Vorwort Der „Schatzbehalter“ will keine auf Vollständigkeit abzielende Gesamtübersicht über alle Erscheinungen der modernen Lyrik geben: er ist vielmehr eine nach künstlerischem Gesichtspunkt zusammengestellte knappe Auswahl derjenigen Gedichte, die mir als die wertvollsten und eigensten erschienen und am ehesten dazu geeignet dünkten, auch in weiteren Kreisen das Verständnis für das Wesen und die neugewonnenen Werte der zeitgenössischen Lyrik zu fördern und zu vertiefen. Die zunächst rein persönliche Auswahl habe ich, als ich mich entschloß, sie der Öffentlichkeit zu übergeben, versucht nach allen Seiten hin zu sichten und zu ergänzen und zu einem einheitlichen, in sich geschlossenen Bilde zu erweitern. So hoffe ich den Freunden moderner Lyrik ein willkommenes Handbüchlein geschaffen zu haben. Sollte es mir überdies gelungen sein, mit meiner Arbeit auch in Kreisen, die sich bisher noch mehr oder weniger ablehnend gegen die Erscheinungen der zeitgenössischen Lyrik verhielten, alte Vorurteile zu brechen und ihnen ein wenig von der Freude, die ich beim Zusammenstellen des Buches empfand, zu übertragen, würde ich glauben, den Zweck meiner Arbeit vollkommen erreicht zu haben. Innerhalb der einzelnen Dichter habe ich nicht unbedingt nach Charakterisierung aller ihrer Seiten und Entwicklungszustände gestrebt, sondern ausgewählt, was mir persönlich als der reinste Ausklang ihres Wesens erschien. Bei der Fülle der Erscheinungen war ferner, um das Bild im ganzen klar, übersichtlich und eindrucksvoll zu erhalten, Beschränkung in der Zahl der Persönlichkeiten geboten: neben den stärkeren Individualitäten und Führern durfte der weite Kreis nur im einzelnen berücksichtigt werden. Ich hoffte durch solche Konzentrierung dem einzelnen Kunstwerk innerhalb der Sammlung mehr Geltung zu verschaffen. Der vorgefaßte Plan des Buches war leider in einem seiner Teile nicht vollständig durchzuführen, da die Dichter Stefan George und Rainer Maria Rilke den Abdruck ihrer Gedichte nicht gestatteten. Um die Stellung, die diese Dichter in der Sammlung eingenommen hätten, kurz zu charakterisieren, sind in dem Inhaltsverzeichnis diejenigen Gedichte zitiert worden, die zum Abdruck bestimmt waren. In den bibliographischen Angaben habe ich nach möglichster Vollständigkeit gestrebt. Oktober 1908. H.F. Schrei O wär es doch! Hinaus in dunkle Wälder, In denen die Novemberwetter fegen. Der Keiler kracht, Schaum flockt ihm vom Gebreche, Aus schwarzem Tannenharnisch mir entgegen. O wär es doch! O wär es doch! Im Raubschiff der Korsaren, Vorn halt ich Wache durch die Abendwellen. Klar zum Gefecht, die Enterhaken schielen, Und lauernd kauern meine Mordgesellen. O wär es doch! O wär es doch! Ich säß auf nassem Gaule, In meiner Rechten schwäng ich schon die Fahne, Daß ich, buhlt auch die Kugel schon im Herzen, Dem Vaterlande Siegesgassen bahne. O wär es doch! O wär es doch! Denn den Philisterseelen, Den kleinen, engen, bin ich satt zu singen. Zum Himmel steuert jubelnd auf die Lerche, Den Dichter mag die tiefste Gruft verschlingen. O wär es doch! Tote See Bis auf den Grund hat der Orkan das Meer Ganz umgewühlt, Das Wasser klatschend bis ans Sternenheer Hinaufgespült. Der Riese Sturm hat sich am nächsten Tag Verschrumpft zum Zwerg. Die feuchte Bahn bebt noch vom Rutenschlag Als Wogenberg. War er so außer sich vor Seligkeit? Vor wildem Weh? Der Schiffer nennt den Schwall seit alter Zeit Die tote See. Ist dir, Poet, von Leidenschaft das Herz Noch übervoll, Von Lust und Leid, von Liebe, Schmach und Schmerz, Es macht dich toll. Allmählich doch verzehrt sich Wut und Glut, Noch zitterst du, Verzögert sich das aufgeregte Blut, Du findest Ruh. Dann wirst du wohl ein stiller Gärtner sein, Der Rosen bricht, Und all die Kränze, all die Kränze dein, Sind ein Gedicht. Zwei Meilen Trab Es sät der Huf, der Sattel knarrt, Der Bügel jankt, es wippt mein Bart Im immer gleichen Trabe. Auf stillen Wegen wiegt mich längst Mein alter Mecklenburger Hengst Im Trab, im Trab, im Trabe. Der sammetweichen Sommernacht Violenduft und Blütenpracht Begleiten mich im Trabe. Ein grünes Blatt, ich nahm es mit, Das meiner Stirn vorüberglitt Im Trabe, Trabe, Trabe. Hut ab, ich nestle wohlgemut, Hut auf, schon sitzt das Zweiglein gut, Ich blieb im gleichen Trabe. Bisweilen hätschelt meine Hand Und liebkost Hals und Mähnenwand Dem guten Tier im Trabe. Ich pfeif aus Flick und Flock ihm vor, Er prustet, er bewegt das Ohr, Und sing ihm eins im Trabe. Ein Nixchen, das im nahen Bach Sich badet, planscht und spritzt mir nach Im Trabe, Trabe, Trabe. Und wohlig weg im gleichen Maß, Daß ich die ganze Welt vergaß Im Trabe, Trabe, Trabe. Und immer fort, der Fackel zu, Dem Torfahrtlicht der ewigen Ruh, Im Trabe, Trabe, Trabe. Wer weiss wo (Schlacht bei Kolin, 18. Juni 1757) Auf Blut und Leichen, Schutt und Qualm Auf roßzerstampften Sommerhalm Die Sonne schien. Es sank die Nacht. Die Schlacht ist aus, Und mancher kehrte nicht nach Haus Einst von Kolin. Ein Junker auch, ein Knabe noch, Der heut das erste Pulver roch, Er mußte dahin. Wie hoch er auch die Fahne schwang, Der Tod in seinen Arm ihn zwang, Er mußte dahin. Ihm nahe lag ein frommes Buch, Das stets der Junker bei sich trug, Am Degenknauf. Ein Grenadier von Bevern fand Den kleinen erdbeschmutzten Band Und hob ihn auf. Und brachte heim mit schnellem Fuß Dem Vater diesen letzten Gruß, Der klang nicht froh. Dann schrieb hinein die Zitterhand: „Kolin. Mein Sohn verscharrt im Sand. Wer weiß wo.“ Und der gesungen dieses Lied, Und der es liest, im Leben zieht Noch frisch und froh. Doch einst bin ich, und bist auch du, Verscharrt im Sand, zur ewigen Ruh, Wer weiß wo. Tiefeinsamkeit spannt weit die schönen Flügel Haidebilder Tiefeinsamkeit spannt weit die schönen Flügel, Weit über stille Felder aus. Wie ferne Küsten grenzen graue Hügel, Sie schützen vor dem Menschengraus. Im Frühling rauscht in mitternächtiger Stunde Die Wildgans hoch im raschen Flug. Das alte Gaukelspiel: in weiter Runde Hör ich Gesang im Wolkenzug. Verschlafen sinkt der Mond in schwarze Gründe, Beglänzt noch einmal Schilf und Rohr. Gelangweilt ob so mancher holden Sünde, Verläßt er Garten, Wald und Moor. Die Mittagsonne brütet auf der Haide Haidebilder Die Mittagsonne brütet auf der Haide, Im Süden droht ein schwarzer Ring. Verdurstet hängt das magere Getreide, Behaglich treibt ein Schmetterling. Ermattet ruhn der Hirt und seine Schafe, Die Ente träumt im Binsenkraut, Die Ringelnatter sonnt in trägem Schlafe Unregbar ihre Tigerhaut. Im Zickzack zuckt ein Blitz und Wasserfluten Entstürzen gierig dunklem Zelt. Es jauchzt der Sturm und peitscht mit seinen Ruten Erlösend meine Haidewelt. In Herbstestagen bricht mit starkem Flügel Haidebilder In Herbstestagen bricht mit starkem Flügel Der Reiher durch den Nebelduft. Wie still es ist. Kaum hör ich um den Hügel Noch einen Laut in weiter Luft. Auf eines Birkenstämmchens schwanker Krone Ruht sich ein Wanderfalke aus. Doch schläft er nicht, von seinem leichten Throne Äugt er durchdringend scharf hinaus. Der alte Bauer mit verhaltnem Schritte Schleicht neben seinem Wagen Torf. Und holpernd, stolpernd, schleppt mit lahmem Tritte Der alte Schimmel ihn ins Dorf. Die Sonne leiht dem Schnee das Prachtgeschmeide Haidebilder Die Sonne leiht dem Schnee das Prachtgeschmeide, Doch ach! wie kurz ist Schein und Licht. Ein Nebel tropft, und traurig zieht im Leide Die Landschaft ihren Schleier dicht. Ein Häslein nur fühlt noch des Lebens Wärme, Am Weidenstumpfe hockt es bang. Doch kreischen hungrig schon die Rabenschwärme Und hacken auf den sichern Fang. Bis auf den schwarzen Schlammgrund sind gefroren Die Wasserlöcher und der See. Zuweilen geht ein Wimmern, wie verloren, Dann stirbt im toten Wald ein Reh. Tiefeinsamkeit, es schlingt um deine Pforte Haidebilder Tiefeinsamkeit, es schlingt um deine Pforte Die Erika das rote Band. Von Menschen leer, was braucht es noch der Worte, Sei mir gegrüßt, du stilles Land. Schöne Junitage Mitternacht, die Gärten lauschen, Flüsterworte und Liebeskuß, Bis der letzte Klang verklungen, Weil nun alles schlafen muß — Flußüberwärts singt eine Nachtigall. Sonnengrüner Rosengarten, Sonnenweiße Stromesflut, Sonnenstiller Morgenfriede, Der auf Baum und Beeten ruht — Flußüberwärts singt eine Nachtigall. Straßentreiben, fern, verworren, Reicher Mann und Bettelkind, Myrtenkränze, Leichenzüge, Tausendfältig Leben rinnt — Flußüberwärts singt eine Nachtigall. Souvenir de la malmaison Sicilianen Die menschenblasse Rose legte ich Auf deine kalten, überkreuzten Hände, Und strich dein Haar zurück und pflegte dich, Ob ich dein jubelnd Leben wiederfände. Im Zimmer, irrgeflogen, regte sich Ein Schmetterling: die alte Grablegende. Ich schloß den Sarg. Der Kummer fegte mich In fernes Land aus trostlosem Gelände. Sommernacht Sicilianen An ferne Berge schlug die Donnerkeulen Ein rasch verrauschtes Nachmittagsgewitter. Die Bauern zogen heim auf müden Gäulen, Und singend kehrte Winzervolk und Schnitter. Auf allen Dächern qualmten blaue Säulen, Genügsam himmelan, ein luftig Gitter. Nun ist es Nacht, es geistern schon die Eulen, Einsam aus einer Laube klingt die Zither. Acherontisches Frösteln Sicilianen Schon nascht der Staar die rote Vogelbeere, Zum Erntekranze juchheiten die Geigen, Und warte nur, bald nimmt der Herbst die Scheere Und schneidet sich die Blätter von den Zweigen, Dann ängstet in den Wäldern eine Leere, Durch kahle Äste wird ein Fluß sich zeigen, Der schläfrig an mein Ufer treibt die Fähre, Die mich hinüberholt ins kalte Schweigen. Schwalbensiciliane Sicilianen Zwei Mutterarme, die das Kindchen wiegen, Es jagt die Schwalbe weglang auf und nieder. Maitage, trautes Aneinanderschmiegen, Es jagt die Schwalbe weglang auf und nieder. Des Mannes Kampf: Sieg oder Unterliegen, Es jagt die Schwalbe weglang auf und nieder. Ein Sarg, auf den drei Handvoll Erde fliegen, Es jagt die Schwalbe weglang auf und nieder. Heimgang in der Frühe In der Dämmerung, Um Glock zwei, Glock dreie, Trat ich aus der Tür In die Morgenweihe. Klanglos liegt der Weg, Und die Bäume schweigen, Und das Vogellied Schläft noch in den Zweigen. Hör ich hinter mir Sacht ein Fenster schließen. Will mein strömend Herz Übers Ufer fließen? Sieht mein Sehnen nur Blond und blaue Farben? Himmelsrot und Grün Samt den andern starben. Ihrer Augen Blau Küßt die Wölkchenherde, Und ihr blondes Haar Deckt die ganze Erde. Was die Nacht mir gab, Wird mich lang durchbeben, Meine Arme weit Fangen Lust und Leben. Eine Drossel weckt Plötzlich aus den Bäumen, Und der Tag erwacht Still aus Liebesträumen. Märztag Wolkenschatten fliehen über Felder, Blau umdunstet stehen ferne Wälder. Kraniche, die hoch die Luft durchpflügen, Kommen schreiend an in Wanderzügen. Lerchen steigen schon in lauten Schwärmen, Überall ein erstes Frühlingslärmen. Lustig flattern, Mädchen, deine Bänder, Kurzes Glück träumt durch die weiten Länder. Kurzes Glück schwamm mit den Wolkenmassen. Wollt es halten, mußt es schwimmen lassen. Auf dem Kirchhof Der Tag ging regenschwer und sturmbewegt, Ich war an manch vergessenem Grab gewesen. Verwittert Stein und Kreuz, die Kränze alt, Die Namen überwachsen, kaum zu lesen. Der Tag ging sturmbewegt und regenschwer, Auf allen Gräbern fror das Wort: Gewesen. Wie sturmestot die Särge schlummerten, Auf allen Gräbern taute still: Genesen. Letzter Gruss Herbsttag, und doch wie weiches Frühlingswetter, Ich schlenderte langseits der Friedhofshecke, Ein Sarg schien unter Gramgeläut zu sinken, Dann bog ich auf dem Wege um die Ecke. Da kamst du, keine Täuschung, mir entgegen; Wir hatten gestern Abschied schon genommen, Du gingst zur Bahn, geleitet von Geschwistern, Noch einmal mußte mir die Marter kommen. Ich grüßte dich, und sah dein freundlich Danken; Die mit dir schritten, habens nicht beachtet. Und ich blieb stehn, du wandtest dich verstohlen, Von Leid war meine Seele dicht umnachtet. Im Schmerz grub ich die Linke in den Dornbusch Und ließ die Stacheln tief ins Fleisch mir dringen. Ein letzter Gruß von dir, von mir. Vorüber. Die Hand im Strauche will die Qual bezwingen. Es tat nicht weh, ich hab in Wachs gegriffen, Kein Tropfen sprang, es hat nicht warm geflutet. Die roten Ströme sind zurückgeschrocken, Es hat mein Herz, mein Herz nur hat geblutet. Abendgang Noch nicht November und der erste Schnee, Es drückt den Wald das erste Winterweh. Auf seinen Wegen wandert wohl der Tod, Wohin er schreitet, sterben Leid und Not. Da orgelt plötzlich, fern, ein Hirsch im Holz, Und in Gedanken seh ich, wie er