In Freundschaft Was ist es mit dem Leben Doch für 'ne arge Not, Muß leiden und muß sterben Zuletzt den bittern Tod. Kam ich doch auf die Erden Ganz ohne Wunsch und Will', Ich weiß es nicht von wannen Und kenn' nicht Zweck noch Ziel. Es tritt die bunten Auen Nur einmal unser Fuß, Für kurze Zeit nur tauschen Wir Händedruck und Gruß. Und was uns auch von Freuden Und Leiden zugewandt, Das mehret und das mindert Sich unter Menschenhand. Drum lasset uns in Freundschaft Einander recht verstehn Die kurze Strecke Weges, Die wir zusammengehn! Liebeslied Nicht weiß ich, ob du mich noch kennst, Ob du noch meinen Namen nennst, Ob du noch fragst nach meinem Glück, Zum Himmel flehst für mein Geschick. Und dennoch weilst du stets bei mir, Viel Liebes plaudre ich mit dir, Wie einst grüßt du mich fromm und mild, Du liebes teures Heiligenbild. Vergißmeinnicht Ein Blümchen steht am Strom, Blau wie des Himmels Dom; Und jede Welle küßt es, Und jede auch vergißt es. Der Junge Wer war weggegangen, wer, Sag' mir, Frau, kam wieder her? Mit roten Backen, heisassa, Unsere Jugend ist wieder da! Sieht wie ein großer Junge aus, Lärmt und tollt, es ist ein Graus. Sitz ich bei der Arbeit sacht, Hängt er mir plötzlich am Hals und lacht; Macht mir das, wie sich's gehört, Verdruß, Mir nichts, dir nichts, gibt's einen Kuß. Wehr ich mich endlich: „Nun aber hinaus!“ Schaut er auf einmal ganz anders aus, Sieht mich aus den Augen verschmitzt An, daß mir's zum Herzen blitzt, Klatscht dann plötzlich in die Hand — Himmel: von Pult und Schrank und Wand Von Mucken, Motten und Hummeln brummt's Und hinaus zum Fenster summt's! „Ich bin die Jugend,“ lacht er dazu: „Das kann ich, — nun duld mich, Du!“ Gut, so mag's fortan denn sein: Wir Alten, die Jugend, wir bleiben zu drei'n! Neid Es hockt vor seiner Schwelle Ein müder Bauersmann, Ein wandernder Geselle Der blickt ihn neidisch an. „Ach, wer's doch auch so hätte!“ So seufzt er wehmutsvoll, „Ich weiß noch keine Stätte, Wo heut ich rasten soll.“ Doch jener brummt mit Grolle: „Wie schlecht ist das bestellt! Ich quäl' mich an der Scholle, Der Lump besitzt die Welt.“ Mai Nun steht der Wald in Blüten, Hold kam der Mai zurück, Da mag dich Gott behüten vor allzureichem Glück. Doch welken dann die Blüten, Vergeht die holde Zeit — Dann mag dich Gott behüten Vor allzutiefem Leid. In der Fremde Ich möchte still nach Hause gehn Und nimmer wieder fort, Mein Knabenstübchen wiedersehn Und manchen andern lieben Ort, In meines Vaters Garten Wie einst den Lenz erwarten — O wär', o wär' ich dort! Vor meinem Fenster steht ein Baum, Der ist nun lange leer. Den blauen Himmel sieht er kaum Vor grauen Wänden ringsumher. Bald ist der Baum erstorben, Bald bin ich hier verdorben, Seh' nie die Heimat mehr. Halte still Wenn sich Liebes von dir lösen will, Halte still, halte still, Still, als wärst du Erz! Ob du's noch so lang und gern besessen, Such's im wilden Rausch nicht zu vergessen, Auch nicht krampfhaft noch an dich zu pressen — Es zerdrückt dir nur das Herz. Wenn sich Liebes von dir lösen will, Halte still, halte still! Echtes wird bestehn. Sieh, wie schön die liebe Sonne scheidet, Langsam alles sich in Schatten kleidet — Dämm'rung für das Menschenherz, das leidet! Später darf's auch schlafen gehn. Die Lindenwirtin Keinen Tropfen im Becher mehr Und der Beutel schlaff und leer, Lechzend Herz und Zunge. — „Angetan hat mir's Dein Wein, Deiner Äuglein heller Schein, Lindenwirtin, Du junge!“ „Angekreidet wird hier nicht, Weil's an Kreide uns gebricht,“ lacht die Wirtin heiter. „Hast du keinen Heller mehr, Gib zum Pfand dein Ränzel her, Aber trinke weiter!“ Tauscht der Bursch sein Ränzel ein Gegen einen Krug voll Wein, Tät zum Gehen sich wenden. Spricht die Wirtin: „Junges Blut, Hast ja Mantel, Stab und Hut; Trink und laß dich pfänden!“ Da vertrank der Wanderknab Mantel, Hut und Wanderstab, Sprach betrübt: „Ich scheide. Fahre wohl, du kühler Trank, Lindenwirtin jung und schlank, Liebliche Augenweide!“ Spricht zu ihm das schöne Weib: „Hast ja noch ein Herz im Leib, Laß mir's, trauter Wandrer!“ Was geschah? — Ich tu's euch kund; Auf der Wirtin rotem Mund Brannte heiß ein andrer. Der dies neue Lied erdacht, Sang's in einer Sommernacht Lustig in die Winde. Vor ihm stand ein volles Glas, Neben ihm Frau Wirtin saß Unter der blühenden Linde. Nach sieben Jahren... Ja, alter Birnbaum! Lebst du noch Nach sieben langen Jahren? Trägst noch an einer Stange hoch Das Kästlein für die Staren? Der Birnbaum an zu sprechen fing Und seufzte schwer beklommen: Dieweil der Star auf Reisen ging, Hat Spatz Besitz genommen. Willkommen mit deinem Schelmenblick, Frau Nachbarin, du lose! Als Knospe ließ ich dich zurück, Nun grüß ich dich als Rose. Sie wies mir lächelnd einen Ring, — Oh weh, zu spät gekommen! Dieweil der Star auf Reisen ging, Hat Spatz Besitz genommen. Abendsegen Das ist des Abends Segen Und seine stille Tat, Daß Sturm und Kampf sich legen, Wenn seine feuchten Schwingen Hinschatten übern Pfad. Das hat er vor dem Tage, Daß er des Herzens Drang, Daß Sorgen er und Plage Besänftigt still mit mildem, Mit süßem Schlafgesang, — Daß er mit dichtem Schleier Des Landmanns Pflug umhüllt, Mit stiller Dankesfeier Die Hütten und die Herzen Allüberall erfüllt... Der Wanderer Nun sehnen sich der Nacht entgegen Die blauen Tale nebelstill. Kaum daß die Wipfel sanft sich regen, Und ist ein Duft an allen Wegen, Der mir das Herz verwirren will. Kein lockend Licht in aller Weite, Die Nacht gewährt mir keine Ruh, Und da ich langsam weiterschreite, Spür' ich ein Ahnen als Geleite — Ich wandre meiner Heimat zu... Abschied Nun löst mir aus dem wirren Haar Der Jugend grünen Freudenkranz. Schon scheint die Sonne nicht mehr klar, Die Nacht ist ohne Duft und Glanz. Was mein noch ist, ich laß es gern! Das Schönste ist ja längst dahin! Nur wie durch Nacht ein heller Stern Geht mir's noch manchmal durch den Sinn. Noch einen vollen Becher Wein Euch, eurer Jugend und dem Glück! — Dann lös' ich mich aus euren Reih'n Und trete still vom Tanz zurück. Schwur im Korn Rot der Rock und das Mieder blau; Madai, du bist meine liebe Frau, Schau doch in Runde und Weite: Grün ist der Hafer, das Korn wie Gold, Hurrah, uns Zwei'n ist die Liebe hold, Madai, ich komme zur Freite. Madai, ich komm' mit dem Erntekranz, Madai, ich komme zum Hochzeitstanz, Hörst du den Finken schlagen? Komm, komm, komm in das goldene Korn, Hinten dort, hinter dem Heckendorn Will ich ein Wort dir sagen. Nur ein Wort, o du Meine du, Nur ein Wort, mach' die Augen zu, Glaube mir blind, was ich schwöre. Horch, wie das Korn leis' rauscht im Rund, Horch, es segnet unsern Bund, Daß ich dir ganz gehöre. Jeanette Was ist mein Schatz? Eine Plättmamsell. Wo wohnt sie? Unten am Gries, Wo die Isar rauscht, wo die Brücke steht, Wo die Wiese von flatternden Hemden weht, Da liegt mein Paradies. Im allerkleinsten Hause drin, Mit den Fensterläden grün, Da steht mein Schatz am Bügelbrett, Hoiho, wie sie hurtig den Bügelstahl dreht, Gott, wie die Backen glüh'n! Im weißen Röckchen steht sie da, Ihre Bluse ist blumig und bunt; Kein Mieder schnürt, was drunter sich regt, Sich wellenwohlig weich bewegt, Der Brüste knospendes Rund. Vorüber geh ich allmorgens früh, Schau tief ihr ins Auge hinein, Da liegt meine Lust, meine Liebe, mein Glück, Die lachende Kunde: Komm abends zurück, Das Waschermadl ist dein! Wanderlied Vorwärts in die blaue Ferne, Die von Nebel halb umflort! Neue Berge, neue Sterne! Fest den Alpstock eingebohrt! Dieses Lied, es sei nichts weiter Als ein neuer Meilenstein, Dehne, Welt, dich breit und breiter, Diese ganze Welt wird mein. Der deutsche Weihnachtsbaum In den Gräben vor Sebastopol Liegt die deutsche Fremdenlegion. Weihnachtsabend! der verlorene Sohn Denkt der fernen Heimat kummervoll. In den Gräben vor Sebastopol Strahlt ein weitgedehntes Lichtermeer Und es zielt darauf der Feinde Heer, Wie zum Gruße Salv' auf Salve scholl. Doch der Söldner lächelt wie im Traum, Der Gefahr er frohen Mutes trutzt: Hat mit Lichtern festlich aufgeputzt Seinen altgewohnten Weihnachtsbaum. Alte Lieder rauscht der Tanne Grün Von dem fernen, fernen Vaterland — Wange, braun von Algiers Wüstenbrand, Fühlst du einer heißen Träne Glühn? Wilder Krieger, warst du nicht ein Kind, Dem die Mutter einst Gaben beschert? Ist's des Vaters Wort, der dich gelehrt, Oder säuselt nur im Baum der Wind? Süß ist für das Vaterland der Tod. Doch das Bitterste auf dieser Welt, Ist es, keinem Vaterland gesellt, In der Ferne kämpfen um sein Brot. Kugeln pfeifen rings: er merkt es kaum. Westwärts blickt sein Auge gramumflort. Wie im Traum entschlummert, bleidurchbohrt, Hier der Deutsche unterm Weihnachtsbaum. Frisch vom Storch O du reizende Maus! Wie gefällt dir's hier im Haus? Hast du schon den Jakob gesehn? Gelt, die Mama ist wunderschön? Habt wohl tüchtig fliegen müssen? Hat dich der Storch denn nicht gebissen? Guck, die roten Bäckchen und Ohren! Hast unterwegs wohl arg gefroren, In der Luft auf der langen Reise, Immerfort über Schnee und Eise! Ach, die Händchen! du liebe Güte! Damit hieltest du die Zuckerdüte? Die Tänzerin Jeden Abend um diese Zeit Zieh' ich an ein lila Kleid, Gelbe Strümpfe, lila Schuh, Ach, mein Spiegel allein sieht zu. Backen und Lippen färb' ich rot, Und nun tanz ich auf Leben und Tod. Wenn in den Jubel der Vorhang fällt, Bin ich die Königin der Welt. Aber morgens um diese Zeit Zieh' ich an ein graues Kleid, Und ich habe dann oft die Nacht Tief in Tränen zugebracht. Seit er mich verlassen hat, Irr' ich so von Stadt zu Stadt, Und das goldene Sonnenlicht Leuchtet auf ein blass' Gesicht. Aber abends um diese Zeit Trage ich mein lila Kleid, Lach' ich im erhellten Haus Alle die Männerblicke aus, Schwenk' ich wie keine mein schönes Bein In den Menschenraum hinein, Glühen meine Lippen rot, Tanz' ich über Leben und Tod. Der Steinhauer Klopf! Klopf! Ich hocke hier auf dem Granit Den lieben langen Tag, Und springt der Stein, ich zucke mit Bei jedem Hammerschlag. Es fliegt der Staub in meine Brust Und nagt sie langsam ab. Ich klopfe, ich klopfe, Ich klopfe mich ins Grab. Klopf! Klopf! Was gehen für Leute nur vorbei! Ein Herrlein steht und lauscht. Nickt mir, daß ich so fleißig sei, Lauscht, wie die Mosel rauscht. Ich zieh' vergebens meinen Bart, Wer dem die Zeit wohl gab, Und klopfe und klopfe, Ich klopfe mich ins Grab. Klopf! Klopf! Ich liebe eine Näherin Da unten in der Stadt. So innig gibt sie sich mir hin, Ist auch so blond und matt. Ich mache sie zu meinem Weib, Ich will auch Heim und Hab! Und klopfe und klopfe Und klopfe mich ins Grab. Das treue Mädchen Er gab ihr ein Ringlein von rotem Gold, Daß sie ihm die Treue behalten sollt', Dann sagt' er Ade und zog in die Welt, Nun schreitet sie träumend durch reifendes Feld, Glück ward zu Leide, Seit er sie küßte auf blühender Heide. Die Mutter mochte sie nicht versteh'n, — „So will ich lieber betteln geh'n, Und käm' er in Purpur und Edelstein, Ich dürfte doch nicht sein eigen sein, Wär's ihm zu Leide, Stürb' wohl er vor Sehnsucht auf blühender Heide“. Und kehrt der Jüngling ins grüne Tal, Dann rüst' ich den Tisch dir zum Hochzeitsmahl... „Und sollte er gar gestorben sein, So denkt er droben im Himmel mein, Weiß, wie ich leide, Und wo er mich findet auf blühender Heide.“ Ermunterung Da geht ein Zwitschern hin und her, Als ob fürwahr schon Sommer wär' — Und sind doch kaum im Märzen! Da wellt so blau und klar die Luft Und schmeckt nach einem frischen Duft Und strömt bis tief zum Herzen. Und wenn bald wieder Sommer wird Und alles bunt von Farben flirrt Und tausend Rosen blühen — Muß nicht in frischem Trieb und Saft Und junger, heiliger Lebenskraft Auch deine Seele glühen?! Dich drückt das Leben? — Lauf und lauf Und schlag' die hellen Augen auf Und laß sie wallen und wachen! Dann reicht das Leben dir die Hand Und zeigt dir lauter blühend Land Und lehrt auch dich das Lachen! Nach dem ersten Kuß Hab' ich's nun endlich, nun endlich gewagt. Trug's doch schon Wochen umher! Was ich gesprochen und wie ich's gesagt, Weiß ich ja selber nicht mehr. Laufe nur närrisch die Straßen entlang, Wenn deine Mutter das wüßt'! Summe und brumme den dümmsten Gesang: Hast mich geküßt, mich geküßt!... Käm' nun ein vornehmer Königssohn, Hei, wie lacht' ich den aus! Sagt' ihm: „Behalte dir Scepter und Thron, Bester, ich mach mir nichts draus!“ Huschte, mein Blondkopf, zu dir im Nu, Bist mir von Herzen ja gut, Du mit dem köstlichen Lachen du. Du mit den Schleifen am Hut... Das Kätzchen Kam ein Kätzchen angesprungen So den Wiesenrain entlang, Hört' es eines kecken Jungen Schmetternd-hellen Lustgesang. Und das Kätzchen schlich zur Seite Hurtig über Stock und Stein, Husch und Hopp, so ging's ins Weite Links vom grünen Wiesenrain. Kam ein Mädchen angegangen, Ganz genau denselben Steg, Braunes Haar, verbrannte Wangen, Trat der Bursch' ihr in den Weg. Fanden bald ein heimlich Plätzcben, O du wunderschöner Mai! — Ja, das Mädel war kein Kätzchen, Deshalb kam es nicht vorbei. Über den Bergen Über den Bergen, weit zu wandern, Sagen die Leute, wohnt das Glück. Ach, und ich ging im Schwarme der andern, Kam mit verweinten Augen zurück. Über den Bergen, weit, weit drüben, Sagen die Leute, wohnt das Glück... Drei Wanderer Drei Wandrer sind gegangen, Und als der Abend fiel, Da trugen sie Verlangen Nach frohem Kartenspiel. Der Jüngste sprach: „Ich bitte, Sagt an, geht es um Geld?“ Und Antwort gab der Dritte: „Wir spielen um die Welt.“ Der Jüngste, frei vom Grame Und wie der Maitag frisch, Der warf die Herzensdame Hellachend auf den Tisch: „Dann mag's euch nur nicht grämen, Mir blieb das beste Stück, Das soll mir keiner nehmen. Juchhei! Ich bin das Glück.“ Der zweite mit dem fahlen, Durchfurchten Angesicht Sprach: „Bruder, laß dein Prahlen, Die Karte fürcht ich nicht! Was schert mich deine Träne Und was dein rotes Herz! Ich stech mit der Kreuz Zehne, Gebt Raum — ich bin der Schmerz!“ Der Dritte dumpfen Tones Hat heimlich nur gelacht, Sprach dann voll bittren Hohnes: „Was ihr für Späße macht! Ich lös' die Welt vom Leide, Von Glück und Schmerz und Not, Ich nehm euch alle beide, Trumpf-Aß! Ich bin der Tod!“ Ein Balg Die alte Frau hat ein hartes Gesicht, Doch kluge, sanfte Augen, Die wenig mehr beim Pfenniglicht Und nicht zum Weinen taugen. Sie war ein Balg... als Findelkind, Verlass'ner als die Armen, Bat weder Herren noch Gesind Um Futter und Erbarmen. Sie griff fest zu und schaffte stramm Wie ehrbar-ernste Leute, Daß nie sie Unverdientes nahm, Erfreut das Weib noch heute. Sie zeigt auch jetzt mit Bauernstolz Erdarbte Talerscheine: „Die sind mein unverbranntes Holz, Meine ungetrunkenen Weine... Die sind mein ungegessenes Brot, Auf jedem steht geschrieben: Ein Alter ohne Schand und Not... Und was mir Gott schuldig geblieben.“ Seitdem die Mutter heimgegangen Seitdem die Mutter heimgegangen Und friedlich ruht Von allem Sorgen, allem Bangen In Grabeshut, Ist mir, als müßt' ich flüsternd bitten: O Welt, sei still, Da Mutter, die so viel gelitten, Doch schlafen will. Frühling Nun wieder in die Seele schlage, Mit deinem Zauber, Frühling, ein! Die Lichtfiut deiner Sonnentage, Soll sie verjüngen, soll sie weih'n! Was ich gedacht in Dämmerungen, Was ich geträumt in Nebelgrau; Von deinem Sonnenbrand umschlungen, Verklär' es sich zu leuchtend Blau! Umhallt von deiner Sänger Zunge, Von deinem Farbenspiel umglänzt, Will ich mich freuen wie ein Bauernjunge, Der seine finstre Schule schwänzt! Abschied Nun ist die Stunde kommen, Da ich von hinnen muß, O Mutter, liebe Mutter, gib Mir nun den Abschiedskuß! Ich weiß, du läßt mit Bangen Mich meine Straße ziehn — Und doch ein wild Verlangen Nimmt mich so ganz gefangen, Will mir die Brust verglühn. O Mutter, liebe Mutter, Laß nur das Weinen sein! Du warst so treu, du warst so gut — So wird's nie wieder sein. Doch mich laß still gewähren, Mein Herz ist stark und rein, Und trockne deine Zähren — Dein Schmerz wird sich verklären, Dein Gott wird mit dir sein! Bekenntnis Nichts Süßeres auf Erden Als treu in Liebe steh'n, Trotz Not und trotz Beschwerden Nicht voneinander gehn. Wie sich das Wetter wende, Die Treu' hält allzeit Stand. Was auch das Schicksal sende, Die Lieb' nimmt's in die Hand. Ob Frühling oder Winter, Ob Dämmerung, Morgenrot, Und wartet still dahinter Der ernste Schnitter Tod. Nichts Süßeres auf Erden, Als treu in Liebe steh'n, Und soll's der Abschied werden: Ade! Auf Wiedersehn! Mutterherz (Fränkisch.) Unnern Weidabaam Beim Brunna Manichn Jugendtraam Hob i gspunna. Verdorrt it der Baam, Des Wasser verrauscht, Verflouga der Traam, I salber wie vertauscht. Nor du, Motterharz, Bist heunt no das gleiche, An Treue und Güat Das reiche, überreiche. Sie und ich Sie sprach: Du sollst nicht sehen So schmachtend ins Auge mir! Ich sprach: es soll nicht geschehen, Und sah ganz verwundert nach ihr. Sie sprach: Du sollst nicht immer Mir Blumen bringen ins Haus! Ich sprach: Ich tu es ja nimmer, Und reicht ihr zum Pfand den Strauß. Sie sprach: Ich kann es nicht leiden, Daß du mir küssest die Hand. Ich sagt', ich wollt es vermeiden, Und küßt ihres Kleides Rand. Sie sprach: Und knie nicht nieder, Sonst mußt du von mir flieh'n! Ich sprach: Nie tu' ich es wieder! Ich schwor es ihr auf den Knie'n. Sonne und Regen Wenn Wolken leicht sich legen Der Sonne ums Gesicht, Dann fällt wohl ein leichter Regen, Doch schimmernd im Sonnenlicht. Wie oft das Bild ich geschauet, Gestern verstand ich's zuerst, Als du mir weinend vertrauet, Wie gar so fröhlich du wärst. Brigitte Im alten braunen Giebelhaus, Da sind viel stille Gänge; Da weicht man schwer einander aus, Denn sie sind allzu enge: An einen Gang, den Speichergang, Gedenk' ich all mein Leben lang. Da riecht es süß von Obst und fein, 's ist ein verschwiegen Plätzlein, Am Simse liegt im Sonnenschein Und schnurrt das weiße Kätzlein, Und an der Wand ist blank und braun Viel Holzgetäfelwerk zu schaun. Ich kam hinauf von ungefähr: Da hört ich leichte Tritte, Vom Speicher kommt es klirrend her: „Seid Ihr's, Jungfrau Brigitte? Wie tragt Ihr schwer in jeder Hand? Dazu solch' großes Schlüsselband?“ „Ei, laßt mich nur geschwind vorbei, Der Vater hat's befohlen, Obst soll ich aus der Kämmerei Und Wein vom Keller holen. Ein Herr vom Rat hält unten Rast, Und der ist unser Vespergast.“ „Ach, viel zu voll ist euer Krug, Laßt trinken mich ein Schlücklein, Des Obstes habt ihr schwer genug, O schenkt mir auch ein Stücklein, Und bis das nicht nach Wunsch geschehn, Lass ich euch nicht vorübergehn.“ Da hielt die kleine Blonde still Und seufzte loser Weise: „So nehm' er sich denn, was er will, Doch nehm' er's rasch und leise! — Das hat der Maurer schlecht bedacht, Der diesen Gang so eng gemacht.“ Der Vater rief — die Kleine lief, Die blonden Zöpfe wehen, Das weiße Kätzlein aber schlief Und hatte nichts gesehen. Ich ging auf meine Kammer sacht Und habe dieses Lied gemacht. Du bist die Herrlichste von allen Du bist die herrlichste von allen, So sonder Falsch, so schön und rein; Ein Stern vom Himmel frisch gefallen, Er könnte selbst nicht schöner sein. Du bist ein stilles, liebverklärtes Gemüt, von Kindessinn beseelt, Und das Bewußtsein deines Wertes Die einz'ge Tugend, die dir fehlt. Das Mädchen Das schien mir immer schlimm getan, Mußt junges Blut den Greis umfahn. Nun weiß ich selber, wie das sei, Wenn man dem Winter gibt den Mai. Die Schwestern brachten reich Geschmeid, Dazu ein überteuer Kleid: Mit Seide ward ich angetan — Ich hatte keine Freude dran. Mir sprachen alle herzlich zu Und sagten: Selig Liebe du! Mir wies der Spiegel an der Wand Zwei Augen, drin ein Weinen stand. Sie priesen ihn gar überlaut, Er selber kam, er hieß mich Braut, Er sprach gar liebevoll und klug, Was nur mein Herz so ängstlich schlug? An meinem Finger stak der Ring — Der Freier schied — wie müd' er ging! Was er gewollt? weiß nicht genau — Ich sah nur eins — sein Haar ist grau!... Habenichts Ich hab' kein Haus, ich hab' kein Nest, Ich hab' kein' Hochzeit und kein Fest; Ich hab' kein' Hof, ich hab' kein Feld, Ich hab' kein' Heimat auf der Welt. Am Himmel selbst der Schauerstrich, Den fürchten sie nicht so wie mich; Mir geht's nicht gut, mir geht's nicht schlecht — Und so, gerade so ist's recht... Wiegenlied für meinen Jungen Schlaf, mein Küken, — Racker, schlafe! Guck: im Spiegel stehn zwei Schafe, Bläkt ein großes, mäht ein kleines, Und das kleine, das ist meines! Bengel, Bengel, brülle nicht, Du verdammter Strampelwicht. Still, mein süßes Engelsfüllen: Morgen schneet es Zuckerpillen, Übermorgen blanke Dreier, Nächste Woche goldne Eier, Und der liebe Gott, der lacht, Daß der ganze Himmel kracht. Und du kommst und nimmst die Spenden, Säst sie aus mit Sonntagshänden, Und die Erde blüht von Farben, Und die Menschen tun's in Garben. — Herr, den Bengel kümmert nischt, Was man auch für Lügen drischt. Warte nur, du Satansrachen: Heute Nacht, du kleiner Drachen, Durch den roten Höllenbogen Kommt ein Schmetterling geflogen, Husch dir auf die Nase, hu, Deckt dir beide Augen zu: Deckt die Flügel sacht zusammen, Daß du träumst von stillen Flammen, Von zwei Flammen, die sich fanden, Hölle, Himmel still verbanden. — So, nun schläft er; es gelang; Himmel, Hölle, Gott sei Dank. Der Arbeitsmann Wir haben ein Bett, wir haben ein Kind, mein Weib! Wir haben auch Arbeit, und gar zuzweit, Und haben die Sonne und Regen und Wind, Und uns fehlt nur eine Kleinigkeit, Um so frei zu sein, wie die Vögel sind: nur Zeit. Wenn wir Sonntags durch die Felder gehn, mein Kind, Und über den Ähren weit und breit Das blaue Schwalbenvolk blitzen sehn, Dann fehlt uns nicht das bißchen Kleid, Um so schön zu sein, wie die Vögel sind, nur Zeit. Nur Zeit! wir wittern Gewitterwind, wir Volk. Nur eine kleine Ewigkeit; Uns fehlt ja nichts, mein Weib, mein Kind, Als all' das, was durch uns gedeiht, Um so froh zu sein, wie die Vögel sind. Nur Zeit! Der Kuckuck Wie ich 'nein ins Holz bin gange, Hott der Kuckuck laut geschrien, Un do blieb ich meiselstille Unnern bliehenden Ahurn stiehn. Hoh gelauscht un hoh's gezählt äh, Wie viel Mol er rufen thet, Zähne, fufzen, zwanzig, dreißig, Du mein Gott, des wier ge spet. Hett ich des gewußt, daß dreißig, Dreißig Gohr ich warten sell, Hett de Uhrn ich zugehalten Un waer ausgerissen schnäll. Glück Um einen Trunk bat mich zur Nacht mein Kind, Mein wilder Kamerad in Spiel und Scherzen. Sein Stimmchen bettelte so warm und lind, — Und reiche Liebe strömte mir vom Herzen. Es schaute groß und still mich an beim Trinken Und gab verschwiegnen Dank, indem es nahm, Und schien in meinen Anblick zu versinken, Als tränk' es mit, was mir vom Herzen kam. Nachtgeschwätz Wie geheimes Lispeln Rieselt's durch die Nacht... All' die Blüten haben Vor sich hingelacht, Flüstern sich's einander Zu im stillen Tal: Eine Heckenrose Küßte der Mondenstrahl. Jugend Am Schlehdorn, am Schlehdorn — Wißt ihr, wo der steht? Da sprach der Hirtenknabe Sein Morgengebet. Trieb die Schafe dann auf die Weide Hin durch den sonnigen Raum; Über die blühende Heide Träumte sein junger Traum. Am Schlehdorn, am Schlehdorn — Wißt ihr, wo der steht? Da sprach eine junge Dirne Ihr Abendgebet. Und der Wind kam von der Heiden, Und küßte ihres Kleides Saum... Die beiden, die beiden Träumten den ersten Traum. Der herzliche Wandersmann Wie hier in den Bergen Die Sehnsucht mich find't, Ich fühl' mich in der Fremde, Ein suchendes Kind. Kann nirgends hin fliehen Mit sicherem Schritt — Die Wolken, die ziehen Und nehmen mich mit. Da drunten die Städte, Die bergen mein Glück, Was ich drinnen erlitten, Zieht wild mich zurück. Sie haben mich gesehen Mit Menschen vereint — Hier droben umwehen Mich Stürme allein. Muß weiter noch wandern Hinauf bis zur Höh'; Mein Herz mag sich proben Bei Wetter und Weh. Wird die