Vorwort Eine Parteifahne weht nicht über diesem Buch. Die Fünfzehn, welche hier an einem Orte beieinander stehen, treten uns nicht mit dem Kampfruf entgegen: Wir sind die Fünfzehn. Sie haben sich nicht bewußtvoll und mit Absichten zu einem Rütlibund zusammengetan, zu einer Schule und Dichtergemeinschaft, um ein besonderes und bestimmtes künstlerisches Kredo mit vereinigten Kräften zum Siege und zur Herrschaft zu führen. Diese Sammlung ist ein Werk der Auslesekunst und des Geschmacks eines Einzelnen. Es ist das Werk Paul Friedrichs. Wie mir scheint, wollte er uns zunächst hineinführen in das „Neuland“ der deutschen Lyriker, die seiner Generation angehören, die in den siebziger und achtziger Jahren das Licht dieser künstlerischen Welt erblickten. Was leistet, welche Werte bietet die Dichtung dieser Jungen und Jüngsten? Von dem, was diese junge Lyrik bisher an Gaben hervorbrachte, gibt uns die Sammlung einen Erntestrauß in die Hand, — einiges von dem Schönsten und Reifsten, das auf ihrem Acker erblühte. Einiges Reifste und Schönste, — Fertiges und Gefestigtes. Vollständigkeit war nicht geplant. Ein allumfassender literaturgeschichtlicher objektiver Überblick über alle Richtungen und Entwicklungen unserer jüngsten Lyrik wird hier nicht geboten. So mancher Name fehlt. Das Buch ist mehr ein Musenalmanach auf das Jahr 1911, und wie bei jedem Musenalmanach ist die redaktionelle Auswahl auch durch allerhand Zufälle und Willkürlichkeiten bedingt und beschränkt... Dennoch besitzt diese Sammlung, wenn nicht nach außen hin, so doch nach innen hin, einen in sich abgeschlossenen Charakter. Im großen ganzen und allgemeinen verspürt man einen einheitlichen Grundzug, und die sehr verschiedenen Gedichte sehr verschiedener Dichter schließen sich doch wieder zu einem Kunstwerk zusammen. Gerade das verleiht der Auslese Paul Friedrichs ein persönliches Gepräge und den höchsten Wert. Sorgfältig und mit prüfendem Blick hat er nur solches auserkoren und zusammengestellt, das seiner eigenen Kunst nahesteht und verwandt ist, das seinem ästhetischen Gefühl und Gewissen persönlich besonders zusagen muß. Ein Programm und ein Kredo Paul Friedrich zeichnet sich ziemlich unverkennbar ab. Das Buch will uns hinführen zu dem, was nach seinem Glauben und Gefühl die höchste Kunst ist, das letzte Ziel und Ideal der Dichtung ist und sein soll. Die Ideal- und Ideenlyrik unserer jungdeutschen Poeten kommt in diesem Buch vor allem zum Ausdruck. Ihr kosmisches Empfinden. Pantheistisch-monistisches Gott- und Naturgefühl, die Religion und Andacht des modernen Menschen, der, ein Dichter und ein Denker, den Mysterien des Lebens nachsinnt und nachgrübelt. Zur Dichtung des Ernstes und der Strenge, der Nachdenklichkeiten und Beschaulichkeiten, die in priesterlicher Haltung hinweist auf das Ewige und auf den Höhen der Menschheit wandelnd, die Schöpferin und Erzeugerin aller Ideale ist, will Paul Friedrich die Künstler wieder zurückführen. Und daß er einen höchsten Sinn des Lebens verkündigen und in seiner Dichtung zu verkörpern vermag, das ist und bleibt allerdings stets das höchste Werk des Poeten. Julius Hart. Schuld Über den Fluten träumt eine Trauerweide, sehnsuchttief. Wo in die Fluten sich senkt die Weide in langendem Leide — dort aus den Fluten — mir ist, als ob ein Ruf mich rief sehnsuchtschwer: „Komm her!“ Dort in den Fluten unter der Weide — da ist's, wo mein Glück — wo mein Lieb entschlief. — Schuld — hatten wir beide. Wir gingen schweigend! Wir gingen schweigend durch die schweigende Nacht. Die Bergeshöhen schliefen; fernher schwebte schlummernder Tannen Atem. Blätterbäume am stillen Wege träumten sommerschön. — Horch! heimlich Rieseln! — fern welch hehres Rauschen! Welch heilig Raunen wandert durch die Welt! — Glühwürmchen leuchten lieb um unsern Fuß — fern tausend Sterne über unserm Pfad! Wir wandern schweigend durch die schweigende Nacht — Wir atmen kaum — — zwei arme Menschenhände begegnen da sich still — in stiller — Nacht. — Horch! in zwei Seelen hat sich jetzt verirrt — von fern — ein Ton — vom Glück. — Komm bald (Ein Zwiegebet) Nun ist bald all meine Jugend verblüht — Nun ist bald all meine Glut verglüht! Wo bleibst du, Wesen, dem all dies blieb? Ich kenne Dich nicht — und ich hab Dich so lieb! Meine Seele dürstet nach Deinem Glück! Ich möcht' es Dir bringen mit einem Blick! Meine Seele sehnt Deine Seligkeit! Und Dir sie sein — o Seligkeit! Komm bald! Verzweiflung packt mich! Wahnsinnige Wut, Dem Schicksal fluchend, durchrast mein Blut! Du bist da! Wo? Wo? Deine Seele schreit nach mir aus unendlicher Einsamkeit: „Komm bald! Es ist bald all meine Jugend verblüht! Es ist bald all meine Glut verglüht! Wo bleibst Du, Geliebter, dem all dies blieb?! Ich kenne Dich nicht — und ich hab Dich so lieb!“ Künstlers Wandersang Ich wandre durch Wetter und Sturm. Um mich ächzen die alternden Eichen, es bricht ihre knorrige Kraft. Um mich zittern die jugendfrischen Tannen, es zagt ihr himmelanstrebender Mut, ihr jugendlich göttlich Mitmirwollen! Es stürzen die Spitzen zu Tal. — Trauer tötet mein Herz. Ruhig wandr' ich durch Wetter und Sturm. — Ich wandre zum großen Gipfel. Weit ist der Weg — Weiß wer den Weg? Unter mir schwanden verschwemmte Pfade — Steg nicht stützt mehr den Fuß — Menschenbetretene Bahnen enden — — Weiter streb' ich — zum Gipfel! Ahnend ergreift ihn mein Geist! durch endlose Öden arbeitet emsig er auf. Gipfelentstürzte Steintrümmer steigt er stürmend hinan! Doch den vertrauenseligen Tritt — stützt ihn der starke starrende Steinblock? Mir unterm Fuße weg, nicht den Schwung meiner Seele ertragend, furchtbar rollt er zur Tiefe. Aber schon schwang sich, vertrauend auf sich, zum höhern mein Tritt, Felsblock auf Felsblock tollkühn tretend, zum gähnenden Abgrund donnernd. Weiter! weiter! über vergangener starrer Welten stürzende Trümmer siegend hinweg! weiter! weiter! höher! höher! wetterumwühlt, grauenumgrüßt! blitzumbrandet, sturmumjauchzt! sturmüberjauchzend hinan!! — — Ich — sehe den Gipfel! — Ich sehe der Wolken wildgeballte Riesenmauern machtlos zerbrechen! Ich sehe der Sonne siegendes Licht! Ich betrete — schweigend den Gipfel. Föhne Ein bang Gewölk zieht rings herauf; er kommt, er naht, der Föhn. Horch! horch! schon rauscht sein Sang herab von ewigen Eiseshöhn. Seine Feuerseele fand wohl nicht da oben, wonach ihn sehnt. Nun braust er in der Menschen Tal — horch! wie er sucht und stöhnt. Er heult durch den Hochwald — er fand wohl nicht, er stürzt sich tief in den See, er wühlt in den Wogen — er fand wohl nicht, es reißt ihn wieder zur Höh! Er singt an hoher Felsenwand, in jeder traurigen Kluft. Nun zagt sein schweres Klagelied weit durch die leere Luft. Hör jetzt den wilden Verzweiflungsschrei! Brechen jetzt will er die Welt! Da ächzet der Wald, von der Felswand ein Block donnernd in Tiefen zerschellt! Ich wollt', der Wirbel jetzt packte mich und schmetterte mich in den Grund! Und er kommt! und er naht! und ich spür's: das ist... jetzt... jetzt meine letzte Stund... Jetzt packt er mich... jetzt... — jetzt steht er — still? Plötzlich... was mag ihm sein? — Er streichelt weh mir über die Hand: „Ich grüße Dich — Bruder mein.“ Sonett für Friederike Brion War sie ihm bloß ein schwermutvoller Klang? ein Traum? ein Hauch? ein Blühn? ein Sterngeflimmer? vielleicht der schmale Streifen Mondesschimmer, der sein Gemach als Silbergurt umschlang? War sie das Große, das die Nächte lang uns schlaflos macht, da eine Stimme immer denselben Namen spricht, bis sich das Zimmer auflöst in lauter Wellen von Gesang? — Ich weiß nur dies: sie ward des Herbstes Braut. Die Stunden fielen ihr, wie Blätter fallen, vom Baum der Zeit zu Füßen, ohne Laut. Gesenkten Blicks, doch wie durch hohe Hallen, schritt sie des Abends, ganz von Träumen schwer, in finsteren Alleen hin und her. Der verlorene Sohn Immer durchwandr' ich denselben Wald... Stämme an Stämme... dunkles Gezweige... ach, wann leiten die schattigen Steige mich zu freundlichem Aufenthalt? Nirgends winkt ein erleuchtetes Haus, Wälder als Wächter versperren die Ferne... Alle Lampen, Geschwister der Sterne, blies der Atem der Finsternis aus. Was sie wohl jetzt in der Heimat tun? Mutter macht Licht mit zitternden Händen deutlich seh' ich den Schein auf den Wänden und auf den Wangen der Schwestern ruhn. Sprechen sie heute wieder von mir? ... bald wird es Zeit sein, schlafen zu gehen... Meine Kammer wird einsam stehen: niemand schläft in ihr. Die Rückkehr des verlorenen Sohnes Weiße Straße sinkt zu Tale, Lichter sammeln sich im Land. Nun, so sei zum letztenmale Himmelhin der Blick gewandt! Mond, die goldne Opferschale schwankt in schwarzer Wolkenhand. Tiefer muß der Pfad sich neigen, ahnend ist mein Herz erregt; wie das letzte Laub an Zweigen, die der Herbstwind leicht bewegt. Endlich werd ich niedersteigen; wo die Erde Häuser trägt. Eine Türe werd ich halten, seufzend wird die Klinke gehn; durch die Ritzen, durch die Spalten kann ich in die Stube spähn und ich darf die beiden alten Eltern endlich wiedersehn. — Sieh, ich bin hinabgestiegen, wärmer fühl ich Luft und Wind, seh das Dorf in Lichtern liegen und das erste Haus beginnt.. Heimat! — Herz an Herz zu schmiegen, naht sich ein verirrtes Kind. Die Liebliche und die Landschaft Sink ins Dunkel, liebes Zimmer, ob auch hell die Lampe brennt. Ach, daß doch die Sehnsucht immer nur die eine Landschaft kennt!: weißes Haus und kleiner Garten, dem ein finstrer Wald sich naht — doch man darf auf Wiesen warten —: sehr verengt sich schon der Pfad. Wird sie auf der Wiese ruhen, Hände unterm Haupt verschränkt, mit vom Tau benetzten Schuhen, Haar und Wangen taubesprengt? Keine Blumen mag sie pflücken, ach! wie tut das Gras so kühl... ! Bienensang... und Tanz von Mücken... und des Himmels Ferngefühl... ! Aber kann ich sie nicht finden, frisch hinab den sanften Hang! Seh ich nicht den Fluß sich winden weiße Häuserreihn entlang? Boot gelöst und Ruderschläge, Strahlen schweben, Wasser blinkt... Und sie kommt zum Uferwege. Und jetzt steht sie still und winkt. — Ward das Kleid vom Windesfächeln über Blumen leicht geweht? Rührend Schlanke, wie dein Lächeln mir im Blick und Herzen steht! Dein gedenk, dir hingegeben, sehn' ich mich um Glück und Ruh und der Landschaft strömt mein Leben ewig, unaufhaltsam zu. Melancholie Mir ist die Welt verschneit, mein Haus hat blinde Scheiben — ich muß in Einsamkeit Briefe und Lieder schreiben. Bald wird der Knabe März Eisblumen kindisch pflücken vielleicht will er mein Herz damit zum Willkomm schmücken. Geliebte, mir so fern, erfüllt sich Wunsch und Warten? Wann grüßt der schönste Stern freundlich den ärmsten Garten? Mit Tränen oft benetzt, hab ich die schlichten Beete — ach, wer begießt sie jetzt, da ich ihn nicht betrete? — Die Nacht ist hoch und kühl, Wolken und Lichter schweben. — Auffunkelt ein Gefühl, Erloschnes zu erleben. Erinnrung sinkt in Traum, Traum neigt sich in Verzichten. — Davon ein Abglanz kaum