stolz Die Stangen hebt und seiner Nüstern Hauch Erwärmend hinzieht über Blatt und Strauch. Das Leben wacht, doch als ich um mich schau, Da schläft am Wege eine alte Frau. Der Ast, den sie gesammelt, preßt wie Stein, Auf ihrer schweren Bürde schlief sie ein. Sie schläft für ewig. Soll ihr Rückenjoch, So fest gebündelt, in den Himmel noch? Der Abendpurpur flicht den Kranz der Ruh Und küßt den Staub ihr ab von Saum und Schuh. Cincinnatus Frei will ich sein. Meinen Jungen im Arm, in der Faust den Pflug, Und ein fröhlich Herz, und das ist genug. Und schleichen die Wünsche wie schmeichelnde Panther, Tobt einer im Blut mir, ein höllengesandter, Daß ich Ruhe nicht finde bei Tag und Nacht, Daß ich ganz wirr bin und überwacht, Daß mir die Wangen einfallen und bleichen, Und kann doch und kann doch den Wunsch nicht erreichen: Ich schluck ihn zu den begrabenen andern, Fein still, und es säumt schon das rastlose Wandern. Das Wort klingt herb und hat traurigen Mund, Und tröstet mich doch und macht mich gesund. Meinen Jungen im Arm, in der Faust den Pflug, Und ein fröhlich Herz, und das ist genug. Frei will ich sein. Bietet der Staat mir Würden und Amt, Und trüg er mirs an auf purpurnem Samt, Ich winke den Bringern, ich lache dem Tand, Und wehre sie ab mit verneinender Hand. Mich schaudert vor Joch und Fessel und Druck, Vor des Dienstes grauem Bedientenschmuck, Vor des Dienstes Sklavenarbeiten, Vor seinen Rücksichtslosigkeiten. Ich beuge den Menschen nicht meinen Nacken, Und lasse sie nicht an den Kragen mir packen. Der Geier des Ehrgeizes richtet den Schnabel Ewig nur gegen den eigenen Nabel, Und frißt sich selbst in den Eingeweiden, Und schafft sich selbst nur die bittersten Leiden. Weg da, ihr Narren, und laßt mich in Ruh, Und dröhnend werf ich mein Hoftor zu. Meinen Jungen im Arm, in der Faust den Pflug, Und ein fröhlich Herz, und das ist genug. Frei will ich sein. Doch ruft mich der Kaiser in Not und Gefahr, Ich entstürze dem Haus mit gesträubtem Haar, Bin um ihn, wenn er von Feinden umdrängt, Bis wieder die Streitaxt am Nagel hängt. Muß das Vaterland drangvoll die Sturmflaggen hissen, Ho heida! die Klinge der Scheiden entrissen. Und droht es von Osten und dräut es von West, Wir schlachten den Bären, den Hahn uns zum Fest. Fällt neidisch uns an auch die ganze Welt, Sie lernt uns schon kennen, der Angriff zerspellt. Und der Friede strahlt auf von Sonnen gezogen, Der Taifun erstarb in sanft plätschernden Wogen, Der Ackersmann sät und der alte Verkehr Findet verkettete Straßen nicht mehr. Dann stemm ich die Spitze von meinem Schwert Fest auf den häuslichen Feuerherd, Umfasse den Griff mit der einen Hand, Und trockne das Blut von Rill und Rand, Und schleif es, gewärtig zu neuem Tanz, Doch heute bedeckt es ein Eichenkranz. Meinen Jungen im Arm, in der Faust den Pflug, Und ein fröhlich Herz, und das ist genug. Frei will ich sein! Bewegte See Noch einmal so! Im Nebel durch den Sturm: das Segel knatterte, die Schiffer schrieen, am Bugspriet stand das Wasser wie ein Turm, ich fühlte deine Angst in meinen Knieen und sah dein stolz und fremd Gesicht. Noch Einmal wollte mir dein Auge drohn, wie eine Flamme stand dein Haar im Winde, doch in den Wellen rang ein Ton wie das Gewein von einem Kinde — da wehrtest du mir nicht: Um meine Lippen lag dein naß wild Haar, um deine Schulter lag mein Arm gezogen, und unsern Kuß versüßte wunderbar der Schaum der salzigen Sturzwogen — da schrie ich laut vor Freude auf. Noch Einmal so! Was tust du jetzt so kalt, hast du denn Furcht vorm offnen Meere? Es peitscht dich warm! Komm bald, komm bald! Im Hafennebel tanzt die Fähre — hinauf! hinaus! Stromüber Der Abend war so dunkelschwer, und schwer durchs Dunkel schnitt der Kahn; die Andern lachten um uns her, als fühlten sie den Frühling nahn. Der weite Strom lag stumm und fahl, am Ufer floß ein schwankend Licht, die Weiden standen starr und kahl. Ich aber sah dir ins Gesicht und fühlte deinen Atem flehn und deine Augen nach mir schrein und — eine Andre vor mir stehn und heiß aufschluchzen: Ich bin dein! Das Licht erglänzte nah und mild; im grauen Wasser, schwarz, verschwand der starren Weiden zitternd Bild. Und knirschend stieß der Kahn ans Land. Aus banger Brust Die Rosen leuchten immer noch, die dunkeln Blätter zittern sacht; ich bin im Grase aufgewacht, o kämst du doch, es ist so tiefe Mitternacht. Den Mond verdeckt das Gartentor, sein Licht fließt über in den See, die Weiden warten still empor, mein Nacken wühlt im feuchten Klee; so liebt’ ich dich noch nie zuvor! So hab ich es noch nie gewußt, so oft ich deinen Hals umschloß und blind dein Innerstes genoß, warum du so aus banger Brust aufstöhntest, wenn ich überfloß. O jetzt, o hättest du gesehn, wie dort das Glühwurmpärchen kroch! Ich will nie wieder von dir gehn! O kämst du doch! Die Rosen leuchten immer noch. Enthüllung Du sollst nicht dulden, daß dein Schmerz dich knechte; du bist so gern vor Freude wild. Komm vor den Spiegel! — O, wie schwillt dein düstres Haar, wie lebt dein Bild, wie blüht dein Mund — : als wenn durch Nächte der Blitze bläuliches Geflechte, der Honigduft der roten Disteln quillt! Dein weißes Kleid ist wie zum Hohne mit türkischen Märchenblumen toll durchzackt. Ich träume dich auf schwarzem Throne. Du bist verschleiert bis zur Krone. Doch wärst du keusch wie Magelone, wir Träumer sehen alles nackt! Gib her, gib her den Trauerschleier, ich reiß ihn lachend dir entzwei! Ich bin dein Einziger, dein Befreier, dein Herr! — Was starrst du so ins Feuer, so schmerzhaft? — O verzeih — verzeih — Nur Und der Abschied war kein Ende, und mein Blick bewegte dich; und es war, als legte sich still dein Herz in meine Hände. Aber wenn du wiederkehrst, will ich deine Hand nicht küssen, will es nur empfinden müssen, wie du deinem Herzen wehrst. Auf See Doch hatte niemals tiefere Macht dein Blick, als da du, Abschied fühlend, still am Ufer standest, schwandest. Nur der Blick noch blieb und bebte über den Wassern. Dunkel folgte der Schein den leuchtenden Furchen Und ich sah den Schaum der tiefen Flut, sah dein weißes Kleid zerfließen: du Seele — Seele — — Nacht für Nacht Still, es ist ein Tag verflossen. Deine Augen sind geschlossen. Deine Hände, schwer wie Blei, liegen dir so drückend ferne. Um dein Bette schweben Sterne, dicht an dir vorbei. Still, sie weiten dir die Wände: Gieb uns her die schweren Hände, sieh, der dunkle Himmel weicht — Deine Augen sind geschlossen — still, du hast den Tag genossen — dir wird leicht — — Letzte Bitte Lege deine Hand auf meine Augen, daß mein Blut wie Meeresnächte dunkelt: fern im Nachen lauscht der Tod. Lege deine Hand auf meine Augen, bis mein Blut wie Himmelsnächte funkelt: silbern rauscht das schwarze Boot. Geheimnis In die dunkle Bergschlucht kehrt der Mond zurück. Eine Stimme singt am Wassersturz: O Geliebtes — deine höchste Wonne und dein tiefster Schmerz sind mein Glück — — Stiller Gang Der Abend graut; Herbstfeuer brennen. Über den Stoppeln geht der Rauch entzwei. Kaum ist mein Weg noch zu erkennen. Bald kommt die Nacht; ich muß mich trennen. Ein Käfer surrt an meinem Ohr vorbei. Vorbei. Beschwichtigung Die Nacht wird kühl, mein Schatten kriecht im Sand am Rand des Ozeans. Der Mond vergießt sein fremdes Licht und nimmt den Sternen ihren Glanz. Die See rauscht. Was quäl ich mich! Hier trieb vielleicht schon manches Paar sein loses Spiel, und sind erglüht und sind erbleicht und sprachen dann vom Tode viel. Die See rauscht. Wenn alles Land gefroren ist, wenn übers eingeschneite Feld die Sonne ihren Glanz ergießt, dann wird dir fremd sein, was dich quält. Die See rauscht. Manche Nacht Wenn die Felder sich verdunkeln, fühl ich, wird mein Auge heller; schon versucht ein Stern zu funkeln, und die Grillen wispern schneller. Jeder Laut wird bilderreicher, das Gewohnte sonderbarer, hinterm Wald der Himmel bleicher, jeder Wipfel hebt sich klarer. Und du merkst es nicht im Schreiten, wie das Licht verhundertfältigt sich entringt den Dunkelheiten. Plötzlich stehst du überwältigt. Die stille Stadt Liegt eine Stadt im Tale, ein blasser Tag vergeht; es wird nicht lange dauern mehr, bis weder Mond noch Sterne, nur Nacht am Himmel steht. Von allen Bergen drücken Nebel auf die Stadt; es dringt kein Dach, nicht Hof noch Haus, kein Laut aus ihrem Rauch heraus, kaum Türme noch und Brücken. Doch als den Wandrer graute, da ging ein Lichtlein auf im Grund; und durch den Rauch und Nebel begann ein leiser Lobgesang, aus Kindermund. Einst Ich ruhe; helle Wolken fliehn, mein Herz rauscht wie das weite Feld. Flügel leuchten — und über die Wolken steigt ein Lied: Einst brauchst du keinen Menschen mehr, du Herz der Welt! — Stimme des Abends Die Flur will ruhn. In Halmen, Zweigen ein leises Neigen. Dir ist, als hörst du die Nebel steigen. Du horchst — und nun: dir wird, als störst du mit deinen Schuhn ihr Schweigen. Am Opferherd Komm an mein Feuer, mein Weib, es ist kalt in der Welt. Komm an mein Feuer und lege dein Ohr an mein Herz. Komm an mein Feuer und mache aus meinen Händen eine leuchtende Schale für die Wärme die wir — o Wir, mein Weib — verschwenden an die Welt... Erfüllung Daß du auch an Meinem Herzen, Herz, nur neue Sehnsucht fühlst und dich in die Menschenschmerzen schmerzlicher als je verwühlst: ist das nicht Erfüllung, du? Wenn die Erde schmilzt vom Eise, daß die Luft nach Frühling schmeckt, und in immer neuer Weise wild ihr Grün zum Himmel reckt: ist das nicht Erfüllung, du? Wenn wir dann noch Ostern feiern, weil ein Mensch sein Leben ließ, der den Frevlern wie Kasteiern gleiche Seligkeit verhieß: ist das nicht Erfüllung, du? Laß die tragische Geberde, sei wie Gott, du bist es schon: jedes Weib ist Mutter Erde, jeder Mann ist Gottessohn, Alles ist Erfüllung, du! Lied an meinen Sohn Der Sturm behorcht mein Vaterhaus, mein Herz klopft in die Nacht hinaus, laut; so erwacht’ ich vom Gebraus des Forstes schon als Kind. Mein junger Sohn, hör zu, hör zu: in deine ferne Wiegenruh stöhnt meine Worte dir im Traum der Wind. Einst hab ich auch im Schlaf gelacht, mein Sohn, und bin nicht aufgewacht vom Sturm; bis eine graue Nacht wie heute kam. Dumpf brandet heut im Forst der Föhn, wie damals, als ich sein Getön vor Furcht wie meines Vaters Wort vernahm. Horch, wie der knospige Wipfelsaum sich sträubt, sich beugt, von Baum zu Baum; mein Sohn, in deinen Wiegentraum zornlacht der Sturm — hör zu, hör zu! Er hat sich nie vor Furcht gebeugt! horch, wie er durch die Kronen keucht: sei Du! sei Du! — Und wenn dir einst von Sohnespflicht, mein Sohn, dein alter Vater spricht, gehorch ihm nicht, gehorch ihm nicht: horch, wie der Föhn im Forst den Frühling braut! Horch, er bestürmt mein Vaterhaus; mein Herz tönt in die Nacht hinaus, laut — — Die Harfe Unruhig steht der hohe Kiefernforst; die Wolken wälzen sich von Ost nach Westen. Lautlos und hastig ziehn die Krähn zu Horst; dumpf tönt die Waldung aus den braunen Ästen. Und dumpfer tönt mein Schritt. Hier über diese Hügel ging ich schon, als ich noch nicht den Sturm der Sehnsucht kannte, noch nicht bei euerm urweltlichen Ton die Arme hob und ins Erhabne spannte, ihr Riesenstämme rings. In großen Zwischenräumen, kaum bewegt, erheben sich die graugewordnen Schäfte; durch ihre grüngebliebnen Kronen fegt die Wucht der lauten und verhaltnen Kräfte wie damals. Und Eine steht, wie eines Erdgotts Hand in fünf gewaltige Finger hochgespalten; die glänzt noch goldbraun bis zum Wurzelstand und langt noch höher als die starren alten einsamen Stämme. Durch die fünf Finger geht ein zäher Kampf, als wollten sie sich aneinanderzwängen; durch ihre Kuppen wühlt und spielt ein Krampf, als rissen sie mit Inbrunst an den Strängen einer verwunschnen Harfe. Und von der Harfe kommt ein Himmelston und pflanzt sich mächtig fort von Ost nach Westen. Den kenn ich tief seit meiner Jugend schon: dumpf tönt die Waldung aus den braunen Ästen: komm, Sturm, erhöre mich! Wie hab ich mich nach einer Hand gesehnt, die mächtig ganz in meine würde passen! wie hab ich mir die Finger wund gedehnt! die ganze Hand, die konnte Niemand fassen! Da ballt’ ich sie zur Faust. Ich habe mit Inbrünsten jeder Art mich zwischen Gott und Tier herumgeschlagen. Ich steh und prüfe die bestandne Fahrt: nur Eine Inbrunst läßt sich treu ertragen: zur ganzen Welt. Komm, Sturm der Allmacht, schüttel den starren Forst! schüttelst auch mich, du urweltliches Treiben. In scheuen Haufen ziehn die Krähn zu Horst. Gib mir die Kraft, einsam zu bleiben, Welt! — Mein Trinklied Noch eine Stunde, dann ist