Welt mir dann erwachen Und mein Herz ist nicht matt, Dann pack ich meine Sachen Und zieh in die Stadt — Dann pack ich meine Sachen Und zieh in die Stadt. In der Fabrik Sah ich eine Weile zu, Wie die Funken stieben; Räder, Riemen ohne Ruh Durch den Tag getrieben. Hört ich eine Weile, wie Die Maschinen stöhnen, Unter ihrer Melodie Alle Pfosten dröhnen. Stampf und Stoß und Surr und Summ Machten mich beklommen, Ging zum Tor hinaus ich stumm, War so froh gekommen. Draußen sah in Staub und Ruß Ich ein Mädchen stehen; War so eben flügge. Muß Jugend so vergehen? Fort! nur fort! Schon grüßt mich hoch Freier Wipfel Brausen, Aber immer hör' ich noch Rädersurr'n und -sausen. Die Verschmähte Komm ich längs der grünen Weide, Wo die kleinen Lämmer grasen, Immer hör' ich mir zu Leide Eine helle Flöte blasen. Und da hockt er morgenmunter Auf umbuschtem Erlensitze, Bläst sein leichtes Lied herunter, Sich, den Schafen und dem Spitze. Geh ich zehnmal hin und wieder Wird er zehnmal mich nicht sehen, Und doch leuchtet rot mein Mieder, Und die hellen Rocke wehen. Unerhörte Liebesnöte Jeden Tag und jede Stunde. Läg doch statt der dummen Flöte Ich einmal an seinem Munde! Doch er kann den Mund nur spitzen, Wenn es gilt, die Flöte blasen; Nichts kann ihm das Blut erhitzen, Als wenn Lämmer abseits grasen. Und in diesen Tölpel muß ich, Dumme Lise, mich vergucken. Ach, wie fühl' nach seinem Kuß ich Meine Lippen jucken. Hinterm Deich Hinterm Deich, weißt du, Schatz, Hinterm Deich den Sonnenplatz? Überm Ginster, überm schwanken Hafer hin das Spiel der blanken Schmetterlinge. Jetzt ein Schrei: Eine Möve flitzt vorbei. Einmal auch, wie weit, weit her, Dumpfer Ruderschlag vom Meer. Hinterm Deich, menschenfern, Kleine Nelken, Stern an Stern, Kleine rote Nelken standen, Die wir uns zu Sträußen banden, Große Kinder, ich und du, Lachten wir vergnügt dazu, Sahn dann wieder ernsthaft drein: Darf man denn so kindisch sein? Nachtwandler Trommler, laß dein Kalbfell klingen, Und, Trompeter, blas darein, Daß sie aus den Betten springen, Mordio Michel, Mordio! schrein, Tuut und trumm, tuut und trumm, Zipfelmützen rings herum. Und so geh ich durch die hellen, Mondeshellen Gassen hin, Fröhlich zwischen zwei Mamsellen, Wäscherin und Plätterin: Links Luischen, rechts Marie, Und voran die Musici. Aber sind wir bei dem Hause, Das ich euch bezeichnet hab', Macht gefälligst eine Pause, Und seid schweigsam wie das Grab! Scht und hm, scht und hm, Sachte um das Haus herum. Meine heftige Henriette Wohnt in diesem kleinen Haus, Lärmen die wir aus dem Bette, Kratzt sie uns die Augen aus. Scht und hm, scht und hm, Sachte um das Haus herum. Lustig wieder, Musikanten! Die Gefahr droht nun nicht mehr; Trommelt alle alten Tanten Wieder an die Fenster her! Tuut und trumm, tuut und trumm, Zipfelmützen rings herum. Ja, so geh ich durch die hellen, Mondeshellen Gassen hin, Fröhlich zwischen zwei Mamsellen, Wäscherin und Plätterin: Links Luischen, rechts Marie, Und voran die Musici. Wir zwei Wir haben oft beim Wein gesessen Und öfter beim Grog. Beim Pfandverleiher lag indessen Der Sonntagsrock. Wir haben die lustigsten Mädelgeschichten Ausgetauscht, An Abenteuern und an Gedichten Uns weidlich berauscht. Wir haben, o je, von unsern Schulden Uns vorgeklagt, Vertranken dabei den letzten Gulden: Nur nicht verzagt! Wir haben uns immer zusammengefunden, War's Wetter schlecht; Und waren die greulichen Wolken verschwunden, Dann erst recht. Wir sind zwei Schelme, wenn sie uns fangen, Philistergericht, Wir müssen an einem Galgen hangen, Sonst tun wir's nicht. Danzlied Kukkus und Kiwitt Reisen na't Norrn, En blos de Trumpett, De anner dat Horn. Und as se blasen, Danzen de Fisch, Danzen de Hasen In Koppel un Wisch. Sneewitte Wolken Seiln äwer't Feld, Lerchen un Swolken Begröten de Welt. Heger und Heister Schorcheln in't Holt, Hadbar de Meister Klappert so stolt. Achter de Wicheln Blang bi de Port Tuscheln un ficheln Hans Hinnerk und Dorth. Wat se bespreken Heemlich un sach — Wichtige Saken! Keem allens an'n Dag. Un bi dat Brutbeer Sungen de Görn, Wenn dat Leed ut weer, Denn gung dat von vörn: Kukkuk un Kiwitt Reisen na't Noorn, Een blos de Trumpett, De anner dat Horn. Der Preis Es ist kein hoher Berg so hoch, So tief kein tiefes Tal, Es dringt hinauf ein Vögelein, Hinab ein Sonnenstrahl. Und wohntest du im Alpengold, Und wo die Perlen sind, Ich hätte doch so hoch und tief Dein Herz geholt, mein Kind. Gottesgabe Schau diese Welt, an Wundern reich, Und alle nur sich selber gleich, Es möchte im weiten Sonnenschein Kein Blatt noch Blütlein anders sein, Denn was aus Zweig und Knospe kam, Ist schön genug und wundersam; Doch mein Triumph und Jauchzen ist, Daß du nicht eine andere bist, Daß ich, du liebe Gottesgabe, Aus aller Welt dich funden habe. Weil mein Schatz vorbeigerauscht Unterm Schlehdornhag zwischen welkem Laub, Da rieselt's lind im zarten Staub, Da quellen die frühsten Knospen leis, Unterm Schlehdornhag, daß es niemand weiß. Aus dem linden Staub unterm Schlehdornhag, Schon eh' man schreibt den Ostertag, Da haben die Blumen aufgelauscht, Weil mein Schatz, mein Schatz vorbeigerauscht. Mein und Dein Das Mägdlein sprach: „Lieb Knabe, mein, Nun sag mir, was ist mein und dein?“ Der Knabe sprach: „Lieb Mädchen, mein, Dein schönes Auge, das ist dein, Und drein zu schauen, das ist mein; Dein roter, süßer Mund ist dein, Dich drauf zu küssen, das ist mein; Nun tu' mir auf die Arme dein, Drin liegen, das ist dein und mein.“ In der Kirschenblüt' Draußen am Platz In der Kirschenblüt' Beim Bronnen hat mich geherzt mein Schatz, Nicht zu singen und sagen. Ach wie herrlich im Sonnenschein Rauschte der Quell! — Daß dich Gott behüt'! Trink ihn, selige Kirschenblüt', Samt der Sonne ins Herz hinein, Goldene Früchte wirst du tragen, Wo draußen am Platz In der Kirschenblüt' Beim Bronnen mich hat geherzt mein Schatz, Nicht zu singen und sagen. Knabenlust Horch, Märzenwind und Lerchenschlag Und keine Schule den Nachmittag! Die Füße ohne Strümpf und Schuh, Auf trock'nem Weg den Wiesen zu! Zum Nesterbauen und Veilchenblühn, Zu Palmenweiden und Ostergrün! Und spielend Mägdlein an dem Rain, Die möchten wohl unsre Gesellen sein. — Die Felsen empor! Wo der Wildbach braust, Daß den Mägdlein vor Schrecken und Freude graust. Der Einen Ihr aufgeblühten jungen Lenze, Ihr holden Mädchen auf der Au, Wie sind verdunkelt eure Kränze, Verdunkelt von der einen Frau! Von Blüten hat es euch geregnet Beim wundersüßen Maientau. Ein einzig Reis hat dir gesegnet Die edle Stirn, du schöne Frau. Die Sterne, welche ihre Funken Versprühten an der Himmelsau, Sind bis auf einen schon versunken, Und der ist dein, geliebte Frau. Ein Erwachen Ich lag ihm am Herzen die letzte Nacht — O Mutter, hätt' ich an dich gedacht! Verschließt euch, Augen, vor diesem Tag, Daß euch die Sonne nicht sehen mag. Euch, gute Schwestern, dir und dir Gehör ich nimmer und ihr nicht mir. Die alten Gassen, die sind es noch Und kennen mich nimmer, und bin es doch, Und schreien mich an und sagen: „Nein!“ — O hülle, du Nacht, vor Nacht mich ein. Und wenn ich die Höchste im Lande wär', Ich bin meiner Mutter Kind nicht mehr. Dore am Bühl O Dore am Bühl, wie bleich bist du, Dein Schuh ist nicht mehr blank! „O Nachbar vom Anger, wie geht es zu? Die Mutter ist so krank; Hab keine Zeit, muß warten und pflegen, Muß Schemel rücken und Kissen legen.“ O Dore, ich kann dich bleich nicht seh'n, Geh durch das Gras im Tau Und laß die Blässe dir vergeh'n, Ich pflege die kranke Frau; Und kommst du wieder gesund herein, Dann pflegst du sie nicht mehr allein. „Nachbar, und stirbt die Mutter mir, Wer soll mir Tröster sein?“ O Dore am Bühl, ich steh bei dir, Dann weinen wir zu zwei'n, Und nimmst du fürlieb, so hast du mich, Und auf den Händen trag' ich Dich. Beim Schäferhaus Beim Schäferhaus am grünen Rain, Da lag ich einmal, saß und lag, Da war wie nirgend Sonnenschein, Ein Leuchten, wie an keinem Tag. Des Weges kam ein kleiner Fuß, Das schönste Kind vom Dorfe kam, Wir beide boten uns den Gruß, Den jedes gab und jedes nahm. Das war im Duft und Sonnenschein! Und wenn ich nun vorübergeh' Beim Schäferhaus am grünen Rain, Ist's mir wie ewig wohl und weh. Und wer das alles wollt versteh'n, Am schönsten Tag und Sonnenschein, Da müßt ihm so wie mir gescheh'n Beim Schäferhaus am grünen Rain. Glückselig Mein Schatz ist wie der helle Tag, Die Sonne scheint und scheint, Es blüht und blüht, was blühen mag, Und hat noch nie geweint. Mein Schatz hat Samen ausgestreut Auf jeden, jeden Tag, Und jeder kommt so schön wie heut Und nie ein Wetterschlag. Mein Schatz ist lauter Seligkeit Und wie die Zeit besteht, So fragt er kaum, wie kommt die Zeit, Und kaum, wie sie vergeht. Verschwunden, versunken Es ist ein Herz versunken Bei diesem Trauerlied, Weil es den Tod getrunken, Als uns die Stunde schied. Der Weg hat sich gewunden, Da war es bald gescheh'n, Da warst du schon verschwunden, Und hast nicht umgeseh'n. Soll sich die Liebe scheiden, Und ob ein Herz zerbricht, Kein Wunder hält die beiden, Auch Erd und Himmel nicht. Mein Schatz Ich frage nach euch, Herr Meister, nicht, Nach euch nicht, Herr Polier; Mein Schatz ist nur ein armer Gesell; Doch tausendmal schöner als ihr. Und wenn ich in seinem weißen Habit Auf schwindelndem Gerüst ihn schau, Die sonnigen Wolken über ihm Und des Himmels unendliches Blau, Da denk ich, wie einst der Patriarch Im Traume die Engel gesehn Auf goldenen Staffeln vom Himmel zur Erd', Von der Erde zum Himmel gehn. Mein Schatz, mein herzallerschönster Schatz Ist einer aus jenem Schwarm, Und den ganzen Himmel bringt er mit Herunter in meinen Arm. Lied Singend über die Heide Steigen Lerchen empor, Goldige Knospen der Weide Dringen am Ufer hervor, Und der Himmel so wunderblau! Allüberall hellsonnige Schau! Ich und mein Lieb wir beide Wandeln durch sprießendes Rohr. Kargen Worts ist der Kummer, Zehrend in tiefer Brust; Aber noch tausendmal stummer Ist unsägliche Lust: „Ich bin ja dein, und du bist ja mein!“ Das mag ihr einziges Wörtlein sein; Hat doch kein Weiser, kein Dummer Jemals ein bess'res gewußt. Wolken über uns schwellen, Kaum daß ein Windzug sie blies; Traumhaft schwatzen die Wellen Üeber dem farbigen Kies, Ferne nur, ferne noch Lerchenlied, — Seliges Schweigen die Seele durchzieht, Engel erschließen die hellen Pforten zum Paradies. Ein Lebewohl Einsame Straßen will ich wählen, Verlassne Wege will ich gehn; Verhüte Gott, daß wir im Leben Uns je noch einmal wiedersehn. Noch blieb ein jedes treu sich selber, Wenn's auch das andere verlor; Dann — wärest du, wär ich verloren! O Gott, behüte uns davor! Ond s kommt au emôl e Zeit... Ond s kommt au emôl e Zeit, wos anders gôht, Wos wie ma wünscht etzt, wurd sei; Ma derf se s no net verdrieße lôsse, Kend, Ma mueß no geduldig sei! Ond s kommt au emôl e Zeit, wo au mir Glück hent, Wo au ons emôl ebbes glengt, Wo au ons an Garten e Rösle blüet, Wo au ons e Vögele sengt! Ond s kommt au emôl e Zeit, wo-n i komm ond sag: Grüeß de Gott! ond richt de ei, Ond mr wöllet mitenander zom Pfarrer gange, Schatz, Mit m Warte-n isch jetzt verbei! Ond s kommt au emôl e Zeit, wo mr Hochzig hent, Holderallerallerallerallalala! Ond nô sag i nex meh ond nô will i au nex meh, Ond nô seng i blos no holderallala! Ja, das möcht' ich noch erleben Eigentlich ist mir alles gleich, Der eine wird arm, der andre wird reich, Aber mit Bismarck, — was wird das noch geben? Das mit Bismarck, das möcht' ich noch erleben. Eigentlich ist bloß alles so so, Heute traurig, morgen froh, Frühling, Sommer, Herbst und Winter, Ach, es ist nicht viel dahinter. Aber mein Enkel, soviel ist richtig, Wird mit Nächstem vorschulpflichtig, Und in etwa vierzehn Tagen Wird er eine Mappe tragen, Löschblätter will ich ins Heft ihm kleben — Ja, das möcht' ich noch erleben. Eigentlich ist alles nichts, Heute hält's, und morgen bricht's, Hin stirbt alles, ganz geringe Wird der Wert der ird'schen Dinge. Doch wie tief herabgestimmt Auch das Wünschen Abschied nimmt, Immer klingt es noch daneben: Ja, das möcht' ich noch erleben. Kaiser Friedrich III. (Letzte Fahrt) 6. Juni 1888 „Ich sähe wohl gern (er sprach es stumm) Noch einmal die Plätze hier herum, Am liebsten auf Alt-Geltow zu, — Und ihr kommt mit, die Kinder und du.“ Das Dorf, es lag im Sonnenschein, In die stille Kirche tritt er ein, Die Wände weiß, die Fenster blank, Zu beiden Seiten nur Bank an Bank, Und auf der letzten — er blickt empor Auf Orgel und auf Orgelchor, Und wendet sich und spricht: „Wie gern Vernähm ich einmal ‚Lobe den Herrn'; Den Lehrer im Feld, ich mag ihn nicht stören, Vicky, laß du das Lied mich hören.“ Und durch die Kirche, klein und kahl, Als sprächen die Himmel, erbraust der Choral Und wie die Töne sein Herz bewegen, Eine Lichtgestalt tritt ihm entgegen, Eine Lichtgestalt, an den Händen beiden Erkennt er die Male: „Dein Los war leiden. Du lerntest dulden und entsagen, Drum sollst du die Krone des Lebens tragen. Du siegtest, nichts soll dich fürder beschweren: Lobe den mächtigen König der Ehren.“ Die Hände gefaltet, den Kopf geneigt, So lauscht er der Stimme. Die Orgel schweigt. Der Gast Das Kind ist krank zum Sterben, Die Lampe gibt trägen Schein, Die Mutter spricht: mir ist es, Als wären wir nicht allein. Der Vater sucht zu lächeln, Doch im Herzen pocht's ihm bang, Stiller wird's und stiller, — Die Nacht ist gar zu lang. Nun scheint der Tag ins Fenster, Die Vögel singen so klar; Die beiden wußten es lange, Wer der Gast gewesen war. Rangstreitigkeiten In einem Lumpenkasten War große Rebellion: Die feinen Lumpen haßten Die groben lange schon. Die Fehde tät beginnen Ein Lümpchen von Batist, Weil ihm ein Stück Sacklinnen Zu nah' gekommen ist. Sacklinnen aber freilich War eben Sackleinwand Und hatte grob und eilig Die Antwort bei der Hand: Von Ladies oder Schlumpen — 's tut nichts zur Sache hier, Du zählst jetzt zu den Lumpen Und bist nicht mehr wie wir. Die zwei Raben Ich ging übers Heidemoor allein, Da hört ich zwei Raben kreischen und schrein; Der eine rief dem anderen zu: „Wo machen wir Mittag, ich und du?“ „Im Walde drüben liegt unbewacht Ein erschlagener Ritter seit heute Nacht, Und niemand sah ihn in Waldesgrund, Als sein Lieb und sein Falke und sein Hund. Sein Hund auf neuer Fährte geht, Sein Falk auf frische Beute späht, Sein Lieb ist mit ihrem Buhlen fort, — Wir können speisen in Ruhe dort. Du setzest auf seinen Nacken dich, Seine blauen Augen sind für mich, Eine goldene Locke aus seinem Haar Soll wärmen das Nest uns nächstes Jahr. Manch einer wird sprechen: 'Ich hatt' ihn lieb!' Doch keiner wird wissen, wo er blieb, Und hingehen über sein bleich Gebein Wird Wind und Regen und Sonnenschein.“ Der alte Derffling Es haben alle Stände So ihren Degenwert, Und selbst in Schneiderhände Kam einst das Heldenschwert; Drum jeden, der da zünftig Mit Nadel und mit Scher', Der mache jetzt und künftig Vor Derffling sein Honneur. In seinen jungen Tagen War das ein Schneiderblut, Doch mocht ihm nicht behagen So Zwirn wie Fingerhut, Und wenn er als Geselle So saß und fädelt ein, Schien ihm die Schneiderhölle Die Hölle selbst zu sein. Einst, als das Nadelhalten Ihm schier ans Leben ging, Dacht' er: „Das Schädelspalten Ist doch ein ander Ding.“ Fort warf er Maß und Elle Voll Kriegslust an die Wand Und nahm an Nadels Stelle Den Säbel in die Hand. Sonst focht er still und friedlich Nach Handwerksburschen-Recht, Jetzt war er unermüdlich Beim Fechten im Gefecht; Es war der flinke Schneider Zum Stechen wohl geschickt, Oft hat er an die Kleider Dem Feinde was geflickt. Er stieg zu hohen Ehren, Feldmarschall ward er gar, Es mocht' ihn wenig kehren, Daß einst er Schneider war; Nur fand er einen Spötter, Verstund er keinen Spaß Und brummte: „Für Hundsfötter Ist hier mein Ellenmaß.“ Krank lag in seinem Schloße Der greise Feldmarschall, Keins seiner Lieblingsrosse Kam wiehernd aus dem Stall; Er sprach: „Als alter Schneider Weiß ich seit langer Zeit, Man wechselt seine Kleider, — Auch hab ich des nicht leid. Es fehlt der alten Hülle In Breite schon und Läng', Der Geist tritt in die Fülle, Der Leib wird ihm zu eng; Gesegnet sei dein Wille, Herr Gott, in letzter Not!“ Er sprach's und wurde stille, — Der alte Held war tot. Lied Bist du die Seele, die mit mir sich freut Wenn mir das Schicksal duftige Blumen streut? Bist du die Seele, welche Schmerzen fühlt, Wenn wilde Qual mein tiefstes Sein durchwühlt? Bist du die Seele, die mich ganz versteht, Die mit mir lebt und ohne mich vergeht? So frag ich oft, — ein steter Zweifel spricht: „Nein, meiner Seele Seele bist du nicht!“ Heimliche Gewalt Es duftet so süß vom Lindenbaum, Und rings das blühende Feld; Das regt sich leise und atmet kaum, Und ferne verzittert die Welt. Das leise Atmen, das Duften sacht In dieser Sommerruh', Das hat eine wundersame Macht, Es drückt uns die Wimpern zu. Der Seligen Furcht Still, still! Wir wandeln auf goldener Höhe, Still, still! unter uns schläft das Wehe, Über uns schlummert der Götter Neid. Still, still! Daß wir sie nicht erwecken! Still, still! Daß wir das Glück nicht schrecken, Das scheue Kind, ewig zur Flucht bereit. — Kindergottesdienst Es läuten zur Kirche die Glocken, Die Eltern, sie gingen schon aus, Drei Kindlein in goldenen Locken, Die sitzen noch unter dem Haus. Die muntern, unmüßigen Gäste Sind noch für die Kirche zu klein, Doch wollen am heiligen Feste Sie fromm wie die Alten schon sein. Hat jedes ein Buch sich genommen Und hält es verkehrt auf dem Schoß, Draus singen die Schelme, die frommen, Mit schallender Stimme drauf los. Weiß selber noch keins, was es singet, Singt jedes in anderem Ton; Singt immer, ihr Kindlein, es dringet Auch so zu dem himmlischen Thron. Dort stehn eure Engel, die reinen, Und singen dem Vater der Welt, Der stets aus dem Munde der Kleinen Am liebsten sein Lob sich bestellt. Singt immer, da drüben im Garten, Da singt's in die Wette mit euch; Die Vöglein sind es, die zarten, Die zwitschern im jungen Gesträuch. Singt immer; ihr singet im Glauben, Das ist ja dem Heiland genug, Ein Herz ohne Falsch wie die Tauben Nimmt frühe gen Himmel den Flug. Singt immer; wir singen, die Alten, Und lesen die Schrift mit Verstand, Und doch ach! wie hundertmal halten Das Buch wir verkehrt in der Hand! Singt immer; wir singen die Lieder Nach Noten, so wie sich's gehört, Und doch — vom Gezänke der Brüder Wie oft wird der Einklang gestört! Singt immer; aus irdischen Hallen Der hehrste und herrlichste Chor, Was ist er? ein kindisches Lallen Ein Hauch in des Ewigen Ohr. Ich habe drei Kränze gewunden — Ich habe drei Kränze gewunden Gleich einer Schäferin, Und will sie nun verteilen Nach meinem törichten Sinn. Den ersten, aus Eichenblättern, Den drücke ich dir aufs Haupt; Es liegt eine Kraft in der Eiche, Auf die man vertraut und glaubt. Den zweiten, aus wilden Rosen, Geb' ich dem Bächlein im Wald, Das färbt mit rosigem Leben Die Wangen von Jung und Alt. Den dritten, aus Blumen des Feldes, Leg' ich dem Heiland aufs Haar. Er soll keinen Dornenkranz tragen In meinem seligsten Jahr. Allerseelen Stell auf den Tisch die duftenden Reseden, Die letzten roten Astern trag herbei! Und laß uns wieder von der Liebe reden Wie einst im Mai. Gib mir die Hand, daß ich sie heimlich drücke, Und wenn man's sieht, mir ist es einerlei, Gib mir nur einen deiner süßen Blicke Wie einst im Mai. Es blüht und funkelt heut auf jedem Grabe, Ein Tag im Jahre ist den Toten frei; Komm an mein Herz, daß ich dich wieder habe, Wie einst im Mai. Zigeunermusik Irgendwo, irgendwo Hab ich mein Glück begraben — Helft suchen mir, helft suchen mir, Ich muß es wieder haben. Ich kenn' das Grab, ich kenn' das Grab: Ein Rosenstrauch welkt inmitten, Mein Liebster geht darüber hin Mit langen, harten Schritten! In der Kirche Oft beim letzten Abendschein Schleich' ich in die Kirche ein, Durch die kleine Hinterpfort' Tret' ich an den Gnadenort. Auf das Treiben, wirr und hohl, Tut die Stille, ach! so wohl. Durch die Fenster, lang und schmal, Fällt der letzte Sonnenstrahl. Das ich oft verlästert wild, Starr' ich an, das Kreuzesbild. Sehnsuchtbang ist mein Gefühl, Weinend sitz' ich im Gestühl. Fremd in der Heimat In der Heimat war ich wieder, Alles hab ich mir besehn; Als ein Fremder auf und nieder Mußt' ich in den Straßen gehn. Nur im Friedhof fern, alleine, Hab ich manchen Freund erkannt, Und bei einem Leichensteine Fühlt ich leise eine Hand. Ihr Grab Es blüht ein Grab in treuer Hut, Das beste Herz darinnen ruht. Zu oberst blühen Rosen rot — Dein Mund so manchen Kuß mir bot, Und weiter ab die Lilie blüht — Dein Herz hat rein für mich geglüht. Zu Füßen liegt ein grüner Kranz — Ich schwang Dich oft im Maientanz. Die Leute gehen dran vorbei, Mir aber bricht das Herz entzwei. Jugendliebe Denkst du an den Sommertag, Da wir früh uns fanden. Und allein am grünen Hag Junge Rosen banden? Lerchen in der blauen Luft Sangen ungesehen, Ferne lag der Morgenduft Über allen Höhen. Standen still uns zugewandt, Mochten träumend scheinen — Wohl ich fühlte deine Hand Manchmal in der meinen. Plötzlich schlugst du auf den Blick Alles war gestanden — Sag, wohin ist Ruh und Glück, Seit wir dort uns fanden? Deutschland vorwärts! Es hilft nichts mehr — nicht Worte noch Gesang, Nicht Fackelflammen, noch geflickte Fahnen, Deutschland muß machen einen heißen Gang, Drum eingedenk seid eurer Ahnen. — Die Männer waffnet, die Rosse zäumt, Wir haben zu lange gesäumt und geträumt, Kanonen laßt donnern wohl über das Meer, Deutschland vorwärts — es hilft nichts mehr! Es hilft nichts mehr! An mancher Heldengruft Posauntet ihr daher mit großen Worten, Kein Schmerzensschrei des deutschen Volkes ruft Das Echo nach an fremden Pforten! Drum sucht nicht zu dämmen den zürnenden Strom Mit ängstlichen Blicken nach Babel und Rom, Mit Sorgen von „allzuviel“, „allzusehr“, Deutschland vorwärts — es hilft nichts mehr! Es hilft nichts mehr, den Ohnmachtsbann zu lösen, Nicht Festeslärm, noch Lieder, die verklungen, Nicht gutes Mienenspiel zu Spiel dem bösen, Noch Predigten in Geisterzungen. — Nein, dreingehauen zu Fuß und zu Gaul, Nach nichts mehr gefragt und gehalten das Maul. Achtung! Bataillon — geladen das Gewehr, Deutschland vorwärts — es hilft nichts mehr! — Hell int Finster Hell int Finster schint de Sünn, Schint bet deep int Hart herin. All wat kolt is, dump un weh', Daut se weg, as Is un Snee. Winter weent sin blanksten Thran, Vörjahrsathen weiht mit an, Kinnerfreid so frisch as Dau Treckt mi dör vunt Himmelsblau. Noch is Tid! O kamt man in, Himmelsblau un Vörjahrssünn! Lacht noch eenmal warm un blid Deep int Hart! O noch is't Tid. Keen Graff is so breet Keen Graff is so breet un keen Müer so hoch, Wenn Twe sich man good sünd, da drapt se sik doch. Keen Wedder so gruli, so düster keen Nacht, Wenn Twe sik man sehn wüllt, so seht se sik sacht. Dat gift wul en Maanschien, dar schient wul en Steern, Dat gift en Licht oder Lücht un Lantern. Dar finnt sik ein Ledder, en Steg elsch un Steg: Wenn Twe sik man leev hebbt — keen Sorg vaer den Weg. — Heimatklänge Es klingen mit lieblichem Klang Die Glocken das Tal entlang, Vom schimmernden Garne der Sonnen Ist das Kirchlein mit Gold übersponnen. Es webt ein himmlischer Hauch Durch Baum und Blume und Strauch; Die Blüten zittern und leben, Und das Herz will sich schwingen und heben! Der Fluß fließt kühl und still Und lauscht dem Glockenspiel, Das Lied aus metallenem Munde Begräbt er in seinem Grunde. Und ich bin fern, bin fern! Wär doch in der Heimat so gern! Und möchte so gerne belauschen Glocken und Waldesrauschen! Natur Nacht fließt in Tag und Tag in Nacht, Der Bach zum Strom, der Strom zum Meer — In Tod zerrinnt des Gebens Pracht, Und Tod zeugt Leben licht und hehr. Und jeder Geist, der brünstig strebt, Dringt wie ein Quell in alle Welt, — Was du erlebst, hab ich erlebt, Was mich erhellt, hat dich erhellt. All' sind wir eines Baums Getrieb, Ob Ast, ob Zweig, ob Mark, ob Blatt — Gleich hat Natur uns alle lieb, Sie, unser aller Ruhestatt. Traumleben Um meinen Nacken schlingt sich Ein blütenweicher Arm. Es ruht auf meinem Munde Ein Frühling, jung und warm. Ich wandle wie im Traume, Als wär' mein Aug' verhüllt; Du hast mit deiner Liebe All meine Welt erfüllt. Die Welt scheint ganz gestorben, Wir beide nur ruhen allein, von Nachtigall'n umklungen, Im blühenden Rosenhain. Schön-Ellen Ich dachte, wie so weit und schön die Welt, So tausendfach von Licht und Glück erhellt Ich dachte, wie du einzig bist und klein, Und wie ich doch bei dir nur möchte sein. *** Die du so fern bist in der großen Stadt, Ich grüße dich, die mein vergessen hat. Einst hast du meiner Tag und Nacht gedacht, Stunden des Glücks mit mir verbracht, verlacht. Froh unter Scherzen schlossen wir den Bund — Funkelt dein Auge noch und lacht dein Mund? Rautendeleins Lied Weiß nicht, woher ich kommen bin; Weiß nicht, wohin ich geh: Ob ich ein Waldvöglein bin Oder eine Fee. Die Blumen, die da quillen, Den Wald mit Ruch erfüllen, Hat einer je vernommen, Woher die sind kommen? Aber manchmal fühl' ich ein Brennen: Möchte so gerne Vater und Mutter kennen. Kann es nicht sein, Füg' ich mich drein. Bin doch ein schönes, goldhaariges Waldfräulein, Kasernenarrest O sonnenseliger Pfingstentag! Nun lacht und kost es in Flur und Hag. Verlassen ist Stube und Bürgerhaus, Nun ziehen sie alle hinaus, hinaus. Wer sonst des Gebens nie sich freut, Er pflückt die Rose der Freude heut. Nur ich allein, nur ich allein Darf nicht im fröhlichen Bunde sein, Und der das schöne Gebot gegeben, Stiehlt mir einen schönen Tag im Leben, Und das verzeih' ihm Gott! Näherin im Erker Näherin im Erker, Flieh aus deinem Kerker, Flieh mit mir im Sonnenschein In den grünen Wald hinein! Schwüle zum Ersticken! Nähen, plätten, flicken! Wachsbleich wird dein jung Gesicht, Nebeltrüb dein Augenlicht. Ohne alle Freude So von Kleid zu Kleide. Ohne Lust und Heiterkeit Hastig Naht an Naht gereiht. Mädchentraum und Sehnen Rinnt in heißen Tränen, Rinnt auf Sammt und Seiden dir, Tröpfelt helle Perlenzier. Näherin im Erker, Flieh aus deinem Kerker, Flieh mit mir im Sonnenschein In den grünen Wald hinein. „Dichter, geh' alleine, Geh' im Sonnenscheine! Näherin hat keine Zeit, Näht ein schneeweiß Hochzeitskleid..