Die Liebe wacht In dunkler Nacht Bin ich der Jugend Pfade einst gegangen; Irrlichter viel umhüpften und umschlangen Mit wirrem Spiel des Thales glatten Steg, Und keine Leuchte schien auf meinen Weg. Da schlug in's Herz durch irre Einsamkeiten Der Rettungsruf mir wie aus Himmelsweiten: In dunkler Nacht Die Liebe wacht! In dunkler Nacht Ist mir der Ernst des Mannes dann gekommen; Doch zur Gefährtin hatt' ich sie genommen, Die meinem Leben war der milde Stern. Nun zog ich muthig auch in schwanke Fern', Ich wußte ja, daß mir ein Trost beschieden, Daß in der Heimath süßgeschloss'nem Frieden In dunkler Nacht Die Liebe wacht! In dunkler Nacht Hab' ich sie jetzt in's dunkle Grab gebettet. Was hab' ich nun für's Leben mir gerettet? Mein Stern erlosch — giebt's keine Leuchte mehr? Aus Himmelsweiten wieder hoch und hehr Ruft Trost und Rettung da die ew'ge Gnade: Sind noch so einsam finster deine Pfade, In dunkler Nacht Die Liebe wacht! Meeresstille Wie mich erfaßt mit heil'ger Macht Meeresstille in dunkler Nacht! Leiser und leiser gehen die Wellen, Einzelne Sterne den Himmel erhellen. Ungefährdet vom Felsenriff, Ziehen wir sicher auf schwankem Schiff. Woher die Stille? woher der Friede? — Das Meer und das Herz sind sturmesmüde! Sie haben beide gekämpft und gelitten, Und Wogendrang und Schmerz erlitten, Bis endlich die Hand voll Lieb' und Macht Sie beide, beide zur Ruh' gebracht. Liebeswünsche Mein Lieb, bin ich ein See fürwahr, Groß, tief und sturmgehügelt: Sei Du die Sonne, die sich klar Auf stiller Fluth ihm spiegelt! Bin ich die Muschel, die da ruht, Vom Meerschlamm trüb umfeuchtet: Sei Du der Perle reine Gluth, Die ihr im Herzen leuchtet! Bin ich die dunkle Wetternacht, Wo dumpfer Donner dröhnet: Sei Du des Regenbogens Pracht, Der friedlich sie versöhnet! Bin ich ein Schifflein fern im Meer, Fast in ein Nichts verschwommen: Laß Du als Sternbild licht und hehr Zum Hafen heim mich kommen! Kennst du das Land? Kennst du das Land, wo warm die Herzen glüh'n, Der Liebe Blumen auch dem Nord entblüh'n, Die Tanne dunkel, licht die Birke ragt, Auf blauem Meer die Morgensonne tagt, — Kennst du es wohl? Ich sing' und sage laut: Mein Livland ist es, meine Heimath traut! Kennst du die Stadt, fern an der Ostsee Strand, Die Wogen brausen an der Düne Wand, Der breite Strom ein tiefes Bett sich wühlt Und frischer Hauch den grünen Wall umspült, — Kennst du sie wohl? Es ist die Vaterstadt, Wo meiner Wiege Lied geklungen hat! Kennst du das Haus, es blickt so still und klein, Und schließt doch einen ganzen Himmel ein, Die Blume duftet, und die Ranke webt, Und erste Liebe in den Räumen lebt, — Kennst du es wohl? In Land und Stadt dies Haus Wahrt meines Lebens schönsten Blüthenstrauß! — I. Hast du noch nie recht bitterlich geweint Hast du noch nie recht bitterlich geweint, Daß glüh'nde Thränen dir hervorgedrungen, Noch nie mit einem großen Schmerz gerungen, Noch nie unsäglich elend dich gemeint? Hat hohe Freude nie dein Herz geschwellt, Durchbrausten nie dich stolze Jubelklänge, Daß du fast meintest, deine Brust zerspränge Und daß du sei'st der Seligste der Welt? Wenn solche Schauer nimmer dich durchbebt, Hast du die Feuertaufe nicht bekommen, Des Daseins Strahlenhöhen nicht erklommen, Und sage nicht, du habest schon gelebt. II. Morgen wird's — im Thal beginnt Morgen wird's — im Thal beginnt Unheimliches Wogen und Wallen. Die Sonne naht — die Nebel der Nacht, Zürnend ob des Lichtes Macht, Sie beginnen de wilde Geisterschlacht; Ha, wie sie sich bäumen und ballen! Nun zuckt es hier, nun zuckt es dort Vom jungen freudigen Strahle; Doch der Nebel bleich und kalt Will nicht weichen des Lichtes Gewalt, Wälzet und wühlet, aber bald Zerreißt er mit einem Male. Und herrlich und voll Majestät Steigt auf die schöne Sonne, Und in den blauen Himmel fliegt Die Lerche und jubelt: Sie siegt, sie siegt! Und der kalte Nebel der Nacht erliegt, Und es weinet der Wald vor Wonne. III. Die Sonne sank, ich war allein am Strande Die Sonne sank, ich war allein am Strande Und blickte lange in des Himmels Gluth Nach jenen Wolken, welche auf die Fluth Herniedersanken, blau mit goldnem Rande. Sanft wallten die Gewässer auf und nieder Und plätscherten mit weißem Flockenschaum, Als spielten sie halb wachend, halb im Traum, Und summten leise, süße Schlummerlieder. Dann blickte scheidend noch die schöne Sonne Auf all die Pracht halb aus der Fluth hervor, Ein selig Flüstern schauerte durch's Rohr, — Dann Alles eine stille, große Wonne. Doch mich durchdrang ein tiefes, heißes Sehnen, Gar wunderweh zu Muthe wurde mir, Und meine Seele flog zu dir, zu dir, Und meine Augen füllten sich mit Thränen. So hab' ich still den schönen Strand verlassen; Zu groß war solche Schönheit, solche Lust Für eine einz'ge arme Menschenbrust, Und nur mit dir vereint könnt' ich sie fassen. IV. Gern bin ich allein an des Meeres Strand Gern bin ich allein an des Meeres Strand, Wenn der Sturmwind heult und die See geht hohl, Wenn die Wogen mit Macht rollen zu Land, — O wie wird mir so kühn und so wonnig und wohl! Die segelnde Möve, sie ruft ihren Gruß Hoch oben aus jagenden Wolken herab; Die schäumige Woge, sie leckt meinen Fuß, Als wüßten sie beide, wie gern ich sie hab'. Und der Sturm, der lustig das Haar mir zaust, Und die Möv' und die Wolke, die droben zieht, Und das Meer, das da vor mir brandet und braust, Sie lehren mir alle manch herrliches Lied. Doch des Lebens erbärmlicher Sorgendrang, O wie sinkt er zurück, wie vergess' ich ihn, Wenn die Wogenmusik und der Sturmgesang Durch das hoch aufschauernde Herz mir ziehn! Vom wilden Röschen Ich kenn' ein wildes Röschen, Das blüht so roth im Dornenstrauch, Das lockt so lieb mit süßem Hauch, Das sucht mit scharfen Spitzen Oft mir die Hand zu ritzen — Das Blut ist kaum zu stillen. Doch um der Rose willen Lieb' ich die Dornen auch. Und hat sie mich gestochen, Dann blickt sie mich so freundlich an, Als hätt' sie mir nicht weh gethan; Und schaut' ich noch so wilde — Sie duftet lieblich milde. Zuletzt, was will ich machen? Ich muß von Herzen lachen Und bleib' ihr zugethan. Lenz überall! Schaute Dich zum ersten Male, Als der holde Lenz begonnen, Durfte mich im sanften Strahle Deines lieben Auges sonnen. Und nun seh' ich aller Orten, Wo Dein Blick mir lacht entgegen, Öffnen sich des Lenzes Pforten, Maienlust und Pracht sich regen. Sprich, ist dieses Frühlingsleben In den Tiefen meines Innern? Jst's ein fröhliches Erbeben Bei des schönen Tags Erinnern? Oder weil, wenn ich erschaue Deiner Augen milde Sonnen, Wie im Lenz auf grüner Aue Mir ein Frühling neu begonnen? Maiklänge Die Blätterspitzchen im dunkeln Hain Zerbrechen der Knospe Gefängniß, Bei der Frühlingssonne zitterndem Schein Wird ihnen zu bang in der Engniß. Die schützenden Decken, sie sprengen sie los, Erschließen den zarten innersten Schooß Den Stimmen des Lenzes, der Liebe! Die Schwalben kommen vom südlichen Meer, Die frohen, willkommenen Gäste, Der Storch stolziert auf den Dächern einher Und sucht sich ein Plätzchen zum Neste, Die Finken locken und schlagen vor Lust, Als sollte zerspringen die schmetternde Brust Bei den Stimmen des Lenzes, der Liebe! Das Leben drängt sich hervor und quillt In tausendfarbigen Blüthen — Was willst Du die Sehnsucht, die nimmer sich stillt, Im Busen verschlossen noch hüten? Hervor, was im Herzen Dir schlummert so bang, Dann wird auch die Klage zum Jubelgesang In den Stimmen des Lenzes, der Liebe! Frühlings-Nachklänge O Frühlingself mit Schwingen der Libelle, So reich an Glanz, wie sie, so reich an Schnelle, Was floh'st Du schon, zum Leben kaum erwacht? Des Tages Brand, die schwüle Gluth der Nacht Versengt das Paradies, das Du erschlossen, Noch glüht das Herz von Deiner Zauberpracht, Fahr' hin, fahr' hin, ich habe Dich genossen! Die Rose stirbt; gesegnet sei die Blüthe, Ob noch so schnell ihr holder Reiz verglühte, Sie prangte hehr mit hoher Pracht geschmückt! Ob sie der Frost zerstört, der Sturm erdrückt — Sie hat dem Tag den zarten Schooß erschlossen, Und haucht im Tod, vom letzten Thau entzückt: Fahr' wohl, fahr' wohl, ich habe Dich genossen! O Lebensmai, wann hast Du doch begonnen? Ich harrte Dein — da bist Du schon verronnen, Und erst im Scheiden ahn' ich den Verlust! Du hattest reich, doch stets mir unbewußt, Die Fülle Deines Segens mir erschlossen, Und dankend tönt's aus schmerzbewegter Brust: Leb' wohl, leb' wohl, ich habe Dich genossen! Es blitzt ein Stern in dunkler Nacht Es blitzt ein Stern in dunkler Nacht Vom hohen Himmelsbogen, Der hat mit Feuerstrahlen-Pracht Goldhellen Streif gezogen. Hell lag im Glanz die weite Welt, Schön wie vom Sonnenstrahl erhellt, Der Stern zog fort zum Himmels-Rand, Blitzt glühend auf — ach! und verschwand! Der Wand'rer zieht durch Berg und Thal, Umgarnt vom nächt'gen Dunkel, Da zuckt des Sternes Feuerstrahl Wie hellen Tag's Gefunkel. Da ruft er voll Entzücken aus: „Gott grüße Dich, mein Vaterhaus!“ Der Stern verlischt, der Wand'rer irrt Geblendet weiter und verwirrt. Du holdes Bild, das meine Nacht Wie Sonnengruß durchzückte, Das hoch durch seine Wunderpracht Mein trauernd Herz beglückte, Dein Glanz so rein, so sonnenhell, Warum entschwindest Du so schnell? Nur Glück verspricht so goldner Strahl — Ach! Glück so kurz — so lang die Qual! O klinge, Lied, von Berg zu Thale Tagfalter I. O klinge, Lied, von Berg zu Thale, Zum Strome, der sich kräuselnd bebt, Vom Strom zum weiten Himmelssaale, Zu dem sich Lerch' und Adler hebt! Denn was viel Jahr' in stillem Hoffen, Mit froher Ahnung schon gelauscht, Das ist, von einem Strahl getroffen, Nun himmelhoch emporgerauscht. Um Dich, um Dich weh'n meine Träume, Dich grüßt des Morgens erster Blick, Rinnt heller Thau durch Blüthenbäume, Du krönst den Tag im Sonnenglück. Im Tosen wilder Elemente Winkt Ruhe mir Dein Angesicht, Wohin in Nacht den Blick ich wende, Licht wird's im Herzen, lauter Licht. Dann rauscht in ew'gem Segen nieder, Was nächtlich meinen Blick bedroht, Und jubelnd schüttelt junge Glieder Der Frühling, neu erlöst von Noth. Ein Wonnemeer schwellt seine Wogen Um den, der noch in Öde lag. Denn neues Leben kommt gezogen Mit Dir in jedem Ruderschlag. Du lösest mir der Seele Tiefen, Du giebst zu jedem Handeln Kraft, Gedanken, die verborgen schliefen, Dein Bild sprengt jubelnd ihre Haft. Zu edlem Menschenthum erhoben, Zur Mannesgröße neugestählt, So mag das Schicksal mich erproben, Ob ich zu ew'gem Dank beseelt. Nun ist ein heißer Lebenskampf gerungen Tagfalter II. Nun ist ein heißer Lebenskampf gerungen! Die Zukunft öffnet weite Hoffnungthore, Und in der Freude hellem, reichem Chore Naht herrlich, was sonst ahnend nur geklungen. Errungen ist, was ich so kühn erstrebte, Wofür des Lebens Opfer schwach mir däuchte, Errungen reinern Daseins edle Leuchte Durch Dich, für Dich, die schützend mich umschwebte. Ich fühl' um Dich des Lebens Fülle rauschen, Ich seh' in Deinem theuren Auge brennen, Was ich gemeint von Anbeginn zu kennen: Wie alle Schöpfungswunder Wonne tauschen. Da war mein Leben Deinem schon verwoben, Wenn einsam ich in den Gebüschen suchte, Und sucht' und fand in Bergen und in Klüften, In unermess'ner ew'ger Bläue droben. „Könnt'st Du dies Bild an Deine Schritte heften!“ So rief's in mir, „Du stündest fest auf Erden, Du könntest Tausenden zum Heile werden In unbezwungnen, immer neuen Kräften.“ Nicht Wunsch, Verlangen waren's, die mich führten Dir nach und nach: Glück, Freude war's, Erkennen, Daß Menschenherzen nimmermehr sich trennen, Die nie in sich ein Anderssein verspürten. Mit allem Höchsten stets Dich zu umgeben, Mit jedes Daseins Zauber zu erfüllen, In Königsglanz der Menschheit Dich zu hüllen, Das sei mein unbezwingbar festes Streben. So trag' ich Dich bis an der Zeiten Ende, Geliebte mein, mit Himmelskraft und Treue, Daß sich die sel'ge Welt in Gluth erneue Und täglich neu' und neu' Anbetung fände. Denk' ich an Dich, so schwillt der Töne Reigen Tagfalter III. Denk' ich an Dich, so schwillt der Töne Reigen Mit ungeahnet immer neuer Kraft, Dann muß, durch Zauberschlag getroffen, schweigen, Was kräftig sonst in meiner Seele schafft. Denk' ich an Dich, dann ist nicht mehr Entrinnen Zu Dem, was zu uns führt der laute Tag, Verzaub'rung rings! in jeglichem Beginnen Streb' ich Dir, Heißgeliebte, nach und nach. Ich weiß, daß Deine Schöne sieggeboren, Ich weiß, daß stark die Kraft zu edlem Thun, Ich weiß, daß Du zu hohem Dienst erkoren, Du nimmer wirst in niederm Streben ruh'n. Und doch, wie herrlich Deine Augen leuchten, Wie Deine Wangen holde Liebe blüh'n, Es ist noch Eines, wovon nimmer zeugten Sterbliche Lippen, wie sie kühn sich müh'n. Es ist wohl Ahnung wie von bessern Fluren, Es ist ein heil'ger, leiser Himmelsgruß Von Geistern, die sich ew'ge Treue schwuren, Gelöst von schnödem Menschenüberdruß. Es ist die Ahnung, daß hier Seelen fanden, Was die Natur in süßen Rausches Gluth Wie wenig, wenig oft! den Ird'schen sandte: Allmächt'ger Liebe reinsten Opfermuth. Und wie sie nah'n geheimnißvoll, die Bilder, Ein gold'ner Strom, entzückend reich und voll, Wird mir der Sehnsucht Drängen sanfter, milder, Wie sonst Versöhnung wohl im Herzen quoll. Ja, hier sind Wunder, Wunder ausgebreitet, Ich steh' in einem weiten Zaubersaal Im mag'schen Licht, das um mich her verbreitet Ein heller und doch geisterhafter Strahl. Ich weiß nicht, bin ich? Darf ich an Dich denken? Ich weiß nur Eines, Eines, daß ich muß Verlieren mich, in Deinen Blick versenken, Um ganz zu stehn in Lebensüberfluß. Morgen Lieblich ladet Dich der junge Morgen Aus dem Traum zu seiner Wirklichkeit. Was noch gestern schlief in Dir verborgen, Liegt Dir heut' in sel'ger Offenheit. Alle Blüthenzweige pochen sehnend An Dein Herz, an der Gedanken Thor, Alle Blumen, noch vom Thaue thränend, Heben schüttelnd Dir ihr Haupt empor. Alles Flöten, Zwitschern, Schwirren, Klingen Bunter Sänger ist erst jetzt erwacht, Jetzt, wo Deine leichten Schritte dringen In des Waldes grüne Laubennacht. Nun, wie ist es Wunder, daß Du prangest Bis zum Abend in des Reichthums Pracht, Daß zu allen Wonnen Du gelangest, Da Dir solch Orakel wird gebracht? Königin des Morgens, wer doch möchte Täglich neugeboren steh'n wie Du! Wem das Schicksal solche Kränze flöchte Junger Rosen noch in Wintersruh'! Aber Einem ist er nicht verloren, Dieser thauesfrische Lebensglanz, Einem, dem aus ew'gen Morgenthoren Strahlt Dein Bild in Lebensfülle ganz. Das Urtheil der Menge Ein Reicher thät ein Gastmahl geben, Da sollte sein ein flottes Leben; Ein Possenreißer kam auch gelaufen, Wollte für Geld seinen Witz verkaufen, Und sagt, daß er ein Schauspiel hätt', Dergleichen noch wär' eine Rarität. Es kam die Menge in vollem Zug, Die Bühne hatte kaum Platz genug. Der Künstler zeigte sich ganz allein, Und zog den Kopf in die Brust hinein, Und grunzt' und quiekte wie ein Ferken. Das Publikum thät hoch aufmerken; Er spielte seine Rolle mit Glanz, Denn was er schien, das war er ganz. Solch Wunder man noch nicht genoß, Der Beifall wuchs unmaßen groß, Man hatte nie genug daran, Er durfte kaum einmal verschnaufen, Da capo! rief der große Haufen, Und er fing wieder zu quieken an. Das sah ein Bauer, der sprach zu sich: Solch frecher Gauner ärgert mich. Verstehe doch auch die Natur des Schweins, Ich dächte, ich versuchte eins. Keck trat er vor und sprach mit Lachen: Ich werd' es Euch noch besser machen! Die Menge harrte mit gierigem Blick; Und als der Bauer kehrte zurück, Da that er mit Absicht, als wenn er ein Schwein Verborgen steckt' in den Mantel hinein — Dergleichen er auch wirklich vollführte — Doch da man kein Schwein bei dem andern spürte, So gab man wenig darauf Acht. Er aber kniff mit aller Macht Das eingewickelte Thier ins Ohr, Und brachte gar kräftige Töne hervor. Da rief die Menge: „Wie unnatürlich! Der Kerl brüllt ja ganz ungebührlich! O laßt ihn laufen ins Dorf hinein, Da hör' er mal wirkliche Schweine schrei'n! So wird ihm nie keine Täuschung glücken — Der erste Künstler soll wieder quieken!“ Der Bauer, der that sich die Stirne streichen: „Fürwahr, Euer Urtheil ist sonder gleichen!“ Dann griff er in den Mantel schier, Und brachte das freundliche Wesen herfür. Da wurden Manche sehr verlegen, Doch Einer schrie ihm wild entgegen, Ein Mann mit populärem Grimme: „Was, der Kerl will uns überführen? Das mag er nicht noch mal probiren — Sein Ferkel hat eine schlechte Stimme! Er soll uns nicht mit Wirklichkeit stören, Wir wollen nur schöne Täuschung hören! Es tritt uns schon auf allen Wegen Der platten Wahrheit genug entgegen! Und was einen Jeden zu Haus genirt — Zum Teufel, wer es uns hier präsentirt!