Nacht; trinkt, bis die Seele überläuft, Wein her, trinkt! Seht doch, wie rot die Sonne lacht, die dort in ihrem Blut ersäuft; Glas hoch, singt! Singt mir das Lied vom Tode und vom Leben, djagloni gleia glühlala! Klingklang, seht: schon welken die Reben. Aber sie haben uns Trauben gegeben! Hei! — Noch eine Stunde, dann ist Nacht. Im blassen Stromfall ruckt und blinzt ein Geglüh: der rote Mond ist aufgewacht, da kuckt er übern Berg und grinst: Sonne, hüh! Singt mir das Lied vom Tode und vom Leben; Mund auf, lacht! Das klingt zwar sündlich, klingklang, sündlich! Aber eben: trinken und lachen kann man bloß mündlich! Hüh! — Noch eine Stunde, dann ist Nacht; wächst übern Strom ein Brückenjoch, hoch, o hoch! Ein Reiter kommt, die Brücke kracht; saht ihr den schwarzen Reiter noch? Dreimal hoch!!! Singt mir das Lied vom Tode und vom Leben, djagloni, Scherben, klirrlala! Klingklang: neues Glas! Trinkt! wir schweben über dem Leben, an dem wir kleben! Hoch! — Aus „Zwei Menschen“ Romanze II, 28 Und es rauscht nur und weht. Es liegt eine Insel, wohl zwischen grauen Wogen. Es kommen wohl Vögel durch die Glut geflogen, die blaue Glut, die stumm und stet die Dünen umschlingt. Da gebiert die Erde im Stillen wohl ihr Empfinden und nimmt ihre Träume und giebt sie den Wellen, den Winden. Die Seele eines Weibes singt: O laß mich still so liegen, an deiner Brust, die Augen zu. Ich sehe zwei Wolken fliegen, die eine Sonne wiegen; wo sind wir, Du? — Und es rauscht nur und weht. Es liegt eine Düne, wohl zwischen tausend andern. Es werden wohl Sterne den blauen Raum durchwandern, der über den bleichen wilden Hügeln steht und golden schwingt. Die Seele eines Mannes singt: Still, laß uns weiter fliegen, Beide die Augen zu. Ich sehe zwei Meere liegen, die einen Himmel wiegen. O Du — Es rauscht, es weht; über die heißen Höhenzüge geht höher und höher der goldne Schein ins Blaue hinein, wo das Dunkel schwebt. Und aus dem Dunkel herüber, auf großen Wogen, kommt die Einsamkeit gezogen. Und zwei Seelen singen: Eine Seele lebt, wohl zwischen den Sternen, den Sonnen, den Himmeln, den Erden, die will uns wohl endlich leibeigen werden: es schwellen die Wogen herüber, wie Herzen klingen, Menschenherzen! — Zwei Seelen singen — Aus „Zwei Menschen“ Romanze III, 28 Doch weit und hoch und funkelnd spannt die Nacht ihr Grauen aus um Turm und Hain und Garten. Im Tal bezeugt ein Lichtlein ihre Macht. Die Stadt schläft, von den Sternen bewacht. Und über die Wipfel deutend, die frosterstarrten, fragt das Weib mit Vorbedacht: Doch wenn nach unsern göttlichen Augenblicken die menschlichen Stunden das Herz beschleichen? können wir uns wie diese Eichen mit sichern Wurzeln in jedes Schicksal schicken? Das Kind kann’s noch — da sprachst du wahr; sie denkt schon dran, hier Spielgefährten zu finden. Sie kann ihr Herz noch frei an Alles binden; selbst ihren Büchern bringt sie’s dar. Wir aber, die wir nicht mehr einsam sind und doch den Zwiespalt dieser Welt empfinden, dürfen wir träumen wie ein Kind? Das Licht im Tal erzittert; sie sehn’s verschwinden. Des Mannes Lächeln wird seltsam wild. Es ist ein Lächeln, das allem Schicksal gilt. Sein Blick erhebt sich in die nächtigen Fernen, als lese er die Antwort aus den Sternen, seltsam mild: Es ist in uns ein Ewig Einsames — es ist Das, was uns Alle eint. Es tut sich kund als Urgemeinsames, je eigner es die Seele meint. Sie wurzelt rings im grenzenlos Alleinen; sie liebt es, sich im Weltspiel zu entzwein, um immer wieder selig sich zu einen durch Zwei, die grenzenlos allein. So lebt die Liebe — das ist kein Traum. So, Kind, erlebt dein Herz im dürrsten Baum, was ihm wohl oder wehe tut; nur leiser, ferner, nicht so nah dem Blut. Zwei Menschen lächeln über Zeit und Raum. Schlafend trägt man mich Aus „Der Glühende“ Schlafend trägt man mich in mein Heimatland. Ferne komm ich her, über Gipfel, über Schlünde, über ein dunkles Meer in mein Heimatland. Du wirst wiederkommen Aus „Die Schöpfung“ Du wirst wiederkommen, Fantasie. Ich warte deiner unbeklommen; du ließest mich nie. In glühenden Stürmen mein Geist: und stürzt in Abgründe. Komm, Verbündete, die mir den schmalen Steg weist. *** Ich bin selig in dieser tiefen Nacht. Ein Stern glänzt vor mir, doch das ist es nicht. Es ist eine andere Leuchte, die mir langsam näher kommt in der Nacht. Das ist die öde Winternacht Aus „Die Schöpfung“ Das ist die öde Winternacht, die mich gefrieren macht. Alle Feuer sind ohne Gewalt vor dieser Schwermutgestalt. Ich muß Licht zünden, sonst werd’ ich ohnmächtig! Und aus den Abgründen siegerprächtig tritt die Flamme — *** Die Welt ist voll dunkler Fragen. Drum muß man die Harfe schlagen. Glaube du an mich Aus „Die Schöpfung“ Glaube du an mich, wie ich glaubte an dich, da ich dich selig zerstörte und so tief dir angehörte. Und glaube, daß ich dabei weinte und mich ganz mit dir vereinte. Ich habe dich erschüttert, was willst du mehr! Ich habe über dir gewittert, ich gab dir mein ganzes großes Meer. Ich ruhe geheiligt schwer Aus „Die Schöpfung“ Ich ruhe geheiligt schwer. *** Ich möchte sagen: Jetzt ist tiefer Abend. Doch glänzt noch wunderbar ein Meer. Ich sah dich, und die Seele glänzte Aus „Die Schöpfung“ Ich sah dich, und die Seele glänzte entwölkt von Qual. Du trugst des ewigen Lebens Wonne in mein tiefstes Thal. Ich liebte dich. Die Seele glänzte. Doch war mein Herz zu glühend, und mein war des tiefsten Schöpfergrams! — So kam’s. *** Nimm meinen letzten Ton. Nimm meine letzte Leuchte. Nimm meiner Schöpfung klaren Spiegel, von dem ich jegliches Gewölk verscheuchte. Ohne Leidenschaft, doch ganz in Liebe Aus „Der Denker“ Ohne Leidenschaft, doch ganz in Liebe komm’ ich zu dir und frage dich: Willst du mich haben? Ich sitze gern im Frühling, in thauigen Gärten, wo ein Wind weht über ein Blumenbeet. Und kommt der greise Gärtner mir vorüber, so red’ ich gern mit ihm ein Viertelstündchen von seinen Büschen und von seiner Erde; ein Vogel singt im Baum. Da reden wir, auch wir: was Menschen reden. Und nehm’ ich dann ein Blatt vom Baum und leg’ es dir auf deine große Hand, so fühlst du das: du hast mein Herz. Du findest zuletzt noch eine Bank Aus „Der Denker“ Du findest zuletzt noch eine Bank tieftief im Schatten stolzer, ewiger Tannen. Wenn das Leben dich tötet, lausche meinem Gesang. Ich komme zu dir aus einem dunklen Gang und trage ein glänzend Herz in den Händen. Du mußt dich nicht wegwenden; schaue mich an. Es schlägt das Licht an eine dunkle Pforte Aus „Der Denker“ Es schlägt das Licht an eine dunkle Pforte. Bei jedem Schlag zerrinnt ein selig Wunder: Säulen stürzen, rauschende Wälder welken, herrliche Gestalten, große Angesichter, tauchen unter das Meer. Und allʼ die tausend bunten Segel sterben. Zuletzt sticht die Sonne in mein bleiches Antlitz, der ich als der Letzte aus der dunklen Pforte trete. Ich sah so Vieles sinken in der Schöpfung, was hoch im Flug war. Und Dinge, denen der Gedanke schwand, die jetzt umschwirren ohne Form und Ziel; zerstört, zerstörend. Ich sah das träumend. Ein tief Gefühl unvergänglicher Seligkeit, das ich im Schaffen nie verstand, legte schweigend meine Hand auf mein Herz. „Ob’s möglich ist, hier einen Weg zu bahnen“ Aus „Der Denker“ „Ob’s möglich ist, hier einen Weg zu bahnen“ — das ist das Wort, das ich mir oftmals rede im Tiefen-Bewußtsein, währenddes mein Geist eindringt in eine Welt urgroßer Bilder. Sie lagern unbeweglich, den Wanderer anschauend. Hier hängt ein Vogel seine Flügel über mich, daß ich wie unter Höhlen stehe. Aufblickend seh’ ich wunderbare Sterne den Federn eingefügt, ein Nacht-Gewölbe strahlt über mir und macht in Wonne staunen. Dann saust das auf, dann wirbeln Blätter nieder aus Wipfeln eines Welt-Baumes. Niederblickend seh’ ich schillernden Strom an mir vorübergleiten, und der treibt die Blätter über meinem Spiegelbild dahin. Liegen muß ich, über’s Wasser starren, bis etwas wie ein Greis mich weckt, eine Bergstange mir in die Hände legt. Ich merk’ es jetzt, ich bin im Eisgebirg. Das Mondlicht silbert an scharfen Zinnen. Und ich stehe; schaue... Eine Sonne schau’ ich. Glutrot hängt sie über drei Weltmeeren. In alle drei tropft ihre Glut hinunter und sinkt durch Wogen sichtbar bis in Grund. An jedem der drei Meere sitzt ein Ufer-Greis mit einer Angel in tiefem Sinnen. Er fischt Gluttropfen aus den dunklen Wogen, und legt sie auf die Hand, und läßt sie glühen, und blickt aus traumalten Augen in tiefe Himmel. „Ob’s möglich ist, hier einen Weg zu bahnen“ — das ist das Wort, das tief im Haupte nistet und mir oftmals den Fuß rührt und die Hände. ’s ist das, was „Mensch“ ist, und „das Leben“ ist; ’s ist das, was einzig einen Namen trägt. Doch alles Andre, das ist Namenloses, und lagert; und blickt mich an. Und dran zu denken, wie dies Wort mir in das Haupt kam, und warum es kam — auch das ist Namenloses, und lagert; und blickt mich an. Es ist ein endloser Gesang von Vögeln Aus „Der Denker“ Es ist ein endloser Gesang von Vögeln in den Urwäldern. Stirb fünfmal und erwache wieder: sie singen doch noch immer. Drum ist das Sterben nicht der Mühe wert und hilft dir nicht zu dem, wonach du suchst. Ich binde mich an eines Berges sinnenden Gipfel zwischen silberne Gestirne. Wenn Müdigkeit mich überfallen sollte, will ich doch in der Höhe sein. Einsames Land! Einsamer Baum darinnen! Aus „Der Denker“ Einsames Land! Einsamer Baum darinnen! Süß ist das Stehn und Sinnen unter deinen Zweigen. Aus deinen Wipfeln sinkt es nieder, das Selig-Dämmernde und Schweigende. Die Hände streck’ ich aus, und sie füllen sich mit unsichtbaren Blättern, und ich fühle das ganz im reifgewordnen Herzen. O Baum, an deinem Stamm, unter deinen Zweigen ward ich ein blinder Mann und sammle ein die Gaben, die aus deinen Wipfeln niedersinken. Das Herrlichste, es sinkt mir auf das Haupt, und auf die Schultern, liegt zu meinen Füßen. Es verschüttet mich. Reicht eine Harfe! Das Tief-Ewige umschauert mich. Es dringt ein Glanz herein in meine Nacht. Das muß die Träne sein, die draußen auf der Schwelle des Hauses lagert und den Mond anblickt. Reicht mir die Harfe! Glänzender war ich nie! Schließt die Pforten auf! Öffnet die Fenster! Ihr Alle, Alle, kommt zum großen Fest! Die That ging schlafen Aus „Der Denker“ Die That ging schlafen. Alle Inseln schlafen. Und finstre schroffe Felsen jagen Schatten über den Ozean. Es schläft auch der Vulkan, in dessen Feuerschein ich einst ein Weib umarmte. Unvergeßlich herrlich ist die Welt — doch kommt ihr der Schlaf und will geliebt sein. In Orion-Nächten schwimmt nun mein Nachen auf dem Ozean. Dir im Rücken ragt die goldne Harfe einsam fern am Horizont. Deine Hände, die alten Saitenrührer, liegen glänzend, gefaltet auf der Brust. Du stehst am Steuer; blickst hinaus, wohin Niemand dir folgt. Und endlich sinkt auch das Ewig-Junge neben dir in Schlaf; es lächelt noch über seine Schönheit — sieh bei dir im Nachen das schlafende Kind! — Der du nicht schön bist und nicht Jugend bist — du Geist du! halte das Steuer in deinen harten Händen, tief in Nachtwachen, drin deine Stirne rötet der Gedanke, wo du das Brett nicht siehst, auf dem du stehst, wo du nur hörst das eherne Gedröhne der Tiefe, und ganz leise, leise, die zarten Atemzüge eines Kindes. — Wann das Frührot glüht, wann das Kind erwacht, kannst du scheiden, Geist, frei wohin du willst — in Einsam-Schroffes — in Melancholie. Einsamer Ort im Welten-All Aus „Der Denker“ Einsamer Ort im Welten-All, mein Schlafgemach. Es braust in meinen Ohren die Musik. Und vor den Augen schweben die Bilder. Und meine Hand liegt auf der Welt. Sie ruht. Gestirn des Geistes, dort am Weltenrand seh’ ich dich aufgehn, und mein dunkler Hügel erglänzt. Ich lieg’ auf einer Insel, zwischen hohen, sanften Blumen Aus „Der Denker“ Ich lieg’ auf einer Insel, zwischen hohen, sanften Blumen. Wie still ist mir um’s Herz! Und reine Berge stehen rund um mich, eine Habe die mir gehört — fast möcht’ ich lächeln. Über meinen Augen liegt eine glänzende Decke — fast möcht’ ich die Hände rühren und sie wegziehn. Fast möcht’ ich aufstehn! Ich höre das Meer — es stürmt blau auf den Strand. Urasima, du Schöner Aus „Die Blüte des Chaos“ Urasima, du Schöner Urasima, du Ferner, dein Herz schwebt dort als Wolke in der Bläue. „Dort schwebt mein Herz, und in kristallner Sphäre. Über grünen Hügeln, über blauen Strömen, mein goldner Strahl trifft alle Sterbenden und alle Dichter„. Urasima, du Schöner, Urasima, du Ferner, was lebt von dir hier unten bei uns Menschen? was lebt von dir hier unten bei mir armem Weibe? „Alles. Alles. Hast du nicht den Mond? Hast du nicht die wilde große Sonne? Hast du nicht den Thau vor deiner Waldhütte? Nicht das Murmeln draußen eines Brunnens in den Nächten deiner schlafverlassenen Liebe? Hast du nicht deine schluchzende schlafverlassene Liebe?