“ Sonnensegen O Sonnensegen, o Fichtenduft! O Moos wie Sammt und Seide! Ich wirble meinen Hut in die Luft Und weine vor lauter Freude. Ich kann mich fassen und halten kaum, Kann mich nicht halten und fassen, Umarmen möcht ich den blinkenden Baum, Glückselig über die Maßen... Der Mutter Leid Was weinst du so verlassen Und birgst dein schweres Haupt? Der Pfingst zieht durch die Gassen, Vom Maibusch grün umlaubt. Hörst nicht das Lachen klingen? Ein Tanzen gibt's und Springen — Komm, sei noch einmal jung!“ Muß ja mein Mägdlein meiden, Den herzgeliebten Hort, Mein Glück und Trost im Leiden, Mein Röslein ist verdorrt. Das leuchtete und glühte, Das lächelte und blühte — Nun treibt's der Wind im Staub. Lenzestrost In meines Vaters Garten, Da flötet die Drossel so süß, so süß. Da flattern die grünen Standarten: Gott grüße dich, Lenz, Gott grüß! In meines Vaters Garten, Da säum' ich in seliger Ruh, ja Ruh, Da flüst'r ich dem armen genarrten Herzen ein Tröstlein zu. Ein Tröstlein, lieb und linde, Wie lockender Drosselsang süß, so süß: Laß fahren all Trauern geschwinde, Gott grüße dich, Zukunft, Gott grüß! Die Verlassene Ob er in der Welt so weit Noch manchmal mein gedenkt, Wenn ihn in Liebesseligkeit Sein holdes Weib umfängt? Wenn sie ihm nach des Tages Drang Sein Kind entgegenhält, Umweht ihn nicht ein sanfter Klang Aus ferner Blumenwelt? O könnt' ich leicht mit Wolkenschaum Durch seinen Schlummer wehn, Und wie ein alter schöner Traum Ins liebe Herz ihm sehn! Ich wollt ihm, wie ein Engel, leis Weghauchen Reu und Schmerz — Und eine Träne still und heiß Hinweinen auf sein Herz. Am alten Zwingergraben Am alten Zwingergraben Da steht manch hohes Erkerhaus, Da schaun in hellen Tagen Jungfräulein viel heraus. Wer ist die allerschönste? Lustwandelnd streiten sich die Herr'n, Ich wüßt' es wohl zu sagen, Doch bin ich allzufern. Als ich von dannen mußte, Am Fenster lehnt' mein armes Kind, Der Schnee fiel dicht hernieder, Mein Blick, der wurde blind. Wie blühen die fremden Frauen! Das scherzt und kichert um mich her, — Nach deiner Augen Weinen, Da wird das Herz mir schwer. An deines Daches Giebel Hängt hoch ein leeres Schwalbennest; Gib acht, es füllt sich wieder Zu Ostern auf das Fest. Und durch die Weinbergfurchen Geschmolzen rauscht der Winterschnee, Vor Freuden sollst du weinen, Wenn ich dich wiederseh'! Hochsommer Im Föhrenwald wie schwüle! Kein Vogel singt im Feld. Das Reh aus grünem Schatten Sieht träumend in die Welt. Am Waldrand fährt ein Wäglein, Hat eben Raum für zwei. Der Kutscher, das Pferd und die Peitsche Nicken schläfrig alle drei. Ein altes verstaubtes Leder Ist über den Sitz gespannt, Darunter ducken zwei Leutchen, Geschützt vorm Sonnenbrand. Sie lachen sich an verstohlen Und fragen dem Schlaf nichts nach. Sie flüstern und kichern und kosen — Ei sage, was hält sie wach? Über ein Stündlein Dulde, gedulde dich fein! Über ein Stündelein Ist deine Kammer voll Sonne. Über den First, wo die Glocken hangen, Ist schon lange der Schein gegangen, Ging in Türmers Fenster ein. Wer am nächsten dem Sturm der Glocken, Einsam wohnt er, oft erschrocken, Doch am frühsten tröstet ihn Sonnenschein. Wer in tiefen Gassen gebaut, Hütt an Hüttlein lehnt sich traut, Glocken haben ihn nie erschüttert, Wetterstrahl ihn nie umzittert, Aber spät sein Morgen graut. Höh und Tiefe hat Lust und Leid. Sag ihm ab, dem törichten Neid: Anderer Gram birgt andere Wonne. Dulde, gedulde dich fein! Über ein Stündelein Ist deine Kammer voll Sonne. Liebesklage eines Mädchens Nach meiner Liebe viele Knaben trachten, Er, dem mein Herz gehört, will mein nicht achten, Ach weh mir armen Maid, vor Lieb muß ich verschmachten! Die Andern alle liegen mir zu Füßen. Er achtet kaum auf mein verstohlnes Grüßen, Ach weh mir armen Maid, wie bitter muß ich büßen! Sie nennen mich die schönste aller Frauen, Er flieht, um nicht mein Angesicht zu schauen, Ach weh mir armen Maid, wem soll ich mich vertrauen! Nicht einer wagt mir sonst zu widerstreben, Sein Stolz nur will sich nimmer mir ergeben, Ach weh mir armen Maid, was soll mir noch mein Leben! „Een Boot is noch buten!“ „Ahoi! Klaas Nielsen und Peter Jehann! Kiekt nach, ob wir noch nich to Mus sind! Ji hewt doch gesehn den Klabautermann? Gott lob, dat wi wedder to Hus sind!“ Die Fischer riefen's und stießen ans Land Und zogen die Kiele bis hoch an den Strand, Denn dumpf an rollten die Fluten; Han Jochen aber rechnete nach Und schüttelte finster sein Haupt und sprach: „Een Boot is noch buten!“ Und ernster keuchte die braune Schar Dem Dorf zu über die Dünen, Schon grüßten von fern mit zerzaustem Haar Die Frau'n an den Gräbern der Hünen. Und „Korl!“ hießes und „Leiw Marie!“ „'T is doch man schön, dat je wedder hie!“ Dumpf an rollten die Fluten — „Un Hinrich, min Hinrich? Wo is denn dee?!“ Und Jochen wies in die brüllende See: „Een Boot is noch buten!“ Am Ufer dräute der Möwenstein, Drauf stand ein verrufnes Gemäuer, Dort schleppten sie Werg und Strandholz hinein Und gossen Öl in das Feuer. Das leuchtete weit in die Nacht hinaus Und sollte rufen: O komm nach Haus! Dumpf an rollten die Fluten — Hier steht dein Weib in Nacht und Wind Und jammert laut und küßt dein Kind: „Een Boot is noch buten!“ Doch die Nacht verrann, und die See ward still, Und die Sonne schien in die Flammen, Da schluchzte die Ärmste: „As Gott will!“ Und bewußtlos brach sie zusammen! Sie trugen sie heim auf schmalem Brett, Dort liegt sie nun fiebernd im Krankenbett, Und draußen plätschern die Fluten; Dort spielt ihr Kind, ihr „lütting Johann“, Und lallt wie träumend dann und wann - „Een Boot is noch buten!“ — „So Einer war auch Er!“ Liegt ein Dörflein mitten im Walde, Überdeckt von Sonnenschein, Und vor dem letzten Haus an der Halde Sizt ein steinalt Mütterlein. Sie läßt den Faden gleiten Und Spinnrad Spinnrad sein Und denkt an die alten Zeiten Und nickt und schlummert ein. Heimlich schleicht sich die Mittagsstille Durch das flimmernde grüne Revier. Alles schläft; selbst Drossel und Grille Und vorm Pflug der müde Stier. Da plötzlich kommt es gezogen Blitzend den Wald entlang Und vor ihm hergeflogen Wie Trommel- und Pfeifenklang. Und in das Lied vom alten Blücher Jauchzen die Dörfler: „Sie sind da!“ Und die Mädels schwenken die Tücher, Und die Jungens rufen: „Hurrah!“ Gott schütze die goldenen Saaten, Dazu die weite Welt; Des Kaisers junge Soldaten Ziehn wieder ins grüne Feld! Sieh, schon schwenken sie um die Halde, Wo das letzte der Häuschen lacht. Schon verschwinden die ersten im Walde, Und das Mütterchen ist erwacht. Versunken in tiefes Sinnen, Wird ihr das Herz so schwer, Und ihre Tränen rinnen: „So Einer war auch Er!“ „Ein Herz, das zersprungen!“ Den Menschen fernab In Sammt und in Trauer Liegt einsam ein Grab, Ein Grab an der Mauer. Kein Marmorstein deckt Den sinkenden Hügel, Doch drüberhin reckt Ein Baum seine Flügel. Ein Christuskreuz sieht Aus blühendem Flieder, Und manchmal auch kniet Ein Weib davor nieder. Und gestern, als sacht Ich vorübergegangen, Da gab ich drauf Acht, Was die Vögel dort sangen. Ich lauschte, und sieh, Da war die alte, Die Schmerzensmelodie, Die noch niemals verhallte: Ein Baum, der verblüht, Ein Ton der verklungen, Ein Stern, der verglüht, Ein Herz, das zersprungen! Lieb Seelchen, laß das Fragen Lieb Seelchen, laß das Fragen sein: Was wird der Frühling bringen? Lichtgrünes Gras, Waldmeisterlein Und Veilchen vor allen Dingen. Auch Herzeleid und Frauenhuld Gedeiht in diesen Tagen, Ein bißchen Glück, ein bißchen Schuld — Lieb Seelchen, laß das Fragen! Vagabunden In der Schenke, des Morgens fruh, Geht's wahrhaftig schon lehrreich zu. Drinnen schafft das dralle Gesinde, Draußen schwankt im Frühlingswinde Hoch in den Straßen ein Bündel Stroh, Und die Fuhrleut', Hoiahoh! Grüßen den Weiser schon aus der Ferne! Ei, wie trinkt sich so gut und so gerne Irgend ein Schöpplein in aller Ruh' In der Schenke des Morgens fruh! In der Schenke des Morgens fruh Horch ich dem bunten Gerede zu. Handwerksburschen mit gähnenden Taschen, Fahrende Schüler in feinen Kamaschen, Brauner Zigeuner verschüchterte Brut, Kecke Rekruten, den Strauß auf dem Hut, Etliche wandernde Komödianten, Dann von der Kirchweih' die Musikanten — Also wechselt's in einem Nu In der Schenke des Morgens fruh. In der Schenke des Morgens fruh Trank ich mit manchem auf Du und Du, Den ich des Nachts, die Faust am Kragen, Unter den eichenen Tisch geschlagen. Mancher zog in die Welt hindann, Den ich hier inniglich lieb gewann. Manchen ließ ich, er konnte nicht zahlen, Mir in die eigene Rechnung malen — Täglich nimmt die Erfahrung zu In der Schenke des Morgens fruh. In der Schenke des Morgens fruh Kam ein Paar auf zergangenem Schuh, Alle beide geflickt und zerrissen. Sie trug ein Kindlein in ärmlichen Kissen; Und noch eh' ich die Hand ihr bot, Ward sie schon über und über rot. Suchten sich beide vor mir zu verstecken — Mir, mir wollte kein Tropfen mehr schmecken, Aber die Fuhrleut' sangen dazu In der Schenke des Morgens fruh. In der Schenke des Morgens fruh Sangen sie laut, und mit Herz-Atout Stechen sie Gras und Eichel und Schelle. Und ich stahl mich hinaus vor die Schwelle, Über die Straße sah ich ihr nach, Bis mir ein Tränlein im Auge zerbrach. Schau, es war dein eigener Wille! Sprach ich zu ihr in des Herzens Stille; Dann sah ich wieder den Karten zu In der Schenke des Morgens fruh. Unverstanden Wie oft hab ich als Kind zu Nacht Mit gläubigem Sinn an Gott gedacht Und fromm gefaltet die Hände: „Gib eine selige Sterbestund'“ Hieß des Gebetleins Ende, Dann schloß der Schlaf den kleinen Mund. Ach, damals ahnt' ich's nicht im Traum, Wie viele Blüten vom Lebensbaum Erst müssen verwehen, verderben, Eh' wir mit Freuden sterben. Aus dem dreißigjährigen Kriege Horch, Kind, horch, wie der Sturmwind weht Und rüttelt am Erker! Wenn der Braunschweiger draußen steht, Der faßt uns noch stärker. Lerne beten, Kind, und falten fein die Händ', Damit Gott den tollen Christian von uns wend'! Schlaf, Kind, schlaf, es ist Schlafens-Zeit, Ist Zeit auch zum Sterben. Bist du groß, wird dich weit und breit Die Trommel anwerben. Lauf ihr nach, mein Kind, hör' deiner Mutter Rat: Fällst du in der Schlacht, so würgt dich kein Soldat. „Herr Soldat, tut mir nichts zu leid Und laßt mir mein Leben!“ „Herzog Christian führt uns zum Streit, Kann kein Pardon geben. Lassen muß der Bauer mir sein Gut und Hab', Zahle nicht mit Geld, nur mit dem kühlen Grab.“ Schlaf, Kind, schlaf, werde stark und groß; Die Jahre, sie rollen. Folgst bald selber auf stolzem Roß Herzog Christian, dem Tollen. Wie erschrickt der Pfaff und wirft sich auf die Knie — „Für den Bauer nicht Pardon, den Pfaffen aber nie!“ Still, Kind, still, wenn Herr Christian kommt, Der lehrt dich zu schweigen! Sei fein still, bis dir selber frommt, Ein Roß zu besteigen. Sei fein still, dann bringt der Vater bald dir Brot, Wenn nach Rauch der Wind nicht sckmeckt und nicht der Himmel rot. Sechse, sieben oder acht Auf der Straße an den Hecken Blüht es voller jeden Tag. Rosen schwanken an den Stecken, Fröhlich schwirrt's im Taubenschlag. Drüben, wo die Mädchen gehen, Hab ich keck mich aufgemacht; Plötzlich bleiben vor mir stehen Sechse, sieben oder acht. Blaue Bänder an den Hüten, Vor der Brust den Nelkenstrauß, Ach, vor lauter Blühn und Blüten Schaun sie selbst wie Blumen aus. Blaue Sehnsucht in den Blicken, Guckt mich jede an und lacht. Könnt ich doch ans Herze drücken Sechse, sieben oder acht! Der gescheite Mann Ich war gescheit! Ein Mädel sah ich mit lustigem Blick, Trug Zöpfe, wie meine Faust so dick, Und Zähne hatte sie — wie eine Maus! Kam gestern erst aus der Schule heraus. Ich dachte: Was guckst du? Liebe bringt Leid! Da war ich aber mal gescheit! Gescheiter wurd' ich. Ich sah sie wieder ein Jahr darauf, Sie ging vorüber und sah nicht auf. Da dacht ich: Im Wagnis nur zeigt sich der Mut! Und kaum war's Mai, und mir brauste das Blut — Da küßt ich ihr lachend Lippe und Haar! Wie ward ich gescheiter in einem Jahr! Doch das Gescheiteste? Das war beim Himmel ein Heldenstück! Das Freien, dacht ich, das bringt kein Glück! Adieu, meine kleine Anne-Margreth — — Ich — mag kein langes Abschiedsgebet! Sie sagte nichts, kein wie und was, Und sah mich nur an, ganz still und blaß, Und ging und schaute nicht einmal zurück — — — Weiß Gott, das war mein gescheitestes Stück. Und heute? Da lieg ich im Heidekraut. Wie selig dort oben der Himmel blaut! Und drüben, wo sich der Feldweg spannt, Da gehen zwei Menschen, so Hand in Hand! — Da kommt mir beinah' das Weinen an! Ich weiß, ich armer, verlorener Mann, Am Tage, der am gescheitesten war, War ich der Narren unseligster Narr! Anne-Margreth! — — Kindergeschichte Und der Nachbarssohn, der Ruprecht, Wie oft der des Tages kam! Denn wir spielten ja im Hausflur Immer Braut und Bräutigam. Und der grüne Puppenwagen Der war unser größtes Glück. Unsere Kinder schliefen drinne, Meine Puppen, dreizehn Stück! Die Sterbende Die Hand streicht übers Betttuch hin, Dann spielt sie mit dem goldnen Reifen. Die Finger sind schon viel zu dünn, Sie kann ihn auf- und niederstreifen. Im Garten draußen pfeift ihr Mann, Sie muß die harten Laute hören, Und kommt es ihr auch bitter an, — Sie will ihm seine Lust nicht stören! Durch offne Fenster stößt der Wind Den vollsten Lindenzweig ins Zimmer, Bis über Tisch und Teppich rinnt Goldgrüner Glanz und Sonnenschimmer. Und leiser Duft herüberzieht — Das ist gewiß ihr Gartenflieder! Weich ist die Luft — zum Schlafen müd', Und müde dehnen sich die Glieder. Und sinnt so hin und träumt so hin: „O Tod, ich hab dich oft gebeten, Nimm meine arme Seele hin Und löse sie aus Angst und Nöten!“ Denn Tag um Tag sein Angesicht Ein Lauern nur auf mein Verderben! Und jeder Blick, der schrecklich spricht: „Was zögerst du? Ich will dein Sterben!“ Und halb im Traum verschweben sacht Weit draußen seine harten Schritte, Und schweigend kommt die Sommernacht Und hört das Weib und seine Bitte. Die winkt dem Tode still herein, Der hat schon vor der Tür gesessen. — Und die sonst schlief in Tränen ein, Hat alle Tränen jetzt vergessen! Sonntag Nachmittag Straße glatt, wie ausgefegt, Selten poltert noch ein Wagen; Knaben nur, die unentwegt Ihre Bronze-Reifen schlagen. Vogelruf in blauer Luft — Kleine Wölkchen, weiß wie Seide — Mädchen, das der andern ruft, Und schon schwatzen beide. Und nun stehn sie vor der Tür, Überm Busen straff die Schürze, Und ein langer Grenadier Nebenan als Sonntagswürze! Daß er's grad auf Marie, Meine Wäsch'rin, abgesehen, Freut mich sehr, je öfter sie Beieinander stehen. Schultern breit und Taille schmal, Arme, die das Kleid zerreißen, Er wie ein Laternenpfahl Und kann sicher Steine beißen. Ach, das gäb' ein gutes Paar, Daß sie Gott zusammenführe! Segen käm' da Jahr für Jahr — Unser Land braucht Grenadiere! Guter Rat Sei nicht dumm und geh zu Fuß Trotz dem bißchen Regnen! Denk an jeden frischen Gruß, Jedes froh' Begegnen. Denk an jeden lust'gen Schank , Drin ein Mädchen wohnet, Das mit kühlem Labetrank, Gruß und Kuß dir lohnet! Berliner Pfingsten Heute sah ich ein Gesicht, Freudevoll zu deuten: In dem frühen Pfingstenlicht Und beim Glockenläuten Schritten Weiber, drei, einher, Feierlich im Gange, Wäscherinnen, fest und schwer, Jede trug 'ne Stange. Mädchensommerkleider, drei, Flaggten von den Stangen, Schön're Fahnen, stolz und frei, Als je Krieger schwangen; Frisch gewaschen und gesteift, Tadellos gebügelt, Blau und weiß und rot gestreift, Wunderbar geflügelt. Lustig blies der Wind, der Schuft, Falbeln auf und Büste, Und mit frischer Morgenluft Füllten sich die Brüste; Und ich sang, als ich gesehn Ferne sie entschweben: Auf und laßt die Fahnen wehn, Lustig ist das Leben! Zaudernde Liebe Nicht, wie jugendliche Herzen Feuer sprühen und sich lieben, Daß die Sorgen und die Schmerzen Flattern und in Luft zerstieben, Nein, im Mißtrau'n alle beide, Das der Zweifel emsig schürte, — Eine Liebe war's im Leide, Welche uns zusammenführte. Und schon mondenlange ziehen Wir in Zaudern hin und Bangen, — Dieses Auseinanderfliehen, Dieses Aneinanderhangen! Da sich Mund schon neigt zu Munde, Muß der schöne Traum entschwinden, Bis wir in der nächsten Stunde Neu ihn suchen und ihn finden. So in währender Erregung Sind wir bald beengt und trüber, Bald in wachsender Bewegung Geht das Herz uns schäumend über; Aber diese schwer enthüllte Liebe, früh geprüft von Pein, Wird uns einst der vollerfüllte Hochgewinn des Lebens sein! Volksweise Steht ein Haselstrauch an unsrem Wiesenhang, Der hat Blätter rot wie Blut, Saß ich dort so manches Mal und lacht und sang — Ach, nun ist mir weh zu Mut. Hängt ein rotes Kleid in meinem Kleiderspind, Und daneben stehn die Schuh, Die den bösen Weg mit mir gewandert sind, Wo mein Herz verlor die Ruh. Liegt ein kleines Bild verborgen tief im Schrein, Seh es nimmer, nimmer an: Denn der's einst mir gab, ach, er ist schuld allein, Daß ich nicht mehr froh sein kann. Mädchenlied Mein zitternd Herz, verrat mich nicht, Sei stumm, errötend Angesicht! Ihr Augen, die ihn kommen seht, Gebt acht, daß ihr ihm nichts gesteht! Ein scheuer Blick, ein ernster Gruß, Und weiter eilt mein flücht'ger Fuß — O du mein Wunsch bei Tag und Nacht, Wann sprichst du, was mich selig macht? Stummer Abschied Es tat den beiden So weh das Scheiden; Sie wollten klagen, Sich viel noch sagen — Und doch fand keines Ein einzig Wort. — So ging eines Vom andern fort. Das Haus am Wege Das ist das Haus am Wege Und drüber steht der Mond , Dort hab ich einst im Lenze, Im grünen Lenz gewohnt. Ringsum liegt Schnee, es dunkelt, Ich schaue still empor, Durch kahle Äste funkelt Ein einsam Licht hervor. Es hat mich hergetrieben — O Garten, stiller Mond; Wo ist das Glück geblieben, Das hier mit mir gewohnt? Der Verzagte Ach, mir hilft kein Mut, Ach, mir nützt kein Gut, Ach, mir frommt nicht Ruhm noch Segen! Was mich freuen könnt', Ist mir nicht vergönnt, Des gedenk ich allerwegen. Wenn die Sonn' ohn' End Von dem Himmel brennt, Welkt das grüne Laub am Zweige, Wenn ich eine seh, Tut das Herz mir weh, Und ich geh vorbei und schweige. Liebste Alles, Liebste, will ich mit dir tragen, Wie sich's fügt; Leid und Lust in guten und in bösen Tagen, Wie sich's fügt. Wollen nicht in zuckenden Schmerzen fragen: „Fügt sich's auch?“ Wollen still zum hoffenden Herzen sagen: „Wie sich's fügt!“ Der Kuckuck ruft Der Kuckuck ruft: kuku, kuku! Mein Börslein schüttle ich dazu; Die Nachtigall singt auch im Hain, Ich denke an ein Mädel fein. Ihr guten Vöglein, helft geschwind, Bin ein verlassen Sonntagskind; Herr Kuckuck, meine Schulden zahl', O mach mich jung, Frau Nachtigall! Ganz im Geheimen Stehn vor den Leuten wir, Sprichst du kein Wort zu mir, Bleibst ach so stolz und fern Und hast mich doch so gern — Ganz im Geheimen. Kommst du doch jede Nacht Zu mir im Traum, und sacht Schlingst deinen Arm um mich, Und ich, ich küsse dich — Ganz im Geheimen. Wenn's auch ein Traum nur ist, Daß du mein Liebchen bist, Bleib nur im Traume mein, Und ich will selig sein — Ganz im Geheimen. Mädchenliebe Nächtlich war's am stillen Weiher, Wo ich ihm zur Seite stand, Als im Wind mein langer Schleier Sich um seinen Nacken wand. Ach, was ließ ich's nur geschehen, Daß er fest den Knoten schlang, Mich an seiner Hand zu gehen, Ein gefangnes Füllen, zwang. Denn seitdem auf allen Wegen Fühlt ich unzerreißlich stets Über mich und ihn sich legen Magisch jenes Schleiers Netz. Seit mich gar sein Arm umwindet, Schwand der Freiheit letzter Rest. Fessel, die uns beide bindet, Liebe Fessel, halte fest! Die erste Nacht Jetzt kommt die Nacht, die erste Nacht im Grab. O wo ist aller Glanz, der dich umgab? In kalter Erde ist dein Bett gemacht, Wie wirst du schlummern diese Nacht? Vom letzten Regen ist dein Kissen feucht, Nachtvögel schrein, vom Wind emporgescheucht, Kein Lämpchen brennt dir mehr, nur kalt und fahl Spielt auf der Schlummerstatt der Mondenstrahl. Die Stunden schleichen — schläfst du bis zum Tag? Horchst du wie ich auf jeden Glockenschlag? Wie kann ich ruhn und schlummern kurze Frist, Wenn du, mein Lieb, so schlecht gebettet bist? Helfe Gott mir Wenn mein Weg in dunklen Tagen Sich durch Stein und Dornen windet, In der Wildnis ganz verschwindet, Auch zur Nacht kein Ende findet — Nun wohlan! ich muß es tragen. Wenn mich üble Feinde plagen, Ungedenk des Richters droben Wider kleine Fehler toben, Herbe Tüchtigkeit nicht loben — Seht mich an: ich kann es tragen. Aber ganz müßt ich verzagen, Wenn der Tod die liebste Liebe Fort von meiner Seite triebe, Ich allein im Elend bliebe. Helfe Gott mir, müßt ich's tragen. Nachwort Nun ist mein Lied gesungen, Die Sprüche sind gesagt; Ich darf nach Hause wandern Und schlafen, bis es tagt. Schlafen bis an den Morgen, Und wieder in die Nacht; Weg über manchen Morgen, Weg über manche Nacht. Denn wer so viel gelitten, So viel geliebt, gedacht, Wer so voll Ernst gestritten, So leicht der nicht erwacht. Ich sang von meinen Schmerzen, Sang von mir fremdem Glück; Lang kam von keinem Herzen Ein Wiederhall zurück. Von meiner Saat die Ernte, Die werd' ich nimmer sehn, Denn eh' die Halme schossen, Muß ich von hinnen gehn. Doch wann am jüngsten Tage Manch Sternlein fällt herab, Dann wird mein Stern aufsteigen Auf dem vergeßnen Grab. Da werden viele Heil'ge Zum süßen Gotte flehn, Um ihretwillen meine Sünden mir nachzusehn. „Er war gewiß nicht heilig, Auch selig war er nicht; Doch hat er uns geleitet Her vor dein Angesicht.