“ Diese Rede thät man zu Zeiten Mit handlichen Rippenstößen begleiten, Und gab ihm noch manchen traulichen Wink Mit auf die Reise, bevor er ging. Drauf kam der alte Künstler herein Und spielte — das ideale Schwein! Der Kukuk Der Jäger und die junge Maid, Was fragten sie nach der Liebe Leid? Sind Arm in Arm verschlungen In den einsamen Wald gegangen, Die Vöglein haben gesungen, Gar süße zu ihrem Verlangen! Da saß ein Kukuk im Hage, Die Dirne fragte geschwind: „Du Stundenzähler, o sage, Wie lang unser Glück noch rinnt?“ O laß die Zukunft, Liebchen süß, Noch schäumet der Becher von heute! Und an die Buche der Jäger stieß, Da flog der Kukuk ins Weite. „Wer wird uns nun den Sommer lang, Wenn wir zusammen uns finden, Bei aller seligen Sehnsucht Drang Die Flucht der Zeit verkünden?“ Was ist die Zeit! Was will die Zeit! Die Liebe grünt in Ewigkeit! Künden's nicht alle Felder? Rauschen's nicht alle Wälder? Laß ruh'n die thörichte Frage! Da fing das Mädchen zu weinen an — Doch sind die Nachtigallen Ihr schnell ins Wort gefallen: Die Liebe, ach! die Liebe, Die Liebe ist Schuld daran! Und wieder flog der Kukuk ins Thal, Und wieder fragte das schöne Kind: Wie lange das Glück der Liebe noch rinnt? Der Kukuk rief nicht ein einziges Mal. Der Jäger, der schoß in den Himmelsraum — Eine sterbende Nachtigall fiel vom Baum — Die Liebe, ach! die Liebe, Die Liebe ist nur ein Traum! — Die Maid ist, leidumschlungen, Noch oft in den Wald gegangen; Wohl haben die Vögel gesungen, Doch hin war des Jägers Verlangen! Und all das Rauschen und Neigen Und Flüstern im grünen Hag, Ihr däucht' es ein trauriges Schweigen; Und klagend nur aus den Zweigen, So sangen sie beide das alte Lied, Das durch die Lust des Frühlings zieht: „Wir hören nun Frau Nachtigall, Die sitzt auf grünen Zweigen, Und singt und klingt so süßen Schall, Wenn andre Vögel schweigen.“ Und nieder sind sie gesessen, Des Waldes Odem darüber weht, Daß wie im trunkenen Vergessen Die Zeit mit ihnen stille stebt. ,Werd' ich ein Häublein tragen nun, Herzliebster Jäger, ach! sage, Als wie die anderen Jägersfraun thun?“ Erklang ihr der Drosselschlag. Wie brennt, ach! die Liebe, die Sonne scheint heiß, Wie färben die rothen Rosen sich weiß! So saß sie und stand und ging und kam, Die Hoffnung schwand und es wuchs der Gram. Nun unter den Buchen haben Sie endlich, in stiller Ruh', Das wartende Liebchen begraben. Die Nachtigall schwieg im Walde, Der Kukuk nur rief dazu: Jägersmann, kommst du balde? Kuku! Frisch gelebt! Soll des Lebens Tragkraft sich Wirkungsreich entwickeln, Darf sie nicht so zaghaft sich Stimmungsweich zerstückeln! Mög' auch droh'n euch mancher Feind, Glaubet mir, es macht sich, Wer sich selbst behält zum Freund, Hat gar wohl bedacht sich! Euer offnes Auge sei Offner Seele Fenster, Blickt ihr um euch fest und frei, Seht ihr nie Gespenster! Nehmt das Gute für was Gut's, Laßt die kleinen Sorgen, Heute schaffend frohen Muth's Bringt ein glücklich Morgen! Wer der Welt zu nützen glüht, Lern' sich selbst erheitern, Erst statt Anderer Gemüth Seine Brust erweitern! Die Verwandelte Wie schlief Dir hinter Berg und Thal In Deines Lebens Morgen Noch all die tiefste Wonn' und Qual Verborgen! Du stand'st so keck und lose, Du knospende Gestalt, Wie eine wilde Rose Im Wald! War'st ja die lust'ge Jägersmaid, Abends wie Morgens früh! Nun aber schlich das süße Leid Sich auch zu Dir, Marie! Du lachtest, nun ist still Dein Sinn; Wo sind die jauchzenden Stunden Des übermüthigen Lachens hin Geschwunden? Wie war Dein Mund zum Plaudern, Dein Schelmenmund geneigt! Nun spricht er nur mit Zaudern Und schweigt. Und dennoch bist voll Seligkeit, Seliger warst Du nie, Denn ach! der Herzen süßes Leid Durchbebt auch Dich, Marie. Des Burschen Abschied Der Bursch muß in die Fremde gehn, Und ging er auch nicht gerne; Denn ach! des Jünglings Sterne stehn Vom Vaterhaus so ferne. So Mancher schaute zur Thür hinein, Auch Liese, Nachbars Töchterlein Kam mit, Ade zu sagen. Wie sie den blonden Bursch erblickt, Die Kniee woll'n ihm brechen, Sein letzter Muth ist ihm geknickt, Er kann vor Weh nicht sprechen. Er wirft die Blicke niederwärts; Doch endlich faßt er sich ein Herz: „Lebt wohl, mein Vater und Mutter!“ Die alten Eltern drücken ihn Und weinen alle beide. Die Mutter möcht' zurück ihn ziehn, Und ruft im bittern Leide: „Die Erd' ist breit und Dein Weg ist weit, Ich hab' nur eine Spanne Zeit Von hier noch bis zum Grabe!“ Und Alle sahen traurig drein, Und gaben Trost in Thränen; Der jüngste Bruder rief allein Im frischen Jugendsehnen: „Mag bleiben, wem die Ruh' gefällt, Dem Wanderer gehört die Welt! Ich wollte, könnt' mit Dir laufen!“ Die Freunde treten all herbei, Das Lebewohl zu nehmen, Da kommt die Liese auch zur Reih', Ach! Lebewohl bringt Grämen. Sie reicht ihm nur verschämt die Hand, Doch hat sie rasch sich abgewandt, Die Thräne zum Herzen gepresset. Kaum ist er fort, so schleicht sie hin, Gar heimlich durch den Garten, Da ferne auf der Straße ihn Am Kreuzweg zu erwarten. Dort fühlten Beide Brust an Brust Der jungen Liebe bange Lust, Dazu der Trennung Schmerzen. Das Aug' ist starr, die Hand ist kalt, Sie muß ihn wild umfassen Mit heißer Inbrunst Allgewalt, Und will ihn nimmer lassen: „Und ob das fluthende Meer verrinnt, Ich bleibe Dir ewig treu gefinnt, Ade! mein liebes Leben!“ Er reißt sich los und schwenkt den Hut Mit ihrem rothen Bande, Ihm war erstarrt, erstarrt sein Blut, So zog er durch die Lande; Und in den Abendlüften scholl Ein Sang so trüb, so trauervoll — Das Lied von Scheiden und Meiden. Im Sturm Sei tapfer, wenn die Masten krachen, Daß Du nicht schreckversteinert stehst: Du wirst die Wogen dienstbar machen, Sobald Du klug das Steuer drehst. Laß die verzweifelnden Gedanken, Daß sich Dein Compaß nicht verwirrt, Und nie Dein Schiff aus sichern Schranken Der off'nen See zur Brandung irrt. Gern packt das Unglück Deine Schwächen — O kämpfe, daß Du nicht erliegst, Und kannst Du auch den Sturm nicht brechen, So brich nur selbst nicht und Du siegst! Innere Kraft O pochend Herz, sei stark, sei stark! Bewahre rein des Geistes Mark, Dein Schaffen und Dein Lieben! All' äuß're Pracht und Macht In Todesnacht Muß sie zerstieben! Wohl schieden Dir viel Brüder! Den sengt der Jugend Gluth, Und Jenen riß die Fluth In Glückes Mitte nieder. Drum pochend Herz, sei hochgemuth, Dein irdisch Sorgen ist nicht gut! Dein Schaffen nur und Lieben, Nur Dein Gedanke ist Dein eigen, ob Du bist Hier oder drüben. Die Leibeskraft der Erden. Wird oft so früh schon alt, Dein Geist nur hat Gewalt Und wird gewaltig werden! Sonnensegen Der Tag bricht an Und ich wandle Durch leuchtend grüne, Frühlingswarme Gefilde. Mit blitzenden Geschossen, Siegreiche Sonne, Wirfst du die weißen Nebel nieder, Und der duftige Hain, Und die thürmende Ferne Läßt sich in Klarheit schaun. Freudig senk' ich den Blick Ins tiefste Blau, Wie in der Gottheit allruhenden Spiegel: Wie erwacht, Natur, deine Schöne! Über den schwankenden Halmen Der Lerche jubelnd Schmettern Aus morgenhellen Lüften schallt; Und in der Ferne dort Flötet die Nachtigall: Ach, und mein Herz, Ach, meine Seele singt, Schwelgend mit ihr! Schwül gen Mittag Steigt die Sonne; Und ich lenke meine Schritte Thalhinab. Wie mir der Hain Lockende Dämmrung verleiht! Frisch gedehnt Die heiße Brust Mit der harzigen Fichte Strömendem Lebenshauch, Lass' ich mich nieder In schattige Kühlung. Alles schweiget nun um Mittag, Selbst die Vögel in den Zweigen; Schmetterlinge flattern müde, Und mit ausgedehnten Flügeln Ruhen sie. Ich auch schweige Und ich wiege die Gedanken, Ruhig, wie die Wipfel droben! — Wie du im Lenze Die Fluren befruchtest, Allsegnende Sonne! So auch in uns, Und schwellend belebst du Tiefe sehnende Regung! Du durchglühst der Jünglinge Herz Und Ahnung durchlodert In süßen Wallungen Den Busen der jungen Dirne! Ja Frühling wird's auch Im Herzen des Menschen, Und mit ihm kommen Die blumenglücklichen Grazien der Freude, Die liebeseligen Musen der Schöpfungslust! In ewiger Schönheit Schweben sie nieder, Denn überall droben Ist uns ein Helikon. Sei mir gegrüßt Du gottentspross'ner Schwestern Chor! Ja mit dir wandelt, Dem Leide gewappnet, Dahin durch die Welt Der sterblich-unsterbliche Lebende Tempel, Die Menschenbrust! Es hebt und trägt mich Ein reines Entzücken Wie mit Äolsflügeln Über Höhen und Thale, Und Höhen und Thale Heben sich mit mir! Langsam senket Sich der Abend; Reiner wehen nun die Winde, Kühner steigen die Gedanken, Und sie schwingen hoch empor. Wandle nach, Strebender Menschengeist, Deinem Bilde, Der glühenden Sonne! Still geht sie hinan Zu mächtigen Thaten, Und versinket ruhig In der feuchten Nebelhülle Goldenem Purpur! O heilig Walten, Preis dir, deß Untergang Ewiger Aufgang ist! Sonne, dir sichtbarstem Zeichen der Gottheit, Dir töne mein Sang, Der frühlinggebor'ne, Frühlinggebärende! Das schlafende Kind Die Mutter lullt den Knaben Mit süßen Liedern ein; Er will nichts andres haben, Sie muß am Bettchen sein. Wie kann's der Schelm nur wissen, Ob sie am Bette sitzt, Der kaum aus seinem Kissen Mit halbem Auge blitzt? Und wie er ohne Kummer Frisch athmend rosig liegt! Das ist ein süßer Schlummer, Worein die Lieb' uns wiegt. Der Vater mit dem Kind Dem Vater liegt das Kind am Arm, Es ruht so wohl, es ruht so warm, Es lächelt süß: Lieb Vater mein! Und mit dem Lächeln schläft es ein. Der Vater beugt sich, athmet kaum, Und lauscht auf seines Kindes Traum; Er denkt an die entschwundne Zeit Mit wehmuthsvoller Zärtlichkeit. Und eine Thrän' aus Herzensgrund Fällt ihm auf seines Kindes Mund; Schnell küßt er ihm die Thräne ab, Und wiegt es leise auf und ab. Um einer ganzen Welt Gewinn Gäb' er das Herzenskind nicht hin; — Du Seliger schon in der Welt, Der so sein Glück in Armen hält! Die Matrone Sie lebt so still und ruhig Im ewigen Gleichmuth! Hell glänzt die Stube, Blank ist der Estrich, Die emsige Nadel Streift über die Leinwand Tag aus Tag ein — Nah' ist die Kirche, Selbst das Grab ist bestellt. Der Kärrner Einsam zieht der arme Kärrner Hinter seiner Bürde her: O wie lastet's auf den Händen, Auf den Schultern — o wie schwer! Trauernd schaut er auf zum Himmel Und beseufzet sein Geschick; Neben, vor ihm ziehen Leute — Wer gewahrt den Trauerblick? Muthig trabt der arme Kärrner Hinter seiner Bürde her, Leichter dünkt ihm seine Mühe, Und doch lud er etwas mehr; Denn auf den gewohnten Waaren Sitzt ein Flachskopf fest und lacht; Ob wohl der dem armen Kärrner Seine Mühe leichter macht? Mittelalterliche Forschung Zum Ritterschloß mit Thurm und Knauf Da stiegen viel Herren und Damen; Sie schwenkten über die Trepp' hinauf — Wir ließen's in Gottes Namen. Ich aber mit dem Mädchen süß, Wir blieben die Allerletzten, Und krochen hinab ins Burgverließ, Es thät' uns gar nicht entsetzen. Und wo sonst die eiserne Jungfrau war Mit ihren schneidigen Armen, Da durft' ich glücklicher Antiquar In weichen und linden erwarmen. Ein Zwist Neulich grollten, schmollten wir, Natürlich wieder um ein Nichts — Versöhnung keines wollten wir Gar ernsten Angesichts. Sie saß in ihrer Ecke da. Ich in der andern ebenfalls — Und eh' ich's eben mich versah, Flog das liebe Närrchen an meinen Hals! Der beste Zustand Nicht verliebt zu sein ist herrlich! Alle Tagesstunden sind Nun mein köstlicher Gewinn, Muß jetzt nicht zu halben Tagen Vor gewissen Fenstern lauschen, Bin zu Allem aufgelegt, Habe Schlaf und Appetit. Die Lectüre darf nicht ruh'n, Und der Menschen buntes Leben Steigt in klaren frischen Bildern Vor der freien Seele auf — Und das freie Herz erstarkt, Harrt in Ruhe seiner nächsten, Seiner süßen Sclaverei! Der kranke Löwe Es lag der gnädige Löwe krank — In seiner Höhle war großer Stank. Sich zu zerstreu'n, ließ seine Gnaden Die Thiere zum Besuche laden. Des Kämmerers Ruf erging an drei: An den Esel, den Bock und Fuchsen dabei; Die hätten sich gern der Ehr' enthoben, So ward der Esel vorgeschoben, Der zitternd trat in die Höhle ein — Da lag der König im Dämmerschein. Der spricht, indem die heiße Gier Aus seinem Feuerauge blinkt: „Freund Baldwyn, sag', wie riecht es hier?“ „Herr König, schnuppert der Esel, es stinkt.“ Das Eselein, der Wahrheit beflissen, Ward für sein keckes Wort zerrissen. Kam drauf der Bock gehüpft, vor Graus Stehn ihm die Augen beim Kopf heraus. „Mein Böcklein, sprich, wie riecht es dir?“ „Herr König, wie Bisam duftet es mir.“ Der Schmeichler war nichts Besseres werth: Ihm ward sein Innres heraus gekehrt. Nun kam der Fuchs auf leisen Sohlen, Was wird Herr Reinecke sich holen? „Mein guter Fuchs, du treue Seele, Sprich doch, wie riecht's in meiner Höhle?“ Der Reinhard niest: „Ich kann's nicht sagen, Mich thut ein arger Schnupfen plagen.“ Der König schweigt, beißt in die Lippe Und reicht ihm eine Eselsrippe: „Da nimm und iß, du kluger Mann, Ich seh's, du bist kein heuriger Hase; Wer den Geruch verleugnen kann, Der hat die allerfeinste Nase.“ Beschränkung Kannst Du das Schöne nicht erringen, So mag das Gute Dir gelingen. Ist nicht der große Garten Dein, Wird doch für Dich ein Blümchen sein. Nach Großem dränget Deine Seele? Daß sie im Kleinen nur nicht fehle! Thu' heute recht — das ziemte Dir; Der Tag kommt, der Dich lohnt dafür. So geht es Tag für Tag, doch eben Aus Tagen, Freund, besteht das Leben. Gar Viele sind, die das vergessen: Man muß nur nicht nach Jahren messen! Aus dem poetischen Tagebuch Als ich jung war, da war ich arm Als ich jung war, da war ich arm, Hatte gar oft nicht zu essen warm, Den Stiefeln fehlten die Sohlen — Es war zum Teufelholen! Aber mein Sinn stand hoch, Auch Holz hatt' ich nimmer, Und heiß und glühend liebt' ich doch, Wenn gleich im ungeheizten Zimmer. Ich hatte den Muth und sie den Willen Ich hatte den Muth und sie den Willen, So entstand der Muthwillen. Ihr seid die Gebildeten Ihr seid die Gebildeten Und Eingebildeten! Aus Feigenknospen werden Feigen Aus Feigenknospen werden Feigen, Die Traubenblüthe wird zur Traube; So Jedem wird, was ihm zu eigen — Das ist mein allertiefster Glaube. Was vernünftig ist, ist wirklich „Was vernünftig ist, ist wirklich“, Das mag wahr sein jetzt und künftig; Doch das Wirkliche war wirklich Oft bis jetzt sehr unvernünftig. Für Freiheit sein Leben als Opfer bringen Für Freiheit sein Leben als Opfer bringen, Dazu könnte man sich noch zwingen; Aber selten ist Einer bereit, Zu opfern seine liebste Gewohnheit. Es ist eine eigne Menschenart Es ist eine eigne Menschenart, Immer sicher und dreist; Und immer Geistesgegenwart Aber kein Geist. Ich wollt', es gäb' keine Armen und Reichen Ich wollt', es gäb' keine Armen und Reichen — „Sie sind also Socialist?“ Daß die Brüder sich liebten als ihres Gleichen — „Aha! Sie sind Communist!