Alarich auf der Akropolis Zu der Burg Athens, der hehren, klimmen jauchzende Barbaren, Alarich der Gothenkönig, führt die beutelust'gen Schaaren. „Schwingt die Keulen!“ ruft er grimmig „und durchbrecht die Propyläen, Daß wir jenes Griechenlandes stolzgepries'ne Wunder sehen!“ Wild zertrümmern sie die Thore, die Akropolis ist offen, — Eine fremde Welt erschließt sich und der Haufe steht betroffen. Sonnengluten scheinen wieder von den schimmernden Gebäuden, In den Hallen weht ein Zauber längst verklung'ner sel'ger Freuden. Hoch auf schlanken Säulenreihen mit der Schönheit heil'gem Stempel Thront der Parthenon, Athenens weiter friesgeschmückter Tempel. Doch auf freiem Sockel, drohend mit der Aegis und der Lanze Ragt Athenens Riesenstandbild in gewalt'gem Götterglanze. Bang erfaßt von fremden Schauern stehn und schaun die nord'schen Recken, Und der nie gekannte Anblick füllt mit Furcht sie und mit Schrecken. „Rettet, rettet euch, ihr Krieger!“ laut ruft's Alarich, der wilde, Und die unbesiegten Gothen fliehn vor Phidias' Götterbilde. Semiramis Im Euphratschilf tönt Unkensang, — Grabhügel ziehn sich den Strom entlang. Und aus den Gräbern steigen Die Geister zum nächtigen Reigen. In zahllos strahlender Lichter Pracht Glänzt Babylon's Herrscherpalast durch die Nacht, Die Geister flüstern und schauen's Mit Blicken voll lüsternen Grauens: „Schon wieder ein Fest und wieder ein Held, Der ihrem höllischen Zauber verfällt, Und wieder, vor Tages Helle, Bei uns ein neuer Geselle! Jetzt trinkt er das Glück, — und, ist es vorbei, Wozu noch des Lebens Einerlei? Er lag in Semiramis' Armen! Wir kennen der Herrin Erbarmen.“ Starr blicken sie hin, — da regt sich das Thor, Draus schreiten Sclaven mit Fackeln hervor. Sie tragen ein Tuch von Linnen Und einen Todten darinnen. Sirenenlied Komm, lenke den Kahn in die Felsbucht ein, Verlaß die Fluten, die feuchten! Schau, wie im buhlenden Vollmondschein So schneeig die Schultern mir leuchten! Von Kälte durchfröstelt, vom Schaume durchnäßt, Komm, birg dich in meinen Armen: Wenn heiß du an's Herze dich drücken läßt, Sollst schauernd vor Lust du erwarmen. Was fliehst du, Betrogner? O kehre zurück! Bald sind dir die Träume zerronnen! Es gibt auf Erden kein himmlisches Glück, — Es gibt nur irdische Wonnen! So blaß ist das Leben, so öde die Brust, Die Tage der Jugend verrauschen. O wag' es, mit kurzer, bestrickender Lust Dies schleppende Sein zu vertauschen! Was graut dir? Ahnst du bei mir den Tod? Den findest du allerwegen! Er tritt dir, begleitet von Trübsal und Noth, Im Kampf und im Siege entgegen! Das Leben ist Trug, das Leben ist Schein, Es wird dir im Traume zerfließen: Ich bette dich weich und wiege dich ein, — So kannst du noch sterbend genießen! Bestimmung Nun ist es Nacht: du aber sinnst Allein im dunklen Schlafgemach Gar manchem süßen Traumgespinnst Und manchem stillen Räthsel nach. Du seufzst, und dennoch duldest du, Daß sie dir immer wieder nahn, Daß sie zum Herzen ohne Ruh Sich brechen unverhaltne Bahn. Und über's blühnde Angesicht Rollt eine schwere Thräne hin, — Umsonst! du findest grübelnd nicht Des eignen Lebens Zweck und Sinn. Du ahnst es nicht, daß, der dich schuf, Der Gott mit seiner güt'gen Hand, Dir gab den herrlichsten Beruf, Den diese nicht'ge Welt gekannt: Daß an dein süßes Leben sich Festklammernd eine Seele hält, Wenn ihr die eigne Kraft entwich, Zu widerstehn dem Sturm der Welt. Du ahnst nicht, daß im fernen Land Dein Bild, von Liebe still gehegt, Ein Knabe, den du kaum gekannt, Als einzig Gut im Herzen trägt. Der Pilger Inbrünstig suchst du den heiligen Gral Und mußt es verschweigen: das ist die Qual. Du weißt, nur dort ist das Heil dir bereit, Und mußt es verhehlen für alle Zeit. Du darfst keiner menschlichen Seel' es vertrau'n, Sonst wirst du verlacht von Männern und Frau'n. Sie dürfen nicht sehn, wie du suchst nach dem Glück, Sie hielten dich sonst gewaltsam zurück. Du darfst es nicht nennen, dein Ideal, Im Munde der Leute, wie klingt es so schal! Und wird es den Zungen der Menschen zum Raub, Die treiben's umher wie der Herbstwind das Laub. Und Vetter und Base hält drüber Gericht Mit Pfaffen und Schelmen und jeglichem Wicht. Am End' ist's verlästert von Jedermann, Und du selber verlierest den Glauben daran. Herbstlied Eh' der Herbstwind heult um's Dach, Sind die Vögel aufgebrochen. Blatt und Blüten, die verwehen, Mögen sie nicht fallen sehen. Bange Wochen Folgen nach. Lieder schweigen, Spiel und Scherz, Die wir pflegten froh gemeinsam. Wie gewonnen sind zerronnen Auch der holden Liebe Wonnen. Ernst und einsam Ward das Herz. Lebenslust und Kraft verloht. Nebelhauch umhüllt die Sterne Und die Hoffnung geht zur Neige. Durch die raschentlaubten Zweige Grüßt von ferne Schon der Tod. Wilder Ritt Sie liebt mich nicht, ihr Ohr ist taub! Nie wird in ihrem Arm mir Rast! Greif' aus, mein Roß! Aufwirbelt Staub, Das Mondlicht flirrt um Zweig' und Ast. Der Wald, der felsenumragte, Schweigt träumend in Einsamkeit: Das Echo nur hallt, als jagte Ein Andrer uns zur Seit'. Unruhig schnaubst du und zitterst und bangst Und wirfst dein Haupt, mein schönes Thier! Spürst du beklemmende Todesangst? Greif' aus, zu säumig bist du mir! Tief unten im Thalesschlunde, Da klaffen die Felsen weit, Und gehn wir dort beide zu Grunde, Um dich nur wär' es mir leid! St. Cloud Eine Erinnerung Es war ein Tag zu jauchzen und zu blühen. Zu Boden warf ich Sonden und Lanzetten Nach nächtlich langem, blutigem Bemühen, Um mich von grausen Sterb- und Jammerbetten, Von todten Gliedern und zerschoss'nen Leibern In frisch lebendige Natur zu retten. Doch ach! als wär' ein Volk von wilden Räubern Dahingesaust, so lagen die Gelände In Schutt, von einer Meerflut kaum zu säubern. Wo sonst der Hyacinthen duft'ge Spende An's Licht sich wagte, fielen den Bebauern Todbergende Granaten in die Hände. Ich wandte mich zurück mit leisen Schauern; Da ragten auf der sanften Hügelkette Von Schloß und Stadt nur Trümmer mehr und Mauern — St. Cloud, des welschen Kaisers Lieblingsstätte, In Brand von seiner eig'nen Riesenschanze Geschossen mit ohnmächt'gem Wuthgespötte. Und aus dem Nebel wuchs im Morgenglanze Vor mir die Seinestadt, das Goldjuwel Des Invalidendom's im Mauerkranze, So majestätisch und so farbenhell, Als läg' sie hungernd nicht in Eisenschienen Blauäugigen Barbaren zu Befehl. Ein blödes Lächeln überflog die Mienen Der Städtekönigin mit einem Male — Doch furchtbar ist dies Lächeln mir erschienen. Sie schien in ihrer ries'gen Eisenfalle, In ihrer Ohnmacht schwerverhalt'ner Wuth Ein Löwe mir mit eingezog'ner Kralle, Erstarrt im Blick auf das zerschoss'ne Cloud, Zum Zeichen, was sie sinnt, wenn einst will glücken Der Rache Tag: Brandfackeln, Mord und Blut. Und was sie sann, erschien vor meinen Blicken Schon gegenwärtig — als von strammen Tritten Es lustig klang vom nahen Bergesrücken. Und unsern greisen Kaiser sah ich mitten Im Trümmermeer des Schlosses, wie er kam Von der Terrasse Rest herabgeschritten. Im Nu verflog der bange Traum und Gram, Und fröhlich aus befreiter Seele schwirrte Ein herzlich Lebehoch — nicht ohne Scham. Der Kaiser lächelte. Ich salutirte. In der Kirche Ich sah dich betend knieen am Altar; Ich sah in deinem Aug', auf deinen Wangen, Wie Wonne dir im Herzen aufgegangen Gleich einer Mondnacht still und sternenklar. Du standest auf und sahst den Blick gesenkt Den Finstern nicht, im Zweifeln stumm begraben, Gleich einem Sterbenden sich lieblich laben Am Frieden, den dein Glaube dir geschenkt. Wohl dir! du sahst dann nicht die tiefe Nacht, Die sternenlos schon lange sucht den Morgen, Der ihm, was tief verschleiert, tief verborgen, Ausschließt zur hellen, frohen Tagespracht. Du magst bewahren dir das fromme Herz, Ja, selbst will ich den Glauben treu dir hüten, Daß seine schönen, wunderbaren Blüten Dir Ruhe duften, Trost in jedem Schmerz. Doch mich laß nimmer ruhn, du meine Ruh'! Laß mich nach Wahrheit ringen, laß mich siegen! Und müßt' ich auch im Kampfe bald erliegen, O weine nicht, mein frommer Engel du! Wenn eine Blume still verblüht Wenn eine Blume still verblüht, Die dich den Sommer lang gefreut, Was siehst du sie so traurig an? — Sie hat zu blühen nicht bereut. Sie ließ ins Herz den Tag sich scheinen, Und zwang die Nacht sie auch zu weinen, An Morgen war's in Duft verstreut. Und ob das Haupt ihr sinkt und bleicht, Und all ihr Glanz nun bald verweht; Es ist ja Freude, die sie bricht, Daß voll erblüht sie scheiden geht. Als es die Nachtigall gesungen, Da ist ihr schönstes Lied erklungen; — O selig, selig, wer's versteht! Am Strande Die Sonne sank, ich war allein am Strande Und blickte lange in des Himmnels Glut Nach jenen Wolken, welche auf die Flut Herniedersanken, blau mit goldnem Rande. Sanft wallten die Gewässer auf und nieder Und plätscherten mit weißem Flockenschaum, Als spielten sie halb wachend, halb im Traum Und summten leise süße Schlummerlieder. Dann blickte scheidend noch die schöne Sonne Auf all die Pracht halb aus der Flut hervor, Ein selig Flüstern schauerte durch's Rohr, — Dann Alles eine stille, große Wonne. Doch mich durchdrang ein tiefes, heißes Sehnen, Gar wunderweh zu Muthe wurde mir, Und meine Seele flog zu dir, zu dir, Und meine Augen füllten sich mit Thränen. So hab' ich still den schönen Strand verlassen; Zu groß war all die Herrlichkeit und Lust Für eine einz'ge arme Menschenbrust. Und nur mit dir vereint könnt' ich sie fassen. Haidenacht Wenn trüb das verlöschende letzte Roth Herschimmert über die Haide, Wenn sie liegt so still, so schwarz und todt, So weit du nur schauest, die Haide, Wenn der Mond steigt auf und mit bleichem Schein Erhellt den granitnen Hünenstein, Und der Nachtwind seufzet und flüstert darein Auf der Haide, der stillen Haide — Das ist die Zeit, dann mußt du gehn Ganz einsam über die Haide, Mußt achten still auf des Nachtwinds Wehn Und des Mondes Licht auf der Haide: Was nie du vernahmst durch Menschenmund, Uraltes Geheimniß, es wird dir kund, Es durchschauert dich tief in der Seele Grund Auf der Haide, der stillen Haide. — Feldeinsamkeit Ich ruhe still im hohen grünen Gras Und sende lange meinen Blick nach oben, Von Grillen rings umschwirrt ohn' Unterlaß, Von Himmelsbläue wundersam umwoben. Und schöne weiße Wolken ziehn dahin Durchs tiefe Blau, wie schöne stille Träume; — Mir ist, als ob ich längst gestorben bin, Und ziehe selig mit durch ew'ge Räume. Im Colosseum Schau des Gemäuers riesig Rund Und drin den ungeheuren Krater, Das ist ein blutgetränkter Grund, Vespasians Amphitheater. Doch heut', — wie still im Sonnenschein Die goldig braunen Trümmer glühen; Um jede Mauer, jeden Stein, Welch' reiches Grünen rings und Blühen — Und süßes Duften, — Vogelsang Und wonnig Säuseln, Bienensummen, Nun ferner Kirchenglockenklang, Nun wieder plötzliches Verstummen. — Und einst — Getös' und Waffenschall Und Thiergebrüll und Todesstöhnen Und Beifallssturm und Wiederhall, Ein grausig wildes Meer von Tönen. Ein wüst Gewirr, ein wild Gewühl, Blutlachen und zerriss'ne Leiber, Und ohne menschliches Gefühl Schaugier'ge Männer rings und Weiber. Und dennoch, — fluch ihm nimmer heut, Willst du den stillen Ort besuchen, Denn wo der Himmel Blumen streut, Da darf ein Menschenkind nicht fluchen. Dahin Manch schöne Stunde schlug mir einst, Ich höre den Klang noch heute, Der summt und schauert durch mein Gemüth, Wie verhallendes Glockengeläute. Und manchen Trost und manchen Traum Hab' ich zu Grabe getragen; Ein großer Friedhof ward davon, Ich sehe die Male ragen. Nun tret' ich still von Mal zu Mal Und sinne, was es bedeute, Im Herzen tief vom verlorenen Glück Das verhallende Glockengeläute. Ein Mutterherz Weihnachten war's, die schöne Wonnezeit Wo Millionen Herzen freudig schlagen, Sei es im Geben, sei es im Empfangen Und Jubel rings und reinste Seligkeit. Als nun der heil'ge Abend niedersank Aus tiefer wunderklarer Himmelsbläue Rings auf die stille schneebedeckte Erde, Und als von allen Thürmen nah und fern In mächtig hehrem Feierglockenklange Des Himmels alte süße Liebeskunde Die Luft durchzitterte, und als gemach Manch' Fenster sich erhellte, als hinaus Strahlende Kerzenpracht des Tannenbaums Mit lustig lautem Kinderjubel drang: Da saß ein Weib allein in nied'rem Stübchen Bei trüber Lampe, eine Wittwe war es Im schwarzen Kleide. Stumm die Hände faltend, So saß sie da und starrte in die Flamme: Und während fern die Glockenklänge tönten Die Lichter strahlten und die Kinder jauchzten Blieb es in ihrem Herzen still und dunkel. — Einst war auch ihre Seele hochbeglückt Durch einen lieben schönen blonden Knaben, Ihr Hoffen einst, ihr Stolz und ihre Freude — Doch der war nun seit wenig Monden todt Und lag an seines todten Vaters Seite. Nun hat sie keinen Christbaum mehr zu schmücken, Nun keiner Seele Freude zu bereiten, Und dieses schönste Fest für's Mutterherz, So reich an Wonnen einst, nun reißt es tausend Kaum heile Wunden schmerzlich wieder auf. So saß sie da und starrte in die Flamme, In ihrer tiefsten Seele still und öde, So saß sie da ganz einsam ohne Regung. Da plötzlich kommt in's Herz ihr ein Gedanke: Auf steht sie seltsam lächelnd, geht hinaus Und kehrt nach einer halben Stunde wieder Mit einem kleinen grünen Tannenbäumchen Und Lichtern auch und Goldschaum es zu schmücken, Dann hängt sie Nüsse dran und rothe Äpfel Wie sonst sie pflegte, und als das vollbracht, Holt eine Leuchte sie und zündet diese, Geht dann mit ihrem Bäumchen wieder fort. Sie eilet durch die hellen Straßen hin, Dann weiter durch die ruhigen der Vorstadt Und immer weiter bis zum stillen Friedhof. Hoch oben funkelte das Heer der Sterne Herab in tiefer träumerischer Bläue, Ein selig Glänzen ging durch alle Ferne Und eine hehre Feier war ringsum, Als sollten wieder Wunder sich begeben Und wieder Hosiannalieder klingen. Und wie so friedlich lag das heil'ge Feld Mit seinen Kreuzen, seinen Todtenkränzen Und Leichensteinen unterm Schneegewand, Das Alles deckte still und weiß und rein. Sie aber ging zu einem kleinen Hügel, Dort kniete sie, dann in die harte Erde Steckt mühsam sie den kleinen Baum und zündet Die Lichter an; sie strahlten feierlich Rings auf den kalten Schnee, auch nicht im kleinsten Nachthauche bebend — solche Stille war's. „Mein Kind, mein liebes, süßes, todtes Kind, Sieh her, es hat dir deine arme Mutter Den Weihnachtsbaum gebracht.“ Mehr sprach sie nicht. Doch heftig laut aufweinend sinkt sie nieder Und birgt das heiße thränenvolle Haupt Tief in den kalten Schnee, ihr Herz zerwühlend In wilder Lust mit selbstgeschaffner Qual. — So fanden sie die Leute und sie schalten Und nannten sie unsinnig, hirnverrückt, Hinweg sie zerrend von des Kindes Grabe. Denn Männer waren's. Keiner ja verstand In solchen Wonnen und in solchen Qualen In seiner ganzen Wunderherrlichkeit Das Mutterherz, — das heil'ge Mutterherz. — An mein altes Plaid Daß du dahin bist altes treues Plaid, Ich kann's nicht sagen, wie mir's nahe geht. Warst meiner schönsten Wanderzeit Genoß, Da dein Geweb mich freundlich noch umfloß. Ich wandt in jeder Läge mich an dich, Du ließest nie und nimmer mich im Stich. Umschauerte der Nord mich eisig kalt, Als guter Mantel wärmtest du mich bald. Lag Mittagsglut auf schattenlosem Feld, Du breitetest dich über mir als Zelt. Und wollt' ich ruhn, war rings der Boden naß, Als Teppich decktest du das feuchte Gras. Erschreckte mich ein klapperdürres Thier, Du wurdest zum bequemen Sattel mir. Sehnt ich in dritter Classe mich nach Ruh, Zum weichen Schlummerkissen wurdest du. Schien früh ins Kämmerlein der Tag so grell, Als Vorhang decktest du das Fenster schnell. Ja, wenn's im fremden Bett gefährlich war, Ein Panzer warst du jeglicher Gefahr. Du warst sogar, gab's lust'ge Mummerei Als Toga oder Kutte gleich dabei. Ich denk' an Alles das mein Leben lang, Mein treues Plaid, hab Dank dafür, hab Dank. Mit jedem Flecken drum und jedem Loch Von Jahr zu Jahr wardst du mir theurer doch. Indessen Nichts hinieden ewig währt, Durchscheinend wardst auch du, — fast schon verklärt. So löse in Atome still dich auf, Das ist einmal der ird'schen Dinge Lauf. Du sahst, daß selbst das Schönste sterben muß, Du sahst Pompeji, Pästum, Syrakus. Doch mehr als Jener Loos mir's nahe geht, Daß du dahin bist, altes treues Plaid. Volksweise Was ist es mit dem Leben Doch für 'ne arge Noth, Muß leiden und muß sterben Zuletzt den bittern Tod. Kam ich doch auf die Erden Ganz ohne Wunsch und Will', Ich weiß es nicht von wannen, Und kenn' nicht Zweck noch Ziel. Es tritt die bunten Auen Nur einmal unser Fuß, Für kurze Zeit nur tauschen Wir Händedruck und Gruß. Und was uns auch von Freuden Und Leiden zugewandt, Das mehret und das mindert Sich unter Menschenhand. Drum lasset uns in Freundschaft Einander recht verstehn Die kurze Strecke Weges, Die wir zusammengehn! Des Deutschen Vaterland Was ist des Deutschen Vaterland? Ist's Preußenland? Ist's Schwabenland? Ist's, wo am Rhein die Rebe blüht? Ist's, wo am Belt die Möve zieht? O nein, nein, nein! Sein Vaterland muß größer sein! Was ist des Deutschen Vaterland? Ist's Baierland? Ist's Steierland? Ist's, wo des Marsen Rind sich streckt? Ist's, wo der Märter Eisen reckt? O nein, nein, nein! Sein Vaterland muß größer sein! Was ist des Deutschen Vaterland? Ist's Pommerland? Westphalenland? Ist's, wo der Sand der Dünen weht? Ist's, wo die Donau brausend geht? O nein, nein, nein! Sein Vaterland muß größer sein! Was ist des Deutschen Vaterland? So nenne mir das große Land! Ist's Land der Schweizer? Ist's Tyrol? Das Land und Volk gefiel mir wohl! O nein, nein, nein! Sein Vaterland muß größer sein! Was ist des Deutschen Vaterland? So nenne mir das große Land! Gewiß ist es das Österreich, An Ehren und an Siegen reich?! O nein, nein, nein! Sein Vaterland muß größer sein! Was ist des Deutschen Vaterland? So nenne endlich mir das Land! So weit die deutsche Zunge klingt Und Gott im Himmel Lieder singt, Das soll es sein, Das, wack'rer Deutscher nenne dein. Das ist des Deutschen Vaterland, Wo Eide schwört der Druck der Hand; Wo Treue hell vom Auge blitzt, Und Liebe warm im Herzen sitzt, — Das soll es sein, Das, wack'rer Deutscher nenne dein. Das ist des Deutschen Vaterland, Wo Zorn vertilgt den wälschen Tand. Wo jeder Franzmann heißet Feind, Wo jeder Deutsche heißet Freund — Das soll es sein, Das ganze Deutschland soll es sein. Das ganze Deutschland soll es sein, O Gott vom Himmel, sieh' darein, Und gib uns rechten deutschen Muth, Daß wir es lieben treu und gut! Das soll es sein, Das ganze Deutschland soll es sein! Vaterlandslied Der Gott, der Eisen wachsen ließ, Der wollte keine Knechte; Drum gab er Säbel, Schwert und Spieß Dem Mann in seine Rechte; Drum gab er ihm den kühnen Muth, Den Zorn der freien Rede, Daß er bestände bis auf's Blut, Bis in den Tod die Fehde! O Deutschland, heiliges Vaterland, O deutsche Lieb' und Treue! Du hohes Land, du schönes Land, Dir schwören wir auf's Neue! Dem Buben und dem Knecht die Acht! Den speisen Kräh'n und Raben! So ziehn wir aus zur Hermannsschlacht Und wollen Rache haben! Laßt brausen, was nur brausen kann, In hellen, lichten Flammen! Ihr Deutsche Alle, Mann für Mann, Zum heil'gen Krieg zusammen! Und hebt die Herzen himmelan, Und himmelan die Hände, Und rufet Alle, Mann für Mann, Die Knechtschaft hat ein Ende! Laßt klingen, was nur klingen kann, Die Trommeln und die Flöten! Wir wollen heute Mann für Mann, Mit Blut das Eisen röthen, Feindesblut, Franzosenblut, O süßer Tag der Rache! Das klinget allen Deutschen gut, Das ist die große Sache! Laßt wehen, was nur wehen kann, Standarten wehn und Fahnen! Wir wollen heut' uns, Mann für Mann, Zum Heldentode mahnen, Auf, fliege hohes Siegpanier, Voran den kühnen Reihen! Wir siegen oder sterben hier Den süßen Tod der Freien. In tiefer Ruhe In tiefer Ruhe Lag still die Mondnacht; Kaum daß ein Lüftchen Ging durch das Rohr, — An meiner Seite Hast du gestanden, Dein Wort der Liebe Klang an mein Ohr. Doch du bist treulos An mir geworden, Du hast vergessen Den heil'gen Eid — Da ist zersprungen Das gold'ne Ringlein, Mein Herz brach mit ihm Für alle Zeit. In wildem Kampfe Legt nun die Mondnacht, Gewalt'ger Sturmwind Geht durch die See, — Und wo die Rosen Des Frühlings blühten, Ist kalter Winter Und tiefer Schnee! — Schwanenlied Es singt der Schwan am Ufer Des Nachts ein süßes Lied, Das wie mit sel'gen Klängen Die Waldesruh' durchzieht. Es rauscht das Schilf so leise Und grüßt die schöne Nacht, Und Wasserrosen blühen In weißer Märchenpracht. Doch wenn die Nacht entschwunden, Erglüht das Morgenroth; Dann ist das Lied verklungen, Dann ist der Sänger todt. Die Sonne kommt gezogen, Küßt leis die Blümlein wach, Und auf den Wellen zittert Der Schwanensang noch nach. Kosmopolitisch In fremde Länder mußt ich frühe gehen Und fühlte mich in ihnen wie verbannt; Als ich Verbannte dann bei uns gesehen, Von Liebe zu der Heimat übermannt, — Da streifte mich des Weltengeistes Wehen, Und meine Seele hat es tief erkannt: Jedwedes Vaterland ist eine Fremde, Und jede Fremde ist ein Vaterland. — Den Sorgenvollen Wem sich zum Erdenweh die Sorgen noch gesellten, Der wandle unterm Sternenzelt; Im Anschaun jenes Heers von ungezählten Welten Vergißt er diese Welt. Otaheiti Noch war es Nacht, der Silhouette gleich, So lag vor uns ein zackig Inselreich. Auf spiegelglatter Fläche zog das Schiff. Ein fernes Brausen vom Corallenriff Gebot uns Vorsicht. Stern an Stern verschwand Am Firmament und vor uns war die Wand Von mattem, weißem Zwielicht schon umgeben. Noch starr und farblos, ohne jedes Leben, Hob sich der Berge Haupt gigantisch, riesengroß; Doch mit dem Licht riß Fels und Kluft sich los, Getrennt durch Schatten noch. Jetzt zuckt ein Strahl Vom Tagsgestirn und vor uns zeigt das Thal Vergoldet Grün in dunkelblauer Flut, Der Brandung Gischt, des Äthers farb'ge Glut, Des Eilands Spiegelbild in Wölkchen hundertfach. Wer blieb noch kalt? Aus jeder Brust ein Ach Ertönt am Bord! Wol sah den ersten Strahl Des Sonnenlichts, im waldbegrenzten Thal, Auf Bergeshöhen ich. Am fernen Wüstensaum, Auf offnem Meer, auf unbegrenztem Raum Sah den Coloß ich seinem Bett entsteigen, Doch nie wie heut'. Es muß die Lippe schweigen. — Taheiti du! O! wär' die Lyra mein, Die in des edlen Franken Hand erklungen, Der einst, wie ich, von deinem Reiz bezwungen, Dich sah, wie heut', beim ersten Tagesschein, Wie anders würde heut' mein Lied verkünden, Daß in der Welt kein Eiland sei zu finden, An Pracht und Schönheit deinen Reizen gleich, Du Perle du, du schönes Inselreich! — Laut donnernd über Riffe schäumt das Meer, Die eine Mauer bilden rings umher, Und eng das kleine Eiland schließen ein, Als sollten sie der Insel Feste sein, Dem freien Volk ein sichres Unterpfand, Daß nie des Eigennutzes schnöde Hand, Voll roher Gier, nach dem Besitz bewegt, Den Völkermord nach diesem Eden trägt. Doch ach, umsonst war Riff und salz'ge Flut, In Strömen floß der Männer bestes Blut, Als sich der Franken wohlbewehrtes Schiff Einst nächtlich stahl durch den Corallenriff. Nicht feige, um der Knechtschaft schnöden Lohn, Ergab sich Otaheiti's edler Sohn. Manch' Jahr verging, das tödtliche Geschoß, Dem Franken war's ein siegender Genoß. Wie färbte sich das Grün der Rasen roth, Die Männerschaar, sie starb den Heldentod, Den schönen Tod fürs Vaterland. Nun weh'n Der Franken Fahnen von der Insel Höh'n. Rings an den Saum des Meers im Halbmondkreis, Nicht weit, wo man Point Venus nennt die Spitze, Da leben still, im traulichen Besitze Der kleinen Häuschen, die in schlichter Weis' Geschaffen man aus Bambus und aus Brettern, Vor Sonnenglut ein Schutz und jähen Wettern, Der Franke und Neuenglands Sohn vereint. Friedfertigen Sinns, so sucht der einstige Feind Des Wilden Freundschaft, gibt ihm Schmuck und Tand Und was die Schiffe aus dem Heimatland, Zur Lust und Zier des Otaheitiers, bringen. Wol hängt sein Herz, dem unsern gleich, an Dingen Von äußerm Glanz. Er kennt die Sorge nicht Um Leibesnahrung. Jegliches Gericht, Nach dem der Inselsohn nur trägt Verlangen, Beut ihm sein Land. An hohen Palmen hangen Die süßen Nüsse, die gefüllt mit Saft; Der Brodfruchtbaum gibt ihm des Körpers Kraft, Bananen wachsen wild auf leichten Höh'n. An Fischen reich sind Flüsse hier und See'n. Papäiti wird die Colonie genannt. Ein Kreis von schatt'gen Gärten rahmt sie ein. Wo weiterhin gedrängt am Meeresstrand Die Bambushütten stehen, zieht ein Hain Von Cocuspalmen sich zur Höh' hinauf, Von der herab manch' kühler Bach den Lauf Zum Meere nimmt. Dicht an der Bucht Wächst der Guavabusch mt säftereicher Frucht; Der Kaffeebaum und die Orange dort, Die edle Frucht, der schönen Insel Hort, So goldig gelb, so voller Wohlgeschmack. Bis zu den Hügeln hin, steht gelblicher Tabak, Der grüne Bambus und die Ananas, Kakteen, Schlinggewächs und Alles, was Nur Raum gewinnen kann. Bis zu den höchsten Höh'n Zieht sich das Grün, ein Chaos, doch wie schön, Ein Schmuck von seltner, auserles'ner Pracht, Mit dem Natur die Tropenwelt bedacht. Von allen Wundern, die Natur zum Zoll Dem Eiland bringt, von dem das Herz noch voll In der Erinnerung schwelgt nach manchem Jahr', Gedenk' ich dein, Taheitis Mädchenschaar! Der Schönen, die an Wuchs den Palmen gleich, Im Blumenschmucke wie aus Flora's Reich! Der dunklen Augen Glut, verheißend süße Lust! Der schwarzen Lockenzier, der sanftgeschwellten Brust! Der Formen, die sich durch Gewänder schmiegen, Die faltenreich die schlanken Glieder decken Der Lippen, die so holde Sehnsucht wecken, Zum Kusse süß geschwellt und so verschwiegen! Unstät zog mich des Wandertriebes Macht, Zu schaun des Eilands Paradieses-Pracht, Am Meeresstrand und durch der Wälder Grün. Nach Allem, was nur sehenswerth mir schien. Lenkt' ich den Fuß. Auf hohen Bergeshöh'n Hab' ich geruht, wie an den blauen See'n. Ich sah den Fluß im Regenbogenstrahl Sich stürzen in das wiesenreiche Thal. Dort von den Höh'n, die noch kein Fuß betrat, Brach jäh der Sturzbach sich den wilden Pfad. Ich stand an Tinauwairas Höllenschlund. Die Geisterhöhl', so nennt des Volkes Mund Die weite Kluft, das kühle Höhlengrab, In das der Blick taucht in die Nacht hinab. Bis dort, wo sich ein schmaler Isthmus findet, Der Otaheiti's Inselpaar verbindet, Bis zu dem Paß lenkt' rüstig ich die Schritte, Trotz Tropenglut. Da ist Taheiti's Mitte. Dann aber zog's mich zu den Freunden wieder. Schon sank im Flutenbett die Sonne nieder, Als an bekannter Stätte ich mich fand. Bald schien die Hügelkette mir bekannt. Die weite Bucht, micht konnt' das Aug' sich trügen, Die Schiffe dort, sah ich Papaiti liegen, Die Häuschen all', die gastlich mich geschützt. Dort wo Eimeo liegt, ein Strahl noch blitzt Und läßt des Tobreonus Haupt erglänzen Im Abendschein. Schon hört mein Ohr Gesang Von Mädchenmund. Bei einer Geige Klang Dreht sich die Schaar in leichten, üpp'gen Tänzen. Und näher nun am Ziel bekannte Weise hallt Zu meinem Ohr. Viel' Schiffer sah ich bald, Gebräunte, aber fröhliche Gesellen. Ein Wallfischfänger, dem Magnet die Quellen Der schönen Insel und das lust'ge Leben, Hat heut' im Hafen sich zur Rast begeben, Nach langer Fahrt. Nach schönerem Asyl Trieb nie den Schiffer laun'ger Winde Spiel, Wo ihm an eines braunen Mädchens Brust, Für seines Standes Mühsal süße Lust Gewährt das lauschige, verschwieg'ne Grün. Des schönen Tages letzte Strahlen fliehn. Die kurze Dämmerung schwindet und die Nacht Senkt nieder sich mit ihrer ganzen Pracht. Das Sternenheer auf Meer und Insel breitet Sein Silberlicht. Von allen Schiffen läutet Der Abendglocke Klang. Bald Stille ringsumher. Ein fernes Brausen nur tönt durch die Nacht vom Meer, Dort, wo des Wassers ungestüme Wellen, Im steten Kampf an dem Gestein zerschellen. So schlummere denn, mein Otaheiti du! Ein milder Himmel wacht ob deiner Ruh', Hell scheint das Sternenkreuz durch deine Nacht. Doch jeder Reiz von deiner Tropenpracht Soll sich als Bild durch meine Träume winden; Im Geiste seh' ich dich, ob auch die Jahre schwinden. Ich denk' an dich, wie an verfloss'ne Zeiten, Die sonnig schön der Seel' vorüber gleiten, Wie an der Jugendliebe sel'ge Stunden, Wo höchstes Glück das Herz zuerst empfunden. Wie schön bist du, welch' Eiland ist dir gleich Im weiten Meer, du lieblich Inselreich! — Elisabeths Rosen Sie stieg herab, wie ein Engelbild, Die heil'ge Elisabeth, fromm und mild, Die Gaben spendende, hohe Frau Vom Wartburg-Schloß auf die grüne Au. Sie trägt ein Körbchen, es ist verhüllt, Mit milden Gaben ist's vollgefüllt. Schon harren die Armen am Bergesfuß Auf der Herrin freundlichen Liebesgruß. So geht sie ruhig — doch Argwohn stahl Durch Verräthers Mund sich zu dem Gemahl, Und plötzlich tritt Ludwig ihr zürnend nah, Und fragt die Erschrockne: „Was trägst du da?“ „Herr, Blumen!“ bebt's von den Lippen ihr. „Ich will sie sehen! Zeige sie mir!“ — Wie des Grafen Hand das Körbchen enthüllt, Mit duftenden Rosen ist's gefüllt. Da wird das zürnende Wort gelähmt, Vor der edlen Herrin steht er beschämt; Vergebung erflehet von ihr sein Blick, Vergebung lächelt sie sanft zurück. Er geht, und es fliegt ihres Auges Strahl Fromm dankbar empor zu dem Himmelssaal. Dann hat sie zum Thal sich herabgewandt, Und die Armen gespeiset mit milder Hand. Ruine Eine graue Burgruine Steht im Abendsonneglanz, Epheu webt, der immergrüne, Um die Trümmer seinen Kranz. Und ein Sänger mit der Cither Wandelt singend durch das Thor, Die Gestalten kühner Ritter Ruft er aus der Gruft hervor. Und der Sage Wunderblüte Flicht sich in den Liederstrauß, Sonne, Epheu, Sang und Mythe Zaubern jung das alte Haus. Knecht und Magd Es lüstete nicht den Verwaisten, den Ball in die Lüfte zu schlagen, Ach, war er doch selber ein Ball, vom Sturme des Schicksals getragen; Er fing die Vögelein nicht, die sorgend im Laube nisten, Er spähte, wie sie, nach Körnern umher, sein Leben zu fristen. Er schleppte die Stufen hinauf die Körbe, mit Scheiten belastet, Den Eimer mit Wasser gefüllt, und hat erst am Abend gerastet, Hat frierend den müßigen Hund um's bergende Lager beneidet, Das spinnende Kätzlein, das Gott mit wärmendem Felle bekleidet. Er reifte heran, es ward sein Geschick, sich im Dienste zu plagen, Im farbigen Kleid ein farbiges Elend im Leben zu tragen; Zu lächeln im Leid, zu füttern den Hund, zu satteln den Schecken, Ein Blümlein der Sünde zu Nacht an die Brust des Gebieters zu stecken. Er dachte mit redlichem Sinn, sein wonniges Liebchen zu heuern, Sie hatte nicht Hände wie Sammt, sie hatte die Dielen zu scheuern, Es floß statt des würzigen Öls der Rauch in die wallenden Locken, Die zarte Sohle, wie schien sie so plump in den bauschigen Socken. Ihr Bildniß sandte sie nicht, noch Briefe mit goldenem Rändchen, Er schenkte kein Ringlein ihr und brachte kein girrendes Ständchen; Sie sahen sich spärlich, sie blieben getrennt in der Jugend Tagen, Im rauschenden Lenz, wann die Lerchen der Brust am lautesten schlagen. Sie alterten rasch, doch jugendlich blieb ihr gläubig Vertrauen, Ihr Hoffen, es war wie die Blümchen im Korn, die schönen, die blauen; Und hast du tagüber gepflückt — du schaust am künftigen Morgen Ein eheletztes, ein letztes, ein allerletztes verborgen. Ach! nur im Traume schien's den gottgefälligen Seelen, Als müßten sie dienen nicht mehr, als dürften sie selber befehlen; Ihm war's, ob ein Bürger vor ihm den Hut in Demuth gerücket, Und freundlich Herr ihn genannt und tief vor ihm sich gebücket. Und als sie gespart und zusammengescharrt die Kreuzer und Gulden, Und als sie der Priester getraut nach jahrelangem Gedulden, Da kauft sie die Spindel, den Flachs, um schneeiges Linnen zu spinnen, Da kauft er die Hütte, mit Röhricht gedeckt und sie wohnen darinnen. Sie starrten in's züngelnde Licht, die Alten, die endlich Vereinten; Es war nicht die Wonne der Liebe, daß sie nun lachten und weinten: Das war ja vorüber, sie waren getrennt in der Jugend Tagen, Im rauschenden Lenz, wann die Lerchen der Brust am lautesten schlagen. Sich küssen? sie thäten es schämig! Sich necken? sie thäten es leise! Ach, Blumen waren es wol, doch waren es Blumen im Eise; Ein Tanz auf Krücken, o Gott! ein armer, verspäteter Falter, Der halb ein blühendes Kind und halb ein verwelkender Alter. Es ist nicht Wonne der Liebe, daß sie nun jauchzen und beben, Nein! nur daß am eigenen Herd die eigenen Pfühle sich heben; Nur Gott ist ihr Herr, der die Sterne beruft, zu leuchten, wenn's nachtet, Den Knecht, der die Kette zerbricht, mit seligem Auge betrachtet. 1. Der Tag beginnt und wieder mußt du wandern Einem Armen Der Tag beginnt und wieder mußt du wandern Ins altgewohnte Joch nach deinem Brod; Du hörst im Schmerzenssang der Andern Das Echo nur der eignen Noth. Ach, was du denkst ist Zahl und Maß und Wage, Ach, was du treibst ist Trug und Streit; Die Plage theilt sich mit der Klage Erbarmungslos in deine Zeit. 2. Willst du nach Brod in fremde Thäler ziehen? Einem Armen Willst du nach Brod in fremde Thäler ziehen? In deines Herzensangst die Heimat fliehen? Mit Weib und Kind fort auf der falschen See? Auswandern, ach, es ist das herbste Weh! Wol längst befrachtet steht der Leiterwagen, Wol steht geschirrt der Klepper vor dem Haus, Doch können sie dein Hüttlein weiter tragen? Und gibt das Grab die Theuern dir heraus? Erinnerung an deinen Jugendtraum Umgaukelt dich, ein heller Sommerfaden, Und hängt sich hier an deinen liebsten Baum, Und dort an deinen besten Kameraden. Wenn gar zuletzt dein quellend Auge schaut Das Nest im Thurm, vom Klapperstorch gebaut, Der scheiden muß im Herbst, ja scheiden, Doch stets mit überstürztem Flügelschlag Gezogen kommt am ersten milden Tag, In treuer Brust des Heimweh's holde Leiden: Dann geht wie Kirchensang und Orgelton Durch dein Gebein ein tiefes Selbsterbarmen, Und wieder hält den halbverlornen Sohn Und doppelt fest die Heimat in den Armen. Heimweh O sieh die Schwalbe, Knabe mein! Sie sitzt am Simse, tief bekümmert, Indeß dein schadenfroher Stein Das Nest, das traute, ihr zertrümmert. Du wirfst, mit ungetrübter Lust, Den Stein in die geweihten Hallen; Sie schaut, mit Gram in junger Brust, Die theuren, letzten Trümmer fallen. Sie flattert fort, sie fliegt umher Vereinsamt, auf den weiten Auen: Du weißt es nicht, es ist so schwer, Die neue Heimat sich zu bauen. Du ruhest längst und schlummerst fest, Wenn noch die Schwalbe schweift und irret, Ach, und um ihr zerstörtes Nest Mit heimatlosem Flügel schwirret; Wenn ich in düst'rer Mitternacht Vereinsamt schweife vor den Thoren, Und an das Vaterhaus gedacht, Das ich verlassen und verloren. Nun erst erfüllt sich wunderbar — Nun erst erfüllt sich wunderbar, Urplötzlich ist ins Leben eingetreten, Was mir geträumt so manches Jahr, Was ich erbat in brünstigen Gebeten. Ich suchte dich, ich rief nach dir In meinem Lenz, — umsonst, er ist geschwunden, Nun ich entsagt, erschienst du mir, In meinem Herbste hab ich dich gefunden. Gefunden doch! Wie bangt die Brust! Ich darf von neuem um ein Herze werben? Ach, oder ist die hohe Lust Mir nur geliehen, kurz vor meinem Sterben? Nicht hoch und herrlich! Nicht hoch und herrlich bist du zu schauen, Kein staunendes Auge fliegt dir zu: Wie Blumen, die schlicht im Kornfeld blauen, Bist, Liebling meiner Seele, du! Man feiert sie nicht mit Schmeichelgrüßen, Gleich Rosen und Lilien am stolzen Fest, Doch bauen am liebsten zu ihre Füßen Die Lerchen ihr heiliges Sängernest. Mein Leben ist auch ein Lerchenleben, Ein Sehnen, ein Steuern ins All hinaus, Doch abendlich ruht mit wonnigem Beben Mein Flügel zu deinen Füßen aus. Da säum' ich, da träum' ich, da reim' ich leise, Du horchst, du lächelst, du glühest still, Vernimmst schon heute vor Allen die Weise, Die morgen mein Mund verkünden will. Getrost Wenn das am dürren Baum geschieht, Was jetzt dein feuchtes Auge sieht, Dann athme ferner nicht beklommen: Urplötzlich wird in stiller Nacht Auch über dich mit ganzer Pracht Die Zeit der grünen Ostern kommen. Was ihm der Regen, o das ist Die Thräne dir zu dieser Frist, Befruchtet dich mit neuen Trieben; Getrost, und wieder blühst du bald: Denn minder als das Holz im Wald Wird Gott ein Menschenherz nicht lieben! Warum Warum, wenn mir's am Tag gelang Mit dir, mein Lieb, zu kosen, Träum' ich oft ganze Nächte lang Von nichts als wilden Rosen? Und — blick ich wilde Rosen an, Wo ich am Tage gehe, Wie kommt es, Mädchen, daß ich dann Dich Nachts im Traume sehe? Auswanderer Herbstnebel hüllt die deutschen Wälder, Ein feuchter Wind vom Meere weht; Auswand'rer eilen und besteigen Das Schiff, das stolz im Hafen steht. Ein bleicher Jüngling gräbt am Strande, Der Spaten bebt in seiner Hand; Mitnehmen will er eine Scholle Vom eichenreichen Vaterland. Der alte Bootsmann ruft: „Zu Schiffe!“ „Was soll dein unbegreiflich Thun?“ ... „Ich möchte einst im fernen Westen Auf meiner Heimat Erde ruhn.“ Was mich zu dir so mächtig zog — Was mich zu dir so mächtig zog, War nicht der Augen Allgewalt, Der Schimmer nicht des goldnen Haar's Und nicht die schlanke Huldgestalt. Was mich zu dir so mächtig zog, War deiner Stimme trüber Klang, Der mir wie Nachtigallensang Ins Herz, ins lebensmüde, drang. Die Blässe deiner Wangen war's Und eine Thräne, die verrieth, Daß deine Seele tiefgeheim Ein namenloses Weh durchzieht. Dein Begräbniß Nicht durft' ich weinen, als man dich begraben, Du warst ja eines andern Mannes Weib, Und viele Fremde deinen Sarg umgaben, Worin so fahl in Blumen lag dein Leib. Sie zählten kühl die Fackeln und die Kerzen, Die Thränen, die um dich geflossen sind, Und beugten vornehm sich herab zu scherzen Mit deinem blassen frühverwaisten Kind. Die arme Kleine drückte scheu und bange Ans schwarze Bahrtuch ihr gelocktes Haupt; Sie ahnte kaum beim düstern Grabgesange, Was ihr der Tod für immerdar geraubt. Ich mußte ferne stehn und ruhig scheinen, Als Letzter hinter deinem Sarge gehn; Sie durften, da erzwungen war ihr Weinen, In meinem Aug' nicht ächte Thränen sehn. Dein Angedenken hätten sie gesteinigt, Verlästert dich bei deinem eignen Kind, Wär' ich — ob auch bewegt und schmerzgepeinigt — Nicht kalt erschienen, wie es Fremde sind. Und doch war unser Lieben und Entsagen So keusch und rein wie jene Sternennacht, Die, bis am Friedhof es begann zu tagen, Ich weinend auf dem frischen Grab durchwacht. Auf dem Friedhof Auf den Kirchhof lenkt' ich meine Schritte, Wo so friedlich Grab an Grab sich reiht, Und das Hochkreuz in der Steine Mitte Uns erinnert an die Ewigkeit. Was im Leben strenge sich geschieden, Hat vereinend hier der Tod gesellt. Alles athmet feierlichen Frieden, Scheint berührt vom Hauch der Geisterwelt. Jedes Denkmal trägt der Liebe Züge, Glaube hofft auf Wiedersehen dort. Mit dem Tod flieht Leidenschaft und Lüge, Nur was gut und edel ist lebt fort. Die alten Lieder Ich hörte die alten Lieder Von Liebeslust und Leid Aus anderm Munde wieder Nach jahrelanger Zeit. Und als sie ausgeklungen War mir das Herz so schwer: So schön, wie du sie gesungen, Singt sie doch keine mehr! Das Heidelberger Schloß Ende Juli 1870 Vom Berge sah ich grüßen Das Heidelberger Schloß, Es zog zu seinen Füßen Ein großer Kriegertroß. Er folgte unserm Heere, Bereit, mit frohem Muth Im Kampf für Deutschlands Ehre Zu opfern Gut und Blut. Da klang's wie Geisterwehen Vom Berg den Streitern nach: „Rächt, was hier einst geschehen, Rächt eurer Väter Schmach! Durch Frankreichs Wuth zertrümmert Laßt ihr dies Schloß zurück, Durch Frankreichs Neid verkümmert Ward jedes deutsche Glück! Drum rächt das Leid der Ahnen In diesem heil'gen Krieg Und traget Deutschlands Fahnen Zu immer schön'rem Sieg!“ Die Stimme war verklungen, Doch durch der Wolken Nacht War hell hervorgedrungen Der Mond in voller Pracht. Stolz sah die Burg hernieder Im klaren Silberlicht, Fern tönten Kriegerlieder Voll Siegeszuversicht. — — — Die rothe Rose Den 19. August 1870 Der König fuhr durch Gorze Nach heißer Siegesschlacht, Rings ward von seinem Heere Ihm Huld'gung dargebracht. Da trat aus kleinem Hause Hervor ein alter Mann Und bot dem greisen Herrscher Eine rothe Rose an. Er spricht: „Hier liegt verwundet Ein junger Offizier, Der sendet diese Blume Mit seinem Gruße dir!“ Der König nimmt sie dankend, Es macht ihn reich beschenkt, Daß selbst im Schmerz der Wunden Die Liebe sein gedenkt. Wol ist sie roth die Rose: Auch Heldenblut ist roth. Schön ist ihr Duft: doch schöner Ist Treue bis zum Tod! Mutter und Kind „Sprich' Mutter, wo ist doch der Vater mein? Ich hab' ihn lang' nicht gesehen!“ „Der Erbfeind wollte erobern den Rhein, Da mußt' er zum Kampfe gehen.“ „Mein Vater gehört nicht zum Kriegerstand, Was hat er im Felde zu schaffen?“ „Nicht Söldner kämpfen für's Vaterland, Es streitet ein Volk in Waffen!“ „Wann kehrt denn der Vater zurück aus dem Krieg, Daß Kränze zum Willkomm ich mache?“ „Dein Vater bezahlte mit Blut den Sieg; Er starb der heiligen Sache!“ „Mein Vater gefallen? — O Jammer und Noth! Und du kannst so ruhig erscheinen?“ „Ihm wurde als Held der herrlichste Tod, Und Gott wird uns wieder vereinen.“ „So komm', laß uns schmücken den Leichenstein Mit frischen Blumengebinden.“ „Sie scharrten mit seinen Genossen ihn ein, Die Stelle ist nicht mehr zu finden!“ „Kein Grab in geweihtem Boden er fand?“ „Und doch ist er selig gestorben: Denn wer gefallen für's Vaterland, Der hat sich den Himmel erworben!“ Die Wittwe Es hat aus der Heimat sich aufgemacht Des tapfern Kriegers Frau, Sie suchte den Gatten, der in der Schlacht Verwundet auf fremder Au'. Doch als sie gekommen ins wälsche Land, Wie ward ihr das Herz so schwer! Ein Kreuz nur auf seinem Grabe sie fand Und rauchende Trümmer umher. Wer zählt wol die Thränen der Wittwen all', Um die Opfer im blutigen Krieg, Wenn das Vaterland feiert mt Jubelschall Den glorreich errungenen Sieg?! Gruß in die Ferne Am Schreibtisch saß ich wehmuthstrüb Und schrieb — und strich die kaum geschriebnen Zeilen — Und dachte, wie es gar so lieb, Wenn deine Augen auf der Arbeit weilen. Und wie ich so emporgeblickt, Da blieb mein Aug' am Wandkalender hangen. Und sieh': Er ist nicht vorgerückt, — Er zeigt noch heut' den Tag, wo du gegangen! In diesem Stillstand mag er dir Das stumm-beredte Zeugniß geben: Die Tage, da du fern von mir Die zählen nicht in meinem Leben. Beim ersten Schritt Epigramme Zur Wiege, — nicht zum Grabe, Wo Alles schon erreicht Gehört des Wunsches Gabe: „Die Erde sei dir leicht.“ Schwere Worte Epigramme Das Wort geht hart einher, Wenn sich Gedanken drängen: So sind die Zweige schwer, An welchen Früchte hängen. Die Arbeit Epigramme Nur Arbeit hebt dich sanft hinweg Aus dumpfem Welt-Verneinen: Sie gibt der Stunde einen Zweck — Hat auch das Leben keinen. Zur Physiognomik Epigramme Der weise Schopenhauer spricht — Und gern betret' ich seine Spur: „Ein jedes Menschen-Angesicht Ist ein Gedanke der Natur.“ Es folgt daraus das Eine nur, Wenn man dem Worte Glauben schenkt: Daß auch die ewige Natur Mehr Dummes als Gescheidtes denkt. Frag mich nicht um mein Geheimniß — Frag mich nicht um mein Geheimniß; Laß mich's tragen ganz allein, Bis es wie ein stiller Funke Wird erstickt in Asche sein. Rein und klar ist dein Gemüthe, Und der Himmel lacht es an; Laß mir meinen trüben, wilden, Sturmgepeitschten Ocean. Frag mich nicht um mein Geheimniß; Senke deiner Augen Strahl; Nimm von meiner armen Seele Der Versuchung süße Qual: — Mehr als alle Lorbeerkränze, Die der Weise sich erwirbt, Gilt dem Himmel eine Thorheit, Die noch ungeboren stirbt. Ach wer doch das könnte Kinderlieder Gemäht sind die Felder, der Stoppelwind weht; Hoch droben in Lüften mein Drache nun steht, Die Rippen von Holze, der Leib von Papier, Zwei Ohren, ein Schwänzlein sind all seine Zier; Und ich denk': so drauf liegen Im sonnigen Strahl, Ach wer doch das könnte Nur ein einziges Mal! Da guckt ich dem Storch in das Sommernest dort: Guten Morgen, Frau Storchen, geht die Reise bald fort? Ich blickt' in die Häuser zum Schornstein hinein: Papachen, Mamachen, wie seid ihr so klein! Tief unter mir säh' ich Fluß, Hügel und Thal, — Ach wer doch das könnte Nur ein einziges Mal! Und droben, gehoben, auf schwindelnder Bahn, Da faßt' ich die Wolken, die segelnden, an; Ich ließ mich besuchen von Schwalben und Kräh'n, Und könnte die Lerchen, die singenden, sehn; Die Englein belauscht' ich Im himmlischen Saal, — Ach wer doch das könnte Nur ein einziges Mal! Schneckenlied Kinderlieder Schneck, Schneck, Mäuschen, Kriech vor aus deinem Häuschen! Hier steht ein kleiner Käferherr Und fragt wie theu'r die Miethe wär'. Schneck, Schneck, Schlecker, Schmeckt dir der Klee noch lecker? Hier ist ein Bischen Krautsalat; So komm doch her und friß dich satt! Schneck, Schneck, Schneider, Du hast ja keine Kleider! Komm mit, wir fahren nach Berlin, Da kauf' ich dir was anzuziehn. Schneck, Schneck, Tröpfchen, Was hast du da für Knöpfchen, Was hast du da für Körnerchen Auf deinen vier fünf Hörnerchen? Schneck, Schneck, Liebchen, Kriech wieder in dein Stübchen Und such' dir da dein Schlüsselein; Es kann ja jeder Dieb hinein! Mir träumte einst ein schöner Traum — Mir träumte einst ein schöner Traum: Mich liebte eine blonde Maid; Es war im grünen Waldesraum, Es war zur warmen Frühlingszeit: Die Knospe sprang, der Waldbach schwoll, Fern aus dem Dorfe scholl Geläut Wir waren ganzer Wonne voll, Versunken ganz in Seligkeit. Und schöner noch, als einst im Traum, Begab es sich in Wirklichkeit; Es war im grünen Waldesraum, Es war zur warmen Frühlingszeit: Der Waldbach schwoll, die Knospe sprang, Geläut erscholl vom Dorfe her — Ich hielt dich fest, ich hielt dich lang — Und lasse dich nun nimmermehr! O, frühlingsgrüner Waldesraum! Du lebst in mir durch alle Zeit — Dort ward die Wirklichkeit zum Traum, Dort ward der Traum zur Wirklichkeit! Nicht mit Engeln im blauen Himmelszelt Aus Mirza-Schaffy Nicht mit Engeln im blauen Himmelszelt, Nicht mit Rosen auf duftigem Blumenfeld, Selbst mit der ewigen Sonne Licht Vergleich' ich Zuléikha, mein Mädchen, nicht! Denn der Engel Busen ist liebeleer Unter Rosen drohen die Dornen her, Und die Sonne verhüllt des Nachts ihr Licht: Sie alle gleichen Zuléikha nicht! Nichts finden, so weit das Weltall reicht, Die Blicke, was meiner Zuléikha gleicht — Schön, dornlos, voll ewigem Liebesschein, Kann sie mit sich selbst nur verglichen sein! Was ist der Wuchs der Pinie, das Auge der Gazelle Aus Mirza-Schaffy Was ist der Wuchs der Pinie, das Auge der Gazelle, Wol gegen deinen schlanken Wuchs und deines Auges Helle? Was ist der Duft, den Schiras' Flur uns herhaucht mit den Winden, Verglichen mit der Düfte Hauch, die deinem Mund entschwinden? Was ist Ghasel und Rubajat, wie Hafis uns gesungen, Wol gegen Eines Wortes Ton, aus deinem Mund entklungen? Was ist der Rosen Blütenkelch, dran Nachtigallen nippen, Wol gegen deinen Rosenmund und deine Rosenlippen? Was ist die Sonne, was der Mond, was alle Himmelssterne? Sie glühen, zittern nur für dich, liebäugeln aus der Ferne! Was bin ich selbst, was ist mein Herz, was meines Liedes Töne? Als Sclaven deiner Herrlichkeit, Lobsinger deiner Schöne! Vergebens wird die rohe Hand Aus Mirza-Schaffy Vergebens wird die rohe Hand Am Schönen sich vergreifen: Man kann den einen Diamant Nur durch den andern schleifen. Schein und Wesen Morgenländisch Der Lehrer sprach zum Schüler: Sieh', Mein Sohn, den Schatten dort vom Zelt, — Er gleicht dem Dasein dieser Welt, Ist ganz so wesenlos wie sie. Beachte, wie ich meine Hand Jetzt auf zum Licht der Sonne hebe Und unter uns dem Wüstensand Selbst mit den Fingern Schatten gebe: Er scheint dir greifbar und bezirklich, Allein du siehst, er ist nicht wirklich, Denn alles Wirkliche besteht, Derweil der Schatten schnell vergeht, Zieh' ich die ausgestreckte Hand Zurück in's hüllende Gewand. Und wie der Schatten wesenlos Ist Alles, Täuschung unsrer Sinne, Vorstellung des Gehirnes blos, Und Nichts zu bleibendem Gewinne. Selbst jener Glutenborn am Himmel Und Nachts die leuchtenden Gestirne, Das ganze athmende Gewimmel Des Weltalls lebt blos im Gehirne, Im Schau'n des inneren Gesichts; Wird dies vernichtet, so bleibt Nichts. So sprach und ging der Lehrer weiter Mit seinem grübelnden Begleiter, Der, durch die Lehren ganz verwirrt, Vom rechten Weg sich bald verirrt Im endlos dürren Wüstenraum, Wo keine Quelle und kein Baum Im Sonnenbrande Kühlung bot. Da fernher tauchte bräunlichroth Ein Felsblock auf, der schmal und scharf Gerade so viel Schatten warf, Den Schüler vor der Glut zu schützen. Dem Lehrer konnt' er nichts mehr nützen, Er kam zu spät, doch flieh't er kläglich: Mach Platz, die Glut ist unerträglich! Ich kann nicht weiter vor Ermatten, Sei menschlich, theil' mit mir den Schatten! Darauf der Schüler: Du verkehrst Die eigene Lehre: — eben erst Sprachst du, der Schatten sei nur scheinbar, Nur eine Vorstellung, ein Nichts, Ein Bild des inneren Gesichts; Dein Wunsch ist nicht damit vereinbar; Dir sitzt der Schatten im Gehirne, Mir kühlt er meine glüh'nde Stirne, Ich find' ihn wesentlich und wirklich, Sehr fühlbar und genau bezirklich, Für mich ist er ein wahrer Schatz. Doch räum' ich dir sogleich den Platz, Wenn du gestehst, daß du geirrt Und deine Lehre nur verwirrt. Nein — rief mit zornigem Gesicht Der Lehrer — nein, das thu' ich nicht! Was meine höh're Einsicht fand, Weicht nicht dem platten Volkverstand. Der Schüler sprach: Ich warne dich, Leicht wirst du deines Irrwahn's Beute! — Der Lehrer starb am Sonnenstich, Der munt're Schüler lebt noch heute. Vom Bergsee Ich lass' im Kahn mich schaukeln, Der Mond schwimmt auf dem See: Die Wellen, die mich umgaukeln, Blitzen wie reiner Schnee. Sie kommen und schwinden leise Im Glanz der Mondesglut, Und werfen zitternde Kreise Auf die leisbewegte Flut. Hell ist's fast wie am Tage Auf dem lichten Wasserflor, Mit jedem Ruderschlage Taucht neuer Glanz hervor. Nur fern die Berge dunkeln Bewaldet bis zum Fuß, Und aus dem Dorf her funkeln Lichter mit nächt'gem Gruß. Sie wollen zur Heimkehr mahnen — Und bis zur Uferflur Zieht auf den schwanken Bahnen Der Kahn eine lichte Spur. Ich stand und dachte lange: O wär' es mir verliehn, Auf meinem Lebensgange Auch solche Spur zu ziehn! Nach dem Gewitter Erst eben Donnergerolle In flammender Wolkenschlacht, Und nun die zaubervolle Selige Stille der Nacht! Es flohen die Ruhestörer Des Tages vor ihr hin, Wie die besiegten Empörer Vor ihrer Königin. Hell schwimmt im Wasserspiegel Der ganze Himmelsdom — Es drückt sein Sternensiegel Der Himmel auf den Strom. Nur matt am Himmelssaume Leuchtet's noch ab und zu, Wie sich der Geist im Traume Noch regt in Schlafesruh'. Die Glocken läuten — Die Glocken läuten das Ostern ein In allen Enden und Landen, Und fromme Herzen jubeln darein: Der Lenz ist wieder erstanden. Es athmet der Wald, die Erde treibt Und kleidet sich lachend mit Moose, Und aus den schönen Augen reibt Den Schlaf sich erwachend die Rose. Das schaffende Licht, es flammt und kreist Und sprengt die fesselnde Hülle, Und über den Wassern schwebt der Geist Unendlicher Liebesfülle. Nach Jahren! 1. Die Mutter lehnt am schattigen Thor, Ihr blondes Töchterchen kniete davor, Brach Rosen sich und Vergißmeinnicht, Und küßt sie mit lachendem Angesicht: „Ei! Mutter, bin ich so groß, wie du, Dann trag' ich dir Alles im Hause zu, Dann heg' und pfleg' ich dich lieb und fein, Wie die Rosen und die Vergißnichtmein.“ 2. Und Jahre schwanden, — am schattigen Thor Ragt höher und voller der Flieder empor! Ein Mägdlein umfaßt des Geliebten Arm, Es schlagen ihre Herzen so treu und warm. Doch wie sie sich küßten auf Wang' und Mund, Weinte das Mägdlein aus Herzensgrund: Denn die sie wollt' pflegen so lieb und fein, Lag still unter Ros' und Vergißnichtmein. Traumgesicht Mir träumt', es verrauschte blitzgeschwind Eine Mandel von Jahrmillionen: Da stand ich, das letzte Menschenkind Aus allen den Völkern und Zonen. Die Erde durchsauste noch immer das All Und versäumte nicht zwei Secunden; Nur war sie jetzt an den Sonnenball Mit einem Faden gebunden. Doch als den Faden ich näher beschaut, Verging mir fast Sehen und Hören: Es war eine Gitterbrücke, gebaut Von den himmlischen Ingenieuren. Ich trat darauf. Erst bebte das Herz, Bald fühlt' ich den Muth mir wachsen; Bald lag der Erdball hinterwärts Mit winzigen Parallaxen. Jetzt bin ich dem Monde näher schon. Wer guckt da um die Ecke? Das ist Galilei; die Libration Mißt er am geeigneten Flecke. Nun steig' ich auf der Venus aus. Da sitzen vier große Lichter: Der Kepler, der Newton, der Bessel, der Gauß, Und schneiden gelehrte Gesichter. Puhu! das heult und braust. Jetzt geht Wol Alles drunter und drüber! — Ei, fuhr da nicht Zöllner auf einem Komet Vorbei und nickte herüber? Es stehn auf dem sonnennahen Merkur Beim Spectrum drei liebe Gesellen; Die dunkeln Streifen sucht Fraunhofer nur, Und Bunsen mit Kirchhoff die hellen. Schon ward es unerträglich warm; Da rief der Kirchhoff: „Sie reisen Am besten per Meteorenschwarm Nach den äußern Planetenkreisen.“ Dann gab er ein Buch, mit Gold gepreßt, Mir noch und sprach unter Lachen: „Darf ich des Laplace Mécanique céleste Zu Ihrem Baedeker machen?“ Heidi! wie fuhr sich's lustig da! Ich jauchzte im Weltenraume: „Na da woll'n wir doch einmal, Woll'n wir doch einmal, Heirassassa —!“ Und singend erwacht' ich vom Traume. Der Senn Ein Schweizer — das bin ich, ein fröhlicher Hirt, Für Freiheit und Alpen geboren, Den Fels da, wo einsam die Gemse nur irrt, Den hab' ich zur Heimat erkoren; Ich habe zur äußersten Marke der Welt Hoch über die Wolken mein Hüttlein gestellt. Da seh' ich tief unten in schauriger Kluft Den Adler im Fluge sich wiegen, Die Thäler verloren in bläulichen Duft, Die Dörfer, die Städte dort liegen; Ich seh' es und blicke mit freudigem Sinn Hoch über die Sorgen der Sterblichen hin. In Wolken verhüllt sich dort unten das Thal, Dumpf toset der Wind in den Klüften, Wild rollet der Donner, es schmettert der Strahl Verderben auf Dörfer und Tristen; Doch hier ist der Himmel so freundlich, so blau, Ich wandle hier ruhig auf blumiger Au. Dort unten ist Habsucht und Ehrgeiz und List Des Jammers nie rastende Quelle, Das waffnet den Menschen zu blutigem Zwist, Das macht ihm die Erde zur Hölle. Drum bin ich hier oben so gerne allein, Will gerne der friedlichen Heerde mich freu'n. Ich schaue durch Wolken hinab auf das Land, Gleich klein ist der Bettler, der König; Drum kümmert auch Reichthum und Adel und Stand Den Hirten der Berge gar wenig. Er kennt nur den Adel der Menschennatur, Die Weisheit, die Tugend verehret er nur. Drum beugt er sich nicht in der Sterblichen Joch, Drum denkt er zu groß, um zu dienen; Da stehen die Alpen frei, herrlich und hoch, Frei lebt auch der Schweizer auf ihnen. Und ob auch der Erde die Freiheit entflieh', Den Alpen, den Hirten entweicht sie doch nie. 1. Ihr alten Bäume im Kirchhofraum Auf dem Kirchhofe Ihr alten Bäume im Kirchhofraum, Was rauscht ihr so linde mitsammen? Wol deckt ihr manches tiefe Leid Und viel erloschene Flammen? — „Wir plaudern, du thöricht Menschenkind, Von unsern Schläfern im Grunde; Noch eine kurze Spanne Zeit, Dann wird von dir uns Kunde!“ 2. Maienglöckchen, Maienglöckchen Auf dem Kirchhofe Maienglöckchen, Maienglöckchen, Auf vergess'nen Gräbern dort, Sagt, warum seid ihr erblühet An so düster-stillem Ort? „Drunten ruht so manches Herze, Dem der Lenz war hold und lieb, Ach, und dem von dessen Wonnen Auch nicht eine übrig blieb. Wir nur läuten leise, leise Frühlingsbotschaft all hinab, Und es dringet Gruß und Weise In das allertiefste Grab. Lenzesträume nahn den Stillen, Und es weht im weiten Grund Solch Gebet voll Gottvertrauen Durch der Schläfer ernste Rund': Hört der Maienglöckchen Klingen! Gott verkündet milde heut: Wieder bringt ein Lenz uns näher Ferner Auferstehungszeit.“ Im Walde Einsam schreit' ich durch den Wald Und der Vöglein Lieder Rauschen wie ein Liebeswort Aus den Zweigen nieder. Einsam schreit' ich durch den Wald Und der Blumen Düfte Säuseln wie ein Liebeskuß Durch die Morgenlüfte! Einsam schreit' ich durch den Wald Und die Wasser rinnen, Bis Gesang und Klang und Duft Sich zum Traum verspinnen, Und was längst begraben ruht Unterm Kirchhofflieder Jugendglück und Seligkeit Find' im Wald ich wieder. Das Marienbild in der Waldkapelle Jeden Tag, bevor entglommen Noch die Sonne hell, Ging er treulich, um zu beten, In die Waldkapell'! Und aus hoher Nische blickte Das Marienbild Auf den frommen Knaben nieder, Süß und engelmild. Jahre kamen, Jahre gingen Und der alte Mann Kniete in der Waldkapelle Wie er's jung gethan. Doch als einst die Sonne wieder Sich der Flut entwand, Da geschah's, daß tödtlich Leiden Ihn an's Lager band. Horch, da hallt es an der Thüre, Wie ein leiser Schlag, Und Maria tritt ins stille, Dämmernde Gemach: „Da im Leben du getreulich Kommen bist zu mir, Geb' ich in der Todesstunde Das Geleite dir.“ Und sie streichet von der Wange Ihm das feuchte Haar, Und sie küßt ihn auf die Stirne Mild und wunderbar. Himmelssang erscholl — der Fromme Hauchte lächelnd aus, Und Maria wallte wieder In's Kapellenhaus. Im Gebirge Der Schlange gleich wälzt endlos sich der Zug Durch des Gebirges wildgezackte Schluchten; Wo der Maschine schrilles Pfeifen schlug, Das Echo weckend, an die Felsenbuchten. Und müde vor den Wärterhäusern stehn Die Wächter, schwenkend zum Signal die Fahnen; Die Führer stahlfest, ernst gemessen sehn — Nicht zuckt die Wimper — auf das Rund der Bahnen. Das Wild schrickt auf vom donnerlauten Schall, Der wie die wilde Jagd vorüberspukte — Der Zug verschwindet in der Bahnschlucht Fall, Verhallt im Säulengang der Viaducte. Dann Stille rings — die Mitternacht ist da; Raubvögel trägen Flugs sich aufwärts schwingen — Dann geisterhaftes Läuten fern und nah — Im Wind die Telegraphendräthe klingen. Das ist die Poesie der neuen Zeit, Romantik uns'rer heißbewegten Tage. Was gilt die Liebe noch? Was gilt das Leid? „Wie komm' ich vorwärts?“ ist der Menschheit Frage! Ein schwerer Zug „Ihr kennt mich!“ sprach er, strich den Vollbart sich, Und leert' sein Glas mit einem Zuge: „Wo's gilt, da steh' ja meinen Mann auch ich, Den schwersten Weg ich fuhr ihn sicherlich — Und manchen schon fast wie im Fluge.“ „Doch einmal, laßt es offen mich gesteh'n, Da fühlt' das Herz ich stärker klopfen — Die Heere standen auf den Spichern Höh'n, Hatt' hundert Axen, da ist's mir gescheh'n, Daß ich den Schweiß fühlt' niedertropfen.“ „Mein ganzer Zug in Munition bestand, Wo die Cigarre darf nicht glühen; Der Blick oft prüfend wird hinausgesandt, Am Regulator fester liegt die Hand, Das Dampfroß nicht darf Funken sprühen.“ „Die Nacht war prächtig! Durch den grünen Wald Die Bahn sich zog am Abhang nieder; Die Sterne glühten hellauf, mannigfalt, Und weiter, weiter ging's ohn Aufenthalt, Ich dacht' des Kampf's, der Waffenbrüder.“ „Da hob der Wind sich durch die Wipfel sacht, Im Wald begann ein Sausen — Wogen. Telegraphendrath erklang zur Nacht; Ein Sturm begann! Der Himmel eh' man's dacht', Gewitterschwer war rings umzogen.“ „Die Blitze zuckten. — Die Maschine ging, Laut donnernd wo die Felsen ragen; Wo sich das Echo hundertfach verfing, Wo jeder Blitz, der zuckend niederging, Schien zündend in den Zug zu schlagen.“ „Und ist's — ihr wißt's — bei Nacht und Sturm schon schwer, Den Zug sicher dahin zu lenken, Erwägt: ringsum ein Flammenmeer — Dann Pulver, an die hundert Axen schwer — Das Andre mögt ihr selbst euch denken!“ „Kämpft der Soldat siegreich für's Vaterland, Ich werd' den Muth gering nicht halten — Doch als ich einlief, die Maschine stand, Ich hab' nach Oben doch den Blick gesandt, — Mußt', wie ein Kind, die Hände falten.“ Er sprach's — dann er zum Regulator griff — Noch einen Blick entlang dem Zuge. Ein stummer Gruß, dann der Maschine Pfiff, Und rascher drauf der Steueraxe Griff — Der Zug verschwindet wie im Fluge! Ein tiefer Schmerz Am Fenster lehnend starr' ich in die Nacht, Ringsum erhellt vom Heer zahlloser Sterne; Bang geb' auf jeden leisen Laut ich acht, Der etwa anklingt aus der stillen Ferne. Kein größ'rer Schmerz, als sich in trüber Zeit An Glück erinnern, das für uns vergangen, Das wie ein Bahrtuch, wie ein Todtenkleid, Um unsers Lebens Stunden sich gehangen. Ihr habt getragen eures Tages Last, Ihr geht nach Haus, es schmerzen euch die Glieder; Da nah'n die Kinder sich in stürm'scher Hast — Und euer Auge leuchtet freudig wieder. Vergessen ist die Arbeit, ist die Müh', Vergessen daß ihr war't des Grames Beute; Der Knab' springt jubelnd, stolz auf euer Knie, Die Tochter lehnt verschämt an eurer Seite. Nun wird erzählt — das Kleinste — Freud' und Leid, Bis ihr voll Hoffnung bringt zur Ruh' die Müden. Ihr wißt es nicht, wie überreich ihr seid. Erhalt' euch Gott, das Glück, das euch beschieden. Und fiel euch selbst die schönste Blüte ab, Will täglich sich der Schmerz in euch erneuen — Ihr könnt doch gehn zu eures Kindes Grab, Und Rosen auf den Hügel niederstreuen. Mein Haar ist grau! Ich starre in die Nacht Zur Fern' den Blick gewandt — den kummervollen, Vergebens hab' auf jeden Laut ich acht — Mein einzig Kind, mein Sohn, er bleibt verschollen! Die wilde Jagd Wenn Sturm die Waldung rüttelt, Daß sie erbraust uud kracht, Wenn Holle Flocken schüttelt In düstrer Winternacht, Da zieht vom Hörselberge Der wilde Jäger aus, Und mit ihm Riesen, Zwerge, Viel Spuk und Höllengraus. Da schwanken Schreckgestalten Mit Schwertern und Geschoß, Durch Zweig und Felsenspalten, Zu Fuß und hoch zu Roß. Hier grinsen Wuthgesichter, Dort droht ein langer Arm, Hier formenlos Gelichter, Dort Wolf- und Bärenschwarm. Horch! wie in allen Klüften Das Jagdhorn widerhallt, Hallo! Hallo! in Lüften Und in den Tiefen schallt; Wie wild es tobt und brauset Und furchtbar knallt und gellt, Wie dumpf es heult und sauset Und gräßlich brüllt und bellt. Doch sieh! voran dem Zuge Geht ruhig-ernst ein Greis, Sein Kleid von grauem Tuche, Sein Scheitel silberweiß. Von Kinn und Lippe fließet Ein langer Bart herab Und seine Hand umschließet Dürr einen weißen Stab. Und wenn ein Hirt, ein Jäger Dem Greis entgegensteht, Heran des Holzes Schläger Mit Axt und Säge geht, Dann winkt er mit dem Stecken, Daß jener schnell entflieht, Eh' ihn ergreift der Schrecken, Der wogend näher zieht. Und Eckart, der Getreue, Der alte Wundermann, Warnt also stets aufs Neue, Wenn flugs er warnen kann, Bis, wenn der Hahn geschrieen, Beim ersten Morgenschein, Die tollen Geister ziehen Zum Hörselberg hinein. Wenn so der Hölle Schrecken In grauser Nacht euch naht, Habt Acht auf Eckarts Stecken Der zeiget sichern Pfad; Boch wer sich nicht läßt warnen, Dem ist es nimmer gut, Den wird der Spuk umgarnen, Daß ihm erstarrt das Blut. Mondnacht im Gebirge Ich schritt hinunter vom bemoosten Gipfel Auf jähem Pfade zwischen schlanken Tannen, Die Sonne schien noch auf die höchsten Wipfel, Als tief im Thal schon Nacht und Nebel spannen. Bald wogten düst're Schleier mir entgegen Und schlugen über meinem Haupt zusammen. Schwer wollte Angst sich auf das Herz mir legen, Wie Strauch und Baum in Finsterniß verschwammen, Da trat ich aus des Waldes tiefstem Dunkel Und sah den Vollmond hinter breiten Matten. Schräg ging zur Seite mir im Thaugefunkel Auf freier Ebne mein gedehnter Schatten. Sennhütten hier und dort in schönen Gruppen Und rings um sie, gelagert auf den Almen, Viel kräft'ge Rinder in gedrängten Truppen, Das Haupt erhebend aus den hohen Halmen. Die tiefste Ruhe drüber ausgegossen, Kein Menschenlaut und keines Hundes Bellen: Der mondumhellte Lagerplatz umschlossen Von schwarzem Wald auf sanften Hügelwellen. Dahinter Gletscherrücken, prächtig flimmernd, Und Bächlein über Felsenschultern fallend, Wie schmale Silberfäden magisch schimmernd, Melodisch in die Thäler niederwallend. Ein süßer Zauber war auf mich gekommen, Ich wußte nicht, wie meiner Brust geschehen. Was ich geheim im Mondenlicht vernommen, Das wird mir ewig durch die Seele gehen. Auf einer Wanderung im Norden Hier schwarzer Moor, dort schneebedeckte Räume Und zugefrorner Seeen öde Felder, Verlassen traurig-kahle Birkenbäume, Am Horizonte düstre Tannenwälder! Kein Mensch, kein Haus, so weit die Blicke schweifen, Kein Vogel auf dem Schnee und in den Lüften; Nah meinem Scheitel graue Wolkenstreifen, Und bleich der Mond, wie Lampenschein in Grüften. Rings tiefe Stille, die Natur erstorben, Allüberall des Todes kalte Schauer: Mein Geist, der stets um Leben nur geworben, Vor solchem Bild versenkt in tiefe Trauer. Da plötzlich Glockenhall aus ferner Weite, Ernst, feierlich in langgedehntem Schwingen! Und, hin mich wendend nach des Klanges Seite, Laß ich ihn mir in Herz und Seele dringen. Er schallt wie eines Priesters fromme Rede, Wie eine Stimme Gottes aus der Höhe. Zum weiten Tempel wandelt sich die Öde, Und zum Gebete wird des Herzens Wehe. Und tiefer, unzertrennlich fest verbinden Der Seele sich des Glaubens Kraft und Milde. Wer Gott den Herrn recht innig will empfinden, Der such' ihn auf in Nordlands Schneegefilde. In einer Sternennacht Während rechts im fernen Dunkel Gold'ne Sterne niedersinken, Steigen Sterne mit Gefunkel Hinter Bergen auf zur Linken. Was sich läßt am Himmel sehen, Zeigt sich unten auch im Leben: Sterne müssen untergehen, Sollen Sterne sich erheben. In dir das Glück! nimm was als Glück mag gelten Sprüche In dir das Glück! nimm was als Glück mag gelten, Nimm Reichthum, Macht, nimm Ruhm und Glanz und Licht, Schmück' dich mit allen Schätzen beider Welten — Des inn'ren Friedens Glück erreicht es nicht. In den Stürmen dieser Zeit Sprüche In den Stürmen dieser Zeit Ohne Glauben, ohne Frieden, Ohne Herz und Freudigkeit, Ist, o Seele, dir beschieden Durch der Dichtkunst Zaubermacht, Was allein nur lohnt das Leben: Still beglückt und still ergeben, Wie ein Traum dahin zu schweben Über ird'sche Pein und Nacht. Und ob dein guter Engel noch so ferne Sprüche Und ob dein guter Engel noch so ferne, Er flüstert dir im Rauschen der Cypressen: O! glaube nicht, du sei'st allein vergessen — Geduld, Geduld! einst glüh'n auch deine Sterne. So lange wir vertrauen Sprüche So lange wir vertrauen Auf uns'ren eig'nen Muth, Und hoffend vorwärts schauen, So lang' ist Alles gut. Und sei dies Hoffen, Sehnen Auch nur ein schöner Traum, Zu trocknen deine Thränen — Gib ihm im Herzen Raum. Wie könnt' leicht den Menschen werden Das ersehnte volle Glück, Wollte nur der Mensch auf Erden Größer sein, als sein Geschick! Heut' traurig, morgen munter Sprüche Heut' traurig, morgen munter, Das ist der Dinge Lauf; Sinkt auch die Sonne unter, So geh'n die Sterne auf! Die Kunstreiterin Es zittert schon die Bretterwand, Trompetenlärm erschallt, Ein Bube glättet rasch den Sand, He hopp! — die Peitsche knallt. Da jagt herein auf schwarzem Roß Ein Weib mit kecken Gruß, Den braunen Arm und Nacken bloß, Entblößt den braunen Fuß. Die Castagnetten klappern wild, Es dröhnt das Tamburin, Wie ein belebtes Broncebild Tanzt die Zigeunerin. He hopp! — der heiße Tanz ist aus, Sie gleitet rasch zur Erd', Mit wildem Sprung in's dünne Haus Eilt hastig Weib und Pferd. Im Zelt hockt sie auf Sammt und Stroh, Legt Karten in die Rund, Sie ist nicht traurig — ist nicht froh, Peitscht gähnend Roß und Hund. — Haltlos Moderne Zigeuner, Wüste Gesellen, Vagabunden des Lebens, Die ringen Und wandern Und suchen ... Doch immer vergebens! Einsame Große Kinder Mit halbem Wissen, Todkrankem Herzen, Und immer hinaus, Immer weiter! Nach außen keck, Nach innen verjammert, Den Rücken zerschlagen von der Hand, An die sie vertrauend sich geklammert! Ein Balg Die alte Frau hat ein hartes Gesicht, Jedoch zwei gute Augen, Die wenig mehr beim Pfenniglicht Und nimmer zum Weinen taugen. Sie war ein Balg ... als Findelkind Verstoßner als die Armen, Doch bat sie nicht bei Herr und Gesind' Um Futter und Erbarmen. Sie griff fest zu und stellte stramm Sich hin wie ehrbare Leute; Daß nie sie Unverdientes nahm, Das freut das Weib noch heute. Drum zeigt sie auch mit Bauernstolz Erdarbte Thalerscheine: „Die sind mein unverbranntes Holz, Meine ungetrunkenen Weine.“ „Die sind mein ungegeßnes Brod, Mein Blut! ... Drauf steht geschrieben: Ein Alter ohne Schand und Noth! Und was Gott mir schuldig geblieben.“ Auf dem alten jüdischen Friedhof Prag Sinnend stand ich bei dem Grabe Rabby Löv's, des jüdischen Weisen, Hörte wie im Traum den Führer Seinen todten Ahnherrn preisen. Und warum, so frug ich staunend All die Juden, groß und kleine, Auf das Grab mit leisem Murmeln Werfen bunte Kieselsteine? Und es wurde mir die Antwort: „Um zu ehren, ist geboten, Daß wir Blumen streu'n Lebend'gen, Steine auf das Grab den Todten.“ Von solch' heidnischem Gebrauche Sind wir Christen längst gereinigt, Wir bekränzen stets die Gräber Jener, welche wir gesteinigt. Wißt es! Wißt, mich betrübt die Schönheit, die ihr preist, Ich schaue bitteres Menschenelend sprießen Auf diesem Stern ... wie soll mein Geist Dann seine hehre Schönheit rein genießen? Wißt, mich betrübt die Schönheit, die ihr preist, Denn durch des Wohllauts kunstgeformte Schöne Hör' ich den Wehlaut, der mein Herz zerreißt, Der Daseinsqual naturgewaltige Töne ... Gemeinsam Wir schreiten still den gleichen Pfad, Still ohne Selbstbetrug und Groll; Du weißt ja heut', wie trauervoll Vernichtung Allem naht! ... Zerflossen ist das Morgenroth, In dem du einst die Welt gesehn, Auf ihren Fahnen schaust du wehn: Täuschung ... Schmerz ... und Tod ... Christbaum Hörst auch du die leisen Stimmen Aus den bunten Kerzlein dringen? Die vergessenen Gebete Aus den Tannenzweiglein singen? Hörst auch du das schüchternfrohe, Helle Kinderlachen klingen? Schaust auch du den stillen Engel Mit den reinen, weißen Schwingen? ... Schaust auch du dich selber wieder Fern und fremd nur wie im Traume? Grüßt auch dich mit Märchenaugen Deine Kindheit aus dem Baume? ... Daß schon die Maienzeit vorüber Herbst Daß schon die Maienzeit vorüber, Ich war es lange mir bewußt, Die lichten Wolken wurden trüber, Die Rosen welk an meiner Brust. Wenn aber du mit herbem Munde Die Blumen des Verwelkens zeihst, Ist mir als zög' in solcher Stunde Auch aus der Welt der Liebe Geist ... Du weißt es nicht was ich getragen Herbst Du weißt es nicht was ich getragen, Ob du es ahnst? ... Ich glaube nicht, Wollt' ich dir Alles, Alles sagen, Es wäre mehr als ein Gedicht. — Die Leiden, die herüberragen Aus Winternächten ohne Licht ... Aus rosenleeren Kindertagen, Sie wären mehr als ein Gedicht. Du würdest dann zu kränken zagen Ein Herz, dem jedes Glück gebricht, Und nicht ein Haupt zu beugen wagen, Das längst der Dornenkranz umflicht. Was liegt in deinen tiefen Augen? Herbst „Was liegt in deinen tiefen Augen?“ So frugst im Frühling schmeichelnd du, Und als ich schwieg, da drücktest kosend Du meine beiden Augen zu. Im hohen Sommer sprachst du lachend: „Was zuckt' um deine Lippen, sag', Als eben jetzt mit warmem Kusse Dein Mund auf meinen Händen lag? ...“ Der Herbst ist da ... Du flüsterst lauschend, Das Antlitz halb von mir gewandt, „Warum erzittert, wenn ich scheide, Jetzt immer deine bleiche Hand?“ Bald kommt der Winter ... Du wirst fühlen Wie frostig-still dein Herz dann schlägt, Du wirst alsdann mich nimmer fragen, Was ahnungsvoll mich oft bewegt! ... Und kannst du Alles auch vergessen Herbst Und kannst du Alles auch vergessen, Du wirst es doch vergessen nicht, Wie wir den Berg hinan einst schritten, In Blütenduft und Sonnenlicht. Du kannst es nimmermehr vergessen, Was damals deine Lippe sprach, Als meine Hand aus wilden Hecken Dir eine weiße Rose brach. Du kannst die Stunde nie vergessen, Und jeder wilde Rosenstrauch Wird immer an dein Wort dich mahnen, Wenn du mich längst vergessen auch. Maryna Seit du gestorben, bin ich recht allein ... Ich träume oft es müsse anders sein, Dann sag' ich mir: „Sie ist nur fortgegangen Und kehret wieder, denn sie ahnt mein Leid“; Dann kommst du lachend wie in alter Zeit Und streichelst hastig-redend meine Wangen. Und ich erwache! ... will dich wiedersehn, Will dich in einem Winkel noch erspähn, Ich suche wie die Mutter nach dem Kinde! — Doch plötzlich fällt mich der Gedanke an: Daß ich die Welt zu Ende laufen kann Und nirgend — nirgend! — nirgend!! — dich mehr finde. Mondnacht Gefesselt Vom hangenden Netze des Mondlichts Verstummte die Nacht, Unlösbar Verstrickt in das leuchtende Garn. Lautlos Ruhn in der Runde Die Thäler, Die Berge, Zu deren Füßen Die Gärten kauern, Versunken in schweigsame Andacht. Lautlos Athmet die Welt, In Anschaun vertieft Des blassen, zerfließenden Goldschmucks, Den die sanftlastende Mondhand Den Bäumen flicht In das dunkle Gelock, Und der unzähligen Perlen, Die sie durch's Ufergesträuch Wirft in den Weiher. — Unsägliche Stille! Jedwede Lippe verschlossen, Zugedrückt Vom Zauberkusse der Lichtflut, Aufzufangen beschäftigt Die Ergossene! Ich glaube, die Quelle Hält ihre Wellen zurück Nicht zu zerstückeln die Stille, Wie in der Kirche Die ängstliche Mutter Festhält die Kleinen, Die lieber entschlüpften Zum Spiele, Und mit dem Drucke der Hand, Erstickt auf der kindlichen Zunge Den munteren Aufschrei. — Verschwiegene Nacht! Kein Ton, Wohin sich auch neigt Mein horchendes Haupt. Schlagen hör' ich mein eigenes Herz! — In solcher Nacht Reden die Todten. Begrabengeglaubte Dämmern empor aus dem Abgrund, Und reden. In solcher Nacht Redet die Reue Redet die eigene Schuld Mit dir! Und altes verschollenes Weh Blutet auf! Und herzerschütternde Schatten Wandeln Und schau'n dich an Mit großen Geisteraugen — In solcher Nacht. Von deinem Leben Siehst du den eigenen Schatten vergehn Still an der Mauer — Siehst du die ziehende Wolke verwehn In Regenschauer — Siehst du den steigenden Morgenrauch In Nichts verschweben: So siehst du Anfang und Ende auch Von deinem Leben. Verarmung Mir ist als sollt' ich betteln gehn, Von Haus zu Haus, von Ort zu Orte, An fremden Liebesthüren stehn, Und lispeln scheue Bettelworte! Ja, bitten möcht' ich doch einmal Den Lenz um eine frische Blüte, Die Sonn' um einen heißen Strahl, So kalt, so welk ist mein Gemüthe. Im Vorübergehn Es hing eine Blüte am Baum, So lose, so leise! Es kam der Wind und streifte sie kaum Und nahm sie mit auf die Reise. Dir hing ein Kuß am Mund, Ich nahm ihn vermessen. Er wurzelte in keinem Grund, Wirst ihn, wie ich, vergessen! Bleibende Stätte Hier soll ich also dauernd bleiben, Hier ist mir Haus und Hof bestellt — Mich aber plötzlich überfällt Ein Bangen, nimmer zu beschreiben! Hier steht mein Hof, hier steht mein Haus — Und auch mei Grab — hier harrt die Erde, Bereit, daß ich verschüttet werde. Mir ist, als wär' mein Hoffen aus, Mir ist, als ob der Tod sich setze Zu mir, in eine stille Ecke, (Wie Spinnen an der Zimmerdecke) Zu weben mich in seine Netze! Wiedersehen Dir war bittrer nie zu Muthe, Was du Süßes auch gesprochen! Und du bist ja doch nicht glücklich, Und dein Herz ist doch gebrochen. Wenn auch lächeln deine Lippen, Mir dein Unglück stolz verhehlend, Tief in deinen Kinderaugen Seh' ich ja dein ganzes Elend. Sei nicht stolz und leg' versöhnlich Deine Hände in die meinen! Wollen uns ja nicht mehr lieben — Wollen nur zusammen weinen. — Weinen, daß es so gekommmen! Doch kein Vorwurf, keine Klage Schwirre mit dem finstern Fittig Ob der Asche alter Tage. Ich schreite heim Ich schreite heim, vom Ball, vom Tanze, Und schleppe zurück Das alte Leid, und nichts vom Glanze Und nichts vom Glück. Ich schreite heim — es schrei'n die Raben, Es fällt und fällt Der stille Schnee, als wollt' er begraben Die ganze Welt! Mit deinem Falle, mit deinem Weben Du stiller Schnee, Bedeck' mein Haupt, bedeck' mein Leben, Bedeck' mein Weh! Herz und Welt Die Feuer leuchten von den Bergen, Der Mond strahlt hell im reinen Blau, Im duft'gen Gras zu meinen Füßen Sprüht tausend Funken Demantthau. Rings herrscht des Abends tiefe Stille Unfühlbar weht des Lebens Spur, Ein süßer unnennbarer Zauber Zieht durch die feiernde Natur. Du stehst, erstaunst, erkennst dich selber Als Mittelpunkt im Weltenlauf, Und nimmst ins kleine Herz das ganze Unendlich große Weltall auf. Kennst du, Mädchen, wol die Sage — Kennst du, Mädchen, wol die Sage Von dem hehren Christusbild? Auf den Hochmuth blickt's mit Strenge, Auf die Demuth lächelt's mild. Wenn du vor dem Bilde stündest, Holdes Wesen, dann, o dann Säh' mit namenloser Milde Dich der Welterlöser an. Über den Wolken und über dem Wind! Folge mir muthig durch Felsen und Schroffen, Zage nicht, scheue nicht, goldenes Kind! Alles durchdringet ein muthiges Hoffen: Oben am Gipfel — da blauet es offen Über den Wolken und über dem Wind! Neben uns, unter uns Brausen und Regen! Folge nur, reiche die Hand mir geschwind: Höher und höher! Dem Himmel entgegen, Näher und näher den Blitzen verwegen Über die Wolken und über den Wind! — — Siehst du nun, wie ich dich sicher geleitet? Wie auf der Höhe geborgen wir sind? Wie sich so friedlich, in Bläue geweitet, Strahlend der Himmel nun über dich breitet Über den Wolken und über dem Wind? — Du bist die Herrlichste von Allen Du bist die Herrlichste von Allen, So sonder falsch, so schön und rein; Ein Stern, vom Himmel frisch gefallen, Er könnte selbst nicht schöner sein. Du bist ein stilles, liebverklärtes Gemüth, von Kindessinn beseelt, Und das Bewußtsein deines Werthes Die einz'ge Tugend, die dir fehlt. Komm, falsche Dirne! Komm, falsche Dirne, laß dich küssen! So falsch du bist, — du bist doch süß; Dein Mund hat all an sich gerissen Den Honig aus dem Paradies. Ich herze dich, und sollte hassen; Ich hasse dich, doch ach, wie mild! Ich sollte dich auf ewig lassen, Und fasse dich, so wild, so wild! Und ist in alle diese Wonnen Mein Leben und mein Geist getaucht — Was mir dein Herz für Qual ersonnen, Ist Alles in den Wind gehaucht! Der Wagen fuhr durch die düstere Nacht Der Wagen fuhr durch die düstere Nacht, Schweigend saßen wir lange, Draußen rauschte der Regen sacht, Wir lehnten Wange an Wange. Und als sich mit deinen Lippen mein Mund Zu glühendem Kusse verschlungen, Da ist dir tief aus Herzensgrund Ein schmerzliches Schluchzen gedrungen. Mir war's, als ob an dein klagendes Aug' Die Lippen ich pressen müßt'; Ich habe in dieser Thränenflut Deine weinende Seele geküßt. Wol fallen mein Lieb mir in jedes Glück Tief-ernste, düstere Schatten, Weil ich weiß, wie Öde der Sehnsucht folgt Und dem Genuß das Ermatten. Doch blüht aus beiden ein anderes Glück, Ich weiß es aus deinen Zähren: Aus deiner Seele muß sich uns Ein sonniger Frühling gebären. Es hat sich Herz zu Herzen gepaart, Nicht Sinn zu Sinnengelüst; — Ich hab' in den Thränen, die ich gewahrt, Deine weinende Seele geküßt. Die Verlassene Wie lange ich auf seinen Gruß geharrt, Wie er so fremd mir ins Gesicht gestarrt, Wie mir sein Auge in die Seele brannte! Nun weiß ich's wohl, daß er mich nicht erkannte. O wie die Zeiten schnell vorübergehn, Wol Jahre sind's, daß er mich nicht gesehn! Wie lang ist's her, daß letzter Hoffnungsschimmer Mich trügerisch verließ? — ich weiß es nimmer! Ich weiß es nicht, denn vor mir stand er ja Die langen Jahre unverändert da, Und in den langen, einsam-bangen Stunden War meinem Aug' sein Bild ja nie entschwunden. Ob er in all der Zeit wol mein gedacht? Ob wol einmal in einsam-stiller Nacht, Wenn er sein Haupt zu süßem Schlummer neigte, Ein treuer Traum mein Angesicht ihm zeigte? Ich glaub' es nicht, sonst hätt' er mich erkannt, Wie auch mein Aug' der Thränen salz'ger Brand Geröthet haben mag, wie blaß die Wangen, Wie matt die Glieder, die er einst umfangen. Und doch um ihn ward diese Wange fahl, Und doch um ihn die jahrelange Qual, Das Auge trüb und bleich mein Angesicht — O Gott, und doch erkannte er mich nicht! Die Meereskönigin Bist du wirklich todt, Venedig, ist die holde Marmorbleiche Deines Angesichts die Blässe einer schöngeschmückten Leiche, Oder bist du, wie die märchenhafte Königsmaid im Norden, In der Schönheit vollem Prangen tief in Schlaf verzaubert worden? Tief in Schlaf, bis einst vom rechten Ritter wird der Bann gebrochen, Bis zur rechten Zauberstunde wird das rechte Wort gesprochen? Ja ich sah dich Schönheit-prangend, reich und stolz und hold und jung, Denn ich fand das wunderkräft'ge Zauberwort: Erinnerung. Flüstert nicht Erinn'rung um uns in der seidenweichen Luft, Webt sie nicht in Marmormauern, in der Kerker Moderduft? Lebt sie nicht auch auf den Lippen jener alten Gondolieri, Die euch trauervoll erzählen von Marino Falieri? Die vom Glanz der Vorzeit singen, von Venedigs alten Sagen, Die euch stolz die Schlachten künden, die die Republik geschlagen! ... Wenn die kühle, mondgetränkte Sommernacht herniedersank, Märchenleis der Wellen Rauschen an den Bord der Gondel klang. Wenn gleich Träumen durch die Seele, durch die Wogen glitt das Boot, Lebte das Vergang'ne wieder meinem kühnen Machtgebot. Klang der Festtrommeten Schmettern, hört' ich die Guitarre tönen In den Händen eines Jünglings vor dem Fenster einer Schönen. Sah ich helle Fackeln glänzen, sah ich schöne Augen glühn, Gold'ge Gondeln bunt bewimpelt still durch die Canäle ziehn. Sah der gothischen Paläste Mauerblumen träum'risch blühn, Sah sie mondessilbern glänzen, sah im Morgengold sie glühn. Wach' ich, träum' ich, hör' ich dort nicht in der Halle am Canal Lauten Sang, seh' ich auf Wellen nicht der Fackeln Wiederstrahl? Führt man dorten etwa eine holde Braut zum Traualtare? „Näher Gondolier!“ was seh' ich: — — einen Todten auf der Bahre, Einen Todten, grell beleuchtet von der Fackeln hellen Flammen; Mit der Priester Klagelieder hallt die Welle dumpf zusammen — — — — — — — — — — — — — — — — Weg mit solchen Todessängen, denn mir lebt Venedig ja. Mir ist sie die holde hohe Königin Venetia. Mir enthüllt sie ihrer Reize volle königliche Pracht In den stillen Zauberstunden träumerischer Mondesnacht. — Wenn die nächt'ge, kühle Sonne durch die Bogenfenster strahlte Und auf Tizians Gestalten zitternde Reflexe malte; Wenn gespenst'ge Mondesschatten durch die weiten Säle glitten, Bin ich einsam durch die prächt'gen, stillen Hallen oft geschritten. Wo auf Tizians Bild Grimani vor dem Christenglauben kniet, Wo der Frankenkönig, Gastrecht suchend, gen Venedig zieht, Wo Venetia auf dem Löwen mit Europa auf dem Stier Kühnen Kampf ficht, keck vertrauend auf ihr muthig Wappenthier — Treten mir aus jenen Schatten wieder jene stolzen Zehn, Deren Lächeln Glück bedeutet, deren Grollen: Untergehn. Und ich seh' in diesem Saale, wie das Schicksal einer Welt Kühn erfassend, kühl berathend man in starken Händen hält; Doch ich schau' auch unersättlich starr'n den Rachen jenes Leun, Draus dem Bürger grimmes Unheil, Kerker, Tod entgegendräu'n. Und ich seh' auch jene Stufen, die vom prächt'gen Saal der Zehn Zu geheimnißvollen, düstern Kerkermauern niedergehn. Stein die Mauer, Stein das Lager, dumpfe Finsterniß umher, Vom Canale tief und schaurig klingt der Wellen Flüstern her. Lebt in diesen Moderdüften nicht der Geist von viele Thränen? Haftet an diesen Mauern noch ein letztes Freiheitssehnen? Hat auf diesem Stein Falieri nicht sein Haupt zum letzten Mal Hart gebettet, eh' ihn traf des tiesvermummten Henkers Stahl? Fackeln leuchten, Priester murmeln; Henker übe deine Pflicht! Zitterst du, an einem Dogen zu vollziehn das Blutgericht? Drauß' am Thore harrt die Gondel schon auf deines Opfers Leiche. Schwing' das Freischwert frisch und muthig, hole aus zum letzten Streiche. Eh' die Sonn' dem Meer entsteiget, eh' der Morgen niederschaut, Ruht der Doge in den Armen seiner stillen Meeresbraut. — — — — — — — — — — — — — — — — Also lebte mir Venedig schön und grausam, stolz und jung, Lebte mir in meinen Träumen in der nächt'gen Dämmerung. Doch ich sah es auch am Tage, kühl und einsam, todtenstille, Denn Vergang'nes ruft in's Leben nur ein kühner Dichterwille. Dann — vereinsamt ist der Hafen, öde sind die Prachtpaläste, Nicht mehr klingt die Piazetta vom Geräusche froher Feste. Nur das Meer, das ewig treue, liegt ihm heute noch zu Füßen, Leise an die Marmorschwellen plätschernd tönt sein stilles Grüßen. Nur die Glut der Abendsonne und des Frühlings Diadem Krönt die marmornen Paläste heute noch wie ehedem. Glänzend, lockend, unabsehbar ausgebreitet liegt sie da — Trauernd schaut der Marcuslöwe auf die blaue Adria. 1. Hier auf der Kanone will ich ruhn Lieder eines kosmopolotischen Nachtwächters 1840 Hier auf der Kanone will ich ruhn, Auf den eisenbeschlagenen Rädern; Ist freilich kein Lager von Eiderdun', Mit Matratzen und stählernen Federn. Doch schlief vielleicht schon mancher Held Vor der Schlacht in der nämlichen Weisen Und später noch tiefer — im blutigen Feld, Auf dem Leib, statt drunter dein Eisen. Erzähle mir nun, du eherner Mund, Von deinen glorreichen Tagen, Wie du einst zu schwerer Schlachtenstund' Die Reveille munter geschlagen. Bei Jena oder bei Austerlitz, Gen Moskau oder gen Kassel, Wo flammte zuletzt dein tödtlicher Blitz, Wo rollte dein letztes Gerassel? Oder bist du gar dem alten Fritz Schon gefolgt zu rühmlicher Frohne? Nein, hier am Zündloch, wo ich sitz', Steht ein N. mit Lorbeer und Krone. Den Namen, den Lorbeer kenn' ich wohl, Die Zeugen deiner Blüte; Nicht wahr, da brummtest und summtest du hohl, Da glühte dein Leib und sprühte? Es flog das Rad auf bezwungener Erd' Über Lebende und über Leichen, Zusammen stürzte die bange Heerd' Unter deinen gewaltigen Streichen. Du gabst den Takt zu dem Waffentanz, Hoch hüpfte dein Herz, das beherzte, Und schön zu der Panzer, der Schwerter Glanz Stund dein Antlitz, das pulvergeschwärzte. Jetzt bist du blank, jetzt bist du zahm, Und lahm ist deine Lafette, Dein Kupfergesicht hoch roth vor Scham Und feist, als ob's gealtert hätte. Nun, schäme dich nicht, du elektrischer Aal, Hast ja noch einen wackeren Posten, Wenn auch da drüben im Arsenal Dein Futter, die Kugeln, rosten. Ertönst du nicht vom Walle herab In die bebenden Niederungen, Wenn ein armer Sclave aus seinem Grab, Aus seinen Ketten entsprungen? Wenn ein Krämerhaus in Flammen geräth, Zur Friedenrevue vor den Thoren, Zum Namenstag Seiner Majestät, Und so oft ein Prinzeßchen geboren? Geduld! Vielleicht kanst du wiederum, — Und bald! — in die Feinde hageln; Bis dahin, mein Veteran, sei stumm, Daß sie dir das Maul nicht vernageln! 