“ „Was er gefehlt, vergiß es. Wohl ziemt die Milde dir; Wär Er nicht Er gewesen, So ständen wir nicht hier.“ Nachtigallenlied Tiu! Tiu! Gott grüß di, min Fru! Ach, wat sin wir doch hüt För glückselige Lüt! Laß doch dein Singen, Nachtigall, Es macht mich gar zu trübe; Was soll mir auch dein Schwätzen all Von Lieb' und nur von Liebe? Ich weiß ja wohl, wie süß sie tut, Du brauchst mir's nicht zu sagen; Hätt' ich wie du so frischen Mut, Viel heller wollt' ich schlagen. So lupf doch deine Federlein, So flieg doch auf geschwinde, Und sing vor ihrem Kämmerlein Im grünen Ast der Linde! Was auch ins Ohr ihr raunt der Mai, Sie will davon nichts wissen, So sag ihr du, wie lieb es sei, Das Herzen und das Küssen. Tiu! Tiu! Gott grüß di, min Fru! Ach, wat sin wi doch hüt För glückselige Lüt! Ziküth! Schlummerliedchen Schlaft mir allzusammen ein, Meine sieben Kinderlein In euren weichen Betten. Schlummert süß und schlafet aus, Steckt mir keins die Beinchen raus Unter eurer Decke! Seid ihr dann geschlafen ein, Fliegt ein Engel ins Zimmer rein, Besieht sich alle sieben: Deine Kinder sind alle weiß und rot, Ein' schönen Gruß vom lieben Gott, Ob sie auch fromm geblieben? Meine sieben Kinder sind alle fromm, Sie woll'n gern in den Himmel komm'n, Schön Dank für Milch und Wecken. Bring wieder einen Gruß nach Haus: Es stecke auch keins die Beinchen raus Mehr unter seiner Decke. Heimliche Liebe Da liegt im Schatten der Linden Einsam das Gotteshaus; Glockenklang mit den Winden Zittert ins Land hinaus. Es sprudeln und plätschern die Bronnen Wohl um die alte Abtei; Im Klostergarten die Nonnen Wandeln zwei und zwei. Die eine, die mich betrachtet, Senkt tiefer den Schleier aufs Kleid; ... Doch tiefer noch umnachtet Die Seele mir Reue und Leid. Tanzlied Des Goldbauern Hiesel, Dem ging es recht schlecht, Er liebte die Liesel, Die Liesel den Knecht. Des Goldbauern Hiesel Hat' Taler, die echt; Er gab sie der Liesel, Sie gab sie dem Knecht. Des Goldbauern Hiesel Sagt, daß er sie möcht'; Da lachte die Liesel Und küßte den Knecht. Des Goldbauern Hiesel Hat alles verzecht, Da ließ ihn die Liesel Und ging zu dem Knecht. Des Goldbauern Hiesel Ward dennoch gerächt; So wie ihn die Liesel, Verriet sie der Knecht. Schön-Marie So holt mir einen Weinkrug doch, Laß mich den Silberbecher schwingen! Ich will vor meinem Abschied noch Der allerschönsten Maid ihn bringen. Der Sturmwind dehnt die Segel straff Und tobt, indes ich hier verzieh'; Das Schiff wiegt fertig sich im Haff — Und scheiden muß ich nun, Marie! Fernher zum Kampfe tönt das Horn, Und bunte Fahnen seh' ich flattern; Die Heere fassen sich im Zorn, Die Trommel ruft, und Schüsse knattern; Doch nicht der Sturm und nicht die See, Auch nicht die Schlacht ist's, die ich flieh'; Das einzige nur tut mir weh: Daß ich dich lassen muß, Marie! Sehnsucht Waldhornschall Hör' ich drunten im Wasgenwalde!... O sieh, der Fingerhut Leuchtet von sonniger Halde! Eidechsen huschen übern Stein, Üppig duftet der Thymian-Rain, Hummeln hängen im weißen Klee — — O Wald, mein Wald! Nach deinen Wonnen ist mir weh!... Unterm Stadtvolk Da draußen war ich ein stolzer Sohn Meiner Wälder und Berge! Jetzt frohne ich da um Lumpenlohn Im Gewimmel der Zwerge. O mein fröhlicher Gang und du aufrecht Haupt Dahinten im Maien! Hier ist dem Knechte nichts mehr erlaubt Als die Locken der Freien. Bruder Liederlich Die Feder am Sturmhut in Spiel und Gefahren, Halli. Nie lernt ich im Leben zu fasten, zu sparen, Hallo. Der Dirne lass' ich die Wege nicht frei, Wo Männer raufen, da bin ich dabei, Und wo sie saufen, da sauf ich für drei. Halli und Hallo. Verdammt, es blieb mir ein Mädchen hängen, Halli. Ich kann sie mir nicht aus dem Herzen zwängen, Hallo. Ich glaube, sie war erst sechzehn Jahr, Trug rote Bänder im schwarzen Haar, Und plauderte wie der lustigste Star. Halli und Hallo. Was hatte das Mädel zwei frische Backen, Halli. Krach, konnten die Zähne die Haselnuß knacken, Hallo. Sie hat mir das Zimmer mit Blumen geschmückt Die wir auf heimlichen Wegen gepflückt — Wie hab ich dafür ans Herz sie gedrückt! Halli und Hallo. Ich schenkt ihr ein Kleidchen von gelber Seiden, Halli. Sie sagte, sie möcht' mich unsäglich gern leiden. Hallo. Und als ich die Taschen ihr vollgesteckt Mit Pralinés, Feigen und feinem Konfekt, Da hat sie von morgens bis abends geschleckt. Halli und Hallo. Wir haben süperb uns die Zeit vertrieben, Halli. Ich wollte, wir wären zusammengeblieben. Hallo. Doch wurde die Sache mir stark ennüyant, Ich sagt' ihr, daß mich die Regierung ernannt, Kamele zu kaufen in Samarkand. Halli und Hallo. Und als ich zum Abschied die Hand gab der Kleinen, Halli. Da fing sie bitterlich an zu weinen. Hallo. Was denk' ich just heut ohn' Unterlaß, Daß ich ihr so rauh gab den Reisepaß... Wein her, zum Henker, und da liegt Trumpf-Aß. Halli und Hallo. Die Mühle Der Blick aus unserm Fenster War eine Wüste nur. Kein grünes Saatfeld zeigte Des Lebens frohe Spur. Kein Haus, kein Baum war sichtbar, Kein Berg in blauem Duft, Und keine Blumen mischten Sich mit der Himmelsluft. Am End' der öden Strecke, Weit über Schutt und Sand, Steht eine kleine Mühle Fern, fern am Erdenrand. Der Flügel kreist geduldig, Er kreist wohl immerzu, Des Windes schneller Atem Läßt selten ihn in Ruh. Mein Weib und ich, wir haben Am Fenster oft gelehnt, Wenn Hand in Hand wir saßen, Und wenn wir uns ersehnt. Im Frühlicht, vor der Arbeit Lag noch der Tag im Tau, Wir hielten nach der Mühle Vereint die erste Schau. Am Abend, eh der Schlummer Von neuem uns erquickt, Wir haben nach der Mühle Die letzte Sicht geschickt. Und immer so die Mühle, Es gab nicht liebern Ort, Es kam wie Trost und Grüße, Wie Gruß und Trost von dort. In einer Winterwoche, War schwer mein Weib erkrankt, Die schwarze Gräberblume Hat sich empor gerankt. Doch eh der Tod die Decken Um ihre Sinne schlug, Hat sie mein Arm umschlossen, Der sie ans Fenster trug. Die treuen Augen suchten Mühsam im Dämmerlicht, Und ihre Lippen hauchten: Vergiß die Mühle nicht. Müde Auf dem Wege vom Tanzsaal nach Haus Ruht sich auf dem Steine aus Die hübsche Margareth. Sie öffnet ein wenig das stramme Mieder, Daß kühl über die weißen Glieder Der Nachtwind weht. Desselben Weges kommt auch der Junker, Mit Troddeln am Hut und vielem Geflunker, Und sieht den Stein Und auf dem Stein das schmucke Kind, Und wie der Blitz geschwind Fällt ihm was ein. Das liebe Mädchen hatte geschlafen, Doch wie sie des Junkers Augen trafen, Ist sie erwacht. Erst schreit sie auf und will feldein, Ich denke, wir lassen die beiden allein In der Sommernacht. Im Walde Kein Mittagessen fünf Tage schon, Die Heimat so weit, kein Geld und kein Lohn, Statt Arbeit zu finden, nur Hunger und Not, Nur wandern und betteln und kaum ein Stück Brot. Was liegt der Handwerksbursch in dem Wald? Was läuft ihm übers Gesicht so kalt? Was sieht er so trostlos in den Raum? Was irrt sein Auge von Baum zu Baum? Die Sonne sinket und Stille ringsum, Die Drossel nur lärmt noch, sonst alles stumm, Was schaukelt der Erlbaum am Waldesrand? In seinen Ästen ein Mensch verschwand. Von seinem ärmlichen Bündel den Strick, Er legt um den Hals ihn, um Wirbel, Genick, Dann läßt er sich fallen — nur kurz ist die Qual, Er sah die Sonne zum letztenmal. Der Tau fällt auf ihn, der Tag erwacht, Der Pirol flötet, der Tauber lacht. Es lebt und webt, als wär' nichts geschehn, Gleichgültig wispern die Winde und wehn. Ein Jäger kommt den Hügel herab Und sieht den Erhängten und schneidet ihn ab, Und macht der Behörde die Anzeige schnell; Gendarmen und Träger sind bald zur Stell'. In hellen Glacés ein Herr vom Gericht, Der prüft, ob kein Raubmord, wie das seine Pflicht. Sie tragen den Leichnam ins Siechenhaus Und dann, wo kein Kreuz steht, ins Feld hinaus. Da niemand zuvor den Toten gesehn, Erhält er die Nummer dreihundertundzehn. Dreihundert und neun schon liegen im Sand, Wer hat sie geliebt, wer hat sie gekannt? Die Wäscherin auf der Wiese Du junge schöne Bleicherin, Wo führst du denn dein Leinen hin? Rasch spring' ich auf den Bock zu dir, Zusammen dann kutschieren wir Auf deine grüne Wiese. Da breitest du im Sonnenschein Die Hemden fein, die Höschen fein. Ich seh dir zu, mein Herz wird laut, Wir spielen Bräutigam und Braut Auf deiner grünen Wiese. Und nachts, im milden Mondenschein, Bewachst dein Leinen du allein. Ich geb's nicht zu, es ängstigt mich, Vor Raub und Mord beschütz' ich dich Auf deiner grünen Wiese. Legende Ev. Matthäi 26, 36-45 Als der Herr in Gethsemane Auf Knien lag im schwersten Weh, Als er sich hob, nach den Jüngern zu schauen, Lies er die Tränen niedertauen: Er fand sie schlafend, und mit den Genossen Hatte selbst Petrus die Augen geschlossen. Zum zweiten Mal sucht er die Seinen dann, Die liegen noch immer in Traumes Bann. Und zum Dritten, allein im Schmerz, Zeigt er Gott das kämpfende Herz. Die heilige Stirn wird ihm feucht und naß, „Mein Vater, ist es möglich, daß...“ Und durch ein Gartenmauerloch Schlüpft' ein zottig Hündchen und kroch Dem Heiland zu Füßen und schmiegt' sich ihm an, Als ob es ihm helfen will und kann. Und der Herr hat mild lächelnd den Trost gespürt, Und er nimmt's und drängt's an die Brust gerührt Und muß es mit seiner Liebe umfassen, Die Menschen hatten ihn verlassen. Die Musik kommt Klingling, bumbum und tschingdada, Zieht im Triumph der Perserschah? Und um die Eke brausend bricht's Wie Tubaton des Weltgerichts, Voran der Schellenträger. Brumbrum, das große Bombardon, Der Beckenschlag, das Helikon, Die Piccolo, der Zinkenist, Die Türkentrommel, der Flötist Und dann der Herre Hauptmann. Der Hauptmann naht mit stolzem Sinn, Die Schuppenketten unterm Kinn, Die Schärpe schnürt den schlanken Leib, Beim Zeus! Das ist kein Zeitvertreib. Und dann die Herren Leutnants. Zwei Leutnants, rosenrot und braun, Die Fahne schützen sie als Zaun, Die Fahne kommt, den Hut nimm ab, Der sind wir treu bis an das Grab! Und dann die Grenadiere. Der Grenadier in strammem Tritt, In Schritt und Tritt und Tritt und Schritt, Das stampft und dröhnt und klappt und flirt, Laternenglas und Fenster klirrt, Und dann die kleinen Mädchen. Die Mädchen alle, Kopf an Kopf, Das Auge blau und blond der Zopf, Aus Tür und Tor und Hof und Haus Schaut Mine, Trine, Stine aus. Vorbei ist die Musike. Klinglink, tschingtsching und Paukenkrach, Noch aus der Ferne tönt es schwach. Ganz leise bumbumbumbum tsching Zog da ein bunter Schmetterling, Tschingtsching, bum, um die Ecke? Der sterbende Soldat Im Weizenfeld, in Korn und Mohn, Liegt ein Soldat, unaufgefunden, Zwei Tage schon, zwei Nächte schon, Mit schweren Wunden, unverbunden. Durst überquält und fieberwild, Im Todeskampf den Kopf erhoben. Ein letzter Traum, ein letztes Bild, Sein brechend Auge schlägt nach oben. Die Sense rauscht im Ährenfeld, Er sieht sein Dorf im Arbeitsfrieden, Ade, ade, du Heimatwelt — Und beugt das Haupt, und ist verschieden. Vom toten Kaiser Viel Tausend haben sich aufgemacht In stürmischer, schneeiger Winternacht. Die Menge staut sich, steht Fuß an Fuß, Dem Kaiser zu danken mit letztem Gruß, Plötzlich am Schloß zwei Flammen wie Schlangen, Vom Dom her wimmert ein Glockenbangen, Bald dröhnt es gleichmäßig, ohn' Unterlaß In grausamem Takt, in furchtbarem Baß. Und wo sich die Massen zusammengeschoben, Über die Köpfe, schwimmt hocherhoben Ein dunkler Sarg, so tränenschwer, Ein Troß von Königen hinterher. Wie die Wolken erschrocken hasten, Der Wind packt: halt, halt! des Bahrtuchs Quasten, Doch durch das bewegte Lüfteleben Seh' ich wohl hundert Adler schweben Mit wundervoll ruhigem Flügelschlag, So stolzes Geleit wie am Siegestag. Rauch schlägt wieder aus ehernen Becken, Drin die Feuer geschürt, den Rand überlecken. Die Erde zittert, dumpf ist es zu spüren, Wie die Hufe des Zuges das Pflaster berühren. Die Fackeln strecken als Leuchten sich vor, In den Helmen sich spiegelnd der Garde du Corps, Und senken sich nieder, verlöschen im Schnee — Vorüber, vorüber das schluchzende Weh. Aus der offenen Domtür tönt Orgelgebraus, Ein Palmenwald grüßt in den Winter hinaus. Alles grün, alles Frühling, wo sonst weißer Kalk, Lorbeer umlaubt den Katafalk. Selbst Gärten, die einst unser Sturmschritt geknickt, Heut haben sie Rosen und Kränze geschickt. „Laßt mich durch, die Gasse mir aufgetan, Laßt mich durch, laßt mich durch, sonst brech' ich mir Bahn! Noch einmal auf Knieen vor ihm will ich liegen, Meine Stirn an die purpurne Ruhstatt biegen. Bei Gravelotte, spät war die Stunde, Der König! rief es in weiter Runde. Und jauchzend hemmten wir seine Zügel, Bedeckten mit Küssen Hand und Bügel. Die Sonne in sinkender Abendflut Umrahmt seinen Helm in Gloriaglut, Sein Auge tropft, seine Lippe bebt, Mit ihm, mit ihm hab' ich's durchgelebt.“ Pidder Lüng „Frii es de Feskfang, Frii es de Jaght, Frii es de Strönthgang, Frii es de Naght, Frii es de See, de wilde See En de Hörnemer Rhee.“ Der Amtmann von Tondern, Henning Pogwisch, Schlägt mit der Faust auf den Eichentisch: Heut fahr' ich selbst hinüber nach Sylt, Und hol' mir mit eigener Hand Zins und Gült. Und kann ich die Abgaben der Fischer nicht fassen, Sollen sie Nasen und Ohren lassen, Und ich höhn' ihrem Wort: Lewwer duad üs Slaav*) Im Schiff vorn der Ritter, panzerbeschwert, Stützt finster sich auf sein langes Schwert, Hinter ihm, von der hohen Geistlichkeit, Steht Jürgen, der Priester, beflissen, bereit. Er reibt sich die Hände, er bückt den Nacken, Der Obrigkeit helf' ich, den Frevler zu packen, In den Pfuhl das Wort: Lewwer duad üs Slaav. Für Hörnum hat die Prunkbarke den Schnabel gewetzt, Ihr folgen die Ewer, kriegsvolkbesetzt. Und es knirschen die Kiele auf den Sand, Und der Ritter, der Priester springen ans Land, Und waffenrasselnd hinter den beiden Entreißen die Söldner die Klingen den Scheiden. Nun gilt es, Friesen: Lewwer duad üs Slaav! Die Knechte umzingeln das erste Haus, Pidder Lüng schaut verwundert zum Fenster hinaus. Der Ritter, der Priester treten allein Über die ärmliche Schwelle hinein. Des langen Peters starkzählige Sippe Sitzt grad' an der kargen Mittagskrippe. Jetzt zeige dich, Pidder: Lewwer duad üs Slaav! Der Ritter verneigt sich mit hämischem Hohn, Der Priester will erheben seinen Sermon. Der Ritter nimmt spöttisch den Helm vom Haupt Und verbeugt sich noch einmal: Ihr erlaubt, Daß wir euch stören bei euerm Essen, Bringt hurtig den Zehnten, den ihr vergessen, Und euer Spruch ist ein Dreck: Lewwer duad üs Slaav. Da reckt sich Pidder, steht wie ein Baum: Henning Pogwisch, halt' dein Reden im Zaum, Wir waren der Steuern von jeher frei, Und ob du sie wünschst, ist uns einerlei. Zieh ab mit deinen Hungergesellen, Hörst du nicht schon meine Hunde bellen? Und das Wort bleibt stehn: Lewwer duad üs Slaav! Bettelpack, fährt ihn der Amtmann an, Und die Stirnader schwillt dem geschienten Mann. Du frißt deinen Grünkohl nicht eher auf, Als bis dein Geld hier liegt zu Hauf. Der Priester zischelt von Trotzkopf und Bücken Und verkriecht sich hinter des Eisernen Rücken. O Wort, geh nicht unter: — Lewwer duad üs Slaav! Pidder Lüng starrt wie wirrsinnig den Amtmann an, Immer heft'ger in Wut gerät der Tyrann, Und er speit in den dampfenden Kohl hinein: Nun geh an deinen Trog, du Schwein. Und er will, um die peinliche Stunde zu enden, Zu seinen Leuten nach draußen sich wenden. Dumpf tönt's aus der Erde: Lewwer duad üs Slaav! Einen einzigen Sprung hat Pidder getan; Er schleppt an den Napf den Amtmann heran Und taucht ihm den Kopf ein und läßt ihn nicht frei, Bis der Ritter erstickt ist im glühheißen Brei, Die Fäuste dann lassend vom furchtbaren Gittern, Brüllt er, die Türen und Wände zittern, Das stolzeste Wort: Lewwer duad üs Slaav! Der Priester liegt ohnmächtig ihm am Fuß, Die Häscher stürmen mit höllischem Gruß, Durchbohren den Fischer und zerren ihn fort, In den Dünen, im Dorf rasen Messer und Mord, Pidder Lüng doch, ehe sie ganz ihn verderben, Ruft noch einmal im Leben, im Sterben Sein Herrenwort: Leweer duad üs Slaav! *) [Anm. Lieber tot als Sklave] Halbtraum Um mich ist die tiefe Nacht, Ich denke an die Liebsten mein, Und schau', da treten alle sie Gar sacht und still zu mir herein. Das Mütterchen, das treue, kommt, Auf meines Mädchens Arm gelehnt; Sie fühlten ja, wie sich mein Herz So schmerzlich heiß nach ihnen sehnt. Ich halte beider Hände fest, So froh wie ein beschenktes Kind, Bis mir vor lauter, lauter Glück Die Augen zugefallen sind. Der Sommer Der Sommer kam gegangen, Ich habe ihn gesehn, Er stand an meiner Linde, Ein Blatt flog hin im Winde — Er mußte weitergehn. Der Sommer ist gegangen, Er ging hinaus ans Meer. Dort sanken in die Fluten Der Sommersonne Gluten — Die Wogen rauschten schwer. Lied Immer leiser wird mein Schlummer, Nur wie Schleier liegt mein Kummer Zitternd über mir. Oft im Traume höre ich dich Rufen drauß' vor meiner Tür, Niemand wacht und öffnet dir; Ich erwach' und weine bitterlich! Ja, ich werde sterben müssen, Eine andere wirst du küssen, Wenn ich bleich und kalt, Eh die Maienlüfte wehen, Eh die Drossel singt im Wald: Willst du mich noch einmal sehen, Komm, o komme bald. An die Geliebte Überall kann ich dich sehen, Trennt uns gleich auch Raum und Zeit, Immer fühl' ich um mich wehen Deine sanfte Lieblichkeit. Und ein Zauber ohne Ende Lebt und webt von mir zu dir — Deinen Mund und deine Hände, Deine Seele gibst du mir! Ein Junge Sonne, komm' rasch an mein Fenster gesprungen, Lache mit mir — ich hab' einen Jungen! Siehst du, wie groß seine Augen, wie hell? Ist's nicht ein prächtiger, strammer Gesell'? Regt er das Händchen schon nach dir zu langen? Küss' ihn nur, küss' ihn auf Stirn und Wangen, Weih' ihn zum Leben mit heiliger Glut, Gib ihm den leuchtenden, fröhlichen Mut, Daß er im dunkelsten Erdenweh Gläubig hinauf zum Lichte noch späh', Was ich im Dämmer kaum wagte zu träumen, Laß in des Tages Flut ihn umschäumen. Wo mir das Schwert aus der Hand ist geglitten, Nehm' er es auf, und weitergestritten! Wo ich am Wege müde blieb stehn, Soll bis zum Ziele siegkräftig er gehn. Soll — nichts soll er, sich selbst nur bewähren Und um den Vater den Teufel sich scheren! Sonne, komm' rasch an mein Fenster gesprungen, Lache mit mir, ich hab' einen Jungen! Sommersonntagnachmittag Bunten Menschenschwarms Gewimmel Unter einem Sommerhimmel, Helles Lachen und Gesang, Off'ne Kutschen, kecke Reiter, Kremser, Zweirad und so weiter — — Überall den Weg entlang. Fernher eines Hornes Schallen, Einer Flinte lustig Knallen Ziellos in die blaue Luft... Dort am Waldrand, welches Drängen! Zu den braunen Steingehängen Zieht der Wiesen reifer Duft. Lässig schlendern, wie vergebens... Und ein neues Lied des Lebens Huscht durch meinen ernsten Sinn. Vor dem Wirtshaus frohe Zecher, Lauter Zuruf, klirrende Becher, Eine schmucke Kellnerin... Rast hier! ... auf dem letzten Sitze — „Sie sind's, Nachbar? — Welche Hitze! Nehmt derweil mein Glas zur Hand!“ „Dank' schön!“ — Sieh', am Fenster zeigt sich, Tanzerglüht, hinaus nun neigt sich, Ganz noch, halb noch abgewandt, Ach! — ein feines, junges Köpfchen! Welch' zwei braune, trotzige Zöpfchen! Schon im Unmut kehrt sie sich... Durch die Tür mit einem Sprunge, Staub und Dunst auf heißer Lunge — Wildfang, sieh', schon halt' ich dich! Duften allzuschwül die Rosen? Zärtlich Flüstern, schweigsam Kosen, Herz an Herzen, Schlag um Schlag... Was noch weiter? — Glück, o schweige! Noch ging er nicht ganz zur Neige Dieser Sonntag-Nachmittag... Am Wegrand Tausend Menschen ziehen vorüber — Den ich ersehne, er ist nicht dabei! Ruhlos fliegen die Blicke hinüber, Fragen den Eilenden, ob er es sei... Aber sie fragen und fragen vergebens. Keiner gibt Antwort: „Hier bin ich. Sei still.“ Sehnsucht erfüllt die Bezirke des Lebens, Welche Erfüllung nicht füllen will. Und so steh' ich am Wegrand-Strande, Während die Menge vorüberfließt, Bis — ermüdet vom Sonnenbrande — Mein ermüdetes Auge sich schließt... Die alte Jungfer Um seine tollen Studentenjahre Flatterten einst ihre Mädchenhaare. Er wurde ein großer Mann unterdessen, — Sie hat beim Nähzeug ihn nie vergessen. Wenn die Wochenblättchen kamen: Sonntags, las weinend sie oft seinen Namen. Sammelte alles — welk schon die Hände — Daß sie ein liebes Päckchen draus bände. Um seine tollen Studentenjahre Flatterten ja ihre Mädchenhaare. Spatz und Spätzin Auf dem Dache sitzt der Spatz, Und die Spätzin sitzt daneben, Und er spricht zu seinem Schatz: „Küsse mich, mein holdes Leben! Bald nun wird der Kirschbaum blühn, Frühlingszeit ist so vergnüglich; Ach, wie lieb ich junges Grün Und die Erbsen ganz vorzüglich!“ Spricht die Spätzin: „Teurer Mann, Denken wir der neuen Pflichten, Fangen wir noch heute an, Uns ein Nestchen herzurichten!“ Spricht der Spatz: „Das Nesterbau'n, Eier brüten, Junge füttern Und dem Mann den Kopf zu krau'n — Liegt den Weibern ob und Müttern.“ Spricht die Spätzin: „Du Barbar! Soll ich bei der Arbeit schwitzen, Und du willst nur immerdar Zwitschern und herumstibitzen?“ Spricht der Spatz: „Ich will dich hier Mit zwei Worten kurz berichten: Für den Spatz ist das Plaisir, Für die Spätzin sind dir Pflichten!“ Hochzeitslied Aus der Eltern Macht und Haus Tritt die zücht'ge Braut heraus An des Lebens Scheide — Geh und lieb' und leide! Freigesprochen, unterjocht, Wie der junge Busen pocht Im Gewand von Seide — Geh und lieb' und leide! Frommer Augen helle Lust Überstrahlt an voller Brust Blitzendes Geschmeide — Geh und lieb' und leide! Merke dir's, du blondes Haar! Schmerz und Lust Geschwisterpaar, Unzertrennlich beide — Geh und lieb' und leide! Das Häslein Unterm Schirme, tief im Tann, Hab ich heut gelegen, Durch die schweren Zweige rann Reicher Sommerregen. Plötzlich rauscht das nasse Gras — Stille! nicht gemuckt! — Mir zur Seite duckt Sich ein junger Has... Dummes Häschen, Bist du blind? Hat dein Näschen Keinen Wind? Doch das Häschen unbewegt, Nutzt, was ihm beschieden, Ohren, weit zurückgelegt, Miene, schlau zufrieden. Ohne Atem lieg ich fast, Laß die Mücken sitzen; Still besieht mein kleiner Gast Meine Stiefelspitzen... Um uns beide — tropf — tropf — tropf — Traut eintönig Rauschen... Auf dem Schirmdach — klopf — klopf — klopf... Und wir lauschen... lauschen... Wunderwürzig kommt ein Duft Durch den Wald gepflogen; Häschen schnubbert in die Luft, Fühlt sich fortgezogen. Schiebt gemächlich rückwärts, macht Männchen aller Ecken... Herzlich hab ich aufgelacht — Ei, der wilde Schrecken! Anmutiger Vertrag Auf der Bank im Walde Han sich gestern zwei geküßt. Heute kommt die Nachtigall Und holt sich, was geblieben ist. Das Mädchen hat beim Scheiden Die Zöpfe neu sich aufgesteckt... Ei, wieviel blonde Seide da Die Nachtigall entdeckt! Den Schnabel voller Fäden, Kehrt Nachtigall nach Haus, Und legt das zarte Nestchen Mit ihrem Golde aus. Freund Nachtigall, Freund Nachtigall, So bleib's in allen Jahren! — Mir ward ein Schnäblein voll Gesang, Dir eins voll Liebchens Haaren! Zutrunk Trunkfester Germanen Sitte Vor alten Zeiten es war, Zu drängen in Tisches Mitte Der Krüge krachende Schar. Vielstimmig klangs von jeder Seit': „Es blüht eine Blume im weißen Kleid, Freunde, euch sei die Blume geweiht!“ „Prost Bruder, prost, du sollst leben!“ Fern drüben in anderen Landen Trinken sie schweigend den Wein, — Der Welsche hat's nie verstanden Sein schäumendes Glas zu weih'n. — „Und galt bei uns das erste dem Freund, So sei mit dem zweiten die Liebe gemeint, Die Sonne, die dir ins Leben scheint!“ „Prost Bruder, prost, sie soll leben!