gespiegelt in Gedichten. Erinnerung an den schönsten Tag O, das Zimmer, das einst ihre zierlichen Schritte empfangen, noch hält es den Widerhall fest, inbrünstig mit Estrich und Wand. Und ihr Möbel, an denen sie leicht und lächelnd vorübergegangen, euch hat sie berührt mit dem Kleid und mit spielend-hingleitender Hand! Und Licht war — o Licht lag beglückt auf den Bildern, Licht lag auf den Rahmen, lag auf dem Boden verstreut... und war denn der Spiegel nicht Licht? Weit dehnte das Zimmer sich da — und alle, die späterhin kamen, standen noch immer in Glanz und Wunder und wußten es nicht! War eine Stunde so groß wie diese? war je eine Gnade dieser, der göttlichen, gleich, da Himmel nicht Himmel mehr schien, Erde nicht Erde mehr war? Da Wolken sich teilten in Pfade und der Schritt sich beflügelt erhob, zu Herrlichem hin... O was war Traum und Leid und Schicksal? — Strahlende Stunde, wunschlos trank ich dich auf, wie einer durch Nebel hin schwebt! Alles war Glück in mir und ich hatte doch von ihrem Munde niemals mehr als Gruß und freundliche Worte erlebt... Der Verliebte, wieder allein Wie lange standen wir vor ihrem Haus? O soviel Liebes hatt' ich noch zu sagen! — Ist dies mein Schritt? Wie? haucht mein Herz sich aus, daß mich — ich lache ja! — die Lüfte tragen!? Breit ich euch, Arme? — Diese Hand umfing die liebe Schwester, selig im Verweilen. Doch: muß ich durch so fremde Straßen eilen? — zurück zu ihnen, die ich mit ihr ging! Und: war dies nicht vielleicht zu schön für mich: wie unsere Blicke, halb im Lächeln, sich zu... leisestem Geständnis heimlich trafen? Nun freu' ich mich auf einmal auf die Nacht. Ich werd' im Bette liegen und nicht schlafen, immer nur lauschen: wie mein Herz leis lacht... Aus einem Zyklus: „Schlaflose Nächte“ Laß, Schlaf, an das Herz mich dir sinken; Traum ist so schönes Land! Ferne Gewässer blinken. Wiesen sind ausgespannt... — das Zimmer, das ist ja ein schwebender Garten, mein Herz ist drin ein Rosenbeet... im hohen Gras will ich liegen und warten, ob sie nicht wieder vorübergeht... — — — Warten... o warten! .... Abendwind weht.... dunkle Stunde..., ist es schon spät? Iphigenie Ich brauche nur die Augen zu schließen, so kann ich sie sehn: unter dem Himmel, den alle Sterne verließen, über die Wolken wie über Berge gehn. Weiß ist ihr Antlitz, weiß ihr Gewand: schwebend, von wehendem Hauch geschwellt, — aber weißer noch ist der Göttin Hand, die sie hält, daß sie nicht Sehnsucht zur Erde befällt. Denn noch ist ihr Blut nicht geklärt von Leid und Trauer. Drum ist auch der Himmel wie von einer Mauer aus Winden gegen die Erde versperrt. Winde, die sie aufhielten im Fall, wenn sie die Sehnsucht zu heftig ergriffe nach Mykenäs Mauer und Wall, nach weißem Gespinst, nach gescheuchtem Ball, nach Gruß und Tanz und der Waffen Schall und dem Hafen voller Schiffe.... Ecce homo! Wilhelm Schmidtbonn in Treuen zugeeignet Was wissen wir von uns, von allen andern? Wir halten unsere Hände tiefverschlungen Und blicken in die glanzbeseelten Augen Und glauben dies und jens zu sehen, Doch fassen können wir es nicht, denn dieser, Er kann die Hände plötzlich lösen, wütend, Ein Fremder, den du nie gesehen, niemals Gesprochen, deinen weißen Hals umspannen, Dich würgen, bis du leer und nichtig bist. Wie goldne Glocke, deren Klöppel fehlt, Und kann vor deiner Leiche sich die Haare, Besinnungslos vor Schmerz, ausraufen, klagen Und weinen nächtelang bis in den Morgen Und schafft doch niemals wieder jenen Klöppel. — Und blicken von dem Söller in die dunklen Verhangnen Wälder, quälen uns mit Worten, Mit Süchten und Spitzfindigkeiten, bluten In unsern Wechselleiden, ahnend, das wir, Das Ich und Du, voll Liebe sind und wissen's Nicht und können es nicht fassen. Dirnenlied Unsre Flammen brennen Vor den Türen In der Nacht. Unsre Flammen führen In den sternbesäten Garten. Sieh, wir schlagen die Zimbeln! Komm! Hör die Brunnen rauschen, Die vom Markt, Und die Sterne, Unsre Glutensterne, Kommen zu uns aus der Ferne. Sieh, wir schlagen die Zimbeln! Komm! Nimm das Heute, Heute, Laß das Morgen! Heut ist Nacht. Was dich jemals reute, War von gestern, nicht von heute. Sieh, wir schlagen die Zimbeln! Komm! Über unser Bette Gießt die Ampel Roten Schein Und aus unsern Kelchen Blinkt ein tiefverborgner Wein. Sieh, wir schlagen die Zimbeln! Komm! Unsre weißen Brüste Hat noch keiner Ausgeküßt, Deine, meine Lüste Jubeln in das einzge Heute, Sieh, wir schlagen die Zimbeln! Komm! Neun Uhr morgens im Bett Es ist ein träumendes Versinnen, Es ist ein lächelndes Verzichten, So fern von allem Schmerz und aller Freude, Daß, steigen Tränen auf, Sie in dem dunklen Brunnen Versinken dieser Schweigsamkeit. So streck ich meine müden Glieder aus Und träume über diesen Lichtspalt, Der in mein Zimmer spielt. Ich bin's zufrieden, daß ich, Vom Dunkel eingehüllt, hinruhe Und kose drum das schwache Licht. Sonst aber liegt mir alles ferne Und fernher nur trifft auch der Menschen Lärm, Ihr breites Schwatzen, ihre tönenden Gänge, Ihr höhnischer Mund, ihre tötende Hand. Ach, alles liegt mir fern, so selig ferne, Durch Tür, durch dicke Mauer, Durch mein Zimmer bin ich davon getrennt. Ich bin allein. Und das ist gut, so gut, so wunderselig gut, Denn Tage gibt's, an denen Welt Und Leben schmutzig sind, So über alles Fühlen schmutzig, Daß man die Finger schauernd an sich zieht. Das ist der Traurigkeiten Stunde Dem Andenken Paul Verlaines in Ehrfurcht Das ist der Traurigkeiten Stunde, Wo du nicht weißt mehr, was dein Sein, Ob du nur Seele, die dem Leib entsprungen, Ob du nur Körper bist allein Und ob du klingst und ob du schon verklungen. Wo alles Schauen wunderbar sich weitet, Wo häßlich klar ein jeder Lauf, Daß alles sinnlos, ohne Ende gleitet Den Berg herunter und hinauf, Das ist der Traurigkeiten Stunde. Die Verlorenen Und einer spielte einsam Die Geige, deren scheue Lichter An dunkeln Häusermauern Entlang in Nächte führten, Die andern aber saßen Und blickten auf zur Decke, Erstarrt und tränenlos, Und horchten rauchend. Zwei müde Kerzen Verflackerten und eine Lampe Schien gelb, Der eine aber spielte Die Geige. Und alle wußten von dem einen Tag, Wo sie mit langen schmalen Booten Hineingefahren waren in Die glatte Fläche. Die Ruder hatten den Schimmer Empor ans Licht gebracht. — An einem wunderklaren Morgen, Die Linden hatten fernher grün gegrüßt Die Eichen und die weißen Häuser, Dort hatten sie gestanden, Die Mädchen, und gelacht, gewinkt. Und alles hatte nur gelockt, gewinkt — An einem wunderklaren Morgen. Die Boote hatten ihren Weg Erknirschend durch den kühlen Schimmer Gegraben Und hinten hatten Bänder Geblitzt. — An einem wunderklaren Morgen. In alle war das Wort geschrieben: Verheißung......... ... Die Flackerkerzen, die zwei, Erloschen plötzlich, nur die Lampe schien. Der aber spielte weiter, Die Geige, immer weiter, Sich selber überschluchzend. Und wieder wußten alle Von einem Tag. An einem grauen Abend Aufwehende Nebel, Schnee, Und müder Regen, Gestalten, nur Erscheinungen, Nicht Mensch. Sie gehn den Strom entlang, Die Mäntel hochgezogen, Der Strom, er schläft, Wie eine Kuppel wölbt Sich über ihn Der wehende Nebel — An einem grauen Abend, Sie schweigen und gehn fort, Die fernen Streckenlichter Erglimmen trüb und fahl, Ganz wie Spelunkenlichter. An ihnen braust ein Zug vorbei Im steigenden Rauchschleier Erglühende, jauchzende Funken. Sie brennen und jubeln Und sinken, verfallen Im steigenden Rauchschleier, Sie fröstelt. — Die letzten Brücken tauchen in Den Strom. Sie werden immer wandern da, Denn ihre Seelen haben welke Flügel. Ein Leichenkutscher stolpert, Besoffen, fluchend in die Nacht vorbei. Sie schweigen... Und heute — morgen — übermorgen? Wozu? An einem grauen Abend Aufwehende Nebel....... .... Die Lampe lischt aufschauernd aus Und in das Zimmer kriecht Das Dunkel. Die Geige zittert weinend, So ganz — ganz leise. Ganz — leise...... — — — — — — — — — — Und schweigt — — — Sie denken nichts und doch soviel. Sie können nicht mehr weinen, Sie können nicht mehr lachen. Sie meinen, Da — jetzt und jetzt wird sich Die Türe öffnen, Lichtströme werden Einbrechen und herein wird schweben Ein lichter Mann, der auf dem Haupt Die Dornenkrone trägt, Sie langsam auf die bleichen, Verlornen Stirnen küssen, Sie segnen, während sie erschauern. Die Sonne wird aufgehen, Die wunderklaren Morgen, Und weit verschwimmen Die grauen Abende. Und Licht — und Licht Und Kranz und Krone, Und siehe — jetzt und jetzt, — — Er aber will nicht kommen. Er wird nie kommen. Die draußen haben unter sich Sein Reich geteilt Wie seinen Mantel. Vielleicht... Umsonst... Doch jetzt... Die Pforte bleibt geschlossen. Sie schweigen, keiner rührt sich Und ihre Seelen sterben. Sie können nicht aufweinen. Ganz dunkel ist es worden. Lied des Adam Immer bin ich allein, Immer wander ich über die Erde, Trage auf meinen Schultern Die Axt aus Stein Und in meinen Händen Hammer und Messer. Wirken muß ich tagaus, tagein, Muß Bäume höhlen zu Nachen, Muß Äcker bestellen und Felder, Muß weiden die Herden. Hunde bellen mich an, Geier und Raben umfliegen Mich und mein wirrgeknotetes Haar. Aber noch bin ich. Noch drohn meine Hände ihnen Und den Wölfen, die mich Im Glanz der Sterne umheulen. Aber ich bin noch, Wenn auch blutig und geschunden, Bin ich noch Adam, bin noch Adam. Wie ich dem Geschicke trotze, Das mich brach und von den Meinen schied, So hab ich Trotz für alles, Was sich an mich drängt. Habe Trotz und meine Axt. Keiner kann an mich rühren. Nur denk ich's, wie es geschah, Reiß ich die Felder brüllend auf, Wühle die Schollen empor. Möchte den Mund mir zutun Mit Erde, unserer Erde, Will ja nicht denken, wo Eva jetzt ist, Und wo Abel und Kain Und wo alle die Meinen. Den Mund will ich zerbrechen, Der danach fragt. Hör es, mein Mund! Hör es und schweig! Du bist ja mit mir geflohn Vor ihnen, fremd wie ich Ihren Antlitzen geworden. Auch du trägst nur Haß Gegen sie, die alles verbrach: Eva — O keine Kohle ist glühender Als mein Haß gegen sie! Und doch gedenk ich derer, Die einst mir war, Damals, als Tiere uns dienten, Wolken unsere Schiffe waren, Wälder unsere Tische, Berge unsere stummen Wächter, Gedenk ich derer, Wird alles in mir weh und wund Und all Verhärtetes bricht auf. Wie sie sich an mich schmiegte, Wie ihre Lippen rot waren. Und wie Fleisch von Kirschen So weich ihre Wangen. O und ihr Haar, O und ihr Mund, Der so süße Worte sprach, Wie ich sie nie mehr gehört! O Eva, meine Eva, Warum mußte das geschehn? — — Da fuhren wir auf, Schauten einander an. Flohen, flohen wie Wasser über den Berg, So sehr lag Fremde in unsern Augen. Gleiches fühlten wir nicht mehr, Wir aßen ohne Wort und schliefen nicht Und fühlten nur den Haß in unsern Adern kochen. Die Welt ward umgekehrt Und Letztes wurde Erstes Und Tier und Ding und Mensch ward Feind. Da brach ich einen Baum entzwei Und ging allein, allein hinaus, Um dich zu suchen, Jenes Bild der ersten Eva, Deren Mund so süßes Wort entflog, Und