2. Guten Abend, Mutter Marie! Lieder eines kosmopolotischen Nachtwächters 1840 Guten Abend, Mutter Marie! In deinem kleinen Schrein, Den todten Sohn auf weißem Knie, Wie sitzest du mild und lieblich drein! Ein Lichtchen haben sie angesteckt, Von frommen Gelübden gezollt, Und dich mit köstlichen Lappen bedeckt, Mit Kronen von Flittergold. Dich kümmert der Putz nicht und der Schein, Dein wächsern Gesicht ist blaß, Du siehst nur auf dein Jesulein, Wangen und Augen ewig naß. Hab' niemals eine Mutter gekannt, Niemals ein Kindlein geherzt, Habe auch für kein Weib gebrannt Und mit keiner Schwester gescherzt. Nun mein' ich, daß es nichts Rechtes wär' Mit der Familien-Klerisei; Komm' ich aber des Weges her, An der Jungfrau Bild vorbei, Dann thut's mir wohl, dann thut's mir weh, Weiß selber nicht, wo und wie? Und ich flüstere, weil ich von dannen geh': Guten Abend, Mutter Marie! Auf einem Kirchhof in der Fremde Über fremde Gräber und Leichensteine Schreit' ich allein im Abendscheine. Hab' ich die Schläfer drunten gestört? Haben sie mein fragend Wort gehört? Mir ist, als könnt' ich in süßem Grauen Durch Schollen und Särge hinunterschauen, Mitten hinein in die stille Stadt, Wo alles Reisen ein Ende hat. Wie vieles Leid, wie viele Trauer Innerhalb jener engen Mauer! Hinter der eisernen Gitterthür' Wie manche Gebete, Gelübd' und Schwür'! Ach! der menschlichen Liebe ist nirgends so viele, Als hier am letzten Wanderziele; Ihre Rosen und Dornen streuet sie mild Über das thränenreiche Gefild. Nur nicht ohne Liebe allein verderben, Nur nicht in der Fremde siechen und sterben, Von Miethlingshand gehegt und gepflegt, Mit offenem Aug' in den Sarg gelegt. Und soll't ich sie lebend nicht wiedersehen, Die Heimat, so möcht' ich drin sterben gehen Und ruhen bei meinem Mütterlein, — Nur nicht in der Fremde, nur nicht allein! Winterahnung Seh' ihn auf den Wolken ziehen, Stürmisch — schnell und schwarz geballt, Hör' ihn seufzen in den Eichen, Raschelnd durch die Blätter schleichen, Brausen durch den bangen Wald. Letzte Blume schmückt die Erde, Letzte Sonne wärmt sie mild, An der dürren Rebenlaube Zittert die vergess'ne Traube, Und die Wellen strömen wild. Rasch das letzte Lied gesungen, Eh' das Leben ganz entwich; Eh' in grauen Dämmerungen Winter Alles kalt verschlungen, Blumen, Lieder, Herbst und mich. Unter Platens Büste Leicht fehlt ein Wandrer seines Wegs, noch eher Ein Dichter seiner Zeit und seiner Stätte; Was wäre Der, wenn er gesungen hätte Zu Florenz, an dem Hof der Mediceer! So hieß er nur ein kalter Formendreher, Der Marmormensch mit seiner edlen Glätte, Und schwand im Dunstkreis unsrer kleinen Städte, Ein trunkener auf zehn betrunkne Seher. Die einz'ge Heimat, die er je besessen, Ist jenes frühe Grab, das weit entfernte, In den geliebten Lorbeern und Cypressen. Und kaum erblühet ihm als späte Ernte Im trägen Deutschland, rasch nur im Vergessen, Der Jugend Dank, die dichten von ihm lernte! Dreimaliges Wiedersehen Als ich das erste Mal dich sah, Da kamst du hüpfend hergesprungen, Bald warst du hier, bald warst du da, Hast wie ein Reh dich flink geschwungen: Du spieltest scheltend mit der Puppe, Du zupftest neckend mich am Bart, Du liebtest Kuchen mehr als Suppe Ein Plaudertäschchen liebster Art! Und als ich kam zum zweiten Mal, O welch' ein Bild, welch Frühlingsprangen! Die schönste Ros' im ganzen Thal War voll und lieblich aufgegangen: Wie duftete dein ganzes Wesen So morgenfrisch, so seelenrein, In Red' und Haltung auserlesen, So ungesucht und doch so fein! Und als ich kam zum dritten Mal Fand ich dich singend an der Wiege, Du wehrtest Flieg' und Sonnenstrahl, Daß wohl und lind das Bübchen liege Im Widerscheine der Gardine, Wie mild, wie selig, wie geweiht; Ein Lächeln lag auf deiner Miene Voll seelentiefer Innigkeit. Und früg' man mich: die Hand auf's Herz, Wen kröntest du von diesen dreien, — Vielleicht erwidert' ich im Scherz: Die volle Ros im blüh'nden Maien; Doch stellten holde Zaubermächte Mir alle drei auf einmal dar, Den Myrthenkranz legt' meine Rechte Der jungen Mutter in das Haar. Waldleben Spätherbst. — Wir schritten langsam durch den Wald Zur Dämm'rungszeit, ermüdet und verdrossen, Da sprach ich zu dem wackern Jagdgenossen: „Freund, laß uns hier ein Weilchen ruhn“ — und bald Erstarben uns die Worte auf den Lippen; Im Busche hörten wir den Nachtwind säuseln, Das tode Laub zu unsern Füßen kräuseln, Und alte Birken sahn wir, gleich Gerippen, Im schwarzen Moorgrund, — Schatten, riesenhaft, Umflogen uns und huschten rasch vorüber, — Des Tages Nachglanz wurde bleicher, trüber, Unheimlich war es in der Nachbarschaft. — Ein sonderbares Regen in den Zweigen, Sonst alles tiefes Schweigen. — Ich schlief nicht, träumte nicht; ein Schleier lag Auf mir, doch blieb ich meiner Sinne mächtig — Und da — in meiner Nähe — übernächtig, Erschien mir plötzlich, blendend wie der Tag Ein Bild, das schmerzliche Erinn'rung weckte. Du warst es, stolze Lady Margaret, Du, deren Liebe ich umsonst erfleht, Du, deren Sarg mit Kränzen ich bedeckte. — — O langbeweinte, herrliche Gestalt, Du saßest wieder auf dem weißen Pferde, Wie einstmals — ließ der Liebe Allgewalt Dir keine Rast in halb erstarrter Erde? Ich sah dich auf den Hals des Zelters klopfen, Aus deinen Augen fielen schwere Tropfen Auf deine holde, oft geküßte Hand. Vorbei, vorbei! — Ein Winken mit dem Tuche, O theures Antlitz, das ich ewig suche, Ein letzter Blick — und die Erscheinung schwand. Und sprachlos starrend in des Waldes Düster, Vernahm ich jetzt ein Rauschen, ein Geflüster — Mir drang es in die Brust wie Grabeshauch; Lebendig aber wurden Baum und Strauch, Und warfen mir, der Geisterwelt Erwachen Begrüßend, leise diese Worte zu: Gestorben, ja gestorben bist auch du — — Und in der Ferne dann ein hohles Lachen. War's eitel Täuschung? Fragt den Dichter nicht; An meiner Seite fand ich den Gefährten, Den treuen Freund, den starken, vielbewährten; Ein blasser Mondstrahl fiel auf sein Gesicht, Erschüttert, wie ich nimmer ihn gesehn, Doch die gespannte Flinte unter'm Arme, Ergriff er meine Hand, die fieberwarme, Und sagte: „Freund, wir müssen weiter gehn.“ Perdita „Das Mitleid ist die letzte Weihe der Liebe, vielleicht die Liebe selbst.“ Heine Ja, mein Herd ist auch der deine, Armes, heimatloses Kind! Denn du liebst mich nicht zum Scheine, Denn du liebst mich treu und blind. Ach, die Welt war ohne Gnade, Ohne Mitleid und Verstand; Doch durch dornenlose Pfade Führ' ich dich an meiner Hand. Was du wolltest, ist geschehen; That ich mehr als Menschenpflicht? Bitten konnt' ich widerstehen, Aber deinen Thränen nicht. Bilder aus vergangnen Tagen Thun mir in der Seele weh, Und nur zitternd kann ich's sagen: Bleibe hier, mein wildes Reh! Ruh' dich aus auf grüner Weide, Denke, schaue nicht zurück, Du gehörst zu meinem Leide, Du gehörst zu meinem Glück. Daß wir gut zusammentaugen, Daß das Rechte wir erwählt, Haben deiner braunen Augen Schwere Perlen mir erzählt, O, wie flogst du mir entgegen, Und wie kindlich war dein Ruf, Wenn du Nachts durch Wind und Regen Hörtest meines Rosses Huf. Und wie kann ich's je beschreiben, Was mein Herz für dich gefühlt, Während an den Fensterscheiben Du die heiße Stirn gekühlt. Lachen mag die Welt, die schlimme, Über den gezähmten Leu; Gerne folgt er deiner Stimme, Denn du liebst ihn blind und treu. Und bei ihm bist du geborgen, Gastlich ist sein Haus, und still. Für sein armes Kind zu sorgen, Das ist Alles, was er will. Ein Jahr Vorüber ging ich an einem Haus, Draus sah ein schönes Mädchen heraus; Da trat aus dem Thor ein Jüngling vor, Der grüßte und winkte so glühend empor; Sein Mund schwieg, doch sein Auge sprach, Sie aber grüßte und winkte ihm lange nach Mit banger Sehnsucht, als wollte ihr Blick Den Scheidenden wieder bringen zurück, Und auf ihrem blühenden Antlitz, da lag's Wie das Abendroth eines seligen Tags. Da schritt ich sinnend und still und bewegt, Das Herz von tausend Gefühlen erregt, Und schlug in leisem Gedankenverlauf Das Buch meiner lieben Erinn'rungen auf, Und seufzte wehmüthig und sann: Wie nur die Liebe beglücken kann! Und ein Jahr später im neuen Mai, Da ging ich an demselben Haus vorbei. Am Balkon stand das Mädchen wie eh', Doch nicht mehr blühend, blaß wie Schnee; Das Aug' erloschen in Gram und Schmerz, Die Wange gebleicht, gebrochen das Herz. Und wie derselbe Jüngling mit scheuem Tritt Hinschleichend um die ferne Ecke schritt, Da sieht sie ihn bebend, sie starrt ihm nach, Und endlich ein Schrei, ein gellendes Ach! Sie sinkt zusammen bleich und still, Wie eine Blume, die sterben will. Sie sank, vielleicht nie wieder aufzustehn, In ihrem Jammer reizend noch zu sehn, Und auf ihrem blassen Antlitz, da lag's Wie die Ruhe eines Feiertags. — Still stand ich da, und seufzte und sann: Wie tief die Liebe betrüben kann! Gute Nacht Gute Nacht, du süßes Kind, Mögen Engel dich behüten, Und der Schlummer leis und lind Streue dir die schönsten Blüten. Gute Nacht, und träume mild Von den Schwesterlein, den Rosen, Die, dein schönes Ebenbild, Frühlingswinden kosen. Gute Nacht, und denke mein Mindestens in holden Träumen, Mochtest so im Tagesschein Meiner zu gedenken säumen. Gute Nacht, und bleib mir gut, Lächle gütig mir entgegen: Deiner Blicke Zauber ruht. Auf mir wie ein milder Segen. Gute Nacht, die Äuglein zu, Schließ die holden Blicke gerne: Schöner, selbst in Schlafesruh, Sind sie doch als alle Sterne. 1. Die Höhe ist es, wo wir siegen Sibyllinische Blätter Die Höhe ist es, wo wir siegen, Die Tiefe, wo wir unterliegen, Doch zwischen beiden still und graus Dehnt eine Fläche weit sich aus; Gleichgiltigkeit — so heißt ihr Name: Weh dem, der ihren Acker pflügt, Und weh der Blume, deren Same In ihrem Wüstensande liegt! 2. Wird dir ein Heil, ein Glück zu Theil Sibyllinische Blätter Wird dir ein Heil, ein Glück zu Theil, Genieß' es still in Lust und Eil', Nicht rühme deinen Segen, Dir Neider zu erregen; Trag' ihn im Herzen, im Gefühle, Verbirg ihn sorgsam vor der Welt, Das Glück ist eine Somnambüle, Die angerufen niederfällt. Waldandacht Frühmorgens wenn die Hähne kräh'n, Eh' noch der Wachtel Ruf erschallt, Eh' wärmer alle Lüfte weh'n, Vom Jagdhornruf das Echo hallt, Dann gehet leise nach seiner Weise, Der liebe Herrgott durch den Wald. Die Quelle, die ihn kommen hört, Hält ihr Gemurmel auf sogleich, Auf daß sie nicht in Andacht stört, So Groß als Klein im Waldbereich, Die Bäume denken: „Nun laßt uns senken Vor'm lieben Herrgott das Gezweig!“ Die Blümlein, wenn sie aufgewacht, Sie ahnen auch den Herrn alsbald, Und schütteln rasch den Schlaf der Nacht Sich aus den Augen mit Gewalt Und flüstern leise ringsum im Kreise: „Der liebe Gott geht durch den Wald.“ Der Knabe im Moor Haidebilder O schaurig ist's über's Moor zu gehn, Wenn es wimmelt vom Haiderauche, Sich wie Phantome die Dünste drehn Und die Ranke häkelt am Strauche, Unter jedem Tritte ein Quellchen springt, Wenn aus der Spalte es zischt und singt, O schaurig ist's über's Moor zu gehn, Wenn das Röhricht knistert im Hauche! Fest hält die Fibel das zitternde Kind Und rennt als ob man es jage; Hohl über die Fläche sauset der Wind — Was raschelt drüben am Haage? Das ist der gespenstige Gräberknecht, Der dem Meister die besten Torfe verzecht; Hu, hu, es bricht wie ein irres Rind! Hinducket das Knäblein zage. Vom Ufer starret Gestumpf hervor, Unheimlich nicket die Föhre, Der Knabe rennt, gespannt das Ohr, Durch Riesenhalme wie Speere; Und wie es rieselt und knittert darin! Das ist die unselige Spinnerin, Das ist die gebannte Spinnlenor', Die den Haspel dreht im Geröhre! Voran, voran, nur immer im Lauf, Voran als woll' es ihn holen; Vor seinem Fuße brodelt es auf, Es pfeift ihm unter den Sohlen Wie eine gespenstige Melodei; Das ist der Geigemann ungetreu, Das ist der diebische Fiedler Knauf, Der den Hochzeitheller gestohlen! Da birst das Moor, ein Seufzer geht Hervor aus der klaffenden Höhle; Weh, weh, da ruft die verdammte Margreth: „Ho ho, meine arme Seele!“ Der Knabe springt wie ein wundes Reh, Wär'n nicht Schutzengel in seiner Näh', Seine bleichenden Knöchelchen fände spät Ein Gräber im Moorgeschwehle. Da mälig gründet der Boden sich, Und drüben! neben der Weide, Die Lampe flimmert so heimatlich, Der Knabe steht an der Scheide. Tief athmet er auf, zum Moor zurück Noch immer wirft er den scheuen Blick: Ja, im Geröhre war's fürchterlich, O schaurig war's in der Haide! Das Haus in der Haide Haidebilder Wie lauscht, vom Abendschein umzuckt, Die strohgedeckte Hütte, — Recht wie im Nest der Vogel duckt, Aus dunkler Föhren Mitte. Am Fensterloche streckt das Haupt Die weißgestirnte Stärke, Bläst in den Abendduft und schnaubt Und stößt aus Holzgewerke. Seitab ein Gärtchen, dornumhegt, Mit reinlichem Gelände, Wo matt ihr Haupt die Glocke trägt, Aufrecht die Sonnenwende. Und drinnen kniet ein stilles Kind, Das scheint den Grund zu jäten, Nun pflückt sie eine Lilie lind Und wandelt längs den Beeten. Am Horizonte Hirten, die Im Haidekraut sich strecken, Und mit des Ave's Melodie Träumende Lüfte wecken. Und von der Tenne ab und an Schallt es wie Hammerschläge, Der Hobel rauscht, es fällt der Span, Und langsam knarrt die Säge. Da hebt der Abendstern gemach Sich aus den Föhrenzweigen, Und grade ob der Hütte Dach Scheint er sich mild zu neigen. Es ist ein Bild, wie still und heiß Es alte Meister hegten, Kunstvolle Mönche, die mit Fleiß Es auf den Goldgrund legten. Der Zimmermann — die Hirten gleich Mit ihrem frommen Liede — Die Jungfrau mit dem Lilienzweig — Und rings der Gottesfriede. Des Sternes wunderlich Geleucht Aus zarten Wolkenfloren — Ist etwa hier im Stall vielleicht Christkindlein heut geboren? Im Moose Als jüngst die Nacht dem sonnenmüden Land Der Dämmrung leise Boten hat gesandt, Da lag ich einsam noch in Waldes Moose. Die dunklen Zweige nickten so vertraut, An meiner Wange flüsterte das Kraut, Unsichtbar duftete die Haiderose. Und flimmern sah ich durch der Linde Raum Ein mattes Licht, das im Gezweig der Baum Gleich einem mächt'gen Glühwurm schien zu tragen. Es sah so dämmernd wie ein Traumgesicht, Doch wußte ich, es war der Heimat Licht, In meiner eignen Kammer angeschlagen. Ringsum so still, daß ich vernahm im Laub Der Raupe Nagen, und wie grüner Staub Mich leise wirbelnd Blätterflöckchen trafen. Ich lag und dachte, ach! so Manchem nach, Ich hörte meines eignen Herzens Schlag, Fast war es mir, als sei ich schon entschlafen. Gedanken tauchten aus Gedanken auf, Das Kinderspiel, der frischen Jahre Lauf, Gesichter, die mir lange fremd geworden; Vergeßne Töne summten um mein Ohr, Und endlich trat die Gegenwart hervor, Da stand die Welle, wie an Ufers Borden. Dann, gleich dem Bronnen, der verrinnt im Schlund, Und drüben wieder sprudelt aus dem Grund, So stand ich plötzlich in der Zukunft Lande; Ich sah mich selber, gar gebückt und klein, Geschwächten Auges, am ererbten Schrein Sorgfältig ordnen staub'ge Liebespfande. Die Bilder meiner Lieben sah ich klar, In einer Tracht, die jetzt veraltet war, Mich sorgsam lösen aus verblichnen Hüllen, Löckchen, vermorscht, zu Staub zerfallen schier, Sah über die gefurchte Wange mir Langsam herab die karge Thräne quillen. Und wieder an des Friedhofs Monument, Dran Namen standen, die mein Lieben kennt, Da lag ich betend, mit gebrochnen Knieen, Und — horch, die Wachtel schlug! Kühl strich der Hauch — Und noch zuletzt sah ich, gleich einem Rauch, Mich leise in der Erde Poren ziehen. Ich fuhr empor, und schüttelte mich dann, Wie Einer, der dem Scheintod erst entrann, Und taumelte entlang die dunklen Haage, Noch immer zweifelnd, ob der Stern am Rain Sei wirklich meiner Schlummerlampe Schein, Oder das ew'ge Licht am Sarkophage. Die junge Mutter Im grün verhangnen duftigen Gemach, Auf weißen Kissen liegt die junge Mutter; Wie brennt die Stirn! sie hebt das Auge schwach Zum Bauer, wo die Nachtigall das Futter Den nackten Jungen reicht: „mein armes Thier,“ So flüstert sie, „und bist du auch gefangen, Gleich mir, wenn draußen Lenz und Sonne prangen, So hast du deine Kleinen doch bei dir.“ Den Vorhang hebt die graue Wärterin, Und legt den Finger mahnend auf die Lippen; Die Kranke dreht das schwere Auge hin, Gefällig will sie von dem Tranke nippen; Er mundet schon, und ihre bleiche Hand Faßt fester den Krystall, — o milde Labe! — „Elisabeth, was macht mein kleiner Knabe?“ „Er schläft,“ versetzt die Alte abgewandt. Wie mag er zierlich liegen! — Kleines Ding! — Und selig lächelnd sinkt sie in die Kissen; Ob man den Schleier um die Wiege hing, Den Schleier, der am Erntefest zerrissen? Man sieht es kaum, sie flickte ihn so nett, Daß alle Frauen höchlich es gepriesen, Und eine Ranke ließ sie drüber sprießen. „Was läutet man im Dom, Elisabeth?“ „Madame, wir haben heut Mariatag.“ So hoch im Mond? sie kann sich nicht besinnen. — Wie war es nur? — doch ihr Gehirn ist schwach, Und leise suchend zieht sie aus den Linnen Ein Häubchen, in dem Strahle kümmerlich Läßt sie den Faden in die Nadel gleiten; So ganz verborgen will sie es bereiten, Und leise, leise zieht sie Stich um Stich. Da öffnet knarrend sich die Kammerthür, Vorsicht'ge Schritte über'n Teppich schleichen, „Ich schlafe nicht, Rainer, komm her, komm hier! Wann wird man endlich mir den Knaben reichen?“ Der Gatte blickt verstohlen himmelwärts, Küßt wie ein Hauch die kleinen heißen Hände; „Geduld, Geduld, mein Liebchen, bis zum Ende! Du bist noch gar zu leidend, gutes Herz.“ „Du dufstest Weihrauch, Mann.“ — „Ich war im Dom; Schlaf', Kind;“ und wieder gleitet er von dannen. Sie aber näht, und liebliches Phantom Spielt um ihr Aug' von Auen, Blumen, Tannen. — Ach, wenn du wieder siehst die grüne Au', Siehst über einem kleinen Hügel schwanken Den Tannenzweig und Blumen drüber ranken, Dann tröste Gott dich, arme junge Frau! Die Unbesungenen 'S gibt Gräber, wo die Klage schweigt, Und nur das Herz von innen blutet, Kein Tropfen in die Wimper steigt, Und doch die Lava drinnen flutet; 'S gibt Gräber, die wie Wetternacht An unserm Horizonte stehn Und alles Leben niederhalten, Und doch, wenn Abendroth erwacht, Mit ihren goldnen Flügeln wehn Wie milde Seraphimgestalten. Zu heilig sind sie für das Lied, Und mächt'ge Redner doch vor Allen, Sie nennen dir, was nimmer schied, Was nie und nimmer kann zerfallen; O, wenn dich Zweifel drückt herab, Und möchtest athmen Ätherluft, Und möchtest schauen Seraphsflügel, Dann tritt an deines Vaters Grab! Dann tritt an deines Bruders Gruft! Dann tritt an deines Kindes Hügel. Sommer in Venedig Tage voll Sonnenglühens, Nächte voll Silberscheins, Gärten voll Purpurblühens Himmel und Fluten eins! Freudige Männerstimmen, Klingend im Nachtgesang, Jauchzender Knaben Schwimmen Jeden Canal entlang! Leuchten von Glanzgewittern, Dunkel im Feuerschein, Brennendes Nervenzittern, Sehnsucht, zu Zwei'n zu sein! Einmal im Jahre Auf der Küste von Orissa Pranget, wundervoll gebaut, Brahma's Tempel Jagarnaut, Der mit goldner Kuppeln Scheine Leuchtend rings die weiten Haine Ries'ger Palmen überschaut. Zu dem hohen Heiligthume Pilgert fromm in jedem Jahr Gläub'ger Hindu große Schaar; Jeder Stand und jedes Alter Bringt dem Schöpfer und Erhalter Dort Gebet' und Opfer dar. Nach dem Range, den im Reiche Jedem die Geburt verlieh, In vier Zügen wandern sie; Streng getrennt ist jede Kaste, Ob sie steh', ob geh', ob raste, Eine kommt zur andern nie. Weh' dem Sudrah, der dem Baisy Kecken Muthes wollte nahn! Wagt' ein Vaisy in die Bahn Eines Chatry sich zu drängen, Wär' verfallen er dem strengen Strafgesetz von Hindostan. Hätte wol gar ein Paria Einen, dem ein Rang gebührt, Mit dem Finger nur berührt, Nimmer säh' er die Pagode, Gnadlos würde gleich zum Tode Solch Verworfener geführt. Aber, noch so scharf geschieden, Steigt zuletzt doch Hauf an Hauf In das Heiligthum hinauf. Und der Höchste nimmt die Seinen, So die Großen wie die Kleinen, In des Tempels Räumen auf. Und von diesem Augenblicke, Wo hier All' zusammen stehn, Muß, was irdisch ist, vergehn; Kaste, Rang und Vorrecht fallen, Denn es will in seinen Hallen Gott nur gleiche Menschen sehn. Nächst dem edelsten Brahminen Kniet, der sonst für unrein gilt; Er, vor dem sonst scheuerfüllt Sich die Andern alle wenden, Darf jetzt fassen mit den Händen, Ihnen gleich, das Wunderbild. In des Tempelbaus Bezirke Könnt ihr sehn, vereint beim Mahl, Alle Kasten ohne Wahl; Sonder Ordnung im Gemische Sitzend an demselben Tische, Speist der Pilger bunte Zahl. Schöne Sitte! kehrt auch Scheidung Wieder, wenn die Fahrt vollbracht, Kannst du doch aus deiner Acht Jetzt dich, armer Sclav', erheben, Hat dir doch in deinem Leben Einmal Freiheit hold gelacht. Einmal doch in einem Jahre Fühltest du, der Andern Knecht, Daß auch würdig dein Geschlecht, Und es bleibt dir unvergessen, Daß du konntst am freiern messen Dein verkümmert Menschenrecht. Einmal dulden doch im Jahre Mußtest du's, erhabner Mann, Daß, erlöst aus seinem Bann, Dir der Niedre näher rückte, Sahest, daß auch der Gedrückte Einmal auf sich richten kann. Einmal mindestens im Jahre Thut es dir, du Stolzer, noth, Daß auf Gottes Machtgebot Du verlassen deine Wolke, Sein und leben mit dem Volke, Essen mußt mit ihm dein Brod. Einmal doch in einem Jahre Sollst du in des Tempels Raum Lernen, was du glaubtest kaum: Daß auch Geist lebt unter Kitteln, Daß dir's ziemet abzuschütteln Deinen goldnen Hochmuthstraum. Einmal auch in einem Jahre Kommt für Hindostan die Zeit, Wo so laut das Unrecht schreit, Daß auch außer heil'gen Hallen Eure Schranken plötzlich fallen, Brahma all sein Volk befreit. Pilgert nur in jedem Jahre, Macht euch mehr und mehr vertraut Mit dem Morgen, der da graut; Wenn einher das Schicksal schreitet, Schon dazu euch vorbereitet Hat der Tempel Jagarnaut. Des Kaisers Herz Der Kaiser lag bereit zum Tod, Da sprach er flüsternd dies Gebot: „Holt mir das Goldgefäß herbei, Darin mein Herz verschlossen sei.“ Die goldne Kapsel wird gebracht, Der Kaiser prüft sie mit Bedacht, Befühlt sie außen und am Rand, Und innen mit der kühlen Hand. Dann schüittelt er das Haupt und spricht: „Mein Herz begriff der Künstler nicht, Ein Kaiserherz hat hier nicht Raum, Für das des Bürgers reicht' er kaum. Ich aber trug in meiner Brust Ein Herz, das schlug für Aller Lust, Für Alle hat's gesorgt, geschafft, Für Alle hegt' es Liebeskraft. Für Millionen hat es oft Gezagt, gezittert und gehofft, Für Völker litt es Schmerz und Pein; — Kann solch ein Herz ein kleines sein?“ Er sprach's. Sein Herz brach bald darauf, Und sieh, die Kapsel nahm es auf; Da lag es ohne Lust und Schmerz, Das kleine todte Menschenherz. Doch durch die Erde ging der Ruf, Wie Großes dieses Herz erschuf, Und später Zukunft wurd' es Saat, Was es gewirkt in edler That. Die Lilie und der Mondstrahl Der Mond hängt in die düstre Nacht Recht silberklar herein, Und sendet seiner Strahlen Pracht Dem Strome und dem Hain. Und flugs in die erschloss'ne Brust Schwingt sich der leichte Strahl, Und schmiegt sich an in sel'ger Lust, Und küßt sie tausendmal. Da richtet sich aus süßem Traum Die Lilie still empor, Und öffnet ihres Kelches Raum, Und läßt den Duft hervor. Sie aber schließt erfreut sich schnell, Und hält den Buhlen fest, Der, in der hellen zwiefach hell, Von ihr sich wiegen läßt. Und morgens, wenn die Schäferin Die thau'ge Lilie pflückt, Und sie mit frommem Kindersinn An ihren Busen drückt: Da wird, wenn sich der Kelch erschließt, Ihr wunderbar zu Muth, Und unbekannte Sehnsucht fließt Durch ihr erglühtes Blut. Und seufzend wallt sie durch das Thal In jeder lauen Nacht — Sagt, hat das wol der Mondenstrahl Im Lilienkelch gemacht? Ein kleines Lied Ein kleines Lied, wie geht's nur an, Daß man so lieb es haben kann, Was liegt darin? Erzähle! — Es liegt darin ein wenig Klang, Ein wenig Wohllaut und Gesang, Und eine ganze Seele. Im Kreise Das eilende Schiff, es kommt durch die Wogen Wie Sturmwind geflogen. Mit Jubel verkünden der Stimmen gar viele: Wir nahen dem Ziele! Der Fährmann am Steuer nur stöhnet leise: Wir segeln im Kreise! — Boule d'or Chinesische Rose O du des himmlischen Reiches Kind, Du Fremdling im nordischen Moose, Von Düften umhüllet lieblich und lind, Des Ostens holdeste Rose. Dir gab der leuchtende Sonnenschein Der Farbe Schimmern und Prunken, Vom Urquell des Lichtes in dich hinein Die Strahlen hast du getrunken. Zunächst dem Kelch entfaltest du Die Blätter wie goldene Schwingen, In deines Herzens träumende Ruh' Vermag kein Auge zu dringen. Die würzigen Lüfte nur flüstern ringsum, Daß hier ein Geheimniß sich hehle, Doch hüllst du in Schatten das Heiligthum Der schüchternen Blumenseele. Regniers Grabschrift Ich lebte ohne viel zu grübeln, Im Guten beugt' ich wie im Übeln Mich der Natur und ihrer Macht. Nun wundert mich ihr seltsam Lenken; Sie zwang den Tod an mich zu denken, An den ich selbst doch nie gedacht. Was Gutes du gethan und nicht vergessen hast Tagebuchblätter Was Gutes du gethan und nicht vergessen hast, Allmählich wandelt sich's in Unrecht fast. Begang'ne Schuld, denkst ihrer du mit Schmerzen, Verklärt zur Tugend sich in deinem Herzen. Die Milde suche nicht bei Gotteswort-Verkündern Tagebuchblätter Die Milde suche nicht bei Gotteswort-Verkündern, Entflohen ist sie längst. Wohin? — Zu großen Sündern. O sag' nicht: fremdes Leid. Ein Leid ist fremd dir nie Tagebuchblätter O sag' nicht: fremdes Leid. Ein Leid ist fremd dir nie! Die Thrän' im Bruderang', du selbst vergießest sie. Es schlägt ein einzig Herz in diesem großen All. In deiner eignen Brust ertönt sein Widerhall. Der And're bist du selbst; und ist ihm weh geschehn, Und sinkt verletzt er hin — du bleibst nicht aufrecht stehn. Das Märchen vom Glück Sie sind allein, denn die Mutter kehrt Zu Nacht erst vom Felde zurück ... Durchs Fenster rauschet die Linde, Und die Alte erzählet dem Kinde Das sonnige Märchen vom Glück. Sie erzählt vom verwunschenen Königssohn, Und der boshaft grollenden Fee; Vom Schloß am Felsenstrande, Vom wilden Wogengebrande Und der Fischerhütte am See. Und der Prinz vertrauerte Jahr um Jahr Als Schlange im dumpfigen Grund ... Er wand sich in güldenen Ketten; Ein Kuß nur konnte ihn retten, Ein Kuß von rosigem Mund. Des Fischers liebliches Töchterlein Trug hohen, herrlichen Sinn; Sie sprengte die Ketten von Golde; Er aber machte die Holde Zu seiner Königin! Großmutter schweigt, und das Spinnrad schnurrt, Und das Mägdlein sitzt wie gebannt; Und es faltet die Hände im Schooße, Und heftet das Auge, das große, Starr träumend an die Wand. Großmutter, wie schön, o wie einzig schön! Großmutter, o wäre das wahr! Großmutter, mir würde nicht bange, — Wie gerne umarmt' ich die Schlange Trotz Schauer und Todesgefahr! Warum nur hat man das Alles erdacht, Wenn's nie sich auf Erden begab ...? Mir wird in der Seele so wehe, Wie in des Kirchhofs Nähe, Wie vor des Vaters Grab! Sei stark, du zitterndes Kinderherz, Und dränge die Thränen zurück! Uns Alle hat es belogen, Uns Alle hat es betrogen, Das sonnige Märchen vom Glück! Die Verlassene Still und verborgen Trage dein Weh: Wonnen und Sorgen Schmelzen wie Schnee; Kummer und Reue, Alles zerstiebt! Es vergißt selbst die Treue, Wie treu sie geliebt. Die Tage schleichen So öde dahin: Dulden und Schweigen Ist all mein Sinn. Mich rührt kein Blühen Auf grüner Au, Kein Wolkenglühen, Kein Himmelsblau. Nehmt mein Geschmeide, Es gleißt wie Licht; Die Braut im Leide Begehrt es nicht. Die güldnen Bänder, Des Glücks Gewinn, Die Prachtgewänder, — Nehmt Alles hin! Die Träume verschweben, Der Sommer flieht: Das ist vom Leben Das trübe Lied. Die Blätter sinken Im bleichen Wald; Die Todten winken ... Ich komme bald! Nirwana Das ist der fahle, schlummernde See, Aus dem das Leben geronnen Mit seinem thränenbeträuften Weh Und seinen vergänglichen Wonnen. Ein Traum nur paarte die irdische Pein Dem traumgeborenen Glücke, — Und dem es entsprang, das nichtige Sein, In's Urnichts rinnt es zurücke. Gemach ersterben im eisigen All Des Lichtes zitternde Fluten; Die ewigen Götter kommen zu Fall, Die Sonnenbälle verbluten. Und bleich verröchelt am Weltensaum Die fiebernde Episode, Und einsam klingt im unendlichen Raum Das Lied vom ewigen Tode. Ich wagte mich abwärts die gähnende Schlucht — Ich wagte mich abwärts die gähnende Schlucht Und habe das Blümlein erworben, Doch als ich dann wieder nach oben gekehrt, Da war es verwelkt und verdorben. Ich tauchte hinab in die Tiefen der See Und habe die Perle gehoben, Doch als ich zurücke zum Lichte gekehrt, Da war sie zum Schemen zerstoben. Ja, stieg' ich zum ewigen Himmel empor, Den hellsten der Sterne zu holen, Ich hielte, kehrt' ich zur Erde zurück, Ein Häufchen verglimmender Kohlen ... Das zerbrochene Ringlein In einem kühlen Grunde Da geht ein Mühlenrad, Mein Liebchen ist verschwunden, Das dort gewohnet hat. Sie hat mir Treu' versprochen, Gab mir ein'n Ring dabei, Sie hat die Treu' gebrochen, Das Ringlein sprang entzwei. Ich möcht' als Spielmann reisen Weit in die Welt hinaus, Und singen meine Weisen, Und gehn von Haus zu Haus. Ich möcht' als Reiter fliegen Wol in die blut'ge Schlacht. Um stille Feuer liegen Im Feld bei dunkler Nacht. Hör' ich das Mühlrad gehen, Ich weiß nicht, was ich will, Ich möcht' am liebsten sterben, Da wär's auf einmal still. Der letzte Gruß Ich kam vom Walde hernieder, Da stand noch das alte Haus, Mein Liebchen, sie schaute wieder, Wie sonst, zum Fenster hinaus. Sie hat einen Andern genommen, Ich war draußen in Schlacht und Sieg, Nun ist Alles anders gekommen, Ich wollt', 's wär' wieder erst Krieg! Am Wege da spielte ihr Kindlein, Das glich ihr recht auf ein Haar, Ich küßt's auf sein rothes Mündlein: „Gott segne dich immerdar! —“ Sie aber schaute erschrocken Noch lange Zeit nach mir hin, Und schüttelte sinnend die Locken Und wußte nicht, wer ich bin. — Da droben hoch stand ich am Baume, Da rauschten die Wälder so sacht'; Mein Waldhorn, das klang wie im Traume Hinüber die ganze Nacht. Und als die Vögelein sangen Frühmorgens, sie weinte so sehr, Ich aber war weit schon gegangen, Nun sieht sie mich nimmermehr. Wandernder Dichter Ich weiß nicht, was das sagen will! Kaum tret' ich von der Schwelle still, Gleich schwingt sich eine Lerche auf Und jubilirt durch's Blau vorauf. Das Gras ringsum, die Blumen gar Stehn mit Juwelen und Perl'n im Haar; Die schlanken Pappeln, Busch und Saat Verneigen sich im größten Staat. Als Bot' voraus das Bächlein eilt, Und wo der Wind die Wipfel theilt, Die Au' verstohlen nach mir schaut, Als wär' sie meine liebe Braut. Ja, komm' ich müd' ins Nachtquartier, Die Nachtigall noch vor der Thür Mir Ständchen bringt, Glühwürmchen bald Illuminiren rings den Wald. Umsonst, das ist nun einmal so, Kein Dichter reist incognito, Der lust'ge Frühling merkt es gleich, Der König ist in seinem Reich. Vorbei Das ist der alte Baum nicht mehr, Der damals hier gestanden, Auf dem ich gesessen im Blütenmeer Über den sonnigen Landen. Das ist der Wald nicht mehr, der sacht Vom Berge rauschte nieder, Wenn ich vom Liebchen ritt bei Nacht, Das Herz voll neuer Lieder. Das ist nicht mehr das tiefe Thal Mit den grasenden Rehen, In das wir Nachts viel tausendmal Zusammen hinausgesehen. — Es ist der Baum noch, Thal und Wald, Die Welt ist jung geblieben, Du aber wurdest seitdem alt, Vorbei ist das schöne Lieben. Winterlied Mir träumt', ich ruhte wieder Vor meines Vaters Haus Und schaute fröhlich nieder In's alte Thal hinaus; Die Luft mit lindem Spielen Ging durch das Frühlingsland, Und Blütenflocken fielen Mir über Brust und Haupt. Als ich erwacht, da flimmert Der Mond vom Waldesrand; Im falben Scheine schimmert Um mich ein fremdes Land, Und wie ich ringsher sehe: Die Flocken waren Eis, Die Gegend war vom Schneee, Mein Haar vom Alter weiß. In der Fremde Ich hör' die Bächlein rauschen Im Walde her und hin, Im Walde, in dem Rauschen Ich weiß nicht, wo ich bin. Die Nachtigallen schlagen Hier in der Einsamkeit, Als wollten sie was sagen Von der alten schönen Zeit. Die Mondenschimmer fliegen, Als säh' ich unter mir Das Schloß im Thale liegen, Und ist doch so weit von hier! Als müßte in dem Garten, Voll Rosen weiß und roth, Meine Liebste auf mich warten, Und ist doch lange todt! In der Nacht Das Leben draußen ist verrauschet, Die Lichter löschen aus, Schauernd mein Herz am Fenster lauschet, Still in die Nacht hinaus. Da nun der laute Tag zerronnen Mit seiner Noth und Lust, Was hast du in dem Spiel gewonnen, Was blieb der müden Brust? — Der Mond ist trostreich aufgegangen, Da unterging die Welt, Der Sterne heil'ge Bilder prangen So einsam hoch gestellt! O Herr! auf dunkelschwankem Meere Fahr' ich im schwachen Boot, Treu folgend deinem goldnen Heere Zum ew'gen Morgenroth. Sehnsucht Es schienen so golden die Sterne, Am Fenster ich einsam stand Und hörte aus weiter Ferne Ein Posthorn im stillen Land; Das Herz mir im Leibe entbrennte, Da hab' ich mir heimlich gedacht: Ach wer da mitreisen könnte, In der prächtigen Sommernacht! Zwei junge Gesellen gingen Vorüber am Bergeshang, Ich hörte im Wandern sie singen Die stille Gegend entlang: Von schwindelnden Felsenschlüften, Wo die Wälder rauschen so sacht, Von Quellen, die von den Klüften Sich stürzen in die Waldesnacht. Sie sangen von Marmorbildern, Von Gärten, die überm Gestein In dämmernden Lauben verwildern, Palästen in Mondenschein, Wo die Mädchen am Fenster lauschen, Wenn der Lauten Klang erwacht, Und die Brunnen verschlafen rauschen In der prächtigen Sommernacht. 1. Freuden wollt' ich dir bereiten Auf meines Kindes Tod Freuden wollt' ich dir bereiten, Zwischen Kämpfen, Lust und Schmerz Wollt' ich treulich dich geleiten Durch das Leben himmelwärts. Doch du hast's allein gefunden, Wo kein Vater führen kann, Durch die ernste, dunkle Stunde Gingst du schuldlos mir voran. Wie das Säuseln leiser Schwingen Draußen über Thal und Kluft Ging zur selben Stund' ein Singen Ferne durch die stille Luft. Und so fröhlich war der Morgen, 'S war, als ob das Singen sprach: „Jetzo lasset alle Sorgen, Liebt ihr mich, so folgt mir nach!“ 2. Von fern die Uhren schlagen Auf meines Kindes Tod Von fern die Uhren schlagen, Es ist schon tiefe Nacht, Die Lampe brennt so düster, Dein Bettlein ist gemacht. Die Winde nur noch gehen Wehklagend um das Haus, Wir sitzen einsam drinne Und lauschen oft hinaus. Es ist, als müßtest leise Du klopfen an die Thür, Du hätt'st dich nur verirret, Kämst müd' zurück zu mir. Wir armen, armen Thoren! Wir irren ja im Graus Des Dunkels nun verloren; — Du fandest längst nach Haus. Winzerin Die Feuer leuchten durch die laue Nacht, Zum Himmel sprüht und steigt die Funkenpracht. Der Jubeldonner kracht von Berg zu Berg, Gesang und Tanz, Musik und Feuerwerk! Dort unten aber bei den schwarzen Hütten Die Kelter dröhnt in stummer Winzer Mitten. Und von der schweren, heißen Arbeit müd', Ein Mädchen steht, sie seufzet auf und glüht. Ein guter Wein! ihn bauten meine Eltern — O weh, da strömt er aus den fremden Keltern! Ein edler Wein! ha, laßt Raketen steigen! Vor keiner wird sich seine Blume neigen! Bei allen Festen wird er reichlich fließen, In alte Glieder neubelebend schießen. Bei Hochzeitmahlen wird er feurig kreisen, Und aller Orten werden sie ihn preisen. Ich aber bin ein armes krankes Kind, Ich werde weinen, wenn sie fröhlich sind. Ich aber werde niemals Hochzeit haben, Und unser Wein, mich wird er niemals laben! Abendfriede Schwebe, Mond, im tiefen Blau Über Bergeshöhn, Sprudle Wasser, blinke Thau ... Nacht, wie bist du schön! Spiegle, See, den reinen Strahl; Friede athmend lind Durch das wiesenhelle Thal Walle, weicher Wind! Wie durch einen Zauberschlag Bin ich umgestimmt Von Gedanken, die der Tag Bringt und wieder nimmt. Daß es auch ein Sterben gibt, Fühl' ich ohne Schmerz, Was ich liebe, was mich liebt, Geht mir still durchs Herz. Das Kind Im Traume hab' ich gesehen Mein Kind, mein liebes Kind, Das mir im Alter gestorben Wo Kinder am liebsten sind. Mit Augen hab' ich's verschlungen, Inbrünstig an's Herz gedrückt, Bin nicht zu Athem gekommen, So war ich hochbeglückt. Sein Stimmchen hört' ich wieder, Wie hell hat es gelacht, Ich zitterte, halb des Träumens Bewußt, und bin erwacht. Noch spür' ich mir im Antlitz Sein Händchen und seinen Kuß; Noch immer bin ich glücklich, Wenn ich auch weinen muß. Zweifel Es war an dich mein Denken all, Mein ganzes Sinnen und Fühlen, So rein wie des Vogels süßer Schall Im Walde dem morgenkühlen. Es war als wie ein schönes Lied, Das lauter Liebe geklungen, Das ein begeistert heiß Gemüth Bis nah zum Ende gesungen. Da kommt mich's an, als wollten schwer Die Saiten zusammenklingen, Als könnt' ich das schöne Lied nicht mehr Zum guten Ende bringen ... Ich geh vorbei am Gotteshaus — Ich geh vorbei am Gotteshaus, Darin ich lang nicht war, Kein Orgellärm, kein Glockenbraus, Und Schweigen wunderbar. Es ist ein Abend freundlich lind, Die Winde schlummern all, Wenn auch die Lüfte stille sind, Vernehm' ich innern Schall. Bescheide dich Wer hätte sich im Traume stolzer Stunden Nicht einst auf Gipfeln voller Glanz gesehen? Nicht tief in sich des Geistes Götterwehen Wie eines Frühlings mächt'gen Hauch empfunden? Doch ach! bald ist der holde Wahn entschwunden; Du siehst das Bild, das dich geneckt, zergehen, Mußt tief in Thalesdämm'rung traurig stehen, Und fühlst den Fuß, der aufwärts will, gebunden. Dann klage nicht! Nur Wenigen vorbehalten Ward dieses Loos: hoch von der Menschheit Zinne Ein neues Banner glorreich zu entfalten. Thu' ab den Neid! Und hellen Blicks beginne In deinem engern Kreise frisch zu schalten, Und auch das Kleine thu' mit großem Sinne! Abendgang Durch die kühle Herbstesmondnacht Sind wir stumm dahingeschritten, Träumrisch-stille lag das Städtchen Mit dem Kirchlein in der Mitten. In den niedern Giebelhäusern Ist kein müdes Auge munter, Nur der Thürmer schaut von droben In die klare Nacht hinunter. Laß uns wandeln, süßes Liebchen, Holdumschlungen, ohne Zaudern, Nimmer wird's der gute Alte Unsern bösen Nachbarn plaudern. Was er unten hier erlauschte, Seinen Glocken wird er's sagen, Und die werden's morgen frühe Weit in fremde Lüfte tragen! Sturm-Hymnus Es schweift durch die Weiten der Erde so frei, Es ruft wie aus tausend Kehlen; Bald tönt es wie klagender Hilfeschrei Von armen verlorenen Seelen, Bald schaurig und ächzend, bald trotzig und wild, Wie die Kriegsdrommete den Schlachtruf brüllt. O du Sturmeswehn, O lehr' mich dein uraltes Lied verstehn! „Ich singe den ewigen Todtengesang Jahrtausendlang! Wenn der Herbst, der rauhe Geselle, dreist Der Erde die Blüten vom Busen reißt, Wenn die Blättchen, gepflückt von den Zweigen, Hinfliehend im Taumel verworren sich drehn, Dann führ' ich den traurigen Reigen, Dann sing' ich das Lied vom Verblühn und Vergehn! Ich flieh' über's Meer, hoch brauset die Flut Und öffnet den gähnenden Rachen; Auf schleudert das Schifflein der Wogen Wuth, Die Planken erbeben und krachen, Der Nothschuß dröhnet, es splittert der Mast, Und Schifflein und Mannschaft verschlinget in Hast Die klaffende Gruft, Und drüberhin brauset mein Lied durch die Luft. Hin trägt mich durch endlose Wüsten bald Des Fluges Gewalt! Es wirbelt der Sand zu den Wolken hinauf, Es decket ein Grab unabsehbar sich auf; Du schaudernde Karawane, Ihr zitternden Pilger, entflieht, entflieht! Schon tönet im nahen Orkane Euch allen, euch allen ein Sterbelied. Ums verlore Eden erbrauste mein Sang, Trieb schwarzes Gewölk zusammen, Die Tiefen erbebten, der Donner erklang, Aus dem Himmel zuckten die Flammen; Des Engels Richtschwert, es loderte nackt, Und das Menschenpaar, von Verzweiflung gepackt, Es floh entsetzt, In die tosende Windsbraut hinausgehetzt. Seitdem, was hienieden auch stolz sich erhob, Verging und zerstob; Hin sank die heilige Ilios Und Hellas' Größe in Nichts zerfloß. Gleich Abends hinsterbenden Faltern, So Völker um Völker die Nacht verschlang; Schon seh' ich die Erde altern, Bald sing' ich ihr selber den letzten Sang. Wenn die Stunde schlägt, die gewaltige Stund', Da die Völker den Grüften entsteigen, Da die Sonnen erbleichen am Himmelsrund, Und zerstiebt der Gestirne Reigen, Dann wild um den Erdball mein Brausen erschallt, Dann reiß' ich ihn fort mit Titanengewalt, Ins ewige Nichts, Beim Posaunengeschmetter des Weltgerichts.“ Großmutter's Weihnachtsabend Großmutter lauscht dem Klang der Weihnachtsglocken, Und hat gedankenvoll ihr Haupt gebeugt, Es fallen auf die Hand die greisen Locken, In stiller Rührung wird die Wimper feucht. Und horch, daneben tönt ein munt'res Lärmen, Es stürmen ihre Enkel in den Raum, Und drängen jubelnd sich, in frohen Schwärmen, Rings um den buntgeputzten Weihnachtsbaum. In diesen Kindern sprießet frisches Leben, Und reift entgegen einer neuen Zeit, Hier keimet Kraft, die einst ihr ganzes Streben Der Menschheit ew'gem Fortschrittskampfe weiht; Für alles Große, Herrliche hinieden, Wie streiten einst die Knaben stark und kühn, — Und Herzensreinheit, Sitte, Liebe, Frieden, Wird einst in diesen Mädchen weiter blühn. Großmutter denkt der eignen Kinderzeiten, Sie sieht im Elternhaus den Weihnachtsbaum, Und bunte Bilder ihres Lebens gleiten An ihrem Geist vorbei in wachem Traum: Sie sieht sich glücklich an des Gatten Seite, Im süßen Heim, das ihr die Lieb' erbaut, Und fröhlich spielen ihre Knaben beide Am Weihnachtstisch mit hellem Jubellaut. Die Eltern hin — der Gatte längst begraben,— Die Söhne todt, mit ihnen todt ihr Glück; — Doch nein, hier reifen ihrer Söhne Knaben, Welch reiches Leben ließen sie zurück: „Mich beugt darnieder schon der Jahre Winter, Euch blüht empor die goldne Frühlingszeit, Für euch die Zukunft, ihr geliebten Kinder, Doch mein, doch mein ist die Vergangenheit!“ Großmutter lauscht dem Weihnachtsglockenklange, Ein seltsam Lächeln spielt um ihr Gesicht, Sie ahnet wol, es währet nicht mehr lange, Bis daß das letzte Glöcklein zu ihr spricht; Es färbt ein leises Roth die welke Wange, Die Hände betend sie gefaltet hält: Großmutter hat im Weihnachtsglockenklange Wol einen Gruß gehört aus jener Welt! Maßliebchen „Er liebt mich!“ — Ach, und wie so lange, Lang' eh ein Wort der Lipp' entflohn, Ich hört' es an der Stimme Klange, An seiner Worte weichem Ton. Mit freudig bangem Herzenspochen In's theure Auge blickte ich, Das sprach, noch eh der Mund gesprochen, So innig traut „ich liebe dich!“ „Von Herzen!“ Ja! — Es kamen Tage, Von ew'gem Duft und Licht getränkt! O Liebesglück, du gold'ne Sage, Du Maienmorgen gottgeschenkt! Wer könnte all die Blüten zählen, Die du erschließest wonniglich? Im Kusse tauschten wir die Seelen, Von ganzem Herzen liebt er mich. „Mit Schmerzen!“ Ach es kamen Stunden, Die seine Liebe schwer erprobt, Da Lenz und Sonne hingeschwunden, Von Nacht bedroht, von Sturm umtobt: Die Leidensfluten uns umspülten, — Er stand, da Alles wankt' und wich, Ob tausend Schmerzen in ihm wühlten. Mit tausend Schmerzen liebt' er mich! „Er liebt mich über alle Maßen!“ Ich bin ihm Licht und Lust und Zier, Und muß die ganze Welt er lassen, Ihm bleibt die ganze Welt in mir. Die Lieb' erstand bei Lust und Scherzen, Bewährt in Kampf und Sturme sich: So liebt er mich von ganzem Herzen, Mit Schmerzen maßlos liebt er mich! Noch jung Mich zieht hinaus des Frühlings Weben, Hinaus der Sonne warme Glut, In meinem Busen fühl' ich's beben Wie kühnen Jugendübermuth; Ich kann noch träumen, sehnen, hoffen, Noch trägt mich hoch des Geistes Schwung, Noch steht die weite Welt mir offen Im Vollgefühl: ich bin noch jung! Die Kraft der Jugend in mir waltet So ungebrochen, unbedroht, Das heil'ge Feuer, nicht erkaltet, In hellen Flammen aufwärts loht. Die Pulse schlagen voll und schnelle, Die Brust erfüllt Begeisterung; Schwill an, du schwanke Lebenswelle, Heb' mich empor — ich bin noch jung! Und träte just in solcher Stunde Der bleiche Sensenmann herein, Ich grüßte ihn mit heiterm Munde: „Sieh da, was führt dich her, Freund Hein?“ Mich suchst du? — nun, kein lang' Bedenken, Nur her mit Lethe's kühlem Trunk! Laß zum Ade mich's Hütchen schwenken, Ich scheide leicht, ich bin noch jung! An den Sturm Wieder nahest wirbelnd du, Hab' dich wohl vernommen, Pfeif' und brause immerzu, Heißa, gottwillkommen! Lustig fegst du hin geschwind Über Wall und Schanze, Just zur rechten Stunde, Wind, Spielst du auf zum Tanze. Bruder, hättest du geglaubt, Daß vor dir mir grauset? Oft schon über meinem Haupt Bist du hingesauset. Muthig stets begrüßt' ich dich, Wann ich dich erkannte — Sic vivamus, du und ich, Wir sind Stammverwandte! Die Fanfare bläst du hell, Ich zieh' dir entgegen, Waghals du und Kriegsgesell, Ich auch kühn verwegen; Hoch empor zum Ätherlicht Willst du immer schweben, Mich auch hält der Boden nicht, Aufwärts muß ich streben! Deine Freiheit drückt kein Joch, Meine keins dergleichen, Und in keinem Kampfe noch Sah man scheu uns weichen: Heißa, pfeif' auch heut um mich, Alles muß sich geben — Sic vivamus, du und ich, Wir verstehn zu leben! Frühlingsmorgen Küßt das Licht den jungen Morgen, Fällt der Thau auf Blüt' und Blatt, Hei, wie wandert sich's da lustig Durch die grüne Waldesstatt! Tönt so hell der Quelle Rauschen, Lacht das Grün so zauberisch, Pocht das Herz in trunkner Wonne, Klingt das Liedel jung und frisch! Küßt das Licht den jungen Morgen, Fällt der Thau auf Blüt' und Blatt, Traun, da mag ich's nimmer glauben, Daß das Leben Schmerzen hat. Lacht mir so die weite Erde In des Lenzes Blumenflor, Kommt mir Herzeleid und Trübsinn Wie ein böses Märchen vor. Tausend Blüten seh' ich sprossen, Und da denk' ich so dabei, Ob die Blume meines Glückes Denn nicht auch zu finden sei. Die auch muß so frei erblühen Unter Sturm und Sonnenschein, Darf kein mattes Topfgewächse, Keine Treibhauspflanze sein. Was doch so die Menschenseele Wunderliche Träume hat, Küßt das Licht den jungen Morgen, Fällt der Thau auf Blüt' und Blatt! Einsame Liebe Es blühet ein Veilchen auf grünender Au, Von Schwestern und Brüdern verlassen; Die Wangen, genetzet mit perlendem Thau, Im Strahle der Sonne erblassen. Wie neigt es das Köpfchen so traurig und bang, Wie schließt es die Äuglein so trübe; Mir ist es, als dränge zum Ohr mir ein Klang Von einsam schmachtender Liebe! Wenn kalt ein Herz sich von dir wendet Wenn kalt ein Herz sich von dir wendet, Das innig du und wahr geliebt, Und Trost, wie ihn das Mitleid spendet, Nicht Frieden deiner Seele gibt: Dann pflanz' ein Kreuzlein an der Stätte, Die einst in Lieb' euch glücklich sah, Da weile oft in deinem Leide, Und der Verlor'ne ist dir nah! Du siehst, wie einst in frohen Stunden Sein Auge klar, sein Auge licht, Und lauschest, wie verständnißinnig, Wie edel, lieberfüllt er spricht; Und sieh', das Glück, das dich verlassen, Um das du bitterlich geweint, Es lebt' aufs Neu' in deinem Herzen, Es hält aufs Neue euch vereint! Doch triffst du auf des Lebens Straße Ein kaltes, fremdes Angesicht, Und trüg' es des Verlor'nen Züge, O glaube mir, er ist es nicht! Er starb dem Aug'; in deinem Herzen, Lebt er als Friedensengel fort Und treu wird er dich stets geleiten, Ein starker Schirm, ein starker Hort! — Auf der Wanderschaft Wie ist's nur so träum'risch fröhlich Mir heut' zu Sinn! Was ist's nur, daß ich so selig Und still doch bin! Auf grünem Erdenraume, Unter blühendem Ast, Vor einem Apfelbaume Hielt Nachts ich Rast. Die Nachtigall sang in den Zweigen So süße Weis', Der Wind thät durch sie streichen So leis — so leis. Und als ich lag befangen Von Schlaf und Traum, Da wehte der Wind, da klangen Die Blätter am Baum. Da sang so heimliche Weise Die Nachtigall, In meinen Traum drang leise Der süße Schall. Es war ein Weh'n und Grüßen Von fernem Ort, Von meiner lieben Süßen Ein holdes Wort. Nicht will mir mehr zu Sinnen Das Wörtchen nun, Doch fühl' ich's noch tiefinnen Im Herzen ruhn. Drum wandr' ich so träum'risch fröhlich In's Weite hin — Wol bin ich still, doch selig Ist mir zu Sinn! Zu spät Ich schau dir traurig in's Gesicht — Dir in des Herzens Grund! Ich seh — ich fühl's, du liebest mich, Verschweigt es auch dein Mund; Auch ich war dir einst hold und gut — Da hast du mich verschmäht — Und nun —! — Was soll mir deine Glut Die späte? — Ach — zu spät. O wie dir einst entgegenschwoll So heiß und treu mein Herz! Wie manche Nacht ich thränenvoll Verwacht in bittrem Schmerz: Gott weiß es, den ich oft um dich Mit Inbrunst angefleht, In jener Zeit, die trüb entwich ... Nun ist's zu spät — zu spät! Begraben sei die bittre Zeit In ew'ger Finsterniß, Da ich aus einer Brust voll Leid Zu dir die Liebe riß, Da mir Verzweifelndem die Welt, So finster ward und öd' — O hättest du sie mir erhellt! — Doch nun ist es zu spät. Die Rose glüht und zittert still In sonnenschwüler Luft: „Ist keiner, der mich brechen will? Mich sprengt mein heißer Duft.“ In milber Abendzeit heran Trittst du ans Gartenbeet — Da schaut sie matt und welk dich an — Zu spät ist es — zu spät ... Und dir in's Herz, in das Gesicht, Schau ich mit trübem Blick: O könntest du's — doch zwingst du nicht, Entfloh'ne Lieb zurück. Wo ist die schon erloschne Glut, Der Wind, der schon verweht? Laß ruhn, was bei den Todten ruht, Denn, — ach! — es ist zu spät. Jugendliebe Als ich ein glücklicher Knabe noch war Mit rothen Wangen, mit lockigem Haar, Da zog es aus der Gespielen Reih'n Mich oft in ein stilles Kämmerlein. Die Bilder an der Wand sie sahn Dort so vertraut mich und heimlich an, Und jede Knospe war mir bekannt An der Rose, die vor'm Fenster stand. Im kleinen Stübchen stand morsch und alt Ein Sopha von längst verscholl'ner Gestalt; Dort saß ein Mädchen mit gold'nem Haar, Die mir das Liebste auf Erden war. Und neben ihr ruht' ich still beglückt, Stumm in die eine Ecke gedrückt; Sie schmiegte sich an die andre dicht, Und ihr zu nahen wagt' ich nicht. Dort träumt' ich trunken im engsten Raum Oft Welt und Himmel umfassenden Traum; Sie senkte das Auge in banger Lust, Mit glühenden Wangen, mit wogender Brust. — Auf schwellendem Polster saß ich heut, Und dachte an jene alte Zeit. Sie saß mir zur Seite, ein schönes Weib, Und schwatzte und schwatzte zum Zeitvertreib. Mit halbem Ohr nur hört' ich zu, Mir ließen die alten Träume nicht Ruh'; Im Busen klang mir ein altes Lied Von einem Frühling, der längst verblüht. Auch sie verstummte, ich schwieg schon lang', Mir war so gepreßt, zum Weinen bang', Mit trübem Blick sah ich sie an, Sie wandte sich ab und seufzte dann. Einst Wir standen vor einem Grabe, Umweht von Fliederduft; Still mit den Gräsern des Hügels Spielte die Abendluft. Da sprach sie bang' und leise: Wenn von der Welt ich schied, Und kaum mein Angedenken Noch lebt in deinem Lied; Wenn du auf weiter Erde Verlassen und einsam bist, Und nur im Traum der Nächte Mein Geist dich leise küßt: Dann komm zu meinem Grabe, Von Flieder und Rosen umlaubt, Und neig' auf die kühlen Gräser Das heiße, müde Haupt. Ein Sträußchen duftiger Blumen Bringst du wie sonst mir mit; Mich weckt aus tiefem Schlummer Dein lieber bekannter Schritt. Dann will ich mit dir flüstern So heimlich und vertraut, Wie damals, wo wir innig In's Aug' uns noch geschaut. Und wer vorübergehet, Der denkt: es ist der Wind, Der durch die Blüten des Flieders Hinsäuselt leis und lind. Und wie du lebst, das Kleinste Berichten sollst du mir, Und ich will dir erzählen, Was ich geträumt von dir. Wenn dann der Abend gekommen Und Stern an Stern erwacht, Dann wünschen wir uns leise Und heimlich: gute Nacht. Du gehst getröstet nach Hause Im Abenddämmerschein, Und unter meinen Blumen Schlaf' still ich wieder ein. Resignation Wend' ich auf's Vergangne Prüfend mich zurück: Trifft auf schwarz behangne Särge nur mein Blick. Schau ich in das Heute, Was gewahr' ich drin? Alles Leben deute Auf Verwandlung hin. Unerforschter Weiten Dämmerung verschließt, Was in fernen Zeiten Mir bereitet ist. Und so schiff' und lenk' ich Durch die Nacht dahin; Wohlgemuth bedenk' ich, Welch ein Nichts ich bin. Laßt uns, was auch dräue, — Weil wir das verstehn — Ohne Furcht und Reue Lächelnd untergehn! Sommernachmittag Pan sei entschlafen, spricht das unerfahrne Volk, wenn stille die Mittagswinde liegen; — Aber heute, eben zu dieser Stunde, Sah ich den Flurgott. Plötzlich am Strome blickt' es durch Erlen, — Mich bedäuchten's des Wassers blaue Ringe; — Nein, es war sein bläuliches Auge selber, Lachend geöffnet. Leis' vor die Lippe führt' er die Syringe, Daß ein Hallen erscholl, die Fische sprangen, Und lebendig wogten im Windstoß alle Ufergebüsche. Weit im Gefilde sahn empor die Schnitter, Doch im Schilfe versteckte schon der Gott sich; Nur durch's Laub erzitterte noch die Fährte Seines Gefolges. Um die dritte Stunde Die dritte Stunde Nachmittags Das ist die müde Stunde, Es geht das Zittern ihres Schlags Wie Lähmung in die Runde. Da liegt sie stumm, die heiße Welt, Verschmachtet und begraben; Der Glutengott alleine hält Die Fackel noch erhaben. Wie Wüstenodem tödtlich drückt Sein schwüles Reich die Matten, Und von des Thurmes Kuppel bückt Sich welk der müde Schatten. Verlechzend ist auf dürrem Moos Das Flurgeräusch entschlafen, Die Welle schlürft gedankenlos Um's träge Schiff im Hafen. Wie ein erschlagner Riese schweigt Die glühe Felsenflanke; Im Menschenhaupt hat sich geneigt Zum Schlummer der Gedanke. Kein Laut ergeht, kein Hauch, kein Lied Gibt noch von Leben Kunde, Als ob der Erdengeist verschied Um diese dürre Stunde, Die von des Mittags stolzen Höhn So fern ist abgefallen, Wie von des Abends lindem Wehn Und seinen Nachtigallen. Der Preis Es ist kein hoher Berg so hoch, So tief kein tiefes Thal, Es dringt hinauf ein Vögelein, Hinab ein Sonnenstrahl. Und wärst du selbst die Perl' im Meer, Und wärst das Alpengold, So hoch und tief hätt' ich dein Herz, Kostbares Kind, geholt. Unfreiheit Ach lieber Herr Amtmann, habet Geduld! Ich gesteh's, ich habe gestohlen; Doch das hat der Kosmos selber Schuld, Das sag' ich Euch unverhohlen. Die Neigung zum Stehlen war in mir schon Von Anbeginn entzündet; Sie lag schon in der Constitution Meiner Urgroßmutter begründet. Rings drängten auf mich der ganzen Natur Vieltausendfältige Triebe; Ich ward nach höh'ren Gesetzen nur Unwiderstehlich zum Diebe. Wie könnt ihr mich strafen, der ich doch nicht Aus freiem Willen gesündigt? — „Jetzt schweige, du naseweiser Wicht, Und höre was man verkündigt. Die hochwohllöbliche Polizei Steht auch unter kosmischem Zwange, Sie fängt die Diebe und hängt sie dabei Aus unwiderstehlichem Drange.“ Sarkophag Wenn ihr dereinst mich wollt' begraben, So laßt mich einen schönen Schrein Nach Sitte der Hellenen haben Aus Paros' edlem Marmelstein. Und schmückt mit reichem Kunstgebilde Die kleine Todtenkammer aus; Ein Abglanz lachender Gefilde Verziere noch das letzte Haus. Centauren tummle die Mänade, Hoch spring' im Reigentanz der Faun, Und jauchzend sei im Wellenbade Poseidon's feuchtes Haar zu schaun. Mit Panthern scherzen Amoretten, Und um den taumelnden Silen, Bekränzt mit vollen Blumenketten, Laßt jubelnd sein Gefolge gehn. Doch über den Tumult erhaben, Gelassen throne Dionys, Der mit der Fülle seiner Gaben Die Lebenden an's Leben wies. 1. Singend über die Haide Lieder Singend über die Haide Steigen Lerchen empor, Goldige Knospen der Weide Dringen am Ufer hervor, Und der Himmel so wunderblau! Allüberall hellsonnige Schau! Ich und mein Lieb, wir beide Wandeln durch sprießendes Rohr. Kargen Worts ist der Kummer Zehrend in tiefer Brust; Aber noch tausendmal stummer Ist unsägliche Lust: „Ich bin ja dein und du bist ja mein!“ Das mag ihr einziges Wörtlein sein; Hat doch kein Weiser, kein Dummer Jemals ein Bess'res gewußt. Wolken über uns schwellen, Kaum daß ein Windzug sie blies; Traumhaft schwatzen die Wellen Über dem farbigen Kies, Ferne nur, ferne noch Lerchenlied, — Seliges Schweigen die Seele durchzieht, Engel erschließen die hellen Pforten zum Paradies. 2. Als mich verließ mein schönes Lieb Lieder Als mich verließ mein schönes Lieb, Da wehten des Novembers Stürme, Und seine kalten Flocken trieb Der Schnee um Giebeldach und Thürme. Und eingefroren in der Brust Verschloß das Herz die bitt'ren Klagen, Des Glückes plötzlichen Verlust Vermocht ich thränenlos zu tragen. Nun aber quillt des Frühlings Born, Die Erde lacht und jubelt wieder; Da klingen wie Münchhausen's Horn, Die aufgethauten Klagelieder. Erinnerung In dem Nachen saßen wir und schwammen Weit hinaus auf's purpurblaue Meer, Und die Wolken, rosenfarb'ne Flammen, Flatterten am Himmel drüber her. Unser Herz in süßen Liedern träumte, Uns're Lippe schwelgte hoch im Kuß, Und aus uns'ren Bechern sprüht' und schäumte Dionysos' goldner Überfluß. Aber allgemach versinkt im Westen Farbenglut und Sonnenstrahlenpracht, Und aus schwarzen, wolkigen Palästen Weht hervor die regnerische Nacht. Und nun seufzet ihr in bitt'rer Klage Sehnsuchtsvoll nach dem getrübten Glück; Und begierig fordert ihr die Tage Der vergang'nen Freuden euch zurück? Heget Scham ob eurer Sehnsucht Schmerzen, Ihr, die einmal doch ein Glück umfing, Das an tausend durst'gen Menschenherzen Hast'gen Schrittes karg vorüberging. Der sterbende Greis Das Auge schon gebrochen halb, Die Wangen bleich, die Lippen falb — So liegt der müde Greis im Sterben; Doch ungetrübte Heiterkeit Scheint wie im Herbst zur Dämmerzeit Sein Bild vergeistigend zu färben. Und ihn umdrängt der Seinen Schaar, Der Kirche Tröstung beut ihm dar Der Priester mit geweihtem Brode. Der Greis doch deutet auf ein Kind, Das lächelnd unter dem Gesind' Unschuldvoll stand — ein Himmelsbote. „Mit dieses Auges reinem Strahl O labt mich noch ein einzig Mal! Hier steht das Wort des Herrn geschrieben. Hier les' ich Wahrheit, hier allein, Von jedem Menschenwahne rein: Kein Hassen noch und noch kein Lieben! Hier seh' ich mich, so wie ich war Der Sehnsucht, der Erinn'rung bar — So hoff' ich, daß ich wieder werde! Nun ist's genug! den Himmel sah Ich in des Kindes Aug' mir nah — Nun nimm mich auf, du Mutter Erde!“ Herbstmorgen Die Wolken ziehn wie Trauergäste Den Mond zu Grabe zu geleiten; Der Wind durchfegt die starren Äste Und sucht ein Blatt aus bess'ren Zeiten. Die grünen Tannen schaun so düster Auf eine junggeknickte Eiche, Als blickten trauernde Geschwister Auf der geliebten Schwester Leiche. Schon flattern in der Luft die Raben, Des Winters unheilvolle Boten; Bald wird er tief in Schnee begraben, Die Erde — seinen großen Todten. Ein Bach läuft hastig mir zur Seite; Er ahnt des Winters Eisesketten Und stürzt sich fort und sucht das Weite, Als könnt' ihm Flucht das Leben retten. Da mocht' ich länger nicht inmitten So todesnaher Öde weilen; Es trieb mich fort mit hast'gen Schritten, Dem flücht'gen Bache nachzueilen. Ermannung Herz, laß das Zweifeln, laß das Klauben, Vor dem das Beste selbst zerfällt, Und wahre dir den Rest von Glauben An Gutes noch in dieser Welt. Schau hin auf eines Weibes Züge, Das lächelnd auf den Säugling blickt, Und fühl's: es ist nicht Alles Lüge, Was uns das Leben bringt und schickt. Und Herze, willst du ganz genesen, Sei selber wahr, sei selber rein! Was wir in Welt und Menschen lesen, Ist nur der eig'ne Wiederschein. Er weiß es besser Die Tannen ragen schlank und morgenduftig, Grüngolden spielt das Licht in ihren Ästen, Ringsum Gesang von leicht beschwingten Gästen; In Walde weht und rauscht der Frühling lustig. Ein Jäger geht in Thau und Schatten drinnen, Das Feuerrohr gesenkt auf seinem Rücken; Heut wird er's nicht dem Wild ins Leben drücken, Er scheint auf eine andre Jagd zu sinnen. Prüft manchen Baum vom Grund bis zu den Kronen, Und rüttelt auch an manchem scharf und mächtig. Thautropfen blitzen diamantenprächtig Auf ihn herab, den Händedruck zu lohnen. Er aber schneidet ein mit scharfem Messer Ein Kreuz als Zeichen, ihn im Herbst zu fällen, Und denkt vom stolz aufragenden Gesellen: „Träum' du von Lenzen noch, ich weiß es besser!“ So schreitet er, ein Tod, durch Frühlingsräume, In manche Rinde kerbt er noch das Zeichen, Und mit den scharfgeschnitt'nen Kreuzen gleichen Bald einem Friedhof in dem Wald die Bäume. Im Menschenwald, ein unsichtbarer Jäger Geht lauernd auch umher und kerbt in Herzen Die Zeichen ein, oft ohne daß sie schmerzen, So sanft, so weich — doch ist er ein Erleger. Gewiß, er war mir nahe schon als Kummer, Als Glück wol auch, als Sorge schon im Traume; Die Lippen küßt' er mir im Becherschaume, Und war die Nacht, die hingig ohne Schlummer. Er schnitt ins Leben mir mit seinem Messer, Oft merkt' ich's kaum, ein leises, leises Zeichen; Ich meine manchen Lenz noch zu erreichen, Noch manche That zu thun — Er weiß es besser. Menschenloose Vom Himmel zogen rauschend Viel Regentropfen sacht; Ich hörte lauschend, lauschend Ihr Lied in dunkler Nacht „Wie wir so traulich wallen So hell, so klar, so rein, Welch' Loos wird, wenn wir fallen Auf Erden unser sein?“ Auf Blüten fiel der Eine Und schwelgte im Genuß, Geliebt vom Sonnenscheine Starb er von seinem Kuß. Im Meere nahm den Zweiten Still auf der Muschel Schoos, Der ward für Ewigkeiten Zur Perle hell und groß. Ein Andrer fiel auf Eisen, Das just von Flammen roth — Und brannte sich mit leisen Und flücht'gen Seufzern todt. Der Vierte der Genossen Trieb mit den Lüften Spiel Und war schon leicht zerflossen Eh' er zur Erde fiel. Asyl Wenn du ein tiefes Leid erfahren, Tiefschmerzlich, unergründlich bang, Dann flüchte aus der Menschen Schaaren, Zum Walde richte deinen Gang. Die Felsen und die Bäume wissen Ein Wort zu sagen auch von Schmerz; Der Sturm, der Blitz hat oft zerrissen Die Felsenbrust, das Waldesherz. Sie werden dir kein Trostwort sagen, Wie hilfereich die Menschen thun; Doch wird ihr Echo mit dir klagen, Und wieder schweigend mit dir ruhn! Anna Wie sich um Trümmer grau und wild, Noch schlingen grünende Ranken, So zieht mir zuweilen dein helles Bild Noch durch die düst'ren Gedanken! Und mußt' auch sterben und verglühn Das Glück jener Sommertage, Noch fühl' ich's mir im Herzen blühn Wie süße, traute Sage! Oft seh' ich dich zu stiller Stund' Wie droben unter der Linde — Dein Auge blitzt und es lacht dein Mund Und dein Goldhaar flutet im Winde ... Bis Thränen trüben die holde Gestalt Mir armem, träumendem Thoren, Bis mich's ergreift mit Schmerzensgewalt, Daß du mir auf ewig verloren! ... Grabschrift „Die hier begraben liegt — die Leidenschaft, Sie war das heiße Fassen und Vermählen, Das Ineinanderflammen zweier Seelen, Die gleich an Stolz und Schmerz, an Lieb und Kraft. Sie hatten ihren Fesseln sich entrafft, Um müd' vom Kampf, von peinlichem Verfehlen Im Liebesflammenbade sich zu stählen, Doch Eines blieb und hielt sie eng in Haft: Die Reue blieb — die Reue trennte sie — Wer Schuld mittrinkt, will er an Lieb' sich laben, Der wird berauscht, doch glücklich wird er nie O Leser, neige stumm dein Haupt und übe Mitleid an all dem Weh, das hier begraben!“ ... Das sei das Epitaphium unsrer Liebe. In der Sommernacht Ich träumt' von dir — bin jäh' erwacht Und schau' nun bange in die Nacht — Der Mond scheint blaß, in der schwülen Luft Schwimmt süßer, schwerer Blumenduft — Durch's offne Fenster dringt er ein ... Hat mich geweckt der Mondenschein Oder dies Düften, süß und schwer, Als ob's dein Athem, Geliebte, wär'? ... Hast du auch träumend mein gedacht Und bist voll süßer Glut erwacht? Schwimmt in den Lüften dein wilder Kuß, Deiner dürstenden Liebe Gruß? Ich seh' dich ... du lehnst auf dem weißen Pfühl, Deine Stirne glüht, doch die Hand ist kühl — Du fieberst — nach mir ... blickst bebend zur Seit', Als grüßte dich dort aus der Dunkelheit Wie in schöneren Nächten, so heute auch Mein leuchtend Aug' und mein Lispelhauch ... Du Wilde, du Schöne, wie gern, wie gern Wär' ich bei dir und bin so fern! Mich macht die Unrast krank und matt, Mein Lager wird zur Marterstatt — Das heiße Kissen drück' ich an mich, Als wärest du's — als hätt' ich dich! ... Vor deinem Fenster mit süßem Schall Singt weich und schmachtend die Nachtigall — Dazwischen tönt über Wald und Kluft Wie der wilde Falk nach Beute ruft — Lausch' diesen Beiden, lausch' ihnen gut So, Liebste, ist jetzt mir zu Muth ... Wozu? Als nach dir, der stolzen Fernen Sehnend einst das Herz mir schwoll, Hei! wie da von tausend Liedern Herz und Lippe überquoll! Aber nun ich dich errungen, Nun mich volles Glück umblüht, Küss' ich schweigend, schweig' ich küssend Und verstummt ist mir mein Lied! Der ich meine Schmerzen klagte, Jauchze meine Wonne nicht, Denn wozu ein Leben dichten, Lebt man selig ein Gedicht?! Ahnung Noch schlägt mein Herz in trotzig wildem Drange, Sehnsüchtig Kampf und Leiden zu bestehen, Gelockt vom Rauschen ferner Siegstrophäen — Noch bin ich jung — noch glühet meine Wange — Und doch durchzittert dunkel mich und bange Ein Ahnungshauch von plötzlichem Vergehen, Als müßt' dies heiße Herz mir stille stehen, Als müßt's zerspringen mir in dumpfem Klange. So steht der Baum, dem reich die Blätter prangen, Dem sacht die Blüte sich erschließt zur Frucht, Wenn glühe Sommerschwüle ihn umwittert. Er sieht die Wetter drohend niederhangen, Er ahnt den Blitz, der seine Beute sucht, Und lauschet bang — sein tiefstes Mark erzittert ... Warum? Wir liebten uns einst zur Frühlingszeit — Wie liegt das weit! Doch kurz und flüchtig war der Traum Wie Wind und Schaum — Nur einmal saßen wir süß und bang Am Bergeshang, Und einmal hab' ich im Buchengrund Geküßt deinen Mund ... Das ist wol an die fünfzehn Jahr Oder länger gar — Hab' dich — ich mußt' in die Ferne gehn — Nicht wiedergesehn. Dann hört' ich ruhig und ungequält, Du sei'st vermählt — Doch jetzt, urplötzlich, faßt es mich Und ich denk' an dich ... Warum?! ... Ich sitze vom Weine heiß, Im lauten Kreis — Was hat mir wol in die Winternacht Dein Bild gebracht?! Sehnst du vielleicht zur Stund' unser Glück So wild zurück, Oder bist du, ich ahn's entsetzt — Gestorben jetzt?! ... Löwenritt Wüstenkönig ist der Löwe; will er sein Gebiet durchfliegen, Wandelt er nach der Lagune, in dem hohen Schilf zu liegen. Wo Gazellen und Giraffen trinken, kauert er im Rohre; Zitternd über dem Gewalt'gen rauscht das Laub der Sykomore. Abends, wenn die hellen Feuer glühn im Hottentottenkraale, Wenn des jähen Tafelberges bunte, wechselnde Signale Nicht mehr glänzen, wenn der Kaffer einsam schweift durch die Karroo, Wenn im Busch die Antilope schlummert, und am Strom das Gnu: Sieh', da schreiet majestätisch durch die Wüste die Giraffe, Daß mit der Lagune trüben Fluten sie die heiße, schlaffe Zunge kühle; lechzend eilt sie durch der Wüste nackte Strecken, Knieend schlürft sie langen Halses aus dem schlammgefüllten Becken. Plötzlich regt es sich im Rohre, mit Gebrüll auf ihren Nacken Springt der Löwe; welch' ein Reitpferd! sah man reichere Schabracken In den Marstallkammern einer königlichen Hofburg liegen, Als das bunte Fell des Renners, den der Thiere Fürst bestiegen? In die Muskeln des Genickes schlägt er gierig seine Zähne; Um den Bug des Riesenpferdes weht des Reiters gelbe Mähne. Mit dem dumpfen Schrei des Schmerzes springt es auf und flieht gepeinigt; Sieh, wie Schnelle des Kameeles es mit Pardelhaut vereinigt. Sieh, die mondbestrahlte Fläche schlägt es mit den leichten Füßen! Starr aus ihrer Höhlung treten seine Augen; rieselnd fließen An dem braungefleckten Halse nieder schwarzen Blutes Tropfen, Und das Herz des flücht'gen Thieres hört die stille Wüste klopfen. Gleich der Wolke, deren Leuchten Israel im Lande Jemen Führte, wie ein Geist der Wüste, wie ein fahler, luft'ger Schemen, Eine sandgeformte Trombe in der Wüste sand'gem Meer, Wirbelt eine gelbe Säule Sandes hinter ihnen her. Ihrem Zuge folgt der Geier; krächzend schwirrt er durch die Lüfte; Ihrer Spur folgt die Hyäne, die Entweiherin der Grüfte; Folgt der Panther, der des Caplands Hürden räuberisch verheerte; Blut und Schweiß bezeichnen ihres Königs grausenvolle Fährte. Zagend auf lebend'gem Throne sehn sie den Gebieter sitzen, Und mit scharfer Klaue seines Sitzes bunte Polster ritzen. Rastlos, bis die Kraft ihr schwindet, muß ihn die Giraffe tragen; Gegen einen solchen Reiter hilft kein Bäumen und kein Schlagen. Taumelnd an der Wüste Saume stürzt sie hin und röchelt leise. Todt, bedeckt mit Staub und Schaume, wird das Roß des Reiters Speise. Über Madagaskar, fern im Osten, sieht man Frühlicht glänzen; — So durchsprengt der Thiere König nächtlich seines Reiches Grenzen. Der Mohrenfürst Sein Heer durchwogte das Palmenthal Sein Heer durchwogte das Palmenthal. Er wand um die Locken den Purpurshawl, Er hing um die Schultern die Löwenhaut; Kriegerisch klirrte der Becken Laut. Wie Termiten wogte der wilde Schwarm. Den goldumreiften, den schwarzen Arm Schlang er um die Geliebte fest: „Schmücke dich, Mädchen, zum Siegesfest! Sieh, glänzende Perlen bring' ich dir dar! Sie flicht durch dein krauses, schwarzes Haar! Wo Persia's Meerflut Korallen umzischt, Da haben sie triefende Taucher gefischt. Sieh, Federn vom Strauße! laß sie dich schmücken! Weiß auf dein Antlitz, das dunkle, nicken! Schmücke das Zelt! bereite das Mahl! Fülle, bekränze den Siegespokal!“ Aus dem schimmernden, weißen Zelte hervor Tritt der schlachtgerüstete fürstliche Mohr: So tritt aus schimmernder Wolken Thor Der Mond der verfinsterte, dunkle, hervor. Da grüßt ihn jubelnd der Seinen Ruf, Da grüßt ihn stampfend der Rosse Huf. Ihm rollt der Neger treues Blut, Und des Nigers räthselhafte Flut. „So führ' uns zum Siege! so führ' uns zur Schlacht!“ Sie stritten vom Morgen bis tief in die Nacht. Des Elephanten gehöhlter Zahn Feuerte schmetternd die Kämpfer an. Es fleucht der Leu, es fliehn die Schlangen Vor dem Rasseln der Trommel, mit Schädeln behangen. Hoch weht die Fahne, verkündend Tod; Das Gelb der Wüste färbt sich roth. — So tobt der Kampf im Palmenthal! Sie aber bereitet daheim das Mahl; Sie füllt den Becher mit Palmensaft, Umwindet mit Blumen der Zeltstäbe Schast. Mit Perlen, die Persia's Flut gebar, Durchflicht sie das krause, schwarze Haar, Schmückt die Stirne mit wallenden Federn, und Den Hals und die Arme mit Muscheln bunt. Sie setzt sich vor des Geliebten Zelt; Sie lauscht, wie ferne das Kriegshorn gellt. Der Mittag brennt und die Sonne sticht; Die Kränze welken, sie achtet's nicht. Die Sonne sinkt und der Abend siegt; Der Nachtthau rauscht und der Glühwurm fliegt. Aus dem lauen Strom blickt das Krokodil, Als ob es der Kühle genießen will. Es regt sich der Leu und brüllt nach Raub, Elephantenrudel durchrauschen das Laub. Die Giraffe sucht des Lagers Ruh', Augen und Blumen schließen sich zu. Ihr Busen schwillt voll Angst empor; Da naht ein flüchtiger, blutender Mohr. „Verloren die Hoffnung! verloren die Schlacht! Dein Buhle gefangen, gen Westen gebracht! An's Meer! den blanken Menschen verkauft!“ — Da stürzt sie zur Erde, das Haar zerrauft Die Perlen zerdrückt sie mit zitternder Hand, Birgt die glühende Wange im glühenden Sand. Auf der Messe, da zieht es, da stürmt es hinan Auf der Messe, da zieht es, da stürmt es hinan Zum Circus, zum glatten, geebneten Plan. Es schmettern Trompeten, das Becken klingt, Dumpf wirbelt die Trommel, Bajazzo springt. Herbei, herbei! das tobt und drängt; Die Reiter fliegen; die Bahn durchsprengt Der Türkenrapp' und der Brittenfuchs; Die Weiber zeigen den üppigen Wuchs. Und an der Reitbahn verschleiertem Thor Steht ernst ein krausgelockter Mohr; Die türkische Trommel schlägt er laut, Auf der Trommel liegt eine Löwenhaut. Er denkt an den fernen, fernen Niger, Und daß er gejagt den Löwen, den Tiger; Und daß er geschwungen im Kampfe das Schwert, Und daß er nimmer zum Lager gekehrt; Und daß sie Blumen für ihn gepflückt, Und daß sie das Haar mit Perlen geschmückt — Sein Auge ward naß: mit dumpfem Klang Schlug er das Fell, daß es rasselnd zersprang. Die Auswanderer Sommer 1832 Ich kann den Blick nicht von euch wenden, Ich muß euch ansehn immerdar. Wie reicht ihr mit geschäft'gen Händen Dem Schiffer eure Habe dar! Ihr Männer, die ihr von dem Nacken Die Körbe langt, mit Brod beschwert, Das ihr aus deutschem Korn gebacken, Geröstet habt auf deutschem Herd; Und ihr im Schmuck der langen Zöpfe, Ihr Schwarzwaldmädchen, braun und schlank; Wie sorgsam stellt ihr Krüg' und Töpfe Auf der Schaluppe grüne Bank! Das sind dieselben Töpf' und Krüge, Oft an der Heimat Born gefüllt; Wenn am Missouri Alles schwiege, Sie malten euch der Heimat Bild; Des Dorfes steingefaßte Ouelle, Zu der ihr schöpfend euch gebückt, Des Herdes traute Feuerstelle, Das Wandgesims, das sie geschmückt, Bald zieren sie im fernen Westen Des leichten Bretterhauses Wand; Bald reicht sie müden braunen Gästen, Voll frischen Trunkes, eure Hand. Es trinkt daraus der Tscherokese, Ermattet, von der Jagd bestaubt; Nicht mehr von deutscher Rebenlese Tragt ihr sie heim mit Grün belaubt. O sprecht, warum zogt ihr von dannen? Das Neckarthal hat Wein und Korn; Der Schwarzwald steht voll finstrer Tannen, Im Spessart klingt des Älplers Horn. Wie wird es in den fremden Wäldern Euch nach der Heimatberge Grün, Nach Deutschlands gelben Weizenfeldern, Nach seinen Rebenhügeln ziehn! Wie wird das Bild der alten Tage Durch eure Träume glänzend wehn, Gleich einer stillen frommen Sage Wird es euch vor der Seele stehn. Der Bootsmann winkt! — Zieht hin in Frieden! Gott schütz' euch, Mann und Weib und Greis! Sei Freude eurer Brust beschieden, Und euren Feldern Reis und Mais! Wär' ich im Bann von Mekka's Thoren Wär' ich im Bann von Mekka's Thoren Wär' ich auf Jemens glüh'ndem Sand, Wär' ich am Sinai geboren, Dann führt' ein Schwert wol diese Hand; Dann zög' ich wol mit flücht'gen Pferden Durch Jethro's flammendes Gebiet; Dann hielt' ich wol mit meinen Heerden Rast bei dem Busche, der geglüht; Dann Abends wol vor meinem Stamme, In eines Zeltes luft'gem Haus, Strömt' ich der Dichtung innre Flamme In lodernden Gesängen aus; Dann wol an meinen Lippen hinge Ein ganzes Volk, ein ganzes Land; Gleichwie mit Salomonis Ringe Herrscht' ich, ein Zauberer, im Sand. Nomaden sind ja meine Hörer, Zu deren Geist die Wildniß spricht; Die vor dem Samum, dem Zerstörer, Sich werfen auf das Angesicht; Die allzeit auf den Rossen hängen, Absitzend nur am Wüstenbronn: Die mit verhängten Zügeln sprengen Von Aden bis zum Libanon; Die Nachts, als nimmermüde Späher, Bei ihrem Vieh ruhn auf der Trift, Und, wie vor Zeiten die Chaldäer, Anschaun des Himmels goldne Schrift; Die oft ein Murmeln noch vernehmen Von Sina's glutgeborstnen Höhn; Die oft des Wüstengeistes Schemen In Säulen Rauches wandeln sehn; Die durch den Riß oft des Gesteines Erschaun das Flammen seiner Stirn — Kurz, Männer, denen glüh'nd, wie meines, In heißen Schädeln brennt das Hirn. O Land der Zelte, der Geschosse! O Volk der Wüste, kühn und schlicht! Beduin, du selbst auf deinem Rosse Bist ein phantastisches Gedicht! — Ich irr' auf mitternächt'ger Küste; Der Norden, ach! ist kalt und klug. Ich wollt', ich säng' im Sand der Wüste, Gelehnt an eines Hengstes Bug. Der Blumen Rache Auf des Lagers weichem Kissen Ruht die Jungfrau, schlafbefangen, Tiefgesenkt die braune Wimper, Purpur auf den heißen Wangen. Schimmernd auf dem Binsenstuhle Steht der Kelch, der reich geschmückte, Und im Kelche prangen Blumen, Duft'ge, bunte, frischgepflückte. Brütend hat sich dumpfe Schwüle Durch das Kämmerlein ergossen, Denn der Sommer scheucht die Kühle, Und die Fenster sind verschlossen. Stille rings und tiefes Schweigen! Plötzlich, horch! ein leises Flüstern: In den Blumen, in den Zweigen Lispelt es und rauscht es lüstern. Aus den Blütenkelchen schweben Geistergleiche Duftgebilde; Ihre Kleider zarte Nebel, Kronen tragen sie und Schilde. Aus dem Purpurschooß der Rose Hebt sich eine schlanke Frau; Ihre Locken flattern lose, Perlen blitzen drin, wie Thau. Aus dem Helm des Eisenhutes Mit dem dunkelgrünen Laube Tritt ein Ritter kecken Muthes; Schwert erglänzt und Pickelhaube. Auf der Haube nickt die Feder Von dem silbergrauen Reiher. Aus der Lilie schwankt ein Mädchen; Dünn, wie Spinnweb', ist ihr Schleier. Aus dem Kelch des Türkenbundes Kommt ein Neger stolz gezogen; Licht auf seinem grünen Turban Glüht des Halbmonds goldner Bogen. Prangend aus der Kaiserkrone Schreitet kühn ein Scepterträger; Aus der blauen Iris folgen Schwertbewaffnet seine Jäger. Aus den Blättern der Narzisse Schwebt ein Knab' mit düstern Blicken, Tritt an's Bett, um heiße Küsse Auf des Mädchens Mund zu drücken. Doch um's Lager drehn und schwingen Sich die Geister wild im Kreise; Drehn und schwingen sich, und singen Der Entschlafnen diese Weise: „Mädchen, Mädchen! von der Erde Hast du grausam uns gerissen, Daß wir in der bunten Scherbe Schmachten, welken, sterben müssen! O wie ruhten wir so selig An der Erde Mutterbrüsten, Wo, durch grüne Wipfel brechend, Sonnenstrahlen heiß uns küßten; Wo uns Lenzeslüfte kühlten, Unsre schwanken Stengel beugend; Wo wir Nachts als Elfen spielten, Unserm Blätterhaus entsteigend. Hell umfloß uns Thau und Regen: Jetzt umfließt uns trübe Lache; Wir verblühn, doch eh' wir sterben, Mädchen, trifft dich unsre Rache!“ Der Gesang verstummt; sie neigen Sich zu der Entschlafnen nieder. Mit dem alten, dumpfen Schweigen Kehrt das leise Flüstern wieder. Welch ein Rauschen, welch ein Raunen! Wie des Mädchens Wangen glühen! Wie die Geister es anhauchen! Wie die Düfte wallend ziehen! — Da begrüßt der Sonne Funkeln Das Gemach; die Schemen weichen. Auf des Lagers Kissen schlummert Kalt die lieblichste der Leichen. Eine welke Blume selber, Noch die Wange sanft geröthet, Ruht sie bei den welken Schwestern; — Blumenduft hat sie getödtet! Ruhe in der Geliebten So laß mich sitzen ohne Ende, So laß mich sitzen für und für! Leg' deine beiden frommen Hände Auf die erhitzte Stirne mir! Auf meinen Knien, zu deinen Füßen, Da laß mich ruhn in trunkner Lust; Laß mich das Auge selig schließen In deinem Arm, an deiner Brust! Laß es mich öffnen nur dem Schimmer, Der deines wunderbar erhellt; In dem ich raste nun für immer, O du, mein Leben, meine Welt! Laß es mich öffnen nur der Thräne, Die brennend heiß sich ihm entringt; Die hell und lustig, eh' ich's wähne, Durch die geschloss'ne Wimper springt! So bin ich fromm, so bin ich stille, So bin ich sanft, so bin ich gut! Ich habe dich, das ist die Fülle! Ich habe dich, mein Wünschen ruht! Dein Arm ist meiner Unrast Wiege, Vom Mohn der Liebe süß umglüht; Und jeder deiner Athemzüge Haucht mir ins Herz ein Schlummerlied! Und jeder ist für mich ein Leben! Ha, so zu rasten Tag für Tag! Zu lauschen so mit sel'gem Beben Auf unsrer Herzen Wechselschlag! In unsrer Liebe Nacht versunken, Sind wir entflohn aus Welt und Zeit: Wir ruhn und träumen, wir sind trunken In seliger Verschollenheit. Der Liebe Dauer O lieb', so lang' du lieben kannst, O lieb', so lang' du lieben magst, Die Stunde kommt, die Stunde kommt, Wo du an Gräbern stehst und klagst. Und sorge, daß dein Herze glüht Und Liebe hegt und Liebe trägt, So lang' ihm noch ein andres Herz In Liebe warm entgegenschlägt. Und wer dir seine Brust erschließt, O thu' ihm, was du kannst zu lieb, Und mach' ihm jede Stunde froh, Und mach' ihm keine Stunde trüb. Und hüte deine Zunge wol, Bald ist ein böses Wort gesagt; O Gott, es war nicht bös gemeint, — Der Andre aber geht und klagt. O lieb', so lang' du lieben kannst, O lieb', so lang' du lieben magst, Die Stunde kommt, die Stunde kommt, Wo du an Gräbern stehst und klagst. Dann kniest du nieder an der Gruft — Und birgst die Augen trüb' und naß — Sie sehn den Andern nimmermehr — In's lange feuchte Kirchhofsgras. Und sprichst: O schau' auf mich herab, Der hier an deinem Grabe weint: Vergib, daß ich gekränkt dich hab', O Gott, es war nicht bös' gemeint! Er aber sieht und hört dich nicht, Kommt nicht, daß du ihn froh empfängst: Der Mund, der oft dich küßte, spricht Nie wieder: Ich vergab dir längst. Er that's, vergab dir lange schon, Doch manche heiße Thräne fiel Um dich und um dein herbes Wort — Doch still — er ruht, er ist am Ziel. O lieb', so lang' du lieben kannst, O lieb', so lang' du lieben magst, Die Stunde kommt, die Stunde komnmt, Wo du an Gräbern stehst und klagst! Die Trompete von Gravelotte Sie haben Tod und Verderben gespien: Wir haben es nicht gelitten, Zwei Kolonnen Fußwerk, zwei Batterien, Wir haben sie niedergeritten. Die Säbel geschwungen, die Zäume verhängt, Tief die Lanzen und hoch die Fahnen, So haben wir sie zusammengesprengt, Kürassiere wir und Ulanen. Doch ein Blutritt war es, ein Todesritt; Wol wichen sie unsern Hieben, Doch von zwei Regimentern, was ritt und was stritt, Unser zweiter Mann ist geblieben, Die Brust durchschossen, die Stirn zerklafft, So lagen sie bleich auf dem Rasen, In der Kraft, in der Jugend dahingerafft; Nun Trompeter, zum Sammeln geblasen! Und er nahm die Trompet', und er hauchte hinein, Da, — die muthig mit schmetterndem Grimme Uns geführt in den herrlichen Kampf hinein, — Der Trompete versagte die Stimme! Nur klanglos Wimmern, ein Schrei voll Schmerz Entquoll dem metallenen Munde; Eine Kugel hatte durchlöchert ihr Erz — Um die Todten klagte die wunde! Um die Tapfern, die Treuen, die Wacht am Rhein, Um die Brüder, die heut' gefallen, — Um sie alle, es ging uns durch Mark und Bein, Erhob sie gebrochenes Lallen. Und nun kam die Nacht, und wir ritten hindann; Rundum die Wachtfeuer lohten; Die Rosse schnoben, der Regen rann — Und wir dachten der Todte, der Todten! Auf der Höhe Auf der Höhe, wo Ahorne Mächtig ihre Zweige breiten, Und im steingefaßten Borne Silberwellen singend gleiten, Dort erhebt im grünen Rasen Sich ein Ruhsitz, laubumhangen, Wo mir Seel' und Leib genasen, Als du kosend mich umfangen. Weicher schlagen da die Finken, Süßer tönt der Welle Rauschen Und der Zweige leisem Winken Ist es lieblich hier zu lauschen. Eh die Welle zieht von hinnen Schwankt sie, zögernd, ob sie bliebe, Wo sich weiche Winde minnen Un die Blume nickt: Ich liebe. Einem Gott gleich ... Einem Gott gleich zieh' ich ungebunden Durch die Frühlingslande auf und nieder; Alle Wälder, alle Felsenklüfte Rufen schallend meine Lieder wieder. Flügel möcht' ich noch den Winden leihen, Feuer möcht' ich in die Sterne tragen; Tausend Strudelquellen, tausend Ströme Möcht' ich jauchzend aus dem Felsen schlagen. Ja, der ersten Liebe heil'ge Gluten Schlagen über meinem Haupt zusammen, Und die Erde und die Himmel alle Glühen mit in diesen Opferflammen. Versorgung Fabeln Eingesperrt beim alten Pferd, Das im Radlauf wohlgelehrt, Stampft ein Kriegsroß voll Verlangen, In dem Siegeszug zu prangen. „Sei nicht thöricht!“ sagt der Gaul, „Hast's ja ruhig hier und lug', Hängt das Heu dir nicht ins Maul? Gibt's nicht Hafer überg'nug? Einzig hier wohnt wahres Glück; Glaub' es mir und meinen Jahren! Täglich hab' ich das erfahren.“ Und das Roß spricht stolz zurück: „Was hast du denn für Erfahrung? Nichts denn Kreislauf, Schlaf und Nahrung!“ Verkehrung Fabeln Die Wolke zerschlug das Ährengefild, Den Vogel der Luft und des Waldes Gewild. Da blickte die Blume verwundet hinan, Und klagte: „Was haben wir Übels gethan?“ „Nichts“, sagt die Wolke mit thränendem Blick; „Ich wollt' euch ja werden ein gutes Geschick; Ich wollt' euch erquicken mit frischem Thau, Dich Ährengefild, dich Blume der Au. Da hat mir des tückischen Frostes Gewalt Im Sturme die Tropfen zu Schloßen geballt!“ Die Alpen Unsre Berge lugen über's ganze Land Aus dem Rhonethale zu des Rheines Strand, Und in alle Gauen ruft ihr Freudenfeu'r! „Schweizermannen, haltet eure Heimat theu'r!“ Wie die Berge wurzeln unterm Meeresgrund, Steh' in Herzenstiefen Lieb' und Treu' zum Bund! Wie sie überblicken segnend alle Gau'n, Laßt uns allesammen zu den Brüdern schau'n! Rein ob Nacht und Nebel steht die Firn' in Glut; Wach bleib' und erleuchtet ehrenfester Muth! Stürmen Heereswolken in das Felsenland, Muß ihr Meer sich brechen an der harten Wand. O ihr Höhen Gottes, rufet überall: „Er, der aufgeworfen der Gebirge Wall, Machte Alpenauen zu der Freiheit Hort, Heißt sie grünen, leuchten ringshin fort und fort!“ Das Lied vom Zorn Kein Minnelied, kein Heldensang Von meiner Harfe heute tönt, Es ist ein andrer, wilder Klang, Von Fürstengnade nicht gekrönt, Es ist ein Lied, das ewig fließt Aus der Verjüngung heißem Born, Das glühend sich durchs Herz ergießt, Ein Donnerlied, das Lied vom Zorn! Kein farbenreiches Märchenbild, Kein prunkend gold'ner Königsthron, Kein Papst, in Seide eingehüllt, Gleicht ihm an Zauber, Kraft und Hohn; Sein Schwert ist der Vernichtung Kind, Sein Stachel ist der Rache Sporn, Drum braust es auch wie Wüstenwind, Ein Donnerlied, das Lied vom Zorn! Kein geiler Spott ihm Vater war, Nicht Ammenmilch hat es genährt, Aus düstern Wolken leuchtet's klar, Ein Blitz, der flammend niederfährt; Und ob ihr auch verschließt das Ohr Vor seiner Rede scharfem Dorn, Es scheucht euch dennoch jach empor, Ein Donnerlied, das Lied vom Zorn! Kein Heil'ger schuf's, kein Götze bleich, Es ist — ein Weckruf der Natur, Nicht trägen Schlummerklängen gleich, Verschwimmt es ohne Lebensspur. Sein Odem ist kein todter Wahn! Es weckt der Freiheit Samenkorn, Und strebt begeistert himmelan, Ein Donnerlied, das Lied vom Zorn! Hört ihr die alten Blätter fallen? Hört ihr die alten Blätter fallen? Unheimlich rasselt's in dem Wald, Es schüttelt ihn der Wind so kalt Und Frühlingsgeister ihn durchwallen. Die Blätter, dürr, an Grabesschwelle, Des grünen Baums erstorbner Schmuck, Sie weichen vor dem innern Druck Der neuerschloss'nen Lebensquelle. — — — Kaum daß die letzten Blätter fallen, Da tönen Lieder in dem Wald, Und der Verjüngung Lichtgestalt Sieht fröhlich man die Welt durchwallen. Doch Lösung bringt sie nur den Banden, Die die Natur sich selbst gelegt; Weh, wer noch andre Ketten trägt — Er hat das Leben nie verstanden! So kam es Im Norden deine Wiege stand, Am tiefen blauen See, So blau und tief wol wie dein Aug', In das ich träumend späh'. Die Arbeit hielt dich auf dem Schooß, Stolz hast du mir's erzählt, Wie du die Hand, wie du den Arm Voll Schaffenslust gestählt. Dein Vater war ein armer Mann, Doch sieh', ein hohes Gut, Das pflanzt' er tief in's Herz dir ein: Geduld und Jugendmuth. Die Mutter dein gab auf den Weg Dir klaren, frohen Sinn, So kam es, daß in Liebe nun Ich ganz dein eigen bin. Moderne Moral Nimm einen Thaler, bist du Sünder, Nein, mehr als das: bist Dieb, Nicht Gott noch Menschen lieb; Nimm tausend, bist du Schwindler schon, Doch nimmst du eine Million, Bist du nur Gründer! Rühret nicht daran! Wo still ein Herz von Liebe glüht, O rühret, rühret nicht daran; Den Gottesfunken löscht nicht aus — Fürwahr, es ist nicht wohlgethan. Wenn's irgend auf dem Erdenrund Ein unentweihtes Plätzchen gibt, So ist's ein junges Menschenherz, Das fromm zum ersten Male liebt. O gönnet ihm den Frühlingstraum, In dem's voll ros'ger Blüten steht; Ihr wißt nicht, welch ein Paradies Mit diesem Traum verloren geht. Es brach schon manch ein starkes Herz, Da man sein Lieben ihm entriß, Und manches duldend wandte sich Und ward voll Haß und Finsterniß; Und manches, das sich blutend schloß, Schrie laut nach Lust in seiner Noth Und warf sich in den Staub der Welt; Der schöne Gott in ihm war todt. Dann weint ihr wol, und klagt euch an, Doch keine Thräne heißer Reu' Macht eine welke Rose blühn, Erweckt ein todtes Herz auf's Neu'. Wenn sich zwei Herzen scheiden Wenn sich zwei Herzen scheiden, Die sich dereinst geliebt, Das ist ein großes Leiden, Wie's größres nimmer gibt. Es klingt das Wort so traurig gar: Fahrwohl, fahrwohl auf immerdar! Wenn sich zwei Herzen scheiden, Die sich dereinst geliebt. Als ich zuerst empfunden, Daß Liebe brechen mag: Mir war's, als sei verschwunden Die Sonn' am hellen Tag. Mir klang's im Ohre wunderbar: Fahrwohl, fahrwohl auf immerdar! Da ich zuerst empfunden, Daß Liebe brechen mag. Mein Frühling ging zur Rüste, Ich weiß es wohl, warum; Die Lippe, die mich küßte, Ist worden kühl und stumm. Das Eine Wort nur sprach sie klar: Fahrwohl, fahrwohl auf immerdar! Mein Frühling ging zur Rüste, Ich weiß es wohl, warum. Wie es geht Sie redeten ihr zu: Er liebt dich nicht, Er spielt mit dir — da neigte sie das Haupt, Und Thränen perlten ihr vom Angesicht Wie Thau von Rosen; o, daß sie's geglaubt! Denn als er kam und zweifelnd fand die Braut, Ward er voll Trotz; nicht trübe wollt' er scheinen, Er sang und spielte, trank und lachte laut, Um dann die Nacht hindurch zu weinen. Wol pocht' ein guter Engel an ihr Herz: „Er ist doch treu, gib ihm die Hand, o gib!