“ Die Blüte der Rebe vergehet, Der steinerne Krug zerschellt, Ein Leben im Winde verwehet, Wenn's dem da droben gefällt. — Ein Jahr, da sang er an unserer Seit': „Es blüht eine Blume im weißen Kleid,“ — — Verwelket die Blüte, die Halde verschneit — Prost Bruder, sein Andenken lebe! Es ist ein Brünnlein geflossen... Es ist ein Brünnlein geflossen Vom Wald zur Au, Zur grünen Au, Das hat zwei Blümlein begossen, Sind fröhlich aufgesprossen, So rot und blau In Freuden und Leiden! Es kam ein Knabe gesprungen, Vom Wald zur Au, Zur grünen Au, Der hat viel' Liedlein gesungen, Das hat gar hell geklungen; Jung-Magd, Jung-Frau So lauschten alle beide! Es sind viel Tränen getropfet In Wald und Au, Auf grüner Au, Es haben lange geklopfet Zwei Herzlein, und gehoffet Jung-Magd, Jung-Frau Auf treue Lieb' vergebens! Der Sausewind Es hat in stiller Mitternacht Mein Fensterlein geklirrt, Wer ist's, wer ist's, den's in der Nacht Zu meiner Kammer führt? Du Sausewind, du Brausewind, Ich hör' und kenn' dich schon; — Mach' mir mein armes Herz nicht schwer, Geschwind — mach' dich davon. Der Sausewind, der Brausewind, Er hat dazu gelacht, Und selber sich das Fensterlein Zur Kammer aufgemacht. Viel Liebes hat er mir gesagt, Ich konnt' nicht böse sein, Mir ward glühheiß und bang dabei In meinem Kämmerlein. Frühmorgens, als die Hähne schon Im ganzen Dorf gekräht, Da ist er durch das Fensterlein — Weit — weit davon geweht. Der Sausewind, der Brausewind, Er war bei mir zur Nacht, Er hat mich armes, armes Ding Um alle Ruh' gebracht! Und wenn in stiller, stiller Nacht Mein Fenster manchmal klirrt, Da wein' ich: Ach, du Sausewind, Wohin hat's dich geführt? Spätsommer Was der Frühling säte, Kommt im Herbst zur Mahd — Es ist spät geworden, Und die Ernte naht. Auf gebeugten Stengeln Bebt das Ährenmeer, Leises Sensendengeln Klingt von ferne her. Und wie Sichelstreichen Hör' auch ich's von fern — Herzen sowie Halme Harren ihres Herrn. Stille Wenn ein Kranker schlummernd liegt, Mild vom Traumesarm gewiegt, Schweigen alle im Gemache, Daß der Arme nicht erwache. Leis' ihr Hauch und stumm ihr Mund, Kaum berührt ihr Fuß den Grund — Und der Kranke schlummert weiter, Ruhbeseligt, traumesheiter. Innig fleh' ich jetzt zu dir: Halte du es so mit mir, Mit dem tieferschöpften Herzen, Das entschlummert ist voll Schmerzen. Halb verblutet schläft es fort, Weck' es nicht mit deinem Wort; Trage schonendes Erbarmen Mit dem Kranken, Müden, Armen. Willst du's wecken, sei's zum Glück, Kannst du dies nicht, tritt zurück! Gieße Gift nicht in die Neige Meines Lebens! Schweige! Schweige! Ewige Liebe Nicht mag ich mich legen ins kühle Grab, Mein Kind, weil ich so lieb dich hab' — Ich schliefe sonst so gerne Den bösen Leuten ferne. Zu meinen Füßen rauscht der Wald Und sagt: Nun ist die Hochzeit bald, Eh' die Lerchen zum Meere fliegen Und Blätter am Boden liegen. Vom Himmel strahlt ein schöner Stern Und mahnt mein Herz an die Gnade des Herrn. Er hat uns soweit geleitet, Um uns seinen Mantel gebreitet. Eine Rose brech' ich vom Felsenrand, Die will ich legen in deine Hand, Die Rose wird bald vergehen, Uns're Liebe wird ewig bestehen. Im letzten Haus Das Herz ist mir so schwer, so schwer! Ich wollt', daß ich zu Hause wär'; Da steh ich auf im Morgenschein Und wandre fort, landaus, landein, Zur Herzallerliebsten mein. Da komm' ich heim in stiller Nacht Und klopfe an ihr Lädlein sacht, Und klopfe an ihr Fensterlein: Mach auf, mach auf und laß mich ein, Du Herzallerliebste mein! Da schaut ein altes Weib heraus —: „Dein Schätzlein zog zum Ort hinaus, Im letzten Haus, da zog sie ein, Da wohnt hinter Rosen und Rosmarein Die Herzallerliebste Dein.“ Da geh' ich weiter für und für, Da komm' ich an die Kirchhoftür: O weh, o weh! der Totenschrein, Der wird das letzte Haus wohl sein, Du Herzallerliebste mein! Ach! daß du liegst im tiefen Grund! Hörst nicht des Glöckleins Schlag allstund, Siehst weder Sonn' noch Mondenschein, Schläfst da so mutterseelenallein, Du Herzallerliebste mein! Vom Scheiden Ach scheiden, immer scheiden! Wer hat denn das erdacht? Der hat in meine Freuden Ein großes Trauern bracht. Du Wächter auf der Zinnen! Ruf du den Tag nicht an, Daß ich nicht muß von hinnen, Ein Ringlein sollst du han. „Und will ich stille bleiben, Die Sonne kommt geschwind; Die wird zwei Lieb vertreiben, Die gern beisammen sind.“ Ach scheiden, immer scheiden! Wer hat denn das erdacht? Der hat in meine Freuden Ein großes Trauern bracht. Der verschenkte Treuring O Mutter! was hab ich getan, Der Ring ist Schuld daran: Mein Lieb hat ihn vergeben, Das kostet mich das Leben; Einem Hauptmann gab sie ihn. Ich ging und ward Soldat, Das reute mich zu spat. Wollt' mir den Urlaub holen Mit meinen flinken Sohlen, Den Urlaub ins freie Feld. Mein Hauptmann vor mich trat: „Wohin des Wegs, Kamerad?“ Hält vor die blanke Klinge, Hat an der Hand viel Ringe — Dabei meiner Liebsten Ring. Die Sonne schien so hell, In einen klaren Quell. Wohl auf der grünen Heide, Da warf ich weg die Scheide Weg warf ich das Kollett. Und gab ihm Schlag auf Schlag, So viel er parieren mag. Da kam in den klaren Bronnen Das rote Blut geronnen — Das war des Hauptmanns sein Blut. Ade du schöne Welt! Mein Urteil ist gefällt: Der Hauptmann ist erschlagen, Ich leb'; doch in drei Tagen Erschossen muß ich sein. Und wer da weint und lad't, Das ist mein Kamerad; Er führt mich unter die Linden. Tut mir die Augen verbinden Mit seinem Taschentuch. Soldaten! und ist's vorbei, Vollbracht mit Pulver und Blei, So legt in ein weißes Linnen Mein Herz mit den Kugeln drinnen Und bringet's meinem Schatz. Ihr Brüder! was ich euch bitt': Sagt's meiner Mutter nit; Das ist mein letztes Verlangen — Sagt lieber, ich sei gefangen, Sie säh mich nimmermehr. Die Liebste Es weht der Wind so kühle, Die Bahn ist arg verschneit; Ich bin daheim am Bühle, Da ist der Weg so weit. Mein Haus hat keinen Riegel, Mein First hat keinen Halt, Mein Dach hat keinen Ziegel, Mein Stüblein ist so kalt. Mein Lieb, daß dich's erbarme! O laß mich zu dir ein! Schließ mich in deine Arme, Da wird kein Winter sein. Im Oktober Ob sich auch das Haar schon färbe, So verdenkt's mir nicht, Möcht ich gern, noch eh' ich sterbe, Schaun ein lieb' Gesicht. In des Herbstes Astern weben Eine Rose rot, Himmelwärts das Aug' erheben, Frei von Schmerz und Not, Daß mir hell die Sterne winken Einer andern Welt, Dann mag ruhig niedersinken, Was dem Staub verfällt. Sorgen In diesem weiten Himmelsraum Zeigt sich ein einz'ges Wölkchen kaum, Doch in den Wolken meiner Welt Ist kaum ein Pünktchen glanzerhellt. Warum verscheucht der Sonne Licht Die Wolken nur, die Sorgen nicht? Sehnsucht Ich sehne mich den ganzen Tag Nach einer Stunde Müßiggang, Nach einem kleinen Winkelchen Fern allem Lärm und Tagesdrang; Nach einer Stunde, da mein Herz Die schönen Worte ungestört Und alles, was du mir gesagt, Süß im geheimen wieder hört. Geschieden Seit uns beide getrennt die Zeit, Leb' ich hin am Tage, Ohne Glück und ohne Leid Und auch ohne Klage. Aber wenn die Nacht beginnt Und die Sterne schimmern, Hör' ich wie ein krankes Kind Leis mein Herz noch wimmern. Das Nest Ein Weißdorn steht am Bachesrand Mit vielen tausend Blüten, In seinen Zweigen tiefversteckt Rotkehlchen friedlich brüten. Wenn abends auf dem Weg zur Stadt Ich dort vorübergehe, Neid' ich sie um ihr trautes Nest Und ihre junge Ehe. Und deiner denk' ich, treues Lieb, Mit tränenschwerem Leide, Weil ich zu arm bin, um zu baun Ein Nest auch für uns beide. Freudiger Trunk Ich kenne wohl des Weines Kraft Von manchem heißen Tag; Drum such' ich schöne Nachbarschaft Mir gern beim Zechgelag'. Am liebsten hab' ich in der Näh' Ein lieblich Frauengesicht, Wenn ich das nachher doppelt seh', Dann ärgere ich mich nicht. Sommernacht Wie trunken schläft die Juninacht! Es ist wie Duft von reifem Korn Weither im Lande aufgewacht — Die Rose glüht am Heckendorn. Der Bergwald atmet; manchmal stehen Die Winde aus den Wolken auf Und führen sehnsuchtsschwüles Wehen Der Leidenschaft vom Tal herauf. Dort blitzt aus dem entschlafnen Land Ein einzig waches Fensterlein, Ich habe bald dein Haus erkannt, Von dort entloht der schwüle Schein... Und aus beglänzten Büschen fragen Mich Nachtigallen, wo du bist, Warum in diesen trunknen Tagen Die Sehnsucht nicht die Liebe küßt. — Die Frauen von Ruffach Das war um des fünften Heinrich Zeit, Der brach dem Bischof von Straßburg den Eid. „Und wer mir Clemens als Papst nicht erkennt, Den treffe in Rache, was sticht und brennt.“ Und er raubte in Ruffach das Bistum und Schloß Und er stürmte die Stadt mit Heer und Roß. Herr Vogt, geht hin, zeigt eiserne Hand, Bis sie Clemens als Herren von Rom erkannt! Der Vogt übte Willkür mit Wut und Graus — Das Glück schlich weinend zum Tor hinaus... Einst blaute ein schimmernder Ostertag, Da glimmten die Blüten wie Kerzen am Hag; Da stieg es wie Weihrauch vom Blumengefild, Vom Kirchlein sangen viel Stimmen mild — Und ängstlich huschten die Bürger hinein, Als könnt wer die heilige Schwelle entweihn. Grad fällt ein Goldstrahl ins Kirchentor, Da wandelt ein herrliches Mädchen hervor. So rein ist die Stirn und so scheu ihr Tritt Da trotzt ihr entgegen ein eherner Schritt. Es bricht sich der eiserne Vogt die Bahn: „Euch hat der Kaiser in Acht getan; Ihr alle seid mir zu eigen und Frohn. Ich such meiner Lust den süßesten Lohn.“ Zwei Knechte schleppen die Maid hinweg; Da tritt in die Reihen der fahle Schreck. Und die Mutter sinkt flehend zur Erde hin: „Auf, Männer! Macht eisern die Faust und den Sinn! Wenn der Kaiser und Vogt unser Heiligstes zwingt Und die Freiheit mit Wildheit niederringt, Dann ist's Zeit, daß das Gräßliche, was sie gesät, Das Schwert der Verzweiflung niedermäht...“ Die Männer schaun wie verwirrt und gebannt, Und keiner regt zu Taten die Hand. Da erhebt sich die Mutter in höchster Not, Ihr Wort klingt gewaltig wie ein Gebot: „Und knebelt er eure Männerkraft, So ruf' ich ein Höheres aus der Haft, Ihr Frauen, aus eures Herzens Glut Erweck' ich der Mutter heiligen Mut! Wem warmes Blut in den Adern rinnt, Der eile zum Kampf für ein schuldloses Kind!“ Da fahren sie stolz wie Löwinnen auf — Sie entreißen den Männern der Schwerter Knauf, Und die Entflammten wachsen zum Heer Und greifen in heiliger Wut zum Speer — Und wie sie den Bergpfad stürmen hindann, Da fällt's von den Männern wie dumpfer Bann. Die Ruffacher strecken mit Hieb und Stich Den Vogt und alles was kaiserlich... Und Heinrich der Fünfte enteilt zu Roß Nach Kolmar mit seinem zerschmolzenen Troß... Die Sage kündet: Der Kaiser vergaß Die Krone, und ward gar schreckensblaß; Und Mantel und Szepter fand er nicht mehr, Noch fürstlich Gewaffen und Manneswehr. Doch die siegenden Frauen haben zur Nacht Noch Krone und Szepter zum Kirchlein gebracht; Und den Mantel, purpurdunkel und fein, Den hüllten sie um den Altarschrein... Wenn die Liebe im Frauenherzen erwacht, So loht sie empor zu reinerer Macht, Als Mannesmut und Herrschergewalt, Und alles Schöne in freier Gestalt; So wird sie in heiliger Leidenschaft Des Weltrundes tiefinnerste Kraft. Barbarossa unter dem Bibelstein Jetzt heb' ich ein heiteres Märlein an: Am Lügenfeld blüht ein Wiesenplan, Sie nennen's im Lande den Bibelstein, Drauf nicken die Blumen im Frührotschein... Da sitzt im Grund Barbarossa und lacht, Er schläft zu Tage und lebt zur Nacht; Dann steigt er herauf und schaut in die Welt, Bricht vom Heck einen Stab und wandert ins Feld. Er war ja einst Herzog vom Elsaß genannt Und herrschte weithin über Schwabenland; Er liebte die Gauen; — und nächtlich umkreist Die seligen Höhen noch heute sein Geist... Er ist schon längst aus dem Kyffhäuser fort, Das war ein so grundlos tiefer Ort — Die Raben haben es ihm gesagt, Daß es droben im Reiche wieder tagt... Wenn die Sterne in rauschender Sommernacht Den Pfad auf Erden ihm licht gemacht, Dann steigt der herrliche Kaiser empor Aus des Bibelstein geheimen Tor. Das Korn im Lande goldfarbener reift, Wenn er segnend die schlafenden Felder streift Und der Wein in den Beeren kristallener quillt, Wenn er lächelnd durchwandert ein Rebengefild. Und wenn er vor Tag durchschreitet den Tann, Hebt von Tauben und Lerchen ein Singen an — Dann geleitet der frühe Vogelchor Den Kaiser zurück an des Bibelsteins Tor. Wie der erste Rauch von den Dörfern steigt Und im flimmernden Tau die Welt noch schweigt, Da liegt er im Erdgrund schon und ruht, Und das Land atmet Frieden in seiner Hut... Und wollt ihr's nicht glauben, so geht und lauscht Und hört, was da leise den Stein umrauscht, Und hört, was der Frühlingswind Heimliches singt: Barbarossas Atem aus Tiefen klingt! Sie sagen: Wer leise zum Stein sein Ohr Hinneige, dem töne gar Heitres empor; Denn wer da geduldig horchet und harrt, Der hört, wie dem Kaiser — — wächst der Bart... Landsknechtlied Vom Barette schwankt die Feder, Fliegt und wiegt im Winde sich, Unser Wams von Büffelleder Ist zerfetzt von Hieb und Stich. Stich und Hieb Und ein Lieb Soll ein Landsknecht haben. Unsre Linke auf dem Schwerte, In der Rechten einen Spieß, Fechten wir, soweit die Erde, Bald für das und bald für dies. Dies und das Suff und Fraß Soll ein Landsknecht haben. Daß wir Beut' und Ruhm gewinnen, Ziehn wir mutig in die Schlacht. Einmal müssen wir von hinnen, Lustig drum bei Tag und Nacht. Bei Nacht und Tag, Was er mag, Soll ein Landsknecht haben. Nachtbild Noch ruht im Dorfe Jung und Alt, Am Himmel stehn die Sterne; Der Morgen dämmert florumwallt Unmerklich in der Ferne. Da wird ein Türlein aufgemacht Mit Fürsicht übermaßen: Ein Blondchen schleicht mit Vorbedacht Heraus und längs der Straßen. Die Füße nackt und groß und braun, Das runde Köpfchen glühend; Verzaustes Haar — durchs Linnen schaun Die Brüstchen prall und blühend. Sie blickt noch einmal ringsherum, Als wie verscheucht ein Mäuschen; Dann reckt sie sich und lächelt stumm Und schlüpft in eins der Häuschen. Tänzchen im Freien Klingen hör' ich muntre Weisen; Junges Völkchen stellt sich ein, Lustig um den Baum zu kreisen, Ein'ge Stunden froh zu sein. Ei, das will sich heiter fügen! Mädel, komm, da gibt's Vergnügen! Komm, wir schlüpfen mit hinein. Jedermann ist hier geladen, — Sieh' nur, wie sie keck sich drehn! Röcke flattern, dralle Waden Läßt man, schön bebändert, sehn. Wie die Bursche kräftig fassen Ihre Dirnen! O, sie lassen Alles gern mit sich geschehn. Hier umengt sie keine Sitte; Dennoch adeln sie den Drang. Also, Mädel, komm — ich bitte — Dies Vergnügen währt nicht lang. Schnell hinein in diese Lücke; Weiter nun mit gutem Glücke — Hei, das geht mit Schwing und Schwang! Alles dreht sich mir im Kreise Schon herum — o Tänzernot! Ach, wir fallen aus dem Gleise — Mädel — stark! und was auch droht. Flink die Röcke zugeschlagen! — Solch ein Fall will nichts besagen — Mädel, werde nur nicht rot. Mädchenlied Ach, wenn es nun die Mutter wüßt', Wie du so wild mich hast geküßt, Sie würde beten ohne Ende, Daß Gott der Herr das Unglück wende. Und wenn das mein Herr Bruder wüßt', Wie du so wild mich hast geküßt, Er eilte wohl mit Windesschnelle Und schlüge tot dich auf der Stelle. Doch wenn es meine Schwester wüßt', Wie du so wild mich hast geküßt, Auch ihr Herz würde in Sehnsucht schlagen Und Glück und Sünde gerne tragen... Die Hütte Aus einem dunklen Forste Drängt sich ein Hüttlein klein, Auf seinen glühenden Fenstern Zuckt sterbend der Abendschein. Auf seiner Schwelle träumet Ein junges Menschenpaar; Ihr Haupt ruht an seiner Schulter, Seine Lippe streift ihr Haar. Aus finsterem Waldesschweigen Tritt sacht die Nacht heraus, Da schreiten, eng umschlungen, Die beiden in ihr Haus. Ein Lichtlein ist drin erglommen, Doch hat's nicht lang gewacht — Um die stumme dunkle Hütte Kreist sternenhell die Nacht... Erntetag In brauner Faust Die Sense saust Durchs goldene Ährenfeld — Die Sense klingt, Die Sense singt: Mein ist die ganze Welt! Ein Zittern geht, Ein Seufzen fleht, Schwer schwankt der Halm und fällt — Die Sense klingt, Die Sense singt: Mein ist die ganze Welt! Der Tag verrinnt, Der Abend spinnt Die Schatten übers Feld — Aus Sternenhöhn Klingt's friedeschön: Mein ist die ganze Welt! Vorbei Über die Stoppeln her weht der Wind, — Mädchen, was säumst du nur, Mädchen, was träumst du nur, Träumst du nur, liebliches Kind? Längst schon der Frühling von dannen ging — Mädchen, was spinnst du nur, Mädchen, was sinnst du nur — Des, der dich liebend umfing? Weiße Fäden an Strauch und an Baum — Mädchen, was meinst du nur, Mädchen, was weinst du nur, War es ein flüchtiger Traum? An deiner Seite An deiner Seite bin ich vom Traum erwacht, Und um mich schweigt und zittert tief die Nacht, Der Kinder leise Atemzüge ziehn Im Bettchen nebenan so sacht, so sacht, Und sinnend lausch' ich, wie sie kommen und fliehn. Im Dunkel such' ich tastend deine Hand — Was träumte mir? — Daß du und mein Glück entschwand, Daß leer dein Bett und leer die kleine Wiege, Daß ich mich einsam und verlassen fand Und nun für immer dein Herz, ihr Mund mir schwiege. Noch bist du mein — und lange halt ich dich fest, Noch bist du mein — und was mir die Brust gepreßt, Es ging vorüber, ich bin nicht allein, Nie kommt die Stunde, die uns scheiden läßt — So träum' ich, tiefen Friedens, wieder ein. Die Näherin Alle Mädchen erwarten wen, Wenn die Bäume in Blüten stehn; Wir müssen immer nähn und nähn, Bis uns die Augen brennen. Unser Singen wird nimmer froh, Fürchten uns vor dem Frühling so: Finden wir einmal ihn irgendwo, Wird er uns nicht mehr erkennen. Lieben Und wie mag die Liebe dir kommen sein? Kam sie wie ein Sonnen, ein Blütenschnei'n, Kam sie wie ein Beten? — Erzähle: Ein Glück löste leuchtend aus Himmeln sich los Und hing mit gefalteten Schwingen groß An meiner blühenden Seele. Ein Stündchen lang Ich hab an seiner Brust geruht, In seinen Armen schlief ich ein, Und kreuzt er nimmer meinen Weg — Er war doch eine Stunde mein! Und wenn ich dieser Stunde Glück Mit meinem Leben zahlen müßt', Ich ginge lächelnd in den Tod — Er hat mich einmal doch geküßt! Volkslied Ein Vöglein singt im Wald, Singt Lieb' und Leiden, Ich weine für mich hin — Du willst ja scheiden. Viel Rosen blühen rot, Ich pflücke keine — Brauch' weder Schmuck noch Zier, So ganz alleine. Hab dich so lieb gehabt Und willst doch wandern, Suchst nun dein' Fröhlichkeit, Dein Glück bei andern. Gekränkte Unschuld Ein Rad gebrochen! — Da liegt das Heu... Da liegt der Wagen... und nebenbei Ein blasses, schmächtiges Dirnchen steht, Das heulend die Zipfel der Schürze dreht, „Was willst du denn?“ Ich streichle ihm sanft das Gesicht, Da zeigt's auf den riesigen Wagen und spricht, Das zitternde Stimmchen, von Schluchzen zerrissen: „Sie sagen, ich hätte ihn umgeschmissen.“ Mein Bübchen Ich ging hinaus und fragte die Wolken: „Liebe Wolken, ich bitt' euch schön — Habt ihr mein Bübchen nicht gesehn? Ist gar ein lieber kleiner Kerl, Singt und springt den ganzen Tag, Hat ein Stimmchen wie Lerchenschlag, Zwei Augen so blau wie der Himmel, Und lacht, Sobald er sie morgens aufgemacht.“ Die Wolken brummten: „Den kennen wir nicht! Wir sahen ein Bübchen, das schrie nach der Mutter, Wollte von Singen und Springen nichts wissen, Lag am Abend so blaß in den Kissen Und schlief doch vor lauter Jammer nicht ein, Nein — Das kann dein lustiges Bübchen nicht sein.“ Ich weiß nicht, wie mir ist... Als ob ich weinen müßt! Was gab ich auch mein Bübchen hin, Daß ich nun so alleine bin, Er dorten und ich hier — Ach Gott, behüt ihn mir! Nur du Ich fühl's, daß ich tief innen kranke Und Wonne doch mich selig macht. Dich sucht am Tage mein Gedanke, Dich sucht mein Traum in dunkler Nacht! Wo ich auch weil', auf allen Wegen, Dein Bild vor meiner Seele steht. Ein Gruß an dich — mein Morgensegen! Ein Wunsch für dich — mein Nachtgebet. Warte noch Warte noch ein kleines Weilchen, Liebe Sonne, lieber Wind! Bis die Primeln und die Veilchen Auf der Wiese kommen sind. Wasser fließen, Wolken eilen... Sieh, am Bache erstes Grün! Liebes Herz, wo wirst du weilen, Wenn die ersten Rosen blühn? Tage der Rosen Noch ist die blühende, goldene Zeit, O, du schöne Welt, wie bist du so weit! Und so weit ist mein Herz und so klar wie der Tag, Wie die Lüfte, durchjubelt von Lerchenschlag! Ihr Fröhlichen singt, weil das Leben noch mait: Noch ist die schöne, die blühende Zeit, Noch sind die Tage der Rosen! Frei ist das Herz, und frei ist das Lied, Und frei ist der Bursch, der die Welt durchzieht, Und ein rosiger Kuß ist nicht minder frei, So spröd' und verschämt auch die Lippe sei. Wo ein Lied erklingt, wo ein Kuß sich beut, Da heißt's: Noch ist blühende, goldene Zeit, Noch sind die Tage der Rosen! Ja, im Herzen tief innen ist alles daheim, Der Freude Saaten, der Schmerzen Keim. Drum frisch sei das Herz und lebendig der Sinn, Dann brauset ihr Stürme daher und dahin! Wir aber sind allzeit zu singen bereit: Noch ist die schöne, goldene Zeit, Noch sind die Tage der Rosen! Die harte Nuß Das Weib ist eine harte Nuß, Die man aufbeißen muß, Dem Manne Gott genad, Der keine Zähne mehr hat! Drei himmlische Schreine Drei himmlische Schreine Stehen hienieden: Eine Wiege voll Träume, Ein Bett voll Wonnen, Ein Sarg voll Frieden. Der Goldschmied Schon fleißig, lieber Goldschmied? Guten Morgen Ein bißchen, lieber Nachbar, guten Morgen! — Klopf, klopf! Was wird denn geschmiedet so laut? Ich schmiede ein Ringlein meiner Braut. Das Ringlein wird glänzend und klar, Ich führe sie bald zum Altar, — Klopf, klopf, klopf! Noch fleißig, lieber Goldschmied, guten Abend! Ich bin nicht mehr Goldschmied, guten Abend! — Klopf, klopf! Was wird denn geschmiedet so laut? Ich schmiede ein Kreuzlein meiner Braut, Ein eisernes Kreuzlein fürs Grab, Wir senken sie morgen hinab. Klopf, klopf, klopf! Arbeitergruß Vom nahen Eisenwerke, Berußt, mit schwerem Gang, Kommt mir ein Mann entgegen, Den Wiesenpfad entlang. Mit trotzig finstrer Miene, Wie mit sich selbst im Streit, Greift er nach seiner Mütze — Gewohnheit alter Zeit. Es blickt dabei sein Auge Mir musternd auf den Rock, Und dann beim Weiterschreiten Schwingt er den Knotenstock. Ich ahne, was im Herzen Und was im Hirn ihm brennt: „Das ist auch einer,“ denkt er, „Der nicht die Arbeit kennt, Lustwandelnd hier im Freien, Verdaut er üpp'ges Mahl, Indes wir darbend schmieden Das Eisen und den Stahl. Er sucht den Waldesschatten, Da wir am Feuer stehn Und in dem heißen Brodem Langsam zu Grunde gehn. Der soll es noch erfahren, Wie es dem Menschen tut, Muß er das Atmen zahlen Mit seinem Fleisch und Blut!“ Verziehen sei dir alles, Womit du schwer mich kränkst — Verziehen sei dir gerne; Du weißt nicht, was du denkst; Du hast ja nie erfahren — Des Geistes tiefes Müh'n, Du ahnst nicht, wie die Schläfen Mir heiß vom Denken glühn. Du ahnst nicht, wie ich hämm're Und feile Tag für Tag — Und wie ich mich verblute Mit jedem Herzenschlag! Die Teppichklopferinnen Die Mägde klopfen Teppiche im Hofe, Fünf stramme Mägde aus dem Vorderhaus. Selbst aus dem ersten Stock die Kammerzofe Zog heut dazu ihr enges Mieder aus. Ich hör' die Schläge in mein Zimmer dringen. Ich schau' hinaus; ein freundlich Sommerbild! Die nackten Arme, die die Stöcke schwingen, Die roten Wangen, drin das Leben quillt; Die jungen Brüste unterm dünnen Jäckchen, Dazu der Himmel blau und farbensatt, Durchs Laub verteilt, auf allen Sonnenfleckchen: Ein Stück Natur inmitten dieser Stadt. Sie fühlen nicht, wie mir beim harten Schalle Vom Hofe Landluft in die Seele dringt; Doch horch! Was ist's? Auf einmal singen alle: Ein Lied, wie man's im Dorf beim Dreschen singt! Zug des Schicksals Großvater war noch die alte Rasse, Fuhr gedrückt in der vierten Klasse; Saß auf dem Rucksack mit Fellen und Häuten, Manchmal durft ihn sein Junge begleiten. Als sich der Junge sein Eignes erstritten, Fährt er natürlich schon in der dritten. War es gerade in Ferienzeiten, Durft ihn sein Sohn mit der Brille begleiten. Nun macht der Sohn, Herr Doktor und weise, Zweiter Klasse die Hochzeitsreise: Dessen Sohn, so geht es eben, Wird wieder vierter Klasse leben. Mädchenbitte Laßt mich vorübergehn, Die Augen niedergeschlagen. Mir ist ein Leid geschehn. Nicht fragen, ach, nur nicht fragen! Mich hat ein Weh erschreckt, Ich hab einen Gram zu tragen. Laßt ihn nur zugedeckt! Nicht fragen, ach, nur nicht fragen. Das arme Ding Das arme Ding! Wer wird sie frein? Kein Gold! Nur goldner Locken Schein! Nur reich an süßer Demut Zier! Das arme Ding — wer wagt's mit ihr? Ihr lieblich-leises Lächeln mahnt: „Ich bin viel reicher, als ihr ahnt! Mein Herz, viel holde Güter hat's.