock doch halw totosnören, Dat't nich so schrecklich sluken deit! Man hört ganz oft de Minschen striden, Wat uns de knappe Tid wol bringt? Dat Halslock bringt de düren Tiden, Wiel dat so grausam vel verflingt! Ward dat nich bald mal wedderropen Un ward verbaden allenfalls: So fret wi uns noch alltohopen De grote Krisis an den Hals. I. Frei war ich — nun bin ich gefangen Gedichte aus „Melitta“, einem episch-lyrischen Gedichte Frei war ich — nun bin ich gefangen! Und weiß doch nicht, wie es geschehn, Es pocht das Herz, die heißen Wangen Kühlt nicht des Abendwindes Wehn. So weich und träumerisch sein Hauch! Das war am Tage nicht dein Brauch: Da jagtest sturmfroh du dahin — Sag, Wind, was kam dir in den Sinn? Nun kosest du so leis und lind Am Waldessaum mit Birkenzweigen — Bist wieder mein Genosse, Wind, Und dir will ich es nicht verschweigen: Wie du dort bliebst in Liebe hangen, So bin auch ich, auch ich gefangen! Keck war ich — ach, und nun so zage! Wo blieb mein frischer, froher Muth? Frei war mein Wort, laut jede Frage Und rasch des Willens heiße Gluth. Und jetzt — wie ward ich still und stumm! Mich kümmert nicht die Welt ringsum; Im weiten Herzen hat nur Raum Ein stiller, seligsüßer Traum; Und wie ich wandre in die Nacht Und schau in dunkle Himmelsferne — Nicht schöner strahlt mir ihre Pracht Als ihre beiden Augensterne. Und dazu klingt im Herzen leise Gar eine wunderholde Weise. Das Bild, das ich geschaut am Tage, Ich trag' es mit mir in die Nacht; Das Bild, das ich im Herzen trage, Ich sah's in Waldes Maienpracht. Nicht weiß ich dich zu nennen, nicht Zu sagen, wie du hold und licht: So aber bist du angethan, Daß alles sonst mir Spott und Wahn; Und nimmermehr in aller Zeit War ich so ganz und gar befangen, Und nimmer hat ein Herzeleid Mich so erfüllt mit süßem Bangen — Als da ich heute — dich — gesehen! Und was ist nun mit mir geschehen?! II. Du wunderlich thörichtes Herz Gedichte aus „Melitta“, einem episch-lyrischen Gedichte Du wunderlich thörichtes Herz! Wie magst du nur beben und bangen? Still! Stille! So darfst du nicht pochen und schlagen; Ich presse die Hand mit düsterem Muth Dir auf und ersticke die wehvolle Gluth — Und sage dir: thörichtes Herz! Still! Stille! Die Schwüle der Sommernacht Liegt brütend auf schweigendem Lande Still, stille. Rings lohen und zucken die Flammen; Die drohenden, finsteren Wolken erglühn Blutroth in der Blitze gewaltigem Sprüh'n — Lautloses Entsetzen ist rings! Still! Stille! Da rauschet zur Erde herab Labsal des strömenden Regens Still, stille! Nun wehen erquickende Lüfte; Nun löset sich schnell der entsetzliche Bann, Und Alles hebt wieder zu athmen an Nach qualvollen Ängsten — und weint Still, stille. Du wunderlich thörichtes Herz! Wie magst du nur beben und bangen? Still! Stille! So darfst du nicht pochen und schlagen; Zuletzt hat ein Ende doch jegliche Qual, Es sterben die Schmerzen ja allzumal, Auch deine, du thörichtes Herz! Still! Stille! III. Laß mich sitzen Dir zu Füßen Gedichte aus „Melitta“, einem episch-lyrischen Gedichte Laß mich sitzen Dir zu Füßen, Liebe, gute, treue Mutter. Laß auf Deinen Schooß mich legen Meinen Kopf, den kummermüden. Gieb mir Deine Hände, Mutter, Daß ich sie auf's Herz mir lege. Und nun neig' Dich zu mir nieder, Schau mit Deinen treuen Augen Still und sanft mir in die Seele — Und nun sprich so leis und innig: „Lieber Sohn! — Mein lieber Walther!“ O wie wohl thut Deine Liebe! — Achte nicht der Thränen, Mutter; Sie bedeuten Schmerzeslösung. Ach, unsäglich süßen Frieden Fühl' ich nun mein Herz durchwehen, Wie wenn in ein stilles Waldthal Fernher Abendglocken läuten. — IV. Hier hab' ich gesessen so manches Mal Gedichte aus „Melitta“, einem episch-lyrischen Gedichte Hier hab' ich gesessen so manches Mal, Als sie noch lebte. Uns war es so traulich im tiefen Thal, Und wenn schon erloschen der Sonne Strahl Und über den See hin leise die Nacht Gespenstisch schwebte — Wir hielten am Ufer getreue Wacht, Bis über uns strahlte der Sterne Pracht. Nun bin ich gekommen zum Ufer her, Wie — da sie lebte. Und finde sie hier doch nimmermehr; Allüberall ist's nun öd' und leer. O daß ich vergäße der seligen Zeit, Da sie noch lebte! Nun bin ich so einsam, in Trauer und Leid, Und matt und müde, zum Tod bereit. — Und über den See — wie es einst geschah, Da sie noch lebte — Hingleitet das Auge. Wie liegt er da So todtenstill, wie ich nie ihn sah! Und jetzt, in dem fahlen Dämmerschein — Wie wenn er bebte! So jäh überläuft ihn schauernde Pein — — Und Weiden und Rohr rings rauschen darein. Die Berge steh'n in dunklen Reih'n Die Berge steh'n in dunklen Reih'n, Im Thale Nebel wogen; Hell glänzt der See im Mondenschein, Ein Kahn schwimmt auf den Wogen. Draus schallen Stimmen hell und weit, Zwei Sennerinnen singen, Als wollten vor lauter Seligkeit Die jungen Herzen springen. Das schmettert jauchzend, kichert froh, Als ob sie singend küßten — Was freut die drallen Mägdlein so? Ja, wenn sie's selbst nur wüßten! Einsamkeit Laß uns ein heimlich Plätzchen wählen, Wo keine Menschen nach uns fragen, Wo kaum die Sonnenstrahlen wagen Sich durch das dunkle Grün zu stehlen. Nun haben wir die Welt verlassen Und zogen aus Millionen Nieten Das große Loos. Was kann sie bieten, Die Welt, für das, was wir umfassen? Maigruß Die Quelle springt, der Kukuk ruft, Es blitzt der Thau auf Halm und Blume, Und Pappeln steigen durch die Luft Wie Thürme im Waldheiligthume. — Frisch wogt um mich ein Blütenmeer, Der Wald erklingt von Lustgetöne, Aus Baum und Büschen weht es her — Die Welt erstand in neuer Schöne! Und wie die Welt voll Übermuth Sich regt unnennbar süßen Dranges, Schwillt auch mein Herz von neuer Glut, Und Blumen treibt es des Gesanges; Was mir der Maitag Schönes beut, Will ich mit Jubeltönen grüßen, Und alle Sorgen tret' ich heut Wie dürres Laub zu meinen Füßen! Sei mir gegrüßt, du Nachtigall! Ich singe dich, von Dank durchdrungen — Ist deiner süßen Stimme Schall Auch schon viel tausend Mal besungen, Ich brauche nicht Entschuldigung, Sing' ich dein Lob auf's Neue wieder: Dir ziemt stets neue Huldigung, Denn ewig neu sind deine Lieder! Das Blatt, das welk vom Baume sinkt, Bringt mir vergangner Freuden Mahnung, Und jede Rosenknospe winkt Mir, wie ein Sinnbild freud'ger Ahnung. Gedanken steigen in mir auf — Den Wellen gleich im Wasserspiegel — Die Maiensonne drückt darauf Ihr majestätisch Flammensiegel. Mit diesem Sonnensiegel schwing' Dich Blatt zur Wohnung meiner Lieben, Und meines Herzens Grüße bring', Und sing' ihr vor, was ich geschrieben — Umstrahle sie wie Sonnenschein, Durchglühe sie mit deinem Feuer, Und mögest du ihr theuer sein, Wie mir die Liebste selber theuer. O sieh die Perlen auf der Schnur O sieh die Perlen auf der Schnur, In lichtem, funkelndem Gestrahl — Zerreiß das seidne Fädchen nur: Die Perlen fallen allzumal! Du siehst sie fallen, suche nur Und sammle sie mit ems'ger Hand — Zerrissen ist die seidne Schnur, Die alle schön zusammenband. — Und was in meinen Liedern klingt, Und meine ganze Herzenswelt: Du bist's, um die sich Alles schlingt, Die Alles schön zusammenhält. O halte fest, zerreiße nicht! Die Perlen fallen mit der Schnur — Und nur durch Dich lebt mein Gedicht, Und auch durch Dich ich selber nur! Tscherkessische Todtenklage Es trauern die Männer von Dshighi, Gesang tönt und klagendes Spiel — Denn der Schönste des Volks der Adighi: Pschugui, der furchtlose, fiel! Er war noch an Jahren ein Knabe, Doch glich ihm kein Mann im Gefecht — Jetzt liegt er schon modernd im Grabe, Der Letzte aus seinem Geschlecht! Pschugui, der Held, ist gefallen! Sein Blut färbt die Erde nun roth — Er hörte den Schlachtruf erschallen Und eilte zum Kampf und — zum Tod! Kühn brach er durch Dampf und Geschosse, Durch Lanzen und Schwerter sich Bahn, Und sprengte auf wieherndem Rosse Zum Häuptling der Moskow heran. Sein Schlachtkleid von blutrothem Sammte Flammt' hell in der Sonne Gestrahl, Doch heller und furchtbarer flammte Sein Aug' und sein blutiger Stahl! Getroffen vom Feindesgeschosse Sein Rappe todt unter ihm bricht — Er wechselte dreimal die Rosse: Doch sein tapferes Herz wechselt' nicht! Es sank von der Wucht seiner Streiche Manch rüstiger Kämpfer der Schlacht! Jetzt liegt er da selber als Leiche, Und Wehgeschrei dröhnt durch die Nacht. Man weint um den glühenden Hasser Von Moskow's geknechteter Brut — Doch die Thränen der Freunde sind Wasser, Und die Thränen der Schwester sind Blut! Den Nacken der Schwester umwallte Das dunkle Haar üppig und kraus — Als die Kunde des Todes erschallte, Da riß sie ihr Haar weinend aus. Doch die Mutter hebt tröstend die Rechte: Dank Allah! so hat er's gesucht! Mein Sohn fiel, ein Held im Gefechte, Und nicht wie ein Dieb auf der Flucht! Der Sänger greift trüb in die Saiten, Die Menge horcht schauernd und bang, Und die Thränen der Weiber begleiten Den jammernden Trauergesang. Es trauern die Männer von Dshighi, Gesang tönt und klagendes Spiel: Der der Schönste des Volks der Adighi, Pschugui, der furchtlose, fiel! Wohl weiß ich einen Kranz zu winden Aus „Mirza-Schaffy“ Wohl weiß ich einen Kranz zu winden Aus Blumen, die ich selbst gepflückt — Wohl auch das rechte Wort zu finden, Ob ich betrübt bin, ob beglückt. So lang' ich meiner Sinne Meister, So lang' ich weiß, was mir gefällt, Gehorchen dienstbar mir die Geister Der Blumen- und der Feenwelt. Doch in der heil'gen Glut des Kusses, Im Wunderleuchten des Geschicks, Im Augenblick des Vollgenusses, Im Vollgenuß des Augenblicks: Da fehlen mir zum Lied die Töne, Gleichwie der Nachtigall der Schlag, Weil wohl der Mensch das höchste Schöne Genießen, doch nicht singen mag. Wer kann die helle Sonne malen In höchster Glut, im Mittagslicht? Wer nur sie seh'n mit ihren Strahlen Von Angesicht zu Angesicht! Wie die Nachtigallen an den Rosen nippen Aus „Mirza-Schaffy“ Wie die Nachtigallen an den Rosen nippen, — Sie sind klug und wissen, daß es gut ist! — Netzen wir am Weine unsre losen Lippen, — Wir sind klug und wissen, daß es gut ist! — Wie die Meereswellen an den Felsenklippen, — Wenn das sturmbewegte Meer in Wuth ist — Breche schäumend sich der Wein an unsern Lippen, — Wir sind klug und wissen, daß es gut ist! — Wie ein Geisterkönig, ohne Fleisch und Rippen, — Weil sein Wesen eitel Duft und Glut ist, — Zieh' er siegreich ein durch's Rosenthor der Lippen, — Wir sind klug und wissen, daß es gut ist! — Sollst dich in Andacht beugen Aus „Mirza-Schaffy“ Sollst dich in Andacht beugen Vor jenem hohen Geist, Von dem die Werke zeugen, Die er dich schaffen heißt. Der, was du je vollbracht, Und was dir je gelungen, Urbildlich vorgedacht, Urbildlich vorgesungen. Der dich belohnt für das, Was sinnvoll du bereitest, Und straft, wenn du das Maß Des Schönen überschreitest. Wer diese Strafe nie, Nie diesen Lohn empfunden, Dem hat die Poesie Den Lorbeer nicht gewunden! Neig', schöne Knospe! dich zu mir Aus „Mirza-Schaffy“ Neig', schöne Knospe! dich zu mir, Und was ich bitte, das thu' mir! Ich will dich pflegen und halten; Du sollst bei mir erwarmen, Und sollst in meinen Armen Zur Blume dich entfalten! Es ragt der hohe Elborus Aus „Mirza-Schaffy“ Es ragt der hohe Elborus, So hoch der Himmel reicht; Der Frühling blüht zu seinem Fuß, Sein Haupt ist schneegebleicht. Ich selbst bin wie der Elborus In seiner hehren Ruh, Und blühend zu des Berges Fuß Der schöne Lenz bist du! Jussuf und Hafisa Von Jussuf im Egypterland, Dem lieblichsten der Menschensöhne, Heißt es: ihm gab Jehovah's Hand Die Hälfte aller Erdenschöne. Als Jussuf nun gestorben war, Hub seine Schönheit an zu wandern Und wanderte wohl manches Jahr Von einem Lande zu dem andern. Denn dieses war ihr Schicksalswort: Nur dort sollst du in Zukunft thronen, Wo dir zur Pflege, dir zum Hort Bescheidenheit und Anmuth wohnen. An manche Thüre klopft sie an, Bei Armen, wie im Prunkpalaste — Und gerne ward ihr aufgethan, Doch nirgend blieb sie gern zu Gaste. Bis sie bei dir, du süße Maid, Ein heimatliches Dach gefunden, Wo Anmuth und Bescheidenheit Sie nun für alle Zeit gebunden. 1. Die Gletscher leuchten Lieder vom schwarzen Meer Die Gletscher leuchten Im Mondenlicht, Und Thränen feuchten Mein Angesicht; Die Winde sausen, Die Möwen schrein, Die Wogen brausen — Ich denke Dein! Das Lied entschwindet Schon fern dem Blick, Doch zu Dir findet Mein Herz zurück; Ich will ihm Schwingen Des Liedes leihn, Es soll Dir singen: Ich denke Dein! 2. Wie kommt mir, was mich einst entzückte Lieder vom schwarzen Meer Wie kommt mir, was mich einst entzückte Durch Liebesglut, so dürftig vor, Seit ich mein Herz an Deines drückte Und Deins gewann und meins verlor! Mein ganzes Sein ward umgewandelt Wie aller Erdenschlacken baar — Ich weiß nicht, ob ich recht gehandelt, Doch weiß ich, daß ich selig war. O süß Vergessen, süß Versinken, Wenn Seele sich in Seele taucht, Wenn Lippen Lebensodem trinken Und Odem sich in Odem haucht: Nicht in gemeiner Lust der Sinne, Die flüchtig nur Genuß gewährt: Es ward der Zauber unsrer Minne Durch alles Herrlichste verklärt. Wir blickten in der Erde Tiefen Und spähten in des Himmels Höhn; Wir weckten Wunder, welche schliefen, Und lauschten seligstem Getön — Und alles Schöne nah und ferne: Die linde Luft, des Mondes Pracht, Der Blumen Duft, der Glanz der Sterne Schien Alles nur für uns gemacht! Die Gunst der Zeit ist nicht zu bannen, Am schnellsten flieht das höchste Glück; Ich kam, ward selig, zog von dannen, Doch blieb ein Glanz von Dir zurück, Der mir zu künftigem Glück auf Erden Die sonst verhüllten Pfade zeigt, Denn was einst war, kann wieder werden, Wenn dich auf's Neu' mein Arm erreicht. Bis dahin mag die Zeit sich dehnen, Als sei erlahmt ihr Flügelschwung; Es liegt auch Glück in holdem Sehnen Und leuchtender Erinnerung. Kann Dich mein Arm nicht mehr erreichen, Erreicht Dich mein Gedanke stets Und mir aus theuren Liebeszeichen Wie Hauch aus Deinem Munde weht's. Sieh', alle Sterne, die dort oben Am Himmel kreisen seligen Scheins, Sind aus Erinnerung gewoben An eine Zeit ureinigen Seins; Getrennt nun zittern ihre Flammen In holdem Auf- und Niedergehn: Einst fliegen sie auf's Neu' zusammen, Wie wir, wenn wir uns wiederseh'n. Da wird ein Glühn sein, ein Umarmen, Ersatz für Alles, was uns härmt, Von Herz zu Herzen ein Erwarmen, Das alle Schöpfung mit erwärmt. So küssen Himmel sich und Erde Und neigen sich einander zu, Daß selig Eins durch's Andre werde, Die Erde ich, der Himmel Du! Leben und Sterben In der Weltflut des Verderbens, In der Zeit Zerstörungshauch, Freunde, denken wir des Sterbens, Aber doch des Lebens auch! Wenn ein Gott uns lädt zu Gaste Zu den Freuden dieser Welt, Wäre nicht ein Thor, wer faste, Wo so reich das Mahl bestellt. Beut der Wirth, was uns ersprießlich, Nehmen wir, was er uns beut, Denn der Wirth wird leicht verdrießlich, Wenn den Gast das Mahl nicht freut. Thoren sind die Freudenhasser, Denn, was lebt, das soll gedeihn; Labt den Einen kühles Wasser, Labt den Andern kühler Wein. Drückt uns oft die Sorge bleiern In des Tagwerks schwerem Gang: Laßt uns froh am Abend feiern, Denn das Leben währt nicht lang. Sind wir Tags des Lebens Sklaven, Sein wir seine Herrn zu Nacht: Keiner weiß, wer sich zum Schlafen Niederlegt, ob er erwacht. Keiner weiß, zu welcher Stunde, Welchen Weg er geht von hier: Drum bis dahin froh im Bunde Trinken, lieben, leben wir! Jasmin und Flieder duften Jasmin und Flieder duften durch die Nacht, Kein Lüftchen regt das Laub an Busch und Baum; Die Sterne schimmern in demantner Pracht Auf stiller Flut; die Welt liegt wie im Traum: Nur aus der Nachtigall geweihter Kehle Haucht die Natur den Wohllaut ihrer Seele. Wer denkt der Stürme nun, die ausgetobt, Wer auch der Stürme, die uns noch bedräun? Das tapfre Herz, in manchem Sturm erprobt, Mag doppelt sich der heiligen Ruhe freun. Wem solche Nacht nicht Ruhe bringt und Frieden, Dem blüht kein Glück und Segen mehr hienieden. Die Cypresse Die Cypresse ist der Freiheit Baum, Nie zur Erde die Zweige senkt sie: Empor zum lichten Himmelsraum Ragt und die Blicke lenkt sie. Schlank ist ihr Wuchs und fein ihr Laub, Und keine Fruchtlast beugt sie; Ihr Schmuck wird nicht des Winters Raub, Von höherm Dasein zeugt sie. Frei von dem lauten Weltgewühl Den stillen Friedhof schmückt sie; In ihrem Schatten ruht sich's kühl, Den Blick vom Staub entrückt sie. So ragt sie wie ein grüner Thurm Der Hoffnung in die Ferne — Tief unter ihr nagt der Grabeswurm, Hoch über ihr leuchten die Sterne. Kommen und Scheiden Wie lächeln die Augen der Liebe Willkommen, Wie sonnig geht Alles dem Herzen dann ein! Und wie trüb sind die Augen, wird Abschied genommen, — Doch es muß ja so sein, ach, es muß ja so sein! Wohl immer sucht Liebe die Liebe zu trösten, Doch Trost geht dem scheidenden Herzen nicht ein, Bis all seine Schmerzen in Thränen sich lösten — Doch es muß ja so sein, ach, es muß ja so sein! Wie flüchtig entschwinden die seligsten Stunden, Wie wandelt die Freude so rasch sich in Pein! Wie tennt sich so schwer, was so leicht sich gefunden — Warum muß es so sein? Warum muß es so sein? Auf dem Rigi Ich stand auf Rigis Höhen, schauend In seines Reiches weiten Kreis, Dem Auge eine Brücke bauend In seiner Gletscher ew'gem Eis. Schon schloß der Tag die goldnen Lider, Von leisem Schlummer übermannt, Und mählig sank der Abend nieder Ins weite, schöne Schweizerland. Leis sandte aus metallnem Munde Den Abendgruß das stille Arth, Den Dörfern allen in der Runde, Bunt um den Zugersee geschaart. Tief unten lag die Tellskapelle, Von moos'gen Schiefern überdacht, Das Mal an mutberühmter Stelle Der hohlen Gasse bei Küßnacht. In des Pilatus Felsennacken Die Sonne flackernd unterging, Den Mönch bis zu den Schwyzerhaken Umschloß ein Purpurfeuerring. Ins Herz der Gletscher, in das kalte Drang warm ein letzter Gruß hinein, Auf ihren greisen Wangen wallte Der Freude heller Farbenschein. So mochten sie einst freudig flammen, Von ros'gem Jubelglanz umweht, Als Tell der Freiheit blut'gen Samen Mit Pfeil und Bogen kühn gesät. Nur Einen sah ihr Glüh'n nie wieder, Sein Haupt umzog des Todes Nacht, Wie nun der Dämmerung schwarz Gefieder Umrauscht die Gasse bei Küßnacht. Vaterhaus Sei tausendmal gegrüßt, du theure Stelle, Du Schauplatz meiner Kindheit, Vaterhaus! Ein Knabe zog ich einst aus dir hinaus, Ein and'rer Mensch kehr' ich zu deiner Schwelle. Und wieder kindlich fühlt die kalte Seele, Vergißt des Lebens Ernst, sein Kampfgebraus, Da glätten sich des Herzens Falten aus, Und drinnen wird es wieder warm und helle. Da will's an schön're Zeit mich wohl gemahnen, Und an der Kindheit friedlich Träumeweben, — Im wilden Leben schwand es bald von dannen. Doch glücklich, wem ein Vaterhaus gegeben, Ihm ist's ein Hort, will Schmerz ihn übermannen, Ein stiller Port am wildbewegten Leben. Frage Was hilft's, daß wir so selig uns versenken In unsre Blicke aus verstohl'ner Ferne? Wie schwer, daß unser Herz entsagen lerne, Wird von einander Gottes Hand uns lenken. Will seine Weisheit uns einander schenken? Begegnen sich auch unsres Lebens Sterne? Wir hoffen, was wir wünschen, allzugerne — Laß, da es Zeit, mit Gott es uns bedenken! Vor seinem Blick mußt Du Dein Herz befragen, Ob es ein reiner, heil'ger Strahl getroffen? Er schenkt Dich mir, kann ernstlich Ja es sagen. Er mache selbst Dein Herz ganz vor Dir offen! Was dürften ohne ihn wir wünschen, hoffen? Was Gott nicht will, dem muß das Herz entsagen. Nachklang Wir haben einst gesungen In Liebe, Lust und Freud; Die Lieder sind verklungen, Die Sänger sind zerstreut. Doch oft noch klinget leise Ein Nachhall in mein Ohr, Und aus dem alten Kreise Schwebt manches Bild mir vor. Ich habe treu getragen Euch All' in meiner Brust, Vermächtniß von den Tagen Der freien Jugendlust. Ich hab' mit euch gesungen Im Geist in stiller Nacht, Den Becher angeklungen Und euch ein Hoch gebracht. Im Gold der Treue bleibe Gefaßt, was schön und gut, Fort alles Eitle treibe Die Zeit in ihrer Fluth! Auf allen, allen Wegen Im Sturm und Friedenswehn — Ihr Brüder, laßt entgegen Uns ziehn dem Wiedersehn! Vertraget euch in der Liebe Des Zornes Funken wird zum Feuer, Vom Sturm der Leidenschaft entflammt, Und wächst heran zum Ungeheuer, Dem unabsehbar Weh' entstammt. Damit der Funke nie zur Flamme Aufloh' im Sturm der Leidenschaft, Laß treten uns zum Kreuzesstamme, Von ihm fließt sanfte Liebeskraft. Des Heilands Liebe trägt geduldig All unsre Schuld, selbst ohne Schuld, Und wir, die beide bös' und schuldig, Wir tagen uns nicht mit Geduld? Kann Er uns unsre Schuld verzeihen, Wälzt Eins die Schuld auf's Andre stolz? Im Zorn des Hochmuths sich entzweien — Heißt schlagen Ihn an's Marterholz. Drum eh' der Funke wird zur Flamme, Laß uns hinschaun auf's heil'ge Kreuz, Daß jedes sein Herz erst verdamme Und weinend seufze: Herr, mich reut's! Weihnachtsmahnung Wie manches Armen Auge tropft Im Stillen in des Winters Noth, An manches Herz die Sorge klopft: Nicht weiter reichet Brand und Brod! O naht ein Armer Dir voll Leid, Nimm gern ihn auf, gib, was ihm frommt; Die Armuth trägt als Erdenkleid Die Liebe, die vom Himmel kommt! Feuer auf den Bergen Lodern laßt die Feuer, Brüder, Auf des Vaterlandes Höhn, Laßt erschallen Jubellieder In der Glocken Festgetön! Laßt die Feuer weithin melden: Edler Frieden krönt den Sieg! Flechtet Kränze unsern Helden, Die nun heimziehn aus dem Krieg! Lodern laßt die Feuer, Brüder, Auf den Bergen himmelan! Opfert unserm Gott und Hüter, Der so Großes uns gethan! In der Wolk' und Feuersäule Zog er unserm Volk voran, Daß den Feind mit Sturmeseile Wir erstaunt vernichtet sahn. Lodern laßt die Feuer, Brüder, Liebesfeuer allesammt! Ja, es scheid' uns nimmer wieder Haß, der aus der Hölle flammt. Laßt der Liebe heil'ge Flammen Schmelzen weg den Stolz und Neid Und uns All' in Eins zusammen, Eins im Frieden, wie im Streit! Lodern laßt die Feuer, Brüder, Und wie durch die Nacht ihr Schein, Glänz' das Volk der Deutschen wieder In die weite Welt hinein! Freiheit, Kraft und fromme Sitte Ziere uns, nicht wälscher Schein — Ja, Europas Herz und Mitte Soll der Völker Leuchte sein! Des Frühlings Kommen Wie rauscht es, wie braust es im grünenden Thal, Wie saust es von leuchtenden Bergen, Wie trillern sich wiegend auf blitzendem Strahl In duftigen Höhen die Lerchen; Wie brechen die Gräser und Blumen zumal Hervor aus den Grüften und Särgen! Zerbrich deinen eisigen Kerker nun auch, O Herz, der dich lange umschlossen, Und sauge den mächtigen himmlischen Hauch, Neu wirst du dann grünen und sprossen; Es blüht doch so schön der vergessenste Strauch, Vom Zauber des Frühlings umflossen! Frühlingsnacht Auch in denen, welche bitter klagen, Tief in düstern Gram verloren, Wird in schönen, hellen Frühlingstagen Neue Lebenslust geboren. O getrost, die Rinde wird doch springen, Die das arme Herz umschlossen, Endlich wird ein Lenz Erlösung bringen, Daß die harten Keime sprossen. Lebenstrieb ist sehnendes Verlangen, Ohne Regung sind die Todten; Wenn die Frühlingssonne aufgegangen, Bricht der Keim den härt'sten Boden. Die Rose zu Weihnachten Wie trauert der Garten verödet, Die Bäum' erstarrt und entlaubt, Die Blumen vom Frost getödtet, Sie neigen zum Grab das Haupt. Doch sieh'! dort blüht eine Rose Allein auf dem wüsten Beet' — Wie glänzet die fleckenlose! Welch' süßer Duft ihr entweht! Ich heiße dich freudig willkommen, Der himmlischen Rose Bild; Was mag mir Schöneres frommen Zur Feier, die heut ihr gilt? In's traurige Leben webet Sie himmlischen Glanz und Duft; Ein ewiger Frühling schwebet Hoch über der irdischen Gruft. Sie flüstert beim Weiterziehen In dunkle Zukunft mir zu: Bald wirst du dem Leid entfliehen Zur Heimat der Freud' und Ruh'! Guter Rath Siehst du am Weg ein Menschenleid, So weiche nicht zur Seite aus, Denk an das Leid, das du erfuhrst, Denk an das große Vaterhaus! Heut sendet dir der Herr den Greis, Der bittend seine Hände reckt, Die morgen schon — gehst du vorbei — Vom Tode starr sind ausgestreckt. Umsonst, daß dann in deiner Brust Ein stiller Vorwurf pochen mag. Drum, mahnt dich Gott, so weich' nicht aus, Verschieb's nicht auf den nächsten Tag! Einer Mutter O küsse, wenn's zur Ruhe muß, Zur Nacht des Kindes Angesicht, Denn Segen liegt im Mutterkuß, Der tief in's Herz des Kindes bricht. Denn Mutterkuß ist wie ein Band, Das rettend seine Brust umschlingt, Wenn einst am dunklen Uferrand Ihm lockend die Sirene singt. Und einst aus wüstem Wandel schreckt Dein Kuß vielleicht den Sohn empor, Daß er nach dir die Arme streckt, Wenn er die Mutter längst verlor. Das Blumenmädchen „Veilchen, Herr! ach kauft das Veilchen!“ Kam das Blumenkind gelaufen, Sah mich an mit stummer Bitte, Daß ich sollt' das Veilchen kaufen. Und mir war, als wär' es selber So ein stummes, blaues Veilchen, Das der schnöden Welt verkauft wird, Wenn's geblühet hat ein Weilchen. Und ein tiefes, banges Mitleid Hat mich traurig überkommen, Da ich aus des Elends Händen Mir des Frühlings Gruß genommen. Doch der Blume süßes Duften Hat den Trost mir zugesprochen: Gott wird nicht die Blume richten, Sondern den, der sie gebrochen. Was aus dem Bäumchen werden soll, das weiß nur Gott allein „Ich werd' einmal ein Reitersmann,“ So spricht der tapfre Fritz, „Daß hoch zu Roß ich sitzen kann Und fliegen wie der Blitz.“ „Ich,“ sagt der Hans, „werd' kein Soldat, Ich sitz' daheim so gern, Ich werd' ein Herr vom Magistrat Mit Degen, Band und Stern.“ Ein Pfarrer möcht' der Philipp sein, Ein Doktor klug der Paul. „Ein Zuckerbäcker wäre fein,“ Meint Franz, das Schleckermaul. O Kinder! Seht im Wald einmal Die jungen Bäumchen an, Sie sind noch klein und dünn und schmal, Sind wenig Blätter dran. Doch sind sie frisch, wie Ihr, an Kraft, Und aus den Wurzeln dringt In alle Zweige reich der Saft, Der sie zum Wachsen bringt. Seht Euch die Bäumchen an genau, Wie sie so lustig sind. Ihr Wipfel strebt zum Himmelsblau, Mit ihnen spielt der Wind. Gar viele, viele müssen bald Verkümmern. Traurig Loos! ür Alle ist nicht Platz im Wald — Nur Wen'ge werden groß. Zum Sorgenstuhl wird Der geschnitzt, Und Jener wird ein Schrank. Als Pfahl wird Dieser zugespitzt, Und Der bleibt krumm und krank. Als Feldkreuz steht wohl Der am Weg Dereinst in stillem Land — Und Jener wird ein sichrer Steg Auf hoher Felsenwand. Gar mancher, der in junger Pracht Im Lenz die Zweige schwenkt, Wird einst zu einem Sarg gemacht Und in die Gruft versenkt. Vielleicht, daß Einer zieht als Mast Stolz in die See hinaus, Die Meisten tragen schwere Last Als Balken still im Haus. So ist der jungen Bäumchen Loos, Wie Eure Lebensbahn. Die Bäumchen wachsen, werden groß Und denken nicht daran. Sie blühen lustig, frisch und grün Und streben auf zum Licht; Ein jedes muthig, jedes kühn — Die Zukunft quält sie nicht. So blüht auch Ihr so freudenvoll Frisch in die Welt hinein! Was aus dem Bäumchen werden soll, Das weiß nur Gott allein. Die treuen Brüder Ballade Es standen zwei Brüder beisammen Als treue Soldaten im Feld, Sie hielten in Feuer und Flammen, Ein Jeder von ihnen ein Held. So schritten sie enggeschlossen Zusammen in einem Glied, Sie kämpften als treue Genossen Und Keiner vom Anderen schied. Da traf eine Kugel den Einen, Er sinket in brennendem Schmerz; Der Andere, ohne zu weinen, Drückt schweigend den Bruder an's Herz. Doch wie er sich neiget zu Boden, Da trifft ihn das tödtliche Blei — Der Lebende sinkt mit dem Todten — So lagen und starben die Zwei! Das waren von Taube die Grafen, Zwei Helden aus Schwabenland — Und nennt man die Bravsten der Braven, So sei'n auch die Beiden genannt. Ob aller Trost auch von Dir wich Ob aller Trost auch von Dir wich Und noch so nüchtern alle Welt, Es kommt die Stunde sicherlich, Wo Dir's wie Staub vom Herzen fällt; Wo, wie im Lenze mild und reich Die Veilchen aus der Erde Schoos, Aus Deinem Auge voll und weich Allmächtig bricht die Thräne los; Wo Deine Seele lichterfüllt Den Athem fühlt der bessern Welt, Wo wieder Dir die Gnade quillt, Wie Regen, der auf Blumen fällt; Wo alles, was Du je geliebt, Dir wie verklärt in's Auge schaut, Und alles, was Dich je betrübt, Von Deiner Brust gelinde thaut; Wo Dein Gemüth das Wort versteht, Daß Dich ein Gott im Tod befreit, Wo heiß durch Dein Empfinden weht Die Liebe einer Ewigkeit. Drum ob auch aller Trost Dir wich Und noch so nüchtern ist die Welt, Es kommt die Stunde sicherlich, Wo Dir's wie Staub vom Herzen fällt. O glaube nur! O glaube nur, so lang dein Frühling blüht, Es sei die Welt so schön, wie du sie schaust! Es gibt kein süßer Glück für dein Gemüth, Als wenn du ganz aus tiefster Brust vertraust. Vertrau' und liebe! — sei dem Veilchen gleich, Das unter'm Eise still des Frühlings harrt, Der Quelle, die vom Grunde voll und reich Empor sich drängt, ob rings der Winter starrt. Denn früh genug wird dir des Lebens Schmerz Zerstören deiner jungen Seele Traum; Sie werfen dir den Zweifel in das Herz, Und was du glaubtest, weißt du selber kaum. Zum 3. Advent Matth. 12, 20. Das zerstoßene Rohr wird er nicht zerbrechen und das glimmende Docht wird er nicht auslöschen. Zerstoßnes Rohr — ich fühl' es, das bin ich, Dem Leben nicht, doch Lebens Kraft entwich. Wohl hab' ich Wollen — aber nicht Vollbringen, Anhebt der Muth — doch fehlt ihm das Gelingen. Ach, mit Entschlüssen ohne Zahl und Maaße Ist sie gepflastert, meines Lebens Straße; Doch Thaten, voller Kraft in Gott gethan, Sind selten, Perlen gleich im Ozean. Ein glimmend Docht — ich fühl' es, das bin ich, Dem Leben nicht, doch Lebens Freud' entwich. Ich spür' sie da und dort durch's Herz mir flammen, Doch sinkt alsbald sie wieder todt zusammen. Sie gleichet nicht den mächt'gen Sonnenstrahlen, Die farbig auch das Staubgeborne malen; Sie gleicht dem fernen, flücht'gen Wetterschein — Bald hüllt sie wieder nächt'ges Dunkel ein. Mitleid'ger Herr! das schon zerstoßne Rohr Zerbrichst Du nicht, Du hebst es mild empor. Auslöschen willst Du nicht des Dochtes Glimmen, Obschon Dir niemand wehrte Dein Ergrimmen. Denn ach! vor Deinen heil'gen Flammenaugen Kann matte Gluth, gebrochne Kraft nicht taugen. Nur Deine Gnade findet Hülfe da, Wo schon der Tod mit seinen Schrecken nah. Du sanfte Hand, o thu, wie Du versprichst; Es blüht das Rohr noch, wenn Du's nicht zerbrichst. Du wirst mich schonend wie ein Krankes fassen, Wenn ich mich will von Dir verbinden lassen. Du lieber Hauch, fach' an des Dochtes Glühen, Daß fröhlich auf der Freude Flammen sprühen. Mitleid'ger Herr, Du weißt, wie schwach ich bin, Ach nimm mich ganz in Dein Erbarmen hin. Am 4. nach Trinitatis 1. Joh. 4, 16. Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibet, der bleibet in Gott und Gott in ihm. In der Liebe kannst du reden, In der Liebe kannst du schweigen, Und es wird sich dem wie jenem Freudig fremder Wille beugen. In der Liebe kannst du loben, In der Liebe kannst du schelten, Und das Lob wird nicht verletzen, Und der Tadel nicht erkälten. In der Liebe kannst du geben, In der Liebe kannst du nehmen, Jenes wird dich nur bereichern, Dieses wird dich nicht beschämen. Wunderbare Macht der Liebe! Alles wird durch sie verkläret, Wie der Sonne Licht und Wärme Allen Wesen Lust gewähret; Wie des Frühlings Ruf die Fiber Auch des kleinsten Wurms durchdringet, Wie die Poesie verschönernd Sich durch alle Zeiten schwinget! Lieb' ist Gottes heil'ge Sprache, Die im Herzen wiedertönet, Lieb' ist Abglanz seiner Schönheit, Die dein Angesicht verschönet; Lieb' ist Odem seines Mundes, Der zum Himmel dich erhebet, Lieb' ist Pulsschlag seines Herzens, Der mit Wonne dich durchbebet; Lieb' ist Er, der Heil'ge selber, Und wie viel von ihr dein eigen, So viel Wahrheit, Kraft und Schönheit Wird in deinem Thun sich zeigen. Am 12. nach Trinitatis Psalm 104, 33. Ich will dem Herrn singen mein Leben lang, und meinen Gott loben, so lange ich bin. Einst war in deutschen Landen das Volk so reich an Sang, Daß dir auf Weg und Stegen sein Herz entgegenklang. Im Liede hat's gebetet, im Liede hat's geweint, Beim Mahle wie bei Gräbern zum Sange sich vereint. Der Bauer hinter'm Pfluge, der Hirt im Wiesenthal, Die Mägde bei dem Rocken, sie sangen allzumal; Und wo die Kinder spielten, da lenkt' ein Lied die Luft, Und wo die Burschen zogen, da klang's aus voller Brust! Wer sie erfand, die Weisen, war Keinem je bekannt, Sie wuchsen wie die Blumen und gingen von Hand zu Hand; Bis jüngst in dunklen Nächten ein wüster Räuber kam, Und aus des Volkes Herzen den Schatz der Lieder nahm. Statt dessen hat er Tücke und Grimm hineingelegt, Sie haben tolles Murren und arg Geschwätz erregt. Es hat vom Gift getrunken, nun fühlt sich's ungesund, Und ob dem Weh verstummet der sangesreiche Mund. — O Herr, vor dem melodisch der Gang der Welten klingt, Und dem am Blatt der Käfer, am Halm die Grille singt: Ach, nimm Dich des Verstummten in Gnaden liebreich an, Und löse seines Herzens und seiner Zunge Bann, Laß meines Volkes Lieder hell klingen in dem Chor, Drin aller Wesen Odem Dir jubelnd steigt empor. Gieb uns die Psalmen wieder und schüre Sangesgluth, Damit der Teufel weiche, dem Singen wehe thut. Amor verkauft Requisiten zu Liebesliedern Vielbegehrte, süße Dinge Sind es, die zu Markt ich bringe; Immer näher, edle Herrn! Leicht errath' ich, was Euch fehlet, Kommt und schaut und staunt und wählet, Jeden Wunsch erfüll' ich gern. Seht Ihr so die Herrlichkeiten Blank durch meine Finger gleiten, Reizt das Euer Auge nicht? Alles hochsolide Waaren, Und — Ihr werdet's bald erfahren — Fügen leicht sich zum Gedicht. Hier sind Augen, himmelblaue, Braune, rabenschwarze, graue, Mit und ohne Niederschlag; Weiße Stirnen, Rosenwangen, Locken bis zu meterlangen — Was das Herz sich wünschen mag! Sammethändchen, Feenarme, Junge Herzen, liebewarme, Kehlen voller Flötenton, Purpurmündchen, Perlenzähne ... Wenn ich manches nicht erwähne, So geschieht's aus Discretion. Was da schürt das Liebesfeuer, Alles was Euch süß und theuer, Ist mir's nicht im Nu zur Hand? Hier sind Seufzer, dort sind Küsse, Thränen, groß wie Haselnüsse, Wasserhell wie Diamant. Händedrücke, weich und leise, Tausend Zärtlichkeitsbeweise Hab' ich in dem Korbe hier. Holdes Sinnen, süßes Wähnen, Leises Ahnen, banges Sehnen, Alles comme il faut bei mir! Kauft von meinen Requisiten: Niemand wird Euch bessre bieten, Laßt mich nicht vorüberziehn. Schreibt dann Oden und Sonette; Denn das Liebchen harrt, ich wette, Sehnend Eurer Poesien! General-Pauke der Natur an ihre irdischen Verleger Mir ist so schlimm, mir ist so weh, mir armem Ding Natur; Denn wo ich geh' und wo ich steh', bekrittelt ihr mich nur. In meine stillen Reize hat sich alle Welt vergafft — Ich hab' euch recht von Herzen satt mit eurer Wissenschaft. Heida! juchhe! bei euch geht's immer hast du nicht gesehn, Heida! juchhe! mit eurer Wissenschaft. Die gute alte Zeit besah so rücksichtslos mich nie, Und sagte sie: hm, hm, ja, ja, so war das Theorie. Ihr werft mich hin, ihr werft mich her in keckem Übermuth; Ihr schneidet mich die-kreuz-und-quer, ihr quält mich bis auf's Blut. Heida! juchhe! bei euch geht's immer hast du nicht gesehn, Heida! juchhe! ihr quält mich bis auf's Blut. Entschlüpf' ich hier dem Gucke-Rohr und dort dem Messerschnitt: Gleich nimmt ein Chemikus mich vor und spielt mir kläglich mit. Wo bleibt mir Ärmsten ein Versteck? Ihr stöbert alles aus, Bis auf den fernsten Nebelfleck, bis auf die kleinste Maus. Heida! juchhe! bei euch geht's immer hast du nicht gesehn, Heida! juchhe! bis auf die kleinste Maus. Durch welche leid'ge Zahlenwuth verschärft ihr meine Qual! Wißt ihr denn auch, wie weh das thut mit eurem Integral? Und lauf ich noch so weit davon — ahnt ihr von fern mich blos: Gleich zwickt ihr mit x y auf meine Waden los. Heida! juchhe! bei euch geht's immer hast du nicht gesehn, Heida! juchhe! auf meine Waden los. System, du dürrer Schreckensgast, dich hab' ich auf dem Zug! Mit Formeln und mit Namen hast du mich geplagt genug. Wo nur ein leeres Plätzchen bleibt, und sei's auch noch so klein, Schnell kommt ein Forschergeist und schreibt sein „Kiselack“ hinein. Heida! juchhe! bei euch geht's immer hast du nicht gesehn, Heida! juchhe! ein „Kiselack“ hinein. Nun wißt ihr nicht, nun glaubt ihr nicht, wie euch, ihr Herrn, geschah; Mit Armensünderangesicht, so sitzt ihr vor mir da, Und schaut mich feuchten Blickes an, gesteht die Fehler ein ... Ob ich die Schuld vergeben kann? Darf ich euch denn verzeihn? Heida! juchhe! bei euch geht's immer hast du nicht gesehn, Heida! juchhe! darf ich euch denn verzeihn? Die alte Liebe kommt und spricht: Ihr treibt's ein wenig toll; Doch bin ich eure Mutter nicht? Und ihr des Geistes voll? Und hat er wehe mir gethan: sein Feuer stammt von mir. Zieht froh und fröhlich eure Bahn, ihr wackern Jungen ihr! Heida! juchhe! nur immer vorwärts hast du nicht gesehn, Heida! juchhe! ihr wackern Jungen ihr! Ihr kennt das Lied Entsiegelt liegt das Buch der Zeiten, Das Buch des Lebens vor uns da; Wir sehn dem Blick vorübergleiten, Was je die Erde Großes sah. Ein ernster Klang von Fluch und Segen, Von Lust und Wehe, Freud' und Leid Rauscht aus den Blättern uns entgegen: Dein hohes Lied, Vergangenheit. Wir schauen auf und Leben, Leben Umjauchzt mit hellerm Klang das Ohr; Aus muth'gem Kampf, aus treuem Streben Ringt sich die junge That empor. Die Herzen glühn, die Blicke flammen; In Lebenslust, in Schaffensdrang Klingt all die Gegenwart zusammen Zu einem großen Freudensang. Und doch — gleich Meeresbrausen dröhne Dein Hymnenklang, Vergangenheit; Rauscht noch so mächtig, Jubeltöne, Die ihr dem flücht'gen Jetzt geweiht — Wer kennt sie nicht, die Zauberweise, Die still von Herz zu Herzen zieht, Verheißungsfroh und ahnungsleise, Der schönern Zukunft Wiegenlied? Triumfgestehle von einem alden Leibziger Dir, Leibzig, liewe Lindenstadt, Wo Gunst und Wissen blieht, Wo mer die scheenen Messen hat, Dir deene hell mein Lied! Denn schon der große Geedhe pries Nach Recht dich und Gebiehr: Mei Leibzig is ä klee Baris, Mei Leibzig low' ich mir. Dei Sinn is seit der friehsten Zeit Uff Fortschritt nur gestellt; Aus Dunkelniß und Finsterheit Fiehrst du zum Licht der Welt. Wie viel der gettlichsten Schenies Erwuchsen nich in dir! Mei Leibzig is ä klee Baris, Mei Leibzig low' ich mir. De erste deitsche Eisenbahn — Das weeß die kanze Welt — Bei unserm Schwandeich keht se ahn Un gost'te beeses Geld. Doch als es: „nuff nach Dräsen!“ hieß, Das war ä Hauptpläsir. Mei Leibzig is ä klee Baris, Mei Leibzig low' ich mir. Der Handel is es allezeit, Der hier sei Bestes dhut; Es lebt der Wissenschaftlichgeit Manch brafes Borschenblut. Heil dir, Studendenbaradies! Mer singen fier un fier: Mei Leibzig is ä klee Baris, Mei Leibzig low' ich mir. Stell mer die scheenste Fenus hin, Ich laß se ruhig stehn; Denn nischt ist wie 'ne Leibz'gerin So herzerweechend scheen. Wer nur in Leibzig lebte, ließ Ä Stick von Herzen hier. Mei Leibzig is ä klee Baris, Mei Leibzig low' ich mir. O Vaderstadt, gedenk ich dein, Gommt mer ä hehrer Schwungk; Denn was de richt'gen Leibz'ger sein, Die bleiwen ewig jungk. Un mit Bekeist'rung saach ich dies: Nie trenn' ich mich von dir! Mei Leibzig is ä klee Baris, Mei Leibzig low' ich mir. Entwicklungsgeschichte des deutschen Professors Unbewußt wird er geboren, Des Katheders künft'ger Hort, Martert Nachts die Elternohren; Noch gehorcht ihm nicht das Wort. Seht, da liegt er in der Windel, Den der Frack einst zieren soll: Jeder Zoll ein Winkelkindel, Einst Professor jeder Zoll! Wackres Schreien stärkt die Lunge, Und so brüllt er tapfer zu; Bald zerreißt der stramme Junge Dutzendweis die Kinderschuh! Bald auch lernt er studienselig Ein-mal-eins und abc, Rückt zur Serta auf allmälig, Stürzt sich in das class'sche Weh. Auf der Schulbank hartem Holze Prüft er seinen Wissensdrang, Schwelgend im Primanerstolze Singt er Oden bogenlang. Leicht durchbricht sein frohes Alter uren Wall, Examina! Und entpuppt zum bunten Falter Steht ein flotter Studio da. Schwärme nur, du Sohn der Musen, Sorgenarm und thatenstark, Eine Welt im warmen Busen, Und im Beutel eine Mark! Schwärme, liebe, trink' und scherze, Künftiges Professorlein; Spät noch glüh' dein altes Herze Von der Jugend Wiederschein! Zehn Semester sind verflossen — Eine Thräne sei geweiht Dir und deiner Lust Genossen, Alte Burschenherrlichkeit! „Sehe jeder, wie er's treibe!“ Ruft das Schicksal donnernd drein, „Denke, rede, lies und schreibe, Künftiges Professorlein!“ Treulich geht er nun an's Denken, Bis die Welt ihn Doctor nennt; Bald vor staubbedeckten Bänken Redet der Privatdocent. Treulich liest er lange Jahre Und erringt die Professur, Schreibt sich weiß die grauen Haare, Wird Geheimrath, wird Comthur ... Aber wir im Burschenkreise Freuen uns des wackern Herrn, Denn im Chore summt er leise — Und er summt's von Herzen gern —: Schwärme, liebe, trink' und scherze, Künftiges Professorlein; Spät noch glüh' dein altes Herze Von der Jugend Wiederschein! Allein, allein Allein, allein mit seinen Thränen, Allein, allein in froher Lust, Allein in Gram, in Angst, in Sehnen, Erträgt das eine Menschenbrust? Den süßen Klang der trauten Rede, Das Glück im Druck von lieber Hand, Sie wiegen auf der Freuden jede, Den Schmerz, den je mein Herz empfand. Allein, allein ist nicht die Welle, Die mit der Welle fröhlich fließt, Ist nicht an tiefster Waldesstelle Das Blümlein, das in Gräsern sprießt. Allein, allein auf wilder Klippe Ist nicht der Möwen kreisend Heer, In öder Haide Dorngestrüppe Bau'n Vöglein sich des Nestleins Wehr. Allein sind nicht die Stern' am Himmel, Sind Gräber nicht in stillen Reih'n, In Wassertropfen ist Gewimmel, Nur Menschenherz, du bist allein? Es wendet kalt von deinen Schmerzen Die Menge sich in eil'ger Hast Und willst du fröhlich mit ihr scherzen, So ist sie oft noch eil'ger fast. Drum Menschenherz, so sei doch stille Mit deiner Klage Nichtigkeit, Was ist denn größ're Friedensfülle, Als, was du nennst — Verlassenheit? Du ziehst hinaus in Feld und Fluren, Wie ist dein Pfad so still und frei! Du folgst den lichten Gottesspuren, So ewig alt und ewig neu. Was kann die Freude dir verkümmern? Sie zieht in Allem himmelwärts; Nur Menschenhand kann sie zertrümmern, Wo Menschen sind, nur wohnt der Schmerz. Doch in des Fühlens stillen Weiten, So heil'ger Gottes-Nähe voll, Wie bald verhallt der Erde Streiten, Verrinnt der Seele nächt'ger Groll! Es strahlet wieder gold'nes Tagen, Der Liebe vollster Sonnenschein. Drum durch die Lüfte sei getragen Der Jubelruf — „Allein! allein!“ — Aus der Tiefe I. Ein großer Kummer, Ach! der giebt Schlummer In's sehnende Herz. Ein tiefes Leiden, Ach! das macht scheiden Von thörichtem Schmerz. In dem Erfahren Liegt von Jahren Die Weisheit versteckt. Wer hat gesehen Entstehen, vergehen, Den Sterben nicht schreckt. II. Alles, was geschehen, Hat Leichenduft, Hat Grabesweh'n; Drum wohl dem, Der nie gesehen, Daß Etwas geschehen. An meine Lampe Du stille Freundin stiller Stunden, Mein Lämpchen mit dem sanften Schein, Wie hast Du mich so oft gefunden In Thränen, wie in stummer Pein. Wie hast du, wenn bis in die Seele Zu dunkeln mir begann die Nacht, Daß mich kein böses Träumen quäle, Es wieder hell um mich gemacht. Oft schien ich mir ein Klausner selber Um Mitternacht bei meinem Buch. Da war mir denn, als ob du selber Mit drein geschaut, verständig klug. Du sahest alle meine Lieder, Die frohen, wie die traurigen, Bei deinem Licht schrieb ich sie nieder, Dem geisterbleichen, schaurigen. Und, wenn den Himmel schwarze Schleier Mir hüllten bis auf Sonn' und Mond, Wie warst du meinem Herzen theuer, Weil nimmer Wandlung bei dir wohnt. Ja! wenn ich einsam und verlassen Von aller Liebe auf der Welt, Selbst auch die Sterne sah' erblassen, Hat noch dein Licht mein Aug' erhellt. Du kennst das Meer Du kennst das Meer! bald ruht es spiegeleben Und bald von jähem Sturmwind überzogen, Aufschwellend langher rollt's die grauen Wogen, Daß ihrer dumpfen Wucht die Ufer beben. Und auf den Kämmen, die sich stürzend heben, Kommt leichtgeschürzt der weiße Schaum geflogen; Du siehst den blanken Reiter hoch im Bogen Wildkühnen Sprunges ob dem Abgrund schweben. Das Leben stralt uns hell; da kommt geschwommen Der Unglückswogen eine nach der andern. Die Hoffnung reitet sie zur Todesstätte Und beide sinken; aber andre kommen. Ein ewig Jagen scheint's und rastlos Wandern, Bis wieder ruht das Meer in Spiegelglätte. War's Wirklichkeit? War's Wirklichkeit? War's nur ein Schein des Lichtes, Der durch die Wölbung brach, die reichbelaubte, Und anmuthstralend über Deinem Haupte Den Marmor glühte Deines Angesichtes? Der übergoldend noch Dein gold'nes dichtes Aufquellend Haar dem schönen Auge raubte Sein düstres Wetterblau, von dem man glaubte, Es künde einen Spruch des Vehmgerichtes? Ach nur zu bitter fühlt' ich mich betrogen: Denn statt des liebevollen kleinen Gottes Stand auf der stolzen Braue kühnem Bogen Der Dämon eines eisigkalten Spottes. Da konnt' ich nimmer das Geständnis wagen, Daß meine Pulse Dir entgegen schlagen. 1. Sag mir, du Schäfersmann Wanderlieder Sag mir, du Schäfersmann, Wie machst Du das! Schaust nur den Himmel an Und grünes Gras; Treibst nur zum Dorf hinein, Treibst wieder aus, In heller Sonne Schein, In Windes Braus; Siehst von der weiten Welt Nimmer was glänzt, In Deiner Fluren Feld Eng eingegränzt. Spricht da der Schäfersmann: Hör meine Beicht! Wer es verstehen kann, Dem scheint es leicht. Schäfersleut, fromme Leut, Treiben es still, Nehmen so Leid als Freud, Wie Gott es will. Schau ich die grüne Matt, Denk' ich daran, Wer drunter erdenmatt Einst schlafen kann. Schau ich zum Himmel auf Weiß ich es wol, Wie mich des Herren Lauf Einst führen soll. Treibst Du die Heerde ein, Hirt aller Welt, Ist's mit den Lämmlein Gnädig bestellt. 2. Kam in vergang'ner Nacht Wanderlieder Kam in vergang'ner Nacht Spät in ein Dörfelein; Schaut nach der Sterne Pracht Ein feines Mägdelein. Lehnt sich zum Fenster 'naus Das allerliebste Kind; 's weht ihr in Locken kraus: Nachtens ist kühler Wind. Schleiche mich leisen Tritts Unter die Fensterwand Und auf der Zehen Spitz' Horch ich zu meiner Schand': Dir nur Dein Liebchen wacht, Du meiner Seele Licht; Ist doch so still die Nacht, Weshalb nur kommst Du nicht? Ach! Nur zu weit von mir Weilest Du, Trauter, nun; Mich läßt die Sehnsucht schier Rasten nicht mehr und ruhn! Wie so das Mägdlein klagt, Dacht' ich bei meiner Ehr' — Wem hätt' es nicht behagt — Daß ich ihr Liebster wär'. Tret' in das Sternenlicht — Starrt mir das süße Kind Zornig ins Angesicht, Schließet das Fenster g'schwind. Stehe noch stundenlang, Schaue das Fenster an; Hell schon die Lerche sang, Schaut es noch immer an. Im Hochgebirg Mein süßes Lieb, bin wandermüd, Die Sonne ist hinabgeglüht, Es schlafen die Alpenrosen. Kehr heim vom Gletscherprachtpalast, Gönn' mir an deiner Seite Rast, Und laß uns selig kosen. Hoch oben auf ewigem Gletschereis, Bei Enzian und Edelweiß, Erfüllte mich Sehnenswonne. Ein Adler schwang sich himmelauf, Ich ging zu Thal in raschem Lauf Und suchte, wie er, die Sonne. Auf Bergen ruht die Wolkenschaar, An meiner Brust ruh' immerdar, Wenn's dämmert im Erdengetose ... Und fassen die Schauer des Dunkels dich, So sei getrost und küsse mich, Du glühende Alpenrose. Nur im Traum Hab dich im Traum geseh'n die letzte Nacht; Um weiße Schultern wogt' der Locken Pracht, Und Freude lag im Engelsangesicht. Anbetend ruht' der Blick auf deinem Glanz, Wie auf dem eisgekrönten Alpenkranz, Wenn Morgenroth sich um die Firnen flicht. Ich bin erwacht, war traurig und verwaist; Denn über Sternen wohnt dein sel'ger Geist, In Trümmer fiel mein Glück und schwand wie Schaum. So seh ich nur im Traum dein Glorienhaar, Und all die sel'ge Zeit, die eh'mals war. Wär' doch mein ganzes Leben nur ein Traum! Mein Himmelreich O komm in schattendunkle Laube, Du zauberreiche süße Maid, Und leg das schwarzumlockte Köpfchen An meine Brust, voll Seligkeit. Doch senk die dunkelglühnden Augen, Ich schau hinein sonst unverwandt, Vergeß die liebdurchbebten Lippen Und Deine küssenswerthe Hand. Die freudumlachten Jugendzeiten Sind längst verschollen, längst vertagt, Und meinem heimathfremden Leben Hat Fried und Freud Fahrwohl gesagt. Noch wie ein goldenglühend Gestern Seh ich des Glückes Sonnenpracht; Dein Herz sei mein auf ewig, ewig, Sie steigt empor mit aller Macht. — — Du schweigst — und schaust mir überselig In's wonnetrunkne Augenpaar. Die schönsten Lippen lispeln lächelnd: „Ich bin Dein eigen immerdar!“ Nun kann die Welt mich nicht bethören Mit tollen Freuden, nebelbleich: An Deiner Brust hab' ich gefunden Das freudenvollste Himmelreich. Auf dem Kirchhof Auf den Grabeshügeln lispelt Riedgras von den bleichen Wangen, Von den bittern Trauerthränen, Die im rothen Auge hangen, Von dem langen Leichenzuge, Von des Bahrtuchs düsterm Rauschen, Von den schwarzen, stummen Trägern, Die beredte Blicke tauschen, Lispelt von dem Händedrucke In die Todtenhand, die kalte, Eh' der Sarg hinunter schwanket In die düstre Grabesspalte, Von des Todtenseiles Schnurren, Von den feuchten Erdenschollen, Die so dumpf und immer dumpfer Auf des Sarges Decke rollen. Trauerweiden, sturmbeweget, Schütteln ihre Zweige wild, Nur zuweilen schaun sie nieder, Sinnend, träumerisch und mild. Und dann flüstern sie gar heimlich Von des Menschen eitlem Streben, Wie er seinen Ruhm, den nicht'gen, Zu den Sternen will erheben, Wie er eilet, rennet, jaget Nach des Goldes falschem Scheine, Bis er müde, leidentrunken, Schlummert unter'm Leichensteine. Und sie streuen ernst und traurig Schatten auf begrab'ne Leiden, Daß sich Erdentand nicht sonne, Wo sich grell zwei Welten scheiden. Widerspruch Süße Ruhe wohnt im Herzen; Denn es regt sich kein Verlangen. Leidenschaften, wilde Sorgen Schlummern selig, traumbefangen. Sabbathstilles Ruheleben Konntest Du allein nur geben, Himmlisch süßes Angesicht. Kehret wieder, goldne Tage! Denn ein thöricht eitles Wähnen Rastet nie, wie Fieberpulse, Die sich nach dem Grabe sehnen. Freudenarmes Schmerzensleben Konntest Du allein nur geben, Himmlisch süßes Angesicht. Die Glocken läuten das Ostern ein Die Glocken läuten das Ostern ein In allen Enden und Landen, Und fromme Herzen jubeln darein: Der Lenz ist wieder erstanden. Es athmet der Wald, die Erde treibt Und kleidet sich lachend mit Moose, Und aus den schönen Augen reibt Den Schlaf sich erwachend die Rose. Das schaffende Licht, es flammt und kreist Und sprengt die fesselnde Hülle, Und über den Wassern schwebt der Geist Unendlicher Liebesfülle. Süß ist der Anblick Süß ist der Anblick, Mild und erquickend, Entziffr' ich, o Maimond, Auf Bergen und Matten, Auf Blättern und Blüthen Die grünenden Räthsel Deiner beseelenden, Liebenden Hand. Gewaltiger dehnt sich Der Flug des Gedankens, Seh' ich die wollust- Athmenden Welten, Seh' ich der Sterne Leuchtend erleuchtetes, Endloses Heer. Aber den Glauben, Die Hoffnung, die Liebe Schafft mir das blaue, Süße Geheimniß Himmlischer Augen. Frommes, klares, Jungfräuliches Auge, Sternblume meines Herzens und Sinnes, In deiner Anmuth, In deiner Schöne Liegt meine Gottheit, Liegt meine Welt! Und du versagst es mir? Mich fesselt bangen Zweifels voll Dein liebes Angesicht; Ob je der Lenz mir lächeln soll, Dein Auge sagt es nicht; Begehr' ich doch mit Ungeduld Nur einen Blick von dir, Doch auch die leichte, kleine Huld, Auch die versagst du mir! Die Ruh', die dies entflammte Blut Vor dir so lang verhüllt, Weicht plötzlich der zu heißen Glut, Die meine Brust erfüllt; Bald ungestüm, bald leis und schwer Verräth ein Wort sich dir — Ich bitte dich so sehr, so sehr, Und du versagst es mir! Das Lied, der Seele goldner Schmuck, Verrauscht an deinem Ohr, Kein Kuß, ach! nicht ein Händedruck Hebt mich zu dir empor. Ich seh' auf dich als mein Geschick, Ich beuge mich vor dir, Ich fleh' um einen flücht'gen Blick — Und du versagst es mir? Seel' in Seele Viel Blumen blühn im Erdenglanze, Viel Sterne glühn am Himmelszelt, Doch eine Hand reiht sie zum Kranze, Zur schönsten Kette Welt an Welt. Viel Töne hat des Lebens Harfe, Viel Klänge hat das Menschenwort, Doch eint das Weiche sich und Scharfe Zum herzbeglückenden Accord. Viel tausend Farben zittern, wogen Im sonnenlichten Strahlenmeer, Doch einen sie im Regenbogen Zum Demantring sich wunderhehr. Viel tausend Menschenherzen schlagen Im Bettlerkleid, im Purpurglanz; Doch nur die Auserwählten tragen Der wahren Liebe Rosenkranz. Wie Erd' und Himmel sich umschließen, Daß trennbar eins vom andern nie, So mag uns Seel' in Seele fließen Zur wonnereichsten Harmonie. Nahet der Mai — Nahet der Mai mit balsamischen Düften Der sich verjüngenden lachenden Flur, Klingt ein verführender Ton in den Lüften, Liebe beseelt die erwachte Natur. Vor ihrem eppich-umflochtenen Wagen Flattert der Tauben lieblichstes Paar, Leicht nur von flüchtigen Hirschen getragen Folgt ihr der Stunden bezauberte Schaar. Unter Gesang und schelmischem Kosen Geht's über Meere, Wolken und Land, Und des Genusses schmeichelnde Rosen Spendet der Himmlischen blendende Hand. In der Maienluft lockenden Scherzen Hascht' ich mir Blätter in wirbelndem Flug; Liebende! nehmt sie mit liebenden Herzen, Wie die belebende Liebe sie trug. Es blickt der Frühlingsmond — Es blickt der Frühlingsmond so still Herab mit klarem Scheine, Und übergießt mit goldnem Thau Des Kirchhofs graue Steine. Die Nacht ist warm, die Nacht ist hell, Die Nachtigallen schlagen, Ich bör' im silberblüh'nden Strauch Wollüst'ge Liebesklagen. Die Nacht ist warm, die Nacht ist hell, Paßt nicht zu reuigem Büßen, Komm, Liebchen, komm in meinen Arm, Laß uns den Frühling grüßen. Laß schlürfen uns auf moos'gem Grab Den Schaum vom frischen Leben, Und so dem Haß der ganzen Welt Im heißen Kuß entschweben. O Frühlingsduft, o Mondesnacht, Ihr sendet Liebesboten, Und wer nicht liebt und wer nicht irrt, Steig' nieder zu den Todten! Nicht lächle mir so lockend zu Nicht lächle mir so lockend zu Mit schuldlos lieblichem Gesicht, Nicht bin ich mehr so froh wie du, Doch was mich trieb aus meiner Ruh — Das frage nicht, o frage nicht. Wenn selbst das Liebste dieser Welt Der Menschen bitterböser Groll Mit arger Freude dir vergällt, Dann flieht der Trost und Schmerz befällt Dich trauervoll, ja trauervoll! Genieß, da noch die Lust dir lacht: Ins heitre Leben mische dich, Denn rascher, als du je gedacht, Bist du enttäuscht und bist erwacht So trüb wie ich, so trüb wie ich. O stürb' ich wie die Blume doch O stürb' ich wie die Blume doch, Die deine kleine Hand gebrochen, Ihr Haupt berauscht im Sterben noch Des schönen Herzens heißes Pochen. An deiner Brust — o süßes Grab! — Wiegt sie sich sanft in Wonnebeben, Das Athmen deines Busens gab Ihr im Verscheiden neues Leben. Im Tod haucht ihrer Farben Licht Schön wie des Morgensterns Juwele: Indeß ihr Blumenauge bricht, Umfliegt als Duft dich ihre Seele. Ihr Geist bezaubert deinen Sinn, Von ihres Todes Glanz bestochen — O stürb' ich wie die Blume hin, Die deine kleine Hand gebrochen! Mein Herz hast du gebrochen zwar, Doch zu unsäglichem Verderben, Nicht wie die Blume sternenklar — Im Menschenelend muß ich sterben. Von Wonnen träumen — doch mit Sorg' — Von Wonnen träumen — doch mit Sorg' erwachen, Das ist das ew'ge Loos der Liebeskranken, In Sternenräumen schwelgen die Gedanken Und stürzen nieder dann in sumpf'ge Lachen. Und dennoch glücklich, wen die Lieb' entfachen Und reißen kann aus der Gewohnheit Schranken, Alltäglichkeit wird niemals ihn umranken, Und Nüchternheit nicht seinen Geist verflachen. Will meiner Lieder Saite dumpf verhallen, Kann selbst mich keine Macht mit mir versöhnen, Braucht nur dein Bild in meinem Geist zu wallen; Und wie die Memnonssäule klang in Tönen, Wann drauf des Morgens Rosenblick gefallen, Klingt meine Harfe neu zum Ruhm des Schönen. O, daß ich in des Todes ernster Stunde O, daß ich in des Todes ernster Stunde Rasch, kräftig, gleich dem Blitze könnte scheiden, Daß klaren Sinn's, erhaben über Leiden, Mein letzter Blick noch hing' an deinem Munde. Die Trennung wär' Beginn zu engerm Bunde, Ein neues Leben würde nur uns Beiden, Ein inniger Vereinen dieses Meiden, Was Andern dünkt die unheilbarste Wunde. Ich strebe nicht nach überird'schen Früchten Zum Licht, vor dem die Sterne selbst erblinden, Des Hochmuths soll mich Keiner je bezüchten; Ich wünsche nur, wenn meine Kräfte schwinden, Mag meine Seel' in deine Seele flüchten, Und, in dir lebend, ihren Himmel finden. Der Königssohn Ein alter finstrer König saß Auf schwankem blanken Throne, Sobald er trank, sobald er aß, Flucht' er dem eignen Sohne. Der floh in's weite Land hinaus, Der müht' um's Volk sich wacker, Und Segen lag auf seinem Haus Und Segen auf dem Acker. Der König starb — man sucht den Sohn, Man sieht ihn auf der Leiter: „Ach! laßt mir meinen Herrscherthron, Den grünen Baum — nichts weiter! Viel freier, unter'm Himmelszelt Ein Mensch von Gottes Gnaden, Als ein erwähltes Haupt der Welt, Mit gold'nem Fluch beladen!“ — Kinder des Dorfs „Großmutter, Großmutter! erzähl' uns was, Wie von dem gestiefelten Kater das!“ — Die Enkelchen setzten sich still im Kreis, Großmutter schnitt Bohnen mit regem Fleiß: „Ich erzähl' euch, was euch viel besser frommt, Bis Vater und Mutter vom Felde kommt: Ging einst in den Wald eine gutalte Frau, Der Abend war dunkel, war feucht und rauh; Das Mütterchen hatte kein Holz im Haus, Drum mußte sie weit in den Wald hinaus. Und wie sie tief nun im Busche war, Da wurde sie hungrig und müde gar. Sie setzte sich auf einen moosigen Stein, Und schlief bald süß und ruhig ein. Viel Englein kamen zur armen Frau Und trugen sie fort zur schönsten Au, Und führten sie hoch in den Himmel hinein, Da blieb sie und mag recht glücklich sein!“ — Großmutter hält inne, sie neigt sich zur Wand, Das Messer, die Bohnen entfallen der Hand, Die Augenlider wie schlummernd gesenkt — Ob sie auf neue Geschichten denkt? Wie Kind um Kind sie auch wecken will, Großmutter bleibt starr, Großmutter bleibt still. Die Eltern kommen vom Felde zurück, Die Kinder jauchzen in kindlichem Glück: „Lieb Vater und Mutter, müßt fröhlich sein, Großmutter ging zu den Engeln ein!“ Nausikaa Seit mir jenes Mannes Bild erschienen, Denk' ich ach! und leb' ich nur für ihn, Denn die Hoheit edler Duldermienen Muß das Herz zum Herzen ziehn. Wie ich harmlos scherzend aus dem Bade Wallt' empor zu den umbuschten Höh'n, Schritt er nieder zu dem Meergestade Heldengroß und götterschön. Wußte nicht, was plötzlich zu erzielen Diese Brust begehrte, heiß und schwer; Ball zu werfen mit den Strandgespielen, Schien mir kindisch nur und leer. Meines Vaters königliche Hallen Lindern nicht der Sehnsucht rege Macht, Fühle wonnig nur den Busen wallen, Wenn der schöne Fremdling lacht. Wollt' als treue Sclavin gern ihm dienen, Dürft' ich schmiegen mich zu seinen Knien; Seit die Gottheit mir als Mann erschienen, Denk' und leb' ich nur für ihn! Frage und Antwort Fragst du die Rose, Warum sie blüht, So wird sie sagen: „Das Blühen eben Ist Rosenleben Und ohne Farben Kein Blümlein glüht!“ Fragst du die Lerche, Warum sie singt, So wird sie sagen: „Das Singen eben Ist Lerchenleben Und mit dem Pulse Das Lied erklingt!“ Fragst du das Herze, Warum es liebt, So wird es sagen: „Horch, was im Walde Und auf der Halde Vöglein und Blume Zur Antwort gibt!“ Lied der Bergleute Wir schalten und walten tief unter der Erd' Im rollenden, grollenden Schacht — Und wagen uns keck an den heimlichen Herd, Wo sie brauen, die Geister der Nacht. Wir fördern zu Tage, was schweigend geruht, Jahrtausende unterm Gestein — Des rothen Goldes verfängliche Glut, Des Silbers schneeigen Schein. Wir fürchten uns nicht vor des Todes Gruß Und fordern ihn selber heraus, Und da, wo die Leiche sich betten muß, Sind wir schon im Leben zu Haus. Wie herrlich auch oben des Frühlings Pracht, Über Nacht ist sie Moder und Staub; Doch die Blüten der Erze im funkelnden Schacht Werden nie einem Winter zum Raub! Und gibt sich gewaltiges Streben dort kund, So ist's unser Arm, der's erschafft — Denn schlagen wir nimmer das Gold aus dem Grund, So versiegt die belebende Kraft! Das besorgte Mädchen Will dir einen Kuß noch geben Eh' wir geh'n — Lieber Gott — nun hat die Mutter Uns geseh'n! Gib nur schnell zurück mir wieder Meinen Kuß, Denn sonst stirbt die arme Mutter Vor Verdruß! Liebe Auf sonnigen Bergen, Im schattigen Thal, Beim Leuchten der Blitze Im Mondenstrahl — Durch die rauschendsten Wasser, Im tiefsten Geheg', Zu den schroffesten Höhen Weiß Liebe den Weg. Wo die Falter nicht fliegen, Das Eichhorn nicht springt, Wo der Glühwurm nicht leuchtet, Die Drossel nicht singt — In der schaurigsten Wüste, Ohne Fährte und Steg. Wo kein Puls noch geschlagen, Weiß Liebe den Weg. Unter Schwertern und Lanzen, Auf Schutt und Brand, Wo die Stärksten verzagen, Hält Liebe Stand. Und ob sie in Kerker Und Banden läg', Durch Kerker und Bande Weiß Liebe den Weg. Der Leu ist zu zähmen, Zu dämmen die Flut, Doch nicht zu erlöschen Der Liebe Glut — Und geschäh's, daß die Erde Ein Sturm zerfeg', Von der Erde zum Himmel Weiß Liebe den Weg. Der Trompeter Wie zieh' ich so lustig von Land zu Land — Das Schwert an der Seit', die Trompet' in der Hand! Ich grüße, wann Keiner noch regen sich mag, Mit wildem Geschmetter den grauenden Tag. Ich blas ihm ein Ständchen voll Kraft und Glut, Bevor er sich senkt in die dunkle Flut. Ich rufe zum Mahle, ich rufe zur Wacht — Ich ruf' zur Parade, ich rufe zur Schlacht! O Leben voll Freude, o Leben voll Lust — Die Trompet' in der Faust und ein Herz in der Brust! Ich schmett're ins Horn, und der schmetternde Ton Fährt wie Wetter hinein in die ganze Schwadron! Und die Weiber vernehmen's von nahe und fern, So kecken Gesellen, den haben sie gern! He Wirth, noch ein Glas, meine Kehl' ist im Brand, Und schreibt's zu der übrigen Zech' an die Wand! O Leben voll Freude, o Leben voll Lust — Die Trompet' in der Faust und ein Herz in der Brust! Will blasen am Morgen, will blasen bei Nacht — Zum fröhlichen Marsche, zur blutigen Schlacht! Und ist mir verronnen die letzte Stund', So legt die Trompete mir nach in den Grund! Am jüngsten der Tage zum ehrlichen Strauß, Da ruf' ich Kameraden euch wieder heraus! Eine Rose Warm und goldig glüht die Sonne Und der Rose Knospe springt, Unbesorgt, ob aus der Ferne Leiser, dumpfer Donner klingt. Vöglein eilt zum sich'ren Neste, „Rose, Rose, hüll' dich ein: Kehr' zurück in deine Knospe, Denn der Sturm wird gräßlich sein.“ „Deine zarten weichen Blätter Werden fallen seiner Wut: Laß dich warnen, laß dich warnen, Rose, sei auf deiner Hut!“ — Doch die Blume spricht: „Vergebens Magst du dich zu rathen müh'n, Wie's den Sturmwind drängt zu wüten, Also drängt's auch mich, zu blüh'n!“ Vom Finken weiß man Vom Finken weiß man, daß, wenn er geblendet In seines Kerkers Haft verstoßen ist, Er glüh'nder noch hinaus die Lieder sendet. Vom Boden weiß man, daß, wenn tausend Wunden Ihm Egge, Karst und Pflug und Spaten riß, Er um so üpp'ger prangend wird befunden. So kann die Welt wohl Dichterherzen brechen, Doch aus des letzten Glückes Untergang Wird wunderbarer noch die Muse sprechen. Vor eines Jünglings Bahre Er schweigt, er ruht, er schläft, er hat vollendet! O schreitet leise, leise durch das Zimmer — Erweckt mir ja den schönen Jüngling nimmer — Er ist ein Glücklicher, er hat vollendet! Wie lächeln selig seine blassen Wangen, Ein Zauber wehet durch des Todes Räume, Zur Gruft begleiten ihn die Jugendträume, Im vollsten Hoffen ist er heimgegangen! Er hat die Qual der Qualen nicht empfunden, Nicht, was es heißt, sich selbst zu überleben, Der eig'nen Brust den Gnadenstoß zu geben Und schweigend zu verhüllen ihre Wunden! Er hat geschwelgt im heitern Lenzesglücke, Der Täuschung Wüstenboden blieb ihm ferne; Im hellsten Feuer glühten seine Sterne, Und süß berauscht erloschen seine Blicke! O Glücklicher, der solches Los erworben, Er darf sein ganzes Ich zu Grabe tragen, Nicht Stück für Stück sich selbst in Scherben schlagen Und erst verröcheln, wenn er längst gestorben! Entschuldigung Und sitz' ich in der Schenke Beim vollen Glase Wein: So denk' ich dein in Ehren, Lieb' Weib, so hold und rein! Und gibt sein tiefstes Fühlen Der Ein' und And're kund, Dann leer' ich dir zu Ehren Das Glas bis auf den Grund. Und schreit' ich auch als Zecher Oft über Maß und Ziel, So denk' ich, dir zu Ehren Geschieht doch nie zu viel! O, daß ich dich so spät gefunden O, daß ich dich so spät gefunden Auf meines Lebens Pilgergang, O, daß mich nicht in fernen Stunden Der Jugendzeit dein Arm umschlang! Wie eine holde Zaubersage Erscheinest du vor meinem Blick Und weckst der Wehmut bange Klage Um ein zertrümmertes Geschick. Nun, wo des Tages Sonnen sinken, Die Luft des Abends kühl und scharf — Schau' ich ein Paradies mir winken, Das nicht mein Fuß betreten darf! Die Ruhe, sonst mein Schild im Leiden, Vor dir gebrochen stürzt sie hin — Und Sehnsucht nach versagten Freuden Fühl' ich durch meine Seele zieh'n! O, daß ich dich so spät gefunden, O, daß ich dich so spät gewann — Wo, zu vermeiden tief're Wunden, Ich dich nur rasch verlassen kann! Gehab' dich wohl — dein Glück alleine Sei Trost im tiefsten Harme mir — Und jede Thräne, die ich weine, Verklär' den Pfad als Rose dir! Legende Es ging der Herr im Abendsonnenstrahl Mit seinen Jüngern durch ein blühend Thal, Und als er sprach von edler Freundestreu, Erhoben all ein mächtiges Geschrei Und schwuren, sollte rings die Welt ihn hassen, Den edlen Meister nimmer zu verlassen, Den Kelch der Leiden willig mitzutrinken, Im Kampf zu stehen und im Kampf zu sinken. Der Hohe lächelte in sich hinein, Und als entglommen neu der Morgenschein, Da sprach er: „will empor zur Bergeshöh', Die ewig eingehüllt in Eis und Schnee — Es reizet mich, auf steiler Bahn zu schreiten — Wem es genehm, mag meine Fahrt begleiten.“ Es boten sich sofort auch Alle an, Der Meister ging voraus auf öder Bahn, Doch wie er weiter stets und weiter schritt, Der Eine keuchte und der And're glitt, Da sah er auch den Einen und den Andern Den Weg zurück nach ebner Heimat wandern; Und als die Sonne sank in's Meer hinein, Da stand er hoch und einsam und allein. Des andern Tags am Abend stieg er nieder Und fand im Thale seine Jünger wieder. „Nun“, sprach er sanft, „ihr habt mich bald verlassen Und einsam ziehen lassen meine Straßen! Der Treue Schwur, den ihr so laut gesprochen, Wie ward er doch um schlechten Preis gebrochen! Ihr rühmet euch, im Tod mich zu begleiten, Und schaudert, mir auf Felsen nachzuschreiten! O hebt nicht wieder je zum Schwur die Hand! Dem echten Willen frommt kein eitles Band — Wem's Ernst um Treu, der übt sie unverzagt, Auch wann er nie ein leises Wort gesagt! Die Liebe waltet über jedem Bann Und ändert sich durch keines Schicksals Wendung, Weil Göttliches sich nicht verändern kann — Und Liebe ist der Inhalt meiner Sendung! Wer mich versteht, der wird mir treu verbleiben, Mag auch auf hoher Flut mein Nachen treiben — Und wer's nicht wagt, im Sturm mit mir zu schiffen, Der hat mich nie verstanden und begriffen!“ König und Bauer Das war der König Olof im alten Schwedenland, Der manche Schlacht geschlagen im grauen Dünensand — Das war der König Olof, dem nur der Adel galt, Und der den schlichten Bauer als Hund der Krone schalt! Doch einst in schlimmen Tagen geschah es wundersam, Daß aus den nied'ren Hütten ein Rettungsengel kam — Der alte Landmann Thorgny, der griff zum Morgenstern Und rief empor die Bauern und schlug den fremden Herrn. „Glück auf,“ rief König Olof, „du fuhrst wie Wetter drein! Es soll dafür dein Name ein edler Name sein! Ich heiße dich willkommen an meinem Hofgelag Und leg' auf deinen Scheitel mein Schwert zum Ritterschlag!“ „Viel Dank! gewalt'ger König!“ erklang des Greises Spruch — „Ich bin der Bauer Thorgny, — und das ist mir genug! Was du gedenkst zu bieten, das nimm nur wieder hin, Und stolz, wie ich gekommen, laß mich zur Heimat zieh'n! Ich bin der reichste Bauer im weiten Schwedenland — Zum Bauer blickt vertrauend der ganze Bauernstand! Wär' ich ein edler Ritter, der jüngste wär' ich dann — Gemieden von dem Bauer, verhöhnt vom Edelmann! Doch bist du mir gewogen, so hör' mein freies Wort: Das Wappenschild alleine ist nicht der Krone Hort — Die Schwielenhand des Bauers will auch gewürdigt sein, Sie ist, gewalt'ger König, des Thrones Grundgestein!“ „Drum nimm mein Wort als Warnung und sei nicht Ritter nur — Lös' auch für deine Bauern als Mensch den Königsschwur; Sie könnten sonst vergessen zuletzt auch ihre Pflicht — Und ewig lebt der alte, der treue Thorgny nicht!“ Der hochfahrende Schneider Es lebte vor Zeiten ein Schneiderlein, Das war ein Meister im Fache sein, Und schuf mit nimmer rastender Hand Die schönsten Gewänder im ganzen Land. Darob gedieh von Jahr zu Jahr Des Mannes Vermögen wunderbar, So daß man von ihm im Fürstengemach So gut wie in der Hütte sprach. Doch mit den Zechinen mehrten auch Die Bedürfnisse sich, wie es Menschenbrauch, Und endlich wünschte der Nadel Sohn Nicht weniger sich, als einen Thron. Da trat ein Derwisch in sein Haus Und bat einen neuen Talar sich aus. Der Schneider langte mit gnäd'gem Bescheid Aus hohem Schrank das erwünschte Kleid Und sprach: „Ich geb' es um diesen Preis —“ „Nicht zahl' ich mit Gold,“ versetzte der Greis — „Doch ist ein and'rer Wunsch dir eigen, So will ich fügsam mich erzeigen — Dieweil ich durch gründliche Wissenschaft Gewonnen manche Zauberkraft!“ „O laß eine Stunde mich König sein!“ „Ich gebe dem Schach einen Schlaftrunk ein — Und hülle dich in seine Gestalt — Doch — wie bedungen — der Stunde Schlag Beschränkt und endet deine Gewalt! — Benütze sie, daß es frommen mag!“ Der Schneider, entzückt von der Hoheit Wahn, Nahm ohne Bedenken den Vorschlag an, Bewehrte sich mit Scepter und Kron' Und stieg empor zum Königsthron. Doch als er den Purpurmantel nahm, Geschah's, daß Entsetzen ihn überkam, Er sah eine Naht auseinander klaffen Und wußte hastiger nichts zu schaffen, Als die verhängnißvollen Lücken Genau und kunstgerecht zu flicken. Der Mantel war fertig — die Stunde um Und erloschen das flüchtige Königsthum. „Ei,“ rief der Derwisch, „und warst du bedacht, Ersprießlich zu nützen die Herrschermacht?“ Der Schneider schwieg und Scham und Wuth Und Reue kochten in seinem Blut. „Bescheide dich“ — fuhr der Zauberer fort — „Das ist mein wohlgemeintes Wort — Mit Nadel und Zwirn und dem Ruf zur Frist, Daß du der geschickteste Schneider bist! Zur Krone bist du nicht auserlesen, Sie frommt und taugt nicht zu deinem Wesen — Du würdest doch, wäre sie wirklich dein, Nur eine Schneiderseele sein!“ Anne See De Luch is hooch und still de Wind; De Oabend kummt; dat's Summertiit; Dat groote Woater liggt, man finnt Keen Enn derop, so flack' und wiit. Gemäli drift de Tiid herop, De Waggen dünt un weegt sik lang Un wültert leiteri den Kopp As luuter gleri, glatte Slang'. Daröwer jirkt un kreit de Meew, De Soalhund kikt nischieri uut, De Dümmler spakkelt, springt, as bleew He boaben geern, wiel neddn em gruut. Nuu sackt de Sünn hendoal und dippt In't Haff und glittert root as Glöd, De Bülgen blenkert as bedrippt Mit smölten Gold, de Wiis se flödt. Man kiikt und kiikt und denkt sik weg Und dünkt sik knapp mehr oppe Eer Und drömt, man weet wovan nich rech, Man drift und druust so hartli heer. Goar Man gau to Gang, En Prüntje mank de Kuusen, Un den ni bang. In uns is Goar; Wat schoad't so'n beten Wedder, Ganz nix förwoar. Und loat den Wind, Uut wat för'n Horn ok bruusen, Wi drägt en Tint! Uns huddelt hee Nich ropper as en Fedder Und Floaken Snee. In uns Gesich Doar mag de Regen druusen, Dat smölt uns nich. So'n Briis und Toch De moakt mit Stöt und Tuusen Uns harder noch. Uns Dörp siin Klocken Van wiit und siit, van Süd und Noern Koam ik to Hus ins trocken! Doar gröt mi uut den swarten Toern Bim! bum! uns Dörp siin Klocken. De Klang de geit so eegen teen, As schull wat eernstes wesen, Und geit mi koelt dör Murk und Been Bim! bum! mit hillige Gresen. Miin leewes Hart dat bubbert rein, De Been, de wüllt mi wanken, De Klocken roopt mi, bie to drein — Bim! bum! mit fel Gedanken. Dat klingt so hell, as dor dat klung, Doo ik noch heel verwoagen För Wäel und Lust as Jung rumsprung: Bim! bum! to Fierdoagen. Dat klingt so hell, as dor ik nös Fel leewes heff begroaben. As knapp dat Oog und Hart man trös Bim! bum! de Klang van boaben. Et klingt van Hög, et klingt van Leed Ut lang verlene Tiiden, Et moant an dat, wat nümms nich weet, Bim! bum! all heel van Wiiden. Und dröppt dat Hart und dröppt de Seel: Se sünd ni weg to bringen, Se luescht noch, as uutklung all heel Bim! bum! dat letzte Klingen. An'n Buutendiik De Storm de huelt mit Doak un Druus Um dicke Midnach holl un dump Um't lütje siide Schipperhuus, As wull he't fegen op en Slump. Miin Süster, och miin Süster kum, Dat Wedder ward ja goar to dull: Ik heff keen Rau, it drift mi rum, As wen'k wat slimms belewen schull. De beiden Swestern stoat doar op, Van Gres und Gruen kriidenwitt, En Huulen is't, as wen op Top Und Roa de witte Stormmeew sitt. Miin Wiitjen, höer, wat brüllt dat Haff, As wull't toriiten Wall und Diik; Och seil miin Reimer man nich af Van Holland, weer ik ruuhi gliik. Och seegst du, wat dör't Ruut doar keek? Miin beste Süster, stoa mi bie, Miin Reimer weer't so liikenbleek, He wenk und seeg so stiif noa mie. De anner sücht nix, oawer steit Er Swester bin, de Troan' in't Oog, Wiis swack as Loof van Storm verweit De arme Diern beswögt hensloog. Se hölpt er op mit feler Möchd: Miin Anna, och vermünner die Und kriig dat Höwd man ins to Höchd, Gewiß diin Reimer weer et nie. Doch Anna seggt nix, gluupt so wild; Den nimt se gau er Dook toer Hand, Dat knütt se um un hett et hild Un ruut und driibens hin noa'n Strand. De Swester noa in swarte Nach Noa'n Buutendiik, nem't gruuli weit, Nem Wagg an Wagg in wille Jach In Storm und Bramsen breiloos speit. Doar rünnt de arme Anna lank Se rekt ni, ob de See er sprütt, Se steilt sik geegen' Storm in' Gank, Se acht ni Rünneln und nich Klütt. Mit eenmoal schrigt se smartli op; De anner löppt man, wat se kan, Se finnt er liggn to Nüel den Kopp Und dwars weg öwern dooden Mann. Er Reimer is't, op den se liggt: He harr er wenkt, as he vergung; He is't, doch koelt und geesen krigt Se em to seen, den armen Jung. Se jammert nich, as wenn se föelt, Wat doch keen Troanen linnern könt; Se markt ni, dat de See er spöelt, Man knapp dat's insmoal süfft und stönt. Wull kumt se op un hölpt ok mit Em dregen na de lütje Koat: Und geit geruuhi lank in Trit, As harr se sik van't Hartleed foat'. Doch it se nich und drinkt se nich; Se wankt und seggt keen starbens Woert, De deepe Truer op't Gesich, Un allen Troos, den wiest se foert. So folgt se em toer Kuulen hin Und kiikt as widdern op dat Sark, Und kumt to Huus so leeg und minn, As wen de koole Doot er mark. De Wiitjen bedt er: Anna, nim Dat Unglück die ni goar to neeg; Mein Gott! dat weer ja gar to slimm, Wen'k noch en tweeten Dooden kreeg. Man korte Doag und Anna leggt In't Starben fast de Hann' tosoam; Und mit den letzten Oaten seggt Se: Reimer, duu hest wenkt, ik koam. Indianer-Sommer Den Hügel noch empor, mein wackres Thier, Dort lichtet sich der Wald, dort halten wir — Fühlst du den Sporn? Hinan mit flücht'gen Sätzen! Schon schließt sich hinter uns die Tannennacht; Frei schweift der Blick — ha welche Farbenpracht! Erschloß sich Scheher'zadens Märchenschacht, Rings Alles zu bestreu'n mit seinen Schätzen? Der Himmel leuchtet, ein saphirner Schild, Es strahlt an ihm die Sonne hehr und mild, Nicht tödtlich, nein, nur schmeichelnd allem Leben. Am fernen Horizonte rollt der Fluß; Jedwede Wog' umspielt des Mittags Kuß, Sie bebt und zittert unter ihm, — so muß Die Braut am Herzen des Ersehnten beben. Und schimmernd liegt das Thal, wie Mosaik, Wie reicher es und blendender den Blick Noch niemals unter Künstlers Hand entglommen. Hin strömt es zwischen dunklem Braun und Grün Gleich Flammen, die aus Goldtopasen sprühn, Gleich Purpurmänteln, die um Schultern glühn Von Königen, die von der Krönung kommen. Der Ahorn lodert, wie im Morgenhauch Einst Moses lodern sah den Dornenstrauch, Gefacht von unsichtbarer Engel Chore. Dort rankt sich's flimmernd und verzweigt sich's bunt, Wie die Koralle auf des Meeres Grund, Und drängt sich um das silberfarbne Rund Des Stamms der königlichen Sykomore. Und einsam ragt und priesterlich zumal Die Lorbeereiche aus dem Bacchanal Von Licht und Glanz, von Farben und von Gluthen. Doch auch von ihrer dunkeln Äste Saum, Aus ihrer Krone tropft wie Purpurflaum Die wilde Reb'; es ist, als ob der Baum Sein Herz geöffnet habe, zu verbluten. Das Eichhorn springt. Es lockt mit tiefem Klang Der Tauber seine Taube nach dem Hang, Wo überreich sich Beere drängt an Beere. Die Drossel stimmt ihr schmelzend Tongedicht, Der Falke badet sich im Sonnenlicht, Und aus der Sumachbüsche Scharlach bricht Das dunkle Reh, des Waldes Bayadere. „Und dies ist Herbst? So sterben Wald und Flur? Wie ist dann das Erwachen der Natur, Wenn noch ihr Tod sich hüllt in solches Leben?“ So ringt sich's von des Reiters Lippe los, — Da rauscht's ihm Antwort aus des Waldes Schoß — Ein Windstoß braust heran und noch ein Stoß, Und läßt ein Meer von Blättern niederbeben. Rings quillt es plötzlich auf, wie Schleierflug, Schneewolken wehn daher in dichtem Zug, Von Norden pfeift's, und trübe wird's und trüber. Der Taube Ruf verstummt; ein Büchsenknall, Im Blute liegt das Reh, und in den Fall Der Blätter rauscht's, wie leiser Seufzerhall: Noch eine Nacht, und Alles ist vorüber! Der Reiter fröstelt in des Nordwinds Hauch, Er ruft: „Und dennoch ist dies Tod, ob auch Gleich Hochzeitskleidern prangt sein Leichenlinnen. So stirbt ein Tag im reichsten Abendroth, So küßt die Lippen einer Braut der Tod, So fühlt ein Jüngling, rings vom Feind bedroht, Aus Wunden tausendfach sein Herzblut rinnen!“ Mit sechszehn Jahren Er sitzt im Bett, den „Carlos“ in der Hand, Und lies't mit Augen, die in Thränen funkeln; Die Kerze ist zum Stumpf herabgebrannt, Ein Augenblick noch, — und er ist im Dunkeln. Doch in ihm flammt's, sein Herz ein Gluthenschooß, Er hebt die Hand, wie mit Gebets-Geberden, Und von der Lippe ringt sich's schauernd los: „Auch mich, o Gott, laß einen Dichter werden!“ Im Hörsaal nun. Verhallt des Lehrers Wort, Vorbei das trockne Spiel mit Kreis und Linien; Er athmet auf, — in's Freie treibt's ihn fort, Und eh' er's weiß, lehnt er an dunkeln Pinien. Ein Grab ist's, und der Marmor spricht von ihr, Die ihn geliebt am Meisten wohl auf Erden: „O Mutter, meine vollsten Klänge Dir,“ — So ruft er, — „läßt mich Gott zum Dichter werden!“ Und Pfingsten kommt, — acht Tage Ferienzeit! Die Wandersehnsucht treibt in's Reich der Berge; Da springen Quellen um ihn, die gefeit, Aus Felsenspalten kichern Gnom' und Zwerge. Der Firnen höchste Zacken stürmt sein Lauf Indeß tief unten blühn und glühn die Erden: „Mein Alles Dir, Natur,“ — so jauchzt er auf, — „Du einz'ge, läßt mich Gott zum Dichter werden!“ Ja, Gott ist's, den er ruft. Noch glaubt er Gott, Ein Spiegel ist sein Herz, von ihm entsiegelt; Es haben noch das Wissen und der Spott Ihr furchtbar Antlitz nicht darin bespiegelt. Ein schön'res Bild, ein blondes fiel darauf, — Noch dämmert's nur, doch wird es klarer werden: Dann, sechszehnjährig Herz, Glückauf, Glückauf, Es ruft Dein Gott, — Du wirst ein Dichter werden! Capua Von Frühlingsduft umquollen, Die heiße Brust entblößt, Das Gürtelband der vollen Holdseligkeit gelöst: So lagst du vor dem Sinne Des wunden Puniers da Und schmolzest ihn in Minne, Syrene Capua! Die trotz'gen Häupter, welche Kein Alpenschnee verletzt, Schnee der Orangenkelche Beugt und begräbt sie jetzt. Von weichen Flötentönen Wird jetzt das Ohr bethört, Das der Cohorten Stöhnen Jüngst als Musik gehört. Und während Roma schaudert, Liegt Der, der sie gestürzt, Im Mädchenschoß und plaudert, Bekränzt und aufgeschürzt. Ob auch aus dunkler Wolke Hamilcars Schatten droht, In dem bethörten Volke Rast nur der Lust Gebot. Es rast in Taumelstunden, Von keiner Scham gedämpft — Roth werden nur die Wunden, Die Cannä's Sieg erkämpft. Nicht Blitz und Adlerfänge Entsandte Jupiter Im höchsten Kampfgedränge Für seine Roma her. Er warf, umschwelgt vom Süden, Die Buhlerkönigin Dem Sieg- und Lorbeermüden Vor seine Füße hin. Die schlang, die Schlangengleiche, Die Arme um ihn her, Und küßte so zur Leiche Dies einz'ge Heldenheer. Es sank von Mädchenkosen Ein Tausend Männerruhm, In Myrten und in Rosen Starb ein Titanenthum. Die Schlittschuhläuferin Unter Sammt gepreßt die Locken, Um die Schultern Hermelin, Trug durch Schnee und Eisesflocken Dich der kleine Schlittschuh hin. Südens Schönheit hier im Norden, Leicht umtanzt von schnee'gem Schaum, — Lebend dünkte mich geworden Cyprias Entstehungstraum. Unter schwerem Atlas-Mieder Wogt Carraras Marmorglanz, Und im Rythmus dieser Glieder Lebt die Blüthe Griechenlands. Heil dir! Deine Reize haben Nicht mit Wahnsinn mich berückt; Marmorbilder ausgegraben Haben sonst mich so entzückt. Wie du strecktest deine Arme Glühend, zitternd vor dich her, War's, als flög' die zuckend warme Hebe hin zu Jupiter. Doch was willst du hier im Norden, Ätna-Rebe unterm Schnee? Unter pelzbebrämten Horden Des Horacius Lalage? Deine Heimath ist, wo Myrthen Streuen ihren Blüthenschnee, Und Orangenhaine gürten Die vom West geküßte See. Folge mir! Nach Süden wend' ich Meinen Schritt — o komme mit, Und Pompeji wird lebendig, Wenn es nur dein Fuß betritt. Steigend aus dem Schutt erglüht die Marmorne Laïdion, Und aus Lava-Aschen blüht die Rose des Anakreon. Säulen heben schnee'ge Glieder Aus der Trümmernacht empor, Und der Sappho schöne Lieder Singt dir ein Bacchanten-Chor. Längst verlorner Schönheit Mythe Rauscht durch Lorbeer-Wipfel hin, Und des Phidias Aphrodite Grüßt in dir die Zwillingin! Leidenschaft! „Thut Buße! bessert euch! und haltet Maß!“ Das ist die Lehre, die uns stets geboten! Wenn du nichts And'res, Bess'res weißt als das, So wirf die Lehre, wie dich selbst zu Todten. Wenn alle Kraft aus dieser Welt geschafft, Und stiller täglich es auf ihr soll werden, So tödtet erst zuvor die Leidenschaft, Und treibt die Liebe selber von der Erden. Dann heißt den Blitz nicht mehr Verderben sprüh'n, Den Donner nicht durch schwarze Wolken rollen, Hemmt der Lawine wildes Todesziehn, Laßt nicht den Sturm durch Klüfte brausend grollen. Dann löscht erst des Vulkanes Feuerbrust, Heißt ruhig Well' in Welle weiter rinnen, Nehmt selbst dem Frühling Rausch und Wonnelust, Laßt uns statt Schwert und Pulver — Ruh' gewinnen. Vergebens ist's! laßt der Natur Gebot, Mag todte Ruhe auch dahin es raffen, Denn wo nicht Leidenschaft mehr, da ist Tod, Und Gott hat selbst die Leidenschaft geschaffen. Ein Sommerlied Warm ist die Nacht. Die Rose koset mit dem Abendwind, In trunkner Lust ihr Blühen schnell verrinnt, Sie achtet's nicht. Die Lilie auch in vollen Düften glüht, Berauschend dieser Duft die Brust durchzieht Bei Sternenlicht. Warm ist die Nacht. Mich trieb vom stillen Lager ruhlos fort An diesen, nun so einsam stillen Ort Die Sehnsucht hier. Es fällt der Bäume lange Schattenreih'n, Die duft'ge Stille lockt zur Ruhe ein, Ich folge ihr. Warm ist die Nacht. Es störet nichts den süßen Schlaf der Welt, Ein Sternenstrahl licht aus dem Himmel fällt, Ein stiller Kuß. O wie ist solche Macht so wundermild, Der allgewalt'gen Liebe ernstes Bild, Ein milder Gruß. Der Morgen kalt. Es glänzt im grauen Ost ein Purpurlicht, Und in den Zweigen säuselnd es nun spricht: Erwache Welt. Da jauchzt und jubelt Erde, Himmel, Luft, Die Sonne theilt den feuchten Nebelduft Und strahlt erhellt. Der Morgen kalt. Es steigt der junge Tag nun sonnig hold, Sein duft'ger Mantel purpurroth und gold Leicht ihn umwallt. Die warme Nacht, die träumend ruhte noch, Erschreckt enteilend flüstert sie: wie doch Der Morgen kalt. Herbstlied Ein rothes Blatt fällt hin zu meinen Füßen, Es war das letzte an dem kahlen Baum — Es fällt so langsam, wie mit leisem Grüßen, Eh ganz verweht sein kurzer Sommertraum. Nun liegt es da, auf dürrem Herbstesraume, Begraben bald von langer Winternacht — Vergessen schläft, was einst am Lenzesbaume War Schmuck und Zier, erblüht in frischer Pracht, Es gleicht das Menschenherz dem kleinen Blatte, Es wird gar bald des Lebenssturmes Raub — Und was geliebt, erfreut manch Herz einst hatte, Das schläft vergessen unter welkem Laub. Sei stille Sei stille, stille nun Du thöricht Herz — Und laß Dein Klagen ruh'n Von Leid und Schmerz. Leg' zum erfahr'nen Schmerz Erfahr'nes Glück; Dann zürnt nicht mehr das Herz Mit dem Geschick. Mach' von dem eignen Ich Dich endlich los, Du trugst, wie And're auch, Ein Menschenloos! O frage nimmer O frage nimmer Du mit bangem Blicke Warum an meinem Aug' der Tropfen schwebt — Kein Ausdruck ist's von einem neuen Schmerze, Der mein von Dir empfang'nes Glück durchbebt. Nur wie der klare Quell uns Kunde spendet, Daß nicht mehr faßt der Berg den vollen Strom, So ist der kleine Tropfen meinem Herzen Auch als Erguß nur seines Glücks entfloh'n. In Stunden, wo zu mächtig ist sein Rauschen, Geht in ihm unter aller Worte Klang, In Tränen nur kann dann ein Glück sich lösen, Das neu und wunderbar mein Sein durchdrang. Je nachdem Wenn Du ein Herz voll Trauer trägst, Spricht Alles Dir von Leid, Der Vogel singt im Lindenbaum Von todter Lenzesfreud'. Es zieht auf mächt'ger Windesschwing' Ein klagend Weh daher: Die Woge wallt, die Welle rauscht Des Lebens düstre Mähr. Es bebt im Gras Dein Beben fort, Es klagt im Schilf Dein Weh, Und Deine eig'ne Blüthenwelt Begräbt des Winters Schnee! — Doch ziehst Du frohen Muths daher Und Deine Seele glüht Im Glück, das Dir begegnet ist, — Wie schmettert froh das Lied. — Wie weht der Wind voll Uebermuth, Der lustige Gesell; Es neigen neckisch Schilf und Halm Sich hin zum Silberquell. Ein Reich der Träume, schlummert nur Die Welt, von Schnee bedeckt, Bis neu des Lenzes Blüthenpracht Der Sonne Kuß erweckt. — 's ist des Gemüthes Wellenschlag, Der die Natur bewegt, Und Deiner Seele besten Theil Als Seele in sie legt. Roland und Emma Sage Im Thale Sankt Gregorien, Am Berge ganz allein, Ein altes Kirchlein stehet Im hellen Mondenschein. Allnächtlich, wenn am Himmel Der bleiche Vollmond steht, Dort, harrend des Geliebten, Roland's Geliebte geht. Von ihren Lippen tönet Ein sehnsuchtsvoller Sang, Es lauschen Thal und Höhen Dem wundersüßen Klang. Kaum hallt es durch die Berge, Das Lied von Roland's Fall, Das lied von Roland's Tode Im Thal von Ronceval; So schreitet von den Höhen Herab ein Riesenbild, Hell glänzt der Schild und Harnisch, Der Helm, der's Haupt verhüllt. Und wo das Kirchlein stehet Auf mondbeglänztem Plan, Geht hin des Ritters Sehnen, Dort hält den Schritt er an. Sie nahen sich, umarmen Sich freudig und beglückt; Sie halten sich umfangen, Von stiller Lieb entzückt ... Der Tod hat sie geschieden Im Thal von Ronceval, Sie aber wollt' ihn sehen Auf Erden noch einmal. An seinem Heldenbusen Ihr Herz voll Wonne schlägt, Bis sie in leiser Seufzer Vereint zum Himmel trägt. Der Kaisertisch am Gerardmer Sage Ein ödes Steinfeld lieget Rund umd das Gerardmer; Hier hat sich einst bekrieget Ein mächtig Riesenheer. Die Blöcke hüben, drüben, Ruinen meilenweit Sind noch vom Kampf geblieben Aus der Titanenzeit. Wo Riesen einst geschlagen Mit Göttern eine Schlacht, Kam, edles Wild zu jagen, Oft Kaiser Karl zur Jagd. Und wenn er matt und müde Vom edlen Waidwerk kam, Er stets in Ruh und Friede Sein Abendbrod hier nahm. An einer Felsenplatte, Die einst ein Riese warf, Hier auf der grünen Matte Ein Ries' wohl tafeln darf. Es liegt in den Vogesen Der Stein am Gerardmer, Drauf Kaiser Karl gegessen, Kam er vom Jagen her. Noch heute steht der Felsen, Der Kaisertisch genannt; Kein Riese kann ihn wälzen Im ganzen Wasgauland. Der Türkheimer Brand Sage In Thüringheim kennen die Winzer noch Die alte Sage vom Drachenloch. An jeder Sage ist ja eine Sach', Es ist keine Fabel wohl mit dem Drach': Das Rheinthal, in ur-, ja uralter Zeit, Ist ein Meersee gewesen, weit und breit. Der Drache durch Schilfrohr im Meeresschlamm Vom Schwarzwald herüber geschwommen kam. Es legte zur Ruh sich, grad überzwerg Im Molassekalk', am Lenzenberg, Und glotzete, rädergroß aufgethan, Mit Phosphoraugen die Sonne an, Weil diese ihm brennend den Schuppenleib stach, Daß Blut er geschwitzet, 'ne große Lach, Und vor Schmerz in die dunkle Höhl' sich verkroch, Wo heute man's heißet im „Drachenloch“; Da verendet der Molch, in Elend und Pein — Das mußte der dümmste der Drachen wohl sein! Ob ein Ichthyosaurus — der Tölpel war! Ob Plesyosaurus — sein Vetter sogar? Die Sippschaft verschwunden ist von der Erd', Ein Türkheimer hat es vom Noah gehört; Am Horte, wo damals die Sonn' so gebrannt, Ward angebaut — ein Rebenland, Das heute man immer im Brande noch nennt, Wo aber die Sonne nur Trauben noch brennt; Daß sie, wie der Drache, fast schwitzen thun, Bis sie in den Kellern, im Fasse ruh'n. Die Sonnenglut aber, so einst sie berührt, Der unkluge Trinker im Weine verspürt. Dem kocht es im Hirne, wie Lava so heiß, Das kommt noch vom blutigen Drachenschweiß. Ein Katzenjammer, gar jämmerlich groß, Ist früh am Morgen sein trübes Loos. Der Wein, so bei Türkheim, stets kochet der Brand, Ist klugen Zechern der beste im Land. Zu einander In Fluten ein Fels alleine Ersehnt die Aue bunt, Die Flur im Frühlingsscheine Verlangt nach Felsens Grund. Doch wilde Woge zerwühlet Des felsigen Riesen Bau — Der Falter Getändel umspielet Die Sehnsucht athmende Au. Des Trunkes Stufenleiter Bacchus fand ein zartes Pflänzchen, War der Rebe zartes Pflänzchen, Sah es auf dem Wege liegen. Gegen kecker Sonne Stralen Barg er's in des Vogels Beinchen; Besser noch das Ding zu schützen, Hüllt er's ein in Löwens Muskel; Und zuletzt, dreifach umfriedend, Gar in eines Esels Knochen; Pflanzte, so gelangt nach Hause, In die Erde seinen Schützling. Und es lacht' der Traube Gold ihm. Erstlich, liebe Trinker, seid ihr Munter, leichtbeschwingt wie Vögel; Stürmisch dann, bereit zum Strauße Mit der halben Welt, als Löwen. Endlich aber hüllt der Wein euch Ein in das Gewand der Thorheit. Umgekehrt Da les' ich in holden Märchen: Wie manch ein Königssohn Küßt' einen grimmigen Drachen, Ward eine Braut ihm davon. In unsern unholden Tagen Küßt Mancher Mancher Mund — Und ist ihm geworden ein Drache, Der ihn bedräut all' Stund. Selbstverlag Nach Coterie und Lohn Entscheiden manche Bibliopolen — Ich wünsche ihnen, was Ganelon, Und singe mein Lied verstohlen. Woher das Weib? Es stammt das Weib nicht aus des Mannes Haupte, Daß sie nicht herrsche; Stammt nicht aus seinem Fuße, Um nicht zu dienen; Sie kam aus seiner Seite, Auf daß sie ihn begleite. Ritter Traubensaft Im tiefen Keller drunten, Da seufzt in enger Haft Und gährt und stößt am Spunten Der Ritter Traubensaft. Er ist von altem Adel Und führt ein Wappen gut, Ein Held ohn' Furcht und Tadel, Nach Kampf und Streit gemuth. Heraus aus Deinem Fasse, Held, öffne Dein Visir! Es wächst bei solchem Nasse Der Muth den Kämpen schier. Nur her die blanken Becher, Das klirrt und klinget fein! Und her, Du junger Zecher, Zum Kampf mit altem Wein! Doch wird er Dir zu mächtig, Hör' eines Kenners Lehr': Trink' gründlich und bedächtig, Das ist die beste Wehr. Laß es nur klirren, klingen, Rings setzen Hieb und Stich: Kann es der Tag nicht zwingen, Die Nacht ist auch für Dich. Getrunken er, Du trinkend, Zeig' Jeder sich als Held, Bis Freund und Feind, hinsinkend, Vereint das Ehrenfeld; Bis daß um Euch gesungen: Hier fanden Zwei die Ruh', Er, welcher ward bezwungen, Und der bezwang dazu. Einer Frühvollendeten Bei Maiengrün und Vogelsang, Da's frisch aus allen Knospen sprang, Wir mußten Dich begraben; Was Menschen Liebes haben, Währt nimmer lang. Du warst des Mannes Minnesold, Des Hauses Hut und Ehrenhold, Der Liebe Lust und Labe, Ach, daß so süße Gabe Uns meiden sollt'! Ein Veilchen, das der Huf zerdrückt, Der Lilie gleich, vom Sturm zerknickt, So schien uns Dein Erblassen, Wie könnten wir es fassen, Was Gott uns schickt? „Ach, wie so bald!“ so klagen wir; „Warum so frühe,“ fragen wir, „Aus jugendfrischem Leben? All unsre Wünsche schweben Ja noch mit Dir.“ Doch weilen wir vor dunklem Port Nicht mehr; es muß die Lösung dort Solch' Lebensräthsel finden, Der Tod kann uns nicht binden Des Glaubens Wort. So kann dies Herz nicht stille stehn, Nicht solche Lieb' in Nichts zergehn Mit schnellen Athemzügen, Die Hoffnung kann nicht lügen Auf Wiedersehn. Ja, Wiedersehn in Ewigkeit! Des Menschenlebens kurze Zeit Kann bald den Wunsch erfüllen. Herr, mach' uns Muth und Willen Nur recht bereit! — Noch, da die Frühlingsblumen blühn, Leg' ich den Kranz von Immergrün Dir auf das schwarze Bette; Ach, daß man Flügel hätte, Dir nachzuziehn! Idealismus und Materialismus Die Frau: „O! sieh doch diese Wiese, So grün, so frisch, so dicht; Wie d'rauf in tausend Perlen Des Thau's die Sonne bricht, Nun sieh der Blumen Fülle, So farbenreich und schön; Sie sind zu wunderlieblich, Kann nicht vorübergehn!“ Der Mann: „O! sieh doch diese Wiese, So grün, so frisch, so dicht; So erquisites Futter Giebt eine andre nicht. Ich wählte gut Gemenge, Raygras und bunten Klee, Mir klopft das Herz vor Freuden, Wenn ich darüber geh.“ Die Frau: „Wer kann sie schöner malen, So zart, so bunt, so fein! Wie lang könnt' hier ich weilen Und mich des Anblicks freun. O sieh, die fleiß'gen Bienen, Der Schmetterlinge Pracht; Wie hat Gott doch die Wiese So wonnereich gemacht!“ Der Mann: „Wer sollt' sie schöner haben? Wo ist so schmuckes Vieh? Man muß es nur verstehen, Nun, dann mißräth's auch nie. Ja, selbst für meine Bienen Hat sie sich gut gemacht — Was hat doch diese Wiese Mir schon für Geld gebracht!“ Trost „Die Wolke zieht nach oben, macht Alles dicht und grau, Der Himmel, immer schwärzer, verliert sein lichtes Blau.“ — Was klagst Du denn so bitter, als sollt' die Welt vergehn, Die Sonne steht dahinter, Du kannst sie nur nicht sehn. Des Kindes Macht Kindesauge ist der Spiegel, Drin die Englein sich geschaut; Kindesstirn trägt noch das Siegel, Wie man aller Welt vertraut. Kindeshand ist immer offen, Nimmt und giebt mit gleicher Lust; Kindesherz kennt sel'ges Hoffen In der freien, kleinen Brust. Kindeslächeln gleicht der Sonne Lichtem Strahl auf grünem Strand; Kindesthränen stillt voll Wonne Jedes Herz mit sanfter Hand. Kindeslieb' ist leicht gewonnen Durch ein Wort, durch einen Blick; Kindesschmerz, wie schnell zerronnen In dem neu erlangten Glück! Schaut auf sie, Ihr großen Leute, Lernet doch ein Kind zu sein; Gottes Engel Euch zur Seite, Zieht Ihr in den Himmel ein. Hört den Heiland, wie er dringet: „Werdet doch den Kindern gleich; Ob Ihr kämpfet, ob Ihr ringet, Ihrer bleibt das Himmelreich!“ Grüß Dich Gott! Ich weiß ein kleines trautes Wort, Das liebt ein Jeder, Groß und Klein; Es ist das frische: „Grüß Dich Gott!“ Wie schallt's so lind in's Herz hinein. Warf Dich mit scharfem, wilden Weh Auf's Krankenlager hin der Schmerz, Und Du erstehst nun neu belebt, Dringt: Grüß Dich Gott! Dir warm in's Herz. Hast Du Dich früh und spät gemüht In Tagesarbeit schwer und hart, Wie klingt im Abendsonnen-Gold Ein „Grüß Dich Gott!“ so schön, so zart. Hast in der Fremde Du geweilt, Gedarbt, gehofft, gestrebt, gekämpft; Nun fliegst Du heim voll Sehnsuchtspein, Hat: Grüß Dich Gott! das Weh gedämpft Wenn einst am End' der Erdenbahn Ich tret' an's Himmels-Eingangsthor, Geb' Gott, daß da mit diesem Gruß Ein lichter Engel tret' hervor; Daß er mir zuruft: „Grüß Dich Gott! Willkommen nach des Lebens Streit Zur stillen, sel'gen Sabbathruh Am Thron des Herrn der Herrlichkeit.“ Die Lieb' im Lenze Wer nie in jungen Tagen In grünem Waldrevier Und duft'gen Blüthenhagen Gepflückt des Maien Zier, Die Liebchens Hand gebunden Zum Strauß, der ihn geschmückt, Der hat auch nie empfunden, Wie Lieb' im Lenz beglückt. Zum seligsten Genusse Stieg nimmermehr hinan, Wer nie im Wonnekusse Ein liebend Herz gewann, Da noch dem blüh'nden Baume Der junge Lenz gelacht, Eh' nach entschwund'nem Traume Des Lebens Ernst erwacht. Des reifen Mannes Streben Erringet Gold und Ehr', Doch kann es ihm nicht geben Des Maien Wiederkehr, Kein flammenweckend Kosen, Der ersten Liebe Glüh'n, Nicht eine jener Rosen, Die nur im Lenze blüh'n. Ob immer wir auch fanden, Was sehnlichst wir begehrt, In fremder Herren Landen Wie an der Heimath Herd, Bald sind es welke Kränze; Nur Eins bleibt ewig jung: Das ist „die Lieb' im Lenze“ In der Erinnerung. Der alte Student Die stürmische Meerfahrt liegt hinter mir, Und lächelnd begrüße ich wieder Auf heimischer Erde das traute Quartier Der schwärmenden „Burschen“ und „Brüder“. Hier wecket der kräftigen Jugend Stahl Viel' Funken der Freude noch heute, Wie einst, da ich selber im Bacchanal Des blühenden Lenzes mich freute. Noch prangen, wie damals, auf eich'nem Brett Die Schläger, voll Scharten und Narben, Im Kreuze der Klingen das Sammet-Barett, Geschmückt mit der Burschenschaft Farben. Noch leeren, wie damals, in Jubelreih'n Flaumbärtige Recken den Becher, Und wiederum füllt ihn die Dirne mit Wein Und reicht ihn dem trunkenen Zecher. So will sich noch einmal vor meinem Blick Der Maien des Lebens entfalten; Die Rosen der Jugend, sie kehren zurück, Umflattert von neuen Gestalten. Die Anderen all', die mit mir gezecht, Gelärmt, geliebt und gesungen, Sie räumten das Feld einem jüngern Geschlecht Und spotten des Zwitscherns der Jungen. „Hier bist du ein fremder, vergeß'ner Mann!“ So mahnt es mich fürbaß zu schreiten — Da regt sich's gespenstisch, da tritt es heran, Ein Bild aus vergangenen Zeiten. Wohl trägt es erheuchelte Kraft zur Schau, Ob längst auch verdorrte die Blüthe; Doch täuscht es mich immer! — Die Liebe ward grau, Das Feuer im Auge verglühte. „Begehrst du denn ewig — so rufe ich — Im Kreise der Bürschlein zu thronen?! Kam'rad meiner Jugend, was fesselte dich An unseres Bunds Epigonen?!“ Da hebt sich das alternde Haupt empor; Da faßt's mich mit knöchernen Händen; Da tönet es dumpf an mein lauschendes Ohr: „Ich liebte und konnt' es nicht wenden! Ich hatte der Freiheit mein Herz geweiht. Nicht Hymnen nur wollt' ich ihr singen, Wie mancher Kumpan uns'rer fröhlichen Zeit; — Ich wollte im Kampf sie erringen! Bald stand ich verlassen. Die Brüder entfloh'n, Sind stattliche Männer geworden Und opfern dem Götzen und kriechen am Thron Und prunken mit Titeln und Orden. Mir gab man ein Mauerloch, feucht und kalt, Versteckt hinter ehernen Thoren; Mich hat man gehetzt, wie die Hindin im Wald, Bis daß ich die Jugend verloren. Mein Väterchen suchte indeß den Tod, Mein Mütterlein kam auf den Bettel, — Mein Bräutchen verkaufte die Ehre um Brod Und wurde zur buhlenden Vettel! Da kehrt' ich zur lustigen Schaar zurück, Denn — daß ich mir's nimmer verhehle — Hier fand ich des Lebens alleiniges Glück Im Wachen der hoffenden Seele! Und so will ich's halten bis an mein End', Will hoffen und glücklich mich wähnen, Und — wenn ich gestorben als alter Student, Dann denke die Welt meiner Thränen!“ In den Salzburger Alpen Der letzte Strahl des müden Tages glühet Durch's Laubgewind! Des Sommers Lied verhallt; Und um des Schwarzbergs hohen Scheitel ziehet Die Nacht den Schleier. Flüsternd tönt der Wald, Der, träumerisch, mit sanftbewegten Wipfeln, Dem Wellensturz der nahen Wimbach lauscht, Die zwischen schneebedeckten Bergesgipfeln Von Felsenhöh'n in's Thal herniederrauscht. Hier will ich ruh'n im stillen Waldesfrieden. — Was mit des Grolles Gift mein Herz gekränkt, Was von der Liebe Eden mich geschieden, Sei in der Lethe tiefste Fluth versenkt! Auf grünem Teppich, den der Lenz gewoben, Bekränzt mit Blüthen, die der West umweht, Will ich in jubelndem Entzücken loben Der Schöpfung Krone, die mein Aug' erspäht. Hier will ich ruh'n in balsamduft'gen Räumen, Bis sich mein Geist zur Höh' der Schönheit ringt, Bis er, erwacht aus wirren Dichterträumen, Die Poesie der Alpenwelt durchdringt. — Mein Bett — der Wald, mein schirmend Dach — der Himmel, Und um mich her gigantisch' Felsgestein! So will ich, fern dem niedern Weltgetümmel, Verzeih'n, vergessen und — vergessen sein. Schiller Zu Marbach im Schwabenlande Entspringt ein Wunderquell; Er schillert in tausend Farben, Doch ist er krystallenhell. Auf seinem tief klaren Grunde Ruhn Perlen und Edelgestein, Dem Knaben wird wonnig zu Muthe, Sobald er blicket hinein. Es wächst die Quelle zum Bache, Der Bach zum prächtigen Strom, Drin spiegeln sich liebliche Ufer Und Burgen und mancher Dom; Er schaukelt auf seinen Wellen Im Kahne manch liebend Paar; Er strömt durch die deutschen Gauen Beglückend schon hundert Jahr'. Vergöttert von allem Volke, Befruchtend das ganze Land, Durchzieht die indischen Reiche Ein Strom, der Ganges genannt. So segenbringend fluthet Auch unser Strom zum Meer, Der Strom heißt Friedrich Schiller, Germaniens Preis und Ehr! Die schlafenden Menschen Lind' und leise nahen Die dunklen Wogen der Nacht Und entheben die Menschen Dem lauten, bunten Eiland des Tages Und tragen die Schwimmenden, Ruhenden, Willenlosen Auf die stille hohe See des Schlafes. Also kehren die Menschen Allnächtlich zurück In den dunklen Schooß Der Allfluth, der sie entsprungen. Umspült von den heiligen Wellen, Gereinigt und entsündigt Vom Schmutz des lärmenden Tages, Im balsamischen Bade der Nacht Ruhen die Schlafenden alle In verjüngender Unschuld, Gleich Kindlein im Schooße der Mutter. Und aus der Wogen Tiefe Steigen dann wieder herauf Des Traumes beglückende Feen Mit alten goldnen Kindermärchen, Voll Lieb' und Unschuld, Welche der kluge Tag verlacht. — Aber die ewigen Sterne Und die ewigen Götter Lächeln versöhnt herab Auf die schlafgefesselten Titaniden. Sylvester (spricht:) „Nun geht mein Reich zu Ende, Es muß geschieden sein! Ich reiche dir die Hände, Ergebe mich darein Hinunter müssen die Alten, Die Jungen steigen auf. Das ist des Schicksals Walten, Das ist der Zeiten Lauf. Dir biet' ich, du junger Knabe, Die Welt zum Erbe dar. Bring' ihr des Lichtes Gabe Mit deiner Fackel klar, Bring' ihr den ewigen Frieden Mit deinem Palmenzweig! Mir war es nicht beschieden, So lang ich herrscht' im Reich. Und daß ich fröhlich scheide, (So sprach der greise Mann Zum Knaben) stoßen wir beide Die vollen Gläser an!“ — Zwölfmal ist das erklungen Durch die heilige Mitternacht. Die Engel haben gesungen, Die Menschen sind erwacht. Erwacht zu neuem Leben? Zu rechter Freudigkeit? Zu muthig-ernstem Streben Und zur Gerechtigkeit? — Das mögen die Götter walten! Doch kennt ihr das seltsame Paar? Sylvester nennt man den Alten, Den Knaben das Neue Jahr. Priorität Hast du Neues vorzutragen: Thu es schnell; sonst thut's ein Andrer. Denn es geht in unsern Tagen Gleichen Weg gar mancher Wandrer. Schicksal „Ein jeder hat, er sei auch, wer er mag, Ein letztes Glück und einen letzten Tag.“ — Der Arme hat, er thu' auch, was er mag, Sein erstes Glück an seinem letzten Tag. Paracelsus auf dem Nil Die nackten Ruderknechte jagen Das flache Schiff den Strom hinan, Und mitten drin, mit Wohlbehagen, Nach Art der Mauren angethan, Nur schwarz vom Turban bis zum Fuße, Beschaut der Fremdling sich das Land, Wo sich zuerst mit zartem Gruße Die Wissenschaft zum Menschen fand. Noch lauscht, wie sonst der Menschenhasser In Schlamm und Schilf, das Krokodil, Noch strömt mit seinem goldnen Wasser Den alten Reichthum Vater Nil, Und doch dem Volke bleibt nur immer Ein Nest von Lehm, ein Bischen Reis; Ihr aber, Priester, steht ihr nimmer Um's Isisbild in ernstem Kreis? Ist mit den hohen Tempelhallen Durch Mönchsgeheul, durch Mahoms Stahl Denn eure Göttin selbst gefallen? Hat Keiner ins verborgne Thal, Wo noch dem Geist in keuscher Hülle Der Günstling still Verehrung zollt, Sie mit der Vorzeit Wissensfülle Auf frommen Schultern weggeholt? Die wild entlang dem Ufer sausen, Bis an die Zähne stahlumhangt Wie Samum durch Egypten brausen, Wie Strauße, von dem Leu'n gedrängt, Sie geben Antwort auf die Frage. „Nur Gott ist Gott,“ so rufts vom Thurm, Sie stürzen hin im glüh'nden Tage, Im Sand daneben spielt der Wurm — — Und ging, wie Pan, auch Isis sterben, Und sind die Priester längst dahin, So blieb doch bei des Landes Erben In heil'ger Schrift ein Schatz von Sinn; Wer will's verwehren, ihn zu heben? Schon schwelgt der schwarze Scheik im Fund, Schon schöpft er mit Entdeckers Beben Geheimniß aus der Runen Mund. Paracelsus und der Neger In Abdel-Kaders, des Freundes Garten, Umhegt von hohem Mauerring, An dessen Fuß das Meer sich brach, Durchschritt er täglich die Blumenarten; Er sah sie kaum, sein Denken ging Den Blumen nicht, dem Geiste nach. Und eines Abends im Wehn der Bäume Durchmißt er wieder Gang um Gang. Herauf die Woge summend springt, Im Westen schwinden des Purpurs Säume, Als leis ein dumpfer, düstrer Sang Aus fernem Busch zum Ohre dringt. Der schmeichelt nicht in gelernter Weise, Er dehnt sich einfach klagend hin, Und redet, Weh! wie herbster Schmerz In heiserm, zuckendem Schrei, nur leise; Doch füllt er ganz des Hörers Sinn, Doch senkt er sich ins tiefste Herz! „Was singst du, Neger, denn so düster? Ist's denn im Garten hier nicht schön? Die Blumen tranken, bringt es Weh?“ „Nein, Meister, doch das Baumgeflüster Ist mir wie Senegals Getön, Der aus dem Schilfe schleicht zur See.“ „Erzähl' mir, Freundchen, von deinem Fluße Und von den Hütten am Gestad, Vom Kind, vom kleinen Weib darin, Vom Löwen, tief an des Palmbaums Fuße, Vom Bäumekönig, hoch und g'rad — Wer weiß, mein Sohn, ich zieh' dahin!“ „Und Bulbu wird dich zum Strom begleiten, Wo noch den Sand von meinem Tritt An Bettes Fuß mein Weib bewahrt, Auf Palmenkronen die Buben reiten, O guter Massa, nimm mich mit, Ich bin dein Hündchen, sei nicht hart!“ „Wer weiß sie besser, die Gummiwälder, Wer weiß der Elephanten Grab, So hoch gefüllt mit Elfenbein, Ich will dir zeigen das Kraut der Felder, Ich will“ — — da plötzlich bricht er ab: Denn sieh', sein Eigner tritt herein. Und als die Segel im Winde schwellen, Mit Südens Wundern voll das Haupt Gen Norden Paracelsus schaut, Da klagt's noch über die hohen Wellen, Als säng' ein Mensch: Ich bin geraubt Und Niemand hört des Opfers Laut. Wüstenbetrachtungen O Gott, ich bin herausgekommen, Um hier allein mit Dir zu ringen Vom Abend, wenn ein Stern entglommen, Bis Morgens, wenn auf Feuerschwingen Sich aus dem Meer die Sonne hebt, Und dann vom glüh'nden Morgen wieder, Bis aus den Silberwolken nieder Der sanft're Strahl des Mondes bebt. O Gott, und nimmer werd' ich weichen, Bevor von Deinem Angesichte Die Schleier Du, die faltenreichen Zurückgeschlagen, hoch im Lichte Vor mir gestanden, einen Blitz Aus Deinem Aug' in mein's entsendet Und ich besiegt gelegen, geblendet Am Felsen hier, des Adlers Sitz'. O Gott, wie viel ich schon gerungen Mit mir und jenen finstern Mächten, Die diesen Erdenstern umschlungen, So war's doch all' ein eitles Fechten, Das keinen Siegeskranz mir trug, Der bis hinan zum Himmel leuchtet! O Gott, was meinen Blick umfeuchtet, Du weißt's, und was im Herzen schlug! O Gott, allein, mit Dir zu kämpfen Um Dein Geheimniß, dann zu sinken, Vermag des Sehnens Gluth zu dämpfen. Im Falle Deinen Blick zu trinken, Den Schöpferblick, ist größ'rer Sieg, Als läg' ein Volk zu meinen Füßen, Um sterbend mich als Herrn zu grüßen, Nachdem der Schlachtendonner schwieg. O Gott, von Dir besiegt zu werden, Wenn ich zerrissen Deine Hüllen, Bin ich gekommen! Denn auf Erden Was kann sich Schön'res mir erfüllen Auf dieser armen Menschenwelt, Die Preise, werth, daß Geisteswaffen Sie kühn dem Schlangenknäul entraffen, Doch wahrlich nirgends sproßt und hält? O Gott, da hier die stille Wüste, Vom Auf- und Niederflug der Aare, Vom Schlag der Flügel auf die Brüste Belebt nur einzig, ist das wahre, Von Dir geliebte Kampfesfeld! O komm' denn! Mir, dem Menschensohne, Ein lebenslanges Streben lohne Mit Deinem Kampf, Du hoher Held! Ein tiefer Schmerz Am Fenster lehnend starr' ich in die Nacht, Ringsum erhellt vom Heer zahlloser Sterne; Auf jeden Schritt, nach jedem Laute Acht, Der etwa anklingt aus der stillen Ferne. Kein größrer Schmerz, als sich in trüber Zeit An Glück erinnern, das für uns vergangen, Das wie ein Bahrtuch, wie ein Todtenkleid, Um unsers Lebens Stunden sich gehangen. Ihr habt getragen eures Tages Last, Ihr geht nach Haus', es schmerzen euch die Glieder; Da nah'n die Kinder sich in stürm'scher Hast — Und euer Auge leuchtet freudig wieder. Vergessen ist die Arbeit, ist die Müh', Vergessen, daß ihr war't des Grames Beute; Der Knab' springt jubelnd, stolz auf euer Knie, Die Tochter lehnt verschämt an eurer Seite. Nun wird erzählt — das Kleinste — Freud' und Leid, Bis ihr voll Hoffnung bringt zur Ruh' die Müden; Ihr wißt es nicht, wie überreich ihr seid. Erhalt' euch Gott das Glück, das euch beschieden. Und fiel euch selbst die schönste Blüthe ab, Will täglich sich der Schmerz in euch erneuen — Ihr könnt doch gehn zu eures Kindes Grab, Und Rosen auf den Hügel nieder streuen. Mein Haar ist bleich! — Ich starre in die Nacht, Zur Fern' den Blick gewandt, den kummervollen, Auf jeden Laut, nach jedem Schritte Acht. — Mein einzig Kind, mein Sohn — er ist verschollen. Ein stilles Gemüth In dem froh'sten, laut'sten Kreise Siehst du oft ein still Gesicht, Das so seine eig'ne Weise Hat beim Lächeln, wenn es spricht. Nicht ein träumend Sich-Vergessen Dieser Stimme Wohllaut gab; Sie erklingt, wie wenn Cypressen Säuseln um ein liebes Grab. Wie beim Nachtigallenschlage Mond aus düstern Wolken bricht; So verhalt'ne, leise Klage Aus der Brust beim Sprechen spricht. Achtlos geht die Welt vorüber An dem einsamen Gemüth, Das sich trüb und immer trüber In sich selbst zurücke zieht. Nur die Kinder, nur die Kleinen Schmiegen sich an dieses Herz, Denn sie wissen, daß ihr Weinen Findet hier verwandten Schmerz. Daß ihr Wort, auch nicht gesprochen. Wird erkannt, vom Mund geküßt — Denn solch Herz, das Lieb' gebrochen, Weiß — was Schmerz und Liebe ist. Ein Vöglein Hab' in der Brust ein Vögelein, Das hüpft so froh, so leicht; Es muß wohl eine Lerche sein, Die grad zum Himmel steigt. O, du mein lieb, süß Vögelein, Flieg über Berg und Thal; Zu meiner Liebsten Kämmerlein: Grüß' sie viel tausend Mal. Das Grab auf der Haide Was stell'n sich die Soldaten auf? Was eilt das Volk so wild zu Hauf? Rosen blühen auf dem Haidegrab. Gar finster blickt der Commandeur Hinab zum jungen Deserteur. Rosen blühen auf dem Haidegrab. „Von einsam ferner Wacht entflohn Wird nimmer dem Soldat Pardon.“ „Hier wo Du kniest, hier wo Du stehst, Vom Leben Du zum Tode gehst.“ „Zum Tode geht's, ich hab's gewußt; Lebt wohl ihr Brüder! — Hier die Brust!“ „Kommt zu der fernen Heimath ihr, Dann grüßt die Herzgeliebte mir.“ „Ich hatte auf der fernen Wacht, Herzinnig just an sie gedacht.“ „Da ging ein Wanderbursch vorbei, Der sang ein Lied von Lieb' und Treu.“ „Das Lied, es klang so wohlbekannt, Es war ein Lied vom Vaterland.“ „'s war jenes Lied, daß sie mir sang, Als noch mein Arm sie oft umschlang.“ „Es klang so süß, ich hielt's nicht aus Eh' ich's gedacht — war ich zu Haus'.“ „Das Lied, es hat's mir angethan, Schuld hat allein der Wandersmann.“ „Zum Tode geht's, ich hab's gewußt: Lebt wohl, ihr Brüder! — Hier die Brust.“ Still schweigend winkt der Commandeur — Ein Jünglingsherz — es schlägt nicht mehr. Rings wird es still — die Nacht beginnt, Mit Gras und Blumen spielt der Wind — Rosen blühen auf dem Haidegrab. Morgenfrühe Es geht eine Sabbathstille Durch Wald und Haide jetzt; Die Bäume steh'n verschlafen, Herbstnebel sich drüber setzt. Kein Vogel läßt sich hören, Kein Zweig rührt sich am Baum; Es betet rings die Erde — Der Herr geht durch den Raum. Die Seen und Berge rauchen, Der Wind erhebt sich drauf — Ein Vogel zwitschert im Baume — Die Sonne gehet auf. Auf der Maschine „Um Urlaub bitt' ich, für einen Tag, Mein Kind, das krank seit Wochen lag, Es starb! — Ich will's begraben!“ „Die Pflicht gebeut! Ihr wißt es, Mann, Daß Krankheit nur Urlaub erwirken kann. Die Frau kann's Kind begraben!“ „Ihr habt den Zug!“ — Der Director geht. Der Führer für einen Augenblick steht Mit wildverzweifelnder Miene. „Die Welt doch immer betrogen sein muß! Was log ich nicht!“ — Und in raschem Entschluß Tritt er auf die Maschine. Fertig! — Er fährt zum Bahnhof hinaus, Vorüber an Wärter- und Wärterhaus, Die Funken sprühen und leuchten. Es ist ein so schöner Frühlingstag, Die Lerchen singen — der Wachtel Schlag Ertönt aus der Saat, der thaufeuchten. Wie aus Stahl geschmiedet der Führer steht. Sein Weib den schweren Gang jetzt geht Zum Kirchhof mit der Leiche. Wild krampft zusammen sich das Herz. Darf Vater, nicht Mensch sein, denkt er im Schmerz. Hohn zuckt über's Antlitz — das bleiche. Der Zug braust vorüber am tiefen Schlund. Ein Griff, ein Ruck! und hinab in den Grund Wär' Alles — in Trümmer zersplittert. Regulator auf! — Er denkt's in Hast! Die Hand den Griff hohnlachend faßt. — Über die Seel' der Gedanke zittert. Da hört er die Lerche — die Sonne aufgeht, Und sein Herz ergreift's wie ein Gebet, Wie'n kindlich Händefalten. Und langsam sinkt die Hand vom Griff. Ein Augenblick war's! Er bremst! Ein Pfiff! Ein fährt der Zug! — Nun Halten. Willkommen! tönt's durch der Reisenden Schaar. Niemand ahnt, wie nah' dem Tod er war, Welch Engelskind ihn vertreten. Der Führer lehnt an der Maschin' allein, Sein Aug' wird dunkel von feuchtem Schein — Nun kann er beten — beten. Ein bittres Wort Wenn Freundesmund gekränkt dich hat, Ein Wort dich traf vor allen: So denk: es sei ein welkes Blatt Zu Füßen dir gefallen. Denk, daß am Baum ein Hauch, ein Wurm Am Blatt, am Zweig gerüttelt; Denk', daß vor Tagen es ein Sturm, Ob's heut erst fiel, geschüttelt. Sieh an den Baum, wie blüthenreich, Und doch manch Blatt zerschlagen; Denk', wie dein Freund dich mild und weich In deinem Schmerz getragen. Denk' nur des Guten, das er that, Traf dich ein Wort vor allen — O, denk', es sei ein welkes Blatt Vom Blüthenbaum gefallen. Ein schwerer Zug „Ihr kennt mich,“ sprach er, strich den Vollbart sich, Und leert sein Glas mit einem Zuge; „Wo's gilt, da steh' ja meinen Mann auch ich, Den stärksten Zug, ich fuhr ihn sicherlich — Und manchen schon schon fast wie im Fluge.“ „Doch einmal, laßt es offen mich gesteh'n, Da fühlt' das Herz ich stärker klopfen — Die Heere standen auf den Spichern Höh'n, Hatt' hundert Aren, da ist's mir gescheh'n, Daß ich den Schweiß fühlt' niedertropfen.“ „Mein ganzer Zug in Munition bestand, Wo die Cigarre darf nicht glühen; Der Blick oft prüfend wird hinaus gesandt, Am Regulator fester liegt die Hand, Nicht die Maschin' darf Funken sprühen.“ „Die Nacht war prächtig! Durch den grünen Wald Die Bahn sich zog am Abhang nieder; Die Sterne glühten hellauf, mannigfalt, Und weiter, weiter ging's ohn' Aufenthalt, Ich dacht' des Kampf's, der Waffenbrüder.“ „Da hob der Wind sich durch die Wipfel sacht, Im Wald begann ein Sausen — Wogen. Der Telegraphendrath erklang zur Nacht; Ein Sturm begann! Der Himmel, eh' man's dacht', Gewitterschwer war rings umzogen.“ „Die Blitze zuckten. — Die Maschine ging, Laut donnernd wo die Felsen ragen; Wo sich das Echo hundertfach verfing, Wo jeder Blitz, der zuckend niederging, Schien zündend in den Zug zu schlagen.“ „Und ist's — Ihr wißt's — bei Nacht und Sturm schon schwer, Den Zug sicher dahin zu lenken, So denkt, ringsum ein Flammenmeer — Dann Pulver, an die hundert Axen schwer — Das Andre mögt Ihr selbst Euch denken.“ „Kämpft der Soldat siegreich für's Vaterland, Ich werd' den Muth gering nicht halten — Doch als ich einlief, die Maschine stand, Ich hab' nach Oben doch den Blick gesandt — Mußt', wie ein Kind, die Hände falten.“ Er sprach's — dann er zum Regulator griff — Noch einen Blick entlang dem Zuge. Ein stummer Gruß, dann der Maschine Pfiff — Und rascher drauf der Steueraxe Griff — Der Zug verschwindet wie im Fluge. O wolle mich auf's Neu nicht wieder fragen O wolle mich auf's Neu nicht wieder fragen, Warum ich blieb und nun so einsam sei — Du kennst sie ja, die alten schönen Sagen Vom Venusberg und von der Lorelei. Und ob mich auch kein weicher Arm gebunden, Kein süßer Mund mich rief mit Allgewalt — Ich dachte in der Stille zu gesunden Und kam und sah — und blieb in meinem Wald. Der Wald war immer schön! Der Bäume Rauschen, Vom Mond beschienen, Nachts, der tiefe See! Des Wildes Nah'n — und dann dies sel'ge Lauschen Beim Drosselsang — es stillte alles Weh'. Stand ich im Garten dann bei meinen Rosen Und freute mich, wie Blüth' um Blüthe kam — Die Vögel sangen — da — bei ihrem Kosen — Ich merkt' es nicht — die Jugend Abschied nahm. Man kann auch unter Blumen endlich sterben! „Der Blumen Rache“ sang uns Freiligrath — Es ist ein langsam, langsam still Verderben, Ein Vampyrfächeln, das unmerkbar naht. Und zwischen allem diesen dann dies Treiben, Dies Haschen nach dem Schein! Der Haß! Der Neid! Ich mußt' mit meinem Streben einsam bleiben: Ich liebt' die Kunst — und haßte jeden Streit. Drum, ob ich leb' — ich bin nun doch gestorben! O frag' nicht mehr, warum ich einsam blieb. Was ich gedichtet — was mir hier erworben Ein Bischen Ruhm — ich mit dem Herzblut schrieb. Ihr Kraniche, ihr kommet aus dem Süden! Geht ihr im Herbst, zum fernen Strand — Dann sagt den Freunden, daß ich sei geschieden, Daß ich die lang entbehrte Ruhe fand. Du aber, Wald, rausch' über meinem Hügel, Du, Drossel, sing' — ihr Haidenrosen glüht, — Und trägst du, Wind, einst über'm Seesspiegel Ein Lied — so laß es sein mein eigen Lied! O wolle mich auf's Neu' nicht wieder fragen, Warum ich einsam blieb — wie tief der Schmerz! Ein Tropfen fiel — und hat den Stein zerschlagen — Es nagt ein Wurm — und endlich bricht das Herz. Belebter Fels Wo am verwitterten Gestein Oft Regentropfen hangen, Da siehst Du früh im Sonnenschein Moosgrün und Blumen prangen. So mag ein felsenhartes Herz, Wenn Thränen darauf fallen, Im Mitgefühl für fremden Schmerz Lebendig überwallen. Heiligkeit des Unglücks Ein Baum, so dürr und traurig, Vom Wetterstrahl zerschmettert, Ein Mensch, so ernst und schaurig, Vom Unglücksblitz zerwettert, Wie sie an Heiligkeit sich gleichen! Sie tragen beide Gottes Zeichen. Das Buch Gottes Laß heut' Brevier und Rosenkranz in Ruh' Und wand'le nicht der Kirchenpforte zu, Ein schöner Tag winkt Dir zu Berg und Thale! Hinaus in's Freie, schweife durch die Flur Und lies im großen Buche der Natur, Das Gott geschrieben mit der Allmacht Strahle! Allüberall geöffnet liegt das Buch: Schau' von den Bergen auf der Ebne Tuch, Weit, bis zum blauen Duft am Äthersaume, Dieß Blatt, wie reich an Lettern, groß und klein, Voll Harmonie im buntsten Farbenschein, Voll tiefen Sinns in jedem Zug und Raume! Das Licht, das hoch am Himmelszelte brennt, Luft, Erde, Wasser, jedes Element, Das sind die Farben, die der Herr sich wählte; Die Körper und Gestalten sonder Zahl, Die Wesen all im warmen Sonnenstrahl Die Schrift, der sich sein Schöpfergeist vermählte. Und wie in ihr der Herr sich aller Welt In seiner Kraft und Weisheit dargestellt, So mag Dein Herz ihn lieben und bekennen. Dann bist Du selbst in seinem Wunderbuch Ein heller, schöngeformter Letterzug, Ein voller Laut zu seinem Ruhm zu nennen. Der Sturmvogel Es fährt ein Orkan auf den Wolken daher Und peitschet zu Bergen das wogende Meer; Das schleudert ein Schifflein hinauf in die Luft Und stürzet es wieder in gähnende Kluft. Der Fischer erbebet und stöhnet: „O weh!“ „Weh!“ heulen die Geister der Luft und der See. Da flattert ein schimmernder Vogel herzu Und setzt sich auf brausender Welle zur Ruh'. Er pfeifet und singet ein freudiges Lied, Als ruh' er am Ufer in schilfigem Ried: Er schwimmet vorauf dem gerüttelten Schiff, Vorüber an Klippen und eisigem Riff. Er stellet sich dar als ein sich'rer Pilot, Ein helles Gestirn in der nächtlichen Noth: Da fühlt sich der Zagende plötzlich so leicht, Es kehrt ihm der Muth, wie die Sorge entweicht. Er lenket das Schifflein mit rüstigem Sinn Und folget dem Vogel daher und dahin; Er ziehet mit ihm in den Hafen hinein Und danket dem Retter bei perlendem Wein. Der Vogel entschwebt nun und schmettert so laut: „Wer ruhig und muthig dem Meer sich vertraut, Den trägt es vorüber an felsiger Wand, Den führt es aus Stürmen an's friedliche Land.“ Admiral Wetterhut Vor Zeiten lebt' ein Admiral Im fernen Schwedenland, Der kehrte glücklich jedesmal Zurück zum Heimathstrand. Wohin er schwang den Schlachtenhut, Dahin trieb frischer Wind Und hochgeschwellte Meeresfluth Sein stolzes Schiff geschwind. Als rasch der Tod zum Alten kam, Wie bleicher Wetterstrahl, Da trat zu ihm das Volk und nahm Den Hut von blankem Stahl; Doch Keiner, der ihn über Bord Hoch in die Luft geschwenkt, Nach Ost und West und Süd und Nord, Hat Wind und Fluth gelenkt. Da pflanzten sie den längsten Mast Auf hohen Felsenknauf; Des großen Hutes eh'rne Last Schwebt in der Luft darauf Und kündet über Meer und Land, Daß jeder Wünschelhut, Geschwungen nur von rechter Hand, Lenkt Wind und Lebensfluth. Der Nebel ist schuld Zwei Freunde zogen in den Wald, Von Nebelqualm umwoben; Ein Vogel flattert auf alsbald Hoch in den Zweigen oben. Wie groß, ob schwarz, ob bunt er war, Erkannten nicht die Späher; Der Eine sprach: „Das ist ein Staar!“ Der And're: „Nein, ein Häher!“ Drob stritten Beide her und hin Die sich noch nie entzweiten; Ein Jeder blieb bei seinem Sinn Im nutzlostollen Streiten. Sie brachen voller Wuth zuletzt Sich starke Haselsprossen Und haben Streiche sich versetzt, Bis helles Blut geflossen. Und als sie müd' des Stockgefechts, Sah man im Grimm sie scheiden, Den Einen unter Fluchen rechts, Den Andern links hin schreiten. Der Unglücksvogel aber war Entflogen bei dem Lärmen; Ob es ein Häher oder Staar, Wer mag darob sich härmen? Die Thoren konnten sich hinfort Die Prügel nicht vergeben; Sie wechselten nie mehr ein Wort In diesem Wechselleben. Und davon wird die Schuld allein Dem Nebel zugeschrieben; Wohl wären sie bei Sonnenschein Befreundet sich geblieben. Die Guahibomutter Sieh' dort im Kahn gebunden Das Guahiboweib! Es bluten Geißelwunden An ihrem braunen Leib. Sie denkt an ihre Kleinen, Die nun im bangen Lauf Fern am Ucayal weinen Und stöhnt zum Himmel auf. So liegt sie voller Kummer Schlaflos in tiefer Nacht, Und übermannt vom Schlummer, Nicht weit von ihr die Wacht. Da greift mit Mannesstärke, Die Mutterlieb' ihr gab, Sie ungesäumt zum Werke Und reißt die Fesseln ab. Sie springt vom Bord des Nachen Hinaus in's Fluthgebiet, Das mit bezahntem Rachen Das Krokodill durchzieht. Sie schwimmt zum fernen Strande, Wo, dicht verdeckt von Rohr, Der Jaguar im Sande Sein Lager sich erkor. Sie bricht im Wald sich Pfade, Wo noch kein Fuß gerauscht, Wo in der Sümpfe Bade Die Riesenschlange lauscht. Vom Stachel der Lianen Wird ihr die Haut zerschlitzt, Auf scharfgezackten Bahnen Die Sohle wund geritzt. Oft glaubt sie zu erliegen Dem Durst, der Hungersqual; Ameisen nur und Fliegen Fängt ihre Hand zum Mahl. Was in den schwersten Stunden Wohl kaum ein Mann ertrug, Von ihr wird's überwunden Im pfeilgeschwinden Flug. Und als zum vierten Male Das Morgenroth erwacht, Eilt sie dahin im Thale, Wo ihr die Heimath lacht. Sie öffnet rasch die Hütte, Wo mit der Freude Laut Sie auf der Lagerschütte Drei theure Kindlein schaut. Schnell endet sich ihr Weinen, Sie jubeln auf in Lust, Es stürzen sich die Kleinen, Der Mutter an die Brust. Sie aber spricht: „Die Weißen, Die mich hinweggeführt, Sind hart wie Fels und Eisen, Die keine Klage rührt. Naht wieder, uns zu scheiden, Ein fremdes Männerboot, So wählt, statt Trennungsleiden, Mit mir den Fluthentod!“ Kaum ist das Wort verklungen, Da sieht sie schon den Kahn, Aus dem sie kühn entsprungen, Aufs Neu' dem Ufer nah'n. Sie faßt und zieht geschwinder, Als auf der bangen Flucht, All' die geliebten Kinder Sich nach zur Felsenbucht. Dort stürzt sie sich vom Strande In's Fluthgebraus hinab Und reißt vom Klippenrande Die Kindlein mit in's Grab. Die Weißen, deren Hiebe Ihr fernher schon gedroht, Erkennen: Mutterliebe Ist stärker, als der Tod. Blücher in Gießen Der greise Marschall Vorwärts saß Im Hauptquartier zu Gießen Und ließ in's grüne Römerglas Johannesberger fließen. Er trank im vollen Zug den Wein Und rief: „Auf, stimmet freudig ein, Wir setzen schleunig über'n Rhein!“ Da rückten schnell der Gneisenau, Der Müffling und der Rühle, Wie auf's Commandowort genau Und mit Geräusch die Stühle, Sie tranken vollen Zugs den Wein Und stimmten alle freudig ein: „Wir setzen schleunig über'n Rhein!“ Drauf strich sich nach Husarenart Der alte Held und Zecher Nach rechts und links den grauen Bart Und hob aufs Neu' den Becher. Er trank im vollen Zug den Wein Und rief: „Stimmt nochmals freudig ein, Wir ziehen nach Paris hinein!“ Das schlug so tief wie Wetterblitz In's Herz der Generale. Sie sprangen auf von ihrem Sitz, Die Hand am Schlachtenstahle. Sie tranken vollen Zugs den Wein Und stimmten alle jubelnd ein: „Wir ziehen nach Paris hinein!“ Und aus dem Hauptquartiere drang In's Heer das wärmste Leben; „Am Rhein, am Rhein,“ erscholl Gesang, „Da wachsen unsre Reben. Feldmarschall Vorwärts schlägt darein, Er führt uns siegreich über'n Rhein, Nach Frankreich, nach Paris hinein.“ Goethe und der Magnat Zum Meistersänger Goethe lief Im gelben Postgewande Ein Bote, bringend einen Brief Aus fernem Polenlande. Die Aufschrift war von fremder Hand, „Birgt Wechsel,“ las man an dem Rand, „Auf fünfzigtausend Gulden.“ Der Dichter dachte: „Wie? an Dich! Hier mag ein Irrthum walten. Der fremde Brief belehre mich, Ich will ihn rasch entfalten.“ Gedacht, gethan! und er durchlief Bis zu der Unterschrift den Brief, Den ein Magnat geschrieben. „Empfange hiermit,“ hieß es drin, „Der Achtung schwaches Zeichen, Das wir mit tiefgerührtem Sinn Aus Dankbarkeit Dir reichen. Dein hoher Geist hat unsre Brust Belebt mit neuer Kraft und Lust, Seit Polen ihn gewonnen.“ Der Brief fuhr fort, vier Seiten lang Den Dichter zu erheben, Der heiter leise vor sich sang: „Gleich will ich Antwort geben.“ Er zog das Tintenfaß hervor Und schrieb mit leichtem Federrohr Dem Polen diese Worte: „Ich danke herzlich für die Huld, Die Ihr mir zugewendet; Doch mir gebührt sie nicht, die Schuld, Die Ihr mir übersendet. Gebt sie dem Landsmann, dessen Kunst Euch meine Werke, frei von Dunst, Geschenkt in Eurer Sprache. Mir bringt den allerreichsten Lohn Ein Lied, das ich gesungen, Weiß ich, daß es mit hellem Ton In eine Brust gedrungen. Der Dichter geizet nicht nach Gold, Er strebt nach einem höh'ren Sold, Er wirbt um edle Herzen.“ Und in der nächsten Woche kam Der Brief zu dem Magnaten, Der hocherstaunt daraus vernahm, Wie Goethe sich berathen. Da rief er: „Wahrlich, keinen Kranz Errangst Du Dir von schön'rem Glanz, Als Dir Dein Brief errungen!“ Lied Vor Freuden kenn' ich keine Sorgen, Ich freu' mich Abends auf den Morgen, Ich freu' mich Morgens auf den Tag, Und in der Nacht, der sterngeschmückten, Da rufen mich, den Vielbeglückten, Gesang und Spiel zum Festgelag. Folgt auch der Wonnemond den Winden, Mir kann die Wonne nicht entschwinden In Sturmeswehn und Herbstgebraus; Und deckt des Winters Eis die Fluren, Mir lachen schon des Lenzes Spuren Verborgen unterm Schnee heraus. Als Sonnenschein in Nacht und Regen Trittst du, Geliebte, mir entgegen, Die wandellos mein Glück erneut; Du wirst mich ewig jung entzücken, Kehrt auch die Jugend mir den Rücken, Ist auch mein Haar mit Schnee bestreut. Frage nicht! Was blitzt mir vor den Augen? Was tönt so süß dem Ohr? Was singt die Lust der Lieder aus langem Schlaf empor? Bezaubert dich im Grünen die warme Veilchenluft? Ist's, weil die Liebe sprengte die winterliche Gruft? Herz, wenn im Rausch der Jugend dir stürmisch wallt das Blut, — Frag' nicht, ob es die Liebe, ob es der Frühling thut: Bergauf und thalhernieder zieh' mit dem Sonnenschein, Und stimm' in all die Lieder auch du frohlockend ein! Wandlung Ihr Lieblingsplätze meines Lebens, Ich grüß' euch wieder, doch vergebens Such' ich vergang'ner Tage Spur Und anders leuchten Berg und Flur. Du schöner Wald, bist du derselbe? In deinem hohen Laubgewölbe Die stolzen Bäume kenn' ich nicht, Und Alles hat ein fremd Gesicht. Kaum glaub' ich in des Waldes Chören Die alten Melodien zu hören ... Da flüstert mir die Quelle zu: Wer anders worden, bist nur du! An den Mond Du wandelst still und heiter Wie sonst in sanfter Pracht, Du traulicher Begleiter In Einsamkeit und Nacht. Du sahst mit ihr mich wallen Im dunklen Buchenhain; Die herbstlich öden Hallen Betret' ich nun allein. Der alten Liebeswonnen Denk' ich noch tausendmal; Mein Glück ist, ach! verronnen Wie's Bächlein in dem Thal. Das sprang in Frühlingstagen So jugendlich und froh, Als wollt' es was erjagen, Und wüßte doch nicht, wo. Daß es versiegen müßte, Und daß im Abendschein Mein Lieb ein Andrer küßte, Das fiel mir nimmer ein! Doch winkt durch Busch und Weiden Dein Auge mir so klar, Als wolltest du mein Leiden Weglächeln wunderbar. Aus Wolken, still und heiter, Blickst du in sanfter Pracht, Du traulicher Begleiter In Einsamkeit und Nacht. Bei einem Begräbniß Still und froh trat ich hinaus In des Morgens Schweigen; Kommt ein Zug vom Trauerhaus Unter Kranz und Zweigen. Hinterm Sarg der kleine Sohn Schreitet mit zu Grabe, Doch es ahnt im Glockenton Kaum den Sinn der Knabe. Während durch die dunklen Reih'n Seufzen geht und Bangen, Schaut er nur der Sonne Schein, Nur der Erde Prangen. Vogel, der vorüberstreicht An dem Trauerzuge, Trägt den Sinn des Knaben leicht Mit sich fort im Fluge. Da beschleicht erinnernd mich Leiser Gram im Herzen; Ach, so leicht empfand auch ich Erste Lebensschmerzen. Kränze, die ich früh gewann, Wurden früh zu Staube, Aber nie verließ den Mann Heitrer Frühlingsglaube. Solch ein Glaube sei mit Dir, O mein Kind, im Bunde, Denkst Du einst am Hügel hier Dieser ersten Wunde. Meinem Zwillingsbruder Nicht nur daheim im Schatten deutscher Eichen, Im Lorbeerwald, vom blauen Meer umsungen, Hat Thränen mir die Sehnsucht abgerungen, Daß meine Worte dich nicht mehr erreichen. Herz meines Bruders, Echo sonder Gleichen, Das meines Jugendtraums Erinnerungen, Das all mein Glück und Hoffen nachgeklungen, Welch einen Lenz sah ich mit dir entweichen! Den Kranz des Nachruhms will ich gerne missen, In Einem nur rankt sich hinan mein Streben: Gleich dir, Verklärter, mich geliebt zu wissen. Du warst das bess're Theil von meinem Leben; Der bitt're Stachel ist dem Tod entrissen, Wenn Sterben heißt: zu dir empor zu schweben. Vergebens Du weißt es wohl, ich bin kein starker Geist, Der frei für sich erschafft ein eig'nes Leben, Kein mächt'ger Baum, sich selbst genug, der wagt Sein stolzes Haupt hoch in die Luft zu heben. Ich kann nicht geh'n in selbstgezognen Gleisen Und brauche Sterne, die den Pfad mir weisen. Du weißt es wohl, ich bin kein starkes Herz, Das einsam kann durch's dunkle Leben ziehen, Zu Etwas muß es gläubig aufwärts schau'n, Für Etwas schlagen, zittern und erglühen. Der Rebe gleicht's, die nur im Aufwärtsringen Empor sich kann zu Licht und Leben schwingen. Doch weißt du wohl, wie sehr dies Herz auch braucht Der starken Hand — sie wird ihm ewig fehlen, Und wie der Geist auch noch so heiß sich sehnt Nach seinem Stern — er muß umsonst sich quälen, Bis gleich der müden Flamme letztem Blinken Sie todesmatt in sich zusammensinken! Frühlingslied Es kam der Frühling mit Herrschermacht, Da wollt' ich ein Lied ihm singen; Er strahlte so hold in lieblichster Pracht — Wie sollt' es da nicht gelingen? Ich sah mir die Blüthenbäume an, Dran alle Knospen gesprungen, Sie waren gleich Bräuten angethan, Von Schleier und Myrth' umschlungen. Es nickten Blumen an jedem Steg, Als ob sie selber sich streuten Den schlanken Bräuten auf ihren Weg Beim Maienglockenläuten. Die grünen Blätter im Buchenhain, Umhaucht von weißem Gefieder, Sie flüstern in alle Welt hinein Die süßesten, wonnigsten Lieder. Es lauschet den Tönen die Lerch' im Feld, Es lauschen die Nachtigallen, Aus Blüthensträuchern, vom Himmelszelt Klingt wieder das fröhliche Schallen. O Frühling, Frühling, so hold und licht! Fast will mir das Herz zerspringen! Du — selbst der Schöpfung höchstes Gedicht, Wer könnte dich würdig besingen? Am Baume Am Baum hab' ich gestanden, Der war so hoffnungsgrün, Nicht lange mehr kann's dauern, Und freudig wird er blüh'n. Ein Zweiglein nur steckt trauernd Die Arme nach mir aus, Es ist so kahl und dürre, Schlägt nirgends knospend aus. O Zweiglein! was erwachest Du nicht im Frühlingshauch? Die Sonne küßt die Fluren, Sie küsset dich ja auch! Lockt nicht des Himmels Bläue, Der lauen Lüfte Weh'n Dich, wie die Nachbarzweige Im Blüthenschmuck zu steh'n? Laß deine Rinde schwellen, Von frischem Lebenssaft — Doch, Zweiglein, ach! ich sehe, Dir fehlt die inn're Kraft! Dein Mark, ach! ist erstorben, Vom Winterfrost verzehrt, Dein zartes Leben haben Die Stürme rauh zerstört. Für Dich scheint keine Sonne, Weht keine Frühlingsluft, Dir sind die Lenzgefilde Nur eine Todtengruft. — Ich gehe still von dannen Und denk' an dich zurück, Und an so mancher Herzen Dahin gewelktes Glück, In deren zarte Blüthe Auch drang so eisig Weh'n, Daß unter den Lebend'gen Sie wie Gestorb'ne steh'n! Eros Gerne folgte oft mein Geist dem alten Griechendichter, wie er einst erschaffen Den Olymp mit all' den heil'gen Göttern, Wie er aus des Chaos graus'gen Falten, Die noch ungeborne Welten deckten, Eros schweben ließ, den Welterretter! Sieh, sein Hauch zertheilet, was im Gischte Wild noch gährend ohne Ziel und Wahl, Erd' und Himmel, Luft und Wasser mischte! Ewig blau nun wölbet sich der Himmel, Ewig grün ersteht der Erde Schoos, Aus des Feuers leuchtendem Gewimmel Reißt sich Stern und Sonne siegend los — Harmonie und Schönheit wird dem Leben Durch der Liebe heil'gen Kuß gegeben! O, mein Kind, so ist auch mir dein Lächeln, Was dem All' einst Eros Hauch gewesen, Meine Stirne glättet mild sein Fächeln, Gießt wie Öl sich auf des Geistes Wogen, Der in mild bewegtem Triebe sinnet, Dieses Lebens Räthsel zu enthüllen, Dessen Drängen nimmer er entrinnet — Wird er auch die Lösung niemals finden! Doch, da nahst du, meiner Seele Wonne, Und das Chaos meiner Brust entschwindet, Deines jungen Auges Lebenssonne Sonnenglanz im Busen mir entzündet, Und empor, zu Licht und Leben ranken, Die du wecktest — liebliche Gedanken! — Mährchen Auf grüner, sonniger Halde Stand einst ein stolzer Baum, Die lieblichen Sänger vom Walde Die wiegten ihn Abends in Traum, Und früh, wenn strahlend und golden Ihn weckte der Sonne Kuß, Dann sangen die Vöglein, die holden, Ihm wieder den Morgengruß. Da dehnt er die blühenden Ranken Und schaute so fröhlich darein Und hob den Wipfel, den schlanken, Wohl bis in den Himmel hinein. — Doch siehe! aus fernen Reichen Kam einst ein Vögelein, Das ruht auf den schlanken Zweigen Sich aus im Abendschein. Dann hub es an zu singen, So innig, so wundervoll, Das süße, selige Klingen Durch's stille Thal erscholl. Es sang von den ewigen Lenzen Im zaub'rischen Feenreich, Wie Stern und Rose dort glänzen, Geküßt von Lüften so weich, Vom ewigen Flüstern und Klagen Im alten, heiligen Hain, Von allen geheimen Sagen, Die sich geborgen darein — Vom Baum, der redet und singet, Vom Quell, der die Schönheit verleiht, Vom Helden, der Riesen bezwinget, Zu suchen dort Seligkeit! So sang es wohl viele Stunden, So sang es die ganze Nacht, Dann war es plötzlich verschwunden, Als leise der Morgen erwacht! Wohl hat dem Baum wieder golden Die Sonne den Wipfel umsäumt, Wohl sangen die Vöglein, die holden, Doch er — steht trauernd und träumt — Und träumt von den Zaubersängen, Die ihn der Vogel gelehrt, Träumt von den Liedern und Klängen, Die all' in der Nacht er gehört; Des Frühlings Wonne und Freude, Sie bringen nicht Lust noch Glück, Er schaut nur hinaus in die Weite Und sehnt sich den Vogel zurück! — O, Vöglein, wie oft wirst du fliegen Und wandern die Welt noch entlang, Wie viele Herzen besiegen Mit deinem Zaubergesang! Wer bist du? wie soll ich dich nennen, Den Flüchtigen? welchen doch nie Die Seele dauernd wird kennen — Bist Liebe du — Glück — Poesie? Pietät Es steht der Baum in junger Frühlingspracht, Die Knospen alle sprengt' er über Nacht, Und fröhlich wogt sein grünendes Gefieder; O, schone Jeder seine holde Zier, Zurück die Hand, die unbedacht oft hier Die kaum erschloss'nen Blätter streifet nieder! Und es wird Herbst, da steht der Baum entlaubt, Kaum schmücket noch das altersmüde Haupt Ein dünner Kreis von roth und gelben Zweigen; O, schone Jeder seinen letzten Glanz, Bald ist's vorbei, bald deckt den welken Kranz Des Todes Kälte und des Todes Schweigen! So laßt der Jugend ihren goldnen Traum, Berührt ihn nicht, denn eine Stunde kaum Blüht er in unentweihtem Morgenschimmer; So laßt dem Alter, was zuletzt ihm blieb, Ist es auch Täuschung, nehmt nicht, was ihm lieb Und groß geblieben — denn es ist für immer! In der Ferne hör' ich Lieder In der Ferne hör' ich Lieder, Leise Liebeslieder singen. Muß man uns denn immer wieder Lieder von der Liebe singen? Stets von ihr, die Leid so Vielen, Lust so Wenigen geboren, Stets von ihr, in deren Spielen Jeder noch, und gern verloren? Jeder flieht sie, der sie kannte, Wie der Schmetterling die Leuchte, Dran die Flügel er verbrannte, Als er floh die Nacht, die feuchte. Wär's nicht um der Mädchen Willen, Hätten wir das böse Lieben Und die Lieder ganz im Stillen Längst zum Land hinausgetrieben, Aber schöner Augen Schimmer, Lippen, Locken, Rosenwangen Lassen jetzt uns nicht und nimmer Zum ersehnten Ziel gelangen. Auf der Mainlust Rinne, Strom, rinne du Nur dem salz'gen Meere zu. Dorten wogst, ohne Ruh, Ewig in den Fluthen du. Aber wir Menschen, wir Fliegen durch das Leben hier, Sinken dann, sinken ab In das ewig todte Grab. Könnt' ich doch, Strom, wie du, Ohne Rast, ohne Ruh, Rinnen in Unsterblichkeit Durch den Raum, durch die Zeit. Eisenbahnfahrt Im Morgensonnenscheine fliegt der Zug, Von Erz und Messing glänzet die Maschine Und wirft aus hohem Rohr, im raschen Flug, Des Wasserdampfes blitzende Lawine. Vorbei die Stadt! Der Menschen eng Gewühl Verschwindet und verstummt in weiter Ferne, Auf Thurm und Dächern glänzet noch das Spiel Des Sonnenstrahls, wie matte Morgensterne. Die Brücke naht, mit Quadernarmen ballt Der schwere Stein sich durch den Strom hinüber, Die Fluthen gleiten drunten trüb und kalt, Doch oben braust es im Triumph vorüber. Des Waldes Schweigen ruht so still und bang Und grünes Laubwerk schattet tief und dunkel; Wo früher einsam nur die Büchse klang, Rollt jetzt der Zug mit hellem Lichtgefunkel. Da naht ein Berg — ein Eber, wild im Streit, Bricht die Maschine ein in seine Seiten Und stürmt hindurch; da dehnt ein Thal sich weit, Auf schwindelnd steiler Höhe muß sie gleiten. Hart an der Bahn zieht sich im Bogen hin Des eil'gen Telegraphen Drahtgehänge, Er zuckt unmerkbar, und am Faden flieh'n, Schnell, wie das Licht, die unsichtbaren Klänge. Auf Polstern drinnen wiegt den trägen Leib Der reiche Mann, die pelzverhüllte Dame, Auf offnem Wagen steht ein armes Weib Und drückt ihr Kind an's Herz in stillem Grame. O Geist der Zeit! wie gleicht Dein rascher Flug Dem trotz'gen Gang der keuchenden Maschine! Kein Strom, kein Berg, kein Thal hemmt Deinen Zug! Im Rollen wächst Dein Lauf wie die Lawine! Du nimmst sie mit Dir, niedrig oder hoch, In Kronen die, und die im Lumpenkleide, Du baust Dir Brücken, sprengst der Berge Joch Und des Gedankens Blitz fliegt Dir zur Seite! Daß von Bewegung das Gefühl entschwand Den Fortgetragenen, so eilst Du schnelle, Und manchen weckst Du auf mit rauher Hand, Wenn die Maschine pfeift: wir sind zur Stelle! Ein Bild Still ist's ringsum! Nur dort im Fensterbrett Zirpt leis der Holzwurm seine gleiche Weise; — Im schwarzen Sarge dort, im letzten Bett, Ruht friedlich aus von langer Pilgerreise Ein müdes Weib. Es sagt's der Schnee der Haare, Die Falten im verwelkten Angesicht: Hier brach der Tod mit rauhem Finger nicht, Er legte heißersehnt sie auf die Bahre. Der Tod ist ernst, ob er dem Alter naht, Ob er die Jugend ruft vom lust'gen Reigen, Der Tod ist ernst, und vor dem dunklen Pfad Ist allem Lebenden ein Schauer eigen; Den Blumen selbst, die diesen Sarg umranken, Scheint jäh gestört ihr holder Frühlingstraum, Und die Cypressen steh'n im stillen Raum Wie überschauert da von Grabgedanken. Das Bild nur dort, in strahlend Gold gefaßt, Lacht still und rosig auf die Leiche nieder: Die Jugendblüthe hält beseligt Rast In diesem Antlitz, auf dem Bau der Glieder. Komm, küsse mich! scheint hold der Mund zu sagen, Den Himmel schau! so lockt das Auge mild — O, auf den Knien konnte nur dies Bild Der Meister malen in vergang'nen Tagen. Wem ward ihr Blick des Glückes Unterpfand? Wem klang das Stammeln heißer Liebesschwüre? Wem reichte sie besel'gend ihre Hand, Daß er das holde Weib durchs Leben führe? Wo wandelt jetzt sie, die Madonnengleiche, Die zauberhaft aus diesem Rahmen winkt? Stumm ist das Bild — der süße Blick nur sinkt Fast wie in Wehmuth nieder auf die Leiche. Hier dieses Weib in seinem Blüthenmai, Und dort die alte Frau auf dunkler Bahre — Ist's nicht, als eilten wie im Flug vorbei Mit Lust und Leid die wechselvollen Jahre? Sieh, wie der ros'gen Wangen Rundung schwindet, Wie Falte sich in Falte schneidend flicht, Bis sich das lebensfrische Angesicht In diesem Sarg verblichen wiederfindet. Du holdes Bild, du lächelst still beglückt? Weckt nicht der grelle Wechsel frost'gen Schauer? Du lächelst! der Vergänglichkeit entrückt Hat dich des Künstlers Hand zu steter Dauer! Was ewig schön, vermocht' er festzubannen: Des Jugendglückes märchenhaften Traum — Des Lebens Schmerz ruht dort im engen Raum, Und mit dem Staube wandert er von dannen. Frühlingslied Holder Anblick, wenn die Schaar Bunter Blumen leis sich schaukelt, Und mit kranzgeschmücktem Haar Durch die Flur mein Mädchen gaukelt! Süßer Laut, wenn Vogelsang Tönt von grünumlaubter Stätte, Und mein Lieb den Busch entlang Singt mit ihnen um die Wette! Frühling auf der Flur, im Hain, Wunderlenz der Mädchenseele, Daß euch Blüth' und Sonnenschein Und ein holdes Lied nie fehle! Wenn mein Herz den Klängen lauscht Eures Jubels, unermessen, Fühlt's ein Glück, um süßberauscht Jeden Winter zu vergessen. Über den Strom Schwimme nicht dem Strom entgegen, Hoffend auf ein kühn Gelingen; Schnell ist deine Kraft erlegen, Und die Fluth wird dich verschlingen. Laß dich nicht vom Strome treiben, Müßig dämmernd gleich den Andern; Willst du weithin sichtbar bleiben, Darfst du nicht im Haufen wandern. Bald ihm folgend, bald entgegen, Anders heut und anders morgen! Daß du stets von allen Wegen Wählst den besten, sei dein Sorgen. Aber will dirs nicht gelingen, Zu entdecken stets den bessern: Heb', ein Schwan, die stolzen Schwingen, Schwebe über den Gewässern! Reue Bist du dir einer That bewußt, Die keine Nachsicht kann beschönen, Wirst Du umsonst in deiner Brust Die Stimme, die dich schilt, versöhnen. Wol magst du dir auf Augenblicke Die läst'ge Schuld in Schlummer singen, Doch wisse stets, daß sie nur nicke, Um neugekräftigt aufzuspringen. Weh dir, wenn du im Lustgenuß Befreiung suchst von ihrem Nagen: Es naht dir ihr geschwinder Fuß, Wenn deine Pulse matter schlagen! Weh' dir, wenn du durch emsig Treiben Von ihr willst deine Sinne lenken: Es wird dir doch ein Stündchen bleiben, Verzweifelnd drüber nachzudenken! So hörst du plötzlich laut den Schwall Der schaumgekränzten Stromeswogen, Den dir der Straßen wirrer Schall Am sonn'gen Tage hat entzogen, In stiller Nächte ernstem Schweigen, Wenn Alles ruht in Schlafesbanden, Dumpf grollend wirbeln seinen Reigen Und durch die schwarzen Schleußen branden. Lebensregel Ein Thor, wer mürrisch und verdrossen Mit dem bescheidnen Loose grollt, Wenn nicht mit vier geschwinden Rossen Sein Wagen durch die Straßen rollt. Ein Tbor, wer aus des Nächsten Freuden Sich schöpft des Lebens Bitterkeit, Und klagend bei vermeinten Leiden Gift auf die eigne Speise streut. Bescheidnes Glück, das hat ein Jeder, Wenn er sich klug ins Leben fand Und, treibt das Wasser nicht die Räder, Sein Rädchen dreht mit eigner Hand. Eine welke Rose Du stille, welke Blumenleiche, Wie duftlos, farblos ruhst du hier! Wo zeigt dein Kelch, der todesbleiche, Nur eine Spur der alten Zier? Vom Frühlingstag, der dich geboren, Schweigst du, vom Thau, der dich getränkt, Vom Schmetterling, der traumverloren Sich tief in deinen Kelch versenkt. Und doch, was sollst du mir verkünden, Daß du gestrahlt im Frühlingskleid, Daß dir versteckt in Thalesgründen Die Nachtigall ihr Lied geweiht? Dich brach, die duft'ge, schönheitsreiche, Der Liebsten Hand einst zärtlich mir — Du stille, welke Blumenleiche, O welch' ein Leben ruht in dir! Erinnerung Wieder prangt im Lenz die Wiese, Wo ich froh gespielt als Kind; Mit den duft'gen Blumenhäuptern Kost, wie damals, leis der Wind. Schmetterlinge, bunt geflügelt, Flattern unstät drüber hin; Sie mit raschem Fuß zu jagen, Fehlt der frohe Knabensinn. In das Frühlingsleben schau' ich, Hingestreckt am Wiesenrain, Und, umweht vom Hauch des Friedens, Dämmert leis die Seele ein. Und der Kindheit Bilder schweben Flüchtig durch den Wiesenraum, Und die Seele jagt voll Sehnsucht Ihren Schatten nach im Traum. 1. Wenn du dir bewußt im innersten Gemüthe Sinngedichte Wenn du dir bewußt im innersten Gemüthe, Daß tief in deiner Brust manch' schlimme Neigung brüte: Gieb Acht zu jeder Zeit! nicht glaube sie bezwungen, Wenn einmal du den Sieg hast über sie errungen! Sie sind betrübt, doch sind sie nicht im Keim gebrochen; Ersteh'n sie morgen nicht, geschiehts vielleicht in Wochen. Der Gaukler, der den Zahn der Schlange ausgerissen, Weiß, daß er sicher nicht vor ihren künft'gen Bissen, Und ängstlich sieht er nach — die Vorsicht ist zu loben! — Zum Brechen stets bereit, wie weit der Zahn geschoben. So hüte dich, daß nie dein Herz sich sicher wähne: Die Leidenschaften sind wie einer Schlange Zähne! 2. Ermüd' im Streben nie, noch werde schwach am Muthe Sinngedichte Ermüd' im Streben nie, noch werde schwach am Muthe, Wenn, was du unternimmst, den Andern kommt zu Gute. Denk' an der Biene Fleiß, die Flüge ohne Ende, Eh' sie mit Honig füllt der Zellen dünne Wände. Und wenn der Herbst dann kommt, wird, was sie schwer vollendet, Die Frucht der Arbeit ihr von schnöder Hand entwendet, Den Honig nimmt man ihr, doch hat sie reich genossen Der zarten Blumen Duft, aus welchen er geflossen. So ist in sich beglückt ein edelmüth'ges Ringen, Wenn es die That auch selbst für Andre muß vollbringen. 3. Oft bringt dir Leid die That, die zaghaft ward begonnen Sinngedichte Oft bringt dir Leid die That, die zaghaft ward begonnen, Sie wäre dir geglückt, warst wen'ger du besonnen. Wenn deine Finger sanft der Nessel Blatt berühren, Wirst du sogleich den Schmerz, den brennenden, verspüren. Greif zu mit ganzer Hand und fasse dreist den Schaft, So ist die Staude dein — es äzt dich nicht ihr Saft. 4. Der Sinn des Weisen fühlt die menschliche Beschränkung Sinngedichte Der Sinn des Weisen fühlt die menschliche Beschränkung Als hohes Himmelsglück und nicht als bittre Kränkung. Und weil er sein Begehr nach seinem Können richtet, Hat er kein Ziel verfehlt und auf kein Glück verzichtet. Dem allzukühnen Wunsch mußt du entsagen lernen: Nur eines Kindes Hand langt nach den goldnen Sternen, Und nur des Narren Brust vermag den Wunsch zu nähren, Es trüg' ein Waizenhalm statt einer sieben Ähren. 5. Der Schelm, von dem man sagt, er habe kein Gewissen Sinngedichte Der Schelm, von dem man sagt, er habe kein Gewissen, Ist schlimm; mit Recht bist du zu meiden ihn beflissen. Doch schlimmer noch ist der — ihn fliehe jederzeit! — Von dem man heimlich raunt, daß sein Gewissen weit. Dem Kahn, deß großes Leck ganz offen ist zu schauen, Wirst du voll Übermuth dich nimmer anvertrauen. Der andre scheint dir wol zu kurzer Fahrt zu taugen; Wie morsch die Bretter sind, entgeht den flücht'gen Augen. Doch weil er fest dir dünkt, vertraust du dich den Planken Und rufst: ich blinder Thor! wenn deine Füße sanken. Der treue Buchhalter Wenn ich mein Tagewerk vollbracht Und in dem großen Rechnungsbuche Die Ziffern alle aufgemacht Und nur noch die Bilance suche; Und wenn mir dann ein kleines Plus Nur übrig bleibt für spät're Tage, Und ich den kleinen Überschuß In's neue Credit übertrage; Dann such' ich froh mein Lager auf, Und lege mich zufrieden nieder Und prüfe meinen Lebenslauf In allen Einzelheiten wieder. Was ich gedacht, gesagt, gethan, Wo ich geweilet und gewandelt, Da frag ich wieder bei mir an, Ob ich auch immer recht gehandelt. Ich prüfe jede kleine That Bei des Verstandes hellem Lichte Und halt' mit dem Gewissen Rath, Das jede Täuschung macht zu nichte. Und find' ich eine einz'ge Zahl Im Werth vom Eigennutz erniedrigt, So zahl' ich mit der Reue Qual, Bis alle Gläubiger befriedigt. So prüfe ich gewissenhaft An jedem Tag mein Thun und Handeln, So will ich auch mit aller Kraft Den ganzen Weg durchs Leben wandeln. Und wenn ich strenge mich geprüft Im Rechtthun und das Recht zu üben, Und ich der Wahrheit Flammenschrift Auf's Neue mir in's Herz geschrieben: Dann lege ich mein Haupt zur Ruh Und wiege mich im Arm des Schlummers, Dann schließ ich sanft die Augen zu Und schließ das dunkle Blatt des Kummers. Und wenn mein letztes Stündlein naht Und ich die Schlußbilance suche, Dann schließe ich das letzte Blatt In meinem großen Rechnungsbuche. IV. O erste Liebe, der die Ew'gen grollen „Aus der Dämmerung“ Sonette und Gedichte O erste Liebe, der die Ew'gen grollen, Weil du die höchste bist der Himmelswonnen, Dir haben sie das tiefste Leid ersonnen, Damit wir nicht zu Göttern werden sollen. Mit argem Sinne haben dir die Hohen Den Keim des frühen Tods in's Herz gesenket, Mit Thränen dich und Bitterniß gekränket Und Gift gegossen in den Kelch, den frohen. Und wo zwei Seelen jugendlich sich finden, Da steht der Trennungsengel schon zur Seite, Und alle Schmerzen führt er im Geleite. Dem Himmel muß die Hölle sich verbinden, Dem hellsten Lichte folgt die Nacht der Blinden, Damit der Mensch nicht aus der Menschheit schreite. VII. In jedem Menschenherzen ruht verborgen „Aus der Dämmerung“ Sonette und Gedichte In jedem Menschenherzen ruht verborgen Ein Sehnen nach dem mütterlichen Herzen, Dem Urquell seiner Freuden, seiner Schmerzen, Dem treusten Grabe aller seiner Sorgen. O heil'ger Schooß! Wie in der Kindheit Tagen So löst noch jetzt in der geweihten Nähe Von meinem Herzen mild sich alles Wehe, Und still in Thränen wandeln sich die Klagen. Wie einst mein Haupt in deiner Haft gelegen, Wenn mich der heiße Sommer müd gemacht, Und leise mir erschien des Schlafes Segen, So sehnt sich, wenn ich lang genug gewacht, Mein Geist noch jetzund jener Ruh entgegen: Im Schooß der Mutter des Vergessens Nacht. Die Akropolis In den Kelch der Ewigkeiten war ein neuer Tag geflossen, Zitternd auf Athenens Hochburg lag das Mondenlicht ergossen, Feierlich, ein Grab der Welten, ruhte sie in stillem Schauer, Schweigend ob den heil'gen Resten hielt die Nacht die Leichentrauer. Dieser Götterhallen Marmor, glanzvoll wie das Licht des Tages, Wich der düsteren Gewalt des blitzenden Vernichtungsschlages, Was der Türkenmond verschonte, hat das Christenkreuz verheeret, Freche Hände der Gestalten wechselvollen Zug versehret. Und du sankst in die Vernichtung, du, der diese Felsen schwiegen, Neue Götter, kalte, wilde, konnten deinen Reiz besiegen, Nicht der Kämpferin Athene glänzten diese heil'gen Tempel, Jeder Stein pries deinen Namen, trug, o Schönheit, deinen Stempel! Doch nun wüthen mit Vertilgung fessellos die Leidenschaften, Und das Gold regiert, das falsche, daran Blut und Thränen haften, Die der lang entthronten Göttin willig sich zum Dienst ergeben, Haben für das Nichts gesammelt, und verloren ist ihr Leben. Stille war's, von tausend Sternen glitzerte die Himmelsveste, Dumpf, in träumender Verzweiflung, starrt' ich auf die ew'gen Reste, Plötzlich war es mir, als regten sich die heil'gen Säulenleichen Wie zum Leben auferstehend aus des Todes Schattenreichen. Und es klang in vollen Chören: Sei getrost und ohne Zagen, Zwar die Säulen sind zerbrochen und die Pfosten sind zerschlagen, Der uns Altar war, ein Sarkophag ist nun der Felsenhügel, Aber über der Vernichtung schwingt der Geist die freien Flügel. Die zu Göttern euch gewandelt, die den Erdkreis überwunden, Schwebt dahin, der Rohheit lächelnd und dem Flattersinn der Stunden, Wilde Sieger kann die Menschheit, doch die sanften nicht ertragen, Denke dessen, der da herrschet, den ihr einst an's Kreuz geschlagen. Aber kommen wird die Stunde, da ihr nach Erlösung schreiend Den geborst'nen Tempel aufsucht, neue Opfer gläubig weihend, An die Wolken dringt die Klage: schöne Göttin, auf, erwache! Dann, dann ist die Zeit erfüllet, und es kommt der Tag der Rache. Aber leicht sind ihre Lasten und sie grollt in Harmonieen, Ihren Herrscherwagen sollt ihr froh an goldnem Zügel ziehen, Diese Stätte, neu gegründet, soll das Heiligthum der Erden, Soll für Alle, die da leben, der geweihte Tempel werden! Nicht in Wolken wird er kommen, der euch von der Qual errettet. Aus der Erde steigt die Göttin, die den Widersacher kettet, Auf den Klang der hehren Stimme aus dem Äther wird der Reigen Derer, die euch nun entfremdet, Heilung bringend, niedersteigen. Sanftes Schlagen wird dem Herzen, und das holde Maß dem Leben, Die entfloh'ne Götterruhe wird euch nie zurückgegeben, Wenn ihr unter Sorgen keuchet, wenn Dämonen euch umwinden, Kommt zu ihres Tempels Schwelle, und ihr werdet Ruhe finden. Götter sanken in die Dämm'rung, sanken hin und neue kamen, Aber sei getrost und wisse, Heil ist nur in ihrem Namen, Für die Ewigkeit gegründet wird im Glanz der Aureole Sich die Schönheit wiederbauen eine Weltenakropole. Trost O glaube nicht, wenn Schmerzensschauer Wild über deine Seele weh'n, Es werde aus dem Sturm und Dunkel Die Sonne nimmer auferstehn. O glaube nicht, wenn Alles finster Und felsig dir entgegenstarrt, Daß jede süße Rosenlaube In Stein und Dorn verwandelt ward. Uns hat ein sanfter Gott gesegnet Mit tröstend wunderbarem Pfand, Denn aus dem bittren Quell des Leides Schöpft Balsam noch die Menschenhand. Laß Seufzer deine Lippen lösen Und rinnen laß der Thränen Fluß, Ein kühlend Lüftchen wird die Klage, Und selbst die Thräne wird Genuß. Und wenn von unerschöpften Güssen Das müde Auge ganz versiegt, Und wenn in namenlosen Leiden Ein vielgeprüftes Herz erliegt — Dringt nur ein einzger Strahl durch Wolken, So weichet auch der schärfste Schmerz, Und an die kleinste Freude schmiegt sich Das glückbedürft'ge Menschenherz. Nachtgebet Ich grüße dich in deiner Pracht, Du treues Auge jeder Nacht! Dich grüß' ich, Nacht, des Tages Braut, Die er von ferne nur erschaut. Ich grüße dich, du Sternenheer, Dort oben in dem dunklen Meer! — Die Brust so voll, die Seele schwillt, Das Auge zuckt, die Thräne quillt, Die Wange glüht, die Thräne thaut, — Ich grüß' euch, ew'ge Pilger, laut. Ich grüße dich, erhab'ne Ruh! Des Geistes Schwinge bist nur du; Er flieht befreit sein enges Haus, Strömt über Zeit und Welt hinaus, Sobald er deine Nähe fühlt! Euch Lüfte grüß' ich, die ihr kühlt Den heißen Brand, den Sorge nährt; Frei wird das Herz, der Sinn verklärt. So grüß' ich dich in deiner Pracht, Du unergründlich heil'ge Nacht! Am Strande Wie brausen die Wogen, wie grollet das Meer, Wie jagen die Wolken so drohend einher! Wie öde die Dünen, wie wirbelt der Sand! Doch trüber, bewegter zwei Kinder am Strand. Nur Leben im Auge, sonst scheint es versiegt, Wie's zuckend und forschend die Ferne durchfliegt; Und wenn auch die Woge die Füße umspült, Sie haben im Schmerze es kaum noch gefühlt. Die Mutter ist lange verscharret am Strand Und all' ihre Liebe den Vater umwand; Nun bleibt er so lange, was nimmer geschah, Seitdem nicht ihr Auge die Mutter mehr sah. Zwei Tage schon sind es — der Vater zog aus, Da schreckt sie im Hüttchen des Meeres Gebraus; Zwei Tage schon sind es, er ließ sie allein — Es steigt ihre Sorge, es wächst ihre Pein. Wohl ziehen die Boote bewegt durch die Flut, Doch nimmer des Vaters, sie kennen's zu gut; Sie kennen sein Segel, sie kennen den Lauf, Selbst Berge von Wogen, die halten's nicht auf. Und einsam am Strande, da halten sie Wacht, Vom Abend zum Morgen, vom Morgen zur Nacht; Heim muß er doch kommen, er muß ja verstehn, Wie längst seine Kleinen im Jammer vergehn. Und wilder erhebt sich und donnernd das Meer, Es peitschen die Stürme die Wolken daher; Und wieder wird's Abend — vergebliche Wacht! — Nie wird euch der Vater zurücke gebracht. Der Mönch Ich wähnte, daß ich abgeschlossen mit dem Leben, Als es vor Jahren hinter mir versank, Und ew'gen Frieden glaubt' ich mir gegeben, Als Arzt dem Herzen, das so weh und krank. Wohl fand ich Frieden, doch der ernste, hohe, Den keine Lockung wieder wankend macht, Der durch das Herz weht, eine heil'ge Lohe, Ach, solchen Frieden giebt mir nur die Nacht! Doch wenn der Tag mit seinen lauten Stimmen Mein Ohr berührt, dann pocht es mir an's Herz, Daß mir in Sehnsucht feucht die Augen schwimmen, Und meine Sinne zieht es erdenwärts. So muß ich schauen, wie der Lenz voll Wonne Die Fluren küßt, wie froh die Menschen blüh'n; Wie Saaten reifen in der Glut der Sonne, Und wie die Tage wieder still verglüh'n. Im Wintersturm wie in dem Sommerlichte Zieht mich der Menschen buntes Treiben an; Das ist die alte, ew'ge Weltgeschichte, Der sich doch Keiner ganz entfremden kann. — Du, Herr, der du erfüllest meine Seele In allen Tiefen ganz mit deiner Macht, O gieb mir, wenn in diesem Schau'n ich fehle, Den keuschen Frieden einer ew'gen Nacht! Minnelied Wo hast du den Glanz deiner Augen her? Von den Sternen des Himmels allein; — Die gossen ein ganzes Stralenmeer In deine Seele hinein. Wer hat deinen Wangen die Rosen gebracht? Der Mai — der liebliche Mai! Er stahl sie der Fee einer Frühlingsnacht Und bracht' ihren Schmuck dir herbei. Doch Augenglanz und Wangenglut — Was wären sie ohne die Macht, Die tief in deinem Herzen ruht, Mild leuchtend, wie ein Smaragd. — Was wären sie ohne die Wunderkraft, Mit der du gesegnet bist, Was ohne Liebe, die zauberhaft Das Licht deiner Seele ist? Sie wären leblos, kalt wie Stein, Beglückten mich nimmermehr — Dein Lieben nur strahlt wie Sonnenschein Auf meines Lebens Meer. König Wein Auf sonnigen Bergen, auf grünenden Höh'n, Da herrschet ein König so mächtig; Sein Schloß ist in ewigem Glanze zu seh'n, Sein Hofstaat ist herrlich und prächtig. Mit jugendlich grünenden Reben bekränzt, Ist stets er von Freude und Wonne umglänzt. Was kann das für ein Herrscher sein? Das ist allein der König „Wein!“ Schenkt ein! Der Durst ist sein schlauer, geheimer Fourier, Die „Lieb“ Ceremonienmeister, Die „Heiterkeit“ dient ihm als Hofcavalier, „Lust“, „Freude“ sind dienstbare Geister; Sein Feldmarschall „Rausch“ führt im blitzenden Heer „Scherz, Wahrheit und Geist“ triumphirend einher. Drum preise, wer nur preisen kann, Den König „Wein“ als bravsten Mann: Stoßt an! Soldaten, Studenten sind fröhliche Leut', Sind alle dem Weine ergeben; Das erste Gesetz jedes Sängers gebeut, Zu huld'gen dem Safte der Reben; Denn gleich einem Gotte befreit er das Herz Von düsteren Sorgen, von Kummer und Schmerz. D'rum bringt ein Hoch mit Saus und Braus, Daß ewig grünt sein Königshaus: Trinkt aus! Liebe, die nur Liebe will Die Liebe, die nur Liebe will, Ist uns'res Lebens reinste Blüthe; Sie klingt, schweigt auch die Lippe still, Wie Glockenklang durch das Gemüthe. Denn Sonntagsfeier bricht herein, Die junge Seele betet leise, Wenn frommer Liebe Zauberschein Still um sie zog die heil'gen Kreise. Und blitzt aus lieben Augen dann Der scheuen Bitte die Gewährung, O selig, dreimal selig dann, Du Menschenherz, in der Verklärung! An eine Künstlerin Begeistrung ist des Lebens Hochgenuß — Geh' unter und geh' auf im ewig Schönen! Laß all Dein Thun vom Geist des Edeln krönen, Nur Wahrheit flammen Deinen Genius. Dann wandelt stets auf heil'ger Bahn Dein Fuß, Und Himmelsrufe hörst du fernher tönen: Und mag das Volk Dich kreuz'gen und verhöhnen, Weht durch Dein Streben doch des Friedens Gruß. Denn wer nach Großem adlermuthig strebt, Darf sich nicht scheu'n, der Menge zu verrathen, Was in den Weihestunden ihn erhebt. Begeistrung glüh' in allen Deinen Thaten: Wer vor dem Namen eines Schwärmers bebt, Der streckt die Waffen, eh' die Feinde nahten. Am Wege Was fliegst du, Knabe mit goldigem Haar, Hin über die blumige Halde? — „O laß mich, mein Ziel ist noch weit fürwahr!“ — Bleib! du erreichst es zu balde! — Du ernster Mann im braunen Haar, Was schreitest du so bedächtig? — „Des Lebens Weg ist voll Gefahr!“ — Doch Gott, der Herr, ist allmächtig! Und du, o Greis, mit silbernem Haar, Was schleppst du dich mühsam zum Walde? — „Bm müde vom Wandern schon manches Jahr!“ — Getrost; wer müd' ist, schläft balde. Auf der Alm Wir saßen auf hoher Alme Im Morgensonnenstrahl; Es klangen die Sonntagsglocken Zusammen von Berg und Thal. Die strahlenden Firnen blitzten Hernieder aus leuchtendem Schnee; Und heiliger Gottesfriede Zog über den blauen See. Da hast du mir Alpenrosen Am ragenden Hange gepflückt: Ich hielt sie entzückt in den Händen Und hab' sie vor Wonne zerdrückt. — O seliger Traum der Liebe, Wie bist du so reich und so schön, Wenn dich zwei Herzen träumen Da droben auf Bergeshöh'n! O weine nicht! O weine nicht, mein theurer Freund, Daß Dir der Tod Dein Glück genommen: Du weißt's ja, wo die Sonne scheint, — Ob früh, ob spät — muß Schatten kommen. Und wo das Glück am reichsten blüht, Da waltet das Geschick am regsten, Und wo die Ros' am schönsten glüht, Da ist gewiß ein Grab am nächsten; — Drum weine nicht! Ja weine nicht, daß von Dir schied, Die Deines Herzens ganze Wonne, Das holde Bild, das Deinem Lied Und Deinem Leben war die Sonne: Auch Sonnen müssen untergeh'n, Und jede Freude muß erblassen; — Denn — ist das Glück auch noch so schön — Es kommt nur, um uns zu verlassen; Drum weine nicht! O weine nicht und klag' nicht mehr, Du sahst's, wie schmerzvoll sie gegangen, Als Engelsrufe himmelher Das Mutterherz zum Scheiden zwangen; — Schwer war der Kampf, den fieberheiß Die Gattin und die Mutter stritten; Doch welche Mutter blieb, wenn leis Sie riefen ihres Kindes Bitten? Drum weine nicht! Ja, weine nicht! Auch Dante sang, Als Beatrice ihm gestorben, Petrarca's schönster Harfenklang Hat Lauren erst im Tod umworben: Auch Dir wird der Verklärten Bild, Wenn einst der Trauer Wolken weichen Und neu das Lied der Seel' entquillt, Des Lorbeers schönste Blüthen reichen; Drum weine nicht! Die Harfnerin I. Lustig ist das Wandern Im Böhmerwald, Wo aus jeder Hütte Musik erschallt. Kam einst in ein Dörfchen Zur Maienzeit, Alle Leute trugen Ihr Festtagskleid; Denn es zogen jubelnd Aus jedem Haus Lust'ge Musikanten In's Land hinaus. Wie die Harfe tönte, Die Fiedel klang, Scholl aus jedem Munde Der Lustgesang. Nur ein einzig Mädchen Hatte bewegt An die Brust des Liebsten Ihr Haupt gelegt. Und ein Druck der Hände, Ein heißer Kuß, War ihr Schwur der Treue, Ihr Abschiedsgruß. II. Auf der Mess' in Leipzig Saß ich einmal Rauchend bei der Flasche Im Weinlokal. Halbberauschte Gäste Beim Kartenspiel, Harfenmädchen drängten Sich durch's Gewühl. Aller Blicke waren Auf sie gewandt, Auf die frischen Kinder Aus Böhmerland: „Ei was soll das Klimpern, Das Saitengetön'! Besser ist's zu lieben, So lang ihr noch schön!“ Aber ob auch allen Die Harfe entfiel, Eine schlug voll Würde Ihr Saitenspiel, Und die Eine schien mir So wohlbekannt: — Ja, ich sah sie einst an Des Liebsten Hand. Auf dem Starnberger See Nach einem Gemälde Lachender See — grünende Flur, Nirgends ein Weh in der Natur. Wellen umgaukelt leuchtendes Roth, Mutterlust schaukelt heimwärts das Boot: „Spiele, mein Kind, Wonnen im Blick; Denn es verrinnet Jugend und Glück; Treibt dich des Lebens Nachen hinaus, Suchst du vergebens Mutter und Haus.“ „Spiele, mein Kind! Freude und Weh, Wisse, sie sind Wellen im See. Blumengebettet wiegen sie dich, Schicksalumkettet trügen sie dich.“ „Spiele, mein Kind! — Blüthen im Mai, Schnell wie der Wind wehn sie vorbei; Bringt dir der Morgen sonnigen Schein, Hüllt dich in Sorgen Mittagsgluth ein.“ „Spiele, mein Kind! Jugend ist Traum — Und sie verrinnt flüchtig wie Schaum; Ach, wie so schnelle treibt ihn der Wind Fort von der Welle! — — Spiele, mein Kind!“ Dichterleben Der Dichter steht im leichten Nachen Und treibt den schönen Fluß entlang, Er sieht den Himmel sonnig lachen, Er hört der Haine Lied erwachen Und Erndtereigen und Gesang. Ihm aber fürder weht die Seele Hinaus, hinaus in's heil'ge Meer! Kein Landen nun und nimmermehr! Ob mir im Kahn der Steuer fehle, Hoch schwebt ein Leitstern hell und hehr! Verlorner Schwimmer auf den Wellen! Kein Sternchen schimmert durch die Nacht, Des Grabes Rand dir zu erhellen, Und Heil dir, wenn ein jäh Zerschellen Des Irrwegs Angst ein Ende macht. Und soll sich heut schon mir verhüllen Auf ewig Meer und Ätherlicht, Grimm Element thu deine Pflicht, Mein Auge schwelgt' in allen Füllen Zu wonniglich, mich reut es nicht. Botin Lerche Schwing dich auf, Frau Nachtigall, Grüß mir mein Liebchen zehntausendmal! Immer nur höher, nur höher hinauf Nimm durch die Wolken den luftigen Lauf, Bis du die Sterne schauest von Nah, Frag' auf der Venus: Wer ist's, der sie sah? Gebet mir Kunde! Sie starb auf der Erden, Näher der Sonne geboren zu werden, Leichter zu athmen in reinerer Luft, Legte sie nieder in modrige Gruft Blühender Jugend liebreizend Gebild. Einer nur sendet vom Erdengefild Treulich ihr nach die Blicke der Augen. Aber sie mochten so hoch ihm nicht taugen, Bis er sich heute, der Sänger, besann, Wer noch zum Boten wohl frommen ihm kann. Sängerin, rief er, du forsche mir aus, Wo nun die Harfen im himmlischen Haus, Leise verhallend, begleiten ihr Lied, Die mir die Seele von hinnen zieht. Saget, wo weilt sie, hier ist es so licht, Jene Beklagte, hier scheidet sie nicht. Schwing dich auf, Frau Nachtigall, Grüß mir mein Liebchen zehntausendmal. Vor der Schenke An der Schenke Thür vorbeigegangen Kam ich gestern, als die Glocken klangen Zu des Mittags Stunde. Schon im Herzen Regte sich ein liebliches Verlangen Rasch zu wenden meinen Schritt, und drinnen Meiner Schenkin mit den Rosenwangen: Bringe mir, was mir gebührt, zu heischen. Also stand ich und die Burschen sangen Drinnen und ich schämte mich der Tugend, Der ascetischen, drin ich befangen Sieh, da huscht ein Bübchen aus der Thüre, Das erschrickt, denn neben mir gegangen Kam die Form, die strenge, des Scholarchen! Dieser eifert: Weh dem bösen Rangen! Hab ich dich, den schlechten Latinisten, Nun auf solchem Sündenpfad gefangen. Morgen sollst du über den Eclogen Maro's heiße Stunden mir erbangen. O ich bin ein zu gelinder Herrscher Diesen losen Vögeln, falschen Schlangen, Mittags zwölf, o tempora, o mores! Wie ein Eisen in des Schmiedes Zangen Glühete der Bub in großen Nöthen Und ich sprach: Dem Weine nachzuhangen Ist ein Amt, das will mit Sinn gethan sein. Weißt du nicht, mit Schwertern und mit Stangen Gehn sie fahn euch. Wen die Nürenberger Nimmer fingen, han sie nie gehangen. Sprich, was lehrt Lycurgos von dem Diebstahl? Aber item, welch ein Thorverlangen Mußte dich, Unseligen verführen, Daß du fort vom selben Platz gegangen Da die Axe ruht der weiten Erden, Da die vollen Römergläser prangen Und das Rebenblut, ob roth ob golden Blitzt wie ein Juwel in seinen Spangen? Wohin eilst du in die Lebenswüste, Den der Weisheit Tempel schon umfangen, Wo da blühn die holden Hieroglyphen. Geh! Der Künste Kunst ist das Empfangen, Wandle deine nächtlich grause Straße, Wirst noch fromm hieher zurück gelangen? An meine Mutter Du hast erblickt im holden Mai Zuerst das Licht der Sonne; Dein Lebensmai — wie blumenarm, Wie arm an Freud' und Wonne! Lieb Mütterchen, sie haben Dich Früh in der Gruft geborgen; Für Deine Schultern waren ja Zu schwer der Erde Sorgen. Ein armes Erbe hast Du mir, Ein reiches doch gelassen: Dein warmes Herz, das Schöne hier Lebendig zu erfassen. Die Locke auch von Deinem Haupt, Die einst die Schläfe schmückte, Sie hat bewahret immerdar Mein Herz, das so beglückte. Ich nehme heute aus dem Schrein Die braune, seidenweiche, Und tret' im Geiste hin zu Dir, Du gute Schmerzenreiche. Dein blaues Auge ruht auf mir Wie in der Kindheit Tagen, Die feine Lippe öffnet sich, Ein Liebeswort zu sagen. — Nicht kann ich legen Dir den Kranz Auf's Grab, das allzuferne, So nimm statt seiner diesen Gruß Auf Deinem bessern Sterne. Naturzauber Mümmelchen blüht auf dem Wasser Mit dem schön geformten Blatt Und es sieht mein trunk'nes Auge Einmal wieder sich nicht satt. Auf der stillen Wasserfläche Spiegelt sich des Ufers Rund, Spiegelt sich der blaue Himmel Mit den Wölkchen, kraus und bunt. Und die alten Buchen neigen Ihre Zweige hier so tief: — Kommt und seht ein reizend Märchen, Das Natur in's Leben rief! Abschied Es wiegen die Platanen sacht Die Häupter an des Flusses Ranft, Und ihr Geräusch durchdringt die Nacht Wie eine Klage weich und sanft. Hier weilten wir so oft allein Und tauschten Seel' um Seele aus. Zum letzten Male harr' ich dein: Noch einen Kuß! und dann hinaus. Ich seh' den Fluß, er rinnt und rinnt — Daß Nichts auf Erden weilen will! In den Platanen spielt der Wind, Und manches Blättchen löst sich still. Mein Herz erschrickt, indem es lauscht; Es ist, als wolle die Natur, So oft ein Blatt vom Baume rauscht, Mein Menschenschicksal deuten nur. Weilst du einst hier zur Winterzeit Und siehst die Bäume all entlaubt, Dann denk' an ihn, der dir so weit, Daß alle Freude ihm geraubt. Nachtlied Schließt nicht alle Welt zur Rast Müd das Auge zu? Wirf denn von dir deine Last, Herz, und rast' auch du. All dein Denken, laß es ruhn, Ruhn des Lebens Spiel; Deinem Leiden, deinem Thun Suche solch ein Ziel. Senke deine Lust und Plag' In des Schlummers Bann Und vergiß, daß noch ein Tag Dich erwecken kann. Ohne Leidenschaft Ich seh' es deinen Blicken an, Die sich zur Arbeit emsig wenden Und keinen Gruß mir wieder senden, Du zürnst, ich hab' dir weh gethan, Ich habe eines Dichters Sünde Verschuldet mit dem kecken Wort: Reißt ein Gefühl die Seele fort, So tönt sie auch, daß sie es künde. Vergib es mir! Ich wollt' ja nicht In deines Herzens Frieden dringen, Vermessen auf des Grußes Schwingen Hinstürmend über Scheu und Pflicht. Die Blume, die ich fern erspähe, Ich schau' mit ruhig klarem Sinn Und Wohlgefallen auf sie hin, Und trau' mich nicht in ihre Nähe. Zerbräche ich der Ferne Bann, Wie möchte das der Ruhe frommen? Mich machte Freundschaft selbst beklommen: Du eine Jungfrau, ich ein Mann. Kaum daß, wie Mondlicht auf den Wellen, Die Freundschaft leuchtet sanft und mild, Gleich naht die Liebe stürmisch wild, Und hoch der Seele Wogen schwellen. O Glück, wer solcher Stürme frei! — Was macht dich, holde Jungfrau, lächeln? — Glüht mir das Herz, ich will es fächeln, Damit es kühl und ruhig sei. Der Weise sorgt, daß er sich pflege, Zur süßen Unruh nicht bereit, Geführt von der Gemächlichkeit Geht er der Liebe aus dem Wege. Ermuthigung Ob dornenvoll und rauh auch deine Bahn, Ermatte nicht, so immerfort zu streben, Und wolle nie die eitle Frag' erheben, Was du zum Lohne wirst empfahn. Ein Thor, wenn dich der Wünsche Glut verzehrt! Du ringst und hoffst und siehst getäuscht dein Hoffen Und kamst du doch zum Ziel, stehst du betroffen, So war das Glück der Müh' nicht werth. Willst du Genuß? Du siehst die Blume dort An jähem Bergeshang gefahrvoll prangen; Erklimm den Fels und stille dein Verlangen: Und welk wirfst du die Blume fort. Wol stark ist Goldes Macht. Es läßt dich schwer Durch ein Gedräng das rauhe Leben schreiten; Und ehrerbietig weicht das Volk zur Seiten, Wenn du erscheinst in goldner Wehr. Doch frommten Schätze dir? du hast kein Herz, Vergnügt zu speisen, wo den Bruder hungert, Er mit dem Hund nach einem Bissen lungert: Es prangt das Glück in fremdem Schmerz. Was ist Fortuna's Gunst? Die Göttin beut Nicht dem Verdienst die Fülle ihrer Gaben; Sie schenkt sie ihrem krausgelockten Knaben, Dem Zufall, der sie blind verstreut. Wohl schön und lockend ist des Ruhmes Glanz; Doch nur zu oft umstrahlt er nied're Geister, Indessen Neid und Unverstand dem Meister Entziehn den wohlverdienten Kranz. Du bleibst du selbst, was auch dein Name ist! Und ob vergessen einst, ob hoch erhoben, Du spürst es nicht, wenn du in Nichts zerstoben, Dem Tod anheimgefallen bist. Nicht rasten mag dein Geist. Laß nur den Schweiß Von deiner Stirn in ernster Arbeit rinnen! Und suche, statt auf and'ren Lohn zu sinnen, Im Ringen selbst des Ringens Preis. Der Wald Ich grüße dich mit deinem Schweigen, Du tiefe Waldeseinsamkeit! Nur leise flüstert's in den Zweigen Wie Geisterhauch, vom Bann befreit. O, Waldesgrün, o, Waldeslust, Wie heb'st du höher mir die Brust! Hier will ich ruh'n auf grünen Matten, Vergessen jeden Erdenschmerz, Hier soll in deinem kühlen Schatten Gesunden mein bedrücktes Herz. O, Waldesgrün, o, Waldeslust, Wie senkst du Frieden in die Brust! Du sollst zur Andacht mich erheben, Du sollst mein Buch des Lebens sein, Dich, Wald, mit deinem reichen Leben, Will ich zu meinem Tempel weih'n, O, Waldesgrün, o, Waldeslust, Wie füllst mit Andacht du die Brust! Hier will ich deiner Stimme lauschen, Du großer Geist, der Welten schuf, Hier dringe in der Wipfel Rauschen Zu mir dein leiser Liebesruf. O, Waldesgrün, o, Waldeslust, Wie ahnungsvoll heb'st du die Brust. Nimm stets mich auf in deinen Frieden, Du schöner Wald, du stiller Wald, Gieb frische Kraft dem Kampfesmüden Durch deiner Majestät Gewalt. O, Waldesgrün, o, Waldeslust, Dich preis't mein Lied aus voller Brust. Vergißmeinnicht Wenn ich dich, liebes Blümchen, schau Mit deinen Augen himmelblau, Wenn ich dich seh' am Bach, so klar, Wird mir so weh, so wunderbar. Sprichst du gleich nur das eine Wort, Tönt's doch in unserm Innern fort, Das Wort, es hat so süßen Klang Und stillt des Herzens heißen Drang. Wenn uns der Spruch des Schicksals trennt, Wenn heiß die Thrän' im Auge brennt, Wie tröstlich, wenn dein Mund dann spricht Das eine Wort: Vergißmeinnicht! Am Niagara Unter dem Tafelfelsen Vom Felsen sickert es tropfenweis In langsam einförmigem Takt, Nun vor mir schäumt er wie siedend heiß, Der tobende Katarakt. Hoch oben die ragende Felsenwand Ein Baldachin für das Haupt, So sitz ich, den Griffel in der Hand Und vom Nebel des Sturzes umstaubt. Welch ein Dichtersitz! Mir zu Füßen liegt Die sprudelnde Wasserwelt. Über Klippen, die sie im Kampf besiegt, Stürzt sie wild, wie ein zürnender Held. Im ewigen Ringen, im steten Kampf Hat sie Bahn bis zum Meer sich gemacht, Der Nebelschleier ihr Pulverdampf, Ihr Tosen der Donner der Schlacht. Und allein im wilden tobenden Streit Sitz ich einsam am Felsenhang, Gedenke des großen Kampfes der Zeit, Der gekämpft wird nun schon so lang. Niagara's Lauf und der Menschheit Loos Ein ewiger Kampf um die Bahn, Zur Bahn der freien Entfaltung getrost Und wild streben beide hinan. Hernieder stürzet des Stromes Lauf Den Felsen mit donnerndem Krach, Hoch sprudelt der Gischt, die Woge wallt auf, Dann stürzt sie den anderen nach, Kein Hemmen, kein Halten, hinab die Bahn, Sie trotzet dem hemmenden Stein, Und stolz und brausend zum Ocean Wälzt sie siegesgewiß sich hinein. Da hemmt kein Bergsturz, kein blinkender See, Fern grüßt sie im Osten das Land, Die Mauern der Städte, die grüne Höh' Umzieht sie mit silbernem Band. Durch tobenden Sturz, durch Höhlen und Nacht Bricht sie herrlich und strahlend her, Sie schaukelt die Brigg und die tanzende Yacht, Mit Schätzen beladen, zum Meer. So auch die Menschheit, durch Kampf und Schlacht Wird sie siegreich ziehn ihre Bahn, In der Zukunft frei, in Glanz und Pracht Vergißt sie den Streit, den Orkan. Niagara's Donner an meinem Ohr, Im Herzen die Hoffnung der Zeit, So brachen die Worte gewaltsam hervor, Die ich Euch, ihr Kämpfer, geweiht! Liebeslied Jüngst als ich an Deinem Garten Lauschend wollt' vorübergehn, Glaubt ich hinter'm Strauch von Rosen Halbverborgen Dich zu sehn. — Schüchtern grüßt' ich, und recht freundlich Nickt's mir zu, — nur wußt' ich nicht, Waren es die blüh'nden Rosen, Oder war's Dein Angesicht. An eine Stumme Wer je Dein Antlitz hat geschaut, Dein Auge, strahlend wie Azur, Dem sagt die inn're Stimme laut, Du bist nicht stumm, Du schweigest nur. So schweiget nur die heil'ge Nacht, Wenn erst des Tages Lärm verhallt, Und nur des Mondes Licht noch wacht, Das Frieden auf die Erde strahlt. So schweigt das weite, tiefe Meer, Das Perlen birgt in seinem Schooß, Worin des Himmels Sternenheer Sich spiegelt rein und einfach groß. — Du bist nicht stumm, Du schweigest nur Zu all' dem irdischen Gered' — Das Gotteswort in der Natur Doch Deine Seele ganz versteht! — Und reden Gottes Engel einst Mit Dir in ihrem Himmel dort, Vor inniger Liebeslust Du weinst Und sprichst erst dann Dein erstes Wort. Auf Immerdar „Auf immer? Nein! Du sprachest nicht das Wort, Das wie ein Fluch mir tönt im Ohre fort! Du sagtest wohl: auf eine lange Zeit, Auf viele Monde trüber Einsamkeit, Auf manches unabsehbar lange Jahr, So lang Du willst, — nur nicht auf immerdar! Sieh, ich kann warten, — o so still, so treu, Vom Lenz zum Herbst, und dann zum Lenz aufs neu; Und all' die Zeit verlangt' ich nur ein Wort, Von diesem einz'gen lebt' ich fort und fort. Es wär' das Lied, dazu mein Rad sich dreht', Es wär' mein Morgen- und mein Nachtgebet. Ja, glücklich wär' ich, könnt' ich mit Dir geh'n! Ich wollte Nachts an Deiner Schwelle steh'n, Und Tags bewachte Dich mein Aug' von fern, — Denn nicht naht niedre Maid so edlem Herrn; Und Liebe stärkte mir den schwachen Arm, Daß er Dich schützte gegen allen Harm. Allein Du sagst: es kann nicht, darf nicht sein. Nun, wie Du willst, ich füge mich darein. Und gern blieb' in der Hütte ich zurück, Die ja geweiht durch Deinen Fuß und Blick, Und wollte beten, — beten Nacht und Tag, Daß Gott Dich segnen und beschützen mag! Und däucht' es mir einmal doch gar zu lang, Und wär' das Herz zu traurig und zu bang, Dann schlich ich leis zu Deinem stolzen Schloß, Und mischt' mich unter Deiner Diener Troß, Und spräche einer Deinen Namen aus, Dann lebt' ich selig, — und ging still nach Haus. Sieh, Alles das und mehr noch thät' ich gern Und dächt' in Demuth meines güt'gen Herrn; Und ohne Thränen — daß vom Auge nicht Mir schwindet, was Du liebst, das sonn'ge Licht, Und von den Wangen nicht die Rosen flieh'n, Die mir Dein erster sel'ger Kuß verlieh'n. Nur nimm das Wort zurück ... sei gut! nicht wahr, Du sagtest nicht: auf immer, immerdar! Ich soll vergessen? wie, — Du scherzest wohl? Du willst es nicht, daß ich vergessen soll! Und wolltest Du's, ich müßte sterben dann, Denn nur im Tode ich vergessen kann.“ „Es darf nicht sein; — leb' wohl auf immerdar!“ Es war sein letztes Wort, so klar, so klar; Sie spricht es sinnend nach mit leisem Ton; Kein and'res ist seitdem dem Mund entfloh'n. Sie sprach's, bis ihr das Herz gebrochen war; Da ward es stille ... auch auf immerdar! Als Kind hab' oftmals ich gefragt Als Kind hab' oftmals ich gefragt, Was doch so schwer das Sterben macht, Warum so hart der Tod? Ich dacht' es mir vielmehr recht schön, So still aus dieser Welt zu gehn, Zu ruhn von aller Noth. Doch als von dir ich scheiden mußt', Da ward ich's plötzlich mir bewußt, Das Sterben sei doch schwer. Denn wenn das schon so bittre Pein, Was muß das ew'ge Scheiden sein? ... Nun wünsch' ich's nimmermehr. Gute Nacht Allüberall Stille und Ruh; Schließet die Augen nun zu, All' ihr Belasteten, Müden, Schlaft in des Ewigen Frieden, Der euch bewacht. Gute Nacht! Klagt, was euch drücket, dem Herrn! Er hört den Bittenden gern. Er wird für Alles schon sorgen, Hat, so wie heute, auch morgen Eurer gedacht. Gute Nacht! Daß euch der Schlummer erquickt, Hat Er ein Englein geschickt; Das nimmt euch all' eure Schmerzen Von dem belasteten Herzen Milde und sacht. Gute Nacht! Drum schließet die Augen nur zu, Schlafet in Frieden und Ruh! Sehet, dort hoch aus der Ferne Winken euch freundliche Sterne In ihrer Pracht. Gute Nacht! 1. Abschied Am Vierwaldstätter See Schon löset der Bootsmann die Kette, Mein Schifflein stößt in den blauen See; Hoch schimmert am Berg zwischen Tannen und Schnee Das ragende Haus, das mich gastlich empfieng — O, wehe mir, daß ich herniedergieng! Babette, Babette! O, daß ich Flügel hätte! Über Fluth und Fels, über stürzenden Bach Flög' ich hinan zum röthlichen Dach, Wo die Fahnen wehen vom hohen Altan, Wo noch einmal ich könnte dich sprechen an. Babette, Babette! O, hätt' ich des Zauberers Kette! Ich zöge herab dich vom hohen Ort, Ich zöge dich mit in die Heimath fort, Wo im einsamen Thal meine Hütte steht, Wo die Myrte wächst im sonnigen Beet. Babette, Babette! O, daß ich Thränen hätte! Mir ist, als führ' ich in ewigen Tod, Als wäre mein Sarg dies grüne Boot; Ich möchte weinen, nicht weinen ich kann — O, Mädchen, was hast du mir angethan? Babette, Babette! 2. Das verlorene Blümchen Am Vierwaldstätter See Du gabst mir ein blaues Vergißnichtmein, Tief innen mit goldenem Sterne, Daß mir's lächle den Himmel in's Herz hinein Und mir leuchte weit mit in die Ferne. Doch beim Scheiden, wie ward mir das Auge trüb! Da ist mir's verloren gegangen; Nun weint' ich, weil mir nichts weiter blieb, Als im Herzen ein trauernd Verlangen. Da siehe, ist mir im Busen schnell Ein anderes Blümchen entsprossen; Ach, aber es lächelt nicht himmelhell: Es ward mit Thränen begossen. Ja, wär' es bei dir: o, in kurzer Zeit Wie würd' es sich lustig erheben! Denn bei dir ist Himmel und Heiterkeit Und Licht und sonniges Leben. 3. Maitag Am Vierwaldstätter See Wie lieblich war's am ersten Maientag, Als ich im Grase dir zu Füßen lag! Ich sah dir in die blauen Äugelein, Zu lesen, was da mocht' geschrieben sein. Da stand geschrieben: „Ewig, ewig dein!“ Geschrieben wie mit Gold und Sternenschein. Ich küßte dich auf deinen rothen Mund Und meinte Herr zu sein vom Erdenrund. 4. In die Ferne Am Vierwaldstätter See Mädchen mit dem Lockenhaupt, Du hast mir mein Herz geraubt, Hast gefesselt meinen Sinn, Daß ich ganz dein eigen bin. Und nun zogst du fort von hier; Durch das herbstliche Revier Irr' ich, suchend deine Spur, Finde kalte Nebel nur. Nicht mehr im Kastaniengang Schau' ich dich, am See entlang, Nicht mehr in den Wellen mild Spiegelt sich dein liebes Bild. Ach, und ohne Scheidewort Zogst du aus dem Lande fort, Gabst mich preis dem scheelen Neid Und dem bittern Herzeleid. Kehre wieder, theures Lieb, Weil ich dir so treu verblieb, Weil ich elend sterben müßte, Wenn dein Mund mich nicht mehr küßte! 5. Mannesloos Am Vierwaldstätter See Mein Schmerz ist stumm, nicht wie die Nachtigall Kann ich mein Leid in holden Tönen klagen, Nicht Dichtern gleich in süßer Rede Schwall Mein Herz erleichtern, das so schwer muß tragen; Ich kann nur, was ein Mann nach jähem Fall, Ich kann nur leiden, schweigen und entsagen. Ich kann nur segnen, nimmer sie verklagen, Die meinem Herzen solches Leid gebracht, Zu lichten Höhen mich emporgetragen Und wieder mich versenkt in tiefe Nacht. Ich harre nur, bis es beginnt zu tagen, Bis mir das Licht, das allen scheint, erwacht. Dann will ich auf mich raffen ohne Klage; Bemüht, daß ich den Schmerz zusammenpresse, Will ich entschlossen bis zum letzten Tage Den Hammer schwingen in des Lebens Esse: Ob ich dabei auch weiter nichts erjage, Als daß ich so mein Herzeleid vergesse. 6. Die erste Schwalbe Am Vierwaldstätter See Sieh', da schweift schon ihr Gefieder! Holde Schwalbe, kehrst du wieder? O, nun kommt der Frühling auch: Sonnenstrahlen, Blüthenhauch, Blau der Himmel, blau der See — Herz, mein Herz, vergiß dein Weh'! Vögel zwitschern in der Luft; Hörst du, was die Schwalbe ruft Juble, mein Herz, mit den Vögelein Über alle Berge zum Himmel hinein: Sie wird mein, wird mein, wird mein! 7. Die Erwählte Am Vierwaldstätter See Eine nur ist's, der ich will gefallen, Der vom Haupt die blonden Locken wallen, Deren Blick wie Frühlingsmorgenlicht Farbenhell mir in die Seele bricht; Ihr allein Will ich ganz zu eigen sein. Nicht mehr kämpf' ich vor der Welt um Ruhm, Ihr Herz ist mein höchstes Heiligthum Und ein Lob, aus ihrem Mund erklungen, Tönt mir wie von Himmelsengelzungen; Sie allein Soll mein höchster Leitstern sein. Denn die Gunst der Menschen wankt wie Wellen, Die vom Windhauch auf und niederschnellen; Aber ihr Herz ist ein fester Thurm, Zu ihm flücht' ich aus des Lebens Sturm; Sie allein Soll meine Welt, mein Himmel sein. Gruß an die Schweiz Hochgethürmt im Alpenglanze, Nach des Himmels goldnen Höh'n Ragt ein Land im Strahlenkranze Grüner Matten, blauer See'n — Hochwacht in Europens Mitte, Urquell biedrer Kraft und Sitte, Sei gegrüßt, o Schweizerland! Wo sich Winkelriede rächten, Wo das Ziel getroffen Tell, Wo in finstern Glaubensnächten Zwingli sprach: „Es werde hell!“ — Dieses Land, es ist dein Erbe, Schweizervolk! kein Feind verderbe Je dein Heiligthum, die Schweiz! Halte Wacht auf hoher Zinne Mit des Adlers scharfem Blick, Daß kein Frevler Raum gewinne, Daß kein Zwist verwirrt dein Glück! Damm und Schranke dem Tyranne, Freistatt jedem braven Manne, Stehe fest, o Schweizerland! Herrlich hat dich Gott geschaffen, Schön vor andern, hehre Schweiz; Möge nie dein Arm erschlaffen, Ewig blüh'n dein Ruhm und Reiz! Land der Freiheit, Land der Siege, Tapf'rer Männer hohe Wiege, Lebe hoch, du Schweizerland! Siegeslied der Deutschen in der Fremde Wenn im deutschen Heimathlande Sich Millionen Herzen freu'n, Daß getilgt die alte Schande, Wieder deutsch der deutsche Rhein: O, dann zieht es auch Millionen, Die in fremdem Lande wohnen, Mächtig nach der Heimath hin. Von des Erdballs fernsten Zonen, In der alt- und neuen Welt, Wo nur deutsche Herzen wohnen Unterm blauen Himmelszelt: Blicken nach den Siegesfeuern In dem Vaterland, dem theuern, Millionen Augen hin. Alle haben mitgelitten Unter welschem Hohn und Lug, Hätten gern auch mitgestritten In des deutschen Heeres Zug: D'rum zum Siegesfest am Rheine Muß die weite Weltgemeine Aller Deutschen stimmen ein: „Dank dem deutschen Heldenheere! Allen — nicht den Höchsten nur! Doch den Todten uns're Zähre Und den heil'gen deutschen Schwur: Euern Preis, den kampfesheißen, Soll kein Feind uns je entreißen, Alle Deutschen halten Wacht. Deutschland soll in Frieden blühen, Friede seinem Länderkranz! Deutsche Freiheit soll erglühen Aus der deutschen Siege Glanz: Dann wird auch ein Völkerfrieden Über alle Welt hienieden Zieh'n sein goldnes Himmelsband.