“ Urasima, du Ewiger, in der Tiefe unter deinem Herzen beseligt mich — schlafverlassene Liebe. Lied des Adlers: Aus „Der Sonne-Geist“ In dem wunderbaren Himmel-Leben ist das Herrlichste: das stille Schweben über Welten. Meinen hohen Ort kann kein Flügelschlag erringen. Unter meinen stillen Schwingen ziehen selig ganze Welten fort. Aus weißen Wolken Aus „Phantasus“ Aus weißen Wolken baut sich ein Schloß. Spiegelnde Seeen, selige Wiesen, singende Brunnen aus tiefstem Smaragd! In seinen schimmernden Hallen wohnen die alten Götter. Noch immer, abends, wenn die Sonne purpurn sinkt, glühn seine Gärten, vor ihren Wundern bebt mein Herz und lange... steh ich. Sehnsüchtig! Dann naht die Nacht, die Luft verlischt, wie zitterndes Silber blinkt das Meer, und über die ganze Welt hin weht ein Duft wie von Rosen. Dann losch das Licht Aus „Phantasus“ Dann losch das Licht, und durch die Stille nur noch dein Herzschlag... Seligkeit! Im Garten, frühauf, pfiff ein Vogel, von allen Gräsern troff der Thau, der ganze Himmel stand in Rosen. Lieber! Liebe! Und wieder: Kuß auf Kuß... Was kann die Welt uns jetzt noch bieten! Fern liegt ein Land! Aus „Phantasus“ Fern liegt ein Land! In dunklen Nächten rauschten schwermütig seine Eichen. Weiche Flocken deckten mein Grab. Jetzt blühn die Primeln, die Drossel singt, und über grüne Wiesen, um den blauen See treibt der Schäfer seine Schafe. Weiße Wölkchen gleiten. Du süße Welt! Auf deinen glänzendsten Stern hast du ein Herz, das dich liebt, gerettet! Noch glänzt kein Stern Aus „Phantasus“ Noch glänzt kein Stern. Im Garten unter dunklen Bäumen erwarten wir die Frühlingsnacht. Aus einem Fenster, schwellend, die Töne einer Geige... Der Goldregen blinkt, der Flieder duftet, in unsern Herzen geht der Mond auf! Juli Aus „Der brennende Kalender“ Waldbäume singen gern einen Sang, Nie werden dem Wald die Tage lang. Die Bäume halten die Blätter hin, Lassen kein Lied vorüberziehn. Es singt des Baumes kühle Gestalt Von Liebe die wie der Erdboden alt. Und kommt ein Mensch ganz lebensmatt Zum Wald, wird seine Zung ein Blatt; Will mit den Bäumen die Seele tauschen, Sein Atem will alle Wipfel berauschen; Sein Blut will in den Stämmen summen, Denn singend macht der Wald die Stummen. Der Wald ist uralt ein Liederhaus, Geh hin und singe Dein Herz bei ihm aus. September Aus „Der brennende Kalender“ Du hast gelacht wie ein Glockenspiel, Bis der Abend Dich grüßte, der bleiche Narr, Und Dir verzückt zu Füßen fiel. Die Nacht flocht ihr Haar Und die Dinge verschwanden; Wunderbar entstanden Schatten im Haus, Bis Deine Hände vom Tag nichts mehr fanden. Die Fenster taten ins Dunkel deuten, Und Stille kam in den Winkeln zu hocken; Nur Abendläuten sang sich herein, Als würden ferne Menschen zu Glocken. Und Sehnsucht sang Dir vor Deinen Ohren Auf Wegen, die sich im finstern verloren. Einst kniete ein Mensch vor Dir Aus „Reliquien“ Einst kniete ein Mensch vor Dir nieder. Aus seinen Augen flogen schwarze klagende Vögel, Umzogen Dich flehend mit ihren Liedern. Du gingst vorüber. Drinnen im Strauss Aus „In sich versunkene Lieder im Laub“ Der Abendhimmel leuchtet wie ein Blumenstrauß, Wie rosige Wicken und rosa Klee sehen die Wolken aus, Den Strauß umschließen die grünen Bäume und Wiesen. Und leicht schwebt über der goldenen Helle Des Mondes Sichel wie eine silberne Libelle. Die Menschen aber gehen versunken tief drinnen im Strauß, Wie die Käfer trunken und finden nicht mehr heraus. Die Uhr zeigt heute keine Zeit Aus „In sich versunkene Lieder im Laub“ Ich bin so glücklich von Deinen Küssen, Daß alle Dinge es spüren müssen. Mein Herz in wogender Brust mir liegt, Wie sich ein Kahn im Schilfe wiegt. Und fällt auch Regen heut’ ohne Ende, Es regnet Blumen in meine Hände. Die Stund’ die so durch’s Zimmer geht, Auf keiner Uhr als Ziffer steht; Die Uhr zeigt heute keine Zeit, Sie deutet hinaus in die Ewigkeit. Heut’ es kein Abend werden will Aus „In sich versunkene Lieder im Laub“ Heut’ es kein Abend werden will, In alle Gassen hinein Steht noch der Frühlingstag still. Und der Laternen funkelnde Reihn Ziehen im letzten Tagesschein Wie in die Halle des Himmels ein. Seht auch, es glänzen im Grau Die Steine der Straßen noch blau. Der Tag will den Stein nicht verlassen; Er will ihn als Edelstein fassen, Weil die Menschen darüber gegangen, Die Menschen zu Zwein und mit glühenden Wangen. Das Dunkel griff uns um den Leib Aus „In sich versunkene Lieder im Laub“ Die Nacht am Fuß des Berges stand, Jed’ Blatt ward eine dunkle Hand, Der Weg uns unter den Füßen schwand. Auf Moos und Wurzeln klang hohl der Tritt, Und hinter uns gingen bei jedem Schritt Waldbäume in schweren Scharen mit. Das Dunkel griff uns um den Leib, Und Bäume umschlungen wie Mann und Weib, Sagten mit toten Gesten: „bleib“. Die Wege wurden wie tiefe Schlünde, Als ob man an offnen Gräbern stünde Und Jeder zu einem Sarg hinmünde. Viel Fäuste haben geballt, gedroht, Es war alle Liebe vom Tage tot, Eng Blatt bei Blatt wuchs im Finstern die Not. Als ob uns Schritte verjagten und bannten, Wir uns einander bald nicht mehr erkannten, Stets fliehend vor Nacht durch Nacht wir rannten. — So laufen wir Alle ein ganzes Leben Und können im Finstern die Hand uns kaum geben. Nur ein Kuß kann uns manchmal das Dunkel heben. Gesichte Aus „In sich versunkene Lieder im Laub“ Die Distel blüht jetzt und die Klette, Und Staub fliegt mit dem Wind um die Wette. Schwüle Gewitterwolken dunkeln, Wie eine Blendlaterne muß die Sonne funkeln. Sie wirft plötzlich Licht auf ein einzelnes Haus; Das sticht wie gezeichnet aus der Masse heraus, Wie Einer, eh’ er zusammenbricht, Und den Tod vorher sieht als zweites Gesicht. So gehen Verliebte auch todestrunken Und sehen Gesichte an jeder Stell. Die kommen und verschwinden schnell Wie Gewitterlichte grell und versunken. Waldesstimme Wie deine grüngoldnen Augen funkeln, Wald, du moosiger Träumer! Wie deine Gedanken dunkeln, Einsiedel, schwer von Leben, Saftseufzender Tagesversäumer! Über der Wipfel Hin- und Wiederschweben Wie’s Atem holt und voller wogt und braust Und weiter zieht — und stille wird — und saust. Über der Wipfel Hin- und Wiederschweben Hoch droben steht ein ernster Ton, Dem lauschten tausend Jahre schon Und werden tausend Jahre lauschen... Und immer dieses starke, donnerdunkle Rauschen. An Gott Deine Himmel sind mir viel zu süß: Gib mir, mit freier Brust zu ragen, Mit dir die Welten zu ertragen, Wo du bist. Nacht Dunkel Vor Gefunkel. Ihr loses Haar. So müde So Friede Und wunder-wunderklar. Knabe Hält die Augen in die Welt Wie zwei schwarze Renner. Zügelt sie kaum, Aller Helden Held: Weit dein Traum, Reich ohne Raum. Das Mädchen Gestern noch ein dürftig Ding, Das so grau und albern ging, Nichts an ihm zu sehen — Und muß heut behutsam sein, Wie wenn im Mai die Blüten schnei’n, Daß nicht all verwehen. Wie wenn ich Blüten an mir habe, Als sei ich eine Gottesgabe, — Ein reines Wunder bin ich ja, Wie nie ich eins mit Augen sah. Und muß mich sehr zusammennehmen Und schämen. Warum? Weil ich so blühend bin, Und weil der Wind treibt Blüten hin, Die nicht am Baum erröten Und voller Vorsicht sind Und Unschuld und Erblöden — Der dumme Wind! Maienwind Mutwillige Mädchenwünsche Haben Flieder Niedergebogen, Blauen und weißen. Wie Tauben sind sie weitergeflogen, Mit Wangen, wilden und heißen. Hoch in warmen, schelmischen Händen Haschender Sonne Geschwungene Strahlen. Hellbehende Wonne Weißer Kleider Weht. Mutwillige Mädchenwünsche Haben sich Flieder Niedergebogen, Blauen und weißen, — Sind weitergezogen... Abbild Seele meines Weibes wie zartes Silber bist du. Zwei flinke Fittiche weißer Möwen Deine beiden Füße. Und dir im lieben Blute auf Steigt ein blauer Hauch Und sind die Dinge darin Alle ein Wunder. Ich Stets bin ich meinen stillen Pfad geschritten. Und der und jener hat mich hart bestritten. Ich aber schwieg in allen diesen Fehden — Nun will ich einmal von mir selber reden. Ich habe manche harte Frohn verrichtet, Auf jedes rechte Glück hab’ ich verzichtet. Die andern schmatzten an gefüllten Trögen; Ich übte Kunst nach innerstem Vermögen, Bestrebt, was ich in meiner Seele Gründen, Im Lebensdickicht aufgespürt, zu künden. Und stummen Schmerzen, die gen Himmel schrien, Hab’ gern ich Ohr und kräftig Wort geliehen. So, kann ich mich den Größten nicht vergleichen, An Mut und Wahrheit muß ich keinem weichen, Und also mein’ ich, noch zu künft’gen Tagen, Wird Manches, das ich still geschaffen, ragen. Die Zeit ist stark Die Zeit ist stark. Sie wird ertöten, Was fast uns beide übermannt. Die Zeit ist stark: Du wirst erröten, Daß Du, Geliebte, mich gekannt. Die Zeit ist stark. Du wirst mich senden Ins Leben, das mich fahl umgraut; Du stürzest selbst mit eignen Händen Den Tempel, den Du Dir gebaut. Die Zeit ist stark. Und wenn in Wettern Der scheue Glückstraum uns zerstiebt, Dann grüßt Dich aus vergilbten Blättern Des Mannes Geist, der Dich geliebt. Und Deine Seele faßt ein Schauer, Die toter Liebe flüstern hört — Die Zeit war stark! Wie kurzer Dauer War, was uns beide so verstört! Glück Ich weiß nicht, was es war, vielleicht ein Traum, Der mir in schwerer Winternacht erstand, Ein Mädchenwort, gehaucht, geflüstert kaum, Und schon verklungen, eh’ ich’s recht verstand. Es war vielleicht ein scheuer Sonnenstrahl, Der spät erhellte meinen dunkeln Pfad, Vielleicht der Ausblick in ein tiefes Tal, Ein lichtdurchflossnes, das ich nie betrat. Es war vielleicht, nach langem Einsamsein, Ein Weggenosse für ein kurzes Stück — Man sagt, ein jeder müsse glücklich sein, Nun, dieser Dinge einem glich mein Glück! Nun ruhen wir... Nun ruhen wir. So fühl’, wie bange Die Pulse hämmern; In meine Hand schmieg’ Deine Wange Im Abenddämmern. Die Sonne sinkt; und eh’ im Blassen Der letzte Schein irrt, Laß wieder mich das Heil umfassen, Das niemals mein wird. Nacht Schon deckt beschattend Dein Gefieder Des Tages Licht, Du nahst mit Macht. Auf starken Schwingen steigst Du nieder, Du meine Mutter, stolze Nacht! Nun öffnen sich der Seele Pforten, So streng geschlossen kaum zuvor, Und meinem Weh und seinen Worten Leihst Du Dein mir geneigtes Ohr. Nun stehn die Gassen öd und düster Und, wie in ewig regem Leid, Haucht sein verhallendes Geflüster Dein Wind durch Deine Einsamkeit; Nun birgt das Kleine ernst Dein Schleier — Den Blick beirrt’ es kaum zuvor — Doch riesenhaft und ungeheuer Wächst wahrhaft Großes nun empor. Ich liebe Dich, bin Dir entsprungen, Und feind dem Tag, so laut und dreist; Das Wenige, das mir gelungen, Du gabst es dem verwandten Geist; Dein Anhauch ist es, der zur Lohe Der Seele trübes Licht entfacht — Sei mir willkommen, ernste, hohe, Sei mir gegrüßt, ersehnte Nacht! Lethe Im Irren war ich überlang gegangen, Nun senkte heimwärts sich mein müder Pfad; Ich saß allein; der Himmel war umhangen, Und schluchzend schlug die Seeflut ans Gestad. Zum Ufer sah ich starke Wogen rollen, Stahlgrün geharnischt und die Helme blank; Ich sah ihr Drängen und vernahm ihr Grollen, Indeß ein Träumen meine Brust bezwang. Und da ich so, die Augen halb geschlossen, In wachem Schlummer saß und einsam sann: Ahnt’ ich, wie alles, das ich kaum genossen, Wie selbst das helle Bild um mich zerrann. Das Leid verflog, das ich als mein empfunden, Die Stürme schwiegen, die in mir gewühlt; Ich rührte sacht die Narben alter Wunden, Ich hab’ verwundert keinen Schmerz gefühlt... Begehrt’ ich einst, das Glück der Welt zu zwingen? Und schlug mein Herz verlangend einst und heiß? Mir schien mein Sein, mein Wollen und mein Ringen Ein wüster Traum, des Ende niemand weiß. Geträumt die Schläge, die so tief mich trafen, Geträumt auf meinem Pfad das späte Licht... Als wäre meine Seele längst entschlafen — Woran und wie? Ich weiß es selber nicht... Michelangelo Schönheit und Größe schauend zu erleben, Entkettet uns den Erdenfinsternissen. Wir werden fühlend mit emporgerissen Von Mächten, die dem Steine Odem geben. Es ist kein Träumen, wenn sie uns erheben, Im Fluge wird, wenn wir zu folgen wissen, Uns Schöpferwirklichkeit, und wir vermissen Kein Freudenteil, auch wenn wir schmerzvoll beben. Will sich Unendlichkeit zur Form entfalten, Entschläft gebannt die Lebensglut, die wilde, Von Schöpferhand harmonisch festgehalten. Wir fühlen einer Allmacht Kraft und Milde, Wir leben mit unsterblichen