“ Gott sei's geklagt Gott sei's geklagt, Wie fallen sie her über mich! Wenn man „schlechter Kerl“ sagt, Ein Jeder bezieht's auf sich. Wenn Dir ein schöner Fruchtbaum ward Wenn Dir ein schöner Fruchtbaum ward, So scheuch' das Lumpenpack mit Knitteln, Doch laß den Westwind nach seiner Art Alles durcheinander schütteln. Romantisch war es immer Romantisch war es immer, Auch im Alterthum. Sie kannten so gut, wie wir, Liebe und Ruhm. Aber schmachten wollten sie nicht Erst lange mit einander; Zu Danae flog Jupiter, Zu Hero schwamm Leander. Was ist das: Constitution? Was ist das: Constitution? Das sag' mir Einer! Ei nun, man setzt Dich auf den Thron Und regiert statt Deiner. Wie sie nur siegten bei Marathon Wie sie nur siegten bei Marathon, Es ist den Wundern gleich: Ohne Monturscommission Und ohne Zapfenstreich! Die Staaten des Alterthums hatten doch Die Staaten des Alterthums hatten doch Gar wunderliche Gestaltungen! Keine Minister, kein Cabinet, Und keine Hofbuchhaltungen! Und keine Kriegslieferanten dazu, Wo nahmen sie nur Commisbrot und Schuh? Auch wenn man recht berichten thät, So gab's kein Reglement, Und kein Avancement Nach der Anciennität. Sie hatten ein Ding, hieß Vaterland — Das kam uns ganz und gar abhand. Regieren ist nicht so leicht als man glaubt Regieren ist nicht so leicht als man glaubt, Es versuchen's so Viele und treffen's nie; Regieren ist nicht so schwer als man glaubt, Es treffen's so Viele und versuchten's nie. Ein politischer Kopf im Umwenden Ein politischer Kopf im Umwenden Richtet sich nach den Umständen; Noch mehr den Andern bewundre ich: Richtet die Umstände gleich nach sich. Wenn das Volk sich selber regiert Wenn das Volk sich selber regiert, Du zweifelst, daß es zum Glücke führt? Die Sache mir ganz klar erscheint: Mit sich selbst es Jeder am besten meint. Die Sache war verloren Die Sache war verloren In allem Anfang gleich: In Deutschland durch die Professoren, Durch die Studenten in Österreich. Das Menschenherz, die Erde schwankt Das Menschenherz, die Erde schwankt, Die Seele, die Gesellschaft krankt — Nur Eins steht fest in Sturm und Graus: Die Familie, das Haus. Was hast Du gelernt in diesen Jahren? Was hast Du gelernt in diesen Jahren? Daß der Müßige nie gewinnt, Und daß die Menschen immer waren, Wie sie noch sind. Glück Schlich im Feld und Ähren ließ ich Prüfend gleiten durch die Hand, Eine blaue, liebe blaue Blume da mein eigen fand. Ging am Weg, ein Falter hob sich Goldig prunkend von dem Sand, Schwankte, schwebte, saß und bebte, Wo ein Wunderkleeblatt stand. Klomm zu Berge, blicken wollt' ich Wie der Adler übers Land, Eine Quelle rief so helle, Schlang zu Thal ihr Silberband. Schritt im Wald, zu lesen dacht' ich Eine Schrift voll von Verstand, Und ein kleines, süßes kleines Liedchen schrieb ich an den Rand. In der Fremde Saß in der Stube so fremd und kalt, Fühlte mich, ach, so müd' und alt; Draußen heulte Novembersturm, Zwölfe schlug es vom nahen Thurm, Dachte der Tage, die nicht mehr sind, Hätte geweinet bald wie ein Kind. Goß in die Schale den feurigen Saft, Meinte zu singen ein Lied der Kraft, Meinte zu fingen ein Lied der Freude, Wollte mir nicht gelingen heute. War so allein — ohn' Unterlaß Klang mir im Ohr die trübste der Weisen: Einsames Lieben, einsames Reisen, Einsames Zechen, wie traurig ist das! Heimweh So fremd und verlassen, so traurig allein — Mir tobte im Herzen der Sehnsucht Pein. Am Fenster stand ich und blickte hinauf, Und folgte der Wolken freischwebendem Lauf. Da wurden die Augen mir voller Naß, Ich drückte die Stirn ans kühle Glas. — Kling, kling, was pocht an die Scheibe so fein? Grüß Gott, schwarzäugiges Vögelein! „Grüß Gott, du armer, verlorener Mann! Nun trockne die Thränen, der Lenz rückt an!“ „Es blühen die Veilchen, es blauet der See, Es rinnen die Bächlein herab von der Höh'.“ Schwarzäugiges Vöglein, doch hier zu Land? „Du kennst ja die Wege, dich hält ja kein Band.“ Ach könnt' ich — ach wär' ich ein Vöglein wie du! „Dann flögst du der Heimath, der traulichen, zu.“ Dort haben die Stürme das Nest mir zerschellt. „So bau' dir ein neues, das besser bält.“ Liebherziger Bote, Eins wüßt' ich gern — „Sie blüht wie ein Röslein im Garten des Herrn.“ Und hielt sie die Treue, und denkt sie an mich? „Sie grüßt dich und küßt dich und wartet auf dich.“ Schwarzäugiges Vöglein, Dank deinem Bericht! Doch daß du mich weinen sabst, plaudre nicht. Der Abschied Es thut dem Menschen nichts so gut, Als wenn sein junger Lebensmuth Sich aller Schranken ledig weiß Und dennoch bleibet im Geleis, Das ihn da führt zum rechten Ziel Und wären auch der Wege viel. Es frommt dem Menschen nichts so sehr, Als wenn er dämmet sein Begehr, Als wenn der Seele gute Kraft In ihm den rechten Willen schafft. Zieh hin! Dein Herz ist wohlbestellt! Wie Du sie nimmst, so ist die Welt. Drum glaub' nicht, was das Sprichwort sagt, Das über schlimme Zeiten klagt. Noch ist nicht schlecht, was gut und recht, Noch ist nicht recht, was bös und schlecht. Und wo ein schlimmer, finstrer Wahn — Zünd' nur ein wenig Lichtlein an: Sieh, stärker ist des Lichtleins Macht, Als alle Geister düstrer Nacht. Und kommt vor's rechte Haus die Kunst, Versagt ihr Niemand seine Gunst. Wo man in Freuden lebt und schwebt, Da sei auch stets Dein Lied bestrebt, Den Jubel Deiner eignen Brust Zu einen mit der fremden Lust. Drum trübe nicht, was glänzt und gleißt, Stimm' ein, wo man das Leben preist, Denn Freude ist des Herren Gut, Das er dem Menschen schenken thut. Pocht man auf rechte Art nur an, So wird auch gerne aufgethan. Und wo ein Herze traurig ist, Weil es den rechten Trost vermißt, Da singe nicht in frohem Ton: Es klänge ihm, wie Spott und Hohn. Doch fing' ihm voller Traurigkeit, Als ob Du selber fühl'st sein Leid! Zur Hälfte seinen Schmerz ihm nimmst, Wenn Du in seine Klagen stimmst. Und fühlst Du selber Schmerz, so denk': 's ist auch ein göttliches Geschenk. Wem Gott sein Leiden nicht beschert, Den hält er seines Glücks nicht werth. Wie sähest Du die Freuden an, Wenn nie Dir etwas weh gethan? Und wenn Dein Herz ein Herze liebt, So denk', daß es der Herr Dir giebt, Es wird Dir Schmerz und Wonne sein, Als wie dem Baum der Sonne Schein! Liebesklage Wenn ich Dich ferne seh', Ist mir's hier innen, Wie ein unendlich Weh', Und meine Thränen rinnen. Und ich sehne Dir nach, Wie die Welle der Welle, Und wie zum rauschenden Bach Sich sehnet die Quelle. Und wie weh' mir ist, Möcht' ich gerne Dir klagen, Doch wenn Du bei mir bist, Kann ich's nicht sagen! Liebe macht weinen Es mag die Lieb' oft süße sein, Viel besser schmeckt mir doch der Wein, Ist's nur ein Glas vom reinen. Ich hab' der Liebe abgesagt, Weil sie am leichten Muthe nagt — Denn Liebe macht ja weinen. Wohl seh' ich schöne Mädchen gern, Seh' gern in ihrer Augen Stern', Weil sie so lieblich scheinen; Doch keine lieb' ich allzusehr, Daß mir das Scheiden fiele schwer — Die Liebe macht ja weinen. Und ich will lachend durch die Welt, So lange sie mir noch gefällt, Fortgehn auf jungen Beinen, Mit Sang und Klang von Ort zu Ort — Ade, ihr Mädchen, ich muß fort: Sonst macht die Lieb' mich weinen. Hinter dem Dorfe beim Weidengebüsch Hinter dem Dorfe beim Weidengebüsch Saß eine Junge und Alte, Als ich heut' Morgen so frei und frisch Dorten vorüber wallte. Hatte zwei Röslein, das eine war bleich, Hing verwelket und lose, Aber das andre war düftereich, Eine gar prächtige Rose. Und da warf ich die Rosen hin Nach den sinnenden Frauen; Wie ich stehen geblieben bin, Mocht' ich verwundert schauen, Daß das blühende Röselein Lag der Alten im Schooße, Aber der Jungen fiel herein Die verwelkende Rose. Beide hat es traurig gemacht, Als ich vorüber wallte. Hat wohl die Junge der Zukunft gedacht Und der Jugend die Alte? Steh' ich auf stillen Bergen Steh' ich auf stillen Bergen, Wird laut es in der Brust. Es klingen neue Lieder Von Lieb' und Wanderlust. Wie nach dem Thale rauschen Die Quellen silberhell, So springt aus meinem Herzen Der frische Liederquell. Die Quellen werden Ströme, Die Ströme gehn ins Meer, Und alle meine Lieder, Die wandern hinterher. Ihr Ziel ist meine Liebe, Ein Meer, in dessen Fluth Ich kühlend möchte tauchen Des Herzens heiße Gluth. Tausch Wie ist mir die Wange so bleich, Das Auge so matt und trübe, Und doch die Seele so reich, So reich an Hoffnung und Liebe! Wie strahlet dein Auge so warm, Wie blühn dir die rosigen Wangen! Und doch in der Seele der Harm, Der Liebe Zweifel und Bangen? O laß uns tauschen, gieb mir Der Augen und Wangen Glühen — Nimm meine Seele dafür, Wo duftende Blumen erblühen! Das Lied von der Liebsten Ich weiß wohl ein Liedlein, Das immer mir schallt, In einsamer Zelle, Im Feld und im Wald, Im Drange der Tage, In ruhiger Zeit, Im Wachen und Träumen, In Lust und Leid; Das tragen die Winde Ans lauschende Ohr, Das zwitschern die Vögel Im lustigen Chor, Das summen die Bienen In emsiger Hast, Das girren die Tauben In zärtlicher Rast, Das lispeln die Zweige, Das flüstert der Baum, Das wiegt die Gedanken Im seligen Traum Das murmeln die Quellen, Das rauschet der Bach, Das rufet im Herzen Ein Echo mir wach, Da brauset die Orgel Im frommen Gesang, Das läuten die Glocken Im friedlichen Klang: Das Lied von der Liebsten Mir nimmer verhallt, So lang durch die Adern Das Leben noch wallt! Der Liebesbrief Wollt' einmal dem Liebchen schreiben, Hatte gleich kein Briefpapier. Dacht' ich: gut! — da läßt du's bleiben — Gehst gleich lieber selbst zu ihr! Und so groß war meine Eile, Daß ich selbst als Liebesbrief Manche liebe lange Meile Nach dem fernen Liebchen lief. Und sie las den Brief geschwinde, Küßt' und herzt' ihn tausendmal. Doch ich gab dem holden Kinde Küsse wieder ohne Zahl. Vorfrühling Aus Süden weht es warm und weich, Die Scholle schmilzt im blauen Teich, Es träufelt lau hernieder. Das Wintergras geht frisch ins Zeug, Und Saft und Kraft ist im Gesträuch, Es rührt sich schon der Flieder. Die Schlüsselblume kommt sogleich, Erschließt ihr blätterduftig Reich Dem bunten Singgefieder. Der Kukuk fliegt vom kahlen Zweig Hin über Wald und Wiesensteig, Die Amsel flötet wieder. Nun kummervolle Sorge schweig! Schneeglöckchen rühr dich! Krokus steig Empor im Atlasmieder! Der junge Lenz ist im Bereich Und sprengt mit einem Zauberstreich Die Knospen auch der Lieder. Der goldne Mai Gieße deine Blüthenschale, Frühling, über Berg und Thal! Lade uns zum Göttermahle; Endlos war die Winterqual! Da, mit flammendem Pokale Tritt der Holde in den Saal. Wie ein junger Zaubrer steht er Aufgeschürzt und angethan: Ihm zu Haupte klarer Äther, Ihm zu Füßen Wiesenplan; Und auf Blumensohlen geht er Lächelnd seine goldne Bahn. Winkend mit dem Rosenfinger Schwebt er hin am Himmelszelt; Überall wird er Bezwinger, Und die Freudenthräne fällt; Denn er wird der Wiederbringer Der ersehnten Blüthenwelt; Läßt den Westen ihren Zügel, Über Hütten, Meer und Land Schwärmen sie mit seidnem Flügel Weiter bis zum fernsten Strand, Und umweben alle Hügel Neu mit Gras und Blumenrand. Wilde Buben werden innig, Und es wogt in ihrer Brust; Holde Mädchen werden sinnig, Seufzer quellen unbewußt: Die Natur ist reizend minnig, Alt und Jung voll Glück und Lust! Ein Allerweltskerl Kennt Ihr den hochgebornen Junker, Der in die höchsten Fenster schielt? Den luft'gen leichten Flinkeflunker, Der allen Mädchen Küsse stiehlt? Er überrascht sie in den Betten In allerfrühster Morgenstund', Und sucht sich weiche Lagerstätten Und küßt sie auf den Rosenmund. Er läßt sich fast wie häuslich nieder An ihrem blüthenweißen Bett; Beguckt die abgelösten Mieder Und legt sich quer auf's Blumenbrett. Sie fühlen's sonder Harm und Kummer, Wenn sie der Flattergeist umstrickt; Selbst wenn er sie im Morgenschlummer Ein wenig in die Augen zwickt. Erwachend schaun sie ohne Beben Auf diesen feinen blanken Mann; Und kleiden ohne Widerstreben In seiner Gegenwart sich an. Oft schließen lieblich weiße Hände Sogar das dunkele Rouleau, Und schlüpfen wonniglich behende Ins warme Bette wieder froh. Er aber legt sich breit ins Fenster, Als wären alle Mädchen sein! Doch glaubt nur ja nicht an Gespenster: Es ist der Junker Sonnenschein. Nachtstück Das war denn in dem Birnenbaum Ein nächtlich Muficiren! Ein Schnäbeln durch den Gartenraum Und schluchzendes Charmiren! Der Garten blüthenüberdeckt, Wie Silberschaum erglänzt er; Im Rebenlaub lag ich versteckt Bis Mitternacht im Fenster. Der Mond schwamm in dem kalten Duft, Es blitzten alle Sterne, Und warfen Schnuppen durch die Luft Mit hellem Flammenkerne. Verschwendrisch waren ausgestreut Unzähl'ge feuchte Perlen, Sie rollten funkelnd weit und breit Von Weingezweig und Erlen. Und fern und nahe zog herauf Ein wetterleuchtend Flammen, Und Blum' und Blätter rauschten auf Und schauerten zusammen. Es war ein wildes Feuerspiel, Geheimnißvoll und düster; Ein Flammen ohne Maß und Ziel Und schauriges Geflüster. Im Nachtwind macht' ein Geisterchor Sich heimlich auf die Reise, Und murmelte von Ohr zu Ohr Unheimlich ahnungsleise: Was schürst du ohne Rast und Ruh Der Liebe Feuergluthen? Die Nixe winkt und nickt dir zu Und schlüpft in kalte Fluthen. Hesperus Stern der Liebe! Mild und freundlich Leuchtest du durch alle Ferne, Bist der erste und der letzte Und der schönste aller Sterne. Ja in deinem milden Lichte Schwelgt der Jüngling, schwärmt der Knabe, Und als holde Erdenleuchte Preist der Greis dich noch am Grabe. Fällst du nicht, ein Strahl von Oben, In das irdische Getriebe? Denn was ist so allbelebend, So unendlich, wie die Liebe? War sie nicht von Urbeginne? Bleibt sie nicht in Ewigkeiten? Alle Völker und Geschlechter Priesen sie seit grauen Zeiten. Ist die schöne, warme Flamme Hier an Raum und Zeit gebunden? Hat mit dieser heil'gen Leuchte Man die Gottheit nicht gefunden? Ist sie nicht die still bewegte, Nimmer ruh'nde ew'ge Welle, Die von Herzen rauscht zu Herzen Und zurück zur Himmelsschwelle? Kann man nicht in ihreu Fluthen Jeden Wunsch der Erde stillen? Ja gepriesen sei die Erde Um der süßen Liebe willen. In dem dunklen Strom des Lebens Steht sie strahlend im Gemüthe, Wie du Stern im blauen Äther: Eine schöne Himmelsblüthe. Ende Anfang End' ist Anfang, Anfang Ende In dem Kreislauf der Natur: Folge ihrem ew'gen Gleise, Und sie führt dich leise, leise Immerdar zur Quelle nur. Ist der laute Tag geschwunden, Thut sich auf die stille Nacht; Es erscheint aus goldnen Thoren, Schönheit strahlend, neugeboren, Eines jungen Morgens Pracht. Alles Weh' im Menschenherzen, Es verklärt sich noch in Lust: Stehst du an der Erde Grenzen, Ziehen dich mit Liebeskränzen Selige an ihre Brust. Wirke, strebe, hoffe, glaube, Bis du anlangst in dem Port; Folge jedem edlen Triebe, Athme Schönheit, spende Liebe Menschlich göttlich, fort und fort. O wenn dir Gott ein Lieb geschenkt O, wenn Dir Gott ein Lieb geschenkt, Behalt' es treu im Herzen, Und was Dich drückt und was Dich kränkt, Mit ihr kannst Du's verschmerzen; Es schwindet jedes Leid der Welt, Wenn Liebchens Thräne darauf fällt — Drum, wenn Dir Gott ein Lieb geschenkt, Behalt' es treu im Herzen! Wenn fromm auf Dich ihr Auge schaut, Aus Bitter'm wird das Süß'ste, Wie, wenn der Himmel tröstend blaut, Zum Paradies die Wüste. Der Hader und der Wahn schläft ein, Das wilde Herz wird gut und rein — Wenn fromm auf Dich ihr Auge schaut, Aus Bitter'm wird das Süß'ste. Zieh' von Dir, wenn Du zu ihr trittst, Die staub'gen Erdenschuhe, Und was Du duldetest und littst, Das singt ihr Wort zur Ruhe; Wie, wo der Herr beschritt den Grund, Blüh'n tausend Blumen auf zur Stund' — Zieh' von Dir, wenn Du zu ihr trittst, Die staub'gen Erdenschuhe! Doch wenn Du sie verloren hast Voll Jammers unermessen, O denk' in Deiner Schmerzen Last, Denk', daß Du sie besessen! Und will das Herz Dir brechen schier, Fluch' nicht der Welt, noch ihr und Dir — Auch wenn Du sie verloren hast, Denk', daß Du sie besessen! An meine Mutter Gelobt sei der Herr, daß ich Deine Hand Mit heißen Thränen darf nässen — Ich habe Dich wieder, o Mutterherz, Und will nun Alles vergessen. Die Jugend ging hin und die Freundschaft mit, Die Liebe vergaß das Lieben — O Mutter, von Allem, was ich besaß, Bist Du, nur Du mir geblieben. Du hast Dein Wohl, Dein Hoffen, Dein Weh' Mit dem Deines Kindes geeinet, Du hast, da mir nicht mehr zu helfen war, Gebetet für mich und geweinet. Du hast Dich in meiner Freude gefreut, Und die Wunden, die mir geschlagen, Du hast sie alle gleich mir gefühlt — Doch ohne gleich mir zu klagen. Vergieb mir, Herr, daß ich gar so oft Vergiftet habe ihr Leben, Vergieb mir, daß sie es getragen hat, Vergieb mir, daß sie es vergeben! Sieh, Mutter, nach manchem langen Jahr Kehr' ich Dir wieder aufs Neue, Nur Deines von allen Herzen ich fand Voll der alten Liebe und Treue. Weinend leg' ich mein müdes Haupt An diesem Herzen nieder — Und was mir auch draußen verloren ging, Hier find' ich es Alles wieder! Erste und letzte Liebe Erste Liebe, Lenzessonne, Füllst mit Hoffen Herz und Sinn, Und wie Blumen auf der Wiese, Sprießen Blumen und Blüthen drin. Letzte Liebe, Herbstessonne, Wärmt wohl auch das Herze noch, Doch daß Winter bald wird kommen, Merkst Du trotz der Wärme doch. Und wie Du in Herbstestagen Denkest an das Frühlingsglück, Denkst Du bei der letzten Liebe An die erste stets zurück. Erst seit Du mein geworden Erst seit Du mein geworden, Däucht mir das Leben werth, Und lächelt mir aller Orten, Zu seliger Lust verklärt. Am Zweig, mir über dem Haupte, Süß schlägt die Nachtigall; Es lauscht der duftig belaubte Dem liebestrunkenen Schall. Zu Füßen mir, in Wonnen Hinströmt melodisch der Bach; Der Bäume nickende Kronen Flüstern ihm leise nach. Der Mond mit segnenden Strahlen Wandelt am Himmelszelt; Goldene Träume wallen Über die dunkle Welt. Jugendsinn Dich preis' ich, frischer Jugendsinn, Dich, reines Auge, spiegelklar, Der weichen Wange rosig Blüh'n, Das lichte goldgelockte Haar! Wie hold das süße Lächeln Der Lippen Reiz erhöht, Indeß des Windes Fächeln Die heitre Stirn umweht. Da schlägt das Herz wohl raschern Schlag, Und Lust vom hellen Auge sprüht; Wetteifernd schallt im Tannenhag Mit klarem Vogelsang das Lied; Die Wälder ringsum lauschen Auf solchen hellen Klang, Den Strom nur hört man rauschen Das bunte Thal entlang. Wohl