“ Die Erlenmaid I. Die Blumen duften, der Waldbach rauscht, Es tönet lockende Melodei; Der Ritter hält am Quell und lauscht Dem Lied der schönen Erlenfei. Er lauscht, von süßem Weh erfüllt, Den Tönen lockend wunderbar. Sie reicht, von Blüthen bunt umhüllt, Die Muschel ihm zum Trunke dar. „Du schöne Maid, Dein Sang entzückt, Noch nie Vernommnes thust Du kund — Den Mund, der mir mein Ohr berückt, Laß küssen mich den lieben Mund!“ Er zieht die Maid an seine Brust — Ihr Auge flammt, ihre Wangen glüh'n, Sie schaut ihn an mit wilder Lust — Es lockt das dunkle Waldesgrün. „Du hast geküßt mich auf den Mund, Nun muß mich tragen Dein wildes Roß; Schaust Du dort fern den Erlengrund, Dort ist mein Land, da ragt mein Schloß!“ II. Der Abend ist kalt, die Luft ist schwer, Im Thale schwanket Nebelgebild, Die Wolken ziehen langsam einher, Wie Grabesgeister in Trauer gehüllt. „Mein Lieb, wo ist Dein Ahnenschloß? Ich schau' nur Erlen und alt Gestein“ — „Geliebter, schon naht der Dienertroß, Siehst Du dort ferne Fackelschein?“ — „Ich schau' nur Erlen, der Nebel schwankt — Nur Irrlichtschimmer, Du bleiche Maid — Mein Roß ist müde, der Boden wankt, Die Nacht ist kalt, Dein Schloß ist weit.“ „Mein Schloß ist nahe, d'rum schwankt der Grund, Siehst Du dort ferne den Runenstein? Du hast mich geküßt auf den bleichen Mund, Du mußt nun mit, Du bist nun mein!“ Der Waldbach rauscht, die Wolken zieh'n, Den Ritter graut es vor der Maid. Aus ihren Armen ist kein Entflieh'n, Die Nacht ist kalt, der Weg ist weit. Ihr Auge flammt, ihre Wang' ist erblaßt — Ihr Lachen schallt durch den stillen Hain. Sie hat ihn mit wildem Verlangen umfaßt: „Du mußt nun mit, Du bist nun mein!“ Lang geträumt Spät noch sitz' ich mit dem Liebchen An dem Fenster, niedrig klein, In das alte traute Stübchen Dringt des Mondes Silberschein; Irrlicht hüpft zur Geisterstunde, Wo die Erle einsam steht — Nebelbild schwankt in dem Grunde, Wo das Mühlrad rauschend geht. Liebchen fürchtet die Gespenster, Birke rauscht im Abendwind — Klopfet an das lose Fenster, Schreckt das liebe bange Kind. Bunte schöne Bilder ziehen Durch der Liebe süßen Traum. Jahre kommen, Jahre fliehen, Und wir merken's beide kaum. Maiennacht im Rosenschimmer Locket in den kühlen Hain — Blumenduft und Sterngeflimmer Zieh'n in uns're Hütte ein. Wieder sitz' ich in dem Stübchen An dem Fenster niedrig klein. Vor mir sitzt mein treues Liebchen — Nun ein altes Mütterlein. Ist die Zeit so rasch entwichen? Mich erfaßt ein eigen Weh — Liebchens Wangen sind erblichen, Liebchens Haar ist weiß wie Schnee. Ist es denn so spät, mein Liebchen, Haben wir so lang gesäumt? In dem kleinen trauten Stübchen Haben wir so lang geträumt? Das Alpenhorn Er bläst das Horn und legt sein Herz hinein, Die Töne quellen durch die Lüfte rein, Und Fremde loben wohl den milden Klang, Wenn er so wehmuthvoll zu Thale drang. Es wohnt ein Mädchen an des Berges Fuß Und liebt ihn nicht, doch gilt nur ihr sein Gruß; Das Alpenhorn ist's, das ihn trösten soll, Drum tönt es auch so weich und wehmuthvoll. Er bläst es, wenn der erste Morgenglanz Die Berge schmückt mit hellem Zauberkranz; Dann wünscht er seiner Lieben guten Tag, Der schon so frühe drückend auf ihm lag. Er bläst es, wenn der Abend mild und traut Zur Alp herab aus gold'nem Schleier schaut; Da wünscht er seiner Lieben süßen Traum — Und sie träumt nie von ihm, denkt seiner kaum. Er bläst es, wenn er bei der Heerde wacht, Im Sternenschein und Firnenglanz der Nacht; Dann wünscht er seiner Lieben sanfte Ruh', In weichem Klang tönt sein Gebet ihr zu. Er bläst es, als nun geisterhaft und fahl Des Herbstes Nebelschleier weht zum Thal, Da hat er sie zum letzten Mal gegrüßt Durch's treue Horn, das ihm den Schmerz versüßt. Denn als der Sommer nun hernieder schaut, Da ist das Mädchen eines Andern Braut, Der Hirt im Grabe. Niemand denkt mehr sein, Vielleicht das stumme Alpenhorn allein. Der Fremde Um Ruh zu suchen, kommt er in die Schweiz, Ihm träumt's von frischem Hauch und Alpenreiz, Er kommt und wohnt im sonnig tiefen Thal Und findet da der Heimath Lust und Qual. Es rauscht der Baum, der goldne Äpfel trägt, Es wogt das Ährenfeld, vom Wind bewegt, Die Traube reift, die Lüfte wehen schwül: Ich will zur Alpe, dort ist's frisch und kühl! Und Baum und Acker weicht. Er steigt empor, Die Berge treten immer freier vor, Das helle Bächlein jauchzt ihm schäumend zu, Die Luft wird kühler und er träumt von Ruh. Und weiter, weiter! Heerdenglockenklang Umspielt ihn traut und heitrer Hirtensang, Die glühe Alpenblume schmückt die Weid', Er pflückt sie, kindlich froh nach langer Zeit. Der stille Alpensee, er zeigt ihm mild Des Himmels klares Blau im Spiegelbild, Die Bergeshäupter rosig, silberweiß: Dort will er hin, ihn lockt ihr ewig Eis. Er schreitet auf gezackter Felsenwand; Tief, tief vor ihm dehnt sich ein blühend Land, Hier Schwindelhöh' und schauerliche Kluft Und weißer Berge Kranz in blauer Luft. Und Alles majestätisch, öd und still, Ob's hier den Ruhelosen fesseln will? Ob hier er findet sein verlornes Glück? Man weiß es nicht, — er kehrte nie zurück. Wiegenlied für einen Müden In süße Träume wiegt die Poesie, O laß dich wiegen, müdes Menschenkind! Sie reicht dir Spielzeug und sie wiegt so lind Und gibt dir wieder, was verloren hie. In süße Träume wiegt die Poesie, O laß dich wiegen in dein altes Glück! Unwiederbringliches bringt sie zurück, Und Unabänderliches ändert sie. Die heilige Allmutter Poesie! Die das entwöhnte Kind im Traum beglückt! O seht es saugen! Ach, es ist entrückt In alte schöne Zeit. Ihm gibt sie die! Die hohe gottgewalt'ge Poesie! Die in die Jugendzeit den Greis versetzt Im Frühlingsnachttraum, der ihn also letzt, Daß ihm den ganzen Tag, er weiß nicht wie! In süße Träume wiegt die Poesie, O laß dich wiegen, müdes Menschenkind, Sie reicht dir Spielzeug und sie wiegt so lind Und gibt dir wieder was verloren hie. Oculi Christi Christusaugen! Welche Seele Mochte diesen schönsten Namen Sinnig dieser Blume geben? War's ein frommer Minnesänger? War's im stillen Klostergarten Ein beschaulicher Verbluter? Eine heil'ge Frauenseele Ihren himmlischen Verlobten Brünstig überall erblickend? Christusaugen! Diese Blumen Ähneln morgenländ'schen Augen — Innerlich erschauernd denkst du An das Auge des Erlösers. Die zwei Gesichte Dein Herz liegt dir im Antlitz, dein Antlitz mir im Sinn, So liegt in meinem Herzen dein herzig Herzchen drin, Und wahr ist und wahrhaftig, was dir zu Ehren schafft, In Träumen und Gesichten die inn're Bildungskraft. So wie du um mich lebest und webest allermeist, So schildert dich der Träume und der Gesichte Geist, So stellte dich sein Bilden in zweien Träumen dar, Die mich erfüllt mit Rührung und hoher Freude gar. Ich sah im wachen Traume mich pestkrank und allein In dämmeriger Wüste. Kalt fiel der Thau herein. Da schlang um mich ein Arm sich, da küßte mich ein Mund, Ich sah empor: du warst es! du bliebst bei mir allstund. Ich sah im wachen Traume: — mein Leben schien ein Knäul Der scheußlichsten Verbrechen; ich war der Menschen Gräul; Auf fremder Straße stand ich, zerlumpt, in Nacht und Sturm. War ich allein? Sanft sprachst du: „Komm, Karl, im Wald ist Schurm.“ Das sind die zwei Gesichte, die mich der Geist ließ schau'n, Die mich erfüllt mit Rührung und seligem Vertrau'n. In Noth und Tod nicht ließest du von mir ab die Hand. O selig ist die Liebe, die solche Liebe fand! Du liebst mich wie die Mutter, so voll Verlaß, so ächt, Und wie mein alter Vater, so edel, schlecht und recht, Und so wie Gott dich liebet, du kindlich gut Gemüth. Ja, selig ist zu preisen, wem solche Liebe blüht! Tröstung Laß der Zeitfluth ihren Lauf, Denn sie rauscht dir Tröstung zu. Mondesschifflein schwebt herauf — Anmuthreiches Bild der Ruh! Wie sein lichtes Segel schwillt, Wird auch wohl dein Schmerz gestillt. Hoffnung lächelt dir und streut Hoch am Berge, tief im Thal, Wie der Morgen sich erneut, Künft'ger Rosen sanften Strahl. Harre still: Zeit und Natur Heilen alle Creatur. Alte Liebe Es kehrt die dunkle Schwalbe Aus fernem Land zurück, Die frommen Störche kehren Und bringen neues Glück. An diesem Frühlingsmorgen, So trüb verhängt und warm, Ist mir, als fänd' ich wieder Den alten Liebesharm. Es ist, als ob mich leise Wer auf die Schulter schlug, Als ob ich säuseln hörte Wie einer Taube Flug. Es klopft an meine Thüre, Und ist doch Niemand draus; Ich athme Jasmindüfte, Und habe keinen Strauß. Es ruft mir aus der Ferne, Ein Auge sieht mich an, Ein alter Traum erfaßt mich Und führt mich seine Bahn. Gleiches um Gleiches Wohl als aus Eden ein Cherub trieb der Menschen Eltern beide, Und Adam ging, gesenkt den Blick, gesenkt das Haupt vor Leide, Da folgt' ihm, rückwärts das Haupt gewandt, die Mutter unser Aller, Langsam. Mit höhnisch trotzigem Blick maß sie den Himmelswaller. Und ihren stolzen Trotz und Muth, sie gab ihn Töchtern und Söhnen, Und lehrte sie den eifrigen Gott, den starken Gott verhöhnen. Abgöttisch wurde das ganze Geschlecht. In entsetzlichen Geschicken Erfüllte sich, was verhieß vordem der Heva blitzendes Blicken. Jahrtausende floh'n. Wer weint im Staub? wer küßt mit tausend Zähren Die Füße dem Rabbi von Nazareth in reuigem Verehren? ... So hat denn nur die Knechtsgestalt den stolzen Sinn gebrochen? — Als Gott dem Kreuz entgegen ging, ist das Weib zu Kreuze gekrochen. O unergründlicher Blick! o Blick der Mutter der Lebend'gen! Noch heute in den Töchtern kann kein Cherubsschwert dich bänd'gen, Nur Liebe. Nur durch Liebe wirst — doch wie leicht durch Liebe! — bezwungen. Der Demuth bringst du in Demuth dar erschütternde Huldigungen. Pfalzgraf Friedrich II. O stünde mir zu Gebot ein Gesang Wie Lautenschlag und Schwerterklang! Das war ein Tag für die Sängerei! Der Pfalzgraf Friedrich war dabei. Und den hat noch kein Gesang gekrönt? Und dem ist noch kein Lied ertönt? Hervor aus des Vergessens Nacht, Pfalzgraf! Dein Preis sei dir gebracht! Zu Middelburg hielt auf einen Tag Erzherzog Karl ein groß Gelag. Da ward geplaudert von Nah und Fern, Von des Ritters Dame und seinem Stern. Da ward geplaudert von Fern und Nah, Auch von dir, o göttliche Musica! Und Etliche hatten fürgebracht Daß du je und je weich und weibisch gemacht. Es könne kein mannhafter Ritter sein, Wer deiner pflegt. Die stimmten ein, Die widersprachen nicht halb, nicht gar, Der Pfalzgraf warf seinen Handschuh dar. Er gedachte der heiligsten Freuden sein, Und ein Schauer fuhr ihm durch Mark und Bein. Die lieblichste aller Musen schmäh'n! Ungeahndet durfte das nicht gescheh'n. Auch ich, sprach er, treibe die Tonkunst gern. Ob ich mannhaft, mögen erproben die Herrn. Und ein Zweikampf ward alsbald versucht, Da schlug er die Gegner all in die Flucht. Er hat sie am rechten und linken Ohr Gezeichnet, daß Keiner sein Haar mehr schor. So schlug er die Gegner all aus dem Feld: Die Tonkunst liebt jeder deutsche Held. Ein Vivat dieser Pfalzgrafengestalt, Die so rührend unter des Ritters Gewalt Und Urkraft birgt ein zartes Gemüth, Das für die göttliche Kunst erglüht! Etwas vom Junker Jürgen Beim Waidmann, unter einer Buchen, Stand Junker Jürgen. „Ei so! Mit Suchen Reimt Finden, sagt Ihr? Reimt's auch schlecht, Ein wahres Wort ist's, und nicht recht Von mir war's, Euch so aufzuhalten, Zumal da Euer Nimrodswalten Sorgt, daß uns nicht der Braten mangle. Ade denn, bis ich Euch wieder angle. Bei Jägern läßt sich Manches erfragen, Worüber uns nichts die Bücher sagen. Will am Schloßberg in die Erdbeer'n gehn. Ade, Rudolf, auf Wiedersehn! Noch Eins, mag's auch sich thöricht schicken: Was ist das für ein seltsam Picken? Jetzt wieder! Mir graut bei diesem Picken!“ — „Ein Ding, sprach Jener, ist's ohne Tücken Der Grünspecht macht sein Loch in die Eiche. So hackt er wohl über tausend Streiche. Gar lächerlich aber ist sein Brauch, Nach jedem einzlen Streiche auch Zu fliegen auf die andre Seite, Nachsehend ob er in ganzer Breite Den Baum nicht durch und durch gehackt.“ „Ei, sprach der Junker, das ist vertrackt, Ade, Gott segne Euer Werk!“ Und setzte sich auf ein Gestein am Berg, Den Wappenrock auf der Achsel, das Schwert Am Hefte haltend, als ob's ihm werth, So saß er da. „Werkheiligkeit, Im Grünspecht bist du konterfeit! Mit jedem Hiebe wähnst auch du Hindurchgedrungen zu sein zur Ruh, Schaust und beäugelst zu jeder Frist, Was fertig und was dahinten ist. Und bist mit allen Schnabelhieben Doch nun und je diesseits geblieben.“ Sprach's, und versank in ernstes Sinnen. Der Wartburg morgensonnige Zinnen, Und Wipfel an Wipfel in leisem Rauschen, Sie schienen seinem Schweigen zu lauschen. Ein Straßburger Sprichwort Meines Nachbars Hund, o Sultan, Laß den Knochen, gib mir Auskunft! Laß den Knochen da im Grase. Sieh', zu Straßburg geht ein Sprichwort, Und der große Lustspieldichter Arnold hat es aufgenommen: Niemals nag' ein Hund am Knochen, Wenn nichts dran ist. Und ich dachte: Wenn ein armer Hund so klug ist, Wird der Mensch, dem Gott Verstand gab, Doch wohl schwerlich dümmer handeln. Und ich machte mir's zum Grundsatz, An der Meinung jedes Menschen, Dran er hängt, die er vertheidigt, Was Gescheidtes stets zu suchen, Wie verkehrt sie scheinen möge. Diesem Gruudsatz dank' ich vielen, Ja unendlichen Gewinn schon. Keinem Äußersten ergeben, Allvermittelnd weiß ich Alles Nun harmonisch zu verbinden, Und mit Ruhe gegenred' ich, Finde Gott in jedem Menschen, Keinen Menschen überflüssig, Und es wird mir leicht die Duldung Und das Größeste, die Liebe. Aber, Sultan, dieser Knochen, Dran du spielend nagest, der ist Weiß vor Alter. Dran ist gar nichts. Und der Sultan, seinen weißen Knochen mit den Pfoten haltend, Wedelte mit seinem Schwanze, Sah mich an mit treuen Augen, Und so sprach er aus dem Stegreif: „An dem Knochen da ist Alles, Was ich mir daran will denken.“ Und bewundernd Hundetiefsinn, Rief ich die geflügelten Worte: „Traun! ein Doctorhut gebührt dir, Meines Nachbars Hund, o Sultan!“ Eselbeflügelung Einst war von Eseln groß und klein auf Erden ein Gewimmel. Es spielte mit dem Leviathan just der Adonai vom Himmel. Da sah der Engel Metatron die Esel an, die armen, Das langgeöhrte, graue Geschlecht, und fühlte ein tief Erbarmen. Ach, sprach er, das schleppt und schleppt mit Geschlepp und schleppt sich schier zum Narren! Wie dauern die grauen Thierlein mich mit ihren Päcken und Karren! So sprach der Engel mitleidsvoll und kam vom Himmel gefahren Mit siebenmal siebzigtausend Schock milchweißen Flügelpaaren. Er wollte jedwedem Eselein anheften ein Schwingenpärlein, Auf daß sie in's Paradies hinein sich höben mit Haut und Härlein, Auf daß sie ließen den Treiber zurück, und die Last und den Mangel im Stalle, Und flögen zur Idealwelt empor, die lieben Eselein alle. Wo ewig jung und bläulich-roth und duftsüß aufgeblühet Zu Tausend- und aber Tausenden die Distelblume glühet, — Hochstämmig, für alte Esel ein Wald, und Nachwuchs für die Kleinen, — Da sollten sie zu seliger Rast ganz nach Belieben erscheinen. Doch als er nun eifrig zu heften begann, da huben sie an zu schreien Und auszuschlagen auf's Schrecklichste, wollt'n nicht den Rücken leihen. Drauf lachte Schaddai Metatron, und mit Lachen trat er zurücke, Und lachend kehrte er himmelwärts auf der Regenbogenbrücke. Was will vom himmlischen Metatron dies irdische Lied nun heißen? Werft nicht die Perlen vor die Säu', sie möchten euch nur zerreißen. Und zwingt und zwängt uns einer Blut aus des Liedes mildem Busen, Harmlosigkeit ist Himmelsart und harmlos sind die Musen. Halt' Er an, Hans! Laßt ein Sprüchlein leben, Das uns Gott gegeben Gegen Überschweben Und verkehrtes Streben. Jeder Narr muß eben Unserm Haltruf beben: Halt' Er an, Hans! Halt' Er an! Schilt ein Pillenschlucker, Ein Warmwasserglucker Oder Sternegucker Oder sonst ein Mucker Dich, o Traubenzucker, Dich, o Wein, du schmucker! — Halt' Er an, Hans! Halt' Er an! Wenn von schönen Lippen, Holden Herzensklippen, Wir uns Küsse nippen, Zart und süß wie Hippen, Und Fraubasenippen Kippen uns und wippen — Halt' Er an, Hans! Halt' Er an! Wenn ich mit euch singe, So recht guter Dinge, Nicht wie Finsterlinge, Wenn ein Hoch ich bringe, Und man will die Schwinge Machen uns geringe — Halt' Er an, Hans! Halt' Er an! Uns nicht bei den Alten Finden einst die kalten Grämlichen Gewalten, Die uns nie was galten. Wollen munter schalten, Bis der Tod heißt halten — Halt' Er an, Hans! Halt' Er an! Hexenwald Ein Wandrer zog an seinem Stab Allein den grünen Wald hinab. Am Wege war ein hohler Baum, Drin stand ein Jäger, wie im Traum, Der blies: trarah, trarah, trarah — Der Wandrer wußte nicht, wie ihm geschah. Und als er bald ein Häuschen fand, Darauf ein kleiner Tambour stand, Der wirbelte ganz eig'ner Weis' Und trommelte so fein und leis, So leis: raplang, raplang, raplang — Da ward's ihm in der tiefsten Seele bang. Und als er schaut zum Fenster 'nein Und sieht da hocken ein Mütterlein, Die laus't im Schooß den eigenen Schopf, Hat aufgesetzt 'nen Greisenkopf — Da sprang er aus dem Wald und Platz Als wie ein Floh, hoho! mit einem Satz. Die Kastanien wenden sich von selbst „Im Jahr eintausend achthundert und acht, Da ward ein feines Sprichwort erdacht: Die Kastanien wenden sich von selbst. Es war mal ein Ofen, drin hat es gepufft, Das kam vom Feuer und von der Luft. Die Kastanien wenden sich von selbst. Mein Elsbeth, die habt Ihr nicht gekannt, Die hat sich gar schön die Nase verbrannt. Die Kastanien wenden sich von selbst. Sie werfen sich gar von selbst herum, Und übereifriges Wenden ist dumm. Die Kastanien wenden sich von selbst.“ So plaudert die alte Schulfrau fürwahr, Und die alte Schulfrau hat schneeweißes Haar. Die Kastanien wenden sich von selbst. Und item! sagt der Herr Doktor dazu, Laßt die liebe gute alte Natur in Ruh. Die Kastanien wenden sich von selbst. Sie! sagt der Kaplan, der die Alte besucht, Vom Beichten seh' ich keine Frucht. Die Kastanien wenden sich von selbst. Hm! sagt der Schultheiß, das Wort hat Gewähr, Unsre Kasse war voll, nun ist sie leer. Die Kastanien wenden sich von selbst. Bei allerlei Dingen, die mich geplagt, Hab' denn auch ich zum Trost mir gesagt: Die Kastanien wenden sich von selbst. Das Rheinthal Stoßt an, stoßt an, das Rheinthal das soll leben! Vor langen, langen Zeiten war's ein See, Das ganze Rheinthal war ein See, juchhe! Und heute wächst so guter Rheinwein da, So goldiger Rheinwein, ha! Victoria! Stoßt an, stoßt an, das Rheinland das soll leben! Hoch! Stoßt an, stoßt an, das Rheinthal das soll leben! Vor langen Zeiten war's ein wüstes Meer. O Barbarei! nur Fische kreuz und quer! Und heute sind so schöne Mägdlein da, So rosige Mägdlein, ha! Victoria! Stoßt an, stoßt an, das Rheinthal das soll leben! Hoch! Stoßt an, stoßt an, das Rheinthal das soll leben! Nur dumme, stumme Fische, großer Gott! So dumme, stumme Fische, welche Noth! Und nun so herrlich Singen! Trallara! So lustiges Singen! ha! Victoria! Stoßt an, stoßt an, das Rheinland das soll leben! Hoch! Stoßt an, stoßt an, das Rheinthal das soll leben! Ihr hohen Münster! Und ihr Schlößlein, hier, Du städtereiches, schönes Lustrevier! Bei Bingen, da brach's durch, bei Bingen, ja! Soll leben, Bingen! Hoch! Victoria! Stoßt an, stoßt an, das Rheinthal das soll leben! Hoch! Mein Gebetbuch Mein Buch, aus dem ich bete, Das schmückt kein Perlenkranz, Kein Kreuz von Edelsteinen Stralt drauf im hellen Glanz. Es steht im Freien draußen, Und Niemand schließt es ein, Für alle Menschen offen, Ein Jeder sieht hinein. Das Gold der Morgensonne Ziert seiner Blätter Rand, Im frischen Grün gebunden Von unsichtbarer Hand. Es trägt in sich verwahret Ein ew'ges Heiligthum, Was Erd' und Himmel fasset: Das Evangelium! Darinnen jedes Zeichen Spricht von des Werkes Werth, Spricht Lob dem großen Meister, Der uns die Liebe lehrt. Mein Buch, aus dem ich bete, Steht draußen auf der Flur, Für alle Menschen offen, Die herrliche Natur. Des Sängers Liebe Auf hohem Fels, voll Majestät Ein prächt'ges Schloß im Freien steht; Drin glänzet, wie im Zauberstral Des Festes reich geschmückter Saal. Und viele Gäste, hoch im Glanz, Die bilden einen schmucken Kranz; Die schönste Rose mitten drin Ist auch des Festes Königin. Sie ist des stolzen Ritters Braut, Den man zur Seit' ihr lächelnd schaut. Der stillen Freude Lustgesang Ist seines Bechers Silberklang. Dazwischen tönt der Ruf gar laut: „Hoch leb' der Bräut'gam, hoch die Braut!“ Und jubelnd gibt aus jedem Mund Der heit're Sinn sich ringsum kund. Und als die frohe Zecherschaar Des Übermuthes voll schon war, Da tritt bei hellem Lichterschein Ein fremder Jüngling schüchtern ein; Mit dunklem Auge, offen, klar, Und langem, blonden Lockenhaar, Und eine Laute in der Hand — Ein Sänger, wie er zieht durch's Land. Der Schloßherr ruft: „Willkommen mir Sei du bei meinem Feste hier; Will reichlich lohnen deinen Sang, Singst du ein Lied von heitrem Klang, Ein Lied zu Ehren meiner Braut, So rein, wie sie, und auch so traut.“ — Der Sänger drauf sich wendet still, Mit seinem Sang sie grüßen will. Doch als er ihr ins Auge blickt, In seiner Brust das Lied erstickt; Denn was er schaut, er faßt es kaum, Er hält's für einen bösen Traum, Und Stirn und Wange wird ihm bleich, Als stieg' er aus dem Todtenreich; Die Laute fast er krampfhaft fest, Mit der den Arm er sinken läßt, Und ruft, als bräch' das Herz ihm schier: „O Liebe! das — das thatst du mir!? — Und nimmermehr erkennt sie mich — O armer, armer Sänger ich! O, daß ich nie geglaubt es hab' — — Ja, Trennung ist der Liebe Grab! —“ Und Alles staunt den Sänger an, Der so viel Leid nicht tragen kann, Und fort stürzt vor das Schloß hinaus, Bis an den See, in Nacht und Graus. Dort aber hält er plötzlich still, Als wüßt' er nimmer, was er will, Sieht seine Laute bitter an Und spricht voll Schmerz in Thränen dann: „Was soll ich, ach, nunmehr mit dir, Ein Todtenlied wol singen mir?! — Was soll mir deine Harmonie, Ist, ach, zerstört im Herzen sie! Was sollen süße Klänge dein, Kann nimmermehr ich ihr sie wieh'n! Kann ich von Lieb' nicht singen mehr, Von Treue nicht und Mädchen Ehr'; — Drum fahr' auch du, mein Letztes, hin, Da unten, da ist Ruhe drin! — —“ Er spricht's und wirft mit wildem Weh Die Laute in den tiefen See. Drauf blickt er eine Weile starr Und denkt, wie's ist — und denkt wie's war, Da dringt's in's Ohr mit einmal ihm, Als hört' er klingen ihre Stimm'; Und glaubt zu fühlen ihren Arm, Der ihn umschlungen hält, so warm; Bis länger er nicht dulden will, Dieß lügenhafte Geisterspiel, Das ihn durchzuckt mit seiner Qual, Als führ' durch seine Brust ein Stahl — Und mit der Seele ganzer Kraft, Schwerathmend rasch empor sich rafft Und ruft, als faß' ein dunkler Wahn Den arg betrognen Sänger an: „Nein, nein, du Stimme, lockst mich nicht! Hinweg, du schönes Angesicht! Ihr Engelszüge, sanft und mild, Seid nur ein höllisch Truggebild'! — Und spräche selbst der Himmel auch Für dich mit seinem Liebeshauch, Könnt' nimmer er versöhnen mich, Denn hassen — hassen muß ich dich!“ Und schreit in seinem tiefsten Leid: „Verflucht seist du, du falsche Maid! Verflucht der süße Augenblick, In dem mich traf zuerst dein Blick, Verflucht der erste Druck der Hand, Der mich an dich, du Schlange, band, Verflucht dein erster Liebeskuß, An dessen Gift ich sterben muß! Und so wie jetzt in seinem Schmerz Vergebens ringt mein armes Herz, So ringe, Heuchlerin, auch du Umsonst hinfort nach Glück und Ruh'.“ Und als des Fluches Wort verhallt', Das er hinausstieß mit Gewalt, Wird wieder ringsher still die Nacht, Als hielt ein Todesengel Wacht. Nur unten tief, mit einem Mal Ertönt ein schwerer, dumpfer Fall, Und schäumend eilt dahin die Flut, Wo Laute jetzt und Sänger ruht. Traum der Natur Wenn aus der blauen Ferne glühend Die Frühlingssonne wieder lacht, Und die Natur, so herrlich blühend, Aus ihrem Winterschlaf erwacht, Da blicket, aus der Erd' entsprossen, Das Blümchen uns so freudig an — Von Silber scheint es übergossen, Wie Demant glänzt der Thau daran. Der Baum schmückt sich mit frischem Laube Und breitet seine Zweige aus, Dem Menschen gleich, voll Lieb' und Glaube, Streckt er die Arm' gen Himmel aus! Die Vöglein fliegen auf und nieder, Die Mücke hüpft im Gras umher, Es regt der kleinste Wurm sich wieder, Als ob der Tod nur Märchen wär'! So sieht der Mensch die Schöpfung walten, Die nichts auf Erden hier versäumt, Zu formen, fügen, zu gestalten, Wie's die Natur im Schlaf geträumt! 's Herzliad Die Liab is oa Engerl Des in Herzn loschirt, Und oft mit dö Flüagerln Zan fliagn probirt. Drum wann Oans recht glückli In Lebn sei will, Muaß bittn dös Engerl So ganz in da Still: Daß's auffi zan Himmel Ganz hoamli si schwingt, Und nacha vo drobn In Segn mitbringt. Und thuats hernach stürma A um dei kloans Haus, Da derfst di nöd gräma, Da mach da nix draus. Dös Engerl thuat wacha, Du werst as scho seg'n, Und laßt dann dein Herzn Koa Unrecht nöd gschegn. Da Pechvogl Hätt i nua so viel Glück wia Pech, Da wär i za beneidn, Da hätt i gwiß, wia gar koa Mensch, Dö allagrößten Fraidn. So aba bin i vo Natua Für's Pech scho bstimmt i worn; Denn 's größti Pech, dös i nua kenn, Is — daß i bin geborn. Und weil i sitta 's Pech scho han, So moa i allweil fest, Daß mei Herr Taufgöd amal a Is gwiß oa Schuasta gwest. Und daß, wiar a mi ghalten hat, Da Pfarra si hat girrt, Daß er anstatts mia Wassa z'gebn, Mein Kopf mit Pech hat gschmirt. Wann i in oana Gsellschaft bin, Wo's Pfända spieln thoan, Und wo, so wia dö Bußln grad, A d'Dachteln z'kriagn soan: Da kriagt ganz gwiß vo jeda Dirn Oa Bußl jeda Bua, Nua i han 's Pech, kriag ganz alloa Für Alli d'Dachtln nua. Gibt 's in oan Haus oa brochne Schaln, Und kimm i zan Kaffeh, Da kriag i gwiß koa andri nöd — Als justamend nua dö. Wann i in Wirthshaus mäuserlstoad In Winkl hint wo sitz, Und fanga Zwoa zan Raffa an Und kimmant in dö Hitz, Daß rechts und links dö Scherm fliagn, Und d' Fenstascheibn knalln, Da packn s' z'letzt nua mi beim Kragn: I soll dö — Fensta zahln! Setz i mi af dö Eisenbahn — Und wann i 's zwanzgmal sag, Daß i auf Wean mächt, fahrn s' ganz gwiß Schnurgrad mit mia af Prag. Und mit da Lottari erst gar, Da han i 's größti Gfrett; Moants ös, mia fallt oa Nummra ei, Dös aussi kämma thät? Und wann i no so schöh oft troam, Zan Beispiel: d' Moahm is gstorbn, Und i setz glei in Siebzger drauf — Is richti a — valorn! I denk halt, daß nix af da Welt, Ja nöd amal mei Dirn, So fest an mia hängt, wia dös Pech, Daß i 's nia soll valirn; Denn so wia mir Zwoa, i und 's Pech, Alls mitananda thoan, Dös trifft si schwar; mir derfte grad Zwoa Zwillingsbrüada soan. Ja, wann i iß, ißt 's Pech a mit — Weil mir oan Löffel ham; Und wann i 's Reindl ganz hinstell — Dös Pech haut 's allweil z'samm. Und wia af d' Nacht i schlafa geh, Legt si a 's Pech za mir, Und bricht jedsmal mit'n Bretln durch, Daß i in Schlaf valir. Und so wird's nir so viel als Pech Allweil bei mia nua gebn; Denn was oa rechta Pechvogl is, Der bleibt 's a für sei Lebn! Kein Ziel, kein Maß! Kein Ziel, kein Maß! — nun hab' ich ausgesprochen Das Wort, das manches Liebesband zerreißt; Der Fluch, an dem mehr als ein Herz gebrochen, Der finst're Dämon uns'res Lebens heißt: Zu viel, zu wenig! Wenn mild dein Stern — wenn selig dein Gedanke Mit ros'gen Lippen schlürft am Born der Lust, Dann kennst du keine Gränze, keine Schranke, Dann sinkst du blind an jede fremde Brust — Das ist zu viel! Doch wenn verlöscht des Lichtphantomes Schimmer, Nur Reu' dir blieb, Enttäuschung nur und Schmerz, Dann glaubst du selbst dem treuen Freunde nimmer, Dann reichst du ihm die Hand, doch nicht das Herz — Das ist zu wenig! Und wieder nah'n der Freude gold'ne Stunden, Da rufst du aus, die Brust vor Lust geschwellt: Ein Wahn der Schmerz, ein Traum des Lebens Wunden, Der Mensch ein Gott, ein Paradies die Welt! — Das ist zu viel! Kommt zitternd, still, die blasse Stirne neigend, Ein Bettler, dessen Knie vor Alter bricht, So gibst du zwar, doch mürrisch, kalt und schweigend, Du hilfst ihm wohl, doch tröstest du ihn nicht — Das ist zu wenig! Begreife denn: vom Glücke deines Lebens Trennt dich nicht selten nur ein Schritt, ein Haar; Im großen All suchst du den Grund vergebens — Was dich oft arm und klein gemacht, es war: Zu viel, zu wenig! Nimm zu streng nicht jedes Wort Nimm zu streng nicht jedes Wort, Kommt's aus Frauenmunde; Hat's dich auch verwundet, bald, Glaub' mir, heilt die Wunde. Trag's als Dorn der Rosen mit, Die so oft dich laben — Können Rosen wohl dafür, Daß sie Dornen haben —? Und glaube nicht, von Deinen Thaten Und glaube nicht, von Deinen Thaten, Träumen Geh' selbst ein Keim, ein einziger, verloren, Gewiß trägt ihn ein Sturm nach fernen Räumen, Und wo er fällt, wird eine Frucht geboren. Wie klein Dir auch Dein Wirken mag erscheinen, Das Weltmeer selbst besteht aus kleinen Wellen: Sei nur ein Lenz, im Großen oder Kleinen, Des Lebens Urkraft strömt aus ew'gen Quellen. Was Du gethan — vielleicht wird es vergehen, Der Geist der That jedoch kennt keine Trümmer: Der Thaten Segen, der wird fortbestehen — Die Rosen sterben — doch der Frühling nimmer. Sieh! für allen Schmerz und Kummer Sieh! — für allen Schmerz und Kummer Und für alles Leid im Leben Ward als lindernd süßer Balsam Uns das Frauenherz gegeben. Frauenherz und Frauenseele, Wie so tief, ach! wie so innig, Wie so duldend und ergeben, Wie so heilig, wie so sinnig! Ewig hoffend und vertrauend, Ewig träumend, ewig wagend, Immer sprudelnd, nie versiegend, Ewig glaubend, nie verzagend. Ein Komet bist du — so glänzend, Und ein Ätna, feuersprühend, Immer brennend, immer lodernd, Immer flammend, immer glühend. Bist das Nachtigallenliedlein, Weckst der Liebe Frühlingsblüthen, Bist das Immergrün — du lebst noch, Wenn die Blumen all' verglühten. Bist das Meer, das unergründlich Ewig schäumet, ewig flutet; Bist der Pelikan, der liebend Sich verwundet und — verblutet. Bist ein Engel, mild und lächelnd, Der die Menschheit freundlich grüßet, Der sie tröstet und sie segnet, Ihr vom Aug' die Thränen küsset. Werden auch im Kampf der Leiden Treulos Menschen einst auf Erden, Wird auch Alles klein und muthlos — Frauenherz wird's nimmer werden! Triffst du ein liebend Herz Triffst du ein liebend' Herz auf deinen Wegen Und spricht's: du wärest seines Glückes Traum, So komm' als schöner Traum ihm auch entgegen, Verstoß' es nicht — gib milder Regung Raum. Wahr ist es: Liebe läßt sich nicht gebieten; Die Götter wollen, daß du frei beglückst — Nur geh' mit Herzen um so wie mit Blüthen, Und sei nicht grausam, selbst wenn du sie knickst. Doch kann es sein, dann mögst du Liebe üben, Du wahrst vielleicht ein Herz vom Untergeh'n; Denn größer als die Sehnsucht, selbst zu lieben, Ist noch die Sehnsucht, sich geliebt zu seh'n! O schäm' dich deiner Thränen nicht O schäm' dich deiner Thränen nicht, Das Haupt nicht weggewendet! Die Thräne, die vom Aug' dir bricht, Die hat dir Gott gespendet. Und sie ist gar ein köstlich' Gut, Um das dich Kön'ge neiden; Sie spült hinweg mit kühler Flut Die Spuren deiner Leiden. Sie sinkt als milder Thau hinab Auf's Herz, das fieberkranke, Und wie ein Röslein blüht am Grab, Blüht dort ein Trostgedanke. O schäm' dich deiner Thränen nicht, Die dir ein Gott gegeben, — Wem es an Thränen hier gebricht, Der lebt ein traurig Leben. Eins ist's besonders Eins ist's besonders, was tief an uns'rer Zeit ich bedaure: Daß sie das Herz ignorirt, daß sie den Geist überschätzt; Einst war Güte des Menschen größte, erhabenste Zierde; Ein „guter Mensch“ jetzt zu sein — ruft nur Verhöhnung hervor! Einst rauschte stolz der Po Einst rauschte stolz der Po zu meinen Füßen; Da dacht' ich still: du meines Volkes Segen, Ich möchte jede deiner Wellen küssen, Und all mein Leid in deine Tiefen legen. Mit ihm den Wahn, der dieses Land zerrissen, Der Fluch so lang gestreut auf allen Stegen, Und der die Blüthen alle trat mit Füßen, Die einst erglüht auf diesen sonn'gen Wegen. Den Wahn mein' ich, der unseren Gedanken Im nächt'gen Haß Erlösung zeigt auf Erden, Und Landesgränzen macht zu Liebes-Schranken. Fließ' sanft dahin, du blutgetränkte Welle, Und lehr' die Völker einmal einig werden Und Leben saugen aus der Liebe Quelle! Wiedersehen! Wiedersehen, Wiedersehen! Welche Wollust, welch' Entzücken, Welch' unendlich süßer Zauber In dem Worte: Wiedersehen! Jede Regung, jede Thräne, Wie so freudig, wie so wonnig, Wie so bebend, wie so lodernd Jede Fiber, jede Sehne! Wiedersehen, Wiederfinden, Einmal noch am Dasein schlürfen, Einmal träumen noch und liebend Das Geliebte warm umwinden; Einmal noch ihm zu begegnen In dem bunten, wüsten Leben, Um auf dieser weiten Erde Es noch einmal still zu segnen, Ihm die Hand noch einmal drücken, Die getrocknet unsre Zähren, Ihm die letzte, bleiche Blume Der Erinnerung zu pflücken. Wiedersehen, Wiedersehen! Welche Wollust, welch' Entzücken, Welch' unendlich süßer Zauber In dem Worte: Wiedersehen! Selbstopfer Sag' nicht: — nun laß' ich von der Menschenbrut; Mit Schmerz und Haß hat sie mein Sein umnachtet, So sei sie nun auch siebenmal verachtet, Verachtet und verflucht mit ganzem Muth; Nun will ich einsam meine Bahnen wandeln, Fern von der Welt und ihrem wüsten Handeln, Bis meines Fluches Saat aufgeht in Blut! — Halt ein! wie wär's noch rings auf Erden Nacht, Hätt' jeder Schwergeprüfte so gesprochen, Und jenen großen, heil'gen Eid gebrochen, Den wir dem Weltgeist schweigend einst gebracht; Den Eid, zu zeugen für der Menschheit Ehre, Den Eid, zu schlagen bis zum Tod die schwere, Jahrtausend alte Welterlösungsschlacht. Du frägst: was dann der Lohn? — und welcher Lohn Ward je dem Märtyrer in Eisenbanden, Ward je dem Krieger, der in fremden Landen Aus Pflicht noch rang, als alle Andern floh'n? Und welcher ward dem Denker, dessen Lehren Sein Volk gereift und hinstarb im Entbehren? Und welcher ward am Kreuz dem Gottessohn? Sie alle rufen mahnend ernst Dir zu: Stürz' Dich ins große, allgemeine Leben! Nicht bloß empfangen soll der Mensch, auch geben Vom Quell des Daseins — und das mußt auch Du; So lern' ertragen denn Noth und Beschwerde, So lang Du kannst; dann sorgt von selbst die Erde, Daß Du den Frieden findest und die Ruh'! Vom Gebete Der Mensch soll beten, soll die Stirne beugen Vor jenem Etwas, das sein Loos bewacht; Soll — selbst nur Staub — vor dem im Staub sich neigen, Der den Gedanken dieser Welt gedacht. Ist Sonnenaufgang nicht und Abendröthe, Der Welle Gruß, der Hauch, der Dich umweht, Der Blume Duft — ist Das nicht auch Gebet? Die ganze Schöpfung ruft uns zu: o bete! O bete, bete! — doch Dieß heißt nicht eben Dem leeren Wort nur leeren Klang verleih'n; Was Du da betest, mußt Du innerst leben, Mußt mit dem Geist des Wortes Eines sein. Nur was die Gluth des Lebens reift und röthet, Nur was das Licht des Geistes klärt und weiht, Nur Das ist und wird sein für alle Zeit — Der Geist belebt, doch der Buchstabe tödtet. Wenn Dich des Unglücks mächtige Gewalten Zu Boden schleudern; wenn in Gram und Schmerz, Gebändigt von der Allmacht ew'gem Walten, Den Hochmuth von sich wirft Dein wundes Herz; Wenn Du, der spät an Deines Sternes Neigen Erfahren endlich dieses Lebens Nichts, Dich unterordnest selbst dem Quell des Lichts — Dann betest Du, ob auch die Lippen schweigen. Und weißt Du, wann noch betet Deine Seele? Wenn Du im Geiste kniest vor dem Altar Der Gott-Natur und süß wie Philomele In Dir ertönt ihr Echo wunderbar; Wenn dann auf Deine gramgefurchten Wangen Der Rührung Thräne mild und lindernd fällt, Und Du erlöst die ganze, weite Welt Versöhnt und liebend möchtest gern umfangen. Getragen von des Weltgeists lichten Schwingen Gehst Du dann auf ins allgemeine All', Und kannst mit ihm der Menschheit Kreis durchdringen, Das ganze Sein in seiner Lust und Qual; Und Beiden wirst Du dann zum milden Segen: Denn das Gebet, das innig Du gelebt, Es gleicht dem Tropfen, der vom Staub sich hebt, Und dann als Thau zurückfällt und als Regen. So geht's 1. O Mutter! o Mutter! Mein Herz ist befangen — Als heut' aus dem Kirchlein Des Dorf's ich gegangen, Nachdem ich das Meßkleid Des Pfarrers geküßt, Da hat an der Schwelle Ein schmucker Geselle Mich also gegrüßt: „— Sei mir tausendmal willkommen, Holdes Mädchen, mit dem frommen Engelslächeln und dem schönen Himmlisch klaren Augenstern, Der mich füllt mit Liebessehnen, Wie ein Strahl aus blauer Fern'. O werde mein, o werde mein, Du schönes, holdes Engelein! Conte nennt man mich zu Lande, Und mein Glanz wird Dich umfluthen: Demantsblumen, gold'ne Bande Werden gießen ihre Gluthen Um den Leib Dir, lustgeschwellt; So im Strahl von tausend Kränzen Sollst Du prangen, sollst Du glänzen, Eine Königin der Welt! —“ „Mein Kind, und laß Dir sagen: Du wirst ihn einst beklagen, Den falschen Freudentraum; Was hoch ist und was nieder, Das findet sich nicht wieder Im engen Erdenraum. Laß fahren, o laß fahren Die Sucht des Wunderbaren, O kehr' zu mir zurück! Nur an dem Mutterherzen Winkt wahres Lebensglück!“ 2. O Mutter! o Mutter! Mein Liebster kam wieder, Und legte viel Perlen Zu Füßen mir nieder, Indessen er lächelnd Ein Röslein mir brach; Dann hat er geschworen, Daß er mich erkoren Zum Bräutchen, und sprach: „— Laß uns schwelgen, laß uns küssen, Laß uns schlürfen und genießen Von dem seligen Entzücken Lenzberauschter Liebeslust; Laß umschlingen Dich und drücken Fieberheiß an meine Brust. Nun bist Du mein, ganz eigen mein, Du schönes holdes Engelein. O wie wonnig läßt sich's liegen An der Brust Dir, an der warmen; O wie wonnig läßt sich's wiegen, Kind, in Deinen weichen Armen — Welch ein Meer von Trunkenheit! Sag', wer konnt' es Dich wohl lehren, Dieses wilde Lustverzehren, Diese Welt von Seligkeit? —“ „Gott weiß, es kommt kein Segen Des Himmels Dir entgegen Auf dieser wirren Bahn; Das Traumbild wird vergehen, Dann wirst Du einsam stehen Mit Deinem trüben Wahn. Dann wird Dein Haupt vergebens Am Abend Deines Lebens Verblüh'n in Reu' ergraut: Verloren, ach verloren! Es bleibt dem Sturm erkoren, Was sich dem Sturm vertraut.“ 3. O Mutter, o Mutter! Mein Herz ist gebrochen — Wohl kam heut' mein Liebster, Doch hat er gesprochen Von Abschied und Trennung, Von Sitten und Pflicht; Er sagte mit schlauer Geheuchelter Trauer Und kaltem Gesicht: „— Lebe wohl! nun muß ich scheiden, Muß für alle Zeit Dich meiden, Denn die Schritte von Dir lenken, Heißt mich strenge Schicklichkeit; Doch will ich mit Dank gedenken Deiner süßen Fügigkeit. Du warst ja mein, ganz eigen mein, Du gutes Mädchen zart und fein! Lern' indessen nur entsagen Einem Glück, Dir nicht beschieden; Lern' es dulden und ertragen Stillergeben und im Frieden Daß das Schicksal Dir nicht hold; Und sollt' einst Dein Stern erbleichen, Sollte Mangel Dich erreichen, Möge trösten Dich mein Gold. —“ „Mein Kind, und laß Dir sagen: Nun bist Du zu beklagen Auf dieser wirren Bahn; Nun stehst Du da verlassen, Allein auf dunklen Gassen Mit Deinem trüben Wahn. Du arme Lustverführte, Du arme Schmerzverirrte, O kehr' zu mir zurück! Hier an dem Mutterherzen Blüht Dir aus tiefen Schmerzen Vielleicht ein neues Glück!“ Wenn ich ihn manchmal sah ... Wenn ich ihn manchmal sah, Hab' ich gezittert, gebangt; Und dennoch wieder hab' ich Nur ihn zu sehen verlangt. Und wenn er im Vorbeigehen Nur leicht mein Kleid berührt, Hab' ich noch lang darüber Mit den Blumen discurrirt. Mahnung Es beugt das stolze Haupt sich schwer, Und schwer der starre Sinn, Und dennoch fühl ich, daß ich längst Nicht mehr ich selber bin. Ich weiß nicht, was noch kommen wird, Doch ist mir oft so bang; Oft reißt mich dir zu Füßen hin Ein mächt'ger Seelendrang. Dein Aug' ist treu; du siehst mich an So innig und so tief — Und dennoch ist's, als ob hinweg Von dir mich mein Engel rief. I. Küsse mich, denn, ach! sie bluten Wiedervereinigung Küsse mich, denn, ach! sie bluten Alle noch die jüngsten Wunden, Küsse mich, daß ich vergesse Alle die verfluchten Stunden! Laß mich von den süßen Lippen Liebe und Vergessen saugen, Laß mich sterben, überstrahlet Von dem Himmel deiner Augen. II. Nein, ich will dich nimmer fragen Wiedervereinigung Nein, ich will dich nimmer fragen, Ob du mich auch wirklich liebst; Mit geschlossnen Augen nehmen Will ich, was du gnädig giebst. Mit gebundnen Händen stelle Ich mich schweigend deiner Macht, Nichts mehr hoffend und nur fürchtend Einer Trennung ewige Nacht. Wiedersehen In bangen Nächten, wenn der graue Wahnsinn Mit dürren Fingern an das Hirn mir pochte, Wenn glüh'nde Thränen meine Kissen netzten, Mein wildes Herz vor Zorn und Sehnsucht kochte — In solchen Nächten war mir der Gedanke, Daß Du noch lebst, daß ich Dich wiedersehe, Ein Stern, nach dem ich zitternd hob die Hände — Und trotzig weiter schleppt' ich dann mein Wehe. Ich sah Dich wieder — wieder plötzlich flammten Sie alle auf, die alten Wahnsinnsgluthen, Der wilde Zorn, der Schmerz, die herbe Liebe — Es war, als müßte ich vor Dir verbluten. Du aber standest mit dem argen Lächeln, Das mir bekannt aus gottverfluchten Tagen; Der fahle Blick macht mir das Herz erstarren: Es war ein freches, antwortsich'res Fragen! Und Deine Hände streckten fieberglühend Sich plötzlich so begehrend mir entgegen, Und mehr und mehr sah ich Dein Bild erblassen, Das mich begleitet einst auf allen Wegen: „Das ist er nicht!“ schrie es in meiner Seele, „So war er nie, so kann er nimmer werden.“ Wofür wär' meine Seligkeit verspielet, Wofür wär' ich verflucht — verflucht auf Erden! — — Finis O wende ab Dein Angesicht, Das thränenfeuchte, schmerzenbleiche, Die Thränen wecken Todte nicht, Und du kniest hier vor einer Leiche. Fleh' nicht mit gellem Jammerschrei: „Nur eine Stunde soll sie leben!“ Es ist vorbei — es ist vorbei — Das fühlst du durch die Seele beben. Du suchtest Freude hier und Lust, Der todten Jugend süße Namen; O Mann! — schau' in die öde Brust — Und Du verstehst mein „Nein“ und „Amen!“ I. Es zuckt durch meine Seel' ein Blitz Visionen Es zuckt durch meine Seel' ein Blitz Mit gelben unheimlichen Flammen, Er leuchtet wie der Verzweiflung Witz, Er zischet wie kaltes Verdammen, Er zeigt mir in seinem fahlen Licht Nur einen einz'gen Gedanken: Ich seh' ein weißes Todtengesicht Auf dem Wasser im Sturme schwanken! Und immer taucht es wieder empor, So weiß — so schön — so erhaben! ... O, daß es öde wär', wie zuvor, In der Tiefe Alles begraben! — II. Wesen, kleines, längst verklärtes Visionen Wesen, kleines, längst verklärtes, Stern in meines Lebens Nacht, Reingeliebtes, heißentbehrtes, Sprich zu mir im Traume sacht! Schlinge Deine kleinen Arme Um die Brust so glückberaubt, An mein Herz, das lebenswarme, Leg' Dein todtes, kaltes Haupt. Am Teich Ich kenne dich, du schwarzer Teich, Genau weiß ich den Tag, Als eine Todte still und bleich An deinem Rande lag; Und als der Pöbel scheu und stumm Sich langsam nahte dir Und abergläubisch, feig und dumm Bekreuzte sich vor ihr; Als eine Hand den schönen Leib Mit Haken an sich riß — Der rohe Hauf' das todte Weib Ein gottverdammtes hieß. — Das starre Antlitz hold und bleich, Schaut' ich so manche Nacht, In schwarzen Stunden, schwarzer Teich, Hab' oft ich dein gedacht. Nachtlied Heil dem Lebend'gen, der mit voller Hand Sich zu den Armen und Verlass'nen wendet, Der seinen Trost aus kühlen Bronnen spendet. Heil dem Propheten in der Sonne Brand! Dranmor Nacht bedeckt den kleinen Friedhof. In dem dumpfen Leichenhause Flackert zitternd einer Lampe Rothe Flamme. — Heiser knarren Jene Thüren, die das Leben Sorgsam von dem Tode trennen. Meine Hand hat sichern Druckes Sie geöffnet; wie im Schlafe Aber wandelnd, dacht' ich nimmer, Sie zu schließen. — Leise, wie mit Geisterstimmen Klagt der Wind dort in den Weiden, Pochet zürnend an die Fenster, Flüstert mit den kranken Blumen, Die aus der Verwesung sprießen, Treibet mit den Wetterhähnen Auf dem Thurm sein ächzend Spiel, Flieget wimmernd um das Häuschen, Daß die Fenster ängstlich klirren Und die Flamme furchtsam zuckt ... Jener bangen rothen Flamme Schwankend Leuchten schien ein Winken, Dem ich folgte, traumbefangen, Und nun steh' ich in dem engen Schaurig-öden, fahlen Stübchen, — Ich allein bei einem Todten. — — — — — — — — — Auf zwei Schragen und zwei Brettern Ruht der Todte, alt und häßlich, Nur in Lumpen eingehüllt; Ihm zu Haupte brennt die Lampe, Deren zuckend rothe Lichter Öfter wie ein Lächeln gleiten Über die erstarrten Züge Des verkommenen Gesellen. Eine harmlos gläub'ge Hand Suchte seine wildgeballten, Nun im Tod gekrampften Hände Fromm zu falten, wie bei Jenen, Deren Leben schloß ein Beten. — Auf zwei Schragen und zwei Brettern Ruht der Todte, still und einsam, Schläft den letzten, traumlos, leeren, Ewigen Schlaf ... Noch am Morgen jagten Bosheit, Breit Behagen — dem das Elend Unverständlich — Rohheit, Kaltsinn, Ruhlos ihn von Thür zu Thüre, Und des Abends wankte jener Unglücksel'ge, wie betrunken Durch die Straßen. Hunger weinte Aus den kranken, trock'nen Augen, Aber Trotz zuckt um die Lippen, Als die Buben, die ihm folgten, Näher trabten, um das Unthier Zu beschauen, das man eben Auf Befehl der weisen, milden Obrigkeit von dannen hetzet. Vagabund, so klingt es lachend Aus dem Munde wilder Kinder; Vagabund! so klingt es höhnend Aus dem Mund der klugen Alten; Vagabund! schreit roh der Büttel; Vagabund! so ächzt er selber, Weitertaumelnd. — — — An der Straße, bei der Grenze Todesmüde sinkt er nieder. Fern verklinget das Gejohle Jener tugendsamen Meute, Die ihn hetzte und befriedigt Von dem Schauspiel heim jetzt kehret Zu dem Heerde. — Dunkel senket schon die Nacht sich Nieder auf die stille Erde. Und es senket auch die Nacht sich Nieder auf die dunkle Seele Des Gehetzten, des Verfluchten; Über seinem armen Antlitz, Grau, wie Spinngeweb' gebreitet, Liegen Elend und Verzweiflung. Stumm umklammert er den Grenzstein Und starrt finster nach dem einz'gen Trüben Sterne, der herabschaut Auf sein Elend. — Und es lösen von dem Steine Los sich seine feuchten Hände Und sie zucken, zittern, haschen Nach dem dunklen Nebelschatten. Wild empor sind sie gerichtet, Eine stumme, fürchterliche, Himmelstürmend crasse Drohung, Wild empor noch schreit der Augen Gottverneinend herbe Klage. Aber plötzlich sinken nieder Seine Arme: es verlöschen Seiner Blicke letzte Blitze. Von dem schwarzen Himmel knisternd Fällt der einz'ge Stern hernieder, Und ein Windstoß zaust die Haare Einer Leiche ... — — — — — — — — — War es wie bei jenen Geiern, Die da wittern, wo das Aas liegt, Das sie nährt sammt ihren Jungen? War es des Geschäftes Eifer, Der ihn trieb, Dich aufzusuchen? Denn es fand Dich, der berufen, Sich zu nähren von den Todten, An dem Grenzstein fand Dich, einsam, Kalt und todt der — Todtengräber. Mit den rauhen, derben Händen Trug er selbst Dich in das Stübchen, Das bestimmt ist für die Leichen Jener, die am Wege sterben; Für die Gott- und Weltverlass'nen Ist dies Stübchen, ist der Schragen. — Morgen aber scharret ein Dich, Dort im letzten Friedhofswinkel, Einsam, wie er Dich gefunden, Für gar kargen Lohn der Alte, Er allein kann Dich verwerthen: Tod ist Brot ihm! — Und doch trug auf seinen Händen Dich ein Mensch zum Ort des Friedens, Und es schlug ein Menschenherz Einmal doch an Deinem Herzen. ... Schaurig Mitleid: Dich verspottend Noch im Tode, giebt er Dir nun, Was im Leben Dir wohl nimmer Ist geworden: Licht und Ruhe, Dach und Hände, die Dich nimmer Von sich stoßen! ... — — — — — — — — — Nacht bedeckt den kleinen Friedhof, In dem dumpfen Leichenhause Flackert ängstlich knisternd, zuckend Jener Lampe rothe Flamme, Deren Schwanken wir ein Winken, Dem ich folgte traumbefangen — Und noch steh ich in dem engen Schaurig-öden, kahlen Stübchen, — Ich alleine bei dem Todten! — Nur du allein Nur Du allein, Du schautest wie ich litt, Nur Du allein hast meiner Qual geglaubt, Du schirmtest die Gedanken mir im Haupt — Als Nacht und Licht in meiner Seele stritt. Nur Du allein, Du liehst mir Deine Hand, Als ich einst kam, geschmähet und bedroht — Als sich kein heimathlicher Heerd mir bot, Als ich allein auf weiter Erde stand ... Nur Du allein, Du hast mich nie betrübt, Seit Du erschaut, wie ich so tief verarmt — Nur Du allein hast Dich einst mein erbarmt, Hast mich beschützt — und hast mich nie geliebt ... Christbaum Hörst auch Du die leisen Stimmen Aus dem bunten Kerzlein dringen? Die vergessenen Gebete Aus den Tannenzweiglein singen? Hörst auch Du das schüchternfrohe Helle Kinderlachen klingen? Schaust auch Du den stillen Engel Mit den reinen, weißen Schwingen? Schaust auch Du Dich selber wieder Fern und fremd nur wie im Traume? Grüßt auch Dich mit Märchenaugen Deine Kindheit aus dem Baume? ... Venedig Lido Im Dämmerlichte schwamm die Barke fort Durch den Canal und hin durch die Lagunen, Der todten Zeit geheimnißvolle Runen Erstickten schier das laute Menschenwort. Es glitt an Tempeln und Palästen nur Vorbei mein Schiff, durch des Rialto Bogen, An schwarzen Gondeln, die vorüberzogen Wie Nachtgespenster, sonder Laut und Spur. Vom Klosterthurme bebte durch die Luft In leisen Tönen schon der Abendsegen, — Da rauschten Bäume, wehte mir entgegen Vom grünen Lido weicher Blüthenduft. Und sanfte Stimmen waren jetzt erwacht, Durch Gras und Büsche schwebte süßes Klingen, Verirrte Tauben senkten ihre Schwingen — Es stieg die Fluth — und mälig kam die Nacht ... Sieh' jenen Burschen dort im Flitterkleide Vagabundenbilder Sieh' jenen Burschen dort im Flitterkleide, Den blonden Krauskopf mit dem weib'schen Scheitel, Den bunten Schleifen von gestickter Seide, Der sich am Seile wiegt so keck und eitel. Der Bursche dort, der wie mit läss'gen Schwingen, Gleich einem Papagei, sich schaukelnd fächelt, Die Sonne blitzen läßt auf seinen Ringen lnd zu den Weibern schmeichelnd niederlächelt. Der Bursche dort in frecher Gauklerschöne, Mit seinen müden, rothbemalten Zügen, Ist einer jener Vagabundensöhne, Die kindheitslos sich eine Kindheit lügen. Der Bursche dort lebt ohne Glück und Segen, Du fühlst nur dumpf, daß ihm die Jugend fehle, Denn öd' und traurig grinset Dir entgegen Aus blüh'ndem Leibe die verfaulte Seele. Es zittert schon die Bretterwand Vagabundenbilder Es zittert schon die Bretterwand, Trompetenlärm erschallt, Ein Bube glättet rasch den Sand, He hopp! — die Peitsche knallt. Da jagt herein auf schwarzem Roß Ein Weib mit keckem Gruß, Den braunen Arm und Nacken bloß, Entblößt den braunen Fuß. Die Castagnetten klappern wild, Es dröhnt das Tamburin, Wie ein belebtes Broncebild Tanzt die Zigeunerin. He hopp! — der heiße Tanz ist aus, Sie gleitet rasch zur Erd', Mit wildem Sprung in's dünne Haus Eilt hastig Weib und Pferd. Im Zelt hockt sie auf Sammt und Stroh, Legt Karten in die Rund, Sie ist nicht traurig — ist nicht froh, Peitscht gähnend Roß und Hund ... Gleich einem Feeenkind ist sie gehüllt Vagabundenbilder Gleich einem Feeenkind ist sie gehüllt In weißer Spitzen kostbar-leichte Flocken, Von Diamanten strahlen Arm und Locken, Ihr Wesen ist von banger Scheu erfüllt. — Sie schaut so ängstlich, zerrt an ihrem Kleid Und singt das Herz Dir krank im jungen Leibe, Ein Dämon, wähnst Du, singt aus diesem Weibe, Ein Dämon oder wahres Seelenleid — — — — — — — — — — — — — — Wenn sie die großen, dunklen Augen schließt, Von ihren Lippen matt die Töne beben, Allmählig schwellend ihrer Brust entschweben, Wenn sie das grelle Lampenlicht vergißt, Wenn sie aufjubelt wie die Nachtigall, Wenn Harfenklänge wehen durch ihr Singen, Wenn schmerzdurchglüht sich aus der Seele ringen Die scharfen Laute einer wilden Qual — Und wenn sie dann, wie aus dem Traum erwacht, Erstaunt und langsam aufschlägt ihre Augen, Die Blicke sich an eine Stelle saugen, Wenn sie aufathmet, wenn sie kindlich lacht, Wenn ihre Hände, zagend und verwirrt, Von einem Kranze zu dem andern langen, Und wenn sie endlich zitternd und befangen Mit einer Rose schlicht ihr Mieder ziert, Wenn sie sich neigt gleich einem Heiligenbild, Gesenkten Hauptes, mit demüth'gem Lauschen, Die Beifallsfluthen läßt vorüberrauschen, Dann kannst Du glauben, daß sie — gut gespielt! — Waldfriede Nimm mich auf in deine Schatten, Nimm mich auf in deine Ruh, Dunkler Wald, denn meine matten Augen fallen mählig zu. Nimm mich auf, dein sachtes Flüstern, Deiner Tannen frischer Duft Zieht belebend durch die düstern Leichen meiner Herzensgruft. Laß mich träumen, laß mich lauschen Fernen Tönen, leicht beschwingt, Ich versteh' dein leises Rauschen, Weiß, warum es seufzend klingt; Weiß, warum ein fröstelnd Leben Oft durch alle Blätter geht, Durch des blassen Nebels Weben Unsichtbar ein Zauber weht, Warum Tropfen niedersinken Auf ein Menschenangesicht, Warum alle Zweige winken Heimlich in dem grünen Licht. Nimm mich auf! — dein leises Flüstern Sänftigt bald mein dumpfes Leid — Nimm mich auf mit meiner düstern Tiefen Geisteseinsamkeit ... Maryma Seit Du gestorben, bin ich recht allein — Ich träumte oft, es müsse anders sein. Ich sage mir: „Sie ist nur fortgegangen, Sie kehret wieder, denn sie ahnt mein Leid —“ Dann kommst Du lachend wie in alter Zeit Und streichelst hastig-redend meine Wangen. Und ich erwache! will Dich wiedersehn, Will Dich in einem Winkel noch erspähn, Ich suche wie die Mutter nach dem Kinde. Da plötzlich fällt mich der Gedanke an: Daß ich die Welt zu Ende laufen kann Und nirgend, nirgend, nirgend Dich mehr finde ... Muthiges Streben „Vorwärts, dem seligen Ziele entgegen! Steh' nur nicht stille und schau' nicht zurück. Darfst in den Schooß deine Hände nicht legen. Vorwärts, und geht's auch auf dornigen Wegen, Das bringt dir wahres und ewiges Glück!“ „Aber wie kann ich denn laufen und eilen, Bin ja so krank und so müde und matt. Kann euer Schaffen und Mühen nicht theilen, Muß auf dem Lager der Schmerzen stets weilen, Ach, für mich giebt's keine kräftige That.“ „Fasse zusammen die sinkenden Kräfte! Brauche sie muthig im Dienste des Herrn. Leidest du mehr auch im treuen Geschäfte, Immer nur aufwärts die Blicke dann hefte; Dir ist das Ziel doch am wenigsten fern!“ „Ja, ich will beten und schaffen und ringen! Nimmer soll sinken mein freudiger Muth. Herr, Du giebst selber mir frohes Gelingen, Hilfst über Schwachheit und Schmerzen mich schwingen, Während in Dir meine Seele ruht.“ O Liebe, heil'ge mich Es quillt ein reiner Strom Hervor aus Gottes Herzen, Ich tauche mich hinein, Da weichen alle Schmerzen. Er strömt zurück und muß Hervor auf's Neue quellen, Ich lasse tragen mich Von seinen hohen Wellen. O Liebe, heil'ge mich In Deinen klaren Fluthen Und treibe Du mein Herz Zum Rechten, Wahren, Guten! Vergieb! Vergieb, o Herrin manche Klage, Die bitter mein Gesang erhob, Getreu, wie in den Kranz der Tage Der Gram die dunklen Blätter wob! Wie gerne, Theure, Dir zum Preise, Säng' ich aus trunkner Menschenbrust Ein Lied der Wonne, eine Weise — Der höchsten, unermessnen Lust! Doch, ach, so manche schwere Irrung Ward Stimme meines Liederklangs — Um diese Stirne stob Verwirrung Und Athemzug des Untergangs! Und siehst Du trotzig rückgebogen Mein Haupt, und stolz und nie gebeugt, Den Trotz hat nicht das Glück erzogen, Der Stolz, er ward in Weh gezeugt. Das Weh hat mir das Herz durchzittert, Dann wurd' ich still, dann wurd' ich stark, Das Weh hat all mein Sein erschüttert, Und dann gehärtet all mein Mark. Darum vergieb und lächle wieder, Wenn Schmerzen Dir mein Lied geschafft, Dem Schmerze dank' ich meine Lieder, Im Schmerze wurzelt meine Kraft. Kam gezogen auf den Wogen Kam gezogen auf den Wogen, Da ergriff mich Deine Schönheit! Meiner Hand entsank das Ruder Und ich mag auch nimmer steuern. An den Klippen Deiner Lippen Möcht ich leiden süßen Schiffbruch, Und im Abgrund Deiner Schönheit Untergehn, ein sel'ger Strander! Im Winter war es Im Winter war es, im kalten Winter, Da hab' ich mein Lieb gefunden. Es war ein Schneegestöber, Mir schien, es wären weiße Blüthen. Im Frühling war es, im warmen Frühling, Da hat mich mein Lieb verlassen, Es fielen weiße Blüthen, Mir schien, es wär ein Schneegestöber. Der Liebsten zur Nacht Kommt der Haß vor Deine Thür', Sag' er solle gehen. Kommt die Liebe dann dafür, Sag' sie solle stehen. Öffne ihr, und schließe dann Thür' und Augenlider. Poch' ich aber später an, Liebchen, öffne wieder! Dann sind grade wir zu drein, Mit der Lieb', der süßen. — Pocht es — wird's der Wind wohl sein, Brauchst nicht aufzuschließen. Juninacht Vom Himmel sank mit sanftem Thauen Die zauberschöne Juninacht, Und schwellend hängt im Dunkelblauen Des Mondes märchenhafte Pracht. Und wie mit leisem, leisem Triefen Herniederquillt des Lichtes Fluth, So quillt empor aus allen Tiefen Der Athem trunkner Blüthengluth. Gehüllet in's Gewand der Stille Hat sich das Land in Ruh geneigt, Vertieft in Lust, verstummt in Fülle — Wer spricht es aus, was Gott verschweigt? Jedwede Kümmerniß, die trauernd Umwob mein Herz und meinen Sinn, Zerfließt in dieser Nacht, und schauernd Fühl' ich Entzücken, weil ich bin. Könnt' ich in Deine Bahnen treten, Du Geist, der ob den Welten kreis't, Mit meiner Seele tiefstem Beten, Das all die Erdenschöne preis't! Ach, könnt' ich Dein Mysterium trinken Und dann für alle ew'ge Zeit Mit dieser Stunde Glück versinken Im Urquell Deiner Herrlichkeit! Wiedersehen Dir war bittrer nie zu Muthe, Was Du Süßes auch gesprochen! Und Du bist ja doch nicht glücklich, Und Dein Herz ist doch gebrochen. Wenn auch lächeln Deine Lippen, Mir Dein Unglück stolz verhehlend, Tief in Deinen Kinderaugen Seh' ich ja Dein ganzes Elend. Sei nicht stolz und leg' versöhnlich Deine Hände in die meinen! Wollen uns ja nicht mehr lieben — Wollen nur zusammen weinen. — Weinen, daß es so gekommen! Doch kein Vorwurf, keine Klage Schwirre mit dem finstern Fittig Ob der Asche alter Tage. Fels und Baum Zwei Dinge sind es, die uns tröstend bleiben, Wenn alles untergeht im Strom der Zeit, Die, Bäumen gleich, stets frische Blüthen treiben, Und Früchte tragen bis in Ewigkeit. Soll ich den Fels im Lebensmeer euch nennen? Wollt ihr des Baumes goldne Früchte kennen? Der Fels, an welchem noch kein Schiff zertrümmert, Ob's auch die Wogen noch so sehr bedroht, Der Leuchtthurm, der auf dunklen Fluthen schimmert, Bis uns begrüßt der Zukunft Morgenroth, Gebet, du bist der Fels, der niemals sinket, Das Licht, das jedem Schiffer tröstend winket! — Und jener Baum mit ewig grünen Zweigen Wuchs stolz und hehr, vom Fels geschützt, empor, Des edlen Stammes Frucht nur dem zu reichen, Der mit dem Baum sich auch den Fels erkor. Arbeit, du edler Baum! ja, deine Früchte Gedeihen nur in des Gebetes Lichte. Wird Täuschung uns, wo wir auf Freude bauen, Ja, wenn die schönste Hoffnung untersinkt, So laß uns gläubig nach dem Felsen schauen, Von dem des ew'gen Leuchtthurms Licht uns winkt — Dann schnell an's Ruder, reget fleiß'ge Hände, Gebet und Arbeit sind des Kummers Ende. Das alte Lied Am Fenster saß ich, trüb und stumm, Und starrte in die Nacht hinein, Die tiefe Finsterniß ringsum Erhellte keines Sternes Schein. Um mich war alles längst zur Ruh', Und finster stand des Nachbars Haus, Auch Hoffnung schloß die Pforte zu Und löschte ihre Kerzen aus. — In mir nur Gram und Traurigkeit, Die Zukunft dunkel eingehüllt — Da suchte in Vergangenheit Mein trüber Blick ein freundlich Bild. — Und vor mein geistig Auge stieg Ein Bild aus jenen goldnen Tagen, Das Lied, mit dem der Vater mich Als Kindlein oft zur Ruh' getragen. — Wie schlief ich da so ruhig ein, So überzeugt in meinem Herzen, Es müss' das Lied ein Schutz mir sein In dunkler Nacht für alle Schmerzen. Und jenes alte fromme Lied Hat seine Kraft noch nicht verloren, Es fühlte plötzlich mein Gemüth Sich durch Erinn'rung neu geboren. — Es gab mir neue Zuversicht, Und neue Hoffnung dem Gemüthe, Hell ging mir auf ein tröstend Licht Bei dunkler Nacht in jenem Liede. — Wie damals schlief ich ruhig ein, Wie damals fühlt' ich mich geborgen, — Nun sollst du stets ein Trost mir sein, Du Lied aus meines Lebens Morgen! Kleine Lieder für Dich III. Ich weiß nicht, wie es gekommen, Wie's zugegangen ist, Daß Du so lieb mir geworden, Daß Du mein Alles bist. — Ich habe schon oft gesonnen, Gegrübelt her und hin, Woher doch das gekommen, Daß ich so lieb Dir bin. Ich glaube, das hat gesponnen Die Lieb' mit ihrer List — Drum will ich weiter nicht forschen, Mir gnügt, daß es so ist. — Das Madonnenbild Am Pfeiler in der Kapelle Hängt ein Madonnenbild, Das hat gar himmlische Züge, Erhaben und auch mild. Mir dünkt's, in den sanften Zügen Meiner Mutter Bild zu seh'n; Ich könnte Stunden und Tage Still an dem Pfeiler steh'n. — Ich weiß mich's noch zu erinnern, Eh' sie der Erd' entrückt, Wie sie mich fröhlichen Knaben Oft an ihr Herz gedrückt. Wehmüthig schauet dem Kinde In's Aug' die Mutter hier; So trafen mich ihre Blicke, So that sie es auch mir. Und wenn ich nun komme, zu beten Vor dem Madonnenbild, Gar oft, statt frommer Gedanken, Ein Sehnen mich erfüllt. — Ich seh' mich wieder als Knabe In ihrem Mutterarm, Madonna's Antlitz belebt sich, Ihr Athem weht so warm. — Ich fühl' die rinnende Thräne Auf meiner bleichen Wang' — Und durch die stille Kapelle Zieht leise ein Wiegensang. — Ich blick' empor zur Madonna, Die lächelt freundlich mir, Und sendet in's Herz mir Frieden, Als hätt' ich gebetet zu ihr. — Wohl magst du, Mutter der Schmerzen, Dem Beter mild verzeih'n, Du kanntest ja selbst hienieden Des Herzens Sehnsuchtspein. — Tief unten, hoch oben! 's muß schön sein, tief unten mit Blumen bedeckt Zu schlafen die friedlichste Nacht, Bis wieder am Morgen die Stimme uns weckt Des, der unsern Schlummer bewacht; 's muß schön sein, weil, nimmer von Sorgen verscheucht, Der Schlaf uns da unten erquickt, — Drum wird auch, bis einst dieser Schlummer erreicht, Von mir gern hinunter geblickt. 's muß schön sein, hoch über dem Sternengefild, In sonnigen, goldenen Au'n, Wo nie eine irdische Nacht uns umhüllt, Zu wohnen, zu lieben, zu schau'n — 's muß schön sein hoch oben, im sel'gen Gefühl: Vollbracht ist auf Erden dein Lauf — Drum schau' ich auch, bis ich erreichet das Ziel, So freudig voll Hoffnung hinauf. 's muß schön sein, tief unten der Mutter im Arm, Und droben beim Vater im Licht — Tief unten ist Ruhe nach jeglichem Harm — Hoch oben, da kennt man ihn nicht. — Drum, deucht dir, von mancherlei Sorgen bedrückt, Ermüdet, beschwerlich dein Lauf: Ermattete Glieder, hinunter geblickt, Verkümmerte Seele: hinauf! — Der Wanderbursch „Gott grüß' Dich, lieber Wandersmann, So weit des Weges her? Bist müde wohl, man sieht Dir's an, Komm', wandre heut' nicht mehr! Leg' ab das Ränzel und den Stab, Den blumgeschmückten Hut, 's ist wohl der Liebe letzte Gab', Verwelkt in Sonnengluth?“ — Der Wand'rer nickt mir freundlich zu, Daß ich's getroffen hab'; Streckt nieder sich in's Gras zur Ruh', Legt Stab und Ränzel ab. Er nahm die Blumen von dem Hut, Wobei er sinnend spricht: Es welkten nur in Sonnengluth Die Blumen, Liebe nicht. — Da mahnt es mich, wie ich einst Dir Den Pilgerhut geschmückt, Als Du zum Wandern weit von mir Dich schweigend angeschickt. Der sah die Blumen traurig an Und barg sie an der Brust; Ob Du's mit meinen auch gethan, Das hätt' ich gern gewußt. — Ich bot dem Wand'rer, was ich fand, Und dachte dabei Dein — O mög' auch Dich im fremden Land Manch gastlich Dach erfreu'n! Und als er ging, da habe ich Gar lang ihm nachgeschaut — Ich dachte wiederum an Dich Und — an des Wand'rers Braut. — Menschenloos An einem Tag im frühen Herbst da lenkt' ich wieder meinen Gang, Der liebste mir zu jeder Zeit, nach einem öden Dünenhang, Wo ich so oft des wüsten Lärms der volksbedeckten Straßen satt, Gefunden hatte ein Asyl, die frohbegrüßte Ruhestatt. Und so auch heut' — die Sonne sank hinab schon in die blaue Fluth. Am Himmel, violetumsäumt, entflammte purpurn lichte Gluth, Die leichtbewegten Wellen nur sie brachen plätschernd rings die Ruh' — Am Horizonte flog ein Schiff dem fernen Weltentheile zu. — Ich warf mich auf die Düne hin von Menschen fern, doch nicht allein In der erhabenen Natur, mit meinen alten Träumerein — Zwar wollt' ich lesen, doch alsbald entsank das Buch in meinen Schooß, Den Blick dem Meere zugewandt, so sann ich über Menschenloos. Ich träumte mich als Kind zurück in jene lebensfrohe Schaar, Die einst um's theure Elternpaar im Vaterhaus vereinigt war, Bis nun gelichtet sie der Tod, die Lebenden nach Süd und Nord, Nach Ost und West das Schicksal trieb — da zog ich von der Heimath fort. Dort sitzen nun im öden Haus der Vater und lieb' Mütterlein: „Die Kinder, alle sind sie fern und wir im Alter so allein!“ Der Vater spricht's, die Mutter weint: „Ja, hat man erst die Kinder groß, Dann ziehen sie in alle Welt — das ist der alten Eltern Loos!“ — Und wieder sann ich drüber nach wie mancherlei auch ich durchlebt Und wie das Schicksal, ernst und stumm, die Fäden in einander webt Wer weiß, so dacht' ich, wo der Sturm dein Lebensschifflein hin noch schnellt, Ob es erreicht den sichern Port, ob es an einem Riff zerschellt. Wer weiß, ob je du wiedersiehst des Vaterlandes theure Gau'n, Um einmal nur mit sel'ger Lust ins Mutterauge noch zu schaun, Ob, wenn du heimkehrst müd' und matt, zu ruhn nach manchem harten Strauß, Du an die Pforte klopfst und hörst: ein Fremder schloß das Vaterhaus! Wenn dann vielleicht im fremden Land man dein Gebein zur Ruhe trägt, Ob in der weiten, weiten Welt ein Herz für dich in Lieb' noch schlägt? Wer weiß, ob du die ew'ge Ruh' nicht findest auf des Meeres Sand? — — Da weckte mich ein dumpfer Ton — ich blickte nieder auf den Strand. Und vor mir lag im Abendschein, im rothen woll'nen Seemannshemd Ein stiller Mann aus Afrika, vom Meere an das Land geschwemmt, Gebrochen war sein Blick, ich eilt' und drückte ihm die Augen zu, Horcht' an sein Herz — es schlug nicht mehr — in tiefen Wassern fand es Ruh'. Ich schaute lange feuchten Aug's ihm noch ins starre Angesicht, Das Loos des schwarzen Wüstensohns ergriff mich — o, er träumte nicht, Als in der sand'gen Heimath er den Löwen jagte, die Gazelle, Daß ihn an Albions Gestad' als Todten auswürf' eine Welle! — Der Kranke Wie glücklich, Kranker, preis' ich dich, Den, auf das Siechbett hingestrecket, In endlos langer Leidensnacht Nicht des Gewissens Stimme schrecket. So liegst du da in Gott vergnügt, Erhoffend deiner Prüfung Ende, Daß der, der dich mit Krankheit schlug, Sie doch zu deinem Heile wende. Und wie sich's auch gestalten mag, Magst kurz du dulden oder lange, Genesen oder sterben geh'n: Vor keinem Ausgang ist dir bange! Beklage mich, der unbewacht In tolle Sinnenlust versunken, Wahnwitzigen Genusses Kelch Bis auf die Hefe ausgetrunken! Beklage mich, den Ruhe flieht In Schmerzensnächten, schweren Tagen, An dessen Bette Wache hält Ein düstres Heer von Selbstanklagen. Und wie sich auch mein Leiden löst, — Ob auf Genesung ich darf hoffen, Ob mir der bleiche Freund erscheint: Die eigne Schuld hat mich getroffen! Ev. Lucas 24, 29 Ich fühle, wie im Kampf mein Geist erlahmt, Wie all' das Leid ihn niederzieht zur Erden, Daß er zu dir sich kaum erheben kann: Herr, bleib' bei mir, denn es will Abend werden! Du hast in deiner Weisheit sie gesandt — Hilf du mir selbst nun tragen die Beschwerden, Daß ihrer Last ich nicht erliegen mag: Herr, bleib' bei mir, denn es will Abend werden! Verlaß mich nicht, zeig' mir dein Angesicht, Neig' dich zu mir mit trostvollen Geberden Und leite mich an deiner starken Hand: Herr, bleib' bei mir, denn es will Abend werden! Der blinde Sänger Einst leuchtete der Sonne Licht In freundlich heitern Strahlen, Des Lebens Sorgen drückten nicht, Nicht Schmerz und bittre Qualen; Im Lenz des Lebens eilt' ich hin, Begrüßte Wald und Auen, Sah Strauch und Blume lustig blüh'n, Die Vöglein Nester bauen. Doch, ach! die Fluren sind jetzt leer, Des Lebens Sorgen drücken, Das Herz verstummt und jauchzt nicht mehr, Nichts kann es noch beglücken; In Dunkel ist gehüllt mein Aug', Für mich blühn sie vergebens, Der Baum, die Blumen und der Strauch, Einst Freude meines Lebens. Einst fühlt' ich glücklich an der Hand Der ersten treuen Liebe, Der Himmel war, wo ich sie fand, Kein Wölkchen grau und trübe; Und wann ich ihr in's Auge schaut', Wie schlug mein Herz vor Wonne! Im Arme der geliebten Braut Erglänzte nur die Sonne! Doch, ach! da kam die Mitternacht Und raubte mir die Strahlen, Die mir in Liebchen's Arm gelacht, Und brachte Schmerz und Qualen. O, könnt' ich doch mein Liebchen seh'n Nur einmal noch, die Holde, Und dann in Liebeslust vergeh'n — O, wie ich jauchzen wollte! Einst, als der milde Sternenglanz Im stillen Hain uns grüßte, Als sie mir wand den Blumenkranz Und ich sie herzlich küßte; Da blickten wir voll Seligkeit Nach jenen Himmelshöhen Und freuten uns, die Herrlichkeit Des Sternenheer's zu sehen. Doch Dunkel hüllt mein Auge nun, Ich kann sie nicht erblicken, Auch nicht in Liebchen's Armen ruh'n In seligem Entzücken. Die Lieb' ist hin, dahin die Lust, Dahin der Sternenschimmer! Erkaltet ist die treue Brust, Das Licht, es leuchtet nimmer! So komme denn mein Harfenspiel, Laß rauschen deine Saiten! Zum Troste mir im Wehgefühl Sollst du mich nun begleiten. Sei du mein Licht in Mitternacht! Mir Trost und Ruh' zu geben, Sei du das Auge, das mir lacht, Mein Stern, mein Lieb im Leben. Die erloschenen Weihnachtskerzen I. Nacht ist's! Alles Leben schweiget, Freudenton und Jubelklang. Ach! Der Stern hat sich geneiget, Fernher tönet Grabgesang. Von des Schlummers Arm gehalten, Sieht die müde Kinderwelt Tausend muntere Gestalten, Noch vom Weihnachtslicht erhellt. Bei dem hellen Lichterglanze Ward auch meiner Seele Licht, Bei der Kinder Freudentanze Schmerzten selbst die Wunden nicht. Welche Freude, welche Wonne! Bei der Kerze hellem Glanz Blüht, wie in der Frühlingssonne, Neu der welke Lebenskranz! Ach, erloschen sind die Kerzen Und begraben Freud' und Lust! Neu erwachsen nur die Schmerzen In der tiefbewegten Brust! Täuschung war's, nur Truggedanken, Bei der Lichter hellem Schein; Denn des Lebens Sterne sanken, Und es blieb — ein Leichenstein. II. Ob an stiller Friedhofsgrenze Auch der Morgenstern erschien? Die verwelkten Todtenkränze Schimmerten im Frühlingsgrün? Ob der Jubel und die Freude Auch hinabdrang in das Grab Und dem blassen Todtenkleide Frische Lebensfarben gab? — Kalter Schnee bedeckt die Grüfte Wie ein großes Grabgewand, Und statt milder Frühlingslüfte Weht der rauhe Nord im Land. Nacht ist's — alles Licht verschwunden, Das den Weihnachtsbaum geschmückt Und in seligfrohen Stunden, Ach! so manches Herz entzückt. Täuschung war's, nur Truggedanken, Bei der Lichter hellem Schein; Denn des Lebens Sterne sanken, Und es blieb — — ein Leichenstein. Stille! — Was der Friedensbote Lebenden so laut verspricht, Wird zur Wahrheit erst im Tode. Darum stille! — Weine nicht! Wuotan Es braust der Sturm, es rauscht das Meer, Die Felsgebirge zittern: Gott Wuotan reitet rasch einher In schwarzen Ungewittern; Gold ist sein Harnisch, weiß sein Ross, Ein wucht'ger Speer sein Schlachtgeschoß, Zwei Raben sind ihm zur Seite, Zwei Wölfe sein hungrig Geleite. Er eilt zum wilden Waffentanz, Die fremde Schmach zu ahnen, Zu schmücken mit dem Eichenkranz Die Stirne der Germanen. Das Ross ist da mit ries'gem Sprung, Es saust der Speer in mächt'gem Schwung: Es stürzen die frechen Tyrannen; Es jauchzen die wackeren Mannen: „Sieg! Sieg! und Wuotan sei gelobt, Der uns den Sieg errungen!“ — Der Donnersturm hat ausgetobt, Der Schlachtruf ist verklungen; Gott Wuotan steigt zum Himmel auf Und lenkt der Welten ew'gen Lauf Und schauet mit ernster Geberde Aus seinem Fenster zur Erde — Und streuet Segen Tag und Nacht Von seinem Throne nieder Und lehrt den Krieg und lehrt die Jagd Und spendet hohe Lieder Und ist uns nah in Leid und Lust, Durchströmt mit Muth der Krieger Brust Und nimmt nach ruhmvollem Ende Die Helden in seine Hände. Die Krone der Liebe Rosen und Mirten zu lieblichem Kranze! Blumen und Blätter, die Pfade zu streun! Seht sie enteilen im frischesten Glanze, Licht wie der Stern, wie die Lilie rein! Doch wer ist die Holde, der zum Ruhme Unser erster Kranz sich winden soll? Wer ist sie, die, selber eine Blume, Schweben soll auf Pfaden blumenvoll? Wes ist jenes Antlitz, heiter, sonnig, Gleich als woll' es uns der Frühling sein? — Ha, die Jungfrau ist es, süß und wonnig! Einen Kranz laßt uns der Jungfrau weihn! Rosen und Mirten zu lieblichem Kranze! Blumen und Blätter, die Pfade zu streun! Sehet sie wandeln im ruhigen Glanze, Mild wie des Himmels erhebender Schein! Wer ist sie, die auch auf Dornenwegen, Auch im Thal des Schattens bei uns weilt? Wer ist sie, die Sonnenschein und Regen, Freud und Leid getreulich mit uns theilt? Wer ist jenes freundliche Gebilde, Das uns wärmet mit der Sonne Schein? — Ha, die Gattin ist's, die himmlischmilde! Einen Kranz laßt und der Gattin weihn! Rosen und Mirten zu lieblichem Kranze! Blumen und Blätter, die Pfade zu streun! Sehet sie weilen im prächtigsten Glanze, Ernst wie der Sternennacht herrlicher Schein! Wer ist sie voll Sorge und Beschwerde? Seht, sie hat geweint, die sonst gelacht! Manches Blatt ist auf die braune Erde Hingerieselt von der Jugendpracht; Aber heil'ger als im Blütenlenze Strahlet sie, die treu gehofft, geglaubt: Weiht der Jungfrau, weiht der Gattin Kränze; Doch die Krone auf der Mutter Haupt! „Sei getreu bis an den Tod“ Suchend nach labendem Waßer, ein Christ in der Wüste verlor sich. Saugend die Zunge vor Durst, von stechender Hitze gelähmt schier, Fiel er betäubt aufs Gesicht; es schwamm vor den Augen so schwarz ihm. Schneller jetzt, langsam dann, so klopft' ans Herze der Tod schon. Da nun im Traum erschien und sagte die Worte ihm Satan: „Siehe, du dienetest stets so getreulich dem Sohne der Jungfrau, Betetest innig zur Arbeit, stärktest so oft dich durchs Nachtmahl, Warest im Herzen so rein, mit Worten und Werken gehorsam; Bruder, was hilft es dir nun? Verschmachten hier läßt er dich treulos. Gieb dich in meine Gewalt; Orangen, so labend und saftreich, Datteln, Melonen, so lieblich, genießen dann ewiglich sollst du. Schenk' auch Wein dir ein; o siehe, wie blinket das Kelchglas!“ Sprach es und zeigte Orangen, Melonen und Datteln, so saftreich, Hielt im krystallenen Kelch des perlenden, schäumenden Weins auch. Jener sprang muthiglich auf und sagte das mächtige Wort ihm: „Fleuch, im Namen des Herrn, und hebe dich weg von mir, Satan! Christus war immer mein Leben; so ist auch das Sterben Gewinn mir!“ Kräftiglich tretend den Boden, vom Hügel, dem lockeren rutscht er, Mit ihm schurrend von Erde ein lose gehaltenes Stücklein. Doch was siehet er da! Die glänzendste Quelle hervorspringt, Drinnen sich spiegelt die Sonne mit schimmernden Strahlen so reizvoll. Rüstiglich nimmt er die Hand, die hohle, mit Wonne nun schöpft er, Trinket mit Freude des Herzens und danket dem herrlichen Heiland. Kriegsbrauch Dumpf, dumpf raßelt die Trommel, Schwer, schwer dröhnet der Schritt. — Graubärtige Heldengestalten geleiten Den jungen blonden Kam'raden heran, Mit ehernen düstern Mienen sie schreiten, Umstrickend eng den gefeßelten Mann. Die wogende Menge stumm und bang Schaut auf des Lieblings letzten Gang. Dumpf, dumpf raßelt die Trommel, Schwer, schwer dröhnet der Schritt. — Die trauernden Freunde nicken und winken Den letzten Gruß dem Scheidenden nach; In Frauenaugen siehet man blinken Mitleidige Zähren: „Aus schrecklicher Schmach Das Land zu retten, aus Druck und Noth — Dafür wandelt er in den Tod!“ Dumpf, dumpf, raßelt die Trommel, Schwer, schwer dröhnet der Schritt. — Betrachte den Greis! In alle Winde Verstreuet er wild das silberne Haar: „O Gott, zu strenge rächst du die Sünde, Daß er mir alles, mein Abgott war!“ Wie wildes Geheul erschallt das Wort; Stürmisch reißen den Sohn sie fort. Dumpf, dumpf raßelt die Trommel, Schwer, schwer dröhnet der Schritt. — Die Jungfrau sieh mit den blassen Wangen, Nicht Eine Thräne feuchtet den Blick; Den Namen kreischt sie voll Todesbangen, Dumpf murmelt den ihren er zurück. Dort hallet ein Knall — hier tönt ein Schrei — — Todtengräber, ein Grab für zwei! Das weiße Sachsenross Auf seiner Burg zu Engern stand Wittekind der Held Und schaute mit hellem Auge froh auf das leuchtende Feld Und auf die schattigen Forsten, belebt von edlem Wild; Doch lieber als alles dieses war ihm ein anderes Bild. Unübersehbar zog sich rechtsab vom Fürstenschloß Ein festumhagter Grashof, drin gieng manch edles Ross Und schüttelte die Mähne und sprengte durch Klee und Gras Und stampfte wiehernd den Boden. Wie gern sah Wittekind das! Doch eins vor allen war ihm besonders lieb und werth, Ein glänzend weißer Renner; das war sein Lieblingspferd: Das war zu ihm gestanden treulich in jeder Schlacht; Drum hätt' er's nicht gegeben um alles Goldes Glanz und Pracht. Stolz sah der kühne Recke noch auf sein trautes Thier; Hei! sprengt aus des Waldes Tiefe ein Reiterhauf herfür: Das war der Kaiser Karol, der Herr der Frankenwelt, Ein auserwählter Degen, ein mannlich trutziger Held. Behende schritt der Herzog die Stiegen aus dem Schloß: Nicht hielt Herr Karl da unten, er hielt bei dem weißen Ross, Das eben in mächtigen Sätzen sprengte durch Blumen und Gras Mit wehendem Schweif und Kammhaar. Wie gern sah Kaiser Karol das! „Herr Herzog, Gott zum Gruße! Und jenes stattliche Thier, Steht es für Gold zu Kaufe, so überlaßt es mir!“ — Herr Kaiser, Gott zum Gruße, doch nicht das Ross zum Kauf, Und wöget Ihr's mit Silber und rothem Golde auf! „Doch könnt Ihr's fahn, Herr Kaiser, so sei es Euch geschenkt!“ — Hei! wie da Karl behende hoch über den Hagen sprengt Und hinterdrein mit Jauchzen der helle Reitertross! — Herr Kaiser, spart die Mühe: das ist ein Sachsenross! Das Rösslein spitzt die Ohren und setzt die Schenkel ein: „Ihr wollt mich fahn, ihr Ritter? Ei, das kann nimmer sein!“ — Dampf fährt aus den offnen Nüstern, und aus den Augen Glut: „Ihr Herren, wer mich erreitet, wahrlich, der reitet gut!“ Fort saust es über die Wiese, fort wie der zuckende Blitz. Der Kaiser reitet behende, erschöpfet List und Witz, Den Pass ihm zu verlegen: es setzt über Busch und Strauch, Kehrt wiehernd um und springet hoch über Ross und Reiter auch. So gieng das wilde Jagen den Grashof hin und her, Wohl zwanzigmal und drüber, so meldet uns die Mär. Der Kaiser ritt behende, erschöpfte List und Witz; Das Ross ließ sich nicht fangen, so wenig — wie des Himmels Blitz. „Herr Herzog,“ ruft der Kaiser, „das Rösslein ist zu wild!“ — „Herr Kaiser, das ist wahrlich des Sachsenvolkes Bild: Ihr werdet's nimmer erreiten, spart Eure Macht und List: Frei ist der Sachse geboren, frei bleibt er, daß Ihr's wißt!“ — „Was ließt Ihr mich denn rufen zu freundlichem Gespräch?“ — „Herr Kaiser, ich will Euch zeigen zu uns den beßern Weg!“ So spricht der Held und schnalzet nur mit der Zunge fein, Da spitzt das Ross die Ohren und wiehert fröhlich drein — Und nahet sich dem Herzog und kost ihm lieb und traut. Wie da der Kaiser staunet, als er das Wunder schaut! — „Herr Kaiser, so bezwinget man Askenas' Geschlecht: Frei ist der Sachse geboren, nie dingt er sich zum Knecht. Doch so Ihr freundlich nahet, empfängt er freundlich Euch; Und sucht Ihr Mannentreue, so kommt ins Sachsenreich Und herzlich seid willkommen, reicht friedlich mir die Hand: Ich bitte um der Taufe Bad; die Götterwelt ist Tand. Ja, Karl, ich hab's erfahren, hohl ist die Götterwelt, Ein dumpfer Traum, der grausig in Eisesbanden hält, Der uns bisher gefangen gehalten in nordischer Nacht; Da kam der Strahl aus Osten, und freudig sind wir erwacht. Erwacht — und sehen jauchzend, was wir so bang erstrebt, Den Gott, der in und durch uns und über uns allen lebt, Ihn, der der rechte Vater all seiner Kinder ist, Den Gott, geoffenbaret in seinem Sohne Jesu Christ! Und das dir zu bekennen, rief ich gen Engern dich; Dem Krieger nicht, dem Christen ergeb' ich willig mich. Nimm hin das Ross, das weiße, nimm hin mein Volk, mein Land; Reich mir dafür in Christo die Bundesbruderhand!“ Hei! springt der Karl vom Sattel, umarmt den Wittekind Und heischet: „Herbei, ihr Degen, vom Pferd herab, geschwind! Das war ein seliges Reiten zu diesem Engernschloß! Das war ein seliges Streiten um das weiße Sachsenross! Doch nicht sucht' ich das Deine, mein Freund, ich suchte dich, Und dich auch nur für Christum und wahrlich! nicht für mich! Behalte das Ross, das weiße, behalte dein Volk, dein Land, Und reich mir nur in Christo die Bundesbruderhand. Nur eins, Herr Herzog, bitt' ich, und Ihr versagt mir's nicht: Schwarz ist das Reich der Götter, das Christusreich ist Licht: Führt statt des schwarzen fürder im Wappen ein weißes Ross!“ — Der Kaiser ruft's, und jubelnd zieht alles sich ins Schloß. Sonnengruß Freundlich lächelt die Sonne Vom himmlischen Blau, Und weinet Thränen der Freude: Den silbernen Thau. Es flattern der goldenen Sonne Die Wolken voran Und ziehen als Lilienschwäne Ihr Flammengespann. Es steiget die schmetternde Lerche Hinauf in die Höh'n, Und grüßt die jungfräuliche Sonne So sinnig, so schön! Es athmen die blühenden Bäume Hinan in die Luft Und spenden der purpurnen Göttin Erfrischenden Duft. Die Rosen eröffnen die Lippen, Sowie zum Kuß, Und bringen der strahlenden Jungfrau Den duftigsten Gruß. Hoch schwellen die Wellen des Bächleins Im Bette hervor Und springen im freudigen Taumel Süß murmelnd empor. Doch auch die goldene Sonne, Als sie's gewahrt, Grüßt Lerche und Bäume und Rosen Und Wellen zart. Sie ziehet langsam am Zelte Des Himmels dahin, Um länger dem Liede zu horchen Der Sängerin. Sie kleidet die blühenden Bäume In gold'nen Schein Und senkt in den Thau der Rosen Sich liebend hinein; Sie wirft hinab zu den Wellen Den schimmernden Blick, Und jubelnd geben die Wellen Denselben zurück. Angelehnt auf deinem vollen ... Angelehnt auf deinem vollen Arme Horcht' ich oft, wie deine Lebensquelle, Wie dein Herzblut, sachte bald, bald wilder Durch's Geäder jagte Well' an Welle. Und ich horchte mit verhaltnem Athem Und versuchte schüchtern oft zu deuten, Was in der geheimnißvollen Werkstatt Deine Lebensgeister wohl bereiten. Denn vom Herzen stammt der Handdruck, Mädchen, Den du mir oft liebevoll gegeben; Aus dem Herzen stammen alle Küsse, Die von deinen Rosenlippen beben; Aus dem Herzen stammt die heiße Thräne, Die als Perle ruht auf deinen Wangen; Aus dem Herzen kommt dein keusches Zagen, Und wohl auch dein brennendes Verlangen. So entstammen Freud' und Leid dem Herzen, Sich verpflanzend rasch in Blut und Glieder, Und verrathend ob dich Sehnsucht quälet, Oder herber Kummer beugt darnieder; Und verkündend in dem Druck der Hände, In dem Lächeln deiner sammt'nen Wangen, In dem Feuerstrahle deiner Augen Deiner Seele heimlichstes Verlangen. So gelehnt auf deinem vollen Arme, Hört' ich dann die seltsamsten Berichte; Mir erzählten deine Pulse, Mädchen, Deines Herzens ganze Weltgeschichte. Ich hab' in Büchern mich vertieft Ich hab' in Büchern mich vertieft, Gegrübelt und gesonnen, Und habe über Buch und Schrift Am Ende nichts gewonnen; Ich habe gerechnet und gezählt, Gewogen und gemessen, Ach, und darüber diese Welt, Die herrliche, vergessen! Vergessen diese Welt, so schön, So überreich geschmücket, Die aus den Thälern, Au'n und Höh'n Mit Wundern uns entzücket; Da sah ich eines Tages dich, Ein Blümlein still im Moose, Und damals erst besann ich mich: Wie aussieht eine Rose. Regne dich aus, Wolke ... Regne dich aus, Wolke, so regenvoll! Laß nur die Tropfen niederwallen, Dir kommt's zu gute und der Welt, Allen, ja Allen. Weine dich aus, Auge, das Herz ist zu voll, Laß seiner Last es ledig werden, Es ist die Thräne ein köstlicher Trost Auf Erden, auf Erden. Blute nur zu, o Herz, und sorget nicht, Daß es am Ende gar verblute; Und wenn, wohlan! doch Anderen kommt's Zu gute, zu gute. Die Liebe ist ein tiefer Quell Die Liebe ist ein tiefer Quell, Er fließt geheimnißvoll, Und seine Wasser silberhell Kein Schatten trüben soll. Wenn leiser Argwohn nur erwacht Und trübt den Quell so rein, Dann breche lieber tiefe Nacht Gleich über Dich herein! Die Liebe ist ein güldner Stern Hoch über dieser Welt, Der endlich, wenn er noch so fern, In's Herz der Menschen fällt. O glücklich Herz, das ganz sein Licht Aufnimmt mit klarem Schein! — Das unter ihm zusammenbricht, Mag glücklicher wohl sein. Du bist so sorglos wie der Tag Du bist so sorglos wie der Tag, Ich oft besorgt in meinem Sinnen, Der Himmel weiß, wie's kommen mag, Daß beide wir doch Eins tiefinnen. Du bannst mit Deinem leichten Muth Oft meine ernste Sorg' in Schranken; Ich mäßige Dein wallend Blut Mit meinen grübelnden Gedanken. Und so ergänzen wir uns zwei Und bleiben immerdar die Alten, Es trennt sich Alles geht vorbei, Indessen wir zusammenhalten. Nun ist es anders worden Du warst so gut, Du warst so lieb, Nicht sprach ich: „nimm“, nicht sprachst Du: „gib“, Mir flammt' es in der Seele warm, Du sankst entzückt in meinen Arm — Nun ist es anders worden. Und hatt' ich je Dir weh' gethan, Du blicktest mich voll Wehmuth an, Und unschuldsvoll, ein frommes Kind, Riefst Du: das hab ich nicht verdient: — Nun ist das anders worden. Oft, wenn ich kam, da lachtest Du In sanfter Lust so süß mir zu, Beim Abschied wurdest Du so hold, Daß ich mich gar nicht trennen wollt' — Nun ist das anders worden. So manches Blatt mit schmuckem Rand Bewahr' ich treu von Deiner Hand, Eins gar — ach dieses eine nur Trägt Deiner Thränen Leidensspur — Nun ist das anders worden. Das Blümlein, das geschmückt Dein Haar, Du reichtest es mir sinnig dar, Ich trocknete und preßt' es ein, Ein Liebesdenkmal sollt' es sein — O das ist anders worden! In namenlosem Herzeleid Gedenk' ich bang der einst'gen Zeit, Nie dacht' ich, daß man Schwüre bricht, Ich trag' es nicht, ich fass' es nicht — Daß Alles anders worden! Nicht verzagt Fert'ger Stahl kommt nicht aus Bergen, Den muß erst der Hammer schaffen, Den muß erst das Feuer glühen, Dann wohl formt man ihn zu Waffen. Liebesglück fällt nicht vom Himmel, Nur die Liebe wohnt im Herzen, Doch ihr Glück wird erst gewonnen Unter Kummer, Leid und Schmerzen. Ein kleines Lebensbrevier Nach außen zeige Dich, so wie Du bist nach innen, Es wird dadurch Dein Geist, es wird die Welt gewinnen. Es schreiten Leib und Geist vereint zu allen Werken, Der Körper muß den Geist, der Geist den Körper stärken. Ob Dir das Leben viel, die Menschheit wenig biete, Bist Eins Du mit Dir selbst, dann zogst Du keine Niete. Von Wen'gen wird erkannt der Schönheit Ideal, Sie ist im Erdenfrost ein seltner Sonnenstrahl. Doch wenn Dir werden soll der Gottheit höchster Segen, Dann wird sie Weisheit Dir in Deine Wiege legen. Des Lebens heil'ge Drei, unfähig Dich zu trügen, Die Weisheit, Schönheit sind's und inneres Genügen. Wenn vom Erfolg beglückt sein soll Dein Thun und Walten, Mußt Du im Gleichgewicht die Lebenswage halten. Zu große Thätigkeit spannt ab, die Saite reißt, Und zu geringe schwächt, erschlaffet Deinen Geist. Das rechte Maß trifft der, der sich vor Sinnen hält Die Doppelpflicht gen sich und jene gen die Welt. Auch halte nichts gering im Kreis, in dem Du lebest, Die Spinne webt mit Dir den Faden, den Du webest. Doch suche nimmermehr im Kleinen groß zu sein, Die Sühne bleibt nicht aus, Du wirst im Großen klein. Zu Tode trifft den Baum ein Nagelstich in's Mark, Doch kreuzt sich Sturm mit Sturm, er steht inmitten stark. Der Punkt, in dem Du schwach, den mußt Du sorgsam hehlen, Die starke Seite mag des Feindes Pfeil nicht fehlen; Die schützet sich von selbst und gibt es dann auch Wunden, Die Stelle ist gesund, sie wird von selbst gefunden. 1. O klage nie der Welt, wie immer Dich Aus dem Buche des Lebens O klage nie der Welt, wie immer Dich Verfolgen auch des Mißgeschickes Schergen! Verwinde jeden, auch den tiefsten Stich, Lern' von dem Täubchen Deinen Schmerz verbergen. Ich sah, wie auf ein solches plötzlich stieß Ein Falke aus der Luft in böser Stunde, Es rang sich los nach dem empfangnen Biß Und deckte mit dem Flügel seine Wunde. 2. Nimm Dir in Deinem Seelenschmerz Aus dem Buche des Lebens Nimm Dir in Deinem Seelenschmerz Nur die Natur zum Musterbilde: Starr wie ein Steingebild von Erz Bleibt sie urewig hehr und milde. Stets überwölbt vom Himmelsdom Beugt sie sich nie im Sturmestosen; Und bringt zu freundlichem Willkomm Nach Winterfrost Dir Lenzesrosen. Eine Rosengeschichte Vor mir mit säuselndem Gekose Weh'n hin die Blätter einer Rose, Die noch vor Kurzem stolz geblüht; Wer weiß, an welcher Brust sie steckte? Welch seliges Gefühl sie weckte In einem weiblichen Gemüth? O armes Weib! Aus diesen Blättern Spann sich vielleicht in duftgen Lettern Ein trauriges Verhängniß ab; Beginnend erst mit Händedrücken, Mit Küssen, welche voll Entzücken Die Lippe heiß der Lippe gab. Dann kamen Tage voller Sehnen, Dann kamen Stunden, reich an Thränen, Ach und zuletzt der bange Tag: An dem die Hand an's Herz sie drückte, Die Rose bitter sie zerpflückte, Die welk darauf am Boden lag. Dann ist ein Windeshauch gekommen, Hat sacht die Blätter aufgenommen Und leise in die Welt geweht, Sie flatterten empor, — verschwanden — Die Welt hat nichts davon verstanden — Das Drama ahnte der — Poet. In Wald und Feld Wenn mich im Lenz die Grillen plagen Wandr' ich hinaus in die Natur, Wo Amseln locken, Finken schlagen, Im Blütenschmuck prangt die Natur. Bald scheucht sie fort des Lenzes Treiben, Sein blütendufterfüllter Hauch; Hei! wie sie lustig hängen bleiben An Zaun und Rasen, Baum und Strauch! Wenn dann im Herbst die Blätter fallen, Der Wind durch kahle Stoppeln schwirrt, Und durch des Himmels graue Hallen Das schwarze Heer der Wolken irrt, Und sich die Grillen wieder zeigen, Dann flücht' ich leise zum Kamin, Und wenn die Flammen prasselnd steigen, Tanzen die Grillen bald darin; Denn aus den Flammen hebt sich wieder Der Lenz in seinem Blütenkleid, Im Traume hör' ich seine Lieder Und schaue seine Herrlichkeit. Mit hellem Sang und Harfenspiel Mit hellem Sang und Harfenspiel Möcht' ich die Welt bereisen, Und wo's am besten mir gefiel', Da säng' ich meine Weisen. Dann zög' ich vor Dein Haus am Rhein, Die Saiten laut zu schlagen, Und sänge von der Liebe mein Und Frühlingswundersagen. Wenn Rheinesluft mein Herz verspürt, Dann sing' ich frisch und weidlich, Du lauschest wohl und spräch'st gerührt: „Der Harfner singt ganz leidlich.“ Man reichte mir die Gabe hin; Ich aber sänge wieder: „Ei, weißt Du noch nicht, wer ich bin, Und kennst nicht meine Lieder? Und wär' mein Singen Seraphsang, Und gäbst Du goldne Kronen, Was da vor Deiner Thüre klang, Das kann nur Liebe lohnen.“ Und jubelnd ließ ich dann am Rhein Mein Herz an Deinem schlagen, Und sänge von der Liebe mein Und Frühlingswundersagen. Zur Drossel sprach der Fink Zur Drossel sprach der Fink: „Komm' mit, liebe Drossel, komm' eilig, komm' flink! Heut tanzen die Blumen im moosglatten Wald, Komm' mit, liebe Drossel, komm' eilig, komm' bald! Wir setzen uns auf die Äste, Und musiciren zum Feste, Und schauen zu, wie sie tanzen, von fern; Ich habe die Blumen so gern!“ Da flogen zum Walde die zwei; Wie flogen sie eilig zum Walde, juhei! „Frisch auf!“ rief der Fink, als die Blumen er sah; „So tanzet nun, Drossel und Finke sind da!“ Und Fink und Drossel singen, Die Blumen den Reigen schlingen, Und tanzen froh über Thal und Höh'n. Wie tanzten die Blumen so schön! Und als der Tanz nun aus, Da flogen der Fink und die Drossel nach Haus; Die Blumen schlossen die Kelchblätter zu Und hielten nach fröhlichem Tage nun Ruh'. Als Fink und Drossel sich schieden, So recht von Herzen zufrieden, Da rief der lustige Fink noch von fern: „Ich habe die Blumen so gern!“ Hinaus in das Lustgeschmetter Hinaus in das Lustgeschmetter Der Vögel von Busch und Baum! Es rauscht durch alle Blätter Das Lied vom Frühlingstraum. Hinaus! in der Morgenstunde Ertönt es doppelt froh, Und ein Gruß vom schönsten Munde, Mein Herz, Du weißt ja wo! Hinaus und grüß' im Walde Jed' Veilchen, das duftig thaut, Den Falter, der so balde Sich schon an's Licht getraut, Und grüße die Anemone Froh im Vorübergeh'n, Und mit dem hellsten Tone Mein Herz, Du weißt ja wen! Hinaus in das Frühlingsleben, In die frische Morgenpracht, Hinaus in das Wonneleben, Mit dem der Mai erwacht! Hinaus auf die Himmelsleiter, Und bis ich im Himmel bin Und noch ein wenig weiter — Du weißt ja, mein Herz, wohin! Gib mir Nichts und gib mir Alles Gib mir Nichts und gib mir Alles, Drum die Seele ringt und wirbt, Gib mir Glück, im Liede schall' es, Gib mir Leid, geheim verhall' es, Wenn nur nicht die Liebe stirbt! Willst Du mich in Wonne tauchen, Urhauch, der die Welt verjüngt. Laß nur nicht dies Glüh'n verrauchen, Nähr' es hell an Deinem Hauchen, Daß die Lieb' gen Himmel dringt! Seid gepriesen, Schmerzensstunden, Wenn die Seele siecht und darbt! Nur kein tödtliches Gesunden, Kein Vernarben sel'ger Wunden, Wo die Liebe mit vernarbt! Schmerz und Lust sind Brüder, beide Aus der Liebe Schoos entstammt; Heil Dir, Lust, im Goldgeschmeide, Heil Dir, Schmerz, im dunklen Kleide, Wenn nur Lieb' in Beiden flammt! Drum versage, drum gewähre, Heilig Herz, wie Gott Dich treibt! Gib mir Lust, die süß mich nähre, Schmerz, der flammend mich verkläre, Weil mir ja die Liebe bleibt! Die Jugend will ziehen Die Jugend will ziehen In fernes Land Und drückt mir im Fliehen Noch rasch die Hand. So willst du fort? O hör' ein Wort! Noch strömt durch die Glieder Das Blut mir heiß, Noch hab' ich Lieder Zu Deinem Preis, Du kehrst doch wieder? „Wer weiß!“ O sei nicht spröde, Du hold Gesicht! Ich trage die Öde Des Alters nicht! Die schlimme Zeit Voll Traurigkeit. Mein Herz wird erkalten In Frost und Schnee, Nur Gram will walten, Nur Leid und Weh — O laß Dich halten! „Ade!“ Und willst du entschwinden, So sag' mir an, Ob wieder Dich finden Mein Auge kann, Ob ewiglich Du meidest mich? Ob nie Du in Treue Dich mir vereinst, Daß Dein ich mich freue, Wenn Du mir erscheinst Im Glanz auf's Neue? „Dereinst!“ Der Engel mit dem Flammenschwerte Der Engel mit dem Flammenschwerte wies Adam und Eva aus dem Paradies. Nicht umzuschauen wagte Adam mehr Auf seinem Pfade sonder Wiederkehr. Doch Eva wandte zum verlornen Glück Nur einmal schmerzlich scheu den Blick zurück. Da sog sie noch den fernen Widerschein Der Erdenhelle in die Augen ein. Da sank vom Scheidegruß der Nachtigall Noch in ihr Herz der letzte Wiederhall. Der Schimmer blieb in ihren Augen stehn, Der Ton im Herzen wollte nicht vergehn. Von allen Erdenwonnen, die entflohn, Blieb ihr ein Schimmer und ein leiser Ton. So weht noch heut ein Echo sel'ger Lust In holder Frauen Blick und stiller Brust. Ich hab' den Schimmer Dir im Aug' geschaut, Dem Ton gelauscht in Deiner Stimme Laut. Sie gaben Kunde, die ich selig pries, Vom Pfade zum verlornen Paradies. Ein höchstes Glück ... Ein höchstes Glück, das uns versagt hienieden, Ein reinster Wunsch, dem nie Erfüllung lacht, Ein liebstes Herz, von dem wir schroff geschieden, Ein schönster Traum, aus dem wir bang erwacht, Ein härt'ster Kampf, dem nimmer winket Frieden, Ein schwerstes Opfer, blutend dargebracht: Verschlungne Wurzeln sind es eines Baumes, Der Blüthen trägt in Welten höh'ren Raumes. Maifeier Maiglöcklein läuten den Frühling ein, Glingglang, glingglang, glingglang, glingglang! Sie läuten thalaus, sie läuten thalein, Glingglang, glingglang, glingglang, glingglang! Und es fliegen viel fröhliche Sänger herbei, Ziwit, ziwit, ziwit, ziwit! Und jauchzen des Lenzes Lustmelodei, Ziwit, ziwit, ziwit, ziwit! Und das Bächlein hört es im kühlen Grund, Glurrglurr, glurrglurr, glurrglurr, glurrglurr! Und thut es den Tannen und Buchen kund, Glurrglurr, glurrglurr, glurrglurr, glurrglurr! In die dumpfige Stadt auch klingt das Geläut, Bimbam, bimbam, bimbam, bimbam! Und rufet die Maler und Dichtersleut, Bimbam, bimbam, bimbam, bimbam! Und sie wallen zum lustigen Feste herbei, Juhe, juhe, juhe, juhe! Und jauchzen mit in die Lustmelodei, Juhe, juhe, juhe, juhe! Und es hört's der Philister im Ofenrauch, Aha, aha, aha, aha! Und recket die Nas' aus dem Schlafrock auch, Aha, aha, aha, aha! Wenn die Erde sich schmückt mit dem bräutlichen Kleid, Hm hm, hm hm, hm hm, hm hm! Behagt auch Philistern die blühende Maid, Hm hm, hm hm, hm hm, hm hm! Und im frostigen Herz, im verdorrtsten Gemüt, Ja ja, ja ja, ja ja, ja ja! Nun auch ein lustig Lenzblümchen blüht, Ja ja, ja ja, ja ja, ja ja! Frühling und Weltschmerz Durch den frühlinggrünen Wald Spielen frische Sonnenlichter, Weltenschmerz im Busen wallt In der Einsamkeit ein Dichter. Weltenschmerzsonettenkranz, Legt er an die letzte Feile, Doch der dumme Frühlingsglanz Kritisirt ihm jede Zeile. Und der tollen Vögelein Jauchzendfrohe Dithyramben Fallen gar zu störend ein In die taktfesternsten Jamben. Waldröslein hangt ihm an's Kleid, Schauet frech ihm in die Augen, Röslein weg, zum Weltenleid Will dein Buhlen häßlich taugen. Bächlein auch im kühlen Grund Thut ihm gar zu schmeichelnd leise Waldesmärchen traulich kund — Wie stimmt das zu Klageweise! Endlich noch ein Windeshauch Führt ihm — daß dich doch das Wetter! Mitten in den Dornenstrauch Seine weltschmerzschwarzen Blätter. — Weltschmerzdichter, fleuch nach Haus, Fleuch nach Haus mit deinem Grimme, In des Lenzes Lustgebraus Hast du weder Sitz noch Stimme. Irrlicht Es rauscht und braust der dunkle Wald, Die Nacht ist so schwarz, die Nacht ist so kalt, Da reiten zwei Liebste über die Haide, Die sind verirret alle beide. „Mein Lieb, dort schimmert ein Licht von fern!“ — „Mein Lieb, es ist der Abendstern!“ — Sie reiten fort auf wilden Wegen, Dem schimmernden, flimmernden Licht entgegen. „Und siehst Du's leuchten durch den Wald? Nun sind wir in der Heimat bald.“ — „Und wären wir in der Heimat dein, Es möcht' uns beiden baß gesein.“ — Das Lichtlein flimmert, der Nebel braut, Tief in der Seel' es den beiden graut, Da lichtet und öffnet sich der Wald, Sie treiben die Rosse mit wilder Gewalt. „Und siehst Du schimmern den Stern so nah?“ „Mein Lieb, wir sind in der Heimat ja!“ — Sie reiten heran in raschem Trab, — Das tiefe Moor zog beide hinab. Eins klag' ich Nicht klag' ich über die umwölkte Sonne; Sie wird sich heben zu erneuter Wonne. Nicht klag' ich über die bedornte Rose; Denn wer begehrte je die dornenlose? Nicht klag' ich, daß die Blüthenzeit entschwindet; Denn glücklich, wer die Frucht des Lebens findet. Eins klag' ich: daß das Schönste stets entschwunden, Eh' du zu ihm den Weg hast ausgefunden. Und kannst du endlich seine Spur erfassen, So heißt es schon: jetzt sollst du es verlassen! Der Garten-Nachbarin O Kind, des Lenzes Fächeln Ruft schon die Erde wach. Du weilst mit stillem Lächeln Noch träumend im Gemach. Dein liebes Antlitz siehst du Im Spiegel sanft und klar. Die kleinen Blumen ziehst du So zierlich durch dein Haar. Des Thaues frische Welle Bedeckt die Knospe ganz; Dein Auge, sonst so helle, Umflort ein feuchter Glanz. Am Zweig die jungen Triebe Entfalten sich zur Zeit. Dir nahet schon die Liebe, Dir nahet schon das Leid. Frischer Lebenshauch O frischer Lebenshauch, Der du durch Thal und Wiesen gehst Und auch um meine Stirne wehst: Du bringst der Pflanze frischen Saft; Du alter Freund bringst neue Kraft Dem müden Herzen auch, O frischer Lebenshauch. Ich wandle durch die Flur Wohl an des Stromes grünen Saum, Und denk' an meinen Jugendtraum Und höre leisen Wellenfall Und sehe staunend überall Des großen Geistes Spur Im Wandeln durch die Flur. Ich stehe hier allein. Die Biene schwirrt, der Häher schreit Durch tiefe, tiefe Einsamkeit. Ein Wagen rollt' in dunkler Fern'; Ich lausche still und denke gern An alle Lust und Pein Und stehe ganz allein. Herz, werde frei und groß! Du kannst die Blüthe knospen seh'n, Du kannst der Ströme Gruß versteh'n. Im tiefsten Innern bebst du auf Und ahnest schon erneuten Lauf; Beklage nicht dein Loos! Herz, werde frei und groß! Die Prinzessin O Fürstentochter, du bist schön! Sanft neigen sich die edlen Glieder, Die Augen blicken feucht hernieder; Dich preist des Liederspiels Getön: O Fürstentochter, du bist schön! Du stehest sinnend am Balkon, Wenn sich das Abendroth ergossen. Der Arm, von goldner Spang' umschlossen, Er bebt und scheint zu winken schon Herab vom glänzenden Balkon. Du ziehest von der weißen Hand Dir leise träumend weg die Hülle Und streichst der Locken dunkle Fülle, Ziehst um den Nacken das Gewand, O Jungfrau, mit der weißen Hand. Ein stolzer Schwan im nahen See Zieht rauschend seine feuchten Gleise, Als sänge er nach Dichterweise Von Schmerzeslust, von Liebesweh, Hingleitend auf dem stillen See. Ein Mann steht düster am Altan Und drücket sich den Hut, den alten, Noch tiefer in der Stirne Falten Und ziehet schweigend seine Bahn Vorbei dem fürstlichen Altan. Die tausendjährige Eiche Ich bin ein alter Baum Und habe viel erfahren. Ich steh' auf diesem Raum Seit zehnmal hundert Jahren. Sah tausend Winter flieh'n, Sah tausend Frühlingswetter. Stets sanken alte hin, Stets kamen frische Blätter. Das Erdengottgeschlecht Mit seinen Freud' und Leiden, Sie zankten um ihr Recht Und alle mußten scheiden. Die Kämpfe waren schwer, Die ich gesehen habe, Nun liegt das ganze Heer Der Kämpfer in dem Grabe. Sie stritten harten Streit Auf blutbefleckter Erde, Als ob in Ewigkeit Der Siegsruhm bleiben werde. Sie bauten weit und breit Viel Thürm' und Klostermauern, Als ob für alle Zeit Die Dinge sollten dauern. Die Mauern sanken doch, Der Ruhm wich aus dem Lande. Ich aber stehe noch Auf meinem alten Stande Ein neuer Morgen tagt, Es kommt ein neuer Glaube; Ich bin vom Wurm zernagt, Mein Mark sinkt hin zu Staube. — Der du aus einem Kern Aus meinem Samen sproßtest, Dich fröhlich wiegst und gern Des Lebens Freude kostest: Du Stamm so jugendlich, Was hast wohl du erfahren, Wenn du einst stehst wie ich, Ein Baum von tausend Jahren? Der deutsche Jude I. Ich stand auf deutscher Berge Gipfeln Und sah der Sonne Morgenrauch, Da kam von fernen Cederwipfeln Zu mir ein längst vergess'ner Hauch. Ich träumte von dem heil'gen Strome, Vom Tempel, der so herrlich war, Und schaute statt der mächt'gen Dome Nur Zions stürzenden Altar. Da flüsterten die alten Sagen; Vom Libanon da hat's gebraust, Wie in der Urwelt grauen Tagen, Als meine Ahnen dort gehaust. Und als im Sturm die Flammen glühten, Worin die Welt sich hat erneut, Ward auch das Volk von Sturmes Wüthen Nach allen Winden hin zerstreut. So ward, ein Flüchtling, ich verschlagen Vom Jordan bis zum alten Rhein; Und wo die Ritterburgen ragen, Da soll ich nun ein Fremder sein. Es haben sich in goldne Halmen Die deutschen Felder eingehüllt; Warum von Palmen und von Psalmen Wär' unser Sehnen angefüllt? Nein! wenn sich auch ein leises Mahnen Noch regt an die vergess'ne Zeit, Sind meine Dienste doch den Fahnen Des edlen, starken Kampfs geweiht. Und wie aus längst versunknen Vesten Noch Moos und Bäume blühn hervor, So steigt auch aus den alten Resten Der Drang zum neuen Licht empor. So ruft es mir im Busen heftig: Die Zeit vollendet ihren Lauf! Es steht der Geist der Liebe kräftig Aus modernden Gesteinen auf. Die Liebe läßt sich nicht verkümmern; In Staub die alte Herrlichkeit! Denn hoch ersteht aus Schutt und Trümmern Der Lebensbaum der neuen Zeit! II. Schön ist des Ostens Sommertag, Mehr duftend als Jasmin und Flieder; Und was ein Herz erfreuen mag, Gießt er aus seinem Horne nieder. Doch mag gedeihen Feld und Au, Das ist noch nicht der rechte Thau; Ein bessrer Sommer kam uns heuer. Des Nordens tiefes Nebelgrau Verklärte hell des Geistes Feuer. Das deutsche Volk, das bis zum Belt Den dunklen Urwald konnte lichten, Hat nicht umsonst die weite Welt Belehrt in Büchern und Gedichten. Des Volkes echte Stimme preist! Gekommen ist die Siegesstunde. Messias, der uns schon umkreist, Messias wird der deutsche Geist Dem alten wie dem neuen Bunde. Antwort Einen Vogel hab' ich gefragt: Was bist du nach Süden hingeflogen? Er hat mir d'rauf nur Eines gesagt: Es hat mich halt dort hin gezogen. Ich habe es lange im Busen getragen Das Wort und öfters wohl erwogen; Ich mußte mir immer selber sagen: Es hat mich halt dorthin gezogen. Nachtgesang der Geister Auf dämmernder Wiese, im dunkeln Hain Die Bäume geheimnißvoll schweigen, Da tanzen, umwoben vom Mondenschein, Die Geister den nächtlichen Reigen, Und wie sie da springen In wilder Lust, Aus voller Brust Vernimmt man ihr feierlich Singen: Die Sonn' ist gesunken, der Tag entfloh'n, Die Nacht, die umschleiernde, winket; Die Kühlung erquicket, vom Himmel schon Das Heer der Gestirne blinket. Da winden und weben Wir Blumen aufs Haupt, Der Kränze beraubt, Die wir getragen im Leben. Die grämliche Sorge des Lebens vergällt Dem Menschen die strahlende Freude, Es folgt, wenn er schäumend den Becher hält, Das Schicksal mit höhnischem Neide. Auf Bechers Grunde Voll Bitterkeit Es Hefe beut, Zu trüben die selige Stunde. Es welken die Blumen im Sonnenlicht, Das segnend die Welt überbreitet: Ach traue du selbst dem Lichte nicht, Der Schatten zur Seite ihm schreitet. Das Leben ist sorgen- Und wechselvoll, Was kommen soll, Wer kennt den kommenden Morgen? Es gehen und kommen im Wechseltanz Der Tag und die Nacht gezogen, Bald Dunkel, bald Sonnen- und Mondenglanz, Bald Stille, bald schäumende Wogen. In Schlummer geborgen Was bringen mag Der neue Tag, Verscheuche die grämlichen Sorgen. König Snaer Es sitzet auf schneeigem Felsen Ein König im hohen Nord; Am Fuße des Felsens wälzen Die Winde die Wellen fort. Die Augen des Alten spähen Weit auf dem brausenden Meer; Ihm ist was Leides geschehen, Drum blickt er so traurig umher. Es hat seine lockige Tochter Ein Sohn aus dem Süd entführt, Verlocken die Blonde mocht' er Durch Rosen und Liebeslied. Rasch floh sie mit ihm vor dem Vater, Der hat sie nimmer geseh'n; Die Yacht noch zu schauen, hat er Bestiegen die schneeigen Höh'n. Dort sitzet er einsam und traurig Und blicket hinaus aufs Meer; Die Wellen, die tosen schaurig Am Felsen hin und her. Und immer mächtiger toben Die Winde und wirbeln den Schnee, Der König stürzt von oben Hinunter in die See. Der Schiffer So weit Wie heut' So jagte der Sturmwind Die Wolken im Flug. Als einst ich im Grimme Mein Liebchen erschlug. Es lief Mein Schiff An's Ufer zurücke, Getrieben vom Wind; Sprang 'raus um zu eilen Zur Liebsten geschwind. Sie stand Am Strand Des brausenden Meer's doch In stürmischer Nacht, Und hat mit dem Freunde Liebkosend gelacht. In Zorn Verlor'n, Erfaßt' ich den Jüngling Und stieß ihn hinab; Er fand in den Fluthen Wohl sicher sein Grab. „Verzeih! Die Reu', O kann sie nicht lindern Die Schuld, das Vergehn?“ So hört' ich sie jammern, So hört ich sie fleh'n. Sie rang So bang' Die bebenden Hände, Daß Gott es erbarm'! Doch, trunken von Rache, Erfaßt sie mein Arm Und stieß Den Spieß Mit rasender Freude Ihr tief in die Brust; Sah rinnen, sah quillen Das Blut mir zur Lust. — Ich lief Zum Schiff, Und trieb es hinaus, weit In offene See; — In jeglicher Welle Ihr Bild ich doch seh'! So weit Wie heut' So jagte der Sturmwind Die Wolken im Flug', Als einst ich im Grimme Mein Liebchen erschlug. Das reisende Glück Hat deine Brust die Freude Zum Ruhplatz sich erwählt, Und drinnen aufgeschlagen Ihr leichtes Reisezelt; So trag' in deinem Innern Das Glück schön still und sacht, Daß nicht durch deinen Jubel Der Kummer gar erwacht. Der schlüge bald in Trümmer Das Zelt, in Fluch das Glück; Dann kehrte es wohl schwerlich Sobald dir mehr zurück. Die Todtenglocke Es hüpft in ihrer Kammer Kaum daß der Osten graut, Sich schmückend froh zur Hochzeit, Die wunderholde Braut. Die Amme ist geschäftig Um ihren Putz bemüht Und summet still dazwischen Ein grauenhaftes Lied. „Ach Mütterchen! was singet, Für garstig Liedlein ihr? Dies Mährlein von der Glocke, Macht mich erbangen schier.“ „Ei! kennst du nicht die Glocke, Mein süßes Töchterlein? Dort ober der Kapelle, Im runden Thürmelein? Das ist dieselbe Glocke, Von der ich eben sang; Wenn Jemand stirbt vom Hause — Vernimmt man ihren Klang. So auch bei deiner Muhme: — Just wollt' sie zum Altar, — Die Glocke klang — man brachte Den Bräut'gam auf der Bahr.“ „O schweigt mit euren Mährlein! Mir wird so weh ums Herz; Und heute will ich lachen, Will froh sein und voll Scherz. Wo mag mein Liebster bleiben? Wohl könnt' er kommen bald; Schon steiget dort die Sonne Hoch über'n Fichtenwald.“ Die Alte legt das Kränzlein Ins Lockenhaar der Braut; Da tönet eine Glocke In schaurig dumpfem Laut. Ergrausend ruft die Alte Mit einem dumpfen Schrei: „Das ist die Todtenglocke! Gott steh', mein Kind, dir bei!“ Die Jungfrau steht erblassend An ihrem Fensterlein: — „O laßt die bösen Scherze! Nicht schreckt mich, Mütterlein.“ Sie blicket durch die Scheiben, Da rennt, wie toll, zum Schloß, Des Herren los und ledig, Ein Roß, — des Liebsten Roß! Und einen Schwarm von Raben Erschaut sie in der Luft, Der läßt sich krächzend nieder, Dort an des Berges Kluft. Die Glocke ward gehört kaum, Das Roß geseh'n im Schloß; Da eilet schon zur Rettung In's Thal ein Knappentroß. Die ausgesandten Diener Sie kehren heim gar bleich; — Sie fanden an der Bergschlucht Des Ritter's blut'ge Leich'. Die Maid, sie klagt nicht, weint nicht, Sie starrt zur Höh' empor; Da tönt die Glocke wieder, — Noch schauriger, wie vor. Und ahnungsvolles Grausen Durchzuckt der Diener Reih'n; — Die Gruft umschließt das Fräulein Beim nächsten Abendschein. Olaf Es steht im Wolkengewande Der Himmel angethan, Die scheue Möwe verkündet Im Fluge des Sturmes Nah'n, Am Seegestade sinnet Die liebliche Fischermaid: Gewitterschwer dunkelt der Westen, Wird Olaf wohl kommen heut In des Abends Geleit? — Noch spielet ausgeworfen Das Netz am Wasser hin, Die Maid will hinuntersteigen Um aus der Fluth es zu zieh'n; Da sprenget auf prächtigem Rosse Daher ein Rittersmann, Jach schwingt er sich aus dem Sattel Und schreitet in freundlichem Nah'n Zur Maid heran. Sie hüpfet ihm froh entgegen Mit trautem Gruß und Blick, Doch plötzlich weichet betroffen Und scheu das Mägdlein zurück. „Macht dich mein Anblick erbangen? Du wunderholdes Kind!“ „Verzeiht! doch ich wähnt', es reite Herr Olaf daher so geschwind, Trotz Wetter und Wind.“ „Herr Olaf nennt sich mein Bruder, Der sitzt heut im Rittersbund; Im weiten Ahnensaale, Da macht das Methhorn die Rund.“ „So hat er denn mein vergessen, Läßt bange mich harren hier?“ „Nicht sollst du darob dich grämen, Das trübte, hold Mägdlein, schier Die Äuglein dir. Horch! hat es nicht geraschelt Da drüben im dichten Gebüsch?“ „Ach nein, im Netze gefangen, Da plätschert bange ein Fisch.“ „Nun spute dich in dein Hüttlein, — Er schlingt den Arm um die Maid — Schon arg beginnt es zu stürmen; Komm, komm und tausche dein Leid Mit Freudigkeit.“ Und wieder hat es geknistert Im Busche, — es knallt ein Schuß: — Der Ritter sinkt blutend nieder, Es war ein Todesgruß. — Die Fischerin will ihm zu Hülfe. Da faßt ihn schon an die Fluth, Ein brausender Wirbel schleudert Hinab ihn mit mächtiger Wuth In Todesgluth. Nun wanket mit bleicher Miene Herr Olaf vom Busch hervor, Es rauschet empört ihm entgegen Der Wogen gewaltiger Chor. Er stürzt sich hinab in die Barke, Das ohnmächt'ge Mädchen im Arm, Und überlässet das Fahrzeug — Hinstarrend, daß Gott erbarm' — Dem Wogenschwarm. Was kommt doch dort nachgeschwommen? Ihr Götter! Harald's Leich'! Was haschet er nach der Barke? Was grinst er so todt und bleich? Hu, wie er hurtig schwimmet, Der todte Bruder Harald, Nun fasset an den Nachen Und zerrt ihn hinab mit Gewalt Die Leichengestalt. Es wächst mit jeder Sekunde Der Elemente Streit, Und immer gibt der Todte Dem Schiff und Schiffer Geleit. Nun senket der Sturm die Flügel, Es flieht das Wetterheer; Die Wogen wiegen, leicht spielend, Ein Schifflein, ledig und leer, Sanft hin und her. — Poesie und Liebe I. Es öffnete in Äthers Weite Apollo einst sein gold'nes Haus, Und sandt' allein und ohn' Geleite Ein lichtumstrahltes Wesen aus Und sprach: „Schwing' dich zur Erde nieder, Des Menschen Herz bedarf ja dein! Lass' tönen deine hellsten Lieder — Und trostlos lass' kein Herz mir sein. Dein ist das weite Reich der Geister, Du meine Tochter Poesie! Sei auch hinfort der Seele Meister, Veredle und verkläre sie. So weit ich mag das Scepter schwingen, So weit ein Herz empfindend wallt, Sollst du dir das Gemüth erringen Mit des Gefühles Allgewalt. Und du begrüßest diese Hallen Als deine Heimat eher nicht, Als bis des armen Herzens Wallen Von Glück nur und von Wonne spricht.“ Und nieder schwebte sie zur Erde, Die Himmelstochter Poesie, Und haucht' ein hoffnungsvolles Werde Auf's Herbstgefild' der Sympathie. Sie zieht vorbei an manchem Orte, Man schaut sie kalt und fremde an; Sie pocht an manche Herzenspforte — Nur zaghaft wird ihr aufgethan: „Was willst du? bist nicht uns'res Gleichen, Wir können nimmer dich versteh'n, — Vertraulich nicht die Hand dir reichen, Und nicht als Freunde mit dir geh'n; Zu lichtverkläret ist dein Wesen, Geblendet senkt sich unser Blick; Du bist zu Höh'rem auserlesen, Wir weichen scheu vor dir zurück.“ „Will meine Gottheit mit dir theilen, Gib Einlaß mir, o Menschenherz! Und zaubermächtig will ich heilen Wol deinen tausendfachen Schmerz.“ „Kein Arzt steigt mehr vom Himmel nieder, Die Zeit der Wunder ist vorbei; Nur ird'scher Balsam heilet wieder Das Erdenweh, — nicht Zauberei.“ Da grollt die Muse: „Wofür schleppe Ich durch das Narr'ngewühl mich fort. Das Menschenherz ist eine Steppe, Von Sinnengluten ausgedorrt. Kein edler Saame reift zur Blüthe Wol mehr in diesem dürren Sand; Ich find' nur Geister, kein' Gemüthe — Und wein' verlassen und verbannt.“ II. Da, sinnend durch den Hain gegangen Kommt eine wunderholde Maid; Ein Sternreif hält ihr Haupt umfangen, Mit Rosen ist besät ihr Kleid. „Das ist die Königin der Liebe! — Ruft freudig aus die Poesie, — Der Herzen regellos Getriebe Schafft sie zur Götterharmonie. Und hab' die Liebe ich errungen, Nenn' mein ich auch das Haus der Welt, Der große Sieg ist dann gelungen — Und meine Sendung ist bestellt.“ Urania hört's und blicket innig Das lichtverklärte Wesen an, Und spricht die Worte ernst und sinnig: „Wir wollen Schwestern sein fortan. Nicht länger können wir entbehren Einander wol im Erdenthal; Der Seele Feuer kann nur nähren Der Kunst und Liebe Doppelstrahl. Doch lass' vom Wahn' dich nicht berücken, Noch ist nicht unser Werk vollbracht; Nicht nur bezwingen, — auch beglücken, Das sei der Segen uns'rer Macht. Sieh dort die niedrige Begierde, Die frech in meiner Maske geht, — Verhöhnt, verlästert deine Würde, Entweihet meine Majestät. Ein lockend Irrlicht — glüht und funkelt Verderblich sie im Herzen d'rin, Und sie verwirret und umdunkelt Den armen schwachen Menschensinn. D'rum will in's Schacht der Geister senken Ich der Empfindung Lebenskraft; Du aber lehr' das Herze denken Und zügeln seine Leidenschaft. Wenn in ein einzig Reich' verschmolzen Des Herzens und des Geistes Macht, Ein Doppelscepter lenkt die Stolzen — Erst dann ist unser Werk vollbracht.“ Dein Aug' ein Meer Es gleicht dein Aug' dem Meere, So unergründlich tief, Als wenn eine Welt von Wundern In seiner Tiefe schlief. Oft gleitet über den Spiegel Ein zaubrisches Lächeln hin, Wie lichte Friedensengel Hin über die Erde ziehn. Dann wieder blitzt es drohend Aus deiner Augen Gluth, Als wenn Dämonen aufjagten Der Seele schlummernde Fluth. Seitdem ich hinabgesehen In diesen Ozean, Ist's wol um meine Ruhe Und um mein Herz gethan. Hinab muß immer ich starren In diese magische Fluth, Wie's wogt und braust und schimmert, Und nie und nimmer ruht; Wie's lockt und winkt und rufet Aus diesem funkelnden Meer, Als wenn an seinem Grunde Der Himmel verborgen wär'. Ein unüberwindliches Sehnen Mich da zuweilen befällt, Hinab, hinab zu tauchen In diese Zauberwelt; Den magischen Himmel zu finden, Der mir aus den Tiefen winkt, Da für mich in den Höhen Kein Freudensternlein blinkt; Zu finden den einzigen Himmel, Der dort mir entgegenlacht, An dessen heiliger Pforte Der Engel der Liebe wacht. Die Wunder dieses Meeres Ich will, ich muß sie sehn, Und sollt' in seinen Fluthen Mein Herz auch verloren gehn! Du bist die Herrlichste von Allen Du bist die Herrlichste von Allen, So sonder Falsch, so schön und rein, Ein Stern, vom Himmel frisch gefallen, Er könnte selbst nicht schöner sein. Du bist ein stilles, liebverklärtes Gemüth, von Kindersinn beseelt, Und das Bewußtsein Deines Werthes Die einz'ge Tugend, die Dir fehlt. Was liegt denn an der Welt O lasse Dich küssen, süß Liebchen mein, Sieh, dicht ist das grüne Laubgezelt, Niemand schaut durch als der Sonnenschein; Und schaute die ganze Welt herein — Was liegt denn an der Welt! Schenk ein, schenk ein den goldigen Wein, Der das Herz wie Maiensonnen erhellt, Wenn wir nur glücklich sind zu zwein Mag die Welt darüber verdrießlich sein, — Was liegt denn an der Welt! Stoß an, mein Liebchen, mit lustigem Klang, Ob das Glas in Scherben fällt, Das Glas und die Welt, die halten noch lang, Und zerspränge die Welt, wie das Glas zersprang — Was liegt denn an der Welt! Sympathie Es schwebt in liebendem Umfangen Still um den Himmel hin die Nacht, In Traum und Frieden ist vergangen, Was meine Seele bange macht. Ein tiefes ahnungsvolles Sehnen Weht durch die laue, dunkle Luft — Durch meine Seele zieht ein Wähnen, Als ob sie eine Andre ruft. Wer bist du, der so still und mächtig Mich anzieht, wie der Mond das Meer? Ich weiß nicht, — doch du liebst mich mächtig, Denn meine Seele zittert sehr. Ach Lieb ich soll Dich lassen, mein Herz will's nicht verstehn Schlichte Weisen Ach Lieb ich soll Dich lassen, mein Herz will's nicht verstehn, Das Haus, die kleinen Gassen, da ich dich zuerst gesehn, Die Schwalben an den Risten des Hauses bauten fromm, Sie werden oftmals nisten, eh' daß ich wiederkomm'. Und in der Gass' der Flieder, der blühte weiß wie Schnee — Oft blüht und welkt er wieder, bis ich Dich wieder seh. Und kehr' ich einst auch wieder, wohl find' ich am alten Platz Die Schwalben und den Flieder — Gott weiß, ob Dich, mein Schatz. Wer sich mit einem Weib verbind't, der waget viele Schmerzen Schlichte Weisen Wer sich mit einem Weib verbind't, der waget viele Schmerzen, Wohl paßt sich Mund auf Mund geschwind, doch langsam Herz zum Herzen. — Es glaubt sich leicht im grünen Hag, die Liebe sei zu wagen, Wenn laut am blauen Sommertag die frohen Finken schlagen. Es glaubt sich leicht bei goldnem Wein, die Liebe sei gefunden, Wenn rasch und hell wie Sonnenschein vorüberziehn die Stunden. Da hat für eine Ewigkeit schon mancher sich verschworen — Und rasch wie Rausch und Sommerzeit die Liebe war verloren: Wer sich mit einem Weib verbind't, soll sich auf Gott besinnen Und sehn, ob ihre Augen sind, daß Gott sich spiegle drinnen. — Kindlichkeit O wahre Dir des Kindes weichen Sinn Im schwülen Drang des harten Männerlebens: Sei mild in Deiner Kraft — du kämpfst vergebens, Ist nicht der Friede Deines Kampfs Gewinn. Der Friede, der da harmlos gern vertraut, Ob oft enttäuscht, auf jeden Gruß der Freude, Auf des Bewußtseins ewig Felsgebäude Die Schwebegärten grüner Hoffnung baut. Es ist des Kindes schönste Kunst, zugleich Mit Einem Blick zu lächeln und zu weinen — Wer Mannesernst und Kindlichkeit mag einen, Deß ist das Erden- und das Himmelreich! Der Glaube der Freundschaft Wenn eines Menschen Seele Du gewonnen, Und in sein Herz hast tief hineingeschaut, Und ihn befunden einen klaren Bronnen, In dessen reiner Fluth der Himmel blaut, — Laß Deine Zuversicht dann Dir nichts rauben, Und trage lieber der Enttäuschung Schmerz, Als daß Du grundlos ihm entziehst den Glauben — Kein größer Glück als ein vertrauend Herz! Laß adlermuthig deine Liebe schweifen, Bis dicht an die Unmöglichkeit hinan: Kannst Du des Freundes Thun nicht mehr begreifen, So fängt der Freundschaft frommer Glaube an! Versöhnlichkeit Zur Ruhe gehe keine Nacht, Wenn einer Deiner Lieben grollt, Wer weiß, ob morgen Ihr erwacht, Euch auszusöhnen, wie Ihr sollt. Das Herz, das jetzt so stürmisch pocht In Trotz und Stolz und hartem Sinn, Ein über Nacht verglimmter Docht, Ist morgen schon vielleicht dahin. Dann giebt nicht wieder Dir der Mund Erwiedernd der Versöhnung Kuß, Er schloß sich unversöhnet und Im Aug erlosch der Thräne Fluß. Weh! mußt am Sarg Du Dir gestehn, Gedenkend an sein Angesicht, Als Du's das letzte Mal gesehn, Da war's in Lieb' und Friede nicht! Drum, fühlst du Abends Grimm und Groll, Laß drüber hingehn keine Nacht, Stark ist der Trotz — doch wundervoll, Viel stärker ist der Liebe Macht. Zum Freunde geh' und beut die Hand, Du selbst zuerst, zum Frieden an: Und sternenwärts Dein Haupt gewandt, Geh' freudig heim zu schlummern dann. Gesang der Legionen Durch Alpenschnee, durch Parthersand Mit immer stätem Schritte, Wir tragen mit das Vaterland Und Römer Recht und Sitte. Und wo der Feldherr Lager schlug, Da kann uns Heimat werden: Wir folgen unsrer Adler Flug, Und unser ist die Erden. Und nach dem Sieg das Schwert gesenkt Und Pflug geführt und Spaten: Das Land, das römisch Blut getränkt, Ist römischer Penaten. Am Euphrat und am Donaustrom Blüht heil'ger Dienst der Laren Und rings ersteht ein kleines Rom Zum Staunen der Barbaren. Der Sumpf versiecht, der Urwald fällt, Nah'n sich des Liktors Stäbe: Wir bringen eine schön're Welt: Den Ölbaum und die Rebe. Wir bauen Straßen von Granit, Die noch in fernsten Tagen Den ehrnen Schritt, den Siegesschritt Der Schlachtcohorten tragen. Denn uns ist aus Orakelmund Das Schicksalswort verkündet: So ewig steht im Erdenrund Das Römerreich begründet, So wenig ziehn von Pol zu Pol Die römischen Legionen — Als am bethürmten Capitol Die ew'gen Götter thronen. Hagars Rache Es kam ein Mann durch die Wüste gefahren Mit dreißig beladenen Dromedaren. Die trugen Schätze viel hundert Lasten — Unter den Cedern wollten sie rasten. Da, auf schnaubenden Rossen, mit Pfeil und Bogen Kamen die Söhne der Wüste geflogen. Und nahmen das Gut und schleiften den Mann Zu ihres Fürsten Zelt hindann. Der kam geschritten bräunlich schön, Wie der Löwe schreitet auf Carmels Höhn. „O schone mein Leben, nimm Lösegeld, Ich fülle mit Gold dir das ganze Zelt. Denn Gott gab Segen meinem Stamm — Ich bin Isak, der Sohn des Abraham.“ Da riß aus der Scheide der Emir das Schwert: „Dank den Göttern der Rache, die dich mir gewährt. Lang fahnd' ich nach dir, lang such' ich dich schon: Denn ich bin Ismael, Hagars Sohn. In die Wüste zum Futter der Geier und Raben, So wollt es ja Sarah, die Treffliche, haben. In die Wüste verstieß er das Weib und den Knaben, Und Jehova vergalt mit Verheißungsgaben! Doch die Palme der Wüste war gnäd'ger als Gott: Die Verstoßenen leben, Jehova zum Spott. Laß sehn, ob er jetzt dich entreißt dem Verderben, Gottseliges Brüderlein, du mußt sterben.“ Da hob von den Polstern ein hehres Weib Den immer noch königlich schönen Leib. Sie zerdrückt eine Thräne von Stolz und Harm Und rühret des Helden erhobenen Arm. „O König der Wüste, du mein Juwel, Mein Löwe, mein Adler, mein Ismael, Ich bitte zum Dank für ein ganzes Leben: Mir sollst du den Sohn der Sarah geben.“ Und er neigte das Haupt und das Schwert dazu Und küßte im Staub seiner Mutter Schuh. „Sag' Abraham,“ sprach sie zu jenem gewandt, „Hagar hat mich dir zurückgesandt.“ Jung Sigurd Jung Sigurd war ein Wickinger stolz, Der fuhr in den Sturm mit Lachen, Und schwang er die Lanze von Eschenholz, Da mußten die Schilde zerkrachen: Die Traube von Chios, das Gold von Byzanz Begehrte sein Herz und sein Hammer gewann's. Doch priesen die Freunde den blühenden Leib Der Römerin, die sie gefangen, Und lobt' ihm ein Andrer sein ehelich Weib, Das daheim sein harre mit Bangen, Und sprach ihm von Lieb' und von Liebesgluth — Laut lachte jung Sigurd wie brandende Fluth. — „Mein schwellendes Segel hat weißere Brust Als euere Buhlen, ihr Schelme, Mir ist kein Weiberauge bewußt, So licht wie der Stein hier am Helme, Und lüstet nach lieblicher Süße mein Mund, So schlürf' ich den feurigen Wein von Burgund. Ja, stieg' umflossen von Asgards Licht Mir Freya selber hernieder, Fürwahr, ich höbe die Wimper nicht, Zu schau'n die unsterblichen Glieder: Wenn je mir ein Sehnen die Schönheit weckt, So werde mit Nacht dies Auge bedeckt.“ — Und sie landen am öden Felsengestad Im Strahl mittäglicher Sonnen — Jung Sigurd schweift auf verlassenem Pfad, Da lockt ihn der rieselnde Bronnen, Und als er schreitet zum Quellenrand, Da steht ein Mädchen im Bettlergewand. Wohl birgt sie der Schleier, wohl deckt sie der Rock, Doch es schimmern so schneeig die Füße, Und es glänzt durch die Hülle wie golden Gelock, Und die Stimme, wie klingt sie so süße, Und als sie zum Trunke den Krug ihm bot — Da wurden die Wangen ihm bleich und roth: Und es wallte sein Blut, und sein Herz schlug laut Und er rief: „O lege geschwinde, Daß dich mein verlangend Auge schaut, Vom Haupte die hüllende Binde: Aus Mantel und Schleier, wie strahlt es licht, Wie hold muß strahlen dein Angesicht.“ Und er greift nach den Falten und bittet und fleht — Da ruft sie: „Dir werde dein Wille!“ Und der Mantel fällt und der Schleier verweht — Da wurde jung Sigurd stille, Denn hehr, von unsterblichem Glanz umwallt, Erkannt' er der Liebesgöttin Gestalt. Licht floß von den Schläfen das goldene Haar, Alabastern glänzten die Wangen, Aus den Augen, den siegenden, schimmert es klar, Als käme die Sonne gegangen: Und den Nacken umschloß das goldne Geschmeid, Das der Anmuth allmächtigen Zauber leiht. Jung Sigurd schwieg; ihm versagte der Laut, Da sprach sie mit zürnendem Munde: „Des Himmels Königin hast du geschaut, Und die Sehnsucht kennst du zur Stunde; So werde vollendet dein trotzig Wort, — Und Nacht bedecke dein Aug' hinfort.“ Und es ließ der Blinde von Schwert und Schild Und begann die Harfe zu schlagen: Doch es schuf ihm das eine, das göttliche Bild Sein Dunkel zu leuchtenden Tagen: Kein Sänger vermocht' ihn im Kampf zu bestehn, Denn er hatte die Göttin der Schönheit gesehn. Der Fremdling „Der Fremdling war's im grünen Mantel, um's Lockenhaupt den Veilchenkranz, Er hat bethört die Königstochter, die er geführt im Maientanz. Er kam, man weiß es nicht, von wannen, er schied, und Niemand weiß, wohin. Du bist betrogen, schön Haralda, und Schmach und Tod ist dein Gewinn.“ So klagt das Volk; doch König Olaf, der Finstre, klagt und drohet nicht. Ein Grab läßt er im Walde graben, durch Schnee und Eis der Spaten bricht. Im Frühmärz war's, kahl stehn die Bäume, kein Vogelruf, Eis deckt den Quell. Rings Alles starr: nur hoch am Himmel zieht's hin wie Frühlingswolken hell. Und schweigend führt vor allem Volke sein Kind er an den dunkeln Schlund: „Lebendig sei mit deiner Schande verschlungen von der Erde Grund, Sagst du mir nicht des Frevlers Namen und wo ihn trifft mein Strafgericht.“ Doch sie schlug auf die schönen Augen und sprach in Ruh: „Ich weiß es nicht! Ich weiß nur, daß er ist mein Gatte und daß er wiederkehret mir: Er schlang von gelben Schlüsselblumen den Reif um meine Rechte hier, Und sprach: 'Auf Monde bannt das Schicksal mich fern von dir, geliebte Frau, Doch wenn die Schlüsselblumen wieder, die gelben, sprießen auf der Au, Dann kehr' ich dir zurück so sicher, als Sonn' und Mond am Himmel gehn.' Schon hab' ich heut' aus Schnee und Eise das erste Veilchen lauschen sehn, Nun kommt er bald“ — „Du willst noch höhnen?“ rief da der König zornesbleich, „Hinab mit dir!“ — schon setzt die Holde den weißen Fuß in's Todtenreich, Da plötzlich rauscht es in den Lüften, es blitzt, es donnert, braust und weht, Ein warmer Hauch wie Veilchendüfte berauschend durch die Wipfel geht, Hie Sonnenschein, dort Regenbogen, ein Schwalbenflug, er zwitschert hell, Der Rasen grünt, die Büsche knospen, und aus dem Eise bricht der Quell. Die Erde bebt und aus dem Grabe, umstrahlt von lichtem Götterglanz, Der Fremdling steigt in grünem Mantel und auf dem Haupt den Veilchenkranz. „Gott Baldur!“ rufen Volk und König und sinken bebend in die Knie, Er aber faßt die Hand Haralda's, und zu den Sternen schweben sie. König Richard und Sir Hugh I. „Nun zieh' ich in's gelobte Land, der heil'ge Christ hat Noth, Jetzt helf' ich ihm mit meiner Hand, der mir oft Hülfe bot. Und dir, Sir Hugh, empfehl' ich all' mein Volk und was es hat, Schloß Dover, meines Reiches Wall, und London, meine Stadt. Ich kenne dich von edlem Muth: ich weiß, treu wahrest du, Noch treuer als dein höchstes Gut, mein Königsrecht, Sir Hugh. Mein Vetter Frankreich ist ein Schelm, mein Bruder John dazu, Sei du Altenglands Schild und Helm an meiner Stadt, Sir Hugh.“ Der König Richard sprach's und stieg an Bord mit seinem Heer: In seinen Fahnen flog der Sieg, und Schreck zog vor ihm her; Vorauf dem Kreuzheer stritt der Held, und hell erklang wie Erz Durch Christenland und Heidenwelt der Name: Löwenherz. II. Sir Hugh indeß des Rechtes pflag und hielt das Reich in Acht: Dem Staat gehört der laute Tag, der Lieb' die stille Nacht. Denn einst als er zu angeln ging am Savern blau und breit, Sir Hugh als süße Beute fing die allerschönste Maid. Das war das junge Fischerkind, nicht sechzehn Winter alt, Ihr golden Haar so seidenlind, so wonnig die Gestalt; In grüner Einsamkeit erblüht, gleichwie die Wasserros', Die an dem Rand des Savern glüht, von Schilf versteckt und Moos. Manch' goldnen Abend fuhren sie, wann süß der Hänfling sang, Wohl Mund an Mund und Knie an Knie den stillen Strom entlang. O waldumfriedet Glostershire, du erlengrünes Land, Welch' stille Freuden schautet ihr, ihr Buchten an dem Strand! Das Ruder ruht, — sie treiben leis, — vorauf der wilde Schwan — Und Blüthen streuet roth und weiß der Maiwind in den Kahn. III. Seit Monden ruht der flinke Kahn, umsonst der Vogel schlägt, Kein Liebespaar auf blauer Bahn der stille Savern trägt: Sir Hugh zog aus mit Mann und Roß für König Richards Thron, Denn Frankreich griff nach Dover-Schloß, nach London griff Prinz John. Und manchen Tag stand er im Feld, es wuchs und wuchs der Feind, Schon vor dem Thor von London hält er seine Macht vereint. Und morgen will in blut'ger Schlacht Sir Hugh die Stadt befrei'n, Da stürzt ins Zelt bei tiefer Nacht sein treuster Knapp' herein: „Du bist betrogen! folge mir, nach Haus, Sir Hugh, nach Haus! Du kämpfst für König Richard hier, vieltreuer Mann, den Strauß: Und König Richard ist zurück und stiehlt dir wie ein Dieb Im Wald von Glostershire dein Glück und herzt und kos't dein Lieb. Sie sitzt auf seinem Schos in Ruh, — er küßt ihren rothen Mund, Ich hab's gesehn — ich schwör' dir's zu — zur Rache fort, zur Stund!“ Wohl ward des Ritters Wange bleich: doch griff er zum Panier: „Wohlauf! zur Schlacht für Kron' und Reich! und dann — nach Glostershire!“ IV. Am Savern vor dem Grafenschloß saß König Löwenherz, Von seinen bärt'gen Lippen floß manch' frohgemuther Scherz. Im Rosenbusche saß das Paar, Wein perlet im Pokal, Er spielt mit ihrem weichen Haar, mit ihren Fingern schmal. Da stürmt Sir Hugh herein zum Hag — die Maid ward roth und fahl, Verbunden seine Linke lag, die Rechte schwang den Stahl. Und vor dem König erst mit Zucht ins Knie sinkt der Baron: „Das Heer von Frankreich nahm die Flucht, geschlagen ist Prinz John. Frei Dover, deines Reiches Wall, frei London, deine Stadt, Und deines Rechtes überall wehrt ich an deiner Statt, Ich war Altenglands Schild und Helm — da sprang er auf im Schmerz — Doch du, Herr König, bist ein Schelm und nicht ein Löwenherz! Und schlug der Feind mich blutig wund für dich und für dein Recht, Mein Zorn ist heil, mein Grimm gesund, auf, König zum Gefecht! Und bist du gleich der Heiden Schreck und Englands Majestät: Nicht lebend kommst du mir vom Fleck — Richard Plantagenet!“ Der König Richard sah ihn an und sprach in hellem Ton: „Gott segne dich, du tapfrer Mann, Gott segne dich, mein Sohn. Wohl kannt' ich dich, du herrlich Blut: Gott weiß, treu wahrtest du, Und höher als dein höchstes Gut, mein Königsrecht, Sir Hugh. Sir Hugh, ich bin kein falscher Dieb, liebkos' ich diese Maid, Denn meine Tochter ist dein Lieb, die Frucht viel süßer Zeit. Auch ich fing einst am Savernfluß ein holdes Fischerkind: — Dein Aug' war hell und süß dein Kuß, du arme Rosalind! Ob lang das Moos dein Grab umgrünt, heut schauest du in Huld, Wie endlich reich dein Richard sühnt die alte Liebesschuld: Das Beste, was ich geben kann, soll unsres Kindes sein: Ich geb' ihr den getreusten Mann, der in ganz England mein!“ Sir Roger de Montremy Das war Sir Roger de Montremy, zog singend durch die Gauen, Und wo er kam, da lächelten sie; wo er schied, da fluchten die Frauen. Denn er trug an seiner linken Hand einen Ring von rothem Achate, Den gab ihm einst aus Feenland Claribella, seine Pathe. Und drehte das Gold er am Finger sacht, so zuckte sie, die er erkoren, Und drückte er an den Stein mit Macht, war mit Seel' und Leib sie verloren. Und es konnte zur Rache kein Ehgemahl, kein tapferer Bruder taugen, Denn die Männer sanken vor seinem Stahl, wie die Frauen vor seinen Augen. So ging er durch Frankreich und Burgund nach England über die Wogen. Heut war sein übermüthiger Mund von unbändigem Stolz umzogen. Denn die schöne Königin Eleanor, das begehrteste Weib der Erden, Nach Teviot-Hall ihn heut Nacht beschwor, da sollte viel Glück ihm werden. Sie hatte geschrieben: „Sir Montremy, o komm, es gilt mein Leben, Ich will die Bretagne, die Normandie und mich selber will ich dir geben.“ Und Sir Roger ritt im Abendlicht, wo des Teviot Fluthen rauschen: Sein Stolz war groß — er wollt' jetzt nicht mit Gott im Himmel tauschen. Und als er kam wo die Fähren sind, die Wandrer überzufahren, Da saß am Steg das Schifferkind von noch nicht siebzehn Jahren — Ein blaues Röcklein — ein Hemdchen weiß, drauf zwei gelbe Zöpfe fielen, Über die nackten Zehen ließ leis sie rinnend die Wellen spielen. — Er stieg vom Roß, er rief sie an — da hat ihn ein Blick getroffen, Ein einz'ger Blick — da faßt' es ihn an, als säh' er den Himmel offen. Und es kam wie Thau nach Sonnenbrand ihm über die Seele gezogen, Und er streifte den Ring von der linken Hand, warf weit ihn weg in die Wogen. Und er sank vor dem Kind verstummt aufs Knie, in den Schos hat sein Haupt sie genommen — Seither hat von Roger de Montremy kein Mensch mehr Kunde bekommen. Lied der Geusen Gleichwie die Möwe ruhlos hastet Von Land zu Meer, von Meer zu Land — Und kaum im Flug die Schwinge rastet Auf Wellenschaum, auf Dünensand: — So wogen wir auf irren Bahnen Von Deich zu Fluth, von Fluth zu Deich, Zerschlißne Segel unsre Fahnen, Ein morsches Schifflein unser Reich. Oft nur den letzten Schuß im Laufe — Vom Sturm gepeitscht, vom Feind gehetzt — Ein adeliger Bettlerhaufe — Den Hut zerhau'n, das Wamms zerfetzt: — — Und doch erbebt das stolze Spanien, In dessen Reich der Tag nicht sinkt, Wenn unser Racheruf: „Oranien!“ Sich über Alba's Heere schwingt. Ihr bebt mit Recht! Von Sclavenschande Bei Gott! wird dieser Boden rein, Und müßten alle Niederlande Von Meeresfluth verschlungen sein! Durchstecht den Deich, reißt auf die Schleusen! Ersäuft die fremde Tyrannei! Es naht die See, es nah'n die Geusen, Das Land wird Meer, doch wird es frei! An * II. Thöricht Kind, laß ab zu heischen! Lieder heischest du von mir? — Ach, was hätten sie zu bieten, Meine reichsten Lieder — dir? Trägt man Sterne noch dem Himmel, Rosen noch dem Frühling zu? Selber, wie du lebst und wandelst, Eitel Poesie bist du! Beim Schlafengehen Jetzt greift sie wohl mit lichten Händen Ins lange Goldhaar noch einmal: Der Gürtel gleitet von den Lenden, Der kleine Schuh vom Fuß zumal. Jetzt ist sie hart ans Pfühl getreten, Die Arme kreuzend auf der Brust: Und was die schönen Lippen beten, Ist Gott allein und mir bewußt! Madonnenhaft Nun endlich hab ich ausgesonnen Den Reiz, der dich verklärt und weiht: Du gleichst den umbrischen Madonnen Aus Rafaels Epheben-Zeit. Es hält ein Glanz von ew'ger Trauer Und ew'ger Wonne dich umsäumt, Es ruht auf dir in heil'gem Schauer Ein Gotteskuß, still nachgeträumt. Jungfräulich bist du Weib geworden, Ein'st Knospenreiz und Blumengluth; Um's goldne Haupt in Gold-Accorden Spült dir der Engel-Chöre Fluth. Du hast des höchsten Schmerzes Milde, Der tiefsten Rührung Majestät, Und aufgelöst vor deinem Bilde Wird mein Verlangen zu Gebet. Die Mette von Marienburg I. „Nachtlockiges Weib, jagellonisches Blut, So siegte doch endlich die süße Gluth! Lang blieb ihr verhaßt der Deutsche, der Fremde, Mit dem weißen Mantel auf schuppigem Hemde: Doch endlich ward sie inne Der siegenden Frau Minne, Daß sie mir freud'ge Botschaft schrieb: ‚O komme, so wahr dir dein Leben lieb, In der Christnacht auf Podol, mein Schloß.‘ Nun, Greif, mein Rappe, mein wackres Roß, Die schöne Feindin soll nicht warten!“ Und er zieht geheim in den Burgwallgarten Am Zügel das leise wiehernde Thier: „Schweig, trauter Greif, das rath' ich dir! Wenn uns die Gebiet'ger erlauschten, die frommen, Wir würden in sichern Verwahr genommen, Und wir flögen wohl niemals wieder, wir beide, Auf Minnefahrt durch Wald und Heide.“ Und sacht und rasch auf beschneitem Rasen, Führt er das Roß an die Ausfall-Pforte: „Still, alter Hans, keine Predigt-Worte! Willst du vielleicht das Lärmhorn blasen Und den Priestern deinen jungen Herrn Verrathen, daß sie ihn fah'n und sperr'n Sein Leben lang zu Brod und Wasser, Die gottseligen Burgunder-Prasser!“ Da lachte Hans, dann sprach er ernst: „Daß du doch niemals Sitte lernst! O lieber Falk, mein Junker werth, Weit ist gerühmt dein rasches Schwert: Jedoch du läßt nicht von der Minne! Die frommt dem Deutschherrn-Ritter nicht! Wohin stehn dir heut' Nacht die Sinne, Heut' Nacht, da heil'ge Christenpflicht Uns alle ruft zur Mittnacht-Mette?“ „Auf, Hans, rasch fort die Riegelkette! Vielschönes Weib berief mich heiß!“ „Die Nogath geht in Trümmereis!“ — „Greif schwimmt gleich einem Neckarhecht!“ „Im Weichsel-Walde fährt sich's schlecht! Dort rennen rudelweis die Wölfe.“ „Nicht fürcht' ich ihrer zehn und zwölfe!“ „Im Tanne von Podol verhohlen Mansuren bergen sich und Polen.“ „Gleich ihren Wölfen acht' ich sie: Zwölf gegen Einen fürcht' ich nie! Rasch auf das Thürlein! Greif, nun lauf: Frau Aventiure, nimm mich auf!“ — II. „Gesteh, du wilder, geliebter Mann, Ob Zauber dir mein Herz gewann? Du bist wie Sturm und Gluth und Gewitter, Bist heißer als all die blonden Ritter, Bist mark'ger als die Polenknaben: Aus deinen dunkeln Augen und Locken Sprüht's und knistert's wie Feuerflocken, Du bist wie Gold und Stahl und Flamme“ — „Schön Lieb, das rührt von meinem Stamme! Ich bin vom freud'gen Volk der Schwaben, Ich bin aus Deutschlands wonn'gem Süd, Wo heißer Blut und Minne glüht! Wer suchte wohl den Falk von Stauf Heut' Nacht bei schön Lodoiska auf!“ „Wie kamst du in den frommen Orden?“ „Der Heimath war ich urdrüß worden: Mein Schwert schlief ein auf leichten Siegen: Da drang der Ruf in's Neckarland: — Die deutschen Herrn erliegen! Marienburg wird heiß berannt, Sie schüttelt kaum vom Nacken Die Wölfe, die Polacken, Und Tag um Tag tobt grimmes Morden. — Da dacht ich: Falk, flieg aus nach Norden. So trat ich in den frommen Orden: Traun, nicht für's Werk der Pfaffen, Für's freud'ge Werk der Waffen.“ „So magst du leichtern Herzens hören, Was ich erst jetzt enthüllen kann: Du kannst den Plan nicht mehr zerstören, Der meinem Volk den Sieg gewann: Als ich dich sterben sollte wissen, Da ward mein Lieben grell mir klar: Geliebter Mann, dich hat entrissen Lodoiska sichrer Todgefahr: Weißt du, weßhalb ich dich beschworen Heut aus Marienburg hieher? All' deine Brüder sind verloren, Sie schau'n den nächsten Tag nicht mehr! Verrath erschließt das Nogath-Thor Beim letzten Schlag der Mitternacht: Sechstausend Polen stehn davor: Was drinnen lebt, wird umgebracht. So siegt mein Volk — die Deutschen fallen: — Doch du, der Einz'ge, sollst von Allen, Du wilder Edelfalke mein, Durch mich, für mich gerettet sein: Ich liebe dich! Komm an mein Herz.“ — Auf fuhr der Stauf in Schreck und Schmerz: „Marienburg! Der Brüder Leben! Gott, Flügel mußt du jetzt mir geben!“ Und eh' die Polin sich's versehn, War schon der kühne Sprung geschehn Vom Erkerfenster in den Schnee: „Jetzt renne, Greif! sonst ewig: Weh!“ III. Den Nacken gesenkt, die Zügel verhängt, Durch die Nacht kommt der rasende Reiter gesprengt. Längst ließ er die Straße, verlor er den Pfad, Nach Süden, nach Süden nur pfeilgerad! Über der Heiden endlos Weiß, Über der Bäche krachend Eis, Über die Schluchten von mürbem Schnee, Über den spiegelglatten See, Hinab die Halden, hinan die Hügel Trägt ihn das Roß wie Adlerflügel: Die Dornen reißen im heißen Hetzen Vom flatternden, weißen Mantel Fetzen! Schon gewann er den dichten Wald von Podol: Zu seinen Häupten lacht es hohl: — Das sind in den Föhrenwipfeln die Eulen. Doch näher und immer näher heulen Die Wölfe zur Rechten, die Wölfe zur Linken: Dem Rappen wollen die Kniee sinken, Es schnaubt, es zittert das edle Thier: „Greif, Freund Greif, nicht bange dir! Halt aus, halt aus! es gilt viel mehr Als unser Leben: es gilt die Ehr'! Laß sie nur kommen, die Hunde, die feigen: Ich will ihnen schwäbisches Eisen zeigen.“ Und er klopft ihm den Hals — ausgreift das Roß — Doch nah schon rennt der heulende Troß, Zur Linken, zur Rechten sieht er sie jagen, Doch den Ansprung will keiner wagen: Herr Stauf zieht jetzt sein breites Messer: Er schwingt's im Mondlicht — das scheucht sie besser: Aber die Eine, die Wölfin, die magre, Die graue, die große, die hungrige, hagre, Reißt endlich hin die lechzende Gier: Sie springt auf den Bug dem schnaubenden Thier — Da fährt durch die Gurgel ihr scharfer Stahl, Und die Sterbende schleudert Herr Falk zur Erde, Und sofort sie zerfleischen die andern zumal Und lassen vom Reiter und seinem Pferde. Der weiße Mantel war blutig roth: „Vorüber, Freund Greif, die Wolfes-Noth!“ Aus dem Tann in das Freie jagt der Stauf: — Was stutzt der Rappe? was hält ihn auf? Vor ihnen welch' Gurgeln! der Mond tritt grell Aus dunklem Gewölk: er leuchtet hell! Und ringsum kracht's und knistert und dröhnt: Die Nogath ist's, die im Eisgang stöhnt! Im Strahl des Mondes, weiß, grün und grau, Wogt Wasser und Eis, welch' grimme Schau! Bald Fluthen schwarz wie Todesnacht, Bald Eisgezack' kristall'ner Pracht: Es rauscht, es knirscht, es zieht, es kracht: — — Falk spornt das Roß: doch der treue Greif, Er sperrt sich todesbang und steif: Die Vorderfüße vorgestemmt, Die Mähne weht kopfüber wirr, — So starrt er in das Eisgeklirr; In die dunkle Fluth, in den kalten Wind: — — „Greif aus, mein Greif, geschwind, geschwind! Schwimm durch, schwimm durch! es gilt viel mehr Als unser Leben! es gilt die Ehr'! Nun spring' und schwimm! es muß, es muß!“ Und in den eisigen, grollenden Fluß Setzt der Rappe mit edlem Sprung: Er springt und watet und schreitet und klimmt An's Ufer, an's steile, mit sicherm Sprung! Da grüßet schon — das ist kein Stern! — Das Licht Marienburgs von fern, Das rothe Licht vom Remterthurm! — Doch vor der Burg, wie ein ringelnder Wurm, Was kauert und schleichet und lauert dort? „Halt, Reiter, gieb das Losungswort,“ So ruft's in zischelndem Slaventon! — „Der Teufel ist's, du Wolfessohn, Der Teufel kömmt euch holen, Ihr gottverfluchten Polen!“ So ruft Herr Falk und jagt vorbei: Da hallt ein halb verhaltner Schrei: „Nach, nach! mit allen Rossen! Mit sausenden Geschossen, Doch leis, daß von der Zinne Man unser nicht wird inne!“ Und hinter dem keuchenden, schäumenden Rappen Die kleinen polnischen Hufe klappen: Und verräth der Mond den weißmant'ligen Reiter, Dann schwirren die Pfeile: weit und weiter Schon jagt er voraus: — noch einmal ein Schwarm Von Geschossen auf Schulter und Rücken und Arm: — Da hält er auch schon vor dem Nogath-Thor: Todt stürzt das Roß, aus dem Sattel empor Der Reiter springt und mit letzter Kraft Schlägt er an's Thor das Schwert mit Macht, Ein- zweimal- drei: — und geisterhaft Anschlägt die Glocke Mitternacht. Er ruft: „Verrath! auf! auf! Euch Brüder warnt der Stauf, Laßt jetzt Gebete und Metten, Das Leben gilt's zu retten! Verrath erschließt das Nogath-Thor — Beim letzten Schlag der Mitternacht — Sechstausend Polen stehn davor — Ich kann nicht mehr — es ist — vollbracht!“ Ein lauter Hornruf scholl vom Wall, Rings Fackeln, Waffen überall: Bald brachen wie Gewitter Hervor die deutschen Ritter, Die Polen flohn mit Eilen: — Doch todt mit sieben Pfeilen Hob man den Warner auf, Den Schwaben Falk von Stauf! a. Still ist's im Stübchen im Dämmerschein Vom Sturm Still ist's im Stübchen im Dämmerschein Und leise geht der Uhren Schlag — Traurig bin ich und sehr allein, Wie gestern, so heute, so jeden Tag. — Still ist's im Stübchen, doch auf den Gassen, Horch! wie die Winde sich jagen und fassen; Es pocht der Sturm mir an die Scheiben Und ruft: „wie lange noch willst du bleiben Und senken das Köpfchen und seufzen leis: — 'Ach hätt' ich Flügel zu fliegen weit?' — Thöricht Kind, geh' mit mir auf die Reis' — Ich habe Flügel stark und breit; Sollst nicht mehr sitzen im Dämmerscheinen Und sehnen und harren und träumen und weinen. Komm mit, komm mit, du junges Leben! Sollst frei mit mir durch die Lüfte schweben — Will hoch dich bis zu den Sternen heben.“ Horch! wie er rüttelt am alten Haus, Unwiderstehlich zieht's mich hinaus — Klirrend stößt er die Scheiben ein — Weit spannt er die Flügel und ich bin sein. b. Die Blätter tanzen im Wirbelwind Vom Sturm Die Blätter tanzen im Wirbelwind, Die letzten, die kaum gefallen sind, Hei, wie sie fliegen und jagen und eilen, Sie können nicht rasten, sie dürfen nicht weilen. Im dürren Walde, da ächzt es und saust, Das ist der Sturm, der vorüber braust, Und was er umschlingt und was er umfaßt, Das muß ihm folgen in schwindelnder Hast. Mir wandern die Sinne, mir schwindet die Ruh, So zwingende Weisen singt er dazu. Und wild und wilder sein dunkles Lied Durch Seel' und Sinne mir lockend zieht. Komm! dunkler Zauber, klingst so bekannt, Woll'n singen und tanzen durch's öde Land; — Da wirbelt und braust es und flüstert und hallt Um Haupt und Herz mir mit Geistergewalt, An Schulter und Füßen ergreift es mich schon, Es hebt mich vom Boden, es trägt mich davon, Er schlägt seinen Mantel mir um den Leib, Ich bin des Sturmes erkorenes Weib. Zur Nacht Nacht ist's und öde Weg und Gassen, Zur Ruhe längst ging Alles ein: Nur blitzend durch die Nebelmassen Seh' ich noch deiner Ampel Schein. Wie könnt' ich nun im Schlummer liegen, Da einsam ruhlos ich dich weiß: Und mich in weiche Kissen schmiegen, Da du dich mühst in spätem Fleiß? — Ich schwebe wie im Zaubertanze Dem Strahle deines Lichtes nach, Und im gespenst'gen Dämmerglanze Betret' ich leise dein Gemach. Und siehst du's nicht am scheuen Lichte, Wie's fein den frischen Luftzug spürt? Und fühlst du nicht dir am Gesichte, Daß es mein heißer Hauch berührt? Die Feder nehm' ich dir aus Händen, Die weisen Bücher schließ' ich zu Und führe längs den Epheuwänden Geliebter, dich zu süßer Ruh. Sehnsucht 2. Nicht kann ich der ew'gen Sehnsucht genesen, Nicht kann ich vergessen wie's all' gewesen — Und kann dich nicht lassen und kann dich nicht meiden, Mag lieber die süßen Qualen leiden — Will lieber dich lieben und drum verderben: Für dich muß ich leben! für dich muß ich sterben! Gehorsam Rufe mich und ich will kommen, Selig an dein Herz genommen, Immerdar bei dir zu sein: Heiß' mich in Verbannung gehen, Nie sollst du mich wieder sehen: Glück ist, dir gehorsam sein, Nah und fern dir bin ich dein. Sternenschrift Nun hab' ich unser sehnend Lieben Mit Flammenzeichen in des Himmels Blau geschrieben — Dorthin blick auf aus Lebens Wirrgetriebe, Wenn Wort und Gruß von mir dir nicht mehr naht: In tiefer Nacht, wenn Taglast ausgemüdet hat, Grüßt dich aus Sterngefunkel meine Liebe. 1. Höchstes Glück und tiefstes Leiden Fromm in Glück und Leid Höchstes Glück und tiefstes Leiden Heben zu Gott und machen bescheiden. 2. Ich wandle hin im Deingedenken Fromm in Glück und Leid Ich wandle hin im Deingedenken, Weltstille, fromm und gut — Nun möge Gott dir einen Segen schenken, Der dir desgleichen thut. 3. Alles ward ich Fromm in Glück und Leid Alles ward ich Durch dich — Alles ward mir Mit dir — Ewig bleib ich In dir. Traum und Erwachen Nächtens leb' ich oft im Traum Unser altes Leiden: Muß an Doppelweges Saum Hastig von dir scheiden. Bald verweht in Sturmesdrang Deines Schrittes Schweben: Rastlos wandr' ich über'n Hang Und der Wind daneben; Schreite auf den Steg so schmal, Tiefe Wasser blinken: — Wirr mein Sinn! und ohne Wahl — Muß ich fallen und sinken? Da, vom Ufer über die Fluth Kommst du licht gegangen: Und dein Herz, dein Arm, dein Muth Rettend mich umfangen. Brücke, Wasser, Traum verschwimmt: Ringsum Dämmerschatte, — — Rothen Scheins die Ampel glimmt: — Ruhig schläft mein Gatte. Psalm Ich bin der Herr! der allmächtige Gott! Ruft's aus der Wolke, säuselt's im Thal; Wandle vor mir, so ist mein Gebot, Fromm und demüthig in Lust und Qual; Von meiner Sonn' erglänzet dein Pfad, Dir leuchtet mein Sternenheer; Dir grünet der Wald und die wogende Saat, Dir braust mein unendliches Meer. Dich hab' ich zum Hüter und Herrscher bestellt In meiner blühenden, prangenden Welt, Und all' ihre Wunder predigen dir: Ich bin der Allmächt'ge, wandle vor mir! Fromm sollst du wandeln im Sonnenlicht, Fromm in der heiligen Nacht; Fromm, gläubig und still, daß mein Angesicht Dir leucht' aus der Schöpfung Pracht; Daß nicht erröthe der Morgenstern, Zu wandeln reiner als du; Gehorsam dem Wink und der Weisung des Herrn Der ewigen Heimath zu. Einst Einst! — süßes Wort im Rückwärtsschauen, Der welken Blüthe zarter Duft! Von längst verlassnen Glückesauen Ein Wehen heimathlicher Luft. Einst! seltsam Wort! — in öde Leere Halb hingeseufzt mit Sehnsuchtslaut — Halb aufgejauchzt, als ob es wäre Willkommen einer frohen Braut. Einst — einst! der rasche Strom der Zeiten Verrinnt dazwischen ohne Rast; Trägt Ewigkeit zu Ewigkeiten, Den Freudenkranz, des Elends Last. Einst — einst! mit diesem Zauberringe Schließt sich des Lebens Wechselkreis, Er trägt die Kette aller Dinge, Der Hoffnung grünstes Palmenreis. Einst wurden wir gewiegt ins Leben, Einst wiegt uns sel'ger ein der Tod. Wie es den Morgenglanz gegeben, So bringt es auch das Abendroth. Wer einst verarmt und trüb auf Erden Nach Gottes Rath blieb kurze Zeit — Der soll einst reich und selig werden Nach Gottes Rath — in Ewigkeit! Sonett Ihr seid bemüht, den Himmel uns zu rauben, Ihr großen Weisen der modernen Schule; Ein Bannspruch trifft von eurem hohen Stuhle Als Thoren Alle, die noch hoffend glauben. Bestrebt, den Baum des Lebens zu entlauben, Macht ihr die Erde uns zu niedrem Pfuhle Und jeden zur Maschine, die da spule, So lang die Räder halten in den Schrauben. Der Aberglaube alter dunkler Zeiten — Der tödtete die Leiber, Gott zur Ehre, Doch schlimmer ihr, die Klugen und Gescheidten; Ihr tödtet, auf daß euer Ruhm sich mehre, Die Seele und den Geist, den gottgeweihten, Damit der Mensch zum Thiere sich verkehre. O halte still O halte still, wenn auch des Lebens Wogen Dein Schifflein zu zertrümmern drohn, Es wölbt der Himmel seinen Friedensbogen Nach Sturm und Regen erst dem Erdensohn. O halte still, und laß' das müß'ge Fragen, Kannst du des Schicksals Walten nicht verstehn: Das Leben ist ein ewiges Entsagen, Und siegen heißt es oder untergehn! O halte still! des Herzens tiefe Wunden Vernarben nicht, so lang die Thräne fließt, Und Ruhe hat noch Keiner je gefunden, Der nicht den Frieden mit sich selber schließt. O halte still! Es kommt uns Menschen Allen Die letzte, die verheißungsvolle Nacht, Dann soll der dichte, dunkle Schleier fallen, Der hier das Leben dir zum Räthsel macht! Im Kampf des Lebens wird der Mann Im Kampf des Lebens wird der Mann; Es ist, wer immer weich gebettet, Nur auf des Lebens Freuden sann, Mit Rosenfesseln angekettet, Die, wie von Zauberhand gelenkt, Der Seele Aufschwung niederhalten, Bis daß sie ihre Flügel ganz gesenkt, Um nie sie wieder zu entfalten. — Du Armer! Was erst glücklich macht, — Du kennst es nicht in deinen Träumen; Kein Morgen folgt in dir der Nacht, Du tastest wie in dunklen Räumen. Und doch, — die Welt beneidet dich; — Ach, daß so Viele erst verstehen, Wann schon ihr Tag dem Abend wich, Daß wir nur ernten, was wir säen! Frisch auf, das Leben ist nur schön Dem, der gewirkt, geschafft, gelitten, Den Blick gewandt zu jenen Höh'n, So wird des Lebens Sieg erstritten! Nur wer gekämpft, der ist ein Mann, Wie Gott uns viele Tausend gebe! Nur wer sich selbst im Kampf gewann, Der lebt, auf daß er ewig lebe! — Allegorie Im tiefen Grunde, wohl versteckt, Kenn' ich ein Häuschen traut, Kein Menschenaug' hat den entdeckt, Der's wundersam erbaut. Es wohnet ein Geschwisterpaar Gar eng vereint darin, Und sind auch beide treu und wahr: Verschieden ist ihr Sinn. Die Schwester singt und jubelt gern, Ernst schaut der Bruder drein: Ihr dünkt die Erd' der beste Stern, Er hofft auf höh'res Sein. Sie zauberte zum Paradies Das Leben früh und spät, Wär's nicht ein Traum, wenn noch so süß, Der oft im Nu verweht. Der Bruder stört den schönen Wahn Und das, was sie gewollt; Dem Strengen völlig unterthan, Verstummt sie, wenn er grollt. Und dennoch gehn sie Hand in Hand, Es trennt sie keine Macht, Dem, was da lebt und liebt, bekannt Sind sie wie Tag und Nacht. Sie stets die gute, liebe Fee, Ein ernster Mahner er; Und wo ich immer Menschen seh', Da fehl'n sie nimmermehr. Und doch! Wer wohl der bessre Freund Von diesen Beiden ist? Das frage Den, der viel geweint In seines Lebens Frist! Das Wunderhäuschen, lieb und klein, Das ist das Menschenherz, Und die Geschwister, die ich mein': Die Freude und der Schmerz. Euthanasia Es sitzt ein altes Mütterlein Im Stübchen, hell vom Sonnenschein. Wohl drückt die Einsamkeit sie schwer, Denn was sie liebte, lebt nicht mehr. Doch heute blickt sie so verklärt, Als wenn ihr Frühling wiederkehrt. Was wohl die gute Alte hat? Was liest sie vom vergilbten Blatt? Sie spricht mit sich und nickt dazu, Ihr zitternd Haupt kommt nicht zur Ruh. Sie schaut empor mit feuchtem Blick, Kehrt wieder zu dem Blatt zurück. Sie küßt es wie ein süßes Kind, Derweil die Thräne leise rinnt. Es ist des Liebsten erster Brief, Der lang in ihrer Truhe schlief. Heut' sind es grade sechzig Jahr, Da stand sie vor dem Traualtar. Sie sieht sich wieder jung und schön An des Geliebten Seite stehn; Ihr Auge hängt an ihm entzückt, Der sie als Gatte hochbeglückt; Und bei dem goldnen Jugendtraum Dehnt sich des Stübchens enger Raum; Fernhin schaut sie voll Seligkeit, Als öffne sich der Himmel weit! Vergessen ist des Lebens Weh, Vergessen ihres Hauptes Schnee. Ein Lächeln, das von Wonne spricht, Strahlt von dem lieben Angesicht. Sie träumt nicht mehr im Kämmerlein: In ihren Himmel ging sie ein! — Kaum daß der Mensch die Welt erblickt Kaum daß der Mensch die Welt erblickt, Hat er zum Trinken Lust; Das Kindlein fühlt sich erst beglückt An voller Mutterbrust. Es trinkt, bis daß es nicht mehr kann, Verschläft sein Räuschchen still, Und wenn's erwacht, weiß Jedermann, Was es von Neuem will. Der Knabe trinkt das Ätherblau Des ungetrübten Glücks; Er schaut die Welt als Blüthenau, Genießt des Augenblicks. Er trinkt in vollem durst'gen Zug Der Freude goldnen Strahl, Und träumt im freien Seelenflug Von Eden allzumal. Der Jüngling trinkt den Trank voll Duft, Den erste Liebe reicht, Er schwelgt in süßer Frühlingsluft, Wo jedes Wehe schweigt. Er trinkt, und selig trunken blickt Sein Aug' im Frohgenuß, Und weit dem Irdischen entrückt Wird er beim ersten Kuß. Der Mann trinkt gold'nen Rebensaft, Gereift am Sonnenlicht, Der, eine hohe Wunderkraft, Der Seele Fesseln bricht. Er trinkt; — und seiner Kindheit Lust, Der Jugend Blüthezeit, Erwachen neu in seiner Brust Im Traum der Seligkeit! So wie du scheinst, nimmt dich die große Menge Sentenzen und Sprüche So wie du scheinst, nimmt dich die große Menge, So wie du bist, nimmt dich die Liebe nur. Ein edles Streben ist's, berühmt zu werden Sentenzen und Sprüche Ein edles Streben ist's, berühmt zu werden, Jedoch kein Götterloos, berühmt zu sein. Willst du im Leben eig'ne Wege gehn Sentenzen und Sprüche Willst du im Leben eig'ne Wege gehn, So wappne dich mit der Entsagung Muth; Die Menge will nur ihres Gleichen sehn, Und meidet den, der anders denkt und thut. Des Lebens Bühne ist herrlich und groß Sentenzen und Sprüche Des Lebens Bühne ist herrlich und groß, Nur birgt sie meistens Statisten im Schooß. Doch hört man sie einzeln reden und schrein, Man glaubt unter lauter Künstlern zu sein. Ein wenig Narrheit klebt uns Allen an Sentenzen und Sprüche Ein wenig Narrheit klebt uns Allen an, Doch sieht's ein Jeder nur am Nebenmann. Nimm du die Welt so wie sie ist Sentenzen und Sprüche Nimm du die Welt so wie sie ist, Dich nimmt sie doch nicht, wie du bist. Auffallender Unterschied Epigrammatisches Der Große fällt, — man hebt ihn sorgsam auf, Damit sein Unglück ihn nicht fürder schände; Der Kleine fällt, — man giebt ihm obendrauf Noch einen Fußtritt, daß er schnell verende. An Freund N Epigrammatisches Der Tadel macht dich bös und selbstvergessen, Du glaubst, es sei ein Unrecht dir geschehn, Doch gilt's des Andern Thatenwerth zu messen, Hab' ich dich stets nur höhnisch spötteln sehn. An Denselben Epigrammatisches Wie klug! Damit der Andre ganz verschwinde, Hebst du ihn zu der Wolken lichten Höh', Und meinst, so übergiebst du ihn dem Winde, Daß er, dem Rauche gleich, in Nichts zergeh'! Doch du vergißt, daß das Gesetz der Schwere Noch eine Macht ist, die ihn hält, Und daß er dir, zunächst als gute Lehre, Vielleicht recht unsanft auf die Nase fällt! Beim Tadel kommt es auf den Tadler an Epigrammatisches Beim Tadel kommt es auf den Tadler an, Daher birgt Tadel oftmals größ're Ehre, Als selbst das reichste Lob dir bringen kann, Wenn dessen Spender jener Tadler wäre. Schwan und Frosch Ein Schwan ließ sich an eines Teiches Rand Nach scharfem Flug ermattet nieder. Ein Frosch saß ganz behaglich da im Sand, Und reckte wohlig seine Glieder. „Holla!“ ruft er, „was will der fremde Gast, Der Störenfried in unserm Kreise?“ „Gemach, Herr Grünling, gönnt die kleine Rast Und einen Trunk nach weiter Reise.“ Der sanfte Ton besiegt des Frosches Groll; „Sei's denn; erzähl' mir was derweile!“ „Wie gern! ist doch die Welt von Wundern voll, Und werth, daß man die Freude theile!“ „Du scherzest, denn ich kenn' wohl auch die Welt, Und sah und forschte dreist und dreister, So daß man mich für den Gescheidtsten hält, Bin auch gelehrter Bürgermeister; Doch Wunder, nein, mein Freund, die kennt man nicht In unserm aufgeklärten Reiche, Und den, der von der Schöpfung Wundern spricht, Verspottet jeder Frosch im Teiche.“ „Magnificenz, voll Ehrfurcht beug' ich mich Vor Euch und Eurer Weisheit Größe, Ihr wollt in Gnaden mir verzeihn, gab ich Mir unversehens eine Blöße! Ich schwimme gern im blauen Äther hin, Und schau herab aus freien Höhen Auf diese Welt und Alles, was darin, Und Wunder glaubt mein Aug' zu sehen. Ich seh' vom Kuß des Morgenstrahls erglühn In Purpur erst der Berge Spitzen, Dann taucht in Gold sich bald der Tannen Grün, Bis auch der Flur Geschmeide blitzen, Und durch das Ganze zieht ein Silberstreif, Bald sanft geglättet, bald in Wellen, Viel tausend Lichter, wie am Demantreif, Erzittern da im Tanz, dem schnellen. Die Sonne steigt; ich folge ihrem Glanz, Flieg' höher noch, und immer höher, Mein Flug bringt mich der Sterne vollem Kranz, Bringt mich Milliarden Welten näher! Und hoch und weit vom Erdgetümmel fort, Wie so harmonisch schaut sich's droben! Was sonst verwirrt und stört, verschwindet dort, Das thut allein der Blick von oben. Ihr kalten Frösche aber, groß und klein, Iht meßt nach Eures Sumpfes Grenzen Die Welt; was Ihr nicht seht, kann auch nicht sein, Und im Verneinen wollt Ihr glänzen! Fahrt wohl! Ich schwinge mich hinauf zum Licht, Wo aller Wunder Ursprung thronet, Die arme Erde kennt die Freude nicht, Die dort im Chor der Sphären wohnet;“ Der Schwan flog auf; der Frosch, gelangweilt schon, Beeilt sich, platsch, in's Bad zu springen, Hoch aus den Lüften aber drang ein Ton, Ein Sang, wie ihn nur Schwäne singen. Ja, ja, die Sonntag singt recht schön Ja, ja, die Sonntag singt recht schön; doch schöner, Unendlich schöner singen deine Augen. Du staunst, du fragst: „Wie können Augen singen?“ Allein so ist es wirklich; Augen giebt es, In denen ist Musik, und diese hier Sind ganz Musik, sind ganz Gesang. Wie manch Entzückend Lied vernehm' ich hier heraus, Wenn sie so groß, so rein, so seelentief Mich an mit ihrem feuchten Glanze seh'n! Drum wenn sie mir einmal zu lange schweigen, Wenn dich ein leer Gekos mit Andern fesselt, Und ich nach ihrem Wonn'- und Wunderstrahle, Dem einzigen Troste meines armen Herzens, Mit allzu schmerzlicher Begier verlange, So will ich nicht mehr flüstern wie vordem: „O sieh mich an!“ will fleh'n: „O singe, singe! Meine Seele lechzt Nach einem Lied.“ — Und du wirst mich versteh'n. Welch eine Nacht Welch eine Nacht! Im Teiche die dunkle Fluth, Sie wird vom Monde, der Vollprangend heraufgestiegen, In lauteres Gold verkehrt. Da tauchet der weiße Schwan, Der durch die Feuchte wallet, Das stolze Haupt hinein, Ist meiner Lieb' ein wunderschönes Bild. Denn also bad' auch ich Mit jedem meiner Sinne In deinem Schönheitsstrahl, In diesem Abglanz überirdischer Minne, In dieser reinen, reichen Gottesspur, Die sich zu unserm Heile Herabgesenkt aus ihrem Äthersaal Und sich vermählt dem Stosse, Dem dunkelen, der irdischen Natur. Mein ganzes Leben war ... Mein ganzes Leben war Ein Suchen und ein Sehnen Nach einem Angesicht, nach einem Lächeln, Nach einem Herzen, so wie dieses ist; Und nun ich es gefunden, Dies Angesicht, dies Lächeln und dies Herz, Sollt ich mein Auge wenden, Und mein Gemüth und meinen Sinn von ihm? Meine Furien werden alt und schwach „Meine Furien werden alt und schwach,“ Sagte Pluto zu dem Götterboten; „Neue brauch' ich, gehe, Suche mir auf Erden drei dazu Taugliche Persönlichkeiten aus!“ Dem Geheiße folgete Merkur. Einige Zeit darauf begann zu Iris Juno so: „Getrautest du dich wohl, Mir drei völlig unbescholtene Frauen auszufinden? Merke wohl, Was ich sage: Völlig unbescholtne; Nicht der kleinste Makel darf an ihnen zu entdecken sein. Ich möchte solche, Um Cytheren zu beschämen, die Sich so unbedingt gesammte Frauen Zu beherrschen rühmt. Versuch's einmal; Gieb dir alle Mühe!“ Jene ging, Aber ohne Beute, ganz allein Kehrte sie zu ihrer Herrin. „Wie,“ Zürnte diese, „nicht einmal drei völlig Reine Frau'n? O grundverderbte Welt!“ Ihr dagegen Iris: „Zu bekommen Waren in der That drei solche Frauen; Doch ich kam zu spät.“ — „Zu spät! Wie so?“ — „Eben hatte sie der Sohn der Maja Für den Pluto weggeholt.“ — „Warum? Wozu braucht sie der?“ — „Zu Furien.“ O wie schön sind Menschenaugen O wie schön sind Menschenaugen, Wenn aus ihnen Liebe spricht! Denn sie sind dann nichts, als Seele, Denn sie sind dann nichts, als Licht, Geisterhaftes, wunderbares, Das mit überird'schem Glanze Aus den leuchtend aufgethanen Tiefen eines innerlichen, Gotterfüllten Himmels bricht. O wie schön sind Menschenaugen, Wenn aus ihnen Liebe spricht! Propheteneifer übermannte mich Propheteneifer übermannte mich — Weh mir Unglücklichen! — in einer Theevisite. Nie ohne den zeigt ein Prophete sich; Doch er verträgt sich nicht mit Anstand und mit Sitte. Wenn ein Jesaias käm', Ein Jeremias Platz an uns'rer Tafel nähm', Wenn in die Ohren uns, in die verwöhnten, Die indiskreten Schärfen, Die zornigen Donner ihrer Rede tönten, Man würde sie hinaus zur Thüre werfen. An Ottilie Du wirst, du gutes Kind, von mir Nur höchst geringe Güter erben; Das Wahre redend ohne Zier, Das Gute wollend für und für, Was könnte man für Lohn erwerben, Als den des Märtyrers, den berben? Dies Schicksal, ich erwählt' es mir; Ich selber schlug mein Glück in Scherben, Und treu dem edelen Panier, Das ich erhoben, will ich sterben. Doch wenn sie, die beglückter sind, Weil ihre Väter nach dem Wind Die Mäntel hängen, die sie tragen, Die ihren Stolz zu zeigen wagen, So sollst du darum nicht verzagen. „Ich bin“, so sollst du ihnen sagen, „Ein Dichter- und Prophetenkind!“ Ich machte neulich ein Gedicht Ich machte neulich ein Gedicht, Das war an meine Frau gericht't. Drob wunderten die Leute sich, Fanden die Sache lächerlich, „So schwärmt man für ein Mädchen wohl; Die Frau, die kocht mir meinen Kohl; Was braucht es da solch einen Schnack?“ So kritisirte dieses Pack. Drauf hab' ich eine Maid geschaut, Die mich durch ihren Glanz erbaut. Auf diese minnigliche Pracht Hab' ich ein zartes Lied gemacht. Weh mir! Da haben sie geschrie'n: „Ein Ehebrecher! Steinigt ihn!“ So mißlich ist Poetenamt, Woferne der Poet verdammt, Zu leben im Philisterheer. Ist's ihm gegönnt, so wander' er! Verbietet das sein Mißgeschick, So bleibt ihm nur der Hängestrick. Wunderviel hätt' ich genossen Wunderviel hätt' ich genossen, Meint die Welt, die scheinberückte, Wenn sie blättert in den Liedern, Welche meinem Kiel entflossen. Leider kann ich ihr erwiedern, Daß sie übel unterrichtet. Denn wie selten war die Stätte, Wo ich ruht', ein Rosenbette, Und wie oft mein armes Leben Nur von Leiden eine Kette! Wenn ich mehr genossen hätte, Weniger hätt' ich gedichtet. Puppentheater erfreut mich baß Puppentheater erfreut mich baß, Der Tod tritt auf und schaut so graß; Hanswurst hat keinen Resp.kt davor; Er übt an ihm nur seinen Witz; Und steigt aus seinem Höllensitz Der grimmige Teufel selbst empor — Er wird von ihm ganz ungenirt Mit den allerschönsten Prügeln traktirt. Für den Humor giebt's keine Schrecken. I. Wie Schnee so zart, so weiß und rein Marienlieder Wie Schnee so zart, so weiß und rein, Maria du! Wie Rosenflor, wie Lilienschein, Maria du! So golden wie der Sterne Licht Der Schimmer dein; Voll Himmelsglanz dein Angesicht, Maria rein! Du aller Freuden reicher Bronn', Maria du! Der Erde und des Himmels Sonn', Maria du! O sei gegrüßt zu jeder Zeit, Maria du! Und in der sel'gen Ewigkeit, Maria du! II. O Jungfrau — Mutter, aus dem Thränenthal Marienlieder O Jungfrau — Mutter, aus dem Thränenthal Ruf' ich zu dir, das Auge thränenschwer; Mein Frühling schwand, der grüne Wald ist fahl, Ich suche Rosen, Rosen blüh'n nicht mehr. Das ist die Erde: Wonnen ohne Zahl Versprach sie mir und ließ die Seele leer, O nein, nicht leer, sie sprach von Lieb' und Treue Und Reue gab sie, nichts als bitt're Reue. Spät nah' ich dir, ach, erst im Herbst, o Frau, Da keine Blüthen mehr ich brechen kann; Spät nah' ich dir, so nimm der Thränen Thau, O milde Frau, als einzig Opfer an! Schaust du mich an mit deiner Augen Blau, Versiegt die Thräne, die noch eben rann, Und sieh', das Herz, so kummerschwer, ist stille, Ja, neuer Frühling blüht in ihm in Fülle. Abschied Nur den Abschied schnell genommen, Nicht gezaudert, nicht geklagt, Schneller als die Thränen kommen, Losgerissen unverzagt. Aus den Armen losgewunden, Wie dir's in der Brust auch brennt, Was im Leben sich gefunden, Wird im Leben auch getrennt. Sollst du tragen, mußt du tragen, Trage nur mit festem Sinn, Deine Seufzer, deine Klagen Wehen in die Lüfte hin. Soll der Schmerz nicht dich bezwingen, So bezwinge du den Schmerz, Und verwelkte Blüthen schlingen Frisch sich um dein wundes Herz. Im Frühling Wie ist deine Welt Doch so wohl bestellt, Du allmächt'ger Gott! Wie so voll, so reich, Deinem Herzen gleich, Alles webt und glüht, Alles treibt und blüht; Wie die Quelle springt, Und die Lerche singt In der blauen Luft Bei der Blumen Duft; Wie am Berg, im Thal Und am Wasserfall Alles frisch und frei, Alles jung und neu; Wie nicht Baum und Blatt Wird des Anschauns satt, Und der Schöpfung Pracht Und des Schöpfers Macht Und der Liebe Geist Alles segnend preist. Und der Mensch beschaut, Was du aufgebaut, Und der Haß entflieht, Und die Liebe zieht Mit der Frühlingslust Auch in seine Brust. Nur keinen Stein Werft keinen Stein auf Jene, die gefallen, Der Mensch ist schwach, Versuchung über allen, Vielleicht hat nichts euch mit der Welt entzweiet, Vielleicht das Glück nur euch vom Fall befreiet, Nur keinen Stein! Habt ihr denn auch in ruhelosen Stunden Der Kränkung Qual, des Mangels Pein empfunden? Empfandet ihr bei leicht bewegtem Blute Tyrannen-Druck, den Hohn vom Übermuthe — Nur keinen Stein! Ihr seht die That, doch auch des Thäters Schmerzen? Habt ihr gelesen auch in seinem Herzen? Er fiel — allein, er hat wohl auch gestritten, Er hat gefehlt, doch hat er auch gelitten — Nur keinen Stein! Und müßt mit Abscheu wenden ihr die Blicke, So wendet sie zu Besseren zurücke; Nicht soll durch euch sein kaltes Herz erwarmen, Nehmt Hülfe ihm, ja nehmt ihm selbst Erbarmen — Nur keinen Stein! Der Stein, den ihr geschleudert auf die Sünder, Er fällt auf euch vielleicht, auf eure Kinder — Man fragt euch einst an eines Thrones Stufen: Wer hat zu And'rer Richter euch berufen? Nur keinen Stein! Als reuerfüllt, mit flehender Geberde Das Weib geknieet vor dem Herrn der Erde, Und als der Herr sie All' betrachtend fragte: „Wer wirft zuerst?“ — wer war es, der es wagte? Nur keinen Stein! Gesang des Vogels über dem Wald Durch die blaue Luft, Über Grab und Kluft Und der Menschen ängstlich Bewegen, Mit dem Flügelschlag Aus der Nacht zum Tag Flieg' ich froh der Sonne entgegen. Schwebe hin und her In dem blauen Meer, Mir zu kühlen die glühenden Schwingen, Und am Berg, im Thal Und am Wasserfall Laß ich lustig mein Liedlein erklingen. Wo die Wolke saus't, Wo der Waldstrom braus't, Kann ich auf-, kann ich niederschweben, So mit einem Mal Aus der Höh' in's Thal, Was ist das ein herrliches Leben! Wie ist mir so wohl! Wie so liebevoll, Wenn die Tannen recht ferne mir winken! Ach! und welche Lust, Für die Gluth der Brust, Den unendlichen Segen zu trinken! Ihr, die da unter mir, Ihr zerquält euch schier, Und meinet, jetzt habt ihr gewonnen, Doch mein freier Schall Und mein friedlich Thal, Das sind mir wohl bessere Wonnen. Durch die freie Luft, Über Grab und Kluft, Über euer ängstlich Bewegen, Mit dem Flügelschlag Aus der Nacht zum Tag Flieg' ich froh der Sonne entgegen. Ritter Unverstand Ein Ritter reitet durch das Land, Das ist der Ritter Unverstand, Ein wahrer Proteus von Gestalt, Bald klein, bald groß, bald jung, bald alt. Man sieht ihn fast zu jeder Stund, Zufrieden lächeln Aug' und Mund, Sein Kopf ist groß, doch etwas hohl, Und ewig ist dem Manne wohl. Stets bläht er auf sich mit Gewalt, Im Wappen ist ein Frosch gemalt; Sein Schwert ist stumpf, doch lang und schwer, Die Spitze fehlet seinem Speer. Und immerdar weiß er Bescheid, Sein Wort ist manchmal etwas breit, Doch stets entschieden und bestimmt, Zuweilen klingt's fast, wie ergrimmt. Mit Allem ist er eng vertraut, Er spricht gern viel und immer laut; Am meisten von sich selbst er spricht, Woran's ihm nie an Stoff gebricht. Der gute Mann wird oft verlacht, Doch öfter wird er wohl bedacht; Man hält ihn, ist er nicht bekannt, Für seinen Vetter, den Verstand. Oft auch sucht man ihn auf mit Fleiß, Weil man ihn gut zu brauchen weiß; Denn er wagt das, was Keiner wagt, Und er sagt das, was Keiner sagt. Das Große ruft er aus für klein, Das Winz'ge lobt er ungemein, Und hört auch Niemand auf sein Wort, Er schreit es unermüdet fort. Nichts ist ihm hoch, nichts tief genug, Er führt die Feder wie den Pflug, Auch sah man ihn so manches Jahr Im Doktorhut und Mantel gar. Kurz, unser Ritter Unverstand Ist in der ganzen Welt bekannt; 's ist keine Stadt, kein Dorf, kein Haus, Wo er nicht schon ging ein und aus. Oft ist er dann so gut maskirt, Daß Mancher schwer ihn kennen wird, Nur guckt, was er auch trägt, sein Ohr Stets etwas über's Käppchen vor. Frühlingsmahnung Du gehst in diesen holden Tagen So trüb umher, man sieht dir's an! O sprich, wie nur zu solchen Klagen Das Herz sich traurig stimmen kann? Rührt dich das Lied der Nachtigallen, Der Haine Blüthenschimmer nicht? Das Grün verjüngter Waldeshallen, Der Sonne wunderthätig Licht? — Schau hin, ein Buch ist aufgeschlagen, Ein Buch des Lebens: die Natur, Das kann dir deine Leiden sagen, Verstehst du seine Sprache nur! Von Gottes Hand ist es geschrieben In Lettern hehr und wunderbar, Und preist das unbegrenzte Lieben Deß, der da ist und der da war. Dann blick' in deine eigne Seele Und lerne selber dich verstehn, Und säume nicht, das, was dir fehle, Dir selber endlich zu gestehn; Und breite deine Seele offen Dem Strahl der höchsten Liebe dar: Dann wird dir Wonne, Glück und Hoffen Aus tausend Räthselwundern klar. Wintersonne Traue nicht der Wintersonne Klarem, zauberischem Licht, Wenn es mit dem Gruß der Wonne Leuchtend durch die Scheiben bricht; Wenn es, Frühlingslust zu wecken, Heuchelnd spricht von Sommergluth, Während rings in kalten Decken Die erstarrte Erde ruht. Dunkel sind des Lebens Pfade, Und dein Herz begehrt ein Pfand, Einen Leitstern, dessen Strahle Es vertraue unverwandt; Deine Sehnsucht ist die Blüthe, Die nach jedem Strahle greift: Aber prüfe seine Güte, Eh' der Frost sie tödtlich streift. Wintersonne, kühle, bleiche, Eine Warnung seist du mir! leblos, eine starre Leiche, Ruht die Erde unter dir; Soll ich deiner mich erfreuen?: Fort mit deinem Lügenschein, Licht muß leuchten, Wärme streuen, Gluthenquell des Lebens sein! Haideblümchen Ein Blümlein auf der Haide stand, Ein schlichtes Blümlein, unbekannt, Allein auf öder Haide; Ach, sprach ich, daß du hier dich mühst, Verborgen und vergessen blühst, Mich dünkt so groß dein Leide! Das Blümlein sprach: ei, sorge nicht, Daß mir's an frohem Muth gebricht Auf dieser öden Haide: Ich schmück' im Stillen die Natur, Und was ich blühe, blüh' ich nur Zur Lust mir, nicht zum Leide! Stille Thränen Wenn im Morgenschein die Rose Ihrer Schönheit Glanz enthüllt: Ihrem dufterfüllten Schooße Still ein Tröpflein Thau entquillt. Ach, so wird dem Menschenherzen Keine Erdenlust geschenkt, Dran sich nicht von Wehmuthsschmerzen Heimlich eine Zähre hängt. Enttäuschung Schon wieder ging es schattengleich vorüber, Das Glück, von dem ich hoffnungsvoll geträumt; Ein flücht'ger Strahl, bevor auf's Neu und trüber Mit Wolken sich der Horizont umsäumt. Auch dieser holde Traum ist hingeschwunden, Auch diese süße Hoffnung sank in's Grab: Und wiederum an die Geduld gebunden, Ergreift die Hand den alten Pilgerstab. Wie manche Hoffnung kam, um mich zu trügen, Weil ich mein Herz ihr allzufroh geliehn! O Herz, laß fürder dankbar dir genügen, Und wirf nur willig deine Wünsche hin. Wozu den Blick in's Ungewisse senden? Die lüsterne Begehrlichkeit erschlafft — Dem winkt die Palme, der mit treuen Händen Auf kargem Boden reiche Früchte schafft. Bayerisches Volkslied Heil Dir, junge Königseiche, Der im ganzen deutschen Reiche Alle Herzen zugethan Wie einst Ihn, der unvergeßlich, Liebt Dein Volk Dich unermeßlich, Sieht sein Bild in Dir fortan. Was einst Er uns war, ein Vater, Bruder, Freund und treuer Rather, Das sei Du, sein edler Sohn! Deines Landes Wohlfahrt mehre, Und für Deutschlands Macht und Ehre Schlag auch Dein Herz auf dem Thron! Dann wird deinen treuen Bayern Ihre Klage um den Theuern In Begeisterung verklärt; Und wie Ihn im Sternenglanze, Krönt Dich Deutschland mit dem Kranze Eines Ruhm's, der ewig währt! Die Krone am Rhein Es lag eine Krone im tiefen Rhein, Hehr prunkend von Gold und von Edelgestein, Sie lag dort versunken seit uralter Zeit Mit des Reichs längst entschwundener Herrlichkeit; Davon hat das Volk sich die Sage erzählt, Es sei ein zukünftiger König erwählt, Zu heben die Kron' aus der Fluthen Schooß, Der würde als Kaiser dann mächtig und groß. — Wohl ging noch im Volke die Sage umher, Doch klang sie zuletzt gar traurig nur mehr, Vorbei war ja Glaube und Hoffnung zugleich Auf ein Wiedererstehen von Kaiser und Reich. — Da plötzlich von Westen her Kriegslärm erschallt, Wildbrausend der Strom im Bett aufwallt, Wie Waffengetös tönt's herauf aus dem Grund, — Der Sieg ward errungen zur selbigen Stund! Als heim über'n Rhein zog das siegreiche Heer, Lag unten im Grunde die Krone nicht mehr, Sie strahlte hell funkelnd im schneeigen Haar Des Kaisers der Deutschen — so wurd' es denn wahr, Was im Herzen des Volkes als Hoffnung geblüht, Was treu sich erhalten in Sage wie Lied, Was sinnig bedeutet die Krone im Rhein: Es soll ein Kaiser, ein Reich wieder sein! Hinauf zu den Sternen! Schwing dich auf zum Sternenkreise, Durch die stille, hehre Nacht Zu des Sanges hohem Preise, Deutsches Lied, du heil'ge Macht. Daß von sel'gen Harmonien Sich der Sphären Chor erfüllt, Die empor die Seele ziehen, Wo ihr Sehnen wird gestillt. Und ihr Sterne, die ihr glühet Herrlich am azurnen Zelt, Die ihr tausend Funken sprühet In die traumbefang'ne Welt: O vernehmt die heil'ge Weise, Die entquillt der Sängerbrust, Bald wie Zephyr's Flüstern, leise, Bald wie laute Siegeslust. Hört die Töne mächtig rauschen Durch die Nacht zum Preis des Sangs, Und es geh' ein heilig Tauschen Durch das Reich des Lichts, des Klangs, Bis aus Wolken, gold umsäumet Sich im Morgenglanze bricht, Was das Herz jetzt ahnend träumet, Goldner Freiheit rosig Licht! Das Meer, das Herz Das Meer, so schäumend, wild bewegt, Wenn es der Sturm mit seinen Flügeln schlägt, Wenn er es tief bis in den Grund durchwühlt, Und Well' um Welle über's Ufer spült, Wenn's schwarz und düster in dem Abgrund braus't, Nach oben treibt, was in der Tiefe haus't. Das Herz, so wild, so sturmbewegt, Wenn sich die Leidenschaft im Busen regt, Wenn sie der Klugheit Grenzen überfliegt, Und wohl des Herzens Güte gar besiegt, Zu neuem Leben ruft, was längst bedeckt, Und aus der Tiefe düstre Schatten weckt. Das Meer, so weit, so unermeßlich groß, So voll Geheimniß in dem dunklen Schooß, So reich an Schönheit und so voll von Graun, So freundlich oft und nimmer doch zu trau'n; So lockend, wenn's zum Wagen uns bestimmt, So tückisch, wenn es seine Opfer nimmt. Das Herz, so groß, so unaussprechlich weit, So reich an Glück und Seligkeit, Voll Raum für Menschenlust und Leid, Und so voll Räthsel und voll Dunkelheit, So gern gewährend, wo der Kummer fleht, So klein oft, wenn's das liebe Ich angeht. Das Meer, so tief, so still, so blau, So leicht umwoben von des Nebels Grau, Den Nachen schaukelt's bis zum sonn'gen Strand, Mit Blumen spielt es an des Ufers Rand, Die Sterne spiegelt's und des Mondes Blick, Den ganzen Himmel strahlt es hell zurück. Das Herz, so tief, so still das Herz, So oft umdüstert von der Erde Schmerz, Und doch so leicht der Freude zugewandt, So süß beglückend durch der Liebe Band, So warm, so treu, so fromm, so mild, Des reinen Himmels sonnverklärtes Bild. Schlafe, mein Liebchen Schlafe, mein Liebchen, schlaf' schön, Hast noch die Welt nicht gesehn: Aber wenn später die Sorge erscheint, Blicket das Auge nach oben und weint, Weinet und wacht durch die endlose Nacht, Bis daß der Piorgen durch's Fenster lacht. Schlafe, mein Liebchen, schlaf' schön; Kannst noch den Gram nicht verstehn: Aber wenn später der Schmerz dich ergreift, Und von dem Herzen die Blüthen dir streift, Seufzend durchwacht dann die endlose Nacht Betend dein Herz, bis der Morgen lacht. Schlafe, mein Liebchen, schlaf' schön! Hast nur noch Engel gesehn, Aber wenn später die Schuld dich erfaßt Und gar den Engel verscheuchet du hast. Mit dir dann wacht durch die endlose Nacht Schrecklich die Reu', bis der Morgen lacht. Schlafe, mein Liebchen, geschwind! Bleibe im Herzen ein Kind! Weißt du, der Heiland im Himmel verhieß Ewig den Kindern das Paradies! Unschuld durchwacht nicht die endlose Nacht, Schlummert bis rosig der Morgen lacht. Meine Heimath ist dein Herz Ach, ich hatte eine Heimath, Alle Freuden wohnten dort, Doch es trieb mich unerbittlich Aus der süßen Heimath fort. Schön ist Gottes weite Erde, Aller Orten wohnt das Glück, Aber unaussprechlich sehn' ich In die Heimath mich zurück. Nicht ein Reich, so groß und mächtig, — Meine Heimath ist nur klein, Aber dennoch schließt sie Alles — Alles, was ich liebe, ein. Wie durch trüben Nebelschleier Seh ich rings die Welt umher, Denn das Heimweh macht so traurig, Und das Herz ist mir so schwer. Laß mich, laß mich wiederkehren, Nimm mir meinen heißen Schmerz! Willst mir nicht die Heimath wehren: Meine Heimath ist dein Herz! Ohl Jochen „Clas Hinnerk, wul begraft jüm glick? Du bist in'n swarten Rock.“ „De ohle Juchen achter'n Dick, De mit dat Been so trock.“ Du leve Gott, dat ohle Seel! He stun so ganz alleen, He har ok op de Welt sien Deel, Het nich väl Freuden sehn. He weer so lüttjet un so krum, Weer jümmers so in Noth; Se stötten wat mit em herum, He eet dat Gnadenbrod. Nu liggt he in sien platte Sark, Wo selig he wul slept, Da ünner'n Fleder bi de Kark Bit unse Herr em rept! Nu is dat Allens gut und rech, Ob liek he oder krum, Se lopt wul öwer em ins weg, Doch stööt se em nich um. Klukhähn Tipes, Tipes kamt heran! Tuk, tuk, tuk! — da kamt se an! Swart un Witt un Gäl un Grau, Och, wat sind de Dinger gau! Sieh, gat Gäle steit alleen, Noch nich säker op de Been, Moder pett di op'n Kopp, Tipe hol di jo nich op. Tuk! tuk! tuk! de Ohlsche scharrt, Dat de Lütjen düs'li ward, Dat se all de fine Grüt Ob de lütjen Tipes smit. Och, wat is dat Swarte flink! Tipe kum heran un drink! Sieh he pickt en Drippen op, Leggt torüch den lütjen Kopp. Tuk tuk! tuk! de lütjen Narrn, Wüllt se nich as Moder scharrn! — Un de Ohlsche is so dumm, Pett dat ganze Drinknapp um, — Nu man weg, de heele Swarm, Och, wat sind se week un warm! Moder bree de Flünken ut Um din ganze lütje Brut! Ja, jüm sitt dar warm un schön, Bäter as so mennig Een, De der in de Welt verstött, Nich mehr Vad'r un Moder het. Aller unse Gott un Herr Schickt sien leven Engel her, De beschützt so'n lütjet Wurm, Dat et nich verweit in Sturm. De ohle Zehann Jck wull dak'n Kind weer! dat wünsch ick mi so, Och, as ick'n Kind weer, wo glücklich weer'ck do! Da seet ick in Blomhof, un bun mi en Strus, Un baben bu Hardbar en Nest sik op't Huus. Un da löpt de Bäk noch, un da geit de Möhl, Un da is de Platz, wo ick Hinkelputt späl. Un Abends vun't Spälen reep Moder mi 'rin, In't Bett muß ick bäden, un gliek sleep ick in. Und nu bin ick ohlt worn, un grau sind mien Haar, Un wenn ick torüch seh, is't Hart mi so swar. Da baben wahnt Hardbar noch jümmers op't Dack, Und ick hef herumswarmt, hef Dack nich un Fack. Mien Hart is voll Unruh, mien Leben voll Sünn, Fremd stah ick an Tuun hier, un nims rept mi 'rin. De Hunnen de bellt na den schäbigen Mann, Keen Nahber seggt fründlich: god'n Abend, Jehann! Wo is mi so eensam un trurig to Mood! Jck wull dak'n Kind weer! — ick wull ick weer dod! Abendstille Es ruht der See, ein klarer Spiegel, Der Himmel schaut sich in der Flut, Der Mond schwimmt d'rauf, ein goldnes Siegel Auf einem Brief voll zarter Glut. Die Wasser schweigen, wie im Sinnen; Wie spiegeln drin sich lieb und mild Der Rosenhain, der Villa Zinnen — Ein heit'res, friedensvolles Bild! So schau' ein Himmel ohne Wolke, Ein mildes Licht, das ewig glüht, Sich immerdar in meinem Volke, In seinem innigen Gemüth'! Und immer strahle so entgegen Dem Königsherzen himmeltief Befiegelt von der Allmacht Segen Der Volkesliebe heil'ger Brief! Menschenfrühling Ich schlummerte am Waldessaum, Da sprach der Mai zu mir im Traum: „Wie herrlich, wenn in Frühlingspracht Die Welt vom Morgentraum erwacht! Die Erde tönet, ringt und blüht Frisch wie ein jugendlich Gemüth, Es hat der Fluren holder Plan Ein Prachtgewand sich umgethan, Es ruft mit heimlichem Geflüster Der Wald dich in sein heilig Düster, In Räthseln singt am Wasserfalle Der Vogel durch die grüne Halle, Und ein Geheimniß will das Rauschen Der Quelle mit dem Zephyr tauschen. Hast du der Räthsel Spur gefunden? Verstanden die geheimen Kunden? Den Wassern sagt's die laue Luft, Wie bald verweht der Blüthen Duft, Den Lüften klagt die freie Welle Den Schmerz der eisumstarrten Quelle, Und aus des Vogels heit'rem Singen Muß schon der Wehmuth Stimme dringen, Wie bald das Singen wird verklingen! Es bebt der Wald in tiefsten Räumen: Bald wird kein Wand'rer in ihm träumen, Kein Laub wird schmücken seine Buchen, Kein singend Vöglein mehr ihn suchen, Und nur des Nordwinds rauhes Dröhnen Wird ihn, den schneebelad'nen, höhnen. So trübt der Erde Rosenzeit Der Schauer der Vergänglichkeit. Wär er der Erde nur verbunden, Der Frühling wär' gar bald entschwunden, Doch im Gefilde der Natur Enteilt er über Wald und Flur, Fliegt über der Gebirge Kanten, Die opfernd ihm entgegenbrannten, Drückt auf des Pontus Riesenspiegel Sein unermeßnes Flammensiegel Und sucht in seinem Götterlauf' Das stille Haus des Menschen auf, Und jedes Herz, das ihn erschaut, Das hält ihn fest in Liebe traut. Was in den grünen Wäldern schallet, Was durch der Lüfte Morgen hallet, Was in dem Schmelz der Blumen brennt, Was flammt am blauen Firmament, Das Reich des Schönen, ewigjung In Ahnung und Erinnerung, Es steigt vom Himmel tief hinein In deine Brust, o Mensch! allein Dir ward der beste Hauch gewährt, Dein Geist mit reinem Licht' genährt, Das immer wärmt und dunkelt nie, Dir ward der Garten Phantasie Mit Wunderblumen ausgeschmückt, Dem ewig blühend, der sie pflückt; Du malst des Frühlings Farbenbrände Im Wintersturm an nackte Wände, Dir ward der geisterfüllte Klang, Der einst den Orkus selbst bezwang, Der alle Stimmen in sich einet, Womit die Schöpfung jauchzt und weinet, Dir wallt der Liebe Opferrauch, Und hoher Freundschaft Maienhauch Umweht dich und verwehet nimmer, Ja, was im ew'gen Sonnenschimmer Der Seraph schaut mit heil'gem Schweigen, Das nennst du ahnend schon dein eigen! So ist dein Frühling, Mensch! und doch Bist du nur eine Knospe noch Und mußt noch sprengen deine Hülle, Dann erst in majestät'scher Fülle, In Himmelsschönheit aufgegangen Wird deine Blumenkrone prangen!