Gestalten, Und in uns selber werden sie zum Bilde. Gewissheit Urphantasie, gestaltetest du dir noch höhere Wesen, als die Menschen sind? ich weiß es nicht; mich trägt die Erde hier. Doch weiß ich, daß in jedem Menschenkind ein tieferes Geschehn sich offenbart aus Keimen, die uns noch verborgen sind. Ewig erhält und bildet sich die Art und züchtet von Geschlecht sich zu Geschlecht, beseelter Staub, der wandelnd sich bewahrt. Was hilft dir, Tod, dein unfruchtbares Recht! Du mähst und mähst, doch wirkt dein Thun nicht fort, dein Sieg bleibt nur ein ewiges Gefecht. Sieh! diese Erde ist für uns der Ort, lebend zu leiden, fühlend zu vergehn, und zu erhalten uns in Bild und Wort. In unsern Werken bleiben wir bestehn, endloses Leben, dem wir Formen sind zu höchster Art. Der Mensch mit seinen Wehn, Urphantasie, ist doch dein liebstes Kind. Erntelieder XXX. Sterne kommen... Welt und Weh geht schlafen, was dich mit Gedankenglut entfacht... Alles laute Leben will sich wenden. Sieh! an allen Himmelsenden stehn die Feuer froher Nacht. Was dahinter ruht, ist Schweigen: Fühle du’s! — den ewigen Reigen hat noch keiner ausgedacht. Der Becher klingt; mein Herz ist der Becher! Aus „Neue Gedichte“ Der Becher klingt; mein Herz ist der Becher! Trink Liebe, trinke dich satt! Es zittert; o berauschter Zecher, Der fest in bebenden Händen es hat! Wer hat wie du ein Meer zum Pokale? Ein Meer voll wachsender Glut! Es saugt aus eurem feuchten Strahle, Ihr trunkenen Augen, die himmlische Flut. Wenn je ein Schönes mir zu bilden glückte Aus „Neue Gedichte“ Wenn je ein Schönes mir zu bilden glückte, Warʼs, weil ich hingegeben deinem Wesen, Mit meiner Seele mich in dich verzückte, Und, wie der Winzer nach dem Traubenlesen Erglüht und schwankt in Purpurgeist gebadet, Wie Kranke, die nach tiefem Schlaf genesen, Wie ein Geliebter, den ein Gott sich ladet, Ihm teilt an goldnem Tisch des Nektars Blüte, — Zurück mir kam mit Harmonie begnadet, Lebendgen Feuers Wogen im Gemüte. Musik bewegt mich, daß ich dein gedenke Aus „Neue Gedichte“ Musik bewegt mich, daß ich dein gedenke, So will auch Meer und Wolke, Berg und Stern, Wie anderer Art als du, dir noch so fern, Daß ich zu dir das Herz voll Andacht lenke. Kein edles Bild, das nicht mein Auge zwinge Von dir zu träumen, kein beseelter Reim, Der nicht zu dir Erinnern führe heim — Geschwister sind sich alle schönen Dinge. Da wo der frühen Falter gelbes Lodern Aus „Neue Gedichte“ Da wo der frühen Falter gelbes Lodern Um wild Gestrüpp am Bergeshange zückte, Und Bäche quollen durch verjährtes Modern, Verweilten wir, die Glückes Last erdrückte. Wie von des Meisters Hand entfesselt Erz Goß sich die Kraft der Sonne auf uns nieder, Sie stürzte rot durch unser schlagend Herz Und wuchs wie goldne Haut um unsre Glieder. Nun ist mir so, als ob dort oben bliebe, Den Elementen kund und zugesellt, Unsterblich eins: das Strahlenbild der Liebe, Indessen wir, Staub ohne Sinn und Dauer, Der vor der Stunde blindem Schlag zerfällt, Hinunterstiegen in das Tal der Trauer. Schwill an, mein Strom, schwill über deine Weide Aus „Neue Gedichte“ Schwill an, mein Strom, schwill über deine Weide, Umschlinge Haupt und Stamm zu dir hinab. Daß sich kein Blatt aus deiner Flut mehr scheide, Taucht sie die Zweige schluchzend in dein Grab. Daß dich doch dürstete, wie sie verschmachtet! Verzehre sie, wie sie dich trinken will! In dich gebogen, ganz von dir umnachtet, Von dir verschlungen wird die Seele still. Leben Aus „Neue Gedichte“ Hell strömt aus Schluchten der Vergangenheit In unsre Becher, die wir schwärmend füllen, Ambrosisch Blut, aus dessen Purpurhüllen Verklärtes Leben funkelnd sich befreit: Sehnsucht und Liebe, Tränen, Lächeln, Lust Und Kampf und Fluch und siegende Gedanken Der Toten, die wie wir den Festwein tranken, Lenzlaub im Haare, unsrer nicht bewußt; Und wir gewahren nicht, ins Heut versonnen, Daß jeder Tropfen, den die Zeit ergießt, Von unsrer Seele löst und so durchglutet Herniederrinnt in einen dunklen Bronnen, Der einst in andre Schalen überfließt Berauschter Zecher, die der Tag umflutet. Um diese Hügel, die dem Blick entgleiten Aus „Neue Gedichte“ Um diese Hügel, die dem Blick entgleiten, Schwankt nun der Abend, müde, grau und feucht. Still schwinden Haus und Baum und stehn verscheucht Und gramvoll schwer in den Vergessenheiten. Unendlich Weinen löst den Tag in Weh. Der Schnitter rauschend Werk, die vollen Stunden, Das Tanzen, Schwärmen, Lieb und Wahn und Wunden, Warʼs heute? Warʼs vor Jahren? War es je? Dies ist die Stunde, wo im fernen Land, Wennʼs ruhlos pocht aus deines Daches Röhre, Und an den Uhren schnell die Zeiger summen, Und das Begrabne lebt und huscht im Sand, Du meinen Namen rufst und ich nicht höre. Und hört ichʼs, müßt ich schaudern und verstummen. Uralter Worte kundig kommt die Nacht Aus „Neue Gedichte“ Uralter Worte kundig kommt die Nacht; Sie löst den Dingen Rüstung ab und Bande, Sie wechselt die Gestalten und Gewande Und hüllt den Streit in gleiche braune Tracht. Da rührt das steinerne Gebirg sich sacht Und schwillt wie Meer hinüber in die Lande. Der Abgrund kriecht verlangend bis zum Rande Und trinkt der Sterne hingebeugte Pracht. Ich halte dich und bin von dir umschlossen, Erschöpfte Wandrer wiederum zu Haus; So fühl ich dich in Fleisch und Blut gegossen, Von deinem Leib und Leben meins umgleitet. Die Seele ruht von langer Sehnsucht aus, Die eins vom andern nicht mehr unterscheidet. Zwiegesang Jetzt nenne mich die Hülle, jetzt nenne mich den Schein; doch bald werdʼ ich die Fülle und die Erfüllung sein. Wir sind noch nicht erlesen, das Tor fiel uns noch zu, wir sind noch nicht ein Wesen, wir sind noch ich und du. Es schläft uns noch der Wille zu tief in unserm Blut, wir sind zu arm und stille, wir sind noch gar nicht gut. Die Seelen von Kristalle auftrinkt das Morgenrot; und ich und du und alle, wir sind schon lange tot. Und sind schon neu geboren und saugen mildes Licht; wir haben uns verloren und doch verlassen nicht. Wir jauchzen immer lieber und inniger des Scheins: da sprang der Blick herüber, und ich und du ward eins. Von allem Glanz umklungen, ward uns der Leib zu schwer, wir sind nur noch umschlungen, wir sind nichts andres mehr. Jetzt nenne mich die Hülle, jetzt nenne mich den Schein; doch bald werdʼ ich die Fülle und die Erfüllung sein. Der Denker Was sich in Zeiten je begeben, habʼ ich vor aller Zeit gewußt: es springt der Quell von allem Leben geheimnisvoll aus meiner Brust Und als ich in der Schrift gelesen, erlas ich nur, was ich schon bin; in Finsternis sind alle Wesen, doch ich das Licht und ich der Sinn. Es rinnen rote Quellen Es rinnen rote Quellen um mein gesegnet Haus; es tränkt ein schwarzer Reiter sein schwarzes Roß daraus. Er lehnt schon hundert Jahre vor meinem runden Tor; die Zeit wird ihm nicht lange, ich komme nie hervor. Es braucht nur dreien Schritte, so kann ich bei ihm stehn, so kann ich mit ihm reiten, wie meine Wünsche gehn. Das ist so schön zu wissen! Ich sagʼ es tausendmal: „Es wartet einer draußen!“ und bleibe doch im Saal. Der Reiter schläft im Schatten, sein Panzerhemd blinkt gut; dem Rappen ist sehr schläfrig, mir ist sehr froh zu Mut! Ein schweres Dunkel sank herab, o Schwester Ein schweres Dunkel sank herab, o Schwester, auf allen Wegen liegen große Schatten, so gib mir deine Hand doch, liebe Schwester, ich sehe keine Wege in den Schatten. O reiche mir die Hand: ich werde finden, im ganzen Dunkel findʼ ich deine Hände, weil deine frommen Hände immer leuchten, sie leuchten wie ein weißes Licht, o Schwester So gib mir deine Hand doch, wo ich rufe, mir ist nicht froh im Herzen, liebe Schwester. Mein ganzes Herz ist mir nicht froh, o Schwester, du redest nicht? und bist du denn gegangen? du bist doch nicht gegangen, liebe Schwester? Verzagend hast du mir die Hand gerührt Verzagend hast du mir die Hand gerührt und spürtest schauernd meines Fingers Kühle und bogst dich schauernd meinen Lippen fort und schienest dir so leid- und schmerzenreich und gingest tränenvoll an mir vorbei. Ich aber habe keine Tränen mehr, ich höre deine Seele weiter strömen gleich einem Bach im Dunkel hinter uns, — lang bin ich ihm begegnet, lang vorbei — er seufzt den Traum von gestern immer noch. Doch unten gehn wie Boote meine Tage, darinnen stumm das kühle Leben sitzt, ich spähe nur und winke nur und rufe, mein Leben achtet meiner Rufe nicht. Mein eigen Leben gleitet stumm vorbei. Höre doch! Pilger wanken die Gasse vorüber Höre doch! Pilger wanken die Gasse vorüber, graue, in Kutten, schwermütig und lastenden Schritts, wanken vorüber und singen eintönige Lieder. Abends, wann der Regen fällt. „Leben, was bist du, denn ein Heimverlangen.“ „Seele, was bist du, denn ein Senker zur Nacht.“ „Gut und Blut, was seid ihr, denn trübere Schemen.“ Abends, wann der Regen fällt. „Eines ist not: der Liebe erquickliche Flamme, und die Gottheit führt dich getreuesten Weg!“ Also singen die Pilger und wanken vorüber. Abends, wann der Regen fällt. Heut' Nacht muss es von allen Sternen rieseln Heutʼ Nacht muß es von allen Sternen rieseln, an blassen Fäden muß es niedergleiten, und alle Bäume schütteln schweren Tau ab. Am finstern Himmel blinkt noch eine Seele, ein falsches Licht, verstohlen wie ein Vogel, und schwimmt ins Leere ab und ist verdorben. Und da: ein kalter Wind hat mich getroffen; sei auf der Hut, siehʼ dich nicht um, o Seele, da steht der Tod und probt die langen Finger. Meine Finger krümme ich zum Spiele Meine Finger krümme ich zum Spiele; aber deine Saiten sind ein Mißton; aber dein Gehäuse ist zerborsten, arme Laute! Brennend ein Zündholz führʼ ich nahʼ zum Dochte; doch das Öl verzehrten andre Nächte, und der Docht ist nur wie Ruß und Kohle, arme Lampe! Vor dem Fenster hocken plumpe Fratzen, glotzen mit der Stirne durch die Scheiben, kratzen mit den Nägeln an dem Glase, arme Seele! Aus den knospen quellen sacht Aus „Die Bücher der Hirten und Preisgedichte, der Sagen und Sänge und der hängenden Gärten“ Aus den knospen quellen sachte Tropfen voll und klar Da das licht auf ihnen lachte. Und wenn meine tränen fliessen? Was ich gestern nicht erriet Heute bin ich es gewahr: Dass der lezte trost mir flieht Kann ich euch nicht mehr geniessen Neue sonne ∙ junges jahr. Sieh mein kind ich gehe Aus „Die Bücher der Hirten und Preisgedichte, der Sagen und Sänge und der hängenden Gärten“ Sieh mein kind ich gehe. Denn du darfst nicht kennen Nicht einmal durch nennen Menschen müh und wehe. Mir ist um dich bange. Sieh mein kind ich gehe Dass auf deiner wange Nicht der duft verwehe. Würde dich belehren ∙ Müsste dich versehren Und das macht mir wehe. Sieh mein kind ich gehe. Komm in den totgesagten park und schau Aus „Das Jahr der Seele“ Komm in den totgesagten park und schau: Der schimmer ferner lächelnder gestade ∙ Der reinen wolken unverhofftes blau Erhellt die weiher und die bunten pfade. Dort nimm das tiefe gelb ∙ das weiche grau Von birken und von buchs ∙ der wind ist lau ∙ Die späten rosen welkten noch nicht ganz ∙ Erlese küsse sie und flicht den kranz ∙ Vergiss auch diese lezten astern nicht ∙ Den purpur um die ranken wilder reben Und auch was übrig blieb von grünem leben Verwinde leicht im herbstlichen gesicht. Nun säume nicht die gaben zu erhaschen Aus „Das Jahr der Seele“ Nun säume nicht die gaben zu erhaschen Des scheidenden gepränges vor der wende ∙ Die grauen wolken sammeln sich behende ∙ Die nebel können bald uns überraschen. Ein schwaches flöten von zerpflücktem aste Verkündet dir dass lezte güte weise Das land (eh es im nahen sturm vereise) Noch hülle mit beglänzendem damaste. Die wespen mit den goldengrünen schuppen Sind von verschlossnen kelchen fortgeflogen ∙ Wir fahren mit dem kahn in weitem bogen Um bronzebraunen laubes inselgruppen. Die reichsten schätze lernet frei verschwenden Aus „Das Jahr der Seele“ Die reichsten schätze lernet frei verschwenden ∙ Wie nach den langen strahlen auf verdorrte Gewächse sollet ihr am frohen orte Den heissen gliedern milden regen spenden! Gedenkt vom schönsten pflückend was hier sprosset Wenn süss und schwül die dämmrungssterne blicken Wenn glühn und dunkeln wechselnd euch bestricken Dass ihr soviel verliehen ist genosset! Und törig nennt als übel zu befahren Dass ihr in euch schon ferne bilder küsstet Und dass ihr niemals zu versöhnen wüsstet Den kuss im traum empfangen und den wahren. Nicht ist weise bis zur lezten frist Aus „Das Jahr der Seele“ Nicht ist weise bis zur lezten frist Zu geniessen wo vergängnis ist Vögel flogen südwärts an die see ∙ Blumen welkend warten auf den schnee. Wie dein finger scheu die müden flicht! Andre blumen schenkt dies jahr uns nicht ∙ Keine bitte riefe sie herbei ∙ Andre bringt vielleicht uns einst ein mai. Löse meinen arm und bleibe stark ∙ Lass mit mir vorm scheidestrahl den park Eh vom berg der nebel drüber fleucht ∙ Schwinden wir eh winter uns verscheucht! Der hügel wo wir wandeln liegt im schatten Aus „Das Jahr der Seele“ Der hügel wo wir wandeln liegt im schatten ∙ Indes der drüben noch im lichte webt Der mond auf seinen zarten grünen matten Nur erst als kleine weisse wolke schwebt. Die strassen weithin-deutend werden blasser ∙ Den wandrern bietet ein gelispel halt ∙ Ist es vom berg ein unsichtbares wasser Ist es ein vogel der sein schlaflied lallt? Der dunkelfalter zwei die sich verfrühten Verfolgen sich von halm zu halm im scherz... Der rain bereitet aus gesträuch und blüten Den duft des abends für gedämpften schmerz. Willst du noch länger auf den kahlen böden Aus „Das Jahr der Seele“ Willst du noch länger auf den kahlen böden Nach frühern vollen farben spähn ∙ Auf früchte warten in den fahlen öden Und ähren von verdrängten sommern mähn? Bescheide dich wenn nur im schattenschleier Mild schimmernd du genossene fülle schaust Und durch die müden lüfte ein befreier Der wind der weiten zärtlich um uns braust Und sieh! die tage die wie wunden brannten In unsrer vorgeschichte schwinden schnell... Doch alle dinge die wir blumen nannten Versammeln sich am toten quell. Die maske Aus „Der Teppich des Lebens und die Lieder von Traum und Tod mit einem Vorspiel“ Hell wogt der saal vom spiel der seidnen puppen. Doch eine barg ihr fieber unterm mehle Und sah umwirbelt von den tollen gruppen Dass nicht mehr viel am aschermittwoch fehle. Sie schleicht hinaus zum öden park ∙ zum flachen Gestade ∙ winkt noch kurz dem mummenschanze Und beugt sich fröstelnd übers eis... ein krachen Dann stumme kälte ∙ fern der ruf zum tanze. Keins von den artigen rittern oder damen Ward sie gewahr bedeckt mit tang und kieseln... Doch als im frühIing sie zum garten kamen Erhob sich oft vom teich ein dumpfes rieseln. Die leichte schar aus scherzendem jahrhundert Vernahm wol dass es drunten seltsam raune... Nur hat sie sich nicht sehr darob gewundert Sie hielt es einfach für der wellen laune. Ein knabe der mir von herbst und abend sang Aus „Der Teppich des Lebens und die Lieder von Traum und Tod mit einem Vorspiel“ I. An Cyril Meir Scott Sie die in träumen lebten sehen wach Den abglanz jener pracht die sie verliessen Um gram und erde ∙ und sie weinen stille Die stunden füllend mit erinnerung Ans blaue ufer wo mit sanftem tritt Goldflügel-kinder wandeln und die müden Vom kerker eben freien seelen grüssen Die noch verwirrt die blöden blicke drehn In dem erstaunend hellen wunderland... So helft euch aus der wahrheit — mitgefangene! Es bleibt für euch noch eines lächelns schatten Wenn euer beider leben auch gebannt Jezt wieder schmachten muss in grabesluft. Ein flüchtiger blick in euren gittern zündend Belebt die hoffnung eurer engen wüste... Und bleich und plötzlich küsst ein strahl dein haar. Trübe seele — so fragtest du Aus „Der siebente Ring“ Trübe seele — so fragtest du — was trägst du trauer? Ist dies für unser grosses glück dein dank? Schwache seele — so sagt ich dir — schon ist in trauer Dies glück verkehrt und macht mich sterbens krank. Bleiche seele — so fragtest du — dann losch die flamme Auf ewig dir die göttlich in uns brennt? Blinde seele — so sagt ich dir — ich bin voll flamme: Mein ganzer schmerz ist sehnsucht nur die brennt Harte seele — so fragtest du — ist mehr zu geben Als jugend gibt? ich gab mein ganzes gut... Und kann von höherem wunsch ein busen beben Als diesem: nimm zu deinem heil mein blut! Leichte seele — so sagt ich dir — was ist dir lieben! Ein schatten kaum von dem was ich dir bot... Dunkle seele — so sagtest du — ich muss dich lieben Ist auch durch dich mein schöner traum nun tot Gebete Aus „Der siebente Ring“ III. Wie dank ich sonne dir ob jeden dings Beim ersten schritte über meine schwelle! Mit warmen strahlen küssest du mich rings — Wie wird mein morgen froh ∙ mein mittag helle! Das haar geb ich dem zarten winde preis ∙ Des gartens düfte öffnen jede pore. Da kosʼt die hand manch purpurschwellend reis ∙ Da kühlt die wange sich im schneeigen flore. O nachmittag der schwärmt und brennt und dräut Mit der heroen und der magier plane Und ganze welten mir zum spiele beut Indess die welle mit mir spielt im kahne! Und dann des abends gleichersehntes fest! Wo ich entzündet bin vom heiligen brauche Der teure bilder liebend an sich presst Bis alle freude sanft in schlummer tauche. Einverleibung Aus „Der siebente Ring“ Nun wird wahr was du verhiessest: Dass gelangt zur macht des Thrones Andren bund du mit mir schliessest — Ich geschöpf nun eignen sohnes. Nimmst nun in geheimster ehe Teil mit mir am gleichen tische Jedem quell der mich erfrische Allen pfaden die ich gehe. Nicht als schatten und erscheinung Regst du dich mir geblüte. Um mich schlingt sich deine güte Immer neu zu seliger einung. All mein sinn hat dir entnommen Seine farbe glanz und maser Und ich bin mit jeder faser Ferner brand von dir entglommen. Mein verlangen hingekauert Labest du mit deinem seime. Ich empfange von dem keime Von dem hauch der mich umdauert: Dass aus schein und dunklem schaume Dass aus freudenruf und zähre Unzertrennbar sich gebäre Bild aus dir und mir im traume. Entrückung Aus „Der siebente Ring“ Ich fühle luft von anderem planeten. Mir blassen durch das dunkel die gesichter Die freundlich eben noch sich zu mir drehten. Und bäum und wege die ich liebte fahlen Dass ich sie kaum mehr kenne und Du lichter Geliebter schatten — rufer meiner qualen — Bist nun erloschen ganz in tiefern gluten Um nach dem taumel streitenden getobes Mit einem frommen schauer anzumuten. Ich löse mich in tönen ∙ kreisend ∙ webend ∙ Ungründigen danks und unbenamten lobes Dem grossen atem wunschlos mich ergebend. Mich überfährt ein ungestümes wehen Im rausch der weihe wo inbrünstige schreie In staub geworfner beterinnen flehen: Dann seh ich wie sich duftige nebel lüpfen In einer sonnerfüllten klaren freie Die nur umfängt auf fernsten bergesschlüpfen. Der boden schüttert weiss und weich wie molke... Ich steige über schluchten ungeheuer ∙ Ich fühle wie ich über letzter wolke In einem meer kristallnen glanzes schwimme — Ich bin ein funke nur vom heiligen feuer Ich bin ein dröhnen nur der heiligen stimme. Eingang Aus „Der siebente Ring“ Welt der gestalten lang lebewohl! ... Öffne dich wald voll schlohweisser stämme! Oben im blau nur tragen die kämme Laubwerk und früchte: gold karneol. Mitten beginnt beim marmornen male Langsame quelle blumige spiele ∙ Rinnt aus der wölbung sachte als fiele Korn um korn auf silberne schale. Schauernde kühle schliesst einen ring ∙ Dämmer der frühe wölkt in den kronen ∙ Ahnendes schweigen bannt die hier wohnen... Traumfittich rausche! Traumharfe kling! Landschaft Aus „Der siebente Ring“ I. Des jahres wilde glorie durchläuft Der trübe sinn der mittags sich verlor In einem walde wo aus spätem flor Von safran rost und purpur leiden träuft. Und blatt um blatt in breiten flecken fällt Auf schwarze glätte eines trägen bronns wo schon des dunkels grausamer gespons Ein knabe kühlen auges wache hält... Und durch die einsamkeiten stumm und taub Senkt langsam flammend sich von ast zu ast Ins schwere gelb des abends goldner glast — Dann legt sich finstrer dunst in finstres laub. Nachtschatten ranken ∙ flaumiges gebräm ∙ Um einen wall von nacktem blutigen dorn ∙ Gerizte hände dringen matt nach vom... Dass in das dickicht nun der schlummer käm! ... Da bricht durch wirres grau ein blinken scheu Und neue helle kommt aus dämmerung. Ein anger dehnt auf einem felsensprung Weithin... nur zieht durch der violen streu Die reihe schIanker stämme ∙ speer an speer ∙ ~on silber flimmert das gewölbte blau ∙ Ein feuchter wind erhebt sich duftend lau... Es fallen blüten auf ein offen meer. Litanei Aus „Der siebente Ring“ Tief ist die trauer die mich umdüstert ∙ Ein tret ich wieder Herr! in dein haus... Lang war die reise ∙ matt sind die glieder ∙ Leer sind die schreine ∙ voll nur die qual. Durstende zunge darbt nach dem weine. Hart war gestritten ∙ starr ist mein arm. Gönne die ruhe schwankenden schritten ∙ Hungrigem gaume bröckle dein brot! Schwach ist mein atem rufend dem traume ∙ Hohl sind die hände ∙ fiebernd der mund ... Leih deine kühle ∙ lösche die brände ∙ Tilge das hoffen ∙ sende das licht! Gluten im herzen lodern noch offen ∙ Innerst im grunde wacht noch ein schrei... Töte das sehnen ∙ schliesse die wunde! Nimm mir die liebe ∙ gib mir dein glück! Hehre Harfe Aus „Der siebente Ring“ Sucht ihr neben noch das übel Greift ihr aussen nach dem heile: Giesst ihr noch in lecke kübel ∙ Müht ihr euch noch um das feile. Alles seid ihr selbst und drinne: Des gebets entzückter laut Schmilzt in eins mit jeder minne ∙ Nennt sie Gott und freund und braut! Keine zeiten können borgen... Fegt der sturm die erde sauber: Tretet ihr in euren morgen ∙ Werfet euren blick voll zauber Auf die euch verliehnen gaue Auf das volk das euch umfahet Und das land das dämmergraue Das ihr früh im brunnen sahet. Hegt den wahn nicht: mehr zu lernen Als aus staunen überschwang Holden blumen hohen sternen EINEN sonnigen lobgesang. Dies ist ein lied Aus „Der siebente Ring“ Dies ist ein lied Für dich allein: Von kindischem wähnen Von frommen tränen... Durch morgengärten klingt es Ein leichtbeschwingtes. Nur dir allein Möcht es ein lied Das rühre sein. Im windes-weben Aus „Der siebente Ring“ Im windes-weben War meine frage Nur träumerei. Nur lächeln war Was du gegeben. Aus nasser nacht Ein glanz entfacht — Nun drängt der mai ∙ Nun muss ich gar Um dein aug und haar Alle tage In sehnen leben. Kahl reckt der baum Aus „Der siebente Ring“ Kahl reckt der baum Im winterdunst Sein frierend leben ∙ Lass deinen traum Auf stiller reise Vor ihm sich heben! Er dehnt die arme — Bedenk ihn oft Mit dieser gunst Dass er im harme Dass er im eise Noch frühling hofft! Kreuz der strasse... Aus „Der siebente Ring“ Kreuz der strasse... Wir sind am end. Abend sank schon... Dies ist das end. Kurzes wallen Wen macht es müd? Mir zu lang schon... Der schmerz macht müd. Hände lockten: Was nahmst du nicht? Seufzer stockten: Vernahmst du nicht? Meine strasse Du ziehst sie nicht Tränen fallen Du siehst sie nicht Ich lebe grad, da das Jahrhundert geht Aus „Das Stundenbuch“ Ich lebe grad, da das Jahrhundert geht. Man fühlt den Wind von einem großen Blatt, das Gott und du und ich beschrieben hat und das sich hoch in fremden Händen dreht. Man fühlt den Glanz von einer neuen Seite auf der noch Alles werden kann. Die stillen Kräfte prüfen ihre Breite und sehn einander dunkel an. Ich glaube an Alles noch nie Gesagte Aus „Das Stundenbuch“ Ich glaube an Alles noch nie Gesagte. Ich will meine frömmsten Gefühle befrein. Was noch keiner zu wollen wagte, wird mir einmal unwillkürlich sein. Ist das vermessen, mein Gott, vergieb. Aber ich will dir damit nur sagen: Meine beste Kraft soll sein wie ein Trieb, so ohne Zürnen und ohne Zagen; so haben dich ja die Kinder lieb. Mit diesem Hinfluten, mit diesem Münden in breiten Armen ins offene Meer, mit dieser wachsenden Wiederkehr will ich dich bekennen, will ich dich verkünden wie keiner vorher. Und ist das Hoffahrt, so laß mich hoffährtig sein für mein Gebet, das so ernst und allein vor deiner wolkigen Stirne steht. Ich bin auf der Welt zu allein und doch nicht allein genug Aus „Das Stundenbuch“ Ich bin auf der Welt zu allein und doch nicht allein genug, um jede Stunde zu weihn. Ich bin auf der Welt zu gering und doch nicht klein genug, um vor dir zu sein wie ein Ding, dunkel und klug. Ich will meinen Willen und will meinen Willen begleiten die Wege zur Tat; und will in stillen, irgendwie zögernden Zeiten, wenn etwas naht, unter den Wissenden sein oder allein. Ich will dich immer spiegeln in ganzer Gestalt, und will niemals blind sein oder zu alt um dein schweres schwankendes Bild zu halten. Ich will mich entfalten. Nirgends will ich gebogen bleiben, denn dort bin ich gelogen, wo ich gebogen bin. Und ich will meinen Sinn wahr vor dir. Ich will mich beschreiben wie ein Bild das ich sah, lange und nah, wie ein Wort, das ich begriff, wie meinen täglichen Krug, wie meiner Mutter Gesicht, wie ein Schiff, das mich trug durch den tödlichsten Sturm. Und doch, obwohl ein jeder von sich strebt Aus „Das Stundenbuch“ Und