“ Wol fühlt' auch er durch Bitterkeit und Schmerz: „Sie liebt dich doch, sie ist ja doch dein Lieb. Ein freundlich Wort nur sprich, ein Wort vernimm, So ist der Zauber, der euch trennt, gebrochen.“ — Sie gingen — sahn sich — o, der Stolz ist schlimm — Das Eine Wort blieb ungesprochen. Da schieden sie. Und wie im Münsterchor Verglimmt der Altarlampe rother Glanz — Erst wird er matt, dann flackert er empor Noch einmal hell, und dann verlischt er ganz — So starb die Lieb' in ihnen, erst beweint, Dann heiß zurückersehnt, und dann — vergessen, Bis sie zuletzt, es sei ein Wahn, gemeint, Daß sie sich je dereinst besessen. Nur manchmal fuhren sie im Mondenlicht Vom Kissen auf — von Thränen war es naß, Und naß von Thränen war noch ihr Gesicht; Geträumet hatten sie — ich weiß nicht was. Dann dachten sie der alten schönen Zeit, Und an ihr nichtig Zweifeln, an ihr Scheiden, Und wie sie nun so weit, so ewig weit. O Gott, vergib, vergib den Beiden! Zigeunerleben Im Schatten des Waldes, im Buchengezweig, Da regt sich's und raschelt's und flüstert's zugleich; Es flackern die Flammen, es gaukelt der Schein Um bunte Gestalten, um Laub und Gestein. Das ist der Zigeuner bewegliche Schaar, Mit blitzendem Aug' und mit wallendem Haar, Gesäugt an des Niles geheiligter Flut, Gebräunt von Hispaniens südlicher Glut. Um's lodernde Feuer im schwellenden Grün, Da lagern die Männer, verwildert und kühn, Da kauern die Weiber und rüsten das Mahl Und füllen geschäftig den alten Pokal. Und Sagen und Lieder ertönen im Rund, Wie Spaniens Gärten, so blühend und bunt, Und magische Sprüche für Noth und Gefahr Verkündet die Alte der horchenden Schaar. Schwarzäugige Mädchen beginnen den Tanz, Da sprühen die Fackeln in röthlichem Glanz, Heiß lockt die Guitarre, die Cymbel erklingt, Wie wilder und wilder der Reigen sich schlingt. Dann ruhn sie, ermüdet vom nächtlichen Reihn, Es rauschen die Buchen in Schlummer sie ein, Und die aus der glücklichen Heimat verbannt, Sie schauen im Traume das südliche Land. Doch wie nun im Osten der Morgen erwacht, Verlöschen die schönen Gebilde der Nacht; Laut scharret das Maulthier beim Tagesbeginn, Fort ziehn die Gestalten. — Wer sagt dir, wohin? Ich fuhr von St. Goar Ich fuhr von Sanct Goar Den grünen Rhein zu Berge; Ein Greis im Silberhaar War meines Nachens Ferge. Wir plauderten nicht viel; Die Felsen sah ich gleiten Dahin im Wellenspiel, Und dachte vor'ger Zeiten. Und als wir an der Pfalz Bei Caub vorüber waren, Kam hellen Liederschalls Ein Schiff zu Thal gefahren. Ins weiße Segel schien Der Abend, daß es glühte; Studenten saßen drin, Mit Laub umkränzt die Hüte. Da ging von Hand zu Hand Der Kelch von grünem Glaste; Das schönste Mägdlein stand In goldnem Haar am Maste; Sie streute Rosen roth Hinunter in die Wogen, Und grüßte, wie im Boot Wir sacht vorüberzogen. Und horch, nun unterschied Das Singen ich der Andern: Da war's mein eigen Lied, Ich sang es einst vom Wandern; Ich sang's vor manchem Jahr, Berauscht vom Maienscheine, Da ich gleich jenen war Student zu Bonn am Rheine. Wie seltsam traf's das Ohr Mir jetzt aus fremdem Munde! Ein Heimweh zuckt empor In meines Herzens Grunde. Ich lauschte, bis der Klang Zerfloß in Windesweben; Doch sah ich drauf noch lang Das Schifflein glänzend schweben. Es zog dahin, dahin — Still saß ich, rückwärts lugend; Mir war's, als führe drin Von dannen meine Jugend. Der Bildhauer des Hadrian So steht nun schlank emporgehoben Der Tempelhalle Säulenrund; Getäfelt prangt die Kuppel droben, Von buntem Steinwerk glänzt der Grund. Und hoch aus Marmor hebt sich dorten Das Bild des Donnrers, das ich schuf; Du rühmst es, Herr, und deinen Worten Folgt tausendstimm'ger Beifallsruf. Und doch, wie hier vor meinen Blicken Das eigne Werk sich neu enthüllt, Mich selber will es nicht erquicken, Und fast wie Scham ist, was mich füllt. Ob nichts am hohen Gleichmaß fehle, Ob jedem Sinn genug gethan: Kein Schauer quillt in meine Seele, Kein Unnennbares rührt mich an. O Fluch, dem diese Zeit verfallen, Daß sie kein großer Puls durchbebt, Kein Sehnen, das, getheilt von allen, Im Künstler nach Gestaltung strebt, Das ihm nicht Rast gönnt, bis er's endlich Bewältigt in den Marmor flößt, Und so in Schönheit allverständlich Das Räthsel seiner Tage löst! Wol bänd'gen wir den Stein, und küren, Bewußt berechnend, jede Zier, Doch, wie wir glatt den Meißel führen, Nur vom Vergangnen zehren wir. O trostlos kluges Auserlesen, Dabei kein Blitz die Brust durchzückt! Was schön wird ist schon dagewesen, Und nachgeahmt ist was uns glückt. Der Kreis der Formen liegt beschlossen, Die einst der Griechen Geist beseelt; Umsonst durchtasten wir verdrossen Ein Leben, dem der Inhalt fehlt. Wo lodert noch ein Opferfunken? Wo blüht ein Fest noch, das nicht hohl? Der Glaub' ist, ach, dahin gesunken, Und todter Schmuck ward sein Symbol. Sieh her, noch braun sind diese Haare, Und nicht das Alter schuf mich blaß; Doch geb' ich alle meine Jahre Für Einen Tag des Phidias; Nicht weil des Volks verstummend Gaffen, Der Welt Bewundrung ihm gelohnt; Nein, weil der Zeus, den er geschaffen, Ihm selbst ein Gott im Sinn gethront. Das war sein Stern, das war sein Segen, Daß ihn mit ungebrochnem Flug Der höchsten Urgestalt entgegen Der Andacht heil'ger Fittig trug. Er durft' im Reigen der Erkornen Voll Glanz noch den Olympos sehn, Indeß wir armen Nachgebornen In götterloser Wüste stehn. Da uns der Himmel ward entrissen, Schwand auch des Schaffens himmlisch Glück; Wol wissen wir's, doch alles Wissen Bringt das Verlorne nie zurück. Und keine neue Kunst mag werden, Bis über dieser Zeiten Gruft Ein neuer Gott erscheint auf Erden, Und seine Priesterin beruft. Aus Griechenland Drei Palmen über'm Bronnen, Ein braun Gefild umher, Und fern im Glanz der Sonnen Geklüft und blaues Meer. Rings weidet um die Palmen Die Heerde weiß und bunt, Und sucht nach saft'gen Halmen Am halbversengten Grund. Daneben lehnt im weiten Dichtwoll'gen Widdervließ, Ein Bild uralter Zeiten, Der Hirt am Schäferspieß. Scharf blickt er in die Runde Und pfeift dazwischen hell Dem zottig gelben Hunde, Der seiner Wacht Gesell. Der Mann, der Hund, die Ziegen, Palmbäume, Fels und See — Mir ist, als säh' ich liegen Ein Stück der Odyssee. Sah'n Himmel gleich und Erde Ihr alt Gesetz vergehn, Der Hirt mit seiner Heerde Blieb unverwandelt stehn. Am dritten September 1870 Nun laßt die Glocken Von Thurm zu Thurm Durch's Land frohlocken Im Jubelsturm! Des Flammenstoßes Geleucht facht an! Der Herr hat Großes An uns gethan Ehre sei Gott in der Höhe! Es zog von Westen Der Unhold aus, Sein Reich zu festen In Blut und Graus; Mit allen Mächten Der Höll' im Bund Die Welt zu knechten, Das schwur sein Mund. Furchtbar dräute der Erbfeind. Vom Rhein gefahren Kam fromm und stark Mit Deutschlands Schaaren Der Held der Mark. Die Banner flogen Und über ihm In Wolken zogen Die Cherubim. Ehre sei Gott in der Höhe! Drei Tage brüllte Die Völkerschlacht, Ihr Blutrauch hüllte Die Sonn' in Nacht. Drei Tage rauschte Der Würfel Fall Und bangend lauschte Der Erdenball. Furchtbar dräute der Erbfeind. Da hub die Wage Des Weltgerichts Am dritten Tage Der Herr des Lichts Und warf den Drachen Vom gülden Stuhl Mit Donnerkrachen Hinab zum Pfuhl. Ehre sei Gott in der Höhe! Nun bebt vor Gottes Und Deutschlands Schwert Die Stadt des Spottes, Der Blutschuld Herd; Ihr Blendwerk lodert Wie bald! zu Staub, Und heimgefordert Wird all ihr Raub. Nimmermehr dräut uns der Erbfeind. Drum laßt die Glocken Von Thurm zu Thurm Durch's Land frohlocken Im Jubelsturm! Des Flammenstoßes Geleucht facht an! Der Herr hat Großes An uns gethan. Ehre sei Gott in der Höhe! Auf glatten Fluten Auf glatten Fluten schwamm der Abendstern, Ein grünlich Gold umdämmerte die Fluren; Die Thürme Lübecks spiegelten sich fern Und leise zog der Nachen, drin wir fuhren. Die Luft war kühl, Gesang und Scherz zerrann Gemach in traulich flüsterndes Gekose, Ein weißer Mädchenarm griff dann und wann Ins seichte Blau nach einer Wasserrose. Nachdenklich saß die lieblichste der Schaar, Ein sechzehnjährig blühend Kind am Steuer; Den wilden Epheukranz im lock'gen Haar, Fast glich sie jener, die mir einst so theuer. Und plötzlich stand es vor der Seele mir, Mein ganzes Glück, mein ganzes Leid von weiland, Und tiefe Sehnsucht fiel mch an nach dir, Du meiner Jugend fernverscholl'nes Eiland! Im Oktober Nun braunt es herbstlich auf den Auen, Den bunten Forst entlaubt der Nord Und schwirrend steuert hoch im Blauen Der Zug der Wandervögel fort. Geheime Schwermuth rieselt bange Mir durch's Gemüth im Windeswehn — Fahr' wohl, mein Wald am Bergeshange! Und werd' ich grün dich wiedersehn? Ach, sicher trägt der Schwan die Kunde, Wann's Zeit zu wandern, in der Brust; Doch wer verkündet dir die Stunde, O Herz, da du von hinnen mußt? Es stand auf duftender Aue Spielmannsweisen Es stand auf duftender Aue Die Lilie im schneeigen Kleid Und prangte unter den Blumen, Als wäre sie herrlich gefeit. Wol brauste gegen sie wüthend Der Sturm vom Norden hervor, Sie beugte die lieblichen Glieder Und blühte nur schöner empor. Da hat sie mit giftigem Hauche Der buhlende Zephyr umglüht: Lilie, arme Lilie, Wie schnell bist du verblüht! Unter blühenden Bäumen Spielmannsweisen Unter blühenden Bäumen Hab' bei schweigender Nacht Ich in seligen Träumen Dein, du holde gedacht. Duftend streute die Linde Blüten nieder zu mir; Schmeichelnd kosten die Winde Wie ein Grüßen von dir. Und ein himmlisches Singen Schien vom Sternengezelt Leis herniederzuklingen Durch die schlafende Welt. Ich weiß eine trauliche Stelle Spielmannsweisen Ich weiß eine trauliche Stelle Auf stiller, einsamer Flur, Dort scheinet der Mond so helle, Ein Baum beschattet sie nur. Es trägt die moosige Rinde Verquollener Namen viel, Es treiben Vögel und Winde Im Laube ihr lustiges Spiel. Ein Mägdlein mit bleichen Wangen Sitzt dort wie in schwerem Traum, Die traurigen Blicke hangen Am alten, düsteren Baum. Der trägt auch zwei Namen, vereinet Zu einem, von Thränen bethaut; Was seufzet das Mägdlein und weinet, So oft sie die Namen schaut? Ich sehne mich nach einem jungen Herzen Spielmannsweisen Ich sehne mich nach einem jungen Herzen, An dem dereinst mein Herz sich neu belebt, Das frisch noch pocht, wann meins vor tiefsten Schmerzen Nur noch in qualvoll matten Schlägen bebt; Nach einem Haupt, umwallt von Jugendlocken, In dem ich mich verjüngt darf wiedersehn, Wann früh gebleichten Haares weiße Flocken Um meine denkensmüde Stirne wehn; Nach einer Hand, die jugendstark und leise Mich führe zu dem vorgesteckten Ziel, Wann mir vielleicht auf meiner Pilgerreise Der auch zum Kampf gebrauchte Stab entfiel. O süßer Traum, daß einst, wann längst verglühte Für mich des Herbstes letzter Sonnenschein, Noch eines Kindes holde Frühlingsblüte In meines Lebens Winter ragt hinein! Und daß dereinst, wann meine Augen brechen, Mich liebevoll umkränze Kindeshand, Daß Dornen nicht die Stirn im Tod noch stechen, Die lebend manchen Dornenstich empfand. O hohes Glück, das mir zu Theil geworden! Spielmannsweisen O hohes Glück, das mir zu Theil geworden! Jauchz' auf, mein Herz, und rausche, Cither mein, In deinen hellsten, wonnigsten Accorden Von meinem neugebornen Töchterlein. Doch ach! nicht darf ich an der Wiege stehen Bei dir, mein theures, heiß geliebtes Kind, Darf nicht in deine lieben Augen sehen, Ob sie wol meinen Augen ähnlich sind. Kann träumen nur von fernen, lichten Tagen, Da endlich du, vor allen Menschen mein, Darfst frei und stolz des Mannes Namen tragen, Von dessen Sein du selbst das schönste Sein. Kann flehen nur aus tiefstem Herzensgrunde Von Gott für dich, mein Kind, ein Loos herab, So wonnevoll, so selig wie die Stunde, Da meine Liebe dir das Leben gab. Kann flehen nur, daß dir der Himmel reiche Die Gabe reinster Frauenzierde dar, Damit die Tochter einst an Schönheit gleiche Der schönen Mutter, welche sie gebar. Kann flehen nur, da einzig Mannesliebe Dem Weib das wahre Glück des Lebens gibt, Daß dich dereinst ein Mann so innig liebe, Wie deine schöne Mutter ich geliebt. Des Kranken Liebe Da kommt sie, die holdselige Gestalt, Da kommt mein rosig Wunderkind gegangen, Daß mir in süßem Schreck das Herze wallt, Und fiebrisch glühen meine bleichen Wangen. Da geht sie hin im frischen Jugendreiz, In ihrer Schönheit unbewußtem Adel, Vom schlanken Nacken bis zum Saum des Kleids Ein Strahl der Unschuld ohne Fehl und Tadel. O selig, wer zuerst im Kusse sprengt Die Rosenknospe dieser keuschen Lippen, Wem diese reine Jugend unvermengt Den Thau der ersten Liebe gibt zu nippen! Wem diese Rehesaugen, feucht und braun, Im Trotz der Jugend jetzt noch scheu und schüchtern, Voll frommer Treu' dereinst ins Antlitz schaun, Mildleuchtend in der Liebe goldnen Lichtern! Wem — still mein Herz, mein thöricht Herz, was ist In kranker Brust dies für ein wildes Lodern? Weißt du nicht mehr, daß du in kurzer Frist Mußt, heißes Herz, in kühler Erde modern? Es neigt der Schönheit holde Majestät Ihr Scepter nur den Glücklichen, Gesunden, Der Freudenrausch der Liebe kommt zu spät In dieser Brust, der kranken, todeswunden. Wol hofft' ich einst, — es war ein schöner Traum — Mich könnte dieser Engel noch erlösen, Nur zu berühren ihres Kleides Saum, Und plötzlich müßt' ich alles Wehs genesen. Nein, süßes Kind, ich habe dich zu lieb, Nicht will ich deiner Jugend Rosen pflücken, Um mir damit, ein niedrig frecher Dieb, Ein Stündchen die zerlumpte Brust zu schmücken. Nein, geh' du hin im goldnen Sonnenduft, Den deine eigne Huld um dich verbreitet; Ich find' allein den Weg zu meiner Gruft, Wo mir mein einsam Bette steht bereitet. Nur bis verathmet diese kranke Brust, Vergönne, daß an deiner Schönbeit weide Mein sterbend Auge sich mit stiller Lust, Du meiner Seele letzte Erdenfreude. Und hörst du einst, daß dieses Herze brach, So soll sich drum dein schönes Aug' nicht feuchten, Nur lächelnd, in Gedanken, sende nach Mir einen Seufzer, einen leisen, leichten. Dann geh' in Frieden, — und all' Glück und Heil, Nach dem dies düstre Herz geseufzt vergebens, Blüh' dir zu Kränzen, du mein bess'res Theil, Du lichter Leitstern meines dunkeln Lebens! Die Rose im Staub Liegst am Boden, arme Rose, Eines losen Buben Raub, Blühtest ach! zu bess'rem Loose, Als zu welken hier im Staub! Doch der Knabe sah dich prangen Als des Gartens Königin, Und er fühlt' ein frech' Verlangen, Brach dich ab — und warf dich hin. Hätt' er treu dich heimgetragen, Sorgsam dich ins Glas gesetzt, Hätt'st du noch von Tag zu Tagen Dich erquickt und ihn ergötzt. Hätt' ein Frühlingssturm die Blätter Dir zerstreut erbarmungslos: Sterben unter Blitz und Wetter Ist ein schönes Blumenloos. Aber hat die holde Sonne Darum deinen Kelch enthüllt, Gott und Menschen ihn zur Wonne Mit dem süßen Duft gefüllt, Daß du sollst zur Beute werden Eines Buben kurzer Lust, Daß du schnöd' im Staub der Erden Dich zertreten lassen mußt? — Kommt ein Kind dich aufzulesen, Doch die Mutter wehrt und spricht: „Laß, wer weiß wem sie gewesen?“ Und das Kind begehrt dich nicht. — Gestern hätt'st du noch mit Ehren Einer Fürstin Brust geschmückt; Ach! und heute muß man wehren, Daß ein Kind sich nach dir bückt! — Und warum bei deinem Loose Mir das Herz vor Wehmuth bricht: Du in Staub getret'ne Rose, Ach! du bist die einz'ge nicht! Kindergottesdienst Matth. 21, 16 Aus dem Munde der Unmündigen hast du dir ein Lob zugerichtet. Es läuten zur Kirche die Glocken, Die Eltern, sie gingen schon aus, Drei Kindlein in goldenen Locken Die sitzen noch unter dem Haus. Die muntern unmüßigen Gäste Sind noch für die Kirche zu klein, Doch wollen am heiligen Feste Sie fromm wie die alten schon sein. Hat jedes ein Buch sich genommen Und hält es verkehrt auf dem Schooß, Draus singen die Schelme, die frommen, Mit schallender Stimme drauf los. Weiß selber noch keins, was es singet, Singt jedes in anderem Ton; Singt immer, ihr Kindlein, es dringet Auch so zu dem himmlischen Thron. Dort stehn eure Engel, die reinen, Und singen dem Vater der Welt, Der stets aus dem Munde der Kleinen Am liebsten sein Lob sich bestellt. Singt immer; da drüben im Garten, Da singt's in die Wette mit euch; Die Vögelein sind es, die zarten, Die zwitschern im jungen Gesträuch. Singt immer; ihr singet im Glauben, Das ist ja dem Heiland genug, Ein Herz ohne Falsch wie die Tauben Nimmt frühe gen Himmel den Flug. Singt immer; wir singen, die Alten, Und lesen die Schrift mit Verstand, Und doch ach! wie hundertmal halten Das Buch wir verkehrt in der Hand! Singt immer; wir singen die Lieder Nach Noten, so wie sich's gehört, Und doch — vom Gezänke der Brüder Wie oft wird der Einklang gestört! Singt immer; aus irdischen Hallen Der hehrste und herrlichste Chor, Was ist er? ein kindisches Lallen, Ein Hauch in des Ewigen Ohr! Ich möchte heim Hebr. 13, 14 Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir. Ich möchte heim, mich zieht's dem Vaterhause, Dem Vaterherzen zu; Fort aus der Welt verworrenem Gebrause Zur stillen, tiefen Ruh; Mit tausend Wünschen bin ich ausgegangen, Heim kehr' ich mit bescheidenem Verlangen, Noch hegt mein Herz nur einer Hoffnung Keim? Ich möchte heim. Ich möchte heim, bin müd' von deinem Leide, Du arge, falsche Welt; Ich möchte heim, bin satt von deiner Freude, Glückzu, wem sie gefällt Weil Gott es will, will ich mein Kreuz noch tragen, Will ritterlich durch diese Welt mich schlagen, Doch tief im Busen seufz' ich insgeheim: Ich möchte heim. Ich möchte heim; ich sah in sel'gen Träumen Ein bess'res Vaterland, Dort ist mein Theil in ewig lichten Räumen, Hier hab' ich keinen Stand: Der Lenz ist hin, die Schwalbe schwingt die Flügel Der Heimat zu, weit über Thal und Hügel, Sie hält kein Jägergarn, kein Vogelleim, — Ich möchte heim. Ich möchte heim; trug man als kleines Kindlein Mich einst zu Spiel und Schmaus, Ich freute mich ein leichtes kurzes Stündlein, Dann war der Jubel aus; Wenn sternhell noch der Brüder Auge blitzte, In Spiel und Lust sich erst ihr Herz erhitzte, Trotz Purpuräpfeln, goldnem Honigseim: Ich wollte heim. Ich möchte heim; das Schifflein sucht den Hasen, Das Bächlein läuft ins Meer, Das Kindlein legt im Mutterarm sich schlafen, Und ich will auch nicht mehr; Manch Lied hab' ich in Lust und Leid gesungen, Wie ein Geschwätz ist Lust und Leid verklungen, Im Herzen blieb mir noch der letzte Reim: Ich möchte heim. Herbstgefühl 1 Cor. 7, 31 Das Wesen dieser Welt vergehet. Müder Glanz der Sonne! Blasses Himmelblau! Von verklungner Wonne Träumet still die Au'. An der letzten Rose Löset lebenssatt Sich das letzte, lose, Bleiche Blumenblatt. Goldenes Entfärben Schleicht sich durch den Hain; Auch Vergehn und Sterben Däucht mir süß zu sein. Der öde Garten Einsamer Garten, Öde und leer, Grämt dich das Warten? Kommt sie nicht mehr? Stehst so verstummet, Sonneverbrannt, Bienchen nur summet Müde durchs Land. Blühet ein andrer Garten so fern, Aber der Wandrer Sieht ihn nicht gern, Dorten gar stille Ging sie zur Ruh, Blumen die Fülle Decken sie zu ... Welch' frohe Kunde! Welch' frohe Kunde zu uns dringt! Hast du nicht auch sie schon vernommen? Horch, wie es ringsum singt und klingt: Der Frühling ist ins Land gekommen! Der Lenz ist da! In froher Lust Ertönen rings die Freudenglocken. Der Lenz ist da! Aus jeder Brust Erschallet Jauchzen und Frohlocken. Die Menschen singen es so hell — Die Lüfte wehen es so leise — Das Blatt am Baum, im Thal der Quell, Sie stimmen an dieselbe Weise. Auch aus den Liedern, die im Feld Die Vögel zwitschern, tönt es wieder: Im Frühling ist die ganze Welt Ein einzig großes Buch der Lieder. Bild des Todes Nicht plötzlich streift des Winters kalte Hand Der Wälder Schmuck, der Blumen Prangen! Bevor er naht, hat er den Herbst gesandt, Der manches Blatt dem Baum vorher entwandt, Bis kalt und streng der Winter kommt gegangen. Manch Ästchen löst sich leise wie im Spiel, Ein andres hat der Sturm zerschmettert, Ein frisches Laub ward gier'gen Wurmes Ziel, Das andre welk zur Erde niederfiel, Bis ganz der Wald verlassen und entblättert. Es löst vom Lebensbaum sich Blatt um Blatt, Eins frisch, eins welk, in Lust, in Leiden, So daß zuletzt das Herz, des Scheidens satt, Zur Ruh' sich sehnt, vom Lebenswechsel matt, Wo sich der Erde Flocken drüber breiten. Reue So nahte sie, des Scheidens düst're Nacht: Du weintest still, — ich hatte keine Thräne! Stumm seufzend hab' ich schmerzvoll sie durchwacht, Dann kam der Tag. Wir schieden still und sacht; So ziehn auf dunkler Flut die stillen Schwäne. O, daß sie nahte, jene düst're Nacht! Mir kann Entfernung Ruhe nimmer bringen, Nur neune Schmerzen hat sie mir gebracht; Wie oft hab' seufzend ich seitdem gedacht: Ach, daß wir damals von einander gingen! Grabschrift Ihr Götter, diese eine Bitte hört: Gebt es nicht zu, daß Heuchelei mich stört, Daß weine, wer, da Leben mir getagt, Nach meinen bittern Thränen nie gefragt; Und laßt nicht Blumen streuen eine Hand, Die Dornen nur mir gab im Erdenland. Du aber, Fremdling, eile rasch hier fort! Was sucht das Leben am Verwesungsort? Was soll dein Mitleid, was das Trauern mir? Dem Leben gib's, das gibt dir Dank dafür. Sinnst du des Todes Räthsel? Sei kein Thor; Du bleibst so klug doch ewig wie zuvor. Mein armer Staub kann dir die Weisung geben: Der Tod ist nichts — und Alles ist das Leben. 1. Blaue Cyane! Ritornelle Blaue Cyane! Du winkst dem Schnitter freundlich zwischen Ähren, Auf daß dem Blau ihn an den Himmel mahne. 2. Die Maienglocken Ritornelle Die Maienglocken Drängt es, mit Duft den Frühling einzuläuten, Zu zart, um Klang den Blüten zu entlocken. 3. Einfache Raute! Ritornelle Einfache Raute! Wenn bunte Blumen hell das Leben zieren, Folgst du ins Grab als einzige Vertraute. Das Märchen vom Geist Den verdammten Kerl, den Geist Den verdammten Kerl, den Geist, Müssen wir doch kriegen, Daß dem Demagogen nicht Wir noch unterliegen! Zehn Mal Hunderttausend Mann! Auf, Soldaten, d'rauf und d'ran! Ladet die Gewehre! Rettet uns're Ehre! Und sie schießen, wuthentbrannt Selbst sich todt, die Blinden; Sie vernichten Stadt und Land: Geist — ist nicht zu finden. Das hier ist die letzte Stadt, Hier müßt ihr ihn fassen! Seht! verwegen hüpft er dort, Munter durch die Gassen. Polizei, entwickle dich! Du ergreifst ihn sicherlich; Ist er dein geworden, Schmücke dich ein Orden. Geist schaut dort, im letzten Haus, Aus dem Erkerstübchen, Lachet die Spione aus, Und schabt ihnen Rübchen. Jetzt entwischt er uns nicht mehr, Jetzt ist er gefangen! Morgen soll der Bösewicht Schon am Galgen hangen. Schnell, die Stufen hier hinauf! Hurtig, sprengt die Thüre auf! Greift den Kerl, da sitzt er! Aus den Augen blitzt er! Geist schlüpft in ein kleines Buch, Deckt sich zu mit Lettern: Sicher ist er da genug, Wie sie spähn und blättern! Schließt das Buch und bindet's zu! Ohne zu bekennen Soll er auf dem Markt sogleich Mit dem Buch verbrennen! Richtet schnell den Holzstoß her! Auf, Soldaten ins Gewehr! Lodert, lodert, Flammen! Gott soll ihn verdammen! Wundersame Melodien Hört die stumme Menge, Und in alle Herzen ziehn Diese Zauberklänge. Plötzlich donnert's durch den Dampf Wie ein fern' Gewitter; Lichtumflossen steigt empor Draus ein gold'ner Ritter. Auf, ihr Völker! ruft er laut, Auf zum Freiheitskriege! Wer dem ew'gen Geist vertraut, Den führt er zum Siege! Moral Wie sie martern ihn und wie Trachten nach dem Leben: Gott der Herr wird nun und nie Seinen Geist aufgeben. Die Ruinen „Ach, wie ungemein poetisch Die Ruinen auf den Höh'n!“ Fräulein, sie sind sehr ästhetisch; Ja, Ruinen, die sind schön. Und das Fräulein — drob geschmeichelt — Fährt in der Extase fort Während sie den Bulldog streichelt — „Wie poetisch ist es dort!“ „Grüner Wald, das ew'ge Leben, Immer sprossend, immer jung, Und der greise Stein daneben: Träumende Erinnerung!“ „Epheu schlingt sich um die Blöße, Will sie grün erhalten noch; O du Bild zerfall'ner Größe, Wie poetisch bist du doch!“ Fräulein, Sie sind sehr ästhetisch; Sie empfinden schön und wahr, Und Sie sagen's so pathetisch, Daß es selber mir wird klar. Ja, ich sehe: auf den Höhen Sind nur noch Ruinen da! Wo die alten Zwinger stehen Rauscht der Wald Hallelujah! In die Burgen der Tyrannen Drang der Geist zerstörend ein, Trieb die Räuberbrut von dannen, Warf hinunter Stein auf Stein. Heil'ger Geist, du ein'ge Dreiheit, Gott im Menschen, habe Dank! Auf den Bergen schon ist Freiheit, Herrscht im Thal auch noch der Zwang! Heiser schreien dort die Raben Um den Schutt der Tyrannei: Ihre Knochen sind begraben, Und der Geist, der Geist ist frei! Ja, mein Fräulein, gottvertrauend Schau ich auf die stolzen Höh'n! Hochpoetisch, herzerbauend Sind Ruinen, wunderschön! Wunderschön die düst'ren Mienen Durch das grüne Laubgewind'! Doch das Schönste an Ruinen Ist, daß sie Ruinen sind! Der Adelige Dieser Mann mit wicht'ger Miene, Einen Orden auf der Brust, Trägt die Nase hoch und rümpft sie Über die gemeine Lust. Wie sie plaudern rings und lachen, Er bleibt immer ernst und stumm; Er hat zweiunddreißig Ahnen Und ist ungeheuer dumm. Weiter ist er Nichts hienieden; Doch ist sein Verdienst nicht klein: Wenn er selig einst verstorben, Wird er auch ein Ahne sein. Verborgenheit Mögt ihr hinaus durch alle Räume schweifen, In jedem Blick ein Glück der Liebe schauen, Aus jeder Stunde mag Genuß euch thauen, Und jede Frucht für euch erquickend reifen: Mir genügt es, einsam durch die Flur zu streifen, Von fern zu sehn Gestalten schöner Frauen, Zum Himmel still und heiter aufzuschauen, Nach Blüten lässig, ohne Zweck zu greifen; Gekannt von Wen'gen, im verborgnen Frieden, Von Wünschen frei, befreit auch von Beschwerden, Nichts sein und wollen, was mir nicht beschieden: Wol manches Glück ward ausgetheilt auf Erden, Kein schön'res aber dünkt mich gibt's hienieden, Als dies Vergessen und Vergessenwerden. Die letzte Rose Da welkt am Fenster die letzte Rose! Leb' wohl, leb' wohl, du armes Kind! Es grüßet dich, die thränenlose, Vom Norden der Wind, der eisige Wind. Vom Norden der Wind — er klopft an die Scheiben, Er klopft mit den starren Fingern an! Er will an das weinende Fenster schreiben, Was die böse Welt uns angethan. Kein rettender Thau wird dir erscheinen! O Rose, dein Kelch ist ein Kelch der Passion! Wir haben beide verlernt zu weinen; Wir sind so jung noch und welken schon. Marie Marie, am Fenster sitzest du, Du einfach Bürgerkind, Und siehst dem Spiel der Blüten zu Verweht im Abendwind. Der Bürger, der vorübergeht, Er lüftet fromm den Hut. Du bist ja selbst wie ein Gebet, So fromm, so schön, so gut. Die Blumenaugen sehn empor Zu deiner Augen Licht! Die schönste Blum' im Fensterflor Ist doch dein Angesicht. Ihr Abendglocken, grüßet sie Mit süßer Melodie! O brech' der Sturm die Blumen nie, Und nie dein Herz, Marie! Was schreibt die Woge in den Sand? Was schreibt die Woge in den Sand? Sie schreibt hinein ihr bittres Leiden, Ihr ewig Kommen, ewig Scheiden, Die kurze Rast am theuern Strand. Ich aber starr' ins Meer hinaus! Mein selig Hoffen, freudig Lieben, Ich hab' es in den Sand geschrieben: Die nächste Welle löscht es aus. Wo mag ich sie finden? Wo mag ich sie finden, Die mir der Himmel erkor? Vielleicht in der Heimat, Wo finstere Tannen stehn? Oder drüben, weit über dem Meer, In der Zone des ewigen Sommers, Wo Palmen stehn und Bananen? Vielleicht im Gewühle der Menschen? Im Hause des Armen? Oder beim Klirren der Gläser Im Palaste des Reichen? Im Arm einer liebenden Mutter, Oder in der Gewalt eines Frevlers? O sage mir, leuchtende Sonne: Wo mag ich sie finden, Die mir der Himmel erkor! Der alte Schnitter Es mähet im Ährenfelde Ein Schnitter mit weißem Haar; Ein Lächeln umspielt sein Antlitz, Sein Blick ist heiter und klar. Er denkt an die ferne Jugend Und erste Heimat zurück, Und wie ihm erst in der Fremde Hinalternd gelächelt das Glück. O Schnitter! Dein Glück ist ein kurzes, Schon grüßt dich das Abendroth, Und hinter dir, kalt und finster, Steht mit der Sense der Tod! Orientalisches Sonett Im Garten wandeln weiße Sultansfrauen; Wol athmen Plätscherbronnen Abendkühle, Doch Flüsterbüsche hauchen Weihrauchschwüle Und aus dem Düster warme Augen schauen. Wie magst du, Padischah, dem Zwinger trauen? Dort lugt der Mond herab vom Wolkenpfühle Und zieht hinan die zartesten Gefühle, Dem Zephir weicht der Schleier gar, dem schlauen. Es bebt der Myrthen reine weiße Blüte, Es quillt ein tiefes Weh aus Bülbüls Sang, Wie wird euch, schöne Frauen, zu Gemüthe? Schwand alle Sehnsucht nach der Heimat hin, Wo frei und heilig ist der Liebe Drang? O Griechenmädchen! O Circassierin! Morgensehnsucht Sie schwebt empor, und Glanz und Wonne Durchzuckt ihr weites Wanderzelt! Berührt vom Strahlenkuß der Sonne Wacht auf und wächst die ganze Welt. Im Morgenhauch, in Morgengluten Wie schwillt das Herz so sehnsuchtsvoll! Es möchte jauchzend überfluten Und weiß nicht, was es stammeln soll. Die Wölklein, die so hold erblühen, Sie tauchen all' ins volle Licht Und schmelzen freudig und verglühen Vor ihrer Herrin Angesicht. Und meine Seele schlägt die Schwingen Und möchte weit, unendlich weit Auf goldnen Strahlengleisen dringen In lautre Lichtesseligkeit. Was du mir bist Was du mir bist, mein schönes Kind? Nach langer Winternacht Der erste Maientag — Die erste Knospe, die erwacht Im Blütenhag, — In blauen, lauen Lüften lind Der erste Lerchenschlag. Mein gutes Kind, was du mir bist? Was dem, der pfadberaubt, Die Rast, das Wanderziel, — Was dem verfehmten Haupt Ein traut Asyl, — Was dem ein Samariter ist, Der unter Mörder fiel! Versäumt Ich ziehe finster des Weges, Der ferne von deinem liegt, Von deinem Pfade, dem stillen, Der nie zu meinem sich biegt. Und ob wir wandern und fragen Und suchen, ich und du, Nie neigen getrennte Bahnen Aufs Neu' einander sich zu. Wir haben allein die Sonne Am weiten Himmel gemein, Und wenn's mich einsam umnachtet, Schließt gleiches Dunkel dich ein. Wol trafen wir einst zusammen, Doch schritten wir stumm beiseit Und Jedes dachte im Herzen: Es ist ja noch immer Zeit, Noch immer schaut dich mein Auge, Noch dringt dir mein Ruf ans Ohr — So zogen wir säumend weiter, Bis Eins das Andre verlor. Gewitterregen Wie grimm du magst die Flügel schlagen, O Sturm, ich achte dein nicht viel Die schweren Tropfen, wie sie jagen? Ich schöpfe dreist frohlockendes Behagen Aus wildem Plätscherspiel. Mir ist, als könnt' ich schier gesunden, Wenn solch ein Tropfen groß und voll Den Weg in meine Brust gefunden, Zur Stelle, wo die brennendste der Wunden Und wo der tiefste Groll. Du kannst nicht treu sein Du kannst nicht treu sein, was dein Mund auch schwört Von ewiger, unwandelbarer Liebe, Ich hab' es immer nur zu gern gehört Und wußt' doch längst: kein Glück gibt's, das da bliebe! Was du noch fühlst, ist Mitleid, wol nur Pflicht, Nicht grausam willst du mich schon gehen heißen, Doch bange Ahnung stündlich in mir spricht: Bald bricht der Tag an, wo die Fesseln reißen! Geh und sei frei — befreit für alle Zeit! Das Leben bleibt ja doch ein ew'ges Scheiden. Für die genoss'ne hohe Seligkeit Will ich der Trennung Qualen gerne leiden. Ein Räthsel Wie du nur leben konntest, eh du mich gekannt, Eh liebend Seele sich in Seele senkte, So gleichgestimmt, so innig sich verwandt, Daß nur ein Wunsch, ein Wille beide lenkte: Das schien dir räthselhaft! ... Doch allzubald War deiner Stimme Schmeichellaut verhallt! Mir bleibt's ein Räthsel, daß du mir entrannst, Daß ohne mich du ferner leben kannst, Wenn du, mein Freund, dir selber treu geblieben. Ich frage stets, enteilt auch Jahr um Jahr: Wie kannst du leben, seit du mich vertrieben, Da ich das Liebste dir auf Erden war?! Ein Wiedersehen Das erste Mal — Wie bebt' ich drum! — Ein Wiedersehn! Doch welche Qual, Sich fremd und stumm Vorübergehn. Ob du voll Ruh Mir zugewandt Dein Angesicht, Ob arglos du Mich nicht erkannt, Ich weiß es nicht. Das Aug' verhüllt. Vor Weh so bald Die Thräne schwer, Als ob's vom Bild Der Huldgestalt Geblendet wär'. Was sprachst du doch? Ein Wanken dann, Ein leiser Schrei — Und eh ich noch Mich recht besann, Vorbei, vorbei! Gleichgestimmte Seelen Mit vielen, die man möchte meiden, Hält jahrelang man Schritt, Und nimmt an sie dann doch beim Scheiden Kaum ein Erinnern mit. Oft wieder braucht's nur wenig Stunden, Daß Menschen sich verstehn; Das hab' ich heut' so recht empfunden, Als du nur kamst: zu gehn! Der Knabe aus Tyrol Du kamst so frisch und fröhlich noch Dort aus den Bergen her; Was machte dir so balde doch Dein armes Herz so schwer? Fahr wohl, fahr wohl, fahr ewig wohl, Du schöner Knabe aus Tyrol! Ich bin so gern an deinem Grab, Ich war dir immer gut; Und wenn ich dir's verheimlicht hab', Mir fehlte nur der Muth, Fahr wohl, fahr wohl, fahr ewig wohl, Du schöner Knabe aus Tyrol! Wo gern die Seele dir sich schwang Ins ferne Heimathaus, Da sinn' ich ganze Tage lang Und sinn' es doch nicht aus. Fahr wohl, fahr wohl, fahr ewig wohl, Du schöner Knabe aus Tyrol! Erblickt' ich nicht den Hügel dein Durch's schwarze Gitterthor, Du könntest nicht so ferne sein, Kommt mir's bisweilen vor. Fahr wohl, fahr wohl, fahr ewig wohl, Du schöner Knabe aus Tyrol! Ein Vöglein aus dem Zillerthal Das flog uns gestern zu; Das frägt vom Baum viel tausendmal: „Was macht der Hirtenbu?“ Fahr wohl, fahr wohl, jahr ewig wohl, Du schöner Knabe aus Tyrol! Ich sehe hin und könnte sehn Bis in die Nacht hinein; Könnt' ich für dich hinuntergehn Und todt statt deiner sein! — Fahr wohl, fahr wohl, fahr ewig wohl, Du schöner Knabe aus Tyrol! Abendlied Schallendes Hämmern Tief unten im Thal. Streitendes Dämmern Mit sterbendem Strahl. Nahe wie ferne Der Glocken Geläut, Leuchtende Sterne Am Himmel zerstreut. Frieden und Schlummer Ihr kehret nun ein, Scheuchet den Kummer Und löset die Pein. Thurm-Choral Die Stadt liegt noch im Werktagsrauche Und spiegelt trüb im Fluß sich ab, Da tönt uralt mit sanftem Hauche Der Sonntagsgruß vom Thurm herab. Des Erzes weitgetragne Stimmen Erschallen in den reinen Höh'n; Die Sterne fangen an zu glimmen Und fromm verstummet das Getön. Nach dem Gewitter Das Wetter ist fern gezogen Und donnern hör' ich mehr kaum; Noch sind die Sträucher gebogen, Die Tropfen fallen vom Baum. Vom Baume fallen sie leuchtend In goldne Gräser hinein, Die heiße Stirne mir feuchtend Im ruhigen Abendschein. Resignation Folge dunklem Lebensdrange, Nähre Himmelslicht in dir; Achte, wie's zu End' gelange, Aber hoffe nichts dafür! Ob ein Greis mit hundert Jahren Weise in die Grube fährt, Ob ein Jüngling unerfahren, — Was war all das Treiben werth? Bald weiß keiner mehr zu sagen, Wer du warst und wie dein Bild, Das sie welk hinausgetragen In ein blühendes Gefild. Jeder Wehruf ist verschollen, Jede Klage ist verweht, Wo mit seinem wechselvollen Loos ein neu Geschlecht ersteht. Andrer Jugend goldne Tage, Andern Alters steile Bahn, Neue Freude, neue Klage, Alles hebt von Neuem an. Der Jäger O Jäger, seit dein Blick mich traf Und aufgescheucht, Mein Schlaf ist wie des Wildes Schlaf, Das man beschleicht. Wie Hirsch und Rehe, die einmal Geflohn vor dir, Hinhorchen Nachts ins stille Thal, So geht es mir. Oft fahr' ich auf im wilden Schreck, Noch tagt es kaum; Ich seh' dich kommen kühn und keck Im halben Traum. Die verlassene Fischersbraut In der Ferne geht sein Nachen Und sein Netze blinkt. Mag er treulos meiner lachen, Wenn sie drüben winkt. Dort im Laub die wilden Tauben Kennen Falschheit nicht. Mag die Dirne alles glauben, Was er ihr verspricht. Mag er heißen sie sein Liebchen, Wie er's mit mir trieb, — Komm, mein krankes, bleiches Bübchen, Komm, es wird so trüb. Falter und Rosen Sprach eine wilde Ros' am Zaun: Bei mir waren alle Falter traun Und alle Bienen und Immen Mit ihren süßen Stimmen. Sprach eine andre wilde Ros': Nur Einem bot ich meinen Schooß, Einem jungen Schmetterlinge; Vor ihm sind alle geringe. Am Tag darauf war keine mehr, Die Falter trieben hin und her Fern von den blätterlosen; Sie dachten an junge Rosen. Stätte der Erinnerung Ich sah an einem stillen Ort Das Gras sich sacht erfrischen; Ich sah ergrünen, was verdorrt, Ich dacht' wol an ein Liebeswort; Der Winter lag dazwischen. Mein Herz, was wird dir gar so bang? Die Blumen blühn aufs Neue Und wieder tönt der Vogelsang; Dir schien der Winter ja so lang; Was quält dich Lieb' und Treue? Du siehst doch an der Sonne Licht Den Wald sich schnell belauben; Und sagt dir ein Vergißmeinnicht: Ich lieb' dich, bis mein Auge bricht, Du brauchst es nicht zu glauben. Die Linde blüht am Waldessaum Und deckt mit kühlem Schatten Das stille Plätzchen unter'm Baum. Wol kenn' ich's noch, es war ein Traum, Den wir zusammen hatten. Die Spuren such' ich vor dem Wald, Wo wir im Gras gelegen. Die Blätter sind herabgewallt; Jetzt blühen Blümlein mannichfalt Und lachen mir entgegen. Grott grüß' dich, lieb' Blauveigelein! Dir nebenan so gelbe, Das muß ein Schlüsselblümchen sein. Und bist du's nicht auch, Vögelein? Ei doch, du bist dasselbe. Ich sehe wol, die weite Welt Ist ganz die alte blieben. Ein Kuckuk Fastenpredigt hält: Wenn dir das Scheiden nicht gefällt, Was brauchst du dann zu lieben? Schattenleben Still ist's, wo die Gräber sind Meiner Liebe; Nur bisweilen klagt der Wind Bang und trübe. Seh' die Schattenwelt auf Erden Rings vergehen, Fühle Alles spurlos werden Und verwehen. Im Walde So einsam ist es um mich her, So friedlich und so still, Wenn nicht das Leid im Herzen wär', Das nimmer schweigen will. Die Vöglein singen dort und hier, Im Wipfel lind es bebt, Es steht ein fernes Grab vor mir — Ist's wahr, daß ich's erlebt? Zwei Falter fliegen ab und zu, Wo eine Knospe sprang: So schwärmten wir einst, ich und du, Den grünen Wald entlang. Ihr Grab Es blüht ein Grab in treuer Hut, Das beste Herz darinnen ruht Zu oberst blühen Rosen roth — Dein Mund so manchen Kuß mir bot. Und weiter ab die Lilie blüht — Dein Herz hat rein für mich geglüht. Zu Füßen liegt ein grüner Kranz; — Ich schwang dich oft im Maientanz. Die Leute gehen d'ran vorbei, Mir aber bricht das Herz entzwei. Schlummerlose Nächte Legt mir unter's Haupt Melissen; Meine Träume sind so wild. Ihrer Grabesnacht entrissen Schwebt vielleicht ihr süßes Bild Über mein verödet Kissen. Fremd in der Heimat In der Heimat war ich wieder, Alles hab' ich mir besehn. Als ein Fremder auf und nieder Mußt' ich in den Straßen gehn. Nur im Friedhof fern alleine Hab' ich manchen Freund erkannt, Und bei einem Leichensteine Fühlt' ich eine leise Hand. Kalender-Frühling Heut', da Frühling werden sollte, Ging ich trostvoll durch den Wald, Aber nirgend noch der Holde Sich dem Blick verrathen wollte, Doch da ich ihm fast schon grollte Sang ein Vöglein leise: bald! Des Kindes Scheiden Über des Bettes Haupt flog säuselnden Fluges ein Engel, Und des Unsterblichen Blick fiel auf das schlafende Kind. Wie sein eigenes Bild im Spiegel silberner Wellen Lächelt freundlich und hold an ihn die süße Gestalt. Leise sinkt er herab, sich freuend der lieblichen Täuschung, Und tritt lustigen Schritts neben das schlafende hin. Ach! es schlummert so süß, und Unschuld und himmlischer Friede Säuseln im Athem des Munds, ruhn auf der silbernen Stirn, Kräuseln zum Heiligenschein des Hauptes goldene Locken, Ruhn, wie ein Lilienzweig, in der gefalteten Hand. Freundlich lächelt der Engel; doch bald umwölkt sich sein Antlitz, Trüb, mit brütendem Ernst, wendet er seufzend sich ab. Er überschauet im Geist den Sturm der kommenden Tage, Dem die Eiche nur steht, welcher die Blume zerknickt; Rauschen hört er des Unglücks seelenmordende Pfeile, Wider die Unschuld und Recht nur ein zerbrechlicher Schild; Thränend sieht er das Aug', das weich die Wimper bedecket, Und zerschlagen die Brust, die jetzt athmend sich hebt. Banges Mitleid erfaßt die Seele des himmlischen Boten, Fragend sieht er empor, und — der Allmächtige nickt. Da umfängt er den Nacken, und küßt die zuckenden Lippen; Spricht: „Sei glücklich, o Kind!“ — und — die Kleine war todt. Am Hügel O Hügel! sanft von Steinen aufgeschichtet, Die saftig Gras und Alpenmoos umzieht, Von deinem Haupt ein Baum emporgerichtet, An dem die Vogelbeere glüht; Indeß am Fuß in buntgemischter Reihe Der Schwarzbeer' dunkle Frucht und helles Kraut Hoch überragt von Weidrichs Veilchenbläue, Dir einen Thron, sich eine Freistatt baut. Wie schön blickst du herab von deiner Höhe, Wie würdig stellst du dich dem Auge dar! Der Wandrer steht entzückt in deiner Nähe, Und sucht beinah nach Weihort und Altar. Gewiß auch, rollten noch die alten Zeiten, Da unentzweit der Gott und die Natur, Ein Schutzgott würde hier sich Sitz bereiten, Wo Gräser jetzt, hilflose Blumen nur. Doch da ich solches kaum gewagt zu denken, Straft Lügen mich ein schauerndes Gefühl; — Ich fühle Geister sich herniedersenken Und mich umlispeln in der Winde Spiel. Erinn'rung kommt, der stillvertraute Zeuge. Von dem, was einst das Glück mir hier verlieh, Und, wie geschloßnen Augs ich mich hinüberbeuge, An ihrer Hand die Poesie. Ewige Nacht Nur einmal zögert's, Stellt sich nicht ein, Das helle Frühlicht, Der Sonnenschein. Das ist am Morgen Zu jener Frist, Da Nachts du vorher Gestorben bist. Hab' dreimal sie an der Weide gesehn — Hab' dreimal sie an der Weide gesehn, Mußte dort immer vorübergehn. Wußt' vor Entzücken nicht wie mir geschah, Als ich zum ersten Mal sie sah: Blickte ins Wasser und flocht ihr Haar, Sang Liebeslieder so hell und klar. — Ihr Aug' war trübe, von Thränen bethaut, Als ich zum zweiten Mal sie erschaut: Blickte hinab in den tiefen See, Sang wol ein Lied von Liebesweh! — Sah sie nun wieder am Uferrand, Weidengezweig in der starren Hand, Welke Blüten im feuchten Haar: Freude wie Leid — vorüber war. Dem Friedhof gleicht mein armes Herz — Dem Friedhof gleicht mein armes Herz, Der Stätte stiller Klagen: Drin ruhen meine Hoffnungen Aus frohen Jugendtagen. Ich zähle manchmal düstern Blicks Die vielen Leichensteine, Und weiß nicht wie es kommt, daß ich Bei einem immer weine. „Hier ruht der Hoffnung süßeste!“ — So ist darauf geschrieben: Die Hoffnung einst geliebt zu sein: „Die Seligkeit zu lieben!“ An Helene Wenn ein Herz verrathen worden, Das mit erster Glut geliebt, Kann es nimmer ganz gesunden, Bleibt bis in den Tod betrübt. Denn das Bild der Ungetreuen Schwindet nie aus unsrer Brust: Ob wir auch zu hassen wähnen, Lieben wir doch unbewußt! Magst du auch dem Wesen fluchen, Das den Schwur der Treue brach, Der Erinnerung Schmerzenstöne Klingen stets von Neuem nach. Und gar Manches, das uns früher Lieblos und verwerflich schien, Sehen wir in milderm Lichte, Wenn die Leidenschaft dahin. — Also ging es mir auch heute Und nicht zürnend dacht' ich dein, Dir vergebend und dich segnend, Schlief ich unter Thränen ein. Die Nacht „Laß mich am Busen ruhen, O komm du lust'ge Nacht!“ So sang ich ein schelmisches Liedchen, Das ich mir vor Zeiten erdacht. Und wie mit einem Male Sah ich ein bleiches Weib; Es umwallten die dunklen Haare Den wundersam schönen Leib. Und als ich nun verstummte, Hob traurig sie das Haupt: Da hab' ich viel schimmernde Sterne Im Auge zu sehen geglaubt, Und als sie dann erzählte So manche düst're Mähr: Da glaubt' ich vor Leid zu vergehen, Fand Schlummer erst spät und schwer. Seit dieser Zeit kommt immer Das bleiche Weib zu mir: Kaum seh' ich die schimmernden Sterne, So traure und wein' ich bei ihr! — Abgelebt Der Friedhof nimmt zu gleicher Zeit Zwei neue Gäste auf; Zwei Bursche sind's: wie schlossen die So schnell den Lebenslauf! Den Einen bringen Hunderte In eine Gruft von Stein; Den Andern scharrt man theilnahmslos Mit andern Bettlern ein. Und wie der Prunk vorüber war, Die Menge sich verlor, Wankt durch den dunklen Laubengang Ein bleicher Bursche vor — Der lehnt sein Haupt so leidend, matt An einen Leichenstein, Starrt über beide Gräber hin Und brummt in sich hinein: „Und ob verschwärmt, ob abgehärmt — Es geht auf Eins hinaus; Ein Jeder ging den schnellsten Weg Ins allerletzte Haus. Der Eine dort, des Glückes Kind, Starb in der Lüste Arm; Der Andre, arme Teufel, hier, Erlag der Noth, dem Harm. Euch Beiden ward das gleiche Loos Und gleiches Loos wird mir: Ich bin entlaubt in Frühlingszeit, Hab' ausgelebt wie ihr, Ich bin verschwärmt und abgehärmt — Es geht auf Eins hinaus — Heut' oder morgen ruh' auch ich Bei euch, im letzten Haus!“ An der Riviera di Levante Das ist der Mond, der seine bleichen Feuer Ob meinem Haupte einst zum Nil entsandte, Er winkt und blinkt mir nun, ein ewig neuer, Des Nachts an der Riviera di Levante. Das sind dieselben silberhellen Sterne, Die mich berauscht mit ihrem Zauberscheine, Als ich im Frankenland, der Heimat ferne, Tiefsinnend stand am Grab des Heinrich Heine. Das ist dieselbe Nacht, die mich umfangen, Als mich die Reben grüßten in Madeira, Dieselbe Nacht, die mir gekühlt die Wangen Am Bosporus, im Frankenviertel Pera. Es sind dieselben ewigen Gewalten, Die stets den Sinn des Sterblichen berücken, Und nie und nirgends schwinden, nie veralten — Ein immerwährend, unfaßbar Beglücken! ... In allen Landen und in allen Stunden Bestrickt die nämliche Gewalt, die hehre, Und nur der Mensch, der ihre Macht empfunden, Vergeht, ein Tropfen in dem großen Meere. Nichtig und flüchtig Die Rose, die mir voll entgegenprangt, Gemahnt mich an das Enden ihrer Pracht; Das Roth, das täglich frisch am Himmel hangt, Erinnert mich an Finsterniß und Nacht. Wenn du mich küssest, denk' ich schaudernd dran, Daß Andre schon geschwelgt an deiner Brust, Und blickst du mich mit frohem Lächeln an, So möcht' ich weinen, weil du sterben mußt. Winter am Gardasee Nieder fällt der Schnee in wilden Flocken, Todt und schmucklos starren Berg und Thal, Weithin breitet sich ein Sterbelinnen, Ringsum Alles bleich und kalt und fahl! Keine Düfte! keine Blumen winken, Durch die Wälder fegt ein rauher Wind, Und es gibt zu dieser Stunde Menschen, Die vereinsamt und verlassen sind ... Stilles Glück Dieweil auf sturmgepeitschten Oceanen Ihr rastlos ringt um eure Lorbeerkronen, Nach Purpur strebet und nach Dichterthronen, Vergönnet Andren ihre stillen Bahnen! Und sorgt ihr für den späten Ruhm der Manen — Es gibt auch in den ruhmesarmen Zonen Ein echtes Glück das Menschenherz zu lohnen, Ein friedenvolles Glück auf engen Planen. So Mancher, der umsonst gekämpft, gestritten, Schafft endlich seine neue Welt im Kleinen; Was er an Täuschung und an Schmerz erlitten, Vergißt er lächelnd in dem Schooß der Seinen. Kein Lorbeer blüht ihm aus des Hauses Mitten, Doch wird ein trauernd Weib ihn einst beweinen. Nie habe ich im Traum daran gedacht Nie habe ich im Traum daran gedacht, An deinem stillen Herd dich zu belauschen. Viel lichter träumt' ich deiner Schönheit Macht In alle Zeiten, die vorüberrauschen. In allen Zeiten meint' ich dich zu sehn: Am Meeresstrand, im Tempel der Hellenen, Im Märchenwald, an sagenhaften See'n, Im Muschelschiff, gezogen von den Schwänen. Viel lieblicher doch warst du ganz gewiß In deinem Stübchen, deiner Mädchenklause. — Dich walten sehn in deinem Paradies, In Küch' und Hof, im Garten und im Hause: Nie dacht' ich dran — so heilig warst du mir, Ein Wesen, das auf unsrer Welt nicht waltet. Zur Strafe drum entsagen mußt' ich dir. Ich selbst habe mein Schicksal mir gestaltet. Manchmal erklingen hör' ich's leise So wild im Sturm die Lebensreise Hinflutet sonder Ruh' und Rast, Manchmal erklingen hör' ich's leise: Du hast mich nie im Ernst gehaßt. Die Menschen nur so klug und weise, Sie löschen gern, was heilig brennt. Manchmal erklingen hör' ich's leise: Wir sind von Fremden nur getrennt. Und trägt ein Traum im Strahlengleise Die Seele hoch, von Gram betrübt, Manchmal erklingen hör' ich's leise: Du hast mich dennoch still geliebt. Verschollenes Glück Ich weiß ein Märchen, daß ein Wandrer kam Zum Waldesgrund, da läutet' es wie Glocken, Und eine Blume fand er wundersam Und schmückte traumvoll seine braunen Locken. Als er zurück zu Menschen kam voll Gram, Bestaunten ihn die Leute fast erschrocken. Die Welt war älter schon um hundert Jahre, Und Keiner kannt' ihn mit dem Kranz im Haare. So bist du meine Zauberblume auch, Und von des Traumes Bann bin ich umfangen, Ich weiß nicht mehr, was bei den Menschen Brauch, Mir ist, als wären hundert Jahr' vergangen. Ein Fremdling bin ich worden, denn ein Hauch Des Alters weht in dieser Welt, der bangen. Nur ich bin jung und fremd im blütenvollen Lenzschmuck des Glücks wie vor der Welt verschollen. Drum kehr' ich nun auf immer heim zu dir, Ein Einsiedler des Glücks im Waldesgrunde. Vergessen will ich sein. Mir sprudelt hier Des Lebens Quell und Heil für jede Wunde. Dein Auge feuchten Strahles über mir, Ein Flüstern weggeküßt von deinem Munde. So mögen mir Jahrtausende verschwinden, Zur Welt den Rückweg will ich nimmer finden. Neuer Frühling Und wieder kommt der Frühling reich und golden, Und doch wie anders unter Blütendolden. Gedenkst du noch der fremden Jahre, da Ich täglich dich von ferne sah. Da alles Glück nichts mehr als schüchtern Hoffen — Ein Traum, ein Bangen, stets vom Schreck betroffen. Nun halt' ich dich am Herzen warm und weich, Wie fremd ward mir die Welt so schön und reich. Mag brausen Wald und Flut in Wolkenstürmen, Mir läutet's wie Festglockenklang von Thürmen. Mag komme Winter und der Wälder Tod, Mir leuchtet jeder Morgen frühlingsroth. — Einst waren jene Stürme mir Gefährten, Die einzigen Freunde, die in Leid bewährten Vertraute, die mich jugendfrisch geheilt Und meine stillen Freuden einst getheilt; Was sind mir Stürme nun und Mondesnächte Als fremde Öden, blinde Riesenmächte, Die unverstanden walten. Du allein Bist mir der Frühling, Sturm und Mondenschein, Du bist die Welt mir, strahlenhell voll Frieden, Bist mir ein Jenseit, erdenabgeschieden, Selbst dunkle Schattenwelten will ich kühn Mit dir durchwandern, und sie werden blühn. Lebensüberfluß Rauschende Bäche quellenden Lebens, Tönet wie Lieder in meine Ruh'. Sehet, erfüllt ist's, nimmer vergebens Schau' ich in Sehnsucht den Wellen zu. — Draußen in sonnendämmernder Laube Wiegt die holde Geliebte mein Kind, Hoch an dem Dache reift mir die Traube, Goldene Fäden die Parze spinnt. Schwellende Segel auf ruhigen Wogen Bringen mir Gäste, Früchte und Fracht. Meine Auen sind bienenumflogen, Nachtigallen singen bei Nacht. — Rauschende Bäche quellenden Lebens, Spült ihr mich fort einst im Wogenschaum, Singen dann will ich: nicht vergebens Hab' ich geträumt den irdischen Traum! Je älter du — Je älter du, je voller wird dein Herz, Doch wie ein Kirchhof nur, der voll von Todten, Die ausgelitten ihren Erdenschmerz. — Einst war es eine Au', von rosenrothen Maiwolken überstrahlt, ein lust'ger Hain, Wo dunkle Wipfel holden Schatten boten. — Von Märchenblumen leuchtete der Rain, In tiefer Waldnacht hundert Brunnen rauschten, Auf Marmorgöttern blitzte Mondenschein. — Das war dein junges Herz. Verstohlen lauschten Gedanken, Phantasieen, welche kühn Mit Gleichgesinnten reiche Rede tauschten. Nun stehn Denkmale rings voll Immergrün — Denkmale rings — begrabener Gedanken, Begrabner Träume, die im Sturm verglühn. Verscholl'ner Tage Pläne hier versanken, Verscholl'ner Freude Namen stehn auf Stein, Bedeckt von Moos und blumenreichen Ranken. Zum Kirchhof ward des Herzens Jugendhain. Beisammen liegt, was sündig war und wacker, Je älter du, je voller wird er sein — Das Menschenherz auch ist ein Gottesacker! Wie lange, lange Zeiten Wie lange, lange Zeiten Sind doch vorübergerauscht, Da ich mit einem Weibe Die ersten Küsse getauscht! Doch sind die Jahre entschwunden, Ich vergesse sie wahrlich nicht; Die erste Liebe berührt mich Wie ein schmerzlich verklungen Gedicht. Wie lange, lange Zeiten Sind wechselnd mir entflohn, Seit mich zuerst getroffen Eines Weibes empfindlicher Hohn! Doch sind die Jahre entschwunden, Ich vergesse sie nimmermehr; Ich fühle die herbe Wunde, Als wenn sie noch blutend wär'. Was ist der Tod Was ist der Tod? Ein holder Genius, Der erste Blick auf kaum geahnte Wonne, Des höh'ren Strebens milder Weihekuß, Die Morgenröthe einer neuen Sonne! Das ist der Tod, so sieht der Würger aus, Der Engel, der uns führt zum bess'ren Leben, Schön wie der Tag, und nicht wie Nacht und Graus, Schön wie die Welt, zu der wir aufwärts schweben. Echte Liebe Das ist die echte Liebe, Die Alles für sich wagt, Die in des Lebens Stürmen Nicht an sich selbst verzagt. Die, fest auf sich vertrauend, Nicht Furcht empfinden kann, Und drohten Papst und Kaiser, Und drohten Acht und Bann. Ja, wenn die Welt versänke, Glaubt sie an ihr Bestehn; Sie könnte nie verwelken, Sie könnte nie vergehn. Und sie kann nie verwelken, Und sie kann nie vergehn, Und ob die Berge wankten Und schwänden Flüss' und See'n. Das ist die echte Liebe, Die nie zu enden glaubt, Die stets, im Glück und Unglück Erhebt ihr stolzes Haupt: Die, fest auf sich vertrauend, Nicht Furcht empfinden kann, Und drohten Papst und Kaiser, Und drohten Acht und Bann. Mannesthräne Mädchen, sahst du jüngst mich weinen? — Sieh, des Weibes Thräne dünkt Mir der klare Thau des Himmels, Der in Blumenkelchen blinkt. Ob die trübe Nacht ihn weinet, Ob der Morgen lächelnd bringt, Stets doch labt der Thau die Blume Und ihr Haupt hebt sie verjüngt. Doch es gleicht des Mannes Thräne Edlem Harz aus Ostens Flur, Tief in's Herz des Baums verschlossen, Quillt's freiwillig selten nur. Schneiden mußt du in die Rinde Bis zum Kern des Marks hinein, Und das klare Naß entträufelt Dann so golden, hell und rein. Bald zwar mag der Born versiegen, Und der Baum grünt fort und treibt, Und er grüßt noch manchen Frühling, Doch der Schnitt, die Wunde — bleibt. Mädchen, denk' des wunden Baumes Auf des Ostens fernen Höh'n; Denke, Mädchen, auch des Mannes, Den du weinen hast gesehn. Das Blatt im Buche Ich hab' eine alte Muhme Die ein altes Büchlein hat, Es liegt in dem alten Buche Ein altes dürres Blatt. So dürr sind wol auch die Hände, Die einst im Lenz ihr's gepflückt, Was mag doch die Alte haben? Sie weint, so oft sie's erblickt. Helgoland Zugvögel sanglos diese Lüfte theilen, Kein Sprosser flötet hier durch laub'ge Äste, Kein Hänfling zwitschert hier aus sich'rem Neste Das fromme Siedlerlied: „Da ist gut weilen.“ Wir ziehen! tönt's im Chor der flücht'gen Gäste, Die Wellen rauschen's, die den Strand zerfeilen, Die Wolken dröhnen rollend hin: wir eilen! Wir fliehen! braust's im Ostwind und im Weste. Leis in den Nebeln säuselts: wir zerrinnen! Zerriss'ne Segel flattern: wir entwallen! Die Möve kreischt im hast'gen Flug: von hinnen! Verwitternd springt der Stein vom Rand: wir wandern! Vom alten Felsen klingt es: wir zerfallen! Er singt es wol sich selber und uns Andern. Knospen Sonnenglanz und Rosenduft, Nachtigallgeschmetter! Doch verirrt in Frühlingsluft Flattern dürre Blätter. Haben an den Zweigen lieb Noch vom Herbst gehalten, Doch der jungen Knospen Trieb Drängt vom Platz die alten. Junges Volk bei Tanz und Spiel Jauchzt in grünen Hagen, Doch ich seh' auch ihrer viel Trauerflöre tragen. Denn wie hier in Frühlingsluft Welke Blätter stieben, Sah ihr eig'ner Lenz zur Gruft Welken theure Lieben. Knospen find sie selber auch; Ohn' es selbst zu ahnen, Drängen sie nach Knospenbrauch, Welkes aus den Bahnen. Daß ihr eig'ner Lebensmai Oben sich entfalte, Daß er blüh' und klinge frei, Muß hinab das Alte. Und wie dürren Laubes dringt Mir durch's Mark ein Knistern, Zu der Seele Tiefen ringt Sein unheimlich Flüstern. Rings von Knospen weich und sacht Fühl' ich leises Drängen, „Lebewohl!“ und „Raum gemacht!“ Tönt's aus Lenzgesängen. Sonnenglanz und Rosenduft! Nachtigallgeschmetter! Und in solcher Frühlingsluft Irren dürre Blätter! Ja, mein Loos ist ihrem gleich, Da wir erdwärts sinken, Während ringsum freudenreich Neue Lenze winken. Sei ihr Trost der meine auch, Daß im Niederwallen Wir gewiegt vom Frühlingshauch Nur in Blüten fallen! Erhöhrung Die Rose sieht vorbei den Falter fliegen, Sie selbst ein Schmetterling, nur festgebannt; Da klagt sie: „Ach wer löst mein fesselnd Band? O könnt' auch ich in Lüften frei mich wiegen!“ Der Falter sieht die Ros' ins Laub sich schmiegen, Er eine Blume selbst, die Flügel fand. Da klagt er: „Hätt' ich doch so sichern Stand! O könnt' ich so an fester Stätte liegen!“ Mit sonn'gem Lächeln hört der Lenz ihr Klagen, Erhörung bringt nur der, vor dem sie zagen, Der rauhe Herbst mit Frost und wildem Wetter; Er gibt ihm sichre Statt, löst ihr die Kette: Frei fliegen hin die welken Rosenblätter, Der Falter liegt erstarrt an fester Stätte. Einsam Den Sieg gewann das tapfre Heer gemeinsam, Den Schlachtenplan entwarf der Feldherr einsam; Zum Garbenschnitt wetteifert die Gemeine, Der Sämann ging saatstreuend ganz alleine; Den Dichtersang, vererbt von Mund zu Munde, Gebar der Einsamkeit geweihte Stunde; Der Leiden Quellen fluten allerwegen, Der Heilquell rieselt einsam, abgelegen; Genuß und Leid des Alltags ist gemeinsam, Der höchste Stolz, der tiefste Schmerz bleibt einsam. Dunkle Stunden Dunkeln muß der Himmel rings im Runde, Daß sein Sternenglanz zu leuchten wage; Stürmen muß das Meer bis tief zum Grunde, Daß ans Land es seine Perlen trage; Klaffen muß des Berges offne Wunde, Daß sein Goldgehalt ersteh' zu Tage; Dunkle Stunden müssen offenbaren, Was ein Herz des Großen birgt und Klaren. Des Lebens Weihe Den einen weihevollen Glauben, Den Glauben an dein eig'nes Herz, Den darf kein Glück dir und kein Schmerz, Den darf kein Gott dir jemals rauben. Du trägst, wenn du dich selber achtest, Voll Würde jede ird'sche Pein Und kannst beneidenswerth noch sein, Indem du hoffnungslos verschmachtest. Traumleben Es webt aus zarten luft'gen Fäden In wachen Träumen dir ein Eden Die Sehnsucht, wenn das Glück dich flieht. Du selbst erscheinst dir wie im Bilde, So ziehst du träumend durch Gefilde, Die nur dein inn'res Auge sieht. Mag dir das Leben nichts gewähren; Dies reine Glück aus höhern Sphären Der ganzen Menschheit ward's verliehn. Durchschreite alle Erdenräume: Im holden Wahn der wachen Träume Geht Allen fast das Leben hin! Unsere Welt Hast du ein Auge nie gesehn Von Liebe still verklärt, Das sich in demuthsvollem Flehn Dem deinen zugekehrt; Hast du den Edlen nie erblickt Im Augenblick der guten That, Wenn er verlegen, doch beglückt Vom Dank zu lassen freundlich bat; Ward dir's versagt ein Menschenkind, Verkannt, doch selbstbewußt zu sehn, Und sahst du nie, wie stürmisch blind Die Freiheitskämpfer sterben gehn; Dann siehst du das Geschöpf ja nur, Im Menschen nur den armen Wicht, Dann kennst der eigenen Natur Gigantisch schöne Welt du nicht. Ein Begräbniß Es weicht die Nacht und über'm Hügel Glimmt rother Schein am Himmelssaum, Noch birgt der Vogel unter'm Flügel Sein träumend Haupt in weichem Flaum. Nur leise schallen helle Stimmen, Die bald verhallen über'm See, Im Kloster sah ich Kerzen glimmen, Und Nonnen gehn durch zarten Schnee. Ein stiller Zug von wenig Schwestern; Es stirbt das Nonnenkloster aus; Davon verschied die jüngste gestern, Man senkt sie in des Grabes Haus. Darauf ein still Gebet der Frauen, Doch keine heiße Thräne rinnt, Kein Schluchzen tönt, und ist zu schauen Kein trostberaubter Mann, kein Kind. Es fallen leichte Flocken nieder, Und nichts ist von dem Grab zu sehn, Und weit und breit ist Stille wieder, Und Tag wird's als ob nichts geschehn. Winterbild Die Morgennebel wallen nieder, Es hebt der Wald sich aus dem Duft, Kein Hälmchen wankt, am Halsgefieder Des Vogels spielt kein Hauch der Luft. Kein Laut erschallt: es würden fliegen Die lockern Flocken von dem Baum, Die auf den kleine Ästchen liegen Und auf schlafmüder Vögel Flaum. Nur schreitet einsam, scheu und leise Und sieht sich um das junge Reh, Behutsam auf des Waldbachs Eise, Und drückt die Spur in dünnen Schnee. Der Jäger, der weit drüben lauert, Horcht nur der Waldesstille zu, Und setzt, da's ihm zu lange dauert, Den schon gespannten Hahn in Ruh! Das taube Mütterlein Wer öffnet leise Thür und Thor? Wer schleicht ins Haus hinein? Es ist der Sohn, der wiederkehrt Zum tauben Mütterlein. Er tritt herein! Sie hört ihn nicht, Sie saß am Herd und spann. Da tritt er grüßend vor sie hin, Und spricht sie „Mutter!“ an. Und wie er spricht, so blickt sie auf, Und — wundervoll Geschick! — Sie ist nicht taub dem milden Wort, Sie hört ihn mit dem Blick. Sie thut die Arme weit ihm auf, Und er drückt sich hinein; Da hörte seines Herzens Schlag Das taube Mütterlein. Und wie sie nun beim Sohne sitzt, So selig, so verklärt — Ich wette, daß taub Mütterlein Die Englein singen hört. Mein Herz, ich will dich fragen — Mein Herz, ich will dich fragen: Was ist denn Liebe? sag'! „Zwei Seelen und ein Gedanke Zwei Herzen und ein Schlag!“ Und sprich, woher kommt Liebe? „Sie kommt und sie ist da!“ Und sprich, wie schwindet Liebe? „Die war's nicht, der's geschah!“ Und wann ist Lieb' am reinsten? „Die ihrer selbst vergißt.“ Und wann ist Lieb' am tiefsten? „Wenn sie am stillsten ist.“ Und wann ist Lieb' am reichsten? „Das ist sie, wenn sie gibt!“ Und sprich, wie redet Liebe? „Sie redet nicht, sie liebt.“ Auf der Halde Sie führten neue Pfade Die Halde hier hinan, Daß zum Spaziergang lade Die breit bequeme Bahn! Den Weg, den wir gegangen Vor manchem Jahr, mein Lieb, Hält nun Gebüsch umfangen, Und keine Spur mehr blieb! O Dank euch, Waldeswogen, Dank euch, daß dornumheckt Vom Pfad, den wir gezogen, Der Menge Schwall ihr schreckt! Kein Alltagswort wird schallen, Wo Weihe uns umfing, Und nicht Gemeinheit wallen, Wo Liebe selig ging! O schütz' fortan und hüte Gestrüpp, den heil'gen Ort Und nur der Hänfling brüte, Wildröschen blühe dort! Vor einer Genziane Die schönste der Genzianen fand ich Einsam erblüht tief unten in kühler Waldschlucht. O wie sie durchs Föhrengestrüpp Heraufschimmerte mit den blauen, prächtigen Glocken! Gewohnten Waldespfad Komm' ich nun Tag um Tag Gewandelt und steige hinab in die Schlucht Und blicke der schönen Blume tief ins Aug' ... Schöne Blume, was schwankst du doch Vor mir in unbewegten Lüften so scheu, So ängstlich? Ist denn ein Menschenaug' nicht werth Zu blicken in ein Blumenantlitz? Trübt Menschenmundes Hauch Den heiligen Gottesfrieden dir, In dem du athmest? Ach, immer wol drückt Schuld, drückt nagende Selbstanklage Die sterbliche Brust und du, Blume, du wiegst In himmlischer Lebensunschuld Die wunderbaren Kronen: Doch blicke nicht allzu vorwurfsvoll mich an! Sieh, hab' ich doch Eines voraus vor dir: Ich habe gelebt: Ich habe gestrebt, ich habe gerungen, Ich habe geweint, Ich habe geliebt, ich habe gehaßt, Ich habe gehofft, ich habe geschaudert, Der Stachel der Qual, des Entzückens hat In meinem Fleische gewühlt, Alle Schauer des Lebens und des Todes sind Durch meine Sinne geflutet, Ich habe mit Engelchören gespielt, ich habe Gerungen mit Dämonen. Du ruhst, ein träumendes Kind, Am Mantelsaum des Höchsten; ich aber, Ich habe mich emporgekämpft Zu seinem Herzen, Ich habe gezerrt an seinen Schleiern, Ich hab' ihn beim Namen gerufen, Emporgeklettert Bin ich auf einer Leiter von Seufzern, Und hab' ihm ins Ohr gerufen: „Erbarmung!“ O Blume, heilig bist du, Selig und rein; Doch heiligt, was er berührt, nicht auch Der zündende Schicksalsblitz? O blicke nicht allzu vorwurfsvoll mich an, Du stille Träumerin; Ich habe gelebt, ich habe gelitten! O trockne diese Thräne nicht O trockne diese Thräne nicht, Die dir im Auge schimmert, Der Perle gleich, die rein und licht Im Kelch der Rose flimmert! Die Liebe war's, die sie gebar, Der sel'ge Schmerz der Liebe; D'rum schimmert sie so wunderbar — Ach, daß sie ewig bliebe! Sie glänzt so rein, sie glänzt so hell, Mich rührt ihr flüchtig Leben; Ach, daß, was aus so heil'gem Quell Geflossen, muß verschweben, Daß, was der reinsten Seele Schacht Entblühte, schmerzumwittert, Mit seines Glanzes Wunderpracht Verschwindet und verzittert! Sie glänzt so rein, sie glänzt so klar, In deinem Aug', dem blauen, Und immer lockt mich's wunderbar, In ihren Glanz zu schauen! Du schonst der Perle sonst, die licht Im Kelch der Rose flimmert — O trockne diese Thräne nicht, Die dir im Auge schimmert! Menschenleben Heut' lallen an der Mutterbrust der weichen, Zu Rosse morgen ziehn in stolzem Trabe, Und übermorgen dann als müder Knabe Mit grauen Haaren an der Krücke schleichen: Das Glück erspähn und nimmer es erreichen, Sich hundertmal als einzig süße Labe Den Tod erflehn und schaudern vor dem Grabe, Das Sein verwünschen, vor dem Nichts erbleichen: In langer Weil', in Weinen oder Lachen, In Sehnen, Sinnen, Hoffen und Erbeben Den Tag verträumen und die Nacht durchwachen, Dazu die Frage schmerzlich oft erheben, Was all' das soll: das ist in tausend Sprachen Ein altes Lied, betitelt Menschenleben. Rollende Räder O Nacht! so lang' und bange! — Horch, fegt mit Sturmesdrange Die Straßen jetzt der Wind? Nein — es beginnt zu tagen: Das Rollen ist's der Wagen, Die heim vom Feste tragen Manch blühendschönes Kind. 'S ist Carneval. Isolde, Umwallt von Lockengolde, Kehrt heim zu dieser Stund' ... Im Glanz der goldnen Spangen, O zauberhaftes Prangen! Wie leuchten ihr Wangen, Wie selig blüht ihr Mund! Ich glaube dir, du Schöne! Wie thöricht ist die Thräne, Belächelnswerth das Weh! Hei, deines Wagens Rollen Klingt in mein dumpfes Grollen Gleich einem fastnachtstollen, Lustfreud'gen Evoë! Die Welt war schön, du Schöne, Als dort im Braus der Töne Dein Haar im Tanze flog, Indeß ein armer Frager, Kleinmüthiger Verzager, Auf seinem Schmerzenslager Das Leid der Welt erwog. Augenblicke Augenblicke gibt es, zage, Wo so grabesstumm die Haide, Wo der Wald den Athem anhält, Wie vor namenlosem Leide; Wo die Wasser klanglos schleichen, Blumenaugen ängstlich starren, Wo mir ist, als wär' das Leben, All' versenkt in banges Harren, Und als müßt' in diese Stille Nun ein Donnerschlag erklingen, Oder tief die Erd' erbeben, Oder mir das Herz zerspringen. Viel Träume Viel Vögel sind geflogen, Viel Blumen sind verblüht, Viel Wolken sind gezogen, Viel Sterne sind verglüht; Vom Fels aus Waldesbronnen Sind Wasser viel geschäumt: Viel Träume sind zerronnen Die du, mein Herz, geträumt. Junges Leben Stör' nicht den Traum der Kinder, Wenn eine Lust sie herzt: Ihr Weh' schmerzt sie nicht minder, Als dich das deine schmerzt! Es trägt wol mancher Alte, Deß Herz längst nicht mehr flammt, Im Antlitz eine Falte, Die aus der Kindheit stammt. Leicht welkt die Blum', eh's Abend, Weil achtlos du verwischt Den Tropfen Thau, der labend Am Morgen sie erfrischt. Beim Abschied Wenn Zwei, die sich am nächsten stehn, Die Hand sich scheidend fassen, Sollst du vor ihrem Abschied gehn Und sie sich selber lassen, Das heil'ge bittre Trennungsleid, Wie könntest du es stören? Die letzte bange Seligkeit Soll ihnen ganz gehören. Was sie in Thränen, Wort und Blick Sich noch zu sagen eilen, Das spricht ihr eigenstes Geschick, Das kann kein Dritter theilen. Wenn auch nur Liebe voll und rein Dich zu verweilen triebe, Ach! du begehst doch Raub allein Am Heiligthum der Liebe. Böhmische Elegie Dreimal unselig Volk, dein Leid Bewegt kein Herz mehr, daß es weine, Es ist ein Leid aus alter Zeit Und gleicht bemoostem Leichensteine. Beweint wird Polens junges Weh, Weil es in Warschau's Schutt noch glutet; Du bist im Wald ein todtes Reh, Das längst und langsam sich verblutet. O Gott, die Weißenberger Schlacht Erreicht wol Ostrolenka's Trauer, Und die darauf gefolgt, die Nacht Hat trüb're als Sibiriens Schauer. Ruhmlos zieht durch die Welt dein Gram — Kein Dichter wagt es laut zu trauern, Er fühlet seiner Knechtschaft Scham — Die Harfe hängt an öden Mauern. Musik, Musik, das Mägdlein mild, Sie blieb allein noch deinen Söhnen, Sie zieht ins weiteste Gefild Und bettelt um des Mitleids Thränen. Sie machet über Belt und Sund Und zum Ohio Bettlerreisen, Und singt und klagt die Herzen wund Mit den geheimnißvollen Weisen. Und wenn beim Klang der Normann weint, Die Wilden sich der Thränen schämen, Sie wissen nicht, daß sie, vereint, Nur dich beklagen, armes Böhmen! — An die Mutter Nach der Krankheit der Mutter Krank warst du, krank! — Und siegergroß Stand schon der Tod an deinem Bette, Indeß im warmen Lebensschooß Ich mich gewiegt an ferner Stätte. Ich schwelgte in der Sternenpracht, Die heilungsvoll mein Herz durchzückte: Es war dieselbe Mitternacht, Die dich mit Leiden fast erdrückte. O nimmermehr vergeb' ich's mir, Daß ich in Ahnung nicht erkrankte, Und daß ich nicht dem Tod mit dir, Wenn auch entfernt, entgegen schwankte. Und Sünde scheint mir, daß ich nicht Mit dir geduldet in der Ferne, Und daß mir nicht wie Grabeslicht Geleuchtet damals alle Sterne. Und daß es mir nicht vorwurfsvoll Herabgeweht von Busch und Bäumen, Auf daß ich weinen, weinen soll — Daß ich nicht starb in hundert Träumen. Nicht eher ist die Schuld gesühnt, Bis daß ich lieg' in deinen Armen, Bis daß ich wieder unverdient Am Mutterherzen darf erwarmen. Gewisse Worte O Worte gibt's, die nie verhallen! Sie sind wie Steinchen, die gefallen In einen Brunnen schwarz und tief, Und die von Kant' zu Kante springen Und stets von Neuem aufwärts klingen, Wenn scheinbar längst ihr Ton entschlief. Es sind die Worte, die sich senken In unsers Herzens tiefen Schacht: Aus der Vergessenheiten Nacht Klingt ewig neu ihr Angedenken. Ich kehrte heim nach langen Jahren; Des Lebens Wucht hatt' ich erfahren, Gekostet auch des Lebens Freude: Mir meiner Jugend zahlt' ich beide. Die Mutter hielt mich lang' umfangen, Und als die erste Lust gestillt, Sprach sie mit Tönen traurig-mild: O Gott, wie blaß sind deine Wangen! O Gott, wie blaß sind deine Wangen! Es glückt mir nicht, aus meinem Herzen Die Mutterworte auszumerzen, Ob Jahre drüber hingegangen. Ob nun in Freude, ob in Leide Der Wangen Frühling von mir scheide: Die Worte sind mein treu Geleite. Ich höre stets an meiner Seite In Tönen, traurigen und bangen: O Gott, wie blaß sind deine Wangen! Und sitz' ich Nachts allein und schaue Mit falt'ger Stirne düstrer Braue Tief zu des Bechers goldnem Grunde, Ist mir, als ob aus treuem Munde Heraus die Klageworte klangen: O Gott, wie blaß sind deine Wangen! Fürwahr, ich glaube, wenn ich liege Einst auf der schwarzen Todtenwiege, Wo mich kein Menschenlaut mag stören: — Ich werde noch die stillen, bangen Und vorwurfsvollen Worte hören: O Gott, wie blaß sind deine Wangen! Seit sie gestorben Seit sie gestorben, ist mir Eins gewiß: Daß es ein Ewiges muß geben! Denn über meines Herzens Riß Fühl' ich ein ew'ges Leben schweben, Seit sie gestorben. Seit sie gestorben, bin ich stolz und kühn: — Ich weiß es nun, was Herzen tragen! Was sind mir fürder alle Müh'n? Was gibt es ferner noch zu tragen, Seit sie gestorben? Seit sie gestorben, lebt im Herzen mir Ein Bild der seligsten Verklärung, Bin ich ein Baum, den für und für Die Heil'ge schützet vor Zerstörung, Seit sie gestorben. Seit sie gestorben, ist ein fester Wall Der Einsamkeit um mich gezogen; Vergebens ist der Überfall Der Freude, die mich rings umwogen, Seit sie gestorben. Seit sie gestorben hat die tiefste Ruh' Sich heimisch in mein Herz gesenket, Die Seele schließt die Augen zu Und ahnt und träumt mehr, als sie denket Seit sie gestorben. Aus alter Zeit Im Anschaun steh' ich versunken, Du schreitest so stolz dahin — Dann halten hohe Träume Umfangen meinen Sinn: Ich wähne, daß du selber Die hohe Jungfrau wär'st, Die Königin des Himmels, Die du so fromm verehrst. Ich bete so andächtig Zu dir als guter Christ; Dann bin ich so fromm, du Fromme, So fromm, wie du selber bist. Im Kämmerlein Ich sitze still im Kämmerlein — — Ein wundersamer Schauer Erfaßt mein Herz — die alte Lieb' Naht mit der alten Trauer. Ich blicke auf im Dämmerlicht, Dort hängt am kleinen Spiegel Ein welker Kranz, den einst sie flocht Auf unsrer Heimat Hügel. Im Büchlein auf dem alten Tisch, Dort liegt von ihrem Haare Die Locke, die sie mir geschenkt, Daß ich ihr Treu' bewahre. Nun wende ich den Blick hinweg Zur andern Wand daneben, Dort hängt ihr Bild und es beginnt Sogleich sich zu beleben. Und mit ihm leben in mir auf Gar wunderbare Lieder, Es klingen leis' die Melodien In meiner Seele wieder. Und immer ist's der alte Ton, Es sind die alten Weisen; Und immer lauter bricht's hervor, Mein treulos Lieb' zu preisen. Das ist ein Klingen überall, Es tönet auf und nieder — — — O, hätte ich gesungen doch Das letzte meiner Lieder. Der Haß Du armer Mann, der du so heiß geliebt Dein theures Weib, das niemals dich betrübt, Es starb dahin vor Elend und vor Noth; Dein Sohn fand in der blut'gen Schlacht den Tod, Du selbst bist hungernd, bist so krank, so blaß — Was ist geblieben dir? — Es blieb der Haß. Das ist der Fluch, der auf der Arbeit ruht, Das Zeichen Kains in blutig-rother Glut, Das dem Enterbten auf der Stirne flammt, Zu Siechthum ihn, zu Leid und Tod verdammt. — Du kennest diesen Fluch, ohn' Unterlaß Auf diesem Fluche ruht dein ganzer Haß. Und die sich freuen über solchen Fluch, Der die Enterbten bis in's Leichentuch Verfolgt und hetzt in namenloser Pein — Sie preisen ihn beim vollen Glase Wein, Weil er für sie die Scheuer füllt, das Faß — Auf diesen Jubel wirf du deinen Haß. Wie schön ist doch die Erde, o wie schön! Noch blickt man sehnsuchtsvoll nach Himmelshöh'n; Doch hier auf Erden ist das Paradies Vom Augenblick, da uns der Fluch verließ — Wir wollen bannen diesen Fluch, auf daß Zur heil'gen Liebe werde unser Haß. Schöner Tod So wie der Rose in des Sommers Glühn Durch heißen Sonnenkuß der Tod verliehn; So wie der Lilie Kelch als Todtenschrein Der Schmetterling aufsucht im Abendschein; Wie in der Nacht lieb'vollen Arm hinsinkt Der müde Tag; so wie ein Lied verklingt; So wie der Stern verlischt in fernen Höh'n; — So wünsch' ich mir den Tod, so rein und schön. Vorwärts Nur vorwärts frisch und frei den Blick, Darfst ihn nicht trübe senken; Dir ward beschieden dein Geschick, Doch — selber kannst du's lenken. Der Südwind Wie melancholisch stöhnt der Wind, Der heiß von Süd herüberstürmt: Er kommt wol aus der falben Wüste Von Lybiens, von Egyptens Küste, Wo sich der stolze Atlas thürmt. Er schwellte wol den gelben Nil, Durchwühlt die Königsgruft, die alte, Und selbst die Sphinx, die ewig kalte, Erglüht bei seinem wilden Spiel. Er kränzt das Mittelmeer mit Schaum, Er treibt die aufgebäumte Welle Weit über die Tyrrhener Schwelle, Er reißt die goldne Frucht vom Baum. Fort geht es dann im vollen Lauf Den finstern Alpenpaß hinauf; Da schmilzt an den vereisten Hörnern Der Schnee, geballt zu starren Körnern; Germaniens Flur durcheilt er schnell, Und siehe, selbst der Rhein, der hehre, Beschleunigt seinen Schritt zum Meere. Ruh' aus, du Wüstensohn, in unsern Lauben, Küss' dich an diesen Rosen satt! ... Schon wird er still, er haucht nur matt, Sein letzter Odem reifte diese Purpurtrauben! Doch nein, jetzt stöhnt er bang und hohl, Er rafft sich auf, er eilt, er flieht! Willst du hinan zum fernen Pol, Wo hell des Nordlichts Krone glüht, Wo sich das Meer, wie Silber weiß, Ein endlos Chaos dehnt von Eis? Da starrt dein Flügel, feucht vom Thau, Es stockt dein Athem, duftig lau, Er wird zu Tropfen kalt und schwer — Die Schwingen rührst du nimmermehr. Wie melancholisch ächzt der Wind, Er kommt aus Lybiens sand'ger Öde, Kommt von Egyptens gelber Rhede, Ein ruheloses Wüstenkind! Ballade Der Knabe träumt, man schicke ihn fort, Mit dreißig Thalern zum Haideort, Er ward drum erschlagen am Wege, Und war doch nicht langsam und träge. Noch liegt er im Angstschweiß, da rüttelt ihn Sein Meister und heißt ihm, sich anzuziehn, Und legt ihm das Geld auf die Decke Und fragt ihn, warum er erschrecke. „Ach Meister, mein Meister, sie schlagen mich todt, Die Sonne, sie ist ja wie Blut so roth!“ „Sie ist es für dich nicht alleine, Drum schnell, sonst mach' ich dir Beine!“ „Ach Meister, mein Meister, so sprachst du schon, Das war das Gesicht, der Blick, der Ton, Gleich greifst du“ — zum Stock, will er sagen, Er sagt's nicht, er wird schon geschlagen. „Ach Meister, mein Meister, ich geh, ich geh, Bring' meiner Mutter das letzte Ade! Und sucht sie nach allen vier Winden, Am Weidenbaum bin ich zu finden!“ Hinaus aus der Stadt! Und da dehnt sie sich, Die Haide, nebelnd, gespenstiglich! Die Winde darüber sausend: „Ach, wär' hier Ein Schritt, wie tausend!“ Und Alles so still, und Alles so stumm, Man sieht sich umsonst nach Lebend'gem um, Nur hungrige Vögel schießen Ans Wolken, um Würmer zu spießen. Er kommt ans einsame Hirtenhaus, Der alte Hirt schaut eben heraus, Des Knaben Angst ist gestiegen, Am Wege bleibt er noch liegen. „Ach Hirte, du bist ja von frommer Art, Vier gute Groschen hab' ich erspart, Gib deinen Knecht mir zur Seite, Daß er bis zum Dorf mich begleite. Ich will sie ihm geben, er trinke dafür Am nächsten Sonntag ein gutes Bier; Dies Geld hier, ich trag' es mit Beben, Man nahm mir im Traum drum das Leben!“ Der Hirt, der winkte dem langen Knecht, Er schnitt sich eben den Stecken zurecht, Jetzt trat er hervor — wie graute Dem Knaben, als er ihn schaute! „Ach Meister Hirte, ach nein, ach nein, Es ist doch besser, ich geh' allein!“ Der Lange spricht grinsend zum Alten: „Er will die vier Groschen behalten.“ „Da sind die vier Groschen!“ Er wirft sie hin Und eilt hinweg mit verstörtem Sinn. Schon kann er die Weide erblicken, Da klopft ihn der Knecht in den Rücken. „Du hältst es nicht aus, du gehst zu geschwind, Ei, Eile mit Weile, du bist ja noch Kind, Auch muß das Geld dich beschweren, Wer kann dir das Ausruhn verwehren! Komm, setz' dich unter den Weidenbaum, Und dort erzähl' mir den häßlichen Traum, Ich träumte — Gott soll mich verdammen, Trifft's nicht mit deinem zusammen!“ Er faßt den Knaben wol bei der Hand, Der leistet auch nimmermehr Widerstand, Die Blätter flüstern so schaurig, Das Wässerlein rieselt so traurig! Nun sprich, du träumtest — „Es kam ein Mann“ — War ich das? Sieh mich doch näher an, Ich denke, du hast mich gesehen! Nun weiter, wie ist es geschehen? „Er zog ein Messer!“ — War das, wie dies? — „Ach ja, ach ja!“ — Er zog's — „Und stieß“ — Er stieß dir's wol so durch die Kehle? Was hilft es auch, daß ich dich quäle! Und fragt ihr, wie's weiter gekommen sei? So fragt zwei Vögel, sie saßen dabei, Der Rabe verweilte gar heiter, Die Taube konnte nicht weiter! Der Rabe erzählt, was der Böse noch that, Und auch, wie's der Henker gerochen hat; Die Taube erzählt, wie der Knabe Geweint und gebetet habe. Das Kind am Brunnen Frau Anne, Frau Anne, das Kind ist erwacht! Doch die legt ruhig im Schlafe. Die Vögel zwitschern, die Sonne lacht, Am Hügel weiden die Schafe. Frau Anne, Frau Anne, das Kind steht auf, Es wagt sich weiter und weiter! Hinab zum Brunnen nimmt es den Lauf, Da stehen Blumen und Kräuter. Frau Anne, Frau Anne, der Brunnen ist tief! Sie schläft, als läge sie drinnen! Das Kind läuft schnell, wie es nie noch lief, Die Blumen locken's von hinnen. Nun steht es am Brunnen, nun ist es am Ziel, Nun pflückt es die Blumen sich munter; Doch bald ermüdet das reizende Spiel, Da schaut's in die Tiefe hinunter. Und unten erblickt es ein holdes Gesicht, Mit Augen so hell und so süße. Es ist sein eignes, das weiß es noch nicht, Viel stumme, freundliche Grüße! Das Kindlein winkt, der Schatten geschwind Winkt aus der Tiefe ihm wieder. Herauf! herauf! so meint's das Kind, Der Schatten: hernieder! hernieder! Schon beugt es sich über den Brunnenrand. Frau Anne, du schläfst noch immer! Da fallen die Blumen ihm aus der Hand Und trüben den lockenden Schimmer. Verschwunden ist sie, die süße Gestalt, Verschluckt von der hüpfenden Welle. Das Kind durchschauert's fremd und kalt, Und schnell enteilt es der Stelle. Auf ein altes Mädchen Dein Auge glüht nicht mehr, wie einst, Und deine Wang' ist nicht mehr roth, Und wenn du jetzt vor Sehnsucht weinst, So gilt es keinem, als dem Tod. Nichts bist du, als ein Monument, Das, halb verwittert und gering, Nur kaum noch einen Namen nennt, Mit dem ein Leben unterging. Doch, wie hervor die Todten gehn Aus ihrer Gruft in mancher Nacht, Darfst du zuweilen auferstehn Zu altem Glanz und alter Pracht, Wenn tief dich ein Gefühl ergreift, Wie es vielleicht dich einst bewegt, Und dir den Schnee vom Herzen streift, Der längst sich schon darauf gelegt. Dann bist du wieder wie zuvor, Und was die Mutter einst entzückt, Wodurch du der Gespielen Chor Einst anspruchslos und still beglückt, Das Alles ist noch einmal dein, Von einem Wunderstrahl erhellt, Gleichwie vom späten Mondenschein Die rings in Schlaf begrab'ne Welt. Mir aber wird es trüb zu Muth, Mir sagt ein unbekannter Schmerz, Daß tief in dir verschlossen ruht, Was Gott bestimmt hat für mein Herz, Und will's dann hin zu dir mich ziehn, Ach, mit allmächtiger Gewalt, So muß ich stumm und blutend fliehn, Denn du bist wieder todt und kalt. Die Mutter lag im Todtenschrein Die Mutter lag im Todtenschrein, Zum letzten Mal geschmückt; Da spielt das kleine Kind herein, Das staunend sie erblickt. Die Blumenkron' im blonden Haar Gefällt dem Kindlein sehr, Die Busenblumen, bunt und klar, Zum Strauß geweiht, noch mehr. Und sanft und schmeichelnd ruft es aus: Du liebe Mutter, gib Mir eine Blum' aus deinem Strauß, Ich hab' dich auch so lieb! Und als die Mutter es nicht thut, Da denkt das Kind für sich: Sie schläft, doch wenn sie ausgeruht, So thut sie's sicherlich. Schleicht fort, so leis' es immer kann, Und schließt die Thüre sacht, Und lauscht von Zeit zu Zeit daran, Ob Mutter noch nicht wacht. Die Wallfahrt nach Kevlaar Am Fenster stand die Mutter Am Fenster stand die Mutter, Im Bette lag der Sohn. „Willst du nicht aufstehn, Wilhelm, Zu schaun die Prozession?“ — „Ich bin so krank, o Mutter, Daß ich nicht hör' und seh'; Ich denk' an das todte Gretchen, Da thut das Herz mir weh.“ „Steh auf, wir wollen nach Kevlaar, Nimm Buch und Rosenkranz; Die Mutter Gottes heilt dir Dein krankes Herze ganz.“ Es flattern die Kirchenfahnen, Es singt im Kirchenton; Das ist zu Köllen am Rheine, Da geht die Prozession. Die Mutter folgt der Menge, Den Sohn, den führet sie, Sie singen beide im Chore: „Gelobt seist du, Marie!“ Die Mutter Gottes zu Kevlaar Die Mutter Gottes zu Kevlaar Trägt heut' ihr bestes Kleid; Heut' hat sie viel zu schaffen, Es kommen viel kranke Leut'. Die kranken Leute bringen Ihr da, als Opferspend', Aus Wachs gebildete Glieder, Viel wächserne Füß' und Händ'. Und wer eine Wachshand opfert, Dem heilt an der Hand die Wund', Und wer einen Wachsfuß opfert, Dem wird der Fuß gesund. Nach Kevlaar ging Mancher auf Krücken, Der jetzo tanzt auf dem Seil, Gar Mancher spielt jetzt die Bratsche, Dem dort kein Finger war heil. Die Mutter nahm ein Wachslicht, Und bildete draus ein Herz. „Bring' das der Mutter Gottes, Dann heilt sie deinen Schmerz.“ Der Sohn nahm seufzend das Wachsherz, Ging seufzend zum Heiligenbild; Die Thräne quillt aus dem Auge, Das Wort aus dem Herzen quillt: „Du Hochgebenedeite, Du reine Gottesmagd, Du Königin des Himmels, Dir sei mein Leid geklagt! Ich wohnte mit meiner Mutter Zu Köllen in der Stadt, Der Stadt, die viele hundert Kapellen und Kirchen hat. Und neben uns wohnte Gretchen, Doch die ist todt jetzund — Marie, dir bring' ich ein Wachsherz, Heil' du meine Herzenswund'. Heil' du mein krankes Herze, Ich will auch spät und früh Inbrünstiglich beten und singen: Gelobt seist du, Marie!“ Der kranke Sohn und die Mutter Der kranke Sohn und die Mutter, Die schliefen im Kämmerlein, Da kam die Mutter Gottes Ganz leise geschritten herein. Sie beugte sich über den Kranken Und legte ihre Hand Ganz leise auf sein Herze, Und lächelte mild und schwand. Die Mutter schaut Alles im Traume Und hat noch mehr geschaut; Sie erwachte aus dem Schlummer, Die Hunde bellten so laut. Da lag dahingestrecket Ihr Sohn, und der war todt; Es spielt auf den bleichen Wangen Das lichte Morgenroth. Die Mutter faltet die Hände, Ihr war, sie wußte nicht wie; Andächtig sang sie leise: „Gelobt seist du, Marie!“ Lorelei Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, Daß ich so traurig bin; Ein Märchen aus alten Zeiten, Das kommt mir nicht aus dem Sinn. Die Luft ist kühl und es dunkelt, Und ruhig fließt der Reihn; Der Gipfel des Berges funkelt Im Abendsonnenschein. Die schönste Jungfrau sitzet Dort oben wunderbar, Ihr goldnes Geschmeide blitzet, Sie kämmt ihr goldenes Haar; Sie kämmt es mit goldenem Kamme, Und singt ein Lied dabei, Das hat eine wundersame Gewaltige Melodei. Den Schiffer im kleinen Schiffe Ergreift es mit wildem Weh; Er schaut nicht die Felsenriffe, Er schaut nur hinauf in die Höh'. Ich glaube, die Wellen verschlingen Am Ende Schiffer und Kahn; Und das hat mit ihrem Singen Die Lorelei gethan. Childe Harold Eine starke, schwarze Barke Segelt trauervoll dahin. Die vermummten und verstummten Leichenhüter sitzen drin. Todter Dichter, stille liegt er, Mit entblößtem Angesicht; Seine blauen Augen schauen Immer noch zum Himmelslicht. Aus der Tiefe klingt's, als riefe Eine kranke Nixenbraut, Und die Wellen, sie zerschellen An dem Kahn, wie Klagelaut. Fragen Am Meer, am wüsten, nächtlichen Meer, Steht ein Jüngling-Mann, Die Brust voll Wehmuth, das Haupt voll Zweifel, Und mit düstern Lippen fragt er die Wogen: „O löst mir das Räthsel des Lebens, Das qualvoll uralte Räthsel, Worüber schon manche Häupter gegrübelt, Häupter in Hieroglyphenmützen, Häupter in Turban und schwarzem Barett, Perückenhäupter und tausend andre Arme, schwitzende Menschenhäupter — Sagt mir, was bedeutet der Mensch? Woher ist er kommen? Wo geht er hin? Wer wohnt dort oben auf goldenen Sternen?