preis' ich Dich, o Jugendsinn, Mit Sehnsucht aber und mit Leid! Was frommt mir frisches Tannengrün? Du bist dahin — bist fern — bist weit! Es rauschen fort die Wogen, Hell klingt der schatt'ge Wald — Ich komme still gezogen, Mein Lied ist längst verhallt! Traum Nun haben sie Dich auch gebannt In ihre dumpfen Alltagskreise, Und Deine hohe Seele fand Sich endlich in die nied're Weise. Nicht blitzt vom Aug' der schöne Wahn, Und stürzt nicht glühend mehr vom Munde, Das Herz, das stolzen Traum erst sann, Fügt stumm sich dem Gebot der Stunde. Ich sah, vom Sturm in Staub gekehrt, Die weiße Blüthe sich verfärben; Vom gift'gen Thau im Keim versehrt, Die Hoffnung grüner Saaten sterben; Hinwandeln sah ich durch das Thal Vergänglichkeit mit leisen Schritten, Indeß vom Baum im Abendstrahl Die letzten rothen Blätter glitten. Und Wehmuth still mich überkam Bei solchem Welken und Vergehen, Das aber ist der herbste Gram, So welken auch Dein Herz zu sehen! O, wohl fällt Reif und gift'ger Thau Auch auf des Herzens schönste Blüthe, Und, wie auf herbstlich starrer Au, Herrscht oftmals Tod auch im Gemüthe. Lieder des Mirza-Schaffy I. Nicht mit Engeln im blauen Himmelszelt, Nicht mit Rosen auf duftigem Blumenfeld, Selbst mit der ewigen Sonne Licht Vergleich' ich Zuleikha, mein Mädchen, nicht!, Denn der Engel Busen ist liebeleer, Unter Rosen drohen die Dornen her, Und die Sonne verhüllt des Nachts ihr Licht: Sie alle gleichen Zuleikha nicht! Nichts finden, soweit das Weltall reicht, Die Blicke, was meiner Zuleikha gleicht — Schön, dornlos, voll ewigem Liebesschein, Kann sie mit sich selbst nur verglichen sein! II. Wenn dermaleinst des Paradieses Pforten Den Frommen zur Belohnung offen stehn, Und buntgeschaart die Menschen aller Orten Davor in Zweifel, Angst und Hoffen stehn: Werd' ich allein von allen Sündern dorten Von Angst und Zweifel nicht betroffen stehn, Da lange schon auf Erden mir die Pforten Des Paradieses durch Dich offen stehn! III. Seh' ich Deine zarten Füßchen an, So begreif' ich nicht, Du süßes Mädchen, Wie sie soviel Schönheit tragen können! Seh' ich Deine kleinen Händchen an, So begreif' ich nicht, Du süßes Mädchen, Wie sie solche Wunden schlagen können! Seh' ich Deine ros'gen Lippen an, So begreif' ich nicht, Du süßes Mädch n, Wie sie einen Kuß versagen können! Seh' ich Deine klugen Augen an, So begreif' ich nicht, Du süßes Mädchen, Wie sie nach mehr Liebe fragen können, Als ich fühle. Sieh mich gnädig an! Wärmer, als mein Herz, Du süßes Mädchen, Wird kein Menschenherz Dir schlagen können! Hör' dies wonnevolle Liedchen an! Schöner, als mein Mund, Du süßes Mädchen, Wird kein Mund Dir Liebe klagen können! IV. Kind, was thust Du so erschrocken, Was hebt schüchtern sich Dein Fuß, Fass' ich tändelnd Deine Locken, Naht mein Mund sich Dir zum Kuß? Was ich biete, was ich suche, Laß Dich's, Mädchen, nicht betrüben: Denn so steht's im Schicksalsbuche Mir urzeitlich vorgeschrieben! Ja voll hohem Glauben bin ich, Glaub' an Allah und Koran! Glaube, daß ich Dich herzinnig Lieben muß und lieben kann! Andern ward ihr Loos zum Fluche, Mir zum Segen und zum Lieben: Denn so steht's im Schicksalsbuche Mir urzeitlich vorgeschrieben! Beut die Liebe Dir Bedrängniß? Scheuche lächelnd Angst und Pein! Denn erfüllt muß das Verhängniß Meines stolzen Herzens sein! Ob ich sinne, ob ich suche, Keine andre kann ich lieben: Denn so steht's im Schicksalsbuche Mir urzeitlich vorgeschrieben! Hoffst Du einst dort auf Belohnung Nach vollbrachter Erdenbahn, Nimm Dich selbst auch hier voll Schonung Meines armen Herzens an! Keines Andern Minne suche, Füge, zwing' Dich, mich zu lieben! Denn so steht's im Schicksalsbuche Dir urzeitlich vorgeschrieben! Nimm dies duft'ge Lied und lies es, Lausche seinem Zauberton — Es verheißt des Paradieses Seligkeit auf Erden schon! Andres Glück dort oben suche, Doch hienieden laß uns lieben: Denn so steht's im Schicksalsbuche Uns urzeitlich vorgeschrieben! Wie vom Hauch des Morgenwindes Sich der Kelch der Rose regt, Sei das Herz des lieben Kindes Von des Liedes Hauch bewegt! Sie gewähre, was ich suche, Was mich toll zu ihr getrieben: Denn so steht's im Schicksalsbuche Ihr urzeitlich vorgeschrieben! V. Aus dem Feuerquell des Weines, Aus dem Zaubergrund des Bechers Sprudelt Gift — und süße Labung, Sprudelt Schönes — und Gemeines: Nach dem eignen Werth des Zechers, Nach des Trinkenden Begabung. In Gemeinheit tief versunken Liegt der Thor vom Rausch bemeistert; Wenn er trinkt — wird er betrunken, Trinken wir — sind wir begeistert! Sprühen hohe Witzesfunken, Reden wir mit Engelzungen, Und von Gluth sind wir durchdrungen, Und von Schönheit sind wir trunken! Denn es gleicht der Wein dem Regen, Der im Schmutze selbst zu Schmutz wird — Doch auf gutem Acker Segen Bringt und Jedermann zu Nutz' wird! Sonne und Sterne Wohl ist es blendend, wenn ich spät Durch Tiflis krumme Straßen gehe, Und rings, wohin das Auge späht, Ein Labyrinth von Schönheit sehe. Viel schlanke Jungfrau'n, weiß umhüllt, Gespensterhaft vorüberschweben, Die Dächer und Balkone füllt Ein glänzend zauberbuntes Leben. Bald wird das Dach zum Piedestal, Geschmückt mit Grusiens jungen Schönen — Bald gleicht es einem offnen Saal, Belebt von Tanz und Saitentönen; Und Schleier flattern, Tücher wehn, Es rauschen seidene Gewänder, Auf Dächern und Balkonen stehn Die Frau'n, gedrängt bis ans Geländer. Von Oben und von Unten bricht Ein zitternd Leuchten durch das Dunkel: Dort — Grusiens helles Sternenlicht, Hier — dunkler Augen Sterngefunkel! Daß man nicht weiß, geblendet ganz Von all dem strahlenden Gewimmel, Wo lieblicher der Sterne Glanz: Ob auf der Erde, ob am Himmel? — Doch fürchte nichts! ob ich auch spät Durch Tiflis krumme Straßen gehe, Und rings, wohin das Auge späht, So viele schmucke Mädchen sehe; Im Herzen lebst doch Du allein! Du bist die Sonne — sie die Sterne; Ich freue mich am Sternenschein Nur, wenn der Glanz des Tages ferne! Genügsamkeit Mir dient das ganze Morgenland, Dich zu ergötzen, Dich zu schmücken — Es kann zum Kranz Dir meine Hand Die farbenreichsten Blumen pflücken. So manche frische Rose blüht Mir ihren duft'gen Hauch entgegen; Es strahlt der Mond, die Sonne glüht Des Morgenlands mir hell entgegen. Bochara sendet Narden mir Und Perlen senden mir die Meere — Ich winke — und es tanzt vor Dir Die leicht geschürzte Bajadere. Duftwasser, Öle, Honigseim Lass' ich durch meine Verse fließen - Es ist kein Harem so geheim, Sich meinem Liede zu verschließen! Die Quellen, die empor vom Thal, Und die vom Berge niederspringen, Ich lasse sie, im Sonnenstrahl Schimmernd, durch meine Lieder springen. Die Nachtigall von Schiras schlagt Mir herzverwandten Tons entgegen — Was blüht und klingt und Lust erregt, Ich kann es Dir zu Füßen legen! Doch thu' ich's nicht! Wozu der Tand? Ich will die Schönheit nicht entweihen: Es kann das ganze Morgenland Dir keinen würd'gen Schmuck verleihen! Vollkommen ist Dein stolzer Wuchs, Geist, Anmuth strahlt aus Deinen Zügen: Dein Leib bedarf nicht fremden Schmucks, Mag sich in Schönheit selbst genügen! Wem ist die Sonne nicht hell genug, Daß er durch Kunst sie noch verkläre? Wem nicht am Schönheitsquell genug, Daß er noch Flitterstaat begehre? Drum fort mit all dem Firlefanz! Bei Dir, Du herrlichste der Frauen, Will ich nicht fremden Schmuck und Glanz, Will ich nur Dich — Dich selbst nur schauen! Zürne nicht Anmuth gürtet Deine Lenden, Schönheit blüht um Deine Glieder, Schultern, die vor Weiße blenden, Ziehen dunkle Locken nieder. Wenn in Deine Zauberkreise Mächtig mich Dein Auge zieht: Zürne nicht, daß ich Dich preise, Hochbeseligte! im Lied. Wenn der junge Frühling wieder Kommt im blumigen Gewande, Läßt er auch durch frohe Lieder Laut verkünden in die Lande, Daß von Winters Schnee und Eise Drangvoll sich die Erde schied — Zu des Frühlings Ruhm und Preise Singt die Nachtigall ihr Lied! Mit den Füßchen, den behenden, Bist Du mir ins Herz gesprungen, Hast mit Deinen zarten Händen Meine ganze Kraft bezwungen, Daß ich gerne die Geleise Kalter Bücherweisheit mied: Zürne nicht, wenn ich Dich preise, Hochbeseligte! im Lied. Mir das Lieblichste erwähl' ich Anzubeten und zu loben, Wer hier strauchelt, der wird selig, Wer hier fällt, der wird erhoben. Das ist nicht der rechte Weise, Der nicht vor der Schönheit kniet — Zürne nicht, wenn ich Dich preise Hochbeseligte! im Lied. O, sieh die Perlen auf der Schnur O, sieh die Perlen auf der Schnur, In lichtem, funkelnd hellem Strahl — Zerreiß das seidne Fädchen nur: Die Perlen fallen allzumal! Du siehst sie fallen, suche nur Und sammle sie mit ems'ger Hand — Zerrissen ist die seidne Schnur, Die alle schön zusammenband. Und was in meinen Liedern klingt, Und meine ganze Herzenswelt: Du bist's, um die sich Alles schlingt, Die Alles schön zusammenhält. O halte fest, zerreiße nicht! Die Perlen fallen mit der Schnur — Und nur durch Dich lebt mein Gedicht, Und auch durch Dich ich selber nur! Abschiedsworte Noch einen Kuß, bevor ich geh'! Noch einen Kuß und dann Ade! Nun weine nicht und klage nicht! Vergräme Deine Tage nicht! Wir denken nicht an Trennungsweh'n, Wir denken nur an Wiedersehn. Die schlanke, liebliche Gestalt, Das Haar, das blond zum Nacken wallt, Das blaue Aug', der treue Blick: Von Allem trennt mich mein Geschick. Doch ob Du lächelst, ob Du weinst, Ob trüb Du oder heiter scheinst: Es lebt genau Dein Bild und Wort Des Abschieds mir im Herzen fort! Drum: soll Dein Bild stets froh und rein Lebendig meinem Geiste sein, So weine nicht und klage nicht Vergräme Deine Tage nicht! Wir denken nicht an Trennungsweh'n, Wir denken nur an Wiedersehn. Wenn der Frühling auf die Berge steigt Wenn der Frühling auf die Berge steigt Und im Sonnenstrahl der Schnee zerfließt, Wenn das erste Grün am Baum sich zeigt Und im Gras das erste Blümlein sprießt — Wenn vorbei im Thal Nun mit einem Mal Alle Regenzeit und Winterqual, Schallt es von den Höh'n Bis zum Thale weit: O, wie wunderschön Ist die Frühlingszeit! Wenn am Gletscher heiß die Sonne leckt, Wenn die Quelle von den Bergen springt, Alles rings mit jungem Grün sich deckt Und das Lustgetön der Wälder klingt, Lüfte lind und lau Würzt die grüne Au' Und der Himmel lacht so rein und blau — Schallt es von den Höh'n Bis zum Thale weit: O, wie wunderschön Ist die Frühlingszeit! War's nicht auch zur jungen Frühlingszeit, Als Dein Herz sich meinem Herz erschloß? Als von Dir, Du wundersüße Maid, Ich den ersten langen Kuß genoß? Durch den Hain erklang Heller Lustgesang Und die Quelle von den Bergen sprang — Scholl es von den Höh'n Bis zum Thale weit: O wie wunderschön Ist die Frühlingszeit! Des Lebens Müh Nie kampflos wird Dir ganz Das Schöne im Leben geglückt sein — Selbst Diamantenglanz Will seiner Hülle entrückt sein, Und windest Du einen Kranz: Jede Blume dazu will gepflückt sein! Die höchsten Bäume im Walde Die höchsten Bäume im Walde Hielten einst Zwiegespräch; So stolz wie ihre Worte Erklang wohl nie Gespräch. Ihnen waren die Büsche verächtlich, Die Pilze, die Blumen zu klein; Sie wollten Alles vernichten, Und prangen ganz allein. „Und wollt ihr Alles vertilgen, Pilze, Blumen und Strauch, So müßt ihr aus eurer Höhe Euch selber stürzen auch! Es schießen neue Pilze Und Blumen gar schnell empor, Doch kaum bringt ein Jahrhundert Solch hohen Baum hervor!“ So sang zu den stolzen Bäumen Ein Vogel im grünen Wald — Da änderten die Bäume Ihren Plan, den kühnen, bald. Sie ließen Alles stehen, Und stürzten nicht herab, Sie maßen die eigene Größe An dem kleinen Gewächse ab. Ein Morgen in Tiflis Daß ich so früh dem Schlummer Dich entwand, O süßes Leben, zürne nicht darum; Steh auf und kleide Dich in Festgewand, O, folge mir, Du wirst verstehn warum! Auch ich lag eben noch im Schlummer tief, Gebannt durch ein lebendig Traumgesicht — Da klang mir eine Stimme, die mich rief, Ich folgte ihr, trat aus der Nacht ans Licht, Und müde noch, rief ich im Zorn wie Du: „Was weckst Du mich aus meiner nächt'gen Ruh?“ Doch schwand mein Zorn, denn was mir da geschehn, War schöner, als was ich im Traum gesehn! Von einer schönen Welt hatt' ich geträumt, Wo Alles Liebe, Alles Seligkeit. Die Erde war dem Himmel eingeräumt, Versöhnt war alle Creatur vom Streit, Und Römer, Griechen, Moslem, Protestanten, Begrüßten sich als nahe Blutsverwandten. Sie sangen Alle wie aus Einem Mund: Groß ist der Herr, und schön das Erdenrund! Es legt der Mönch sein härenes Gewand ab, Der Krieger läßt vom Morde seine Hand ab, Und hassesmüd, auf allen Lebenswegen, Umarmend tritt sich Mensch und Mensch entgegen, Und Alle schwangen sich in frohen Reih'n, Durch Erd' und Himmel ging die süße Regung, Ich stimmte jubelnd in den Ruf mit ein: Liebe ist Leben, Leben ist Bewegung . . . Da — klopften Rosenknospen an die Fenster Des Schlafgemachs, verscheuchten die Gespenster, Und riefen: „Auf vom Lager, säume nicht! Die schöne Morgenzeit verträume nicht! Es liegt der Tag im Kampfe mit der Nacht; Schon sind die Blumen alle aufgewacht, Die Vögel singen, alle Zweige klingen — Die Morgenröthe zieht als Königin Durchs Land, macht Alles froh, wie ich es bin, Und läßt von Bergen, die gen Himmel ragen, Sich des Gewandes Purpurschleppen tragen. Wach auf, Du träger Schläfer! säume nicht, Die schöne Morgenzeit verträume nicht!“ Und ich stand auf und ging hinaus ins Freie; Geblendet ward mein Aug', wohin es schweift': Schon hatte fern der weißen Berge Reihe Die nächt'gen Nebelkleider abgestreift, Und badete sich nackt im Morgenglühn, Von Berg zu Berg die goldnen Strahlen sprangen, Rings aus der Gärten morgenfeuchtem Grün Die Blumen glühten und die Zweige klangen, In seinen Ufern glüht' der Strom im Thale Wie Feuerwein im goldenen Pocale. Weiß dampft' es von den Felsen — zwischendurch Erschimmerte glühroth die alte Burg Mit ihrer weit herabgestreckten Mauer — Ein Anblick sonst des Schreckens und der Trauer: Jetzt aber lustig war sie anzusehn, Ein schimmernder Palast, bewohnt von Feen . . . Es hing ein Nebelstreif noch hin und wieder Und flatterte am Fels wie eine Fahne. Beim Karawanserai die Karawane Ward ausgerüstet — vor dem Führer nieder Beugt seine Knie' das stolze Dromedar, Und wimmert, wie es seine Last empfangen; Langsam erhebt es dann die schlanken Glieder, Die Last ist leicht — der Blick wird wieder klar, Im Glanz des Frühroths ist sein Gram vergangen . . . Schon rief der Muezzin vom Minaret Die Gläubigen zum ersten Frühgebet. Die Töchter Grusiens schliefen auf den Dächern, Es war so schwül zur Nacht in den Gemächern — Hell spielten um der Mädchen Angesicht Die Sonnenstrahlen, und sie merkten's nicht. Es standen selbst die Wachen an den Thoren Ganz in der Morgenröthe Glanz verloren, Und auch auf ihrer Mordgewehre Spitzen Ließ friedlich sie die goldnen Strahlen blitzen. Ihr milder Feuerschein hüllt Alles ein, Verklärt die Welt in Herrlichkeit und Ruh, Und Nichts fehlt zu dem schönen Bild als — Du! O komm, Du süßes Leben, säume nicht, Die schöne Morgenzeit verträume nicht! Durch frisches Blumenland will ich Dich führen, Will Dein Gemüth durch Feierklänge rühren; Sollst selber wie die Morgenröthe glühen In ihrem Strahl, und mit den Blumen blühen. O klage nicht, wo Alles jauchzt und lacht: Dein Herz soll haben, was es wünschen mag — Komm, schönes Morgenroth! ich bin der Tag, Der Dich heraufzieht aus des Lagers Nacht — Komm! leb' der Freude, und die Sorge tödte! Ich will Dein Tag sein, schöne Morgenröthe! Ich will Dein Schleppenträger sein, Dein Alles! Und wenn Du fällst: die Stütze Deines Falles! Rath Was Dich erfreut, was Dich bewegt, Verschließ' es treu in Deiner Brust, Der scheelen Blicke Neid erregt Des Frohsinns blumenheitre Lust. Das Herz, von Liebe still umhegt, Treibt Blüth' und Früchte fort und fort, Die keines Wetters Blitz zerschlägt, Die keine Sommerschwüle dorrt. Mit einer Seele, die Dich liebt, Erhaben über Menschenstreit, Genieße, was die Erde giebt, In seliger Verborgenheit. Was bleibt? Ich tret' aus meiner Tage Lenz, Verloren in heimliche Trauer, Wie jener Dichter von Florenz In düstre Waldesschauer. Nicht Rose, Veilchen und Hyazinth Will mich in Düften baden, Ich irr' im nächtigen Labyrinth Auf rauhen, dornigen Pfaden. Der Garten der Kindheit liegt so fern, So fern von diesen Bereichen, Und taucht empor ein holder Stern, Läßt Nebel ihn flugs erbleichen. Die treuen Genossen, die mit mir durchwacht In liedertönender Laube Manch blaue, sternige Sommernacht Beim feurigen Geiste der Traube; Die treuen Genossen, die Hand in Hand Mit mir um den Lorbeer