deren Stirn noch keine böse Falte trug, Dich such ich, Gnadenquell, Krug aller Heiligkeit, Speer aller Seligkeit, Dich such ich immerdar in meinem Wandern. Dir meine Liebe, Dir meine Kraft, Dir meine Arme, Dir meine Sennen, Dir mein Mark! Eva, Eva, süßeste Eva, Sei mir gegrüßt! Hexenküche Eine Allegorie Wer steht dort in der dunkeln Kammer Und schwingt auf eine Eisenklammer Den Hammer? Ich bin der Jammer! Wer webt da an dem Totenkleid? Ich bin das Leid! Wer ist's, der dort die Flammen speit? Der Neid! Ihr Schwestern, was drängt euer gellender Schritt? Nimm uns mit! Wir lassen uns borgen Von heute auf morgen — Wer seid ihr? Die Sorgen! Sieh dort jene Esse, wie raucht und loht Der dampfende Schlot! Davor steht ein Weib und schürt die Glut Mit Wut: Ich backe aus Blut Euch Brot — Ich bin die Not! Was glänzt dort so bunt in dem düsteren Raum? Kannst du es erkennen, ich sehe es kaum! Es ist eine schillernde Qualle aus Schaum: Ein Traum! Eine Seifenblase bläst dort ein Kind, Geschwind, geschwind Zerrinnt sie in Wind. Was bläst du, Knabe, mit leuchtendem Blick? Fang's auf, ich blase das Glück! Horch, hörst du's nicht rauschen wie Sensenklang? Ein schwellender, reiner, entzückender Sang Zum Schleifen erklingt Wer ist's wohl, der singt? Die Parze singt und das Schleifrad saust, Ein Windeswehen die Alte umbraust, Drin wirbeln vergilbte Blätter viel, In tollem Jagen, in heißem Spiel. Ohne Ruh, ohne Ruh. Immerzu! Mittagsglast (Komponiert von A. Ritter) Kornmuhme flirrt mit tödlich heißem Munde Durchs reife Korn und seine goldnen Fluten; Der hohe Mittag brütet in der Runde, Die Luft liegt ausgetrocknet in den Gluten — Schlummre nicht ein! Denn jetzt ist Zauberstunde — Im Walde raunt der Sommer mit den Druden — Die Sonne flammt wie eine tiefe Wunde, Die Mohnen in den goldnen Feldern bluten. Keuschheit Keuschheit, wunderliches Weib, Dufterschaffenes bleiches Schemen, In dem Haar den weißen Kranz Halberblühter Wasserrosen. Lächelnd stehst du vor mir da. Unbewußt, in dunklem Sehnen, Traumbild du, Astarte gleich! Tief in deinen feuchten Augen Liegt's wie Knospen, liegt's wie Träumen, Wie ein weicher Tag im März. Keuschheit, frühem Tod Geweihte, Deine Engelsflügel schwinden, Deine Blicke werden schärfer, Stolzer um die zarten Lippen Zeichnet sich ein herber Zug... Jetzt erkennst du dich... du fühlst es... Daß du besser bist und größer Als die Andern... Du — erkennst dich — — — und — Du stirbst! — Der arme Kaspar und der Tod Jüngst träumte mir: Vor einer Gruft, Die hohl und schwarz und schaurig gähnte, Und die ich ohne Ende wähnte Ränge ich mit dem Tod. Der klapperdürre Schuft Machte mir armem Kaspar große Not. Schon war ich meinem Ende nah, Da — stolperte Freund Hein — Ich weiß nicht mehr wie es geschah, Ich sprang zurück, er fiel hinein... Da griff ich nach der Hippe Und schlug so lang Auf sein Gerippe, Bis ihm der Schädel sprang. Pang! Rasch warf ich Sand und Erde auf, Bis ich den Spalt geschlossen ganz, Dann sprang ich selber oben drauf Und tanzt ihm einen Totentanz. Ein Kreuzlein pflanzt' ich auf sein Grab, Dran hing ich beim Gekrächz der Raben Ein Blatt, dem ich die Aufschrift gab: Menschen! Hier liegt † † † der Tod begraben. Dann sprang ich über die Kirchhofsmauer, Risch und gesund. Da kam das lachende Leben her, Es frug nicht lange nach meinem Begehr: Ich küßt' es auf seinen roten Mund. Der Egoist Draußen vergraut ein Großstadttag. — Dumpf tönt das Branden von seiner Flut — Abschüttl' ich den Dunst, der auf mir lag — Hier oben ist's still und alles gut. Nun bleibe da draußen, was heut mich verdroß — Ein Ruck — der Riegel springt ins Schloß... Ich bin zu Haus; Langsam ziehe den Tag ich aus. Und dann Zünd' ich all meine Lampen an. Noch dröhnt mir im Ohre der wilde Lärm, Noch seh ich der bleichen Larven Gehärm, Noch tanzt vor dem Blick mir ein Schattenschweben In flutender Hast... O Leben! Wie schwer, wie schwer ist deine Last! Aber mich soll heut keiner mehr stören, Will nichts mehr sehn und nichts mehr hören. Ich weiß, daß Arme frierend stehn, Mit ausgestreckten Händen flehn, Ich weiß, daß viele mäht der Tod, Daß groß die Roheit, groß die Not... Jetzt buhlt und feilscht das Laster grell... Was schert das mich! Ich bin Ich! Heut brennen die Lampen doppelt so hell! Auch ich hab einst von Menschen geschwärmt, Um falsche Herzen mich müd gehärmt, Hab auch in dieser rastlosen Flucht Mit leeren Händen nach Treue gesucht, In alle Gassen hab ich gespäht, Um Freundschaft gebuhlt, um Liebe gefleht, Aber sie waren wie Stein: Ich blieb allein! Da deckte der Stolz meine Wunden zu — Nur manchmal schmerzen noch die Narben — Und ich hab Ruh! Laß lärmen die Armut, jammern die Not, Laß sausen das Leben, wüten den Tod — Das Poltern und Pfeifen, Geschrei und Geschell — Was schert das mich?! Mir brennen die Lampen heut doppelt so hell. Ein Sommertag (Wannsee) Ein Junisonntag war's, du lagst im Gras, Das leis im Winde seine Rispen bog Und blicktest, aufgerichtet auf den Arm Mit weiten, durstigen Augen nach dem See, Der tief umbuscht zu unsern Füßen lag. Im herben Wind zog traumhaft, mövengleich Manch helles Segel auf der Fläche hin, Die silbern in der Sonne schimmerte. Von drüben winkte einer Villa Bau Hell und gelassen durch das Kieferngrün. — — — — — Was sann dein Herz? die Sehnsucht nach der Ferne Glomm dir im Auge wie ein fremdes Licht. Ich ruhte still in deinem Schoß. Die Augen Bald auf des Sommerhimmels Blau gerichtet, Das tief sich im Unendlichen verlor, Bald deine großen Kinderaugen suchend, Die über mir weit in die Zukunft sahn. Ein niegekannter Friede war in mir; Das Blut, das Jahre stürmisch in mir schrie, Es ebbte sacht und alles Sehnen schwieg. Nur eine müde, träumende Erwartung Durchdrang mich wie ein namenloses Glück. Ich sog den Duft von deinem jungen Leib, Den ich noch nie in meine Arme schloß Und dessen Herz und Liebe du mir gabst Und fühlte, daß dies warme Leben mein. Und eine Stunde stand vor meinem Traum, Wo dieser Hüllen allerletzte fallen Und sich dein schlanker, weißer Leib mir stumm In junger Liebe Schauern schenken würde In seiner herben, unberührten Schönheit. Doch der Gedanke war mir Glück genug Und wie ein weißer Falter gaukelte Er mir um meine halbgeschlossenen Augen, Indes mein Kopf in deinem Schoße lag. Ich wagte jenes Glück noch nicht zu stören Und unbeweglich, ganz durchdrungen nur Von des Erwartens stummer Seligkeit Lag ich an deinen jungen Leib geschmiegt, Bis uns des Tages goldnes Licht versank. An Camilla Eibenschütz als Wendla Bergmann in „Frühlings Erwachen“ Wendla, du seltsames Träumerkind, In deinen Augen zittert das Weib, Wendla, hörst du den Frühlingswind? Hüte dein Herze, hüt deinen Leib! Der Lenz, der ist ein Nimmersatt, Horch, wie der Wind um die Dächer schnaubt. Hat er dir schon dein Kränzel geraubt? Nun welkst du hin wie ein Rosenblatt, Wendla! Wendla, was hat dich so blaß gemacht? Du bist so arm und bist so reich — Kind, Mädel, Mutter in einer Nacht — Wendla, bald kommst du ins Himmelreich. Doch dich, du junge Künstlerin, Die du dies Bild zum Leben erweckt — Dich segne die Kunst, dein ahnender Sinn Hat unbewußt das Höchste entdeckt. Kind, Mädchen, Mutter in einem stand Lebendig vor unsrem schauenden Blick, Nun, wo dein silbernes Lachen schwand, Ruft es die Sehnsucht vergebens zurück! Impromptu macabre Les petites femmes Alle Frauen sind selbstsüchtige Kinder, Im Egoismus bald herber, bald linder; Sie hassen den Ernst und alle Beschwerden Und leben nur, um geliebt zu werden. Das Herz soll all ihre Launen decken, Sie spielen mit ihm ein wenig Verstecken; Ernährer, Erzeuger ist ihnen der Mann, Im übrigen geht er sie gar nichts an. Ihr einziger Wnnsch ist Kinder zu haben Und sich an Zucker und Tand zu laben. Wir Männer sehn sie bewundernd gehn — Wir lieben sie, weil wir sie nie verstehn. Die Frauen wissen die Angel zu werfen, Aber auch Widerhaken zu schärfen, Halb durch Verschwenden, halb mit Geizen Anzulocken und aufzureizen. Ihr Mund ist schüchtern, die Augen sind keck Und die „Schönheit“ ist der Mausespeck... Frauen sind Schattenträume des Lichts, Seltsame Kombinationen aus Nichts, Von einem Teufelsgehirn erdacht Und täuschend — menschenähnlich.. gemacht. Pierrot und der Mond In den blauen Sommernächten, Wenn die silbernen Narzissen In den Himmelsauen blühen Wandelt Pierrot durch die Felder. Und er denkt an Colombine, Die mit Kastor Küsse tauscht. Wenn die silbernen Narzissen In den Himmelsauen blühn. Pierrot starrt hinauf zum Himmel, Wo des Mondes weiße Rose Groß und leuchtend aufgegangen Unter silbernen Narzissen. Und mit einer stolzen Geste Greift der blasse Träumer Pierrot Zwischen all den Himmelsblumen Nach des Mondes weißer Rose. Schluchzend bricht er sie vom Himmel Und die spitze, weiße Nase Drückt er weinend in den Mond — In den blauen Sommernächten. Traumala Ich will den Duft der Ferne in dir spüren, Du sollst das Abbild deines Landes sein — In deinen Augensternen spiegle sich Der dunkeln Weiher weltverlorne Schönheit, Der Wälder schwarzer Samt, das weite Meer. Aus deinen Haaren steige leis ein Duft Der Fruchtbarkeit der wirren Ackerfelder; Dein Atem sei dem weichen Südwind gleich, Der durch die Pappeln und Zypressen flüstert Und der um junge Rosen leis gebuhlt, Um Rosen der Provence. In deiner Glieder wellenhafter Rundung Liege ein Abglanz hügeliger Landschaft, Vom Blütenschnee des Frühlings überhaucht; Und deine Lippen seien schwellende Granaten, Blüten einer heißren Sonne — Deiner Heimat zärtlich liebe Laute Sollen sie leise lispeln wie Musik. So will ich mich in deinen Armen ruhend Verlieren aus der öden, unwirtlichen Steiftrocknen Kälte meines rauhen Nordens, Den ich so hasse, wie ich doch im Grund Die tiefen Gründe meines ernsten Volks Mit wehmutsvoller Liebe lieben muß. Der Schein ist schal, indes er euch verklärt. Erst unter tauber Schlacken hartem Stein Ruht dieses Volkes Gold, schläft seine Seele... Du hörst sie selten und du denkst, wie kalt Wie frostig — sind die Menschen hier, ohn' Lächeln Und ohne Herz. Du irrst dich Kind, es schläft, Schläft unter Dornen wie die deutschen Mären. Doch viele, es ist wahr, sind lebend tot. Sie schaffen nur noch ohne Ziel und Sinn Und rauchen vor Geschäftigkeit und Ehrgeiz. Sie machen, daß ich friere in der Heimat Und Wärme mir an fremdem Herzen suche, Du Tochter eines glücklicheren Lands. — Ich will den Duft der Ferne in dir spüren, Du sollst mir selbst geliebte Ferne sein, Die dennoch nah ist, weil das Nahe fern. Und wenn einst meine letzte Stunde schlägt, Dann sei dein Atem eines dunkelblauen Weltabgewandten Meeres erstes Grüßen, Auf dem ein großes, gelbes Segel steht, Das mich zu unbekannten Ufern trägt, Zu neuen Weltgestaden, wo ich dich, Die mir dann Fremde wieder suchen werde. — Rassen (Aus dem Französischen von Lucie Delarue-Mardrus) Ihr, die ihr einen Stammbaum habt Und mit ihm durch Glück und durch Unglück trabt Und zu wissen glaubt, was für Blut Euch im Herzen schwehlt oder träge ruht — Ihr