“ Es murmeln die Wogen ihr ew'ges Gemurmel, Es wehet der Wind, es fliehen die Wolken, Es blinken die Sterne, gleichgültig und kalt, Und ein Narr wartet auf Antwort. An meine Mutter Ich bin's gewohnt, den Kopf recht hoch zu tragen, Mein Sinn ist auch ein bischen starr und zähe; Wenn selbst der König mir in's Antlitz sähe, Ich würde nicht die Augen niederschlagen. Doch, liebe Mutter, offen will ich's sagen: Wie mächtig auch mein stolzer Muth sich blähe, In deiner selig süßen, trauten Nähe Ergreift mich oft ein demuthvolles Zagen. Ist es dein Geist der heimlich mich bezwinget, Dein hoher Geist, der Alles kühn durchdringet, Und blitzend sich zum Himmelslichte schwinget? Quält mich Erinnerung, daß ich verübet So manche That, die dir das Herz betrübet, Das schöne Herz, das mich so sehr geliebet? Du schönes Fischermädchen Du schönes Fischermädchen, Treibe den Kahn an's Land; Komm zu mir und setze dich nieder, Wir kosen Hand in Hand. Leg' an mein Herz dein Köpfchen, Und fürchte dich nicht zu sehr, Vertraust du dich doch sorglos Täglich dem wilden Meer. Mein Herz gleicht ganz dem Meere, Hat Sturm und Ebb' und Flut, Und manche schöne Perle In seiner Tiefe ruht. Ein Fichtenbaum steht einsam Lieder Ein Fichtenbaum steht einsam Im Norden auf kahler Höh', Ihn schläfert; mit weißer Decke Umhüllen ihn Eis und Schnee. Er träumt von einer Palme, Die, fern im Morgenland, Einsam und schweigend trauert Auf brennender Felsenwand. Du bist wie eine Blume Lieder Du bist wie eine Blume, So hold und schön und rein; Ich schau' dich an, und Wehmuth Schleicht mir ins Herz hinein. Mir ist, als ob ich die Hände Auf's Haupt dir legen sollt', Betend, daß Gott dich erhalte So rein und schön und hold. Wo sind sie hin? Es ragt ins Meer der Runenstein, Da sitz' ich mit meinen Träumen. Es pfeift der Wind, die Möven schrein, Die Wellen, die wandern und schäumen. Ich habe geliebt manch schönes Kind Und manchen guten Gesellen — Wo sind sie hin? Es pfeift der Wind, Es schäumen und wandern die Wellen. Weltlauf Hat man Viel, so wird man bald Noch viel mehr dazu bekommen. Wer nur wenig hat, dem wird Auch das Wenige genommen. Wenn du aber gar Nichts hast, Ach, so lasse dich begraben — Denn ein Recht zum Leben, Lump, Haben nur, die Etwas haben. Sonnenuntergang Das Fräulein stand am Meere Und seufzte lang' und bang', Es rührte sie so sehre Der Sonnenuntergang. Mein Fräulein, sein Sie munter, Das ist ein altes Stück: Hier vorne geht sie unter Und kehrt von hinten zurück. Der Asra Täglich ging die wunderschöne Sultanstochter auf und nieder Um die Abendzeit am Springbrunn, Wo die weißen Wasser plätschern. Täglich stand der junge Sclave Um die Abendzeit am Springbrunn, Wo die weißen Wasser plätschern; Täglich ward er bleich und bleicher. Eines Abends trat die Fürstin Auf ihn zu mit raschen Worten: „Deinen Namen will ich wissen, Deine Heimat, deine Sippschaft!“ Und der Sclave sprach: „Ich heiße Mohamed, ich bin aus Yemen, Und mein Stamm sind jene Asra, Welche sterben, wenn sie lieben.“ An die Engel Das ist der böse Thanatos, Er kommt auf einem fahlen Roß; Ich hör' den Hufschlag, hör' den Trab, Der dunkle Reiter holt mich ab — Er reißt mich fort, Mathilden soll ich lassen, O, den Gedanken kann mein Herz nicht fassen! Sie war mir Weib und Kind zugleich, Und geh' ich in das Schattenreich, Wird Wittwe sie und Waise sein! Ich lass' in dieser Welt allein Das Weib, das Kind, das, trauend meinem Muthe, Sorglos und treu an meinem Herzen ruhte. Ihr Engel in den Himmelshöhn, Vernehmt mein Schluchzen und mein Flehn; Beschützt, wenn ich im öden Grab, Das Weib, das ich geliebet hab'; Seid Schild und Vögte eurem Ebenbilde, Beschützt, beschirmt mein armes Kind, Mathilde. Bei allen Thränen, die ihr je Geweint um unser Menschenweh, Beim Wort, das nur der Priester kennt Und niemals ohne Schauder nennt, Bei eurer eignen Schönheit, Huld und Milde, Beschwör' ich euch, ihr Engel, schützt Mathilde. Laß die heil'gen Parabolen Letzte Gedichte Laß die heil'gen Parabolen, Laß die frommen Hypothesen — Suche die verdammten Fragen Ohne Umschweif uns zu lösen. Warum schleppt sich blutend elend, Unter Kreuzlast der Gerechte, Während glücklich als ein Sieger Trabt auf hohem Roß der Schlechte? Woran liegt die Schuld? Ist etwa Unser Herr nicht ganz allmächtig? Oder treibt er selbst den Unfug? Ach, das wäre niederträchtig. Also fragen wir beständig, Bis man uns mit einer Handvoll Erde endlich stopft die Mäuler — Aber ist das eine Antwort? Die Gestalt der wahren Sphinx Letzte Gedichte Die Gestalt der wahren Sphinx Weicht nicht ab von der des Weibes; Faselei ist jener Zusatz Des betatzten Löwenleibes. Todesdunkel ist das Räthsel Dieser wahren Sphinx. Es hatte Kein so schweres zu errathen Fran Jokastens Sohn und Gatte. Doch zum Glücke kennt sein eignes Räthsel nicht das Frauenzimmer: Spräch' es aus das Lösungswort, Fiele diese Welt in Trümmer. Wenn junge Herzen brechen Aus dem Nachlaß Lieder Wenn junge Herzen brechen, So lachen drob die Sterne, Sie lachen und sie sprechen Herab aus der blauen Ferne: „Die armen Menschen lieben Sich zwar mit vollen Seelen, Und müssen sich doch betrüben, Und gar zu Tode quälen. Wir haben nie empfunden Die Liebe, die so verderblich Den armen Menschen drunten; Drum sind wir auch unsterblich.“ Wir wollen jetzt Frieden machen Aus dem Nachlaß Lieder Wir wollen jetzt Frieden machen, Ihr lieben Blümelein. Wir wollen schwatzen und lachen Und wollen uns wieder freu'n. Du weißes Maienglöckchen, Du Rose mit rothem Gesicht, Du Nelke mit bunten Fleckchen, Du blaues Vergißmeinnicht! Kommt her ihr Blumen, jede Soll mir willkommen sein — Nur mit der schlimmen Resede Lass' ich mich nicht mehr ein. Mit dummen Mädchen, hab' ich gedacht Aus dem Nachlaß Lieder Mit dummen Mädchen, hab' ich gedacht, Nichts ist mit dummen anzufangen; Doch als ich mich an die klugen gemacht, Da ist es mir noch schlimmer ergangen. Die klugen waren mir viel zu klug, Ihr Fragen machte mich ungeduldig, Und wenn ich selber das Wichtigste frug, Da blieben sie lachend die Antwort schuldig. Kitty Aus dem Nachlaß Das Glück, das gestern mich geküßt, Ist heute schon zerronnen, Und treue Liebe hab' ich nie Auf lange Zeit gewonnen. Die Neugier hat wol manches Weib In meinen Arm gezogen, Hat sie mir mal ins Herz geschaut, Ist sie davongeflogen. Die Eine lachte, eh' sie ging, Die Andre thät erblassen; Nur Kitty weinte bitterlich, Bevor sie mich verlassen. Wo? Aus dem Nachlaß Wo wird einst des Wandermüden Letzte Ruhestätte sein? Unter Palmen in dem Süden? Unter Linden an dem Rhein? Werd' ich wo in einer Wüste Eingescharrt von fremder Hand? Oder ruh' ich an der Küste Eines Meeres in dem Sand? Immerhin! Mich wird umgeben Gotteshimmel, dort wie hier, Und als Todtenlampen schweben Nachts die Sterne über mir. Wildniß Aus Schauern der Vergangenheit, Mahnt ernst hier das Naturgebot, Daß mit Jahrtausenden die Zeit, Und mit dem Leben ringt der Tod. Und wenn ein Sonnenstrahl die Spur Sich bricht in dieses Dickichts Nacht, Dann ist's, als ob in der Natur Ein geistig Leben neu erwacht. Und liegt der Bach auch wellenlos, Gleich wie ein Herz im Weh erstarrt, Scheint thränenschwer das dunkle Moos, Als ob's der Auferstehung harrt. So lebt's doch heimlich rings umher, Ans Wurzeln gräbt sich Leben vor, In Wipfeln rauscht's und athmet schwer, An Stämmen grünt's und blüht's empor. Die Schatten schweben still vorbei, Gedanken gleich aus ferner Zeit. Nur hie und da ein Vogelschrei, Wie Lebensruf der Einsamkeit. Spaziergang Ich möchte gern den ganzen Tag Im Lenzeswehn Bei Finkenpfiff und Lerchenschlag Voll Freuden gehn. Vor jedem Blümchen auf der Au Still niederknien, Der Erde Grün, des Himmels Blau Still in mich ziehn. O Seligkeit, du füllst mir ganz Die freie Brust! Wenn längst vorüber all der Glanz, Bleibt deine Lust. Wenn die Schwalben heimwärts ziehn — Wenn die Schwalben heimwärts ziehn Und die Rosen nicht mehr blühn, Wenn der Nachtigall Gesang Mit der Nachtigall verklang, Fragt das Herz in bangem Schmerz: Ob ich dich auch wieder seh'? Scheiden, ach, Scheiden thut weh! Wenn die Schwäne südlich ziehn, Dorthin, wo Citronen blühn, Wenn das Abendroth versinkt, Durch die grünen Wälder blinkt, Fragt das Herz in bangem Schmerz: Ob ich dich auch wieder seh'? Scheiden, ach, Scheiden thut weh! Armes Herz, was klagest du? O, auch du gehst einst zur Ruh'. Was auf Erden muß vergehn! — Gibt es wol ein Wiedersehn? Fragt das Herz in bangem Schmerz. Glaub', daß ich dich wieder seh', Thut auch heut' das Scheiden so weh! Adam Wie oft durchmaß ich doch mit müdem Schritt Das Paradies bis hin zu seinen Schranken, Jedwedem Ding erzählten was ich litt In meinem Mund die klingenden Gedanken! Die stolze Sonne wußte keinen Rath, Und Mond und Sterne gingen ihre Wege, Die Wolke schwamm davon auf blauem Pfad, Der Wind entschwand im Hain auf grünem Stege. An den Gewässern hab' ich oft geruht, Und wenn die Wellen mir vorüberrannen, Sucht' ich mein Bildniß in der klaren Flut, Daß ich mich selbst mir deute, festzubannen. Und wieder hab' die Blumen ich geküßt, Ich sprach: Habt ihr von mir nicht eure Namen? Sagt, bunte Lippen, wie mein Name ist, Wie der sich nennt, von dem die euren kamen! Kein Mund ward aufgethan. Ich schlich mich fort, Und unter Bäumen lauscht' ich den Gesängen Der Nachtigall, ob das geheime Wort Verborgen sei in ihren süßen Klängen. Doch sinnlos schien gar bald der holde Laut, Sinnlos, was mir des Waldes Thiere sagten, Verwundert haben sie mich angeschaut Und ahnten nicht, was mich für Schmerzen plagten. Da warf ich traurig mich zur Erde hin: „Jegliches Ding nannt' ich nach feiner Weise — Ich aber, ach! ich weiß nicht, wer ich bin, Ich aber, ach! ich weiß nicht, wie ich heiße!“ Und als ich weinend lag in solcher Noth, Umschattete mich plötzlich tiefer Schlummer, Und eines Traumes Wonnezauber bot Ein endlich Labsal meinem herben Kummer. Wie lang' ich da geschlafen, weiß ich nicht! Mein Aug' erschrack, als ich vom Schlaf erwachte, Als aus den Lüften mir ein Angesicht, Des meinen Spiegelbild, entgegenlachte. — Nur lieblicher und freundlicher zu sehn, Von einem ew'gen Morgenroth umflogen Das Wangenpaar, die Lippen rosenschön, Der Athem hob zwei lilienweiße Wogen. Und ich umfing und nannte diesen Leib — Da, Wunder! durft' ich endlich dich erleben, In meiner eignen Sprache hat das Weib Die heißgewünschte Antwort mir gegeben! Gestillt ward meiner Seele durst'ger Harm, Und ich vergaß die einsam langen Stunden; Umschlungen liebend von des Weibes Arm Hat seinen Namen auch der Mann gefunden. Der Gang um Mitternacht Ich schreite mit dem Geist der Mitternacht Die weiten stillen Straßen auf und nieder — Wie hastig ward geweint hier und gelacht Vor einer Stunde noch! ... Nun träumt man wieder. Die Lust ist, einer Blume gleich, verdorrt, Die tollsten Becher hörten auf zu schäumen, Es zog der Kummer mit der Sonne fort, Die Welt ist müde — laßt sie, laßt sie träumen! Wie all mein Haß und Groll in Scherben bricht, Wenn ausgerungen eines Tages Wetter, Der Mond ergießet sein versöhnend Licht, Und wär's auch über welke Rosenblätter! Leicht wie ein Ton, unhörbar wie ein Stern, Fliegt meine Seele um in diesen Räumen; Wie in sich selbst, versenkte sie sich gern In aller Menschen tiefgeheimstes Träumen! Mein Schatten schleicht mir nach wie ein Spion, Ich stehe still vor eines Kerkers Gitter. Vaterland, dein zu getreuer Sohn, Er büßte seine Liebe bitter, bitter! Er schläft — und fühlt er, was man ihm geraubt? Träumt er vielleicht von seinen Eichenbäumen? Träumt er sich einen Siegeskranz um's Haupt? — O Gott der Freiheit, laß ihn weiter träumen! Gigantisch thürmt sich vor mir ein Palast, Ich schaue durch die purpurnen Gardinen, Wie man im Schlaf nach einem Schwerte faßt, Mit sündigen, mit angstverwirrten Mienen. Gelb, wie die Krone, ist sein Angesicht, Er läßt zur Flucht sich tausend Rosse zäumen, Er stürzt zur Erde, und die Erde bricht — O Gott der Rache, laß ihn weiter träumen! Das Häuschen dort am Bach — ein schmaler Raum! Unschuld und Hunger theilen drin das Bette. Doch gab der Herr dem Landmann seinen Traum, Daß ihn der Traum aus wachen Ängsten rette; Mit jedem Korn, das Morpheus' Hand entfällt, Sieht er ein Saatenland sich golden säumen, Die enge Hütte weitet sich zur Welt — O Gott der Armuth, laß die Armen träumen! Beim letzten Hause auf der Bank von Stein Will segenflehend ich noch kurz verweilen; Treu lieb' ich dich, mein Kind, doch nicht allein, Du wirst mich ewig mit der Freiheit theilen. Dich wiegt in goldner Luft ein Taubenpaar, Ich sehe wilde Rosse nur sich bäumen; Du träumst von Schmetterlingen, ich vom Aar — O Gott der Liebe, laß mein Mädchen träumen! Du Stern, der, wie das Glück, aus Wolken bricht! Du Nacht, mit deinem tiefen stillen Blauen, Laß der erwachten Welt zu frühe nicht Mich in das gramentstellte Antlitz schauen! Auf Thränen fällt der erste Sonnenstrahl, Die Freiheit muß das Feld dem Tage räumen, Die Tyrannei schleift wieder dann den Stahl — O Gott der Träume, laß uns alle träumen! Der Gefangene 1839—1840 Zehn Jahre! seit den letzten Vogel ich Im Blütenwald sein Liedchen schlagen hörte; Zehn Jahre! seit der blaue Himmel sich Zum letzten Male meinem Blick bescheerte: Zehn Jahre! was ist weiter dein Begehr? Kann meine Wange sich noch blässer färben? Sieh, diese Hand bricht keine Kronen mehr; Laß, König, laß mich in der Freiheit sterben! Zehn Jahre! meine Sehnen sind erschlafft, Mein Auge kann die Kette nicht mehr sehen; O zittre nicht! Kaum hab' ich noch die Kraft, Zwei Schritte bis zum Grabe hinzugehen. Ein Herr der Welt, und dein ein zahllos Heer! — Und ich ein kranker Mann, ein Bau in Scherben — Nein! diese Hand bricht keine Kronen mehr; Laß, König, laß mich in der Freiheit sterben! Zehn Jahre hat in dieser Kerkergruft Mein Herz so treu dem Tode zugeschlagen; Zehn Jahre! jetzt, o jetzt nur soviel Luft, Gen Himmel eine Seele hinzutragen! Ein wenig Luft! ei fällt dir das so schwer? Willst du schon wieder neue Söldner werben? Sieh, diese Hand bricht keine Ketten mehr; Laß, König, laß mich in der Freiheit sterben! Zehn Jahre haben meinen Muth geknickt Und meines Lebens Blüte mir genommen, Man hat das Lied mir in der Brust erstickt, Der letzte Funken ist schon längst verglommen. Und noch nicht? Sprich, was weiter dein Begehr? Kann meine Wange sich noch blässer färben? Sieh, diese Hand bricht keine Kronen mehr; Laß, König, laß mich in der Freiheit sterben! Ich möchte hingehn wie das Abendroth Ich möchte hingehn wie das Abendroth, Und wie der Tag mit seinen letzten Gluten — O leichter, sanfter, ungefühlter Tod! — Mich in den Schooß des Ewigen verbluten. Ich möchte hingehn wie der heitre Stern, Im vollsten Glanz, in ungeschwächtem Blinken; So stille und so schmerzlos möchte gern Ich in des Himmels blaue Tiefen sinken. Ich möchte hingehn wie der Blume Duft, Der freudig sich dem schönen Kelch entringet Und auf dem Fittig blütenschwangrer Luft Als Weihrauch auf des Herren Altar schwinget. Ich möchte hingehn wie der Thau im Thal, Wenn durstig ihn des Morgens Feuer winken; O wollte Gott, wie ihn der Sonnenstrahl, Auch meine lebensmüde Seele trinken! Ich möchte hingehn wie der bange Ton, Der aus den Saiten einer Harfe dringet Und, kaum dem irdischen Metall entflohn, Ein Wohllaut in des Schöpfers Brust erklinget. Du wirst nicht hingehn wie das Abendroth, Du wirst nicht stille wie der Stern versinken, Du stirbst nicht einer Blume leichten Tod, Kein Morgenstrahl wird deine Seele trinken. Wol wirst du hingehn, hingehn ohne Spur, Doch wird das Elend deine Kraft erst schwächen; Sanft stirbt es einzig sich in der Natur, Das arme Menschenherz muß stückweis brechen. Der Freiheit Priester Der Freiheit Priester, der Vasall des Schönen, So wird der Dichter in die Welt gesandt; Ein Troubadour zieh' er von Land zu Land, Das Herrlichste mit seinem Lied zu krönen. Die Heldenthat gewinn' in seinen Tönen Für alle Zeiten sicheren Bestand, Den eignen Kummer schreib' er in den Sand, Des eignen Herzens mög' er sich entwöhnen. Ein Gärtner, dem der Garten nur gegeben, Für fremde Busen Blumen draus zu pflücken, Ein Winzer, der für Fremde baut die Reben — Sei all sein Trost, nur Andre zu beglücken; Dem armen Taucher gleich, wag' er das Leben, Mit seltnen Perlen seine Zeit zu schmücken. Warnung Tief, tief im Meere sprach einst eine Welle: Wie glücklich müssen meine Schwestern leben, Die droben strahlend auf uns nieder schweben; O dürft' ich einmal an des Tages Helle! Wie sie gebeten, so geschah ihr schnelle, Sie durfte aus dem dunkeln Schooß sich heben; Doch kaum war ihr ein Sonnenstrahl gegeben, Lag sie schon sterbend an des Ufers Schwelle. O mögen alle doch ihr Schicksal loben, Die still geheim des Lebens Kreis beschreiben Und nie die Wuth der offnen See erproben. O mögen sie in tiefer Nacht verbleiben, Und ihrer keiner streben je nach oben, Um mit den Winden auf den Sand zu treiben. An C. ins Album Auf jedes Menschen Angesicht Liegt leise dämmernd ausgebreitet Ein sanfter Abglanz von dem Licht Des Sternes, der sein Schicksal leitet. Der Genius der Harmonie Wird dich mit seinen Wundertönen Umrauschen, und du wirst dich nie Mit der verstimmten Welt versöhnen. Lied von Sorrent Wie die Tage so golden verfliegen, Wie die Nacht sich so selig verträumt, Wo am Felsen mit Wogen und Wiegen Die gelandete Welle verschäumt, Wo sich Blumen und Früchte gesellen, Daß das Herz dir in Staunen entbrennt; O du schimmernde Blüte der Wellen, Sei gegrüßt, du mein schönes Sorrent! Und die Nacht, wenn so süß Luisella Ihre lachenden Lieder uns singt, Und der Taumel der Lust, Tarantella, Wie ein Flämmchen im Sturme sich schwingt; An der Bucht sich die Gärten erhellen Unterm leuchtenden Nachtfirmament — O du schimmernde Blüte der Wellen, Sei gegrüßt, du mein schönes Sorrent! Hier entrinnst du der Sorgen Getriebe Und es trägt dich auf Händen die Lust, Und sogar das Gedächtniß der Liebe — Hier beschleicht es gelinder die Brust. Und du tauchst in die heilenden Ouellen, In des heiligen Meers Element — O du schimmernde Blüte der Wellen, Sei gegrüßt, du mein schönes Sorrent! Auch der tobenden Stürme Getümmel, Hier belebt es nur Blüten zu Hauf, Und es lösen die Wetter am Himmel In ein fruchtbar Geriesel sich auf. Wenn die Früchte, die herbstlichen, schwellen, Ach wie weit, ach wie bin ich getrennt! Dann ade, o du Blüte der Wellen, Dann ade, du mein schönes Sorrent! Verschließ' dich nur, du seltsam Kind Verschließ' dich nur, du seltsam Kind, Sei spröd' und stumm zu jeder Frist! Deine Augen, die so glänzend sind, Verrathen doch, wie reich du bist. Seh' ich dich an, kommt mir zu Sinn Das Märlein von der alten Stadt: Ein tiefer Brunnen lag darin, Draus Keiner noch getrunken hatt'. Er war so tief, so wundertief, Ließ man ein Becherlein hinab, Der Faden viele Stunden lief, Und reichte doch den Grund nicht ab. Da kam des Wegs ein Musikant, Der sah den Brunn und trat herzu, Und nahm sein Geigenspiel zur Hand, Und spielt' ein Stück und sang dazu. Und horch! da rauscht' es wundervoll Und wogt herauf und sprudelt frisch, Und lieblich kühl Gewässer schwoll Klar über den Rand verschwenderisch. Der Spielmann trank in hoher Lust Und lud auch all' die Andern ein. O wer die Flut zu lösen wußt', Wie überselig mußt' er sein! I. Eleonore von Poitou Vaganten-Lieder Lässest mir fürder keine Ruh' Leonore von Poitou, Angliae regina! Schönste du in nah und fern, Von Paris bis nach Palern, Von Mailand bis Messina. Die du trägst die Königskron', Ach, wie süßen Liebeslohn Gibst du deinen Treuen! Stand ich vor Westminsters Thür, Als du Stolze schrittst herfür, Lust für Pfaffen und Laien! Beugten sich die stolzen Herrn Vor dem lichten, hohen Stern Ihrer Königinne. Armer, fahrender Scholar, Sog ich aus deinem Augenpaar Glühenden Trank der Minne. Und dem Kämmrer winktest du, Leonore von Poitou, Nicht lange durft' ich warten. Dunkel war die Sommernacht, Nur des Mondes bleiche Pracht Schien im blühenden Garten. Fragtest mich, was besser sei Denn ein Kuß; da sprach ich: zwei! Vivat haec doctrina! Deutlich sagte dir mein Kuß: Nulla mulier placet plus Angliae regina. Heimliche Minne, die ist gut — Königinne, sei auf der Hut Vor der Kläffer Neide! Ach, es tagte, — du flohest schnell; „Nun Ade, mein Trautgesell', Liebe wird zu Leide.“ Das einst grün — gelb ward das Blatt! Herbstwind pfeift ein Pereat Ratio et doctrina! Lässest mir fürder keine Ruh', Leonore von Poitou, Angliae Regina! Wär' die Welt alle mein, Von dem Meer bis an den Rhein, Ich wollt' sie drum geben und darben: So, die mir das Herz entwand, Die Königin von Engelland, Läge in meinen Armen! II. Die junge Nonne Vaganten-Lieder An des Altares Stufen Höre zu dir mich rufen, Sieh mich knieen hier: Mater Salvatoris, Pie fons amoris, Neige dein Ohr zu mir! Krank und zerschlagen ist mein Sinn, Seit ich von ihm geschieden bin; Die Locken, die er küßte so gern, Sie schnitten sie ab zum Lobe des Herrn. Klag' ich's Sanct Marien? Soll mein Leib verblühen Bei dem frommen Brauch? Mater Salvatoris, Pie fons amoris, Liebtest du nicht auch? Der meiner jungen Minne genoß, Der Vagant sich tief in mein Herze schloß: Verloren ist, ach! das Schlüsselein, Nun muß er immer darinnen sein! Rinnen meine Thränen, Wer stillt mir das Sehnen? Trauter, du bist fern! Mater Salvatoris, Pie fons amoris, Tröste, heller Stern! Es maiet draußen, der Frühling ist da, Weiß kaum, o mein Herze, wie mir geschah! Die Nachtigall locket mit süßem Ton, Frau Nachtigall, stille, ich komme ja schon. Weh! Ich bin gefangen, Fruchtlos mein Verlangen, Vöglein höhnet mich! Mater Salvatoris, Pie fons amoris, Neig' dich gnädiglich! Ich breche das Gitter, ich schwing' mich hinab: Drauß' harret mein schöner, mein blühender Knab'! Ade nun ihr Mauern, im Arm er mich hält: Auf feurigem Rosse geht's weit in die Welt! III. Die blaue Blume Vaganten-Lieder Aus fernen Landen kehr' ich heim: Gruß Gott, ihr Blumen, du Sonnenschein! Im Dunkel war ich lange. Nun lacht mein Aug', stolz ist mein Gang: Ihr Buben stark, ihr Mädchen schlank, Ich grüß' euch mit Gesange! ja Sange! Wißt ihr, was das für Fremde war, Die ich durchwandert manches Jahr, Und nimmer konnt' ergründen? Aus Pergament und Todtenbein, So lehrte mich der Meister mein Den Stein der Weisen finden! ja finden! War thöricht ich, jetzt bin ich klug, Des Staubes ist es schier genug, Laßt kühlen Trunk mir reichen! Kling' an den Becher, so ist's Brauch, Du stolze Maid mit hellem Aug', — Kein Demant thut dem gleichen, ja gleichen! Herr Mai, so kränze mir das Haar! Ich fand die blaue Blume fürwahr, Küß mich, du Maid vom Lande! Schön Elsemut setz' auf den Kranz, Beim Govenanz und Ridewanz, Schlag' mich in feste Bande, ja Bande! Weit in die Lande möcht' ich ziehn, Die Vögel singen, die Blumen blühn, Es duften süß die Linden. Das Lied, es klingt mir immerdar: Ich fand die blaue Blume fürwahr, So will ich's laut verkünden, ja künden! IV. Der Vagant auf der Kreuzfahrt Vaganten-Lieder Ich ritt durch glutgedörrten Sand, Auf meinem Roß die schönste Beute; Jerusalem in uns'rer Hand, Und Saladin stob in die Weite. Heiß war der Pfad durch Wüstenei'n, Durch Thäler, Städte, Palmenhaine. Gold nahm ich nicht, von Blut ist rein Die Hand mir — doch du bist die Meine! Du, die du lehnst im Sattel mir, Die ich mit meinem Arm umschlinge, Du schöne Tochter Juda's — hier Sei sicher, dich schirmt meine Klinge. Dich rettet' ich aus wildem Schwarm, Der deiner Mädchenblüte drohte; Besorge nichts, leg' in den Arm Die Wange mir, die glühend rothe. Vorwärts, mein Roß, durch Wald und Flur! Schon winken uns Antiochiens Zinnen; Der Abend dämmert, die Natur Will ruhn, laß uns die Stadt gewinnen! — Du schaust mich fragend an, warum Ich dich der schnöden Schmach entrissen? Weil schön du bist — doch nein, darum War's wahrlich nicht; du sollst es wissen ... In Deutschland war's, im fernen Land, Wo Eichen stehn, wie hier Cypressen, Da wandert' ich, ein junger Fant, Durch's Land — ich werd' es nie vergessen! — Mein Lied ertönte weit und breit, Gern sahen mich die muntern Dirnen, Die Burschen waren ohne Neid — Wer mochte dem Vaganten zürnen? Und doch — es war ein wilder Tag, Ich hatt' mein Blut mir heiß gesungen, Als Nachts in meinen Armen lag Ein Weib, das mein Gesang bezwungen; Schwarzäugig, dunkel war ihr Blick, In üpp'ger Fülle blüh'nder Glieder; O warme Nacht! O stilles Glück! Kein Schlaf kam da auf meine Lider. Jüdin war sie, von deinem Stamm; Sie küßte heiß wie eure Sonne — Als plötzlich jäh ein greiser Mann Zornfunkelnd störte uns're Wonne. Er fluchte mir — es war sein Kind, Sein Kleinod, das er treu behütet; Er fluchte mir; doch leis und lind Sprach er zu ihr, der mir gewüthet. Sie floh mit ihrem Vater schnell Und wandt' den Blick, den thränenschweren; Ich armer fahrender Gesell, Wann wird ihr Blick mir wiederkehren? Als wir auf Salems Mauer heut' Mit süßer Beute uns beluden, Da dacht' ich an das Herzeleid, Das ich gethan dem greisen Juden. Sei heiter, Mädchen schau' mich an, Du weißt, warum ich dich gerettet, Warum ich ruhn nicht will fortan, Bis ich dich sicher hab' gebettet. Das du zerfetzt hier siehst, dies Tuch, Es gab mir einst des Ostens Rose. Gesühnt ist nun des Juden Fluch, Glück auf! Ich spreng' in's Kriegsgetose! Abendlied Ich sitz' am einsamen Strande, Grau kommt der Abend daher, Grau ruht und unabsehbar, Öde vor mir das Meer. Es streicht eine Möve droben Dahin mit klagendem Schrei, Und einsam kommt sie geflogen, Und einsam fliegt sie vorbei. Es dunkelt still auf den Wellen, Es dunkelt still in der Höh'! Der Vogel fliegt weiter und weiter, Hinaus in die Nacht und die See. Das Lied der Deutschen Deutschland, Deutschland über Alles, Über Alles in der Welt, Wenn es stets zu Schutz und Trutze, Brüderlich zusammenhält, Von der Maas bis an die Memel, Von der Etsch bis an den Belt — Deutschland, Deutschland über Alles, Über Alles in der Welt! Deutsche Frauen, deutsche Treue, Deutscher Wein und deutscher Sang Sollen in der Welt behalten Ihren alten schönen Klang, Uns zu edler That begeistern Unser ganzes Leben lang — Deutsche Frauen, deutsche Treue, Deutscher Wein und deutscher Sang! Einigkeit und Recht und Freiheit Für das deutsche Vaterland! Danach laßt uns Alle streben Brüderlich mit Herz und Hand! Einigkeit und Recht und Freiheit Sind des Glückes Unterpfand; Blüh' im Glanze dieses Glückes, Blühe, deutsches Vaterland! Der Alpenhirt Dort hoch auf der Alpe da ist meine Welt, Da, wo's mir auf Erden am Besten gefällt; Du duften die Kräuter, da murmelt der Quell, Da klingen die Glöcklein so lustig und hell. Da schau' ich die Dörfer in Nebel und Rauch Und athme der Bergluft belebenden Hauch; Da weiß ich von keinem Gelärm und Geschrei Und spiel' einen Ländler auf meiner Schalmei. Und treibt mich der Winter hinunter ins Thal, Dann denk' ich: der Sommer kommt wieder einmal! Der Sommer, der bringt mich zur Alpe zurück; Da droben ist alles, mein Leben, mein Glück! Wiegenlied Die Ähren nur noch nicken, Das Haupt ist ihnen schwer, Die müden Blumen blicken Nur schüchtern noch umher. Da kommen Abendwinde, Still, wie die Engelein, Und wiegen sanft und linde Die Halm' und Blumen ein. Und wie die Blumen blicken, So schüchtern blickst du nun, Und wie die Ähren nicken, Will auch dein Häuptlein ruhn. Und Abendklänge schwingen Still wie die Engelein Sich um die Wieg' und singen Mein Kind in Schlummer ein. Lebt' ich wie du! Du siehst mich an und kennst mich nicht, Du liebes Engelsangesicht! Die Wünsche weißt du nicht, die reinen, Die du so unbewußt erregt. Ich muß mich freu'n und möchte weinen, So hast du mir mein Herz bewegt. Kenn' ich dein Glück, du kennst es nicht, Du liebes Engelsangesicht! Welch' schönes Loos ist dir beschieden! Wie eine Lilie auf dem Feld, So heiter und so still zufrieden Lebst du in deiner kleinen Welt. Mich treibt's im Leben hin und her, Als ob ich niemals glücklich wär', Kann keinen Frieden mir erjagen, Und keine Heiterkeit und Ruh'; Und hab' in meinen schönsten Tagen Nur einen Wunsch: Lebt' ich wie du! Ich will von dir, was keine Zeit zerstöret Ich will von dir, was keine Zeit zerstöret, Nur Schönheit, die das Herz verleiht. Ich will von dir, was nie der Welt gehöret, Die engelreine Kindlichkeit. Das sind des Herzens allerbeste Gaben, Das ist des Lebens schönste Zier. Hat dich die Welt, so kann ich dich nicht haben; Lebst du der Welt, so stirbst du mir. Kaiserlied „Ein deutscher Kaiser und ein deutsches Reich, Ein Volk, den mächtigsten an Ehre gleich!“ Das war in sechzig langen, schweren Jahren Der Väter Ringen, ihrer Jugend Schmerz. Sie sind zu Tausend in die Gruft gefahren, Im Elend brach manch' treues deutsches Herz In Kampf und Sehnen — Blut und Thränen — Hoffnungslos das Auge himmelwärts. Vorbei, vorbei die kaiserlose Zeit! Empor, empor des Reiches Herrlichkeit! Des deutschen Vaterlandes Sonnenwende Erlöste uns aus alter Zwietracht Bann. Des deutschen Volkes Trübsal ging zu Ende Im Feindes-Prunkpalast, wo sie begann. Mit Siegesfahnen — Glückesahnen Bricht des Reiches neuer Morgen an. Der Kaiser hoch! Den Kranz auf's greise Haupt, Das uns die deutsche Eiche frisch belaubt! Geheiligt sei der Schwur, den Du geschworen, Als Du jahrhundertalte Schmach gerächt: Durch deutschen Muth und deutsche Treu' erkoren, Sei Haupt um Haupt Dein kaiserlich Geschlecht Der Marken Wehrer, Allzeit Mehrer Unsers Reich's in Freiheit, Licht und Recht! Karl Barth und Pius VII. In Rom die Via di San Croce schleudert Entlang ein Künstlertrüppchen, — deutsches Blut, An dem der andre Himmel nichts geändert; Kernbursche sind es, strebend, frisch und gut. Im deutschen Rock, mit sammtenem Barette, Und Arm in Arm, so wirft umher die Schaar Rings scharfe Blick' und Worte um die Wette, Denn tausend Ziele stellten ihr sich dar. Da plötzlich schweigt der grelle Lärm der Menge, Der Kärner hält, der Reiter steigt vom Roß. Ein stiller Pfad in dichtesten Gedränge, Das kaum erst schäumend durcheinanderfloß? Sieh, Papa Pius naht aus San Marie Maggiore, Segen spendend fern und nah, Und alles Volk sinkt betend auf die Knie; Aufrecht nur steht das Künstlertrüpplein da. Rasch weicht, von Scheu und heitrem Trotz gelenket, Seitwärts die Schaar dem Werk der Demuth aus, Bis auf den Einen, der nicht seitwärts schwenket; Der steht, als wär's vor seines Vaters Haus, Drückt das Barett fest auf die dunklen Locken, Erhebt das schöne Haupt voll Zorn und spricht: Ei, thut doch vor dem Papste so erschrocken! Ich gehe meines Wegs und knie nicht. Er schreitet, zwischen Murrenden, entgegen Dem Pius, der in Kleinem war so klein, Doch groß und fest, nie wich von seinen Wegen, Brach noch so schwer die Nacht auf sie herein. Als der den jungen Trotzkopf dort gesehen, Der vor ihm wagt, was Keiner noch begann, Da bleibt der Papst im Segenszuge stehen, Betrachtet lange ihn und spricht alsdann: „Mein Sohn, folgst du auch andern Glaubenspfaden, Als wo des Papstes Segen auswärts trägt, So wird doch nie die Segenshand dir schaden, Die auf das Haupt ein alter Mann dir legt.“ — Und niederstürzt der Jüngling auf die Kniee, Und Thränen strömen bitterlich und heiß Dem Greis zu Füßen, nicht dem Papst, und siehe, Der Papst nicht, nein, da segnet ihn der Greis. Beim Auszug Bald packen sie das Letzte auf. Da sagt mir nun der volle Wagen, Was für des Lebens kurzen Lauf Wir all für Ballast mit uns tragen. Da stehn und liegen Bett und Schrank Und Stuhl und Spiegel, Töpf' und Pfannen, Und Stiefelknecht und Tisch und Bank — Es zieht ja Alles mit von dannen. Ein wüstes Bild! Was seinen Ort Gehabt in Kammer, Küch' und Zimmer, Wild liegt es durcheinander dort, Als fänd's die alte Ordnung nimmer. Da schaut hervor manch trautes Stück, Das mich gemahnt an theure Stunden: Das todte Holz, durch Harm und Glück. Wird mit dem Herzen es verbunden. Noch einmal schreit' ich auf und ab Die Räume, die ich lieb gewonnen, Wo das Geschick mir Manches gab Und Manches ich mit Lust begonnen, Wo manchen kühnen Hoffnungstraum Ich sah erfüllen und verschweben. Es hängt ja fest an diesem Raum Ein Stück von unserm eignen Leben. Das Letzte, das zur Wanderfracht Bereit ist, macht das Scheiden linder: Der Bilder Schmuck, der Blumen Pracht Und all das Spielzeug meiner Kinder, Ich war doch hier — wie fühl' ich's heut! — Recht oft zu reinem Glück erkoren: Viel Schönes hat mein Herz erfreut, Nichts Liebes hab' ich hier verloren. Noch einmal grüß' ich jede Wand: Euch wird nun neuer Schmuck bekleiden. So wend' ich endlich mich zum Scheiden. O möge freudiges Gedeih'n Als unser Dank das Haus belohnen, Und mögen Alle glücklich sein, Die nach uns diesen Raum bewohnen! Worte hat der Mensch allein Ach, wenn die Blumen singen könnten Mit ihrem kleinen Rosenmund, Sie thäten allen Elementen Des Frühlings Wonnen singend kund; Durch Hain und Fluren würd' erglühen Ein Feuermeer der Melodie! — Die Blumen können nichts als blühen, Und singen muß der Mensch für sie. So sing, o Mensch! Denn horch, es singen Die frohen Vöglein lieb und laut! Der Erde soll's zum Herzen dringen, Sie sei des blauen Himmels Braut! Im grünen Kleide prangt die Schöne, Gesang mag ihr Entzücken weihn — Doch Vögel haben nichts als Töne, Und Worte hat der Mensch allein. Wenn Wort und Töne froh sich finden, Wie eines mit dem andern zieht, Da werden sie sich gern verbinden, Da bilden sie vereint das Lied. Der Vogel preis' in Schall und Klange Den Lenz, die Blum' in Duftes Lust, Der Mensch begrüß' ihn im Gesange Des Wortes aus der Menschenbrust! Die Blume bleibt am Boden hangen, Der Vogel schwingt sich flatternd auf, Und beide streben und verlangen Mild ahnend nach dem Licht hinauf. Der arme Mensch steht zwischen beiden, Wie Licht ihn lockt, wie Erd' ihn hält, Doch Menschenfreuden, Menschenleiden Verkündet er im Wort der Welt. Schilfgeflüster Es zieht mich so geheimnißvoll An's öde Schilfgestade. Ein matter Strahl vom bleichen Mond Fällt auf die dunklen Pfade. Der Nachtgeist flüstert mancherlei Am schwarzen Schilf im Rohre, Die Halme hören's, schütteln sich Und klagen schwer im Chore. Ich lausche. Weh wird mir zu Muth. Die Melodie klingt trübe. Sie ist ein dumpfer Grabgesang Auf meine todte Liebe. Ruinen Ich hatte Lieb' und Lust begraben; mein Blick verlor sich in Ruinen, Die standen kalt an tiefem Strome vom bleichen Abendschein beschienen. Gebroch'ne Marmorsäulen klagten von alter Pracht und gold'nen Tagen; Verstümmelt standen sie, die Knäufe und Capitäler weggeschlagen. Noch sah ich eines Domes Spitze hoch, einsam in die Wolken ragen; Noch sah ich feste Mauerpfeiler bunt tapezirte Säle tragen. Der Dom war öd', die Säle offen. Wie träumend flatterten die Eulen. Durch weite Fensterhöhlen tobte der Winterstürme banges Heulen. Im wüsten Schutt schlich sich der Epheu lebendig durch die todten Gänge. Auf grauen, mürben Steinen hallten die Tritte hohl wie Grabgesänge. Zerschlag'ne Hermen in den Höfen; kopflos lag eine Sphinx im Garten; Sie schienen eines Ostertages in tiefen Schlaf gewiegt zu warten. Umsonst! — Am leeren Marmorbecken im Sand stand einsam eine Palme. Ein Rohrbusch dürstete nach Wasser. — Trüb strich der Nachthauch durch die Halme. Ich wankte durch die düstern Hallen; mein Aug' versenkte sich in's Schauen; Da ward mir kalt, es überfiel mich ein räthselhaft, unheimlich Grauen, Mir schienen Sphinx und Dom und Hermen im Mond gespensterhaft zu flimmern, Ich weinte still; ich schaute — glaub' ich — die Welt in meiner Brust in Trümmern. Lieb Seelchen, laß das Fragen! Lieb Seelchen, laß das Fragen sein: Was wird der Frühling bringen? Lichtgrünes Gras, Waldmeisterlein Und Veilchen vor allen Dingen. Auch Herzeleid und Frauenhuld Gedeiht in diesen Tagen, Ein bischen Glück, ein bischen Schuld — Lieb Seelchen, laß das Fragen! 1. Wenn unverwandt an deinem Aug' ich hänge Lieder Wenn unverwandt an deinem Aug' ich hänge, In heil'gem Ahnen streife dein Gewand, Dein Ohr mit leisem Schmeichelwort bedränge, Nicht lassen will aus meiner deine Hand: Dann sage nicht, daß ich in frühern Tagen Vor dir geliebt so manch ein schönes Kind, So manch ein Herz bethört mit gleichen Klagen, Die nun doch alle längst vergessen sind. Wol ist es wahr, ein keck verbraustes Leben Gährt hinter mir, auf seinem raschen Fluß Seh' ich's wie halbverlorne Märchen schweben, Die mahnen mich an manchen letzten Kuß. Was ich gesucht bei Jenen und gefunden, Der ersten Neigung blöde Schwärmerei, Den tollen Rausch waldflücht'ger Schäferstunden, Das mußte kommen und es ging vorbei. Befiehl, so sing' ich von gefallnen Sternen, Von Blumen, die nur eine Nacht geblüht; Doch dann versprich, du willst es glauben lernen, Nur einer hat mein Herz, nur dir geglüht. Du bist das Morgenroth in meinen Nächten, Der Hort, den lang vergebens ich gesucht; Den Brautkrauz in dein braunes Haar zu flechten, Sei meiner Mühen segensreiche Frucht. Besinne dich, was wirst du dann mir sagen, Wenn ich einst komme mir ein Weib zu frei'n, Und deine Hände fasse, dich zu fragen: Willst du auf ewig nun die meine sein? 2. Du sinnest träumerisch und schweigest Lieder Du sinnest träumerisch und schweigest, Den Blick zur Erde hingewandt, Du sinnest träumerisch und neigest Das Haupt in deine liebe Hand. Wie ein erbleichend Frühroth flieget Ein Lächeln über dein Gesicht — In Traumes Dämmrung eingewieget Wie bist du schön und weißt es nicht! An den verschloss'nen Busen legen Möcht ich mein eifersüchtig Ohr, Ablauschen deines Herzens Schlägen, Was sein Geheimniß sich erkor. Ich seh' dich an, es flieht die Stunde, Wie find' ich deines Sinnens Spur? Kein Wörtlein geht aus deinem Munde Du neigst das Haupt und lächelst nur. So steht vor funkelnden Palästen, Still fröstelnd in der Winternacht, Ein Armer, wenn zu stolzen Festen Sich Herrlichkeit vereint mit Macht. Von droben aus des Reigens Klängen Fällt selten nur ein irrer Laut, Ihm aber will's die Brust zersprengen Um Wunder, die er nie geschaut. 3. Dieweil du mich verlassen hast Lieder Dieweil du mich verlassen hast, Verließ mich auch der Schlummer, Unrast ward mein beständiger Gast, Mein Bettgenoß der Kummer. Ich glaub', auch du häst viel geweint, Dein Auge sah ich glänzen; Nun bist du ruhig, wie es scheint, Und fährst zu Spiel und Tänzen. Da stellt' ich mich ans Treppenhaus Ins gaffende Gedränge; Ein Wagen hielt, du stiegst heraus, Und Lob ging durch die Menge. Wie schien dein Putz zum Hohn mir gar! Anstatt der Myrthenkrone, Die einst ich träumt', umfing dein Haar Ein Kranz von rothem Mohne. Die Blumen der Vergessenheit Trugst du mit Lachen und Scherzen, Da dacht' ich der vergangnen Zeit Und sprach zum klopfenden Herzen: Heut' macht sie Glück, denn leicht und bunt Trägt sie im Haargeflechte Als Schmuck für eine lustige Stund' Den Schlummer meiner Nächte. 4. Zuweilen dünkt es mich als hört' Lieder Zuweilen dünkt es mich als hört' Ich eures Hofhunds heiseres Gebelle, Den ich so oft des Nachts aus seinem Schlaf gestört, Wenn ich durch's thauige Gras zur wohlbekannten Stelle Mich schlich, vom süßen Wahn bethört. Wie trieb im Pappelbaum der Wind sein Spiel, Das Blatt um Blatt gespenstisch rauschte, Wenn ich empor zu deinem Fenster lauschte, Aus dem das Lispelwort der Liebe fiel! Wir lachten, seufzten, lachten wieder; Ein Blumenstrauß, den du am Tag gepflückt, Ein Handschuh, drauf du einen Kuß gedrückt, Flog unversehens in den Kies hernieder. Nach Oben schaut' ich unverrückt, Und doch, ich sah dich nicht, undeutlich nur Hob sich das weiße Nachtkleid aus dem Dunkeln, Derweil hoch überm Dach durch der Augustnacht Funkeln Ein Wetterleuchten um das andre fuhr — Just wie geheimstes Sehnen sich verräth, Aufblitzt und schweigt und wiederkommt und geht. Wer bringt uns nun in ferner Einsamkeit Ein Stündlein nur zurück aus jener schönen Zeit? Mir ist es just, als seist auch du erwacht Und sähst hinab zum Garten in die Nacht. Der Hofhund bellt; warum? es regt sich nichts — Nur über's lange Gras im Glanz des Mondenlichts Schwebt elfenhaft vom Säuselwind getragen Ein Traum von Lieb' und Glück aus halbverschollnen Tagen. Vagabunden In der Schenke des Morgens fruh Geht's wahrhaftig schon lehrreich zu. Drinnen schafft das dralle Gesinde, Draußen schwankt im Frühlingswinde Hoch in der Straßen ein Bündel Stroh Und die Fuhrleut', Hoiahoh! Grüßen den Weiser schon aus der Ferne. Ei, wie trinkt sich so gut und so gerne Irgend ein Schöpplein in aller Ruh' In der Schenke des Morgens fruh! In der Schenke des Morgens fruh Horch' ich dem bunten Gerede zu. Handwerksburschen mit gähnenden Taschen, Fahrende Schüler in feinen Kamaschen, Brauner Zigeuner verschüchterte Brut, Kecke Rekruten, den Strauß auf dem Hut, Etliche wandernde Komödianten, Dann von der Kirchweih' die Musikanten — Also wechselt's in einem Nu In der Schenke des Morgens fruh. In der Schenke des Morgens fruh Trank ich mit Manchem auf Du und Du, Den ich des Nachts, die Faust am Kragen, Unter den eichenen Tisch geschlagen. Mancher zog in die Welt hindann, Den ich hier inniglich lieb gewann. Manchen ließ ich, er konnte nicht zahlen, Mir in die eigene Rechnung malen — Täglich nimmt die Erfahrung zu In der Schenke des Morgens fruh. In die Schenke des Morgens fruh Kam ein Paar auf zergangenem Schuh, Alle beide geflickt und zerrissen. Sie trug ein Kindlein in ärmlichen Kissen; Und noch eh' ich die Hand ihr bot, Ward sie schon über und über roth. Suchten sich Beide vor mir zu verstecken — Mir, mir wollte kein Tropfen mehr schmecken, Aber die Fuhrleut' sangen dazu In der Schenke des Morgens fruh. In der Schenke des Morgens fruh Sangen sie laut und mit Herz-Atout Stachen sie Gras und Eichel und Schelle. Und ich stahl mich hinaus vor die Schwelle, Über die Straße sah ich ihr nach, Bis mir ein Thränlein im Auge zerbrach. Schau, es war dein eigener Wille! Sprach ich zu ihr in des Herzens Stille, Dann sah ich wieder dem Karteln zu In der Schenke des Morgens fruh. Liebessehnsucht Kennst du das Heimweh? — jenen heißen Schmerz, Von dem das Alpenkind nie kann gesunden Im fremden Land? — So krankt nach dir mein Herz, Seit ich der Heimat Bild in dir gefunden. Der ganze Zauber meiner Berge liegt Auf dir; so frei und stolz ist deine Stirne, Brunellenbraun dein Aug', oft überfliegt Es rosig dich, wie Alpenglühn die Firne. Und wenn du sprichst! — wie süßer Vogelsang In's Waldesdunkel lockt, daß selbstvergessen Der Wand'rer lauscht und folgt, bis endlich bang Er nimmer weiß den Ausgang zu ermessen: So folg' ich dir, stilltrunken, ohne Wahl Und wie berückt von lieblichen Accorden In deines Herzens tiefgeheimstes Thal, Bis rings die Welt zur Fremde mir geworden. Zu spät Sie werden kommen, die blauen Tage, So freudenarm ist keine Brust, Daß nie ein Strahl sie froh durchdränge, Kein Aug' so trüb, kein Mund so strenge, Daß er nicht einmal lacht vor Lust. Sie werden kommen, die blauen Tage Mit ruhig heit'rem Sonnenschein, Wenn drauß' im Felde stehn die Garben Und mit des Spätherbsts bunten Farben Sich Birke schmückt und Buchenhain. Sie werden kommen, die blauen Tage, Doch, ach, nicht mehr die Sommernacht, Die Nachtigall, im Busch verborgen, Das satte Grün der frischen Morgen Nach tobender Gewitterschlacht. Das Glück, die Jugend sind Geschwister, Kein Machtspruch trennt das holde Paar; Was auch der schönste Herbst beschieden, Das Herz wird nüchtern, kühler Frieden Nur weht um das bereifte Haar. Botschaft Flieg' hin, mein Gruß, weit über Thal und Auen, Bis zu den Grenzen der Lagunenstadt, Wo von Balkonen holde Mädchen schauen, Der Mönch noch immer eine Zuflucht hat; Wo die Paläste stolzer Dogen ragen, Und in der Barke, die die Flut durchzieht, Den düstern Märchen aus uralten Tagen Der Fremdling lauscht und manchem neuen Lied. Dort, in der Heimat süßer Melodien, Entschwund'ne Größe, ungeahnter Pracht, Zu der noch immer müde Herzen fliehen, Dort wünsche dem Geliebten gute Nacht. Und wenn die dunkelblauen Himmelsräume Mit Silberhauch der klare Vollmond füllt, Dann wieg' ihn still in holde Heimatsträume, Und zeig' ihm mein, und meiner Sehnsucht Bild. Nur Gott Sieh', wie du auch dem theuren Freund vertraut, Auf dessen Treu' du sicher stets gebaut, Es gibt ein Leid — da stehst du doch allein, Um einzig nur mit deinem Gott zu sein. Und wenn du, waltend, eine Welt bewegt, Das Große schufst, das Kleine fromm gehegt, Im schwersten Kampf, da bist du doch allein, Um einzig nur in Gottes Hut zu sein. Und stehst du vor des Lebens letztem Schmerz, Bricht einst dir selbst das feste, treue Herz, Im Tod läßt dich die ganze Welt allein, Nur Gott wird schirmend ewig bei dir sein! Einst und Jetzt In's Dorf bin ich gegangen Bis zum Hollunderbaum, Als dort die Vögel sangen, Kam mir ein alter Traum. Entschwund'nes Jugendleben, Vielfach beweintes Glück, Auch manche Wonnestunde Gab er mir treu zurück. So zogen Menschen, Dinge — An meinem Blick vorbei, Bis ich mich endlich fragte, Ob ich es selber sei. Herbstsonne Die Sonne liegt heiß noch in flimmernder Pracht Auf den Blättern und Zweigen, Darunter goldschimmernd herüber es lacht: Da sitzen und schweigen Meine Liebsten allebeid', auf Rufweite vom Haus Und schaun in den Herbst, in den braunen, hinaus. Meine Frau und mein Kindchen, zusammengeschmiegt Die rosigen Wangen: Auf den Astern ein letzter Falter sich wiegt, An den Ästen hangen Vollgelbe Früchte, harrend der pflückenden Hand, Und ein Wehen, leis kühlend, kommt vom Stoppelrand. Als ob dem Kinde der zitternde Strahl Bunte Märchen erzähle, Als zög' ein Träumen zum ersten Mal Durch die junge Seele, So mit Augen groß und blau hinaus blickt das Kind, Dem Blatte folgend, das vom Wipfel löset der Wind. Und über ihm, voll von sonnigem Glück, Von heimlichem Sinnen, Da träumen die Augen der Mutter zurück — Sie wandern von hinnen, Weit hinaus — dann umfahn sie, aus herbstlicher Welt Heimkehrend, lächelnd den Lenz, den im Arm sie hält. Sei mitleidsvoll Sei mitleidsvoll, o Mensch! Zerdrücke Dem Käfer nicht die goldne Brust Und gönne selbst der kleinen Mücke Den Sonnentanz, die kurze Lust. Ein langes mütterliches Bilden Hat rührend in der Larve Nacht Gerieft an diesen Flügelschilden Den Schmelz von grün metallner Pracht. Er muß nach einem Sommer sterben, Wo du dich siebzig Jahre sonn'st; O laß ihn laufen, fliegen, werben, Er sei so prachtvoll nicht umsonst. Ein Wasserwürmchen lag im Moore, Vom Himmel träumend, fußlos, blind. Da wächst ihm Fuß und Aug'; am Rohre Ersteigt es Lüfte warm und lind. Von Sommerglut getrocknet springen Die Gliederschalen; blaue Höhn Erstrebt's auf zart gewobnen Schwingen Und summt: Wie schön, wie wunderschön! Nun ist's in seinen Himmelreichen; Sein höchstes Glück — ein Tag umspannt's. So gönn' ihm nun mit seinesgleichen Den Elfenchor im Abendglanz. Sei mitleidsvoll! Was wir erfuhren, Das schläft im Stein, das webt im Baum, Das zuckt in allen Creaturen Als Dämmerlicht, als Fragetraum. Sei mitleidsvoll! Du bist gewesen Was todesbang vor dir entrinnt. Sei mitleidsvoll! Du wirst verwesen Und wieder werden, was sie sind. Sei mitleidsvoll, o Mensch! Zerdrücke Dem Käfer nicht die goldne Brust Und gönne selbst der kleinen Mücke Den Sonnentanz, die kurze Lust! Herbstabend Ein Brausen geht durch den sterbenden Wald, Die Blätter fliegen todt und kalt, Das sind der Herbstnacht Stürme; In Grauen gehüllt und in Dunkelheit, Wie liegen die Lande so fremd und so weit! Fern klingen die Glocken der Thürme. Zur wilden Jagd nach vergänglichem Gut Drängt dort sich die eilige Menschenflut, Die Brandung wächst in den Gassen, — Wer hört auf den schütternden Glockenklang? Er tönt die einsamen Felder entlang Hoch über den Köpfen der Massen. Geflügelten Rades steuert die Zeit Zermalmend fort über Lust und Leid Durch ungemessene Fernen, — Du lausche dem Klang mit gefühligem Ohr, Erhebe den Blick zum Himmel empor, Zu den rettenden ewigen Sternen! Am Wege Nach einem grünen Walde gingen Zwei, Es war zur Morgenzeit im Monat Mai. Vor ihren Augen lag die Welt so schön: Im Duft die Thäler, und im Glanz die Höhn. Und wo ihr leichter Schritt die Wiese trat, Da sproßten Blumen unter ihrem Pfad. Und wo ihr Blick ins Weite suchend ging, Da flog empor ein bunter Schmetterling. Und Drosselschlag und Sang der Nachtigall War ihrer jungen Herzen Wiederhall. — An einem Busch, der licht in Rosen stand, Da faßten sie einander Hand bei Hand. Und wo der Wald entstieg dem weichen Grund, Da ruhten sie beisammen Mund an Mund. — Sie haben nicht den alten Mann geschaut, Ihm waren Bart und Haare tief ergraut; Der saß am Wege lächelnd still und brach Zwei Rosen sich und sah den Beiden nach. Vorüber! Von Ferne zuckt ein falber Sonnenschein, Und landwärts ruft es mit gedämpften Stimmen, Doch hüllt der graue Nebel Alles ein, Kaum seh' ich, wo wir auf den Wassern schwimmen. Da drüben wohnt das Weib, so falsch wie schön, Um die den Tag ich immer noch verträume; Am Abhang jener waldbekränzten Höhn, Da liegt ihr Haus im Schatten hoher Bäume! Am Fenster steht sie einsam wol und lauscht Und läßt hinaus die dunkeln Blicke schweifen, ... Sie hört nur, wie die Brandung tonlos rauscht, Und fühlt den Wind in ihre Haare greifen. In diesen Locken wühlte meine Hand. Dem Zauber dieser Augen hingegeben Hielt ich den wonnevollen Leib umspannt, Und trank in heißen Küssen Tod und Leben. Nun deckt der graue Nebel Alles zu, Der Himmel senkt sich trüber nur und trüber; Rings auf den Fluten waltet Grabesruh', — Und lautlos gleiten wir dem Strand vorüber. Auf den schaukelnden Wasserwogen Auf den schaukelnden Wasserwogen Steht im Glanze der Himmelsbogen, — Hast du wol den Sturm gesehn Über die Fläche der Tiefe gehn? Lache nur aus jubelnder Kehle! Singe nur aus jauchzender Seele! Schüttle trotzig dein Lockenhaar: Deine Freuden sind doch nicht wahr! Durch dein Lachen und durch dein Singen Hör' ich schmerzliche Seufzer klingen, Und dein Auge, so klar es scheint, Hat die Nacht hindurch geweint! Mußt du doch mit heimlichen Thränen Nach dem rettenden Freunde dich sehnen, Der, verrathen und tief gekränkt, Dein in Trauer und Groll gedenkt. Nordstern Ich sah im goldgesäumten Nebelschleier Den Morgen steigen aus dem Schooß der Nacht, Da dacht' ich dein in meiner Andacht Feier — Doch du, wann hast du jemals mein gedacht? Ich sah den Tag mit seinem wirren Treiben, Es war die Sorge, die mein Herz beschlich; Um dich war ich besorgt: wo wirst du bleiben? — Doch du, wann sorgtest du dich je um mich? Ich sah den Abend schattendunkel kommen Und wünschte mich in Frieden dir vereint, Ich weint' um dich, die mir so früh genommen, — Doch du, wann hast du je um mich geweint? — Und wieder ist es tiefe Nacht geworden, Auf's Lager sink' ich ohne Schlaf zurück, — Es glänzt ein kalter Stern im fernen Norden, — Du grüßest mich, du mein verlornes Glück! Heimkehr Entfernte Glocken klangen Herauf den stillen See, — Weiß nicht, woher sie drangen, Weiß nicht, was sie mir sangen, — Mir ward so wohl, so weh! Verworr'ne Stimmen riefen, Das Ufer lag so fern, Der Wind, die Wellen schliefen, Und durch des Himmels Tiefen Schoß ein verirrter Stern. Der Mond mit hellem Blicke Durchmaß die Fluten weit, — Wol auf der Strahlenbrücke Ging sanft gelöst zurücke Ein Herz zur Ewigkeit. Das Brunnen-Gespenst zu Elsei Bei Rhe vom Richtplatz schreitet sacht Ein Mägdlein noch um Mitternacht. Sie nimmt gen Elsei ihren Gang, Die Haide und das Feld entlang. Die Todten schreiten leise. Ihr Kleid ist weiß, ihr Antlitz bleich. „Du kommst wol aus dem Todtenreich, Du bleiches Bild, steh' Rede mir, Was treibt dich aus dem Grab herfür?“ Die Todten reden leise. Zum Stiftsplatz lenkt sie ihren Schritt Und schwingt sich auf den Brunnentritt. „Was schaffst du hier zur nächt'gen Stund', Ist's Böses nicht, so gib es kund?“ Die Todten reden leise. Nach Kett' und Krücke greift sie drauf, Der Eimer sinkt und kommt herauf. „Was suchst du auf des Eimers Grund? Im Namen Gottes sprich jetzund!“ Die Todten reden leise. Sie starrt hinab zum finstern Grund, Sie starrt hinauf zum Himmelsrund. „So helf dir Gott, im Brunnen ruht, Wol gar dein eigen Fleisch und Blut!“ Die Todten reden leise. Da kräht der Hahn, die Nacht ist um, Das Mägdlein schleicht von dannen stumm. Sie nimmt zum Richtplatz ihren Gang, Das Feld und dann die Haid' entlang. Die Todten schreiten leise. In der Bucht Es hüllt der dunkle Wald uns ein; Die Ruder plätschern matt und leise; Kaum, daß von oben noch herein Der Mond bescheint die stille Reise. Die Blume träumt in stiller Pracht, Es singen leis die schönen Frauen — Wer möchte wol nach solcher Nacht Noch wünschen, je den Tag zu schauen! Verrath Die Wasserlilie kichert leis: „Ich muß euch ein Ding verrathen, Ich muß euch verrathen, was gestern Nachts Zwei junge Verliebte thaten. Die kamen mit Vetter- und Basenschaft Den Strom hinunter geglitten, Die saßen, weil Lauscher im Boot, ganz still, Mit auferbaulichen Sitten. Sie tauchte die Hand in's Wogenblau, Den klopfenden Puls zu kühlen, Er wollte zur selben Zeit einmal Nach der Wärme des Wassers fühlen. Und unter dem Wasser begegnen sich Verstohlen die beiden Hände, Und fliehen sich und fangen sich Es nimmt das Spiel kein Ende. Die Basen haben nichts gemerkt Von der glücklichen Liebesstunde, Ich aber hab' es wol gesehn Tiefher aus dem lauschenden Grunde.“ Vom Dampfer Es ruht das Boot, weil allzu dicht Der Nebel rings verhüllt das Land, Ich träume still, mein Angesicht Nach deiner Heimat zugewandt. O, Segen diesem Nebelmeer, Das noch die Fahrt gebunden hält! Bei Sonnenschein — o Gott, ich wär' Wie weit von dir in öder Welt! Morgenfahrt Wie morgenstill die weite Welt! Die Nacht ist kaum vergangen; Noch liegen Berg und Fluß und Feld Vom Nebel dicht umhangen. Ich hab' mich auf's Verdeck gesetzt, Der Stunde zu genießen, Obwol noch oft sich feucht benetzt Die müden Augen schließen. Dazwischen dampft der wilde Schlot, Die Schaufelräder rasen, Und lustig in das Morgenroth Vom Land die Wächter blasen. Nacht Nun bin ich untreu worden Dem hellen Sonnenschein; Die Nacht, die Nacht soll Dame Nun meines Herzens sein. Sie ist von düstrer Schönheit, Hat bleiches Nonnengesicht, Reichfunkelnde Sternenkrone Ihr dunkles Haar umflicht. Heut' ist sie so beklommen, Unruhig und voller Pein; Sie denkt wol an ihre Jugend — Das muß ein Gedächtniß sein! Es streicht durch alle Thäler Ein Stöhnen so klagend und bang; Wie Thränenbäche rieseln Die Quellen vom Bergeshang. Die schwarzen Fichten sausen Und wiegen sich her und hin, Und über die feuchte Haide Verlorene Lichter fliehn. Den Sternchen bringt ein Ständchen Das dumpfaufbrausende Meer, Und über mir zieht ein Gewitter Mit klingendem Spiele daher. Es will sich vielleicht betäuben Die Nacht den uralten Schmerz? Es denkt an uralte Sünden Vielleicht ihr reuiges Herz? Ich möchte gern mit ihr plaudern, Wie man mit dem Liebchen spricht: Umsonst! in ihrem Grame Sie siehet und hört mich nicht. Ich möchte sie gern befragen, Und werde doch immer gestört, Ob sie vor meiner Geburt schon Wol — meinen Namen gehört? Sie ist eine alte Sibylle Und kennt sich selber kaum; Sie und der Tod und wir Alle Sind Träume von einem Traum. Ich will mich schlafen legen. Ein Morgenwind schon zieht; Ihr Trauerweiden am Kirchhof, Summt mir ein Wiegenlied. Es wallt das Korn — Es wallt das Korn weit in die Runde Und wie ein Meer dehnt es sich aus; Doch liegt auf seinem stillen Grunde Nicht Seegewürm, noch andrer Graus: Da träumen Blumen nur von Kränzen Und trinken der Gestirne Schein. O gold'nes Meer, dein friedlich Glänzen Saugt meine Seele gierig ein! In meiner Heimat grünen Thalen, Da herrscht ein alter schöner Brauch; Wann hell die Sommersterne strahlen, Der Glühwurm schimmert durch den Strauch: Dann geht ein Flüstern und ein Winken, Das sich dem Ährenfelde naht, Da geht ein nächtlich Silberblinken Von Sicheln durch die goldne Saat. Das sind die Bursche, jung und wacker, Die sammeln sich im Feld zu Hauf Und suchen den gereiften Acker Der Wittwe oder Waise auf, Die keines Vaters, keiner Brüder Und keines Knechtes Hilfe weiß — Ihr schneiden sie den Segen nieder, Die reinste Lust ziert ihren Fleiß. Schon sind die Garben fest gebunden Und schön in einen Kranz gebracht; Wie lieblich floh'n die stillen Stunden, Es war ein Spiel in kühler Nacht! Nun wird geschwärmt und hell gesungen Im Garbenkreis, bis Morgenduft Die nimmermüden, braunen Jungen Zur eig'nen schweren Arbeit ruft. In der Stadt 1. Wo sich drei Gassen kreuzen, krumm und enge, Drei Züge wallen plötzlich sich entgegen Und schlingen sich, gehemmt auf ihren Wegen, Zu einem Knäul und lärmendem Gedränge. Die Wachparad' mit gellen Trommelschlägen, Ein Hochzeitzug mit Geigen und Gepränge, Ein Leichenzug klagt seine Grabgesänge: Das Alles stockt, kein Glied mehr kann sich regen. Verstummt sind Geiger, Pfaff', und Trommelschläger; Der dicke Hauptmann flucht, daß Niemand weiche, Gelächter schallet aus dem Hochzeitzug. Doch oben, auf den Schultern schwarzer Träger, Starrt in der Mitte kalt und still die Leiche Mit blinden Augen in den Wolkenflug. 2. Was ist das für ein Schrei'n und Peitschenknallen? Die Fenster zittern von der Hufe Klang; Zwölf Rosse keuchen an dem straffen Strang Und Fuhrmannsflüche durch die Gasse schallen. Der auf den freien Bergen ist gefallen! Dem todten Waldeskönig gilt der Drang: Da schleppen sie wol dreißig Ellen lang, Die Rieseneiche durch die dumpfen Hallen! Der Zug hält unter meinem Fenster an, Denn es gebricht zum Wenden ihm an Raum; Verwundert drängt der Pöbel sich heran; Er weidet sich an der gebrochnen Kraft: Da liegt entkrönt der sturmgefeite Baum! Aus seinen Wunden quillt der frische Saft. Siehst du den Stern im fernsten Blau Siehst du den Stern im fernsten Blau, Der zitternd fast erbleicht? Sein Licht braucht eine Ewigkeit, Bis es dein Aug' erreicht! Vielleicht vor tausend Jahren schon Zu Asche stob der Stern, Und doch sehn seinen milden Schein Wir dort noch still und fern. Dem Wesen solchen Scheines gleicht, Der ist und doch nicht ist, O Lieb, dein anmuthvolles Sein, Wenn du gestorben bist. Wanderlied Wohlauf, noch getrunken Den funkelnden Wein! Ade nun, ihr Lieben! Geschieden muß sein. Ade nun, ihr Berge, Du väterlich Haus! Es treibt in die Ferne Mich mächtig hinaus. Die Sonne, sie bleibet Am Himmel nicht stehn, Es treibt sie durch Länder Und Meere zu gehn. Die Woge nicht haftet Am einsamen Strand, Die Stürme sie brausen Mit Macht durch das Land. Mit eilenden Wolken Der Vogel dort zieht, Und singt in der Ferne Ein heimatlich Lied. So treibt es den Burschen Durch Wälder und Feld, Zu gleichen der Mutter, Der wandernden Welt. Da grüßen ihn Vögel Bekannt über'm Meer. Sie flogen von Fluren Der Heimat hierher. Da duften die Blumen Vertraulich um ihn; Sie trieben vom Lande Die Lüfte dahin. Die Vögel, die kennen Sein väterlich Haus; Die Blumen einst pflanzt' er Der Liebe zum Strauß; Und Liebe, die folgt ihm, Sie geht ihm zur Hand: So wird ihm zur Heimat Das ferneste Land. Stille Thränen Du bist vom Schlaf erstanden Und wandelst durch die Au, Da liegt ob allen Landen Der Himmel wunderblau. Als du noch ohne Sorgen Geschlummert schmerzenlos, Der Himmel bis zum Morgen Viel Thränen niedergoß. In stillen Nächten weinet Oft Mancher aus den Schmerz, Und Morgens dann ihr meinet, Stets fröhlich sei sein Herz. Abschied Geh' ich einsam durch die schwarzen Gassen, Schweigt die Stadt, als wär' sie unbewohnt; Aus der Ferne rauschen nur die Wasser, Und am Himmel zieht der bleiche Mond. Bleib' ich lang' vor jenem Hause stehen, Drin das liebe, liebe Liebchen wohnt, Weiß nicht, daß sein Treuer ferne ziehet, Stumm und harmvoll, wie der bleiche Mond. Breit' ich lange sehnend meine Arme Nach dem lieben, lieben Liebchen aus, Und nun sprech' ich: Lebet wohl, ihr Gassen! Lebe wohl, du stilles, stilles Haus! Und du Kämmerlein im Haus dort oben, Nach dem oft das warme Herze schwoll, Und du Fensterlein, draus Liebchen schaute, Und die Thüre, draus sie ging, leb wohl! Geh' ich bang nun nach den alten Mauern, Schauend rückwärts noch mit nassem Blick, Schließt der Wächter hinter mir die Thore, Weiß nicht, daß mein Herze noch zurück. Zwei Särge Zwei Särge einsam stehen In des alten Domes Hut, König Ottmar liegt in dem einen, In dem andern der Sänger ruht. Der König saß einst mächtig Hoch auf der Väter Thron, Ihm liegt das Schwert in der Rechten, Und auf dem Haupt die Kron'. Doch neben dem stolzen König, Da liegt der Sänger traut, Man noch in seinen Händen Die fromme Harfe schaut. Die Burgen rings zerfallen, Schlachtruf tönt durch das Land, Das Schwert, das regt sich nimmer Da in des Königs Hand. Blüten und milde Lüfte Wehen das Thal entlang — Des Sängers Harfe tönet In ewigem Gesang. Der Wandrer in der Sägemühle Dort unten in der Mühle Saß ich in süßer Ruh Und sah dem Räderspiele, Und sah den Wassern zu. Sah zu der blanken Säge, Es war mir wie ein Traum, Die bahnte lange Wege In einen Tannenbaum. Die Tanne war wie lebend; In Trauermelodie Durch alle Fasern bebend, Sang diese Worte sie: „Du kehrst zur rechten Stunde, O Wanderer, hier ein; Du bist's, für den die Wunde Mir dringt ins Herz hinein; Du bist's, für den wird werden, Wenn kurz gewandert du, Dies Holz im Schooß der Erden Ein Schrein zur langen Ruh.“ Vier Bretter sah ich fallen, Mir ward's um's Herze schwer, Ein Wörtlein wollt' ich lallen, Da ging das Rad nicht mehr. Abendstille Nun hat am klaren Frühlingstage Das Leben reich sich ausgeblüht; Gleich einer ausgeklungnen Sage Im West das Abendroth verglüht. Des Vogels Haupt ruht unterm Flügel, Kein Rauschen tönt, kein Klang und Wort; Der Landmann führt das Roß am Zügel, Und Alles ruht an seinem Ort. Nur fern im Strome noch Bewegung, Der weit durch's Thal die Fluten rollt: Es quillt vom Grunde leise Regung, Und Silber säumt sein flüssig Gold. Dort auf dem Strom noch ziehen leise Die Schiffe zum bekannten Port, Geführt vom Fluß im sichern Gleise — Sie kommen auch an ihren Ort! Hoch oben aber eine Wolke Von Wandervögeln rauscht dahin; Ein Führer streicht voran dem Volke Mit Kraft und landeskund'gem Sinn. Sie kehren aus dem schönen Süden Mit junger Lust zum heim'schen Nord, Nichts mag den sichern Flug ermüden, Sie kommen auch an ihren Ort! Und du, mein Herz! In Abendstille Dem Kahn bist du, dem Vogel gleich, Es treibt auch dich ein starker Wille, An Sehnsuchtsschmerzen bist du reich. Sei's mit des Kahnes stillem Zuge, Zum Ziel doch geht es immer fort; Sei's mit des Kranichs raschem Fluge — Auch du, Herz, kommst an deinen Ort! Gruß an mein Weib 22. Mai 1843 Und sieh, nun ist es doch gekommen, Was uns die Welt so schwer gemacht! Nach all dem Kampf ist doch erglommen Der Stern der stillen Hochzeitnacht. Nun komm, tritt ein in meine Klause, Sei mir vereint mit Seel' und Leib, Und laß dir's heimisch sein im Hause, Darin du nun gebeutst als Weib. Ein Jüngling nicht, im Jubelrausche, Jauchzt dir die wilden Schwüre zu; Nicht wie die Braut im Wonnetausche Trittst über meine Schwelle du. Auf meiner Stirn die frühen Falten, Auf deinen Wangen liegt der Gram, Weil ja in tausend Truggestalten Der Haß dich mir zu rauben kam. Doch ungeschwächt durch alle Plage Ging mit uns diese heil'ge Glut; In unsres Herzens vollem Schlage Pulst noch ein heißes Jugendblut. Sei froh und stolz! mit festem Sinne Erwiesen wir's der feigen Welt, Daß einer todesstarken Minne Kein Hemmniß in den Weg sich stellt. Verzeih's Gott denen, die uns hassen, Dir beut die Hand ein armer Mann, Du magst mit einem Blick umfassen Das Gut, das ich dir bieten kann. — Ja lebte noch das Recht auf Erden, Ging Alles ehrlich, wie es soll, Dir müßte ja zu eigen werden Ein Haus an Schätzen übervoll! Doch blieb aus meiner Eltern Habe Ein traulich Lager für uns zwei, Und daß uns Brod und Becher labe, Stellst du den eignen Tisch herbei. Der Frühling sendet seine Düfte Vom Garten her in reichem Schwall, Und durch der Lenznacht feuchte Lüfte Ruft: komm, o komm! die Nachtigall. Und staunst du morgen, froh erwachend, Bricht mächt'ger Sonnenglanz herein, Durch's hohe Fenster grüßt dich lachend Das wunderbare Land am Rhein. Wir schreiten mit verjüngter Stärke An unser Schaffen ohne Rast, Und nach vollbrachtem Tagewerke Bin ich am eignen Herd dein Gast. Trost der Nacht Es heilt die Nacht des Tages Wunden, Wenn mit der Sterne buntem Schein Das königliche Haupt umwunden Sie still und mächtig tritt herein. Die milden leisen Hauche kommen, Der Farben grelle Pracht erblaßt; In weicher Linie ruht verschwommen Der scharfen Zackenfelsen Last. So legt die Nacht mit Muttergüte Sich um die Seele schmerzenvoll: Es läutert still sich im Gemüthe Zur Wehmuth jeder bittre Groll. Die Thränen, die vergessen schliefen, Nun strömen sie in mächt'gem Lauf: Es steigt aus wunden Herzenstiefen Ein rettungsahnend Beten auf. Niemals nur in Kunst und Leben Sprüche Niemals nur in Kunst und Leben Schlechtem, Halbem Raum gegeben! Populär darf der nur heißen, Der zu seinen Höhn kann reißen. Gradaus hab' ich stets gesprochen Sprüche Gradaus hab' ich stets gesprochen, Und mir dennoch Bahn gebrochen. All die Leisetreter mit Glück Ließ ich hinter mir zurück. Sie schwatzen von Bescheidenheit Sprüche Sie schwatzen von Bescheidenheit, Mich dünkt, das ist ein fleckig Kleid! Der hat nach Rechten nie getrachtet, Der nicht die eigne Arbeit achtet. Ein jedes Mädchen sollst du betrachten Sprüche Ein jedes Mädchen sollst du betrachten Als könnte sie mit dir zum Altar gehn; Und jeden Gegner sollst du achten, Als könnt' er dir zur Seit' einst stehn. Müde ging ich auf rauhem Steg Sprüche Müde ging ich auf rauhem Steg, Da kroch ein Käfer mir grad im Weg; Zutretend wollt' ich den Tod ihm geben — Da dacht' ich an dich, und trat daneben. Wüßt ihr, was mich beim Mann am tiefsten kränkt? Sprüche Wüßt ihr, was mich beim Mann am tiefsten kränkt? Wenn er die Lieb' auf's eigne Weib beschränkt. In meines Weibes heil'gen Seelengründen Soll stets zur Welt sich Liebe mir entzünden. Das Lied vom Leide Laßt Andre in die Saiten greifen, Laßt sie in schwellendem Accord Ihr Lied der Lust entgegenreifen, Zum Jubel schwingen Klang und Wort! Ich seh' es blühn, ich hör' es schallen — Doch von den Jubelworten allen Stimmt mir zu meiner Weise keins. Mein Lied neigt wie die Trauerweide, Entfernt vom Jubelchor des Hains, Zum dunklen Spiegel alles Seins, Mein Lied, es ist das Lied vom Leide. Weiß nicht, wie es in mir entstanden, Wie ein verborgnes Saitenspiel Vernehm' in nah'n und fernen Landen Ich's auf dem Wege und am Ziel. Dies Lied, es strömt nicht aus der Kehle, Es lebt mir in der tiefsten Seele Und, blick' ich stumm zum Freund empor, Mir ist, als sängen wir dann Beide, Dringt auch kein einz'ger Laut ans Ohr, In ungehörtem, stillem Chor Das alte, ew'ge Lied vom Leide. Wenn ich an festlich stillem Morgen Den Wald durchschreite und die Flur, Tönt mir, was ich in mir geborgen, Zurück in tausend Sprachen nur. Ich seh' Vergehen im Entfalten, Ich seh' Zerstören im Gestalten — Mir ist, als ob sich jeder Keim Mit Schmerz vom Mutterboden scheide, Als suchte Jegliches sein Heim, Als wär' Natur auf Einen Reim Gestimmt — ein einz'ges Lied vom Leide. Ich hab's im Kindeslaut vernommen, Der angstvoll in die Welt sich wagt, Im Mädchenseufzer, der beklommen Im Hauch ein stilles Sehnen klagt, Ich sah es schweben auf den Lippen, Die lächelnd vom Genusse nippen Und von des Mannes Stirne klang, Ob er gethront im Herrscherkleide, Ob er, gebeugt sein Leben lang, Nach Luft und Licht und Freiheit rang, Entgegen mir das Lied vom Leide. Es war ein schmerzlich wildes Rauschen, Da ich's zum ersten Mal gehört, Dann liebt' ich, still es zu erlauschen, Es hat mich Lust am Leid gelehrt. Mir ward's Genuß, im Kreis der Wesen Die einz'ge große Schrift zu lesen, Die ew'ge Gleichheit mir verhieß — Glaub' nicht, daß wer mich drum beneide — Mir klingt es hold, mir klingt es süß, Gäb' nicht um allen Jubel dies Erlösend sanfte Lied vom Leide. Heinrich Heine O zürnt ihm nicht, der jetzt mit Liebestönen Das Herz euch rührt; Dann aber selbst, das Liebste zu verhöhnen, Sein Lied verführt. O zürnt ihm nicht, wenn rasch der Wehmuth-Schauer Mit Spott sich tauscht; O zürnt ihm nicht, wenn unterm Flor der Trauer Ein Satyr lauscht. O zürnt ihm nicht, der, groß im Bett der Schmerzen, Sein Leid bezwang, Und der, ein Held, mit fast gebroch'nem Herzen Noch heiter sang. Nachhall Noch tönt, wenn schon dem Glücke Das Leben lang gebrach, Dem schönen Augenblicke Die Seele zitternd nach. So glänzt vom Bergesgipfel Das Licht noch, wenn es flieht; So rauscht durch Waldeswipfel Noch spät ein träumend Lied. So bebt im Flutenkreise Bewegt der tiefe See; So klingt die Alphornweise Weitaus in Lust und Weh. Im Tannengrund Im Tannengrund verloren steht Ein altes Kreuz von Stein, Und eine Waldspur, halb verweht, Führt tief den Grund hinein. Was hier geschah — die Tanne spricht Davon kein flüsternd Wort; Das Moos am Steine weiß es nicht, Wie träumend wächst es fort. Kein Wasser rinnt, kein Vogel singt, Hier steht so still die Zeit! Zur Seele bebt, zur Seele dringt Kein Laut von Lust und Leid. Und doch — wer glänzend, stolz und groß Sein eitel Herz berauscht, Bedenk' es wohl, ob unterm Moos Der Todte mit ihm tauscht! Eins! Wie berührt mich wundersam Oft ein Wort von dir, Das von deiner Lippe kam Und von Herzen mir. Was ist mein und was ist dein? Ach, du weißt es nicht, — Wie aus dir in Lust und Pein Meine Seele spricht! Unerkannte Schätze „Hast du ein Gut, so halt es fest Und gib es nicht von Händen; Eh' noch entflieht der Stunde Rest, Kann dein Geschick sich wenden. Worauf dein Sinn kaum Werth gelegt, Was kaum du weißt zu nennen, Wenn man's zum dunkeln Grabe trägt Lehrt's dich dein Schmerz erkennen. —“ Es war einst ein Knabe, ein munteres Blut, Der hörte, daß auf der Erde, Die Treue sei ein seltnes Gut Und daß stets seltner sie werde. Er lachte dazu und glaubte es nicht So klug auch die Leute sprachen, Undenkbar schien's, daß die heiligste Pflicht, Die Treue, die Menschen oft brachen! Da treibt es den Knaben hinaus mit Gewalt, In der Welt will die Treue er finden, Dem finstern Mißtraun will selber alsbald Sein haltlos Wort er verkünden. Lieb Mütterlein das weinte und bat: „Bleib' hier, mein Kind!“ mit Thränen; Er sieht nicht die Thränen, er hört nicht den Rath — Ach zu mächtig, zu heiß ist sein Sehnen. Und fort, über Land und Meere fort Durchstreift er alle Zonen, Von Ost nach West, von Süd nach Nord, Wo immer nur Menschen wohnen. — Zwar ging im Anfang das Wandern gut, So von einem Orte zum andern; Doch nach und nach, ach da sank ihm der Muth — Er mußte so lange auch wandern! Wol fand er hier und da einen Freund, Der schwor mit biedern Mienen, Er sei, in steter Treu' ihm vereint, Bereit in der Noth ihm zu dienen; Doch als die Noth dann wirklich kam Mit ihren finstern Stunden, Und als den Freund er beim Worte nahm, Da war die Treue verschwunden. Wol sprach manch blondgelocktes Kind Ihm viel von süßer Liebe, Wie sie ihm ewig holdgesinnt Im Tode treu noch bliebe — Da kam ein Andrer schlank und zart, Hat schnell ihr Herz gewonnen, Und war die Liebe auch heißer Art, Die Treue — die war zerronnen. So war der Knabe zum Manne gereift — Da ward ihm das Glück ergeben, Mit Schätzen hat's ihn überhäuft, Mit Reichthum vergoldet sein Leben. Was half's? Er fühlte sich dennoch allein, Dem Reichthum fehlte die Weihe, Den Schätzen der herrlichste Edelstein, Noch fand er eins nicht — die Treue. Und fort noch immer von Ort zu Ort Durchstreifte er alle Zonen, Von Ost nach West, von Süd nach Nord, Wo immer nur Menschen wohnen. — So reiste er einst im Morgenland Mit ungestilltem Hoffen, Da hat an der Oase Rand Einen Derwisch er angetroffen. Und als er diesen nach Sitte und Brauch Beschenkt mit freundlicher Gabe, Sprach er: „Sag', Derwisch, ist's Wahrheit auch, Was oft vernommen ich habe, Daß Ihr der Menschen weiseste seid? Ist's wahr, so sag' mir geschwinde, Und preisen muß dich fortan selbst der Neid, Sag', wo die Treue ich finde.“ „Die Treue,“ entgegnet der Derwisch mild, „Wahr ist's, du findest sie selten; Doch glaube, auch sie ist kein Schattenbild, Auch sie schuf der Gründer der Welten; Er gab ihr sogar ein festes Haus, Da wohnt sie in Freude und Schmerzen, Kein grollendes Schicksal treibt heraus Die Treu' aus dem Mutterherzen.“ Und wie der Derwisch das gesagt, Da ward's dem Frager helle, Er wandte sein Roß, ist heimwärts gejagt, Wie mit des Windes Schnelle. „Ich Thor, der ich den Schatz verkannt, Den Gott mir zugemessen! Was sucht' ich denn im fremden Land, Was ich daheim besessen?“ „Heil dir, o Derwisch, Segen und Heil! Ich habe die Treue gefunden — Nun heimwärts, mein Roß, mit Windeseil', Mach' zu Minuten die Stunden, Die Mutter trauert, sie klagt um den Sohn, Den ewig verloren sie glaubte. Still, Mütterchen, still, er nahet schon, Er kommt, der sich selbst dir raubte.“ „Ob jetzt sie wol an der Pforte steht, Und um den Verschollnen sich sorget? Gewiß bei jedem Lüftchen, das weht, Auf des Sohnes Tritte sie horchet; Und merkt sie, daß es ein Lüftchen allein, Dann rollt die Thrän' von den Wangen — Geduld, Geduld, lieb Mütterlein, Bald sollst du den Sohn umfangen.“ „Wie will ich pflegen und lieben dich In deinen alten Tagen! Ach jede Last macht glücklich mich, Kann ich für dich sie tragen; Vergolten soll jede Thräne sein, Die deinem Kind du geweinet. Geduld, Geduld, lieb Mütterlein, Bald bist du dem Sohne vereinet!“ Und sieh, die letzte Meile, sie flieht, Die noch vom Dörfchen ihn trennet, Der Kirchthurm ist's, der im Abendschein glüht, Den deutlich er schon erkennet; Die Linden sind's, die jetzt er schaut, Die grünen in Dorfes Mitte, Und dort, ach sein Jubel verkündet es laut — Dort steht ja lieb Mütterchens Hütte. Doch horch! was ist das für Geläut', Das dumpf vom Thurme tönet? Nicht Sonntagsfeier ist es heut' — Und wie so klagend es stöhnet! Und siehe, dort wandert ein ernster Zug, Zur Friedhofspforte er schreitet — War's nicht ein Sarg, den vorn man trug, Wer wird denn zu Grabe geleitet? Wie bebte der Reiter, wie treibt er das Roß, Durchfröstelt von Ahnungsgrauen — Vorüber dem Walde, wie Pfeilesgeschoß, Querhin durch die Äcker, die Auen, Jetzt über die hölzerne Brücke im Flug, Nun hat er des Kirchhofs Mauer — Jetzt hat er erreicht den Leichenzug — „Halt an, du Zug der Trauer!“ Und das Roß, es stürzt, und er springt in den Kreis Und steht wie festgebannt — Und wie sie ihn sehen, da flüstern sie leis, Sie haben ihn bebend erkannt. „So sprecht doch, wen birgt der dunkle Schrein? Wen soll die Erde haben?“ — „Verlorner Sohn, dein Mütterlein Ist's, das wir hier begraben.“ Und alle weinen rings umher; Er nur hat keine Thränen, Für ihn gibt's auf Erden kein Wünschen mehr, Für ihn kein Hoffen, kein Sehnen. Die Treue, die Treu', die er nirgends fand, Den Schatz, den er sehnend begehrte, Und den er besessen — unerkannt, Sie senken ihn jetzt in die Erde. — ... Hast du ein Gut, so halt' es fest, Und gib es nicht von Händen; Eh' noch entflieht der Stunde Rest, Kann dein Geschick sich wenden. Worauf dein Sinn kaum Werth gelegt, Was kaum du weißt zu nennen, Wenn man's zum dunkeln Grabe trägt, Lehrt's dich dein Schmerz erkennen. ... Gewiß Gewiß! Es gibt, ob die Gewitterwolke Die Heimat dir umdüst're noch so dicht, Doch irgendwo, bei irgend einem Volke Ein blaues Firmament voll Sonnenlicht! Gewiß! Es gibt, ob grausam wilde Schmerzen Mit scharfem Dorn durchwühlen deine Brust, Doch irgendwo, in irgend einem Herzen Die reichste Freude und die höchste Lust! Gewiß! Es gibt trotz schalem Weltgetriebe Den Genius! Die Kunst! Die Weih'! Die Kraft! Es gibt die Freundschaft und es gibt die Liebe, Die Heiligkeit, die stille Wunder schafft! Es brennt stets irgendwo auf einem Herde, Wenn Alles friert, die munt're Feuerglut — Was wär' das Leben sonst, was wär' die Erde, Wenn irgendwo nicht ein geheimes Gut? Wenn unaufhörlich, unsichtbar, verborgen Nicht wirksam bliebe eine gute Macht — Wenn irgendwo nicht dämmerte der Morgen, Um Tag zu bringen nach jedweder Nacht! Amaranthe Am Abend geht ein Schnitter durch das Feld, Du, Erde, kennst den stummen Kränzewinder, Der Mutter raubt er gern die schönsten Kinder, Die Liebsten, die sie fest umklammert hält. Das Veilchen schmiegt sich bang in ihren Schooß, Die Rose bändigt ihre stolzen Flammen, Und legt die Blätter zum Gebet zusammen, Die Furcht durchzittert alle, klein und groß. Die Nachtviole nur im Aschenkleid, Die Braut des Abendsterns, die kalte Nonne, Die sich entzieht dem Feuerkuß der Sonne, Die öffnet sich, daß sie ihm Weihrauch streut. Er aber geht vorbei. Ihn lockt und zieht Das Purpurroth der kleinen Blumenkerze, Die wie ein liebebrennend frommes Herze Dort zwischen Dorn und Nessel einsam blüht. Er naht und legt die Sichel aus der Hand, Dann bückt er sich hinab, ein schöner Engel, Und löst die Blüte sanft von ihrem Stengel Und tragt sie lächelnd in ihr Vaterland. Der große Krebs im Mohriner See Die Stadt Mohrin hat immer Acht, Kukt in der See bei Tag und Nacht, Kein gutes Christenkind erleb's, Daß los sich reiß' der große Krebs! Er ist im See mit Ketten geschlossen unten an, Weil er dem ganzen Lande Verderben bringen kann. Man sagt: er ist viel Meilen groß Und wend't sich oft, und kommt er los, So währt's nicht lang: er kommt an's Land; Ihm leistet keiner Widerstand. Und weil das Rückwärtsgehen bei Krebsen alter Brauch, So muß dann alles mit ihm zurücke gehen auch. Das wird ein Rückwärtsgehen sein! Steckt Einer was in's Maul hinein, So kehrt der Bissen vor dem Kopf, Zurück zum Teller und zum Topf. Das Brod wird wieder zu Mehle, das Mehl wird wieder Korn, Und alles hat beim Gehen den Rücken dann nach vorn. Der Balken löst sich aus dem Haus Und rauscht als Baum zum Wald hinaus, Der Baum kriecht wieder in den Keim, Der Ziegelstein wird wieder Lehm. Der Ochse wird zum Kalbe, das Kalb geht nach der Kuh, Die Kuh wird auch zum Kalbe, so geht es immerzu! Zur Blume kehrt zurück das Wachs, Das Hemd am Leibe wird zu Flachs, Der Flachs wird wieder blauer Lein Und kriecht dann in den Acker ein. Man sagt, beim Bürgermeister zuerst die Noth beginnt; Der wird vor allen Leuten zuerst ein Päppelkind. Dann muß der edle Rath daran, Der wohlgewitzte Schreiber dann; Die erbgesess'ne Bürgerschaft Verliert gemach die Bürgerkraft. Der Rector in der Schule wird wie ein Schülerlein, Kurz eines nach dem andern wird Kind und dumm und klein. Und alles kehrt im Erdenschooß Zurück zu Adams Erdenkloß. Am längsten hält was Flügel hat, Doch wird zuletzt auch dieses matt, Die Henne wird zum Küchlein, das Küchlein kriecht in's Ei, Das schlägt der große Krebs dann mit seinem Schwanz entzwei. Zum Glücke kommt's wol nie so weit! Noch blüht die Welt in Fröhlichkeit! Die Obrigkeit hat wacker Acht, Daß sich der Krebs nicht locker macht. Auch für dies arme Liedchen wär' das ein schlechtes Glück. Es lief vom Mund der Leute in's Tintenfaß zurück. Liebesnähe Nun ist mit seinem lauten Treiben Der heiße Tag zur Ruh' gebracht, Und nur die kühlen Brunnen bleiben Einsam geschäftig über Nacht. Und wie sich tiefgeheime Kunde Im Mondendämmer offenbart, So steigt aus meines Herzens Grunde Die Sehnsucht, die mein Leben ward. Es schläft, was mich am Tag umdüstert, Was mich verwirrt, bedrängt, gequält: Mir ist, als ob dein Mund mir flüstert, Dein Hauch dem meinen sich vermählt. Nachtgruß Vor meinem Fenster dämmert Das trübe Mondenlicht; Auf meinem Tischlein hämmert Die Uhr und rastet nicht. Die stille Nacht durchschallet Ein einsam hast'ger Gang, Der wiederum verhallet Die leere Straß' entlang. Auf Traumesschwingen heben Sich die Gedanken mir, Und heimlich, o mein Leben, Träum' ich mich hin zu dir. Der Lenz geht um Ich sag' euch was: der Lenz geht um; Nehmt euch in Acht, ihr Leute! Er ist so heimlich, still und stumm, Als ging er aus auf Beute. Seid nur behutsam, wo ihr steht, Und blickt umher ein Weilchen; Denn plötzlich, eh' ihr euch's verseht, Schießt auf ein keckes Veilchen! O traut jetzt keinem alten Baum, Weit eher noch den jungen, Denn eine Knospe, wenn ihr's kaum Noch ahnt, ist aufgesprungen. Wer träumend wandelt durch ein Thal, Der möge sich besinnen; Die Lerche kann mit einem Mal Ihr schmetternd Lied beginnen! Mit Vorsicht und Behutsamkeit Ins Aug' der Mädchen schaue! Gefährlich ist in dieser Zeit Das schwarze wie das blaue! Ich sag' euch was: die Lieb' geht um; Nehmt euch in Acht, ihr Leute! Sie ist so heimlich, still und stumm Und sie geht aus auf Beute! Verfängliche Fragen Gestern kam zu mir ein holdes Mädchen, Sprach: weil du ein Dichter bist, so kündest Du gewiß mir, Lieber, was vergeblich Tag um Tag ich zu ergrübeln suche: Leuchtend über meines Vaters Garten Steht jedwede Nacht ein Stern jetzt, röthlich Strahlt sein Schimmer und die Wölkchen ordnen Goldgesäumt sich um ihn her im Kreise. Nie sah so noch einen Stern ich funkeln! Was er funkelt möcht' ich gerne wissen. Und vor unserm Haus im dunklen Taxus Jeden Abend singt ein kleiner Vogel; Braun ist sein Gefieder, aber reizend Fließt der Ton ihm aus der lieben Kehle. Niemals sang mir noch so süß ein Vogel! Was er singt, das möcht' ich gerne wissen. Doch das Wunderbarste sag' ich billig Dir zuletzt: in meinem eignen Fenster Ist seit dreien Tagen eine Blume Aufgeblüht, die Niemand kennt im Hause. Herrlich prangen ihre weißen Blätter, Goldne Fäden hängen aus dem Kelche, Und des Dufts balsamische Wellen zittern Wie Gedanken durch mein stilles Zimmer, Nie noch sah ich eine solche Blume! Was sie duftet, möcht' ich gerne wissen. Und ich sprach zu ihr: du liebes Mädchen, Heute Morgen in der achten Stunde, Da die Sommersonne dir zu Häupten Lange zögernd auf dem Kissen spielte — Doch du schliefst noch fort, bis weiter rückend Endlich dir der Strahl die Augen küßte — Was du da geträumt, das singt der Vogel, Strahlt der rothe Stern am nächt'gen Himmel Und das Gleiche duftet auch die Blume. Neige mir dein Köpfchen, daß ich leise Dir in's Ohr es sage, und es Keiner Weiter hört. Da fuhr sie auf erschrocken Und umfing mein Haupt mit beiden Armen, Mit den Händen mir den Mund verschließend: Pfui! Was seid ihr Dichter doch für lose Leute! rief sie aus — Um Gottes willen Schweige still und sag' es nicht der Mutter. Das alte Glück Einst, als ich selbst noch lief und sprang Durch Garten und Gehäg', Wie däuchte mir der Tag so lang, Wie floß die Zeit so träg'! Und wär' ich nur erst groß und klug! So sprach ich oft als Kind — Groß wird man eben schnell genug, Doch klug — nicht so geschwind. Und da ich Jüngling ward, verrann Die Zeit so langsam noch: O, wär' ich nur schon einmal Mann, Viel schöner wär' es doch! — Und wechselnd kommt und wechselnd flieht Frühling und Wintereis: Und wie man in den Spiegel sieht, Ist alt man schon und Greis. Nun, weil die Füße langsam gehn, Wie schnell entrauscht der Tag; Wie dünkt nuns doppelt lieb und schön, Was man nicht halten mag! Da gehn die Wünsche oft zurück, Die vorwärts erst gestrebt, Und träumen von dem alten Glück, Das man so rasch verlebt. Kunst und Natur Wol ist das höchste Kunstwerk die Natur, Doch ist's nicht Kunst sie einfach zu copiren, Von Holz und Erz, Papier und Marmor nur Als Photograph ihr Bild zu reflectiren. Im besten Falle wär es nur — Natur, Wenn's noch gelänge, treu es auszuführen; Doch lockt sie gar zu gern auf falsche Spur, Die um zu stehlen nur die Finger rühren. Kunst ist Natur von Menschengeist geboren! Ureignes Werk, nicht todter Schattenriß Von der, die Leben sprüht aus tausend Poren! Ureignes Werk! doch so, daß Gott gewiß, Beliebt es ihm, auf sich es könnte nehmen, Und brauchte doch sich dessen nicht zu schämen. Mönch und Nonne Es stehn bei Eisenach, aus strupp'gem Hage Vorragend, Blöcke zwei auf Berges Rücken; Moos wächst und Gras aus Spalten und aus Lücken — Und Mönch und Nonne sind's, erzählt die Sage. Weil sie berauscht von süßer Liebesplage Sich einst umfaßt in seligem Entzücken, Traf sie der Fluch, versteint zu Felsenstücken, Ins Land zu starren, bis zum jüngsten Tage. Und ob sie brennen in der Mittagsschwüle, Gewittersturm zu Häupten ihnen drohe, Des Mondlichts Welle träumend sie bespüle: Kein Hauch verräth des Lebens tiefe Ader! Doch tief im Innern schwellt die heiße Lohe, Ohnmächtig ringend mit der Felsenquader. 1. In der Früh', wenn die Sonne kommen will Kleine Lieder In der Früh', wenn die Sonne kommen will, Da steigen die Lerchen hoch; Sie sehen, sie hören die Sonne nicht Und wissen ihr Kommen doch. Sie wissen ihr Kommen, wie ich es weiß, Wenn zu mir du trittst, mein Kind; Ich seh' dich kommen und wär' ich auch Auf beiden Augen blind. Und kämst du daher mit den Winden geweht, Mit den Wellen im Flusse gerauscht, Und wär' ich geboren mit taubem Ohr, Ich hätte dein Kommen erlauscht. Ich würde nicht fragen: bist du's, mein Lieb? Und wär' ich auch taub und blind. Wer fragte denn auch seine rechte Hand Und sein Haupt, ob sie bei ihm sind? 2. Ist der Himmel davon im Lenz so blau Kleine Lieder Ist der Himmel davon im Lenz so blau, Daß er auf die blumige Erde schaut? Oder so blumig die Erde im Lenz, Weil darüber der sonnige Himmel blaut? Hab ich so lieb dich, mein Kind, so lieb, Weil du gar so lieblich und reizend bist? Oder bist du so reizend nur, Weil die Liebe ins Herz dir gekommen ist? Der Mond in Himmelsfernen Der Mond in Himmelsfernen Ein treuer Wächter steht, Daß von den tausend Sternen Verloren keiner geht. Sie ließen sonst sich sinken Herab aus kalter Luft, Der Erde Lust zu trinken, Zu athmen ihren Duft. Sie fielen in das Grüne, Sie lägen auf der Au, Die Sonne sie beschiene, Es netzte sie der Thau, Und sprächen: Die ihr Schmerzen Groß ziehet, Qual zu sehn, Ihr Menschen, blöde Herzen Wie ist die Erde schön! Der Auswanderer Es steht mit rollenden Thränen Ein Mann am Meeresstrand Und streckt die Arme mit Sehnen Nach seiner Väter Land. Die Brust will ihm zerspringen, Das Herz ihm brechen entzwei; Vom deutschen Rhein her singen Hört er die Lorelei. Er hört sie singen, — und rauschen Dazwischen den heimischen Rhein, Kann nicht genug horchen und lauschen, Die Wangen fallen ihm ein. Sie fallen ihm ein und erbleichen, Sein Auge wird fahl und matt; Er neidet daheim den Leichen Die trauliche Ruhestatt. Er aber mit stolzer Geberde Hat noch im Scheiden vom Fuß Den Staub der Heimaterde Geschüttelt im Überdruß. Er ist im Grolle gegangen, Nun kommt die Liebe zu spät, Zu spät das heiße Verlangen; Verschmäht wird, wer verschmäht. Ein Weltmeer trennt ihn brausend Vom theuren Vaterland; Bald liegt er bei manchem Tausend Vergessen im fernen Sand. Das verlassene Mädchen 1. Ich sitze manchen langen Tag Mit meinem Kind am grünen Hag, Wo ich an seinem Herzen lag, Am Herzen lag! Da nahm er mich in seinen Arm Und küßte mich so warm, so warm — — Davon mir wurde bittrer Harm, Ja bittrer Harm. Sie stießen aus dem Elternhaus In Nacht und Elend mich hinaus — Da ging mir wol das Lachen aus, Das Lachen aus. Ich wäre todt schon sicherlich, Du armes Kind erbarmest mich, Möcht' fluchen dir und küsse dich, Und küsse dich! 2. Wo warst du denn so lang', so lang'? Mir war's um dich so trüb' und bang, Mein Kopf, mein Herz, sie waren krank. Ich hoffte nicht mehr diese Stund'! O küss' mir roth den bleichen Mund, Dann werde wieder ich gesund! 