geworben, Sie sind zerstreut und versprengt im Land, Sie sind verschollen, gestorben. Es blinken und kosen jungfräulich scheu Vor mir viel liebe Gestalten, Sie winken so süß, sie winken so treu, Ich möchte sie fassen und halten. Doch wie ich sie fassen und halten will, Sind die trügenden Schatten zerflossen; Ich rufe — das Echo verlacht mich — und still Hält der dämmernde Wald mich umschlossen. Doch blutet das Herz auch — es heilt aufs Neu', Ein Balsam ist ihm geblieben: Die göttliche Kunst des Gesanges ist treu, Ist treuer als Leben und Lieben. Wie auf Jakobs Leiter wandelt darauf Der Lieder selig Gewimmel; Sie fliegen und suchen in klingendem Lauf Ein fühlendes Herz — ihren Himmel. Gebet auf den Bergen Die Berge sind die Festaltäre, Darauf der Sonne Feuer rollt, Wo edler Herzen freud'ge Zähre Das Opfer frommen Dankes zollt. Ich knie' auf Deinen stillen Hügeln, Natur! von Dir allein belauscht, Und betend fühl' ich, daß auf Flügeln Der Geist der Liebe mich umrauscht. Wie sich dem Sohn aus Juda's Stamme Der Herr im Feuerbusch gezeigt, So in des Waldes grüner Flamme Seh' ich Dein Wesen mir geneigt. Im Spiegel jener klaren Flüsse Erkenn' ich Deines Auges Licht, Und in der Blume, die ich küsse, Küss' ich Dein heil'ges Angesicht! Der Herbst Der Junker Herbst im Jagdgewand, Den blanken Eschenspeer zur Hand, Zieht durch Gebirg' und Felder; Der Pfeil zuckt von dem Bogen schnell, Bei Hussahruf und Hundsgebell Durchkeucht der Hirsch die Wälder. Wild durch der Eichen alten Forst Zum adlerhohen Felsenhorst Schwingt er behend die Glieder, Hält Rast dann auf dem moos'gen Block, Schlingt Weinlaub in des Haars Gelock, Und blickt ins Thal hernieder. Und wo ins Thal sein Auge schaut, Erglänzen Früchte sanft bethaut, Schwillt blau am Stock die Traube; Und wie er spricht ein einzig Wort, Fliegt rasch das Grün der Bäume fort Und Scharlach hängt am Laube. Schlau lächelnd stößt er dann ins Horn, Und stürmt aufs Neu' durch Busch und Dorn Vom felsgethürmten Gipfel — Und auf den Ruf dahergebraust Kommt Sturm, sein Jagdgesell, und saust Das Laub von Zweig' und Wipfel. Mondnacht im Gebirge Ich schritt hinunter vom bemoosten Gipfel Auf jähem Pfade zwischen schlanken Tannen, Die Sonne schien noch auf die höchsten Wipfel, Als tief im Thal schon Nacht und Nebel spannen. Bald wogten düstre Schleier mir entgegen Und schlugen über meinem Haupt zusammen. Schwer wollte Angst sich auf das Herz mir legen, Wie Strauch und Baum in Finsterniß verschwammen. Da trat ich aus des Waldes tiefem Dunkel Und sah den Vollmond hinter breiten Matten. Schräg ging zur Seite mir im Thaugefunkel Aus freier Eb'ne mein gedehnter Schatten. Sennhütten hier und dort in schönen Gruppen, Und rings um sie, gelagert auf den Almen, Viel kräft'ge Rinder in gedrängten Truppen, Das Haupt erhebend aus den hohen Halmen. Die tiefste Ruhe drüber ausgegossen, Kein Menschenlaut und keines Hundes Bellen; Der monderhellte Lagerplatz umschlossen Von schwarzem Wald auf sanften Hügelwellen. Dahinter Gletscherrücken, prächtig flimmernd, Und Bächlein, über Felsenschultern fallend, Wie schmale Silberfäden magisch schimmernd, Melodisch in die Thäler niederwallend. Ein süßer Zauber war auf mich gekommen, Ich wußte nicht, wie meiner Brust geschehen: Was ich geheim im Mondenlicht vernommen, Das wird mir ewig durch die Seele gehen. Die schneebeladene Tanne Es hat die Nacht den Tannenbaum Mit frischem Schnee belastet, Wie froh auf seinem Silberflaum Die müde Seele rastet. So, wenn ein Kummer mich bedrängt, Entfallen mir die Schwächen, Was abgestorben an mir hängt, Das lass' ich ruhig brechen. Gebrochen sind von schwerem Druck Nur seine dürren Zweige; Sie liegen traurig, ohne Schmuck, Zerstreut am Hügelsteige. Es grünt an mir noch mancher Ast, Der stark sich beut dem Drucke; So trag' ich stolz des Lebens Last, Mir und der Welt zum Schmucke. Verschiedene Deutung Stellt sich des Himmels Wolkenschaar In schöner Abendröthe dar, So nennt's der Krieger blut'ge Schlacht, Der Gärtner helle Rosenpracht, Der Kaufmann sammt'ne Purpurgluth, Der Schiffer lichte Meeresfluth, Der Thürmer wilden Flammenstreit, Der Priester Glanz der Ewigkeit! Kurz Jeder trägt das Bild hinein, Das steht in seines Herzens Schrein, Und glaubt und schwört zuletzt wohl gar, Daß seine Deutung recht und wahr! Weinlied Ich habe nie gesäumt und nie geträumt, Wo Jugendlust beim Becher hoch geschäumt! Doch einst in trüber Stunde fiel mir ein: Guck nicht zu tief ins volle Glas hinein, Der lahme Bote humpelt hinterdrein! Ich mied den Wein, da ward ich bleich und krank, Drum faßt' ich mir ein Herz und trank und trank, Wie sonst als jugendseliger Gesell, Und trank empor mich zur Erkenntniß schnell: Die Sonne lacht doch nur im Becher hell! Ich küßte gern des Schenken blondes Kind, Die Knospe schwoll zur Blüthe mir geschwind. Doch einst in trüber Stunde fiel mir ein: Guck nicht zu tief ins blaue Aug' hinein, Die schöne Flamme möcht' ein Irrlicht sein! Die Liebe schlug ich in den Wind sogleich, Und wieder ward die Wange mir so bleich! Ein Schelmenaug', in dem ein Frühling sproß, Ein neuer Himmel lockend sich ergoß, Nahm von der stummen Lippe mir das Schloß! Schwing' deinen Fittig, Sorge, trüb und schwer, Dein finstrer Blick erschreckt mich nimmermehr! Mir sei die Welt fortan nur Morgenschein, Im Zecherkreis soll meine Losung sein: Mein Herz der Liebe, mein Gesang dem Wein! Doppelte Jugend Meine Jugend dünkt mich Eines Wandrers Traum, Sorgenlos entschlummert An des Waldes Saum. Klar und wonnespendend Fiel der Sonnenschein Nieder in die Auen, In mein Herz hinein. Allzu schnell zerronnen War die Zauberpracht; Mächt'ge Stürme tosten, Als ich aufgewacht. Doch der Jugend Sonne Decken Wolken nicht, Jung bis in das Alter Töne mein Gedicht! Des Mädchens Klage Traut nicht dem West, dem verlockenden Winde, Küßt er euch, Knospen, am duftigen Strauch; Fort von der blühendsten eilt er geschwinde, Andern zu schmeicheln mit flüchtigem Hauch. Leihet das Ohr nicht dem Liebesgekose, Wenn euch der werbende Falter umfliegt, Minnt er doch ebenso zärtlich die Rose, Wie er im Schooße der Nelke sich wiegt. Luftige Ranken an murmelnder Quelle, Jagt in den Wind das berauschende Wort Spielt euch zu Füßen die blinkende Welle, Lang nicht verweilt sie am selbigen Ort. Blumen, ach, wie ich den Frieden euch neide! Wahret ihn treu vor dem lockenden Laut: Sehet den Jammer, den stumm ich erleide, Denkt an die arme verlassene Braut! Was bleibt? Was bleibt? Die Jahre fliehn, die Jugend ist verschwunden, Der Blüthenkranz der Liebe sank in Staub; Vom Glück, das heiß und ganz ich einst empfunden, Ward Blüth' auf Blüthe rasch der Zeit zum Raub. Arm steht und einsam da das müde Herz, Und doppelt brennt manch tiefer Wunde Schmerz. Was bleibt? Die Thräne sank auf viel verfehltes Hoffen, Jetzt seh' ich deutlich, wo ich einst gefehlt, Wie mancher Schmerz nicht schuldlos mich getroffen, Wie viele Leiden ich mir selbst gewählt. Die Krone sinkt vom einst so stolzen Haupt, Der Glückliche an eig'ne Kraft nur glaubt. Was bleibt? Der dürre Zweig der Pflicht, er will nicht grünen, Nicht fröhlich wurzeln in des Daseins Grund; Ach, nur dem Träumer ist es ja erschienen, Daß Engel mit dem Kämpfenden im Bund. Allein, allein auf ödem Dornenpfad, Fort, bis des Todes Stunde freundlich naht! Was bleibt? Die Liebe bleibt, die selbst das Herz empfunden, Ein Quell, der rieselnd durch die Wüste rinnt; Die Hoffnung bleibt, im Tode zu gesunden, Wenn alle Kämpfe ausgekämpfet sind; Der Glaube bleibt, daß, wer da muthig ringt, Dem Born der Kraft in Schmerzen näher dringt! Spruch Wer nicht gelitten, hat nur halb gelebt; Wer nicht gefehlt, hat wohl auch nicht gestrebt; Wer nie geweint, hat halb auch nur gelacht; Wer nie gezweifelt, hat wohl kaum gedacht! I. O sage nicht, wie tief auch deine Wunden O sage nicht, wie tief auch deine Wunden, Du möchtest lieber ruh'n im stillen Grabe; Verleugne nicht des Himmels höchste Gabe, Die „Leben“ heißt — ein Lenztraum wen'ger Stunden. Sieh um dich her, welch eine Welt von Freuden, Von Licht und Duft und Glanz und goldnen Bildern; Wie viel der Blumen und des Thau's, zu mildern Die Fiebergluthen deiner Seelenleiden. So lang du lebst, sind dein all' diese Wonnen, So lang du lebst, beherrscht sie dein Gedanke ; Wie eng und finster auch die ird'sche Schranke, Er bricht sie ab und trägt dich zu den Sonnen. Und ob dein guter Engel noch so ferne, Er flüstert dir im Rauschen der Cypressen: O glaube nicht, du seist allein vergessen, Geduld! Geduld! einst glüh'n auch deine Sterne! Ein Etwas giebt es, das wir Alle kennen, Das plötzlich, pfeilschnell blitzt vor uns'rem Blicke; Es naht, es trifft — und du schwelgst schon im Glücke — Die Thoren pflegen „Zufall“ es zu nennen. II. Trifft einmal Dich ein Schmerz im Leben Trifft einmal Dich ein Schmerz im Leben, Ein trübes Loos, ein Mißgeschick, Mußt Deinem Leid Du Worte geben, Halt' es im Busen nicht zurück. Gieb's frei dem Leben, wo am Ende Es doch ins große All vergeht — Hast ja dafür der Thränen Spende, Die Macht der Töne, das Gebet. Willst Du in enge Räume drängen Des weiten, breiten Stromes Fluth, Wird er die harten Fesseln sprengen Und toben rings in trotz'ger Wuth. Doch laß ihn frei ins Freie ziehen, Und sieh — wohin der Weg ihn führt, Wird frisches, schönes Leben blühen, Bis sich der Strom ins Meer verliert. III. Und glaube nicht von Deinen Thaten, Träumen Und glaube nicht von Deinen Thaten, Träumen Geh' selbst ein Keim, ein einziger, verloren; Gewiß trägt ihn ein Sturm nach fernen Räumen, Und wo er fällt, wird eine Frucht geboren. Wie klein Dir auch Dein Wirken mag erscheinen, Das Weltmeer selbst besteht aus kleinen Wellen: Sei nur ein Lenz, im Großen oder Kleinen, Des Lebens Urkraft strömt aus ew'gen Quellen. Was Du gethan — vielleicht wird es vergehen, Der Geist der That jedoch kennt keine Trümmer: Der Thaten Segen, der wird fortbestehen — Die Rosen sterben — doch der Frühling nimmer. IV. Ergreif' das Glück, ergreif's im raschen Fluge Ein Augenblick kann Alles umgestalten. Wieland Ergreif' das Glück, ergreif's im raschen Fluge, Denn diese Zeit helltrügerischer Schemen, Die toll und wild folgt ihrem inn'ren Zuge, Hat keine Zeit, für Dich sich Zeit zu nehmen. Du denkst und sagst: ist's heute nicht, dann morgen ... O Thor! heut' lächeln Rosen Dir entgegen, Und morgen lauern Noth, Verrath und Sorgen Mit giftgetränktem Dolch auf Deinen Wegen. Die ganze Welt, so weit, so breit, so ferne, Kann rasch vergehn, rasch wie ein Blitzstrahl zündet: Das Meer, die Wüste, Städte, Berge, Sterne — Schließ' nur das Auge zu, und Alles schwindet. Nichts ist so groß und nichts so schön auf Erden, Das Dir in einer einzigen Secunde Für alle Zeit nicht könnt' entzogen werden, — Es steht das Nichts eng mit dem All im Bunde. V. Und wanke nicht, wenn sie für all' dein Leiden Und wanke nicht, wenn sie für all' dein Leiden Nur Haß dir geben, und nur bitt'ren Hohn; Sei edler denn, als sie, die dich betrüben, Und deines Segens Fülle sei ihr Lohn. Ein schweres Wort, das doch mit Flammenlettern Im Buche der Natur geschrieben steht; Schlag' auf dies Buch, aus dessen ew'gen Blättern Des Weltgeists Odem dir entgegenweht. Sieh dort das Meer, von Habsucht wild zerrissen, Für Wunden giebt es seiner Perlen Zier; Sieh hier die Blume, die du tratst mit Füßen — Mit ihrem Duftgebete dankt sie's dir. Und hier den Baum, dem du ins Herz geschnitten, Er sendet süßen Balsamthau dir nach: Nicht ahnen sollst du, was er tief gelitten, Als deine Hand sein Blüthendasein brach. Sie alle, alle: Meer und Baum und Blume, Vergelten dir mit Lust ihr Leiden schwer —, So sei auch du, geweiht dem Märtyrthume, Nicht minder groß als Blume, Baum und Meer! VI. Du ew'ges Räthsel — Weib — du myst'sche Blume Nach Giovanni Prati Du ew'ges Räthsel — Weib — du myst'sche Blume Aus Duft und Thau, du Stern aus ferner Zone, Du lichte Perle in des Weltalls Krone, Du Gnadenbild im Herzensheiligthume, Du Dämon ringend mit der Gottheit Ruhme, Du schwaches Kind, du starke Amazone, Du Odaliske auf der Liebe Throne, Paria du, dem Haß zum Eigenthume: Ich lieb' dich, als den herrlichsten der Psalmen, Die Gott der eignen Schöpfung einst gedichtet Im Schatten betend hoher Edenspalmen; Und wenn der Sturm wie einer Lilie Stengel Dein Herz geknickt, und dich die Menschheit richtet — Dann lieb' ich dich noch als gefallnen Engel. VII. Mich schwindelt es am Abgrund dieses Lebens „Mich schwindelt es am Abgrund dieses Lebens; Ich suche Wahrheit, suche Licht — vergebens!“ Du sagst's, und kannst doch ändern dein Geschick: Blick' in den Abgrund nicht — nach oben blick'! Dann schwindelt's dich nicht mehr; denn wird auch oben Die Bahn des Himmels dunkel, nachtumwoben, Ganz ohne Leuchte bleibst du nicht, glaub' mir: Strahlt auch kein Stern, sprüht doch ein Blitz vor dir. Ein Lichtmoment nur, eine Glanzsecunde — Das ist des ganzen Daseins Kern im Grunde; Die Flamme zuckt — und weg ist ihre Spur, Was dann noch übrig bleibt, ist Kohle nur. Möcht' nur ein solcher Silberblick dir werden, Dann zage nicht, wenn du auch hier auf Erden Dein Menschenberz an menschlich Irren bannst — Ist Mensch doch Alles, was du werden kannst! Vielleicht Du Wörtchen der Hoffnung, du trautes Vielleicht, Wie hast du schon oft mir die Zweifel verscheucht; Schaut bang in die Zukunft der forschende Blick, Verkündest du tröstend mir Freude und Glück. Doch wenn uns das Schicksal — wie's manchmal geschieht Was Hoffnung uns schmeichelnd versprach, doch entzieht, Dann hast du, o Wörtchen, das sie nur erfand, So mancherlei Trost für Getäuschte zur Hand. Du zeigst in die Ferne. Was heut nicht zu sehn, Das kann doch wohl morgen vielleicht noch geschehn, Das Wünschen, das Sehnen, das jetzt dich erfüllt, Es wird dir vielleicht, eh' du's meinest, gestillt. Ja, ohne dich kann nie die Hoffnung bestehn, Du täuschest mit ihr, und du schmeichelst so schön, Und wenn man auch nie das Gehoffte erreicht, Wer könnte dir zürnen? Du sprachst nur: Vielleicht! Auf Erden ist Täuschung, einst wird sie vergehn, Am Ziele; auch du wirst dann nicht mehr bestehn. Dann, Wörtchen der Hoffnung, dann lisple noch süß: Ich bin nicht Vielleicht mehr, nun heiß' ich: Gewiß . Dreifacher Trost Ein Herz rief einst zum großen Geist da droben In seines Lebens mannigfachem Leid: O sende eine Lind'rung mir von oben, Daß ich erliege nicht im Kampf und Streit! Der Weltengeist sprach mit der Liebe Hauche: „So nimm die Thräne hin, du Menschenherz — Sie sei dein Kleinod, sei dein Trost, gebrauche Sie weise, bei des Lebens Leid und Schmerz.“ — So ward dem armen Herzen hier auf Erden Als erster Trost der Thräne Glück gewährt — Der tiefsten Wunde muß sie Balsam werden, Durch ihren Glanz wird auch das Leid verklärt. Doch wieder blickt das Auge matt von Thränen Zum Himmel, und das Herz von Gram erfüllt: O tröste wieder! stille du das Sehnen In meiner Brust, das keine Thräne stillt! Da sprach der Geist: „Ich will den Schlummer senken Auf deine Stirne mit des Kampfes Schweiß, Der wird dir das Verlorne wiederschenken, Und wird sie kühlen mit dem Friedensreis.“ — Das ist der zweite Trost, der uns geworden, Der mächtig selbst der Thräne Quelle schließt, — In dessen Reiche, hinter dunklen Pforten, Uns eine Traumwelt voller Licht begrüßt. — Doch dieser Trost, er geht so bald vorüber, Und Stunden giebt es, wo kein Schlummer naht — Da war es, wo das Herz noch banger, trüber Aufs Neu' um Trost den Geist der Welten bat. Der sprach: „So will ich einen Trost dir geben, Der dich begleite, dem kein Wechsel droht — Das Ende von den Thränen, von dem Leben, Mein letzter Trost für dich — es ist der Tod.