könnt mir nicht sagen, aus welchem Gebraus Von Stolz oder Elend ich kroch heraus, Noch was für Menschen vor langen Jahren Meine Ahnen, die ich nicht kenne, waren. Auch ich weiß das Rätsel nicht zu lösen, Doch ich fühle Millionen verschiedenster Wesen In mir sich bekämpfen. Und weiß ich, wieviel Ich selbst bin in diesem verworrenen Spiel? Wenn ich Abends am Fluß, wo Fabriken dröhnen, Meine Ahnen sehe als Bettler, die frönen Oder Apachen, verrohte, verwegne, Deren Gestalten ich streifend begegne, Oder wenn ich in meinen Kissen Reglos liege in Dämmernissen Und mich plötzlich ein Schauer durchgleitet, Daß mein Blick sich angstvoll weitet, O, dann wünsch' ich aus tiefen Schmerzen Euren Tod in meinem Herzen, All ihr Weibtiere, Damen und Seelen, Die mir im Blute tanzen und schwehlen; Liebesvetteln mit dürren Hirnen, Keusche Jungfern, Freudendirnen, Wilden Rudels wüstes Gehetze, Frauen vom Meer, Frauen vom Land, O, meine Mütter, ihr Gegensätze! An das Feuer Wie ich dich liebe, rote Flamme In deiner hungrig züngelnden Gier... Bin ich doch Bruder vom gleichen Stamme, Sehe ich doch mein Abbild in dir! Sehrend leckst du mit lechzender Zunge An deiner Beute, sei's Kohle, sei's Holz; Wirfst dich auf sie in tückischem Sprunge — Liebst sie, bis sie zu Asche schmolz. Heiß ist dein Lieben, heiß wie mein Sehnen, Das nach dem Höchsten, dem Fernsten flammt, Lockend dein Lied, das von den Sirenen Und ihren brünstigen Töchtern stammt. Rasch ist dein Leben, rasch wie mein Leben, Das sich vor Glut in sich selber verzehrt — Gebend im Nehmen, gebend im Geben Und doch am Ende sich nur verheert. Wie ich dich liebe, hungriges Feuer Wenn du dich flackernd zum Sternenraum bäumst, Glühend, ein rasendes Ungeheuer, Weil du nicht fandest, was du träumst. Zischend vor Zorn, berauscht und trunken Von deiner tödlichen Wildheit und Macht, Bis du in Leuchten zusammengesunken, Sterbend am schweigenden Hasse der Nacht. Seh ich dich, fühl ich die Wange sich röten Wie von Gewalten verderblich schön, Die uns vergöttlichen, wenn sie uns töten, Die uns zerstören, weil sie erhöhn! Allrausch Seit mich die heiße Inbrunst überkam, Ward mir ein dunkler Sturm das ganze Leben, Fühl ich mich innen wie verwandelt heben, Wächst mir aus jedem Rausche neue Scham. Nicht Höhn noch Tiefen kenn ich; was infam Mir deuchte muß sich willig drein ergeben, Sich in der Dinge Teppich zu verweben, Weil mir das Licht der Werte Schleier nahm. Nun kreist in mir das Blut erlöster Wälder, Das Blut der Herden und der schwangren Frauen Und aller tiefsten Fruchtbarkeit Gebot. Der Geist der Städte und der Duft der Felder Ward mir zu wundervollem Allerschauen Und heißer Schöpferwehen heiliger Not. Schneepalast Zum Schneepalast verzaubert über Nacht Sind die frostklaren Gärtchen unterm Fenster; Wie frischer Linnen Glanz liegt's drüber hin; Doch der verzweigten Äste Netzgewirr Verrät sich durch die Decke künstlicher Und schärfer nur.... Mit wucht'gem Tone hebt Das Schwarz der Stämme sich vom Boden ab, Und Heller strahlt des Himmelshermelins Bräutliche Weiße, wenn aus Schattennacht Sie hymnisch wie zum Quell des Lichtes steigt. Und immer zarter und vielfältiger Wird nun der Farben Stufung: dämmern doch Des Abends violette Töne schon Langsam empor — und wie in seligen Akkorden schmilzt verdämmernd Weiß und Schwarz In sie hinein — ein Schöpfungs-Einklang quillt Aus allen tiefen Bronnen der Natur — Und traurig-fahler Winterhalbmond schwebt Im hohen Zwischenreich von Tag und Nacht. Alte Briefe Aus alten Briefen steigen Bilder auf Wie Geister, die ein dumpfes Grab verschloß — Das drängt aus Zeit- und Seelengrund herauf, Von Frauen, Freund und Feind ein Schattentroß... Meiner Erinnerung Beschwörungswort Gab ihnen kurzen Lebens Frist und Schein — Nun ziehen sie aus ihrem Ruheport Zu allen Toren meines Herzens ein... Und mancher Schatten sieht mich so verwirrt Mit hohlen, lebensücht'gen Augen an — Und greifbar, wie ein dunkler Vogel schwirrt, Drängt sich's mit Geisterkraft an mich heran. Mit tausend Lippen saugt sich Lieb und Haß Aus Grabesnacht an meiner Seele fest — Doch durch die Scharen wandelt stumm und blaß Ein fremder Geist, der sich nicht deuten läßt... Der lächelt mir mit Liebesmondenblick Wie eines Traumbilds Auferstehung zu Und grüßt wehmütig mich und mein Geschick Und winkt die wildverworrne Schar zur Ruh'... Dämmerung Leise fließt in den Abend der Tag; Auf leichten Schwingen wiegender Luft Gleitet die Dämmerung her...... Noch ist es Tag — aber die Formen blassen; Noch ist es Tag — aber die Schatten wachsen; Licht und Dunkel verrinnen in schwebendem Ton... Noch umspielt mich am Schreibtisch ein letztes, zartes Hauchen des Tages; die Bäume nicken aus Schleiern; Aber der Abend ist schon in der Dämmerung nah... Steigt bald im Krönungsmantel die sternenhehre Nacht empor zum einsamen Weltenthrone? Oder sinkt unergründliches Dunkel herab? In des Dämmers feinen Gebrochenheiten Werden ferne Küsten und Märchen lebendig, Aber auch Schauer der Gründe wittern darin... Und meiner Arbeit versagt schon die Neige des Lichtes; Zwischen zwei Welten zieht sich die schmale Grenze; Und mich bangt und fröstelt — noch ist es Tag.... Stimmungen In feuchtem Glanz aus kurzem Regenschauer Löst sich der Sonne untergehend Licht — Schon tropft es lieblicher, schon fächelt's lauer, Und Abendschleier hüllt das Weltgesicht... Und schimmertrunken sprühen Sonnenkränze Am Himmelsrande wolkensprengend auf; Die Wipfel tanzen leichte Silbertänze Und wirbeln Düfte zum Gewölb' hinauf.... An anderm Tag: Mit stillen Heiterkeiten In reifer Sommerblüte steht die Welt — Voll feierlichem Prunke sind die Weiten Und atmen Wonne wie ein Lustgezelt.... Auf weiche Rasen durch das Dach der Bäume Fließt üppiger, goldwarmer Sonnenguß; Nun steht sie atmend wie der Traum der Träume, Glührotes Auge, flammenheißer Kuß... Da glänzt des Schiffes Bord vom Sonnenhauche, Und heil'ge Schönheit quillt aus Sonnenblut — Verzaubert liegt in bläulich feinem Rauche Die Welt, die zwischen Licht und Schatten ruht... Morgen Eben noch alles im tiefsten Dunkel, Nacht und Nichts: Da plötzlich Vor mir Im leeren Raum Flackert ein Lichtstreif: Der Morgennähe Erster nachtverängsteter Gruß — Und wie am ersten Weltenmorgen Treten Formen aus Nacht und Nichts, Eine bekannte, doch neue Welt Voll unwirklicher Wirklichkeit.... Biedere Larven von Ofen und Stühlen Wachsen wie Rätsel ins Licht hinein; Aber dem ersten hellen Ring Folgen huschende Lichter nach; Schon fing sich im Sonnennetze Die wunderlich-vielförmige Welt; Und grell-verdrossen Sieht den Schlaflosen der Alltag an. Wünsche Warum fliegen die Wünsche so hoch? Müssen's doch wissen, Daß sie hoch oben im Blauen verwehen, Mit den flatternden Wölkchen zergehen, Daß sie bald elend zu Boden gerissen — Warum fliegen die Wünsche so hoch? Und doch können sie es nicht lassen, Möchten Erd' und Himmel umfassen Und der Sonne ins Antlitz schaun — Und in der azurenen Reine Aus den Fäden von goldnem Scheine Ihren Träumen ein Nestchen baun. Irgendwo lockt unendliche Schöne, Zittern ewigen Glückes Töne, Und ewig zieht's den Wunsch ihnen nach — Und was tut's, wenn in endlosen Räumen An des Traumlands flimmernden Säumen Er sich die schwärmende Schwinge brach?! Die Sterne O Stern des Wunders und der Abenteuer! O heil'ger Stern des ewigen Bestand's! Wie jäh erloschen Eure Doppelfeuer Im Dunste winterlichen Nebellands! Das war ein selig Locken und Geloben In Eurem süßen, treuen Sphärenlicht, — Und kehrt' ich den bedrängten Blick nach oben, Das bloße Schauen stärkte mein Gesicht. Denn wie ein Gruß der großen Dioskuren, War es vom Firmament herabgeweht, Und alle Fülle Eurer Lichtnaturen Ergoß sich in mein irdisches Gebet.... Ach, warum brach der Pol aus meinen Himmeln Und wohin schwand mein leuchtend Sternepaar? Wie Millionen kalte Augen wimmeln Lieblose Lichter über meinem Jahr... Sonnentag im Walde Himmelsfriede, Waldfriede Blaut und grünt um mich Und wiegt mich Wie auf blankem Spiegel, Hegt mich Wie in tiefem Schoß, Indessen ich, Dem Stamm zu Füßen Und ins Buch vertieft, Doch öfter Über seine sonnenbemalten Blätter hinweg Ins Blaue träumend, Mit diesem Friedensgeist vertraut, Welt fühle, Mich fühle Und immer so In holdem Reigen Eins und zwei.... Über mich ziehen Leise Säuselchöre Durch die dämmernden Wipfel, Deren Schattenzacken Blaue Himmelsflecke, Zitternde Lichtsäulen Überfunkeln.... Neben mir regt sich Des kleinen lebendigen Waldgewimmels Hundertfältiges Getrieb — Und trägt friedfertige Geschäftigkeit In Friedensruhe, Die des Kampfes Und der Stadt vergaß.... Und unbewegt Steht der leuchtende Tag Überm Wald, Der wie im Halbtraum nickt; Des Sommers unverzerrtes Seelen-Antlitz Blickt mir entgegen, Und immer wieder Wie leise Psalmen Rauscht es wipfelan Und erdenwärts..... Zwang Nichts können wir dazu tun, nichts davon; Es walten große Hände über uns. Und peinlich abgewogen, zugezählt Ist unsres Schicksalsmaßes jedes Lot... Wir aber gehen wie in Rausch und Wahn Der Freiheit durch dies Leben; dünken uns Noch in des Labyrinths Verstrickungen Der eignen Taten Täter; schmieden selbst An unsres Schicksals heißgeglühtem Ring Und wissen nicht, daß Etwas unsre Hand, Die kraftgeschwellte, wie am Faden lenkt. Und lauschen angstvoll in die Dämmerung, Als heischt' sie Sühne der unschuld'gen Schuld, Und werfen uns vor Mächten in den Staub, Aus denen doch die erste Sünde floß... Dem Altar eines unbekannten Gotts Versprüht wird Blut und Seele; und das Rad Des Daseins dreht sich über Rausch und Wahn Und Qual und Reue fühllos durch die Nacht... Aus „Telemach“ I. Ich komm' zu dir aus einem Schattenland, In dem mein Geist sich lange Zeit vergraben. Ich tret' in deiner Klarheit hellen Saal, Ein Pilger auf den Pfaden seiner Seele. Was zögerst du? Ist mein Gesicht so fahl, Daß du erschrickst vor längstvergangener Fehle? Du kennst mich nicht — und doch: wir beide haben Den gleichen Stein im Ring auf unsrer Hand. Durch eine Frühlingslandschaft trug den Schritt Die Anmut deines schicksalvollen Lebens. Am Himmel zog der weißen Wölkchen Lauf, Dein lichter Tag war gold- und rosenfarben, — Und doch hobst du die Kränze lächelnd auf Der Blumen, die verwelkt am Wege starben. Noch in die Heiterkeit des sanften Strebens Nahmst du die Klänge dunkler Stunden mit. Derweil schritt ich auf rauher Bergeswand, Ein blasser Büßer, hin in armem Hemde: Die Sonne zögerte bei meiner Qual Zum Untergang in Wolken sich zu neigen; Jedoch ich fand den Weg zum grünen Tal, Den Weg zu dir, und du verstehst mein Schweigen. Ich kam zu dir aus der verbotenen Fremde Und dennoch reichst du mir die schmale Hand. II. Ich lese den Roman und denke: ich und du. Dein Krankenzimmer liegt im blauen Gedämpften Lampenlicht — du schweigst sehr blaß In deinen weißen Kissen — aber was Für Bilder sind's, die deine Augen schauen Auf meinen Lippen? Deine Hand bewegt Sich hin zu mir, und eine Welle schlägt Mich auf zu dir.... Das Buch fällt auf die Decke, Die Hände trennt noch