doch, obwohl ein jeder von sich strebt wie aus dem Kerker, der ihn haßt und hält, — es ist ein großes Wunder in der Welt: ich fühle: alles Leben wird gelebt. Wer lebt es denn? Sind das die Dinge, die wie eine ungespielte Melodie im Abend wie in einer Harfe stehn? Sind das die Winde, die von Wassern wehn, sind das die Zweige, die sich Zeichen geben, sind das die Blumen, die die Düfte weben, sind das die langen alternden Alleen? Sind das die warmen Tiere, welche gehn, sind das die Vögel, die sich fremd erheben? Wer lebt es denn? Lebst du es, Gott, — das Leben? Alle, welche dich suchen, versuchen dich Aus „Das Stundenbuch“ Alle, welche dich suchen, versuchen dich. Und die, so dich finden, binden dich an Bild und Gebärde. Ich aber will dich begreifen wie dich die Erde begreift; mit meinem Reifen reift dein Reich. Ich will von dir keine Eitelkeit, die dich beweist. Ich weiß, daß die Zeit anders heißt als du. Tu mir kein Wunder zulieb. Gieb deinen Gesetzen recht, die von Geschlecht zu Geschlecht sichtbarer sind. Du meinst die Demut. Angesichter Aus „Das Stundenbuch“ Du meinst die Demut. Angesichter gesenkt in stillem Dichverstehn. So gehen abends junge Dichter in den entlegenen Alleen. So stehn die Bauern um die Leiche, wenn sich ein Kind im Tod verlor, — und was geschieht, ist doch das Gleiche: es geht ein Übergroßes vor. Wer dich zum ersten Mal gewahrt, den stört der Nachbar und die Uhr, der geht, gebeugt zu deiner Spur, und wie beladen und bejahrt. Erst später naht er der Natur und fühlt die Winde und die Fernen, hört dich, geflüstert von der Flur, sieht dich, gesungen von den Sternen, und kann dich nirgends mehr verlernen, und alles ist dein Mantel nur. Ihm bist du neu und nah und gut und wunderschön wie eine Reise, die er in stillen Schiffen leise auf einem großen Flusse tut. Das Land ist weit, in Winden, eben, sehr großen Himmeln preisgegeben und alten Wäldern untertan. Die kleinen Dörfer, die sich nahn, vergehen wieder wie Geläute und wie ein Gestern und ein Heute und so wie alles, was wir sahn. Aber an dieses Stromes Lauf stehn immer wieder Städte auf und kommen wie auf Flügelschlägen der feierlichen Fahrt entgegen. Und manchmal lenkt das Schiff zu Stellen, die einsam, sonder Dorf und Stadt, auf etwas warten an den Wellen, — auf den, der keine Heimat hat... Für solche stehn dort kleine Wagen (ein jeder mit drei Pferden vor), die atemlos nach Abend jagen auf einem Weg, der sich verlor. In diesem Dorfe steht das letzte Haus Aus „Das Stundenbuch“ In diesem Dorfe steht das letzte Haus so einsam wie das letzte Haus der Welt. Die Straße, die das kleine Dorf nicht hält, geht langsam weiter in die Nacht hinaus. Das kleine Dorf ist nur ein Übergang zwischen zwei Weiten, ahnungsvoll und bang, ein Weg an Häusern hin statt eines Stegs. Und die das Dorf verlassen, wandern lang, und viele sterben vielleicht unterwegs. Sie sind es nicht. Sie sind nur die Nicht-Reichen Aus „Das Stundenbuch“ Sie sind es nicht. Sie sind nur die Nicht-Reichen, die ohne Willen sind und ohne Welt; gezeichnet mit der letzten Ängste Zeichen und überall entblättert und entstellt. Zu ihnen drängt sich aller Staub der Städte, und aller Unrat hängt sich an sie an. Sie sind verrufen wie ein Blatternbette, wie Scherben fortgeworfen, wie Skelette, wie ein Kalender, dessen Jahr verrann, — und doch: wenn deine Erde Nöte hätte: sie reihte sie an eine Rosenkette und trüge sie wie einen Talisman. Denn sie sind reiner als die reinen Steine und wie das blinde Tier, das erst beginnt, und voller Einfalt und unendlich Deine und wollen nichts und brauchen nur das Eine: so arm sein dürfen, wie sie wirklich sind. Denn Armut ist ein großer Glanz aus Innen Aus „Das Stundenbuch“ Denn Armut ist ein großer Glanz aus Innen... Nur nimm sie wieder aus der Städte Schuld Aus „Das Stundenbuch“ Nur nimm sie wieder aus der Städte Schuld, wo ihnen alles Zorn ist und verworren und wo sie in den Tagen aus Tumult verdorren mit verwundeter Geduld. Hat denn für sie die Erde keinen Raum? Wen sucht der Wind? Wer trinkt des Baches Helle? Ist in der Teiche tiefem Ufertraum kein Spiegelbild mehr frei für Tür und Schwelle? Sie brauchen ja nur eine kleine Stelle, auf der sie alles haben wie ein Baum. Des Armen Haus ist wie ein Altarschrein Aus „Das Stundenbuch“ Des Armen Haus ist wie ein Altarschrein. Drin wandelt sich das Ewige zur Speise, und wenn der Abend kommt, so kehrt es leise zu sich zurück in einem weiten Kreise und geht voll Nachklang langsam in sich ein. Des Armen Haus ist wie ein Altarschrein. Des Armen Haus ist wie des Kindes Hand. Sie nimmt nicht, was Erwachsene verlangen; nur einen Käfer mit verzierten Zangen, den runden Stein, der durch den Bach gegangen, den Sand, der rann, und Muscheln, welche klangen; sie ist wie eine Waage aufgehangen und sagt das allerleiseste Empfangen langschwankend an mit ihrer Schalen Stand. Des Armen Haus ist wie des Kindes Hand. Und wie die Erde ist des Armen Haus: Der Splitter eines künftigen Kristalles, bald licht, bald dunkel in der Flucht des Falles; arm wie die warme Armut eines Stalles, — und doch sind Abende: da ist sie alles, und alle Sterne gehen von ihr aus. Der Nachbar Aus „Das Buch der Bilder“ Fremde Geige, gehst du mir nach? In wieviel fernen Städten schon sprach deine einsame Nacht zu meiner? Spielen dich hunderte? Spielt dich einer? Giebt es in allen großen Städten solche, die sich ohne dich schon in den Flüssen verloren hätten? Und warum trifft es immer mich? Warum bin ich immer der Nachbar derer, die dich bange zwingen zu singen und zu sagen: Das Leben ist schwerer als die Schwere von allen Dingen. Einsamkeit Aus „Das Buch der Bilder“ Die Einsamkeit ist wie ein Regen. Sie steigt vom Meer den Abenden entgegen; von Ebenen, die fern sind und entlegen, geht sie zum Himmel, der sie immer hat. Und erst vom Himmel fällt sie auf die Stadt. Regnet hernieder in den Zwitterstunden, wenn sich nach Morgen wenden alle Gassen und wenn die Leiber, welche nichts gefunden, enttäuscht und traurig von einander lassen; und wenn die Menschen, die einander hassen, in einem Bett zusammen schlafen müssen: dann geht die Einsamkeit mit den Flüssen... Herbst Aus „Das Buch der Bilder“ Die Blätter fallen, fallen wie von weit, als welkten in den Himmeln ferne Gärten; sie fallen mit verneinender Gebärde. Und in den Nächten fällt die schwere Erde aus allen Sternen in die Einsamkeit. Wir alle fallen. Diese Hand da fällt. Und sieh dir andre an: es ist in allen. Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält. Vorgefühl Aus „Das Buch der Bilder“ Ich bin wie eine Fahne von Fernen umgeben. Ich ahne die Winde, die kommen, und muß sie leben, während die Dinge unten sich noch nicht rühren: die Türen schließen noch sanft, und in den Kaminen ist Stille; die Fenster zittern noch nicht, und der Staub ist noch schwer. Da weiß ich die Stürme schon und bin erregt wie das Meer. Und breite mich aus und falle in mich hinein und werfe mich ab und bin ganz allein in dem großen Sturm. Titelblatt Aus dem Zyklus „Die Stimmen. Neun Blätter mit einem Titelblatt“ Aus „Das Buch der Bilder“ Die Reichen und Glücklichen haben gutschweigen, niemand will wissen was sie sind. Aber die Dürftigen müssen sich zeigen, müssen sagen: ich bin blind oder: ich bin im Begriff es zu werden oder: es geht mir nicht gut auf Erden oder: ich habe ein krankes Kind oder: da bin ich zusammengefügt... Und vielleicht, daß das gar nicht genügt. Und weil alle sonst, wie an Dingen, an ihnen vorbeigehn, müssen sie singen. Und da hört man noch guten Gesang. Freilich die Menschen sind seltsam; sie hören lieber Kastraten in Knabenchören. Aber Gott selber kommt und bleibt lang wenn ihn diese Beschnittenen stören. Titelblatt Aus dem Zyklus „Aus einer Sturmnacht. Acht Blätter mit einem Titelblatt“ Aus „Das Buch der Bilder“ Die Nacht, vom wachsenden Sturme bewegt, wie wird sie auf einmal weit —, als bliebe sie sonst zusammengelegt in die kleinlichen Falten der Zeit. Wo die Sterne ihr wehren, dort endet sie nicht und beginnt nicht mitten im Wald und nicht an meinem Angesicht und nicht mit deiner Gestalt. Die Lampen stammeln und wissen nicht: lügen wir Licht? Ist die Nacht die einzige Wirklichkeit seit Jahrtausenden... Schlußstück Aus „Das Buch der Bilder“ Der Tod ist groß. Wir sind die Seinen lachenden Munds. Wenn wir uns mitten im Leben meinen, wagt er zu weinen mitten in uns. Liebes-Lied Aus „Neue Gedichte“ Wie soll ich meine Seele halten, daß sie nicht an deine rührt? Wie soll ich sie hinheben über dich zu andern Dingen? Ach gerne möcht ich sie bei irgendwas Verlorenem im Dunkel unterbringen an einer fremden stillen Stelle, die nicht weiterschwingt, wenn deine Tiefen schwingen. Doch alles, was uns anrührt, dich und mich, nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich, der aus zwei Saiten eine Stimme zieht. Auf welches Instrument sind wir gespannt? Und welcher Geiger hat uns in der Hand? o süßes Lied. Buddha Aus „Neue Gedichte“ Als ob er horchte. Stille: eine Ferne... Wir halten ein und hören sie nicht mehr. Und er ist Stern. Und andre große Sterne, die wir nicht sehen, stehen um ihn her. O er ist Alles. Wirklich, warten wir, daß er uns sähe? Sollte er bedürfen? Und wenn wir hier uns vor ihm niederwürfen, er bliebe tief und träge wie ein Tier. Denn das, was uns zu seinen Füßen reißt, das kreist in ihm seit Millionen Jahren. Er, der vergißt was wir erfahren und der erfährt was uns verweist. Blaue Hortensie Aus „Neue Gedichte“ So wie das letzte Grün in Farbentiegeln sind diese Blätter, trocken, stumpf und rauh, hinter den Blütendolden, die ein Blau nicht auf sich tragen, nur von ferne spiegeln. Sie spiegeln es verweint und ungenau, als wollten sie es wiederum verlieren, und wie in alten blauen Briefpapieren ist Gelb in ihnen, Violett und Grau; Verwaschnes wie an einer Kinderschürze, Nichtmehrgetragnes, dem nichts mehr geschieht: wie fühlt man eines kleinen Lebens Kürze. Doch plötzlich scheint das Blau sich zu verneuen in einer von den Dolden, und man sieht ein rührend Blaues sich vor Grünem freuen. Im Saal Aus „Neue Gedichte“ Wie sind sie alle um uns, diese Herrn in Kammerherrentrachten und Jabots, wie eine Nacht um ihren Ordensstern sich immer mehr verdunkelnd, rücksichtslos, und diese Damen, zart, fragile, doch groß von ihren Kleidern, eine Hand im Schooß, klein wie ein Halsband für den Bologneser: wie sind sie da um jeden: um den Leser, um den Betrachter dieser Bibelots, darunter manches ihnen noch gehört. Sie lassen, voller Takt, uns ungestört das Leben leben wie wir es begreifen und wie sieʼs nicht verstehn. Sie wollten blühn, und blühn ist schön sein; doch wir wollen reifen, und das heißt dunkel sein und sich bemühn. Selbstbildnis aus dem Jahre 1906 Aus „Neue Gedichte“ Des alten lange adligen Geschlechtes Feststehendes im Augenbogenbau. Im Blicke noch der Kindheit Angst und Blau und Demut da und dort, nicht eines Knechtes doch eines Dienenden und einer Frau. Der Mund als Mund gemacht, groß und genau, nicht überredend, aber ein Gerechtes Aussagendes. Die Stirne ohne Schlechtes und gern im Schatten stiller Niederschau. Das, als Zusammenhang, erst nur geahnt; noch nie im Leiden oder im Gelingen zusammgefaßt zu dauerndem Durchdringen, doch so, als wäre mit zerstreuten Dingen von fern ein Ernstes, Wirkliches geplant. Die Insel (Nordsee) Aus „Neue Gedichte“ I. Die nächste Flut verwischt den Weg im Watt, und alles wird auf allen Seiten gleich; die kleine Insel draußen aber hat die Augen zu; verwirrend kreist der Deich um ihre Wohner, die in einen Schlaf geboren werden, drin sie viele Welten verwechseln, schweigend; denn sie reden selten, und jeder Satz ist wie ein Epitaph für etwas Angeschwemmtes, Unbekanntes, das unerklärt zu ihnen kommt und bleibt. Und so ist alles was ihr Blick beschreibt von Kindheit an: nicht auf sie Angewandtes, zu Großes, Rücksichtsloses, Hergesandtes, das ihre Einsamkeit noch übertreibt. II. Als läge er in einem Krater-Kreise auf einem Mond: ist jeder Hof umdämmt, und drin die Gärten sind auf gleiche Weise gekleidet und wie Waisen gleich gekämmt von jenem Sturm, der sie so rauh erzieht und tagelang sie bange macht mit Toden. Dann sitzt man in den Häusern drin und sieht in schiefen Spiegeln was auf den Kommoden Seltsames steht. Und einer von den Söhnen tritt abends vor die Tür und zieht ein Tönen aus der Harmonika wie Weinen weich; so hörte ers in einem fremden Hafen —. Und draußen formt sich eines von den Schafen ganz groß, fast drohend, auf dem Außendeich. III. Nah ist nur Innres; alles