“ — O Trost, der dunklen Wolke zu vergleichen, Umsäumet von der Abendröthe Schein — Wenn Tod und Hoffnung sich die Hände reichen, Dann kann er nur ein Lebensengel sein. — Ich glaube, das hat gesponnen die Lieb' mit ihrer List Ich weiß nicht, wie es gekommen, Wie's zugegangen ist, Daß Du so lieb mir geworden, Daß Du mein Alles bist. — Ich habe schon oft gesungen, Gegrübelt her und hin, Woher doch das gekommen, Daß ich so lieb Dir bin. Ich glaube, das hat gesponnen Die Lieb' mit ihrer List — Drum will ich weiter nicht forschen, Mir gnügt, daß es so ist. — Am Strande Des Himmels Anfang und des Meeres Ende, Wer hat, am Strande wallend, es gesehn? Wen noch das Leben schmückt mit reicher Spende, Der läßt sich seine Grenzen gern entgehn. Das Land, das Meer hat sich der Mensch gewonnen, Der Himmel ist das Dach nur seiner Welt; Ins Goldnetz froher Tage eingesponnen, Dünkt ihm die Höhe nur ein blaues Zelt. Und wieder ahnt die Sehnsucht doch und findet Im Grenzenlosen erst des Meisters Sitz; Wo Form und Wesen namenlos verschwindet, Daher nur zuckt des ew'gen Geistes Blitz. Verhüllt, umdämmert, wie im All verloren, Und wie zu tiefst ins blaue Meer getaucht, Lebt hoch die Kraft, die uns die Welt geboren Und Lebensschönheit Allem eingehaucht. Der Traum von ihr erwacht an allen Orten — Doch träumen wir ihn sonst aus uns hinaus, Und hier nur, an des Grenzenlosen Pforten, Hier wird, von ihm gesucht, die Brust sein Haus. Wie auf der Wogen ungewissem Schwanken Sich Schiff um Schiff verliert im Segelkleid, Verlieren hier sich leise die Gedanken Im Wunderkreise der Unsterblichkeit. Verschiedene Wege Zwei verschiedene Wege wandern Wollen wir, ich her, du hin, Eines sehnt sich nach dem Andern, Trotzt und — läßt die Tage flieh'n. Lernt an Trennung sich gewöhnen, Und vom Unmuth überwallt, Statt sich reuig zu versöhnen, Reißt es einen breiter'n Spalt. Wie sie sich so ferne rücken, Kommt zuletzt der bange Tag, Wo die Kluft zu überbrücken Selbst die Liebe nicht vermag. I. Ich ging hinaus, um Dich zu sehn Ich ging hinaus, um Dich zu sehn; Ich sah den Äther hell und rein Und wundergoldnen Sonnenschein — Dich aber sah ich nicht. Doch als ich wieder kehrte heim, Da sah ich weithin Blumen blüh'n, Im Schmelz der bunten Farben glüh'n — Dich aber sah ich nicht. Ich ging hinaus, um Dich zu sehn; War mir das Herz so voll von Duft Und Sonnenschein und Himmelsluft, Als hätt' ich Dich gesehn. II. Ich verstecke meine Liebe Ich verstecke meine Liebe Auf ein Blättchen dieses Buches, Daß des flüchtigen Besuches Dauerndes Gedenken bliebe. Tage gehen, Monde gehen, Jahre gar, Du wirst indessen Ganz des kleinen Buchs vergessen, Kaum mit einem Blick es sehen. Aber einst in stillen Tagen Locken Dich die Goldschnittrände, Nimmst es wieder in die Hände, Seine Blätter umzuschlagen. Und dann wirst Du lächelnd lesen Das bekannte, neu entdeckte, Laut gesungne, fein versteckte Lied, wie gut ich Dir gewesen. III. Ich war ein Blatt an grünem Baum Ich war ein Blatt an grünem Baum, Von Lüften lind umfangen, Und bin im Wind, im Wellenschaum Vergangen. Ich war ein Licht, gab hellen Schein Und sprühte goldne Funken; Im Dunkel ist die Flamme mein Versunken. Ich war ein Hauch, ich war ein Ton Von Lust und Schmerz durchdrungen; Nun ist es still, nun bin ich schon Verklungen. IV. Ein höchstes Glück, das uns versagt hienieden Ein höchstes Glück, das uns versagt hienieden, Ein reinster Wunsch, dem nie Erfüllung lacht, Ein liebstes Herz, von dem wir schroff geschieden, Ein schönster Traum, aus dem wir bang erwacht, Ein härt'ster Kampf, dem nimmer winket Frieden, Ein schwerstes Opfer, blutend dargebracht: Verschlung'ne Wurzeln sind es eines Baumes, Der Blütben trägt in Welten höh'ren Raumes. V. Könnt' ich die schönsten Sträuße winden Könnt' ich die schönsten Sträuße winden, Dir wünscht' ich dennoch schönern Strauß; Könnt' ich die schönsten Lieder finden, Sie sprächen doch mein Herz nicht aus. Was auch aus freier Brust wir reden, Ein Tiefstempfundnes sagt sich nicht; Es giebt ein reiches Blumeneden, Aus dem man keine Sträuße bricht. O nimm zum Strauß, den ich gebrochen, Zum Worte, das umsonst sich müht, Was ungepflückt, unausgesprochen In meiner Seele Dir erblüht. VI. Nun wollen Knospen sich entfalten Nun wollen Knospen sich entfalten Allüberall an Baum und Strauch; Nur muß der Lenz auch gütig walten, Erschließen sie mit mildem Hauch. Die Blätter wachsen ihm entgegen, Die Knospen wollen Blüthen sein: Nur eine Nacht mit lauem Regen! Nur einen Tag voll Sonnenschein! Dann steigt von Blüthen rings ein Düften Wie Weihrauch zu des Lenzes Lob, Dann singt die Nachtigall den Lüften, Wie wonnig er die Welt umwob. Mir auch im Herzen keimt ein Segen, O sei mein Lenz, Du reich Gemüth! Nur einen Strahl, nur einen Regen, Nur einen Hauch, und Alles blüht! Das Dachstübchen eines deutschen Gelehrten Dort oben muß er bleiben, von schmaler Wand umgrenzt, Durch alte trübe Scheiben vom Taglicht matt beglänzt. Auf halb zerbrochnem Stuhle verweilt zu dieser Frist Der ernste Held der Schule, der auch ein Held des Lebens ist. Nicht tönt von diesem Gitter des Liedes muntrer Klang; Am Haken hängt die Zither, doch jede Saite sprang: Und von der kahlen Mauer blickt, an Erinnrung reich, Gleichwie in stiller Trauer ein Schattenriß, vergilbt und bleich. Es liegt auf grober Latte der Zunder und der Stahl, Und in geborst'ner Platte der Rest vom kargen Mahl; Es streift in dunklen Bogen der Pfeife blauer Rauch, Kaum kommt herangezogen aus freier Luft ein Lebenshauch: Der Strahl vom warmen Tage, der durch die Scheiben schlüpft; Die Taube, die am Schlage vertraulich kosend hüpft; Der Zweig, der seine Kränze ums schmale Fenster flocht Und wie ein Gruß vom Lenze an diese dumpfe Klause pocht. Dort sitzt der Mann der Lehre im schlichten Hausgewand, Und stützt das Haupt, das schwere, wohl sinnend mit der Hand, Und wägt an stillem Orte, zu edlem Thun bereit, Gedankenvolle Worte, die tönen sollen weit und breit. Was andre Weisen sagen, er prüft's mit frommer Scheu; Vor ihm sind aufgeschlagen viel Blätter, alt und neu. Wohl ward in dieser Öde, von enger Wand umkreist, Sein Auge trüb' und blöde; doch blitzt hervor der freie Geist. Nicht weiß er sich zu fächeln mit fremden Glückes Hauch; Nicht weiß er schlau zu lächeln nach dieser Zeiten Brauch. Es ward dem Vielverlachten ein eignes Loos zu Theil: Er gräbt das Gold aus Schachten, und giebt es nicht am Markte feil. Noch pflegt er mit Beschwerde des Wissens edles Korn: Was steigt er nicht zur Erde in heldenhaftem Zorn? Er trägt zu hohem Handeln doch größ're Kraft und Lust, Als die in Sälen wandeln mit goldgeschmückter, leerer Brust. Was er so treu verkündet, von Blöden streng verdammt, Hat überall gezündet, hat Tausende durchflammt. So brachte dieser Schwache von seinem engen Haus, Von seinem mürben Dache das Losungswort des Kampfes aus! Wachen in der Nacht Und hebt mein Geist sich in der grausen, Geweihten Mitternacht empor, So tönt die Luft mit leisem Sausen Wie sanftes Beten an mein Ohr Beim Wachen in der Nacht. Ich fühl' in ihrer Stärk' und Schwäche Die eigne Seele bang' und still Und zittre, wenn des Spiegels Fläche Mir meinen Schatten zeigen will Beim Wachen in der Nacht. Die Tage, die vorüberzogen, Der Jugend leicht entschwundnes Glück, Das Herrlichste, was mir entflogen, Das Alles ruf' ich mir zurück Beim Wachen in der Nacht. Ich fühl' in meines Herzens Pressen Den Wehmuthstraum vergangner Zeit, Und möchte gern dafür vergessen Des Lebens ganze Eitelkeit Beim Wachen in der Nacht. Doch dringt des Blutes warme Welle Wie leise Mahnung an die Brust, Und tief im Busen klar und helle Erheb' ich mich zur Thatenlust Beim Wachen in der Nacht. Abendfeier Es lebt ein wundersames Leben In eines Maienabends Duft, Die ew'ge Gnade fühl' ich schweben Beglückend durch die weiche Luft: Sie breitet aus die milden Hände, Daß reicher Segen niederträuft, Daß Licht und Liebe sonder Ende Sich auf das Haupt des Menschen häuft. Des Himmels Schatz wird ausgespendet: Das Herz faßt all' die Fülle nicht, Es wird das Seligste verschwendet: Duft, Liebe, Wärme, Frieden, Licht! Abend Sehet, es kehret der Abend uns wieder, Dämmernde Wolken geleiten ihn her, Himmel und Erde hinauf und hernieder Waltet ein heilig geheimer Verkehr. Sterne, ihr Blumen des Himmels, ihr winket, Blumen, ihr Sterne der Erde, ihr lauscht, Duftig die Strenge der Schranken versinket, Sehnende Liebe hat Alles berauscht. Götter entsenden in ähnlichen Stunden Segnende Boten in Menschengewand — Heil, wer den Gast in der Hülle gefunden Und ihn an leuchtenden Spuren erkannt! Glaube an die Freundschaft Wenn eines Menschen Seele Du gewonnen, Und in sein Herz hast tief hineingeschaut, Und ihn befunden einen klaren Bronnen, In dessen reiner Fluth der Himmel blaut: Laß Deine Zuversicht dann Nichts Dir rauben, Und trage lieber der Enttäuschung Schmerz, Als daß Du grundlos ihm entziehst den Glauben — Kein größer Glück, als ein vertrauend Herz! Laß adlermuthig Deine Liebe schweifen Bis dicht an die Unmöglichkeit hinan: Kannst Du des Freundes Thun nicht mehr begreifen, So fängt der Freundschaft frommer Glaube an! Schwebe, blaues Auge Schwebe, blaues Auge, schwebe Unabwendbar ob dem meinen, Einen Frühling wirk' und webe Rings um mich in lichten Scheinen. Klinge, süße Stimme, klinge An mein Herz im Tongewimmel, Trag' auf Deiner Engelschwinge Mich Verwandelten gen Himmel! Jüngst noch Nacht und Winter war es, Nun ist's plötzlich Tag geworden, Tag und Mai, ein wunderbares Sein in Strahlen und Accorden. Überall ein Hoffnungsschiller, Ein verheißend Frühlingswetter, Blüthenwellen, Lerchentriller, Nachtigallen-Lustgeschmetter. Laß, o laß ihn nicht vergehen, Diesen letzten Lenz der Erde, Bis ich seine Blumen sehen, Seine Früchte brechen werde! Neues Leben In stiller Abendstunde Hat sie mir anvertraut Die sorgenschwere Kunde, Den wunderbaren Laut, Ich stürzte ihr zu Füßen Entzückt und demuthsvoll, Indeß von Engelsgrüßen Die Brust mir ahnend schwoll. Nie war mir so zu Muthe, So bang und doch so groß; So selig niemals ruhte Mein Haupt in ihrem Schooß. Ich sprach: Nun ist vollendet Des neuen Hauses Grund; Die letzte Weihe sendet Der Himmel unserm Bund. Mein Lied soll nun verhallen, Wie zu der Zeit der Brut Der Sang der Nachtigallen In ernstem Schweigen ruht. Gefallen ist die Blüthe In rascher Monde Flucht: Du junge Mutter, hüte Und reife nun die Frucht! Meerleuchten Wann laue Sommerlüfte wehn, Und späte Nacht die See verdunkelt, Dann könnt ihr in der Brandung sehn, Wie jede Welle glänzt und funkelt. Ein Ruderschlag, ein Griff der Hand Erweckt die hellsten Farbenspiele, Und goldne Furchen bis zum Strand Zieh'n hinter dem geschwinden Kiele. Meerleuchten heißt dies Phänomen; Der Kenner will es expliciren: Er läßt's elektrisch bald entstehn, Und bald von Weich- und Wasserthieren. Er irrt, wie denn die Wissenschaft Die Wahrheit niemals ganz getroffen; Nur vor des Dichters Seherkraft Liegt auch dies lichte Räthsel offen. Er spricht: Die hellen Wellen sind Die letzten, liebenden Gedanken Von allen denen, die in Wind Und Wetter sanken und ertranken. So oft der Wind zum Lande steht, Geschieht's als ob er ihnen riefe; Ein Regen und Bewegen geht Durch ihres Kirchhofs feuchte Tiefe. Ihr Geisterblick starrt unverwandt Nach der geliebten Heimath Küsten; Ein Fuß erhebt sich, eine Hand, Wie wenn sie sie erreichen müßten. Doch mit Polypenarmen hält Das Meer zurück, was es genommen; Des Abgrunds dunkler Vorhang fällt, Sie können nicht nach oben kommen. Nur ihrer Sehnsucht Grüße trägt Die See mitleidig ans Gestade, Wo sie sich leuchtend überschlägt Auf der verlor'nen Lieben Pfade. Und aus dem Schaum scheint ein Gesicht, Ein bleiches, traurig aufzutauchen, Ein flehendes: Vergiß mein nicht! Im Nachtwind leise zu verhauchen. Sprüche I. Du klagst, daß manche Nacht Du ohne Schlaf verbracht — Und hast in ihren langen Stunden So Manches überdacht, Was in des Tages Pracht Nie hat Erledigung gefunden. Verlor'ner Schlaf, gefund'ner Rath. Ein guter Handel in der That. II. Der tief vor dir sich krümmt, Dem sieh doch auf die Hand, Sie greift vielleicht nach Sand, Der für dein Aug' bestimmt. III. Deiner Zunge, Mann, Sei du ein Tyrann, Doch Wohlthäter dabei Deinem Ohre sei. Geheimniß Was an Liebe Du erfahren, Trage tief in Deiner Brust, Wo es Keiner mag gewahren, Keinem außer Dir bewußt. Sieh den Berg im Felsenherzen, Wie er Alles wohl versteckt, Was sein Schacht an edlen Erzen Und Gesteinen je bedeckt. Sieh die Perlen, wie Gedanken Schlafen sie im Muschelhaus, Das sie innen ganz durchranken, Niemals tretend doch heraus. Und Dein eignes Herz, der Riese An Gefühlen und an Gluth, Sieh, wie es im Paradiese Deiner Brust verborgen ruht. Also Deine Liebe wahre Tief in Deines Busens Schrein, Das Geheimniß offenbare Der Geliebten nur allein. Denn nur Liebende beglücken Kann die Liebe — Andre nicht; So wie Sterne nur entzücken, Die da sehen — Blinde nicht! Gastlichkeit I. Arm bin ich und kaum beschieden Ist das Nöthige mir eben, Doch Bescheidenheit und Frieden Leiten gut durch's Leben. Und als Glück, von Gott gespendet, Wußt' ich immer es zu schätzen, Wenn mir ward ein Gast gesendet, Sich zu mir zu setzen. Wenn des Sitzenden ich pflegte, Und es kam dann noch ein Zweiter, Weiß der Himmel! so bewegte Sich mein Herz erfreuter. Ob mich auch die Sorge drückte, Wie zu speisen sie und tränken: Gott, der mir die beiden schickte, Wird auch mein gedenken. II. Ich zu Tische gehen, Während vor der Thür Ich den Gast ließ stehen, Gott bewahre mich dafür! Ist er reich, nur ehren Wird mich sein Bescheid; Ist er arm — verklären Mich des Gebens Seligkeit. Nur herein! Die heitre Miene würzt das Mahl, Und die Lust erweitre Enge Pfähle uns zum Saal. Gottgesandt, willkommen Sei, o lieber Gast! Seit du Platz genommen, Ward die Hütte zum Palast! III. Blumen giebt's, die sich entfärben Wenn der Nordwind sie bestreicht; Gute Werke auch verderben, Wenn ein finst'rer Blick sie reicht. Darum, geb' ich auch nur wenig, Geb' ich gern, als froher Mann; Bin ich doch ein kleiner König, Wenn ich Andern geben kann! Sollt' ich erst das Glück erreichen Und mich schatzgesegnet sehn, Wollt' ich gern dem Obstbaum gleichen Und in Dorfes Mitte stehn. Wollte meine Früchte zeigen: Jungen, kommt im raschen Lauf! Braucht nicht erst emporzusteigen, Haltet nur die Taschen auf! Schwärmerei der Liebe Komm, Traute, mit mir zum Garten geh'; Mir ist so wohl, mir ist so weh, Ich fühle die seligsten Triebe! Die Blümlein alle am Wiesenrain, Die sprechen natürlich von uns allein Und dem Immergrün unsrer Liebe! Die Quelle murmelt leis und lind: „Was das für hübsche Leute sind, Die da sich promeniren!“ Es ist so still, so heimlich dort; Der Mond, der hört auf jedes Wort Und wird es sich später notiren. Die Vöglein auch, sie geben Acht Und flüstern untereinander sacht: „Wie sie sich ganz verstehen!“ Ich hör' in glühenden Phantasien Die üblichen Sphärenmelodien Und möchte vor Wonne vergehen. Innerer Frühling Die trübverhüllte Abendsonne scheint; Fern hör' ich nur des Schmiedehammers Klopfen, Sonst Alles still; der graue Himmel weint Ohn' Unterlaß gefrorne Thränentropfen. Und überall die Fluren öd' und kahl, Und überall des Winters rastlos Treiben, Die Blumen, die er aus den Gärten stahl, Die malt er neckisch an die Fensterscheiben. Ich aber spotte sein in meinem Sinn Und lach' ihn aus mit seinem Schneegefieder: Gemüthlich hier am traulichen Kamin Beginn' ich dreißig neue Reiselieder. Tropenlandschaft Wenn im Busch von Madagascar Tönt des Schakals heis're Stimme, Und nach Beute die Hyäne Lechzt mit stillverhaltnem Grimme; Wenn die flüchtigen Gazellen Scheucht des Löwen scharfe Kralle, Und das Gnu, das wohlgehörnte, Durstig streift zum Wasserfalle; Wenn im Rohr das Krokodil sich Sonnet auf des Bachs Versandung, Und am wolfsmilchübersäten Strande kost der Syrte Brandung; Wenn die buntgefleckte Natter Züngelnd sich zum Knäuel ballet Und des Geiers krächzend Rufen Durch der Palmen Wipfel schallet; Wenn des Bodens dürre Rinde Berstet, wenn die Manschinellen Mit verderbenschwangrem Pesthauch Den erhitzten Dunstkreis schwellen; Wenn der Kaffer seine Pfeile Tränkt im Saft der gift'gen Bohnen: Freut sich der gesetzte Bürger Nicht in Afrika zu wohnen. Wintermärchen Im Todesschlummer lagest du, Natur, Es fiel der Schnee in wildem Flockenspiele, Ich blickte auf die übereiste Flur Und sammelte zum Dichten mir Gefühle. Da weckte aus dem Traum, in dem ich lag, Urplötzlich mich ein lieblich sanftes Klingen: Es tönte geisterhaft durch das Gemach Gebrat'ner Äpfel wunderschönes Singen. Vom Fenster, wie mit unsichtbarer Hand, Zog es mich ab, mir ward das Herz beklommen, Und zu dem Ofen blickt' ich unverwandt, Woher das süße Klingen ich vernommen. Die Sprache kenn' ich, drin der Zephyr neckt, Die Sprache der Gestirne, Vögel, Rosen; Jetzt traf mein Ohr der holde Dialekt, In dem im Lenz die zarten Blümlein kosen. „Uns grüßt nicht mehr des neuen Morgens Roth; Hör' an mein Leid auf heißem Todesbette, Hör' meiner Liebe, meines Herzens Noth!