“ — — Wer hebt ihn, den verborgnen Schatz? Wer schenkt ihn ihr, den Zauberring? Wer wagt es mit dem armen Ding? Mit einem Hammerschlag Wie neid' ich Tag für Tag Den rauhen Arbeitsmann! Mit einem Hammerschlag Fängt er sein Tagwerk an. Mit einem Hammerschlag Darf er sein Werk beginnen. Und ich muß mühsam, zag, Haltlose Fäden spinnen! Hätt' ich der Kräfte Stahl, O hätt' ich Mut und Stärke! Ich schüfe so gern einmal An einem ehernen Werke! Mit lachenden Augen dann Grüßt ich den jungen Tag Und finge mein Tagwerk an Mit einem Hammerschlag! Unter Genesenen Es geht sich gar gut zwischen Gräberreih'n — Lauter entfesselte Herzen! Lauter geheilte, verwundene Pein! Lauter vergangene Schmerzen! Des Lebens fiebernder Kampf vorbei, Dahin der Druck des Gewesenen — — — Es geht sich gar friedlich, gar gut, gar frei Unter lauter Genesenen! Nachtigall Wenn ich zur Nacht aus dem Wirtshaus hinke, Wo ich Geld und Verstand vertrinke, Wie meine Mutter und teure Magen Mir des öftern belieben zu sagen, Dann hör' ich wohl auch, wie Tausende schon, Der Nachtigall lüsternen Klageton; Das zittert so hell aus lauterer Kehle, Und dringt so hinein in die Menschenseele. Da steh' ich auf altem Paradeplatze, Hängenden Schweifes schleicht eine Katze — Und ich denk' an mein weibliches Ideal, Das aus hundert Weibern zusammen ich stahl — Und denk' an die Esel vergangener Zeit, An des Glückes notorische Schlüpfrigkeit, Und mir ist, als könnt' ich da unten auf Erden Noch einmal riesig glücklich werden. Traurige Geschichte Ich gab mein Herz einem blonden Kind. Sie nahm's und lachte. Ich wußte nicht, wie die Kinder sind, Ich freute mich und dachte: „Nun legt sie's zärtlich in den Schrein Und wird es wahren.“ Sie aber warf's in den Tag hinein. Der Stundenwagen fuhr polternd drein: Da ward es überfahren. Die arme Braut Ein einfach Kleid, im braunen Haar Ein Myrtenkränzchen, schlicht und klein, Am Finger noch ein schmaler Reif — Soll dies dein ganzer Brautschmuck sein? Und darum hast du manche Nacht Mit Müh' und Arbeit hingebracht, Bis du's erwarbst? Du blasse Braut, Wie bist du arm! Und doch im tiefsten Herzen trägst Du einen Schatz, dir unbewußt: In treuer Liebe Hochgefühl Voll frommen Danks wogt deine Brust. Dir trüben nicht den klaren Blick Erlog'ne Lieb, erborgtes Glück... Mit dir ist Gott, du blasse Braut, Wie bist du reich! Der Trompeter Wie stolz und stattlich geht er! Wie adlig ist sein Mut! Er ist nur ein Trompeter, Und doch bin ich ihm gut. Und hätt' er sieben Schlösser, Er säh' nicht schmucker drein, — Ach Gott, und doch wär's besser, Er würd' ein andrer sein! Ach, wär' er doch ein Ritter, Ein Ritter vom goldenen Vließ! — O Lieb', wie bist du bitter, O Lieb', wie bist du süß! Dörpertanzweise Den Finken des Waldes die Nachtigall ruft: „Von Geigenstrich schallt es goldrein durch die Luft, Ihr Zwitscherer, ihr Schreier, nun spart den Diskant, Der Heini von Steier ist wieder im Land!“ Flickschuster im Gaden schwingt's Käpplein und spricht: „Der Himmel in Gnaden vergißt unser nicht, Sohlleder wird teuer, Bundschuh platzt am Rand, Der Heini von Steier ist wieder im Land.“ Schon schwirren zur Linde, berückt und entzückt, Die lieblichen Kinder, mit Kränzen geschmückt: „Wo säumen die Freier? Manch Herz steht in Brand... Der Heini von Steier ist wieder im Land.“ Und wer schürzt mit Schmunzeln den Rock sich zum Sprung? Großmutter in Runzeln, auch sie wird heut jung... Sie stelzt wie ein Reiher dürrbeinig im Sand... Der Heini von Steier ist wieder im Land! Der Hirt läßt die Herde, der Wirt läßt den Krug, Der Knecht läßt die Pferde, der Bauer den Pflug, Der Vogt und der Maier kommt scheltend gerannt: „Der Heini von Steier ist wieder im Land!“ Der aber hebt schweigend die Fiedel zur Brust... Halb brütend, halb geigend — des Volks unbewußt, Leis knisternd strömt Feuer um Saiten und Hand... Der Heini von Steier ist wieder im Land! ... Im Gärtlein der Nonnen auf blumiger Höh' lehnt eine am Bronnen und weint in den Klee: „O Gürtel und Schleier... o schwarzes Gewand... Der Heini von Steier ist wieder im Land!“ Im Zimmer Herbstsonnenschein. Der liebe Abend lacht so still herein. Ein Feuerlein rot Knistert im Ofenloch und loht. So! — Mein Kopf auf deinen Knie'n. — So ist mir gut; Wenn mein Auge so in deinem ruht, Wie leis die Minuten zieh'n!... Reifer Sommer Die Peitsche pfeift, es klirrt der Sporn, Die Renner streifen durch das Korn, Das im Sommerwinde wogt und wellt. Ein Schuß. Aus heißem Sattel fällt Der vorderste der Reiter fällt ins gelbe Korn, Rotblutend ins gelbe Korn, Das im Sommerwinde wogt und wellt. Die Hufen trommeln, die Schollen fliegen, Rufen, Blitzen, Wiehern im Wald... und tiefe Stille... In der Ackerfurche dort bleibt er liegen, Die Lippen brechen, sprechen: „...dein Wille — “ Im Bügelriemen noch hängt sein Sporn; Und neben ihm auf sonnenhellem Feld Rauft noch sein Gaul in hohem Korn, Das im Sommerwinde wogt und wellt. Vom Scheiden Wenn dir ein Mägdlein recht gefällt, Und sie nimmt einen andern, Dann heißt es in die weite Welt Zu wandern. Da draußen viele Mädchen sind, So viele blond und braune, Als Rosen blüh'n im Maienwind Am Zaune. Mit neuem Glück an neuem Ort Zufrieden sind die mehrsten, Oft treibt ein zweiter Nagel fort Den ersten. Doch wenn die Kur dir schlecht gelingt, So werde Kapuziner, Und wenn kein Ablaß Frieden bringt, Trink' Valtelliner. Trink' aus, und würf'le bei Morgenrot Um Dirnen mit blankem Messer — Stäch' dich vorher ein Landsknecht tot, Wär's besser. Und tut er's nicht, so zeche fort, Doch wirf hinaus auf die Gasse Die Menschen mit ihrem Krämerwort, Daß Liebe sich heilen lasse... Wenn dir ein Mägdlein recht gefällt Und sie nimmt einen andern, Dann ist's am besten, aus der Welt Zu wandern. Spielmannslied Drei Rosen gab sie mir, drei Küsse — Sie sprach von Lieb' und ew'ger Treu, Es blühten Flieder und Narzisse, Die Grillen sangen fern im Heu. Und eh' die Rosen welk im Glase, Und eh' zu End' die Junizeit, Da hatten Eltern und Frau Base Sie einem reichen Mann gefreit. Und Tags darauf lag mir zu Füßen Die Heimatstadt im Abendstrahl, Die Rosen warf als letztes Grüßen Hinunter ich ins tiefe Tal. Doch die drei Küsse gab ich weiter — Und ward ein Spielmann wohlbekannt, Der fiedeln geht, bald ernst, bald heiter, Von Tür zu Tür, von Land zu Land. Letzter Tag Es glüht im Fieber das graue Haus, Lichtstreifen fallen breit hinaus Auf die sommeröden Gassen; Es flammt der Saal von Kerzen ganz, Und wir beide tanzen den letzten Tanz, Eh' wir uns müssen lassen. Ich bin gezogen von Meer zu Meer, Und als ich heimkam, die Taschen schwer, Warst du die Braut eines andern; Die Spatzen riefen's von jedem Dach, Die Basen zischten und riefen's nach: Das kommt vom Wandern, vom Wandern. Wir tanzen, als habe der Tod dich gepackt, Es fegt deine Schleppe, spitzengezackt, In welken Orangenzweigen, Schon geht der Zeiger auf Mitternacht, Dein junger Gemahl, er sieht's und lacht — Es schluchzen so wild die Geigen... Ich wollte, wir irrten im nordischen Land, Von keinem geliebt, von keinem gekannt, Im Schneesturm über die Heide, Und daß du ruhtest unbewußt In meinem Mantel, an meiner Brust, Und daß wir stürben beide. Tiefblaue Veilchen Ich sah es wie gestern. Ein Sommertag Verblutend auf den Hügeln lag, Sie barg, erschreckt, am Elternhaus Ins Haar den welkgeküßten Strauß Von blauen Veilchen; Wir kamen vom ersten Stelldichein, Sie sprach: „Dein eigen will ich sein, Wart' nur ein Weilchen!“ Da griff in die Speichen ich jubelnd dem Glück, Das warf mich zum Straßenrand zurück. In Mädchenherzen liest, wer's kann, — Sie nahm den andern, den reichen Mann. Jetzt geh' ich, sobald ich Muße hab', Vor's Tor hinaus auf ihr grünes Grab; Die Schwalben zwitschern im Abendgold, Ein Kinderlachen schallt fremd und hold, Die Welt steht voller Veilchen. Ich male mit des Krückstocks Rand Den lieben Namen in den Sand... Wart' noch ein Weilchen! O Deutschland! Mondschein und Giebeldächer In einer deutschen Stadt — Ich weiß nicht, warum der Anblick Mich stets ergriffen hat. Da drüben beim Lampenscheine, Da starrt ein Jüngling ins Licht, Und schwärmt und schluchzt und empfindet Sein erstes und bestes Gedicht. Dort sitzt eine junge Mutter, Die wiegt ihr Kind zur Ruh, Sie lächelt und singt und betet, Und singt ein Lied dazu. Es blickt auf die mondhellen Giebel Tiefsinnend ein Greis hinaus, Er hält in der Hand eine Bibel, Drin liegt ein welker Strauß. Die Bäume rauschen, es funkeln Die Sterne ab und zu; Dort unten liegen die dunkeln Häuser in tiefer Ruh'. Es plätschert in alter Weise Am Simonsplatze der Born, Von weitem tutet leise Der Wächter in sein Horn. O Deutschland! mir hat's gefallen In manchem fremden Land — Dir aber hat Gott vor allen Das beste Teil erkannt. Du lebst und schwärmst und dämmerst In tiefster Seelenruh', Indeß du Eisen hämmerst, Singst du ein Lied dazu. O lasse dir niemals rauben Die alte Schwärmerei Für Frauen, für Freiheit und Glauben — Bleib' unentwegt dabei. Und schöpfe aus Sang und Sage Gemüt und Frömmigkeit Und Kraft zu wuchtigem Schlage In alle Ewigkeit. Frühlingslied in der Stadt Der Frühling weiß zu finden Mich tief in Stadt und Stein, Gießt mir ins Herz den linden Fröhlichen Hoffnungsschein. Manch' grüne Wipfel lauschen Zwischen den Dächern vor, Ein Lerchenklang durchs Rauschen Der Stadt schlägt an mein Ohr. Ein Schmetterling als Bote Flattert im Wind vorbei, Hinschwebend über das tote Steinerne Einerlei. Wie ist das Leben bitter arm Wie ist das Leben bitter arm! Für so viel Liebe, so viel Harm, Für so viel Jahre, trüb verbracht, Für so viel Nächte, schwer durchwacht; Ein Gruß aus Tränen leis und matt, Ein Druck der Hand, ein Rosenblatt. Und doch — die Welle schwillt und treibt; Wer ahnt, was kommt? Wer weiß, was bleibt? Ob mir nicht nah' der Tag gerückt, An welchem mich allein beglückt Die welke Rose tief im Schrein Und jener Tränen Wiederschein! Kinder der Erde Glühend im goldenen Abendschein, Ruhen die Wiesen und Wälder; Frischer Atem aus schattigem Hain Streift über wogende Felder. Bläulich wiegt sich im duftigen Hauch Blühender Flachs in der Runde — Sehnende Seele, nun ruhe du auch, Freu' dich der friedlichen Stunde! Glühend im goldenen Abendschein, Schwanken die wallenden Halme; Auf das dämmernde Erdensein Neigt ein Engel die Palme. „Heilige Scholle, schenke uns Brot!“ Beten die Kinder der Erde; Gott im scheidenden Abendrot Haucht sein unsterbliches Werde. An Anfrag A Bauer hat drei Buabn im Feld, Sie lassen gar nix hör'n, Jetzt is er halt nach München 'nein Zum Fragen in d' Kasern. „Wie geht's mein Toni?“ hat er g'fragt Den mag er halt vor allen; Da schaugen's nach und sagen's ihm: „Der is bei Wörth drin g'fallen.“ „O mein Gott, mei! — und unser Hans?“ „Der is mit siebzig Mann Bei Sedan g'fallen.“ — „Und der Sepp?“ „Der liegt bei Orleans!“ Der Alte sagt koa Wort und geht. Er hebt sich an am Kasten, Am Stuhl, am Türg'schloß, an den Stieg'n — Er muaß a weni rasten. Drunt' auf der Staffel vor'n Haus Da is er niederg'sessen, Er halt sein Hut no in der Hand, Er hat auf all's vergessen. Es gengant wohl viel tausend Leut, Viel hundert Wag'n vorbei! Der Vater sitzt no allweil dort... „Drei Buabn und — alle drei!“ Im Torweg Es glänzt die laue Mondnacht, Die alten Wipfel ragen, Das Bündel ist zurecht gemacht, Im Torweg steht der Wagen. Und unterm Torweg standen zwei, Kein dritter stand daneben, Die sprachen noch von Lieb und Treu — Dann geht's hinaus ins Leben. Das letzte Röslein gab sie ihm Und gab ihm beide Hände Und küßt ihn sacht — und wie er ging, Da ging ihr Trost zu Ende. Der Hufschlag dröhnt, das Posthorn schallt, Durchs Tor hin rollt der Wagen. Ihr war, als hätt' er all ihr Glück Im Bündel fortgetragen. Leid Hab' einen Traum begraben; Was liegt denn wohl daran, Da man in diesem Leben Viel Träume träumen kann. Hab' einen Schatz verloren, Was liegt denn wohl daran, Da man in diesem Leben Viel Schätze gewinnen kann. Ich hab' ein Leid gewonnen, Das drückt mein Herz so sehr, Und auf der ganzen Erde Kein größeres find'st du mehr. Die Nixe Die Nixe liegt im Meeresgrund Und dehnt die weißen Glieder: „Nach Küssen seufzt mein roter Mund, Will auf zur Erde wieder. Dort wartet mein des Grafen Sohn In brennend heißer Minne, Ich geb' ihm seiner Sehnsucht Lohn Und raub' ihm Herz und Sinne.“ Die Nixe streift den grünen Tang Aus ihren gold'nen Haaren, Mit süßem, seligem Gesang Beginnt sie aufzufahren. Zum Strande strebt ihr junger Leib, Dort glüht so helle Sonne, Und Erdensohn und Meeresweib Sind eine einz'ge Wonne. Sommermittag Nun ist es still um Hof und Scheuer, Und in der Mühle ruht der Stein; Der Birnenbaum mit blanken Blättern Steht regungslos im Sonnenschein. Die Bienen summen so verschlafen; Und in der offnen Bodenluk', Benebelt von dem Duft des Heues, Im grauen Röcklein nickt der Puck. Der Müller schnarcht und das Gesinde, Und nur die Tochter wacht im Haus; Die lachet still und zieht sich heimlich, Fürsichtig die Pantoffeln aus. Sie geht und weckt den Müllerburschen, Der kaum den schweren Augen traut; „Nun küsse mich, verliebter Junge; Doch sauber, sauber! nicht zu laut.“ Elisabeth Meine Mutter hat's gewollt, Den Andern ich nehmen sollt'; Was ich zuvor besessen, Mein Herz sollt' es vergessen; Das hat es nicht gewollt. Meine Mutter klag' ich an, Sie hat nicht wohlgetan; Was sonst in Ehren stünde, Nun ist es worden Sünde, Was fang' ich an! Für all' mein Stolz und Freud' Gewonnen hab' ich Leid. Ach, wär' das nicht geschehen, Ach, könnt' ich betteln gehen Über die braune Heid'! Nelken Ich wand ein Sträußchen des Morgens früh, Das ich der Liebsten schickte; Nicht ließ ich sagen ihr, von wem, Und wer die Blumen pflückte. Doch als ich abends kam zum Tanz, Und tat verstohlen und sachte, Da trug sie die Nelken am Busenplatz, Und schaute mich an und lachte. Oktoberlied Der Nebel steigt, es fällt das Laub, Schenk' ein den Wein, den holden! Wir wollen uns den grauen Tag Vergolden, ja vergolden. Und geht es draußen noch so toll, Unchristlich oder christlich, Ist doch die Welt, die schöne Welt So gänzlich unverwüstlich! Und wimmert auch einmal das Herz, — Stoß an und laß es klingen! Wir wissen's doch, ein rechtes Herz Ist garnicht umzubringen. Der Nebel steigt, es fällt das Laub, Schenk ein den Wein, den holden! Wir wollen uns den grauen Tag Vergolden, ja vergolden. Wohl ist es Herbst, doch warte nur, Doch warte nur ein Weilchen! Der Frühling kommt, der Frühling lacht, Es steht die Welt in Veilchen. Die blauen Tage brechen an; Und ehe sie verfließen, Wir wollen sie, mein wackrer Freund, Genießen, ja genießen! Abschied (1853) Kein Wort, auch nicht das kleinste kann ich sagen, Wozu das Herz den vollen Schlag verwehrt; Die Stunde drängt, gerüstet steht der Wagen, Es ist die Fahrt der Heimat abgekehrt. Geht immerhin — denn eure Tat ist euer — Und widerruft, was einst das Herz gebot; Und kauft, wenn dieser Preis euch nicht zu teuer, Dafür euch in der Heimat euer Brot! Ich aber kann des Landes nicht, des eignen, In Schmerz verstummte Klagen mißverstehn; Ich kann die stillen Gräber nicht verleugnen, Wie tief sie jetzt in Unkraut auch vergehn. — Du, deren zarte Augen mich befragen, — Der dich mir gab, gesegnet sei der Tag! Laß nur dein Herz an meinem Herzen schlagen, Und zage nicht! Es ist derselbe Schlag. Es strömt die Luft — die Knaben stehn und lauschen, Vom Strand herüber dringt ein Möwenschrei; Das ist die Flut! das ist des Meeres Rauschen; Ihr kennt es wohl! wir waren oft dabei! Von meinem Arm in dieser letzten Stunde Blickt einmal noch ins weite Land hinaus, Und merkt es wohl, es steht auf diesem Grunde, Wo wir auch weilen, unser Vaterhaus. Wir scheiden jetzt, bis dieser Zeit Beschwerde Ein andrer Tag, ein besserer, gesühnt; Denn Raum ist auf der heimatlichen Erde Für Fremde nur, und was den Fremden dient. Doch ist's das flehendste von den Gebeten, Ihr mögt dereinst, wenn mir es nicht vergönnt, Mit festem Fuß auf diese Scholle treten, Von der sich jetzt mein heißes Auge trennt! — Und du, mein Kind, mein jüngstes, dessen Wiege Auch noch auf diesem teuren Boden stand, Hör' mich, denn alles andere ist Lüge! Kein Mann gedeihet ohne Vaterland! Kannst du den Sinn, den diese Worte führen, Mit deiner Kinderseele nicht verstehn, So soll es wie ein Schauer dich berühren Und wie ein Pulsschlag in dein Leben gehn! Bettlerliebe O laß mich nur von ferne stehn Und hangen stumm an deinem Blick; Du bist so jung, du bist so schön, Aus deinen Augen lacht das Glück. Und ich so arm, so müde schon, Ich habe nichts, was dich gewinnt. O wär' ich doch ein Königssohn, Und du ein arm verlornes Kind! Über die Heide Über die Heide hallet mein Schritt; Dumpf aus der Erde wandert es mit. Herbst ist gekommen, Frühling ist weit — Gab es denn einmal selige Zeit? Brauende Nebel geisten umher, Schwarz ist das Kraut, und der Himmel so leer, Wär' ich hier nur nicht gegangen im Mai! Leben und Liebe — wie flog es vorbei! Die Tote I. Du glaubtest nicht an frohe Tage mehr, Verjährtes Leid ließ nimmer dich genesen; Die Mutterfreude war für dich zu schwer, Das Leben war dir gar zu hart gewesen. Er saß bei dir in letzter Liebespflicht; Noch eine Nacht, noch eine war gegeben! Auch die verrann; dann kam das Morgenlicht. „Mein guter Mann, wie gerne wollt' ich leben!“ Er hörte still die sanften Worte an, Wie sie sein Ohr in bangen Pausen trafen: „Sorg für das Kind — ich sterbe, süßer Mann.“ Dann halbverständlich noch: „Nun will ich schlafen.“ Und dann nichts mehr; du wurdest nimmer wach, Dein Auge brach, die Welt ward immer trüber; Der Atem Gottes wehte durchs Gemach, Dein Kind schrie auf, und dann warst du hinüber. II. Das aber kann ich nicht ertragen, Daß so wie sonst die Sonne lacht; Daß wie in deinen Lebenstagen Die Uhren gehn, die Glocken schlagen, Einförmig wechseln Tag und Nacht; Daß, wenn des Tages Lichter schwanden Wie sonst der Abend uns vereint; Und daß, wo sonst dein Stuhl gestanden, Schon andre ihre Plätze fanden Und nichts dich zu vermissen scheint; Indessen von den Gitterstäben Die Mondesstreifen schmal und karg In deine Gruft hinunterweben Und mit gespenstig trübem Leben Hinwandeln über deinen Sarg. Schließe mir die Augen beide Schließe mir die Augen beide Mit den lieben Händen zu! Geht doch alles, was ich leide, Unter deiner Hand zur Ruh'. Und wie leise sich der Schmerz Well' um Welle schlafen leget, Wie der letzte Schlag sich reget, Füllest du mein ganzes Herz. Juli Klingt im Wind ein Wiegenlied, Sonne warm herniedersieht, Seine Ähren senkt das Korn, Rote Beere schwillt am Dorn, Schwer von Segen ist die Flur — Junge Frau, was sinnst du nur? Die Nachtigall Das macht, es hat die Nachtigall Die ganze Nacht gesungen; Da sind von ihrem süßen Schall, Da sind in Hall und Widerhall Die Rosen aufgesprungen. Sie war doch sonst ein wildes Kind; Nun geht sie tief in Sinnen, Trägt in der Hand den Sommerhut Und duldet still der Sonne Glut, Und weiß nicht, was beginnen. Das macht, es hat die Nachtigall Die ganze Nacht gesungen; Da sind von ihrem süßen Schall, Da sind in Hall und Widerhall Die Rosen aufgesprungen. In der Nacht Es schlafen still die Meinen In Frieden um mich her, Ich aber möchte weinen, Weil mir das Herz so schwer. Ich hab' an Gottes Treue Und meine Schuld gedacht, Nun wacht in mir die Reue In einsam stiller Nacht. Die Sorge Frau Sorge, die graue, verschleierte Frau, Herzliebe Eltern, ihr kennt sie genau, Sie ist ja heute vor dreißig Jahren Mit euch in die Fremde hinausgefahren, Da der triefende Novembertag Schweratmend auf nebliger Heide lag Und der Wind in den Weidenzweigen Euch pfiff den Hochzeitsreigen. Als ihr nach langen, bangen Stunden Im Littauerwalde ein Nest gefunden Und zagend standet an öder Schwelle, Da war auch Frau Sorge schon wieder zur Stelle Und breitete segnend die Arme aus Und segnete euch und euer Haus Und segnete die, so in den Tiefen Annoch den Schlaf des Nichtseins schliefen. Es rann die Zeit. — Die morsche Wiege, Die jetzt im Dunkel unter der Stiege Sich freut der langverdienten Rast, Sah viermal einen neuen Gast. Dann, wenn die Abendglut verblichen, Kam aus dem Winkel ein Schatten geschlichen Und wuchs empor und wankte stumm Erhobenen Arms um die Wiege herum. Was euch Frau Sorge da versprach, Das Leben hat es allgemach In Seufzen und Weinen, in Not und Plage, Im Mühsal trüber Werkeltage, Im Jammer manch durchwachter Nacht Ach! so getreulich wahr gemacht. Ihr wurdet derweilen alt und grau, Und immer noch schleicht die verschleierte Frau Mit starrem Aug' und segnenden Händen Zwischen des Hauses armen vier Wänden, Vom dürftigen Tisch zum leeren Schrein, Von Schwelle zu Schwelle aus und ein, Und kauert am Herde und bläst in die Flammen Und schmiedet den Tag mit dem Tage zusammen. Herzliebe Eltern, drum nicht verzagt! Und habt ihr euch redlich gemüht und geplagt Ein langes, schweres Leben lang, So wird auch euch bei der Tage Neigen Ein Feierabend vom Himmel steigen. Wir Jungens sind jung — wir haben Kraft, Uns ist der Mut noch nicht erschlafft, Wir wissen zu ringen mit Not und Mühn, Wir wissen, wo blaue Glücksblumen blühn; Bald kehren wir lachend heim nach Haus' Und jagen Frau Sorge zur Tür hinaus. Aus dem Ei gekrochen Sprich, kleine Maid, was willst du sein? Ich? Mutter will ich werden! Zwölf Buben will ich, groß und klein Und Mädchen, ganze Herden. Mein Bruder, der wird ein Soldat, Und will ich Kinder haben, Ich geh' spazieren durch die Stadt, Mit allen meinen Knaben. Das Kleinste trag' ich auf dein Arm, Wie meine Puppe eben, Ich hüll' es ein und halt' es warm, Muß ihm zu trinken geben. Wie meine Mutter bin ich bald, Die hat auch viele Kinder; Ach! wär' ich doch wie du so alt, Dann hätt' ich sie geschwinder! Wenn du ein Herz gefunden Wenn du ein Herz gefunden, Das treu mit dir es meint, In gut und bösen Stunden Bleib' eng mit ihm vereint! Hörst du's an deinem schlagen, Nichts schönres hörst du je, Auf Händen mußt du's tragen, Und nimmer tu' ihm weh! Heut' darfst du's dein noch nennen — Was du in ihm umfaßt, Willst du's zu spät erkennen, Wenn du's verloren hast?! Kleine Marie Marie auf der Wiese, Auf der Wiese Marie, Alle Gräser und Blumen Sind größer als sie. Mir wird schon ganz bang, Weil ich nirgend sie seh'. Ich hab' sie verloren, Verloren im Klee. Zwischen Sternblumen weiß Und den Glocken so blau Und den goldenen Ranunkeln, Ei, was ich da schau'! Das ist keine Sternblum', Ein Köpflein ist das, Ich hab' sie gefunden, Gefunden im Gras. Hasensalat Morgens in den Garten trat Liese, klein und niedlich, Saß ein Häschen im Salat, Schmaust und tat sich gütlich. Liese sprach: „Du armes Tier, Wart' einmal, indes ich Lauf ins Haus und hole dir Zum Salat den Essig!“ Kommt zurück schon mit dem Krug — Niemals lief sie schneller — Essig gießt sie jetzt genug Auf den Hasenteller. „Lieselchen, ich danke dir,“ Sprach der kleine Fresser, „Eigentlich doch sckmeckt es mir Ohne Essig besser!