eine kurze Strecke. Zu weit.. zu weit.. sie bleiben wo sie sind.. Zu spät.. zu spät.. der Augenblick verrinnt Wo ich dir mehr als dein Gesetz gewesen, Wo deine Augen, wechselnd wie das Meer, In meinen untertauchten, wo du mehr Als Liebe nur in mir gelesen.. Ich lese weiter, was wir dachten: ich und du. III. Kleine Flocken, weiße Flocken, Wirbeln, stürmen kühn dahin. Wie sie locken und verlocken Und verschneien meinen Sinn! Soll ich folgen? soll ich bleiben? Ach, schon zieht's mich lieblich hin. Über Weiten will ich treiben, Durch die weißen Wälder ziehn. Will mit hellem Herzen trinken Schönen Schweigens Anbeginn, Will als Flocke langsam sinken, Wenn ich wandertrunken bin. Will mich an die Erde schmiegen, Wissend, daß ich einst zerrinn; Leicht und freudig werd ich liegen, Wenn erstarren Hand und Kinn. Kleine Flocken, weiße Flocken, Wirbeln, wirbeln wild dahin. Wie sie locken und verlocken Und verschneien meinen Sinn! IV. (Für Constantin Somoff) Wachende, die ihr zum Aufgang geht, Ist euch die Nacht so schwer? Wenn ihr im Dunkel kein Licht mehr seht, Sind eure Seelen leer? Habt ihr euch über die Seele geneigt? Ach, ihr sprechet zu viel — Wachende, wisset: wer tief ist — schweigt. Ach ihr sprechet zu viel. Und wenn die Sonne dann kommen wird, Rot im Golde erstehn, Seid ihr in euren Träumen verirrt, Werdet sie nicht verstehn. Wachende, die ihr zum Aufgang geht, Seht doch, das Dunkel ist leicht: Wenn ihr die Seelen schweigend versteht Jedes Grauen der Masken weicht. Der Spaziergänger Nun sank der Mond. Die Nacht ist kahl; um ihres Saumes Fluten flirrt eines Lichtleins müde Qual. Der Traumhund winselt durch das Tal und glurrt aus dürren Ruten. Da muß ich schneller die Wege gehn. Noch weiß ich nicht ihr Ende — Was hemmt den Fuß mir ungesehn, haucht ins Gesicht und heißt mich stehn und tastet um die Hände? Zurück! Und wärst du auch mein Ich auf gestrig leisen Zehen. Bin täglich neu und spute mich, muß manchen Weg noch bitterlich bis an sein Ende gehen. Auf dem Heiligenberge Das ist nicht Stille. Wenn auch kaum der leise Wind an leichten Zweigen rührt. Denn starken Leibes ringt die Fruchtbarkeit sich blind vom Boden auf und wühlt und schafft. Und drüber wölbt aus feinem blauen Glas sich eine Schale, die den Segen führt. Ein heller Vogel zieht vorbei und rafft auf seinen Schwingen tiefen Glanz der Sonne mit. Über den schweren Boden geht mit schwerem Schritt wildselig meine Kraft. Andreas Baumkircher der tapfere Verteidiger Wiener-Neustadts (1452) Die Brücke frei! Zurück Geschmeiß! und wer den Rückzug nimmer weiß, dem mähe ich zu Spott und Spaß den kahlen Schädel weg wie Gras. Juchhei! Du seltsam grober Klotz, ich spalte dir noch Kopf und Trotz. Die Brücke frei! ihr Teufelsfraß. Sonst lachen euch aus Grund und Gras gar sonderbare Blümlein an die Äuglein glotzend aufgetan, ein halbzerspaltner Turban drauf und schaun verdutzt zum Himmel auf. Und aus der Scheide zischt der Stahl, da fliegen dumm und schreckensfahl ein Schädel rechts, links zwei und drei daß bald die Wiese wie im Mai irrsinnig bunt in Farben loht und Tau sie träuft wie Mohn so rot. Und Schlag und Hieb! Und Hieb und Schlag! Das nenn ich einen Maientag! Die Brücke frei! Ein Sprung hinauf und rasselnd saust die Brücke auf. Nun kehrt nach Haus zu Spind und Kind! Das draußen fliegt wie Spreu und Wind. Und Sieg und Schluß! Nach Haus im Nu, den Balken an der Türe zu. Und polternd fliegt das Stahlhemd fort. Er wirft den Schild und Helm an Ort, die Schiene, die ihn treu bewehrt, und nimmt den ersten Topf vom Herd. Trompetenklang? was gibts zu sehn? da baumeln Kränze, Banner wehn, die Ratsherrn stolz im Puderhaar, mit Halskraus und Brokattalar und weißer Mädchen Bänderflug. Was hält nur vor dem Haus der Zug? Zum König soll ich? Der Teufel drein! Mein ist die Ruh, die Ehre sein. Das Tier läßt man im Stalle ruhn; sagt ihm, er soll desgleichen tun. Ich will, lädt er mich morgen ein, sein untertänigster Diener sein. Hellblauer Fliederstrauch Sie haben lange Fahrt gemacht, müd kehren sie heim um Mitternacht. Die Leiber schwanken wie glimmender Rauch, das Roß scharrt tonlos hinterm Strauch. Sie sprechen nicht und nicken nicht, sie tragen ein schweres Gottesgericht. Nur von der Lanze zitterndem Knauf Da flackern hellblaue Flämmchen auf. Schwer zögernd schwankt des Helmbuschs Pracht. Das leuchtet durch Nebel und Mitternacht. Sie kennen nicht Glück mehr und Leid und Not. Sie tragen im Herzen tiefseligen Tod. Den bringen sie stumm aus heimlicher Schlacht der bangen Fraue um Mitternacht. Der Blinde Um mich ist immer ein feiner Kreis, der von allen Dingen tausend Heimlichkeiten weiß. Steht still an den Wänden, ihr Blickhaften mit euren Tölpelhänden! Schuf euch denn nicht ein boshafter Gott sich zum Spaß und euch zum Spott? Euer Auge trieft plumpe Gier nach Dämmerröten und Nebelfernen, spuckt euer Ich nach stolzen Sternen und geifert um Glanz und Tand und Zier. Unrast sitzt euch quälend im Nacken starrt feist nach kurzem Fraß umher und saugt euch hohl und matt und leer. Drum könnt ihr die Dinge nicht greifen und packen. In meiner Tasche trag ich einen Stein, ganz warm von Heimlichkeiten. Langsam tasten die Finger sich ein — da binden sich Ketten und seltsame Reihn — und Dinge aus fremden Weiten kommen an meinen Kreis heran und flüstern und rühren ihn sachte an, daß er klingt an allen Enden. Sie neigen und tragen ein seliges Licht in ihren gesegneten Händen. Die Hochzeit zu Kana Die Flöte girrt, das Zimbal klirrt, durch abendliche Bogen schwirrt ein Fiedelschwarm von Luft und Klang und Becherruf und Brautgesang. Dazwischen tönt wie tief im Traum des Meisters Stimme durch den Raum. Das Becken gellt, die Pauke bellt. Hell schwingt ein Ton. Und wieder fällt das Lied mit wirren Stimmen ein und hochauf schwält der Fackeln Schein. Den Meister trägt ein fernes Meer — kein Laut, nur Schweigen um ihn her. Das Brautpaar lacht, in banger Pracht glühn Blüten auf aus tiefer Nacht. Und zu einander irrt ihr Blick, in Tränen glänzt ihr heißes Glück. Der Herr verbirgt, in Schaun versenkt, daß sich ins Aug' die Trän' ihm drängt. Und unbewußt tollt auf die Lust zu neuer Glut in jeder Brust. Kein Aug' mehr blickt, das irrt und flirrt, zerschellt manch trunkner Becher klirrt. Und niemand hat des Herren Acht. Der wandelt einsam in die Nacht. Der Mond liegt müd am Himmelssaum, kein Ton, kein Hauch im weiten Raum. Sein Herz nur schlägt so ungestüm und lautlos spricht die Zeit mit ihm. Und zeigt ihm auf den Bergeshöhn Sein eignes Bildnis mächtig gehn. Nausikaa Heißäugig späht die Sommernacht, Die Mägde schliefen längst schon ein. Nausikaa sitzt überwacht, verträumend in des Lämpchens Schein. Ein Falter fliegt sich tot am Licht, ein Mücklein dann, sie sieht es nicht. Sie horcht — das Lämpchen spricht: Nausikaa, dein Herr ist da aus Blumen am Gestade, der Steinefürst von Ithaka. Schrie nicht dein Herz nach Gnade? Die Stunden fallen bergetief und über dem Gelände da reichen sich von West nach Ost zwei Tage still die Hände. Sie will sich heben, kann es kaum, irrsinnig gaukelt ihr ein Traum die breiten Schultern wieder und braune, straffe Glieder. Ihr Ohr ist toll; wie Pfeifen klingt der feine Ton und schwirrt und singt: Nausikaa, dein Herr ist da; was brennen deine Wangen? den Steinefürst von Ithaka, Will ihn die Braut empfangen? Sie gürtet sich zum Schlafengehn. Stark will sie sein und hart. Wie brennt das Kissen, brennt das Kleid! Schlaf lockt und flieht und narrt. In tiefen Ecken Flackertanz, Geraune, toller Flimmerglanz, Irrlichter, bunt und groß und klein, die tanzen sie in Schlummer ein — Das Lämpchen wie ein Kobold hockt, summt vor sich hin und girrt und lockt: Nausikaa — dein — Herr — ist — da — aus Blumen — Braut — dein — Herr — ist — da Nau — si — ka — a?! Zigeuner Mein Vater strich auf einem Geigenholz, als meine Mutter seltene Kräuter fand in deren Adern Lebenswasser stand; sie zeigte ihm den reichen Fund mit Stolz. Und da der Maimond aus der Heide stieg, — die Soden blinkten in der ersten Saat, die Mücken schwirrten heiß und führten Krieg — erwählte er die eine, die ihn bat in dieser Stunde einen Sohn zu zeugen... Die Kräuter dufteten — die Geige schwieg — zwei Schatten sah der Mond ins Gras sich beugen. Sturm Brausend schwillt der Pappeln Regenlied; die verhangnen Heideflächen triefen, Sturm, du schüttelst wild in allen Tiefen, füllst mit Zwielicht Hügelland und Ried. Wie der wolkenschwere Himmel kreist! Langsam wandernd in die Dämmerungen fühlen wir, zu Einer Macht verschlungen, tief im Heidesturm den Weltengeist. Die Terrasse Wunderliche Königinnen am verträumten Parkgelände — über ihre kühlen Hände ließen sie das Mondgold rinnen. Weiche Schatten aus den Bäumen glitten über weiße Wangen, wenn sie von den stolzen Träumen ihrer stolzen Seele sangen. Ihre starren Augen spähten seltsam, wie nach fremden Zielen, während raschelnd die verwehten Blätter auf sie niederfielen. Schweigend wuchs die Nacht, die blasse ganz von seltnem Sinn getränkte, bis sich über die Terrasse groß und weiß der Vollmond senkte. — Alte Städte Städte gibt es, die kein Geschehen fassen — immer verweilt im Ringe ihrer Mauer wehender Opferrauch von heller Trauer, und leichte Träume spielen auf den Gassen. Graue Mären kränzen sie tausendjährig; aber die Saiten der Leier spannen zu leise, dunkelgolden und allem Holden willfährig ihrer uralten Legenden Wunder und Weise. Kaum, das Wünsche erwachen, gleich luft'gen Gespenstern, die Gassen hinab in schmalen, blauen Zeilen, wo in der Nacht an buntgeschmückten Fenstern lächelnde Frauen bei blassen Lampen weilen. Am Meer Wind und Wogen schlafen ruhig ein wenn der Abend seine Wasser kühlt. Nun erwacht mein stummer Traum und fühlt: alle Seligkeiten werden sein. In das letzte Blau von fernem Licht breitet er die feinen Schleier aus; horcht mit seinem scharfen Sinn hinaus, was die große Lebensferne spricht. Tiefverwandte Laute hört er nun, da die Stimmen der Betörung ruhn, und erlauscht mit unermessnem Staunen Was die Wellen von der Tiefe raunen... Am Bahndamm Über die Höhen kommt es gelaufen, tiefblaues Blut der frühen Nacht. Schwimmende Wolken glimmen sacht steigen bergan in wallenden Haufen. Stampfender Züge grüne Lichter kreuzen weithin mit schrillem Pfiff; Sterne grüßen. Der selige Dichter treibt in die Mondnacht sein Zauberschiff. Wanderung in der Ebene Dies ist mein Land, geebnet, braun und breit. Aus Grund an Grund gebaut, weithin gelagert ruht die große Sicht. Wir wandern nach dem Horizont. Die Erde unter uns birgt Brot. Die Luft ist schwer von Schollenlicht. Nun fühlen wir der Erde Poren sacht sich weiten. Wir hören tief das Blut der Acker kreisen. Der Brodem ihrer Leiber steigt um unser Schreiten. Wir spüren tief das Leben, über dem wir reisen. Ein jeder Schritt verwurzelt uns dem unten weit gefügten Land. Ein jeder Schritt bebt in den Boden fortgebebte Kraft. Wir wandern in das weite Land und wandern in das tiefe Land. Wir wurzeln in dem