“ Sprach der Pigeon zur trauernden Reinette. „In meiner Jugend zartem Frühlingstraum, Da ich als weiße Knospe noch gehangen An einem altersgrauen Apfelbaum, Ist mir die erste Liebe aufgegangen. Ich liebte treu mit heißem Jugendblut Ein kleines Bienchen, und manch schöne Stunde Verbrachten wir in sel'ger Liebe Gluth, Hing ich an ihrem zuckersüßen Munde. Doch als ich Apfel ward und groß und klug, Sprach einst zu mir die böse kleine Biene, Ich sei zur Lieb' ihr nicht mehr süß genug, Und flog davon mit kalter stolzer Miene. Da ward's in meinem Kernhaus schrecklich Tag: Ich wachte auf aus meinem schönsten Traume; Und als sie gar mit einer Birne sprach, Brach's mir das Herz; ich fiel herab vom Baume. Mir sollte keine Freude mehr erblühn! So mußte sie die junge Liebe morden! Der Gärtner sprach: ich sei noch viel zu grün, Und ach! auf Stroh bin ich nun alt geworden.“ „Vernimm auch du nun meiner Leiden Zahl In dieses Ofens unheilvoller Schwüle —“ Sprach die Reinette — „hör' des Herzens Qual, Das mit dir stirbt auf gleichem Todespfühle: Auch ich bin eines Apfelbaumes Kind, Auch mir hat früh der Liebe Glück gelächelt, Nachdem im Frühling mich ein Zephyrwind Ins zarte Blüthenleben wachgefächelt. Denn zahlreich kam der Spatzen Heer herbei; Und da ich strahlt' in einem goldnen Scheine, Hieß es, daß ich 'ne reiche Erbin sei, Und jeder wollte nennen mich die Seine. Nur Einen liebt' ich von der ganzen Schaar, Doch liebte dieser eine junge Kirsche! Ich schildre nicht, wie herb mein Leiden war, Als ihn ein Jäger tödtet' auf der Pirsche! So war mir denn mit plötzlicher Gewalt Des Lebens Muth, des Lebens Glück benommen: In einem feuchten Keller ward ich alt, Und habe böse Runzeln, ach! bekommen.“ „So laß uns, sterbend in des Ofens Gluth,“ Sprach der Pigeon, „im Tod die Hand noch reichen!“ Im Ofen zischte laut die Thränenfluth Und vor mir lagen Beider warme Leichen. Ein Schauer mir durch meine Seele flog Und lange, lange konnt' ich's nicht vergessen. Dieselbe Hand, die mich zum Ofen zog, Hielt mich zurück, die Beiden aufzuessen. Es ist Dein Segen ohne Maß O wenn Du eine Stätte hast, Wohin Dein müdes Haupt sich legt, Wenn eigen eine Seele Dir, Die Dich nach Deinem Kummer frägt, Und wenn der Gram, der in Dir ist, Auch eine andre Brust erreicht, Und wenn die Ruh', die Dich erfüllt, Auch auf ein ander Herz sich neigt; Wie ist Dein Segen ohne Maß, Wie bist Du glücklich dann und reich, O wie kommt alles Gut der Welt Nie Deinem goldnen Theile gleich; Wenn dieses Glück Dein eigen ist, Bewahr' es als den höchsten Schatz, Wirf Alles aus dem Herzen fort Und räume nur für ihn den Platz. Denn wäre Dein der Erde Gut Und keine Seele wäre Dein, Wie würdest Du bei allem Gold, Wie arm bei allem Reichthum sein! Wohl mancher sehnte sich danach, Der eine halbe Welt besaß: O wisse, Überglücklicher, Es ist Dein Segen ohne Maß! Der Trauernde Der Nachtwind säuselt milde, um zu laben Die Blumen, welche Thau auf Gräber weinen, Wo auf den mondbeglänzten moos'gen Steinen Geschlechter ihren Schmerz gemeißelt haben. Was mein gewesen, hab' ich hier begraben, Mein Aug' ist blöd' und trüb' von vielem Weinen, Und mich verletzt des Tages helles Scheinen, Seit sie dahin, die alle Lust mir gaben. Doch wenn der Tag mein banges Herz zerpreßte, Wall' ich hierher und blicke nach den Fernen, Da löst die Qual sich auf in sanft'res Leiden, Hier unten ruh'n der Theuren ird'sche Reste, Der Theuren Geister glänzen in den Sternen, Ich aber — stehe liebend zwischen Beiden. Perle und Lied Die Perle wahrend im Gehäuse, Das seinen Schatz verborgen hält, So schifft die stille Muschel leise Durchs tiefe Wogenmeer der Welt. Der Muschel gleichen meine Lieder: Von einer Thräne sind sie schwer, Und leise zieh'n sie auf und nieder Durch meiner Schmerzen tiefes Meer. Die Träume Ich danke dir, mein Gott, für jeden Traum der Nacht, Der, ob er gut, ob bös', mir immer Heil gebracht; Mag mir im Traume Glück, mag Unglück mir begegnen, Für Dunkles muß ich ihn, wie für das Helle segnen. Denn malt er Düst'res mir, Gefahren, Kummer, Noth, Verfolgung, Feindschaft, Haß, malt Kampf er, Krankheit, Tod, Da wach' ich auf und, schnell von Sorg' und Angst genesen, Bin ich beseligt ganz, daß Alles Traum gewesen. Doch wenn im Schlummer mir manch Herrliches erscheint, Verstorb'ner Lieben Bild, ein weit entfernter Freund, Ein nie gehoffter Fund; wenn ich am Meerstrand liege, Und dann auf Alpen steh', dann durch die Himmel fliege, Und wenn ich dann, erwacht, weiß, daß ich träumte blos, Werd' ich doch lange nicht der holden Bilder los. Ich hab' geseh'n, gelebt, genossen, tief empfunden, Was mir gewährt nicht war in meinen wachen Stunden. Jüngst, als ich litt so tief und meint', ich trüg' es kaum, Da sandtest du, o Herr, zur Nacht den schwersten Traum, So voll von Angst und Pein und Qual und Graus und Schrecken, Daß mich der Schmerz zuletzt vom Schlafe mußt' erwecken. Und — um mich blickt' ich her und auch in mich hinein, Und fühlte, größ'rer Schmerz noch könn', als meiner, sein, So hoch nicht wußt' ich mehr mein Leiden anzuschlagen, Und raffte mich empor, es muthig zu ertragen. Drum dank' ich dir, mein Gott, für jeden Traum der Nacht, Der, ob er gut, ob bös', mir immer Heil gebracht; Wie du für Arme sorgst, für Trübe und Verzagte, Die Träume sagten's mir, wenn sonst es nichts mir sagte! Keim und Kind Wenn ich den kleinen Keim betrachte, Aus dem einst frisch die Pflanze dringt, Aus dem, wenn Lebensgluth erwachte, Die bunte Blume sich entschwingt, Aus dem ein Heilkraut sich entfaltet, Aus dem ein Fruchtbaum sich erhebt, Aus dem die Eiche sich gestaltet, Die riesig auf gen Himmel strebt: Dann tief im innersten Gemüthe Bestaun' ich still die hohe Kraft, Die Frucht erweckt aus Keim und Blüthe, Im Kleinsten wirkt und Größtes schafft; Und allen Keimen wünsch' ich Segen, Und guten Grund in Feld und Au', Und Sonnenschein und milden Regen, Und warme Nächt' und kühlen Thau. Doch wenn ein holdes Kind ich sehe, Gewiegt von treuer Mutterhand, Halb ist's noch in des Himmels Nähe, Noch Gast und Fremdling unser'm Land, Ein tief Geheimniß dieser Erden, Das erst die Zukunft einst erklärt, Ein Räthsel, eine Welt im Werden, Die im Gestaltungskampfe gährt — Wenn ich es seh', ein solches Wesen, Da faßt ein Sturm mich von Gefühl, In seinen Zügen möcht' ich lesen, Was einst sein Loos im Weltgewühl; Wird's glücklich sein, wird's Glück gewähren? Das Aug', das jetzt so selig wacht, Wird's nicht, erfüllt von bittern Zähren, Durchwachen manche lange Nacht? Das Kind, wenn Mann einst, wird es wirken Für's Heil der Menschheit ernst und kühn, Wird's, wenn es Weib, in den Bezirken Des engern Hauses freudig blüh'n? Wird's nicht vielleicht die Welt erschüttern, Vielleicht vergessen untergeh'n? Wird man es lieben, vor ihm zittern, Wird auch ein Herz sein Herz versteh'n? O Weisheit, die du Knospenkeime Bewahrst vor Frost und vor Gewürm, Noch mehr als Pflanzen, Blumen, Bäume, Bedarf das Kindlein deinen Schirm. Ist es bedroht von Unglücksblitzen, Dann nimm es lieber wieder heim, Doch winkt ihm Heil, so woll' ihn schützen, Den kleinen großen Menschenkeim! Lerche und Seele Noch im Schlummer ruht die Welt, Kaum erst graut der Morgen, So entschwingt sich Lerche dem Feld, Drin sie war geborgen. Wie Du früh am Tagwerk bist, Arbeit ohne Beschwerde, Die ein ewiges Schweben ist Zwischen Himmel und Erde! Trillernd, jubelnd steigst Du auf, Sachte sinkst Du nieder, Und Du endest den kühnen Lauf Immer am Boden wieder. Oben bist Du doch nur ein Gast, Bist an den Grund gekettet, Wo Du ein grünes Plätzchen hast, Drin Du Dich weich gebettet. Meine Seele, wie gleichest Du Dieser Lerch' im Leben, Denn auch Du mußt ohne Ruh' Auf und nieder schweben. Lassen kannst Du das Fliegen nicht Hin, wo die Sterne winken, Reinere Luft und helleres Licht Mußt Du zuweilen trinken. Doch bis an das höchste Ziel Nicht vermagst Du zu dringen, Denn es hängt Dir allzuviel Irdischer Staub an den Schwingen. Zwischen Himmel und Erde so Bleibst Du in stetem Wandern, Bist des einen selig froh, Und erfreust Dich der andern. Einst fällt aller Ballast von Dir, Sonnenwärts wirst Du schweben, Aber hier genüge Dir Dieses Lerchenleben. Ein Programm Nicht immer sind's die größten Heldenthaten, Von denen laut die Weltgeschichte spricht, In Dunkelheit, von keinem Aug' verrathen, Liegt oft der Stoff zu einem Weltgedicht. Und tragischer, als alle Trauerspiele, Ist oft das Leben in dem kleinsten Kreis; Daß doch auch hier der bunte Vorhang fiele, Der Pausen in den Schmerz zu bringen weiß! Der Dichter singe künftig nicht die Helden, Vor denen sich abgöttisch Alles beugt; Sein Lied soll fortan jenen Kämpfern gelten, Von denen die geschwätz'ge Chronik schweigt. Vom Auge, das in Einsamkeit gebrochen, Und von der Thräne, in der Nacht geweint, Vom freien Wort, im Kerker tief gesprochen, Wohin kein Licht des holden Tages scheint; Von Sorgenschweiß auf eines Vaters Stirne, Vom Mutterbangen an des Kindes Bett, Vom Kampfe der verführten Bettlerdirne, Vom Selbstmord ohne Grab und Sargesbret: Von diesen Seelenkämpfen soll er sprechen, Von Schlachten in des Menschen Innenwelt, Und so das Schweigen der Geschichte rächen, Die schmeichelnd nur die Könige gezählt. Die Muse Klio's preiset die Vermess'nen Und wirft den Länderräubern Kronen nach; So finge denn die Dichtkunst die Vergess'nen, Das Herz, das lautlos blutend, stückweis' brach! Kindlicher Sinn Die Mutter weint. — Auf ihrem Knie Plaudert ein Knabe und tröstet sie: „Das Schwesterchen ist nun begraben, Du sollst es aber wieder haben. Der Großmama, die's zu sich rief, Der schreib' ich heute einen Brief. Der Kranke drüben, stirbt er morgen, Kann mir den Brief hinaufbesorgen. Und wenn sie es herunterläßt, Dann bind' ich ihm die Flügel fest. Dann soll es wieder bei Dir bleiben; Gewiß, Mama, gleich will ich schreiben.“ Die Mutter lächelt. Auf ihrem Knie Plaudert ein Knabe und tröstet sie. Die zerbrochene Puppe O weh, vorbei ist alle Lust, Das Auge roth vom Weinen, Zu groß für eines Kindes Brust Muß dieser Schmerz erscheinen. Als hätte eine Natter sie Mit spitzem Zahn gestochen, So schreit die artige Marie: Die Puppe ist zerbrochen! Ja, weine nur, mein gutes Kind, Wie sie auch spottend scherzen, So groß wie unsre Freuden sind, So groß sind unsre Schmerzen. Und wenn Du sie den Menschen klagst Mit lautem Herzenspochen, Dann lächeln sie, als ob Du sagst: Die Puppe ist zerbrochen. Es schirme Dich ein guter Geist In Deinen Blüthenjahren, Denn was die Welt im Großen heißt, Hast Du als Kind erfahren. Die Welt hat über Gram und Lust Das Urtheil bald gesprochen, Und weh' Dir, wenn Du hören mußt: Die Puppe ist zerbrochen. Leichenbegängniß Mit wunderlicher Litanei Zieht feierlich ein Zug vorbei Von Mädchen und von Knaben: Sie fanden auf dem Tummelplatz Im Garten einen todten Spatz, Nun spielen die Kinder Begraben. Ein Mägdlein macht die Leichenfrau Und trägt ein trüb' Gesicht zur Schau, Als dächt' es an das Sterben, Ein Bübchen stellt den Pfarrer vor, Dem Würdigen folgt der Trauerchor Mit der Miene froher Erben. Sie scharren ihren Sperling ein Und setzen ihm den größten Stein, Den Ort und Glück geboten, Dann klagen sie erst in der That, Daß jedes Spiel sein Ende hat, Das Spiel auch mit den Todten. Wer mag, du räthselhafter Tod, Der allen unsern Freuden droht, Dich recht verstanden haben! Erschrocken blickt der Greis dich an, Der Jüngling trotzig, ernst der Mann — Und die Kinder spielen Begraben. Geographischer Unterricht Der strenge Vater lehrt den Sohn: „Verfolge doch die farb'gen Ränder, Die fernsten Reiche kennst Du schon Und blickst verwirrt auf deutsche Länder!“ Der Knabe starrt die Karte an, Er sieht die Lehrerstirn in Falten Und stammelt weinerlich: „Ich kann Die bunte Wirthschaft nicht behalten.“ Der Vater schaut sich lächelnd um: „Du zirpend Heimchen auf dem Herde, So bitte Deinen Schöpfer drum, Daß es den Enkeln leichter werde. Betrachte oft, betrachte still Die vielen Farben und Gestalten, Und sprich, wirst Du ein Mann: „Ich will Die bunte Wirthschaft nicht behalten.“ Sonette an die Geliebte I. O wär' es wahr dein Wort, das deinem Minnen Solch grauenvoll Verhängniß beigemessen, Daß, wer noch jemals deine Huld besessen, Durch sie gestürzt von seines Glückes Zinnen: Daß flugs das Leben denen müßt' entrinnen, Die dürstend diesen Zaubertrank genössen — Auf die Gefahr hin schlürft' ich ihn vermessen, Du mächtigste von allen Zauberinnen. O sel'ges Unheil, siegreich Unterliegen! O Blühn im Welken, Schwelgen im Versiegen — Komm, komm und lasse glühend dich umranken! Sieh, meine Seele brennt, die Pulse schlagen Und lechzend wetterleuchten die Gedanken Vor Sehnsucht, solchen Untergang zu wagen! II. Doch nein! ein Strahl aus deinen Augensternen, Und stille steht das ungestüme Sehnen; Dein eigner Blick straft deines Mundes Wähnen Und läßt mich eine süße Wahrheit lernen. Und wunderlieblich, wie aus Himmelsfernen, Klingt durch die Seele mir ein heilig Tönen, Wirft mich zu Füßen meiner Göttlichschönen, Mir beten vor dem Heiligsten zu lernen. Das Allerheiligste — ich seh' es offen: Dein großes Herz mit seinem Heilandszuge, Der mächtig es zu allem Elend neiget Und macht, daß es Verlor'nes liebend suche, Wonach es selbstvergessen niedersteiget, Wo jedes Glück schon welk und jedes Hoffen. III. So ziehst du an dich, was vom Glück verstoßen, Und segnest, was mit seinem Fluch beladen — Da schleicht wohl auch zu solchem Born der Gnaden Ein Armer, dem die Rettungsfrist verflossen. Und du, von heil'gem Mitleid ganz durchgossen, Du achtest deiner Seele es für Schaden, Sollt' er der letzten Labung noch entrathen, Die übrig blieb des Untergangs Genossen. So muß wohl Unglück deinen Pfand umranken Und Elend schreiten über deine Schwelle, Weil deine Herzensschuld es lockt zur Stelle. Doch mußt als Wahn du bannen den Gedanken, Es könne andre Frucht, als sel'ge Wonne, Aufsprießen da, wo deine Huld die Sonne! IV. O lern' an mir gesteh'n dein selig Walten; O lern' an mir, wie groß du im Beglücken, Wie reich an überschwenglichem Entzücken, Wie mächtig, holde Blüthen zu entfalten. Siehst du den Chor seraphischer Gestalten, Der dem gelähmten Geiste nahm die Krücken, Und „wandle!“ rief, siehst du vor deinen Blicken Ihn leicht geschürzt auf meinem Pfade walten? Siehst du, wie er mir winkt mit goldnen Kränzen, Wie er die Pforten öffnet zu den Räumen, Die ich ersehnt in glüh'nden Jugendträumen? Wie er mich führt zu ew'gen Blüthenlenzen? — Madonna! Deine Schöpfung ist dies Weben, Dies frische Jugendglüh'n, dies neue Leben. Aus dem „Tagebuch in Versen“ I. Sie kamen mit Kränzen, mit rothen und blauen, Im festlichen Haar; — Dein Haupt nur war Des Schmuckes bar, Und war doch am lieblichsten anzuschauen! Sie rauschten im Saal in schimmernder Seide Dem Tage zur Ehr' Voll Stolz einher; Doch zehnmal mehr Gefielst Du im weißen, im einfachen Kleide! Sie waren umfunkelt von Perl' und Gesteine; — Du hast's nicht gewollt; Und doch so hold Ohn' alles Gold, So köstlich wie Du war von Allen nicht Eine! II. Gieb mir dein Bild! Ich will es heilig halten, Kein ungeweihtes Auge soll es sehn. Nur in der Dichterstunde frommem Walten Soll es begeisternd, leuchtend vor mir stehn. Willst du, daß reich dies Herz von Liedern quillt, Gieb mir dein Bild! Gieb mir dein Bild! Heg' ich's getreu im Hause, So wird's voll Frieden wie ein Tempel sein. Was immer draußen roh und feindlich brause, An meiner Schwelle schläft's beruhigt ein. Willst du mein Leben still und rein und mild, Gieb mir dein Bild! Gieb mir dein Bild! Es schlägt die dumpfe Stunde Vielleicht so bald, die mich von hinnen treibt. Dann irr' ich unverstanden in der Runde, Von dir, von dir ach nichts mir übrig bleibt! Willst du, daß Eins dann Gram und Reue stillt, Gieb mir dein Bild! Bescheide dich! Wer hätte sich im Traume stolzer Stunden Nicht einst auf Gipfeln voller Glanz gesehen? Nicht tief in sich des Geistes Götterwehen Wie eines Frühlings mächt'gen Hauch empfunden? Doch ach! bald ist der holde Wahn entschwunden; Du siehst das Bild, das dich geneckt, zergehen, Mußt tief in Thalesdämm'rung traurig stehen, Und fühlst den Fuß, der aufwärts will, gebunden. Dann klage nicht! Nur Wen'gen aufbehalten Ward dieses Loos: hoch von der Menschheit Zinne Ein neues Banner glorreich zu entfalten. Thu' ab den Neid! Und hellen Blicks beginne In deinem engern Kreise frisch zu schalten, Und auch das Kleine thu' mit großem Sinne! Fürs Leben I. Laß dir ein Zeichen sein den Baum! Nicht stets umspielt ihn Lenzestraum; Die Luft wird kalt, der Himmel bleich Und Schauer rütteln sein Gezweig. Ja, Sonne braucht's und Regentage, Daß Einer gute Früchte trage! Laß dir ein Zeichen sein den Baum! Nur halb gehört dem blauen Raum Der Himmelsluft er an. Den Rest, Den hält die dunkle Erde fest. So schwankst du zwischen zweien Welten, Und sollst dies Menschenloos nicht schelten! II. Was an Freuden, was an Schmerzen Dir der Tage Reigen beut, Hoch darüber, fest im Herzen, Rage morgen so wie heut. Weil der Schwimmer mit den Wellen Als ihr sich'rer Meister spielt, Tragen ihn die hellen, schnellen In den Port, den er erzielt. Höchstes bleibt des Menschen Würde! Glaube diesem stolzen Wort, Dann erdrückt dich keine Bürde, Reißt kein Rausch dich mit sich fort! Handwerksbrauch Mein Vater der keckste Bursche war Von allen Burschen im Städtchen, Und in der ganzen Jungfernschaar Meine Mutter das schönste Mädchen! Seines Liedes Klang, seiner Stimme Gewalt Hat die Mädchen alle bezwungen, Drum hat er auch die Mutter bald Zu seinem Weibe gesungen! Die Kunst der Lieder, die ließ er auch Seinen Erstgeborenen erben — Was sollt' ich nicht nach Handwerksbrauch Um die Schönste singen und werben? Der Bekränzte Wie hat so manchen süßen Strauß Sie von mir angenommen, Doch ging ich zager stets nach Haus, Zu keiner Gunst gekommen. Nun bin ich einmal ohne Strauß Entschlossen zu ihr kommen, Und hab' in keckem Liebesbraus Die Gunst mir selbst genommen! Da schritt ich hohen Sinns nach Haus, Nicht zag' und nicht beklommen, Am Busen einen Heldenstrauß, Den ich von ihr bekommen! Maitaufe Sieh, Mädchen, ein Wetter zur Frühlingsnacht! Blitze die Erde küssen; Des Maien schwere Blüthentracht Wird hoch sich wundern müssen. Die Donner tönen, Die Berge dröhnen, Es tränkt ihr Herz die Frühlingsnacht Mit warmen Regengüssen. Tief athmet Deine junge Brust Im Weh'n gelöster Locken Und öffnet der Gewitterlust Den Busen unerschrocken. So blühen dürfen, Wie Du, und schlürfen Heiliges Wachsthum unbewußt, Ist mehr als Maifrohlocken! Gottesgabe Schau an die Welt, an Wundern reich, Und alle nur sich selber gleich, Es möcht' im weiten Sonnenschein Kein Blatt noch Blüthchen anders sein; Doch mein Triumph und Jauchzen ist, Daß Du nicht eine Andre bist, Daß ich, Du liebe Gottesgabe. Aus aller Welt Dich funden habe. Lockvögel „Die Stadt fliegt aus, der Kukuk schreit, Weil sie den Frühling spüren; Kam'rad, nun grünt die schöne Zeit Zum Locken und Verführen!