3. Ich kann mit franker Stirne gehn Und brauch' um Mitleid' nicht zu flehn! Wollt ihr mein gold'nes Ringlein sehn? Ihr müßt es sehn und wär't ihr blind! Ich bin ein Weib, wie's and're sind, Und ehrlich ist mein kleines Kind. Halbtraum Um mich ist tiefe, dunkle Nacht, Ich denke an die Liebsten mein, Und schau', da treten alle sie Gar sacht und still zu mir herein. Das Mütterchen, das treue kommt, Auf meines Mädchens Arm gelehnt; Sie fühlten ja, wie sich mein Herz, So schmerzlich heiß nach ihnen sehnt. Ich halte beider Hände fest, So froh, wie ein beschenktes Kind, Bis mir vor lauter, lauter Glück Die Augen zugefallen sind. Mutterwort O glücklich, wem in Kindestagen, Ein warmes Mutterherz geschlagen, Wem aus dem ewig treuen Munde Von echter Liebe kam die Kunde! Wer dich auch liebt, o glaube mir, Kein Mensch es meint so gut mit dir. Drum halt' ihr Wort in fester Hut, Es macht das Herz dir rein und gut. Und hellt das Aug' und stärkt die Hand, Und wandert mit von Land zu Land. Wie dann das Leben dich bekriegt, Ein Zauber dir im Herzen liegt. Sylvesternacht Das erste Glas in dieser Nacht, Es sei mit ernstem Sinn gebracht Dem todten guten Mütterlein Und seiner Liebe treu und rein. Entgegenschaun aus kleinem Bild Mir ihre Augen klar und mild, Und horch! — die Lippe leise spricht: „Ich bin für dich gestorben nicht.“ „Was Edles lebt in deinem Sein, Das pflanzte ich in's Herz hinein, Und wenn es blühend sich erhebt, Darin der Geist der Mutter lebt.“ „Sei fest, wenn dich das Leid bekriegt, Der Stolze nur im Leben siegt; Bewahre rein das eigne Ich, Dann wird mein Geist umschweben dich.“ O, wie das Wort in's Herz mir quillt! Ich küsse still das kleine Bild. Das erste Glas in dieser Nacht, Der todten Mutter sei's gebracht! Kennt ihr der starken Liebe heiße Flammen — Kennt ihr der starken Liebe heiße Flammen, Die in das Herz vom Himmel stürzen nieder, Zum Himmel auf die Herzen reißen wieder? Ihr kennt sie nicht und wollt sie doch verdammen! Was diese Gluten einten, hält zusammen! Ein Gott, der mit dem Zucken seiner Lider Die Erde schüttert, kann's nicht trennen wieder, Denn ewig lohen solcher Liebe Flammen. Sie trotzt dem kalten Spott der Herzensarmen, Die nur für sich vermögen zu erwarmen, Sie schreitet selig auf den trübsten Wegen, In eigner Brust des Himmels reichsten Segen, Sie lacht des Elends und sie lacht der Noth, Sie trotzt der Welt, der Hölle und dem Tod. Erinnerung Es ist das Herz ein Todtenschrein, Man legt gestorbne Lieb' hinein, Doch wenn der Mond am Himmel geht, Die todte Liebe aufersteht. Und schwebt um dich im blassen Licht, Mit thränenfeuchtem Angesicht. Die Haideschenke Ich zog durch's weite Ungarland; Mein Herz fand seine Freude, Als Dorf und Busch und Baum verschwand Auf einer stillen Haide. Die Haide war so still, so leer; Am Abendhimmel zogen Die Wolken hin, gewitterschwer, Und leise Blitze flogen. Da hört' ich in der Ferne was, In dunkler, meilenweiter; Ich legte 's Ohr ans knappe Gras, Mir war, als kämen Reiter. Und als sie kamen näherwärts, Begann der Grund zu zittern, Stets bänger, wie ein zages Herz Bei nahenden Gewittern. Hertobte nun ein Pferdehauf, Von Hirten angetrieben Zu rastlos wildem Sturmeslauf Mit lauten Geiselhieben. Der Rappe peitscht den Grund geschwind Zurück mit starken Hufen, Wirft aus dem Wege sich den Wind, Hört nicht sein scheltend Rufen. Gezwungen ist in strenge Haft Des Wildfangs tolles Jagen, Denn klammernd herrscht des Reiters Kraft, Um seinen Bauch geschlagen. Sie flogen hin, woher mit Macht Das Wetter kam gedrungen, Verschwanden — ob die Wolkennacht Mit einmal sie verschlungen. Doch meint' ich nun und immer noch Zu hören und zu sehen Der Hufe donnerndes Gepoch, Der Mähnen schwarzes Wehen. Die Wolken schienen Rosse mir, Die eilend sich vermengten, Des Himmels hallendes Revier Im Donnerlauf durchsprengten; Der Sturm, ein wackrer Rosseknecht, Sein muntres Liedel singend, Daß sich die Heerde tummle recht, Des Blitzes Geisel schwingend. Schon rannten sich die Rosse heiß, Matt ward der Hufe Klopfen, Und auf die Haide sank ihr Schweiß In schweren Regentropfen. Die Dämmerung brach nun herein; Mir winkt' von fernen Hügeln Herüber weißer Wände Schein, Die Schritte zu beflügeln. Es schwieg der Sturm, das Wetter schwand; Froh, daß es fortgezogen, Sprang über's ganze Haideland Der junge Regenbogen. Die Hügel nahten allgemach; Die Sonne wies im Sinken Mir noch von Rohr das braune Dach, Lies hell die Fenster blinken. Am Giebel tänzte, wie berauscht, Des Weines grüner Zeiger; Und als ich freudig hingelauscht, Hört' ich Gesang und Geiger. Bald kehrt' ich ein und setzte mich Allein mit meinem Kruge; An mir vorüber drehte sich Der Tanz in raschem Fluge. Die Dirnen waren frisch und jung Und hatten schlanke Leiber, Gar flink im Drehen, leicht im Sprung; Die Bursche — waren Räuber. Die Hände klatschten, und im Takt Hell klirrt des Spornes Eisen; Das Lied frohlocket und es klagt Schwermüthig kühne Weisen. Ein Räuber singt: „Wir sind so frei, So selig, meine Brüder!“ Am Jubeln seines Munds vorbei Schleicht eine Thräne nieder. Der Hauptmann sitzt, auf seinen Arm Das braune Antlitz senkend; Er scheint entrückt dem lauten Schwarm, Wie an sein Schicksal denkend. Das Feuer seiner Augen bricht Hindurch die finstern Brauen, Wie Nachts im Wald der Flamme Licht Durch Büsche ist zu schauen. Wächst aber Sang und Sporngeklirr Nun kühner den Genossen, Seh' ich das leere Weingeschirr Ihn kräftig niederstoßen. Ein Mädel sitzt an seiner Seit', Scheint ihn als Kind zu ehren, Und gerne hier der Fröhlichkeit Des Tanzes zu entbehren. Auf ihren Reizen ruht sein Blick Mit innigem Behagen, Zugleich auf seines Kinds Geschick Mit heimlichem Beklagen. — Stets wilder in die Seelen geigt Nun die Zigeunerbande; Der Freude süßes Rasen steigt Laut auf zum höchsten Brande. Und selbst des Hauptmanns Angesicht Hat Freude überkommen; — Da dacht' ich an das Hochgericht, Und ging hinaus, beklommen. Die Haide war so still, so leer, Am Himmel nur war Leben; Ich sah der Sterne strahlend Heer, Des Mondes Völle schweben. Der Hauptmann auch entschlich dem Haus; Mit wachsamer Geberde Rings horcht er in die Nacht hinaus, Dann horcht er in die Erde, Ob er nicht höre schon den Tritt Ereilender Gefahren, Ob leise nicht der Grund verrieth' Ansprengende Husaren. Er hörte nichts; da blieb er stehn, Um in die hellen Sterne, Um in den hellen Mond zu sehn, Als möcht' er sagen gerne: „O Mond im weißen Unschuldskleid! Ihr Sterne dort, unzählig! In eurer stillen Sicherheit Wie wandert ihr so selig!“ Er lauschte wieder — und er sprang Und rief hinein zum Hause, Und seiner Stimme Macht verschlang Urplötzlich das Gebrause. Und eh', das Herz mir dreimal schlug, So saßen sie zu Pferde, Und auf und davon im schnellsten Flug, Daß rings erbebte die Erde. Doch die Zigeuner blieben hier, Die feurigen Gesellen, Und spielten alte Lieder mir Rakoczy's, des Rebellen. In der Schenke Am Jahrestag der unglücklichen Polenrevolution Uns're Gläser klingen hell, Freundlich tönen unsre Lieder; Draußen schlägt der Nachtgesell Sturm sein brausendes Gefieder, Draußen hat die rauhe Zeit Unsrer Schenke Thür verschneit. Haut die Gläser an den Tisch! Bruder, mit den rohen Sohlen Tanzt nun auch der Winter frisch Auf den Gräbern edler Polen, Wo verscharrt in Eis und Frost Liegt der Freiheit letzter Trost. Um die Heldenleichen dort Rauft der Schnee sich mit den Raben, Will vom Tageslichte fort Tief die Schmach der Welt begraben; Wol die Leichen hüllt der Schnee, Nicht das ungeheure Weh. Wenn die Lerche wieder singt Im verwaisten Trauerthale; Wenn der Rose Knospe springt, Aufgeküßt vom Sonnenstrahle: Reißt der Lenz das Leichentuch Auch vom eingescharrten Fluch. Rasch aus Schnee und Eis hervor Werden dann die Gräber tauchen; Aus den Gräbern wird empor Himmelwärts die Schande rauchen, Und dem schwarzen Rauch der Schmach Sprüht der Rache Flamme nach. Die drei Zigeuner Drei Zigeuner fand ich einmal Liegen an einer Weide, Als mein Fuhrwerk mit müder Qual Schlich durch sandige Haide. Hielt der Eine für sich allein In den Händen die Fiedel, Spielte, umglüht vom Abendschein, Sich ein feuriges Liedel. Hielt der Zweite die Pfeif' im Mund, Blickte nach seinem Rauche, Froh, als ob er vom Erdenrund Nichts zum Glücke mehr brauche. Und der Dritte behaglich schlief, Und sein Cymbal am Baum hing, Über die Saiten der Windhauch lief, Über sein Herz ein Traum ging. An den Kleidern trugen die Drei Löcher und bunte Flicken, Aber sie boten trotzig frei Spott den Erdengeschicken. Dreifach haben sie mir gezeigt, Wenn das Leben uns nachtet, Wie man's verraucht, verschläft, vergeigt, Und es dreimal verachtet. Nach den Zigeunern lang noch schaun Mußt ich im Weiterfahren, Nach den Gesichtern dunkelbraun, Den schwarzlockigen Haaren. Bitte Weil' auf mir, du dunkles Auge, Übe deine ganze Macht, Ernste, milde, träumerische, Unergründlich süße Nacht. Nimm mit deinem Zauberdunkel Diese Welt von hinnen mir, Daß du über meinem Leben Einsam schwebest für und für. An die Entfernte Diese Rose pflück' ich hier In der fremden Ferne; Liebes Mädchen, dir, ach dir Brächt' ich sie so gerne! Doch bis ich zu dir mag ziehn Viele weite Meilen, Ist die Rose längst dahin, Denn die Rosen eilen. Nie soll weiter sich in's Land Lieb' von Liebe wagen, Als sich blühend in der Hand Läßt die Rose tragen; Oder als die Nachtigall Halme bringt zum Neste, Oder als ihr süßer Schall Wandert mit dem Weste. Der offene Schrank Mein liebes Mütterlein war verreist, Und kehrte nicht heim, und lag in der Grube; Da war ich allein und recht verwaist, Und traurig trat ich in ihre Stube. Ihr Schrank stand offen, ich fand ihn noch heut, Wie sie, abreisend, ihn eilig gelassen, Wie Alles man durcheinanderstreut, Wenn vor der Thür die Pferde schon passen. Ein aufgeschlagnes Gebetbuch lag Bei mancher Rechnung, von ihr geschrieben; Von ihrem Frühstück am Scheidetag War noch ein Stücklein Kuchen geblieben. Ich las das aufgeschlagne Gebet, Es war: wie eine Mutter um Segen Für ihre Kinder zum Himmel fleht; Mir pochte das Herz in bangen Schlägen. Ich las ihre Schrift, und ich verbiß Nicht länger meine gerechten Schmerzen, Ich las die Zahlen, und ich zerriß Die Freudenrechnung in meinem Herzen. Zusammen sucht' ich den Speiserest, Das kleinste Krümlein, den letzten Splitter, Und hatt' es mir auch den Hals gepreßt, Ich aß vom Kuchen und weinte bitter. Die Drei Drei Reiter, nach verlorner Schlacht, Wie reiten sie so sacht, so sacht! Aus tiefen Wunden quillt das Blut, Es spürt das Roß die warme Flut. Vom Sattel tropft das Blut, vom Zaum, Und spült hinunter Staub und Schaum. Die Rosse schreiten sanft und weich, Sonst flöss' das Blut zu rasch, zu reich. Die Reiter reiten dicht gesellt, Und einer sich am andern hält. Sie sehn sich traurig ins Gesicht, Und einer um den andern spricht: „Mir blüht daheim die schönste Maid, Drum thut mein früher Tod mir leid.“ „Hab Haus und Hof und grünen Wald, Und sterben muß ich hier so bald!“ „Den Blick hab' ich in Gottes Welt, Sonst nichts, doch schwer mir's Sterben fällt.“ Und kauernd auf den Todesritt Ziehn durch die Luft drei Geier mit. Sie theilen kreischend unter sich: „Den speisest du, den du, den ich.“ Der Eichwald Ich trat in einen heilig düstern Eichwald, da hört' ich leis' und lind Ein Bächlein unter Blumen flüstern, Wie das Gebet von einem Kind. Und mich ergriff ein süßes Grauen, Es rauscht der Wald geheimnißvoll, Als möcht' er mir was anvertrauen, Das noch mein Herz nicht wissen soll; Als möcht' er heimlich mir entdecken, Was Gottes Liebe sinnt und will! Doch schien er plötzlich zu erschrecken Vor Gottes Näh' — und wurde still. Das dürre Blatt Durch's Fenster kommt ein dürres Blatt, Vom Wind hereingetrieben; Dies leichte, offne Brieflein hat Der Tod an mich geschrieben. Das dürre Blatt bewahr' ich mir, Will's in die Blätter breiten, Dich ich empfangen einst von Ihr; Es waren schöne Zeiten! Da draußen steht der Baum so leer; Wie er sein Blatt im Fluge, Kennt sie vielleicht ihr Blatt nicht mehr, Trotz ihrem Namenszuge. Der todten Liebe Worte flehn, Daß ich auch sie vernichte; Wie festgehaltne Lügner stehn Sie mir im Angesichte. Doch will ich nicht dem holden Wahn Den Wurf ins Feuer gönnen; Die Worte sehn mich traurig an, Daß sie nicht sterben können. Ich halte fest zu bittrer Lust, Was all mein Glück gewesen, In meinen schmerzlichen Verlust Will ich zurück mich lesen. Das dürre Blatt leg' ich dazu, Des Todes milde Kunde, Daß jedes Leiden findet Ruh, Und Heilung jede Wunde. Schilflied Auf dem Teich, dem regungslosen Weilt des Mondes holder Glanz, Flechtend seine bleichen Rosen In des Schilfes grünen Kranz. Hirsche wandeln dort am Hügel, Blicken in die Nacht empor; Manchmal regt sich das Geflügel Träumerisch im tiefen Rohr. Weinend muß mein Blick sich senken; Durch die tiefste Seele geht Mir ein süßes Deingedenken, Wie ein stilles Nachtgebet! Frage O Menschenherz, was ist dein Glück? Ein räthselhaft geborner, Und, kaum gegrüßt, verlorner, Unwiederholter Augenblick! Der frühe Mond Noch ist die Nacht nicht eingeläutet, Noch kehrt vom Feld der Schnitter nicht, Und auf den Bergen ausgebreitet Ist noch des Himmels Sonnenlicht; Und doch ist schon der Mond zur Stelle, Blickt bleich hernieder in den Tag, Daß ihn des Baches Spiegelhelle Kaum flüchtig wiederstrahlen mag. Du bist zu zeitig heut' gekommen, Du lieber Mond, und d'rum so bleich! Du hast im Lauf dich übernommen Und denkst, die Sterne kämen gleich? O sieh der Wälder stolzes Prangen, Des Himmels Blau, die Wiesenflur, Die Blumen mit den vollen Wangen, — Sie spotten deiner Blässe nur. Doch laß dich nicht den Spott verdrießen, Denn wenn die Blumen schlummern ein, Die stolzen Wälder schlafen müssen, Dann schwillt und wächst dein Silberschein. Die Welle, die mit Widerstreben Jetzt wiederstrahlt dein bleiches Bild, Wird dir mit Lust entgegenbeben, Wenn sich vor ihr dein Glanz enthüllt. Frühlingsgrün Die Lerche jubelt lauter drein, Den Frühling zu begrüßen, Sieht unter sich in lichtem Schein Das erste Grün sie sprießen. Und wär's ein Grab auch, drauf es schoßt, Sie ändert nicht die Weise, Das Grün auch, das auf Gräbern sproßt, Mahnt an den Frühling leise. Liederfrühling Der Lenz ist da, Und fern und nah Gibt's neue Weisen und Lieder; Wie einst Merlin, So lausch' ich hin Und Alles schreib' ich nieder. Hoch in der Luft Was die Lerche ruft, Was die Drossel klagt im Hollunder, Was den Rosen all Flötet die Nachtigall, Die lieblichsten Sagen und Wunder. Was die Schlange klug Ihre Kinder frug, Die im Sonnenlichte schillern, Was Hänfling und Fink Im Fluge flink Einander zwitschern und trillern. Was die Vögel gewußt, Die voll Wanderlust Aus dem Süden erst gekommen, Was im Walde tief An Märchen schlief, Hab' ich Alles, Alles vernommen! Hab' es abgelauscht, Was lenzberauscht Die Glockenblumen läuten; — Lieder und Melodien Wie Merlin Kann ich sie deuten. Im Süden Was Großes hier dem Geist gelang zu bauen, Und was dem Fleiße, Dauerndes zu stiften, Füllt mehr als alle Weisheit trockner Schriften Die Seele mir mit Muth und Selbstvertrauen. Doch dies gewaltige Meer, die gold'nen Auen, Die Kunst mit Meißel und mit Farbenstiften, Nichts stillt mein Heimweh nach den Alpentriften, Nach all den theuren, wohlbekannten Gauen. Im Hochland siehst du dort noch stets die derben Urenkel Tell's; das reiche Land der Tiefe Bewohnt ein Volk mit blühenden Gewerben, Ein Volk, wenn heut' das Horn von Uri riefe, Noch fähig, mit dem Herzblut aufzufärben Die blasse Schrift der alten Freiheitsbriefe. Der Waldsee Wie bist du schön, du tiefer, blauer See, Es zagt der laue West, dich anzuhauchen, Und nur der Wasserlilie reiner Schnee Wagt schüchtern aus der stillen Flut zu tauchen. Hier wirft kein Fischer seine Angelschnur! Kein Nachen wird auf deinem Spiegel gleiten! Wie Chorgesang der feiernden Natur Rauscht nur der Wald in diesen Einsamkeiten! Wildrosen streu'n dir ihren Weihrauch aus Und würzige Tannen, die dich rings umragen, Und die wie Säulen eines Tempelbaus Das wolkenlose Blau des Himmels tragen. Einst kannt' ich eine Seele, ernst, voll Ruh, Die sich der Welt verschloß mit sieben Siegeln, Die, rein und tief, geschaffen schien wie du, Nur um den Himmel in sich abzuspiegeln. Unsterblichkeit Epigramme Die größte Unbescheidenheit Ist der Anspruch auf Unsterblichkeit, Die Zumuthung an die Natur, Diese dürftige Menschencreatur Selbst in den mißlungensten Exemplaren Für ewige Zeiten aufzubewahren. Auf einen Fürsten Epigramme Das ist ein Fürst, der das Talent Huldvoll verschont; wem keins geworden, Dem deckt er gnädig und decent Die Lücke zu mit einem Orden. Gartengang Die Blumen flüstern sich leise, Geheimnißvoll ins Ohr; Sie flüstern eifrig und blicken Erzürnt zu mir empor. Was habt ihr, liebliche Blumen, Daß ihr so sehr erstaunt? Was habt ihr heimlich soeben Einander zugeraunt? O glaubt, die blühende Rose, Die mir am Busen hängt, Brach ich nicht lüstern; mein Mädchen Hat sie mir heut' geschenkt. Verrathen Ich kann's nicht glauben, Ich kann's nicht fassen, Daß du Geliebte Mich willst verlassen. Du kannst nicht wünschen, Du kannst nicht wollen, Daß wir für immer Getrennt sein sollen. Du hast es können, Hast mich verlassen; O wie mir Stürme Die Seele fassen. Mein Herz wird brechen, Du hast's verschuldet; Mög' dich's nicht treffen, Was ich geduldelt. Eins durch's Andere Es fließt von den Bäumen der Duft hernieder Und mir ins Herz. Nun strömen Lieder Aus dem berauschten Herzen hervor Und mischen sich in der Vöglein Chor. Betrachtung Selten, daß ein Weggenoß Länger bei dir weilet, Als der Blumen holder Duft Mit den Winden eilet. Der schwarze Tod Erzitt're Welt, ich bin die Pest, Ich komm' in alle Lande, Und richte mir ein großes Fest, Mein Blick ist Fieber, feuerfest Und schwarz ist mein Gewande. Ich komme von Egyptenland In rothen Nebelschleiern, Am Nilusstrand im gelben Sand Entsog' ich Gift dem Wüstenbrand Und Gift aus Dracheneiern. Thal ein und aus, bergauf und ab, Ich mäh' zur öden Haide Die Welt mit meinem Wanderstab, Ich setz' vor jedes Haus ein Grab Und eine Trauerweide. Ich bin der große Völkertod, Ich bin das große Sterben, Es geht vor mir die Wassersnoth, Ich bringe mit das theure Brod, Den Krieg hab' ich zum Erben. Es hilft euch nichts, wie weit ihr floht, Mein sausend Roß geht weiter, Ich bin der schnelle schwarze Tod, Ich überhol' das schnelle Boot Und auch den schnellsten Reiter. Dem Kaufmann trägt man mich ins Haus Zugleich mit seiner Waare; Er freut sich hoch, er lacht beim Schmaus, Ich steig' aus seinem Schatz heraus Und streck' ihn auf die Bahre. Mir ist auf hohem Felsvorsprung Kein Schloß zu hoch, ich komme; Mir ist kein junges Blut zu jung, Kein Leib ist mir gesund genung, Mir ist kein Herz zu fromme. Wem ich nur schau ins Aug' hinein, Der mag kein Licht mehr sehen; Wem ich gesegnet Brod und Wein, Den hungert nur nach Staub allein, Den durstet's, heimzugehen. Im Osten starb der große Chan, Auf Indiens Zimmet-Inseln Starb Negerfürst und Muselmann, Man hört' auch Nachts in Ispahan Beim Aas die Hunde winseln. Byzanz war eine schöne Stadt Und blühend lag Venedig, Nun liegt das Volk wie welkes Blatt, Und wer das Laub zu sammeln hat, Wird auch der Mühe ledig. An Nordlands letztem Felsenriff, In einen kleinen Hafen Warf ich ein ausgestorbnes Schiff, Und Alles, was mein Hauch ergriff, Das mußte schlafen, schlafen. Sie liegen in der Stadt umher, Ob Tag und Monde schwinden; Es zählt kein Mensch die Stunden mehr, Nach Jahren wird man öd und leer Die Stadt der Todten finden. Erwartung des Weltgerichtes Wo bleiben nur die Schnitter, wer keltert all den Wein? Die Ähren auf den Feldern verglühn im Sonnenschein, Die Trauben in den Gärten, die Birnen in dem Laub, Man pflückt sie nicht, sie fallen von selber in den Staub. Wo sind die Menschen alle? Durch Thal und Wälder irrt Das Hausthier mit dem Wilde, die Heerde führt kein Hirt, Der Aar umkreist die Dörfer, an Flucht denkt nicht das Reh, Das Netz verfault im Weiher, der Nachen fault im See. Doch überall in Städten da wogt der Menschenstrom, Man drängt durch Markt und Gassen zum Kirchhof und zum Dom, Mit wundgerungnen Händen, mit Blicken angsterfüllt; Die Falten aller Herzen sind offen und enthüllt. Da bringt der Geiz voll Reue des Wuchers Sündensold: „Ich nahm der Armuth Pfennig, ich wog und zählte Gold. O hätt' ich doch geborget der Ewigkeit dafür, Anstatt daß ich den Bettler verstieß von meiner Thür.“ Ihr langes Goldhaar opfert die bleiche Buhlerin: „Mein Haar in langen Flechten, ich hab' es nicht Gewinn. Mein Hals war bloß und prächtig mein Schhmuck und mein Geschmeid'. Erhör' mein Fleh'n, o Himmel, gib mir ein weißes Kleid!“ Zu Boden werfen Räuber die Messer roth von Blut, Und geben selbst den Gräbern das einst geraubte Gut. Wir trieben Spott mit Heil'gem und mit den Qualen Spott, Wir hatten Lust am Bösen, jetzt fliehen wir zu Gott. Verzweifelt stürzen Viele von Thürmen sich herab Und finden so wahnsinnig aus Seelenpein ihr Grab, Und wieder Andre stürzen in ihres Herzens Noth Zum Altar und entreißen von dort das heil'ge Brod. Allstündlich rufen Glocken und ruft der Bußgesang: Bereite dich zum Ende, o Welt, zum Untergang! Es sagen alle Bücher und unsre Sünden klar: Es nahn die letzten Tage, der Erde letztes Jahr ... Die Glut wird sie zerstören, der Sturm wird sie verwehn; Ihr Schiffer auf den Meeren die Zeichen sind geschehn! Gewaltthat nur noch waltet und übermüthig Erz, Das Volk ist ohne Richter, und ohne Furcht das Herz. Saht ihr es, wie der Blitzstrahl die Wolkennacht zerriß? Der Antichrist ist nahe, sein Reich die Finsterniß. Er blendet aller Augen, er rühret Aller Mund; Die Hölle wird ihn krönen und dienen seinem Bund. Und stündlich rufen Glocken und ruft der Bußgesang: Bereite dich zum Ende, o Welt, zum Untergang! Der Kaiser und die Fürsten umknie'n den Altarschrein, Den Purpur von den Schultern, die Kronen auf dem Stein. — Durch Nacht und Dunkel reitet gen Ost von Niedergang Das Kreuz auf seinem Panzer ein Ritter ohne Bang, Er denkt: Die Welt wird stehen, bis wir das Grab befreit; Es leuchtet schon im Osten, bald weicht die Dunkelheit. Vom hohen Berge blicket ein Weiser himmelan, Er sinnet vor sich nieder und mißt der Sterne Bahn: Die ewigen Gesetze, Allmächtiger, leuchten klar Aus deinem Buch am Himmel, erneuernd Jahr um Jahr. Und wie sie dort erstrahlen, so leuchten wieder hier Der Frühling und die Menschen, Erbarmender, vor dir, Und wiederblühn wird Hoffnung dem menschlichen Geschlecht, Und werden grünen Saaten und walten im Land das Recht. Auf Blumen eingeschlafen in eines Thales Hain Ruhn engelgleich zwei Kinder in Gottes Schutz allein, Auf ihrer Unschuld Wangen blüht zart das Himmelslicht — Vorüber rollt der Donner, vorüber das Weltgericht. Passionsblume Über der Menschheit Stirne gesenkt Wölkt sich ein Schatten der tiefsten Trauer, Wenn der vergangenen Zeit sie gedenkt, Und der begangenen Frevel mit Schauer. Wie viel schuldlos Ermordete stehn Wie viel gekreuzigte Zeugen der Wahrheit Unten in Nacht, und wir, wir gehn Oben im Licht und in freudiger Klarheit! Bis von einem Unrecht nur Nur ein wenig sich ausgeglichen, Sind im Gange der Weltenuhr Oft Jahrhunderte schon verstrichen! Die Krähen Feldein nach einem dürren Baum Fliegt eine Schaar von Krähen, Die langsam wie im düstern Traum Die schwarzen Flügel blähen. Sie sind hinausgesandt vom Tod, Und wie den Sturm die Möven, Verkünden sie, wenn Unheil droht, Der Haide stillen Höfen. Wo sie sich nahen, rasselt wach Der Hofhund an der Kette, Und wälzen sich mit Angst und Ach Die Kranken auf dem Bette. Sie bauen am Kamin ihr Nest, Dann stirbt der Herr des Hauses, Sie laden schreiend sich zum Fest, Zum Rest des Leichenschmauses. Es jagt ein dunkler Erdengeist In ihren finstern Seelen, Sie fliegen, wo sein Finger weist, Dahin aus ihren Höhlen. Dort fliegen sie, je vier und vier, Wohin wol heut' beschieden? O mögen gute Geister mir Mein Heimathaus umfrieden! Verwandlung Ich sah dich noch ein lieblich Kind, Umflattert von der Unschuld Träumen, Wie Knospen die am Aufblühn sind, Und schüchtern, aufzublühn noch säumen; Schon waren alle Reize dein, Dich ahnungsvoll vorauszuschmücken, Und wer dich sah, sprach mit Entzücken: Wie schön wird einst dies Mädchen sein! Ich sah dich wieder — Jahr und Tag War unterdeß dahingegangen, Anstatt der Jugendrosen lag Ein stiller Gram auf deinen Wangen. Doch welche Hoheit war noch dein! In deinen Blicken welche Sonne! Ich sprach zu mir mit Schmerz und Wonne: Wie schön muß sie gewesen sein! — Ich sprach dich, welche Milde floß Und welche Anmuth dir vom Munde, Wie stand'st du da, wie rein und groß, Verhüllend deines Herzens Wunde; Dein edles Herz, dies blieb ja dein, Das wird dich stets am meisten schmücken, Ich fühl's mit innigem Entzücken; So schön, so wirst du immer sein! Sie geht in aller Frühe Sie geht in aller Frühe, Noch eh' die Dämm'rung schwand, Den Weg zur Tagesmühe Im ärmlichen Gewand. Die dunkeln Nebel feuchten Noch in der Straße dicht, Sonst sähe man beleuchten Ein Lächeln ihr Gesicht. Die Götter mögen wissen, Warum sie heimlich lacht — Es weiß es nur das Kissen, Drauf sie geträumt heut' Nacht. Ersatz Was mir auch sonst zum Glück noch fehle, Wie oft du mir auch weh gethan, Den tiefsten Ton, den Grundton deiner Seele Schlägst du doch stets für mich nur an; Ja doch für mich nur und es riefe Vom Tod zurück mich solch ein Laut; Du bist der See, du bist die schöne Tiefe In die mein Blick beseligt niederschaut. Lied Immer leiser wird mein Schlummer, Nur wie Schleier liegt mein Kummer Zitternd über mir. Oft im Traume hör' ich dich Rufen draus vor meiner Thur, Niemand wacht und öffnet dir; Ich erwach' und weine bitterlich. Ja, ich werde sterben müssen, Eine Andre wirst du küssen, Wenn ich bleich und kalt, Eh' die Maienlüfte wehen, Eh' die Drossel singt im Wald; Willst du mich noch einmal sehen, Komm', o komme bald! Sonntag im Meere Aus der See Sonntag ist's, der Tag des Herrn, Der uns ladet zum Gebet, Alles wandelt still zum Dome, Am Altar' der Priester steht. Segen spendet er der Menge, Die in tiefer Andacht kniet, Und ihr Halleluja singet Und das schönste Kirchenlied. Alles tauchet fromm die Hände In geweihtes Wasser ein, Will gereinigt von der Sünde, Will vom Herrn gesegnet sein. — Tausend Meilen weit vom Lande, Fern im stillen Ocean, Treibt ein Schiff am Sonntagsmorgen Auf der großen Weltenbahn; Ringsumher die Wasserwüste, — Kein Altar! Kein Weihrauchduft! Keine Kirche, keine Glocke, Die zur Sonntags-Andacht ruft! Doch als Dom der blaue Himmel, Der auf uns hernieder sieht, Im Ornat als hoher Priester Glänzt die Sonne im Zenith; Durch die Taue und die Tafel, Säuselt es wie Orgelklang, Und die Wellen plätschern lieblich Einen frommen Chorgesang. Und ich tauche meine Hände In die gottgeweihte Flut, Und bekreuze meine Stirne Wie man's in der Kirche thut; Solche Andacht auf den Wellen Billigt man wol auch in Rom: Mit Choral, geweihtem Wasser, Und in Gottes eig'nem Dom. Der Christbaum Aus der See Bist wieder du gekommen, du holde Weihnachtszeit, In der mir Elternliebe den Christbaum sonst geweiht! Heut bist du kalt und frostig im weiten Sturmesmeer, Nur die Erinn'rung zaubert dich geistig zu mir her! Sie malet freundlich wieder, was ich mit Schmerz entbehrt, So ist mir auch im Meere ein Weihnachtsbaum bescheert. Einst war es dieser Abend, der viel des Schönen bot, Des Herzens Freude malte dem Kind' die Backen roth; Heut' peitscht der Nord, der eis'ge, in's Angesicht die Flut, Und färbet meine Wange wie einst mit Purpurglut. Einst winkte mir die Tanne, mit Gaben reich geschmückt, Nach deren dunklen Zweigen ich sehnsuchtsvoll geblickt; Heut' stehen die drei Masten als Weihnachtsbäume da, Und Silberstangen Eises verzieren jede Raa. Mein Auge schaut zur Höhe so starr und unverrückt, Wie es in meiner Jugend den Christbaum angeblickt. So habe ich es wieder, was ich mit Schmerz entbehrt, So ist mir auch im Meere ein Weihnachtsbaum bescheert. Liebe Aus der See Die Liebe gleicht der Welle, Die plätschernd sich erhebt, Wer weiß, woher sie flutet, Wer weiß, wohin sie schwebt; Wer weiß, ob sie uns schaukelnd Nicht sanft zum Hafen bringt, Wer weiß, ob sie als Woge Nicht unser Schiff verschlingt. Lache des Sturmes! Aus der See Wenn dich die Stürme des Lebens bedräuen, Sinke dir niemals der tröstende Muth — Lache des Sturmes, es wiegen die Möven Auch sich ergötzend auf zürnender Flut. Liebesglück Allüberall wo ich auch geh', Im grünen Hain, am blauen See, Beim Waldesrauschen, beim Vogelsang, Da hör' ich deiner Stimme Klang; Und wenn ich hinauf zum Himmel schau, Seh' ich in deiner Augen Blau, Seh' ich dein liebes Angesicht, Das wonneselig zu mir spricht; Aus Höh'n und Tiefen rauscht's um mich: „Ich liebe dich, ich liebe dich!“ Wunsch Sieh dort die Wolken, roth vor Glut Im Feuerkreis der Sonne, Sie tauchen in die gold'ne Flut Wie trunken fast vor Wonne. So möcht' mit dir im Feuerschein Des Lichts ich Wonne trinken, In Glut mit dir vereinigt sein Und dann in Nacht versinken. An meine Mutter Und ob auch Hunderte mich hassen, Viel einst'ge Freunde mich verlassen, Und ob ich gar verhöhnet bin, Vom Marktgewühl im bunten Flimmer: Ein einzig Lob aus deinem Munde, Nur eine einzige frohe Stunde In deiner Nähe läßt vergessen Die ganze bitterernste Schmach. Und ob auch Tausende mich preisen In immer neuen, höhern Weisen, Und ob mein Name golden glänzt Auf Ruhmestafeln der Geschichte: Ein ein'ger Rath aus deinem Munde, Nur eine einzige traute Stunde In deiner Nähe macht mich glücklich, Wie nimmer Ehre das vermag. Und ob ich unablässig strebte, Im Sturm der Seelenkämpfe bebte, Und ob seit Jahren jeder Morgen Mir neue, größre Sorgen brachte: Ein einz'ger Trost aus deinem Munde, Nur eine einzige Friedensstunde In deiner Nähe spendet Ruhe Nach wilderregtem, wirrem Tag. Künstlerstolz Des Augenblickes Sclaven, feile Seelen, Erlabt euch immer an des Ruhmes Schein, — Es kommt die Nacht, da euch die Freunde fehlen; Da wird euch angst um eure Ehren sein. Gebt acht, gebt acht: wenn erst der Rausch verflogen, So läßt der Narrenschwarm euch seitwärts stehn, Zeigt flugs der neu'ren Mode sich gewogen: Um eure Ruhmeskränze ist's geschehn! Dir aber, edler Künstler, ob verborgen, Ob leer an Freuden, fern dem Festessaal, Strahlt siegesfroh, durch alle Zweifelssorgen, Im Sonnenglanz dein hehres Ideal. Das bleibt dir treu, auch wenn die Nacht gekommen, Und streckt sich machtvoll über Raum und Zeit, Und wirkt, wenn längst dein Lebenslicht verglommen, Und leuchtet fort in alle Ewigkeit. Nach hundert Jahren An eine Frau Ein Jahrhundert wird vorübergehn, Unsre Gräber wird man nicht mehr sehn, Unsre Namen, was wir thun und wollen, Alles ist vergessen und verschollen. Menschen, deren Zorn wir feig gebebt, Daß wir lieber ihrem Wahn gelebt, Als im Glanz der Wahrheit hinzuwallen, Sind in Staub gleich unserm Staub zerfallen. Für den Traum, der nie ein Hoffen fand, Für das Glück, das ungenossen schwand, Wird die Welt, der wir's zum Opfer gaben, Keinen Dank und kein Erinnern haben. Nichts mehr lebt für uns, selbst nicht der Hohn, Der da früge, was des Opfers Lohn! Doch im Reich der Seelen tönt ein Klagen Um so sündhaft Leiden und Entsagen. Seelen, die der gleiche Ruf erfaßt, Wie zwei Blüten auf dem gleichen Ast, Eine Frucht zu werden der Vollendung, Trennten sich und logen ihrer Sendung. Ein Jahrhundert wird vorübergehn, Was wir opfern, ist umsonst geschehn, Doch die Geister höh'rer Welten richten Strafend unser frevelhaft Verzichten. Zu spät Was soll dem Hoffnungslosen Der Zauber im Gemüth? Ach! meines Lebens Rosen Sind alle schon verblüht. Mir wend' nicht zu dein bleiches, Dein holdes Angesicht, Das Glück ist ein zu reiches, Von dem dein Anblick spricht. Mir war's, als süße Treue Dein feuchtes Aug' verhieß, Ich säh' des Gottes Reue, Der mich ins Elend stieß. Der Preis Von lebenden Gemüthern Wol keines weiß, Was von der Erde Gütern Verdient den Preis. Wenn je sein Schweigen bräche Des Grabes Mund, Wenn je der Todte spräche, Er gäbe kund: Das einzig friedensvolle, Das höchste Gut, Das ist die Erdenscholle, Die auf mir ruht. Der Erde selbst drum werde Der höchste Preis Von Allem, was die Erde Zu bieten weiß. Sphärengesang So lang' die Sterne kreisen Am Himmelszelt, Vernimmt manch' Ohr den leisen Gesang der Welt: „Dem sel'gen Nichts entstiegen, Der ew'gen Ruh', Um ruhelos zu fliegen — Wozu? Wozu?“ Das letzte Ziel Ich glaub' nicht an die Dauer Jenseits der Kirchhofsmauer, Doch wünsch' ich nur so viel Mir als das letzte Ziel, Wenn abgethan des Lebens Last, Zu fühlen meine tiefe Rast. Weltlauf Wohin das Auge dringt, Ist Schuld und Leiden, Und was der Zeitlauf bringt, Ist Fliehn und Scheiden. Dazwischen hat der Traum Von Glück und Liebe Nur noch so viel an Raum, Daß er zerstiebe. Naturgewalt Was hier als Seufzer durch die Herzen streicht, Ist dort das Ächzen windgepeitschten Baums; Und gleichen Grund, wie daß der Tag erbleicht, Hat das Erbleichen jedes holden Traums. Der Wald verdorrt! Dasselbe hat Natur Mit welkem Laub und todtem Glück gewollt! Gleich gilt's dem Augenblick der Weltenuhr, Ob er als Thräne, ob als Blatt verrollt. Mensch und Schicksal Das Schicksal ist ein Wirbelwind, Ein armes Blatt das Menschenkind. Er treibt's zu Thal, er hebt's zum Hügel — Das Blättchen rühmt sich seiner Flügel. Die Alpenrose Hoch auf dem Berg im braunen Moose, Von Eis umglänzt und halb verschneit, Blüht still empor die Alpenrose: Ein süß Gedicht der Einsamkeit. Der lauen Frühlingslüfte Fächeln Küßt ihre jungen Blätter nicht; Sie steht wie ein verloren Lächeln Im starren Felsenangesicht. Die kalten Gletscherwände steigen, Anthürmend mächtig Stück für Stück, Und unbemerkt im ew'gen Schweigen Wächst sie, wie ein verschwiegen Glück. O selig der, dem wohlgeborgen, Im oft durchfrosteten Gemüth, Hoch über allen Lebenssorgen, So eine süße Blume blüht! Am entlaubten Zweige zittert Sinnsprüche Am entlaubten Zweige zittert Manchmal noch ein grünes Blatt, Das am Baum, trotz Sturm und Regen, Sorgsam sich erhalten hat; Also hält die Seele manchmal Als des Glückes letzten Rest Vor der völligen Entsagung Eine schöne Täuschung fest. Was dich bewegt und tief erregt Sinnsprüche Was dich bewegt und tief erregt, Was ist es denn so Wicht'ges eben? Hast du dir's recht zurechtgelegt, War's nur ein Stückchen Alltagsleben. Von den Engeln Nun laß dir erzählen, mein liebes Kind, Wie schön die guten Engel sind! Sie sind so hell von Angesicht, Als Erd' und Himmel im Frühlingslicht; Sie haben Augen gar blau und klar Und ewige Blumen im goldigen Haar, Und ihre raschen Flügelein Die sind von silbernem Mondenschein. Bei Tag und Nacht Schweben die Engel in solcher Pracht. Nun laß dir erzählen, mein liebes Kind, Wie die Englein fliegen leis und lind! So leis als der Schnee vom Himmel fällt, So leis als der Mond zieht über die Welt, So leis als der Keim aus der Erde sprießt, So leis als der Duft durch die Lüfte fließt, So leis als vom Baume weht ein Blatt, So leis als das Licht über Land und Stadt — So leis und lind Fliegen die Englein, mein liebes Kind! Nun laß dir erzählen, mein liebes Kind, Wozu die guten Engel sind! Wo ein Armer betet in seiner Noth, Da bringen sie in das Haus ihm Brod, Wo beim kranken Kinde die Mutter wacht, Da nehmen des Kindleins sie in Acht, Und wo in Gefahren ein Guter schwebt, Wo Jemand weinet, Jemand bebt, Dahin geschwind Gehen die Englein, mein liebes Kind. Und willst du, mein Kind, die Englein sehn — Das kann auf der Erde wol nicht geschehn; Doch wenn du hier lebest fromm und rein, Wird stets ein Engel um dich sein. Und wenn sich dereinst dein Auge bricht, Du nicht mehr erwachst zum Tageslicht, Dann wirst du ihn schaun: er winkt dir still, Dann folg' ihm, wohin er dich führen will. Im Himmelsschein Wirst du dann selber ein Engel sein! Die Steine werden zeugen Der Ostermorgen lächelt, Ein Bräut'gam, in die Welt, Vom Frühlingsduft gefächelt Steigt er aus seinem Zelt. Und rings herum das Schweigen! Der Wald, er steht so still; Kein Blümlein sich verneigen, Kein Blättchen rauschen will. Im fernen Kirchlein singet Die fromme Christenschaar; Da von den Steinen klinget Das Echo wunderbar. Als wenn aus Berges-Tiefen Das Singen kläng' hervor; Als wenn die Felsen riefen: „Er lebt! er lebt!“ im Chor. „Er lebt! er lebt!“ da lauschen Die Blümlein, neigen sich, Da bücket sich mit Rauschen Der Wald so feierlich. Und mächt'ger immer wieder: „Er lebt! er lebt!“ vom Stein, — Mir läuft ein Schauer nieder Im tiefsten Mark und Bein; Und denk' — und muß mich beugen — Was dort geschrieben ist: Die Steine werden zeugen, Wenn mich der Mensch vergißt. Letzter Gruß Sie rauschten hoch auf, die brausenden Wogen Und meine gescheiterte Seele rang Vor deinem Blicke ... Du konntest nicht retten, Du konntest nicht helfen! Dir graute, Unseliger, Vor meinen dumpfen, verzehrenden Qualen. Aus deinem Auge brach nur ein Strahl Des menschlichen Mitleids, der männlichen Milde, Und dieser Strahl hat jäh mir erleuchtet Den gähnenden Abgrund, in den versunken Mein einst so stolzes, zerstörtes ... Ich ... — — — — — — — — — — — — — — Ich hab' mich aufgerafft ... ich floh hinaus Und schritt vereinsamt all' die öden Wege, Die ich in alten Tagen oft gewandelt. Mir däucht', ich müßte blutige Spuren finden Aus einer längstverklungenen, harten Zeit. Wie damals suchte Ruhe ich und Frieden Auf einem schneebedeckten, kahlen Grab! ... Tief unten in der frosterstarrten Erde Da liegt ein großes, regungsloses Herz, Das fieberhaft einstmals für mich geschlagen, Das einzige, das jemals mich geliebt ... Jedweden Irrthum, alle Schuld und Fehler, Jedwedes Leid und jegliches Gebet, Ich trag' es hin zu diesem weißen Hügel, Ich leg' es tief zu einem todten Mann. Wenn ich vor diesem hehren Altar knie, Dann weicht die Welt zurück mit ihrem Weh, Und wieder find' ich meine Kraft, die herbe, Die mein entsagend Herz erfüllen muß ... Ich, lange lag ich auf der kalten Erde Und leise fiel im Wirbeltanz der Schnee, Bis er das Grab und mich schier ganz verhüllte. Den vollen Lebensjammer klagte ich Die Todessehnsucht — ihm, dem Todten ... Die Todessehnsucht, die mich überkam Gewaltiger denn je — seit ich dich liebe ... Ich weiß nur, daß allmählich stiller wurde Der schamerfüllte Schmerz in meiner Brust, Und daß — wie oft barmherz'ge Menschenhände Von müden Schultern eine schwere Last Mit liebevoller Sorge leise nehmen, — Mir gleichsam unsichtbare Finger sacht Die Leidensbürde von dem Nacken hoben, Den tiefgebeugt ich gestern noch vor dir. Und durch den Friedhof, durch den dämmergrauen Zog geisterhaft und doch vernehmlich klar Ein tiefes Liebeswort, ein Liebessegen. — — — — — — — — — — — — — — — — Ich sitze wieder jetzt an dieser Stelle, Wo gestern ich noch deine Blicke mied, Wo hilflos vor dir lag die nackte Seele Und du so mild, so ernst und trauervoll In meine Lebenswirrniß niederschautest ... Es ist vorbei ... für immer überwunden. Und wenn ich gestern stumm vor dir gefleht: „Ich möchte nur in deiner Nähe athmen“, So sag' ich heute: „Sende mich hinaus!“ ... Nicht Demuth ist es, feige, weiblich-schwache, Die solches Wort auf meine Lippe drängt, — Liebloser Trotz nicht, weder trotz'ge Liebe, Nicht Gram, Verzweiflung, rückgedämmter Schmerz ... Es ist mir nur, als wären alle Fäden, Die Leib und Seele binden, losgelöst, — Als bliebe sie bei dir, die freie Seele. Magst du der Hülle schweigend auch gebieten, Daß sie dich meiden soll für alle Zeit! ... Die Stunden kommen, wo du einsam bist, Wo du dich wirst an meine Seele schmiegen Und wo dein schönheitsattes, kühles Herz Des steten Harmonienwohlklangs müde, Sich sehnet nach des Adlerweibes Schrei, Der jählings durch dein stilles Leben gellte — Und nun verklingt in diesem letzten Gruß ... Seelenkampf Wo ich die stolze Kraft gefunden, Als sich dein Haupt zu meinem bog? Was jählings über mich gekommen Und mahnend durch die Seele zog? Ich weiß es nimmer ... da sich nahte Die Lippe zu dem sündigen Kuß, War's mir, als wankte schreckerbebend Der Boden unter meinem Fuß. Ich fühlte nur, ich müsse wenden Von dir mein flammendes Gesicht, Magst du es kalten Hochmuth schelten, Ich darf dich lieben ... küssen nicht. An meine Feder Dir dank' ich alles, was ich bin und habe, — Zwar wenig ist's, doch ist es mir genug, — Dir kleiner Federkiel, der du mein Pflug, Mein Spaten bist, mit dem ich pflüg' und grabe. Und ganz gewiß, ich halte dich im Trabe, Und willig dienst du mir und ohne Lug Und wirst mir dienen bis zum Aschenkrug, Zu hoffen wag' ich's, noch mit mancher Gabe. Und was du auch gefehlt in Drang und Hast, Doch sah man dich nie bei der Menge nächt'gen, Nein einsam trugst du deiner Nächte Last. Nie schlichst du bei Gewaltigen und Mächt'gen Dich dienend ein als kriecherischer Gast Und fröhntest nie dem Schimmernden und Prächt'gen. Das Posthaus von Aussee Steierische Volkssage Im Posthaus von Aussee Da gibt es firmen Wein, Forellen, Hirsch und Reh Und holder Augen Schein. Die goldne Sonntagsfrühe Sie lacht ins grüne Steierland, Und dorten steht die glühe, Des Losers schroffe Wand. Der Morgensegen scholl Hinauf zum Himmelsdom, Aus allen Häusern quoll Der Kirchengänger Strom. Doch in den Schall der Glocken Ein lustig Posthorn schmettert drein, — Wie mochte da erschrocken Postmeisters Ännchen sein! Des Wagens Viergespann Es kommt mit Sturmesbraus, Da springt der beste Mann Der Steiermark heraus. Es nickt die Spielhahnfeder Von seinem grünen Jägerhut, Und Vivat schallt, denn Jeder War unserm Prinzen gut. Er tauscht mit Kunz und Hinz Leutsel'gen Händedruck, Johann, der Kaiserprinz, Im Jägerrock so schmuck. Doch, wie man gern verweile, Wo Frohsinn jedes Aug' verklärt, So hat wol manchmal Eile, Wer mit vier Rossen fährt. Er trank sein Gläschen aus, Von solcher Lieb' erfreut; Dann rief er in das Haus: „Grüß' Gott euch, brave Leut'!“ Da sprach des Zufalls Tücke Dem reichen Posthaus bösen Hohn, Denn Pferde gab's zum Glücke, — Doch keinen Postillon! Die waren alle fort Thalaufwärts und thalab, Der letzte fern dem Ort. Und was sich jetzt begab, Das Märlein wird gesungen, So lang' es hier noch Berge gibt, So lang' den schmucken Jungen Ein Steirermädel liebt! Da klirrt mit blankem Sporn Und Peitsch', im Galarock Ein Schwager mit dem Horn, Und schwingt sich auf den Bock. Den Arm in gelber Binde, Das rothe Röcklein saß ihm gut, — Wie flatterte im Winde Der Federbusch vom Hut! Hinaus zum Markte rollt Des Prinzen Zweigespann, Er lenkt es wie er sollt', Vom Bock der junge Mann. Die letzten Häuser schwanden, — O wunderholde Reiselust, Erlösest aus den Banden, Die müde Menschenbrust! Und wie im duft' gen Hauch Die Tannenwälder flohn, Da faßt der Prinz ins Aug' Den schmucken Postillon. Und spricht, wie der im Schwunge Die Zügel hebt und wieder senkt: „Bei Gott, das ist kein Junge, Der mir den Wagen lenkt!“ Des schwarzen Auges Glut, Der Wangen Rosenflor, Da lugen unterm Hut Zwei Zöpfe gar hervor. Wie blickt mit scheuer Bitte Der schmucke Junge bleich und bang, Als schon um seine Mitte Der Fürst die Arme schlang. O Traum der Seligkeit, Als ihm verwirrt, verzagt, Der Post Verlegenheit Die schöne Maid geklagt! Wie tief ist sie erglommen, — Doch was er sprach zu Ännchen traut, Nun Gott, du hast's vernommen, Und gönntest ihm die Braut! Der Wind er trägt es fort Und jubelnd schon der Bach, Das kleine, süße Wort, Das er zum Mädchen sprach. Die Finken, die dort schlugen Um's grünversteckte Jägerhaus, Die Lerchen alle trugen Es in die Welt hinaus. Ob in der Wienerburg Der Kaiser Franz ihm grollt, Er brach die Schranken durch, Und that was er gesollt! Schon stand im weißen Kleide Sie mit dem Prinzen am Altar, Dem sie in Glück und Leide Die holde Freundin war. Wol preis't sie manches Lied! Glücksel'ge Jahre floh'n, Und als der Gatte schied, Da stützte sie der Sohn. Es denkt in Lieb und Treuen Die grüne Steiermark noch Sein, Wenn Ernten sich erneuen, Und gut gerieth der Wein. Da schickt manch reichen Kranz Der Seinen Liebe wol Im Thauesperlenglanz Zur Gruft ins Land Tirol. Es denkt zu allen Stunden Bei ihrer holden Enkel Nah'n Der Tage längst entschwunden Die Gräfin von Meran. Die Schnitterin Ich kam in lauer Sommernacht, Den Feldrain dort gezogen, Es liefen vor dem Winde sacht Des Kornes hohe Wogen. Ich sah des Mondes Silberhorn Durch dunkle Tannen blinken, Was will in's Korn, in's gelbe Korn, So geisterhaft mich winken? Wie rings auf allen Weihern dicht Die weißen Nebel qualmen, Da schimmert's wie ein Angesicht, Da regt sich's in den Halmen. Still Wachtelschlag und Grillensang, — Da fährt es auf erschrocken, Mein Herz gepreßt und sehnsuchtsbang, Die Pulse fühl' ich stocken. Die Jüngste und die Schmuckste war Noch da vom Schnittervolke, Den feuerrothen Mohn im Haar, Kraus wie die Wetterwolke. Um ihren Nacken voll und weiß Das knappe, dunkle Mieder, Ein Schauer kalt und wieder heiß Durchrieselt' mir die Glieder. „Ei, schaffst du dir die Äuglein blind, Daß sich ein Stein erbarme?“ Die Garbe rauscht', da sank das Kind furchtsam in die Arme. Und dunkler zog's am Himmel auf, Da loderten die Wangen, Da ward der Küsse Feuertauf' Gegeben und empfangen. Und setzte unser Liebesbund Die ganze Welt in Flammen, Nur heißer preßt sich Mund an Mund, Als stürben wir zusammen. Da krächzt' ein Rabe durchs Gefild, Bei wonnigem Umfassen, Ich sah dich jäh, des Kummers Bild, Erbeben und erblassen! ... Wo bist du, holde Schnittermaid, In welcher Länderferne? Dahin der Jugend Lust und Leid, Erloschen ihre Sterne! Doch Nachts, wenn fern Gewitter droh'n, Und Strom und Tannen rauschen, Da seh ich dich, bekränzt mit Mohn, Aus hohem Korne lauschen. Das letzte Sacrament Die Mutter stirbt: — der Abend schaut herein, Und goldne Lichter spielen um den Schrein, Als sei der Engel nahe, der den Gram Aus ihren Zügen still zu löschen kam. Den Gram? O nein! Sie lächelt sanftbeglückt, Als hätte man zur Feier sie geschmückt. Der Priester mit dem Sacrament, — um ihn Des Hauses Kinder alle auf den Knie'n. Es ist der Sohn, an dem ihr Auge hängt, Aus dessen Hand die Hostie sie empfängt. „Er ist so gut, so kindlich fromm und rein, Herr, deiner Huld lass' ihn befohlen sein!“ Dem Jüngling rollt die Thräne aus dem Aug', Doch treu und fest übt er der Kirche Brauch. Und salbt mit heil'gem Öl der Mutter Mund, Der ihn geküßt seit seiner ersten Stund', Die Hände, die ihn liebend zart gepflegt, Zu weichem Schlummer sorgsam hingelegt, — Die Augen, die zeitlebens ihn bewacht, Und die er schließen soll zu ew'ger Nacht! — Gebet und Schluchzen rings im Schwesternkreis, Ein Engel wandelt durch das Zimmer leis. Mit deines Sohnes Antlitz fromm und mild Der Bote ist es aus dem Lichtgefild! Was nur dem Mutterherzen Glück gewährt, Das hat sich dir zum Heiligsten verklärt. Es leitet dich durch aller Sel'gen Chor Die Kindeslieb' zu Gottes Thron empor. Was du nicht wissen sollst Erfahre nie, wie hold du bist, Wie liebreich und wie gut, Wenn im Gemüth zu jeder Frist Dir nur ein Engel ruht, Der, träumend noch von Edens Lust, Dein junges Herz erfüllt, Den uns, — dir selber unbewußt, Dein Blick und Wort enthüllt! Die hohe Sonne selbst nicht ahnt, Daß sie die Welt beglückt, Die Rose nicht in deiner Hand, Daß sie die Flur geschmückt. Der Demant ist sich selber blind, Er ahnt sein Feuer kaum, — So bleib' die eigne Schönheit, Kind, Dir Ahnung nur und Traum! Genug, wenn jener helle Glanz, Der dir von oben stammt, Dein Mädchenhaupt im goldnen Kranz Als Glorie umflammt; Der innern Schönheit Wiederschein Nur deine Wange küßt, Und aus den Augen, kindlich rein, Uns stets — der Engel grüßt! Nur von ferne! Nur von ferne will ich schauen All den Frühling, der dich schmückt, Bis die lieblichste der Frauen Einst den besten Mann beglückt. Deine Schönheit, Huld und Milde, Will ich nur von ferne sehn, Wie an dem Marienbilde Stumm an dir vorübergehn! Ob du jemals mir gewogen? Ob du einmal mein gedacht? Schöner Traum, — du bist entflogen! Heller Stern, — du sankst in Nacht! Doch ein Duft ist's sondergleichen, Der in Jahren, still durchlebt, Über der entsagungsreichen, Ungestand'nen Liebe schwebt! Kinderstübchen Wie in Gottes Kirche, trete Ich in's Kinderstübchen traut, Und zum innigsten Gebete Wird mir Kindes Stammellaut. Aug' der Unschuld, fromm erhoben, Bist mir, was dem dunklen Thal Heilverkündend, glanzgewoben, Ist der goldne Morgenstrahl! Himmelssegen auf die Lippe Fühl' ich und in's Herz mir thau'n, Gleich den Hirten an der Krippe, Hingesenkt in süßes Schau'n! Dein Bild Vom Wassergrunde helle Grüßt mich das Sterngebild, Wie flutend auch die Welle Es immer überquillt. So ruht im Seelengrunde Mir deine Huldgestalt, Was bunt auch durch die Stunde An ihr vorüberwallt. Spatz und Spätzin Auf dem Dache sitzt der Spatz, Und die Spätzin sitzt daneben, Und er spricht zu seinem Schatz: „Küsse mich, mein holdes Leben! Bald nun wird der Kirschbaum blühn, Frühlingszeit ist so vergnüglich; Ach, wie lieb' ich junges Grün Und die Erbsen ganz vorzüglich!“ Spricht die Spätzin: „Theurer Mann, Denken wir der neuen Pflichten, Fangen wir noch heute an, Uns ein Nestchen einzurichten!“ Spricht der Spatz: „Das Nesterbau'n, Eier brüten, Junge füttern Und dem Mann den Kopf zu krau'n — Liegt den Weibern ob und Müttern.“ Spricht die Spätzin: „Du Barbar! Soll ich bei der Arbeit schwitzen, Und du willst nur immerdar Zwitschern und herumstipitzen?“ Spricht der Spatz: „Ich will dich hier Mit zwei Worten kurz berichten: Für den Spatz ist das Plaisir, Für die Spätzin sind die Pflichten!“ An dem Flusse Wie so oft sind wir geschritten, Du in deiner Ufer Mitten, Ich erhöht ob deinem Rand, Durch das schöne, güne Land! Und wie sehen dich noch schreiten Auch die spätesten der Zeiten, Lieber Fluß, wenn ich im Land, — Ach, wie lange schon? — entschwand! Der Sänger Ich bin kein froher, heit'rer Knabe, Ich bin ein sinnender Ascet, Der liederreich, bei karger Habe Begnügsam durch das Leben geht. Kein Ort, an dem ich heimisch bliebe, Hab' unterm Pfühle stets mein Schwert — Ein wenig Wein, ein wenig Liebe Ist Alles, was mein Herz begehrt. Ich lieb's im Sonnenschein zu stehen Auf hohem Schiffe am Verdeck, Die Wogen ziehn, die Winde wehen, Ums Haupt die Locken wallen keck. Zur Ferne lockt das Flutgetriebe — Kein Blick, der da zurücke kehrt — Ein wenig Wein, ein wenig Liebe Ist Alles, was mein Herz begehrt. Und seh' ich Lorbeer, blütenreichen, Um andrer Sänger Schläfen blühn, Mir g'nügt vom Fels der Freiheit Zeichen, Der wilde Epheu frisch und grün. Mir sind die schmucklos grünen Triebe Fast mehr als Ros' und Lorbeer werth, Dabei ein wenig Wein und Liebe Ist Alles, was mein Herz begehrt. Zum mind'sten brauch' ich nicht zu zagen, Daß je mein Lied des Amts vergißt, Den Mächtigen ein Wort zu sagen Der Wahrheit, wie's des Sängers ist. Zum Leben braucht solch' mäß'ger Zecher Nicht Pöbelgunst, nicht Fürstengnad', Ein wenig Lieb' und einen Becher Trifft wandernd man auf jedem Pfad. Die Jüdin Es hallen dumpf die Todtenlieder, Der alte Jud' zerreißt sein Kleid, Doch senkt er keine Todte nieder, Die man begräbt, die lebt in Freud' — Das Grab, das wartet. So ist der Juden Brauch zu Lande Schon aus uralter Zeit herab; Wer sich von seinem Glauben wandte, Der heißet todt, man gräbt sein Grab — Ein Grab, das wartet. Der Trauerbaum, die Schrift am Steine Thun Kunde, wann die sünd'ge Seel' Gestorben ist für die Gemeine, Für's treue Volk von Israel — Das Grab, das wartet. — — Fern zu Venedig, licht und helle Zieht eine Gondel durch die Flut, Drin sitzt der blonde Kriegsgeselle, An seiner Brust die Jüdin ruht — Ihr Grab, das wartet. Er küßt ihr Haar, küßt ihre Wangen, Er nennt sie seine süße Braut; Sie spielt mit seinen goldnen Spangen, Streicht ihm den Bart und jubelt laut — Ihr Grab, das wartet. Dann Nachts im Saal bei Duft und Glanze Schlägt sie die Zither beim Banket, Bis sie der schöne Christ vom Tanze Heimführet in sein seidnes Bett — Ihr Grab, das wartet. Doch einst, erwacht nach holdem Kosen, Trifft sie zur Seit' das Lager leer; Fern trägt das Schiff den Treuelosen Mit vollen Segeln übers Meer — Das Grab, das wartet. Die Jüdin rauft ihr Haar von Seiden, Sie irrt am Strand umher und sucht; Zum ersten Mal mit tausend Leiden Denkt sie des Worts: Du bist verflucht — Dein Grab, das wartet! Ein bettelnd Weib auf Alpenwegen Zieht heimwärts sie durch Nacht und Wind, Am Abgrund, ohne Thrän' und Segen Hat sie verscharrt ihr todtes Kind — Ihr Grab, das wartet. Daheim so stumm die Gräber trauern — Wer ist's, der ihren Frieden bricht? Ein Schatten an den Kirchhofsmauern, Die Jüdin sucht im Mondenlicht Ihr Grab, das wartet. Mit letzter Kraft der kranken Glieder Rollt sie vom Grab' den breiten Stein, Spricht das Gebet der Väter wieder, Legt sich dann selbst ins Grab hinein — Es hat gewartet. In der Gebirgswüste Du wildes Gebirg, so schroff und gezackt, Urwüste der Welt wie am ersten Tag, Als der Himmel öd' und die Erde nackt Und kein klopfendes Herz an der Erde lag, — Urstille der Welt! Nimm mild gesinnt In deine Arme dein zagendes Kind. Verlassen hab' ich im tiefen Thal Der Menschheit Kampf und der Menschheit Müh'n, Das ärmliche Glück und die kleinliche Qual, Doch auch die Rosen, das Saatengrün, Die Fischerhütte im stillen Ried, Das Heerdengeläut und das Hirtenlied. Wo der braune Falk um die Klippen schreit, Durch der Klüfte Schnee, durch der Felsen Bann, Durch alle Schauer der Einsamkeit Zog ich mit klopfender Brust hinan. In der Hütte dort, wo die Wüste beginnt, Dort segnete ich das letzte Kind. Den Bach, der über die Felsen schlug, Ich hört' ihn singen, so laut und wild: Hier duldet Natur, sich selbst genug, Kein Menschenwerk und kein Gottesbild, Und ein Kreuz das der Glaube hoch aufgestellt, Er warf's in die Tiefe in Trümmer zerschellt. Das Bild der leidenden Creatur, Das Bild von des Geistes Kampf und Noth, Was sollt' es hier in der großen Natur, Hier wo kein Leben und auch kein Tod? Prometheus selbst auf diesem Gestein, Des Kaukasus Dulder, wie wär' er so klein! Du aber, die zu trotzen gewagt, Du Seele, die dies Gebirg durchstreift, Dein Schmerz hat Gott und Menschen verklagt, Was ist das Gefühl, das dich hier ergreift? Du rufst in schwindelnder Todeslust All', alle Felsen an deine Brust! Sieh dort das Lamm, das der Aar zerfleischt, Sieh den Falken dort ohne Rast und Ruh, Sieh dort das Rohr, das im Winde kreischt, Sie leiden alle — was klagest du? Hier lerne, wie klein eines Menschen Wehn, Hier lerne jauchzen und untergehn! Maria Die Nacht ist schwül und duftig, Der Wind pocht an der Thür — Und daß ich schön und arm war, Was kann ich denn dafür? Du Rose hast Alles verschuldet, Die meiner Hand entglitt, Als er durch unsre Gasse, Der schöne Fremdling, ritt. Er merkte sich das Fenster Und kam beim Dämmerschein; Ach, meine eigne Mutter, Die Mutter ließ ihn ein. Wie die Kastanien blühten In rosenfarb'ner Pracht! Wie süß er sprach von Liebe In der klarer Maiennacht! O Lügner, schöner Lügner! Verlassen, welches Weh! Die Nachbarinnen zischeln, Wo ich vorübergeh'. Am Brunnen, hinten im Garten, Graut mir vorüberzugehn — Eine kleine, kleine Leiche Glaub' ich dort immer zu sehn ... Halt aus, nicht lang' mehr dauert's, Dann durch die Kirchhofsthür — Ach, daß ich schön und arm war, Was kann ich denn dafür? 1. Sollen wir geschieden sein Spätsommer Sollen wir geschieden sein, Sei es ganz! Nichts mahne mehr Mich an alte Lust und Pein, — Meine Nacht sei sternenleer! Miss' ich deines Aug's Azur, Sei es Nacht um mich und still; Fort das Mondlicht, das mir nur Irre Trümmer zeigen will! ... 2. Kein Mitleid, keins! — Behalt's zu eigen Spätsommer Kein Mitleid, keins! — Behalt's zu eigen, Schenk's Jenem, der dich drum ersucht! — Ich brauch' nur Einsamkeit und Schweigen, Und beides find' ich auf der Flucht. Genesen werd' ich, — dich verlassen, Scheint mir wie Tod jetzt. Doch — es sei! Stumm will ich meine Schmerzen fassen Und sie ersticken ohne Schrei! Leb' wohl! Vielleicht nach wenig Tagen Frag' ich schon ruhig an: wie geht's? — — Ein Blitz hat in den See geschlagen, Er wogt und stürmt — und übersteht's! 3. Laß im Geheim mich zu dir kommen Spätsommer Laß im Geheim mich zu dir kommen, Laß im Geheim mich von dir gehn; Ach! unsrer Liebe kann's nicht frommen, Daß Andre noch uns glücklich sehn. Stumm sei dein Mund, dein Blick verschweige, Wie weit sich unser Herz verlor, Die Insel unsres Glückes steige Aus unentdecktem Meer empor. Ist Liebe doch die Frucht aus Eden, In Einsamkeit gepflückt von Zwei'n; Das fremde Auge eines Jeden Kann hier ein Schlangenaug' nur sein! Braucht's keine Seel' doch zu erfahren, Wie einst in Liebe schön entflammt Zwei Menschenherzen selig waren, Trotz einer Welt, die sie verdammt! 4. Seitdem von dir geliebt ich werde Spätsommer Seitdem von dir geliebt ich werde, Hat eine Stunde nur mein Tag, Und einen Pfad nur diese Erde, Den ich noch gerne wandeln mag. Die Stunde ist's, da ich dich sehe, Es ist der Pfad an deiner Seit' — Wohin ich sonst noch geh' und spähe, Ist öde Unermeßlichkeit. 5. Leb' wohl! — o heißt das: niemals mehr Spätsommer Leb' wohl! — o heißt das: niemals mehr Ins Aug' dir sehn und mit Entzücken Mein Haupt in deine Hände drücken, — Dann wäre Sterben minder schwer. Ich steh' am Bord — die Woge schlägt, Das Meer ist blau, der Himmel erheitert — Geht's, wie ums Herz mir ist, so scheitert Das Schiff, mit Allem was es trägt! Im Gebirg Als ich jüngst vom Pfad verirrt war, Wo kein Jäger und kein Hirt war, Führt ein Licht aus dunkelm Tann Mich an eines Hüttleins Schwelle, Drin bei matter Lampenhelle Eine greise Parze spann. Draußen schlug der Wind die Schwingen, Und die Bergesströme singen Hört' ich ihren dunkeln Sang ... Und ich sah den Faden schweben, Und der Faden schien ein Leben, — Meines? dacht' ich zauberbang. Wage, Mensch, die höchsten Flüge, Deiner Parze starre Züge Sehen längst das nahe Ziel! Tummle dich, ein kühner Ringer: Ihre hagern, harten Finger Enden bald das edle Spiel. Weiter spann die Unbewegte ... Ist es Täuschung oder regte Sich im Aug' ihr nasser Glanz? Eine Thräne seh' ich schimmern ... An der Wand mit Silberflimmern Hangt ein dürrer Todtenkranz ... Was ich leise bebend schaue, Ist die Parze nicht, die graue, Die ein Menschenleben spinnt — In der Alpenhütte Kammer Spinnt ein Weib den alten Jammer Um das früh verlorne Kind. Der Bergwald Du warst mein tröstlich kühles Wanderziel, Du grüner Wald, in jugendheißen Tagen. Ich hatte dir von meinem Glücke viel, Von meinen Schmerzen hatt' ich mehr zu sagen. Und wieder such' ich dich, mein dunkler Hort, Und deiner Wipfel sangesmächtig Rauschen. Heut' rede du! Ich lasse dir das Wort, Ich habe nichts zu sagen — ich will lauschen. Was ist Liebe? Wie oft du geweilt bei der Süßen, Schönen, Stets klopfenden Herzens zu ihr sich sehnen; Wie oft dein Aug' an ihr gehangen, Stets glühend wieder nach ihr verlangen; Wie oft du sie küssend durftest umwinden, Stets tiefere Leidenschaft empfinden; Wenn dir's versagt ist, sie zu sehen, In innigem Herzeleid vergehen; Und jede Secunde verloren achten, Wo ihre Augen dir nicht lachten; Im Glücke selbst ein Sehnen fühlen, Durch keine holde Gunst zu kühlen, Und Herz an Herz im höchsten Entzücken, In ihr noch ein fernes Gut erblicken, Ein Ideal, der Sonne vergleichbar, Stets unerreicht, und unerreichbar, Das, das ist Liebe, die Krone des Strebens, Die höchste Wonne des Erdenlebens. Unverloren Nur flüchtig ist der Liebe Glück; Es rechne Keiner in die Ferne Und keiner schaue bang' zurück, Versanken seines Himmels Sterne. Einst fassest du es selber nicht, Daß du so heiß nach mir gerungen, Daß wir, voll Liebe, Glück und Licht, So weltvergessen uns umschlungen. Ich aber klage dich nicht an Und trage stumm des Schicksals Walten, Wenn unerbittlich mir zerrann, Was nimmer, nimmer festzuhalten. Ob all die Tage, goldumsäumt, Mir nichts von treuer Dauer brachten: Da ich geliebt, gehofft, geträumt, Was sollt' ich als verloren achten? Ewig! Aus tausend Knospen bricht die Kunde: Es ist nur Täuschung aller Tod! So klingt es schmetternd in der Runde, So spricht das gold'ne Morgenroth. Wir stehen unter Blütenbäumen — Mit Jubel denk' ich's, daß du mein, Und rufe laut in sel'gen Träumen: O dieses Glück muß ewig sein! Da fallen welke Blüten nieder, Es schauert leis der Lenz im Wind: Ja, ewig! sagst du lächelnd wieder Und blickst auf unser spielend Kind. Höchster Besitz O ruhelos Verlangen! O Puls, der nimmer stockt! Wann darf ich heiß umfangen, Was mich so mächtig lockt? Das Glück, das, fern verschwommen, Vorübergaukelnd blinkt; Das Lieb, das, hold erglommen, Mir süß verheißend winkt. Berauscht in Gluten greif' ich Nach flücht'ger Bilder Schein; Doch leere Schatten streif' ich Und ach! ich bin allein. — Still, Herz! Kannst du doch fliegen In deiner Trunkenheit Und wogen und dich wiegen In Traumesseligkeit. Sei still und laß das Wähnen, Dir bringt Erfüllung Heil: Dies ungestillte Sehnen Es ist dein bestes Theil! Errungenschaft Du lässest matt die schlaffen Arme sinken, Du kämpfst nicht mehr und rufst in bitterm Grolle: Mich locken nicht die Schätze, die mir winken, Und jeden Flug empor bezwingt die Scholle! Zu früh! Du hast kein Recht noch, so zu sprechen. Nur fort durch Nacht und Sturm auf deinen Wegen! Und lasse Stück um Stück das Herz dir brechen, Getroffen von des Schicksals mächt'gen Schlägen. Noch fließt es nicht aus innerstem Erkennen, Das Wort, das du so rasch geführt im Munde; Und müßtest du von Allem rings dich trennen, Du griffest doch danach in letzter Stunde. Willst du als deines Ringens Preis nur Kronen? Soll dich's zum Gipfel süßen Glückes tragen? Nein, nein! Es mag dich reichlich schon belohnen, Lernst du gefaßt aus tiefster Seel' entsagen. Harr' aus, harr' aus! Ob dir die Brust zerrissen, Harr' aus, harr' aus, trotz jeglicher Beschwerden! Und wär's auch nur: am Grabesrand zu wissen, Daß dieses Sein nicht werth, gelebt zu werden! Nach der Krankheit Du arme Seele, himmelstrebend, Du arme Seele, so genügsam; Noch gestern, stolz dich überhebend, Und heute schon so still und fügsam. Das war ein Hadern, Grollen immer Im Ringen nach dem höchsten Preise, Und jetzt — o welch ein Gnadenschimmer, Daß du nur wieder athmest leise! Verschiedenes Zeitmaß Die Ewigkeit ward zur Secunde, Als sie beim Scheiden mich umfing Und wehmuthsvoll an meinem Munde Mit athemlosen Küssen hing. Gedenk' ich heute jener Stunde, Wie wird das Herz mir voll und weit! Aus jeder flüchtigen Secunde Gestalt' ich eine Ewigkeit. Alphornruf Seit Sie beim Scheiden lockend sprach: Auf Wiedersehn, auf Wiedersehen! Klingt mir's im Herzen Nacht und Tag Wie Alphornruf von Heimatshöhen. Ihr Ruf war Schein, war Lug und Trug, Ein Märchen flüchtig hingedichtet, Und dennoch schön und groß genug, Daß es mich ganz zu Grunde richtet. Lied vom Winde Sausewind! Brausewind, Dort und hier! Deine Heimat sage mir! „Kindlein, wir fahren Seit vielen vielen Jahren Durch die weit-weite Welt, Und möchten's erfragen, Die Antwort erjagen, Bei den Bergen, den Meeren, Bei des Himmels klingenden Heeren, Die wissen es nie. Bist du klüger, als sie, Magst du es sagen. — Fort, wohlauf! Halt' uns nicht auf! Kommen andre nach, unsre Brüder, Da frag' wieder!“ Halt' an! Gemach, Eine kleine Frist! Sagt, wo der Liebe Heimat ist, Ihr Anfang, ihr Ende? „Wer's nennen könnte! Schelmisches Kind, Lieb' ist wie Wind, Rasch und lebendig, Ruhet nie, Ewig ist sie, Aber nicht immer beständig. — Fort! Wohlauf! Halt' uns nicht auf! Fort über Stoppel und Wälder und Wiesen! Wenn ich dein Schätzchen seh', Will ich es grüßen; Kindlein, Ade!“ Um Mitternacht Bedächtig stieg die Nacht an's Land, Lehnt träumend an der Berge Wand, Ihr Auge sieht die goldne Wage nun Der Zeit in gleichen Schalen stille ruhn. Und kecker rauschen die Quellen hervor, Sie singen der Mutter, der Nacht ins Ohr Vom Tage, Vom heute gewesenen Tage. Das uralt alte Schlummerlied, Sie achtet's nicht, sie ist es müd'; Ihr klingt des Himmels Bläue süßer noch, Der flücht'gen Stunden gleichgeschwungnes Joch, Doch immer behalten die Quellen das Wort, Es singen die Wasser im Schlafe noch fort Vom Tage, Vom heute gewesenen Tage. Das verlassene Mägdlein Früh, wann die Hähne krähn, Ehe die Sternlein verschwinden, Muß ich am Herde stehn, Muß Feuer zünden. Schön ist der Flammenschein, Es springen die Funken; Ich schaue so drein, In Leid versunken. Plötzlich, da kommt es mir, Treuloser Knabe, Daß ich die Nacht von dir Geträumet habe. Thräne auf Thräne dann Stürzet hernieder; So kommt der Tag heran — O ging' er wieder! Hofers Tod Zu Mantua in Banden Der treue Hofer war, In Mantua zum Tode Führt' ihn der Feinde Schaar; Es blutete der Brüder Herz, Ganz Deutschland, ach! in Schmach und Schmerz, Mit ihm das Land Tyrol. Die Hände auf dem Rücken, Der Sandwirth Hofer ging Mit ruhig festen Schritten, Ihm schien der Tod gering; Der Tod, den er so manchesmal Vom Iselberg geschickt ins Thal, Im heil'gen Land Tyrol. Doch als aus Kerkergittern Im festen Mantua Die treuen Waffenbrüder Die Händ' er strecken sah, Da rief er laut: „Gott sei mit euch, Mit dem verrathnen deutschen Reich Und mit dem Land Tyrol!“ Dem Tambour will der Wirbel Nicht unterm Schlägel vor, Als nun Andreas Hofer Schritt durch das finstre Thor; Andreas, noch in Banden frei, Dort stand er fest auf der Bastei, Der Mann vom Land Tyrol. Dort soll er niederknien! Er sprach: „Das thu' ich nit! Will sterben wie ich stehe, Will sterben wie ich stritt, So wie ich steh' auf dieser Schanz'; Es leb' mein guter Kaiser Franz, Mit ihm sein Land Tyrol! Und von der Hand die Binde Nimmt ihm der Corporal, Andreas Hofer betet Allhier zum letzten Mal, Dann ruft er: „Nun, so trefft mich recht! Gebt Feuer! — Ach, wie schießt ihr schlecht! Ade, mein Land Tyrol!“ Die letzten Zehn vom vierten Regiment In Warschau schwuren Tausend auf den Knieen: Kein Schuß im heil'gen Kampfe sei gethan! Tambour, schlag' an! Zum Blachfeld laß uns ziehen! Wir greifen nur mit Bajonetten an! Und ewig kennt das Vaterland und nennt Mit stillem Schmerz sein viertes Regiment! Und als wir dort bei Praga blutig rangen, Kein Kamerad hat einen Schuß gethan; Und als wir dort den argen Todfeind zwangen, Mit Bajonetten ging es drauf und dran! Fragt Praga, das die treuen Polen kennt! Wir waren dort das vierte Regiment! Drang auch der Feind mit tausend Feuerschlünden Bei Ostrolenka grimmig auf uns an, Doch wußten wir sein tückisch Herz zu finden, Mit Bajonetten brachen wir die Bahn! Fragt Ostrolenka, das uns blutend nennt! Wir waren dort das vierte Regiment! Und ob viel wackre Männerherzen brachen, Doch griffen wir mit Bajonetten an; Und ob wir auch dem Schicksal unterlagen, Doch hatte Keiner einen Schuß gethan! Wo blutigroth zum Meer die Weichsel rennt, Dort blutete das vierte Regiment! O weh! das heil'ge Vaterland verloren! Ach, fraget nicht: wer uns dies Leid gethan? Weh Allen, die in Polenland geboren! Die Wunden fangen frisch zu bluten an; — Doch fragt ihr: wo die tiefste Wunde brennt? Ach, Polen kennt sein viertes Regiment! Ade, ihr Brüder, die zu Tod getroffen An unsrer Seite dort wir stürzen sahn! Wir leben noch, die Wunden stehen offen, Und um die Heimat ewig ist's gethan; Herr Gott im Himmel, schenk' ein gnädig End' Uns letzten noch vom vierten Regiment! — Von Polen her im Nebelgrauen rücken Zehn Grenadiere in das Preußenland Mit düsterm Schweigen, gramumwölkten Blicken. Ein „Wer da?“ schallt; sie stehen festgebannt, Und Einer spricht: „Vom Vaterland getrennt, Die letzten Zehn vom vierten Regiment!“ Der Kreuzschnabel Als der Heiland litt am Kreuze, Himmelwärts den Blick gewandt, Fühlt er heimlich sanftes Zücken An der stahldurchbohrten Hand. Hier von Allen ganz verlassen, Sieht er eifrig mit Bemühn An dem einen starken Nagel Ein barmherzig Vöglein ziehn. Blutbeträuft und ohne Rasten Mit dem Schnabel zart und klein Möcht' den Heiland es vom Kreuze, Seines Schöpfers Sohn befrein. Und der Heiland spricht in Milde: „Sei gesegnet für und für! Trag das Zeichen dieser Stunde, Ewig Blut und Kreuzeszier!“ Kreuzesschabel heißt das Vöglein, Ganz bedeckt von Blut so klar, Singt es tief im Fichtenwalde Märchenhaft und wunderbar. Denkspruch Der Dichter wurzle tief in seinem Volke Und steig' empor frisch wie ein Tannenbaum, Mag dann er brausen mit der Wetterwolke Und auch sich wiegen in des Lenzes Traum; Denn mit dem Weltgeist eins in jeder Regung Fühlt er des Daseins leiseste Bewegung. Der träumende See Der See ruht tief im blauen Traum, Von Wasserblumen zugedeckt; Ihr Vöglein hoch im Fichtenbaum, Daß ihr mir nicht den Schläfer weckt! Doch leise weht das Schilf und wiegt Das Haupt mit leichtem Sinn; Ein blauer Falter aber fliegt Darüber einsam hin! An die untergehende Sonne Die du auf feurigen Cherubsflügeln Flatterst über den dunkelnden Hügeln, Sonne, Mutter des Lebens und Lichts! Laß mich mit dir versinken, verschweben! Denn von dem Lichte und von dem Leben Ließ mir dein himmlischer Schöpfer — Nichts. Wo in des Lebens unendlichem Strome, Aufgelöst in die ew'gen Atome, Die verklärte Geliebte kreist, Dahin führe die schmachtende Seele, Daß sie wieder sich ihr vermähle Im unsterblichen ewigen Geist! Wol, was die Erde so himmlisch geboren, Wird nicht vernichtet und ist nicht verloren, Wenn auch die Erde es wieder begehrt. Aus der Asche, in die es versunken, Sprüht es in tausend leuchtenden Funken, Strahlt es zu tausend Sternen verklärt. Aber ich, dem das liebliche Ganze Strahlte in seinem beglückenden Glanze, Hebe vergebens den schmachtenden Blick, Hebe die sehnenden Arme vergebens; Denn die Quelle des Lichts und des Lebens Wallet vorwärts — und nie Zurück! Die Leidenschaften Leidenschaften sind schäumende Pferde, Angespannt an den rollenden Wagen: Wenn sie entmeistert sich überschlagen, Zerren sie dich durch Staub und Erde. Aber lenkest du fest die Zügel, Wird ihre Kraft dir selbst zum Flügel, Und je stärker sie reißen und schlagen, Um so herrlicher rollt dein Wagen. Das Meteor Mit dir vereint im Abendscheine Hinschreit' ich durch die grüne Flur, Da leuchtet durch die Luft, die reine, Aufflammend feur'gen Lichtes Spur. „Sieh dort das Meteor sich neigen!“ So spricht dein wundersüßer Mund, Ein Blitz, ein Knall! dann senkt mit Schweigen Der Stein sich in der Erde Grund. Ich seh' es stumm mit ernstem Blicke, Der Stein verräth — wol weiß ich's klar — Daß gähnend einer Welt Geschicke Das Nichts verschlang für immerdar. Denn täglich neu entstehen Welten Und andre sinken hin im All, Und Trümmer neigen der zerschellten Sich niederwärts zum Erdenball. Der Ball, der jetzt aus Himmelszonen Verschwindend sich im Nichts verlor, Vielleicht hat er durch Jahrmillionen Den Raum durchsaust im Sternenchor. Vielleicht, an Seufzern reich und Sorgen, Trug er ein kämpfendes Geschlecht, Dem, gleich wie uns, von heut auf morgen Natur verlieh des Daseins Recht. Vielleicht rang Sehnsucht hehrer Geister Nach Wahrheit sich die Seele wund, Doch Tod blieb stets des Lebens Meister, Die Sehnsucht starb im Grabesgrund. Vielleicht allein im Kampfgedränge Schuf Liebe süße Seligkeit, Ruhlos durch Thaten und Gesänge Rang Ehrgeiz nach Unsterblichkeit — Nun schwand, zu ew'ger Nacht erlesen, Ihr Ringen, Schaffen, Schmerz und Lust, So todt, als wär' es nie gewesen, Von keinem Geist bewahrt, gewußt. Und also herbgefügtes Ende Es mahnt mich an der Erde Loos, Die einst, wann naht der Zeiten Wende, Hinsinkt in der Vernichtung Schooß. Wie hold sie grünt, im Weltenraume Ist sie ein winziges Atom, Der Mensch gleicht eines Schattens Traume, Und Alles tilgt der Zeitenstrom — So denk' ich, und in hellern Gluten Aufflammt mein Herz, dich press' ich fest Und schwelg' in sel'gen Glücksminuten, Die das Geschick mich schauen läßt. Die Tamariske der Semiramis Des Euphrat's Flut rinnt sanften Fall's zu Thal, Grau ragt empor der morsche Thurm des Baal. Wo Babel stand, die Königin der Welt, Thürmt sich jetzt wirr ein ödes Trümmerfeld. Chaotisch wüst liegt modernd Stein bei Stein, Der Wüste Thiere ziehn dort aus und ein. Doch sichtbar rings im weitgedehnten Raum Ragt aus dem Wust ein Tamariskenbaum. Der Baum — so thut uns kund der Sage Mund — Er blüte schon, eh' Babel sank zu Grund. Er hat geschaut Nebucadnezars Glanz, Aufstieg um ihn der Riesentempel Kranz. An Babels Wassern, stumm, in bitterm Harm Sah er einst ruhn gefangner Juden Schwarm. Er sah, wie zitternd vor des Kyros Macht Belsazar starb in grauser Schreckensnacht. Der Kyrosenkel letzten sah er fliehn, Sah Philipps Sohn in Babels Mauern ziehn. Jahrhundert um Jahrhundert schwand in Hast, Der Baum blieb jung, trieb grünend Ast um Ast. Des Völkerlebens Flut wogt auf und ab, Er blickt wie eh' auf einer Weltstadt Grab. Noch rauscht, wenn müd' sie nah'n des Baumes Fuß, Sein Haupt arab'schen Wandrern sanften Gruß. Und wenn sie kühlt des Laubdachs Schattenrund, Geht uralt-eigne Mär von Mund zu Mund: Der grünend ragt ob Schutt und Finsterniß, Den Baum hat einst gepflanzt Semiramis. Er hat verschönt der „hängenden Gärten“ Pracht Und blüht, bis einst die Welt versinkt in Nacht. Frühlingsfahrt Die Luft strich lau Ob Wald und Au, Natur stand neu in Blüte; Nach des Winters Graus Ins Land hinaus Fuhr ich mit frohem Gemüthe. Nach goldner Luft Mit hoffender Brust Galt's neu die Fahrt zu wagen; Ob auch stets das Glück Noch wich zurück, Ich wähnte: ich würd' es erjagen. Das Dampfroß schnob, Der Bahnzug stob Vorbei an der Kirchhofsmauer; Im Frührothschein Der Kreuze Reih'n Ragten in stiller Trauer. Vom Mauerrand Ins sonnige Land Schaute der Todtenbestatter, Sah stumm in Ruh' Der Glücksjagd zu Und grüßte, gelehnt ans Gatter. Es mahnte sein Gruß: Wie weit dein Fuß Auch schweift, hier kehrst du zum Hafen; Ob Glück du erjagst, Ob leidend verzagst, Hier wirst du schlafen, schlafen. In Laubnacht tief Der Kuckuk rief, Mir kündend des Lebens Jahre; Doch sein Rufen im Wald Wie verstummt' es so bald, Wie so bald erharrt mich die Bahre! Einem Geologen Du sprichst mit Spott vom ersten Menschenpaare: „Viel älter ist des Menschen Spur,“ — So lehrst du mich — „schon Millionen Jahre Schuf ihn Natur.“ Ich hör' es an, und will dem Zweifel wehren, Ich glaube dir, es mag so sein; Doch du blickst freudig-stolz bei solchen Lehren, Ich fühle Pein. Mein Herz prüft ernst die Menschheit unsrer Tage Und sieht, von Mitleid tief erweicht, Wie wenig sie trotz ungemess'ner Plage Bis jetzt erreicht. Noch stets, entfacht von schnöder Selbstsucht Triebe, Ras't schonungslos ringsum der Streit; Das lichte Reich der Schönheit, Wahrheit, Liebe Ist fern und weit. Noch immer wälzt sich, fremd der Tugend Horte, Die Menschheit träg' im Lastersumpf; Des Geistes hehrste Offenbarungsworte Vernimmt sie stumpf. Wär' sie noch jung, würd' ich die Hoffnung wahren Und rüstig ringend strebt' ich mit; Doch sie ist alt und macht in tausend Jahren Kaum einen Schritt. Und wenn sie jetzt, die ärmste, nach Äonen Noch fern dem Ziel im Dunkeln schleicht, Wie lange noch muß sie auf Erden wohnen, Bis sie's erreicht? In der Klosterruine Das Kloster ragt einsam im blühenden Feld, Das Dach ist gesunken, die Mauer zerfällt. An den Wänden verblaßt das jüngste Gericht, Winden und Epheu umspinnen es dicht. Der Himmel schaut blau in den Kreuzgang herab ... Im Kreuzgang, gesunken, liegt Grab bei Grab. Nonne und Mönch, seit der Tod sie traf, Schlafen hier modernd den ewigen Schlaf. Fremde Gestalten, gehau'n in Stein, Ruh'n auf den Gräbern im Sonnenschein. Und über den Gräbern wuchern empor Gräser und Kräuter in üppigem Flor. In Gräsern und Kräutern, versinkend fast, Weiden die Schafe in träger Rast. Der Hirte, gebräunt von der Sonne Glut, Lehnet am Stabe mit frohem Muth. Auf der Schalmei bläst hauchend sein Mund, An seine Kniee schmiegt sich der Hund. Nun schweigt er und lächelt, sein Auge schweift weit, Schon naht ihm des Dorfs holdseligste Maid. Sie beflügelt den Schritt, und mit jauchzendem Ton Ruht sie dem Starken am Herzen schon. Und ob der Jahrhunderte Moderrest Feiert die Liebe ihr seliges Fest. Friedhof der Gestrandeten Wo wild um's Riff des Meeres Fluten tosen, Sieht still mein Aug' den öden Friedhof ragen; Nur Kreuze sind's, die keinen Namen tragen, Und Gräser, die mit Abendlüften kosen. Dort rasten schlummernd all' die Heimatlosen, Die feuchter Tod an's Felseiland verschlagen; An ihrer Gruft wird nie die Liebe klagen, Und keine Hand pflanzt Epheu hier und Rosen. Wer sie geliebt, kennt nicht der Schläfer Klause, Ihr Leib versank, ihr Name ist verschollen, Todt, zwiefach todt ruh'n sie im engen Hause; Die Meerflut nur hört man wie klagend grollen, Und manches Grab küßt sanft ihr Schaumgebrause, Gleich Thränen, die aus Freundesaugen rollen. Nachtlied Auf Berg und Thal liegt stumm die Nacht, Und lautlos schweigt die Runde, Tief unten im Dorf nur sacht, ganz sacht Bellen verschlafen die Hunde. Es ziehen die Wolken, es rauscht der Wald, Und murmelnd leise, leise Singt tief der Bach im Felsenspalt Die traumhaft alte Weise. In Lüften hallt es wie Sphärengesang, Es leuchtet im Waldesgrunde, Die Kirchthurmuhr mit dröhnendem Klang Kündet die Geisterstunde. Ein Hauchen und Flüstern allüberall, Mich treibt es, zu lauschen, zu lauschen, Mit ist's, als hört' ich vernehmbar im All Die Ströme des Lebens rauschen. Wanderschaft Das Wandern ist des Müllers Lust, Das Wandern! Das muß ein schlechter Müller sein, Dem niemals fiel das Wandern ein, Das Wandern. Vom Wasser haben wir's gelernt, Vom Wasser! Das hat nicht Rast bei Tag und Nacht, Ist stets auf Wanderschaft bedacht, Das Wasser. Das sehn wir auch den Rädern ab, Den Rädern! Die gar nicht gerne stille stehn, Die sich mein Tag nicht müde drehn, Die Räder. Die Steine selbst, so schwer sie sind, Die Steine! Sie tanzen mit den muntern Reihn Und wollen gar noch schneller sein, Die Steine. O Wandern, Wandern, meine Lust, O Wandern! Herr Meister und Frau Meisterin, Laßt mich in Frieden weiterziehn, Und wandern. Ungeduld Ich schnitt es gern in alle Rinden ein, Ich grüb' es gern in jeden Kieselstein, Ich möcht' es sä'n auf jedes frische Beet Mit Kressensamen, der es schnell verräth, Auf jeden weißen Zettel möcht' ichs schreiben: Dein ist mein Herz und soll es ewig bleiben. Ich möcht' mir ziehen einen jungen Staar, Bis daß er spräch' die Worte rein und klar, Bis er sie spräch' mit meines Mundes Klang, Mit meines Herzens vollem, heißem Drang; Dann säng' er hell durch ihre Fensterscheiben: Dein ist mein Herz, und soll es ewig bleiben. Den Morgenwinden möcht' ich's hauchen ein, Ich möcht' es säuseln durch den regen Hain; O leuchtet' es aus jedem Blumenstern, Trüg' es der Duft zu ihr von nah und fern! Ihr Wogen, könnt ihr nichts als Räder treiben? Dein ist mein Herz, und soll es ewig bleiben. Ich meint', es müßt in meinen Augen stehn, Auf meinen Wangen müßt' man's brennen sehn, Zu lesen wär's auf meinem stummen Mund, Ein jeder Athemzug gäb's laut ihr kund; Und sie merkt nichts von all' dem bangen Treiben; Dein ist mein Herz, und soll es ewig bleiben. Die Luft so still Die Luft so still und der Wald so stumm An dieser bewachsenen Halde, Ein grüngewölbtes Laubdach ringsum, Ein Wiesenthal unten am Walde. Wildblühende Blumen sprießen umher, Rings fließen süße Düfte, Ohne Rauschen raget der Bäume Meer Hoch in die sonnigen Lüfte. Nur Amselschlag einsam und weit, Und Falkenschrei aus der Höhe, Und nichts Lebendiges weit und breit, Als im Waldthal grasende Rehe. Natur, in dein Leben still und kühl Liege ich selig versunken: Ein süßes Kindermärchengefühl Macht mir die Sinne trunken. Der Mönch von Heisterbach Ein junger Mönch im Kloster Heisterbach Lustwandelt an des Gartens fernstem Ort; Der Ewigkeit sinnt still und tief er nach, Und forscht dabei in Gottes heil'gem Wort. Er liest, was Petrus, der Apostel, sprach: „Dem Herren ist ein Tag wie tausend Jahr', Und tausend Jahre sind ihm wie ein Tag,“ — Doch wie er sinnt, es wird ihm nimmer klar. Und er verliert sich zweifelnd in den Wald; Was um ihn vorgeht, hört und sieht er nicht; — Erst wie die fromme Vesperglocke schallt, Gemahnt es ihn der ernsten Klosterpflicht. Im Lauf erreichet er den Garten schnell; Ein Unbekannter öffnet ihm das Thor. Er stutzt, — doch sieh, schon glänzt die Kirche hell; Und draus ertönt der Brüder heil'ger Chor. Nach seinem Stuhle eilend tritt er ein, — Doch wunderbar — ein Andrer sitzet dort; Er überblickt der Mönche lange Reih'n, Nur Unbekannte findet er am Ort. Der Staunende wird angestaunt ringsum, Man fragt nach Namen, fragt nach dem Begehr; Er sagt's — dann murmelt man durch's Heiligthum: „Dreihundert Jahre hieß so Niemand mehr.“ Der letzte dieses Namens, tönt es dann, Er war ein Zweifler und verschwand im Wald; Man gab den Namen Keinem mehr fortan! Er hört das Wort, es überläuft ihn kalt. Er nennet nun den Abt und nennt das Jahr; Man nimmt das alte Klosterbuch zur Hand; Da wird ein großes Gotteswunder klar: Er ist's, der drei Jahrhunderte verschwand. Ha, welche Lösung! Plötzlich graut sein Haar, Er sinkt dahin und ist dem Tod geweiht, Und sterbend mahnt er seiner Brüder Schaar: „Gott ist erhaben über Ort und Zeit! Was er verhüllt, macht nur ein Wunder klar! Drum grübelt nicht, denkt meinem Schicksal nach! Ich weiß: ihm ist ein Tag wie tausend Jahr, Und tausend Jahre sind ihm wie ein Tag!“ Die Wunderblume Der Knabe lehnt sich an der Mutter Schooß, Um ihre Märchen treulich einzusaugen, Es blitzen seine Augen tief und groß, Er hat der Mutter wundervolle Augen. Und sie erzählt: Durch's Waldgebirge weit Ging einst ein Wandrer mit bequemen Tritten. Hoch stand der Tag: die Mittagszauberzeit Kam leis geheimnißreich durch's Grün geschritten. Kein Vogellied, kein Blätterrauschen scholl, Dorfglocken tönten fernher in das Schweigen, Grüngoldne Lichter zuckten räthselvoll An blanken Stämmen und auf schwanken Zweigen. Dem Wandrer ward so märchenhaft zu Muth, Als sollt' ein seltsam Wunder jäh ihm kommen, Und sieh — inmitten von weißheller Glut Steht er geblendet, schwindelnd und beklommen. Die Welt verschwindet seinen Blicken ganz, Und eine Blume, herrlich, groß und prächtig Erblüht vor ihm in stolzem Farbenglanz, Duftströme fließen draus berauschend mächtig. Nie sah er solch Gebild in Feld und Wald, Nie sah er es in Garten, Wies' und Haide, Zu brechen sie, drängt es ihn mit Gewalt — Hoch schwingt die Hand sie — welche Augenweide! Im selbigen Moment erdröhnt ein Schlag, Als ob ein Wetter dumpf am Himmel stünde — O reiche Pracht, die plötzlich vor ihm lag! Aufdonnernd öffnen sich des Berges Gründe. Und mit der Blume wandelt er hinein, Es häufen thürmend unten sich die Schätze: Rothfunkelnd Gold, hellblitzendes Gestein, Kaum sieht im Traum man solche Wunderplätze. Und eine Geisterstimme ruft ihm laut: Du Glückskind, greife zu und nimm das Beste! Der Wandrer schaut und wählt und wählt und schaut Ach, unentschlossen durch des Berges Feste. Und wie er nach Geschmeid' und Demant faßt, Legt achtlos er beiseit die Zauberblüte Und stürmt hinaus mit seiner eiteln Last, Daß er daheim sie in den Kisten hüte. Wol war er reich an manchem schönen Stück, Doch trieb die Gier aufs Neu ihn zu den Forsten, Er wähnte neu sich, ach, das falsche Glück, Er glaubte noch den tiefen Berg geborsten. Wol war's im Waldgebirg zur Mittagszeit, Wol war's des hohen Tages Zauberstunde, Wol war's der Ort — tiefstille Einsamkeit — Doch nichts gab vom verborgnen Schatze Kunde. Nun rief dieselbe Stimme silbern-klar: „Du Thor, wodurch bist du hinabgestiegen? Sie blüht nur einmal alle hundert Jahr! Was ließest du die Zauberblume liegen!“ — So sprach die Mutter, doch der Knabe ruft: „Ich geh' ins Waldgebirg, ich such' die Blume, Ich finde sie, aufgeht des Berges Kluft — Doch wahr' ich sie gleich einem Heiligthume.