“ Mutter „Mutter,“ schallt es immerfort Und fast ohne Pause. „Mutter“ hier und „Mutter“ dort In dem ganzen Hause. Überall zugleich zu sein, Ist ihr nicht gegeben, Sonst wohl hätte sie, ich mein', Ein bequemer Leben. Jedes ruft, und auf der Stell Will sein Recht es kriegen, Und sie kann doch nicht so schnell Wie die Schwalben fliegen. Ich fürwahr bewund're sie, Daß sie noch kann lachen, Was allein hat sie für Müh', Alle satt zu machen. Kann nicht einen Augenblick Sich zu ruhn erlauben; Und das hält sie gar für Glück Sollte man es glauben? Es wird gesucht Es wird gesucht ein junger Gesell, Der das Herz hat auf der rechten Stell', Wohlgestaltet und gut zu schauen, Und dem man gern mag etwas vertrauen, Der sich nicht fürchtet vor der Welt, Seinen Freunden die Treue hält, Der was gelernt hat und weiß und kann, Sich geschickt stellt und fleißig an, Gegen Jungfrauen ist bescheiden, Hochmut und Lüge nicht mag leiden, Gern anhört gute Lehre Und nicht auf Geld sieht, sondern auf Ehre. Es wird gesucht ein Jungfräulein, Von Antlitz lieblich, von Sitten fein, Das emsig sich wie ein Bienlein regt, Nicht eitel ist, doch sich zierlich trägt, Das zu reden weiß und zu schweigen, Ordnung zu halten in ihrem Eigen, In Küch' und Keller weiß Bescheid, Mägden gebietet mit Freundlichkeit, Das frommen Sinnes und klug dabei, Ein fröhlich Herz hat, von Falschheit frei, Sich nicht zieren mag, noch verstell'n: Das ist bestimmt für den jungen Gesell'n, Sich ihm fürs Leben zu verbinden — Wolle Gott, daß sie einander finden. Selige Menschen Selig sind, die reines Herzens sind, Ihren Blick verzehrt nicht Nacht noch Ferne, Wunschlos gehn sie, wunschlos wie die Sterne, Mit den Augen, die wie Märchen sind. Und sie haben eine heilige Macht, Um sie her sind schöne, fromme Träume, Wo sie weilen, lichten sich die Räume, Und die Stürme werden keusch und sacht. Wo sie wandeln, gibt's kein Dornenweh, Und die Blumen neigen sich und grüßen, Und der Weg wird weich vor ihren Füßen, Daß sie hingehn wie auf Blütenschnee... Nachtbildchen Es kreuzen sich drei Gassen Am alten Lindenbaum, Der Vollmond gießt den blassen Goldschein aus blauem Raum. Die Menschen in den spitzen Schlafmützen kommen für, Gespräche haltend sitzen Sie lang' noch vor der Tür. Im Schirme der gerühmten Stadtscharwacht ist gut ruhn! Mondhell glühn die geblümten Schlafröcke von Kattun. — Nachtwächterhorngeschmetter Scheucht all' ins Bett mit Macht, Und Nachbar, Bas' und Vetter Sie wünschen sich: Gut Nacht. Zu spät Sie haben dich fortgetragen, Ich kann es dir nicht mehr sagen, Wie oft ich bei Tag und Nacht Dein gedacht. Dein und was ich dir angetan Auf dunkler Jugendbahn. Ich habe gezaudert, versäumet, Hab' immer von Frist geträumet; Über den Hügel der Wind nun weht: Es ist zu spät! Rahel von Toledo I. „Wenn du gehst, mein Herr und König, O, verweile nicht zu lange, Jeden Tag, an dem du fort bist, Wird sich bleichen meine Wange. Wang' und Lippen, die du nanntest Deine Rosen, Purpurnelken, Ach, der Schönheit Blumen werden, Bist du fern, vor Gram verwelken. Ärmer dann wie Bettlerinnen Bin ich, fehlt mir diese Gabe, Da ich weiter nichts als Schönheit Dir und Lieb' zu bieten habe. Tochter eines fremden Stammes, Ohne Freunde, arm, verlassen, Weiß ich, wie mir alle fluchen, Dich um meinetwillen hassen! Nur die scheue Taube bin ich, Die des Aares Schwingen decken; Bist du fern, so wird der Geier Nächtlich finstre Brut mich schrecken. Ist mir's doch, als ob ich lauern Schon im wilden Schwarm sie sehe, Sicher ist allein die Taube In des Königsadlers Nähe. Ja! ich seh' auf deiner Stirne Einen liebenden Gedanken, Sehe, wie mich zu verlassen, Schon beginnt dein Herz zu schwanken. Doch die Jagd ist deine Freude, Laut erklingen die Fanfaren, Rüden bellen, und im Hofe Deiner Hengste Hufe scharren. Gebe selbst dir Helm und Lanze, Geh, mein König, sei beschworen, Der um mich des Lebens Freuden Schon so viele hat verloren. Nimm das Hifthorn, nimm den Fänger Mein Gebieter, sieh, ich flehe, Fleh' auf Knien, weil' nicht länger, Geh, mein Herr und König, gehe!“ II. Zögernd ist er fortgegangen, Hat sich auf das Roß geschwungen, Und sie blickt ihm nach vom Söller, Bis der Hufschlag längst verklungen! Sieht den Staub des fernen Weges Heben sich und wieder senken, Und wie Roß und Reiter schwinden, Muß sie ferner Zeit gedenken. Wieder schleicht, sie arm, verspottet, Durch Toledos enge Gassen, Eine Waise, Kind des Volkes, Daß die Nazerener hassen. Ach, da kam ein Tag des Schreckens, Todesangst in bleichen Mienen Fliehn die Juden, Christenpöbel, Schwerter schwingend, hinter ihnen. Und auch Rahel flieht — mit Schaudern Sieht sie türmen rings sich Leichen, Und sie fühlt die Kräfte schwinden, Schon die Feinde sie erreichen. Keine Rettung mehr, da plötzlich Naht ein Ritter, hoch zu Rosse, Und sie wirft sich vor ihm nieder: „Schirm uns vor der Meut'rer Trosse!“ Jener Ritter war der König — Den sie nicht gekannt — erhoben Hat er schirmend seine Rechte, Und die Meut'rer sind zerstoben. Und sie dankt ihm, schamerrötend, Im zerrissnen Bettlerkleide; — — Aber schon am andern Tage Trug sie Purpursammt und Seide. Zeit der Unschuld, wo ihr eigen Nichts war als der Reiz der Jugend. Heut um dich in Goldgeschmeiden Weint sie, um verlor'ne Tugend! Doch sie scheucht die trüben Bilder Wieder fort aus ihrem Hirne, Denkt des Königs, des Geliebten, Und es lächelt ihre Stirne. III. Unter Tränen so und Lächeln War die Nacht hereingebrochen, Da erweckt aus dumpfem Brüten Sie am Tor ein dumpfes Pochen. Auf der Treppe, in den Gängen Tönt's von kriegerischem Schalle, Mit entblößten Schwertern treten Fremde Ritter in die Halle. „Sagt, was wollt ihr?“ „Sterben mußt du“, Spricht ein greiser Ritter, „sterben, Daß Alfons, der König, lebe, Dessen Schmach du und Verderben. Der als Knabe schon war Sieger, Seit dein Arm ihn hielt umschlungen, Wurde schmählich bei Alarcos Von der Mauren Heer bezwungen. Zürnend hat ob seiner Frevel Sich der Herr von ihm gewendet, Der um dich sein Volk vergessen Und sein eh'lich Bett geschändet; Der um dich den Eid gebrochen Und die Gattin hat vergessen; — Sterben mußt du, also schwuren von Kastilien alle Großen. Wilder dräun der Feinde Scharen Tag für Tag an unsern Grenzen, Doch er träumt von üpp'gen Festen, Von der Liebe Rosenkränzen. Hast noch Mut in deiner Brust du, Nicht vorm Todesstreiche bebe, Denn wir schwuren, sterben mußt du, Sterben mußt du, daß er lebe.“ Und sie flieht vor Angst beflügelt; Wankend an den Thron sich klammernd, Sucht sie Schutz vorm Schwert der Ritter, Und sie fleht entsetzt und jammernd: „Herzen, hart so wie das Eisen, Das ihr tragt an Haupt und Leibe, Habt Erbarmen, habt Erbarmen, Mit dem wehrlos schwachen Weibe! Sprecht, war's möglich, als er nahte, Ihm, dem Hohen, widerstehen? Sprecht, war's möglich, als er seufzte, Taub sein bei Alfonsos Flehen? Liebe, grenzenlose Liebe, Waren alle meine Fehle, Nicht dem König, dem Geliebten Gab ich Jugend hin und Seele.“ War's der Zauber ihrer Schönheit, Der Verzweiflung rührend Flehen? In der Hand die nackten Schwerter, Regungslos die Ritter stehen. Doch als sie in Klagetönen Worte so dem Schmerz gegeben, Fühlt zum Herzen wiederkehren Sie das halbentfloh'ne Leben. Und sie trocknet ihre Tränen, Furcht und Schrecken sind entschwunden, Eine Kraft, bis heut verborgen, Hat sie in sich selbst gefunden. Und ihr Blick beginnt zu leuchten, Zu den Rittern hingewendet, Kühn in ihre Reihen tretend, Rufet sie: „Es ist vollendet! Bin erwacht aus langem Traume, Liebe war mein ganzes Wesen. Doch ich fühls, ich war sein Unstern, Nur mein Tod kann ihn erlösen. Hier die Brust, taucht eure Schwerter Tief hinein, ich will nicht schaudern!“ Doch, gebannt von ihrer Schönheit, Immer noch die Ritter zaudern. Und sie hat dem greisen Sprecher Schnell das blanke Schwert entrissen, Stößt sich's tief ins Herz und sinket Lautlos auf des Thrones Kissen. „Rahel! Rahel!“ tönet plötzlich Durch die Nacht ein banges Rufen, „Rahel!“ schallt's herauf vom Schloßhof, „Rahel!“ von der Treppe Stufen. 's ist der König, welchen Ahnung Wunderbar ergriff beim Jagen, Den sein schaumbedeckter Renner Rasch wie Sturmwind heimgetragen. „Rahel! Rahel!“ Auf dem Throne Sicht er bleich und starr sie liegen, Sieht die Ritter auch, und Rache Blitzt aus seinen finstren Zügen. Aber sterbend hat sich Rahel Einmal nach emporgerichtet: „Keinen Groll“, spricht sie, „Geliebter, Jeder Streit ist jetzt geschlichtet; Denn aus Liebe für dich, König, Gab den Tod sich selbst die Schwache. Lebe einzig deinem Volke Und dem Ew'gen laß die Rache!“ Das verlassene Mädchen Ob ihm mein Bild erscheinen Noch manchmal mag im Traum, Wenn schlaflos ich vom Weinen Lieg' nachts auf weichem Flaum? Die Myrthe, die er brachte, Und die ich fort und fort Gepflegt und treu bewachte, Ist lange schon verdorrt. Auch hat man mir's verkündet, Daß er im fernen Land Ein neues Heim gegründet, Dort längst die Gattin fand. Seitdem er mich verlassen, Schon manches Jahr verran, Und doch! ich kann's nicht fassen, Denk' ich aufs neu' daran. Und spricht wer auf dem Gange, Wähn' ich, er nahe sich; Ich Törin, die doch lange Weiß, daß er tot für mich. Nun klingt's wie Grabesläuten Mir oft im Abendrot, Gewiß, das soll bedeuten, Es ruft nach mir der Tod. Und dennoch kann ich wehren Dem eitlen Herzen nicht, Er müsse wiederkehren Es stets von neuem spricht. Wie oft, wenn nachts vernommen Gedämpften Schritt mein Ohr, Mein' ich, er sei gekommen Und harr' wie sonst am Tor. Von hinnen muß ich gehen Und folg' dem Rufe gern. Nur einmal möcht' ich sehen Sein Weib und ihn von fern. Seh'n glücklich, eh' ich scheide, Den, dem ich längst verzieh, Und ist er's, segnen beide Im Herzen ihn und sie. Die Chronik In dem alten Rittersaal Liest der Knappe vor dem Grafen, Bei der Ampel trübem Strahl Ist der müde Greis entschlafen. Nur die junge Tochter lauscht, Und sie lauscht so tief und innig, Wie vor ihr vorüberrauscht Alte Sage süß und sinnig. Um den Turm der Nachtwind summt, Haucht so geisterkühl durchs Zimmer, Jetzt der Greis im Schlafe summt, Doch die beiden hören's nimmer. Längst der Knappe schwieg gar still, Lächelt ob des Alten Schlummer; Sie vor Scham vergehen will, Beugt die Stirn in süßem Kummer. Blitzzug und Leichenzug Es zieht, von schwarzem Flor umhangen, Ein stiller Leichenzug heran, Zum letzten Gruß die Glocken klangen Vom Heimatdorf dem müden Mann — Da plötzlich an dem Meilensteine Hält er wie festgewurzelt still, Es naht mit blutigrotem Scheine Der Eilzug mit dem Mahnruf schrill — Er jagt dahin durch blüh'nde Auen, Aufzuckend, wie ein roter Blitz. — Mir faßt das Herz ein tiefes Grauen Doch ob des Schicksals schnöden Witz — Der Wandrer, der auf letzter Straße Sich sehnet nach des Grabes Rast, Muß warten, daß vorüberwehe Des Lebens ungestüme Hast! Die Passionsblume O holde Maienblume, Johannisröslein rot, Ich dachte, du würdest mir blühen Am Herzen bis zum Tod. Ach, in den Staub gefallen Ist deine duftige Kron', Und du bist mir geworden Zur Blume der Passion. Der Fuhrmann Mondschein will mit sanftem Glühn Nun des Waldes Dunkel lichten; Einsam schleicht ein Karren dahin Durch des Hohlweg's düstere Fichten. Müder schleicht am Karr'n das Pferd, Und der Fuhrmann schmiegt sich träumend An das Mädchen, das er fährt, Weg und Karr'n und Roß versäumend. — Schlaf Du Sonne scheinst mir viel zu hell, Die Nacht, die will ich lieben; Der Sternenglanz und die süße Nacht, Die können kein Herz betrüben. Es sieht sich so schön das Leben an, Wenn Schlaf und Nacht es umschweben, Beinah', als müßt es doch irgendwo Glück und Glückliche geben. Bei Rädergerassel und Pferdegetrab... Bei Rädergerassel und Pferdegetrab, Wie saust das so lustig bergauf, bergab! Die Peitsche knallt und der Radschuh schleift, Und den Rossen voran tanzt der Pinsch und keift. Das tauige Feld spielt im Sonnenlicht, Keck schlägt uns der Lärchbaum den Ast ins Gesicht; Der Bauer grüßt hinterm Pfluggespann, Und der Kuckuck hänselt und lockt im Tann. So geht's in den Morgen. Der Wind streicht frisch, Zur Seit' uns sprudelt des Wildbach's Gezisch, Und hemmt gar ein Örtchen den fröhlichen Lauf, Ei, wie reißen die Mädel die Fenster auf! Streckt aber der Herrgott den Arm wo hinaus, Da grüßt schon von weitem der Schwager das Haus, Und tirili, tirili, bläst er so hell, Daß vor Übermut aufjauchzt der trübste Gesell. Das Mädel läuft flink mit der Flasche daher, Der Hausknecht grüßt, gravitätisch und schwer; Die Rosse schnauben und steh'n voll Schaum, Und die Finkenbrut zetert vom Apfelbaum. Wo blieben nur Sorgen und Schrullen zurück? Der Frohsinn kutschiert, und am Bock sitzt das Glück! Hell jauchz' ich hinaus, daß im Echo es gellt: „Sei gegrüßt mir, du herrliche, weite Welt!“ Bild Aus frisch gebroch'nen Ackerfeldern Atmet der Erde würziger Duft, Hoch über Saaten hin und Wäldern Wölbt sich der kühle Dom der Luft. Am Waldrand äsen fromme Rehe, — Wie ausgeschnitten, umriß-rein, Ruht in der klaren Frühlingsnähe Die alte Stadt im Abendschein. Herzlieb, in dieses Bildes Rahmen Mal' du mit lieber Hand geschwind Zwei Menschenkinder ohne Namen, Die unaussprechlich glücklich sind. Sehnsucht Zum Fenster lehn' ich mich hinaus — Die Nacht ist schwül und düfteschwer, Die Grillen zirpen rings ums Haus, Ein Lied trägt fern der Nachtwind her. Mein heißes Auge flieht der Schlaf, Wie Seufzen hallt es durch die Luft, Daß es wie Kuß die Lippe traf: Die Sehnsucht ruft! Der Kuckuck schreit. Wie lange, sag', Währt's, bis mein Lieb ich wiederseh'? Den fünften, sechsten, siebenten Tag, Noch eine Woche! — mehr? o weh! Gern würf' nach dir ich einen Stein, Du arger Gauch, du übler Schuft! Weißt du, wie Tag und Nacht voll Pein Die Sehnsucht ruft? Der frisch gemähte Wiesenhang Streut Heuduft in die blaue Nacht. Ein fremder Vogel pfeift so bang — Aus tiefem Schlaf bin ich erwacht. Was hat mir so ans Herz gerührt? Ist es der Wiese bittrer Duft, Was mir den Hals zusammenschnürt? Die Sehnsucht ruft! Gretleins Trauer Das Heimchen zirpt im kalten Herd, Der Herbstwind durch die Bäume fährt; Die Nächte sind so lang, so lang, Mir ist ums Herz so bang, so bang: Ich sitz' allein und spinne Und sinne, sinne. Die Rat und linden Trost mir gab, Die Mutter, schläft im kühlen Grab; Der Vater ist wohl gut, doch rauh, Sein Mut ist trüb, sein Haar ist grau, Er weiß nicht, was ich meine, Wenn ich still weine. Und einer, der einst hold mir war, Nun ist er fort ins vierte Jahr. Wie ihm das Schweifen nur gefällt? So falsch ist doch die fremde Welt! Wollt' er mein Leid bedenken, Es müßt ihn kränken. Vergaß er mich? O Not und Pein, Die Sünde mag ihm Gott verzeihn! Die fremde Welt ist falsch und klug. O spänn' ich nur mein Leichentuch! Ich muß des Flachses Faden Mit Tränen baden. — Durchs Dorf im Grund der Wächter geht; Schwarz ragt der Wald, es ist schon spät. Die Lampe lechzt und flimmert kaum, Das Heimchen zirpt noch leis' im Traum: Mich flieht der Schlaf, ich spinne Und sinne, sinne. Arme Seele Ein Vöglein über die Heide zieht, Tiefab im West die Sonne glüht. „Du liebe Sonne, sag' mir gleich, Wie weit ist es zum Himmelreich? Ich bin gereist so manchen Tag, Daß ich nicht fürder reisen mag; Mein Mut ist schwer, mein Flügel matt, Der Irr' und Wirre bin ich satt. Kalt weht der Wind durch Busch und Baum; Wie war so schön der Frühlingstraum! Behüt' dich Gott, du Wald und Feld, Ich flieg' in eine andre Welt. Die Sonn' hat ihren Lauf vollbracht, Der Tag verglimmt, nun kommt die Nacht: Wer gibt mir Trost und gut Geleit? Zum Himmelreich, wie weit, wie weit!" Ein stiller Garten Es gibt einen schönen Garten, Allgrün zu jeder Zeit, Drin blüh'n die Blumen, die zarten, Ob draußen es stürmt und schneit. Er liegt im Herzen verborgen, Und pflegst du mit Sorgfalt sein, Strahlt hell an jedem Morgen Gottes warme Sonne hinein. Im Dorfe Wie mir dieser Juliwochen Einsam schöne Zeit verrann! Schauend in dem Schatten kühlen Durft' ich meine Seele fühlen, Die des Glücks Gesichte sann! — Golden sah ich breit sich bräunen Wellenweich das Ährenfeld; Blutrot glomm auf allen Wegen Wilder Mohn im Windesregen, Lerchenselig war die Welt. Lerchenselig meine Seele, Die auf Gottes Wegen ging — Eine Fülle, eine Güte! — Und im Duften jeder Blüte Stillsten Gruß der Welt empfing. Der betende Baum Von Stürmen hart getroffen, Der Baum im Frühling steht, Und hält die Arme offen, Weit offen im Gebet. Und wie er betet, quellen Die zarten Bitten ans Licht, Sein Sehnen in rosig hellen Blüten dem Stamm entbricht. Nun klagt nicht mehr eintönig Ein Mönch, von Grau beschwert — Zum Himmel greift ein König Mit blütenumwundenem Schwert! Nordwind Der Nordwind fegt den Himmel rein, Und alle die Berge, groß und klein, Die nahen, grünen — die fernen, blauen — Klar auf die selige Erde schauen. Nordwind! könntest du meinem Leben Solche Himmelskräfte geben, Daß es wundersam erstände, Helle und Weite fände! Dem Fürsten Bismarck Du gehst von deinem Werke, Dein Werk geht nicht von dir, Denn wo du bist, ist Deutschland, Du warst, drum wurden wir. Was wir durch dich geworden, Wir wissen's und die Welt — Was ohne dich wir bleiben, Gott sei's anheimgestellt. Reiche Beschäftigung Abends, wenn ich zur Ruhe geh', Denk' ich an meine Grete, Morgens, wenn ich früh aufsteh', Mach' ich's wie abends späte. Zwischendurch, so am Vormittag, Denk' ich, was sie wohl treiben mag. Mittags- aber und Vesperzeit Sind dem Gedanken an sie geweiht. Sagt mir nun, um des Himmels willen, Wo bleibt mir Zeit, meine Akten zu füllen? „Ei, so setze die Nacht daran, Nachts man trefflich schaffen kann.“ Ja, wie sollt' ich die Nacht versäumen? Muß doch von meiner Grete träumen. Unterm Machandelbaum Unterm Machandelbaum — Da ist ein Platz — Susala Dusala — Da sitzt mein Schatz. Sitzt auf dem grünen Gras, Sitzt auf dem grünen Klee — „Hast ja die Augen naß, Bist ja wie Milch und Schnee — Susala Dusala — Wo tut's denn weh?“ „Kommst du so' spät zurück? Nun ist's zu spät für's Glück, Kenne dich gar nicht mehr, Mir ist das Herz verquer — Susala Dusala — Wollt', tot ich wär'!" „Schwarz ist das Grabeloch, Leb' doch ein Weilchen noch, Wart' noch bis Sankt Kathrein, Da will ich um dich frei' n, Wart' noch bis Sankt Martein, Da soll die Hochzeit sein — Susala Dusala — Gib dich darein!“ Abschied Die Glocke tönt! — Das erste Läuten! Wie flog die Zeit doch pfeilgeschwind! Ich will zum Wagen dich begleiten, Gib dein Gepäck, und komm, mein Kind! Die Glocke tönt — das zweite Läuten! Nun ist es Ernst — bist du bereit? Noch einen Kuß— noch einen zweiten, Nun aber rasch — es drängt die Zeit... Die Glocke tönt — das dritte Läuten! Durchs Fenster noch ein letzter Blick — Es rollt der Zug... Zwei Tränen gleiten... Der Himmel hüte dein Geschick! Einsamer Baum Zersplissen ist mein Haupt Von schwarzem Wolkenwetter; Herbstwind und Regen raubt Die abgestorbenen Blätter. So rag' ich ganz allein Aus ödem Heidekraut — Und — träume von dem Hain, Der weit verloren — blaut. Oft, wenn mit grimmer Wucht Mich packt ein nächtlich Brausen Raff' ich mit jähem Grausen Zusammen mich — zur Flucht; Doch halten zähe Schollen Mich an den Wurzeln fest... Da steh' ich nun mit Grollen, Wild schüttelnd mein Geäst. Die tröstende Nacht O Nacht — du treue Trösterin! Wenn ich auf meinem Lager zage, So schwebst du vor das Fenster hin Und hörst geduldig meine Klage. Und wenn ins Kissen ich mit Stöhnen Mein tränend Angesicht verhülle, Hör' ich auf einmal eine Fülle Von Wohllaut mir zum Herzen tönen: „Getrost, getrost! Ich bin ja hier! Will dich nach jedem Tage heilen, Und werde kommen einst zu dir, Um immerdar bei dir zu weilen. Dann ruhst du, selig vom Vergessen Durchschauert, fern von Tagesrauschen, Und magst dem sanften Liede lauschen, Das Winde harfen in Cypressen.“ Der Träumer Ich war ein Kind — mit großen Kinderaugen, Die nur zu träumerischem Schauen, Nicht zum Berechnen und zum schlauen Erwerben taugen; In dumpfen Stuben bangte mir, ich scheute Gespräche nüchtern-kluger Leute Und stahl mich fort — mit stiller Wonne Zu Blumen, Gras und Sonne. Da sog ich Luft — wie ein Befreiter, lauschte Den Bienen, Grillen, schwankendem Gesträuch, Das wogengleich im weichen Winde rauschte; Mit Staunen und Entzücken schaute Mein Aug' empor zu ihm, Der tief und weithin blaute; Und der betörte Träumersinn Schwamm mit dem wunderbaren, Wie Schneegebirge klaren Gewölke sanft dahin. So wuchs ich auf. Und allezeit getreu Blieb meinem Aug' das träumerische Schauen. Doch ich bedachte nie: Der Schatz der Auen Sind nicht die bunten Blumen, sondern — Heu: Was blau und rot im Ährenfelde blüht, Ist nicht dem Bauch des Erntesackes hold; Und eines Dichters träumerisch Gemüt Trägt wenig Körnchen irdisch Gold — Nun stehn die Äcker braun und stopplig nackt, Geschor'ne Wiesen werden bleich und bleicher, Und — mir zum Spotte — tanzt im fremden Speicher Der plumpe Flegel trocknen Erntetakt. Am Dornstrauch sitz' ich — trübe wie der Himmel; Verwelkte Blätter zerrt ein rauher Wind, Scheucht mürrisch fort das raschelnde Gewimmel; Und träumend starr' ich nach... ich dummes, großes Kind! Der Winter kommt. Ich werde frieren, darben Und wie die arme Maus im Stoppelwald — Mich nähren von dem Abfall fremder Garben; Vielleicht auch — sterb' ich bald... Mag sein! Doch schließ' ich ohne Reue Und segne dankbar meinen Träumerblick. Er ließ mich lieben Flur und Himmelsbläue, Und diese Liebe — war mein Lebensglück. Mütterlein Ich sage dir, lieb' Mütterlein: Geh du mir ja nicht fort! Ist unser Häuschen auch nur klein, Ist's doch ein lieber Ort. Seit vierzig Jahren fegt dein Fleiß Die altersgrauen Dielen weiß; Ich sage dir, lieb' Mütterlein: Geh du mir ja nicht fort! Was faselst du von grauem Haar? Dein Herz blieb jung und frisch! Nicht echt vielleicht dein Taufschein war, Wer fragt nach solchem Wisch! Sieh' nicht so oft den Spiegel an, Hast früher es doch nie getan! Was faselst du von grauem Haar? Dein Herz blieb jung und frisch! O sag': Nicht wahr, zu deiner Zeit, Da ging es nicht so toll? Da war noch Glaube, Zucht und Scheu, Nicht ganz erstorben Lieb' und Treu! Ja, Mütterlein, zu deiner Zeit, Da ging es nicht so toll. Mich lockte einst so süßer Mund, Du schütteltest das Haupt; Dein Warnen schien mir ohne Grund, O hätt' ich dir geglaubt! Solch schwankend Rohr, es neigt sich bald Du stehst wie treuer Tannenwald; Mich lockte einst so süßer Mund, O hätt' ich dir geglaubt! Drum sag' ich dir, lieb Mütterlein: Geh du mir ja nicht fort! Du mußt noch länger bei mir sein Mit liebem Blick und Wort! Bald bricht ein neuer Frühling an, Der hat dir stets so wohlgetan; Ich sage dir, lieb Mütterlein, Geh du mir ja nicht fort! Die Fahne der Einundsechziger Vor Dijon war's; — doch eh' ich's euch erzähle, Knüpf' einer noch die Binde mir zurecht, Mich schmerzt der Arm, sie sitzt wohl schlecht; So! — so! — nun euer Herz sich stähle; Vor Dijon war's: die Pässe der Vogesen Bedrohte Garibaldis bunte Schar, Bourbaki kam von der Loire, Das hart bedrängte Belfort zu erlösen. Gefahr war im Verzug; drei bange Tage Hielt Werder gegen Übermacht schon Stand Bei Mömpelgard, und in der Hand Des Kriegsgotts schwankte schier die Wage. Wir Pommern hatten vor Paris gelegen Und waren schon im Marsch, das zweite Korps Und auch das siebente ging vor Von Orleans auf hartgefrornen Wegen. In Dijon wußten wir den alten Recken Und griffen ihn, zwei Regimenter, an Mit seinen fünfzigtausend Mann, Den Flankenmarsch der Corps zu decken. Der Alte von Caprera ließ sich blenden, Hielt die Brigade für die ganze Macht, Und nachmittags begann die Schlacht, Die ach! für uns so traurig sollte enden. Die Einundzwanz'ger auf dem rechten Flügel Des ersten Treffens hatten schwer Gefecht, Wir also vor! und grade recht, Mit Hurrah! nahmen wir die Hügel; Dem Feinde auf der Ferse ging's verwegen Bis in die Vorstadt Dijons jetzt hinein, Hier aber aus der Häuser Reih'n Kam mörderisches Feuer uns entgegen. Im Steinbruch, mit dem Bajonett genommen, Da fanden wir vor eines Ausfalls Wucht, Zum Sammeln durch die steile Schlucht Gedeckt, notdürftig Unterkommen. Doch die Fabrik dort in der rechten Flanke Wie eine Festung auf uns Feuer spie: „Vorwärts!