“ So sprach der Mai und küßte mich Und sah mich an gar minniglich, Und schwebte dann mit Wohlgefallen Zu Rosen und zu Nachtigallen. Walther der Spielmann Durch Zauber gebannet in einen Baum, Lag eine Prinzessin in schwerem Traum', Es rauschet der Baum, er stöhnet im Wind, Es klagt das arme gefangene Kind, Und Niemand will es erlösen. Da kommt Herr Walther, ein Spielmann gut: Gefangene Jungfrau, hab' fröhlichen Muth! Er wählt von dem Baume das Edelste aus, Er macht sich die köstlichste Geige daraus: „Prinzessin, ich will dich erlösen!“ Er rühret die Saiten mit mächtigem Stab', Da klingt es, als sprengte das Leben ein Grab, Es jubelt und schmettert, es weinet und klagt, Es zürnet und koset, es freut sich und zagt, Die Jungfrau singet erlöset. „Bist frei,“ ruft Herr Walther, „wie Sonnenschein!“ Die Geige jubelt: „Bin selig dein! In deiner Hand bin ich Königin, Du gibst mir die Macht einer Zauberin, Zu bezaubern und zu erlösen!“ Und die Geige singet von Liebe und Groll So sehnend, so selig, so wundervoll — Da wallt's dir im Herzen von Schmerz und Lust: Das ist die Prinzessin in deiner Brust, Herr Walther hat sie erlöset! Don Juan An einem Abgrund steh' ich schaudernd Und schaue in ein offnes Grab, In das ich Lieb' und Treu' und Glauben Mit toller Lust geschleudert hab'. Weh' euch, ihr Herzen, die mir trauten, Weh' euch, die liebend mich begrüßt, Weh' euch, ihr Schönen, die ich küßte, Ein Teufel war's, der euch geküßt! O, wohl ist's schön, in Liebe schwelgen, Ein glühendes und treues Herz, Den Mann der Liebe sein zu nennen In aller Lust, in allem Schmerz! Ihr armen Kinder, ach ihr irrtet, Wenn ich die eine heiß umschlang, Hatt' ich die An'dre schon betrogen Mit süßbetäubendem Gesang! Ein Altar von gebroch'nen Herzen Erhebt sich meiner Eitelkeit, Ihr liebtet mich für Ewigkeiten, Ich liebte euch zu keiner Zeit. Nun kommt das heiße Blut geflossen Aus jeder Brust, die ich umstrickt, Und willenlos muß ich mich werfen In diesen Strom, der mich erstickt. Reue Von meinen Jugendsünden Scheint das die schwerste mir: Einst in des Thales Gründen Ging ich allein mit Ihr, Sie sah mich mit so süßen Liebholden Augen an, Da wollte ich sie küssen Und hab' es nicht gethan. Der Eifersüchtige Du sagst, kein König könne Mir rauben Deine Hand — War das vielleicht ein Kaiser, Der neulich bei Dir stand Mir Deine Lieb' entring' — Das war wohl ein Erzengel, Der gestern mit Dir ging? Scheinleben Es taf der Blitz die stolze Krone Und fuhr hernieder bis zum Grund, Doch schmückt mit Grün sich, wie zum Hohne, Der Baum noch krank und todeswund. Noch kreisen fort die Lebenssäfte Und lügen ihm ein neues Sein Und unversehrte junge Kräfte; - Ihr Trieb ist nur ein falscher Schein. Die Wunde klafft unheilbar, offen, Der Tod hat dort bestellt sein Haus, Was tief im Herzen er getroffen, Das schmückt umsonst der Frühling aus. Du gehst vorbei; greif an dein Herze: Du gleichst dem blitzgeschlagnen Baum, In weher Lust, in Todesscherze Blüht's selig wie ein Frühlingstraum. Wie magst du Glück und Freude lügen! Der falsche Schimmer täuscht mich nicht. Es spricht zu mir aus diesen Zügen Ein Herz, das bald zusammenbricht. Aus dem Walde Fröhlich sang der Fink vor allen, Als sein Nest er ausgebaut, Und in seine Buchenhallen Heimgeführt die holde Braut. Dort, das Köpfchen stolz erhoben, Hielt er auf dem grünen Ast, Als mit scharfem Blick von oben Schnell ein Sperber ihn erfaßt. Doch dem Himmel ist zu trauen, Keinem noch ein Leid geschah; Brüten, Singen, Nesterbauen, Frohes Leben fern und nah. Und es einet jede Weise, Die den weiten Wald durchzieht Rauschend, summend, laut und leise, Sich zum vollen Lebenslied. Plötzlich gleich dem raschen Blitze Fährt der Sperber jäh hinein, Tödtlich trifft auf seinem Sitze Er das holde Vögelein. Zitternd und zum Tod erschrocken Schweigt der Chor und harret bang, Tief im Dickicht mit Frohlocken Birgt der Mörder seinen Fang. Und es schwebt die Todtenklage Schweigend über jenem Nest, Wo der Fink mit hellem Schlage Ausrief, Wald, dein Frühlingsfest. Stumme Trauer, ängstlich Lauschen, Alles theilt der Armen Weh — Nein! die Bäume wieder rauschen, Und der Chor singt froh wie je. — Laut und leise klingt es wieder Fern und nahe wie zuvor; Ei, der Wald hat tausend Glieder, Eines fehlet, was ist's mehr! Mag die Wittwe dort verlassen Trauern auch in Todesleid: Sieh das Lebensbild muß fassen In sich Lust und Traurigkeit. Also tönt's auch in den Mauern Bei den Menschen stolz und kalt, Wo geknickte Herzen trauern Und der Ruf der Freude schallt. Unaufhaltsam, laut und leise, Was den weiten Wald durchzieht, Ist wie dort dieselbe Weise, Ach, das eine Lebenslied. Lied Tropfen Thau fing auf im klaren Spiegel einen Sonnenstrahl, Glänzet nun in wunderbaren Lichten Strahlen sonder Zahl. Und gleich Blitzen sprüh'n die Funken In die stille Sommerluft, Bis, vom Lichtstrahl ausgetrunken, Er verfliegt, — ein zarter Duft. Herz, mein Herz, ich seh' dich prangen, Bist an Glanz und Wonnen reich, Einen Lichtstrahl aufgefangen Hast du jenem Tropfen gleich. Und du mußt den Funken nähren, Mag er zehrend Feuer sein, Oder dauernd dich verklären Als ein treuer Edelstein. Sichere Stellung Die Welt ist falsch, und selten sind die Treuen, Nicht jeder Glanz verkündet Edelsteine, Mit Stolz und Würde prahlet das Gemeine, Und oft muß bittre Täuschung sich erneuern. So war es stets; Verrath und Lug bedräuen, Wer leben will mit andern im Vereine. Wer jede Täuschung flieht, muß steh'n alleine, Dem stolzen Adler gleichend und dem Leuen. Doch magst du kühn den andern dich gesellen, Nur rechne nicht auf sie; zu deinem Heile Die Hoffnung such' auf eigne Kraft zu stellen! Erwarte nicht vom Glück, daß es verweile, So wird dich nie des Schicksals Bogen fällen. Es schmerzen zwar, doch tödten nicht die Pfeile. Traum und That Ich bin kein Freund von schwanken Träumen, Ich bin ein Freund der ganzen That. Zu gerne liebet der das Säumen, Der gar zu viel zu träumen hat. Siehst du den jungen Frühling kommen? So kommt im Sturm die neue Zeit; Soll sie gedeihn, so kann nur frommen Rasch handeln mit Entschlossenheit. So mancher siecht am halben Leben, Der statt zu handeln nur geträumt, Nie wird die Zeit das Gut ihm geben, Das er erstrebt und doch versäumt. Und ganze Völker sieh erkranken Und hungern gehn auf ihrem Pfad, Du findest Fülle von Gedanken, Doch nicht die kühn entschloßne That. Und Weise gab's zu allen Tagen, Die für der Menschheit Wohl gedacht, Erlöser sind nur, die geschlagen Mit Wort und Arm die heiße Schlacht. Der fromme Wunsch ist karge Gabe, Die That verlangt dein bestes Gut, Sie theilt dem Armen alle Habe Und opfert auch das eigne Blut. Doch wag' ich jene nur zu preisen, Die der Gedanke hebt und trägt, Sie wird zum Segen sich beweisen Auch dort selbst, wo sie Wunden schlägt. Sie gleicht dem hellen Wetterschlage, Der reinigend herniederfuhr Und Segen bringt nach dumpfer Plage, Obgleich Zerstörung seine Spur. Aufgescheucht Du gehst den dunkeln Weg entlang, In stillen Träumen ruht der Wald, Da ruft geheime Furcht dir Halt — Es schreckte dich der eigne Gang. — Du schiltst dich selber, lächelst klug Und schreitest fürder deinen Pfad, Doch wieder lauscht dein Ohr, — es naht Dieselbe Furcht, derselbe Trug. So tritt die Furcht den Menschen an, Er wähnt bald hier Gefahr, bald dort, Und der nur scheucht sie dauernd fort, Der Frieden mit sich selbst gewann. Oft hat ein Klang uns jäh erschreckt, Er schlief, uns selber unbewußt, Vergessen lang in unsrer Brust, Ein Wort hat plötzlich ihn geweckt. Wohl kreist das Leben sonder Rast, Da draußen tobt es immerdar, Doch sieh! des Herzens Friede war Noch nie vom lauten Strom erfaßt. Das wirre Kampfgeschrei der Welt Bleibt ja dem Herzen fremder Schall; Es findet Ruhe überall, Wen ungesühnte Schuld nicht fällt. O sühne gern, und sühne bald, Und löse den gebundnen Klang! Einmal auf deinem Lebensgang Wird er dich wecken mit Gewalt. Derweil umsonst du spähst umher, Erfaßt der Feind, der in dir haust, Dein Herz mit kalter Todesfaust; Dann kehrt die Ruhe nimmermehr. Ich hatte den Jubel der Liebe verlernt Ich hatte den Jubel der Liebe verlernt, Mich weit von dem Wege des Glückes entfernt, In die Wüste des Grübelns verloren; Da hast du die trauernde Seele beglückt, Mit Blumen die sinnende Stirn mir geschmückt, Mich zum Sänger der Freude erkoren. Nun ruhst du mir selig, o Mädchen, im Arm, Es sendet dein Blick tiefsinnig und warm In's Herz mir die fröhlichen Lieder; Du küssest die düsteren Sorgen mir fort, Es giebt dein mächtig belebendes Wort Die verlorene Jugend mir wieder. Ich kann es nicht fassen, — geschlossenen Blicks, So folg' ich ein Blinder dem Ruf des Geschicks, Und sei es hinab in's Verderben! Mein einziges Sinnen ist, dir mich zu weihn, Mein einziger Wunsch nur: Werde du mein! Will leben mit dir und sterben Es lockt die Herbstessonne Es lockt die Herbstessonne uns hinaus, Das Haupt im frischen Hauch der Luft zu baden, Und winkt uns auch kein duft'ger Blüthenstrauß, Doch lassen wir uns gern in's Freie laden. Der Nebel sinkt, es blitzt der Sonne Licht Rings an des Waldes buntem Laubgewande, In rosiger Glut erstrahlt dein Angesicht, Und jugendselig blickst du in die Lande. Ein sorglos Kind hängst du an meinem Arm, Dich grüßt der Wald als Bild aus schönern Tagen, Zum Danke scheint die Sonne hell und warm, Daß wir den Frühling in den Wald getragen. Am Wege grüßt ein einsam Vögelein, Das nicht vertrieb des nahen Winters Dräuen, Es will bei deiner Wangen Rosenschein Sich heute schon des künft'gen Frühlings freuen. So zahl' ich der Natur die Schuld zurück; Die oft erquickt mein trauernd Herz im Lenze, Sie sinnet jetzt, erfreut durch unser Glück, Zu lohnen uns dereinst durch frische Kränze. Nun werd ich wohl verstummen müssen Nun werd ich wohl verstummen müssen, Doch bringt mein Schweigen dir kein Leid; Schon wacht von warmen Sonnenküssen Die Erde auf zur Herrlichkeit. Das Glück, das ich in schlichten Weisen Nur schüchtern dir im Winter sang, Wird bald in Jubelliedern preisen Der Lenz die weite Welt entlang. Und hörst du's hoch in Lüften rauschen? Die Wandervögel kehren heim. Am Boden schon die Veilchen lauschen, Aufsprießend lauscht der zarte Keim. Des Waldes Wipfel, lichtumflossen, Sie schaun mit tausend Knospen aus, Schon künden junge, grüne Sprossen: Bald winkt dem Gast ein wirthlich Haus. Und sieh! dort zwischen Lindenbäumen Winkt uns des eignen Hauses Dach, Dort hält noch oft in süßen Träumen Die Nachtigall uns Abends wach. Wir lauschen Arm in Arm verschlungen, Und mächtig durch die Seele zieht, Was ich vorahnend nur gesungen: Der Liebe helles Jubellied. Sedan Dreimal sprach Gott aus den Wettern der Schlacht; Doch die warnende Stimme, ihr habt sie verlacht. Dem Phantome des Ruhms, dem verbleichenden Schein Stürzt trotzig ihr nach in's Verderben hin. Wie die Väter gesündigt, so frevelt auch ihr: Nach des Nachbars Gut trieb blind euch die Gier; In sein Haus warft ihr den verheerenden Brand — Gott schleudert zurück ihn in's eigene Land. Und es schallt aus den Wolken das richtende Wort: „Ich berief euch zu wahren der Freiheit Hort: Doch greift ihr im Wahn nach dem Lorbeerkranz Und verrathet die Freiheit um Flitter und Glanz. Und es erbt sich der Fluch von Geschlecht zu Geschlecht, Und Symbol war das Schwert für Gesetz und Recht. Es erscheint euch ein Gott der verruchte Despot, Wenn er nur als Sieger die Völker bedroht. Und ich warf in der Krieger unendliche Zahl Bei Wörth und bei Spichern den rächenden Strahl; Und ich grub euch bei Metz das verschlingende Grab. Thut Buße! — Ihr wollt nicht. — So brech' ich den Stab.“ — Und es schallet auf's neue die Losung: Krieg! Schon feiert Paris den nahenden Sieg. Bei Chalons ein Jubel im Kriegergezelt, Dort tanzt mit Hetären der gallische Held. Und einsam brütet der Cäsar stumm, Wie ein Grablied schallt ihm der Jubel ringsum. Ihm droht aus der Menge die göttliche Hand, Das Mene, Tekel, es flammt an der Wand. Er denkt an das trotzige Volk von Paris, Dem Sieg er und glänzende Beute verhieß. Sein Name verfällt der Schmach und dem Hohn — Verbannt sein Geschlecht und zertrümmert der Thron! Er wendet den Blick von dem grausigen Bild, — Da dröhnet von ehernem Klang das Gefild, Schon nahet der Feind mit drohender Macht, — Das Schicksal will's, — es entscheide die Schlacht! — Die Schaar zieht aus, dem Verderben geweiht, Ihr Herz ist verstockt, denn erfüllt ist die Zeit. Sie ziehen hinaus in verblendetem Wahn, Bis der Abgrund rings sich aufgethan. Noch einmal füllet die Welt ihr Schall, Er verkündet den jähen, den schmählichen Fall. Es braust durch Europa, über das Meer: „Der Kaiser gefangen, gefangen das Heer!“ Der gallische Hahn schrie laut nach Raub, Er lechzte nach Blut — nun liegt er im Staub. Den Gott dem Räuber als Rächer erkor, Der germanische Aar, steigt herrlich empor. Räthsel Ein Zwitter bin ich, männlich meist, Doch Vorsicht liebt, mich zu verwandeln, Als Männlein bin ich ohne Geist, Das Weiblein zeugt von weisem Handeln. Geformet bin ich mannigfalt, Bald zirkelrund, bald reich an Ecken, Doch dien' in jeglicher Gestalt Ich stets denselben hohen Zwecken, Es lassen mir den höchsten Sitz Die Herrn und selbst die Frauen gerne, Am nächsten bin ich ihrem Witz, Und ihrer Thorheit niemals ferne. Es färbt für mich der Halm im Feld Sich golden in der Ernte Tagen, Und wer dem Hasen nachgestellt, Der wollte mir Tribut erjagen. Das Sprichwort giebt mich in die Hand Dem Klugen auf die Lebensreise; Es sang mein Lob im deutschen Land Einst Gellert in beredter Weise. Das Waldconcert Concert ist heute angesagt Im frischen grünen Wald; Die Musikanten stimmen schon, — Hör', wie es lustig schallt! Das jubilirt Und musicirt, Das schmettert und das schallt, Das geigt und singt, Das pfeift und klingt Im frischen grünen Wald. Der Distelfink spielt keck vom Blatt Die erste Violin; Sein Vetter Buchfink nebenan Begleitet lustig ihn. Das jubilirt Und musicirt, Das schmettert und das schallt, Das geigt und singt, Das pfeift und klingt Im frischen grünen Wald. Frau Nachtigall, die Sängerin, Die singt so hell und zart; Und Monsieur Hänfling bläst dazu Die Flöt' nach bester Art. Das jubilirt Und musicirt, Das schmettert und das schallt, Das geigt und singt, Das pfeift und klingt Im frischen grünen Wald. Die Drossel spielt die Clarinett, Der Rab, der alte Mann, Streicht den verstimmten Brummelbaß, So gut er streichen kann. Das jubilirt Und musicirt, Das schmettert und das schallt, Das geigt und singt, Das pfeift und klingt Im frischen grünen Wald. Der Kuckuk schlägt die Trommel gut, Die Lerche steigt empor Und schmettert mit Trompetenklang Voll Jubel in den Chor. Das jubilirt Und musicirt, Das schmettert und das schallt, Das geigt und singt, Das pfeift und klingt Im frischen grünen Wald. Musikdirector ist der Specht, Er hat nicht Rast noch Ruh, Schlägt mit dem Schnabel spitz und lang Gar fein den Tact dazu. Das jubilirt Und musicirt, Das schmettert und das schallt, Das geigt und singt, Das pfeift und klingt Im frischen grünen Wald. Verwundert hören Has' und Reh Das Fiedeln und das Schrein, Und Biene, Mück und Käferlein Die stimmen surrend ein. Das jubilirt Und musicirt, Das schmettert und das schallt, Das geigt und singt, Das pfeift und klingt Im frischen grünen Wald! Frau Schwalbe Frau Schwalbe ist 'ne Schwätzerin, Sie schwatzt den ganzen Tag, Sie plaudert mit der Nachbarin, So viel sie plaudern mag, Das zwitschert, — das zwatschert Den lieben langen Tag! Sie schwatzt von ihren Eiern viel, Von ihren Kindern klein, Und wenn sie Niemand hören will, Schwatzt sie für sich allein. Das zwitschert, — das zwatschert Und kann nicht stille sein. Hält sie im Herbst Gesellschaft gar Auf jenem Dache dort, — So schwatzen die Frau Schwalben all Erst recht in einem fort; Das zwitschert, — das zwatschert Und man versteht kein Wort! Vom fleißigen Bächlein Was eilst du so, Du Bächlein froh, Durchs grüne Thal dahin? So bleib doch hier Und spiel mit mir, Weil ich so gut dir bin! Das Bächlein spricht: Das kann ich nicht, Dazu hab' ich nicht Zeit! Hab viel zu thun Und darf nicht ruhn, Muß heute noch gar weit! Muß hurtig gehn, Das Mühlrad drehn, Da drunten in dem Thal; Muß tränken auch Nach altem Brauch Die Blümlein allzumal. Die Schäflein klein Dort warten mein, Schrein dürstend schon nach mir. Drum bring ich schnell Vom frischen Quell Das Wasser ihnen hier. Dann muß ich hin Zur Bleicherin, Muß gießen dort ihr Tuch, Bis daß es rein Und weiß mag sein, — Hab' ich nicht Müh' genug? Leb wohl, mein Kind, Ich muß geschwind Nun an die Arbeit gehn; Zum Meer ist's weit, Hab' keine Zeit Bei dir hier lang zu stehn! Der Herbst Der Herbst, der Herbst, das ist mein Mann, Den ich vor Allen leiden kann; Er kommt doch nicht mit leerem Sack, Bringt einen großen Hucke-Pack. Was wird darein Wohl alle sein? Kartoffel und Rüben, Äpfel und Pflaumen, Birnen und Nüsse für Magen und Gaumen! Er geht zum grünen Feld hinaus Und schüttet seinen Sack dort aus; Die Rüben fallen auf den Sand, Kartoffel regnet's auf das Land; — Ei, ei wie schad! Daß doch gerad Äpfel und Pflaumen hüben und drüben In den Bäumen sind hängen geblieben! O guter Herbst, sei lieb und fein, Und denk doch an uns Kinderlein; Die Äpfel schütte in den Sand Und Birnen, Pflaumen auf das Land, Denn wir sind klein, Wir Kinderlein! — Wären doch lieber Kartoffel und Rüben In den Bäumen dort hängen geblieben! Da lacht der Herbst, der gute Mann Und faßt die Bäume kräftig an, Und schüttelt sie mit starker Faust, Daß es durch alle Zweige saust; Hei, was ist das? — Was fällt in's Gras? Äpfel und Pflaumen, — welch ein Segen! Birnen und Nüsse, — o köstlicher Regen! Das Minnelied Und ob viel tausend Lieder Schon tönten Liebessang, — Es klingt doch immer wieder Der alte Zauberklang! Nie wird die Glut erkalten, Die Gott in uns gelegt, Und nimmer wird veralten, Was so das Herz bewegt. Wenn einmal du empfunden Der Liebe Seligkeit, Dann hält dich fest umwunden Ihr Zauber alle Zeit. Bis in die fernsten Tage Klingt dir in tiefster Brust In Wonne oder Klage Der Liebe Leid und Lust. Des Auges Blüthenkelch Wenn lau umweht von Frühlingsluft Die Blume sich erschließt voll Duft, Dann ist es süße Freude mir, Zu schauen in das Auge ihr. Es ist so tief, es ist so klar, — Manch' süß' Geheimniß wunderbar Ich in dem Blumenkelche schau, Drin glänzt der lichte Perlenthau. Doch schöner ist's, wenn Gottes Hauch Erschließt ein frommes Menschenaug'; O Wonne, tief zu schau'n hinein In solcher Blume feuchten Schein! Es ist so warm, es ist so tief, Manch hold Geheimniß, das drin schlief, Siehst du auf seinem dunklen Grund, — Ein Strahl des Himmels wird dir kund, Und wenn von Thränen mild bethaut Es sehnend dir entgegenschaut, — O Himmelsblüt, voll Duft und Schein — Ein Menschenauge fromm und rein! Der Zauber, der um Grabeshügel weht O Zauber, der um Grabeshügel weht! Wohin dein Fuß auch ferne wandernd geht, Dich zieht es dennoch heimwärts fort und fort, Dorthin, nach jenem friedlich stillen Ort, Wo deine Lieben ruhn im kühlen Grunde, All Zeit und Stunde. Und ob die Welt dir bunte Kränze beut, Die Fremde dich umringt in Lust und Freud: Umrauscht von dieses Lebens reichstem Glück Zieht deine Seele immer doch zurück Nach deiner Heimath stillen Grabeshügeln Auf Sehnsuchts-Flügeln. O selig, wer im süßen Zauberbann Der Friedenshügel immer weilen kann Und betend knieen auf dem heil'gen Raum In sel'ger Hoffnung und in süßem Traum! O tautes Heimatsland der lieben Todten! O heil'ger Boden! Hesaias 40, 31 Und bist du auch zu dieser Zeit Mit engen Ketten noch gebunden, — Sei still, es sind wohl nicht mehr weit Der goldnen Freiheit sel'ge Stunden. Harr' auf den Herrn nur immerdar, Dein Gott wird neue Kraft dir reichen, Daß du mit Flügeln wunderbar Wie Adler kühn empor wirst steigen. Herr, Deines Geistes Kraft verleih' Und löse die gebund'nen Schwingen, Daß meine Seele stark und frei Zum ew'gen Licht hinauf kann dringen. Abendlied Abendstille, Abendruh', O wie lieblich säuselst du Auf die Flur hernieder! Wie ein sanftes Engelwehn, Wie ein Hauch aus Himmelshöhn, Säuselst du hernieder! Fern das Abendglöckchen klingt, Und das linde Lüftchen bringt Mir die leisen Klänge. 's ist als ob ein Schlummerlied Es dem Wand'rer, todesmüd', Mild melodisch sänge. Das Forsthaus Zwischen Tannen verborgen Das Forsthaus steht, Es kennt es Jeder, Der in den Hochwald geht. Da blinken zwei Augen So mild und rein, Sie flimmern und schimmern, Wie eitel Sonnenschein; Die Augen, die blinken So mild und rein, Es ist des Försters Schmuckes Töchterlein. Jüngst ging ich vorüber, Konnt's lassen nicht, Ich schaut' ihr in's holde Holde Angesicht; Da fing mir's zu klopfen Tief innen im Herz, Lief schnell in den Wald 'nein, Zu bergen den Schmerz. Ich sang ein Lied mir, So wehmuthreich, Hatt's nie noch gesungen, Doch fand ich es gleich, Und Blumen, die fand ich, Weiß selber nicht wie, Einen Strauß, den wand ich, Ganz ohne Müh'. O Freuden, o Leiden, O Wonne, o Pein! Heißt man das wohl „lieben“? ... Was mag es sonst sein? II. Nun komm, mein Kind! der Weg ist rauh und schwer „Da zog sie hin und ging in der Wüste irre bei Bersaba.“ Hagar Nun komm, mein Kind! der Weg ist rauh und schwer, Du hast nicht Hütte, Feld und Garten mehr, Kein Tisch ist dir gedeckt, nicht steht bereit Ein Lager dir, dich schmückt kein festlich Kleid. Nicht wirst du Kanaans sanfte Traubenhöhn, Nicht mehr des Jordans blaue Fluthen sehn; Dir säuselt nicht mehr Mamre's Palmen-Hain, Rings starrt um uns der Wüste rauh Gestein. Es geht dein nackter Fuß im heißen Sand, Auf deinem Scheitel glüht der Sonnenbrand, Kein Vogel singt, nicht rauschen Quell und Baum, Der Samum weht, der finstern Wüste Traum. Jehovah! streng und hart ist dein Gebot! Warum der Liebe Trennung — Schmach und Tod? Der Liebe, die ein schüchtern Kind sich schmiegt An ihren Herrn und ihm zu Füßen liegt. Ha! Sarah blieb bei ihm, sie ist sein Weib; Er baut ihr Haus, er schmücket ihren Leib, Sie geht geehrt und froh und stolz und reich; Ihr Kind ist wie ein frischer Blüthenzweig. Liebt sie ihn mehr, als ich, die niedre Magd? Von Haus und Hof hinaus in Schmach gejagt? — Jehovah! düster ruht auf mir dein Zorn, In Herzen brennend sticht der Wüste Dorn. Mein armes Kind! wie bist du matt und müd, Es bebt dein Knie, die Stirne brennt und glüht, Komm an mein Herz! lehn dich an meine Brust, Mein Leben du, mein Schmerz und meine Lust! Nimm diesen Trank! nun ist das Krüglein leer, Dies Stücklein Brod — nun hab' ich keines mehr; — Dein Vater gab es uns, o segn' ihn Gott! — Auf, auf, mein Sohn, uns treibet sein Gebot! IV. Fata Morgana Hagar Gieb mir, o Kind! mein Kind! die Hand, Es wankt mein Fuß, das Auge bricht, Aufwirbelt hoch der Wüste Sand; Es zuckt um mich ein gelbes Licht. Hinschwinden all' mir die Gedanken In diesem unermeßnen Raum, Den Boden fühl' ich zitternd wanken, Dein süßes Aug', ich seh' es kaum. O Gott! ein Trosteszeichen gieb! O wehre noch den Tod mir ab; Nicht mir — nein diesem Kind zu Lieb', Dem ich allein nur Schutz und Stab. Zum Himmel heb' die reinen Hände, Die meinen sinken matt und schwer, O bete, daß er Rettung sende In dieses Sandes wüstem Meer! Doch sieh am Himmel welch ein Schein! O welch ein wundersames Bild! Ich sehe Hebrons Quell und Hain, Das weite blühende Gefild — Ach! wo ich seines Kornes Halmen Zu Garben auf dem Felde trug, Den Baum, wo ich zu heil'gen Psalmen Für ihn der Harfe Saiten schlug. Ich seh' sein Haus, es steigt empor Des Rauches Säule aus dem Dach, Die Pforte glänzt, aus der hervor Er wie die Morgenröthe brach. — Der Brunnen quillt, wo ich mich bückte, Zu schöpfen ihm den frischen Trank; Der Garten blüht, wo ich ihm pflückte Den Strauß für seiner Augen Dank. Das Fenster glüht, in dem sich brach Des Mondes süßer Zauberschein, Wo ich an seinem Herzen lag Und schlief in seinem Kusse ein. Ich seh' den Wald, an dessen Saume Ich, seine Heerde hütend, saß, Und in der Liebe sel'gem Traume Die ganze weite Welt vergaß. O wie das Bild so leuchtend schwebt, Verkläret in des Himmels Blau Auf Purpurwolken sich erhebt! Es träuft auf mich wie Morgenthau; Des Todes Bande sind gesunken Nicht schmerzet mehr der Wüste Dorn, Und Muth und Kraft hab' ich getrunken Aus der Erinnerung süßem Born. Die Frauen am Kreuze 1. Still betend will ich folgen euren Füßen, Ihr frommen Frauen, welche trauernd schreiten, Den Herrn zur Todesstätte zu begleiten, Wo für die Schuld der Menschheit er soll büßen. Ihr geht, um ihn zum letztenmal zu grüßen, Im Geist mit ihm zu leiden und zu streiten Und eurer Liebe Mantel auszubreiten, Wo seines heil'gen Blutes Ströme fließen. O Kreuzesweg der Liebe, blutgetränket! Wer ihn mit frommem Muthe nicht gegangen, Hat noch der Liebe Weihe nicht empfangen, In ihre Tiefen sich noch nicht versenket, Und nur wer ihren Schmerzenskelch getrunken, Durchglühte ihres ew'gen Lebens Funken. 2. Drum seid gesegnet mir, ihr hehren Frauen, Ihr drei Marien, die so festlich schreiten Durch wüster Sünden tiefe Dunkelheiten Bis zu des Todes, zu der Hölle Grauen. In eurem starken, himmlischen Vertrauen, Womit ihr stehet an des Kreuzes Seiten, Zieht es wie Siegesglanz durch alle Leiden, Und tröstend ist es, nach euch hinzuschauen. Ihr seid die Blumen auf der Schädelstätte Die sanften Palmen, die sich flüsternd neigen Auf ihres Dulders rauhes Felsenbette, Die Friedensengel, die mit grünen Zweigen Die starren blätterlosen Dornen schmücken, Die blutig seine heil'ge Stirne drücken. Die Ehebrecherin 1. Wie oft hat schonungslos die Welt vernichtet Ein Herz, das von der Sünde irr' geführet, Und das von milder Liebe Hand berühret, Zum Licht sich wieder hätte aufgerichtet! Wer streng des eig'nen Herzens Wirrsal schlichtet Und nach dem Grund der bösen Triebe spüret, Hebt sanft die Hand, die And'rer Schuld berühret, Und strebt, daß sich die Nacht des Sünders lichtet. Ihr kalten Seelen! die mit harten Steinen Ihr Schuld wie Unschuld mitleidslos bedecket, Hat niemals euch das ernste Wort erschrecket, Das aus dem Mund des Heiligen und Reinen Ein zitternd Weib der Zungen Schlangenbissen, Der Henker Mörderhänden hat entrissen? 2. Sie stand von ihrer Kläger Kreis umgeben, Erwartungsvoll in todesschwerer Pein, Die Klugen hatten voller Heuchelschein Den Richterspruch in Christi Mund gegeben. Da sehn sie ihn voll Hoheit sich erheben: „Wer unter euch wird ohne Sünde sein, Der werfe hin auf sie den ersten Stein!“ Er sprach's, und sie ergriff ein banges Beben. War's seiner Blicke, seiner Worte Macht, Die mit des Geistes wundersamer Klarheit, Die mit der starken Siegeskraft der Wahrheit Durchschaute ihrer Herzen tiefe Nacht? Sie gingen — unberührt blieb jeder Stein, Und mit dem Weibe steht der Herr allein. 3. Er steht mit ihr allein so hoch und hehr, Sie fühlt: das ist der Einzig Sündenreine; — Wird er sie treffen mit dem Richtersteine? Sie blickt ihn an und athmet bang und schwer. Er ahnt der Tugend stille Wiederkehr Und weiß es, was sie retten kann alleine, Er hat kein Richterwort, als nur das eine: „Geh' hin und sündige fortan nicht mehr!“ — Sie geht dahin, gerettet hat die Huld Des Himmels, was die Welt vernichten sollte, Die nur den Leib, den ird'schen, tödten wollte; Er traf der ew'gen Seele schwere Schuld Und hub aus tiefem Schutt auf's Neu die Blüte Der Tugend, durch den Sonnenstrahl der Güte. Stille Wie liebe ich die stillen Seelen! Die Stille ist des Himmels Bild; Wie hohe Gaben ich mag wählen, Die Stille nur aus Heil'gem quillt. Still ist die Einsamkeit, der Friede, Es weint in Sehnsucht still der Schmerz, Und waltet stille Glut im Liede, Dringt es am tiefsten in das Herz. Still sind Gedanken, Blumentriebe, Still ist der Schlaf, des Todes Schein, Still ist der Traum mit seiner Liebe, Bewegt doch still ein edles Sein. Die Phantasie Ich kenne eine Königsmaid, Sie schmücket sich mit Feenpracht, Aus Wolken ist ihr Flügelkleid, Begeistert schwebt sie durch die Nacht. Sie trägt im duft'gen Lockenkranz Ein Diadem von Schaum und Licht; Verkläret strahlt im Himmelsglanz Das schwärmerische Angesicht. Unsterblich ist des Auges Strahl, In Harmonieen tönt ihr Gruß; Das Dasein wird Dir Ideal, Berühret Dich ihr Feuerkuß. Doch flieh' der Huldin Zauberwort: Den Geist, der ihrem Dienst sich weiht, Führt sie in's Reich der Träume fort, Und schafft mehr Leid als Seligkeit. Wildniß Aus Schauern der Vergangenheit Mahnt ernst hier das Naturgebot, Daß mit Jahrtausenden die Zeit, Und mit dem Leben ringt der Tod. Nur wenn ein Sonnenstrahl die Spur Sich bricht in dieses Dickichts Nacht, Dann ist's, als ob in der Natur Ein geistig Leben neu erwacht. Und liegt der Bach auch wellenlos, Gleich wie ein Herz im Weh erstarrt, Scheint thränenschwer das dunkle Moos, Als ob's der Auferstehung harrt. So lebt's doch heimlich rings umher, Aus Wurzeln gräbt sich Leben vor, In Wipfeln rauscht's und athmet schwer, In Stämmen grünt's und blüht's empor. Die Schatten schweben still vorbei, Gedanken gleich aus ferner Zeit. Nur hie und da ein Vogelschrei, Wie Lebensruf der Einsamkeit. O nimm mich an als deine Magd! O nimm mich an als deine Magd! Und dulde mich in deiner Nähe, Dir dien' ich, wenn der Morgen tagt, Bis ich den Abendstern ersehe. — Ich sorge deine Häuslichkeit, Und deinen Wunsch und deinen Willen Eil' ich, eh' ihn ein Wort gebeut, So still, so freudig zu erfüllen. Und kehrst du als des Tages Held Von deines Wirkens heil'gen Wegen Dann heim aus dem Geräusch der Welt, Wie freudvoll trät' ich dir entgegen. Dich grüßend küßt' ich deine Hand, Den Boden, den dein Fuß betreten, Nicht sagt' ich, was mein Herz empfand, Du hörtest nur ein stilles Beten. Spricht nur dein Aug' ein freundlich Wort, Winkt mir dein Gruß nur einmal täglich, Dann schleich' zum Kämmerchen ich fort, Veredelt und beglückt unsäglich. Die Sehnsucht, die mich zu dir zieht, Du kannst sie nimmermehr ergründen, Die Lieb', die meiner Brust entglüht, So heiß mir niemals nachempfinden. Ich fordre, ich ersehne nur Zu meinem Glück und meinem Frieden, Zu folgen deines Daseins Spur, Fern von der nicht'gen Welt geschieden. Wohl gäbst du mir, o theurer Mann, Mit dir die höchste Königshabe, Indeß ich dir nichts bieten kann, Als meine Lieb' und Liedergabe. Schlummerlied Schlummre sanft, du lieblich Kind! Kühlend weht der Abendwind, Bunte Spiele, Blumen, Lieder Bringt das Morgenroth dir wieder. Schon der Mond am Himmel zieht, Senke nun dein Augenlied, Denn auf weichem Schwangefieder Schwebt zu dir ein Engel nieder. Webet dir aus Perlenschaum Einen holden, süßen Traum, Läßt im Zauberspieglein Feen, Elf' und Nymphe schön dich sehen. Aber schlummre auch nun ein, Sonst entflieht das Engelein, Das dir all das Schöne zeiget, Wenn dein Aug' sich schlummernd neiget. Kindheit O Kindesherz, deß unbewußtes Schwellen Dir aus dem Aug' so lebensheiter glüht, Wie sich die Blumen öffnen über Quellen, So spiegelt es dein jugendlich Gemüth. O Kindeswelt, die Engel lustumgeben So frohgemuth, so demuthvoll gewillt, Das ist in dir ein Werden, Blühen, Streben, Wie Knospe, Blüth' und Frucht am Baume schwillt. O diese lautre, sanftbewegte Stille, Dies friedliche Gefühl der Gegenwart, Voll heil'ger Weihe, voll lebend'ger Fülle, Die mit dem Duft der Ahnung sanft sich paart. O Reiz, nicht süß genug im Wort zu nennen, Im ros'gen Kinde der Natur entstammt, Das Antlitz blüht, wie Rosen sanft entbrennen, Von goldner Locken Glanz wie sonnumflammt. O Engel, trocknet jede ihrer Zähren, Der Thau umfloret leicht der Blüthe Glanz, In schlichte Kindlichkeit läßt sich ihr Sein verklären, Und weihet sie dem Geist des Himmels ganz. Umschmücket sie als holde Wiegengabe Mit gold'ner Jugend geist'gem Wiederschein, Vom ersten Tage bis zum Grabe Laßt sie ein Kind, und kindlich glücklich sein. Und sieh, es fehlt kein theures Haupt Die Zeit entflieht, die Tage spinnen So schnell zu einem Jahr sich ab, Da hilft kein Träumen, Denken, Sinnen, Der ewge Strom zieht sie hinab. Klang Manchem auch die letzte Weise, Ist wieder mir ein Jahr geraubt, Blick ich doch glücklich um im Kreise: „Denn sieh! es fehlt kein theures Haupt!“ Ich seh sie Alle, die ich liebe, Im trauten Kreis um mich vereint, Keins ist, das mir ins Auge triebe Die Thräne, die den Tod beweint. Das ist das schönste Festgebinde — Wo treu an Gottes Wort man glaubt — Daß sich dem Herz der Ruf entwinde: „Und sieh! es fehlt kein theures Haupt!“ Hab Dank, Du Schöpfer aller Wesen, Dein Vateraug' blickt treu mich an; Die Gnade Gottes ist's gewesen, Daß ich so freudig rufen kann. Das Herz schlägt froh in raschern Gängen; — Gebt her den Becher, grün belaubt! Dir dank ich, Herr, mit Freundensängen: „Denn sieh! es fehlt kein theures Haupt!“ Margarethe Ich schlag mir den Reitersmann aus dem Sinn, Umsonst, umsonst! meine Ruh ist dahin, Mein armes Herz ist gebrochen! Warum zog ohne Abschied er fort? „Soldaten wandern von Ort zu Ort Gar schnelle“ — so hat man gesprochen. Er war so schmuck, so keck und fein, Und schaute so stolz und vornehm drein, Gar artig sein ganzes Wesen. Das sonnverbrannte Gesicht, das Haar In Locken herab und im Auge klar War treue Lieb nur zu lesen. Der schöne Mann! Wie saß er zu Pferd! Wohl war er des muthigen Rappen werth, Der unter ihm biß in die Zügel. Der faltige Rock, der verbrämte Hut, Das breite Schwert — wie ließ Alles so gut, Wie wiegt er sich stolz im Bügel! Und wenn ich in meinem Erker stand Bei meinen Blumen und sinnend wand Ein Sträußchen von duftenden Blüthen, Da ritt er vorüber am Hause dicht, Wenn auch sein Mund keine Worte spricht, Die Augen ja sprechender glühten. Einmal — ich weiß nicht, wie es geschah, Er ritt am Erker wohl allzu nah, — Da ließ ich's Sträußchen fallen; Da drückt er die Blumen so froh an die Brust Und grüßt so fein; — mit seltener Lust Fühlt' ich mein Blut heiß wallen. Am andern Tag, da stand ich am Thor, Da traf eine liebe Stimme mein Ohr, Da bin ich stehen geblieben. Es war der Reiter; den Dank bringt er dar Für's Sträußchen und drückt in mein wallend Haar Einen Pfeil, von Silber getrieben. Ich wollt' ihn nicht nehmen — ich nahm ihn doch; Er küßt' mir die Hand und fragte noch: Wann seh ich, lieb Gretchen, dich wieder? Jetzt zieht er dahin, mit ihm mein Glück, Und läßt mich in herben Thränen zurück, Die füllen die Augenlider. Der Pfeil durchbohrte die Lockenpracht, Durchbohrte mein Herz, das unbewacht Gar oft beirret uns Mädchen. Mir winkt keine Freude im Leben mehr, Ach, wenn ich doch nimmer geboren wär', Ich armes verlassenes Gretchen! Altnordische Bräuche 2. Im Sturm Der Schiffsherr sprach auf offenem Meer: „Ihr Männer, ich fürchte den Sturm nicht sehr; Schnell raffet alle die Segel ein, Noch leuchtet milde der Sonnenschein! Noch wehet der Wind von günstiger Seit, Noch schaukeln die Wellen nicht wild und breit, Noch liegen sie alle in sicherer Ruh. Die Segel ab und die Luken zu! So haben wir Vorsicht angewandt, Mit sicherm Bedacht die Gefahr gebannt. Das Schiff ist tüchtig, die Planke stark, Fest stehet der Mast und die Rettungsbark. Schaut nach den Ketten und nach den Taun, Daß wir vor nahenden Sturmes Graun Gerüstet seien mit Mann und Boot, So meiden wir leichter den drohenden Tod.“ — Der Schiffsherr sprachs. Am Horizont Ein silberner Wolkenschleier thront, Und dunkler und dunkler wird der Punkt, Wie in schwarze wallende Fluten getunkt. Und immer näher, ein riesiger Wurm, Rücken die Wolken und rücket der Sturm, Ein wüthender Wind tobt auf die See, Die Wogen rasen in zischendem Schnee. Sturm-Möven jagen mit mächtigem Flug, Auf dem Haupte der Wellen wieget ihr Zug, Das unheilvolle Fregattenhuhn Thut kund, daß die Wetter nimmer ruhn. Das arme Schiff — es ächzt und bebt, Bald über dem reißenden Strudel es schwebt, Bald schießt es hinab mit entsetzlicher Wucht, Wie in qualvoller, wildtosender Flucht. Und nirgend Rettung. — Der Schiffsherr ruft Mit mächtiger Stimm durch die zitternde Luft: „Ihr kennt den Brauch, durch nichts geschwächt, Der nordischen Fahrer Gesetz und Recht! Ist im Sturm verloren so Mann wie Boot Und rettet kein Steuer vor sicherem Tod, So ziehn wir mit offenen Segeln heran Zum Reich der Todten, mit wallender Fahn! Die Segel auf! sie nützen nicht mehr! Die Flaggen herab übers tobende Meer! Freudig hinein in den gähnenden Bauch: So will's der alte nordische Brauch!“ — Gott segne den Gruß Mein schlichtes „guten Abend, Frau“ — Wars auch von Herzen ihr geboten, Wie klang es frostig schier und rauh; Wie klang lebendig unter Todten Ihr „Gott segne den Gruß!“ An deiner Tage Abend bist, Alt Mütterlein, du angekommen, Gezählt ist deines Lebens Frist; Entströmt dem Herzen doch, dem frommen, Leicht: „Gott segne den Gruß!“ Doch nach des Lebens Abend zieht Gar bald die stille Nacht vorüber; Der Morgen tagt, der Nebel flieht —: Ein Engel grüßet froh herüber! Gott segne den Gruß! Hohenschwangau Die Wolken theilten sich, die Sonne Brach mählich sich am Himmel Bahn, Da taten wir die muntre Reise Waldwärts mit raschen Schritten an. Gar bald umrauschten dunkle Tannen Uns traulich in dem kühlen Forst, Und oben hing manch grauer Felsblock, Der von der Wuth des Wetters borst. So schritten wir; o sieh! da blinkt es Wie glänzend grüner Rasen durch, Und auf dem stillen Alpsee zogen Die Silberschwäne Furch an Furch. Sie schweifen schaukelnd auf und nieder, Und Tannen rauschen lustig drein; Da plötzlich ragt auf Marmorfelsen Hochauf das Schloß im Sonnenschein. Die Fahne weht, die Erker winken, Der Söller winkt ins wilde Thal, Die farbenbunten Fenster blitzen In tausendfachem Sonnenstrahl. Auftaucht vor meinen trunknen Blicken Der grauen Vorzeit dunkle Sag, Des Ritters Kampf, der Harfe Klänge Und einer Mutter stille Klag. Wars dort an jenem stolzen Burgthor, Daß man die Brücke niederließ, Als mit erhobner Hand ein Jüngling Einst nach dem fernen Süden wies? Stand dort auf jener Marmortreppe, Wo heute die Madonna steht, Des nahen Abschieds Thränen weinend, Die Herzogin Elisabeth? Zäum ab dein Roß, dir droht Verderben, Du letzter Hohenstaufensproß! Elisabeth, die treue Mutter, Hält dich zurück! Zäum ab dein Roß! „Dort in Italien mein Stammland Erkämpft ich mir mit kecker Faust!“ So ruft's in dir. Horch auf! Wie schrecklich Ein Sturm dort von den Bergen braust! Er wälzt sich fort, hinab zum Süden, Er wühlt die stolzen Welfen auf, Und bald wie eine Schlange ringt er Sich um den letzten Hohenstauf. — Nicht lang, so sah man eine Mutter Hinauf zum höchsten Söller ziehn; Sie ruft: ach, bringt mir Niemand Kunde Von meinem Sohne Konradin? Herab, herab! Zur Jammerstätte Wird deines Schlosses Prunkgemach! Dort auf dem Markte zu Neapel Stöhnt Konradin sein letztes Ach! — Doch fieh, welch ander Bild bricht plötzlich Vor meinem innern Blick sich Bahn! Ein Mann ist's, der in seinem Schilde, Wie jene Ritter, führt den Schwan. Als er entflohen einst aus Augsburg Dem Zorn des Bischofs Cajetan, Da gab der wackre Schwangauritter Herberg dem Wittenberger Schwan. Wo bist du traulich stille Kammer, In deren Mauern Luther schlief Ist's jener Erker dort, in welchem Der Held zu seinem Schöpfer rief? Ist jener Säulengang die Stätte, Die seines Wortes Kraft gelauscht? Hat dort der dunkle Tann schon damals Zu seinem Waldesgang gerauscht? Mit Ehrfurcht blickt zu deinen Zinnen, Du stolze Burg, der Wandrer auf. Ha, welche Namen birgst du? Luther Und Konradin, der Hohenstauf! Ein alt Geschlecht stirbt mit dem Letzten Der edlen Staufenkaiser aus; Doch auf dem Wittenberger Grabe Sprießt frisch der schönste, reichste Strauß. Bald werd ich es singen dürfen Nach langem hartem Winter spendet Die Frühlingssonne ihre Strahlen. Glück auf! es hat das Leid geendet, Das er so wild zu tausendmalen Den Armen frostig zugewendet, Die ihre Noth dem Herrn befahlen. Geborsten ist die Eiseshülle, Zerschmolzen ist des Schneees Decke, Geschwunden ist der Wolkenfülle Sturmbringende gedehnte Strecke. Der scharfe Nordwind schweigt; er brülle Uns nimmermehr, der sturmeskecke! Ich hab genug in Stubenlüften Gelesen bei dem Lampenscheine, Die Bücher lagen, wie in Grüften Gemischt und wirr die Todtenbeine. Bald, bald schlürf ich in Bergeslüften Die Waldesluft, die göttlich reine. Balb, bald seh ich die Vögel schwingen Durch Feld und Flur ihr Glanzgefieder; Bald, bald wird mir im Ohre klingen Der Silberton des Frühlings wieder; Bald, bald darf ich im Walde singen Aufjauchzend helle Jubellieder. Und was im Winter ich gebrütet, Gar oft nur ängstlich in Entwürfen, Auch oft, wenn Sturm das Herz umwüthet, Um nur ein Wort des Trost's zu schlürfen, Das hab ich Alles wohl behütet — — Bald, bald werd ich es singen dürfen! Ein umrahmtes Bild Schön ist die Sitte, Waldesgrün Ins traute Zimmer sich zu pflanzen; Poetisch ganz, wenn stolz und kühn Die Ranken das Gestell umtanzen. Doch überrascht seh ich allhier Die leichten Epheuzweige schwanken, Sie bilden eine seltne Zier, Zu Edlem sind bestimmt die Ranken. Und schaukelnd spinnen sie empor Und flechten einen grünen Rahmen, Gleich einem duftgen Waldesthor, Ums Bild der schönsten aller Damen. Und aus der dunkeln Epheuwand Tritt hell das frische Roth der Wangen Das Auge lacht, die weiße Hand Hält eine Rose sanft umfangen. So tritt ein Stern in dunkler Nacht Hellglänzend durch die Wolkenschatten; So schwebt der Sonne Morgenpracht Durch Nebel, die umhüllt sie hatten. Jetzt, Epheu, mitleid ich dich nicht, Daß sie geraubt dein Waldesleben, Es ist der schönsten Minne Pflicht Im neuen Dienste dir gegeben. Nestors Klage Zeus Kronion zürnt erbittert Lange dem Hellenenvolk, Und der Ägisschild erzittert Und es thürmt sich Wolk auf Wolk. Ach, wie lang noch deinem Zorne Soll mein Volk geopfert sein? Wär ich nimmer doch geboren, Schlösse sich des Blickes Schein! Hätte doch auch mich erschlagen Herakles in blinder Wuth, Als mit unerhörtem Wagen Er verspritzt der Brüder Blut! Säh ich doch die ungeheure Schande der Achäer nicht, Und nicht, wie manch Heldenauge Schmerzensvoll im Tode bricht! Dort im Fußkampf, bei den Schiffen Und im blutgen Wagenstreit — Wie an mächtgen Felsenriffen Abprallt griech'sche Tapferkeit! Agamemnon! warum stimmtest Du nicht meinem Rathe zu: Held Achilleus zu versöhnen, Rüttelnd ihn aus trotzger Ruh! Wenn die Himmlischen sich wenden Von dem tapfern Griechenheer — Auch der stärkste Arm wird senden Ruhmlos seinen Eschenspeer; Auch das stärkste Herz wird beben, Auch das stärkste Schwert zerbricht, Auch der Führer Ruf verhallet, Auch der beste Rath frommt nicht. Aber bald — so spricht die Seele Laut mir in beklommner Brust — Ruft die freudetrunkne Kehle Zeus den Dank in Siegeslust! Und wir opfern dann den Göttern Und wir spenden goldnen Wein, Denn Achaja's Fürsten werden Sieger über Troja sein! Ha, ich seh die Zeichen flammen Dort am dunkeln Himmelszelt; Deutend, daß auch bald zusammen Troja's stolze Zinne fällt! Ha, ich seh im Geiste stürzen König Priam beim Altar, Und durch Flammenwogen ziehet Siegend ein der Griechen Schaar! Frieden! Es war im Mai, am zehnten Monatstage, Im frischen Grün der jungen Frühlingszeit, Im sanften Weh'n der ew'gen Gottessage, Die jeden Tod zum frischer'n Leben weiht, In jener Zeit, da für das Todtenkleid, Das winterlich die weiten Fluren deckte, Des Lenzes Sonne wieder Leben weckte Und Auferstehung feiert weit und breit: — Da zog ein sanfter Engel durch die Welt, Der in der Hand die Friedenspalme hält. Und Frieden! schallt es durch die deutschen Gauen, Und findet Wiederhall im Nachbarland, Vom Weltenmeer bis hin zum Ostseestrand Die Augen Aller voller Freuden thauen, Da sie den holden Friedensengel schauen, Der sanft des Krieges schrecklich Elend bannt, Der sühnend hemmt des Frevlers schuld'ge Hand, Auf blut'gem Feld des Segens Frucht zu bauen. 's ist Frühling! ruft der Blüthen bunte Pracht, Und Frieden hat der Frühling uns gebracht! Es jauchzt der Sieger in den fernen Landen Und zieht voll Sehnsucht zu den Seinen heim, Wo ihn als Dank begrüßt der Sänger Reim Und ihm die Frauen Lorbeerkränze wanden. Ja aus den Gräbern derer, die da fanden Den Heldentod, so fern von dem Daheim, Schießt frisch hervor des Lenzes grüner Keim, Als Zeichen, daß nicht ewig Grabes Banden. Und Frieden! Frühling! tönt es überall, Und Auferstehung schallt der Wiederhall! Die Auferstehung gilt dem neuen Reiche, Das sich für alte Schmach den Sieg errang; Es grünt nach einem Winter schwer und bang, In Kraft und Stolz die Pracht der deutschen Eiche. Und daß der Frieden nimmer von uns weiche, Nicht wieder stör' uns wüster Waffenklang, Das ist die Bitte, die des Dichters Sang Hinüber trägt in unsre Nachbarreiche. O haltet Frieden! ruft All' Deutschlands Macht, Daß allen Völkern ew'ger Frühling lacht! Neuer Winter Nun, da dein Auge von uns scheidet, Zieht auch der Frühling außer Land; Für dich hat es sich grün gekleidet, Jetzt wieder in sein Schneegewand. Was soll ein West, der dich nicht fächelt, Das Veilchen, das dein Fuß nicht tritt? Nur dir hat früher Lenz gelächelt, Du gehst und er geht treulich mit. Ich seh' euch rasch von dannen jagen, Gefolgt von eurem lust'gen Chor: Zephyre schwärmen um den Wagen, Die Schmetterlinge reiten vor; Du selbst entschwebst auf goldner Wolke, Nach Süden ziehst du eilig hin, Und winkst dem muntern Elfenvolke Den Abschied zu als Königin. O weich' nicht ganz von dieser Erde, Die niemals deine Heimath war; Verwandle deine braven Pferde Nicht plötzlich in ein Drachenpaar! Nimm allen Lenz sammt Lust und Liebe Mit dir, wenn du ihn hier vertreibst: Hier frommt er nichts, auch wenn er bliebe, Hier bleibt er nicht, weil du nicht bleibst! So dich und ihn zumal vermissen, Das ist, fürwahr, ein harter Tag! Da steh' ich traurig, schmerzzerrissen, Und starre eurem Zuge nach: Ein Blick, ein Gruß! Jetzt muß er schwinden, Dort, bei dem dürren Pappelbaum! Ade; dies welke Blatt den Winden! Ade, geliebter Frühlingstraum! Gefrornes Blumen, die mit kalten Händen Winter an das Fenster malt, Die nur blüh'n in engen Wänden, Farblos, kaum vom Licht bestrahlt, Die in langer Nacht entsprießen Und am kurzen Tag zerfließen, — Ach! das sind gefrorne Blumen! Lieder, die in ödem Zimmer Der Poet in's Büchlein schreibt, Während ihn die Sehnsucht immer Zur entfernten Liebsten treibt, Die er sich hat singen müssen, Ohne sie zu seh'n, zu küssen, — Ach! das sind gefrorne Lieder! Ebbe und Fluth Jungfräulein ging am Strand der See, Ihr war so wohl um's Herz, so weh. Sie sprach: du weites, wildes Meer, Was treibt so unstät dich umher, Daß bald in Ebbe, bald in Fluth Dein Busen wogt und niemals ruht? Darauf die See zur Antwort singt: Das ist der Mond, der dies vollbringt. Wann er mir naht auf lichter Bahn, Dann stürm' ich jauchzend himmelan, Und flieht er, zieh'n ihm allgemach Die Wellen sehnend, seufzend nach! Jungfräulein flüstert still für sich: O Herz, mein Herz, nun kenn' ich dich! Auch dich bewegt ein hoher Stern, Dir ewig nah, dir ewig fern; Du strebst zu ihm empor voll Glück, Und bebst doch bang vor ihm zurück! Laß ebben, Herz, laß fluthen, See! Uns beiden ist so wohl, so weh! Wenn Liebe nicht die Welt mehr treibt, Was ist, das ihr noch übrig bleibt? Kommt, herbe Lust und süße Pein, Und wiegt mich weich und wechselnd ein. Herbstlied Sieh ihn durch die Wolken streichen Stürmisch-schnell und schwarzgeballt, Hör' ihn seufzen in den Eichen, Auf verwelkten Blättern schleichen, Brausen durch den bangen Wald. Letzte Blume liegt im Staube, Letzte Sonne wärmt sie mild; An der dürren Rebenlaube Zittert die vergeßne Traube, Und die Wellen schwellen wild. Rasch ein letztes Lied gesungen, Eh' das Leben ganz entwich, Eh' in grauen Dämmerungen Winter alles kalt verschlungen, Lieder, Blumen, Herbst und mich. Immergrün Bist du nicht schon an lauen Sommertagen, In Trümmern einer Burg, wie jetzt, gesessen, Die schönen Hände still in eins geschlagen, Das Haupt umweht von Tannen und Cypressen? Und sahest du, wie die ergrauten Steine Ein grünes Blatt als zähes Netz umstrickt, Das überall mit saftig-dunklem Scheine Aus Schuttgeröll, von Fels und Ästen blickt? Weißt du, was dieses grüne Blatt bedeutet, Und wo entsprossen sind die ersten Ranken? Komm her! Indeß die Vesperglocke läutet Und heim in's Dorf die Erntewagen schwanken, Derweil erzähl' ich dir, mein Lieb, die Sage Vom Immergrün, so gut ich eben kann; Rück' näher her auf deinem Sitz und schlage Den Arm um mich, und höre fein mich an. Siehst du, als einst, vor alten, alten Zeiten, Das Schwert die erste feste Burg erstürmte, Als Flammen loderten von allen Seiten Und hoch empor der Krieg sein Opfer thürmte: Da trafen sich inmitten der Ruinen Verhüllten Blick's der Liebe Genius, Und gegenüber ihm, mit stolzen Mienen, Der Haß, auf Trümmern seinen eh'rnen Fuß. Noch stritten sie, der Menschheit Engel beide, Für Rettung jener, dieser für Zerstörung; Vergeblich flehte aus dem großen Leide Die Liebe auf gen Himmel um Erhörung. Stets weiter drang der Haß auf blut'gen Pfaden, Vernichtend wie der Blitz mit jedem Schlag, Bis daß die Liebe, schwach und schmerzbeladen, Im Staube vor dem Überwinder lag. Schwarz flatterte von den zerbrochnen Zinnen Des Siegers Fahne über Schutt und Leichen, Und triumphirend stand er mitten drinnen; Die Liebe wollte fliehen und entweichen, Als über beiden eine sanfte Helle Auf einmal durch die Abenddämm'rung brach. Es war die Hoffnung, die zur Trauerstelle Herniederschwebte und voll Wehmuth sprach: Du hast's erreicht; der Friede ist entflohen, Der Tag ist dein, Gescheh'nes nicht zu ändern. Blick' um dich! Zähle die gefräß'gen Lohen, Die Säulen Rauchs in den zerstampften Ländern! Steck' ein das Schwert es hat genug getrunken, Du stehst am Ziel, nun lasse deinen Hohn, Und diese Trümmer, die in Staub gesunken, Besteige stolz als deinen würd'gen Thron! Du aber, sanfte Trösterin der Erde, Erhebe dich und laß uns heimwärts gehen! Sieh mich nicht an mit klagender Geberde, Nur was geschehen mußte, ist geschehen. Doch deine Thränen, die hinabgeflossen, In Ströme Bluts und in zerfall'nen Stein, Sie sollen nicht umsonst von dir vergossen, Nein, ihre Spur soll sichtbar, fruchtbar sein. So spricht die Hoffnung, und mit ihrem Stabe Berührt sie die Ruinen in der Runde; Ein Augenblick, da sproßt aus frischem Grabe Ein frisches Leben, Kraft aus offner Wunde, Der Zauber ist in kurzer Zeit vollendet, Was kaum erstarb, scheint wieder aufzublüh'n, Und Liebe jauchzt, zur Hoffnung hingewendet: „Dank für dein Blatt! Es heiße: Immergrün!“ Seitdem erscheinen immergrüne Blätter, Erwachsen aus der Liebe heil'gen Thränen, Allüberall, wo Menschenwuth und Wetter Das Leben tödtlich zu verletzen wähnen; Sie tragen keine Frucht und keine Blüthen, Doch bleicht sie auch kein Winter und kein Schnee Ruinen sind's und Gräber, die sie hüten, Was sie verhüllen, ist ein tiefes Weh. Brich dir, mein Lieb, ein Blatt von jener Ranke, Und laß uns geh'n; verhallt sind schon die Glocken! Auch deinem Sänger drück', zu schuld'gem Danke, Ein Zweiglein in die winddurchwehten Locken! Ich hab' genug an diesem schönen Zeichen, Nach einem Lorbeer steht der Sinn mir nicht, Wenn nur, der treuen Pflanze zu vergleichen, Mich deine Liebe, immer-grün, umflicht! Das weiß ich nicht, wie es gekommen Das weiß ich nicht, wie es gekommen, Daß dir mein Herz auf einmal gut, Als wir zusammen sind geschwommen An Bord des Schiffs durch Dampf und Fluth. Du saßest frisch und unerschrocken, — Weißt du es noch? — an Deckes Rand, Vom Regen troffen deine Locken, Im Sturme wehte dein Gewand. Sie löschten deines Auges Strahlen Nicht aus, die Wange ward nicht bleich, Um deinen Mund zu vielen Malen Spielte ein Lächeln sonnengleich. Ein Bild anmuth'ger Frauenmilde, Doch stark und herrlich standest du; Dein Loblied sang der Sturm, der wilde, Dem wilden Meere jauchzend zu. Sie küßten dir mit kecken Zungen Den Fuß, des blauen Mantels Saum, Sie neigten dir sich wie bezwungen Und krönten dich mit weißem Schaum. So schwebte, wogen-hochgetragen, Von Gischt umtost, von Wind gekost, Die Göttin auf dem Muschelwagen, Im öden Meer der Augen Trost. Und: Heil dir, Wellenschaum-Geborne, Erscholl es huld'gend um sie hin, Heil dir, du freie, du erkor'ne, Du hohe Schönheits-Königin! Zu spät Nun wird es Zeit. Gen Süden eilen Die letzten Störche, dicht geschaart; Wie lange noch willst du verweilen Auf deiner irren Pilgerfahrt? Wie oft du müde stille standest Und weiter gingst in wilder Flucht, Nur Täuschung war es, was du fandest, Doch nirgends das, was du gesucht. Und sahst du neue Berge blauen, Ob noch so fern, ob noch so steil, Du mußtest stets hinunterschauen, Im Wahne: Jenseits liegt dein Heil. Jetzt hast du es. Die Frühlingsjahre Sie sind sammt deinen Träumen fort; Vom Haupte fallen dir die Haare, Wie Blätter von der Linde dort. Du weißt nicht mehr, wohin dich wenden, Du magst nicht vorwärts, nicht zurück, Weil du erschöpft an allen Enden Der Ferne Reiz, der Heimath Glück. So wärme dich am fremden Herde, Denn einen eignen hast du nicht, Und sprich von deiner Muttererde, Wie man in fremden Zungen spricht. Du hast's gewollt. Du darfst nicht grollen, Und wenn du noch so einsam bist; Du Träumer, hättest wissen sollen, Daß es nicht ewig Frühling ist. Der Scharfenstein Althessische Sage Im Scharfenstein um Mitternacht erwacht ein heimlich Leben, Wie Hufschlag und wie Schwerterklang tief innen hörst du's beben; Das rauscht so dumpf, das klirrt so schwer, das rüttelt an den Pforten, Bis daß der Berg sich kreisend hebt und aufthut aller Orten. Dann stürzen aus der Kluft heraus gespenstige Gesellen, Die sich bei bleichem Mondenlicht in lange Reihen stellen, Die Tuba klingt, es blitzt der Helm, die Mäntel wehn im Winde, Und um den Führer sammelt sich das Schattenheer geschwinde. Fort brausen sie in's bange Thal, daß helle Funken springen, Sie tummeln sich, sie hetzen sich auf Sturm- und Wolken-Schwingen: In's Vaterland! Zum Tiberstrand! Die Stunde hat geschlagen! Und wenn's uns heute nicht gelingt, wir wollen's nimmer wagen! Der Scharfenstein, der kennt die Mähr' aus alten Römertagen: Da ward an seinem steilen Fuß die große Schlacht geschlagen, Da that die Scholle purpurroth an heißem Blut sich trinken, Und Roma's Adler, sieggewohnt, in deutschem Staub versinken. Barbaren hier, Barbaren dort, wie Pilze aufgeschossen, Von Feind' und Felsen allerseit die Römer eingeschlossen; Wie flogen da die Hiebe nicht, wie stürzten die Cohorten, Gleich Ähren unter Sichelschnitt, gesenkten und verdorrten! Da warf sich in der höchsten Noth mit flehender Geberde Der Imperator stolz zu Roß hernieder auf die Erde: So rette du, du bester Gott, du größter uns vor Schande, Berg, nimm uns auf, ein freies Grab in dem Barbaren-Lande! Und ihm zur Rechten donnert's laut; es blitzt aus Jovis Brauen, Im Nu zerspaltet sich der Berg, entsetzlich anzuschauen, Verschlungen ist so Freund wie Feind in dunklen Felsenrissen, Und drüber sieht man starr und stumm den Scharfenstein sich schließen. Doch unten gegen Mitternacht erwacht ein heimlich Leben, Dann müssen aus der deutschen Gruft die Wälschen sich erheben, Den Weg nach Süden ziehen sie, ein langes Heer von Leichen, Sie zieh'n und zieh'n und können nie des Zuges Ziel erreichen. Beim ersten Hahnenschrei im Dorf da eilt von allen Enden Der Zug zurück zum Scharfenstein und rüttelt an den Wänden; Der Berg geht auf wie dazumal in Feuer und in Flammen Und thut sich ob dem letzten Mann ganz todtenstill zusammen. Unter Platens Büste Leicht fehlt ein Wandrer seines Wegs, noch eher Ein Dichter seiner Zeit und seiner Stätte: Was wäre Der, wenn er gesungen hätte Zu Florenz, an dem Hof der Mediceer! Uns hieß er nur ein kalter Formendreher, Der Marmormensch mit seiner edlen Glätte, Und schwand im Dunstkreis unsrer kleinen Städte, Ein trunkener auf zehn betrunkne Seher. Die einz'ge Heimath, die er je besessen, Ist jenes frühe Grab, das weit entfernte, In den geliebten Lorbeern und Cypressen. Und kaum erblühet ihm als späte Ernte Im trägen Deutschland, rasch nur im Vergessen, Der Jugend Dank, die dichten von ihm lernte! Drei Stücklein aus dem Todtentanz zu München, 1854 II. Mutter und Sohn „Nun ist die Noth geendet, Frau Mutter, seid getrost, Seht da, was man mir sendet Aus München mit der Post: Besiegelt, unterschrieben, Ein fertiger Kontrakt! Kein Tag mehr wird geblieben, Noch heute eingepackt!“ Die Alte hob vom Lager Erstaunt den Arm empor, Ein Ärmlein, welk und mager Und zitternd wie ein Rohr; Mit Händen will sie greifen, Was sie nicht lesen kann: Aus sei das wüste Streifen, Die Ruhe gehe an. Doch Schreck, nicht Freude spiegelt Ihr Antlitz todtenblaß: „Dies Blatt ist schwarz gesiegelt, Kind, was bedeutet das?“ — „Welch abergläub'ger Schauer Euch wieder einmal plagt! Vielleicht war eben Trauer Bei Hof dort angesagt!“ Wie heiß sein Herz vom Hoffen, Sein Kopf von Planen brennt! Nun sieht er endlich offen Ein Feld für sein Talent: Was schon sein sel'ger Vater, Dann er umsonst begehrt, Ein großes Hoftheater, Nun ist's ihm doch bescheert! Und wie sein Glück die greise, Schwerkranke Mutter rührt, Die er auf jeder Reise Getreulich mit sich führt! Er ist zwar nur ein Mime, Ein leichtes Künstlerblut; Doch was dem Sohn gezieme, Das weiß und übt er gut. Sie faltet die Hände beide, Und spricht in's Bett verhüllt: „So wird, bevor ich scheide, Auch mir ein Wunsch erfüllt, Daß ich, den ich schon lange Mir schmerzlich vorenthalt', Den Leib des Herrn empfange In beiderlei Gestalt. Viel Kirchen, groß und kleine, Und christlich alle wohl. Doch meines Glaubens keine Giebt's hier im Land Tirol; Wenn hier mein Stündlein schlüge, So sagt die Nachbarin, Zur Kirchhofsmauer trüge Wie ehrlos man mich hin. Herr, thu' mir solchen Schaden An Leib und Seel' nicht an! Herr, führe mich in Gnaden Lebendig aus Meran! Bis München laß mich langen Auf meiner Leidensbahn, Und wenn ich heimgegangen, Nimm du dich Fritzens an!“ Der Himmel hört ihr Flehen, Doch währt's noch ein'ge Zeit, Eh' sie von dannen gehen, Und auch der Weg ist weit; Indeß flog das Verderben Dem Wanderpaar voraus, Das große Völkersterben Im Bayern-Land und Haus! Eh' sie die Stadt erreichen, Die Alle Andren flohn, Umweht es sie wie Leichen- Geruch von Weitem schon. Man warnt, man räth zu bleiben; Vergebens! Ohne Ruh Und unaufhaltsam treiben Sie selbst dem Abgrund zu. Spät Abends fuhr der Wagen In's Isarthor herein: Wie ausgestorben lagen Die hohen Häuserreihn, Verlassen alle Gassen, Die sonst so lärmend sind, Aus schwarzen Wolkenmassen Blies seufzerschwer der Wind. Der Sohn hat kaum die Alte Besorgt zu Bett gebracht, So eilt er in die kalte, Die todesschwangre Nacht; Er kann nicht eher schlafen, Zur Ruh nicht eher gehn, Bis daß er seinen Hafen, Das Schauspielhaus, gesehn. Und als es hoch und helle Im Mondlicht vor ihm stand, Da küßte er die Schwelle, Umschlang der Säulen Rand, Und rief, die Händ' erhoben, Durch Thränen vor sich hin: „Ich danke dir da droben, Daß ich am Ziele bin!“ Er war es. Nachts gekommen, Erkrankt am Morgen drauf Und Abends — fortgenommen, Gewöhnlicher Verlauf! An ihres Sohnes Bahre Saß wie ein Bild aus Stein, Mit wirrem, weißem Haare Die Alte, ganz allein! Ein Wunder ist's zu schauen, Wie sich mit voller Kraft Die Ärmste aller Frauen Urplötzlich aufgerafft, Wie sie, gestützt am Stabe Und mehr noch am Gebet, Von ihres Einz'gen Grabe Zum Tisch des Herren geht. Sie lebt noch heutzutage, Wenn das ein Leben heißt: Ein Leiden ohne Klage, Ein Schatten ohne Geist! Mag's stürmen oder regnen, Ob's Eis, ob Blüthen schneit, Im Kirchhof ihr begegnen Kannst du zu jeder Zeit. Sie hält in ihrem Schooße Ein welkes Blatt Papier; Das Siegel drauf, das große, Das schwarze, zeigt sie dir Und spricht mit Stolz: „Ich sitze Hier nicht als Bettlerin; Da drunten liegt mein Fritze, Der Hofschauspieler, drin!“ Nachtwächters Stillleben 14. Hier auf der Kanone will ich ruh'n, Auf den eisenbeschlagenen Rädern; Ist freilich kein Lager von Eiderdun', Mit Matratzen und stählernen Federn. Doch schlief vielleicht schon mancher Held Vor der Schlacht in der nämlichen Weisen Und später noch tiefer — im blutigen Feld, Auf dem Leib, statt drunter dein Eisen. Erzähle mir nun, du eherner Mund, Von deinen glorreichen Tagen, Wie du einst zu schwerer Schlachtenstund' Die Reveille munter geschlagen. Bei Jena oder bei Austerlitz, Gen Moskau oder gen Kassel, Wo flammte zuletzt dein tödtlicher Blitz, Wo rollte dein letztes Gerassel? Oder bist du gar dem alten Fritz Schon gefolgt zu rühmlicher Frohne? Nein, hier am Zündloch, wo ich sitz', Steht ein N. mit Lorbeer und Krone. Den Namen, den Lorbeer kenn' ich wohl, Die Zeugen deiner Blüthe; Nicht wahr, da brummtest und summtest du hohl, Da glühte dein Leib und sprühte? Es flog das Rad auf bezwungener Erd' Über Lebende und über Leichen, Zusammen stürzte die bange Heerd' Unter deinen gewaltigen Streichen. Du gabst den Takt zu dem Waffentanz, Hoch hüpfte dein Herz, das beherzte, Und schön zu der Panzer, der Schwerter Glanz Stund dein Antlitz, das pulvergeschwärzte. Jetzt bist du blank, jetzt bist du zahm, Und lahm ist deine Lafette, Dein Kupfergesicht hochroth vor Scham Und feist, als ob's gealtert hätte. Nun, schäme dich nicht, du elektrischer Aal, Hast ja noch einen wackeren Posten, Wenn auch da drüben im Arsenal Dein Futter, die Kugeln, rosten. Ertönst du nicht vom Walle herab In die bebenden Niederungen, Wenn ein armer Sclave aus seinem Grab, Aus seinen Ketten entsprungen? Wenn ein Krämerhaus in Flammen geräth, Zur Friedenrevue vor den Thoren, Zum Namenstag Seiner Majestät, Und so oft ein Prinzeßchen geboren? Geduld! Vielleicht kannst du wiederum, — Und bald! — in die Feinde hageln; Bis dahin, mein Veteran, sei stumm, Daß sie dir das Maul nicht vernageln! Christnacht in der Fremde Die Stunde schlägt. Jetzt eben zündet man Das erste Licht am Weihnachtsbäumchen an; Schon duftet es nach Wachs und Tannengrün, Die Thüren öffnen sich, die Fenster glühn, Indeß auf den beschneiten Straßen hin Verhüllte Beter in die Vesper ziehn: Dazu Musik vom Kirchthurm und Geläute, O Gott, o Gott! Es ist ja Christnacht heute! Wie? Träum' ich, wach' ich? Ist das nicht Paris? Dort liegt der Cirque, die Boulevards sind dies, Ach ja, zu meiner Seite schwirrt und schwärmt Ein fremdes Volk, und fremde Sprache lärmt, Und fremder Himmel wölbt sich über mir. Ich bin allein, verlassen bin ich hier, Und Niemand kommt, mich freundlich zu geleiten, Als Schattenbilder aus vergangnen Zeiten. Heut' zwanzig Jahr! Damals war ich ein Kind — Beglückte Herzen, die es ewig sind, — Ich hatt' ein Vaterhaus, zwar eng und klein, Doch kehrte stets der heil'ge Christ drin ein, Und mit der Schwester harrt' ich froh und bang In dunkler Kammer, bis die Schelle klang, Bis uns die Mutter, just um diese Stunde, Hineinrief an die helle Tafelrunde. Und sieh, auf meinem Teller, — lächelt nur, — In Moos versteckt lag eine Taschenuhr, Mein Christgeschenk, sammt einem seid'nen Band, Das prächtig auf der Sonntagsweste stand; Der Vater ließ mich das Getriebe sehn, Er zog sie auf, so, sprach er, mußt du drehn, Ich aber schrie vor Freude, sprang und blickte Sie trunken an und horchte, wie sie pickte. Die Uhr war gut. Ich trug sie lang, sie schlug Der schönen Stunden wahrlich mir genug, Auch manche wohl, die ohne Zweck verdarb, Und eine, ach! da meine Mutter starb. Doch als nach manchem lieben lust'gen Jahr Auch meine Jugend ausgeschlagen war, Da stand sie still, die Uhr. Seltsame Grille! Herz, warum standest du wie sie nicht stille! Vorbei, vorbei! Das ist ja noch Paris, Dort das Palais Royal, der Louvre dies; Ach ja, zu meiner Seite schwirrt und schwärmt Ein fremdes Volk, und fremde Sprache lärmt, Und fremder Himmel wölbt sich über mir. Ich bin allein, verlassen bin ich hier, Und Niemand kommt, mich freundlich zu geleiten, Als Schattenbilder aus vergangnen Zeiten. Fünf Jahre heut'! Das war der schönste Christ, Der je auf Erden mir erschienen ist: Da ward sie mein, sie, die ich liebte, mein, Da schwuren wir auf ewig eins zu sein, Und als ich sie und als sie mich umfing, Gab sie mir weinend einen goldnen Ring: Der Ring zerbrach gleich dem, was wir versprochen, Herz, warum bist du nicht wie er gebrochen? Und heute nichts? Kein Denkmal dieser Nacht? Gar nichts für mich von all' der fremden Pracht? Dort blitzen ja in kerzenhellem Schrein Uhren die Meng' und Ring' und Edelstein', Und Liebe wählt, und Liebe nimmt und giebt; Freilich, ich habe Keines, das mich liebt, Und mit dem Glauben, der ihn einst gefunden, Ist auch der Christ, das Wunderkind, verschwunden. Nun denn, so denk' ich mein, wenn Niemand denkt, Ich schenke mir, wenn keine Hand mir schenkt: Hier dieser Eichenstock um fünfzehn Sous, Der sei's! Den wirft der Christ mir heuer zu! Ein Wanderstab, ob einst — ein Bettelstab? Gleichviel, hält er nur aus bis an das Grab, Und bricht er, dann verzichtend will ich sprechen: Herz, nun ist's Zeit, nun darfst auch du zerbrechen Vorbei, vorbei! Und immer noch Paris, Dort fließt die Seine, der Pont-Neuf ist dies: Ich steh' am Quai, auf meinen Stab gelehnt: Wie sich die Stadt in's Unermessene dehnt! Rings Licht an Licht, hinunter und hinauf, Und Haus an Haus, entlang des Stromes Lauf! In Nacht und Nebel, welche Riesenmassen, Welch nimmermüdes Tosen in den Gassen! Mir schwindelt. Drunten nur ist Ruh und Rast, Wo, von Gemäuer schmerzlich eingefaßt, Das Wasser seines dunklen Weges schleicht. Ich starr hinab, da wird die Brust mir leicht, Es löst sich auf des Auges trockne Gluth, Wie Sternenlicht, gespiegelt in der Fluth, Laut wein' ich auf: Hab' Dank, du stille Seine, Und nimm sie mit, des Heimathlosen Thräne! Text und Musik Ich bin dir nah, du ahnst es nimmer, Am Gitter unten halt' ich Wacht, Aus deinem Fenster winkt ein Schimmer Verheißungsreich in meine Nacht; Und dann und wann, auf günst'gen Schwingen Der Abendluft mir zugeweht, Hör' ich, wie ein entferntes Klingen Harmonisch durch die Stille geht. Sind's deine Finger, die die Saiten Berühren in geschicktem Spiel, Die träumend durch die Tasten gleiten, Gar holde Wandrer ohne Ziel? O wie beneid' ich deine Seele, Daß sie in Tönen reist und ruht Und in den Klang aus kund'ger Kehle Ausströmt, was wohl und wehe thut. Es heißt, ein eigner Himmelsfrieden Wohnt in Musik, in Sang und Klang, Und Herzen, die die Welt geschieden, Und Herzen, die der Gram verschlang, Sie finden sich und andre wieder, Wenn sie des Tones Welle wiegt, Wenn sich die Weise sanfter Lieder An ihre Wunde tröstlich schmiegt. Weh, daß ich nur in todten Zeichen, Und die ich einsam niederschrieb, In Tönen nicht, die deinen gleichen, Dir sagen kann: Ich hab' dich lieb! Nun mag in jene fernen Stimmen, Die du erweckt hast am Klavier, Mein Lied als Echo fern verschwimmen Als Mahnung und als Gruß von mir. Schwebe, blaues Auge Schwebe, blaues Auge, schwebe Unabwendbar ob dem meinen, Einen Frühling wirk' und webe Rings um mich in lichtem Scheinen Klinge, süße Stimme, klinge An mein Herz im Tongewimmel, Trag auf deiner Engelschwinge Mich Verwandelten gen Himmel! Jüngst noch Nacht und Winter war es, Nun ist's plötzlich Tag geworden, Tag und Mai, ein wunderbares Sein in Strahlen und Akkorden. Überall ein Hoffnungsschiller, Ein verheißend Frühlingswetter, Blüthenwellen, Lerchentriller, Nachtigallen-Lustgeschmetter. Laß, o laß ihn nicht vergehen, Diesen letzten Lenz der Erde, Bis ich seine Blumen sehen, Seine Früchte brechen werde! Nachruf Mir ist, als müßtest du empfinden, Wie oft ich dein, wie treu gedacht, Als spräch' zu dir mit lauen Winden Statt meiner jede Sommernacht, Als läsest du in jedem Sterne Mein Grüßen still und sehnsuchtsvoll; Ich weiß ja nicht, wie deine Ferne Ich anders jetzt erreichen soll. Schon wälzt das Weltmeer seine Wogen, Die blauen, zwischen dir und mir, Du bist zur Heimath fortgezogen, Ich steh' noch in der Fremde hier; Und über's Wasser, durch die Steppen, Führt keine Brücke mich, kein Steg, Hoch über meiner Klage schleppen Sich bange Tage langsam weg. Vielleicht daß du mich längst vergessen, Vielleicht daß du mich nie erkannt, Vielleicht daß Andern unterdessen Dein Blick sich huldvoll zugewandt? Ich weiß es nicht; von Stund' zu Stunde In Zweifeln irr' ich scheu umher: Von dir kein Trost und keine Kunde, Für mich kein Bote über's Meer! Und doch, den Grund soll nichts mir rauben, Den Ankergrund im Sturmgebiet: An meine Liebe will ich glauben, Die dich magnetisch an mich zieht; Du mußt sie fühlen, mußt sie ahnen, Mein Bild muß dir vor Augen stehn, Und so, trotz früh-zerriss'nen Bahnen, Weiß ich, daß wir uns wiedersehn! Meiner Tochter Susanna zu ihrem Geburtstag am 11. August 1877 Mein Liederbuch, zwei dicke Bände, Kalbsledern und mit goldnem Schnitt, Stiehlt sich von fern in Deine Hände Und mein Geburtstags-Sprüchlein mit. Nun wühlst Du wild durch die Register Und blätterst wie Oktoberwind ... Erkennst Du sie? — Es sind Geschwister, Uneh'liche, von Dir, mein Kind. Darunter giebt's gesunde Jungen, Auch Kranke, Krüppel ab und zu; Doch kein Gedicht so voll-gelungen, So Poesie-erfüllt, wie Du! So klar, so frisch wie eine Quelle, Und einfach wie das Veilchen dran, Gleichst Du der lieblichsten Novelle, Die jemals ein Poet ersann! Was Du mir bist, ich hab's empfunden, Und auch, was Du an mir verdienst, Jüngst in den jammervollen Stunden, Als Du für uns verloren schienst, Als ich an Deinem Krankenbette Sammt Deiner Mutter weinend stand Und mit dem Angstruf: Rette, rette! Ergriff des Freunds, des Arztes Hand. Er half. Wie Deines Epheus Blätter, Wenn Deine Pflege seiner denkt, Erbobst Du nach dem schweren Wetter Dein Rosenhaupt, schon tief gesenkt. Nun blühest Du, Gottlob, auf's Neue Und streust wohlthät'gen Sonnenschein Aus Deiner Augen tiefer Bläue In's dunkle Vaterhaus hinein. Warum von den Geschwistern allen, — Jetzt sind sie fern, — gerade Dir Das Aschenbrödel-Loos gefallen? Ich weiß es nicht, doch denk' ich mir: Damit Dein Vater inne werde, Der überall zu zweifeln liebt, Daß es hienieden auf der Erde Schon Engel aus dem Himmel giebt. Getrost! Der Tag kommt unvermuthet, Zu lösen Aschenbrödels Bann, Und wie mein Herz beim Abschied blutet, Er nehm' Dich hin, der fremde Mann! Mag er Dein junges Leben schmücken Mit märchenhaftem Glanz und Licht; Er kann Dich mehr als ich beglücken, Doch mehr Dich lieben kann er nicht. I. Einst und Jetzt Sonette aus Calw Wie schmiegst du sanft, mit wonnigem Behagen, Dich hügelan, wo traute Schatten wobnen! Die Sonne selbst will freundlich deiner schonen — War's immer so, auch in vergangnen Tagen? Schön war es, ja, da Thurm an Thurme ragen Man schaute, stolzgezackte Mauerkronen; Als deine Bürger nach entfernten Zonen Der trauten Heimat Namen einst getragen. Doch freier, schöner dünket mir das Heute, Du Schwarzwaldperle, der in vollster Schöne Der alte Reiz sich wundersam erneute. Wer sagt mir, ob Natur dich würd'ger kröne, Die keinen Aufwand, dich zu schmücken, scheute, Ob Edelsinn und Liebe deiner Söhne? V. Nachtstück Sonette aus Calw Wenn fahl im Mondschein Platz und Gassen blinken Und Schatten wechseln mit dem Licht, dem blassen, Scharf abgegrenzt zur Rechten dunkle Massen Gespenstisch ragen, schimmernde zur Linken: Da ist es, als ob Märchenhände winken, Als ob an's Herz die Zauberträume fassen; Im Brunnen rauscht ein Echo halbverlassen, Das eben auch in Schlummer möchte sinken. Zu solcher Zauberstunde schreit ich gerne Den Markt hinan, dem Hall der Tritte lauschend, Gegrüßt vom Silberblick der ew'gen Sterne. Da haucht der Vorzeit Geist, vernehmlich rauschend Mich an, und er entrückt mich ferne, ferne, Das Jetzt mit Bildern alten Ruhms vertauschen. Die Besten gehn dahin O Gott! die Besten gehn dahin, Auf's Herz wie fällt es schwer! Durchspähst du Himmel, Meer und Land, Der Alpen Schnee, der Steppe Sand — Triffst Keinen mehr: Die Besten gehn dahin! Was frommt der Sehnsucht heiß Gebet? Tot ist manch theures Herz, Der Freund, der Weise hochverehrt, Der Liedermund so lieb, so wert. Umsonst der Schmerz, Der Sehnsucht heiß Gebet. Glanzlos, voll Nebel ist die Welt, Die Glut der Sonne matt, Blutlos die Menschen, kalt und taub — Abfällt, was du geliebt, wie Laub, Ach, Blatt für Blatt! Voll Nebel ist die Welt. Herr, laß mich nur die Liebe retten Herr, laß mich nur die Liebe retten, Die Liebe zu der schönen Welt, Mich bindet, die mein Herz erhellt; Zu ihr, die wie mit goldnen Ketten Zur Menschheit, der zu allen Zeiten Im Schweiß zu ringen, höchste Pflicht, Zu deinen Wundern, gottgeweihten, Natur, zu dir, o Himmelslicht! Die Liebe zu dem ewig Schönen, Zu dem, was herrlich, groß und wahr; Zum Vaterland, das, Dank den Söhnen, Erstand aufs neu so wunderbar; Die da veralten läßt, erkalten Mein liebesehnend Herz mir nie, Die Liebe, hoch allfort zu halten Dich, zweites Leben, Poesie! Sie hilft der Bürden herbste tragen, Den Sklavenbann der niedern Frohn; Ein Herz, in Fesseln schwer geschlagen, Erhöht sie zu der Freiheit Thron. O, von der Seele gleitet nieder Des Feindes Pfeil durch ihre Macht, Wie Wasser von des Schwans Gefieder, Vor ihrem Hauch entweicht die Nacht. Des Lebens Sterne, wie sie blinken, Um diesen drehn sie sich allein. Wo möchte wohl ein Strahl uns winken, Erblaßte dieser lichte Schein? Es ist kein Herz, es möchte ketten Sein Heil an eines Himmels Zelt: Herr, laß mich nur die Liebe retten, Zu dieser ewig schönen Welt! Mein erstes Lied Ich wollte hüllen in Liedes-Klang Die Wonne, hoch in mir erglüht, Als einst die Lieb' in meiner Brust So gottgesegnet war erblüht! Doch war zu voll mein armes Herz, Zu schüchtern meine Seligkeit; — — Das erste Lied floh himmelwärts Als Thräne — hin in Ewigkeit! Ein altes Lied Es blinken hell die Fenster, Und d'rin geht's lustig her, Die Leut' im Dorfe sagen, Daß dort 'ne Hochzeit wär'. Und draußen steht ein Mädchen, Das neigt zum Fenster sich, Es faltet stumm die Hände, — — Und weint so bitterlich. Die Hand In Tagen froher Kindlichkeit Ein sorglich treues Gängelband; So führte mich und schirmte mich Der guten Mutter theure Hand. In trüben Tagen spät'rer Zeit, Wo ich enttäuscht und einsam stand, Im Feld, in blut'ger, wilder Schlacht Da stützt' ich mich — auf Gottes Hand! Die tiefen Wunden sind vernarbt, Die Hoffnung blüht, der Kummer schwand, — O fänd' ich jetzt, zum Mann gereift, Des Weibes liebe, theure Hand! Im Leid Seele, sei still! Wenn zürnen die Götter Und toben die Wetter Mit Sturmesgebrüll, Seele, sei still. Seele, sei still! Von Freunden geschieden Kämpf' einsam hienieden, Wenn's Leben es will; Seele, sei still. Seele, sei still! Wenn Schmerzen und Sorgen Dich quälen am Morgen, Dich martern bei Nacht, Seele, halt' Wacht. Seele, halt' Wacht! Wenn das Verderben Auf Leben und Sterben Donnert und kracht, Seele, halt' Wacht. Seele, halt' Wacht! Und rängst du vergebens Im Strudel des Lebens Den schrecklichsten Strauß, Seele, halt' aus. Seele, halt' aus! Und bräch' unter Flammen Das Weltall zusammen Mit Donner und Braus, Seele, halt' aus. Seele, halt' aus! Dem Zürnen der Götter, Dem Toben der Wetter, Dem bittersten Leid, Legt Fesseln die Zeit. Winterklagen eines Greises Schnee und Eis deckt Ried und Aue, Winter ist's in Wald und Flur; Winter ist's, wohin ich schaue Ringsumher in der Natur. Winter wird's auch mir im Herzen, Das einst schlug so strebensheiß — Unter Sorgenqual und Schmerzen Wird es kalt, o kalt wie Eis. Ach, es ist so leer hienieden, Und so einsam um mich her. Selbst die Freundschaft kränzt mit Frieden Meinen irren Pfad nicht mehr. Was ich liebte, sank in Stürmen, Früh erblaßt und früh zerknickt, Kein Erbarmen wollt es schirmen, Sterbend ward es mir entrückt. Meiner Hoffnung schönste Blüthen, Meines Innern reinste Kraft, Hat des Schicksals finstres Wüthen Feindlich höhnend mir entrafft; — Erd' und Himmel, Tod und Leben Klag' ich in Verzweiflung an, Daß sie mir und meinem Streben Schwere Unbill angethan. O, ich war ein frommer Knabe, Und im Glauben treu und stät; Meines Herzens höchste Labe Fand ich einsam im Gebet; Doch zur vaterlosen Waise Machte früh die Gottheit mich, Und auf meines Lebens Gleise Legt' ein hemmend' Elend sich. Meiner Mutter Kummerthränen Brannten Wunden mir in's Herz; Nicht ihr Hoffen, Fleh'n und Sehnen, Nur ihr leidensherber Schmerz Drang mir in der Seele Tiefen Unabweisbar nach und nach, Und des Zweifels Mächte riefen Schwere Kämpfe in mir wach. Und so rang ich denn als Knabe, Rang als Jüngling und als Mann, Ringe fort am Greisenstabe, Bis ich nicht mehr ringen kann. Meines Herzens reinster Glaube Sank zu Grab im heißen Streit, All' mein Streben ward zum Raube Der erbarmungslosen Zeit. Darum endlich möcht' ich sterben, Quitt mit Allem in der Welt; Ewig werd' ich nicht verderben, Wenn mein letzter Würfel fällt. Mit des nächsten Lenzes Schimmern, Mit der Lüfte sanft'rem Weh'n, Werd' ich aus des Leibes Trümmern Gleich den Andern aufersteh'n. Ach, wann wird es Abend werden, Ew'ger Abend, um mich her!? Besser wär's, daß ich auf Erden Nimmermehr geboren wär'. Ruhen möcht' ich bei den Todten! Doch, wenn ich gestorben bin, Legt mich klaglos in den Boden, In die Reih'n des Friedhofs hin. Pizzicato Sanft und rauschend mag der Bogen Immer nicht die Saiten streichen, Die in unsrer Brust erhallen. Töne, kräftig, voll gerissen, Klingen reizend, klingen prächtig; Schicksal, reiße keck die Töne, Nur zerreiße nicht die Saiten! In den Rosen Wie lockend winkt der Rose Licht! Du siehst den Dorn; du klagst: Er sticht. O gehe, zager armer Wicht! Es blüht für dich die Rose nicht. Bedenkliches Des Mannes Krone bleibet das Weib zu allen Zeiten! So steht es in der Bibel; wer wird mit dieser streiten Auch ist der Spruch geschrieben von Salomo, dem Weisen; Der Weise dient der Wahrheit; wie kann er falsch uns weisen? Er trug ja selbst die Krone und hielt sich tausend Frauen; Erfahrung macht den Meister; wer wird ihr nicht vertrauen? Nur Eines bleibt bedenklich; die besten Fürsten klagen: O Krone, goldne Krone, wie bist du schwer zu tragen! Naturgränze Auf des Titlis Silberkuppe Ist schon Mancher keck gedrungen; Lang in Muße dort zu weilen, Ist doch Keinem noch gelungen. Scharf und eisig gehn die Lüfte; Sie vernichten schnell das Leben; Solchen Mächten Trotz zu bieten, Bleibt ein eitles, tolles Streben. Klug, besonnen weiß der Steiger Seine Wünsche zu bezwingen. Von der Höhe niedersteigend, Läßt zu Thal das Lied er klingen: „Jeder walte in den Schranken, In den ewig festgesetzten! Ach, es kamen stets zu Falle, Die die Kräfte überschätzten!“ Kriegslied Auf hoher Alpenfirne Da steht der Väter Geist. Heraus, o Schwert, und höre, Wie er zum Kampf uns weist: „Das Feindezählen schlaget Von vornherein in Wind; Es wird die Zahl sich finden, Wenn sie erschlagen sind.“ „Lauwinen stürzen donnernd Herab die Bergeswand; Sie scheuen nicht im Falle Gefahr und Widerstand.“ „Lauwinenkeckheit übten Wir einst im Kriege auch; Darauf! daran! das frommte; Auf! Wahrt den Landesbrauch!“ Im Rheinfall Immer von Oben Drängend und kämpfend Stürzen und toben Wogen auf Wogen. Aber die Sonne Webt in den Schauer Friedlicher Wonne Schimmernde Kränze. Siehe! das Wilde Grollender Wellen Löst sich, und milde Wallen die hellen Fluthen im Frieden Unten im Thale. Sollte ich beben? Sollte ich klagen? Wenn es im Leben Woget und stürmet? In das Getriebe Lächelt die Hoffnung. Tröstend in Liebe, Lichtere Bilder. Rasch, wie die Welle, Werden wir schwinden; Ach! nur zu schnelle Werden wir finden Ruhe im Schooße Heiliger Erde! Dichter und Derwisch Derwisch Gottlos bist du Dichter worden; Treffe dich des Himmels Haß; Nur Suleika, deine Schöne, Singst du ohne Unterlaß. Weh! du kehrst dich von dem Glauben, Von des Lebens sicherm Hort; Und für Allahs Glanz und Liebe Hast du nie ein preisend Wort. Dichter: Von dem Schöpfer selbst zu singen, Wagen ja die Engel nicht; Schweigend neigen sie die Blicke Vor dem unnahbaren Licht. Denn den Schöpfer würdig loben Kann der Wesen All allein; Doch ich wage ihn zu singen In dem milden Wiederschein. Sieh' das Herz des Dichters gleichet Nur dem Thau! er fasset nicht Ganz die Sonne, doch er spiegelt Einen Strahl von ihrem Licht. Wolltest du, gestrenger Richter, Einmal nur Suleika sehn, O du würdest schnell des Dichters Frommbescheidnen Sinn verstehn! Denn von Allahs Lichtglanz leuchtet Mir in Liebchens Aug' ein Strahl, Und wer seinen Abglanz ahnet, Ehrt den Ewigen zumal. Immer lieben Nur der Jugend ziemt die Liebe, Hör' ich junge Spötter sagen. Wie? dem Zauber junger Triebe Soll des Alten Herz entsagen? Knospen schwellen, Rosen prangen, Wonne ist es, sie zu sehen! Keine Knospe trägt Verlangen, Daß die Rosen da vergehen. Alle Herzen müssen glühen; Liebe gleicht dem Frühlingsscheine; Läßt die Reben frisch er blühen, Regen sich die alten Weine. Junge Liebe, alte Liebe Müssen freundlich sich vertragen! O! dem Zauber süßer Triebe Kann kein Menschenherz entsagen. Sankt Augustinus Beim Lampenlicht im Kämmerlein Sitzt Augustinus stumm, allein; Und wehn auch Lüftchen leicht und kühl, Ihm ist es gar so schwer und schwül. Er sinnt und forscht aus dunkelm Drang, Was ihm getrübt des Lebens Gang. Der Zweifel treibt ihn kreuz und quer: Er findet nicht gerecht sich mehr. Wie oft ein Blitz die Nacht erhellt, Ein Gottesstrahl ins Herz ihm fällt, Und klar er schaut, daß Sinneslust Ihm stört und löscht das Licht der Brust, Verblieb auch schön und treu bis heut, Was lang das Herz ihm hold erfreut, Doch will in frommem Herzensglühn Er gleich dem Zauber sich entziehn. „Keusch“, seufzt er, „mache mich, o Gott, Daß werde nicht mein Geist zu Spott!“ Wie auf der Au ein sanfter West, Ein Rauschen nah sich hören läßt, So zu ihm schwebt ins Kämmerlein Mit trautem Gruß die Maid herein. In Locken fliegt ihr schönes Haar, Die Äuglein glühn wie Sternlein klar, Es wallt der Busen voll und rund Und giebt das tiefste Sehnen kund. Er blickt sie an, so hold, so mild Noch nie sah er das Frauenbild; Nicht kann sein Auge satt sich sehen, In Wonne will sein Herz zergehen. „Laß, Gott, mein Bitten“, fleht er nun, „Ein Weilchen noch auf sich beruhn!“ Und schnell er schließt zu sichrer Ruh Für Scherz und Kuß das Stübchen zu. Die Lotusblume Epigramme Lotus, was knieet vor dir in sinnigem Ernste der Inder? „Offen den Strahlen des Lichts, schließt sich mein Busen der Nacht.“ Ermunterung Epigramme Seufzt dir die Brust vor Schmerz, in Geduld ertrag ihn und hoffe; Über den Dornen ja erst breitet die Rose sich aus! Das Geschwisterpaar Epigramme Liebe und Glück sind blind, und beide innigst verschwistert; Glückliche werden geliebt, Liebende werden beglückt. Vergeltung Epigramme Neidend der Rose den Glanz, verwehet der Sturm ihr die Blätter, Aber im Sterben den Feind segnet mit Düften sie noch. Edle Rache Epigramme Neidisch versuchen den leuchtenden Mond zu verdunkeln die Wolken, Aber der Siegende schmückt mild sie mit silbernem Glanz. Thorwaldsen „Grüße die Heimat!“ spricht Thorwaldsen in Rom zu dem Bilde, Das er mit liebendem Sinn hatte dem Norden bestimmt. Nordwärts zieht es zu Schiffe, da winkt Poseidon, der Herrscher, Tief in dem Innern bewegt, brausendem Sturme herbei: „Norden, du hoffest umsonst; noch rufen um Rache die Werke, Die uns dein rohes Geschlecht einst in den Tempeln zerstört. Was gefrevelt der Ahn, von jeher büßt es der Enkel. Mein sind Recht und Gewalt!“ Also der zürnende Gott. Wilder tobet der Sturm; es versinket das Schiff in der Brandung; Jubelnd doch tragen dem Gott Nymphen zur Halle das Werk. Der Wunderglaube Gerne verweilet der Sänger im Reich voll Glauben und Wunder, Wie sich die Blume in Lust wieget im schimmernden Thau. Mag, wie immer, die Welt mit Spott die Wunder verfolgen, Nur dem Verstande allein gönnen den Scepter und Thron, Kann, was selbst er erfuhr, doch nimmer bezweifeln der Sänger; Was ihm die Seele bewegt, trauet dem Liede er an. — Müde am lachenden See, wo Zürich, das emsige, schimmert, Ruhte ich unter dem Baum, welcher die Schenke umwölbt. Schon auf dem ländlichen Tisch stand blinkend die Flasche des Weines, Den als Landesgewächs böchlich die Wirthin mir pries. Gierig ergriff ich das Glas, zu kühlen die Gluthen des Sommers, Und sein freundlicher Rand nahte den Lippen sich schon. Doch wie einer in Angst vor der Schlange in Blumen zurückfährt, Wandte mein durstender Mund schnell von dem Glase sich ab. „Mütterchen“, sprach ich zur Schenkin, „du hast dich im Fäßchen versehen; Zapftest mir Wein nicht; nein, zapftest mir Essig für Wein.“ — „Ei, was redet der Herr! Er trinkt“, so schmollte die Alte, „Wo er auch Einkehr hält, Besseren nirgends am See.“ — „Schlimm, recht schlimm!“ so sprach ich. Ein Schauer durchbebte mein Innres; Und schon war ich bereit, durstend von dannen zu gehn. Aber das lieblichste Kind, das je ein Auge gesehen, Trat mit bezauberndem Ernst zwischen uns Neckende ein. Lächelnd warf in das Glas sein Händchen ein Knöspchen der Rose, Welche den künftigen Glanz kaum durch die Ritzen verrieth. Staunend stand ich, und kaum blieb Muth mir, zu flüstern die Worte: „Schade, das Röslein verdirbt hier in der Säure, o Maid! Sprich, was hat es gefehlt, daß ach! so hart du es strafest? O, an der lieblichsten Brust wäre so gern es verwelkt!“ — „Laß mich, ich bitte, den Wein, den verschmähten, gewissenhaft prüfen, O das Knöspchen hat, trau ich, sein Bestes gethan!“ Also die Maid; ich reichte das Glas der Verlangenden willig, Und ihr purpurner Mund nippte mit forschendem Sinn. „Koste! du ärgerst fürwahr! jetzt tadelnd mein Mütterchen nimmer, Bot dir die Freundliche doch, was ihr das Fäßchen verschloß!“ Als die bezaubernde Maid die mahnenden Worte geflüstert, Reichte den Becher des Weins freundlich und hold sie zurück. Zweifelnd ergriff ich das Glas; ich schlürfte, und schlürfte von neuem, Und mit jeglichem Zug fühlte den Zweifel ich fliehn. Süß, ja süßer sogar als Rahm auf der würzigsten Alpe, Süßer als Honigseim floß in den Mund mir der Trank. „Kehrte zum Lichte“, so sprach ich, „der Wunder gelehrtester Läugner, Doktor Paulus zurück, wahrlich er würde belehrt. Herrlicher scheint mir das Wunder, in Wein zu verwandeln den Essig, Als in Kanaum einst Wasser zu wandeln in Wein.“ — Ist es ein Wunder nunmehr, daß fast an die Wunder ich glaube Was so hold sich bewährt, glaubt ein jeder mit Lust. Keiner vermuthe jedoch, daß ernstliche Forschung ich hasse; Nein! ich dachte und noch denke dem Wunder ich nach. Hat, so fragte ich oft, das Röslein den Wein mir versüßet? That es ihr purpurner Mund? that es ihr glühender Blick? That es ihr Odem, erfüllt von den Düften der Blüthen des Frühlings? That es ein Wörtchen von ihr, heimlich geflüstert zum Wein? Emsig forschte ich so; zur Gewißheit wurde mir Eines: O, dem Röslein gelang nicht, mir zu süßen den Wein! Oft, wenn einsam ich saß an dem See in anderen Schenken, Warf in den sauren Saft prüfend ich Röslein hinein; Aber es blieb der Wein, wie früher er immer gewesen, Und den Röslein entging jegliche Zaubergewalt. O die ruhet allein in dem Wesen des holdesten Mädchens: O sein küssender Mund löste das Räthsel gewiß. Nachgenuß Ach, die holden Rosen schwinden, Neidisch hüllt die Nacht sie ein! Süße Düfte nur verkünden Ihr verborgnes liebes Sein. Floh auch, wie der Rosen Schimmer, Ach! der Liebe süße Lust; Duftet hold erinnernd immer Noch sie nach in stiller Brust. Bienchen und Röslein Kam ein Bienchen auf die Haide; Sah die Röslein lustig blühen. Eines schien zu seiner Freude Schön vor allen zu erglühen; Und es eilten seine Lippen Aus dem süßen Kelch zu nippen. Röslein konnte nicht es wehren, Thät ihm alles gern gewähren. Bienchen aber war bescheiden, Brachte Röslein nicht in Leiden. All sein Kosen, all sein Trinken Trübte nicht des Holden Blinken; Nicht ein Thränchen, keine Wunde Zeugte von der süßen Stunde. Selig pries ich da die Beiden; Weisheit würzt und wahrt die Freuden. Dionea Ein Blümchen blinkte An sonniger Luft; Nur Milde hauchte Sein lockender Duft. Schnell kam ein Bienlein Voll sehnender Gluth; Es nippte emsig In seligem Muth. Da ob dem Zecher Das Blümchen sich schloß; Im Todesschauer Sein Seelchen zerfloß. Wie scheinst, o Blümchen, So mild du und fein! Ach, Blümchen, Blümchen, Wie täuschet der Schein! Kindlicher Sinn Es suchet die Mutter mit sorglichem Blick Den Knaben, den fernen, ihr einziges Glück. „Wie bitter die Schmerzen der Mutter doch sind! O sprechet, ihr Nachbarn, wo säumt sich mein Kind?“ „Im Felde es Blumen zum Strauße sich brach Und jagte den Faltern, den schimmernden, nach. So eilte es weiter, im Spiele, entzückt; Bald war es den folgenden Blicken entrückt.“ Die Mutter enteilet in Hoffnung zur Flur, Doch findet sie nimmer vom Knäblein die Spur. „Trafst nicht du mein Knäblein, o Wanderer, an? Was schaust du so bange zurück auf den Plan?“ „Ich ruhte auf Blumen mit heiterem Muth, Da nahte die Schlange in giftiger Wuth. Mich faßte ein Grauen; ich eilte davon. O bleibe dem Orte doch ferne dein Sohn!“ Die Mutter vernimmt es mit wachsender Qual Und spähend durcheilt sie die Gründe im Thal, „Kam, Fischer, gesprungen zu dir an den Strand Ein Knabe mit Blumen in spielender Hand?“ „Wie wäre für Kinder die Stelle gemacht Es schwellen die Wogen des Stromes mit Macht; Sie schwächen und brechen die dämmende Wehr Und bringen Verderben den Saaten umher.“ Die Mutter verzaget; sie eilet zum Hain; Schon brechen die nächtlichen Schatten herein. „Sahst, Jäger, im Walde den Knaben du nicht, Mit Locken so golden, mit Äuglein so licht?“ „Wohl führte zum Wald ihn vor Stunden sein Gang Und wahrlich! es ist für den Zarten mir bang. Da hauset der Wolf, und mit wildem Geheul Entfloh er so eben dem drohenden Pfeil.“ Und dichter und finstrer der Wald sie umfängt, Und Schauer auf Schauer im Busen sich drängt. Da lächelt der Mond aus den Wolken so mild Und zeiget im Walde ein süßes Gefild. Da schlummert der Knabe und träumet vom Spiel; Gebrochene Blumen ihm dienen zum Pfühl. „Was säumst du, o Herzchen, so ferne, allein? Ich suchte dich lange in sehnender Pein.“ „O Mutter, o Mutter!“ so tönt es in Lust, Ihr stürzet der Knabe entzückt an die Brust. „Ich spielte im Felde, am Fluß, in dem Hain; Was brauchtest für mich du in Sorge sein?“ „Es stunden zur Seite zum Spiel und zur Hut Mir leuchtende Knaben so freundlich und gut. Schau', Mutter, die Blumen, so duftig und schön, Sie brachten sie alle von himmlischen Höh'n!“ „O hättest du nicht aus dem Schlaf mich geweckt! Es hat sie dein Rufen verscheucht und erschreckt, Sie suchet vergebens mein sehnender Blick, Wohl kehren die Lieben mir nimmer zurück!“ Der alte Becher In der Halle beim Pokale Weilt der Jungen muntre Schaar; Ernst und stille blickt der Alte Aus dem weißen Lockenhaar. „Sprich, was sinnst du, guter Alter? Was durchzittert dir die Brust? Deine Augen gehn dir über; Brachte Schmerz dir unsre Lust?“ — „Nein, o nein! Das Leben schimmert In der Freude wie der Thau, Wenn der Sonne goldne Strahlen Spielen auf der Frühlingsau.“ „Mit den Lieben meiner Jugend Saß ich oft in diesem Saal; O wie blühten Kuß und Lieder, O wie glühte der Pokal! Aber ach! die Lieben schieden Und ich wandle nun allein; Öde ist für mich die Erde, Blaß ihr schönster Blüthenschein!“ Zu dem Becher greift der Alte, Trinkt mit Hast den vollen leer; Lächelt heiter, wankt und sinket, Trinkt und lächelt nimmermehr. Ave Maria Ein wilder Ritter liebte Nur Streit und Kampfgewühl; Er ging wohl nie zur Kirche, Doch sprach er mit Gefühl: Ave Maria! Und als er starb im Felde, In seiner Hand den Stahl, Vergoß sein Auge Thränen; Er sprach zum letzten Mal: Ave Maria! Er ward im Wald begraben, Der ihn der Welt verbarg; Die Glocken schwiegen grollend; Kein Priester sprach am Sarg: Ave Maria! Doch zwitscherten und sangen Des Waldes Musici, Und in den Bäumen rauschte Der Lüfte Melodie: Ave Maria! Und als die Lilien blühten, Ein Wunder sich begab; Mit Staunen ruft der Pilger An dem verlassnen Grab: Ave Maria! Das Grab des Ritters schmücken Die Lilien licht und hold, Und in den Silberkelchen Liest man in Schrift von Gold: Ave Maria! Die Gäste vom Galgen „Und wenn Du Wirth nicht Gäste hast, So magst Du sein Dein eigner Gast: Schon Mitternacht! Ich trink allein; Denn Keiner kommt so spät zum Wein, Es müßten denn — es müßten sein Die Gäste vom Galgen!“ „Am Galgen ritt ich heut vorbei, Dort sah ich hängen ihrer Drei; Das waren einst mir Kunden gut, Verthaten all ihr Hab und Gut; Drauf trieb das allzuhitzge Blut Die Gäste zum Galgen.“ „Du Kleeblatt fein“, ich sprach's und lacht — „Ich lad Euch ein zu lustger Nacht. Ihr nickt mir ja! Vergeßt mir's nicht! Euch leuchte hell das Mondenlicht, Daß Keiner das Genicke bricht, Ihr Gäste vom Galgen!“ „Doch horch, was rauscht? bin ich ein Kind? Mir graut's — es war doch nur der Wind. Das Thor ist zu - Gespenstergraus Nein — Hülfe! Diebe sind im Haus. Auf, Knechte, bringt sie mir hinaus Die Gäste vom Galgen!“ „Herr Wirth, was soll denn das Geschrei? Wir sind es, die geladnen Drei — Du ludest uns zu süßem Trank; Hier hast Du uns und unsern Dank — Doch sprich: was bebst Du bleich und krank, Wie Gäste am Galgen!“ „Hier Wein und Gläser — schenk uns ein! Ei Wirth, verschüttest ja den Wein! Du zitterst! 's ist Dir warm und schwül. Uns wärme Wein! Uns ist es kühl. Kalt ist die Nacht und kalt der Pfühl Den Gästen am Galgen!“ „O Jesus, schütze mich in Huld! Mag Gott verzeihen Euch die Schuld!“ „Was rufst den Himmel an und Gott? Du hattest dessen stets nur Spott. Statt Jesus nenn Ischariot Den Gästen am Galgen!“ „Verführtest uns dem Bösen gleich; Wir wurden arm, Du wurdest reich. Du letztest uns mit schnöder Lust, Goß'st Wein und Gift in unsre Brust Und höhntest dann wie siegbewußt Die Gäste am Galgen!“ „Zum ersten Glas — Dich straf der Christ! Du machtest trunken uns mit List! Spieltest mit Einem bis zur Nacht, Der stahl, von Dir um's Geld gebracht; So hast als Diebe Du gebracht Die Gäste zum Galgen!“ „Zum zweiten Glas — Dich treff der Tod Noch heute vor dem Morgenroth! Du stelltest wohl dem Zweiten nach, Daß Liebe er und Ehe brach. So brachtest Du mit frevler Schmach Die Gäste zum Galgen!“ „Das dritte Glas — dann sei's genug! Zur Hölle fährst Du bald mit Fug. Du schürtest heiß des Dritten Wuth, Daß er vergoß des Gegners Blut. So brachtest Du in Haß und Glut Die Gäste zum Galgen!“ „Die Flasche leer — nun fort zumal; Der Wirth entschlief in Schreck und Qual, Das Licht er nimmer wieder schaut. Nun fort, bevor der Morgen graut! Fort, daß die Nacht uns noch bethaut, Die Gäste vom Galgen!“ Die Elfe Herr Magnus ritt vom Schloß ins Thal; Sein harret die Braut beim Hochzeitsmahl. Wild braust der Nord, die Nacht ist kalt; Die Erde seufzt in des Winters Gewalt. Im Mondschein glänzt der blendende Schnee; Er reitet hinab in die waldige Höh. Am Kreuzweg lauert ein Elfenweib; Ihr Goldkleid rauscht am schönen Leib. „Was reitet Herr Magnus so schnell durch das Rieb, Will er nicht lauschen dem Elfenlied?“ Sie schlägt die Harfe zum ersten Mal, Es wehet wie Frühling von Bera zu Thal. Sie schlägt die Harfe zum zweiten Mal, Es grünen die Bäume, es blühet im Thal. Sie schlägt die Harfe zum dritten Mal, Und Nachtigallen singen zumal. Sie hat's dem Reiter angethan, Es schäumt das Pferd; er hält es an. Sein Mantel sinkt auf den grünen Grund, Er küßt die Maid auf ihren Mund. Und treulos glühet seine Brust; Er kost mit der Elfe in heißer Lust. Sie lockt und zieht ihn vom Pferde herab; Er neigt sich und sinkt in's blühende Grab. Ihn fand die Braut zu tiefem Weh Erstarrt im Leichentuch von Schnee. Intoleranz Die Sterne im Dunkeln funkeln Und zu einander munkeln: „Wir leuchten friedlich zusammen Mit unsern Flämmchen und Flammen, Ein jeder mit seinem Glanz In Liebe und in Toleranz.“ Drauf kam in ihre Mitten Die Sonne geschritten; An ihrem Morgenstrahl Erloschen sie zumal. Da riefen sie zornentbrannt: „Wie intolerant!“ Der Verstand erkor die Augen — Der Verstand erkor die Augen Zu des Herzens Hort und Macht; Doch, wie könnten sie es schützen Vor der Liebe Lust und Macht! Sie berauscht die treuen Augen Mit der Schönheit starkem Wein! Über die betrunk'nen Wächter Dringt sie in die Herzen ein. Alle Nachtigallenlieder Alle Nachtigallenlieder Werden Dir verständnißklar, Blätterst Du im Buch der Rosen, Ihrem duft'gen Commentar. Scheint Dir, was von süßer Liebe Dichter sagen, wahrheitsbar, Schaue in zwei schöne Augen Und Du hältst ihr Lied für wahr! Ob mit hundert Sternenflammen — Ob mit hundert Sternenflammen Auch der Himmel prangen mag, Machen alle doch zusammen Nimmer einen hellen Tag. Rosen glühen klar wie Sterne, Und die Sonne glänzt und lacht; Aber weil, o Lieb', Du ferne, Hellen sie mir nicht die Nacht. Herz und Auge bleibt umdunkelt, Ob mir leuchte Licht an Licht; Hell kann nur der Tag mir strahlen, Schaue ich Dein Angesicht. Ob mit hundert Sternenflammen Auch der Himmel prangen mag, Machen alle doch zusammen Nimmer einen hellen Tag. Gottes Sprache Die Gottessprache, sie entbehrt der Worte, Doch lautlos dringt sie durch des Herzens Pforte. Die Wasser, die vom Himmel sich ergießen, Bedürfen nicht der Ufer, um zu fließen. Der Gottesgeist, ein flammender Gedanke, Durchleuchtet ohne Schatten uns und Schranke. Nur Echo ist das Wort, ein Geistesschatten, Mit Schatten kann sich reines Licht nicht gatten. Steuermann und Segel Schmucke Segel, bunte Wimpel Treiben lustig schnell den Kahn, Steuermann indeß, der schlichte, Lenkt ihn sicher seine Bahn. Schmucke Segel, bunte Wimpel Leiht die Phantasie dem Geist — Der Verstand, er führt das Steuer, Das den Weg zum Hafen weist. Die Blinden Stößt strauchelnd Dich auf seinem Weg der Blinde, Du zürnst ihm nicht um das, was er gethan; Mitleidig führst Du ihn die rechte Bahn, Daß er in seiner Nacht zurecht sich finde. Doch hat verletzt Dich Einer haßverblendet, Dann zürnest Du dem Blinden? Sieh! es soll Ihn leiten Deine Hand erbarmungsvoll, Daß sich sein Groll zur Liebeseinsicht wendet. Liebchens Reichthum Der Himmel hat die Sonne Und Perlen hat das Meer, Die Erde hat die Blumen — Doch Liebchen, Du hast mehr! Die Blumen und die Perlen, Der Sonne goldnen Strahl, Die reichen Schätze alle Besitzest Du zumal. Dein Auge leuchtet sonnig, In Rosen blüht Dein Mund, Und aller Perlen schönste Ruht Dir im Herzensgrund. Liebst Du ohne Gegenliebe — Liebst Du ohne Gegenliebe, Wie Dein Inn'res einsam trauert, Gleich des Jahres Spätlingsblüthe, Die im Herbstfrost welkend schauert! Doch verstehen sich zwei Herzen, Blühen sie, ein Paar von Rosen, Die aus einem Stamme sproßten, Um im Frühlingshauch zu kosen. Schmeichelworte, Liebesworte — Schmeichelworte, Liebesworte Spendet rednerisch Dein Mund. Doch was nützt es mir, sie kommen Nicht aus Deines Herzens Grund. Gieb der Biene tausend Blumen, Blumen voller Farbenglut: Sie verschmäht sie, wenn nicht Honig In dem Kelch der Blüthen ruht! Hoffnung! Seitdem die Frühlingssonne aufgegangen, Die Vöglein angefangen, sich zu grüßen, Auf Wiesen, unter Hecken Blumen sprießen, Ist auch mein Himmel nicht mehr grau verhangen. Die Lieb' im Herzen sitzt nicht mehr gefangen, Genoßnes Glück durch Schmerzen abzubüßen. Wo Blüthen schwellen unter warmen Küssen, Muß auch die Hoffnung neuen Schwung erlangen. Sonett Ein Kind, um welches Engel Flügel breiten, So lag mein junges Herz in seinen Träumen; Es lebte erst in ahnungsvollem Keimen, Kannt' nichts vom Weh, wenn sich Gefühle streiten, Da kamst du, Lieber! um mich zu geleiten In Edens Gärten, zu den Wunderbäumen In Liebesland, und ließest ohne Säumen Die goldnen Früchte in die Hand mir gleiten. Doch, kaum erwacht zu Glück und Liebeswonne, So dringt Entsagung schon in unsre Mitte; Aus deinen Armen scheucht mich Klugheit, Sitte. Ach! nur ein Traum noch glänzt mir Edens Sonne; Im Schlaf nur tragen mich zum Wundergarten Die Engel hold, die einst das Kind bewahrten. Hinaus in Gottes freie Welt Hinaus in Gottes freie Welt, Daheim geht Dir der Muth verloren, Winkt Dir denn nicht das Himmelszelt Mit seinen off'nen blauen Thoren? Wie leuchten hell im Morgenlicht Die Silberseen, Thal und Hügel, Und geben Deiner Seele nicht Die ruhig zieh'nden Wolken Flügel? Doch dem, ach! dessen Herz so ganz Von tiefsten Leiden ist zerrüttet, Ist in des Himmels blüh'nden Glanz Sogar das schwarze Gift geschüttet. Für ihn, der selbst den Drang verlor, Zu glauben noch und noch zu hoffen, Verriegelt sich des Lebens Thor, Und kaum das Grab noch sieht er offen. Stille Stunde Ich weilte gerne, von der Welt geschieden, Zu Deinen Füßen eine stille Stunde, Nicht gäb' ein Wort und kaum ein Seufzer Kunde Von solchem Glück, denn stumm sind Glück und Frieden. Mir träufelte von Deinen Augenliden Ein milder Balsam auf die tiefe Wunde, Zum Erstenmal im wortverarmten Bunde Ahnt' ich ein unaussprechlich Glück hienieden. Und wann verständnißinniger im Schweigen Die Hände dann sich finden und verschlingen, Und in die Augen feuchte Schimmer steigen, Die Geister gegenseitig sich durchdringen, Wann sich die Lippen an einander neigen: — O könnten wir uns dann zum Himmel schwingen! Kein Lebewohl! Kein Lebewohl! — Wort, das die Welt gebraucht, Doch Liebe nicht im Schmerze finden kann, Das sie vielleicht in leere Luft verhaucht, Wenn sie sich allzuspät darauf besann. Kein Lebewohl! — Denn ist es nicht ein Lug, Wenn Liebe: Lebewohl! beim Scheiden spricht? Ach, über seines Glückes Aschenkrug Empfindet Eins das Herz nur, daß es bricht. Kein Lebewohl! — Beim Scheiden wünsche Glück Die kalte Welt mit ihrem falschen Schmerz. Der Liebe stummes Fleh'n ist: Kehr' zurück, Und denk bis dahin an ein brechend Herz! Cäsar Borgia Portrait von Rafael in der Gallerie Borghese in Rom Was bebst du vor dem Bild erschrocken Und schaust doch immer wieder an Den mächt'gen Kopf, deß blonde Locken Tief schimmern, als sei Blut daran? Es ist ein Mann, deß Bild gemalet Auf dunkelm Grund, im Kleid von Samm't, Im schwarzen, dir entgegenstrahlet Wie Feuer, welches mächtig flammt. Die Nüster schwillt, das Auge dunkelt Noch von der Orgie der Nacht, Was ist's, was an der Seit' ihm funkelt? — Ein Dolch! — Er greift nach ihm — hab' Acht! Was war das für ein Hilferufen Doch gestern um die Vesperzeit? Wer lag verblutend auf den Stufen St. Peters, welche Mord entweiht? Der junge Fürst, der eigne Schwager, Der Herzog war's von Candia. Die Nacht theilt einer Schönen Lager Der Mörder — Cäsar Borgia! Heut Abend schwärmt er bei'm Pokale — Was ist der Wein so dunkelroth? Was wird's allmählich still im Saale? — Die Gäste Borgias sind todt! Der Herrschbegier und des Genusses Dämon, der jede Schranke bricht, Doch über'm Rand des Höllenflusses Schon schwebt, verfallen dem Gericht: So malt' ihn mit dem Geist des Dante Der gottbeseelte Rafael: Indeß sein Ideal erkannte In ihm der Staatsmann Machiavell. An den Polarstern Über'm schwärzlichen Cypressenhaine, Auf dem Marioberge jede Nacht, Steht ein Stern mit unverrücktem Scheine, Seufzend blick' ich auf zu seiner Pracht. O Polarstern! Wohl ist ohne Wanken Auch dem Norden und dem Vaterland, Deinem Strahle gleichend, der Gedanken Wandelloser Liebe zugewandt. Aber jener dunkle Hain der Trauer, Über welchem sich dein Strahl erneut, Mahnt mich an die finstre Kerkermauer, Die dem Heimgekehrten wieder dräut. Du bist meine erste Liebe Du bist meine erste Liebe, Du sollst meine letzte sein. Dein Bild, das süße, das traute, Thront stets im Herzen mein. Wenn ich Dein Herz, das reine, Dir je betrübe, vergieb! Mein herziges liebes Mädchen, Ich habe Dich doch so lieb. Du bist mein Stolz, mein Leben, Mein Schmuck, mein Trost, mein Stab, Und wirst Du mir entrissen, Umlagert mich Nacht und Grab. Du bist mir ein Geschenk von Gott Du bist mir ein Geschenk von Gott Und was er mir erkoren, Das bleibt mir nun und immerdar Gewißlich unverloren. Als ein von Gott geliehnes Pfund Will ich Dich sorglich hegen, Will wie ein güldnes Kleinod Dich Bewahren allerwegen. Bleib Du nur immer mein gedenk Und laß nicht von der Treue, Glaub nicht, daß ich die Liebe je, Die ich Dir schwur, bereue. Dann mag uns dräuen, was da will, Uns soll es nimmer grämen, Denn was uns Gott gegeben hat, Wer kann's uns wieder nehmen? Ein Gleichniß Was ich von Frau'n-Emancipation, Von Weiberrechten denke, willst du wissen? Wohl, Kind! mein Märchen sagt dir's ohne Hohn, Sei nur, es richtig zu versteh'n, beflissen. Jüngst ging ich durch den Wald um Mitternacht, Die Luft war still, die Blätterstimmen schwiegen, Da tanzten um mich her in lichter Pracht Des heiligen Johannes Feuerfliegen. Die Männchen, leicht beflügelt, schwangen sich In losem Spiel bis zu den höchsten Zweigen, Fast einem Sprüh'n von Meteoren glich Im dunkeln Laub ihr rother Funkenreigen. Bald glüht' im Finstern nur ein einsam Licht, Bald war's ein Regen von Raketensternen, Bald gaukelt' hin und her ein kleiner Wicht Wie eines Irrlichts Nahen und Entfernen. Die Weibchen aber saßen still im Gras, Doch glänzten doppelt schön die Flügellosen, Roth wie Karfunkel, golden wie Topas, Um Mitternacht erglühte Purpurrosen. Sie saßen still und warteten der Brut, Ihr ruhig Licht schien lockend in die Weite, Wohl gab's den Flügelträgern neuen Muth Und auf der luft'gen Reise das Geleite. Und ob von Strauch zu Strauch, von Baum zu Baum In wilder Lebensfreude sie sich schwangen, Stets trieb sie wieder aus dem leeren Raum In's feuchte Gras hernieder das Verlangen. Hat wohl der arme Glühwurm sich beklagt, Daß ihm nicht auch am Rücken Flügel sprossen? Weil die Natur sie weislich ihm versagt, Ist über Höh' und Tiefe Licht ergossen. Antwort Wir sprachen oft von ungereimten Dingen, Auf die das Herz von ungefähr verfällt, Wenn wir zusammen durch die Wälder gingen, Philosophirend über Gott und Welt. Und wenn der Lenz in allen seinen Prächten Sein buntes Füllhorn über uns ergoß, Und um uns her zur Linken und zur Rechten Das Licht in goldnen Strömen niederfloß; Wenn Baum an Baum die grünen Zungen regte, Um mitzusprechen zu des Frühlings Preis, Und jedes Nest, das er im Laube hegte, Mit Sang einstimmte lauter oder leis: Da konntest du das ernste Wort nicht fassen, Daß Menschenblüthen auch vorübergeh'n, Daß, wenn wir einmal diesen Leib verlassen, Für uns kein Frühling mehr, kein Aufersteh'n. Das Leben, das in allen Pulsen pochte, Nicht konnt' es glauben an den ew'gen Tod, Und jene Sehnsucht, die dein Herz durchkochte, Versprach dir stets ein schön'res Morgenroth. Wärs werth denn, sprachst du, überhaupt zu leben, Wenn diese Welt, wenn Stern und Sonnenball Nur durch den Raum sich wälzten, zu verschweben, Entgegen nur zu reifen dem Verfall? Wär's werth, zu leben flüchtige Sekunden, Um nie zu schauen mehr den Quell des Lichts? Wär's werth, des Weltalls Tiefen zu erkunden, Und dann zu sinken in das ew'ge Nichts? So sprachst du und ich blieb die Antwort schuldig, War sie vielleicht mir selbst noch gar nicht kund? Und wurdest du im Fragen ungeduldig, Schloß ich mit einem Kusse dir den Mund. Mein Kind! im Lenz, wenn rings die Knospen springen, Wenn Sonnengluth das alte Herz durchwärmt: Wenn alle Vögel Liebeslieder singen Und uns zur Seite hold ein Liebchen schwärmt: Da denkt man nicht an solcher Fragen Schlichtung, Gleich Faltern flattern die Gedanken weit, Da sträubt das Herz sich gegen die Vernichtung Und glaubt andächtig an Unsterblichkeit. Willst du auf solche Fragen Antwort haben, Dann frag' im Winter, wenn in Schnee und Eis Des letzten Lenzes Blüthe liegt begraben, Wenn blattlos stehen Baum und Strauch und Reis. Da frage, wenn im Fluß die Wellen stocken, Wenn nur der Rabe rauh nach Futter kreischt, Und wenn der Reif uns ahnend bleicht die Locken, Die allzubald das Alter für sich heischt. Jetzt herrscht der Winter wiederum auf Erden Und in sich selbst kehrt unsre Seele ein; Merk' auf, mein Kind, nun soll dir Antwort werden, Und möge sie zufriedenstellend sein! Du unersättlich Herz, das nicht will leben, Wenn es nicht leben kann in Ewigkeit, Dem null und nichtig alles Menschenstreben, Weil es bedingt vom Stundenschlag der Zeit; Laß mich in Fragen meine Antwort kleiden: Wenn himmelhoch das Herz die Flügel schlug, Kann es sich dann im Tode nicht bescheiden? Ist eine Stunde Liebe nicht genug? Trösterin Natur Wenn dir dein Lieb gestorben ist, Wenn du ein Kind begraben, Der Gram, der dir am Herzen frißt, Kann Tröstliches nicht haben. Was frommt's, am kalten Leichenstein Zu sitzen und zu weinen? Du sargst die Todten tiefer ein Und weckst nicht deinen Kleinen. Der Mutter Erde gib zurück Den Theil, draus sie entstanden, Und suche fern'res Lebensglück In ihren weiten Landen. Sie heilt mit Harz und weichem Bast Den Baum, der wund geschlagen, Auch das, was du erlitten hast, Wird sie dir helfen tragen. Geh' nur hinaus und leg' dich hin Auf ihre grünen Wiesen, Und laß in deinen trüben Sinn Der Sonne Lichter fließen. Geh' nur hinaus und schau' dich um In grünen Waldeshallen, Da wird der Schmerz, dein Heiligthum, Verstummen und verschallen. Der Wald, der himmelblau und treu, Der bunte Flor der Wiese, Sie lachen in dein Herz auf's Neu' Des Lebens Paradiese. Die hohen Tage Nun sind sie da die hohen Tage Im Duft und Glanz der Sommerzeit, Es blüht das Feld, die Ros' im Hage, Und Lieder wirbeln nah und weit. Sie pflegen jetzt hinauszureisen Auf Berges Höh', in fremdes Land, Am Alpenstock, auf Dampfesgleisen, Im Schattenhut und Zwilchgewand. Ich aber bleib' im trauten Thale, Verfolge meinen stillen Gang, Gegrüßt vom ersten Morgenstrahle Geh' ich die thau'ge Flur entlang. Ich seh' die Ähren schwanken, schwellen, Die Blumen knospen, blüh'n, vergeh'n; Ich seh' des Füllhorns Wunder quellen, Gewahr' des Wechsels leises Wehn. Dich möcht' ich ganz, Natur, belauschen In geisteswacher Einsamkeit, Und Ahnungsgrüße mit dir tauschen In's Jenseits deiner Ewigkeit. Auf Berges Höhe Hier oben ist es still, Es sinkt in Ruh' das weite Thal, Erloschen ist der letzte Strahl, Aushallend noch ein Klang. Hier oben ist es still Am Himmel funkelt Stern an Stern, Und hinten glüht der Weltenkern In hoher Ewigkeit. Hier oben ist es still! Ich opfre dir ins Knie gebeugt, Du hast dich flüsternd mir geneigt, Geheimnißvoller Geist. Vorüber Hier seh' ich von der Halde Herunter auf den Fluß, Blau beugt es aus dem Walde Mit schäumendem Erguß. Die Wellen glitzern, kommen Und eilen rasch davon, Ein Nachen kommt geschwommen, Verschwunden ist er schon. Ich hör' das ferne Rauschen, Im Windhauch halb verweht, Und stille durch mein Lauschen Ein Gruß der Mahnung geht. Wo seid ihr hin, ihr Jahre, O Traum, wie bald vorbei! Mich fragen die grauen Haare: Warum ich da noch sei? Treue Es ist doch nichts auf dieser Welt, Als wenn ein Herz sich uns gesellt In Liebe. Dann hast du einen sichern Stab, Und fiele alles von dir ab, Es bliebe, ja bliebe. Was ist doch Gold und Gunst und Ehr'? Das Herz wird öd', der Sinn wird schwer Von Sorgen! Die Menschen sind gar spitz und klug, Doch unversehens bricht der Krug Schon morgen, ja morgen. Und mußt du über Land und Meer, Da wird das Scheiden ach so schwer, Ach scheiden! Doch bleibt die Treu', sie ist kein Glas, Sie grünet wie aus Ufergras Die Weiden, ja Weiden. Und holt der Tod vielleicht dich ab, Da weilt sie still auf deinem Grab Mit Sehnen; Sie pflanzet Blumen weiß und blau, Und an dem Blatte hängt der Thau Der Thränen, ja Thränen. Drum ist doch nichts auf dieser Welt, Als wenn ein Herz sich uns gesellt In Liebe. Dann hast du einen sichern Stab; Und fiele alles von dir ab, Es bliebe, ja bliebe. Meinem Wanderstabe So komm denn aus der staub'gen Ecke, Geprüfter Stock, so komm heraus! Wir wollen fort! Nicht gleich der Schnecke Ist angewachsen mir das Haus. Wir wollen wieder einmal lüften Den Stubendunst, den Bücherstaub, Rein baden uns in Morgendüften, Und ruhn am Bach, im frischen Laub. Ich hab' dich einst im Hag geschnitten Von einem strotz'gen Schlehendorn, Ich zog dich dann zu bessern Sitten, — Du warst von hartem Schrot und Korn! Ich hab lackirt dich und beschlagen, Geziert mit Schnitzwerk diesen Griff, Nun weißt du Ungemach zu tragen, Und Thal und Wald durchdringt dein Pfiff. 'S war in des Lebensfrühlingstagen, Wo jede Hoffnung lieblich blüht, Wo alle Pulse voller schlagen, Und Glaube treu im Auge glüht; Wo Freundschaft die geweihten Hallen, Der Himmel Liebe uns erschließt — Kurzum zur Zeit, da Allen, Allen Der Freuden reinster Nektar fließt. Wir sind uns seitdem treu geblieben, Es ist schon manches schöne Jahr! Die Reis'lust hat uns stets getrieben, Sobald es Fluth im Beutel war. Wir haben manche Fluh erklettert, Wir haben manches Thal durchstreift Bei Sonnenschein, und wenn's gewettert Im Lenz, und wenn der Jänner pfeift. Ich sah es neidlos, wenn im Trabe Die Herrschaft stolz vorüberfuhr Auf leichtem Rad, mit goldner Nabe, Mit Rappen aus Saharas Flur, Wenn der Lakei auf hohem Sitze Mich zweifelnd von der Seite maß. Erbost vielleicht ob einem Witze, Den er auf meiner Miene las. Wie schritt ich leicht, die schmucke Tasche, Die Kürbisflasche umgehängt, Den Kragen frei in leichter Masche, Vom Hut zum Stiefel ungeengt. Wie schritt ich auf beschwingter Ferse Den Schlangenpfad hinauf, hinab, Und trillerte an einem Verse, Und schwang dazu den Wanderstab. Und wo ein Plätzchen unter Bäumen Den Wand'rer lud zur kühlen Rast, Da lagert' ich mich ohne Säumen, Und war mein Wirth und munt'rer Gast. Vor mir die Bucht, die grünen Auen, Den Felsensprung, den klaren Fluß, Versenkt' ich mich in sinnend Schauen, In seligsten Naturgenuß. Und glänzt der Abend durch die Fichten, Da sucht' ich eine Herberg mir; Doch nicht, wo sich die Stockwerk' schichten, Wo funkelt eine Flügelthür, Nein, wo am Fenster eine Rose, Die Rebe grün das Haus umschlingt, Wo eine Locke zierlich lose, Ein schönes Aug' durch's Laubwerk dringt. Und traun, nicht hab' ich's zu bereuen, Daß meinem Sinn ich nachgelebt! Der wird sich niemals herzlich freuen, Der über Ziel und Schranke strebt. Ich hab' manch Röslein heimgetragen, Wo dürr es an der Wand noch sticht, Du wüßtest, wo und wann zu sagen; Doch, wackrer Freund, du plauderst nicht! So wollen wir zusammenhalten, Will's Gott, noch eine shöne Zeit! Noch manches Tbal soll sich entfalten, Noch manche Fernsicht weit und breit! Und wollen meine Beine wanken, Trägt mich der Hippermann davon. Ei nun — so steht's schon in Gedanken — Vererb' ich dich auf meinen Sohn. Er hält dich nach Gebühr in Ehren; Und flüst're du ihm dann ins Ohr: Laß dich vom Beispiel nicht verkehren! Streb' über dich nicht selbst empor! Bleib' du ein Freund der schlichten Weisheit, Dem Wanderstabe bleib du treu, Treu der Natur und treu der Wahrheit — Das Übrige ist einerlei! Fra Diavolo Die Kette klirrt! die Mauer starrt und feuchtet, In stillen Pausen fällt ein Tropfen schwer. Ins düstre Dunkel durch die Scharte leuchtet Ein blasser Schein vom goldnen Tage her. Was regt sich? Ha! welch frostig Fiebergrauen Hat wie ein Blitz die Glieder dir durchschreckt! — Der Räuberhauptmann mit den düstern Brauen, Da liegt er wild in's feuchte Stroh gestreckt. — Da liegt er. In der Rechten wiegt er brütend Das sonnverbrannte, thatenstolze Haupt; Bald seufzt er auf, — bald sprüht sein Auge wüthend; Es zuckt die Faust noch blutig und bestaubt. Es ziehen hell und trüb vor seinen Blicken Die wilden Tage, die er durchgestürmt; Noch trotzt sein Sinn den mächtigen Geschicken, Ob drohend auch die Strafe sich gethürmt! Wie zog er kühn voraus den treuen Schaaren, Frei durch's Gebirge an den Alpenpaß; Wie stürzt er sich inmitten von Gefahren, Und war ihm Kampf und Sieg ein Morgenspaß. Wie schön war er — die Flinte auf dem Rücken, Die Feder lässig auf dem breiten Hut, Hinschleichend, wo am Fenster Blumen nicken, Zur Mühle, die sich spiegelt in der Fluth. Wie schreckt' er weit die Städte und die Gauen! Dem Ruhme glich des Namens stolzer Ruf; Wie ritt er keck durch's Thor, sich umzuschauen, Und flog zurück auf sturmbeschwingtem Huf. — Kein Häscher wagt's, den Kolben anzulegen; Ein schönes Auge blickt' ihm glänzend nach. Wer zählt's, wie oft ihm Frauengunst verwegen In stiller Nacht des Ganges Schloß erbrach. — Doch jetzt! Des Kerkers riesig Eisengitter, Des ew'gen Dunkels ekle Moderluft, Des Richterspruches ernstes Strafgewitter, Und gähnend schon des Todes finst're Gruft! Verlassen, ausgestoßen in die Tiefen, Weit aus der Schöpfung innigem Verband, Besucht vom Mönche nur, dem ränkeschiefen, Der frostig leiert hohlen Wortes Tand. — Horch! Wer da! Rostig Schloß und Riegel knarren! Die schwere Thüre drückt sich langsam ein. Still in die Wölbung tritt — in weißen Haaren Ein blasses Weib bei mattem Lampenschein. Der Räuber stutzt, erhebt sich leis, betroffen Späht er die Züge, gramerfüllt, doch traut; Jetzt springt er auf, stürzt hin, die Arme offen: „O Mutter, Mutter!“ schluchzt er tief und laut. Er, der mit Angst und Blut und Menschenleben Seit Jünglingsjahren frevles Spiel gespielt, An dessen Waffen tausend Morde kleben, Die scharf sein wilder Räuberblick erzielt; Er, den nicht Scheu, nichts Heiliges verhindert, Der höhnisch trotzend fröhnte jeder Lust, Der Tempelgut und Priester ausgeplündert: Er weint an gramerfüllter Mutterbrust. Und sie, die unbekannt ihr langes Leben Im stillen Bergthal fleißig zugebracht, Die ungeplagt von ruhelosem Streben Den kleinen Hof, die Heerde nur bewacht: Sie hat von Stadt zu Stadt sich durchgefunden, Das letzte Ziel mit nassem Blick erspäht, Durch Wachen sich zum König hingewunden, Und für den Sohn die letzte Gnad' erfleht. Da sitzen sie, o trauervolles Schauen! Am Himmel glänzt die Nacht so hehr, so rein, Sie wissen's nicht in dieses Kerkers Grauen; Er sieht ihn nicht, den letzten Sternenschein. Sie sprechen lang. Der Mutter frommes Mahnen — Man hört's gebrochen draußen noch im Gang. Da sitzen sie und scheinen nicht zu ahnen, Daß längst die Sonne aus dem Osten drang. Horch, Glockenklang! Gefüllt sind die Balkone; Aus Fenstern strotzt die Neugier bunt heraus. Die Trommel schwirrt; es rücken die Plotone; Des Walles Krachen schüttert Grund und Haus. Weit unabsehbar in den langen Straßen Steht Kopf an Kopf und Brust an Brust gekeilt, Das Aug' des Volks auf Dächern und in Gassen Auf einem Punkte athemstockend weilt. Da schreitet festen Schrittes zum Schaffotte Der Räuberhauptmann durch's Gedräng heran; Kein Sündertrotz! Versöhnt mit seinem Gotte, Hat er die Weltlust reuig abgethan. Er steht bereit, er hat den Sieg erfochten In der durchwachten langen, langen Nacht — Was Priesterwort und Satzung nicht vermochten, Das hat die Mutterliebe still vollbracht! Das Dorfkirchlein Da hebt es still sich aus den Bäumen, Das Kirchlein mit dem alten Thurm, Wie es sich sonnt in blauen Räumen Nach schon so manchem Wintersturm! Und von der Mauer rings umzogen Dehnt friedlich sich der Kirchhof aus, Da schläft sich's, ist man müd betrogen, So wohl um's fromme Gotteshaus. Es klingen in des Busens Tiefen, Seh' ich dich hier vom Hügel an, Gefühle, die sonst lange schliefen, So schön, daß ich's nicht sagen kann. Und still! o gar noch dies Geläute, Du wohlbekannter Glockenschwang! Das reinste, was mich je erfreute, Hallt nach aus deinem vollen Klang! Wenn ich als Knabe durch die Matten, Durch Hag und Wald und Hügel strich, Und scheu — man kennt die Nimmersatten — Um Apfelbäume diebisch schlich, Es tönte dann auf einmal helle Das Glöcklein für mein Abendbrod, Wie sprang ich auf und war zur Stelle, Und schmaust' vergnügt, Hans ohne Noth. Noch drang mir traulicher zu Herzen Des Samstags Feierabendklang, Wenn unter Necken, unter Scherzen Die Magd im Hof den Besen schwang; Wenn durch die Fluren klangen Lieder, Und leis erlosch des Tags Gewühl; Wie legt' ich dann mich glücklich nieder Im sel'gen Sonntagsvorgefühl! Der Tag ging auf. Die Glocken hallten So feierlich durch's weite Thal; Auf Weg und Steg zum Kirchlein wallten Die Leute nach des Herren Mahl. Ich ging hinaus dann in den Garten, Zum Zwetschgenbaume in der Eck', Um hier den Kirchgang abzuwarten, Still zu belauschen im Versteck! Da kam ein Mägdlein hergegangen Mit Buch und Blume in der Hand, So jugendfrisch, so hell von Wangen, Umflattert von dem schmucken Band; Dort hinkt der Bergbau'r an dem Stabe Daher im alten Hochzeitkleid, Und emsig folgt ein kecker Knabe, Er schien zu eilen nach der Maid. Jetzt sah ein Mütterchen man ziehen, Den frischen Jungen an der Hand, Der Klein're hat ihr nachgeschrieen, Bis sie um jenes Haus verschwand, So ging es fort; von Alt und Jungen Kam Alles festlich angewallt, Bis zitternd die metall'nen Zungen Im blauen Äther ausgehallt. Da stund ich noch! Nach kurzer Pause Erklang und schwoll ein voller Chor Aus dichtgedrängtem Gotteshause Zum off'nen Himmel dann empor. Ergriffen von der hohen Feier Schwieg alles in der weiten Flur, Und ich war stille Andacht nur. Seh' ich so hell dich, Kirchlein, blinken, Wie kommst du mir so eigen vor! Als wolltest heimlich zu mir winken, Als raunte was mir leis in's Ohr: Hier sollst du einmal Frieden finden Von jeder Sorge, jedem Schmerz, Ruh'n soll dein aufgewühlt Empfinden, Du vielbewegtes Dichterherz! Dreimaliges Wiedersehen Als ich das erste Mal dich sah, Da kamst du hüpfend hergesprungen, Bald warst du hier, bald warst du da, Hast wie ein Reh dich flink geschwungen: Du spieltest scheltend mit der Puppe, Du zupftest neckend mich am Bart, Du liebtest Kuchen mehr als Suppe, Ein Plaudertäschchen liebster Art! Und als ich kam zum zweiten Mal, O welch' ein Bild, welch' Frühlingsprangen! Die schönste Ros' im ganzen Thal War voll und lieblich aufgegangen; Wie duftete dein ganzes Wesen So morgenfrisch, so seelenrein, In Red' und Handlung auserlesen, So ungesucht und doch so fein! Und als ich kam zum dritten Mal, Fand ich dich singend an der Wiege; Du wehrtest Flieg' und Sonnenstrahl, Daß wohl und lind das Bübchen liege Im Widerscheine der Gardine, Wie mild, wie selig, wie geweiht! Ein Lächeln lag auf deiner Miene Voll seelentiefer Innigkeit. Und früg' man mich: die Hand auf's Herz, Wen kröntest du von diesen dreien? — Vielleicht erwidert' ich im Scherz: Die volle Ros' im blüh'nden Maien. Doch stellten holde Zaubermächte Mir alle drei auf einmal dar, Den Myrthenkranz legt' meine Rechte Der jungen Mutter in das Haar. Trelawney Ein Kind, des Geistes Schwingen kaum entfaltend, Las ich von Thaten, kühnen, wunderbaren, Von Abenteuern, märchenhaft gestaltend Das Leben eines Dichters und Korsaren. Dein Buch, Trelawney, war's, das thränennasse, Wie du's aus Indiens Meeren heimgetragen, Um es in tiefem und gerechtem Hasse Eitlen Pygmäen ins Gesicht zu schlagen. Kamst du auch wieder mit gesenkter Lanze, Sie standen da, bezwungen und geblendet Von deiner Kriegstrophäen Zauberglanze, Die sich von dir, dem Jüngling, abgewendet. Und wußten nicht, wie tapfer du gestritten Als Gegner niemals rastender Gedanken, Und daß du tausendfachen Tod erlitten In deiner eignen Brust, der liebeskranken. Ein junger Greis, von deiner Väter Scholle, An Hoffnung arm, reich an Erinnerungen, Griffst du hinein ins Herz, das übervolle, Und hast der Freiheit Hohelied gesungen. Gewalt'ger Mann! Mein Held und mein Erretter! Was du geliebt, verloren und gefeiert, Das drang zu mir heran wie Frühlingswetter, Wie Sonnenschein, von Pulverdampf umschleiert. O Kriegsfanfaren! Ruf aus fernen Zonen! O kühnes Träumen, knabenhaftes Sinnen! War ich bestimmt, im Donner der Kanonen Wie du, Trelawney, Lorbeern zu gewinnen? Nein! Doch in meiner Jugend Phantasien, Aus Wunden blutend, die ich heiß erflehte, Lag ich vor jenem Banner auf den Knien, Das einst von sturmgepeitschten Masten wehte. Wohl! was ich suchte: Stürme, Abenteuer, Das hat das Schicksal reichlich mir gespendet; Nun steh' ich müde am zerbroch'nen Steuer, Und doch ist meine Reise nicht vollendet. Doch sieh! Mein Schwert blieb müßig in der Scheide, Kein Feind bedrohte mich mit blanken Waffen, Ich kämpfte nur mit meinem innern Leide, Und mit Phantomen, die ich selbst erschaffen. So ward ich überholt von kühnern Schiffern, Sie fuhren rasch vorbei zum sichern Ziele, Wenn ich im Traume rang mit goldnen Ziffern, Berstrickt in meines Herzens Trauerspiele. Ach, bald verzagt auf sinkender Galeere, Und bald berauscht von himmlischen Accorden, So trieb ich hin und her auf hohem Meere, Und bin kein Dichter, kein Korsar geworden. Was liegt daran? Ich muß, wie tausend Andre, Mein Brod erringen in des Sommers Schwüle, Nur daß ich rastlos strebe, rastlos wandre, Nur daß ich alle Schmerzen doppelt fühle. Nur daß der Heros meiner jungen Tage Der Bahn des Pilgers keinen Grenzstein setzte, Wenn auch der Panzer, den ich willig trage, Mir oft die Brust mit blut'gem Schweiße netzte. Rauh ist der Lebenspfad, den ich betreten; Als freier Mann ein Sklave heil'ger Pflichten, Kann ich die wilde Sehnsucht des Poeten In Schranken halten, aber nie vernichten. Ein Buch, Trelawney, fiel aus deinen Händen, Ich les' es noch mit Stolz und mit Entzücken; Ich bin nicht du — doch wenn wir je uns fänden, Du würdest mir bewegt die Hände drücken. An Helena (Bei Zueignung eines größeren Gedichtes) „Say that thou loath'st me not — that I do bear This punishment for boath — that thou wilt be One of the blessed — and that I shall die.“ Manfred Es steht ein Pilgersmann am öden Strande Und blickt sehnsüchtig über's weite Meer; Träumt auch sein Herz vom fernen Vaterlande, Sein Herz ist hoffnungsleer. Er hat geliebt — wie konnt' es anders sein? Er hat geglaubt — will einer ihn verdammen? Er hat verzagt — der Himmel stand in Flammen; Er ist entflohn — er lebt und stirbt allein. Helena! Wie die Wolken dort zerfließen, So starb der Hoffnung letzter Wahn dahin; Willst du mich noch in deine Arme schließen, Gealtert wie ich bin? O für die Qual, die ich geduldig trug, Soll ich dir jetzt ein blödes Lächeln zeigen? Ein einz'ges Wort nach jahrelangem Schweigen, Ein einz'ger Gruß — es ist genug, genug. Ich frage nicht, ob du mir treu geblieben, Ich kann wol zweifeln, doch ich zürne nicht, Denn bist du elend, werd' ich ewig lieben Dein trauernd Angesicht; Und bist du glücklich — darf ich freudig nur In diese Wälder mein Geheimniß bannen, Du aber schlafe unter grünen Tannen, Huldvoll verzeihend den gebrochnen Schwur. Tochter der Sterne! Holde, todtenbleiche, Vergönne mir ein einz'ges letztes Wort: Für unser kurzes Glück, das schmerzenreiche, Gedenke meiner dort! Wer weiß, ob wir uns jemals wiedersehn? Ich will mich nicht an Engelsthränen laben, In diesen Blättern ist mein Herz begraben, Helena! Du allein wirst mich verstehn. Albumblatt An C. P. Lege du die Hand, die liebe, kleine, Heute noch geduldig in die meine, Glorreich Kind! Denn morgen bist du frei, Morgen ruft das Schicksal mich von hinnen, Thöricht war auch diesmal mein Beginnen, Aber Frühling war es draußen, drinnen, Und mein Herz erlag der Zauberei. Bleibe du in Gnaden mir gewogen, Ist die Hoffnung mir davongeflogen, Deine Freundschaft nehm' ich mit zur See; Schwesterlicher Liebe zartes Gitter Schützt uns vor der Leidenschaft Gewitter, Ach — und dennoch zieht es deinen Ritter Stürmisch dir zu Füßen, holde Fee! Nur zum Abschied darf er sich vermessen, Schweigend dich an seine Brust zu pressen, Denn zu kühnerm Glück ist's nicht mehr Zeit; Kamst auf seinen dunkeln Lebenswegen Leuchtend wie ein Engel ihm entgegen, Nun empfange seinen Brudersegen, Seinen Dank für alle Ewigkeit. Wenn dein Stern zu bleiben mir vergönnte, Wenn der meine dir genügen könnte — — Doch es kann nicht sein — und so versprich Kindlich, wie du bist, mir gut zu bleiben; Draußen werd' ich mir die Augen reiben, Doch in dein Gedenkbuch will ich's schreiben: Ja, ich liebe dich — ich liebe dich! Waldleben Spätherbst. — Wir schritten langsam durch den Wald Zur Dämmrungszeit, ermüdet und verdrossen, Da sprach ich zu dem wackern Jagdgenossen: „Freund, laß uns hier ein Weilchen ruhn“ — und bald Erstarben uns die Worte auf den Lippen; Im Busche hörten wir den Nachtwind säuseln, Das todte Laub zu unsern Füßen kräuseln, Und alte Birken sahn wir, gleich Gerippen, Im schwarzen Moorgrund, — Schatten, riesenhaft, Umflogen uns und huschten rasch vorüber, — Des Tages Nachglanz wurde bleicher, trüber, Unheimlich war es in der Nachbarschaft. — Ein sonderbares Regen in den Zweigen, Sonst alles tiefes Schweigen. — Ich schlief nicht, träumte nicht; ein Schleier lag Auf mir, doch blieb ich meiner Sinne mächtig — Und da — in meiner Nähe — übernächtig, Erschien mir plötzlich, blendend wie der Tag, Ein Bild, das schmerzliche Erinnrung weckte. Du warst es, stolze Lady Margaret, Du, deren Liebe ich umsonst erfleht, Du, deren Sarg mit Kränzen ich bedeckte. — — O langbeweinte, herrliche Gestalt, Du saßest wieder auf dem weißen Pferde, Wie einstmals — ließ der Liebe Allgewalt . Dir keine Rast in halb erstarrter Erde? Ich sah dich auf den Hals des Zelters klopfen, Aus deinen Augen fielen schwere Tropfen Auf deine holde, oft geküßte Hand. Vorbei, vorbei! — Ein Winken mit dem Tuche, O theures Antlitz, das ich ewig suche, Ein letzter Blick — und die Erscheinung schwand. Und sprachlos starrend in des Waldes Düster, Vernahm ich jetzt ein Rauschen, ein Geflüster — Mir drang es in die Brust wie Grabeshauch: Lebendig aber wurden Baum und Strauch, Und warfen mir, der Geisterwelt Erwachen Begrüßend, leise diese Worte zu: „Gestorben, ja gestorben bist auch du — —“ Und in der Ferne dann ein hohles Lachen. War's eitel Täuschung? Fragt den Dichter nicht: An meiner Seite fand ich den Gefährten, Den treuen Freund, den starken, vielbewährten; Ein blasser Mondstrahl fiel auf sein Gesicht. Erschüttert, wie ich nimmer ihn gesehn, Doch die gespannte Flinte unter'm Arme, Ergriff er meine Hand, die fieberwarme, Und sagte: „Freund, wir müssen wieder gehn.“ Perdita „Das Mitleid ist die letzte Weihe der Liebe, vielleicht die Liebe selbst.“ Heine „Le coeur a ses raisons que la raison ne comprend pas.“ Pascal Ja, mein Herd ist auch der deine, Armes, heimatloses Kind! Denn du liebst mich nicht zum Scheine, Denn du liebst mich treu und blind. Ach, die Welt war ohne Gnade, Ohne Mitleid und Verstand; Doch durch dornenlose Pfade Führ' ich dich an meiner Hand. Was du wolltest, ist geschehen; That ich mehr als Menschenpflicht? Bitten konnt' ich widerstehen, Aber deinen Thränen nicht. Bilder aus vergangnen Tagen Thun mir in der Seele weh, Und nur zitternd kann ich's sagen: Bleibe hier, mein wildes Reh! Ruh' dich aus auf grüner Weide Denke, schaue nicht zurück, Du gehörst zu meinem Leide, Du gehörst zu meinem Glück. Daß wir gut zusammentaugen, Daß das Rechte wir erwählt, Haben deiner braunen Augen Schwere Perlen mir erzählt. O, wie flogst du mir entgegen, Und wie kindlich war dein Ruf, Wenn du Nachts durch Wind und Regen Hörtest meines Rosses Huf. Und wie kann ich's je beschreiben, Was mein Herz für dich gefühlt, Während an den Fensterscheiben Du die heiße Stirn gekühlt. Lachen mag die Welt, die schlimme, Über den gezähmten Leu; Gerne folgt er deiner Stimme, Denn du liebst ihn blind und treu. Und bei ihm bist du geborgen, Gastlich ist sein Haus, und still. Für sein armes Kind zu sorgen, Das ist Alles, was er will. 1. Mancher, der die See gepriesen Von der See „Spurlos ist der Ocean, Überall und nirgends Bahn; Kalt schlägt die Welle, kalt und leer An's volle, warme Herz heran; Wohin du lugst — ein Strich, — nichts mehr, — Kalt, mein Junge, ist der Ocean! Einsam ist die See.“ C. F. Scherenberg Mancher, der die See gepriesen, Sah sie nur vom sichern Strand; Nichts als seinen Unverstand Hat ein solcher Mann bewiesen. Freilich gab es jederzeit Leute, die sich selbst betrogen, Doch beherrscht von Wind und Wogen, Glaubt man an die Wirklichkeit. Wer da schwärmt für weite Reisen Komme auf die salz'ge Flut, Zeige seinen Seemannsmuth, Sehe selbst, ob sie zu preisen, Die sich wie geschmolznes Blei Gegen unsrer Barke Flanken Jetzt empört — verdammtes Schwanken — Ob die See zu loben sei. Jedem Schiff, bei solchem Drängen, Geht zuletzt der Athem aus, Heute läßt die Fledermaus Kraftlos ihre Flügel hängen; Täglich Ärger und Verdruß, Und von menschlichen Gebrechen, Von so vielem nicht zu sprechen, Was man sonst ertragen muß. Setzt man hungrig sich zu Tische, — Manches könnte besser sein, Selten ist die Nahrung fein, Noch das Fleisch von erster Frische —, Ei, das tänzelt hin und her: Teller, Gläser, Löffel, Messer, Und dem unbefangnen Esser Wird die Arbeit doppelt schwer. Liegt man still in seiner Kammer, — Die Matratzen sind nicht weich — Und versucht zu schlummern, gleich Statt des Schlafs kommt neuer Jammer, Weil auf eines Schiffes Deck Ohne Schreien und Gepolter Nichts gedeiht — und keine Folter Bringt geschwinder uns vom Fleck. Zahllos sind des Meeres Launen; Was die Jugend nicht geglaubt, Der Erfahrung sei's erlaubt, Leser, dir in's Ohr zu raunen: Nähre du am sichern Strand Dein poetisches Entzücken, Auf des Meeres breitem Rücken Hat es leider nicht Bestand. 3. Thränen, die um mich geweint Von der See „Spurlos ist der Ocean, Überall und nirgends Bahn; Kalt schlägt die Welle, kalt und leer An's volle, warme Herz heran; Wohin du lugst — ein Strich, — nichts mehr, — Kalt, mein Junge, ist der Ocean! Einsam ist die See.“ C. F. Scherenberg Thränen, die um mich geweint, Abschiedsschwüre lieber Kinder, Seid ihr auch nicht ernst gemeint, Ihr erschüttert mich nicht minder; Denn für das, was ich vergangen, Rächt sich meine Phantasie, Und ein Glück, das ich empfangen, Das vergess' ich nie. Keuscher Lippen zarter Kuß, Kleiner Hände freundlich Drücken, An den schüchternsten Genuß Denk' ich heute mit Entzücken. Zauber einst geliebter Züge, Einsam, rathlos wie ich bin, Ach, für eine neue Lüge Gäb' ich alles hin. Wenn der Wind die Segel bläht, Hoff' ich wieder zu erfassen, Was ich deshalb nur verschmäht, Und verleugnet und verlassen, Eitle Sehnsucht zu vermehren, Und allein, in düstrer Nacht, Mich in Trauer zu verzehren, Die ich selbst erdacht. 4. Wenn dich des Menschen Scharfsinn überlistet Von der See „Spurlos ist der Ocean, Überall und nirgends Bahn; Kalt schlägt die Welle, kalt und leer An's volle, warme Herz heran; Wohin du lugst — ein Strich, — nichts mehr, — Kalt, mein Junge, ist der Ocean! Einsam ist die See.“ C. F. Scherenberg Wenn dich des Menschen Scharfsinn überlistet, Du wilde See, schonst du der Argonauten, Die ihrem guten Stern sich anvertrauten, Und sich in deinem Busen eingenistet, Sorglos, als ihre Anker sie gelichtet, Unkundig ihrer Wege und Geschäfte? Und schonst du solcher, deren Lebenskräfte Verzweiflung, Krankheit, Hungersnoth vernichtet? Für jene, die den Hafen nie erreichen, Die du begräbst mit ihrem Todesschrecke, Wirfst deine Thränen du zur Himmelsdecke, Grausame? — Nein, du lächelst über Leichen. Du spottest derer, die am Ufer weinen; Doch gönne mir den Trost, den einzig süßen, Dereinst die Heimat wieder zu begrüßen, Und ewig dann zu rasten bei den Meinen! 5. Bootsmann, sagt, warum Ihr heute Von der See „Spurlos ist der Ocean, Überall und nirgends Bahn; Kalt schlägt die Welle, kalt und leer An's volle, warme Herz heran; Wohin du lugst — ein Strich, — nichts mehr, — Kalt, mein Junge, ist der Ocean! Einsam ist die See.“ C. F. Scherenberg Bootsmann, sagt, warum Ihr heute Traurig seid, wie nie zuvor? Naher Hafen, frohe Leute, Dicht vor uns liegt Singapor — Mich verwundert, Herr, die Frage, Sind wir doch am Weihnachtstage, Weib und Kinder habt Ihr kaum, Wollt den Pfeffer wachsen sehen, Könnt die Sehnsucht nicht verstehen Nach dem lichten Tannenbaum. — Weihnachtsfreuden hoch im Norden? Dank für die Erinnerung; Traurig bin auch ich geworden, Doch mein Herz bleibt ewig jung, Wird vielleicht — wer kann es wissen? — Von der Heimat losgerissen, Fern vom traulichen Kamin, Ausgesöhnt mit seinem Loose, Lieg' ich einst in deinem Schoose, Inselgruppe von Bonin. Dort, umrauscht vom grünen Meere, Wird die Colonie gedeihn, Wird mein Herz, das volle, leere, Wieder hoffen und verzeihn; Neue Wurzeln muß es schlagen Nach versäumten Weihnachtstagen, Doch der Alpen ew'ges Eis, Und das Fallen der Lawinen Auf verglimmende Ruinen Sei der Heimkehr später Preis. 6. Engel des Lichts! Hast du es so gewollt Von der See „Spurlos ist der Ocean, Überall und nirgends Bahn; Kalt schlägt die Welle, kalt und leer An's volle, warme Herz heran; Wohin du lugst — ein Strich, — nichts mehr, — Kalt, mein Junge, ist der Ocean! Einsam ist die See.“ C. F. Scherenberg Engel des Lichts! Hast du es so gewollt, Daß der Orkan uns nicht die Masten splittre, Daß jetzt des Mondes Glanz herniederzittre, Zum Zeichen, daß Jehovah nicht mehr grollt? Schickst du mir solche Grüße und Symbole? Beschirmst du unsre Flagge und Bussole? Und trägt das Weltmeer mich zum fernsten Pole, Engel des Lichts! Hast du es so gewollt? Engel der Finsterniß! An deine Brust Warf mein Verhängniß mich, mein unheilvolles; Sagt an, ihr guten Mächte: Darf es, soll es Verschlingen, was sich keiner Schuld bewußt? Nein! Keiner Schuld, die nicht zu sühnen wäre, Und doch, wo sind die Tempel und Altäre? Engel der Finsterniß! Komm und erkläre Des Lebens Räthsel mir an deiner Brust. 9. Hier ist der Lootse, Kapitän Von der See „Spurlos ist der Ocean, Überall und nirgends Bahn; Kalt schlägt die Welle, kalt und leer An's volle, warme Herz heran; Wohin du lugst — ein Strich, — nichts mehr, — Kalt, mein Junge, ist der Ocean! Einsam ist die See.“ C. F. Scherenberg Hier ist der Lootse, Kapitän, Nun mögt Ihr gern der Ruhe pflegen, Und Euch auf Lorbern niederlegen, Die wir Euch willig zugestehn; Im Hafen schwindet Euer Zorn, Wenn Ihr die Mannschaft ausgescholten, So wart Ihr selbst, wenn es gegolten, Ein Mann von echtem Schrot und Korn. Seid Ihr nicht immer delikat, Und mit den Damen gar zu offen, Wir sind im Hafen eingetroffen, Das ist das beste Resultat; Und freuen wird mich's, Kapitän, Wenn wir uns anderswo begegnen, Der Herr soll Eure Fahrten segnen, Mein alter Freund — auf Wiedersehn! Gebet Nun ist es Nacht — und kommt das Morgenroth, Dann wird Bedrängniß an mein Fenster pochen, Wie sie noch nie so grausam mich bedroht; Allmächt'ger, der du meinen Stolz gebrochen, Errette mich aus dieser Todesnoth! Daß der Verleumdung Gift mich nicht erreichen, Ich weiß nicht mehr, wo aus noch ein — Laß Sorgen meine Haare bleichen, Doch laß mein Herz nicht trostlos sein. Wenn du zu neuen Schmerzen mich erkoren, Zu meinem Heile mich erniedrigt hast, Nur jetzt sei gnädig, mehre nicht die Last, Noch eine Prüfung und ich bin verloren — Ich kann, wenn tausend Pfeile mich durchbohren, Genesen, doch ich brauche kurze Rast; O süße Ruhe, wie verlang' ich dein! Was du gefügt, Allweiser, das geschehe, Nur gönne mir die Frist, um die ich flehe, Laß mich noch einmal glücklich sein. Das Kreuz des Südens leuchtet überm Meer, Fern in der Heimat schlummern, die mich lieben, Ihr Herz ist mir geblieben, Und ihr Gebet ist meine beste Wehr. Willst du es nicht erhören? Soll mein Verderben auch das ihre sein? O laß die Unschuld den Orkan beschwören, Allgüt'ger, — ich vermag es nicht allein. Febre amarella Rein die Luft, der Himmel klar und eben, Nur daß über jener Berge Kranz In der Abendsonne mattem Glanz Weiße Wolken langsam sich erheben; Unter mir die Schlucht, Palmengruppen, schwellende Bananen, Steingerölle, Häuser mit Altanen Und die vielbesungne Inselbucht. — Rio de Janeiro! In der frühen Dämmrungsstunde ruhst du, schon besiegt, Um die Hügelkette hingeschmiegt, Sterbend nach des Tages heißen Mühen; Bis der Morgen graut, Bis die Hähne von den Dächern krähen, Wird der Tod die Opfer auserspähen, Die das Loos ihm heute angetraut. O des Schattens auf dem Zauberbilde! — Dunkle Färbung liegt auf Wald und Flur, Kräftig weht der Odem der Natur Durch der Tropen blühende Gefilde; Und den Herrscherstab Führt in diesem Reiche kein Herodes, Doch ist dies das Land des jähen Todes, Und des Fremdlings nimmersattes Grab. Eden, wo des Geistes Blüten sterben, Schönes, aber unwirthbares Land, Wildniß, von verschwenderischer Hand Auserwählt, um elend zu verderben; Durch die reine Luft Zittern unsichtbare Fieberschauer, Und der Denker schaut in tiefer Trauer Nieder auf die große Todtengruft. Schleichend kam der Feind, doch immer fester, Immer rascher, kühner wird sein Gang, Seine Herkunft ist ein Schreckensklang, Pest die Mutter, Cholera die Schwester; Mitleidlos sein Blick, Der aus schwarzen Augenhöhlen zündet Unerwartet, ach! und unergründet Kam er, wie ein rächendes Geschick. Ausgespien von Guineas Küste, Deren arme Kinder ihr geraubt, Ihr, die an Vergeltung nie geglaubt, Stillt er jetzt dämonische Gelüste; Aber selten bricht Er mit kecker Faust des Sklaven Ketten, Geht vorüber an der Henker Betten, Nur die fremden Gäste schont er nicht. Für den Frevel muß die Unschuld büßen, Hier ist Untergang ihr sichrer Lohn. Flehend krümmt des Nordens blonder Sohn, Todesengel! sich zu deinen Füßen; Doch dein Athem haucht Trübe Wolken vor des Tages Helle, Wenn in unsers Lebens tiefste Quelle Ein Vergifter seine Finger taucht. Schiffe dort! Was heimischen Gestaden Ihr entrissen, fordert sie zurück: Frisches Hoffen, jugendliches Glück, Und ihr geht verwaist und grambeladen; Welche Kunde fliegt In die fernen, heimatlichen Gauen, Zu den Bräuten, zu den holden Frauen Von der Mannschaft, die im Sterben liegt? Muthvoll in die weite Welt gegangen War der Jüngling — und die erste Fahrt Hat ihn vor Enttäuschung nicht bewahrt, Nicht vor hohlen Augen, fahlen Wangen, Seit er dich erreicht, Schlachtfeld ohne Ruhm und ohne Ehre, Denn vor Seuchen schützt ihn keine Wehre, Wenn das Glück von seiner Seite weicht. Eitel war der Kampf, umsonst befeuchten Der Verzweiflung Thränen seinen Pfühl — — Nervenzucken nennt ihr das Gefühl, Den Gedanken bloßes Phosphorleuchten? Keine Ewigkeit Wartet derer, die der Staub geboren — Wohl! — Doch alle Weisheit ist verloren, Wenn die Kreatur zum Himmel schreit. Wenn kein Lichtstrahl aus den stummen Räumen Niedergleitet in die grause Nacht. — Fort von hier! — Hinunter in die Schlacht; Besser das, als unter Palmen träumen. Brüder! nicht allein Will des Fiebers Krallen ich enteilen, Besser ist es, euer Loos zu theilen, Euer Grab soll auch das meine sein. Ein Wunsch „Wie schön, mein Freund, ist diese Abendstunde, O komm und hänge keinen Grillen nach; Durch Feld und Garten machen wir die Runde.“ Sie faßte lächelnd seine Hand und sprach: „Wie schön, mein Freund, ist diese Abendstunde!“ Er dachte: Was sind Stunden, Tage, Wochen? Was hoffen wir mit jedem Athemzug? Ein Herz, ein liebend Herz ist bald gebrochen, Der Tod gewiß und rasch der Zeiten Flug. Er dachte: Was sind Stunden, Tage, Wochen? Wen trifft das Loos zuerst, wen von uns beiden? Wann sehn wir uns zum allerletzten mal? Wer tröstet dich in deinen Todesleiden? Wer tröstet mich? O Räthsel voller Qual! — Wen trifft das Loos zuerst, wen von uns beiden? Wenn ich, Geliebte, dir die Augen schlösse, Die treuen Augen, holde Dulderin, Du weißt es wohl, mit meinen Thränen flösse Auch jede Hoffnung, jeder Trost dahin, — Wenn ich, Geliebte, dir die Augen schlösse. Doch bringen sie des Gatten Todtenbahre, Daß du, mein armes, schwaches Weib, entsetzt Dich schicken mußt in öde Wittwenjahre, Dich schluchzend fragen mußt: Und jetzt? Und jetzt? — Doch bringen sie des Gatten Todtenbahre ... Nein! Gott der Gnade, laß es nicht geschehen! Zum Himmel dringe meines Herzens Schrei: Laß sie zuerst von meiner Seite gehen! Doch daß sie elend und verlassen sei, O Gott der Gnade, laß es nicht geschehen! II. Was haben Dichterworte zu bedeuten Aus dem Requiem Was haben Dichterworte zu bedeuten, Was soll ein Lied, das keiner Laune fröhnt? Und wenn es weder schmeichelt, noch verhöhnt, Wie findet es den Weg zu fremden Leuten? In diesen Tagen, den gewitterschwülen, In dieser Zeit, der bangen, überreifen, Wer wird, um Sorgen wegzuspülen, Nach dem Pokale des Poeten greifen? Ein deutsches Mägdlein mag von Bechern nippen, Die fader Maitrank füllt; seit meine Lenze Von dannen flogen, ist, was ich kredenze, Kein Honigseim für jungfräuliche Lippen. Ich komme nicht als ungestümer Dränger, Als Waffenherold oder Minnesänger, Verlasse selten mein bequemes Zelt; Wohl sah ich einst aus hoher Fensterbrüstung, In Jugendübermuth in voller Rüstung Durch Morgennebel in die weite Welt; Jetzt aber ist es innerste Betrachtung, Die mir allein geziemt; von mir entfernt Ist des Genusses Kelch, was ich gelernt Entsagung, Selbstbezwingung, Selbstverachtung, Was ich erhofft, erfleht, was ich gewonnen, Hat sich in der Gedanken Feueresse In meines tiefsten Wesens Flammenbronnen Langsam geformt zu einer Todtenmesse. Nicht ganz erloschen war, was einst so mächtig In mir gebrannt, was sich als Gluth bewährte, Die Keiner schüren wollte, Keiner nährte, Und was ich selbst entfachte — doch bedächtig. Poetenherz! aus deiner Asche sprühn Die Funken hoch empor — es sind nicht viele —, Der Winter naht, wir stehen bald am Ziele, Und mich bedünkt, daß eitel mein Bemühn, Daß mich die Außenwelt, die glatte, kalte, Verdammen muß, weil du zu rasch geschlagen, O Herz! ich höre Stimmen, die dir sagen: Du bist das gleiche noch, du bist das alte! Wohlan! verloren sei mein letzter Pfeil, Verklingen mögen meine Melodien, Wenn siegesstarke Sänger für das Heil Der Menschen vor der Wahrheit niederknien. Tod! du erschütterst meines Wissens Schranken, Doch ungestillte Sehnsucht reißt mich fort. Nicht mir gebührt das priesterliche Wort, Das rechte Wort für zündende Gedanken. Ich beuge willig mich vor Geistesfürsten, Und ich ersehne ihren Götterwein Für Alle, die in ihrer Herzenspein Nach Himmelsnektar, nach Erkenntniß dürsten. XXVII. Tod! der du meine innersten Gedanken Aus dem Requiem Tod! der du meine innersten Gedanken Beherrschest, unbezwingbar, unaufhaltsam, Der du mein ganzes Sein durchdringst, gewaltsam Erschütternd meines Wissens enge Schranken, Ich ringe furchtlos mich zu dir empor, Tod, den ich unsern Friedensspender nenne, Doch daß die ganze Menschheit dich erkenne, Tritt endlich aus der Dämmerung hervor! Es werde Tag. Vertrieben sei der Spuk, Verflucht des Aberglaubens freches Spiel, Verwelken mag der Gräber Blumenschmuck, Zu Asche brenne, was dem Nichts verfiel. Was frommt der Kirche Segen einer Leiche, Die todte Sprache, mit Vergeltung prahlend? Lebendig ist das Wort, das sonnengleiche, In Millionen Herzen wiederstrahlend, Das Wort, das tausendjähr'ge Siegel sprengt, Der ächte Glaube, der die Form zertrümmert, Lebendig ist der Tod, der uns bekümmert, So lang das Jenseits unsere Brust beengt. Was unser ist, was liebend wir umfassen, Verschmelze wieder sich mit der Natur, Und jene Sehnsucht, eine Feuerspur, Ein ausgeprägtes Bild zurückgelassen, Versinke in dem großen Weltgetriebe; Der Drang des Schaffens, der sich selbst genügt, Die Selbstverleugnung, die uns selten trügt, Das sind die Zeichen wahrer Gottesliebe. XXVIII. O Morgenroth, ersehntes Morgenroth Aus dem Requiem O Morgenroth, ersehntes Morgenroth, Noch bist du nicht für Alle angebrochen, Die Menschheit kämpft mit Zweifeln und mit Noth; Von andern Lippen ward das Wort gesprochen! „Das Sterben in der Dämmerung ist schuld An dieser freudenarmen Ungeduld. —“ Es ist genug des Zagens und des Schwankens, Wir, so zerfahren, eilig und geschäftig, Sind, als ein Theil des großen Weltgedankens, Nur als belebte Körper denkenskräftig. Sei, Weltgeist! du, in unverfälschter Reinheit Kein Götze, dessen kalte Hand wir küssen, Sei ein geliebter Hauch trotz unserer Kleinheit Und trotz der Opfer, die wir bringen müssen; Auf Gräber lasse Thränen niederregnen, Doch laß fortan auf sonnenhellen Pfaden Hamlet und Manfred lächelnd sich begegnen Und Faust die Stirn im freien Äther baden. Vorüber mit der Lust ist auch die Pein, Da mit dem Tode das Bewußtsein endet, Laß, unsrer Mutter Erde zugewendet, Bewußtvoll meine Brüder glücklich sein. Lenzbrief Dieses schrieb mit Abendgolde Lenz ins blaue Firmament An die liebereiche holde Mutter, die sich Erde nennt: „Sei gegrüßt zu tausendmalen! Meinen vollen Liebesgruß Send ich dir in tausend Stralen Und in Düften meinen Kuß. Seit ich bin von dir geschieden, Vielgeliebte Mutter mein, Ist kein Frieden mehr hienieden Und für mich kein Fröhlichsein. Ach, und deine Klagen tragen Auch die Lüfte zu mir her, Die mir sagen, daß ertragen Du die Trennung kannst nicht mehr. Darum will ich wiederkehren, Komme bald zu dir zurück, Deine Zähren sollen klären Sich in meinem Sonnenglück. Scheiden sollen deine Leiden, Übertönt durch meine Lust, Und an Freuden möge weiden Sich beseligt deine Brust. Schnee ist deiner Berge Siegel, Deine Blume ist verdorrt, Übereist dein Wellenspiegel, Deine frohen Sänger fort. Alle sollen wiederkommen, Lerche, Nachtigall und Fink, Bis in Wonnen sie vernommen Meinen ersten Liederwink. Aber vorbereitet halten Magst indeß du Hof und Haus; All die alten Frostgestalten Treibe sorglich mir hinaus. Sende Sonnenstrahl entgegen Mir als Boten für mein Glück, Feuchten Regen, der als Segen Perlt im holden Mutterblick. Daß ja keine Blume säume Anzuziehn ihr grünes Kleid: An die Keime sende Träume Von der Auferstehungszeit. Bäume sollen sich bemoosen Und bereit die Rosen stehn; Denn mit Rosen will ich kosen Und auf Rosen schlafen gehn. Mahnung schicke deiner Quelle, Daß ich steigen will ins Bad: Ihre helle Silberwelle Gaukle, wenn der Frühling naht. Und vor allem lasse ahnen Deine Menschen Frühlingslicht: Doch Profanen gilt dieß Mahnen Und der ganze Himmel nicht. Nur dem treuen Menschenkinde Vollen Herzens, gut und still, Ihm verkünde leis und linde, Daß ich es besuchen will. Tröste Liebende mit Güte, Ihre Leiden ziehn vorbei: Denn Gemüthe, wie die Blüte, Lebet wieder auf im Mai. Bringen will ich manche Gaben, Manch ein neues buntes Kleid, Will begaben und will laben, Spenden will ich Seligkeit. Allen send ich stillen Frieden, Sende buntes Glück herab, Und den Müden, die geschieden, Pflanz ich Blumen auf das Grab. Und so mögen Seligkeiten, Fröhlichkeiten aller Art Durch die Weiten sich verbreiten, Oder sein um mich geschaart. Aber du, o Mutter, schaue Auf mit heitrem Angesicht, Bis die laue Luft, die blaue, Dir verkündiget mein Licht. Bis dir naht das Wonnetreiben Meines frohen Elements, Bis dahin will ich verbleiben Liebevoll dein treuer Lenz.“ Als sie diesen Brief bedachte, War das Abenddunkel nah; Und als Morgens sie erwachte, War der schöne Schreiber da. Die Thräne Im Winter, wo die Welt ringsher So schauerlich erblichen, Ist eine Thräne trüb und schwer Ins Auge mir geschlichen. Die Welt erwacht aus ihrem Tod, Der Winter ist vertrieben; Ich rieb mein Auge feuerroth, Die Thräne ist geblieben. Vergebens wird auf Baum und Flur Sein Gold der Frühling sticken, Ich soll die blühende Natur In Thränen nur erblicken. Im Winter gab es böse Zeit, Da dacht ich oft so trübe Der seligen Vergangenheit, So voll von Glück und Liebe. Dann dacht ich, was ich all gestrebt Und was mir all mißlungen, Und wie ich ewig gluthbelebt, Doch nie ein Ziel errungen. Ich dachte, wie es schmerzt und brennt, Dieß ewig leere Streben: Mein Denken war ein Monument Auf ein verfehltes Leben. Mein Fühlen war so öd und leer Und alles Glück entwichen; Da ist die Thräne trüb und schwer Ins Auge mir geschlichen. Herbstblätter Jüngst im Herbste ging einmal Ich den Wald begrüßen, Seine Blätter, dürr und fahl, Rauschten mir zu Füßen. Und ich neigte träumend mich, Drei empor zu nehmen, Da las auf dem ersten ich Mit gar tiefem Grämen: „Ach, wie kurz ist Frühlingslust Und der Sommer schwüle, Wie so klein des Lebens Lust, Mensch, o fühle, fühle.“ Ach, es war ein bittres Wort, Das ich finden sollte, Und ich las im Zweiten fort, Das ich rasch entrollte: „Oben grünt' ich frisch, und jetzt Ich in Staub mich senke; Wie das peinigt und verletzt, Mensch, o denke, denke!“ Und ich dachte mancherlei Von gar schönen Tagen, Und das dritte Blatt dabei Hatt' ich aufgeschlagen: „Lenze fliehn und Lenze nahn, Doch für mich wohl keine: Mein Beruf ist ausgethan, Mensch, o weine, weine!“ Mahnungsreicher, kalter Wald, Herbstliche Sibylle, Fühlen, denken, weinen bald Konnt' ich da in Fülle. Geheimniß Was an Liebe du erfahren, Trage tief in deiner Brust, Wo es Keiner mag gewahren, Keinem außer dir bewußt. Sieh den Berg, im Felsenherzen, Wie er alles wohl versteckt, Was sein Schacht an edlen Erzen Und Gesteinen je bedeckt. Sieh die Perlen, wie Gedanken Schlafen sie im Muschelhaus, Das sie innen ganz durchranken, Niemals treten doch heraus. Und dein eignes Herz, der Riese An Gefühlen und an Gluth, Sieh, wie es im Paradiese Deiner Brust verborgen ruht. Also deine Liebe wahre Tief in deines Busens Schrein, Das Geheimniß offenbare Der Geliebten nur allein. Denn nur Liebende beglücken Kann die Liebe — Andre nicht: So wie Sterne nur entzücken, Die da sehen — Blinde nicht. Die Pappeln Vor dem Fenster meiner Lieben Stehen Pappeln wunderschön, Die mit ihren hohen Trieben In die weite Ferne sehn. Abends rauschen sie so milde Mit verständlichem Getön, Scheinen ihrem lieben Bilde Traute Grüße zuzuwehn. Oftmals stand ich voller Wonnen Unterm Blätterlabirint, In Gedanken eingesponnen Und in süßes Traumgewind. Die Gedanken, sie versanken, Wie verweht vom Abendwind; — Wohin alle die Gedanken Damals wohl gekommen sind? In die Pappeln aufgestiegen Sind sie alle ganz gewiß, In den Blättern sich zu wiegen, Bis mein Lieb sich sehen ließ. Darum rauschen Abends Töne In den Pappeln mild und süß: Deines Treuen, holde Schöne, Leiser Liebesgruß ist dieß. Der Hirtenknabe Ich war ein stiller Hirtenknabe Mit blauem Aug und blondem Haar, Und zog an meinem Schäferstabe Durch Berg und Thal so manches Jahr. So freundlich lachten mir die Auen Mit ihrem holden Blumenring, Und schienen fröhlich aufzuschauen, Wenn singend ich vorüber ging. Es kam, wenn ich hinausgezogen, Der Lenz und setzte sich zu mir: Er war so lieb mir und gewogen, Und gab mir Küsse für und für. Wir spielten fröhlich dann mitsammen, Bald warf er mich mit Blüthenschnee, Bald ließ er Rosenlichter flammen, Bald Lieder tönen in der Näh. Und schlief ich ein mit frohem Muthe, So sah den Frieden ich im Traum, Wie er im Himmelsgarten ruhte, In schattenreicher Palmen Raum. Ein Bild nur konnte da mir taugen, Ich trug es still in meinem Sinn: Das war mit ihren lieben Augen Die wunderschöne Schäferin. So kamen Jahre und vergingen; Da kam auch endlich andre Zeit, Und Neuem mußt ich mich verdingen, In fremde Kreise eingereiht. Zum Ritter mußt ich mich verwandeln, An meiner Seite glänzt ein Schwert, Und all mein Streben und mein Handeln Ist, seiner mich zu zeigen werth. Es weht mein Helmbusch durch die Lüfte, Ich bin gerühmt im weiten Land, Die Blumen aber und die Düfte, Sie grüßen nimmer mich bekannt. Der Lenz geht scheu an mir vorüber, Er kennt den Spielgenossen nicht, Ich selber aber wandle trüber Und sehe träumend in sein Licht. So schreit ich durch das wirre Leben, Erprobe oft den Arm im Straus: Mühsal ward mir genug gegeben, Und selten, selten ruh ich aus. Dann seh ich in bewegtem Traume Nicht jeden Friedensengel mehr; Ein Rauschen tönt vom Palmenbaume, Und unter ihm ist's öd und leer. Ein Bild nur mag mich noch entzücken, Ich tag es still in meinem Sinn, Das ist mit ihren Flammenblicken Die wunderschöne Schäferin. Dieß Bild, es schwimmt in meinen Thränen, Begeistert Lieder mir und Schwert: So unerreichbar meinem Sehnen, Als meinem Herzen ewig werth. So bin ich gänzlich umgestaltet: Ein Lieben ohne Hoffnungsstral, Ein Schaffen, dran das Herz erkaltet, Ein Leben, voll von Schmerz und Qual. Und forscht ihr um das Räthselwesen, Das ich euch bildlich vorgesetzt? Ich bin ein Jüngling einst gewesen, Und bin ein Mann geworden jetzt. Der Kranke Noch nicht Jüngling, nicht mehr Knabe, Sieh, da hielt mich schwer und bang Siechthum an dem Rand zum Grabe, Und ich war recht tödtlich krank. Stumm und keines Sinnes Meister, Lag ich hin in böser Ruh, Und dem Heimathland der Geister Strebte schon die Seele zu. Da, ich denk es noch mit Freude, Schlief auch tief umwölkt mein Sinn, Bog der Vater sich im Leide Über mich im Bette hin. Und er sah mich an so lange, Seufzte tiefbewegt und bang, Bis auf meine kalte Wange Seine heiße Thräne sank. Diese Thräne, welche Schauer Flammte sie durch mein Gebein! — Wie wenn Gott der Wintertrauer Schickt den Frühlingssonnenschein. Bald war jene Nacht gewichen, Alle Sinne thauten auf, Und ein Siecher, halbverblichen, Stand zum neuen Leben auf. Und die Alle dem Verlornen Ihren vollen Schmerz geweiht, Schenkten jetzt dem Neugebornen Tausendfache Zärtlichkeit. Doch wie sie's auch um mich trieben, So an Huld und Güte reich, War doch nichts von all dem Lieben Jener heiligen Thräne gleich. Jahre kamen und entflohen, All das Liebe schwand gemach, Und der Kummer schlich dem frohen Jünglingsalter neidisch nach. Wie auch jetzt der Abgrund winket Und Gefahren trüb und schwer, Auf die blasse Wange sinket Keine solche Thräne mehr! Ein Jahr Vorüber ging ich an einem Haus, Draus sah ein schönes Mädchen heraus; Da trat aus dem Thor ein Jüngling vor, Der grüßte und winkte so glühend empor; Sein Mund schwieg, doch sein Auge sprach, Sie aber grüßte und winkte ihm lange nach Mit banger Sehnsucht, als wollte ihr Blick Den Scheidenden wieder bringen zurück, Und auf ihrem blühenden Antlitz, da lag's Wie das Abendroth eines seligen Tags. Da schritt ich sinnend und still und bewegt, Das Herz von tausend Gefühlen erregt, Und schlug in leisem Gedankenverlauf Das Buch meiner lieben Erinnrungen auf, Und seufzte wehmüthig und sann: Wie nur die Liebe beglücken kann! Und ein Jahr später im neuen Mai, Da ging ich an demselben Haus vorbei, Am Balkon stand das Mädchen wie eh', Doch nicht mehr blühend, blaß wie Schnee; Das Aug' erloschen in Gram und Schmerz, Die Wange gebleicht, gebrochen das Herz. Und wie derselbe Jüngling mit scheuem Tritt Hinschleichend um die ferne Ecke schritt, Da sieht sie ihn bebend, sie starrt ihm nach, Und endlich ein Schrei, ein gellendes Ach! Sie sinkt zusammen bleich und still, Wie eine Blume, die sterben will. Sie sank, vielleicht nie wieder aufzustehn, In ihrem Jammer reizend noch zu sehn, Und auf ihrem blassen Antlitz, da lag's Wie die Ruhe eines Feiertags. — Still stand ich da, und seufzte und sann: Wie tief die Liebe betrüben kann! Die Felsenhöhle Es zog Suleiman in den Wald Mit seinem Hofstaat zum Besuche, Der einem Eremiten galt Von strenger Sitt und weisem Spruche. In einer Felskluft wohnte der, Wohin kein Blick der Sonne schaute: Da fragt der König staunend sehr, Warum kein Hüttlein er sich baute. O Herr, so sprach der Weise drauf, Wohl lag das Bauen mir in Sinnen, Ich raffte schon die Steine auf Und wollte frisch das Werk beginnen. Die Steine aber riefen mir: „O laß uns liegen auf den Wegen, Wir haben schon als Gräberzier Ob Leichen, so wie du, gelegen. Nach andern Stoffen lange zu, Wir dienten schon zu Todtenstellen!“ Da ließ die Steine ich in Ruh Und eilte, Bäume mir zu fällen. Die Bäume sprachen ringsherum: „Nicht möge uns dein Beil erreichen; Wir sind des Todes Eigenthum Und wurzeln alle nur auf Leichen. Nimm was da lebt, wir alle sind Verstorbene Vergangenheiten.“ Da ließ die Bäume ich dem Wind Und wollte aus der Erde beuten. Doch wie ich Erde nahm und Staub, Da riefen die mir laut entgegen: „Wie wagest du mit frechem Raub An deine Brüder Hand zu legen? Wir sind was du gewesen bist, Und sind, was du wirst werden wieder.“ Da gab ich auf mein Baugelüst Und ließ in Ruhe auch die Brüder. Ich wandte trüb mich von der Flur Und zog in diese Felsengrotte, Bedenkend, daß die Erde nur Dem Tode huldigt, ihrem Gotte. — Der weise König sann gar viel Ob dem gehörten ernsten Spruche: Doch wie dem Hofstaat er gefiel, Davon steht nichts in meinem Buche. Eine Scene auf Java Da wo der Jakkatang die heiße Welle Hindrängt ins dunkle Thal von Samarang, Steht eine Hütte an umbuschter Stelle, Ein leichtes Zelt aus grünem Blätterhang. Die Palme und der Pisang mußten schmiegen Mit ihrem Laube sich zur grünen Wand, Worüber gitterartig Stäbe liegen Aus Pfefferrohr als festerer Verband. Von rückwärts legt die Samaka-Citrone Die goldnen Äpfel auf das niedre Dach, Und vorne nickt aus seiner hohen Krone Der Brotbaum dem Geräusch des Flusses nach. Ein stiller Friede liegt auf dieser Hütte, So scheint's; kein Thier, kein Vogel störet ihn; Indessen wälzt in ihrer grünen Mitte Verzweifelnd sich ein Mann am Boden hin. Das krause dunkle Haar zeigt den Malayen, Schwarzgelb die Haut, vom eignen Nagel wund: Vor Kurzem noch der Schmuck von Javas Freien, Jetzt liegt er da hinwinselnd wie ein Hund. Sie haben heimlich ihm sein Weib entrissen, Und an den Sklavenhändler hingefeilt, Drum ist sein Herz und Angesicht zerrissen, Und seine Lippe bebt und flucht und heult. Am Tage wälzt er sich in seinen Pfählen, Doch wenn im heißen Ostmousson die Nacht Vampyre schickt, der Menschen Schlaf zu quälen, So schleicht er nach dem tiefen Thale sacht. Dort steht der Bohon-Upas giftgeschwollen Und pflanzt in Trauerlauben selbst sich fort, An seinem Stamme siehst du niederrollen In reichen Tropfen tausendfachen Mord. Und aus dem Hemde reißt hier der Malaye Den hohlen, dreigeschliffnen schwarzen Stahl, Und dreht ihn in dem schwarzen Todesbreie, Bis er gefüllt, wohl zehn- und zwanzigmal. Dann geht er still nach Haus die grüne Gasse, Grimm lachend, wie er nie gelacht zuvor, Und holt vom Dach die kleine Calebasse, Ein unberührtes Vatererbe, vor. Ein Zaubertrank ist's, hohen Muth verleihend, Thun sich der Schlacht, des Todes Pforten auf: Er trinkt ihn rasch, dem Tode still sich weihend, Denn morgen gilts den wilden Ammoklauf. Als nun der Tag anbricht in vollem Strale, Wie fiebern alle seine Pulse da, Wie glüht sein Kopf! Fort stürzt er aus dem Thale Und läuft zur Straße von Batavia. Blutlechzend rennt er fort: es ist als flöge Geschwungnen Dolchs durch Straßen er und Feld, Malaye, Christ, Chinese auf dem Wege, Wen seine Rache trifft, der fällt. „Ein Ammokläufer!“ hallt es furchtbar wieder, Geschaart in Waffen brechen Alle auf, Vom Tode zu erretten ihre Brüder, Zu enden der Verzweiflung Mörderlauf. Jetzt blitzen die Gewehre ihm entgegen; Er sieht's und wendet sich zur raschen Flucht; Doch sie verfolgen ihn auf seinen Wegen Hin an des Jakkatang entfernte Bucht. Sein Hüttendach erklimmt er jähen Satzes, Den Dolch noch immer in gekrampfter Hand, Die dichtbelaubten Bäume rings des Platzes, Sie decken ihn wie eine grüne Wand. Jetzt nahen sie in dichtgedrängten Kreisen, Sie sehen ihn, schon zielet ihr Geschoß: Da schwingt er schnell das blutgefärbte Eisen Und führt ins eigne Herz den Todesstoß. Und niederkollert wie ein Ball die Leiche, Es fließt das Blut vom Dache und im Staub; Die zwanzig Schüsse fuhren ins Gesträuche Und trafen der Citrone dichtes Laub. Sie schüttelte wie eine goldne Thräne Die Frucht auf Java's Schmerzensohn herab: Das war die erste und die letzte Thräne, Die da getropft auf des Malayen Grab. Was zu erwarten Im Garten stand ein grüner Baum, Erwacht vom schweren Wintertraum, Zu diesem trat des Gärtners Sohn, Besah den Stamm sich bis zur Kron' Und fragte dann: O Bäumchen, sprich. Schmückt wohl die Frucht im Herbste dich? Der Baum: „Das weiß ich selber nicht, Ich brauche Regen, brauche Licht, Bedarf des lieben Himmels Gunst Und auch der Menschen Hülf' und Kunst, Damit, was in mir treibt und schwellt, Zu Früchten werde für die Welt. Im letzten Sommer, denke dran, Hat mir der Blitz gar weh gethan, Riß von der Seite mir den Ast, Den ich mit Lieb und Lust umfaßt, Ich ward versengt, ich ward entlaubt Und Kraft und Hoffen mir geraubt. Jetzt schwellt die Zweige wohl der Saft, Die Werkstatt der Natur sie schafft, Doch was an Früchten mir gedeiht, Das ruht im Glück und in der Zeit, Und wer sich wenig nur verhofft, Den überrascht der Himmel oft.“ Manchmal Recht, daß vor der Welt du schweigest, Und ihr kalten Gleichmuth zeigest, Gleichsam als ob deine Seele Nichts Besonderes verhehle, Was die Leute zwar erspähen Aber nur mit Neide sähen. Manchmal doch an rechten Orten Überrasche sie mit Worten, Welche ihnen unerwartet: Zeig', daß anders du geartet, Daß es lohnte, aufzupassen, Wolltest du dich hören lassen. Selbst den Himmel ja vergessen, Die nur schwätzen und nur essen; Aber wenn er einmal wettert, Blitzt und donnert und zerschmettert, Haben sie vor Angst beklommen Neu vor ihm Respekt bekommen. Von Ihr O du, die Lied und Reim So lange, lange nicht begrüßten, Und die doch insgeheim Die Lippen meiner Seele küßten, Horch, Lerchenwirbel klingt Im Lenze der Erinnerung, Und ein Entzückter singt Von deinem Liebreiz ewig jung. Nie hab ich dir's bekannt, Wie ich dich innig angebetet, Doch wenn ich vor dir stand, Bin ich, bist du alsbald erröthet; Nie hat mein Wort, mein Blick Getrübt den Frieden deiner Brust, Und doch, o süßes Glück, Hast du um mein Gefühl gewußt. Das macht, die Liebe ist Wie Balsamhauch der Rosendüfte; Ob ihr den Garten schließt, Durchwürzet doch er rings die Lüfte. Nun ich dich wiedersah — Nach langer, qualenvoller Zeit, Ist auch ein Lied schon da, Ein Rosenduft von Seligkeit. O dieses Augenlicht, Das hold und forschend auf mir ruhte, Nein, ich vergess' es nicht Und nie die selige Minute; Es frug und sprach sein Schein: „Wie hast du Armer denn gelebt? Gedachtest du auch mein? Ich weiß es, was dein Herz begräbt.“ Ob deiner ich gedacht? Ach und mit welcher Seelenwonne, Du Stern in meiner Nacht, Du meiner Tage Licht und Sonne: So unerreichbar mir Der ich so ganz von dir erfüllt, Und doch mein Herzpanier, Mein Augentrost und Kummerschild. Im Sturm ein junges Blut Hat sich in Gottes Hand gegeben, Es stürzt sich in die Flut Und schwimmend rettet es sein Leben; Und so ich armer Mann, Wenn meiner Leiden Sturm erwacht, Nur dein gedenk' ich dann Und schreite muthig durch die Nacht. Der Thurmwart Zu Straßburg prangt ein Münster, Der reicht wohl himmelan, Der blickt so trüb und finster Die dunkeln Wolken an; Der sieht so still und traurig In's Weltgewühl hinab, Als blickt' ein Phönix schaurig Hin auf sein Flammengrab. Und auf dem stolzen Recken Ein ernster Thurmwart wacht, Der kennt des Sturmes Schrecken, Der kennt die Wetternacht; Der ward in hoher Kuppel Gezeugt, gepflegt, beglückt, Der hat von hoher Kuppel Die Welt nur angeblickt. Und wenn die Donnerworte Aus fahlem Blitz erglüh'n, Da tritt er vor die Pforte Und blickt mit Ruhe hin, Und wird nicht trüb noch finster, Er fleht zum Cherubim, Und selbst der alte Münster Fleht bebend stumm mit ihm. So hat er lange Jahre Im Riesenbau verlebt, So hat der Wunderbare Dort oben still geschwebt, Hoch ob dem Weltgetümmel Ein Bitter in der Noth, Ein Sterblicher im Himmel, Ein Stral im Morgenroth. Die Stern' sind seine Bibel, Der Schnee ist seine Blum', Sein Dom der Thurmesgiebel, Das Horn sein Heiligthum; Die Luft ist ihm das Liebchen, Das ihn herzinnig küßt, Sein Altar ist das Stübchen, Das ruhig ihn umschließt. Und als er einstmal nächtig Im tiefen Sinnen sitzt, Da ist's ihm, als ob mächtig Ein Wetter niederblitzt, Und vor das Pförtchen tritt er Zagend und ungewiß, Und keine Brüstung sieht er, Weil sie der Sturm zerriß. Doch plötzlich wird es stille, Mild wird der Lüfte Chor, Und aus der Wolkenhülle Tritt sanft der Mond hervor. Da ist's ihm, als ob blühend, Ein Engelsbild er säh', So schön und rosig glühend Wie Nordlichtschein im Schnee. Ein zartes Mägdlein scheint es, Die Arme weiß und bloß, So süße Thränen weint es Wie Thau im Rosenschoos; Die Lippen sind Rubinen Von Lilienschmelz umhaucht, Die milden Wangen schienen In Morgenroth getaucht. Es hüllt ein seidner Schleier Der Formen üppige Glut, Der Locken goldnes Feuer Auf weißem Nacken ruht; Es scheint der Arm zu winken, Und sehnend glüht der Blick, Der Lippen Kuß zu trinken — O namenloses Glück! Da faßt ein glühend Leben Mit hundert Armen ihn, Das Herz erfaßt ein Streben, Ein Sehnen seinen Sinn: Ach, Alles wollt' er lassen, Das Leben seiner Brust, Dürft' er nur sie umfassen In heißer Liebeslust! Aus streckt er seine Arme Und jauchzt und weint und glüht, Sie will er nur umarmen, Zu der der Sinn ihn zieht: Und wie er zu dem Wunder Hin will im lichten Roth — Da stürzt er dumpf hinunter In tausendfachen Tod. Unter dem Lindenbaum Unter dem Lindenbaum Sitz' ich in wachem Traum, Weit herum Sonnenlicht, Ich nur im Schatten dicht, Über mir Vogelsang. Ferne her Glockenklang, Duftiger Park umlacht Rings mich in Sommerpracht, Reizender Blumenflor, — Rauschender Bäume Chor, Lauben, vom West gekühlt, Auen, vom Fluß bespült, Drüben so mild und schön Rebenumgrünte Höh'n; Herrlich und reizgeschmückt, Was nur das Aug' erblickt! Frieden und stille Lust Fühlt die entzückte Brust, Sitz' ich im wachen Traum Unter dem Lindenbaum. Unter dem Lindenbaum Lauscht' ich im Schattenraum Seelengespannt und lang, Was mir die Amsel sang. „Menschensohn, Menschensohn,“ Klagte ihr süßer Ton, Laß doch die Possen geh'n, Die in der Stadt gescheh'n; Laß all' den Zwang und Schein Nimmer dein Herz entweih'n; Meide den tollen Wust, Der dir erdrückt die Brust, Flüchte genießend nur Her dich in die Natur, Sieh' ihre Bilderreih'n, Athme den Balsam ein, Höre der Vögel Lied — Und in die Seele zieht Friede und holder Traum Unter dem Lindenbaum. Unter dem Lindenbaum Träum' ich den Kindestraum. Wo ich noch sorgenbar, Glücklich und fröhlich war; Wie ich an Blumen hing, Haschte den Schmetterling, Schwelgte im frischen Grün, Bis daß der Frost erschien, Der mich ins Haus gejagt Und mit Erwerb mich plagt, Lange, ach, lange her Seufz' ich im Drucke schwer. Heut, wo der Wächter wich, Schleich' ich in's Freie mich, Träume mit nassem Blick Von meiner Jugend Glück, Denke voll Seligkeit Lange vergangner Zeit: — Für den so schönen Traum Dank dir, o Lindenbaum! Tändelein 3. Du holdes Wesen, In deinen Blicken Liebe zu lesen, Glück und Entzücken Müßte das sein! An's Herz dich drücken, Von deinen Lippen Seligkeit nippen — Ach, einen Himmel Schlösse das ein! Nicht kann ich sagen, Wie ich dich liebe, Mit Blicken klagen Kann ich die Triebe Und Wünsche allein; Ach, und ich schriebe Mit langen, süßen Und heißen Küssen Sie deinem Herzen Am liebsten ein. Vom Liebespfeile Erleid' ich Wehen, Statt daß ich heile, Muß ich vergehen, O sei nicht von Stein! Eile, o eile, Heile die Wunde Mit deinem Munde, Du schöner Engel, Und werde mein! Erstes Frühlingslied Der Frühling ist ein tapfrer, kühner Ritter, Er kämpfte mit dem Winter harten Strauß, Doch seine Wehr und seinen Speer bestritt er Und schlug ihn keck zum weiten Reich hinaus. Der Frühling ist ein arbeitsamer Schnitter, Er mähete den Reif von jeder Flur, Er schlug das Eis, wie dürres Reis, in Splitter Und zeichnete durch Wirken seine Spur. Der Frühling ist ein froher Hochzeitbitter, Er ladet ein zum Feste frendiglich, Er selber beut, er selber streut den Flitter Und sein erfreuen alle Gäste sich. Der Frühling ist auch Meister auf der Zither, Er lehrt die Vöglein singen, groß und klein, Auf grüner Au', im Wald und Laubengitter Übt er tactirend seine Schüler ein. Der Frühling ist, was Mondlicht beim Gewitter, Das, wie es heißt, der Wolken Flor zertheilt; Macht herbe Pein den Lebenswein dir bitter, Hoff' auf den Lenz, der jede Wunde heilt. Lenz und Herbst An Friedrich Rückert Dir gefällt der Herbst, der klare, Weil dir selbst im Lauf der Jahre Schon dein Lebensherbst genaht; Mir behagt der Lenz, der frühe, Weil ich noch im Lenze blühe Und mein Hoffen ist die Saat. Dir gefällt der Herbst, der klare, Weil du, dankend am Altare, Denkst der Frucht, die du gemäht; Mein noch ist der Lenz, der frühe, Und ich flehe: „O verglühe Eher nicht, als ich gesä't.“ Dir gefällt der Herbst, der klare, Weil er dir in greise Haare Neue Jugendkränze flicht; Mich erfreut der Lenz, der frühe, Weil er mir für meine Mühe Einen gleichen Lohn verspricht. Dir gefällt der Herbst, der klare, Weil dir so der wunderbare Ew'ge Frühling näher steht; Mir noch frommt der Lenz, der frühe, Denn des Tages Hitze sprühe, Eh' des Abends Kühlung weht. Dir gefällt der Herbst, der klare, Mir der Frühling, doch gewahre Ich, was jener dir beschert, Hör' ich deinen Lorbeer rauschen, Denk' ich: Könnt' ich dennoch tauschen, Solch ein Herbst ist Kronen werth. Tanzlieder 1. Hörst du nicht singen sie, fiedeln und schreien? Willst du nicht springen, wie ich, in die Reihen? O du mein Mädchen schön, laß doch dein Rädchen stehn, Laß doch dein Fädchendrehn, tanze mit mir. Aufwärts die Reih' geschwind, abwärts dann munter Tanzen wir Zwei, mein Kind, auf und hinunter, Wenn dann ermatten wir, wirst du verstatten mir, Daß ich im Schatten hier ruhe bei dir. Dann unter'm Fliederstrauch raub' ich, mein Schätzchen, Stämmst du dich wider auch, sicher ein Schmätzchen, Doch ohne Fährlichkeit, fern von Begehrlichkeit, Alles mit Ehrlichkeit, wie sich's gebührt. 2. Rühret die Geigen, schlinget den Reigen, Tanzet hinaus in das nächtliche Schweigen, Seht, wie die hellen Sterne den Wellen Freundlich die blitzenden Äugelein zeigen. Horcht, wie die düstern, schattigen Rüstern Traulich ihr säuselndes Abendlied flüstern, Seht auch die blauen Augen der schlauen Elfen dahinter, neugierig und lüstern. Das ist ein Lauschen, Säuseln und Rauschen, Heimliches Flüstern und Küsse-austauschen; Doch um's Gestaltige hüllet der faltige Mantel der Nacht seine deckenden Bauschen. Aber mit Neigen, Sinken und Steigen Deuten es an die geschwätzigen Geigen; Darum, ihr Frohen, tanzt bis am hohen Himmel die Flammen des Morgens sich zeigen. Erster Traum 1. 1833 Jugendliebe Unten am Quelle blühet die helle Sinnige Blume der Liebe im Thal, Oben die blaue himmlische Aue Heget den Stern mit dem güldenen Strahl. Blumen und Sterne küßten sich gerne Ach, und sie dürfen's alleine im Traum, Denn nicht von dannen können sie bannen Jenen unendlichen trennenden Raum. Wäre doch Frieden ihnen beschieden, Hätte doch Schwingen die Blume im Thal! Könnte der blaue Himmel zur Aue Senden den Stern mit dem güldenen Strahl! Erster Traum 2. 1833 Jugendliebe „Laßt mich reden, wenn ich rede, Laßt mich stumm sein, bin ich stumm, Laßt mich froh und traurig werden, Aber fragt mich nicht: warum? Denn mir ist ein Sinn zu Eigen, Den ich selbst mir nicht verlieh, Heut' in ungebundner Freude, Morgen voll Melancholie.“ Also sprach ich oft zu Andern, Die zu trösten mich gedacht, War ein Schmerz in meiner Seele, Schreiend wie ein Kind, erwacht. Aber seit ich dich gesehen, Ist es anders, wie du weißt, Stets von deinem Geiste borget Seine Stimmungen mein Geist. Wenn du redest, muß ich reden, Wenn du stumm bist, bin ich stumm, Wenn du froh bist, bin ich fröhlich; Und ich weiß doch nicht: warum? Dritter Traum 1. 1843. 1844 Jugendliebe Einen Brief auf blauem Grund Seh' ich dir im Aug' sich spiegeln, Sprich, wird einst dein rother Mund Seinen Inhalt mir besiegeln? Sprich, o sprich, hat an mein Herz Liebe diesen Brief geschrieben? Oder hat ein loser Scherz Nur sein Spiel mit mir getrieben? O vergib die Zweifel mir, Lieb' ist gar ein neckisch Wesen, Und gar traurig ist's, wenn wir Ihre Briefe falsch gelesen. Liebe gleicht den Hügelreih'n, Die wir fern am Himmel sehen; Wer sagt gleich, ob's Berge sei'n Oder Wolken, die verwehen? Liebe gleicht dem Blumenkranz, In des Mädchens Haar gewunden; Ob Natur, ob Kunst sein Glanz, Wer hat's gleich herausgefunden? Drum vergib, o Liebe, mir, Wenn ich noch zu zweifeln wage, Wenn ich bangend steh' vor dir Und noch einmal also frage: Einen Brief auf blauem Grund Seh' ich dir im Aug' sich spiegeln; Sprich, wird einst dein rother Mund Seinen Inhalt mir besiegeln? Dritter Traum 7. 1843. 1844 Jugendliebe Herab ist gesunken Vom Himmel ein Stern, Von Seligkeit trunken Sind Nähe und Fern'. Was kommst du zu geben, O Stern, meiner Brust? Unendliches Leben Unendliche Lust? Es baut eine Brücke In's Himmelreich sich; Geliebte, o drücke Dich fester an mich! Wie hatte in Schmerzen Die Brust sich erschlafft! Nun fühl' ich im Herzen Athletische Kraft. Die Pulse, sie pochen, Es siedet das Blut, Als müss' es verkochen In zehrender Glut. Ich fühle mit Beben, Es kämpft in der Brust Der Tod mit dem Leben, Der Schmerz mit der Lust. Der Tod will entfliehen Nach oben mit mir, Das Leben mich ziehen Hernieder zu dir. O säume nicht lange, O zieh' mich hinab, Daß beid' uns umfange Ein seliges Grab; Ein Grab voller Leben, Ein Tod voller Lust. O himmlisches Beben In irdischer Brust! Von Seligkeit trunken Sind Nähe und Fern', Herab ist gesunken Vom Himmel ein Stern. Dritter Traum 10. 1843. 1844 Jugendliebe Hoch über'm Walde ziehen die Wetter, Ziehen nach Süden die Vögelein schon; Liebchen, wie balde fallen die Blätter, Liebchen, wie balde ist Alles entflohn! Kaum hat die Blüthe des Mai's sich erschlossen, Kaum sich gestaltet die Rose im Mai, Kaum in's Gemüthe sich Liebe ergossen, Fallen die Blätter und — Alles vorbei! Leiden und Lieben, und Wonne und Plage, Alles ein kurzer, entschwindender Traum! Was ist geblieben am Ende der Tage? Liebchen, wir seufzen und wissen es kaum. Doch wo die Rose verhaucht ihre Düfte, Blüht eine andre im kommenden Jahr, Einst über'm Moose unserer Grüfte Küßt sich ein neues, ein liebendes Paar. Dritter Traum 11. 1843. 1844 Jugendliebe Weich wehend wie westliche Winde, Sanft säuselnd wie Schilfrohr im See Labt Liebe und lächelt noch linde, Wenn Wonne sich wandelt in Weh. Komm, kose und küsse! der Kummer Geht gern mit dem Grame zu Grund, Singst sanft du die Seele in Schlummer, Mein Mädchen, mit minnigem Mund. Dritter Traum 12. 1843. 1844 Jugendliebe Nichts Schöneres gibt's als ein inniges Herz, Als ein Herz, das nur Liebe geschlagen; So duftig, wie's Veilchen, das süße, im März, So fest wie ein Demant, so leuchtend wie Erz Ist ein Herz, das nur Liebe geschlagen. Doch wo ist's erblühet, doch wo mag es sein Solch ein Herz, das nur Liebe geschlagen? Ich brauch's nicht zu suchen, denn mein ist es, mein! Mein ist es, und mein ist es ganz allein, Dieses Herz, das nur Liebe geschlagen. Und lehnt sich mein müdes, mein sorgendes Haupt An das Herz, das nur Liebe geschlagen, Die Seele der Erde enthoben sich glaubt, Jeder Pein, jeder Angst, jedes Kummers beraube Durch das Herz, das nur Liebe geschlagen. Bald zieht es von hinnen, bald zieht es nach Süd, Dieses Herz, das nur Liebe geschlagen; Ade denn, du Blume, die für mich geblüht, Du funkelnder Demant, du süßes Gemüth, O du Herz, das nur Liebe geschlagen. 1. Auf der Landstraße Reisebilder Was heißt meiden? was heißt fern sein Von der Einen, die wir lieben? Ganz von Sehnsucht aufgerieben, Nirgends mehr auf Erden gern sein. Was heißt meiden? was heißt fern sein Von der Einen, die wir lieben? Ausgestoßen, fortgetrieben Aus dem Paradies des Herrn sein. Was heißt meiden? was heißt fern sein Von der Einen, die wir lieben? Mir im Herzen steht's geschrieben: Ohne Hoffnung, ohne Stern sein. 4. An die Entfernte Reisebilder Mein Herz es nimmt zur Ferne seinen Lauf, Und meine Seele ziehet in die Ferne, Der Sonne trag' ich tausend Grüße auf Und tausend trag' ich auf dem Abendsterne. Und alle tausend ziehn, mein Kind, zu dir, Die du wohl auch den Blick nach oben wendest Und durch die Sonne tausend Grüße mir Und tausend durch den Abendstern mir sendest. 6. An Dieselbe Reisebilder Ohne Grauen, Kind, vertrauen Darfst dem blauen Himmel du; Seine Sterne tragen gerne In die Ferne Grüße zu. Doch bestellen laß die schnellen Meereswellen Grüße nie; Menschen zogen durch die Wogen, Da betrogen, logen sie. Auch dein Klagen, Grüßen, Fragen, Gib's zu tragen nie dem Wind; Ohne Grauen darfst du trauen Nur dem blauen Himmel, Kind. Die Musikanten Morgens, wenn die Wälder noch ringsum schweigen, Nur die Lerchen schmetternd zum Himmel steigen, Kommen wir Spielleut' durch die Ährenwogen Jubelnd gezogen; Lagern uns, zum Fenster empor zu schauen, Wo sie wohnt, die lieblichste aller Frauen, An dem Gartenzaun auf den grünen Rasen Nieder und blasen; Blasen, daß die Rehe aus allen Hecken Horchend die neugierigen Köpfe strecken, Hinter'm Gitterhore die Pfauen alle Lauschen dem Schalle. Aber sie, die holdeste Frau auf Erden, Läßt zu Schanden all' unser Blasen werden, Denn am Schlafgemache die Jalousieen Wollen nicht fliehen. Doch vielleicht, daß sie uns im Traume siehet, Wenn durch ihren lieblichen Schlummer ziehet Von dem Morgengruße ein leises Klingen, Den wir ihr bringen. Wenn sie dann erwachend hinaus sich dehnet In die kühlen Lüfte, vielleicht sich sehnet Nach des Traumes Klängen, sind wir schon lange Fern auf dem Gange. Der treue Wächter Lautlos war es rings im Kreise, Wächter auf der Zinne stand, Singend seine Abendweise Nieder von des Schlosses Rand: „Auf! es naht die Zeit der Minne, Denn verschwiegen ist die Nacht Und ein treuer Wächter wacht Auf des Schlosses höchster Zinne.“ Und kaum war das Lied verklungen, Kam ein Ritter rasch hervor Aus der Dunkelheit gesprungen, Nahend leise sich dem Thor; Und er rief: „O gib ein Zeichen! Darf ich deinem Liede trau'n? Darf ich ohne Furcht und Grau'n Zu der Liebsten Kammer schleichen?“ Und der Ritter Antwort harrte, Doch der Wächter nichts verrieth, Singend nur von seiner Warte Unbeirrt sein altes Lied: „Auf! es ist die Zeit der Minne, Denn verschwiegen ist die Nacht Und ein treuer Wächter wacht Auf des Schlosses höchster Zinne.“ „Guter Wächter, ich verstehe!“ Und er schlich zum Thor hinein, Schlich auf leiser, loser Zehe Bis zu Liebchens Kämmerlein: „Holdes Fräulein, öffnet schnell, Denn es ist die Zeit der Minne; Wißt: auf eures Schlosses Zinne Wacht ein redlicher Gesell.“ Und sie schloß ihm auf die Pforte, Ließ den Ritter zu sich ein, Tausend süße Schmeichelworte, Tausend Küsse wurden sein, Jeder Lohn, den holde Minne Zu der Minne Sold gemacht, Denn ein Wächter hielt ja Wacht, Ein getreuer, auf der Zinne. Drauf, entzückt und liebeselig, Ihrer selber kaum bewußt, Schlummerten sie ein allmählich, Herz am Herzen, Brust an Brust; Stille war's, doch von den Zinnen Klang es fort die ganze Nacht: „Schlaft nur süß und ruhig drinnen, Denn ein treuer Wächter wacht.“ Aber als im Osten leise Ward Aurorens Schimmer wach, Da, verändernd seine Weise, Sang der Wächter auf dem Dach: „Eine Lerche hör' ich schlagen Und ihr Lied verscheucht die Nacht; Drum, ihr Liebenden, erwacht, Eh' der Tag beginnt zu tagen.“ Und der Ritter hört es drinnen Und er rafft sich auf geschwind: „Lebe wohl, du süßes Kind, Lebe wohl, ich muß von hinnen, Denn der Wächter von den Zinnen Sang die Tagesweise schon: ‚Auf! es ist die Nacht entfloh'n Und es will der Tag beginnen.‘“ Und von dannen schritt der Ritter Rüstig durch des Schlosses Thor; Grüße warf er noch empor Zu des Fräuleins Fenstergitter, Dann zum Wächter sprach er leise: „Guter Wächter, habe Dank!“ Doch als Antwort niederklang Nur die wohlbekannte Weise: „Eine Lerche hör' ich schlagen, Kühl schon weht der Morgenwind, Drum Ade, Ade geschwind, Eh' der Tag beginnt zu tagen! Aber naht die Zeit der Minne, Die verschwieg'ne Mutter Nacht, Hält ein Wächter wieder Wacht, Ein getreuer, auf der Zinne.“ Im Herbst Die Blätter fallen, Der Herbst ist da; Wie ist uns Allen Der Winter nah'! Herz, du wirst älter, Bald bist du alt; Doch du wirst kälter Nicht, eh' du kalt. Rittersinn Bei der Sonne letztem Blinken Wandelt kosend Donna Clara An dem Arm des schönsten Ritters Durch den dufterfüllten Garten. Abendschmetterlinge schweifen In der Mandelbäume Schatten, Nachtigallen flöten leise Ihre sanften Liebesklagen. Blüthenflocken taumeln nieder Und es plätschert die Cascade, Doch es lauschen die Verliebten Nicht dem Sang der Nachtigallen. Nicht des Wasserfalls Gemurmel Läßt die Träumenden erwachen, Sie, die einzig sich bewußt sind Ihrer heißen Liebesflammen. Und schon glüh'n die Wangen röther Als am Himmel glüht der Abend; Da, gewandt zu seiner Schönen, Spricht der Ritter solchermaßen: „Mir gewährend eine Bitte, Saget an mir, schöne Dame, Sagt, wodurch ich, schlichten Sinnes, Eure Gunst gewonnen habe. Denn von allen jenen Künsten Hab' ich keine je verstanden, Die so viele Ritter üben, Holden Frauen zu gefallen. War der Dichtkunst nie beflissen, Nie beim Tanz im Königssaale, Nie vor eurem Fenstergitter Sang ich Lieder zur Guitarre.“ Doch nicht lange sinnt die Holde, Küssend des Geliebten Wange, Streichelnd des Geliebten Locken, Antwort seiner selt'nen Frage: „Daß mein Herz für euch erglühte, Habt allein ihr nicht zu danken Meiner Wahl und eurem Glücke, Nein, auch meinem Ehegatten. Denn euch wies er mir von Ferne Jüngst beim Fest in hoher Halle, Wo ein Mond ihr unter Sternen In dem Kreis der Ritter standet. Sprechend: Unter all' den Uns'ren, Die des Vließes Zeichen tragen, Muß zumeist ich solchen Schmuckes Würdig diesen Ritter achten. Nur zu Großem ist er fähig, Fähig keiner schlechten Thaten, Edel, schön, auch stets bewähret Als ein wack'rer Held im Kampfe. Und dies Lob hat ausgesäet In mein Herz der Liebe Samen, Dessen Blume voll und prächtig Aufgeblüht seit jenem Tage.“ Als die Dame so gesprochen, Steht der Ritter in Gedanken, Schweigend scheint er ihren Worten Lange sinnend nachzuhangen. „Tief in's Herz ist mir gedrungen,“ Spricht er endlich, „diese Mahnung, Drum euch mit Erröthen muß ich Lebewohl auf immer sagen. Zu betrügen euren Gatten, Der mich also hoch gehalten, Müßtet selbst ihr, edle Dame, Unwerth eures Ritters achten. Ewig sei es mein Bestreben, Werth mich seines Lob's zu machen; Lebet wohl, Geliebte, meldet Dieses eurem Eh'gemahle.“ Zwei Poeten Als ich jüngst der Heimath zu Schritt, ein trauriger Wand'rer, Kam entgegen ohne Schuh' Mir ein lustiger and'rer. Und obzwar des Baches Well' Starrte, vom Froste bezwungen, Hat mir doch der lust'ge Gesell Also entgegengesungen: „Weil uns lockt der Frühling nun Und die Welt, die schöne, Greifen zu den Reiseschuh'n All' wir Handwerkssöhne.“ Hab' ich den Mann zur Rede gestellt, Wie er könne singen Jetzt vom Lenze, da doch die Welt Starre in eisigen Schlingen; Wie er singen könne „wir“, Da er doch ganz alleine, Und von Schuhen reden hier, Wo er doch habe keine. Hat gesprochen drauf der Mann: „Hätt' ich von all' den Dingen, Wär's von Nöthen wohl alsdann, Erst mir's zu ersingen? Denn gerad' nur, wo's gebricht, Tritt ein Lied in die Stelle; Aber ihr versteht das wohl nicht, Seid ja kein Handwerksgeselle.