Weg; wir wohnen in der Wanderschaft. Hymnus Nun flicht um deine Stirn aus Birkenbast ein Band, Laß funkeln Lachen und Gesänge. Besprenge Mit gelb- und rotem Wein in unserm Heim Grund, Tor und Wand. Bekränze Im Hause rings Gestühl, Gesims, Gebälke und Gerät. Geh schlank durchs Haus, kredenze Aus deinem Angesicht Ein abgespiegelt Licht Auf weiß- und braun- und kupfernes Gerät. Dann tu die Fenster auf, tu alle Fenster auf, breit. Stell' an die Borde Brot und Wein. Stoß alle Türen auf, lauf hell ins Land hinein, Lauf hell den Hügel an, stell' dich und winke. Und weh, und winke Ringsum dem frohen Horizont, dem blanken klaren Land ringsum. Sieh, an allen Fenstern glänzt das Brot und brennt der Wein. Durch alle Fenster, sieh, wie ebene Weißgewölke, wächst ein Schein. Der Horizont, das breite Land verwandeln sich in Helligkeit und ziehen ein und werden unsere Gäste sein. Geweitet atmet nun das Haus, und alles Holz und Eisen blüht durchsonnt. Schlank und gläsern ragen die steinernen Wände, und die glückseligen Gebälke tragen mit Gesang. Wir wohnen nah dem Horizont; der Herd blinkt mitten im Gelände. Erde ward die Diele; Wolken und Gestirne sind das Dach. Der Kreis Ich sprach zum Kreis: Du lebst in Wanderschaft. Du schreitest langsam in gestillter Kraft. Dein Weg ist ganz erbaut aus Wegeswende, Und jeder Schritt ist Anfang, Mitt' und Ende. Es sprach der Kreis: mein Leben ist nicht Glück. Ich wandre nicht, ich kehre nur zurück. Ein Stücklein Welt erglänzt mir lieb und licht. Mein Weg umkränzt es. Er betritt es nicht. Das Weglein Em Weglein schlummert, rechts und links verzäunt, Das Angesicht von Luft und Schein gebräunt. Aus breitem Laubzeug ist ein Dach gespannt, Und eine alte Buche wacht am Wiegenrand. Sonnin bei Tag, Mondin bei Nacht, Besuchen das Kind und streicheln es sacht Und haben ihm auch was mitgebracht. Blätterschatten und Schattenzaun, Mondin schenkt es schwarz, und Sonnin schenkt es braun. Dann kommt der Wind Und spielt Schattenspiele mit dem Kind. Schläft Wind, schläft's. Wacht Wind, wacht's. Aber wenn es wacht, spielt, hascht, lacht's. Spruch Und eins ist not: Sei gläubig. Spende Dich dem Geschick wie ein Segel dem Reisewind. Fürchte nicht fremde Gelände. Sei deiner Zukunft gläubig wie ein Strom dem Meer, in das er rinnt. Kapriccio Da kommt der Wind wie ein Geiger aus Ungarns Steppen, Nimmt die Fiedel her, spielt eins auf durch die himmlischen Wiesen und Auen. Die Wolken, die jungen Frauen, Tanzen mit weitschleifenden, weißseidenen Schleppen. Mittenhinein Torkelt Mond, der dicke Kahlkopf, trunken von Rheinwein. Leutselig streut er silberne Taler in steilen Würfen wie unter Volk auf die wimmelnden Erdmassen und -meilen. Die Türen Wenn über das rissige Pflaster drunten in den Gassen die Wagen dröhnen, Spüren es oben in den alten Häusern die hölzernen Türen. Sie zittern, Sie knarren und knistern und knittern, Sie schüttern, — Wie Winde an Luftharfen rühren, Erregt sie das Fahren zu tönen Murrende Weisen, Daß sie eingespannt In steinerne Wand Gefangen Hangen Seit Jahren und Jahren, Während drunten die verwandten Bohlen und Hölzer glückselig fahren Unendliche Reisen. Hohe Nacht Mondenschein wird durch die Bäume weben, Und sternbestickt wird uns das Lager winken, In jener Nacht, da wir ans Herz uns sinken, Gemeinsam Aphrodites Hain durchschweben. Wir werden eins des andern Atem lauschen, Und heiß wird unser beider Odem wehen, Wenn wir am goldnen Tor des Glückes stehen Und unsrer Liebe tiefe Quellen rauschen. Denn all mein Sein, es war ein „Dir-Entgegen“ — Ein majestätisch Ineinanderfluten Das ist es nun — so reiner Flamme Gluten Erflehn der Heil'gen wie der Kypris Segen. Und lautlos werden sinken alle Hüllen — In keuscher Hoheit brichst du meine Blüte, Die dein längst war — wir spüren Gottes Güte, Denn du bist mein und ich bin dein — Erfüllen. Schweigen im Walde Wie Kupfer troff es längs den Kiefernstämmen Von Sonnengold — smaragden spielt' es in den Buchen, Und Hieroglyphen malt' es in den Sand — Du faßtest schweigend meine heiße Hand, Du setztest an — zu sprechen wolltest du versuchen — Es spann uns gleich der Mittagszauber ein — Wie lange? — Keines sprach, soviel es auch gewollt — Doch unsre Augen leuchteten — vom Sonnengold. Gebet Büßen will ich, Herr, und will entbehren, Will mit meiner Kreuzeslast, der schweren Mich mit letzter Kraft die steilen Treppen Des Calvarienberges Golgatha noch schleppen. Nur vom Weg nicht abseits laß mich stehen! Stumm verloren nicht — vom Schicksal übersehen — Schmachtend nach des Lebens frischem Trank Mit verdorrten Lippen, fieberkrank. — Will titanentrotzig mit dem Schicksal ringen. Ruhmvoll unterliegen, kann ich's nicht bezwingen. Feinde schaff mir — laß mich ehrlich streiten, Nur nicht dieser Tage friedvoll Gleiten! Laß den Sturm all meine Bäume splittern, Eins nur kann — die Ruhe — mich erbittern. Wäre seine Wucht zerschmetternd groß: — Gib mir, Herr, ein volles Menschenlos! Im Dämmer Und Schatten sich um alles Lichte breiten; Ich schmieg' mich in der Kissen weichen Samt — Der Blutrubin an meinem Busen flammt — Und traumschwer irrt mein Blick in graue Weiten. Ach! ungelebten Lebens wehe Schauer Erschüttern fröstelnd, noch ertrag' ich's kaum, — wie windverwehter, letzter Sonnentraum — Die Seele mir in namenloser Trauer. Auf hohem Piedestal Ich will dich nicht als Sklaven sehn Zu meinen Füßen. Stolz und frei Sollst du über allen andern stehn. Sollst nichts Geringes um mich wagen. Nicht deinen Nacken beugen, — sollst Dein Haupt hochaufgerichtet tragen. Und neig dich mir nur gnädig und strahle mir mild, Aber — verschmähe selbst meine Ketten — Du, du mein Götterbild! Ich möchte die Sonne sein Liebster, ich möchte die Sonne sein, Möchte dein Dasein mit Glanz übergluten! Dann, wie der scheidende Sonnenball — Am eig'nen Licht verbluten. Stille Über allen weiten Feldern ruht ein Schweigen — es ist Nacht. Träumend geht ein Wanderer seiner Wege. Steht noch einmal auf der Brücke. Und das dunkel-dunkle Wasser fließt so sacht, so sacht — — Über allen weiten Feldern ruht ein Schweigen — es ist Nacht. Erinnerung Wenn Welt und Wille schweigen kehrt still ein Gast bei dir ein. Verschwimmende Bilder entsteigen dem tiefverschlossenen Schrein. Es reichen ferne Gestalten dir ihre dunkle Hand. Die unsichtbaren Gewalten sind freundlich dir zugewandt. Ob dich auch Unruh quäle — es braucht nur ein Wort zu sein, das fällt in deine Seele tief und tiefer hinein. Betroffen stehst du stille und hemmst den eiligen Gang. Es ist wie ein Stein, der leise ins dunkle Wasser sank. Es ist wie ein Stein, der leise ins dunkle Wasser glitt, der nun seine stillen Kreise weiter und weiter zieht. Mit diesen eigenen Weisen hältst du nun gleichen Schritt. Und mit den stillen Kreisen zieht deine Seele mit. Erden-Glück Bäume rauschen... ein Vogel singt... Es träumt die feierliche Stille, in die kein Laut von draußen dringt... Sie gehen beide Arm in Arm — stürmisch, stürmischer klopft das Blut, sie fühlen, wie der Sommer tut. Sie fühlen, wie die Lippen glühn — die Welt versinkt. Waldstille heißen Atem schwingt. Bäume rauschen... ein Vogel singt... Es träumt die feierliche Stille, in die kein Laut von draußen dringt... Wie fern am blauen Himmel weiße Wolken ziehn..! Sonett In jeder Seele schläft ein Stück Vergessen: das niemand stört, das unter starrer Decke Hindämmert und sich scheut hinaufzustreben, und nur im Traum erwacht das eigene Leben. In jeder Seele wacht Erwartung: die ihre Flügel spannt in blauer Schönheit, die immer strebt, sich selbst zu lassen, Fernen zu suchen, Gegenwart zu hassen. Bereit zu zögern und bereit zu gehen Tastet sie vorwärts... und bleibt zweifelnd stehen Und hört im Dunklen raunende Gesänge. Dann aber, wenn sie sich im Kampf gefunden, Reckt sie sich auf und schreitet wie ein Sieger, lachend und jung, noch niemals überwunden. Großstadt-Morgen Ihr Zechgenossen, wie war die Nacht so schön! Glühender Wein in blitzenden Bechern! Es tanzte gaukelnd Wort um Wort am Ohr vorbei, grub sich in die Gedanken. Das Leben floß um uns, ein wilder Strom, wie rotes Blut in lustgeschwellten Adern. Dann wieder kamen Augenblicke der Stille und des tiefen Sinnens. Beredtes Schweigen. Einsam saß einer bei dem andern. und dunkle Augen sehn sich fragend an als suchten sie im andern die Erklärung — doch immer wilder züngelte die Glut. — Ihr Zechgenossen, wie war die Nacht so schön! Das ist die Lust der lebensvollen Nächte, die brandend aufstürmt, sich am Fels zerschlägt, hoch aufspritzt, dann ins Grab zurücksinkt, und wieder stürmt und stürmt — entfesselt sind die Mächte. Nun graut der Morgen, Freunde, scheiden wir! Lebt wohl! — Nur kurz der Abschied, nur ein Händedruck... Und leise fröstelnd tret ich aus der Tür. Ich war allein. Nun war es plötzlich still um mich So still wie Grab. Leise tret ich auf Und scheute mich — Grauliches Dämmern rings. Und alle Stimmen schliefen mit geschlossenen Augen. Totgleiche Stille. Doch schien ein ferner Sinn hierher zu horchen. In jeder Ecke lauerte Erwachen. Stumm, grau und steinern standen alle Häuser, Geheimnisvoll war hier und da ein Fenster offen — als gähnte aus der Finsternis ein dunkler Rachen. Die Uhren schlugen in der Stille. Zur frühen Arbeit ziehen die ersten Scharen. Nur ungenau zu sehen, durch graue Schleier. Als dunkle Massen gleiten sie vorbei. Von Haus zu Haus huschen die Kinder verschwinden in den Toren klappern mit Kannen und Flaschen. Und eilen weiter, ein geschäftig Zwergenvolk. Da drinnen schlafen Menschen. Die Kinder huschen — zuweilen ein Ruf Ein Helles Stimmchen das klang in dieser grauen Einsamkeit wie Glockengeläut — So wie Schlitten hinklingeln über den harten Schnee, über das einsame Feld... Das alles war mir nah und doch so still, daß es entfernt mir schien, unwirklich wie ein Bild. Das ich nicht fassen konnte, das mir zu enteilen schien, kam ich ihm näher. Vor mir entbreitet sich ein weiter Platz. Grau lag der Morgen auf den grünen Sträuchern. Ein weißlich Leuchten lag auf jedem Blatt. Wie schrille Seufzer hallten meine Tritte. Dann blieb ich auf der Brücke stehen, der breiten Brücke. Lehnte hin an die Brüstung sah lange, lange in das tiefe dunkle Wasser. Es wehten junge Winde zu mir her, Ein rosig Leuchten tupfte auf die Dinge — und herrlich stieg die frühe Sonne auf — schwamm in der Silberpracht der ersten Wolken. Ihre goldnen Strahlen funkelten sie fuhren wie Blitze über die seidig-glatten Wasser. Unwirklich schien die Welt — ein Traum aufsteigend in der Schöpferpracht des Werdens — unwirklich schien ich selbst. Da fühlte ich die Größe dieser Stunde. Wie im Tal vor hohen Bergen stand ich, Und langsam ging ich dann nach Hause. Sann nach und fühlte kaum die Erde. Und in den Zweigen, in den Sträuchern — zwitscherten schon die frühen Vögel. Und langsam wachte all das Erden-Treiben auf. Teich im Park Der Teich schlummert mit stillen Wassern. Dichte Baummassen quellen über die unsichtbaren Ufer. Baumschatten liegen wie