“ die fünfte Kompagnie Zum Sturm auf die Fabrik und keiner wanke! Der Tambour schlägt, es geht wie zur Parade, Die Fahne fliegt uns hoch und stolz voran, Doch klopft das Herz manch treuem Mann Beim raschen Schritt auf diesem Pfade, Wie Salven rollt und pfeift es in die Glieder, Es rast der Schnitter Tod und fällt und mäht, Und wie er seine Reihen sät, Da sinkt die Fahne und ihr Träger nieder. Aus dem Gedräng ein Offizier sie rettet, „Mir nach!“ so ruft er und stürmt kühn voraus, Doch aus dem unglücksel'gen Haus Grüßt ihn der Tod, der eilig bettet. Selbst blutend, springt der Adjutant vom Pferde, Erfaßt die Fahne, schwingt sie hoch empor — Da deckt sein Auge dunkler Flor, Und sterbend küßt sein bleicher Mund die Erde. Was fällt, das fällt! vorwärts! durch Tod und Flammen: Zwei brave Musketiere greifen zu, Der eine stürzt: „Versuch es du!“ Doch auch der andre bricht zusammen. Nun fällt der Führer auch, wir müssen weichen, Ein Häuflein war der Rest, vom Feind umringt, Das schlägt sich durch, und es gelingt, Den Steinbruch endlich wieder zu erreichen. Da dachte keiner seiner eignen Wunde, Wer jetzt noch aufrecht stand in Nacht und Graus, „Die Fahne fehlt! holt sie heraus!“ So scholl es laut von Mund zu Munde. Ein Halbzug wird zum Suchen ausgesendet Und — kommt nicht wieder, alle blieben tot. Uns bebt das Herz, allmächt'ger Gott! Hast du dich zürnend gegen uns gewendet? „Freiwill'ge vor!“ — da blieb nicht einer steh'n, Der noch sein heiß Gewehr in Händen hielt, Und sechs, die um das Los gespielt, Seh'n in die Nacht hinaus wir geh'n. — Zurück, vom Feind verfolgt, ein Einz'ger kehrte, Der blutete, verhüllte sein Gesicht Und schwieg — die Fahne bracht er nicht, Und keiner, keiner seinen Tränen wehrte. — Am andern Tag, so ließ Riccioti melden, Fand man die Fahne fest in starrer Hand, Zerfetzt, zerschossen, halb verbrannt Und unter Haufen toter Helden. — — Wenn wir nun ohne Fahne wiederkommen, Ihr Brüder allesamt, gebt uns Pardon! Verloren haben wir sie schon, Doch keinem Lebenden ward sie genommen. Tagesanbruch auf dem Lande Noch ist der Himmel schwarz verhängt, Geschlossen sind noch alle Fenster, Und um die Dächer leise gehn Noch immer schwarze Nachtgespenstcr. Da plötzlich knarrt ein Scheunentor, Entsetzt die Geister seitwärts springen. Aus den Türen treten Bauern vor, Die in den Händen Dreschflegel schwingen. Nun klappert's in der Scheune drin, Und klopft es Schlag um Schlag, Das dringt zum Himmelsfenster hin: Wach auf! wach auf, du junger Tag! Das klappert und klopft so laut, so laut, Schnell zieht der Tag die Kleider an; Natürlich, da hängt noch der gestrige Dreck. Er bürstet, was er bürsten kann. Streicht aus der Stirn die Haare fort, Streckt aus dem Himmel sein rot Gesicht, Das klappert und klopft in einem fort, Stock her! schreit er, dann helpt dat nicht. Lockung Komm, komm mit Nur einen Schritt! Hab' schon gegessen, Will dich nicht fressen, Komm, komm mit Nur einen Schritt! Komm, komm mit Noch einen Schritt, Kaum zwei Zehen- Weit noch zu gehen Bis zu dem Häuschen, Komm, mein Mäuschen! Ei sieh da, da sind wir ja! Hier in dem Eckchen, Pst, nur kein Schreckchen, Wie glühn deine Bäckchen, Jetzt hilft kein Schrei'n, Mein bist du, mein! Nur Geduld! Ach, nur ein paar Bretter zum eigenen Haus, Und wäre es auch winzig und klein, Wie sollte mein Schatz aus dem Fenster heraus Dann lachen und lustig sein! Drei Hände voll Erde, das wäre genug Zum eignen Haus auf eigenem Grund; Ich bin bescheiden, ich will nicht viel, Wir sind ja noch jung und gesund. So warte doch, warte nur fein, Drei Bretter, wie bald sind sie dein, Und dein Schatz wirft drei Hände voll Erde Noch selber hinter dir drein. Begegnung Ein Wandrer zog mit müdem Schritt: „Herr Postillon, ei, nehmt mich mit!“ Drin saß ein braunes Kind allein, Nun fuhren traulich sie zu zwei'n. Er sprach, er habe das Glück gesucht, Doch sei das Glück noch auf der Flucht. Sie sprach, nun sei auch die Mutter tot, Da suche sie jetzt als Magd ihr Brot. Wie kurz die Fahrt! Das Posthorn klang! Der Bursche sich aus dem Wagen schwang. Sie sind einander nimmer begegnet, Doch jedes hat still das andere gesegnet. Zwei Prinzessen Die Prinzessin fährt zum Hochzeitsfest, Vier Schimmel am Wagen, Mit rotem Kragen Die Kutscher und silberbetreßt. Trara! Hell schmettern Trompeten und Trompetinen, Prinzessin sitzt da mit süßen Mienen In Galatoilette und Gloria. Die Menge verneigt sich und hebt den Hut; Wie prunkt die Karosse! Wir stehn in der Gosse... „Ach Gott, so eine hat's gut...“ Trara! Hell schmettern Trompeten und Trompetinen, Eine Kleine sagt's mit sauren Mienen Und glänzt doch in Schönheit und Gloria. Die Prinzessin hab' ich nicht mehr gesehn, Ich sah nur die feine, Die liebe Kleine Im wollenen Röckchen stehn. Trara! Hell schmettern Trompeten und Trompetinen, Doch alles hat golden überschienen Der armen Schönheit Gloria. Tanzlied Es ist ein Reihen geschlungen, Ein Reihen auf dem grünen Plan, Und ist ein Lied gesungen, Das hebt mit Sehnen an, Mit Sehnen, also süße, Daß Weinen mit Lachen sich paart: Hebt, hebt im Tanz die Füße Auf lenzeliche Art. Spätsommer Wenn das Gras der grünen Wiesen Zeitig ist zur großen Mahd, Wenn der Senner seine Sense Singen läßt durch reife Saat: Dann soll deine Seele Sonne, Kraft und Frucht und Ernte sein: Schneide ruhig deine Ähren, Führe deine Garben ein. Sang des Schiffermädels Auf der fernen See ein Segel steht, Mein Schatz ist auf der See; Der Wind mir an die Beine weht, Der Wind, der Wind von der See. Blas ihn her zu mir, blas ihn schnell zu mir her, Du Wind, du Wind auf der See; Mein Herz ist so tief, so tief wie das Meer Und so stark wie der Wind auf der See. Abendstille Abendstille, weich und warm, Kaum ein Hauch zu spüren, Stehn die Mädchen Arm in Arm Plaudernd vor den Türen. Fliegt das Mäulchen noch so spät Ohne Ziel und Maßen, Horchen, wie der Wagen geht Durch die stillen Straßen. Kläfft der Spitz den Rädern zu, Die gemach entschwinden, Süße, sanfte Sommerruh Sinkt ins Laub der Linden. Nur ein ferner Burschensang Tönt noch hin und wieder, Seelchen lauscht dem Heimatklang Alt gewohnter Lieder. Zieht zur lieben Sommerzeit Still verträumte Bahnen, Ach, du wanderst viel zu weit, Seelchen, laß dich mahnen. In der Dorfschenke Eine Geige weint und schluchzt, Und daneben juchajuchzt Eine tolle Flöte. Daß die Geige schluchzen kann, Macht, weil mit dem Flötenmann Geht die braune Grete. Spaziergang Über weiche Wiesen schweif ich, Wo's aus tausend Poren bricht, Gräser, Kräuter, dicht an dicht, Und mit Kinderblicken greif ich Traulich, täppisch so ins Licht... So ins Licht und in die Weite, Und die Augen blenden mir, Und mit diesen Händen hier Brech ich Blumen, bunt zur Seite, Und die Blumen bring ich dir! Verlassen Im Morgengrauen schritt ich fort — Nebel lag in den Gassen... In Qualen war mir das Herz verdorrt — Die Lippe sprach kein Abschiedswort — Sie stöhnte nur leise: Verlassen! Verlassen! Kennst du das Marterwort? Das frißt wie verruchte Schande! In Qualen war mir das Herz verdorrt — Im Morgengrauen ging ich fort — Hinaus in die dämmernden Lande! Entgegen dem jungen Maientag: Das war ein seltsam Passen! Mählich wurde die Welt nun wach — Was war mir der prangende Frühlingstag — Ich stöhnte nur leise: Verlassen! Herbst Ich sah dich heute lange an. Um deine Lippen lag's wie Schmerz, Man hat dir nichts zu Leid getan, Und doch bekümmert schien dein Herz. Der Herbstwind rüttelt Baum um Baum, Daß tausend Blätter niederwallen — Ich glaub, in deinen Jugendtraum Ist auch ein herbstlich Blatt gefallen! Guhannisnacht Guhannisnacht, Guhannisnacht, Gliehfinkle flieng in Dunkeln De Rusen duften so sies, Guldstaernle in Himmel funkeln. Doch haeller wie Stärnle leichten de Aang, Die mich im de Ruh gebracht, Und rether wie Rusen brännt ihr Mund, Daer wie de Kärschen an Baeme lacht. Se schant mer ins Aag, se drickt mer de Hand, Tut sich nah'ne Hals mer schmeißen, Da pucht ihr Haerz an meinen Haerz Wie zwe Hammer af gliehiges Eisen; Do kißt se mich hoes, do kißt se mich will, Su will wie der Blitz af'n Aechbaam kracht, Du bist de schaennste Zeit fer de Lieb, Guhannisnacht, Guhannisnacht! Die schöne Lore Ihr lieben Spielleut, stellt das Fiedeln ein, Streut Rosmarin, ihr lieben Mägdelein; Die schöne Lore liegt im Totenschrein. Und gestern in des Maienfestes Glanz, Wie flog ihr Haar, wie flatterte der Kranz! Der Burgherr selber führte sie zum Tanz. Er tanzte mit ihr auf dem grünen Plan, Nie führt ein schöneres Paar den Reigen an; Die finstere Herrin schaute vom Altan. Er tanzte mit ihr durch den Laubengang, Er tanzte, mit ihr durch den Wiesenhang, Er tanzte, bis die letzte Saite sprang. Und als den durstigen Tänzern aufgetischt, Und Paar an Paar sich am Bankett erfrischt, Die Herrin selbst hat ihr Sorbet gemischt. Ihr lieben Spielleut', stellt das Fiedeln ein, Streut Rosmarin, ihr lieben Mägdelein; Die schöne Lore liegt im Totenschrein. Das Elternhaus in der Heide Hinaus auf die braune Heide Führt mich der Nächte Traum, Da steh ich, gebeugt vom Leide, Wohl unter dem Föhrenbaum. Aus fernen Büschen leuchten Seh' ich ein Fensterlein; Die Blicke, die tränenfeuchten, Sie stehlen sich hinein. Beisammen im kleinen Zimmer Da sitzen zwei alte Leut', Warum doch schauen sie immer So traurig drein wie heut? Die Jahre kommen und gehen: — Sie bleiben tränenstumm. O könnt ich sie lächeln sehen, Mein Herzblut gäb' ich drum. Spruch Über ein Kleines, und alles wird Staub, Sterne, sie fallen wie welkendes Laub, Ewigkeit naht, es verrinnet die Zeit, Über ein Kleines — o wär' ich bereit! Herbst Ein Nebelmantel legt sich übers Land, Der Regen sickert durch der Heide Sand. Die nassen Büsche frösteln scheu im Wind, Ein schwerer Regentropfen niederrinnt. Ein stilles Leiden alle Herzen bannt, Und Schmerz und Tod, sie gehen Hand in Hand. Frühlingsglaube Und schau' ich Gottes Welt im Frühlingslicht, Wenn junges Grün erglänzt auf allen Triften, Wenn Blütenschnee aus dürren Ästen bricht, Und Lustgesang ertönt aus blauen Lüften, Dann hoff' ich wieder, und noch glaub' ich nicht An die Erfüllung schon der letzten Schriften, Wo krachend diese sündenmorsche Welt In Flammen des Gerichts zusammenfällt. Dann säuselt's wie ein himmlisches Erbarmen Mich tröstlich an im lauen Frühlingswind; Dann lächelt, wie gewiegt in Mutterarmen, Die Erde mir, ein neugebornes Kind; Ich seh' den alten Feigenbaum erwärmen Im Sonnenschein, den gnädig und gelind Ihm noch dies Jahr vergönnt die ew'ge Liebe, Ob er nicht Blüten noch und Früchte triebe? — Und schau' ich in ein Kinderangesicht, Die offne Stirn, die herzlichtreuen Augen, Aus denen keck der Mut der Unschuld spricht, Die frisch den Glanz der Schöpfung in sich saugen, Dann hoff ich wieder, und noch glaub' ich nicht, Daß garnichts mehr die Menschheit sollte taugen, Daß sie schon dürres Holz, zu nichts mehr gut, Als um zu brennen in der ew'gen Glut. Dann freu' ich mich: noch ist nicht ganz verloren Des Schöpfers Bild in dieser Sündenwelt, Noch werden Kinder unserm Gott geboren, Wie frischer Tau auf morgenrotem Feld; Wer weiß, wozu dies Kindlein sei erkoren? Ob's ein Prophet vielleicht, ein Zukunftsheld? Denn Gottes Geist will noch in viel Gestalten Die Fülle seiner Herrlichkeit entfalten. Das Nachbarkind Mein Nachbarkind am Graben Schaut nimmermehr heraus, Sie muß viel Arbeit haben In ihrem kleinen Haus. Sonst sah ich sie am Morgen Und wohl am Abend auch, Die Stille macht mir Sorgen, Wozu der neue Brauch? Doch sieh, wer kommt zur Türe Mit einem Kränzlein an, Als ob sie zur Hochzeit führe Und müßt ein Kränzlein han? „Willst du ein Kränzlein tragen —?“ Nun kommen zwei und drei Und ohne vieles Fragen Die Nachbarn all' herbei. Sie kommen von allen Seiten Und reihen einen Zug. Grabglöcklein fängt an zu läuten — Jetzt weiß ich mir genug. Morgengang Ich geh' auf stillen Wegen Frühtags ins grüne Feld, Wie lacht mir da entgegen Die junge Morgenwelt! Wohl tausend Blüten schauen Von Wald und Wiese her, Die alle tropfig tauen Von edlen Perlen schwer. Ich brech' mir ein Geschmeide Von nassen Rosen ab: Wärst du an meiner Seite, Von der geträumt ich hab'! Ich hing' dir's in die Locken Als deinen Hochzeitskranz, — Da gehn die Morgenglocken, Ich steh' in Tränen ganz. Das Mägdlein und der Dornbusch Ein Mägdlein über die Heide lief, Über die herbstliche Heide; An einem Dornbusch es hangen blieb Mit arg zerrissenem Kleide. Da ruht auf dem Antlitz jugendschön Wohl düsterer Unmutschatten, Doch kurz nur, so wie ein Wölklein huscht Über sonnige Matten. Bald löst sich lachend die Maid und droht Dornbusch, dem blütenlosen: „Im nächsten Frühling büßest du mir's Mit deinen herrlichsten Rosen!“ Der Musikant Rumdaradei! Rumdaradei! — Tanzt! Ich schlage auf die Tasten! Klappern soll der alte Kasten! Walzer — Polka — Hopser — Springer! Dreht euch, dreht euch, bunte Dinger! Während meine Finger scherzen, Brennt die Hölle mir im Herzen! Rumdaradei! Rumdaradei! Tod und Leben einerlei! Einst in meines Vaters Hause Bei dem frohen Tanzgebrause Schwang ich mich beim Kerzenscheine, Und ein Mädchen war die Meine. Zwanzig Musikanten bliesen Einen Tanz wie diesen, diesen — Rumdaradei! Rumdaradei! Tanz und Teufel einerlei! Und mich riß die Kunst von hinnen, Nach der Sonne stand mein Sinnen. Ew'ges Wort aus Dichters Munde, Bühnenglanz und sel'ge Stunde, Göttlich Sehnen, heilig Ringen — Nie Erfolg, und nie Gelingen! — Rumdaradei! Rumdaradei! Und die Sonne zog vorbei! Und ich hab' von fernen Höhen Meines Vaters Schloß gesehen, Bin ins grüne Gras gesunken, Hab' die traute Luft getrunken. Fort mein Glück und tot mein Sehnen — All' mein Gut im Aug' die Tränen! Rumdaradei! Rumdaradei! Dreht euch! Dreht euch! Eins, zwei, drei! Dreht euch, daß die Funken stieben! — Und wo ist mein Lieb geblieben? — Wo ich lag, vom Gram zerschlagen, Fuhr vorbei ein Fürstenwagen, Hielten zwei sich drin umwunden, Bis mir Sinn und Geist entschwunden, Rumdaradei! Rumdaradei! Weib und Weib ist einerlei! Als ich in die Stadt gekommen, Hat der Wirt mich aufgenommen, Spiele nun bei jedem Feste Für die Kinder, für die Gäste, Bis erlahmt die alten Tatzen, Bis die Saiten schrill zerplatzen — Rumdaradei! Rumdaradei! — Tod und Leben einerlei! Gewitter Den ganzen Abend hat es schon gerollt Und bang geflüstert in dem dunklen Laube, Am Landweg kam im Wind der Staub gerollt, Die Wolke flog gehüllt in dunkler Haube, Scheu hat der Vogel sich ins Nest geduckt, Der Hase barg sich in dem Laub voll Schrecken, Als fern im Ost der erste Blitz gezuckt, Der erste Regen rauschte durch die Hecken. Nun ist's herauf, hin saust die tolle Jagd Des Sturmes durch den Schloßhof, in dem Weiher Wühlt dumpf die Flut, wie dunkle Mitternacht Hängt über Turm und Dach der Wolkenschleier. Die Wipfel sausen, und das Schilfrohr pfeift — Ein toller Junker, geht's durch Teich und Binsen, Hei, wie der Nebeldunst vorüberschleift, Ein Höllenzug mit Winseln und mit Grinsen. Hahi und Hussa, wie das jagt und tollt, Der Blitz fährt zuckend hin, auf erznem Wagen Kommt krachend hinterher der Donner angerollt, Vom Wolkenmantel dicht den Leib umschlagen, Ein Feuerstrahl fährt prasselnd aus dem Wald, Und jach jach zum Himmel blitzen Flammenfluten, Drein jagt der Sturm, daß Hang und Heide hallt. Und peitscht die Lüfte mit rotglüh'nden Ruten. O könnt' ich doch auf dieser Wolken Nacht In Feuerlettern meine Dichtung schreiben, Die Dichtung, heiß von Himmelsglut entfacht, Und mit dem Sturm durch alle Lande treiben, Dann sollte, wie bei wirbelndem Trommelklang, Die Menschheit aus dem trägen Träumen schrecken, Schlafmordend sollte mein Gesang Zu heiligem Kampf die Müden wecken. Abschied Die Sonne steigt, die Sonne glüht... Still, armes Herz, die Glocke schlägt, Der Wagen rollt, der Wagen rollt, Der dich auf ewig von mir trägt. Nur einmal laß mich deine Hand Inbrünstig küssen heiß und schwer, — Nicht deinen Mund, nicht deinen Mund! Ich ließe sonst dich nimmermehr. Nachtnebel Nachtnebel dunkelt überm Moor, Im Weidenbusche stöhnt es bang, Dumpfraunend streicht Septemberwind Am knappen Heidegras entlang. Stumm gingen wir hindurch die Nacht, Leis hallte unser Schritt am Grund, Und was das Herz so traurig macht, Verschlossen hielt es unsern Mund. Ihr leises Weinen hört ich nur, Da wagt' ich nicht, sie anzuschaun; Uns glänzt kein Stern und blüht kein Glück, Wer arm ist, soll auf Glück nicht baun... O küsse mich zum letzten Mal, Eh' dies mein Herz verdorrt, — vergeh'n Laß die Erinnerung an mich — Weh uns, daß wir uns je gesehn... Über dem Tor Über dem Tore, dem großen, dunkeln, Wohnt ein Blondchen, mit Augen so hell — Unter der Wölbung ins Morgenfunkeln Singend zieht der Wandergesell. Schatten fallen; die Wächter schließen Eifersüchtig das große Tor. Ohne Lied, mit schmerzenden Füßen Sinkt der Wand'rer ins endlose Moor. Vögel des Sumpfs in ächzendem Schwarme Streifen zum schwachen Lichtschein der Stadt. Gegen den Stern hebt der Matte die Arme, Den er verscherzt und versungen hat. Möcht' aus dem Schlafe die Wächter schreien, Aber den Mund verstopft ihm das Moor. — — — — — — — — — — — Und sein Blondchen küßt einen Neuen Über dem großen, dunklen Tor. Sonnenliedchen Frau Sonne, ich wünsch euch guten Morgen! Will sie mir nicht zur Hochzeit borgen Drei blitzeblanke rote Heller Für Bett und Bank, für Tisch und Teller? Frau Sonne macht ein Schelmgesicht: „Drei rote Heller hab ich nicht, Doch Grüße von deinem Mägdelein, Ich schaut heut Morgen zum Fenster hinein. Ich seh jedwedes Büble, Und guck in jedes Stüble, Und als ich's heute tat, da geschah, Daß ich dein Mädel weinen sah. Ich blinzle über die Dächer Und schau in jeden Becher, Der deine stets voll Weine ist, Ein Schalk, der drob sein Lieb vergißt. Dein Schatz hegt Schmerz. Sein wunderwinzig Herz Ist voll Sorgen. — Muß weiter. — Guten Morgen!“ Drauf hab ich drei rote Heller Mir selbst erspart für Bett und Teller. Sie wird meine herzallerliebste Frau! Mit dem Becher, o weh, da geht's jetzt genau. Weiß nicht — Weiß nicht, was mich so still, So seltsam traurig macht — Ich hab' doch sonst so hell Im Sonnenschein gelacht! Weiß nicht, was mich so engt, Mich so zerrissen stimmt, Daß oft ein kleines Wort Mir alle Freude nimmt. Weiß nur, daß in mir nachts So manche Träne rinnt — Und daß ich weinen könnt' Wie ein geschlagen Kind. Leuchtende Tage Ach, uns're leuchtenden Tage Glänzen wie ewige Sterne. Als Trost für künftige Klage Glühn sie aus goldener Ferne. Nicht weinen weil sie vorüber! Lächeln, weil sie gewesen! Und werden die Tage auch trüber, Unsere Sterne erlösen! Nach Hause Das macht die Sommernacht so schwer: Die Sehnsucht kommt und setzt sich her Und streichelt mir die Wange. Man hat so wunderlichen Sinn, Man will wohin, weiß nicht wohin, Und steht und guckt sich bange. Wonach? Die Fackel in der Hand, So weist die Sehnsucht weit ins Land, Wo tausend Wege münden. Ach! Einen möchte ich schon gehn, „Nach Hause!“ müßte drüber stehn. — O Herz, nun geh' ihn finden! Lenzfahrt Am Himmel wächst der Sonne Glut, Aufquillt der See, das Eis zersprang, Das erste Segel teilt die Flut, Mir schwillt das Herz wie Segeldrang. Zu wandern ist das Herz verdammt, Das seinen Jugendtag versäumt, Sobald die Lenzessonne flammt, Sobald die Welle wieder schäumt. Verscherzte Jugend ist ein Schmerz Und einer ew'gen Sehnsucht Hort, Nach seinem Lenze sucht das Herz In einem fort, in einem fort! Und ob die Locke dir ergraut Und bald das Herz wird stille stehn, Noch muß es, wann die Welle blaut, Nach seinem Lenze wandern gehn. Abend im Walde Warm in den weichen Wolkendaunen Die abendmüde Sonne lacht! Es gleitet wie ein holdes Staunen Leis über Wald und Wiesenpracht. Der Schatten ist in Licht zerflossen, Der Vögel Traumgesang verhallt, Es atmet golden übergossen Im Sonnendunst der Fichtenwald. Wie Bronze glühn die Ackerschollen, Es flimmert im Granit und Quarz; Der Fichtenrinde klar entquollen, Erglänzt wie Gold das helle Harz. Schon hat die erste Abendkühle Die Zittergräser übertaut, Leicht auf des Mooses feuchtem Pfühle Schwankt federrein das Farrenkraut. Die Amsel badet ihr Gefieder, Leis lockt die Wachtel ihre Brut, Verklungen sind des Tages Lieder In Abendtau und Rosenglut. Ein Schleierduft staubt von den Zweigen, Leis durch die Fichten haucht die Nacht, Und seufzend ist des Waldes Schweigen Sanft wie ein Gottestraum erwacht. Am Ammersee Es steht eine Weide am Ammersee; Die taucht Gezweig in die Fluten. „Ade, goldhaariger Schatz, ade! Nun gilt's, für den König zu bluten. Traut war es, zu kosen, Boot an Boot, Wenn die Wasser rauschten im Ammersee, Und über ein Jahr, wer weiß, bin ich tot — Ade nun, mein Schatz, ade!“ Sie fuhren noch einmal den See entlang Wohl unter die flüsternde Weide, Die Herzen so weh, die Herzen so bang — Sie kosten in Luft und in Leide. Ab stieß er den Nachen — er schwenkte den Hut; Da rauschten die Wasser im Ammersee. „Dem König gehorcht ein Soldatenblut — Ade nun, mein Schatz, ade!“ Und über ein Jahr ein Reitergrab Liegt einsam auf fremder Heide. Es neigt die Zweige darüber herab Eine wilde, verwachsene Weide; Sie seufzt in die Winde — die tragen es fort, Und die Wasser rauschen im Ammersee: „Dein Liebster, der schlummert am Heideort — Ade nun, mein Schatz, ade!“ Eine Weide, die steht am Ammersee; Sie taucht ihr Gezweig in die Fluten; Es tut wohl kein Herzeleid so weh, Als um Liebe, um Liebe verbluten, Nun schimmert's herauf alabasterweiß Durch die rauschenden Wasser am Ammersee: „Goldhaarige Stirn, wir umplätschern dich leis — Ade nun, mein Schatz, ade!“ Klage der Magd Nun ist der Lenz gekommen, Nun blühen alle Wiesen, Nun herrschen Glanz und Freude Auf Erden weit und breit; Nur meine böse Herrin Sie keift und zetert immer Noch wie in der betrübten Und kalten Winterszeit. Wenn ich am frühen Morgen Mit aufgewachtem Herzen Im Garten grab' und singe, Die Welt mir freundlich blickt, Wirft sie mir aus dem Fenster Die ungefügen Worte, Daß rasch in meiner Kehle Das kleine Lied erstickt. Und wenn mein Vielgeliebter Am Haag vorüberwandelt Und ein paar warme Blicke Mir in die Seele warf, Höhnt sie am Mittagsmahle, Daß ich am untern Ende Das Auge nicht erheben Und mich nicht rühren darf. Daß hungernd ich mit Tränen Das Essen stehen lassen Und mich hinweg muß wenden Voll Scham und voll Verdruß, Und weinend im Verborgnen Die Rinde harten Brotes Mit all' den harten Reden Hinunterwürgen muß. Sogar wenn ich am Sonntag Will in die Kirche gehn Und mir ein armes Bändchen Am Hals nicht übel steht, Vergiftet sie mir neidisch Mit ungerechtem Tadel Die wochenmüde Seele, Das tröstliche Gebet. Mag sie nur selber beten, Daß ihre eignen Kinder Nicht einmal dienen müssen, Wenn ihr das Glück entschwand, Und sie als arme Mutter Wird um die Häuser schleichen, Wo jene sind geschlagen Von böser Herrenhand! Der Husar Mir glänzen die Augen Wie der Himmel so klar; Heran und vorüber Du schlanker Husar! Heran und vorüber Und wieder zurück! Vielleicht kann's geschehen, Du findest dein Glück! Was weidet dein Rapp' mir Den Reseda dort ab? Soll das nun der Dank sein Für die Lieb', so ich gab? Was richten deine Sporen Mein Spinngarn zu Grund? Was hängt mir am Hage Deine Jacke so bunt? Troll dich nur von hinnen Auf deinem groben Tier, Und laß meine freudigen Sternaugen mir! Abendlied Augen, meine lieben Fensterlein, Gebt mir schon so lange holden Schein, Lasset freundlich Bild um Bild herein: Einmal werdet ihr verdunkelt sein! Fallen einst die müden Lider zu, Löscht ihr aus, dann hat die Seele Ruh'; Tastend streift sie ab die Wanderschuh', Legt sich auch in ihre finst're Truh'. Noch zwei Fünklein sieht sie glimmend steh'n Wie zwei Sternlein, innerlich zu seh'n, Bis sie schwanken und dann auch vergeh'n, Wie von eines Falters Flügelweh'n. Doch nun wandl' ich auf dem Abendfeld, Nur dem sinkenden Gestirn gesellt; Trinkt, o Augen, was die Wimper hält, Von dem goldnen Überfluß der Welt!