“ Und ich sagte: Ihr seid ein Poet, Tragt ihr in eurem Ranzen Auch nicht das allerkleinste Paquet Mit Sonetten und Stanzen. Vor Jena Auf den Bergen die Burgen, Im Thale die Saale, Die Mädchen im Städtchen: Einst Alles wie heut'! Ihr werthen Gefährten, Wo seid ihr zur Zeit mir, Ihr lieben, geblieben? Ach, alle zerstreut! Die Einen sie weinen, Die Andern sie wandern, Die Dritten noch mitten Im Wechsel der Zeit, Auch Viele am Ziele, Zu den Todten entboten, Verdorben, gestorben In Lust oder Leid. Ich alleine, der Eine, Schau' wieder hernieder Zur Saale im Thale, Doch traurig und stumm; Eine Linde im Winde Die wiegt sich und biegt sich, Rauscht schaurig und traurig; Ich weiß wohl warum! Das Wunderhorn Es war in einer jener alten Städte, Drin Thurm an Thurm und Kirch' an Kirch' sich drängt, Wo einst an einem Frühlingsabend späte Auf hohem Roß in's Thor hineingesprengt Ein Knabe kam, viel muntre Weisen singend Und hoch ein Waldhorn in den Händen schwingend. Auf weitem Marktplatz sprang vom Roß er nieder Und blies in's krummgewund'ne Horn mit Macht; Da hallten rings die alten Mauern wieder Und lust'ge Lieder durch die stille Nacht; Die Mädchen lauschten an den Fensterbogen, Dem Sänger mehr noch als dem Lied gewogen. Und so erscholl denn an derselben Stelle Noch mancher frische Klang zur Abendstund', Die Klänge zogen weiter gleich der Welle Und bald ertönten sie von Mund zu Mund; Doch als die Störche über's Blachfeld zogen, War plötzlich auch der Sänger ausgeflogen. Und wie's dann geht, er selber ward vergessen, Kaum daß sich seiner Lieder eins erhielt; Es gab des Neuen ja so viel indessen, Ganz andre Weisen wurden aufgespielt, Wie sollt' man da gedenken noch des Knaben Und seiner einfach schlichten Liedergaben. Allein nach langer Zeit — Lenz war es wieder — Kam spät ein Greis durch's goth'sche Thor der Stadt; Ein weißer Bart floß auf die Brust ihm nieder, Der Alte schien vom Wege wandermatt, Doch Keiner bot ihm Rast, gleichgültig wandten Sich Alle von ihm ab, dem Unbekannten. Nur manchmal, wenn noch Abends spät gegangen Ein Ritter kam, sein Liebchen an der Hand, Gar wunderbare Töne zu ihm drangen, Die neu ihm schienen und doch wohlbekannt; Der Jungfrau war's, als höre sie die Lieder, Die an der Wiege ihr gesungen, wieder. Wenn dann das Paar, getrieben von Verlangen, Den Tönen nachgezogen war, so fand Es einen Greis mit tiefgefurchten Wangen, Ein krummgewund'nes Horn in welker Hand, Allein mit Augen, blitzend wie die Sterne, Wie nächtlich Wetterleuchten aus der Ferne. Und um ihn her ein Klingen in den Räumen, Gleich Engelchören in der Weihenacht; Verwundert steht das Paar und meint zu träumen; „Wer bist du?“ fragt das Ritterfräulein sacht, Da blickt der Greis sie an so ernst und sinnig „Der Knabe mit dem Wunderhorne bin ich.“ Mariä Lichtmeß O du Tag, von Gott gegeben, Wie ich keinen noch gesehn, Wie kein zweiter je im Leben Wird an mir vorübergehn, Wie erfüllst mit stiller Lust Du die tiefbewegte Brust! Wend' ich heut' den Blick zurücke, So erkenn' ich sonnenklar, Wie sich Alles mir zum Glücke Fügen mußte wunderbar, Wie mich Leid und herber Schmerz Zogen an das Mutterherz. Als zuerst ich ausgezogen Keck in's hohe Lebensmeer, O wie warfen mich die Wogen Schaukelnd ungewiß umher; Konnte kaum im wilden Spiel Fragen nach der Reise Ziel. Ach, und von den Sternen allen, Drauf mein Hoffen ich gestellt, Einen nach dem andern fallen Mußt ich sehn vom Himmelszelt; Mußte sehn, wie's mehr und mehr Dunkel wurde ringsumher. Als die letzten Sterne schwanden Und ich noch im stummen Schmerz Nach dem Ort, wo sie gestanden, Sah verzweifelnd himmelwärts, Hab' ich plötzlich hochentzückt, Stern der Sterne, dich erblickt. Ja, ich habe dich gesehen, Als ich jeder Hoffnung bar, Hoch am nächt'gen Himmel stehen, Stern der Gnade wunderbar, Wie du schienst in stiller Pracht Tröstend nieder durch die Nacht. Ja, ich habe dich gewahret, Wie, den Heiland in dem Arm, Du, vom Engelheer umscharet, Niederschautest liebewarm, O Marie, vom Himmelszelt Auf die wildempörte Welt. Ja, ich habe dich gesehen, Wie du mild auch mein gedacht, Da du mich so trostlos stehen Sahest in der öden Nacht, Und du riefest: „Komm zu mir, Klimm' empor, ich helfe dir.“ Und ich habe, auf dich bauend, Wie ein Bergmann, den ein Schacht Eingeschüttet, gottvertrauend Sich heraushaut aus der Nacht, Mich zu dir aus Todesgrau'n An das Licht hervorgehau'n. Bitte denn, o Gnadenvolle, Heut' für mich bei deinem Sohn, Daß die Stund' er segnen wolle, Wo ein Herz, das, ihm entflohn, Lang' verirrt umhergeweint, Seiner Heerd' sich neu vereint. Stark und mild Wenn dich Feinde hassen, Freunde dich verlassen, Steh' für dich allein; Stark und fest wie Stein, Furchtlos sollst du sein. Doch wenn And're zagen, Hilf du ihnen tragen Ihre Bürd' und Pein; Mitleidsvoll wie dein Heiland sollst du sein. Schleuß in's Herz die Liebe, Doch unlaut're Triebe Laß es nicht entweihn; Keusch und lilienrein, Schuldlos sollst du sein. Freue dich am Leben, An dem Saft der Reben Und am Sonnenschein; Wie die Kinder klein Fröhlich sollst du sein. Aber immer gütig; Schau' nie übermüthig, Auch nie stolz darein; Demuthvoll und fein Stille sollst du sein. Und so wandle weiter Muthig, fromm und heiter, Bis das Engelein Singt: „Nun schlummre ein, Selig sollst du sein!“ „Einen Kelch zu meinem Munde“ Einen Kelch zu meinem Munde Mußt' ich führen so voll Leid, Daß ich noch in dieser Stunde Schmecke seine Bitterkeit; Doch an's Herz, das bange, schlagend, Muß ich sprechen: Es geschah Mea culpa, mea culpa, Mea culpa maxima! Ach, für Alles, was mit Wehmuth Ich bekenn' als eig'ne Schuld, Laß die Buße nun in Demuth Tragen mich und mit Geduld; Auf daß wieder ich im Lichte Der verlornen Gnade steh', Miserere, Miserere, Miserere, Domine! Schwärmerei der Liebe Komm, Traute, mit mir zum Garten geh, Mir ist so wohl, mir ist so weh, Ich fühle die seligsten Triebe! Die Blümlein alle am Wiesenrain Die sprechen natürlich von uns allein Und dem Immergrün unsrer Liebe! Die Quelle murmelt leis und lind: „Was das für hübsche Leute sind, Die da sich promeniren!“ Es ist so still, so heimlich dort; Der Mond, der hört auf jedes Wort Und wird sich's später notiren. Die Vöglein auch, sie geben acht Und flüstern unter einander sacht: „Wie sie sich ganz verstehen!“ Ich hör' in glühenden Phantasien Die üblichen Sphärenmelodien Und möchte vor Wonne vergehen! An die Sterne Ce qui est trop bête pour être dit, on le chante. Wie ferne seid ihr, Sterne! Wie seid ihr, Sterne, fern! Wie seid ihr fern, o Sterne! Wie, Sterne, seid ihr fern! Doch ihre Blicke voll Tücke, Voll Tücke ihre Blick', Von ihr die Blicke voll Tücke, Von ihr voll Tücke die Blick'! Sie hat mich nie geliebet; Geliebt hat sie mich nie; Mich hat sie nie geliebet; Mich hat geliebt sie nie! Innerer Frühling Die trüb verhüllte Abendsonne scheint; Fern hör' ich nur des Schmiedehammers Klopfen, Sonst alles still; der graue Himmel weint Ohn' Unterlaß gefrorne Thränentropfen. Und überall die Fluren öd' und kahl, Und überall des Winters rastlos Treiben. Die Blumen, die er aus den Gärten stahl, Die malt er neckisch an die Fensterscheiben. Ich aber spotte sein in meinem Sinn Und lach ihn aus mit seinem Schneegefieder: Gemüthlich hier am traulichen Kamin Beginn' ich dreißig neue Reiselieder. Tropenlandschaft Wenn im Busch von Madagaskar Tönt des Schakals heis're Stimme Und nach Beute die Hyäne Lechzt mit stillverhalt'nem Grimme: Wenn die flüchtigen Gazellen Scheucht des Leu'n geschärfte Kralle Und das Gnu, das wohlgehörnte, Durstig streift zum Wasserfalle: Wenn im Rohr das Krokodill sich Sonnet auf des Bachs Versandung, Und am wolfsmilchübersäten Strande tost der Syrte Brandung: Wenn die buntbefleckte Natter Züngelnd sich zum Knäuel ballet, Und des Geiers krächzend Rufen Durch der Palmen Wipfel schallet: Wenn des Bodens dürre Rinde Berstet, wenn die Manschinellen Mit verderbenschwang'rem Pesthauch Den erhitzten Dunstkreis schwellen: Wenn der Kaffer seine Pfeile Tränkt im Saft der gift'gen Bohnen; Freut sich der gesetzte Bürger, Nicht in Afrika zu wohnen. Akropolis Die Tage deiner Größe sind vorüber, Und prangt in Purpur auch die Stadt Athen, So blickt sie trauernd doch zur See hinüber, Auf deren Fluthen fremde Segel wehn. Sie ist nicht mehr die Königin der Wogen, Auch dich erfaßte rauh die Hand der Zeit; Im Schutte liegt so mancher stolze Bogen, Den man gethürmt hielt für die Ewigkeit Zwar suchten neu die Enkel zu gestalten, Was seit Jahrhunderten in Stücke sprang, Doch fehlte meist die Schöpferkraft der Alten, Auch wirkte lähmend fremder Neid und Zwang. Doch ob ein neuer Bau den Hügel kröne, Ob man zermalme deinen letzten Stein, Du warst die Wiege für den Sinn, für's Schöne Und wirst d'rum immerdar geheiligt sein. Und wie zur Kaaba fromm Moslime eilen, Wenn ihren Schritt der Zug nach Jenseits lenkt, So wird bei dir der Geist der Menschheit weilen, Sobald er Göttliches zu schaffen denkt! Gute Nacht Gute Nacht Allen, welche heut' gewacht, Allen Freuden, allen Schmerzen, Traurigen, wie frohen Herzen, Alles decke jetzt die Ruh' Sanft mit ihrem Fittich zu. Gute Nacht Allen, die heut' mein gedacht; Ob im Guten, ob im Bösen, Liebe möge Alles lösen — Selig, wer die ganze Welt Liebevoll umfangen hält. Gute Nacht Allen, die heut' Gut's vollbracht, Die erbarmend ihre Schritte Lenkten nach der Armuth Hütte Und mit demuthsvollem Sinn Schauten auf den Meister hin. Gute Nacht! Über uns des Vaters Wacht — Darum legt die müden Glieder Still getrost zum Schlummer nieder, Und vertrauet euch dem Herrn: Er beschützt die Seinen gern. Sinnen bei Sternlicht Aller schönen Augen, Die ich je geseh'n, Denk' ich bei den Sternen, Die am Himmel steh'n. Manche haben flüchtig, Fremd mich angeblickt, Manche haben grüßend Mich mit Glanz erquickt. Manche haben freundlich, Kalt auf mir geruht, Manche mir gesprochen Von verborg'ner Glut. Auch hat wohl aus manchen Mich ein Blick verletzt — Aller denk' ich sinnend Bei den Sternen jetzt. Die stille Rose Wenn auf der Erde Schweigen, Am Himmel Sternenschein, Dann will ich an deinem Herzen Deine stille Rose sein. Mein Innigstes, mein Stummstes, Ich geb' es dir im Kuß — Es weiß es meine Seele, Daß dir sie duften muß. Ich will nicht weiter fragen: Was ist und was kann sein? Ich will an deinem Herzen Deine stille Rose sein. Die Liebe Die Liebe war mir wie die Fremde, Und schien mir Alles wunderbar — Jetzt bin daheim ich in der Liebe, Und Alles ward mir lieblich klar. Ein tiefes Wunder ist das Leben, Auf dessen Grund kein Auge schaut; Doch weil Alltäglichkeit wir's nennen, Bedünkt's uns einfach und vertraut. So kommst auch du, o heil'ge Liebe, Aus deinen Himmeln schlicht herab, Und trinkst mit uns an unserm Becher Und brichst von unserm Brode ab. Und also kommt es, daß ein Mädchen Ganz deiner Göttlichkeit vergißt, Und daß dein Blick voll Ewigkeiten Ihm der von einer Schwester ist. Ich möchte wohl noch lieben 1. Ich möchte wohl noch lieben, Allein ich kann's nicht mehr; Ich habe nur noch das Leben, Die Jugend ist nicht mehr. Die Tage sind von Hoffnung Die Nächte von Träumen leer; Die Hoffnung und die Träume Die flohen auf fernem Meer. Die Augen schau'n zu Boden, Das Herz ist stumm und schwer — Ich möchte gern noch lieben, Aber ich kann's nicht mehr. 2. Und hast du aus den Zeiten, Wo du noch, stark und jung, Die Welt zu tragen meintest, Noch eine Erinnerung — Und weiß dein Herz von damals, Wo Licht und Lächeln der Tag, Und Traum und Sehnen die Nächte, Nur einen einzigen Schlag — So magst, gebeugt die Stirne Unter des Lebens Joch, Du nicht mehr jauchzen können, Aber lieben kannst du noch! Sommer in Venedig Tage voll Sonnenglühens, Nächte voll Silberscheins, Gärten voll Purpurblühens, Himmel und Fluten eins. Freudige Männerstimmen, Klingend im Nachtgesang, Jauchzender Knaben Schwimmen Jeden Canal entlang! Leuchten von Glanzgewittern, Dunkel im Feuerschein, Brennendes Nervenzittern, Sehnsucht, zu Zwei'n zu sein! O wenn sie's wüßte Wie ich beachte Auf ihrem Angesicht Jedweden Schatten, Jedwedes Licht; Als ob für mich danach Tag oder Nacht sein müßte — O, wenn sie's wüßte! O, wenn sie's wüßte! Wie ich geblendet Schau ihrer Augen Glut — Für mich in ihnen Der Himmel ruht — Wie ich's der Luft mißgönn', Die ihre Wange küßte — O, wenn sie's wüßte! O, wenn sie's wüßte! Wie meinem Herzen Ihr Name nur bekannt, Den alle Lieder Tönend genannt Früh wann der Tag erwacht Und wenn er ging zur Rüste — O, wenn sie's wüßte! O, wenn sie's wüßte! Kennst du das Meer? Kennst du das Meer? Kalt seine Woge rollt, Gleichmäßig fliehet sie und kehret wieder. Kennst du das Meer, wenn Abendsonnengold Hell drüber ausgespannt sein Glutgefieder? Kennst du das Meer, wenn sich der Sterne Pracht Zum kühlen Bade taucht in seine Flut? Kennst du das Meer, wenn donnernd aufgewacht Der Dämon, der in seiner Tiefe ruht? — Ich kenne das Meer! Mein Freund ist das Meer! Bin geflüchtet zu ihm, wenn das Herz mir schwer; Es sah mich am öden Strande stehn, Es trank die Thräne, die keiner gesehn. Der Wind nahm mein Kleid und zerwühlte mein Haar, Ein zorniger Blitz nur der Zeuge war. Als die Wogen empört und empörter noch ich! So kenn ich das Meer und das Meer kennt mich! Am Arno Wenn ich hinunterschaue Von weinbekränzter Höh', Granaten und Mirtenbäume Im weißen Mondlicht seh', Des Arno's Woge rauschet Wie leises Schlummerlied, Denk' ich der Abendstunde, Die einst von dir mich schied. Dann ist es mir, als sollte Da drunten in dem Thal Ein süßer Ton erwachen Hellauf mit einem Mal, Als sollte deiner Stimme Tiefklagender Gesang Mein einsam Herz begrüßen Wie Abendglockenklang. Geweihte Stunde O, das ist die geweihte Stunde, Wenn das Herz zum Herzen spricht, Wenn die Seele träumend dichtet Still ihr liebliches Gedicht. In den Augen steht geschrieben Heil'ger Liebe Wunderschrift, Die in dem geliebten Blicke Wohlvertraute Leser trifft. Ob die Jugendzeit vergangen, Lang im Herzen hallt es nach, Was in der geweihten Stunde Herz zum Herzen leise sprach. Über dem todten Meer Tief still ist's und einsam öde, Weit ausgestorben umher, Es liegt ein giftiger Nebel Über dem todten Meer. Kein Quell beut kühle Labung, Kein Baum sendet Schatten her, Kein Vogel regt seine Schwingen Über dem todten Meer. Der Himmel ist trüb und taurig, Die Wolken lasten schwer, Als seien gebannt die flücht'gen Über dem todten Meer. Ein Herz, das nach anderem Herzen Nicht trägt verlangend Begehr, Ein Herz ohne Lieb' und Lieder Gleichet dem todten Meer. Sprich nicht! Sprich nicht, Dein Leben sei nur trüb' Und zu vergleichen kalten Regenschauern, Sprich nicht, Dich hab' auf Erden Niemand lieb, Du müßtest einsam weinen, einsam trauern. Kein Auge giebt's, das nicht schon oft geweint, Ob Niemand auch gesehen seine Thränen; Kein Auge giebt's, ob noch so trüb' es scheint, Das nicht erglänzet schon in frohem Sehnen. Es giebt kein Herz, das nicht voll Lust gehofft Und auch gebebt und unruhvoll geschlagen, Und keine Hand, die nicht gefaltet oft In glücklichen, wie sorgenschweren Tagen. Wo ist die Lippe, die nicht bebte heiß, Geseufzt und auch gejauchzet oft nach Oben? Wo ist der Mensch, der es nicht ahnt, nicht weiß, Wie schwere Stürme oft im Innern toben? Ertrage, schweige, hoffe und vertrau' Dem, was die Hand aus Wolken weise spendet! War lang der Himmel trüb' und nebelgrau, Bald hell die Sonne goldne Strahlen sendet. Sprich nicht, Dein Leben sei nur schwer und trüb' Und glaube, Andre haben mehr zu tragen; Sprich demuthvoll: Herr, was Du willst, das gieb, Ich will nicht fragen, sondern still ertragen! Blumen und Sterne Die Sterne und die Blumen Traute Geschwister sind, Der Stern ist das Kind des Himmels, Die Blume der Erde Kind. Der Himmel hat seine Sterne, Die Erd' ihren Blumenflor, Das ist zur Erde ein Grüßen, Ein Grüßen zum Himmel empor. Geht still im schwarzen Gewande Die Nacht über Berg und Thal, Dann giebt sie dem Himmel die Sterne Als feurige Küsse zumal. Und wenn der Tag der Erde Die blühenden Lippen küßt, Bei jedem Kuß eine Blume Farbig und duftend sprießt. Drum lieb' ich die Blumensterne Von zarten Düften geschwellt, Drum lieb' ich die Sternenblumen Am nächtlichen Himmelszelt. Drum lieb' ich auch leidenschaftlich Die schönen Mädchen und Frau'n, Die sind, wie irdische Sterne, Wie himmlische Blumen zu schaun. Der Mutter Aug' Die süßen Augen, die für mich gewacht Mit bangen Sorgen manche schwere Nacht, Die unruhvoll aufs Lager hingeschaut Und müd' nicht wurden, bis der Tag gegraut: — Sie waren meiner Kindheit Sternenlicht, Der Himmel meiner Mutter Angesicht, Daraus wie Äthersblau so rein und klar Mir leuchtete das liebe Augenpaar. Sie sahen liebevoll auf meine Bahn, Seit zagend ich den ersten Schritt gethan, Sie räumten jedes Steinchen schnell zur Seit' Und hüteten den Pfad zu jeder Zeit. Sie haben oft im brünstigen Gebet Für ihres Kindes Wohl zu Gott gefleht, Und nie gezürnt und immer wieder lieb Mich angeschaut, wenn ich gesagt: vergieb! Und als verlassen ich die Heimath süß, Das Mutterauge nimmer mich verließ; Ich sah's im Wachen, und ich sah's im Traum Besorgt und treu an meines Lagers Raum. Es war der Engel, der mich warnte leis', Wenn ich abirren wollt' vom rechten Gleis', Der aus des Lebens wildem Sturmesbraus Gesund mich führt zurück ins Vaterhaus. O Mutteraug'! Du Sonne, ewigklar, Du Himmelsstern, hell leuchtend wunderbar, Du Diamant, mit nie getrübtem Schein, Du schönste Perle, mild und köstlich rein! Du Silberthau, der jede Wunde heilt, Du Engel, der uns schützend nahe weilt, Du heil'ger Born, der hohe Wunder thut, O Mutteraug', du größtes Himmelsgut! Nornagest Im fernen Nord, wo ragend die grauen Felsen stehn Und mit den Riesenhäuptern in weite Ferne sehn, Da herrschet rauher Winter, der greise Nordensgast, Der von den blauen Fluthen verbannt den schwanken Mast, Dort grünet keine Palme, kalt blickt der Sonne Strahl, Kein süßes Lied ertönet aus grünem Hain im Thal, Dort schlagen dunkle Wogen ohn' Ende an den Strand, Als wollten sie begraben das alte Norreland. Und hoch auf ries'gem Felsen seh' ich drei Frauen stehn, Die eine finsterblickend, die andern mild und schön. Das sind die alten Nornen, die tragen Menschenloos Und Menschenlust und Wehe verhüllt in ihrem Schooß. Einst herrschte hier ein König, an Gold und Gütern reich, Doch hat er einen Demant, dem sonst kein andrer gleich, Sein Weib, das engelschöne, mit Reizen ohne Zahl, Ihr Antlitz Sonnenschimmer, ihr Auge Sternenstrahl. Eins fehlt ihr nur zum Glücke, denn oft mit feuchtem Blick Ersehnte sie das sel'ge, das hohe Mutterglück. Und als sich's unterm Herzen ihr regte still und leis', Wie hat sie da den Göttern gelobet hohen Preis. Die Schicksalsschwestern saßen auf hohem Fels am Strand, Dem weißen Königshause die Blicke zugewandt. Dort lacht und weint die Fürstin in sel'ger Mutterlust Und drückt ein Kind, ein süßes, an ihre trunkne Brust. „Euch, o Ihr Nornen, dank' ich dies Glück, so eilt herbei, Damit das Loos des Sohnes im Leben heiter sei, Und weil Ihr ihn mir schenket, nenn' ich ihn Nornagest, Daß Euer schützend Walten den Theuern nie verläßt!“ Da wird es hell im Saale, ein goldner Purpurschein Fließt aus der Höhe glänzend und wundersam herein. Die Nornen nah'n geflügelt, verhüllt in ihrem Schooß Trägt für den jungen Prinzen jedwed' ein Lebensloos. Die Erste schlang mildlächelnd ihm einen Rosenkranz Um seine Stirn und sagte: „Voll Duft und Farbenglanz Mag Dir das Leben blühen, stets weise sei Dein Herz, Maaßhaltend in der Freude und unverzagt im Schmerz!“ Die Zweite legte nieder auf seine Wiege leis' Ein Lautenspiel, ein gold'nes, ein grünes Lorbeerreis: „Die Laute wird Dich trösten, Dir stets Begleiter sein, Der Lorbeer wird sich winden grün um die Schläfe Dein!“ Die Dritte finster blickend hob wild empor die Hand: „So lang nur sollst Du leben, bis nieder ist gebrannt Am Altar dort die Kerze, und wenn die Flamme sinkt, Dann hat zum letzten Male die Sonne Dir geblinkt.“ — Die Nornen sind verschwunden; die Königin preßt still Die Hand auf's wunde Herze, das ihr zerspringen will: „O Götter, habt Erbarmen, wenn nur verliehen Ihr Mein Kind, um es zu rauben, o warum gabt Ihr's mir?“ Bald sinkt die Flamme nieder, sie schaut im Geiste schon, Wie sie erlischt, und bleicher und bleicher wird ihr Sohn, Da plötzlich zuckt es leuchtend ihr über's Angesicht, Sie steigt empor die Stufen, und löscht das Lebenslicht. „Nicht soll mein Kind mir sterben, erst wenn sein Haar gebleicht, Und er sich sehnet müde zur Grabesruh' vielleicht, Dann zünde er die Kerze, und harr' in stiller Ruh', Bis sie erlischt und lächelnd die Augen fallen zu!“ — Bald ward das Kind zum Jüngling, das Volk war ihm gar hold; Doch trug er nicht den Scepter und nicht der Krone Gold, Trug nicht den Purpurmantel, nicht königlich Gewand: Er wollte nimmer herrschen, zog singend durch das Land. Manch Herz hat er gerühret mit seinem Zauberlied, Man sah ihn gerne kommen und weinte, wenn er schied. Er lebte hundert Jahre, sah froher Tage viel, Die Lebenskerze ruhte in seinem Saitenspiel. Und als er lebensmüde, da lenkt er seinen Fuß Auf eines Berges Höhe und spielte seinen Gruß Dem weiten Norrelande und sang voll glüh'nder Lust Sein Schwanenlied, das süße, so voll aus tiefster Brust. Die Kerze flammet wieder und in die rothe Glut Schaut Nornagest, den Lorbeer um's Haupt voll Todesmuth, Und sang und spielte, bis sie hernieder war gebrannt: Da saß er todt noch lächelnd, die Harfe in der Hand. Kunst! den Menschengeist veredeln Kunst! den Menschengeist veredeln, Wie auch nied're Wünsche streiten: Das ist dein Beruf! Durch das Labyrinth des Lebens Herzen zur Vollendung leiten: Das ist dein Beruf! Sonne! goldnes Aug' des Tages, An des Lichtes heil'gem Urquell Zünde deinen Stral; Und durchflamme dann das Dunkel Ungemess'ner Himmelsweiten: Das ist dein Beruf! Mond! du Silberaug' der Nächte, Leuchte, wenn die Erde schlummert, Mild in ihren Traum; Treu und dankbar deine Herrin Auf der Weltenbahn begleiten: Das ist dein Beruf! Frühling! Duft- und Blüthenbringer, Du, des Jenseits schönster Bürge, Walte, Friedensfürst; Jedes Herz mit Glück zu segnen, Lust und Wonne zu verbreiten, Das ist dein Beruf! Dichtung! flamme, leuchte, blühe, Denn du bist für uns hienieden Sonne, Mond und Lenz; Uns das Dasein zu verklären, Herrlich über Raum und Zeiten: Das ist dein Beruf! Dichter! unsern Freudetagen Sei die Sonne; unsers Kummers Nächten sei der Mond; Streu', als Himmelslenz, der Lieder Blumensaat für Ewigkeiten: Das ist dein Beruf! Willkommen, o Frühlingssonne Willkommen, o Frühlingssonne Nach langer betrübender Nacht! Ihr Auen und Thalgefilde, Zum blühenden Leben erwacht! Du leuchtende Himmelsbläue, Von rosigen Wolken umsäumt! Ihr prangenden Wiesenfluren, Zu farbigen Flammen entfacht! Willkommen, ihr lauen Nächte, Von Düften und Tönen durchwogt, Zu tändelndem Scherz und Frohsinn, Zum Lieben und Küssen gemacht! Es hat uns der Lenz, ein Engel, Aus Lichtparadiesen gesandt, Im schwellenden Segensfüllhorn Unendliche Freuden gebracht. Er nahet als stolzer Heros, Erobrer und Sieger zugleich, Es neigt sich die Welt dem Zauber Der ewigen göttlichen Macht. Das Blumengewand der Erde Wird Spiegel dem himmlischen All: Ein seliges Engelsantlitz, Das liebend entgegen uns lacht. — Hell töne mein Lied, ein lauter, Begeisterter Feiergesang! O Lenzeswonne, willkommen, In blumiger, duftiger Pracht! Wir haben gezecht Wir haben gezecht und wir haben geschwärmt Die ganze Nacht hindurch; Bei schäumenden Bechern gelacht und gelärmt Die ganze Nacht hindurch. Wir haben gekost und wir haben geküßt, Und lustberauscht das Herz An lieblichen Augen erquickt und erwärmt Die ganze Nacht hindurch! — Am Morgen erschien mit betrübtem Gesicht Der Sofi kalt und ernst: Er hat sich um unsere Sünden gehärmt Die ganze Nacht hindurch! Freund, wenn dir das ernste Schicksal Freund, wenn dir das ernste Schicksal Eine heiße Wunde schlägt, Denk', daß jedem Erdenschmerze Die Erlösungsstunde schlägt; Daß des Berges Erz, das edle, Durch die Feuerprobe geht, Eh' des Künstlers Hand der Münze Reine Goldesrunde schlägt; Daß oft an des Kraters Rande Frühlingsheitre Blumen blühn, Ob auch der Vernichtung Flamme Wild aus seinem Schlunde schlägt; Daß die Nachtigall, die holde, Fern des Tages lautem Glanz, Unbemerkt im stillentlegnen, Dunkeln Thalesgrunde schlägt. Denn nur deshalb naht die Trauer Deinem Herzen bang und schwer, Weil es später um so heitrer Bei der Freudenkunde schlägt. Die Lieb' ist eine Perle schön Die Lieb' ist eine Perle schön, Die tief im Meeresgrunde ruht, Ein Diamant, der still und rein Im dunkeln Bergesschlunde ruht. Die Lieb' ist wie ein Glanzgestirn, Das lebenspendend, segensvoll Auf allen Wesen in des Alls Erhabner Schöpfungsrunde ruht. O Perle, Diamant und Stern! Ihr leuchtet wie ein Räthselwort, Das ungesprochen, tiefverhüllt In heil'ger Zauberkunde ruht. Natur und Gott! ihr spiegelt klar, Was man auf Erden Liebe nennt; Wer aber todt an eurer Brust, Wer kalt an eurem Munde ruht: Dem ist die Lieb' ein Tropfen Thau's, Der glänzend zwar, doch flüchtig blinkt, Und der im duft'gen Blumenkelch Nur eine kurze Stunde ruht. Das Mosellied O frische Lebensquelle, So licht und wunderbar! Sie glänzt wie Morgenhelle, Wie Sonnengold so klar. Auf! laßt die Gläser klingen, Schenkt allen Brüdern ein! Es gilt ein Lied zu singen, Ein Lebehoch zu bringen Dem edlen Moselwein! Und um so heller schallen Soll's durch das ganze Land, Weil längst schon von euch Allen Die Mosel schwer verkannt. Ihr preist den Rhein zur Stunde Und seinen goldnen Trank; Er lebt in aller Munde, Und doch — vernehmt die Kunde! Nur ihr gebührt der Dank. Denn wißt, die Elfen hatten Dem Rhein schon früh erzählt, Daß ihn zu ihrem Gatten Die Moselmaid gewählt. Da ward sein ganzes Leben Zu heißer Liebesgluth; Nur das hat seinen Reben So hohen Werth gegeben: Sie stehn in heil'ger Hut! Er stürzt sich bei Schaffhausen Durch wildes Felsrevier Und lächelt all dem Grausen, Es führt ihn ja zu ihr! An blühenden Geländen Vorbei ohn' Rast und Ruh, Wirft er mit vollen Händen Von allen Bergeswänden Ihr Blumenkränze zu. Aus Trauben blau und golden Schickt er den Glanz und Duft, Als Liebesgruß der Holden Wohl durch die weite Luft. Wer je das Rheinweinfeuer In tiefster Brust empfand, Dem wird die Mosel theuer; Der Ruhm, der Ruhm ist euer, Ihr dort im Moselland! Die Mosel, fromm und sinnig, Nach Moslerinnen Art, Sie hat sein Bild herzinnig Und vielgetreu bewahrt. Sie bleibt im süßen Glauben Des Liebsten eingedenk; Und rings in Rebenlauben, Da reifen ihre Trauben Zum schönsten Brautgeschenk. Und wo sie sich umschlingen, Die Mosel und der Rhein, Wem dann der Kranz zu bringen, Da darf kein Zweifel sein: In seiner Brüder Kreise Der Rhein als Ehrenmann; Doch zu des Schönen Preise Gehn ja nach deutscher Weise Die Frauen stets voran! Drum hoch das Glas erhoben, Und leert's bis auf den Grund! Den Moselwein zu loben, Thut allen Freunden kund. Laßt's wie Posaunen schallen, Herbei! klingt an! stimmt ein! Und jubelnd wiederhallen: Die Herrlichste von Allen, Die Mosel und ihr Wein! Nordlicht Es leuchten hell die Nordlichtsgluten Auf des Polargebirges Höh'n, Sie spiegeln in des Eismeers Fluten Sich flammenprächtig, wunderschön, Sie senden ihre Strahlengarben Weit in des Äthers Blau hinein, Und schmücken ihn mit ihren Farben In morgenrothem Wiederschein. Doch all der Glanz und all der Schimmer Ersetzt die liebe Sonne nicht; Nur eine Mahnung bleibt es immer An das entschwund'ne Himmelslicht. Es kann uns keine Tröstung geben In seiner todten Trauerpracht, Und kann den großen Schmerz nicht heben Der ewig langen Winternacht. So ist mein Herz; in seinen Tiefen Erwacht es oftmals hell und klar, Wie wenn mich Engelsstimmen riefen, Erklingt es dann so wunderbar. Und es erblüht ein Lenzesgrüßen In meiner Brust, so liebesmild, Und wie im Schlaf, dem traumessüßen, Erscheint ein vielgeliebtes Bild. Doch all dies lichte Blumenglänzen, Das sich so frühlingsheiter malt, Wird nur von welken Freudenkränzen Aus ferner Zeit zurückgestrahlt. Dahin die Sonne meines Lebens, Die einst so schön, so hold gelacht, Und meine Seele ringt vergebens Nach einem Trost in dunkler Nacht. Und wie des Nordlichts hehres Leuchten, Von Wolkenstürmen kalt umweht, Am Horizont, dem nebelfeuchten, Erblaßt, verschwimmt und untergeht: So zieht auch mir die Lust vorüber Und doppelt fühl' ich mich allein, Und meine Nacht wird nur noch trüber, Kann nur noch hoffnungsloser sein. Azrahel Sei mir willkommen tausendmal, Azrahel! Mit deinem Antlitz bleich und fahl, Azrahel, o Azrahel! Verhaßt ist mir dies Jammerthal, Wo Gram mir nur und Seelenqual Und Leiden blühen ohne Zahl, Azrahel! Wo längst mir schwand der Hoffnung Strahl, Azrahel, o Azrahel! Gar oft in stiller Mitternacht, Azrahel! Hab' sehnsuchtsvoll ich dein gedacht, Azrahel, o Azrahel! Gar oftmals, wenn des Kummers Macht Fast zur Verzweiflung mich gebracht, Sah ich dein Bild mir nahen sacht, Azrahel! Und fühlt' mein Herz in Glut entfacht, Azrahel, o Azrahel! Dahin ist meiner Jugend Traum, Azrahel! Zerstoben wie im Wind der Flaum, Azrahel, o Azrahel! Verwittert gleich dem dürren Baum, Der trauernd steht am Wiesensaum, Kenn' ich mich jetzo selber kaum, Azrahel! Und leer ist meines Herzens Raum, Azrahel, o Azrahel! Du nahmst hinfort die Freunde mir, Azrahel! Die mich dereinst umkreisten hier, Azrahel, o Azrahel! In ihrer Jugend Kraft und Zier Folgt' einer nach dem andern dir; Ich sah sie liegen starr und stier, Azrahel! Und ich verging vor Trauer schier, Azrahel, o Azrahel! Auch sie, die einst mein Herz erfüllt, Azrahel! Ruht längst von Grabesnacht umhüllt, Azrahel, o Azrahel; Noch seh' ich ihr geliebtes Bild, So sanft, so süß, so engelsmild — Wie braust in mir das Blut so wild, Azrahel! Von Sehnsucht heiß und ungestillt, Azrahel, o Azrahel! Und Alles, was in schön'rer Zeit, Azrahel! Mein hoffnungsahnend Herz erfreut, Azrahel, o Azrahel! Es ward von rauhem Sturm zerstreut, Und einsam, freudlos lausch' ich heut Dem Lenzesjubel weit und breit, Azrahel! Mir klingt's wie dumpfes Grabgeläut, Azrahel, o Azrahel! Umsonst mein Herz nach Linderung ruft, Azrahel! Mein Wort verhallet in der Luft, Azrahel, o Azrahel! Vom Jenseits trennt mich eine Kluft, Die Erde dünkt mich eine Gruft, Und selbst der Frühlingsblüthe Duft, Azrahel! Erscheint mir fast wie Moderluft, Azrahel, o Azrahel! So reich' denn liebend mir die Hand, Azrahel! Du Bote aus dem Schattenland, Azrahel, o Azrahel! Vom dunkeln Hades hergesandt, Im milden, friedlichen Gewand Nahst du, die Fackel umgewandt, Azrahel! Wohlauf, zur Reise nach dem Strand, Azrahel! Nach des Anereus stillem Strand, Azrahel, o Azrahel! Ruhm und Liebe Die Göttin rief vom Heiligthume: „Ein Wunsch, o Sterblicher, sei dein! Verlangt dein Herz nach ird'schem Ruhme? Wie, oder soll's die Liebe sein?“ „Und kann ich beide nicht erringen,“ Sprach ich, „so sei die Liebe mein! Es nennt nach redlichem Vollbringen Den Ruhm im Tod der Edle sein.“ Gedenke mein Gedenke du mein, wenn Aurora am Morgen Erröthend der Sonne die Pforten erschließt; Gedenke du mein, wenn nach Mühen und Sorgen Die Nacht dich im Schleier der Sterne begrüßt! Wenn Freuden dich fröhlich wie Tänze umschweben, Wenn Leiden gleich Dornen die Kränze durchweben, Mit Beiden dahinfließt im Lenze dein Leben, Gedenke du mein! Gedenke du mein, wenn im trauten Vereine Der Freunde dir Stunde um Stunde verstreicht! Gedenke du mein, wenn betrübt und alleine Du weinest und langsam die Zeit dir entschleicht! Wenn ferne du wandelst vom wilden Getümmel, Wenn gerne du aufblickst zum milden Gewimmel Der Sterne mit ihren Gebilden am Himmel, Gedenke du mein! Edler Liebe Segen Wie ist doch edle Liebe Ein unschätzbares Gut, Drin steht, von Gott gesendet, Ein Engel auf der Hut. Und will dein Fuß auch gleiten An steilen Abgrunds Rand, Es hält der fromme Engel Dich schützend bei der Hand. Deutsch-Straßburg O Straßburg, edle, feine, Du alte deutsche Stadt, Du feste Burg am Rheine, Die uns entrissen hat Vor hundert neun und achtzig Von Jahren schon der Feind, — Die schönste That vollbracht' sich: Bist wieder uns vereint! Auf deutschem Grund geboren, Gepflegt von deutscher Hand, Gingst, armes Kind, verloren Du in dem fremden Land; Und Deutschlands schmerzlich Sehnen In alter Lieb' und Treu' Ging stets nach dir, der Schönen — Nun bist du sein auf's Neu'! Es hielt dich fest gebunden Der Feind mit aller Kraft; Nun bist du ihm entwunden, Gelöst aus seiner Haft. Und bist du jetzt verstöret Auch elend, jämmerlich, Du Kind, das uns gehöret, Ganz Deutschland liebet dich! Ganz Deutschland wird dich hegen, Du edle, traute Maid; Es wird heran dich pflegen Zu neuer Herrlichkeit! Dem Feind bist du entrungen, Erkauft mit deutschem Blut, Dein Räuber ist bezwungen, Gedämpft sein Übermuth. Du bist bei Schwerterklingen Auf's Neue uns vertraut; Ganz Deutschland soll dir singen, Straßburg, du Heldenbraut! Sing', deutsches Volk! Ihr Heere, Singt, da zu End' die Noth, Daß alle Welt es höre: „Nun danket Alle Gott!“ Winterglück Dreschflegel fällt, Schneeflocke fliegt, So heimlich ist's drinnen im Stübchen, Wenn der Ofen singt und die Mutter wiegt Leis summend das kleine Bübchen. Es tickt die Uhr, es eilt so lind Der Tag in sinnigen Stunden; Wild ziehet der nordische, kalte Wind, Im Häuschen wird's nicht empfunden. Wie schaut von da sich's wohlgemuth Hinaus auf die schneeigen Matten, Und dann hinein voll süßer Gluth In die Augen der Kinder, des Gatten. Das Herz so froh und sonder Harm, Es möcht' mit dem König nicht tauschen — Und Arm wie Reich, so Reich wie Arm Kann solche Wonnen erlauschen. O Mutter „O Mutter!“ Ach, wie wecket in der Brust Des Menschen doch dies Wort ein mächtig Tönen! Wie führt es oft von höchster Freude Lust Zu tiefstem Schmerz, zu reuevollem Sehnen! Sie steht vor dir, die freundliche Gestalt, Du siehst das milde Aug', den Blick voll Liebe, Vernimmst der Rede fesselnde Gewalt, Denkst an der Hände Dienst in reinem Triebe. Ihr Arm umfängt dich, wenn dir Kummer naht, An ihrer Brust beweinst du dein Verschulden, Sie geht mit dir auf deines Glückes Pfad', Dein Vorbild ist sie in ergeb'nem Dulden. Es klingt kein Ton in Herzens Saitenspiel, Den man dem Mutterherzen nicht vertraute. Es gibt kein schönes, edles, hohes Ziel, Das für ihr Kind die Mutter nicht erschaute. Mit gläub'ger Liebe, hoffender Gewalt Und mit der Ahnung wunderbaren Träumen Umschließet sie ihr Kind; ihr Wort erschallt Tief in der Brust, wo auch der Fuß mag säumen. Verlor'nes Kind, verirrt im Weltgewühl, Hörst du der treuen Mutterstimme Warnen? Zu ihr, zu ihr! Dort winkt noch ein Asyl, Wie auch die Lust der Welt dich mocht' umgarnen. Doch ach — es naht ein Tag, bald ist er da, — Das treuste Mutterherz hört auf zu schlagen. Wie drücket dann die Brust, was einst geschah, Wie viel blieb noch zu bitten, noch zu sagen! — O Kind, wenn sich die Trauerweide neigt Sanft über der geliebten Mutter Hügel, Wie spricht dann erst der Mund, der fortan schweigt! Der Liebe Botschaft weiht des Todes Siegel. Wohl dem, der dann am theuren Grab darf steh'n, Umweht von frommer Mutter heil'gem Segen! Gefaßt in Gott wird er durch's Leben geh'n Stets aufwärts der Geschiedenen entgegen. Der erste Kirchgang Zum erstenmal im Hause Gottes du, Mein Kindlein mit der zarten, frommen Seele, Die blumenhaft dem Licht sich wendet zu — O daß sich Gottes Licht dir stets vermähle! Dein blaues Auge ist des Himmels Bild, Der Unschuld Spiegel sind die reinen Züge; Doch dir auch droht der Strom, der giftig schwillt Aus dunkler Hölle Schlund, der Strom der Lüge. Bewahr' die Himmelsblume, treuer Gott, Du Herr des Lichtes, vor der Nacht der Sünde; Gib, daß in deinem Hause dein Gebot Sich unerschütterlich in's Herz ihr gründe; Daß es für alles Hohe, Edle nur, Für Heil'ges poche bis zum letzten Schlage. Die holde Blume pflanz' in deine Flur, Daß schöner blühe sie von Tag zu Tage. Daß sie als Gotteslilie einst vor dir Voll Himmelswonne sich mög' dankend neigen. O Herr, dies fleh' ich an dem Tag zu dir, Der deinen Tempel ihr zuerst soll zeigen. Mein Leben und mein Dichten Maid von Juda, dein mit Wehe Denk' ich immer, spät und früh, Seit dein Auge mich getroffen, Wie ein Blltz vom Sinai. Hutterus Ich habe einst, von Wehmuth voll, besungen Ein traurig Märchen aus vergang'ner Zeit, Und sieh, es hat den Frieden mir errungen, Es hat die Seele mir vom Gram befreit. Dann kam das singend Kind mit leichtem Gange Und schuf und brachte mir ein neues Glück; Mit seinem seelenvollen Spiel und Sange Kam auch die alte Freudigkeit zurück. Und ob ich wieder auch mit thränenschweren, Getrübten Augen endlich scheiden sah Das holde Kind — mich konnte nicht verzehren Das herbe Leid, wo mir das Hassen nah. — Doch oh! wie anders ist es nun geworden, Seit jener große tausendjähr'ge Schmerz Sich hat geflüchtet von des Ostens Borden Dem jungen Westen zu — und in mein Herz! Es sah das Volk den Messias erscheinen, Und Juda's Schmerz ward jubelnd nun verbannt, Wie herb die Thräne, die es mußte weinen Einst um ihn eh'dem — hab' ich nun erkannt. Nun sitzt mir Juda's Schmerz tief im Gemüthe, Er sitzt und sinnt und brütet über sich Und läßt verwelken jede Lebensblüthe — Und wehe mir! am Ende bin's nur ich! Ich seh' ein Frauenbild in Fesseln schmachten, Das nur umsonst der Dränger sich erwehrt, Es will der Schmerz die Sinne mir umnachten, Wenn ich dort schau', wie sich's in Gram verzehrt. Geliebtes Weib — ich kann sie nicht befreien! Und wenn ein Makkabäer wieder käm' Und würde mich zum neuen Kampfe weihen: Verloren ist sie — ein Jerusalem. Doch 's überlebt die Menschheit jedes Trauern — Auch ich den Schmerz, der mich umfangen hält? Wie? oder ist er nicht zu überdauern, So er den Einzelnen einmal befällt? — Ein Augenblick „Warum so still die oft gespielte Leier, Und stumm das einst so laute Dichterherz? Warum denn senket sich dein sonst so freier Belebter Blick nun müde niederwärts? Wo sind die Flammen, die so prächtig glühten, Die Sangeslust, die jeden Druck entfernt? Was soll das freudenlose, dumpfe Brüten — Hast du die alten Weisen ganz verlernt? Wo ist der frohe Lebensmuth geblieben, Der einst so voll den Busen dir erwärmt? Vermag dein Herz nicht, wieder frisch zu lieben, Hat es denn nicht genug sich nun gehärmt?“ O still! es kann sich munter nicht erschließen Die Brust, eh' sie den letzten Schmerz bezwang, Wo brennend heiß die schwersten Thränen fließen, O da gedeiht kein muthiger Gesang! Wenn jäh des Todes scharfe Tigertatze Das Liebste reißet von der Erde fort: Da sind die lauten Klänge nicht am Platze, Da sind die Thränen, leis, am rechten Ort. Es ist ein hohes Leben mir gestorben: Laßt mich mein Lieb erst senken in das Grab — Es ist ein heilig Recht, das ich erworben: Laßt mich allein — sie senken still hinab! Drum sei nun still die oft gespielte Leier, Und stumm das einst so laute Dichterherz! Und darum senket sich mein sonst so freier, Belebter Blick auch thränend niederwärts! — Doch ja! damit das Leben herrschend walte: Wenn nun die letzte Thräne ist versiegt — Hier meine Hand — dann bin ich Euch der Alte! Den Blick hinan! — was hinter mir, verfliegt ... Mein Kirchlein Ich hab' ein Kirchlein mir gebaut An einem heimlich stillen Orte, Da ist's so selig und so traut, Da strömen meiner Andacht Worte, Von keines Menschen Ohr gehört, Da kann ich beten ungestört. Wenn's in mir froh und feierlich, Wenn Stürme durch die Seele jagen, Dann ruft zur kleinen Kirche mich Ein Glöcklein wohl mit lautem Schlagen, Das schlägt oft hell, das schlägt oft bang, Der Seele treuer Wiederklang. Das Kirchlein, das ich mir gebaut, Es steht im tiefsten Herzensgrunde, Nur Gott im Himmel hat's geschaut In des Gebetes hei'ger Stunde; — Wenn ich den letzten Kirchgang thu', Herr, schließe Du die Thüre zu! Der Fischerknabe Wenn des Meeres grüne Wogen Silbern schmückt die Mondennacht, Kommt ein schwanker Kahn gezogen Zu des Felsenschlosses Pracht; Bei der Welle Fall und Heben Singt der schöne Fischerknab': „Nur ein Lächeln für das Leben, Eine Thräne nur auf's Grab.“ Und das Fenster öffnet leise Dort ein holdes Frauenbild, Singt ihm nach die trübe Weise, Durch die Nachtluft rauscht es mild: „Möcht' Dir gerne Alles geben, Hab' ja, armer Fischerknab', Nur ein Lächeln für das Leben, Eine Thräne nur auf's Grab.“ Wenn der Liebe Gruß verklinget, Und zur Heimkehr schon bereit Seine Hand das Ruder schwinget, Lauscht am Fenster noch die Maid, Bis die letzten Töne schweben Durch die Felsenbucht herab: „Nur ein Lächeln für das Leben, Eine Thräne nur auf's Grab.“ Oft noch rudert er zum Thurme, Kämpfend mit des Meeres Wuth, Bis einmal zerschellt vom Sturme Kahn und Schiffer deckt die Fluth; Sie erschauet es mit Beben, Und das schönste Auge gab Nie ein Lächeln mehr für's Leben, Thränen nur auf's kühle Grab. Mannesthräne Bist Du ein Mann, darfst Du nicht weinen, Die Thräne ist des Weibes Gut, Bist Du ein Mann, laß Dir's nicht scheinen, Ob drinnen Ebbe oder Fluth. Und fluthet's drin gleich einem Meere, Und wogt's im Sturme bis an's Haupt, Dem Manne ist nur eine Zähre, Nur eine einzige erlaubt: Die ist's, die bei dem schwersten Loose Mit keiner fremden Du vereinst, Die Thräne ist's, die selt'ne, große, Die Du zurück ins Herz Dir weinst. Die Fichte Stund einst daheim im tiefen Waldesgrunde Ein junges Fichtenbäumchen schlank und stolz, Gar traut und heimlich war es in der Runde, Zwei Namen zierten seines Stammes Holz. Und eh' die Morgensonne ihren Segen Dem grünen Wipfelmeere mitgetheilt, Kam oftmals auf geheimnißvollen Wegen Ein Mädchen von der Flur herbeigeeilt. Ein flüchtig Roth trat auf die holden Wangen, Wenn sie mit Halmengras ein Sträußchen band An jenen Baum und dann mit scheuem Bangen Den Weg zurück zum nahen Dörfchen fand. Der Abend stieg herab, kein Blättchen rauschte Mehr in des Waldes stillem Schattenreich, Und dem Gebet der Abendglocke lauschte Der alten Tannen mächtiges Gezweig. Da naht ein Mann im grauen Jägerkleide, Der nahm den Strauß mit flücht'gem Liebeskuß Und einen Kranz von Enzian und Haide Ließ er zurück als stummen Gegengruß. So wechselten, durch trübes Loos geschieden, Zwei Liebende gar lang der Treue Pfand, Bis endlich bei des Lenzes neuen Blüthen Ein schöner Tag fürs Leben sie verband. — Oft grüßt mein Weib in trauter Abendstunde Die welken Kränze im Erinn'rungstraum; Möcht' wissen, ob daheim im Waldesgrunde Noch grünet uns'rer stillen Liebe Baum. Mein Lied Mein Lied ist wie die Nachtviole, Die ihrer Kelche matten Duft, Wenn längst des Tages Glanz gesunken, Nur theilet mit der Abendluft. Denn was ihr tief im Herzen wohnet, Ist für der Sonne Strahlen nicht, Drum weiht sie es im Dämmerscheine Des Abendsternes mildem Licht. Der senket dankend eine Perle Vom Himmelsthau in ihre Brust, Die sie bewahret bis zum Morgen Zu neuer Kraft und Blüthenlust. So weih' auch ich in stillen Stunden Der Freundin nur mein einfach Lied, Und wenn in ihrem treuen Auge Mir dankend eine Perle glüht; Dann hab' ichs rein und wahr empfunden, Daß der nur ein beglückter Mann, Der für sein Lied ein Herz gefunden, Mit dem er's liebend theilen kann. Der Blinde Auf der Moosbank seh ich sitzen Einen blinden stillen Mann, Sonnenstralen um ihn blitzen Durch den dunkelgrünen Tann, Blumen glänzen ihm zu Füßen, Lächeln hold ihn an und traut, Aber fruchtlos ist ihr Grüßen Ihm, der nichts auf Erden schaut. Doch wie ich sein Bild betrachte, Staun ich fast vor ihm zurück, Er, den ich mir elend dachte, Scheint erfüllt von innrem Glück, Ringsher ist sein Haupt umflossen Von des Friedens mildem Licht, Süße Ruhe ausgegossen Auf sein heit'res Angesicht. Ihm zur Seit, ein Buch im Schooße, Lehnet eine Fraungestalt, Die ein Glanz, als wärs der Rose Sanftes zartes Roth, umwallt, Emsig liest dem armen Blinden Aus dem kleinen Buch sie vor, Und dem Ton, dem klaren, linden, Horcht die Seel' in seinem Ohr. Oft bei einer schönen Stelle Sucht er der Gefährtin Hand, Und die Stirne wird ihm helle, Wenn er sie, die weiche, fand; Oft auch greift sie nach der seinen, Drückt sie mit bewegtem Sinn, Und es geht ein leuchtend Scheinen Über Beider Antlitz hin. Ist sie Tochter, Frau, Geliebte? Was sie sei, mir gilt es gleich, Eine ists, die für Betrübte Ein Gemüth hat, tief und reich, Eine, die kein Opfer scheuet, Eine, die sich selbst vergißt, Wenn nur er, dem sie sich weihet, Nicht die kleinste Freude mißt. Sie erheben jetzt sich Beide, Sorglich stützt sie seinen Gang, Da ertönt von ferner Weide Plötzlich einer Flöte Klang; In dem Antlitz ohne Sonne Malt sich strahlend Himmelslust, Und der Sel'ge drückt in Wonne Die Genossin an die Brust. Herr, du hast ihm viel genommen, Aber viel auch ihm geschenkt, Statt des Augs, das ihm verglommen, Ihm das Herz mit Licht getränkt! Laß ihm diesen holden Schimmer, Diese innre reiche Pracht, Und er wandelt nun und nimmer, Ob ein Blinder auch, in Nacht. Der Wald Wenn ich mit ernstem Sinn durch mächt'ge Forste geh', Und all' die hohe Pracht, die grünen Wunder seh', Dies Baumvolk, welches wächst und stirbt und neu beginnt, Den Greis, den Mann im Wald, den Jüngling und das Kind Dann lenket sich mein Geist in frühe Zeit zurücke, Und seherhaft ergehn im Künft'gen sich die Blicke. Du hohler Riesenbaum, was hast du wohl erlebt, Seit aus dem Eichelkern dein Keim emporgestrebt! Geschlechter sanken hin, Geschlechter standen auf Indeß du grüntest fort, und wuchsest still herauf, Und traf dich auch ein Blitz, hast du im Sturm gezittert, Dein Haupt, es blieb verschont, die Wurzel unerschüttert. Vorüber sind sie nun, die Tage deiner Kraft, Das Greisenalter kam, es stockt der Lebenssaft, Dein Laub ist fahl und dünn, im Marke pickt der Wurm; Von deinem morschen Leib fällt Glied um Glied im Sturm; Du stirbst und stirbst doch nicht — dein Lebenswerk zu krönen, Hast du vervielfacht dich in tausend Enkelsöhnen. Die jüngern Eichen hier, bald nützen sie der Welt; Die wird gebraucht zum Damm, der ab den Bergstrom hält, Und die zum starken Wehr, von dem die Schaumfluth braust, Und die zum Wellenbaum, an dem das Mühlrad saust, Die andern werden bald als Halt der Dampfbahn liegen, Auf der mit Windeseil' zu Völkern Völker fliegen. Ein dunkler Tannenhain streckt dort sich hoch empor, Und über ihn noch ragt ein Fichtenwald hervor; Ja, schaut nur kühn umher, ja, raget nur recht stolz, Zu Thurmesspitzen seid und Masten ihr das Holz, Ihr schlanken Föhren auch sollt hohem Drang genügen, Ihr sollt das Schiff uns baun, ihr sollt das Weltmeer pflügen! Auch ihr von minderm Wuchs, von euch geht Wohlthat aus Dem Menschen überall; euch dankt er Hütt' und Haus, Ihr wärmt ihm das Gemach, ihr flammt auf seinem Herd, Ihr wahrt, erhaltet ihn, indem ihr euch verzehrt; Ihr wißt mit Schatten ihn, so lang ihr lebt, zu laben, Und schenkt ihm, sterbet ihr, noch mehr willkommne Gaben. Dort ist gemischter Wald, der frisch im Wachsen steht, Aus ihm wird Wieg' und Sarg, und manches Hausgeräth, Aus ihm auch wird der Pflug, der alle Welt ernährt, Der Wagen, der das Gold des Korns vom Acker fährt, Die Scheune, drin es ruht, der Schlegel, der es drischt, Der Trog, drin man zum Brod das Mark der Ähre mischt. Auch jenes Unterholz, so schwach es scheint und klein, Will gerne nützlich schon, der Erde dienstbar sein; Zu Hau'n und Schaufeln gibt's den Stiel, den Zaun, den Pflock, Blutgier'gen Lanzenschaft, barmherz'gen Krückenstock, Es gibt die Stange, drum sich Reb' und Hopfen windet, Das Stäbchen selbst, daran der Gärtner Blumen bindet. O, Segen ist im Wald! Wenn ich ein Pfleger wäre Von solchem Heiligthum, ich dünkt in meiner Sphäre Gleich einem Priester mich, zu wahren einen Schatz, Vom höchsten Herrn der Welt gestellt an meinen Platz, Ich glaubte mich dereinst vor seines Thrones Stufen Vom anvertrauten Gut zur Rechenschaft berufen. Ihr, die ihr wahren sollt solch anvertrautes Gut, Für seine Pflege sorgt, und haltet's treu in Hut. Sä't, pflanzet ohne Rast, laßt nicht ein Plätzchen frei, Drauf nicht ein Samenkorn, ein kräftig Pflänzchen sei, Übt eure heil'ge Pflicht, und scheuet nicht Beschwerde, Der Klugheit und dem Fleiß ist dankbar stets die Erde. Und wenn es keimt und sproßt in einem jungen Schlag, Dann fleht den Himmel an inbrünstig Tag für Tag, Daß eure Pflanzung nicht an Näss' und Dürre stirbt, Daß sie der Käfer nicht, die Raupe nicht verdirbt, Und daß im Frost auf sie, die grünen Kinder alle, Ein leichter weicher Schnee als warmes Bettlein falle. Wer einen Baum gepflegt, bis er dem Auswuchs naht, Der kann sich deß erfreun, und rühmen einer That, Wer einen Wald gehegt, bis, vor Gefahr geschützt, Er aufstrebt und gedeiht, der hat genug genützt, Er tröste sich damit, will einst der Tod ihn raffen, Daß er ein Segenswerk, der Welt ein Heil geschaffen. Lerche und Seele Noch im Schlummer ruht die Welt, Kaum erst graut der Morgen, Schon entschwingt sich Lerche dem Feld, D'rin sie war geborgen. Wie du früh am Tagwerk bist, Arbeit ohne Beschwerde, Die ein ewiges Schweben ist Zwischen Himmel und Erde. Trillernd, jubelnd steigst du auf, Sachte sinkst du nieder, Und du endest den kühnen Lauf Immer am Boden wieder. Oben bist du doch nur ein Gast, Bist an den Grund gekettet, Wo du ein grünes Plätzchen hast, D'rein du dich weich gebettet. — Meine Seele, wie gleichest du Dieser Lerch' im Leben, Denn auch du mußt ohne Ruh' Auf und nieder schweben. Wenn auch sonnenwärts in Lust Oft du dich schwingest munter, Immer geschieht es, daß du mußt Wieder bald herunter. Lassen kannst du das Fliegen nicht Hin, wo die Sterne winken, Reinere Luft und helleres Licht Mußt du zuweilen trinken. Doch bis an das höchste Ziel Nicht vermagst du zu dringen, Denn es hängt dir allzuviel Irdischer Staub an den Schwingen. Zwischen Himmel und Erde so Bleibst du in stetem Wandern, Bist des einen selig froh, Und erfreust dich der andern. Einst fällt aller Ballast von dir, Sonnenwärts wirst du schweben, Aber hier genüge dir Dieses Lerchenleben. Ein schönes Alter Du lieber muntrer Greis von mehr als achtzig Jahren, Du, noch so frisch an Geist, Sag an, wie konntest du den heitern Sinn, den klaren, Die ungetrübte Lust am Dasein dir bewahren, Die oft dein Mund uns preist? Dein Loos ist glänzend nicht, du mußt gar viel entbehren, Was schwer ein Jüngrer mißt, Du fühlst manch Übel schon an deinen Gliedern zehren, Dich drückt manch Ungemach, die Schwäche kann sich mehren In einer kurzen Frist. Und dennoch lächelst du, so oft wir dich erblicken, Mit frohem Angesicht, Dich freut ein klug Gespräch, ein Scherz kann dich erquicken, Erheben gute That, ein schönes Lied entzücken, Begeistern ein Gedicht. Wie hast du aus dem Drang des Lebens dir errettet So viele Freudigkeit, Daß, in Genügen du und Wohlgefühl gebettet, Kaum merkst der Fessel Druck, an die uns Andre kettet Des Alters harte Zeit? — „Ich will es auch vertraun,“ so klang das Wort des Greisen, „Nicht strebt ich stolz empor, Die Ehrsucht trieb mich nicht nach hochgesteckten Preisen, Ich jagte nicht nach Gold, und trat nicht aus den Kreisen Der Mittelstraße vor. So stand ich Andern nicht im Wettkampf schroff entgegen, Und blieb vom Haß verschont, Von Bösen schied ich mich und ihren krummen Wegen, An Braven hielt ich fest, und ward durch hohen Segen Der Freundschaft auch belohnt. Ich floh den Müßiggang, ich ließ mich nie erschlaffen, Der Pflicht mir stets bewußt, Als Knab', als junger Mann, als Krieger dann in Waffen, Als Greis, so lang noch Kraft mir blieb, war tüchtig Schaffen, War Arbeit meine Lust. Doch hab' von irdischer Wonn' ich auch mein Theil genossen In frischer Jugendkraft, Nur ist der Becher nie mir sprudelnd überflossen, Nie ward ich, wie im Sturm ein Kahn, umhergestoßen Im Kampf der Leidenschaft. Ich liebte die Natur. Wie ward ich hingerissen Von ihrer Wunder Pracht! Auf Bergen stand ich oft, wo sie die Wolken küssen, Ich stieg zur tiefsten Schlucht, ich schifft auf Seen und Flüssen In mancher Sternennacht. Noch ward mir auch ein Heil vom guten Gott verliehen: Gar süßer Schlaf und Traum; Nach jedem rauhen Tag konnt ich der Sorg entfliehen, Und fühlte mich empor von Engelshänden ziehen Zum lichten Himmelsraum. Glaubt nicht, ich sei so müd, Verlangen schon zu tragen Nach stumpfer Rast und Ruh', Noch will es in der Welt Bewegung mir behagen, Doch — wenn die Stunde naht, so schließ ich ohne Klagen Getrost die Augen zu. Ich lebt' und träumte schön; bald fällt der Baum zur Erden, Aus ihm wird neuer Keim; Ich hoff', es soll sich mir nicht finster auch geberden Der Tod, der Übergang; die Liebe ließ mich werden, Die Liebe führt mich heim.“ Keim und Kind Wenn ich den kleinen Keim betrachte, Aus dem einst frisch die Pflanze dringt, Aus dem, wenn Lenzesgluth erwachte, Die bunte Blume sich entschwingt, Aus dem ein Heilkraut sich entfaltet, Aus dem ein Fruchtbaum sich erhebt, Aus dem die Eiche sich gestaltet, Die riesig gegen Himmel strebt: Dann tief im innersten Gemüthe Bestaun' ich still die hohe Kraft, Die Frucht erweckt aus Keim und Blüthe, Im Kleinsten wirkt, und Größtes schafft; Und allen Keimen wünsch' ich Segen, Und guten Grund in Feld und Au, Und Sonnenschein und milden Regen, Und warme Nächt' und kühlen Thau. Doch wenn ein holdes Kind ich sehe, Gewiegt von treuer Mutterhand, Halb ist's noch in des Himmels Nähe, Noch Gast und Fremdling unserm Land, Ein tief Geheimniß dieser Erden, Das erst die Zukunft einst erklärt, Ein Räthsel, eine Welt im Werden, Die im Gestaltungskampfe gährt: Wenn ich es seh', ein solches Wesen, Da faßt ein Sturm mich von Gefühl, In seinen Zügen möcht' ich's lesen, Was einst sein Loos im Weltgewühl; Wird's glücklich sein, wird's Glück gewähren? Das Aug', das jetzt so selig lacht, Wird's nicht, erfüllt von bittern Zähren, Durchwachen manche lange Nacht? Das Kind, wenn Mann einst, wird es wirken Fürs Heil der Menschheit ernst und kühn, Wird's, wenn es Weib, in den Bezirken Des engern Hauses freudig blühn? Wird's nicht vielleicht die Welt erschüttern, Vielleicht vergessen untergehn, Wird man es lieben, vor ihm zittern, Wird auch ein Herz sein Herz verstehn? O Weisheit, die du Knospenkeime Bewahrst vor Frost und vor Gewürm, Noch mehr als Pflanzen, Blumen, Bäume, Bedarf das Kindlein deinen Schirm; Ist es bedroht von Unglücksblitzen, Dann nimm es lieber wieder heim, Doch winkt ihm Heil, so woll' ihn schützen, Den kleinen großen Menschenkeim! Weihestunden Über der Erde schwebt ein Geist, Ein warmer Hauch zu Zeiten, Der an die Seel' mir seltsam streift, Ich fühl' es, wie er mich ergreift, Und kann ihn doch nicht deuten. Am Morgen, Mittag ist es nicht, Wo er sich mir verkündet, Im Dämmerlichte muß es sein, Wenn sich der Abendsonnenschein Mit Mondesglanz verbindet. Ich sehe nichts, ich merke nur, Daß leis mich was erschüttert, Es ist ein unbestimmter Duft, Der wie in Wellen durch die Luft, Die leichtbewegte, zittert. Und was sich mit dem Dufte naht, Was sich mir drängt zum Herzen, Wie sich's mir einschleicht in die Brust, Ist's eine unnennbare Lust, Und fühlt sich doch wie Schmerzen. Zugleich in mir und um mich her Rückt Alles aus den Schranken, Nichts mehr empfind' ich von der Last Des Körpers, und ich denke fast Undenkbare Gedanken. Was ich vor längster Zeit vielleicht Gelebt, vielleicht gedichtet, Kehrt wie aus weit'ster Fern' zurück, Auch seh' verstorbner Lieben Blick Ich rings auf mich gerichtet. Mein Denken, Fühlen ist erhöht, Verfeinert und erhoben, Die Gegenwart ermerk' ich kaum, Vergang'nes, Künft'ges, Ahnung, Traum Sind wunderbar verwoben. Mit einem Male sinkt's vom Aug' Mir wie ein Schleier nieder, Und vor mir steht der Raum, die Zeit, Die kahle, kalte Wirklichkeit, Das nackte Leben wieder. Wie mir der Zauber kam und ging, Deß hab' ich keine Kunde, Doch ich erkenn' und fühl' es klar, Daß mir der Weltgeist näher war In solch geweihter Stunde. Einmal im Jahre Auf der Küste von Orissa Pranget, wundervoll gebaut, Brahma's Tempel Jagarnaut, Der mit gold'ner Kuppeln Scheine Leuchtend rings die weiten Haine Ries'ger Palmen überschaut. Zu dem hohen Heiligthume Pilgert fromm in jedem Jahr Gläub'ger Hindu große Schaar; Jeder Stand und jedes Alter Bringt dem Schöpfer und Erhalter Dort Gebet und Opfer dar. Nach dem Range, den im Reiche Jedem die Geburt verlieh, In vier Zügen wandern sie; Streng getrennt ist jede Kaste, Ob sie steh', ob geh', ob raste, Eine kommt zur andern nie. Weh dem Sudrah, der dem Vaisy Kecken Muthes wollte nahn! Wagt' ein Vaisy in die Bahn Eines Chatry sich zu drängen, Wär' verfallen er dem strengen Strafgesetz von Hindostan. Hätte wohl gar ein Paria Einen, dem ein Rang gebührt, Mit dem Finger nur berührt, Nimmer säh' er die Pagode, Gnadlos würde gleich zum Tode Solch Verworfener geführt. Aber, noch so scharf geschieden, Steigt zuletzt doch Hauf an Hauf In das Heiligthum hinauf, Und der Höchste nimmt die Seinen, So die Großen, wie die Kleinen, In des Tempels Räumen auf. Und von diesem Augenblicke, Wo hier All' zusammen stehn, Muß, was irdisch ist, vergehn; Kaste, Rang und Vorrecht fallen, Denn es will in seinen Hallen Gott nur gleiche Menschen sehn. Nächst dem edelsten Brahminen Kniet, der sonst für unrein gilt, Er, vor dem sonst scheuerfüllt Sich die Andern alle wenden, Darf jetzt fassen mit den Händen, Ihnen gleich, das Wunderbild. In des Tempelbaus Bezirke Könnt' ihr sehn, vereint beim Mahl, Alle Kasten ohne Wahl, Sonder Ordnung im Gemische Sitzend an demselben Tische, Speist der Pilger bunte Zahl. Schöne Sitte! kehrt auch Scheidung Wieder, wenn die Fahrt vollbracht, Kannst du doch aus deiner Acht Jetzt dich, armer Sklav', erheben, Hat dir doch in deinem Leben Einmal Freiheit hold gelacht. Einmal doch in einem Jahre Fühltest du, der Andern Knecht, Daß auch würdig dein Geschlecht, Und es bleibt dir unvergessen, Daß du konnt'st am freiern messen Dein verkümmert Menschenrecht. Einmal dulden doch im Jahre Mußtest du's, erhabner Mann, Daß, erlöst aus seinem Bann, Dir der Niedre näher rückte, Sahest, daß auch der Gedrückte Einmal auf sich richten kann. Einmal mindestens im Jahre Thut es dir, du Stolzer, noth, Daß auf Gottes Machtgebot Du verlassen deine Wolke, Sein und leben mit dem Volke, Essen mußt mit ihm dein Brod. Einmal doch in einem Jahre Sollst du in des Tempels Raum Lernen, was du glaubtest kaum: Daß auch Geist lebt unter Kitteln, Daß dir's ziemet abzuschütteln Deinen gold'nen Hochmuthstraum. Einmal auch in einem Jahre Kommt für Hindostan die Zeit, Wo so laut das Unrecht schreit, Daß auch außer heil'gen Hallen Eure Schranken plötzlich fallen, Brahma all' sein Volk befreit. Pilgert nur in jedem Jahre, Macht euch mehr und mehr vertraut Mit dem Morgen, der da graut; Wenn einher das Schicksal schreitet, Schon dazu euch vorbereitet Hat der Tempel Jagarnaut. Allein! O all' ihr edleren Gefühle, Ihr höhern Triebe, schöner Drang, Du, Geistesflug, der vom Gewühle Der Erd' oft sternenwärts sich schwang, Unendlich Lieben, bittres Meiden, Ihr Nächt', in Thränen oft durchwacht, Ihr Mühn, zu lindern And'rer Leiden, Habt ihr denn Segen mir gebracht? Mein Geist hat keinen Geist bezwungen So mächtig, wie ich mir's ersehnt, Und mein Gemüth so tief durchdrungen Kein andres, wie ich's einst gewähnt; Vergebens ist mein Sang erschollen, Und lebend ward mir kein Gedicht, Den Wiederklang, den reichen, vollen, Wie ich ihn suchte, fand ich nicht. Ich wollte Eines nur zum Lohne Der ausgestreuten Liedersaat, Ich wollte Eines nur als Krone Des echten Strebens, guter That; Nur Eins: ein Wesen, ganz mein eigen, So ganz verwebt mit meinem Sein, Daß ich zu ihm mich konnte neigen, Und jubeln: Mein, und einzig mein! Es ward versagt. — Von einem Greise, Der Liebe pries, und nie gewann, Sang ich als Jüngling eine Weise, Die oft mich bang ergriff als Mann; Ach, Ahnung war es künft'ger Zeiten, Und Vorgefühl, das aus mir sprach, „Allein! allein!“ tönt's aus den Saiten, „Allein!“ tönt's dumpf im Herzen nach. Prolog „Es liebt die Welt, das Strahlende zu schwärzen, Und das Erhab'ne in den Staub zu ziehn, Doch fürchte nicht! es gibt noch edle Herzen, Die für das Hohe, Herrliche erglühn;“ So sprach einst Schiller, zweifelnd wohl in Schmerzen, Ob seinem eignen herrlichen Bemühn Gelingen werd', in weiteren Bezirken, Ob nur in kleinerm engern Kreis, zu wirken. O Meister, deinem tiefbescheidnen Sinne, Dem höchsten Streben ward der höchste Lohn, Auf stolzen Ruhmestempels goldne Zinne Hob, da du lebtest noch, dein Volk dich schon, Und ob man stets am Wechsel Lust gewinne, Du standest fest auf deinem Dichterthron, Die Welt ward neu, verrollt ist ein Jahrhundert, Du bist geliebt, geehrt noch, hochbewundert! Wie einst der Vater sich voll Eifers tränkte Mit deinem Geist, und sich erhob an dir, Wie sich dein Flammenwort dem Sohne senkte Ins Haupt, entzündend höh're Thatbegier, Wie einst des Vaters Schritt dein Beispiel lenkte, Dem Sohne wies, was Ehr' ihm sei und Zier, So wird des Sohnes Sohn in unsern Tagen Von dir befeuert noch, emporgetragen. Wo es ein Hehres, Heil'ges galt im Leben, Ein Wollen, würdig der Begeistrungsgluth, Wo's Ringen nach dem Besten, Vorwärtsstreben, Wo's Freiheit galt, der Menschen theures Gut, Wo's galt, sich für die Heimath zu erheben, Ihr freudig hinzuopfern Hab' und Blut, Da scholl dein Sang in Tönen, tiefen, vollen, Wie Orgelton, wie Sturm, wie Donnerrollen. Der Mann ward, wie der Jüngling, durch dein Mahnen Für Großes, für Erhab'nes hochentflammt, Doch wiesest ihre Kraft du in die Bahnen Des Rechts, das frevle Willkür schwer verdammt, Sie sollten schwören zu des Glaubens Fahnen, Dem alles Heil, dem süßer Fried' entstammt; So warst du deinem Volk nicht nur ein Dichter, Nein, auch Berather, Lehrer, Meister, Richter. Was aber warst du zarterem Geschlechte, Was edler Fraun empfänglichem Gemüth, Wie hast du, warm vertretend ihre Rechte, Ihr Herz mit Frühlingshauchen angeglüht; Wie pflegtest traute Liebe du, die echte, Die in der Jungfrau holder Seele blüht, Wie drangst du mit dem Wohllaut deiner Lieder Bis tief zum Grunde dieser Seelen nieder! Wer von uns sah nicht seine Mutter sitzen, Bewegt, des Meisters Lieder in der Hand, Wer sah nicht dann ihr Aug' oft freudig blitzen, Dann Thränen glitzern an der Wimper Rand! Dann sprang sie auf, als gält' es, uns zu schützen, Umschlang uns Kinder, küßt' uns hochentbrannt; Wir wußten nicht, was sie im Buch gelesen, Doch schön gewiß und rührend ist's gewesen. Wie hat das Mädchen, knospend, im Entfalten, Und so die Liebende, und so die Braut, An unsers Meisters reizenden Gestalten, An seiner Frauen Vorbild sich erbaut! Sie las — und eines höhern Geistes Walten Ward deutlich ihr — und, was sie nie geschaut, Ersah sie jetzt, entschwebt in rein're Sphären, Und fühlt' ihr Wesen wonnig sich verklären. Denn vor sie trat in himmlischem Gewande, Aus gold'gem Duft gewebt, das Ideal, Berührte sie, und lockert' ihr die Bande Des gröbern ird'schen Seins mit einem Mal, Da hob sich Baum und Strauch aus dürrem Sande Und Alles glüht' in ew'gen Lichtes Strahl, Und ringsum lag mit lachender Geberde Bunt blühend, duftend, reich an Reiz die Erde. Das ist kein müßig Träumen, haltlos Schwärmen, Wie es gemeiner kalter Sinn verpönt, Wer für kein Ideal sich kann erwärmen, Dem bleibt das Leben ewig unverschönt; In diesem Treiben, Ringen, Jagen, Lärmen, Das uns die innern Stimmen übertönt, Da thut's uns noth, vor Allem euch, ihr Frauen, Vom Boden oft zu Höh'rem aufzuschauen. Drum Preis und Ruhm dir, Meister, dessen Sänge Uns oft verklärt, vergeistigt und entzückt, Deß mächt'ger Zauber aus ummarkter Enge Zum Raum uns des Unendlichen entrückt! Fest wurzelnd auch in Lebens Ernst und Strenge, Die Fersen tief in's Erdreich eingedrückt, Umgeben von der Wirklichkeiten Schranken, Warst du ein Held der That, wie der Gedanken. Begeistre fürder noch zu Edlem, Schönen, Das heut'ge wie das kommende Geschlecht, Weithin soll durch die Welt dein Aufruf dröhnen Für Würd'ges, Großes mahnend zum Gefecht; Dem Enkel soll dein Wort ermunternd tönen Zu Allem, was da brav, und echt und recht, Dein Geist, er wirke fort in künft'gen Zeiten, Hoch Schiller! Hoch für alle Ewigkeiten!“ Schwerting der Sachsenherzog Der Schwerting, Sachsenherzog, der saß beim Festesmahl, Da schäumten Weine perlend in eisernem Pokal, Da rauchten Speisen köstlich in eisernem Geschirr, Da war von Eisenpanzern ein wild und rauh Geklirr. Der Dänenkönig Frotho genüber Schwerting saß, Mit staunender Geberde die Eisenketten maß, So diesem niederhingen von Hals und Brust und Hand, Und dann die Eisenspangen am schwarzen Trau'rgewand. „Sagt an, was soll das deuten? Herr Bruder, gebt mir kund, Warum ihr mich geladen zu solcher Tafelrund'? Als ich herabgezogen aus meinem Dänenland, Da hofft' ich euch zu finden in güldenem Gewand.“ „Herr König, Gold dem Freien, und Eisen für den Knecht! Das ist der Sachsen Sitte, und so allein ist's recht, Ihr habt in Eisenbande der Sachsen Arm gezwängt, Wär' eure Kette gülden, sie wäre längst zersprengt.“ „Doch mein' ich, gibt's noch Mittel, zu lösen solches Erz, Ein biedrer Sinn und Glaube, ein hoch und muthig Herz, Das muß den Arm befreien, gefesselt hundertfach, Das muß den Eidschwur löschen und tilgen niedre Schmach!“ Als so der Fürst gesprochen, da traten in den Saal Zwölf schwarze Sachsenritter, mit Fackeln allzumal, Sie harrten stumm und ruhig auf Schwertings leises Wort, Und sprangen dann in Eile, die Brände schwingend, fort. Nicht lang, da scholl von unten zu Herrn und Gastes Ohr Ein Knistern und ein Prasseln von Feuerswuth empor, Nicht lang, da ward's im Saale gar schwül und sommerheiß, Und: „'s ist die Stund' gekommen,“ sprach dumpf der ganze Kreis. Der König will entfliehen, der Herzog hält ihn stark: „Halt! steh' und laß erproben dein ritterliches Mark, Hält es dem rauhen Gegner, der unten prasselt, Stand, Dein sei die Sachsenkrone, dein sei das Sachsenland!“ Und heißer, immer heißer wird's in der weiten Hall', Und lauter, immer lauter erdröhnt der Balken Fall, Und heller, immer heller wird rings der rothe Schein, Die Thüre sinkt in Trümmer, die Lohe schießt herein. Da knieen betend nieder die wackern Rittersleut': „Herr, sei den Seelen gnädig, die selber sich befreit!“ Der Herzog doch sieht ruhig der Flamme Windeslauf, Der König sinkt zu Boden, er reißt ihn wüthend auf. „Schau hin, du stolzer Sieger, erzittre, feiges Herz; So löst man Eisenbande, so schmilzt dein mächtig Erz!“ Er ruft's, und ihn erfasset der Flamme wild Gesaus, Und nieder stürzen Alle, und nieder stürzt das Haus. Dalibor Was will wohl um den Thurm herum Das bunte Volk zuhauf, Was blicken All' so ernst und stumm Zum Gitterfenster auf? Ein Mann steht oben, krank und blaß, In löchrigem Gewand, Die Haare wirr, das Auge naß, Ein Geiglein in der Hand. Und totz der Fessel schwerem Zwang, An der die Kette klirrt, Ertönt sein Spiel, daß Allen bang, Und wieder wohl auch wird. Wie Nachtigall im Käfig singt, Wenn sie in's Freie blickt, So klagend auch sein Spiel erklingt, So schmelzend und gedrückt. Und als er schließt mit dumpfem Ton, Ruft alles Volk empor: „O werde Freiheit dir zum Lohn, Du edler Dalibor!“ Der König geht vorbei am Thurm, Des Volkes Ruf er hört — „Wie? duld' ich's, daß mein Volk der Wurm Mit Saitenklang bethört?“ „Bestrafung sprach mein Richterwort, So wird ihm wohl gethan; Auf, Wächter, nimm sein Spiel ihm fort, Und kett' ihn fester an.“ Der Arme schläft im Traumgenuß, Da tritt der Knecht herein, Er faßt die Geig', und mit dem Fuß Tritt er die Brust ihr ein. Auf schreit sie, wie ein sterbend Kind, Im Schlaf hört's Dalibor, Des Traumes süßer Wahn zerrinnt, Er fährt entsetzt empor. „O Fluch, du finstrer Scherge, dir, Fluch deiner schnöden Hand, Die mein alleinzig Labsal mir, Den einz'gen Trost entwandt.“ „O Spiel, nur du noch labtest mich, Die Seel' ist mir geraubt; So brich denn Herz, du armes, brich, Und sinke, müdes Haupt!“ So klagt er jammernd, seufzt und weint, Und nimmer enden will, So klagt er, bis der Morgen scheint, Da wird er plötzlich still. Und Mittag wird's, und Abend graut, Und nächt'ge Kühle weht, Da wird's am Fuß des Thurmes laut, Das Volk versammelt steht. Erwartend horchen All' schon auf, Doch Sait' und Bogen schweigt, Sie spähn zum Fenster starr hinauf, Doch Niemand dort sich zeigt. Als aber Nacht am Himmelssaal Ihr Sternenkleid entrollt, Da klingt's vom Thurm mit einem Mal Gar süß und wunderhold. Wie Nachtigall im Busche singt, Wenn sie der Haft entflohn, So freudig es und jubelnd klingt, Ein Jauchzen jeder Ton. Der König wieder geht vorbei, Voll Zornes steht er da — „He, Wächter, noch die Melodei? Mein Wille nicht geschah?“ „O Herr, dein Knecht war flink bereit, Erfüllt ward dein Gebot, Doch den Gefangnen fand ich heut Am frühen Morgen todt.“ Der König zittert und erbleicht, Eilt fort in hast'gem Gang, Doch nicht aus seinen Ohren weicht Der wundervolle Klang. Er hört zu Nacht ihn und am Tag, Im Kummer und im Glück, Er hört ihn, als er sterbend lag, In Schauder brach sein Blick. Abt Ero Legende In dem Kloster von Armentar Steht ein Mönch mit greisem Haupte, Schaut hinan die hohen Bogen, Schaut hinab die tiefen Stufen, Schlägt die Hände bang zusammen: „Wehe! weh! was ist geschehen?“ Durch die Gänge von Armentar Geht der Mönch mit schnellen Schritten, Schaut die Bilder, so da hängen, Die Altäre, so da prangen, Wirft empor die irren Blicke: „Gott! mein Gott! was ist geschehen?“ Auf die weite Flur des Klosters Eilt er zu mit leisem Beben, Tritt hinein, und ihn umfangen Hoher Linden kühle Schatten, In die Kniee sinkt er zitternd: „Herr! mein Herr! was ist geschehen?“ Wieder auf vom Boden reißt es Allgewaltig ihn zur Kirche, Sieh, da wallt im langen Zuge Ernst heraus der Chor der Brüder; Und der Mönch mit starren Blicken Mißt die Menge, Jeden, Jeden — Seine Augen hüllt ein Schleier, Seine Mienen zucken krampfig, Nieder sinkt er an der Pforte. — Schnell mit manchem Labsal eilen Her der Kirche fromme Diener, Und den Mönch durchglühet Wärme, Und empor schlägt er die Augen. — Alle nun ihn scharf bestürmen, Wer er sei, woher er komme; Drauf der Mönch mit edler Würde: „Wie? ihr kennt den alten Ero, Euren Abt und Meister nimmer? Aber wahrlich, kenn' euch selber, Wie ihr da seid, Keinen, Keinen!“ Viele lachen, Viele staunen, Viele greift ein schaurig Beben. — „Wie, du wärest unser Meister, Da doch unser Abt hier stehet!“ „Wirklich, wirklich? — Habt ihr also Einen andern Abt erwählet? Bin doch kaum noch eine Stunde Von euch weg und diesem Kloster. Bin hinaus so froh gegangen, Scholl ein Vogelsang von Ferne Dort im Forst gar wunderlieblich, Daß mich's trieb, ihm nachzuwandern. Wie ich dann ihm nachgegangen, Sah ich ein gar herrlich Vöglein, Saß am Ast und sang so munter, Sang in's Herz mir Lust und Freude, Hatt' auf schwarzer Brust ein Kreuzlein, Das wie Feuer flammt' und brannte. Und ich lagert' mich am Baume, Sah hinauf und sah nur immer, Hörte nur und hörte immer, Regte weder Aug noch Glieder, Ewig hätt' ich gern gehorchet; Denn ob's auch nicht Worte waren, Hab' ich doch wohl gut verstanden, Daß es sang von Gottes Allmacht, Und von Gottes Huld und Liebe. Nun am Mittag kehr' ich wieder, Daß ich's auch den Andern singe, Was das Vöglein mir gesungen — Und die Gänge sind verwandelt, Die Altäre, Alles, Alles, Und die Linden sind erwachsen, Die ich vor drei Tagen pflanzte, Und von meinen Ordensbrüdern Find ich Keinen wieder, Keinen. — Ruft mir doch den Vater Bernard, Und den weisen Cyprianus, Daß sie mir das Dunkel klären, Mir das Räthsel lösen mögen.“ Also spricht er, und mit Grausen Hören's Alle, die da stehen — „Gott, um Gott! das ist dein Wunder! — Liegt ja doch der Vater Bernard Mit dem weisen Cyprianus Schon zweihundert Jahr' im Grabe, Und du forderst sie zu schauen, Nennest dich den Abt des Klosters, Der seit solcher Zeit verschwunden. Zeige uns ein sicher Zeichen, Daß du sei'st, den du dich nennest; — Steht in unsern Klosterbüchern: Ero trug 'nen Ring von Golde, Drauf der Heiland war gebildet, Als er sitzt beim Abendmale.“ Und die alten schwachen Hände Reicht der Mönch den frommen Brüdern; Nieder stürzen All' zu Boden — „Wir erkennen dich, du bist es! Gott hat dich gewiegt in Schlummer, Drin du lagst zweihundert Jahre, Daß du schauest deine Bäume, Wie sie ragen hoch zum Himmel!“ Alle rufen's, Alle knien, Da erhebt sich freudig Ero. — „Nun es so ist, geh ich gerne, Gerne ein, wohin er rufet; Aber doch des Vögleins Singen Muß ich vorher euch verkünden. Also sang es: Gott ist gütig, Aber strenge, wenn ihr fehlet, Gott ist Liebe, aber Zorn auch, Wenn ihr stört sein heilig Trachten — Gott ist ewig — Gott ist ewig! —“ Spricht's und seine Augen brechen, Sinkt und schlummert sanft hinüber. Ermunterung Der Vogel steigt, ein verkörpertes Lied Hell klingend gen Himmel, dahin es ihn zieht, Und selig wirbelt er in den Höhn: Die Welt ist schön! Der Strahl des Morgens erweckt die Blum', Auf schließt sie ihr duftendes Heiligthum, Aus offenem Kelche die Düfte wehn: Die Welt ist schön! Im flüssigen Silber, im schimmernden Bach Eilt flüchtig die Welle der Welle nach, Sie netzen das Ufer mit sanftem Getön: Die Welt ist schön! Was stehst du, Mensch, mit finsterem Blick Und schaust in die finstere Brust zurück? O wolle den Jubel doch ringsum sehn, Die Welt ist so schön! An den Rhein Willkommen, Rhein, du gewaltiger Rhein, Wohl mir, daß ich dich schaue, Willkommen in deinem grünen Schein, Du Schmuck der deutschen Gaue. Vergebens über so manchen Fluß, Trug ich mein Herz voll Wunden, Wohin ich wandte den irren Fuß, Ich konnte nirgend gesunden. Zum ersten Mal, seit ich dich gesehn, Will Lust den Busen mir schwellen, Und ich weine die erste süße Thrän', O Rhein, in deine Wellen. Hab Dank, und Heil sei deinem Strand, Du stolzer König der Flüsse, Auch bring' ich dir aus fernem Land Vielhundert schöne Grüße. Vor Allen grüßt Frau Elbe dich, Und läßt dir freundlich sagen, Sie laß es im weichen Bette sich Noch immer recht wohl behagen. Nur Eines thu' ihr ewig weh, Sie weinte, könnte sie weinen: Daß sie strömen muß in die weite See, Ohne sich dir zu vereinen. Viel andere Flüsse grüßen dich auch, Die schöne Fluren durchreisen, Die Ehrfurcht, nach der Kleineren Brauch, Wollen sie dir erweisen. Und heiter lachender Lippen viel, Und Augen, die froh sich begegnen, Trugen mir auf, an meinem Ziel Den Rebenvater zu segnen. Das thu' ich nun auch mit Reim und Sang Nach rüstiger Wanderer Weise, Und wünsche, so mächtig dein Lauf und lang, Dir stets die fröhlichste Reise. In süßer Wonne gleite hin Und tränke deine Reben, Daß sie den edelstrebenden Sinn Des Volks, das dich liebt, erheben. Bespüle nimmer deine Fluth Ein Land, verheert vom Sieger, Und muß es sein, so trinke das Blut Der fremden frevlen Krieger. Schwill auf, o Strom, und hemme den Feind, Und schütz' uns vor Schmach und Banden; So bleibe treu als Hort und Freund Den treuen deutschen Landen. Auf dem Vierwaldstädter See „Ei, braust nicht so, ihr Wellen, In wild empörtem Drang. Unbändige Gesellen, Bezähmet den wüsten Hang.“ „Denn wißt, ein Dichter bin ich, Der euch besingen will, Und euch zu schmähen sinn' ich, Seid ihr auf mein Wort nicht still.“ Ich rief es, doch in den Fluthen Ward ärger das Gebraus, Ich meine, die leichtgemuthen Lachten mich weidlich aus. Und höher und höher wieder Stieg jetzt der See hinan, Wir schwankten auf und nieder Im engen schaukelnden Kahn. Da erblickt ich Tell's Kapelle Am schroffen Felsenstrand, Und lauter rief ich, zur Welle Gebieterisch hingewandt: „Bei Tell dem edlen Helden, Der einst bezwungen euch, Bei ihm, den die Lieder melden, Ihr Wogen, werdet gleich!“ Kaum war das Wort gesprochen, Da sank des Wassers Wuth, Der Sturm, er war gebrochen Und eben glänzte die Fluth. — Wird so von Wellen und Winden Der Landesheld verehrt, Wo wär' ein Herz zu finden, Das gleiches Loos nicht begehrt! Ein Siegesdenkmal Im Feld mit dem Heere rastet aus Der grimmige Herzog Sobieslaus, Die Deutschen fielen in heißer Schlacht, Doch ist auch gebrochen der Böhmen Macht. Wild ruft der Fürst: „Bringt mir den Mann, Der fast dem Feinde den Sieg gewann, Der so viel böhmisches Blut vergoß, Als je auf heimischem Boden floß.“ Gefesselt naht, doch in kühner Hast, Ein hoher Ritter, ein Riese fast, Sein Aug' blickt stolz, die Stirne frei, Als ob er selber der Sieger sei. „Ei, deutscher Bär, so bist nun mein, Wirst auch gar wohl geborgen sein, In dieser Erde sollst du nun Mit Hunderten deiner Opfer ruhn.“ „Doch nicht, wie sie, erst kalt und todt, Nein, frisch und gesund und lebensroth, Mit klopfendem Puls und warmem Blut, Da wahre dir, Riese, den kecken Muth.“ „Auf, Krieger, bindet ihn an den Pfahl Und eilt in die Felder allzumal, Und füllt die Helme mit Erde schwer, Und schüttet sie rings um den Frechen her!“ Der Ritter drauf: „Mir sei es fern, Um Gnade zu bitten; ich sterbe gern; Und nie wär' Tod mir schöner genaht, Als jetzt er winket nach Kampf und That.“ „Doch so mich Gesunden die Erde begräbt, So laßt mich sterben, wie ich gelebt, Der Fessel frei, mit Lanz' und Schwert, In Helm und Harnisch, hoch zu Pferd.“ „Kein Zittern sollt ihr schau'n an mir, Nicht zucken wird mein edles Thier, Mein letzter Blick in die Welt hinaus Soll blitzen hell wie im Schlachtenbraus.“ „Will sehn!“ ruft Sobieslaw, und lacht; — Das Roß des Ritters wird gebracht, Auch Schwert und Speer; die Fessel fällt, In Sattel und Bügel sitzt der Held. Und tausend Krieger eilen heran, Und häufen das Erdreich um ihn an, Schon reicht's dem Rappen bis an's Gesicht, Doch Roß und Reiter regen sich nicht. Und höher ragt's, zu des Ritters Brust, Er blickt umher in stolzer Lust, Und immer weiter steigt es im Rund, Kein Laut ertönt aus des Ritters Mund. Schon hebt sich's bis zu des Helden Kinn, Er schaut's und fühlt's mit festem Sinn, Und plötzlich über dem Aug' voll Ruh' Wölbt sich deckend die Erde zu. Da faßt den Herzog kaltes Grau'n, Den Gräu'l, er kann ihn nimmer schau'n, Er eilt hinweg, und schreit erregt: „Häuft Erde, Erde, so viel ihr vermögt!“ Noch zweimal geh'n die Krieger hinaus Und füllen die Helm', und leeren sie aus, Da ist's vollbracht, das Werk gethan, Ein mächtiger Hügel ragt hinan. — Nun steht des hohen Mannes Sarg, Das Denkmal, das den Helden barg, Bemerkt kaum, Wandrern unbekannt, Still, grün und friedlich da im Land. Nur wenn vorüber zieht ein Heer, Tönt's unterm Rasen wie Schwert und Speer, Es dröhnt wie Hieb und Lanzenstoß, Und laut im Hügel wiehert das Roß. Ein kleines Lied Ein kleines Lied, wie geht's nur an, Daß man so lieb es haben kann, Was liegt darin? Erzähle! Es liegt darin ein wenig Klang, Ein wenig Wohllaut und Gesang Und eine ganze Seele. Die Sekunde Ihr meßt nach der Dauer das Leben, Berechnet nach Jahren die Zeit, Ich zähle nicht Tag und nicht Stunde, Ich hab' in einer Sekunde Durchlebt die Ewigkeit. Viel Jahre zogen vorüber Und ließen die Seele mir leer, Es blieb von keinem mir Kunde, Die eine, die eine Sekunde Vergeß ich nimmermehr. Gastmahl des Lebens Es giebt des Guten viel in dieser reichen Welt, Doch seltsam ward der Tisch beim Lebensmahl bestellt. Am durstgequälten Mann vorüber geht der Becher, Den ausgießt trunknen Muths ein schon berauschter Zecher. Dem Hunger bleibt versagt die süße Frucht am Ast, Es pflückt sie freudenlos ein übersatter Gast. Wo Labung fehlt, da lechzt ein peinerfüllt Bedürfen, Wo Nectar fließt, da fehlt die Lippe, ihn zu schlürfen. Der Halbpoet Das ist die allergrößte Pein, Ein Halbpoet geboren sein, Zu tragen in sich unerhellt Das Chaos einer ganzen Welt, Aus dessen Gähren, dessen Ringen Kein ganzes Leben will entspringen. Zu stehn in heißen Durstesqualen Am Zauberborn des Idealen, Das Schöne liebend zu begreifen, Heran zur höchsten Klarheit reifen, Im Reinen wandeln und im Wahren — Ohnmächtig es zu offenbaren. In dir ein Schaffen unbewußt, Ein lautlos Schrein in deiner Brust, Ein Wogen, Keimen, Knospensprengen, Ein ruheloses Vorwärtsdrängen, Und dennoch keiner Blüte Prangen, Und dennoch kein Zumzielgelangen! — Es ist die allergrößte Pein Ein Halbpoet geboren sein! Nicht dein Dein der Gedanke, klar gedacht, Dein der Vorsatz, kräftig erwacht, Deiner heißen Brust entstammt, Leidenschaft, die zündend flammt; Wagende Kühnheit, trotziger Muth, Alles entlodert deinem Blut; Hoffende Lust, strebende Pein, Alles entquollen deinem Sein. Mensch — und doch aus ihrer Saat Sprießt ein Fremdes dir die That. Dein das Wollen, Wünschen, Ringen, Ewig nicht dein — das Vollbringen. Was Gutes Du gethan und nicht vergessen hast Spruchverse Was Gutes Du gethan und nicht vergessen hast, Allmählich wandelt sich's in Unrecht fast. Begangne Schuld, denkst ihrer Du mit Schmerzen, Verklärt zu Tugend sich in Deinem Herzen. Verständniß für jedwedes Leid Spruchverse Verständniß für jedwedes Leid, Erbarmen mild mit jedem Fehle: Daran in dieser Zeitlichkeit Erkennst Du die erwählte Seele. Es ist noch Jeder leicht durch diese Welt geschritten Spruchverse Es ist noch Jeder leicht durch diese Welt geschritten, Der gut zu danken wußt und wußte gut zu bitten. Zwei Dinge lern geduldig ertragen Spruchverse Zwei Dinge lern geduldig ertragen: Dein eigen Leid — der Andern Klagen. Der Protze prahlt mit Geld, mit Deinem Geiste Du Spruchverse Der Protze prahlt mit Geld, mit Deinem Geiste Du, Ich wäg ein gleiches Maß Euch von Gemeinheit zu. Wie lang hat sich geübt im Täuschen und im Lügen Spruchverse Wie lang hat sich geübt im Täuschen und im Lügen, Der endlich sagen darf: Mich kann man nicht betrügen? Liebeswunder O kommt mit ernstem Schweigen, Die Ihr von Gott entfernt! Ich will Euch Wunder zeigen, Auf daß Ihr glauben lernt. Laßt Thränen, Schmerz und Trauer Und hofft auf Sonnenschein: Mir zog der Liebe Schauer Mit tausend Wundern ein. Eh' mir auf dunklen Bahnen Ihr Lächeln noch getagt, Ward mir durch frommes Ahnen Mein Glück vorausgesagt. Im Herzen fühlt' ich's glimmen, Die Seele wuchs zur That. Es rief mit Engelstimmen: Wach' auf, Dein Heiland naht! Da kam sie, hold und wonnig, Und Alles ward erhellt; Wie Christus, zog sie sonnig In meines Herzens Welt. Sie rief die todte Leyer Zu neuem Lebensglück Und nahm der Blindheit Schleier Und gab das Licht zurück. An ihren Blicken hangend In trunkner Himmelslust, Begrub ich liebebangend Ihr Bild in meiner Brust. Da klang es auf und nieder Wie fernes Frühlingsweh'n: Im Sturme meiner Lieder Kam sie zum Aufersteh'n. Nun fühl' ich, was so mächtig Das Herz zum Himmel weist: Sie gab mir flammenprächtig Des Friedens heil'gen Geist. Sein Licht geht niemals unter, Er bändigt alle Qual: Er ist das höchste Wunder In diesem Thränenthal. Drum kommt mit ernstem Schweigen, Die Ihr von Gott entfernt! Ich will Euch Wunder zeigen, Auf daß Ihr glauben lernt. Schmückt mit der Himmelsrose In Demuth Euch das Haupt! Ihr glaubt das Namenlose, Wenn Ihr die Liebe glaubt. Verlorne Liebe Wie traurig durch das Dunkel Der müde Nachtwind klagt! Wie schnell dem trüben Osten zu Die wilde Wolke jagt! Des Stromes dumpfes Rauschen tönt Vom Felsenthal herauf! Kein Sternlein thut die Pforte Am öden Himmel auf! Wie taurig durch das Dunkel Die müde Seele klagt! Wie schnell dem trüben Grabe zu Der Traum des Lebens jagt! Das Weh verlorner Liebe klingt Aus tiefster Brust herauf! Kein Sternlein thut die Pforte Am öden Himmel auf! Die Lüfte gehn zur Ruhe, Es regt der Wald sich kaum, Und rosig bricht der junge Tag Durch goldner Wolken Saum. Der Himmel glänzt, die Erde lacht, Der letzte Nebel flieht, Und aus den Zweigen jubelt Der Vögel Siegeslied. Das thränenlose Auge Starrt einsam vor sich hin — Geliebte Bilder steigen auf Und winken und entfliehn. Es schleicht des Herzens müder Schlag So bang, so kummerschwer — Die Nacht verlorner Liebe Hat keinen Morgen mehr. Erinnerung Ich sah sie lächeln; — Himmelsruh Kam über meiner Seele Pein, Schloß meine Augen friedlich zu, Und alle Qualen schliefen ein. Und lange, lange stand ich stumm Beseligt im Gebet vor ihr, — Und doch, — o Gott, warum, warum? — Ihr liebes Lächeln galt nicht mir! Ich sah sie weinen; — heiß und schwer Quoll ihrer Thränen Strom hervor, Und zu der Sterne lichtem Heer Hob sie den dunklen Blick empor. Ich gab ihr bleich das letzte Lied, Und wild zu Füßen stürzt' ich ihr, — Und schluchzend fühlt' ich, als sie schied: Auch ihre Thräne galt nicht mir. Sie schied, mit ihr mein letztes Glück, Und einsam wein' ich Jahr um Jahr. Ach! keine Sehnsucht bringt zurück Ein Herz, das nie mein Eigen war Die Verlassene Still und verborgen Trage Dein Weh: Wonnen und Sorgen Schmelzen wie Schnee; Kummer und Reue, Alles zerstiebt! Es vergißt selbst die Treue, Wie teu sie geliebt. Die Tage schleichen So öde dahin: Dulden und Schweigen Ist all mein Sinn. Mich rührt kein Blühen Auf grüner Au, Kein Wolkenglühen, Kein Himmelsblau. Nehmt mein Geschmeide, Es gleißt wie Licht; Die Braut im Leide Begehrt es nicht. Die güldnen Bänder, Des Glücks Gewinn, Die Prachtgewänder, — Nehmt Alles hin! Die Träume verschweben, Der Sommer flieht: Das ist vom Leben Das trübe Lied. Die Blätter sinken Im bleichen Wald; Die Todten winken ... Ich komme bald! Das Vaterland 1870 Was glänzt im Hain, was gleißt am Hügel? Was rauscht und rollt von Thal zu Thal? In allen Fluren hebt's die Flügel, Der Lerche gleich im Sonnenstrahl! Durch alle Seelen braust ein Läuten, Durch alle Herzen zuckt ein Brand. Was soll der Völkersturm bedeuten Zum Kampfe ruft das Vaterland! — Wir saßen froh am trauten Herde, In ernster Arbeit stillbeglückt; Ein Tempel schien die deutsche Erde, Mit frischem Hoffnungsgrün geschmückt. Der Freiheit galten unsre Thaten, Der Deutsche war sich selbst genug; Wir bauten friedlich unsre Saaten Und träumten nichts von wälschem Trug. Da spürt ein blutgetränkter Schächer Des Mordes altgewohnte Lust Und schlägt, — war je ein Bube frecher? — Mit schnöder Faust an unsre Brust! Er hetzt mit Gaukelwerk und Lügen Ein blindes Volk zur blinden Schlacht, Um neu den morschen Thron zu fügen, Der schier im Sturm zusammenkracht. Was frommt der Warnung weise Rede, Wo kranke Bosheit ras't und tobt? Ein Hochverräther beut die Fehde: Wohlan! es gilt! sie sei erprobt! Empor, empor mit Stahl und Eisen Vom Felsen bis zum Dünenstrand! Hier gilt's, mit Bomben zu beweisen, — Zum Kampfe ruft das Vaterland! Empor, empor aus euren Bergen, Ihr wackern Schwaben, treu und recht! Erwürgt die fluchbeladnen Schergen! Zermalmt das frevle Mordgeschlecht! Wie Ungewitter, dumpf und bleiern, Brecht aus den Thälern rings hervor! Ihr Friesen, Angeln, Preußen, Baiern, Ihr Pommern, auf! Empor, empor! Wir kämpfen nicht um eitle Ehre, Wir dürsten nicht nach falschem Ruhm! Den Herd nur schützen unsre Heere, Der Heimath theures Heiligthum! Kein Zweifel soll den Blick umnachten, Die Hoffnung führt uns in's Gefecht. Es lenkt ein Gott das Loos der Schlachten, Und seine Schickung ist gerecht! Nun gib das Schwert mir an die Seite, Und sei getrost, mein theures Kind! Noch einen Kuß, bevor ich scheide, Und dann von hinnen, sturmgeschwind. In stiller Kammer magst Du beten ... Mir zuckt vor Kampfbegier die Hand ... Leb' wohl! Es rufen die Drommeten, Zum Kampfe ruft das Vaterland! Nirwana Das ist der fahle, schlummernde See, Aus dem das Leben geronnen Mit seinem thränenbeträuften Weh Und seinen vergänglichen Wonnen. Ein Traum nur paarte die irdische Pein Dem traumgeborenen Glücke, — Und dem es entsprang, das nichtige Sein, In's Urnichts rinnt es zurücke. Gemach ersterben im eisigen All Des Lichtes zitternde Fluthen; Die ewigen Götter kommen zu Fall, Die Sonnenbälle verbluten. Und bleich verröchelt am Weltensaum Die fiebernde Episode, Und einsam klingt im unendlichen Raum Das Lied vom ewigen Tode. Abendglocken Der Abend sank herein; Die Glocken brausen wieder In's weite All hinein, Wie holde Himmelslieder ... Ich bin so gar allein. Die Glocken hab' ich lieb. Ein theures Angedenken, Das von der Mutter blieb, Den Blick empor zu lenken ... Die Glocken hab' ich lieb. Die Glocken hör' ich gern. Wenn Sonntags sie erklangen, So hell von nah und fern, Dann ist sie hingegangen Zu beten vor dem Herrn. Dann glühte lieb und lind Verklärung auf den Wangen, Die nun erblichen sind; Dann ist sie hingegangen, Zu beten für ihr Kind. O heil'ge Opfergluth! Von ihrem Blick behütet, Wie war ich fromm und gut! Wie hat der Sturm gewüthet, Seit sie im Grabe ruht! Ich bin so gar allein! Auf fernen Hügeln funkelt Der letzte Abendschein. Die Tiefe schweigt und dunkelt, Es bricht die Nacht herein. Herbstabend Alles zittert, denn die Sonne schied, Und das Glück verschmerzt sich nur so schwer! Traurig, wie ein hoffnungsloses Lied, Klingt der Strom durch's feuchte Dunkel her ... Wie er wühlt und nagt! Wie er stöhnt und klagt! Ach, er findet Ruhe doch im Meer! Wall', o walle nicht so wonnevoll, Stolze Woge, dunkelblondes Haar! Blaue Blume, die ich meiden soll, Blüh' und leuchte nicht so wunderbar! Ach, vorbei, vorbei Und begraben sei, Was das Höchste mir auf Erden war! Schweigend, von der Dunkelheit bewacht, Brüten rings die Nebel auf dem Thal. Durch des Jammers thränenvolle Nacht Schimmert kaum ein halbverlorner Strahl. Ewig klar und rein Wohnt das Licht allein In der Dichtung hohem Göttersaal! Selig, wer den Liebesquell geahnt! Glanzberauscht vergißt er jede Pein. Selig, wer die Pfade sich gebahnt: Denn das wahre Himmelreich ist sein. Mit der Sterne Lauf Geht sein Blick hinauf, Sein Gedanke ist wie Sonnenschein. Wohl! nach jenen Höhen will ich schau'n, Wo kein Sturm die Blüthen mir bedroht! Goldne Tempel will ich auferbau'n Und die Schönheit lieben bis zum Tod. O verlaß mich nicht, Wundervolles Licht, Bleiche nicht, du schönes Morgenroth! Gib Dich zufrieden Noch einmal dieses himmlisch süße Bild, Du armes Herz, das dir den Frieden raubte? Und dieser Kampf, so hoffnungslos und wild, Den Stolz und Thorheit längst verwunden glaubte? Vergiß den holden, heißgeliebten Traum, Und Gott der Herr wird deinem Sturm gebieten; Vergiß des Glückes goldgewobnen Schaum: Gib dich zufrieden! Schau nicht empor; zu himmlisch ist das Licht; Schau rings umher im weiten Lebensgarten, Wo bleich der Tod die müden Kelche bricht; — Sei still und gut, du wirst nicht lange warten ... Fromm bringt die Hand der Liebe dich zur Ruh; So wild, so trostlos ist kein Weh hienieden, Der Kirchhof deckt's mit kühler Erde zu, — Gib dich zufrieden! Das Märchen vom Glück Sie sind allein, denn die Mutter kehrt Zu Nacht erst vom Felde zurück ... Durch's Fenster rauschet die Linde, — Und die Alte erzählet dem Kinde Das sonnige Märchen vom Glück. Sie erzählt vom verwunschenen Königssohn Und der boshaft grollenden Fee; Vom Schloß am Felsenstrande, Vom wilden Wogengebrande Und der Fischerhütte am See. Und der Prinz vertrauerte Jahr um Jahr Als Schlange im dumpfigen Grund ... Er wand sich in güldenen Ketten, — Ein Kuß nur konnte ihn retten, Ein Kuß von rosigem Mund. Des Fischer's liebliches Töchterlein Trug hohen, herrlichen Sinn. Sie sprengte die Ketten von Golde: Er aber machte die Holde Zu seiner Königin! Großmutter schweigt, und das Spinnrad schnurrt, Und das Mägdlein sitzt wie gebannt; Und es faltet die Hände im Schooße, Und heftet das Auge, das große, Starr täumend an die Wand. Großmutter, wie schön, o wie einzig schön! Großmutter, o wäre das wahr! Großmutter, mir würde nicht bange — Wie gerne umarmt' ich die Schlange, Trotz Schauer und Todesgefahr ...! Warum nur hat man das Alles erdacht, Wenn's nie sich auf Erden begab ...? Mir wird in der Seele so wehe, Wie in des Kirchhofs Nähe, Wie vor des Vaters Grab ...! Sei stark, Du zitterndes Kinderherz, Und dränge die Thränen zurück! Uns Alle hat es belogen, Uns Alle hat es betrogen, Das sonnige Märchen vom Glück. Heimlicher Briefwechsel Ja wohl, Frau Martha, prüft und wägt, — Des Hauses Ehre gilt's zu wahren! Daß so ein Kind von sechzehn Jahren Doch nie die Folgen überlegt! Da steht sie nun, zu Tod erschreckt, Und schlägt verschämt die Blicke nieder; Erregung wogt im vollen Mieder, Und jede Miene ruft! Entdeckt! Ein Liebesbrief vom jungen Veit! Ei, Röse, sind mir das Geschichten! So also kennst Du Deine Pflichten, Und so vertrödelst Du die Zeit? Frau Martha, nehmt's nur recht genau, Erzieht sie streng nach Eurer Weise! Ihr geltet ja im Freundeskreise Für eine vielerfahr'ne Frau! Indeß, als Jugendspielgenoß Rath' ich ergebenst noch das Eine: Laßt nie an Eurem Eichenschreine Den güldnen Schlüssel mir im Schloß! Dort liegen Briefe wohlverwahrt, In seid'ner Mappe eingeschlagen, Und Briefe sind's, — ich darf es sagen, — Von toller, ausgelass'ner Art ... O Jugendzeit, wie liegst du weit ...! Doch ob die Liebesschrift verblaßte: Er, der als Jüngling sie verfaßte War feurig, wie der junge Veit! Die treulose Fanny O Tag, an dem ich zum letzten Mal So recht bei Kasse war! Ich hab' ein famoses Gedächtniß: Es war der Tante Vermächtniß, — Ich weiß es noch aufs Haar! Wir saßen im Keller bei Vater Lenz Und tranken den perlenden Wein; Wir gossen aus irdenen Krügen Das Gold in gewaltigen Zügen In die durstigen Kehlen hinein! Und Abends im Garten beim Tannenbühl, Da führt' ich die Fanny zum Tanz; Mein Rock war gekehrt und gebügelt, Es blitzte, von Liebe beflügelt, Mein Stiefel in magischem Glanz. Und Austern bestellt ich und Hummernsalat, Und Asmannshäuser dazu! Und die Taille der Schönen umwand ich, Und beim siebenten Glase schon stand ich Mit der reizenden Fanny auf Du. Die goldenen Schätze zerrannen in Nichts, Wie Alles hienieden zerrinnt. Und das Eitle des Lebens erkannt' ich ... Für die letzten Ducaten erstand ich Ein Kleid für das rosige Kind! Nun rauscht sie in Seide an mir vorbei, Und schneidet ein schiefes Gesicht, Und hält sich mit vieler Emphase Das züchtige Tuch vor die Nase Und hüstelt, sie kenne mich nicht. Die Gans mag's halten, wie's ihr beliebt, Ich gräme mich wenig darum. Die Fluthen, sie sinken und steigen: Ich kehre mit stoischem Schweigen Die schlotternden Taschen mir um. Nur manchmal stiehlt sich ein heimlicher Wunsch In die männliche Seele mir ein: Sonst kann mir der Himmel nichts geben: Nur einmal noch möcht' ich im Leben So recht bei Kasse sein! Das Milchmädchen Früh Morgens, wenn noch Alles ruht, Kömmt sie durch's Felsenthal gegangen; Die Blume nickt vom gelben Hut, Und wonnig blühn die frischen Wangen. Die blonden Zöpfe, welche Pracht! Heiß wallt mein Blut in wilden Schlägen, — Und aus dem Dickicht tret' ich sacht Dem süßen Herzensdieb entgegen. Erröthend blickt sie auf und stellt Auf's grüne Moos die blanken Kannen; In lichtem Golde flammt die Welt, Und heilig glüh'n die alten Tannen. Wo kühl der See den Strand umrauscht, Am schroffen Hang basaltner Klippen, Dort reicht mir still und unbelauscht Mein Lieb zum Kuß die rothen Lippen. Beseligt wallt die weiße Brust, Wie Wogen, die im Wind erbeben; Ich fühle ganz mit voller Lust Ihr frisches, warmes, junges Leben! Sie sind so sehnsuchtsvoll und weich, Die Arme, die mich hold umschließen: Ich darf der Liebe Himmelreich In trunkner Jugendgluth genießen. Und Abends dann beim Kerzenschein, Wenn rings des Balles Wirbel toben, Seh' ich der Dämchen blöde Reih'n In höfisch aufgeputzten Roben. Sie kichern und umgaukeln mich, Sie kokettiren um die Wette ... Ich aber denke nur an Dich, Mein blondes Herzenskind Lisette! Die Gräfin meint, ich liebe sie, Triumphe träumt die Kampferprobte; Wir plaudern viel von Sympathie, — Schon grüßt uns Fama als Verlobte. O laß der Welt den blinden Wahn, Denn wenn die Götter sie bethören, Wird auf der Liebe gold'ner Bahn Kein Lauscher uns'ren Wandel stören. Lisette, süßes, junges Blut, O wenn sie ahnten ..., wenn sie wüßten ...! Wie würde rings die blasse Wuth Moralisch sich zur Fehde rüsten! Erschlaffung, krank und lebenssatt, Vervehmt so gern das Glück der Jugend, Und wenn die Sünde welk und matt, Borgt sie die Larve sich der Tugend! Noch ist die Seele mir gesund, Noch sprüht's mir feurig im Gehirne! Noch wogt Dein Busen frisch und rund, Noch strahlt wie Marmor Dir die Stirne. Was kümmern eure Fabeln mich, Was Pflicht, Moral und Etikette? Der Welt zum Trotz — ich liebe Dich, Mein blondes Herzenskind Lisette! Teuflisches Der Teufel ist ein prächtiger Mann! Er hat mich im Weh nicht verlassen; Er nahm sich so freundlich meiner an; Wie kann man den Teufel nur hassen? Schon war am dämmernden Meeresrand Verglommen der letzte Schimmer: Da nahm er die lange Pfeife zur Hand, Und kam zu mir auf's Zimmer. Mein Auge war von Thränen schwer, — Auf Ehre, ich sollte mich schämen! Ich ging ihm entgegen, und bat ihn sehr, Gefälligst Platz zu nehmen. Ich sagte ihm, daß mein Herz Dich liebt Mit des Wahnsinns glühendem Brande, Bis einst mein Schädel morsch zerstiebt Im kalten Kirchhofsande. Mit Schluchzen hab' ich ihm Alles erzählt, Was Du an mir verschuldet, Und wie mich Dein eisiges Lächeln gequält, Und was ich Alles erduldet. Der Sturm ging draußen dumpf und hohl, Die Wolken trieben zu Thale; Ich dachte: Jetzt kos't sie mit Meier'n wohl Im schimmerenden Marmorsaale. Und stöhnend stürzt' ich dem Teufel an's Herz, Und wollte vor Jammer vergehen, — Und der Teufel weinte vor bitterem Schmerz; Ganz deutlich hab' ich's gesehen. — Er reichte mir ernst und freundlich die Hand, Und sagte männlich gelassen: O Gottfried! komm doch zu Verstand, Und lerne das Leben erfassen! So lang die verbrauchte Maschine noch hält, Ist jegliche Thräne verloren! „Entsagen!“ ist die Parole der Welt, Zum Elend seid ihr geboren. Er lachte und seufzte dann, wie zum Scherz: O Herr, es geschehe Dein Wille! Dann legt' er die Hand mir auf's pochende Herz: Da ward's auf einmal stille. Und er zog eine Flasche hervor mit Saft, Und schlürfte mit vielem Behagen: Da, trinke, mein Junge! das gibt Dir Kraft, Des Daseins Bürde zu tragen. Ich tank und trank, und es gurgelte hohl, Und: „Wohlsein!“ rief mein Geselle, Ich trank und trank, — und es ward mir wohl. Das waren Tropfen der Hölle! Ich dankte dem Teufel für's köstliche Naß, Und richtete dann den Theetisch. Wir lasen zusammen den Ulfilas Und plauderten böhmisch und schwedisch. Wir redeten viel von Religion, Von den bittren Gefühlen der Reue, Von Petrus und Paulus, von Vater und Sohn, Und schwuren uns ewige Treue. Er sprach von Virchow und Hermann Lingg Mit prächtiger Würde und Salbung Und gab mir, eh' er von dannen ging, Sein Bildniß für mein Album. Noch drunten am Thore im Mondenschein, Da rief er und lachte verstohlen: Ich möchte Dir gerne gefällig sein; Sprich offen: Soll ich sie holen? Ach Teufel, mein Freund, Du beschämst mich schier; Meist plaudert das Pärchen im Flieder ... Doch holst Du sie heute — ich schwöre Dir Du bringst sie morgen ihm wieder! Schau in ein Kinderangesicht ... Schau in ein Kinderangesicht Und sprich von Deinem Kummer nicht, Wenn Du in seinem Auge siehst, Was es begehrt und wie genießt, Wie hell der Freude Laut erklingt, Wie froh es Dir entgegenspringt. Schau in ein Kinderangesicht Und grolle mit dem Leben nicht; Was nie des Ahnen Wunsch erreicht; Wie ward das Ziel dem Enkel leicht Du hast die Früchte seiner That, So laß der Nachwelt Deine Saat. Schau in ein Kinderangesicht Und trüb' es durch Dein Auge nicht; Hast Du Dir aber nichts bewahrt Von seinem Blick und seiner Art, So geh' und denk' darüber nach, Warum es Dich nicht leiden mag. Im Garten Wie die Blumen hier im Garten Blühn die kleinen Menschenblüthen, Beider sollst Du sorgsam warten, Sie vor Frost und Raupen hüten, Zu lebendigen Gestalten Drängt derselbe süße Trieb: Weißt Du Blumen werth zu halten, Hast Du wohl auch Kinder lieb. Laß sie beide frei gewähren, Birg sie nur vor rohen Händen, Kelche müssen sich und Ähren Selbst erschließen, selbst vollenden. Dieses will im Schatten bleiben, Jenes sucht der Sonne Licht, Laß die zarten Knospen treiben, Treibe Du die Knospen nicht. Eines prangt am Uferrande, Zerr' es mir nicht auf den Hügel, Andre wachsen auf dem Sande, Zieh' sie nicht am Wasserspiegel. Jedem Leben seine Weise, Jede Art an ihrem Ort, Nur im kalten Gletschereise Blüht kein einzig Blümchen fort. Hat der Schnee die farbenfrischen Frühlingskinder längst begraben, Achte auf die Fensternischen, Ob sie auch kein Grün mehr haben, Und wo Rosen sich entfalten, Wenn auch Kunst die Knospen trieb, Denk': Wer Blumen werth gehalten, Hat gewiß auch Kinder lieb. Leichenbegängniß Mit wunderlicher Litanei Zieht feierlich ein Zug vorbei Von Mädchen und von Knaben, Sie fanden auf dem Tummelplatz Im Garten einen todten Spatz, Nun spielen die Kinder Begraben. Ein Mägdlein macht die Leichenfrau Und trägt ein trüb' Gesicht zur Schau, Als dächt' es an das Sterben, Ein Bübchen stellt den Pfarrer vor, Dem Würdigen folgt der Trauerchor Mit der Miene froher Erben. Sie scharren ihren Sperling ein Und setzen ihm den größten Stein, Den Ort und Glück geboten, Dann klagen sie erst in der That: Daß jedes Spiel sein Ende hat, Das Spiel auch mit den Todten. Wer mag, Du räthselhafter Tod, Der allen unsern Freunden droht, Dich recht verstanden haben! Erschrocken blickt der Greis Dich an, Der Jüngling trotzig, ernst der Mann — Und die Kinder spielen Begraben. Geographischer Unterricht Der strenge Vater lehrt den Sohn: „Verfolge doch die farb'gen Ränder, Die fernsten Reiche kennst Du schon, Und blickst verwirrt auf deutsche Länder!“ Der Knabe starrt die Karte an, Er sieht die Lehrerstirn in Falten Und stammelt weinerlich: „Ich kann Die bunte Wirthschaft nicht behalten.“ Der Vater schaut sich lächelnd um: „Du zirpend Heimchen auf dem Herde, So bitte Deinen Schöpfer drum, Daß es den Enkeln leichter werde. Betrachte oft, betrachte still Die vielen Farben und Gestalten Und sprich, wirst Du ein Mann: ‚Ich will Die bunte Wirthschaft nicht behalten.‘“ Ave Maria Der Morgen graut; Der Tag erwacht. Die Sonne schaut In voller Pracht Aus blauer Höh' In dunklen See. Das Glöcklein klingt Vom Ufer her: Ave Maria! Und ringsumher Die Welle singt: Ave Maria! Die erste Furche nach dem Kriege Die erste Furche nach dem Kriege, Die hat viel Freud und Leid gebracht. Der Bauer lenkte seine Rosse; Weiß nicht, was er dabei gedacht. Doch schien sein Auge still zu lächeln, Und froh und heiter war sein Sinn. Denn wieder schritt der holde Friede Still segnend durch die Fluren hin. Da rollte plötzlich aus der Erde Ein bärtig Kriegerhaupt hervor. Es stehen still die beiden Rosse; Der Pflüger hebt das Haupt empor. Er schaut die wohlbekannten Züge — Es ist des Sohnes theures Haupt; Denn ach! das Liebste auf der Erde Das hatte ihm der Krieg geraubt. Der Vater küßt die blasse Stirne Und drückt das Haupt an's Vaterherz. Nun strömen auch die heißen Thränen, Und wieder kehrt der alte Schmerz. Das frohe Lächeln ist verschwunden; Der alte Kummer ist erwacht. Die erste Furche nach dem Kriege, Die hat ihm solches Leid gebracht. Die Waldkapelle Was glänzet dort im grünen Wald? — Das ist die schmucke Waldkapelle. Ihr Glöcklein klingt, ihr Glöcklein schallt, Es tönt so lieblich und so helle. Was funkelt auf dem Thürmlein dort? Das ist des Kreuzes heilig Zeichen. Wer flüstert dort so immerfort? — Das sind die alt-ehrwürdigen Eichen. Wer steigt in's Kirchlein still hinein? Was soll das himmlisch süße Klingen? — Das sind die lieben Engelein, Die in der Waldkapelle singen. Das Glöcklein klingt, das Glöcklein schallt; Die Engel singen; Tannen lauschen. Nun rauscht es durch den ganzen Wald; Das ist ein wunderbares Rauschen! Das Geheimniß Es reitet ein Reiter im dunklen Wald; Er möcht' ein Geheimniß ergründen. Es steht ein zerfallenes Schloß in dem Wald; Drin wär' das Geheimniß zu finden; Drum reitet er ohne Rast und Ruh Im Walde dem alten Schlosse zu. Da schaut aus den Zweigen der Waldgeist hervor; Der flüstert mit ernstem Bedeuten: „O Reiter, o Reiter, du bist ein Thor, Was willst in die Ferne du reiten? — O siehe, es liegt das Geheimniß so nah: O schaue in's Herz — das Geheimniß ist da!“ Kaiser Joseph Der Menschheit Edelster, je auserkoren Von dem Geschick, der Völker Wohl zu lenken, Er ward — ein Unglück ist es, kaum zu denken, — Um ein Jahrhundert, ach! zu früh geboren. Was mancher Fürst wohl hat nach ihm beschworen Aus Zwang, aus freiem Antrieb wollt' er's schenken; Doch ach! er unterlag den gift'gen Ränken Des Eigennutzes und so ging verloren Die schöne Saat, eh' sie zur Frucht gediehen! — Du hehrer Menschenfreund, dir war verliehen Ein taurig Loos: zu seh'n vernichtet, Was du erstrebt im reinsten Herzensdrange! Und Weh! die gift'ge heuchlerische Schlange Hat mächtig wieder sich empor gerichtet! Unter einer Buch Hier saß ich einst sinnend im Herbste, Als mich ein Windstoß erschreckt! Und ach! mit verwelkten Blättern Ward rings der Boden bedeckt. — Und in gar trübe Gedanken Versank ich unter dem Baum; — Als munteres Vögleingezwitscher Mich weckte aus meinem Traum. Zugvögel sind es gewesen, Sie zwitscherten laut: „zieh mit!“ — Da sank von der Seele die Wehmuth, Die sie vorher erlitt: Nicht überall erstirbt ja Im Herbste die Natur, Und kehrt ihr zurück, ihr Vöglein, Grünt neu auch diese Flur. So treibt auch manche Hoffnung, — Wie sehr sie jetzt zur Neig' — Kommt ihr zurückgezogen, Vielleicht manch grünen Zweig. Die Brennessel Als jüngst ich in ihrem Garten ging Und träumend an den Blumen hing, Da sprang sie vorüber mit schelmischem Blick Und ließ eine — Brennessel mir zurück. Ich suchte in allen Büchern nach, Was wohl die Blume bedeuten mag: Die Brennessel deutet — ein Buch verheißt „Der Tod nur diese Fessel zerreißt.“ Aus diesem Sinn ward ich nicht klug, Da schlug ich auf ein ander Buch, Drin stand, sollt' richtiger dieß sein? „Verschon' mich mit deinen Stichelei'n!“ Doch aller guten Dinge sind drei, Ein drittes Buch schleppt' ich herbei, Darin nun stand die Deutung gar: „Sei vorsichtsvoll, dir droht Gefahr!“ Hm! dacht' ich, das kann möglich sein, Der Blume Wirkung fiel mir ein: Sie brennt! doch den nur, der an sie streift, Den nicht, der sie verwegen ergreift! — Gunnlaug's Sang So hat es auch mich zu dem rauschenden Strand Auf die rollenden Fluten gezogen, Ich fliehe die Felsen, ich fliehe das Land Und folge euch, lockende Wogen. Denn ihr sanget das Lied, Das mich hin zu euch zieht, Von des Herzens Sehnen und Ringen. Ihr sangt es vor Zeiten, vor ewigen, schon; Jahrtausende kamen, Jahrtausende flohn: Noch hören das Lied wir euch singen. Des wilden Herzens ewiger Streit, Der klingt von den Wogen mir wider. Die Freude wird mächtig und milder das Leid, Und sie strömen vom Herzen als Lieder. O dann klingt es so schön Mir wie Harfengetön, Nach dem Ewigen regt sich ein Sehnen; Und das Ewige scheint dann so innig vertraut: Tief, tief dann das Herz in den Himmel schaut, Hoch, hoch über irdischem Wähnen. — Und pfeift um die Segel des Sturmes Gebraus, Und türmen sich höher die Wogen, Und die Möwe kreischt — o da werd ich hinaus Von den lockenden Fluten gezogen. Meine Heimat, mein Glück Ließ ich willig zurück: Dir hab' ich mein Alles ergeben. Und ist es zum Segen, und ist es zum Leid, Dir folge ich willig so weit, so weit, Dir vertraut ich mein Glück und mein Leben. Gunnars Heimatslied Abschied von Seeland Wol bist du schön, du dunkler Hain An dunkelblauen Wogen, Darob sich wölbt im Sonnenschein Der lichte Himmelsbogen — Doch schöner ist am Markflußstrand, An kahlen Felsens schroffer Wand Mein Sitz zu Hlidharende. Wol bist du schön, du blaues Mer Mit schaumgekrönten Wellen, Drauf tausend Schiffe hin und her Die weißen Segel schwellen — Doch höher noch bleibt mir gelobt Die wilde Flut, die rauschend tobt Um Islands Felsenklippen. Wol bist du schön, du Inselreich: Hoch steht dein Korn, und linde, Von Sammet einem Teppich gleich, So wogt es leis' im Winde — Doch schöner ist mein eigen Feld, Mit Not und Sorge wol bestellt, Und meine grüne Halde. Wol träumt sichs schön an deinem Strand, Du Paradies hiniden! Erhalt' dir Odin, selig Land, Gedeihn in Glück und Frieden! O solches Landes Herr zu sein! Doch meine Heimat lassen? — Nein! Fahr' wol, du stolzes Seland! Wol bist du schön, du Königsmaid In anmutvollem Glanze, In deiner stolzen Herlichkeit, In deiner Ritter Kranze. — Doch lieber viel, als du, mir war Der Heimat schlichte Mädchenschar In stiller, keuscher Würde. Fahr hin, du stolze, reiche Fe Mit deinem Zauberlande! Mich lockt die weite, blaue Se Zu meinem Heimatstrande, Zum Strande, da die Brandung tönt, Zu meinem Strande ruhmverschönt, Auf den die Gletscher schauen. Wiegenlied O Kind meiner Schmerzen! ich hoff' es von Oben, Die Thränen, womit Dich mein Auge benetzt, Sie werden Dir einst als glänzende Perlen Vom Vater der Liebe ins Herz gesetzt. Sie werden sich alle in Freuden verwandeln, In künftige Freuden, tugendschön, Und werden mit Dir als freundliche Schwestern, Als tröstende Engel durchs Leben gehn. Die Thränen der Mutter sind eine Weihe, Sie heiligen dich in Freud' und Leid; Gedenkst Du der Mutter und ihrer Thränen, Dann bleibt ohne Flecken Dein Lilienkleid. Grablied Heimgang, Heimgang ist das Sterben, Stiller Gang der Heimath zu, Nach der herben Wanderreise — Zu der sanften Grabesruh'. Heimgang, Heimgang ist das Sterben, Wie in dunkler, kalter Nacht, Wo dem Wand'rer warm und tröstlich Noch das Licht der Heimath lacht. Alle Sonnen sind erloschen, Alle Sterne schimmern matt, Nur der goldne Stern der Heimath Seinen Glanz gerettet hat. Heimgang, Heimgang ist das Sterben, Schönes, mildes, deutsches Wort, Ach, wie klingt es lieb und traulich In das Herz am fremden Ort! Jedem Fremdling, jedem Wand'rer, Der in Nacht und Nebel irrt, Bei dem süßen Wort der Heimath Aug' und Herz erweitert wird. Auf die Heimath laßt uns hoffen, Auf die Heimath laßt uns sehn, Wenn im trüben Wanderleben Lieb' und Lust zur Neige gehn! Löschen uns im Land der Trauer Alle Freudenlichter aus, Sieh! so leuchten sie noch schöner Uns daheim im Vaterhaus. Drum zur Heimath laßt uns ziehen, Wie das heimwehkranke Kind, Wo wir alle frisch genesen Und in Liebe selig sind! Morgengebet Als ich schlief in dunkler Nacht, Hat ein Engel, wunderschön, Abgesandt von Himmelshöhn, Hier an meinem Bett gewacht. Steigt das neue Sonnenlicht An den Bergen dann herauf, Weckt er mich mit Küssen auf Und entschwindet dem Gesicht. Guter Gott! wie dank' ich Dir, Daß mit solcher Engelwacht Du die Kinder hast bedacht: Nimm mein reines Herz dafür! Dämmerstunde Es sinkt mit leisem Flügelschlag Die Dämm'rung auf die Waldeswipfel; Der Tag, der morgen blühen mag, Zieht wie ein Traum durch dunkle Gipfel. Das ist die Stunde, wo ich gern Den künft'gen Lauf der Dinge prüfe, Und manchmal löst sich, wie ein Stern, Ein Lied darüber aus der Tiefe. Was bist du anders, kurzes Lied, Als künftiger Gedanken Ahnung, Die durch mein träumend Inn'res zieht, Wie eine Auferstehungsmahnung. Im Herbst O wie viel saft'ger Früchte Zier Quillt aus dem falben Laub den Bäumen, Es träuft die reife Erde schier, Daß ihre Becher überschäumen! Wie hat sie doch die volle Last Am Sonnenstrahle reif gebadet, Der sie sich jetzt zur Winterrast Verschwenderischen Sinn's entladet? Sie hat jedweden Sonnenstrahl In ihrem Busen still verwendet, All ihre Werde-Lust und -Qual Vom Thau gelöst an's Licht gesendet. Sie hat zur rechten Zeit gehandelt; Doch nimmer hat sie träg gesäumt, Ist nie auf falscher Spur gewandelt. Wohl steht auch Dir das Träumen an, Doch nur in Deinen Frühlingstagen; In Deinem Sommer mußt Du dann Die ganze Wucht des Lebens tragen. Es soll von dem, was in Dir sprießt, Kein Samenkorn im Dunkeln bleiben, Wie sich die Erde ganz erschließt, Wenn ihre Frühlingssäfte treiben. Du hast zum Trübsinn keine Zeit, So hast Du auch nicht Zeit zur Fehle; Das ist der ganze Unterscheid Von Deiner und von ihrer Seele; Das ist der Sinn von dem Beschluß, Daß sie Dir soll Gehorsam zollen: Rein, wie sie sich vollenden muß, So mußt Du dich vollenden wollen. Herbstblätter Meid ich meine trocknen Bücher Und des Zimmers trübe Räume, Trete in das Waldgehege, Senden trocknes Laub die Bäume. Drin und draußen trockne Blätter, Ob ich sitze, ob ich gehe; Liebchen, komm mit Deinen Wangen, Daß ich wieder Blüthen sehe. Sonntag Es glänzt der Himmel weit und breit In voller Sabbathfestlichkeit, Der Wald ist still, nur leise geht Ein Flüstern durch, als wie Gebet, Und auf dem Thal bis in blaue Fern Da liegt das Sonnenaug' des Herrn: Das thut der Welt so wunderwohl, Sie athmet tief, sie athmet voll, Und schickt Gesang und sendet Duft Andächtig in die blaue Luft, Und daß den Gottesdienst es kröne, Spielt fromm das Meer die Orgeltöne. Wie gern ließ ich im Wonnedrang Von all' dem ird'schen Lobgesang Mich auf zum blauen Himmel heben, Um einmal nur mit Engelschwingen Der Welten Urquell zu umschweben Und heil'ge Psalmen mitzusingen. Bescheiden wollt' ich wieder geh'n Und, still beglückt, hier unten wieder Nach irdischen Geschäften seh'n, Im Herzen sel'ge Himmelslieder, Verrathen wollt' ich's nimmermehr, Wo ich die Stund' gewesen wär'. Brautlied Es ist wohl schön, wenn auf den Fluren Ein neuer Lenz mit Freuden zieht, Und wenn das Auge nach den Spuren Des Sanges in den Äther sieht, Wohl schön, wenn in den sanften Woge Die Sommersonne still versank, Violen duften und Levkojen Die allzukurze Nacht entlang. Doch lieblicher als jede Sonne Und Lerchensang und Frühlingsblüth' Ist eine Braut, die, uns zur Wonne, Den Kranz um ihre Stirne zieht. Du blüh'nder Ring in hellen Haaren, Du Zauberring aus Myrthenreis, Du kannst das Schönste offenbaren, Du bist des Lebens höchster Preis. Wir möchten treu mit Allem ringen, Wir setzten unser Bestes ein, Was kann zu kostbar darzubringen, Zu schwer zu überstehen sein? — All' was wir wirken, sind wir schuldig, Was wir empfah'n, gehört uns nicht, Das Herz verwaltet es geduldig Für ein holdselig Angesicht. Und ist es da und hat gesprochen: Ich will fortan Dein eigen sein, — Dann ist der Morgen angebrochen, Der seligste, aus Mein und Dein. Dann wissen wir, warum wir leben, Dann werden alle Räthsel klar, Dann weiß der Geist, wohin sein Streben, Das Herz, wo seine Heimath war. Frühlingsliebe und Liebesfrühling Nun daß mit Wunderallgewalt Die Liebe in mich ziehet, Und diese Brust, die sonst so kalt, In süßem Feuer glühet: Nun öffnet auch im Sonnenschein Der Frühling seine Bronnen Und zieht mir gerad ins Herz hinein Mit seinen tausend Wonnen. Des schönsten Auges Liebesblick, Des Frühlings mächtig Dringen: Wo bleibst Du, Herz, mit all' dem Glück? — Du wirst mir noch zerspringen! — Am Abend Es schmiegt ein goldner Abendschimmer Sich durch der Bäume junges Grün, Sie steh'n bezaubert, regen nimmer Die Zweige, athmen nur und blüh'n. Als stiegen aus der Erde wieder Die Strahlen, die sie heute trank, Als sänke nun vom Himmel nieder All', was die Lerche aufwärts sang: So lebt die Luft in tausend Quellen Und Flur und Himmel bräutlich glüht, Das sind dieselben Ätherwellen, Auf denen Seel' in Seele zieht. Dieselben Lüfte, die verlangend Umfließen Deine Wohlgestalt; Ich weiß, Du kommst, wenn einsam prangend, Der Abendstern Erfüllung strahlt. O, hing' ich erst an Deinem Munde, Verschwunden fühlt' ich Raum und Zeit! Und in dem Umkreis dieser Stunde Läg' mir die ganze Ewigkeit. Der Thürmer Des Thürmers Stube liegt so still, Schaut weit in das Land hinein; Die Sonne, die eben scheiden will, Grüßt ihn noch ganz allein. Sie grüßt fern über die Häuser her, Die sind voll Sorg' und Hast, Und liegt doch weit über Land und Meer Des Sommerabends Rast. Der alte Thürmer im luft'gen Raum Die einsame Wache hält, Sein Weib liegt unterm Lindenbaum, Sein Sohn, der liegt im Feld. Es ging wohl manches Jahr herum, Er harrt schon lang des Herrn; Er lies't im Evangelium Und las es nie so gern. Da klinkt die Thür, — es kommt ein Gast, Bekannt zugleich und fremd, Ein Muschelhut das Haupt umfaßt, Den Leib ein Pilgerhemd. Die Palmenzweige in der Hand, Die flüstern Kedrongruß, Er kommt aus dem gelobten Land Und hat so leisen Fuß. Er grüßt vertraut, ruht wie am Ziel, Im Sorgenstuhl der Frau; Er wußte zu erzählen viel, Wußt' Alles gar genau: Die heil'gen Stätten, die er sah, Wo Alles sich begab. Gethsemane und Golgatha Und des Erlösers Grab. Der Thürmer horchet still bewegt Und hört es nie genug, — Es hat ihm Keiner ausgelegt So schön das heilige Buch; Er faltet fromm die Hände sein, Er lauscht und athmet kaum, Das müde Auge sinkt ihm ein — Kommt oder geht ein Traum? — Der fremde Gast erhebt sich leis', Er tritt zum Glockenstrang, Des Sterbeglöckleins stille Weis' Ins Land hinunter klang. Und als der letzte Ton zerrann, Verläßt der Gast die Wacht, — Hat heut noch nicht den letzten Mann Zur ewigen Ruh' gebracht. Der Trompeter Und was ein rechter Trompeter ist, Der läßt sein' Trompet' nicht, Der hat sie um zu jeder Frist, Bis an das jüngste Gericht. — Er lag bis auf den Tod verwund't Im Kolberger Lazareth. In der Kirche war's, am Altarrund, Da lagen sie Bett an Bett. Er hatt' in heißer Fiebergluth Nach seiner Trompete geschrie'n; Erst als sie in dem Arm ihm ruht, Da bändigten sie ihn. Oft ward sie warm in Kampfesgluth, Als ihn sein Schimmel noch trug; Nun ist sie heiß von Fieberblut, Haben beide Beulen genug. Am Sonntag Morgen, ein Orgelton Geht längs der Pfeiler-Kolonne, Vom Altar blickt der Gottessohn, In die Fenster die Morgensonne. Und wohl über manches Kranken Leib Weht's wie Genesungshauch. Der Pfarrer kommt mit Christi Leib Und sorgt für die Seelen auch. Und zündet im Felde sein Gebet, Hier heilt es wie Himmelsruh', Und Mancher, der die Kräfte hätt', Der hört andächtig zu. Trompeter schläft. Dem Feldscheer däucht: Das kann eine Schwenkung sein; Er schläft sich wieder aufs Pferd vielleicht, Oder stracks in den Himmel hinein. Der Feldprobst endet den Sermon, Vergißt das Amen nicht, Den Segen mit erhob'nem Ton Seine schallende Stimme spricht. Da fährt Trompeter vom Schlummer auf, Greift nach der Trompete gar, Er weiß, nach dem Segen gehört sich drauf Die schmetternde Feld-Fanfar. Er schmettert sie mit dem letzten Hauch Zur hohen Wölbung empor. — Mach' auf, Sankt Peter! Nach Reiterbrauch Ruft ein Trompeter am Thor. Das Erbe In dem Kloster von San Jago, Das da liegt bei Salamanka, Beten wohlbeleibte Mönche Für den Herrn der Donna Bianka, Für den Edlen von Toralva, Don Meneses y Paxeque, Dessen Leib der Tod will lösen Aus des Doctors Apotheke. Lucifer zankt um die Seele Des Erkrankten mit dem Himmel; Um sein Erbe buhlt das Kloster, Um den Andalusier-Schimmel. Nichts besaß er, als die Ehre Und das Roß, das wohlgebaute, Liebt' es ganz wie seine Kinder Und das Weib, das angetraute. Nur die Brüderschaft San Jago's Weiß, was ihn dazu getrieben, Daß er auf dem Sterbebette Also sprach zu seinen Lieben: „Donna Bianka, nach Gefallen Thut mit dem was mir gehöret, Nur mit meinem Roß zu schalten, Wie ich's sagen will, das schwöret.“ Und sie schwur. — „Wenn auf dem Markte Klingt das Gold der Portugiesen, Biete feil mein Roß, und mög' es Sich ein Caballer' erkiesen; Und das Gold, so Du erlösest, Sollst Du in ein Täschlein zählen Und dem Abte von San Jago Mit demüth'gem Sinn empfehlen. Bring' es ihm mit meinen Grüßen, Daß es meine Seel' entbürde, Bring's ihm unverkürzt, Geliebte!“ — Sprach's und starb mit vieler Würde. Donna Bianka ehrt den Todten Mit Obsequien, wohlanständig, Dachte dann an ihre sieben Söhne, welche sehr lebendig. Winkte ihrem Knechte Samso, Nach des Herrn Gebot zu handeln; Nach Plazza major am Markttag Sieht man mit dem Roß ihn wandeln. Biedre Ochsen, muntre Esel! Marktgeruch und Marktgewimmel! Schöne Pferde, doch das schönste War der Andalusier-Schimmel. Priesen ihn die braven Landleut', Fanden ihn sehr schenkelzierlich, Feu'r im Auge, reich die Mähne, Halsbewegung höchst manierlich. Pries ihn laut das Volk von Quebra, Traz os Montes und Zamora; Auf dem Sattel saß ihm eine Weiße Katze von Angora. „Wem gehört das Roß? was gilt es?“ — „Dieser Stolz von Salamanka Eignete dem Don Meneses; Doch die Katz' gehört Frau Bianka.“ — „Andern sprich von Deiner Katze“ Äußerte der Schimmelfreund sich — „Ein Ducado, Herr, der Klepper, Doch die Katze neunundneunzig. Wundert euch ganz nach Belieben, Doch ich rede nur von Beiden, Eins gewöhnte sich ans andre, Und der Tod nur soll sie scheiden. Ja mein Kätzchen, Du bist glänzend, Du bist seiden, Du bist einzig: Ein Ducado, Herr, der Klepper, Doch die Katze neunundneunzig.“ Blickt mit Argwohn hier der Käufer, Ob ihn wohl ein Schalksnarr necke, — Gäbe sonst wohl hundert Goldstück' Für das Roß des Don Paxeque; Ruft darum sich aus der Halle Den Notarius klug und tiftlich, Und vollzieht den Kauf bedächtig, Alles bündig, alles schriftlich. „Desto besser,“ spricht der Diener, Als er Gold und Pact empfangen. „Desto besser,“ spricht die Donna, Als sie diesen durchgegangen. Näht ein Beutelchen von Seide, Schiebt hinein den Gold-Ducado, Mit demüth'gem Herzen tritt sie Sittsam ein zu dem Abbado. Bald verstummt die Seelenmesse Für ein Goldstück abgesungen, — Bei den neunundneunzig wachsen Don Paxeque's derbe Jungen. Veilchen 1870 Sie sandten mir oft, sie sandten mir viel, Die treuen Genossen alle Von dem Felde, wo Deutschland kam zum Ziel Und das Frankenreich kam zu Falle. Den Splitter von Erz, der die Wange gestreift, Den Vers, der Einem der Lieben Nach gewonnener Schlacht im Herzen gereift, Auf Trommelfellfetzen geschrieben. Die Kapsel, aus welcher der Tod geblitzt In Garben aus einem Stamme; Ein kunstlos Geräth, mit der Waffe geschnitzt Bei trüber Wachstubenflamme. Manch Bild aus alt ehrwürdiger Zeit Von Schlössern und Kathedralen; Die Blätter, worin die Männer von heut Mit Lüge und Irrsinn prahlen. — Doch kaum erwachte des Frühlings Hauch Und der Donner ruhte ein Weilchen: Da übten alle denselben Brauch Und sandten mir Veilchen, nur Veilchen. Gepflückt von der kräftigen Landwehrhand, Wie der federgewohnten des Knaben; Die Veilchen duften wie Heimathland, Nur Veilchen sollt' ich haben. Ich lieb' euch! Ihr mit dem deutschen Gemüth, So furchtbar im Schlachtendrange, — So sanft und fromm, wenn ein Veilchen blüht Am blutigen Waldeshange. An 'n Strann Wo rusch't de Se, wo schön dat klingt, Wenn ik an de Dünen ga! Dat is as wenn se sik Leeder singt, Un de Dannen, de singen s' er na. De Dannen un Bööken ruschen so schön, Un de Vägel flööten dormank; Un de Bloomen weegen den Kopp in't Gröön, As verstünn'n se den schönen Gesank. He weigt un schallt mi ok üm't Ur, Legg ik mi in't grööne Gras, — Dat is, as wenn de ganz Natur Een Lust un een Singent was. Un sal ik mi düden all dit Johoy, Dat mi so wolgefölt? Denn segg ik blot: De Welt is moy! Wo levt sik dat schön in de Welt. In de Dannen Gotts Dunner! wat weiht de Ostwint stif, — Dat is von de richtige Ort! So isich, mi früst de Sel in'n Liv, Un de Aten hengt witt in den Bort. Is hir un dor de Heben ok blach, De Sünnenschin kümt nich dör; — De Wint paßt di up jede lütt Flach Un schüft frische Wolken dorvör. Na tööv man, rus man too! ik kam Glik na de Dannen heran; Ir ik hir buten ganz verklam, Kir ik dor leever 'n beten an. Sü so! — Stan s' ok man 'n beten dünn, 't is doch glik 'n annern Snack; Dat is as kümt en Haben binn'n Un ball ünner Dak un Fak. Un warmer ström't mit jeden Schritt Dörch alle Adern dat Bloot, In de Backen sticht sonn frische Hitt, De buten von Küll ganz rot. Holl stopp! — wat is denn hir vör'n Kram? De Dannen ward'n dicht als ne Mur, Un baben stecken s' de Köpp tosam Un tuscheln sik wat in 't Ur? Wat heft Ji so heemlich; dat möt ik doch seen! — O Je! — mit de grööne Want Bugt Ji en lütt Stüving, so warm un so schön An den Barg in den witten Sant. Un baben wölben s' de Deck so dicht, — Dor kümt in de oll lütt Klus Bi helligen Middach sonn Schummerlicht As 's Abends bi Mooder to Hus. O wo lang is dat her, un wat wir dat so schön! Se höll minen Kopp in den Schot, Half hürt ik er Würd, half dröm't ik so hen, As hir an de Dann' eren Foot; Von verirrten Jung, von de Schneekönigin; Lütt Dümling un Riesen und Zwarg; Dat kümt mi so selich wedder in 'n Sin As levt dat in Dannen un Barg. De Dannengeruch füllt de Stuv so schön As donn bi den Wihnachtsman; En Sünnstral flimmert mit ens dörch dat Gröön Un stickt mi de Lichter all an. Kinnjes is dor! Kinnjes juchhei! Ik spring üm den Dannenbom! — — Wat stürt mi dor vör'n heesch Geschrei In minen schönsten Drom? Dor röpt de Krei von'n Bom heraf! „Sta up, du büst nich mir Kint! Sta up, un schüddel de Dröm di af! Herut, oll Burß, in den Wint.“ Nachts Wo hadd ik't anners dacht! — — — Ik hadd de halve Nacht De beeden Ogen apen Un künn vör Freud nich slapen! Denn Morgens all bi Tiden Seg ik em jo von widen; Un kem he denn vörbi, Seg he heran na mi. Un wenn he grööten wull, Denn schemt ik mi so dull; Denn seg ik em kum' an, Let em irst wider gan. Hadd ik em blot mal seen, Denn wir de Dach so schön! — Un ach! wat wir't en Glück, Wenn he vör'n Ogenblick Sik en Gewarv annem Un 's Abends rinne kem! — Hürt ik em up de Del Wo bever mi de Sel! — He sprök so tru un goot, Mi würd so heet un rot! — Un sed he nast adschüs, Hel he min Hant so wis. Ik tröck se jo nich furt, Wenn't ok mal lenger durt. — Ik dacht he müß dat weeten, Ik würr em ni vergeten. — Nu is't ganz anners kamen: He het 'ne Anner namen. Ik kan't noch gor nich faten! Nu bün ik ganz verlaten! — O Gott, — so ganz alleen! — Nu ligg ik hir und ween De leeve lange Nacht! — Wo hadd ik't anners dacht! De Schiltwach Up't Rathus is dat hüt ne grot Ravage. Den ganzen Morgen lepen de Soldaten Mit all er Packenel'ken dörch de Stat Un tröcken schobenwis na't Rathus rup. Dor hadd de General mit sin Offziere De grote Ratsstuv mit Beslach belecht. De ganze Stat wir vull von dit „Ereigniß“. De weck de seden, se kregen nige Litzen An'n Kragen, odder an de Achselklappen Por anner Knöp; weck snackten ok von Züntnad'ln, Von nige Käppis un wat weet ik all. Süs was dat hir man still; denn von Soldaten Wir vör gewönlich man 'n lütt Hantvull dor; Und dat sonn General un so vel Lüd In fine Uniform mal dor west wiren, Dorvon vertellten blot de Ollen noch As von ne Festtit in er Kinnerjoren. De General seg't von ne anner Kant. He hadd en suren Dach, denn all de Akten Sölln ok mal revidirt un naseen warden, Ob All'ns ok in de rechte Ordnung wir. Dorbi was't midd'n in'n Juli un de Sünn Hadd bannich inbött, dat em mennich Druppen Ut't witte Hor up stövich Akten föll; — So olt he wir, he sweet't wit leever buten In'n Felln, möcht't Sünnschin wesen odder hageln. He höll sik äver stramm an sin Gescheften Un gaf sin Lüd en Bispil, bet an'n Abent He sine Akten toslog: — „morgen mir!“ — He güng von't Rathus, um sik noch en beten Von ungewonte Arbeit to verhalen. He hal mal ornlich Pust, as he alleen Dörch't früntlich Stetschen güng, und dit und dat In sin Erinnrung kam ut frühre Tiden, So dat he gar nich markt, wo allerwegt De Börgerslüd an't Finster kemen, un De Dirns un Stratenjungs von firn still stünn'n Un mit de Fingern wisten: „Kik, dat is he!“ De Sünn ströp't mit den letzten gelen Schin Dörch't grööne Felt un blenkert in de Finstern Von'n Karkenturn; em würr de Bost so wit, As müst he glik de ganze Welt rin laten; Un doch sonn swack Gefööl, as wir dat beter He let't bet morgen. Ja de Schummertit Bringt dat so mit sik, dat wi Allens willen Un gar nix doon, as sachten vör uns hendröm'n. Ok trüggwarts dröm wi uns wol mennichmal, Un so passirt't ok unsen General, As he dat Dur gewor würr, grad wo früher, 't wir wol ball föftig Jor, en Slachbom stünn. — Ja, dunnmals was 't ne grote Pönitenz Wenn s' in sonn lütte Stat in Garnison Schickt würren, — alle Dach de sülvich Kram! Keen Ball nich und Theater; blot de Wachtstuv, Un Langewil to Hus, bet se sik's Abents Mööd gähnten bi ne lütte Partie Whist. — De Sünn ging ok wol unner, äver wat Güng em dat an; — dat segen s' nich un keken Blot na de Börgerdirns, wur doch nix wir, Wat em geföll. — Nu is dat anners worden. Wo gern verlevt he nu sin ollen Dag In son lütt Stat; so ganz vör sik alleen Mit en por goode Fründ un de Natur. Em is't lang äver in de Residenz, Dat Rümtrecken an den Hof; un denn keen — — ritsch, ratsch! — Mit eenmal klätert vör em en Gewehr Un blast em sin Gedanken, de so swarmten Tosamm to'n Sammeln; vör em steit en Posten De jüst sin Menken mak't vör't Presentiren. Wo Deuvel kümt denn hier ne Schiltwacht her? — Denkt he bi sik — ditt is jo'n ganz lütt Hüschen, Un „Snider Voß“ steit up dat Schild? — Wat heet dit? — „Wer wohnt denn hier?“ sprekt he den Posten an. „Der Sneider Voß, ne! — Fuchs, Herr General!“ — „Warum stehst Du denn Posten hier?“ „Ich würd Klock neun erst afgelöst, Herr General.“ „Nein, nein, ich mein, warum hier überhaupt Ein Posten steht; wozu dies Schilderhaus?“ „Da krauften wir herein, wenns regen thut Sonst müst wir baußen stehn, Herr General.“ „Min Jünging, Du versteist mi nich, spreek Du Man plattdütsch, — ßü, wenn Du hier Posten steist So möst Du doch ok weeten, wat Du hier Biwachen deist, un worüm Du hier uppasst!“ „Je so, ik möt uppassen, ob hir ok Wol wat passirt, Herr General!“ — De schüddköppt Un fröcht: „Na, is denn hüt all wat passirt?“ „Se sünt de irst, Herr General!“ — Dor wir Keen Hülp, de hadd dat Pulver nich erfunn. „Wo heest Du denn min Sän?“ — „Ik heet Fritz Schröder, Herr General.“ — „Na Fritz, denn blif man bi Un paß goot up, min Jung, un schick di goot.“ Un dormit gung he wider. „Zu Befehl, Herr General!“ secht Fritz und kikt em na, Un Tranen kemen em binah in't Og. Dat hadd he all sin Levdag sik nich dacht, Dat en General so neddertrechtig wir. He dacht, he möcht fir Schilling dorvör geben, Wenn sin Herr Hauptmann ok balt General würr. De General wir na't Kasino gan. Hier dröp he all sin Lüd un ok den Hauptmann, De hier in Garnison lach. Bi'n Glas Bir Vertellt he datt lüt Stückschen mit de Schiltwacht. Un fröcht den Hauptmann denn na de Bewantniß, Worüm de Snider Voß en Posten hadd. De Hauptmann was in dissen Punkt nich klööker As uns Fritz Schröder; all sin Dag hadd he Nich doran dacht; — he hadd den Posten vörfunn Und hadd em ruhich up sinen Placken laten. Dat gaf nu'n Lachen und en Disputiren; De Een wüst't ümmer beter, as de Anner; Ok Herr Burmeister würr toletzt heranhal't Sinen Semp dartoo to geben; äver dee Wüst ok nich mir, as dat de föftein Jor, Sit he in diß lütt Stat sin Amt verwalt't, Up disse Sted en Posten stünn; blot meent he, Dat donnmols dor de Discher Kulow wan't. „Na, morgen möt we hir mal Licht in sööken!“ Secht denn toletzt de General. — „Un Se, Herr Börgermeister, sünt wol so gefellich Mi Insicht in dat Statbook to erlauben Un in de Akten, de hir sünst villicht Von Nöden sünt?“ — „Ja wol, mit vel Vergnöögen!“ Den annern Morgen is de General Bi Tiden wedder in de Rathusstuv. De Statsikter hadd't grote Statbook ranslept, De Auditör, de snückert dat nu dörch Un rapportirt, wat he dor finnen ded. Na ja, de Börgermeister hadd ganz Recht, Vor föftein Jor gehürt dat lütte Hüschen Den Discher Kulow, de dat dree Jor früher Sik bug't up Speklatschon, as he den Buplatz Ut Reeper Smidten sin'n Konkurs sik köft hadd. De Platz was Reeper Smidt sin Reeperban; Von'n Posten äver wir hir nix to finnen, So slög he wider na: De Reeper Smidt Hadd sit acht Jor hir wan't un hadd dat Gruntstück De Stat afköft, un de hadd hir den Buhof. „Haha, Herr General, nu kam w' em neger. Dit 's mal en öffentliches Gruntstück west; De Stat het hir den Buhof hatt, nu möt wi De Buhofakten seen.“ — De Registrator Kram't se herut, un von den Kopkuntrakt Mit Reeper Smidten geit de Auditör Nu trüggwarts. Äverst irst wir nix to finnen, As de Verkopsverhandlung mit den Reeper. De Buhof würr vör de Stat heruterlecht, Un dorüm hadd de Stat den Platz verköft. Nu kemen all de Reknungen, lütt un grot, Wo dit un dat von't Buamt liefert wir. Balt was't ne Reparatur an'n Karkenturn, Balt an dat Schoolhus, denn mal eens bi't Dur, Alleen von'n Posten nich en Starbenswurt! So sat de Auditör binah dree Stunnen Un les und les und würr all heel verdreetlich. — Mit eenmal fort he up un röpt: „Ik hef't!“ Un ludhals lachent gaf he'n General En lütt Billet, wat in de Akten leg. — — Un durt nich lang, dor lacht de Anner mit. Wat Düvel möcht dat sin? Tööf, lat uns mal Em äver de Schuller kiken. — Sü, dat Datum Is irst vör dree un dörtich Joren hensett Un Börgermeister Kundt schrift an den Hauptmann: De Polizeimann Köppen wir em krank Un Hartmann künn he grad up Stunns nich missen; Nu woll he bidden, ob he em wol nich Up iwee dree Dag ne Schiltwach pumpen künn. Üm'n Buhof wir't Gelint grad frisch antert De sakermentschen Jungs besmiten dat Mit Sant und Dreck, wenn dor nich uppasst wart. Un „Vivat“ hadd de Hauptmann unnerschreben, (He hadd mal hürt, de Altenmakers seden Fiat stats Ja, nu wull he Akten maken.) So stünn denn nu sit dree und dörtig Jor De Schiltwach dor un paßt up dat Gelenner, Dat söß un twintich Jor lang nich mir stünn. Un as de Posten wedder aflöst würr, Dor würren vir Mann mir mit kummandirt, Un 't Schillerhus — dat seg man nich mir wedder. Wat doch de Dütsch' all kan! — Je, lach man nich: Sonn Schillerhüser stan noch allerwegt Un mennig Posten möt noch aflöst warden. Wat doch de Dütsch' all kan! — Je, lach man nich: Sonn Schillerhüser stan noch allewegt Un mennig Posten möt noch aflöst warden. Nim blot mal an, alleen de grote Wachtstuv In Frankfurt in de Eschenheimer Strat, — Bewacht se ok nich blot en oll Gelint, Dat antert is un lang nich mir besteit? — Dor felt man blot de General, de dor Mal revidirt — will't Got, so kümt he balt. Die Erde an den Sommer October 1829 Und willst du unaufhaltsam nun entfliehen, O du für den mein Herz so zärtlich schlug!? War alles, was du mir verliehen An schwärmerischen Phantasien, An Blüthen, Strahlen, Melodien, Nichts als ein lieblicher Betrug!? So nimm sie hin, die süßen Liebeszeichen, Die einst der Traum der Jugend mir gebracht; Ihr flücht'ger Zauber mag entweichen, Mein frohes Angesicht erbleichen, Tod durch die matten Pulse schleichen — Doch ewig ist der Liebe Macht! Und Liebe wird uns an einander binden So lang die Sonnen ihre Bahnen gehn; Nie kann der Geist dem Geist entschwinden, Ich will, ich muß dich wiederfinden, Die Nacht des Todes überwinden, Und selig mit dir auferstehn! Der Schmetterling 20. September 1831 Dort flattert er! der Zauber ist zerronnen, Kein Zweifel hält den Flüchtling mehr umsponnen, Der seiner dunklen Haft entging; Nichts kann ihm diesen leichten Aufschwung wehren, Er darf zurück in's Reich des Lichtes kehren Ein freier, froher Schmetterling! Dort blüht auch sie, die unschuldsvolle Blume, Alus deren zartem Seelenheiligthume Der Hauch des reinsten Lebens quillt; Denn durch ein tiefgeheimnißvolles Walten Ward sie in ihrem lieblichen Entfalten Der Stern, der seine Sehnsucht stillt. Dort blühet sie, dort wehen ihre Düfte, Dort schwebt er hin, ein zartes Spiel der Lüfte, Getragen von der Sehnsucht Ruf, Nun ist er dort, nun hat er sie gefunden, Sein Dasein hat die Weihe nun empfunden, Für welche die Natur es schuf! Und dir auch, Geist, der unter Wehmuths-Bangen, Von Zeit und Raum gefesselt und gefangen, Dem Himmel sich entfremdet scheint — Auch dir wächst schon die leichte, lichte Schwinge, Die dich, gleich jenem heitern Schmetterlinge, Dem Sterne, der dir winkt, vereint! Seele 18. November 1832 Funke, der jetzt schwach und klein, Nur im Dunkeln schleichet, Wirst du einstens Flamme sein, Der das Dunkel weichet? Keim, der in sich selbst versteckt, Noch nicht aufgegangen, Wirst du, sonnenhaft erweckt, Einst in Blüthe prangen? Hauch, von Formen eingeengt, Die dich dumpf umgeben, Wird, was deine Fessel sprengt. Dich gen Himmel heben? Lichtgedanke, jetzt der Nacht Und dem Traum verfallen, Wirst du, weil dich Gott gedacht, Einst im Lichte wallen? Ja, du wanderst fröhlich heim Durch die Erdenschranke, Seele, Funke oder Keim, Hauch und Lichtgedanke! Im Leiden 1832 Was ich leide, was ich liebe, Leid' und lieb' ich, Gott, in Dir, Ohne Lieb' und Leiden bliebe Trennung zwischen Dir und mir; Aber sicher führen beide Wieder mich zurück in Dich — Wenn ich liebe, wenn ich leide, Heiligt Deine Liebe mich! Und so liebe, leide, lebe Ich mich ganz in Dich hinein, Deiner Liebe übergebe Ich mein ganzes Thun und Sein; Was ich bin und was ich thue, Bin und thu' ich, Gott, durch Dich, In Dir lebe, in Dir ruhe, In Dir lieb' und leide ich! Wo Ruhe ist 23. October 1835 Du suchest Ruhe schon auf Erden? O thöricht Herz, was fällt dir ein? Hier kannst du niemals ruhig werden, Denn Ruhe ist in Gott allein. Um deiner ew'gen Ruhe willen Darfst du hier niemals ruhig sein; Nur Gott kann deine Sehnsucht stillen, Denn Ruhe ist in Gott allein. Wo wolltest du auch Ruhe finden? In Dingen, die wie Irrlichtsschein Dich locken, täuschen und entschwinden? Nein, Ruhe ist in Gott allein. Es ist der Anfang aller Ruhe, Es ist das Ende aller Pein, Daß man den Willen Gottes thue, Denn Ruhe ist in Gott allein. Mit Gottes Willen also bringe Dein eig'nes Wollen überein, Denn Ruhe ist in keinem Dinge, Ach! Ruhe ist in Gott allein! Sommerabend 29. August 1841 Ein stilles, friedliches Versöhnen Geht durch die abendliche Welt; Nur noch von halbverklungnen Tönen Ist die verklärte Luft geschwellt; Des Tages laute Stimmen schweigen, Und wie vom Geisterhauch durchweht, Schwebt in der Bäume höchsten Zweigen Nur noch ein flüsterndes Gebet. Die Sonne hat, stillselig funkelnd, Den gold'nen Strahlenlauf vollbracht, Und tiefer, immer tiefer dunkelnd Kommt nun die himmlisch süße Nacht, Die das entschlaf'ne Leben hüten, Das Ruhelose stillen soll, Und das Verlorene vergüten — Denn sie ist Gottes Friedens voll! Sie kann der Menschen Herz umhüllen Mit sanftem Schlaf und süßem Traum; Sie kann mit Gottes Klarheit füllen Den stillgeword'nen Erdenraum; Das Zeugniß seiner gold'nen Sterne, Die Friedensschrift der Ewigkeit Holt sie aus weiter Himmelsferne Herab in ihre Dunkelheit. O, Zeit des Segens! Zeit der Stille! O, tiefgeheimnißvolle Nacht! Die eines ew'gen Gottes Wille Zur Botin seines Friedens macht — Du zur Versöhnung uns gegeben, Du bist der sanfte, stille Geist, Der unser ungestümes Leben Auf seine Ruhestatt verweist! Du rührst das menschliche Empfinden Mit göttlicher Genüge an — Du läßt uns eine Ruhe finden, Die uns die Welt nicht geben kann; Du läßt des Tages Sonne sinken, Den Schmerz des Tages untergehn, Und nur die Sterne Gottes blinken Und Gottes Friedensbund bestehn. Das Schiff des Lebens Ohne Rast schweift durch die grünen Wellen Unser schwankes, schwaches Lebensschiff. Steuert gut! wie leicht kann es zerschellen An dem unsichtbaren Felsenriff. Steuert gut, o Schiffer, durch die Wogen Euren leicht gebauten Lebenskahn; Schwere Stürme kommen hergezogen, In der Ferne lauert ein Orcan. Steuert gut das schwanke Schiff des Lebens, Und zur rechten Stunde noch bedenkt: Alle Umkehr hier, sie ist vergebens, Jeder fährt, wie er sein Schifflein lenkt. Steuert gut! Euch nützt kein spätes Klagen; Gebet Acht in Stürmen und in Noth; Denn die Welle, die den Kahn getragen, Wird gar oft des armen Schiffers Tod. Steuert gut! Schon Mancher ging zu Grunde Auf des Lebens klippenreichem Lauf. Vorwärts eilt — zurück kehrt keine Stunde Und kein Anker hält das Fahrzeug auf. Wir wissen nicht, warum ... Wir wissen nicht, warum die Blumen blühen, Nicht wer mit Düften ihren Kelch umgiebt, Wir wissen nicht, warum die Sterne glühen, Das Menschenherz ahnt nicht, warum es liebt. Nicht weiß es, wie das wunderbare Sehnen In seinem tiefsten Inneren entsteht; — Das eben ist der Zauber alles Schönen, Daß wir nicht wissen, wie es kommt und geht. Bundeslied Jetzt oder nie ein einig Band, Das uns're alte Schmach vernichtet, Jetzt oder nie ein Vaterland, Ein starkes, freies aufgerichtet! Jetzt oder nie die Hand zum Schwur: „Wir wollen ewig Brüder bleiben!“ O laßt uns an des Himmels Flur Den Schwur mit Flammenzügen schreiben! Und wer vom heil'gen Bunde weicht, Den schlage, Herr, mit deinen Wettern, Ob Erdenmacht ihn nicht erreicht, Dein Zorn wird ihn darniederschmettern; Dem Himmel haben wir vertraut, Die Hölle wird den Bund nicht lösen, Wir haben, Herr, mit dir gebaut, Und Ohnmacht ist die Macht des Bösen. Du müder Greis, halt' ein am Grab, Du sollst dem Schwur der Söhne lauschen, Dann wirf ihn fort den morschen Stab, Des Todes Fittig mag dir rauschen; Du gehst dahin mit frohem Muth, Den todten Brüdern kannst du künden, Gesühnet ist ihr Herzensblut, Und ausgetilgt sind uns're Sünden. Der du gekämpft auf blut'gem Feld, Die Seele hauchst aus heißen Wunden, Hör' noch dieß Wort, du deutscher Held, Daß wir ein Vaterland gefunden. Blickauf, es hebt der deutsche Aar Zur Sonne seine freien Schwingen, Die Saat ist reif, dein Traum ist wahr — Laß deines Blutes Quellen springen! Und der du ziehst in's Leben ein, O Jüngling, sprich den Schwur der Väter: „Wir wollen einig, einig sein, Und Fluch des Himmels dem Verräther!“ Es steht der Schwur am Himmelszelt Mit Flammenzügen eingewoben, Und eh' dieß Haus nicht bricht und fällt, Ist dieser Schwur nicht aufgehoben! Protest „Das ganze Deutschland soll es sein!“ Der deutsche Barde hat's gesungen, Und von der Elbe bis zum Rhein Erklang's von Millionen Zungen; „Das ganze Deutschland soll es sein!“ In unsern Herzen ist's geblieben, Denn blutig grub die Schmach es ein, Als wir noch stumm in Haß und Lieben. Wir trugen es in stiller Brust, Als sie ein frostig Band umkreiset, Da sang die Lerche Frühlingslust, Und jede Quelle ward enteiset; Und hell erklang's Thal aus, Thal ein, Und von den Bergen hallt es wieder: „Das ganze Deutschland soll es sein, So weit erschallen deutsche Lieder.“ Am Felsthor pocht der Feinde Schaar, Die sich ein höhnend Ziel gestecket, Da braust zum Sieg der rothe Aar, Die blut'gen Fänge ausgestrecket; „Das ganze Deutschland soll es sein!“ So sangen wir in vollen Chören, Und in die Feinde schlug es ein Das Donnerwort aus unsern Röhren. Und wie es in die Feinde schlug, So braust' es von der Berge Zinken, Wo hoch im stolzen Siegesflug Die deutschen Banner niederwinken; Vom Nordseestrand zum Alpenschnee Erglänzt des Einen Bundes Zeichen Und donnert euch ein dreimal Weh', Wollt ihr vom Wort des Sängers weichen. „Das ganze Deutschland soll es sein!“ Ihr könnt uns nicht vom Herzen reißen, Wir standen treu in euren Reih'n, Wir wollen deutsche Brüder heißen; Gebrochen liegt, ein morscher Stab, Der Arm, der unsern Willen knechte, O Gott vom Himmel blick herab! Wir fordern uns're heil'gen Rechte. Warnung Wer kennt ihn nicht im Lied der Nibelungen, Den Born, aus dem des Jammers Strom geflossen, Als durch den Arm des stärkeren Genossen Der spröde Reiz Brunhildens ward bezwungen? Unsel'ger Gürtel, der die Kraft umschlungen! Der Rache Werkzeug ist aus dir entsprossen, Daß schnell zur Todtenklage sich ergossen, Das süße Lied, so minnig angeklungen. O die ihr gern der Freiheit wilde Reize Bezwingen wollt mit lüsterner Geberde, Und zaghaft fremde Jäger ruft zur Beize: Mißtraut dem Arme, der euch Hülfe sendet, Daß nicht zur Sichel blut'ger Saaten werde Der Stärke Gürtel, den er euch entwendet! Autharis und Theudelinde Nach Regensburg zu Hofe des Herzogs Garibald Vom Alpenschnee hernieder ein Zug von Gästen wallt, Vom Longobardenkönig sind's Boten abgesandt, Daß sie beim Herzog freien um seiner Tochter Hand. Ein Greis im Silberhaare voran im Zuge geht, Ein Jüngling ihm zur Seite in blonden Locken steht, Sein Kleid ist schlicht zu schauen, doch ragt er stolz hervor, So hebt im Wald die Eiche die Krone hoch empor. Das ist der König selber, vermummt in Dienerkleid, Des Diademes Perle, in falschen Schmuck gereiht; Nicht frommt es fremden Augen, so dacht er sich, zu trau'n, Ihn trieb ein heißes Sehnen, die süße Braut zu schau'n. Denn schön vor allen Frauen wuchs auf des Herzogs Kind, In Anmuth und in Sitte erblühend Theudelind, Wie klang die Sängerharfe ihr hell zu Preis und Ehr! Wie tönt in allen Landen von ihr so holde Mär! Schon steh'n zu Hof die Boten im glänzend hohen Saal, Der Greis dem Herzog kündet, was Autharis befahl, Er wirbt nach Brauch und Rechten um Theudelindens Hand, Er beut manch schöne Gabe aus dem Lombardenland. Drauf spricht der Herzog freudig: „Die Botschaft ist mir werth, Ihr sollt dem König künden, sein Wille sei gewährt.“ Er läßt den Gästen reichen viel Gold und Silber schwer, Das konnte ihnen deuten, wie lieb ihr Herr ihm wär'. Doch Autharis, der König, sah nur die Jungfrau an, Von ihren schönen Augen da war's ihm angethan, Es schaute Theudelinde ihn wohl in süßer Lust, Trug Minne süß im Herzen und war sich's nicht bewußt. Und Autharis zum Herzog sich neigend spricht dies Wort: „Die Sendung ist erfüllet, wir zieh'n in Freuden fort; Heil dir! Heil unserm Volke! denn unsers Königs Braut Hab' ich vor allen Frauen der Krone werth erschaut!“ „Drum gönn' uns noch dies Eine, und nimm den vollsten Dank, Laß Theudelinde reichen uns einen kühlen Trank; Der Becher dort, der gold'ne, gefüllt mit Wein zum Rand, Er soll uns lieblich munden von deines Kindes Hand.“ Der Herzog winket lächelnd — die Jungfrau sieht's und geht, Sie hebt den Kelch vom Tische, in dessen Mitt' er steht, Sie füllt mit klarem Weine ihn voll bis an den Rand, Wie strahlt der gold'ne Becher in ihrer weißen Hand! Und all die Gäste trinken vom kühlen klaren Wein, Wie muß es wonnig nippen von solchem Becher sein! Denn zart wie Maienblüthe, die frisch der Garten hegt, Hat ihre Hand die Jungfrau um ihren Rand gelegt. Und wie sie sanft erröthend vor Autharis jetzt stand, Da langt er nach dem Becher, da drückt er ihre Hand, Und führt an seine Lippen die Hand, die sie berührt, Ob er vom leisen Drucke den Hauch der Liebe spürt. Und Theudelinde glühend in holder Scham entflieht, Damit kein forschend Auge ihr banges Antlitz sieht; Doch spricht's in ihrer Seele so süß: Sei unverzagt, Das war der König selber, kein Andrer hätt's gewagt. Die Boten aber ziehen von Hofe mit Geleit, Des Herzogs Mannen schreiten durch's Land an ihrer Seit', Sie stehn an Baierns Marken, da ruft der König: Halt! Er hat ein Beil erhoben, vom Gürtel losgeschnallt, Und in die nächste Eiche schwingt er es riesenstark, Daß sausend es durchschneidet den Stamm bis tief in's Mark, Dann spricht er zu den Baiern: „Deß seid fortan gewiß, Es führet solche Hiebe nur König Autharis.“ Ein Grab Einsam mit der Woge Brausen an Ägyptens Meeresstrande Steht ein Krieger, eine Leiche liegt vor ihm auf feuchtem Sande, Gramumdüstert neigt zur Erde sich sein bleiches Antlitz nieder, Und es tönen seine Klagen von den schroffen Felsen wieder. „Ach, wie muß ich dich erschauen, der du einst so schön gewesen, Blutig starr die edeln Glieder, wildem Thier zur Lust erlesen, Stärkster du von Roma's Söhnen, unter Meuchelmord zu enden! Schrecklich wußten dir die Götter deines Lebens Spiel zu wenden. Freudig hofft' ich dich zu sehen, schön umstrahlt vom Ruhmesglanze In des Purpurs dunkeln Falten, einen Gott im Siegeskranze, Deinen Feind in Fesseln bangend im Triumph voran dir schreiten, Und der Opfer weiche Düfte um dein Haupt sich schwellend breiten; Ach und jetzt im tück'schen Meere ist dein heller Stern verglommen, Und den Hauch von deinen Lippen hat kein Freund hinweggenommen. Unbeweint und unbestattet liegst du auf dem öden Strande, Und kein Fährmann wird dich leiten nach dem düstern Schattenlande. Soll vergebens dort am Ufer dein erzürnter Schatten lauern, Ewig mit des Hasses Wunde deine hohe Seele trauern? Nein, du sollst getröstet wallen zu dem styg'schen Strande nieder, Freiheit hast du mir gegeben, nimm sie von dem Sclaven wieder.“ Und die Trümmer eines Kahnes, den der Sturm des Meers verschlagen, Hebt er an mit starken Armen hier und dort herbeizutragen, Fügt zum Altar sie zusammen, drauf er sanft die Leiche leget, Fachet an die heil'gen Gluthen, die des Gottes Hauch beweget. Und er flehet zu den Göttern, bis der theure Leib verzehret, Freudig blickend in die Flamme, die sich stolz zum Himmel kehret, Sammelt eine Hand voll Staubes. — Was die rasche Gluth verbrannte, Ist Pompejus einst gewesen, den die Welt den Großen nannte. Drei Wünsche Hätt' ich von jenen Sternen, Die blinken, ach! so fern, Hätt' ich von allen Tausend Nur einen lieben Stern. Hätt' ich nur einen Becher Aus Lethe's stiller Fluth, Und einen schönen Engel Zu zarter frommer Huth; Dann wollt' ich jubelnd rufen Mit süßer, süßer Lust: „Es sei die ganze Erde Nur eine freud'ge Brust!“ Dann wies ich jenen Herzen, Die nie der Freude Kern, Die nur den Trank des Kummers Gekostet, jenen Stern. „Vergesset eure Leiden, Bannt eure Klage fern, Euch trägt zu ew'gen Freuden Bald dieser schöne Stern.“ Den Trank aus Lethe's Fluthen Reicht' ich der frommen Schaar, Die nimmer konnt' vergessen Daß sie einst sündig war. „O fühlt die sel'ge Wonne, Die ihr empfunden nie, Daß nun in eurem Herzen Ein Paradies euch blüh'.“ Und jenen, die nicht kennen Der Tugend Himmelsglanz, Gäb' ich den schönen Engel Mit seinem Friedenskranz. „O schaut dieß holde Lächeln, Schaut diesen Himmelsblick, Und fühlt zum erstenmale Der Tugend süßes Glück!“ Und wär' es mir gelungen, Und rief ich freudig aus: „Kein einz'ges Auge weinet Im weiten Vaterhaus; Wohin du schaust, ist Freude, Vorüber Gram und Schmerz!“ — Die Freude mitzufühlen, Wär' nicht zu eng mein Herz. Der Flurgreis „Wohlauf, ihr Herrn, ha wohlauf zur Jagd! Reißt weg die Becher vom Mund! Der Himmel wird grau, es windet, es tagt, Der Hahn kräht Morgenstund!“ So ruft der Junker von Hohenhag, Das leere Glas in der Hand, In's übernächtige Zechgelag, Und wirft das Glas an die Wand. Schlaftrunken fahren die Gäste auf, Sie schütteln das Lockengeflecht Und rütteln im Hin- und Wiederlauf Die Koller sich rasch zurecht. Die Kohl' im Schlot, der Wein im Krug Ist todt, es schauert die Herrn, Sie waschen den Kopf, sie haben genug, Sie hören den Jagdruf gern. Und Rossegewieher dringt herauf Zum Saal und Fackelschein, Im Schloßhof lärmt der Hundehauf, Hell klingen die Hörner darein. Das hat den Junker aufgemannt, Er schreitet hinaus zum Saal, Sieh da, im fliegenden Nachtgewand, Sein blutjung Ehgemahl! Sie blicket ihn an: O lieber Herr, Geht heut nicht auf die Jagd! Verzeiht, daß ich den Weg Euch sperr', Ich träumte so bös zur Nacht. Die Rosse, die jetzt Ihr wiehern hört, Sie fuhren uns Beid' hinaus, Zur Gruft nach Sanct Katharinenwörth, Heut, Herr, bleibt heut zu Haus! Und zürnet nicht, so träumt' ich, Herr! „Was?“ donnert der rauhe Mann, „Schon wieder das ekle Weibsgeplärr? Ein Schwachkopf hör' es an! Laß ab!“ Ach Herr! „Verstehst Du Deutsch? Laß ab!“ Gott, nein, ich bleib' An Deinem Halse — „Die Hundepeitsch' Für Dich, zudringlich Weib!“ Geschlagen ist die holde Frau, Sie geht dahin und weint, Auf ihre Blumen tropft der Thau, Eh' draußen Thau erscheint. Sie wankt dahin, sie weint sich aus, Läßt Alles gehen und stehn. Den ganzen Tag hat Niemand im Haus Die arme Herrin gesehn. Indessen sucht in Wald und Feld Der Junker Waidmannslust — „Ei, Bettelmann, willst Du kein Geld? Was wirfst Dich in die Brust?“ Ei, Edelmann, die schöne Au' Verwüstet länger nicht, Seht zu, daß Eurer schönen Frau Nicht Leids daheim geschicht! „Halloh, was soll das, alter Schuft?“ — Roßfenchel hier für Euch! Geht, säubert von bösen Geistern die Luft In Euerm Haus sogleich! Sonst weh! — „Sonst weh“ — gedankenlos Nimmt hin der Junker das Kraut, Verschwunden ist, über Fels und Moos, Der's ihm hat anvertraut. „Ha, dummes Zeug!“ es wischt den Traum Der Jäger vom Aug' sich so. „Ha Rappe wohlauf, setz' über den Baum! An's Waidwerk auf und halloh!“ Und fernher lärmt der Hundehauf, Hell klingen die Hörner darein, Der treffliche Junker ist wohlauf, Er saust über Stock und Stein. Schon sinkt herab zum Hochlandsee Der glühende Sonnenkern, Schon blinkt aus seiner einsamen Höh Der heitre Abendstern. Da zieht der lachende Edelmann Befriedigt auf sein Schloß — „Wo ist die Hausfrau, sagt mir an, Die solch' ein Fang verdroß?“ „Wo ist die meine? Verdrießlich Weib! Zur Unzeit seh' ich sie nur. Wo steckt sie jetzt? Weiß Gott, ich treib' Ihr aus die kranke Natur! Den besten Anfang hab' ich gemacht, Wie schnell ist sie verstummt Heut früh mit ihrem Geträum zur Nacht, Das all ihr Wesen verdummt!“ „Ha, eingeschlossen? Verriegelt die Thür? Bring', Weib, mich nicht in Wuth! Mach' auf! Noch immer stumm? Dafür Ist dieser Fußtritt gut!“ Die Thüre kracht aus Angel und Schloß Zu Boden, Knall und Fall, Herbeistürzt eiliger Dienertroß, Verblüfft vom Wiederhall. O sieh, o sieh, da liegt sie todt, Des Junkers schön Gemahl! Auf ihrem Prunkbett blutigroth, Durchbohrt vom gierigen Stahl! „Wer that mir das?“ schreit auf — ihm graut's — Der schwer betroffne Mann; Da scholl eine Stimme scharfen Lauts: Das thatest Du, Tyrann! Die Stimm' verklang, der Junker blickt In's alte Bettlergesicht. „Kerl, hat die Hölle Dich hergeschickt? Greift den verwegnen Wicht!“ Vergebens jedoch sehn seiner Spur Die bleichen Diener nach, Verschwunden schon, über Trepp und Flur, Ist der so seltsam sprach. „Laßt mich allein!“ gebietet jetzt Der Herr — die Knechte flieh'n — Der Herr in sich versunken setzt Aufs blutige Bett sich hin. „Ermordet liegt mein schönes Weib! Und ich hab' das gethan! Ich schlug, erschlug den edeln Leib! Ha Fluch, weintrunkner Wahn!“ „Beschimpfung trägt kein treues Weib. Ein Bettler unterweist Den hohen Herrn — weiß Gott, ich treib' Aus mir den bösen Geist! Ich schäme mich. Komm, Fenchelkraut, Komm, würze den schnöden Wein! Dies Weib hat Gott mir anvertraut, Dich — der mein Freund allein!“ Habt ihr die Rosse wiehern gehört Beim ersten Lerchenflug? Zur Gruft nach St. Kath'rinenwörth Fuhr still ein Leichenzug. Kein Sang und Klang. Im Zwielicht saß Ein Mann dort, betete leis. Man rief ihn an — über Grab und Gras Verschwunden war der Greis. König Arfest Von Westen flog Gewölk herauf, Der Rheinstrom rauschte mächtig, Was will der eilige Männerhauf Im Mondschein mitternächtig? Die Rosse wiehern mit Ungeduld, Gar weithin schimmern aus dem Tumult Zwei weiße Zelter prächtig. Und der Ferge schreitet zur Hütt' heraus, Zu sichern das Boot am Gestade, Daß Sturm und reißender Wogenbraus Der ärmlichen Habe nicht schade. Der einzige Nachen weit und breit! Fahr über, du Lump! Dein König gebeut. Heut widerfährt dir Gnade. Mein König? Ich habe keinen Herrn, Ich folge fürwahr keinem Rufe, Ein freier Wangioe sitz ich gern Auf meiner einsamen Hufe. Ich will nicht fahren. Ich will kein Gold. Ihr habt die Gewalt, macht was ihr wollt, Ihr steht auf des Thrones Stufe! Und nimmer der Antwort würdigend Den stolzen Landsmann, heben Die Königsleut vom Sattel behend Die Weiber, welche beben. Zwei Königinnen, der Schmuck des Lands, Die Eine zum Prunk und Fürstenglanz, Die Andre zu Liebe und Leben. Und wieder erhallet der Uferwald Vom dröhnenden Roßgestampfe; Das ist Arfest, die edle Gestalt Umhüllt von des Renners Dampfe. Und ermattet vom Ritt und der Rüstung Gewicht, Erschien er im trutzigen Angesicht, Als käm' er frisch aus dem Kampfe. Mit dem wehenden Fell, der Schultern Zier, Vermengt sich das Gold seiner Haare, Jetzt schwingt sich der Recke vom schnaubenden Thier, Damit er den Strom überfahre. Doch ist keine Fähre mehr weit und breit — Die Königinnen in Sicherheit, Der König so fern dem Paare! Wohl schneidet der starkgefügete Kahn Scharf durch die tückischen Wogen, Da kommen, sie kündeten Unglück an, Die Wettervögel geflogen. Und plötzlich heulet der Sturmwind auf, Dann Finsterniß — bange Stille drauf, Und der Nachen dem Blick entzogen. Doch es siegt der Mond, es weicht die Wolk', Da sieht man Thränen quellen, Und der König, mit ihm sein ganz Gefolg, Sie stürzen beherzt in die Wellen. Das sind die Genossen in jeder Noth, Der Rest der Treuen bis in den Tod, Die edeln Bluttrankgesellen! Glück zu, du herrlicher Schwimmertroß! Glück zu in allen Gefahren! Es gibt keine Furcht. Heil Mann und Roß! Euch müssen die Götter bewahren. Doch weh! sie strafen den Übermuth — Es kämpfen umsonst mit des Wassers Wuth Die den König Arfest umschaaren. Arfest allein mit kühnem Griff Hat sich ans Ufer geschwungen, Dort wo der Kahn zerschellt am Riff, Wo der Rhein die Frauen verschlungen. Arfest allein mit seinem Schmerz, Steht auf dem Strand, sein Heldenherz Vom großen Schicksal bezwungen. Und er ruft in die weite Nacht hinaus, Daß selbst der Sturm, erschrocken, Daß selbst der reißende Wogenbraus Mit ihrem Wuthsang stocken. Verloren, verloren Reich und Ruhm! Die Krone, das Völkerheiligthum, Verloren aus den Locken! Zertümmert das Glück, versiegt der Born Des Siegs, umsonst gefochten Die zwanzig Schlachten, weil wider den Zorn Der Götter wir Nichts vermochten! So schickten sie über uns List und Verrath, Vereitelnd männliche Waffenthat, Auf die wir, Verlorene, pochten! Nehmt Reich und Ruhm, nehmt Weib und Kind! Ihr habt nun Alles, versüßen Soll nichts mein Leid — — Arfest zerrinnt In Thränen nicht durch Büßen! Und der König wischt sich die Augen ab, Nimmt stille das Schwert zum Wanderstab, Die heimischen Gauen zu grüßen. Getaucht in tiefe Purpurglut ... Getaucht in tiefe Purpurglut Der Himmel, das Land, der See; Nun flimmert Mondlicht, Sternenschein, Seit ich am Ufer steh. Ihr Menschen, glückliche genannt, Sinkt solchem Abend gleich, Der sanft in silberne Nacht zerrinnt, Zur Ruh in's Schattenreich! Das Kind Im Traume hab' ich gesehen Mein Kind, mein liebes Kind, Das mir im Alter gestorben, Wo Kinder am liebsten sind. Mit Augen hab' ich's verschlungen, Inbrünstig an's Herz gedrückt, Bin nicht zu Athem gekommen, So war ich hochbeglückt. Sein Stimmchen hört' ich wieder, Wie hell hat es gelacht, Ich zitterte, halb des Träumens Bewußt, und bin erwacht. Noch spür' ich mir im Antlitz Sein Händchen und seinen Kuß; Noch immer bin ich glücklich, Wenn ich auch weinen muß. Annabel Ja, so ist mir deine Nähe Lind berauschend wie das Düften Weißer erster Maienglöckchen, Liebliche, das glaube mir. Reines, süßes, sel'ges Sinnen Überfällt mich, und Gefühle Aus der Menschheit Jugendtagen Leben auf in meiner Brust. Einem mächt'gen Zauber fallen Scheidewände, die so künstlich; Frei und edel zu empfinden, Klopft das leicht erregte Herz. Will's ergründen, will's erjagen, Such's im Worte mir zu fassen, Was ich fühle, unergründlich Bleibt der Zauber, holdes Kind. Und mir ist, als müss' ich neigen Mich herab zu deiner Stirne, Auf die lichte, schöngeschläfte Hauchen innig zarten Kuß. Abendfriede Schwebe Mond, im tiefen Blau Über Bergeshöhn, Sprudle Wasser, blinke Thau ... Nacht, wie bist du schön! Spiegle, See, den reinen Strahl; Friede athmend, lind Durch das wiesenhelle Thal Walle, weicher Wind! Wie durch einen Zauberschlag Bin ich umgestimmt Von Gedanken, die der Tag Bringt und wieder nimmt. Daß es auch ein Sterben gibt, Fühl' ich ohne Schmerz, Was ich liebe, was mich liebt, Geht mir still durch's Herz. Hohenklingen Drei Liljen hoch und hold und hehr, Drei Maiden weiß ich am schwäb'schen Meer, So süß und klar von Angesicht, So wunderbar ihr Augenlicht, So lieblich ihres Worts Gewalt, So wonnig edel die Gestalt. Es sang in fröhlicher Freunde Kreis Der fahrende Ritter der Liljen Preis, Er sang sehnsüchtigen Minnesang, Er sang zu blitzender Harfe Klang, Wehmüthig sang er und wieder froh, In Träumen verloren sang er so: Ihr Lächeln macht mich krank zur Stund, Berauscht — der Athem aus ihrem Mund; Sie wandeln hin, hör' ich Musik? Der Frühling scheint aus ihrem Blick, Aus ihrem Kuß — o Zauber süß? — Blüht auf ein irdisch Paradies. Ich sah die eine, die andre bald, Auf eilenden Booten, im sonnigen Wald, Ich hab' sie umschlungen mit stolzem Arm, Ich wiegte sie selig im Menschenschwarm, Ich sah nicht, welche die schönste sei, Nicht welche die liebste der lieben Drei. Ich sehe sie wieder und bin berückt, Ich kose mit ihnen, erschreckt, entzückt; Ich möchte sie lieben, sie allzumal, Ich habe die Wahl, ich habe die Qual! Ach welche mich liebet, ich weiß es nicht, Wen wundert's, daß mir das Herze bricht? So sang in fröhlicher Freunde Kreis Der fahrende Ritter der Liljen Preis! Er sang sehnsüchtigen Minnesang, Er sah hinunter den Felsenhang, Er sang und stürzte herab vom Schloß, Ein blühender, glühender Zechgenoß. Da drunten fuhren vom See zum Rhein Drei liebliche lachende Jungfräulein. Die erste, die sprach: ich habe ihn lieb! Die zweite, die sprach: der Herzensdieb! Die dritte, die sprach: der Bösewicht! Ich weine, warum, ich weiß es nicht! Lurley Was ist — dort oben? Vorbei, vorbei! Gott helf uns Allen ... die schöne Fei'! Ihre Sternenaugen werben, Wir fahren in's helle Verderben! Vom Felsen flattert ein Dohlenschwarm Sie winkt mit ihrem weißen Arm, Sie singt mit fester Stimme Das alte Lied, das schlimme. An der Lurley drängt sich Well' auf Well' An der Lurley geht der Rhein so schnell, Drei Schiffer vorüberstreben, 's geht an ihr jung jung Leben. Ach hört, ach seht, wie schön ist sie! Wie süß fließt ihre Melodie! Im Takte wogen die Wellen, O rudert, rudert Gesellen! Sie singt und winkt, das Echo spricht, Durch Wolken flimmert das Neumondlicht, Sie selber wirft ein Scheinen Von Gold und Edelsteinen. Ach hört, ach hört! Nein, höret sie nicht! Ach seht! Nein seht nicht — in ihr Gesicht! Der Strudel wird uns erfassen, Das Schauen könnt ihr nicht lassen! Ihr lockigen Männer, herauf, herbei! Wer küßt die Maid auf der schroffen Ley? Ihr feurigen Jünglingsherzen, Ich schmachte nach euch mit Schmerzen. Herauf, herbei! Herauf, herbei! Wer holt mich? — singet die Felsenfei'. Hört ihr die Winde lachen? Im Abgrund wirbelt der Nachen. Wanderer Ich ziehe die Straßen Durch Schlucht und Gehäg, Ich wandre verlassen, Wohin geht mein Weg? Ich hab sie verschworen Die Leut' und ihr Sach, Verloren, verloren! So ruft 's in mir nach. Sie blickte so offen, So frei in die Welt, So schön war mein Hoffen, Nun ist es vergällt, Die Freunde, die Basen Sie wußten, o Spiel, In die Ohren zu blasen, Gott weiß es, wie viel! Wir gradausen Herzen, Wir haben kein Arg, Man lockt uns mit Scherzen Und trifft uns ins Mark. Aus Worten, aus Winken Dreht man uns den Strick, So muß ja versinken Das holdeste Glück. Versunken, verloren Der Stern und der Schein, Wir werden geboren Zum Zorn und zur Pein. Ich ziehe die Straßen Am schwindlichten Steg, Ich wandre verlassen, Wohin geht mein Weg? Elegie Orions Sternbild kommt gezogen Am Abendhimmel groß herauf, Der Strom erschwillt in vollern Wogen, Als athmete Natur hier auf, Welch hehres Flüstern in den Birken! Und doch, laß' aller Poesie Gewaltige Zauber auf dich wirken — Der Seele Leid besiegst du nie. Schwingst du dich in den Sternenreigen, Entzückt dich der geschmückte Raum, Rührt dich dies feierliche Schweigen, Beglückt dich welterhabner Traum? Des Himmels Schönheit, ach, ist Schemen, Nur Widerspiel der Phantasie, Sie kann den Alp nicht von dir nehmen, Der Seele Leid besiegst du nie. Vom Kusse glühest du der Musen, Hast keine Qual um Zeitvertreib, Du schließest an den wilden Busen Das liebende, geliebte Weib. Die stille Seligkeit der Gatten Strahlt dir von Aug' und Stirne, sieh Andämmern schon die öden Schatten, Der Seele Leid besiegst du nie! Mit Göttern ist dir zu verkehren Vergönnt, auf einen Augenblick, Du darfst die heil'ge Sprache hören, Die Künderin des All's — Musik! Sein innerst Wesen läßt dich ahnen, Geheimnißtief, die Melodie — O wandle auf besonnten Bahnen, Der Seele Leid besiegst du nie. Streb' in die Tiefen, in die Weiten, Laß Kampf und Sieg dir Wonne sein, Des Daseins höchste Herrlichkeiten Erscheinen nur, denn sie sind Schein: Der Trägheit nüchternem Gesetze Entstammt der Sphären Harmonie, So gleißen unsre Geistesschätze, Der Seele Leid besiegst du nie. Du zagest nicht. Dein leises Trauern Zeigt nur der Dinge Nichtigkeit, Du fühlst, du mußt sie überdauern, Und auch vom Ich wirst du befreit. Doch magst du leiden, magst vergeuden, Es ist der Rest — Melancholie, Die Neige stets im Kelch der Freuden, Der Seele Leid besiegst du nie! Rast und Ruh Am Schwarzwaldbühl ein Hütten steht, Die heimeligste Schenke, Das ist der Ort, wohin ich spät Die Wanderschritte lenke; Ich schweift' umher den langen Tag Im Hochgebirg und Tannenhag, Nun ruht sich's gut, ich denke, Ich denke. Roth schimmert der Kastanienwald Und rauscht zum Zeitvertreibe, Am Häuschen in der Rebenhald' Blitzt Herbergschild und Scheibe, Vorbeischießt der Forellenbach, Im Buschwerk wird der Singsang wach, Da glaub' ich wohl, ich bleibe, Ich bleibe. Der Herbst ist kommen, sommerheiß, Der Sausewein gerathen; Ist er auch süß und federweiß? Kastanien sind gebraten. O Göttermahl, stehst wieder da? Mein Nektar und Ambrosia, Trotz allen Potentaten — Gerathen! Im grünen Winkel wird mir's wohl, Da ist mein Lieblingsplätzchen, Am Spiegel steckt ein still Symbol, Zwei dürre Palmenkätzchen; Bisweilen kommt das Nachbarskind Und holt ein Krüglein Wein geschwind, Glück zu, du Waidmannsschätzchen! Du Schätzchen! Allotria Wer trüge noch des Lebens Mühe Und ritte nicht ein Steckenpferd? Der ist ein Fürst und zeichnet Kühe, Der ist ein Mönch und schwingt ein Schwert. Erbärmlich wär's zu leben ja, Trieb Einer nicht Allotria, Al — li la lotria, Allotria! Ein Anderer dozirt Pandekten Und macht Gedichte fürchterlich, Der nennt sich einen Architekten Und tobt als Käferwütherich. Fragt man: was schaffen sie denn da? So heißt's: ach Gott, Allotria, Al — li la lotria Allotria! Nicht minder hat der Dichter Göthe Allotria getrieben, weh! Indem, wie man die Hand umdrehte, Er kühn drauf los ministerte. Die Kunstgeschichte gönnt ihm ja Ein Maximum Allotria, Al — li la lotria Allotria! Sogar die alten Deutschen soffen Nicht stets im Taglohn, bierbethaut, Sie lagen auch, nur angeknoffen, Bisweilen auf der Bärenhaut; Die Biervertilger schnarchten da Herunter viel Allotria, Al — li la lotria Allotria! Unendlich schön ist es zu lesen Vom Weltregierer Donnerer, Wie menschlich er gar oft gewesen Als praktischer Ästhetiker; So oft man ihn auf Erden sah, Trieb Zeus auch schon Allotria, Al — li la lotria Allotria! Jüngst klettert ich aus langer Weile Gemüthlich in den vollen Mond, Als er beim Schrei der Schleiereule Auf einem Tannenbaum gethront; O herrlich ist's im Monde, da Treibt Jedermann Allotria, Al — li la lotria Allotria! So kam ich auch im Wirbeltanze Des Zufalls in das Höllenreich, Der Teufel saugt' an seinem Schwanze Dort andachtsvoll und rief sogleich: Der Teufel hielt es aus allda, Hätt' man nicht die Allotria, Al — li la lotria Allotria! Erzväterei war das Studieren Des alten Noah, Tag und Nacht, Weinkusterei sein Dilettiren, Und weit hat er's darin gebracht; Der Himmel unterstützte da Höchstselber die Allotria, Al — li la lotria Allotria! Allotria sind unser Leben Schon auf dem Progymnasium, Der Herr Professor thut erbeben Darob und alterirt sich krumm; Indessen tritt man näher, da Treibt selber er Allotria, Al — li la lotria Allotria! Nur eitle Narren, Erzpedanten Erheben albernes Geschrei, Doch kenne ich selbst Gouvernanten, Die sich erlauben mancherlei. Die Welt besteht, ich sag' es ja, So lang sie treibt Allotria, Al — li la lotria, Allotria! Das Lied vom gerochenen Hausknecht Der Sobbe und der Putzky, Der Putzky und der Sobb', Sie haben abgemurxky Wohl einen Hausknecht grob. Der Hausknecht war betrunken, Sie waren nüchtern ganz, Sie waren edle Junker, Zwei Gardeleutenants. Sie kamen auf die Festung Ob dieses Hausknechts Mord; Sie flohen vor der Läst'rung Der bösen Menschen fort. Sie brannten durch, auf Ehre, Sind weit umhergeirrt, Als wie zwei Ahasvere, Und waren sehr lakirt. Sie waren nirgends sicher, Verfolgt hat sie gar dreist Des Hausknechts unsterblicher Und ungerochner Geist. O höret jetzt die Kunde, Die aus Australien tönt, Sie haben Ruh' gefunden, Der Hausknecht ist versöhnt. Der Putzky, Freund des Sobben, Der Sobbe, Freund Putzky's, Sind selber Hausknecht worden, Das ist die Nemesis. Ismael der Spötter Abraham, der Völkerhirte, Waltet in Mesopotamien, Schaltet über Weid' und Syrte Und die Blüthe der Thalamien; Jao fröhnend, jenem Alten, Welchen Viele jetzt für eine Form des Gott Saturnus halten Opfert er am blut'gen Steine. Auch das edle Menschenmorden War ihm nicht so ungeläufig — Daß er selbst vermenschlicht worden, Und ein Gott war, wie so häufig Es geschah im Morgenlande, Und daß Abram er geheißen — Solcher Forschungspropagande Will ich hier mich nicht befleißen. Ich erzähl' vom Abrahame, Wie er geht im Volkesmunde, Der des Patriarchen Name Fortführt bis auf diese Stunde, Dessen Weib, die hehre Sara, Niemand dachte fortzuführen, Der mit dem a Santa Clara Aber nicht zu konfundiren. Sara schenkte ihrem Gatten — Nicht aus Bosheit — keine Kinder, Darum, Hagar zu beschatten, Trieb sie ihn um so geschwinder, Als er selbst schon hochbetagt war, Und ihm doch aus allen Himmeln Unerforschlich zugesagt war, Wie sein Same werde wimmeln. Als die Frucht aus dieser Grille Zehn der Mondesjahre zählte, War es anders Gottes Wille, Daß der hohe Längstvermählte Von der trauten Hundertjähr'gen Einen Sohn erhalten sollte, So, daß sein verehrtes Särchen Selber drüber lacht' und schmollte. Und nach heiligem Vertrage, Der um jene Zeit geschlossen, Ist an einem großen Tage Männigliches Blut geflossen; Auch an sich und an dem Lacher Ismael that er's vollbringen, Schreit ein Bub, es sei ein Schacher- Abkommniß in Molochdingen! Darob am Entwöhnungstage Schalt ihn Sara nur den Spötter. Ismael den Spötter jage Sammt der Mutter fort in's Wetter, Lieber Abraham, das thue, Keifte sie genes'nen Leibes, Denn das Weib hat keine Ruhe Vor dem Stolz des Nebenweibes! Hagar aus Egyptenlande — Welches damals von Jehoven Ignorirt ward, wie vom Stande Ofenkundger Theosophen Heute, zwar auf höchster Stufe Der Kultur, indeß Nomaden Gelten als von einz'gem Rufe — Hagar schied mit Hohn beladen! Ihrer Jugend Wunderblüthe Fiel, ein Opfer dem Tyrannen, Ach, Verzweiflung im Gemüthe, Schritt die Herrliche von dannen; Mit dem Krug aus Kades Quelle Und dem Brode, ihr zur Rüste Noch gereichet auf der Schwelle, Zog sie weinend in die Wüste. Doch sie war nicht gottverlassen. Abraham war außer Sorgen, Als er seines Weibes Hassen Nachgegeben früh am Morgen; Gottesfürchtig, durft' er hoffen, Daß der Herr das Böse werde Wohl zum Guten wenden — offen Sagt er's nicht, doch durch Geberde. Hatte Der doch, dem er huldigt, Selber Sara Recht gegeben, Also war er gut entschuldigt, Und verstieß sein süßes Leben; Während er das Wasser reichte Auf die Schulter ihr, die warme, Nahm er selbst es auf die leichte Achsel und ließ aus die Arme. Aber Ismael der Spötter Gründet die Arabierhorden, Die versuchen andre Götter, Bis sie wieder fromm geworden; Und ein Rächer ist erstanden Später aus des Spötters Lenden, Um den Sieg in Aufgangslanden Jao's Sohne zu entwenden! Matthis-sonate Am fernsten Hügelpärchen Stirbt Phöbus' ros'ger Strahl, Und duftend wie ein Märchen Verschleiert sich das Thal; Es läuten Heerdenglocken Wie Abschied von der Welt, Und auf den Zwielichtsocken Schleicht Pan jetzt über's Feld. Der Espe Baumschlag pispert, Im Mondenglanz gebleicht, Wo, vom Geröhr umwispert, Das Lied der Zirpchen schweigt; Es schlürft ein Turteltäubchen Im Abzugsrinnkanal, Und selbst das Wieselweibchen Verzehrt sein Abendmahl. Des Baches munt're Stelze Hüpft über Kies und Schurf, Und in dem Sommerpelze Stolziert der Mäulerwurf; Hoch ragen in die Landschaft Die Triften sanft im Saum, Indessen aus dem Sand schafft Sich die Ameise kaum. Der Glühwurm mag beneiden Irrschwischchen über'm Teich, Drin reiche Trauerweiden Sich baden wehmuthweich. Stechmücke, Wespe, Spinne, Libelle und Scorpion, Berauscht von Abendminne, Lauscht der Cascade Ton. Am eppichlosen Pfosten Ruht unbequem der Pflug, In braunen Scheunen rosten Bethauter Schaufeln g'nug. Es irrt an meine Scheitel Die flederhafte Maus, Um Alles, weil es eitel, Bricht mir das Wasser aus. Süß hauchen Veilchenraine Von Flieder übertäubt, Dagegen sich vom Haine Der Lege Düften sträubt; Im Weihmutstannenwipfel Girrt zephyrhafter Wind, Und mit dem Schnupftuchzipfel Wischt' sich die Nas' ein Kind. Auf seichtem Wellentanze Grüßt Luna eignen Harm, Und an dem Faselschwanze Summt wilder Bremsenschwarm. Um meine Schläge flechten Schilflilien sich des Teichs, Wo holde Nymphen rechten Mit Faunen des Gesträuchs. Dort liegt ein Ziegenschäfer In Träumen auf dem Moos, Und vierzig Maienkäfer Entsurren seinem Schooß. O wunderschöner Abend, Der heute Abend ist, Und du, zur Mühle trabend, O Esel, sei gegrüßt! Aus der Ghaselenfabrik Ob es die Locken lockend, Augen auch, Die Lippenseime? weiß ich ganz und gar nicht. Ob ich im Strahle deines Angesichts, Im Wellenbade süßen Redeworts, In Liebe taumle oder Trunkenheit, Wach' oder träume, weiß ich ganz und gar nicht. D'rum auch verzeihe mir, daß dich zu schau'n, Ich Zeit versäume fleißig ganz und gar nicht; Weil And'res kaum mich Kranken hoffen läßt Fruchtlorbeerbäume — Reisig ganz und gar nicht. Dich aber Zauberin, liebliche Nachtigall, Da deinem Lied der Seel' entfalten sich Die Rosenkeime, preis ich ganz und gar nicht. So du dich nur in leere Luft verhauchst, Statt in die Saiten meines Busenspiels — Millionen Zäume leg' der Sehnsucht an Und nur der Zäume dreißig ganz und gar nicht: Indem ich schwerlich bei Verstande bin, Wenn ich begeistert stolze Verse feil', Denn arme Reime weiß' ich ganz und gar nicht. Noch wen'ger aber dichten ungereimt Kann ich, denn Seume heiß' ich ganz und gar nicht — Ein Dichter, wisset, liebesgramberauscht, Ist insgeheime bei sich ganz und gar nicht. Der schönste Traum Es gibt unter allen Träumen Nur einen schönsten Traum, Der blüht in des Herzens Räumen An der Erinnerung Baum. Der gießt in brennenden Wehen So sanften Trost ins Herz: Der Traum vom Wiedersehen Nach bitterm Trennungsschmerz. Und wie die Jahre verwehen, Der Traum bleibt ewig wahr, Er wird in Erfüllung gehen Einst auf der Todtenbahr. Neujahr 1868 Sei mir gegrüßt, du neugeboren Kind, Entstiegen aus dem Wellenschooß der Zeit, Nach flücht'gem Dasein wieder rasch verschwindend, Und deine Mutter doch die Ewigkeit. Was sind die Jahre all' als Thauestropfen, Die aus dem Meere der Unendlichkeit Sich auf dem Erdenballe niederschlagen, Bis sie der Sonne Strahl hinweggeküßt, Und sie dem Meere wieder sich vermählen? Schon manches Tausend solcher Thauesperlen Fiel eine nach der andern auf die Erde, Und alles Große, was noch je geschah, Geschah doch nur im Glanze dieser Perlen. Vergänglich zwar und doch erst, wenn vergangen, Im Buche der Geschichte ewig leuchtend. Doch fehlt es auch an schwarzen Punkten nicht In dieser Perlenschnur, an solchen Zeiten, An welche sich der Fluch der Menschheit heftet, Wo dichte Finsterniß die Völker deckte, Wo freies Forschen ein Verbrechen war, Wo blinder Wahn fanatisch schliff den Dolch, Um ihn der Wahrheit in die Brust zu stoßen, Hohnlachend rieb der Pfaffe sich die Hände, Pausbackig blasend in die düstre Gluth, In welcher man die Ketzer schwören ließ, Zur Strafe, daß sie frevelnd es gewagt, Des Geistes Ketten von sich abzustreifen Und Licht zu bringen in die Finsterniß. Und wieder fehlt's an schwarzen Punkten nicht Im aufgerollten Buch vergangner Zeiten, Wo Tyrannei den Eisenfuß erhob, Die junge Saat der Freiheit zu zertreten, Und wo das Blut der Besten, Edelsten Zum Kitt ward an des Volkes Kerkermauern. Und Zeiten kamen, rabenschwarze Zeiten, Wo wie aus aufgesperrtem Höllenthor Der Laster ganzes Heer sich wild ergoß, Vergiftend jedes Herz, und von dem Haupte Der Menschheit niederriß die Himmelskrone, Womit einst Gott sein Ebenbild geschmückt, Sie mit dem Schmutz der Sünde überzog Und die Gemeinheit auf den Thron erhob. Das sind die schwarzen Punkte der Geschichte, Bei denen Manchen schon der Zweifel packte, Ob's überhaupt nur einen Fortschritt gäbe In Licht und Wahrheit, Liebe, Tugend, Freiheit, Und ob es auch des Kampfes drum sich lohne, Ob der ein Weiser oder Narr zu nennen, Der in des Herzens heiliger Begeist'rung Statt mit dem Blumenkranze sich zu schmücken, Sich selbst auf's Haupt die Dornenkrone drückt, Ein Opfer, fallend für der Welt Erlösung. Doch siehst du nicht, wie an dem Baum der Zeit Sich Blüth' um Blüthe schöner stets entfaltet? Wie manche schon zur vollen Frucht gereift, Wie neue Knospen stets die Zweige schmücken, Die wieder sich zur Blüthenpracht entfalten? Und ob auch manche dorrt im Sonnenbrand, Vom Sturme manche wird herabgerissen, Vom gift'gen Wurm die andre wird zerstört, Von welcher du dir reiche Frucht versprochen, Siehst du nicht doch, wie an dem Lebenshauch der flücht'gen Jahre und Jahrhunderte In immer schönrer Pracht der Baum erblüht, Der Früchte immer herrlichere tragend? O zweifle nicht, es schreitet fort die Welt. Nicht ist es bloß ein ewig gleicher Kreislauf, In welchem Winter mit dem Sommer wechselt, Und immer wieder Nacht den Tag verschlingt. O nein! Ist einmal in der tiefsten Brust Des Tages Sonne strahlend aufgegangen, So ist die Nacht für immer überwunden. Und wo ein Volk den dumpfen Geistesschlaf Sich einmal aus den Augen ausgerieben, Da baden sie sich in des Lichtes Strahl Und werden immer klarer, immer schärfer, Und mächt'ger strömt des Lebens ew'ger Quell Vom Herzen aus, zu Thaten sich gestaltend. So trägt doch jedes Jahr sein Sandkorn bei, Der Menschheit Tempel höher aufzubauen, Ein Infusorium der Ewigkeit, Und doch ein Glied in jener großen Kette, Die von der Spanne Zeit zur Ewigkeit In unermeßnen Gliedern sich erweitert. Sei mir gesegnet denn, du neues Jahr, Mit allen deinen Freuden, deinen Leiden, Durch Leiden führt der Weg ja zur Verklärung. Nur eines weiß ich schon gewiß von dir: Du führst zum Grabe einen Schritt mich näher Und eben dadurch auch zum ew'gen Leben. Und wenn in deinem Lauf ein Sieg gelingt, Der für die Menschheit reichen Segen trägt, Ein Sieg des Lichtes über Wahn und Trug, Ein Sieg der Liebe über bösen Haß, Ein Sieg der Freiheit über Menschenknechtung, Dann sei gesegnet doppelt, dreifach mir, Dann magst du mich in deinem Schooß begraben, Eh' deine Stunden ausgeschlagen haben, Nach einem Ziele haben wir gestrebt, Wir haben beide nicht umsonst gelebt. Der Pinsel Ming's Scheu-Gung schreibt Verse bei Tag und bei Nacht, Doch was er mit sorglicher Mühe erdacht, Die Kritiker wollen's nicht loben, Und wer seine Liederchen liest oder hört, Ihm wird wohl im Leibe der Magen verkehrt, Das Unterste dreht sich nach oben. Scheu-Gung wird Luft und Leben vergällt, Er flieht aus der bösen, der feindlichen Welt, Sie soll ihn nicht länger verlachen. In Jün, der Höhle, verbirgt er sein Leid, Der Pinsel, die Tusche verkürzt ihm die Zeit, Denn Verse muß er nun machen. Er pinselt viel Reime und liest sie sich vor; Wie lauscht so gefällig dem Munde das Ohr! Wie ist es ein mildester Richter! Doch wie er sich lieset und höret und preist, Da rauscht's in der Höhle, da zeigt sich ein Geist Scheu-Gung, dem verlassenen Dichter. Scheu-Gung erzittert, doch jener spricht: „Du Perle der Dichter, verzage nicht! Ich bin der Fürst der Dämonen. Und daß ich dir danke gewichtigen Dienst, Nicht soll dir's gereichen zu kleinem Gewinnst, Reich will ich durch Gegendienst lohnen. Ich flog hier als glänzender Schmetterling, Als tückisch ein furchtbarer Gegner mich fing, Der Fürst der geflügelten Drachen; Er nahm aus dem Hinterhalt lauernd mich wahr Und schnappte mich auf, und Jahrhunderte war Mein Kerker sein gräulicher Rachen. So saß ich gefesselt in schmählichem Zwang, Bis endlich den Versen Scheu-Gung's es gelang, Das Unthier zum Gähnen zu bringen. Er klemmte die Kiefern, doch dem mit Gewalt Sich sperrenden Rachen entflattert' ich bald Mit frei entfalteten Schwingen. Und weil es nach endloser Nacht mir getagt Durch dich, so soll, was die Welt dir versagt, Dein Herz nicht länger entbehren. Nimm, was ich vom König der Dichter empfing, Nimm hin den Pinsel des göttlichen Ming, Er bringt dich zu Kräften und Ehren. Dem Geiste verleihet er zaubrische Kraft, Er ist's, nicht der Geist, der die Verse erschafft, Und Verse, wie Götter sie singen, Und Verse, was mehr für den Strebenden heißt, Ja Verse, die jeder bewundert und preist, Die Glanz und Würde dir bringen. Doch auf zehn Jahre nur leih' ich ihn dir, Dann bringst du den Pinsel zur Stelle mir: Dir würde die Säumniß zum Leide!“ Der Dämon, der freundliche, sprach's und verschwand, Den Pinsel behielt Scheu-Gung in der Hand, Und schier vergeht er vor Freude. Zur Stunde verläßt er die Höhle von Jün Und kehrt in die Welt und setzt sich hin Und pinselt Gedichte viel hundert. Und alles verschlingt sie und staunet und preist Das tiefe Gemüth, den göttlichen Geist — Tu-Fu ward minder bewundert. Ihn ehrt die Kritik mit Posaunenschall, Ihn ehren die großen Pinsel all' Vom Pinselwalde des Reiches. Wohl nie seit den Tagen Li-Tai-Pe Erlangt' ein Dichter des Reiches je An Glanz und Vergött'rung ein Gleiches. Doch rollen die Jahre, die Zeit ist hin, Verlieren soll er des Lebens Gewinn; Der Pinsel von Ming ist verfallen! „Wo bleibt nun der Glanz, die Vergötterung? Verlor'ner Poet! Geschlag'ner Scheu-Gung! Bejammernswerthster von Allen!“ Gehorchen muß er des Dämons Wort. Sein harrt schon der Geist am besprochenen Ort Und fordert den magischen Pinsel. Scheu-Gung stürzt zitternd zu Boden hin, Mit Klagen erfüllt er die Höhle von Jün Mit ächzendem dumpfen Gewinsel. „O Geisterkönig, verdirb mich nicht ganz! O laß nicht verbleichen des Ruhmes Glanz, Zum Stümper nicht werden den Meister, Den Kolbenschlag wende der bösen Kritik, Erbarmen trübseligstem Dichtergeschick! Erbarmen, o König der Geister!“ Der Dämon entgegnet: „Ein Talisman, Ein mächtiger, den dir der Pinsel gewann, Verbleibt dir; du hast einen Namen! Drum muthig! und dichte und schreib nur drauf los, Ob Sinn, ob Unsinn dem Pinsel entfloß, Dein Siegesflug kann nicht erlahmen. Schreib fade — gewiß, deinen Ruhm zu erhöhn; Schreib sinnlos Gewäsch — kannst du's nicht verstehn, Die Kritiker werden's verstehen! Sie preisen der Welt den Humor, den Witz, Die Tiefe, des Scharfsinns leuchtenden Blitz.“ — Er schwand, und so ist's geschehen. Sinnend steh' ich auf der Brücke Sinnend steh' ich auf der Brücke Zu des ehr'nen Königs Fuß, Der mit ewig starrem Blicke Schaut den ewig regen Fluß, Der vom Rosse schweigend sieht Auf die ungezählte Menge, Die im wogenden Gedränge Rastlos durch die Straßen zieht. Ehr'ner König, starrer Ritter, Bild des Helden grauer Zeit, Trotzend Sturm und Ungewitter Fühlst du nicht der Menschen Leid. In die kalte Brust von Erz Können nicht die Schlangen dringen, Die sich fest und stechend schlingen Um ein warmes, weiches Herz. Nicht dem König auf dem Throne Neid' ich seine Herrschermacht, Seine diamant'ne Krone, Seine Schätze, seine Pracht. Du nur wecktest wunderbar Meinen Neid, metall'ner König! Deine Krone gilt mir wenig, Aber du bist kalt und starr! Faust's Anatomen Schöpfer, Mensch, Leichnam und Prosektoren, Göthe, Faust und Kommentatoren. Ihr lieben Herren, macht keine Streiche! Es fehlt vor euch noch ein Glied in der Kette! Der hohe Titan wird nimmer zur Leiche, Drum bleibt ihm vom Leib mit Skalpell und Pincette! Hinz und Kunz „Daß doch der große Kunze nur lebt, Zu loben, was Hinz erdacht und gemacht. Daß Hinz unermüdet nur preist und erhebt, Was Kunzens Genie zu Stande gebracht!“ So kennst du die Straßenlaternen nicht, Von denen eine just hell genug brennt, Daß man bei ihrem trübseligen Licht Das trübere Flämmchen der nächsten erkennt? Ich wollte, ich wäre ein Sänger Ich wollte, ich wär' ein Sänger, Zu singen aus voller Brust, Was je die Seele erregte Zu höchster, himmlischer Lust. Ich würde nicht singen vom Weine, Der perlend dem Zechenden winkt; Ich wüßte wohl süßeren Nektar, Als der im Pokale mir blinkt. Auch nicht von der Frühlingswonne, Vom duftenden, sonnigen Mai; Mich würden mit Sange beschämen Die Vöglein im Walde frei. Auch nicht von gewaltigen Thaten, Von Helden vergangener Zeit; Die Heldenzeit ist ja begraben, Drob müßt' ich verstummen vor Leid. Und nicht von der heiligen Freiheit, Ob heiß auch das Herz für sie glüht. Ach! Kettengeklirr übertönte Wohl laut das muthige Lied. Von dir nur wollte ich singen, Mein Liebchen so herzig und hold, Und himmlischer Wohllaut, ich weiß es, Entströmte der Saiten Gold. Hoch sollte dein Name prangen, Und priese die Welt nicht mein Lieb, Mich müßte sie selig preisen, Dem rosig ein Eden erblüht. Wohl mancher ward liebend zum Dichter, Dem anderes Lied nicht gelingt. Der Sänger kennt nicht die Liebe, Der andere Weisen noch singt. Am Tage Johannes des Täufers Als Flugblatt zur Gutenberg-Feier 1840 erschienen Am Jordan taufte Johannes und predigte kühn und stark, Die Worte wie Donnerkeile, sie drangen den Hörern ins Mark, Sie staunen des Sehers, der strafend die Schmach der Menschheit entblößt; Sie fragen: „Bist du der Verheißne, der Gottes Volk erlöst?“ Johannes spricht: „Mit den Wellen des Stromes taufe ich euch: Die Flamme des Geist's ist die Weihe zu Gottes ewigem Reich. Bald wird so himmlische Taufe euch spenden des Höheren Hand. Dem Heil'gen die Wege zu bahnen, hat Gott seinen Knecht gesandt.“ Und eh' die verkündenden Worte des Täufers Lippen entflohn, Beugt sich der Wassertaufe der Jungfrau göttlicher Sohn. Die Welle netzt seinen Scheitel, da blitzt's aus den Wolken licht, Der heil'ge Geist schwebt nieder, der Herr im Wetter spricht: „Das ist mein Sohn, der geliebte, den höret, ich send' ihn euch!