“ Die Mutter lächelt ob dem schönen Kind Und schaut ihm innig in die mächt'gen Blicke, Die voll von dichtungsreichem Feuer sind, Sie wünscht dem Knaben günstige Geschicke. Und als er Jüngling ward, da zog er frisch Ins bunte Leben schöne, grüne Pfade, An Leib und Seele ging er zauberisch, Er war ein Glückskind, recht von Gottes Gnade. Und als er in die Waldgebirge stieg, Da fand er unbewußt die Zauberstelle, Die Blume wuchs, — er nahm sie, — stolzer Sieg! — Sie öffnet immer ihm aufs Neu die Schwelle. Es war der Wald der deutschen Poesie, Wo er sie fand. — O holde Morgenröthe — Die Blume ward des Dichters Phantasie — Es hieß der schöne Wandrer: Wolfgang Goethe. Verlaß mich nicht! Ich sah dich heut' im bangen Traum der Nacht: Dein blaues Auge hat mir nicht gelacht; Du gingst von mir! Da bin ich aufgewacht. Durch's Fenster fiel der Sterne bleiches Licht, Und Thränen strömten mir vom Angesicht — Verlaß mich nicht! Du reichst dem müden Wandrer treu die Hand; Du bist der Friede, der mir einst entschwand Und den ich doppelt glücklich wiederfand! Umschmiege meinen Busen weich und dicht, Daß nicht der Wünsche Schwarm in's Freie bricht! Verlaß mich nicht! Ob fort mich riß des Lebens wilde Flut, Ob ich geirrt in dunklem Übermuth, Du machst mich wieder still und stark und gut! Du bist der Mond, der aus den Wolken bricht Und mir die Heimat zeigt in goldnem Licht — Verlaß mich nicht! Wie kommt es, sprich — Wie kommt es, sprich — Du hast an mich gedacht: — Als ob's von Herz zu Herzen zitternd flute, Urplötzlich wie berührt von dunkler Macht Denk' ich an dich zur selbigen Minute. Und sieh, geschwunden ist uns Zeit und Raum, Gefüllt der Trennung ungeheure Lücke. Es schlägt von dir zu mir ein Doppeltraum, Von dir zu mir sich eine Zauberbrücke. Nenn's dunkle unergründliche Magie, Nenn's zweier Seelen mächt'ge Sympathinee, Nenn's Töne, die zu einer Melodie Verklingen, Freund, im Strom der Harmonieen: Von deinem Odem fühl' ich mich umweht — Laß d'ran die Weisen dieser Erde klügeln: Ich weiß es doch — als wie ein Glutgebet, So zieht's von dir zu mir auf Geisterflügeln. Und du empfängst so viel als wie du gibst, Zum Herzen spricht das Herz in stummen Liedern; Das Echo deiner Brust, wenn du mich liebst, Muß meinen Schmerz und meine Lust erwiedern. Auf der Höhe Mir ist's, als hätt' ich abgestreift Die Hüllle schon, — aus dieser Zeit gerufen, Als sei ich schon zum Geist gereift Und stünde auf des Daseins letzten Stufen. Tief unter mir der Menschheit Thun Verschwindet ganz in seiner engen Kleinheit, Es schweigt die Lust, die Schmerzen ruhn Und unter geh' ich in des Weltalls Einheit. Nicht mehr im Herzen wogt die Glut, Wie Nebel vor der Sonne fliehn die Lüste. Die Brandung schweigt der Lebensflut, Als ob vor Gott der Mensch verstummen müßte. Wie klein die Lust des Erdenballs! Erst hier im reinen Licht hab' ich's empfunden; Eins bin ich mit dem Geist des Alls Und Frieden hab' ich nach dem Sturm gefunden. Wenn ich geglaubt — Wenn ich geglaubt, daß ich gelangt zur Rast, Wenn ich gehofft, gewähnt, daß ich erfaßt Die Harmonie des Weltgesanges schon — War's nur ein Ton! Wenn ich geglaubt im Duft der Sommernacht, Daß mich gelockt der Liebe süße Macht, Daß mein sie schon und mein der Segen auch — War's nur ein Hauch! Wenn ich gewähnt, daß eines Ruhmes Höhn Mein spähend Aug' im Lorbeerschmuck gesehn, Und früchtereich der Zukunft goldnen Baum — War's nur ein Traum! Das Leben rollt; wenn ich am letzten Tag Zum letztenmal noch glauben, wähnen mag, Eh' daß ich fahr' ins Land der Schatten ein — Was wird es sein? ... Der alte Spielplatz Soll's wie Luft vom Himmel dich umwehn, Nach der Kindheit Spielplatz mußt du gehn, Früh im Merzen, wenn mit lautem Schlag Grüßt der Fink den ersten milden Tag, Wenn die Veilchen es verstohlen schaun, Wie die weißen Berge wieder blaun, Und das erste Grün im Sonnenschein Lacht und funkelt in die Welt hinein. Um die Abendstunde geh' von Haus, Wenn die Glocke rief: Die Schul' ist aus! Ganz allein, daß nur von fern ans Ohr Dir der Jubel schallt beim alten Thor. Durchs Gestrüpp dann brich dir flugs die Bahn, Zu der Mauerscharte klimm' hinan, Reiß' den Epheu weg und das Gesprieß: Sieh! da liegt, da liegt dein Paradies! Und als wie geschreckt aus ihrer Ruh' Wehn die Erlen ihren Gruß dir zu, Und als hätt' er dich erkannt, so jach Blitzt in hellem Schimmer auf der Bach, Und das Häuschen, das noch stehen blieb, O wie strahlt's und hat wie einst dich lieb! — — Kommst du heim dann, sag's den Kindern traut, Wie du heut' ins Paradies geschaut! Abendlied Nun schlafen die Vöglein im Neste, Nun schlummern die Blüten am Strauch, Und unter dem Himmel die Weste, Horch, horch! sie ruhen nun auch. Nur droben, da wachen die Sterne Und singen ihr ewiges Lied, Das, hallend aus endloser Ferne, Leis' über die Erde noch zieht. Und der da von Anbeginn lenket Das ganze schimmernde Heer, Auch deiner liebend gedenket, Du giltst ihm ja noch viel mehr. Der segnet die Vöglein und Blüten, Und leitet der Winde Hauch, Der wird auch dich wol behüten, So ruh' in Frieden nun auch! Im Rathhausgarten Was blüht im Rathhausgarten, Ihr Röslein noch so frisch, Und blickt ihr voll Erwarten Hinan so träumerisch? Ist längst doch schon vermodert Die Hand, die euch begoß, Was glüht ihr doch und lodert, Und treibt ihr Schoß um Schoß? Aus niederm Bogen blicken Die Fenster trüb und blind, Und vom Gesimse nicken Nur Gräser, ach! im Wind. Kein Antlitz will sich zeigen Wie ihr so frisch und hold, Was müßt ihr doch euch neigen Glutroth im Abendgold? Ja, Röslein, Menschentreue Verblüht und währt nicht lang', Ach! ihr nur blüht aufs neue Wie einst im selben Drang! Ach! ihr nur flüstert leise Im dufterfüllten Raum Mir zu die alte Weise, Daß Lieb' und Treu' kein Traum. Dein Grab ist mir die weite Welt Dein Grab ist mir die weite Welt: Jedwedes Blatt, das niederfällt, Jedwede Blume, die verblüht, Ein jeder Stern, der rasch verglüht, Wo ich auch bin, mahnt mich an dich, Als stünd' an deinem Hügel ich. Dein Grab ist mir die weite Welt: Ist noch so freundlich auch erhellt Vom schönsten Frühlingslicht die Flur, Nie schwindet ganz der Wolken Spur. Der hellste Ton, der froh'ste Klang, Mir klingt er wie ein Grabgesang. Dein Grab ist mir die weite Welt: Dort oben erst im Himmelszelt, Wo keine Blume mehr verblüht, Kein Strahl des Lichtes mehr verglüht, Wird auch der längste Schmerzeston Zum Lobgesang vor Gottes Thron. Dem Freunde Ob ein Räthsel dir mein Schmerz, Den du nicht vermagst zu heilen, Willst du ihn doch mit mir theilen, Du so vielgetreues Herz! Nicht gefragt hat mich dein Mund, Antwort hab' ich nicht gegeben, Doch aus meiner Lippen Beben Ward dir, daß ich leide, kund. Und das dünkte dir genug! Nie hat mich ein Weh getroffen, Das dir nicht gestört ein Hoffen, Dir nicht eine Wunde schlug. Du so mild, die Welt so arg! Will ich in die Zukunft spähen, Seh' ich dich allein nur stehen Zwischen mir und meinem Sarg. — Nun die Hoffnung mir entglitt, Meine Seele gramesbitter, Nahst du wie ein Johanniter, Der an's Krankenlager tritt! Der, von höherm Licht umtagt, Um ein wundes Herz zu pflegen Allem ird'schen Freudensegen Ernst und milde hat entjagt! Wenn der Himmel nicht von Erz, O dann muß der Herr der Welten Deine Großmuth dir vergelten, Du so vielgetreues Herz! Den Utilitariern Was schmäht ihr uns, die wir der Welt nicht achten Und unberührt von ihrem Thun und Trachten In unserm Herzen unsre Welt erbaun? Was soll der Hohn, die feindliche Geberde? Wir überlassen neidlos euch die Erde, — O lasset uns nach Höh'rem schaun! Ihr müht euch ab im drangvollen Geschäfte, An Kampf und Arbeit übt ihr eure Kräfte, — Uns ward ein andrer, schönerer Beruf! Euch winkt als Lohn nur Gold in dunkeln Schachten, Indessen Gott für unsrer Seele Schmachten Die Sterne und die Blumen schuf! Nein! glaubt nicht, daß ihr sie gleich uns genießet! Denn für den stillen Träumer nur erschließet Sich ihres Reizes Zauberfülle ganz! Er, dessen Hand vertheilt die Menschenloose, Gab euch die reife Frucht und uns die Rose, Die Ernte euch und uns den Kranz. Gestaltet denn nach euerm Sinn das Leben! Wir wollen uns der Herrschaft gern begeben, So lang uns Licht umglänzt und Duft umhaucht! Wogt ruhlos fort im eiligen Gewimmel! Allein vergeßt nicht: Herzen braucht der Himmel, So wie die Erde Hände braucht. An diesem Einen mögt ihr es erkennen: Als er, den wir der Liebe Meister nennen, Im Hause seines Freundes Lazarus Zu kurzer Rast die Schritte angehalten, Da galt ihm Martha's eifrig, rührig Walten Geringer als Maria's Seelengruß. Die unbekannten Freunde Der Dichter wandelt einsam durch das Leben! So ist es und so war's zu allen Zeiten. Entsagung nur darf ihm zur Seite schreiten, Wenn holde Bande sich um and're weben. Doch ein Ersatz ist ihm dafür gegeben, Daß Herzen ihm in unbekannten Weiten Entgegenschlagen, und wie Harfensaiten Vom Hauche seiner Lieder sanft erbeben. Und wurden solche Freunde dir zu theil, Betrachte sie als höchste Schicksalsspenden, Die für kein flücht'ges Gut der Erde feil! Zweifach gesegnet ist, der sie gewann! Denn mit dem stillen Gruß, den sie ihm senden, Fängt auch bereits die Nachwelt für ihn an. Bekenntniß 1. Mag höhnend auch die Welt darüber richten, Mein tiefstes Wünschen will ich nicht verhehlen: Hätt' ich vom Schicksal eine Gunst zu wählen, Ich wählte mir den Ruhm, den sonnenlichten! O selig Loos! schon hier, in Staubesschichten Dem Glanz der Ewigkeit sich zu vermählen, Zu jenen Überwindern mitzuzählen, Die, götterstark, des Todes Bann vernichten. Zu wissen, daß die tiefe Schmerzensklage, Die Freudenhymnen, welche uns enthallen, Ein köstlich Erbtheil für die spät'sten Tage, Daß unser Name wird auf Erden wallen, Wenn auch schon längst im stillen Sarkophage Des glüh'nden Herzens Aschenrest zerfallen. 2. Doch eh' ich, um den Kranz mir zu erstreben, Um heimzukehren mit dem gold'nen Vließe, Von meinem Selbst herunter dingen ließe, Und Lüge brächte in mein inn'res Leben. Eh' ich die Stimme, die mir Gott gegeben, Zu fremden Weisen sich bequemen hieße, Kehrt' ich den Rücken jenem Paradiese, Und sähe stolz den Beifall mir entschweben. Eh' wollt' ich einsam in der Wüste singen, Eh' ließ ich träumend meines Liedes Laute, Von allen Menschen ungehört verklingen! Das einz'ge Ziel, nach dem mein Auge schaute, Es wäre: unentweiht zurückzubringen Das heil'ge Pfand, das Gott mir anvertraute! Eines Morgens Ans Fenster rückt' ich meinen Tisch Und wollte weise Dinge schreiben, Doch, eh ich's dachte, sah ich frisch Mein Blatt im Morgenwinde treiben. Was liegt an einem Blatt Papier? Leicht ist's, ein zweites zu bereiten! Nun aber ließ die Sonne mir Streiflichter blendend drüber gleitet. Wie flogen sie so lustig hell, Die Pfeile von dem goldnen Bogen! Gleich einem Schilde ließ ich schnell Den grünen Vorhang niederwogen. Jetzt, meint' ich, jetzt wird Ruhe sein! Des Fleißes ernste Zeit beginne! So dacht' ich still vergnügt, allein Bald ward ich meines Irrthums inne. Denn schmeichelnd und verlockend klang Durch Blättergrün und grünen Schleier Der Vögel Lied wie Festgesang, Wie eine freud'ge Liebesfeier. Was half es mir, daß ich mein Ohr Vom Lauschen suchte zu entwöhnen? Im Geiste hörte ich den Chor Der süßen Stimmen doch ertönen. Vergeblich sorgt' ich, daß sich nicht Der Sonne Schimmer zu mir stehle; Das ich von mir gebannt, das Licht, Ich schaut' es doch in meiner Seele! Da warf ich meine Feder hin, — Nicht länger konnt' ich widerstreben! Gefangen war mir Herz und Sinn, Ich mußte mich dem Lenz ergeben. Aus meinem Hause trieb mich's fort, Auf waldbekränzte Bergeshöhen, Wo wie ein mildes Segenswort Die ahnungsvollen Lüfte wehen. Den heil'gen Stimmen lauschend, saß Ich dort bis spät zum Abendlichte Und meine trunkne Seele las In Gottes herrlichem Gedichte! Rath Sollst du von einem Ort In Bälde scheiden, Wird er sich dir sofort Mit Reiz umkleiden. Was dir an ihm verhaßt, Du weißt es nimmer! Dein Auge sieht und faßt Nur Glanz und Schimmer. Und jede kleinste Zier, Sonst nicht beachtet, Wie wird sie jetzt von dir Liebvoll betrachtet! — Du armes Menschenherz Voll Wahnbegehren! Kann nur der Trennung Schmerz Dich Liebe lehren? Und muß erst der Verlust Dich quälend pressen, Eh' dir das Glück bewußt, Das du besessen? — Wolan! wenn dem so ist, Wend' es zu Segen! Du wallst zu jeder Frist Auf Scheidewegen. Das sage dir! dann wird Dein Groll sich schlichten, Und Liebe, unbeirrt, Dich ganz durchlichten! Was er dir bringen mag Im dunkeln Schleier, Denk' nur an jedem Tag, Der letzte sei er. Des Guten wirst du dann Dich doppelt freuen, Den kurzen Schmerz fortan Nicht kindisch scheuen. Dann findest du schon hier Auf Erden Frieden, Eh' noch den seinen dir Der Tod beschieden. Woher? — Wohin? Es ward im Schlaf, von unbekannter Macht, Ein Mensch nach einem Riff im Meer gebracht Und mitleidslos sich selber überlassen. Er kennt, wie angstvoll er auch danach spürt, Die Wege nicht, die ihn hieher geführt, — Was er hier soll, er weiß es nicht zu fassen. Abgründe rings, wohin sein Auge schaut Und keine Hand, die liebevoll und traut Ihm einen Pfad der Rettung möchte zeigen. Das Meer, den Äther, blauend drüber hin, Die Sterne, fragt er: „Sagt mir, wo ich bin?“ Umsonst! die Höhe und die Tiefe schweigen. Und stets muß er gewärtig sein der Nacht, In der dieselbe tief verhüllte Macht, Die ihn einst auf geheimnißwollen Bahnen Hieher gebracht, wo er nun bangend irrt, Von hinnen wieder ihn entführen wird; — Wohin? Sein Geist vermag es nicht zu ahnen. — Du fragst: „Wer ward so bitterm Loos geweiht? Wen hat zu solchem schauerlichen Leid Aus Tausenden des Schicksals Haß erkoren? Unglückselge ohne Rast und Ruh, Wer ist er? Sprich!“ Du selber bist es, du Und ich und Alle, die vom Weib geboren! Klänge Stumm hing die Harfe an der Wand, Da kam der West gegangen, Daß, wie berührt von Geisterhand, Die Saiten leis' erklangen. Stumm war mein Herz, da wehte mild Ein Liebeshauch darüber, Aus den durchseelten Saiten quillt Ein Sang, ein selig trüber! Gabe Alles hinzugeben Ist der Liebe Brauch; Nimm denn hin mein Leben, Und mein Sterben auch! Aller meiner Lieder Sanften Schmeichellaut, Die ein Eden wieder Sich aus Schutt erbaut; Alle Lichtgedanken, Die an Glück und Leid Kühn sich aufwärts ranken In die Ewigkeit; All mein stilles Sehnen, Innig dir vertraut, Das in sel'gen Thränen Auf dich niederthaut! Nimm, daß nichts dir fehle, Wenn die Stunde ruft, Meine ganze Seele Hin als Opferduft! Die Flagellanten Faßt der Wahnsinn jene Leute, Daß sie aus des Südens Ländern Ziehn daher in dichten Schaaren, Angethan mit Bußgewändern? Ihrem düstern Zuge folgen Weiber selbst und schwache Greise, Wie ein Grabgesang tönt schaurig Ihre dumpfe Büßerweise. Und sie tragen tausend Kerzen, Lassen schweben tausend Fahnen, Schwarze Stoffe, Todtenköpfe, An das Ende zu gemahnen. Scharf gezackte Geißeln schwingen Leise betend Priester, Laien, Um als Strafe für die Sünden, Sich den Körper zu kasteien. Ihre Schmerzenslaute dringen Durch die Luft zu Gottes Ehre, Und dazwischen Lauda Sion Feierlich und Miserere. Denn mit Büßerwerken wollen Sie den Himmel sich erkaufen, Ziehn darum im frommen Wahnsinn Durch das Land in hellen Haufen. Und wer Theil nimmt an der Wallfahrt Volle drei und dreißig Tage, Hat die Seligkeit gewonnen, Also geht die tolle Sage. Leiser klingen ihre Lieder, Fern entschwindet das Gewimmel, Und darüber wie voll Mitleid Lacht der unbewölkte Himmel. Sonett Vom Schloßherrn die Legende, kennt ihr sie? Der sich umsonst mit gläubigem Gemüthe Den Gruß der Engel zu erlernen mühte, — „Ave Maria“ — weiter kam er nie. Und als er starb mit dieser Melodie, — Aus seinem Herzen eine Rose blühte, Durchdrang das Grab und auf den Blättern glühte In goldner Schrift: „Gegrüßt sei'st du, Marie!“ — So muß mein Lied alleinig dir erklingen, Von andern Frauen weiß ich nicht zu singen, Nur du lebst klar in meiner Dichtung Rahmen; Und noch bevor mein Auge sich geschlossen, Im Herzen ist ein Blütenkranz entsprossen, Und alle Blüten tragen deinen Namen! Alle! Ich lieb' euch alle, all' ihr holden Dichter, Ob ihr wie Sternchen blinkt, wie Sterne flammt, Und frage nichts als: „Seid ihr ächte Lichter, Dem Himmel eingeboren und entstammt?“ Ein Liebesglanz dringt Venus aus der Ferne, Ein Geisterblitz strahlt Sirius der Nacht. Doch lösche das Gewimmel kleiner Sterne, Gleich ist dahin des Himmels ganze Pracht. Wie es den Sorgen erging Einst wollt' ich hinaus in den grünen Wald, Da zogen die Sorgen mit; Vergebens gebot ich wol zehnmal Halt, Sie folgten mir Schritt für Schritt. Doch als wir kamen wol in den Busch, Begann ein Geflüster sogleich; Die Vöglein riefen: Ihr Sorgen, husch, Hinaus aus dem grünen Bereich! Das Gras erhob sich und hielt sie auf, Ein Windstoß hauchte sie fort, Die Bäume rauschten und schlugen drauf, Sie flohen von Ort zu Ort. Und rannten und stießen die Köpfe sich ein Am Felsen, riesig und rauh, Verschmolzen im lachenden Sonnenschein, Ertranken im duftigen Thau. Da habt ihr's! rief ich, von ihrer Noth Befreit, in die Lüfte hinaus; Da seht ihr, was euch im Walde droht: Ein andernmal bleibt ihr zu Haus! Im stillen Friedhof Wenn ich im stillen Friedhof geh', Wird mir so schwer zu Herzen, Daß man die treuste Menschenbrust, Die mit getragen Leid und Lust, So eilig kann verschmerzen. Gras wächst darüber, ach wie bald! Das Grab wird selber heiter. Wie wenn ein Blatt vom Wipfel fällt, So geht ein Leben aus der Welt — Die Vögel singen weiter. O Menschenherz mit deinem Stolz! Was flüstern die Cypressen? „Wir stehn auf einem schmalen Raum, Darunter liegt ein Herze kaum, So ist es schon vergessen.“ Zum letzten Mal! Und muß ich dich, du Theure, lassen, Und blieb mir keine andre Wahl, So lass' noch einmal dich umfassen — O einmal noch, zum letzten Mal! In deinen Armen lass' mich liegen Und, wie der Kelch im Sonnenstrahl, In deinem holden Blick mich wiegen — O einmal noch, zum letzten Mal! An deinen Busen lass' mich sinken Und durst'ge Küsse ohne Zahl Von deinen süßen Lippen trinken — O einmal noch, zum letzten Mal! Lass' mich ins tiefste Herz dich drücken; Mit dieser Stunde sel'ger Qual Will ich mein ganzes Leben schmücken — O einmal noch, zum letzten Mal! Der Wirthshaustisch Unlängst auf einem Wirthshaustisch Sah ich der Namen bunt Gemisch Vom Rande bis zur Mitten Ins Eichenholz geschnitten. Nachdenklich saß ich auf der Bank Und trank und las, und las und trank, Und viel Gedanken kamen Mir bei den vielen Namen. Der Eine hatte breit und stolz Recht derb geschnitten in das Holz; Der mochte auch im Leben Sich auszudehnen streben. Ein Andrer von bescheidner Art Schloß seinen Namen, rein und zart, Mit schön gezackten Kränzen In zierlich enge Grenzen. Der Eine grad, der Andre krumm, Der Dritte wol im Kreis herum, — Und Manchem fremde Namen Gar grob dazwischen kamen. Mit deinem Namen, alter Tisch, Gemahnst du mich ans Weltgemisch, Wo auch die bunte Menge Sich umtreibt im Gedränge. Ja würde jeder Nam' ein Mann, Die Nachbarn könnten leichtlich dann, Die jetzt sich still bequemen, Beim Kopf einander nehmen. Von ihres Haders Strom erfaßt, Fürwahr, es wäre keinem Gast Sein Gläschen Wein im Frieden Zu trinken mehr beschieden. Drum bleibet ruhig wie ihr seid! Vertragt euch ohne Haß und Neid Es soll zu Mord und Schrecken Euch nie ein Kadmus wecken. So lang ein leeres Eckchen bleibt An diesem Tisch: so lange schreibt Ein Jeder auf das Plätzchen Sich und vielleicht ein Schätzchen. Und Mancher liest's und denkt dabei, Wo dieser jetzt, wo jener sei? Doch kommt der Meister Schreiner, So bleibt von allen keiner. Denn glatt gehobelt wird das Holz; Und Kränze, Zahlen, Kunst und Stolz Sind in zwei kurzen Stunden Von Tisch und Welt verschwunden. Am blanken Tische wieder zecht Vergnügt ein jüngeres Geschlecht; Die Ahnen sind vergessen. Die einst daran gesessen. Luca Signorelli Die Abendstille kam herbei, Der Meister folgt dem allgemeinen Triebe; Verlassend seine Staffelei, Blickt er das Bild noch einmal an mit Liebe. Da pocht es voll Tumult am Haus, Und ehe Luca fähig ist zu fragen, Ruft einer seiner Schüler aus: „Dein einz'ger Sohn, o Meister, ist erschlagen! In holder Blüte sank dahin Der schönste Jüngling, den die Welt erblickte: Es war die Schönheit sein Ruin, Die oft in Liebeshändel ihn verstrickte. Vor eines Nebenbuhlers Kraft Sank er zu Boden, fast in uns'rer Mitte; Ihn trägt bereits die Brüderschaft Zur Todtenkirche, wie es heischt die Sitte.“ Und Luca spricht: „O mein Geschick! So lebt' ich denn, so strebt' ich denn vergebens? Zu nichte macht ein Augenblick Die ganze Folge meines reichen Lebens! Was half es, daß in Farb' und Licht Als Meister ich Cortona's Volk entzückte, Mit meinem jüngsten Weltgericht Orvietos hohe Tempelhallen schmückte? Nicht Ruhm und nicht der Menschen Gunst Beschützte mich, und nicht des Geistes Feuer: Nun ruf' ich erst, geliebte Kunst, Nun ruf' ich dich, du warst mir nie so theuer!“ Er spricht's, und seinen Schmerz verräth Kein andres Wort, rasch eilt er zur Kapelle, Indem er noch das Mahlgeräth Den Schülern reicht, und diese folgen schnelle. Zur Kirche tritt der Greis hinein, Wo seine Bilder ihm entgegentreten, Und bei der ew'gen Lampe Schein Sieht er den Sohn, um den die Mönche beten. Nicht klagt er oder stöhnt und schreit, Kein Seufzer wird zum leeren Spiel des Windes, Er setzt sich hin und conterfeit Den schönen Leib des vielgeliebten Kindes. Und als er ihn so Zug für Zug Gebildet, spricht er gegen seine Knaben: „Der Morgen graut, es ist genug, Die Priester mögen meinen Sohn begraben.“ Der Pilger vor St. Just Nacht ist's und Stürme sausen für und für, Hispanische Mönche, schließt mir auf die Thür! Laßt hier mich ruhn, bis Glockenton mich weckt, Der zum Gebet euch in die Kirche schreckt! Bereitet mir, was euer Haus vermag, Ein Ordenskleid und einen Sarkophag! Gönnt mir die kleine Zelle, weiht mich ein! Mehr als die Hälfte dieser Welt war mein. Das Haupt, das nun der Scheere sich bequemt, Mit mancher Krone ward's bediademt. Die Schulter, die der Kutte nun sich bückt, Hat kaiserlicher Hermelin geschmückt. Nun bin ich vor dem Tod den Todten gleich, Und fall' in Trümmer, wie das alte Reich. Das Grab im Busento Nächtlich am Busento lispeln, bei Cosenza, dumpfe Lieder, Aus den Wassern schallt es Antwort, und in Wirbeln klingt es wieder! Und den Fluß hinauf, hinunter, ziehn die Schatten tapfrer Gothen, Die den Alarich beweinen, ihres Volkes besten Todten. Allzufrüh und fern der Heimat mußten hier sie ihn begraben, Während noch die Jugendlocken seine Schulter blond umgaben. Und am Ufer des Busento reihten sie sich um die Wette; Um die Strömung abzuleiten, gruben sie ein frisches Bette. In der wogenleeren Höhlung wühlten sie empor die Erde Senkten tief hinein den Leichnam, mit der Rüstung auf dem Pferde. Deckten dann mit Erde wieder ihn und seine stolze Habe, Daß die hohen Stromgewächse wüchsen aus dem Heldengrabe. Abgelenkt zum zweiten Male ward der Fluß herbeigezogen; Mächtig in ihr altes Bette schäumten die Busentowogen. Und es sang ein Chor von Männern: „Schlaf in deinen Heldenehren; Keines Römers schnöde Habsucht soll dir je das Grab versehren!“ Sangen's, und die Lobgesänge tönten fort im Gothenheere; Wälze sie, Busentowelle, wälze sie von Meer zu Meere! Reue Wie rafft' ich mich auf in der Nacht, in der Nacht, Und fühlte mich fürder gezogen! Die Gassen verließ ich, vom Wächter bewacht, Durchwandelte sacht In der Nacht, in der Nacht, Das Thor mit dem gothischen Bogen. Der Mühlbach rauschte durch felsigen Schacht, Ich lehnte mich über die Brücke; Tief unter mir nahm ich der Wogen in Acht, Die wallten so sacht In der Nacht, in der Nacht, Doch wallte nicht eine zurücke. Es drehte sich oben, unzählig entfacht, Melodischer Wandel der Sterne, Mit ihnen der Mond in beruhigter Pracht, Sie funkelten sacht In der Nacht, in der Nacht, Durch täuschend entlegene Ferne. Ich blickte hinauf in der Nacht, in der Nacht, Ich blickte hinunter auf's Neue: O wehe, wie hast du die Tage verbracht, Nun stille du sacht In der Nacht, in der Nacht, Im pochenden Herzen die Reue! Im Wasser wogt die Lilie — Im Wasser wogt die Lilie, die blanke, hin und her, Doch irrst du, Freund, sobald du sagst, sie schwanke hin und her! Es wurzelt ja so fest ihr Fuß in tiefem Meeresgrund, Ihr Haupt nur wiegt ein lieblicher Gedanke hin und her! Der sterbende Schiffer Aus der Hütte engen Wänden Tragt mich in den Kahn hinaus! Auf dem Meere will ich enden, Nicht im dumpfen Erdenhaus. Meine bange Fieberhitze Kühl' der frische Hauch der See, Und die weiße Woge spritze Mir ins Angesicht den Schnee! Oftmals mit der Flut gerungen Hab' ich in dem Segelkahn, Hab' mit lautem Ton gesungen In dem brausenden Orkan. Oftmals blieb ich drinnen liegen In der hellen Mondennacht, Ließ mich von den Wogen wiegen, Sah empor zur Sternenpracht. Solche Nacht ist unvergeßlich! Schöner als am hellsten Tag Glatter Meerflut unermeßlich Grüner Spiegel vor mir lag. Oft dann wünscht' ich mir die Ruhe In der freien Wogen Gruft, Nicht in enger Kirchhofstruhe, Eingesenkt in Moderduft. Nicht vom Trauerzug geleitet Und der Glocken dumpfem Schall, Nein, den Himmel ausgebreitet Über blauem Wogenschwall. Nicht von Brettern eingeschlossen Und gedeckt mit Erde schwer — Nein von Hügeln leicht umflossen, Wie sie spielend wölbt das Meer. Meine Stunde hat geschlagen! Kahn, spann deine Segel aus! Sollst als off'ner Sarg mich tragen In mein herrlich Grab hinaus! Löst die Seele sich vom Leibe, Dann vom Ufer löst den Kahn, Daß er mit dem Todten treibe In den Weltenocean. Ländliche Toilette Ein Festtag ist's, ein sonnigheller Morgen Strahlt durch die kleinen Scheiben ins Gemach, Großmütterchen hat ihre süßen Sorgen, — Die kleine Vroni wurde früh schon wach, Und kaum entsprungen ihrem warmen Bette Drängt ungeduldig sie zur Toilette: „Großmutter, zieh' mir an das rote Mieder Mit Silberkettchen hin und her geschnürt Und gib mir auch das schwarze Röckchen wieder, Ringsum mit bunten Streifen schön geziert.“ „Gemach“ sagt Großmama, „her mit dem Köpfchen, Erst flecht' ich dir zwei hübsche Sonntagszöpfchen.“ Die Kleine sitzt; — mit innigem Behagen Fährt durch des Haares Gold der Alten Hand; Veronika darf jetzt kein Wörtchen sagen, Still muss sie sitzen, steif und unverwandt, Bei Leibe darf sie nicht das Köpfchen wenden, Großmutter hat das Zittern in den Händen. — Da tönet plötzlich mit gewalt'gen Schlägen Der Kirchenglocken heller Weiheklang, Die Alte fasst ein sonderbar Bewegen, Es falten sich die Hände wie zum Dank, — Dieselben Glocken gaben oft ihr Kunde Von schmerzerfüllter und beglückter Stunde: Sie denkt zurück an längst erlittne Schmerzen, Wie sie den jungen Gatten einst verlor, Wie dann ihr einz'ger Sohn mit frischem Herzen Veroni's Mutter sich zum Weib erkor, Und wie sie selbst als Braut zur Trau' gegangen, Wie wundersam ihr da die Glocken klangen. — Und weiter rückwärts schweifen die Gedanken, Wie sie als rasche Jungfrau sich gefühlt, Sorglos und fröhlich schaffend, ohne Wanken; — Wie sie als kleines Mädchen hier gespielt, Und ihre Ahne glättete ihr Köpfchen, Und flocht ihr, just wie sie jetzt, schöne Zöpfchen. Da hebt Veronika ihr blondes Köpfchen, Und ihr Gesicht der Alten zugewandt, Spricht sie: „Sieh' doch, mir fielen warme Tröpfchen Herab von oben eben auf die Hand!“ Die Alte brummt: „Das hat nichts zu bedeuten; Hör' nur, wie schön die Kirchenglocken läuten!“ Entschuldigung Kann ich dafür, daß ihn sein Herz ihm raubte, Als mein Gesang zur Laute ihn entzückt? Kann ich dafür, daß er geliebt sich glaubte, Als ihn mein Auge freundlich angeblickt? Kann ich dafür, wenn meine sanften Mienen Ihm sagten: meine Seufzer gelten dir, Und ihm Gewährung zu verheißen schienen, Kann ich dafür?! Und wenn ich einst in trauter Mondnachtstunde, An seiner Schulter warm mein Köpfchen hielt, Kann ich dafür, wenn ich auf meinem Munde, Geschloss'nen Auges, einen Kuß gefühlt? Und daß ich schwieg, als mich sein Arm umschlungen, Wie deute ich nur dieses Räthsel mir? — Just hat die Nachtigall so süß gesungen — Kann ich dafür?! Kann ich dafür, daß du, der so vermessen, Für Längstentschwund'nes noch Erinn'rung hast? Kann ich dafür, daß ich schon längst vergesssen, Was mir so fremd klingt, wie ein Märchen fast? Und wenn ein And'rer besser mir gefallen Und es berauscht mich, schwört er Liebe mir Und küßt mich beim Gesang der Nachtigallen, Kann ich dafür?! Wer keinen Frühling hat — Wer keinen Frühling hat, dem blüht er nicht! Wer schweigt, dem tönt kein Echo hier auf Erden! Weß Herz nicht dichtet, der faßt kein Gedicht, Und wer nicht liebt, dem wird nicht Liebe werden. Was ist der Geist, der nie zum Geiste spricht, Der selbstgefällig will in sich verwesen? Was ein Gemüth, das nie die Rinde bricht? Was eine Schrift, die nicht und nie zu lesen? Es findet jeder Geist verwandte Geister! Kein Herz, das einsam, ohne Liebe bricht! Nur wer sich selbst verlor, ist ein Verwaister! Wer keinen Frühling hat, dem blüht er nicht! Bretagne. 1793 An den Ufern der Bretagne, horch! welch nächtlich Wiederhallen! Aus den Wellen, aus den Wogen hör' ich es wie Lieder schallen, Und ein Glöcklein tönt herüber, leise wundersamen Klang; Doch, das ist nicht Schiffsgeläute, das ist nicht Matrosensang. An den Ufern der Bretagne wohnt ein Volk von alter Sitte, Kreuz und Krone, Gott und König gelten hoch in seiner Mitte; Doch der König ist gerichtet, und den heiligen Altar Hält mit blankem Schwert umlagert eine mordgewohnte Schaar. „Unsern König, den geliebten, wol! ihr konntet ihn uns nehmen; Doch des Glaubens heil'ge Flamme sollt ihr nimmer uns bezähmen! Ist doch Gott an allen Orten, in den Tiefen, auf den Höh'n, Und an allen, allen Orten hört er seine Kinder flehn.“ — Leis, o leis! der Abend dämmert! Süße Nacht, o sei willkommen, O du Balsam den Geschlagnen, o du Schützerin den Frommen! Leis, o leise, löst den Nachen, nehmet Angel und Geräth, Täuscht die Späher, täuscht die Wächter: in die Wogen zum Gebet! — Flinke Ruder hör' ich rauschen: Alle kommen, Kinder, Greise, Weib und Mann, dem Herrn zu dienen nach der Väter frommer Weise, Neugeborene zu taufen, einzusegnen Ehebund, Friedenswort und Trost zu hören aus geweihten Priesters Mund. In der Mitte schwamm der Priester, Kreuz und Hostie in den Händen, Fischerbuben ihm zur Seite, süßen Weihrauch auszuspenden: Durch der Wellen dumpfes Murren schallte fröhlich der Choral, Klang das Glöckchen, tönten Seufzer und Gebete sonder Zahl. Sprach der Alte durch die Wogen über Alle seinen Segen, Und sie kreuzten sich und neigten seinen Worten sich entgegen: Durch der Wogen wildes Brausen schallte fröhlich der Choral, Pfiff der Sturmwind, schlug der Regen, zuckten Blitze sonder Zahl. „Herr! du bist ja aller Orten, auf den Wassern, wie auf Erden: Laß das Meer, das arg empörte, eine sich're Kirche werden!“ So durch des Gewitters Donnern tönte flehend der Choral, Krachen Bord und Mast und Ruder, pfeifen Kugeln sonder Zahl. Umgeschaut! Wachtfeuer glänzen, widerspiegelnd in den Wogen, Und der Feinde Kugeln kommen von dem Strande rasch geflogen. Aufgeschaut! der weite Himmel glüht, ein einzig Flammenmeer. — Tod im Wasser, Tod am Ufer — keine Rettung rings umher! „Herr! Du bist ja aller Orten, auf den Wassern wie auf Erden: Auch die in dem Meer gestorben, Herr! sie sollen selig werden!“ Also durch der Wogen Wüthen, so durch Kugeln sonder Zahl, Durch der Feinde Hohngelächter klingt, verklinget der Choral. — Fahret wohl, ihr frommen Beter! — Keiner kam an's Ufer wieder, Die Gemeinde mit dem Priester schlang die falsche Welle nieder; Nur am Morgen unter Trümmern, zwischen Klippen und Gestein, Schwamm das Kreuz, das wundersel'ge, in des Frühroths goldnem Schnitt. Die Oceaniden Wir Meereswogen sonder Rast und Ruh', Wir brausen fort und brausen immerzu: Das klingt und singt und dringt aus allen Gründen, Ton muß zu Ton sich und Accorden finden, An ödem Strand, in nie befahrnem Meer, Ein einzig Lied allüberall umher. Wir singen laut vom ersten Schöpfungstag, Da noch in uns der Keim der Erde lag, Von Ewigkeit und ungemeßner Ferne, Von Sonnenaufgang, Silberglanz der Sterne, Von manchem Helden, der am Felsenstrand Im Meeresgrund sein einsam Bette fand. Und was wir singen in gewalt'gem Chor, Belauschte nimmer noch ein menschlich Ohr; Zwar mancher Schiffer kommt herangeschwommen, Doch keiner hat's begriffen und vernommen, Der Fischerbube hört's mit stillem Graun, Ihn locken, denkt er, falsche Meeresfraun. Doch kommt uns Antwort hoch vom Himmel her: Die ew'gen Sterne sprechen mit dem Meer, Melodisch tönt in unser wildes Sausen Der Klang der Sphären und der Donner Brausen; Von fernen Inseln aus der Wälder Ruh' Weht uns das Rauschen heil'ger Wipfel zu. Da wird's lebendig auf der weiten See, Da jauchzen wir und hüpfen in die Höh'; Delphine kommen langsam angezogen Und horchen still dem Zaubersang der Wogen, Die alte Windesbraut redet auch darein, Will auch im Chor der ew'gen Sänger sein. — Die kleine Welt der Menschen treibt ihr Spiel, Rennt auf und ab und macht des Lärmens viel: Da kommt die Nacht und hemmt das muntre Streben, Da kommt der Tod und löscht das junge Leben: Wir aber brausen fort und immerzu, Wir Meereswogen sonder Rast und Ruh'. Reue Ich weiß es wohl, ich hab' dich oft gekränkt, Wenn rascher Zorn mein heißes Blut verführte; Mit Thränen oft hast du vor mir gesenkt Den süßen Blick, der jeden andern rührte; Demüthig oft, mit mädchenhaftem Zagen Hast du die Händchen auf die Brust gelegt, Oft hat ein Hauch von Bitten, nicht von Klagen Die lieben Lippen flüsternd dir bewegt. Ich aber stand verblendet und bethört, Vom Flug der Furien wie Orest umflogen, Und riesenhoch, von wildem Sturm empört, Schwoll mir das Herz in ungestümen Wogen. Ich sah dich weinen, sinken und erblassen, Und stand und sah's und wandte das Gesicht. Nach meiner Hand sah ich dich flehend fassen, Und stand und sah's und reichte sie dir nicht! Jetzt ist's vorbei! — Nur Nachts durch meinen Traum Seh' ich ein liebes, bleiches Bildniß schreiten, So ernst, so still — o Gott, ich kenn' es kaum, Und doch gemahnt mich's an vergangne Zeiten! Ich fahr' empor, ich möchte niederknieen, Um Gnade nur das holde Bild zu flehn — Es winkt, es neigt sich, mich emporzuziehen — Vorbei, vorbei! Ich soll dich nie mehr sehn! So willst du noch einmal ... So willst du noch einmal, verlockender Hauch Des Lebens, das Herz mir bethören? Balsamische Düfte entwallen dem Strauch, Der Blütenstaub fliegt von den Föhren; Im Blättergeflüster, im Wipfelgebraus Erklingt es: Hinaus In die grüne, die goldene Freiheit! In Saaten und Feldern, auf Wiese und Au' Welch' schwellendes Wiegen und Wogen! Hoch über die Berge im schimmernden Blau Die Wolken — sie kommen gezogen Vom Süden fernher im beflügelten Lauf, Und lösen sich auf In der Laue des Äthers voll Sehnsucht. O, dürft' ich zerfließen wie sie, wie der Schnee Auf Kuppen, in Schluchten und Klüften, Am schäumenden Wildbach, am träumenden See Die Schwingen der Seele mir lüften! Auf ragendem Gipfel der Alpe vergehn Im heiligen Wehn Deines ewigen Athems, o Weltgeist! An den Wildbach Wie lange sah ich dich nicht wieder, Freund meiner Jugend, schaumgekrönt! Wie lange haben deine Lieder Mir nimmer in das Ohr getönt! Noch braust in ihnen unbezwungen Derselbe Sturm, derselbe Drang, Wie einstens er hervorgeklungen Aus meinem eigenen Gesang. Noch nicht in sanften Mollaccorden, Gebroch'nen Muthes ziehst du fort. Träumst noch nicht, matt und zahm geworden, Von einem stillen Ruheport! Ich aber, den indeß das Leben Herangereift in bitter'n Weh'n, Ich kann dein leidenschaftlich Streben, Dein wildes Jagen nicht verstehn. Und wenn bei deinen Melodieen Sehnsüchtig einst das Herz mir schwoll — Erinnerungen nur durchziehen Jetzt meine Seele wehmuthsvoll. 1. Nur das thut mir so bitterweh Lieder Nur das thut mir so bitterweh, Daß Niemand mir von ihm erzählt, Ob ich ihn je nur wiederseh', Und ob er glücklich hat gewählt. Ich möcht' nur einmal noch ihn sehn, Und zög' er auch an mir vorbei, Wollt' ungesehn am Fenster stehn, Nur schauen, ob er glücklich sei! 2. So lang' mein Himmel heiter blaut Lieder So lang' mein Himmel heiter blaut, Will ich nicht an die Wolke denken; So lang' die Locke nicht ergraut, Will ich mein blühend Haupt nicht senken. Denkt denn die Blume ans Verblühn, Wenn sie der Knospe sich entwindet, Denkt denn der Stern in seinem Glühn, Daß er am Morgen schon erblindet? An meine Wanduhr Schon über zwei Jahrhunderte vererbt Vom Ahnherrn auf die folgenden Geschlechter, Hast du die Zeit in rhythmisch regelrechter Und schwindend kleiner Gliederung gekerbt; Und die Secunden all zusammen sahn Besitzer schwinden und Besitzer nahn. Wie oft hat wol nach dir das Aug' geschaut In freudiger Erwartung und im Bangen, Wie oft mit Ungeduld an dir gehangen, Wie oft dem Ohr vor deinem Schlag gegraut? Du aber, wie mit dem Geschick im Pact, Schlugst herz- und fühllos fort im Pendeltact. Du, stummer Zeuge mancher Angst und Noth Und manchen Glückes, riefst mit deinem Schlage Die Freude wach, sowie die Trauerklage Und sprachst die Stunde bei Geburt und Tod; Du kündetest mit lautem Ruf den Morgen Und schlugst in Schlummerfesseln Tagessorgen. Wüßt' ich das Zauberwort, mit dem der Bann Der Schweigsamkeit von dir zu lösen wäre, Du solltest mir, so wie ich es begehre, Vom Zeitenstrome, der bis jetzt verrann, Und von den Ahnen vielerlei erzählen Und, was ich wissen will, mir nicht verhehlen. — Da schlug die Uhr und tönte in mir nach: Laß schweigend meinen Gang mich weiter gehen; Nicht sollst du bangend in die Zukunft sehen, Noch rufe das Vergangne wieder wach! Ich bin bestimmt, die Zeit dir anzudeuten, Du sollst zur Ewigkeit dich vorbereiten. Sommernacht Der laute Tag ist fortgezogen, Es kommt die stille Nacht herauf, Und an dem weiten Himmelsbogen Da gehen tausend Sterne auf; Und wo sich Erd' und Himmel einen In einem lichten Nebelband, Beginnt der helle Mond zu scheinen Mit mildem Glanz ins dunkle Land. Da geht durch alle Welt ein Grüßen! Und schwindet hin von Land zu Land; Das ist ein leises Liebesküssen, Das Herz dem Herzen zugesandt, Das im Gebete aufwärts steiget, Wie gute Engel, leicht beschwingt, Das sich zum fernen Liebsten neiget Und süße Schlummerlieder singt. Und wie es durch die Lande dringet, Da möchte Alles Bote sein; Ein Vogel es dem andern singet, Und alle Bäume rauschen drein; Und durch den Himmel geht ein Winken, Und auf der Erde nah' und fern, Die Ströme heben an zu blinken, Und Stern verkündet es dem Stern. O Nacht, wo solche Geister wallen Im Mondenschein, auf lauer Luft! O Nacht, wo solche Stimmen schallen Durch lauter reinen Blütenduft! O Sommernacht, so reich an Frieden, So reich an stiller Himmelsruh': Wie weit zwei Herzen auch geschieden, Du führest sie einander zu! Des Mädchens Geständnis „Der Abend war so wunderschön, Da gingen beide wir durch's Feld; Die Sonne wollte untergehn Und schien noch freundlich in die Welt; Die Vögel sangen im Gesträuch, Im Korn und in der blauen Luft; Die Blumen blühten voll und reich, Und um uns her war lauter Duft. Mir war gar feierlich zu Muth' Und doch dabei ohnmaßen froh; Ich war der ganzen Welt so gut, Gott weiß, mir war noch niemals so. Da sprachen wir denn allerlei, Wovon, das weiß ich selbst nicht mehr, Und er war auch so gut dabei Und ging so stille nebenher. Doch als ich einmal mich gewandt, Ich weiß nicht mehr aus welchem Grund, Da drückt' er zärtlich meine Hand Und küßt' mich leise auf den Mund; Und ich, ich konnt' nicht widerstehn, Ich habe wieder ihn geküßt, Und kann noch immer nicht verstehn, Wie's mir nur eingefallen ist. Doch bin ich wirklich mir bewußt, Daß dieser Kuß nichts Böses war; War's doch nachher in meiner Brust So rein, wie es gewesen war. Ich hätt's auch Jedem gern gethan, Der irgend mir begegnet wär'. Und doch — wär' es ein andrer Mann — Je nun — das fragt sich doch noch sehr.“ Curiose Geschichte Ich bin einmal etwas hinausspaziert, Da ist mir ein närrisches Ding passirt: Ich sah einen Jäger am Waldeshang, Ritt auf und nieder den See entlang, Viel Hirsche sprangen am Wege dicht; Was that der Jäger? — Er schoß sie nicht, Er blies ein Lied in den Wald hinein — Nun sagt mir, ihr Leut', was soll das sein? Und als ich weiter bin fortspaziert, Ist wieder ein närrisch Ding mir passirt: Im kleinen Kahn eine Fischerin Fuhr stets am Waldeshange dahin; Rings sprangen die Fischlein im Abendlicht; Was that das Mädchen? — Sie fing sie nicht, Sie sang ein Lied in den Wald hinein — Nun sagt mir, ihr Leut', was soll das sein? Und als ich wieder zurückspaziert, Da ist mir das närrischste Ding passirt: Ein leeres Pferd mir entgegenkam, Im See ein leerer Nachen schwamm; Und als ich ging an den Erlen vorbei, Was hört' ich drinnen? Da flüsterten Zwei, Und 's war schon spät und Mondenschein — Nun sagt mir, ihr Leut', was soll das sein? Selig sind die Sanftmüthigen Milde des Herzens, in früher Jugend Sei sie gehütet, sei sie gepflegt! Sei durch der Mütter zärtliche Sorge Tief in die Menschenbrust gelegt! All' dein Wissen, all' dein Können, All' dein Streben und deine Kunst, Geht der sanfte Sinn verloren, Schelt' ich es Alles eitlen Dunst. Magst in der Wissenschaft heil'gen Tempel Du mit forschendem Geiste fliehn, Mögen der Schönheit Göttergebilde Leuchtend durch deine Seele ziehn, Mag die Menge dich bewundern, Mag dein Name gepriesen sein, Deinem Ruhm die schönere Weihe Kann nur Milde des Herzens leihn. Stolz und Hochmuth bleibe den Thoren! Echte Tugend zeigt sich schlicht, Der am ersten sei verloren, Der den Stab des Andern bricht. Siehst du deinen Bruder fehlen, An dich selber denke dann: Laß das Richten nur dem Richter, Der die Berge versetzen kann! Vorwärts! Vorwärts! Vorwärts! Fröhlich und frei! Folge dem leuchtenden Ziele des Strebens, Das dir flammt durch die Nebel der Lebens, Muthig, geduldig, Fröhlich und frei! Fliehe der Menge Wirres Gewühl! Lasse die Menschen dich nicht berücken, Wenn sie mit hämischen, lauernden Blicken Höhnen, wie hoch du Stelltest das Ziel! Jeder lebt in des Tags Einerlei, Aber nur Wenigen ward es gegeben, Über das flücht'ge, das tägliche Leben Sich zu erheben Fröhlich und frei. Immer nur vorwärts! Nimmer zurück! Ahnt sie auch keiner, die heimlichen Thränen, Keiner das heiße, das glühende Sehnen Nach der Vollendung Herrlichem Glück. Kämpfen und Ringen Stählt dir die Kraft. Willst du dich gegen den Feind nicht wehren, Bringt dich auch nimmer ein Sieg zu Ehren, Fliehst du den Kampf, wird der Preis dir entrafft. Wer des Gebirges Gipfel besteigt, Darf der Beschwerden des Weges nicht achten! Mag er im Brande der Sonne schmachten, Vorwärts, vorwärts, Bald ist's erreicht! Sei nur geduldig, Fest und getreu! Geistesarbeit weckt einen Bronnen Ungeahnter, seliger Wonnen: Strebe nur vorwärts, Fröhlich und frei! Die Blume von Trebisond Die herrlichste Blume unter dem Mond Das ist die Blume von Trebisond! Wie Nachts der Sirius Flammen sprüht, Wie Edelgestein die Blüte glüht! Ein Duft so berauschend, so zaubervoll Nie einer Rose in Schiras entquoll. Doch wer die Blume berührt mit dem Mund, Erkrankt und erblaßt zur selben Stund, Denn Gift ist ihr Hauch und Gift ihre Pracht, Vergiftet wird, wem sie verführerisch lacht! Ein nordisches Mädchen, blaß wie der Mond, Das war meine Blume von Trebisond. Die Aloë Von einer Blume las ich einst verwundert, Die fern im palmenreichen Ost gedeiht, Die schmachtet blütenlos ein lang Jahrhundert, Dann erst bricht schwellend auf ihr Knospenkleid. Und aus der kaum geborstnen harten Hülle Aufleuchtet dann ein Kelch, gar wunderbar. Nie solcher Farben, solcher Düfte Fülle Umschloß im reichen Stambul ein Bazar. Du stolzes Kind, aus deinem dunklen Herzen Da knospen noch die lichten Blüten nicht; Du schaust mir, unbewegt von meinen Schmerzen, Mit kühlem Aug' in's traurige Gesicht. Und doch in meinem düstern Märthyrthume Wie Wetterleuchten oft durchflammt's mich jäh — Dein Lieben blühe wie die Sagenblume, Des Ostens wundersame Aloë. In einsamer Nacht Was will denn deine Stille nur erlauschen, O blaue, träumerische Sommernacht? ... Es kommt nicht mehr vom Kiesweg her das Rauschen, Der langen Seidenschleppe scheu und sacht. Ihr Linden, bleich vom Mondenglanz durchgittert, Was stehet ihr so still und unbewegt? ... Ihr schlanker Leib nicht mehr erschrocken zittert, Wenn geisterhaft sich's im Gezweige regt. Was blinkt so spähend ihr und hell hernieder, Ihr fernen Sterne mit dem blassen Licht? ... Sie stehet nicht mehr kichernd an dem Flieder Und hält verschämt die Händchen vor's Gesicht. Was soll der Thau, der schimmernd groß befeuchtet Dein Purpurauge, o mein wilder Mohn? ... Im Mondenlicht vom Waldweg einsam leuchtet Ein Christusbildniß mit der Dornenkron'. Draus starren gramvoll meine eignen Züge — Dies Bild, ich hab's gemalt in bittrem Spott Vor ihr einst auf der breiten Marmorstiege ... Nun leid' ich wie am Kreuzbild jener Gott. Sturmlied Es treibt der Sturm die Wellen, Die Wellen im blauen Meer, Sie jauchzen auf zum Himmel Und schluchzen grabesschwer. Ein Chaos im wilden Zorne Umschaukelt den kleinen Kahn, Es reißt das straffe Segel Das Schiff in die schäumende Bahn. O könnt' ich so durch's Leben Hinfahren in wilder Lust! Dann würde ich jauchzen und singen Ein Lied aus voller Brust: Ein Lied von der Lust des Lebens, Vom tollen Übermuth, Der ohne Furcht sich tummelt In wildbewegter Flut. Bisweilen schurrt es am Kiele: Eine Klippe ... Schnell vorbei ... Dort wieder eine! ... Gib Achtung! ... Gottlob, wir sind schon frei! ... Doch droht dereinst die Klippe, Drauf grinsend sitzt der Tod, Nur zu, es rollen die Wellen, Das Sterben hat keine Noth: In diesem gewaltigen Grabe Da muß es sich selig ruhn, Das Sterbelied singen die Wogen, Den Segen spricht Neptun. Und wenn am Abend die Sterne Hell leuchten über die See, Dann ist der Sturm vorüber ... Vorüber Sorge und Weh! Was ziehen die Wolken so trübe — Was ziehen die Wolken so trübe, Was weint der Himmel so sehr? Ich glaube, weil meine Liebe Versank ins tiefe Meer. Ich Thor! Schon morgen am Tage Glüht wieder der Sonnenschein, Und ich bin mit meiner Klage Und meinem Schmerz allein! Ihr Gebet Es trägt beim Pfad im stillen Buchenhaine Ein hohes Kreuz das Bild vom Gottessohne: Das bleiche Haupt bekränzt die Dornenkrone, Das Blut umströmt der sieben Wunden eine. Allabendlich kniet dort mein Lieb alleine Und ihr Gebet steigt auf zu Gottes Throne: Sie fleht, daß er in ihrem Busen wohne, Und ihr bewahr' das Herz, das kindlich-reine. Dort athmet rings ein wunderbarer Frieden; Das Glöcklein von der nahen Waldkapelle, Es ruft zum Ave feierlich und helle. Wenn sie, die schon ein Engel ist hienieden, Nicht findet gnadenvoll den Himmel offen, O, wer soll dann noch auf Vergebung hoffen? Gebet Nicht fleh' ich um den Segen ew'gen Glückes, Nicht fleh' ich um ein flüchtig Erdengut; Gib, Ew'ger, nur in Stürmen des Geschickes Dem Geiste Kraft und meinem Herzen Muth! Den Pfad des Rechtes laß mich ruhig schreiten, Ob still die Luft, ob wild die Stürme wehn, Und eines gib mir, Gott, zu allen Zeiten: O, die ich liebe, laß mich glücklich sehn! Nur Der ist arm, der einsam zieht die Pfade, Von dem hinweg der Liebe Engel fliehn. Dir, Schicksal, Danke! Du hast in deiner Gnade Der Lieb' und Freundschaft Segen mir verliehn. O Alle, die mir Liebe je gespendet, Auf Blumenauen laß sie ewig gehn, Daß nie ihr Glück und ihre Wonne endet! O, die ich liebe, laß mich glücklich sehn! Sieh, ihre Freuden will ich jubelnd theilen! Mich soll bewegen, was ihr Herz bewegt. Ich weiß es, meine Wunden werden heilen, So lang sie mild die Hand der Liebe pflegt! An ihrer Freude soll mein Herz sich sonnen, Wenn welkend meines Glückes Blumen stehn, Und ihre Wonnen seien meine Wonnen. — O, die ich liebe, laß mich glücklich sehn! Die Sonntagspuppe Es war an einem Sonntagmorgen — Ob hell, ob düster, weiß ich nicht, Ich weiß nur das — ich war in Sorgen, Und finster war mein Angesicht. Mir war die Welt voll Gram und Grauen, Die Luft der Jugend schuf mir Pein. — Nur helle Menschenaugen schauen In Gottes Welt den Sonnenschein! Ich hatte einen Freund gefunden, Der heil'ge Treu' mir einst gelobt. — Nun kamen ernste, schwere Stunden, Nun ward des Mannes Wort erprobt! Jetzt hing mein Schiff an schlimmen Riffen! War nicht der Freund als Retter nah? Ich hätte gern die Hand ergriffen, — Die Freundeshand, sie war nicht da! Mein Aug' ist schlecht geschickt zur Thräne; Nicht stand ich muthlos und erschlafft, Doch brummt' ich knirschend in die Zähne: „Nun wohl! Mit Gott und eigner Kraft!“ Und in den Zügen stand geschrieben, Wie mich geschmerzt der eitle Trug, Daß einen Namen, einen lieben, Ich ausstrich aus des Herzens Buch. — Mit seiner Sonntagspuppe spielend, Mein Töchterlein im Zimmer saß; Oft sah das Kind, zur Seite schielend, Wie ich nur fast zum Scheine las, Wie achtlos durch die Blätter schweifend Ich doch in schwarzen Träumen blieb, Und wie ich sinnend, leise pfeifend, Gedankenvoll die Stirne rieb. Ein närrisch Ding, mein kleines Ännchen! Wie ist das Fräulein sonst empört, Wenn's in dem Spiel mit Kaffeekännchen Und Puppen je der Vater stört! „Gib einen Kuß mir!“ — „Nein, ich danke! So laß mich doch in Ruh, Papa!“ Doch heute von dem Puppenschranke So oft zu mir die Kleine sah. Und plötzlich kam mein Kind gegangen. Und leise sprach es drauf zu mir: „Die Sonntagspupp' mit rothen Wangen, Papa, ich leih' die Puppe dir! Mit ihren allerschönsten Sachen Hab' ich für dich sie angethan. Papa, nun mußt du wieder lachen! Nun sieh auch Anna freundlich an!“ Und als mir in das Auge schaute Mein Kind wie sonn'ger Maientag, Da fühlt' ich, wie im Herzen thaute Das Eis, das auf der Seele lag, Da ward mir wieder froh zu Sinne, Da wurde meine Stirne klar, Und tief beschämet ward ich inne, Wie unaussprechlich reich ich war! Nur du Ich fühl's, daß ich tief innen kranke Und Wonne doch mich selig macht. Dich sucht am Tage mein Gedanke, Dich sucht mein Traum in dunkler Nacht! Wo ich auch weil', auf allen Wegen Dein Bild vor meiner Seele steht. Ein Gruß an dich — mein Morgensegen! Ein Wunsch für dich — mein Nachtgebet! Die Heimat Was ist die Heimat? Ist's die Scholle, Drauf deines Vaters Haus gebaut? Ist's jener Ort, wo du die Sonne, Das Licht der Welt zuerst geschaut? O nein, o nein, das ist sie nimmer! Nicht ist's die Heimat, heißgeliebt. Du wirst nur da die Heimat finden, Wo's gleichgestimmte Herzen gibt! Die Heimat ist, wo man dich gerne Erscheinen, ungern wandern sieht. Sie ist's, ob auch in weiter Ferne Die Mutter sang dein Wiegenlied. Aus den Zuleika-Liedern Die Wellen murmeln leis im Flusse, Durch Wolken bricht der Sterne Pracht Und, trunken von dem Sonnenkusse, Träumt die Natur im Arm der Nacht. Von ihren Schleiern lind umfangen Ist rings das Thal, der Hügel Knauf. — Mein süßes Kind, was willst du bangen? Die wilden Rosen blühen auf! Du wendest seitwärts Mund und Wange? Horch, was im Wogenlispeln spricht! Es küssen sacht am Uferhange Die Wellen die Vergißmeinnicht. Und lausche, wie es rauscht verstohlen Dort in des Waldes laub'gem Dach — Das ist des Zephyrs Athemholen! Er küßt die wilden Rosen wach! Still! Hörst du's nicht vom Busche schallen? Die Brust durchzuckt's wie Flammenguß. Das sind des Frühlings Nachtigallen, Das ist des Mai's gesung'ner Kuß! Fühlst du nicht Wonne unermessen Aus dieses Liedes Klängen sprühn? Komm'! Lass' uns Lipp' auf Lippe pressen, Mein Lieb! die wilden Rosen blühn! Sie blühn! Versteckt im Kelche kosen Die Falter und die Käferlein. Komm', holdes Kind! Bei wilden Rosen, Da laß uns liebend selig sein! O, rede nicht! Ich will sie schließen, Die Lippen mit dem Kusse zu! Laß uns die Rosenzeit genießen, Du, meine wilde Rose du! — Zu Hilfe! 7. Juli 1866 Es geht durch's Land der Schrei der Not; er will an jeden Busen klopfen Für heiße Wunden, purpurrot — o, gebt der Liebe Balsamtropfen! Für arme Kinder, blass und krank — o, füllt die kleinen Kinderhände! Dem Weib, dem der Ernährer sank — o, reicht des Goldes Segensspende! Zum Himmel hallt ein Jammerschrei von Herzen, die in Schlachten brechen. — — Nun schweigt die Stimme der Partei, nun hat das Herz ein Recht zu sprechen! Im Land des Ziska, Land des Huß, am Fuß der Wartburg, an der Elbe Kanonendonner, Flintenschuss, Schwarzweiße wider Schwarz und Gelbe! Gewehr im Arm, der Krieger steht am Mainstrom und im Land der Czechen, Und hört ihn leise ein Gebet die mitternächt'ge Stunde sprechen, Dann ist's kein Flehn ums eig'ne Ich und keines Feiglings heimlich Weinen, Er spricht: „Der Himmel schütze dich, mein liebes Weib, und unsre Kleinen!“ Dann seufzt der Mann in sich hinein: „Was frag' ich nach des Feindes Schüssen! Doch weh', wenn Weib und Kinder mein daheim am Herde darben müssen!“ — O seht, in hellen Tränen schwimmt ein Männeraug'! Herbei, ihr Reichen! Das Gold, zu eigner Lust bestimmt, o, gebt's den Blassen, Kummerbleichen! Hierher, die ihr beim Becher Wein noch fröhlich seid, dass euch's erbarme! Kein Becher Wein für euch allein, ein Tröpflein immer auch für Arme! — Der Lärm der Schlacht hat ausgegrollt. Zerstampft, verwüstet rings die Stätte! Die Flur, die Garben tragen sollt', sie ward des Kriegers Sterbebette! Es steht im schwarzen Kleide nicht die Witwe bei des Gatten Grabe; Kein stammelnd' Vaterunser spricht das Mädglein und der kleine Knabe. Kein Kranz, kein Totendiadem! Kein Weihspruch, keine Trauerlieder! — Aufs Haupt der nasse, gelbe Lehm und auf den Lehm der Rasen wieder! Und Reih' an Reih' verwundet liegt — im Lazarett ein Weinen, Ächzen. Wie wild der Puls im Fieber fliegt! Nach Labung rings die Lippen lechzen. Sie reden irr' in grimmer Qual; sie träumen noch vom Waffengange. — Hier funkelt auch der blanke Stahl — die Säge und die Kugelzange! Sie ruhn, verwundet und zerfleischt, die kühn gekämpft in wilden Schlachten. — Die Lippe, die nach Labung heischt, o, lasst sie nicht vergebens schmachten! Ja, also ist's und härter noch! — Noch weilen wir bei Weib und Kindern! Doch wir, wir können Eines doch, das Eine: Not und Leiden lindern! Du Jungfrau mit der ros'gen Wand, was frommt es, dass die Perlen gleißen? Was soll die reiche, güld'ne Spang' dem Arm, dem runden, schwanenweißen? Und du, o Weib, das Kinder herzt, o, denk' an deine eignen Kleinen, Denk', wie der bittre Hunger schmerzt — und lass' kein Aug' vergebens weinen! Zu Hilfe! Hier ist Hilfe noth! — Die Herzen und die Säckel offen! Die Wunden brennen blutig rot — lasst nicht umsonst auf Balsam hoffen! Für arme Kinder, blass und krank — o, füllt die kleinen Kinderhände! Dem Weib, dem der Ernährer sank, — o, reicht des Goldes Segensspende! Das Elend klagt, es weint der Schmerz. Zum Himmel dringen Jammertöne! — Den Säckel auf und auf das Herz für eure Brüder, eure Söhne! Die reinen Frauen Die reinen Frauen stehn im Leben Wie Rosen in dem dunkeln Laub; Auf ihren Wünschen, ihrem Streben Liegt noch der feinste Blütenstaub. In ihrer Welt ist keine Fehle, Ist alles ruhig, voll und weich: Der Blick in eine Frauenseele Ist wie ein Blick ins Himmelreich. Wol sollst du hören hohe Geister, Verehren sollst du Manneskraft, Dich lehren sollen deine Meister, Was Kunst vermag und Wissenschaft. Doch was das Höchste bleibt hienieden, Des Ew'gen nur geahnte Spur, Was Schönheit, Poesie und Frieden: Das lehren dich die Frauen nur! 1. Hier war's ... Herbst auf Helgoland Hier war's, wo mir vor manchen Jahren Zuerst geleuchtet hat das Meer; O, viel hab' ich seitdem erfahren, Doch wieder zog es mich hierher. Und sieh — das sind dieselben Gluten Der Sonne, die dort niedertaucht; Es ist das Blau derselben Fluten, Von Purpurnebel überhaucht. Und horch — es sind dieselben Klänge Vom Strande, wo die Woge rauscht; Desselben Sturmes Nachtgesänge, Wie sie der Jüngling schon belauscht. Und wie sie kommen, wie sie scheiden, Wird mir so wundersam, als sei Von meiner Jugend Glück und Leiden Ein Ton in dieser Melodei. Wohin, wohin? Dumpf an der Küste Bricht sich der Welle müder Lauf — Der goldne Tag, er ging zur Rüste, Die Sterne kommen still herauf. Und dort, wo licht und rosig eben Noch meiner Jugend Bild geprangt, Da steigen Schatten nun und schweben, Der Sehnsucht gleich, die heimverlangt. 2. Nach dem Sturme Herbst auf Helgoland Die Luft ist wieder still geworden, Und längs dem herbstlich warmen Strand Schlägt in beruhigten Accorden Die Woge wieder an das Land. Fern glänzt, auf schwarzen Meeresweiten, Der Wolken und der Sterne Spiel; Und aus den grünen Dunkelheiten Taucht hier ein Segel, dort ein Kiel. Und wie sie schweben, wie sie schwanken Hinaus, zum heimatlichen Port: Da zieht mit ihnen in Gedanken Mein eigen Herz vom Ufer fort. Umspannt des Himmels ew'ge Bläue, Vertraut dem schmeichlerischen Wind, Und sagt sich froh, daß nun auf's Neue Des Lebens Feiertag beginnt. 3. Wolken am Meere Herbst auf Helgoland Noch schweben die Wolken zerrissen, Noch hangen sie tief und schwer; Mit den brütenden Finsternissen Kämpft des Lichtes goldener Speer. Und wo er sie trifft mit Funkeln, Wie stäubt da die wilde Jagd! Da strahlen die Wellen, die dunkeln, Da blitzt es wie Gold und Smaragd. Mit Staunen folgt und mit Freude Der Blick dem verworrenen Hauf'; Phantastische Wolkengebäude Steigen am Himmel herauf. Schimmernde Seepaläste, Wiesen von grünem Schein; Die Sonne, der Wind als Gäste, Die wandeln dort aus und ein. Nun aber stürzt Thurm und Mauer, Und Alles wird öd' und fahl; Ein eisiger Regenschauer Löscht aus den letzten Strahl. Es ballt sich zu finstrer Masse Das Grau, das den Himmel verhüllt, Bis plötzlich sich jene blasse Wolke mit Glut erfüllt. In lieblichem Lächeln schreitet Die Sonne durch's offene Thor, Und über die Ferne breitet Auf's Neu' sie den rosigen Flor. Ein herrlicher Regenbogen Spannt weit sich von Meer zu Meer, Und es fahren auf leuchtenden Wogen Die Schiffe darunter her. 4. Seemannsregel Herbst auf Helgoland Da fahr ich hinaus in die tosende See, Hinaus in das Donnern und Grollen! Es tobt der Wind und gepeitscht zu Schnee Die Wogen stoßen und rollen. Die Planke bebt und mir bebt das Herz Vor dem Aufruhr, der uns erfaßte; Doch meine sechs Leute — sechs Männer von Erz — Befest'gen das Segel am Maste. Sie binden es fest — mag die salzige Flut Auch waschen ihre Theerjacken — Mag der Wind auch zerren — den ledernen Hut Sie tragen ihn tief im Nacken. Der Eine von ihnen hat fest und schwer Den Steuerbord bestiegen; Die Andern liegen im Boot umher Und lassen es fliegen, fliegen! Sie finden das Wetter nach ihrem Geschmack, Mag das Wasser auch schäumen und toben: Sie liegen im Boot und kauen Taback Und halten den Kopf hübsch oben. Und wie nun ringsum ein Brausen schallt, Wie von jauchzenden Stimmen und Chören: Da mein' ich bald näher und ferner bald Einen ernsten Gesang zu hören. Fasse Muth! und will dich voll wilden Schrecks Umringen der Stürme Wüthen: So denk' an die See! So denk' an die Sechs, Die Sechs mit den Lederhüten! Du hast schon erlebt manch' bösen Tag Und hast dich wieder erhoben; Darum laß wettern, was wettern mag, Und halte den Kopf hübsch oben. Und ob es bläst aus West, aus Ost: Setz' nur zurecht dein Segel, Halte fest das Steuer und fahre getrost — So lautet die Seemannsregel! Wach' auf! An einem lichten Morgen Da klingt es hell im Thal: Wach' auf, du liebe Blume, Ich bin der Sonnenstrahl! Erschließe mit Vertrauen Dein Blütenkämmerlein Und laß die heiße Liebe In's Heiligthum hinein! Ich will ja nichts verlangen, Als liegen dir im Schooß, Und deine Blüte küssen, Eh' sie verwelkt im Moos! Ich will ja nichts begehren, Als ruh'n an deiner Brust, Und dich dafür verklären Mit sonnenheller Lust! Ein Strauß Es lebt ein Ritter, treu und gut, Der hat ein Liebchen traut, — Der Ritter der heißt Mannesmuth Und Freiheit heißt die Braut. Der Ritter zieht beherzt hinaus Und will mit treuem Sinn Dem Liebchen pflücken einen Strauß, Beim Frühlingsanbeginn. Und Rosen pflückt der Rittersmann Für's Bräutchen, hold und werth, Und die er so nicht brechen kann, Die bricht er mit dem Schwert. Sei nur getrost! Sei nur getrost, du stilles Herz, — Es kommt der Tag der Liebe, Der weckt zur Blüte allerwärts Der Sehnsucht grüne Triebe. Es bringt des Lenzes Sonnenschein Den tiefsten Keim zum Treiben, — O Herz, o Herz, nur du allein Wirst nicht vergessen bleiben! Der Strahl der Lieb' weckt allerwärts Der Sehnsucht grüne Triebe, — Sei nur getrost, du stilles Herz, — Es kommt der Tag der Liebe! Sangeskunst Wir üben eine schöne Pflicht, Wir Sänger, jung und alt, Den Blumenduft, dem Sternenlicht Gibt unser Sang Gestalt. Der Lüfte Hauch, der Wellen Klang, Des Herzens Leid und Lust, — Und Alles steigt als heller Sang Veklärt aus unsrer Brust. Wir finden für den stillsten Traum Das Wort als Deuterin, Und was die Meisten ahnen kaum, Uns liegt es klar im Sinn. Was Tausenden das Herz umzieht Als trüber Dämmerschein, — Wir singen es in einem Lied Laut in die Welt hinein! Abschied Nun ist die beste Zeit vorbei, Nun ist mir Alles einerlei, Wohin ich wandern soll. Verlassen muß ich meine Lust, Mein ganzes Herz ist in der Brust Von Thränen, von Thränen voll! Durch die alten Gassen hab' ich zuletzt Heut' Nacht meinen Wanderstab gesetzt, Mit manchem Gesellen gut. Sie drückten mir Alle die Bruderhand: Und denk' an uns im fremden Land, Halt' uns in treuer Hut! Noch einmal von der Neckarbrück' Schau' ich ins weite Thal zurück, Die Wasser rauschten daher; Sie rauschten stets, ich merkt' es kaum, Sie rauschen und singen mir alten Traum, Und machen das Herz mir schwer. Ich sah nach jedem Giebeldach, Mir war's, als riefen sie mir nach: Fahr' wohl, Gesell, fahr' wohl! Und mit den Abschied war's vorbei, Nun ist mir Alles einerlei Wohin ich wandern soll! Die Tage der Rosen Noch ist die blühende, goldene Zeit, O du schöne Welt, wie bist du so weit! Und so weit ist mein Herz und so klar wie der Tag, Wie die Lüfte, durchjubelt von Lerchenschlag! Ihr Fröhlichen, singt, weil das Leben noch mait: Noch ist die schöne, die blühende Zeit, Noch sind die Tage der Rosen! Frei ist das Herz, und frei ist das Lied, Und frei ist der Bursch', der die Welt durchzieht, Und ein rosiger Kuß ist nicht minder frei, So spröd' und verschämt auch die Lippe sei, Wo ein Lied erklingt, wo ein Kuß sich beut, Da heißt's: Noch ist blühende, goldene Zeit, Noch sind die Tage der Rosen! Ja, im Herzen tief innen ist Alles daheim, Der Freude Saaten, der Schmerzen Keim. Drum frisch sei das Herz, und lebendig der Sinn, Dann brauset, ihr Stürme, daher und dahin! Wir aber sind allzeit zu singen bereit: Noch ist die blühende, goldene Zeit, Noch sind die Tage der Rosen! Weißt du noch? Weißt du noch, wie ich am Felsen Bei den Veilchen dich belauschte? Weißt du noch den Fliederstrauch, Wo der Strom vorüber rauschte? Weißt du noch den Bergespfad, Wo ich um den Strauß dich bat, Weißt du noch? Ach, es war ein süßes Bild, Als du da erröthend standest, Und zur Erde all die Blumen Fielen, die zum Strauß du bandest! Deine liebe kleine Hand Spielte mit dem blauen Band, Weißt du noch? Und es sahen Fels und Strom Dein Erröthen und dein Beben, Sahen auch den ersten Kuß, Halb genommen, halb gegeben! Und des Himmels goldner Strahl Überflog Gebirg und Thal, Weißt du noch? Zu deinen Füßen will ich ruhn Zu deinen Füßen will ich ruhn Und dir ins Auge schaun, Die blaue Nacht mag leise nun Auf uns hernieder thaun. Schon tauchet aus dem stillen See Des Mondes Bild empor, Und kühner schweift das scheue Reh Durch Wald und Wiesenmoor. Mein Haupt laß ruhn auf deinem Schooß, Da ruht es sanft und weich. Wie ist der Himmel weit und groß, Wie ist die Erde reich! Der schönste Stern in blauer Nacht, Der schönste Stern bist du, In deines Lichtes sanfter Pracht, O gönne mir die Ruh! An deinem Herzen laß mich ruhn Nur kurze sel'ge Zeit! Kein Lauscher kündet unser Thun, Die Welt ist traumgefeit. An deinen Lippen laß mich ruhn, Eh' noch die Nacht verglimmt, Bis unsre Seele träumend nun In Seligkeit verschwimmt! Joriede Sie lachte so hell, und der Troß war weit, Jung Diethelm ritt an der Herzogin Seit'. Holde Rast hier am Waldesrande: Er hob sie vom Zelter: „O Herrin mein, So halt' ich dich, laß mich begnadet sein! Joriede, du Schönste im Lande.“ Sie lacht: Jung Diethelm, ich seh' Euch gern, Doch bieten mir Kronen viel edle Herrn, Was seid Ihr zu bieten im Stande? „Ich biete mein Herz und mein junges Blut! Meinen Lebensdurst, meinen Todesmuth, Joriede, du schönste im Lande!“ Jung Diethelm, Ihr hegt viel kecken Muth, Ihr werbt' wie ein Knab' um der Minne Gut, Sie will gar verschwiegene Bande! „O Herrin, ich schweige bis an das Grab, Wenn ich alle Seligkeit funden hab, Joriede, du Schönste im Lande!“ Sie lacht und sie neckt mit verwirrendem Spiel, Aufstieg der Mond, und die Dämm'rung fiel, Und die Rosse scharrten im Sande. „O Herrin, du lachst mir mit Augen und Mund, Mein mußt du werden zu dieser Stund', Joriede, du Schönste im Lande!“ Zu Roß! Horch, horch, des Jagdhorns Ton! Laß ab, du schaffest dir bittern Lohn, Und schaffest mir Zorn und Schande! „Ich laß dich nicht! Wenn ich denn sterben muß, So sei es jauchzend in deinem Kuß, Joriede, du Schönste im Lande!“ Herbrauset der Zug, und ein Schrei wird laut, Blank zuckt ein Schwert vom Blute bethaut, Und ein Odem erstirbt auf dem Sande. Und als sie heimwärts ritten die Straß', Hoch saß sie zu Roß wie der Tod so blaß, Joriede, die Schönste im Lande. Letzter Wunsch Was wäre doch mein letzter Wunsch, Wenn ich dereinst zur Grube fahr'? Ein Gräblein tief geborgen wol Auf einsam stiller Bergeshöh'; Auf jener Höh', wo ich als Kind Den ersten Schmetterling gesehn, Dem ersten Lerchensang gelauscht An einem lichten Frühlingstag. Doch jenes Zeichen fluchbeschwert, Das wie ein Alp die Welt umarmt, Weil sie ans Kreuz den Besten schlug, — O, pflanzt es nicht auf meinen Staub! Mir pflanzet einen jungen Baum, Auf daß er wachse und gedeih'; Vielleicht kommt einst ein Zimmermann, Der ihn zu einer Wiege fällt. — Vielleicht kommt eine Mutter, die Ein Kindlein in die Wiege legt, Das noch einmal die Welt erlöst Und nicht dafür gekreuzigt wird. Unser Herz — Unser Herz ist eine Harfe, Eine Harfe mit zwei Saiten, In der einen jauchzt die Freude, Und der Schmerz weint in der Zweiten. Und des Schicksals Finger spielen Kundig drauf die ewigen Klänge, Heute frohe Hochzeitslieder, Morgen dumpfe Grabgesänge. Chidher Chidher, der ewig junge, sprach: Ich fuhr an einer Stadt vorbei, Ein Mann im Garten Früchte brach; Ich fragte, seit wann die Stadt hier sei? Er sprach und pflückte die Früchte fort: „Die Stadt steht ewig an diesem Ort, Und wird so stehen ewig fort.“ Und aber nach fünfhundert Jahren Kam ich desselbigen Wegs gefahren. Da fand ich keine Spur der Stadt; Ein einsamer Schäfer blies die Schalmei, Die Heerde weidete Laub und Blatt; Ich fragte, wie lange die Stadt vorbei? Er sprach, und blies auf dem Rohre fort: „Das Eine wächst, wenn das Andre dorrt; Das ist mein ewiger Weideort.“ Und aber nach fünfhundert Jahren Kam ich desselbigen Wegs gefahren. Da fand ich ein Meer, das Wellen schlug, Ein Fischer warf die Netze frei; Und als er ruhte vom schweren Zug, Da fragt' ich, seit wann das Meer hier sei? Er sprach, und lachte meinem Wort: „So lang, als schäumen die Wellen dort, Fischt man und fischt in diesem Port.“ Und aber nach fünfhundert Jahren Kam ich desselbigen Wegs gefahren. Da fand ich einen waldigen Raum, Und einen Mann in der Siedelei, Er fällte mit der Axt den Baum; Ich fragte, wie alt der Wald hier sei. Er sprach: „Der Wald ist ein ewiger Hort! Schon ewig wohn' ich an diesem Ort, Und ewig wachsen die Bäume fort.“ Und aber nach fünfhundert Jahren Kam ich desselbigen Wegs gefahren. Da fand ich eine Stadt, und laut Erschallte der Markt vom Volksgeschrei. Ich fragte: Seit wann ist die Stadt erbaut, Wohin ist Wald und Meer und Schalmei? Sie schrien und hörten nicht mein Wort: „So ging es ewig an diesem Ort, Und wird so gehen ewig fort.“ Und aber nach fünfhundert Jahren Will ich desselbigen Weges fahren. Die sterbende Blume Hoffe! du erlebst es noch, Daß der Frühling wiederkehrt. Hoffen alle Bäume doch, Die des Herbstes Wind verheert, Hoffen mit der stillen Kraft Ihrer Knospen winterlang, Bis sich wieder regt der Saft, Und ein neues Grün entsprang. — „Ach, ich bin kein starker Baum, Der ein Sommertausend lebt, Nach verträumtem Wintertraum Neue Lenzgedichte webt. Ach, ich bin die Blume nur, Die des Maies Kuß geweckt, Und von der nicht bleibt die Spur, Wie das weiße Grab sie deckt.“ — Wenn du denn die Blume bist, O bescheidenes Gemüth, Tröste dich, beschieden ist Samen Allem, was da blüht. Laß den Sturm des Todes doch Deinen Lebensstaub verstreun, Aus dem Staube wirst du noch Hundertmal dich selbst erneun. — „Ja, es werde nach mir blühn Andre, die mir ähnlich sind; Ewig ist das ganze Grün, Nur das Einzle welkt geschwind. Aber, sind sie, was ich war, Bin ich selber es nicht mehr; Jetzt nur bin ich ganz und gar, Nicht zuvor und nicht nachher. Wenn einst sie der Sonne Blick Wärmt, der jetzt noch mich durchflammt, Lindert das nicht mein Geschick, Das mich nun zur Nacht verdammt. Sonne, ja du äugelst schon Ihnen in die Fernen zu; Warum noch mit frost'gem Hohn Mir aus Wolken lächelst du? Weh' mir, daß ich dir vertraut, Als mich wach geküßt dein Strahl; Daß in's Aug' ich dir geschaut, Bis es mir das Leben stahl! Dieses Lebens armen Rest Deinem Mitleid zu entziehn, Schließen will ich krankhaft fest Mich in mich, und dir entfliehn. Doch du schmelzest meines Grimms Starres Eis in Thränen auf; Nimm mein fliehend Leben, nimm's, Ewige, zu dir hinauf! Ja du sonnest noch den Gram Aus der Seele mir zuletzt; Alles, was von dir mir kam, Sterbend dank' ich dir es jetzt: Aller Lüfte Morgenzug, Dem ich sommerlang gebebt, Aller Schmetterlinge Flug, Die um mich im Tanz geschwebt; Augen, die mein Glanz erfrischt, Herzen, die mein Duft erfreut, — Wie aus Duft und Glanz gemischt Du mich schuf'st, dir dank' ich's heut. Eine Zierde deiner Welt, Wenn auch eine kleine nur, Ließest du mich blühn im Feld Wie die Stern' auf höhrer Flur. Einen Odem hauch' ich noch, Und er soll kein Seufzer sein, Einen Blick zum Himmel hoch Und zur schönen Welt hinein. Ew'ges Flammenherz der Welt, Laß verglimmen mich an dir! Himmel, spann' dein blaues Zelt, Mein vergrüntes sinket hier! Heil, o Frühling, deinem Schein! Morgenluft, Heil deinem Wehn! Ohne Kummer schlaf' ich ein, Ohne Hoffnung aufzustehn!“ Abendlied Ich stand auf Berges Halde, Als heim die Sonne ging, Und sah, wie über'm Walde Des Abends Goldnetz hing. Des Himmels Wolken thauten Der Erde Frieden zu, Bei Abendglockenlauten Ging die Natur zu Ruh'. Ich sprach: O Herz, empfinde Der Schöpfung Stille nun, Und schick' mit jedem Kinde Der Flur dich auch, zu ruhn. Die Blumen alle schließen Die Augen allgemach, Und alle Wellen fließen Besänftiget im Bach. Nun hat der müde Sylphe Sich unter's Blatt gesetzt, Und die Libell' am Schilfe Entschlummert thaubenetzt. Es ward dem goldnen Käfer Zur Wieg' ein Rosenblatt; Die Heerde mit dem Schäfer Sucht ihre Lagerstatt. Die Lerche sucht aus Lüften Ihr feuchtes Nest im Klee, Und in des Waldes Schlüften Ihr Lager Hirsch und Reh. Wer sein ein Hüttchen nennet, Ruht nun darin sich aus; Und wen die Fremde trennet, Den trägt ein Traum nach Haus. Mich fasset ein Verlangen, Daß ich zu dieser Frist Hinauf nicht kann gelangen, Wo meine Heimat ist. O süße Mutter! „O süße Mutter, Ich kann nicht spinnen, Ich kann nicht sitzen In Stübchen innen Im engen Haus; Es stockt das Rädchen, Es reißt das Fädchen, O süße Mutter, Ich muß hinaus. Der Frühling gucket Hell durch die Scheiben; Wer kann nun sitzen, Wer kann nun bleiben Und fleißig sein? O laß mich gehen Und laß mich sehen, Ob ich kann fliegen Wie Vögelein. O laß mich sehen, O laß mich lauschen, Wo Lüftlein wehen, Wo Bächlein rauschen, Wo Blümlein blühn. Laß sie mich pflücken, Und schön mir schmücken Die braunen Locken Mit buntem Grün. Und kommen Knaben Im wilden Haufen; So will ich traben, So will ich laufen, Nicht stille stehn; Will hinter Hecken Mich hier verstecken, Bis sie mit Lärmen Vorüber gehn. Bringt aber Blumen Ein frommer Knabe, Die ich zum Kranze Just nöthig habe; Was soll ich thun? Darf ich wol nickend, Ihm freundlich blickend, O süße Mutter, Zur Seit' ihm ruhn?“ Du meine Seele, du mein Herz Liebesfrühling Du meine Seele, du mein Herz, Du meine Wonne, du mein Schmerz, Du meine Welt, in der ich lebe, Mein Himmel du, darein ich schwebe, O du mein Grab, in das hinab Ich ewig meinen Kummer gab! Du bist die Ruh', du bist der Frieden, Du bist der Himmel mir beschieden. Daß du mich liebst, macht mich mir werth, Dein Blick hat mich vor mir verklärt, Du hebst mich liebend über mich, Mein guter Geist, mein bess'res Ich! Ich sehe, wie in einem Spiegel Liebesfrühling Ich sehe, wie in einem Spiegel, In der Geliebten Auge mich; Gelöst vor mir ist jedes Siegel, Das mir verbarg mein eignes Ich. Durch deinen Blick ist mir durchsichtig Mein Herz geworden und die Welt; Was in ihr wirklich und was nichtig, Ist vor mir ewig aufgehellt. So wie durch meinen Busen gehet Hier deines Herzens stiller Schlag, So fühl' ich, was die Schöpfung drehet Vom ersten bis zum jüngsten Tag. Die Welten drehn sich all' um Liebe, Lieb' ist ihr Leben, Lieb' ihr Tod; Und in mir wogt ein Weltgetriebe Von Liebeslust und Liebesnoth. Der Schöpfung Seel' ist ew'ger Frieden, Ihr Lebensgeist ein steter Krieg. Und so ist Friede mir beschieden, Sieg über Tod und Leben, Sieg. Ich spreche still zur Lieb' im Herzen, Wie Blume zu der Sonne Schein; Du gib mir Lust, du gib mir Schmerzen! Dein leb' ich und ich sterbe dein. Liebster! nur dich sehn, dich hören Liebesfrühling Liebster! nur dich sehn, dich hören Und dir schweigend angehören; Nicht umstricken dich mit Armen, Nicht am Busen dir erwarmen, Nicht dich küssen, nicht dich fassen, — Dieses Alles kann ich lassen, Nur nicht das Gefühl vermissen, Mein dich und mich dein zu wissen. Ich liebe dich, weil ich dich lieben muß Liebesfrühling Ich liebe dich, weil ich dich lieben muß, Ich liebe dich, weil ich nicht anders kann; Ich liebe dich nach einem Himmelsschluß; Ich liebe dich durch einen Zauberbann. Dich lieb' ich, wie die Rose ihren Strauch; Dich lieb' ich, wie die Sonne ihren Schein; Dich lieb' ich, weil du bist mein Lebenshauch; Dich lieb' ich, weil dich lieben ist mein Sein. Liebster! einst geliebt hat mich ein Mann Liebesfrühling Liebster! einst geliebt hat mich ein Mann, Deß ich noch mit Haß nicht denken kann, Aber deß ich nie mit Liebe dachte. Wunder nimmt mich's, wenn ich's jetzt betrachte, Wie ich stets geblieben ihm so kalt, Und vor dir geschmolzen bin so bald. Will mich Reue nur zu spät durchschauern? Jetzo fang' ich an, ihn zu bedauern. Jetzo, da ich, Liebster, liebe dich, Fühl' ich, wie er einst geliebt hat mich; Liebend erst kann ich es ganz empfinden, Was es heißt, nicht Gegenliebe finden. 1. Ich schaukelte durch's Meer auf schwankem Kahne Sicilianen Ich schaukelte durch's Meer auf schwankem Kahne, Und macht' auf einem Blüteneiland Rast. Da stand vor mir mit schimmerndem Altane Gebaut aus Rosendüften ein Palast, Die Sonne wehte drauf als goldne Fahne, Mich blendete der zauberische Glast. Doch an der Pforte stand die Fee Morgane, Und sprach mit Lächeln: Komm, du bist mein Gast. 2. Hier, wo nicht Nachtigallenmelodien Sicilianen Hier, wo nicht Nachtigallenmelodien Aus quellgetränkten Frühlingsbüschen schallen, Wo schwebend nur des Meeres Möven fliehn, Und drunterhin die schäum'gen Wogen schwallen, Ruh' ich an meerhauchfeuchtem Rosmarin, Und hör' im Wind und in der Woge Wallen Ein Lied eintöniger Melancholien, Dazwischen fernher theure Namen hallen. 3. Ich saß am Meer; und das Gewühl der Farben Sicilianen Ich saß am Meer; und das Gewühl der Farben, Das grüne Bunt um Berg und Wald und Flur, Das Wechselspiel von Blüten, Früchten, Garben, War hinter mir geschwunden Spur um Spur. Und wie dem Aug' die einzlen Farben starben Im Grün der See und in der Luft Azur; Empfand mein Herz, vergessend alter Narben, Unendlichkeit der Lieb' und Sehnsucht nur. Alles ein Hauch Herz, nun so alt und noch immer nicht klug, Hoffst du von Tagen zu Tagen, Was dir der blühende Frühling nicht trug, Werde der Herbst dir noch tragen! Läßt doch der spielende Wind nicht vom Strauch, Immer zu schmeicheln, zu kosen. Rosen entfaltet am Morgen fein Hauch, Abends verstreut er die Rosen. Läßt doch der spielende Wind nicht vom Strauch, Bis er ihn völlig gelichtet. Alles, o Herz, ist ein Wind und ein Hauch, Was wir geliebt und gedichtet. Adagio Wie muß der Tag sich neigen Im Winter, ach, so bald! Ein tiefes, mildes Schweigen Liegt über Flur und Wald. Am Himmel noch ein Schimmern, Ein letztes, doch kein Stern; Trübrothe Lichter flimmern Aus Hütten still und fern. Und trüber, immer trüber Der Landschaft weiter Kreis; Es zieht der Bach vorüber Eintönig, sanft und leis. — Horch! Welch' ein seltsam Beben Urplötzlich in der Luft — Geheimnißvolles Weben — Geheimnißvoller Duft! Wie ferne — ferne Lieder Erklingt's — so wohl — so weh' —: Da fällt in Flocken nieder, In dichten, still der Schnee. Mahnung Wenn dir ein gold'ner Traum zerrann Und rauh die Wirklichkeit dein Herz zerspaltet, Nicht mit dem Schicksal had're dann, Das nur in deinem Innern lebt und waltet. Wie sehr man dir auch weh gethan, Was du auch alles von der Welt erduldet — Vielleicht, siehst du es ruhig an, Erweist sich doch, daß du es selbst verschuldet. Und klage nicht mit lautem Groll, Daß du allein nur ungeliebt auf Erden, Erwäge stumm und demuthsvoll, Ob du auch würdig bist, geliebt zu werden. So lernst du still und allgemach Dein Wesen bis zur Wurzel klar erkennen, Und was man auch an dir verbrach: Erlebt und nicht erlitten wirst du's nennen. Die Zähre, die im Aug' dir ruht, Gleich einer Freudenthräne wird sie fließen, Und angehaucht von hehrem Muth Wird selbst die tiefste Wunde leis sich schließen. Rosa thea Nie vergess' ich die Stunde — Im hell erleuchteten Gartensaal war's Und draußen schlug die Nachtigall — Wo du, des hochgestalteten Leibes Pracht Umwogt und umrauscht von schwarzer Seide, Unter die harrenden Gäste tratest, Holdseliges Lächeln im dunklen Aug' Und um den jugendlich rothen Mund — Während im leicht schon besilberten Haar Und vor der Brust dir schwankten Blüten und Knospen der rosa thea. Und wie du zwischen den Gruppen dann Liebliche Worte sprachst, Hierhin dich neigend und dorthin: Fühlte Jeder würzigen Hauch Und wußte nicht, war es dein Odem Oder das Duften der Rosen. — Und als du späterhin Mit der plaudernden Schaar Hinaustratst in die Nacht, um die Wangen zu kühlen, Da fiel von der Brust dir nieder, Abgeknickt, der vollste Kelch. Ich aber Hob ihn auf Und drückte die weiche Kühle Blätterfülle An die zwiefach berauschte Stirn Und an die brennenden Lippen. — — Seit jener Nacht Nenn' ich die Erste der Frauen dich, Wie ich der Blumen Königin nenne: Die reich und lose geblätterte, In sanfter Farbe Doppelschmelz leuchtende, Von hold fremdem Glutarom Leise durchsprühte Rosa thea! Bei Empfang einer Ananas Schon verräth mir der Duft, was ein liebender Sinn aus der Ferne, Mich zu erfreuen, gesandt, sorglich und zierlich verpackt. Hastig behutsam entfern' ich die Hülle — da blinkt mir entgegen, Leis' umknistert vom Schmuck zackiger Blätter die Frucht. Stachlig gekerbt; doch golden und Düfte verhauchend, wie keine Gold'ner und süßer'n Aroms fern am Äquator gereift. Wohin stell' ich sie nur? Ans Fenster — wie gleißet und schimmert Dort das tropische Kind, schlichten Reseden gesellt! Ei, schon wagt sich ein Spatz neugierig auf das Gesimse. Während das fremde Gewächs längst mir die Fliege benascht. — Und nun trägt mich mein Geist in das Land, wo es üppig und zahllos, Leuchtender Blumen Genoß, Kolben an Kolben sich drängt. Kreischend läßt sich herab und bunten Gefieders der Aras, An den schwebenden Arm einer Liane gekrallt. Also hangt er verkehrt, und sich schaukelnd, hackt er des Schnabels Spitzige Krümmung mit Gier tief in die schwellendste Frucht. Und wo diese, zerfleischt, ihr Leben vertrieft, dort nippet Einen Tropfen sodann, flatternd, der Colibri weg, Während von Faltern ein Schwarm, breitflüglig, azuren und purpurn, Lüstern die Wunde umkreist, die ihn mit Düften betrügt! Das Sonett Ein Labyrinth mit hold verschlungnen Gängen Hat dem Gedanken traumhaft sich erschlossen; Er tritt hinein — und wird sogleich umflossen Von Glanz und Duft und zauberischen Klängen. Hier locken Blumen, die auf Wiesenhängen Des Pflückers harren, leuchtend aufgeschossen; Dort wollen Zweige, goldschwer übergossen, Fast in den Pfad dem Wandelnden sich drängen. Der aber, wird so mancher Wunsch ihm rege, Pflückt eine Frucht nur mit zufriedner Miene, Doch manche Blüte, die er trifft am Wege. Und nun — ob er gefangen auch erschiene Schon in des Vierreims duftigem Gehege — Geleitet ihn ins Freie die Terzine. Die Sternschnuppe Wißt ihr, was es bedeutet, Wenn von dem Himmelszelt Ein Stern herniedergleitet Und schnell zur Erde fällt? Die Lichter, die dort glänzen Mit wundermildem Schein, Das sind in Strahlenkränzen Viel tausend Engelein. Die sind als treue Wachten Am Himmel aufgestellt, Daß sie auf Alles achten, Was vorgeht in der Welt. Wenn unten auf der Erde Ein guter Mensch, gedrückt Von Kummer und Beschwerde, Voll Andacht aufwärts blickt Und sich zum Vater wendet In seinem tiefen Weh, Dann wird herabgesendet Ein Engel aus der Höh'. Der schwebt in seine Kammer Mit mildem Friedensschein, Und wieget seinen Jammer In sanften Schlummer ein. Das ist's, was es bedeutet, Wenn von dem Himmelszelt Ein Stern herniedergleitet Und schnell zur Erde fällt. Herbstlied Durch die Wälder streif' ich munter, Wenn der Wind die Stämme rüttelt Und mit Rascheln bunt und bunter Blatt auf Blatt herunterschüttelt. Denn es träumt bei solchem Klange Sich gar schön vom Frühlingshauche, Von der Nachtigall Gesange Und vom jungen Grün am Strauche. Lustig schreit' ich durch's Gefilde, Wo verdorrte Disteln nicken; Denk' an Maienröslein milde Mit den morgenfrischen Blicken. Nach dem Himel schau' ich gerne, Wenn ihn Wolken schwarz bedecken; Denk' an tausend liebe Sterne, Die dahinter sich verstecken. Die erwachte Rose Die Knospe träumte vom Sonnenschein, Vom Rauschen der Blätter im grünen Hain, Von der Quelle melodischem Wogenfall, Von süßen Tönen der Nachtigall, Und von den Lüften, die kosen und schaukeln, Und von den Düften, die schmeicheln und gaukeln. Und als die Knospe zur Ros' erwacht, Da hat sie mild durch Thränen gelacht, Und hat geschaut und hat gelauscht, Wie's leuchtet und klingt, wie's duftet und rauscht. Als all' ihr Träumen nun wurde wahr, Da hat sie vor süßem Staunen gebebt, Und leis geflüstert: „Ist mir's doch gar, Als hätt' ich das Alles schon einmal erlebt.“ Du willst, daß ich in Worte füge Du willst, daß ich in Worte füge, Was flüchtig ist, wie Windeswehn, Und meiner Seele Athemzüge, Die leisen, kannst du nicht verstehn? Die stille Wonne, wie die Klage, Die nur in Geistertönen lallt, Bleibt eine unverstand'ne Sage, Wenn nicht das Herz ihr widerhallt. Ihr Sinn ist hin, ihr Laut verklungen, Sobald die Lippe sie erst nennt; Nicht eignet sich für Menschenzungen, Was nur der Himmel weiß und kennt. Wie einen Stern — Wie einen Stern, der im Versinken, Seh' ich im Auge, gramumflort, Nur matt noch deine Seele blinken, Vom scharfen Todespfeil durchbohrt. Ich kenn' ihn, ach! den Schmerz, den herben, Wenn in dem Winterfrost der Welt Das Herz erstarrt, und vor dem Sterben Das Leben schon in Trümmer fällt. Und wie einst vor den Tempelmauern, Den Säulen, die auf Sunium Um die verlor'nen Götter trauern, Steh' ich vor dir oft wehmuthstumm. Doch eine Macht ist, Weib, o glaub' es, Die aus Verzweiflungsqual den Geist, Aus Tod und aus der Nacht des Staubes Empor in alle Himmel reißt. Durch Liebe steigt aus den Ruinen Das Leben, das in Trümmern lag, Und leuchtet, morgenglanzbeschienen, Entgegen einem neuen Tag. Im Orient Was fliegt das Schiff, was lenkt das Steuer Den Kiel durch dunkelblaue See? Ach! zu der Einen, die mir theuer, Trägt mich der Wellen keine je! Klar, aus des Ostens Purpurquelle, Strömt auf das Meer des Frühroths Glut; Und jubelnd in der goldnen Helle Berauscht sich die beschäumte Flut. Und Inseln, duft'ge Küsten schwimmen An mir vorbei im Morgenwehn, Und zwischen Palmenhainen glimmen Die goldnen Kuppeln von Moscheen. Doch ob sich mir mit lichten Thoren Der Orient erschließen mag: Zu ihr zurück, die ich verloren, Blick' ich in den gesunk'nen Tag. Fern dort bei Sturm und Blättertreiben Blinkt weiß ein Grabstein durch die Nacht; Da schläft sie unter dunklen Eiben Den Schlaf, aus dem sie nie erwacht. Die Noth Ich bin die Noth. Der Himmel dunkelt, Im Sturmgewölk' bin ich genaht. Die Luft erbebt, es blitzt und funkelt. Hört ihr es prasseln in die Saat? Die Ähren schlag' ich von den Halmen, Zertreten hab' ich Wein und Brod. Schwer tritt mein Fuß, er muß zermalmen, Was er berührt. — Ich bin die Noth. Da nah' ich auch im Glutgewande, Und Flammen folgen meiner Spur; Aus meiner Locken schwülem Brande Schütt' ich Verderben auf die Flur. Die Quellen hören auf zu schäumen, Die meines Kleides Saum gestreift. Die Fluren dörren, und den Bäumen Entsinkt die Frucht, noch ungereift. Ich setze mich zu eurem Mahle, Unsichtbar bin ich zwischen euch, Ich brech' das Brod, ich füll' die Schaale, Ich färb' euch Haar und Wangen bleich. Im Stalle stürzen Schaf und Rinder, Der Brand löscht unter'm Kessel aus. Ihr Mütter, rettet eure Kinder: Mein Athem trägt euch Gift in's Haus! Wo Menschen bauen ihre Hütte, Im engsten Thal, im fernsten Land, Folg' ich den Spuren ihrer Schritte Durch Schnee und Well' und Wüstensand. Glaubt jauchzend ihr das Glück zu halten, So seht ihr mein bekannt Gesicht; Ab werf' ich meines Schleiers Falten — Mein Bruder, du entfliehst mir nicht! Ich bin der Menschheit Angebinde, Seit sie verscherzt die Seligkeit; Geboren ward ich mit der Sünde Und bin unsterblich wie die Zeit. Der Herr war es in seinem Grimme, Der mich erschuf an Edens Thor, Da, folgend der Versuchung Stimme, Der Mensch sein Paradies verlor. Seht ihr das Volk mit hohlen Wangen An eures Haufes Schwelle stehn Und mit des Hungerblicks Verlangen, Brosamen eures Mahls erflehn? Verlorne hinter Kerkergittern? Die Armuth, die sich müht und plagt, Die kecke unter Schmink' und Flittern Und die verschämte, die nicht klagt? Sie tragen All' mein Sclavenzeichen. Ihr, die das Glück umschlungen hält, Mein mächt'ger Arm kann euch erreichen: Ich bin die Königin der Welt. Ich schlüpfe über Marmorsteine Und durch zerfall'ner Hütten Spalt, Stets neu und immer nur die Eine, Vertausch' ich Namen und Gestalt. Ich dringe durch des Purpurs Falten; Kein Riegel bannt mich, kein Verschluß. Ich bin des Schicksals dunkles Walten, Ich bin der Anfang und der Schluß. Ich bin das Heute wie das Gestern, Ich bin Geburt und bin der Tod, Die treuste bin ich deiner Schwestern, Und stets dir nah. — Ich bin die Noth! Geh fleißig um — Geh' fleißig um mit deinen Kindern! Habe Sie Tag und Nacht um dich, und liebe sie Und laß dich lieben einzig schöne Jahre; Denn nur den engen Traum der Kindheit sind Sie dein, nicht länger! Mit der Jugend schon Durchschleicht sie Vieles bald — was du nicht bist, Und lockt sie Mancherlei — was du nicht hast, Erfahren sie von einer alten Welt, Die ihren Geist erfüllt; die Zukunft schwebt Nun ihnen vor. So geht die Gegenwart Verloren. Mit dem Wandertäschchen dann Voll Nöthigkeiten zieht der Knabe fort. Du siehst ihm weinend nach, bis er verschwindet, Und nimmer wird er wieder dein! Er kehrt Zurück, er liebt, er wählt der Jungfrau'n eine, Er lebt! Sie leben, Andre leben auf Aus ihm — du hast nun einen Mann an ihm, Hast einen Menschen — aber mehr kein Kind! Die Tochter bringt vermählt dir ihre Kinder Aus Freude gern noch manchmal in dein Haus! Du hast die Mutter, aber mehr kein Kind! Geh' fleißig um mit deinen Kindern! Habe Sie Tag und Nacht um dich, und liebe sie, Und laß dich lieben einzig schöne Jahre! Bis an's Ende Wer nicht in seinen Lieben leben kann, Zur Zeit, wenn sie ihm fern, ja wenn sie todt sind, Der hat sie oft verloren! Aber der Besitzt die Freunde, die Geliebten immer Unraubbar gegenwärtig, schön, genußreich, Wer fort in ihrem Geist und Eigenwesen Die Tage lebt, Begebenheiten gern So anschaut, so belächelt, wie sie würden, So that ich oft; und wenn die stillen Freunde Aus mir ein Wort, ein Werk belächelten, Mit meiner Kraft laut miteinander sprachen, Oft ihre Freude hold aus mir bezeugten — Dann hab' ich laut geweint! ihr stilles Leben In mir, gleich einem Wunder, angestaunt Und tief empfunden. „Also bleiben sie Bei mir durch alle Tage bis an's Ende.