andre fern. Und dieses Innere gedrängt und täglich mit allem überfüllt und ganz unsäglich. Die Insel ist wie ein zu kleiner Stern welchen der Raum nicht merkt und stumm zerstört in seinem unbewußten Furchtbarsein, so daß er, unerhellt und überhört, allein damit dies alles doch ein Ende nehme dunkel auf einer selbsterfundnen Bahn versucht zu gehen, blindlings, nicht im Plan der Wandelsterne, Sonnen und Systeme. Reiselied Wasser stürzt, uns zu verschlingen, Rollt der Fels, uns zu erschlagen, Kommen schon auf starken Schwingen Vögel her, uns fortzutragen. Aber unten liegt ein Land, Früchte spiegelnd ohne Ende In den alterslosen Seen. Marmorstirn und Brunnenrand Steigt aus blumigem Gelände, Und die leichten Winde wehn. Ballade Des Äusseren Lebens Und Kinder wachsen auf mit tiefen Augen, Die von nichts wissen, wachsen auf und sterben, Und alle Menschen gehen ihrer Wege. Und süße Früchte werden aus den herben Und fallen nachts wie tote Vögel nieder Und liegen wenig Tage und verderben. Und immer weht der Wind, und immer wieder Vernehmen wir und reden viele Worte Und spüren Lust und Müdigkeit der Glieder. Und Straßen laufen durch das Gras, und Orte Sind da und dort, voll Fackeln, Bäumen, Teichen, Und drohende, und totenhaft verdorrte... Wozu sind diese aufgebaut und gleichen Einander nie? und sind unzählig viele? Was wechselt Lachen, Weinen und Erbleichen? Was frommt das alles uns und diese Spiele, Die wir doch groß und ewig einsam sind Und wandernd immer suchen irgend Ziele? Was frommts, dergleichen viel gesehen haben? Und dennoch sagt der viel, der „Abend“ sagt. Ein Wort, daraus Tiefsinn und Trauer rinnt Wie schwerer Honig aus den hohlen Waben. Dein Antlitz.. Dein Antlitz war mit Träumen ganz beladen. Ich schwieg und sah dich an mit stummem Beben Wie stieg das auf! daß ich mich einmal schon In frühern Nächten völlig hingegeben Dem Mond und dem zuviel geliebten Tal Wo auf den leeren Hängen auseinander Die magern Bäume standen und dazwischen Die niedren kleinen Nebelwolken gingen Und durch die Stille hin die immer frischen Und immer fremden silberweißen Wasser Der Fluß hinrauschen ließ — wie stieg das auf! Wie stieg das auf! denn allen diesen Dingen Und ihrer Schönheit — die unfruchtbar war — Hingab ich mich in großer Sehnsucht ganz Wie jetzt für das Anschaun von deinem Haar Und zwischen deinen Lidern diesen Glanz! I. Über Vergänglichkeit Terzinen Noch spür ich ihren Atem auf den Wangen: Wie kann das sein, daß diese nahen Tage Fort sind, für immer fort, und ganz vergangen? Dies ist ein Ding, das keiner voll aussinnt, Und viel zu grauenvoll, als daß man klage: Daß alles gleitet und vorüberrinnt. Und daß mein eignes Ich, durch nichts gehemmt, Herüberglitt aus einem kleinen Kind, Mir wie ein Hund unheimlich stumm und fremd. Dann: daß ich auch vor hundert Jahren war Und meine Ahnen, die im Totenhemd, Mit mir verwandt sind wie mein eignes Haar, III. Wir sind aus solchem Zeug, wie das zu Träumen Terzinen Wir sind aus solchem Zeug, wie das zu Träumen, Und Träume schlagen so die Augen auf Wie kleine Kinder unter Kirschenbäumen, Aus deren Krone den blaßgoldnen Lauf Der Vollmond anhebt durch die große Nacht. ... Nicht anders tauchen unsre Träume auf. Sind da und leben, wie ein Kind, das lacht, Nicht minder groß im Auf- und Niederschweben Als Vollmond, aus Baumkronen aufgewacht. Das Innerste ist offen ihrem Weben, Wie Geisterhände in versperrtem Raum Sind sie in uns und haben immer Leben. Und drei sind eins: ein Mensch, ein Ding, ein Traum. Der Fremde: Aus „Das kleine Welttheater“ Dies hängt mir noch von Kindesträumen an: ich muß von Brücken in die Tiefe spähen und wo die Fische gleiten über’n Grund, mein’ ich Geschmeide hingestreut zu sehen, Geschmeide in den Kieselgrund verwühlt, Geräte, drin sich feuchte Schatten fangen. Wie Narben an dem Leib von Kindern wuchs mit mir dies eingegrabene Verlangen! Ich war zu klein und durfte nie hinab. Nun wär ich stark genug, den Schatz zu heben, doch dieses Wasser gleitet stark und schnell, zeigt nicht empor sein stilles innres Leben. Nur seine Oberfläche giebt sich her gewaltig wie von strömendem Metalle. Von innen treibt sich Form auf Form heraus mit einer Riesenkraft in stetem Schwalle. Aus Krügen schwingen Schultern sich heraus, aus Riesenmuscheln kommt hervorgegossen ein knabenhafter Leib, ihm drängt sich nach ein Ungeheuer und ist schon zerflossen! Lieblichen Wesen, Nymphen halb, halb Wellen wälzt eine dunkle riesige Gewalt sich nach: mich dünkt, es ist der Leib der Nacht, in sich geballt die dröhnende Gestalt: nun wirft sie auseinander ihre Glieder und für sich taumelt jedes dieser wilden. Mich überkommt ein ungeheurer Rausch, die Hände beben, solches nachzubilden, nur ist es viel zu viel, und alles wahr: Eins muß empor, die anderen zerfließen. Gebildet hab ich erst, wenn ich’s vermocht vom großen Schwall das eine abzuschließen. In einem Leibe muß es mir gelingen das Unaussprechlich-reiche auszudrücken, das selige Insich-geschlossen-sein: Ein-Wesen ist’s, woran wir uns entzücken! Sei’s Jüngling oder Mädchen oder Kind, das lasse ich die schmalen Schultern sagen, die junge Kehle, wenn sie mir gelingt, muß jenes atmend Unbewußte tragen, womit die Jugend über Seelen siegt. Und der ich jenes Atmen ganz verstehe, wie selig ich, der trinkt wo Keiner trank am Quell des Lebens in geheimer Nähe, wo willig kühle unberührte Wellen mit tiefem Klang dem Mund entgegen schwellen! Wie abgeriss’ne Wiesenblumen Aus „Der Tor und der Tod“ Wie abgeriss’ne Wiesenblumen Ein dunkles Wasser mit sich reißt, So glitten mir die jungen Tage, Und ich hab’ nie gewußt, daß das schon Leben heißt. Dann — stand ich an den Lebensgittern, Der Wunder bang’, von Sehnsucht süß bedrängt, Daß sie in majestätischen Gewittern Auffliegen sollten, wundervoll gesprengt. Es kam nicht so — und einmal stand ich drinnen Der Weihe bar und konnte mich auf mich Und alle tiefsten Wünsche nicht besinnen, Von einem Bann befangen, der nicht wich. Von Dämmerung verwirrt und wie verschüttet, Verdrießlich und im Innersten zerrüttet, Mit halbem Herzen, unterbund’nen Sinnen In jedem Ganzen rätselhaft gehemmt, Fühlt’ ich mich niemals recht durchglutet innen, Von großen Wellen nie so recht geschwemmt, Bin nie auf meinem Weg dem Gott begegnet, Mit dem man ringt, bis daß er einen segnet. Widmung Aus „Die frühen Gärten“ Wo sind die Gärten und verhüllten Thale und Himmel milder Kindertraurigkeit — Meine Schwester ∙ wie brennen die Male! Mein Bruder ∙ der Weg wie weit! Das Haus im Dunkel lauer Todesschatten das Lied von unverstandnen Thränen feucht als wir noch kein Gestern hatten und das Morgen noch Hoffnung gedeucht. Beim Lampenschein die Welt der fremden Wunder wie groß, dem Suchenden die Welt wie klein! Unsere Himmel sind reicher und bunter doch nicht mehr so leuchtend und rein. Nun wir erkannt und viel und anders leiden, ein stummer Blick ∙ noch ist kein Werk gethan ∙ da kaum wir vom Frührot scheiden hebt schon ein Abend an? Fern sinkt das Ziel am kühlen Himmelrande ein Windhauch rührt die schmerzlich dünne Saat — Mein Bruder ∙ wie dunkeln die Lande Meine Schwester ∙ wo blieb die That. Auf dunkeln unbekannten Wegen Aus „Die frühen Gärten“ Ich komme über weites Land und weite Meere das Herz voll Müdigkeit der fremden Erde... Und immer noch auf unbekannten Wegen da schon der schwere herbstliche Regen in traurigen Tropfen niederrinnt. In die Dämmerung die dichter und dichter schwarze Bäume steigen bleiche Häuser steigen gelbe Lichter Stimmen sich regen Schritte im Nebel der auf den Äckern spinnt Und wieder kalte, fremde Gesichter? ... ein Mann dessen Haar zu ergrauen beginnt kommt mir entgegen auf dunkeln unbekannten Wegen — er breitet seine Arme nach mir aus. ich kann nur die Lippen bewegen... Dunkel wirft die Netze aus Aus „Parcival“ Dunkel wirft die Netze aus Pfade locken zum Verderben Stimmen wirren sich und sterben: Einer zog von Stadt und Haus, will das höchste Gut erwerben. Abend stürzt den schmalen Steg aus den großen Dunkelheiten Schatten kommen her und gleiten: Einer reitet unsern Weg will das höchste Gut erreiten. Was der blinde Tag verbarg strahlt in Klarheit auf und über gleißendes wird matt und trüber schlummerndes wird wach und stark und das wache schläft hinüber. Nacht ist alles Seins Beginn tiefer Leben Urgrund Schweigen, derer die zum Lichte steigen und der tiefsten welche hin sich zum Mutterschoße neigen. That ist Traum und Traum ist thun rühre nicht an dieser beiden dunkeln Reiche Gränz und Scheiden da in selben Gründen ruhn Rauch und Flamme, sein und leiden und Erkenntnis letzter Wahn und wir selber nur die schwanken Wellen oder schwacher Kahn auf dem kühlen Ocean der allewigen Gedanken. Schon erhebt sich ungeheuer Tod, und rastlos umgetrieben stürzt was hoch, erblaßt was teuer und bald losch das heilige Feuer — Und bald kannst du nicht mehr lieben! Entführung Aus „Das Buch der Seele“ Wenn die leichte Kerzenflamme schwelend sich gespenstisch hebt, die am runden weißen Stamme zuckend wie gefangen klebt, und ein Hauch im düstern Zimmer unbemerkt sie plötzlich treibt, daß ihr flüchtig blasser Schimmer schattend einen Kreis beschreibt: fühlst du dich im tiefsten Kerne wie von einem Ruf berührt, der dich in die große Ferne, in die Ewigkeit entführt, fühlst dich über diesem Leben körperfrei im Wirbelwind lautlos zu den Quellen schweben, draus die Zeit ins Dunkel rinnt. In der Heimat Aus „Das Buch der Seele“ Warum dies Traurigwerden dort, wo die Sehnsucht weilt? Bin ich denn hier auf Erden nie ganz und ungeteilt? Kann ich nicht stille kauern, tief in mich selbst gebückt, in Seligkeit und Schauern mir und der Welt entrückt? Muß ich mir selbst gestehen stets meine arme Qual, in Licht und Ruhe sehen als ins entfernte Tal, dahin ich nie gelange? O Seele, wirst du nie durchbrechen diese bange Schale? O fiele sie! Der Kreis Aus „Das Buch der Seele“ Nur aus den Vergangenheiten kannst du dir entgegenschreiten, rundet sich dein Weg zum Kreis; fühlst Altvordern dich verbunden, der du so zu dir gefunden, ahnts erschauernd was Er weiß: daß das Leben Ihn verkündet, der sich aus sich selbst vollendet, daß es nicht beginnt, noch endet, ihm entquellend, in ihn mündet. Ewig auf den alten Wegen kommst du werdend dir entgegen. Es wird sein Aus „Das Buch der Seele“ Was war, eh du den Anbeginn der bitter-kargen Tage fühltest, eh du mit jedem Hungersinn dich brennend in das Leben wühltest? Und was wird sein, wenn du im Hirn den letzten Feuerfunken beben verzweifelnd ahnst und diese Stirn sie stumm der stummen Erde geben? Wirst du mich rufen, Herr, und mir die Wunder erst der Wirklichkeiten wie einen klaren Teppich breiten? Kannst du mich würdigen zu dir? Ich darfs nicht denken, daß du dich mir schenken solltest ganz allein. Und dennoch, horch ich tief in mich, dann muß ich sagen: es wird sein! Regenabend Wenn kalt der Regen um die Fenster stiebt, der Nebel wankend übern Berg gefunden, der dumpf die Schatten meiner Wiesen trübt, spür ich: in diesen grau verschlafnen Stunden nimmt vieles Abschied, das ich sehr geliebt. Ich kann die Wanderstimmen nicht erkennen, die dunkle Worte rufen über Feld, das Sterben nicht mit Namen nennen, das jetzt verhüllt durchwandert meine Welt. Ich weiß nur: Irgendwo im Sternenschein neigt ein geliebtes Haupt sich dunkler Sünde, ein Herz wird kalt, ein Baum verlischt im Winde, in einem Becher welkt der kühle Wein — — und alles geht und winkt und schwindet fern, im Grau verrieselt auch der letzte Stern. Leben Und immer fremder sind mir Tag und Räume... Was weht um mich? Man sagt: ein Menschenwort. Was rauscht um mich? Man sagt: die alten Bäume, die rauschen noch aus meiner Kindheit fort. Und Gärten stehn im abendlichen Land, ihr Schatten grüßt mich kühl und altbekannt. Ich aber wandre dunkel fort, im Innern ein uralt Schattenbild, das leise weint. Die nenn’ ich Mutter, diesen nenn’ ich Freund und lächle tief und kann mich nicht erinnern. Liebe Wir sind zwei Schatten, die aus Welt und Welt an einem Eschenbaum zusammentrafen. Wir glitten einsam im entrückten Feld und suchten späte Herberg, um zu schlafen. Und standen einen tiefen Augenblick uralt bekannt uns gegenüber und grüßten uns und wuchsen bis ans Glück. Dann sanken wir hinüber und herüber zerfallend in die alte Nacht zurück. Ausgang Nacht, die aus den Sternen quillt, schmieg’ dich fester um mein Leben! Was genommen und gegeben, ist vollendet und erfüllt! Wie ein Brunnen ist mein Blick: Alle Eimer, die sich hoben, kehren überfüllt von oben mit gekühltem Licht zurück.