“ So ist der Heiland erschienen, zu gründen das ewige Reich. Das göttliche Reich war gegründet — vollendet war es nicht! Wohl wucherte unter dem Weizen das Unkraut üppig und dicht; Das himmlische Licht zu ersticken, drohet der Finsterniß Macht, Da weckt einen neuen Johannes der Herr in trostloser Nacht, Johannes zum Gutenberg, den Täufer am heiligen Rhein, Er weckt ihn, der Wegebahner des neuen Messias zu sein, Er lehrt ihn, mit Blitzesschnelle das Heil zu verkünden der Welt; Doch wann erscheint uns der Heiland, der völkererlösende Held? Wann spendet der Gottentstammte die Feuertaufe dem Geist, Die längst uns mit donnernden Worten die Kunst seines Sehers verheißt? Bei euch nur, ihr Brüder im Westen, hat herrlich sein Reich sich erneut, Ihr erntet die Früchte des Samens, den unser Johannes gestreut. Wir wollen euch drum nicht schelten, wenn ihr jetzt des Täufers vergeßt; Ihr feiertet längst des Messias hochheiliges Weihnachtsfest! Bei uns auch vielleicht erschien er und wurde schmählich verkannt Und wurde gehöhnt und gekreuzigt und seine Jünger verbannt. Doch fest steht der Gläub'gen Vertrauen! Nicht sank uns der Hoffnung Stern! Wir wissen vom Kreuze des Heilands die Auferstehung nicht fern. Metempsychose I. Als Kind fühlt' ich in kindisch sel'gen Träumen Mich oft entrückt in ferne goldne Zeiten; Ein fremdes Land sah ich sich um mich breiten, Doch war mir heimisch wohl in jenen Räumen. Sanft weht's und rauscht's in hohen dunkeln Bäumen, Hold grüßten Engel mich von allen Seiten — O Zauberland! im Traume nur, vom weiten Sah ich die Quellen deiner Wonne schäumen. Doch fest stand in des Kindes klarer Seele, Daß längst in andern, lichteren Gefilden Der warme Strahl des Lebens es durchglühte — Und sehnend fühlt's, daß ihm sein Eden fehle, Das, wachend nur geahnt in den Gebilden Des Traums in ros'gem Wunderglanz erblühte. II. Die Kindheit floh; die goldnen Träume schwanden, Verschwammen fern in grauem Nebelmeere; Rückwärts und vorwärts starrt' ich trüb ins Leere, Ins Nichts, aus dumpfen Alltagslebens Banden. Da sah ich dich und morgenhell erstanden Die Bilder längst entschwundner Zaubersphäre, Nun wußt' ich, was das Herz so heiß begehre, Nun erst, da wir uns selig wiederfanden. Uns wiedersah'n! — Daß wir vereint gewesen! Daß mein du warst in fernen Regionen, Ich fühlt's, da tief ins Aug' ich dir gesehen, Und seit ich in der Seele dir gelesen, Enthüll'n sich endlos künft'gen Seins Äonen, Denn unsre Liebe kann nicht untergehen. Auf dem Friedhof Auf eines Friedhofs öder, stiller Stätte Ging ich, im trüben Sinnen ganz verloren. Daß ich das Leben doch verloren hätte! Daß ich zum Leben noch einmal geboren! So schwankten trübevoll mir die Gedanken, Und, wo der Tod uns mahnt, ward ich zum Thoren. — Was haften wir doch an der Menschheit Schranken, Daß wir in leeren Schmerzen uns vergraben, Und sehen nicht, wie Freuden uns umranken. Ich wähnte, nichts mehr könnte mich erlaben, Und keinen Trost gab mir der Ort der Todten, Die keinem noch verlor'ne Güter gaben. Da hat das Glück mir seinen Gruß entboten! Wo alles todt, erwachte neu mein Leben, Und neu entfesselte Gefühle lohten, Die Schönste sah ich über Gräber schweben, So lebensvoll an grauenvollen Stellen. — Die Lebenslust hat sie zurückgegeben, Und leichter schlagen meines Herzens Wellen. Triumph! Rauschet empor, ihr Jubelgesänge, Flammen, nun lodert empor durch die Nacht, Brauset, Accorde, tönet, ihr Klänge, Nun es vollbracht, gewonnen die Schlacht! Bauscht euch, ihr Banner, und woget im Winde, Böller, Kanonen, donnert darein, Flammet, ihr Fenster, im Schimmer geschwinde, Tag muß es sein, hellleuchtender Schein! Jubel erfülle lautschallend die Lüfte, Heute, nur heute die Sorgen verbannt, Weichet Dämonen finsterer Grüfte, Sieg hat gesandt ja Lust nur dem Land. Lasset den Becher freudig rings kreisen, Eh' uns die Stunde des Jubels entflieht, Singet, o singet die fröhlichsten Weisen, Glühet und blüht, o Liebe und Lied! Am Meer Ich stand am Meeresstrande, Der Sturm durchwühlte mein Haar, Doch herrschte in meiner Seele Eine Ruhe wunderbar. Da lag vor mir das ersehnte, Das große, gewaltige Meer, Und brausende Wellen und Wogen Sie rollten allmächtig daher. Willkommen, willkommen, ihr Wogen, Die ihr rauscht wie in grauester Zeit! — Mir ist es, als hört' ich im Brausen Den Gruß der Ewigkeit. Du große geheimnißvolle, Du majestätische Flut, Du forderst gebiet'risch, ich fühl' es, Von mir auch deinen Tribut. So nimm, ich werfe mit Freuden, Was mir vergällt das Sein; Ich werfe all' meine Sorgen Ins ewige Meer hinein. Ständchen Es liegt vom Traum befangen, Nun wohl die halbe Welt; Und, wo ein Herz voll Bangen, In sehnendem Verlangen Die müde Brust geschwellt, Da herrscht nun süßer Frieden Und alle Last der Müden, Vom Traum wird sie zerschellt. So soll mein Lied erklingen, Umgaukelnd dich mit Lust, Soll auf des Traumes Schwingen Dir in die Seele dringen Ganz leise, unbewußt, Und soll in heitern Spielen Mit seligen Gefühlen Erfüllen deine Brust. O daß zu mir sich fände Dein Geist in sel'gem Glück, Wie ich zu dir ihn sende, Verlangend meine Hände Erheb' und meinen Blick. Wollt unsern Traum doch krönen, O Schönste aller Schönen, Ein gütiges Geschick! „Schlaf Herzenssöhnchen“ Wunderbar tönet ein Lied mir ans Ohr, Zaubert die Kindheit, die gold'ne, hervor. Lauschend, ach, hört' ich so oft ja das Lied, Lag in der Wiege und rührte kein Glied. Sang es die Mutter, dann war ich gar froh, Dachte tief innen: wär's immer nur so! Gab auf die Worte gar wenig noch Acht, Töne nur wiegten in Schlaf mich ganz sacht. Glückliche Zeiten, nun seid ihr dahin! Heute, erst heute erfass' ich den Sinn. Klagend ertönts nun, weckt bitteres Leid: „Später, ach später ist's nimmer wie heut!“ Neues Blühen Nun blinken die Blätter in heiterm Grün Gar freundlich mir wieder entgegen Und flammende Blumen seh' ich erblüh'n Im Garten und an den Wegen. Es liegt noch immer die alte Welt In heiterem Sonnenglanze; Und wieder unter dem Himmelszelt Singen die Kinder zum Tanze. Ja, immer noch kehret die alte Zeit, Ist immer die alte geblieben; Und wie sich das Leben in Blumen erneut, Erneut sich das Leben im Lieben. Der neue Glaube Ein donnernd Halt möcht' ich dem Wahn gebieten, Der noch umfängt der Menschen träge Menge, Daß ihr der Wahrheit Licht zu schau'n gelänge, Sie Strahlen der Vollkommenheit durchglühten, Daß sie den wahren Gott zu schau'n sich mühten, Den sie nicht ahnen in des Busens Enge, Daß ihres Herzens Eisenhaft zerspränge Und Liebe tausendfältig triebe Blüten. Hinweg der Aftertugend freche Larve, Hinweg von Gott und Himmel blödes Träumen! Wer in sich selbst den Gott zu schau'n will säumen, Verdirbt den reinen Ton der Weltenharfe, Doch Himmel wird und Erde sich vermählen, Wenn wahrhaft Gott und Liebe uns beseelen. Schiffbruch Manch Schifflein treibt verschlagen Vom Sturm auf hohem Meer; Wie schwarze Sorgen jagen Die Wolken vor ihm her. Es reißt von seinen Rippen Sich Plank' um Planke los, Und zwischen Tod und Klippen Fährt's mast- und steuerlos. Das Meer spült seine Reste Der Heimat fern an's Land, Ich habe seine Gäste Und Wimpel einst gekannt! Abendroth Schaust du nach der Wolke dort, Die so schön im Westen glüht? Bald hat ihre Pracht verblüht, Wandert erst die Sonne fort. Wie die Wolke grau und öd' Wird auch einst dein Leben sein, Wenn der Liebe Sonnenschein Deinem Herzen untergeht! Blaue Blumen am Wege Es glänzt im lichten Sonnenbrand Rings grün und gelbes Hügelland, In reifen Ähren rauscht der Wind, Und mittendurch, ich armes Kind, Muß ich die heiße Straße ziehn, Wo links und rechts gar lieblich blühn Viel blaue Blumen am Wege. Mein Kopf ist müd', mein Herz ist schwer, Ich schwanke hin, ich schwanke her, Und ach! die Blume, die ich brach, Mit scharfem Dorn mich blutig stach, Muß ohne Strauß so fürbaß ziehn, Wo links und rechts für mich nicht blühn Viel blaue Blumen am Wege. Das Rauschen Der Wald, der hat mir's angethan, Ich kann von ihm nicht lassen, Wo mich die Äst' auf grüner Bahn Wie Zauberarm' umfassen, Wo als Musik von Zweig zu Zweig Mich grüßt wie aus dem Märchenreich Das Rauschen, das Rauschen. Tief in den feuchten Grund hinein Ein Bächlein tanzt mit Singen Und eilt, durch moos'ges Felsgestein Zur Mühle fortzuspringen, Da geht waldein, da geht waldaus Vom Quell bis zu des Müllers Haus Das Rauschen, das Rauschen. Und tret' ich dann in's Feld hinaus, Wie will die Luft sich regen, Durch Halmenwälder wogt ein Braus, Es schwillt und drängt ihr Segen, Wie Orgelklang von Rain zu Rain Ertönt bald voll, ertönt bald fein Das Rauschen, das Rauschen. Es schwingt mein Geist sich auf und fort Bis fern zum Meeresstrande, Die Woge rollt von Port zu Port Und stirbt auf feuchtem Sande, Und wunderbar als wie im Traum Hör' ich aus fernstem, tiefstem Raum Das Rauschen, das Rauschen. Und wenn ich Nachts zum Sternenzelt Ausstrecke meine Hände, So flüstert mir der Geist der Welt, Als ob er Segen spende; Und durch den Äther geisterhaft Schwingt sich in ew'ger Schöpfungskraft Das Rauschen, das Rauschen. Über Nacht Besorgte Mutterhände decken Das innre Walten der Natur, Von ihren Wundern, ihren Schrecken Gewährt sie leise Ahnung nur; Wer sah die Knospe sich erschließen? Wer weiß, wo sich der Sturm entfacht? Die Schleier, die das All umfließen, Sie lüften nur sich über Nacht. Gleich Wundern der Natur entsteigen Geheimnißvoll der Menschenbrust Im bunten, wechselvollen Reigen Der tiefste Schmerz, die höchste Lust; Wer kennt ihr Kommen, wer ihr Gehen? Der Liebe Glück, der Dichtung Pracht, Des Todes letztes stilles Wehen, Sie alle kommen über Nacht. Sonnwendfeuer in Augsburg 1497 Wie war von lauen Lüften durchwürzt die Sommernacht Im hochgebauten Augsburg, der Stadt voll Glanz und Pracht, Ein Baldachin der Himmel, nicht Wind und Wolken ziehn, Und silbern aus der Bläue die Sterne mählich sprühn. Ringsum in allen Gassen welch fröhliches Gewühl, Wie hasten Alt' und Junge mit Bänken und Gestühl, Und auf dem weiten Markte schwillt's wogend hin und her, Gleichwie im Vollmondscheine ein sehnsuchtsvolles Meer. Das heil'ge Sonnwendfeuer begehn sie feiernd heut, Das tausendjähr'ge Erbe der frohen Heidenzeit, Wie eine Jubelflagge sieht's Markt und Berg entrollt, Heut schwimmen alle Gauen in Eines Glanzmeers Gold. Und in der Menschen Herzen beglückend strahlt der Schein, Entledigt aller Schlacken erglühn sie goldesrein, Heut sinket jede Schranke, die Mensch vom Menschen trennt, Und Fürst und Bürger im andern den Bruder heut erkennt. Der Kaiser Max leutselig nickt vom erhöhten Raum, Denkt er zurück an Brügge, so dünkt's ihm schier ein Traum; Hier Volkestreu' und Freude, die stets sein Herz ergötzt, Dort grimmer Trutz der Bürger, der ihn gefangen setzt. Hier sitzt er frohgemuther, als auf dem güldnen Thron, Und herrlich steht zur Seiten in Jünglingspracht der Sohn, Es ruht auf Philipp's Zügen sein Auge vatermild Und schaut in ihm verkläret der eignen Jugend Bild. Und in des Marktes Mitten, welch' festlich schöne Schau! Ragt kunstvoll aufgethürmet des Scheiterhaufens Bau, Der Glanz von Fahn' und Wimpel umflattert bunt das Holz, Kaiser- und Bürger-Wappen in ebenbürt'gem Stolz. Der Schönsten und der Reinsten gebührt die höchste Ehr', Susanna Neithard heißt sie und schreitet stattlich her, Sie schwingt die erste Fackel, sie zündet an den Brand, Und dann beginnt den Reigen sie hold an Philipp's Hand Ein flüsterndes Erstaunen begrüßt das schöne Paar, Und schnell gereihet folget der Jugend frohe Schaar, Keck über die lohenden Scheite thun sie gar lust'gen Sprung; Das, für des Jahres Dauer, bringt Heil und Kräftigung. Dann in die Flammen werfen sie Kraut und bösen Strauch, Unsegen und Gebreste verfliegt mit ihm in Rauch, Das heilge Sonnwendfeuer macht alles Wünschen wahr Und leuchtet über's Leben mit Strahlen rein und klar. Wie ries'ge Rosen blühen die Giebel im goldnen Schein, Die Zinken und die Cymbeln sehnsüchtig hallen drein, Und nach Urväter Weise von Mund zu Munde geht In hochbeschäumten Krügen als Liebestrunk der Meth. Von Philipps Tanzgenossin des Kaisers Auge schweift Hinüber zu der Mutter, der solches Glück gereift, Dann seiner unvergess'nen Gemahlin seufzt er nach, Die nimmer mutterselig im Sohn sich sonnen mag. — Verglommen sind die Gluten, verhallt der Zinken Klang, In nächtlich Schweigen löst sich des Jubels Überschwang, Doch glühen Klang und Flammen still in den Herzen fort Und klingen in Maxens Träume als sanftes Tröstungswort. Oktober Wie ist so warm der Wald entfacht Von des Oktobers Sonne, Wie glüht der Bäume gold'ne Pracht In letzter Lebenswonne! Rings webt es, wie ein stiller Traum, Und Blatt um Blatt entsinkt dem Baum, So leis, so leis, du merkst es kaum, So leise. So in des Lebens Herbsteszeit Wird Fried' in unserm Herzen, Im Scheidegold strahlt Freud' und Leid, Verrauscht ist Sturm des Märzen. Es webt in uns, wie stiller Traum, Und Jahr um Jahr entsinkt dem Baum, So leis, so leis, du merkst es kaum, So leise. O lieblichster Verklärung Bild O lieblichster Verklärung Bild — Und selig, wer's gefeiert — Wenn sich aus Regendünsten mild Die Welt dem Licht entschleiert, Wenn zag' durch tropfendes Geäst Die ersten Strahlen schlüpfen Und sangesfroh aus ihrem Nest Hervor die Vögel hüpfen. Da fließt durch den erstarrten Wald Der Wärme sanftes Rieseln, Ein kräuselnd Nebelbrauen wallt Auf von des Baches Kieseln; Wie ist die Luft so still und weich Und schmiegt sich um die Bäume, Wie glänzen licht auf jedem Zweig Die goldnen Morgenträume. Ach! bald wird von der Wipfel Kranz Der letzte Duft verwehen, Und vor des Tages Glut und Glanz Das schöne Bild zergehen; Doch wird's dir zum Gewinne treu Sich in dein Fühlen mischen, Und dich am Tage stets auf's neu Wie milder Thau erfrischen. In Blüten prangt die Linde Als jung ich war, in Wald und Feld In Blüten prangt die Linde, Wie war mein Herz von Lust geschwellt, Wie schlug der Puls geschwinde; Aus jedem Wipfel klang es mir: „Willkommen auf der Erde hier!“ Auf grünem Plan im Mondesglanz Wir schwangen uns im Reihentanz, In Blüten prangt die Linde. Des Lebens Tag brennt schwül und heiß, In Blüten prangt die Linde, Süß ruht sich's von der Arbeit Schweiß Im kühlen Abendwinde; Aus alter Zeit manch buntes Bild Das Herz mit stillem Sinnen füllt, Wie tausend Jahr der Lindenbaum Beschattet Volkes-Lust und Traum, In Blüten prangt die Linde. Wehmüth'ge Ahnung schwebt herab, In Blüten prangt die Linde, Und unter ihr hebt sich ein Grab, Bekränzt von trautem Kinde; Es geht der Staub zum Staube ein, Bald bröckelt über ihm der Stein, Drauf steht mein Name halb verwischt, Bis Zug um Zug die Schrift erlischt, In Blüten prangt die Linde. Berchtesgaden O Glück der goldnen Sommertage Dort an des Watzmann's grünem Fuß, Sie flossen ohne Sorg' und Klage Dahin im reinsten Frohgenuß. Wie duftgenährte Schmetterlinge Führt' uns von Kelch zu Kelch der Flug, Die Seele hob befreit die Schwinge, Die hoch sie in den Äther trug. Wie flog da zu der Felsen Kamme Der Morgenröthe Glut hinauf, Wie hing sich, eine duft'ge Flamme, Das Alpenglühn an ihren Knauf, Und in der Nächte stiller Weihe Wie war's durchleuchtet nah und fern, Auf jedem Haupt der Bergesreihe Stand in erhabner Pracht ein Stern. Und in der Urweltsgruft der Schroffen Erglänzt der See in heitrer Ruh, Und deckt mit Lächeln, kindlich offen, Sein grausiges Geheimniß zu; Er trägt dahin den schwanken Nachen, Er duldet leichter Scherze Spiel, Und nur des Echo's dröhnend Krachen Mahnt Dich: O traue nicht zuviel! Von Felsen stürzen sich die Achen Und rauschen durch die Thäler fort, Im lichten Schmelz die Matten lachen Und locken Dich zum stillen Ort; In süßes Träumen wiegt die Sinne Dir Alpenduft und Wipfelbraus, Und grüßend weht die Weltenminne Rings durch der Berge hohes Haus. Jung Douglas I. „Legt aus die Ruder schnell und leis, Nun ist das Boot gefeiet, Es birgt in sich den höchsten Preis: Die Königin ist befreiet! Die Kerkermeister schloß ich ein Und fing sie in eigner Falle, Die Schlüssel, daß keiner sie mag befrein, Versenkt' ich im Flutenschwalle. Fahr wohl, fahr wohl, Loch Leven Kastell! Dort harrt die Schaar, die getreue, Am Strand dort steigen zu Roß wir schnell Und reiten von dannen in's Freie.“ Jung Douglas sprach's, im Boot er stand, Hat starker Hand gesteuert, Bang lehnt sich an des Bordes Rand Die Königin verschleiert. Aus Ossian's Land ein Nebel wallt Herab von Hochlandbergen, Und birgt vor Spähern die Gestalt Der Fürstin und des Fergen. Ihm weht entgegen ein Lenzeshauch Vom Meer auf feuchten Schwingen, Vom Ufer dringt aus Baum und Strauch Ein Blühen und ein Singen. O sel'ge Lust, o süßer Schmerz, Die durch die Mainacht weben — Ob wol von Lust, ob wol von Schmerz Der Fliehenden Herzen beben? Und als zu Lande fuhr das Boot — Im Ost erglomm die Frühe — Da sinkt er hin, und brächt's ihm Tod, Umschlingend ihre Kniee. „O Königin, du wonnig Weib, Du hast umstrickt mir die Sinne, Zu Füßen leg' ich dir Seel' und Leib, Ergieb dich meiner Minne!“ Ihn straft der Königin Blick und Wort, Sie ruft mit Zornesbeben: „Du rasender Knabe fort, o fort, Nie wieder kehr' im Leben!“ II. Fotheringhay Thurm, Fotheringhay Schloß, Fluch dir und deinen Mauern, Bewacht von schnöder Schergen Troß Die Königin lebt in Trauern. Du Schottlandkron' im hellen Glanz, Du Stuart-Leben und Lieben, Wie ist verwelkt dein grüner Kranz Und die Dornenkrone geblieben. Auf bleicher Stirn die Dornenkron', Und Kerkerqual im Herzen, Mit Geisterscheine winken schon Zum Requiem die Kerzen. In banger Nacht, wenn Leid nur wacht, Beginnt ihr Geist zu schweifen, Wo Jugendglück ihr einst gelacht, Mag sie in Träumen streifen. Im Schottenland, im Frankenreich, In Schlössern, Städten, Auen, Wer kam an Reiz und Huld ihr gleich, Der Herrlichsten der Frauen? Vorüber ziehn dem innern Blick Der Huldbewerber Reihen — In Ritterhand ruht ihr Geschick, Will keiner sie befreien ? Da dringt in ihre Träum' ein Bild, In Jünglingsschönheit prangend, Dem ihre Seel' entgegen schwillt, Nach Liebesglück verlangend. Ein Bild, gekrönt von reiner Treu', Aus goldner Jugend Tagen — O nah' dich, junger Held, auf's neu Mit ritterlichem Wagen. Der sie befreit aus des See's Kastell, Den sie verstieß mit Grollen — Kein Sehnen ach! bringt ihn zur Stell', Jung Douglas ist verschollen! Ein Grab Ich möchte gerne doch wissen, Was mit dem Grabe mag sein Im Gottesacker dort unten; Es hat nicht Inschrift noch Stein. Und der da drunten lieget, Er hatte nicht Rang noch Stand, Er war ein Tischlergeselle, Weit her aus fremdem Land. Doch stets mit Blumenkränzen Geschmückt ist die Ruhestätt'; Sie sind so naß und voll Tropfen, Als ob es geregnet hätt'. Er hat nicht Eltern, Geschwister Und Freunde sonst am Ort, Ihn tugen die Tischlergesellen Zur letzten Ruhe fort. Er war in Arbeit beim Meister, Der oben in der Stadt Viel Arbeit und viele Gesellen — Und die schönste Tochter hat. Sie war so schön und blühend, Daß, wer vorüberging, Verwundert mit seinen Blicken Da droben am Fenster hing. Jetzt ist sie ernst und stille Und schaut so bleich und krank; Mir wird, wenn ich sie sehe, Ums Herz ganz weh und bang'. Die Mutter sitzt still am Ofen, Und ihre Augen sind naß, — Der Meister blickt so strenge, Die Tochter ist so blaß. Die Arbeit geht von der Stelle, Nur fehlt der frohe Gesang Ich weiß nicht, was in die Leute Für seltsam Wesen drang! — Vor großem Schicksal zittre nicht! Vor großem Schicksal zittre nicht! — es zeugt Des Unglücks Größe dir die Kraft zu tragen; So lehrt der Sturm den Baum, den er gebeugt, Die Wurzeln tiefer in den Grund zu schlagen. Du glaubtest oft beim Wettersturm der Nacht Die Blumen, deine Lieblinge, vernichtet; Doch war der neue Morgen kaum erwacht, So haben sie sich schöner aufgerichtet. Liegt schwer auf dir ein eisernes Geschick, Ruht Gottes Finger deutlich auch daneben! Das stählt dein Herz, das öffnet dir den Blick, Wird leicht dich über Irdisches erheben. Und deine Leiden rühren manche Brust, Die finster sonst von dir sich abgewendet; Und treue Lieb', bisher dir unbewußt, Wird plötzlich warm und tröstend dir gespendet. — Ach! anders ist es, mußt du Tag für Tag Mit leisem Schmerz, mit stiller Kränkung ringen Und unbemerkt, bei jedem Glockenschlag, Stets deiner Freuden schmerzlich Opfer bringen. Nicht eine Welle, ging sie noch so hoch, Vermag den Stein, den harten, auszuspülen; Ein Tropfen, der sich stets erneut, jedoch Wird nach und nach den härtesten zerwühlen. Was tropfenweis auf deine Seele fällt, Geheimes Weh, stillschweigendes Entsagen — Verborgen bleibt es zwar dem Blick der Welt, Doch ist es wohl am schwersten zu ertragen. Das nimmt aus deiner Brust den heitern Sinn Und giebt für frohen Muth dir düstres Bangen, Das bricht von deinen Lippen den Rubin Und wäscht den Schmelz der Jugend von den Wangen. Es scheucht das Lächeln aus dem Angesicht, Es bannt den holden Scherz aus deinen Reden, Und in den Glanz der braunen Locke flicht Es vor der Zeit die hellen Silberfäden. Und Niemand hat der stillen Leiden Acht, Kein Freund erscheint des Morgens auf der Schwelle, Zu trocknen mild die Thränen dir der Nacht: Es weiß nur Gott von deiner Erdenhölle. Und dennoch! bist du rein und ohne Schuld, So laß getrost vom Baum die Blüthen streifen, Die Himmelsfrucht, die edelste, Geduld Wird dir im Schatten still, doch sicher reifen. Und nährt dich sie mit ihrem Zaubersaft, So wirst du bis zum Tode nicht verzagen; Vom Himmel selbst kommt dir die Wunderkraft, Das Herbste mit Ergebung zu ertragen. Sinnend stand ich auf der Brücke Sinnend stand ich auf der Brücke, Schaute in den klaren Bach, Blumen warf ich in die Wellen, Schöne Grüße rief ich nach. Eine reiche volle Rose Wandelte den vollen Pfad, Doch sie blieb am Schilfrohr hangen, Das ihr da entgegentrat. Eine duftige Reseda Hab' ich dann ihr nachgesandt, Doch die Wellen warfen neckend Sie an ihres Ufers Rand. Dunkelglühend, balsamhauchend, In des Baches Silberlauf Schwimmt die Nelke; doch die Weide Hält den schönen Boten auf. Und so schleudr' ich, leise zürnend, Eine Nessel in die Fluth; Rasch ist sie am Schilf vorüber, Wo die Ros' gefangen ruht. Tanzend fliegt sie am Gestade, An der Weide leicht dahin Immer weiter, immer weiter, Mit dem Strom durch Ufers Grün. Ach! es gleicht der Bach dem Leben, Schöner Wünsche giebt es viel; Doch nur was da schmerzt und brennet, Bleibt uns treu bis an das Ziel. Sonett O hüte dich, es frevelnd zu zerstören, In meinem Herzen gläubiges Vertrauen; Hast du erweckt des Argwohns finstres Grauen, Kannst du zurück es nimmermehr beschwören. Vergebens läßt du deine Stimme hören: Wer reißt das Herz aus diesen grimmen Klauen? Kann da der Friede seine Hütten bauen, Wo Leidenschaften wild die Brust empören? Und wie das Unkraut wächst auf Blumenbeeten, So wird der Argwohn lange Wurzeln schlagen Im Herzen, und du wirst vergebens jäten. Er wird dir spät noch gift'ge Früchte tragen; Und wird das Herz vor Gott, den Richter, treten: Um seinen Frieden wird es dich verklagen. Soll deine Brust gesunden Soll deine Brust gesunden, So fürchte nicht den Schmerz, Erst wenn es ihn verwunden, Dann stählet sich das Herz. Soll dir die That gelingen, So scheue nicht die Müh'; Je schwerer zu erringen, Je schöner lohnet sie. Soll Freude dir begegnen, So hüte dich vor Reu'; Soll dich die Liebe segnen, So liebe wahr und treu! Kaiser Friedrich Kronenträger 1245 „Nun sprich, mein vielgetreuer Thaddaeus, unverbrämt: Hast du das Ungeheuer Dort zu Lyon gezähmt? Mit deiner Zauberrede Den falschen Papst gekirrt, Der neu mit gift'ger Fehde Mein gutes Reich verwirrt?“ — So fragt der große Kaiser, Und Scherz umspielt den Mund, Doch auf der Stirn ein leiser Verdacht des Schlimmsten stund. Und mit vertrübter Stimme Beginnt der treue Rath, Zu künden, was voll Grimme Sanct Peter's Erbe that. „O Herr! Mit guten Waffen Verfocht ich deinen Streit, Doch Raum dem Recht zu schaffen, Gelang nicht spannenweit. Denn leichter wird zurücke Der Ströme Schwall gepreßt, Eh' Pfaffentrotz und -Tücke Von alten Planen läßt! Da saß in reicher Runde Bischof und Kardinal, Und fest an meinem Munde Hing jedes Auges Strahl. Manch' Antlitz überthaute Der Rührung milder Lenz, Doch frostig, feindlich schaute Der vierte Innocenz. Kaum war mein Wort zu Ende, Da hub er sich vom Sitz; O Herr der Himmel! wende Von unserm Haupt den Blitz Des Fluch's, der seinem Munde Mit Lavagluth entquoll, Der uns zum tiefsten Grunde Hülflos verzehren soll! Sein Bann reißt dir die Zeichen Des Herrscherthumes ab, Läßt dir von allen Reichen Ein ungeweihtes Grab. Verflucht ist, wer in Treue In deinen Pflichten steht, Und wer um deine Reue Zu Gott voll Mitleid fleht! O Herr! aus unsern Herzen Brach da ein banger Schrei, Doch er ergriff der Kerzen Vor seinem Stuhle zwei, Und als, gekehrt zur Erde, Ihr Licht verzischte nun, Da jauchzt' er wild: so werde Gott deiner Seele thun!“ — Der Kanzler schwieg. Es schwiegen Die Hörer allzumal; Wie böse Geister fliegen Die Schauder durch den Saal. Das Antlitz selbst, das hohe, Des Kaisers wurde bleich, Doch stolze, heil'ge Lohe Färbt es von Neuem gleich. Schier wuchs um Hauptes Länge Die herrliche Gestalt, Wie seiner Treu'n Gedränge Sein sich'rer Blick durchwallt. Dann ruft er — und es enden Schon rings die Sorgen schwer — „Wohl! Ich will Antwort senden! Bringt meine Kronen her!“ Zu Friedrich's Füßen lagen Die sieben, Kranz an Kranz, Die Augen kaum ertragen Den überreichen Glanz. Das Diadem der Sarden, Sicilien's edler Reif Strahlt neben der Lombarden Altheil'gem Eisenstreif. Wie eigen glänzt die Krone, Die an den Stätten blitzt, Wo einst dem Gottessohne Der Dorn die Stirn geritzt! Die Kronen der Burgunder, Der Deutschen ruhten hier, Und aller Kronen Wunder: Von Rom die Kaiserzier! Die hat von all' dem Schmucke Des Kaisers Hand gefaßt, Auf's Haupt mit leichtem Drucke Setzt er die theure Last. Da mahnt es die Gedanken Der Schauenden mit Fug Wohl an den großen Franken, Der allererst sie trug! Ein freudig murmelnd Regen Durchläuft den Saal schon hell, Doch Friedrich winkt, da legen Sich alle Wogen schnell. So hat im Schlachtendrange Sein Auge nie geloht, So hat mit Donnerklange Sein Mund noch nie gedroht! „Dem Papst und der Synode,— Vernimm es, Christenheit! Die mich dem ew'gen Tode Aus falschem Haß geraubt, Verkünd' ich dies und sag' ich: Die sie mir frech geraubt, Die Kronen halt' und trag' ich Noch fest auf meinem Haupt! Und wer vermess'nen Muthes Sich ihnen wagt zu nah'n, Der wird mit Strömen Blutes Erfüll'n der Völker Bahn, Und doch so lang' betrogen Absteh'n von ihrer Zier, Eh' nicht die rothen Wogen Sich schließen über mir!“ — Da von Begeist'rungslichte Glüht jedes Antlitz auf, Sie schau'n der Weltgeschichte Leibhaft'gen, großen Lauf! Da braus't zum Klirr'n der Schläger Der Jubel gluthgemehrt: „Heil Friedrich Kronenträger, Der aller Kronen werth!“ Nach Griechenland In seiner Seele glühte nur Ein Brand: Die Sehnsucht war's nach dir, o Griechenland! Nur Einen Erdenfleck noch möcht' er sehn: Dich, Feld voll heil'ger Trümmerpracht, Athen! Was alle Nachwelt freudig staunend preist, Lieb und vertraut war's früh des Forschers Geist, Und sein beredter Mund so manches Jahr Erschloß vor immer neuer Hörerschaar Der blüh'nden Jugend seines Vaterlands Die Wundermähr von Hellas' Glück und Glanz. Weit in die Runde drang sein Name schon, Doch schmal und kärglich war und blieb sein Lohn; Denn Weisheit ist in Deutschland so gemein, Mehr bringt als sie der Lumpenhandel ein. Wenn er getreu bezahlt am Jahresschluß, Was er geborgt, blieb zwar ein Überschuß, Allein da gab's in seinem Bücherschrank So manche Lücke, die den Rest verschlang. So hegt er Jahr für Jahr den Reiseplan, Doch Jahr für Jahr verbleibt's bei eitlem Wahn. Die Bücher waren denn sein einz'ger Schatz, Und gaben für's Entbehrte lang' Ersatz; So lang', als noch der Hoffnung Schmeichelspiel Ihm nahe zeigte seiner Sehnsucht Ziel. Allein sie lindert nur der Jugend Leid, Das Alter hat, zu hoffen, keine Zeit. Und er ward alt. Bald stieg er trüb', gebückt Vom Sitz herab, den er so lang' geschmückt; Ein Orden zeichnet, ein Diplom ihn aus, Ein Fackelzug wogt Abends vor sein Haus; Dann lehrt ein And'rer, und nach Jahresfrist Wird er fürwahr von Niemand mehr vermißt. Da schlich er denn — es war im Lenzbeginn — An seinen Büchern einst tiefsinnend hin. Und draußen stand die Welt im lichten Kleid, Des Himmels Wunderblau floß klar und weit, Und rasche Vögel floh'n mit freud'gem Sang, Und weiße Segel glitten stromentlang; Es war die Zeit, da du, o Reiselust, Ein umgekehrtes Heimweh, schwellst die Brust! Auch seine Brust! Sieh', plötzlich steht er still, Sein Antlitz glänzt — nun weiß er, was er will. Von dannen eilt er fast mit Jünglingsschritt; Und wie er heimkehrt, kommt ein Fremder mit, Den er in Hast zu seinen Schränken führt. Ein schlauer Händler war's. Der wühlt und spürt In all den Heiligthümern kühl herum; Der And're steht beklommen, zitternd, stumm. Und als die Must'rung dann zu Ende war, Da bot mit frecher Stirn der Antiquar Ein winzig Sümmlein — zehnfach war's zu klein! Doch unser Freund schlägt schmerzlich lächelnd ein. Und schmählich, wie es mit den Büchern ging, Geschah es allem, was ihn sonst umfing. Doch nicht mehr rührt den Alten ein Verlust, Nein, immer freier hebt sich seine Brust, Und wie er gar im leeren Hause stand, Da jauchzt' er laut: „Nun geht's nach Griechenland!“ Vom deutschen Boden schied er, kaum gerührt; Hat er doch seinen Segen nie verspürt, Beginnt doch seines Lebens einz'ges Fest Erst fern dem Felsenkarste von Triest. Ja, deine Wogen, klar und köstlich blau, O Adria, sind ihm geweihte Schau! Denn netzen sie nicht auch den heil'gen Strand, Dem all sein Sinnen glühend zugewandt? Es war ein Segelschiff, darauf er fuhr, So fuhr er bill'ger zwar, doch langsam nur, Und Wochen gingen hin, bis Ägeus' Flut In sonn'ger Schöne vor dem Trunk'nen ruht. Und all' die Zeit saß er auf dem Verdeck; Zur Nacht auf Stunden nur schlich er vom Fleck. Der Kapitän des Schiffs, der Steuermann, Kopfschüttelnd seh'n sie oft den Träumer an; Es muß mit Leib und Geist nicht richtig sein, So elend und verkümmert schaut er drein, Nur, späht er fern den schmalsten Küstenrand, Dann glüht sein Aug', es zittert seine Hand, Und wenn er ruhig-stolz den Namen nennt, Dann staunen sie, wie er das alles kennt! Und eines Abends sank die Sonn' ins Meer, Mit Rosenglanz färbt sich die Flut umher, Da taucht empor am fernen Horizont Ein blühend Eiland, purpurglanz-besonnt. Und sieh', als führ' aus heit'rer Höh' ein Blitz, Springt unser Alter jäh von seinem Sitz: „Ha, endlich!“ haucht er, „das ist Salamis! Wohl, morgen seh' ich die Akropolis!“ Und als herein der Morgen flammend brach, Das Schiff geankert im Piraeus lag, Und nahe, hoch herab aus klarer Luft, Vom Ruhm umschimmert gleich dem reinsten Duft — Die Augen Aller mit Entzücken sehn's — Erglänzt die Trümmerherrlichkeit Athens! Doch wie? Wo ist der wunderliche Greis? Sein Platz ist leer; ob er es denn nicht weiß, Daß seiner langen Sehnsucht Ziel erreicht? Man ruft, man sucht nach ihm; schläft er vielleicht? Ach, unter'm Deck in schmaler Lagerstatt, Da harrt der Arme still und sterbensmatt; Die Kraft, die ihn bis hierher aufrecht hielt, Nur wie ein sterbend Flämmlein in ihm spielt. Kaum zu verstehn ist's, was die Lippe spricht: „Tragt mich empor an Hellas' Sonnenlicht!“ Man that's. Nun ruht er an des Schiffes Rand, Das Antlitz zur Akropolis gewandt. Von seinen Lippen wie Gebete wehn Die einz'gen Sylben nur: „Athen, Athen!“ In vollem Zug schlürft er das sel'ge Licht, Und immer freud'ger wird sein Angesicht; Ach, was der Fuß nicht mehr durchwandeln kann, Die Seele sieht sich frei und glücklich dran! So regungslos lehnt er nun Stunden schon, Man rührt ihn an — da war sein Geist entflohn, Erloschen war der Seele letzter Brand, Und seinen Staub empfing das heil'ge Land! Natur, die Trösterin Wenn du im Leid nach Mitleid bangst, Geh' in den grünen Wald; Der Trost, nach dem du heiß verlangst, Gieb Acht, er wird dir bald! Mit tausend Augen, tief und lind, Blickt die Natur dich an, So treu, wie nur ihr liebstes Kind Die beste Mutter kann. Von Menschen kommt dir Noth und Pein, Die Welt hat Trug und List, So flüchte dich, wo du allein Mit Gottes Liebe bist! Da schmilzt das starrste Erdenleid, Ach, Alles, was dich kränkt, Im Flammengruß der Herrlichkeit, Die er dir täglich schenkt! Bescheide dich! Wer hätte sich im Traume stolzer Stunden Nicht einst auf Gipfeln voller Glanz gesehen? Nicht tief in sich des Geistes Götterwehen Wie eines Frühlings mächt'gen Hauch empfunden? Doch ach! bald ist der holde Wahn entschwunden; Du siehst das Bild, das dich geneckt, zergehen, Mußt tief in Thalesdämm'rung traurig stehen, Und fühlst den Fuß, der aufwärts will, gebunden. Dann klage nicht! Nur Wenigen vorbehalten Ward dieses Loos: hoch von der Menschheit Zinne Ein neues Banner glorreich zu entfalten. Thu' ab den Neid! Und hellen Blicks beginne In deinem engern Kreise frisch zu schalten, Und auch das Kleine thu' mit großem Sinne! Das Glück Was ist das Glück? — Nach jahrelangem Ringen, Nach schwerem Lauf ein kümmerlich Gelingen, Auf greise Locken ein vergoldend Licht, Ein spätes Ruhen mit gelähmten Schwingen —? Das ist es nicht! Das ist das Glück: Kein Werben, kein Verdienen! Im tiefsten Traum, da ist es dir erschienen, Und Morgens, wenn du glühend aufgewacht, Da steht's an deinem Bett mit Göttermienen Und lacht und lacht! Am Rhein Ich stand zur Nacht am heiligen Rhein, Die Sterne schauten vom Himmelsrund, Ich sah in die sausenden Wogen hinein, Mir ging ein Schauer durch Herzensgrund. Ich habe die Hand getaucht in die Fluth, Ich hab' sie gereckt zum Himmel empor — Der hat es gehört, wie in seligem Muth Ich dem Vaterland mich zu eigen schwor. Lebenslied Sterne funkeln, Sterne bleichen Hoch am blauen Himmelszelt, Wanderlust'ge Wolken streichen Ewig wechselnd durch die Welt. Und die Wogen fluthen, branden Donnernd fort von Belt zu Belt — Kampf und Noth in allen Landen, Und kein Frieden in der Welt! Tage kommen, Tage schwinden, Und der Jugend Blüthe fällt, Ein Verlieren ohne Frieden, Opferbringen ohn' Entgelt! Was die Träume hold versprechen, Wie ein hohler Schaum zerschellt — Herzen lieben, Herzen brechen, Und kein Frieden in der Welt! Ja, da draußen stets vergebens Spähst du nach dem stillen Feld; In der Wüste dieses Lebens Sei dein Herz das traute Zelt! Gründ' es fest nach ew'gen Lehren, Berg' in ihm, was Treue hält, — O, dann kannst du froh entbehren Glück und rieden dieser Welt! Für Wen? Der Frühling ist nicht für die Klugen gemacht, Die da rechnen und müh'n und erwerben Und haben des traurigen Irrthums nicht Acht, Eh' die Stunde gekommen, zu sterben. Sie fragen nach dem nur, was nützen kann; Was geht sie die spielende Wonnezeit an, Die nur Blüthen, nicht Früchte streuet! Nein, der Frühling ist nur für den thörichten Sinn, Der, ohne zu sorgen um Gut und Gewinn, An Schönheit und Liebe sich freuet. Der Frühling ist nicht für die Reichen gemacht, Die das Glück in den Schränken vermeinen. Goldsonnige, blüthensilberne Pracht, Sie haben's in blitzenden Schreinen! Was wohlfeiler Schmuck, der da draußen flammt! Sie haben im Zimmer die Blumen von Sammt, Doch freilich — den Winter im Herzen! Nein, der Frühling ist nur für den armen Gast, Den im schwellenden Maimond es tröstend faßt: „Gott denket auch deiner Schmerzen!“ Der Frühling ist nicht für Tyrannen gemacht Und nicht für die Schergen und Knechte, Denn das junge Leben aus Winters Nacht, Das führt er zu Sieg und Gefechte. Vor der Rose Gluth und des Abends Roth, Da zittert verblassend der feige Despot, Sie tragen die Farben der Rache. Nein, der Frühling ist nur für den freien Mann, Der erschaut in der Luft nach dem schweren Bann Den Triumph der eigenen Sache. Der Frühling ist recht für den Dichter gemacht, Dem die Liebe den Busen erhellet, Dem der Freiheit und Schönheit heilige Macht Die kindliche Seele noch schwellet, Der unbefleckt bleibt vom gleißenden Trug Und hat an unscheinbaren Schätzen genug Trotz der weltlichen, tadelnden Zungen. Wie die lächelnden Blüthenbäumchen im Holz, So hebt er das Haupt recht freudig und stolz, Wenn ein keckes Lied ihm gelungen. I. Der erste Gang Lieder an Lotty Wir gingen einen weiten Weg zusammen, Von fremden Städten, Menschen sprachen wir. Der Abendhimmel goß die letzten Flammen Auf Stirn und Wange dir zu schönster Zier. Wir waren nicht allein. Im Schwarm von Andern Nach Scherz und Tanze zogen wir zur Stadt; Was war es doch, das mich im Weiterwandern An deine Seite nur gefesselt hat? Du warst mir fremd; ich sah zum ersten Male Dein liebes Antlitz, deinen treuen Blick, Doch fühlt' ich mich berührt von einem Strahle Von längstvertrautem, langentbehrtem Glück. Und als vor deinem Hause wir geschieden, Und als mich's einsam lang noch weiter trieb, Da sagte mir des Herzens süßer Frieden, Daß mir dein holdes Bild für immer blieb! II. Von blauen Blümchen Lieder an Lotty Von blauen Blümchen stand der Waldrand voll; Vergißmeinnicht! sie sind nun mein Entzücken. Für eine Liebe, die erst blühen soll, Begann ich freudig, sie zum Strauß zu pflücken. Noch darf ich nicht, du süßes Kind, zu dir Den Strauß der deutungsvollen Blumen tragen, Doch wird er einst, zwar mit verblaßter Zier, Wie ich schon längst dich treu geliebt, dir sagen. Bis dahin soll der Blümchen Geisterschaar Umschweben dich, mein Lieb, auf jedem Schritte, Und leis' ins Herz dir flüstern immerdar: „Vergiß mein nicht!“ die süße Liebesbitte. III. Meine wilde Rose Lieder an Lotty Ein Bild von dir am Herzen tragen, Geliebtes Kind, wie möcht' ich's gern! Doch ach, ich muß den Wunsch vertagen Auf eine Zeit, wer weiß wie fern! So wandr' ich denn nach holdem Brauche Zum Wald in Abenddämmerung Und von dem wilden Rosenstrauche Brech' ich ein Knösplein frisch und jung. Und zieh' ich so geschmückt von hinnen Und blick' auf meines Rösleins Zier, Dann wird mir träum'risch süß zu Sinnen, Als trüg' ein Abbild ich von dir. IV. Dein Ring Lieder an Lotty Den Ring, den ich am Finger trage Als deiner Lieb' und Treue Pfand, Er kommt bis an das Ziel der Tage Nicht mehr herab von meiner Hand. Und löscht der Tod, der Herzbezwinger, Einst meines Herzens heiße Glut, Im Tod noch krümme sich mein Finger Und halte fest das heil'ge Gut! V. Mit alten Gedichten Lieder an Lotty Da nun durch dich mein ganzes Leben Vom Frühroth sel'gen Glückes tagt, Darf ich getrost dies Buch dir geben, Das manchen Irrthums mich verklagt. Das alte Lied von altem Lieben Nicht trüb' es deiner Seele Ruh', — Mein Herz ist jung und ganz geblieben Und dir gehörts nun ewig zu. Und will ein Klang dich rührend mahnen, Will dich ergreifen mit Gewalt, So glaub': er war ein dunkles Ahnen, Das deiner Engelsunschuld galt! VI. Arm in Arm Lieder an Lotty Wie hüpft das Herz vor Freuden mir, Wenn wir, mein Lieb, vereinigt schreiten, Und Aller Blicke hin zu dir Bewundernd und beneidend gleiten. Ja, stolz're Wonne kannt' ich nie, Als heimlich sicher mir zu sagen: Stellt nur das Werben ein um sie, — Der Schatz ist nicht mehr zu erjagen! Denn mein ist dieser Augen Pracht, Der süße, treue, blaue Schimmer; Der Mund, der himmlisch küßt und lacht, Mein ist er, einzig und für immer. Mein ist die ganze Huldgestalt, Die anmuthreiche, kindlich-schlanke, Und was in ihr nur lebt und wallt: Mein jeder Haupt- und Herzgedanke! Und euer Werben gleicht dem Tanz Der armen Mücken um die Kerze, In deren traulich-mildem Glanz Daheim ich all mein Eigen herze. VII. Das erste Liebesjahr Lieder an Lotty Nun steht das Jahr an seiner Wende, Das holde, hochgepries'ne Jahr, Geschmückt mit dessen Blüthenspende Wir selig wandeln immerdar. Ach, was im Juni zartgestaltet, Im Juli wuchs in Sehnsuchtslust, Wie hat sich's wunderreich entfaltet Im Sonnenglühen des August! Und ob der Herbst auch Trennungsschauer, Der Winter sandte Sorg' und Schmerz, Der Liebe Lenz hat ew'ge Dauer, Denn seine Freistatt ist das Herz. Dort laß uns alle Knospen hüten In treuer Liebe warmem Schein, Dann wird ein einz'ges Jahr in Blüthen Dein Leben wie das meine sein! Blumen der Vogesen Wenn du eine Blume pflückst Auf den Halden der Vogesen, Diese Inschrift sollst du stets Tief in jedem Kelche lesen: „Reiche Ströme deutschen Bluts Sind umsonst, ach, einst geflossen: Dennoch hat an's falsche Herz Frankreich dieses Land geschlossen. Reiche Ströme deutschen Bluts Wieder sind dahingeronnen, Bis auf's Neu' zum Eigenthum Deutschland dieses Land gewonnen. Daß es nimmer anders sei, Gottes Gnade mög' es geben, Doch dazu das Deine thun Soll dein ganzes Sein und Streben!“ Diese Inschrift sollst du stets Tief in jedem Kelche lesen, Wenn du eine Blume pflückst Auf den Halden der Vogesen. Blumen zur Herbstreise Auf die weite herbstliche Reise Nimm uns leichte Gesellschaft mit! Dankbar woll'n wir nach uns'rer Weise Duften und lächeln auf jedem Schritt. Zwar wo der Herbst, der tödtliche, schauert, Kurz ein Blumenleben nur dauert, Aber ein jedes Auge, das bricht, Jeder verblassende Mund noch spricht Zärtlich und leise: Glückliche Reise, glückliche Reise! Aber die letzte der Schwesterschaar, Die dunkle Rose in grünem Haar, Laß sie an deiner Brust vergehn Mit dem Seufzer: „Auf Wiedersehn!“ O tempora, o mores Es sagen mir zu meinem Leid Die alten Leute immer, Es werde jetzt in unsrer Zeit Die Welt tagtäglich schlimmer, Sie ringen sich die Hände wund, Sie schreien wirklich obne Grund Fortwährend mir in's Ohr es: O tempora, o mores! So denkt der goldnen Zeiten doch, Die leider längst vergangen, Da seufzend im Tyrannenjoch Die Völker noch gefangen; Wie ging's bei Herrn Caligula, Warum denn schwieg das Alter da? Kein Strafgericht beschwor es, O tempora, o mores! Wie war es auch in spätrer Zeit? Das Kleinste ward verbrochen, So wurden — o Barmherzigkeit! Die Augen ausgestochen; Beging ein armes Menschenkind Ein einzig Fehlerchen, — geschwind Die Nase gleich verlor es, O tempora, o mores! Wie war's, als noch des Papstes Macht So fest in allen Landen, Als Kaiser Heinrich Tag und Nacht Im Büßerhemd gestanden; Und als der Mönche Ablaßkram Dem Volk den letzten Heller nahm, Und Sitt' und Recht verlor es? O tempora, o mores! Gottlob, jetzt sieht man weit und breit Nicht Menschen ohne Nasen, Und auch der Ablaß könnte heut Nicht wie vor Zeiten rasen; Erst wenn ihr einen Kaiser seht, Der jenem gleich zur Buße geht, Dann ruft im vollen Chor es: O tempora, o mores! Doch wenn die Jugend frisch und frei Sich freut der lieben Erde, Und noch nicht ganz gesetzt dabei In Wort und in Geberde, Will ungehindert lustig sein, Gewiß da ist kein Grund zu schrein, Zum Ärger meines Ohres: O tempora, o mores! Und wenn sie dann auch froh gestimmt Einmal beim munt'ren Reigen, Den Mond für 'ne Laterne nimmt, Den Himmel sieht voll Geigen, Verzeiht, daß ich so offen bin, Da paßt eu'r Sprüchlein gar nicht hin; Je nun, in meine Lieder Kommt's auch wohl niemals wieder! Großmutters Weihnachtsabend Großmutter lauscht dem Klang der Weihnachtsglocken, Und hat gedankenvoll ihr Haupt gebeugt, Es fallen auf die Hand die greisen Locken, In stiller Rührung wird die Wimper feucht. Und horch, daneben tönt ein munt'res Lärmen, Es stürmen ihre Enkel in den Raum, Und drängen jubelnd sich, in frohen Schwärmen Rings um den buntgeputzten Weihnachtsbaum. In diesen Kindern sprießet frisches Leben, Und reift entgegen einer neuen Zeit, Hier keimet Kraft, die einst ihr ganzes Streben Der Menschheit ew'gem Fortschrittskampfe weiht; Für alles Große, Herrliche hienieden, Wie streiten einst die Knaben stark und kühn, — Und Herzensreinheit, Sitte, Liebe, Frieden, Wird einst in diesen Mädchen weiter blühn. Großmutter denkt der eignen Kinderzeiten, Sie sieht im Elternhaus den Weihnachtsbaum, Und bunte Bilder ihres Lebens gleiten An ihrem Geist vorbei in wachem Traum: Sie sieht sich glücklich an des Gatten Seite, Im süßen Heim, das ihr die Lieb' erbaut, Und fröhlich spielen ihre Knaben beide Am Weihnachtstisch mit hellem Jubellaut. Die Eltern hin — der Gatte längst begraben, — Die Söhne todt, mit ihnen todt ihr Glück; — Doch nein, hier reifen ihrer Söhne Knaben, Welch reiches Leben ließen sie zurück: „Mich beugt darnieder schon der Jahre Winter, Euch blüht empor die goldne Frühlingszeit, Für euch die Zukunft, ihr geliebten Kinder, Doch mein, doch mein ist die Vergangenheit!“ Großmutter lauscht dem Weihnachtsglockenklange, Ein seltsam Lächeln spielt um ihr Gesicht, Sie ahnet wol, es währet nicht mehr lange, Bis daß das letzte Glöcklein zu ihr spricht; Es färbt ein leises Roth die welke Wange, Die Hände betend sie gefaltet hält: Großmutter hat im Weihnachtsglockenklange Wol einen Gruß gehört aus jener Welt! Maßliebchen „Er liebt mich!“ — Ach, und wie so lange, Lang' eh ein Wort der Lipp' entflohn, Ich hört' es an der Stimme Klange, An seiner Worte weichem Ton. Mit freudig bangem Herzenspochen In's theure Auge blickte ich, Das sprach, noch eh der Mund gesprochen, So innig traut „ich liebe dich!“ „Von Herzen!“ Ja! — Es kamen Tage, Von ew'gem Duft und Licht getränkt! O Liebesglück, du gold'ne Sage, Du Maienmorgen gottgeschenkt! Wer könnte all die Blüten zählen, Die du erschließest wonniglich? Im Kusse tauschten wir die Seelen, Von ganzem Herzen liebt er mich. „Mit Schmerzen!“ Ach, es kamen Stunden, Die seine Liebe schwer erprobt, Da Lenz und Sonne hingeschwunden, Von Nacht bedroht, von Sturm umtobt: Die Leidensfluten uns umspülten, — Er stand, da Alles wankt' und wich, Ob tausend Schmerzen in ihm wühlten. Mit tausend Schmerzen liebt' er mich! „Er liebt mich über alle Maßen!“ Ich bin ihm Licht und Lust und Zier, Und muß die ganze Welt er lassen, Ihm bleibt die ganze Welt in mir. Die Lieb' erstand bei Lust und Schmerzen, Bewährt im Kampf und Sturme sich: So liebt er mich von ganzem Herzen, Mit Schmerzen maßlos liebt er mich! Noch jung Mich zieht hinaus des Frühlings Weben, Hinaus der Sonne warme Glut, In meinem Busen fühl' ich's beben Wie kühnen Jugendübermuth; Ich kann noch träumen, sehnen, hoffen, Noch trägt mich hoch des Geistes Schwung, Noch steht die weite Welt mir offen Im Vollgefühl: ich bin noch jung! Die Kraft der Jugend in mir waltet So ungebrochen, unbedroht, Das heil'ge Feuer, nicht erkaltet, In hellen Flammen aufwärts loht. Die Pulse schlagen voll und schnelle, Die Brust erfüllt Begeisterung; Schwill an, du schlanke Lebenswelle, Heb' mich empor — ich bin noch jung! Und träte just in solcher Stunde Der bleiche Sensenmann herein, Ich grüßte ihn mit heiterm Munde: „Sieh da, was führt dich her, Freund Hein? Mich suchst du? — nun, kein lang' Bedenken, Nur her mit Lethes kühlem Trunk! Laß zum Ade mich's Hütchen schwenken, Ich scheide leicht, ich bin noch jung! Frühlingsmorgen Küßt das Licht den jungen Morgen, Fällt der Thau auf Blüt' und Blatt, Hei, wie wandert sich's da lustig Durch die grüne Waldesstatt! Tönt so hell der Quelle Rauschen, Lacht das Grün so zauberisch, Pocht das Herz in trunkner Wonne, Klingt das Liedel jung und frisch! Küßt das Licht den jungen Morgen, Fällt der Thau auf Blüt' und Blatt, Traun, da mag ich's nimmer glauben, Daß das Leben Schmerzen hat. Lacht mir so die weite Erde In des Lenzes Blumenflor, Kommt mir Herzeleid und Trübsinn Wie ein böses Märchen vor. Tausend Blüten seh' ich sprossen, Und da denk' ich so dabei, Ob die Blume meines Glückes Denn nicht auch zu finden sei. Die auch muß so frei erblühen Unter Sturm und Sonnenschein, Darf kein mattes Topfgewächse, Keine Treibhauspflanze sein. Was doch so die Menschenseele Wunderliche Träume hat, Küßt das Licht den jungen Morgen, Fällt der Thau auf Blüt' und Blatt! Jauffred Roudèle I. Im Schlosse zu Blay tönet Wechselgesang Und fröhliche Reden und Becherklang; Sie leeren die Gläser, sie schenken sich ein, Sie trinken sich Stärkung im funkelnden Wein. Hier rasten die Pilger, die wandermüd' Heut wiedergekehrt aus dem sonnigen Süd, Und der sie bewirthet auf heimischer Flur, Prinz Jauffred Roudèle ist's, der Troubadour. Vom heißen Sirocco im Wüstensand, Vom heiligen Grabe im Morgenland, Von Schifffahrt und Wandrung, von Noth und Gefahr Berichtet dem Sänger die Pilgerschaar. Und wie sie geleeret ihr Glas auf den Grund, Betheuert ihm rühmend ein jeglicher Mund: „Holdsel'geres schaute der Ritter noch nie Als die junge Markgräfin von Tripoli! Melisande, gepriesen von Sänger und Held, Die Blume und Krone der Frauenwelt, Melisande, an Ehre und Tugend so reich, Der keine an Sitte und Schönheit gleich.“ Und staunend ergriffen lauscht Jauffred Roudéle, Geheimnißvoll dämmert's ihm tief in der Seel': Sie ist's, Melisande, die rosige Braut, Die sehnsuchtdurchglüht er im Traume geschaut. Sie ist die liebreizende, holde Gestalt, Vom Schleier der Reinheit bezaubernd umwallt, Die sittsam erröthend zu Boden geblickt, Im Traum ihm die ahnende Seele umstrickt! Ihn fesselt nicht länger der Pilger Bericht, Gesänge und Reden erheitern ihn nicht, Ein klagendes Lied, es besinget nur sie, Die schöne Markgräfin von Tripoli. II. In dem Schloß zu Blay nicht länger Mag Jauffred Roudèle verweilen, Heimlich krankt der Minnesänger, Und kein Arzt weiß ihn zu heilen. Endlich schifft von Cette's Strande Sehnend fort der Troubadour: „Auf zu ihr, zu Melisande. Dort erblüht mein Leben nur!“ Und ein Sturm beginnt zu toben, Brausend sich die Wogen bäumen; — Lächelnd schaut Roudèle nach oben, Schwelgt in sel'gen Liebesträumen. Wolken ziehen schwarz zusammen, Blitze sprühen gluthentfacht; — In dem Busen Hoffnungsflammen, Lächelt er durch Tod und Nacht. Betend sinkt die Mannschaft nieder, Rüstet sich zur letzten Reise, Und Roudèle singt Minnelieder Der geliebten Braut zum Preise. Und die Stürme, sie verhallen, Bald schon ist der Hafen da, Doch von Krankheit schwer befallen Liegt Roudèle dem Tode nah. In der Morgensonne Strahle Sterbend bringt man ihn zum Strande, Sterbend schaut zum ersten male Wachen Aug's er Melisande. Singend, wie die Schwäne enden, Schied Roudèle vom Tageslicht, Und auf Melisandens Händen Lag sein sterbend Angesicht! Sturm-Hymnus Es schweift durch die Weiten der Erde so frei, Es ruft wie aus tausend Kehlen; Bald tönt es wie klagender Hilfeschrei Von armen verlorenen Seelen, Bald schaurig und ächzend, bald trotzig und wild, Wie die Kriegsdrommete den Schlachtruf brüllt. O du Sturmeswehn, O lehr' mich dein uraltes Lied verstehn! „Ich singe den ewigen Todtengesang Jahrtausendelang! Wenn der Herbst, der rauhe Geselle, dreist Der Erde die Blüthen vom Busen reißt, Wenn die Blättchen, gepflückt von den Zweigen, Hinfliehend im Taumel verworren sich drehn, Dann führ' ich den traurigen Reigen, Dann sing' ich das Lied vom Verblühn und Vergehn! Ich flieh' übers Meer, hoch brauset die Fluth Und öffnet den glühenden Rachen; Auf schleudert das Schiff der Wogen Wuth, Die Planken erbeben und krachen, Der Nothschuß dröhnet, es splittert der Mast, Und Schifflein und Mannschaft verschlinget in Hast Die klaffende Gruft, Und drüberhin brauset mein Lied durch die Luft. Hin trägt mich durch endlose Wüsten bald Des Fluges Gewalt! Es wirbelt der Sand zu den Wolken hinauf, Es decket ein Grab unabsehbar sich auf; Du schaudernde Karawane, Ihr zitternden Pilger, entflieht, entflieht! Schon tönet im nahen Orkane Euch allen, euch allen ein Sterbelied. Ums verlorne Eden erbrauste mein Sang, Trieb schwarzes Gewölk zusammen, Die Tiefen erbebten, der Donner erklang, Aus dem Himmel zuckten die Flammen; Des Engels Richtschwert, es loderte nackt, Und das Menschenpaar, von Verzweiflung gepackt, Es floh entsetzt, In die tosende Windsbraut hinausgehetzt. Seitdem, was hienieden auch stolz sich erhob, Verging und zerstob; Hin sank die heilige Ilios Und Hellas' Größe in Nichts zerfloß. Gleich Abends hinsterbenden Faltern, So Völker um Völker die Nacht verschlang; Schon seh' ich die Erde altern, Bald sing' ich ihr selber den letzten Sang. Wenn die Stunde schlägt, die gewaltige Stund', Da die Völker den Grüften entsteigen, Da die Sonnen erbleichen am Himmelsrund, Und zerstiebt der Gestirne Reigen, Dann wild um den Erdball mein Brausen erschallt, Dann reiß' ich ihn fort mit Titanengewalt Ins ewige Nichts, Beim Posaunengeschmetter des Weltgerichts.“ Du weilst am fernen, fremden Ort Du weilst am fernen, fremden Ort Und lässest mich allein, Doch zu dir in die Ferne fort Ziehn die Gedanken mein. Die Lüfte wehen lind und sacht, Die Sterne leuchten mild, Die dufterfüllte Frühlingsnacht Ist meiner Sehnsucht Bild. O dürft' in ihrem Dunkel weit Ich mit den Sternen gehn Und leis in deine Einsamkeit Dir meine Grüße wehn. Doch keine Schwingen hat die Nacht Für mich zum fernen Strand, Nur weiße Schleier breitet sacht Sie rings auf's grüne Land. Die Erde liegt in tiefer Ruh, Kein Laut im weiten Raum, Ich schließe meine Augen zu, Und dich in meinen Traum. Der Eichenbaum Im Walde steht ein Eichenbaum, Den hat der Blitz versehrt; Es hat den Stamm auf weiten Raum Die scharfe Glut verzehrt. Doch in dem Grunde blieb er stark, Der sturmerprobte Stamm: Gesunde Wurzel, festes Mark Hält Kron und Äste stramm. Es hat die Zeit mit moos'gem Grün Der Wunde Riß verdeckt, Und in die Lüfte stolz und kühn Der Baum die Wipfel reckt. Mein Herz, auch dich riß scharf ein Stral In allen Fugen los, Legt auch auf deiner Wunde Mal Die Zeit ihr heilend Moos? Des Fischers Braut Es glänzt das abendstille Meer Von tausend hellen Funken, Als wär' das ganze Sternenheer Zur Flut herabgesunken. Zum Uferrande bringen sacht Den Liebesgruß die Wogen, Da kommt im Kahn durch Flut und Nacht Mein Liebster hergezogen. Sein Schifflein schwimmt in Glanz und Duft, Wie weißen Schwans Gefieder, Und schmeichelnd durch die Abendluft Wehn seine Liebeslieder. Im Mondenschein das Ruder blizt, Vom kräft'gen Arm geschwungen; Mein Sänger, der am Ruder sitzt, Der weiß, was er gesungen. Schon schmiegt an's Ufer sich der Kahn, Wo tief die Weiden hangen, Schon kommt mit leisem Schritt heran Der Knabe mein gegangen; Dem Uferrande bringen sacht Den Liebesgruß die Wogen, Da bin ich in verschwiegner Nacht Ihm an das Herz geflogen. Mir ist, als wär in dieser Stund Mein ganzes Sein vergangen, Als müßt ich ewig an dem Mund Des lieben Knaben hangen. Und draußen wiederstralt das Meer Von tausend hellen Funken, Als wär' das ganze Sternenheer Zur Flut herabgesunken. Im Walde Dort wo im Walde die Linden stehn, Träum' ich im Moos süßen Traum, Säuselnde Winde die Wipfel durchwehn, Rühren die Stirne mir kaum. Über die flüsternden Wipfel dahin, Sonnige, wonnige Schau! Weiße Wolken wie Schwäne ziehn Hoch im unendlichen Blau. Langsam, stetig ziehn sie heran, Langsam gleiten sie fort, Rastlos fort auf der himmlischen Bahn Bis zum beschiedenen Ort. Senken sich dort auf das dürstende Land Nieder als segnender Thau, Tränken nach sengendem Sonnenbrand Milde die lechzende Au. Himmlische Wolken, o würde doch mir Ähnliches Loos auch geschehn, Selige Bahnen zu wandeln wie ihr, Und dann segnend vergehn! Die heilige Nacht Die Lichtlein flimmern an dem Weihnachtsbaum. Das kranke Kind, es liegt im Fiebertraum. Die Mutter weint und sitzt am Bettlein traurig. So hell im Stüblein ist's und doch so schaurig. O heilige Nacht! „O Kind, noch gestern fröhlich und gesund, Wie hast du dich gefreut auf diese Stund'! Wie sorgsam hab' ich dir den Baum geschmücket! Wie war mein Herz ob deiner Lust entzücket! O heilige Nacht!“ „O Mutter, Mutter, siehst den Baum du nicht, Geschmückt mit sternenhellem Himmelslicht! Und siehst du nicht die Engel ihn umschweben! Sie wollen mich empor zum Himmel heben! O heilige Nacht!“ „O Kind, du träumst! Ach, wärest du gesund! Nimm diesen Kuß noch auf den bleichen Mund! Schlaf ruhig, Kind! Wie hell die Lichtlein blitzen! Ich will sie löschen! Mög' dich Gott beschützen! O heilige Nacht!“ — „O Mutter, nein, ich bin ja nicht mehr krank! Für deine Liebe, für dein Bäumlein Dank! Ach, sieh, es wächst empor ins Sterngewimmel! Die Englein tragen mich hinauf zum Himmel! O heilige Nacht!“ — Das Kind verstummt. Der Mutter wird so bang'; Sie weint und schluchzt, verhüllt ihr Antlitz lang'. Dann, als sie wieder küßt ihr Kind, das bleiche, Hält sie umfangen eines Christkinds — Leiche. O heilige Nacht! Mairuf Rein und heiter ist der Himmel, Und die Sonne steigt empor, Ruft ein fröhliches Gewimmel Auf der Erdenwelt hervor. Ja, sie hat sich losgewunden, Steiget frei und hehr hinan, Blicket alle, die da unten Wandeln, liebevoller an. Weg, ihr kalten, öden Decken, Eis und Schnee, zerschmelzt, zerfließt! Leben will die Sonn' erwecken, Leben in den Keim sie gießt. Aus den engen Fesseln ringen Sich die Wesen froh und frei; Alle Hüllen müssen springen Frühlingsleben — Lebensmai! Freie Vögelscharen schweifen Jubelnd durch die reine Luft! Es entsprießen, blühen, reifen Pflänzchen in dem süßen Duft! Bächlein rieselt; auf den Flüssen Segelt manch bewimpelt Boot — Alles hat sich losgerissen Von dem Winterschlaf und Tod! Und der Ruf der Lenzesboten Auch in meine Zelle dringt: Auferstehe von den Todten! Seele, schwebe neubeschwingt! Mit dem Lenze, mit der Sonne, Mit den Vögeln ziehe frei, Athme Licht und Lebenswonne! Frühlingsleben — Lebensmai! Blumengebet Glaubst du, die Blümchen Beteten nicht? Schaun sie nicht sehnend Aufwärts zum Licht? Ja, zu dem Höchsten, Der sie erschuf, Dringet ihr frommer Heimlicher Ruf! Mach's, wie die Blümchen, Klein und gering: Preise den Höchsten, Bete und sing'! Heben nicht alle Gläubig empor Händchen und Herzchen, Singen im Chor? Leise und lieblich Tönet ihr Lied, Ist nur vernehmlich, Frommem Gemüth! Mach's, wie die Blümchen, Klein und gering: Preise den Höchsten, Bete und sing'! Neigen nicht alle Häuptchen sich nun? Sind sie ermüdet? Wollen sie ruhn? Nein, nur in Demuth Wollen sie gern Loben den Schöpfer, Preisen den Herrn! Mach's, wie die Blümchen, Klein und gering: Preise den Höchsten, Bete und sing'! Häng's an die große Glocke nicht! Häng's an die große Glocke nicht, Was dir das Herz bewegt, erregt; Die schallt wol stark und laut — Doch hast du ihr vertraut, Was lange heilig du gehegt — Wird dir dafür auch Ehr' und Ruhm, Es ist nicht mehr dein Eigenthum! Häng's an die große Glocke nicht, Was Gutes, Liebes du gethan; Die schreit wol in die Welt, Du seist ein Tugendheld, Und schmeichelt dir mit süßem Wahn; Doch ob sie's noch so weit geschrien — Dein Herzenslohn, er ist dahin! Häng's an die große Glocke nicht, Was nur im Herzen klinget gut: So mächtig sie auch schallt — Verhallt sie dennoch bald, Und läßt dich arm und ohne Muth; Doch Schätze, die das Herz bewahrt, Sie sind für ew'ge Zeit gespart! Der Rose Erscheinen Aus dem zerriss'nen Wolkenvorhang trat Mit lächelndem Gesicht der junge Lenz, Und hauchte mild auf die erstarrte Flur. Die Keime und die Gräser hoben schnell Die kleinen Haupter in die klare Luft. Voll Neugier sah der Crocus schon heraus. Der Knospen Grün, der Blätter Weiß deckt bald Des Baumes Ast, des niedern Busches Reis. Ein buntes Kleid der Erde nach dem andern Erschloß im Zephyrspiel den duft'gen Busen, Bot dem Insekt den honigreichen Kelch. So war's in der Natur, als in dem Garten Das Reich von Flora's Kindern sich entschloß, Die Schönste sich zur Königin zu wählen. Doch wie es öfters geht bei Fürstenwahlen, Zeigt der verruf'ne Reichstag der Sarmaten. Im kleinsten Busen haust die Leidenschaft. Der Kronbewerber gibt es viele hundert, Und jed' Geschlecht hascht nach dem Herrscherstabe. Welch' arge Zwietracht Paris' Urtheil einst Selbst unter Götter blies, erzählt die Mythe. Auch hier galt's mehr, der Schönheit Ruhm erringen, Als um der Hoheit Vorrecht nutzlos streiten. Aurikel, Lack, die duft'ge Hyazinthe, Die stolzen Basen, ihr: Tacet' und Tulpe, Selbst das bescheid'ne Veilchen und die Primel, Kurz alle Bürger jenes Blumenstaats, Ergriff der Wirbel, und Discordia Schwang ihre Fackeln und das Schlangenhaar. Auf's Äußerste war's mit dem Streit gekommen, Da tratest du, o Rose! unter sie; Von süßem Duft und Morgenroth gewoben, Die Jugend und die Unschuld zu Begleitern, Und Amoretten, die an dich sich schmiegten. Mein Geist — er neigte sich vor diesem Zauber, Und unbewußt sah ich auf Flora's Kinder. Doch als ich endlich wieder mich gefunden: Da waren liebend sie um dich vereint, Denn du warst, Schönste, ihre Königin! Bestimmung II. Was weiß ich, wie's geschah, Wie's mit uns zugegangen; Wie Eins das And're sah, Gab es sich auch gefangen. Das war, wie's meist geschieht, Kein vorbedacht Erliegen, Es war ganz unbemüht Ein gegenseitig Siegen! Geschossen Nur einen Pfeil hast du geschossen Aus deines Auges Flammengrund; Du hast's gesehn, daß er getroffen, Geschmeichelt lächelte dein Mund. Dann hobst du hoch das schöne Köpfchen, Das sieggewohnte, stolz es wiegend, Und schrittst davon, vom kleinen Füßchen Die Spitze, wie beim Tanze, wiegend. Da gingst du hin, des Sieges sicher; Mich brannte meines Herzens Wunde. Dein Sklave ward ich für das Leben, Mein Leben lag in der Secunde. Wo werd' ich nun dich wieder finden, So ganz durchbohrt von deinem Pfeil? Du hast mich also wund geschossen, Nun mache mich auch wieder heil. Lieder in Ketten I. Leb' wohl, fein Liebchen, auf ewig wohl, Sieh nicht so bleich und so wangenhohl, Es hat manch Bessrer vor mir geküßt Der Freiheit prangendes Blutgerüst, Dein bin ich im Leben und Sterben; Noch hat es den Tapferen nie gegraut, Das blutige Banner der Todtenbraut Mit heiligen Strömen zu färben. Leb' wohl, fein Liebchen und weine nicht, Wenn auch mein sterbendes Auge bricht! Wir fahren hinauf im Morgenroth, Nur feige Schurken erschreckt der Tod, — Es hat nicht viel zu bedeuten! Schenk' ein den funkelnden Abschiedswein, Nimm diese Locke, gedenke mein Und schäme Dich nicht vor den Leuten! Komm' her, ich drücke Dich an die Brust In heißer schwellender Todeslust — Und fühlst Du's nicht an dem raschern Schlag, Daß ich so leben und sterben mag, Von Deinen Armen umfangen? Viel Gluten deckte dies enge Haus, Nun aber ist es auf Erden aus, Der Himmel ist aufgegangen! Sieh an, wie strahlet mein Auge klar, Ich liebte Dich brennend und immerdar, Doch hab' ich der Freiheit auch geglüht, Der Braut, die immer und ewig blüht, Fein's Lieb, ich will's nicht verbergen! Und weil ich Dich ewig verlassen muß, Nimm diesen noch und den letzten Kuß, Leb' wohl, es winken die Schergen. Erhebung Es wandelt ein heiliges Wehen Durch Blatt und Gebüsche so warm — Ich fühle geruhig vergehen Im innersten Herzen den Harm. Es faßt mich ein frommes Entzücken, Allmächtiger Schöpfer! dir Dank! Ich könnte die Welt an mich drücken, Ich war ja so lange nun krank! Die Seele wird groß mir und größer, Der Körper wird kleiner und klein, Es muß doch ein sanfter Erlöser Hier wohnen im heiligen Hain! So soll auch Entzücken erfassen Die Sterbenden kurz vor dem Tod, — Wird etwa mit nahem Erblassen Durch dieses Gefühl mir gedroht? An den Frühling O holder Frühling, kehrst du endlich wieder Zu uns zurück aus Himmels lichter Fern', Wie lächelnd schwebest du auf Erden nieder, O sei gegrüßt, wir sehn dich immer gern! Du kleidest ja in lieblich zarter Hülle, Was in des Winters Schleier lag erstarrt, Und Zauber spendest du in reicher Fülle, Bis Reiz an Reiz harmonisch sich gepaart; Bis alle Thäler paradiesisch glänzen Und jede Au in reichen Farben lacht, Die Wälder grünend jeden Berg umkränzen, Und jeden Gipfel krönet helle Pracht. Wie fühl ich süße Wonne mich durchglühen, Durchweht dein Zauberhauch die enge Brust! Hinaus in deine Fluren will ich fliehen, Aus deiner Schönheit schöpfen sel'ge Lust! Mit neuer Lust dann alle Pulse schlagen, — Und wenn berauscht vom Blumen-Nektarduft, Dann wähnt der Geist sich himmelwärts getragen, Wähnt sich umspielt von Paradiesesluft. Ja, göttlich ist dein wunderholdes Lächeln, — Beseelt es doch die schlummernde Natur, — Und himmlisch deiner Lüfte sanftes Lächeln, Das Poesie haucht über jede Flur. O könntest ewig du auf Erden weilen, Doch höh'rem Machtspruch bist du unterthan, Denn kaum gekommen, mußt du weiter eilen, Entfliehen auf des ew'gen Wechsels Bahn. Zwei Wälder Dort drüben ragt der Tannenwald empor, So schwärzlich grün, so ewig still und ernst, — Was ruft der Stumme dir ins inn're Ohr? Was ist's, das du vom Tannenwalde lernst? „Ich stehe da, stets gleich an Farb' und Kraft, Ich bin der Mann, der immer ernste Mann! Was auch der Sommer und der Winter schafft, Ich bin der alte, grüne, stille Tann!“ Am Hügel dort, wie eine Braut geschmückt, So duftend, jugendfrisch, als wie zum Tanz, Steht da der Buchenwald; was ihn beglückt, Das ist der helle, frische Blätterkranz. „Ich bin das Weib, das einmal kurz nur blüht, Denn tausend Lieder quillen in dem Mai, Doch, ach! die Farben bleichen. Alles flieht, Nach kurzer Zeit ist Schmuck und Pracht vorbei!“ Durch beide Wälder mußt du wandernd geh'n: Den Mann sieh' erst in seinem stillen Ernst, Dann aber mußt du nach dem Weibe seh'n, Damit du heit're Anmuth nicht verlernst. Der Alpenjäger Auf schwindelnder Bergeskrone Thront eine gar mächtige Fee Und blickt mit sinnendem Auge Hinab auf den schimmernden See. Vom Thale erklimmt die Höhe Der Jäger mit fröhlichem Mut, Er schaut die Fee auf dem Berge, Fühlt kochen und wallen sein Blut. Es faßt ihn ein tolles Beginnen, Er wirft sich zu Füßen der Fee, Gesteht ihr in flehendem Tone Seiner Liebe Wonne und Weh. Die Fee, die sieht man jetzt nimmer, Bald wird sie vergessen auch sein, Den Jäger, den fanden die Hirten Zerschmettert auf rauhem Gestein. Wahre Poesie Wo Pauken und Trompeten tönen, Wo sie berauscht den Dichter krönen Und jubelnd seine Lieder singen, Den Musen solche Opfer bringen, O nimmermehr zu diesen zieh', Denn wahrlich, Freund, solch tollem Treiben Wird sicher ewig fern auch bleiben Der Freude wahre Poesie. Wo unter grünen Lindenzweigen Die Burschen sich im frohen Reigen Mit lebensfrischen Dirnen schwingen, Dazu ein echtes Volkslied singen, Dahin, o Freund, nur fröhlich zieh'! Es wird Dir jede Sorge schwinden, Entzückt wirst Du dort weilend finden Der Freude wahre Poesie. Getheiltes Geschick Wo das Mühlrad sprüht, Der Hochwald rauscht, Blau-Veilchen blüht Still unbelauscht. Wo das Mühlrad sprüht, Der Wildbach tost, Rot-Rose glüht Vom West umkost. Wo das Mühlrad sprüht, Die Wiese grünt, Ein Bursche zieht Und Böses sinnt. Wo das Mühlrad sprüht, Die Saat sich wiegt, Im Staub verblüht Blau-Veilchen liegt. Wo das Mühlrad sprüht, An stolzer Brust Rot-Rose glüht In heißer Lust. Wo das Mühlrad sprüht, Des Wildbachs Schaum Rot-Rose zieht Aus süßem Traum. Das Lied der Lieder Ein Lied soll ich Dir, Mädchen, singen, Ein Lied, das Dir geweiht allein? Da müßten Töne himmlischrein Wohl meiner Leier nur entklingen. Dein Bild schwebt klar vor meinen Blicken, Wie eine Rose schön und hold, Ich schaue Deiner Locken Gold Und Augen, die manch Herz berücken. Um deinen Wuchs darf Dich beneiden Die Zeder stolz am Libanon, Und ach, Dein Mund beut süßen Lohn An nie geahnten Erdenfreuden. Laß, Mädchen, ab von dem Verlangen, Erfüllen kann ich es Dir nicht, Gott schuf Dich selbst als ein Gedicht, Wie Dichter nie so schön es sangen. Auf Wiedersehn Auf Wiedersehn, auf Wiedersehn! Das leere Wort soll Trost mir geben, Und wenn wir von einander gehn, Ist's doch, als schieden wir für's Leben. Wer giebt für Künftiges ein Pfand, Wer steht mit dem Geschick im Bunde? Auf Wiedersehn! Armsel'ger Tand, Wer bürgt mir für die nächste Stunde? An deiner Brust nur bin ich dein; Du mein, von meinem Arm umfangen. Uns gilt die Gegenwart allein, Verloren ist uns, was vergangen. Ob Tod, ob Heilung folgen mag, Das hindert nicht den Schmerz der Wunde. Trennt uns ein Jahr, trennt uns ein Tag, Gleich bitter bleibt die Abschiedsstunde. Noch einmal dir in's Auge sehn Muß ich, noch einen Kuß dir geben, Denn wenn wir von einander gehn, Ist's doch, als schieden wir für's Leben. Die zwei Sterne Du Stern der Liebe, Abendstern so schön, Du scheinest mild in dunkle Erdennacht, Beglückst die Seele, die in Kummer wacht; Doch füllt dein Anblick mich mit scheuem Bangen. Ich weiß nicht, wie du aufgegangen, Ich weiß nur, du mußt untergehn. Du Morgenstern der Hoffnung steigst herauf, Der Wahrheit Bote, der, was er verspricht, Auch treulich bringet, neuen Tages Licht. Du sollst mich immer trösten, wenn ich weine. Wenn auch dein Licht verschwimmt im Tagesscheine, Ich weiß, du gehst allmorgens wieder auf. Als einen Stern kann ich euch hier nicht sehn, Ihr beiden, die mein Glaube nur vereint, Der heute freundlich mir als Liebe scheint, Um morgen treuer Hoffnungsstern zu werden. Doch was in dunkler Ahnung lebt auf Erden, Vollendet wird's im Jenseits auferstehn. Anverloren Kein Körnchen ist verloren, Das man im Feld begräbt, Da es, auf's Neu geboren, Als Blume wieder lebt Und dann den reichen Garben Der Anmuth Schmuck verleiht, Mit Duft und bunten Farben Die Schnitter all erfreut. So ist ja auch die Liebe, Die du mir hast geschenkt; Sie hat zu neuem Triebe Sich in mein Herz gesenkt; Nun will sie aufwärts dringen Zu unbegrenzter Lust Und süße Freuden bringen In jede Menschenbrust. Es wird zu eng im Herzen Für solches Himmelsglück Und zeuget süße Schmerzen, Halt ich es doch zurück. So quillt mit heißen Trieben Heraus, was Lieb' mir giebt, Ich muß die Menschen lieben, Da du mich so geliebt. Modernes Ritterthum Ein Ritter hört von der Königin, Dem schönsten Weibe auf Erden; Alsbald beschließt er in kühnem Sinn, Der Dame Gemahl zu werden. Mit Windeseile reitet er fort, Und spornt das Pferd in die Weichen; Das Schloß erblickt er in waldigem Ort Und denkt es bald zu erreichen. Da scheut sein Roß und stehet gebannt, Es schäumt und fängt an zu beben; Der Ritter findet den Weg umspannt Mit tausend Spinnenweben. Er steigt vom Rappen und macht sich dran, Zerreißet die luftigen Rahmen, Bis ihm der Schweiß von der Stirne rann, Und schier die Kräfte erlahmen. Nach dreien Stunden ist es gethan, Nun fliegt er dem Ziele entgegen; Da sieht er auf dämmernder Waldesbahn Viel tausend Mücken sich regen, Und wieder bäumt sich der Rappe bang', Er will nicht weiter ihn tragen. — Der Ritter kämpft drei Tage lang, Bis er die Mücken erschlagen. Dann, zürnend der Zeit, von Mücken geraubt, Giebt seinem Roß er die Sporen; Allein so oft er am Ziele sich glaubt, Hat wieder den Weg er verloren; Doch findet er zur rechten Zeit Ein altes Weib im Gehege, Die höflich ist, zu helfen bereit, Und ihm zu zeigen die Wege. Zuletzt da merkt er den bösen Schwank, Und deutlich wird ihm die Reise; Er hat drei traurige Wochen lang Das Schloß umritten im Kreise. Nun jagt er muthig die Höhe hinan Und sprengt hinein in die Feste. Die weite Halle wird aufgethan; Er ritt in die Reihen der Gäste. Und auf dem Throne im funkelnden Glanz, Umgeben von reizenden Frauen, Da ist die schönste Blume im Kranz, Die Königin selber zu schauen. Sie lächelt huldverheißend ihm zu; Er dringt durch die dichten Reihen, Bereit, Gut, Blut und Glück und Ruh Der holden Dame zu weihen. Doch wie er strebet zu ihr gewandt, Scheint ihn der Kreis zu verhöhnen. Er ringt, doch weiß er nicht, was ihn bannt; Nicht näher kommt er der Schönen. Wie all sein Mühen vergebens blieb, Da überläuft ihn ein Schauer. Es schied vom gegenwärtigen Lieb' Ihn eine gläserne Mauer. Über ein Kleines Kennst du das Wort, Das mit Engelsschwingen Kann zum Himmel dringen? Immer, in Leide und Lust, Kling es dir tief in der Brust! Nimm es von Gott, es ist deines! Über ein Kleines! Wandre getrost Unter Gottes Gnade Alle deine Pfade! Ob auch in irdischer Welt Irdisches wechselt und fällt, Sicher doch bleibet dir Eines: Über ein Kleines! Hält doch der Herr Über deinem Leide Seine Hände beide. Bald in das himmlische Haus Ziehest du selig hinaus, Ledig des Truges und Scheines, Über ein Kleines! Ob uns auch schier In des Lebens Mühen Leib und Seel verglühen, Ist unser ewiges Kleid Lange doch droben bereit, Himmlisch schönes und reines, Über ein Kleines! Harre des Herrn! Alle deine Schmerzen Ruhn auf seinem Herzen! Ob auch manch heißes Gebet Scheint unerhöret gefleht; — Glaube, vergessen ist keines! Über ein Kleines! Blicke hinauf! Bald mit deinen Lieben Bist du selig drüben! Hörest das herrliche Wort Ewig Vollendeter dort, Bald erschallet auch deines! Über ein Kleines! Des Burschen Wanderlieder 6. Die Sterne an dem Himmel, Die Perlen in dem Wein, Und meiner Liebsten Augen, Die haben hellen Schein. Seh' ich die Sterne ziehen In ihrer stillen Pracht, Hat sich mein Muth erhoben Schon oft aus Kummers Nacht. Seh' ich die Perlen schweben Im goldnen Rebensaft, Trank ich in tiefen Zügen Mir manchmal Freud und Kraft. Seh' ich der Liebsten Augen, Vergeß ich Stern' und Wein: Sie müssen von den dreien Doch wohl die hellsten sein. Wohin? Flüchtige Wolken, immerzu Kommt und geht ihr und habt nicht Ruh, Wenn ihr so kreiset im himmlischen Spiel, Wo ist das Vaterhaus, wo ist das Ziel? Wohin? Bächlein vom Berge, frisch und frei Fliegst du zu Thale, dorbei, vorbei. Tauchst dich hinunter ins wüste Meer; — Bächlein, wird dir das Sterben nicht schwer? Wohin? Müder Wandrer, thue mir kund, Schlägt dir nicht balde die Abendstund? Steil ist der Weg und groß die Last, Wanderer, machst du denn niemals Rast? Wohin? „Ach, die bleibende Statt ist nicht hier, Nein, die zukünftige suchen wir. Vorwärts dahin, wo immerzu Ewiger Friede, selige Ruh, Dahin!“ Schneeglöckchen Sie haben sich hindurch gemüht Durch Erd und Schnee, sind aufgeblüht, Die Glöcklein weiß, in dichtem Strauß. Mit Winters Herrschaft ists nun aus! Aus grünem Licht und Schnee gewebt, Des Frühlings Kind zur Sonne strebt, Doch neigts das Haupt zum kühlen Bett, Als obs nicht ausgeschlafen hätt. Wenn aber lind das Lüftchen streicht, Vom schönen Kind die Wehmuth weicht, Zum Glöcklein wird das Flöckchen Schnee Und läutet aus der Flur das Weh. Mir aber wird so frisch, so frei, Als ob das Glück mein eigen sei. Ich jauchze auf in Lebenslust Und bin mir keines Leids bewußt. Was ist das Lieblichste Was ist das lieblichste auf dieser Welt? Ein Kindlein ist's, der Rosenknospe gleich. Von Allem, was dem Herzen wohlgefällt, Ist nichts an Anmuth, nichts an Lust so reich. Die Fülle aller Schönheit in ihm blüht Und bricht hervor mit Rosenwonneduft; Hinein nur schau ins kindliche Gemüth: Es titt hervor, was Deine Liebe ruft. Erwachen kannst Du Erd und Himmel sehn, Verstehn der Schöpfung wunderbaren Gang, Vernehmen still des heilgen Geistes Wehn, Verstehest Du der Kindesseele Sang. Uns selbst erkennen können wir am Kind, Den Zweck des Lebens schauen klar und rein; O wohl dem Manne, der sich wieder findt Und glücklich ist, ein Kind des Lichts zu sein! Ade! Noch einen Gruß zu dieser Stund', Noch einen Kuß auf ros'gen Mund, Noch einen Druck von weicher Hand — Es ruft die Pflicht zum Waffenspiel, Die Freiheit ist das große Ziel, Die Freiheit und das Vaterland! Wie Frühlingsgrüßen, holde Maid, Ist deiner Liebe Seligkeit, Wie Lenzesluft so weich und lind — Die Lieb' zum Vaterlande ist Dem Strome gleich, der tosend fließt, Ist mächtig wie der Sturmeswind! Der Lohn, den deine Liebe beut, Ist süßer Kuß, du holde Maid, Ist deines Herzens wärmster Schlag — Das Vaterland, nach blut'gem Tanz Drückt auf das Haupt den Lorbeerkranz Dem, der der Knechtschaft Kette brach. Noch einen Kuß auf ros'gen Mund, Zu knüpfen treuer Liebe Bund, Noch einen Druck von weicher Hand — Ade! Es ruft die Mannespflicht; Wer's ehrlich meint, der fehlet nicht, Wo's Freiheit gilt und Vaterland! Zweifel Und wenn nun alles Täuschung wäre, Was mir so tief im Herzen lebt! Wenn alles plötzlich schwinden könnte, Was in mein Sein so fest sich webt! Ich möchte in die Zukunft schauen, Dann schwiegen meine Zweifel still — Wird aber auch die Hand nicht zittern, Die keck den Schleier lüften will? Rosen und Vergißmeinnicht Die Rosen roth sind deine Wangen, Die Augen sind Vergißmeinnicht, Das Feld, worauf sie duftend prangen, Das ist dein Engelsangesicht. Die Lippen säuseln laue Weste, Zu kühlen mild der Rosen Gluth, Wenn bei der Liebe Opferfeste Mein Mund auf ihren Kelchen ruht. Und ob versagend über ihnen Auch strahlen die Vergißmeinnicht, Ich achte nicht der ernsten Mienen, Verspotte ihre Hüterpflicht. Mit meinen Lippen sanft und leise Verhülle ich ihr ernstes Licht, Und schwelgend küss' ich wechselweise Bald Rosen, bald Vergißmeinnicht! Kirchgang An eines Sonntags heil'ger Frühe Fleht mich ein armer, dürft'ger Mann, Wie ich hinauf die Straße ziehe, Um eine kleine Wohlthat an. Und wie ich stille sein Verlangen, Da will mir's recht im Herzen sein, Als käm' ich aus der Kirch' gegangen, Und will doch eben erst hinein. Wolkenbilder Lichte Wolken ziehn am Himmel, Und die Sonne scheint gelinde, Aus den Wolken werden Bilder Durch das lose Spiel der Winde. Droben in den luft'gen Reichen, Wo gar stille Schäflein ziehen, Seh' ich wonnig einen Garten Wundervoller Dinge blühen. Sieht man so viel göttlich Schönes, Wenn dort oben Wolken stehen, Ach, was muß ein Herz voll Liebe An dem reinen Himmel sehen! Die Waldglocken Allein im Walde sitz' ich hier; Da pflanzte Gottes Güte Mit stillen Händen neben mir Gar schöne Blumenblüthe. Ihr Waldesglocken, himmelblau, Ich weiß, was ihr bedeutet, Und was ihr in der frischen Au Mir in die Seele läutet! Erneuerung Und bricht dein altes Wesen ein Vom Hammerschlag der Gottesworte, Laß fallen Mörtel, Sand und Stein, Laß fallen Mauer, Thurm und Pforte; Nur in erneuerter Gestalt Kannst du der ew'gen Liebe dienen; Gott baut mit heil'ger Allgewalt Sich seine Tempel aus Ruinen. 3. Besitz und Brauch Nach indischen Sprichwörtern Ist eine Sache nütz' und gut, Die gönn' ich Jedem gerne, Besonders wenn er Eines thut, — Daß er sie brauchen lerne. Was hilft die Waffe, blank und klar, Versteh'st du nicht zu fechten? Und hat ein Affe langes Haar, So kann er's ja nicht flechten! 5. Freundschaft Nach indischen Sprichwörtern Und nochmals sag ich: bleibe fein Bei Freundschaft in dem Niedern; Der Hohe wird nicht ehrlich sein, Die Liebe nicht erwiedern; Ich fürchte, daß sein Gut und Stand Dich, wie ein Berg, verschütte; Es geht kein mächt'ger Elephant In eine stroherne Hütte. In vino veritas Dieß Glas mit hellem Rebensafte, Wehmüthig halt' ich's in der Hand; Von Einem, den der Tod entraffte, Ist mir's ein liebes Unterpfand; Er hat gewirkt, gestrebt, gesungen, Weil's voll ihm aus dem Herzen drang; Sein Becher ist noch nicht zersprungen, Des edlen Geistes Hülle sprang. Und wie ich an den Todten denke, Da wird mir fast das Auge naß; Und wie ich meine Blicke senke, Da liegt — in vino veritas! Ich seh' ein Kreuz hineingeschliffen Tief an des Glases unterm Grund; Das hat die Seele mir ergriffen; Denn große Wahrheit thut es kund. Wer kann der Erde Schmerz vermeiden? Wer ist es, der dem Tod entflieht? Doch süßer wird der Kelch der Leiden, Wenn man auf's Kreuz darunter sieht; Und wenn der Freude Quellen fließen, Wenn Gott den Becher vollgeschenkt, So kann nur Einer recht genießen, Wer ernst auch an das Kreuz gedenkt! Jerusalem Wo wuchsen einst die goldnen Himmelsreben? Wo fand man einst das ächte Mannabrod? Wo lebte einst das höchste reinste Leben? Wo hauset nun der schmachvoll tiefste Tod? Du Gottesbraut von tausend heil'gen Gaben, Du königliche Jungfrau, Tochter Sem, Du liegst im langen Schmerzensgrab begraben, Jerusalem! Wo einst ein Heiland edlen Gottessamen Auf deiner Herzen dürre Felder trug, Da wühlet nun in Allah's rauhem Namen Des Mauren Schwert, des Saracenen Pflug; Wo süßer Harfenton der heil'gen Beter Durch die Paläste klang, Jerusalem, Da singen nun die Hufen der Zertreter Dein Requiem! Du hast den großen Lebensfürst durchstochen, Drum liegst du selbst in Staub und Asche da; Erst hat er dich in seinem Grimm zerbrochen; Jetzt aber ist sein Himmelreich dir nah! Du sollst erstehn! Empor aus deinen Trümmern! Erbaue dich! An's Werk, Jerusalem! Doch hol' die Steine, laß die Balken zimmern In Bethlehem! 2. Meißelnd Lieder am Schraubstock Das Eisen, das sich knirschend bäumte, Vom harten Meißelschlag bezwungen, — Das ist die Kraft, die ich erträumte, Das ist der Trotz, den ich errungen. Doch mag noch mancher Stahl verrosten, Noch mancher Meißel bricht verwittert, Noch manchen Hammerschlag mag's kosten, Bis so ein Menschenherz zersplittert. 6. Mein Lieb Lieder am Schraubstock Und ein Lieb, — o mein Liebchen, so wunderhold, Wie trug ich dich warm in der treuen Brust! Nur Schad', daß ich's nichts hätte gesollt, Und Schad', daß du's nicht gewußt! Ich habe sie wohl nur selten gesehn — Sie wohnte in einem stolzen Haus, — Am Sonntag früh in die Kirche gehn, So fromm, so freundlich, — und jetzt ist's aus! Denn einmal — Gott, wie sag's ich gleich? — — Eine Thräne in ihr Aug' sich stahl; Ihr Kleid war schwarz, ihre Wange war bleich, — Es war das letzte Mal. Gehört — das hab' ich sie manchmal blos, Wenn Abends das Fenster offen stand, Und ihre Stimme so leis und los Zu mir herab sich wand. Doch einmal: — wo waren die Klänge, so klar? Ich hört' es doch deutlich, ich stand ihr so nah; — Da bebten die Lippen am Hochaltar Ein sterbekrankes: Ja! Und ich sah sie und hört es, ich stand dabei! Ich traute dem Auge, dem Ohre kaum; Ich dachte nicht, daß es möglich sei; Mir war's, wie ein wüster Traum. Und oft schon, wenn so recht heiter die Nacht, Von goldenen Sternen strahlend umsäumt, Bin ich schon vor Freuden aufgewacht Am Traume, mir habe geträumt. 8. Schwielen Lieder am Schraubstock Das Leben hat vernietet Mir manchen Freudentag; Es hat mich hart geschmiedet Mit manchem Hammerschlag. Wie oft hat meiner Feile Das Herz den Takt geklopft! Wie manche heiße Weile Hat's von der Stirn' getropft! Der Arm ist worden sehnig; Das ist des Schweißes Zoll; Und ich gäbe sie keinem König, Die Hand, so schwielenvoll! 11. An die Wehmuth Lieder am Schraubstock So oft ich dich hinweggeweint, So oft dich weggewiesen: Du bleibst mir doch der treuste Freund, Wenn alle mich verließen. So oft ich dich in bittrem Hohn Verleugnet, abgelogen, Fühl' ich mit Geisterarmen schon Mich an dein Herz gezogen. Du hast für jede wilde Lust, Wenn ich dich keck verfluchte, Ein mahnend Klopfen an die Brust; Ich weiß dann, wer mich suchte. Du hast in jeder Einsamkeit, Der trübsten, grabesdüstern, Ein Mährchen der Vergangenheit Mir in das Ohr zu flüstern. Im Wald Majenlust, wie fröhlich dringst Du durch Thal und Schluchten wieder! Lerche, o wie jubelnd singst Du mir deine alten Lieder! „Wachet auf, ihr Blättlein all'!“ Und sie regen sich im Keimen, Lauschend halb der Nachtigall, Halb noch tiefen Schlummerträumen. Und die Äuglein öffnen sich, Neckisch in die Welt zu schauen, Äugeln schon so inniglich Mit des Thales grünen Auen, — Kosen mit dem lieben Wind, Der sie fächelt und sie kühlet; — Ahnt denn keines, wie geschwind Er das gelbe Laub zerwühlet? Widmung An meine Eltern Zu „Volkmar. Histor.-romant. Gedicht“ Ich war ein Kind; wie manche Tage Verträumte und verspielt' ich nicht Im Maiengrün beim Wachtelschlage, Im Sonnenschein und Dämmerlicht! Ihr botet mild dem Kinderdrange, Dem unverstandenen, die Hand Und führtet mich am grünen Hange, Am Blumenbeet und Bachesrand. Ihr lehrtet mich des Waldes Schauern, Der Berge Sturmgebraus verstehn; Ihr sagtet mir, was graue Mauern In grauen Zeiten einst gesehn. Und aus dem Schutt und aus dem Grabe, Aus Wald und Flur, aus Busch und Bach Rieft Ihr mit goldnem Zauberstabe Der Liebe meine Träume wach. Da lag sie vor mir ausgebreitet, Von lockend buntem Licht erhellt; Doch Ihr habt mich vorbeigeleitet Am Trug der falschen Wunderwelt. Ich ward ein Mann; die trauten Weisen Erstarben mit dem Kinderbrauch In hartem Kampf mit Stahl und Eisen, Und unter Nebel, unter Rauch. Ich lernte trotzen ohne Bangen Des Lebens eherner Gewalt, Und Schritt für Schritt bin ich gegangen, Bis Alles um mich fremd und kalt. Doch, werd' ich müd' im halbgelösten — Und steh' ich matt im ew'gen Streit: Dann hör' ich Klänge, mich zu trösten, Aus einer halbvergeßnen Zeit. Dann fühl' ich, wie sich an mich schmiegen Die alten Bilder, traut und süß; 's ist, wie wenn Engel niederstiegen Aus dem verlornen Paradies. „Ich war ein Kind!“ in jenen Tagen Liegt doch mein Alles, was ich bin; Ihr habt den Keim gepflegt, getragen, — So nehmet auch die Blüthen hin! Ich möcht' es jubeln durch Berg ... Ich möcht' es jubeln durch Berg und Thal, Was ich in den blauen Sternen gelesen, — Möcht's sagen dem goldenen Abendstrahl, Möcht's singen den Blättlein, wohl tausendmal, Wie ich heute so glücklich gewesen! Und sie hat mich geküßt! — O du holdes Kind, Goldlockiges, süßes, himmlisches Wesen! Noch lauschet im Laube die Sonne so lind, Noch fragen die Blätter, es horchet der Wind: Warum ich so glücklich gewesen? Und sie rauschen und raunen mir heimlich zu: Wie mochte so schnelle das Herz dir genesen? O schlummere, flüsternder Eichbaum du; O Sonne, o Sonne, gehe zur Ruh; Heut bin ich so glücklich gewesen! Ein theures Grab Im Kirchhof meines Herzens In heiligem Dämmerraum, Da ruht in stillen Gräbern Manch schöner Jugendtraum. Er ruht und liegt vergessen, Ihn weckt kein Morgenstrahl; War ein zu krankes, blasses, Unreifes Ideal. Doch da ist auch ein Hügel, Den such' ich oftmals auf; Es steht ein schwarzes Kreuzlein Mit weißem Flor darauf. Da liegt etwas begraben, Ach, das vergeß' ich nie! Das war des Lebens Frühling Und gold'ne Poesie! So etwas blüht nur einmal Und kehrt nicht mehr zurück, Solch' ein an Hoffnung reiches Und süßes Lebensglück. Es war zu schön für's Leben, Vom Himmel sank sein Stern. Und doch — und gelt, du Liebes! Wie lebtest du so gern! Oft ist's in stillen Stunden, Wenn dich mein Sehnen ruft, Als dräng' ein leises Weinen Herauf aus deiner Gruft. Wenn ich das hör', da thut mir's Im tiefsten Herzen weh'. Allein — ich kann nicht helfen — Verlor'nes Glück, ade! Das Rad des Sesostris Altägyptische Erzählung Aus Thebens hundert Thoren strömt die Menge; Ägyptens Fürst naht im Triumphgepränge. Besiegt hat er des Südens Nationen, Und die im fernen, gold'nen Osten wohnen. Nun will er dem erstaunten Volke zeigen Den ganzen Glanz, die Größe, die ihm eigen. Drum zieht er heut' zur alten Hauptstadt ein, Inmitten von Trophä'n und Kriegerreih'n. Ha, welch' ein Schauspiel! Sieh, im Schmuck der Speere Blitzt rings das weite Nilthal gleich dem Meere. Es tönt des Herrschers Lob aus Aller Munde, Die Berge wiederhallen's in der Runde. Viel tausend Dromedare hochaufragend, Die schreiten schwer, des Krieges Beute tragend. Gefang'ne dann in endlos langem Trosse, Geführt von grimmen Wächtern hoch zu Rosse. Und nun er selbst, im gold'nen Siegeswagen, Den reichen Purpurmantel umgeschlagen. Vier Kön'ge, die im Kampf er überwunden, Sind als Gespann vor seinen Thron gebunden. Und wenn er umblickt, nichts als Heeresmassen, Und wo er hinschaut, mag's das Aug' nicht fassen. So naht Sesostris, kalt und müde schweigend, Des satten Stolzes Weltverachtung zeigend. „Wo,“ denkt er, „ist, der mir zu trotzen wagte? Wer steht so hoch, den ich nicht überragte? Ich kenne nicht mehr, das ich fürchten muß. Schweifwedelnd beugt die Welt sich meinem Fuß.“ Da, wie von ungefähr den Blick er senket Auf das Gespann, das seine Rechte lenket, Sieht einen König er, der sein nicht achtet Und umgewandt das Wagenrad betrachtet. „Was hast du,“ herrscht der Sieger streng ihn an, „Daß dich das todte Erz so fesseln kann?“ — Der fremde Fürst blickt auf mit ernster Miene: „Des Schicksals Lauf, Herr, weist mir diese Schiene. Das dreht sich immer, immer auf und nieder; Was oben war, ist bald zu unterst wieder. Und keine Macht der Erde mag es bannen, Und unerbittlich rollt das Rad von dannen. Ich hab's erfahren, Herr; bedenk's auch du Und füg' dem Sieg nicht Übermuth hinzu!“ Sesostris stutzt, er fühlt der Wahrheit Größe, Und schauernd ahnt er seines Glückes Blöße. „Halt!“ ruft er donnernd, und der Zug hält inne; Das war ein Wort, an das ich ewig sinne. „Schnell Rosse her! Die Fürsten losgebunden! Genug der Schmach, die sie bis jetzt empfunden! Als meine Brüder steigen sie zu Pferde Und rathen mir beim Regiment der Erde. Ach, 's ist so schaurig einsam auf den Thronen! Nun darf auch ich bei Meinesgleichen wohnen.“ — So spricht der Held. Es ist, als blickten milder Auf ihn Ägyptens düstre Götterbilder. Und freudig zieht er ein mit seinem Troß, Vom Jubel dröhnt das weite Königsschloß. An Emil Rittershaus Du bist mein Freund, ob uns die Jahre trennen, Ob ihre Schranken die Entfernung schlug, War's doch das gleiche hohe Pflichterkennen, Das uns als Adler in die Lüfte trug. Die gleiche Götterkraft, die Dir den Samen Der Menschenliebe in das Herz gestreut, Sie ist es, die in weitgezognem Rahmen Auch mir ein Feld des reichsten Schaffens beut. Der Pessimist sieht in dem ewgen Ringen Der Menschen nur das Ebenbild der Nacht. Zu seinem Auge mag der Strahl nicht dringen Des Guten, das in jedem Herzen wacht. Du hast ihn längst erkannt, in Deinem Geiste That sich mit ihm ein neuer Himmel auf. Der Aar, der unstät durch die Lüfte kreiste, Nimmt frisch gestärkt zur Sonne seinen Lauf. So zog's auch mich zum hehren Firmamente, Zum ewgen Lichte ahnungsvoll empor, Mir war's, als ob mein forschend Aug' erkennte Der goldnen Wahrheit weit erschloßnes Thor. In Riesenlettern sah ich strahlend leuchten, Was mir des Traumes Engel einst verrieth, Als mich vom Schmerz, dem bittern, nachterzeugten, Ein milder Schlaf für kurze Stunden schied. Die Liebe ist das Paradies im Leben, Die Liebe ist der Inbegriff der Welt! Laß uns dem Menschenherzen Liebe geben, Die es in allen Stürmen aufrecht hält, Dann wird der Selbstsucht giftge Wurzel dorren, Dann wird des Hasses und der Rachsucht Fluch, Der noch bis heut der Völker Sinn verworren, Nicht länger schänden der Geschichte Buch. Die Wohlfahrt kann im Frieden nur gedeihen Und Frieden herrscht, wenn Herz zum Herzen steht, Wenn durch der Menschen endlos bunte Reihen Ein milder Hauch der stillen Güte weht. O laß uns laut der Liebe Lob verkünden! Wozu der Haß, der ewge Bruderstreit? Erst wenn die Nationen sich verbünden, Bricht an des Menschenthumes Blüthezeit! Wie hat mir das Glück oft gelächelt Wie hat mir das Glück oft gelächelt So golden und wonnig im Traum, Doch als ich erwachte, da war es — Nur Phantasie, nur Schaum. Die Elfen, die huldreich grüßend Mit Lorbeer'n das Haupt mir geschmückt, Und alle die holden Gestalten Sind meinem Geiste entrückt. Wie hat mich das Schicksal verfolget Oft grausam und tückisch im Traum, Doch als ich erwachte, da war es — Nur Phantasie, nur Schaum. Die Häscher, die rings mich umgaben, Das Schwert, das ich zitternd erblickt, Und alle die schaurigen Bilder Sind meinem Geiste entrückt. Oft blühte ein innerer Frieden, Ein stilles Glück mir im Traum, Und als ich erwachte, da war es — Nicht Phantasie, nicht Schaum. — Die fest mir an's Herz gewachsen, Die stille Glückseligkeit, Sie möge treu mir verbleiben Für nun und auf ewige Zeit! Laut ruft die Gegenwart nach Thaten Laut ruft die Gegenwart nach Thaten, Die aus dem Dunkel geist'ger Nacht Den nahen schönern Frühling heben, Mit seiner göttlich hehren Pracht. Im Sonnenglanze soll die Erde Voll Blüthenschmucks verjüngt erstehn, Im Sonnenglanze seines Geistes, Der Mensch nach edlen Zielen spähn! Nicht ist's der Wahlspruch unsrer Tage, Der Sinn nicht, der uns heut belebt, Er ist es nicht, der unsre Schwingen Zu höherm Geistesfluge hebt. Der Boden, dran wir ängstlich kleben, Der unsre Zuflucht in der Noth, Wird unter unsern Füßen zittern Beim ersten neuen Morgenroth. Dann werden wir die Blicke heben Zum ew'gen Strahlenquell, zum Licht, Und lauschen wird das Ohr der Stimme, Die laut zum Menschenherzen spricht, Zum Menschenherzen, das in Banden Der Geistesnacht gefesselt liegt, Um das, dem Tageslicht verschlossen, Sich Kette fest an Kette schmiegt. Sie wird uns unsre Pflichten weisen, Den Zweck des Daseins licht und klar, Und Menschenliebe wird erleuchten, Was uns auf Erden dunkel war. Dann werden wir die Straße finden Zum höchsten hehrsten Menschenglück, Dann wird in allen Welten schweifen Voll Fried und Wonne unser Blick! — Laßt, Edle, bald der Zeit uns rufen, Die so das ganze Sein verklärt, Und dann zum Wächter ihr gesellen Den Cherub mit dem Flammenschwert! Genesung Einst schrieb ich von verlornem Glücke Ein Lied, vom tiefsten Schmerz geschürt. Ich sah im Traum die hohe Brücke, Die Brücke, die zum Leben führt. Und meine Kräfte fühlt' ich schwinden, Es gab mein Herz nur matten Schlag, Zu schwach, den Schmerz zu überwinden, Der schwer auf meiner Seele lag. Wie schien die Welt mir gramumdüstert, Wie öde Thal und Flur und Wald, Und der Natur wie eng verschwistert Das Menschenherz, so hart und kalt. Zum Himmel stumm die Hände hebend, Und kleinlich zagend, schmerzensbleich, Lag ich im Staube klagend, bebend, Und flehte um das Himmelreich. Da zuckt' das Herz im vollen Zuge, Und neues Leben keimt' und blüht', Es wich der Schmerz mit seinem Truge, Und Sonnenlicht hellt' das Gemüth! Da sah ich Mensch und Menschenleben In einem mildern, wahrern Licht, Nicht schien mir fruchtlos mehr das Streben, Das sich den Pfad durch Dornen bricht. Und an die Menschen eng gekettet, In reger, warmer Schaffenslust: Fühlt' ich vom Abgrund mich gerettet, Fühlt' ich auf's Neu mich kraftbewußt. Dem Dienst des Guten, Wahren, Schönen, Will ich fortan mein Leben weihn, So werd' ich duldend mich gewöhnen, So werd' ich kämpfend glücklich sein. Wenn kalt ein Herz sich von dir wendet Wenn kalt ein Herz sich von dir wendet, Das innig du und wahr geliebt, Und Trost, wie ihn das Mitleid spendet, Nicht Frieden deiner Seele giebt: Dann pflanz' ein Kreuzlein an der Stätte, Die einst in Lieb' euch glücklich sah, Da weile oft in deinem Leide, Und der Verlor'ne ist dir nah! Du siehst, wie einst in frohen Stunden Sein Auge klar, sein Auge licht, Und lauschest, wie verständnißinnig, Wie edel, lieberfüllt er spricht; Und sieh', das Glück, das dich verlassen, Um das du bitterlich geweint, Es lebt' aufs Neu' in deinem Herzen, Es hält auf's Neue Euch vereint! Doch triffst du auf des Lebens Straße Ein kaltes, fremdes Angesicht, Und trüg' es des Verlor'nen Züge, O glaube mir, er ist es nicht! Er starb dem Aug'; in deinem Herzen, Lebt er als Friedensengel fort, Und treu wird er dich stets geleiten, Ein starker Schirm, ein starker Hort! — Pygmalion „An diesen Fuß noch laß die Form mich legen, Ohn Fehl und Makel soll das Bildniß sein, Dann will ich treu die reine Jungfrau hegen Und betend knien im stillen Kämmerlein. Was je den Sterblichen an edler Tugend Und Sittsamkeit die Götter mild verlieh'n, Ich prägt' es aus in ihrer Reize Jugend, In ihrer Wangen weißem Lilienblüh'n. Von Schwäche frei darf ich ein Wesen schauen, Das Zug um Zug sich meinem Geist entwand, Das mehr wie Kypros' ruhmgekrönte Frauen In meiner Seele seinen Abgott fand. Laß mich in Purpur ihre Glieder hüllen, Den Hals umrahme diese Perlenschnur. Mit seltnen Blumen reich ihr Haar zu füllen, Durchstreift ich suchend heut' die bunte Flur. Doch wehe mir! In die geliebten Züge Zog nicht der warme Hauch des Lebens ein, Ein Druck der Hand sagt mir, daß alles Lüge, Es streift mein Kuß das kalte Elfenbein. O Aphrodite! hohe Göttin, höre, Weß sich der ärmste Sterbliche vermißt: Welch falscher Schimmer je mein Herz bethöre, O glaube mir, daß es dich nie vergißt! Doch gieb durch deine Kraft, was meine Hände, Mein Genius zu schaffen sich bemüht, Daß meiner Sehnsucht banges Schmachten ende: Gieb, daß das Leben ihre Brust durchglüht!“ So spricht Pygmalion; ein heiß Verlangen Zieht ihn auf's Neu zu dem geliebten Bild, Da — fühlt er plötzlich innig sich umfangen Und fühlt im Kuß den kühnsten Wunsch erfüllt. Christóbal Colon Die Welt der Mauren ging unter wie Sand, den der Samum verweht, Es sank aus seinem Himmel des Halbmonds Majestät, Der schönen Alhambra Kuppeln mit ihrem Sternenkranz Verloren ihren Buhlen, verloren des Halbmonds Glanz. Nicht mehr den träumenden Sultan umzaubert der Zambra Gewog', In's Märchenreich der Liebe der Castellaner zog, Ihm plätschern jetzt die Bronnen, sie wissen selber kaum, Daß gestern noch sie lullten den Sultan in süßen Traum. Im Saale Comares sitzet die Königin Isabel, Umgeben von stolzen Rittern, von Damen strahlendhell; Wo einst den Abgesandten der Sultan sein Antlitz gezeigt, Die Blüthe der christlichen Ritter vor ihrer Fürstin sich neigt. Sie sprechen von Heldenthaten, sie sprechen von Wundern zumal, Von Wundern ist geschwängert der wunderreiche Saal. Die Königin staunt und lächelt, da meldet ein Diener ihr an, Daß draußen auf Einlaß harre ein seltsam zerlumpter Mann. Die Königin winkt dem Diener, der Fremde tritt herein, Das Antlitz so ernst und mager, die Augen ein blitzender Schein. Von langem Wandern staubig erscheint des Fremden Fuß, Und vor der Königin nieder beugt er die Kniee zum Gruß. Scheu zieht zurück vor dem Fremden sich da der Ritter Kreis, Und Alle schaun verwundert und Mancher kichert leis. „Wer bist Du, Fremdling, was suchst Du an meinem Throne, sprich?“ „Wie der Wandrer verschmachtend die Quelle, so, Königin, such' ich Dich! Christóbal Colon ist mein Name, von Genova komm' ich her, Gewandert bin ich, gewandert, als wär' ich Ahasver, Gewandert zu allen Fürsten, es schüttelte Jeder das Haupt, Ich trag' eine Welt in Händen, doch Niemand hat mir geglaubt. Die untergehende Sonne begrüßt eine neue Welt, O trüg' ein Schiff mich hinüber, o wären die Segel geschwellt! Das Spanien jenseits des Meeres, ich legt' es zu Füßen Dir, 's ist keine Fata Morgana, Du Königin, glaube mir! Es gibt eine Grenze der Meere, die Grenze nur ist Land, So klar ist's wie die Sonne, die täglich küßt den Strand. Die Maurenwelt ist gesunken, das ist das Erdenloos, Heb' Du aus dem Oceane die Perle weltengroß! Aus diesem Sarg der Mauren, aus der Alhambra Thor, Geh', zündender Lichtgedanke, die neue Welt hervor! Die Welt, die lang verzaubert geheimnißvoll sich barg, Schlag' auf die träumenden Augen in diesem Wundersarg!“ Und wärmer, immer wärmer der Genueser spricht, Die Herren und Damen lauschen und sie verstehn ihn nicht; Es flüstert der Alkaide, Marques de Mondejar: „Die andre Welt zu sehen, ist leichte Reise fürwahr; Vom Thurme de la Vela da stürz' er sich hinab, Und gleich hat er gefunden die andre Welt im Grab.“ Dann spricht Cardinal Mendoza: „Mir scheint der Mann im Bart Ein Jude, der nach dem Messias möcht' richten lange Fahrt.“ Und leise fahren die Andern noch mehr zu spotten fort, Die Königin allein ist sinnend und denkt an jedes Wort. Voll ernster, hoher Gedanken der Fremde vor ihr steht: Es schaut der einen in's Auge die and're Majestät! Und endlich spricht die Fürstin: „Und hättest Du Schiffe zur Hand, Wie würdest Du erreichen das neue verheiß'ne Land?“ — „Im ersten Hafen schifft' ich mich ein, o Königin, Es trüge mein guter Compaß mich sicher zur Erde hin.“ — „Doch wenn auf der Weltenreise möcht' Niemand mit Dir gehn?“ — „So schifft' ich allein durch die Meere, bis ich mein Land würd' sehn!“ Da hat die Königin getroffen des Helden Begeistrungsstrahl: „Christóbal Colon, von heute bist Du mein Admiral!“ Dann nimmt sie von ihrem Haupte die Krone von Edelgestein, Die Insignien von ihrem Busen mit hellem goldenem Schein, Nimmt von ihrem Arm die Spangen und flüstert mit holder Stimm': „Nimm Alles, Kronen und Ketten, Du kühner Entdecker, nimm! Flieg' hin auf castilischen Schiffen und trag' eine Welt davon!“ Er stürzt ihr zu Füßen und stammelt: „O Königin, meine Sonn', Hast heute Du Arm und Busen der Edelsteine beraubt, Bald wird die Krone der Kronen Dir funkeln auf hehrem Haupt!“ Wie hat des Entdeckers Auge begeistert Feuer gesprüht, Wie hat der Saal Comares in lichten Farben geglüht! Im Saale Comares leuchtet's noch heut von Christóbal Colon, Der die neue Welt gegeben Castilien und Leon! Das letzte Brod Don Garcia schaut bekümmert Von den Zinnen seines Schlosses, Mit dem Bogen in der Rechten Und mit Pfeilen hell von Golde. Überdenkend seine Lage Faßt ihn an ein bittres Grollen. „Was ich hab', ist meines Königs, Was ich bin, ist meines Gottes; Gott gab mir die tapfre Seele, Gab mir Waffen, Mannen, Rosse, Gab mir auch Donna Maria, Meine liebliche Genossin. Und er gab ihr hundert Mädchen, Hundert Damen treu und sorgsam, Und er gab mir Schloß Urenna, Daß mit ihr ich drinnen wohne. Und er gab mir hundert Ritter, Als die Wächter dieses Schlosses, Und versorgt es reich mit Weinen Und versorgt es reich mit Broden. Doch am Tage von San Juan Kamen Mauren hergezogen, Halten sieben ganze Jahre Diese Burg schon eingeschlossen. Und die Meinen seh' ich sterben Durch den traurigsten der Tode, Leichen stehen sie, in Waffen Noch den Schein des Lebens borgend. In dem ganzen Schloß Urenna Nur ein Brod ist unser Vorrath: Wenn ich's meinen Kindern gebe, Ist mein armes Weib verloren, Wenn ich selbst es elend esse, Wird ein Jammern mich verfolgen.“ Da im Brüten ist ein Blitzstrahl Des Entschlusses ihm gekommen. Und das Brod hat in vier Stücken Plötzlich er herabgeworfen, Eines hat des Maurenkönigs Fuß in seinem Fall getroffen. „Allah, Allah, sei mir gnädig, Welch ein Überfluß ist droben!“ Seine Trommeln läßt er rühren, Ist von Stund' an aufgebrochen. Siebenjährige Belag'rung Hat ein Stückchen Brod gehoben, Listbefreit hält Don Garcia Selig Weib und Kind umschlossen. „Lo Sals de la bella Dona“ Balearische Legende Gelübde haben sie Beide gethan, Und Beide ziehen zusammen die Bahn. Zur Jungfrau von Lluch, an den heiligen Ort Zieh'n Mann und Frau ihres Weges fort. Sie kommen zum Abgrund und Alles ist still, Der Mann sich vom Weibe befreien will, Und arglos blickt sie zur Tiefe hinab, Da stürzt er sie wild in das off'ne Grab; Geht wieder des Wegs und ermattet den Fuß, Im Kloster beut er dem Pförtner den Gruß. „Laß ruhen mich, Freund, auf der Klosterbank, Ich fühle vom langen Wege mich krank!“ „So kommt herein in den Betersaal, Dort knieen die müden Pilger zumal.“ In's Oratorium tritt er alsbald, — Doch sieh', wer ist dort die knie'nde Gestalt? Das Erste, was dort sein Aug' erblickt, Sein Weib ist's, das dankend Gebete schickt Zur Jungfrau, die ihr einen Engel gesandt Und sie befreit aus des Todes Hand. Es starrt dem Manne vor Schrecken das Haar, Dann aber erfaßt es ihn wunderbar. Er weinet zerknirscht und stürzt auf die Knie': „Gelobt, gelobt sei'st Du, Marie!“ Der Fandango vor Gericht Tod geschworen dem Fandango Haben Roma's strenge Richter, Bannstrahl zuckt von ihren Brauen, Finster dräuen die Gesichter. Spanien ist des Glaubens Lilie, Doch der Wurm an ihren Blättern Ist der sündige Fandango, Bannstrahl soll ihn niederschmettern! Und im hohen Consistorium Sitzen alle sie beisammen, Aber Einer der Prälaten Spricht: „Eh' also wir verdammen, Laßt uns von des sünd'gen Tanzes Unheil selbst uns überzeugen.“ Vor der Weisheit dieses Vorschlags Müssen sich die Richter beugen. „So erscheine denn, Fandango, Tanz', so zeig' uns Deine Gräuel!“ — Und ein Tänzerpaar aus Spanien Dringt durch der Prälaten Knäuel. Schön wie Phryne ist die Donna, Ihres Mundes Hauch sind Düfte, Seide schmeichelt ihren Füßchen, Leichtes Kleidchen ihrer Hüfte. Zärtlich lockt sie ihren Tänzer, Schaut ihn an mit sammtnen Augen, Und er will aus ihren Blicken Einen Liebeshimmel saugen; Öffnet weit schon seine Arme, Feurig will er sie umschlingen, Da hebt trotzig sie die Hüfte, Und die Castannuelos klingen Zürnend fast in ihrem Händchen, Und sie biegt sich, eine Schlange, Senket dann die Stirne nieder, Flieht verfolgend vor dem Drange, Vor des Tänzers hellen Gluthen, Stemmt das Händchen in die Seite, Mustert Hüfte sich und Füßchen, Alle Grazien im Geleite. Glühend sehen es die Richter, Und sie wanken auf den Stühlen, In den alten Adern brennt es Wie von jugendlichem Fühlen. Wilder tanzt die Donna, wilder, Und ihr Atlasmieder krachet! Plötzlich sieh': in den Prälaten Ist zur Wuth die Lust erwachet! Als der Donna Stolz gebrochen, Als von sanfter Regung wallet Ihr der Busen: feurig wieder Kastagnettenklang erschallet! Und die Kastagnettenschwinger Sind die jugendlichen Greise — Hei, wie tanzen die Prälaten Nach der Kastagnettenweise! Und sie tanzen den Fandango, Sprechen heilig ihn im Tanze — Freigesprochen ist der Sünder, Und er strahlt in neuem Glanze. An Lope de Vega Noch einmal mit des Goldes reichsten Minen, Noch einmal mit den herrlichsten Geschmeiden Wollt' sich die Erde paradiesisch kleiden: Da bist, Lope de Vega, Du erschienen! Dein Genius trägt die Schultern von Rubinen Und goldne Flügel, die Dir Götter neiden! Im Leben hehr und hehrer noch im Scheiden, Sangst Du, ein Cherub schon, von Cherubinen! Ein Sterbelied nur ist verliehn den Schwanen, Doch welch ein Lied! Auch Du im Schwanensange Sangst Du Dein Höchstes, feiertest die Wahrheit! Zu sel'gem Schauen ward Dein göttlich Ahnen: Nach Deinem Sternensang und Sphärenklange Vermählte sich Dein Geist der ew'gen Klarheit! Alfonso VI. und Almamum Yahie Don Alfonso, einst ein Flüchtling, Jetzt der König von Kastilien, Grüßt die Stadt, die ihn beherbergt, Ihn beschirmt, Toledo, wieder, Und er grüßt Toledo's edlen König Almamum Yahie, Der, ob König auch der Mauren, Ihm einst Obdach gab, dem Christen. „König Almamum, o komme In mein Lager nach Olias; Meine Streitmacht sollst Du schauen, Meine Streitmacht soll Dir dienen!“ Und der Saracenen König, Nicht besorgend Trug und Listen, Zieht allein mit Don Alfonso Dorthin, wo die Zelte schimmern, Die Trompeten krieg'risch schmettern Und die hellen Schwerter blitzen. Und im Zelte lädt Alfonso Seinen hohen Gast zu Tische. Doch das Zelt, darin sie weilen, Läßt von Mannen er umringen, Daß sich schier entsetzt der Maure Vor den Waffen, vor den Kriegern! Und Alfonso spricht: „O König, Jenes Eides mich entbinde, Den ich einst Dir schwor, als Du mich Noch in Deinen Händen hieltest, Jenes Eids, der mich zur Treue Und zur Freundschaft Dir verpflichtet!“ Düster hört's der Maurenkönig, Düster spricht er: „Ich entbinde Dich des Eides.“ Und Alfonso, Sieh', zum Schwur hebt er den Finger: „Löstest mich von meinem Eide, Der als Eid des Zwanges nichtig. Einen bessern Eidschwur sollst Du Haben, Almamum Yahie: Jetzt, da Du in meinen Händen Und von' meinem Heer umzingelt, Schwör' ich einen Eid, den keine Furcht eingibt, kein Zwang besiegelt, Jetzt den Schwur der Ehre schwör' ich: Treu in Freundschaft Dir zu dienen, Und von diesem Schwur soll keine Macht der Erde mich entbinden!“ Und die Hand reicht er dem Mauren, Tiefgerührt hat sie ergriffen Almamum und freud'gen Herzens Setzt er sich zur Tafel nieder. Seinen Schwur hielt Don Alfonso: Als er seinen Gast bewirthet, Half er sammt den Kastellanern Ihm im Feldzug gen Sevilla. „O Kutscher, nicht über den Pont des Morts“ Zum Auszuge Napoleons aus Metz am 14. August Nur Himmel und Soldaten sieht Der Kaiser, der Macbeth, auf Frankreichs Gebiet. Die Preußen, die Deutschen, sie kommen heran Wie der Birnamwald auf Dunsinan! Der Kaiser in Metz ruft: „Fort, fort aus dem Thor!“ — „Sire, fahr' ich Euch über den Pont des Morts?“ Der Kutscher fragt es, der Kaiser erschrickt, Als hätt' er dem Fatum in's Auge geblickt! Zu Berg steigt sein Haar, es glühet sein Hirn, Von Ahnung umdüstert sich seine Stirn, Voll Entsetzen kaum bringt er das Wort hervor: „O Kutscher, nicht über den Pont des Morts!“ Ach, vor ihm und hinter ihm tönt's ihm wie Fluch: Er schaut sie alle, die er erschlug, Schaut hinter sich Max von Mexiko Und vor sich, vor sich ein Waterloo! „Die Gespenster, weh! Fort, fort aus dem Thor! O Kutscher, nicht über den Pont des Morts!“ Der Wagen, der den Bleichen trug, Er fuhr dahin wie ein Leichenzug! Der Kaiser — wer nennet des Kaisers Qual? — Schon ist er nicht mehr General! Wer weiß, ob er nicht auch den Purpur verlor? „O Kutscher, nicht über den Pont des Morts!“ Die Nähe des Herrn Ich lag zu Seinen Füßen Im stillen Kämmerlein, Und ließ die Thränen fließen: Da fühlt' ich's, Er sei mein. Ich fühlt's am leisen Wehen, Das durch die Seele ging; Er hat mich angesehen, Mich Armen so gering. O, was ich da erfahren, Was da an mir geschehn, Ich kann's nicht offenbaren, Ich kann es nicht verstehn. Wenn Du nur eine Heimath hast Wenn Du nur eine Heimath hast, So laß Dir das nicht grauen, Daß Du hier von der Welt gehaßt, Mußt gehn als Fremdling und als Gast Und seufzend heimwärts schauen. Denn wisse, nur noch kurze Zeit, Dann wird das Blatt sich wenden; Die Zeit der Heimkehr ist nicht weit, Dann wird sich alle Traurigkeit In lauter Jubel enden. Abendlied Abend ist es, lieber Heiland, So wie weiland, Als Du gingst nach Emmahus; Dieser Tag hat sich geneiget, Alles schweiget, Was der Ruhe pflegen muß. Bleibe auch in unsrer Mitte, Hör' die Bitte, Trete ein in Thür und Haus; Breite über uns die Hände An dem Ende Dieses Tages segnend aus! Treulich führtest Du uns heute, Uns erfreute Deine Gnadengegenwart, Und Du hast uns durch Dein Walten Auch erhalten, Daß wir noch bei Dir verharrt. Was wir Sündliches verübet, Das betrübet, O, das reuet uns so sehr; Tilge es in Deinem Blute, Uns zu Gute Senke es ins tiefe Meer. Siehe, nach der mühevollen Arbeit wollen Wir uns legen hin zur Ruh', Nach der Mütter Art und Weise Drücke leise Uns die müden Augen zu. Also ruhen wir geborgen, Ohne Sorgen, Ohne Graun in dunkler Nacht, Wissend, daß Du, vor Gefahren Uns zu wahren, Selber hältst die Hut und Wacht. Chriemhild's Leichenwacht Die Winde heulen Die Winde heulen, Der Donner brüllt, Und Wolken eilen So schwarz und wild. Was ich dort sehe Im Sturm der Nacht, Das ist mein Wehe, Es kommt mit Macht. Es kommt zum Herzen Und wühlt zu Hauf Alle die Schmerzen Im Busen auf. Ha, so zu brausen Ha, so zu brausen Wild wie der Sturm! Fliegen und sausen Um Fels und Thurm! Fahren wie Blitze Jäh durch die Luft Um Adlersitze In Berg und Kluft. Oder zu wallen Leis wie der Schnee, Zur Erde fallen, Sterben vor Weh! Der Welt enteilen, Bei Siegfried weilen! Zur Leiche gewandt Knien laß mich hier! Ach wie so weit, so weit nun von mir Ist, was nahe mir scheinet! Aug und Mund Thun nicht mehr zärtlich ihr Lieben kund, Ob ich's auch manchmal gemeinet. Ach, und noch bebt's, Und mit zärtlichen Trieben lebt's Liebend in meinem Herzen! Kann doch nicht Wecken liebkosend dein Angesicht, Weck' nur neu mir die Schmerzen! Stumm und still! Liebster nimmer sich regen will? Ist mir todt meine Liebe? Still und kalt! Ach, wie vergebens die Treugewalt Zärtlich lockender Triebe! All' meine Freud' Will ich mit dir bis in Ewigkeit In diesem Kuß einsargen; Aber nicht — Schwörend hauch ich's auf dein Gesicht — Meine Rache dem Argen! Rache! Rache! Rache! Rache! Braust es, ihr Stürme; Zuckt es, ihr Blitze, um Fels und Thürme; Schrei es, du ganze rasende Welt: Rache dem Teufel, der Siegfried gefällt! Hohes Lied Kennst du den König und sein altes Lied, Davon des Ostens heil'ge Sehnsucht glüht? Das uns so wunderbare Kunde giebt Von einer Liebe, die die Seele liebt? Kennst du das Lied von der Liebe? Kennst du des Herzens tiefe Leidenschaft, Der edlen Seele starke Dulderkraft? Kennst du der Liebe heil'ge Feuerglut, Die Höll' und Tod besiegend Wunder thut? Kennst du die Wunder der Liebe? Es trat der König an des Söllers Rand, Es glitt der Harfe Strang durch seine Hand; Er sang hinab das Lied so rauschend süß, Wie Stimmenchor vom heil'gen Paradies — Preisend die Wunder der Liebe. Hast du gehört den tönenden Gesang, Vom Orient den holden Zauberklang? Wie Palmenrauschen weht es durch die Luft, Wie Würzgeruch und süßer Rosenduft Salomos Lied von der Liebe! Umsonst Ach könnt' ich doch einmal, geschieden Von aller Qual und allem Harm, So recht in tiefempfund'nem Frieden Der Seele ruhn in Gottes Arm! Ach könnt' ich einmal glühend sinken, Erträumtes Glück, an deine Brust, Und in berauschten Zügen trinken Des Lebens ungemischte Lust! Ach könnt' ich einmal nur, enthoben Des Erdendaseins Streit und Last, Und unberührt von seinem Toben Mich betten tief zu sel'ger Rast! ... Umsonst! Umsonst! Des Glückstroms Fülle Fließt keinem Erdenwohner rein, Und erst im Grabe wird es stille Um dich, mein Herz, und Frieden sein! Frühlingslied Schwillt der Frühling mächtig an, Winter muß sich wenden; Sucht zu bleiben, wo er kann, Flieht an allen Enden. Wächst der Frühling übers Haus, Winter wird zum Zwerge! Vollends singen ihn hinaus Drossel, Fink' und Lerche. Und ein Klingen überall In Gebirg und Thale, Heerdgeblök und Glockenschall Tönt mit einem Male. Alle Blumen werden wach, Alle Quellen springen, Und daheim auf jedem Dach Muntre Vögel singen. Herz, stimm in den Jubel ein, Laß dein Lied erklingen! Wag's einmal, recht froh zu sein: Jetzo mag's gelingen! Feld und Wald und Thal entlang Braust ein neues „Werde!“ — Laß gen Himmel deinen Sang Brausen von der Erde! O Jugendlust! Ich hab' im Buch gelesen: Die Jugend sei ein Traum — Und wär' sie Trug gewesen Und eitel Schaum; Mir ist sie hingeflossen Wie glänzend Gold allein, Ich habe sie genossen Wie klaren Wein. Und als sie hingeflogen, Da hat ihr Klang die Brust Mir immer noch durchzogen — O Jugendlust! Auf der Haide Die Lüfte still, und nah und fern Die braune, stille Haide, Im Moor manch lichter Blumenstern, Das Wollgras weich wie Seide. Die Krüppeleiche lauschet stumm, Den Nacken tief gebogen, Sie schaut sich nach dem Vogel um, Der fernher kam geflogen. Er setzt sich auf den dürrsten Zweig Und weckt mit klingendem Grüßen Die Blumenschaar im Moorbereich, Die Welt zu seinen Füßen. Dann stimmt er an sein kurzes Lied Und schweigt und singt es wieder, Es klingt hinab in Rohr und Ried, Es schallt in's Thal hernieder. Das ist ein wunderbarer Klang, Ein Ton aus fernsten Tagen, So glockenhell und doch so bang, Ein fröhlich Klingen und — Klagen. Und alles lauscht im weiten Raum, Nur fern am Hünengrabe Auf dürrem Krüppelfichtenbaum Krächzt laut ein heisrer Rabe. Dem Wandrer wird so schwer der Fuß, Sein Haupt neigt tief und traurig: Er hört verklungener Tage Gruß, Einen Gruß so schön und schaurig. Rings alles stumm, und nah und fern Die braune, stille Haide, Im Moor manch lichter Blumenstern, Das Wollgras weich wie Seide. Abschied Kein Fröschechor schallt aus dem Moor, Kein Käfer summet durch die Nacht, Nur fernher klinget an mein Ohr Der Sang des Wandrers durch die Nacht. Die Haide liegt so still und weit, Ein Friedhof in der stillen Nacht — Kein Leben um mich weit und breit, Ich bin allein in öder Nacht. Ich ließ die Stätte, wie sie war, Und trat hinaus in kalte Nacht, Ich hab' geliebt sie manches Jahr — Dem lichten Tag folgt dunkle Nacht. Mein frühverwaistes Herze gleicht Dem Friedhof in der stummen Nacht, Mit tiefem Gram, verstört, gebleicht Irr' ich allein in öder Nacht. Kein Himmelsauge blickt herab, Ich schreit' durch sternenlose Nacht — All meiner Träume dunkles Grab, Und meiner Jugend letzte Nacht! Ich riß mich los, es mußte sein, Und trat hinaus in Graun und Nacht, Nun sucht mein Herz in Angst und Pein Verlornen Pfad bei dunkler Nacht. Verlassen 1. Seine Briefe hab' ich zu Aschen verbrannt Und dem Winde, dem Herbstwind, anvertraut, Und die Schleife, das Täschchen und anderer Tand Liegt gar sorglich vergraben unter'm Distelkraut, Unter'm Distelkraut fern von der Haide. Und die Blumen und Sträuße, die welk und grau Im Schubfache lagen, zerriß ich zur Stund', Und sein herrliches Bild — nicht weiß ich's genau, Es mag wohl ruhen an Teiches Grund, In dem Teich dort hinter der Mühle. Und das Feuer verglomm, und der Wind ist verweht, Und das Sträußchen zertreten, das Bild ruht in Nacht, Und wer weiß, wo am Haidrand die Distel steht? — Und dennoch nicht Ruhe bei Tag und bei Nacht, Allüberall folgt mir sein Schatten! 2. Die Ahne hat mir oft beschrieben Ein zierlich Kraut von sondrer Kraft, Das Herzen, welche trauernd lieben, Die Wunden heilt und Ruhe schafft. Es steht zumeist auf öden Wegen, Die Ahne nennt es Thränentrost — Man mag's nur auf die Brust sich legen, So schweigt der Sturm, der drinnen tost. Ich will noch heute suchen gehen, Ich weiß ein Plätzchen, wo es blüht; Dann wird der Schatten wohl verwehen Und Friede wohnen im Gemüth. 3. Ich habe das Kraut nicht gefunden — Der Weg war weit und schwer, Es rissen die Dornen mir Wunden, — Ich habe das Kraut nicht gefunden, Es thränten die Augen zu sehr. Vom Himmel tropfte der Regen, Als endlich das Plätzchen ich fand; Ich hab' auf den Knien gelegen — Vom Himmel strömte der Regen, Ich suchte mit Aug' und mit Hand. Bin endlich nach Hause gegangen, Es dunkelte ringsumher; Mein Herz war voll Grämen und Bangen, Als spät ich nach Hause gegangen — Es dunkelte ringsumher. 4. Ich träumte so schön vom Glockenklang, Von Hochzeitsfeier, von Tanz und Gesang, Meine Stirn war so hell und die Wange so roth — Nun freit mich der Tod. Die Myrthe am Fenster dort hab' ich gehegt, Hab' still ihre Zweiglein zum Kranze gelegt, Er lachte mich an wie das Morgenroth — Nun freit mich der Tod. Nun winkt mir der Tod — die Myrthe im Haar, Im schimmernden Kleid auf der schwankenden Bahr'. Komm, tröstlicher Schlummer, ach ende die Qual! Erlöse mich, Tod! Quälgeist Es ist schon spät, der Sterne Schein Strahlt silbern durch das dunkle Thal; Der Vogel träumt, die Blum' nickt ein Und alle Schwestern ohne Zahl. Ich schlafe nicht, die Ruhe floh, Als mein Gesell die Schwell betrat, Mein Leidgenoß, der nimmer froh, Mein Störenfried ach! früh und spat. Horch wie er trippelt, hüstelt, stöhnt! Du Bleichgesicht, komm mir heran! — Er seufzt daher, und sieh, wie höhnt Sein Auge meine Verse an! Er neigt sich über's volle Blatt Und sieht sich um und hüstelt dann Und sagt: sag', Bruder, bist du satt Und fand'st du den, der borgen kann? Dann fährt er fort, das reimt sich nicht Und reimt sich doch, was du da schreibst; Wenn dir im Schrank das Brot gebricht, Wenn du vor Weh die Augen reibst: Dann reimet sich mir Frohn und Lohn Und Hast und Last und Noth und Tod, Im Traum erlangt der Erdensohn Auch nicht den kleinsten Krumen Brot. Was nützt das Schwärmen Tag und Nacht, Das Reimen über Thau und Blau! Die Weisheit hat ein Wort erdacht: Arbeite brav und leb' genau! Der Rythmus hebt sich schlecht zum Klang, Tritt überall der Hunger vor, Wohl macht er oft die Träumer schlank, Doch nie zu Dichtern, armer Thor! So nergelt er. Ich nicke ein Trotz Hunger, Schuld und mancher Noth. Der Traumgott webt aus Strahlen fein Mir schön des Glückes Morgenroth; Ich juble: Land! nun fort, Gesell! Du Schreckgespenst, nun trolle dich! O rausch' heran mir Well' auf Well', Du Jugendtraum, entrolle dich! Ich trinke glühe Jugendlust — Wie goldig schimmern Land und See! Wie labt die Luft, wie schwillt die Brust, Wie grüßt mich, was ich wohlig seh! Und aus dem Laubgang schreitet leis' Mein Lieb, mein Lieb im holden Mai! Wie strahlt des Nackens Silberweiß, Wie lockt der Locken Schelmerei! Und Frieden, Frieden nah und fern, Vom Himmelsdome weit umspannt! Im Busen leuchtet Stern an Stern, Entzündet von der Liebe Hand. Und keine Thräne, keine Qual, Ich faß' es kaum in meinem Sinn, Ein Paradies allüberall, Und sie die glühe Ros' darin! Ich heb' den Fuß in froher Eil' — Er ist gebannt — das Bild zerrinnt — Mein Muth sinkt wie ein müder Pfeil — Ich wein' in's Kissen wie ein Kind. Wie hüstelt er und kichert dann, Mein Leidgesell, und tritt herzu: Ei sieh! daß man noch träumen kann, Wenn weh der Kopf und leer die Truh'! Die Perle Was lispelt von Erde zu Erde? Was flüstert die Nixenschaar? Sie spricht von der edelsten Perle, Die heute der See gebar. Hochhalsige Schwäne kommen, Das Kleinod zu hüten mit Mut; Von seiner Schönheit beklommen, Verbirgt es sich tief in der Flut. Und der sich durch nächtige Schleier Den Schritt in die Welt gebahnt, Ein Jüngling mit Lied und Leier Hält an; denn er sieht und ahnt: „O hätt' ich ein Schwanenleben, Ein Streben, enthoben dem Schmerz, Ich wollte die Perle heben Und fassen schön in mein Herz!“ — Da schwellen die Wellen und triefen Und rufen wie schmetterndes Erz: „Du strebe zu ihr in die Tiefen, Hieroben ist alles ein Schmerz!“ — Die Mutter Tief in den Alpen, im halmigen Riet Da sitzt auf einem Stein Ein armes, greises Mütterlein, Und sieht und sieht In einen dunkelgrünen See. Dieß Auge, wie ringt es im strömenden Weh, Dieß Herz, ach wie schmachtet es tief nach Erbarmen! Im See sind Nixen mit blanken Armen, Die kamen geschwommen Und haben der Mutter den warmen, Den blühenden Sohn genommen. Die Nixen kommen Und reihen sich dicht Um ihren Fuß Und blicken licht. Andere winken, Wallen und blinken Und nahen gewinnend und bringen Gruß, Mit silbernen Lippen klingenden Kuß, Doch bringen sie nicht Den geliebten Sohn. Die Mutter weinet. — Wie schmerzlich ihr Busen im Sehnen schwillt, Wie heiß die heilige Thräne quillt — Die Nixen schwimmen, Sinken und klimmen Vor ihrem Gesicht Mit jammerndem Ton, Sie bringen ihr nicht Den geliebten Sohn. Die Monden, die Jahre flohn, Die jungen Tage blühn Und spiegeln sich rosig in See's Grün. Die Mutter weinet — Die Sonne scheinet, Die Sonne sinkt, Der Sternenhimmel winkt, Die Mutter weinet, weinet, weinet — Natur Geistesfrisch und herzerfreut Lagr' ich mich im Hage, Lausche, was die Mutter heut, Die Natur, mir sage. Fleißig fängt's in Busch und Bach Flötend an zu sprechen, Wärend Krieg und Krieges Ach Luft und Laub durchbrechen. Und mir ruft ein rauher Schrei: Singe Schlachtgesänge! Horch, da spricht Natur: Ich leih' Dir die reinsten Klänge! Ja Natur, dir jauchz' ich zu, Jauchze süße Schwüre, Denn das letzte Wort hast du, Wer das Wort auch führe! Erquickung Lauer Regen klopfet lind Auf das Laub der Bäume, Und von Blum' und Blumenkind Flieh'n die heißen Träume. Was da sommerselig glüht, Schaut mit Lust nach oben, Was in meiner Seele blüht, Hat sich leis' erhoben! Besuch Über deinem Scheitel hängt Blasses Laub der Weide, Ach! Dein Aug' ist tief bedrängt Von verschwiegnem Leide. Bote bin ich aus dem Land Ewig junger Triebe, Rosen trag' ich in der Hand Und im Herzen Liebe! Bürger der Schöpfung Hier schmückt ein froher Lenz den grünen Plan, Die Blume schmilzt, die Wonne quillt heran, Am Äther glänzt der Sonne goldnes Bild, Die weißen Lämmer weiden im Gefild Und rauschend webt der Strom sein feuchtes Band — Hier laßt uns sein, hier spielen ohne Harm, Hier rege Fuß und Hand, Hier, muntrer Knabe, blüht dein Vaterland! Hier wallt ein ungeheurer Ocean Und seine Flüsse münden himmelan, Es wankt der Kiel, es knarrt der hohe Mast, Die Wellen fliehn, die Wolken ohne Rast, Und durch die Schleier blitzt ein heller Strand — Hier hofft das Herz, hier wird mir wol und warm, O reiche mir die Hand, Hier, schönes Leben, blüht dein Vaterland! Hier athm' ich Freiheit — auf! Die Höhe winkt, Die Brücke wölbt sich und die Zinne blinkt, Es horcht der Wald, der junge Tag ertönt, Die Felswand glüht, der alte Gletscher dröhnt, Und Adler schweben um den Klippenrand — Hier bin ich stark, hier lenk' ich mein Geschick, Denn eins sind Herz und Hand, Hier, kühner Geist, hier blüht dein Vaterland! In stiller Tiefe bau' ich Herd und Hort, Hier schirmt ein Felsengürtel Pfort' und Wort, Des Berges Stürze brausen drüber hin, Doch selig, sicher wohnt es sich darin; Das Glück ist Wirklichkeit, der Irrtum schwand, Mir sagt's dein Mund und schöner sagt's dein Blick — O fasse meine Hand, Hier, treues Herz, hier blüht dein Vaterland! Das Thor ist auf — hier tret' ich friedlich ein, Der Hof, wie stumm! Was will hier Stein bei Stein? Lau dampft die Nacht, das schmale Kirchlein ragt, Die Ampel träumt und die Cypresse zagt, Entsunken liegen Urnen rings im Sand — Hier halt' ich still bis mich das Frühlicht streift, Hier ruh'n wir Hand in Hand, Hier, letzte Sehnsucht, blüht dein Vaterland! In himmelhohen Tempeln thron' ich hier, Des Urlicht's Riesen wachen über mir, Der Glanz der blassen Erde blickt empor Aus kaltem Duft wie Leichen aus dem Flor, Dem Flor, dem ich so glücklich mich entwand — Hier hab' ich Macht, so weit der Wille greift, Hier schüttl' ich dir die Hand, Hier, große Seele, blüht dein Vaterland! Chor der Urtriebe In den unbegränzten Breiten Unsrer alten Mutter Nacht, Horch — da scheint mit sich zu streiten Eine tiefverhüllte Macht! Hören wir die Ahnung schreiten? Ist die Sehnsucht aufgewacht? Ward ein Geistesblitz entfacht? Gleiten Träume durch die Weiten? Wie sich an Kräften die Kräfte berauschen! Seliges Tauschen! — Was die verschwisterten Geister sich sagen, Holdes Behagen! Laßt das Empfundne die Weiten empfinden, Ruft, was berufen, in's Leben zu ragen, Laßt, was sich sucht, mit Frohlocken sich finden, Warm sich verbinden! Ist's ein Schwellen, ist's ein Wogen, Was aus allen Gürteln bricht? Wo wir liebend eingezogen, Dort ist Richtung, dort Gewicht. Hätt' uns Will' und Wunsch betrogen? Sind wir Mächte? Sind wir's nicht? Was es sei, wir heischen Licht — Und es wächst in schönen Bogen! Mag es mit wechselndem Streben sich füllen, Farben enthüllen! Wecken wir lieblichen Krieg, daß sich trunken Lösen die Funken! Laßt uns die Tiefen, die schaffend erschäumen, Laßt uns die Saat, die den Höhen entsunken, Laßt uns die Kreise, die Fruchtendes träumen, Stralend besäumen! Treiben wir? Sind wir getrieben? Wankt die Wölbung? Weicht der Grund? Ha, die Lüfte, die wir lieben, Feiern tönend unsern Bund. Wie sie brausen, rasseln, stieben Durch das großgedehnte Rund! Geben uns die Klänge kund, Was im All noch Traum geblieben? Laßt uns erfliegen die himmlischen Zinnen, Nebel zu spinnen! Welches Entzücken, die Winde zu schwenken, Wolken zu lenken, Zärtlich die heiligen Töne zu wiegen, Schmelz in den Busen der Schöpfung zu senken, Trotzige Mächte mit Klang zu bekriegen, Kosend zu siegen! Wie die Dämpfe rings gerinnen! Kochend schürzt sich Schwall um Schwall, Will die Kraft Gestalt gewinnen? Welch ein riesenhafter Ball! Tanzend pilgert er von hinnen Unter Knall und Donnerhall, Glut im Körper, Glanz im All — Doch wir draußen, doch wir drinnen! Laßt uns die Schichten, die rings sich entschwingen, Trennen in Ringen, Aber die flüchtigen, glänzenden Schollen Ründen und rollen! Ordnet den Reigen und zirkelt die Bahnen Jeglichem Kind, das den Sonnen entquollen; Laßt es im Funkel ätherischer Fahnen Göttliches ahnen! Strebt die Sonne zu vollenden, Nehmt die Sterne dort in Hut, Wärend wir zur Erde wenden Unsern schönen Lebensmut. Nach dem Mittelpunkte senden, Drängen wir des Brandes Wut, Des Metalles weiße Glut Mit des Goldes schweren Spenden. Wetter, um sich an der Flamme zu rächen, Drohen mit Bächen! Rettet, was Schöpfern und Schöpfungen theuer, Schirmet das Feuer! Deckt es und fügt den Granit in die Ritzen; Wir, den Gewalten des Bildens getreuer, Thürmen Gebirg zu Gebirg, auf die Spitzen Köcher mit Blitzen. Aber stürmisch dreht sich's oben, Wolk' um Wolke weht erfrischt, Schäume flattern, Winde toben, Das entbundne Naß erzischt; Rasch zerflogen, rasch gewoben, Häuft es stürzend Gischt auf Gischt — Ha, das Lava-Licht erlischt Und die Welle kommt gestoben! Rührend, o Pilgerin, sei du empfangen, Liebend gefangen; Räumige Lager sind rings dir bereitet, Buchtig geweitet; Wunderbar schweife da deine Gewänder, Jugendlich zwischen die Ufer gebreitet; Über den Rissen geschiedener Länder Tausche die Pfänder! Aus dem stolzen Wettgedränge Steigen sanft Gestad und Au, Warmer Tropfen leise Klänge Fließen durch des Äthers Grau. Wenn des Reizes Bild gelänge! Glänzte doch des Himmels Blau! Käme Stern um Stern zur Schau — Seelen folgten und Gesänge! Laßt uns die schlummernden Fluren durchschwärmen, Sprößlinge wärmen, Quellend die Achseln der Bäume besteigen, Schwellen in Zweigen, Morgens verkehren mit wandernden Lüften, Abends versinken in seligstes Schweigen, Höhen behorchen und dampfenden Klüften Schmeicheln mit Düften. Kühngejochtes Baumgewinde Spinnt sich seine dunkle Pracht, Und die junge Felsenrinde Prangt in märchenschöner Tracht. Stille Dämmerwelt verschwinde! Späten Söhnen zugedacht, Schaff' im rätselvollen Schacht Ein erstaunlich Angebinde! Senkt ihr die Flächen, wir schütteln die Stämme, Rütteln die Dämme! Füllt mit der Ernte vom Pol und vom Gleicher Speicher für Speicher! Drüber den Mantel geschichteter Thone! Einst, um das Mark der Jahrtausende reicher, Schmückst du den Herd uns mit feuriger Krone, Üppige Zone! Regt euch ohne Rast und Zagen Und veredelt das Bemühn! Aug' um Auge möge tagen Und den Geist des Lichtes sprühn; Rasche Pulse sollen jagen, Die vom Wohl des Lebens glühn, Muntre Häupter freudig kühn Sich aus Busch und Bergen wagen! Leitet die schleichenden Wasser in Furchen, Füllt sie mit Lurchen! Gönnt uns die Lust, in die Lüfte zu klettern, Lieder zu schmettern; Andre verlangt's, in der Wüste zu streifen, Mähnen zu schütteln und zürnend zu wettern, Oder sich schrecklich in mächtigen Reifen Weiter zu schleifen! Prächtig um sich selbst geschwungen Tönt der Welten Schwesterschaar, Zauberbänder sind geschlungen In ihr volles Stralenhaar. Was im Schöpfertraum geklungen, Als er Welt für Welt gebar, In Gedanken fließ' es klar Sprechend von gelösten Zungen! Weitet die Brust für die reichen Gewühle Reger Gefühle! Strebt mit dem Haupt nach dem Höchsten zu ragen, Geister zu tragen, Die sich erheben in leuchtenden Zügen, Klingend die Harfe der Seele zu schlagen, Formen des Edlen zum reinern Genügen Reizend zu fügen! Mag der Dauer sich gewöhnen, Was der Drang heraufbeschwor; Das Verschönen, das Versöhnen Walt' im Strom der Schöpfung vor. Süßes Licht, in holden Tönen Klimmt das Herz zu dir empor, Weile vor des Westens Thor, Hilf die That der Liebe krönen! Ist doch der Trieb aus den irdischen Banden Seelisch erstanden! Breitet den Schleier der thauenden Milde Vor die Gefilde! Sorgt, daß zum Thaue das Licht sich geselle, Lieblich der Saum der Verklärung sich bilde — Jeglicher Tropfen beschwebe die Schwelle Geistiger Helle! Jenseits der sonnigen Halde Jenseits der sonnigen Halde Hinter der Kapelle Buscht sich ein Wäldchen im Walde, Fließt eine Quelle. Im Vorübergehn Küsse die Schwelle, Grüße die Welle Und bleibe stehn; Dort hab' ich beim Anbruch der Morgenhelle In ein schönes Auge gesehn. Ich heb' und weite ... Ich heb' und weite, Ich spreite die Arme, Ich werfe mich nieder, O heilige Erde, Und füg' an das deine Mein schluchzendes Herz! Deine Kräuter duften, Deine Sprößlinge füllen, Erbeben, enthüllen Ihre glänzenden Häupter! Deine Quellen singen Mit kühlem Oden Die Lieder des Labsals! Deine wütenden Ströme, Die feurigen Stürme In deinen gefürchteten Kerkern und Kammern Stöhnen, rollen und dröhnen! Das ist das Wogen und Wallen, Das ist das Wollen und Willensentfalten, Das ist das Gestalten Deiner innern Gewalten, Die athmende Regung Deiner Seelenbewegung! Das ist dein Busen, Dein inniglich warmer, Lebendiger Busen, Der sich bindet, entbindet, Sich auf- und niederwindet Über den Flammen Deines göttlichen Blutes! Über deinen Busen Gieß' ich aus Meine leidende Seele, Spreng' ich hinaus Den Thau, den purpurnen Thau der Gefühle! Wie ich blühe, so blühst auch du! Wie ich glühe, so glühst auch du! Von deinem Blut Bin ich die Blüte, Erwarmend und wärmend bin ich die Glut, Die stets in dir sprüht und stets in dir sprühte! Wenn ich mich zürnend ermanne hieroben — Es ist das Gewühl in deinen Gängen, Es ist dein Drängen, Es ist dein Toben! Was ungestillet und ungekühlt Die Glieder durchraset, die Seele durchwühlt, Durch dich entbrannte, durch dich entbrennt es! — Du nennst nicht, was ich leide, Doch was du nicht nennst, du kennst es! Denn nicht Schale, nicht Sinnenweide, Erschafferin bist du — Und alles Erschaffen Aus innigstem Innern, Und alles Werden Im wahrhaften Herzen, im tiefen Gemüte, Und alles Sehnen und Ringen Vom Keime zur Blüte, Und alles Empor- und Hinüberdringen Zum reineren Gut und zur reinen Güte: Es ist nicht Geberde, es ist nicht Beschwerde, Doch ist's ein Leiden, o heilige Erde, Und alles Leiden Geht aus von dir Und kehrt ausseufzend zu dir! Wer hilft mir's ertragen, Wenn nicht du? Was ich trag' und klage, O Mutter jeglicher Lebenslage, Ich trag' und klage dir's zu Und will nicht wollen und will nicht fragen! Herz an Herz, Gesicht an Gesicht, Schmerz an Schmerz — Dir bin ich geboren, dir leb' ich vereint, Und was ich nicht mehr vermag zu sagen, Das sei dir in Strömen entgegengeweint! Der Grashalm Da drinnen im Waldesgrunde Am mildbeschatteten Bach, Da steht ein schlanker Grashalm Und sieht den Wellen nach. Entwandernd schau'n sie zum Halme Mit Silberblicken empor, Da beugt er sich liebend hinunter, Küßt Welle für Welle zuvor. Da schaaren sich zärtliche Wellen Liebkosend um ihn her Und tragen ihn leis' umarmend Mit sich hinaus ins Meer. Elias Tief ist die Nacht. Es klimmt durch Felsgerölle Der Seher einsam im Gebirg empor. Im Thale feiert wild ein Fest der Hölle Das trunk'ne Volk, das seinen Gott verlor. O Israel, das stets zu tödten sucht Den Seher, der dich ohne Scheu und Hehl Enthüllet dir; er flieht, von dir verflucht. O Israel! O thöricht Volk, bist du nicht zu beweinen? Kannst du so leicht entbehren einen Mann? Es treibt dein Haß hinaus von dir den Einen, Der vor dem Herrn dich noch vertreten kann. Er gehet, wo kein Laut ertönt, in Nacht Sich hüllend, steigt er im Gestein empor; Da öffnet vor ihm einer Höhle Schacht Ein gastlich Thor. Er tritt hinein, und in der Höhle Grunde Ruht er, das Haupt auf seine Brust geneigt, Still harrend, ob in mitternächt'ger Stunde Nicht Gottes Geist zu ihm herniedersteigt. „Was ist sein Wille? Soll von nun an fern Dem Volk ich sein, das nicht mehr ihm gehört? Soll künden ich auf's Neu das Wort des Herrn? Das niemand hört?“ Und wie er weilt in seines Busens Tiefen, Ist's ihm, wie wenn die Wetterwolke schwillt, Es zucken Strahlen auf, die drinnen schliefen, Und wie durch's Chaos hin ein Lichtstrom quillt. In seinen Mantel hüllt er das Gesicht, Denn jetzo, fühlet er, ist Gott ihm nah'. „Was machst du“, plötzlich es durch's Dunkel bricht, „Elias, da?“ Der Seher spricht: „Von seinem Geist getrieben, Hab' ich geeifert um Gott Zebaoth; Denn nicht ist Israel ihm treu geblieben, Und seinen Altar riß es hin mit Spott, Verlassen hat es seinen Bund, mit Schmach Erwürget die Propheten, daß nur ich Bin übrig blieben, und sie steh'n darnach, Zu tödten mich.“ Es spricht der Herr: „Ich will mich dir verkünden, Und meine Kraft soll dir vorübergeh'n.“ Da hub es an zu gähren in den Schlünden, Es fuhr empor des Sturms gewaltig Weh'n, Die Eiche brach, es krachte hin der Forst, Zersplitternd, wie wenn Glas zusammenbricht, Doch war im Sturm, vor dem die Ceder borst, Der Herr noch nicht. Und nach dem Sturm entrang sich ungeheuer Auf schwarzem Grund ein flammend Meteor; Aus Mitternacht ein purpurrotes Feuer Fuhr wie ein Schwert am Himmelszelt empor. Gebirg und Felsen standen wie im Brand, Und es erblaßte der Gestirne Licht; Doch war im Feuerstrom, der sich entband, Der Herr noch nicht. Drauf wieder tiefe Nacht, ein schweres Brüten, Das über allem Leben bange ruht, Und dann ein dumpfes Grollen und ein Wüten Der eingeschloßnen unterird'schen Glut. Die Erde bebt, es neigt erzitternd sich Des Berges Haupt, hinrollt sein Felsgewicht; Doch war im Beben, dumpf und schauerlich, Der Herr noch nicht. Stets geh'n voraus ihm furchtbare Gestalten, Und eh' er kommt, muß Schreckliches gescheh'n. Doch nach den Schrecken kam ein sanftes Walten, Es säuselte heran ein lindes Weh'n. Vortrat der Seher in der Höhle Thor, Sein Antlitz deckend mit dem Mantel zu, Da sprach's vor ihm: „Was stiegst hieher empor, Elias, du?“ Der Seher spricht: „Von seinem Geist getrieben, Hab' ich geeifert um Gott Zebaoth; Denn nicht ist Israel ihm treu geblieben, Und seinen Altar riß es hin mit Spott, Verlassen hat es seinen Bund, mit Schmach Erwürget die Propheten, daß nur ich Bin übrig blieben, und sie steh'n darnach, Zu tödten mich.“ Da spricht der Herr: „Nimm hin den Mut des Leuen Unb steig hinunter wieder in das Thal; Du sollst die Feinde meiner Macht nicht scheuen Und Kämpfer mir erwecken ohne Zahl. Mit dir mein Geist! Was deine Kraft berühret, Das soll gereinigt und geweiht mir sein, Wo deine Stimme hin ein Luftstrom führet, Das nenn' ich mein. Und Könige sollst du mir und Propheten Mit deinem Mahnruf heiligen zum Streit; Denn welche von mir ließen, will ich tödten, Ich bin der Herr, es ist erfüllt die Zeit. In Staub gestürzt wirst du die Götzen sehen, Und die dein Aug' den Götzen dienen sah. Auf! Sei nicht müd'! Denn also wird's geschehen.“ Und es geschah. Romanze vom Herzog Christian Das ist der Herzog Christian, Von großer Macht in Liliput. Der Liliputer Unterthan Nennt seinen Herzog absolut; Er dienet ihm mit Seel' und Leib, Christlich germanischen Gemütes, Frei von der Zeitbegriffe Wahn, Sich freu'nd mit Kegel, Kind und Weib Des Wachsthums fürstlichen Geblütes Und seines Herzogs Christian. Ein heilig Bündniß aber flicht Um den Altar sich her und Thron, Der Kammerherr, die Zofe spricht Vom Nutzen der Religion, Wie gottlos nur ein Proletar, Dem Atheismus hingegeben, Das Heilige zerwühlen kann; Das Volk merkt gleichfalls die Gefahr Und Christenpflicht zu widerstreben. Fromm ist sein Herzog Christian. Doch mit der Frömmigkeit gepart Ist das Bewußtsein seiner Macht. Er hält um seinen Thron geschart Des Liliputer Heeres Pracht. Es fürchtet, wenn sein Auge rollt, Und wenn er dräut mit seinen Brauen, In Liliput sich Mann für Mann. 's ist ein Gewitter, wenn er grollt. O! fürchterlich ist anzuschauen Im Zorn der Herzog Christian. Und nur der schlimme Proletar Läßt nicht von seinem argen Sinn; Er spinnt um Thron und um Altar Des Hochverrates Fäden hin. Hat der im Herzen einen Gott, Der abgeschworen seinem König, Betretend eigenwill'ge Bahn, Und der mit ganz verruchtem Spott „Versuchen wir es“, spricht, „ein wenig Auch ohne Herzog Christian?“ Ach! daß auch noch aus andrer Not Der gute Herzog schlaflos ist: Liebhaberei der Großmacht droht, Die Liliput, den Staat, umschließt. Wie muß man zu Gefallen sein Der Großmacht fürstlichem Geschlechte! Und welches Haus hat ältern Ahn? Sie sprachen gar, es sei zu klein, Vergessend legitime Rechte, Das Reich des Herzogs Christian. O kehrte doch die alte Zeit, O die zufriedene zurück! Denn diese Unzufriedenheit Bringt noch die Menschheit um ihr Glück. Bleibt Liliput nicht souverän, So geht die Welt aus ihren Angeln, So bricht die Anarchie sich Bahn, So ist's um die Cultur gescheh'n, So wird der Weltgeschichte mangeln Künftig ein Herzog Christian. Flucht aus der Heimat Schon spannt der Dampfer seine Kraft, Sein Rad greift prüfend in die Wogen, Des Schiffes Taue sind gestrafft, Und an dem Anker wird gezogen; Mich hinzutragen an das Schiff Schwimmt dort bewimpelt schon die Jölle; Mich ängstiget nicht Sturm noch Riff, Mich foltert dennoch eine Hölle. Bin ich ein Flüchtling, der entsprang Des Kerkers Grab und den Tyrannen, Was jauchz' ich denn nicht im Gesang, Trägt mich die Freiheit nun von dannen? Im Flugsand wurzelt mir der Fuß, Es liegt wie Stein mir auf dem Herzen; Ist es, weil ich verlassen muß Ein Land der Knechtschaft und der Schmerzen? Nicht, daß ich mit bewölktem Blick In unbekannte Fernen schaue, Es wird sich gründen ihr Geschick Die eig'ne Kraft, der ich vertraue. Das Reich der Freiheit sich erschließt, Die Segel steuern hin wie Schwäne; Ich weiß nicht, was in's Auge schießt Mir wider Willen eine Thräne. Ist es der Bach, die klare Flut, Der Berg mit seinen wilden Schluchten, Der Tannengrund, wo ich geruht, Das schöne Thal mit seinen Buchten? Ist es der theuren Mutter Gruft, Beschattet von den Trauerweiden? Ist es das Vaterhaus, die Luft Der Kindheit, was erschwert das Scheiden? Schon legt das Boot sich an den Strand; Es gilt die Heimat zu verlassen. Wolan; so stoß' ich ab vom Land; Ihm bleibt mein Lieben und mein Hassen. Und wie das Land die Woge küßt, Möcht' ich mit Armen es umspannen; Doch mit dem Landwind, der mich grüßt Zum letzten Mal, fahr' ich von dannen. Nicht sterben in der Nacht Auf Leichenhügel schaut der Mond herab; Wo Trommel und Trompetenruf gedröhnt, Da ist's nun stille. Hier ist Tod und Grab. Nur daß ein Sterbender bisweilen stöhnt, Nur daß gespensterhaft vorübersaust Das Nachtgevögel. Heute wird es satt; Denn gestern waltete des Todes Faust So mörd'risch, wie sie nicht gewaltet hat. Verwundet unter Todten lieg' ich hier, Den stillen Zeugen, wie geschwelgt die Wut. Die Brust des Feindes wird zum Kissen mir, Mich deckt sein Mantel, ha! getränkt von Blut. Wer sang mir's an der Wiege, daß ich ruh'n Bei Todten werde auf dem Feld der Schlacht, Hülflos, allein? Und soll ich sterben nun, O Gott! laß mich nicht sterben in der Nacht! Laß einmal deine Sonne noch mich sehn, Laß mich erblicken einmal noch den Tag, Ruf ihn, eh' ganz die Sinne mir vergehn, Empor, daß ich befriedigt sterben mag! Du warst der Herr und hieltest dein Gericht, Die Zwingherrn schlugst du mit gewalt'ger Hand, O laß mich noch in deiner Sonne Licht Erblicken mein befreites Vaterland! Laß mich nicht sterben in der tiefen Nacht, Hab' ich so manches Jahr zu dir gefleht; Nun hast du, Gott, dein großes Werk vollbracht, Ich hab's erlebt, erhört ist mein Gebet. Es ist verjüngt mein herrlich Volk erwacht, Das Auge blickt in eine neue Zeit, Der Freiheit Sonne strahlt, es sinkt die Nacht. Nimm meine Hand, o Tod, ich bin bereit. Ein Fluch Wir saßen abendlich beim kühlen Wein; Es schmolz das Eis, es lösten sich die Zungen, Sie ließen blicken sich in's Herz hinein. Da sprach er, von der Übermacht bezwungen Lebendigen Gefühls: Vernehmt den Fluch, Der meines Lebens Glück mir hat verschlungen. Ihr wißt, ich trug des Kaisers weißes Tuch, Ward Offizier, ein Jüngling leichten Blutes, Der Trommel folgt ich lieber als dem Buch. Doch in dem Feuer meines raschen Mutes Vergaß ich selbst des Dienstes Strenge nie, Ein Schelm nur, dacht' ich oft, ein Schuft nur thut es. Es stand ein Mann bei meiner Compagnie, Es waren Gränzer, meist gediente Leute; O daß ich ihm nicht sein Vergeh'n verzieh! Wie ich ihn damals sah, seh' ich ihn heute Noch immer vor mir. Es war ein Gefreiter, Ein wackrer Bursche, der mich oft erfreute, Mir treu ergeben war. Ich will nicht weiter Ihn rühmen; war ich doch so ganz verblendet. Er kam zu mir, sein Antlitz glänzend heiter, Und sprach: „Mein Hauptmann, einen Boten sendet Mein liebes Weib, die gestern mir gebar Mein erstes Kind, daß ihr mir Urlaub spendet, Daß ich sie küsse auf ihr Auge klar, Und daß in meinen Arm sie lege mir Das Kind. Ich kehre bald zu meiner Schar Zurück. Es sind acht Stunden nur von hier In unser Dorf. Ich will nicht lange weilen, Gewährt mir einen Tag zu sein bei ihr.“ „Es kann nicht sein und wär' es auch der Meilen Nur eine“, sprach ich. Er: „Versagt mir nicht Auf eine Stunde nur zu ihr zu eilen. Ich bin ein Mensch.“ — „Diß eben“, rief ich, „spricht Dir das Verbot. In eurem Dienst vergessen Sollt ihr gerade diß, verlangt die Pflicht.“ Er sah mich nochmals an. Ich sprach indessen: „Kein Wort! Nicht eine Silbe mehr, nicht eine!“ Da sah ich auf das Herz die Hand ihn pressen. Er ging. Doch bei des nächsten Morgens Scheine Nach der Verlesung war er weg. Es fiel Nicht auf, weshalb er nirgends wohl erscheine. Doch als der Tag sich neigte nun zum Ziel, Beim Zapfenstreiche sah man, daß er fehlte. Ihn fesselte der Trunk nicht, noch das Spiel; Was zu dem Ungehorsam ihn beseelte, Konnt' ich errathen. Mit dem eignen Munde Sagt' er's auch gleich und nichts er dran verhehlte. Fast athemlos kam er nach einer Stunde Und stellte sich. Er war, sein Weib zu sehen, Gelaufen hin und her gleich einem Hunde. Es war mir leid, ich darf es wohl gestehen, Daß ich den Urlaub ihm versagt und nun Bestrafung schien zu fordern sein Vergehen. Doch um der Disciplin genug zu thun Und der Gerechtigkeit, wie ich es nannte, Ließ sein Vergeh'n ich nicht auf sich beruh'n; Als es getagt, ich zum Profosen sandte. Doch wie nun dieser mit dem Stock trat ein, Da sah ich, wie den Mann es übermannte. In Thränen brach er aus. „Werft mich hinein In's Loch, in's finstre“, rief er. „Nur nicht schlagen!“ Ich aber wollte consequent mir sein. Er flehte: „Bei dem Schos, der euch getragen! Denkt eures Vaters, wenn er euch geliebt, Der Sorg' um euch in euren ersten Tagen! Gedenkt des Weibes, das euch Gott einst gibt!“ Ich aber hielt die Seele mir verschlossen; Sein Fleh'n war, wie wenn Laub im Wind zerstiebt. Ich ließ ihn binden und vor den Genossen Des Zelts ihn schlagen. Da in seinem Groll Hat wider mich den Fluch er ausgestoßen: „Und führst du's aus, machst du die Sünde voll, So sei verflucht, daß nie von Kindes Munde Dein Ohr den Vaternamen hören soll!“ Es war geschehen. Von derselben Stunde War still der Mann und stets in sich gekehrt, Und bald erkrankt unheilbar der Gesunde. Bleich, zum Gerippe war er abgezehrt; Entlassen schlich er heim an einem Stabe, Sein Leben raubt' ich, als ich ihn entehrt. Nach einem Jahre lag der Mann im Grabe. Ich aber, weil mir das Gewissen schlug, Hatt' insgeheim gesandt ihm manche Gabe. Nach ein'gen Jahren war ich satt genug Des Dienstes, nahm den Abschied, ging nach Hause, Ein liebes Weib ich bald am Herzen trug. Ich fühlte glücklich mich in meiner Klause; Und als mir war das erste Kind geboren, Bracht' auf mein Glück ein Hoch! ich aus beim Schmause. Des Mannes dacht' ich nicht mehr, der beschworen Den Fluch empor. Doch war erhört der Fluch Und mir und meinen Kindern unverloren. Drei Töchter wurden mir. Doch in dem Buch Des Schicksals war das Fluchwort eingeschrieben, Und furchtbar ward an mir erfüllt der Spruch. Wie Rosen blühten auf mir meine Lieben, In Liebreiz und in Unschuld ungestört, Doch alle Drei sind sie mir stumm geblieben. Den Vaternamen hab' ich nie gehört. Lieb und Leid Wem nie von Liebe Leid geschah, Geschah auch Lieb' von Liebe nie, Wer in der Lieb' nur Freude sah, Der kennt nur vom Erzälen sie, Wer nie erfuhr, daß Liebesschmerz Der Liebe Wonnen ist getraut, Deß Herz blieb ein vereinsamt Herz, Der hat den Himmel nie geschaut. In dieser Erdenwünsche Grab, In dieser Nichtigkeiten Gruft Steigt wie ein Bote sie herab, Gleich einer Stimme, die uns ruft, Gleich einem ahnungsreichen Klang, Der heimwehweckend uns umrauscht, Und welchem sehnsuchtsvoll und bang Die hingegebne Seele lauscht. O bittre Lust, o süßer Schmerz, Wenn sich hervor die Knospe drängt, Bis sich entfalten darf ihr Herz Und sie die Blütenhülle sprengt! O Harren, das nicht enden will, O Kampf und Mühen ohne Zahl, Und nach der Stunde, süß und still, Des Scheidekusses herbe Qual. O Lieb' und Leid, o Leid und Lieb', O Sehnsucht der gepreßten Brust! Bist du das Erbe, das uns blieb, Der ungetheilten Himmelslust? Weß Liebe nie durch Thränen sah, Deß Seelenblüte nie gedieh, Wem nie von Liebe Leid geschah, Geschah auch Lieb' von Liebe nie. Eisblumen Frostig über'm Schnee und Eise Dehnt sich aus die Winternacht, Sterne wandeln alte Gleise Und der Mond hält treue Wacht. Während, warm im weichen Bette, Wohl das Kind vom Frühling träumt, Wähnend, daß an grüner Stätte Manche prächt'ge Blume keimt, Huschen durch das nächt'ge Dunkel Wesen zart und schattengleich, Malen bei des Monds Gefunkel Blumen tausendfältig reich. Unter ihren eis'gen Küssen Regt sich's an den Scheiben schon, Und es keimen und erschließen Kelche weiß die Blüthenkron'. Zart und leicht wie Feenspuren, Schlingen sich die Zweige dicht, Wie Gespinnst aus Silberschnuren, Nur die Farbengluth gebricht. Wenn jedoch der Sonne Strahlen Wecken aus dem Schlaf das Kind, Und die Blumen goldig malen, Die der Nacht erwachsen sind, Dann erglänzt im Demantschimmer Strahlend hell der Blumen Pracht, Und es ziert das traute Zimmer Nun das Eisgebild der Nacht. Und dem Kind sind sie ein Zeichen, Pfand, daß sich der Lenz erneut, Daß, wenn erst die Stürme weichen, Mai die schönsten Blüthen streut. Das Lied, das meine Mutter sang Früh von der Heimath mußt ich wandern, Vom Elternhause lieb und traut; Mich trieb's von einem Ort zum andern, Ich hörte fremder Sprachen Laut: Doch in des Lebens regem Treiben, Das seine Fesseln um mich schlang, Wird mir vor Allem theuer bleiben, Das Lied, das meine Mutter sang! Wenn ich als Kind, des Spielens müde, Mich wandte nach der Mutter Schooß, Und ich beruhigt von dem Liede Nun sorglos meine Augen schloß, Dann fühlt' ich, wie die schlichte Weise Mir mächtig tief in's Herze drang: So wirkt kein Lied, ob laut, ob leise, Wie's Lied, das meine Mutter sang! Lausch ich seither im Geist dem Liede, Löst es mir jede herbe Pein, Und stille Wehmuth, tiefer Friede Zieht dann in meine Seele ein. Wie oft, wenn ich in trüben Stunden Gekämpft mit Sorgen schwer und bang, Hab Trost und Ruhe ich gefunden Im Lied, das meine Mutter sang! So mög' es ferner mich umschweben Auf meines Daseins Wanderpfad, Bis einst das mühevolle Leben Den Abschluß hier gefunden hat. Schließ dann die Augen ich, die müden, — Kein Trauerchor, kein Glockenklang! Singt mir als letztes Lied hienieden Das Lied, das meine Mutter sang! Am Meeresstrande! Schaumumkränzet, Sonnbeglänzet, Dehnt sich weit der Uferrand! Sieh die Welle, Wie sie schnelle Naht und plätschernd spült am Strand. Rastlos eilend, Nimmer weilend, Rollend, tollend aus und ein, Daß zerstieben, Hüben, drüben Well' auf Wellen am Gestein! Segel schweifen, Lichte Streifen, An dem Horizonte fliehn: In die Ferne, Ach, wie gerne Zög' mit ihnen ich dahin! Sturmgeheget, Wild erreget, Hehr, o Meer, ist deine Pracht! Ich doch schaue Gern in's blaue Morgenspiel bei stiller Nacht: Sterne neigen Dann zum Reigen Sich und senken mild den Blick, Und es blinket Dann und winket Leuchtend in das Meer zurück. Schneeglöckchen Tief unterm Schnee Dem Licht versteckt, Schläft Schneeglöcklein, Bis Lenz es weckt — Dann schmückt sich's schnell Mit grünem Kleid, Die Glöcklein licht Hält es bereit. Und läutet laut Den Frühling ein, Verkündet rings Den Sonnenschein. Und bei dem Klang Der Glöcklein weiß Zergehet bald Die Decke Eis. — Die Erde grünt, Die Sonne glüht, Und Frühling wird's Auch im Gemüth! Sei mir gegrüßt O Schneeglöcklein, Bote von Lenz Und Sonnenschein! Ob Schnee dich küßt, Dich Eis bedeckt, 's ist Lenzeswehn, Was dich erweckt! Wenn draußen Blüh'n Und Sonnenschein, Im Herzen auch Wird's Frühling sein! Der Friedhof Gegrüßt sei, o schatt'ger, stiller Hain, Wo Nachtigallen Schmerzenslieder schlagen, Wo Geister seufzend in die Tiefen klagen, Die Weide trauernd hängt am Marmorstein — Leis' tritt dort ein! Du Hof des Friedens, Land der stillen Ruh! Wenn lang genug das Menschenherz gelitten, Wenn es mit Stürmen aller Art gestritten, Trägt man es deinen grünen Matten zu — Dort ist die Ruh! Dort ruht so manches wildbewegte Herz! Dort schläft der Wunsch, und ach, so manche Klage, So manches Aug', das einst sah schön're Tage, So mancher Mund umspielt vom heitern Scherz, Manch herber Schmerz! So manche Hoffnung sank in's frühe Grab! Und Blumen nur entsprießen jenem Hügel, Es drückt der Tod sein unerbittlich Siegel So Manchem auf, den Seligkeit umgab — Er mußt' hinab! Dort ruht die Freude, dort auch schläft das Weh', So manche Lippen ruhen dort geschlossen, Die nie ein Strahl des Glückes hat umflossen, Sie sehnten sich aus bitterm Erdenweh' Zur Himmelshöh'! Dort liegt die Braut, frisch in der Jugend Glanz Wollt' eben sie zum Traualtare treten, Da naht der Todesengel ungebeten Und reicht statt Myrthen ihr den Todtenkranz Im Silberglanz! So manches Kind schläft dort in dunkler Nacht, Das stolz die Mutter auf dem Arm geschaukelt, Das Lieb und Freude lächelnd nur umgaukelt, Das kosend nur umgab des Glückes Pracht! Es schlummert sacht! So manch ein Herz schläft in dem ew'gen Raum! Dort schlummern Eltern, Schwestern, Freunde, Brüder, So manche Thräne rieselt dort hernieder, Begraben liegt wohl mancher schöne Traum Im engen Raum! O Hof des Friedens! Manch ein ernster Chor Zieht stumm hinaus zu deinen grünen Matten, Zu deinen Gräbern — deinen kühlen Schatten Blickt manch ein Aug' verhüllt vom Trauerflor. O sieh' empor! Das dunkle Grab hält deinen Liebling nicht! Es schwebt der Geist hinauf in blaue Fernen, Hinauf, hinaus zu Milliarden Sternen, Wo alles Duft und Glanz und Gluth und Licht! Verzage nicht! Des blinden Mädchens Klage Ich weine nicht, weil mir verhüllet Des Lenzes Grün, der Blumen Pracht, Weil nie mein Aug' die Welt erblicket, Die Andern hell entgegenlacht! — Ich klage nicht, daß mir verborgen Der Schönheit Strahl, der Sonne Licht, Daß aller Glanz der schönen Erde Mir dunkel nur — das ist es nicht! Nicht, daß der hohen Berge Gipfel, Des wilden Oceans weißer Schaum, Des Meeres sturmgepeitschte Wogen Dem blinden Mädchen nur ein Traum — Daß jener sternbesäete Himmel, Des Mondes leuchtendes Gesicht, Des Regenbogens bunte Farben Mir dunkel nur — das ist es nicht Man sagt mir, daß die schönsten Blumen, Die je im Sonnenglanz erglüht, Nicht die sind, deren duft'ger Odem Mich nieder zu den Blüthen zieht — Und jener Vogel in dem Walde, Der jubelnd in den Zweigen sitzt, Ist nicht der, dessen bunt Gefieder In wunderbaren Farben blitzt. Mein kleiner Bruder fährt mich sorgend An sich'rer Hand, auf's Feld hinaus — Und jene blauen, duft'gen Veilchen, Die windet er zum schönsten Strauß. Und heimgekehret, auf der Schwelle, Fühl' ich der Mutter Liebe schon, Es athmet Lieb' in ihrer Nähe, Aus jedem Worte, jedem Ton! Wenn mich des Vaters Arm umschlinget Und fest an seine Brust mich zieht, Sein Liebstes mich auf Erden nennet, Was ist's, das dann das Herz durchglüht? — Oh, könnt' ich einmal dann zersprengen Der blinden Augen düstre Nacht, Und jubelnd all die Liebe sehen, Die glücklich mich — und traurig macht! Du meinst, ich sei für die Liebe ... Du meinst, ich sei für die Liebe zu rauh, Zu wetterhart sei die Rinde, — Die rauhe Stachel-Akazie, schau', Trägt Blätter weich und linde. Du meinst, ich sei zu stürmisch, zu wild, — Zwar macht den Schiffer bangen Der Sturm, doch kann er als Lüftchen mild Umspielen Deine Wangen! Du tadelst mich noch gar mannigfalt, Und machst mir böse Mienen, — Kind, nach dem April ist noch immer bald Der holde Mai erschienen! Festevangelium In lauer duft'ger Maiennacht Da predigen alle Zweige, Da geh Du still und habe Acht, Und was Du hörst, verschweige! Es wehen leise, wie im Traum, Die Blüthen hin und wieder Vom niedern Strauch, vom hohen Baum In das thauige Gras hernieder. Der Himmel auch in Blüthen steht, Seeblumen sind die Sterne, Und manches Blumenblättchen weht Zur Erde sacht von ferne. Ein Flüstern und ein Schauern webt In den laubigen Domeshallen, Das Blatt, ein scheuer Redner, bebt, Die Blumen lispeln, lallen: „Um Pfingsten wird der heilige Geist In die weite Welt ergossen, Lag wo ein Keim verweht, verwaist, Nun fängt er an zu sprossen! Wo sich ein Halm, ein Blättchen regt, Da ist das Wort erklungen, So viel ein Baum an Blättern trägt, So viele trägt er Zungen! Die Jünger, die der Herr berief, Sie predigen aller Orten, Im Norden hoch, im Süden tief, O lausche ihren Worten! Sie reden mit fremdem Zungenlaut, Keins kann das Andre gewahren, Des Menschen Seele nur erschaut Und begreift, was sie offenbaren!“ Winter Die Blumen sind gestorben, Es kam der Winter leis', Der stille Todtengräber Begrub sie in Schnee und Eis. Seitdem ist es gar stille, Kein Gräslein regt sich mehr, Es fallen weiße Flocken, Und alles schläft umher. Stilles Scheiden Ich weiß, sie kam durch die Augen, Sie stieg durch die Fenster in's Haus: Die junge singende Liebe. Wo aber schlich sie hinaus? Kein Wort im Sturme geflügelt Trug von den Lippen sie wild, Und keine Thräne des Kummers Hat aus der Brust sie gespült. Sie muß durch die offene Thüre Wohl heimlich gegangen sein, Da ihre lachende Schwester Mir sprang in's Herz hinein. Im Burghof Steht ein blonder Knab' im Burghof, Hält am Zaum ein Rößlein schlank, Steigt so hoch und stolz das Rößlein, Schaut der Knab' so blaß und krank. Rößlein, Rößlein, weißes Rößlein, Wenn sie jetzo niedersteigt, O, ich weiß, wem von uns Beiden Sich ihr holdes Antlitz neigt. Und dann halt' ich ihr den Bügel, Und es glüht mein Angesicht, Und sie streichelt deinen Nacken — Meine Hand berührt sie nicht. Weißes Rößlein, weißes Rößlein, Hab' dich treulich doch gepflegt, Hab' genährt dich und gewartet, Hab' bewacht dich und gehegt; Wenn sie wieder mit dir spielet, Schau' nur einmal nach mir hin, Daß ihr Aug', dem deinen folgend, Sieht wie blaß und krank ich bin. Der Thorwart „Wer pocht?“ Der Wächter am Thor erwacht, „Wer bist du draußen in Wetter und Nacht?“ „Thu' auf, o Thorwart, es regnet so sehr, Komm weiten Weg's durch die Felder her, Und bin ein armes, verlaufenes Kind Mutterseelenallein in Wetter und Wind.“ „Und warst du nicht da, als das Thor ich schloß, Sei der Wolf jetzt im Felde dein Schlafgenoss', Ich thu' zu dieser nachtschlafenden Zeit Nicht auf und poch'st du in Ewigkeit.“ Und grollend schlummert er wieder ein — Der Regen draußen tropft auf's Gestein, Und der Wind im Felde bricht Strauch und Baum, Da pocht's ihn wieder aus Schlaf und Traum. „Thu' auf, o Thorwart, thu' auf, thu' auf! Mir schwanken die müden Füße vom Lauf, Bin wiedergekommen, denn weit und breit Kein Weg, kein Steg in der schaurigen Haid'.“ „Und kamst du und liefst dich heiß durch die Nacht, So gehe zurück jetzt bedächtig und sacht, Ich schließ' nicht mehr auf und wacht' ich am Thor Des Himmels und stünd' deine Seele davor.“ Und wie er geschworen und wie er geflucht, Der Schlaf sein Augenlid wieder sucht, Und draußen der Regen lautströmend fällt, Und der heulende Wind durchstöbert das Feld. Da horch, zum dritten, es täuscht ihn nicht, Ein Stimmlein draußen am Thore spricht: „Ich bin es, Thorwart, die Nacht war so kalt, Es regnete rings auf Haide und Hald', Und war nur ein Kind und du ließ'st mich nicht ein, Da bin ich geworden ein Engelein. Und bin nun gekommen auf Gottes Gebot, Zu pochen, zu pochen dir deinen Tod!“ Herzensjubel Was pocht mir an's Herz, was klingt mir im Ohr, Was läutet in meinen Gedanken, Was tastet und blühet an mir empor Wie spielend umschlingende Ranken? Es singt mit den Vögeln in Lüften hell, Es kommt mit dem Winde gezogen, Es hüpft und tanzt auf dem Wiesenquell, Es schifft auf den blauen Wogen. Ich glaube, ich glaube, das Glück, das Glück Ist der Haft des Himmels entronnen Und tanzt und singt auf der Wanderschaft Im fröhlichen Lichte der Sonnen. Und wer es hört singen den Weg entlang, Dem blühen die Thäler und Hügel, Und wen es thut streifen auf seinem Gang, Dem regen im Herzen sich Flügel. O, wer es zu greifen, zu fangen verständ', Und wer es dann wüßte zu halten In tiefer verschwiegener Brust und fromm Die Hände darüber zu falten! Weißdornbüschlein Helles Büschlein am grünen Rain, Glänzend von Blättern und Blüthen, Sommerlüfte und Sonnenschein Mögen dich treulich hüten! Wie so stille in deinem Schoos Zwischen der Dornen Spitzen Neugeboren im weichen Moos Schlafende Vöglein sitzen! Nacktes Häuflein, in Schlummer und Traum! Leben, so zärtlich gewoben! Hüpfender Athem, keimender Flaum Köpfchen, so bittend gehoben! Öffnet euch leise und duftet lind, Wonneheimliche Zweige, Daß mit klopfendem Herz mein Kind Wundernd hinab sich neige. Dann um's Büschlein am grünen Rain, Glänzend von Blättern und Blüthen, Lagert euch, Lüfte und Sonnenschein, Treu es zu schützen, zu hüten. Das Geheimniß Bin nachgegangen eines Knaben Wegen; Ich sah ihn frisch hinaus zum Dorfe hüpfen, Dann sacht und leis zu einem Busche schlüpfen Und drüberhin geheimnißvoll sich legen. Und wie erfahrne Mutterhände pflegen Der Schlummernden Gewande loszuknüpfen, Sah ich ihn hutsam das Gezweige lüpfen, Luststrahlend dann zusammen wieder legen: „Laßt von des Feldes ängstendem Gewimmel, Laßt von dem Kukuk diesem lieben Ort, Ihr Engel droben, Böses nicht geschehen!“ So bittend ging der sel'ge Knabe fort; — Im Busche herzerquickend war zu sehen Ein Nest mit Eilein, blau wie klarer Himmel. Sonnenwende Es hat die Sonne im Glutenkranz Den höchsten Himmel erstiegen, Die Auen im Tausendfarbenglanz Und grünend die Berge liegen. Hoch quillt die trunkene Erde jetzt Von schaffendem Leben über; Wär' ihrem Blühen kein Ziel gesetzt, Sie thäte noch Vieles drüber. Es rühret der Wald so voll, so weich Wie eine Jungfrau, die Glieder, Die Welt durchtönet ein ganzes Reich Unsagbar mächtiger Lieder; Und höher immer die Sänger reißt Des eigenen Liedes Klingen, Als wollten sie, voll vom tiefsten Geist, Ihr Herz in die Lüfte singen. Aufwogen in hoher Mittagsflut Die glüh'nden, sprühenden Rosen: Wer dächte zurück bei solcher Glut An der Veilchen schüchternes Kosen? Es streckt, was heute auf Erden lebt, Zum Lichte die höchsten Ranken, Und zwischen Erde und Himmel schwebt Der Mensch mit den frohen Gedanken: Dein ist, o Seele, dieß Wonnemeer Und all die unendlichen Räume! Dein ist der Frühling, so blüthenschwer, Und die irdisch-himmlischen Träume: Und ewiges Grün und unendliches Blau Wird Erde und Himmel dir färben, Und irdische Blüthe und himmlischer Thau Läßt nie deine Jugend sterben! — Stärk', heilige Sonne, mir diesen Traum, Eh' du dem Abend begegnest, Und eh' du anderer Lande Saum, Rückwandelnde, wieder segnest! Laß nicht dein liebendes Kind nach dir Ausstrecken die Hand vergebens, Und halte, du Ewige, von mir Die Sonnenwende des Lebens, Wo die Erde umher so seltsam schweigt, An des Baches verblühten Borden Die Seele ihr Antlitz wundernd neigt, Wie 's schon so stille geworden. — So lang mir der Scheitel von Rosen glänzt, Und in vollen, goldenen Güssen Der Lieblichsten Haar mein Haupt umkränzt Unter warmen, lebendigen Küssen; Im Maien des Lebens laß mich schon Um die Krone des Liedes werben, Und eh' ich gesungen den letzten Ton, Am duftigen Morgen sterben! Das Lied der Zukunft „Wirf deine Harfe an den Stein! Zerreiß die Saiten deiner Leyer! Die Welt von heute ist gemein, Unwürdig einer Liedesfeier; Vom Himmel riß man längst den Gott, Den sonst verherrlichte der Glaube, Und Treu' und Liebe sind ein Spott, Ein Spott der Kranz von Eichenlaube. Denkst du des Lebens Dürftigkeit, Die längstbeklagte, zu beklagen, Und bei den Götzen dieser Zeit Nach feilem Dienste umzufragen? Willst du der Vorzeit Sinn und Art Erneu'n im Zauber des Gesanges, Und an der schnöden Gegenwart Dich rächen mit der Macht des Klanges?“ So spricht die Welt, für die du sangst, Getreues Lied, in deinem Glauben, So spricht die hoffnungslose Angst Und will dir Muth und Zukunft rauben — Und gräbt sich selber ihre Gruft; Auf, wappne dich, du Macht der Lieder, Schwing deine Harfe in die Luft, Und Muth und Glaube leben wieder. Wohl sind's der Klagelieder g'nug, Genug der Poesie'n des Zornes, Doch einen neuen, vollen Zug Wag' aus dem Quell des Liederbornes; Dem trägen Heute laß den Lauf, Und laß sie ruhn, die gestern starben, Schon glühn am Morgenhimmel auf Der Zukunft lebensfrische Farben. Dort klingt's wie Frühlingswellenschlag, Dem starren Winterschlaf zu Leide, Dort weben Geister Nacht und Tag Der Zeit an einem neuen Kleide; Es rauschet, wie ein kühn Gedicht, Das frische Kleid von frischem Leben: Auf, Liederlust, und säume nicht, Auch deine Lieder drein zu weben. Und Freiheit heißt das neue Kleid, Und Recht und Liebe seine Säume; Die ihr verzagt und traurig seid, Seht's wallen durch des Himmels Räume, Und glaubt, es kommt ein Tag heran, Da sich ein Mann, ein Held bereitet, Der, mit dem Kleide angethan, Erlösend durch die Lande schreitet. Der eilt im Sturm dem Siege zu, Zu dem wird jedes Herz sich neigen, Und hat die Erde Fried' und Ruh', Wird er herab zum Volke steigen. Der sei's, ihr Lieder, den ihr preist, Dem laßt der Hoffnung Chöre schallen, Und vor dem Gott, den ihr verheißt, Die Menschheit gläubig niederfallen. O hehrer Preis und Ruhmesglanz, Den ihr in solchem Dienst ersungen! O unverwelklich schöner Kranz, Den ihr um solch ein Haupt geschlungen! Der Sänger stirbt, das Lied verschwebt, Und rasch verklingen die Gedichte: Doch ein unsterblich Leben lebt Ihr Geist im Strome der Geschichte! Todtentanz Zu Basel, wo die fromme Schaar Nicht leiden mag des Tanzes Geigen, Kreist doch schon an dreihundert Jahr, Von aller Welt besucht, ein Reigen; Ein sichrer Spielmann führt den Chor, Läßt Trommel nicht, noch Fiedel schonen, Den überlustigen Humor Der tollen Tänzer zu belohnen. Und wen der Taumel hat gepackt, Den läßt er nimmer aus dem Kreise: Der Tod ist's, der regiert den Takt Und aufspielt immer neue Weise. Manch nie gekanntes Instrument Zieht er aus seinem Arsenale, Der Tänzer rast, die Sohle brennt Und thut den Dienst zum letztenmale. So schuf mit kecker Phantasei Ein deutscher Meister in den Farben Des Todtentanzes Conterfei, Drauf Könige und Bettler starben; Doch unbewußt hineingemalt Hat er ein Stück vom eignen Leben, Mit siebenfachem Tod bezahlt, Was Großes ihm die Kunst gegeben. Nur sie, die zwischen Glut und Schnee Des Süds und Nordens ist entsprungen, Nur deutsche Kunst weiß von dem Weh, Das in dem Musenkranz bedungen: Mit vorgeneigtem Angesicht Der Zukunftsahnung nachzuhängen, Um mit des ganzen Manns Gewicht Sich dem Verhängniß zuzudrängen. Wie treibt den Meister, zu entflieh'n Der Heimath seines Todtentanzes, Rheinabwärts ein gewaltig Zieh'n, Ein Zieh'n des jungen Künstlerkranzes, Hinab zu Englands Majestät, Wo in des achten Heinrichs Glanze Ihn lockt ein zwingender Magnet Zu einem neuen Todtentanze! Wie hat die Meisterhand gebrannt, Was von den reizendsten Gestalten Das stolze England sein genannt Im Glanz der Farben festzuhalten! Wie stürmt des Königs wilde Glut Beim Reize der gemalten Leiber, Zu jagen auf lebendig Blut Durch's ganze Alphabet der Weiber! Wenn von der Hand der Kunst geschmückt Der Schönheit Blüthen voller wallen, Da liebt die Wollust, wuthverzückt, Die Beute heißer anzufallen; Daß sie den Künstler glühen macht, Läßt süßer ihre Reize sprechen, Und nach der ersten Liebesnacht Das rührende Gefäß zerbrechen. Und rasch genossen, rasch verkannt Der schönsten Königinnen Liebe! Enthauptet die, und die verbannt, Und immer, immer neue Triebe, Und immer neue Liebeswuth, Gepaart mit eines Tigers Zähnen, Und immer neue Farbenglut Des Malers, heiß von seinen Thränen! Geschmiedet an des Wüthrichs Gunst, Ein rarer Sklave seiner Lüste, Entwirft des seltnen Pinsels Kunst Nur Gallerie'n der Blutgerüste. Verhundertfachte Todesqual: Am warmen, heut gemalten Nacken Vorauszuseh'n das Wundenmal, Wo morgen ihn die Henker packen! In jedem Pinselzuge schon Zu seh'n des jungen Blutes Fließen, Wie durch der Farben wärmsten Ton Des Todes kalte Striemen fließen! Sieh, sieh die blutig scharfe Spur Um Anna Boleyn's Hals gezogen! — Und weder Farbe noch Lasur Hat jenen Fleck hinweggelogen. Drangst, Meisterseele, du so tief, Daß du das unverwischte Zeichen, Das um der Mutter Nacken lief, Hinab zur Tochter sahest reichen, Die sich den schicksalvollen Streif So tief in's Herz gewußt zu prägen, Um einst den gleichen Todesreif Der Stuart um den Hals zu legen? — Und Eine hast zum Todesgang, Arm Künstlerherz, du weihen müssen, Sie, deren Liebereiz dich zwang, Den Saum des Kleides ihr zu küssen: Als Katharina Howard sank, Die du in tiefster Brust getragen, Da sahst du, deiner Kunst zu Dank, Auch deine Liebe mit erschlagen. — Der Maler krank; der König sonnt Sich an des Alters welken Strahlen: „Wir Beiden haben's halt gekonnt, Das Lieben mein' ich und das Malen; Und alle, alle waren schön, Kath'rinen, Annen und Johannen, Und alle — hörst du? — waren schön, Und alle giengen früh von dannen!“ — Der König todt; der Maler alt; Zu Grab gebeugt bei Leibesleben, Und siebenfältig ist bezahlt, Was Großes ihm die Kunst gegeben: Daß ihm die Pest die Seele brach, Ich könnt's zu sagen fast ersparen, Denn schon im Leben hundertfach Hat er des Todes Graus erfahren. Das ist des Tanzes Conterfei, Darauf die Königinnen starben, So traf des Schicksals Phantasei Den deutschen Meister in den Farben; Das war der tiefe Zug und Drang In jenes jungen Künstlers Kranze, Den's früh vorauszudichten zwang Sein Loos im Basler Todtentanze. Um die dritte Stunde Die dritte Stunde Nachmittags Das ist die müde Stunde, Es geht das Zittern ihres Schlags Wie Lähmung in die Runde. Da liegt sie stumm, die heiße Welt, Verschmachtet und begraben; Der Glutengott alleine hält Die Fackel noch erhaben. Wie Wüstenodem tödtlich drückt Sein schwüles Reich die Matten, Und von des Thurmes Kuppel bückt Sich welk der müde Schatten. Verlechzend ist auf dürrem Moos Das Flurgeräusch entschlafen, Die Welle schlurft gedankenlos Um's träge Schiff im Hafen. Wie ein erschlagner Riese schweigt Die glühe Felsenflanke; Im Menschenhaupt hat sich geneigt Zum Schlummer der Gedanke. Kein Laut ergeht, kein Hauch, kein Lied Gibt noch von Leben Kunde, Als ob der Erdengeist verschied Um diese dürre Stunde, Die von des Mittags stolzen Höh'n So fern ist abgefallen, Wie von des Abends Lustgetön Und seinen Nachtigallen. Der Brückengeist Nun sitz' ich wie viel Jahr und Tag Schon unter dieser Brücken! Und nur ein Geist von meinem Schlag Hält aus das lange Bücken. Die Balken drücken sich die Hand Unter den alten Jochen Und halten sie in Rand und Band Als wie Urväterknochen. Manchmal verlangte mich's hinauf Zum Waideroß in's Wilde, Manchmal mit dieser Wellen Lauf Hinab ans Meergefilde; Dann sprach ich: Schlag dir's in den Wind, Du Stirne mit den Falten, Und sieh dein eigen Hausgesind Umher sein Wesen halten: Den Trupp der Fische, groß und klein, Die goldhell feuchten Augen, Wie den gekühlten Sonnenschein Vom Wassergrund sie saugen; Das schwüle Menschenangesicht In Sommergluten droben, Das froh sich abkehrt von dem Licht, Um deine Flut zu loben. Ein ganzes Reich umgibt dich hier Mit allen Ufersaßen, Die Wasservögel fangen dir Die Mücken von der Nasen; Wird dir die Zeit am Tag zu lang, Die Welle gluckst und brodelt, Und willst du einen Schlafgesang, Das Nachtgevögel jodelt. Dann sieh dir beide Ufer an, Wie sie herab sich senken. Und ewig keins zum andern kann, Es ist nicht auszudenken; Den ganzen Weltentaumel sieh, Das Drängen und das Wühlen, Den Uferblumen Hüft' und Knie Mit weichem Druck zu fühlen. Und wenn die Schaar der Mädchen husch Im Bad sich duckt mit Lachen, Dann heiß verschwiegen sein den Busch Und zu die Augen machen; Doch öffne sie dem Burschen da, Dem nichts bei uns will taugen, Dem nachweint bis Amerika Ein Paar der treusten Augen. Denn alle spiegelt ab die Flut, Die ob der Brücke jagen, Den Frieden mit dem Erntehut, Den Krieg mit Roß und Wagen, Und alle, die in Hast und Schweiß, Hinüber, herüber sausen, Weil keins daheim zu Haus sich weiß Und keins zu Haus da draußen. Ström zu, du fahrendes Getreib Nach drüben und nach hüben! Ich lobe mir das Bettelweib Am andern Ende drüben, Seh' ihre Hände, welk und kalt, Herab am Stabe hangen, Wie in das Wasser, braun und alt, Baumwurzeln niederlangen. Sie denkt nur Eins, das Erst' und Letzt', Den Posten festzuhalten, Wie meine Stärke einst und jetzt Ich selber hab' im Alten; Sie läßt das Zeug vorübergeh'n, Dazu hat man die Brücken — Und bleibt; so lass' ich's auch gescheh'n Und trag's auf meinem Rücken. Beim letzten Eisgang ist es schier Zu unverschämt gekommen Und hat die linke Hüfte mir Bedenklich mitgenommen; Noch einmal so, dann ist's verspielt, Dann, Brücklein, munter, munter Mit sammt dem Geist, der lang dich hielt, Zum großen Bach hinunter. An den Tod Kling' an, Gesell, auf du und du, Und munter eingeschlagen! Ich kam so lange nicht dazu, Dir Freundschaft anzutragen. Was soll das Fremd- und Fernesteh'n! So mag ich's nimmer treiben; Auf du und du! nun ist's gescheh'n, Und so soll's ehrlich bleiben. Wohl hört' ich deine Rüstung oft Ob meinem Scheitel rauschen, Sah deinen Schatten unverhofft Bei meinen Rosen lauschen; Und wenn bei Küssen mich beschlich Ein Traum von Ewigkeiten, Er rief mir zu: Denk' auch an mich, Ich hol' mein Theil beizeiten. Doch wie ein Jäger in den Wald Auf fernem Pfad verschwindet, Erlosch mir dein Gedächtniß bald, Wo du dich angekündet; Seit heute aber, da ich dir So nah' mich angedrungen, Sei dein Gedanke friedlich mir In Alles einbedungen. Du seist ein alter Feind des Lichts, So wollen Viele meinen, Und Andre auch, du seist das Nichts Und mögest nur verneinen; Ich sage: du bist treu und klar, Drum hab' ich dich erlesen, Die Wahrheit machst du offenbar Und scheidest Schein und Wesen. Vergängliches, wie sich gebührt, Das lässest du verderben, Hast nie Unsterbliches berührt, Wo du verhängt ein Sterben; Und streifst du ab den Erdenkranz Von einem Menschenleben, Du thust's, um in den Götterglanz Sein Ewiges zu heben. Jetzt kommst du wie im Heldengang Heran auf schnellen Wagen, Jetzt wie ein lichter Traumgesang, Vom Abendroth getragen; So tratst du ein auf leiser Spur, Als mir dir Braut gestorben; Die dich verkennen, haben nur Dein reines Bild verdorben. Wie wirst du mich, in welcher Nacht Zum letzten Schlafe legen? Am liebsten komm' in einer Schlacht Zu meines Volkes Segen; Komm' wie des Weltgeschickes Rad, Mich plötzlich zu zermalmen. Sie liegen schön gemäht am Pfad, Die reifen Erntehalmen. Des Griechen Schierlingsbecher quillt Den Weisen nur zu Ehren, Die du wie Helden zieren willt, Den darf ich nicht begehren; Wie Nebel am Gebirge, sieh, So laß mich auch verschwinden; Doch komme wann du willst und wie, Du sollst mich freundlich finden. Rosamunde Wie sitzest du da so versunken, bleich? Fürst Alboin hält dir ein Mahl so reich, Wie glänzt es von Schildern und Lichtern! Ein Schädel vor ihm in Gold gefaßt, Den füllt er mit Weine, den schwingt er mit Hast Vor den wilden Lombardengesichtern: „Schön Rosamund, siehst du, den hab' ich traun Aus einem Gepidenkopf gehau'n, Den der König, dein Vater, getragen, Den füll' ich mit Weine, so roth wie Blut, Den trink' ich mir selbst und dem Arm zu gut, Der dein Volk sammt dem König erschlagen.“ „Und wenn der Lombardenkönig trinkt, Longobardenschwerter, so tönt und klingt!“ Und die Schwerter klingen und tönen. „Und den andern, den trink' ich schön Rosamund, Den leer' ich, ihr Krieger, bis auf den Grund Eurer Fürstin, der Stolzen und Schönen.“ Und die Schwerter klingen zum andernmal, Wie Gewitterodem erfüllt's den Saal: „Und wer trinkt den Becher zum dritten? Den leerst du selber, o Königin gut, Aus welchem gezeuget dein Hirn und Blut, Es rettet kein Zittern und Bitten.“ „Der König bist du, mein Gehorsam blind; Doch sag', was geziemt dem Gepidenkind, Dem Ehr' und Krone gebrochen? Die Geraubte bin ich, der Räuber du, Der Erschlagenen Geistern trink' ich zu — Und hörst an der Thür du sie pochen?“ Und sie faßt den Becher zum andernmal, Wie Wetterleuchten durchzuckt den Saal Ihres schrecklichen Auges Blitzen, Auf springt die Flammende, zornverschönt: „Das trink' ich dir selbst, der mein Blut gehöhnt!“ Auf springt das Gelag von den Sitzen. „Kein süßeres Bild, als ein zürnendes Weib! Im Schlafgemach, komm, den lockenden Leib Will ich zähmen, es rettet kein Bitten!“ Aus dem Saal ist gestoben des Festes Pracht; Doch Einer kommt durch der Gänge Nacht Wie ein lauschender Schatten geschritten. Aus der Berge Kammern der Donnerhall, Von des Tigers Lager ein Sprung — ein Fall, Kommt so an das Ohr gedrungen, Wie vom Schlafgemach jetzt ein Schwerthieb klang, Ein erstickter Schrei durch die Halle drang, Von schütterndem Fall verschlungen. Und ein dumpfes Röcheln, dann todtenstill — „Auf, Helmichis, auf, wer die Königin will, Es warten die schnaubenden Pferde, Die Freiheit harrt in Ravenna's Schloß, Zur Eile, liebender Fluchtgenoß, Hinaus durch die nächtliche Erde.“ Und sie spricht zu ihm in Ravenna's Palast: „Wohl fühl' ich, zärtlicher Reisegast, Vor'm Manne tödtlich Entsetzen; Doch weil du den König mir umgebracht, So harre des schönsten Lohns die Nacht, Nur laß uns ein Mahl erst letzen.“ Sie reicht ihm den Becher, der Trank ist kühl, Da wird dem Manne so todesschwül, Es schleicht ihm an's Herz wie Sterben. „Und bist du nicht auch ein Lombardensohn? So nimm wie dein König den Dank und Hohn, Verderben ist Losung, Verderben.“ Da faßt er den Becher mit krampfiger Hand Und drängt mit dem Rest ihr des Bechers Rand An den Mund und das Schwert an die Kehle: „Hinab die Neige, du Mörderin, Daß ich nicht allein in der Hölle bin!“ Und sie trinkt mit frohlockender Seele: „Des Sterbens lach' ich, was ist's für Noth? Dem sein Volk erschlagen, was heißt ihm Tod, Du Sprößling der raubenden Horden Der Becher ist aus und mein Blut gerinnt, Die Wölfe sind los und den Reigen beginnt Das Völker- und Fürstenmorden.“ Nur noch einmal Ja, ein einzigmal noch möcht' ich Barfuß, nur in Hemd und Hose, Wie zur Knabenzeit, im Walde Sommerlange Nachmittage Dürres Holz zu Haufen lesen. Ach wie süß bei jedem Stecken War's, des dürren Brods zu denken, Und der Milch, der wäss'rig sauren, Welche auf den Reisigträger Abends wartete zu Hause! Aber schöner, Vieles schöner War es, daß bei jedem Bücken Ob dem Sammler hoch im Eichbaum Hing der kleine Weidenzeisig, Und im warmen Rain sein Weibchen Unter ihm am Waldesboden, Nur von dürrem Laub und Halmen Und von einem weichen Büschel Waldgras deckend überhangen, Wie ein Öfelein sein kleines Nestchen hatte, so verhohlen, Daß man kaum das Nestchen finden, Daß man kaum in's Nestchen langen, Kaum die winzigen getupften Eilein drinnen sehen konnte. Ach wie einzig, aufzulauschen, Wie mit Zipen und Zirren Aus und ein sein Weibchen schlüpfte! Und das Männchen hoch im Eichbaum Sang mit seinem linden warmen Sommerstimmchen seiner Liebe Sommer über ihm und mir; Und das Männchen oben meinte, Nur sein Weibchen unten hör' es, Und das Weibchen unten meinte, Nur das Männchen oben wüßte Seine Heimlichkeit da unten. Ach ein einzigmal nur möcht' ich Barfuß noch am warmen Waldrain Dürres Holz zu Haufen lesen, Auf das dürre Brod mit saurer Wässeriger Milch mich freuen; Und des kleinen Weidenzeisigs Weibchen schlüpfte durch das Waldgras Um mich her zu seinem Nestlein, Und das Männchen hoch im Eichbaum Sänge mit dem linden warmen Sommerstimmchen seinem Weibchen, Sänge feiner Liebe Sommer Nur noch einmal über mir! Zur letzten Frist Ich habe niemals von euch gewußt, Ihr zierlichen Seufzer aus schwüler Brust; Doch will ich lobpreisen aus Herzensmacht, Was heute der Zorn und die Noth vollbracht: Daß einmal nach tausendjähriger Frist Der Norden und Süden Eines ist. Hab' lange gelebt und Nichts erlebt, Hab' lange gestrebt und Nichts erstrebt — Heut mach' mich, Du Gott des Lebens, jung Und verleih mir des Preises Verkündigung: Daß einmal nach tausendjähriger Frist Der Norden und Süden Eines ist. Hab' oft getrunken, geliebt, gelacht, Und meines zerrissenen Volks gedacht; Heut darf ich — unaussprechlicher Tausch — Ihn ganz eintrinken, den Jugendrausch: Daß einmal nach tausendjähriger Frist Der Norden und Süden Eines ist. Hab' Vieles geträumt und viel geseh'n; Aber heute darf ich als Zeuge steh'n, Wie Norden und Süden mit Blut und Geist, Was blutig sich trennte, zusammenschweißt, Und einmal nach tausendjähriger Frist Gegen Einen Verderber Eines ist. Nun will ich das Letzte, Beste seh'n, Ein Hagelwetter im Felde steh'n! Meine Brüder schlagen die letzte Schlacht, Die allen Schlachten ein Ende macht: Dann weiß ich, mein Volk, ist die letzte Frist, Wo alles Verlorne gefunden ist. In der Kirschenblüt' Draußen am Platz In der Kirschenblüt' Bei'm Bronnen hat mich geherzt mein Schatz, Nicht zu singen und sagen. Ach wie herrlich im Sonnenschein Rauschte der Quell! — Daß dich Gott behüt', Trink' ihn, selige Kirschenblüt', Sammt der Sonne in's Herz hinein, Wo draußen am Platz In der Kirschenblüt' Mich geherzt mein Schatz, Nicht zu singen und sagen. Morgenstunde Da schlummert sie noch Im Schatten des Waldes, Die Morgenstunde. An der Felswand nur Zittern die Wimpern Des ersten Lichts. Doch nun am Hügel Zwei Sonnenstreifen Wie Jünglinge schreiten Zum Thale nieder. Jetzt, jetzt erhebt sich Das Götterkind, Und athmet Sonne Ob den erwärmten Lichten Nebeln, Begrüßt vom Erwachen Der ersten Glocke, Empfangen vom Rauschen Der ganzen Erde. Schneegang Es thaut, es thaut! Der Bäume Träufeln Gräbt sich im Eise Die schlängelnden Rinnen; Aus zerfließendem Schnee Fällt weiches Getröpfel Mit Klingen darein. Wie das treibt und springt, Wie das drängt und singt! Und es tanzen dazu Die spielenden Schäume. Hast du's gehört Im Dorfe drunten Durch's offene Fenster, Du Chor der Knaben, Und singst entgegen Ahnende Träume? Hast du's gehört Durch's Fenster genüber, Du Chor der Mädchen, Und singst entgegen Den Bächen und Knaben? Hörtest auch du, Frühschweifender Vogel, Der kecker den Fuß jetzt Auf die Pappel setzt, Wie der Äste Schwirren Dem ersten grünenden Fleck dort drüben Am andern Ufer Sein starkvernehmlich Freudengeständniß Entgegenrauschte? Aber ein wärmliches Sonnedünsten Breitet sich über Am ganzen Himmel; Von oben vernimmt man Wie wandelndes Tönen Ein Rufen der Lüfte, Und ein Krafthauch rinnt Durch die Welt und schüttert Aus Wald und Thalgrund Der Brust entgegen. Merlins Braut Ihr wähnt, ich schämte mich der Triebe, Der schönsten Triebe dieser Welt, Wenn zwischen Mann und Weib die Liebe Ihr Höchstes Arm in Arme hält? — Du Liebe weißt, wie du beglückt In deine Zauber mich entrückt, Wie du die Seele hast gebunden, Die um die Liebe nur geliebt, Die, wenn die göttliche gefunden, Sich ihr auf ewig übergibt, Der Starken, der kein Ende droht, Die stärker wird in Schmerz und Tod. Ich wußte nicht, war ich verloren, Ob ich mich selber noch besaß, Wer weiß denn, wenn er neu geboren, Zu welchem Wunder er genas? Die Erde war ein himmlisch Lied; Da schwand der Himmel — sie verschied. Wie küßt' ich deiner Wangen Blässe! Es weinte Keiner größern Schmerz, Daß solchem irdischen Gefäße Entflohen ein so himmlisch Herz; Du giengst zu Grab, ich folgte dir, Und nächtlich kam dein Geist zu mir: „Galt unsre Liebe denn dem Staube Und endet sie mit ihm bethört? War unsre Liebe nicht der Glaube, Der dieser ganzen Welt gehört? Geh' hin und frage Wald und Strauch: Und wo du fragst, da bin ich auch.“ O welch ein Glanz war da ergossen! Ich kniet' und weinte nimmermehr, Und als dein Bild im Duft zerflossen, War lauter Himmelslicht umher, Und wo ich wandle, leuchtet mir Ein Strahl, du Selige, von dir. Erste Liebe Schon die ersten Rosen kommen, Und sein Fest begeht der Mai; Aber uns're erste Liebe, Unsre Veilchen sind vorbei, Wie Du sie von mir am Herzen, Ich von Dir am Herzen trug Und ein Blick von Aug in Auge War des Himmels schon genug. Diesen Knospenhauch gib wieder, Du, der Blüten höchste Zeit, Ach, das erste süße Wehe Jener jungen Seligkeit! Aber aller Wünsche Ziele, Himmel, sind in Deinen Höh'n, Und von allen, die geboren, Nur die Geister ewig schön. O du weißer Baum O du weißer Baum in der Haide Raum, Du silberne Birke, sprich: Warum weinest du und was neigest du Tieftraurig zur Erde dich? Der Mai ist da, wo fern und nah Der Wald voll Leben ist, O sage mir, was that man dir, Daß du voll Wehmuth bist? Da sprach sie lind: der Maienwind Hat milde mein Haupt gewiegt, Wie um die Braut mit hellem Laut Des Waldes Sänger fliegt; O wie kos'ten wir! O wie sprach er mir So süß von Liebe und Glück — Nun fliegt er fort zum andern Ort, Läßt einsam mich zurück. — Still ward's im Hag; ich aber sprach Und hob mein Angesicht: Er war nicht treu? — Das ist nicht neu! O Birke, weine nicht. Schau mich nur an — von Enttäuschung kann Dir viel erzählen mein Herz, Und dennoch strebt und dennoch hebt Es frei sich himmelwärts. So sprach ich scharf und die Lippe warf Empor ich voller Hohn, Ja, im Weggehn klang gar ein wilder Sang, Doch nicht des Herzens Sohn; Sie neigt sich still — ob sie weinen will Im sterbenden Abendschein? Ich möchte doch am Ende noch Wie sie voll Thränen sein! In letzter Nacht In letzter Nacht hab' trübe ich Auf meinem Bett gesessen, Dieweil ein Freund, ein lieber, mich Verlassen und vergessen. Und als mein Aug' voll Thränen war Und meine Qual am größten, Da nahte eine ganze Schaar Gedanken, mich zu trösten. Es sprach zu mir mein starker Muth: „Was willst du bang verzagen? Du bist ein Mann, es steht dir gut Dein Leid gefaßt zu tragen.“ Mein Stolz trat auf, ein hoher Mann, Und sprach: „Ich will dich lehren! Wenn Jener dich entbehren kann, So kannst du ihn entbehren.“ Die Klugheit stimmte in den Chor Und log mit falschem Munde Mir rechnend vor, was ich verlor, Sei gar nicht Viel im Grunde. Die Hoffnung drängte sich zu mir, Ein Kind mit Rosenwangen: „Bald glühen andre Sterne dir, Wenn dieser untergangen.