“ Der Feind Der Adler lauscht Auf seinem Horst; Der Keiler rauscht Zur Kesselforst; Das Kätzlein klinkt Am Ast sich fest; Der Wolf, er hinkt Zum Felsennest; Das Damwild streicht Zum Dickicht ein; Der Fuchs still schleicht Zum Bau hinein; Aufstutzt, hinflitzt Das scheue Reh; Die Löffel spitzt Der Has' im Klee; Die Ente duckt Im düstern Rohr; Das Fischlein guckt Nicht mehr hervor; Und alles schweigt Im Hinterhalt — Der Mensch sich zeigt — Geht durch den Wald. Mein Liederhort Des Jugendsanges Blüte Wol ist sie längst verdorrt; Versenkt tief im Gemüthe Träumt stumm mein Liederhort. Des Mannes Tagespflichten, Sie lasten felsenschwer; Den Schatz empor zu lichten, Find' ich den Spruch nicht mehr. Nur manchmal Nachts, da grüßt mich Ein Klang aus tiefem Grund, Und wie vor Zeiten küßt mich Die Muse auf den Mund. Dann weicht der Bann der Sorgen: Auf jauchzt mein Liederhort! — Doch flammt im Ost der Morgen, Verweht das Zauberwort. Dereinst in schönen Tagen fand — Dereinst in schönen Tagen fand Ich Glück in einer lieben Hand. Wie viel ihr warmer Druck mir galt: O stille, still! Die Hand ward kalt. Einst that auch mir ein süßer Mund Des Daseins schönstes Räthsel kund. Ein Wort, ein Kuß, was gab ich drum! O stille, still! Der Mund ward stumm. Einst hat auch mir in Sturmesnacht Ein Auge Tröstung zugelacht. Wie mir sein Blick zu Herzen sprach! O stille, still! Das Auge brach. Einst schlug auch mir im Menschenschwarm Ein Herz so treu, ein Herz so warm! Wir theilten Wonne, Kampf und Noth — O stille, still! Das Herz ist todt. Memento mori „Du Tannenbaum da draußen, Was schaust so finster mich an?“ So spricht der Knabe und schaukelt, Von trüg'rischen Wellen umgaukelt, Im See sich auf schwankendem Kahn. Die Tanne rauscht: „Ich traure, Gedenk' ich, o Knabe, dein; Schon blinket die Axt, um zu fällen Mich alten, schwarzen Gesellen Für dich — zum Todtenschrein!“ Abendlied Im Abendroth der Himmel glüht, Die Sonne geht nun schlafen; Der Knabe bläst sein Abendlied Und zieht gemach durch's stille Ried Zur Hürde mit den Schafen. Sein Gruß schwebt noch der Sonne nach: „Fahr' wohl! Wir sehn uns wieder; Bring' morgen einen schönen Tag, Dann blas' ich durch der grünen Hag Dir meine schönsten Lieder.“ Die Waldkapelle Wo tief im Tannengrunde So friedlich äst das Wild, Steht an geweihter Stelle Die kleine Waldkapelle Mit ihrem Gnadenbild. Der Epheu und die Rose Umrankt das Bild von Stein; Die Vöglein in den Zweigen, Sie laden durch ihr Schweigen Hier still zum Beten ein. Habt Rast, ihr Hirsch' und Rehe, Hab' Rast, mein Roß, auch du! Kein Jagdruf soll euch schrecken, Kein Horn den Wald erwecken Aus tiefer Mittagsruh'. Heimweh Schied auch die Muschel lange schon Vom Meer, das ihre Heimat war: In ihrer Tiefe rauscht ein Ton Wie Meeresheimweh immerdar. Und kann auch nie ein Herz zurück Zum Herzen, dran es selig lag, Es singt von dem verlornen Glück Noch bis zu seinem letzten Schlag. Neuer Frühling Was ist es nur, daß ich so gerne Mag deiner Stimme Zauber lauschen? Mein Herz erbebt, als hört' es ferne Die Jugendzeit vorüberrauschen. Mir ist, als klängen Wiegenlieder Und Märchen in der Dämmerstunde; Als käm' die erste Hoffnung wieder, Die erste süße Liebeskunde. Als hört' ich Elfenreigen locken Im Mondschein aus des Waldes Tiefen; Als ob des Heimatdorfes Glocken Mich Sonntags früh zur Kirche riefen. Opfern Wenn sich verwandt zwei Stoffe finden, — So lehrt es aller Bildung Lauf, — Und wollen sich als Ganzes binden: Löst sich erst Eins im Andern auf. Dann erst entfliehet, was sie trennte, Es bleibt zurück nur, was verwandt, So, aus dem Kampf der Elemente, Glüht sich der echten Liebe Band. Wie doch Natur in ew'gem Walten Zum stolzen Menschenherzen spricht: Sich opfern heißt erst sich gestalten, Und ohne Opfer liebst du nicht! Vor dem Sturme Sie hängen dräuend, tief und schwer, Die ungeheuren Wolkenballen. Gebannt das heiße dunkle Meer — Kein Ton, kein Hauch, kein leises Wallen. Die nackten grauen Felsen glühn, Und um sie her der Gluten Zittern; Aus mächt'ger Bucht phosphorisch Sprühn, Fernher das Winken von Gewittern. Gespenstig fast des Schiffes Last, Rings blutlos düstre Angesichter; Matrosen regungslos am Mast, Wie starre Sünder vor dem Richter. Mein Himmel Mein Himmel ist so wunderlicht, So herrlich, blau und prächtig, Und wende ich mein Angesicht Ihm zu, durchzuckt mich's mächtig; Im möchte mich versenken ganz Mit Seel' und Herz hinein In diesen goldig klaren Glanz, In diesen Himmelsschein. Und Frieden bringt er, Ruh' und Glück, Darob er prangt, den Landen, Wie oft bin ich mit sel'gem Blick, Ihn schauend, still gestanden Und fühlte mich so stolz und frei; Und war geraubt mein Muth, Ich wußte, daß es besser sei Wol unter seiner Hut. Mein Himmel, bis zur tiefen Nacht Strahlt er in meine Seele, Hat jedesmal mir Trost gebracht, Wenn ich mich sehnend quäle. Und keine böse Wolke steigt Am Horizont empor, An meinem Himmel nie sich zeigt Des schweren Nebels Flor. Stets ist er licht, stes ist er klar; Die daran prangt, die Leuchte, Ist meine Seele wunderbar — Der Himmel das Aug', das feuchte! Das süße Aug', das blau und licht Mein Lied mir wendet zu Mit seinem holden Angesicht, Das bringt mir Glück und Ruh'. Erlebt! So seid ihr alle wieder da, Geliebte Frühlingsboten? Ihr Blüten alle, fern und nah, So schön, als ich euch jemals sah, Ihr weißen und ihr rothen? Ja, ja, ich fühl's am linden Weh'n Die Höhen auf und nieder: Das Frühlingswunder ist geschehn, Was schlafend war, will auferstehn, Denn Morgen ist es wieder! Wie wunderbar der Himmel blaut, Wie's grünt an allen Enden! Der Wald sein Laubgewölbe baut, Daraus beginnt den süßen Laut Die Amsel schon zu senden. Frohlocke, wem die Brust noch hebt Des Athems frohe Gabe, Denn mancher hat es nie erlebt, Und dichter Rasen schon sich webt Auf manchem Freundesgrabe. Und keinem kam es wol zu Sinn Beim letzten Frühlingswalten, Daß seine Zeit so bald dahin, Daß schon der nächste über ihn Wird seinen Einzug halten ... So will ich ihn für sie erneu'n Mit dieser Wehmuthszähre: Auf ihr Gedächtniß Blüten streun ... Und selber mich des Frühlings freun, Als ob's der letzte wäre. Begräbniß Den Tod nicht scheu' ich, aber das Begraben, Mir ekelt, fällt mir die Verwesung ein: Ich möchte nicht den Geiern und den Raben, Doch auch den Würmern nicht zum Fraße sein. Wär' ich nur reich, ich wollt' es mir erkaufen, Denn feil ist Manches heutzutag um Geld; Nach Römer-Art, auf einem Scheiterhaufen Ging' ich in Flammen festlich aus der Welt! Ich weiß voraus, als einen Apostaten Verscharrt man einst in einer Ecke mich, Dem Armen gleich, der, weil sein Glück mißrathen, Die Mörderhand gewendet gegen sich: Doch wenn sie den Entsühnten auch begrüben Mit aller Weihe, allem Sang und Klang, Womit sie klug in's unbekannte Drüben Verklären den geheimnißvollen Gang, Doch lieber als durch lange dunkle Gährung Ging ich in einem festlichen Moment Durch Luft und Flammen-Klarheit zur Verklärung, Zur Reinheit durch das reine Element! Ich hoffte wol die Freundeshand zu finden, Die mir den letzten Liebesdienst erweist, Mir auf dem Holzstoß Alles zu verbinden, Was ich des Schönen hier geliebt zumeist ... Wenn dann die Flammen schwach und schwächer werden, Schweb' ich empor, zu neuem Sein erneu't, Indeß der Wind das letzte Häuflein Erden Befruchtend auf der Heimat Fluren streut. Fritz Reuter todt! Juli 1874 Wo zieht ihr hin, ihr Vögelein? Was treibt euch fort aus Sommers Pracht? Soll schon verstummen Flur und Hain, Da noch die Sonne goldig lacht? „Wir wandern — wandern allzumal Fernhin in das Thüringerland, Zu stimmen ein in den Choral An eines Sängergrabes Rand.“ — Ihr Veilchen blau, ihr Röslein roth Senkt matt die Köpfchen alle schon? — Wohin, da noch kein Herbststurm droht, Ist euer Duft und Glanz entflohn? „Hin sandten unser Blühen wir, All' unsern Schmelz und unsern Duft, Daß sie vereinen sich zur Zier Für eines deutschen Dichters Gruft.“ — Nun ahn' ich wol, wohin ihr zieht Und wem ihr gebt das Grabgeleit; O, nehmt mit euch dies schlichte Lied, Ein treues Herz hat es geweiht; Und legt es an des Hügels Fuß, Und diese Thränen leg dazu: Dem wackern Meister letzten Gruß, Der drunten schläft in süßer Ruh'! — Dann aber kehrt mit Sang und Duft Zur alten Heimat wieder ein, Und glaubt: um dieses Sängers Gruft Wird dennoch ew'ger Frühling sein; Wie Reuters Name fort und fort In deutschen Herzen bleibet jung, Webt stets um seines Hügels Port Der Frühling der Erinnerung! Fürbitte bei einigen allzuernsten Dichtergrößen und Kritik-Heroen für einen ewig Heitern eingelegt. Ihr Herrn mit der gestrengen Miene Und dem sokratischen Gesicht, Ich bitte, zürnet d'rob mir nicht, Daß ich mich freventlich erkühne, Zu treten heut' vor eure Vehme, Daß ich als Anwalt kräftig nehme Das Wort für einen armen Wicht; Für einen lustigen Gesellen, Dem gleich des Waldes Sänger-Chor Aus vollster, tiefster Brust hervor Des freien Liedes Bronnen quellen; Deß Heimat nicht in dunkler Klause, Der in der weiten Welt zu Hause Allüberall: — für den Humor! Sagt an, ihr Herren, stolz und edel, Ihr besten Stammes beste Zier: Was that euch, den ihr machtet schier Zum literarischen Aschenbrödel? Den ihr so wundergern beschimpfet, Beachselzuckt, benaserümpfet —? Und der unsterblich doch wie ihr! Nicht lob' ich ihn, euch zu versöhnen; Doch saget selbst, hat nicht sein Mund Von tausend Augen zährenwund, Sein lächelnder, geküßt die Thränen?! Und macht nicht abertausend Herzen, Schwer krankend an des Lebens Schmerzen, Der Balsam seines Hauchs gesund?! Wenn blinder Wahn und Dummheit woben Den dichten Schleier ihrer Nacht Um weite Reiche: treue Wacht Hielt er am Geisteshimmel droben, Und kündet gleich dem Morgensterne Der bangen Welt, daß nimmer ferne Der Aufgang eurer Sonnenpracht! Ballt' dräuend sich die Wetterwolke Des Pfaffenthumes: gleich dem Blitz Hell leuchtend flammte auf der Witz Und zeigte Weg und Steg dem Volke, Bis klärend durch die Mißgewalten Des Ernstes Donnerschläge hallten Herab von eurem Göttersitz! Wenn ihr zu heil'gem Freiheitskriege Auszoget gen Tyrannen-Wuth, Flog Er in trotzig-keckem Muth Heran, ein Herold eurer Siege; Oft brach er Bresche eurem Heere Und badete der Schergen Speere, Ein Winkelried, in seinem Blut! — Und ach! er huldigt nicht verwegnen Gelüsten; ihr erfüllt sie leicht. Daß ihr nicht scheu zur Seite weicht, Wenn eure Pfade sich begegnen: Alles, was er wünscht und bittet; Daß ihr in eurem Kreis ihn littet Und ihm die Hand zum Gruße reicht! Wolan, ihr Großen, deren Namen Der Ruhm zu Sternen trägt empor, Leiht bill'gen Wünschen willig Ohr, Ob sie aus schlichtem Mund gleich kamen; Brecht eures Vorurtheiles Schranken Und gönnt im Staate der Gedanken Sein Bürgerrecht auch dem Humor! — Ein neues Märlein vom Champagnerwein Kennt Alt wol und Jung, und Groß und Klein Die Mär von den durstigen Teufeln, Die einstmals lüstern nach gutem Wein. Unter Kork und Draht nun verzweifeln: Vom Champagnerwein die lustige Mär', Der ein infernalischer Strafwein wär', Nur ein höllisches Thränen-Träufeln. Ich aber will melden ein ander Wort Vom Schaumtrank, der Weine Meister, Und wie er entstand und an welchem Ort! — Es haben's die duftigen Geister Des Rebensaftes mir selber entdeckt; Und da doch im Weine die Wahrheit steckt, Glaubt es nur fester und dreister! Einst zog auf die Brautschau der Gott des Weins, Von prächtigem Heerbann umgeben: Voran zu Roß die Ritter des Rheins In güldener Rüstung; daneben Vom Moselstrande die Junkerschaar, Der duftig das blonde, wallende Haar Waldmeisterleins Kränze durchweben. Hispanische Granden trabten einher Im Helme, dem silberblanken, Mit stolzen Wappen im Schilde schwer; Drauf folgten die zierlichen, schlanken Hofherrn, die Brecher von Sorg und Noth, In Wämsern, so leuchtend, so purpurroth — Die fröhlich gemutheten Franken. Hier brausten Magnaten aus Ungarland — Gleich dunkelschäumigen Wellen, — Die zeigten in Zügen, braun und verbrannt, Asiatischen Ursprungs Quellen; Aus Böhmens Gauen dort Helden, stark Und füllig, da Edle aus Steyermark, Breitschultrige, derbe Gesellen. Und Mauren vom Cap, die schwarzes Blut In den schwellenden Adern hegen, Und im Menschenherzen flüssige Glut, Unauslöschlich-flammende, regen; Dort Griechen aus Chios, und Pagen da Aus dem Wunderlande Italia — Von Falernum und allerwegen! — Um den Weingott gar manche Schöne minnt, Doch will sich die Rechte nicht zeigen; An manchem Hofe manch Fürstenkind Thät huldreich sich zu ihm neigen Bei Tanz und Spiel, Bankett und Turnei: Des Unsterblichen Herz blieb kühl und frei, Und der Liebe Stimmen sie schweigen. Einst zieht er spät noch durch Fluren und Hain; Schon tönen der Nachtigall Klagen, Schon leuchtet des Mondes silberner Schein, Da sieht auf der Haide er ragen Ein Rosengelände, der Blüten voll, Und das ihn der Duft erquicken soll, Entsteigt er dem goldenen Wagen. Und sieh: gebettet auf blumigem Grund, Ruht drunt eine Jungfrau in Ehren; Da kniet der Herrscher, er küßt ihren Mund, Er wirbt sie in heißem Begehren, Und ob ihrer Schönheit heil'ger Gewalt Entströmen seinem Auge alsbald Crystallhelle Freudenzähren! Im Kreise der Ritter jubelt es laut: Die Rechte, die Rechte ist funden! Gefunden ist endlich die holde Braut Und geschlossen der Sehnsucht Wunden. „Heil, König Wein! Dir werde noch heut', Die du erkoren, die liebliche Maid Dir ewig in Treuen verbunden!“ Und also geschah es gewiß und wahr, Und so blieb es für alle Zeiten: Daß die Poesie und der Weingott ein Paar, Nur die Thoren mögen's bestreiten! Und daß der Kuß, mit dem er geküßt Ihre süßen Lippen, das Trinklied ist: Ein Weiser wird anders es deuten. Das aber hat Niemand noch gewußt, Nicht lebende Forscher noch todte: Daß die Tropfen, geflossen in Liebeslust Über weiße Rosen und rothe, — Daß die Freudenzähren, so klar und rein, Des Rebengottes: Champagnerwein Und worden nach seinem Gebote! Des Oceans Perlen gelten zumal Als Zähren; der Muschel, der schönen, Sind sie erpreßt durch die Trennungs-Qual, Durch das schmerzlichste Heimat-Sehnen; Des Champagners Perlen bis diesen Tag Sie bedeuten beim frohen Festgelag Des Weingottes Freudenthränen! Und was ich soeben hier machte kund, Mir thäten's die lustigen, schlauen — Des Schaumes Elfen auf Kelches Grund Als tiefes Geheimniß vertrauen; Drum, daß das Geheimniß bleib' unverletzt, Erzähl' ich es dem nur, der's nicht verschwätzt, Vor Allen — den lieblichen Frauen. Giraffen-Trinklied Nun reicht mir ein Weltmeer mit kühlendem Naß, Und spitzet das Ohr zum Hören: Hier sitz' auf der Weisheit Stuhl ich baß, Das Trinken euch zu lehren! Das Trinken ist gar eine schwere Kunst! Vou Tausenden übt sie kaum Einer. Der trinkt zu schnell — zu langsam mit Gunst Der Andere; logisch trinkt Keiner! Es nippt der Mensch, es schleckt der Bär, Es saufen Philister und Pferde; Doch wissenschaftlich zu trinken, wer Vermag's rationell auf der Erde? Denn nicht wie viel, nein! wie man trinkt, Ist des Genusses Seele: Dem Trinker nur volles Genügen winkt, Der besitzt gleich mir eine Kehle! Ein Schlauch ist, wer die Gottesgab' In ungewehrter Welle Läßt rauschen zum finstern Orkus hinab Mit Niagara-Schnelle! Nur der spürt des Trinkens Seligkeit, Nur der schöpft aus den Vollen, Der den labenden Trunk fühlt lang und weit, Und immer weiter rollen. Führ' Einen Tropfen ich nur zum Mund Und lasse ihn gleiten zum Schlunde: Bis er erreicht des Magens Grund, Kühlt er mich Stund' um Stunde! So kann ich schwelgen ohn' Unterlaß In flüssigen Accorden: Eh' in der Tiefe das liebliche Naß, Ist der Gaum wieder trocken geworden! — Dies aber ist mein Ungemach, Der Trost meiner Neider und Hasser, Daß ich — ein Katheder-Trinker, ach! — Nichts anders genieße als — Wasser! Wärst du meine Heimat, fröhliche Pfalz, Das wär' den Schlemmern ein Ärger: Wie schmiegt' ich wonniglich den Hals Ans Faß — ans Heidelberger! Ich tränk' unter'n Tisch zu Boden schier Den ausgepichtesten Pfaffen — In der ganzen Schöpfung das seligste Thier, Kauft' ich mir den ersten — Giraffen! Nach drei Monden Kaum sind drei Monde drüber hingegangen: Der Herbstwind jagt die Blätter noch umher, Die damals grünten ... Todtes Sommerprangen, Kaum starbst du, und doch wein' ich schon nicht mehr. Nicht daß mir's in Vergessenheit zerstoben, Das weiße Häuschen im Gebüsch am See, Wo sich mein Herzschlag einmal noch erhoben, Im Hoffnungsrausch zu grenzenlosem Weh; Nein, täglich schleicht im Geist noch meine Trauer An jedem Strauche jenes Wegs vorbei, Wo mich geschüttelt jeder Wonneschauer Vom Freudenlächeln bis zum Jammerschrei. O jener Abend, wo an meiner Seite Sie hingewandelt unter meiner Hut, Ins tiefste Herz mir, wie ein blanker Degen, Bohrt sich sein Glanz und trinkt mein fiebernd Blut. Verhallend hinter uns das hohle Summen Der aufgeputzten steifgeschnürten Welt — Ringsum der Fluren friedliches Verstummen Vom Scheidekuß des müden Tags erhellt; Und vor uns, rosig wie die Stirne freier, Glücksel'ger Wesen aus dem Morgenland, Wogt aus der Tiefe fernem Nebelschleier Dort hinterm See der Berge Felsenwand. Und aus den Wellen rauschen weiche Klänge Wie Liebeslieder schmeichelnd an mein Ohr, Wie schmerzverklärte flehende Gesänge Der Jugend, die ihr erstes Glück verlor. Und flutend schmolz mir's in der Brust zusammen In mitleidselig drängend banger Lust — Ein Überwallen und ein Aufwärtsflammen ... Und deine Hand ergriff ich unbewußt. — Ohn' aufzuschaun, in athemlosem Schweigen, Verzaubert wandelten wir Hand in Hand: Du fühltest zitternd, daß ich ganz dein eigen; Ich fühlte jubelnd, daß du mich erkannt. Und es empfand das Herz des einsam Kranken, Sein rastlos Herz, was es noch nie empfand — Ein heimatselig ruhgewiegtes Danken: Geborgen fühlte sich's in deiner Hand. — O Mädchenliebe, gold'ne Eintagsblüte, Weh', daß dein Auferblühn zugleich dein Tod, Daß, die am Abend schauernd noch erglühte, Schon frostig starrt beim nächsten Morgenroth! Eh' man des Räthsels Schleier noch zerrissen, Entschwindet schon das ganze Truggesicht: Warum sie liebte? Niemand kann es wissen; Warum sie nicht mehr liebt? Man weiß es nicht. Und von dem kurzen Glück aus solchen Tagen Von all' der gläubig süßen Seligkeit Bleibt nichts als ein verschüchtert rathlos Fragen, Ein bitt'rer Zweifel und ein tiefes Leid. Der aber, dessen reinstes Fühlen immer Für's Sterben nur gelockt ward in das Sein, Dem schwindet nach und nach zu mattem Schimmer Der Jugendfrische glühnder Sonnenschein. Er sucht nicht mehr was nie er durft' erreichen, Und dennoch schläft sein Herz zur Ruh' nicht ein; Er weint nicht mehr auf seines Liebens Leichen, Und dennoch stöhnt tiefinnerst seine Pein. Mit trock'nem Blick und dennoch nicht genesen, Beschaut er regungslos sein todtes Glück: — So blick' auch ich, du räthseldunkles Wesen, Auf unsern kurzen Liebestraum zurück. Kaum find drei Monde drüber hingegangen: Der Herbstwind jagt die Blätter noch umher, Die damals grünten ... Todtes Sommerprangen, Ich denke dein, und weine doch nicht mehr. Die verlassene Mühle Das Wasser rauscht zum Wald hinein, Es rauscht im Wald so kühle, Wie mag ich wol gekommen sein Vor die verlaßne Mühle? Die Räder stille, morsch, bemoost, Die sonst so fröhlich herumgetost, Dach, Gäng' und Fenster alle Im drohenden Verfalle. Allein bei Sonnenuntergang Da knisterten die Äste, Da schlichen sich den Bach entlang Gar sonderbare Gäste, Viel Männlein grau, von Zwergenart, Mit dickem Kopf und langem Bart, Sie schleppten Müllersäcke Daher aus Busch und Hecke. Und alsobald im Müllerhaus Beginnt ein reges Leben, Die Räder drehen sich im Saus, Das Glöcklein schellt daneben; Die Männlein laufen ein und aus, Mit Sack hinein und Sack heraus, Und jeder von den Kleinen Scheint nur ein Sack mit Beinen. Und immer toller schwärmten sie Wie Bienen um die Zellen, Und immer toller lärmten sie Durch das Getos der Wellen; Mit wilder Hast das Glöcklein scholl, Bis alle Säcke waren voll, Und klar am Himmel oben Der Vollmond sich erhoben. Da öffnet sich ein Fensterlein, Das einzige noch ganze, Ein schönes bleiches Mägdelein Zeigt sich im Mondesglanze Und ruft vernehmlich durch's Gebraus Mit süßer Stimme Klang hinaus: „Nun habt ihr doch, ihr Leute, Genug des Mehls für heute!“ Da neigt das ganze Lumpenpack Sich vor dem holden Bildniß Und Jeder sitzt auf seinem Sack, Und reitet in die Wildniß; Schön Müllerin schließt's Fenster zu, Und Alles liegt in alter Ruh', Des Morgens Nebel haben Die Mühle ganz begraben. Und als ich kam am andern Tag In trüber Ahnung Schauern, Die Mühle ganz zerfallen lag Bis auf die letzten Mauern; Das Wasser rauschet neben mir hin, Es weiß wol was ich fühle, Und nimmermehr will aus dem Sinn Mir die zerfallne Mühle. Vom Mummelsee Im Schwarzwald Im Mummelsee, im dunkeln See Da blühn der Lilien viele, Sie wiegen sich, sie biegen sich, Dem losen Wind zum Spiele; Doch wenn die Nacht herniedersinkt, Der volle Mond am Himmel blinkt, Entsteigen sie dem Bade Als Jungfern an's Gestade. Es braust der Wind, es saust das Rohr Die Melodie zum Tanze; Die Liliennmädchen schlingen sich Von selbst zu einem Kranze; Und schweben leis umher im Kreis, Gesichter weiß, Gewänder weiß, Bis ihre bleichen Wangen Mit zarter Röthe prangen. Es braust der Sturm, es saust das Rohr, Es pfeift im Tannenwalde, Die Wolken ziehn am Monde hin, Die Schatten auf der Halde; Und auf und ab durch's nasse Gras Dreht sich der Reigen ohne Maß Und immer lauter schwellen An's Ufer an die Wellen. Da hebt ein Arm sich aus der Flut, Die Riesenfaust geballet, Ein triefend Haupt dann, schilfbekränzt, Vom langen Bart umwallet, Und eine Donnerstimme schallt, Daß in Gebirg es wiederhallt: „Zurück in eure Wogen, Ihr Lilien ungezogen!“ Da stockt der Tanz — die Mädchen schrein Und werden immer blässer. „Der Vater ruft: puh! Morgenluft! Zurück in das Gewässer!“ Die Nebel steigen aus dem Thal, Es dämmert schön der Morgenstrahl, Und Lilien schwanken wieder Im Wasser auf und nieder. Der Fels im Meere Du stehst ein Fels in unbegrenzten Meeren Und bietest Trotz den sturmgepeitschten Wogen, Die klein erst, wachsend zum gewalt'gen Bogen, Sich drohend thürmen, um dich zu verheeren. Doch machtlos stürzen all' die Wogen nieder; Du lachst der Wuth, die wider dich entbrannte, Des Sturmes, der dich sieggewohnt verkannte — Dein Widerstand erneut ihr Toben wieder. Doch wisse! unter jenen Wasserbergen, Da nagen unbeachtet kleine Wellen, Die nicht an deiner hohen Kraft zerschellen, Und ungesehn ihr großes Ziel verbergen. Des Sturmes Wuth macht dich nur siegestrunken. Wie kleinlich scheint der Kleinen rastlos' Streben! Sie mindern dennoch deiner Thaten Leben, Und eh' du's ahnst, ist — deine Kraft gesunken! Das Gewitter Urahne, Großmutter, Mutter und Kind, In dumpfer Stube beisammen sind, Es spielet das Kind, die Mutter sich schmückt, Großmutter spinnet, Urahne gebückt Sitzt hinter dem Ofen im Pfühl — Wie wehen die Lüfte so schwül! Das Kind spricht: „Morgen ist's Feiertag, Wie will ich spielen im grünen Hag, Wie will ich springen durch Thal und Höh'n, Wie will ich pflücken viel Blumen schön; Dem Anger, dem bin ich hold!“ — Hört ihr's, wie der Donner grollt? Die Mutter spricht: „Morgen ist's Feiertag, Da halten wir Alle fröhlich Gelag, Ich selber, ich rüste mein Feierkleid: Das Leben, es hat auch Lust nach Leid, Dann scheint die Sonne wie Gold!“ — Hört ihr's, wie der Donner grollt? Großmutter spricht: „Morgen ist's Feiertag, Großmutter hat keinen Feiertag, Sie kochet das Mahl, sie spinnet das Kleid, Das Leben ist Sorg' und viel Arbeit; Wohl dem, der that, was er sollt!“ — Hört ihr's, wie der Donner grollt? Urahne spricht: „Morgen ist's Feiertag, Am liebsten morgen ich sterben mag: Ich kann nicht singen und scherzen mehr, Ich kann nicht sorgen und schaffen schwer, Was thu' ich noch auf der Welt?“ — Seht ihr wie der Blitz dort fällt? Sie hören's nicht, sie sehen's nicht, Es flammt die Stube wie lauter Licht; Urahne, Großmutter, Mutter und Kind Vom Strahl miteinander getroffen sind, Vier Leben endet ein Schlag — Und Morgen ist's Feiertag. Der Reiter und der Bodensee Der Reiter reitet durch's helle Thal, Auf Schneefeld schimmert der Sonne Strahl. Er trabet im Schweiß durch den kalten Schnee, Er will noch heut' an den Bodensee. Noch heut' mit dem Pferd in den sichern Kahn, Will drüben landen vor Nacht noch an; Auf schlimmem Weg, über Dorn und Stein, Er braust auf flüchtigem Roß feldein. Aus den Bergen heraus in's ebene Land, Da sieht er den Schnee sich dehnen wie Sand. Weit hinter ihm schwinden Dorf und Stadt, Der Weg wird eben, die Bahn wird glatt. In weiter Fläche kein Licht, kein Haus: Die Bäume gingen, die Felsen aus; So flieget er hin eine Meil', und zwei, Er hört in den Lüften der Schneegans Schrei! Es flattert das Wasserhuhn empor, Nicht anderen Laut vernimmt sein Ohr; Keinen Wandersmann sein Auge schaut, Der ihm den rechten Weg vertraut. Fort geht's wie auf Sammt auf dem weichen Schnee. Wann rauscht das Wasser? wann glänzt der See? Da bricht der Abend, der frühe, herein, Von Lichtern blinket ein ferner Schein, Es hebt aus dem Nebel sich Baum an Baum, Und Hügel schließen den weiten Raum, Er spürt auf dem Boden Stein und Dorn, Dem Rosse gibt er den scharfen Sporn. Und Hunde bellen empor am Pferd, Und es winket im Dorf ihm der warme Herd. „Willkommen am Fenster, Mägdelein! An den See, an den See, wie weit mag's sein?“ Die Maid, sie staunet den Reiter an: Der See liegt hinter dir und der Kahn; Und deckt' ihn die Rinde von Eis nicht zu, Ich spräch': „Aus dem Nachen stiegest du.“ Der Femde schaudert, er athmet schwer: „Dort hinten die Ebne, die ritt ich her!“ Da recket die Magd die Arm' in die Höh': „Herr Gott! so rittest du über den See; An den Schlund, an die Tiefe bodenlos Hat gepocht des rasenden Hufes Stoß. Und unter dir zürnten die Wasser nicht? Nicht krachte hinunter die Rinde dicht? Und du ward'st nicht die Speise der stummen Brut, Der hungrigen Hecht' in der kalten Flut?“ Sie rufet das Dorf herbei zu der Mähr', Es stellen die Knaben sich um ihn her; Die Mütter, die Greise, sie sammeln sich: „Glückseliger Mann, ja segne du dich! Herein zum Ofen, zum dampfenden Tisch, Brich mit uns vom Brod und iß vom Fisch!“ Der Reiter erstarret auf seinem Pferd, Er hat nur das erste Wort gehört, Es stocket sein Herz, es sträubt sich sein Haar, Dicht hinter ihm grinst noch die grause Gefahr; Es siehet sein Blick nur den gräßlichen Schlund, Sein Geist versinkt in den schwarzen Grund. Im Ohr ihm donnert's, wie krachend Eis, Wie die Well' umrieselt ihn kalter Schweiß. Da seufzt er, da sinkt er vom Roß herab, Da ward ihm am Ufer ein trocken Grab. Lied eines abziehenden Burschen Bemooster Bursche zieh' ich aus, Behüt' dich Gott, Philisters Haus! Zur alten Heimat geh' ich ein, Muß selber nun Philister sein. Fahrt wohl, ihr Straßen grad' und krumm, Ich zieh' nicht mehr in euch herum, Durchtön' euch nicht mehr mit Gesang, Mit Lärm nicht mehr und Sporenklang. Was wollt ihr Kneipen all' von mir? Mein Bleiben ist nicht mehr allhier, Winkt nicht mit eurem langen Arm, Macht mir mein durstig Herz nicht warm. Ei grüß' euch Gott, Collegia! Wie steht ihr in Parade da. Ihr dumpfen Säle groß und klein, Jetzt kriegt ihr mich nicht mehr herein. Auch du von deinem Giebeldach Siehst mir umsonst, o Carcer, nach. Für schlechte Herberg', Tag und Nacht, Sei dir ein Pereat gebracht! Du aber blüh' und schalle noch, Leb', alter Waffenboden, hoch! Es stärkt den Geist die Wissenschaft, So stärke du des Armes Kraft. Da komm' ich, ach, an Liebchens Haus: O Kind, schau noch einmal heraus! Heraus mit deinen Äuglein klar, Mit deinem dunkeln Lockenhaar! Und hast du mich vergessen schon, So wünsch' ich dir nicht bösen Lohn; Such' dir nur einen Buhlen neu, Doch sei er flott, gleich mir und treu! Und weiter, weiter geht mein Lauf, Thut euch, ihr alten Thore, auf! Leicht ist mein Sinn, und frei mein Pfad, Gehab dich wohl, du Musenstadt! Ihr Freunde, drängt euch um mich her, Macht mir mein leichtes Herz nicht schwer, Auf frischem Roß, mit frohem Sang Geleitet mich den Weg entlang. Im nächsten Dorfe kehret ein, Trinkt noch mit mir von Einem Wein. — Und nun denn, Brüder, sei's, weil's muß, Das letzte Glas, den letzten Kuß! Nachruf Nur eine laß von deinen Gaben, Verschwund'ne Liebe, mir zurück! Nicht deine Freuden will ich haben, Nicht dein beseligendes Glück. O schenke nur den Schmerz mir wieder, Der so gewaltig mich durchdrang, Den tiefen Sturm der Klagelieder, Der aus der wunden Brust sich schwang! Ich will ja nicht ein fröhlich Zeichen, Auch keinen Blick, kein freundlich Wort; Nur nicht so stille laß mich schleichen, Aus dieser Ruhe treib' mich fort! Laß deine Wehmuth mich erfüllen, Flieh' weit, doch zieh' mein Herz dir nach! Gib mir den Durst, der nie zu stillen, Gib mir dein Leiden, deine Schmach! Dein Seufzen, deine Last, dein Sehnen, Was And're nur an dir verschmähn — O gib mir Alles, bis mir Thränen In den erstorb'nen Augen stehn! Im Herbst Was rauscht zu meinen Füßen so? Es ist das falbe Laub vom Baum! Wie stand er jüngst so blütenfroh Am Waldessaum! Was ruft zu meinen Häupten so? Der Vogel ist's im Wanderflug, Der noch vor Kurzem sangesfroh Zu Neste trug. Mein ahnend Herz, was pochst du so? Du fühlst den Pulsschlag der Natur, Und daß verwehen wird also Auch deine Spur! Vor deinem Garten Vor deinem Garten bin ich heut' gegangen, Dahin ist all' sein Schmuck, sein holdes Prangen, Die Blumen senken traurig drin ihr Haupt, Der rauhe Herbstwind hat den Baum entlaubt. Ich suchte dich, wo zur gewohnten Stunde Ein Gruß mir ward aus deinem lieben Munde, Verödet war der Platz und trüb' und leer, Ich suchte dich, — ich fand dich nimmermehr. Da streut der Herbstwind aus der kleinen Laube Ein letztes grünes Blatt mir zu. Ich glaube, Es klang dazu ein Gruß von dir im Wind Aus weiter Ferne her, verlass'nes Kind. O hoffe nur! Es wird auf dieser Erden Noch deinem liebsten Wunsch Erfüllung werden, Gewiß noch streut das Glück in holder Gnad' Dir Blüten, frische Blüten auf den Pfad. Ein trüber Gedanke Die Lockungen der Freude dringen Von allen Seiten auf mich ein, Mir aber will es nicht gelingen, So recht vom Herzen froh zu sein. Wie Geisterstimmen hör' ich's beben Durch jede heitre Melodie: Hier Tanz und Spiel und Lust und Leben, Und — anderswo verhungern sie! Und zähl' ich meine kargen Schätze, Und dank' ich meinem Gott im Geist, Daß ich getrost zum Tisch mich setze, An dem mein Fleiß mich sattsam speist, So will mein Brod nicht recht mir munden, Das gnädig mir der Herr verlieh: Ich hab' es ohne Schweiß gefunden, Und — anderswo verhungern sie! Und schling' ich liebend meine Arme Um Weib und Kind, um meine Welt, So thu' ich's doch nicht sonder Harme, Ich fühle, daß mir etwas fehlt; Ich kann sie schützen vor Entbehren, Sie darben und sie frieren nie: Welch Glück, sein Weib, sein Kind zu nähren, Und — anderswo verhungern sie! Ich gönne Jedem seine Wonnen, Ich lasse Jedem seinen Brauch, Ich habe meinen Platz zum Sonnen, Und wünsch' ihn jedem Andern auch. Ich denke nie mir: „Wär' ich reicher!“ Doch wär' ich's, oh! ich wüßte, wie? Ich dächte: „Du hast volle Speicher, Und — anderswo verhungern sie!“ Mir ist die Kunst ein Gast vom Himmel, Der Rosen uns auf's Leben streut, Nur bangt mir vor dem Kunstgetümmel: Es übertäubt den Ernst der Zeit; Es ist mehr Trunkenheit als Segen, Ich such' umsonst die Harmonie: Hier Blumenhagel, Demantregen, Und — anderswo verhungern sie! Sie faseln viel von Menschenliebe, Sie streiten über Mein und Dein, Sie greifen in das Weltgetriebe Mit Schülerhänden meistens ein; Sie streuen goldne Zukunftsaaten, Sie rühmen prahlend, was gedieh, Sie sprechen, schreiben und berathen, Und — anderswo verhungern sie! Das eben scheucht mir von der Stirne Die echte, rechte Fröhlichkeit; Was schläft in einem Dichterhirne Zum Troste für die Noth der Zeit? Was halfen je noch Reim und Lieder Dort, wo um Brod der Jammer schrie? Aus jeder Zeile tönt mir's wieder: „Ach, anderswo verhungern sie!“ Brunnengeplätscher Die Nacht, die verschwiegene, breitet sich aus, Und löschet die Lichter von Haus zu Haus, Und hüllt sie in duftigen Schleier; Da lehn' ich am Fenster, der Mond ist so klar, Mir streichen die kühligen Weste durch's Haar, Die Seele zerfließt mir in Feier. Kein Laut und kein Lispel, kein leises Geschrill, Rings alles so einsam und alles so still, Und alles in Schweigen versunken; Nur mir gegenüber der Brunnen ist wach Und sprudelt den Strahl noch lebendig und jach In's Becken voll glänzender Funken. Sein Rieseln und Rauschen allein unterbricht Die lautlose Stille, doch störet es nicht, Es lockt nur den zögernden Schlummer; — Wolan denn zur Ruhe! Du glückliche Rast, O kämst du doch auch, ein willkommener Gast, Zum wachenden, weinenden Kummer! Denn hört' ich sie alle die Thränen vereint, Die, still nun zur nächtlichen Stunde geweint, Das Polster, das glühende, nässen: So rieselt' und rauscht' es wol lauter, als hier Der rieselnde, rauschende Brunnen vor mir, — Es wär', um des Schlafs zu vergessen! Der todte Soldat Auf ferner, fremder Aue Da liegt ein todter Soldat, Ein ungezählter, vergess'ner, Wie brav er gekämpft auch hat. Es reiten viel Generale Mit Kreuzen an ihm vorbei; Denkt keiner, daß, der da lieget, Auch werth eines Kreuzleins sei. Es ist um manchen Gefall'nen Viel Frag' und Jammer dort, Doch für den armen Soldaten Gibt's weder Thräne noch Wort. Doch ferne, wo er zu Hause, Da sitzt, beim Abendroth, Ein Vater voll banger Ahnung, Und sagt: „Gewiß, er ist todt!“ Da sitzt eine weinende Mutter Und schluchzet laut: „Gott helf'! Er hat sich angemeldet: Die Uhr blieb stehn um Elf!“ Da starrt ein blasses Mädchen Hinaus ins Dämmerlicht: „Und ist er dahin und gestorben, Meinem Herzen stirbt er nicht!“ — Drei Augenpaare schicken, So heiß es ein Herz nur kann, Für den armen, todten Soldaten Ihre Thränen zum Himmel hinan. Und der Himmel nimmt die Thränen In einem Wölkchen auf, Und trägt es zur fernen Aue Hinüber in raschem Lauf; Und gießt aus der Wolke die Thränen Aufs Haupt des Todten als Thau, Daß er unbeweint nicht liege Auf ferner, fremder Au'. Täuschung Seht ihr dort die beiden Berge, Wie sie dastehn eng vereint, Daß beim ersten Blick das Auge Einen nur zu schaun vermeint? Und doch sind sie streng geschieden Von dem Fuße bis zum Joch, Manche Kluft mit manchen Schlünden Gähnet zwischen beiden noch. Seht, wie diesen Bergen geht es Meinem Glück und meinem Ich; Wer mich flüchtig sieht, vom weiten, Wähnt das Glück gebannt an mich; Wer mir aber in die Tiefen Meiner Seele blickt, erkennt, Welche tiefe Kluft der Schmerzen Mein Gemüth vom Glücke trennt! Enttäuschung Die Jugend weiß nicht, was sie treibt. Sie schwärmt, sie liebt, sie lebt und leibt, Sie kennt nicht den Teufel, der in ihr steckt, Der sie erweckt, erschreckt und neckt; Sie glaubt, daß alles vom Himmel stamme, Was hell und heiß wie himmlische Flamme. Im Alter sieht sich das anders an, Der schöne, himmlische Traum zerrann, Das glänzende Feuerwerk ist verpufft, Das schwarze Gerüst nur starrt in die Luft. Mutterthränen Eine Thrän' im Mutterauge! Wilder Knabe! Wilder Knabe! Denken wirst du dieser Thräne, Wenn dein Schritt sich naht dem Grabe. Eine Thrän' im Mutterauge, Kummervoll und liebeschwer! Deinetwegen, wilder Knabe! Nie vergissest du sie mehr. Mama bleibt immer schön! Durch's grünumrankte Fenster blickt Die Sonne ins Gemach; Großmutter sitzt und nickt und strickt, Sie nickt den ganzen Tag. Ihr Haar ward weiß; es grub die Zeit Viel tiefe Furchen ein. Zu ihren Füßen tändelnd kniet Ihr jüngstes Enkelein. — „Was nickst du denn so immerzu?“ Die kleine Unschuld spricht, „Großmutter! gar nicht schön bist du! Dein Haar gefällt mir nicht — Und überm Auge auf der Stirn Die große Falte da! Es ist Mama viel schöner doch! Wie schön ist doch Mama!“ Großmutter sieht den Liebling an: „Schönheit vergehet bald! Das Alter hat's mir angethan Und auch Mama wird alt!“ „Mama?“ — Des Kindes Aug' umzieht Ein Hauch von Kümmerniß — „O nein! Mama bleibt immer schön! Das weiß ich ganz gewiß!“ Hätt' es nimmer gedacht — Hätt' es nimmer gedacht, Daß ein Strom so heiß, Im Winter würd' Zu starrem Eis. Daß ein Ringlein von Gold, So den Finger schmückt, Wie'n Mühlstein schwer Auf die Seele drückt! Daß nach prangendem Tag So stürmisch die Nacht, So krank das Herz! — Hätt's nie gedacht. Die zweite Frau „Er hat geweint! Er hat geklagt! Unheilbar schien sein tiefer Schmerz!“ „So haben sie zu mir gesagt. — O Gott! wie ist mir weh um's Herz! Weiß selbst und kann's vergessen nimmer — Ich sah die Thräne ja genau, Als er mich führte in sein Zimmer Und vor das Bild der ersten Frau.“ - Das Nähgeräth — es ruht schon lang, Fiel unbemerkt zur Erde hin. Sie stiert es an und seufzet bang: „Und doch könnt' nie ich lassen ihn!“ Dann mild sich ihre Blicke heben: „Du thöricht Herz! warum so trüb! Mög' er dein Zweifeln dir vergeben — Ich weiß! ich weiß! er hat dich lieb!“ „Still! hört' ich nichts!?“ Sie schaut umher, — Halb offen ist des Zimmers Thür. — „Es war sein Schritt! Wo bleibet er? Sonst kam er immer gleich zu mir, Sank an das Herz mir liebetrunken!“ — Sie stehet auf. Zur Thüre schau! Ihn sieht sie, wie er still versunken Steht vor dem Bild der ersten Frau. Er sieht sie nicht; er merkt sie nicht. Ihr Auge starrt. Ihr Herz ist schwer, Und leichenblaß ihr Angesicht. Stumm zu dem Bilde blicket er. Sie schleicht zurück. Sie setzt sich nieder: „O Gott! er liebt sie mehr als dich! Zu ihr hin treibt's ihn immer wieder! Unglücklich er! Unglücklich ich!“ Sie schreckt empor. Die Diele kracht. Sie stiert ihn an, so kalt, so hohl. — „Was hat dich denn so bleich gemacht, Mein liebes Weib? Dir ist nicht wohl! Mein liebes Kind, was macht dir Schmerzen?“ Sie schaut ihn stumm und fragend an, Ruht schluchzend dann an seinem Herzen: „O du mein einz'ger, einz'ger Mann!“ Heimat Und ich liebe sie doch! — — Dumpf und trübe Nannte ich oft Die Glocken der Heimat, Doch heute klingen sie über das Meer So wehmuthselig, So wunderbarlich, Daß selbst mein lachendes Herz Ihr Echo wird. Wie ein Bild der Zauberin, Der Dichterfreundin Morgana, Erblick' ich ferne am Horizonte, Wehmüthig winkend Die Gärten und Wiesen, Das schwarzbeschieferte Haus Mit den grünen Fenstern, Und am Fenster zum Garten Seh' ich die Mutter. Auf ihren Knieen Ruhet ein Buch — Sie liest in dem Buche. Ich seh' es genau, — Es ist das Buch, Das einst dem Sohne Mit Thränen sie schenkte, Und das der Sohn, Als er fortging — Vergaß. Sie liest die Worte, Die eigenhändig Aus warmem Herzen „zu stetem Gedenken“ Sie eingeschrieben — Ich glaub', eine Thräne Fällt heiß auf die Bibel. — Wehmüthig über das Meer Klingen die Glocken der Heimat. Heimatklänge Aus der „Neuen Odyssee“ Was blickt mein Auge zwischen Meer und Dünen Auf schwankem, sturmbewegten Element? Was hebt die Brust mir, was erhebt den kühnen, Den frohbewegten Blick zum Firmament? Was rauscht es um mich wie Prophetenflügel, Was schimmert in der Sterne hellem Glanz, Was trägt so fern mich über Thal und Hügel? — Die Ahnung meines trauten Heimatlands. Was klingt so hold in frohbewegter Brust? Des Wiedersehens hohe Götterlust! Seh' ich sie einmal noch, bevor ich sterbe, Das heißgeliebte, holde Eh'gemahl? Ruft mir willkommen meines Stammes Erbe Nach herber Trennung sehnsuchtsvoller Qual? Sing' ich ihm wieder Sagen und Legenden Von der Olympier wunderthät'gen Schaar, Darf Freudenopfer ich mit ihnen spenden An der Penaten heiligem Altar? Was klingt so hold in frohbewegter Brust? Des Wiedersehens hohe Götterlust! Es singt von frohen, sonnenhellen Tagen, Es duftet nach der Heimat Blütenspur, Ich sehe meines Hauses Zinnen ragen, Ich ahne meine kornbewachs'ne Flur. Schon winken des Getreides volle Halme Der lenzgesäten, hoffnungsreichen Saat, Schon breitet schattig sich die Friedenspalme Entgegen meinem dornenvollen Pfad ... Was klingt so hold in frohbewegter Brust? Des Wiedersehens hohe Götterlust! Die neue Loreley Aus der „Neuen Odyssee“ Nun weiß ich, was soll es bedeuten, Das Lied von der Loreley: Das Märchen aus alten Zeiten — Uns wurde es wieder neu! Die deutscheste Jungfrau sitzet Auf hohem, felsigem Stein, Ihr leuchtender Harnisch blitzet, — So hält sie die Wacht am Rhein! Es kamen zum Rhein die Franzosen, Ein kampfesmuthiger Troß, Mit übermüthigem Tosen, Mit Sturm- und Donnergeschoß! Da klang die goldene Leier, Da sang die Loreley: Da stürmte Armin, der Befreier, Mit Deutschlands Helden herbei. Sie scheuten keine Gefahren; Der Sieg, er wurde ihr Lohn; Auf Loreley's goldigen Haaren Glänzt goldig die Kaiserkron'! Des Rheines Wellen verschlingen Die übermüthig ihm nah'n: Auch das hat mit ihrem Singen Die Loreley gethan! Heilung In einer schlichten Hütte kehrt' ich ein, Großmütterchen, es stand am Herde Und tröstete das kleine Enkelein, Das aufschrie mit gar schmerzlicher Geberde! Das arme Kind, es hat die kleine Hand Den Flammen allzunah geführet Und sich ein zartes Fingerlein verbrannt, Die Alte war so tief gerührtet! Die Liebe gab ihr rastlos Wort um Wort, Es drang vom Herzen zu dem Munde; Dann führte sachte sie das Kindlein fort, Hinaus zum kühlen Gartengrunde! Dort grub ein Grübchen sie, hob Erde leis', Und sprach mit wissender Geberde: Ob eine Wunde noch so tief und heiß, Sie heilt ein Bischen kühler Erde! — Die Hütte schwand, ich sah' die Welt so weit, Das Kind erwuchs, die Jahre gingen — Ich aber konnt nunmehr für alle Zeit Das Bild nicht aus der Seele bringen! Ich sah die Alte bei des Grübchens Kreis, Und hört' bei jeglicher Beschwerde: Ob eine Wunde noch so tief und heiß, Sie heilt ein Bischen kühler Erde! Wie soll ich dich denn nennen? Wie soll ich dich denn nennen, Da Allem Namen ward? Das sel'ge Wort zu kennen, Blieb mir noch aufgespart. Ich denk' an Himmel und Sterne, An Meer und Blumen der Flur — Das sel'ge Wort bleibt ferne, Wie nenne, nenn' ich dich nur? Ei Himmel, Sonnen und Sterne, Und Flur und Perlen gesellt! — Du bist mir mehr als Alles, Du bist mir eine Welt! Es steht ein Baum im Walde Es steht ein Baum im Walde Und trägt ein frommes Bild, Es ist tief eingewachsen Im Stamm und Markes-Schild. Die andern Bäume sinken, Der eine mit dem Bild, Er bleibt und blüht und duftet, Aus ihm da grüßt es mild! Ich bin der Baum im Walde, Und du, im Herzen mein, Du bist das Bild voll Gnade, So lieb und hold und rein! Die Jahre gehn und sinken, Es stürzt der Menschenwald — Ich rage und ich zeuge Von deiner Huldgestalt! Kindergebet Wenn ein Kindlein faltet fromm die Hände Und die Mutter lehrt ihm ein Gebet, Durch die Schöpfung, bis zum fernsten Ende, Ein gar heilig süßes Schauern geht! Denn die Liebe zieht zur ew'gen Liebe, Und das Heil, es waltet Nacht und Tag — Ob erfüllt, versagt das Flehen bliebe, Herz, sei still! wer weiß, was frommen mag! Ich nehm' es leicht Ich nehm' es leicht, Ob Schweres auch zu tragen! Halb ist erreicht Ein Ziel, durch frohes Wagen. Wer wird erst stehn und zagen, Die Frische weicht; — Ob Schweres auch zu tragen, Ich nehm' es leicht! Ich nehm' es leicht, Wie auch die Loose fallen! Die Zeit verstreicht Zu rasch ja mit uns Allen ... In Hütten wie in Hallen Die Locke bleicht; — Wie auch die Loose fallen, Ich nehm' es leicht! Die Eichensaat Wie waren die Mönche zu Dünwald so klug! Sie suchten in den Briefen und fanden genug; In alter Pergamente gebräunter Schrift Sahen sie von mancher blökenden Trift. Sie zeigten auch dem Junker zu Schlebusch eins, Im krausen Style guten Klosterlateins: Des Klosters seien, wie da geschrieben stand, Wol hundert Morgen von des Junkers Land. Das begriff der schlichte, biedre Junker schwer: Was er besessen von Urvätern her, Worauf er geerntet so lang und so viel, Wie der Acker plötzlich dem Kloster verfiel. Der Prior brachte den Handel vor Gericht: Da wußten sich die Schöffen zu rathen nicht. Der Schultheiß dingte so manche Tagefahrt: Der Verwicklung wurde kein Ende gewahrt. Zuletzt der Junker üblen Muth gewann, Als ihm die Mönche drohten mit Acht und Bann, Man schürt ihm vor der Kanzel die Hölle so heiß; Er dacht': „Ich will bezahlen das Lügengeschmeiß.“ „Wolan, ich biete die Hand zum Frieden dar, Ihr sollt besitzen, was niemals euer war, Und weil ich ungezwungen euch Abstand that, Sei mir bewilligt noch eine letzte Saat.“ Da schmunzelten die Brüder und schlugen ein: Den Vergleich verbrieften die Schöffen fein, Ihn bestärkten beide mit heil'gem Schwur; Jedweder zufrieden dann nach Hause fuhr. Das währte von Weihnachten bis Hagelzeit: Da pflegen die Gläubigen noch jetzt weit und breit Mit Kreuz und Fahne die Felder zu umgehn, Den Himmel um Gedeihen der Saaten zu flehn. Als sie nun kamen an das streitige Feld, Das im Herbst der Junker zuletzt bestellt, Wol haben die Mönche neugierig hingeschaut, Was doch auf ihrem Acker für Frucht sei gebaut. „Zartgrüne Blättchen, buchtig ausgeschweift: Was ist's, das der Ernte hier entgegenreift! Es ist nicht Korn noch Weizen — o Schmach in der That! — Wir sind betrogen — es ist Eichelsaat. Uns wird kein Zahn mehr schmerzen, wenn man mäht: Ein Fuchs ist der Junker, das sehn wir jetzt zu spät. Was hilft uns, zu verschreien den häßlichen Streich? Zu deutlich redet der unsel'ge Vergleich.“ Aber lustig wuchsen die Eichen empor, Bald knallte dort im Grünen des Junkers Rohr, Noch sah er zur Lohe schälen manchen Schaft, Er trank sich noch Stärkung aus braunem Eichelsaft. Als aber weiter stürmte die Zeit im Saus, Die Wipfel schauten über das Klosterhaus, Da sahn sie grüne Gräber, wo längst in Ruh Abt und Prior schliefen und die Mönche dazu. Und höher hob sich der stolze Eichenforst, Und als die grüne Rinde verkrustend borst, Da schüttelten die Kronen ihr herbstlich Laub Auf des Klosters Mauern in Schutt und Staub. Warnung vor dem Rhein An den Rhein, an den Rhein, zieh' nicht an den Rhein, Mein Sohn, ich rathe dir gut: Da geht dir das Leben zu lieblich ein, Da blüht dir zu freudig der Muth. Siehst die Mädchen so frank und die Männer so frei, Als wär' es ein adlig Geschlecht: Gleich bist du mit glühender Seele dabei, So dünkt es dich billig und recht. Und zu Schiffe, wie grüßen die Burgen so schön Und die Stadt mit dem ewigen Dom! In den Bergen, wie klimmst du zu schwindelnden Höhn Und blickest hinab in den Strom! Und im Strome, da tauchet die Nix' aus dem Grund, Und hast du ihr Lächeln gesehn, Und grüßt dich die Lurlei mit bleichem Mund, Mein Sohn, so ist es geschehn. Dich bezaubert der Laut, dich bethört der Schein, Entzücken faßt dich und Graus: Nun singst du nur immer: Am Rhein, am Rhein, Und kehrst nicht wieder nach Haus. Tief eingeprägt Tief eingeprägt in dem Gemüthe Ist mir ein Bild voll Licht und Trost, Von einer holden Rosenblüte, Die aus zerborst'nem Schutte sproßt. Es starrt ein Feld von Steinruinen, Wirr durcheinander liegt Geröll, Daraus vom Morgenstrahl beschienen Blinkt eine junge Rose hell. Mein Herz wol auch, das freudenlose, Zerborst'nem Mauerwerke glich, Draus rankt an's Licht jetzt eine Rose Und hauchet leis: „Ich liebe dich.“ Die Dichtung Von längst versunk'nen, wunderbaren Schätzen Erzählt die Sage mit dem Kindesmunde, Die in der Erde allertiefstem Grunde Das Auge des Beschauers schimmernd letzen. Doch wer den Spaten will ins Erdreich setzen, Zu graben nach dem goldesreichen Funde, Der muß es einsam thun in nächt'ger Stunde, Sonst wandelt seine Lust sich in Entsetzen. Nicht lügend meldet dies der Sage Wort: Die Dichtung ist solch' märchenhafter Hort, Vergraben in des Herzens tiefstem Grund. Erschauernd, ernst und einsam hebt an's Licht Der Dichter ihn, ... und thut er's also nicht, Dann wird ihm nie geheimer Zauber kund! Erheiterung durch Thränen Die Wolken ziehn herüber So dicht gedrängt und grau, Und trüber, immer trüber Wird rings des Himmels Blau. Und du, wie ist entflogen Dir alle Heiterkeit, Die Seele überzogen Von unnennbarem Leid! Die Wolken strömen nieder, Wie blau der Himmel scheint! Wie heiter bist du wieder! Hast du vielleicht geweint? Ein Tannenreis Ich sah dich schaukeln im Morgenhauch Im freien Walde droben; Die Nebel hatten um Baum und Strauch Flatternde Schleier gewoben. Ich sah dich schaukeln im Lichtermeer Am grünen Weihnachtsbaume ... „Gott in der Höhe sei die Ehr'!“ — Ich sang es wie im Traume. Nun seh' ich dich liegen welk im Buch Und denke vergangener Zeiten ... Da flattert im Walde das Nebeltuch, Die Weihnachtsglocken sie läuten! Mein Lied Mein Lied ist kurz — was liegt daran? Kurz wie des Lebens Lauf; Und wer's nicht weiter dichten kann, Der geb' das Hören auf. Den Himmel dir kein Dichter bringt, Stellt nur die Leiter an, Drauf, wer's versteht, sich lustig schwingt Zum Himmelreich hinan! Mutterliebe Ein blühend Weib kniet an des Altars Stufen Im Trauerkleid und mit verweinten Blick, Der Priester ihr zur Seit' sucht wach zu rufen Den Glauben an die Wiederkehr zum Glück — Sie aber beugt der Kummer tief zur Erde Und sie spricht sanft mit bittender Geberde: „Es starb mein Mann, ein Kind ist mir geblieben, Das kummervoll ich unter'm Herzen trag', Denn meine Eltern wollen es nicht lieben, Verstoßen es, wie ich auch flehen mag, Weil einst mein Herz es wagte zu entbrennen Für ihn, den grollend ihren Feind sie nennen. Das Vaterhaus bleibt nur der Wittwe offen, Verschlossen ist es für mein armes Kind, Drum ist die Kirche nun mein einz'ges Hoffen, Sie schützt und liebt, wenn andre fühllos sind, Wenn wahrer Liebe seligstes Gewehren Sich für mein Kind zum Fluche will verkehren. Drum schirm' o Herr! mein Liebstes, wenn's geboren, Ich muß mich trennen, sei's denn rasch vollbracht, Ist gleich der Mutter alles Glück verloren Das diese Welt für sie zum Himmel macht, Ich will's mit Thränen, aber schweigend tragen, Darf ich nur für mein Höchstes nicht mehr zagen!“ So spricht das Weib zum Priester leis' mit Beben, Er hört's mit tiefem Ernst und sieht zum Grund — „Du zitterst, Weib!“ ruft er, „für's eig'ne Leben, Und Feigheit ist, was Oper nennt dein Mund, Ein starkes Herz theilt seines Kindes Leiden, Kauft eig'nes Glück nicht durch des Engels Scheiden! Doch wie du willst, so sei's nur sollst du küssen Dreimal dein Kind, sobald es liegt vor dir, Schwör', daß es dreimal deine Lippen grüßen, Hast du's gethan und fühlst wie jetzt — gib's mir!“ „Ich schwör's: ich küss' es dreimal!“ spricht die Arme, Der Priester fleht: „Herr, ihrer dich erbarme!“ Die Stunde naht, das Kind begrüßt das Leben, Es zu entfernen, ist man rasch zur Hand, Doch wagt die Mutter dem zu widerstreben, Umschlingt das Kind, das man ihr fast entwand: Sie denkt des Priesters und was sie geschworen, Umschlingt das Kind, das sie in Schmerz geboren. Sie küßt's zum erstenmal und Himmelswonnen Durchströmen sie mit nie geahnter Lust, Sie küßt's zum zweitenmal und heil'ge Bronnen Der Mutterlieb' erschließt des Weibes Brust, Sie küßt's zum drittenmal und wie zwei Flammen So schlagen beide Herzen heiß zusammen. Und wie der Priester naht, das Kind zu nehmen, Und spricht: „Du hast's geküßt, nun ist es mein!“ Da glüht des Weibes Wang' in holdem Schämen, Sie schließt das Kind in ihre Arme ein, Preßt's an die Brust, und will mit ihm eh' sterben, Mit ihm nun theilen Glück Noth und Verderben. „Im Kuß erwacht“, spricht sie, „ist das Erkennen: Eins sind für immer Mutter und ihr Kind! Dem Weibe Schmach, das sich von ihm kann trennen, Das schwankend wie das Rohr, gebeugt vom Wind, Nicht Muth hat, all sein Glück, sein Leben Für seines Daseins Blüte hinzugeben!“ Laßt mir mein Kind, Glück lag in Eurer Lehre, Ich zieh' mit ihm jetzt in die Welt hinaus, Das Elternhaus und was ich sonst entbehre, Es füllt's mein Mutterglück mir reichlich aus, Und wenn ihr einsam steht in Eurer Zelle Denkt an uns zwei auf sturmbewegter Welle!“ Verstoßen mit dem Kind daheim von Allen Und doch so froh das Weib zur Fremde zieht; Der Priester aber in des Klosters Hallen Spricht wehmuthsvoll, da er sie scheiden sieht: „Der reinsten Liebe holde Engel schweben Um Weib und Kind beim ersten Kuß im Leben.“ Fragen Hat sich je das große Ganze Meines Theiles angenommen? Ist mir aus des Lebens Tanze Je ein Freudenstrahl erglommen? Hat die Menschheit hold und sinnig Mich in ihren Kranz gewunden? Gab's ein Herz, das warm und innig Meine Seele durchempfunden? Wenn ich strebte, wenn ich wagte, Mochte mich die Welt belohnen? Wenn ich trauerte, verzagte, Mich ermuntern oder schonen? Starrten, die mir That empfohlen, Nicht zur That hinauf wie Laffen? Die mich schmähten unverhohlen, Haben sie gewirkt, geschaffen? Wenn ich zu verschmachten meinte, Lud' ein Prasser mich zu Tische? Wenn ich vor Altären weinte, Sprang ein Engel aus der Nische? Wenn ich drum entfremdet wandle Zwischen Schatten, unter Trümmern, Und dem Teufel mich verhandle, Hat sich Jemand drum zu kümmern? Feiertag Sabbatliche Stille, Alles pflegt der Ruh' — Pochend Herz nun ruhe, Ruh' auch du! Laß die Leidenschaften Schweigen auch einmal, Flieh', was um den Frieden Dich bestahl! Einkehr bei dir selber Halt' für dich allein; Laß die tausend Sorgen Nicht herein! All die wilden Wünsche Weise streng' zur Ruh'; Sei am Feiertage Still auch du! Im Thorweg Es glänzt die laue Mondennacht, Die alten Giebel ragen, Das Bündel ist zurecht gemacht, Im Thorweg steht der Wagen. Und unterm Thorweg standen Zwei, Kein Dritter stand daneben, Die sprachen noch von Lieb' und Treu' — Dann geht's hinaus ins Leben. Das letzte Röslein gab sie ihm Und gab ihm beide Hände Und küßt ihn sacht — und wie er ging, Da ging ihr Trost zu Ende. Der Hufschlag dröhnt, das Posthorn schallt, Durch's Thor hin rollt der Wagen. Ihr war, als hätt' er all ihr Glück Im Bündel fortgetragen. Fieberträume Wie einsam ist ein Krankenbett! An's Fenster fliegen dichte Flocken, Die Mutter sitzt bei mir und strickt, Und draußen hallen dumpf die Glocken. S'ist Dämmerzeit und in der Brust Da pocht das heiße heiße Fieber, An den geschloss'nen Augen ziehn Die Bilder wirbelnd mir vorüber. Da plötzlich stand ein Bild vor mir: Das war ein trautes warmes Stübchen, Und lachend saß am Fenstersims Bei ihrem Schatz mein schönes Liebchen. Zwei Röslein standen auf dem Tisch Im hellen Glas mit duft'gem Prangen, Mir war zu Muth als wären es Die Rosen meiner bleichen Wangen. Ich sah ihr fröhlich Minnespiel, Wie Dornen stach's mir ins Gemüthe, Und tiefer in den heißen Pfühl Preßt' ich die Stirn, die zornerglühte. Die Mutter aber horcht und rückt Die Decke sacht, die buntgesäumte, Und küßt die nassen Augen mir, Als wüßte sie — von wem ich träumte! Neujahrsnacht Neujahrsnacht war's. Das alte Weh Stieg auf in dieser Nacht der Weihe, Die Sterne blitzten überm Schnee, Mich aber trieb's hinaus ins Freie. Und durch die Gassen schritt ich sacht Und suchte deines Hauses Schwelle, Wie der Geächtete bei Nacht Die Heimat sucht, die theure Stelle. So Manche nahen morgen dir Und bringen lachend Glück und Segen. O laß mich Nachts vor deine Thür Die Grüße des Verbannten legen. Abschied Nun sind sie vorüber, jene Stunden, Die der Hinmel unsrer Liebe gab, Schöne Kränze haben sie gebunden, Manche Wonne floß mit ihnen ab. Was der Augenblick geboren, Schlang der Augenblick hinab, Aber ewig bleibt es unverloren, Was das Herz dem Herzen gab. An Dichter und Leser Willst du dichten — sammle dich, Sammle dich wie zum Gebete, Daß dein Geist andächtiglich Vor das Bild der Schönheit trete: Daß du deine Züge klar, Seine Fülle tief erschauest, Und es dann getreu und wahr Wie in reinen Marmor hauest. Willst du lesen ein Gedicht — Sammle dich wie zum Gebete, Daß vor deine Seele licht Das Gebild des Dichters trete, Daß durch seine Form hinan Du den Blick dir aufwärts bahnest Und, wie's Dichteraugen sahn, Selbst der Schönheit Urbild ahnest. Das Grab zu Würzburg Im Lorenzgarten liegt ein Stein An einer kühlen Stelle, Da schwirren die Vöglein aus und ein Und pfeifen und singen helle. Es ist ein alter Leichenstein, Von Trauerweiden beschattet, Darunter liegt im engen Schrein Ein Sängerherz bestattet. Die Vöglein waren seine Lust, Es hörte gern ihr Singen, Und hüpfte selber in der Brust, Wie muntre Vöglein springen. Der Sänger lauschte mit Genuß, Der Lerche Ton zu lernen; Auch schallt sein Lied wie Morgengruß Aus himmelblauen Fernen. Er lernte von der Nachtigall Das innigliche Kosen, Drum singt er oft mit süßem Schall Von Minnelust und Rosen. Auch liebt' er wie die Vögelein Ein Wanderleben zu führen, Und Gärten und Felder aus und ein Die Flügel frisch zu rühren. So streift' er über den Wiesengrund Und über den Bergesgipfel, Bis er ein warmes Nestchen fund Auf einem stolzen Wipfel. An Vögel mahnt des Sängers Nam', Ein Vöglein saß im Schilde, Und als er nun zu sterben kam, Bedacht' er sie gar milde. „Vier Löchlein höhlt in meinen Stein Und senkt darein vier Tröglein Und schüttet Wasser und Körner ein Für meine lieben Vöglein!“ Und was er bat im letzten Drang, Willfahret ward ihm eilig; Die Klosterbrüder hielten lang' Des Sängers Willen heilig: Herr Walther von der Vogelweid' Ist unser Meister geheißen; Noch fliegen die Vögel aus Wald und Haid' Und singen ihm frische Weisen. Eine Handvoll Staub Vom Staube, den der Wind zuhauf Mir wirft zu Füßen mit Verachten, Heb' ich mir eine Handvoll auf, Die Körnlein sinnend zu betrachten. Ihr Stäubchen, die der Wind verweht, Als wäret ihr zu nichts entstanden, Ich weiß, so lang die Schöpfung steht, Seid ihr in ihrem Reich vorhanden. Wie vielmal seit Jahrtausenden Habt ihr wol die Gestalt vertauschet! Ihr wart wol einst von brausenden Weltmeereswogen überrauschet? ... Vielleicht erglänztet ihr einmal An einem frischen Blütenlaube, Und als erlosch sein Farbenstrahl, Da wurdet ihr zu dürrem Staube ... Vielleicht einmal entschwebtet ihr Auf eines Vögeleins Gefieder, Und als verging der Flügel Zier, Zerfielet ihr in Asche wieder ... Euch trug vor grauer Zeit vielleicht Ein Held in seiner starken Hüfte, Und als sein stolzes Haupt erbleicht, Zerstäubtet ihr im Schooß der Grüfte ... Vielleicht auch einem holden Weib Einst schwelltet ihr die blüh'nden Glieder, Bis hingewelkt der zarte Leib Und ihr zur Erde kehrtet wieder ... Ihr Stäubchen, die der Wind verweht, Wer ahnt es, wie ihr euch entfaltet? Und, seit die alte Schöpfung steht, Vieltausendmal euch umgestaltet? Und ach, du selber meine Hand, Die jetzt den Staub hinstreut zur Erden, Wirst, eh' ein halb Jahrhundert schwand, Zu einer Handvoll Asche werden. Doch sei's! So lang der Seele Kraft Dich noch durchflammet und durchzücket, Sollst du dich regen unerschlafft Und schaffen, was die Welt beglücket. Im Walde nach dem Blätterfall Von aller eiteln Weltbegier In tiefer Sammlung mich zu heilen, Wo könnt' ich besser als bei dir, Entlaubter, ernster Wald verweilen? Jüngst standet ihr so rauschend froh, Ihr Bäume, rings in bunter Gruppe, Im grün-gelb-rothen Domino, Gleich einem lust'gen Maskentruppe. Nun seid ihr müd' der eiteln Pracht, Es hat der Ernst euch aufgerüttelt, Und eure weltlich bunte Tracht, Habt ihr entsagend abgeschüttelt. Wir üben heut' ein gleiches Thun, So lasset uns die Hände falten Und in uns selbst einkehrend nun Zusammen Aschermittwoch halten. Muttergebet Der reinste Ton, der durch das Weltall klingt, Der reinste Strahl, der zu dem Himmel dringt, Die heiligste der Blumen, die da blüht, Die heiligste der Flammen, die da glüht, Ihr findet sie allein, wo, fromm gesinnt, Still eine Mutter betet für ihr Kind. Der Thränen werden viele hier geweint, So lange uns des Lebens Sonne scheint, Und mancher Engel, er ist auserwählt, Auf daß er unsre stillen Thränen zählt; Doch aller Thränen heiligste, sie rinnt, Wenn eine Mutter betet für ihr Kind. O schaut das Hüttchen dorten, still und klein, Nur matt erhellt von einer Lampe Schein! Es sieht so trüb', so arm, so öde aus, Und gleichwol ist's ein kleines Gotteshaus; Denn drinnen betet, fromm und treu gesinnt, Still eine Mutter für ihr einzig Kind. O nennt getrost es einen schönen Wahn, Weil nimmer es des Leibes Augen sahn, Ich lasse mir die Botschaft rauben nicht, Die Himmelsbotschaft, welche zu uns spricht: Daß Engel Gottes stets versammelt sind, Wenn eine Mutter betet für ihr Kind. Abseits Es ist so still; die Haide liegt Im warmen Mittagssonnenstrahle, Ein rosenrother Schimmer fliegt Um ihre alten Gräbermale; Die Kräuter blühn; der Haideduft Steigt in die blaue Sommerluft. Laufkäfer hasten durch's Gesträuch In ihren gold'nen Panzerröckchen, Die Bienen hängen Zweig um Zweig Sich an der Edelhaide Glöckchen; Die Vögel schwirren aus dem Kraut — Die Luft ist voller Lerchenlaut. Ein halbverfallen' niedrig' Haus Steht einsam hier und sonnbeschienen; Der Käthner lehnt zur Thür hinaus, Behaglich blinzelnd nach den Bienen; Sein Junge auf dem Stein davor Schnitzt Pfeifen sich aus Kälberrohr. Kaum zittert durch die Mittagsruh' Ein Schlag der Dorfuhr, der entfernten; Dem Alten fällt die Wimper zu, Er träumt von seinen Honigerndten. — Kein Klang der aufgeregten Zeit Drang noch in diese Einsamkeit. Lied des Harfenmädchens Heute, nur heute Bin ich so schön; Morgen, ach morgen Muß Alles vergehn! Nur diese Stunde Bist du noch mein; Sterben, ach sterben Soll ich allein. Loose Der einst er seine junge Sonnige Liebe gebracht, Die hat ihn gehen heißen, Nicht weiter sein gedacht. Drauf hat er heimgeführet Ein Mädchen still und hold; Die hat aus allen Menschen Nur einzig ihn gewollt. Und ob sein Herz in Liebe Niemals für sie gebebt; Sie hat um ihn gelitten Und nur für ihn gelebt. Frauenhand Ich weiß es wol, kein klagend Wort Wird über deine Lippen gehen; Doch was so sanft dein Mund verschweigt, Muß deine blasse Hand gestehen. Die Hand, an der mein Auge hängt, Zeigt jenen feinen Zug der Schmerzen, Und daß in schlummerloser Nacht. Sie lag auf einem kranken Herzen. Dämmerstunde Im Nebenzimmer saßen ich und du; Die Abendsonne fiel durch die Gardinen, Die fleißigen Hände fügten sich der Ruh', Von rothem Licht war deine Stirn beschienen. Wir schwiegen beid'; ich wußte mir kein Wort, Das in der Stunde Zauber mochte taugen; Nur nebenan die Alten schwatzten fort — Du sahst mich an mit deinen Märchenaugen. Juli Klingt im Wind ein Wiegenlied, Sonne warm herniedersieht, Seine Ähren senkt das Korn, Rothe Beere schwillt am Dorn, Schwer von Segen ist die Flur — Junge Frau, was sinnst du nur? Du warst es doch In buntem Zug zum Walde ging's hinaus; Du bei den Kindern bliebst allein zu Haus. Und draußen haben wir getanzt, gelacht, Und kaum, so war mir, hatt' ich dein gedacht — Nun kommt der Abend und die Zeit beginnt, Wo auf sich selbst die Seele sich besinnt; Nun weiß ich auch, was mich so froh ließ sein, Du warst es doch, und du nur ganz allein! 1. Du glaubtest nicht an frohe Tage mehr Einer Todten Du glaubtest nicht an frohe Tage mehr, Verjährtes Leid ließ nimmer dich genesen; Die Mutterfreude war für dich zu schwer, Das Leben war dir gar zu hart gewesen. Er saß bei dir in letzter Liebespflicht; Noch eine Nacht, noch eine war gegeben! Auch die verrann; dann kam das Morgenlicht. „Mein guter Mann, wie gerne wollt' ich leben!“ Er hörte still die sanften Worte an, Wie sie sein Ohr in bangen Pausen trafen: „Sorg' für das Kind — ich sterbe, süßer Mann.“ Dann halb verständlich noch: „Nun will ich schlafen.“ Und dann nichts mehr; — du wurdest nimmer wach, Dein Auge brach, die Welt ward immer trüber; Der Athem Gottes wehte durch's Gemach, Dein Kind schrie auf, und dann warst du hinüber. 2. Das aber kann ich nicht ertragen Einer Todten Das aber kann ich nicht ertragen, Daß so wie sonst die Sonne lacht; Daß wie in deinen Lebenstagen Die Uhren gehn, die Glocken schlagen, Einförmig wechseln Tag und Nacht; Daß, wenn des Tages Lichter schwanden, Wie sonst der Abend uns vereint; Und daß, wo sonst dein Stuhl gestanden, Schon Andre ihre Plätze fanden, Und nichts dich zu vermissen scheint; Indessen von den Gitterstäben Die Mondesstreifen schmal und karg In deine Gruft hinunterweben, Und mit gespenstig trübem Leben Hinwandeln über deinen Sarg. Eine Fremde Sie saß in unserm Mädchenkreise Ein Stern am Frauen-Firmament; Sie sprach in unsres Volkes Weise, Nur leis mit klagendem Accent. Du hörtest niemals heim verlangen Den stolzen Mund der schönen Frau; Nur auf den südlich blassen Wangen Und über der gewölbten Brau Lag noch Granada's Mondenschimmer, Den sie vertauscht um unsern Strand; Und ihre Augen dachten immer, An ihr beglänztes Heimatland. Nelken Ich wand ein Sträuslein Morgens früh, Das ich der Liebsten schickte; Nicht ließ ich sagen ihr, von wem, Und wer die Blumen pflückte. Doch als ich Abends kam zum Tanz, Und that verstohlen und sachte, Da trug sie die Nelken am Busenlatz, Und schaute mich an und lachte. Bettlerliebe O laß mich nur von ferne stehn Und hangen stumm an deinem Blick; Du bist so jung, du bist so schön, Aus deinen Augen lacht das Glück. Und ich so arm, so müde schon, Ich habe nichts, was dich gewinnt. O wär' ich doch ein Königssohn, Und du ein arm' verlornes Kind! Und weißt, warum so trübe Vierzeilen Und weißt, warum so trübe, So schwer mir das Herz muß sein? Du hast mich geküßt ohne Liebe, Das wolle dir Gott verzeihn! Die Lieb' ist wie ein Wiegenlied Vierzeilen Die Lieb' ist wie ein Wiegenlied; Es lullt dich lieblich ein; Doch schläfst du kaum, so schweigt das Lied, Und du erwachst allein. Ritornell Dunkle Cypressen, Die Welt ist gar zu lustig, Es wird doch Alles vergessen. Meeresabend Sie hat den ganzen Tag getobt Als wie in Zorn und Pein, Nun bettet sich, nun glättet sich Die See und schlummert ein. Und drüber zittert der Abendwind, Ein mildes, heiliges Wehn, Das ist der Athem Gottes, Der schwebet ob den Seen. Es küßt der Herr auf's Lockenhaupt Die schlummernde See gelind Und spricht mit säuselndem Segen: Schlaf ruhig, liebes Kind! Gebet auf den Wassern Die Nacht ist hehr und heiter, Das Land ist weit, wie weit! Es ruht das Meer in breiter Smaragdner Herrlichkeit. Mir ist zu Muth, als schliefe Der Woge Grimm und Macht, Und schwebte über der Tiefe Der Herr durch die heilige Nacht. Mit ist, als müßt' ich zur Stunde Hinsinken tief und jäh Zum grünsten Meeresgrunde O Herr, vor deiner Näh'! Mir ist, als müßte hoch über Mir ruhn die feuchte Gruft, Und dieses Lied darüber Weben als Morgenluft. Meerfahrt Den Leuchtthurm vorbei und den Hafendamm O Herrin im Süden, ade! Hochspringend über den Wellenkamm Erhebt sich das meerdurchschweifende, Schwarzbusige, weitausgreifende, Dampfschnaubende Roß der See. Und zwischen dem Ufer hinterwärts, Wie wird das Meer so breit! Es stürzt sich das Schiff wie ein Jünglingsherz Hinaus in das Unermeßliche; — O Herrin, Unvergeßliche, Wie bin ich von dir so weit! O Herrin im Süd, über Nordlandsflut, Wie ein Nordlicht zucke mein Lied Und zaubere mit Morgana's Glut Urplötzlich vor die Träumende, Das Meer, das hochaufbäumende, Und den, der drüber zieht. Wie gerne dir zu Füßen Wie gerne dir zu Füßen Sing' ich mein tiefstes Lied, Indeß das heil'ge Abendgold Durch's Bogenfenster sieht. Im Tacte wogt dein schönes Haupt, Dein Herz hört stille zu, Ich aber falte die Hände Und singe: Wie schön bist du! Wie gerne dir zu Füßen Schau' ich in dein Gesicht! Wie Mitleid bebt es drüber hin; Dein Mitleid will ich nicht! Ich weiß es wol, du spielst mit mir, Und dennoch sonder Ruh' Lieg' ich vor dir und singe, Singe: Wie schön bist du! Wie gerne dir zu Füßen Stürb' ich in stummer Qual! Doch lieber möcht' ich springen empor Und küssen dich tausendmal. Möcht' küssen dich, ja küssen dich Einen Tag lang immerzu Und sinken hin und sterben Und singen: Wie schön bist du! Nach Hause Der Bruder zog ins Weite fort, Die Eltern ruhten an dem Ziele, Da sucht' ich einen stillen Ort Mit meinen Büchern, meinem Kiele. In stetem Fleiße manches Jahr Lebt' ich versteckt in enger Klause; Ach, wie es einsam traulich war In meinem lieben Gartenhause. Doch wer, mit jungem, frischem Leib, Ertrüg' es lang', allein zu weilen? So nahm ich mir ein schönes Weib, Des Lebens Lust und Last zu theilen. Sie war mir gut, ich war es ihr, Und doch — o grausames Verhängniß! In krankem Wahne macht sie mir Das Haus zum traurigsten Gefängniß. In Freiheit hab' ich mich gesetzt, Zur Knechtschaft bin ich nicht geboren. Doch hab' ich mit dem Weibe jetzt Heimat und Haus zugleich verloren. Da ruft es nun: nach Hause! mir, Komm heim! in wohlbekannten Tönen: Grausame! wie doch möget ihr Den Heimatlosen so verhöhnen? Die Kinder dort, das eigne Blut, Soll ich als Gäste bei mir sehen; An deren Busen ich geruht, Sie soll ich fremd vorübergehen. Der Durstige soll am vollen Fluß Entsagend stehn mit trocknem Munde; Ach! und verlockt ihn der Genuß, So geht er siebenfach zu Grunde! Im Concert ... Wir lauschten gleicher Harmonie Mit gleichgestimmten reinen Sinnen. Ach, konnten denn die Herzen nie Den gleichen Schlag und Ton gewinnen? Doch tief und tiefer sinket schon Der Geist in träumendes Erinnern, Vernimmt statt Horn- und Flötenton Nur noch das Schmerzenslied im Innern. Die Töne schweigen, und zu Zwei'n Verlassen Glückliche die Schwelle: Ich geh' allein, sie geht allein, Ein jedes nach der öden Zelle. Sinnspruch Wer weiß zu leben? Wer zu leiden weiß. Wer zu genießen? Der zu meiden weiß. Wer ist der Reiche? Der sich beim Ertrag Des eignen Fleißes zu bescheiden weiß. Wer lenkt die Herzen? Der den herben Ernst Stets in ein heitres Wort zu kleiden weiß. Wer ist der Weise? Der das falsche Gold Vom echten schnell zu unterscheiden weiß. Und wer der Fromme? Der von Menschen wol, Doch nichts von Christen oder Heiden weiß. An Rapp Du nimmst als Strebenden Den kranken Mann, Siehst als noch Lebenden Den Todten an. O rufe nicht zur Wehr, Mich nicht zum Thun; Mir ziemt kein Kämpfen mehr, Mir ziemt nur ruhn. Lieg' ich im Bette hier Wie in der Gruft, Steigt der Gedanke mir Hoch in die Luft; Ich überschau' als Schwan Mit Vogelblick Des Lebens wirre Bahn Und mein Geschick. Nicht war, was ich geschafft, Allwege gut. Ach, bald gebrach's an Kraft Und bald an Muth. Hier von des Glückes Huld Ward ich begrüßt; Dort hab' ich eigne Schuld Wie schwer gebüßt. Das, halb im Traume, geht An mir vorbei, Mein Leben ist verweht, Und ich bin frei. Was blieb dir, Seele, nun, Als daß mit Ernst Du in dir selber ruhn, Du sterben lernst? Letzter Hauch Wem ich dieses klage, Weiß, ich klage nicht, Der ich dieses sage, Fühlt, ich zage nicht. Heute heißt's: verglimmen, Wie ein Licht verglimmt, In der Luft verschwimmen, Wie ein Ton verschwimmt. Möge schwach wie immer, Aber hell und rein, Dieser letzte Schimmer, Dieser Ton nur sein. Das Mädchen spricht: Du fragst so stürmisch, Du böser Mann, Ob ich dich liebe? Was ficht dich an! Wie soll ich's wissen, Und dir es künden, Da ich mich selber Nicht fassen kann? Sonst hab' ich lustig Die Welt durchschwirrt — Nun stockt mein Odem, Mein Auge flirrt! So groß das Leben, So fremd die Wege! Ach, hat mein Fuß sich Denn ganz verirrt? Ich seh' dich gerne — Was willst du mehr? Mit dir zu scherzen Ist mein Begehr. Allein dich küssen, Und mit dir kosen, Und zärtlich flüstern, Das fällt mir schwer. Nie hab' ich ernst mir Die Welt beschaut. Und lachen muß ich, Nennst du mich „Braut“. Dann wirst du traurig, Und schiltst mich Thörin, Und drohst zu scheiden — O schlimmer Laut! Ach, wenn du schiedest, So raubt' ich hier Aus deinem Garten Ein Blümchen dir. Und wenn's verwelkte, So käm' ich wieder, Dich selbst zu stehlen Auf ewig mir! Mußt dich gedulden Fein still und sacht! Kann „Ja“ nicht sagen, Bis ich erwacht — Doch „Nein“ dir sagen Könnt' ich wol nimmer, Dann wär' ja Alles Mir finstre Nacht! Nun rathe selber, Wie mir zu Sinn, Ob ich dich liebe Und gut dir bin? Und kannst du's rathen, Und kannst du's deuten, Und mir es künden, So nimm mich hin! Credo O bleibt mir fern mit euren Spöttermienen, Die ihr zu freveln wagt am heil'gen Geist! Euch ist er nie im Zukunftsglanz erschienen, Die Wahn und Blendwerk ihr sein Wandeln heißt. Mag euch der Zweifel dumpfe Last beschweren: Ich schwinge sein Panier mit freud'gem Muth — Es kann das Herz des Glaubens nicht entbehren An Lieb' und Menschheit, an ein höchstes Gut. Die Götter haben den Olymp verlassen, Des Parsen Feuer sind verlöscht und kalt; Verstummt ist Davids Sang in Zions Gassen, Und selbst das Wort von Golgatha verhallt. Will Keiner knien an heiligen Altären? O, wer entzündet neu der Flammen Glut? — Es kann das Herz des Glaubens nicht entbehren An Lieb' und Menschheit, an ein höchstes Gut. Der Webstuhl saust, es donnern fort die Räder, Das schnaubt und keucht, das rasselt, schnurrt und grollt! Das Wort ist Gift, zum Dolche wird die Feder, Zum Knecht der Geist in todter Kräfte Sold. Wird denn kein Schimmer diese Nacht verklären? Ach, euren Schatten mangelt Fleisch und Blut — Es kann das Herz des Glaubens nicht entbehren An Lieb' und Menschheit, an ein höchstes Gut. Verzweiflung sitzt auf euren Königsthronen, Und sendet finster ihre Schergen aus. Ihr schweift um Glück bis in die fernsten Zonen, Und bringt den Frieden nimmer doch nach Haus. O, fühlt ihr nicht: im All, dem götterleeren, Fehlt euch der Compaß auf der wilden Flut — Es kann das Herz des Glaubens nicht entbehren An Lieb' und Menschheit, an ein höchstes Gut. Zu dir, o Freiheit! send' ich mein Verlangen, Die mir der Zukunft dunkle Pfade weist. Laß einen Strahl mich deines Lichts empfangen, Ström' auf mich nieder deinen heil'gen Geist! Gib, daß unwandelbar auf deinen hehren, Geweihten Stern mein trunknes Auge ruht — Und laß des Glaubens nimmer mich entbehren An Lieb' und Menschheit, an ein höchstes Gut! Rast auf dem Marsche Schloß Boursault, den 11. September 1870 Die Schlacht von Sedan war geschlagen, Ein Kaiserthron in Staub zerkracht. Doch weiter stob mit Roß und Wagen Einher das tolle Kriegesjagen, Wie Stürme sausen durch die Nacht. Im Rücken blieben die Ardennen Und Reims mit seinem Wunderdom. Der Gaumen lechzt, die Sohlen brennen — Nicht Ruh', nicht Rast im Vorwärtsrennen, Es hemmt uns weder Berg noch Strom. Hinan die steilen Felsenwände, Durch schattenlose Rebenreihn! Da — an der Tageswandrung Ende — Welch paradiesisches Gelände Enthüllt sich uns im Abendschein? Ein Grafenschloß mit stolzen Zinnen Schaut von der Bergwaldshöh' ins Land. Aus Grotten Schaumkaskaden rinnen, Und mondbestrahlte Wellen spinnen Der Marne glitzernd Silberband. O hartes Loos, das uns beschieden, Zu stören solche Götterflur! O hehre Stille, weltgemieden! Wie Liebesmahnung zog dein Frieden Ins Herz uns, heilige Natur! Gelagert an des Waldes Säumen, Wo sich der Mensch ein Eden schuf, Umrauscht von hohen Ulmenbäumen, Vergaßen wir in holdem Träumen Des Kriegers schrecklichen Beruf. Es ging wie eine leise Klage Ein Sehnsuchtshauch durch unsre Schaar; Auf allen Lippen lag die Frage: Wann endlich wird die schöne Sage Von einem Menschheitsfrühling wahr? Wann werden die bethörten Massen Sich auf dem weiten Erdenrund Nicht mehr durch Ruhmsucht, Neid und Hassen Zu Krieg und Mord verhetzen lassen, Ein freier, starker Völkerbund? Wann endlich? ... Ach, dies Bild der Wonne, Das uns ein Zaubereiland wies, Erbleicht im Licht der Morgensonne! Zum Marsch formirt sich die Colonne — „Vorwärts! Gen Westen! Nach Paris!“ Hymnus der Zeit O stolze Erinnrung! o herrliches Jahr, da aus bleierner Todesnacht Des dreißigjährigen Schlummers wir zum Freiheitsmorgen erwacht! Von Westen flammte der erste Strahl, und das Licht flog über die Welt, Und es blinkten die Firnen, es glänzte das Thal, von Rosenschimmer erhellt. Die Throne bebten, aufstand das Volk, das geknechtete, groß und frei, Und grüßend von Lande zu Lande scholl ein stürmischer Jubelschrei. Aufsprangen die Kerker, die Fessel brach, und das heilige Schwarz-Roth-Gold, Das lange verfehmte, flatterte kühn, vor des Tage Antlitz entrollt. Wir rieben uns aus den Augen den Schlaf, und den Blicken glaubten wir kaum: O Wunder! was je wir ersehnt und geträumt, es war uns geschenkt wie im Traum! Wir nannten uns Brüder und frei und gleich, wir sanken uns Brust an Brust, Und schwelgten, trunken vom Feuerwein, im Taumelbecher der Lust. Doch über Nacht, eh' wir's gedacht, ein giftiger Mehlthau fiel, Hinwelkte die Blüte der Traumessaat, tückischen Winden zum Spiel. Die bittere Hefe blieb am Grund des Kelches, den wir geleert, Und dem tölpischen Riesen wieder stahl der listige Zwerg das Schwert. Es seufzten die Völker im alten Joch, man gab uns Steine statt Brod, Und in Strömen färbte das edle Blut der Freien die Erde roth; Zu Malmö brach der feige Verrath den Schild unsrer Ehre entzwei, Und das Todesröcheln des Männerzorns erstickten Pulver und Blei. Unheimlich von der Brigittenau hertönt' ein höhnischer Knall, Wild lachte der höllischen Geister Chor bei Baden und Ungarns Fall. Und der Kronengaukler von Straßburg schwang im Westen den Zauberstab, Und von Osten winkte der Russen-Zar, und Stille ward's wie im Grab. O traurige Zeit! o schaurige Zeit, da jegliche Hoffnung erstarb, Da Völkerstumpfsinn und Fürstentrug der Freiheit Knospe verdarb; Da der deutsche Name ein Spottbild ward für fremder Rüden Gebell, Und die Schmach von Olmütz als Sühne galt für die Possenschlacht von Bronzell! Was nicht beugen mochte sein trotzig Haupt, floh fernhin über das Meer, Denn über Europa hing das Gewölk der Knechtschaft finster und schwer. Es ballten die Besten die Faust im Sack, und klagten, die Zeit sei schlecht, Erloschen für immer der Freiheit Stern, und hingemeuchelt das Recht, Zur Wüste noch wandle mit Feuer und Schwert die Erde Baschkir und Kroat, Denn es fehle den Völkern an Muth und Kraft zur erlösenden That. — Da, horch! im Osten ein dumpfer Fall! Der faule Frieden zerstob; Die thönernen Füße wies der Koloß, der so dräuend die Pranken erhob. Zu Boden stürzte das Ungethüm, und der arme leibeigene Knecht, An die Scholle gekettet jahrtausendlang, erwachte zu Leben und Recht. Wie Klang gebrochener Fesseln ging es flüsternd von Strand zu Strand, Wo beim Schwirren der Peitsche der Negersclav' die Garbe im Reisfeld band, Und es raunt' ihm in's Ohr, und jagt' ihn empor zu mördrischem Bruderkampf, Und die Dörfer flammten, es rauchte der Grund von Blut und von Pulverdampf, Bis der Siegessonne versöhnender Strahl das Leichengefild überfloß, Und Abraham Lincolns Märtyrertod die Befreiungstragödie schloß. O völkerweckender Frühlingssturm, von des Weltgeists Odem geschwellt, Wie Gerichte des Himmels fährst du einher, und brausest von Welt zu Welt! Erst barst auf Welschlands Fluren das Eis, in den Bergen hat es gekracht, Und dröhend erscholl, wie Donnergeroll, von Solferino die Schlacht. Der den Büttel Europa's gemacht, er trieb die fremden Schergen hinaus, Arglistig lächelnd: „Jegliches Volk sei Herr im eigenen Haus! Frei bis zur Adria!“ — Weiter schießt, der ins Rollen kam, der Ball, Er wälzt sich hinunter mit wilder Macht, ihn hemmt nicht Mauer noch Wall. Schon schiffen „die Tausend“ sich ein, schon nimmt Marsalas Ufer sie auf, Und des Bombenkönigs blutigen Thron zerschmettert ihr Siegeslauf. Was Aspromonte? Mentana was? Fortrauscht der Geschichte Strom: Italiens einiges Banner krönt schon heut die Zinnen von Rom. Und höher und höher steigt die Flut, die Wehr und Dämme zerspleißt; Kein Bannspruch zwängt in die Flasche zurück der Zeit entfesselten Geist! Vergangenes Unrecht wird gesühnt, und verjährter Frevel gerächt; Auf den Trümmern des Alten baut den Palast der Zukunft ein junges Geschlecht. Gen Norden fliegt erztönenden Flugs Germaniens Doppelaar, In der Mutter Arme trägt er zurück das verlassene Brüderpaar. Dann zerreißt er in Süden mit scharfer Klau' der verbündeten Jäger Netz, Und wäscht die Schande von Olmütz ab im Blute von Königgrätz. Es schaaren sich Deutschlands Söhne all' um ihn her mit blitzender Wehr, Und mächtig brauset ihr Jubelschall hernieder von Fels zum Meer. Da schleudert den Brand ins friedliche Land des Franken Tücke hinein, Die Trommel rasselt, das Horn ergellt — nun wahre dich, Wacht am Rhein! Aus der Scheide fährt dein funkelndes Schwert, es glüht dein Auge von Zorn, Die Lanze schwirrt, und im Bügel klirrt beim rasenden Jagen der Sporn. Die Tigerkatze, der Turko, springt dich an mit fletschendem Zahn, Ein Stoß — er verröchelt, und weiter brichst du dir über Leichen die Bahn. Der Festung Thore zerschellt wie Glas der Bombe feurig Geschoß — Der Kaiser gefangen, gestürzt sein Thron, und zerstoben sein Söldnertroß! Aufging, die er säte, die Drachensaat — ihre blutigen Früchte wies Der Commune ruchlose That der Welt im Flammermeer von Paris. Ha, grausiges Würgen! — Doch sieh, der lang, verzaubert im Bergesschacht, Von Raben umflattert, am Steintisch schlief, der alte Rothbart erwacht! Im Siegespurpur gründet er neu sein strahlendes Kaiserthum, Und es klingt durch die Lande von Pol zu Pol die Sage von Deutschlands Ruhm. Wol umkreist den Berg noch die schwarze Schaar der gierigen Rabenbrut, Die in Trümmern nistet und faulem Schutt, und die Sonn' ankrächzet voll Wuth; Doch Rabengekrächz und Dohlengeächz verlöschen nimmer das Licht, Und wie der Baalspfaff zetert und flucht: nach Canossa gehen wir nicht! Vor der Wahrheit Zeichen zu Schanden wird der Lüge Geifer und Spott, Und jegliches Götzenbild zerschlägt der Freiheit ewiger Gott. O große Zeit, o herrliche Zeit! o blutiger Völkertag, Da die Stickluftschwüle der Welt gereint der Geschichte Wetterschlag! Nicht sinkt im Traume die goldne Frucht dem feigen Wicht in den Schooß, Nur die Hand des Tapferen bricht sie kühn vom Baume der Zukunft los. So brause denn, Sturm, daß, was morsch und welk zu Staub und Moder zerfällt, Und die jungen Knospen der Frühlingshauch zu prächtiger Blüte schwellt! Wir spüren sein Wehn, ob die Trommeln gehn, ob er Kronen vom Haupte reißt, Ob mit Eisen und Blut er den störrigen Muth des Volkes zusammenschweißt. Er schafft den Sclaven zum Helden um in des Kampfes ehernem Spiel Und gebeut uns zu ringen mit Todeslust um das letzte heilige Ziel; Nicht rasten kann er und kann nicht ruhn, bis seine Sendung vollbracht, Bis er glücklich die Menschheit, und frei die Welt, und neu die Erde gemacht. Gott grüße dich! Gott grüße dich! Kein andrer Gruß Gleicht dem an Innigkeit. Gott grüße dich! Kein andrer Gruß Paßt so zu aller Zeit. Gott grüße dich! Wenn dieser Gruß So recht vom Herzen geht, Gilt bei dem lieben Gott der Gruß So viel wie ein Gebet. Offenbarung Es ist das Meer ein mächt'ges Buch Mit ungezählten Blättern, Drauf schreibt der Sturm in hast'gem Zug Mit schneeig weißen Lettern. Er rollt die Blätter rauschend auf, Kann nimmer sich genügen; „Gott ist allmächtig!“ schreibt er drauf Mit urgewalt'gen Zügen. Dann legt er aus der Hand das Buch, Und ob die Blätter beben, Die Sonne schreibt mit gold'nem Zug: „Gott ist die Lieb'!“ daneben. Frühlingsgespenster Ich saß noch spät in meinem Zimmer Studirend bei der Lampe Schimmer, Und ob mein Auge müd und matt, Wandt' ich doch emsig Blatt um Blatt. Da klopft es plötzlich an mein Fenster, Ich glaube zwar nicht an Gespenster, Doch, weil gar hoch mein Fenster war, Schien mir das Klopfen wunderbar. Ich spähte in die nächtgen Räume, Der Mond schien freundlich durch die Bäume, Tief unten schlug die Nachtigall, Sonst tiefes Schweigen überall. Doch kaum saß ich zu lesen nieder, So klopft es auch vernehmlich wieder; Weit macht' ich nun das Fenster auf Und ließ den Klopfern freien Lauf. Und plötzlich schwärmten durch das Fenster Zwei braune surrende Gespenster; — Maikäfer warens, die's verdroß, Daß ich im Zimmer mich verschloß; Daß ich mich über Büchern härmte, Genießend nicht wie sie durchschwärmte Die linde, weiche Maiennacht Voll Blütenduft und Sternenpracht. Motten Fabeln „Was nur dadrinnen der Graukopf macht? Er blättert bis tief in die späte Nacht In allen Büchern hin und her, Als ob drin was zu finden wär'. Ei sieh! er ist ja nicht zu Haus, Heut spür' ich sein Geheimniß aus.“ Ein Spätzlein piept's und fliegt hinein; Da liegen Bücher groß und klein; Er wählt das größte mit Bedacht Und hat an's Blättern sich gemacht. „Vergilbt Papier und arg befleckt! Möcht' wissen, wo der Werth da steckt. Doch halt!“ — Sein kluges Äuglein blitzt, Er hat sein Schnäblein flink gespitzt. „Zwei Motten! und wie groß und feist!“ Begierig hat er sie verspeist Und piept: „Wer hätte das gedacht, Daß der auch Jagd aufs Motten macht.“ — Zwei Gänse Fabeln Zur weißen Gans sprach einst vertraulich eine graue: „Laß uns spazieren gehn nach jener grünen Aue, Dort thun wir beide uns im jungen Grase gütlich, Denn in Gesellschaft gakt es sich doch gar gemüthlich.“ „Nein,“ sprach die weiße Gans, „da muß ich refusiren, Mit meines Gleichen nur geh' ich am Tag spazieren, Vertraulichkeit mit dir gereichte nur zur Schande, Zwar bin ich eine Gans, doch eine Gans von Stande.“ Die Ernte Beatus ille — Horat., Epod. Lib II, 1 O wie glücklich ist der Mann, Der — wenn voll die Halme schwanken Und der Schnitt beginnen kann Keinem Menschen braucht zu danken! Von dem Himmel ganz allein Kam, als ein Geschenk der Segen: Floß der warme Sonnenschein, Troff herab der milde Regen. Kräfte, die von Ewigkeit Wirkten, walteten und schufen, Waren auch für ihn bereit, Ohne daß er sie gerufen. Licht und Luft und Wasser war Immer da, die Frucht zu nähren; Und nun rauscht es wunderbar Durch den Reichthum seiner Ähren! Was der Mensch vom Menschen nur Mag in bittrem Kampf erlangen: Lächelnd reicht es ihm die Flur, Beut es ihm der Wiese Prangen. Sie verlangte nur den Schweiß Seiner Stirn ihm zu erwiedern: Doch um seiner Mühe Preis Braucht er sich nicht zu erniedern. Aufrecht sammelt er und stolz, Er, der Freie, Weltentfernte, Was der Fluch des andern Gold's Nie berührt: das Gold der Ernte! Der Bauer und sein Kind Der Bauer steht vor seinem Feld Und zieht die Stirne kraus in Falten: „Ich hab' den Acker wohl bestellt, Auf reine Aussaat streng gehalten; Nun seh' mir Eins das Unkraut an! Das hat der böse Feind gethan.