Arabesken auf der Flut. Blätter rieseln leicht herab und schwimmen auf der Fläche. Aus dem Dickicht kommen die braunen Enten gekrochen. Fliegen eine Strecke und fallen dann schwer ins Wasser. Auf sonnenweichem Rasen liegen die weißen Schwäne, Wie breite Flecken, die im Grünen schwimmen. Sie rupfen sich die Federn, die wie lose Blumen fliegen. Die Hälse liegen nach rückwärts, wie Schlangen auf dem Gefieder. Plötzlich stürmt ein Schwan wie ein Blitz über das Wasser. Blauweiße Flügel; wehend; den Hals weit vorgestreckt. Sein schriller Schrei schießt wie ein Pfeil durch die Stille. Die Füße berühren im Flug das Wasser. Dann ist es wieder still, der Teich schlummert. Dichte Baummassen quellen über die unsichtbaren Ufer. Baumschatten liegen wie Arabesken auf der Flut. Blätter rieseln leicht herab und schwimmen auf der Fläche. Still reicht die Stunde den Trank tiefer Vergessenheit. Und die Dinge träumen, als hätte die Zeit keine Macht über sie. Die Fontäne Aus rundem Rachen steigt die Wassersäule Posaunengleich empor und donnert Ruhlose Wucht, in blaue Luft geschleudert. Und oben löst sie sich wie Schleier die flutend stürzen, wehend wallen, zitternd wie leichte Flocken fallen. Die höchste Spitze ist wie grauer Rauch — Wirft zu den Abendwolken lockres Sprühn die fernen Grüßen gleich am Himmel ziehn. Es ruhen dunkle Gruppen rings am Becken Und sie umspielt die wellenglatte Feuchte Sie speien wie aus dämmernden Verstecken. Abend im Park Und in den Strahlen spielt die letzte Sonne So daß sie glühn wie Feuergarben und wirbeln wie ein Spiel von Funken. Kühl fließt die Luft auf grünem Rasen Die Menschen gehen hin im Abend Wie Schatten, still und stumm und leblos, Als sähe keiner mehr den andern und hätte Augen, die nach innen blicken und ginge wie in einem großen Schweigen. Es ist wie ein gedämpfter Reigen und die Figuren sind wie ausgeschnitten. Vergessen sind sie, wenn sie hingeglitten. Da schluckt das Becken plötzlich. In den Rachen stürzt jäh die Wassersäule, stürzt zusammen züngelt nur noch und wallt in weißen Flammen... Und zuckt noch auf..., um jäher zu ermatten. Und nun ist Stille in dem Reich der Schatten. Zu tiefem Sinnen lockt die Abendkühle. So ging der Tag zur Neige... So ging der Tag zur Neige — Der Wind streicht über Gräser hin, Das letzte Licht entfernt sich still, schon schütteln sich die Zweige sacht und eh wirs wissen, wird es Nacht. Dann kommt der Wächter Abend an, der stille alte Wandersmann. Er geht den Weg so lange schon und summt sich leise, leise die stille Abendweise. Am Brunnen ist ein schöner Platz, Da kannst du lange, lange ruhn. Die Menschen schlafen alle nun, der Brunnen singt dir Melodien — Kaum merkst du, wie die Stunden ziehn. Stimme und Gegenstimme Stimme: Was hilfts, sich mit dem Schicksal auszusöhnen? Es ist nur Trug und schwächlich sanfte Lehre. Ein Hohngeschenk, um Knechtschaft einzutauschen. Aufbäumend wirst du wild zurückgeschleudert und bist, wo dumpfe Glocken tönen und schwere Fittiche Verzweiflung rauschen. Es gibt kein Jenseits und der Lohn ist Lüge. Und alles andere ist nur Wahn und Laune. Gegenstimme: Es herrscht ein Zwang, sich mit dem Schicksal auszusöhnen! Aus diesen Kreisen dringt kein Erdengeist. Wer sterbend geht, denkt wohl ans Wiederkommen. Aus höchstem Schmerz hat mancher Glück genommen. Und nur wer ziellos lebt, geht hin im Dunklen, gesenkten Blicks und niemals hoffend, nie wissend, daß zu seinem Haupt die Nacht sich weitet und die Sterne funkeln. Am Meer Silbern schwimmt die Abendsonne Auf dem milchig-blauen Meere Und es breiten sich die Wolken, Selbst ein Meer, bis in die Ferne. Bebend legt die Abendsonne Auf das Meer die Strahlenhände. Aus den weißen Abendwolken Tropft die Glut ins Ungeheure. Und kein Laut tönt in der Stille Nur zuweilen hebt sich leichthin Auf dem Meer ein flüchtig Zucken — Doch die Wellen sind gestorben. Einsam geht ein Mensch am Strande, Er verschwindet fast im Raum — Doch das Auge trinkt die Schönheit, Und das Herz lauscht den Gesängen, Die es schwer und tief bedrängen Wie ein ungeheurer Traum. Beschluß Bin ich denn also ein Mensch nur, ein winziger Augenblick und wäre von allem Anfang besiegelt mein Geschick — Wird niemand nach mir fragen und wär ich nicht mehr als ein Hauch Und wie der Wind verweht, verwehe ich auch: So seh ich mit heitren Augen all dies Erleben an. Ein schönes Spiel ist alles, dem ich entrinnen kann. All der dunklen Fragen war ich mir bewußt und ich drückte all die Speere Freudig in die eigne Brust. Abendruhe Das Dorf hält stille Abendwacht Es dunkeln schon die Gassen. Sie sind, als nahe schon die Nacht, Von jedem Schritt verlassen... Nun dauerts auch nicht lange mehr, da dringt kein Laut noch zu mir her. Da träum ich ganz alleine Beim stillen Lampenscheine — Die Lichter löschen nach und nach — Wenn ich hinaus mich neige, So ist es mir, als schweige die ganze Welt, nur — ich — bin — wach. Komm kühle Nacht — ... Komm, kühle Nacht und deck mich ein Du mußt nun mein Geliebter sein. Mein Geliebter ging weit, Zwischen ihm und mir wächst Zeit, Zwischen uns beiden steht der Gram Und das Lächeln, mit dem ich Abschied nahm. Keiner vergißt dem andern die Not Und heimlich wünscht einer, der andre wär tot. Ach käme der Tod, Der machte dich jung Wie du lebst in geliebter Erinnerung! Ach käme der Tod, Der machte uns frei, Daß einer wieder des andern sei! — — — — Das Leben nur läßt uns allein. Komm, kühle Nacht, und deck mich ein. Für andre ist die Heimat Für andre ist die Heimat, Für mich ist nur das Herzeleid. Für mich ist Lust und Einsamkeit — Für andre ist die Heimat. Für andre ist ein Frauenschoß, Ist Bett und Kind Und Tür und Schloß, Für mich ist nur der Wind. Für andre ist das Glück. Mir ist die Luft von Rosen voll Der Weg von Tanzesschritten toll, Nie find ich mehr zurück. Für andre ist die Heimat, Für mich ist, was die Nacht erwarb, Und was im Morgendämmern starb. Für andre ist die Heimat. Ich weiß ein Lied Ich weiß ein Lied, Ein fernes Lied, Das sang mein Liebster, als er schied: Hörst du den Wind? Einst wirst du ihn hören, Wenn wir zusammen sind. Dann endet alle Not Alles Entbehren — Liebe führt uns zu Tod. Hörst du den Wind, Gar manche Nacht Hat er mir einsamste Not bewacht — Seit wir zusammen sind. Hörst du den Wind Wo blieb deine Hand? Ich gehe allein durch ein fremdes Land, Wenn wir zusammen sind. Du läßt mich in Not — Ich lieb auf den Gassen, So tief bin ich von dir verlassen Schmach führt mich zu Tod. Ich weiß ein Lied, Ein fernes Lied, Das sang mein Liebster, als er schied: Hörst du den Wind? Einst wirst du ihn hören, Wenn wir zusammen sind — Wenn — wir — zusammen — sind. Wie ein junger Baum... Wie ein junger Baum bist du — Stark, schlank und fein. Ein wenig rauh die Rinde — Und beim leisesten Winde Rieseln die Blätter im Sonnenschein. Komm, mach die Türe zu! Was du nicht bist, soll alles schweigen. Die Nacht durchzieht Ein junges Lied: Du bist mein eigen. Und ist dein Mund... Und ist dein Mund vor Sehnsucht rot, Und bist du mein eigen In Herzensnot — Ich küß dir die Hände, Wenn du weinst — — Einst, Vor Jahren kannt ich die Liebe. Nun ist sie nur ein fernes Lied, Das meinen Sinnen Vorüberzieht. Ich such es zu spielen. Wenn du weinst — — Einst, Vor Jahren kannt ich die Liebe. Du gehst Ich fühle deine liebe Hand Verloren aus der meinen gleiten — Und war doch noch ein langer Weg, Den wir zusammen wollten schreiten, Ein Weg durch abendgolden Land. Dein Mund ist nie mehr rot für mich — Wie lange wars, daß ich ihn küßte, Daß vor der Liebe atemlos die Zeit Verstummte, als ob alles wüßte, Wir leben einzig: du und ich. Weißt du das kleine Licht in unsrer Nacht? Wir mußtens an die Erde stellen, Denn sonst könnt es vielleicht zu viel Von unsrer Liebe uns erhellen. Doch dann — vergaßen wir es in der langen Nacht. — Ich war dir treulos. Nun verläßt du mich, Du hast die fremde Frau darum gebeten, Ihr geht an einen Ort, der mich nicht kennt, Ihr geht auf Wegen, die ich nie betreten — — So geh! — Auf allen Wegen findst du mich! Choral In mir ist alle Leere, In Dir ist alle Macht. Wenn Deine Huld nicht wäre, Ich hauchte keine Nacht! Wenn nicht von Deiner Lende Mir Lust und Leben käm: Ich hübe meine Hände Nicht gen Jerusalem! In mir ist alle Leere, In Dir ist alle Macht. Du bist das Hohe, Hehre, Ich aber bin geflacht! Du bist der Berg der Berge, Ich aber schmales Tal, Ich Barke, Du der Ferge, Ich Orgel, Du Choral. Wie soll ich Dich verkünden, Den Hirt und Herde preist Und den in grünsten Gründen Der Wind willkommen heißt? Soll ich auf Gipfel steigen Zu Wassersturz und Sturm, Soll ich im Staub mich neigen Vor Dir ein schwacher Wurm? Gesang des Klausners Ihr alle seid noch draußen Mit eurem Sein und Sinnen, Mir aber wird das Außen Schon ganz zu einem Innen. Was frommen mir die Länder, Wo sich die Lüge hält? Mir sinken wie Gewänder Die Wünsche dieser Welt. Ich habe kein Geleite, Als klarer Quellen Takt, Wenn ich zum Vater schreite, Und bin in allem nackt. Durchsichtig wird die Hülle, Die einst mein Wesen war, Und meine tiefste Fülle Glänzt mild und morgenklar. Mein Weg kennt keine Ferne, Nicht Flamme noch Begehr, Und selbst die stillsten Sterne Sind mir nicht Brüder mehr. Ich habe ihre Stille Im Traum schon überlebt, Daß mein erlöster Wille Von sieben Himmeln schwebt. Was mir der Traum vertraute, Huscht scheu durch meinen Gang Und siedelt in die Laute Sich ein als Gottgesang. Schon fehlt als Klang der Klänge Auch nicht der reichste Reim: An Vaters Herzen hänge Ich singend, nun daheim. Hände I. Auf Madonnas altem Bilde Blühen so durchseelte Hände Aus dem Duft von blauer Milde, Daß ich wieder die Legende Von den leisen Lilien glaube, Die zu Händen sich gebogen, Auf die gern die Friedenstaube Frommen Fluges kommt gezogen. II. Aus dem Geriesel zarter Spitzen, Dem kraus durchbrochenen Seidenzwinger, Seh' ich in müder Schönheit blitzen Die bleiche Demut Deiner Finger. Sie ruhen träumend, fast gefangen In ihren duftigen Geweben Und haben nicht mehr das Verlangen, Hinauszutasten in das Leben. Einst zog sie eine Stimme stärker, Nur eine liebe Hand zu fassen. Und blieben leer. Der seidne Kerker Sieht sie ergeben und gelassen. Sie wollen nur noch dumpf sich rühren, Um ihren Frieden zu erflehen, Und nicht mehr an den harten Türen Um fremde Liebe betteln gehen. III. Bin ich verachteter, geringer, Weil ich so selten Blumen trug In meiner Hand, und nie ein Finger Die Harfe eines Herzens schlug? O meine glückverwaisten Hände, Gleich euren Säumen arm und schmal War mir der Frühling. Doch am Ende, An meines Lebens Abendmahl Dann wird sich meine Enge weiten, Und Hände werden in mir sein Groß wie der Kranz der Ewigkeiten Und reich an Liebe und Verzeihn. Die Fahrt Herr, so laß mich ruhig scheiden, Meine Fahrt wird feierlich. In die Abendschleier kleiden Will ich mein entblößtes Ich. Meine Mutter sei vergessen, Und was meine Flöte sprach. Brünstig psalmen grüne Messen Mir schon alle Wälder nach. Laß mich salben deine Tage Mit den reinsten Spezerein! Laß bei jedem Lerchenschlage Harfend dich gebenedein. Waschen will ich deine Füße, Hängt hier noch ein Erdenstaub, Sinken so in deine Süße Wie der Wind ins Rebenlaub. Doch dem brandenden Gebrause Halte ich mich uferfern. Denn ich fühle mich zu Hause Schon in Sonne und in Stern Auf der Wolken weißem Eiland, Wo die Mondesbarke fährt Und der Herr, der Herzensheiland, Alle Jünger licht verklärt. Hast du Heimweh, treuer Bruder, Komm in meinen Mondeskahn; Reichen wird dir Gott sein Ruder, Folgen dir ein Wolkenschwan. Wenn nur deine heißen Schwüre Einen Führerstab umfahn, Wird die hohe Sternentüre Deinen Träumen aufgetan. Blinder Geiger Den blinden Geiger möcht ich sehn, Doch nicht im bunten Saal wie heute, Da ihm die Menge Blumen streute, Ich will in seine Kammer gehn. Und will ihn bitten: „Blinder Mann, Auf deiner Fidel mir erzähle Die tiefsten Träume deiner Seele, Die Einsamkeit dir leise spann.