“ — So wechselweis, bald laut, bald leis, Besprachen mich die Triebe, Da plötzlich trat in ihren Kreis Die unterdrückte Liebe. Ich weiß nicht, was sie that und sprach, Weiß nur, daß gleich verschwunden Die leidigen Tröster, daß der Tag In Thränen mich gefunden. O säh' ich einmal liebend O säh' ich einmal liebend deinen Blick Auf mir, wenn Viele dich umdrängen, ruhn! Wie wollt' ich dankbar segnen mein Geschick, Allein wie trüb sind meine Wege nun: Du weißt nicht, was ich dir zu liebe möchte thun. Du siehst mich an und doch — du siehst mich nicht! Denn deine schöne Seele bleibt mir fern, Das ist ein halbes, freudeloses Licht, Das ist ein heller, doch so kalter Stern! O, und ein warmes Sonnenlächeln hätt' ich gern! Es spielt die laue Abendluft Es spielt die laue Abendluft Mit schwankenden Blüthenzweigen, Und läßt den süß betäubenden Duft Aus tausend Kelchen steigen. Der große Mond gießt milden Schein Auf die blinkenden Wellen nieder; Am Ufer träumend gedenk' ich dein Mit erwachender Sehnsucht wieder. Du bist so schön wie die Blume der Nacht, Und wer dich angeschauet, Der muß sich beugen vor deiner Macht, Und wen du angeschauet. Ein Taumel ergreift mich alsobald, Begegne ich deinen Blicken, Ein süßer Zauber mit Allgewalt Scheint ganz den Sinn zu bestricken. Oft übergoß ich Andre mit Hohn, Nun lieg' ich selbst in Ketten, Nur deiner Stimme Gnadenton Kann mich befreien, erretten. Du bist so fern! — o wärst du hier In dieser Sommernachtstunde! O hört' ich nur ein Wort von dir, Von deinem fröhlichen Munde! Die Sterne kommen, die Sterne gehn Und versinken im Westen wieder: Sie mögen hell und milde sehn Allzeit auf dich hernieder! Taulas und Eudora Stark schlug Athen den Aufstand nieder Und nahm im Fluge Lesbos wieder, Es büßt die Schuld nach Volksgebot Durch aller, aller Männer Tod! Man führt die Armen, festgebunden, Zum Kreuze hin am Meeresstrand: Die siegend Heldenruhm gefunden, Sind Schächer nun in Henkershand. Ein Jüngling geht mit festem Schritte In seiner Todesbrüder Mitte, So schön, so zart! Es sprosset kaum Um's weiche Kinn der erste Flaum. Er lebte sorglos hin und heiter, Doch als es hieß: Ergreift das Schwert Und macht euch frei! ward er ein Streiter, Der meisterprobten Männer werth. Und als der Zug den Markt verlassen Und durch der Vorstadt enge Gassen Im Morgenroth zum Ufer zieht, Durchbricht ein Mädchen kühn das Glied; Ein lieblich Kind! Die Wangen leuchten In holder Scham, es wallt ihr Haar, Und ihrem Blick, dem thränenfeuchten, Willfahrt der grimmen Söldner Schaar. Und von den Staunenden umringet Steht sie beim Jüngling still und schlinget, An ihn sich lehnend, weich und warm Um seinen Nacken ihren Arm; O Taulas, ruft sie, diese Stunde Mischt Wonn' und Schreckniß fürchterlich! Sie nimmt das Siegel mir vom Munde Und nimmt zugleich mir ewig dich! Du hast in deinem Sonnengange Das Blümchen nicht bemerkt, das lange Am Lichte deiner Blicke hing: Du warst so reich, ich so gering! Nie hätt' der Mund in jenen Tagen Verrathen meine Gluth und Pein, Heut' darf ich dir und will's dir sagen: Dich lieb' ich, Taulas, dich allein! Sie schweigt, und ihm, voll Lust und Beben, Erscheinet doppelt schön ein Leben, Das solche Freuden noch verbarg, Und heut' noch sinket in den Sarg! Er blickt — die Hände sind gebunden — Eudora zärtlich an und spricht: Weh, daß ich dich so spät gefunden! Schon winkt das Kreuz und wartet nicht. Da faßt den Hauptmann selbst Erbarmen, Er spricht — wie staunt die Schaar — zum Armen: So sei das Leben dir geschenkt, Bis Helios den Wagen senkt! Ich kann die Stunde nur verschieben, Ihr Schönen, nutzt die schnelle Zeit! Weiht sie dem Leben und dem Lieben — Und Abends sei zum End' bereit. Er lös't die Bande. Wie im Traume Folgt Taulas ihr zum Gartenraume, Wo vor der Laube dicht und grün Die thaubenetzten Rosen blühn. Er läßt auf weiches Moos sich nieder Zum Liebesmahl. Bald weckt der Wein Den leichten Sinn des Griechen wieder, Er küßt sie: Laß uns glücklich sein! Es jubeln rings in allen Zweigen So laut die Vöglein! Blumen neigen Sich hin zu Blumen, lustberauscht — Ihr Sonnenrosse, säumt und lauscht! Umsonst! sie fliegen schäumend weiter, Bald ist der Wonnebecher leer, Schon führt man Taulas hin zur Leiter — Da horch, was rauschet über's Meer? Im Abendroth, mit weißen Flügeln, Und, gleich als könnt's den Drang nicht zügeln, Mit Rudern viel, die rastlos gehn, Naht dort das Staatsschiff von Athen. Rasch fliegt es her die feuchten Pfade, Für Lesbos nimmer rasch genug, Denn: Gnade! schallt es: Gnade, Gnade! Mit höchster Kraft herab vom Bug. Und brausend macht das Wort die Runde, Und tausend Wonnen schafft die Stunde, Doch alle weichen arm zurück Vor Taulas' und Eudora's Glück: Du, die im Leid sich mir ergeben, In letzter Noth nicht von mir wich, Komm, sei mein Weib, und theil' ein Leben, Das elend wäre ohne dich! Frühlingslied Zu dieser Stunde ist ein Lied Im Herzen mir erklungen, So frühlingsahnend hat es d'rin Von Lenz und Lieb' gesungen! Gott schickt den warmen Sonnenschein, Daß frei die Wasser fließen, Daß überall, allüberall Die duft'gen Blumen sprießen. Gott schickt die lieben Vöglein auch Mit jubelndem Gesange, Es werden Berg' und Thäler laut Von süßer Lieder Klange. Die Sänger schwiegen lange still, Sie waren fortgezogen Nach ferner Länder Sonnenstrahl, Fort über Berg' und Wogen. Nun seid mir tausendmal gegrüßt Ihr lust'gen Frühlingsschaaren! Erzählt in euren Liedern mir, Was ihr im Süd' erfahren. Nun singt von fremder Lüfte Hauch, Vom Glanz der fremden Blüthen Und von den Früchten, die im Strahl Der Sonne golden glühten. Ach, wenn doch einst ein Vogel käm' Und flög' vom Himmel nieder, Und sänge uns, wie ihr vom Süd' Von jenen Höhen Lieder! Telesilla Die Blüthe der Argiver war erschlagen, Der Rest verbrannte sich in Argos Hain, Die Wege waren frei, den Tod zu tragen Bis durch die Thore an den Heerd hinein. Dem Feinde lief voran die Schreckenskunde. Da warf den Funken der Begeist'rung hin Den heißen Herzen in der letzten Stunde Die gotterregte, hohe Dichterin. Und Telesilla nahm geweihte Waffen, Vertheilte sie an Greise, Kinder, Frau'n, Ließ Öl und Steine auf die Mauern schaffen, Die Thore schließen und den Weg verhaun. Jetzt kam das Sparterheer herangezogen, Jetzt sah's der Weiber drohende Gestalt Und machte, bis die Führer Rath gepflogen, Im Angesicht von Argos' Mauern Halt. Kleomenes, der König, in der Mitte Der ersten Männer, hob das Haupt und sprach: „Was hülf' es, wenn das Heer mit Frauen stritte? Besiegt zu werden, brächte selt'ne Schmach. Doch, wenn wir siegten, hieß es Ruhm gewinnen? Hier endet unser Krieg!“ — Und es geschah; Und als das Abendroth beschien die Zinnen, War kein Spartaner, der sie glühen sah. Neue Götter Krachend stürzen deine Sitze Vor des Mönches frevlem Beil; Rüste, Donar, deine Blitze, Triff ihn mit dem Donnerkeil! Wetter seh'n wir wohl sich ballen, Aber ach, kein Strahl entloht; Schiedet ihr aus Asgards Hallen, Ahnen-Götter, seid ihr todt? Schon habt ihr den Balder zu Grabe getragen, Mit heißen, mit ewig erneuten Klagen; Nun brach auf euch selber die Dämm'rung herein, Das götterverschlingende, schwarze Verhängniß, Und lodernd als Fackel zum Leichenbegängniß Verzehrt sich in Flammen der heilige Hain. Deutet uns der Christen Mahnung, Was die Sage halb enthüllt? Ward des Balderliedes Ahnung In Mariä Sohn erfüllt? Neues Reich wird er bereiten, Der vom Tode rein erstand, Und durch Zeit und Ewigkeiten Waltet nun der Heliand? Die Berge versinken, es steigen die Meere, Die Fülle sie leert sich, es füllt sich die Leere, Die Jahre, die Tage verwandeln die Welt; Das heute Geborne muß morgen veralten; Selbst Götter gehorchen den dunklen Gewalten, Und gründen ihr Reich, und es steht und zerfällt. Fahret hin, ihr hohlen Larven! Nimmer tön' euch Festgesang, Und wir schleudern unsre Harfen Nach in euren Untergang; Nimmer ziemt uns mehr des frommen, Priesterlichen Kreuzes Zier; Denn ein andrer Gott ist kommen, Der da besser ist denn ihr. Doch hört es, ihr Enkel, wenn einst das Jahrtausend Der Zukunft von Neuem aufgährend und brausend Zerschmettert den heute gebauten Altar, Zerschmettert die Tempel, die ragend sich thürmen, Dann nahet euch wieder ein Gott in Stürmen, Dann bringt ihm die Seele, die hoffende, dar. Denn wie auch die Form sich wandelnd Stets ein ander Antlitz weist, Einer ist, der ewig handelnd Mit sich fort das Weltall reißt. Bild ist, wie er uns erscheine, Ach, wer spricht sein Wesen aus; Doch in unsres Busens Reine Steht sein unvergänglich Haus. Kampf um's Dasein Vor mir liegt die Feindesfeste Schwarz zum Himmel aufgethürmt; Mauern, Zinnen, Burgpaläste, Morgen werden sie gestürmt. Langentbehrten Schlafs genießen Meine Krieger im Gezelt; Doch ich kann kein Auge schließen, Ehe die Entscheidung fällt. Wacheruf von fernen Posten Durch die nächt'ge Stille bricht, Und die Lagerfeuer glosten Mit verglimmend trübem Licht. Aber dorten um die Wälle Welch' ein Schatten, der erscheint? Halte Stand und sprich, Geselle, Ob du Freund bist oder Feind! Will das Dunkle mich verwirren Wie ein Riese tritt er her, Und ich höre dumpf erklirren Seines Schwertes mächt'ge Wehr, Um sein Antlitz Wolken nachten, Wie um einen bleichen Stern: „Sieh, ich bin der Geist der Schlachten, Bin der Fürst im Heer des Herrn.“ Und du nahest zu entscheiden Zwischen meinem Feind und mir, Welchen morgen von uns beiden Krönt des Lorbeerkranzes Zier? „Niemals hat geschwankt die Waage, Wer des Sieges Preis erringt, Und das Loos der nächsten Tage Ist von Anbeginn bedingt.“ Ob ich meine Feinde werfe, Sage mir's, ich flehe dich! Kämpfet deines Schwertes Schärfe Morgen für mich, gegen mich? „Zu dem Besten werd' ich stehen Ewig in des Lebens Krieg; Denn das Schwache muß vergehen, Und dem Starken bleibt der Sieg.“ Wenn du stehst im Feindesschwarme, Frommt kein Mühen noch so groß, Und was bleibt mir, als die Arme Sinken lassen thatenlos? „Zu dem Besten werd' ich stehen, Wie es heil'ge Ordnung ist, Morgen, wenn die Banner wehen, Zeig', ob du der Beste bist.“ Spricht's und schwindet. Auf, Genossen, Morgendämm'rung scheucht die Nacht, Zu den Waffen, zu den Rossen, Auf und rüstet euch zur Schlacht! Blast Posaunen, blast den Reigen, Der ein blutig Ende nimmt, Kämpfet, kämpft und mag sich's zeigen, Ob uns Sieg, ob Fall bestimmt! Begräbniß Ihr letztes Scheideglühen spendet Des Himmels weite, freie Luft. Nun, Meister Todtengräber, endet Das Werk und schließt die enge Gruft. Wie sich die schwarzen Schollen schichten, Erdröhnt es unten ängstlich hohl, Und nimmer kann ich drüber richten Ein Kreuz, ein Schmetterlingssymbol. Was ich geliebt, hab' ich verloren, Verloren ja für alle Zeit, Und eitler Klang ist meinen Ohren Das Märchen der Unsterblichkeit. Für sel'ge, staubentbund'ne Geister Zeigt keine Statt mir die Natur, Und stille zieh' ich, ein verwaister, Einsamer Wandrer durch die Flur. Daß noch der Wahn mein Haupt umhüllte! Der fromme Glaube war so schön! Nun starb, was mir das Leben füllte, Dahin auf Nimmerwiedersehn! Doch beuge dich vor dem beständ'gen Gesetze von der Dinge Lauf, Und raffe dich, den Schmerz zu bänd'gen, In deiner alten Mannheit auf. Lern' des Gedankens dich enthalten, Als seist du nur zum Glück bestellt, Und lerne deinen Schmerz ertragen, Denn reich an Schmerzen ist die Welt. Unfreiheit Ach lieber Herr Amtmann, habet Geduld! Ich gesteh's, ich habe gestohlen; Doch das hat der Kosmos selber Schuld, Das sag ich Euch unverhohlen. Die Neigung zum Stehlen war in mir schon Von Anbeginn entzündet; Sie lag schon in der Constitution Meiner Urgroßmutter begründet. Rings drängten auf mich der ganzen Natur Vieltausendfältige Triebe; Ich ward nach höh'ren Gesetzen nur Unwiderstehlich zum Diebe. Wie könnt ihr mich strafen, der ich doch nicht Aus freiem Willen gesündigt? „Jetzt schweige, du naseweiser Wicht, Und höre, was man verkündigt. Die hochwohllöbliche Polizei Steht auch unter kosmischem Zwange, Sie fängt die Diebe und hängt sie dabei Aus unwiderstehlichem Drange.“ Capri Das kühle Meer lag still und träumte, Von Ferne klang der Schiffer Ruf, Des Abends gold'ner Glanz umsäumte Das Rauchgewölk auf dem Vesuv. Und der Orangen Blütendüfte Umwogten schmeichelnd uns das Haupt, Die unten tief am Strandgeklüfte Ein feuchter Zugwind sich geraubt. Und Don Pagano's Palme wiegte Sich über uns im Blau der Nacht, Und in den deutschen Herzen siegte Des Capri bianco Feuermacht. Regina sang der Tarantella Berauschend süße Melodien, Und mit der Laute kam Laurella Und Nina mit dem Tamburin. Das war ein Schwärmen, Küssen, Zechen! Wie wirbelte des Tanzes Flug, Indeß mit schrillen Klapperblechen Den Takt ein brauner Knabe schlug! Wohl bin seit langen, schweren Jahren Gerüstet ich zu aller Zeit, Mit Charons Boot hinabzufahren In stygische Vergessenheit. Doch hätt' in jener schönen Stunde Mich Hermes finster angeblickt, Und hätte mich mit durst'gem Munde Vom vollen Becher weggeschickt, Und hätte mir das Aug' geschlossen In jener Nacht bei Don Pagan, Ja — damals hätt' es mich verdrossen, Ja — damals hätt's mir leid gethan. Singend über die Haide Singend über die Haide Steigen Lerchen empor, Goldige Knospen der Weibe Dringen am Ufer empor, Und der Himmel so wunderblau! Allüberall hellsonnige Schau! Ich und mein Lieb, wir beide Wandeln durch sprießendes Rohr. Kargen Worts ist der Kummer Zehrend in tiefer Brust; Aber noch tausend Mal stummer Ist unsägliche Lust: „Ich bin ja dein und du bist ja mein!“ Das mag ihr einziges Wörtlein sein; Hat doch kein Weiser, kein Dummer Jemals ein Bess'res gewußt. Wolken über uns schwellen, Kaum daß ein Windzug sie blies, Traumhaft schwatzen die Wellen Über dem farbigen Kies, Ferne nur, ferne noch Lerchenlied, — Seliges Schweigen die Seele durchzieht, Engel erschließen die hellen Pforten zum Paradies. Du meinst, ich sollte klagen Du meinst, ich sollte klagen Um dich und deinen falschen Sinn? Feinslieb, ich kann's ertragen, Daß ich so einsam bin. Und wächst kein einzig Röschen auch Auf meines Lebens Dornenstrauch, Ich kann es wohl entbehren; Und Treu und Lieb' und Lieb' und Treu, Die mag der Wind wie andre Spreu Von meiner Straße kehren. Ich zieh' auf finst'ren Wegen, Die Nachtluft geht so schwül und bang, Und leise durch den Regen Seufzt Nachtigallgesang. Sie ruft, sie lockt: zurück, zurück, Da hinten liegt dein Glück, dein Glück! O Vöglein, laß dein Klagen; Und ob mein trotzig Herz auch bricht, Des einz'gen Glücks bedarf ich nicht, An's Grab mich durchzuschlagen. Bunter Kinderreigen Bunter Kinderreigen schwärmt Um des Kirchhofs alte Linde; Fern zu mir herüber lärmt Ihr Gelächter mit dem Winde; „Fliege, Vöglein, flieg' hinaus, Bring den schönsten Schatz nach Haus!“ Fröhlich auf der Väter Aschen Laufen sie, das Glück zu haschen. Aber ach, wie kurze Frist! — Und zerstreut in alle Weiten Zieht ihr aus, mit Kraft und List Um das Glück im Ernst zu streiten. Weib und Kind und Gut und Geld, Haus und Hof und Flur und Feld, Großes mögt ihr euch erjagen; Größ'rem müßt ihr doch entsagen. Keiner, der den Phönix fing, Der das Eichhorn überwunden, Der des Salomonis Ring, Der den heil'gen Gral gefunden; Keinem ging die Liebe ganz Auf in makellosem Glanz. Kurze Frist — ihr seid am Ziel, Neue Kinder — altes Spiel. Der Bacchospriester „Zum Priester hab' ich dich erwählt; Nimm hin, vertheile meine Gaben, Die Menschheit, die im Staub sich quält, Mit geist'gem Bronnen zu erlaben. Schirr' an den Wagen, und dem Volke Kredenze du den ersten Wein.“ So sprach der Gott; und eine Wolke Hüllt' ihn in duft'ge Klarheit ein. Und seinen Knechten rasch gebeut Ikarios, die Fahrt zu rüsten, Auf daß in Bacchos' Segen heut' Noch schwelgen die versenkten Kisten. Die Achsen seufzen von der Schwere, Die vollen Schläuche bersten schier, Und keuchend zieht hinab zum Meere Die ungewohnte Last der Stier. Da drängt ein bunt Gewühl heran, Die durst'gen Kehlen sich zu letzen; Der Hirte kommt, der Ackersmann, Der Fischer weicht von seinen Netzen, In schwiel'ger Hand die gold'ne Schale Empfängt des Forstes rauher Sohn. „Kommt Alle! kommt zum Freudenmahle, Und rastet von des Tages Frohn!“ Das Cymbal rauscht, die Flöte klingt, Des Epheus heil'ge Kränze flechten Sie um das Haupt, und tanzend schwingt Der Chor der Thyrsos in der Rechten: Die gold'ne Ära ward begründet, Lobsinge, wer lobsingen kann! Und in des Volkes Mitte zündet Ikarios das Opfer an. „O holder Gott, wie lagen wir Verdumpft im Joche grauer Sorgen! Nun hast du uns hinauf zu dir In reine Heiterkeit geborgen; Nun prangt das weite Weltgebäude, Ein Tempel eurer sel'gen Schaar, Und in des Lebens mächt'ger Freude Wird euer Walten offenbar.“ Und lauter schallt zu Bacchos' Preis Das Cymbal, das Geklirr der Schellen, Und wilder schlingen sich im Kreis Des Tanzes jauchzende Gesellen. Gelächter wiehert auf, und rasend, Zerriss'nen Kleid's mit wirrem Haar, Die schrillen Doppelflöten blasend, Taumelt der Weiber trunk'ne Schaar. Kein Warner, der mit weisem Sinn Den zügellosen Reigen endigt! Und Knaben sinken schwindelnd hin, Und Männer, wie vom Tod gebändigt. Da murrt das Volk, und scheltend sammeln Die trunk'nen Rotten sich zu Hauf, Und tobend wächst ihr wüstes Stammeln, Und wie ein Chaos gährt es auf. „Vergiftet hat er uns! Sein Trank War schwarzer Tod und Pest sein Becher! Wohlauf! dem Geber seinen Dank! Ergreift, zerreißet den Verbrecher! Streut sein Gebein in alle Winde!“ Und schmetternd trifft der Thyrsen Wut, Und durch die priesterliche Binde In dunklen Strömen rinnt das Blut. Und seufzend schwebt sein Geist zum Styx: „Was frommt euch Reu' und spätes Klagen? Ach, keine Blüte des Geschicks Wird euch der Weisheit Früchte tragen. Unselig Amt, maßlos zu spenden; Maßlos empfangen lernt ihr nie. Und ewig müßt zum Fluch ihr wenden Das Heil, das euch ein Gott verlieh.“ Antinous In lauer Mondnacht schlief der heil'ge Nil; Des Schiffes Furche zog wie Goldgeschmeide Hellfunkelnd hin; kaum daß des Windes Spiel Noch schläfrig säuselt' in des Segels Seide; Doch, gleitend nach der Leier Melodieen, Des Ruders Takt die Fluten kräuselnd schlug, Und schwimmend schien am goldgeschmückten Bug Ein Nereidenbild das Schiff zu ziehen. Und brennend rothe Rosenkränze schlangen Verschwendrisch sich um Mast und Segelstangen Und gossen weithin auf den stillen Strom Des heißen Dufts berauschendes Arom. Von Teppichen, die Indien gesandt, Von schwerem Goldgeweb' aus Samarkand Wölbt' über elf'nen Säulen sich ein Zelt Wie ein Palast der Feyen auf den Wellen; Und drinnen auf gefleckten Pardelfellen Hielt seinen Hof der Herr der Welt Der Herrscher, dem nur Wüst' und Ocean Das Reich begrenzten, Cäsar Hadrian, Die Wonne Rom's, der Götter Lieblingssohn, Dem keine Thräne noch die Wimper netzte, Deß Lächeln Sonnenschein, vor dessen Droh'n Der überwund'ne Erdkreis sich entsetzte, Der selbst das Glück an seinen Wagen zwang, Dem Alles, was er wollte, noch gelang, Hier lagert' er. Die halbgeschloss'nen Augen Durchschweiften träumerisch die blaue Nacht, Als sei des Schiffes märchenhafte Pracht Zu bettelhaft, um seinem Blick zu taugen. Die Isispfaffen und die Senatoren Der Weltstadt krümmten sich vor seinem Fuß Und schmeichelten mit hocherhab'nem Gruß, Der Göttern nur gebührt, den trunknen Ohren, Und schenkten ihm Ägypten's Feuerwein Aus tausendjähr'gen Tempelkrügen ein. Und drüben an des Ufers schilf'gem Saum, Wo schwarz die Sphinx sich streckt vor den Pylonen, Stieg ragend in des Himmels Sternenraum Die alte Porphyrstadt der Pharaonen. Von bunten Fackeln flammten alle Gassen, Demanten gleich warf sie die Flut zurück, Und jauchzend priesen die geschmückten Massen Des Volkes laut den Cäsar und sein Glück. Und Fest auf Feste strahlten seinem Ruhme; Denn neben des Osiris' Heiligthume Ward heut' ein neues, reich'res aufgethan, Das Heiligthum des Gottes Hadrian; Und hundert Priester brachten am Altar Ihm Weihgesang und Hekatomben dar. — Doch vor des Herrschers Blicken matt zerfloß Der bunte Glanz, und auf die Augenlider Sank es wie Dämmerung, und leise goß Der Schlummer seinen stillen Mohn hernieder. Die Saiten schweigen; dunkel ward's an Bord, Und lautlos trug der Strom das Fahrzeug fort, Als frohnt' auch er in Hadrian's Befehle. Ringsum kein Laut; des Cäsars Lagerthron Bewachte nur sein auserkor'ner Sohn, Sein einz'ger Freund, der Liebling seiner Seele, Antinous, der bei dem Schläfer saß, Schlaflos er selbst. In all' der Fülle fraß Ein ewig wacher Wurm ihm im Gemüthe, Und Schwermuth hielt sein lockig Haupt gesenkt; So, dorrend in der Sonne Gluten hängt Vom Stiel geknickt die bleiche Lothosblüte. „O, Hadrian, ist das dein glücklich Loos? Und aus dem Füllhorn ungemess'ner Freude Ist das die letzte Frucht? Wie Sumpfgestäude, Das wuchernd aus dem feisten Boden schoß, Und jäh verfault am eignen Überflusse, So soll dein Geist in schwelgendem Genusse Verfaulen und versinken? Diese Hand, Einst stark, das Steuer einer Welt zu leiten, Und deine Krone ward zum Bühnentand? Du bist kein Gott; wärst du's, so trügest du Die Fülle deines Glücks in sich'rer Ruh' Mit wachem Aug' und ewig stätem Geist, Unwandelbar gleich wie des Himmels Sterne. Du bist ein Mensch, und nimmermehr verlerne, Was menschlich unter Menschen wandeln heißt. Drum naht dir heut' der unerbet'ne Gast, Dem du noch nie in's ernste Auge sahst, Er pocht, und Einlaß heischt er in dein Herz; Dein Liebling selber bringt ihn dir — den Schmerz. Denn Schmerzen sind Triumphes ächte Saaten, Denn Schmerzen sind die Wurzeln großer Thaten; Schmerz ist das Bad, das sieche Seelen letzt, Schmerz ist der Stein, der stumpfe Geister wetzt, Die heiße Thräne bricht durch deine Lider Und vom Olymp zur Erde kehrst du wieder.“ Der Jüngling sprach es, und mit leisem Fuß Schritt er hinauf zum ragenden Verdecke Und bot dem Sterngewölb' den Scheidegruß. Und rief dem Sklaven: „Geh, den Cäsar wecke! Ein Opfer starb für ihn Antinous.“ Und jählings stürzt er in die Flutentiefe, Daß hoch empor die gelbe Woge schlug, Und Kreise wirbelten im weiten Zug; Dann schwieg sie still, als ob sie wieder schliefe, Und schwemmt, in ihrer feuchten Nacht begraben, Hinweg den schönen Leib des treuen Knaben. Eine Fabel 1. Ein Schwan liebt' eine Ente, Ein albernes, kokettes Ding, Das seine schönsten Complimente Mit kühler Prüderie empfing. „Ich will mich gänzlich dir ergeben, Will opfern dir mein letztes Blut, Du bist der Pol in meinem Leben, Mein schönster Schatz, mein höchstes Gut! O komm', o laß an's Herz dich drücken O sprich, du willst die meine sein!“ Doch wackelnd wies sie ihm den Rücken Und schlürfte Schlamm und quarkte: — „Nein!“ 2. Verschmähte Liebe, bitt'res Leid, Man könnte fast d'ran sterben! Ein Himmel voller Seligkeit Zerstäubt in tausend Scherben. Doch Tod aus Liebesleidenschaft Das wäre zu blamabel; Drum raff' zusammen deine Kraft Und zeig' dich respectabel. 3. Ich bin ein Schwan, ein stolzer Schwan, Und licht ist mein Gefieder, Und singend steig' ich himmelan, Und singend tauch' ich nieder. O Thatendrang! o Lebenslust! O sel'ger Götterfriede, Als hielte sich in meiner Brust Verborgen der Kronide! Wie Nebel vor dem Tag zerstiebt Das Sehnen und das Grämen; Und denk' ich, daß ich die Ente geliebt, Muß ich mich zu Tode schämen. 4. Daß du die Ente liebtest, schöner Schwan, Das darf dein Herz nicht allzusehr verletzen; Ihr dichtetest du deinen Adel an Und schmücktest sie mit deinen eignen Schätzen. Um ihren unbedeutend glatten Kopf Schlangst du die Kränze deiner Ideale; Da mußte wohl der simple Entenschopf Verklärt erscheinen in der Schönheit Strahle. Sie war nur ein Symbol, ein Zeichen dir, Das du mit deines Geistes Glanz besonntest; So liebtest du begeist'rungsvoll in ihr Das Allerhöchste, was du lieben konntest. Sommerabend im Gebirg Ich lieg' auf grünen Matten Am steilen Bergesrand, Seh', wie in stille Schatten Sich hüllt das weite Land. Es rauschen aus dem Thale Herauf die Wasser all. In Abends letztem Strahle Erglänzt des Stromes Fall. Der Heerde Glocken klingen Herüber von der Höh; Des Hirten Lieder dringen Durch stiller Lüfte See. Da fühl' ich mir's beschieden Wie Heimat süß und traut, Und Lieb' und Lust und Frieden Auf mich herniederthaut. Ich schaue rings die alten Bergkuppen hochgethürmt, Das Felsenhaupt von kalten Nachtlüften wild umstürmt. Ich schaue an den Zelten Des Himmels still und klar Viel tausend ferne Welten Hinziehen immerdar, Und hör', wie im himmlischen Heere Der Seraph den Flügel schwingt, Und: „Gott in der Höh' sei Ehre Und Fried' auf Erden singt!“ singt. Die Rebe Der Gärtner pflanzt die zarte Rebe Und hofft auf edlen Feuerwein, Hofft, daß der Himmel Regen gebe Und milden, warmen Sonnenschein. Doch wie von Regenfluth begossen Die Rebe schwillt im Sonnenstrahl, Da schneidet er die saft'gen Sprossen Hinweg mit blankem, kaltem Stahl. Die grüne, frische, knospenreiche Steht nun gebunden kahl und arm; Sie senkt bekümmert ihre Zweige Und weint in ihrem bittern Harm. Magst du des Gärtners Thun begreifen? 's ist Liebe, was dir Härte scheint. Die reichsten, besten Trauben reifen An einer Rebe, die geweint. In der Heimat Ich bin daheim Und wall' auf grüner Flur Noch einmal dort hinaus. So selig ist Das arme Herz doch nur Im Vaterhaus. So wird es sein, Wenn einst wir droben stehn Auf Gottes schön'rer Au, Und um uns rings Die lichten Engel gehn Im Himmelssaale blau. Dem Knaben nach Da unten lieb und mild Die frommen Schäflein ziehn. Da droben auch Im luftigen Gefild Ziehn Himmelsschäflein hin. Der du die Heerde führst Zur Hürde ein, O könntest du Mein Bruder sein! Die Flucht des Camisarden Voran, mein Sohn! Siehst du die Trümmerwand? Die sich von Gipfel dort zu Gipfel spannt? Schroff stürzt sie nieder in die wilde Schlucht, Wo sich der Waldstrom Felsenwege sucht. Dorthin! Uns folgen Häscher. Säume nicht! Noch leuchtet uns der Sonne Licht. Ein ödes Thal, kein Wesen weit und breit, Kein Athemzug in dieser Einsamkeit! Zur Seite wurzelt der Kastanienwald Den Hang hinauf; die Bäume knorrig, alt, Dazwischen jung Gebüsch; es strebt im Chor Ihr dunkelglänzend Laub empor. Voran, wo über wild Gerölle quer Der Pfad sich zieht wie durch ein Felsenmeer. Dich schmerzt der Fuß? O achte das gering; Wohl dem, der früh schon rauhe Wege gieng! Das Edle wird erkauft durch Müh und Müth; Die Freiheit um ein Tröpflein Blut. Will dort der Bergsturz sperren uns den Weg? An seines Abgrunds Halde klimmt ein Steg; Kaum eine Spanne bietet er dem Fuß, — Genug des Raums dem, der hinüber muß. Nur kühn voran; der Schwindel sei verbannt! Mein Knabe, reiche mir die Hand. Mit kühner Lust laß uns hinunterschau'n, Wie Zacken über Zacken sich erbau'n, Und drunten wühlt der Strom sich seine Bahn; Der Sohn der Höh' ist niemand unterthan. Er wälzt die Felsenblöcke breit und schwer — Gestürzte Gözen — vor sich her. Glück zu, mein Held! Es künde deine Fluth Dem Volk der Fläche, daß sich Mannesmuth Nicht läßt in Sümpfe locken durch Betrug, Noch schrecken durch Gewalt und Priesterfluch. Sie sollen lernen, wie der Wahrheit Licht Durch alle Dämme siegreich bricht. — Erreicht ist nun ein Ruheplaz; der Schlund Des Hochthals birgt den stillsten Wiesengrund. Es wölbt die Esche sich an seinem Rand; Es spielt der Fluß in silberhellem Band. Zu lagern hier — wie wonnig-wohl mag's thun. Fort, Kind! wir dürfen noch nicht ruhn. Siehst du die Wolke, die so licht und leicht Dort an des Berges Haupt vorüberstreicht? Siehst du den Kegel, den sie streifend grüßt? Dort winkt die Ruh, die unsre Müh' versüßt. Zur Drangsalsgrenze hat der Herr der Welt Den Bergespfeiler hingestellt. Und nun hinan! Sein Joch ragt schwindelnd hoch; Doch lieber auf ihm stehn, als unter'm Joch! Es windet sich der Pfad durch feuchtes Rohr; Im Zickzack springt er dann den Berg empor. Die Erle schaut, die Tanne finster drein, Und hohl erdröhnet das Gestein. Hörst du die Pfeife drunten in der Schlucht? Es ist die Meute, die den Flüchtling sucht. Wir haben guten Vorsprung. Muthig noch! Scheust du die Steine? Denk' an jene doch, Die ein verhezter Pöbel nach uns warf! Hier diese sind nicht halb so scharf. Jetzt, Sohn, ermatte nicht! Es winkt das Ziel; Nah unsern Häuptern weht der Wolke Spiel. Der Hochwald bleibt zurück; der Blöcke Grau Starrt zwischen Krüppelholz so wüst und rauh. Wie steil sich's auch von Fels zu Felsen tritt: Wir steigen rastlos Schritt um Schritt. Wir sind gerettet. Hier der Markstein. Weit Dort hinter uns das Land voll Herzeleid! Schau nicht zurück. Schau dorthin, wo am Quell Ein traulich Hüttchen winkt so freundlich hell. Dorthin reicht nicht der Arm der Tyrannei. Das vor uns liegt, das Land, ist frei. Der Klönsee Er liegt so ruhig, spiegelklar, Von Höhen ew'gen Schnee's umschlossen; Der tiefste Friede wunderbar Ist auf die Triften ausgegossen. Die Halde strahlt im Morgenduft, Der Busch im heitern Sonnenlicht, Und silbern gleitet aus der Kluft Der Bach herab die Felsenschicht. Und drunten wie ein Morgentraum Liegt eine zweite Welt dir offen; In grenzelosen Äthers Raum Schaust du hinab, und staunst betroffen. Was drüben in das Luftrevier, Ein zackig Schneegebirge, ragt, Das stürzt sich schwindelnd abwärts hier, Von unterird'schem Licht umtagt. Des Felsenscheitels kühnes Bild, So ruhig hängt's, als ob es schliefe; Es malt des fernen Gletschers Schild Sich ab in der geheimen Tiefe. Des Morgenwölkchens Goldgeflock, Dort unten siehst du's nochmals glühn, Und an des Glärnisch Felsenstock Des Schneees Silberlilien blühn. Und wie ich schau' und sinnend steh', So tönt's um mich mit Einem Male: Es sei dein Herz ein solcher See, Darin der Himmel wiederstrahle, Drin Gottes Werk in seiner Pracht Sich male rein und morgenschön, Daß deiner tiefsten Tiefe Nacht Verkläret sei zu lichten Höh'n! Ein Wiegenlied Wie die Knospe aus den Blättern In das neue Leben bricht, So erscheint, in Unschuld strahlend, Mir des Knäbleins Angesicht. Schlummre, Knäblein, schlummre selig, Sammle Kraft und sammle Muth! Bald auch wirst du fortgezogen Von der Tage wilder Fluth! Darum schlummre, süß und milde, In des Frühlings kurzer Zeit, Bis beginnt das herbe Walten, Bis beginnt der Tage Streit. Denn ein Streit ist ja das Leben, Wonnevoll und wonneleer; Rosen sind es voller Dornen, Und ein Kämpfen hart und schwer. Ein Erscheinen, ein Verbinden, Und ein Heimgang ist der Traum, Den du träumest von der Wiege Bis zum engen Bretterraum! Darum, Knäblein, schlummre friedvoll, Sammle Kraft und sammle Muth, Bis dereinst du, fortgezogen, Wirbelst in der Tage Fluth. Die Hexe Es schlägt die zwölfte Stunde; Die Luft ist schwül und schwer; Mit unheilvollem Ächzen, Mit Fluchen und mit Krächzen Kommt jetzt die Hexe her. Es flattern ihre Haare, Wie Asche mürb und grau; Es grinsen ihre Zähne, Sie blickt wie die Hyäne So grimmig und so schlau. Zum Hügel auf behende Folgt sie des Pfades Spur; Dort oben ist die Stelle, Wo mancher schon zur Hölle Vom Galgen niederfuhr. Und an des Galgens Fuße Verweilt sie still und leis, Und horcht nach allen Winden, Ob sich die Schwestern finden Bald ein im Zauberkreis. Da rauscht's mit einemmale Herbei wie Sturmgetos; Es kommt hoch aus den Lüften, Es steigt tief aus den Grüften Und aus der Wasser Schoos. „Euch meinen Gruß, ihr Schwestern,“ Die Hexe grinsend spricht, „Hier an dem schwarzen Rande Der unterirdischen Lande! Nun frisch an eure Pflicht!“ Die Schwestern all' sich tummeln; Vom bleichen Mond erhellt, Sind Schädel und Gebeine, Im grausigen Vereine, Bald ringsum aufgestellt. Und in des Kreises Mitten, Da stehn der Töpfe drei, Darüber schlagen Flammen Jetzt blutigroth zusammen, Drin kocht der Hexenbrei. Drin brodelt wild und siedet Des schlimmsten Zaubers Macht — Drauf wird ein Kreuz zerbrochen, Ein lauter Fluch gesprochen, Dann ist das Werk vollbracht. Die Schwestern hoch aufjubeln Und tanzen kreuz und quer; Sie klappern und sie springen, Sie plappern und sie singen Rund um den Galgen her. Dann reiten sie auf Besen Und werden, wie vom Sturm, Rasch durch die Luft getragen — Ein Uhr hat just geschlagen Vom nahen Kirchenthurm. Der Ungar und sein Pferd Mein Roß, Ade, Ade, Wie thut das Scheiden weh! Es ist ein bittres Leiden, Dich darf ich nimmer reiten! Ach! Scheiden thut so weh! Mein Roß, die Schlacht war heiß; Noch rinnt von dir der Schweiß; Mich brennen tief die Wunden; — Hätt' ich den Tod gefunden, Es thät' mir nicht so weh! Schon naht mit schnellem Schritt Der wilde Moskowit. Die Brüder sind erschlagen — Jetzt helfen keine Klagen, Mein Roß, Ade, Ade! Hab' der Pistolen zwei, Auch Pulver noch und Blei; Hurrah, mein Roß, noch heute Erlösen sie uns Beide! Mein treues Roß, Ade! Kosak, nur frisch heran! Sollst uns nicht lebend fah'n; Wirst nur zwei Leichen haben Und magst uns dann begraben. Hurrah, mein Roß, Ade! — Zwei Blitze leuchten hell, Zwei Schüsse folgen schnell, Und über Roß und Reiter Stürmt wild der Russe weiter — Ungar, Ade, Ade! Wie thut das Scheiden weh! Der Brautzeuge Grafensohn und Hirtin ruh'n im kühlen Weidenschatten an des Baches Rand! Ihre Herzen schon bei Kinderspielen Fest die Liebe aneinander band; Wollen Hochzeit nun, Wie die Kinder thun, Halten, geben sich die kleine Hand. „Aber wenn du groß und reich bist, Lieber, Denkst wohl nicht mehr an den Kinderscherz!“ — „Weißt doch, daß ich niemals Jemand lieber Hätt' als dich, und dir auch bleibt mein Herz.“ „Ja, so wollen wir Uns versprechen hier, Schönen Ernst zu machen aus dem Scherz.“ — „Aber, Theurer, bei dem Ehversprechen Sollte däucht mich doch ein Zeuge sein.“ — „Will von dieser Weid' ein Zweiglein brechen Und als Ring dir thun an's Fingerlein.“ — „Zweiglein welkt und bricht Gar zu leicht; drum nicht Kann es uns ein guter Zeuge sein.“ — „Wie's mich hat erschrecket! — Hast gesehen Dort das Schlänglein kriechen schnell vorbei.“ „Schlänglein, Schlänglein, lieblich anzusehen, Unsrer Beider Liebe Zeuge sei; Kommest wie bestellt, Haben dich gewählt, Uns zu mahnen an versprochne Treu!“ — Sind seitdem verflossen lange Jahre, Hat der Graf vergessen ganz und gar Sein Versprechen; kniet, den Kranz im Haare, Bei ihm eine Andre am Altar; Und die Hirtin treu Stehet bang und scheu Dort in der geschmückten Schwestern Schaar. Und der Priester hat es schon gesprochen, Auf den Lippen schwebt dem Paar das: „Ja“, Plötzlich sind die Reihen da gebrochen, Schaurig drohende Gefahr ist nah. Durch den Kirchengang Rollet eine Schlang', Groß wie man noch niemals eine sah. Wie die Farben schillern, Kämme wogen! Wie sie züngelt, wie die Augen glühn! Zum Altar in stolzgehobnen Bogen Zieht sie durch die stumme Menge hin; Wie der Graf sie schaut, Wird im Herzen laut Ihm Erinn'rung an die Schäferin. Gleich hat er die rechte Braut gefunden, Führt sie freudig zum Altare fort, Kündet laut, wie sie sich einst gebunden, Wie er jetzt nur lös' gegebnes Wort; Frei der Zeugenpflicht Weilet länger nicht Die geheimnißvolle Schlang' am Ort. Das Prättigau Es braust die wilde Landquart durch's Thal in stürmendem Lauf, Da steigen von beiden Seiten die grünen Berge auf, Mit Dörfern, Gärten, Höfen und Alpen mannigfalt, Dazwischen Äcker und Wiesen, und Bäume und Fels und Wald. Das ist ein kräftig Leben, das ist ein frisches Blüh'n, Die Wiesen und die Weiden so kräuterreich, so grün, Und all der kühlenden Bäche weißes blaues Band; Wie wär' es nicht mit Rechten das Wiesenthal genannt? Der Ritterburgen Trümmer im dunkeln Epheukranz, Im rosigen Morgenlichte der weißen Firnen Glanz, Der Berge schroffe Spitzen, so kahl, so altersgrau, Wohl sehnend hinab sie schauen zur heitern grünen Au. Und ringsum weit erschallet ein friedereicher Klang, Der Heerdenglocken Läuten, der Hirten froher Sang; Und ringsum weit erschallet, wenn kaum die Nacht entflieht, Der Sensen lustig Klingen, der Mähderinnen Lied. Du Land der sonnigen Wiesen, der kühlen Waldeslust, Wie ziehst du starke Kinder auf an der freien Brust; Die Männer fest wie Felsen, mit löwenkühnem Muth, Die Frauen frisch und blühend, wie Alpenrosengluth. Das ist ein Land der Dichter: da geht wie Mondenstrahl Ein leises Geisterwehen zaubervoll durch's Thal, Da webt um Wirklichkeiten so blühend und so hold Die lichten, leichten Schleier der Sage Abendgold. Dort springt vom Fels ein Ritter auf feuerschnaubendem Roß, Dort wallt ein holdes Fräulein nächtlich durch's graue Schloß, Dort sieht man auf den Alpen im Nebel Sennen gehn, Und unten im grünen Thale die Jungfrau von Schanén. Und in den Höhlen wohnen der wilden Männlein viel, Schwarzlockig, bräunlich, blitzschnell treiben sie dort ihr Spiel, Und unten schaurig wandelt des Todtenvolks Gebraus, Sie gehn zu Nacht, wie Schatten, die Dörfer ein und aus. Es springen Quellen perlend aus tiefem Wiesengrund, Da kommt aus fernen Thälern, wer werden will gesund; Ich meine nicht besser treff' es, wer lüften will die Brust, Als auf den sonnigen Wiesen, in kühler Waldeslust. Das ist ein Thal der Wunder, der hehren Alpenpracht, In das die liebe Sonne am liebevollsten lacht; Doch fehlt die beste Perle in ihrem lichten Kranz, Die glänzt wie eine Thräne schimmernd in Himmelsglanz. Es drang durch heitre Lüfte ein reiner Harfenton, Der Klang von Lenz, von Freiheit, von süßem Minnelohn; Es glänzte am klaren Himmel ein wehmuthsanfter Stern, Der tauchte in den Äther so still, so erdefern. Der Ton der ist verklungen, der Stern der fiel herab, Auf Seewis in dem Kirchhof da steht ein grünes Grab; Dort schwieg des Tones Klingen, dort losch des Sternes Gluth; O laßt den Dichter ruhen; dort ruht es sich so gut! Die Perle Im Lande gegen Morgen ein junger König war, Saß dort am breiten Strome, den gold'nen Reif im Haar, Er hat an diesem Kleinod wohl nichts so hoch geehrt, Als eine große Perle von unschätzbarem Werth. Und wie er in die Wogen das Haupt im Sinnen hält, Die Krone mit dem Schmucke in die Gewässer fällt. Er sprang ihr nach — vergebens! Wer holt Verlornes ein? — Da stand er nun und weinte. — Ich möcht' kein König sein! Ein Fischer aber Morgens heraus die Krone zog; Die Perle war verloren — was nützt das Reiflein noch? — Da tritt ein ind'scher Künstler zum düsteren Sultan, Und bietet seine Dienste und seine Weisheit an. Er macht' ihm eine Perle von Glas, der ersten gleich; Er heftet's an die Krone und glaubt sie wieder reich. Der König aber lächelnd zum stolzen Magier spricht: „Du kannst ein Glück erdichten, beglücken kannst du nicht. Du kannst den Himmel malen, ich lobe dann dein Bild; Doch malst du auch das Leben, das d'raus zur Erde quillt? — Geh'! deine arme Perle — ach! — ist doch nur ein Glas. Mein Herz läßt sich nicht täuschen, mein Leid ist ohne Maß.“ Die Felle des Löwen Talmud'sche Fabel Hoflager hielt der König einst der Thiere Und lud dazu, was freut sich aller Viere. Um seine Pracht zu zeigen und Gewalt, Bedacht' er lang', wie er sein Lager ziere. Das war von Erz gebaut nicht, noch Basalt — Ein freier Raum nur in dem weiten Wald. So ließ er denn (das hatt' er sich ersonnen) Um einen labekühlen, klaren Bronnen Mit Fellen hangen aus den runden Saum. Der Ahnen, denen nie die Beut' entronnen, Hängt er die Felle auf von Baum zu Baum — Gewiß ein Schmuck, der je gesehen kaum! Bewundert ward er von den Gästen allen, Von den mit Furcht erschienenen Vasallen, Ihr Staunen schmeichelte gar sehr dem Herrn, Dann ließen sie die Speisen sich gefallen, Geflügel, Honig, Fische, süße Kern', Tribut aus Teich und Luft, aus nah und fern. Der König schleicht, die Reden nicht zu stören Der scheuen Gäste, hinter Busch und Föhren; Die Scheuen aber wurden munter bald, Und manches muß der stolze König hören, Mehr, als er wollt', in seinem Hinterhalt. Sie riefen immer lauter in den Wald. Der Fuchs, vor Allen keck und reich an Schwänken, Beginnt zu sagen, was die Andern denken: „Der Tafel beste Würze bleibt Gesang. Die Sonne wird sich bald zur Ruhe senken, Die frohe Stunde währet nicht mehr lang.“ — „So singe Du, wir lassen Dir den Rang.“ Vom Lager schnellt empor der schlaue Rothe, Und fügt sich dem willkommenen Gebote. Im Kreise schaut er um von Baum zu Baum, Davon der Schmuck der Königlichen drohte. Er drohe nur! Vereint in engem Raum Die Schwachen fürchten wol den Starken kaum. Und so beginnt das Spötterlied des Kecken: „Zum Trost für uns, gewiß nicht, um zu schrecken, Der König hing der Ahnen Felle auf. Wie tröstlich uns, die seine Tatze lecken In Furcht und Grau'n, daß in der Zeiten Lauf Auch sein Fell prangt an eines Stammes Knauf.“ Das Ideal meiner Frau Schwärmerin, wie sie schon ist, Sucht sie, der Wackersten Eine, Leider seit längerer Frist Wesen von lockendem Scheine. Nicht ein Poet oder Prinz, Reichs- oder Landtagsbote, Noch Bankkönige sind's, Lebende oder todte — Nichts von alledem, Was ihr das Köpfchen verrückte, Und, mir höchst unbequem, Sie zum Schwärmen verzückte. Aber — ein Mädchen, das brät, Ohne den Topf zu zerschlagen; Nie die Antwort verdreht Auf die einfachsten Fragen; Sittig und rein und treu, Jeglichen Winks gewärtig, Vor den Männern voll Scheu, Ob bartlos oder bärtig; Fromm ohne Frömmelei, Nett, doch vom Modenwahne Wie von Flattersinn frei — Kurz! wie in einem Romane: Solch' eine treffliche Magd Sucht meine Frau, die gute — Eine vergebliche Jagd, Wie ich leider vermuthe! An Esther Ich habe deine Seele getrunken, Und meine Küsse machten dich reich; Sie weckten in dir den ewigen Funken, Und deine Wange wurde nicht bleich. Ich aber bin in anderem Falle: Die Juden trinken am Osterfest Das Blut von Christen — wir wissen es Alle! — Du trinkst das meine bis auf den Rest. Du trinkst das Blut aus meinem Herzen, Schon fühl' ich seinen schwächern Schlag; Du machst dir unter Lachen und Scherzen Ein Osterfest an jedem Tag. Einst büße du auf dem Scheiterhaufen Für mein unsägliches Todesweh! Wenn nicht der Reue Thränen dich taufen, Bereite dir Amor ein Auto-da-fé. Über Nacht Über Nacht! welkt manche Blüthe, Manches grüne Blatt wird fahl, Manches, was noch gestern glühte, Trägt der Kohle Aschenmal. Über Nacht! schweigt manche Stimme, Schweigt für nun und immerdar — Würgt die Zeit in ihrem Grimme Heimlich, was uns theuer war. Über Nacht! wird Mancher ehrlich, Der für trugsam gestern galt; Mancher Freund wird uns gefährlich, Manche Liebe — alt und kalt. Über Nacht! prägt unvergeßlich Mancher Traum in's Herz sich ein — Und dein Weh wird unermeßlich Morgen beim Erwachen sein. Über Nacht hat manche Zähre Segensstark dein Herz bethaut. Dem zu raschen Handeln wehre — Laß es, bis der Morgen graut. Über Nacht! wird einst auf Erden Beigelegt des Lebens Schlacht, Alles wird dann besser werden, Alles, Alles über Nacht! Ich gab ihr das Geleite Ich gab ihr das Geleite Durch's grüne Feldrevier, Sie ging an meiner Seite Und sprach so hold zu mir. Sie sprach von künft'gen Tagen Und von Vergangenheit, Ich konnte nichts ihr sagen Vor sel'ger Trunkenheit. Da gehn am Friedhofwege Wir unbewußt vorbei; Ein Kreuz stand im Gehege Erhaben da und frei. Da hielt sie plötzlich inne Und fromm bekreuzt sie sich — Mir ward so ernst zu Sinne, Ein Thränchen mich beschlich. Und seitdem hab' ich immer, Wenn Freude mir gelacht, Mit hellem Liebeschimmer — An's Gräberkreuz gedacht. Glaubensselig Und kannst du's auch nicht fassen, Was Ahnung schön dich lehrt — Du sollst nicht stören lassen, Was fromm dein Herz begehrt. Gar holdes Schlummerkissen Ist Räthsels kühler Grund — Nicht jed' Versteh'n und Wissen Macht ruhig und gesund. Geheimnißvolle Schatten Umdämmern zaubrisch hold Die schwellenden Bergesmatten Im ersten Morgengold; Nicht fragst du nach der Quelle, Du fragst um Ausgang nicht, Du badest in der Helle — Und glaubst nun an das Licht. Abt und Bildhauer „Ihr schaut mit Wohlgefallen auf diesen Marmorblock? Geschenk ist's aus Carrara. Wohl seinen besten Rock Gäb' Mancher, der's verstünde, für den formlosen Stein! Doch, was daraus zu machen? Das fällt nicht Jedem ein. Ihr führt ja auch den Meißel, und führt ihn meisterhaft — Nun! sagt mir Eure Meinung, was aus dem Klotz man schafft?“ So sprach der Abt von Pisa zu Marko, seinem Gast, Und dieser sinnt nicht lange, versetzt darauf mit Hast: „Herr Abt, ich will's Euch sagen, ein Christus steckt darin — Schon schwebt das hehre Bildniß ganz klar vor meinem Sinn! Ich will heraus es hauen in nicht zu langer Frist, Wenn Ihr mir gebt zu eigen den Block, so wie er ist!“ Es schaut der Abt den Künstler mit schlauen Blicken an: „Ich will's mir überlegen. Habt Dank, Ihr weiser Mann!“ Am Weg nach seiner Zelle da sann er hin und her: Ein Christus! Ei, der paßte im Refektorio sehr! Steckt er im Stein, so hauen auch meine Mönch' ihn 'raus — Sind ohnedieß beschäftigt nicht allzuschwer im Haus! Zwar werden sie sich sträuben, der Arbeit wenig hold — Doch endlich fügt sich Jeder für Bachus' echtes Gold! Gedacht, gethan. Die Mönche aufschürzten Hemd und Rock Und schlugen und — zerschlugen ganz jämmerlich den Block. Bald standen vor dem Richter der Künstler und der Abt: „Ihr brachtet mich zu Schaden, weil bösen Rath Ihr gabt. Euch ist wohl sehr gelegen an bill'gem Marmor nur — Es war im ganzen Klotze vom Christus keine Spur!“ „Herr Abt! — versetzt der Bildner — es ist nicht einerlei, In wessen Hand der Meißel, wie er geschwungen sei!“ „Beweist!“ — rief nun dazwischen der Richter salbungvoll — „Beweist, wie Euren Worten man blind vertrauen soll? Hier liegt von edlem Marmor ein zweites, ähnlich Stück: Was steckt wohl in dem Steine? Versuchet Euer Glück!“ Und Marko still betrachtet den Block mit Kennermien'! „Das gibt eine Madonna! Ihr sollt davor noch knien, Bevor Euch dreißig Tage hin ob dem Haupte geh'n!“ — „Gut denn!“ beschloß der Richter, „haut zu! Auf Wiederseh'n!“ Es kam der Tag des Urtels — das Kunstwerk stand bereit, Und Marko ging als Sieger bewundert aus dem Streit. Zum Abte der sich wendet versöhnlich, heiter, mild: „So nehmt anstatt des Christus hier das Madonnenbild. Es wäre ja geworden nicht — ohne Euren Stein, So mög' es Euer eigen und ein Memento sein: Wohl hauen kann und meißeln, wer kräftig ist genug — Doch bilden wird nur jener, der hat Beruf und Fug! Der Stoff ist ohne Leben, bedeutungslos und leer Und erst das Aug' des Künstlers schafft ihm die Seele her. Was Tausende nicht sehen, er sieht es und er trifft — Ihr Andern müsset glauben — denn Kunst ist — heil'ge Schrift.“ Der sterbende Greis Das Auge schon gebrochen halb, Die Wangen bleich, die Lippen falb — So liegt der müde Greis im Sterben; Doch ungetrübte Heiterkeit Scheint wie im Herbst zur Dämmerzeit Sein Bild vergeistigend zu färben. Und ihn umdrängt der Seinen Schaar, Der Kirche Tröstung beut ihm dar Der Priester mit geweihtem Brote. Der Greis doch deutet auf ein Kind, Das lächelnd unter dem Gesind' Unschuldvoll stand — ein Himmelsbote. „Mit dieses Auges reinem Stral O labt mich noch ein einzig' Mal! Hier steht das Wort des Herrn geschrieben. Hier les' ich Wahrheit, hier allein, Von jedem Menschenwahne rein: Kein Hassen noch und noch kein Lieben! Hier seh' ich mich, so wie ich war, Der Sehnsucht, der Erinn'rung bar — So hoff' ich, daß ich wieder werde! Nun ist's genug! den Himmel sah Ich in des Kindes Aug' mir nah — Nun nimm mich auf, du Mutter Erde!“ Der Schmied von Gretna-Green Der Schmied von Gretna-Green, Der schmiedet Eheketten Für alle, die dahin Sich liebeselig retten. Da kommt die Polizei, Will ihm das Handwerk legen, Weil so verrucht es sei Von Staats- und Kirchenwegen. Und als der kluge Schmied Nun stund vor seinem Richter, Er weit sich unterschied Vom Troß der Bösewichter. Mit tausend Zeugen führt Er herrliche Beweise, Daß ihm nur Dank gebührt Vom ganzen Erdenkreise: „Weil noch kein einzig Paar Der priesterlos Getrauten Zurückgekommen war, Zu lösen, was sie bauten!“ Die Richter seh'n sich an Unschlüssig und geduldig: Hat solches er gethan — Bei Gott, er ist nicht schuldig! Fidelio „Fidelio! Fidelio!“ So jubelte die Menge, Als endlich sie entzückt verstand Der Freiheit Siegsgesänge. Als ihr das hohe Lied vom Weib Aufging in Leonoren, Die treues Lieben führte aus Gesprengten Kerkerthoren. Und Lieb' und Freiheit widerklang, Die Freiheit und die Liebe; Dem Kaiser macht die Freiheit bang, Wenngleich passirt die Liebe. Sofort den Allerhöchsten Zorn Erfährt der Herr Minister — Doch dieser war darauf gefaßt, Und nie verlegen ist er. „Gestatten, spricht er, Majestät! Ein Wörtchen Ihrem Diener: Den Herrn Beethoven brauchen wir, Und dann — ich kenn' die Wiener — Sie sind zufrieden mit dem Rausch, Da darf man sie nicht stören — Die Freiheit, die gesungen wird; Nicht braucht man zu gewähren!“ — Die deutsche Legion Im Lande Siebenbürgen War großes Russenwürgen, Das that die kleine Schar, Die Eins gen Hundert war, Das that die Legion, Die deutsche Legion. Von Wiener Heldenresten Die Bravsten und die Besten, Der Freiheit ganzes Herz, Die Garde aus dem Merz: Das war die Legion, Die deutsche Legion. Und wo es gab ein Stürmen Und wo ein Schuz und Schirmen Und wo für Ungarn's Recht Ein glänzendes Gefecht — Da wars die Legion, Die deutsche Legion. Und wo es galt kein Zagen, Ein siegbewußtes Wagen, Mit heilger Kampfeslust Dem Feinde an die Brust: Da war die Legion, Die deutsche Legion. „Sieg oder Tod“ im Munde Die Losung jeder Stunde, Die tapfre Männer braucht, Wenn's Feld vom Blute raucht: Das ist die Legion, Die deutsche Legion. Der Bem, der Heldendegen, Der führte sie verwegen, Doch wer verwegner war Und tollkühn in Gefahr, Das ist die Legion, Die deutsche Legion. Germanen von Gemüte, Spartaner von Geblüte, Im Krieg titanenwild, Im Sieg so groß und mild — Das ist die Legion, Die deutsche Legion. Sind Mann für Mann gefallen, Nicht Einer blieb von Allen; Denn die sich nicht ergibt Und frei zu sterben libt, Das ist die Legion, Die deutsche Legion. Holde Täuschung Wer uns vom Wein so singen hört, Der hält uns wohl für Säufer — Doch hat uns nie ein Rausch bethört, Wir sind nicht Schenkenläufer. Nach unserm vielen Liebesang Glaubt man uns Mädchenjäger, Doch sind wir unser Lebenlang Gar treue Farbenträger. Wer uns so hört beim Kirmeßtanz, Hält uns für Kerngesunde, Doch sind wir es wohl selten ganz, Sind's meist nur mit dem Munde. Denn was man nicht hält in der Hand, Was immer vor uns flüchtet — Das malt man gern sich an die Wand, Das singt man sich — und dichtet! Weltherrschaft Mit dem Griffel an die Wand Eine unsichtbare Hand Schreibt geheimnißvolle Zeichen. Tausend Augen sind bemüht, Zu entziffern, was da glüht, Eh' die Farben noch erbleichen. Hoch voran der Waffenmann Streckt sich aus, soweit er kann, Liest: Die Welt gehört dem Eisen! Und er eilt, mit Schlag und Schuß, Statt vernünft'gem Denkerschluß, Seinen Saz gleich zu beweisen. Stolz mit halbentblößtem Leib Lächelnd liest das schönste Weib: Schönheit muß die Welt besiegen! Und sie spielt schon mit dem Schwert, Das ihr Nachbar abwärts kehrt, Der bald selbst wird unterliegen. Über Beide mit Bedacht Lustig sich ein Dritter macht, Und er liest: Durch Lüge — Siege! Ja, er legt mit frommer Hand Seines Segens Unterpfand Schon dem Kindlein in die Wiege. Nidertracht macht sich's bequem: Borgt, was zweckdienlich genehm, Sich eklektisch von den Dreien. Staunend ob dem Meisterstück Gibt die Dummheit dem „Geschick“ Gerne noch die letzten Weihen. An der Wand das Rätselwort Wird verstanden auch sofort: Herrschen darf, was niderträchtig! Denn troz allem Widerspruch Und dem üblen Nachgeruch — Ist es dennoch allzeit mächtig! Von Kindern Kinder sind die liebsten Gäste, Fehlten jemals sie beim Feste, Wär' es nicht das rechte mehr. Volles Leben wird erst voller, Desto besser gar, je toller — Jeder Becher werde leer! Lasset sie nur frei gewähren; Soll die Kraft an Kraft sich nähren, Gebt ihr zur Entfaltung Raum. Sanft nur soll Gewalt sie zügeln, Wenn auf Übermutes Flügeln Sie noch spottet jedem Zaum. Uns Erzieher sind die Kinder, Trüben Unmuts Überwinder, Sind ein unerschöpflich' Buch Schon im ersten Stammeln, Lallen, In des Lächeln's Wolgefallen, In dem schwanken Gehversuch. Von dem Erdkern bis zu Sternen Ist kein reichrer Stoff zum Lernen, Als die Menschheitsknospe: Kind. Bei dem frölichsten der Feste Fehlt der schönste Schmuck der Gäste, Wenn ihm fern die Kinder sind! Selige Zeit Jahre der Liebe, selige Zeit! Die alles Leben mit Blüten beschneit, Daß alle Welt, ein duftender Kranz, Weithin leuchtet im Frülingsglanz. Schön ist die Ehre, hehr ist der Ruhm, Glorreich der Wahrheit Profetenthum. Aber der Künstler, der Weise, der Held Räumen der segnenden Liebe das Feld; Denn sie beglücket innig und still, Nichts als beglücken, das ists was sie will. Denn sie macht edel und schön und gut, Träufelt Begeistrung, freudigen Mut In das bange zagende Herz Und umküsset balsamisch den Schmerz. Jahre der Liebe, selige Zeit, Ach, wie mit Blüten die Welt ist beschneit. Majestät Die Sonne seht! Wie dort empor sie geht Mit stralendem Fuß: Aufglühend im Verlangen, Die Welt zu umfangen Mit wonnigem Liebekuß, Das Leben zu weken In tausend Gestalten, Mit Licht zu bedeken Der Nacht unheimliches Walten. Die Sonne seht: Das ist, ja das ist Majestät! Das Weltmeer seht: Von Allem, was ewig besteht, Ein großes, ewiges Bild — Gleich mächtig in seinem Schweigen, Wie, wenn zum Himmel an steigen Empörter die Wogen und wild. Es birgt in seinem Schoße Noch unergründete Reiche Und neben des Schalthier's Leiche Dort schlummert das maßlos Große. Das Weltmeer seht: Das ist, ja das ist Majestät! Den Urwald seht: Einladend zum Gebet, Ein nie betretener Dom. Und wenn dann in Schauerakorden Des Sturmes Orgel ist laut geworden, Der entfesselte Felsenstrom Fortspült riesige Eichen, Himmelanstrebende Palmen Unter des Blizes Streichen Sinken gleich schwanken Halmen — Den Urwald seht: Das ist, ja das ist Majestät! Die Mondnacht seht: Ob Mailuft weht Und duftreich pranget die Flur, Ob trauernd in eisigen Banden Umhüllt von Grabesgewanden Dahinstarrt die Natur — Der Himmel, besäet mit Funken, Erschließt die geheimsten Pforten; Wir träumen auf Erden — von dorten Und sterben — so lebenstrunken. Die Mondnacht seht: Das ist, ja das ist Majestät! Ein Volk auch seht: Das jubelnd zum Kampfe geht, Wenn „Wahrheit und Recht“ die Losung ist, Das mit dem Herzen voll Liebe Obsiegt dem gekrönten Diebe — Und der Menschlichkeit doch nicht vergißt, Das erst die heiligen Waffen Begeistert geschwungen Und dann auch — Versöhnung gesungen, Anstatt entsezlich zu strafen. Dies Volk mir seht: Das ist, ja das ist Majestät! Der 6. November 1832 Schwedische Sage Schwedische Haide, Novembertag, Der Nebel grau am Boden lag, Hin über das Steinfeld von Dalarn Holpert, stolpert ein Räderkarrn. Ein Räderkarren, beladen mit Korn, Lores Atterdag zieht an der Deichsel vorn, Niels Sudbeck schiebt; sie zwingens nicht, Das Gestrüpp wird dichter, Niels Sudbeck spricht: „Buschginster wächst hier über den Steg, Wir gehn in die Irre, wir missen den Weg, Wir haben links und rechts verlauscht — Hörst Du, wie die Dalelf rauscht?“ „Das ist nicht die Dalelf, die Dalelf ist weit, Es rauscht nicht vor uns und nicht zur Seit', Es lärmt in Lüften, es klingt wie Trab, Wie Reiter wogt es auf und ab. Es ist wie Schlacht, die herwärts dringt, Wie Kirchenlieder es zwischen klingt, Ich hör' in der Rosse wieherndem Trott: Eine feste Burg ist unser Gott!“ Und kaum gesprochen, da Lärmen und Schrein, In tiefen Geschwadern bricht es herein, Es brausen und dröhnen Luft und Erd', Vorauf ein Reiter auf weißem Pferd. Signale, Schüsse, Rossegestampf, Der Nebel wird schwarz wie Pulverdampf, Wie wilde Jagd so fliegt es vorbei; — Zitternd ducken sich die Zwei. Nun ist es vorüber ... Da wieder mit Macht Rückwärts wogt die Reiterschlacht, Und wieder dröhnt und donnert die Erd' Und wieder vorauf das weiße Pferd. Wie ein Lichtstreif durch den Nebel es blitzt, Kein Reiter mehr im Sattel sitzt, Das fliehende Thier es dampft und raucht, Sein Weiß ist tief in Roth getaucht. Der Sattel blutig, blutig die Mähn', Ganz Schweden hat das Roß gesehn; — Auf dem Felde von Lützen am selben Tag Gustav Adolf in seinem Blute lag. Schloß Eger Lärmend im Schloß zu Eger, Über dem Ungarwein, Sitzen die Würdenträger Herzogs Wallenstein: Tertschka — des Feldherrn Schwager, Illo und Kinsky dazu, Ihre Heimat das Lager, Und die Schlacht ihre Ruh. Lustig flackern die Kerzen; Aber der Tertschka spricht: „Ist mir's Nacht im Herzen Oder vorm Gesicht? Diese Lichter leuchten Wie in dunkler Gruft, Und die Wände, die feuchten Hauchen Grabesluft.“ Feurig funkelt der Ungar; Aber der Kinsky spricht: Draußen bei Frost und Hunger Schüttelte so mich's nicht, Hielte lieber bei Lützen Wieder in Qualm und Rauch; Wolle Gott uns schützen, Oder — der Teufel auch. Illo nur, Herz wie Kehle Hält er bei Laune sich, Dicht ist seine Seele Gegen Hieb und Stich, Trägt ein Büffelkoller Wie sein Körper traun, — Lustiger und toller War er nie zu schaun. Und vom Trunke heiser Kreischt er jetzt und lacht: „Das erst ist der Kaiser, Wer den Kaiser macht; Eid und Treue brechen, Thaten wir's allein? Hoch der König der Czechen, Herzog Wallenstein!“ — Stadt- und Schloßbewohner Schlummern ... Da in Stahl Buttlersche Dragoner Dringen in den Saal; Buttler selbst, im Helme, Tritt an Illo: „sprich, Seid Ihr Schurken und Schelme Oder gut kaiserlich?!“ Hei, da fahren die Klingen Wie von selber heraus, Von dem Pfeifen und Schwingen Löschen die Lichter aus. Weiter geht es im Dunkeln, Nein, im Dunkeln nicht: Ihrer Augen Funkeln Giebt das rechte Licht. Tertschka fällt; daneben Kinsky mit Fluch und Schwur; Mehr um Tod wie Leben, Ficht selbst Illo nur, Schlägt blindhin in Scherben Schädel und Flaschen jetzt, Wie ein Eber im Sterben Noch die Hauer wetzt. Licht und Fackel kommen, Geben düstren Schein: In einander verschwommen Blinken Blut und Wein; Überall im Saale Leichen in buntem Gemisch, Stumm, vor seinem Mahle, Sitzt der Tod am Tisch. Buttler aber, wie Wetter Donnert jetzt: „laßt sie ruhn! Das sind erst die Blätter, An die Wurzel nun.“ Bald in Schlosses Ferne Hört man's krachen und schrein; — Schau nicht in die Sterne, Rette Dich, Wallenstein! Maria Stuarts Weihe Schloß Holyrood ist öd und still, Der Nachtwind nur durchpfeift es schrill, Es klirrt kein Sporn in Hof und Hall, Nur finstres Schweigen überall. Da plötzlich schwebt in luftgem Gang Ein hohes Weib die Hall entlang: Ihr klares Aug strahlt ewig jung Vom Feuer der Begeisterung. Zu Häupten ihr glüht Sternenschein, Ihr Haar ist gold — wer mag sie sein? Sie kommt und bringt ihr Angebind Im Saale drin dem Königskind. Das Königskind das heißt Marie; Wie Liebeszauber umklingt es sie Als, neigend über die Wiege sich, Die Muse spricht: „ich weihe Dich!“ Sie spricht es kaum, da — still und stumm Entschwebet schon sie wiederum, Und lachend schlüpfen lust'ge Zwei Jetzt in die Thür, an ihr vorbei. Die Eine trägt zu buntem Tand Einen Pfauenfächer in blitzender Hand, Es knistert die Seide, es bauscht ihr Kleid, Das war die Dirne „Eitelkeit“. Die Andre, frech und üppig gar, Trägt langes, aufgelöstes Haar, Ihr Aug ist schwarz, nackt ihre Brust, Das war die Dirne „Sinnenlust“. Sie neigen beid' zur Wiege sich, Und kichern hell: „wir weihen Dich!“ Da huscht, und ihre Wang erblaßt, Rasch in den Saal ein dritter Gast. Wie Schatten schleicht er an der Wand, Sein Kleid ist roth, roth seine Hand, Er schaut sich um, sein Auge sticht, Und messerscharf ist sein Gesicht. Er neigt sich jetzt und spricht das Wort: „Ich weihe Dich zu Blut und Mord!“ Aufschreit im Schlaf das Königskind, Und heller draußen pfeift der Wind. Der Gast ist fort, doch her und hin Wirft banger Traum die Schläferin, Geweiht für's Leben schlummert sie, Die schöne schottische Marie. Maria und Bothwell König Darnley liegt erschlagen, Graf Bothwell hat es gethan. — Sechs Lords von Schottland tragen Die Leiche nach Sankt Alban, Sie stellen bei Fackelscheine Den Sarg an den Altar hin; — Von Trauernden fehlt nur Eine, Maria, die Königin. Sie sitzet daheim im Schlosse, In funkelnder Nische des Saals, Auf dem Sammetpfühl ihr Genosse Ist der Mörder ihres Gemahls; Dem Lande kleidet die Trauer, Der Königin kleidet die Lust, Kalt-heiße Wonneschauer Durchrieseln ihre Brust. Sie spricht verlockenden Schalles: „Nun komm, nun küsse Dich roth, Ich danke Dir Alles, Alles, Mein Leben und — seinen Tod; O schau nicht so fragend und bange, O schau wie sonst mich an, Leg ab die blasse Wange, Gethan ist, was gethan.“ Die Kerzen brennen wie lüstern Und geben schwülen Hauch, Immer leiser wird das Flüstern, Nun schweigt das Flüstern auch, Ihr Athem lodert zusammen, Wie Glut um Glut sich mischt, Bis mälig in Flackerflammen So Lust wie Licht erlischt. Still wird's; nur Mondeslichter Durchhuschen bleich den Saal, Es schlummern, wie Todtengesichter, Graf Bothwell und sein Gemahl; Sie schlummern; des Windes Weise Erstirbt im hohen Kamin, An den Wänden, hastig-leise, Schatten vorüberfliehn. Und hastiger wird ihr Treiben, Schon graut und dämmert der Tag, Da schlägt's an die klirrenden Scheiben Wie flatternder Flügelschlag! Auffahren die zwei vom Kissen, Verstört an Haar und Sinn, Im Traume ward wach ihr Gewissen, Und es murmelt die Königin: „Hilf Himmel, ich sah die Meinen, Landflüchtig, der Zügel beraubt, Der fallenden Krone des Einen Nachrollte sein fallendes Haupt, Und wie Donner durch meine Seele Ging das alte Lied: Ich räch' alle Schuld und Fehle Bis in das vierte Glied.“ Maria hat es gesprochen, Graf Bothwell hört es kaum, Seine Schläfe pulsen und pochen, Er denkt an den eigenen Traum, Er spricht unter Starren und Stocken: „Sie grüßte, dann betete sie, Abschnitt ihr der Henker die Locken, — Ach, Deine Locken, Marie.“ Graf Bothwell hat es gesprochen, Maria hört ihn kaum, Ihre Schläfe pulsen und pochen, Sie denkt an den eigenen Traum, Stumm blicken die Buhlergatten Sich an so blaß, so bang; — König Darnleys blutiger Schatten Schreitet den Saal entlang. Cromwell's letzte Nacht Mir sagt's nicht nur des Arztes ernste Miene, Selbst fühl' ich's, meine Stunden sind gezählt ... Ein wüster Traum war's! wüßt' ich, diese Nacht Wird mir der Schlaf ein gleiches Schreckniß bringen, So möchte diese Stunde noch der Tod Statt jenes Stuart an mein Lager treten. Ernst stand er vor mir; um den nackten Hals Trug, statt des Schmuck's, er einen rothen Streifen, Und als er, wie vordem, zu leichtem Gruß Nach dem Barett auf seinem Haupte faßte, Nahm er den Kopf von seinem blut'gen Rumpf. Mein Auge schloß sich; als ich's scheu geöffnet, Sah wieder ich den purpurrothen Streifen, Er winkte mit dem Finger mir zu folgen, Und schwand dann, rückwärts schreitend, in der Thür. Was schreckt das Traumbild mich des todten Mannes Und weckt in mir den alten Aberglauben An eines Königs Unverletzlichkeit? Das Schwert des Henkers wär wie Glas zersprungen, Wenn Gottes Will' ihn unverletzlich schuf. Der kühne Normann, der bei Hastingsfield Den König Harald in den Staub geworfen, Was war er Bessres als der Cromwell heut, Der jenen Carl bei Marston-Moor erschlagen? Es soll nicht mehr dies blut'ge Haupt mich schrecken! Daß ich mein Thun mit seinem Tod besiegelt, Es war Nothwendigkeit; er mußte sterben, Es war sein Blut der Mörtel meines Bau's. Ich sah das Schiff, vom Sturm umhergeschlagen, Der Klippe nah, dran es zerschellen mußte: Ich sprang hinzu, von seinem Platze drängt ich Den schwachen Steurer, und mit fester Hand Bracht' ich das Schiff geborgen in den Hafen. Es war noch immer, wo es galt zu retten, Das Recht des Stärkern nicht das schlechtste Recht. Wenn in die Sendung, die an mich ergangen, Sich Selbstsucht, Stolz und Eitelkeit gemischt, So weißt Du, Gott, der meine Nächte kennet, Wie für die Schwachheit bitter ich gebüßt. Mein Leben war das Leben des Tyrannen; Ob nimmer auch in Blut ich mich gebadet, Haß fand ich dort, wo festen Arms ich drückte, Und Eifersucht, wo milden Arms ich hob. Erfüllt ist, was ich wußte; Gott, ich wollte Des Mannes Blut wär nicht an meinen Händen! Hab ich gefehlt, sei mir ein gnäd'ger Richter, — In Deine Hand befehl ich meinen Geist. Katharina von Medici Bluthochzeit feierte die Stadt Paris, Der Glocke Zeichen war in Nacht verklungen Und durch die Straßen, wie gehetztes Wild, Wehschreiend, betend, floh der Hugenott. Schon zog ein Blutstreif durch den Seinefluß, Schon lag verstümmelt, siebenfach durchbohrt, Auf offnem Platz der greise Coligny, Und immer noch, den Mord zum Morde mahnend, „Laßt Ader!“ schrie der tückische Tavannes. Im Schlosse aber, das sie Louvre nennen, An jener hohen Bogenfenster einem Stand König Karl, der neunte seines Namens, Und zitterte. Der ungeheure Frevel Griff ihm an's Herz. Trotz Licht und Fackelglanz Nacht war's um ihn. Er warf die Büchse fort. „Ich kann nicht schießen, Mutter!“ rief der König. Da trat sie selbst hervor, schwarz war ihr Haar, Schwarz wie der Sammet ihres Schleppenkleides, Und ihrem Aug entflammte tiefre Glut. Als dem Rubin, der ihr am Nacken blitzte. „Bist Du ein Mann?“ so raunte sie ihm zu. „Ein König und — so feig? ich mag's nicht glauben.“ Das zündete. Der Fürst, in falscher Scham Ergriff er neu das Rohr, sie aber rief: „Schau dort das Weib, das Hugenottenweib, Sie flieht und birgt den Säugling an der Brust, Zertritt das Raupennest!“ Der König schoß; Ein Wehschrei klang herauf; sie aber klatschte Laut in die Hand; — — in jener dunklen Nacht Erlosch der Glanz vom Haus der Mediceer. Bienen-Winkelried Nur kein Gegrübel Was es sei; Wohl oder übel — Der Scherz ist frei. Die Wespen und die Bienen Sie haben sich entzweit: Guelphen und Ghibellinen So stehen sie im Streit. Schon um die heimische Linde, Wie um ihr letztes Haus, Sammelt das Bienengesinde Sich zum entscheidenden Strauß. Eine (sie stund auf Wache, Und das Weinen war ihr nah) Schwur: „eine herrliche Sache Sei dies mori pro patria! Daß ihr Stand so ein harter, Freue sie fast zu sehn, Wie die dreihundert Spartaner Würden sie untergehn.“ Sprach da eine Zweite: „Wohl, sie stimme dem bei, Daß zu fallen im Streite Süß und löblich sei; Nur sie wäre verwundert, Daß man auf Sparta säh', Pforzheim und seine Vierhundert Hätte man ja in der Näh'.“ Sprach es. Da schwarz am Himmel, Wie Heuschreckenzug, Nahte das Wespengewimmel Sich im Siegesflug. Solche Schwärme und Flüge Nimmer der Garten sah, Wahre Hunnenzüge Warens des Attila. Bald in gebogenem Horne, Bald in gespitzem Keil Stürmten sie, — aber nach vorne Immer den Stacheltheil; Ach die Bienen, in Demuth Wurden sie deß bewußt, Und unendliche Wehmuth Schlich in ihre Brust. Siehe, da scholl ein Sasse Tritt hervor aus den Reih'n: „Mach' Euch eine Gasse Liebe Genossen mein!“ Und als ob es ihm wäre Heldischer Zeitvertreib, Drückt er dreizehn Speere Sich in Brust und Leib. Wüthend die Bienen klammern Da an den Feind sich an, Alle Wespen jammern: „Rette sich, wer kann!“ Aber mit Waffen, schartig, Hummeln und andere mehr Fallen jetzt landsturmartig Über die Flüchtigen her. Abend kommt; es schattet; Letzte Röthe schied; Siehe, da wird beschattet Bienenwinkelried. Solch ein Gäste-Gedränge, Alle mußtens gestehn, Und solch Leichengepränge Hatten sie nie gesehn. Rings auf Spitzen und Thürmchen An dem Hecken-Zaun, Glühten Johanniswürmchen Hell wie Fackeln traun; Taghell so beleuchtet Kam der Zug daher, Jedes Auge gefeuchtet, Jedes Herze schwer. Vorne, drei Hummelbrummer Schritten ernst und barsch, Trommelten in Kummer Ihren Trauermarsch; Dann mit Ruhm zu melden Kam der wächserne Sarg, Der des Helden der Helden Irdische Hülle barg. Vier kohlschwarze Käfer, — Allen wohlbekannt — Waren, als Rappen, dem Schläfer Drinnen vorgespannt; Auf dem Deckel oben Lagen, Schaft an Schaft, Alle die dreizehn Proben Seiner Ritterkraft. Still des Zuges Spitze Hat jetzt eingelenkt: In eine Mauerritze Wird der Sarg gesenkt. Dann — wie Kriegsgefinde Rasch den Gram vertauscht — Haben im Duft der Linde Alle sich berauscht. Das Trauerspiel von Afghanistan Der Schnee leis stäubend vom Himmel fällt, Ein Reiter vor Dschellalabad hält, „Wer da!“ — „ein britischer Reitersmann, Bringe Botschaft aus Afghanistan.“ Afghanistan! er sprach es so matt; Es umdrängt den Reiter die halbe Stadt, Sir Robert Sale, der Commandant, Hebt ihn vom Rosse mit eigener Hand. Sie führen in's steinerne Wachthaus ihn, Sie setzen ihn nieder an den Kamin, Wie wärmt ihn das Feuer, wie labt ihn das Licht, Er athmet hoch auf und dankt und spricht: „Wir waren dreizehntausend Mann, Von Cabul unser Zug begann, Soldaten, Führer, Weib und Kind, Errstarrt, erschlagen, verrathen sind. Zersprengt ist unser ganzes Heer, Was lebt, irrt draußen in Nacht umher, Mir hat ein Gott die Rettung gegönnt, Seht zu, ob den Rest ihr retten könnt!“ Sir Robert stieg auf den Festungswall, Offiziere, Soldaten folgten ihm all', Sir Robert sprach: „Der Schnee fällt dicht, Die uns suchen, sie können uns finden nicht; Sie irren wie Blinde und sind uns so nah, So laßt sie's hören, daß wir da, Stimmt an ein Lied von Heimat und Haus, Trompeter blast in die Nacht hinaus!“ Da huben sie an und sie wurden's nicht müd', Durch die Nacht hin klang es Lied um Lied, Erst englische Lieder mit fröhlichem Klang, Dann Hochlandslieder wie Klagegesang. Sie bliesen die Nacht und über den Tag, Laut, wie nur die Liebe rufen mag, Sie bliesen — es kam die zweite Nacht, Umsonst, daß ihr ruft, umsonst, daß ihr wacht. Die hören sollen, sie hören nicht mehr, Vernichtet ist das ganze Heer, Mit dreizehntausend der Zug begann, Einer kam heim aus Afghanistan. Unschuld und Liebe Unter Blumen ging ich neulich Früh im Morgensonnenstrahl Und es dufteten die Rosen Und die Lilien zumal. Und in ihre Zauberkreise Zogen sie mich tief hinein; Wie verwirrten mich die Holden Sanft mit ihrem süßen Schein! Und der Rose zart Erröthen Ward der Unschuld lieblich Bild, Und im Kelch der Lilie perlte Liebeszauber süß und mild. Und woher denn die Verwirrung? Oder hat man euch verkannt Und mit Unrecht Rose Liebe, Unschuld Lilie genannt? Und ich ging und kehrte wieder Spät im Abendsonnenstrahl, Und ich sah die Rosen wieder Und die Lilien zumal. Ach, die Rose war verblichen Und ihr Zauber löste sich; Nur die Lilie ohne Wandel Immer noch sich selber glich. Und ich komme jeden Morgen, Und die Lilien blühen noch; Und gelöst ist die Verwirrung: Und sie sind die Unschuld doch! Die verlassenen Rosen Wenn die Rosen einsam blühen Im verwaisten, stillen Garten, Ihrer Kelche Duft verglühen, Keine Hand will ihrer warten: Will es wie ein Grabeszeichen Mir die Seele fast erweichen. Und ich suche, was nur immer Die Verlassnen tröst' und freue: Rings der andern Blumen Schimmer, Oben Himmelsglanz und Bläue; Will sogar sie glücklich sprechen: Keiner naht ja, sie zu brechen! Doch ich les' in ihren Zweigen: „Was hilft uns des Himmels Bläue, Was der Schwesterblumen Reigen, Ob er stündlich sich erneue; Und es will uns nicht beglücken, Mag sich Niemand nach uns bücken! Ach, was hilft die Pracht der Blüten, Soll kein Auge sie erblicken, Und wenn wir in Flammen glühten, Ohn' ein Herz je zu erquicken? Glücklich kann nur Liebe sprechen! Und die Liebe mag uns brechen!“ Jugendfreundschaft Gesundes Korn verliert nicht seine Kraft, Und blieb es auch Jahrhunderte verschlossen. Aus Mumiensärgen hat man es geschafft, Mit frischem Wasser hat man es begossen — Und rasch entwickelte sich Lebenssaft, Daß Blatt und Blüten reichlich ihm entsprossen. Hat's jemals ein gesundes Korn gegeben, So ist es Freundschaft in der Jugendzeit. Laß Raum und Zeit die Schleier drüber weben. Und Klüfte reißen drunter tief und weit — Ein Augenblick erweckt das alte Leben, Und Gegenwart ist die Vergangenheit! Die Gaben der Tonkunst Vollendet aus Prometheus' Händen Trat in die Welt der Mensch hervor; Doch bei des Bildners reichsten Spenden — Verschlossen blieb ihm Aug' und Ohr, Bis mit dem Lebenshauch der Seelen Zu weihn des Titaniden That, Ihm Psyche's Liebreiz zu vermählen, Sich Pallas dem Erschaffnen naht. Von ihrem Hauche kaum getroffen, Gewinnen alle Sinne Macht; Das Buch der Schöpfung steht ihm offen, Und der Gedank' ist ihm erwacht. Nicht liegt in finsterer Verwahrung, Was Sinn' und Geist ihm angeregt; Die Sprache bringt zur Offenbarung, Was Himmel, Erd' und Meer bewegt. Doch wie das Wort sich losgerungen, Ihm bleibt ein ungemessner Schmerz; Von unbekannter Macht gezwungen, In ehrnen Banden bleibt das Herz. Was er im Innersten empfunden, Was er beweint, was ihn beglückt, Kein Gott hat ihn der Last entbunden, Die bleiern seine Seele drückt. Da flieht er zu des Meeres Strande, Und zu Poseidon's dunkler Macht Erhebt er von des Felsens Rande Die Stimm' in heil'ger Mitternacht. Und wie er, zu dem Gott gewendet, In Thränen aus und Klagen bricht, Vernimmt er, eh' er noch geendet, Was Jener in der Tiefe spricht: „So muß in langem, bangem Stöhnen Ich künden, was die Brust bewegt, Und in der Woge dumpfem Dröhnen Das Ach aushauchen, schmerzerregt So wie die Wasser kommen, steigen Und sinken wieder matt zurück, So zieht der Seufzer langer Reigen Ums ew'ge Grab von Ruh' und Glück.“ Nun hat für seine trüben Stunden Im langgetragnen Wellengang Der Mensch die Sprache schnell gefunden: Es schwillt das Wort an zum Gesang; Es lösen sich in weichen Tönen, Die steigend wachsen und vergehn, Des Herzens ungestilltes Sehnen, Der Seele namenlose Wehn. Doch kaum erlangtes Glück zu stören, Häuft er im Stillen Zornesglut: „Soll ich nur meine Klagen hören? Verstummen sollen Kraft und Muth?“ Da naht im wilden Schein der Wetter, Mit Sturmgebraus im dunkeln Wald, Im Donnergang der Gott der Götter, Daß Erd' und Himmel wiederhallt. Und wie die Stürme nahend brausen Mit feierlichem, ernstem Ton, Erfaßt ein wunderbares Grausen Den aufgeschreckten Erdensohn. Die Klänge sind's erhabner Größe, Anbetend sinkt er vor ihr hin; Doch mit dem wachsenden Getöse Erhebt sich sein verwegner Sinn. „Du gibst mir selber, Zeus, die Lehre, Thust mir im eignen Zürnen kund, Wie ich mich gegen dich empöre. So öffne dich, verschlossner Mund! Nun hab' ich zu dem Schall der Waffen, Für wilder Rache heißen Drang, Für Alles, was der Zorn erschaffen, Durch dich, o Zeus, den rechten Klang.“ O furchtbares Geschenk! Die Flammen Zu Bruderhaß schürt solcher Klang; Vor ihm stürzt Mau'r und Thor zusammen, Er jauchzt bei Tod und Untergang. Die Fackel reicht er der Empörung, Sein ewig Loosungswort ist Krieg, Und all sein Walten ist Zerstörung, Und all sein Trachten ist der Sieg. Und wie noch Erd' und Meer erbeben Und Sturm durchzittert jede Brust, Sieht man aus dunkler Nacht sich heben Den Gott des Lichtes und der Lust. Er sieht der Menschen wirres Treiben, Und Mitgefühl erfaßt sein Herz; Im Himmel kann er nicht mehr bleiben, Ihn zieht es zu der Erde Schmerz. In Knechtsgestalt, der Hirten einer, Doch strahlend in der Gottheit Licht, So naht er, und von allen Keiner Verkennt sein heilig Angesicht. Die Lyra ruht in seiner Linken, Die Rechte führt nicht Schwert noch Speer, Und wie die Augen liebend winken, So drängt sich Alles zu ihm her. Er aber rührt die goldnen Saiten, Und hoch entzückt lauscht jedes Ohr. „Was mag der neue Klang bedeuten? Wie fließt er frei und leicht hervor? O, höret ihn! Nun wird er sprechen! Doch was er spricht, ist Sprache nicht, Es wird das Herz in Wonne brechen Vom Zauberton, in dem er spricht.“ Apollon siegt. Die Saiten tönen. Sein Lied ist Lieb' und Lebenslust; Er singt von allem Guten, Schönen, Vom Hochgefühl in jeder Brust; Er singt von Berg und Thal und Feldern, Vom Glück des Vogels in der Luft, Vom flücht'gen Wild in grünen Wäldern, Von bunter Blumen süßem Duft. Er singt vom Saft der Purpurtraube, Von froher Götter Festesmahl, Und für den Menschen, tief im Staube, Von Freudenfülle sonder Zahl. Und jede Brust fühlt sich erweitert, Und jedes Herz schlägt neuen Schlag: „Nun ist die dunkle Welt erheitert; Das ist der erste Schöpfungstag. Was in dem Busen dumpf verklungen, Das heilige Gefühl der Lust, In Liedern sei es ausgesungen Aus voller, freier, froher Brust. O gib uns, Gott, die süßen Klänge, Gib uns dein goldnes Saitenspiel, Gib uns die himmlischen Gesänge, Laß uns dies selige Gefühl!“ So sagen sie; die Stimme bebet Noch im entschwindenden Accord; Sein Zauberton die Füße hebet In lieblicher Bewegung fort. Apollon spricht: „Nicht kleine Gaben Begehrt der Wunsch in eurer Brust; Das Höchste, was die Götter haben, Das ist der Ausdruck ihrer Lust. Und hingeworfen an die Menge, Wer rettete das heil'ge Gut, Wo in dem wilden Weltgedränge Nicht eine Freude sicher ruht? Doch kehr' ich gern auf eure Bitte Bei euren frohen Festen ein, Und immer soll in eurer Mitte Von mir ein Auserwählter sein. Ihm soll Poseidon seine Klagen, Ihm Zeus sein Donnerwort verleihn, Und zu des Lebens Freudentagen Will ich ihn, meinen Priester, weihn. Und wenn der Ton erstickt im Zorne, Der Jammer, wenn das Herz ihm bricht, Soll ewig zu der Freude Borne Ihn leiten meiner Sonne Licht.“ Meine Heimat O meine Heimat ist nicht eng begrenzt, Ich will sie nicht nach Berg' und Flüssen nennen, Wo Liebe mir aus Menschenaugen glänzt, Da kann ich meine Heimat auch erkennen. Wo fremder Geist den meinen aufwärts führt, Wo Andre mich auch ahnungsvoll verstehen, Wo Menschenwort mich wunderbar berührt, Da fühl' ich traute Heimatlüfte wehen! Laß, Vater, nie mir solche Heimat fehlen! O laß mich nicht in weiter Welt allein! Und laß in allen reinen Menschenseelen Mich wie in meiner eignen Heimat sein! Sterben Sonst wollt' ich gern in die Natur versinken, Sie lud mich überall zum Sterben ein: Die Wassertiefen sah ich lockend winken Und wünschte mir ein Wellentheil zu sein. Mit Sehnsucht sah ich Gras und Blumen wehen Und hätte gern mich unter sie gelegt, Um ganz im Sein der Erde aufzugehen, Die mich nur kalt auf ihrer Rinde trägt. Doch jetzt möcht' ich in einem Menschenherzen Mich ganz verloren und begraben sehn, Gestorben drin mit Fehlern und mit Schmerzen Und draus zu neuem Leben auferstehn! O nur ein Herz, ein einz'ges ist dir offen, O flieg' mit allem Sehnen da hinein; Nur da allein kannst du Genesung hoffen; O herrlich ist's, im Herrn gestorben sein! Besseres Wol will dem Herrn ich freudig danken, Daß er mir Kraft zum Singen lieh; Doch gäb' er reinste Melodie, Gäb' er mir lieblichste Gedanken, Ich fühl' es, eine That der Liebe Ist mehr vor seinem Angesicht, Als jedes lieblichste Gedicht, Und ob ich tausend Lieder schriebe — Bei jedem einzeln fühl' ich wieder: Froh Wirken — ob im engen Kreis, Still dienen, ob es Niemand weiß, Ist mehr als tausend schönste Lieder! An *** Kennst du das Fühlen, wenn in Waldesnacht Urplötzlich eine Blume vor uns blüht Und uns in zauberheller Farbenpracht Mit holdem Lächeln in die Augen sieht? Kennst du das Fühlen, wenn ein Sonnenstrahl So golden froh durch dunkle Nebel bricht, In trüben Tagen uns mit einem mal Von langverklungner Frühlingswonne spricht? Kennst du das Fühlen, wenn der Sternenschar, Die unerreichbar unser Auge meint, Ein goldner Stern entflieht und wunderbar Dem Blick der Sehnsucht sich zu nahen scheint? Kennst du das Fühlen? O dann frage nicht! — Du kannst mein wortlos stilles Glück verstehn, Du fühlst mir nach, was keine Sprache spricht, Was ich empfunden, da ich dich gesehn! O wie selig, wer im Herzen ... O wie selig, wer im Herzen Einen Namen nennt, Wenn es Niemand weiß, wenn Keiner Diesen Namen kennt; Wenn es Keiner weiß, welch Hoffen Seine Seele hegt, Was sie im Gebet zum Himmel Ewig aufwärts trägt; Wenn es Keiner weiß, was Helle In die Nacht ihm bringt, Und warum die Thrän' im Glücke Ihm ins Auge dringt; Wenn es Keiner weiß, was immer Jung das Herz erhält, Und was treulich es behütet In dem Rausch der Welt. Selig ist er! Nur der Augen Warmes Strahlenlicht Sagt uns, daß er in der Stille Oft begeistert spricht: „O, mit Gott im Himmel hab' ich Etwas nun gemein — Denn mein süß Geheimniß wissen Er und ich allein!“ Aus dem dunkeln Thal Aus dem tiefen, tiefen Thal, Wo die dunkeln Tannen stehn, Mag ich gern im Abendstrahl Ferne Gipfel glänzen sehn, Ahnen, wie das Leben schön Droben ist im Sonnenschein, Denke mich auf lichte Höhn, Mag ich auch im Dunkel sein! Und in trüber, trüber Zeit, Wenn erbleicht das eigne Glück, Weilt auf fremder Seligkeit Gern mein thränenvoller Blick, Und im Stillen fühl' ich nach, Wie man fröhlich lebt und liebt, Wie des Glückes Sonnentag Andern Herzen Wonne gibt. Heller wird das Angesicht, Und die Thräne selbst versiegt, Wenn mein Geist empor zum Licht Ferner Sonnenhöhen fliegt. Darum, Herr, muß ich im Thal Einsam auch im Schatten gehn, Laß mich nur im Sonnenstrahl Ferne helle Gipfel sehn! Musik Lausche den Tönen! Ob sie erklingen zum munteren Reigen, Ob sie gehaltvoller himmelan steigen, Ob sie die Bilder des Lebens Dir spiegeln, Oder der Seele Geheimniß beflügeln — Ihnen gelingt es, bei Jubel und Trauer Mit dieses Daseins so flüchtiger Dauer Dich zu versöhnen. Lausche den Tönen! Gleichwie die Blumen Dir lieblicher scheinen, Wenn wir sie sinnig zum Kranze vereinen, So auch die Töne — gespielt und gesungen — Erst wenn die Kunst sie harmonisch verschlungen, Bieten Entzücken dem fühlenden Herzen, Wecken in Dir durch Freuden und Schmerzen Himmlisches Sehnen. Lausche den Tönen! Was Du an Erdenglück jemals genossen, Von der Erinnerung Zauber umflossen, Lebst Du's noch einmal, wenn sanft Melodieen Leis' wie ein Echo die Seele durchziehen; Und will die Hoffnung dich wonnevoll wiegen, Mag an die Töne sie gerne sich schmiegen, Träger des Schönen. Lausche den Tönen! Wie sie unsterbliche Meister gesungen, Wie sie zum Lobe des Höchsten erklungen, Wie sie noch heut' in melodischen Weisen Mannichfach Länder und Völker umkreisen. Ja, weil sie athmen den göttlichen Frieden, Der die Gemüther beglückt schon hienieden — Lausche den Tönen! Sonett Seh' im Pokal den goldnen Wein ich blinken, Wie er erweckt die edleren Gefühle Zu Wort und Lied im muntren Wechselspiele, Daß selbst die Alten wieder jung sich dünken; Hör' ich, wenn Männern volle Becher winken, Der Lieb' und Freundschaft Stern im Weltgewühle Vor allem preisen, der uns bis zum Ziele — Den Lebenspfad erhellt, — da muß ich trinken; Und Nektar glaub' ich aus krystallner Schale, Wie Ganymed ihn im Olymp kredenzte, Zu schlürfen! — — — — ja, in seligem Vergessen Der Leidensthräne, die im Aug' mir glänzte Ob mancher Sorg' und Plag' im Erdenthale, Kann ich der Götter Vollgenuß ermessen. Lebensbild Es stand in einem Garten Ein schöner Apfelbaum, Der lang in farb'gen Blüthen Geträumt manch süßen Traum. Einst jung, mit wilden Trieben, Der lust'gen Winde Spiel, Ward er verpflanzt, veredelt Und trug der Früchte viel. Sie fielen reif vom Stamme, Man las sie fleißig auf; In seiner Blätterkrone Traf Vöglein man zuhauf. Tief unter seinem Schatten Viel Gras und Kraut gedieh; Dem sonnverbrannten Wandrer Er kühle Ruh verlieh. Es ragt' empor sein Wipfel Gar stolz zum Himmelszelt, Und in des Herbstes Stürmen Bewährt' er sich als Held. Da zog ein strenger Winter Herein in's Gartenland Und hat, ihn eisig packend, All seine Kraft entwandt. Wie drauf der Lenz gekommen, Und lebensfrisch erwacht Fast jeder seiner Brüder Und neues Laub gebracht: Sah man am lieben, alten, Berühmten Apfelbaum Nur spärlich Blätter prangen, Der Blüthen eine kaum! Als Riese unter Zwergen Er Spott und Hohn vernahm Vom jüngeren Geschlechte, Weil kahl und morsch sein Stamm. Nicht konnt er, halb verdorret, Trotz Thau und Sonnenschein Zu einst'ger Pracht sich heben In seiner Brüder Reihn. Da hat, als ob Erbarmen Im Himmel er erweckt, Ein Blitz aus Wetterwolken Zu Boden ihn gestreckt. Ein froher Mensch — ein Kleinod, das in der Sonne funkelt Sprüche Ein froher Mensch — ein Kleinod, das in der Sonne funkelt; O hüte dich, daß nicht dein Schatten ihn verdunkelt. So manchen Menschen hast du dir zum Feind gemacht Sprüche So manchen Menschen hast du dir zum Feind gemacht; Weil er's bemerkt, daß du durchschaut, was er gedacht; Nimmst scheinbar du, wie er sich geben will, den Mann, Sieht höchst befriedigt er als seinen Freund dich an. Moderne Legende Zur Nacht ins weiche Bett geschmiegt Der junge Prediger sinnend liegt, Zwei Kerzen geben hellen Brand, Er hält die Predigt in der Hand; Im Herzen hegt er liebe Sorgen, Er hält die erste Predigt morgen! Er liest und liest sie wieder dann, Und denkt: „Du bist ein ganzer Mann! Wie alles dies so prächtig klingt, Erbaulich in die Seele dringt; Der Text nur hat Erklärung nöthig, Mein Sinn erst macht ihn sechzehnlöthig.“ So denkt er viel noch her und hin, Da überkommt der Schlummer ihn, Und langsam zu der Thür herein, Es tritt ein bleicher Schatten ein; Er kann es deutlich nicht erkennen, Wie ihm vor Schlaf die Augen brennen. Es naht und faßt ihn bei der Hand Und führt sie zu der Kerze Brand, Und plötzlich wird's im Zimmer licht, Daß ihm es in die Augen sticht, Und weh, in hellen rothen Flammen Brennt seine Predigt ihm zusammen. Erschrocken will er retten noch, Der Schlaf bewältigt ihn jedoch, Nur der Gedanke peinigt ihn: Sein Rednerruhm ist morgen hin, Wenn die Gemeinde sich versammelt, Und er gebrochne Sätze stammelt. Der Morgen kommt nach langer Nacht, Der junge Prediger ist erwacht; Da ist der lang ersehnte Tag, Doch pocht sein Herz in schnell'rem Schlag, Ist froh, daß Alles Traum gewesen, Und will nochmals die Predigt lesen. Doch weh, als Asche liegt zerstreut, Was selbstgefällig ihn erfreut, Auf seinem Bett, auf seinem Haupt Was er so schön, so tief geglaubt; Der Text der heil'gen Schrift entschrieben, Ist unversehrt nur liegen blieben. Mohammed und die Katze Mit seinen Freunden im Gemach Saß der Profet vertraulich, Von Menschenthum und Milde sprach Er Worte tief erbaulich. „Wer je ein weinend Herz verließ, Wird nicht zu Gnaden kommen; Mild wird vom Herrn im Paradies Das Thier selbst aufgenommen.“ Sie saßen still und aufhorchsam, Denn er belehrte Jeden; Nur einen Hörer überkam Der Schlaf bei seinen Reden. Mohammeds Lieblingskatze war's, Die, als sie ihm geschmeichelt, Auf einem Zipfel des Talars Entschlief, vom Herrn gestreichelt. Von der Moschee ließ zum Gebet Jetzt laut der Ruf sich hören, Doch mochte nimmer der Profet Den Schlaf der Freundin stören. Und schnitt den Zipfel vom Talar, Dann ging er, um zu beten; Und seinen Jüngern wurde klar Die Milde des Profeten. Er weiß es besser Im Morgendufte stehn die Tannenbäume, Grüngolden spielt das Licht in ihren Ästen, Rings tönt Gesang von leichtbeschwingten Gästen Und Frühlingsodem weht durch alle Räume. Ein Jäger geht in Thau und Schatten drinnen, Er trägt das Feuerrohr gesenkt zur Erde; Heut sicher ist vor ihm des Wildes Herde, Er scheint auf eine andre Jagd zu sinnen. Prüft manchen Baum vom Grund bis zu den Kronen, Und rüttelt auch an manchem scharf und mächtig, Thautropfen blitzen diamantenprächtig Auf ihn herab, den Händedruck zu lohnen. Er aber schneidet ein mit scharfem Messer Ein Kreuz als Zeichen, ihn im Herbst zu fällen, Und denkt vom stolzaufragenden Gesellen: „Träum' du von Lenzen noch, ich weiß es besser!“ So schreitet er, ein Tod, durch Frühlingsräume, In manche Rinde kerbt er noch das Zeichen, Und mit den scharf geschnittnen Kreuzen gleichen Bald Friedhofmalen in dem Wald die Bäume. Im Menschenwald, ein unsichtbarer Jäger Geht lauernd auch umher und kerbt in Herzen Die Zeichen ein, oft ohne daß sie schmerzen, So sanft, so weich — ein stiller Wundenschläger. Gewiß, er war mir nahe schon als Kummer, Als Glück wohl auch, als Sorge schon im Traume; Die Lippen küßt' er mir im Becherschaume, Und war die Nacht, die hinging ohne Schlummer. Er schnitt ins Leben mir mit seinem Messer, Oft merkt' ich's kaum, ein leises, leises Zeichen; Ich meine manchen Lenz noch zu erreichen, Noch manche That zu thun — Er weiß es besser! Erinnerung Im Schutt versunk'ner Tage Wühlt die Erinnerung, Sieht wieder Lust und Klage Der Zeit, da ich noch jung. Ich kenne sie kaum wieder Die Bilder alter Zeit, Ich schaue auf sie nieder, Doch ohne Lust und Leid. Ihr Bild nur seh' ich schimmern, Das hebt sich klar und mild, So wie aus Tempeltrümmern Ein weißes Götterbild. Liebe, gute Kameraden Als die purpurgold'nen Gnaden Schöner Jugend mich umflossen, Hei, was hatt' ich da Genossen, Liebe, gute Kameraden! Wenn der Lenz uns eingeladen Durch die Wälder, durch die Auen, So viel Lerchen sind im Blauen, Hatt' ich gute Kameraden. Wetter konnten uns nicht schaden, Saßen singend dann zusammen, Du auf du bei süßen Flammen, Liebe, gute Kameraden! Liebeslust und Serenaden Und die Herzen gingen über — Gab's ein schön'res Leben drüber — Liebe, gute Kameraden? Doch als leicht geschürzter Waden Glück und Jugend mich verlassen, Da verloren sich die Massen Lieber, guter Kameraden. — Und auf spätern Unglückspfaden Floh der Rest auf leichten Sohlen — Nun der Teufel soll euch holen, Liebe, gute Kameraden! Wißt, als Wetter sich entladen, Fühlt ich wieder erst die starke, Kühne Kraft in meinem Marke, Liebe, gute Kameraden! Meinen dunkelnden Gestaden Bleibt nur fern mit Freudenfeuern — Einsam laßt verenden euren Lieben, guten Kameraden! Alexander der Große Auf seinen Heereszügen kam Iskender Zu einem Flusse im Araberlande, Deß Wogen, herrlich rauschend durch die Ufer, Urwälder mächt'ger Palmen spiegelnd trugen. Seltsame, buntgefärbte Vögel schwirrten, Beschwingte Edelsteine durch die Lüfte, Wenn Sonnenstrahlen auf sie niederfielen, Die durch den wolkenlosen Äther bebend, Versengend heiß zur Erde niederbrannten. Verschmachtend kam das Heer durch rote Wüsten, Jetzt aus den Wogen tranken Roß und Reiter. Der König stieg allein hinab zum Bade. Und wie die Wellen seine Brust umkühlten, Es strömte süßer Wohlduft ihm entgegen, Die Glieder lösend wonnevoller Hauch. „Gewiß, es kommt der Fluß vom Garten Eden!“ Und solches sinnend stieg er aus dem Bade Und ging dem Strom entgegen, der die Wellen Vom Sonnenaufgang her zur Erde wälzte, Fern seinem Heereszuge, traumverloren, Einsam versenkt in sinnende Betrachtung, Bis ein Gebirge sich vor seinen Blicken Erhebt, des Himmels Wölbung scheint's zu tragen. Es funkeln große Lichter um das Haupt ihm Ein Stralendiadem von hellen Sternen; Ein Wasserfall stürzt vor aus seiner Brust, Es scheinen Silberrosen seine Wellen, Die Duft verbreiten, leisen Falls zerfließend, So süßen Hauch, als alle Erdenlenze Hervor nicht brachten seit der Urwelt Zeiten. Und selig athmend spricht vor sich der König: „Mich weht beglückend an der Garten Eden! Mir aber leiht kein Adler seine Schwingen, Und in die Höhe rudert mich kein Kahn — Wer öffnet mir das Thor vom Garten Eden?“ Er ruft es laut, und überm Wasserfalle Erscheint die mächtige Gestalt des Hüters, Deß Haupt zum Himmel ragt wie eines Berges, Es sind zwei dunkle Wolken seine Flügel Und seine Augen brennende Kometen, Und von dem Schwert, das er zum Himmel schwingt, Schießt Blitz um Blitz auf, rote Stralenbündel. Des Wasserfalles Brausen übertönend Ruft er hinab: „Wer bist du kühner Fremdling?“ „Thu' auf, ich bin des Morgenlandes König. Die Sehnsucht füllt mein Herz, nur eine Nacht Der sel'ge Gast zu sein vom Garten Eden!“ Und ihm erwiedert der gewaltge Hüter: „Das Thor ist Gottes. Einziehn nur die Frommen.“ Iskender ruft dem Hüter stolz entgegen: „Ein König bin ich, Frommen gleich zu achten!“ Der Hüter aber auf die stolze Rede Gab strenge Antwort ihm: „Gut ist kein König, Es haftet an des Besten Händen Blut.“ Und schloß nicht auf das goldne Thor von Eden. „So gieb ein Zeichen mir für meine Krieger, Daß ich bis zu den Pforten vorgedrungen Vom Garten Eden,“ ruft empor der König. Da, weißen Bogens aus der Höhe nieder, Als hätte losgerissen sich ein Stern, Sinkt es herunter vor des Königs Füße, Blinkt ihm entgegen eine Silberkapsel, Unscheinbar klein und funkelnd wie ein Auge. Der König hebt das Kleinod von der Erde, Und in der Brust verwahrend trägt er's sinnend Auf seiner Wanderung zurück zum Heere. Und wie er weiter schreitet, wird das Kleinod Auf seiner Brust ihm schwer und schwerer immer, Fast beugt's den Nacken ihm, doch mächtig athmend Trägt er es schweigend bis zu seinem Zelte, Wo ihres Königs bang die Feldherrn harren. Er hört erstaunt, ihm schienen es nur Stunden, Daß er der Tage drei und drei der Nächte Dem Heere fern gewesen und den Seinen. Und er erzählt von seinem Gang nach Eden, Vom Kleinod, das der Hüter ihm gegeben, Das also klein, doch schwer wiegt wie ein Felsen — Zu prüfen sein Gewicht heißt eine Wage Der König bringen, in die eine Schale Das Kleinod legen, legen in die andre Lastender Schätze viele, Schwerter, Kronen, Doch schnellen sie empor wie Nebelflaum, Und bleiern bleibt das winzge Kleinod liegen. Der König sieht erstaunt es, und die Feldherrn Und seine Zeichendeuter heißt er kommen, Das wunderbare Räthsel zu erklären. Und Einer spricht von ihnen vor dem König: „Was Dir der Hüter gab vom Garten Eden, Es ist ein Menschenaug' im Silbersarg. So tief ist das Gewölbe nicht des Himmels Und alle Meere nicht um es zu fassen, Was unersättlich dieser kleine Spiegel An Pracht und Macht verschlingt der ganzen Schöpfung.“ „Und welche Kraft bezwingt?“ fragt ihn der König, „Die durst'ge Habsucht eines Menschenherzens, Der Sehnsucht und der Hoffnungen Dämonen, Den Geier, der in eine prometheisch Gestimmte Seele hackt die wilden Klauen?“ Und Antwort giebt der Magier dem König: „Ein Grab lass' öffnen und daraus den Staub, In den ein Menschenherz zerfallen, nehmen, Und das Gewicht von allen Diademen Der Erde, aller Weltbeherrscher Raub, Des Leibes Wonnen und des Geistes Klage Schnellt auf das Menschenauge auf der Wage.“ Den Kriegern rings im Kreise schlägt die Rede Wie Schwertstoß an die stahlbewehrte Brust; Des Königs Sele aber ist voll Demut, Und von der Wage nimmt er auf das Kleinod, Erst zentnerschwer, jetzt wieder leicht wie Flaum, Umhing er es an einem Purpurbande Und trug's an seinem Herzen bis zum Tode. Helena von Trapezunt Weh dir Trapezunt, du goldne Stadt, Weh' den Gärten und Palästen, Feuersbrunst wird nimmer an dir satt, Wild geschürt von deinen Gästen. Wie sich rauchend dehnt der heiße Strom Über Säulen und Altane, Hoch von deinem stolzen Kuppeldom Weht Mohammeds rote Fahne. Und dein Kaiser und dein mächt'ges Heer Liegen tot vor deinen Thoren, Der Komnenen Herrschaft ist nicht mehr, Reich und Krone sind verloren. Auf dem Schlachtfeld mit den Seinen hält Noch der stolze Überwinder; Er befiehlt: „Führt mir heraus vom Zelt Die gefangenen Kaiserkinder.“ Sieben Knaben bringen sie heran, Ihre Eisenfesseln klirren; Bogenschützen sehn den Feldherrn an, Bis er winkt — die Pfeile schwirren. Wilder Aufschrei, dann ein Schweigen bang, Tief ergreift es selbst die Krieger: Dumpfe Paukenschläge, Zimbelklang, Lärm des Heeres grüßt den Sieger. — — Heiße Mittagsschwüle lastet schwer Auf der blutgetränkten Erde, In den Zelten müde ruht das Heer, Lagern rings Kameel' und Pferde. Aus der Kaiserburg geborstnem Thor, Über Marmorschutt und Leichen Tritt ein hoheitvolles Weib hervor, Um das Haupt der Herrschaft Zeichen. Weiße Schleier hüllen ihren Leib, Schwarzes Haar bis an die Lenden, Glut und Feinde achtet nicht das Weib, Einen Spaten in den Händen. Schreitet durch die Straßen, blutgenetzt, Bis vor die zerstörten Mauern, In der Seele, auf den Tod verletzt, Ein entsetzensvolles Trauern. Feuchter Todeshauch bedeckt die Au, Bebend in des Mittags Gluten, In den Nebel tritt die Kaiserfrau, Wo noch Sterbende verbluten. Schreitet langsam, lauscht und späht hinaus, Ihre Augen vorgetrieben, Schreitet stumm das weite Schlachtfeld aus, Liegen da der Knaben sieben. Liegt der Kaiser tot auf blut'gem Moos. Lange starrt sie an die Bleichen — Und sie lös't vom Haupt die Schleier los Und bedeckt damit die Leichen. Niedersitzt sie dann auf einen Stein, Fromme Totenwache haltend, Zu den Knieen sinkt das Haupt ihr ein, Und die bleichen Hände faltend Eine Totenklage hebt sie an, Wie ein Singen ist's und Sprechen — Hörten es Lebend'ge auf dem Plan, Ihre Herzen würden brechen. Keine Thräne furcht ihr Angesicht, Selbst scheint sie der Toten eine, Und sie singt nicht mehr und redet nicht, Rühret sich nicht auf dem Steine. Nur wenn Raben näher ihr und nah Leichenhungrig sie umkreisen, Hebt abwehrend stumm empor sie da Ihres Spatens helles Eisen. Schwarz und kreischend flattert es davon — Ohne Regung sitzt sie wieder. Lang versunken ist die Sonne schon, Schwarze Wolken hängen nieder. Plötzlich durch das Nachtgewölk hervor Bricht der Mond mit weißen Strahlen, Und von fern zuweilen gellt empor Das Gebelle von Schakalen. Von dem Stein empor hebt sich das Weib, Gürtet fester die Gewande, Einen Riesenschatten wirft ihr Leib Zu des Schlachtfelds fernem Rande. Acht der Gräber gräbt sie in den Grund, Ihre Kinder zu begraben; Nennt beim Namen, küßt ihn auf den Mund Weinend, jeden ihrer Knaben. Und des Kaisers Leiche naht sie nun, Dem küßt sie die bleichen Hände, Und auf ihm, auf ihm am längsten ruhn Ihres Aug's erloschne Brände. Und sie läßt nicht ab von ihrem Thun, Achtend nicht der nächtgen Schrecken, Bis die Toten all gebettet ruhn, Schollen schützend sie bedecken. Kühler Morgenhauch beginnt zu wehn Durch die finstern Nachtgebilde, Und der Sonne weiße Boten gehn Leuchtend über das Gefilde. Wie auf Grüften oft im Morgenrot Marmorne Gestalten lehnen, Kniet die Fürstenmutter weiß und tot Auf dem Grabe der Komnenen. Theodor von Abyssinien Bis an den Mond die nackten Felsenzinken, Gegoßnes Silber scheinen sie und blinken, Ein Geier hält flugmüd so hoch nur Rast. Ein Menschengeier auch, ein königlicher, Zu kurzer Ruhe, kaum des Lebens sicher, Ist mit der Seinen Rest der Felsen Gast. Es stört die stille Nacht nur Ruf von Posten, Zum letzten Kampf ist, wenn es tagt im Osten, Bereit die kleine Schaar von Magdala. Wer von dem Wall zur Ebne späht im Dunkeln, Kann die Kanonen sehn, Gewehre funkeln, Denn Englands Macht rückt näher schon und nah. Gedeckt von einer mächt'gen Felskurtine, Im offnen Zelt aus weißem Musseline Ruht Abyssiniens König Theodor; Er bläst von seinem Purpurpolster-Sitze Aus einem Tschibuk mit der Bernsteinspitze Die duftig blauen Ringe stumm empor. Die schmalen Lippen und die breite Stirne, Sie zeigen, daß in dieses Manns Gehirne Gedankenhämmer mächtig schwingt der Geist. Die Augen glühen fast in mildem Lichte, Ein weißer Blitz im braunen Angesichte Zuckt auf, wenn er die Zähne lächelnd weist. Ein satter Geier ruht auf Felsenkissen So aus, wenn er im Thal ein Lamm zerrissen: Des eignen Unterganges sich bewußt, Dreihundert Krieger, die gefangen lagen, Hat er blutdürstig kalten Muts erschlagen, Mit eigner Hand durchdolchend Brust um Brust. Es ruht die Königin an seiner Seite, Ihr goldner Gürtel, losgelöst, befreite Der stolzen Büste mondenhelle Pracht, Bissusgewand umfließt die schlanken Glieder, Ihr schwarzes Haar, bis an die Lenden nieder Glänzt hell von Perlen, eine Zaubernacht. Bis an den Gürtel nackt, wie in der Wüste Die Sphynx gelagert auf die vollen Brüste, Der Fürstin schwarze Lieblingssklavin kniet. Die Augen röthlich weiß und kraus die Haare, Zur Schellentrommel sang dem Königspaare Sie wilden Tons ein blutgetränktes Lied. Es spricht die Königin mit milden Worten: „Lass' uns entfliehn durch die geheimen Pforten, Die Wüste bietet Schutz, befreit von Not.“ „Bis nun sind Feinde nur vor mir geflohen, Eh soll mit uns die Stadt in Flammen lohen, Und wenn ich fliehen soll, ist's in den Tod!“ Ihm rät das Negerweib mit andrer Stimme: „Aufbäume dich wie sonst im Schlachtengrimme, Auf mit den Deinen noch in dieser Nacht! Die schlafend in basaltnen Höhlen wohnen, Dir dienstbar kämpfen Nachts nur die Dämonen, Vertausendfacht durch sie wird deine Macht. Mit ihnen hast du Könige geschlagen, Bis hundert dir besiegt zu Füßen lagen, Vom Strand der Meere bis zu Wüstenein.“ Der König hört die Reden an mit Schweigen, Läßt nur vom Mund die blauen Ringe steigen, Schlürft wieder Duft des schwarzen Krautes ein. Er winkt Hatschisch zu legen auf die Kohlen, Noch einmal will er athmend Wonne holen, Weltlösend süßen Paradieses-Traum. Ein leiser Schauer bebt durch seine Glieder, Und sanft der Königin zum Schoße nieder Sinkt bald sein müdes Haupt, er athmet kaum. — Ein frischer Morgen weht, im purpurfeuchten Lichtglanze rings die Bergesspitzen leuchten, Der letzte furchtbar wilde Kampf wird wach. Verhundertfacht vom Widerhall der Klüfte Folgt roten Blitzen nach durch Morgenlüfte Der donnernden Kanonen wild Gekrach. Die Waffe, eingelegt mit Diamanten, Die Englands Königin von Abgesandten Einst zum Geschenk dem König bringen hieß, Er thut sie in den Gürtel fest entschlossen, Dann heißt er Steine von den Felskolossen Abschleudern, regnen heißes Öl und Kies. Schon füllt der Grund sich an mit blut'gen Leichen, Ein Stürzen, Sterben rings, kein mutlos Weichen, Sturmleitern setzen Englands Krieger an; Ob zwischen durch auch die Kanonen wettern, Wenn hundert sinken, tausend Andre klettern Die schroffen Felsenwände kühn hinan. Das nackte braune Volk der Abyssinen Kämpft auf erstiegnem Walle noch mit ihnen, Aufpflanzet England seine Flagge schon — Und immer enger ziehen sich die Flammen Zum undurchdringbar heißen Ring zusammen Um einen tollen Königsskorpion. „Viktoria“, ruft es wild und tausendtönig — Vom Gürtel reißt die Waffe jetzt der König Und schießt die Todeskugel sich durch's Herz. Die schöne Frau, die Königin der Wildniß, Die nach ihm steht, ein weißes Götterbildniß, Ihr Mund will aufschrein und versagt im Schmerz. Doch rasch mit ungeahnter Kraft der Arme Rafft sie den Toten auf aus wildem Schwarme, Zur Kirche trägt sie schleifend ihn mit Hast; Am Altar bettet sie des Königs Glieder, Dann sinkt sie selbst als Leiche zu ihm nieder Und hält den Gatten noch im Tod umfaßt. Vom Kampfplatz ist die Schwarze nicht gewichen, Dem heiß, doch stumm Geliebten nachgeschlichen, Verworren wild, versenkt das krause Haar, Glut in dem Blick, im Grimm gefletschte Zähne, Sie kriecht am Boden hin, eine Hyäne, Zu seiner Leiche vor dem Hochaltar. „Mit den Dämonen hast du Bund geschlossen, Doch in der Nacht nur kommen die Genossen, Wer hieß am Tag zu schlagen dich die Schlacht! Was trautest du dem bleichen Christengotte, Doch sollst du werden nicht dem Feind zum Spotte“, Dem Toten raunt sie's in die Ohren sacht. Und einen Funken rasch in die Gewande Thut sie der Leiche, bläs't sie an zum Brande Und rafft vom Altar eine Fackel auf; Sie ras't zum Turm hinauf mit raschem Schritte, Die Fackel wirft sie in des Daches Mitte, Und Flammen zucken nieder und hinauf. Ein schwarzer Dämon steht sie in den Flammen, Es sinkt der Kirche prächtger Bau zusammen, Mit Grauen sieht der Feind die grause Pracht. Bald sprühn aus Trümmern nur mehr einzle Funken, Es ist ein König und sein Reich versunken In ewge Nacht, erloschen Pracht und Macht. Gesang in der Wüste Unermeßlich ist die Wüste, rötlich golden weht der Sand Als ihr stummer Wächter, tiefes Schweigen steht im Sand. Nur die Wüstenungeheuer, Atzung suchend, lärmen grell, Wenn der Welten Herr die Sterne durch den Himmel sät wie Sand. Toter Karawanen Geister reiten schattenhaft dahin — Wehe, wenn die Schar der Pilger in den Saus geräth im Sand. Das Kameel, das Schiff der Wüste, und sein Steuermann, der Mensch, Halten zitternd, wenn der Glutwind wirbelnd dreht den Sand. — Roter Nebel heißer Athem füllt des Himmels weiten Raum, Und der Pilger stürzt aufs Antlitz, Rettung hoffend fleht im Sand. — Eh mein Haar vom Widerglanze ew'gen Lichts noch weiß geglänzt, Selber zog ich, fast verloren, ein Anachoret im Sand. Städte, Tempel, Pyramiden, Völker, ihre Könige ruhn, Der Jahrtausende Gestalten in dem tiefen Beet von Sand. Trümmerwerk, versteinte Wälder, wo die Meerflut einst gerollt, Ungelöste Hieroglyphen schweigen so beredt im Sand. Selbst die unnahbaren Götter sterben, andre thronen dann, Andere Gebote schreibet wieder ein Profet in Sand. Flücht'ge Spiegelung ist alles, nur im Menschenauge lebt's! Weh', wer nach den Luftgebilden sehnsuchtsvoll ausspäht im Sand. Grünende Oasen, Palmen winken ferneher, Bis Verlechzenden die Täuschung wie ein Hauch vergeht im Sand. Leuchten soll in der Oase ewger Jugend grüner Quell, Den kein Auge, keine Sehnsucht jemals noch erräth im Sand. Alles wechselt, alles Wandlung in dem weiten Wall der Welt, Nur der Wüste Einsamkeiten, nur der Tod ist stets im Sand. Ewige Gedanken willst du denken, flüchtger Sohn des Wegs! Ist es ungemessner Stolz nicht, daß dein Zelt sich bläht im Sand? Königskronen, Dichtersagen, der Profeten Wunder sind Dornen, die der ew'ge Schnitter sinken macht und mäht im Sand. Morgen ist die Spur verloren, die du heut getreten hast, Neige demuthvoll dein Antlitz heute zum Gebet im Sand. Wer Vergänglichkeit will lernen, durch die Wüste muß er zieh'n, Wo als Sphynx aufragt des Todes Majestät im Sand. Maximilian von Mexico Auf des Weltmeers finstren Wogen Ruht die stille Mitternacht, Rauschend durch sie hergezogen Kommt ein Schiff in dunkler Pracht. Hinter sich mit bleichem Scheine Weckt es Phosphorflammen wach, Zieht es majestätisch eine Riesen-Feuergarbe nach. Schwarze, lange Trauerflöre Hängen schlaff herab vom Mast, Und der Winde wilde Chöre Halten ehrfurchtvolle Rast. Und das schöne Sternenzeichen, Das dem Schiff so hell geblinkt, Südens Kreuz ist im Erbleichen In dem Nachtdom und versinkt. Dunkle Männer werfen Kohle Auf des Kesselraumes Rost, An dem Steuer die Bussole Zeigt die Fahrt zum fernen Ost. Und des Meeres dumpfes Tosen Braust eintönig durch die Nacht. Alles schläft, nur zwei Matrosen Stehn vor der Kajüte Wacht. Schwarz behangen sind die Wände, Nur zwei Lichter leuchten karg, Werfen ihre roten Brände Zuckend über einen Sarg. Wie es zittert zwischen ihnen, Nach Gestalt gestaltlos strebt, Bald beschattet, bald beschienen, Leicht zerfließend, neu belebt. Nicht empor, spricht die Legende, Kann der Seele Lichtgestalt, Bis nicht auf des Sarges Wände Dumpf die Scholle niederhallt. Bei dem Körper muß die Seele Büßend weilen, Angst berührt Ihn betrachten, der zum Fehle, Der zur Sünde sie verführt. Hier vor diesem Sarkofage, Den die schwanke Woge trägt, Leise tönt der Seele Klage, Wie an Bord die Woge schlägt: Wehe mir, wie kehr' ich wieder In der Heimat Land zurück? Auch dahin sind Glanz und Lieder, Krone, Purpur, Lieb' und Glück! Vom Geschlecht der Adler stammend, Sang man mir mit süßem Ton, Mich zu Adlersinn entflammend, Lieder in der Wiege schon. Und ich lenkte kühn das Steuer Nach des Ruhmes goldnem Vließ, Das ein Arger, Ungetreuer, Meines Hauses Feind verhieß. Als das Höchste schien auf Erden Herrschaft mir, von Ruhm erhellt, Sonnenaufgang wollt' ich werden Einer nachtumfloss'nen Welt. Träume blendeten die Blicke Mit fantastisch holdem Schein, Und ich griff in die Geschicke Eines Weltteils frevelnd ein. Einst schon schwamm auf diesen Wogen Tot ein Cäsar heimatwärts, Der wie ich den Pfeil vom Bogen Sandte in der Freiheit Herz. In der Kraft, der jugendwarmen, Sank ich blutend in den Sand, Einsam, fern der Mutter Armen, Fern dem treuen Vaterland. Wenn sie meine Thaten messen, Meldet die Geschichte blos: „Lebte, sank und ward vergessen, Thronlos, kronlos, kinderlos.“ Also klagt es, also stöhnt es Mit gedämpftem, leisem Klang, In den Schlaf den Schiffer tönt es, Wie der Wogen dumpfer Sang. Plötzlich durch die Nacht ein Sausen, Das die Segel rascher schwellt, Wogen wölben sich und brausen, Von gespenst'gem Schein erhellt. Taucht der weißen Meeresfrauen Mitleidvoller bleicher Chor. Aus des Meeres kaltem Grauen Um das Totenschiff empor. Und er redet und er singet Dulder tröstenden Gesang: „Des Gerichtes Wage klinget, Drum ist dir die Seele bang. Deines Kaisermantels Säume Sind von Blut so purpurrot, Adlerwildheit, Dichterträume Sühntest du mit deinem Tod. Deiner Asche werde Friede, Deinen Thaten Untergang; Nur dein Tod lebt fort im Liede, Im unsterblichen Gesang!“ In das Wellenrauschen schallen Ihre Worte schicksalschwer, Und in fernen Widerhallen Bebt davon das weite Meer. An dem Horizonte zitternd Weiße Streife tauchen auf, Durch die Flut, wie Silber flitternd, Geht des Totenschiffes Lauf; Plötzlich glüht es auf den Wellen; Mit der Sonne Siegesblick Sendet ihren morgenhellen Gruß die ferne Republik. Schiller als Feldscheer „Gehorsamst zu melden, Herr Kommandant! Der neue Feldscheer ruinirt das Spital, Er hat zum Messer keine Hand, Und wird den Kranken sehr fatal.“ „So, so! hab's selbst bemerkt! Eil er fort, Hol er den Kerl mir zum Rapport!“ Der Feldscheer, in Uniform gepreßt, Sich bald in der Thüre sehen läßt. Ein Degen, wie ein Bratspieß lang, Genirt ihn sehr beim steifen Gang. Aus schwarzer Kravate zwängt sich ein Kopf Und hinten hängt ein gepuderter Zopf. Er stellt sich linkisch in Positur, Legt stumm an den Hut die Finger nur. „Ich höre von ihm verfluchte Sachen! Er wird das Spittel zum Leichenhof machen!“ „Herr Kommandant — —“ „'s Maul halten will ich ihm rathen! Ich hab's im Katalog gelesen, Ist immer zerstreut, ein Träumer gewesen, Und hat sich schmählich degradirt, Hat Räuberkomödien geschmiert. Drum soll er jetzt ein Pflaster schmieren, Weiß er nicht wie es anzurühren. Verschreibt zum Schwitzen statt zum Purgiren, Beim Aderlaß zittert ihm die Hand! Ist er ein Feldscheer?“ „Herr Kommandant!“ „Mir scheint, er will gar raisoniren? Ich laß ihn zum Profossen führen! Es ächzen bei seiner Mißhandlung die Kranken — Wo hat er seine verfluchten Gedanken? Vielleicht werden die Vagabunden In seinen böhmischen Wäldern gefunden.“ „Herr Kommandant — —“ „Er defendirt sich schlecht!“ „Ich kam ja noch nicht zum Wort.“ „Das wär' mir noch recht! Ich werd ihn vom Spital entfernen, Noch einmal Feldscheererei zu lernen! Doch will er mir folgen, so geht er allein, Es wird kein Schade um ihn sein. Was wird am aller Tage End Aus Gottes Faulenzern auf Erden? Er hat keinen Geist, hat kein Talent. Ich rath ihm lieber ein Dichter zu werden. Halb rechts! Abgetreten!“ Und Schiller ging unter die Poeten. Andreas Hofer's Weib Die Wasserfälle tosen, es starrt der Gletscher Eis, Rot glühen die Alpenrosen, wie glänzt das Edelweiß! Doch schallt kein Lied und Thaten geschehen nicht im Land, Von Frankreich die Soldaten herrschen mit Eisenhand. Doch rührt durch Thal und Berge sich frisch des Volkes Fleiß: Am grünen See der Ferge, der Jäger hoch am Eis, Im Wald der Eichenfäller, der Bauer an dem Pflug, Der kluge Vogelsteller, der Zitherbursch beim Krug. Die Feinde zu bethören scheint Mut und Trotz zu ruh'n, Ein heimliches Verschwören ist all des Volkes Thun: Am Herde mit Gebrause kocht Wasser wallend auf, Es setzt die Frau vom Hause den Deckel plötzlich d'rauf. Da merkt der Männer Runde, ein Fremder ist im Haus, Vom Herzen darf zum Munde kein sprudelnd Wort heraus. „Liegt schon der Flachs in Knoten?“ fragt Einer aus dem Reih'n. „Es braucht nicht bang den Todten ums Leichenhemd zu sein!“ „Wie bald kommt für St. Marten die Glocke aus der Glut?“ „Die Glockengießer warten nur auf's Kanonengut.“ „Ich sah am Felsgehänge den jungen flüggen Aar, Er wetzte sich die Fänge, das giebt ein gutes Jahr.“ Wenn eine Alpenrose die treue Sennin pflückt, Mit zärtlichem Gekose die Brust des Liebsten schmückt; Ist selbst der Liebe Kosen für Kampf nur ein Simbol: „In's Herz brenn' rothe Rosen dem Feinde von Tirol.“ So reden und verstehen die Männer sich im Land. Ein Wort genügt, ein Sehen, als Eid ein Druck der Hand. — — — Auf Alpen liegt verspätet der Abendsonnenglanz, Der fromme Sandwirt betet noch seinen Rosenkranz. Heut' gilts, daß in die Scheibe den rechten Schuß er thut, Er spricht zu seinem Weibe: „Thu' Späne in die Flut!“ Gekommen ist die Stunde, das blutige Geschick; Er sagt's nicht mit dem Munde, und es verstehts ihr Blick. Sie geht und rafft zusammen im Hofe viel Gespän, Bald wird davon in Flammen das Land im Aufruhr stehn. Es harren die Befreier; mit schicksalvollem Mut Tritt sie zu der Passeier, wirft Späne in die Flut. Der Wildbach schäumt im Zorne, stürzt durch der Ufer Rand, Rasch trägt der Mitverschworne die Späne hinaus in's Land; Als tausend Boten jagen die Wellen von Ort zu Ort, Um es der Etsch zu sagen, die trägt es weiter fort. — Und zitternd steht im Dunkeln Andreas Hofer's Weib, Sie späht, ob Lichter funkeln, mit vorgebeugtem Leib. Sie sieht und hört nur brausen der Wellen wilde Schaar, Erwartungsvolles Grausen sträubt ihr empor das Haar. Jetzt flammt es auf und wieder wird's tiefe, dunkle Nacht, Die Glut wallt auf und nieder, verlischt bald und erwacht. Von einer Alp zur andern geh'n Brände zündend auf, Die Feuersäulen wandern den Horizont herauf. Aus fernen Schluchten dringet ein Glockenruf empor, Von Glocken schwingt und klinget bald drauf ein ganzer Chor. Das ist ein Donnern, Sausen, von Flammen ein Orkan, Kanonenorgeln brausen, der Gottesdienst hebt an. Verhallet das Gedröhne, verlischt der Feuer Schein, Es werden ohne Söhne viel Mütter Wittwen sein. Es ist in's Knie gesunken Andreas Hofer's Weib, Die Seele freiheittrunken, zitternd am ganzen Leib. Sie spricht den Blick erhoben: „Jetzt zeige, was du kannst, Herr Gott im Himmel droben! daß du sie übermannst!“ Es schreiten in lohen Flammen die Riesenberge all Und schließen sich zusammen zum glühenden Feuerwall; Der Skorpion muß enden, der mitten inne ras't — Es kracht von Felsenwänden, das Horn der Alpen blas't. Dazwischen in Chorälen Gejauchz' die Luft durchbebt — Ein Tag ist's Allerseelen, wenn sich ein Volk erhebt. Begegnung Bin ich im heißen Wüstensand Einem Mann begegnet, Der, zur Brust gelegt die Hand, Grüßend mich gesegnet. Die Profetenabkunft ließ Grün sein Turban merken, Und aus seinem Schlauche hieß Er, mich frisch zu stärken. Für so gastlich schöne Art Reicht ich ihm vom Sattel, Die ich für den Weg gespart, Eine süße Dattel. „Eh wir scheiden, sprich zuvor, Welches Ziel ist Deines?“ Und er sprach: „Weiß ich's? du Thor! Gott bestimmt mir meines.“ Einer hin, der Andre her Zogen wir jetzt weiter — Und noch viel im Wüstenmeer Dacht ich an den Reiter. Blume, Edelstein und Wein Drei Dinge sind, die wunderbar erscheinen, Kaum von der finstern Erde zu erwarten: Daß Blumen sie erzeugt viel holder Arten, Daß sie geheim sich schmückt mit Edelsteinen. In seltner Laune beide zu vereinen, Läßt sprießen sie, die Glut im Traubengarten: Der Traube giebt sie Blumenduft, den zarten, Und von dem Edelstein das Feuerscheinen. Den flüßgen Edelstein in dem Pokale, Weht mich ein Frühling an voll süßer Düfte, Und glänzt das Leben mir im Sonnenstrale; Der Erde sind verziehn die finstren Grüfte, Glut schlürf ich, Licht und Duft mit einemmale, Der Seele Lerchen schmettern durch die Lüfte! Entzauberung Wo sind die Zeichen alle hingekommen, Die Andern unhörbar mir leise klangen, Geheimnißvoll als Geisterstimmen sangen, Als Glanz auf dunklen Gegenständen glommen? Wenn ich im Walde ging, im Meer geschwommen, Die Perlen redeten zu mir, die Schlangen, Es sind die Rosenknospen aufgegangen, Wenn ich durch Gärten meinen Weg genommen. War ich bezaubert, konnt' ich Zauber üben? Die Wunder alle muß ich jetzo missen, Es scheint das Seherauge sich zu trüben. In meiner Seele hingen Silberglocken, Das Leben hat so lang daran gerissen, Daß sie zersprungen schweigen und erschrocken. Im Garten Im Garten saß ich ganz allein Und schrieb in den Sand ihren Namen hinein Und streute Blumen darüber; Und wie ich sinnend aufgeseh'n, Da sah ich sie lächelnd zur Seite mir steh'n, Erröthet über und über. Ich fand nicht gleich das rechte Wort, Und als ich's gefunden, da eilte sie fort, Hat nicht zurück mehr geblicket; Doch früh am anderen Tage stand Sie drüben am Fenster und hielt in der Hand Die Blumen, die ich gepflücket. Du gleichst der Rose Der Rose, die sich stolz erhebt, Der gleichst Du nicht; Die hat mit Dornen sich umwebt, Es reizt und sticht Die Lose. Du gleichst der Rose, die erblüht, Wie hold erschreckt Ob ihrer eig'nen Pracht, erglüht Und sich versteckt Im Moose. Abendklänge Leise, wie in stillem Traume, Hör' ich geisterhaftes Klingen Drüben von dem Waldessaume Abendlich herüberdringen. Oft sind's frohe Liebessänge, Die in sanften Lauten tönen, Oft der Schwermuth Trauerklänge, Klagend, wie in Schmerz und Sehnen. Will ich dann hinüberlauschen, Die Gesänge zu verstehen, Hör' ich nur die Bäume rauschen Und die Abendwinde wehen. Soldatenlied Wenn uns die Wetter des Kampfes umnachten, Winkt uns des Ruhmes erhabenes Ziel, Heiße Gefechte und blutige Schlachten Sind des Soldaten verwegenes Spiel. Donnern die Stücke gleich lauten Gewittern, Zischen und pfeifen die Kugeln umher, Nichts macht den braven Soldaten erzittern, Keine Gefahr macht die Pflichten ihm schwer. Sinkt in den Reihen auch Mancher darnieder, Vorwärts! die Sühne gewährt uns der Feind; Vorwärts zum Angriff! schon wanken die Glieder, Vorwärts! und rächt den gefallenen Freund. Stürmende Massen und rasche Batt'rien, Tapf're Schwadronen in rasselndem Trab! Glänzender Lohn für Gefahren und Mühen! Siegender Lorbeer auf blutigem Grab! Langsam verliert sich das wilde Getose, Ferne verhallt der Kanonen Gebrüll; Tausend erlagen, vom düsteren Loose Eisern umklammert, im Schlachtengewühl. Froh nach den schmetternden Siegesdrommeten Findet das Auge die stärkende Ruh'; Schweigende Nacht auf den blutigen Beeten Decket die Todten und Schlafenden zu. Manfred und Carl von Anjou Gewaltig tobt bei Benevent die Schlacht, Erbittert steh'n im Kampf die Ghibellinen; Es schreckt sie nicht der Welfen Übermacht, Die nur als Werkzeug fremder Willkür dienen. Die alte Treue und das gute Recht Sind König Manfred's wack're Kampfgenossen; Drum steh'n die Seinen freudig im Gefecht, Zum Siege wie zum Tode gleich entschlossen. Da wächst die Kampflust schnell zur wilden Wuth, Es stählen Haß und Zorn die straffen Sehnen, Dem Hohenstaufen weihen froh ihr Blut Hier Deutsche, Italiener, Sarazenen. Ein streitender Apoll auf hohem Roß Sprengt Manfred in das dichteste Gedränge, Er bricht sich frei die Bahn mit Hieb und Stoß, Den Anjou suchend in der Feinde Menge. Nur Wen'ge folgen unerschrocken nach, Die ihm an Muth und Rittertugend gleichen; Da trifft den König hinterrücks ein Schlag, Er sinkt zu Boden unter Schwertesstreichen. Der König todt! ein lauter Klageruf Wird schnell die Kunde weit umher getragen; Verwirrung herrscht, gelähmt sind Arm und Huf, — Der König todt! — sein stolzes Heer geschlagen! Der Anjou hält auf blutgetränktem Plan, Die Siegesfeier würdig zu begehen. „Die Stätte, wo er fiel, die zeigt mir an, Damit ich ihm in's Antlitz möge sehen.“ Und vor die Heldenleiche tritt er hin In Übermuth, mit höhnender Geberde: „Jetzt nimm die Krone, nimm das Land! doch drin Sei dir versagt, zu ruh'n in kühler Erde!“ Da geht ein lautes Murren durch den Kreis Der Ritter und der fränkischen Barone, In ihren starken Herzen regt sich leis' Die Ehrfurcht vor dem todten Königssohne. Und Einer aus der Mitte tritt heran, Hebt einen Stein und deckt ihn auf die Leiche, Dem folgen all' die Andern, Mann für Mann, Ein Jeder thut gerührt und ernst das Gleiche. Und Carl von Anjou sieht mit stillem Groll, Wie seine Ritter fremde Größe ehren, Doch wie ihm drob die Zornesader schwoll, Er wagt es nicht, dem Edelmuth zu wehren. „So thürmt die Steine,“ spricht er, „nur zuhauf, Da wo er sank vor mir im Kampfestosen, Draus blüh'n ihm sicher keine Rosen auf!“ — Da nannt' das Volk die Stätte: Fels der Rosen. Des Menschen Herz ist stark O glaube mir, des Menschen Herz ist stark! Doch kündet ihm die Kraft sich erst im Ringen: Wenn wilder Schmerz durchrieselt Nerv und Mark Und wenn Verzweiflung regt die dunklen Schwingen. Wenn siedend überströmt in rascher Gluth Die Liebe, wenn sie stolz auf Glück verzichtet, Wenn sich ergießt des Zornes jähe Fluth, Daß schnell der Herzensfrieden steht vernichtet. Des Menschen Herz ist stark! Versuch es nicht! Und magst du's noch so sanft, so ruhig wähnen, Kam erst der Zwang, der ihm die Schranke bricht, So reißt sich's los vom Liebsten — ohne Thränen. Wenn du im tiefsten Herzensschacht Wenn du im tiefsten Herzensschacht Ein scheu Geheimniß hältst versteckt, Hab' wohl auf deine Zunge Acht, Daß sie's geschwätzig nicht entdeckt. Die Neugier lauscht. Drum halte fest, Daß Niemand dir den Schleier lüpft. Was Du nur halb errathen läßt, Ist deinen Händen fast entschlüpft. So lang bleibst du ein freier Mann, So lange du verschwiegen bliebst, Doch wirst du Allen unterthan, An die du ein Geheimniß giebst. Genesung Du warst so krank! das Fieber sog An deines Herzens junger Blüthe, Die Stirn war heiß, der Athem flog, Und Schwermuth drückte dein Gemüthe. In deinem Zimmer auf und ab Bin ich so manche Nacht gewandelt, Ich dacht' an ein geschaufelt Grab Und habe mit dem Tod gehandelt. Da ging ein Sausen wundersam, — Ich glaubte schon, daß er sich rüste, Doch sieh! ein Engel Gottes kam, Der dir gesund die Schläfe küßte; Du fuhrst aus einem schweren Traum, Du faßtest meine Hand mit Kosen: „Komm mit hinaus zum Lindenbaum Und laß uns wandeln durch die Rosen.“ Ach du mein Kind, die Rosenzeit Ist längst dahin, und auch die Linde Verlor der Blätter grünes Kleid — Sie seufzt nun im Novemberwinde. Du warst so krank, und wußtest nicht, Daß Lenz und Sommer dir verloren, — Laß sie! auf deinem Angesicht Sind ihre Rosen neu geboren! Der Hoffnungslose Ich hab' es in der Bibel oft gelesen, Wie zu Bethesda's heilendem Gestade Die Kranken wallten, in dem Strom der Gnade Durch eines Engels Wunder zu genesen: Vom Himmel kommend mit geweihten Schwingen, Senkt' er sich leise segnend auf die Wogen: Wen sie in ihren kühlen Schooß gezogen, Der ging geheilt, Jehova Dank zu bringen. Mich will bedünken, daß ich nie gesunde, Denn sah ich auch dein Angesicht, das reine, Mit seines Auges klarem Spiegelscheine, Das wie Bethesda heilen mag die Wunde: So wag' ich nimmer doch hinabzusteigen In deines Herzens irre Wundertiefen, Denn nur der Glaube kann das Heil verbriefen, Und mir sind bange Zweifel nur zu eigen. Hermann und Flavius Die Heere stehn gerüstet In Abendsonnengluth: Die Römerschaar gelüstet Der deutschen Helden Blut ... Sie sind herbeigezogen, Sie warten auf den Tag, Um in der Weser Wogen Zu tilgen ihre Schmach! Und längs dem Ufer schreitet Der deutsche Held Armin; Sein Auge flammt und gleitet Zum Römerlager hin, An seinem Geist vorüber Zieht Väterruhm und Schlacht, — Und trüber, immer trüber Entfaltet sich die Nacht. Da — was erschaut der Hohe? Sein Auge flammt und sprüht, Indeß in düstrer Lohe Die narb'ge Wange glüht? Sah er im Geist die Holde, Thusnelda, sein Gemahl. Der mit der Locken Golde Man Glück und Freiheit stahl? Genüber, wo zum Rathe Die Führer sind vereint, Sieht er im Waffenstaate Den Bruder, seinen Feind ... Da bricht in ihm der schwere, Der tiefste Schmerz bricht aus, Und also ruft der Hehre In das Gewog hinaus: „Was gehst du im Gewande Der Feinde doch einher? O sieh, die Vaterlande Verwundest du so schwer! Dir ist Verrath die Brücke Zu Ehre, Sieg und Lohn, O du der fremden Tücke Beklagenswerther Sohn! Hast du so ganz vergessen, Daß du ein deutscher Sproß, Dem reich und unermessen Die Kraft der Ahnen floß? In dir als Knaben ruhte Der Römerhaß — wie bald Dein Doppelsinn dem Blute Der Väter ihn vergalt! O woll' es nicht verspotten Und denke gern daran: Wenn mit getheilten Rotten Der Buben Kampf begann — Wie tilgten wir die Feinde Mit Wurfgeschoß und Hieb, Daß in der Deutsch-Gemeinde Nicht Einer mehr verblieb! Und als wir Männer worden — Zum Ernste ward das Spiel, Da mit den Römerhorden Der stolze Varus fiel. Wie haben frisch die Eichen Uns ihren Gruß gerauscht, Als wir mit grimmen Streichen Die Freiheit eingetauscht! Und meinst du nicht, es rausche Um uns der Asen Geist, Daß er dem Donner lausche, Wenn es zu kämpfen heißt? Noch liefert starke Keulen Das dunkle Fichtenthal, Die hämmern tiefe Beulen In Lederwamms und Stahl. Wirf ab die eitlen Ehren, Der Fremde falsches Glück, Geläutert wirst du kehren In's Vaterland zurück! O komm zu uns — die Welle Des Stromes trägt dich gern, Und froh an heil'ger Stelle Grüßt dich das Volk als Herrn!“ Die Wogen gleiten leise Hinab, hinab die Bahn, Schon wandeln ihre Gleise Die Sterne auf blauem Plan; Noch lauscht der hehre Rufer Der Antwort — — Tiefe Ruh'! Da schreitet er vom Ufer Weinend den Seinen zu. Die Münsteruhr In Straßburgs Kathedrale Sahst du die Wunderuhr? Mit tönendem Signale Mißt sie der Zeiten Spur. Und der sie einst erfunden Und zart gebildet hat, Das war nach alten Kunden Ein Meister jener Stadt. Es ziehn aus weiten Kreisen, Gelockt von ihrem Ruf, Viel Herrn herbei, zu preisen Die Uhr und der sie schuf; Sie nah'n mit reicher Spende, Beredt in Wort und Blick, Zu werben feiner Hände Vielsichres Kunstgeschick. Darob erglühn die Räthe In eifersücht'ger Wuth: „Nicht sei in andrer Städte Besitz ein gleiches Gut! Nie soll der Meister taugen, Zu dienen fremden Herrn!“ — Sie rauben ihm der Augen, Der Augen treuen Stern. Er hat dem grausen Werke Das edle Haupt geneigt, Es wuchs zur Heldenstärke Der freie Muth ihm leicht; Doch bricht des Zornes Lache Sich tief im Innern Bahn, Und um gerechte Rache Ruft er den Himmel an. Drauf spricht er: „Laßt gefallen, Ihr Herren, Euch die Bitt', Zu leiten in die Hallen Des Domes meinen Schritt. Laßt einmal noch mich rasten Beim Werk, das ich entwarf, Das ich nur noch betasten Und nicht beschauen darf.“ Das gönnen gern die Schöppen Dem tiefgebeugten Mann; Sie führen ihn die Treppen Des Riesenbau's hinan. Ob Manchem auch zu Sinnen Des Argwohns Mahnen fuhr — Umsonst! schon stehn sie drinnen Im Thurmgemach der Uhr. Gelassen lauscht der Blinde Der Uhr gemess'nem Schlag; Ob auch in ew'ger Binde Sein Blick gefesselt lag: Er kennt den Trieb der Räder, Er tastet mit der Hand Und zieht heraus die Feder, Die Alles wohl verband. Da rasselt es im Innern, Wie Donner ob der Flur, Da schlägt, wie zum Erinnern, Noch einmal laut die Uhr, Da schnurrt das Werk zusammen; — Der Meister lächelt matt, Wie Nero in die Flammen Der Siebenhügelstadt. Und hohen Ernsts gewendet Zu den betroffnen Herrn, Spricht er: „Hab' ich verpfändet Mein Haupt — ich biet' es gern. Das Werk, so vielbewundert, Euch trieb's zu argem Thun: Ein Räthsel dem Jahrhundert, Ruh' es in Trümmern nun! Doch soll es nicht verderben, Ich schaffte nicht umsunst: Euch setz' ich ein zum Erben, Ihr Enkel meiner Kunst! Belebt in ihren Adern, Wird neu die Uhr erstehn Und spät erst mit den Quadern Des heiligen Doms vergehn!“ Abschied Nun gieb der kurzen Minne Valet, du wunde Brust, Fahr wohl, o Königinne, Du meiner Seele Lust! All' meine Träume gehn dahin, Wie Schwäne, die zum Süden ziehn, Und tief bin ich im Sinne Mir ew'gen Grams bewußt. Wie war der Tag so heiter, Wie froh die Welt zumal! Für meine Lieb ein Streiter, Schwang Leyer ich und Stahl. Nun schütt' ich meine Klagen aus Den Vöglein auf der Haide draus, Die tragen sie traurig weiter Wohl über Berg und Thal. Ein Kämpfer sonder Tadel, Deß Schwert mit gutem Fug, Wie Frithjofs Angurwadel, Die Schmäher niederschlug, — Ein Troubadour im Liede frei, Hinjauchzt' ich in des Lebens Mai — — Nun sank des Wappens Adel, Des Liedes stolzer Flug! Das macht, mein Lieb ist gangen Wohl in das kühle Grab; Erblaßt sind Mund und Wangen, Die oft geküßt ich hab'. Ich hege trauernd Veil' und Ros' Auf ihres Hügels grünem Moos; Vom Flieder singt ihr Bangen Frau Nachtigall herab. Im Schloßgarten Wie still geworden, Was freudenvoll Einst von Accorden Der Liebe scholl! Von jener Zinne Granit'nem Bau Grüßt' mich in Minne Die schönste Frau. Da mir im Kosen Der Tag verstrich — Du Zeit der Rosen, Wo such' ich dich? — Was nur mein Lieben An ihr verbrach? ... Nun schläft sie drüben Im Sarkophag. Seit Todesfriede Sie von mir schied, Fehlt meinem Liede Die Sulamith. In Thränenbächen Strömt mein Gesang, — O Herz, zu brechen, Wie säumst du lang! Dem Leib ein Hügel Mit Grün bestreut, Der Seele Flügel Zur Ewigkeit! Die Wasserlilie Die Sonne verdämmert in flammender Gluth, Da wiegt sich ein Nachen auf glänzender Fluth; Es fahren ein Mägdlein darin und ein Knab' Das grünende Ufer hinauf und hinab. Sanft gleitet der Kahn Die funkelnde Bahn — Die Holde hält liebend den Knaben umfahn. Sie küßt ihm den Mund, und sie küßt ihm das Aug': „Kaum kräuselt den See ein balsamischer Hauch, O steure dorthin, wo sich, fluthengewiegt, Auf silbernem Schafte die Lilie biegt! — O laß es mich seh'n, Wie dorten beim Weh'n Der Weste die klingenden Wasser sich dreh'n!“ „Herzlieb, was du hörst, ist der Wasserfee Lied, Die liebeberauscht um die Lilie zieht. Wenn flammend der Abend herniedergethaut, Erhebt sie der Stimme süß werbenden Laut, Und naht ihr ein Knab' — Sie zieht ihn hinab Zur kalten Umarmung in's schweigende Grab.“ „Herzliebster, wo zwei sich einander so gut, — Nicht wagt sie auf ewig zu trennen die Fluth. Es fesselt der Himmel die Arme der Fee, Daß keinem von Beiden ein Leides gescheh'! O tilge den Wahn Und wende den Kahn! Mich treibt es, der schimmernden Blume zu nah'n.“ Sie küßt ihm das Aug', und sie küßt ihm den Mund; Da giebt er ihr nach in unseliger Stund'; Rasch hat er den Nachen vom Ufer gewandt, Der gleitet dahin, wie an magischer Hand Von dannen bewegt. Kein Lüftchen erregt Den Spiegel des See's, der die Liebenden trägt. Doch schmelzender tönt in unnennbarem Drang Und voller und heißer der Nixe Gesang; Mit leuchtendem Kelche die Lilie nickt, Wie sternebesä't und demantenbestickt: Das nicket und klingt, Das leuchtet und singt. Sie folgen — jetzt hat sie der Zauber umringt. Aus heimlicher Tiefe krystallenem Flor, Da strebt es mit sehnenden Armen empor, Da hebt den verlangenden schneeigen Leib Das herrliche fluthenumschmeichelte Weib. „Willkommen als Gast Im Strahlenpalast Der Fee, die dich wonniglich liebend umfaßt!“ Sie greift in den Kahn, und sie zieht ihn heraus, Sie zieht ihn hinab in das Wellengebraus. Wohl raufet die Maid ihr entfesseltes Haar: „O, gieb ihn zurück, der mein Alles mir war!“ Doch die Tiefe sie schweigt, — Die Fläche nur zeigt Das Haupt des Geliebten, das scheidend er neigt. Der Abend vergeht, und es schwindet die Nacht. Mit strahlendem Auge der Morgen erwacht; Da treibet ein Kahn längs dem Ufer einher, Doch seh' ich das jammernde Mädchen nicht mehr — Das suchet zur Stund' Auf feuchtem Grund Den Herzgeliebten zu ewigem Bund. Mein Wandel Man sagt mir wohl: Was dichtest du? Es lauscht ja Niemand deinen Klängen! Du singst dem Quell, du singst der Ruh' Des Haines deine Lieder zu, Dem Echo und den Felsenhängen. Die Liebe selbst hat deinem Sang Nur mitleidsvoll das Ohr geliehen; Der Weg ist rauh, der Weg ist lang, Und du, im tiefsten Herzen krank, Willst ihn verwaist und einsam ziehen? Kehr um auf deiner irren Bahn, Sei wieder, der du einst gewesen! Dir liegt das Leben aufgethan, Zerstieben wird dein eitler Wahn, — Kehr' um, noch kannst du hier genesen! — Ihr lockt umsonst! Es ist vorbei; So laßt mich gehn, den ihr nicht rettet! Die Poesie ist eine Fei, Sie hat mit Zaubermelodei An ihre Sohlen mich gekettet. O dieser Augen sel'ge Gluth! O dieser Reiz im Angesichte! Noch grünt der Lenz, noch hab' ich Muth, — Noch wallt mein Herz in Jugendgluth, — Glück auf! Sie lächelt, und ich dichte! Königin Luise Ich wall' auf goldner Brücke Der Zeiten Strom hindurch Einhundert Jahr' zurücke Zu einer Fürstenburg, Und unter zarter Wiege Purpurnem Baldachin Begrüß ich fromm die Züge Der besten Königin. Noch ruht sie traumumfangen, Ein Kind, der Sorge bar, Noch kränzt mit güldnem Prangen Kein Diadem ihr Haar, Doch wandellos geschrieben Steht in den Sternen schon Ihr Dulden und ihr Lieben Für einen Königsthron. Und wie im Tanz der Horen Sich Jahr an Jahr gereiht, Erblick' ich auserkoren Zur Herrscherin die Maid. Wie schaut so schön und sittig Ihr Antlitz frühlingsklar, Da sie auf kühnem Fittig Heimführt der Zollernaar. Nun steig zu Bergeswarten Und künd, o Lied, im Flug, Wie ihres Lebens Garten Die schönsten Rosen trug. Ach nur ein kurzes Blühen Im Wetter des Geschicks! Zu dumpfer Nacht verglühen Die Sonnen ihres Glücks. Hört ihr im Westen hadern Die Wolken blutigroth? Mit Frankreichs Heergeschwadern Wälzt sich herein der Tod; Er küßt auf grüner Haide Viel Männerwangen bleich, Borussia klagt in Leide Um ihr gestürztes Reich. Wie hat in jenen Tagen Voll Bitterkeit und Schmerz In heil'ger Gluth geschlagen Dein königliches Herz! Ich beuge, vieledle Fraue, Mich deiner Hoheit Strahl, Und tief im Innern baue Ich dir ein ew'ges Maal. Denn rein und ohne Fehle Wo rings die Tugend brach, Trug deine große Seele Die ungeheure Schmach. Dein Dulden und Ersehnen, Von Liebe sanft verklärt — Ach, jede deiner Thränen Ist eine Krone werth. Wer nennt die heil'gen Triebe, Die dieses Herz gekannt? Sie starb an ihrer Liebe Für Volk und Vaterland. Ein Stern noch mußte fallen, Bevor das Reich genas Und in den Völkerhallen Germania wieder saß. So steht auf lichter Höhe Die königliche Frau; Ihr frommer Geist durchwehe Allzeit den deutschen Gau! Den soll die Freiheit meiden, Den soll die Liebe fliehn, Der dieses Haupt entkleiden Des Schimmers mag, der ihm verliehn! Den Fliegen Heran vor meinen Schemel, Ihr Vöglein sondrer Art, Bis an den Rhein geschaart! Es sitzt, auf eurer Schädel Verwünschtes Hirn erpicht, Mit einem Fliegenwedel Die Muse zu Gericht. Ihr seid die größten Schurken Von Allem, was da fleugt, Und naht, wenn uns der Gurken Vielschlimme Zeit beschleicht; Ihr kommt daher gefahren Und seid urplötzlich da, Wie Colorado's Schaaren Und die Phylloxera. Nicht kennt ihr Rang und Ehre, Ihr trennt nicht Arm und Reich; Vor eures Stachels Wehre Sind alle Stände gleich. Allzeit dem Durste fröhnig, Ist es euch, wutherfüllt, Gleich viel, ob ihn ein König, Ob ihn ein Bettler stillt. Ihr schaut dem Advokaten In's Protokoll; ihr plagt Den Landmann in den Saaten, Den Waidmann auf der Jagd; Des Redners Memoriren Stört ihr und höhnt ihr frech; Dem Dichter beim Skandiren Scheucht ihr die Muse weg. Ihr werdet ihm Vehikel Des Unmuths, wenn ihr brummt, Und überm Leitartikel Den Redakteur umsummt; Nach ferner Alpenfirne Folgt ihr dem Frischler kühn Und quält die Denkerstirne Des Riesen von Varzin. Ich ruhte schlafumfangen Und träumte von der Maid, Ich küßte Mund und Wangen In stummer Seligkeit. „Mein Lieb, mit Dir vereinigt,“ Begann ich minniglich ... Da fuhr ich auf, gepeinigt Von einer Fliege Stich. — Willst Du mit mir zur Stunde Der Qual enthoben sein: Beim Schenk in Kellers Grunde, Da liegt ein kühler Wein; Zum frohen Kreis der Zecher Folgt uns die Meute nicht, Dort schwenken wir die Becher — Ein Pereat dem Gezücht! Mahnung O harre aus in diesen bösen Tagen, O harre aus, mein Herz, wenn Hohn und Neid Dir frech vergiften Traum und Seligkeit, Nicht dir geziemts, zu bangen und zu klagen. Weil's dich getrieben, höh'ren Flug zu wagen, Weil echt'rem Glanze, bess'rer Freudigkeit Begeistert du für ewig dich geweiht, Mußt du nun Gram und Spott der Nied'ren tragen. Dir aber lebt ein stolz und mächtig Ahnen Von künft'gem Kampf, doch auch von künft'gem Sieg Und will in dieser bösen Zeit dich laben. So laß' dich denn zu Kraft und Adel mahnen: Krieg der Gemeinheit! ew'gen, ew'gen Krieg! Sie will ihn — und wohlan! sie soll ihn haben! Lied des russinischen Mädchens Meinen Liebsten hab' ich lieb Und er ist mir theuer, Wie am staubigheißen Weg Ein tiefblauer Weiher — Wie das erste, süße Kind Einer Kinderlosen — Wie dem lang Gefangenen Duft von rothen Rosen! ... Ein Gruß nach Ost Land meiner Jugend! nimmer Vergess'nes Hochland! Umsprüht Von Duft und sonnigem Schimmer, Wie blinkst Du mir im Gemüth'. Wohl trieb in's Weite zu wagen Mich stürmisch Sehnen davon, Doch — in lichten und dunklen Tagen Ich bleibe Dein treuer Sohn! Nicht ist meine Wiege gestanden In Deiner Thale Raum, Doch hältst Du mit tausend Banden Durch Jugend-Glück und Traum, Durch Schimmern vielsüßer Sterne Dies wilde Herz im Bann, Daß es in fernster Ferne Dich nicht vergessen kann. — In Deines Bergwalds Grunde — Gruß jenen Tannen, Gruß! — Trank ich von süßem Munde Bebend den ersten Kuß — Und seinen ersten Becher, Von stolzen Träumen heiß, Leerte der junge Zecher In Deiner Männer Kreis! Und hier war's, wo's im Herzen Ihm dunkel und mächtig klang, Bis d'raus wie ein Schrei, wie in Schmerzen Sein erstes Lied sich rang! ... Wo immer in süßer Neuheit Mich Lieb', Lied, Wein erfreu'n, — Genieß ich der holden Dreiheit Dann denke ich auch Dein! So hast Du mit süßen Gaben Mich einstens reich beschenkt, Doch auch in's Herz dem Knaben Gar ernsten Samen gesenkt. Und wenn wider Falsches und Schlechtes Mein Lied sich flammend kehrt — Die Lieb' für Edles und Echtes, Du hast sie mich gelehrt! Ich sah in Deinen Gauen Ein stark und frei Geschlecht In muthigem Selbstvertrauen, Gebeugt nur vor dem Recht — Doch über den Schaaren allen, Nach Blut und Glauben getheilt, Mild, schön und siegreich wallen Das Banner der Menschlichkeit! Ich sah auf Deinen Fluren, Wie sich zauberkräftig erweist In tausend lichten Spuren Und selbstlos der deutsche Geist! Der Freiheit gilt mein Streben, Meinem Volk und der Menschlichkeit. So hast Du ob meinem Leben Die Sterne mir geweiht! Von seinem tiefsten Lieben Spricht man in Worten nicht — Dir hab' ich kein Lied geschrieben, Im Herzen blieb das Gedicht! Doch heut', wo ich ferne träume Von Dir zu sonniger Stund', Aufquellen die schlichten Reime Aus tiefstem Herzensgrund! Ich lehne auf blühender Höhe An Tasso's stolzem Baum, Und Alles in Fern' und Nähe Ist schöner, als schönster Traum. Es liegt zu meinen Füßen Goldblinkend das ewige Rom, Und Alba's Berge grüßen, Und die Glocken klingen vom Dom'. Was hat mir in diese Stunde, In diese blühende Pracht, In diese leuchtende Runde Dein liebes Bild gebracht? ... Mich hält in süßen Schmerzen Ach! stille Sehnsucht gebannt Nach der Jugend und theuern Herzen Und nach Dir, mein Buchenland! So fühlt, wer in stillem Vertrauen Ein Mägdlein sich eigen weiß, Blickt er einer fremden Frauen In's Auge stolz und heiß, Ach! schöner ist sie freilich Und weckt verzehrenden Trieb — Er aber denkt dennoch treulich An sein holdes, einsames Lieb! Sanct Peters Glocken verhallen, Die Sonne sinkt in's Meer, Nun kommt zu lichtem Wallen Der liebe Mond daher — Auch über der Heimath Thalen Zittert Dein leuchtender Kuß — Thau' nieder in Deinen Strahlen Auch meiner Liebe Gruß! ... Nachts Einsam und ziellos wandeln mag ich gerne, Wenn kaum ein Windhauch flüstert, wenn verlassen In zitt'rig bleichem Lichte ruh'n die Gassen Und jeder Hall vertönet in der Ferne. Nicht blick' ich aufwärts da zum Glanz der Sterne, Nicht in mein Herz. Verklingen und verblassen Fühl' ich in mir mein Lieben und mein Hassen Und lausche Dir, o Nacht, und lausch' und lerne. Du — Fee Morgana, eitle Tagespracht! An Schemen läßt Du uns die Blicke weiden Und lockst uns tief in wirre Lust und Pein — Nur Du, o Nacht, verscheuchst vom Aug' die Nacht Und gibst der Brust, die müd' von Schmerz und Freude, Die Ahnung höchsten Glücks: wunschlos zu sein. ? Wir liebten uns einst, zur Frühlingszeit — Wie liegt das weit! Doch kurz und flüchtig war der Traum, Wie Wind und Schaum — Nur einmal ruhten wir süß und bang Am Bergeshang, Und einmal hab ich im Buchengrund Geküßt deinen Mund ... Das ist wohl an die fünfzehn Jahr Oder länger gar — Hab dich — ich mußt in die Ferne gehn — Nicht wiedergesehn, Dann hört ich, ruhig und ungequält, Du sei'st vermählt — Doch jetzt urplötzlich faßt es mich Und ich denk an dich ... Warum?! ... Ich sitze vom Weine heiß, Im lauten Kreis. Was hat mir wohl in die Winternacht Dein Bild gebracht?! Sehnst du vielleicht zur Stund unser Glück So wild zurück — Oder bist du ich ahn's entsetzt — Gestorben jetzt?! ... Ahnung Noch schlägt mein Herz in trotzig wildem Drange, Sehnsüchtig, Kampf und Leiden zu bestehen, Gelockt vom Rauschen ferner Siegstrophäen — Noch bin ich jung — noch glühet meine Wange — Und doch durchzittert dunkel mich und bange Ein Ahnungshauch von plötzlichem Vergehen, Als müßt' dies heiße Herz mir stille stehen, Als müßt's zerspringen mir in dumpfem Klange. So steht der Baum, dem reich die Blätter prangen, Dem sacht die Blüte sich erschließt zur Frucht, Wenn glühe Sommerschwüle ihn umwittert. Er sieht die Wetter drohend niederhangen, Er ahnt den Blitz, der seine Beute sucht, Und lauschet bang — sein tiefstes Mark erzittert ... Wandlung Dies harte Herz — einst war es thöricht weich, Und mühte sich den Zauberspruch zu finden, Die ganze Welt zur Liebe zu entzünden, Ein Reich des Lichts zu bau'n — ein Gottesreich! Mein armes junges Herz, es weint' um Euch, Die Ihr vergeht in Armuth und in Sünden! ... Ich rang ... ich konnte nicht Erlösung finden Und von den Augen sank's mir schuppengleich: Du ringst umsonst! — Denn unabwendbar steht Das harte Wort vom Hammer und vom Eisen! ... So ward ich Hammer hart und klug und klar. Nur manchmal noch durch meine Träume geht, Wie Frühlingshauch, wie süße Kinderweisen, Die schöne Zeit, da ich noch thöricht war! Anna Wie sich um Trümmer grau und wild Noch schlingen grünende Ranken, So zieht mir zuweilen Dein helles Bild Noch durch die düst'ren Gedanken! Und mußt' auch sterben und verglühn Das Glück jener Sommertage, Noch fühl' ich's mir im Herzen blühn Wie süße, traute Sage! Oft seh' ich Dich zu stiller Stund' Wie droben unter der Linde — Dein Auge blitzt und es lacht Dein Mund Und Dein Goldhaar flutet im Winde ... Bis Thränen trüben die holde Gestalt Mir armem, träumendem Thoren, Bis mich's ergreift mit Schmerzensgewalt, Daß Du mir auf ewig verloren! ... Glückwunsch aus der Ferne Wohl sind mir fern die holden Züge Und stumm ist meine Stimme Dir Und doch — Du weißt — es ist nicht Lüge, Sagst Du Dir leise: „Er ist hier!“ Und wenn um Dich bei Kerzenschimmer Sich Dein gewohnter Kreis vereint, Dann weilt unsichtbar auch im Zimmer Dein jüngster und doch wärmster Freund. Wär' er leibhaftig in der Runde, Er stimmte ein und wünschte Glück, Doch — fürcht' ich! — nicht mit lautem Munde, Wohl nur mit feuchtem, stillem Blick! Soll's anders sein, dieweil ich ferne? Ich drücke den süßbittern Pfeil In's Herz mir tief und tiefer gerne Und denk mir stumm mein selig Theil ... Arras 1778 Der junge Lenz erblüht auf der Ardennen Höhen, Als Boten schickt in's Thal er milder Lichte Wehen Und Blumen sprossen rings, sein heit'rer Gruß, empor. Verödet liegt die Stadt, verödet und verlassen, Der frohen Menschen Strom zog aus den düst'ren Gassen Zum Frühlingsfest vor's Thor. Da kräht Policinell, die Kletterbäume ragen, Am Tanzplatz jauchzt die Lust, das Glücksrad lädt zum Wagen Und in dem Kegelhaus drängt froher Spieler Schwarm, Nur Einer lehnt da stumm, ein Jüngling, bleich und müde, Sein unstet Auge blitzt aus halbgeschloss'nem Lide, Und um den Mund liegt Harm. „Ihr Thoren“ — flüstert er — „und doch! Ihr könnt vergessen, Vergessen Eure Schmach und sie nie ganz ermessen, Indeß in mir das Herz vor Zorn und Mitleid bricht — Ihr Thoren jauchz't dem Lenz! — doch ich muß schmerzlich fragen: Wann kommt der schön're Lenz? Wann endet feiges Zagen? Wann weicht die Nacht dem Licht?“ Da ruft's vom Kegelhaus: „Uns wird es nicht gelingen, He, Maximilian! komm' — Dein Schub muß Hülfe bringen — Schon liegen alle Acht — der König trotzt allein!“ — „Der König?!“ ruft er wild und schüttelt ab fein Träumen, „Der König?! den gelingt's wohl auch hinwegzuräumen, Seht Ihr — nun liegt er fein!“ Sie loben seinen Wurf, sie bitten ihn, zu bleiben, Doch er spricht kalt: „Ich bin zu ernst für frohes Treiben“ Und geht. Und Einer spricht: „'S ist doch ein eig'ner Herr: Wenn alle fröhlich sind, so drücken ihn die Sorgen — Er sieht Gespenster selbst am schönsten Frühlingsmorgen, Der junge Robespierre!“ Im Leide Das sind die schlimmsten Schmerzen nicht, Die sanft austönen im Gedicht, Die in Thränen sich lösen vom Herzen, Und selbst der schrille Verzweiflungsschrei, Er macht die Brust vom Drucke frei, Aber stumm sind die schlimmsten Schmerzen. Sie sagen, wo ein Todtwunder liegt Im Walde, da schwingt sich ein Falk und umfliegt Den Verstummenden in der Höhe — Ich klage selten, ich weine nie, Doch flattert dies Lied, so irr und glüh, Über mir und meinem Wehe! ... Zum Abschied Rasch geküßt und heiß geliebt! Nun — da jäh wir scheiden, Lass' von Klagen ungetrübt Jene kurzen Freuden! Nicht in erster Liebe Gluth Brannten uns're Flammen, Müde, mit zerbroch'nem Muth Trafen wir zusammen. Uns're Liebe war der Quell, D'ran wir hingesunken, D'raus in Zügen, tief und schnell, Wir uns Muth getrunken. Dieser Quell' bleib' ungetrübt Von dem Schlamm der Leiden, Stolz und stark, wie wir geliebt, Wollen wir auch scheiden! Stolz und stark! — blick' nicht zurück! Laß die Wetter schnauben! Unser heißes jähes Glück Kann kein Sturm uns rauben! Glück Sehnend such ich auf dem Erdenrunde, Forschend weilt am Ätherdom mein Blick, Schwan und Rose geben keine Kunde Von dem reichen Sinn des Wortes „Glück“. Wie ein Laut aus einem fernen Lande Tönt mir stets der holde Klang in's Ohr, Ein Accord, der von dem goldnen Rande Eines schöner'n Sterns sich einst verlor! Ach, der ernste Blick umwölkt sich trüber, Wenn mein Ohr dem süßen Tone lauscht, Als ob meinem Dasein fern vorüber Eines Engels lichter Fittig rauscht. Holder Laut, der zwischen Kerkermauern Mir ein glanzerfülltes Eden weckt, Dessen Wonnen flüchtig mich durchschauern Und das schnell des Lebens Nacht bedeckt. Ja! mir ist bei deinem theuren Klange, Als ob Menschenherzen mich verstehn, Doch nur auf des Daseins schwerem Gange Mit dem Scheidegruß vorübergehn. Ja mir ist, als ob auf leichtem Flügel Meiner Wünsche Blüthenstaub du trägst, Doch geheimnißvoll ein dunkles Siegel An das lichte Thor der Forschung legst. Inhaltsreich, doch ewig unverstanden Tönt mir so das wundervolle Wort, Fesselt mich mit weichen Zauberbanden Und verweht in meines Lebens Nord. Süßes Wort, das meine Träume feiern, Das mich leis' wie Engellaute grüßt! Bald wird sich dein schöner Sinn entschleiern, Wenn der Tod die bleiche Lippe küßt. Drusus Einer Welt gebeut der Kaiser, Völker dienen seinen Winken. Stolzer Lohn sowie Vernichtung Hängt an seines Auges Blinken, Roms Gebieter hat die Stufen Höchsten Glückes kühn erstiegen, Und der Erdkreis rühmt und singet Von Augustus Pracht und Siegen, Vor den unnahbaren Waffen Der gewalt'gen Legionen Beugen sich, die bis zum Nordmeer Im Gebiet der Gallier wohnen. Nur Germaniens Völker trotzen Muthig dieser Sieger Drohen, In den deutschen Heldenseelen Glühen wilder Freiheit Lohen. Ob auch tief in deutsche Wälder Heere Roms den Pfad gefunden, Dennoch sind des Nordens Streiter, Ob besiegt, nicht überwunden. Und zum Rachezug vereinigt Nach den gallischen Gebieten, Schlagen sie auf's Haupt die Krieger Siegverwöhneter Quiriten. Größern Kriegssturm sendet Roma. Durch die Lande der Germanen Schweben sieggeleitet jene Alten, stolzen Römerfahnen. Drusus führt die tapfern Schaaren, Und vor seines Schwertes Streichen Müssen jene wilden, trotz'gen, Deutschen Krieger dennoch weichen. Unaufhaltsam wie der Kriegsgott Dringt er vor zu Land und Meere, Und gewinnt in heißen Kämpfen Lorbeer sich und Siegesehre. Seufzend sehen die Germanen Römerburgen sich erheben Von dem Rhein, bis wo die Weser Waldgebirge rings umgeben. Mit den Legionen stürmet Drusus auf Verheerungspfaden Grimmerfüllt bis zu der Elbe Flutumrauscheten Gestaden. Von den Kriegern sind die Schiffe Bald hinab zum Strom gezogen, Und der Feldherr gleitet über Die bewegten Wasserwogen. Von des Ruders Kraft getrieben Naht das Fahrzeug sich dem Lande. Langsam wird es nun, die Planken Knirschen auf dem Ufersande. Plötzlich aus der Nacht des Waldes Tritt, umhüllt mit Bärenfellen, Ein erhab'nes Weib und schreitet Ernst bis an des Flusses Wellen. Und gewendet zu dem Feldherrn Spricht sie feierlich die Worte: „Was, o nimmersatter Römer, Suchest Du an diesem Orte? Von den Göttern nicht beschieden Ist Dir dieses Land zu schauen, Vor des Schicksals dunkelm Walten Wende Dich hinweg mit Grauen. Ziehe hin! denn Deinen Thaten, Deinem Leben naht das Ende! Sieh' es harret schon die Norne, Daß sie Deinen Weg vollende.“ Tieferschüttert steht der Feldherr, Horchend auf die Warnungsstimme; Ahnung steigt ihm auf im Busen Von der Todesgötter Grimme. Schrecken künden seine Züge, Die erstarreten, die bleichen, Den erstaunten Kriegern gibt er Umzukehren stumm das Zeichen. An dem wilden Elbgestade Richtet er empor Trophäen, Daß die Spätern seiner Thaten, Seines Muthes Spuren sähen. Dann zum Rheine rückgewendet Zieh'n die Schaaren rasch von hinnen, Um aus dieser Wälder Tiefe Schnelle Heimkehr zu gewinnen. Rascher ist als Rossesschnelle Des Geschickes sich'res Schreiten, Fruchtlos strebt der Staubgebor'ne Dem Verhängniß zu entgleiten. Trauernd zieh'n die Legionen Bald mit ihres Feldherrn Leiche, Ausgestreckt auf düst'rer Bahre, Führen sie die kalte, bleiche. Schmerz ergreift des Kaisers Seele, Roma weinet um den Todten; Doch Germania künden Freiheit Des Geschickes ernste Boten. — Tagesfrühe Der Morgen glüht, im Laube funkeln Die Thaukrystalle gleich Demanten, Die Sonne steiget aus dem Dunkeln, Und schickt die Strahlen als Gesandten. Die künden ihr entzückend Nah'n Weitleuchtend durch die Ätherhalle, Der Wald, die Herrin zu empfah'n, Ertönt von süßem Vogelschalle. Und die von tiefem Schlaf umfangen, Die grünen Blätter an den Zweigen, Durchrauscht von seligem Verlangen Nach Licht, bewegt ein sanftes Neigen. Ein frischer Hauch der Frühe weht Leicht durch den Wald und das Gefilde, Und Alles athmet Dankgebet Zum Urquell solcher Pracht und Milde. Auch du, erquickt von sanftem Schlummer, O Menschenseele, nun erwachet, Vergiß die Sorgen und den Kummer, Und sieh', wie froh der Morgen lachet. Vertrau' auf Gott! das gold'ne Licht Der Liebe steigt aus Nacht und Schatten, Und glänzet wahrlich minder nicht Als rings der Frühschein auf den Matten. Meiner Schwester Es birgt in der Berge gewaltigem Schacht Ein edles Metall sich in köstlicher Pracht, Das glänzt wie die Sonne so mächtig und hold, Das glühende, strahlende, lautere Gold. Und tief in des Meeres krystallener Nacht Da flimmert die herrliche Perle voll Pracht, Ihr Wesen ist Reinheit und Schönheit ihr Kleid, So schlummert im Meer sie für ewige Zeit. Dein Herz sei des Berges gewaltiger Schacht, Dein Herz sei des Meeres krystallene Nacht, Laß' Gold und laß' Perle, so köstlich und rein, Dir Treue und Unschuld die göttlichen sein. Requiescat! Wer den wucht'gen Hammer schwingt, Wer im Felde mäht die Ähren, Wer in's Mark der Erde dringt, Weib und Kinder zu ernähren; Wer stroman den Nachen zieht, Wer bei Woll' und Werg und Flachse Hinter'm Webestuhl sich müht, Daß sein blonder Junge wachse: — Jedem Ehre, jedem Preis! Ehre jeder Hand voll Schwielen! Ehre jedem Tropfen Schweiß, Der in Hütten fällt und Mühlen! Ehre jeder nassen Stirn Hinter'm Pfluge! — doch auch Dessen Der mit Schädel und mit Hirn Hungernd pflügt, sei nicht vergessen! Ob in enger Bücherei Dunst und Moder ihn umstäube: Ob er Sklav der Messe sei, Lieder oder Dramen schreibe; Ob er um verruchten Lohn Fremden Ungeschmack vertire; Ob er in gelehrter Frohn Griechisch und Latein docire: — Er auch ist ein Proletar! Ihm auch heißt es: „Darbe! borge!“ Ihm auch bleicht das dunkle Haar, Ihn auch hetzt in's Grab die Sorge! Mit dem Zwange, mit der Noth Wie die andern muß er ringen! Und der Kinder Schrei nach Brot Lähmt auch ihm die freien Schwingen! Manchen hab' ich so gekannt! Nach den Wolken flog sein Streben: — Tief im Staube von der Hand In den Mund doch mußt' er leben! Eingepfercht und eingedornt, Ächzt' er zwischen Thür und Angel; Der Bedarf hat ihn gespornt, Und gepeitscht hat ihn der Mangel. Also schrieb er Blatt auf Blatt, Bleich und mit verhärmten Wangen, Während draußen Blum' und Blatt Sich im Morgenwinde schwangen. Nachtigall und Drossel schlug, Lerche sang und Habicht kreiste: — Er hing über seinem Buch, Tagelöhner mit dem Geiste! Dennoch, ob sein Herz auch schrie, Blieb er tapfer, blieb ergeben: „Dieses auch ist Poesie, Denn es ist das Menschenleben!“ Und wenn gar der Muth ihm sank, Hielt er fest sich an dem Einen: „Meine Ehre wahrt' ich blank! Was ich thu', ist für die Meinen!“ Endlich ließ ihn doch die Kraft! Aus sein Ringen, aus sein Schaffen! Nur zuweilen, fieberhaft, Konnt' er noch empor sich raffen! Nachts oft von der Muse Kuß Fühlt' er seine Schläfen pochen; Frei dann flog der Genius, Den des Tages Drang gebrochen! Lang jetzt ruht er unter'm Rain, Drauf im Gras die Winde wühlen; Ohne Kreuz und ohne Stein Schläft er aus auf seinen Pfühlen. Rothgeweinten Angesichts Irrt sein Weib und irrt sein Samen — Bettlerkinder erben Nichts, Als des Vaters reinen Namen! Ruhm und Ehre jedem Fleiß! Ehre jeder Hand voll Schwielen! Ehre jedem Tropfen Schweiß, Der in Hütten fällt und Mühlen! Ehre jeder nassen Stirn Hinter'm Pfluge! — doch auch Dessen, Der mit Schädel und mit Hirn Hungernd pflügt, sei nicht vergessen. Nach England Als ich her von Frankreich fuhr, Sprach das Meer: „Treib' sie zu Paaren! Gleiche dem Erobrer nur, Den ich trug vor tausend Jahren! In derselben Furch' einher Schwimmst du, die sein Kiel geschnitten: Kühnen Sprunges drum, wie Er, Wirf dich wider diese Britten. Spring an's Land und fall' an's Land! Nur auch decke mit der Hand es! Rufe: Mein dies Engelland! Mein! Denn meine Hand umspannt es! Dann empor und in den Streit! Vorgeeilt auf rüst'gen Füßen! Und es wird zu rechter Zeit Hastings dich als Sieger grüßen! Hastingsfeld ist allerwärts, Hastingsschlacht ist allerwegen, Wo ein muthig Männerherz Kühn sich stellt des Lebens Schlägen! Wer da keinen Thron begehrt, Hat um ander Gut zu rechten: Du willst Brot und einen Herd — Und auch die mußt du erfechten! Wider dich, weil froh du sangst, Das Gebell von tausend Hunden! Wider dich die blöde Angst Vor dem Dichter-Vagabunden! Wider dich und deinen Trutz Alle Waffen des Gemeinen: Kälte, Dünkel, Eigennutz — Alle wider dich, den Einen! Doch du bist dir selbst ein Heer! Dir voraus mit hellem Singen Jagt dein Lied, der Taillefer, Muth und Freunde dir zu bringen! Dann der Wille, dann der Fleiß, Dann die Alles kann, die Liebe — Keine Schlacht so grimm und heiß, Daß die Schaar nicht Meister bliebe! Wärst du einzeln, ernster Mann, Sagt' ich dir: Bleib auf der Welle! Meide Liliput fortan, Sei des Elements Geselle! Eintagsunruh, Eintagsstreit, Woll' auf meinen Grund sie tauchen! Odem der Unendlichkeit Laß mich in die Brust dir hauchen! Aber nicht bei West und Tau, Nicht auf Planken, sturmdurchnäßten — Zarte Kinder, müde Frau Wollen wandeln auf dem Festen! Darum, wo die Erndte wallt, Willst du sä'n und willst du pflanzen; Wo der Lärm der Städte schallt, Mit im Gliede willst du schanzen: Auch ein Mann, der Steine bricht; Auch ein Mann in Eisenhütten! — Lasse nur den Alltag nicht Deine Dichtung dir verschütten! Sei, der zwiefach reisig steht Auf der frisch erkämpften Gränze: Tagelöhner und Poet, Eine beider Würden Kränze! Sieh', da liegt die Küste schon!“ — Ja, da lag sie! Noch zum Greifen, Trotzig hob sich Albion Aus der Fluth, ein weißer Streifen. Alles still und morgengrau! Felsenripp' um Felsenrippe Flog vorbei zu flücht'ger Schau: Dover-Schloß und Shakespeare's Klippe! Hier und da ein Fischerboot! Auf und ab geschwenkte Baken! Cap Nord-Vorland! Brennendroth Jetzt das Nore-Schiff! — Segellaken, Dämpfersäulen — hui, das ging! Alle keuchten, alle flogen, Wie von jenem Fabelding, Dem Magnetberg, angezogen. Ein Magnet auch zog sie an: London! — Und in hellen Haufen Mit der Fluth sind wir sodann In die Themse eingelaufen! Näher trat des Landes Kern, Herz und Adern fühlt' ich schlagen — Östlich stand der Morgenstern, Westlich senkte sich der Wagen. Im Teutoburger Walde Das sind die alten Berge wieder, Das ist das alte Buchengrün; Das ist, von Fels und Halde nieder, Das alte lust'ge Quellensprühn. Das sind sie rauschend alle beide, Der alte Wald, die alte Haide; Ich seh' auf Wies', ich seh' auf Weide Die alten treuen Blumen blühn. — So blühten sie, als ich in's Leben Hinauszog von den Hügeln hier; So sah ich sie die Köpfchen heben Und leise bitten: Bleibe hier! Ich aber schwang mich von der Klippe Hinab die Bergwand durch's Gestrüppe; Zum Meere wiesen Ems und Lippe Mich durch der Senne braun Revier. So zog ich fort! Ein halb Jahrhundert Verrann seit jenem Tage fast! Hier war's! ich seh mich um verwundert: Zu Haus, und dennoch schier ein Gast! Der braun als Knabe ausgefahren, Kehrt heim mit eisengrauen Haaren, Und hält mit seiner Last von Jahren In seinen Heimatwäldern Rast! Wie Rip van Winkle, jener alte Waldläufer und Gesell der Jagd, Am Hudson in der Bergesspalte Mit Geistern zechte eine Nacht, — Zwar eine Nacht, die Jahre währte, — Wie träumend dann, das grambeschwerte Haupt auf der Brust, zum Dorfe kehrte, Graubärtig, in zerrissner Tracht: Ein junger Mann war er geschieden, Ein alter Mann kam er zurück; Fremd, nicht gekannt mehr, schier gemieden, Maß er die Welt mit scheuem Blick; Ein neu Geschlecht wogt' in den Gassen, Und, kaum vermocht' er es zu fassen: Wo er ein Königsland verlassen, Da fand er eine Republik: — So kehr' auch ich, — gepreßt, beklommen: Kennt mich denn Jemand noch im Land? — Da braust ein hundertfach Willkommen Um Berg und Schlucht und Felsenwand! Die Blumen wiegen sich im Weste, Die Bäume schütteln ihre Äste, — Und o, das ist das Allerbeste, — Die Freunde schütteln mir die Hand! Dank euch, ihr Lieben, Guten, Treuen! Ihr ohne Falsch und ohne Wank! Ihr alten Freunde und ihr neuen! Dank euch, aus vollem Herzen Dank! Und ihr, wie Rosen anzuschauen Beim Männervolk, dem bärt'gen, rauhen, Westphalens Mädchen ihr und Frauen, — Euch allen Dank und aber Dank! Nein, nicht wie jener Träumer kehr' ich Nach langer Fahrt aus Bann und Acht; Unwerth so vieler Liebe wär ich, Hätt' ich's im Ernste je gedacht! Zudem: Die kehrend er gefunden, (Sie mein ich, ließ ihn bald gesunden!) Die Republik, trotz Kampf und Wunden, Habt ihr bis heute nicht gemacht! Nun aber lagr' ich stillen Muthes Im Wald mich auf ein Felsenstück, Und träum' und sinne, was mir Gutes, Seit ich hier schied, zufiel vom Glück. Die Summe zieh' ich meines Lebens Am Ausgangsorte meines Strebens, Und sag': Ich strebte nicht vergebens, Und segne dankbar mein Geschick. Geliebt zu sein von seinem Volke, O, herrlichstes Poetenziel! Loos, das aus dunkler Wetterwolke Herab auf meine Stirne fiel! Ob ich's verdient? Ich darf nicht rechten! Ihr wollt nun einmal Kränze flechten! Ich halte stolz ihn in der Rechten, Den mir zu flechten euch gefiel. Wohlan, ich greife froh zum Becher, Und gieße voll ihn bis zum Rand, Und heb' ihn, ein bewegter Zecher, Und halt' ihn hoch mit fester Hand; Und ruf' hinaus in alle Gauen, So weit ich deutsches Land mag schauen, Laut ruf' ich's von des Berges Brauen: Ich danke dir, mein Vaterland! Hurrah, Germania 25. Juli 1870 Hurrah, du stolzes schönes Weib, Hurrah, Germania! Wie kühn mit vorgebeugtem Leib Am Rheine stehst du da! Im vollen Brand der Juligluth, Wie ziehst du risch dein Schwert! Wie trittst du zornig frohgemuth Zum Schutz vor deinen Herd! Hurrah, hurrah, hurrah! Hurrah, Germania! Du dachtest nicht an Kampf und Streit: In Fried' und Freud' und Ruh', Auf deinen Feldern, weit und breit, Die Ernte schnittest du. Bei Sichelklang im Ährenkranz Die Garben fuhrst du ein: Da plötzlich, horch, ein andrer Tanz! Das Kriegshorn über'm Rhein! Hurrah, hurrah, hurrah! Hurrah, Germania! Da warfst die Sichel du in's Korn, Den Ährenkranz dazu; Da fuhrst du auf in hellem Zorn, Tief athmend auf im Nu; Schlugst jauchzend in die Hände dann: Willst du's, so mag es sein! Auf, meine Kinder, alle Mann! Zum Rhein! zum Rhein! zum Rhein! Hurrah, hurrah, hurrah! Hurrah, Germania! Da rauscht das Haff, da rauscht der Belt, Da rauscht das deutsche Meer; Da rückt die Oder dreist in's Feld, Die Elbe greift zur Wehr. Neckar und Weser stürmen an, Sogar die Fluth des Mains! Vergessen ist der alte Span: Das deutsche Volk ist Eins! Hurrah, hurrah, hurrah! Hurrah, Germania! Schwaben und Preußen Hand in Hand; Der Nord, der Süd Ein Heer! Was ist das deutsche Vaterland, — Wir fragen's heut nicht mehr! Ein Geist, Ein Arm, Ein einz'ger Leib, Ein Wille sind wir heut! Hurrah, Germania, stolzes Weib, Hurrah, du große Zeit! Hurrah, hurrah, hurrah! Hurrah, Germania! Mag kommen nun, was kommen mag: Fest steht Germania! Dies ist All-Deutschlands Ehrentag: Nun weh' dir, Gallia! Weh', daß ein Räuber dir das Schwert Frech in die Hand gedrückt! Fluch ihm! Und nun für Heim und Herd Das deutsche Schwert gezückt! Hurrah, hurrah, hurrah! Hurrah, Germania! Für Heim und Herd, für Weib und Kind, Für jedes theure Gut, Dem wir bestellt zu Hütern sind Vor fremdem Frevelmuth! Für deutsches Recht, für deutsches Wort, Für deutsche Sitt' und Art, — Für jeden heil'gen deutschen Hort, Hurrah! zur Kriegesfahrt! Hurrah, hurrah, hurrah! Hurrah, Germania! Auf, Deutschland, auf, und Gott mit dir In's Feld! der Würfel klirrt! Wohl schnürt's die Brust uns, denken wir Des Bluts, das fließen wird! Dennoch das Auge kühn empor! Denn siegen wirst du ja: Groß, herrlich, frei, wie nie zuvor! Hurrah, Germania! Hurrah, Victoria! Hurrah, Germania! Die Trompete von Gravelotte Sie haben Tod und Verderben gespie'n: Wir haben es nicht gelitten, Zwei Colonnen Fußvolk, zwei Batterie'n, Wir haben sie niedergeritten. Die Säbel geschwungen, die Zäume verhängt, Tief die Lanzen und hoch die Fahnen, So haben wir sie zusammengesprengt, — Cürassiere wir und Ulanen. Doch ein Blutritt war es, ein Todesritt; Wohl wichen sie unsern Hieben, Doch von zwei Regimentern, was ritt und was stritt, Unser zweiter Mann ist geblieben. Die Brust durchschossen, die Stirn zerklafft, So lagen sie bleich auf dem Rasen, In der Kraft, in der Jugend dahingerafft, — Nun Trompeter, zum Sammeln geblasen! Und er nahm die Trompet', und er hauchte hinein; Da, — die muthig mit schmetterndem Grimme Uns geführt in den herrlichsten Kampf hinein, Der Trompete versagte die Stimme! Nur ein klanglos Wimmern, ein Schrei voll Schmerz Entquoll dem metallenen Munde; Eine Kugel hatte durchlöchert ihr Erz, — Um die Todten klagte die wunde! Um die Tapfern, die Treuen, die Wacht am Rhein, Um die Brüder, die heut gefallen, — Um sie alle, es ging uns durch Mark und Bein, Erhub sie gebrochenes Lallen. Und nun kam die Nacht, und wir ritten hindann, Rundum die Wachtfeuer lohten; Die Rosse schnoben, der Regen rann — Und wir dachten der Todten, der Todten. Ein Lied Memnons Vergangen ist die Nacht! Weiß dampft es auf dem Nile; Aufrafft sich Pharao von seinem Purpurpfühle; Schlaftrunknes Murmeln füllt die Hekatompylos. Wie Fackeln, licht und schlank dasteh'nd im dunkeln Thale, Blutroth im ersten Sonnenstrahle, Glühn Obeliskus und Koloß. Nach Westen weithin fällt ihr ungeschlachter Schatten; Die Sphinxe werden wach auf ihren Marmorplatten Und schauen träg empor an Thurm und Säulenknauf. Der Ibis schickt sich an, um ihre Stirn zu schweben; Sie aber recken sich, und geben Sich gähnend ihre Räthsel auf. Der Geier flattert schwer nach ihren Fußgestellen; Gleichwie ein Tempelwart von ihren glatten Fellen Streift mit dem Fittig er der Wüste nächt'gen Staub. Leis flüsternd grüßen sich die dorn'gen Palmenbäume; Sich zu erzählen ihre Träume, Bewegen sie der Kronen Laub. Und laut und lauter wird's in Thebens alten Mauern, Auf deren Zinnen ernst gegossne Löwen kauern; Vom Schall des Morgens dröhnt mein einstig Königshaus. Das Herz Ägyptens pocht in seiner eh'rnen Hülle, Und rieselt seines Blutes Fülle Nach allen seinen Gliedern aus. Es sprudelt und es gährt und sprengt die hundert Pforten; Es bricht sich brausend Bahn und fluthet allerorten, Wo sich die Wüste dehnt und wo die Nilfluth rollt. Das nenn' ich heißes Blut: Kriegsheere, Karavanen! Es puls't einher in sand'gen Bahnen Und schwemmt zurücke Ruhm und Gold. So grüßt Ägyptenland, du Strahlender, dein Kommen! Bald über'n Strom schon ist dein Spiegelbild geschwommen; Die Wüste fährt empor, dich jubelnd zu empfahn. Und ich auch, der ich nur ein Wächter bin im Sande, Ertöne, seh' ich dich am Rande Des Felsgebirgs im Osten nahn. Denn wie ein Kriegesfürst im Lande der Araben, So lässest du einher die muth'gen Rosse traben, Die flackerndes Gestrahl aus Nüstern sprühn. Dein Herold Morgenwind führt eine Golddrommete; Dein Frühzelt ist die Morgenröthe, Dein Abendzelt des Westens Glühn. Und wie ein Emir auch kannst du die Feinde drängen! Wenn du zu Wagen steigst, den Himmel zu durchsprengen, Mit ihren Schatten dann entweicht die dunkle Nacht. So schier weiß Pharao ein Mohrenheer zu jagen, Wenn er auf goldnem Sichelwagen Einherbraus't über's Feld der Schlacht. Und wie sein Arm befreit die Völker und die Lande, Und wie sein blutig Schwert sich öffnen heißt die Bande, In die des Feindes Grimm die Kriegsgefangnen schlug: So auch zerschmetterst du, anspornend deine Pferde, Die Fesseln, deren Wucht die Erde Auf das Geheiß des Dunkels trug. Sieh' da, sie öffnen sich! sie springen und sie schmelzen! Die Erde war ein Grab; — doch du, den Stein zu wälzen Von seiner Thüre, nahst! — hinfällt er und zerbricht. Ich aber grüße dich in deiner Kraft und Schöne; Vernimm die Summe meiner Töne In einem einz'gen Worte: Licht! O lieb', so lang du lieben kannst O lieb', so lang du lieben kannst! O lieb', so lang du lieben magst! Die Stunde kommt, die Stunde kommt, Wo du an Gräbern stehst und klagst! Und sorge, daß dein Herze glüht Und Liebe hegt und Liebe trägt, So lang ihm noch ein ander Herz In Liebe warm entgegenschlägt! Und wer dir seine Brust erschließt, O thu' ihm, was du kannst, zu lieb! Und mach' ihm jede Stunde froh, Und mach' ihm keine Stunde trüb! Und hüte deine Zunge wohl, Balb ist ein böses Wort gesagt! O Gott, es war nicht bös gemeint, — Der Andre aber geht und klagt. O lieb', so lang du lieben kannst! O lieb', so lang du lieben magst! Die Stunde kommt, die Stunde kommt, Wo du an Gräbern stehst und klagst! Dann kniest du nieder an der Gruft, Und birgst die Augen, trüb und naß, — Sie sehn den Andern nimmermehr — In's lange, feuchte Kirchhofsgras. Und sprichst: O schau' auf mich herab, Der hier an deinem Grabe weint! Vergib, daß ich gekränkt dich hab'! O Gott, es war nicht bös gemeint! Er aber sieht und hört dich nicht, Kommt nicht, daß du ihn froh umfängst; Der Mund, der oft dich küßte, spricht Nie wieder: ich vergab dir längst! Er that's, vergab dir lange schon, Doch manche heiße Thräne fiel Um dich und um dein herbes Wort — Doch still — er ruht, er ist am Ziel! O lieb', so lang du lieben kannst! O lieb', so lang du lieben magst! Die Stunde kommt, die Stunde kommt, Wo du an Gräbern stehst und klagst! Ruhe in der Geliebten So laß mich sitzen ohne Ende, So laß mich sitzen für und für! Leg deine beiden frommen Hände Auf die erhitzte Stirne mir! Auf meinen Knien, zu deinen Füßen, Da laß mich ruhn in trunkner Lust; Laß mich das Auge selig schließen In deinem Arm, an deiner Brust! Laß es mich öffnen nur dem Schimmer, Der deines wunderbar erhellt; In dem ich raste nun für immer, O du mein Leben, meine Welt! Laß es mich öffnen nur der Thräne, Die brennend heiß sich ihm entringt; Die hell und lustig, eh' ich's wähne, Durch die geschloßne Wimper springt! So bin ich fromm, so bin ich stille, So bin ich sanft, so bin ich gut! Ich habe dich — das ist die Fülle! Ich habe dich — mein Wünschen ruht! Dein Arm ist meiner Unrast Wiege, Vom Mohn der Liebe süß umglüht; Und jeder deiner Athemzüge Haucht mir ins Herz ein Schlummerlied! Und jeder ist für mich ein Leben! Ha, so zu rasten Tag für Tag! Zu lauschen so mit sel'gem Beben Auf unsrer Herzen Wechselschlag! In unsrer Liebe Nacht versunken, Sind wir entflohn aus Welt und Zeit: Wir ruhn und träumen, wir sind trunken In seliger Verschollenheit! Antwort „Frei, los und ledig singe der Poet, Nicht an der Scholle bleib' er kleben! Weib, Kinder, Haus — o jämmerlich Geräth! Einsam in Gluth, wie weiland der Prophet, Soll er empor vom Boden schweben! Die kühn des Gottes herrlich Feuer schürt Auf Bergen hoch und auf Altären, Die, aufgehoben, an die Sterne rührt, Wie mag die Hand denn nur, vom Ring umschnürt, Zugleich des Herdes Flämmchen nähren? Wie mag die Lippe nur, der fort und fort Wohllaut und Geist vereint enttönen, Wie mag die Lippe nur zu Schaffnerwort, Zu Wiegenreim und anderm Mißakkord Des Alltagslebens sich gewöhnen? Wie mag die Stirn, die Epheu grün umlaubt, Die Stirn; die junge Lorbeern schmücken, Lorbeeren, trotzig vom Olymp geraubt, Wie mag, das Welten trägt, das Dichterhaupt In's Joch sich des Philisters bücken? Das Flügelroß gehört in keinen Stall; Es soll nur fliegen, jagen, schlagen!“ — Ich könnte viel auf diesen Redeschwall Erwidern, traun! doch soll die Nachtigall Euch heute nur die Antwort sagen. Der in des Waldes dunkelgrünem Schooß Von Liedern trieft, die lechzend flammen: Derselbe Schnabel singt nicht Lieder bloß, Derselbe Schnabel trägt aus Laub und Moos Doch auch ein Nestchen sich zusammen! So wird es geschehn! 3. August 1870 Wie der Wolf, der Assyrer, in klirrender Pracht Einbrach in die Hürden Judäa's bei Nacht; Wie der Perser, der Ketten anlegte dem Meer, Über Hellas ergoß sein barbarisches Heer; Wie der Hunne, ein Pfeil, den die Steppe verschoß, Auf die Abendwelt niederfuhr, zahllos zu Roß; Wie die Flotte, die unüberwindlich er hieß, Wider England der Spanier brüsten sich ließ; Wie der Corse, der Ohm, in unendlichen Reihn Seine Tausende führte nach Rußland hinein; Wie auf Leichen er aufschlug sein blutig Gezelt, Und vermessen sich wähnte den Herrscher der Welt: — So bekriegt jetzt der Corse, der Neffe des Ohms, So bekriegt er die Ufer des deutschesten Stroms; Es schüttern die Kolben, es rasselt der Stahl — Seinem Troß gern credenzt' er des Rheinlands Pocal! Dem Turco! dem Spahi! Der stützt ihm das Reich: Wie er selber, Hyäne und Schakal zugleich! Der bellt auf Geheiß, o verworfenes Spiel! Deinen heiligen Hymnus, o Rouget de Lisle! Von der Saar und der Mosel zum Odenwald schallt's; Da erbleicht, da erzittert die Jungfrau der Pfalz; Am Busen der Mutter verbirgt sein Gesicht Der Säugling — ihr Lieben, o fürchtet euch nicht! Euch zu schützen, rückt Deutschland, das ganze heran; Seine tausendmal Tausend stehn da wie ein Mann; Stürmen an, drängen vorwärts, ein wuchtiger Keil, Zum Verderben dem Zwingherrn, den Völkern zum Heil! So nun wird es geschehn! Den Assyrer zerbrach, Den Perser, den Hunnen ein einziger Tag; Ihre Macht, ihre Pracht, sie verging wie ein Rauch — Die Armada zerblies des Allmächtigen Hauch! Und Ihn, der sich wähnte den Herrscher der Welt, Hat das Feuer im Bund mit der Kälte gefällt! Nur Geduld! Noch ein Tag — und ein rächender Blitz Flammt den Frevler, den Zuaven im Purpur, vom Sitz! Ein Umkehren 1792 Vom Meer heran der Abend graute, Aus Dampf und Dunst die Möwe schrie, Verdrossen auf die Brandung schaute Der gelbe Strand der Normandie. O nachtumfloss'ne Wasseröde! Ein einsam Boot lag auf der Rhede, Ein ruppig Ding zur Küstenfahrt. Am Bord ein paar Matrosen keuchten; Man zog die Segel auf, die feuchten, Und sang dazu nach Schifferart. Am wüsten Ufer unterdessen, Die Haare naß vom Wellenhauch, Auf Steinen hat ein Mann gesessen, Ein kleiner Mann mit großem Aug'. Er läßt es irren, läßt es schweifen; Zu den zerriss'nen Wolkenstreifen Aufhebt er die geballte Faust; Fährt in die Höh', spricht laut und strenge; Bedräut die Fluth, wie eine Menge, Die einen Rednerstuhl umbraus't. Dann wieder mit gesenkten Brauen Setzt er sich hin; was mag ihm sein? Was, außer Meer und Mast und Tauen, Sieht er auf seinem harten Stein? Wenn du es wissen willst, so höre: — Er träumt von einem andern Meere, Beschwört ein ander Meer, als dies! Er schaut, das selber er bewegte, Das selber er als Sturm durchfegte, Das wild empörte Meer Paris! Er sieht die Plätze, sieht die Gassen — Da brandet es wie Ebb' und Fluth, Da wogen ab und zu die Massen, Da kocht das heiße Frankenblut. Die Piken und die Säbel blitzen, Auf schwarzen Haaren rothe Mützen, Trompetenruf und Fackelbrand! Den Knaben sieht man Waffen tragen, Die rauhe Trommel wird geschlagen, Die zornige, von Frauenhand! Die Glocken rasen auf den Thürmen, Vordringt das Volk mit wüth'gem Schrei! Ha, das ist der Bastille Stürmen, Das ist des Marsfelds Metzelei! Geschützesdonner, Flintenknattern! Des Volkes junge Fahnen flattern — Die erste dort, wer schwingt sie nur? Das ist, auf rasselnder Kanone, Die Lächelnde, die Amazone, Das stolze Weib: die Mericourt! — Ja, das die Woge, die zu wecken Er donnernd losbrach in den Klubbs; In den Spelunken, an den Ecken Umringt von Sanskulottentrupps. Das kämpft und gährt auf diesem Meere — Sieh' da, Camille und Robespierre! Sieh' da, und Danton's Löwenkraft! Ein Tisch, ein Stuhl die Rednerbühne — Nun schwingt auch Er sich auf, der Kühne: Die menschgewordne Leidenschaft! Ja, das die Woge, die zu wecken Er unablässig hob die Hand! Die Fluth, auf die er seine kecken Sturmvögel täglich ausgesandt! „Der Freund des Volks“ — durch's Hagelwetter Hinflatterten die grauen Blätter, Sturmfrohen Nordsee-Möwen gleich! Anfeuernd, mahnend, stachelnd, fluchend — Und dennoch einzig, einzig suchend Den Friedens-, den Olivenzweig! 's ist Marat, ja! der Große, Gute! 's ist der geächtete Tribun! Das Haupt, das lang in Kellern ruhte, Ruht aus am Meergestade nun! Verkannt, geschmäht, verfolgt, geflüchtet — Es ist vorbei, er hat verzichtet, Er wählt des Elends bitter Brot! Er schickt sich an, in See zu stechen — Mag auch sein Herz in England brechen: Gleichviel — dort liegt das Schmugglerboot! Er springt hinein: „Nun, Schiffer, rüste!“ Da schwebt der Anker sacht empor. Ein einz'ger Blick noch nach der Küste — Da, was geht in dem Starken vor? Er weint, er schluchzt, er winkt zum Strande, Er ruft: „Zurück! Zurück zum Lande! Verläßt die Mutter auch der Sohn? Gescheh', was will!“ Er wirft sich nieder, Er küßt den Sand: „Da, nimm mich wieder! Nimm mich, o Revolution!“ Und nun, die Feinde auf den Hacken, Und nun, auf Wald- und Wiesensteg Allzeit das Messer über'm Nacken, Zurück, zurück den langen Weg! Im Korne muß er sich verstecken, Muß sich verkriechen hinter Hecken — Bis, die ihn gestern that in Bann, Er wieder in die grauenhafte, In die bis auf den Grund zerklaffte Meerfluth Paris sich stürzen kann. Was wird sie ihm zu Tage tosen? — Nun ja, wir haben's lang gewußt! Wir hörten lang von seinen Losen — Zuerst den zehnten des August! Dann den Convent, und dann den Schrecken! Dann, in des Henkers blut'gem Becken, Dein Haupt, o schuldiger Capet! Die Girondins auf dem Schaffotte, Das blanke Messer der Charlotte — — Da, seht ihm nach! — Er muß — er geht! Wir haben uns Nichts mehr zu sagen Wir haben uns Nichts mehr zu sagen, Als „Lebewohl“, dies schwere Wort, Denn was im Herzen wir getragen, Vertrauten wir uns stets sofort. Ein Spiegel war mein Herz dem Deinen, Ein offnes Buch Dein Herz für mich; In ihrem Denken, Fühlen, Meinen Begegneten die Seelen sich. Wir haben uns Nichts mehr zu sagen — So treu, so innig war der Bund, Daß Nichts zu sagen mehr, zu fragen In dieser letzten, schwersten Stund'! Es löst der Tod die heil'gen Bande Nach langer, sel'ger Jahre Lauf — „Fahr wohl“ — mir bleibt ein Trost zum Pfande: „Die Liebe höret nimmer auf!“ Stern der Liebe Hoch über dem Parteigetriebe, Dem aufgewühlten Strom der Zeit, Erglänzt der reine Stern der Liebe In wandelloser Herrlichkeit. Kein Menschenaug' kann ganz erblinden Für seinen zauberhaften Glanz, Und seine Stralenspur verschwinden Aus keiner Menschenseele ganz. Aus Mutter- und aus Freundesblicken, Aus der Geliebten Augen traut, Uns zu besel'gen, zu entzücken, Das lichte, reine Sternbild schaut. Und wenn's nicht mehr aus Augen funkelt, In die wir schauten froh und gern, Weil Todesnacht uns hat verdunkelt Manch lieben, treuen Augenstern: Hoch über dem Parteigetriebe Und über Gräbern seinen Stand Hat leuchtend hell der Stern der Liebe Für Menschheit, Freiheit, Vaterland. Mahnung Flieh nicht das Elend, tritt es dir entgegen Und zeigt sich dir voll Schrecken und voll Grauen, Dem Menschenelend lern' in's Auge schauen, Laß dir von ihm das Herz recht tief bewegen. Hilf, tröste, wenn's in deiner Macht gelegen, Erwecke Muth und stärke das Vertrauen, Daß noch auf Menschenliebe ist zu bauen — In solchem Walten ruht ein reicher Segen. Im Spiegel fremden Unglücks wird dein Glück Viel köstlicher und reicher dir erscheinen, Vor fremdem Schmerz tritt eig'ner oft zurück. Vergleichst du fremdes Leid dann mit dem deinen, So wirst du leichter dein Geschick ertragen, Getröstet dulden, und voll Muth entsagen. Eine Frage Nie geahnt und nie erfahren Hast du, wie ich rang und litt, Wie in meiner Brust seit Jahren Mit der Pflicht die Sehnsucht stritt. Habe lang und heiß gerungen, Bis entsagt das stolze Herz, — Meine Sehnsucht ist bezwungen, Milder Wehmuth wich der Schmerz. Ruhig tret' ich dir entgegen, Still, wie du mich nie gekannt, Lege deinem Kind zum Segen Auf das lock'ge Haupt die Hand. Ohne Groll und ohne Klage Steh' ich hier — zu dieser Frist Hat mein Herz nur eine Frage: „Ob du wahrhaft glücklich bist?“ Treue Liebe Eine Gabe flücht'ger Stunden, Flücht'ger oft als diese sind, Ist das Glück — gar bald entschwunden, Bald verweht, ein Blatt im Wind. Kaum gewonnen, schon zerronnen, Rasch zerstäubt wie Wellenschaum — Unser Glück und uns're Wonnen, Träume sind's im Lebenstraum. Doch was selig wir besessen, Hält nach schmerzlichem Verlust, Schützt und schirmt vor dem Vergessen Treue Liebe in der Brust. Ob der Tod das Liebste raube, Treue Liebe nie vergißt, Weil sie stärker als der Glaube, Stärker als die Hoffnung ist. Können auch die Gräber geben Lebend nie das Glück zurück, Ruft die Liebe doch zum Leben Als Erinn'rung todtes Glück. Traumhaft Glück der flücht'gen Stunden, Schnell entfloh'n, gegrüßet kaum, Bringt zurück, wenn's längst entschwunden, Treue Lieb' als schönen Traum. Trostesworte Ein sel'ger Trost in dunklen Stunden, Wenn jeder and're Trost gebricht, Wird im Verheißungswort gefunden: „Der Herr verläßt die Seinen nicht!“ Wie an dem Stamm die schwachen Ranken Hinan sich schlingen, so erhebt An diesem sel'gen Trostgedanken Das gläub'ge Herz sich, neubelebt. Und wie zur Heimat aus der Ferne Blickt aufwärts dann voll Zuversicht Das Auge zum Gefild der Sterne — Und still im Herzen wird's und licht. Der Schmerz verstummt, das Zagen weichet — Es ist, als wenn im Geist die Hand Ein lieber, treuer Vater reichet Dem Kind', verwaist im fremden Land. Christus Und wärst du nie dahin geschritten Auf Erden hier im Sonnenlicht, Und so dein Wandel, viel bestritten, Nur eine Mythe, ein Gedicht; Und hätte nie dein Mund gesprochen Des Trostes und der Liebe Wort, Und wär' dein Aug' und Herz gebrochen Auch nicht am Stamm des Kreuzes dort; Und wär' dein Leben und dein Lieben, Dein Leid, dein Tod — nur ein Gedicht: Gedichtet wäre und geschrieben Erhab'neres auf Erden nicht. Aus tiefem Sehnen und Verlangen Der Menschheit, die in Nacht und Qual, Wärst leuchtend du hervorgegangen: Ein phänomenhaft Ideal; Ein Kind, von ihrem Geist geboren Als Vorbild der Vollkommenheit, Zum Friedenspender auserkoren, Zum Tröster in dem tiefsten Leid. Das Band, das ihr gefehlt hienieden, Zum Himmel hätte sie's gespannt In dir, der ihr zu Trost und Frieden Verhieß ein geistig Heimatland. Denn nimmer kann sie Ruhe finden — Jahrtausende geht fort ihr Drang, Des Daseins Räthsel zu ergründen, Das ungelöst jahrtausendlang. Und wenn du warst, wie uns verkündet, So stellst du — selbst der Wunder bar, Auf welche sich die Kirche gründet — Dich als ein „menschlich Wunder“ dar. In deiner Liebe, deinem Leben, In Wort und That, so hehr und rein, Hast du ein Vorbild uns gegeben, Wie Menschen sollen „Menschen“ sein. Der Menschheit Sehnen und Verlangen, Es ist erfüllt — durch diese Welt Bist du ein Friedensfürst gegangen, Der hoch der Liebe Banner hält. Den Sternenhimmel deiner Seele Hast du gebreitet über sie, Damit es ihr an Leuchten fehle Im Dunkel dieses Daseins nie. Wie immer auch die Menschen deuten Dein Wort und Sein, im Meinungsstreit — Du bleibst im Wandel dieser Zeiten Ein Lichtbild voll Erhabenheit; Du hältst, — ein Tröster und Befreier Für Herz und Geist, — mit deinem Wort Der Liebe: Auferstehungsfeier In Menschenseelen fort und fort. Ihr Ideal läßt sich nicht trüben Die Menschheit, — fällt auch mancher Wahn, — So lang noch eine Seele lieben Und deine Liebe fassen kann. Regentag in der Fremde Die bunten Blumen schwanken Vor'm Fenster hin und her; Die Regentropfen fallen Aus Wolken trüb und schwer. Seh' ich die blauen Glocken, Des herbstlichen Windes Spiel, So denk' ich blauer Augen, Die meiner Sehnsucht Ziel. Und schau' ich die rothen Rosen, Die kalt der Nord durchstreicht, Mahnt mich's an rothe Wangen, Die jetzt der Kummer bleicht. Dort hinter den blauen Bergen, Da steht des Liebchens Haus; Da schauen die blauen Augen So lang, so bang' heraus. Und wie von den Blumen rinnen Die Tropfen klar und hell, So strömt aus ihnen nieder Der Thränenperlen Quell. Getrost, getrost, Feinsliebchen, Und trockne den feuchten Blick; Bald zieh'n die Wolken vorüber, Bald kehr' ich zur Heimath zurück! Wie dann durch trüben Nebel Die goldne Sonne bricht, So strahlt im Liebesglühen Dein holdes Blumengesicht. Blumenleben 2. Wann der Frühling kommt mit dem Sonnenschein, Dann knospen und blühen die Blümlein auf. H. Heine Der Lenz hat den West als Boten gesandt; Der fliegt auf raschen Schwingen durch's Land Und wecket schmeichelnd die Blüthen; Sie heben verwundert die Augen empor Und schütteln der Träume luftigen Chor Aus den Köpfchen, den schlummermüden. Und Kunde bringen die Vögel mit Schall: „Die Blumen sollen sich schmücken all' Zum fröhlichen Festesreigen; Die dann als schönste der König erkiest, Die werde von allen als Braut begrüßt Und herrsche in seinen Reichen.“ Da geht's an ein Schmücken weit und breit; Sie legen an das Demantengeschmeid' Von schimmerndem, blitzendem Thaue; Sie leihen ihr Gold vom Sonnenstrahl, Umkränzen die Häupter sich allzumal In Feld und Wald und Aue. Wohl freuet den Herrscher der bunte Flor; Wohl flüstert ihm manche so zärtlich in's Ohr Und will ihn mit Reizen bestricken; Doch keine von allen dünket ihm werth, Als Braut des Königs, wie er begehrt, Die festlichen Hallen zu schmücken. Und traurig wendet er sich zum Geh'n; Da sieht er noch Eine vom Schlummer ersteh'n Bei neckischer Lüfte Gekose; Als die sein Aug' mit Entzücken erschaut, Da hat er gefunden die würdige Braut, Die Fürstin der Blumen: — die Rose! Und wie sie erröthet in züchtiger Lust, Da schließt er sie fest an die selige Brust Und küßt ihr die Lippen, die süßen; Und alle neigen und beugen sich, Und alle jubeln, um königlich Des Königs Braut zu grüßen. Zu spät Stehst du an eines frischen Grabes Rand Und blickst hernieder auf den engen Sarg, Darin des Todes mitleidslose Hand Ein Herz, das liebend Dir geschlagen, barg, Und denkst mit heißen Thränen Du zurück, Was lebend Dir der Todte hier gewesen, O möge nie Dein gramumwölkter Blick Das dumpfe Schreckenswort „Zu spät“ dann lesen. Zu spät der Dank, den Deine Lippe spricht, Zu spät der Liebe Strahl aus feuchtem Aug', Zu spät, wann schon das Herz im Tode bricht, Dem Mund entflieht des letzten Seufzers Hauch! „Zu spät.“ Das Wort dringt schneidend Dir in's Mark; Es weicht der Reue nicht, dem Fleh'n und Klagen, Und sei'st Du noch so fest und trotzig stark, „Zu spät!“ Du kannst's nicht fassen, nicht ertragen. — Doch schrecklich auch, an seines Herzens Grab, An seines Friedens Todtenbahre steh'n, Was Jugend Dir und Lieb' an Blüthen gab, Verwelkt, verdorrt zu Füßen liegen seh'n! O möge nie Dein guter Genius Verhüllten Haupts von Deiner Seite fliehen, Indeß des bösen giftigheißer Kuß Die Adern Dir, die Wangen macht erglühen! Denn schaust Du trostlos auf verlor'nes Glück, Das frevelnd Du mit eigner Hand zerstört, Schau'st weinend Du auf's Paradies zurück, Das Du Dir selbst verschlossen und verheert, Dann tönt's „Zu spät!“ Dir donnernd in das Ohr, Posaunen gleich am Weltgerichtestage; Was durch die eigne Schuld das Herz verlor, Ruft „Wehe!“ ihm bis zu dem letzten Schlage! Glaube, Liebe, Hoffnung Kennst Du des Glaubens hehres Lichtpanier, Aus Sonnengluth und Ätherduft gewoben? Nicht auf dem Erdenrunde strahlt es Dir, Es schmückt den Sternendom des Vaters droben. Wann bang das Herz mit trüben Zweifeln ringt Und seufzend blickt auf morsche Erdentrümmer, Dann wird es Licht; ein Friedensengel schwingt Das Banner mit dem göttlich klaren Schimmer. Drum halt' es fest, das hohe Siegeswort: Lass' nie, o Herz, den süßen Trost Dir rauben; Es bleibe stets Dein Wahlspruch fort und fort: Wie selig, o wie selig ist's, zu glauben! Kennst Du der Liebe allgewaltig Band, Das Herz an Herz mit Zauberketten schließet, Das blüthenreich bis an des Grabes Rand Des Lebens Dornenpfade uns versüßet? Die Liebe hebt sich über Gruft und Tod Zum Licht empor auf leichten Rosenschwingen, In jenes Lebens goldnem Morgenroth Hörst ihre Siegeshymnen Du erklingen. O glücklich, wen ihr reiner Strahl entfacht, Entflammt zu fleckenlosen Göttertrieben! Es sagt sein Herz ihm selbst in Todesnacht: Wie selig, o wie selig ist's, zu lieben! Kennst Du der Hoffnung gnadenreiches Licht, Das niederstrahlt vom hohen Himmelsbogen, Das, wann der letzte Rettungsanker bricht, Ein Leitstern wird aus dunkeln Schicksalswogen? Ein ewig Pharusfeuer, glüht es dort, Wo traute Sterne friedlich niederblicken, Und lenket zu dem sichern Ruheport, Wo Schmerzen schweigen, Himmelswonnen winken. O schaue stets nach diesem Lichte hin, Lass' stets Dein Aug' dem Gnadenstrahle offen, Und betend sprich mit kindlich frommem Sinn: Wie selig, o wie selig ist's, zu hoffen! Up wide Haide Lüneburger Mundart Up wide Heide so ganz alleen, Wenn baben blinkern de Steern, Dar hew ick so deep in de Ogen Di sehn, Di küßt un drückt, min Deern! Up wide Heide so ganz alleen, Woll ünnern Machannelboom, Da wören wi sicher, da stör us nich Een In usen seligen Droom. Up wide Heide so ganz alleen — Wie loppt de Tid vörbi! — Du liggst nu lang'n ünnern Kerkhofssteen, Un ick, ick ween üm di. Begegnung Du schlankes Kind in blonden Haaren Am Arm der alten kranken Frau, Wie ich so gern Dir in die klaren Und seelenvollen Augen schau! Wie strahlt mir hell daraus entgegen Des innern Friedens Widerschein; Von keines Unglücks Thränenregen Scheint je ihr Glanz getrübt zu sein! Noch blieb kein Stäubchen an Dir haften Vom Kummer, den das Leben schickt; Noch hat der Sturm der Leidenschaften Dich, holde Knospe, nicht geknickt! Noch gelten alle Deine Sorgen Der alten schwachen Frau allein! O möchte wie am Lebensmorgen Dein Herz am Lebensabend sein! Hermann Billung I. Hei! war Euch das ein Jagen im Wald bei Stübeckshorn! Scheu brach das Wild in Schaaren durch Dickicht und durch Dorn. Es folgt ihm auf dem Fuße der lustige Jägertroß, Voran der Kaiser Otto auf stolzem Berberroß. Da rauscht es in den Büschen und mit gewalt'gem Schritt Hervor ein Sachsenjüngling, ein blonder Recke, tritt. Auf der gebräunten Stirne der Zorn die Adern schwellt, Und kühn dem Roß des Kaisers er in die Zügel fällt. Der Kaiser mustert staunend die riesige Gestalt, Die trotzig kühne Stirne, von gold'nem Haar umwallt. Dann färbt die blasse Wange ihm Zornesröthe hell: „Platz Deinem Herrn und Kaiser, verwegener Gesell!“ Der schüttelt wie ein Löwe sein goldgelocktes Haar Und blickt dem jungen Kaiser in's Auge fest und klar: „So edel wie das Deine, o Herr, ist mein Geschlecht, Und nimmer darfst Du beugen des freien Mannes Recht! Mein ist der Grund und Boden, den jetzt Dein Roß zertrat, Mein ist das Wild der Wälder, mein rings die gold'ne Saat! Wer wider meinen Willen mir Forst und Flur durchjagt, Und wär es selbst der Kaiser. Trotz Jedem, der es wagt! Doch kehrst Du, Herr, in Frieden als Fremdling bei mir ein, So sollst dem Sachsen Billung Du stets willkommen sein! Ob er es gleich nicht duldet, daß man sein Recht ihm raubt, Dem Gaste doch das Jagen mit Freuden er erlaubt!“ — Schon wird im Kreis der Ritter ein Zornesmurmeln laut: „Auf, schlagt den Frechen nieder, der Solches sich getraut!“ Da trifft ein Blick des Kaisers die aufgeregte Schaar, Und schnell verstummt im Kreise das Murmeln wunderbar. Dann hat sich Otto lächelnd dem Sachsen zugewandt; Er reicht vom Roß hernieder ihm seine Eisenhand: „Du hast mir's angeboten, und topp! so soll es sein: Es ladet sich der Kaiser bei Dir zu Gaste ein!“ II. Ist das ein festlich Treiben im Freihof Stübeckshorn! Es fließt in vollen Strömen des Methes brauner Born; Es wechseln Wild und Fische in leckerem Gemisch; Sitzt doch der Deutschen Kaiser dort an des Billungs Tisch. Er gastet schon seit Tagen mit feinen Mannen dort, Doch Zwietracht gährt im Reiche, und heut' noch muß er fort. Und als das Mahl vorüber, und Meth und Wildpret schwand, Da reicht dem Hermann Billung Herr Otto ernst die Hand. „Du hast uns baß bewirthet mit Speise und mit Trank, Drum soll auch heut' Dir werden ein kaiserlicher Dank: Es schüttelt Dir die Rechte, von Frost und Sturm gebräunt, Der Deutschen Kaiser Otto und nennt Dich seinen Freund! Doch wer, wie Du, vor Fürsten sein freies Recht verficht, Dem ziemt ein kleiner Freihof im Lande Sachsen nicht! Den Mann, den längst ich suchte, hab ich in Dir erkannt: Dir geb' ich heut' zum Lehen mein ganzes Sachsenland!“ Hei! wie die selt'ne Kunde durch Hof und Halle flog! „Hoch,“ scholl es, „Hermann Billung, der Sachsen Herzog hoch!