“ Da kommt sein Knabe hoch beglückt, Mit bunten Blumen reich beladen; Im Felde hat er sie gepflückt, Kornblumen sind es, Mohn und Raden; Er jauchzt: „Sieh, Vater, nur die Pracht! Die hat der liebe Gott gemacht.“ Verborg'ne Wege Hier flog ein kühner Adler himmelan; Bezeichne mir auf Wolken seine Bahn. Da glitt ein Schlänglein fort im Sonnenschein; Bezeichne seinen Weg mir am Gestein. Dort zog ein Schiff nach einer fernen Flur; Bezeichne mir im Meere seine Spur. Vermagst du dies, dann zeig' ich dir den Pfad, Auf dem die Liebe sich dem Herzen naht. Süden und Norden Die Rose blüht und die Nachtigall schlägt Und funkelnd leuchten die Sterne; Ich habe mein Haupt in die Hand gelegt Und träume mich weit in die Ferne. Im Norden steht ein kleines Haus, Umwirbelt von schimmernden Flocken; Dort seufzt mein Lieb in die Nacht hinaus Und netzt mit Thränen den Rocken. Auf ihre Hand Du treue Hand, die ohne Beben Einst meiner Hand so fest vertraut, Hast mit mir ein zerfall'nes Leben Zu neuer Schönheit aufgebaut. Du weiche Hand, in trüben Tagen Hast du so freundlich mich gepflegt, Liebreich gesorgt für mein Behagen Und mir den Pfühl zurecht gelegt. Du kluge Hand, die Melodien, Die mir die blühnde Lippe singt, Begleitest du mit Harmonien, Daß voll das Lied zum Herzen dringt. Du fromme Hand, in heil'gen Stunden Hast du die meine sanft gedrückt, Wenn uns die heiligste der Kunden, Das theure Gotteswort erquickt. Du fleiß'ge Hand, die nur zum Dienen Von früh bis Abend froh bereit, In dir ist mir das Bild erschienen Der echten deutschen Weiblichkeit. Drum schwärmt auch rastlos mein Gedanke, Mein Lieb, um deine schöne Hand, Ein Falter, den die Blütenranke In ihren Zauberkreis gebannt. Meerleuchten Ich fuhr durch's Meer auf nächtlicher Bahn, Da glüht' es um mich wie in Flammen, Und leuchtend hinter meinem Kahn Schlugen die Wogen zusammen. Und eine weithin lichte Spur Bezeichnete meine Wege ... War's auch ein flüchtiges Leuchen nur, Es machte den Wunsch mir rege: Ach, hätt' ich auf meines Lebens Bahn Solch' leuchtende Spur gezogen, Bevor einst mich und meinen Kahn Verschlingen die ewigen Wogen! Guter Rath Genieße still zufrieden Den sonnig heitern Tag, Du weißt nicht, ob hienieden Ein gleicher kommen mag. Es gibt so trübe Zeiten, Da wird das Herz uns schwer, Da wogt von allen Seiten Um uns ein Nebelmeer. Da wüchse tief im Innern Die Finsterniß mit Macht, Ging nicht ein süß Erinnern Als Mondlicht durch die Nacht. Stillbeglückt Der Vogel singt Und fragt nicht, wer ihm lauscht; Die Quelle rinnt Und fragt nicht, wem sie rauscht; Die Blume blüht Und fragt nicht, wer sie pflückt: O sorge Herz, Daß gleiches Thun dir glückt. Aus der Kindheit Ein Hügel war's, wo ich im Gras Zur Sommerzeit am liebsten saß Als frohes Kind allein; — Weit um mich her die grüne Au Und über mir nur tiefes Blau Und goldner Sonnenschein. Da schwärmten Falter mir vorbei, Und fleiß'ge Bienen summten frei Mir um das blonde Haar; Goldkäfer stellten oft sich ein, Und Grillen musicirten fein Zum Tanz der Mückenschaar. Und wenn der Tag zu Rüste ging, Wie selig da mein Auge hing An Wolken, goldumsäumt! O, das war tiefe Poesie, So lebensvolle, wie ich nie Mir je als Mann erträumt! Es war um Ostern — Es war um Ostern: in die Welt Zog ich mit achtzehn Jahren, Ich bin gen Leipzig als Student Durchs Thüringer Land gefahren. Ich fuhr vorbei am Hörselberg Und hörte die Flöten tönen, Durch den Bergspalt sah ich Frau Venus auch Und die lachenden, tanzenden Schönen. Doch von der Wartburg Wällen blickt' Ein bleicher Mönch hernieder, Er murmelte Bibelsprüche, Uralte Sterbelieder. Ich aber starrt in den weißen Dampf Mit träumerischem Sinne: O heiliger Büßer, folg' ich dir? Folge ich dir, Frau Minne? Feil hat sie Rettig und Rapunzeln — Feil hat sie Rettig und Rapunzeln Das alte Weib, ich seh' ihr zu, Ich sehe unter ihren Runzeln Die Schönheit — sie war schön wie du. Die Alte bläst ins Kohlenbecken, Es sprühn die Funken, und sie lacht: Die kleinen Flammengeister wecken Erinn'rung mancher Liebesnacht. Sie seufzt, ihr rothes Aug' wird trüber, Es zittern ihre alten Knie — O Klara, gehn wir rasch vorüber, Sonst denk' ich: Du wirst einst wie sie. Leuchtend aus dem Lindengrün — Leuchtend aus dem Lindengrün, Wo die Nachtigallen schlagen, Wieder seh' ich nun das Kreuz Meiner alten Kirche ragen, Und gedenke feuchten Blicks: Ach, es ist schon lange Jahre, Daß auch ich, ein gläubig Kind, Dort gebetet am Altare. Jeden Sonntag bin ich dort Meinem Jugendlieb begegnet, Und der gute Priester hat Uns zusammen eingesegnet. Lang' ist's her! Ich hab seitdem Weisheit dieser Welt erworben, Längst in meinem klugen Kopf Ist der liebe Gott gestorben. Wir sind selbst uns Gott genug, Lassen keinen andern gelten, Denn wir sind der Geist des Alls, Denn wir sind das Herz der Welten. In das enge Haus von Stein Wird uns keine Predigt locken, Aber deiner, frommes Lieb, Denk' ich doch beim Klang der Glocken. Und mein Blick umfloret sich, Seh' ich, wie in Jugendtagen, Friedlich aus dem Lindengrün Unsre alte Kirche ragen. Arthur Schopenhauer Friedberger Kirchhof! Mein vergnügtes Wandern Durch's rosige Sein ward hier zur Pilgerfahrt: Hier ruht ein Mann! er war nicht wie die andern, Und eine Thräne rinnt mir in den Bart. Vom Lindenbaum verdorrte Blätter sanken, Doch durch der Wolken sturmgepeitschtes Grau Erglänzten klar, wie seines Geist's Gedanken Die Sterne her vom dunkeln Himmelsblau. Er hob empor der Dinge Majaschleier, Den Nebelflor des Weltenzauberrings, Kühn trat er hin, der Wahrheit ernster Freier, Mit neuer Antwort vor die alte Sphinx. Das Licht, das selbst Natur sich angezündet. In diesem Hirn, sie blies es thöricht aus, Das ew'ge Weltenauge ist erblindet Und modert nun im morschen Bretterhaus. Ein schwarzer Marmor! Schnee und Regenschauer Verlöschten fast der Lettern gold'nen Glanz, Den stolzen Namen: Arthur Schopenhauer — Zu Häupten lag ein welker Lorbeerkranz. Doch Immergrün mit lotosblauer Blume Schmückt hold lebendig ihm den Leichenstein, Laßt denn auch mich an diesem Heiligthume Dies Blatt als Kranz von Immortellen weihn! Ich kannte nur, leichtsinniger Geselle, Des Epikuros Lust und Seligkeit, Doch du hast mir gepredigt unsre Hölle Und unsern Himmel, Buddha dieser Zeit! Ja, der Adler flog gen Westen — Ja, der Adler flog gen Westen Ja, der Adler flog gen Westen, Weil der gallische Hahn gekräht, Flog voran dem deutschen König, Flog voran dem deutschen Kaiser! Und er wacht ob den Gefilden, Wo die Ströme edlen Blutes, Treuen deutschen Blut's bethauten Lothringen, dein altes Land! Wachet ob den tausend Hügeln Mit dem weißen Kreuz von Holze, Wo die blassen Helden schlafen, Schlaf des Ruhms, für dich, mein Kaiser! Und All-Deutschland, neugeboren, Jubelt dir, o Herr und Kaiser, Höher schlägt mein Herz, im Auge Schwillt der Rührung stolze Thräne. — Wäre dies die letzte Schlacht Wäre dies die letzte Schlacht, Jene auf dem Walserfelde! An den uralt sagenhaften Birnbaum hingst du Schwert und Schild! — Das Gerede der Wellen Eine Welle sagt zur andern: Ach! wie rasch ist dieses Wandern! Und die zweite sagt zur dritten: Kurz gelebt ist kurz gelitten! Sehnsucht nach dem Gebirge Über finstre Tannensäume Steigt die Alpe mild empor, Schwebt in Glut und hegt noch Träume An des Tags verschloss'nem Thor. Gäb' es Bahnen, daß ich zöge, Wo den Sprung die Quelle wagt, Schwingen, daß hinan ich flöge, Wo die Firne einsam ragt! Hier aus diesen Dunkelheiten, Aus der Sorge flöh' ich weg, Selig dort zum Licht zu schreiten Übern Zackenfelsensteg! Wer Lieb' im tiefsten Innern hat Die Wolken ziehen schmal und lang, Die Nacht ist feucht und still; Mir klingt's wie sehnender Gesang, Der matt ersterben will. Der Mond scheint trübe niederwärts; — — So sah ich oftmals dich, Und Sorge um dein armes Herz Mich Bangenden umschlich. So trüb' umflort! so todesmatt! Und nun, welch' leichter Glanz? — Wer Lieb' im tiefsten Innern hat, Dem stirbt sie niemals ganz; Und wer den schwachen Funken hegt, Dem endet einst der Schmerz; Und wer ein Herz im Busen trägt, Der findet auch ein Herz. Klar muß es sein Klar muß es sein! Ich kann entsagen, Wenn mir's das Schicksal zubestimmt, Viel leichter, als den Zweifel tragen, Der Kraft auf Kraft mir stückweis nimmt. Aus Schmerzen kann ich mich erheben, Und gegen Stürme wächst der Muth, Doch zwischen Furcht und Hoffnung schweben, Das läßt verdorr'n in Sonnenglut. Feigherz'ge Ohnmacht mag sich sonnen An flüchtig trügerischem Licht' — Nein, ganze Schmerzen, ganze Wonnen, Nur gegen Schatten kämpf' ich nicht! Das alte Haus Lieder eines Gefangenen Alt ist das Haus, verfallen das Gemäuer, Die Thüre morsch, vom Schritte birst die Diele ... Ein Windstoß würf' es um, und dennoch, dennoch, Ach! überdauert es der Schmerzen Viele! Alt ist das Haus, kein Schwälblein nistet drinnen, Es grüßt kein Storch den Wanderer vom Dache, Kein Lied ertönt ... Nichts als verdrossen Pfeifen, Verdrossenes der sehr verdroß'nen Wache. Ob Kronen splittern ... Lieder eines Gefangenen Ob Kronen splittern, Völker sich empören, Ob Theu'rung, Mißwachs, Pestilenz im Lande, Ob rings die Welt an eines Abgrunds Rande, Ich weiß es nicht, ich darf davon nichts hören. Nur horchen darf ich der Gefang'nen Chören, Die sie beim Klötzespalten singen leise, Nur dieser einen monotonen Weise, Die auch nach mir noch Viele werden hören. Schutz vor geistigem Verflachen Lieder eines Gefangenen Zuweilen, daß ich geistig nicht verflache, Wird mir erlaubt, die Kammer auszukehren ... Mein Kamerad gibt mir dann gute Lehren, Damit ich künftighin es besser mache! Mein Kamerad führt eine kräft'ge Sprache, Als Mann der That vom Wirbel bis zur Zehe Thut ihm an mir das Einzige nur wehe: Daß ich zu wenig fluch', zu wenig lache! Die Drei Lieder eines Gefangenen Der Eine schlingt Tephilim fromm Um Stirne sich und Hand ... Der Zweite wirft vorm Kruzifix Sich gläubig in den Sand ... Der Dritte sagt: „'s gibt keinen Gott, Der Zufall nur herrscht blind!“ ... Und dennoch, dennoch alle Drei Gleich unglückselig sind. Das Mäuslein Lieder eines Gefangenen Am Brode knuspert's in der Nacht der stillen ... Ein Mäuslein ist's, im Kerker irrgegangen; Es ißt sich satt, denn um der Freiheit willen Stört keiner es von Denen, die gefangen. Ein Brieflein Lieder eines Gefangenen Der Wind, der Wind, der gute Wind, Hat mir ein Blatt hereingetrieben, Ein Brieflein ist's von meinem Kind, Mit süßer, krauser Schrift beschrieben. „Nicht wahr Papa? ... so las ich draus ... Bald kehrst zurück du zu den Deinen? Bleib' nicht so lange fort vom Haus!“ Und bange, bange mußt' ich weinen. Träume Lieder eines Gefangenen Ich halt' im Traume Zwiesprach mit den Meinen Und seh' den Ältesten zur Schule geh'n, Und seh' den Zweiten, wie er auf die Zeh'n Sich stellt und schmeichelnd bittet: „Nicht mehr weinen!“ Und auch den Kleinsten seh' ich, ihn den Kleinen, Den Engel, den ich wachend nie geseh'n ... Da flieht der Traum, ach! und mit neuen Weh'n Naht licht der Tag, und macht mich heftig weinen. Er und ich Lieder eines Gefangenen Irr ist sein Blick und wirr sein Haar, Sein Anblick geht mir sehr zu Herzen, Trotzdem er oft, 's klingt wunderbar, Vermag zu lächeln und zu scherzen. Er ist mit mir auf Du und Du, Er denkt mein Denken, greint mein Greinen: Nickt er mir aus dem Spiegel zu So gramverstört ... dann muß ich weinen. So schön ist's drauß' Lieder eines Gefangenen So schön ist's drauß' ... Lichtstrahlen blitzen, Und laue Lüfte wehen lind; Mild durch des Gucklochs enge Ritzen Reicht Blumen mir ein lächelnd Kind. Ein lächelnd Kind! und ich erfasse Und küsse seine kleine Hand, Und häng' die Blumen an die nasse, Die schmutziggraue Kerkerwand. Zuweilen Lieder eines Gefangenen Zuweilen nicken frohe Angesichter, Zuweilen hör' ich kindlich frisches Lachen, Zuweilen seh' ich tausend gold'ne Lichter Und Schätze, unbewacht von Gnom und Drachen. Zuweilen rauschen flatternde Gewänder, Zuweilen weht es kühlend wie vom Meere, Zuweilen grüßen ferne, freie Länder, Und ach! Zuletzt versinkt der Traum ins Leere! ... Ich kenn' eine Blume am Ganges — Ich kenn' eine Blume am Ganges So sonnig und wonnig und hold, Ich kenne ein Weib ihr ähnlich Mit ihren Locken von Gold. Doch wonnig und sonnig und holde Treibt aus vergiftetem Grund Die Blume im thauenden Morgen Den giftigen Blütenbund. Das Weib, der Blume so ähnlich, Mit Augen voll Liebe und Lust, Vergiftet im Kusse die Seele, Vergiftet im Arme die Brust. Doch ach! Ich kann sie nicht lassen Und küßte ich mir den Tod Von ihren lieblichen Wangen, Von ihrer Lippen Roth. Ich bin wie die Biene am Ganges, Die weiß, daß sie sterben muß Im Kelche der duftigen Blume — Und dennoch ersehnet den Kuß. Edel Nicht genug ist's edel denken, Edles Schaffen muß der Mann. Glücklich, wem die Stunden schenken Götter, daß er's üben kann. Doch den Göttern gleich zu wandeln Seines Lebens Wege hin, Weiß nur, wen bei edlem Handeln, Leitet auch ein edler Sinn. Nacht Im Windsgeräusch, in stiller Nacht Geht dort ein Wandersmann, Er seufzt und weint und schleicht so sacht, Und ruft die Sterne an: „Mein Busen pocht, mein Herz ist schwer, In stiller Einsamkeit, Mir unbekannt, wohin, woher, Durchwandl' ich Freud und Leid; Ihr kleinen goldnen Sterne, Ihr bleibt mir ewig ferne, Ferne, ferne, Und ach, ich vertraut' euch so gerne!“ Da klingt es plötzlich um ihn her, Und heller wird die Nacht. Schon fühlt er nicht sein Herz so schwer, Er dünkt sich neu erwacht: „O Mensch, du bist uns fern und nah, Doch einsam bist du nicht, Vertrau' uns nur, dein Auge sah Oft unser stilles Licht. Wir kleinen goldnen Sterne Sind dir nicht ewig ferne; Gerne, gerne, Gedenken ja deiner die Sterne.“ Andacht Wann das Abendroth die Haine Mit den Abschiedsflammen küßt, — Wann im prächt'gen Morgenscheine Lerchenklang die Sonne grüßt, — O dann werf ich Jubellieder In's Lobpreisen der Natur, Echo spricht die Töne wieder, Alles preist den Ew'gen nur. Mit den Quellen geht mein Grüßen, Und das taube Herz in mir Hat dem Gott erwachen müssen, Der uns schirmet für und für. Meereswogen laut erklingen, In den Wäldern wohnt manch Schall; Und wir sollten nicht besingen, Da die Freude überall? Dämmerstunde Wenn sich der Sonne letzter Schimmer Sacht fortstahl über's Nachbardach, Bin einsam ich in meinem Zimmer, Und stille Träume werden wach. Die führen mich von meinem Sitze In's ferne wohlbekannte Haus, Dort von des Tages Last und Hitze Ruht eine alte Frau jetzt aus. Die Stirn gefurcht, gefurcht die Wangen, Die Lippen welk, das Haupt bereift, Sie läßt es matt herniederhangen, Indeß der Blick in's Weite schweift; Der Blick, aus dem mit Jugendfeuer Ein voller Strahl der Liebe bricht, Nichts ist so schön mir und so theuer, Als dieses treue Angesicht. Sonst that des Tages letzter Schatten Noch keinen Einhalt ihrer Kraft, Nun aber fühlt sie sich ermatten, Seit nicht mehr für den Sohn sie schafft. Der Sohn — sie hat das Haupt erhoben, Es klopft das Herz, die Lippe bebt, Dabei gefaltet sie nach oben Die frommen Hände zitternd hebt. Da fühl' ich, wie der gleiche Schauer Durch meine tiefste Seele geht, Und alles Sehnen, alle Trauer Sich friedlich lösen im Gebet. Gesegnet, heil'ge Dämmerstunde: Die lang und weit geschieden sind, Du einst in stiller Andacht Bunde Die Mutter wieder und ihr Kind. Wenn uns're Mutter schlafen geht Ob Herbstesduft bereits das Haar Mit weißem Schimmer uns bezogen, Schon flügge von der eig'nen Schaar Manch schmucker Nestling ausgeflogen, Daß wie vor kühlem Abendwinde Ein flücht'ger Schauer uns durchweht, Noch einmal werden wir zum Kinde, Wenn uns're Mutter schlafen geht. Ein altes Märchen noch im Sinn, So liegen wir im Bettchen wieder, Da schleicht sich's leise zu uns hin Und beugt sich küssend auf uns nieder, Wir sehen mild zwei Augen funkeln, Wir hören halb ein fromm Gebet, Und plötzlich bleiben wir im Dunkeln — Wenn uns're Mutter schlafen geht. Der Kindheit holdes Paradies, Wir fanden's wieder ohne Mühen, Ihr sanftes Wort, ihr Anblick ließ Uns das versunk'ne neu erblühen; Gebrochen ist die schwanke Brücke, Verschlossen nun die Pforte steht, Wir scheiden von dem reinsten Glücke, Wenn uns're Mutter schlafen geht. Und hat ein gütiges Geschick Mit Schätzen uns bedacht und Ehren, Nichts sind sie da dem feuchten Blick, Ihn drängt es, rückwärts sich zu kehren: Kann keiner Schuld sie dich verklagen, Die ohne Sühne fortbesteht, Das ist des Herzens einzig Fragen, Wenn uns're Mutter schlafen geht. Ich habe treu sie stets geehrt, War folgsam ihr in allen Stücken — Ein ganzes Leben ist es werth, Ihr so die Augen zuzudrücken; Doch müßten reuevoll wir leben — Eh' um Verzeihung wir gefleht, Hat sie uns Alles längst vergeben, Wenn uns're Mutter schlafen geht. Und ihre Liebe dauert fort Und bleibt zurück mit ihrem Segen, Sie ging voran, ein gutes Wort Bei'm Vater für uns einzulegen, So wird auch unser Schmerz gelinder, Und heil'ge Tröstung uns umweht, Wir fühlen uns als Gottes Kinder, Wenn uns're Mutter schlafen geht. Wie durch die stille Mondesnacht Noch ruhst du ganz in meinem Arm, Der fest und innig dich umfängt, Noch fühl' ich, wie sich voll und warm Dein Leben mir entgegen drängt, Und schon regt sich im Herzen sacht Ein Weh, das schlimme Weise singt — Wie durch die stille Mondesnacht Ein fern verhallend Posthorn klingt. Dein Auge blitzt an mir empor Und senkt sich wieder abgewandt, Ein feuchter Schimmer quillt hervor, Und schmerzlich drückst du mir die Hand, Auch du hast jäh daran gedacht, Was uns die nächste Stunde bringt — Wie durch die stille Mondesnacht Ein fern verhallend Posthorn klingt. Und bist du diesmal mir entflohn, Nie kehrst du mehr zum alten Ort, Es zittert dann ein einz'ger Ton Durch mein verlor'nes Leben fort, Der wenn zur Ruhe ich gebracht, Noch in den letzten Schlummer dringt — Wie durch die stille Mondesnacht, Ein fern verhallend Posthorn klingt. Magdalena Im Auge, das thränend zum Himmel fleht, Die Flamme sterbend noch Funken sprüht, Es zittert und zuckt im leisen Gebet Die Lippe, die noch vom Kusse glüht. Bereuend suchst du im Himmel dein Glück, — Doch hemmt der Seele heiligen Schwung Und zieht zur Erde dich mächtig zurück Der Sünde süße Erinnerung. Einst wirst du schlummern Ob Nachts auch thränenfeucht dein Pfühl, Und heiß die ruhelosen Lider, Einst wirst du schlummern sanft und kühl, Und keine Sorge weckt dich wieder. Vergehe nicht in Angst und Qual, Es eilt die Stunde, dich zu retten: Vier Bretter nur braucht's, dünn und schmal, Ein müdes Menschenherz zu betten. Und du auch findest eine Hand, Die Augen sanft dir zuzudrücken, Mit einer Blume, einem Band Dir deinen Sarg noch auszuschmücken. Der Tod bringt Ruhe deinem Harm, Die dir das Leben nie vergönnte, Halt' aus; es ist kein Mensch so arm, Daß er nicht endlich sterben könnte. In zarte Frauenhand Seine heimatlosen Lieder Legt der flücht'ge Dichter nieder Gern in zarte Frauenhand; Bleibt auch er dem Kampf verkettet, Ruht doch sanft und weich gebettet, Was sein tiefstes Herz empfand. Wenn durch seines Buches Seiten Schlanke weiße Finger gleiten, Knüpfen sie ein luftig Band; Und er fühlt mit Trost und Segen Auf sein müdes Haupt sich legen Eine zarte Frauenhand. Bertran de Born Droben auf dem schroffen Steine Raucht in Trümmern Autafort, Und der Burgherr steht gefesselt Vor des Königs Zelte dort: „Kamst du, der mit Schwert und Liedern Aufruhr trug von Ort zu Ort, Und die Kinder aufgewiegelt Gegen ihres Vaters Wort! Steht vor mir, der sich gerühmet In vermess'ner Prahlerei, Daß ihm nie mehr als die Hälfte Seines Geistes nöthig sei? Nun der halbe dich nicht rettet, Ruf den ganzen doch herbei, Daß er neu dein Schloß dir baue, Deine Ketten brech' entzwei!“ Wie du sagst, mein Herr und König! Steht vor dir Bertran de Born, Der mit einem Lied entflammet Perigord und Bentadorn, Der dem mächtigen Gebieter Stets im Auge war ein Dorn, Dem zu Liebe Königskinder Trugen ihres Vaters Zorn. Deine Tochter saß im Saale, Festlich, eines Herzogs Braut, Und da sang vor ihr mein Bote, Dem ein Lied ich anvertraut, Sang, was einst ihr Stolz gewesen, Ihres Dichters Sehnsuchtslaut, Bis ihr leuchtend Brautgeschmeide Ganz von Thränen war bethaut. Aus des Ölbaums Schlummerschatten Fuhr dein bester Sohn empor, Als mit zorn'gen Schlachtgesängen Ich bestürmen ließ sein Ohr. Schnell war ihm das Roß gegürtet Und ich trug das Banner vor, Jenem Todespfeil entgegen, Der ihn traf vor Montforts Thor. Blutend lag er mir im Arme, Nicht der scharfe kalte Stahl, — — Daß er starb in deinem Fluche, Das war seines Todes Qual. Strecken wollt' er dir die Rechte Über Meer, Gebirg' und Thal, Als er deine nicht erreichte, Drückt' er meine noch einmal. Da, wie Autafort dort oben, Ward gebrochen meine Kraft; Nicht die ganze, nicht die halbe Blieb mir, Saite nicht, noch Schaft. Leicht hast du den Arm gebunden, Seit der Geist mir liegt in Haft; Nur zu einem Trauerliede Hat er noch sich aufgerafft. — Und der König senkt die Stirne: „Meinen Sohn hast du verführt, Hast der Tochter Herz verzaubert, Hast auch meines nun gerührt. Nimm die Hand, du Freund des Todten! Die verzeihend ihm gebührt. Weg die Fesseln! Deines Geistes Hab' ich einen Hauch verspürt.“ Des Sängers Fluch Es stand in alten Zeiten ein Schloß so hoch und hehr, Weit glänzt' es über die Lande bis an das blaue Meer, Und rings von duft'gen Gärten ein blütenreicher Kranz, Drin sprangen frische Brunnen in Regenbogenglanz. Dort saß ein stolzer König, an Land und Siegen reich, Er saß auf seinem Throne so finster und so bleich; Denn was er sinnt, ist Schrecken, und was er blickt, ist Wuth, Und was er spricht, ist Geißel, und was er schreibt, ist Blut. Einst zog nach diesem Schlosse ein edles Sängerpaar, Der Ein' in goldnen Locken, der Andre grau von Haar; Der Alte mit der Harfe, der saß auf schmuckem Roß, Es schritt ihm frisch zur Seite der blühende Genoß. Der Alte sprach zum Jungen: „Nun sei bereit, mein Sohn! Denk' unsrer tiefsten Lieder, stimm' an den vollsten Ton, Nimm alle Kraft zusammen, die Lust und auch den Schmerz! Es gilt uns heut', zu rühren des Königs steinern Herz.“ Schon stehn die beiden Sänger im hohen Säulensaal, Und auf dem Throne sitzen der König und sein Gemahl; Der König furchtbar prächtig, wie blut'ger Nordlichtschein, Die Königin süß und milde, als blickte Vollmond drein. Da schlug der Greis die Saiten, er schlug sie wundervoll, Daß reicher, immer reicher der Klang zum Ohre schwoll, Dann strömte himmlisch helle des Jünglings Stimme vor, Des Alten Sang dazwischen wie dumpfer Geisterchor. Sie singen von Lenz und Liebe, von sel'ger goldner Zeit, Von Freiheit, Männerwürde, von Treu' und Heiligkeit; Sie singen von allem Süßen, was Menschenbrust durchbebt, Sie singen von allem Hohen, was Menschenherz erhebt. Die Höflingsschaar im Kreise verlernet jeden Spott, Des Königs trotz'ge Krieger, sie beugen sich vor Gott, Die Königin, zerflossen in Wehmuth und in Lust, Sie wirft den Sängern nieder die Rose von ihrer Brust. „Ihr habt mein Volk verführet, verlockt ihr nun mein Weib?“ Der König schreit es wüthend, er bebt am ganzen Leib, Er wirft sein Schwert, das blitzend des Jünglings Brust durchdringt, Draus, statt der goldnen Lieder, ein Blutstrahl hoch aufspringt. Und wie vom Sturm zerstoben ist all der Hörer Schwarm, Der Jüngling hat verröchelt in seines Meisters Arm, Der schlägt um ihn den Mantel und setzt ihn auf das Roß, Er bind't ihn aufrecht feste, verläßt mit ihm das Schloß. Doch vor dem hohen Thore, da hält der Sängergreis, Da faßt er seine Harfe, sie aller Harfen Preis, An einer Marmorsäule, da hat er sie zerschellt, Dann ruft er, daß es schaurig durch Schloß und Gärten gellt: „Weh euch, ihr stolzen Hallen! nie töne süßer Klang Durch eure Räume wieder, nie Saite noch Gesang, Nein! Seufzer nur und Stöhnen und scheuer Sclavenschritt, Bis euch zu Schutt und Moder der Rachegeist zertritt! Weh euch, ihr duft'gen Gärten im holden Maienlicht! Euch zeig' ich dieses Todten entstelltes Angesicht, Daß ihr darob verdorret, daß jeder Quell versiegt, Daß ihr in künft'gen Tagen versteint, verödet liegt. Weh dir, verruchter Mörder! du Fluch des Sängerthums! Umsonst sei all dein Ringen nach Kränzen blut'gen Ruhms, Dein Name sei vergessen, in ew'ge Nacht getaucht, Sei wie ein letztes Röcheln, in leere Luft verhaucht!“ Der Alte hat's gerufen, der Himmel hat's gehört, Die Mauern liegen nieder, die Hallen sind zerstört, Noch eine hohe Säule zeugt von verschwundner Pracht, Auch diese, schon geborsten, kann stürzen über Nacht. Und rings, statt duft'ger Gärten, ein ödes Haideland, Kein Baum verstreuet Schatten, kein Quell durchdringt den Sand, Des Königs Namen meldet kein Lied, kein Heldenbuch; Versunken und vergessen! das ist des Sängers Fluch. Das Schloß am Meere Hast du das Schloß gesehen, Das hohe Schloß am Meer? Golden und rosig wehen Die Wolken drüber her. Es möchte sich nieder neigen In die spiegelklare Flut; Es möchte streben und steigen In der Abendwolken Glut. „Wol hab' ich es gesehen, Das hohe Schloß am Meer, Und den Mond darüber stehen Und Nebel weit umher.“ Der Wind und des Meeres Wallen, Gaben sie frischen Klang? Vernahmst du aus hohen Hallen Saiten und Festgesang? „Die Winde, die Wogen alle Lagen in tiefer Ruh', Einem Klagelied aus der Halle Hört' ich mit Thränen zu.“ Sahest du oben gehen Den König und sein Gemahl? Der rothen Mäntel Wehen? Der gold'nen Krone Strahl? Führten sie nicht mit Wonne Eine schöne Jungfrau dar, Herrlich wie eine Sonne, Strahlend im gold'nen Haar? „Wol sah ich die Eltern beide, Ohne der Krone Licht, Im schwarzen Trauerkleide! Die Jungfrau sah ich nicht.“ Das Ständchen Was wecken aus dem Schlummer mich Für süße Klänge doch? O Mutter, sieh! wer mag es sein, In später Stunde noch? „Ich höre nichts, ich sehe nichts, O schlummre fort so lind! Man bringt dir keine Ständchen jetzt, Du armes, krankes Kind!“ Es ist nicht irdische Musik, Was mich so freudig macht; Mich rufen Engel mit Gesang, — O Mutter, gute Nacht! Freie Kunst Singe, wem Gesang gegeben, In dem deutschen Dichterwald! Das ist Freude, das ist Leben, Wenn's von allen Zweigen schallt. Nicht an wenig stolze Namen Ist die Liederkunst gebannt; Ausgestreuet ist der Samen Über alles deutsche Land. Deines vollen Herzens Triebe, Gib sie keck im Klange frei! Säuselnd wandle deine Liebe, Donnernd uns dein Zorn vorbei! Singst du nicht dein ganzes Leben, Sing' doch in der Jugend Drang! Nur im Blütenmond erheben Nachtigallen ihren Sang. Kann man's nicht in Bücher binden, Was die Stunden dir verleihn: Gib' ein fliegend Blatt den Winden, Muntre Jugend hascht es ein. Fahret wohl, geheime Kunden, Nekromantik, Alchemie! Formel hält uns nicht gebunden, Unsre Kunst heißt Poesie. Heilig achten wir die Geister, Aber Namen sind uns Dunst; Würdig ehren wir die Meister, Aber frei ist uns die Kunst. Nicht in kalten Marmorsteinen, Nicht in Tempeln, dumpf und todt: In den frischen Eichenhainen Webt und rauscht der deutsche Gott. Frühlingslob Saatengrün, Veilchenduft, Lerchenwirbel, Amselschlag, Sonnenregen, milde Luft! Wenn ich solche Worte singe, Braucht es dann noch großer Dinge, Dich zu preisen, Frühlingstag? Abreise So hab' ich nun die Stadt verlassen, Wo ich gelebet lange Zeit; Ich ziehe rüstig meiner Straßen, Es gibt mir Niemand das Geleit. Man hat mir nicht den Rock zerrissen, Es wär' auch Schade für das Kleid, Noch in die Wange mich gebissen Vor übergroßem Herzeleid. Auch keinem hat's den Schlaf vertrieben, Daß ich am Morgen weiter geh'; Sie konnten's halten nach Belieben; Von Einer aber thut mir's weh. Die Kapelle Droben stehet die Kapelle, Schauet still ins Thal hinab; Drunten singt bei Wies' und Quelle Froh und hell der Hirtenknab'. Traurig tönt das Glöcklein nieder, Schauerlich der Leichenchor; Stille sind die frohen Lieder, Und der Knabe lauscht empor. Droben bringt man sie zu Grabe, Die sich freuten in dem Thal; Hirtenknabe! Hirtenknabe! Dir auch singt man dort einmal. Notturno Wir gingen einsam durch die Gartenflur In stiller Nacht: Die Sterne und dein Aug' ergossen nur Noch Licht und Pracht. Wir gingen stumm — du schwebtest droben hoch Im Glanzrevier; Und nur dein Herz, das war auf Erden noch Und war bei mir! Da plötzlich hielt dein Schritt — Was schaust du, sprich, So groß mich an? — Du fielst mir um den Hals, — und küßtest mich, — Und weintest dann. Ein Grab Alt schon ist das kleine Brieflein, Das ich im Gebetbuch hab'; Oben drauf da steht mein Name — Dieses Brieflein ist ein Grab. Es enthält ja einen Leichnam Ohne Herzschlag, ohne Blick, Halb verwest und kaum erkennbar; Dieser Leichnam ist: — mein Glück! Die Zigeunerin Der Wind geht rauh und wimmernd, Der Himmel trübt sich schwer, Die Kürbisblätter wanken So fröstelnd hin und her. Das arme Zigeunermädchen Spinnt ihren Faden lang, Der Blick ist ihr so müde, Das Herz ist ihr so bang. „Mein Lager ist so frostig, Ich bin so braun und arm. Sein Antlitz ist so lieblich, Sein Heim, das ist so warm.“ „Ich bin die Unkrautblüte, Die er im Gehn erblickt: Er ist der Sturm, der stolze, Der mich im Wehn zerpflückt!“ Befreit Auf meinen stolzen Nacken drückten Sie gern die knechtisch grobe Faust, Von meinem Kranze gerne pflückten Sie Blatt um Blatt bis er zerzaust — Der Kranz! die käuflich leichte Waare, Verunziert längst ein edles Haupt; Laßt mich nur hingehn bis zur Bahre Mit freier Stirne, unbelaubt! Schmückt eure Götzen, eure Phrynen, Ich suche nicht so feilen Lohn. — Den bessern Götter will ich dienen, Gekrönt an einem höhern Thron. Ihr könnt die Herrschaft meinen Händen, Den Purpur meinem Leib entziehn, Doch die Gedanken mir entwenden, Die über alle Himmel fliehn: Das könnt' ihr nicht! — Bleib' ich doch immer Was vordem ich gewesen war; Euch gönn' ich lächelnd leeren Schimmer Und flieg' empor ein freier Aar. — Morgengruß Ich habe geträumt so schwer und bange, Noch lieget ein Bann auf Brust und Hirn. — Geschlafen habe ich — ach, so lange! Von Schlaf und Traum erglühet die Stirn. Ich wache auf! — Ein Zwitschern und Singen, Leben und Weben draußen beginnt. Es schwebt vom Dome auf Andachtschwingen, Mein Zimmer goldiger Strahl umspinnt. Ich wache auf! die quälenden Sorgen Bedecket duftiger Blütenstaub, Die Thränen saugt der thauige Morgen, Die Seufzer verweht der Hauch im Laub. Ich wache auf! — Gegrüßet mein Leben Mit frischer Hoffnung fröhlichem Schlag — Mit neuem Kämpfen, mit neuem Streben, Gegrüßt du klarer, heiliger Tag! Blick' ich zurück — Blick' ich zurück zu längstvergangnen Tagen, Fühl' ich's wie Märchenzauber mich umschleichen; Ein Wunder ist's, dem alle Wunder weichen, Daß ich so viel der Schmerzen schon ertragen Und dennoch warm die vollen Pulse schlagen, — Das Herz noch hegt des Glaubens hehres Zeichen, Die Hand noch helfend sich der Hand kann reichen Und heiße Thränen noch hervor sich wagen! ... Soll ich es Segen, soll ich Fluch es nennen, Daß wir so tapfer Weh und Leid besiegen? Mit Schmerzensthränen die im Busen brennen Uns lächelnd schon in Freudenthränen wiegen? Ein Wunder ist's des Lebens Qual zu kennen, Und sich so fest doch an die Qual zu schmiegen! Wahl Offene Rose am Stocke, Ich breche dich! Schmück' noch ein Weilchen die Locke, Und schmücke mich! — Dich duft'ges Knösplein zu nehmen Würd' ich mich schämen, Dich Knösplein roth! — Du scheinst noch viel tausend Fragen Im Kelch zu tragen ... Fragen ... Für mich schon todt! Mein Tempel Bilder aus den Alpen O wieder will ich aus dem Menschenstrom Den Fuß zu euch, ihr lieben Berge, wenden; Wo über mir sich wölbt der Himmelsdom, Will mein Gebet ich zum Allvater senden, Dort — wo am Felsenherz der Gletscher träumt, Der Aar empor sich kühn zur Sonne schwinget, Die Alpenrosen blühn, der Wildbach schäumt Und freiheitsstolz zur Thalestiefe dringet — Dort will ich wieder knie'n vor dem Altar Aus Urgranit, vom Ewigen errichtet; In jenem Tempel fand ich immerdar Noch Trost, so oft ich mich zu ihm geflüchtet! ... Der Bergsee Bilder aus den Alpen Mit süßem, maienheiterm Blinken Ruht, unberüht vom Erdenweh, Umragt von grauen Felsenzinken, Auf hoher Alp ein Silbersee. Der Frühling hat ihn wunderniedlich Mit frischen Blumen rings umsäumt, Er aber schlummert hold und friedlich Am Bergesbusen fort und träumt. Es wird die schlafende Lawine — Bilder aus den Alpen Es wird die schlafende Lawine Leis wachgeküßt vom Sonnenmund Und donnernd stürzt sie sich, die kühne, Vom Felsengrat zum Thalesgrund. Da liegt sie, überragt von Erlen, Bleich auf der Matte jungem Grün. Und weint befruchtend ihre Perlen, Allmählich sterbend, drüber hin. König Föhn Bilder aus den Alpen Wieder spielt die Riesenharfe König Föhn mit aller Macht, Und es braust das schwerterscharfe Hochlied durch die Sternennacht! Wenn er so im wilden Reigen, Herrscherkühn vorübergeht: Rings sich alle Wälder neigen Tief vor seiner Majestät! So bist du denn mir ganz entschwunden — So bist du denn mir ganz entschwunden Und kehrest nimmermehr zurück, Trost gießend tief in meine Wunden Mit deinem Lächeln, deinem Blick? Ich suche dich in allen Zimmern Und rufe dir mit bangem Sinn — Umsonst! ... Des Himmels Sterne schimmern Auf deinen Grabeshügel hin. Der Tag verblüht Der Tag verblüht Und in der heil'gen Stille Stirbt hin das Lied, Das klagende, der Grille! Kein Lüftchen geht; Das Bächlein murmelt leise Im Kieselbett Die alte Wanderweise! Die Höh'n verglühn Und es fangt an zu dunkeln — Am Himmel blühn Die Sterne auf mit Funkeln! Ruh', ringsum Ruh'! Ja, Alles athmet Frieden: O, gib ihn du, Natur, auch mir, dem Müden! Das Erkennen Ein Wanderbursch', mit dem Stab in der Hand, Kommt wieder heim aus dem fremden Land. Sein Haar ist bestäubt, sein Antlitz verbrannt; Von wem wird der Bursch' wol zuerst erkannt? So tritt er ins Städtchen, durch's alte Thor, Am Schlagbaum lehnt just der Zöllner davor. Der Zöllner, der war ihm ein lieber Freund, Oft hatte der Becher die beiden vereint. Doch sieh, — Freund Zollmann erkennt ihn nicht, Zu sehr hat die Sonn' ihm verbrannt das Gesicht. Und weiter wandert nach kurzem Gruß Der Bursche und schüttelt den Staub vom Fuß. Da schaut aus dem Fenster sein Schätzel fromm: „Du blühende Jungfrau, vielschönen Willkomm!“ Doch sieh, — auch das Mägdlein erkennt ihn nicht, Die Sonn' hat zu sehr ihm verbrannt das Gesicht. Und weiter geht er die Straß' entlang, Ein Thränlein hängt ihm an der braunen Wang'! Da wankt von dem Kirchsteig sein Mütterchen her, „Gott grüß Euch!“ so spricht er und sonst nichts mehr. Doch sieh, — das Mütterchen schluchzet voll Lust: „Mein Sohn“ — und sinkt an des Burschen Brust. Wie sehr auch die Sonne sein Antlitz verbrannt, Das Mutteraug' hat ihn doch gleich erkannt. Ein Friedhofsbesuch Beim Todtengräber pocht es an: „Mach' auf, mach' auf, du greiser Mann! Thu' auf die Thür' und nimm den Stab, Mußt zeigen mir ein theures Grab.“ Ein Fremder spricht's mit strupp'gem Bart, Verbrannt und rauh nach Kriegerart. „Wie heißt der Theure, der Euch starb Und sich ein Pfühl bei mir erwarb?“ „Die Mutter ist es, kennt Ihr nicht Der Martha Sohn mehr am Gesicht?“ „Hilf Gott, wie groß! wie braun gebrannt! Hätt' nun und nimmer Euch erkannt. Doch kommt und seht, hier ist der Ort, Nach dem gefragt mich Euer Wort. Hier wohnt, verhüllt von Erd' und Stein, Nun Euer todtes Mütterlein.“ Da steht der Krieger lang und schweigt, Das Haupt hinab zur Brust geneigt. Er steht und starrt zum theuren Grab Mit thränenfeuchtem Blick hinab. Dann schüttelt er sein Haupt und spricht: „Ihr irrt, hier wohnt die Todte nicht! Wie schlöss' ein Raum, so eng und klein, Die Liebe einer Mutter ein!“ Erster Schnee Wie plözlich doch bedeckt mit Eis So Strauch als Bäume stehn; Auf letztem Grün das erste Weiß Wie traurig ist's zu sehn! Was bangst du, Herz? Sei frisch und kühn Und denk' wenn Flocken wehn: Auf letztem Weiß das erste Grün, Wie lieblich wird das stehn! Der verreisten Hausfrau Komm zurück! Seit du von hinnen, Ist es todt in unserm Hause, Todt wie dort im Märchenschlosse, Da die junge Königstochter War in Zauberschlaf gesunken. Gleich mit ihr entschliefen alle Herrn und Knechte, Fraun und Zofen. Auch die Pferd' im Stall entschliefen Sammt dem Hündlein vor der Stallthür. Auf dem Herde selbst das Feuer, Plötzlich kroch's in sich zusammen, Während auch der Brunn im Hofe Sich auf einen Zug verschluckte. An der Wand sogar die Fliege, Die sich just das Köpfchen putzte, Plötzlich schlief ihr ein das Beinchen. Auf dem Dach die weiße Taube, Setzte sich zurecht zum Schlafen, Und das Schwälbchen unter'm Giebel Schlummert ein im schönsten Lied. Und so lagen, saßen, stunden, Und so schliefen, schnarchten, träumten Rings um ihre Königstochter Herrn und Knechte, Fraun und Zofen, Thier' und Vögel, Feu'r und Wasser Viele hundert Jahre lang. Komm zurück! und gleich ergeht es, Wie's im Schlosse dort ergangen, Als verwegen, unaufhaltsam Durch die Dornen all, die ringsum Thurm und Mauer überwachsen, Als verwegen eingedrungen Auf den Mund die Königstochter Hat geküßt der Königssohn. Komm zurück! und bei dem ersten Kuß auf deine süßen Lippen, Bei dem ersten, manch Jahrhundert Schon entbehrten, süßen Kusse, Wird die Magd aus trägem Schlummer Neu erwacht zum Herde treten; Wird das Feuer auf dem Herde Wieder braten, kochen, sieden; Wird der Brunnen wieder rauschen, Topf und Kessel uns zu füllen; Wird im wieder warmen Zimmer Auch die Fliege wieder summen, Gern gehegt den Winter über, Und verhaßt allein des Sommers. Kammerherrn und Kammerfrauen Sammt den Pferden auch im Stalle, Diese mögen unsertwegen Noch ein paar Jahrhundert schlafen: Dafür heimlich überm Dache Kreiset neu die Friedenstaube, Und das Schwälblein unterm Giebel Singt gar aus sein halbes Lied. Die Gestirne Wie sie so himmlisch ruhig oben kreisen, Kein Laut, der je zu uns herüber drang; Sie wandeln ihren stillen, ewig leisen, Geheimnißvollen, wunderbaren Gang. Die Winde sausen aus der fernsten Ferne, Des Weltalls Boten fliehn sie hin und her; Doch bringen sie aus dem Bereich der Sterne Nicht einen Ton, der uns vernehmbar wär', Vergebens ist des Ohrs gespanntes Lauschen, Der Geist nur überwindet Raum und Zeit, Und ihm ertönt im stummen Sphären-Rauschen Der Donneruf des Alls: Unendlichkeit! Umsonst gelebt Es lag die Welt vor ihm mit hundert Wegen, Merkur wies ihm fein rothes Gold von fern, Der stolze Vater Ordensstern und Degen, Die fromme Mutter pries den Dienst des Herrn. Ihm aber war's, als säh' er leuchtend schweben Ein hohes Weib in märchenhaftem Glanz, Und glückverheißend zu den Wolken heben Ein Saitenspiel und einen Lorbeerkranz. Und schnell entschlossen wandte er den Rücken Dem Ruhm, der Kirche und Fortunens Gunst, Brach hinter sich entzwei die letzten Brücken, „Dein bin ich,“ rief er, „vielgeliebte Kunst!“ — — Und nun nach Jahren, — kennst du noch ihn wieder Den Mann, der ernst und traurig vor dir steht? Ihn schmückt kein Kranz, verklungen sind die Lieder, Die einst er sang, verschollener Poet! Was frommt es ihm, daß er gefolgt den Spuren Des Traumbilds und gelebt dem Ideal, Ein Fremdling blieb er auf der Erde Fluren Und war zu Haus nicht in der Götter Saal. Wol war ihm hie und da ein Lied gelungen, Doch was in tiefster Seele jauchzt und klagt, Zu künden so, daß jedes Herz bezwungen, Blieb unerreichbar, ewig ihm versagt. Nun ist er alt und krank, es ras't das Fieber In seinem Blut, die bleiche Wange glüht. Und vor des Kranken inn'rem Aug' vorüber Sein langes, trostlos langes Leben zieht. Da sieht er plötzlich wieder fernher schweben Das hohe Weib, gehüllt in Trauerflor, Ihr Blick ist ernst und ihre Hände heben Statt Lorbeer heut' den Todtenkranz empor. „Fluch dir,“ so ruft er, „die auf falsche Bahnen, Ein täuschend Irrlicht, meine Seele zog, Die mich erfüllt mit trügerischem Ahnen Und märchenhaft mein thöricht Herz belog. Als Hoffnung locktest du durch Schmeichellieder Den Knaben einst und sangst von Ruhm und Glanz, Doch als Erfüllung kehrst zum Mann du wieder Und bringst ihm nichts — als einen Todtenkranz. O Dämon, Trugbild, all mein Thun und Ringen, Vergebens war's, durch dich verführt, verlockt; Verfehlt mein Dasein, Dichten, Träumen, Singen, Ich hab' umsonst gelebt!“ — — sein Athem stockt. Schon rührt der Tod ihn an, vom blassen Munde Der Lebenshauch mit seinem Geist entschwebt; Und spottend ruft das Echo in der Runde Sein letztes Wort ihm nach: „Umsonst gelebt!“ Ein verlorner Sohn Wess' ist das Licht, das durch die trübe, Sternlose Nacht so tröstend blinkt? Das Lämpchen ist's der Mutterliebe, Das heimwärts dem Verlornen winkt. Ein armes Weib in enger Klause Wohnt dort, ihr Haupt ist altersschwer; Vor Jahren zog vom Elternhause Der einz'ge Sohn, fern über's Meer. An ihres Fensters kleine Scheibe Sie nächtlich d'rum die Lampe stellt, Daß, wenn zurück ihn Sehnsucht treibe, Der düstre Pfad ihm sei erhellt. „Denn heute muß er wiederkehren!“ Entfachend jener Lampe Schein, Spricht täglich sie mit bittren Zähren, Eh sie des Abends schlummert ein. Und wenn sie früh die müden Glieder Vom Lager hebt, beim Morgenroth, Ruft betend sie: „Heut' kehrt er wieder!“ — — Sie weiß es nicht, daß längst er todt ... Die Nachbarin, die sonst so gerne Das Neuste in dem Dorf erzählt, Hat einen Sohn auch fern im Westen, Der drüben blieb und sich vermählt. Der hat es ihr schon längst geschrieben, Daß todt der Sohn der Alten sei; Jedoch der armen Frau zu Liebe Bewahrt sie das Geheimniß treu. Und wenn sie Sonntags in der Kirche Die Alte fragt: nun kehrt er bald? Spricht lächelnd sie „geb's Gott,“ die Thränen Im Aug' rückdrängend mit Gewalt. Im Zorne war er einst geschieden Fort über's Meer zum fernen West, Doch sie kann sterben nicht in Frieden, Eh' sie ihr Kind ans Herz gepreßt. Siech ist ihr Leib, grau sind die Haare, Und ihre Hände zittern schon, Doch spinnt und darbt sie, daß sie spare, Wenn heim er kehrt, für ihren Sohn. O Mutterliebe! Quell der Schmerzen, Von Gottes ew'gem Angesicht Abglanz im sünd'gen Menschenherzen, Du harrst, du hoffst und zweifelst nicht! Laß trostreich deine Leuchte blinken, In dunkler Nacht den hellsten Stern, Der Tag, wo du den Sohn wirst finden, Harr' aus und hoff', ist nicht mehr fern! Sonntagsruh Es steht ein Crucifix am Wege, Der über schroffen Felsen hängt, Wo aus verschlung'nem Waldgehege Die Straße in das Thal sich senkt. Der Heiland hat versöhnungsmilde Am Kreuz die Arme ausgespannt, Es ist als ging von diesem Bilde Ein stiller Frieden in das Land. Ein Sonntag war's, ich kam geschritten Vom Gletscher mit beeistem Haar, Da stand das Crucifix in Mitten Der Landschaft hell und morgenklar. Und unter mir lag still und eben Der See im hellsten Sonnenschein, Das Dorf im Schmuck der grünen Reben, Die Kirche mit dem Kreuz von Stein. Die Glocke rief, Landleute zogen Zum Haus des Herrn im Festagskleid. Sonst war es still, nur Lerchen flogen Empor in Gottes Herrlichkeit. Weiß nicht was mir dir Hände leise Zusammenfügte, unbewußt, Daß ich nach frommer Gläub'gen Weise Am Kreuze beten hier gemußt. Doch als ich thalwärts drauf gelenket Dem stillen Dorf die Schritte zu, Da fühlt' ich, wie sich tief gesenket In meine Seele Sonntagsruh. Ein Wiedersehen Nach langen Jahren sah ich dich Im bunten Festschwarm wieder Und reichte dir versöhnt die Hand — Du schlugst die Augen nieder! Du standest vor mir früh verwelkt, Bleich, wie dein eig'ner Schatten; War's späte Reue, Gram und Schmerz, Die so entstellt dich hatten? Der Schönheit Rose fiel schon längst Erblaßt von deinen Wangen, Und deine Augen blickten trüb' Und wolkenüberhangen. Voll Gram in deinem Herzen nur Konnt' ich wie eh'mals lesen, Doch fand ich nichts als Gräber drin, Von dem was du gewesen. Du tratst wie einst zum Flügel hin, Es rauschten laut die Saiten; An meinem Ohr hört' ich vorbei Die alten Lieder gleiten. Doch war's der Klang nicht mehr, der oft In Fesseln mich geschlagen, Nein, ein verlor'ner Wiederhall, Aus halb vergess'nen Tagen. Du, die vor meinem Aug' geschwebt, Mild, wie des Frühlings Segnen, Was mußtest du zerstört und fremd, Nach Jahren mir begegnen; Was mußtest du zertrümmern mir, Aus sonnenhellen Tagen, Das Bild, das ich in meiner Brust, Bis jetzt von dir getragen! Großmütterchen Großmütterchen sitzt unterm Lindenbaum Und schaut in die Nacht hinaus, Die überm schweigenden Waldessaum Sich friedlich breitet aus. Alt ist der Baum, Großmütterchen grau, Sie haben manch' Jahr gesehn, Sie sahen Lenze mild und blau Und Stürme vorübergehn. — Ein Vogel flötet vom morschen Baum Hernieder sein sehnend Lied, Und durch Großmütterchens Herz ein Traum Von Jugend und Liebe zieht. So ist die Liebe das letzte Band, Das Beide am Leben hält; Schon morgen vielleicht hat Gottes Hand Die beiden Alten gefällt. Trutzlied Wenn in blühender Maienlust Höher die Herzen schlagen, Schwillt begeistert die junge Brust Kühn zu wetten, zu wagen; Was unmöglich weiland erschien, Will bedünken erreichbar; Siegesträume den Geist durchziehn. Rosigen Wolken vergleichbar. Kinderbegeisterung, Kindermuth, Niemand möge sie schelten; Wem sie nimmer entzündet das Blut, Soll uns als Mann nicht gelten. Aber wenn ihm die Blüten nicht Dauernde Früchte getragen, Schwindet schnell mit des Frühlings Licht All sein Hoffen und Wagen. Wenn sich Novembernebel kalt, Grau auf die Fluren senken; Wenn wir es merken, daß Geistgewalt Nicht die Natur kann lenken, Daß in dem Ding, dem brutalen Sein, Nur die Gemeinheit königt, Welche die Lüge mit heuchelndem Schein Als Gottweisheit beschönigt — Kinderbegeisterung, Kindermuth, Hoffnung auf baldige Siege, Wärmen da nimmer das frierende Blut, Stärken da nimmer zum Kriege. Nein, da gilt nur der männliche Sinn, Welcher mit Ernst es lernte, Ohne Belohnung und ohne Gewinn Schaffen für künftige Ernte. Welcher, wenn ihm die Kraft zerbricht, So sich zu trösten erdreistet: Habe mir selbst bemessen die Pflicht, Habe mein Wollen geleistet, Beugte mich vor der siegenden Macht Weder auf Drohen noch Bitten, Habe des Erdenlebens Nacht Stark und stolz durchschritten! Der Entsagende Fahrwohl! Fahrwohl! Und ohne Klage Reich' ich zum Abschied dir die Hand. Kein Wort und keine Miene sage, Was tief für dich mein Herz empfand. Hinausziehn will ich in die Ferne Und suchen, wo ein stilles Thal Verschwiegen schauen läßt die Sterne Herab auf meiner Liebe Qual. Da will ich einsam ruhn und sinnen Der Zeiten, da ich selig war, Und wenn vom Aug' die Thränen rinnen, Dich segnen, segnen immerdar ... Vergessen mag ich sein, verschollen, Und wenn du strahlst im hellen Glück, Ruf' nichts den ewig Kummervollen In dein Gedächtniß dir zurück. Ja, wenn ich niedersink' zu sterben, Und Todesschweiß die Stirne thaut: Nie wird für mich um Mitleid werben Der Sterbeglocke trüber Laut. Und nie erhältst du eine Kunde, Wo man des Lebens müd' und matt Den armen Dulder in dem Grunde Des stillen Grabs versenket hat. Ein Stillleben In meiner Jugend schönen Tagen Wie war mein Herz, mein Herz so voll, So voll von Jauchzen, voll von Klagen, Von Liebe, Lust und Leid und Groll! Jetzt ist verrauscht das laute Wogen, Mein Herz ist einsam, still und leer, Schon lang' ist daraus fortgezogen Der bunten Gäste wildes Heer. Allein nur sitzt in bangem Sinnen Erinn'rung drin, die alte Frau: Sie nicket mit dem Kopf beim Spinnen Und zieht den Faden nicht genau. Sie lächelt manchmal vor sich nieder, Und manchmal murmelt sie ein Wort, Ein Reim ist's alter schöner Lieder, Die Lieder, ach, sind alle fort! Erschauernd sinket sie zusammen, Ihr ist, sie weiß es selbst nicht wie, Wo einst gebrannt die lichten Flammen, Glimmt Asche jetzt der Poesie. Sie schürt sie mit der Ofenzange, Sie gähnt und fröstelt und sie spricht: Die Zeit ist um und mir wird bange, Kommt mir die Ruhe denn noch nicht? Wer hätte nicht einmal — Wer hätte nicht einmal von Glück geträumt? Wer nicht gehofft, es einmal zu erringen? Hör' ich die Welle, die an's Ufer schäumt, So meine ich: sie müßte mir es bringen! Aus dem Ursumpf Überm Sumpf der frommen Frösche und der list'gen alten Kröten Schwebt die düstre Nebelwolke und sie fangen an zu beten, Schrein im Chor zu ihrem Gotte, daß zum Ursumpf wieder werde Mit dem dicksten Urweltnebel rings die schaffensfrohe Erde. Und es schütteln sich die moos'gen, altersschwachen Eichenbäume, Ach, sie wollen schlafen, schlafen, träumen alte Ammenträume. Aus dem trüben Weiher wehen alte, düstre Litaneien: „Miserere, Miserere, mög' der Himnel uns verzeihen!“ „Mög' der Himmel uns verzeihen, daß wir Sonnenstrahlen tranken, Daß wir lieber nicht voll Andacht in dem Röhricht untersanken! Ach, die bösen Sonnenstrahlen ließen all' den Sumpf verschwinden, Und der liebe Urweltsnebel ward entführt von kecken Winden.“ „Aber Gloria in excelsis deo! In den Bergesschluchten Hängt er noch gleich Kirchenfahnen, ein Entsetzen den Verfluchten, Den Verfluchten, die am Nektar, dem verbotenen sich laben, Kirchenräuberisch zum Tempel sich die Welt geschaffen haben.“ Miserere, Miserere! tönt es fort im Jammerchore, Und der Ältste aller Frösche grimmig sitzt im alten Rohre. Quakend ruft er, daß nur Christen, die im alten Sumpf verschlammt sind, Und daß alle andern Leute Frevler, Heiden und verdammt sind. Ich kann dich nicht vergessen Ich kann dich nicht vergessen, Du goldne Jugendzeit, Mit deinen endlosen Wonnen Und deinem kurzen Leid. Das Glück liegt tief versunken! Nur selten zieht's einmal Traumgleich durch meine Seele, Ein flücht'ger Sonnenstrahl. Damit er dann nicht spurlos In's öde Nichts entflieht, Schaff' ich zur glücklichen Stunde Ein leichtbeschwingtes Lied. Hagens Pürschgang Herr Hagen kommt von der Jagd nach Haus, Das Haar zerzaust, die Stirne kraus; Es dröhnt sein Schritt in der Halle schwer, Hell klirrend fällt auf den Estrich die Wehr'. Er schlägt auf den Tisch mit wuchtiger Faust Und furchtbar seine Stimme erbraust: „Rasch einen Humpen, von Glühwein voll, Den größten von allen, — sonst macht's mich toll! Im Weine vergess' ich vielleicht den Graus, Im Rausche schlaf' ich mein Fieber aus!“ Die Diener hören's und fliegen dahin, Des Recken wüstes Gebot zu vollziehn; Und wie sie bringen den riesigen Krug, Da leert er ihn gierig auf einen Zug. Dann stützt er das Haupt in die schwielige Hand Und spricht, den Blick ins Leere gebannt: „Wie war das nur? Wie kam das nur? Ich hatte eines Hirschen Spur: Ein Sechzehnender! Ein prächtiges Stück! Das ist gar selt'nes Waidmannsglück! Und wie er jäh aus dem Dickicht brach, Warf ich den Speer ihm blitzschnell nach. Ich traf ihn gut! Fest saß das Geschoß, Und bald auch Blut aus der Wunde floß! Doch nicht gefällt noch war das Thier, — Es hatte ein doppeltes Leben schier! So flog's durch Gestrüpp, durch Wald und Flur, — Ich rastlos nach der schweißigen Spur; Und weiter und weiter in rasender Hast Vom Taumel der tollsten Jagdlust erfaßt. Doch endlich will mir der Odem vergehn Und zu verschnaufen bleib' ich stehn. — Es war eine Wiese, mit Blumen bunt, Umschlossen von alten Eichen im Rund; Und seitwärts links an gar schattiger Stell', Da sprudelte lockend ein silberner Quell! Ich los und drauf, vom Durst geplagt, Dem steten Gast bei heißer Jagd. Doch wie ich mich beuge zum Wasser hinab, Da tönt es empor wie aus schaurigem Grab: 'Herr Hagen! Herr Hagen! Bedenkt, was Ihr thut! Trinkt nicht von der Quelle, —'s ist Blut! — 's ist Blut!' Ich höre die Mahnung und blicke umher, Ob nicht ein Schalk in der Nähe wär'? Doch Niemand zu sehen! — Rings alles wie todt, — Und silbern die Quelle; — Blut aber ist roth! Da beug' ich mich zornig zum zweiten Mal, Denn groß schon ist meines Durstes Qual. Bevor ich aber die Lippe noch feucht', Die Stimme wieder angstvoll keucht: 'Herr Hagen! Herr Hagen! Ich mein' Euch's gut! Trinkt nicht von der Quelle, — 's ist Blut!— 's ist Blut!' Da packt's mich wie Angst, — ich halte ein Und stiere — mit Grausen ins Wasser hinein. Das färbt sich roth, — so roth wie Blut, Und blutig springt aus der Erde die Flut! Nun sträubt sich mein Haar zu Berge schier, Und fliehn will ich das gespenst'ge Revier. Doch — fliehen ich? Das ist nicht mein Brauch: 'So sei's denn Blut! Ich trink' es auch!' Ich ruf' es laut und beuge mich schnell Noch einmal nieder zum purpurnen Quell. Da tönt es von unten wie Angstgekreisch: ,Herr Hagen! Herr Hagen! O thut, was ich heisch'! Trinkt nicht von dem Blute, und flieht diesen Ort, Denn hier geschah ein gräßlicher Mord!' Und rings aus dem Walde heult es und gellt: 'Held Siegfried, Held Siegfried, hier ward er gefällt!' Da reißt's mich auf wie mit eherner Faust, Es flieht der Fuß den Ort, wo ihm graust, Und fliegt so jach über blumigen Grund, Hin zu der Eichen mächtigem Rund. Doch wie ich nun dränge hinein in den Wald, Gebieten mir starrende Äste ein Halt! Wie Arme strecken sie drohend sich Mit tauseud Fingern gegen mich. Sie wollen mich greifen, — ich seh' es genau, — Und Blut fließt rings, wie ich sie zerhau'; Und immer höher steigt wie ein Meer Das Blut der Bäume um mich her. — — Nun seh' ich vor mir mit Schauder und Qual Des kläglichsten Todes gedoppelte Wahl: Nach oben erstick' ich im wirren Geäst, Das mich umklammernd würgt und preßt; — Nach unten ertrink' ich in grausiger Flut, — Und 's ist nicht einmal Feindesblut! Da raff' ich mich auf zum letzten Kampf. Dem Eber gleich im Todeskrampf — Und strecke mich hoch, und ring' mich empor, Und kappe die Äste, und dränge mich vor, — Und sehe schon winken den grünenden Strand, Der lockend dort auftaucht am Waldesrand: Da steiget die grausige Flut mir zum Mund, Da drückt's mich von oben hinab auf den Grund, — Da schwinden die Kräfte, es brechen die Knie', Die Sinne vergehen, — ich weiß nicht wie? ... ... Und wie ich erwache, lieg' ich zur Seit' Dem röchelnden Hirsche in blutigem Kleid, Und röchle wohl selbst unter Alpesdruck, Und weiß nicht, war's Traum, war's Koboldspuk?“ Herr Hagen spricht's und noch einmal Ergreift er den dampfenden vollen Pokal. Und stürzt ihn hinunter in gieriger Hast, Und sinkt auf den harten Estrich zur Rast, Im Weine vielleicht vergißt er den Graus, Im Rausche schläft er sein Fieber aus! — — Die Diener aber flüstern scheu Von bösem Gewissen und nagender Reu' ... Prometheus Festgeschmiedet an den Felsen, Müd' der tausendjähr'gen Qual, Liegt in tiefem Schlaf Prometheus, Der das Licht vom Himmel stahl. Ja, Prometheus schläft! — Ein Lächeln Spielt um den entschloss'nen Mund, Und das gibt des Traumes Wonne Den erstaunten Göttern kund; — Fels und Fessel sind gebrochen, Todt der nimmersatte Aar, Und geheilt die tiefe Wunde, Die geblutet tausend Jahr'!: „Endlich langersehnte Freiheit! Götter! Ahnt ihr diese Lust? Nein! Denn fremd ist euch der Wechsel, — Ebb' und Flut der Menschenbrust! Im Olympe thront ihr ewig. — Ew'ger Tag und ewge Pracht, — Doch das Licht ist fremd dem Auge, Denn dies kennt ja nicht die — Nacht! Ewig schwelgend im Genusse, Des Genießens nie bewußt, — Arme Götter! Wer euch böte Ebb' und Flut der Menschenbrust! Arme Götter! Lieber träumen Von der Freiheit eine Nacht, Als, stets frei, nicht einmal ahnen, Wie die Freiheit selig macht!“ — Also ruft im Traum Prometheus, Götter fordernd, selbstbewußt; — Horch! ... da klirrt's ... den Adler hungert: ... — Ebb' und Flut der Menschenbrust! Dithyrambe Laß uns toll durch's Leben jagen Nicht entbehren, nicht entsagen, Nicht nur nippen Mit den Lippen Aus der Freude kargem Becher, Nein, laß uns wie durst'ge Zecher Schlürfen rasch in ganzen Zügen Aus der Wonne vollen Krügen! Nur dem Heute, nie dem Morgen Gelte unser ganzes Sorgen! Und der Wonnen, Die verronnen, Hold Gedächtniß soll uns lehren, Daß für unser Lustbegehren Immer neue Blumen sprießen, Immer neue Quellen fließen! Laß uns niemals bang erwägen, Daß im Maaß allein der Segen, Nie durch denken Uns beschränken, Sondern in bacchant'schen Freuden Uns're junge Kraft vergeuden, Küssen, bis die Lippen bluten, Untergehn in Liebesgluten! So, in Meteorenweise, Wollen uns're Flammengleise Wir durch's Leben Leuchtend weben, Und der Tod mit seinen Schrecken Soll uns keine Furcht erwecken: Lustvereint im letzten Kusse Winken wir ihm selbst zum Gruße! Am See Es starrt die alte Weide So trübe in den See, Die dunkle Flut erzählt ihr Ein Märchen voll dunklem Weh: Es hatten zwei geschlossen In Liebe einen Bund, Nun liegen sie umschlungen Tief in dem kühlen Grund. Er mußte hinaus, als der Himmel In schweren Wolken hing, — Da er nicht wiederkehrte, Maid ihn suchen ging. Feuerlilien im Walde Müde von des Tages Lärmen, Steifen Zwangs und Brauches satt, Sehnt' ich mich umherzuschwärmen, Wo nur flüstert Blatt mit Blatt. Freiaufathmend zu entrinnen Dem Getrieb' der bunten Welt, Floh ich mit betäubten Sinnen Nach des Waldes Blätterzelt. Sah, durch Feld und Auen schweifend, Blüt' und Halm im Abendthau Und in stolze Höhen greifend Hochgebirg' am Ätherblau. Ruhig schwebend zog der Geier Seine Kreise über mir Und es hob die Brust sich freier, Stiller schlug das Herz in ihr. Hier ist Alles klar und munter, Nur der Freiheit Stimme ruft, Und die Seele fliegt, ein bunter Falter, selber durch die Luft! Doch wie staunt' ich! — Hier, wo wild nur Ungepflegt die Blume sprießt Und der blaue Himmel mild nur Sie erwärmt und sie begießt, Wo, von keiner Hand gezogen, Die nach ihrem Wunsch sie zwingt, Frei der Hopfenranke Bogen, Sich von Baum zu Baume schlingt, Wo in schneeigweißen Dolden Die Hollunderbüsche blühn, Sah ich leuchtend, hoch und golden, Eine Feuerlilie glühn. Stolzer Fremdling, laß dich fragen: Ging's dir etwa so wie mir? Bat'st den Windhauch, dich zu tragen Auf dies stille Plätzchen hier? Hat die Reue dich durchzittert, Daß du, der Natur entflohn, Standst, im Garten eingegittert, Ihr und auch dir selbst zum Hohn? Sieh! wir beide kehren wieder Sehnsuchtsvoll zu ihr zurück, Und in Segensstrahlen nieder Strömt auf uns ihr stilles Glück. Verbunden Zwei der Stämme, zweierlei Wuchs und Rinde, Blatt und Gipfel, Doch verbunden sind die Zwei Von der Wurzel bis zum Wipfel. Um das dunkle Tannenreis Legt die leichtgebognen Äste Eine Birke silberweiß, Leise zitternd in dem Weste. Wie der Sturm die Bäume lenkt, Weicht vom Andern dennoch Keiner Unzertrennlich fest verschränkt, Sind die Beiden nur mehr Einer. Durch der Nadeln spitze Schaar Ist das Birkenlaub gedrungen, Halten wol seid manchem Jahr, Wie mit Armen sich umschlungen! Und der Vogel, der sein Nest Ihren Zweigen anvertrauet, Weiß nicht, welchem das Geäst Angehört, auf dem er bauet. Ja so fest sind Schaft und Schaft Ineinander eingedrechselt, Daß herüber stets der Saft Und hinüber wieder wechselt. Krank zusammen und gesund, — Ob die weiße Birke kranke, Ob in ihres Wesens Grund Krank die Tanne sei, die schlanke; Eins beim heitern Morgenroth, Eines auch in Sturmesnöthen Und der Blitz der Einem droht, Muß mit Einem beide tödten. Und ich fühl' es fast wie Neid Tief im Herzen mir erschauern: Keiner wird in herbem Leid Je den Andern überdauern! Werden Aus seines eignen Wesens drang Entsprießt der Keim der Erde, Ihn treibt des Lebens innrer Zwang, Daß er zur Knospe werde. Die Knospe hebt das stille Haupt, Das sonnenangeglühte, Und aus sich selber, reich belaubt, Entfaltet sich die Blüte. Der Vogel, der dem Neste kaum Mit banger Furcht entflogen, Hebt seine Schwingen durch den Raum Und fliegt zum Himmelsbogen. Aus hartem Felsen ringt sich los Mit wildem Drang die Quelle, Und fort stürzt in des Meeres Schooß Sich wachsend Well' auf Welle. Und was da keimt und sproßt und webt Im Himnmel und auf Erden, Es wird, aus innerm Drang belebt, Es wird, denn es muß werden! Nur was das Menschenherz verschließt, Das schleppt sich schwer und träge! Du hemmst ja, Herz, was in dir sprießt, Durch deine eig'nen Schläge. Und nur allein dein Schicksal ist: Durch Mühsal und Beschwerden, Was du in deinem Wesen bist, Mit Schmerzen erst zu werden! In Räthselfragen ruht der Reiz des Lebens In Räthselfragen ruht der Reiz des Lebens, Und forschen wir nicht immer auch vergebens, So folgen jeder Lösung neue Fragen, Die wir als neue Räthsel in uns tragen. Ein neuer Drang erfaßt die glühnde Seele, Als wünschte sie, daß nichts sich ihr verhehle, Und doch — ich bebte vor des Tages Grauen, Der mich die letzte Lösung ließe schauen. Wär' sie denn nicht das Ende alles Strebens? Und ohne dies, — wo ist der Reiz des Lebens? Es gleicht das Herz der Blüte, — sie veraltet Gar bald, wenn sich das letzte Blatt entfaltet. Auf eine getrodcknete Blume Was willst du nur, du zarte Blumenleiche, Du stille, bleiche? Hier zwischen dieses Buchs vergilbten Blättern Vor Wind und Wettern Lagst du geschützt und in Verborgenheit Wol lange Zeit? Wohin willst du, zu stillem Rückgedenken, Den Sinn mir lenken? Im Herzen weckst du Bilder nicht, die schliefen In seinen Tiefen; Vergessen ist der Tag, der fernentrückte, Da ich dich pflückte! War's im Genusse stiller Seligkeit, War es im Leid, Daß meine Hand dich zitternd hier verwahrte, Du bleiche, zarte? Umsonst, du machst das Herz nicht höher schlagen, Was willst du sagen? Willst du mir künden stumm mit deinen Farben, Die längst erstarben, Daß Leid und Freuden unbeständig sind, Wie Sturm und Wind? Daß uns entschwinden könne tief im Innern, Selbst das Erinnern? Der Sieg des Lebens Auf dunkeln Wassern unterm Nachtgezelt Schwamm Noah's Schiff; gestorben war die Welt, Am Steuer saß der Patriarch allein Und starrte traurig in die Flut hinein. Es schäumten um den Kiel die trüben Wogen, Die alles Lebende hinabgezogen. In Noah's Brust entbrannte heil'ge Glut. Er sprach: „Wozu ist dieses Leben gut? Die Brüder all' verschlang das nasse Grab, Weshalb steig' ich zu ihnen nicht hinab? Es ekelt mich, allein zu überleben Und über Leichen wie ein Gott zu schweben. Ich bin ein Mensch. Ging unter mein Geschlecht, So hab' auch ich ans Todtenreich ein Recht, Was brauchen neue Sterbliche zu blühn Und sich im Daseinskampfe zu bemühn? Die Qual zukünft'ger Zeiten kann ich wenden, Bevor sie noch begann, im Keim sie enden!“ Und rasch entschlossen fasset seine Hand Das Beil und will zertrümmern schon die Wand, Den Bretterbau, der einer Menschheit Rest Behütet und der Flut nicht Zutritt läßt. Vom ersten Schlag erdröhnen dumpf die Planken, Es kracht der Kiel, das Schiff beginnt zu schwanken. Da legt um Noah's Nacken sich ein Arm, Weich, glänzend weiß und voll und lebenswarm, Die Tochter ist ihm unbemerkt genaht; Sie hemmt — und ahnt doch nichts — des Vaters That. Er schaut sein Kind, den Wunderbau der Glieder, Des Auges Strahl, — da sinkt die Waffe nieder. Und fest an sich zieht er das Mädchen jetzt, Streicht sanft ihr Haar, das feuchter Nachtthau netzt, Horcht auf den Athem, der den Busen schwellt Und murmelt leis': „Du rettest eine Welt.“ Das Kind blickt auf. Die großen Augen fragen. Der Vater schweigt; im Osten sieht er's tagen. Die Enthüllung Da war es, Herz, als wir im Dunkeln saßen, Da bang die Brust noch ihr Geheimniß trug, Und bei des Busens Klopfen wir vergaßen, Wie an die Fenster laut der Regen schlug. Du saßest stumm, verstohlen bebtest du, Indeß der Donner aus der Ferne sprach; Ich aber schloß die zagen Lippen zu, Auf denen zögernd mein Geständniß lag. Da fuhr der Blitz ob unserm Haupt hernieder Da flog zu mir der Augen scheuer Strahl! In meiner Hand die deine fühlt' ich wieder, Und Lipp' an Lippe lag zum ersten Mal. Dein Groll zerschmolz in dieser Himmelsglut, In Thränen küssend hast du mir gelacht, Und was dir dunkel in der Brust geruht, Fuhr wie ein Blitzstrahl flammend durch die Nacht. Im Schreiben halt' ich oftmals plötzlich inne — Im Schreiben halt' ich oftmals plötzlich inne, Ob auch noch ferne von der Arbeit Ende, Entzweigerissen wie durch Geisterhände Ist der Gedankenfaden, den ich spinne. Ein holdes Bild umgaukelt mir die Sinne Und fesselt mich, daß ich den Blick nicht wende, Als wenn sich alles Heil darinnen fände, Ob manche Stunde drüber auch verrinne. Dein Bild ist es, du liebste aller Frauen, Das ich so oft in Schmerzen muß entbehren, Wenn du von dir mich fern hältst ohn' Erbarmen. O gönn' es mir, im Geiste dich zu schauen Und was der Neid uns nimmer kann verwehren, Zu küssen dich im seelischen Umarmen! Der Kuß O, wer den Kuß erfunden, Der Liebe süßen Kuß, Der hat es tief empfunden, Mit schmerzlichem Verdruß, Daß um der Lieb' Entzücken, Ihr Hoffen, ihren Harm, Ihr Sehnen auszudrücken, Die Sprache viel zu arm. Wie schaute Der verlegen In Liebchens Angesicht, Als für des Herzens Regen Er fand die Worte nicht! Da half, sein Leid ermessend, Ein guter Genius: Und Lipp' auf Lippe pressend Erfand er so den Kuß. Als sich das zugetragen, Da gab's noch kein Patent, Drum konnt's ein Jeder wagen Und nimmer nimmt's ein End: Wo sich zwei Herzen finden, Gibt's Wort-Verlegenheit, Und drum in Küssen künden Sich beide Lust und Leid. Der Liebe Erwachen Ihr fragt, was Großes ich erdenke Und wundert euch, dieweil ihr schaut, Daß auf die Brust das Haupt ich senke Und schweige, der ich sonst so laut. O quält nicht länger mich mit Fragen! Warum noch unberührt der Wein? Und was ich sinne? Laßt's euch sagen: Ich blick' nur in mein Herz hinein: Ein Sonnenstrahl nahm seine Wege Durch mein verdüstertes Gemüth, Da ist aus wildem Dorngehege Still eine Rose mir erblüht. Am Sonntag Die hellen Kirchenglocken schallen Durch Sabbathsstille in die Welt — Den Betern, die zum Tempel wallen, Seh' ich im Geist dich beigesellt. Ich sehe dich im schwarzen Kleide Zum Kirchlein wandeln, grünumlaubt, Im Kirchenstuhle, dir zur Seite, Des greisen Küsters graues Haupt. Ich seh' dich in der Frommen Mitte, Zu Boden keusch den Blick gewandt, Das Büchlein mit dem goldnen Schnitte In deiner lieben, lieben Hand. Ich sehe dich: die Hände einen Sich zum Gebet nach frommem Brauch. Du flehst zu Gott für all die Deinen — O denk' des fernen Sünders auch! Das ist das Meer Das ist das Meer! wie groß, wie weit; Wie hoch der Himmelsbogen! Ein Schauer der Unendlichkeit Weht auf den ewigen Wogen. Das ist das Meer! wie feierlich! Ohn' Anfang, ohne Ende! In stummer Andacht neig' ich mich, Und falte meine Hände. Heimweh Dieselben alten Töne rauscht Das Meer im Palmenland, Auf die ich heimatfroh gelauscht Am fernen Nordseestrand; — Drum wenn mich Heimweh übermannt So geh' ich an die See; Die rauscht so traut und wohlbekannt Und lindert all das Weh! Bitte Wenn meine letzte Stunde schlägt, Tragt mich ans Meer, das blaue, Daß ich, eh' man ins Grab mich legt, Das Meer noch einmal schaue; Daß vor der Todesdunkelheit, Mit sterbemattem Auge, Den Glanz ich der Unendlichkeit Noch einmal in mich sauge! Daß von der unbegrenzten Flut Mich Ahnung hold umwehe, Und ich mit hoffnungsvollem Muth Von dieser Erde gehe! Wenn meine letzte Stunde schlägt, Tragt mich ans Meer, das blaue, Daß ich, eh' man ins Grab mich legt, Das Meer noch einmal schaue. Das Vaterhaus Umrankt von Rosen auf der Höhe steht Mein Vaterhaus, hoch über'm breiten Strome; Darüberhin der Westwind brausend weht Und graue Wolken ziehn am Himmelsdome. Weit über Wiesengrün und Wogenbraus Und Hügelketten schweift der Blick hinaus Und zieht mit Segeln, welche fröhlich schwellen, In ferne Länder über blaue Wellen. Als Knabe saß ich hier und sah sie ziehn, Die stolzen Schiffe mit den schlanken Masten, Und mich umwallten bunte Phantasien, Die wunderbar die junge Seele faßten: Ein Sehnen wogte wild in meiner Brust, Und heiß und heißer regte sich die Lust, Der trauten Heimatstille zu entfliehen Und mit in alle Welt hinauszuziehen. Heut' sitz' ich wieder vor dem Vaterhaus Und schau' hinab, wie damals auf die Elbe; Dieselben Schiffe ziehn im Wellenbraus, Doch mein Empfinden ist nicht mehr dasselbe; Ich war ja draußen, wie mein Herz begehrt — Und wandermüde bin ich heimgekehrt; Ich sah die Pracht in all den fernen Reichen — Und liebe doppelt nun die deutschen Eichen! Im Louvre Paris 1869 Welch Heiligthum! die Götter aller Sonnen Und aller Zeiten unter einem Dach: Murillo's, Rubens', Rafaels Madonnen Mit den antiken Göttinnen der Wonnen Vereinigt in demselben Prunkgemach. O welche Fülle herrlicher Gestalten In diesem Saale, hellsten Marmors voll, Wie göttlich hebt aus des Gewandes Falten Die schönste Venus sich, die uns erhalten! Und hier! wie fein! Sauroktono's Apoll! Doch hier! welch buntes Licht in diesem Saale Nimmt dämmerhell gefangen meinen Sinn! Die Wunder Christi auf dem Hochzeitsmahle, Die Jungfrau, schwebend auf dem Himmelsstrahle! Und die gepries'ne „schöne Gärtnerin!“ O seht, (die Pfaffen sehn's mit bangem Staunen) Was hier des Zufalls Ironie erfand! Hier hängten spöttisch feine Schicksalslaunen Den jungen Jupiter bei seinem Faunen Mit einem Christkind an dieselbe Wand! Ihr Heil'genbilder auf dem bunten Linnen, Schaut auf die Heidengötter nicht so stolz! Sie hatten Priester auch und Priesterinnen, Und Ströme Christenblutes mußten rinnen, Bis ihre Welt in frommer Demuth schmolz. Und dann kam eure Welt, ihr Recht zu fodern, Und furchtbar übte sie das Rächeramt: Die Schwerter pfeifen, Scheiterhaufen lodern, Und in den feuchten Kerkergruften modern Die Opfer, die ihr ungehört verdammt. Die Wahrheit wechselt, mildre Zeiten kommen, Es kommt ein menschlich-denkendes Geschlecht: Den Christen-Frommen wie den Heiden-Frommen Ist nun ihr Feuer und ihr Schwert genommen, Die Freiheit der Gewissen wird zum Recht. Die Wahrheit wechselt. In demselben Falle Gefallen nun ist macher Götter Heer; Hier stehn die Götter aller Zeiten alle Beisammen friedlich in derselben Halle Und haben keine Donnerkeile mehr. Doch Eins, ihr Bilder, Eins ist euch geblieben: Die reine Menschenschönheit, die euch schmückt, Dieselbe Schönheit, nur ein andres Lieben, Ist diesem Heilgenantlitz eingeschrieben Und dieser Venusstirne aufgedrückt. Die Wahrheit wechselt. Aber unvergänglich Und ewig bricht die Schönheit durch die Nacht. Und tausend Pilger, für das Licht empfänglich, Verehren hier und fühlen überschwänglich Die frommen Freuden ihrer heil'gen Macht! Die Fahne der Einundsechziger Vor Dijon war's; — doch eh' ich's euch erzähle, Knüpf' Einer doch die Binde mir zurecht, Mich schmerzt der Arm, sie sitzt wol schlecht; So! — so! — nun euer Herz sich stähle: Vor Dijon war's; die Pässe der Vogesen Bedrohte Garibaldi's bunte Schaar, Bourbaki kam von der Loire, Das hart bedrängte Belfort zu erlösen. Gefahr war im Verzug; drei bange Tage Hielt Werder gegen Übermacht schon Stand Bei Mömpelgard, und in der Hand Des Kriegsgotts schwankte schier die Waage. Wir Pommern hatten vor Paris gelegen Und waren schon im Marsch, das zweite Corps Und auch das siebente ging vor Von Orleans auf hartgefrornen Wegen. In Dijon wußten wir den alten Recken Und griffen ihn, zwei Regimenter, an Mit seinen fünfzigtausend Mann, Den Flankenmarsch der Corps zu decken. Der Alte von Caprera ließ sich blenden, Hielt die Brigade für die ganze Macht, Und Nachmittags begann die Schlacht, Die ach! für uns so taurig sollte enden. Die Einundzwanz'ger auf dem rechten Flügel Des ersten Treffens hatten schwer Gefecht, Wir also vor! und grade recht, Mit Hurrah! nahmen wir die Hügel; Dem Feinde auf der Ferse ging's verwegen Bis in die Vorstadt Dijons jetzt hinein, Hier aber aus der Häuser Reih'n Kam mörderisches Feuer uns entgegen. Im Steinbruch, mit dem Bajonett genommen, Da fanden wir vor eines Ausfalls Wucht, Zum Sammeln durch die steile Schlucht Gedeckt, nothdürftig Unterkommen. Doch die Fabrik dort in der rechten Flanke Wie eine Festung auf uns Feuer spie, „Vorwärts! die fünfte Compagnie Zum Sturm auf die Fabrik, und Keiner wanke!“ Der Tambour schlägt, es geht wie zur Parade, Die Fahne fliegt uns hoch und stolz voran, Doch klopft das Herz manch treuem Mann Beim raschen Schritt auf diesem Pfade. Wie Salven rollt und pfeift es in die Glieder, Es ras't der Schnitter Tod und fällt und mäht, Und wie er seine Reihen sät, Da sinkt die Fahne und ihr Träger nieder. Aus dem Gedräng' ein Offizier sie rettet, „Mir nach!“ so ruft er und stürmt kühn voraus, Doch aus dem unglücksel'gen Haus Grüßt ihn der Tod, der eilig bettet. Selbst blutend springt der Adjutant vom Pferde, Erfaßt die Fahne, schwingt sie hoch empor, — Da deckt sein Auge dunkler Flor, Und sterbend küßt sein bleicher Mund die Erde. Was fällt, das fällt! vorwärts! durch Tod und Flammen! Zwei brave Musketiere greifen zu, Der Eine stürzt: „Versuch' es du!“ Doch auch der Andre bricht zusammen. Nun fällt der Führer auch, wir müssen weichen, Ein Häuflein war der Rest, vom Feind umringt, Das schlägt sich durch, und es gelingt, Den Steinbruch endlich wieder zu erreichen. Da dachte keiner seiner eignen Wunde, Wer jetzt noch aufrecht stand in Nacht und Graus, „Die Fahne fehlt! holt sie heraus!“ So scholl es laut von Mund zu Munde. Ein Halbzug wird zum Suchen ausgesendet Und — kommt nicht wieder, alle blieben todt, Uns bebt das Herz, Allmächt'ger Gott! Hast du dich zürnend gegen uns gewendet? „Freiwill'ge vor!“ — Da blieb nicht Einer stehen, Der noch sein heiß Gewehr in Händen hielt, Und sechs, die um das Loos gespielt, Sehn in die Nacht hinaus wir gehen. — Zurück, vom Feind verfolgt, ein Einz'ger kehrte, Der blutete, verhüllte sein Gesicht Und schwieg, — die Fahne bracht' er nicht, Und Keiner, Keiner seinen Thränen wehrte. — Am andern Tag, so ließ Ricciotti melden, Fand man die Fahne fest in starrer Hand, Zerfetzt, zerschossen, halb verbrannt Und unter Haufen todter Helden. — — Wenn wir nun ohne Fahne wiederkommen, Ihr Brüder allesammt, gebt uns Pardon! Verloren haben wir sie schon, Doch keinem Lebenden ward sie genommen. Wilhelm Tell „Sprich, Vater, warum wir die dunkle Nacht Im Walde, tief in den Tannen durchwacht?“ „Mein Kind, wer sich rüstet zu guter Jagd, Muß zu Holze ziehn, bevor es tagt.“ „Dort, Vater, ein Reh aus dem Busche bricht! Du siehst es, und du erlegst es nicht?“ „Ein Reh ist eine geringe Beut'; Wol edler Wild erjag' ich heut!“ „Dort stürzt aus dem Dickicht der Hirsch in Hast; — Vater, frisch deinen Pfeil gefaßt!“ „Laß ziehen den Hirsch, ihm geschieht kein Leid; Wol edler Wild erjag' ich heut'!“ „Mein Vater, ob unserm Haupte schwer Zieht drohend ein Gewitter her! — Mir wird so bang — laß heim uns gehn!“ „Mein Sohn, lern' im Gewitter stehn!“ „Sieh dort, herjagend auf stolzem Roß, Den Landvogt reiten, noch fern sein Troß!“ „Still, Knab'! so Gott dir helfen mag! — Landvogt, dies war dein letzter Tag!“ „Um Gott, mein Vater! was hast du gethan? Du hast erschlagen den vornehmen Mann!“ „Wer ein Mann ist, vertheidigt sein gutes Recht, Der Feige nur ist der Tyrannen Knecht!“ Die nächtliche Heerschau Nachts um die zwölfte Stunde Verläßt der Tambour sein Grab, Macht mit der Trommel die Runde, Geht emsig auf und ab. Mit seinen entfleischten Armen Rührt er die Schlägel zugleich, Schlägt manchen guten Wirbel, Reveill' und Zapfenstreich. Die Trommel klinget seltsam, Hat gar einen starken Ton; Die alten todten Soldaten Erwachen im Grabe davon. Und die im tiefen Norden Erstarrt in Schnee und Eis, Und die in Welschland liegen, Wo ihnen die Erde zu heiß, Und die der Nilschlamm decket, Und der arabische Sand, Sie steigen aus ihren Gräbern, Und nehmen's Gewehr zur Hand. — Und um die zwölfte Stunde Verläßt der Trompeter sein Grab, Und schmettert in die Trompete, Und reitet auf und ab. Da kommen auf luftigen Pferden Die todten Reiter herbei, Die blutigen alten Schwadronen In Waffen mancherlei. Es grinsen die weißen Schädel Wol unter dem Helm hervor, Es halten die Knochenhände Die langen Schwerter empor. — Und um die zwölfte Stunde Verläßt der Feldherr sein Grab, Kommt langsam hergeritten, Umgeben von seinem Stab. Er trägt ein kleines Hütchen, Er trägt ein einfach Kleid, Und einen kleinen Degen Trägt er an seiner Seit'. Der Mond mit gelbem Lichte Erhellt den weiten Plan, Der Mann im kleinen Hütchen Sieht sich die Truppen an. Die Reihen präsentiren Und schultern das Gewehr, Dann zieht mit klingendem Spiele Vorüber das ganze Heer. Die Marschäll' und Generäle Schließen um ihn einen Kreis; Der Feldherr sagt dem Nächsten In's Ohr ein Wörtlein leis. Das Wort geht in die Runde, Klingt wieder fern und nah: „Frankreich!“ ist die Parole, Die Losung: „Sanct Helena!“ Das ist die große Parade Im elisäischen Feld, Die um die zwölte Stunde Der todte Cäsar hält. Waldfrieden Mich lockt der Wald mit grünen Zweigen Aus dumpfer Stadt und trüber Luft; Er lockt mit seiner Sänger Reigen, Mit seinem feierlichen Schweigen Und seiner Blüten mildem Duft. Es wölbt sich stolz der Buchen Krone, Und über Kiesel rollt der Bach; Die Drossel pfeift auf grauem Throne, Es spielt der Wind mit Orgeltone Im dichtverschlung'nen Blätterdach. Und welch ein Reichthum in den Weisen, Die in dem kühlen Waldeszelt Bald in Accorden, milden, leisen, Und dann in vollern mächtig preisen Die reiche, wunderbare Welt! Am fernen Abhang stehn die Föhren, Dort ruht der Hirsch im kühlen Tann; Sie stimmen auch in vollen Chören, Um nicht die Harmonie zu stören, Ein feierliches Loblied an. Es fliegt ein Falke durch's Gehege, Mit lautem und mit heiserm Schrei; Den starken Fittig schlägt er träge, Hoch über ihm zieht seiner Wege Ein stolzer königlicher Weih'. Und Stille, wie in Kirchenhallen, Senkt sich auf Waldung, Thal und Flur; Des Abends dunkle Schleier fallen, Im trauten Zwielicht hörst du schallen Den lauten Ruf des Uhu's nur. Dann steigt der Mond mit gold'nem Scheine Am blauen Himmelsdom empor, Und streut sein Gold rings auf die Haine, Auf Feld und Flur, auf grüne Raine Und auf das düstre, stille Moor. Die Ruhe, die das All' umschlungen, Zieht auch in deine Seele ein; Der inn're Zwiespalt ist verklungen, Du hast den Frieden dir errungen, Des Herzens Saiten tönen rein. Auf dem Castrum von Pfünz bei Eichstätt Wo der Wacheschritt des Veteranen Einst auf rauhem Stein verhallte, Wo den stolzen Glanz der Römerfahnen Wild die deutsche Lust umwallte, Wo der Altmühl träge Fluten Spielten mit dem düstern Schein, Den das Licht der Lagergluten In den Schooß ihr warf hinein! Hier im alten Mauerringe, Wo der römische Präfect Seines Adlers goldne Schwinge So zu Schutz wie Kampf geweckt. Wo die Spuren trotzger Quadermauer Unter Gras und Ginster liegen, Lenkt die Pflugschar jetzt der Ackerbauer Und es weiden einsam Ziegen; Wo die Tuba schmetternd weckte Ehedem die Lagerreihn, Bläst der in das Moos gestreckte Hirte klagende Schalmein. Zittergras und Herbstzeitlosen Blühn um einen Weihestein, Und ein Kranz von wilden Rosen Rahmt der Inschrift Zeichen ein. Sinnend lehn' ich mich an eine Föhre, Schaue trüben Blicks zu Thale, Wo der Rabenvögel dunkle Chöre Kreischend ziehn im Abendstrahle; Und es faßt mich jener Schauer Irdischer Vergänglichkeit: Über Schanze, Wall und Mauer Hört mein Ohr den Schritt der Zeit ... Kloster Mar-Saba Mar-Saba bangt mit seinen Thürmen Hoch über Kidrons trockner Schlucht; Nicht ist's umbraust von wilden Stürmen, Und nicht umtost von Wellenflucht: Und dennoch schwebt mit allen Schauern Der Tod um Saba's Klostermauern. Sein Glöckchen schallt nur tröstlich nieder In schreckenstiller Mitternacht, Wenn hell verkünden heil'ge Lieder Der frommen Mönche strenge Wacht. Da ringt der Sang durchs Steingeklüfte Hinaus sich in die dunkeln Lüfte. Jetzt regen sich des Fuhrmanns Lippen, Der auf dem Schwefelmeere zieht, Und betend meidet er die Klippen, Die er im bleichen Lichte sieht; Dann wieder lenkt er — halb im Traume — Sein Schiff auf phosphorhellem Schaume. Comet Auf glüht der Comet in den luftigen Zonen, Ein feuriger König der schattigen Nacht; So wallt er am Himmel, von Sternlegionen Mit goldenen Schilden hellglänzend umwacht. Das Auge des Niggers mit fürchtendem Ahnen Bestaunt den entquillenden schimmernden Born Und starrt ihm nach auf den blitzenden Bahnen Und schlägt sich die Brust vor dem himmlischen Zorn. Doch siehe, die Blüten der duftigen Reben Sie lechzen empor nach dem seltenen Strahl; Er segnet mit Gluten ihr werdendes Leben Und lockt sie hervor zu unendlicher Zahl. Wer weiß es zu sagen, wohin er entschwindet? Wo sich ihm die leuchtenden Marken gestellt? Und welche Geschlechter sinds, die er einst findet, Wenn wieder sein Pfad unsern Himmel erhellt?! — Tod Wehe! Wie lauern die Blicke des Todes Überall mit der vernichtenden Macht! Oben im Glanze der blitzenden Gletscher, Unten im brütenden Erzesschacht. Glühend entsprüht er dem Kusse der Liebe, Düster entglimmt er im finsteren Haß; Tückischer ruht er in labenden Speisen, Lockender blickt er aus goldenem Naß. Aber wie arglos tändelt das Leben Nahe vorbei an dem tödtenden Blick! Gütiglich hat es die Gottheit gegeben: Erst wenn es trifft, wird gefühlt das Geschick. Sei wie das Meer! Sei wie das Meer mit seinem Wogengange, Das, ewig sonnenklar, zu keiner Stunde Das Fremde duldet an dem reinen Grunde! Sei wie das Meer, bewegt von keuschem Drange! Es wälzet unter stürmischem Gesange, Mit starken Winden in dem kühnen Bunde, Die Trümmer und die Leichen durch die Sunde Bis zu des Strandes schroffem Felsenhange. Sei wie das Meer und spül' im Selbstgenügen Hinweg die todten Satzungen des Lebens, In die nur Schwächlinge sich weichlich fügen! Dann mühen deine Neider sich vergebens, Des Herzens Freudigkeit dir wegzulügen: Sei wahr! Und geh' die Bahnen größen Strebens! Quelle des Trostes Wenn du ermüdet bist in deinem Streben, Wenn deines Geistes Pläne jäh zerfallen, Wenn grau'nerregende Gespenster wallen Durch dein zerklüftetes, verwaistes Leben, Wenn über Gräber Trau'rgesänge schweben Aus deiner Hoffnung eingesunknen Hallen Und wenn von deinen guten Engeln allen Errettend keiner dir die Hand will geben: Dann sollst du aus dem Weltgetümmel gehen Und deinem Kinde in das reine, helle, Noch ungetrübte, liebe Auge sehen: Hab' Acht! wie einen Wanderer die Welle Des Baches labt, so wird dein Leid verwehen, Wenn du dir Trost geschöpft aus dieser Quelle. Griechenland Der Himmel blaut; es plätschern die Cascaden; Sie lullen die Platanen ein in Träume; Mit Dufthauch füllen wilde Mandelbäume Die säulenreichen, ragenden Arkaden. Sanft wehet Kühlung von den Uferpfaden, Wo leise lispelnd ziehn des Meeres Schäume, Und Abends, wenn durch blut'ge Wolkensäume Die Sonne sinkt, dann tanzen die Mänaden. Das ist das Land, wo einst des Mäoniden, Des Pindar und der Sappho Lied erklungen Und wo die Wiege stand von dem Peliden. Das ist das Land, wo den Olymp errungen Die hohe Kraft des herrlichen Alkiden Und wo voll Würde Sophokles gesungen. Häuslichkeit Die Lampe wirft in ruhevollem Schimmer Ihr Dämmerlicht Um Tisch und Bett durch's kleine, enge Zimmer Und flackert nicht. Das Reisig knistert heimlich im Kamine Und flammt und knackt; Die Uhr, die alte, an der Bettgardine Tikt im leisen Takt. Die Eltern lesen in vergilbter Bibel Einträchtiglich; Die Kinder in die bunte Bilderfibel Vertiefen sich. Großmutter spinnt am Rade freundlich leise, Gedankenvoll; Sie murmelt eine alte, liebe Weise, Die längst verscholl. Doch draußen wirft ans Fenster dürre Reiser Der Herbstessturm; Die Wetterfahne knarrt unheimlich heiser Vom nahen Thurm. „Was kümmert uns des Wetters wildes Schauern, Was Sturm und Wind, Wenn wir in Lieb' in unsern sichern Mauern Beisammen sind?“ Am Abend Leise rauschend durch Ruinen zieht der Abendwind, Flüstert alte, düstre Mären, die vergessen sind. Von den Bäumen, herbstestraurig, sinket Blatt auf Blatt, Sucht in der Ruine Schweigen eine Grabesstatt. Bald zerfällt auch sie, die trotzig manch Jahrhundert stand; Ziehen werden, wo sie ragte, Nebel übers Land. „Märchenhaft ist dieses Leben“ seufzt der Abendwind — — In der heißen Brust erglommen mir zwei Wünsche sind: Meinem Leben eine Seele, die sich meiner eint, Meinem Grabe eine Thräne, die die Liebe weint! Abendstimmung Am Meer im Zwielicht schreit' ich gesenkten Haupts, Tiefernste Andacht wehet durch die Natur, Und unter blassen Mondesstrahlen Wandeln die Wogen: Es rauscht die Brandung. Ich weiß ein Grab jenseits des bewegten Meers: Dort wuchert Unkraut rings und der Dornenbusch, Und wenn die Welt entschlief am Abend, Hockt im Gestrüppe das Nachtgevögel. Ob dich der Mond, weltfernes, verlass'nes Grab, Wol nächtens küßt, wenn Wind durch die Gräser streicht? — Mich faßt unendlich Weh': Von ferne Hallen die Glocken entleg'ner Kirchen. Herbstlied Der Herbstwind weht; die dürren Blätter fallen Ins Wintergrab: Der Raben dumpfen Klaglaut hör' ich schallen Vom Thurm herab. Noch hänget dürr und welk an Gartenmauern Der Blumen Rest; Die kleinen Vögel seh' ich bange kauern Im engen Nest. Und wo geschwebt auf maienhaften Bahnen Der Rose Duft, Da wehet schaurig wie ein heimlich Ahnen Oktoberluft. Und wenn der Sturm die grauen Nebel dränget Das Meer entlang, Und wenn mit Weheruf die Möve hänget Am Felsenhang: Dann denk' ich deiner mit betrübten Sinnen, Vergänglichkeit, Dann scheint so klein mir in der Brust tiefinnen So Freud', wie Leid. Der Herbstwind weht; die dürren Blätter fallen: Was weinest du? Getrost! Auch dir wird einst nach kurzem Wallen Die lange Ruh'. Köstliches Gut Sprüche Die schönste Gabe, die wir Gott verdanken, Die herrlicher, als alles Wissens Preis, Sie ist ein Herz, das aus den eig'nen Schranken Sich ahnend in ein fremd' zu finden weiß. Vergänglichkeit Sprüche Weltall wähnt sich der Mensch; ihn erfüllen gewaltige Pläne: Ach! da fällt ihn der Tod; Staub wird dem Staube gesellt. Seinen Namen errettet ein Kreuz auf dem Grabe; am Abend Nennt ihn im späten Gespräch flüchtig ein Enkel — vielleicht. Von Jedem, der dir durch das Leben schritt — Von Jedem, der dir durch das Leben schritt, Bleibt eine Spur in deiner Seele hangen; So bringst du am Gewand ein Stäubchen mit Von jedem Wege, den du bist gegangen. Die eine Spur ist warme Sonnenpracht, Die and're glänzend kalt, wie Nordlichtsflammen, Noch eine düster, wie Gewitternacht, Wenn du auch längst vergaßt, woher sie stammen. Da ist kein Ton, der ganz und gar entschwebt, Zu seiner Zeit wird er durch's Herz dir klingen, So wie das Staubatom sich wieder hebt, Wenn Sonnenstrahlen dein Gemach durchdringen. So hüte dich, daß jemals deine Hand, Dein Wort dir möge schlimmen Dienst verrichten, Es könnte sein, ein Pfeil von dir entsandt, Kehrt' lang nachher zurück, dich zu vernichten. Laß lichte Spur dir folgen, wie dem Schwan, Streu' edles Korn auf allen deinen Wegen: Kommst später du auf selber Stelle an, So lachen gold'ne Saaten dir entgegen. Sei milde du — Sei milde du dem Kind des Armen Und scheuch's nicht von der Schwelle fort; Gibst du ihm sonst Nichts — hab' Erbarmen Und gib ihm doch ein freundlich Wort. Vielleicht, daß einst in böser Stunde — Von Noth zur Sünd' ist nur ein Schritt — Dies eine Wort aus deinem Munde Vor ihn als ernstes Mahnen tritt. Wer weiß, ob einst im wüsten Toben, Dies Wort nicht durch das Herz ihm geht, Daß dann die Hand, zum Schlag erhoben, Sich plötzlich faltet zum Gebet.