“ Wenn aber seine Fidel schweigt, Will ich an seinen Augen fühlen, Welch Weh auf seiner Seele geigt, Und will ihn bitten, nicht zu spielen. Die Säule Wenn nur du mich nicht verläßt, Nicht wie Mörtel von mir fällst, Und noch im Ruinenrest Meiner Seele Säulen hältst, Treuer als der Efeu bleibst Und des Abendsonnenscheins Schrift in meine Runen schreibst Wie ein Zittern des Verzeihns. Wenn nur du mich nicht verläßt, Werde ich den Sturm bestehn Und an keinem Todesfest Meine Säulen sinken sehn. Denn du wirst der hehrste Halt Meinem stürzenden Gestein Und den Pfeilern aus Basalt Säule aller Säulen sein. Erinnerung Die Welt wird stumm und müde geht Der Abend durch mein Zimmer, Erinnerung durch die Scheiben späht, Wie bleicher Mondenschimmer. Es hebt sich eine Hand und zeigt Mir meiner Liebsten Bild — Im Efeu steht der Wind und geigt, Bis sich ein Schatten zu mir neigt Und meine Sehnsucht stillt. Abend Schatten von den Hängen schleichen Wie im Traume hin und her, Nun sie sich die Hände reichen Singt auch nicht ein Vogel mehr. Arm in Arm ruhn Wald und Weiher, Nebel hängt an Stamm und Ast; Ferne blinkern Hirtenfeuer, Wenn der Wind die Flamme faßt. Dunkler wird es. Hügelüber Äst ein Reh und äugt empor, Tastet scheu am Pfad vorüber, Bis es sich im Ried verlor... Langsam bricht des Mondes Blume Breit im Wolkenspalte auf — Staunend wie zum Heiligtume, Blickt der Teich zum Licht hinauf. Wilder Rosen Opfergluten Lodern noch im Abendwind, Wenn des Lichtes flücht'ge Fluten Lange schon verrieselt sind... Horch! Jetzt dringt aus Dämmerweiten Klagend eines Liedes Klang, Das bedrängt von Dunkelheiten, Irgendwo ein Mädchen sang... Maria O Wunderbare, Gieße in die leere Schale Meines Herzens Den berauschenden Wein Deiner Liebe! Seit ich dich gesehn Im glitzernden Ballsaal — Aus den wildbewegten Fluten Der Tanzenden, Über denen elektrische Sonnen glühten, Die in Strahlengarben Tausendfältig wiederblitzten Aus Diamanten Und Wonne leuchtenden Augen — Aus diesem flimmernden Meer Strahltest du heraus, Wie eine Wasserrose schaukelt Auf sturmdurchwühlter See. Dein glühender Leib, Voller Melodien In rhythmischen Walzertakten bebend, Wuchs aus seid'ner Hülle, Wie eine junge Lilie sich aus Blätterpracht Empor sucht zum Licht. Deine sternenfunkelnden Augen, Die über den erglühten Wangen standen, Wie weiße Rosen zwischen roten stehn — Als diese Augen Mein Blut zur lodernden Glut Nimmerruhender Liebe zündeten — Seitdem muß ich an Wunder glauben... Du weißt nicht, wie meine Hände sich sehnen Nach deiner schlanken weißen Hand, Wenn sie im Schlafe nächtens Über gramzerknüllte Kissen fahren, Blind hineintasten in die Nacht, Nach deiner bleichschimmernden Hand... Maria heißt du? Maria... Meine wachen Ohren sogen diesen Ton, Den deine schmalen Lippen, Auf denen tausend Küsse üppig blühten, Für einen andern sangen, In jener hellen, heißen Nacht, Die schwere Schatten auf mich warf. Maria...! Alle Geister in mir raunen: Maria; Die Einsamkeit mit tausend Lippen flüstert: Maria; Und alle Stimmen Und alle Winde singen nur den einen Ton: Maria... Gewitter Der Sonne letzte Glut verblaßt... Des müden Abends schwüle Last Dunkelt aus den Halmen. Der Mond verbirgt sich hinterm Wald, Im Sumpfe sich der Nebel ballt, Und alle Hügel qualmen. Am Rand der Haide schwarz und schwer Steigt unruhvoll ein Wolkenheer Hastig aus den Föhren. Die Eulen flättern jäh zu Horst, Im windzerwühlten Kiefernforst Hört man das Dammwild röhren. Schon klatscht der Regen hügelauf, Wie Hufschlag dröhnt's die Flur herauf, Wild, wie Rossetraben; Die Wolken fallen schwer herab, Die Haide, ein verwüstet Grab, Liegt unter Nacht begraben. Das wogt und wühlt wie wirre Schlacht, Auf Sturmesflügeln hergebracht Kämpft es auf der Haide: Gleich Schwerthieb zuckt's im Wolkenspalt, Der Donner rollt, aufstöhnt der Wald, Und krachend stürzt die Weide. Ein Feuer loht! ... Der Sturmwind saust Und zischt und schnauft, der Plan erbraust Regenübergossen... Ein Blitz! Da bricht die Nacht entzwei, Und jauchzend jagt das Licht vorbei Auf weißen Wolkenrossen. So still ist heut die trübe Nacht Die blauen Inseln liegen weit, Von bleichen Nebeln angehaucht, Der Himmel hat sein Wolkenkleid Tief in das dunkle Meer getaucht. Zuweilen, wenn ein Sternlein fällt, Klagt dumpf ein Ton aus tiefem Meer; Der wandert durch die stumme Welt, Als ob ein Mensch gestorben wär. So still ist heut die trübe Nacht... Die Winde, die voll Unruh wehn, In fremden Ländern aufgewacht, Hier dürfen sie nicht schlafen gehn. Voll Unrast ist mein Herz wie sie, Es schweift der sehnsuchtsschwanke Sinn Nach Zielen und erreicht sie nie — Man wandert und weiß nicht wohin. Die Nacht schlägt sich den Schleier um Die Nacht schlägt sich den Schleier um Und macht so Welt wie Menschen stumm. Der Wind pflückt Blatt und Blüten ab Und trägt sie auf ein stilles Grab. Das liegt verschämt, wo Unkraut schwillt, So einsam, wie ein Haidebild. Ein Kreuz, das keine Liebe lehrt, Droht auf zum Himmel, wie ein Schwert. Und Efeu deckt den Hügel zu. Kein schmeichelnd Blattwerk stört die Ruh. Nur von den Gassen seufzt so schwer, Im Wind verirrt, das Leben her... Und die hier liegt im kühlen Sand, Die Welt war nicht nach ihrem Sinn — Ich habe sie einst gut gekannt: Sie schlich an meinem Leben hin. Winter Die Haide schläft den ganzen Tag, So laut der Wind auch weinen mag Sie weiß nicht, ob es Tag, ob Nacht, Wenn sie aus schwerem Traum erwacht. Die Wolken streuen Schnee um Schnee. Der tiefe Himmel drückt so weh Und hängt, ein grauzerfetztes Tuch, Das über Nacht der Sturm zerschlug. Ein Schlehdorn bebt und fühlt im Wind, Wie bettelnd steht ein blindes Kind, So schwer drückt ihn die Winterlast, Daß er in Not die Erde fast. Und in der kalten Einsamkeit Erstarrt das Leben weit und breit Nur fern ein hungrig Krähenvolk Krächzt am verwehten Haidekolk. Fern der Heimat Fremd und verwanderten Schrittes, Die Seele vom Suchen matt, Schau ich vom Bühle hernieder Im Abend die dunkle Stadt. Des Lebens verflogene Rufe Verzittern überm Land, Es hält ein stummer Friede Seine Netze ausgespannt. Und Sterne schlagen am Himmel Die Kinderaugen auf, Warm leuchten aus Dämmerdunkel Die Giebelfenster herauf. — Still! Es läuten vom Dome Die frommen Glocken jetzt, Sie haben den zarten Schleier Der tiefen Stille verletzt. Groß steht in meiner Seele Eine Wunde aufgetan — So schlugen einst die Glocken Meiner Heimat an. Seidenes Ich finde ein seidenes Löckchen geborgen in seidenem Papier. Du hattest ein seidenes Röckchen, und alles war Seide an Dir. — Es hing am seidenen Fädchen, daß du mir wurdest zur Frau! — Nun spinnst du beim Andern im Städtchen dir Seide — ich weiß es genau. Und gestern Und gestern — o, das war ein Sonnenblick aus lieben Augen, südenwarm und froh. Und das tut gut! — Weißt du, wenn irgendwo das weite Land von einem Himmel grau, der schwer ihm lastet und im Dunkel bricht den Farbenglanz? — Gedankenleeres Hoffen. — Da türmt es zu den Seiten schwarz und dicht, inmitten aber wird es tief und licht, an einem Stellchen steht der Himmel offen und strahlt so blau. — Dein Suchen Mit großen Augen blickst du in die Weite so dunkel, daß ein ferner Stern sie leite, wo Menschen sind. So gläubig, daß im heißen Erdenstreite ein Engel schützend seine Flügel breite um dich, mein Kind. — So scheu nur suchen kleine Frauenhände und beten, daß ein leiser Hauch sie fände aus Kinderzeit. Daß eines nur den Ruhelosen bände und traumbeschattet jeden Tag umwände Vergessenheit. Verschieden Dem einen strahlt die Sonne lodernde Glut Wonne und Mut. Dem andern ist sie nichts nütze, der stöhnt: „wie ich schwitze!“ und nimmt seine Mütze ab und wird schlapp. Und im Walde, da ist es so abendlich düster. Hörst du der Geisterchen heimlich Geflüster? Eulen und Hexen treiben ihr Wesen, reiten auf Besen. Und wie im Laube es heimlich harrt, scharrt und knarrt. — Ein Rascheln und Nuscheln, ein Huscheln und Tuscheln — Ich atme kaum und lausche mit Bangen. Da naht mir Gefunkel... ich werde verzagt. — Der Stoffel kommt rauchend gegangen und sagt: „Verflucht, ist das dunkel.“ Du Du wirst nun schon in weißen Kleidern gehen, so licht, daß deiner Schritte Rund sie geben, wenn leise Maienwinde dich umwehen. Im bunten Farbenspiel ist alles Leben, und ich bin fern und kann dich nimmer sehen. — Und in der Sonne goldigem Versinken weiß ich dein Haar die letzten Strahlen trinken, dein dunkles Haar — vom Sonnengold durchtränkt! — Wenn dich der Weg durch heiße Straßen lenkt, wo weißer Schimmer aller Augen blendet, und du das Köpfchen trotzig hochgewendet, ein lichtes Wesen mir im Glanz verklingt. Dann fühle ich, wie es herüberwinkt, so sonnenfern und sonnig ganz und gar, dein dunkles Haar. Die Priesterin Still, still! — Stumm hinter diesen Brüsten und hinter meiner Hüften Rund liegt aller Welten tief Gelüsten — still, still — Der Priesterinnen Mund schweigt klein, und ihrer Augen Senken entgleitet nur ein scheuer Blick, und schlanker Glieder enges Schränken scheucht alles Wärmende zurück. Still, still — die Arme kaum erhoben und wehrend wird es zum Gebet: Bleib fern, du Mensch, dem steilen Droben, bleib fern, dein heißer Atem weht. Wie abgetönt den Göttern drinnen, so kalt und starr sind Brust und Schoß der ewgen Gleichheit Priesterinnen. Und Alles Erdenhaften los entgleiten ihrer Inbrunst Tropfen auf kaltem, dürstelosem Erz, und heißer Pulse lautes Klopfen gibt keinen Rückklang menschenwärts. Hinweg von hier und hab Erbarmen, wir sind nicht mehr von Fleisch und Bein! Komm her, komm her zu diesen Armen, sie schlingen sich um harten Stein; So hart und kalt! Horch drinnen tönt es schrill! — — Still — still — —. Reflexe Die Uhr schlug zwölf! — Hu, ist das kalt! — Den finsterschwarzen tiefen Wald durchstürmen sie in Massen, das Feuer zu erfassen. — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — Schon wird es licht, schon flammt es warm, da stutzen sie, es stockt der Schwarm, am Feuer hockt die Hexe. — — Und auf Gesichtern, warm und kalt, und auf den Leibern, jung und alt rings tanzen die Reflexe.