“ Und aus des Jünglings Auge des Dankes Thräne quillt, Als jubelnd ihn die Mannen erheben auf den Schild. Dann tritt der junge Herzog zu seinem Kaiser hin: „Dir geb' ich mich zu eigen als Freund mit Herz und Sinn! Wie Du und Deine Väter will ich zu Sieg und Ruhm Für meinen Kaiser führen sein treues Herzogthum!“ Da wird's dem stolzen Kaiser um's Herz so wohl und warm, Und fest umschlingt den Sachsen sein kampfgewohnter Arm. — Hei! wie die selt'ne Kunde durch Hof und Halle flog! „Hoch,“ scholl es, „Kaiser Otto! Hoch Herzog Billung, hoch!“ — — — Und wo die deutsche Zunge vom Kaiser Otto singt, Das Lied vom Herzog Billung gewaltig mit erklingt. Zwei hehre deutsche Eichen sah man sie herrlich stehn: Mag solche Freundschaft nimmer in Deutschland untergeh'n! Gleichniß Im Nachbarsgarten drüben Auf schmalem Rasenbeet, Umengt von Haus und Hecke Eine junge Tanne steht. Sie stand in dumpfem Schatten, Wohl unter Dornen dicht, Und sehnte sich mit Trauern Nach Luft und Sonnenlicht. Sie stand in dumpfem Schatten Verkümmert Jahre lang, Bis sie im letzten Lenze Empor zum Lichte drang. Und als nun Luft und Sonne Die Dürstende umfloß, Trieb sie in ihrer Freude Einen stolzen Gipfelsproß. — Wenn jetzt am Morgenhimmel Empor die Sonne steigt, Der junge Sproß sich liebend Zu ihr gen Osten neigt. Und sinkt am Himmel nieder Die Segenspenderin, Neigt sich die junge Tanne Zu ihr gen Westen hin. — So ist's der Menschenseele, Die sich zum Lichte rang: Dem Lichte muß sie folgen Ihr ganzes Leben lang! Erica Alba Es war im Sommermond August Auf weiter, blühender Heide! Da herzt' ich Dich in seliger Lust, Da waren so glücklich wir Beide. Wir saßen am grauen Hünenstein — Die Falter nur, die losen, Die fröhlich spielten im Sonnenschein, Sie sahen uns küssen und kosen. Wie Erikaglocken, so frisch und hold Dein rosiges Antlitz erglühte; Umrahmt von der wallenden Locken Gold Es Lust und Wonne sprühte. — Da trübten sich plötzlich die Augen Dein, Du wurdest blaß und erschrocken — Du fandest ein weißes Blümelein Wohl zwischen den rothen Glocken. Die weißen Blüthen im Heidekraut Bedeuten Kummer und Leiden: Wer sie im höchsten Glücke schaut, Vom Liebsten muß er scheiden! Du weintest. — Wolkenschatten floh'n Vorüber am Himmelsbogen. Und unser Glück — wie balde schon Für immer war's entflogen! Maifrost Ihr armen kleinen Frühlingsblüthen, Wie schnell hat euch der Frost geknickt! Das zarte Leben hat sein Wüthen Im ersten Keime schon erstickt. Es weckten euch die warmen Lüfte Des Südens früh aus eurer Ruh, Und lieblich stiegen eure Düfte Der milden Frühlingssonne zu. Ihr wähntet, da der Mai gekommen, Daß alles Leid vorüber sei! — Nun hat der Frost euch fortgenommen, Das Blühn und Duften ist vorbei! Schlaft sanft, ihr jungen Frühlingsblüthen! — Der Vater, der dort oben wohnt, Mag jedes Menschenherz behüten Vor solchem Frost im Maienmond! De lütten Steernkiekers Klar wör de Hewen, still un sacht Leeg övern Dörp de Fröhlingsnacht, De Steern de lücht'n von'n Himmelssaal Gar fründlich up de Welt herdahl. — Twee lütte Jungs de harrn ehr'n Spaß Up'n Heidklump vör de grote Döhr, De lüttst' heet Jochen, de grötste Klaas, Alleen de klöckst lütt Jochen wör. Se disputeeren hen und her Un disputeern von Dütt und Datt, Von Nawers Hund un Nawers Peer, Von Nawers Koh un Nawers Katt, Un kömen so bi't Disputeern Denn uck to spräken up de Steern, Un wat dat woll för Dinger wör'n. „Ick löw,“ sä Jochen „na den Schien Möt' dat woll so'n Art Lüchten sin!“ „Löwt uck“, sä Klaas, „doch mög ick weten, De welk brennt hell, de welk man'n bäten. — Wo geiht dat to, wat mag dat heeten?“ — „Dat weest' nich mal“, füng Jochen an, „O Junge, Klaas, wat bist noch dumm! Up de lütten Steern, dar brennt se Thran, Up de groten brennts Petroleum!“ Das Spiel Ich war einmal fromm geworden, Ging in die Pfarre viel Und saß mit dem würdigen Pfarrherrn Gar manche Stunde beim Spiel. Vergnügt war dann der Alte, Wenn ich die Partie verlor, Und schmunzelnd schob er sein Käppchen Vom einen zum andern Ohr. Und seine liebwerthe Gemahlin Saß strickend und flickend dabei; Sie freute sich sehr, daß ihr Alter Noch gar so pfiffig sei. Das Töchterlein saß am Fenster; Sie ignorirte das Spiel, Doch ihre Blauäugelein sagten Des Schönen mir gar so viel. Und ob ich manch' Spiel auch verloren Wohl an den würdigen Mann, So glaub' ich, daß ich doch eine — Doch eine Partie gewann! Glockenlaut Schon ist der Abendstern erwacht, Er zieht empor mit leisen Tritten, Und langsam kommt die dunkle Nacht Ihm stumm und leise nachgeschritten. Da horch, ein Ruf so mild und traut, Glockenlaut — Glockenlaut. Das Kind vom Spiele schaut empor, Ihm ist's, als ob vom Muttermunde Die Mahnung rührte an sein Ohr: Komm' heim, nun ist es Schlafensstunde. Da ruft und mahnet mild und traut Glockenlaut — Glockenlaut. Und arbeitsmüde sinkt die Hand, Sie faltet leise sich zum Beten; Der fromme Sinn schaut in das Land, Wohin nur sel'ge Geister treten. So ruft zur Andacht mild und traut Glockenlaut — Glockenlaut. Was nur das arme Herz bewegt Den langen Tag in bangen Sorgen, Nun sei es still zur Ruh gelegt — Bald steigt empor ein neuer Morgen. So ruft und tröstet mild und traut Glockenlaut — Glockenlaut. Wer deinen Ruf nicht mehr versteht, Er mag sein Haupt in Trauer neigen; Des Lebens Duft ist ihm verweht, Sein Herz schon längst dem Tode eigen. Drum kehr' uns wieder mild und traut, Glockenlaut — Glockenlaut. Das Lied vom Vaterlande Ich bin in milder Maiennacht Entlang dem See gegangen, Wo mondscheinflimmernd angefacht Die Wasser leis erklangen; Und auf der lichtumblitzten Bahn Glitt flinken Laufs ein Kahn hinan, Aus dem ein frischer Kindersang Bald fern, wie traumverloren, klang: Rufst du mein Vaterland. Und als ich bei des Morgens Schein Zur Stadt im Thal gekommen, Da kam das Volk zum Thor herein Wie Meeresfluth geschwommen; Die Fahnen wehn; der Schüsse Knall Weckt weit durch's Land den Wiederhall; Die Menge aber wogt und quoll, Bis es in tausend Stimmen scholl: Rufst du mein Vaterland. Ich ließ die Stadt und stieg hinan Den Pfad zur grünen Halde, Wo sich ein hoher Wiesenplan Umsäumt mit dunklem Walde; Da war's wohl still, nur fernher drang Verlorner Herdenglöcklein Klang; Doch frisch erhob der Hirtenknab Das Lied und sang zum Wald hinab: Rufst du mein Vaterland. Da stand ich still; zu Häupten glüht Die Firn im Abendstrahle, Zu Füßen duftet und erblüht Die Maienpracht im Thale; Mir war's, als ob des Herren Hand Sich segnend legte auf das Land, Und wie ein tief erschauernd Weh'n Fühlt ich mir's durch die Seele geh'n: Rufst du mein Vaterland. Menschenwerth Oberländer Sage Der König Rudolf von Burgund Schloß eben sterbend Aug' und Mund. Er hat in Klugheit und Verstand Sein Land regiert mit starker Hand. Doch ward ihm, wie es Menschenart, Auch Fehl und Irrthum nicht erspart. Drum trat, gesandt vom Herren dar, Ein Engel an die Todtenbahr; Daß er mit Waage und Gewicht Alsbald vollzog ein streng Gericht. Der prüfte, was der Held gewollt, Was er gethan, was er gesollt; Und füllt mit Gut' und Bösem dann Je eine seiner Schaalen an. Da kroch der Teufel flugs zur Stell, Er duckte sich zur Waage schnell, Und drückte auf der Schaale Rand, In der das Böse sich befand. Der Engel Michael erschrak, Doch merkt er bald den Schabernack. Voll Zorn zuckt er sein Flammenschwert, Daß husch der Teufel von dannen fährt. Die böse Schaale stieg empor, Und jubelnd scholl der Engel Chor. O Michael, wo Menschenwerth Geprüft wird, lasse nie dein Schwert; Stets drückt der Teufel auf den Rand Der bösen Schaale seine Hand! Auf das Grab eines Soldaten 1798 An einer stillen Stelle Im grünen kühlen Wald, Da schläft ein braver Geselle, Der wacht nicht auf so bald. Er schläft bei seinen Waffen Im Freisoldatenkleid, An Brust und Stirne klaffen Ihm Todeswunden weit. Er ruht an einer Eiche, In ihren Wurzeln warm; Es hält der Baum die Leiche Wie einen Sohn im Arm. Sein Schwert, die brave Klinge, Ist auf sein Grab gesteckt, Daß Epheu es umschlinge Und Immergrün bedeckt. Und unter wilden Rosen Sproßt Waldvergißmeinnicht, Das für den Namenlosen Um eine Thräne spricht; Um ein Gebet im Stillen Und ungestört Asyl, Ihm, der um Freiheit willen Gefochten hat und fiel. Auf der Höhe Auf der Höhe, wo Ahorne Mächtig ihre Zweige breiten, Und im steingefaßten Borne Silberwellen singend gleiten, Dort erhebt im grünen Rasen Sich ein Ruhsitz, laubumhangen, Wo mir Seel' und Leib genasen, Als du kosend mich umfangen. Weicher schlagen da die Finken, Süßer tönt der Welle Rauschen, Und der Zweige leisem Winken Ist es lieblich hier zu lauschen. Eh' die Welle zieht von hinnen Schwankt sie, zögernd ob sie bliebe, Wo sich weiche Winde minnen Und die Blume nickt: Ich liebe. Nachts Lehne dein Köpfchen Mir an die Brust, Küsse mich wieder In stiller Lust! Sieh wie die Sterne So funkelnd glühn, Sieh wie die Wolken So luftig ziehn. Fühl' wie die Winde So fächelnd wehn, Horch wie die Wellen So leise gehn! Sieh wie die Gründe So schweigend ruhn, Laß' uns im Frieden Ein Gleiches thun. Lehne dein Köpfchen Mir an die Brust, Küsse mich wieder In stiller Lust! Die Nacht Vom Sternenpfade schwankt herab die Nacht, Die wärmend auf die Lande niedersinkt, Das Feld in matter, sonnverwelkter Pracht Von ihrem Aug' die Thränen lechzend trinkt. Hier bricht am Hügel über'm Waldesrand Des Abendsternes magisch Licht hervor, Und sterbend schleicht vom nebelfeuchten Land Der letzte Glockenhall zur Höh' empor. Da droben lehn' ich sinnend mich am Baum, Dem durch das Laub der feuchte Nachthauch zieht; Mir ist, ich lieg' in einem wirren Traum, Der um die Seele seltsam sprüht und glüht. Es brückt der Tag mich wie ein Vaterfluch, Mir grauet vor der Sonne grellem Schein — Nun kommt mit ihrem grauen Leichentuch Die dunkelschattige Nacht auf mich herein! Wie sehn' ich mich nach jener stillen Nacht, Wann einst mein Aug' die kühle Erde deckt, Wann nie ein Morgenroth sich mehr entfacht Und mich mit immer neuem Grame schreckt! Wie man da still und ruhig schlafen mag Tief in der Erde schaurig kühlem Schacht; Ob droben wütben Sturm und Donnerschlag — Nie ist ein Schläfer drunten aufgewacht! Doch frag' ich bebend, ob vielleicht ein Strahl Dereinst nicht auch des Todten Lider säumt; Vielleicht — wer weiß — daß dann und wann einmal Von jenem Strahl im Grab die Seele träumt. 1. Des Freiharstbuben Morgenlied Aus den: Liedern eines Freiharstbuben Es springt der Sonne erster Strahl Auf meines Flambergs blanken Stahl Und läßt ihn hell erglühen; Da hebt in meiner jungen Brust Die maienfrische Kampfeslust Gar freudig an zu blühen. Und wie ich blick' in's Morgenroth, So denk' ich nicht an Tod und Noth, An Weh nicht und an Wunden. Dahin steht einzig mein Begehr, Daß wacker ich mit Schwert und Speer Vor'm Feinde werd' erfunden. Wohlan, ihr lieben Kriegsgesell'n, Laßt eure guten Hörner gell'n Und laßt die Panner wehen! Macht euer scharfes Schwert bereit — Des Todes Pfad ist lang und breit, Den muß der Feind heut gehen! Nun gehet muthig drauf und dran! Schon stehen trutzig auf dem Plan Zum Kampf bereit die Schaaren; Halloh! laßt uns im Morgenroth Gradan zur Schlacht mit Mord und Tod Wie Sturm und Wetter fahren! 2. Der Todte Aus den: Liedern eines Freiharstbuben Stark an Leib und jung an Jahren Bist du in den Tod gefahren, Doch dein Tod ist schön und groß; Prangend mit der breiten Wunde, Herben Trotz auf bleichem Munde, Liegst du, lieber Kampfgenoß. Ach, am grünen Seesufer Sank noch mancher Schlachtenrufer, Der heut freudig mit uns stritt. Aber über ihren Leichen Unter grimmen Rachestreichen Lenkten wir den eh'rnen Schritt. Denn so weit die Augen schauen Liegen auf den blut'gen Auen Feindesleichen ausgestreckt; — Konntest du nicht mit uns siegen, Sollst du doch als Sieger liegen, Wo den Feind die Erde deckt. Dies sei deine letzte Ehre: Mit dem Schwert und mit dem Speere Senken hier wir dich hinab; Dreimal soll das Horn erschallen, Schmetternd in die Weite hallen Über deinem jungen Grab. Mißtrauen Die trüben Wolken zogen weiter Und hinterließen keine Spur; Der Himmel lächelt klar und heiter Herab auf die beglückte Frühlingsflur. Auf dieses Rasens holdem Bette Wie ruht sich's so bequem, so weich! Nicht tauscht' ich diese Wunderstätte Mit einem Pfühl, an Sammt und Seide reich. Und neben mir ein Strom von Düften, Der meinen Sinn gefangen hält; Hoch über mir in reinen Lüften Die bunt beschwingte frohe Sängerwelt. Doch still mein Mund! — Wer weiß, ob leise Mich nicht des Lebens Tücke neckt? Ach, dieses Grün, das jetzt ich preise, Wer weiß, ob morgen es mich nicht bedeckt? — Im Frühling Sieh, wie das Leben sich in Fülle Nach langer Nacht zum Lichte drängt, Wie dort befreit von ihrer Hülle Die Rose leis' erröthend hängt; Wie Zweig und Zweig begehrlich flüstern, Der Schmetterling im Strahl sich wiegt, Wie Welle sich an Welle lüstern, Wie Blume sich an Blume schmiegt! Fürwahr, der Frühling ist ein Schmachten, Ein wogend Meer von Glücksgenuß, Ein bräutlich süßes Weltbetrachten, Ein Liebesblick, ein Flammenkuß. O gib auch du dich mir zu eigen, Nein, länger widerstrebst du nicht! Beredter ist dein holdes Schweigen Als Alles, was die Lippe spricht. Der Frühling ist die Zeit der Ernte Für unsers Herzens stille Saat: Wer nicht im Frühling lieben lernte, Übt an dem Schöpfer selbst Verrath. Das Unvergleichliche Wenn's deine Schönheit, Engel, gilt zu preisen, Dann bin ich um ein Gleichniß nie verlegen; Dann bin ich muthig, tapfer, kühn, verwegen, Dann dünk' ich mich den größesten der Weisen. Dann schreit' ich nicht in ausgetret'nen Gleisen, Ich wandl' in ungewohnten Sprachgehegen; Im Busen pocht's mit hörbar starken Schlägen Und rascher fühl' ich's in den Adern kreisen. Des Halses Weiß beneiden Silberschwäne, Wie Perl' an Perle reihen sich die Zähne, Das Aug' ist Blitzstrahl, welcher trifft und zündet: Ein solches Lob, bei dir ist's wohlbegründet, — Doch meine Sprach' ist arm, dein Herz zu schmücken; So bleib' es namenlos wie mein Entzücken! Der Dichter ein Denker So wie der Vogel singt im Wald, so willst du dichten, Freund? Mit nichten! — Des Vogels Lied ist lieblich zwar, doch ist ein Singen noch kein Dichten; Die Tonesperle, die geschickt aus thaubenetzter Kehle rollt, Fürwahr, für ihren Schöpfer wird sie uns zu stetem Preis verpflichten, Denn wessen Ohr erfreute nicht der wollustathmende Gesang? Doch auf Erleuchtung muß der Geist, das Herz auf Läuterung verzichten; Des Waldes buntbeschwingter Sohn vermag das Räthsel uns der Welt Zu lösen nicht und nichts von Zeit, von Ewigkeit nichts zu berichten: Es wirkt in ihm der dunkle Drang, der irdisch unbezähmte Trieb, Denn von der Erde stammt er nur, nicht von dem Himmelsdom, dem lichten; Allein der Mensch, in dessen Hand die Wunderharfe ward gelegt, Verwenden soll er sie dazu, den Streit in uns'rer Brust zu schlichten; Veredeln soll er sein Geschlecht — sonst ist er des Geschenks nicht werth — Sei's mit Erträumtem, sei es mit bedeutungsvollen Wahrgeschichten; Er soll versöhnen uns mit Gott, mit uns und mit der ganzen Welt, Die Wahrheit soll er von dem Trug und soll die Spreu vom Korne sichten; Daß du vom Denken, Dichter, hast den Namen, das bedenke wohl Und überlaß den hohlen Klang gedankenlosen hohlen Wichten! Mitgenießen und Mitleiden Wenn euch ein Mensch auf eurem Pfad begegnet, Dann fragt ihr stolz; weß hat er sich erdreistet? Womit hat ihn des Himmels Gunst gesegnet? Wie nennt das Große sich, das er geleistet? Ist er ein Held, ein Kunstgenie, ein Weiser? Hat er den Gipfelpunkt des Ruhms erklommen? Ward irgendwo, sei's lauter oder leiser, Von seinen Thaten irgendwas vernommen? Ihr wendet euch von ihm und bittern Tadel Erfährt sein Leben, wenn es ein verlor'nes; Denn euch besticht an Geistern auch der Adel, Ihr habt nur Sinn für glänzend Hochgebor'nes. Das ist fürwahr kein würdiges Erfassen Der Lehre, welche Christus hat besiegelt; Das ist von jener Lieb' ein sündig Lassen, Die sich, Natur, in deinen Werken spiegelt! Geheimes Triebwerk deiner Schöpfungsräder Sind Lieb' und Treue, Mitleid und Erbarmen; Das kleine Veilchen wiegst du, gleich der Ceder, Als hochbeglückte Mutter in den Armen! O fragt nicht stets nach Ruhm, nach Werth, nach Würde, Das ist der Weg zum Haß und zur Verachtung; Betrachtet ernst des Wand'rers Lebensbürde, Das ist die menschenwürdigste Betrachtung! Fragt nach den Qualen, nach den Herzensängsten, Die er auf seinem Dornengang erduldet; Fragt ihn, was ihn gepeinigt hat am längsten, Fragt ihn, was er am schwersten hat verschuldet! Fragt nach den Kämpfen, die er wild gerungen, Nach den Gefahren, die er kühn bestanden, Fragt nach dem Schicksal, das ihn fest umschlungen Mit seinem Zaubernetz, mit seinen Banden! Wohl sind die Gaben, die vom Himmel fließen, Werth, daß wir sie bewundern, sie beneiden: Doch schöner als ein schwelgend Mitgenießen Ist ein gefühlvoll inniges Mitleiden! — Die Liebe sieht Wohl weiß ich, was man von der Liebe spricht: Die Liebe sieht mit offnen Augen nicht, Die Lieb' ist blind, so hört' ich oft schon sagen; — Ein schales Wort! — Wer dieses Wort ersann, Gewiß, er war ein liebeleerer Mann, Gar schwer mit Blindheit war er selbst geschlagen. Die Liebe sieht, ja nur die Liebe sieht! — Wenn's zu der Freundin dich, dem Freunde zieht Mit unbezwingbar mächtigem Verlangen: Dir wird alsbald Geheimstes offenbar, Verborgenstes enthüllt, du liesest klar Die Räthselschrift auf Stirn' und Mund und Wangen. Denn eines Menschen Antlitz ist ein Blatt Voll dunkler Züge; nur wer liebt, der hat Den Schlüssel zum Verständniß dieser Züge; Schon eine leise Regung um den Mund, Wie macht sie dir der Seele Tiefen kund, Wo keine Täuschung wohnt und keine Lüge! Aus fernen Landen kehrt ein Wand'rer heim; Vor Jahren schied er; ach! so mancher Keim Erwuchs indeß zum blüthenreichen Baume! Will ihn kein Aug' erkennen, das ihn sah? — Die Lieb' erkennt ihn: blieb er ihr doch nah, Ob auch entfernt, im Wachen wie im Traume! — Und wenn Bedrängniß dir den Athem kürzt, Dein Schicksal enger stets den Knoten schürzt, Die Sorge dich verstört, der Zweifel peinigt: Du bist zu stolz, dein Elend auszuschrein: Allein die Liebe sieht des Busens Pein, Es ist ihr Hauch, der ihn von Schlacken reinigt. Die Liebe sieht, sie sieht zu Gott empor! Weit aufgethan ist ihr des Himmels Thor, Ihr Glaube wächst, ihr Muth wird kühn und kühner; Abwälzt sie der Gemeinheit schweren Druck, Die Erde prangt im Paradiesesschmuck, Und blauer wird das Blau, das Grün wird grüner. Scharfsichtig ist die Liebe gleich dem Aar; Nichts arges ahnst du: dennoch droht Gefahr, Wer anders half dir als der Liebe Warnung? Geschah's nicht schon, daß dich ein Feind umschlich, Du sahst ihn nicht, die Liebe sah für dich Und riß dich los aus teuflischer Umgarnung? Fürwahr, der Liebe Blick ist adlerscharf! — Kein Wesen gibt's, das die Natur verwarf, Und nimmer fehlt dem Häßlichen das Schöne: Die Lieb' entdeckt's und klammert sich daran. — Ha! schwatzt der Unverstand, was für ein Wahn! — O daß sie dieses Wahns sich nie entwöhne! Was Wunder auch? — Ein himmlisch Auge schaut Auf Den hernieder, der ihm fromm vertraut, Es ist ein liebend Aug', ein Vaterauge; Und fühlt ein Mensch der Liebe Lust und Qual, Dann trifft sein Aug' ein Gottesaugenstrahl, Daß es die Kraft zum Sehen in sich sauge. Ja, schenk' uns allerwege deine Gunst, Des Glückes Güter ohne dich sind Dunst, So rufen wir zu dir, o Liebe, flehend; Und unser Aug' erhalte frisch und frei, Daß es zu jeder Stunde sehend sei, Denn blind ist, wer nicht liebt; nur Lieb' ist sehend! Schlechter Tausch Ich stand in Deinem Blumengarten Und hab' so sehnsüchtig gehofft; Du ließest mich so lange warten Und kamst doch früher bald und oft! Ich hab' Dir in's Gemach geschauet, Und zauberte mir die Gestalt, Die sonst sich oft mir anvertrauet, Als Du noch nahtest oft und bald. Dein Antlitz hofft' ich dort zu schauen, Dein aufgelöstes Wellenhaar; Die dunklen, kühngezog'nen Brauen, Dein Aug' darunter, groß und klar! Ich blieb am Fenster lange stehen, Bis mich mein Hoffen arg betrog — Nur Deinen — Onkel konnt' ich sehen, Wie er den Schlafrock überzog! Erinnerung Kam traurig heut' in's fremde Haus Zum neuen Herrn Professer; Doch als ich wieder trat heraus, War mir bedeutend besser! Warum mir's trüb im Sinne lag, Ich weiß es nicht zu sagen; Ich sehnte mich den ganzen Tag, Wie nach vergang'nen Tagen! Der Lehrer sprach manch weises Wort Von allerhand Geschichten; Von Rom, vom Nibelungenhort, Von epischen Gedichten. Doch neben in der Küche klang Ein wunderbares Tönen! Es stieg mir auf, wie Traumgesang, Ein Bild des Jugendschönen. Es zitterte im Herzen mein Wie eine weiche Seite, Die in's Vergess'ne klingt hinein, In ferne Jugendweite! Es war die Frau Professorin — Mein Auge ward getrübet! Ich hab', wenn ich mich recht besinn', Als Kind sie einst geliebet!!! Wunsch Wie der Mond, so möcht' ich gehen, Still, allein und ungehemmt! Möcht' die Welt von Weitem sehen, Allem Erdentreiben fremd. Wunschlos auf sie niederschauen, Wie sich Well' auf Welle bricht; Und vielleicht ihr niederthauen Reines, süßes Friedenslicht. Fragen Ein tief Geheimniß ist das Leben, Nicht wissen wir, wohin, woher? Ist's Morgenroth, in dem wir schweben Ist's Abendröthe überm Meer? Ist, was wir leben, schon das Ende, Beginnt der Anfang mit dem Tod? Kein Laut, der tröstend Antwort sende Dem Wüstenrufer in der Noth! Sind Thränen, die im Schatten fallen — (Hier bittrer Thau der Blumen Schmerz!) Jenseits des Grabs, in Gottes Hallen, Glücksperlen für das sel'ge Herz? Ist dort das Glück vielleicht ein Leiden, Wird dort ein Leid, was hier ein Glück? Ist Finden dort, was hier ein Scheiden? Wohin nur führt uns das Geschick? Orakel Nachts am grünen Nußbaum saß ich, Über mir der Sterne Schaar, Und in ihren Büchern las ich, Welch' ein Los bestimmt mir war! Sieh', da raschelte vom Aste Eine Nuß mir in den Schoß. Wie ich die geborst'ne faßte, Schien verstanden mir mein Los: Daß, wie aus den Hoffnungszweigen Brechend fällt die grüne Nuß — So das Herz, den Kern zu zeigen, Erst gebrochen werden muß. Mahnung An meinem Fenster lag ich heut' Und schaut hinauf in's Nachbarhaus; Wie ward mein kecker Blick erfreut: Ein frisches Weibchen sah heraus! Ihr lacht' ich zu, sie grüßt' ich kühn — Sie sah verwundert zu mir her: Ich sah's auf ihren Wangen blüh'n, Wie Rosen in dem Lilienmeer. Und als ich gar ihr zugenickt, Da wendet sie sich unbewußt Und herzt dann innig, hochbeglückt, Ihr lieblich Kindlein an der Brust. Da hab' ich still hinaufgeschaut Und nichts gewünscht und nichts begehrt, Und mich gefreut am Glück, so traut, Und dann mich in mich selbst gekehrt. Da hab' ich still mich abgewandt Und eine Thrän' im Aug' zerdrückt; Weil, mir so fern, ich Glück erkannt, Das einzig und allein beglückt! Serenata Wie sich die Schatten neigen, Seh' ich die Sichel steigen In die durchwürzte Luft! Nun steht sie über'm Hügel; Das Vöglein senkt die Flügel, Ganz trunken von dem Duft. Die Gassen sind nun öde. Was sinnest Du, o Spröde, So in den Mond hinein? Halb auf ist Deine Thüre, Halb offen muß, ich spüre, Nun auch Dein Herzchen sein! Bald wird der Morgen tagen. Ich fürchte mich, zu wagen — O sag' mir: „Wage nur!“ Mit Einem Flügelschlage, Dem Vöglein gleich, fliegt zage Mein Kuß auf Deine Flur. Laß' kosen ihn ein Stündchen Auf Deinem kleinen Mündchen Und in dem Busen Dein! Ach, wie Dein Herzchen hämmert! Hab' Dank! Leb' wohl! Es dämmert, Doch wird's bald Abend sein! Der Sonnenstrahl Der Sonnenstrahl findet den Weg zum Pallast, Er hält auch vorm Eingang der Hütte nicht Rast; Gern streift er den Mädchenkopf, blumenumrankt, Der wie eine Blume am Fenstersims schwankt. Gern küßt er den Kelchrand vom heiligen Gral, Auch schleicht er zur Armuth und streift durch's Spital, Er fällt in die Pfütze und — kläret sie fast! Er wandelt zum Grab wie zur Kirche und Rose! Doch was er beleuchtet und was er bestrahlt, Und wenn er die Schande selbst golden bemalt — Ein Sonnenstrahl bleibt er, ein himmlischer Gast. Und so ist der Dichter, wohin er auch geht. Ein Sonnenstrahl bleibt doch der ächte Poet: Im Schildern verklärt er, sühnt, was er erfaßt: Er ist ein veredelnder, himmlischer Gast. Elpinike Episode aus Plutach's: Cimon Es waren die persischen Schaaren geschlagen, Es athmete Hellas, vom Joche befreit; Die Göttin des Sieges auf donnerndem Wagen Erhob ihre Fahne! — O glückliche Zeit! Nun rausche, du Ölzweig und fächle uns Frieden, Du Lorbeer, bekränze das sinnende Haupt! Kommt, tanzet den Reigen, holdsel'ge Pieriden, Die Leyer ertönt, die das Schwert uns geraubt! Es barg sie der Sänger in Tempe's Gefilden, Dort lag sie, von Epheu und Eppich bedeckt. Das Rasseln der Schwerter, das Klingen von Schilden, Es hatte den Liebling Thalia's erschreckt! Nun jubelt bacchantisch, umkränzet die Schläfen, Und schlummert im Arme der Jungfrauen ein. Die Schiffer von Chios nah'n glücklichen Häfen, Und gießen in Schläuche den purpur'nen Wein! Horch! Wehruf erschallet! Unendliche Klagen, Sie stören das Fest und der Flöten Gesang! Erbitterte Schlachten, auf's Neue geschlagen, Erfüllen die Berge mit dröhnendem Klang. Doch nicht den Barbaren, des Vaterlands Feinden, Ins Herz der Gefährten jetzt bohrt sich das Schwert! Mileter und Samier, die Engevereinten, Steh'n trotzigen Muthes, Athen zu gekehrt! Die Brüder, sie haben die Brüder bezwungen, Es hat der Olympier, der Edle, gesiegt! Nun sei, Dithyrambus, in Wahnsinn gesungen „Wir haben, die Brüder, die Griechen bekriegt! Nun jubelt bacchantisch, umkränzet die Schläfen, Und schlummert im Arme der Jungfrauen ein. Die Schiffe aus Chios nah'n glücklichen Häfen, Und landen in Schläuchen den heißesten Wein! — —“ — Doch ernst aus dem Kreise der schweigenden Frauen Tritt jetzt Elpinike, die Schlanke, hervor. Sie zieht zusammen die herrlichen Brauen Und spricht zu der Sieger entfesseltem Chor: „Nicht seid Ihr geschritten auf ruhmreichen Pfaden! Was ist's, daß Ihr Freude im Übermaß fühlt? Ihr habt Euch nur Mord auf die Seele geladen Und jauchzend im Blute der Brüder gewühlt!“ Es schweigen die Sieger! — Es haben die Frauen Gefallene Lieben zu Grabe gebracht. Vom Schlachtfeld wallt Rauch auf. — Sie hören mit Grauen Die stöhnenden Geister in blitzender Nacht. Des Malers Vorbild Vor einem Bilde des Malers Graf Zichy Still ist's, lichter Dämmerschatten Webt in Malers Kämmerlein, Die Madonna mit dem Kinde Weilt beim Künstler ganz allein. Eine wunderbare Schöpfung Malt er auf die Leinwand hin, Eine rafael'sche Mutter Und ein Kind voll Kindessinn. Vor ihm steht die Lichtumfloß'ne, Hält das Kind im vollen Arm, Blickt voll Inbrunst zu ihm nieder, Hält's an ihrem Busen warm. Süße Stunden eilen pfeilschnell, Immer schöner wird das Bild; Ähnlich wird's dem holden Leben, Züge trägt es, treu und mild. Stunden eilen der Begeist'rung; Vor des Malers Sinnen zieht Alles längstverschwundne Leben, Das nur lebt in Bild und Lied. Und er denkt der Griechenzeiten Marmorbilder, unerreicht, Deren Glanz und ewge Jugend Keine neue Zeit gebleicht. Und er denkt der alten Meister, Die voll schöner Religion Schufen jenes Bild voll Zauber: Gottes Mutter und den Sohn. Wie in echter Jugendfrische Schwillt ihm wonnig auf das Herz; In der Mutter Gottes Züge Legt er Friede, Hoffnung, Schmerz. Läßt sie blicken, wie die Muse Auf den Schöpfer innig schaut, Läßt der süßen Mutter Antlitz Blicken wie das Haupt der Braut. Bis sie selber sittsam aufschlägt Über'm großen Aug' das Lid, Und es wie ein Frühlingsschauer Durch des Malers Seele zieht. Und das Bildniß ist vollendet! Aus der Hand der Pinsel rollt; Aus den Bergen in das Zimmer Wallt ein Strom von Sonnengold. Sieh! da gleitet in die Kissen Sanft das Kindlein erdenwärts, Und dem Vorbild sinkt der Maler An das liebevolle Herz. Hält sie glühendheiß umschlungen, Küßt die Heil'ge fast zu Tod, Und so findet sie, die Sel'gen, Noch das neue Morgenroth! Ein Erdenlos Ein Mütterlein im Walde sitzt Auf einer kleinen Rasenbank. Die Augen haben keinen Glanz, Es betet seinen Rosenkranz, Und sagt dem Wandrer tausend Dank, Wenn's Kreuzerlein im Büchslein blitzt. Der Weg führt durch den grünen Wald, Ein Quell rauscht märchenhaft vorbei, Die Vöglein zwitschern hoch im Nest; Der freie Kukuk aber läßt Erschallen laut sein Einerlei: „Kukuk! Kukuk! Die Nacht kommt bald!“ Nicht weit erklingt vom Wirthshaus hell Musik, und auf der Wies' ist Tanz! Da schwingen sich die Jungfrau'n hold Mit Haaren glänzend wie von Gold, Und Erdbeer'n d'rin im rothen Kranz, Die reifen an dem Märchenquell! Ein munt'rer Bursch zieht jetzt dahin, Sein herzig Mädel lacht ihn an. Ihr Haar liegt wellig auf dem Haupt; Sie hat's mit Eichengrün umlaubt. Er spricht: „Du hast mir's angethan, Daß ich so ganz Dein eigen bin!“ Ein stolzer Mann kommt dann daher, Dem lacht die Rose auf dem Hut. Sein Weibchen hängt ihm leicht am Arm, Von Kindern folgt ein loser Schwarm. Er spricht: „Wärst, Weibchen, nicht so gut, Ich wünscht', daß ich ein Kind noch wär'!“ Ist Mütterlein nicht allzumüd, So läßt es seinen Rosenkranz Und denkt Gedanken mancherlei: Wie alt es schon geworden sei, Und wie es einst im Jugendglanz Doch auch als Jungfrau schön geblüht; Wie es als Kind zur Schule ging, Und wie es mit dem Hans gespielt, Wie der sie dann zum Tanz geführt Und wie im Herzen sie gespürt, Und wie im Herzen sie gefühlt, Wie Liebe kam, das leichte Ding; Wie dann ihr — Vater — Mutter starb, Ihr Hans die schlechte Nummer zog; Mit Trommeln und Trompeten er Hinauszog in Allöstreichs Heer, Wie sie ihr Hoffen all' betrog, Er in der Schlacht fiel und verdarb; Wie sie vor Schmerz nicht weinen konnt', Und wie sie endlich doch geweint; So daß kein Bursch sich mehr getraut, Zu werben sie als seine Braut; Wie sie, so lang die Sonn' ihr scheint, Sich nur in ihrem Unglück sonnt'! Dann kamen Runzeln auf die Stirn, Und welk ward ihre Rosenblüth'! Die Hände wurden arbeitsschwach, Und Krankheit kam mit Weh und Ach! So denkt sie, wenn nicht allzumüd' Gedanken in dem armen Hirn. Sie denkt nicht, daß ihr Gott ihr mehr Vom Rosenduft und Vogelsang, Von Gattenlieb' und Mutterlust, Ein trautes Kindlein an der Brust Hätt' geben können! das ist lang Vernarbt; ihr Herz ist längst schon leer! Sie wünscht nicht mehr und hadert nicht, Ein Stücklein Brot, und sie ist reich! Sie hört auch mehr die Vöglein kaum, Ihr Leben ist vom Tod ein Traum; Ihr Leid ist And'rer Freude gleich, Ihr Morgen bringt ihr auch kein Licht! Das Mitleid heut', und morgen Spott Geht hin an ihrer Rasenbank. Der Quell rauscht märchenhaft vorbei, Sie betet still ihr Einerlei, Für jeden Kreuzer spricht als Dank Das Mütterlein: „Vergelt's Euch Gott!“ Wir haben getrunken Wir haben getrunken und trinken noch mehr: Die Flaschen sind noch lange nicht leer: Im Keller manch altes Stückfaß noch ruht: Drum trinken wir weiter wohlgemuth: Denn Becher Und Zecher, Das reimet sich gut. Ich geh' euch mit gutem Beispiel voran, Dem folgt mir alle, Mann für Mann. Eine Gottesgab' ist der Traube Blut, Drum, wie ich gethan, rasch alle thut: Denn Wein Und schenk' ein, Das reimet sich gut. Den härmt wohl die Liebe, dieweil er nicht trinkt? Frau Lieb', ade, wo Bakchos winkt! Von Weibern lernte noch keiner Muth: Ich lobe mir des Weines Gluth: Denn dürsten Und bürsten, Das reimet sich gut. Den plagen wohl Wechsel und Gläubiger Schaar? Nur guten Muth! Lang ist das Jahr! Laß warten, laß warten die grobe Brut! Jetzt bade dich in goldner Fluth: Gedulden Und Schulden, Das reimet sich gut. Es war ja nicht so böse gemeint. Stoß an! Vergiß es, alter Freund. Kometenwein erhitzt das Blut, Doch schnell verbraust des Mostes Wuth: Und zechen Und knechen, Das reimet sich gut. Wohlan, es beginne die Sündfluth alsbald! Ersäuft die Grillen mit Gewalt! Schon kahnen wir lustig in heller Fluth, Bis unser Kahn bei der Arche ruht: Denn Glas Und naß, Das reimet sich gut. Wie schwankt, wie schaukelt doch unser Kahn! Ihr fahrt wohl schon den Berg hinan? Halt an! Halt an! Mir schwindet der Muth! — Wie sanft doch unterm Tisch sich's ruht! Denn trinken Und sinken, Das reimet sich gut. Im Frühling Schneeglöckchen blickt Hervor und nickt: „Wie lange soll ich dein harren? O komm heraus Aus warmem Haus! Vor Frost muß ich erstarren.“ Sie hat es entdeckt, An dem Busen versteckt: Da hat sich's ausgewärmet — ja ausgewärmet. Bei guter Zeit Hat da erneut Die Lerche ihre Lieder. Und zu ihr dringt Das Lied und klingt An ihrem Fenster wieder. Sie hat geschaut Zur Frühlingsbraut Und die hat hell gesungen — ja hell gesungen. Und in der Au Das Veilchen blau Das stehet so verlassen. „Die Nacht ist kalt Im öden Wald: Ach soll ich hier verblassen?“ Da hat sie's gepflückt, An die Augen gedrückt. Vor Wonn' ist's da gestorben — ja gestorben. Da kommt der Fink An's Fenster flink: „Nun kommt der Frühling balde. Die Flur wird grün. Willst du nicht ziehn Zum jungen Birkenwalde?“ — Sie hört ihm zu In milder Ruh: „Schön Dank, ich will schon kommen, — ja kommen.“ Und „witt wie weit“ Im festlichen Kleid Die Schwalbe kommt geflogen: „Bin schwarz gebrannt Im heißen Land. Bist du mir noch gewogen? Der Lenz beginnt.“ Da kommt sie geschwind Und die Vöglein jubeln alle — ja alle. Abendlied Den müden Leib leg ich zur Ruh, Die müden Augen schließ ich zu: In deinen Schutz befehl ich mich: Behüt die Nacht mich väterlich. Nimm meiner Seele, Herr, dich an, Daß ihr der Feind nicht schaden kann. Wenn meiner unbewußt ich bin, Nimm du in deinen Schutz sie hin. Und wenn ich wieder bin erwacht, Auch dann hab, Vater, ihrer Acht: Von Stolz und Unmuth halt sie frei Und von der Lüge Sklaverei: Auf daß, wenn einst ich schlafe ein, Hienieden nicht mehr wach zu sein, Sie fröhlich auf zu dir sich schwingt, Dir ewig Hallelujah singt. Getrost! Getrost, getrost! ob auch im Tugendkampfe Die Welt die Wahrheit, dich mit Füßen stampfe, Sie nicht begreife deiner Seele Glühen, Mit Hohne lohne deinen Schweiß, dein Mühen. Nur frisch gekämpft! Der Herr kennt seine Streiter Und seine Rechte führet mächtig weiter. Getrost, getrost! und seufztest du in Ketten, Gebräch's an Obdach dir, das Haupt zu betten. Ach frage nicht: wo soll mein Brot ich finden? Wer schirmt den Nackten in des Winters Winden? — Ach frage nicht! Der, der die Veilchen kleidet, Schirmt deinen Fuß, wenn er durch Dornen schreitet. Getrost, getrost! zerknicken deine Glieder, Verräth der Schlaf die müden Augenlider, Will Brust und Mark, will Augen, Hirn und Ohren Mit tausend Dolchen dir der Schmerz durchbohren — Der hört dein Schrein, der dich ans Licht gezogen; Der hat dein Heil von Ewigkeit erwogen. Getrost, getrost! wenn deine Seele weinet, Der Menschen Weisheit als ein Nichts erscheinet. Flieht, Zweifel, flieht! Heil uns, Heil den Erlösten! Der Heiland lebt! Der Heiland lebt zu trösten! Er läßt uns nicht, wenn wir nicht schwach verzagen! Der Glaube nur sei dein Eliaswagen. Lebensworte Zu dem vollen Rosenbaume Sprach der nahe Leichenstein: „Ist es recht, in meinem Raume Groß zu thun, und zu verhüllen Meiner Wünsche goldnen Schein, Die allein mit Trost erfüllen?“ „Auch aus Grüften, sagt die Blüthe, Ruft mich Gottes Macht und Güte. Heller noch, denn todte Schriften, Sein Gedächtniß hier zu stiften. Und ich blühe tröstend fort, Ein lebendig Gotteswort!“ Hang und Zwang In Nacht und Schacht beisammen lag Der Diamant und Kieselstein; Und auf des Bergmanns Hammerschlag Gab auch der Kiesel Funkenschein. Da sprach er zu dem Diamant: „Auch mir ist Farbenglanz und Tag; Ich bin dir gleich, nicht nur verwandt.“ Der aber sagt: „Nur in der Noth Wird dir ein Fünklein blasses Roth! Stets brennt des Edelsteines Pracht Im Sonnenlicht und in der Nacht.“ Die Jünglinge „Laß uns, sagt ein Bach zum andern, Lustig in die Thäler wandern; Blumenmatten, Wald und Lieder Rufen uns zu sich hernieder!“ „Warte doch, sprach der Geselle; Noch zu klein ist unsre Welle. Du verlörest dich in Bälde Auf dem breiten Sonnenfelde. Birg dich vor den gier'gen Strahlen, Stärke dich in Bergesgründen; Doppelt wirst du dann in Thalen Freuden finden und verkünden!“ Doch, umsonst zurückgerufen, Sprang von des Gebirges Stufen Jener mit Gejauchz' hinab In sein Jugendfreuden-Grab. Und der andre suchte Nahrung In des tiefen Schachts Verwahrung. Und es sprudelt seine Welle Jetzo von des Berges Schwelle, Heilsam jedem, der begegnet, Alle segnend, allgesegnet. Frömmler Irrwische hielten ihr nächtliches Stündchen Auf der Haide, und ohne ein Sündchen Tanzten sie betend wohl auf und ab, Priesen auch: daß in so finstern Zeiten Demuth allein die Erleuchtung hab', Richtigen Pfad die Welt zu leiten. Aber die Sterne sangen herab: „Wer, verirrt in erdunkelten Thalen, Aufschaut zu den himmlischen Strahlen, Die da brennen in ewiger Ruh', Diesen führen wir aus den Qualen Einem erfrischenden Morgen zu! Aber in Nacht bleibt Jeder versunken, Welcher gefolgt, wo Jene gewunken!“ Listen fristen „Fuchs, sagt der Wolf, ich bin vertrieben, Wo du noch immerfort geduldet; Und wo ich irgend was verschuldet, Da bist du nicht zurückgeblieben, Und wo ich mir ein Lamm erlaube, Erlaubst du Fisch dir, Huhn und Taube.“ — „Du lebst von off'nem Straßenraube,“ Versetzt der Fuchs; „und der Gewalt Hast mit Gewalt du Trotz geboten Und wardst an Kräften überboten. Ich aber hab' im Hinterhalt Für Listen neue List erfunden Und bin noch stets unüberwunden. Denn gar zu einfach ist Gewalt, List aber endlos mannigfalt.“ Im Herbst In deinen Sommer tret' ich ein, Du grün bemooster Tannenwald, Da spielet noch der Sonnenschein Und blüht noch Leben mannigfalt, Und draußen liegen Feld und Rain Schon abgelaubt und fahl und kalt. In einen Tempel tret' ich ein, Da prangt manch Bild in Wohlgestalt, Und alles athmet mild und rein; Und draußen ist's so fahl und kalt. Neues Lesebuch Lieder schallen uns entgegen, Bilder glänzen allerwegen, Fabeln an Gehäg' und Bächen, Gold'ne Sprüch' in Saatenflächen, Mährchen in den Wäldern innen, Auf der Wolken Silberzinnen; Und im Strom vorübergleiten Große Thaten großer Zeiten: Alles steht in's Buch getragen, Das der Frühling aufgeschlagen. Reichthum Auch ich besitz' ein großes Gut An purem Gold und Edelsteinen, Das Gold in reiner Feuergluth, So weit des Himmels Röthen scheinen, Und Edelstein vom hellsten Thau Im Fluß und auf der Blumenau'. So wohn' ich auch im größten Haus, Geschmückt mit allen Herrlichkeiten; Die Teppich legen selbst sich aus Und Wohlgerüche sich verbreiten Durch Säulenhallen sonder Zahl, Säl' und Gemächer jeder Wahl. Und Bilder stehen eine Welt, Ich kann sie g'nug nicht sehn, noch preisen, Und Lieder schallen ungezählt Und stets beleben mich die Weisen, Das Fest zu feiern still erfreut, Das mir sich jeden Tag erneut. Lobgesang Aus der Wolken höchstem Kranze, Von der Firn im Feuerglanze Schaut uns der Allmächt'ge an; Und wir fühlen aller Enden In den großen Alpgeländen Uns den Allerhabnen nah'n. Zu des Bach's, der Gletscher Halle, Zu der Schneelawinen Falle Stimmen Felsenwiderhalle Ihres Preises Lieder an. Von den Matten, von den Flühen Grünen, duften uns und blühen Seine Lieb' und Huld empor; Blumenkelche läßt er quellen Von des Feldes Ährenwellen Bis zur Schwell' am Eisesthor. Dorten sprudeln voller Wonnen, Allgenug, aus reinsten Bronnen, Ewig reich, wie sie begonnen, Seines Urquells Ström' hervor. Wo die frischen Wasser schäumen, Unter Friedensschattenbäumen Wird des Volkes Freude laut, Wann zum König, zum Behüter, Zu dem Spender aller Güter, Wann's nach dir, o Vater, schaut. Und ein Loben wird erhoben: Daß auf deinen Bergen oben, Rein von Licht und Luft umwoben Freies Land du uns vertraut. Und wann Sonntagsglocken schallen Aufwärts von den Gründen allen Und herab von Bergeswand; Und wir Christenbrüder treten, Einen Vater anzubeten, Allzusammen Hand in Hand: Schwingt sich auf ein Freudenrufen: Thale, die sich Freiheit schufen, Freie Berge sind die Stufen In des Himmels Friedensland. Der Berge Lauterkeit Augen leuchten, wo das Feuer Unsrer Berge sich erfacht; Hohes nur und was uns theuer, Leuchtet unsrer Berge Pracht, Friede, Freude Strahlt die Weide. Lauterkeit Krystall und Eis, Lauterkeit der Alpen Kreis. Lauter wallt des Berges Quelle, Lauter spiegelt sich der Schnee Und des blauen Himmels Helle Rings im lautern Strom und See. Nebel zogen Und entflogen: Lauter wird das Herz und weit Vor der Berge Lauterkeit. In dem Aug' erstrahlt auf's neue Edler Ahnen holdes Bild, Ehrenreinheit, lautre Treue, Ernst und Kraft, so stark als mild; Und hernieder Tönt es wieder: Lauter laßt die Herzen sein, Lauter wie der Alpen Schein! Trübe Geister die bestreitet, Und den Geist betrübet nicht; Was auch leuchte — doch verbreitet Lauterkeit das schönste Licht. Berge strahlen Her zu Thalen, Daß auch diese wiederum Strahlen zu des Höchsten Ruhm. Bilder der Eintracht Allwärts treu als Stammgenossen Halten sich die Berg' umschlossen; Hochgebrüstet, Wohlgerüstet Steh'n die Helden in der Rund': Kräftig ist der Schweizerbund. Thale sich an Thale neigen, Pfade über Firnen steigen; „Seid willkommen, Gott willkommen!“ Grüßt Geläut' aus jedem Grund: Friedsam ist der Schweizerbund. Bäch' und Ström' entgegenwallen Sich in hellem Jubelschallen, Einig schreitend, Glanz verbreitend, Thun sie Glück der Eintracht kund: Heilvoll ist der Schweizerbund. Der alte Schütze „Wie toset und wie krachet Es unten an dem Rhein! Ihr Büblein könn't ja laden; Wir woll'n daheim nicht sein! Heut' spür' ich nicht das Alter, Mein Arm und Aug' ist gut; Mein Fuß wird mich noch tragen Zu unsrer Vorderhut. Wann kam ich je vom Schießen Und hatte nicht das Best'? Und könnte heut' versäumen Das höchste Schützenfest, Da sich das Spiel der Jahre Im Ernst erproben muß? Nein heute soll gelingen Mir noch der Meisterschuß!“ — Der Alte schießt vom Hügel Und stürzet Schuß um Schuß Von Brückenschiffen einen Der Feinde in den Fluß. Die beiden Enkel laden, Vom Kugelsang umspielt, Und jauchzen ob den Todten, Als hätten sie gezielt. Die Schützen an dem Ufer Schau'n zu der Tann' empor, Und seh'n die weißen Locken Und seh'n das sichre Rohr. „Es sitzt der Tod dort oben, Er kam' uns in's Geheg', Und schießt die besten Gaben Uns alle vorne weg.“ Und drüben rennt ingrimmig Der Hauptmann auf und ab, Umsonst sind ihm die Reihen Gefall'n ins nasse Grab. Er selber stürzt getroffen Zu ihnen in den Fluß: Der Alte auf dem Hügel That seinen Meisterschuß. Und lehnet sich ermattet In Blumen und in Gras; Vergebens hol'n die Knaben Ihm noch ein stärkend Glas. Er stirbt, von Schützenmaien Bekränzet weiß und roth, So finden ihn die Sieger Und preisen seinen Tod. Aufgeräumt Aufgeräumt das ist ein Wesen, Dem muß werden Alles gut; Willst du dir was auserlesen, Wähle dir das heitre Blut; Wähle, was wie Sonnenschimmer Nach dem langen Wochentag Lacht im aufgeräumten Zimmer, Und ein Sonntag bleiben mag. Weicht die Ruhe auch zu Zeiten, Wenn die Welle überschäumt, Wind und Wald und Wolken streiten: Bald ist's wieder aufgeräumt. Und die Grüne und die Bläue Nach dem Sturm und Wetterschlag Wie verklärt sie sich auf's Neue, Und wie pranget Nacht und Tag! Schau umher denn und nach oben, Erd' und Himmel sind geschmückt; Aufgeräumt und nicht verschoben, Liebe Seele, was dich drückt, Daß nicht Stund' um Stund' entschwinde Dir getrübet und versäumt; Und dein letztes Stündlein finde Auch dein Herze aufgeräumt! Seliges Scheiden Das ist ein selig Scheiden, Noch ungeknickt von Leiden, Im Schmucke reiner Blüthe, Mit kindlichem Gemüthe Emporgehoben sein Zum himmlischen Verein. Sie, die nur Freude gaben, Die keinen Gegner haben, Nach denen wir mit Thränen Uns auch hinübersehnen, Wie sind sie hoch beglückt, Daß Gott sie so entrückt! Wie sind sie zu beneiden, Von hinnen so zu scheiden, Daß mit der Jugend Kranze In ungetrübtem Glanze Sie immer vor uns steh'n, Bis wir sie wieder seh'n. Ihr zogt, vom Staub erstanden, In Himmels Festgewanden, Im Kranz der Edensblume Zum höhern Heiligthume Des Gottesdienstes ein: O Glück, bei euch zu sein! Der letzte Blick Du fühltest nahe dir dein Ende, Und faltetest zur Brust die Hände, Und sahst uns an zum letzten Male Mit deines Auges hellstem Strahle: O dieser Glanz erlischt mir nicht, Auch dann nicht, wann mein Auge bricht. Der Liebsten Züge und Gestalten Für ewig alle festzuhalten, Sahst du uns an zum letzten Male Mit deines Auges hellstem Strahle: O dieser Glanz erlischt mir nicht, Auch dann nicht, wann mein Auge bricht. Was Wort und Ton doch nicht beschrieben, Dein unaussprechlich treues Lieben Sprichst du uns aus zum letzten Male Mit deines Auges hellstem Strahle: O dieser Glanz erlischt mir nicht, Auch dann nicht, wann mein Auge bricht. Daß du gefaßt und Gott ergeben Ihm folgtest aus der Jugend Leben Und folgst in himmlisch schöne Thale, Sagst du mit hellstem Augenstrahle: O dieser Glanz erlischt mir nicht, Auch dann nicht, wann mein Auge bricht. Dein Aug', von Thränen nicht gefeuchtet, Vom Leben hat's im Tod geleuchtet, Von Gottes Kraft im Todesschwachen, Im Tod vom seligen Erwachen; Und dieser Glanz erlischt mir nicht, Auch dann nicht, wann mein Auge bricht. Ihr Augen seid nicht ausgeronnen, Der treuen Seele helle Sonnen, Ihr leuchtet mit der Seele wieder; O schauet segnend auf mich nieder Und grüßet mich mit sel'gem Licht, Ihr Augen, wann mein Auge bricht. Und wenn ein Sterbenskummer Und wenn ein Sterbenskummer Dir jede Blume brach Und Sorge dich im Schlummer Aus Dornenkissen stach: Es giebt ein heilig Trösten, Nicht dringt es in dein Ohr, Doch aus der Noth, der größten, Hebt es dich stark empor. Es ist der Geist der Liebe, Er spricht aus Blum' und Blatt, Er strahlt durch Nebeltrübe, Er blinkt aus Sternlein matt. Und wenn kein Sterngefunkel Die Wolken dir durchbricht, Führt Gott wohl in dein Dunkel Ein Menschenangesicht. Laßt mich hinaus Laßt mich hinaus! die Welt erwacht, Dies stille Thal wird mir zu enge, O laßt mich schau'n des Lenzes Pracht, Er brachte Blumen und Gesänge. — Stoßt an! Des Glases hell Getön, Es spricht mit seinem Silberläuten: „Ich denk' an Euch in fernen Weiten, Lebt wohl! lebt wohl! auf Wiedersehn!“ Der junge Strom erglänzt in Lust, Die Segel ungeduldig schwellen, Und schmeichelnd um des Schiffes Brust Spielt er mit klaren muth'gen Wellen. — Von diesen rebenduft'gen Höh'n Noch einen Gruß, ihr theuren Brüder! Es tönt ein Schuß! Ich muß hinnieder; Lebt wohl! lebt wohl! Auf Wiedersehn! Ich seh' geschwenkt von lieber Hand Ein weißes Tüchlein grüßend schimmern; Es blüht dir Lieb' am fernen Strand, Drum laß, o Herz, dich nicht bekümmern, Die Treue kann kein Sturm verweh'n! Erhebe hoffnungsvoll die Blicke, Und hin zum fernen Ufer schicke: Leb wohl! leb wohl! Auf Wiedersehn! Und wenn ein andres Schicksal ruht Für dich im Schooße ferner Tage: Wie Gott es fügt! — Nur freud'gen Muth Dem Leben kühn entgegentrage! Drum froh hinaus! Die Winde wehn! — Und bersten deines Schiffes Planken: Erhebung liegt in dem Gedanken, Daß dort ein fröhlich Wiedersehn! Vöglein, preise deinen Herrn Wenn die Maiensonn' erwacht, Lenz auf Feld und Bäumen lacht; O, wie hör' ich dich so gern, Vöglein, preise deinen Herrn! O, nur auf in munterm Schlag, Ehe noch erwacht der Tag, Eh' erlöscht der Morgenstern, Vöglein, preise deinen Herrn! Daß ich, wach nach solchem Schall, Nieder auf die Kniee fall', Daß mein Herz recht beten lern', Vöglein, preise deinen Herrn! Immerfort, an jedem Ort, Wenn du ruhst und fliegest fort, Wenn du pickst im Feld den Kern, Vöglein, preise deinen Herrn! Wenn du dich zum Himmel schwingst, Durch die Wolken segelnd dringst, Daß ich's hör' aus blauer Fern', Vöglein, preise deinen Herrn! O, ich sage tausend Dank Dir für jeden Frühlingssang! O, wie hör ich dich so gern, Vöglein, preise deinen Herrn! Einem deutschen Brautpaare Der Eichbaum trägt mit treuem Sinn Den schwachen Epheu himmelwärts — Ein Bild der alten deutschen Minn' — So sei des deutschen Mannes Herz! Und liebend schmiegt der Epheu sich An seinen biedern Eichbaum grau, Und grünt, wenn schon das Laub ihm wich, Noch treu; so sei die deutsche Frau! Und deutsche Frau und deutscher Mann, Dem Eichbaum und dem Epheu gleich, Sie sollen streben himmelan, Hinauf, hinauf in's Himmelreich! Ergebung Das arme Herz; es muß gar viel ertragen; Die ich zumeist geliebt auf dieser Erde, Die machen stets am meisten mir Beschwerde, Unwissend wohl mir blut'ge Wunden schlagen. Wohl bin ich längst gewöhnet an's Entsagen, Seit ich als Jüngling schied vom heim'schen Herde, Und daß mir Trost von ird'schen Lieben werde, Erwart' ich nicht in meinen ältern Tagen. Doch ach, das arme Herz, es wird nicht älter, Und blutet unter'm Druck der harten Kelter Im Lebens-Herbst mehr als im Jugend-Lenze. Die Gnade nur kann solche Schmerzen stillen; Sie lehrt Ergebung in des Herren Willen, Und flicht aus Dornen ew'ge Blüthenkränze. Die entweihte Freistatt In Mailands Circus harrt die Menge Blutgierig auf das blut'ge Spiel, Wo mancher Mensch im Handgemenge Mit Leopard und Panther fiel. Hat auch, dem freveln Thun zu steuern, Den Gladiator man verbannt, Das Volk, gewohnt des Ungeheuern, Ersatz im Schein des Rechtes fand. Und einen Mörder sie jetzt führen, — Im Jubel strömt das Volk ihm nach — Daß er mit Lybiens wilden Thieren Sein Dasein in die Schanze schlag'. Cresconius hieß der Todgeweihte; Mit kühnem todesmuth'gem Trutz Er von den Häschern sich befreite, Und sucht im nahen Tempel Schutz: Im Tempel, der nach gläub'ger Sitte Asyl dem ärmsten Sünder bot, In dessen gottgeweihter Mitte Der Mörder selbst entging dem Tod. Doch auch das Heil'ge wird verhöhnet, Wo Leidenschaft den Scepter schwingt; Das Volk ist eher nicht versöhnet, Bis man den Flüchtling wiederbringt. Wohl wehret an des Tempels Stufen Der Bischof die Entweiher ab; Doch unter wildem Jubelrufen Schleppt man das Opfer bald hinab. Man führt ihn jauchzend zur Arene, Und reizt der Thiere gier'gen Zahn; Der Leopard wetzt seine Zähne, Der Panther glotzt ihn lüstern an. Doch plötzlich, wie von Geisterhänden Getrieben, gen die Häscher sich Mit wilder Blutbegier sie wenden Und sie zerfleischen fürchterlich. „Gott selber hat sein Recht gerochen!“ Der Bischof ruft's, Ambrosius; Von Sünd' und Tod wird freigesprochen Von Gott und Volk Cresconius. Die Ruine In des Euphrats stillem Thal Liegt ein Haufen grauer Steine; Ihn durchschleichet der Schakal Heulend in dem Mondenscheine; Tages singt um kleinen Lohn Trauervoll ein Beduine Dort im Thurm von Babylon, Singt ein Lied von der Ruine: Einst ist dieser Riesenbau Zu dem Firmament geklommen, Tauchte in des Äthers Blau; Und die Wolken sind geschwommen — All' die Wolken groß und hehr — Seiner Marmelwand zu Seiten, Wie die Fischlein in dem Meer Rings das stolze Schiff begleiten. Aber daß der Gipfel nicht Seines Himmels Thor erbreche, Hielt der Herr ein streng Gericht; Auf der weiten Erdenfläche Hat die Menschen er zerstreut, Daß sie nie den Bau vollenden; Grimmig naget nun die Zeit An den längst gebrochnen Wänden. Stein an Stein liegt da entzwei, Und die Pfeiler sind gespalten; Und der Strom rauscht wild vorbei, Wirft die Wellen, all' die kalten, An die Trümmer hin zum Hohn — Doch! was soll die Trauermiene? Das ist nicht von Babylon Jenes stolzen Thurms Ruine. Zeichen ist des Steines Bruch An des Euphrat's grünen Seiten; Aber ganz den Gottesfluch Findest erst du in der weiten Grambedeckten Erdenwelt; Denn so weit die Luft sich bläuet Und die Sonne sie erhellt, Sind die Trümmer ausgestreuet. Trümmer sind es sonderbar; Alle tragen noch die Spuren Alter Zeiten licht und klar, Wo sie von den Erdenfluren Ragten zu dem Himmelszelt, Und das Bruchstück alter Würde Ist noch stets für diese Welt Schmuck und allerschönste Zierde. Aber Trümmer immerhin Sind es, wenn auch noch so schöne: Siehst du sie vor Schmerz erglühn? Hörst du ihre Jammertöne? Nach der Einheit fragen sie, Nach der Einheit, die sie missen; Aber ach! es sammelt nie Schicksalsmacht, was sie zerrissen. Jahre kommen, gehn zur Ruh', Ewig liegt der Thurm in Trümmern — Und der Thurm bist, Menschheit! du; Denn du mußt zerstreut verkümmern, Ewig nie vereinst du dich, Ragest nie zur Himmelszinne — — Wehe! — du bist ewiglich, Mensch, die schrecklichste Ruine! Der Tempelschatz Schon versank des Sages Leuchte; Tief in Schweigen ruht die feuchte, Ewigmilde Meeresfluth, Die vom Genuesenstrande, Von der Alpen Gletscherhut Bis zum fernen Wüstensande, Bis wo die Charybdis gähnt, Ihren grünen Spiegel dehnt. Und die Nacht in stiller Feier Wirft den schönsten Sternenschleier Um den weiten Horizont; Sieh! — aus dunklen Meerestiefen, Die kein Sternbild je besonnt, Aus den Wellen all, die schliefen, Dringt empor mit einem Mal Sonnenhell ein Flammenstrahl. Jede Welle wird zum Sterne, Daß darob in blauer Ferne Selbst der goldne Mond erbleicht! Schiffer auf den Meereswogen, Von dem Zauberlicht erreicht, Von geheimer Gluth umzogen, Wachen auf um Mitternacht, Und erbeben ob der Pracht. Um das Wunder sie sich fragen, Und sie lehnen sich mit Zagen Über ihres Schiffes Rand, Starren in die Gluth, die rothe, Ringen jammernd Hand an Hand; Auch ein Priester ist im Boote, Der das heil'ge Testament Und die Psalmen Davids kennt. Seine Hand zu Gott gefaltet, Der im Reich der Fluten waltet, Sucht im Wasser er die Spur, Daß das Wunder er ergründe; Und er fragt die Wogenflur, Was ihr Glanz der Welt verkünde; Er beschwört, er fleht, er lauscht: — Feierlich die Meerfluth rauscht. Und die Wasser sieht er fliehen; Seine Blicke niederziehen Zu dem tiefsten Meeresgrund; Sieh! — und Schätze, glanzesreiche, Wie im weiten Erdenrund Nicht ein Fürst besitzet gleiche, Liegen auf dem öden Sand, Sicher vor des Menschen Hand. Jener Schatz, den auserlesen Sich der Vater aller Wesen Einst in Sion's Tempelschrein, — Den der Römer ihm entwendet, Als in Jammer, Noth und Pein Israel sein Reich geendet, — Tief verborgen liegt er dort, Er, des alten Bundes Hort. Tief im Meere liegt die Lade, Wo der Herr der hohen Gnade Sein Gesetzesbuch verschloß; Um die Bundesarche liegen Jene Schätze reich und groß, Die nach Arbeit, Kampf und Siegen Israel in alter Zeit Seinem Gott und Herrn geweiht: Jener Leuchter, seingetrieben, Siebenarmig, goldbeschrieben; Jenes Erz, wo Salomon Seine Weisheit eingegraben; Und des Hohenpriesters Thron, Und Gefäße, die die Knaben Weihrauchspendend einst im Kreis Schwangen zu des Höchsten Preis; Und die alten Cederschreine, Deren Schlösser Edelsteine, Deren Inhalt reines Gold: — Was die gläubige Gemeine Spendete als Opfersold, Drunten im Korallenhaine Liegt es da in stiller Pracht Und erglänzet durch die Nacht. Cedern von dem Libanone, Säulen aus der fernsten Zone, Purpurtücher roth wie Gluth, Goldverzieret an den Säumen, Waren einst des Schatzes Hut, Als er lag in Tempelräumen; Doch die Welt hat sich empört, Und der Tempel ist zerstört. Seinen Schatz hat Gott gerettet, In die Fluthen hingebettet; Statt dem Dom die Meereswelt, Statt dem hochgewölbten Bogen Dort das blaue Luftgezelt, Statt der Cedern Meereswogen Sind das neue Heiligthum, Keine Zeit bricht's wiederum. Aber ach! wo sind die Frommen, Die zu diesem Tempel kommen? Wo ist Davids Harfenklang? — All die Fluthen wallen schweigend, In den Wassern tönt kein Sang; Nur der Priester, sich verneigend, Wachet oben in dem Kahn, Schauet fromm das Wunder an. Er allein kann es erfassen; Während Andre stumm erblassen, Fliegt sein Geist den höchsten Schwung, Und es künden seine Thränen Heilige Begeisterung; Endlich bricht sein gläubig Sehnen In dem frommen Liede aus, Und es klingt durch's Wellenhaus: „Preise, Schöpfung, deinen Meister! Preiset ihn, ihr sel'gen Geister, Preiset ihn in Ewigkeit! Bringe Lob dem Herrn, o Himmel, Lob' ihn laut zu jeder Zeit, Der das irdische Gewimmel Treibt im wohlgemeßnen Kreis, Lob' ihn Kälte, Frost und Eis! Preiset ihn, ihr Feuergluthen! Preiset ihn, ihr Regenfluthen! Preiset ihn, o Tag und Nacht! Lobe ihn, o Strahl der Blitze! Wolken, lobet seine Macht, Die euch bannt an eure Sitze! Lobe ihn, der Berge Heer! Lob' auch du ihn, weites Meer! Lobet ihn, ihr frischen Quellen, Lobet ihn, ihr raschen Wellen!“ — Horch! — da bebt's im Flutenreich; Schneller ziehen all die Wogen, Und ein Brausen orgelgleich Tönt empor zum Himmelsbogen; Mächtig bald, bald zart und leis Rauscht es in dem Ätherkreis. Droben in den stillen Sphären, In der Finsterniß, der schweren, Wachen nun die Winde auf; Und, die Feier zu verschönen, Nimmt der Zephyr seinen Lauf, Rauscht der Ost in wilden Tönen, Zieht einher der Wolken Macht Und der Wind aus Mitternacht. Und der Sturm, der alte König Greift zur Harfe silbertönig. Und im Hochlied braust sein Mund; Seine Harfe mag wohl schallen, Denn sie ist der Meeresgrund, Und die Stränge sind Korallen. Wie der König sie ergreift, Donnerklang die Luft durchschweift. Und es hallet in den Klüften, Hallet wider in den Lüften; Von dem Schatze blitzt der Strahl Zu dem Donner in die Weite Über Meere, Berg und Thal; Alle Schöpfung greift zur Saite, Und es singt den Liebesschwur Ihrem Vater die Natur. Jene Sehnsucht, die die Erde Trägt im tiefsten Flammenherde, Bricht in wildem Liede aus, Sprüht im hohen Sangesreigen, Zuckt in Wetter, Sturm und Graus, Will nicht ruhen, kann nicht schweigen Bis die Sonne goldig roth Sich erhebt als Friedensbot'; Bis mit jenem süßen Frieden, Den er jeder Zeit beschieden, Gott herab zur Erde schaut; Bis mit seinem milden Segen Er den Weltkreis sanft bethaut, Und den wilden Herzensschlägen In der Hoffnung Morgengluth Stillung bringt und neuen Muth. Moder trurt Wat bün ik truri, wat is mi weh, Dat ik di nich heff in mine Näh, Dat du gungst, min Sähn, wid in de Welt, Dat ik bün nu alleen op mi bestellt. Wat bün ik tiruri, wat is mi weh: Tein Jahr al föhrst du op hoge See, Tein Jahr! — min Sähn, wat bliffst noch fort? De Storm, de hult jo ut Ost un Nord. Wat weer ik truri, wat deh't mi weh, As dar de Anker gung in de Höh! Min Sähn, dat weer ene bange Stund, Un ik meen, ik küßt di toletzt den Mund. Noch reepst du mi to en lusti Juchhe; Un ik leeg an'n Strand op mine Knee — Min Sähn, min Sähn, ik bün jo geern still. Kumm na Hus! ik do di jo Allens to Will. Min hartleev Kind, süh, segg ok nich Ne; Din ole Moder ward blind sünst vun Weh. Mi drömt, mi drömt in eenen fort, As slat de Bülgen di äwer Bord. Un oppen Grunn ik di liggen seh, Un ik ween un ween: du deist mi so weh. Min Sähn, min Korl, so kumm doch torügg, Du büst jo din Moder ehr eenzi Glück. Un liggst du deep dar al in de See Ganz likenbleek as de witte Snee — Min Sähn, min Sähn, och, nehm mi denn mit, Min Kind, dat mi in'n Harten sitt! O wat bün 'k selig in dine Näh! Ik ween vär Freud, da ik di man seh; Da ik di jo heff, min hartleev Sähn, Is din ol Moder nich mehr alleen. Wi weern jo Frünn tosamen Wie weern jo Frünn tosamen In lusti Tid, in truri Tid; Wasücken is't dar kamen, Dat die en Steen in Bussen sitt? Wat kikt man din Gesicht iskolt, As ward't ball en Jahrhunnert alt, Un büst doch noch en junges Blot. O Gott, tock denn de Leev rein fort? Wi weern jo Frünn tosamen — Segg blots een Wort, on eenzi Wort! Wi weern jo Frünn tosamen — Denn is ok Allens wedder god. Wi weern vergnögt tosamen. Weest, wa candidel un wa blid? Wasücken is't dar kamen, Dat nu de söte Drom territt? Och, sünd verswunn de schönen Stunn, Wo hartli lachen deh uns Munn So vull vun Freud un fröhli Moth? Trock denn din grote Leev rein fort? Wi weern vergnögt tosamen — Segg blots een Wort, en eenzi Wort! Wi weern vergnögt tosamen — Denn is ok Allens wedder god. Wi weern bedröwt tosamen, Un menni Dag weer swar und hitt. Wasücken kunn't dar kamen, Dat Findschaft an uns Harten fritt? Op't Graff vun't Best, dat Krüz ümfat, Kneet wi un weent die Ogn uns natt. Hörst nich de Doden? hör se blot: Warrafti Leev treckt nümmer fort! Wi weern bedröwt tosamen — Slütt dat nich op din Hartensport? Wi weern bedröwt tosamen — Makt dat nich Allens wedder god? Leev Fründ, lang de Kardus mal her! Leev Fründ, lang de Kardus mal her Und grip mi en Havanna rut; Du weest al, vun de lichte Sort! Süh so, dar sitt se in min Snut. Un nu en Swevelsticken, ne — Wa smeckt hüt de Segarr mi gut! Du smökst wul wedder mal Din Pip? Min Jung, do man ganz na Din Smack! Ik stopp den Bräsel. Paff, dat brennt! Ik rük, dit is en fin Toback. Nu lat uns ok en beting klän; Dar hört mal to en Mundvull Snack! De blauen Ringeln wa se danzt! Dat quickt Een, as weer't Suckerbrod. Dar kummt doch nix nich gegen an! Ward lik de Rok und Damp wat grot, Un künnt de Ogn uns nich mehr sehn, Uns' Stimm dringt där — dat hett keen Noth. Ni wahr, min Max, ni wahr, min Fründ, So Sünnabnds Abend dat weer doch nett? Dar deelt wi uns denn truli mit, Wat in de Wek Een drapen hett. Un endli, wenn de Wächter reep, Sän wi Adjüs un gungn to Bett. Sän wie Adjüs und gungn to Bett! Och Gott, och Gott! jo, jo, dat weer. Min Mar, min Fründ, min beste Jung, Dat weer ins so — nu is't nich mehr. Nu is't nich mehr, du frame Gott, Bring doch de Tid noch eenmal her! O doh dat doch! Ik bidd di, füh, Ik knee ok dal. Giv em torügg; Giv Max torügg! Wat hest em nahm? He weer jo doch min Jugendglück! Wi harrn uns jo so leev, so leev. Un nu is Allns värbi? Wasück?! Wi weern uns beid vun Harten gut, Wi weern jo beid so jung, o kik! Wi twee wulln mindag man dat Best, Wi weern Een Seel, min Max un ik. Do reetst du ut eenanner uns Und makst em to en kolte Lik. Un makst em to en kolte Lik! He weer noch ni mal twinti Jahr Un weer so utermaten brav; Ik segg di dat, leev Gott, 't is wahr! To stah ik nu, sach lopt de Thran, Ik stah un ween, ween vär sin Bahr. Ne, kunn ni dat mal, ni mal dat! Ik rohr alleen in wide Feern. Se bröcht em na den Karkhoff hen; Ik seeg em noch in'n Dod so geern, So geern noch in sin letzte Stunn — Och, ni mal dat! Nu flöppt he nerrn. Nu slöppt he nerrn int kole Graff; Do wasst wul Gras un Blom al op, Bideß ik lev un Di nich mehr, Nich eenmal mehr en Bräsel stopp. Un min Segarr smeckt ok ni söt; Ik stütt fast in de Hänn min Kopp. Un denk an Di, min beste Jung, Un denk, wa gau dat Lebn flüggt hen, So gau wul as en Pip Toback, De wi noch lusti jüst anbrenn. Dat Für geit ut, de Pip ward kolt, Un Funken un Pust de sünd to Enn. To Enn! to Enn! wa klingt dat blot. To Enn! dat is en swares Wort. Wul faken knüppt sik Gudes dran, Un faken treckt de Häpen fort, Un denn löst Allns in Asch sik op. Wat is en Minschenleben kort! Oppen Hünensteen Dar leeg en Himmelsfreden äwer't Dal. De Wind krust sachen man de lüttje Bek Un spelt lis mit de Bläd vun'n knurri Eek, De stunn wul mehr as en Jahrhunnert al. Un vun den Heben lücht vel Steern hendal, Un op de Waggen där de Wulken keek De stille Maan so fründli un so bleek, Un in den Eekbom fleut de Nachtigal. Un in de Neegd geev dat en Hünengraff, Un oppen Steen do seeten wie twee Knabn Un snackten, wat fär Lüd leegn drünner grabn, Und wo wi beid na tein Jahr bleeben af. — En korte Tid — dar sung man man Di en Leed. Du slöppst nu inne Eer, Din Seel is babn; Hest Rau, hest Fred. — Ik much Din Schicksal labn! Noch mal tein Jahr — bün'k denn bi Oi? Wer weet! Pingsten Hork! Hork! Wat'n Leben äwerall! Wat'n lusti Woldkunzert! De Boksink, Lark un Nachtigal Velstimmig quinkeleert. Wa smettert un trillert un klingt dat blot Ut de lüttjen Vagelnest: „Willkamen, willkamen! un gröt di Gott, Pingsten, du leevliges Fest!“ Kik! Kik! Wa küßt de junge Dag De Eer mit Rosenmund! Wa grön liggt dar in Värjahrsprach Barg, Dal un Wischengrund! An'n Diek vun de Mähl dat Räderwark geit, Klappert hen, klappert her op't Best: „Gun Dag! Gun Dag! — hört, wer dat versteit, Pingsten, du leevliges Fest!“ O süh doch, wa de Minschen meist Vergnögt sünd düssen Morn! 't is rein, as harr de hilli Geist De Lüd vun Nien born. Mak wid op Din Hart, dat keen Sorgen mehr, Blot Lust un Leev Du hest! 't is ja hüt — och, wenn't man jümmer weer, Pingsten, dat leevlige Fest! Mein erstes Lied Zum Liede brachte mich das Leid; Drum brachte Leid mir Seligkeit. Als jüngst mein Herz traf schwerer Gram, In Thränen Aug' und Antlitz schwamm, Die Hände ringend fort und fort Ich schluchzte — horch! ein lösend Wort Den bleichen Lippen leis entsprang. Dran reihte sich ein zweiter Klang Und Silb' um Silbe; — wie ein Quell Aus trüber Erde klar und hell Belebend fließt durch Flur und Au, So schloß sich unter Perlenthau, Wie bei der Kette, Glied an Glied. Da lächelt' ich: Mein erstes Lied! Mein erstes Lied! o Seligkeit!, Zum Liede brachte mich das Leid. Lenz und Liebe Hörst du die süße Nachtigall Im dichtumlaubten Neste? Sie singt von ihren Liedern all Im Lenz das allerbeste. O siehst du nicht die Knospenpracht, Wildrosen blühn aufs Neue? Und durch die Wipfel bis zur Nacht Die reine Himmelsbläue? Ach, dann zu wandeln durch den Hain — Wer mir die Lust beschriebe! Doch nicht allein; man träumt zu Zwein Viel seliger von Lenz und Liebe. Mich hielt ein Traum umfangen Mich hielt ein Traum umfangen, Mir träumt', in der Heimat zu sein; Vorm Kinderauge gebreitet Lag sie im Sonnenschein. Mich hielt ein Traum umfangen, Mir träumt', ich beträte das Haus, Von wo in entlegene Lande Hoffend ich einst zog aus. Mich hielt ein Traum umfangen, Mir träumt', ich sei wieder ein Kind, Das mit den Geschwistern spiele Unter der schattigen Lind'. Mich hielt ein Traum umfangen, Mir täumt', daß noch Abend spät Der Hahn auf der Wetterfahne Knarrend im Wind sich gedreht. Und dann, dann kniet' ich nieder, — Und mir wurde die Wimper naß — Unter den uralten Bäumen Vor einem Hügel ins Gras. Der blaue Himmel spannte Holdlächelnd sich drüber wol aus; Mir träumt', nun sei diese Stätte Mein einzig Vaterhaus. Da weint' ich laut und erwachte. Ein böser Traum macht mir bang. Lieb Mütterlein küßt mir die Thränen Fort von der heißen Wang. Die Wacht von Saarbrücken Der Kaiser lächelt siegesfroh: Auf Forbachs Feldern blitzen Die vierzigtausend Chassepots Und die neuen Kugelspritzen. Hier faßt er mit der Eisenhand Das wehrlos off'ne deutsche Land, — „Halt!“ tritt Major von Pestel an, „Die Grenze hier Bewachen wir neunhundert Mann, Ulan und Füsilier.“ „Ein Pestel macht nicht früher Kehrt Vor Deinen Mitrailleusen, Bis Deutschland in die Rüstung fährt Und kommt, ihn abzulösen.“ Hoch vor Saarbrücken hält er Wacht Und wahrt die Grenzen Tag und Nacht. Und zwölfmal bricht das Frühlicht an Und trifft sie hier Auf treuer Wacht, neunhundert Mann, Ulan und Füsilier. Sie schwärmen in das wälsche Land, Der Feindeswacht im Rücken, Sie fangen die mit kecker Hand Und brechen Damm und Brücken Und sperren Weg und Eisenbahn. Das freut den Pestel. „Brav, Ulan! Sie fangen uns zu fürchten an. Die wittern hier Ein Heer von zwanzigtausend Mann, Ulan und Füsilier.“ Am zweiten Tag im Mond August Beginnt das Kriegsgetöse. Da zielt sie nach der deutschen Brust, Die erste Mitrailleuse. Da ruft der brave Pestel laut: „Nun, Leute, lustig aufgeschaut! Und greifen Vierzigtausend an, Dann weichen wir. Sonst hält Saarbrücken wie ein Mann Ulan und Füsilier.“ Saarbrücken halten sie im Kampf Drei Stunden fest in Händen. Herr Frossard muß im Pulverdampf Die Vierzigtausend senden. Und Pestel sieht das Heer und lacht. „Die stören nicht, was wir vollbracht: Ganz Deutschland zog die Rüstung an! Und weichen wir, Der Schild wart Ihr neunhundert Mann, Ulan und Füsilier.“ Der Prinz von Salm In Mexico saß Kaiser Max Tiefsinnend und rang die Hände, Die Schmerzenshände, bleich wie Wachs: „Hier geht mein Reich zum Ende. Der Corse ruft sein Heer zurück; Ihm sind ja feile Waare Mein Leben und dieser Lande Glück Und sein Wort in Miramare.“ — Sie zogen vorüber am stillen Schloß, Vor ihm, den sie verrathen: Marschall Bazaine, der prunkende Troß Und die ehrvergeßnen Soldaten. Sie zogen vorüber mit klingendem Spiel Und schwenkten im Jubel die Degen. Stumm war das Volk; keine Thräne fiel, Kein Wink auf Gassen und Wegen. Noch blieb ein treuer General, Ein Schild, dem Kaiserthrone; Der Prinz von Salm, — er sah in Qual Hernieder von dem Balkone. Er rief in seinem tiefen Schmerz Bei ihren Abschiedsgrüßen: „Sie treten ein edles Kaiserherz Und seine Treue mit Füßen. O gönne mir, Gott, nur einen Tag, Bevor meine Augen brechen, Wo ich an diesem Verräther mag Meinen armen Kaiser rächen.“ Bazaine wich an den Seinestrand Vor seinem Verrath. Sie fingen Den Kaiser, — er fiel von Mörderhand, — Und Jahre kamen und gingen. Da klangen die Waffen in Deutschland: „Auf Gen Frankreich! Es gilt die Ehre!“ Da stieg ein Tag der Rache herauf. Prinz Salm ergriff die Wehre. Er stand, ein Löwe, bei Gravelotte Dem Feinde Bazaine genüber, Er focht mit dem Degen, — es fiel, bei Gott! Kein Schlag an den Feinden vorüber. So stürmt er daher mit Heldensinn, Den Kaiser, den Kaiser zu rächen! Da kommt eine Kugel, sie streckt ihn hin, — Und die Augen, sie müssen brechen. Hell tönt die Siegestrompete von Metz! Und er lächelt mit sterbendem Munde: „Bazaine besiegt, und das Heer im Netz! Mein Kaiser, ich bringe dir Kunde.“ Vor Straßburg Vor Straßburg in der Feinde Revier Schlich sacht ein preußischer Pionier, Und vigilirt Und spionirt Bei der Nacht. Und als er kam an das Festungsthor, Lag Eisenriegel und Schloß davor, Und droben naht Ein Wachtsoldat Mit Bedacht. Da lachte heimlich der Feldsergeant: „Gieb Du die Veste nicht aus der Hand. Doch warte fein, Komm' ich hinein Bei der Nacht.“ Und als die große Patrouille kam Und durch das Thor ihren Abschied nahm, — Husch hinterdrein! Wer schlich hinein Ganz sacht? Er schlich und lief in die Gasse hinein, Was sah er am Fenster im Lampenschein? Wachtofficier Und Grenadier Bei der Nacht. Sie lagen so still und schliefen so fest, Sie schliefen all' mit einander im Nest, Wachtofficier Und Füsilier Auf der Wacht. Nur sachte! lachte der Pionier Und stahl sich heimlich in's Wachtquartier, Und sacht heran An Mann und Mann Bei der Nacht. Er nahm die Feder wohl in die Hand Und schrieb als braver Feldsergeant In's Buch sofort Den Nachtrapport Auf der Wacht. „Nachts hat der Preuße hier visitirt Und all die Mannschaft im Schlaf attrapirt. Wachtofficier Hat Arrest allhier Bei der Nacht.“ Er nahm dem Herrn die blanke Montur Und huschte hinaus. Wo blieb er nur? Er stieg gescheidt In's Tressenkleid Bei der Wacht. Ging als ein Lieutenant keck und prall Wohl über die Gassen, wohl um den Wall, Und revidirt Und inspicirt Bei der Nacht. Und als er den Wall nun revidirt Und alles in sein Buch notirt, Trat er hervor Und schlug ans Thor Bei der Wacht. „Qui vive?“ — „Der Visitirofficier!“ — Da präsentirte der Grenadier Mit: „Wache heraus!“ — Frei ging er aus In die Nacht. Nun denkt Euch, was in dem Wachtquartier Hat ohne Hosen der Officier Los-sakkerirt Und schwadronirt Auf der Wacht! So späht der Deutsche, Herr Officier! Und wer ihn will fangen als Pionier, Muß früh aufstehn Und früh ausgehn Bei der Nacht. Der Verräther Es war die Tour im Cotillon, — Bei einem heitren Feste, Just mitten in dem Tanzsalon Im Anblick aller Gäste: Sie kam in allerliebstem Tritt Zu mir herangegangen, Sie neigte sich, mich zog es mit Im sehnenden Verlangen. Da bin ich, Herz an Herz, mit ihr Dahingeschwebt im Tanze, Mir war's, als wallten beide wir Im lichten Sphärenglanze. Mein dicker Freund, der seitwärts stand, Hat alles das beachtet Und feuchten Auges durch die Hand Weinselig uns betrachtet. Und als ich heimging durch den Saal, Da schrie er schon von weiten: „Sie liebt dich furchtbar, sag' einmal, Willst du es noch bestreiten?“ Wink für Liebende Ich kenne viele hübsche kleine Damen, — Natürlich nenn' ich Niemand hier beim Namen, — Die machten — rein aus Liebe — zum Verräther Den alten Überzieher ihrer Väter. Und geht es in den Klubb und zum Theater, So trägt im Rock der ahnungslose Vater Die Liebesbotschaft dem Geliebten zu; Und geht es heim vom Klubb und vom Theater, So bringt der Überzieher und der Vater Der Tochter Antwort und ein billot-doux. Wem dieser Wink gefällt, der mag ihn nutzen. Da seh' ich aber manchen Vater stutzen! Er wird von nun an abendlich mit Bangen In seinen alten Überzieher langen. 1. Des Kindes Tagwerk ruht für heut Kinderschnack Des Kindes Tagwerk ruht für heut, Es hat genug geklappert Und wie die babylon'schen Leut' Unsagbar viel geplappert; Und viel geweint und viel gelacht, — Das Kind trägt schon sein Päckchen. Zu morgen küßt dafür die Nacht Ihm frische rothe Bäckchen. Es zappelt nun im Federnest, — Wer sänftigt die vier Endchen? Da ruht es schon und faltet fest Zum Nachtgebet die Händchen, Und sagt: „Du lieber Gott, bewahr Mich kleines Kind, grüß Maxen, — Und laß Papa bald wieder Haar Auf seinem Kopfe wachsen.“ 2. Ein jeder Lenz Kinderschnack Ein jeder Lenz Bringt neue Concurrenz Im Handel Und Wandel, In Winkeln und Ecken Und tausend Verstecken. Wer konnt' es erwarten? Man glaubt es kaum: Unter dem blühenden Apfelbaum Im Garten, Hat keck und rund Bonceur, der Hühnerhund, Auch ein Geschäftchen etablirt; Er guckt genirt Aus seinem Handlungs-Hundehaus Nach Kundschaft aus. Doch sind die Leute steh'n geblieben, Sieht er sie lachend weiter laufen. Und doch hat Kindeshand Anlockend an die Wand Von seinem Hause geschrieben: „Hier sind Flöhe zu verkaufen.“ 3. Hin zu Nachbars Blumengarten Kinderschnack Hin zu Nachbars Blumengarten Ist ein großes Laufen heute. In den Kinderhöschen warten Da verschied'ne kleine Leute. In dem grünen Hintergrunde Hat ein Jung' im Stuartkragen Just vor einer halben Stunde Seinen Laden aufgeschlagen. Von den Bänken und den Tischen Baut' er seine Kaufmannsbude, Und er hockt vergnügt dazwischen Wie ein kleiner Handelsjude. Und er lacht mit breitem Munde, Mit den rothen Pausebacken: Kundin führt er an wie Kunde, Denn ihm sitzt ein Schelm im Nacken. Das Geschäft hat gute Stunden: Alles kommt daher gelaufen. Lauter neue kleine Kunden, Alle wollen etwas kaufen. „Mein Herr, Sie befehlen?“ sagt er, Freundlich guckt er um die Ecke. „Für'n Pfennig Zucker?“ fragt er, „Schön!“ — Er kennt schon die Geschmäcke. Ein gewalt'ges Handstück Zucker Zeigt er lockend und mit Listen, Und sein Mann, ein kleiner Schlucker, Legt den Pfennig auf die Kisten. Welch' ein Kaufmann! An den Lippen Netzt er seinen Finger oben Und beginnt ihn dann zu stippen Auf den weißen Zuckerkloben. Seinen Finger nun, den süßen, Hält er preislich hin dem Jüngerl, Und es reckt sich mit den Füßen Und vergnügt daran sein Züngerl. „Willst du mehr, so gieb 'nen Dreier, Junge! Nein? — Dann magst du laufen!“ Also spricht der kleine Schreier Und er ruft: „Wer will was kaufen?“ 4. „Hans“, fragt die kleine Greth im rothen Mieder Kinderschnack „Hans“, fragt die kleine Greth im rothen Mieder „Wozu mag da der Regenbogen stehen?“ „Na“, sagt klein Hans: „Das kannst du doch wohl sehen! Drauf rutscht der liebe Gott vom Himmel nieder.“ 5. Der Onkel sagte: Hans, du Kind Kinderschnack Der Onkel sagte: „Hans, du Kind, Willst baden schon? O weh, Weißt du, wie naß die Wellen sind? Wie eisig kalt die See? Topp Hans! Ich helfe dir in's Bad Und zieh dein Kleid dir aus, Und hast du dann die Wellen satt, So helf ich dir heraus.“ Doch Hans — er zählt fünf Jahre bald, — Stand wie beleidigt da: „Nein! — Zuseh'n kannst du“, sprach er kalt, — „Bad' ich mich mit Mama.“ 6. Mit anmuthigen Launen erzählte die kleine Pauline Kinderschnack Mit anmuthigen Launen erzählte die kleine Pauline Kindergeschichten ihm vor, — (fünfmal die Geschichte vom Däumling) Da, — es war wohl Erstaunen ob ihrer geduldigen Liebe, — Sprang er vom Schemel empor, — drei Käse hoch — und umschlang sie Feurig, mit leuchtender Miene, und rief begeistert: „Ach alle Hunde und du, Pauline, sind mir das Liebste, Pauline!“ Die Gratulanten von A bis Z Chor Festzug der Vokale Öffnet die Bahn! Trompetengeschmetter! Sie nah'n, sie nah'n Hold angethan! Die guten Helfer der Wissenschaft, Des deutschen Wortes Halt und Kraft, Mit Sang Und Klang, Deutschlands Vokale, Sie kommen gezogen Zur goldenen Hochzeit des Philologen Und grüßen ihn viele tausend Male. Trompetengeschmetter! Sie nah'n, Die A'n. Das sind nicht die A'n von harter Art, Wo Hader sich mit Habsucht paart, Nein, fröhlich lachende, Witze machende, Seht und es winkt ihm wonnig zu A. E. I. O. U. Nun kommen getrippelt auf Zeh'n Die E'n. Wer liebt wohl die E'n voll ewigem Weh, Voll Weltenschmerzen und Jemine? Nein scherzend neckende, Leben weckende, Seht und es winkt ihm wonnig zu A. E. I. O. U. Seht Ihr sie festlich ziehn? Die I'n. Nicht an Charakter bissig und spitz, Nicht wirrig von Wissen und windig an Witz, Nein, lieblich possirliche, Pfiffig manierliche, Seht und es winkt ihm wonnig zu A. E. I. O. U. Wer naht im festlichen Ton? Die O'n. Das sind nicht die O'n in Stolz und Spott, In Hohn und Trotz und protzig bigott, Nein, sittsam stockende, Drollig lockende, Seht und es winkt ihm wonnig zu A. E. I. O. U. Wer schließt den Festzug nun? Die U'n. Das sind nicht die U'n in Mucker und stumm, In Mucken und Murren, in Ducken und dumm, Nein, lustig summende. Uns nicht verdummende, Seht und es winkt ihm wonnig zu A. E. I. O. U. Öffnet die Bahn! Trompetengeschmetter! So nah'n, so nah'n Hold angethan! Die guten Helfer der Wissenschaft, Des Philologen Halt und Kraft! So kommen gezogen Zum Hochzeitsjubel des Philologen, Sich sonnend an seinem Strahle, Mit Sang Und Klang Die Vokale! Quartett Ausgeführt von den deputirten Sprechern der Vokale Heil! Gruß und Heil! Da sind wir schon, Die festliche Deputation. Wir lehren die Menschheit singen und sagen, Wir helfen ihr Lust und Leid ertragen, Mit Jauchzen und Jubeln, Seufzen und Klagen! Die Interjektion: Oh! Ah! Uh! I! Das sind wir Seufzer in Kompagnie. In Höschen sah die Deputation Frühzeitig den Knaben Ludwig schon Von A bis Z uns buchstabiren Und unser tiefstes Wesen studiren; Da merkten wir bald: der wird floriren! Der kennt den Ton! Jaja, jaja! Was wir verkündet, nun steht es da. Auch sahen wir deputati gern Die kleine Nina, den Augenstern. Wie wußte das Mädchen, das Kind! nach Gebühren Von A bis O die Wirthschaft zu führen, Von A bis O die Herzen zu rühren! Die jungen Herren Von So und So, Noch mußten sie schmachten comme il faut! Jung Ludwig legte die Schwingen an. Auf gen Paris! Nach dem Vatikan! Und nach Neapel! — nicht um die Landschaft, — Er suchte der alten Sprachen Bekanntschaft, Und in der Handschrift der Geister Verwandtschaft, Als Geist und Mann! Und seht jaja! In seinen Werken steht es da. Schön Nina wuchs zur Anmuth heran, Und die Herzen alle hielt sie im Bann. Da kam Herr Ludwig, der Hochgelehrte! — (Wir schätzen ihn hoch, der mit uns verkehrte Lateinisch und Griechisch und herrlich uns ehrte!) — Sie sahen sich an, — Sie seufzten: Ah! Und Braut und Bräutigam stand da. Wie flüchtet die Zeit über Meer und Land! Ein halbes Jahrhundert seitdem entschwand. Doch wir Uralten sind ewig die Jungen, Wie Ludwig und Nina. Sie haben gerungen, Und keck und heiter das Alter bezwungen, Mit Herz und Hand, Geist und Genie! Wir gratuliren in Kompagnie! Solo Was hör ich ziehn Im sanften Chor Für Harmonie'n Wohl an mein Ohr? Was seh ich nahn Daher die Bahn? So niedlich Und zart, Und friedlich Gepaart, Vokale die Menge, Im bunten Gedränge, Das kribbelt und trippelt in zierlicher Schaar, Zu gratuliren dem Jubelpaar. Ha, welch' ein Schwarm! Stets ihrer Zwei Und Arm in Arm; Das müht sich herbei Und lacht und springt Und tönt und klingt, Unnennbar Vergnügt, Untrennbar Gefügt, Diphthongen die Menge, Im bunten Gedränge, Und all' die klingende zierliche Schaar Will gratuliren dem Jubelpaar. Was vordem hart Erschien und rauh, Wie sanft das ward Als Mann und Frau, Je zwei und zwei Diphthongen. Ei! Seht nur das harte, Scharftönende A, Das sich zum Parte Weich E ersah. Wie gleich sie wandern, Eins mit dem Andern! Harmonisch jubelt die zierliche Schaar, Zu gratuliren dem Jubelpaar. Terzett Ausgeführt von der Deputation der Consonanten Wer klopft? Drei arme Consonanten! Ihr Herrn Vokale, nehmt Euch in Acht. Ihr gratulirtet nicht für die Trabanten, Die mitamtiren bei Tag und bei Nacht. „Und ob man Euch unselbstständig schilt Und lautlos. Consonanten! es gilt!“ Nun sandten sie: P. S. T. mit List. Die grüßen und plinken, Und nicken und winken: Pst! Pst! So wecken die Drei nun mit ihren Rufen Dem alten Docenten wieder die Zeit, Als einst er an den Cathederstufen Las noch des Ovid's unsägliches Leid. Entschlüpfte den lächelnden Lippen sein Witz, Und brauste das Lachen von Sitz zu Sitz, Dann hob er sich auf die Zehen, Ihr wißt! Mit Grüßen und Plinken Und Nicken und Winken: Pst! Pst! Gern sängen die Drei nun des Meisters Ruhm, Und priesen der Herrin fräuliche Werke, Und rühmten das häusliche Heiligthum Und ihres Gewaltigen Geist und Stärke, — Schon haben sie tapfer sich hingestellt, Allein sie fühlen, wie das mißfällt, Wo noch Bescheidenheit sittsam ist: Sie grüßen, sie plinken Und nicken und winken: Pst! Pst! Ein schlechter Mensch Hör' ich die Geister Und großen Meister, Die Gott geadelt, Von manchem Mund Im Herzensgrund Als schlecht getadelt, Dann ach! gedenk' ich Dein alsofort Und gern versenk' ich Mich in Dein Wort, Du alter Lector Und Schuldirector! Du saßest lächelnd Im Schaukelstuhle, Dir sanft abfächelnd Den Staub der Schule, Als Matador Das Haupt anlehnend Und lang Dich dehnend Im Blumenflor, Und bildetest leise Vom Dampf der Pfeife Zierliche Reife, Und ließest im Kreise Der Freunde weise Das Wort herumgeh'n Und bunt sich umdreh'n. Da pries ein rechter Verständiger Fechter Im Lobgedichte: „Philosophie“ Den Meister Fichte Als ein Genie. Du alter Lector Und Schuldirector, Wie stille saßest Du! Den Unmuth aßest Du In Dich hinein Bei dieses Alten Lobhudelei'n Und zogst in Falten Die Stirne schüttelnd Und sprachst Dich rüttelnd Und mit nicht kleiner Wuth im Gesichte: „Ich kenne Fichte So gut wie einer. Und lobt und preist Ihn die Geschichte Als großen Geist, Ich kenn' ihn echter, Er war ein schlechter Mensch, dieser Fichte. Daß ich's berichte! Der Kindheit Dauer Umfing uns Zwei Schulpforte's Mauer. Voll Schelmerei War seine Jugend, Und ich, voll Tugend Ein zarter Knabe Von sanfter Gabe, Dem jede Blum' Ein Heiligthum. Doch er, ein Junge Unwiderleglich Und allbeweglich Mit Hand und Zunge, Verlockte mich Mit süßem Worte Zum stillen Schlich, Nachts aus der Pforte Zum Diebesgang, Das Dach entlang Des Schuldirector's Und Schulinspector's, Allwo an Schlingen In großen Ringen Die Würste hingen. Daß ihm's gelang, Mich zu beschwatzen Nach Art der Katzen Hinauf zu schleichen Und ihm den Fang Hinabzureichen! Nun ich erklecklich Will Theilung machen, Da — nimmt er kecklich Mit lautem Lachen Die Wurst im Lauf — Und ißt sie auf! Drum mögt Ihr dreist In der Geschichte Und im Gedichte ‚Philosophie‘ Als großen Geist Anpreisen Fichte Und als Genie, — Ich kenn' ihn echter! Er war ein schlechter Mensch, dieser Fichte.“ Wie oft versenk' ich Mich in dies Wort! Wie oft gedenk' ich Dein noch hinfort, Du alter Lector Und Schuldirector! An Adelheid Die Du seit vierzig Jahren, spät und früh, Auf Filzschuh'n wandelst mit dem Paraplü, Dir sei dies hohe Lied geweiht, O Adelheid! Hast Du's von ihm, der einst Dein Vater war, Professor einst und Bibliothekar? Wer hat gleich ihm gehegt im Saal Der Bücherzahl? Wer rühmt sich, daß er nach den Büchern ging, Gleich ihm, und an dem bunden Einband hing Und zärtlich so die Bände schied In Reih' und Glied? Hast Du von ihm den angenehmen Sinn? Zieht darum Dich's, o Jungfrau, still dahin, Dahin, wo man Soldaten sieht In Reih' und Glied? Ach, wie Dein Vater einst mit weicher Hand Fürsorglich schützte den geschmückten Band Vor böser Menschen Ungeschick Mit Falkenblick, So pflegst auch Du ein liebevolles Amt: Du wachst ob des Soldaten zartentflammt Und nimmst ihn sanft in Deine Hut, Ist er Rekrut. Und zieh'n auf Wacht der Mannen muth'ge Reih'n, Bei Schnee und Regen und im Sonnenschein, Gehst mit dem Paraplü Du nach Dem Trommelschlag. Und wenn der bitterböse Lieutenant Rekruten unterweist im schweren Stand Des Kriegerlebens, fern vom Schatz, — Bist Du am Platz. Ob Dir auch rings die hohe Bretterwand Verhehlen möchte, wie der Lieutenant Den jungen Kämpen übt zur Schlacht, — Du hältst die Wacht. Die heißen Stunden an dem Mittag traun! Stehst Du gebückt am hohen Plankenzaun; Den man verheimlicht: durch ein Loch Siehst Du ihn doch! Mag schwergedrückt auch seufzen der Rekrut, Denkt er an diesen Zaun, dann wächst sein Muth; Er weiß, ein Engel steht bereit: Die Adelheid. Ein hartes Wort ihm, und, o Lieutenant, Sieh, mit dem Schirm kommt sie dahergerannt; Wie'n Schatten folgt sie Dir an's Haus Und schimpft Dich aus. Drum, ob das Volk belacht den Paraplü Und Deinen Filzschuh, wandle spät und früh, Und theile der Soldaten Leid, O Adelheid! Halkie ist todt! Dahin in Noth, — Halkie ist todt! Du alte Violine, Die er gespielt mit Kennermiene, Mit dem schrillsten Klange der Saiten Magst Du mein Klagelied begleiten. Ihr Brummbaßgeigen, Ihr krummen Waldhörner, Ihr Stummen, Hebt schmerzlich an zu brummen: Halkie ist todt! Ihn weckt nicht mehr das Morgenroth Mit rosiger Leuchte, Das ihn am Morgen Zu neuen Sorgen Vom Lager scheuchte, Vom stillen Lager laubbedacht, In duftender Junisommernacht, Wann er lag Am Hag, Umsummt von der Biene, — Nur zugedeckt mit seiner Violine. Halkie ist todt! Ihn friert nicht mehr in der Winternacht, Die er gewacht, Fern von dem Bette, An heimlicher Stätte, In Heu und Rohr Vergraben bis an das Ohr. Nun sucht ihn das irrende Morgenroth, — Halkie ist todt! Und todt das Lied mit dem Klageton, Sein eig'nes schmerzensreiches Wehmuthweiches Lied vom verlorenen Sohn. Wer soll nach ihm den Bogen führen, Das lauschende Kinderherz zu rühren? Das Kinderherz, das an ihm hing, Wann keck der Fiedelbogen ging Über die schnarrenden Saiten, Daß es klang von weiten? Nicht jubelt fürder die Kinderschaar Von fern und nah, Die ihn ersah Und kannte Und jubelnd nach ihm rannte, Dem Männlein mit dem Silberhaar Und mit der fröhlichen Miene, Unter dem Arme die Violine. Und hatt' er gegeigt in Schenk' und Saal Zum tausendfünfhundert und achten Mal Das Lied vom verlorenen Sohn, Und war verklungen der letzte Ton, Stand er verklärt In sich gekehrt, Und ließ von den Lippen es schweben: „Gut gegeben.“ Flog dann aus den Händen der Kinder Ein Silberstück In seinen zerknüllten Cylinder, — O Glück! Wie wußt' er dankend den Blick zu heben: „Gut gegeben.“ Was hat er gelitten! Ein Leben Von achtzig Jahren und zierlichen Schritten, — Das hat er getragen In langen Tagen, Und ob das Geschick ihn zu nicht geschlagen, Er rief noch in's Leben: „Gut gegeben.“ Und des Volkes Ohr Vernahm den Humor Und das heitere Wort; Es wird hinfort Das Wort hinschweben Hienieden von Thal und Hügel Auf ewigem Flügel, — Gut gegeben! Doch Halkie, der Jugend Bester, Der einsam davon gegangen, Hoch droben am Himmelsthron Wird er von Engeln empfangen Mit vollem Orchester. Sie haben soeben schon Das Lied vom verlornen Sohn In himmlische Noten umgesetzt. Wie das ihn ergetzt! Und die Klänge schallen Hin durch die Hallen Mit wunderbarem Ton. Und Halkie tritt Mit höflichem Schritt An den Himmelsthron Und haucht verklärt wie nie im Leben: „Gut gegeben.“ An den Baumstumpf auf dem Trottoir des Friedhofweges Rothbeerenbaum, Der Du, funkelnder Beeren voll, Leuchtest aus meinem Jugendtraum, — Ruhm erscholl Von Dir in den Tagen Der Jugendzeit, Und sie nannten Dich mit Behagen „Eine Seltenheit“. Und heut? Ein Rumpf, Ein kahler Stumpf, In Weges Mitten, Bannst Du mich in meinen Schritten. Was blieb Dir, Alter Knorren hier, Rothbeerenbaum, — Bild von meinem Jugendtraum? Neid vergiftet, Hat man mich angestiftet, Im Spott Dich zu singen, Dich an die Polizei zu bringen, Und zu verderben, Alter Scherben, Der Du dem Auge schmerzlich Bist in den Weg gestellt, Langweilend Dich herzlich Ob der verwandelten Welt. Dich höhnen? Dich? Nicht bring' ich es über mich. Die wir in Schutz und Hege Sicher stehen am Wege, Wie bald ist uns, gleich Dir, geschehen, Daß wir der Zeit im Wege stehen. Laß an Deinen Wurzeln Sie purzeln, Alle guten Christen, Groß und Klein, Und die Polizisten Obendrein, Laß sie brechen das Bein Im Dunkeln, — Was haben sie dort umher zu munkeln? Doch Dir gescheh' kein Leid, — — Denn Du bist „eine Seltenheit“. Saß ein Knab' am grünen Strande Saß ein Knab' am grünen Strande, Blumen warf er in den Bach: Tragt den Gruß in ferne Lande, Balde folgt der Knabe nach. Doch ein Mägdlein weiter unten Fängt die Blumen alle auf, Hat ein Sträußchen draus gewunden, Trägt's dem Knaben schnell hinauf. Und der kennt die Blumen wieder, Sieht das Mädchen, sieht den Strauß — Mädchen schlägt die Augen nieder, Und der Knabe bleibt zu Haus. Ich soll mich klug besinnen Ich soll mich klug besinnen Und Deiner mich entschlagen? — Vernunft und Liebe, Mädchen, Die haben sich nie vertragen. Ich soll mich männlich zeigen, Soll wieder schaffen und streben? — Ist's männlich denn, sein Alles Freiwillig hinzugeben? Ich soll des Brauchs gedenken, Daß ich ihn nicht verletze? Gab Gott zur göttlichen Liebe Uns bürgerliche Gesetze? Entstiegen war der kalten Gruft Entstiegen war der kalten Gruft Das junge grüne Leben, Es kam der Lenz mit seinem Duft Und mit verjüngtem Streben, Die weite Erde schmückte sich: Doch was ist Lenz mir ohne Dich! Der Sommer, im Smaragdgewand Kam er daher gezogen, Es reift' der Sonne goldner Brand Die weiten Ährenwogen. Die Hoffnung grünt', die Sorge wich: Doch was ist Sommer ohne Dich! Es kam der Herbst. Bevor es stürmt, Schmückt sich mit bunten Farben Der Wald noch einmal, und es thürmt Der Landmann seine Garben Hoch auf und freut der Schätze sich: Doch was ist Herbst mir ohne Dich! Nun braust der Sturm, es knarrt der Frost, So wollt' ich längst es haben! Wenn mich der rauhe Nord umtost Mit seinen wilden Gaben, Da trifft's zusammen winterlich Mit meinem Leben ohne Dich! Hin und her Mein Vater war ein Ackersmann, Trieb Handel auch daneben; Er war nicht reich, er war nicht arm, Er schlug sich so durch's Leben. Er zog der Kinder sieben auf, Oft war sein Haupt von Sorgen schwer, Er zog der Kinder sieben auf, Das Schicksal warf ihn hin und her. Das Glück hat ihm nicht wohlgewollt: Wo er geseufzt im Stillen Wohl hinterm Pflug auf heißem Feld, Dort prangen heute Villen; Es war ein reicher Ackergrund, Sein Eigen ist der Grund nicht mehr, Es war ein reicher Ackergrund, Das Schicksal warf ihn hin und her. Hab' ihm gedient als Koppelbursch In meinen jungen Jahren; Mit manchem Roß, mit manchem Troß Bin ich das Land durchfahren. Wohl ist des Lebens Schule hart, Mir ward so manche scharfe Lehr', Wohl ist des Lebens Schule hart, Das Schicksal warf mich hin und her. Und als ich vierzehn kaum erreicht, Rief mich zu sich der Alte Und sprach: Daß über dich fortan Der Himmel treulich walte! Auf eignen Füßen lerne stehn, Und fällt's auch deiner Jugend schwer, Auf eignen Füßen lerne stehn: Das Schicksal wirft uns hin und her. Er reichte mir die harte Hand, Fort zog ich unverdrossen, Hab' in der lichten, schönen Welt Gelitten und genossen. Natur und Liebe liebten mich! Was will ein Menschenherz noch mehr! Natur und Liebe liebten mich, Das Schicksal warf mich hin und her. Ich braute Bier und fügte Holz Und hab' mit Flachs gehandelt, Bis eines Tags die Liebe mich Zum Sänger umgewandelt. Nun sing' ich meine Lieder bunt, Ich sing' sie so von ungefähr, Nun sing' ich meine Lieder bunt, Das Schicksal warf mich hin und her. Ich täumt' in manchem trauten Wald, Auf mancher Bergeszinne, Und mancher, mancher schönen Maid Galt meine Feuerminne; Und wundert euch mein Unbestand — Das Schifflein schwankt auf hohem Meer, Und wundert euch mein Unbestand, Das Schicksal warf mich hin und her. Und wenn ich's recht mir überdenk', Was konnt' ich bessres haben? Wer nichts erlebt, hat nicht gelebt, Wenn sie den Leib begraben. So lang' ich noch zu leben hab', Fürwahr! nichts Andres wünsch' ich mehr, So lang ich noch zu leben hab', Wirf, Schicksal, mich nur hin und her. 's Zidanschlaa In Moar drent sa Tochter Is achtzöha Jahr, Und ba mir is dös zwanzigste A schon bal gar; Dös Töchterl von Moar drent Hoaßt „Zilerl — dös kloan,“ Und i hoaß — wöllts es wissn? „Der Päulas ban Stoan.“ Da sagt fert ma Vada Zan mir: „Päul, paß af, Du schlagst iebl d' Zidan Ga schön und ga brav; Schau — wanns d' es halt lernest In Zilerl — zan Gspoaß, In Nachbarn that 's sickarisch Gfreun — ja, i woaß 's.“ „'s Zidanschlaa“ — sag i, „Dös lern i iehm schon, Und wann 's Zilerl mag, Höbn mar af 'n Sunta glei an.“ I nimm halt ma Zidan Unter d' Jex und geh hin, Und sag, wier i ban Zilerl In der Stubn dinnat bin: „Magst öpas für d' Kürzweil Lerna von mir — So lern i da — Zilerl — 's Zidanschlaa dir.“ 's Zilerl hat 's zuegöbn — Mir höbnd a glei an, Und 's Zilerl packt d' Zidan So ungschickt nöt an. — Vorerst alle Sunta Lernt 's Zilerl ga brav, Ava nah a Par Wochan Hört 's Zidanschlaa af. I han d' Zidan ba mir g'hat Darnah wie voneh; Ava wissts es, mö 's Zilerl Glernt hat nix meh? Weil d' Soatna han gsprunga Af der Zidan — allsand; Da kann 's freili nix lerna — Dös sagt der Verstand. Und statts 'n Lerna habn s' plaudert — 's Zilerl und der Päul, Und es hat statt der Soatna Zidert aft 's Mäul. Zidangschlaa, Zidangschlaa Han i gern für ma Löbn! Ava z'lötzt hätt i für d' Zidan Koan'n Halbazn meh göbn. Und 's Zidern is kemma Allweil tiefer in mir, Und z'lötzt hat 's in Herzn Zidert in mir. Und in Zilerl hat 's zidert Af der nämlinga Stöll; — Wer Schuld hat an'n Zidern? — Ja — i woaß 's nöt — daswöl. Mir habnd af dö Zidan Nöt denkt schon a Weil; Da sagt aft ma Vada: „Wie schaut 's aus denn — ha — Paul? Kann 's Zilerl von Moar 's Zidanschlaa schon?“ — Da gibt 's mar in Herzn An Stih — dur und an; Ava dert bin i bschossn — Han an Antwort glei da: „'s Zidanschlaa“ — sag i, „'s Zidanschlaa? — ja, Es geht schon kreuzbrav Und thuet 's völli schön, Und hörn ma nöt af nu — Kann 's weida nu gehn.“ „Na — so kannst mitgehn Zan Moar hieztn glei; I war gern ba den Zidanschlaa Amal a dabei.“ Mir gengen halt übi, Es wird ma senghoaß — Weil i in der Gachad 'd Zidan nöt woaß. Der Moar is voll Freudn Und schreit glei darnah: „Zila? — bring d' Zidan, Der Nachbar is da.“ I hol s' aft glei selber — Weil i dakemma so bi; Und mir suechen halt d' Zidan — 's Zilerl und i, Und suechen und suechen — Was ma dasuecha nur mögn; Und wo findn ma d' Zidan? Unter der Bänk is s' halt glögn. Und endling — da han ma, Und d' Zidan is da; Ja — d' Zidan is 's freili — Ava d' Soatna hand a. Da steignd üns aft d' Angstn, Es glüeht ünser Gsicht, Na — denk i ma — Päulas, Dös wird gen a Gschicht. Und 's Zilerl nimmt d' Zidan, Höbt 's Flehn aver an, Und sagt: „'s is leicht schlaa — 's han d' Soatna nöt dran.“ „So?“ sagt der Moar aft, „Wer nimmt d' Soatna denn a?“ „Is springen“ — sag i draf — „Iebl selber glei a.“ „Und sida wann denn Han d' Soatna schon a?“ „Sida wann“ — stigez i — „I roath just drüber nah.“ „A! is 's schon so lang? Was habts denn aft than, Sid af der Zidan Koane Soatna han dran?“ Mir zwen ava han stad gwön, Schaun inana af's Mäul, Und habn — so wie d' Soatna — Nu zidert a Weil. Da habn si dö Altn In Bart ahi glacht, Als hätt iehn dös Zidern A Freud a nu gmacht. Aft sagt ma Vada: „Längst habn ma 's gspürt, Daß eng dö Zidan Netter nur irrt; Mir han ja so dumm nöt — Wie 's moanets — ös zwen; Wißts was — zan der Bueß Müeßts eng heiratn gen.“ Wann an Jeds — dös zidanschlagt — Den Lohn hätt für d' Plag; Aft möcht i dös kenna, Dös nöt Zidanschlaa mag? Der Gfanga Mi fangen nöt Köttna Und Rügl und Thür — Und dert bin i gfanga, I sag eng 's glei — wie: Ma Dirnderl — dös hat ma Ops anthan amal — Nu wir i springgifti, Nu rüglt 's ma d' Gall; Han 's bstimmt ghat an öftn: Heut sag i iehm 's — gwiß, I verdruck 's nöt — balei, Und wann 's wiederwöl is; Und inne wern mueß sie 's, Gib 's enter nöt af; Und soll 's ar aft aus sein — Laß 's ankemma draf! Ja — fürgnumma freili, Ava gscheha thuet 's nöt — Denn bal i iehm 's saa will, Verschlagt 's ma mein Röd: Ban Tag irrn mi d' Äugerl, Dö funglnd mi an — Da gspür i aft wieder, Wie gern als i s' han; Da schau i halt ahi Ganz düld und verwirrt, Und so han i ban Hinschaun Koan Loadwesn gspürt. Und kimm i af d' Nacht aft, Daß i s' seha nöt kann — So höbt aft sa Stimmerl Ga wunalieb an: „Ma Bue — weils d' nur da bist, Und hast mi denn gern?“ Ja — wie sollt i denn harb sein, Wann i dös Stimmerl mue hörn? So han 's ban Tag sane Äugerl, Af d' Nacht is 's sa Stimm — Und so is 's halt nöt mügla, Daß i zan Akebln kimm. Und mach i a d' Augn zue, Und hör s' ga nöt an — Weil i moan, daß i 's leichter Aft fürbringa kann; Da gibt s' mar a Bussl aft, Halst mi rund a — Und so is aft ma Fürnehma Und Ärganuß ga. Und dö Äugerl han d' Köttna Und 's Stimmerl is 's Gschloß, Und d' Busserl han d' Föstung — Dö lassnd nöt los. Drum bin i der Gfanga Und kann nöt davon — Und wann s' mi ar auslueß — Wer woaß 's, nahm i 's an?! Ständchen Die Herzen ruhn, die Blumen schlafen Fromm in der sel'gen Sternennacht. In meines Herzens stillem Hafen Hält teue Liebe rastlos Wacht. Dir möcht' ich es so gerne klagen Was mich so froh, so elend macht, Und dir's in deinen Schlummer sagen: „Du bist mein Traum in stiller Nacht!“ Du ahnest nicht mein treues Lieben Um dich, du holde, süße Maid. Ist mir auf Erden nichts geblieben, Bist du doch meine Seligkeit, Neigst du auch nicht dein Haupt hernieder In seiner Lockenfülle Pracht, Dir tönet fort das Lied der Lieder: „Du bist mein Traum in stiller Nacht!“ Und ruft das Leben trüb und trüber Mich fort zum ernsten Kampf hinein, Dann geh' ich einmal noch vorüber An deinem Kammerfensterlein. Blick' dann nur einmal freundlich nieder In's Auge, das für dich nur wacht, Und lausche still dem Lied der Lieder: „Du bist mein Traum in stiller Nacht!“ O schlimme Zeiten! O schlimme Zeiten! — Der Winter nah't, Drauß' spielen die Flocken im Winde. Dort unten hackt Holz von früh und spat Des Edelmanns Hofgesinde. Und ich sitz' oben im Kämmerlein Knapp unter den lieben Sternen, Muß hier vereinsamt in Qual und Pein An Frost mich gewöhnen lernen. Ich hab' keinen Wald, ich hab' kein Geld, — Und borgen? — Borgen macht Sorgen! So muß ich wohl warten, bis Gott die Welt Einheizt am Frühlingsmorgen. Da springt der Quell, da rauscht der See, Gesprengt sind die eisigen Bande, Da leuchtet die Sonn' aus blauer Höh' Auf mich und auf alle Lande. Flieg' aus, mein Herz! Flieg' aus, mein Herz, in's Frühlingsland Aus deiner dunklen Kammer! Ein heller Strahl, von Gott gesandt, Verscheucht dir deinen Jammer; Dort suche Ruh', — du findest Ruh'; Die liebe Sonne ruft dir zu: „Wenn's Auge noch so bitter weint, Der liebe Gott hat's treu gemeint!“ Und wenn du noch so traurig bist, — Das Blümlein wird dir sagen, Daß Gott ein lieber Vater ist — Du brauchst's nicht erst zu fragen; In seinem Kelch das Tröpflein Thau, Das predigt laut auf grüner Au' „Wenn's Auge noch so bitter weint, Der liebe Gott hat's treu gemeint!“ Im Wald der Vogel sagt dir's auch, Mußt ihn nur recht verstehen; Die Blätter auch am Baum und Strauch, Mußt sie nur recht besehen. Was ringsum glüht und klingt und blüht, Aus Allem klingt das Eine Lied: „Wenn's Auge noch so bitter weint, Der liebe Gott hat's treu gemeint!“ Frisch auf, mein Herz, in's Frühlingsland Aus deiner dunklen Kammer! Das rechte Heil, von Gott gesandt, Blüht dort für deinen Jammer. Nur wenig Tage werden's sein, Dann stimmst du recht mit Freuden ein: „Wenn's Auge noch so bitter weint, Der liebe Gott hat's treu gemeint!“ Schmerz und Freude Und ist das Stübchen noch so klein, Der finst're Schmerz tritt doch herein; Dem Herzen, das noch niemals litt, Bringt er ein Aug' voll Thränen mit. Und ist das Stübchen noch so klein, Die Freude find't sich doch hinein; Dem Herzen, das geduldig litt, Bringt sie viel Freudenthränen mit. 17. Licht gewoben ist der Jugendtraum Sprüche Licht gewoben ist der Jugendtraum. Bald, ach! bald zerstieben seine Bilder: Stürme brausen durch den Lebensbaum, Und der Lebensstrom braust wild und wilder. 32. Kommt dir auf deinen Lebenswegen Sprüche Kommt dir auf deinen Lebenswegen Ein armes Menschenkind entgegen, Reich' ihm die Hand — 's ist keine Schand': Du fühlest deines Gottes Hand. Die Trauerweide In tiefem, schweren Wintertraum Steht einsam drauß' der Lindenbaum; Er faltet seine Zweige fromm, Als wollt' er beten: Frühling, komm! Und alle Bäume rings im Chor, Sie strecken ihre Zweig' empor Und falten sie wie Hände fromm Zur frommen Bitte: Frühling, komm! Die Trauerweide ganz allein, Sie steht gebückt in sich hinein. Sie wagt es nimmer aufzusehn Und um den grünen Lenz zu flehn. Bang starret sie zur Erd' hinab, Als suchte sie ein kühles Grab, Darin sie still für alle Zeit Verschlafen könnt' ihr tiefes Leid. Abschiedsgruß Zieh' deine Bahnen, Bruderherz! Der Brüder Herz in Freud' und Schmerz Wird dich begleiten hier und dort Bis an den letzten Heimathsort. Und wenn du noch so traurig bist, Denk', daß der Freund es mit dir ist; Und wenn dich küßt ein Freudenstrahl, Die Brüder freut es allzumal. Ob Haß ringsum viel Netze stellt: Die Lieb' ist größer als die Welt, So magst du wandern allerwärts, Find'st überall ein treues Herz. Mit Gott dem Herren ziehst du aus Nach einem neuen Heimathhaus, Fahr wohl, fahr wohl! — Mit Gott nur geh! Auf Wiedersehn! — Ade, ade! Das Meer und die Dichtung Am weiten Meer, am tiefen Meer, Im frischen Morgenscheine, Da schreit' ich muntern Schrittes her Wohl über Sand und Steine. Das Meer von Zaubern reich bewegt, Von Stürmen mannigfaltig, Von tausend Wundern tief erregt, Wogt grenzenlos, gewaltig. Es singt in süßer Harmonie, Singt ewig Leid und Liebe, Singt laut der Schöpfung Melodie Aus wogendem Getriebe: So auch des Dichters fromm Gemüth, Er singet Freud' und Schmerzen; Die ganze Welt wird ihm zum Lied, Hoch klingt's aus freiem Herzen. Wie weit das Meer, so weit sein Blick, Noch weiter sein Verlangen; Wie tief das Meer, so tief sein Glück, Noch tiefer Lust und Bangen. Und wie des Meeres Melodie In Schöpfungsandacht klinget, Und mit der Urwelt Harmonie Weit durch die Himmel dringet: So klingt der Dichtung Phantasie In ew'gen Wundertönen, Der ganzen Menschheit spät und früh, Ein göttliches Versöhnen. Die Wolken und die Liebe Blick' zum Fenster noch des Abends Nach dem Himmel hoch hinaus; Dunkle Wolken zieh'n vorüber Am gewölbten Sternenhaus. Sinnend hangen meine Blicke An dem buntgewebten Bild, Schweifen, wandern mit ihm weiter Über Höhen und Gefild'. Wohl schaut auch mein fernes Liebchen Nach den Irrenden hinauf, Folgt gewiß mit ihren Blicken, So wie ich, der Wolken Lauf. Wolken sind getreues Abbild Uns'rer Liebe, thränenschwer, Wandern ja, wie wir, am Himmel, Doch hinein wohl nimmermehr. Meereswellen Wog' auf Woge, Well' auf Welle Eilet muthig Stell' um Stelle, Von des Himmels blauem Rande Nach des Meeres weißem Strande. Auf der Fluthen Schwingen rollen Leichten Tanzes her die tollen; Sieh! die nimmermüden, hellen, Immer rüstig höher schwellen! Über todesgraue Schlünde, Über nie erforschte Gründe Schwingen sie die stolzen Flügel, Lenkend ihrer Wogen Zügel. Wie die Adler, hochgeflogen, Nahen ihrem Strand die Wogen, Schütteln stolz im glüh'nden Sehnen, Weißen Rossen gleich, die Mähnen. Und empor mit kühnen Blicken Hebt die Welle Haupt und Rücken, Schlank am Hals, so frisch und munter Kräuseln Wasserlocken 'runter. Kommt auf Wassers Hand getragen, In dem Schwanen-Daunen-Wagen, Immer näher an die Strandung, Bangen Sehnens süßer Landung. Tönt von fernher schon ihr Rauschen, Strand und Dünen schüchtern lauschen; Die Gewänder, wasserduftig, Blitzen hell und silberluftig. Und ihr Rauschen wird zum Singen, D'rein die Silberperlen klingen; Aus den Schleiern schaut das Mündlein, Welle wird ein Himmelskindlein. Stürzend, mit dem Munde küssend, An den Strand, ihn laut begrüßend, Öffnet sie die Liljen-Arme Und umschlingt das Land, das warme. Der Schiffer und sein Sohn Dumpf raunt das Meer, die Luft ist schwül, Die Möwen zieh'n am Strande. Vom Fluthenspiegel weht es kühl; Die Woge rollt zu Lande. Und heißer brennt der Sonne Gluth, Die Weide hängt ermattet; Die Flotte auf der Rhede ruht, Vom Segeltuch umschattet. Und an des Meeres hohem Rand, Auf graubemoostem Steine, Das Haupt gelehnt in schwiel'ger Hand, Ein Schiffer sitzt alleine. Weit schaut er auf die blaue Bahn Zur Flotte nach dem Sohne; Möcht' ihn noch einmal seh'n am Plan, Eh' er verläßt die Zone. „Fahr' wohl! vielleicht hat über's Jahr Das Glück dein Loos erhöhet. Gott schütze dich, wenn in Gefahr Dein Schiff zu Grunde gehet!“ „Mir wird dein Scheiden heut' so schwer, Bist ja mein Trost im Leben! Schon schwebst du auf dem falschen Meer; Wird's dich mir wiedergeben?“ Er sinnt. Da bleicht der Sonne Licht, Und finst'rer Wolken Schleier Verhüllt des Himmels Angesicht, Bald weh'n die Lüfte freier. Der Flotte Segel schwellen auf; Seeeinwärts geh'n die Schiffe; Gewitter nah'n mit Sturmeslauf; Die Flotte kreuzt am Riffe. Dumpf rollt der Donner über's Meer; Horch, horch der Winde Sausen! Wild schlängelt sich der Blitze Heer; Horch, wie die Wogen brausen! Rings dunkle Nacht. Ein Schreckenskrach: Horch! Rettungsruf. Es wimmert Seewärts! Ein neuer Blitzesschlag: O Gott, ein Schiff zertrümmert! Da, mitten in der Wetterschlacht, Klimmt, hoch auf wildem Meere, Ein Nachen durch die Schreckensnacht: Der Schiffer lenkt die Fähre. Bald sieht er in dem Wogenbrand Am Mast ein Haupt sich regen; „Mein Sohn! mein Sohn!“ Er streckt die Hand Zur Rettung ihm entgegen. Es kämpfen Beide lang' und kühn, Schon will die Hoffnung winken: Noch eine Woge, — eitles Müh'n! Und Kahn und Mast versinken. Gewissensbisse Das Glück des Daseins habe ich verscherzet; Dahin! dahin ist meines Lebens reine Blüthenzeit. Die schwere Schuld, die meine Seele schwärzet, Tilgt keine späte Reue, selbst nicht eine Ewigkeit. Wie konnte ich so tief zum Abgrund sinken? So ganz vergessen meine Menschenwürde, meine Pflicht? Nicht achtend meines Schutzgeists warnend Winken; Selbst des Gewissens Ruf, des innern Richters Stimme nicht. Mein Leben ist entehrt, mich flieht der Menschen Huld, Und alles, alles, ach! durch meine eig'ne Schuld! Der Reue Thrän' mag diesem Aug' entfließen, Doch, die entschwund'ne Unschuld bringt sie nimmermehr zurück. Nach langer Zeit die schwache Stund' zu büßen, Ach! straft vielleicht das graue Haupt noch der Verachtung Blick. Mir wird kein heller, froher Tag mehr schimmern; Schmach, Kummer sind allein nur meiner Zukunft finstres Loos. Der frühern Jahre Tugend, nun in Trümmern, Ach! rafft sich nicht mehr auf, es ist die Sündenlast zu groß. Mein Leben ist entehrt, mich flieht der Menschen Huld — Und alles, alles, ach! durch meine eig'ne Schuld! Die schöne Zeit, sie mußt' schon längst entschwinden, Wo mir noch treuerprobten Freundes Herz entgegenschlug. Ach! wo? wo soll ich wohl noch Freundschaft finden? Wo noch erwecken edler Sympathie geheimen Zug? Nein! jedes Herz ist mir schon längst verschlossen, Und gränzlos, wie die Ewigkeit, wird meine Buße sein. Des Lebens Seligkeit ist, ach! für mich verflossen; Voll Gier, erblick ich sie nur noch im fernen Dämmerschein. Mein Leben ist entehrt, mich flieht der Menschen Huld — Und alles, alles, ach! durch meine eig'ne Schuld. Darf wohl mein Busen noch für Liebe schlagen? Bin ich noch eines reinen, tugendhaften Mädchens werth? Zurück! ich muß dem süßen Glück entsagen, Daß nicht, verfehmt, mein Nam' einst Gattin noch und Kind entehrt. Ich darf nicht mehr die edlen Triebe fühlen; Nicht Ruhe, nicht Genuß mir mehr auf dieser Erde blüht. Nur Reu' wird meine wunde Brust durchwühlen, Die Reu', die schleichend, zehrend sich durch meine Adern zieht. Mein Leben ist entehrt, mich flieht der Menschen Huld — Und alles, alles, ach! durch meine eig'ne Schuld! Doch, wenn auch doppelt ich die Last empfände, Die zentnerschwere Last, die mich zerknirscht zu Boden drückt; Zuletzt, zuletzt naht doch des Leidens Ende, Wann einst der Tod den welken, schmachbedeckten Bau zerknickt. Den bittern Kelch, ich will ihn kämpfend leeren, Nach Tugend ringen, selbst bis an des Grabes dunkeln Rand: Dann wird vielleicht Versöhnung mir gewähren — — Die Menschheit nicht! — jedoch des ew'gen Richters milde Hand. Mein Leben ist entehrt, mich flieht der Menschen Huld — Und alles, alles, ach! durch meine eig'ne Schuld! Vergleiche nicht! Vergleiche nicht! ein jedes Ding ist einzig, Ein jedes Glück und auch ein jeder Schmerz, Ein jedes Hoffen, eine jede Freude, Ein jedes Menschenleben, Menschenherz. Stell' nicht Dein Schicksal mit dem Schicksal And'rer In prüfend tief erbitternden Vergleich, Und wünsche nicht mit jener Loos zu tauschen, Dünkst Du auch arm Dir, sie unendlich reich. Indem Du nimmst, was sie Dir geben könnten, Verlierst Du viel, was Du allein nur hast, Verlierst Dich selbst, das Traurigste von Allem, Und nimmst auf Dich nur neue Qual und Last. Denn Jeder trägt geheimnißvoll im Herzen Des Lebens Schwere und des Lebens Qual Und all die Angst, und Niemand kann es ahnen Wie er gerungen, ach! so manches Mal. Vincenze's Lied Neben Dir hab' ich wohl oft gestanden Ohne Wort, so stumm, so kalt wie Du, Dennoch hast Du immer mich verstanden Und gehört dem Schweigen schweigend zu. Schweigen hat beredter schon gesprochen Als das Wort, es spricht im Seufzerhauch; Schweigen hat schon manches Herz gebrochen, Breche schweigend nun das meine auch. Der Ungetreue Er schwur es einst beim Mondenlicht, Er wollt' die Treu' mir brechen nicht. Ich seh' den Mond jetzt fragend an: Warum er dennoch es gethan? Er schwur es einst beim Sonnenschein: Er wollte ewig treu mir sein! Die Sonne scheinet immerdar Auf ihn, der dennoch treulos war. — Und bei den Bergen schwur er mir: Sie wanken eh'r als ich von Dir! Die Berge steh'n noch hoch und hehr, Doch er, er liebt mich nimmermehr. Er schwur's bei einem Ring von Gold: Daß er mich nimmer lassen wollt'. Der Ring hält fest an meiner Hand, Sein Herz ist aber abgewandt. — Bei einem Kreuze schwur er mir: In Leid und Freud' gehör' ich Dir. Das Kreuz, es steht auf festem Grund, Doch nichts thut sein Gelöbniß kund. Er schwur's bei einem Blumenkranz: Dies sei der Liebe Sinnbild ganz! Ohn' End' und Anfang wär' er mein — Und konnte dennoch treulos sein? — So tausend Schwüre that er mir Und alle sagten: Gebt mich ihr! In meines Herzens Heil'genschrein Grub ich die heißen Schwüre ein. An Sonn' und Mond, an Berg' und Ring' Die Seele gläubig hoffend hing; Das Kreuz umschlang der Blumenkranz Mit duft'gem Farbenspiel und Glanz. Wie thöricht war dies all' von mir, Wie konnt' an Treu' ich glauben hier, Wo Alles sterblich, alles Staub Und Lieb' fällt heim dem Zeitenraub? — Drum scheine Sonne, Mondenlicht, Ihr Berge steht, ich klage nicht; Drum brich nicht, Ring, und dufte, Kranz, Und leuchte Kreuz in ew'gem Glanz. Drum welke Liebe immerhin, Du trübtest nimmer meinen Sinn; Denn Glaub' und Liebe, Treu' und Schwur, Sie sind ja Erdenkinder nur. Dort wo der Mond, die Sonne geh'n Und Sternenkränze glühend steh'n, Dort ist vielleicht das sel'ge Land, Wo Lieb' und Treu' die Heimath fand. Das alte Haus Alt ist das Haus, verfallen das Gemäuer, Die Thüre morsch, vom Schritte birst die Diele ... Ein Windstoß würf' es um, und dennoch, dennoch, Ach! überdauert es der Schmerzen Viele! Alt ist das Haus, kein Schwälblein nistet drinnen, Es grüßt kein Storch den Wanderer vom Dache, Kein Lied ertönt ... Nichts als verdrossen Pfeifen Verdrossenes der sehr verdroß'nen Wache. Schutz vor geistigem Verflachen Zuweilen, daß ich geistig nicht verflache, Wird mir erlaubt, die Kammer auszukehren ... Mein Kamerad gibt mir dann gute Lehren, Damit ich künftighin es besser mache! Mein Kamerad führt eine kräft'ge Sprache, Als Mann der That vom Wirbel bis zur Zehe Thut ihm an mir das Einzige nur wehe: Daß ich zu wenig fluch', zu wenig lache! Träume Ich halt' im Traume Zwiesprach mit den Meinen Und seh' den Ältesten zur Schule geh'n, Und seh' den Zweiten, wie er auf die Zeh'n Sich stellt und schmeichelnd bittet: „Nicht mehr weinen!“ Und auch den Kleinsten seh' ich, ihn den Kleinen, Den Engel, den ich wachend nie geseh'n ... Da flieht der Traum, ach! und mit neuen Weh'n Naht licht der Tag, und macht mich heftig weinen. Ob Kronen splittern ... Ob Kronen splittern, Völker sich empören, Ob Theu'rung, Mißwachs, Pestilenz im Lande, Ob rings die Welt an eines Abgrunds Rande, Ich weiß es nicht, ich darf davon Nichts hören. Nur horchen darf ich der Gefang'nen Chören, Die sie beim Klötzespalten singen leise, Nur horchen darf ich dieser Einen Weise, Die auch nach mir Millionen werden hören. Er und ich Irr ist sein Blick und wirr sein Haar, Sein Anblick geht mir sehr zu Herzen, Trotzdem er oft, 's klingt wunderbar, Vermag zu lächeln und zu scherzen. Er ist mit mir auf Du und Du, Er denkt mein Denken, greint mein Greinen: Nickt er mir aus dem Spiegel zu So gramverstört ... dann muß ich weinen. Die Drei Der Eine schlingt Tephilim fromm Um Stirne sich und Hand ... Der Zweite wirft vorm Kruzifix Sich gläubig in den Sand ... Der Dritte sagt: „'s gibt keinen Gott, Der Zufall herrscht nur blind!“ Und dennoch, dennoch alle Drei Gleich unglückselig sind. So schön ist's drauß' So schön ist's drauß' ... Lichtstrahlen blitzen, Und milde Lüfte wehen lind; Und durch des Gucklochs enge Ritzen Reicht Blumen mir ein lächelnd Kind. Ein lächelnd Kind! und ich erfasse Und küsse seine milde Hand, Und häng' die Blumen an die nasse, Die schmutziggraue Kerkerwand. Zuweilen Zuweilen nicken frohe Angesichter, Zuweilen hör' ich kindlich frisches Lachen, Zuweilen seh' ich tausend gold'ne Lichter Und Schätze, unbewacht von Gnom und Drachen. Zuweilen rauschen flatternde Gewänder, Zuweilen weht es kühlend wie vom Meere, Zuweilen grüßen ferne, freie Länder, Und ach! Zuletzt versinkt der Traum in's Leere! ... Hört ihr die alten Blätter fallen? Hört ihr die alten Blätter fallen? Unheimlich rasselt's in dem Wald, Es schüttelt ihn der Wind so kalt, Und Frühlingsgeister ihn durchwallen. Die Blätter, dürr, an Grabesschwelle, Des grünen Baums erstorbner Schmuck, Sie weichen vor dem innern Druck Der neuerschloss'nen Lebensquelle — — — Kaum daß die letzten Blätter fallen, Da tönen Lieder in dem Wald, Und der Verjüngung Lichtgestalt Sieht fröhlich man die Welt durchwallen. Doch Lösung bringt sie nur den Banden, Die die Natur sich selbst gelegt; Weh, wer noch andre Ketten trägt — Er hat das Leben nie verstanden! Das Lied vom Zorn Kein Minnelied, kein Heldensang Von meiner Harfe heute tönt, Es ist ein andrer, wilder Klang, Von Fürstengnade nicht gekrönt, Es ist ein Lied, das ewig fließt Aus der Verjüngung heißem Born, Das glühend sich durchs Herz ergießt, Ein Donnerlied, das Lied vom Zorn! Kein farbenreiches Märchenbild, Kein prunkend gold'ner Königsthron, Kein Papst, in Seide eingehüllt, Gleicht ihm an Zauber, Kraft und Hohn; Sein Schwert ist der Vernichtung Kind, Sein Stachel ist der Rache Sporn, Drum braust es auch wie Wüstenwind, Ein Donnerlied, das Lied vom Zorn! Kein geiler Spott ihm Vater war, Nicht Ammenmilch hat es genährt, Aus düstern Wolken leuchtet's klar, Ein Blitz, der flammend niederfährt; Und ob ihr auch verschließt das Ohr Vor seiner Rede scharfem Dorn, Es scheucht euch dennoch jach empor Ein Donnerlied, das Lied vom Zorn! Kein Heil'ger schuf's, kein Götze bleich, Es ist — ein Weckruf der Natur, Nicht trägen Schlummerklängen gleich, Verschwimmt es ohne Lebensspur. Sein Odem ist kein todter Wahn! Es weckt der Freiheit Samenkorn, Und strebt begeistert himmelan, Ein Donnerlied, das Lied vom Zorn! Liebe Mit Allgewalt ergreift mich das Verlangen, Nach dieses Wortes Hoheit hinzulauschen, Wenn sie entschleiert in der Lüfte Rauschen Die ganze Schöpfung stürmisch hält umfangen. Dann seh' ich, wie auf ihrer Schönheit Wangen Die Farben schnell in süßem Wechsel tauschen, Wie alle Herzen ihren Schlag belauschen Und sehnend an den Purpurlippen hangen. Frei wandelt sie von Zone hin zu Zone, Des Südens Kind, des Nordens kaltem Sohne Schlingt kosend sie um's Haupt die mächt'gen Bande. Und werbend selbst um ihre Himmelskrone, Bring' ich, ein Feind sonst allem Götzentande, Mein glühend Herz, mein Dichterherz, zum Pfande. So kam es Im Norden deine Wiege stand, Am tiefen blauen See, So blau und tief wol wie dein Aug', In das ich träumend späh'. Die Arbeit hielt dich auf dem Schooß, Stolz hast du mir's erzählt, Wie du die Hand, wie du den Arm Voll Schaffenslust gestählt. Dein Vater war ein armer Mann, Doch sieh', ein hohes Gut, Das pflanzt' er lief in's Herz dir ein: Geduld und Jugendmuth. Die Mutter dein gab auf den Weg Dir klaren, frohen Sinn, So kam es, daß in Liebe nun Ich ganz dein eigen bin. 1. Wenn es rothe Rosen schneit Lieder Wenn es rothe Rosen schneit, Wenn es Liebe regnet, Öffne, Herz, dem Glück dich weit, Das so hold dich segnet. Halt im Liede fest den Glanz Solcher Freudentage, Doch in's Heut versunken ganz Nicht nach morgen frage. Weißt du doch, der Rosenzeit Folgt die Sonnenwende, Und die Liebe lohnt mit Leid Immerdar am Ende. 2. Das ist der Liebe eigen Lieder Das ist der Liebe eigen, Mit Worten muß sie schweigen; Sie spricht mit süßen Zeichen Von Dingen ohne Gleichen. Es sagt die Hand am Herzen: Hier innen ttag' ich Schmerzen, Und möchte doch dies Leiden Um alle Welt nicht meiden. Im Auge spricht die Thräne: Wie ich nach dir mich sehne! Mein Wollen, Denken, Sinnen, Es will in deins verrinnen. Es spricht der Liebe Zücken: O laß dich an mich drücken, Auf daß im Feuerhauche Sich Seel' in Seele tauche! So webt in stummen Zeichen Sich Botschaft sonder Gleichen; Von Herz zu Herzen geht sie, Doch nur wer liebt, versteht sie. 3. Durch Reif und Frost im falben Hage Lieder Durch Reif und Frost im falben Hage Schreit' ich dahin bei rauhem Wehn; So fühl' ich, ach, durch meine Tage Mit leiser Klage Des Herbstes kühle Schauer gehn. Wo bist du, reiche Jugendwonne, Du trunkner Glanz mir im Gemüt? Ach, bleich und lässig hangt die Sonne Im Nebel, die so schön geglüht. Die Freuden brechen auf und wandern, Zugvögelschwärme, fern hinab, Und eine Hoffnung nach der andern Fällt welk vom Baum des Lebens ab. Nur du, gedämpfte Liedesweise, Du meiner Sehnsucht tröstlich Wort, Du bleibst mir treu und rauschest leise Auch unterm Eise Wie eine heiße Quelle fort. 4. O laßt mir meine stille Weise Lieder O laßt mir meine stille Weise, O reißt mich nicht hervor ans Licht! Mich dürstet nicht nach eurem Preise, Und eure Bahn ist meine nicht. Dem Sänger sind genug der Schlingen Vom eignen heißen Blut gelegt; Es frommt das Maß in allen Dingen. Und doppelt, wo man Geister wägt. Ist dieser Brust ein Ton beschieden, Der stimmt in eures Herzens Schlag: Wohlan, so gönnt mir Rast und Frieden, Daß ich ihn voll verströmen mag! Doch nicht, wo bei der Kerzen Funkeln Den Reigen wilde Laune führt, Der Gott hat immer nur im Dunkeln Die Seele tönend mir berührt. Er flieht die Stätten, wo die Menge Sich Götzen formt und dann zerbricht; Drum laßt mich werth sein seiner Strenge, Und reißt mich nicht hervor an's Licht! 5. Durch Erd' und Himmel leise Lieder Durch Erd' und Himmel leise Hinflutet eine Weise Wie sanftes Harfenwehn, Die jedem Dinge kündet, Wozu es ward gegründet, Woran es soll vergehn. Sie spricht zum Adler: Dringe Zur Sonne, bis die Schwinge Dir trifft ein Wetterschlag! Spricht zu den Wolken: Regnet, Und wenn die Flur gesegnet, Zerrinnt am goldnen Tag! Sie spricht zum Schwan: Durchwalle Die Flut und dann mit Schalle Ein selig Grab erwirb! Sie spricht zur Feuernelke: In Duft glüh' auf und welke! Zum Weibe: Lieb und stirb! 6. Ich fuhr von Sankt Goar Lieder Ich fuhr von Sankt Goar Den grünen Rhein zu Berge; Ein Greis im Silberhaar War meines Nachens Ferge. Wir plauderten nicht viel; Die Felsen sah ich gleiten Dahin im Wellenspiel, Und dachte vor'ger Zeiten. Und als wir an der Pfalz Bei Caub vorüber waren, Kam hellen Liederschalls Ein Schiff zu Thal gefahren. Ins weiße Segel schien Der Abend, daß es glühte; Studenten saßen drin, Mit Laub umkränzt die Hüte. Da ging von Hand zu Hand Der Kelch von grünem Glaste; Das schönste Mägdlein stand In goldnem Haar am Maste; Sie streute Rosen roth Hinunter in die Wogen, Und grüßte, wie im Boot Wir sacht vorüberzogen. Und horch, nun unterschied Das Singen ich der Andern: Da wars mein eigen Lied, Ich sang es einst vom Wandern; Ich sang's vor manchem Jahr, Berauscht vom Maienscheine, Da ich gleich jenen war Student zu Bonn am Rheine. Wie seltsam traf's das Ohr Mir jetzt aus fremdem Munde! Ein Heimweh zuckt' empor In meines Herzens Grunde. Ich lauschte, bis der Klang Zerfloß im Windesweben; Doch sah ich drauf noch lang Das Schifflein glänzend schweben. Es zog dahin, dahin — Still saß ich, rückwärts lugend; Mir war's, als führe drin Von dannen meine Jugend. Volker's Nachtgesang Die lichten Sterne funkeln Hernieder kalt und stumm; Von Waffen klirrt's im Dunkeln, Der Tod schleicht draußen um. Schweb hoch hinauf, mein Geigenklang! Durchbrich die Nacht mit klarem Sang! Du weißt den Spuk von dannen Zu bannen. Wohl finster ist die Stunde, Doch hell sind Muth und Schwert; In meines Herzens Grunde Steht aller Freuden Herd. O Lebenslust, wie reich du blühst! O Heldenblut, wie kühn du glühst! Wie gleicht der Sonn' im Scheiden Ihr beiden! Ich denke hoher Ehren, Sturmlust'ger Jugendzeit, Da wir mit scharfen Speeren Hinjauchzten in den Streit. Hei, Schildgekrach im Sachsenkrieg! Auf unsern Bannern saß der Sieg, Als wir die ersten Narben Erwarben. Mein grünes Heimatleben, Wie tauchst du mir empor! Des Schwarzwalds Wipfel weben Herüber an mein Ohr; So säuselt's in der Rebenflur, So braust der Rhein, darauf ich fuhr Mit meinem Lieb zu zweien Im Maien! O Minne! wundersüße, Du Rosenhag in Blust, Ich grüße dich, ich grüße Dich heut aus tiefster Brust! Du rother Mund, gedenk ich dein, Es macht mich stark wie firner Wein, Das sollen Heunenwunden Bekunden. Ihr Kön'ge, sonder Zagen Schlaft sanft, ich halte Wacht; Ein Glanz aus alten Tagen Erleuchtet mir die Nacht, Es kommt die Früh' im blut'gen Kleid: Gott grüß dich, grimmer Schwerterstreit! Dann magst du, Tod, zum Reigen Uns geigen! Indische Weisheit Der Ganges rauscht; vernimm im Abendroth Die Lehre von der Wandlung nach dem Tod. Was ist, das ist von Anfang her gewesen, Und wird im Tod zu neuem Sein genesen. Der Inhalt bleibt, doch wechselt fort und fort Die Signatur nach ew'ger Satzung Wort. Woran dein Herz zuletzt gedacht auf Erden, Darein wirst sterbend du verwandelt werden. Trifft dich, o Jäger, noch voll Mordbegier Der Tod: den Wald durchschweifst du einst als Thier. Warst du vertieft, der Schöpfung Lied zu lauschen, Als Blume wirst du blühn, als Welle rauschen. Und so dein Gold dir zwang den dumpfen Sinn, Zum Erz im Bergesschacht fährst du dahin. Wohl faßt vor solchem Schicksal dich ein Beben; Doch steht's bei dir, ins reinste Licht zu streben. Gedenk an Gott zur Stunde, da der Pfeil Des Todes schwirrt, und du wirst Sein ein Theil: Ein Tropfen, licht in's Meer zurückgesunken, Spielend in Seiner Glut ein reiner Funken. Doch dies erwäge: jählings naht der Tod Und keiner sagt dir, wo, noch wann er droht; So sei, daß er nicht überrascht dich fälle, Dein Auge stets gekehrt zur ew'gen Helle, Und deines Wesens Blüte todbereit In Gott versenkt zu jeder Stund und Zeit. Die Sehnsucht des Weltweisen Die fernen Flöten hör' ich schallen, Der Feierhymnus wogt darein; Es wälzt sich zu des Tempels Hallen Des Volkes Strom im Morgenschein. Der Knaben rothe Fackeln strahlen Auf weißer Festgewandung Zier; Die Priester tagen goldne Schalen Und führen den bekränzten Stier. Wohl möcht' ich mit den Andern ziehen Und jubeln in des Opfers Rauch; Doch auf den Stufen, da sie knieen, Umsäuselt mich kein Lebenshauch. Der Kindheit milde Schleier sanken, Die mich umfangen lieb und eng, Und vor dem siegenden Gedanken Erlag der Götter bunt Gedräng. Doch wie sich des Olymps Gestalten Gleich Träumen lösten nebelhaft, Da war es mir, als flöß ihr Walten Zurück in eine heil'ge Kraft, Aus allem, was der Tag vollendet, Spricht göttlich hoch ein ein'ger Sinn, Und meine Seele stürzt geblendet Vor dieses Reichthums Fülle hin. O du, den ich zu nennen zage, Du ew'ger Geist, deß reines Licht Noch durch den Dunst der Göttersage In tausend Farben spielend bricht; Den sie in tausend Bildern ehren, Und dem doch nie ein Bildniß glich, Du, den ich nimmer kann entbehren, Du Einziger, wie faß' ich dich! Im Weltall sucht' ich ohn' Ermatten Dich zu ergründen voll und ganz; Doch Nachts verhüllst du dich in Schatten Und birgst am Tage dich in Glanz. Und wenn das Morgenroth mich weckte, Und überglüht aus meinem Traum Die Hand ich tastend danach streckte: Es war nur deines Kleides Saum. Wohl ruft der Donner deinen Namen, Wohl zeigt der Blitz uns deine Spur; Doch, ob sie, deine Boten, kamen, Sie bringen halbe Kunde nur. O was von dir die Dinge stammeln Mit dunkelm Deuten fort und fort, Wirst du's, Erhabner, nie versammeln In ein lebendig klares Wort? Wird nie dein liebender Gedanke Voll Wehmut über unser Leid Herab sich neigen in die Schranke Der sehnsuchtbangen Sterblichkeit? Wirst nie dein blendend Licht du lassen, Dich nah und menschlich kund zu thun, Daß wir mit Armen dich umfassen Und fromm an deinem Busen ruhn? Ach, tief in meiner Seele Grunde Da schläft ein Ahnen wundervoll: Der Lauf der Zeiten bringt die Stunde, Da solches Heil geschehen soll. O selig, denen du dein Wesen Dann sichtbar hold entgegensenkst, Die du zu himmlischem Genesen Aus deines Lebens Adern tränkst! Dann wird der Baum der Menschheit grünen; Dann werden ihren alten Zwist Der Himmel und die Erde sühnen Durch den, der beider theilhaft ist. Ein sanftes Leuchten wird durchdringen Des Schicksals unverstandne Pein; Das Leben wird den Tod verschlingen Und ein Gesetz der Liebe sein. Der Tod des Tiberius Bei Cap Misenum winkt' ein fürstlich Haus Aus Lorbeerwipfeln zu des Meeres Küsten Mit Säulengängen, Mosaiken, Büsten Und jedem Prunkgeräth zu Fest und Schmaus. Oft sah es nächtlicher Gelage Glanz, Wo lock'ge Knaben, Epheu um die Stirnen, Mit Bechern flogen, silberfüßige Dirnen Den Thyrsus schwangen in berauschtem Tanz, Und Jauchzen scholl, Gelächter, Saitenspiel, Bis auf die Gärten rings der Frühthau fiel. Doch heut, wie stumm das Haus! Nur hier und dort Ein Fenster hell. Und wo die Säulen düstern, Wogt am Portal der Sclaven Schwarm mit Flüstern, Es kommen Sänften, Boten sprengen fort; Und jedesmal dann zuckt umher im Kreise Ein Fragen, das nur scheu um Antwort wirbt: „Was sagt der Arzt? Wie steht es?“ — Leise, Leise! Zu Ende gehts; der greise Tiger stirbt. Bei matter Ampeln Zwielicht droben lag Der kranke Cäsar auf den Purpurkissen. Sein fahl Gesicht, von Schwären wild zerrissen, Erschien noch grauser heut als sonst es pflag. Hohl glomm das Auge. Durch die Schläfe wallte Des Fiebers Glut, daß jede Ader schlug; Niemand war bei ihm als der Arzt, der alte, Und Macro, der des Hauses Schlüssel trug. Und jetzt mit halbersticktem Schreckensruf Aus seinen Decken fuhr empor der Sieche, Hochauf sich bäumend: Schaff mir Kühlung, Grieche! Eis! Eis! Im Busen trag' ich den Vesuv. O wie das brennt! Doch grimmer brennt das Denken Im Haupt mir; ich verfluch' es tausendmal Und kann's doch lassen nicht zu meiner Qual; O gieb mir Lethe, Lethe, mich zu tränken! — Umsonst! Dort wälzt sich's wieder schon heran Wie Rauchgewölk, und ballt sich zu Gestalten — Sieh, von den Wunden heben sie die Falten Und starren mich gebrochnen Auges an, Germanicus und Drusus und Sejan — Wer rief euch her? Kann euch das Grab nicht halten? Was saugt ihr mit dem Leichenblick, dem stieren, An meinem Blut und dörrt mir das Gebein? 's ist wahr, ich tödtet' euch; doch mußt' es sein. Wer hieß im Würfelspiel euch auch verlieren! Hinweg! — Weh mir! Wann endet diese Pein! Der Arzt bot ihm den Kelch; er sog ihn leer, Und sank zurück in tödtlichem Ermatten; Dann, aus den Kissen, blickt er scheu umher Und frug verstört: Nicht wahr? Du siehst nichts mehr? Fort sind sie, fort, die fürchterlichen Schatten — Vielleicht auch war's nur Dunst. — Doch glaube mir, Sie kamen oft schon Nachts, und wie sie quälen, Das weiß nur ich. — Doch still! — Komm, setz dich hier Nah, nah; von anderm will ich dir erzählen. Auch ich war jung einst, traut' auf meinen Stern, Und glaubt' an Menschen. Doch der Wahn der Jugend Zerstob zu bald nur; und, in's Innere lugend, Verfault erfand ich alles Wesens Kern. Da war kein Ding so hoch und baar der Rüge, Der Wurm saß drin; aus jeder Großthat sah'n Der Selbstsucht Züge mich versteinernd an, Lieb', Ehre, Tugend, Alles Schein und Lüge! Nichts unterschied vom reißenden Gethier Dies Kothgeschlecht, als im ehrlosen Munde Der Falschheit Honig und im Herzensgrunde Die größre Feigheit und die wildre Gier. Wo war ein Freund, der nicht den Freund verrieth? Ein Bruder, der nicht Brudermord gestiftet? Ein Weib, das lächelnd nicht den Mann vergiftet? Nichtswürdig alle — stets dasselbe Lied. Da ward auch ich wie sie. Und weil nur Schrecken Sie zähmte, lernt' ich Schrecken zu erwecken; Und Krieg mit ihnen führt' ich. Zum Genuß Ward ihre Qual mir, ihr verendend Röcheln. Ich schritt ins Blut hinein bis zu den Knöcheln — Doch auch das Grausen wird zum Überdruß. Und jetzt, nur noch gequält vom Strahl des Lichts, Matt, trostlos, reulos starr ich in das Nichts. Sein Wort ging tonlos aus; er keuchte leis Im Krampf, von seinen Schläfen floß der Schweiß, Und graß verstellt, wie eine Larve, sah Sein blutlos Antlitz. Zu des Lagers Stufen Trat Macro da: Soll ich den Cajus rufen, Herr, deinen Enkel, den Caligula? Du bist sehr krank — Doch Jener: Schlange, falle Mein Fluch auf dich! Was geht dich Cajus an! Noch leb' ich, Mensch. Und Cajus ist wie Alle, Ein Narr, ein Schurk', ein Lügner, nur kein Mann! Und wär' er's, frommt' es nicht; kein Held verjüngt Rom und die Welt, wie er mit Blut sie düngt. Wenn's Götter gäb', auf diesem Berg der Scherben Vermöcht' ein Gott selbst nicht mehr Frucht zu ziehn; Und nun der blöde Knab'! Nein, nein, nicht ihn, Die Rachegeister, welche mich verderben, Die Furien, die der Abgrund ausgespien, Sie und das Chaos setz' ich ein zu Erben! Für sie dies Scepter! — Und im Schlafgewand Jach sprang er auf, und wie die Glieder flogen Im Todesschweiß, riß er vom Fensterbogen Den Vorhang fort, und warf mit irrer Hand Hinaus den Stab der Herrschaft in die Nacht. Dann schlug er sinnlos hin. Im Hofe stand In sich vertieft ein Kriegsknecht auf der Wacht, Blondbärtig, hoch. Zu dessen Füßen rollte Des Scepters rundes Elfenbein und sprang Vom glatten Marmorgrund mit hellem Klang An ihm empor, als ob's ihn grüßen wollte. Er nahm es auf, unwissend, was es sei, Und sank zurück in seine Träumerei. Er dacht an seinen Wald im Weserthal: Die düstern Wipfelkronen sah er ragen; Er sah am Malstein die Genossen tagen, Blank jedes Wort wie ihrer Streitaxt Stahl, Und treu die Hand zum Sühnen wie zum Schlagen, Und an sein liebes Weib gedacht er dann; Er sah sie sitzen an des Hüttleins Schwelle, Im langen gelben Haar, wie sie, mit Schnelle Die Spindel wirbelnd, in die Ferne sann, Wohl her zu ihm; und vor ihm spielt am Rain Sein Knabe, der den ersten Speer sich schnitzte, Und dem so kühn das blaue Auge blitzte, Als spräch's: Ein Schwert nur, und die Welt ist mein! Und plötzlich floß dann — wie, verstand er kaum — Ein andres Bild in seinen Heimatstraum; Vor seine Seele drängt es sich mit Macht, Wie er dereinst in heißen Morgenlanden Als Wacht an eines Mannes Kreuz gestanden, Bei dessen Tod die Sonn' erlosch in Nacht. Wohl lag dazwischen manch durchstürmter Tag, Doch konnt' er nie des Dulders Blick vergessen, Darin ein Leidensabgrund unermessen Und dennoch alles Segens Fülle lag. — Und nun — wie kam's nur? — über seinen Eichen Sah er dies Kreuz erhöht als Siegeszeichen, Und seines Volks Geschlechter sah er ziehn, Unzählig, stromgleich; über den Gefilden Von Waffen wogt es, und auf ihren Schilden Stand jener Mann, und Glorie strahlt um ihn. Da fuhr er auf. Aus des Palastes Hallen Kam dumpf Geräusch; der Herr der Welt war todt; Er aber schaute kühn ins Morgenroth, Und sah's wie einer Zukunft Vorhang wallen. Der Bildhauer des Hadrian So steht nun schlank emporgehoben Der Tempelhalle Säulenrund; Getäfelt prangt die Kuppel droben, Von buntem Steinwerk glänzt der Grund, Und hoch aus Marmor hebt sich dorten Das Bild des Donnrers, das ich schuf; Du rühmst es, Herr, und deinen Worten Folgt tausendstimmger Beifallsruf. Und doch, wie hier vor meinen Blicken Das eigne Werk sich neu enthüllt. Mich selber will es nicht erquicken. Und fast wie Scham ist, was mich füllt. Ob Nichts am hohen Gleichmaß fehle, Ob jedem Sinn genug gethan: Kein Schauer quillt in meine Seele, Kein Unnennbares rührt mich an. O Fluch, dem diese Zeit verfallen, Daß sie kein großer Puls durchbebt, Kein Sehnen, das, getheilt von allen, Im Künstler nach Gestaltung strebt, Das ihm nicht Rast gönnt, bis er's endlich Bewältigt in den Marmor flößt, Und so in Schönheit allverständlich Das Räthsel seiner Tage löst! Wohl bändgen wir den Stein und küren Bewußt berechnend, jede Zier, Doch, wie wir glatt den Meißel führen, Nur vom Vergangnen zehren wir. O trostlos kluges Auserlesen, Dabei kein Blitz die Brust durchzückt! Was schön wird, ist schon dagewesen, Und nachgeahmt ist, was uns glückt. Der Kreis der Formen liegt beschlossen, Die einst der Griechen Geist beseelt; Umsonst durchtasten wir verdrossen Ein Leben, dem der Inhalt fehlt. Wo lodert noch ein Opferfunken? Wo blüht ein Fest noch, das nicht hohl? Der Glaub' ist, ach, dahingesunken, Und todter Schmuck ward sein Symbol. Sieh her, noch braun sind diese Haare, Und nicht das Alter schuf mich blaß; Doch gäb' ich alle meine Jahre Für einen Tag des Phidias; Nicht weil des Volks verstummend Gaffen Der Welt Bewundrung ihm gelohnt; Nein, weil der Zeus, den er geschaffen, Ihm selbst ein Gott im Sinn gethront. Das war sein Stern, das war sein Segen, Daß ihn mit ungebrochnem Flug Der höchsten Urgestalt entgegen Der Andacht heil'ger Fittich trug. Er durft im Reigen der Erkornen Voll Glanz nach den Olympos sehn, Indeß wir armen Nachgebornen In götterloser Wüste stehn. Da uns der Himmel ward entrissen, Schwand auch des Schaffens himmlisch Glück; Wohl wissen wir's, doch alles Wissen Bringt das Verlorne nie zurück. Und keine neue Kunst mag werden, Bis über dieser Zeiten Gruft Ein neuer Gott erscheint auf Erden Und seine Priesterin beruft. Der Tod des Pericles Führt mich hinaus! Versinkend blickt der Tag Aus goldnen Wimpern über Salamis, Und kühler vom Piräus weht's herauf. Mein Auge will noch einmal, eh es sich Auf immer zuschließt, ruh'n auf dieser Stadt; Denn über Alles hab' ich sie geliebt Und liebe sie noch heut in ihrer Noth, Wiewohl sie mein vergaß. O mein Athen, Juwel von Hellas, stolze Herrscherin Des Meers und aller Götter Liebling einst, Könnt' ich dich, Kodrus gleich, durch meinen Tod Vom Fluch erretten, der in fahlem Qualm Dumpfbrütend über deinen Zinnen hängt, Wie freudig stürb' ich! Doch es ward mir nicht So schön vergönnt; die bleiche Stirne soll Kein Kranz mir schmücken. Lautlos hingerasst, Wie eine dunkle Well' im dunkeln Strom, Versink' ich mit im allgemeinen Leid Weint nicht, ihr Treuen! Immer war's mein Stolz, Daß keines Bürgers Thräne jemals floß Um meinetwillen; laßt mich diesen Ruhm Bewahren bis an's Ende! Klagt auch nicht, Daß dies gestählte Herz, bevor es brach, Noch so viel Leid erfuhr. Es trifft der Gott Mit schärfstem Pfeile, wen er einst erhöht. Und wenn mein Phidias im Kerker starb, Wenn, der mit Milch der Weisheit mich genährt, Geächtet floh, wenn kleiner Haß sich frech An Sie gewagt, die meine Muse war, So wißt: ich nehm' es hin als meines Glücks Ausgleichung, und dafern ich allzu kühn, Verführt vom Reize des Gelingens, je Mich überhob, als Buße meiner Schuld. Durch meine Seele dunkel mahnend tönt Das Lied der Eumeniden, das ich nie Vergessen konnte. Zürnend sang es mir, Zum Wanderstab schon greifend, Äschylus, Als ich die Pflege fromm erstarrten Brauchs, Die Alten von den Richterstühlen warf. Vielleicht, wenn damals ich mein Herz bezähmt, Hinausgeschoben hätt' ich diesen Tag Und seine Noth, vielleicht — vielleicht auch nicht! Denn viel ist Schicksal, was als That erscheint, Und wie der Apfel, wenn kein Wind vom Ast Ihn schüttelt oder keine Hand ihn pflückt, Unwiderruflich grünt und reift und — fault, So grünt und reift und fault die Kraft des Volks, Im Anfang herbe, dann vom milden Saft Der Freiheit schwellend, der sie Tag für Tag In reichrer Füll' und Zierde prangen macht, Bis endlich dieser Saft, wenn er das Werk Der Zeitigung vollbracht, zum Gährungsstoff Ausartend, langsam alles Feste löst. Wir aber sind zumal in dies Gesetz Mit eingeschlossen, seine stille Macht Trägt wie ein Strom uns; Alles können wir Mit ihr verbündet, ihr zuwider nichts. Wer sie begreift, ist weise; wer sie nutzt, Ist stark, und wer mit reinem Herzen ihr Zu dienen weiß, ist glücklich. War ich's doch Und Alles fiel mir zu, was herrlich heißt, So lang' ich steuern durfte mit der Flut! Doch als ich wider ihren Schwall den Kiel Gerichtet, ward ich machtlos fortgespült. Denn wer bezwingt das Unabwendliche! Der Tag der Überreife kam, es fällt Die Pest die Geister wie die Leiber an; Wir sind am Faulen und das Glück ist hin. Doch ziemt mir's nicht zu klagen. Eine Welt Von Schönheit, aufgeblüht in Stein und Erz Und goldner Rede, bleibt als Zeugin stehn, Was diese Stadt vermocht und wer ich war. Denn hätt' ich nicht die flücht'ge Stunde kühn Am Haar ergriffen, nicht das Farbenspiel Der jungen Lebenssonne Strahl um Strahl Versammelt wie in eines Spiegels Rund Und jeder Kraft ihr höchstes Ziel enthüllt, Wer weiß, sie hätt' in reichem Stückwerk sich Umsonst zersplittert und um einen Kranz Wär' Hellas ärmer, wie zum zweiten Mal Kein Gott ihn beut. Ich hab', als ich ihn wand, Im Augenblick Unsterblichkeit gelebt, Und willig steig' ich drum hinab. Lebt wohl! Wittenborg Das war Johannes Wittenborg, Der Admiral vom Bunde, Er nahm Bornholm, das feste Schloß Und fuhr hinab zum Sunde. Und wo er traf ein Dänenschiff, Das stolz die Segel blähte, Verbrannt' er's oder führt' es mit Als Beute für die Städte. Und als er kam vor Helsingör, Das Volk ergriff ein Zagen, Dem König däuchte plötzlich schwül Die Luft zu Kopenhagen. Er sandte Brief und Boten aus, Den Admiral zu grüßen: „Laß ab vom Kampf und komm ans Land, Wir wollen Frieden schließen. Und bis vollführt das Sühnungswerk Dem Bund und uns zum Frommen, Im alten Schloß von Helsingör Sei mir als Gast willkommen!“ — Im alten Schloß zu Helsingör Da schallen Pauken und Zinken, Die Diener rennen aus und ein, Die güldnen Becher blinken. Bei Tafel sitzt Hans Wittenborg Gewappnet wie zum Streite, Die Königstochter aus Dänemark Die sitzt an seiner Seite. Die Königstochter aus Dänemark, Die weiß so süß zu blicken, Ein Goldnetz ist ihr wellig Haar, Um Herzen zu bestricken. Sie lacht und schwatzt und läßt sich hold Sein zaudernd Wort gefallen, Sie schenkt ihm ein und trinkt ihm zu, Sein Blut beginnt zu wallen. Schön Sigbrit hebt die Tafel auf, Da rufen lauter die Geigen, „Legt ab den Panzer, Admiral, Nun geht's zum Fackelreigen.“ Und als er tanzt mit ihr im Saal, Da schwindeln ihm die Sinne, Ihm ist's, als ob aus ihrer Hand Ein Strom von Flammen rinne. Sie merkt es wohl und schaut ihn an Und flötet leis' im Tanze: Gieb uns Bornholm und dir gehört Die Ros' aus meinem Kranze. „Die Ros' aus Eurem Kranz ist schön, Rubin erbleicht daneben; Mit Freuden gäb' ich drum mein Blut, Bornholm kann ich nicht geben.“ Gieb uns Bornholm, das feste Schloß, Und nimm dafür zur Stunde, Nimm hin dafür, du stolzer Mann, Den Kuß von meinem Munde. — Sie flüstert's leis', ihr Aug' ist heiß, So wonnereich ihr Flehen, Sie zieht ihn sacht zum Schloßaltan, Da ist's um ihn geschehen. Er hat verrathen Schloß Bornholm, Um seine Lust zu büßen — Vom Himmel schoß ein Stern herab Ins Meer zu seinen Füßen. Weh dir, Johannes Wittenborg! Weh dir um diese Stunde! Du hast geminnt des Dänen Kind, Was bleibst du nicht am Sunde? Was segelst du zur Heimat keck, Der du die Treu gebrochen? Zu Lübeck in der alten Stadt Wird scharfes Recht gesprochen. Zu Lübeck in der alten Stadt Am Mittwoch nach den Fasten, Da schallt vom Thurme dumpf Geläut, Da flaggen schwarz die Masten. Zum Markte wallt ein Trauerzug Aus Sankt Mariens Thüren, Das ist Johannes Wittenborg, Den sie zum Tode führen. Bekümmert steht das Volk umher, Es weinen laut die Frauen; Dem jungen Admiral nur spielt Ein Lächeln um die Brauen. Er schreitet hohen Haupts zum Block, Als gings' zum Fackelreigen: „Und muß ich sterben um Bornholm, So warst du doch mein eigen!“ Ein Röslein nimmt er aus der Brust, Das wuchs an Seelands Strande, Er drückt's noch einmal an den Mund, Dann kniet er hin im Sande. Die Glocke dröhnt, das Richtbeil fällt, Sein Haupt rollt hin am Grunde; Er hat bezahlt mit seinem Blut Den Kuß von Sigbrits Munde. Mitsommernacht Durchs Gewölk die Sterne lauschen Und der Lilie Duft erwacht; Willst du mich, wie sonst, berauschen, Dunkelschwüle Sommernacht? Deiner Elfen Schwärme kreisen Lockend wieder um mich her, Doch auf ihre Zauberweisen Find' ich nicht die Antwort mehr. Ach, es wird von keinem Sehnen Zärtlich mehr dies Herz bethört, Und zugleich mit seinen Thränen Hat sein Hoffen aufgehört. Nur was einst so süß mir däuchte Und so schmerzlich als Verlust, Zieht wie fernes Blitzgeleuchte Mir erinnernd durch die Brust. Lebensstimmung Hab' ich einst ehrgeizigen Wunsch als Jüngling Unbedacht im Busen genährt: ich bannt' ihn Längst; dem Weltlaufkundigen geht kein Gut mehr Über die Freiheit. Mag wer will am Sessel der Macht, um Einfluß Buhlend, stets abhängiges Loos ertragen, Oder, laut vom Volke bejauchzt, des Volkes Laune gehorchen! Mir gefällt's, nach eigenem Trieb in ernster Muße, fern vom Stimmengebraus des Marktes, Bald im Schicksalsbuche der Zeit die dunkle Schrift zu enträthseln, Bald am Reichthum griechischer Kunst und Schönheit, An Homers einfacher Gewalt zu prüfen, Was die Neuzeit Mächtiges schuf, von andern Sternen geleitet, Oder tagwerkmüde dem Zug der Wolken Nachzuschau'n und irgend ein Lied zu summen, Wie's dem einsam Träumenden Hoffnung eingiebt Oder Erinnerung. Eine Sommernacht Wie glänzte tief azuren Der See und rauschte sacht, Als wir von Lindau fuhren In klar gestirnter Nacht! Sanft weht' es von den Hügeln, Und leise wie ein Schwan Mit ausgespannten Flügeln Zog unser Schiff die Bahn. Sie saß in warmer Hülle, Das Kind an ihrer Brust, Versunken in die Fülle Der Lieb' und Mutterlust. Und wie ins Sterngefunkel Entzückt ich schaut' empor, Kam leise durch das Dunkel Ihr Flüstern an mein Ohr: „O Mann, seit uns beschieden Dies süße Glück zu Drei'n, Wie fühl' ich schon hienieden Den ganzen Himmel mein!“ Sie sprach's und plötzlich linde Umfloß ein Glorienlicht Ihr selig zu dem Kinde Geneigtes Angesicht. Der Mond war aufgegangen Am Saum des Firmaments, Und über's Wasser klangen Die Glocken von Bregenz. 1. Die Nachtigall auf meiner Flur Lieder Die Nachtigall auf meiner Flur Singt: Hoffe du nur! Hoffe du nur! Die Frühlingslüfte wehen. Ein Dornenstrauch schlief ein zu Nacht, Ein Rosenbusch ist aufgewacht, So mag's auch dir geschehen. Hoffe du nur! 2. Laßt, ihr Lieben, o laßt mich still Lieder Laßt, ihr Lieben, o laßt mich still Trauern um das verlor'ne Glück! Für die Tage, die nicht mehr sind, Ach, was gibt die Erinn'rung? Wohl mit Rosen und Grün bekränzt, Wie Schneewittchen im Sarg von Glas, Schläft die schöne Vergangenheit Mir im Herzen gebettet. Doch kein freundlicher Zauber lös't, Ach, kein Sehnen die Wimpern ihr, Und der feste Krystall des Schreins Bleibt auf ewig geschlossen. 3. Oft in tiefer Mitternacht Lieder Oft in tiefer Mitternacht Faßt mich ein unendlich Bangen Um die Tage, die vergangen Und mich nicht ans Ziel gebracht. Was ich jung umsonst gesucht, Kann ich's alternd noch erringen? An die ausgewachs'nen Schwingen Hing sich, ach, des Siechthums Wucht. „Wirf denn hin den Zauberstab, Eh' er dir entsinkt mit Schmerzen! Nimm die letzte Glut im Herzen Ungesungen mit ins Grab!“ Still, o still! Ich lern' es nie, Stumme Tage klug zu weben. Trostlos Darben wär' ein Leben Ohne dich, o Poesie! Nach dem Kranz, der vor mir schwebt, Muß ich ringen Stund' um Stunde, Wie der Aar, der flügelwunde, Sterbend noch zur Sonne strebt. 4. Traurig schritt ich hin am Bach Lieder Traurig schritt ich hin am Bach, Sieh, da trat auf leichten Füßen Sanft zu mir der Lenz und sprach: „Deine Jugend läßt dich grüßen.“ Und er blies mich an und jäh Brach durch meines Trübsinns Kruste Solch' Gefühl von Wonn' und Weh', Daß ich lautauf weinen mußte. All mein Wesen dehnte sich, Gleich als sollt' es Flügel breiten, Und ein Klang durchbebte mich Wie von angeschlag'nen Saiten. Wirf denn ab des Zweifels Last, Herz, du darfst noch nicht verzichten! Nun du wieder Thränen hast, Magst du wieder blüh'n und dichten. 5. Nun um deine Pfade leis Lieder Nun um deine Pfade leis Welke Blätter stieben, Eng und enger wird der Kreis Täglich deiner Lieben. Die im Jugendmorgenroth Dir Geleit gegeben, Ach, wie viele nahm der Tod, Wie viel mehr das Leben! Neue Freundschaft schließt sich schwer An des Winters Grenze, Wurzeln teibt das Herz nicht mehr, Wie dereinst im Lenze. Zwar im Kampf nicht wird es dir An Genossen fehlen, Doch euch knüpft ein gleich Panier, Nicht der Zug der Seelen. Auch mit Jüng'ren wohl ein Stück Läßt sich's fröhlich schweifen, Doch nur halb dein Leid und Glück Mögen sie begreifen. Darum, soll nicht freudenarm Dir die Welt verblassen, Lern' in Liebe doppelt warm, Was dir blieb, umfassen. Den du jung umhergestreut Leicht in leichten Gaben, Laß an deinem Schatz sich heut Wen'ge ganz erlaben. Eisumfrornem Rebensaft Gleiche, der zusammen Drängt im engsten Raum die Kraft Aller seiner Flammen. Höchstädt Marlbrough zieht aus zum Kriege, Die Fahnen läßt er wehn; Da reicht zu Kampf und Siege Die Hand ihm Prinz Eugen. Sie mustern ihre Truppen Bei Höchstädt auf dem Plan: „Gut stehn im Brett die Puppen, Frisch auf, wir greifen an!“ Und wie sie mit den Haufen Dem Feind entgegenziehn, Da kommt gejagt mit Schnaufen Ein Hofcourier aus Wien. Er springt im bunten Staate Vom Roß und neigt sich tief: „Vom hohen Kriegshofrathe, Durchlauchtigster, ein Brief!“ Der kleine Kapuziner Schiebt ihn ins Wamms bedacht: „Der Herrn ergebner Diener! Das les' ich nach der Schlacht. Jetzt ist kein Zaudern nütze, Jetzt heißt es: dran und drauf! Schon spielen die Geschütze Tallard's zum Kampf uns auf.“ Er wirft sich auf die Franzen, Marlbrough bleibt nicht zurück; Bei Höchstädt an den Schanzen Das ward ihr Meisterstück. Wohl kracht's von Wall und Thurme, Wohl sinken Roß und Mann, Doch vorwärts geht's im Sturme, Die Feldherrn hoch voran. Im dichten Kugelregen, Den Degen in der Hand, Erklimmen sie verwegen Des Lagers steilen Rand. Da packt den Feind ein Grausen, Da flieht er fern und nah Und hinter ihm mit Brausen Erschallt's: Victoria! Und wie des Kaisers Reiter Nachrasseln Stoß auf Stoß, Da kommt kein Haltruf weiter, Geworfen ist das Loos. Ersiegte Fahnen prangen Zweihundert an der Zahl, Man bringt daher gefangen Tallard, den General. Doch Abends, als die Flaschen Im Kreis ums Feuer gehn, Da zieht aus seiner Taschen Sein Brieflein Prinz Eugen; Studirt's und reicht's dem Britten, Der blickt hinein und lacht: „Parbleu! Die Herrn verbitten In Wien sich jede Schlacht. Nur kluge Retirade Sauvir' uns, meint der Wisch; Erles'ner Senf! Nur Schade, Für diesmal Senf nach Tisch!“ Frühlingsfeier in Athen An H. K. Noch denk' ich des Tags, da du sonnengebräunt Heimkehrtest von Zante's Gestaden, o Freund, Um das Fest zu begehn In dem schönen, dem veilchenbekränzten Athen. Mit wehenden Locken und freudigem Gruß Hinschrittest du leicht, als beschwingte den Fuß Dir ein ahnend Gefühl, Und ich folgte dir nach in des Volkes Gewühl. Schon stand der Hymettus in purpurner Glut, Wie ein König im Schmuck, und die tönende Flut Goß klar wie Rubin Durch die Blumen des Thals der Ilissus dahin. Und die Jünglinge prüften die Kraft des Gespanns Wettjagend im Feld, und es schwebte der Tanz Blondlockiger Frau'n Um die Säulen des Zeus, die im Strom sich beschau'n. Doch, die Schläfe mit bacchischem Eppich umlaubt, Saß schweigsam die Schönste, das sinnende Haupt Auf die Cither gelehnt, Mit dem dämmernden Blick, der nach Liebe sich sehnt. Und es traf dich ihr Aug' und du grüßtest sie kühn, Und ich sah sie erbleichen und hastig erglühn; In beflügelter Eil' Hatt' euch Eros berührt mit dem feurigen Pfeil. Und er lehrt' euch, was zärtliche Trunkenheit spricht, Und die Fremdheit der Zungen verwehrt' es euch nicht; Ihr vernahmet im Wort, Im gestammelten, nur der Empfindung Akkord. Und der Tag war verglüht und ihr wußtet es kaum, Und, die Sterne zu Häupten, in seligem Traum Hinwalltet ihr sacht Durch's ambrosische Dunkel der attischen Nacht. Jugendlied Neben dem Pfad aus den blühenden Bäumen Winkt mir von schwarzen Cypressen ein Hain, Unter den Schatten zu ruhn und zu träumen; Gräber umsäumen, Sinkende Kreuze den moosigen Rain. Friede mit euch, die geschieden vom Tage, Der mich mit Schmerz noch und Hoffnung durchglüht! Nimmer, ihr Stillen, bedürft ihr der Klage, Aber die Frage Weckt ihr, die alte, mir tief im Gemüth: Folgte von dem, was ihr liebend besessen, Euch ein Erinnern zur Stätte der Ruh? Habt ihr im Säuseln der schwarzen Cypressen Alles vergessen, Last so wie Lust, und die Liebe dazu? 1. Wenn über's Schneefeld mit Gebrause Lieder Wenn über's Schneefeld mit Gebrause Des Neujahrs rauhe Stürme ziehn, Wie lieblich ist's, im sichern Hause Die Glut zu schüren im Kamin! Nun darf das Herz sich frei gehören, In seine Tiefen kehrt es ein, Und Geister lernt's emporbeschwören, Genossen seiner Rast zu sein. Kommt denn mit unhörbaren Tritten, Ihr Helden längst verscholl'ner Zeit! In falt'ger Toga kommt geschritten, Im blutbeströmten Panzerkleid! Ich seh' auf euren narb'gen Zügen, Im Auge, das verfinstert droht, Die Spur von hohen Thatenflügen, Von wildem Glück und jähem Tod. Und wenn mir eure Kränze sagen, Daß Ruhm und Sieg euch einst gelabt, Ahn' ich zugleich, was ihr getragen Und stolz der Welt verschwiegen habt. Vielleicht, daß durch der Muse Walten, Wie ihr mir ernst vorüberschwebt, Vor Einer plötzlich der Gestalten Mein schweigend Saitenspiel erbebt; Und wie sich Klang gesellt dem Klange, Wie Bild um Bild sich reich enthüllt, Ein groß Geschick mir mit Gesange Die lange Nacht des Winters füllt. 2. Wie säuselt über Thal und Hügel Lieder Wie säuselt über Thal und Hügel Der Gruß des Frühlings heut so mild! Von fern erklingt's wie Schwalbenflügel Und traumhaft brütet's im Gefild. Im Stamm der alten Linde steigen Die Säfte schon geheimnißvoll; Sie spürt's und schauert mit den Zweigen Vor Freuden, daß sie grünen soll. Zwar decken Schleier zwartgewoben Des Himmels Angesicht noch ganz, Doch rinnt durch ihr Gespinnst von oben Verheißungsvoll ein weißer Glanz. Er gleicht dem räthselsüßen Schimmer, Der um des Mädchens Züge schwebt, Das sich geliebt fühlt, doch noch immer Ihr Glück sich zu bekennen bebt. 3. In diesen Frühlingstagen, da genesen Lieder In diesen Frühlingstagen, da genesen Das Herz nicht will vom süßen Sehnsuchtleid, Wie spricht, was einst bei Platon ich gelesen, Vertraut mich an aus dunkler Fabel Kleid; Geschaffen, schreibt er, ward als Doppelwesen Der Mensch dereinst im Anbeginn der Zeit, Bis ihn ein Gott, weil er nicht Schuld gemieden, In seine Theile, Mann und Weib, geschieden. Ein heilig Räthsel deutet mir dies Wort; Wer fühlt es nie, daß Bruchstück nur sein Leben, Ein Ton, nur angeschlagen, zum Akkord Mit seinem Gegenton sich zu verweben? Wir all sind Hälften, ach, die fort und fort Nach den verlornen Zwillingshälften streben, Und dieses Suchens Leid im Weltgetriebe Wir heißen's Sehnsucht, und das Finden Liebe. 4. Der ich alter Zeit Geschichten Lieder Der ich alter Zeit Geschichten Schrieb, als Schnee bedeckt die Flur, Jetzt, o Frühling, in Gedichten Deine Thaten schreib' ich nur. Täglich merk' ich an, wie linder Sich die Kraft der Sonne rührt, Und die Blumen, deine Kinder, Aus dem Thal zum Gipfel führt; Wie in tieferm Grün die Halde Schwellend prangt, vom Thau erfrischt, Wie vollzähl'ger stets im Walde Sich der Chor der Stimmen mischt. Heut aus zarter Knospenhülle Weiß und dicht wie Silberschaum Brach des Birnbaums Blütenfülle, Morgen blüht der Apfelbaum. Wichtig für mein froh Verzeichniß Däucht mir, was ich nur vernahm — Ist's nicht auch ein Weltereigniß, Wenn die erste Rose kam? 5. Im Wind verhallt Trompetenton Lieder Im Wind verhallt Trompetenton Und ferner Paukenschlag; Es zieht durch's Feld die Procession Am schönsten Frühlingstag. Die Fahnen wehn im Sonnenschein, Die Kreuze blinken vorn; Von tausend Stimmen murmelt's drein, Sie flehn um Wein und Korn. Weit hinter'm Zug, verspätet, geht Durch's blüh'nde Saatgewind, Versunken in ihr still Gebet, Ein hold blauäugig Kind. Ihr rosig Antlitz ist so klar, Ihr weiß Gewand so rein, Um ihre Stirn das goldne Haar Fließt wie ein Glorienschein. So wallt sie hin, das süße Bild, Den Palmzweig in der Hand, Als zög' ein Engel durch's Gefild, Und segnete das Land. 6. O Sommerfrühe blau und hold! Lieder O Sommerfrühe blau und hold! Es trieft der Wald von Sonnengold, In Blumen steht die Wiese; Die Rosen blühen roth und weiß, Und durch die Fluren wandelt leis' Ein Hauch vom Paradiese. Die ganze Welt ist Glanz und Freud', Und bist du jung, so liebe heut, Und Rosen brich mit Wonne! Und wardst du alt, vergiß der Pein Und lerne dich am Widerschein Vom Glück der Jugend sonnen! 7. Auf glatten Fluten schwamm der Abendstern Lieder Auf glatten Fluten schwamm der Abendstern, Ein grünlich Gold umdämmerte die Fluren; Die Thürme Lübecks spiegelten sich fern Und leise zog der Nachen, drin wir fuhren. Die Luft ward kühl; Gesang und Scherz zerrann Gemach in traulich flüsterndes Gekose; Ein weißer Mädchenarm griff dann und wann In's feuchte Blau nach einer Wasserrose. Nachdenklich saß die Lieblichste der Schaar, Ein sechzehnjährig blühend Kind am Steuer; Den wilden Epheukranz im lock'gen Haar, Fast glich sie jener, die mir einst so theuer. Und plötzlich stand es vor der Seele mir, Mein ganzes Glück, mein ganzes Leid von weiland, Und tiefe Sehnsucht fiel mich an nach dir, Du meiner Jugend fernverschollnes Eiland! — — 8. Minne hält, das wilde Kind Lieder Minne hält, das wilde Kind, Einen Brauch, wie blind sie fahre, Daß ihr vierundzwanzig Jahre Lieber stets, als vierzig, sind; Altersfrost und graue Haare Treiben sie zur Flucht geschwind. Bei des Herzens Rosenfest Gilt vor aller Weisheit Schätzen Selig Stammeln, süßes Schwätzen, Lipp' auf Lippe stumm gepreßt; Geist wird nie den Mund ersetzen, Der sich feurig küssen läßt. Was verstrickte denn so jäh Einst das junge Herz Isolden, Daß sie sich mit ihrem Holden Glühend stürzt' in Schmach und Weh? Tristans Locken wallten golden, König Markes weiß wie Schnee. Darum setze dich zu Wehr, Glänzt in's alternde Gemüthe Dir der Schönheit Stral, und hüte Dich vor nichtigem Begehr; Minneglück will Jugendblüte, Und du änderst's nimmermehr. 9. Daß holde Jugend nur zur Liebe tauge Lieder Daß holde Jugend nur zur Liebe tauge, Ich weiß es wohl, und daß mein Lenz entschwand; Doch sehn' ich mich nach einem treuen Auge, Doch sehn' ich mich nach einer weißen Hand. Nach einem Auge, das mit hellerm Scheine Aufleuchte, wenn mein Tiefstes ich enthüllt, Und das in jenen bängsten Stunden weine, Wo meines sich nicht mehr mit Thränen füllt; Nach einer Hand, die hier und dort am Wege Mir einen Zweig noch pflücke, herbstesfarb, Die mir zum Rasten weich die Kissen lege, Und mir die Wimpern schließe, wenn ich starb. 10. Am zerfall'nen Burggemäuer Lieder Am zerfall'nen Burggemäuer Über'm schwarzen Fichtenhag Glüht's noch einmal auf wie Feuer, Und versunken ist der Tag. Schauernd rühren sich die Wipfel, Drunten schwillt der Rhein mit Macht, Und vom Thal empor zum Gipfel Steigt wie ein Gespenst die Nacht. Da befällt ein heimlich Grausen Mir im Dunkeln Herz und Sinn: „Steine bröckeln, Wellen brausen, Und wie bald bist du dahin!“ Schön Ellen „Nun gnade dir Gott, du belagerte Schaar! Was frommt noch, daß ich's verschweige? Wir haben nicht länger Brod noch Wein; Das Pulver geht auf die Neige. Und kommt nicht Hülfe, und kommt sie nicht bald, Den wimmelnden Feind zu bestehen, So sehn wir die Sonne, die roth dort steigt, Wohl nimmermehr untergehen.“ Lord Edward sprach's; trüb standen umher Die tapferen Waffengenossen; Schön Ellen lehnt' an des Feldstücks Rad, Vom bunten Plaid umflossen. Sie starrt' hinaus in die leere Luft, Als ob ein Zauber sie bannte, Und plötzlich fuhr sie empor wie im Traum, Ihr dunkles Auge brannte. „Nun schaut, ihr Brüder, nun schaut vom Thurm! Und habt ihr nichts vernommen? Mir däucht, ich höre ganz fern den Marsch, Den Marsch: die Campbells kommen. Ich höre die große Trommel dumpf, Ich höre des Pibroch's Weise, Wie einst am Tweed ich gesungen das Lied, So spielt in den Winden es leise.“ — „Ach, Mädchen, was redest du Traum und Trug! Vom Thurm ist nichts zu sehen, Als blaue Luft und gelber Sand Und fern des Rohrfelds Wehen. Doch unter'm Wall, da wühlt der Feind, Vieltausend Waffen schimmern; Die Äxte blitzen, mit denen sie schon Zum Sturm die Leitern zimmern.“ — — Und die Sonne stieg in die Mittagshöh, Und die Sonne begann sich zu neigen; Sie luden die Stücke zum letztenmal, Sie drückten die Hand sich mit Schweigen. Schön Ellen starrt' in die leere Luft, Ihr bleiches Gesicht war erglommen: „Ich hab's euch gesagt, und ich sag' es auf's neu, Ich hör's: die Campbells kommen. Ich höre den dumpfen Trommelschlag Zum gellenden Pibrochstone, Ich hore den schütternden Schritt auf dem Grund, Den Schritt der Bataillone.“ — „Ach, Mädchen, wir spähen und spähen umsonst; Und schon bricht ein das Verderben; Der Feind, schon legt er die Leitern an; Nun gilt's mit Ehren zu sterben! Fahrt wohl denn Weib und Kind daheim, Und ihr Hochlands-Seen und Haiden! — Und nun, Kameraden, gebt Feuer, mit Gott! Und die Schwerter hervor aus den Scheiden!“ — Und die Salve kracht', und der Sturm ward heiß, Und Dampf lag über den Wällen, Und als der Fähndrich zu Boden sank, Da faßte die Fahne Schön Ellen. „Nun steht, ihr Brüder, nun steht! Ganz nah, Ganz nah jetzt hör' ich die Weise!“ Sie rief's und sieh, da zerbarst das Gewölk, Und der Blick ward offen im Kreise. Und da blitzt es heran durch das weite Gefild, Und da kam's in Geschwadern gezogen, Mit gewürfeltem Plaid und mit Federn vom Aar, Und Englands Banner flogen; Und da brach's in den Feind, wie Hochlandssturm, Und jetzt von allen vernommen, Hoch über dem Rauch fortwogte der Marsch, Der Marsch: die Campbells kommen. Und der Feind zerstob und sie zogen in's Thor, Und Ellen sang, wie sie bliesen: „Nun sind sie gekommen, wie Feuer vom Herrn, Der Name des Herrn sei gepriesen!“ Bothwell Wie bebte Königin Marie, Als durch's geheime Pförtlein spat Mit ungebog'nem Haupt und Knie In ihr Gemach Graf Bothwell trat! Ihr schön Gesicht ward leichenweiß; Sie zuckt' und sah ihn fragend an; Er wischte von der Stirn den Schweiß Und sagte dumpf: „Es ist gethan.“ „Es ist gethan, dein süßer Mund War nicht für Buben solcher Art, Heut Abend um die achte Stund' Hielt Heinrich Darnley Himmelfahrt.“ Sie schrie empor: „Verzeih dir Gott! Nimm all mein Gold, nimm hin und flieh!“ Da lacht' er laut in grimmem Spott: „Was soll mir Gold für Blut, Marie? Ich liebe dich, und wem ich mich Der Höll' ergab zu dieser Frist: So war's um dich, allein um dich, Weil du der schönste Teufel bist. Die Hand, die einen König schlug, Greift auch nach einer Königin.“ Er rief's, und Grau'n in jedem Zug, Starr wie ein Wachsbild sank sie hin. Er hub sie auf; sie fühlt' es nicht, Daß ihr in's Fleisch sein Stahlhemd schnitt; Ihr lockig Haupthaar wallte dicht Um seine Schulter, wie er schritt. Er stieß den Ring an ihre Hand, Er schwang sie vor sich fest auf's Roß, Und jagt' ins wetterschwüle Land Hinaus mit ihr gen Dunbar-Schloß. Schwarz war die Nacht, als wäre rings Erloschen jeder Stern des Heils; Nur manchmal in den Wolken ging's, Gleichwie das Blitzen eines Beils. 1. Zu dem schönen Griechenvolke Erinnerungen aus Griechenland Zu dem schönen Griechenvolke Über's blaue Mittelmeer Schifft in dichter Schwalbenwolke Wonnevoll der März daher. Am Hymettus blühn die Wiesen, Und ein warmer Stralenguß Röthet deine Säulenriesen, Jupiter Olympius! Und wo blitzend am Gestade Der Iliß vorüberschwillt, Stehn in Veilchen alle Pfade, Grünt der Lorbeer im Gefild. Herz, wie badest du im frischen Blütenduft der sel'gen Flur! Sprich, o sprich, was soll dazwischen Dieser Laut der Sehnsucht nur? Ach, dich mahnt's in süßem Grausen, Wie durch's schnee'ge Waldgebiet Deiner Heimath jetzt mit Brausen Erste Frühlingsahnung zieht. 2. In diesen Säulengängen Erinnerungen aus Griechenland In diesen Säulengängen, Wo um vermorscht Gestein Sich tausend Blüten drängen, Wie träum' ich gern allein! Mit räthselhaften Schauern Beklemmen hier die Brust Erinnerungsvolles Trauern Und reichste Jugendlust. Wohl klagt das Herz bekümmert Um diese schöne Welt, Die rettungslos zertrümmert Gemach in Staub zerfällt; Doch spür' ich, von den Düften Des jungen Tags umglüht, Daß auch auf Göttergrüften Der Frühling wieder blüht. Granaten bringt und Reben Versöhnend jedes Jahr, Und süß ist heut das Leben, So wie's den Alten war. Ach, wäre jener Sonnen Erlauchtes Rosenlicht Nicht auch in Nacht zerronnen, So liebt' ich heute nicht. 3. Leisen Schritts durchwallt der Mittag Erinnerungen aus Griechenland Leisen Schritts durchwallt der Mittag Des Hymettus Marmorklüfte; Auf den wildzerriss'nen Kuppen Liegen brennend blau die Lüfte. Weit und breit im Felsenkessel Brütet märchenhaft Verstummen; Nur, daß in den Thymusbüschen Tausend Bienen schwärmend summen. Lautlos durch's Geröll am Abhang Klettern kurzbevließte Schafe; Unter'm wilden Lorbeerbaume Liegt der Hirtenbub' im Schlafe; Ihm zur Seite Stab und Tasche Und die rohrgeschnitzte Flöte; Durch die mandelbraunen Wangen Schimmert sacht des Blutes Röthe. Schöner Knab', an deinen Zügen Weiß ich kaum mich satt zu schauen. Um den Mund welch stiller Zauber! Welche Hoheit auf den Brauen! Traun, im alten Land der Götter Bist du selbst von Götterstamme, In ein irdisch Weib verkleidet Säugt' Erato dich als Amme. Was du träumst, sind eitel Lieder, Und es tagen von den Klippen Dir die Bienen, wie dem Pindar, Honig auf die jungen Lippen. 4. Hoch mit Orangen beladen Erinnerungen aus Griechenland Hoch mit Orangen beladen Wiegt sich das schaukelnde Boot Von Paros Felsgestaden Hinaus in's Abendroth. Die Jungfrau sitzt am Steuer Und nimmt des Segels wahr; Des Tages letztes Feuer Umsäumt mit Gold ihr Haar. Berauscht von Glanz und Düften, Das Herz in tiefer Ruh, Bedünkt mich fast, wir schifften Den sel'gen Inseln zu. 5. O sieh, wie hinterm Waldgebirge sacht Erinnerungen aus Griechenland O sieh, wie hinterm Waldgebirge sacht Ein sel'ger Schein emporquillt in die Nacht! Dort, in der Pinienwipfel Finsterniß, Den flücht'gen Wagen hemmt jetzt Artemis, Und steigt in Glanz gehüllt am Felsenhang Zum Jüngling nieder, der ihr Herz bezwang. Er schlummert ahnungslos; sie weckt ihn nicht, So lieblich glüht vom Traum sein Angesicht; Versunken läßt sie in entzücktes Schau'n Auf Wang' und Stirn ihm leise Küsse thau'n. — Wohl harren Erd' und Himmel unerhellt, Doch wer vergißt nicht, wenn er liebt, die Welt! Da schnauben kühl vom Thau die Zelter schon, Sie reißt sich los: „Fahr wohl Endymion!“ Ein einz'ger Kuß noch, und mit sichrer Hand Die Zügel faßt sie, halb zurückgewandt, Und sanft vom Hang sich lösend, über'm Tann In's Blaue, zaudernd, schwebt ihr Lichtgespann. 6. Beim Mondesuntergange Erinnerungen aus Griechenland Beim Mondesuntergange Erglänzt wie Gold das Meer, Schwarz blickt mit schroffem Hange Leukadia's Felsen her. Da taucht mir tief im Sinne Gleichwie aus Dämmerflor Von Sappho's wilder Minne Die alte Mähr' empor. Dem Volke der Hellenen Sang sie zum erstenmal Die eifersücht'gen Thränen Verlorner Liebesqual. Noch leben jene Gluten Die tönend sie durchwühlt, Bis sie in diesen Fluten Ihr brennend Herz gekühlt, Und oft bei Nacht dort oben, Wenn hoch die Wolken gehn, Das Haupt vom Kranz umwoben Sieht sie der Schiffer stehn. Gespenstisch weht ihr Schleier, Und über'm Wogendrang Im Winde schwebt zur Leier Sehnsüchtig ihr Gesang: „Schon senkt der Mond sich trübe, Die Mitternacht bricht ein; Mein Herz vergeht vor Liebe Und weh, ich bin allein!“ 7. Heute wär' ich fast erschrocken Erinnerungen aus Griechenland Heute wär' ich fast erschrocken Dir zu Füßen hingestürzt, Als du plötzlich deiner Locken Wilden Reichthum losgeschürzt. Glänzend um die schlanken Glieder Wallt' ihr fesselloser Schwall Auf des Teppichs Purpur nieder Wie ein schwarzer Wasserfall. Ach, und als du nun die braunen Räthselaugen aufwärts schlugst Und in reizendem Erstaunen, Was mich so verwirre, frugst, Als du dann zum Spiegel hüpftest Und die Schnur von Perlen dir Tändelnd um die Stirne knüpftest — O wie schön erschienst du mir! Lauschend, keines Wortes mächtig Stand ich, athemlos gebannt, Wie verzaubert in ein prächtig Märchen aus dem Morgenland. 8. Drei Palmen über'm Bronnen Erinnerungen aus Griechenland Drei Palmen über'm Bronnen, Ein braun Gefild umher, Und fern im Glanz der Sonnen Geklüft und blaues Meer. Rings weidet um die Palmen Die Heerde weiß und bunt, Und sucht nach saft'gen Halmen Am halbversengten Grund. Daneben lehnt im weiten Dichtwoll'gen Widdervließ, Ein Bild uralter Zeiten, Der Hirt am Schäferspieß. Scharf blickt er in die Runde Und pfeift dazwischen hell Dem zottig gelben Hunde, Der seiner Wacht Gesell. Der Mann, der Hund, die Ziegen, Palmbäume, Fels und See — Mir ist, als säh' ich liegen Ein Stück der Odyssee. Sah'n Himmel gleich und Erde Ihr alt Gesetz vergehn, Der Hirt mit seiner Heerde Blieb unverwandelt stehn. 9. Die Nacht war träumerisch, wir zogen Erinnerungen aus Griechenland Die Nacht war träumerisch, wir zogen Hinab des Parnes dunkle Schlucht, Da grüßt' uns plötzlich weit im Bogen Eleusis mondbeglänzte Bucht. Wir sah'n Kithärons Gipfel winken, Und unsrer Rosse Huf betrat, Die Bergwand rechts, das Meer zur Linken, Des heil'gen Wegs uralten Pfad. Hier floß, die Feier zu bereiten, Das Haupt bekränzt mit Asphodil, Dereinst der Festzug der Geweihten Bei Fackelglanz und Flötenspiel. Fromm zu Demeters Heiligthume Den Strand hin wallten sie die Bahn, Des Rebenbluts, der Waizenkrume Tiefdeutig Sinnbild zu empfahn. „In Flammen wird das Korn zum Brode, Die Traube gährt zermalmt zum Wein, Des Lebens Blüte reift im Tode.“ So klang das Chorlied durch die Reih'n. So klang's und tausend Herzen schwollen, Vom Graus der Schattenwelt befreit, Getröstet von dem räthselvollen Gedanken der Unsterblichkeit. — — Da plötzlich hielten unsre Pferde. Eleusis war erreicht; es bot Der Gastfreund uns den Platz am Herde, Und bracht uns dienend — Wein und Brod. 10. Auf Chäronea's Haide Erinnerungen aus Griechenland Auf Chäronea's Haide Im alten Schlachtgefild Liegt wie versteint im Leide Ein marmorn Löwenbild. Es mahnt, daß kühngemuthet, Wo jetzt die Disteln wehn, Im Kampf dereinst verblutet Die Jugend von Athen. O Hellas, welche Lippe Sagt, was dein Herz erlitt, Als hier des Fremdlings Hippe Der Freiheit Lilien schnitt! Was half dir da der Musen Verhängnißvolle Gunst, Im göttergleichen Busen Das heitre Licht der Kunst? Der Tiefsinn deiner Weisen, Der Sänger Lorbeerzier, An jenem Tag von Eisen, Was frommt es alles dir? Ach, krank im Kern des Lebens Von eifersücht'ger Glut, Verströmtest du vergebens Dein letztes Heldenblut. Weil du gelös't mit Pochen Des Pfeilbunds stark Geflecht, Sank, Schaft für Schaft zerbrochen, Dahin dein ganz Geschlecht. Mit eh'rnem Schluß die Zügel Ergriff Barbarenhand — O schau in diesen Spiegel, Schau her, mein Vaterland! Jugendlied Ich fuhr empor vom Bette, Darauf ich schlafend lag; Ein Schlag geschah an meine Thür, Ein Schlag und noch ein Schlag. Ein wunderbarer Schauder Geht rieselnd durch mein Blut; In's Fenster fällt ein fremdes Licht, Der Himmel steht in Glut. Ich weiß nicht, was da glühet, Ist's Früh-, ist's Abendroth? Ich weiß es nicht, hat die Liebe gepocht, Oder war es der Tod? An Jakob Burkhard Soll denn ganz zuwachsen der Pfad, den Klopstock Einst gebahnt, den griechischer Schönheit selig Hölderlin, und tönenden Schritts der ernste Platen gewandelt? Wohl mit Fug einheimischer Formen Reichthum Hat die Kunst auf's neue beseelt und machtvoll, Sein Gesetz vom Munde des Volks empfangend, Strömt der Gesang ihr. Aber dankbar ihren Erweckern, sei sie Vor'gen Kampfspiels gerne gedenk und lasse, Den sie einst helltönig verschoß, den Pfeil nicht Rosten im Köcher. Schön im Reim hinströmt das Gefühl; die Tonkunst Freut sich sein, ihn wählt die beglückte Liebe, Die im sanft antwortenden Hall ihr eignes Liebliches Bild ahnt; Doch der inhaltschwere Gedanke wiegt sich Gern, der Ernst tiefsiniger Weltbetrachtung Auf der langausrollenden, tongeschwellten Woge des Rhythmus. Ein Traum Von langer Reise kam ich heim, so träumte mir, Und trat in's Haus, mein süßes Weib — ich wußte nicht Im Spiel des Traumes, daß sie mir gestorben war — An's Herz zu drücken nach so manchem öden Tag, Und fast verging in Ungeduld die Seele mir. Doch wie ich fragte, hieß es, daß sie droben sei Im obern Stockwerk; raschen Fußes stürmt' ich denn Hinan die Treppen, aber nirgends fand ich sie. Und wieder höher wies man mich, und wiederum Von dort hinaufwärts über Stufen ohne Zahl Zu klimmen hatt' ich, bis zuletzt im obersten Geschoß ein glänzend heller Saal sich öffnete. Da saß sie zwischen fremden Blumen, stillvertieft, Das Haupt gelind zur Seite neigend, ganz wie sonst, Wenn sich in ernstes Sinnen ihr Gemüth verlor, Nur himmlisch schöner. Süße Düfte wallten rings Und solche Klarheit war umher, daß ich verstummt, Vom Glanz geblendet auf der Schwelle zauderte. Sie aber wandte, wie den Kelch im Sommerhauch Die Lilie wendet, sanft zu mir das Antlitz her Und sah mich an voll Liebe, daß das treue Licht Der braunen Augen tief mir in die Seele drang, Sie ganz erfüllend. Aber als ich nun nach ihr Die Arme breitet', ach, da war das holde Bild In Duft zerronnen plötzlich dem Erwachenden. Kühl floß der Mondschein über mein verwittwet Bett, Und heiße Thränen weint' ich in den Schooß der Nacht. Mittagszauber Im Garten wandelt hohe Mittagszeit, Der Rasen glänzt, die Wipfel schatten breit; Von oben sieht, getaucht in Sonnenschein Und leuchtend Blau, der alte Dom herein. Am Birnbaum sitzt mein Töchterchen im Gras; Die Märchen liest sie, die als Kind ich las; Ihr Antlitz glüht, es ziehn durch ihren Sinn Schneewittchen, Däumling, Schlangenkönigin. Kein Laut von außen stört; 's ist Feiertag — Nur dann und wann vom Thurm ein Glockenschlag! Nur dann und wann der mattgedämpfte Schall Im hohen Gras von eines Apfels Fall! Da kommt auf mich ein Dämmern wunderbar, Gleichwie im Traum verschmilzt was ist und war; Die Seele löst sich und verliert sich weit In's Märchenreich der eignen Kinderzeit. Am Abende Schon färbt die dunkle Nacht sich blasser, Am Strande streif' ich trüb entlang, Das Mondlicht glitzert in dem Wasser Und aus der Ferne tönt Gesang. Ich seh die Wellen sich erheben, Sie glühen in des Lichtes Pracht; Die Töne füllt ein süßes Leben, Wie sie hinwallen durch die Nacht. Ach! Wellenblitz und Ton entschwinden Dem Aug', dem Ohre wie ein Traum; Der eine in des Meeres Gründen, Der andre in dem ew'gen Raum. Ich lausche — um mich her ist Schweigen! Ich schaue — Dunkel deckt das Meer. Die Sterne nur, die ew'gen, neigen Sich über mich allliebend her. O! daß doch Deines Auges Schimmer Noch über mich erblühte so, Wenn Jugend längst und Lieb' auf immer Dem Einsam-Wandernden entfloh. — Das Lämpchen Das Lämpchen streut durch die Kapelle Am Wege dort sein mattes Licht! Die goldne Fluth der Tageshelle Verschlingt die kleine Feuerwelle, Den Blick des Wandrers trifft sie nicht. Und soll ihn doch zur Andacht rufen, Soll fragen, ob er rasten mag, Der an des Gotteshauses Stufen Vorübereilt mit Rosseshufen, So lang ihm scheint der lichte Tag. Da steigt die Sonne müde nieder Von ihrem Thron im Himmelssaal, Gemach verrauscht der Strom der Lieder, Der dunkle Wald hallt nicht mehr wieder, Die Schatten senken sich in's Thal; Und klimmen wieder vom Gelände Die steile Bergeshöh' zurück, Ausbreitend ihre dunklen Hände, Bis See und Wald und Felsenwände Lichtlos entschwunden sind dem Blick, Bis alles deckt ein dunkler Schleier! Nicht Alles — sieh des Lämpchens Licht, Es leuchtet mild, es strahlet freier, Mit Glanz erfüllt es das Gemäuer, Der weithin durch das Dunkel bricht. Der Wandrer sieht's von ferner Stelle, Er folgt dem Licht, es lockt ihn mild, Er steht bewegt an dunkler Schwelle: Da schaut ihn an aus Himmelshelle Des gnadenreichen Heilands Bild. Das Burgfräulein zu Tulifer Im Burggemach zu Tulifer Sitzt Fräulein Sigelind Und denket hin und denket her Das liebe zarte Kind. Ihre Wange glüht Wie Rosenblüth! Das Haupt gesenkt, Die Brust beengt, Was Fräulein Sigelind doch träumt und denkt? Sie wüßte gern, was Liebe wär', Hat Keinen, der's ihr sagt; Das Burgfräulein zu Tulifer Hätt' schon danach gefragt. So sitzet sie Seit Morgenfrüh' Den ganzen Tag Im Burggemach Und seufzet jezuweilen und denket nach. Und als die Stern' am Himmel glühn, Da fällt's ihr endlich bei; Die alte Amme fragt sie kühn, Was Ding' die Liebe sei? Die Alte hört Was sie begehrt, Denkt hin und her, Erseufzet schwer Und spricht: „Das lehr' ich Euch nun und nimmermehr.“ Das Burgfräulein zu Tulifer Drauf schnell und unmuthsvoll: „Und zögerst Du, so weiß ich, wer Es doch mir sagen soll. Herr Dagobert, Der Vater kehrt Beim Morgenschein Hier bei uns ein, Den will ich fragen. So soll es sein!“ Und da die Amme solches hört, Wird sie vor Schrecken blaß. Hätt's nun Siglinden gern gelehrt, Weiß sie schon nicht recht was. Doch alle Müh' Verschwendet sie, Denn Sigelind, Das holde Kind, Will nichts mehr hören, wie sie's auch beginnt. Am Brückenthor zu Tulifer Steht Sigelind schon früh, Erwartend daß der Veste Herr Daher des Weges zieht! Nach langem Krieg Gekrönt vom Sieg Zieht er heran, Und Mann für Mann Ziehn Krieger und Edelknaben ihm voran. Den ersten in dem langen Zug, Halb Mann schon, halb noch Kind, Der hoch die Siegesfahne trug, Ihn schaute Sigelind. Hat drauf so heiß Den Siegesgreis Und laut begrüßt, Geherzt, geküßt, Daß sie ganz vergaß zu fragen, was Liebe ist. Die Meisterstunde Am Morgen schallt's von kräft'gen Hieben In Salamancas Waffensaal; Rappiere blitzen, Funken stieben, Begierig sucht der Stahl den Stahl. Scherzworte fliegen durch die Menge, Der Klinge folgt der Spott in's Ziel; Der alte Meister im Gedränge Bewacht und lenkt das Waffenspiel. Wie da in freudigem Behagen Die jugendlichen Wangen glühn; Wie rasch die jungen Herzen schlagen, Die Blicke Gluth und Feuer sprühn. Als kämpften sie um Tod und Leben, So wacker hauen sie darein. Das ist das Glück der Jugend eben, Die kämpfet noch um goldnen Schein! Und wenn des Mittags karge Schatten Sich leis entfalten, wenn zu Thal Die Sonne kehret, dann ermatten Die Kämpfer in dem Waffensaal. Dann lobt der Meister wohl die Hiebe, Ermuntert hier, belehret dort, Und Jeder horcht mit Ernst und Liebe Des werthen Manns verständ'gem Wort. Doch heute unterbrechen Tritte Des Alten Rede. Durch die Thür Herein tritt mit bescheidnem Schritte Ein Jüngling, Salamancas Zier; Der grüßt den Meister, die Genossen, Und spricht: „Der Klingen guter Klang Ist lockend mir ins Ohr geflossen, Nicht widerstehn konnt' ich dem Drang, Auch einen Gang mit Euch zu machen! Nun sagt, wer gönnt die Ehre mir?“ Doch Alle sehn ihn an mit Lachen Und keiner greift nach dem Rappier. „Dir trete wer da will entgegen,“ So rufen sie im lust'gen Chor, „Uns lüstet nicht nach Deinen Schlägen, Die Heil'gen schützen uns davor.“ Der Meister hört das Wort der Jungen Und wie's den edlen Jüngling ehrt. Zu Herzen ist ihm das gedrungen, Denn ihn vor Allen hält er werth. „Ihr“, spricht er, „seid mein guter Schüler, Ein bess'rer ward mir nicht bislang, Fest in der Hand, ein sich'rer Zieler — Kommt! laßt uns machen einen Gang.“ Die Schüler stellen sich zum Ringe, Begierig auf das Wettgefecht; Die Kämpfer prüfen Heft und Klinge Und legen sich zum Hieb zurecht. Drauf kreuzen sie der Waffen Spitzen, Schaun sich ins Auge unverwandt; Ein Wink nun — und die Klingen blitzen Und tanzen in der Fechter Hand. Man sieht nicht leicht zwei bessre Degen Sich streiten um den Siegespreis! Wie dröhnt es von des Jungen Schlägen, Wie kunstgerecht parirt der Greis! Schon glühen von dem kecken Spiele Der Fechter Stirn und Wange heiß. Bewegt von wechselndem Gefühle Schließt enger sich der Schüler Kreis. Hei wie das schwirrt und flammt und schmettert Gedankenschnell, mit Lichtes Eil': Wie jeder Schlag hernieder wettert, Lauttönend wie ein Donnerkeil. Wie immer näher, immer dreister Des Jungen Schwert den Greis umsaust, Da — weh — der Schüler schlug dem Meister Die Waffe weithin aus der Faust. Der Alte folgt mit starrem Blicke Der Klinge nach und ihrem Flug, Dann tritt er einen Schritt zurücke Und mißt den Gegner, der ihn schlug. Auf seine hohe Stirne steigen Abwechselnd Bläss' und dunkle Gluth; Die Schüler steh'n in tiefem Schweigen, Erwartend was der Meister thut. Der zwingt hinab des Unmuths Welle, Schon heiter glänzt sein Angesicht; Noch steht er auf derselben Stelle Bewegungslos und redet nicht, Bis er des Andern Stimme höret, Der fröhlich ruft: „Noch einen Gang!“ Da hat er sich zu ihm gekehret Und schaut ihn freundlich an und lang. Reicht seine waffenlose Rechte Dem Jüngling dar und spricht sodann: „Ich ward besiegt in dem Gefechte, Ein Thor war ich, daß ich's begann, Laß ruhn die Waffen. Meine Glieder Sind müde von des Lebens Gluth, Die Kraft der Jugend kehrt nicht wieder, Jung bleibt das Herz nur, und der Muth. Ich habe Deine Kraft gemeistert, Bis sie den Meister selber zwang. Nun denn! für Ehr' und Recht begeistert, Beginne Deines Lebens Gang! Und das sei Deiner Waffe Weihe, Daß sie für alles Hohe kämpft, Daß sie dem Schwachen Schutz verleihe Und Niedertracht und Bosheit dämpft. Willst Du für diese Güter fechten, So schlag' in die gebotne Hand!“ Und treu vereint die edlen Rechten, Stehn sie, sich liebend zugewandt; Die Schüler aber in der Runde Stehn tiefergriffen allzumal. Das war des Meisters Meisterstunde In Salamancas Waffensaal. Hab' Acht! (Der vorsichtige Zecher) Die Liebste, die mir labt den Gaum, Die Werthe sonder Gleichen, Die wohnt im kühlen Kellerraum Und tägt ein Kleid von Eichen; Sie tägt ein Mieder reich besetzt Mit Bändern auf dem Leibchen, Ist rundlich, voll und untersetzt, Ein allerliebstes Weibchen. Geh' ich vorbei an ihrer Thür, So öffnet sich die Klinke Ich weiß nicht wie. Sie winket mir Mit ganz famosem Winke. So helf mir Gott! ich tret' hinein In ihre dunkle Klause. Manch' Einem würd' es graulich sein; Ich bin da wie zu Hause. Sie schenkt mir ein! nicht schmächt'gen Strahl, Nicht zierlich und ästhetisch, Nein! wie es braust vom Berg ins Thal, Großartig, majestätisch. Es spritzt der Schaum mir in's Gesicht Und netzt mir beide Hände; Sie gießt und gießt und wend't sich nicht, Bis ich mich selber wende. Ich zechte gestern, zeche heut, Ich komme alle Morgen; Die Liebste hält den Trunk bereit, Ich brauche nicht zu sorgen. Sie schenkt mir ein — ich trinke leer, Sie ist nicht zu ergründen; Sie schenkt mir ein — ich trinke mehr, Bis mir die Sinne schwinden. Die Freunde sprechen wohl: „Hab' Acht, Das nimmt ein End' mit Schrecken!“ Ich hab' der Rede nachgedacht, Kann nicht den Grund entdecken. Sie achten mich für gar zu dumm; Ich weiß, was ich verstehe: Ich drehe stets den Hahn herum, Eh' ich nach Hause gehe. Friederike Brion an Goethe Stand auf meines Hauses Schwelle, Schaute still zum Mond hinauf, Und ein Stern von seltner Helle Ging am Himmel plötzlich auf. Alle andern ließ ich schweben, Schaute nur zu ihm so gern: Leuchte mir in meinem Leben Ewig, ewig, schöner Stern! Und das Sternlein hat so eigen Auch zu mir herabgeschaut; Mußt' ihm ganz mein Innres zeigen, Hab' mein Herz ihm ganz vertraut. Thal und Herzchen sich erhellten, Lächelte er nur von fern: Senkt euch nieder, andre Welten, Leuchte du nur, schöner Stern! Doch das Sternlein zog von hinnen Und verließ mein armes Thal; Da zerrann mein selig Minnen Und mein Traum mit einem Mal. Thränen zwar mein Auge feuchten, Doch nicht zürn' ich meinem Herrn: Sollst ja einer Welt noch leuchten, Fahre wohl denn, schöner Stern! Warst für mich ja zu erhaben. Groß doch war's, an deiner Pracht Wonnevoll sich still zu laben Ach! nur eine sel'ge Nacht. Preis und Ruhm wirst du erwerben, O! dann denk' ich dein so gern, Dich verehrend will ich sterben: Fahre wohl denn, schöner Stern! Mit dem Frühroth muß ich scheiden Mit dem Frühroth muß ich scheiden, Schlafe sanft, Geliebte mein! Durch die alten grauen Weiden Zieh' ich meinen Pfad allein. Kann ich nicht das Schicksal wenden, Das mich eilig von dir trieb, Will ich meinen Gruß dir senden: Wie, wie hab' ich dich so lieb! Schallt es Antwort aus den Bäumen? Welch ein schmerzlich süßer Klang! Denkst du mein in deinen Träumen? Grüßest mich durch Vögleins Sang? Durch die Weiden mir zur Seite Tönt als Trost, der mir verblieb, Klingt als wonniges Geleite: Wie, wie hab' ich dich so lieb! Sei bedankt mir, holder Sänger, Für dein freundliches Geleit. Doch nun raste hier nicht länger, Flieg' zurück zu meiner Maid; Mach' dich eilig auf die Reise Zu dem holden Herzensdieb, Sing' auch ihr die alte Weise: Wie, wie hab' ich dich so lieb! Ich hab' einen Ring von Golde Ich hab' einen Ring von Golde, Drin glänzt ein heller Stein. Gern steckte ich dir, du Holde, Den Ring an's Fingerlein. Ich hab' eine Leier, besaitet Mit Sehnen, wie Glocken so klar. Wenn drüber mein Finger gleitet, Ertönen sie wunderbar. Ich hab ein Herz, drin brauset Von Liedern ein ewiges Meer. Das seufzet und murmelt und sauset, Wie ich dich liebe so sehr. Und Ring und Leier und Lieder, Mein eigenes Herz dazu Leg' dir zu Füßen ich nieder Und singe: „Wie schön bist du!“ Und nimmst du den Ring nicht, du Holde, Dann werf' ich ihn tief in den Rhein. Beim Nibelungengolde Mag er begraben sein. Dann werd' ich ein Spielmann und reise Und singe zu jeder Zeit Die Nibelungenweise, Daß Liebe lohnet mit Leid. O laß dein Haupt noch lehnen O laß dein Haupt noch lehnen An meiner wogenden Brust, Daß meinem heißen Sehnen Nun folge selige Lust; Daß ich in süßem Gekose Besiegle den heimlichen Bund, Daß ich die duftigste Rose Mir pflücke von deinem Mund. Und doch — da wieder und wieder Mein Arm dich nun umschlingt, Durch alle meine Glieder Ein heiliger Schauer dringt. Mich mahnt es leis, du Traute, Der Sage aus alter Zeit: Wer je Frau Nerthus schaute, Der war dem Tod geweiht. Als ob ich sterben müßte, Schreckt deine Schönheit mich; Doch seit dein Mund mich küßte, Wie selig stürbe ich! Unter blühenden Bäumen Unter blühenden Bäumen Hab' bei schweigender Nacht Ich in seligen Träumen Dein, du Holde, gedacht. Duftend streute die Linde Blüten nieder zu mir; Schmeichelnd kosten die Winde Wie ein Grüßen von dir. Und ein himmlisches Singen Schien vom Sternengezelt Leis herniederzuklingen Durch die schlafende Welt. Wie ist's so still in meiner Brust ... Wie ist's so still in meiner Brust geworden, Die eben noch ein wilder Sturm durchdrang! Wie löst sich nun in friedlichen Accorden, Was jüngst in jäher Dissonanz erklang! Der Kampf der Leidenschaft ist ausgerungen, Geläutert schweigt die flammende Begier; Ein süß Gedenken hält uns noch umschlungen, Doch schon zum Jenseits wandelt sich das Hier. Es schwebt dein Bild vor mir in lichter Ferne Und ist mir doch auf Erden noch so nah; Ich schau' zu ihm, wie zu dem Morgensterne Nach banger Nacht nur je mein Auge sah. Und wie die Brust sich frei und freier weitet, Da fühl' ich wie aus himmlisch heitren Höhn Den Frieden Gottes über mich gebreitet, Und ach! im Frieden Gottes ruht sich's schön. O lass' mich seinem süßen Zauber lauschen, So labend mild nach ausgerungnem Streit, Lass' mir des Himmels Palmen leise rauschen Von kampflos ungetrübter Seligkeit. Ich weiß dies Wohlgefühl noch nicht zu deuten, Des Herzens Stille noch nicht zu verstehn, Doch ist's, als hört' ich Friedensglocken läuten, Zur ew'gen Sabbathsruhe einzugehn! Zwei Geiger Welch reges Getümmel im Prater zu Wien? Wie fröhlich die Paare vorüber dort ziehn, Wie rauschen die Kleider, wie schreitet das Roß, Wie lärmt der Kinder vergnüglicher Troß. Schon sinket die Sonne. Durch zitterndes Grün Läßt einmal noch purpurnen Schimmer sie glühn; Schon schicken zur Heimkehr die Paare sich an. — Was thränt dir das Auge, du greisiger Mann? Wer bist du, du Stelzfuß, zerlumpt und bestaubt, Entblößt das weißlockige, narbige Haupt? Was streichst du die Geige? Den Bogen umspannt Ja eine verstümmelte, zitternde Hand. Ein zottiger Pudel, dein wachsames Thier, Den Filzhut im Maule, stumm neben dir? Er spähet wie du schwermüthig umher, — Sie kommen und gehen, der Hut bleibt leer. Kein Kreuzer fällt heute für dich hinein, — Wie dächten die glücklichen Menschen auch dein! Was kümmert denn sie des Hungernden Noth, Sie kannten ja niemals die Sorge um Brot. Dich dauert dein Pudel? Der findet vielleicht Noch einen Knochen, wann heim ihr schleicht, Wo nicht, so legt ihr euch hungernd zur Ruh Und decket mit Stroh und Betrübniß euch zu. Es zittert die Wange, von Gram umflort, Die einst bei Marengo die Kugel durchbohrt; Du sehnst dich ermüdet nach einem Sitz, — Es schmerzen die Wunden von Austerlitz. Der Hand entgleitet der Bogen jetzt, Sie ward ja im Kampfe bei Aspern zerfetzt; Du sinkest hernieder zum moosigen Stein, — Dir nahm ja bei Leipzig die Bombe das Bein. Es stiehlt sich ein Thränlein hinab in den Sand; So lohnet, denkst du, das Vaterland. Es spähet wie du dein Pudel umher, — Sie kommen und gehen, der Hut bleibt leer. Doch horch, wie jäh in den Sträuchern es rauscht, Dort naht — er hatte dir lange gelauscht — Ein wild umblickender, ernster Mann Und tritt mit barschem Gruße dich an. „Gebt mir die Geige!“ So streng sein Gesicht, Zu weigern wagst du dem Fremden nicht; Er stimmt und stimmt sie so glockenrein, Du hältst sie selber nicht mehr für dein. Und wie er streichet, — hei, welch' ein Klang! Das tönet ja lieblich wie Elfensang. Und mälig sich jetzt sein Antlitz erhellt: „Ich geige, College, nehmt Ihr das Geld.“ Wie schwebet der Bogen, wie klinget der Schall, So klagt die Syringe, die Nachtigall, So schwärmerisch traurig, so liebebeglückt; Es lauschen dem Geiger die Hörer entzückt. Sie ahnen, weshalb er den Bogen führt, Sie greifen zum Beutel, auf's Tiefste gerührt; In den Hut so Kupfer, wie Silber rollt, Dazwischen auch manch hell klingendes Gold. Und immer süßer die Weise schwillt. Sie spricht von ländlich heiterm Gefild, Wo einst ein trauliches Hüttchen stand Und Gattenliebe zwei Herzen verband. Und jetzt, jetzt grollt sie so dumpf und schwer: Es wogt heran das feindliche Heer; Zu sterben gilt es für's Vaterland; Hei, wie sie ringen auf blutigem Sand. Der Spieler blicket so ernst und barsch. In Asdurweise ein Trauermarsch Jetzt durch die klagenden Saiten zieht, Den tapfren Helden ein Todtenlied. Und wieder nach dumpfem, traurigem Klang Ein hell aufzauchzender Jubelsang; Wie zittern die Töne so süß, so leis, — Sie singen des Friedens lieblichen Preis. Sie jauchzen, sie schwelgen, sie schlagen alsdann Das „Gott erhalte den Kaiser“ an; Und zu der Saiten herrlichem Klang Tönt tausendstimmiger Menschensang. Der Spieler giebt die Geige zurück, Der Arme will danken für solches Glück, Doch eh' er noch stammelt ein einziges Wort, War Paganini schon weit, weit fort. Geschiedensein Ihr Wolken, ihr ziehet — Ach, zög' ich mit euch! Ihr Winde, ihr fliehet — Ach, flög' ich mit euch! Fort, fort in die Weite Voll heißer Begier; Denn hier, wie so leide, So leer ist's mir. Wo ich ihn muß missen, Den Innigen mein, Da bin ich gerissen Vom eigenen Sein, Zerschnitten mein Herze, Die Hälften zerstreut; In zuckendem Schmerze Hinsterben sie beid'. Sein Herz ist und meines Ein einziges nur, Uns beiden nur Eines Erschuf die Natur, Erschuf es uns Beiden Zum reinsten Verein; Wie sollten wir's leiden, Geschieden zu sein? Ein Dieb In mein Auge schwang sich ein Dieb, Sagte nicht: „O gönne mir, o gib!“ Schwang sich in mein Herz hinab, wo tief, Tief geborgen eine Perle schlief; Und dahin ohn' alle Müh' und Kunst Rafft er sie, die Perle meiner Gunst. Unerhört behender, arger Dieb, Strahlenblitz vom Auge meines Lieb! Bange fleht' ich diesen argen Dieb: „Meine Perle gib zurück, o gib! Tief hinabgebettet in die Nacht, Laß sie ruhn in ihrem alten Schacht! All' dahin ist Friede mir und Lust, Seit sie mir gerissen aus der Brust.“ Jeder heißen Bitte war er taub; Es behielt der Räuber seinen Raub. Allzu mitleidloser, arger Dieb, Strahlenblitz vom Auge meines Lieb! Jetzo fleht' ich diesem argen Dieb: „Tödte mich, ein rasches Ende gib! Sich in Zorn verkehren und in Haß Deine lächelnd-kalte Milde laß! Wandle dich in einen Todespfeil, Mache tödtend meine Seele heil!“ Doch es sendet dieser holde Born Meiner Leiden keinen Haß und Zorn; Milde stahlt er, milde wie vorher, Aber Liebe schenkend nimmermehr. Und verhauchend in die leere Luft Meines Sehnens, meiner Seele Duft, Ohne Huld- und ohne Zorngewinn Sink' ich in die Grube langsam hin. Allzu grausam mörderischer Dieb, Strahlenblitz vom Auge meines Lieb! Der Stein am Wege Ich bin — womit verschuldet' ich dies Loos? — Der Stein am Wege, den ein Jeder tritt, Wie mir ihn nahe bringt sein Wanderschritt; Wär' ich nur hart auch und empfindungslos, Wie er es ist, der todte, kalte Stein! Mir aber gab die Macht, die mich ins Sein Gerufen hat, ein fühlend Herze mit. In dem wird ewig nur der Jammer wühlen, Zur Schmach bestimmt, zum Schmerze nur zu sein, Da gnadelos mich Alles rings verkennt; Nur Thränen werden mir die Flamme kühlen, Die tödtliche, die mir im Innern brennt. Erbarme dich, o Gott, so großer Pein! Zerschlage, meine Seele freizugeben, Die Schranke, die sie schließet in dies Leben, Dies traurige, unwürdige, hinein; Umdüstere des Geistes hellen Schein, Bedünk' er auch von dir entstammt zu sein, Mit dunkler Nacht! Es zeigt sein scharfer Blick Mir nur mein Elend. Gönne mir das Glück, Ins öde Nichts gelinde zu verschweben, Und rufe mich ins Dasein nie zurück! Nur Ruhe, Ruhe sehn' ich mich zu finden; Kannst du sie nicht mit dem, was ist, verbinden, So laß sie, diese Schlange mich, die Leben Geheißen ist, nie wiederum umwinden, Die schreckliche! Mich in den wahren Stein Am Wege wandle, den ein Jeder tritt, Doch ohne ihn dem Schmerz, der Schmach zu weihn! Denn nicht, wie mir, in das lebend'ge Sein, Gabst du ins todte ihm ein Herze mit. Kleine Leiden Heiligen und großen Schmerzen Wird mein Herz sich nie versagen; Ferne halte nur ein Gott ihm Die gemeinen Erdenplagen! Was erhab'ne Mächte senden, Träglich ist mir's und vertraut; Jene nur sind das Verhaßte, Feindliche, wovor mir graut. Heil den Helden, die ihr Leben Schließen auf dem Bett der Ehren; Ihnen Heil, die in den Flammen Sich als Märtyrer bewähren! Welch' ein Segen in dem Leide, Welche Lust in letzter Noth, Wenn ein Opfer für's Geliebte Unsre Qual und unser Tod! Doch wie selten ist's gestattet, Schön zu leiden, schön zu enden, Aufzufahren in den Himmel, Siegespalmen in den Händen! Wie zermalmend, all' sein armes, Dunkeles, verlornes Sein Hinzuopfern einer langen, Würdelosen Lebenspein! Sonst und jetzt Sonst, wenn sich eine Qual In meine Liebe mischte, Da war's der Muse Hand, Die mir sie sanft verwischte. Weckt' ein zerstörtes Glück In mir ein herbes Sehnen, So gab ein güt'ger Gott Mir einen Strom von Thränen. Und, wenn ich allzu trüb, Nicht Lied noch Thräne siegte, War's doch zuletzt der Schlaf, Der mich in Ruhe wiegte. Jetzt will der Schmerz nicht mehr Auf den gelinden Schwingen Süß klagenden Gesangs Sich meiner Brust entringen. Nicht eilt die Zähre mehr Zu feuchten meine Wange; Ein ungeweintes Weh Weiht mich dem Untergange. Nicht mehr zu Hülfe kommt Mit seinem Mohn der Schlummer; Der Seele Klarheit schärft Ohn' Ende meinen Kummer. Es ist der Liebe Tod, Den ich im Herzen trage, Ein Tod, so kalt und dumpf Wie der im Sarkophage; Ein Tod, so alles Lichts, So aller Labe bar, Daß nur die tiefe Nacht, Die mich umschauert, klar. Fragen Wird es denn nie im Menschenbusen lichte? Wird edles Hoffen ewig zum Gedichte? Gibt es denn nichts, was einmal doch den Mächten Der Menschlichkeit ein dauernd Reich errichte? Nichts, was die Drachenhäupter heil'gen Wahnsinns, Die endelos aufdräuenden, vernichte? Nichts, was zu wandellosen Strahls Beglückung Der Schönheit wonnevollen Tag verpflichte? Nichts, was von Schmachgedächtnißmalen säubre Das fleckenvolle Buch der Weltgeschichte? Wie gerne wiederhaben möchtest du's Ein nahe dir verbundnes Wesen hast du Wol oft gescholten, oft vielleicht mishandelt In deinem Zorn — nun hat es Der Tod hinweggerafft; da draußen liegt es, Hineingesenkt ins kalte, dunkle Grab. Wie gerne wiederhaben möchtest du's, Mit allen seinen Fehlern und Gebrechen, Wie gerne würdest du Es dulden, schonen, tragen sänftiglich, Gäb' es die Gruft heraus, die schauervolle, Wär es dir wiederum, Wie es gewesen, hold-lebendig nah. Die Glücklichen Ach, sie begreifen nicht, wie ich mich sehne, Zu rasten in des Grabes stillem Frieden; Weil ihnen ein so reines Glück beschieden, So glauben sie an keine Schmerzensthräne. Ihr Sein ist eine heit're Morgenscene, Da sind sie leicht mit Gott und Welt zufrieden; Indessen ich, so arm an Trost hienieden, Mit Nacht bedeckt die ganze Schöpfung wähne. Man sei nur ohne tieferes Empfinden, Frei von Gedanken nur, von allzu hellen, Um es auf Erden allerliebst zu finden. Was hätte die Philisterin zu leiden, So lang sie sich in Prachtgewande kleiden Und göttlich amüsiren kann auf Bällen! Mein Lied Das Lied, das ich im Folterschmerz Zerreißender Gefühle sang, Ein Seufzer war's, ein Jammerlaut, Der sich von selbst der Brust entrang. Und was da tönte, wenn die Lust Der Liebe mich zum Himmel trug, Es glich dem hellen Jubelton Der Lerch' in ihrem Ätherflug. Der Wille war so ferne mir, So ferne jeder Vorbedacht; Es hat zu meiner Dichtergluth Mich ein geneigter Gott entfacht. Ich beuge mich der hohen Macht, Die mich, so arm, so klein ich bin, Zu ihrem Werkzeug auserseh'n, Geweiht zu ihrer Priesterin; Die Gram und Leiden, so die Welt, Die feindliche, mir auferlegt, So lind beschwört, indem sie mir Das Saitenspiel der Brust erregt. Ertöne, gottgebornes Lied, Nimm zum Azure Deinen Lauf, Kling' an des Himmels Pforten an! Sowie Du klingst, sie springen auf. Wo ist die Wahrheit Die Wahrheit ist in's Meer hineingefallen; Wer mag sie finden in den feuchten Hallen? Vernimm jedoch, wie hehr Rauscht Dir das Meer! Zu Deinem Ohr Aus seiner Wogen ungeheurem Wallen Ringt sich — laß ihn nur nicht umsonst verhallen! — Dir ein gewaltiger Wahrheitslaut empor. Die Wahrheit ist geworfen in die Winde; Wie ist zu glauben, daß sie Jemand finde? Doch athme nur! Die Luft, Wie voll von Duft; Wie frisch ihr Hauch Durch Wald und Feld und liebliche Wiesengründe! Da weht Natur zu Dir so lieb und linde Das Wort der Wahrheit in den Winden auch. Die Wahrheit ist versunken in die Erden; Wie mag sie da herausgegraben werden? — Doch aus der Erde Nacht Steigt welche Pracht! Da will Natur, Die blühende, Dich machen zum gelehrten, Doch mit gelehrtem Wuste nicht beschwerten Ergründer ihrer holden Wahrheitsspur. Die Wahrheit ist in alles Sein verloren, Und darum auch so selig eingeboren In Alles ohne Geiz. Was voll von Reiz, Was groß und gut Im Reich des Seins — Dir sonnenhell entfloren, Mit jedem Deiner Sinne hold verschworen, Wird es lebendiger Wahrheit Strahlengluth. Der sterbende Sachse Hingebettet in des Feldherrn Zelt Lieget todeswund ein Sachsenheld. Düster blicket der Gefährten Schaar Auf den Edlen, der ihr Abgott war. Es erstirbt im Munde Wort und Ton, Denn sie wähnen, er sei Leiche schon. Doch er regt sich wiederum, und leis Gehen Freudenrufe durch den Kreis. Lebenshauch kehrt in die Brust; es strahlt Hell der Blick, d'rin letzte Kraft sich malt. Daß er reden wolle, kündet er, Und sie horchen schweigend all umher. „Bald, ihr Brüder, bin ich grabesstill; Doch nicht hier ist's, wo ich enden will. Bringt mich hin in unsrer Götter Haus, Tragt mich in den heil'gen Wald hinaus!“ In den Hain, da Keiner widerspricht, Trägt man ihn noch vor dem Morgenlicht. Wenig schaut sein brechend Auge mehr, Doch erkennt er noch den Hain so hehr; Und wie's über ihm im Haine rauscht, Götterruf ist's, den sein Ohr belauscht: „Der du warst so heldenstark, als fromm, Komm herauf in unsere Arme, komm! Dir erschlossen ist Walhalla's Thor, Dich empfängt ein Heldengeisterchor. Auf zu uns in das erhab'ne Reich, Dem kein anderes an Wonne gleich!“ Selige Lust thun seine Züge kund, Wie ihn alos grüßt der Götter Mund. Er erstarrt; der Sonne steigend Licht Röthet eines Todten Angesicht. 2. Es ist ein Ort, da wär' ich Lieder Es ist ein Ort, da wär' ich So süß befreit von meinen Trauerlasten; An Deiner Brust, Geliebter, Ist dieser Ort, da möcht' ich ruh'n und rasten. Noch einen andern weiß ich, Wo Ruhe wohnet; soll sie mir nicht werden An Deiner Brust, so werde Sie mir an dem! Es ist der Schooß der Erden. Kein dritter ist. Begehrst Du Mich fern zu seh'n vom finstern Erdenschlunde, So nimm mich an Dein Herze, Daß ich an ihm zu Licht und Lust gesunde! 4. Du wirst nicht kommen — allzu bitt'res Wort Lieder Du wirst nicht kommen — allzu bitt'res Wort, Wie Tod so bitter und Vernichtungsharm! Denn nur an Deiner Brust, in Deinem Arm Ist meiner Sehnsucht stiller Ruheport. Wie leid' ich ohne Dich, o Du, mein Hort, Mein Einziger, wie krank bin ich, wie arm! Ich möchte fort aus diesem Menschenschwarm, Von diesem Orte, diesem schönen, fort. Warum? — Es fehlet Deiner Augen Licht. Wohin? — Zu Dir? — Das darf und kann ich nicht Da spricht die Welt ein hartes, kaltes Nein. Mit Welle, Wind und Wolke möcht' ich zieh'n, Mit Deinem Bild in eine Wildniß flieh'n Und sterben dort mit ihm und mir allein. 10. Zürnst Du mir? Es sei! Zu bitten hab' ich Lieder Zürnst Du mir? Es sei! Zu bitten hab' ich Diese Bitte nur, die eine: komm! Heg' und pflege Deine Düsternisse Nur nicht einsam und alleine; komm! Laß sie hier in meiner Zelle toben, Deine Stürme; mir in's Angesicht, Offen, ohne Schonung, laß sie blitzen, Deine grimmen Wetterscheine; komm! Sie gelinde zu begüten, hoff' ich; Nahe werden mir mit ihrem Schutz Gute Götter sein. Zu bitten hab' ich Diese Bitte nur, die eine: komm! 12. Nicht der Harm der Trennung ist es Lieder Nicht der Harm der Trennung ist es, Was da macht, daß mir vor Wehe Fast die Brust zerspringt; der Liebe Maßberaubtes Feuer ist's. Trennung, — giebt es die für uns noch, Da wir uns so tief geeinigt, Da wir uns so ganz verschmolzen In unendlich heißer Minne? — Nicht für eine Spanne Zeit, Nein, wir haben uns gefunden, Nein, wir haben uns umwunden Für die ganze Ewigkeit. Immer, immer bist Du nahe, Ob du mir auch noch so ferne; Nimmer, nimmer bist Du weit; Dich so traut im Arme halt' ich, Schmiege mich an Dich so innig; Mit so voll lebend'ger Wahrheit Deine Kußgewalten fühl' ich — Zwar, es ist ein Traum, alleine Nicht ein leerer, es verleiht Uns'rer Seelen, uns'rer Sinne Inn're, magische Vermählung Ihm den Werth der Wirklichkeit. Nicht der Harm der Trennung ist es, Was da macht, daß mir vor Wehe Fast die Brust zerspringt; der Liebe Maßberaubtes Feuer ist's. Ach, so lange mußt' ich bangen, Ach, so lange mußt' ich darben; Jetzo, da sie, diese Wonne, So gewaltig auf mich einstürmt, Ist mein Herz, sie zu ertragen, Kaum befähigt. Seufzer ringen Sich hervor aus meinem Busen, Aus dem Auge quellen Thränen Und verschleiern meinen Blick. Und so muß mein Wesen häufig Dir ein dunkles Räthsel scheinen. Krank bin ich durch Liebessegen, Bin erschüttert, bin gebrochen, Bin gefährdet durch mein Glück. Nicht der Harm der Trennung ist es, Was da macht, daß mir vor Wehe Fast die Brust zerspringt; der Liebe Maßberaubtes Feuer ist's. Eingang und Ausgang Hinauf, hinauf, hinauf Durch die Wolken im Siegeslauf Schwingt sich die hoffende Liebe empor, Und jubelt hinein in der Seligen Chor, Und trinket Äther und Sonnenschein, Und des Glückes will gar kein Ende mehr sein! Hinab, hinab, hinab In's schweigende düstre Grab Sinket, verwirrt im tiefsten Sinn, Die getäuschte, betrogene Liebe hin, Und fristet die Tage in Weh' und Pein, Und der Thränen will ach! kein Ende mehr sein! Das Schicksal Du wandelst selig in der Schöpfung Räumen, Und dich ergreift ein namenlos Entzücken; Was lebt, du möchtest an dein Herz es drücken, Vor Liebe will die Brust dir überschäumen. Doch kannst du nicht vermeinen, tausend Keimen Zu schaden, sie mit deinem Fuß zu knicken, Zahllose frohe Wesen zu ersticken, Die gleich dir selbst den Reiz des Daseins träumen. So zieht das Schicksal durch das Menschenleben, Indem es oft die schönste Saat verheeret. O lerne denn dich in Geduld ergeben: Es zürnet nicht, wenn es ein Glück zerstöret, Und, seine großen Zwecke anzustreben, Nicht viel an deine kleine Welt sich kehret! Der Abendhimmel Wenn Sterne sanft vom Himmel niederschauen, Verliert mein Herz sich oft in süßen Träumen; Und freudig schwebt es zu den Wolkensäumen, Zur fernen Höh', mit ahnendem Vertrauen. Gleich Perlen, die vom Auge niederthauen, Wenn Sehnsüchtswünsche in der Seele keimen: So dringen auch aus hohen Himmelsräumen Die hellen Thränen aus umwölkten Brauen. Der Himmel will die Erde liebend grüßen: Er fleht sie an, ihn milde zu erhören, Mit ihrer Huld sein Dasein zu versüßen. Die Erde hört sein dringendes Begehren, Hat ihre Liebe freundlich ihm verhießen, — Und wonnevoll erglänzen seine Zähren. Beruhigung O wolle nicht, mein banges Herz, verzagen, Sahst deinen Sommer du zu rasch entfliehen, Sahst du zu bald, zu bald sich dir entziehen Das Glück, das in der Seele du getragen. Nach trübem Herbst, nach kalten Wintertagen Klingt Feld und Wald von frischen Melodieen, Siehst du auf's Neu' die Blumen all' erblühen, Für die dein Herz voll Seligkeit geschlagen. Und suchst du Glück, und suchst du holde Freuden, Die ahnend in der Seele du empfunden: Sei nicht zu traurig, wenn sie von dir scheiden. Nicht ewig schmerzen deine tiefen Wunden, Nicht muß die Seele unaufhörlich leiden — Ein neuer Frühling läßt dich bald gesunden. Die Sonne, längst ist sie — Die Sonne, längst ist sie hinabgesunken, In das geheimnißvolle stille Meer, Und ich steh', von Erinnerungen trunken, Und schaue Nacht und Dunkel um mich her. Und mich umrauschen sanft der Lüfte Wogen, Wie leichte Träume, die ich einst geschaut, Die mir geschmeichelt, doch die mich betrogen, Als ich auf sie mein ganzes Glück gebaut. Doch nimmer kann das arme Herz sich trennen Von den Gebilden, die es einst gehegt, Und heil'ge Flammen noch im Busen brennen Der ew'gen Sehnsucht, die ihn noch bewegt. Dann möchte ich mich in die Lüfte schwingen, Von Qual und Pein und jeder Noth befreit, Unhörbar still vergehen und verklingen — Ein Sehnsuchtswunsch an die Vergangenheit. In deine Augen laß mich sehn In deine Augen laß mich seh'n! Laß ihre süße Nacht Mich sanft und liebevoll umweh'n — In deinen Augen laß mich sehn, Was mich so glücklich macht. O laß mich küssen deinen Mund Mit Küssen sonder Zahl! Und mach mein krankes Herz gesund, O laß mich küssen deinen Mund Viel tausend, tausend Mal! Kann ich nur ruh'n in deinem Arm, Befreit von aller Pein: Vergeß' ich bald der Sehnsucht Harm, Denk' selig dann in deinem Arm Nur an das Glück allein! O Myrthenstrauß, der einst — O Myrthenstrauß, den einst in holder Blüthe Mein Mädchen mir zum Angedenken gab, Was weckst du nun die Trauer im Gemüthe Mit der Erinn'rung mächt'gem Zauberstab? Die süßen Wonnen, die ich einst besessen, Was zauberst du sie wieder mir empor? — Sie hat uns längst, die Holde, schon vergessen, Um die der Seele Frieden ich verlor. Und in Gedanken trauervoll und trübe Schau in die Ferne einsam ich hinaus. Ich lebe noch — doch fern von meiner Liebe, Welk und vergessen wie der Myrthenstrauß. Nie halte unentbehrlich dich hienieden Sprüche Nie halte unentbehrlich dich hienieden; Meist, wenn du eine Woche kaum geschieden, Schon könntest du der Mitwelt Dank ermessen: Du bist ersetzt, besprochen, und — vergessen. Erfahrung nützt in allen Sachen Sprüche Erfahrung nützt in allen Sachen, Wenn richtig sie der Geist versteht: Ein Ochs kann auch Erfahrung machen, Und bleibt ein Rindvieh früh und spät. Älter wird man alle Tage Sprüche Älter wird man alle Tage, Doch nicht immer macht es Pein: Wie man alt wird, ist die Frage — Ob als Syrup, ob als Wein. Gebet Vergieb mir, Gott, des Herzens banges Zagen, Wenn sich der Strahl der Sonne mir verhüllt; Vergieb, wenn in der Prüfung schweren Tagen Die Seel' entmuthigt sich mit Zweifeln füllt. Laß mich zu dir stets die Gedanken lenken, Der mir zum Wohl hienieden Alles fügt, Laß voll Vertrauen immer mich bedenken, Wie nur dein Hauch die Finsterniß besiegt. Laß mich im Kampf des Lebens nicht ermatten, Laß nie mich in Verzweiflung untergeh'n: Und lehr' selbst in der Trübsal dunklen Schatten Mich deine Liebe ahnen und versteh'n. Gefühl des Glüks Nachdem du hart gekämpft und viel gelitten, Glaubtest du oft: nun ist das Glük erstritten; Doch kaum erschwungen, So sinkt es, Und kaum erklungen, Verklingt es. Und kannst du selbst nicht glüklich sein auf Erden, So wirke, daß es andre werden. Dann wird auch ihr Gedeihen Dein Leben weihen, Es stralt ihr sonniges Glük Auf dich zurük. Blaue Nacht Blauer Nacht Funkelnde Sternenpracht Gieß dein Licht in meine Worte, Daß sie nicht vergebens Rufen an des Lebens Hoher Pforte. Mondennacht, Hast du mich mild bedacht? Tröste mich mit deinem Frieden, Daß ein neu Gesunden Von des Kampfes Wunden Mir beschieden. Blauer Nacht Schimmernde Wolkenpracht, Laß empor die Geister fluten, Da sich auf den Pfühlen Sanft verlodernd kühlen Tagesgluten. Auferwacht Ist nun die Zaubermacht Malerischer Fantasien, Und bringt Traumversunknen Ihre süßen, trunknen Poesien. Da hat sacht Güter sie euch gebracht, Die Entbehrungen zu lohnen; Selbst den Ärmsten bringt sie Um die Häupter schlingt sie Lebenskronen. Amor lacht, Weil der Verrath noch wacht; Schwillt und schäumt die Liebeswelle Doch verborgen freier, Unterm Sternenschleier Heimlich schnelle. Liebe wacht Wonnig in stiller Nacht, Flüstern nur darf ihre Kehle; Dem Entzücken lebend, So verhaucht sie bebend Ihre Seele. Das Mägdlein schläft Matth. 9, 24 Das Mägdlein schläft, ihr Eltern jammert nicht, Gönnt ihm die süße Ruh; Aus Blumen blickt sein friedevoll Gesicht Und spricht euch tröstlich zu: Ein lieblich Loos ist mir beschieden, Ich lieg' und schlafe ganz mit Frieden; Das Mägdlein schläft. Das Mägdlein schläft, es hat sich müd gespielt Und hat sich satt gefreut; Die Puppe, die es stolz im Ärmchen hielt, Sein liebes Sonntagskleid, Sein Büchlein, dran es fromm gesessen, Sein Reichthum all ist nun vergessen; Das Mägdlein schläft. Das Mägdlein schläft, sein Lebenstag war mild Und leicht sein Erdenloos, Ein Bächlein, das durchs blumige Gefild In klaren Wellen floß; Kein Weh hat ihm durchs Herz geschnitten, Der letzte Kampf war bald gestritten; Das Mägdlein schläft. Das Mägdlein schläft; wie selig schlief es ein In seines Hirten Arm! Noch war sein Herz vom Gift der Sünde rein, Drum starb es ohne Harm; Ein schuldlos Herz, ein gut Gewissen, Das ist ein sanftes Sterbekissen; Das Mägdlein schläft. Das Mägdlein schläft; all Erdenweh und Noth Verschläfts im sichern Zelt; Weißt, Mutter, du, was bittres ihm gedroht In dieser argen Welt? Jetzt mag der rauhe Winter stürmen, Der schwüle Sommer Wetter thürmen: Das Mägdlein schläft. Das Mägdlein schläft, nur eine kurze Nacht Verschläfts im Kämmerlein, O wenn es einst vom Schlummer auferwacht, Das wird ein Morgen sein! Der eintrat in Jairus Kammer, Der stillt sodann auch euren Jammer; Das Mägdlein schläft. Das Mägdlein schläft; und nun den letzten Kuß Auf seinen blassen Mund; O Mutterherz, so sei es denn, weils muß; Gott, hilf durch diese Stund! Ihr Kinder, folgt mit Chorgesange Dem Schwesterlein zum letzten Gange; Das Mägdlein schläft. Das Mägdlein schläft; nun, Hirte, nimms ans Herz, Es ist ja ewig dein; Ihr Sterne, blicket freundlich niederwärts Und hütet sein Gebein; Ihr Winde, weht mit leisem Flügel Um diesen blumenreichen Hügel; Das Mägdlein schläft. Ich möchte heim! Hebr. 13, 14 Ich möchte heim, mich ziehts dem Vaterhause, Dem Vaterherzen zu; Fort aus der Welt verworrenem Gebrause Zur stillen, tiefen Ruh; Mit tausend Wünschen bin ich ausgegangen, Heim kehr ich mit bescheidenem Verlangen, Noch hegt mein Herz nur einer Hoffnung Keim: Ich möchte heim. Ich möchte heim, bin müd von deinem Leide, Du arge, falsche Welt; Ich möchte heim, bin satt von deiner Freude, Glückzu, wem sie gefällt! Weil Gott es will, will ich mein Kreuz noch tragen, Will ritterlich durch diese Welt mich schlagen, Doch tief im Busen seufz ich insgeheim: Ich möchte heim. Ich möchte heim, ich sah in selgen Träumen Ein bessres Vaterland, Dort ist mein Theil in ewig lichten Räumen, Hier hab ich keinen Stand: Der Lenz ist hin, die Schwalbe schwingt die Flügel Der Heimat zu, weit über Thal und Hügel, Sie hält kein Jägergarn, kein Vogelleim, — Ich möchte heim. Ich möchte heim; trug man als kleines Kindlein Mich einst zu Spiel und Schmaus, Ich freute mich ein leichtes kurzes Stündlein, Dann war der Jubel aus; Wenn sternhell noch der Brüder Auge blitzte, In Spiel und Lust sich erst ihr Herz erhitzte, Trotz Purpuräpfeln, goldnem Honigseim: Ich wollte heim. Ich möchte heim; das Schifflein sucht den Hafen, Das Bächlein läuft ins Meer, Das Kindlein legt im Mutterarm sich schlafen, Und ich will auch nicht mehr; Manch Lied hab ich in Lust und Leid gesungen, Wie ein Geschwätz ist Lust und Leid verklungen, Im Herzen blieb mir noch der letzte Reim: Ich möchte heim. Advent Offenb. 3, 20 Ich klopfe an zum heiligen Advent Und stehe vor der Thür! O selig, wer des Hirten Stimme kennt Und eilt und öffnet mir! Ich werde Nachtmahl mit ihm halten, Ihm Gnade spenden, Licht entfalten, Der ganze Himmel wird ihm aufgethan, Ich klopfe an. Ich klopfe an, da draußen ists so kalt In dieser Winterzeit; Vom Eise starrt der finstre Tannenwald, Die Welt ist eingeschneit, Auch Menschenherzen sind gefroren, Ich stehe vor verschlossnen Thoren, Wo ist ein Herz, den Heiland zu empfahn? Ich klopfe an. Ich klopfe an, sähst du mir nur einmal Ins treue Angesicht, Den Dornenkranz, der Nägel blutig Mal — O du verwärfst mich nicht! Ich trag um dich so heiß Verlangen, Ich bin so lang dich suchen gangen, Vom Kreuze her komm ich die blutge Bahn: Ich klopfe an. Ich klopfe an, der Abend ist so traut, So stille nah und fern, Die Erde schläft, vom klaren Himmel schaut Der lichte Abendstern; In solchen heilgen Dämmerstunden Hat manches Herz mich schon empfunden; O denk, wie Nikodemus einst gethan: Ich klopfe an. Ich klopfe an und bringe nichts als Heil Und Segen für und für, Zachäus' Glück, Marias gutes Theil Bescheert ich gern auch dir, Wie ich den Jüngern einst beschieden In finstrer Nacht den süßen Frieden, So möcht ich dir mit solchem Gruße nahn: Ich klopfe an. Ich klopfe an, bist, Seele, du zu Haus, Wenn dein Geliebter pocht? Blüht mir im Krug ein frischer Blumenstrauß? Brennt deines Glaubens Docht? Weißt du, wie man den Freund bewirthet? Bist du geschürzet und gegürtet? Bist du bereit, mich bräutlich zu empfahn? Ich klopfe an. Ich klopfe an, klopft dir dein Herze mit Bei meiner Stimme Ton? Schreckt dich der treusten Liebe Muttertritt Wie fernen Donners Drohn? O hör auf deines Herzens Pochen, In deiner Brust hat Gott gesprochen, Wach auf, der Morgen graut, bald kräht der Hahn: Ich klopfe an. Ich klopfe an, sprich nicht: es ist ein Wind, Er rauscht im dürren Laub; Dein Heiland ists, dein Herr, dein Gott, mein Kind, O stelle dich nicht taub; Jetzt komm ich noch im sanften Sausen, Doch bald vielleicht im Sturmesbrausen, O glaub, es ist kein eitler Kindeswahn: Ich klopfe an. Ich klopfe an, jetzt bin ich noch dein Gast Und steh vor deiner Thür; Einst, Seele, wenn du hier kein Haus mehr hast, Dann klopfest du bei mir; Wer hier gethan nach meinem Worte, Dem öffn' ich dort die Friedenspforte, Wer mich verstieß, dem wird nicht aufgethan: Ich klopfe an. Ostergruß Joh. 20, 15 Was weinest du? o süßer Ostergruß, O selige Maria Magdalene! Dies Wort erquickt gleich einer Mutter Kuß Und küßt vom Auge jede bittre Thräne; Auch mir, wie dir tönts heute festlich zu: Was weinest du? Was weinest du? so säuselts in der Luft Nach Winters Frost an diesem Frühlingsmorgen, Der Fluren Grün, der Blüten süßer Duft, Der Sonne Glanz verscheucht die bangen Sorgen, Die Lerche singts, die Quelle rauscht dirs zu: Was weinest du? Was weinest du? aus Thränen schau empor, Kennst du ihn nicht, den milden Himmelsgärtner, Der unsichtbar durch diesen Blumenflor Hinwallt, des ewgen Paradieses Pförtner? Er ruft auch dir, verschmachtet Röslein, zu: Was weinest du? Was weinest du? weinst du um deinen Herrn, Hat ihn die Welt, die falsche, dir genommen? O blick nur auf, er ist dir ja nicht fern, Aus Grabesnacht ist er uns wiederkommen, Trotz Schloß und Riegel steht er da im Nu: Was weinest du? Was weinest du? weinst ob dem Grimm der Welt? O sieh, auch ihm hat sie das Grab versiegelt Und ihre Hüter an die Thür gestellt, Und doch allmächtig hat er aufgeriegelt. Glaubst du denn nicht, daß Gott noch Wunder thu? Was weinest du? Was weinest du? weinst du um deine Schuld, Ist das der Stein, der deine Seele schrecket? O sieh, in seinem Aug ist lauter Huld, In seinem Grab liegt unsre Schuld bedecket; Das zagende Gewissen hat nun Ruh: Was weinest du? Was weinest du? weinst du um Erdennoth, Weil über dir die Trübsalswolke dunkelt? O siehe, wie das Ostermorgenroth So hell auf den Charfreitag Abend funkelt! Drum dulde, bete, glaube, hoff auch du: Was weinest du? Was weinest du? weinst um ein theures Grab? Such, was unsterblich, nicht im Aschenhügel, Nur Erde wars, was man der Erde gab, Der Geist aus Gott schwang himmelan die Flügel; Einst sprengt der Herr die morsche Todtentruh: Was weinest du? Was weinest du? wird dir die Zeit zu lang? Sehnst du dich heim nach sauren Pilgerjahren? O siehe, dir zu seligem Empfang Ist schon dein Herr zum Vater aufgefahren; Bald legst du ab den staubgen Erdenschuh: Was weinest du? Was weinest du? ja Herr, ein Tröpflein Trost Kannst du in jeden Trübsalsbecher mischen; Eß ich auch hier noch manchmal Thränenkost, Dort willst vom Aug du alle Thränen wischen; Dann rauschen mir die Engelsharfen zu: Was weinest du? Frühlingsglaube Klagl. 3, 22 Und schau ich Gottes Welt im Frühlingslicht, Wenn junges Grün erglänzt auf allen Triften, Wenn Blüthenschnee aus dürren Ästen bricht Und Lustgesang ertönt in blauen Lüften, Dann hoff ich wieder, und noch glaub ich nicht An die Erfüllung schon der letzten Schriften, Wo krachend unsre sündenmorsche Welt In Flammen des Gerichts zusammenfällt. Dann säuselts wie ein himmlisches Erbarmen Mich tröstlich an im lauen Frühlingswind; Dann lächelt, wie gewiegt in Mutterarmen, Die Erde, mir ein neugebornes Kind: Ich seh den alten Feigenbaum erwarmen Im Sonnenschein, den gnädig und gelind Ihm noch dieß Jahr vergönnt die ewge Liebe, Ob er nicht Blüten doch und Früchte triebe? — Und schau ich in ein Kinderangesicht, Die offne Stirn, die herzlichtreuen Augen, Aus denen keck der Muth der Unschuld spricht, Die frisch den Glanz der Schöpfung in sich saugen, Dann hoff ich wieder, und noch glaub ich nicht, Daß gar nichts mehr die Menschheit solle taugen, Daß sie schon dürres Holz, zu nichts mehr gut, Als um zu brennen in der ewgen Glut. Dann freu ich mich: noch ist nicht ganz verloren Des Schöpfers Bild in dieser Sünderwelt, Noch werden Kinder unserm Gott geboren, Wie frischer Thau auf morgenrothem Feld; Wer weiß, wozu dieß Kindlein sei erkoren? Obs ein Profet vielleicht, ein Zukunftsheld, Denn Gottes Geist will noch in viel Gestalten Die Fülle seiner Herrlichkeit entfalten. Der Berg der Thränen Lucas 19, 41 Und als er nahe hinzu kam, sahe er die Stadt an und weinte über sie. Dein Heiland weint, merk auf, Jerusalem, Er weint um dich von deines Ölbergs Höhe! O daß mein Volk sein Heil zu Herzen nähm, Denn diese Thränen deuten schweres Wehe; Vor deinen Thoren sieht er schon den Feind: Dein Heiland weint! Dein Heiland weint, o Tropfen voller Schmerz! So tief, mein Volk, so tief bist du gefallen, Daß auch des Friedefürsten selig Herz Vor Leid muß brechen und in Wehmuth wallen; O blinde Welt, die sich so sicher meint: Dein Heiland weint! Dein Heiland weint; blick ich von Bergeshöh, Du meine Stadt, herab zu deinen Dächern, Und denk an all die Schuld und all das Weh In deinen Kammern, deinen Prunkgemächern, Dann fühl ichs wohl, auch du bist mit gemeint: Dein Heiland weint! Dein Heiland weint; wenn sich aus Wolken senkt Ein süßer Thau, ein gnadenreicher Regen, Dann sproßt, von Himmelsthränen satt getränkt Die weite Flur in frischem, grünem Segen; Und du, o Welt, du bleibst verstockt, versteint? Dein Heiland weint! Dein Heiland weint; hör es, verblendet Herz; Wo Engel trauern, willst du thöricht lachen? In eitlem Putz und frevelhaftem Scherz Fährst du dahin, fährst in des Todes Rachen? O sieh, wie treu die ewge Lieb es meint: Dein Heiland weint! Dein Heiland weint; hör es, betrübte Seel, Erheb dein Aug in deiner Thränenkammer; Getrost, getrost, der Hüter Israel Sieht deinen Schmerz und fühlet deinen Jammer; O weine nicht, dir blieb ja noch ein Freund: Dein Heiland weint! Dein Heiland weint; o Tropfen voller Trost! So treu wollt uns der Menschensohn umfassen, Daß er sich auch die herbste Erdenkost, Das bittre Thränenbrot gefallen lassen; Nun, Menschheit, ist er ganz mit dir vereint: Dein Heiland weint! Dein Heiland weint; — o edle Perlenflut! Leg, Menschheit, sie zu deinen Reichsjuwelen; Des Heilands Thränen und des Heilands Blut Sind Perlen und Rubinen armer Seelen; O schön, wer so geschmückt vor Gott erscheint: — Dein Heiland weint! Der Berg der Himmelfahrt Lucas 24, 50—53 Wie festlich steigt ins helle Himmelblau Mein Ölberg heut in goldnen Lichtes Fülle! Noch streift kein Fuß vom Gras den frühen Thau, Noch stört kein Ton die heilge Morgenstille; Jerusalem liegt noch im Dämmergrau, Mein Ölberg nur durchbricht die Nebelhülle: Mein Ölberg strahlt; er wird dem Menschensohn Die Staffel heut zu seinem Königsthron. Ist das der Berg, wo jüngst so bange Klagen Der Nachtwind seufzend himmelan geweht? Ist das der Mann voll Zittern und voll Zagen, Der dort herniederblickt voll Majestät? Ist das die Heerde, jüngst vom Sturm verschlagen, Die festlich hier im Kreis versammelt steht? Ja hier, wo er im Todesstaub gerungen, Hier wird ihm nun der Siegeskranz geschlungen. Noch einen Blick! — da liegt Jerusalem, Hier Golgatha, wo er am Kreuz gehangen, Dort im Gebirg sein trautes Bethlehem, Wo seine Erdenwallfahrt angefangen, Und dort mit seiner Berge Diadem Der See, an dem er segnend oft gegangen; Noch einmal grüßet himmlisch ernst und mild Sein göttlich Aug das heimische Gefild. O selig Land — der weite Weltkreis neidet, Was du auf deinen Fluren durftest schaun! Beglücktes Volk, das solch ein Hirt gewaidet Mit sanftem Stab auf immergrünen Aun! Wo solch ein Freund mir lebt und liebt und leidet, Da ist gut sein, da möcht ich Hütten baun! Ihr hattet ihn — was gabt ihr ihm zum Lohne? Ein Kreuzesholz und eine Dornenkrone! Und schwingt er nicht sich zürnend himmelan, Wo Engel schon die Harfen für ihn stimmen? Und stößt er nicht der Erde leichten Kahn Weit hinter sich in heiligem Ergrimmen, Daß er im öden Weltenocean, Ein morsches Wrack, in Ewigkeit mag schwimmen? Nein, Fürst der Liebe, Segnen war dein Lauf, Und segnend noch fährst du zum Vater auf! Du kleine Schaar, sink in die Knie zur Erde, Sein Auge grüßt noch einmal Mann um Mann: „Simon Johanna, waide meine Heerde, Du bleibe, bis ich komme, mein Johann, Jakobus du, zeug unterm Henkerschwerte, Wie meinen Kelch mein Jünger trinken kann! Ich sende euch, geht hin, für mich zu streiten, Beim Vater will ich euch das Haus bereiten. Geht hin und predigt aller Kreatur, Geht hin in alle Welt von diesem Hügel, Durchwandert jede grüne Erdenflur, Durchschiffet jeden blauen Meeresspiegel, Durch Wüsten wallt, wo keines Fußtritts Spur, Durch Felsen brecht und sprengt granitne Riegel, Und rastet nicht, bis preisend alle Welt Mein Scepter küßt und mir zu Füßen fällt.“ — Die Wolke sinkt, in ehrfurchtsvollem Grauen Verhüllen sie geblendet ihren Blick; Sie beten an, und wie sie aufwärts schauen, — Der Herr ist hin und kehret nicht zurück; Wie jene Silberwolke dort im Blauen, Zieht himmelwärts, o Welt, dein Trost und Glück; Er ist daheim, die Engelharfen tönen, Sie aber sehn ihm nach in heißen Thränen. Was schaut ihr nach? ihr sollt ihn wiedersehn, Wie er gen Himmel heute ward entnommen; Was weinet ihr? ihr sollt nicht Waisen gehn, Er hats gesagt, ein Tröster soll euch kommen; Was weilet ihr auf den verlassnen Höhn? Nach Salem geht, da harren sein die Frommen Und blicken himmelan in Lust und Pein; Denn wo der Herr, soll auch der Diener sein. Siloah Joh. 9, 17 Geh zum Siloah, blinde Seele, Und bade dich im lautern Quell, Da wirst du rein von deinem Fehle, Da wird dein blödes Auge hell; Ob Nächte deinen Blick umfloren, Dort wasche klar dein trüb Gesicht, Komm Freund, und wärst du blindgeboren, Geh zum Siloah, werde Licht! Geh zum Siloah! — tausend Bronnen Durchrauschen rings die Erdenflur, Versprechen Heil, verheißen Wonnen Und täuschen doch die Seele nur. Zu allen trug ich meine Krüge, An allen sog mein heißer Mund, Doch keiner gab mir volle Gnüge, An keinem ward mein Herz gesund. Den Strom der Weltlust sah ich blinken; Ich kostet ihn, mein Herz blieb matt; Am Born des Wissens wollt ich trinken, Ich schöpfte lang und ward nicht satt; Der holde Silberquell der Musen Er gab mir Labung, doch kein Heil; Am Liebesbronn aus Freundesbusen Ward mir — nur Menschentrost zu Theil. Am Wege stand ich als ein Blinder, Den Geist umhüllt von tiefer Nacht, Einsam im Strom der Menschenkinder, Trostlos in all der Erdenpracht; Und wie ich seufzte, wie ich klagte Mein dürstend Herze fand kein Licht, Und wo ich suchte, wen ich fragte, Kein Menschenmund gab mir Bericht. „Geh zum Siloah, blinde Seele!“ Klangs plötzlich wie aus Himmelshöhn, Und um die dunkle Augenhöhle Fühlt ich ein warmes Liebeswehn, Wie Balsam spürt ich das Berühren Von einer sanften Heilandshand, Ich sah nicht, doch ich ließ mich führen, Bis ich den Quell Siloah fand. Siloah ist ein stiller Bronnen, Leis fließt er hin, wie Mondesstrahl, Von Zion kommt er hergeronnen Und senkt sich sanft ins finstre Thal; Siloah ist „vom Herrn gesendet,“ Der lautre Strom, das Gotteswort, Der Wunderquell, der Leben spendet Und himmlisch Licht am dunkeln Ort. Dort netzt ich meine Augenlider Und sah empor und jauchzte leis, Und kniete hin und wusch mich wieder, Und jauchzte laut zu Gottes Preis; Ich sah! ich sahe Gottes Himmel, Ich sahe Gottes schöne Welt, Sah durch der Erde bunt Gewimmel Den sichern Pfad zum Sternenzelt. Geh zum Siloah, blinde Seele, Und bade dich im lautern Quell, Da wirst du rein von deinem Fehle, Da wird dein blödes Auge hell; Ob Nächte deinen Blick umfloren, Dort wasche klar dein trüb Gesicht, Komm, Freund, und wärst du blindgeboren, Geh zum Siloah, werde Licht! Lob der Thränen Lucas 6, 21 Selig seid ihr, die ihr hier weinet, denn ihr werdet lachen. Kennst du die wunderbare Quelle, Sie strömt nicht aus der Wolken Schooß, Doch ist kein Thau so himmelhelle, Der je aus Lüften niederfloß; Kennst du den Brunn aus dunklen Gründen, Die Felsenschlucht gebar ihn nicht, Doch wirst du keinen Bergquell finden, Der aus so tiefen Kammern bricht. Seit, aus dem Paradies verstoßen, Der Mensch im Schweiß das Feld bestellt, Ist dieses Brünnlein stets geflossen, Und fließet bis ans Ziel der Welt; Wenn ringsum alle Bäche trocken, Kein Thau vom heißen Himmel tropft: Nie sah man diese Quelle stocken, Noch diesen Brunnen je verstopft. Soll ich die edlen Wasser preisen, Die Gottes Huld der Welt verliehn, Die Bäche, so die Fluren speisen, Die Ströme, dran die Länder blühn, Die Brunnen, so die Durstgen tränken, Die Quellen, draus Gesundheit quillt: So muß ich auch des Wassers denken, Das warm des Menschen Auge füllt. Den Quell der Thränen muß ich loben. Denn wie aus dunklem Felsengrund Ein lichter Brunnquell springt nach oben Und macht der Tiefe Räthsel kund: So quillt aus stiller Herzenskammer Der Born der Thränen silberklar, Und macht der Seele Freud und Jammer Im Licht der Sonnen offenbar. Und wie ein Bach mit Segen letzet Gebirge, Flur und Wiesenland, Der Garten grünt, von ihm benetzet, Und Blumen kränzen seinen Rand: So steht, von Thränen erst begossen, Dein Herzensgarten gut in Zucht, Und wo der Thränen Thau geflossen, Reift süßer jede Geistesfrucht. Und wie des Wassers reine Seele In zarten Dünsten steigt empor, Daß sie dem Himmel sich vermähle Als Ätherduft und Wolkenflor, So fassen leis in goldnen Schalen Die Engel deine Thränen auf, Daß sie dir einst als Perlen strahlen Im Kranze nach vollbrachtem Lauf. Drum laß der Thränen Lob mich singen, Obgleich die Welt es nicht versteht; Dort werden Freudengarben bringen, Die hier in Thränen ausgesät; Hat doch der beste Sohn der Erde Die Weinenden dereinst gelobt, Und selbst in Kummer und Beschwerde Der Thränen heilge Kraft erprobt. Die Thräne lob ich, die in Schmerzen Des Erdenpilgers Wange näßt; Zwar fließt sie herb aus wundem Herzen, Von Leid und Kummer ausgepreßt; Doch wenn im Lenz die Rebe thränet, Regt sich in ihr der edle Saft, Und wenn ein Mensch vor Jammer stöhnet, Erwacht in ihm die beste Kraft. Die Thräne lob ich, die die Buße Im Staub vor Gott zum Opfer bringt, Wenn sie mit Magdalenens Kusse Des Heilands Füße fromm umschlingt, Die gleich dem Frühlingsstrom die Rinde Verjährten Trotzes milde schmelzt, Und Felsenlasten alter Sünde Vom neugebornen Herzen wälzt. Die Thräne lob ich, die der Liebe Vom Herzensgrund ins Auge steigt, Wenn sie mit Samaritertriebe Sich zu dem Weh des Bruders neigt, Die Thräne, die in offne Wunden Wie sanfter Balsam heilend fließt, Und, weils die Liebe mitempfunden, Das herbste Herzeleid versüßt. Die Thräne lob ich, die die Wonne Im Taumel des Entzückens weint, Woraus, wie aus dem Thau die Sonne, Die Güte Gottes wiederscheint, Wenn ohne Worte, ohne Töne Der stumme Dank im Auge blinkt, Und selge Tropfen alles Schöne Aus dem verwandten Herzen zwingt. So lasset mich die Thränen loben Dieweil wir noch im Thränenthal; Einst weinen wir im Himmel droben Vor Freud und Dank zum letztenmal: Dann wird sich unser Aug verklären Im ungetrübten Freudenlicht, Und Gott wischt selber alle Zähren Den Seinigen vom Angesicht. Das Wort wuchs Apostelgesch. 8, 4 und 12, 24 Es wuchs das Wort; mit Morden und mit Drohen Ging Saul als Rachegeist von Haus zu Haus, Und aufgescheucht wie scheue Tauben flohen Die Christen rings in alle Welt hinaus, Doch nahmen sie den besten Schatz mit fort, Das Wort des Herrn; so wuchs im Sturm das Wort. Es wuchs das Wort; von finstrem Wahne trunken, Schlug der Verfolger in den Opferbrand, Trat ihn mit Füßen aus: doch sieh', die Funken, Sie stoben meilenweit hinaus in's Land, Sie zündeten in Ost und West und Nord, Und zehnfach brennts: im Sturme wuchs das Wort. Es wuchs das Wort; Gewitterstürme kamen Verheerend über Christi Gartenbeet, Doch ward vom Sturm der Paradiesessamen In Lüften hoch durch Land und Meer geweht, Bald keimte hier, bald keimte da und dort Ein Blumenbeet; — im Sturme wuchs das Wort. Es wuchs das Wort; sowie vom Föhn geschüttelt Die Eiche stolzer nur gen Himmel strebt, Und weil der Nordwind an den Ästen rüttelt, Nur tiefer in den Fels die Wurzeln gräbt: So kräftigte der Feinde Drohn und Mord Den Glauben stets; — im Sturme wuchs das Wort. Es wuchs das Wort; wie nach dem Donnerwetter Sich Welt und Garten wonnevoll verjüngt, Der Boden dampft, es tropfen alle Blätter, Die Rosen duften und die Lerche singt, Und was im Sommerbrande halb verdorrt, Frisch grünt es auf; — so wuchs im Sturm das Wort. Es wuchs das Wort — und ferner wird es wachsen, Ob auch die Feinde drohn, die Hölle stürmt, Und wenn der Erdball bebt in seinen Achsen: Fest steht das Wort, von Gottes Arm beschirmt, Es steht und treibt und wächst von Ort zu Ort, Sein ist die Welt; — im Sturme wächst das Wort. Es wächst das Wort, — Herr, pflanz auch meinem Herzen Dein kräftig Wort als Baum des Lebens ein; Laß es im Schicksalssturm, in Seelenschmerzen Nur tiefer gründen, fröhlicher gedeih'n; Dann steh ich fest und wachs im Sturme fort, Im Sturme wächst ein Christ und wächst das Wort. Was macht ihr, daß ihr weinet Apostelg. 21, 14. 15 „Was macht ihr, daß ihr weinet Und brechet mir mein Herz?“ Wie treu und gut ihr's meinet, Ihr schärft mir nur den Schmerz. Wohl wär ich gern geblieben, Doch Gott will, ich soll gehn, Drum lebet wohl! ihr Lieben, Sein Wille muß geschehn. Wohl bangt vor schweren Stunden Mein schwaches Herze noch, Doch bleibt man ihm verbunden, Wie selig wird sein Joch! Der niemals mich verlassen, Wird ferner bei mir stehn, Ihn will ich gläubig fassen, Sein Wille muß geschehn! Wohl will mich's oft erbarmen, Wohl wird mein Herz mir schwer, Steht ihr um mich, ihr armen Verwaisten Lämmer, her; Doch wohnt ein Vater droben, Der hört der Waisen Flehn, Drum blickt getrost nach oben, Sein Wille muß geschehn. So höret auf, zu weinen, Laßt lieber Herz und Herz Uns im Gebet vereinen, Schaut muthig himmelwärts; Dem Glauben winkt ja drüben Ein selig Wiedersehn; Der Herr mit euch, ihr Lieben! Sein Wille muß geschehn! „Es fehlt nicht viel“ Apostelg. 26, 28 Es fehlt nicht viel, du überredest mich, Zu thun, was mich gereut — ein Christ zu werden; Agrippa spricht's und hebt vom Stuhle sich, Winkt ihm zu gehn mit gnädigen Geberden, Der Hof bricht auf, es war ein frommes Spiel; — Es fehlt noch viel! Es fehlt nicht viel, so, Freund, bekennst auch du, Fühlst Gottes Hammer an dein Herze pochen, Dein bessres Ich neigt sich dem Lichte zu, Dein Innres wallt, das Eis ist fast gebrochen; Der Wind schlägt um, da weht es wieder kühl; — Es fehlt noch viel! Es fehlt nicht viel, schon mancher Gnadenstrahl Ist leuchtend in dein dunkles Herz gefallen; Herr, nimm mich hin, so schwurst du manchesmal, Fingst feurig an den schmalen Pfad zu wallen, Und dennoch kamst du wieder ab vom Ziel; — Es fehlt noch viel! Es fehlt nicht viel; sei's minder oder mehr, Wem Eines fehlt, dem wird noch Alles fehlen; O gib nicht halb, gib ganz dem Herrn dich her; Nicht halbe will er, sondern ganze Seelen; Der Weg ist steil und himmelhoch das Ziel: Es fehlt noch viel! Doch fehlt nicht viel; die Gnade ist so nah, Du sollst ja nicht zehntausend Pfund erstatten, Ein Seufzer nur, so steht ein Mittler da, Ein Schritt zu ihm — er reicht die Hand dem Matten; O selig, wer zu seinen Füßen fiel: Es fehlt nicht viel! Es fehlt nicht viel; — du gräbst nach einem Schatz Im tiefen Wald, bei mitternächt'gem Dunkel, Du drangst schon tief, du bist am rechten Platz, Noch einen Schuh — so siehst du Goldgefunkel, Da bricht die Schaufel, — weg wirfst du den Stiel; — Es fehlt nicht viel! Es fehlt nicht viel; du lenkest kühn dein Schiff Nach eines Eilands seligen Gestaden, Noch eine Nacht, noch um ein Felsenriff: Du sähest's glänzend in den Wogen baden, Da sinkt dein Muth, du wendest deinen Kiel; — Es fehlt nicht viel! Es fehlt nicht viel; sieh dort in Sturmesnoth Den Schwimmer mit den hohen Wogen ringen, Da beut ein Fels ihm Rettung noch vom Tod, Schon faßt er Fuß, ihn triefend zu erschwingen, Ein Fehltritt nur — und ach, der Arme fiel: — Es fehlt nicht viel! Es fehlt nicht viel — und dieses wen'ge doch Ist dir zu viel, — o arme blinde Thoren! Die Last ist leicht und selig ist das Joch, Du konntest leben und gehst doch verloren; Die Höllenqual einst schärft dir das Gefühl: Es fehlt nicht viel! Es fehlt nicht viel; sieh diesen Paulus an, Wie herrlich steht er da in seinen Ketten, Einst war er auch ein aufgegebner Mann; Der ihm geholfen — kann er dich nicht retten? Dring durch wie er zum heiligen Asyl: Es fehlt nicht viel! Im Vorfrühling Ist das nicht schon Veilchenduft, Der mich süß umwittert Und die sonnenwarme Luft Ahnungsvoll durchzittert? Ja, so rochs um Ostern, ach! Einst am Gartenhage, Wenn das Kindlein Veilchen brach; Wie im Traume werden wach Goldne Kindertage! Ist das nicht schon Amselton Durch die nackten Äste? Frühlingsvöglein, brütest schon Wieder in dem Neste? Ach, mir sind sie wohlbewußt, Deine Melodieen, Frühlingsweh und Frühlingslust Lassen sie mir durch die Brust Wie vor Alters ziehen! Und auch du, mein Mandelbaum, Rosig aufgegangen, Lässest schon im blauen Raum Deine Blüten prangen, Märchengleich in heller Pracht Blühst du an der Sonne, Und mit dir ist über Nacht Auch mein alternd Herz erwacht Zu verjüngter Wonne. Goldne Jugend, Kindheitsglück, Nimmer kehrst du wieder, Nimmer rufen dich zurück Aller Dichter Lieder; Aber bleicht mir auch mein Haar, Wird mein Tag mir trüber, Doch mit jedem jungen Jahr Schwebst du wieder wunderbar Mir als Lenz vorüber! Vor Weihnachten Die Kindlein sitzen im Zimmer — Weihnachten ist nicht mehr weit — Bei traulichem Lampenschimmer Und jubeln: es schneit, es schneit! Das leichte Flockengewimmel, Es schwebt durch die dämmernde Nacht Herunter vom hohen Himmel, Vorüber am Fenster so sacht. Und wo ein Flöckchen im Tanze Den Scheiben vorüberschweift, Da flimmerts in silbernem Glanze, Vom Lichte der Lampe bestreift. Die Kindlein sehns mit Frohlocken, Sie drängen ans Fenster sich dicht, Sie verfolgen die silbernen Flocken, Die Mutter lächelt und spricht: Wißt Kinder, die Engelein schneidern Im Himmel jetzt früh und spät; An Puppenbettchen und Kleidern Wird auf Weihnachten genäht. Da fällt von Jäckchen und Röckchen Manch silberner Flitter beiseit, Von Bettchen manch Federflöckchen; Auf Erden sagt man: es schneit. Und seid ihr lieb und vernünftig: Ist manches für euch auch bestellt; Wer weiß, was Schönes euch künftig Vom Tische der Engelein fällt! Die Mutter sprichts; — vor Entzücken Den Kleinen das Herze da lacht, Sie träumen mit seligen Blicken Hinaus in die zaubrische Nacht. Zwei Blumen am Wege 1. Die Rose im Staub Liegst am Boden, arme Rose, Eines losen Buben Raub, Blühtest ach! zu bessrem Loose, Als zu welken hier im Staub! Doch der Knabe sah dich prangen Als des Gartens Königin, Und er fühlt' ein frech Verlangen, Brach dich ab — und warf dich hin. Hätt' er treu dich heimgetragen, Sorgsam dich ins Glas gesetzt, Hättst du noch von Tag zu Tagen Dich erquickt und ihn ergötzt. Hätt' ein Frühlingssturm die Blätter Dir zerstreut erbarmungslos: Sterben unter Blitz und Wetter Ist ein schönes Blumenloos. Aber hat die holde Sonne Darum deinen Kelch enthüllt, Gott und Menschen ihn zur Wonne Mit dem süßen Duft gefüllt, Daß du sollst zur Beute werden Eines Buben kurzer Lust, Daß du schnöd im Staub der Erden Dich zertreten lassen mußt? — Kommt ein Kind, dich aufzulesen, Doch die Mutter wehrt und spricht: „Laß, wer weiß, wem sie gewesen?“ Und das Kind begehrt dich nicht. — Gestern hättst du noch mit Ehren Einer Fürstin Brust geschmückt; Ach! und heute muß man wehren, Daß ein Kind sich nach dir bückt! — Und warum bei deinem Loose Mir das Herz vor Wehmuth bricht: Du in Staub getretne Rose, Ach! du bist die einzge nicht! Von Kaiser Karl dem Großen. Deutscher Jugend zu Lust und Lehre 1. Wie Kaiser Karl Schulvisitation hielt Als Kaiser Karl zur Schule kam und wollte visitiren, Da prüft er scharf das kleine Volk, ihr Schreiben, Buchstabiren, Ihr Vaterunser, Einmaleins, und was man lernte mehr; Zum Schlusse rief die Majestät die Schüler um sich her. Gleich wie der Hirte schied er da die Böcke von den Schafen, Zu seiner Rechten hieß er stehn die Fleißigen, die Braven, Da stand im groben Linnenkleid manch schlichtes Bürgerskind, Manch Söhnlein eines armen Knechts von Kaisers Hofgesind. Dann rief er mit gestrengem Blick die Faulen her, die Böcke, Und wies sie mit erhabner Hand zur Linken, in die Ecke, Da stand im pelzverbrämten Rock manch feiner Herrensohn, Manch ungezognes Mutterkind, manch junger Reichsbaron. Da sprach nach Rechts der Kaiser mild: habt Dank, ihr frommen Knaben, Ihr sollt an mir den gnädgen Herrn, den gütgen Vater haben, Und ob ihr armer Leute Kind und Knechtesöhne seid: In meinem Reiche gilt der Mann und nicht des Mannes Kleid! Dann blitzt sein Blick zur Linken hin, wie Donner klang sein Tadel: Ihr Taugenichtse, bessert euch, ihr schändet euren Adel; Ihr seidnen Püppchen, trotzet nicht auf euer Milchgesicht, Ich frage nach des Manns Verdienst, nach seinem Namen nicht! Da sah man manches Kinderaug in frohem Glanze leuchten, Und manches stumm zu Boden sehn und manches still sich feuchten, Und als man aus der Schule kam, da wurde viel erzählt, Wen heute Kaiser Karl belobt und wen er ausgeschmält. Und wie's der große Kaiser hielt, so soll mans allzeit halten Im Schulhaus mit dem kleinen Volk, im Staate mit den Alten: Den Platz nach Kunst und nicht nach Gunst, den Stand nach dem Verstand, So steht es in der Schule wohl und gut im Vaterland. — Verschiedene Naturen Kaiserkronen und Rosen und purpurne würzige Nelken Hol ich vom Garten mir jetzt täglich zum prächtigen Strauß, Daß sie am Fenster im Topf mit lieblichen Düften und Farben Mir die Gedanken des Tags sommerlich heiter durchblühn; Aber an eigener Glut sich verzehrend hängen die Stolzen, Die ich am Morgen gepflückt, Abends schon sterbend ihr Haupt. Nur ein Vergißmeinnicht, das ich neulich am Bache gebrochen, Blühet genügsam und still munter seit Wochen schon fort; Schläget der blaulichen Augen, der kindlichfrommen, an jedem Morgen wieder ein paar neue zum Gruße mir auf. So überlebt die bescheidne Natur die prächtigen, wilden, Dacht ich, und friedlicher schlug wieder im Busen mein Herz. Des Kranken Liebe Da kommt sie, die holdselige Gestalt, Da kommt mein rosig Wunderkind gegangen, Daß mir in süßem Schreck das Herze wallt, Und fiebrisch glühen meine bleichen Wangen. Da geht sie hin im frischen Jugendreiz, In ihrer Schönheit unbewußtem Adel, Vom schlanken Nacken bis zum Saum des Kleids Ein Strahl der Unschuld ohne Fehl und Tadel. O selig, wer zuerst im Kusse sprengt Die Rosenknospe dieser keuschen Lippen, Wem diese reine Jugend unvermengt Den Thau der ersten Liebe gibt zu nippen! Wem diese Rehesaugen, feucht und braun, Im Trotz der Jugend jetzt noch scheu und schüchtern, Voll frommer Treu dereinst ins Antlitz schaun, Mildleuchtend in der Liebe goldnen Lichtern! Wem — still mein Herz, mein thöricht Herz, was ist In kranker Brust dies für ein wildes Lodern? Weißt du nicht mehr, daß du in kurzer Frist Mußt, heißes Herz, in kühler Erde modern? Es neigt der Schönheit holde Majestät Ihr Scepter nur den Glücklichen, Gesunden, Der Freudenrausch der Liebe kommt zu spät In dieser Brust, der kranken, todeswunden. Wohl hofft ich einst, — es war ein schöner Traum — Mich könnte dieser Engel noch erlösen, Nur zu berühren ihres Kleides Saum, Und plötzlich müßt ich alles Wehs genesen. Nein, süßes Kind, ich habe dich zu lieb, Nicht will ich deiner Jugend Rosen pflücken, Um mir damit, ein niedrig frecher Dieb, Ein Stündchen die zerlumpte Brust zu schmücken. Nein, geh du hin im goldnen Sonnenduft, Den deine eigne Huld um dich verbreitet; Ich find allein den Weg zu meiner Gruft, Wo mir mein einsam Bette steht bereitet. Nur bis verathmet diese kranke Brust, Vergönne, daß an deiner Schönheit waide Mein sterbend Auge sich mit stiller Lust, Du meiner Seele letzte Erdenfreude. Und hörst du einst, daß dieses Herze brach, So soll sich drum dein schönes Aug nicht feuchten, Nur lächelnd, in Gedanken, sende nach Mir einen Seufzer, einen leisen, leichten. Dann geh in Frieden, — und all Glück und Heil, Nach dem dieß düstre Herz geseufzt vergebens, Blüh dir zu Kränzen, du mein beßres Theil, Du lichter Leitstern meines dunkeln Lebens! Perlen und Thränen Als ich dich einst im Hochzeitkleid, Den Myrthenkranz im Haar, Den Perlenschmuck als Brautgeschmeid, Sah treten zum Altar, Da dacht ich: Kind, o juble nicht; Nicht immer glänzt dein Aug so licht, Ich weiß ein Wort, das warnend spricht: „Aus Perlen werden Thränen!“ Doch heute, da im Trauerflor Du am Altare kniest Und sehnsuchtsvoll zu Gott empor Aus deinen Thränen siehst, Heut sprech ich: Herz, verzage nicht, In Trübsalsnacht kommt Sternenlicht, Ich kenn ein Wort, das tröstend spricht: „Aus Thränen werden Perlen!“ Die Rosse von Gravelotte Heiß war der Tag und blutig die Schlacht, Kühl wird der Abend und ruhig die Nacht. Droben vom Waldsaum nieder ins Thal Dreimal schmettert Trompetensignal; Ladet so laut und schmettert so hell, Ruft die Dragoner zurück zum Appell. Truppweis, in Rotten, zu Dreien und Zwei'n, Stellen die tapferen Reiter sich ein. Aber nicht Alle kehren zurück, Mancher liegt da mit gebrochenem Blick. Kam zur Reveille frisch noch und roth, Liegt beim Appell bleich, blutig und todt. Ledige Rosse, den Sattel leer, Irren verwaist auf der Wahlstatt umher. Doch der Trompete schmetternd Signal Ruft aus der Ferne zum drittenmal. Schau, und der Rappe, dort spitzt er das Ohr, Wiehernd wirft er die Nüstern empor. Sieh, und der Braune gesellt sich ihm bei, Trabt ihm zur Seite wie sonst in der Reih. Selber der blutige Schimmel, so müd, Hinkt auf drei Beinen und reiht sich ins Glied. Truppweis, in Rotten, zu Dreien und Zwei'n, Stellen die ledigen Rosse sich ein. Rosse wie Reiter verstehn den Appell, Ruft die Trompete, so sind sie zur Stell. Über dreihundert hat man gezählt, Rosse, zu denen der Reitersmann fehlt. Über dreihundert, o blutige Schlacht, Die so viel Sättel hat ledig gemacht! Über dreihundert, o tapfere Schaar, Wo bei vier Mann ein Gefallener war! Über dreihundert, o ritterlich Thier, Ohne den Reiter noch treu dem Panier! Wenn ihr die Braven von Gravelotte nennt, Denkt auch der Rosse vom Leibregiment! Am Canale in St. Petersburg Abend war's. Am Firmamente Schimmerten die gold'nen Sterne; Seufzend nach der Heimath blickt' ich In die grau verschwomm'ne Ferne. Tröstend klang, wie Gottessegen, Ein entferntes Glöckchen leise — Schaukelnd sich auf dem Canale Sang ein Schiffer seine Weise. Düster klagend, heimlich hoffend, Quoll es ihm aus bangem Herzen — Und in dem Gesange bebten Seines ganzen Volkes Schmerzen! O laß in deiner Jugendzeit ... O laß in deiner Jugendzeit Die Liebe nicht verglüh'n, Und pflücke, was da weit und breit An Röslein dir mag blüh'n! Die Liebe hat die weite Welt Zum Garten sich erseh'n, D'rin unter'm blauen Himmelszelt Viel tausend Blümlein steh'n. Und jedes Blümlein ist ein Herz, Das sich dem Lenz erschließt, — Welch' Blüh'n und Duften allerwärts, Wie's keimt und wächst und sprießt! Doch freut dich jetzt am vollen Strauch Der Rosen süße Pracht, Es kommt der Herbst mit kaltem Hauch — Sie sterben über Nacht. D'rum laß in deiner Jugendzeit Die Liebe nicht verglüh'n, Und pflücke, was da weit und breit An Röslein dir mag blüh'n! O nennst Du eine Seele Dein ... O nennst Du eine Seele Dein — Nimm alle Deine Kraft zusammen, Und halte von des Zornes Flammen Dir stets des Auges Spiegel rein! O glücklich, wer sich nie vergißt! In Liebe nur kann Lieb' gedeihen, — Du freust Dich erst des holden Maien, Wenn in Dir selber Maien ist! O nennst Du eine Seele Dein, Die Dir die Götter liebend sandten, So denk': man faßt den Diamanten In Gold und keusches Silber ein! Heimkehr Von langer Irrfahrt endlich heimgekehrt — Wie war der Weg beschwerlich mir gewesen! — Hofft' ich getrost, am heimathlichen Herd Zu neuer Lebensfülle zu genesen. Und als ich kam an's elterliche Haus, Wie schwoll da hoch mein sehnendes Verlangen! Mein Mütterchen, mein liebes, trat heraus, Und hielt den Sohn inbrünstiglich umfangen. „Bist wieder da?“ so klang's von ihrem Mund, „Du böses Kind, warum so spät erst kommen?“ Bist wieder da! — ach, auf dem Erdenrund Hatt' ich noch nie so süßes Wort vernommen! Wir traten ein; da blieb sie plötzlich steh'n, Noch seh' den Blick ich, diesen vollen, reinen — Und als sie tief mir in das Aug' geseh'n, Wie bitterlich begann sie da zu weinen! Ja Mütterchen, auf wirrverschlung'ner Spur Gar manchen Abgrund sah ich vor mir gähnen, Doch kehrt' ich heim, und Gott vernahm den Schwur: Das sind um mich der Mutter letzte Thränen! Ich hab's gewollt! Zerbrachst du hinter dir den Steg, Du hast's gewollt, — nun zage nicht, Nun schreite kühn den eig'nen Weg, Empor das Haupt und klage nicht! „Ich hab's gewollt!“ — ein stolzes Wort! Bei Gott, so spricht der ganze Mann, Und braust entgegen ihm der Nord — Was kümmert's ihn? — er geht voran! Ob er sich Fluch, ob Segen schuf — Ei nun, die freie Wahl war sein! „Ich hab's gewollt!“ so schallt sein Ruf, „Und was auch kommt, ich trag's allein!“ Neues Leben — neues Lied So laß denn hinter Dir die alte Zeit, Dem neuen Leben ziehe frisch entgegen, Und wage Dich noch einmal in den Streit, — Das lose Glück umschwärmt Dich allerwegen! Wirf hinter Dich den ganzen alten Kram, Und lege d'ran mit kecker Hand den Zunder! Je mehr von all dem Wust zusammen kam, Ei, desto heller brennt der dürre Plunder! Den Wanderstab beut Dir der nächste Zaun, Und leimen läßt sich die zerbroch'ne Fiedel! — Auf — geige Dir beim ersten Morgengrau'n Auf neuem Weg ein neues, munt'res Liedel! Auferstehen Ein seltsam Bangen war's, das mich erfaßt, Als ich zum ersten Male Dich gesehen; Gleich dem Verschwender, der sein Gut verpraßt, Mußt ich vor Dir mit Schamerröthen stehen. Vergelt' Dir's Gott, mein gnadenreiches Lieb, Du kehrest dem Verarmten nicht den Rücken, Du meintest lächelnd, daß genug mir blieb, Um unser Leben damit auszuschmücken. An Deiner Zuversicht wuchs meine Kraft, Dein Wort war Balsam meinem wunden Herzen, Mein Geist ward frei nach jahrelanger Haft, Wie glänzten mild des neuen Glaubens Kerzen! Der dreiste Spott, der Zweifel düst're Schaar — Wie sie vor Dir, der Herrlichen, verwehten! An Deiner Liebe heil'gen Hochaltar, Ein stiller Beter, bin ich fromm getreten. Und sel'ge Ahnung zog mir durch den Sinn Von jener Stunde, da ich's froh verkünde: Ein neuer Mensch, so tet' ich vor euch hin — Wen Engel lieben, der ist frei von Sünde! Bitte O laß mich still an Deinen Zügen hangen, Laß Deiner Nähe Zauber mich umweh'n, Laß mich in süßem, träumerischen Bangen Dir tief hinein in's dunkle Auge sehn! Ich will ja nicht in frevelndem Vermessen Umfangen Dich zum inn'gen Liebesbund, Ich will ja nicht die heißen Lippen pressen Voll wilder Gluth auf Deinen Purpurmund — Ich will ja nur im Staube vor dir knieen, — Indeß die Welt rings um mich her vergeht, — Und leise nur soll Dich mein Lied umziehen Wie eines Kindes frommes Dankgebet! Liebeleben Wie blickst Du mich so lieblich lächelnd an, Du milder Trost auf meinen dunklen Wegen! Und nahst Du Dich und sagst: „herzliebster Mann“ — So jubelt Dir mein ganzes Herz entgegen! Wie neben Dir doch all' der Tand erblich In seinem bunten, wesenlosen Scheine — Wüßt' ich nur Eins: ob meine Liebe Dich So reich gemacht, wie, Traute, mich die Deine! Nach eitlen Kränzen ring' ich fürder nicht, Die Welt mag And're auf den Schild erheben! Nicht wahr, wir wissen, was der Welt gebricht — Mein süßes Weib, laß uns nach innen leben! Mit einem Strahl aus Deinem Lichtesquell Bitt' ich Dich, Gott, den Sänger zu beglücken, Mit einem nur, auf daß ich sonnenhell Der Liebsten Haupt vermag mit ihm zu schmücken! Deutschland, auf! Frisch auf, den Säbel in die rechte Faust, Hoch das Panier in der geballten Linken! Laßt aus dem Sturm, der durch die Lande saust, Nach langer Schwüle uns Erquickung trinken! Das schwellt das Herz! das dehnt die deutsche Brust! Das weht uns an wie heil'ge Gottesflammen — In ernster Stunde wird es uns bewußt: Ein einig Volk, so stehen wir zusammen! Gegrüßt, gegrüßt, ihr Kämpfer aus der Mark, Vom Rhein, vom Neckar, von der Isar Borden! Das tönt so voll, das tönt so donnerstark: Nach langer Zwietracht sind wir eins geworden! — Herr, sieh' darein, die Freudenthräne quillt, Der Bruder drückt dem Bruder treu die Rechte, So segne, Gott, denn unsern reinen Schild — Frisch in den Kampf gen dieses Volk der Knechte! Der Knechte, ja! die schnöder Tyrannei Den Rücken zum geduld'gen Schemel boten, Das alte Frankreich, ritterlich und frei, Das alte Frankreich zählt nun zu den Todten! — Von eitler Ruhmsucht widerlich gebläht, Verderbte Enkel eurer großen Ahnen, Löscht denn die Lüge der „Humanität“, Löscht all' den Trug von den entehrten Fahnen! Ihr warft den Brand mit frecher Faust hinein In uns'res Hauses kaum errung'nen Frieden, So sei denn uns, bei seinem Flammenschein, Euch heimzuleuchten von dem Herrn beschieden! Wir denken d'ran, wie Ludwigs Übermuth Die Pfalz besät mit Trümmern und mit Leichen, Wir denken d'ran — genug, uns kocht das Blut, Wir sind bereit, die Rechnung auszugleichen! Kommt denn heran! — hervor, du blankes Schwert! Des York, des Blücher und des Scharnhorst Erben, Wir schwingen dich! — Hurrah, du Ziel, so werth: Für's Vaterland zu siegen oder sterben! Hei, Mann an Mann! — was schiert uns euer Droh'n? Wir schmettern kühn den alten Bau zusammen! Das heil'ge Reich der deutschen Nation, Ein stolzer Phönix, steigt es aus den Flammen! Kaiser und Reich Wir stehen am Ziel. Was begeistert geahnt, Prophetisch verkündet der Sänger — Neu-Deutschland, es hat sich die Wege gebahnt, Zu Boden geschmettert die Dränger. Wohl war sie gar theuer befruchtet, die Saat, Wohl zahlten den Kranz wir mit Wunden — Doch durften zur ganzen, zur herrlichen That Wir leuchtenden Blickes gesunden. Das war noch das alte germanische Mark, Die Welt auf den Schultern zu tragen! Mit schmetternden Streichen den fränkischen Quark In Trümmer und Scherben zu schlagen! Nun dehnt euch die Glieder, ihr Recken zumal, Nun jauchzt aus tiefinnerster Seele, Und wahrt für die Enkel den glänzenden Stahl, Daß einst er die Großthat erzähle! Ihr schwangt wie Jung-Siegfried das wuchtige Schwert, Im Blute des Drachen zu baden; Der heilige Zorn, der so lange gegährt, Wie hat er sich flammend entladen! Nun loht es vom Berge, nun hallt es vom Thurm, Nun braust durch die Wipfel der Eiche Im Teutoburgwalde ein mächtiger Sturm: Die Kunde vom Kaiser und Reiche! Vom Kaiser und Reiche! — Und rastet die Hand Vom männerhinwürgenden Streiten, So gilt es, der Freiheit im heimischen Land Die friedlichen Siege bereiten! Wohlauf denn, zu bannen den nächtigen Trug — Als herrlichstes Opfer den Todten! Das Volk, das die fränkischen Adler zerschlug, Giebt fürderhin keine Heloten! — Und ward vor Paris uns der Kaiser erkürt — So denk' er, durch wen er getragen! Und ob auch dem Führer die Palme gebührt — Das Volk hat die Schlachten geschlagen! Wohl gab es mit Freuden sein theuerstes Blut, Doch schweigend ward Eines bedungen: Ein Tropfen des Öls, das in flammendem Muth Der schwäbische Dichter besungen! In Frieden und Freiheit, so laßt uns die Bahn, Die einzig beglückende, ziehen, Dann kümmert den Adler nicht Krähe noch Hahn, Und ob sie sich heiser auch schrieen! Dann glänzt er so goldig, dann glänzt er so rein, Der Schild an der mächtigen Eiche, Und rüsten die Völker — dann schmettern wir d'rein Die Kunde vom Kaiser und Reiche! Der Zweig aus Eden Der Engel trieb mit lichtem Flammenschwert Das erste Menschenpaar aus Edens heil'gen Hainen, — Doch hat er mild auf Adams Flehn gehört, Brach zur Erinnerung ihm der grünen Zweige einen. Der pflanzt ihn froh am grünen Hügel ein, Ein heißer Thränenstrom rinnt perlend drauf hernieder; Und jeder Abendsonne Purpurschein Sah jenen Zweig benetzt mit Adams Thränen wieder: Der Zweig indessen schosset wundersam Und hüllt des Hügels Felsenhaupt mit grünem Laube. Und als der Herbst im Saphrankleide kam, Da quollen Thränen draus und reihten sich zur Traube. Wie Adam von des Baumes Thränen trinkt, Da strahlt sein Auge hell von Edens Freuden wieder, Der Hain, den sonst sein Seufzer nur durchdringt, Der tönet jetzt zurück des Dankes Jubellieder. Und weil an dem Gerank' nur Thränen glühn, Und weil mit Thränen nur den grünen Zweig er netzte: So nannte nun den Weinstock Adam ihn, Der fern von Erdenleid nach Eden ihn versetzte. Und als der Sündflut tödtend Wasser kam, Den Zweig aus Eden konnt' es nicht verderben, Um Noah's Hütte grünt' er wundersam, — Der pflegt ihn frohen Sinns und ließ ihn uns ererben. So ist auch uns des Lebens Zweig erblüht! Wenn schwere Sorg' und Schmerz das arme Herz bedrücken, Dann scheucht die Thräne, die am Weinstock glüht, Die Thrän' im Aug' und uns umfängt Entzücken. Der Blutbaum Im Buchenschatten saß das Bruderpaar, Das erste, tief in Paradiesesträumen: „Dort steigen in die Lüfte blau und klar Die Berge, die es goldbestrahlt umsäumen.“ Und Kain facht des Altars Flammenschein, — Er opferte dem Herrn die reifen Saaten: Herr führ' uns alle neu in Eden ein, „Wenn nicht, laß nur den Eltern ihre Thaten!“ Da brauste Sturm durch blaue Himmelshöhn Und Donnerwolken rollten sich zusammen. Der Ast der Buche brach im wilden Wehn; Der Rauch zerging, erloschen sind die Flammen! Und Kain finster lehnt am Buchenstamm. Doch Abel fachte neu die Opferglut; Er band der Heerde Zier, das Silberlamm, Dem Herrn zum Opfer raucht' empor das Blut. Und Abel im Gebete sprach den Spruch: „Herr, sind wir Edens würdig alle nicht, So laß mich tragen mit der Eltern Fluch; Nur wende gänzlich nicht dein Angesicht!“ Da wob sich Opferduft in's Abendgold, In schlanker Säul' empor zum Himmel ziehend. Und Abel fühlt' es froh, der Herr war hold — Doch Kains Auge rollt Verderben sprühend: „Willst besser sein!? — so nimm den Tod, du Thor, Und trag' ihn als ein Theil vom alten Fluche!“ So raste Kain, Röcheln stieg empor — Denn Abels Stirne traf der Ast der Buche! — Des Baumes Wurzel trank das Bruderblut, Und schaurig rauscht' es in den grünen Zweigen: Und Kain sah mit Graun die rothe Flut Durch alle Blätter bis zum Gipfel steigen! Da floh er ruhelos von Land zu Land. — Die Buche muß als ew'ges Denkmal ragen, — Sie muß sich kleiden in ihr Blutgewand, Wenn Alles freudig grünt in Lenzestagen. Liebchens Beschreibung Ob's Liebchen schlank gewachsen? — Wahrhaftig, ich weiß es nicht! — Weiß nicht, ob groß ihr Füßchen, — — Ich sah ihr nur in's Gesicht; Weiß nicht, ob Perlen die Zähne, Und wie die Locken ihr wehn, — Weiß nicht, ob ihr Näschen gebogen, — — Hab' nur ihr in's Auge gesehn; Nun weiß ich auch nicht zu sagen, Ob's schwarze, ob's blaue sind, — Denn, wagt' ich in's Aug' ihr zu sehen, — — Beim Himmel, so war ich wie blind! — Die drei Schleier Ich bin dem Getümmel der Welt entflohn, — Nimm freundlich mich auf als deinen Sohn, Du gütige, erdumhüllende Nacht! — Und zeige mir deines Schleiers Macht! — Der Sänger sprach's, — sie lächelte mild, Umschleierte lieblich Wald und Gefild, — Am Himmel tanzten im heiteren Glanz Die blinkenden Sterne den fröhlichen Tanz! Entzückt von des Himmels erhabener Pracht, Fleht aber der Sänger zur Mutter Nacht: Laß tiefer mich schaun in den Himmel hinein, — Frei darf ich's wagen, mein Herz ist rein! Den zweiten Schleier zog sie wohl her Um Wald und Flur und Gebirg' und Meer. Da wurde der Himmel so weit und so licht, Und selig glühet des Sängers Gesicht! Sein Auge ward blind für die irdische Welt — Sein Geist las klar im Himmelsgezelt, Und die er erblickte, die Wunder all, Verkündet der Harfe begeisternder Schall. Doch den Sänger treibt es noch klarer zu schaun Der Seligen Lust in des Himmels Au'n, — Da umfängt den Sänger des Grabes Nacht, Sie hat ihm den dritten Schleier gebracht. Die drei Sänger Still war's in des Harfners trautem Gemach, — Er sann den ergreifendsten Klängen nach, Des Königs verzehrenden Gram zu stillen, Sein krankes Herz mit Balsam zu füllen. So saß er sinnend die Nacht entlang, Und Wehmut des Sängers Busen durchdrang — Denn lösten nicht Lieder des Königs Schmerzen, So nahte der Tod dem erstarrenden Herzen! Und wie der Greis auf die Harfe sich lehnt, — Da plötzlich mit sanften Klängen sie tönt! — Süß träumend im Schooß sein Kind war entschlafen, Dess' spielende Hände die Saiten trafen. Der Harfner lauscht mit staunendem Ohr, Und blickt mit Thränen zum Himmel empor, Und seine begeisterten Blicke bekunden, Er habe der Lieder reinstes gefunden. — — Am Morgen nahet der Sänger Chor Dem König; es trat der erste hervor, — Er ließ den goldenen klingenden Saiten Die süßesten Töne der Lieb' entgleiten: Vom Sange schwillt der Hörer Brust, Er füllet das Herz mit seliger Lust, — Doch der König, der kühn nur Schlachten geschlagen, Hat nie die Lieb' im Herzen getragen! Als rollte der ferne Donner des Thor, So schallte des zweiten Lied aus dem Chor: Er sang der Väter blutige Schlachten, Daß drunten die schlafenden Ahnen erwachten. Doch düst'rer noch wölkt sich des Königs Blick, Er weiset zornig den Sänger zurück: Denn scheu gedenkt er der wimmernden Klagen, Die rings ihn umhallten an blutigen Tagen. Der dritte Sänger tritt in den Kreis — Wie Silber umwehten die Locken ihn weiß; Er füllet mit Tönen die hallenden Räume, So lieblich und schön, wie des Kindes Träume. Der König lauschet der Saiten Schall, Er denket der Jugend Spiele zumal, — Die Tage der Unschuld, sie kehrten ihm wieder, Und eine Thräne rinnet hernieder. Die weiße Rose Du bist so still, du bist so bleich. Ich bin so froh, so roth — Sind wir doch beide wonnereich — Was drücket dich für Noth!? — Die Rose sprach's, die Lilie schwieg — Da kam ein Schmetterling, Der in den Kelch der Rose stieg, Die ihn mit Lieb empfing. Sie wiegten sich in süßer Ruh, — Als er sich satt gekost Flog er dem nahen Walde zu, — Sie flohen Ruh und Trost. Und ihre rothe Wang erbleicht! — Sie weinte bitterlich Zur stillen Lilie hingeneigt, — Und sie verstanden sich! — Herbstwehe Der Herbstwind brauset so dumpf und kalt, Nackt starret der Baum im entblätterten Wald, Grell tönt der Raben Geschrei aus der Höh', Und klagend singen die Nixen im See Ein Sterbelied — „Der Frühling verschied!“ Der tobende Sturm beginnet mit Macht Auf die Wolkenheerde die wilde Jagd, Die dürren Blätter im wirbelnden Kranz Beginnen raschelnd den Todtentanz: Wo blieb ihr Grün? — „Der Frühling ist hin!“ Die Sänger sind fort, der Hain ist leer, Sie zogen nach Süden — weit über das Meer. Nur einer schweift noch die Fluren entlang, Und leis' erhebt er den klagenden Sang: „Das Herz ist leer, Der Lenz ist nicht mehr!“ Spinnlied Spinne, spinne, flink und fein Fäden und Gedanken rein! — Reines Herz erhellt den Blick — Jeder spinnt sein eigen Glück. Sonne, Mond und Sternelein Rädlein sind's im Feuerschein; Englein sitzen dran und spinnen, Gott verwebt das gold'ne Linnen, Webt den Reinen draus ein Kleid, Wenn sie gehn zur Ewigkeit. Spinne, spinne flink und fein Fäden und Gedanken rein! Reines Herz erhellt den Blick, Jeder spinnt sein eigen Glück. Ein welkes Blatt Ein welkes Blatt, o Frühlingswind, Bringst du daher getragen? Was soll ein arm, verwaistes Kind In reichen Maientagen? Ein welkes Blatt? O Sonnenschein, Da soll ich dran gedenken, Wie licht auch deine Strahlen sei'n, Daß sie zu Nacht sich senken. O welkes Blatt in Frühlingslust, Du willst den Schwestern sagen: Das grünste Blatt, die vollste Brust Wird einst zu Grab getragen. Sonntagsfrühe Der Glockenklang des Kirchleins schlägt Wol an Dein Fensterlein, Und stille Morgenandacht trägt Ihn Dir ins Herz hinein. So luftig draußen die Linde rauscht, Sie flüstert so lieb und lind, Denn jedes Blättchen Grüße tauscht Mit Dir, mein Engelskind. Und jedes Vöglein jubelnd singt So wundersüße Weis', Und jedes Lüftchen träumend schwingt Sich durch Dein Fenster leis. Das zwitschert so laut und schwirrt so dreist Und wiegt sich auf dem Ast; — Doch grüßend schwebt herein mein Geist, Der ungelad'ne Gast. An *** O wann im Feld die erste Frühlingskunde Die Lerche singt, im Busch die Nachtigallen, Wie jubelt's in des Waldes weiten Hallen, Wie duftet's süß im kühlen Wiesengrunde! Ach möchte mir von Deinem holden Munde Doch auch ein solcher Frühlingsruf erschallen! Beseligt wollt' ich vor Dir niederfallen, Es heilte meines Herzens tiefste Wunde. In Deines Auges süßem Zauberwesen, Das wie ein See, tiefklar, doch unergründet, Laß Worte milden Trostes still mich lesen! Ja, wie der Lenz hast Du mein Herz entzündet, Es kann allein durch Deine Huld genesen — Sag', wird das Zauberwort mir nicht verkündet? Osterlied Nach langen kalten Wintertagen Naht schüchtern nun des Lenzes Gruß — Die Lerche hör' ich jubelnd schlagen, Und duft'ge Veilchen streift mein Fuß. In weite Fernen möcht' ich schweifen Und wand're doch ein Stündchen kaum — Es ist, als wollt' mein Herz ergreifen Der ganze, süße Frühlingstraum. Was frommt's, auf Flügeln fort zu eilen, Da überall es doch so schön? — Drum, wo Du bist, magst froh Du weilen — Im stillen Tal, auf Bergeshöh'n. Des Frühlings Wunder kannst Du schauen Allüberall in der Natur: O sieh den Himmel lächelnd blauen! Der Odem Gottes küßt die Flur. Mit euch, ihr ersten Frühlingstage, Kehrt mir der Jugendlenz zurück, Wie eine lang vergess'ne Sage Der Kindheit süßes, reines Glück. Ja, neues Leben ist erstanden In Sonnenglanz und Blütenpracht. Selbst aus des Grabes finstern Banden Hat sich die Seele frei gemacht. Wirf ab, o Herz, die schwarzen Sorgen! Erneue Dich in Jugendlust Und laß den Traum vom Ostermorgen Erwachen selig in der Brust. Die Schöpfung lacht im Stral der Sonne, Drum sei auch Du vom Lenz beglückt, Der mit dem Zauber süßer Wonne Die Erde wie den Himmel schmückt. Serenade Du ruhst auf weichem Pfühle, Herzallerliebste mein, In linder Abendkühle Gedenk' ich liebend Dein. Am Himmel die Sternlein prangen, Sie glänzen in goldener Pracht; Der Mond kommt leise gegangen, Um zärtlich am Fenster zu hangen, Wir halten gar treue Wacht. Süß Lieb, gute Nacht! Ihr veilchenblauen Augen, Ihr Rosenlippen hold, O könnt' von euch ich saugen Der Minne süßen Sold! Der Traumgott sendet die Träume, Die Boten der Liebe nun sacht, Der Westwind fächelt die Bäume, Die blühend beschatten die Räume, Das Mondlicht zittert und lacht: Süß Lieb, gute Nacht! Ach, hielte Dich umschlossen Doch auch von mir ein Traum! In Sehnsucht ganz zerflossen, Geb' ich der Hoffnung Raum. Ich will mich im Flieder verstecken, Da nehm' ich Dein Fenster in acht, Bis schmeichelnde Winde Dich necken Und Drosseln, Du Holde, Dich wecken Vom Schlummer, noch eh' Du's gedacht. Süß Lieb, gute Nacht! Frühlings Erwachen Lächelnd wandelt der Blumenengel Über die träumenden Knospen sacht, Rühret sie an mit dem Lilienstengel, Daß bald jede vom Schlummer erwacht. Lieblich entfaltend die Blütenflügel, Schwebt er im nächtlichen Sternenschein Über die Gärten und lauschenden Hügel; Schaut in die brechenden Knospen hinein. Luftige Geister sich wiegen und schweben Rings um die Dolden in magischem Kreis, Und es erstehen die Blüten zum Leben: Frühling! so nahst du, heimlich und leis. Abschied O laß mich Dir's noch einmal sagen, Bevor Du gehst auf immer fort, Wie stets mein Herz für Dich geschlagen, Du meines Lebens Licht und Hort; Wie ich als teuerstes Vermächtnis Bewahre noch Dein holdes Bild, Wie jedes Wort mir im Gedächtnis, Das Du gesprochen sanft und mild. Sei glücklich! Achte nicht der Träne, Die mir im Auge bleibt zurück. Ach, wenn ich Dich nur glücklich wähne, So ist auch das für mich ein Glück. Zieh hin, beglückt von Heil und Segen! Ich aber will von ferne steh'n, Doch folgt mein Geist Dir allerwegen, Mein Lied wird grüßend Dich umweh'n. Unsern Feinden Wir haben Euch geholfen von dem dritten Und Euch erlöst vom ersten Bonaparte; Nur zwei Mal war der Deutsche der Genarrte Und hat umsonst des Krieges Not erlitten; Doch was wir heut' im heil'gen Krieg erstritten, Behalten wir zum Wetzen jener Scharte; Schreibt, was Ihr wollt, auf Euere Standarte, Wir kennen Euch und Eure guten Sitten! Republikaner oder Royalisten, Von ihren Thürmen stiegen die Parteien, Bei'm Länderraube Hurrah mitzuschreien; Glaubt Ihr, um Euren Augiasstall zu misten, Sei gut genug, der deutsche Arm gewesen — Ihr müßt auch glauben an den deutschen Besen! Die Blinde Da schreitet eine arme alte Frau Durch Horst und Dorn auf steinbedecktem Pfade; Wie rüstig, ist das dünne Haar auch grau, Sucht sie im Wald das Haus der Gottesgnade! Dort steht ein steinern Kreuz; sie kniet und nickt Und ringt davor mit brünstigem Geflüster; Tiefeinsam ist's und still! Der Heiland blickt Auf sie herab so gramvoll und so düster. Sie fleht um ihr erlosch'nes Augenlicht: „Maria's Sohn, sei gnädig doch der Armen! Seit Jahren bitt' ich schon, du hörst mich nicht! Wirst du dich heute, heute nicht erbarmen?“ Dann steht sie auf, kehrt freudig und getrost Der Heimat zu, vorbei an Strauch und Hecken, Und wo durch ihren Pfad der Waldbach tost, Weiß sie den Weg und hat nicht Stab noch Stecken. Und morgen klagt sie wieder ihre Not, Und Tag für Tag geht sie durch Dorn und Schroffen Zum Heiland hin, das Auge zu und todt, Doch aus den Zügen glänzt ein heimlich Hoffen. Vanitas In des Berges tiefsten Ritzen Haust ein tückischer Kobold; Im Geklüfte muß er sitzen, Spielt mit Lichterschein und Blitzen, Hütet Edelstein und Gold. Und er lockt: die Menschen graben Rastlos nach dem irren Schein. Ach, sie hasten, ach, sie haben Nicht die Ruhe, sich zu laben, Sie verachten Brod und Wein. Sie verachten Glück und Frieden Und der Hütte stille Ruh. Dorten glänzt's! Dort ist hienieden Alles Heil für sie beschieden — Und der Kobold lacht dazu. Dorten glänzt's in dunkler Ferne! Dorthin treibt sie Wahn und Qual; Einer fand's! Sie glauben gerne, Nun erlöschen alle Sterne, Das Verbrechen wetzt den Stahl. Tempel stürzen und Altäre; Moderige stumme Ruh Deckt die Trümmer; Charon's Fähre Eilt, als ob's zu Ende wäre, Und der Kobold lacht dazu. Letzter Wille Komme, was da kommen mag, Gott verhüt', Daß des Lebens letzter Tag Einst verglüht Ohne Blumen, ohne Sterne, Ohne abendliches Roth! Unter Blumen, o wie gerne, Stürb' ich einen süßen Tod. Möchte von der grünen Au Lächelnd seh'n Noch einmal in's ew'ge Blau, Dann vergeh'n, Wenn in süßer Dämmerstille Einer Drossel Sang erstirbt, Wenn die nimmermüde Grille Heimlich in den Abend zirpt. Abendliches tiefes Grau, Decke du Dann den Schläfer auf der Au Friedlich zu, Und der Blume Thau befeuchte Sein erblassend Angesicht, Und ein letztes Sternlein leuchte Noch herab mit mildem Licht. Beim Tode Freiligrath's Es ist ein Stern gefallen Und eine Harfe sprang, Und durch des Tempels Hallen Tönt düstrer Klagesang. Gebrochen ein Sängerherze, Du, einst Westfalen's Glanz! Ich weihe in stummem Schmerze Dir einen Lorbeerkranz. Es ziehen die kühnen Lieder Mir wieder durch den Geist, Ich seh die Wüsten wieder, Die deine Harfe preist, Ich folge den Karawanen Durch Gobi's glühnden Sand, Wo einstens unsre Ahnen Erkämpft das heil'ge Land, Wie ragen hoch die Cedern Des Libanon empor, Als wären's Riesenfedern, Die Allah sich erkor, Wie sanken auf fels'gem Grunde Am Berge Sinai Die Pilger zur Morgenstunde Andächtig auf die Knie. Das Rauschen der Katarakte, Der wilden Schlachten Sang, Es zieht in schnellem Takte, Durch deiner Lieder Klang; Dann tönt's wie Engels Singen, Wodurch kein Mißton gellt, Um Kunde uns zu bringen Aus deines Herzens Welt. Als wir gesprengt die Banden, Wie sangst du hoffnungsfroh, Als wäre auferstanden, Riquetti Mirabeau, Da Freiheit wir errungen, Fand deine Harfe Ruh; Von allen, die gesungen, Sang's keiner so, wie du! Fern von der rothen Erden Schläfst du, o Sängerherz, Dir soll ein Denkmal werden, Viel dauernder, denn Erz: So lange über die Haiden Das Abendlicht erglüht, So lange noch beim Scheiden Dein Wandrer singt sein Lied, So lange noch Rosen glühen Und Lenz und Liebe lebt, So lange noch Wolken ziehen Von Morgengluth durchwebt, So lange noch Lerchen schweben Im Lenzlicht himmelwärts, Wirst du unsterblich leben In deines Volkes Herz! Mir ist's, als hört' ich Lieder Aus einem fernen Land, Wehmüthig knie ich nieder An deines Hügels Rand; Schlaf wohl, ich will nicht klagen, Blieb doch dein Geist der Welt, Doch lichte Engel tragen Dein Herz zum Sternenzelt! Sehnsucht nach dem Meer Wie eng der Wald, wie klein die Halde, Und meine Sehnsucht, ach, so groß, Wie bang das Schweigen hier im Walde, Der Winde Sang, wie seelenlos; Wie weit, o Meer, sind deine Wogen, Frei jauchzt die Brust von allem Leid, Von deinem Sturmeshauch umzogen Im Anblick der Unendlichkeit. O Abend, deine Dämmerungen, Wie haben sie am wüsten Strand Mir Freudenlieder zugesungen, Die nie das Herz zuvor gekannt, Es möchte sich die Seele dehnen Und fliegen in das Ätherlicht, Aushauchend all ihr glühend Sehnen Im wild hinrauschenden Gedicht. Wenn dann die Stürme heftig brausen, Die Wogen schlagen hochempört, Und bang das Herz mit stillem Grausen Den Donnerlaut der Wellen hört: Dann ist's, als müßt ich niederknien, Inbrünstig sprechen ein Gebet, Und meine Lobgesänge ziehen Zu deines Schöpfers Majestät! Wie hast du oft in hehrem Schweigen Den Geist zum Sinnen eingewiegt, Der leicht wie mit der Fee'n Reigen In's Wunderland der Dichtung fliegt; Die Nebel flattern, Wolken ziehen Und so verrinnet Traum um Traum, Die schönen Phantasien fliehen Gleich Lichtgewölk an deinem Saum. Wenn hold erklingen Lerchenlieder, Der sanfte West umweht mein Ohr Und Blüthendüfte steigen wieder Zum blauen Himmelsdom empor: Dann fort aus diesem engen Lande, Ich will mich deinen Ufern nahn Und lauschen dann, wie einst am Strande Stumm deinen Donnern, Ozean! Die Waldfee Sag' Knabe, was hast du im Walde gehört; Bleich ist dein Antlitz, dein Blick verstört, O sag', was hat dich bedroht; O Mutter, die Wipfel säuselten bang, Es drang aus dem Waldsee so klagender Sang, Es waren die Nixen in Noth. Mein Knabe, die Lüfte wehen so lind, Die Wellen sind stumm, leis flüstert der Wind, Was andres hat dich bethört; O Mutter, es heulte der Wolf so laut, Da bin ich gelaufen, es hat mich gegraut, Als ich den Wolfruf gehört. Mein Knabe, es ist kein Wolf im Wald, Bis hierher ist noch kein Laut verhallt, Was andres machte dir Pein; O, Mutter, Mutter, ich wills nur gestehn, Ich habe die schöne Waldfrau gesehn, Ich sah' sie im Waldgrund allein. Sie stieg aus einer Blume empor, Es klang ihr süßer Gesang mir in's Ohr, Sie winkte hold grüßend die Fei. Es strahlt' ihr Gewand im rosigen Licht, O, nimmer vergeß ich das Angesicht Und die himmlische Melodei ... Der Knabe sagt es, sein Herz ward schwer, Er hat nicht gelacht, still ging er einher — Der Mutter ward angst und weh; Und als verglühte der dritte Tag, Lag todt der Knabe im Waldeshag — Bang klagten die Wellen im See. Von Gottes Gnaden In der Zeit der Dichterfürsten hab ich jugendfrisch gelebt, Wohnend auf demselben Boden, von derselben Luft umwebt: Hätt' es daran nur gelegen, wär' ich schönsten Sanges reich, Und kein Liedesmund auf Erden käme meinem Liede gleich. Zeitgenoß des Heergewalt'gen, der am Nil und Belt gekriegt, Stand ich in der Männer Reihen, die den kühnsten Mann besiegt: Hätt' es daran nur gelegen, wär' ich auch ein Kriegesheld, Und am Saum der fernsten Thule schlüg' ich muthig mein Gezelt. Ja, gewiegt in selber Wiege mit der Britten Königin, Hat auch das mich nicht gefürstet, werden mußt' ich, was ich bin. Und so bin ich, wie mein König, nach dem höchsten Fürstenrecht, Was ich bin, von Gottes Gnaden, er der Herrscher, ich der Knecht. Lieb und Leid Was ich hatte, was ich habe, Es ist alles Tand, Und zuletzt im engen Grabe Deckt es leichter Sand. Was ich hatte, was ich habe, Ist mein innig Glück, Dankbar froh seh ich am Grabe Noch darauf zurück. Was ich hatte, was ich habe Nehmt mir nichts davon, Lieb und Leid ist bis zum Grabe Menschen Loos und Lohn. Muth gefaßt Ja, man rafft sich wohl einmal Wieder auf zum Leben, Kann sich von der dunkeln Qual Männlich stark erheben, Aber Farbe, Glanz und Licht, Frühlings Blüthentriebe Suche nur auf Erden nicht Nach der ersten Liebe. Der Normann Siehst du die Krone auf den Sparren? Bald wird mein Häuschen fertig sein, Und ehe Wald und Bach erstarren, Zieh ich in meine Wohnung ein. Da unter ihr die Meereswogen, Von aller Völker Schiffen bunt, Und dorther kommt der Strom gezogen Zur Westsee aus dem Öresund. So liegt, wenn ich in Frieden raste, Vor meinen Augen noch das Feld, Das mir, dem unruhvollen Gaste, Die vorige Zeit entgegen hält. Denn ich bin lang zur See gefahren, Und ohne Heimath, da und hier, Sah ich in mehr als dreißig Jahren Nur fremde Flaggen über mir. Nun will ich erst als Normann hausen, Zu lieber Erde heimgekehrt, Genießend, was in Sturmes Brausen Die Fremde meinem Fleiß gewährt. Seitdem das Hoffen und Erwarten Mit meinem Bau zu Ende ging, Deucht mir im Hause und im Garten Doch meine Arbeit gar gering. Zu jung um müßig drein zu schauen, Zu alt für Sturm und Meeresnoth, Laß ich zum andern male bauen Ein schwimmend Haus, ein Segelboot. Das ist gemacht für Norwegs Küste, Genau gefügt, von festem Holz. Es bleibt dem Seemann sein Gelüste, Es bleibt ihm auch der alte Stolz. Ja, wer es kauft, der soll es loben, Wer mit dem Boot zu Meere geht, Wenn es dem Steuermann die Proben Gelehrig und gewandt besteht. Doch, Schifflein, wer wird auf dir fahren? Wohl gar der Schalk, der Unverstand? O, wär ich noch in meinen Jahren, Du kämst in keine fremde Hand. Um unsre Schären, unsre Riffe Wie das Gewoge schäumend wallt, Wie ringt im Sturm der Zug der Schiffe! Ein Nothschuß nach dem andern hallt. Und durch die wilden Wasser drängen Die roth und weißen Segel fort, Sie leiten zwischen Klippenhängen Die Schiffe in den sichern Port: Das sind die Lootsen dieses Strandes, Die Helfer in des Sturmes Wuth, Das sind die kühnsten ihres Standes, Das ist Norwegisch Heldenblut. Und ich, aus gleichem Blut entsprungen, Fuhr ich umsonst von Meer zu Meer? Ist das nur Arbeit für die Jungen Und dem versuchten Mann zu schwer? Ich weiß, mein Boot, wem du bereitet. Nun stell' ich keinem dich zu Kauf; Sobald der Kiel ins Wasser gleitet, Hiss ich das Lootsensegel auf. Mein Haus auf hohem Uferrande, Und hier mein Boot in meiner Hut: Ich bin daheim im Norweglande, Ich bin daheim auf Norwegs Fluth, Von Lootsensegeln rings umflossen, Den Blumen, die der See entkeimt: Ich bin bei Freunden, bei Genossen, Bei Norwegs Männern eingeheimt. Noch ist es still, die Schiffe gleiten Gemach zum Lindesnes hinaus. Doch Wetter drohn. Die Lootsen breiten Sich an der Schärenküste aus. Ihr fremden Gäste fahrt geborgen Hinab an Norwegs Felsenstrand, Wir, Norwegs Männer, hüten, sorgen, Wir allem Menschenkind verwandt. — Nun jagt der Sturm. Er ist zur Stäte. Die Wogen rollen wild heran. Still, Alter, neige dich und bete; Nun geht die Lootsenarbeit an. Siehst du die Brigg dort auf den Wellen? Sie steuert falsch, sie treibt herein Und muß am Vorgebirg zerschellen, Lenkt sie nicht augenblicklich ein. Ich muß hinaus, daß ich sie leite! — „Gehst du in's offne Wasser vor. So legt dein Boot sich auf die Seite Und richtet nimmer sich empor.“ — Allein ich sinke nicht vergebens, Wenn sie mein letzter Ruf belehrt; Ein ganzes Schiff voll jungen Lebens Ist wohl ein altes Leben werth. Gieb mir das Sprachrohr. Schifflein eile! Es ist die letzte, höchste Noth. — Vor fliegendem Sturme, gleich dem Pfeile, Hin durch die Schären eilt das Boot. Jetzt schießt es aus dem Klippenrande. Links müßt ihr steuern! hallt ein Schrei. Kieloben treibt das Boot zu Lande, Und sicher fährt die Brigg vorbei. Ägypten und Kanaan Aus Ägyptenlande Rief ich meinen Sohn, Lös'te seine Bande, Lös'te Angst und Hohn, Brach ihm Bahn und zog voran Durch das Meer nach Kanaan. In der dunkeln Wolke Ob dem Sinai Sprach ich zu dem Volke, Pflegte keins wie sie, War ihr König, war ihr Held, War ihr Schwert im Siegesfeld. Und die Ungetreuen Fallen von mir ab, Beugen sich und scheuen Fremder Treiber Stab, Geben Götzen ihren Ruhm Und verschmähn mein Heiligthum. Aus Ägyptenlande Rief ich meinen Sohn, Gab ihn in die Bande, Ihn in Angst und Hohn, Ließ ihn gottverlassen sein, Ohne Trost in herbster Pein. Duldend sonder Reue, Sehet, welch ein Mann! Knechtsgestalt, der Treue, Nahm er willig an, Menschensohn an Fleisch und Blut, Wahrer Gott in Geist und Muth. Dieser ist gerichtet, Hat für euch vollbracht, Hat den Tod vernichtet Und der Sünden Macht: Welt ist frei, und rein und klar, Was Gefäß des Zornes war. Sohn, vom Geist empfangen, O Mariens Sohn, Löse, was gefangen, Dir zum Schmerzenslohn, Führ' uns dir nach Kanaan Aus Ägyptens Dienst und Bann! Der voll Schmach und Spottes Du am Kreuze starbst, Uns der Kinder Gottes Selig Recht erwarbst, Aus Ägyptens Dienst und Bann Führ' uns bald nach Kanaan! Christus ist erstanden, Sieghaft sein Panier, Los von allen Banden Ihm nur folgen wir: Auf, hinauf nach Kanaan Aus Ägyptens Dienst und Bann! Das Ziel Den Stab des Herrn in Händen Geh deinen Weg hinab. Fragst du: wo werd' ich enden? Es geht ins stille Grab. Und Grab und Todtenkränze, Nur die am Ziel der Bahn? Sie sind des Glaubens Grenze, Dann hebt das Schauen an. Kein Irren und kein Fallen Quält dann die Seele mehr, Dann werd' ich ruhig wallen, Ein sanfter Strom ins Meer. Christus führt Laßt mich meine Pfade Still mit Christus gehn, Was mir fromme, schade, Muß ja er verstehn, Und wer mag den Glauben, In mir seine Macht, Meiner Seele rauben, Die er selbst bewacht. Sel'ger Glaube senket Hier den Anker ein: Mein Erlöser denket, Ich soll selig sein; Und die Heilsgedanken Stehn in starker Hand: Sturm und Fluthen wanken, Christus führt ans Land. Christus überall Christus ist in unsrer Mitte, Leitet selber unsre Schritte, Wo wir flehen, tritt er ein. Christus soll dein wahrhaft Lieben, Deine Wonne, dein Betrüben, Arbeit deines Tages sein. Was ich sinne, was ich sehe, Was ich wirke und verstehe, Lichter Morgen, stumme Nacht, Erster Anfang, letztes Ende Sei gelegt in Christi Hände, Sei in ihm gethan, gedacht. Soll ich reden, meinem Munde Leihe selber Wort und Kunde, Du von Ewigkeit das Wort; Soll ich stille wandelnd zeugen, Lehre du mich fruchtbar schweigen, Dein die Zeiten, dein der Ort. Des Stillen Heimweh Dein gedenken Das genügt mir nicht: Mich versenken In dein göttlich Licht, Dir vereint in völligem Vertrauen, Dich mit meines Geistes Augen schauen: Das bedarf ich. Du versage nicht. Der Independent „Es muß einmal das treuste Herz verwaisen.“ Vergehn, Novalis. Nur aus Asche hebt Der Phönix die verklärten Schwingen auf. Wo ist denn Einer, der in seinen Tagen Den Lebenstodesbecher nicht geleert? Ich trank ihn auch. Und nun an meine Arbeit! Ich blicke hoffend in das ew'ge Auge Des Arztes, der die Welten heilt, wie mich. Was ich gefleht, und wie nach Licht gerungen Der Dogmen peinliches Gewirr hindurch, Wie heiße Thränen oft mein Lager netzten, Weiß der Verborgne, der Verborgnes weiß. Und was gewannst du dir, bedrängtes Herz? Wahrheit, in die der Glaube sich versenkt: Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, Der Menschheit Schuld und Leid und Schmerzen tragend. Und mit der Wahrheit Wahn, vor dem mir graut, Von finstrer Sünde, die im Mutterschooße Mich, Gottes Ebenbild, zum Scheusal machte, Daß sich im Zorn mein Schöpfer von mir wendet, Daß sich der Fluch um meine Seele legte, Bevor mein Auge sich dem Tag erschloß. Nein, Gottes Wahrheit, unaussprechliche, An Christi Grabe nicht und nicht in Rom, Nicht an dem Hutberg such' ich deinen Tempel. Er ist in uns, wir göttlichen Geschlechtes, Und nieder sinken mir die Kirchen alle Und die Kapellen, in der Zeit erbaut, Vor dem lebendigen, ewigen, Gottes-Tempel. Gott in mir Was Dunkel schafft und Zagen Regieret nur im Schein, Gott ist unendlich Tagen, Gott ist unendlich Sein: Auf, richte Sinn und Muth Vom Wandel, Schein und Wanken, Vom Irren und vom Kranken Zum Licht, zum höchsten Gut. Da ist kein ängstlich Spähen, Kein banges Suchen Noth, Gott ist in deinen Nähen Mehr, als was ferne droht. Was draußen ist, ist fern, Was in dir wirkt und waltet, Dich selber dir entfaltet, Das ist dein Licht und Stern. Die Zeiten müssen reifen, Die Wolken müssen fliehn, Die dichten Nebelstreifen, Die Schatten abwärts ziehn; Das Nächste bleibe dein, Das Nächste und das Wahre, Das niemals Wandelbare, Da senke dich hinein. Wer bist du? „Bist du fromm?“ Nicht völlig wie die Frommen. „Bist ein Weltkind?“ Wie die Klugen nicht. „Philosoph?“ Ach, kaum ein wenig Dichter. „Oder Zweifler?“ Wohl mir, jetzo nicht. „Aber sprich, wofür denn willst du gelten?“ Für ein Menschenkind, wie tausend andre. Unterricht im Dichten Lernen willst du, wie man dichtet? Kind, die Wahrheit zu gestehn, Manches Jahr hab' ich gereimet, ohne das recht einzusehn. Wie gedacht, so wird gedichtet; aus dem Denken ewig licht, Aphrodite aus dem Meere, steigt Gedanke und Gedicht. Doch — auch anders läßt sich dichten. Wer niemals ein Blei geführt, Lernt doch leicht chinesisch malen, malet flugs, was sich gebührt: Also dichten wir chinesisch. Die Schablonen schneid' ich aus, Und du dichtest ohne Mühe, was gebraucht ein gutes Haus. Chinesisch Ein Triolet ist leicht gemacht, Wenn man das Echo nur bemerkt. Da kommt es! Gieb ein wenig Acht! Ein Triolet ist leicht gemacht, Es schweigt, und, eh du dich bedacht, Schallt es noch einmal und verstärkt: Ein Triolet ist leicht gemacht, Wenn man das Echo nur bemerkt. Versuch der Schülerin Charlotte Wellmann Ein Triolet ist schwer gemacht, Wenn man das Dichten nicht versteht. Ich habe hin und her gedacht, Ein Triolet ist schwer gemacht; Was hilft mein Sinnen Tag und Nacht? Denk ich: Gefunden! ists verweht. Ein Triolet ist schwer gemacht, Wenn man das Dichten nicht versteht. De Köster Bim, bam! De ihrste Puls is nu all ut: Daar kickt en ens utn Schalllock rut. Dat schummert hier, dat schummert daar, In Aabend is noch en beten klaar, Un all dat Feld so schmuck un witt, Ick glöw, de Schnee de freut sick mit, De Aabendstirn wet ganz gewiß, Dat Wihnachtsheiligaabend is. Bim, bam! De anner Puls is ok all schehn: Will wedder 'n beten üm mi sehn. De Kinner lopen ut und in, Se sölen naa de Stuw nich rin: Huusmutter maakt för Kind un Knecht Allwiel den heil'gen Christ torecht; Jaa Stirn' un Kinner weten wiß, Dat Wihnachtsheiligaabend is. Bim, bam! Dat sünd dre Puls as Schick un Bruuk. Nu is 't all god, nu to de Luuk! In all de Hüüser is 't nu hell, De Dannenböm sünd all to Stell; Man pur min Thorm steiht so alleen, Un is keen Licht an em to sehn, Un wet keen anner doch so wiß, Dat Wihnachtsheiligaabend is. König Friedrich Wilhelm III. Heere stürmen wider Heere Auf dem Lande, auf dem Meere, König wird des Königs Sohn; Und er spricht zu seinen Schaaren: Recht und Frieden will ich wahren Meinem Volk und meinem Thron. Dennoch naht der Krieg dem Reiche, Es erliegt dem wilden Streiche, Sieben Jahr in Feindes Macht. Spricht der König: Ohne Zagen Schweigen laßt uns, laßt uns tragen; Morgenröthe folgt der Nacht. Winter mit der Faust des Riesen Hat den bittern Grimm bewiesen, Heere hat der Frost erstarrt; Ruft der König: Zu den Waffen! Unser Recht uns neu zu schaffen, Das vom Feind vernichtet ward. Schlacht auf Schlacht gewaltigen Krieges. Und im Vollgenuß des Sieges Spricht der vielversuchte Held: Nochmals, wie in Jugendjahren, Recht und Frieden will ich wahren Nun der ganzen Christenwelt. Es läutet Warum Glocken und Glockenton Wieder und immer wieder? Freunde, es ist des Pfarrers Sohn, Welcher gedichtet die Lieder. Halle friedlich und halle traut Nun in des Dichters Buche, Einst ihm selber du letzter Laut Unter dem Leichentuche. Suchen und Finden Ich hätte nicht gefunden? Wer hat euch das gesagt? Ich hab' in heil'gen Stunden Manch heilig Wort erfragt. Und nennt ihr das ein Finden, Das alles Suchens leer? Heißt nicht sich Gott verbinden Ihn suchen immer mehr? Kalt wie die Steine schauen Mich eure Formeln an; Und darauf wollt ihr bauen Des Gottesreiches Plan? Darein wollt ihr uns schmieden? Erwägt ihr, was ihr treibt! Ich weiß: der Streit im Frieden, Die ew'ge Mystik, bleibt. Abendsegen „Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben!“ Ich lobe den, der Tag und Abend schafft, Der meinen Geist zu sich hinauf gehoben, Licht meines Abends, meines Tages Kraft. Auf manchem Irrweg ist mein Fuß gegangen, Jerusalem da droben ward mir fern, Und stand ich dann in Nacht, von Schuld umfangen, Gingst du mir leuchtend auf, mein Morgenstern. Lag ich im Staube, fühlte mir versagen Des Geistes Flügel o wie oft, wie oft, Zu dir sah ich empor und ward getragen Wie leicht! und höher, als ich selbst gehofft. Und bangte mir, mehr vor dem eignen Herzen, Als vor dem Schelten und dem Drohn der Welt; Kleingläubiger, trag ich nicht deine Schmerzen? Sprachst du zu mir, mein Hirte du, mein Held. Des Weges größerer Theil ist nun vollendet, Da fällt ein Schatten an mein Herz heran. Kommt er aus mir? Ist er von dir gesendet, Ein ernster Bote? Ist er nur ein Wahn? Herr Christ, dich loben alle guten Geister! Ich auch, ich preise dich mit ihrer Schaar Du bist mein Gott, du bist mein Herr, mein Meister, Nimm spät, wie frühe deines Pilgers wahr. Der Philolog Du hast nun schöne Feiertage, Nun, Vater, komm und lobe mich. Sieh da die Antwort deiner Frage: Das sind doch Rosen? Freust du dich? Und neben an zur Seite neigen Auch Lilien ihr sinnend Haupt. Nun mußt du auf die Höhe steigen. Hier ruh' umduftet und umlaubt, Und übersieh von der Terrasse Die Stadt um dich, den stolzen Strom, Die Giebel auf der Speichergasse Und über sie hinaus den Dom, Dann näher her, zur Brücke nieder Das Rathhaus mit dem platten Dach — Wie streckt es seine breiten Glieder! Dann unsre Neustadt rege und wach, Die Schule hier, dort das Theater Und ganz am Ende unser Haus! O sieh dich um. Hier bring ich, Vater, Dir deinen Morgentrunk heraus. „Man kommt in Wahrheit bei den Alten Fast von Natur und Mitwelt ab, Sieht kaum das Frühjahr sich entfalten, Die Rosen kaum, die es uns gab. Die Gärten, wie voll fleißiger Menge, Wie dorther Axt und Hammer schallt, Und wie zum Markte das Gedränge, Wie auf des Stromes Breite wallt! Ist nicht auch hier das Leben thätig, Ist nicht auch hier Vernunft und Sinn? Doch weisen wir und weisen stätig Nur auf das Grab der Griechen hin.“ — Nun, Väterchen, will ich dich laben, So hatt' ich lange dich nicht hier. Sieh da, die Tasse sollst du haben Von neuster Form, besieh sie dir, Und sage einmal frei und offen, Daß auch die Neuen etwas sind. Du lächelst? Hab' ich es getroffen? — „Die Form ist griechisch, liebes Kind.“ Ach, griechisch nennst du auch das neue Theater, das wir vor uns sehn, An dem ich täglich mich erfreue, Sprichst, seine Mutter sei Athen. Sonst, was das Neue, was das Alte, Ein modisch Mädchen lernt das bald; Jetzt, was ich für das Neuste halte, Ist immer griechisch, immer alt. „Was alt, was neu zu unterscheiden Ist auch nicht immer leicht und klar; Eins mit dem andern ist in beiden, Wenn sie vollendet, wenn sie wahr.“ So schließt die Zwiebel voriger Jahre Die Lilie dieses Sommers ein. — Doch, daß ich gründlich das erfahre, Wirst du mir heut behülflich sein. Ein neues Schauspiel wird gegeben Von Göthe, recht ein neues Stück; Du hast die freien Tage eben, Nicht wahr, wir bleiben nicht zurück. Welch ein Gedicht! In stiller Seele Das Allerfernste ist mir nah; Nur Hellas such' ich mit der Seele, Ich bin, wie Iphigenia. Ich hoffe, zage mit den Treuen Einsam an der Barbaren Strand, Mich faßt ein unermeßlich Freuen, Ihr Segel eilt ins Vaterland. Ist meine Heimath denn Mycene, Bin ich Dianens Priesterin? O Vater, Vater, warum sehne Denn ich nach Hellas Ufern hin? „Wer in das Land der Dichtung sehnet, Der sucht der Griechen schöne Welt; Es ist, wie fern er ihr sich wähnet, Ihr Hauch, der seinen Busen schwellt. Gut' Nacht, mein Kind, und träume leise Ins holde Griechenland entzückt, Es starb nicht aus, es war nur weise Auf goldne Wolken fort gerückt.“ Das Buch in dunkelfarbigem Bande Auf meinem Tisch bringt es mir Glück? Es lockt ja von des Bettes Rande Noch einmal meinen Fuß zurück. — Ach, so — ich las es früh am Tage — Es ist das neue Testament. Wenn ich es aus einander schlage, Auch hier von Hellas nicht getrennt? — O Geist der Wahrheit und des Lebens, Der sich dem Menschenwort vermählt, Hast du durch Zufall, hast vergebens Der Griechen Sprache dir erwählt? Sie ist beseelt, dem Griechengeiste Hast du in ihr dich selbst geeint; Und — was ich wirke, was ich leiste, Wie deine Gnade es durchscheint! Nun unter seligen Gedanken, In deinem Frieden schlaf' ich ein, Und wird es Morgen —, ohne Wanken In deinem Dienste werd' ich sein. Der Blinde Warum bedauert ihr den Alten? Ich war auch jung, wie ihr es seid, Sah knospend Leben sich entfalten, Die Welt durchwandernd nah und weit. Warum bedauert ihr den Blinden, Der, wenn ihr schlummert, einsam wacht? Sie fliegt dahin auf Wirbelwinden, Von Lichtern glühet meine Nacht. Die Meereswellen hör' ich schlagen. — Gleich seh' ich Indiens Ocean, Wie ich ihn sah in frühern Tagen: Es dunkelt um des Schiffes Bahn. Da leuchten unter mir die Wogen. Da Südens Kreuz in Demantpracht Ist über mir herauf gezogen, Von Lichtern glühet meine Nacht. Vom Fenster her die Rosen hauchen. — Gleich drängen Lichter sich zuhauf, Und Schiras Rosengärten tauchen Vor den entzückten Blicken auf. Das Land der Sonne liegt in Dunkel, Es liegt durchwebt von Ormuzd Macht; Aus Naphthaquellen welch Gefunkel! Von Lichtern glühet meine Nacht. Die Wanduhr schlägt. Nacht ist zu Ende. Das eurer Mutter Sterbezeit! Ich falte betend meine Hände, Um mich nur Schatten dicht und breit. Da zuckt es, zuckt, es bricht zusammen! — Ein Morgenroth ist angefacht, Ach, nichts als Rosen, nichts als Flammen! Von Lichtern glühet meine Nacht. Der Bergmann Im Schacht der Adern und der Stufen Fahr' ich hinab, steig' ich empor, Und meines Hammers ernstes Rufen Lockt mir gehaltig Erz hervor. Es geht aus meiner Hand in andre, Mir dauert nur der alte Trieb; Was ich erwarb, wohin es wandre, Ich frage wenig, wo es blieb. Nun sitz ich Festtags hier im Thale: Ein Goldschmidt kommt, ein feiner Mann, Und beut in köstlichem Pokale Aus Gunsten einen Trunk mir an. Und da mein Mund aus goldnem Becher Die goldne Welle durstig schlürft, Spricht er mit Lächeln: „Alter Zecher, Der ist vom Erz, das du geschürft.“ Von meines Hauses engen Wänden Wird mir ein Töchterchen gehägt, Das herzig und mit lieben Händen Mein einig Kind des Alten pflegt. Die hat sich nun den Freund erlesen, Grün Eppich seinen trauten Stamm; Ich selbst, wär ich wie sie gewesen, Hätt' ihn gewählt zum Bräutigam. Da bringt mein Goldschmidt mir die Ringe, Die ich dem jungen Paar bestellt, Und feiert mit mir guter Dinge, Ein Hochzeitsgast, der mir gefällt. Und als der Pfarrer, nach der Weise, Die Ringe tauscht, und Thräne rollt, Sagt mir der Goldschmidt leise, leise: „Die Ringe sind aus deinem Gold.“ „Hat unser Herzog große Thaten Zu seines Landes Ruhm vollbracht, Von allen Treuen nun berathen, Nimmt er sich Königs Rang und Macht, Und ich bereitete die Krone, Du zogst das Gold aus heil'ger Nacht; Komm, Alter, sehn wir auf dem Throne Den König nun in unsrer Pracht.“ — Ich sah ihn, sah mein Goldgeschmeide, Er hob die Rechte freundlich auf, Schwur sich uns zu mit sicherm Eide, Und — nun zu Berge, nun Glück auf! Glück auf! Glück auf! In meine Schachte Fahr' ich mit frischem Muth hinein! Den mein Metall zum König machte, Deß ist mein Erz, die Berge sein. Es steht ein Kelch in der Kapelle, Neu, goldig hell, auf dem Altar. Auch das Metall brach an der Stelle, Wo ich gehauen Jahr um Jahr. Seh' ich es nun in Pfarrers Händen, Und Alte und Junge um ihn her, Seh' ihn die Gottesgnaden spenden, Fühl' ich mich priesterlich, wie er; Und wenn ich selber vor ihm stehe, Das Sakrament in Sinn und Herz, Dann blick' ich auf den Kelch und flehe: Verkläre mich, wie dieses Erz. Als Weibes Arm in jungen Jahren, Als mich die Tochter weich umschlang, Da trieb mich in den Schacht zu fahren Der Arbeit Lohn und dunkler Drang. Nun schläft mein Mütterchen im Kühlen, Selbst wählend hat mein Kind gefreit, Ich kann nicht mehr, wie sonst, mich fühlen, Mein Herz hat eine andre Zeit. An Erd' und Himmel mich zu binden, Im Glauben meiner mir bewußt, Im Einen mich, im All zu finden: Das mein Verlangen, meine Lust. Und zweigt sich nicht mein Werk danieden Bis auf zum Throne, Ast an Ast? Ist nicht des Hauses stiller Frieden, Ist Gott nicht in mein Werk gefaßt? Ja, Gottes Wunder strahlen prächtig, Wo gülden Erz im Tiefen bricht, Und Gottes Odem wehet mächtig Um Hacke und um Grubenlicht. 1. Ich will von dir, o Lenz Drei Frühlingslieder Ich will von dir, o Lenz, Nur Eine Blume haben; Magst du mit reich'rer Hand Die Andern all' begaben. Spend' ihnen jede Lust In farbenprächt'ger Hülle — Mir aber gib den Sinn Für deiner Freuden Fülle. Gib mir die Blume, Lenz, In deren duft'gem Wehen Gestorb'ne Poesie Mir wieder mag erstehen! 2. Das ist des Lenzes Brauch und Lust Drei Frühlingslieder Das ist des Lenzes Brauch und Lust: Ungerufen kommt er schnelle, Hauset keck in deiner Brust Mit dem Walde, mit der Quelle. Das ist des Lenzes Lust und Brauch, Das des Dichters stilles Klagen: Wie er kam, so geht er auch, Ohne seinen Wirth zu fragen! 3. Als ich schied vom Vaterhause Drei Frühlingslieder Als ich schied vom Vaterhause War umflort mein Angesicht; — Aber Frühling war auf Erden, Und mein Aug' ward wieder licht. Als ich heimkam aus der Fremde, Sah ich's öde, herbstlich grau'n; — Aber an des Hauses Schwelle Stand die lieblichste der Frau'n. O du Lenz mit deiner Blumen Ewig wechselnd buntem Schein! — Holder Frauen Bild und Wesen Muß wohl auch ein Frühling sein! Ohne Weltschmerz Es ist wol schön, zum Schwatzen und zum Kochen, Da braucht Ihr nimmer Eures Herzens Pochen. Im raschen Tanze leicht entflieht das Weh, Wie vor dem Jagdhalloh das scheue Reh. Es ist wol gut, wenn Euer Auge leuchtet, Von heißen Schmerzensthränen nie befeuchtet — Die Hand, die nach dem Aug' stets greifen muß, Sie beut dem Freunde seinen sich'ren Gruß. Es ist wol Mannesart, den Schmerz bezwingen, Und, schon besiegt, des Kampfes Zeichen schwingen — Doch thut's und jagt den Schmerz von Hof und Haus — Und Lieder und Poeten sterben aus! — Eine Räuberschenke In der Schenke um den braunen Tisch Sitzen wilde Schaaren, Rauh die Wangen und das Auge frisch — Kühne Betyaren. Durch die Runde geht der Becher laut, Und zu Nacht ist's eben, Und ein winterlicher Himmel graut In das Schenkenleben. Einer hebt sich jetzo still empor, Nach dem Herde blickend, Wo ein Mägdlein sitzt in Rauches Flor, Süß entschlummert nickend. Vor sie titt er hin mit leisem Fuß, Neigt sich zu ihr nieder, Auf die Wangen drückt er manchen Kuß, Auf die Augenlider. Schaut sie an, wie man zur Heil'gen blickt In geweihten Hallen, Läßt sein Haar, so dunkel, wild verstrickt, Auf ihr blondes fallen — An die Lippen preßt er dann die Hand Dieser Süßen, Reinen — — Welch' ein tiefentlodert, heißer Brand Macht den Räuber weinen! Plötzlich eilt er in die Nacht hinaus In der Stürme Ringen — Warm und lustig ist's im Schenkenhaus, Denn die Räuber singen. Horch ein Schuß! — Auftaumeln lärmend sie, Greifen zu den Waffen! Das ist Räuberschenkenpoesie, Wild und mild geschaffen! Divina Poesia Oft seh' ich in schlechten Gewandes Hülle Mit edlen Zügen ein Weib, Vor ihm der gemeinsten Arbeit Fülle, Der beugt es den schönen Leib. Und wer es schaut, wie es schafft und leidet, Dem kommt es glühend zu Sinn: Es wär' dies Weib, in Purpur gekleidet, Wohl gleich einer Königin. Da hör' ich schellen im Herrenzimmer, Da wird mir, ich weiß nicht wie — Hin seh' ich es wanken mit leisem Gewimmer — Ich denke der — Poesie. Der letzte Gang des kranken Mannes Es titt ein kranker Mann aus seinem Haus, Um einen Gang zu thun im Sonnenschein — Dieß Wort, es sprach's der Arzt, der kluge, aus: Genesung schaff' die Luft, so frei, und rein. Und wie er geht, da taucht es vor ihm auf, Es wogt um ihn ein schimmernd Strahlenmeer, Er sieht die Berge, sieht des Wassers Lauf, Und tausendfaches Leben rings umher. Was er bis heut' nicht sah, er sieht das Licht, Was er noch nie gehört, er hört den Sang, Er greift an seine Brust betäubt und spricht: „Hier, hier, was ist das für ein selt'ner Klang?“ „Wie ist die Welt verwandelt doch mit Eins, Ich finde mich in diese Schöpfung kaum — Es spielt um mich so hellen, grünen Scheins, Ja, ja, das ist ein Feld, und das ein Baum.“ „Wie schön das Feld, wie lieblich doch der Baum — Ei seht, ein Finkchen flattert da hinein, Laßt mich belauschen, was es thut — gebt Raum — Ihr müßt nicht lachen über's — Vögelein!“ „Hört Ihr? Und seht Ihr in der Ferne dort, Wie Blau in Blau, und Erd' in Himmel ragt? — Ei geht, recht häßlich war's, daß Ihr kein Wort Mir je von dieser Schöne habt gesagt!“ „Und doch, es dämmert mir von Triften, grün, Von gold'ner Saaten reicher, reicher Pracht — Oft sah ich flatternd über mir es zieh'n, Und Wasser rauschen hört' ich durch die Nacht.“ „Was that ich nur? — Ei ja, da saß ich d'rin, In dumpfer Kammer saß ich mondenlang, Den Stift zur Hand — ei ja, mit düsterm Sinn Hab ich gerechnet heiß und lang und bang.“ „Berechnet hab' ich Halm und Kraut und Frucht, Die Brüche kannt' ich nur, das Ganze nicht — Und draußen Lenz um Lenz in wilder Flucht, — Und eine Tenne um die and're bricht.“ „Was that ich mit den gold'nen Saaten nur? — Wie meinen Leib gefesselt hab' ich sie, Die Sense war mir Abglanz der Natur, Die Ziffer mir des Lebens Poesie!“ „Ei ja, ei ja, die Art hab ich geführt, Zu zimmern meine eig'ne Todtenbahr — Der Halm steht wieder auf, das Feld sich rührt — Vom Haupt des Schnitters aber fällt das Haar.“ „Die Tenne auf, und streut die Körner aus! Weh mir — ward ich zum Menschen erst so spät! Baut' ich für reiche Ernten Haus um Haus, Und hab' doch nichts zur Ernte mir gesät!“ „O laß noch einmal mich aus deiner Haft, Du Krankheit mit dem schneidend tiefen Weh, Daß ich mit meines Wesens ganzer Kraft, Aufathmend, lebend, diese Wunder seh'!“ — „Hinknien will ich betend in den Staub, Ein Kind des Licht's, ein Mensch, ein freier Geist, Mein Haus will ich umzieh'n mit Blum' und Laub, Und lauschen, wie der Fink die Freiheit preist.“ — So spricht der kranke Mann im Sonnenschein, Und Thränen furchen seine Wangen, bleich — Er wanket heim — die Kammer schließt ihn ein — Da nimmt er seinen Stift, und bricht ihn gleich. Doch wie er oft den Schnitter rief herbei — Der naht auch jetzt mit seiner Sense Klang — Der Stift ist hin — doch auch das Herz entzwei — Das war des kranken Mannes letzter Gang. Ein Improvisator „Gebrochen hat so mancher Vasall,“ Ein zürnender König spricht, „Des Reiches Schutz und festesten Wall, Der Treue verbindende Pflicht. D'rum du, mein Eckart, von Geiste gewandt, Nimm rasch die willige Feder zur Hand, Und zeichne, wie dir's im Herzen bewußt, Der Treue, der heiligen, Pflicht und Lust!“ Tiefdenkend eilt jener von hinnen — Ein Werk will er schaffen voll Kraft und Gluth, Dem König die Herzen des Volkes gewinnen; Das mächtige Wort soll's, nicht Henker und Blut! Und als zwei Tage und Nächte entschwunden, Da legt er's dem Herrn vollendet hin — Mit gold'nen Zügen, der Nacht entwunden, Auf Pergament steht der Treue Sinn! Da ruft der König am dritten Tag Die Diener des Reiches herbei Zum Ritterspiele, zum Festgelag, Zu diesem und Mancherlei. Und wie sie Alle den Thron umsteh'n, Da nahet des Treuen Gestalt, In seiner Hand eine Rolle zu seh'n, In seinem Auge Begeisterung strahlt. Und wie er das Blatt entfalten soll, Den Gästen sein Lied von der Treue zu bringen, Da wird sein Ohr des Entsetzens voll, Denn einen Bogen hört er erklingen. Sein Auge blitzt auf — jetzt sieht er den Pfeil — Den Schützen auch von der Menge umgeben — Wohin das Geschoß? — Beim ewigen Heil, Das zielt nach des Königs Herz und Leben! „Beginn', mein Eckart!“ der König ruft — Der aber hat sich an ihn gedrückt — Jetzt eben, jetzt kommt der Pfeil durch die Luft — Ein Fall! — Es ist dem Treuen geglückt! — Den Tod im Herzen, der ihm nicht galt, Reicht er das Blatt seinem Fürsten hin: „Nun sieh', o König! ob ich gemalt, Wie du es befohlen, der Treue Sinn. O möchte, wenn du's erzählst, doch Allen Mein Lied von der Treue gefallen!“ Der Herr aber beugt sich weinend nieder, Ihm wird's in der Seele jetzt licht — „Was braucht es, du Edler, geschriebener Lieder, Wo stärker dein Handeln spricht! Wohl ist mit Gold und flammendem Roth Das Pergament hier verziert; Doch schöner hast du durch deinen Tod Die Treue mir — improvisirt!“ — Unsere Berge Es ziehen die Nebel durch's blühende Thal, Laßt ziehen das graue Gewimmel! Die Berge leuchten im Sonnenstrahl Und zeigen die Wege zum Himmel. Die kriechenden Wolken ereilen uns nicht, Wir trinken das reinste, das rosigste Licht Auf unseren ewigen Bergen. Es welken die Blumen des Frühlings so schnell! Laßt unten die Blumen verwelken! Hoch oben gibts Primeln am sprudelnden Quell Und Rosen und brennende Nelken. Weicht unten der Frühling dem reifenden Halm, Zieht er mit der klingenden Heerde zur Alm Auf unseren ewigen Bergen. Und macht verschmähte Liebe euch krank, Laßt liegen den Kummer im Thale! Und steigt hinauf, wo heilender Trank Aufschäumt in kristallener Schale; Denn zwischen den Sternen und zwischen dem Firn Neigt sich zum Kusse die stolzeste Stirn' Auf unseren ewigen Bergen. Und wenn man das Lied zu Boden tritt, So laßt es zertreten, zertreten, Bevor der Roggen steht im Schnitt, Schickt Gott die neuen Poeten, Zu jubeln im Wald, zu jubeln im Hag, Und auszurufen den neuen Tag Auf unseren ewigen Bergen. Die kranken Trauben Matt hängt vom Thurm die Fahne nieder, Der Wind, der sonst so lustig blies, Er ist verstummt, wie uns're Lieder; Der Lärchen Wald, der Berge Vließ, Brennt in der Farbe des Zinnobers, Ihn hat in solchen Zorn gejagt, Daß alle Freuden des Oktobers Der Mai schon boshaft hat vertagt. Sonst, welch' ein Leben hat begonnen Die traubenreiche Etsch entlang, Wenn neuer Wein floß in die Tonnen Und neue Lust in den Gesang! Kein Gruß, kein Kuß blieb unerwiedert, Denn neuer Wein gibt neuen Muth, Und himmelan flog neubefiedert Der dunkelgrüne Schützenhut. Die Spinnerin am Leno-Bache, So sittsam, sparsam und so klug, Saß lachend unterm Rebendache Und trank aus dem bemalten Krug; Wie anders jetzt ... stumm sind die Berge, Und nur die Fässer dröhnen hohl, Denn, ach, in jedem dieser Särge Liegt eine Freude von Tirol. Da hängt die Traube eingebrochen, Versenkt, verkohlt und ohne Most, Und draußen warten fünfzig Wochen Mit leerem Krug und mag'rer Kost. Der arme Winzer! ach, was Wunder, Daß er gebeugt zu Boden schaut — Der Wein mißräth, doch schwarzer Zunder Gedeihen und das Farrenkraut. Würd' Wein mein Blut mit einem Male, Und wär' mein Herz so groß und weit Wie euer See im Achenthale, Beim großen Gott, ich wär' bereit, Es auszubluten in die Fässer, Die leer zu Haufen sind gestellt, Jedweder Tropfen ging dann besser Als Lied und Liebe durch die Welt. Das Lied liegt manchmal auch im Schlummer, Wer wagt zu sagen, in dem Grab? Es brechen Undank, Noth und Kummer Ihm seine schönsten Blüthen ab; Doch werft die Sorge mannhaft nieder, Der Hoffnung öffnet weit das Haus: Der Wein, ich sag's euch, und die Lieder, Die sterben in der Welt nicht aus. Erkranken können beide leider, Doch oben lebt der alte Gott, Der gibt den Reben neue Kleider Und macht die Lieder wieder flott. Wer weiß, wenn einst des Liedes Weise Frei wieder durch die Thäler geht, Ob dann nicht auch im Rebenreise Der Wein von Todten aufersteht. Der Pfarrer zu Pöls Keine weiß und grüne Fahne Flattert in dem Morgenschein, Keine Trommel wirbelt lustig, Keine Glocke klingt darein, Keine Blumen, keine Federn Steckt der Schütze auf den Hut, Denn es ging Tirol verloren, Und vergebens floß sein Blut. Doch wie's Meer, das leichtgereizte, Wenn der Donner ist verrollt. Mit des Friedens glatter Miene Lange noch im Innern grollt, Wie die Eichen nach dem Sturme Heimlich flüstern unter sich; Also ging's von Mund zu Munde: Vaterland, wir rächen Dich! Auf die nackten Rebenzweige Fällt die Wintersonne warm, Frankreichs stolze Grenadiere Stehen, das Gewehr im Arm. Und vor ihnen fünfzehn Schritte Kniet im Gras ein Priestergreis, Frische Morgenlüfte scherzen Mit dem Haare silberweiß. Ruhe ringsum; nur zur Seite Glühen Wangen zornentbrannt, Wird das Wort der Rache wüthend Den Bedrückern zugesandt, Daß zur Faust die waffenlose Hand zu ballen sich beginnt, Während aus den heißen Augen Eine stumme Thräne rinnt. Doch der Pfarrer blickt so heiter, Grüßt so freundlich mit der Hand: „Trocknet eure Thränen, Kinder, Sterb' ich doch für unser Land; Habt Geduld; was Helden können Und noch mehr, habt ihr gethan, Bis der Morgen der Erlösung Lacht die Felsenspitzen an.“ Horch! da rasseln die Gewehre, Ach, es ist der letzte Ton In dem ganzen Reich der Töne; — Und dann — nein, Pardon! Pardon! Ruft's von Ferne, ruft es näher, Ruft's von Tausenden zumal, Wie vom Berge die Lawine Niederdonnert in das Thal. Eine weiß und grüne Fahne Flattert in dem Morgenschein, Eine Trommel wirbelt lustig, Eine Glocke klingt darein; Neue Blumen, neue Federn Steckt der Schütze auf den Hut, Und in die gebroch'nen Herzen Kehrt zurück der alte Muth. Auf den Händen hoch getragen Und vom Jubelruf umtönt, Kehrt der alte Pfarrer wieder, Wie ein Heiliger verschönt, Heim zu seiner Mutterkirche, Wo zur Orgel feierlich Die Gemeinde singt das schöne: „Herr, mein Gott, wir loben Dich.“ Und wie nun die letzte Note Langsam ausgeklungen war, Bricht der Pfarrer todt zusammen, Ein Verklärter am Altar. Schweigend schütteln sich die Hände, Die der schönen Leiche nah'n; Denn der Morgen der Erlösung Lacht den todten Pfarrer an. Der Verschollene Im Heimwald an die Edeltanne Hat sich ein junger Schütz gelehnt, Die Brust gewölbt, wie sie dem Manne Die freie Luft der Berge dehnt. Er hat sich eine Fahn' erschossen, Es war sein letzter Meisterschuß, Die Kugel hat sein Lieb gegossen, Er wußte, daß sie treffen muß. Die eine Hand im Gurt von Leder, Die andere zerdrückt den Hut, D'ran klebt am Kiel der Spielhahnfeder Ein Nelkenpaar, wie trock'nes Blut. Und achtlos liegt die Fahn' am Boden Und flattert über's Farrenkraut — So steht er da, der Mann im Loden, Und denkt an seine todte Braut. Er denkt an jenes Gartengitter, Das leicht ein Jäger übersprang, Er denkt der Zeit, wo sie zur Zither Der Liebe süßes Trutzlied sang; Dort, wo des Abends Nebel fliegen, Von kahlen Felsen überragt, Hat sie die fichtenlüstern Ziegen Vom jungen Anflug weggejagt. Siehst du sie nicht herunterwinken Im Rock von nelkenbraunem Zwilch? Sie lächelt — ihre Zähne blinken Wie junges Maiskorn in der Milch; Schlank wie das Fohlen von dem Hirsche, Das Auge groß und brombeerschwarz, Der Mund süß wie die Spätbergkirsche Und würzig wie das Fichtenharz. Es dunkelt schon, die Bienen tragen Den letzten Honig aus dem Klee, Des Waldes Rosen geh'n und schlagen Sich Zelte auf im Gletscherschnee, Und mit dem Büchsensack von Juchten Und mit der Fahne goldgestickt, Springt jetzt der Schütz hinab die Schluchten, Wie eine Gemse, die erschrickt. Es führt ein Weg, mit feinem Kiese Bedeckt, zu einem Gitter hin; Kein Garten ist's und keine Wiese, Doch gibt es Gras und Blumen d'rin; Die Thüre offen gestern, heute, Als wagte sich dahin kein Dieb, Und drinnen schlafen so viel Leute Und drinnen schläft des Schützen Lieb. Dort pflanzt auf eines Grabes Hügel Die Fahn' er auf, mit Rosmarin Geschmückt, und flieht, als hätt' die Flügel Der Lüfte König ihm gelieh'n; Vergebens forscht man in der Runde Nach dem Entfloh'nen Tag für Tag — Die Fahn' im Kirchhof gibt wohl Kunde, Daß er nicht wiederkehren mag. Der alte Schütz am Pragser-See Elf schlägt die Pragser-Uhr, am Brunnentroge waschen Die Mägde; die zum Trank geführten Kühe naschen Im hühnerreichen Hof frisch eingeführten Klee. Es deckt die Kellnerin den Eßtisch in der Stube, „Auch ein Gedeck für mich,“ indeß führt mich der Bube Des Badwirths an den Pragser-See. Durch Felsenstücke, reich behängt mit dem Damaste Des Efeus, führt der Weg; von einem Birkenaste Zum andern hüpft und fliegt die gelbe Zeisigbrut, Hoch steht der Himmelbrand im Bux der Heidelbeere, Indeß am Rand des Wegs mit eingelegtem Speere Die Distel ihren Wachtdienst thut. Dicht steht nun Baum an Baum, die Raben-Caravane Ruht aus auf eines Ast's weitblickender Altane, Und d'runten liegt der See, so selig blau und still — Ein Stück vom Himmel, das entsündigt und begnadet, Ein keusches Frauenaug', das in der Thräne badet Und sich nicht sehen lassen will. Kein Hauch bewegt den See, nicht eine Wellenspitze Berührt das Traubenpaar am Strauch der Berberitze, Das über's Wasser hängt, kein Athemzug, kein Ton ... Da fällt ein Schuß und ringsum an die Felsenwände Das Echo klopft, es knallt, es dröhnt, es rollt, als stände Im Feuer ein Bataillon. Die Raben schreien auf und flüchten auf die Zinnen Der Dolomite; dort der Schütz, was mag er sinnen, Die Hände auf dem Rohr, im Auge Lust und Zorn? Im grauen Schnurrbart liegt versteckt ein heimlich Lachen? Schlafsücht'ge Donner, wie, wollt nimmer ihr erwachen? Höhnt er und greift an's Pulverhorn. He Landsmann! rief ich ihm, hat hier zu Lande Jeder An Pulver Überfluß für eine Rabenfeder? Der Alte schließt die Pfann', spannt rasch den Hahn und spricht: „Ein alter Fuhrmann, Herr, sagt's Sprichwort, hört gern schnalzen, Im Stand erseh' ich's nicht, und wo die Hähne pfalzen, Zum Joch hinauf, ersteig' ich's nicht.“ „Gebt Acht nun, wie das knallt ... so war es an der Rienz, Am Eisack, an der Sill beim Klausenthor von Lienz; Schön ist's am Scheibenstand, wenn Büchs' an Büchse kracht, Schön ist die Gemsenjagd, schön ist's, wenn aus dem Haber Das Repphuhn steigt — ich hab's versucht — das Schönste aber Im Schützenleben ist die Schlacht.“ Die Frauen Bleibt mit dem gelehrten Zank Gütig mir vom Leibe, Was ich weiß und fühle, dank' Einzig ich dem Weibe. Wo der Eine niederreißt, Will der And're bauen, Was die Schule nur verheißt, Geben uns die Frauen. Denn in ihrer Liebe liegt Klar der Grund der Dinge, Höher als der Adler fliegt, Steigt des Engels Schwinge. Die Georgine Warum so spät erst Georgine? Das Rosenmärchen ist erzählt, Und honigsatt hat sich die Biene Ihr Bett zum Schlummer schon gewählt. Sind nicht zu kalt dir diese Nächte? Wie lebst du diese Tage hin? Wenn ich dir jetzt den Frühling brächte, Du feuergelbe Träumerin! Wenn ich mit Maithau dich benetzte, Begösse dich mit Juni-Licht! Doch ach, dann wärst du nicht die letzte, Die stolze Einzige auch nicht. Wie, Träumerin, lock' ich vergebens? So reich' mir schwesterlich die Hand, Ich hab' den Frühling dieses Lebens Wie du den Maitag nicht gekannt. Und spät wie dir, du feuergelbe, Stahl sich die Liebe mir in's Herz, Ob spät, ob früh; es ist dasselbe Entzücken, und derselbe Schmerz. Die Nacht Aus dem Walde tritt die Nacht, An den Bäumen schleicht sie leise, Schaut sich um im weiten Kreise, Nun gib Acht! Alle Lichter dieser Welt, Alle Blumen, alle Farben Löscht sie aus und stiehlt die Garben Weg vom Feld. Alles nimmt sie, was nur hold, Nimmt das Silber weg des Stromes, Nimmt vom Kupferdach des Domes Weg das Gold. Ausgeplündert steht der Strauch, Rücke näher, Seel' an Seele, O die Nacht! mir bangt, sie stehle Dich mir auch. Heimweh Heimweh, Heimweh, Aber wahrlich nicht nach jenen Bergen, die im Zwielicht funkeln, Während in dem Thal, dem dunkeln, Länger sich die Schatten dehnen. Heimweh, Heimweh, Nicht nach jener Bäche Tosen, Was sie weinen, was sie klagen, Hab auch ich bei mir getragen, Und wie sie vertraut den Rosen. Heimweh, Heimweh, Nach dem Aug' nicht, das ich küßte, Jenem andalus'schen Dolche, Dreimal selig, wer auf solche Weise sich verbluten müßte! Heimweh, Heimweh, Nach dem ersten Knabenliede, Nach der weißbeschwingten Taube, Die da war der fromme Glaube, Die da war der Unschuld Friede. Ein Krankenbett Es liegt ein Tiroler Studente, Das Kind eines freundlichen Thals, Zehrfiebernd im Armenzimmer Des großen Wiener Spitals. Tief in den verfallenen Wangen Steht es beisammen so roth, Als hätt' jede Rose der Jugend Geflüchtet dahin vor dem Tod. Die um ihn wimmern und sterben, Sind Nummern wie er und ihm fremd Und haben wie er nichts eigen, Nicht einmal das wollene Hemd. Wie bin ich, klagt der Tiroler, So mutterseelen allein, Da öffnet sich langsam die Thüre Und eine Dame tritt ein. Es leuchtet aus ihrem Gesichte Wie fliegendes Alpenglüh'n, Es duftet aus ihren Kleidern Wie Speik und Rosmarin. Die wimmernden Kranken verstummen, Die Schlafenden werden wach Und schauen mit gläsernem Auge Dem lieblichen Wunder nach. Die Dame verließ ihre Zimmer So freundlich, so duftend, so hell, Verließ ihre glänzenden Kreise Und ihren sammt'nen Fauteuil. Es ging ihr dreifach zu Herzen, Ein Landsmann sterbe dahin, Als Christin, als zärtliche Mutter Und als Tirolerin. Es steht am Bett des Studenten Ein Stuhl aus geflochtenem Rohr, Da läßt die Dame sich nieder Und flüstert dem Kranken in's Ohr. Sie lehrt ihm vergess'ne Gebete, Malt ihm der Heimat Bild Und spricht ihm den Segen der Eltern, Den er beim Abschied erhielt. Und sieh! wo erst durch die Betten Die Qual die Runde gemacht, Da dehnen jetzt Äcker und Wiesen Sich aus in üppiger Pracht. Auf seiner wollenen Decke Steh'n Himmelsschlüssel und Klee Und neben ihm träumen die Fichten Und unter ihm schläft der Schnee. Hoch über der Äpfelbäume Weißrothen Blütenreiz Hebt in den sonnigen Himmel Der Kirchthurm das goldene Kreuz. Zur Lerche wird jede Seele, Die je hier in Schmerzen ging, Die Thräne zum Thau und der Seufzer Entpuppt sich zum Schmetterling. Der Kranke erhebt sich am Lager, Zeigt weit hinaus mit der Hand: „So hab' ich dich denn wieder, Mein schönes Vaterland!“ Dann sinkt er lächelnd zusammen, Indem er die Dame noch nennt; So starb im Wiener Spitale Ein armer Tiroler Student. Stille Wenn am Himmel schlagbereitet Die Gewitterwolken ziehen, Wandersmann nun schneller schreitet Und zum Nest die Vögel fliehen, Wird es stille. Wenn die Blumen fromm und selig Sich zum Beten bücken nieder Und der Himmel nun allmälig Öffnet tausend Augenlieder, Wird es stille. Wenn das Herz sich muß entschließen, Ewigen Vergessens Lethe Auf die Blumen auszugießen, Die es sich im Frühling säte, Wird es stille. Das Gnadenbild Auf einem goldgestickten Purpurthrone Im Edelstein besäeten Atlaskleide, Im gold'nen Haar die perlenreiche Krone Maria sitzt, die Hochgebenedeite. Es strömt mit Plagen jeder Art beladen Herbei das Volk aus allen fernen Landen, Man sagt, es hab' ihr Auge voller Gnaden Noch jede Bitte huldvoll zugestanden. Doch wenn des Nachts die Palmenblätter dunkeln, Die an der Kirche Säulen aufgeschossen, Die runden Scheiben glühen wie Karfunkeln, Und nun der Küster hat die Thür geschlossen: Dann kommt wohl ihr die Thrän' in's Aug' geflogen, Sie denkt der Zeit, wo sie die Welt, die weite, Am Wanderstab als Bettlerin durchzogen, Ein Kind im Arm und einen Mann zur Seite. Und wie sie dort im Sandmeer von Egypten Im Schatten eines Palmenbaums geschlafen, Und wie den Thau der Aloë sie nippten, Wenn in der Wüste sie kein Wasser trafen. An Oswald von Wolkenstein Steig herab vom alten Schlosse, Eiserner Tiroler Scalde, Auf der Weide harren Rosse, Knappen im Kastanien-Walde. Deine freien Banner hisse Leuchtend auf in den Ruinen — Wieder sind der Finsternisse Geister unter uns erschienen. Nicht dein Ritterschwert, das scharfe, Brauchen wir; das liedentwöhnte Vaterland bedarf der Harfe, Die einst durch die Berge tönte. Erst wenn deiner Worte Zunder Hat entflammt der Freiheit Streiter, Träum' dein andalusisch Wunder Ein Jahrhundert wieder weiter. Die Freiheit sei kein Wetterschlag Die Freiheit sei kein Wetterschlag, Aus dem Gewitter drücken, Sie sei ein junger Frühlingstag Mit himmelblauen Blicken. Wir wollen nicht das Gotteswort Und seine Tempel schänden, Wir wollen nur die Heuchler fort Aus unsern Thälern senden. Wir fordern klares Sonnenlicht, Nicht Rauch aus tausend Kerzen, Und lassen uns're Freude nicht Mit trüben Farben schwärzen. Wir wollen Alle Brüder sein, An Deutschlands Brust uns schmiegen, Am Inn und Eider, Donau, Rhein Uns in den Armen liegen. Frisch auf Tirol! und wag' es frei, Dem Licht in's Aug' zu schauen, Frisch auf Tirol! und hilf auf's Neu' Am deutschen Dome bauen. Hoch bei Speik und Bergkamille Hoch bei Speik und Bergkamille, Augentrost und Edelraute Schlagen ich und eine Grille Unverwehrt der Freiheit Laute. Nied're Alpenhütten rauchen, Im Gehölze rauscht der Jäger, Uns're kleinen Lieder brauchen Weder Drucker noch Verleger. Schwalben tragen uns're Briefe, Unser Herzlein schleppt die Biene, Unsern Zorn wälzt in die Tiefe Mit den Tannen die Lawine. Die Schwestern Sonntagsmorgen, Sonntagsfreude, Schwester kommt im weißen Kleide, Sind wir nicht ein schönes Paar? Wenn wir vor der Kirchthür stehen Und die grünen Schleier wehen, Sind wir nicht ein schönes Paar? Wenn wir schelmisch unter Lächeln Kühlung uns mit Blumen fächeln, Sind wir nicht ein schönes Paar? Wenn geneckt von Liebesgöttern Wir in Uhlands Liedern blättern, Sind wir nicht ein schönes Paar? Wenn wir unter dunkeln Bäumen Von Bettinens Liebe träumen, Sind wir nicht ein schönes Paar? Wenn in Wonne uns'rer Seelen Lipp' und Locken sich vermählen, Sind wir nicht ein schönes Paar? Doch ich wäre eifersüchtig, Dächt' Er sich beim Gruße flüchtig: Ja, es ist ein schönes Paar! Osceola O Land des Frühlings, Land der Wonne, Du Kind des Meeres, Kind der Luft, Wie lieblich mild ist deine Sonne, Wie zaub'risch deiner Blumen Duft. Die stolzen Riesenströme schlängeln Sich durch des Urwalds heil'ge Nacht, Die bunten Sommervögel glänzen Auf deiner grünen Steppen Pracht. Von Fischen wimmeln deine Buchten, D'rauf spielend treibt des Anglers Kahn, Von feistem Wild die Thäler, Schluchten, Die nie die Bleichgesichter sah'n. Gab's auf der Erde je ein Eden, O Florida, war's dein Asyl, Bevor der Fremdling es betreten Und dort begann sein arges Spiel. Er kam, — er wurde froh empfangen, Wir kannten noch nicht den Verrath, Wir kannten nicht die List der Schlangen, Als er um Land und Heimath bat. Wir gaben ihm, was er erbeten, Wir ließen Haus und Hof ihn bau'n, Er brachte Mord und blut'ge Fehden Und lohnte listig das Vertrau'n. Der Heimath sollten wir entsagen, Des stillen Glückes trautem Ort, Das konnte unser Stolz nicht tragen, Nur Feige lauschen frechem Wort. Wir kämpften kühn und löwenmuthig, War noch so groß die Überzahl, War noch der Kampf so heiß und blutig, Die Noth ließ keine andre Wahl. In unsrer Marschen dichtem Schilfe, Da trotzten wir im Hinterhalt, Drum nahmen sie die List zur Hilfe, Da doch vergeblich die Gewalt. Mit weißer Flagg' ein Bote nahte Dem sichern Zufluchtsort im Rohr, Zu bitten mich zum Friedensrathe, O daß ich ging, ich arger Thor! Sie schlossen mich in diese Mauern, Sie bannten treulos mich in Hast, Was frommt das Klagen, frommt das Trauern? Im Unmuth zehrt sich auf die Kraft. Wohl ist es klug, daß sie mich halten. Entkäm' ich meines Kerkers Nacht, Wie sollte meine Streitaxt walten, Wie würd' ich wüthen in der Schlacht! O könnt' ich meine Fesseln sprengen! — Mir hat der schlanken Glieder Kraft, Die keine Macht sonst konnte engen, Des Fiebers schleichend Gift entrafft. Der Leu muß rath- und thatlos liegen, Bezwungen durch des Feindes List. Nun läßt sich leicht mein Volk besiegen, Da jetzt es ohne Führer ist! O Manitu, mit reicher Gabe Hab oft ich deinen Dank erfleht, Andächtig trug ich schon als Knabe Dein wunderthätig Amulet. Du willst mir deine Gunst entwenden, Der ich geopfert und vertraut, Verweigerst, Hilfe mir zu senden, Der fromm auf dich als Retter schaut? Ich bin verlassen, bin verrathen, Vom Feind verrathen und von dir; Wenn doch die letzten Stunden nahten, Zur Last nur ist das Leben mir! Ha, lange kann es so nicht dauern, Es keucht die Brust so müd und schwer, So enge werden diese Mauern, O wenn es doch vorüber wär'! Ein solcher Wunsch in diesem Lande, Das einstens barg mein Paradies, Wie wandelten den Geist die Bande, Seit mich der Freiheit Glück verließ! Land meiner Jugend, Land der Wonne, Du Kind des Meeres, Kind der Luft, Leb wohl, wie lächelt deine Sonne, Wie süß entzückt dein Blüthenduft! Winter und Frühling Im Rindenzelt am weiten See, Das kaum entragt dem tiefen Schnee, Sitzt still ein Greis mit Silberhaaren; Wohin er seinen Odem haucht, Die Luft von eis'gen Nebeln raucht, Die sich zu weißen Flocken paaren. Sein Blick ist streng, sein Blick ist kalt, Wohin er schaut, gefriert es bald, Und eisig kalt sind seine Hände; Weh dir, wenn er zum Gruß sie bot, Es schaudert dich, als ob der Tod Dir naht vor deinem Lebensende! Der Nordwind draußen stürmisch haust, Im See die hohe Woge braust, Schlägt wild das felsige Gestade; Es rüttelt hin und her der Baum, Trägt der Eiszapfen Bürde kaum, Die niederdrückt ihn ohne Gnade. Jedwedes Leben scheint erstarrt, Der Schnee, der hartgefror'ne, knarrt Laut unter's Büffels schweren Hufen; Der Adler schwirrt, der Rabe krächzt, Der Schakal heult, der Uhu ächzt, Es ist des Hungers Hülferufen. Jetzt hebt die Matte sich vom Thor, Und finster schaut der Greis empor; Ein Jüngling naht mit leichtem Fuße, Der muntern Jugend heitres Bild, Sein Auge leuchtet freundlich mild, Er beugt das Haupt zum frohen Gruße. Es schmückt sein Haar ein grüner Kranz, Es prangt sein Kleid in lichtem Glanz, Mit schönen Blumen bunt durchwoben, Die Hand führt einen Zauberstab, Womit er aus dem Wintergrab, Was dort geschlummert, ruft nach oben. Es spielt um ihn wie Maienluft, Es weht um ihn ein süßer Duft, Es glänzt sein Haupt mit goldnem Scheine; Wo er die Erde leicht berührt, Da sproßt's, da keimt's, da magisch ziert Ein frisches Grün die Flur, die Haine. Er schüttelt von dem Baum die Last Und schmilzt den harten Schnee mit Hast, Und thaut das Eis der Felsenquelle; Die Brünnlein rieseln hell und klar, Die Vöglein singen wunderbar, Und silbern glänzt die leichte Welle. Der Jüngling beut dem Greis die Hand, Der aber, finster, abgewandt, Stößt sie zurück mit grimmem Hohne: „Zieh Deines Wegs, woher Du kam'st, Woher den bunten Schmuck Du nahm'st Und Deine goldne Blumenkrone!“ Und wie er spricht, haucht er mit Macht, Der muntre Jüngling aber lacht Voll herben Spotts des wüth'gen Alten: „Unschuldig ist Dein eis'ger Hauch, Er friert nicht mehr den Nebelrauch, Zu Ende geht Dein stürmisch Walten! Mein mildes Regiment beginnt, Was Du erschaffen hast, zerrinnt, Zieh' nach dem Land der langen Nächte, Wo ew'ger Nebel deckt die See, Die fels'gen Berge ew'ger Schnee, Das Scepter führen finstre Mächte!“ Der Odem stocket schier dem Greis, Es tropft ihm von der Stirn der Schweiß Und aus den Augen heiße Zähren; Zum Abschied hat er sich gewandt, Doch drohend hebt er noch die Hand: „Ich geh, doch werd' ich wiederkehren!“ Die Lieder klingen und rauschen Die Lieder klingen und rauschen, Wir sitzen so andachtsvoll Und still begeistert und lauschen, Was süß der Seele entquoll. Das ist ein mächtiger Zauber, Was gilt das Augenlicht? O armer, unglücklicher Tauber, Zu dem der Gott nicht spricht! Wohl siehst du das Grün der Matten, Der Blumen Farbenpracht, Den Mond mit den bleichen Schatten, Du fühlst nicht des Sanges Macht. Du siehst wohl das Festgepränge, Der Lichter schimmerndes Glüh'n, Du hörst nicht die Wunderklänge, Die lockend vorüberzieh'n. Es tanzen bunte Gestalten Vor Deinem klaren Blick, Der Töne mächt'ge Gewalten Versagen ihr süßes Glück. Dir bleibt die Welt verschlossen, Worin die Seele ihr Reich, Wo alle Glaubensgenossen, Wo alle Menschen gleich. Das ist ein eigener Zauber, Was gilt das Augenlicht? O armer, unglücklicher Tauber, Zu dem Apoll nicht spricht. Die Töne klingen und rauschen, Des mächt'gen Gottes voll, Wir sitzen andächtig und lauschen, Was süß der Seele entquoll. In seiner Heimath Schoße Die Heimath war zu eng, der Wandersinn Trieb mich zu ferner Lande Wundern hin, Westwärts zum mährchenhaften Eldorado. Die Sonne sah ich sinken dort im Golf Und auf der Steppe jagt' ich Ur und Wolf, Vom Felsgebirge tobte der Tornado. Die Hügelgräber und der Wälle Bau Klomm ich hinan, die stumm und altersgrau Die sanften Ufer des Ohio säumen. Wo wohl das Volk, das räthselhafte, blieb, Das seine Spur mit Riesenzügen schrieb? Verscholl es in der Zeiten Wogenschäumen? Der schlanken Tannen immergrünem Schmuck, Der bunten Felsen vielgestalt'gem Spuk Glitt ich vorbei im leichten Rindenkahne Am Obernsee, stieg in den tiefen Schacht Und in der Kupferminen dunkle Nacht, Die abgeteuft schon des Odjibwe Ahne. In der Sierra Bächen wusch ich Gold, Das funkelnd dort im gelben Sande rollt, Und war im Wigwam Gast beim rothen Manne. Vom Schasta schaut' ich über's stille Meer, Dort nahten schwerbeladne Schiffe her Aus Indiens und des Mikado Banne. Mit Staunen sah vom hohen Klippenhaus Ich über's grüne Gilathal hinaus, Der Montezumas sagenhafte Wiege. Die Schriften auf den Bildern von Copan Sie grinsten mich mit neck'schem Hohne an, Die stummen Zeugen längstvergess'ner Siege. Nach Schätzen grub ich, nach dem goldnen Vließ Im Hünengrab Peru's und Chiriqui's, Und schweifte in den Tempeln und Ruinen, Die von der Cordilleren eis'gen Höh'n Und Bogota's beschneiten Gipfeln seh'n, Wo Manco und Bochica einst erschienen. Wo Opfer fromm in goldner Schale Pracht Dem Sonnengott der Inca dargebracht, Dem Spiegel keusch entlockt das heil'ge Feuer, Dort auf geweihter Stätte stand mein Fuß, — Jetzt schwärzt der Schuppen Staub, der Essen Ruß Der Tempelhallen schimmerndes Gemäuer. Ich fuhr hinab den mächt'gen Amazon, Das Steuer hielt der Pampa brauner Sohn Durch Felsgezack und enge Stromesschnellen, Und von den jähen Schroffen, grau und nackt, Laut donnerte der wilde Katarakt, Ein ernster Mahner an des Todes Schwellen. Bis zur Atlantis von des Südens See, Durch's wunderbare Land der Aloe, Ritt ich auf flücht'gen Mustangs breitem Rücken, Und auf der öden Wüste dürrem Sand, Dort zauberte des Lichtes Gaukeltand Ein lieblich Eden den erstaunten Blicken. Horch! in der Nacht, der wolkenlosen, schlug An müden Reiters Ohr ein Zaubertrug Von leisen, süßgeheimnißvollen Tönen; Von Völkern sangen sie, die abendher Einst eingewandert über's weite Meer, Die Werke bauten, die die Hügel krönen. Dann kehrt' ich wieder zu der Städte Pracht, Ich sah das Treiben und die wilde Jagd Nach Gold — in ihren Strudel reißt sie Jeden, — Die wilde Jagd nach eitler Würden Glanz, Der Leidenschaften tollen Faschingstanz, Sah Macht und List der Freiheit Recht befehden. Dem Farmer, welcher fern vom Markt der Welt Im stillen Busche emsig baut sein Feld, Half ich das Saatkorn in die Erde senken. Dort hört' ich singen auch das deutsche Lied, Das mit dem Wandrer in die Fremde zieht — Ein Talisman, ein süßes Heimgedenken. Ein Heimgedenken! — ja, wie manchesmal Hab' ich gedacht ans schöne Heimaththal, Die Traulichkeit der lebensfrohen Kreise, Der Reben Grün, der Blumen lichten Schein, Die Burgen, Dome, an den blauen Rhein, Wenn ich gelauscht der seelenvollen Weise! Es ist zu spät — die fremde Scholle hält Für immer mich im Bann der neuen Welt, An ihre sind gefesselt meine Lose. O überglücklich, wer im engen Raum, Wo er verträumt der Jugend Wonnetraum Zufrieden lebt — in seiner Heimath Schoße! Nezahuatl's Gebet O Gott, du strafst mit schweren Strafen, Ich fühle deine Rächerhand, Was frommt das feile Heer der Sklaven, Was aller Schätze eitler Tand? Was, daß die schönsten Früchte reifen Und hier die schönsten Blumen blüh'n, Daß in der Berge mächt'gen Teufen Die Edelerze leuchtend glüh'n? Lacht auch der Gott voll Huld und Milde, Am ewig heiteren Azur, Schmückt Centeotl im Gefilde Mit goldnen Ähren ihre Spur, Lohnt auch des Fleißes rührig Regen Der schmucken Häuser voller Schrein, Jauchzt auch mein Herz ob all' dem Segen, Trübt doch des Glückes lichten Schein Das arge Gift der bittern Reue, Die wild in meinem Busen nagt, Verzeih' dem Sohn, wenn er voll Scheue Sein Elend dir, Allmächt'ger, klagt. Das Weib, das ich in Lust erkoren Und nur gewann mit blut'ger Hand, Dem Fürsten hat's kein Kind geboren, Dem er zum Erbe gäb' das Land. Ach, listig ließ ich mich bethören Von schlauer Priester Mörderzunft, Daß mich die Götter würden hören Bei Mixcoatles Wiederkunft. Entsteigen würde meinen Lenden, Des Vaters würdig, mir ein Sohn, Würd' ich den Rauch der Opfer senden, Der menschlichen, zu seinem Thron. Wie manches hat verhaucht sein Leben! In Strömen spritzte auf das Blut, Doch was ich innig bat, zu geben, Hat nicht der Grausame geruht. Warum denn solchen Götzen trauen Und opfern fromm an ihrem Schrein? Warum zu ihnen gläubig schauen? Idole sind sie nur von Stein. Idole, die wir selbst geschaffen, Sie sollten mächt'ger sein, denn wir? Ich will dem Wahne mich entraffen, Die Wahrheit dämmert endlich mir. Wo ist ihr Herz? gefühllos starren Sie auf den Flehenden herab, Die bang auf günst'ge Antwort harren, Ihr Mund ist schweigsam wie das Grab. Wir sollten solche Schwache preisen? Sie schufen Mond und Sonne nicht, Die nimmermüd am Himmel kreisen Mit silberhellem Zauberlicht. Sie schufen nicht die klaren Sterne, Die Wunderkinder dunkler Nacht, Die aus der ewigblauen Ferne Herabschau'n auf der Erde Pracht. Sie schufen nicht die Ströme, Quellen, Die sprudeln aus der Berge Schoß, Die See nicht mit den Riesenwellen, Nicht Blume, Baum, nicht Gras noch Moos. Das Thier entsprang nicht ihren Händen, Auch dankt der Schöpfung Kronenpracht, Der Mensch mit seinen Geistesspenden, Nicht seinen Ursprung ihrer Nacht. O nein, es ist ein Geist der Geister, Unsichtbar zwar und unbekannt, Des Daseins Schöpfer, Lenker, Meister, Deß Namen Niemand noch genannt. Nur er kann bannen meine Sorgen Und hellen meines Kummers Nacht, Er, der dem Menschenaug' verborgen, Als Vater über Alles wacht. Dir will ich prächt'ge Tempel bauen, O einz'ger Gott, du Sein vom Sein, O wolle gnädig auf mich schauen, Dir dien' ich fürder nur allein. Kein blutig Opfer soll mehr rauchen Und keines Priesters schuld'ge Hand Das Messer in die Brust ihm tauchen An Mixcoatles Opferstand. Kein Blut mehr soll die Schlange lecken, Die um des Götzen Bild sich schlingt, Dein reiner Dienst sei frei von Schrecken, Der jetzt in jede Hütte dringt. Der Traum einer Nacht Schön bist du Kind, um deine Brauen hangen Die düstern Schatten von verborg'nem Weh, Dein Auge glüht, es glühen deine Wangen, Noch dunkler als an deinem Arm die Spangen, Leicht schwebst du hin wie eine leichte Fee. Beim vollen Klang der Hörner und der Geigen Vergißt du deines Lebens bittern Fluch, Die Qualen deines herben Looses schweigen, Und bunte Bilder einer kurzen Herrschaft steigen Empor, noch bunter als der Narrenzug. Eng hüllt das Sammtkleid deine schlanken Glieder, Im Haare blitzt der Krone gold'ner Glanz, Liebtrunken kniet ein Ritter vor dir nieder, Ein Trubadur singt schmeichelnd Liebeslieder, Du lächelst schelmisch ob dem Mummenschanz. Vielleicht ist's auch das Lächeln stiller Freude, Daß deine Schönheit sich Tribut erzwang, Die Thoren — eines tollen Wahnes Beute! Säh'n sie in deiner Pflichten Kreis dich heute, O Kind, mir würd' um deinen Frieden bang. Nur zu! — empfange ihre Huldigungen, So lang sie bannet deiner Reize Macht, Sobald des Festes Glockenschlag verklungen, Ist auch der Fesseln Zauberband zersprungen, Vorbei der süße Traum der Faschingsnacht. Bild des Todes Nicht plötzlich streift des Winters kalte Hand Der Wälder Schmuck, der Blumen Prangen; Bevor er naht, hat er den Herbst gesandt, Der manches Blatt dem Baum vorher entwandt, Bis kalt und streng der Winter kommt gegangen. Manch Ästchen löst sich leise wie im Spiel, Ein andres hat der Sturm zerschmettert, Ein frisches Laub ward gier'gen Wurmes Ziel, Das andre welk zur Erde niederfiel, Bis ganz der Wald verlassen und entblättert. Es löst vom Lebensbaum sich Blatt um Blatt, Eins frisch, eins welk, in Lust, in Leiden, So daß zuletzt das Herz, des Scheidens satt, Zur Ruh' sich sehnt, vom Lebenswechsel matt, Wo sich der Erde Flocken drüber breiten. Im März Die Knospen brechen auf, der Schnee zerrinnt, Ein sanftes Wehen folgt den kalten Schauern; Wo jedes Wesen hoffend nun gesinnt, Wo rings die neue Lebenslust beginnt, Kannst Du noch trauern? Die Veilchen sprechen: Treu dem alten Bund Durchbrach der Lenz des Winters eis'ge Mauern; Nun wird die Welt von allem Leid gesund; Wir machen Dir die frohe Botschaft kund — Und Du willst trauern? Schon lange unter Schnee und Eis versteckt Des holden Frühlings erste Boten lauern; So wird Dein Herz, von Gram und Leid bedeckt, Gewiß zu neuem Leben auferweckt, Drum laß das Trauern! Erschließ die Brust der Lüfte mildem Weh'n, Die Stürme können doch nicht ewig dauern! Lern der Natur geheimes Wort versteh'n, Allüberall siehst Du's geschrieben steh'n: Du sollst nicht trauern! Leid und Lust Gleich starrem Band umschließt das Leid die Brust, Und hält gepreßt das Menschenherz gefangen; Still wühlt sein scharfer Zahn mit grauser Lust, Und kaum verrathen es die blassen Wangen: Der stumme Schmerz mag wohl der tiefste sein, Sein größtes Leid trägt stets das Herz allein! Doch wenn dem milden Thau vom Himmel gleich Das Glück sich in die off'ne Seele senket, Dann fühlt das Herz so voll sich und so reich, Daß es umsonst sich zu verhehlen denket; Für höchste Lust ist unser Herz zu klein, Die trägt es nie und nimmermehr allein! König Mai Als Bote eilt der März herbei Und bringt der Erde frohe Kunde, Daß sie erwählt vom Bräut'gam sei Als Braut zu süßem Liebesbunde. Und laut erklärt er in der Runde: Der Bräutigam, das ist der Mai, Der schöne Mai. Da er die Kunde ihr gebracht, Der Erde Freudenthränen rinnen Auf ihre ernste Jungfrautracht, Von glattgelegtem weißen Linnen. Sie weiß nicht, was sie soll beginnen, Denn wohlbekannt ist ihr der Mai, Der schöne Mai. Bald ist sie tief bewegt, bald still, Weiß nicht, was sie soll thun und lassen, So wechselnd endet der April, Nun muß sie in Geduld sich fassen, Denn zwischen Lieb' und zwischen Hassen Träumt ahnend doch sie nur vom Mai, Vom schönen Mai. Der aber kommt mit einem Mal Ganz unerwartet angezogen, Und über'n Berg und durch das Thal Ist sein Gefolge mitgeflogen, Ein Zirpen, Girren, Schwirren, Wogen, Ein Jauchzen kündigt an den Mai, Den schönen Mai. Wie wird der Braut so wohl und bang, Sie fühlt ihr Herz an seinem hangen, Sein Hauch ist Duft, sein Wort Gesang, Es glüh'n von Rosen seine Wangen, Sie ruht von seinem Arm umfangen Und jauchzt: O lieber, lieber Mai, O schöner Mai! Grabschrift Ihr Götter, diese eine Bitte hört: Gebt es nicht zu, daß Heuchelei mich stört, Daß weine, wer, da Leben mir getagt, Nach meinen bittern Thränen nie gefragt; Und laßt die Blumen streuen eine Hand, Die Dornen nur mir gab im Erdenland. Du aber, Fremdling, eile rasch hier fort! Was sucht das Leben am Verwesungsort? Was soll Dein Mitleid, was das Trauern mir? Dem Leben gib's, das gibt Dir Dank dafür. Sinnst Du des Todes Räthsel? Sei kein Thor; Du bleibst so klug doch ewig wie zuvor. Mein armer Staub kann Dir die Weisung geben: Der Tod ist nichts — und Alles ist das Leben. 1. Blaue Cyane Ritornelle Blaue Cyane! Du winkst dem Schnitter freundlich zwischen Ähren, Auf daß Dein Blau ihn an den Himmel mahne. 2. Die Maienglocken Ritornelle Die Maienglocken Drängt es, mit Duft den Frühling einzuläuten, Zu zart, um Klang den Blüthen zu entlocken. 3. Die Schlüsselblume Ritornelle Die Schlüsselblume Führt treu den Schlüssel, der die Pforten öffnet Zu neuen Frühlings schönem Heiligthume. 4. Bescheid'nes Veilchen Ritornelle Bescheid'nes Veilchen! Bekannt als Bild verborgen blüh'nder Tugend, Zu Deinem Lob bedarf's kein einzig Zeilchen. 5. Einfache Raute Ritornelle Einfache Raute! Wenn bunte Blumen hell das Leben zieren, Folgst Du in's Grab als einzige Vertraute. 6. Gift'ge Zeitlose Ritornelle Gift'ge Zeitlose! Wenn reich die Erde Süßes uns geboten, Entsteigst Du, bitt're Neige, ihrem Schooße. 7. Die Immortelle Ritornelle Die Immortelle Legt man in Kränzen hin auf liebe Gräber, Denn selbst verblüht strahlt sie in Farben helle. Das Märchen vom Geist Den verdammten Kerl, den Geist, Müssen wir doch kriegen, Daß dem Demagogen nicht Wir noch unterliegen! Zehn Mal Hunderttausend Mann! Auf, Soldaten, d'rauf und d'ran! Ladet die Gewehre! Rettet uns're Ehre! Und sie schießen, wuthentbrannt Selbst sich todt, die Blinden; Sie vernichten Stadt und Land: Geist — ist nicht zu finden. Das hier ist die letzte Stadt, Hier müßt ihr ihn fassen! Seht! verwegen hüpft er dort, Munter durch die Gassen. Polizei, entwickle Dich! Du ergreifst ihn sicherlich; Ist er Dein geworden, Schmücke Dich ein Orden. Geist schaut dort, im letzten Haus, Aus dem Erkerstübchen, Lachet die Spione aus, Und schabt ihnen Rübchen. Jetzt entwischt er uns nicht mehr, Jetzt ist er gefangen! Morgen soll der Bösewicht Schon am Galgen hangen. Schnell, die Stufen hier hinauf! Hurtig, sprengt die Thüre auf! Greift den Kerl, da sitzt er! Aus den Augen blitzt er! Geist schlüpft in ein kleines Buch, Deckt sich zu mit Lettern: Sicher ist er da genug, Wie sie späh'n und blättern! Schließt das Buch und bindet's zu! Ohne zu bekennen Soll er auf dem Markt sogleich Mit dem Buch verbrennen! Richtet schnell den Holzstoß her! Auf, Soldaten ins Gewehr! Lodert, lodert, Flammen! Gott soll ihn verdammen! Wundersame Melodien Hört die stumme Menge, Und in alle Herzen zieh'n Diese Zauberklänge. Plötzlich donner's durch den Dampf Wie ein fern' Gewitter; Lichtumflossen steigt empor Draus ein gold'ner Ritter. Auf, ihr Völker! ruft er laut, Auf zum Freiheitskriege! Wer dem ew'gen Geist vertraut, Den führt er zum Siege! Moral Wie sie martern ihn und wie Trachten nach dem Leben: Gott der Herr wird nun und nie Seinen Geist aufgeben. Der Verlust des Adels Nun, adeliger Lump, Verbrecher, Der frech gestohlen und geraubt, Nun ist's, den Unsern dich zu nennen, Uns bürgerlichem Pack erlaubt! Dem Beispiel deiner Ahnen folgend, Traf dich so hartes Mißgeschick! Jetzt nimmt man Räubern ihren Adel — So geht die schöne Zeit zurück! Nun, Schurke, bist du unser worden, Da Schmach an deinem Namen klebt, Denn wir sind die gebornen Schurken, Von denen Reich und Kaiser lebt! Doch tröste dich und strebe weiter, Verfolge deinen Galgenlauf! Dann, aus der bürgerlichen Sphäre, Zieht man dich wiederum hinauf. — Die Ruinen „Ach, wie ungemein poetisch Die Ruinen auf den Höh'n!“ Fräulein, Sie sind sehr ästhetisch; Ja, Ruinen, sie sind schön. Und das Fräulein — drob geschmeichelt — Fährt in der Extase fort, Während sie den Bulldog streichelt: „Wie poetisch ist es dort!“ „Grüner Wald, das ew'ge Leben, Immer sprossend, immer jung, Und der greise Stein daneben: Träumende Erinnerung!“ „Epheu schlingt sich um die Blöße, Will sie grün erhalten noch; O du Bild zerfall'ner Größe, Wie poetisch bist du doch!“ Fräulein, Sie sind sehr ästhetisch; Sie empfinden schön und wahr, Und Sie sagen's so pathetisch, Daß es selber mir wird klar. Ja, ich sehe: auf den Höhen Sind nur noch Ruinen da! Wo die alten Zwinger stehen, Rauscht der Wald Hallelujah! In die Burgen der Tyrannen Drang der Geist zerstörend ein, Trieb die Räuberbrut von dannen, Warf hinunter Stein auf Stein. Heil'ger Geist, Du ein'ge Dreiheit, Gott im Menschen, habe Dank! Auf den Bergen schon ist Freiheit, Herrscht im Thal auch noch der Zwang! Heiser schreien dort die Raben Um den Schutt der Tyrannei: Ihre Knochen sind begraben, Und der Geist, der Geist ist frei! Ja, mein Fräulein, gottvertrauend Schau' ich auf die stolzen Höh'n! Hochpoetisch, herzerbauend Sind Ruinen, wunderschön! Wunderschön die düst'ren Mienen Durch das grüne Laubgewind! Doch das Schönste an Ruinen Ist, daß sie Ruinen sind! Deutsches Winterlied Ja, Brüder, es sind trübe Tage; Im Leichentuche liegt die Welt; Doch ewig kann er nicht regieren, Der Menschheit Feind, der strenge Held! Wie auch die Stürme draußen toben Und höhnen der verwelkten Lust: Ein Blick zum lichten Geiste droben, Und süße Hoffnung hebt die Brust! Verschwunden ist die Pracht der Felder, Wo wir gesungen und gekos't; Doch an dem Fenster uns'rer Hütte Spricht aus dem Eis schon Blumentrost! Und ist es Winter auch auf Erden, Die Geister und die Herzen glüh'n, Und Frühling, Frühling muß es werden, Und uns're Rosen müssen blüh'n! Und sind gefesselt auch die Ströme, Die munt're Quelle und der Bach: Bald wird im Thal und auf den Höhen Der Geist der Liebe wieder wach! Das starre Eis, es muß zerspringen Und Gottes Athem wieder weh'n, Die Lerche sich zur Freiheit schwingen, Und uns're Erde aufersteh'n! Ja, arme Brüder, eure Thränen, Sie fallen in den kalten Schnee; Bald aber sproßen tausend Blumen Hervor aus eurem tiefen Weh! So kann's nicht bleiben hier auf Erden! Der Winter stirbt, die Welt wird grün, Und Frühling, Frühling muß es werden, Und un're Rosen müssen blüh'n! Betrogene Liebe Es flog ein schöner Schmetterling Auf eine schöne Rose, Und flüsterte manch' schelmisch Wort Mit schmeichelndem Gekose. Die Rose athmet Frühlingslust Im warmen Strahl der Sonne, Sie herzt und küßt den Schmetterling Und duftet Lieb' und Wonne. Der Schmetterling flog weiter fort Auf Tulpen und auf Nelken; Die Rose sah ihm zitternd nach Und ließ die Blätter welken. Es ward Licht Hell strahlen im Saale die Kerzen; Doch Alles ist ernst und still, Weil Haydn, der alte Meister, Heut' selber kommen will. Der Meister, welcher die „Schöpfung“ In ewigen Tönen sang, Will hören, was melodisch Aus seiner Seele erklang. Und als er endlich erschienen Mit sanftem Liebesblick, Da rings hält Keiner die Freude Des Herzens mehr zurück. Da schmettern hell die Trompeten Und Alles jubelt laut, Da wird er bekränzt mit Blumen Wie eine junge Braut. Er aber, mächtig ergriffen, Sich demuthvoll niederbeugt; Er wartet, Thränen im Auge, Bis endlich der Jubel schweigt. Und Orchester und Sänger beginnen, — Und Haydn, voll Andacht, lauscht, Wie Gottes Geist und Liebe In Harmonieen rauscht! Schon zittert der Greis vor Wonne Über sein eig'nes Gedicht, Da schmettert's und jauchzt es und Alle Singen laut: Es ward Licht! Und Tausend heilige Töne Zerreißen den Schleier der Nacht, Und in blühender, farbiger Schöne Himmel und Erde lacht! Da stürzen ihm über die Wangen Thränen, so süß und rein; In seine tiefste Seele Klingen seine Töne hinein. Und er sinkt auf dem Stuhl zusammen In namenloser Lust; Ihm ist, als wollte zersprengen Vor Wonne die greise Brust. Dann spricht er, die Hände gefaltet, Indem er weint und lacht: Du himmlischer Vater da droben, Das hast Du gut gemacht! Gegenüber Du sprichst zu mir so wunderhold, Als träumtest du. Als wenn ich mit dir träumen sollt', Hör ich dir zu. Komm' meinen Lippen nicht zu nah' Mit deiner Hand! Die Lippen stehen drohend da, Zu dir gewandt. Und deine Stirne — hüte sie, Beredtes Kind! Komm' nicht zu nah' den Lippen, die Geschwinde sind! Und glaubst du, daß ich schüchtern bin, Gar auf den Mund Zu küssen meine Träumerin Zu dieser Stund'? Kindskopf Gar friedlich, gastlich, sieht's hier aus, Alle Thüren offen, Der Dieb ist wohl in dieses Haus Nie noch eingetroffen. So tret' ich in die Zimmer ein, Keiner wird's mir wehren. Auch ich werd' nicht gekommen sein, Um sie auszuleeren. Es klingt so unterirdisch her Dort aus einer Wiege — Ich heb' das Tuch — ob was, ob wer Wohl darinnen liege! Ein kleiner Kopf — das dacht' ich mir — Hat sich da vergraben, Den Segen Gottes scheint man hier Jüngst gehabt zu haben. Seit Ewigkeit 1840 Der Frühling blüht, — die Winde wehn, Hervor die gold'nen Blümlein gehn, Die Wolken ziehn, — die Brunnen rauschen, Süß ist's, der Nachtigall zu lauschen; Lenz wechselt ab mit Winterzeit: So geht es fort seit Ewigkeit! Wie es von Anfang war gemeint: Der Eine lacht, der Andre weint! — Wir sitzen eben mitten drin Und denken so in unserm Sinn: Was soll aus diesen großen Geberden Für ein groß Resultat geboren werden? — Darüber wird denn oft gegrübelt Und dem lieben Gott dies und das verübelt, Auch ernstlich darüber nachgedacht, Warum er das so und das so gemacht, Drauf Alles gefaßt unter Eine Frage: Wohin nun das eigentlich zielen mag? — Gott aber schweigt zu Allem still Und macht im Himmel, was Er will. Abschied von Moskau Als ich, umschweifend mit dem Aug', heut meinen Fuß wand durch's Gedräng, Ward auf dem lauten Markte mir, in dumpfer Straße bang und eng: Es zog mich auf zu Iwan's Kreuz, wo auf dem Kreml ragt hervor Ein Riesenthurm, der goldgekrönt vor tausend andern steigt empor. Ich hob den müden irren Fuß, das wirre Haupt nach seinem Glanz, Und bald umschritt ich neubelebt in reiner Luft den Glockenkranz, Mein Blick erging sich rings umher und ward ob solcher Lust nicht satt, Denn unter mir lag, Thurm an Thurm, die wunderbare Czarenstadt. Schon war die Sonne fast herab, — die Wolken gaben Feuerschein, Und tausend Kreuze flimmerten, wie tausend glüh'nde Kerzen drein. Aus dunkeln Wolken warfen scheu die Sterne ihren ersten Blick, Der Riesenspiegel unter mir gab tausendfachen Schein zurück. — Von Allen, die zur Kirche ruft der Weihrauchduft zum Nachtgebet, — Von Allen, die der weiche Schooß im bunten Wollustwirbel dreht, Von Allen, die der Schätze Glanz, die Asien sendet wundersam, Zum Handel und zum Wandel spornt, — wußt' Keiner, daß ich Abschied nahm. — Ich stand allein, — ein Sturm erklang, erbleichend floh das letzte Glühn; Im dunkeln Osten haftete mein Blick und sah die Nacht erblühn: Ein seltsam Schaffen, Kreisen, Mühn begann am Horizonte weit, Gewalt'ge Bilder zogen auf, gewappnet, wie zu ernstem Streit. Ich sah auf schwerem Wolkenzug zwei riesige Gestalten stehn: Die eine westlich, groß und kühn, in blondgelockter Haare Wehn, Und östlich saß mit grauem Bart, das schwarze Auge glutverbrannt, Ein andrer Schemen, hoch und alt, nach Westen hin das Haupt gewandt. — Und Jener sprach: Die Zeit ist da! dein Thron ist morsch, dein Bart ist grau, — Brich ab dein Zelt, was willst du noch, was trägst du deinen Gram zur Schau? — Der Andre drauf: Noch ist es Nacht, die Sonne ruht im Westen aus; Bin alt und matt, will ruhen hier! am Morgen brech' ich ab mein Haus. — Hab' lang gewohnt in dieser Stadt, du treibst mit schwerer Hand mich fort, Tyrannisch schwingst du deinen Stab, anmaßend klingt dein stürmisch Wort! O Thor, der du dich weise dünkst! du schaust so fest und sicher aus, Und baust doch in die Luft dein Nest, auf leichten Sand dein steinern Haus! — O Thor, der du in deinem Wahn mich glaubst von Erde oder Stein! Es blies ein Gott am ersten Tag dir so, mir so das Leben ein. Drum, ob auch deine starke Hand die Schranke, die uns schied, zerbricht, Doch bleibt dein Brauch mir fern und fremd, weil deine Art die meine nicht. Was frommt dem Perser, der zu Roß durch Blumen streichet frei und weit, Was frommt dem Hindu, nackt und braun, dein hoher Hut, dein enges Kleid? Was nützt uns deine fremde Lust, der ungewohnten Worte Schall, Wenn doch auf Schiras Rosenstrauch sich flötend wiegt die Nachtigall? Wir bieten euch von Kaschmirs Frucht; was aber gebt ihr uns darum? Die Milch habt ihr mit Gift gelohnt, noch gährt das Blut vom Opium! Der Blumen Glühn, der Blüthen Duft beut euch die fremde Erde dar, Und eure undankbare Hand reißt ihr die Krone aus dem Haar! Und Asien sprach's: ich horchte drauf; — die Wolken flogen scheu dahin, Im fernen Osten haftete mein Blick, und viel erwog mein Sinn; Verwehen sah ich das Gesicht am dunkeln Horizonte weit Und wundersam erfaßte mich das ernste Drängen unsrer Zeit. Ich sah sie keimen auf dem duft'gen Plan Steppenblumen 1841 Ich sah sie keimen auf dem duft'gen Plan, Und ihre schönste Blüthe sah ich an. Als mich der Frühling mit sich fort geweht, Hab' ich sie alle in mein Herz gethan; Doch als des Mittags Gluth die zarten traf, Da welkten sie auf meiner heißen Bahn. In diese Blätter hab' ich sie gelegt, Bewahre sie und labe mich daran. Es knüpft in Liebe manches theure Bild Die fröhliche Erinn'rung an sie an. 1. Schneeglöckchen Steppenblumen 1841 Klinge, klinge hell und fein Freude über Thal und Hain. Was das Herz begehren mag, Bringe jeder Tag. Klinge, Glöcklein, feiner kling', Singe Vöglein, lauter sing', Tanzet frisch die Kreuz und Quer, Blümlein, um mich her. Sind wir alle aufgewacht, Stehn in unsrer schönsten Pracht, Drüber in dem tiefen Blau Spiegelt sich die Au. In den Lüften warm und klar Regt es sich so wunderbar, Frühling schlägt die Harfe an, Spiele mit, wer kann! — 2. Kuckucksblume Steppenblumen 1841 Ich lag und schlief Und träumte tief Von Sonnen und rauschenden Bronnen, Und drinnen lag Ich manchen Tag, Hab' vielem nachgesonnen. Nun kommt der Tag, Nun wird zum Gelag, Zum Fest der Wecker mich laden. Lang gab ich Acht: Mich dünkt: er wacht, Er fliegt daher über die Saaten. Der Wecker ruft: „Steig aus der Gruft! Brich auf der Kammer Pforten! Es weicht der Druck: Guck, guck! guck, guck! Wie Alles so herrlich geworden.“ Da guckt' ich hinaus Aus dem engen Haus. Hab mir die Äuglein gerieben. Und als ich entzückt Den Himmel erblickt, Da bin ich draußen geblieben. 5. Veilchen Steppenblumen 1841 Im fernen Land blühn Veilchen auch; Man spricht: sie haben's besser! Am Quellenrand in Waldesnacht Wachsen sie schöner und größer. — So sagt mir doch, ist's denn so schön Im dunkeln Haus zu blühen? — Mir ist so wohl, mich deckt kein Dach, Die Wolken seh' ich ziehen. 4. Hyacinthe Steppenblumen 1841 Meine Zeit ist kurz; kaum bin ich erwacht, Sink' ich zurück in die alte Nacht; Doch was ich erlebet an einem Tag, Viel tausend Leben bedeuten mag. Dicht neben mir der weiße Schnee Und Blumen jung auf der grünen Höh', Die sprudelnden Wasser so hell und so klar, Die singen und springen gar wunderbar. Das schönste aber, was ich erblickt, Und was mir das Herz am meisten erquickt: Ein Mädchenantlitz mit braunem Aug', Das sah ich am blühenden Schlehenstrauch. Zwar hab ich viele Blumen gesehn, Doch keine war so hoch und schön; Drum was so herrlich und hold schaut drein, Das muß wohl das Schönste auf Erden sein! 5. Tulpe Steppenblumen 1841 Ausbreit' ich meine Purpurblätter Im goldnen Morgensonnenstrahl, Voll Pracht bei'm hellen Frühlingswetter Steh' ich im stolzen Königssaal. Und soll die Sonne Königin heißen, So bin ich auch die Königin: Sie mag in ihrem Reiche kreisen, Hier thron' ich als die Herrscherin. Sie hat in ihren dünnen Lüften Nur bleiche Sterne um sich her — Mir blüht auf unermeßnen Triften Ein unzählbares Blumenheer. Und was ihr nie so gut wird werden, Sie kennt nicht Liebe, kennt nur Zorn, — Mir steht zur Rechten hier auf Erden Mein vielgeliebter Rittersporn. 6. Rittersporn Steppenblumen 1841 Auf Ehre; ich bin ein Kavalier, Nur fehlt mir leider das Pferd: Doch Grundbesitz nicht mangelt mir: Ich wurzle stolz in der Erd'! Auf Ehre! Auf Ehre! ich bin ein tapfrer Held: Noch Niemand hat mich besiegt. Den tapfern Rittersporn Keiner fällt, Denn noch Keiner hat ihn bekriegt. Auf Ehre! Auf Ehre! die Tulpe, die Königin, Die sieht mich edlen Herrn — Besonders weil ich von Adel bin — Ganz ungeheuer gern! 7. Mandelblüthe Steppenblumen 1841 Als Knospe voll, als Blüthe matt, Welkt in der Sonne mein zartes Blatt: Als Knospe nehm' ich auf das Loben, Als Blüthe muß ich es selber geben! 8. Glockenblume Steppenblumen 1841 Der Küster Frühling kam in Eil' Schloß auf die weite Kapell'. Ich lag und träumte, da wacht' ich auf — Der Morgen schien schon hell! — Ich staunt' (geschlafen hatt' ich zu lang), Legt an meinen besten Rock, Dann faßt ich an dem grünen Strang Und zog die mächt'ge Glock'. Und die schon wach, die fingen an Zu beten und zu singen: Die andern, die reiben die Augen sich, Schnell aus den Betten sie springen. Ich stand und läutet' den ganzen Tag; Da war Gesang und Loben, Und unter mir die Erde sprach, Es tönt der Himmel droben! Und als ich geläutet den ganzen Tag, Da bin ich müde geworden. Ich ging zu Bette, doch tönt es nach Noch lange in vollen Accorden! — 9. Lilie Steppenblumen 1841 Die Glocke tönt, die Orgel weht In lang gehaltnen, mächt'gen Tönen; Hin in die Kirche zum Gebet Treibt mich ein lang gefühltes Sehnen. Zum blauen Dome tret' ich ein — O, wie die ew'ge Lampe funkelt: Es weicht die Nacht vor ihrem Schein, Nichts ist, was mir mein Kleid verdunkelt. Fest steht mein Fuß, mein Kelch ist Pracht, Gewebt aus Farben und aus Düften: Gott hat in seiner ew'gen Macht Mich ausgestreut auf diese Triften. Ich säe nicht, ich spinne nicht, Ich sammle nicht in meine Scheuern, — Er nährt und kleidet mich in Licht: Mein Leben ist ein stetes Feiern! Bettlers Geburt und Tod 1841 1. In einer Hütte dumpfem Raum Sich sammelt die Gevatterschaft; Durch schmutz'ge Scheiben schimmert kaum Der Sonne frische Morgenkraft; Der Branntwein fließt, der Becher klirrt, — Die Wöchnerin ist taub und blind; In dunkle Lumpen eingewirrt Schreit hell das kleine Bettlerkind. Und um sein Lager trippelt rund — Man hat sie draußen aufgerafft — Geflickt aus hundert Stücken bunt Eilfertig die Gevatterschaft. Leis murmelnd erst — dann krächzend fast — Dann gellend laut, so wild, so bang Bricht aus mit ungestümer Hast Das Wiegenlied, der Panzersang. „Weh dir, daß du geboren bist, So nackt und blos, so nackt und blos! Dein erster Tag mit Schmach begrüßt Ein Elend furchtbar, riesengroß! Weh deinem Kopf — der Sonne Strahl Brennt einst zu deiner großen Pein Ganz ungefragt das Narrenmaal Der Armuth deinem Schädel ein! Weh deinem Leibe, der gedörrt Durch Sommerwind und Mittagsglut! Weh deinem Herzen, das verstört Umjagt das schwarze Bettlerblut! Weh, daß du kamst mit leerer Hand! Du findest nichts, 's ist alles leer; Weh deinem Fuß! das öde Land Wird er durchschreiten müd' und schwer. Weh dir, daß du geboren bist! Für dich bäckt Niemand schwarzes Brot Und ob es Hund und Katze frißt, — Bei uns, bei uns hat's große Noth. Gejagt, gehetzt bis in den Tod Schleppt Jeder hin, so schlecht es ist, Das seichte Leben, schmachbedroht: Weh dir, daß du geboren bist! 2. Ein schlechter Leiterwagen Schnell durch die Straßen rumpelt, Und hinter'm schwarzen Schragen 'Ne Schaar von Weibern humpelt. Es haben nicht die Frauen Gebetet und gesungen; Es hat mich fast mit Grauen Ihr heis'rer Ruf durchdrungen: „Wohl dir, daß du gestorben bist!“ 's geht über kahle Felder, Drauf dürre Stoppeln rauschen, Und auf dem Kirchhof hält er, Der Zug, den wir belauschen. Eindrängt sich's zu den Thoren In hastig schnellem Traben: Einst wurdest du geboren, Und jetzt wirst du begraben: „Wohl dir, daß du gestorben bist!“ Die Älteste im Kreise Ist an das Grab getreten. Ich meint', in ihrer Weise Würd' sie nun drüber beten. Sie schaufelt mit den Händen Hinab die trockne Erde, Die Andern ab sich wenden, Gleichgültig an Geberde: „Wohl dir, daß du gestorben bist!“ Sie laufen, wie sie kamen, Gepeitscht vom Sturmesflügel; Und ohne Kreuz und Namen, Verlassen bleibt der Hügel. Es drängt sich aus den Thoren Die Schaar in schnellem Traben: „Einst wurdest du geboren, Und nun bist du begraben: Wohl dir, daß du gestorben bist!“ O Frühling, zeuch doch ein! O schließ doch auf behende Dein Herz, den Wunderschrein! So lang schon pocht der Frühling, So gerne zög' er ein! Was hilft's, wenn rings sein Zauber Erglänzt in voller Pracht, Und nicht ein Strahl der Sonne Erhellt die Winternacht? Wozu das Festgepränge Bei der Verzweiflung Schrei? Wozu der Lust Gelärme, Wenn innen doch kein Mai? Würd' tausendmal es lenzen Auf Erden weit und breit: Kein Lenz ist angebrochen Dem Herzen, tief umschneit. Und tönten Jubellieder, Schlüg' jede Brust entzückt: Umnachtet stöhnt der Pilgrim, Deß Herz nicht lenzgeschmückt! Fürwahr, im Herzensgrunde Muß erst es werden licht, Soll nicht der Frühling bleiben Ein märchenhaft Gedicht. Hast in des Herzens Grunde Sein Walten du verspürt? Ward deiner Seele Sehnen Von seinem Hauch berührt? Scheint ewgen Frühlings Sonne Aus deines Auges Blick? Umsäuseln Himmelslüfte Dein göttlichreines Glück? Dann ist der Erde Ostern Dir nicht ein leerer Schall; Dann feierst du den Frühling Allzeit, allüberall! Dann irrst du nicht als Fremdling Unstät in Nacht und Graus; Nein, du bist heimgekommen, Du lebst im Vaterhaus! — So schließ doch auf behende Den wunderreichen Schrein! Ruf zu dem holden Gaste: O Frühling, zeuch doch ein! Der schönste Stern In all dein Leid, in deine Klagen, In deine Thränen, still geweint, In deinen Gram, in deine Plagen Ein holder Stern doch helle scheint. Ob immer neu zu altem Wehe Sich auch ergieß' des Leides Quell, Der Fuß in Trübsalswassern gehe: Doch scheint ein Stern zu Häupten hell. Will selbst der Lebensmuth entsinken, Dieweil die Noth sich riesig thürmt, Zur Rechten Nacht und Nacht zur Linken: Doch glänzt ein Stern, von Gott beschirmt. Er glänzt, daß er ihm eigen bliebe, Zum süßen Trost dem Menschenkind; Die ewge Liebe schenkte Liebe Als Kleinod ihm zum Angebind. Ja, Liebe heißt der Stern in Nächten, Darin das Herz erschrickt und bebt; Die stärkste Macht von allen Mächten Besitzt, wer Liebe liebt und lebt. Der keuschen Liebe lichtes Leben, Von irdschen Schlacken unentweiht, Ein Stern ist sie, von Gott gegeben, Der mild von Leid und Gram befreit. Menschenweisheit Was Menschen je durchforschten und ersannen, Wie tief sie drangen in des Wissens Schachten, Wie viel der Wahrheit sie zu Tage brachten: Ein winzig Körnlein ists, das sie gewannen. Ob sie Gemeinem hochgemuth entrannen Und Höhn erklommen, drauf nur Sonnen lachten: War ganz gestillt ihr Sehnen, Dürsten, Schmachten, Gekrönt ihr Werk, das kühnlich sie begannen? Ach, unsre Weisen grübeln, klügeln heute, Wie voreinst andre gleichen Pfad betraten! Und was ergrübeln sie, die weisen Leute? Nie können sie das Sein des Seins errathen! Ein Fünklein Wahrheit kaum ist ihre Beute; Unfaßbar bleibt der Herr trotz seiner Thaten! Der Mutter mein Was ich als Kind gebetet hab: Noch bet ichs fromm im Alter, Will beten fort bis hin zum Grab Der Mutter liebsten Psalter. O traute Zeit, da beim Gebet Lieb Mutter bei mir gesessen Wie brünstig sie für mich gefleht: Könnt ich es je vergessen? Ihr helles Auge, lieberglüht, Mir wußt es so viel zu sagen! Ihr Herz, von Wonnen übersprüht, Für mich nur hat es geschlagen! Längst schläft im Grab lieb Mutter mein; Und wäre sie mir denn geschieden? Ein Engel kehrt sie bei mir ein Und bringt mir Himmelsfrieden. So bleib ich stets mit ihr vereint, Bis ich sie wieder finde. O Wonne! Freudenthränen weint Lieb Mutter dann mit ihrem Kinde. Die alte Eiche Am Wege durch den alten Wald Steht eine Rieseneiche; Es zählt an tausend Ringen bald Ihr Stamm, der furchenreiche. Ein Gottesbild ist eingefugt In seine morsche Rinde, Und ringsherum als Rahmen schmiegt Von Moos sich ein Gewinde. Wohl Mancher sagt ein still Gebet, Der auf zum Bilde blicket, Und Jeder, der vorübergeht, Den Hut in Andacht rücket. Denn wer nicht vor dem Bilde grüßt, Der neigt sich vor der Eiche, Und Gottes Wohlgefallen ist In beidem Fall das gleiche. Träumen und Fühlen Still sich in die Seele prägend Schaut' ich oft in nächt'ger Weile, Aufgebaut in Traumeseile, Eine wundervolle Gegend: Grüne Thäler, Bergesriesen, Wald mit schäumenden Cascaden, Lauben, die zum Schlummer laden, Weiche, blumenduft'ge Wiesen. Und wenn plötzlich beim Erwachen All die Wunderwelt des Scheines Sinkt in's todte Nichts, ach Eines Kann dabei mich weinen machen: Daß nur mir allein von Allen Solch entzückend Bild sich baute Und kein Zweiter jemals schaute, Was nun ew'ger Nacht verfallen! Hätt' ich Worte, hätt' ich Farben, Daß ich's male, daß ich's künde, Wär' doch Niemand, der verstünde Züge, die auf ewig starben. Und so ist's mit allen Leiden, Aller Wonnen tiefstem Kerne — Schließ zusammen dich, und lerne, Herz, bei Zeiten dich bescheiden. Eine Sonde hat noch Keiner In ein zweites Herz gesenket, Was am tiefsten freut und kränket, Trägt doch allezeit nur Einer. Sei dein Schmerz denn ohne Klagen, Dein Genuß ein ewig stummer — Dich nur trifft dein Glück, dein Kummer, Lerne denn allein sie tragen! Vertrauen Unter'm blauen Fliederstrauche Träum' ich auf der Gartenbank, Sieh' da kommt im Abendhauche Schmetterling so leicht und schwank. Lächelnd halt' ich ihm zum Rasten Meines Fingers Spitze nah', Und mit Flattern, Schaukeln, Tasten Fliegt er her — und sitzt schon da! Ei, du winz'ger Elfenrange, Sprich, was machte dich so kühn? Wurde dir denn gar nicht bange Vor dem Riesen, der ich bin? Daß du so dich meiner Güte Ohne Zagen anvertraut, Hast du denn mein ganz Gemüthe An den Augen mir erschaut? Blume du, die selbst sich pflückte In des Menschen traute Hand, Wie dein Glauben mich entzückte, Hat's doch schmerzvoll mich gemahnt: In dem großen Weltenringe Bist du nur ein winz'ger Punkt Und dich schätzt der Mensch geringe, Der mit hoher Weisheit prunkt. Und doch, wär' nur in dem Einen Gleich wie du der Mensch bestellt, Dreifach schöner, will mir scheinen, Wäre dann die ganze Welt. Am Traunfalle Hoch überm lauten Wasserfall Ist eine Waldesstelle, Da wär's so still, die Blumen all Rührt keines Lüftchens Welle. Kein Vogel huscht im Blätterraum, Als ob sie all enschliefen, Steh'n regungslos so Halm wie Baum Und lauschen nach den Tiefen. Dort lag ich einst wie müd betäubt, Und in des Schlummers Floren Vom Rauschen, das herüber stäubt, Hat sich mein Geist verloren. Da träumt' ich langen, süßen Traum, Und doch, wie ich erwachte, Gewahrt' ich, daß ein Stündchen kaum Mit Träumen ich verbrachte. Und drunten waren fort und fort Gerauscht die Wasser brausend — Wie stürzten wohl von Perlen dort Der Millionen tausend! Und all ihr Thränen, so die Welt Geweint in allen Zonen, Indeß ich schlummernd lag, wer zählt Auch eure Millionen! Der schöne Traum vom Menschenglück Umspielt dich kurze Weile, Doch ringsum braust das Weltgeschick In schonungsloser Eile! Du schaust nicht, wie im fernen Land Die Völkerschlachten bluten, Du kennst den Dämon nicht, der Brand Durch Städte wälzt und Fluthen. Die Flüche hast du nicht gehört Aus bleichem Frevlermunde — Nicht hat mit Grausen dich empört Von Meuchlers Hand die Wunde — Die Mutter, deren Thräne rinnt Am Deckel eines Sarges, Der Sünder, der mit Knirschen sinnt An ein begang'nes Arges — Und jedes Zweifels bitt're Qual, Die Seufzer all', die wallen Aus Kerkersnacht und Hospital — Nichts kennst du von dem Allen! So viel der Noth, die nicht ermißt Des Menschen arme Kunde, Drängt sich in die beschränkte Frist Von einer kurzen Stunde. Doch dich in diesem Augenblick Soll kein Erinnern härmen — Den schönen Traum vom Menschenglück Magst du indeß durchschwärmen. O selige Unwissenheit, Du bestes Glück im Leben, Komm wieder, mich ein Stündchen Zeit Mit Tröstung zu umschweben! Dem Besten will ich wachend ja Zur Hilfe mich vereinen, Und wo ich keine Rettung sah, Doch mit den Brüdern weinen. Nun gib mir auch auf kurze Frist, Wie dort an der Cascade, Ein Schlummern, das sich selbst vergißt, Und still zu Träumen lade. Und fließen Thränen für und für, Wie dort die Perlen schäumen, So flechte sie als Kränze mir In mein beglücktes Träumen. Wüstenbild Hast du die Sage nie vernommen Von jenem schönen Wüstenbaum, In dessen Todeshauch verkommen Muß, was da naht der Oase Saum? Wenn Tieger schon und Löwen schlafen, Doch Baum und Blüthe doppelt wacht, Dann schickt der Häuptling seinen Sclaven, Zu holen ihm die gift'ge Fracht. Der aber löst vom Baum beflissen Das edle Harz, und kehret schnell, Legt schweigend es dem Herrn zu Füßen, Und schaudert kalt, und stirbt zur Stell'. So ist ein köstlich Harz gedrungen Aus meiner Liebe Schmerzensbaum: Die Lieder sind's, die ich gesungen, Der bittern Klage süßer Schaum. Und was ich Schönes mir erringe, Dir widm' ich's, wenn dein Blick gebot, Und fühle schon, indem ich's bringe, Im Herzen tief den bittern Tod. Fester Bann Den stillen Baum hab' ich wie oft bedauert, Daß an den Grund der Wurzel Band ihn schließt — Wie frisch belaubt auch seine Krone sprießt, Mich dünkt zuweilen, daß er heimlich trauert. Ob Sturm und Hagel auf ihn niederschauert, Ob schmeichelnd ihn die Frühlingssonne küßt — Er steht gebannt, und kein Entfliehen ist, Bis mit dem Schmerz die Lust er überdauert. Und bin ich selber nicht ein solcher Baum? Gefesselt blick' ich auf nach deiner Schöne, Und träume still den kurzen Frühlingstraum: Ob deines Blickes Segen sich ergießt, Ob mir das Mark dein grollend Wort durchtöne — Ich steh' gebannt, und kein Entfliehen ist. Marientag Kennst du wol die fromme Sage Von der Woche letztem Tage, Der trotz Sturm und Wolkengrauen, Mindestens ein einzig Mal Zeigt der Sonne milden Strahl, Weil die heiligste der Frauen Dann vom Himmel pflegt zu schauen? Ach, so trüg' ich ohne Klage Meines Lebens schwere Plage, Wenn vom Herzen möchte thauen Jeden Tag ein einzig Mal Mir die unermess'ne Qual, Weil die lieblichste der Frauen Pflegte mild auf mich zu schauen. Liebe An Deiner Wiege Hab' ich gebetet; Ich hab' Deine Züge Sanft geröthet. Auf Deinem Lebenspfad Bin ich mit Dir gegangen, Ich zügelte Deine That, Ich heiligte Dein Verlangen. Du hast mich gesucht In der bangen Stunde, Und ich trat zu Dir Mit dem tröstenden Munde. Und Dein verwandtes Leben Zu heiliger Lust, Mit süßem Beben Legt' ich an Deine Brust. Ich gab Dir die Kronen Deiner Gottesnatur, Denn Du siehst mich thronen Hoch in der Sternenflur. Und kehrst Du einst wieder, Müd' an dem Wanderstab, Ich bette Dich nieder Und wein' an Deinem Grab. Der alte Sänger Weiß das Haupt und grau der Bart, Warmes Herz und helles Aug'; Frischer Muth zur langen Fahrt, Treu der Väter altem Brauch — Das ist so die rechte Art. Lerchen trillernd auf der Flur, Finken singend in dem Wald, Lebend, tönend die Natur, Echo, das weithin verhallt — Das ist Gottes heitre Spur. Glück und Frieden in der Brust, Auf der Lippe süßes Lied, Drinnen frohe Sangeslust, Gott vertrau'n, was auch geschieht — Anders hast Du's nie gewußt. Sei denn auch der Bart Dir grau, Lerchen trillern fort und fort, Mild Dein Abend, frisch der Thau, Singe hier und singe dort, Überall der Himmel blau. Die Königstochter Es ras't der Sturm, der Wogenschwall schäumt, Ein Flammenmeer ist's, das den Himmel säumt Und die Nacht erhellt in der Wüste. In wüthendem Kampfe eilet das Schiff, Und donnernd über dem drohenden Riff Zerschellt's an der felsigen Küste. Zwei Pilger ringen den Todesstreit, Eines Fischers Arm ist zur Hülfe bereit Und führt sie gerettet zur Hütte. Ein ärmlich Weib von hoher Gestalt, Mit blondem Haar, das herniederwallt, Empfängt sie mit gastlicher Sitte. Aus gescheitertem Schiff ein hülflos Kind, Erstarrt in den Wogen, im rauhen Wind, Eine gold'ne Harfe daneben, Fand einst sie der Schiffer, erzog sie treu, Gab zum Weib sie dem Sohn — und sie drei, Sie führen so einsam ihr Leben. Am Herde nun bei flimmerndem Licht Da sitzen sie alle. Der Pilger spricht Von seiner Heimath fernen Gauen, Von der Berge Pracht, vom Königsschloß, Von seinen Hallen, so prunkend und groß, Das Alles so herrlich zu schauen; Spricht von der Könige edlem Geschlecht, Des letzten sie klagend ins Grab gelegt, Wie umher in den Landen sie gingen Das Kindlein suchen, den letzten Sproß, Das dem König einst stahl der Räuber Troß, Ihm das Reich und die Krone zu bringen. Das hörte die Frau mit leuchtendem Blick, Es war, als kehr' ihr Erinn'rung zurück, Sie hörte der Barden Lieder; Der Töne Macht rief ihr unbewußt Zurück eine schlummernde Welt in der Brust, Hochwallend im ärmlichen Mieder. Sie eilet hinaus, bringt ein blühend Kind Und die goldne Harfe, und sie beginnt Die tönenden Saiten zu schlagen; So steht sie da, die hohe Gestalt Mit dem blonden Haar, das herniederwallt, Wie ein Bild aus vergangenen Tagen. Es steigt ihr empor aus der Seele Nacht, Sie singt von der Thäler und Berge Pracht, Wo Gesänge weittönend erschallen, Von der Krone hellfunkelndem Glanz, Von der Ritter und Frauen blühendem Kranz In des Schlosses prunkenden Hallen. Das Alles, so spricht sie, ein dunkler Traum. Ob ich es geschau't, ich weiß es kaum, Es glänzt wie ein Bild in der Ferne, Ich hab es gesungen am Meeresstrand, Mit der Seele gesucht wie ein Heimathland, Mir zeigten's die leuchtenden Sterne. Und die Pilger sinken zu Füßen ihr, Du bist es, wir bringen die Krone Dir, Gott selber wollte uns leiten; Es ist kein Traum, was Dein Auge sieht, Deine Mutter sang einst Dein Wiegenlied Mit dieser Harfe gold'nen Saiten; Sie sang Dir von aller der Herrlichkeit, Von den Bergen und Thälern so hoch und weit, Dein Kindesaug' hat es gesehen, In der Hütte Armuth hast Du's bewahrt, So folge uns nun zur Pilgerfahrt, Deine Heimath, Dein Reich wirst Du sehen. Mit starrem Aug', mit erröthender Wang' Hört sie die Kunde, sie sinnet lang', Es wallt ihr der Busen im Mieder, Sie schaut auf die Stätte, ihr blühend Kind, Auf die beiden, die ihr verbunden sind, Senkt zweifelnd das Auge nieder; Erhebt es dann leuchtend zu Jenen gewandt, Erfasset sie drei mit bebender Hand Und spricht dann mit ernstem Munde: Bin ich die Gesuchte, wie ihr es glaubt, So trägt keine Krone mein schwaches Haupt, Gehet heim und bringet die Kunde: Man trug mich hinweg aus der Wiege Schooß, Mir hat der Himmel der Armuth Loos, Diese Hütte zur Heimath gegeben, Und was einst des Kindes Auge geschaut, Ein Wahn blieb's, der eine Welt sich erbaut Und gaukelnd erfüllte mein Leben; Ich werf ihn hinweg, denn ein heilig Band Um uns alle geschlungen hält meine Hand, Der Treue Ruf aus des Glückes Tagen; Ich kenne die Welt nicht so groß und weit, Nur der einsamen Stätte Glück und Leid — Ich kann eine Krone nicht tragen. Sie erfaßt dann ihr Kind, drückt's fest an die Brust, In der Mutterliebe seliger Lust, Als wägte sie's gegen die Krone — Und die Pilger wandern trauernd zurück, Sie erkannten wohl, daß des Daseins Glück Auch in niederer Hütte wohne. Maria Grün Munter schritt ich durch die Büsche, Über Wiesen, Berg und Thal, Lustig trillerten im Haine, Laut, in seelenvoller Reine, Vöglein ihren Festchoral. Abend ward es und der Sonne Letzter Strahl verglomm im West, Stolz, auf ihren Zauberschwingen Kam die Nacht, nach langem Ringen Von den Fesseln sanft erlöst. Ruhe herrschte, nur die Quelle Flehte zu der Blüthen Duft, Und in innigem Gebete Schied der Tag, in sanfter Röthe, Fliehend in die finst're Gruft. Immer dunkler ward's im Haine, Stille ruht' der Vögel Chor, Und durch's grüne Laub der Bäume Blickt mit seinem holden Scheine Silberhell der Mond hervor. Alles schlief, da trat ich plötzlich Aus des Waldes Nacht hinaus, Und umgränzt von Fichtenbäumen, Die so still und lieblich träumen, Seh' ich steh'n ein Gotteshaus. Grabesruhe, ew'ger Frieden, Wohnten hier in heil'ger Pracht, Thränen füllten meine Lider, Und ich sank still betend nieder, Vor der Gottheit ew'ger Nacht. Über allem Schmerz der Erde, Ihrer Sünde, Lust und Pein, Wähnt' ich mich an diesem Orte; An des Himmelreiches Pforte Wähnte betend ich zu sein. — Am Posten Ich späht' von meinem Posten Rings in die kalte Nacht, Wild weht' der Wind herüber, Der Schnee im Tannicht kracht. Da dacht' ich an die Heimath, Die Stube traut und warm, Die wonnevollen Stunden In meiner Liebsten Arm. — Und eis'ger, immer eis'ger, Der Wind die Flocken trieb, Daheim bangt Vater, Mutter, Bangt Schwester, bangt mein Lieb! Da schwebt im Geist hinüber Ich still in ihren Kreis, Da schmolz vom Strahl der Liebe Schnell weg Frost, Schnee und Eis. Vergessen war der Kummer, Vergessen alles Leid, O glückliche Momente, Voll reiner Seligkeit. Da blitzt's im Busche drüben, Vorüber pfeift das Blei — Schnell sind die holden Träume, Das schöne Bild vorbei! Und wieder späh' ich traurig Hin in die finst're Nacht, Noch nie hab' meiner Lieben So innig ich gedacht. Am Meeresufer Ich saß am blauen Meeresstrand' Und blickte hinab in die Fluth, Es wälzten die Wellen sich leise Dahin in der Abendgluth. Vor mir die endlose Fläche, Das ewig' unendliche Blau, Es zog darüber der Wolken Beschattendes, leichtes Grau. Es flog im schnellen Fluge Die Möve dem Norden zu, Sie störte mit kreischendem Tone Die stille, die endlose Ruh'. Dahin schwand die Abendsonne Mit ihrer purpurnen Gluth, Bald deckte mit ihren Schwingen Die schweigende Nacht die Fluth. Es schwand die eilende Wolke, Die Möve in raschem Flug, Nichts als das Wallen der Brandung Nur leise an's Ohr mir schlug. Noch saß ich in mich versunken Am meerbespülten Strand, Versunken in tiefes Brüten, Das Haupt gestützt auf die Hand. Ich wähnte so in Gedanken Noch immer die Sonne zu seh'n, Der Wolken wirre Schatten Im Fluge vorüberweh'n. Ich glaubt' mich noch immer geliebet Vom Liebchen mit alter Treu', Doch Abendsonne und Wolken — Und ihre Lieb' sind vorbei.