“ Vater spricht zum Töchterlein: Was mag das für ein Vogel sein? Läuft herum an unsrem Hag, Weiß nicht, was er suchen mag, Hat den Hut aufs Ohr gedrückt, Wie der Maitag sich geschmückt, Schielt herauf und spitzt die Ohren, Gleich als hätt' er was verloren; Will einmal hinuntergeh'n Und den Burschen mir beseh'n. Doch der schlüpft davon mit Eins, Eh' der Vater kommen, Hat das Herz des Töchterleins Lachend mitgenommen. Unergründlich Ich küßte sie auf die Stirne kaum, Und war erschrocken fast, Wie sie, ein Kind, so fiebernd heiß Und zitternd mich umfaßt, Wie liebeschauernd mir am Hals Ihr schluchzender Odem schwoll, Wie gleich einem Retter ihr Herz mir schlug, Sprachloser Entzückung voll. Da ahnt' ich an Dir, Du kleines Herz, Das solche Flammen kennt, Die ganze ungelöschte Gluth, Die heimlich auf Erden brennt. Feuer und Flamme Und die Euch jetzt so sittig thut, So ruhig an Geberden, Die war ein wildes, keckes Blut, Als sollt's ein Knabe werden. Es scheute Regen nicht und Schnee Und blieb nicht in der Stuben, Sprang oft vor Freuden in die Höh' Und spielte mit den Buben. Trat ihm ein Bach in seinen Lauf, Da ist's nicht stehn geblieben, Das leichte Kleidlein rasch hinauf! Und husch, da war es drüben. Ob auch der Vater drohend stand Vor dem verwegnen Blute, Es küßte schmeichelnd seine Hand, Daß ihm entfiel die Ruthe. Und die nun Jungfrau worden, wißt, Die kecke, wilde Kleine, Die ihr als Kind so oft geküßt, Die nenn' ich jetzt die Meine. Und die vor Euch so sittig thut, Die thut nicht so vor Allen; Die läßt den Drang verborgner Gluth Noch heut' in Strömen wallen. Er glüht und wogt, der alte Braus, Und bricht wie Feuerflammen An mir in tausend Küssen aus, Sind wir allein beisammen! Mein und Dein Das Mägdlein sprach: „Lieb Knabe mein, Nun sag' mir, was ist mein und dein?“ Der Knabe sprach: „Lieb Mädchen mein, Dein schönes Auge das ist dein, Und drein zu schauen, das ist mein; Dein rother süßer Mund ist Dein, Dich drauf zu küssen, das ist mein; Nun thu mir auf die Arme dein, Drin liegen das ist dein und mein!“ Unsre Liebe „Wo soll es hin mit solcher Liebe kommen, Die uns verzehrt im tiefsten Herzensgrunde, Und nicht gedeihen darf zu frohem Bunde, Wenn nun der Jugend rasche Gluth verglommen? Wo soll es hin mit solcher Liebe kommen?“ So in des Küssens Hast von Deinem Munde In unsres Glücks umarmungsreichster Stunde Hab' ein beklommnes Flüstern ich vernommen. Die Antwort giebt der Himmel Dir geschwind Auf eines Blitzes heller Flammenzunge, Der rasch verglühend aus den Wolken fällt; — So grüßt, ein schönes Meteor, die Welt Auch unsre Lieb' mit einem Freudensprunge, Und endet so, das heimathlose Kind. Trost im Sterben Und wenn ich auf immer dereinst entschlief, Dann machet mein Grab auch noch so tief, Ich weiß ja, daß es kein tiefres giebt, Als die Erde, die ich so warm geliebt, Weiß, daß ich in aller Gebornen Schaar Ich selber und nicht ein Andrer war, Daß keinem Andern gehören kann, Was ich gelebt, was ich gethan. Und über meinem Grabe hin Wird, wie immer, die Sonne zieh'n, Eine ewige Kette von Herzen sich Fortschlingen, die fühlen so froh als ich: Daß nimmer der herrliche Muth vergeht, Welchem der Sinn nach dem Höchsten steht, Und für jedes schönen Begehrens Lust Die erfüllende Kraft in der Menschenbrust. So fügt's sich einmal nur im Leben Ich war entfloh'n dem Festgebrause, Weil ich mich längst nach Dir gesehnet, Und fand mein Kind allein zu Hause, Die Thür nur lose angelehnet. Doch fest genug verschloß ich sie; O sich're Stille, wie noch nie! So fügt's sich einmal nur im Leben, Als wollten diese Stunde eben Sich alle freundlichen Geschicke In eines nur zusammenfassen, Um uns allein zu überlassen Den schönsten aller Augenblicke! Sieh hoch den Tag am Himmel glüh'n, So hoch geht unsrer Liebe Wonne, Und wird die Abendröthe blüh'n, Scheid' ich zufrieden wie die Sonne. Wer ahnet wohl beim Abendregen, An welcher Blume Brust im Thal Des Himmels heimgegang'ner Strahl Am liebsten heute war gelegen? Daß Dir im Haus, Du stilles Kind, Die Götter heut' gewesen sind? Wie selig trägt's von ihrer Brust Mich durch des Maienabends Lust! Um zu vollenden seine Pracht, Dräut am Gebirge Wetternacht; Mit voller'n Düften schmeichelt lau Dem finstern Himmel die bange Au'. Stürm' zu, sag' ich ihm ins Gesicht, Meine Welt erschreckt dein Dräuen nicht, Du triffst der Erde flücht'gen Staub, Die zitternden Blüthen, das arme Laub; Doch keine Macht hat Dein Geschoß An den Frühling, den ich heut' genoß! Lied des Wanderburschen im Walde Wie hat das Gott so schön bedacht, Daß er die Wanderburschen macht'! Denn wenn kein Wanderbursche wär', Wo käm' das liebe Wandern her? So manche Thäler, manche Höhn, Die blieben da so ungesehn; So mancher schöne deutsche Wald Würd' ungesehen groß und alt. So manches liebe Gläschen Wein Müßte da ungetrunken sein, So mancher Mund, der kußlich ist, Blieb' da, ach Gott! — so ungeküßt. Als unten ich im Thale ging, Da pocht's ans Fensterlein: klingling! Ein holdes Mägdlein schaut' heraus, Das sah so schmuck und freundlich aus. Das liebe Mädchenangesicht Vergess' ich nun und nimmer nicht, Das füllt mein ganzes Herz mit Weh', So lang' — bis ich ein andres seh'. Drum hat das Gott so schön bedacht, Daß er die Wanderburschen macht', Denn wenn kein Wanderbursche wär', Wo käm' das liebe Wandern her? Frühling Der Frühling klopft mit frischem Strauß Lautjubelnd an mein Fensterlein: Heraus, du Menschenkind, heraus, Heraus in meinen Sonnenschein! Auf lauer Lüfte Wogen Bin heut' ich eingezogen. Vergangen ist Nacht und Leid, Gekommen ist Licht und Freud'! Frühling! Frühling! Auf jauchzt das Herz bei solchem Klang. Frühling! Frühling! Von den Bergen hernieder Rinnen Abschiedsthränen Dem scheidenden Winter; Von den Bergen hernieder Rinnen Freudenthränen Dem kommenden Frühling. Lerchenchöre jubeln Frühling! Frühling! Die Bäume pred'gen im grünen Talar: Frühling! Frühling! Die todten Blumen schlagen Die hellen Augen auf Und rufen flüsternd einander zu: Frühling! Frühling! Und Alles jauchzt den einen, Den großen, den heiligen Psalm: Vergangen ist Nacht und Leid! Gekommen ist Licht und Freud'! Frühling! Frühling! Nun gebt mir meinen Wanderstab Nun gebt mir meinen Wanderstab, Nun will ich wieder wandern Mit frischem Muth, bergauf, bergab, Von einem Strom zum andern! Die letzte bange Thräne fällt In diesen lichten Tagen ... O grüner Wald, o grüne Welt, Helft mir die Wonne tragen! Ade, du stilles Kämmerlein Mit deinem Gram und Leiden! Willkommen, warmer Sonnenschein Mit deiner Lust und Freuden! Die erste Freudenthräne fällt In diesen lichten Tagen ... O grüner Wald, o grüne Welt, Helft mir die Wonne tragen! Es streut der junge Frühlingstag Das Grün aus vollen Händen. Wohin ich immer ziehen mag, Es blüht an allen Enden. Aufs Wandern ist mein Sinn gestellt Seit langen langen Tagen ... O grüner Wald, o grüne Welt, Helft mir die Wonne tragen! Sänger-Marsch Die goldene Sonn' aus himmlischen Höh'n Schaut freundlich und mild zur Erde hernieder. Die Fahne wallt und die Kränze wehn, Das fröhliche Herz hat fröhliche Lieder. Mit frohem Muth, Mit frischem Laub geschmückt den Hut, Mit Sang und Klang Ziehen wir die weite Welt entlang. O süßes Wandern Am Sängertag! O süßes Wandern Durch Hain und Hag! O süßes Wandern Durchs Städtelein, Wo Äuglein lauschen Mit hellem Schein. Versteck dein Köpfchen Nicht so geschwind, Schau mir ins Auge, Du liebes Kind! Reich mir dein Mündchen Zum Küssen dar; Das Zweiglein vom Hute, Ich flecht' dir's ins Haar. Und dann? Und dann? Führ' ich dich zum Altar ... Und dann? Und dann? ... O süßes Wandern Am Sängertag! O süßes Wandern Durch Hain und Hag! Die goldene Sonn' aus himmlischen Höh'n Schaut freundlich und mild zur Erde hernieder. Die Fahne wallt und die Kränze wehn, Das fröhliche Herz hat fröhliche Lieder. Mit frohem Muth, Mit frischem Laub geschmückt den Hut, Mit Sang und Klang Ziehn wir die weite Welt entlang! Herbstnacht Ich schreit' hinan die Waldesbahn In Finsterniß und Schweigen, Da kommt ein Sausen dumpf heran, Da rührt sich's in den Zweigen. Der Geist der Nacht ist aufgewacht, Er singt in dunklen Zungen; Hei, wie so wild das braust und schwillt, Von Berg zu Berg geschwungen. Dahin, daber, wie Wogen im Meer, Wiegen die Wipfel und schwanken, Schon rieselt das Laub herab in den Staub, Schon brechen Äst' und Ranken; Der Eiche First erseufzt und birst, Die Fichte kracht vom Hange, Der Waldbach zischt, verkehrt in Gischt, Wie eine bäumende Schlange. Im Busch verirrt die Eule schwirrt, Die Augen roth ihr funkeln, Der Dammhirsch setzt vom Sturm gehetzt Quer über den Steig im Dunkeln. Das kreischt und ruft aus Fels und Kluft, Das ist ein Flattern und Rasen, Dazwischen schallt aus hoher Luft Des wilden Jägers Blasen. Laß schallen sein Horn, laß sieden den Born, Laß Busch und Wipfel brausen, Laß krachen die Tann' in den Windes Zorn, Mir soll darob nicht grausen. Ich weiß einen Bann, der zwingen kann Den Nachtgeist, wie er wüthe: Von dir ein Lied, Geliebte, zieht Mir wonnig durch's Gemüthe. Bei Lampenschein jetzt harrst du mein Im warmen Erkersaale, Aus rankendem Grün rings Blumen glühn, Von Düften qualmt die Schale. Du horchst empor mit leisem Ohr: „So war's der Nachtsturm wieder?“ Entfesselt rollt der Locken Gold Dir über die Stirn hernieder. Gott grüß' dich Kind! Ich schreite geschwind Wie der Pilger zum tröstenden Bilde. Deine Hand so weiß, wie wird sie mit Fleiß Das Haar mir schlichten, das wilde! Wie wird dein Mund bis zum Herzensgrund Mit Küssen den Frost mir zerthauen! O selige Rast! — drum weiter in Hast Durch die Nacht, durch den Sturm, durch das Grauen! Im Frühling Wie geht nun, da sich brach der Stürme Wüthen, Durch's Frühlingsthal ein wundervolles Weben! Es weiß in jugendlichem Freudebeben Kein Wesen mehr sein Innerstes zu hüten. Des Baumes Seele dringt hervor in Blüthen, Die Blume läßt den Geist als Duft entschweben, Zum Liede wird des Vogels tiefstes Leben, Und licht in Flammen schmilzt der Wolke Brüten. Mir ist es stets in diesen lichten Tagen, Als ränge die Natur in heil'gem Triebe, Ein göttliches Geheimniß uns zu sagen; Ein Wort, das darum nur gestammelt bliebe, Weil wir ihr selber nicht entgegentragen Ein reingestimmtes Herz voll Glanz und Liebe. Durch Reif und Frost Durch Reif und Frost im falben Hage Schreit' ich dahin bei rauhem Wehn. So fühl' ich, ach, durch meine Tage Mit leiser Klage Des Herbstes kühle Schauer gehn. Wo bist du, reiche Jugendwonne, Du trunkner Glanz mir im Gemüth! Ach bleich und lässig hangt die Sonne Im Nebel, die so schön geglüht. Die Freuden brechen auf und wandern, Zugvögelschwärme, fern hinab, Und eine Hoffnung nach der andern Fällt welk vom Baum des Lebens ab. Nur du gedämpfte Liedesweise, Du meiner Sehnsucht tröstlich Wort, Du bliebst mir treu und rauschest leise Auch unter'm Eise Wie eine heiße Quelle fort. Aus dem Schenkenbuch Laß mir die Knaben vom Feste, Denn sie haben noch nichts erlebt; Das ist am Weine das Beste, Daß die Erinnerung drüber schwebt. Höchstes Leben O linder Frühwind, Schein der Sonne, Wie füllt ihr heut mir Herz und Sinn! Getaucht in euch empfind' ich ganz die Wonne, Das holde Wunder, daß ich bin. Es schwebt mein Geist in freudigem Genügen, Gelöst von jeder Mühe, jedem Zwang; Er athmet nur in leisen Zügen, Allein sein Athmen wird Gesang. Und wie ein kühles Feuer im Gemüthe Mir spielend Ruh'n und Thu'n in eins verklärt, Fühl' ich entzückt: dies ist des Lebens Blüthe, Und preise den, der mir auch das beschert! Distichon Freilich die Tochter des heutigen Tags ist immer die Dichtkunst, Aber die Mutter zugleich soll sie des künftigen sein. Was die Epoche besitzt, das verkündigen hundert Talente, Aber der Genius bringt ahnend hervor, was ihr fehlt. Stromfahrt Ich fuhr von Sanct Goar Dem grünen Rhein zu Berge, Ein Greis im Silberhaar War meines Nachens Ferge. Wir plauderten nicht viel, Die Felsen sah ich gleiten Dahin im Wellenspiel Und dachte vor'ger Zeiten. Und als wir an der Pfalz Bei Caub vorüber waren, Kam hellen Liederschalls Ein Schiff zu Thal gefahren. Ins weiße Segel schien Der Abend, daß es glühte; Studenten saßen drin, Mit Laub umkränzt die Hüte. Da ging von Hand zu Hand Der Kelch von grünem Glase, Das schönste Mägdlein stand Im goldnen Haar am Maste. Sie streute Rosen roth Hinunter in die Wogen, Und grüßte, wie im Boot Wir sacht vorüberzogen. Und horch! nun unterschied Das Singen ich der Andern, Es war mein eigen Lied, Ich sang es einst vom Wandern. Ich sang's vor manchem Jahr, Berauscht vom Maienscheine, Da ich gleich Jenen war Student zu Bonn am Rheine. Wie seltsam traf's das Ohr Mir jetzt aus fremdem Munde, Ein Heimweh zuckt' empor In meines Herzens Grunde. Ich lauschte, bis der Klang Zerfloß in Windesweben, Doch sah ich drauf noch lang' Das Schifflein glänzend schweben. Es zog dahin, dahin — Still saß ich, rückwärts lugend; Mir war's, als führe drin Von dannen meine Jugend. Erinnerungen an Griechenland I. Niemals werd' ich dich vergessen, Wie ich einst im Kranz dich sah Deiner Palmen und Cypressen, Reizendes Parichia! Aus dem Meer auf Felsterrassen Steigst du sanft, und dichter Wein Hüllt die säulenreichen Gassen Dir in grüne Schleier ein. Brunnen rauschen, Vögel rufen, Rosen glühn im Laubgeflecht, Und hinauf, hinab die Stufen Wallt ein göttergleich Geschlecht: Blonde Knaben, deren Brauen Träumerischer Ernst umwebt, Schlanke, marmorschöne Frauen, Deren Schritt wie Reigen schwebt. Ob die Fabelwelt der Dichter Längst zerronnen: hoch und rein Spielt um diese Angesichter Noch von ihr ein Wiederschein. Und in fremder Märchenhülle, Wenn sie dir vorübergehn, Glaubst du Phöbus Lockenfülle, Aphroditens Reiz zu sehn. Wahrlich, aus dem Weltgetriebe Flücht' in diese stille Bucht, Wer die Sehnsucht, wer die Liebe, Wer der Schönheit Urbild sucht. II. Wie webt so still der Sonnenschein Im Säulenhof! Die Fächer Der hohen Palmen schau'n herein Über die flachen Dächer. Ein wilder Rosenbusch umzweigt Das Bogenthor der Halle; Im Porphyrbecken wallt und steigt Der Born mit leisem Schalle. Dort schlürft, im Haar das rothe Feß, Den Arm im goldnen Reife, Das schönste Kind von Melanes Den Rauch der Wasserpfeife. Sie schaut behaglich himmelan, Sie kräuselt leichte Ringe, Und denkt dabei — man sieht's ihr an — An lauter süße Dinge: An ihren Schatz, der nach Corfu Geschifft zum Weinverhandeln, An ihren bunten Kakadu, An Fruchtconfect und Mandeln; Und an den Halsschmuck von Opal, Den morgen in Naxia Sie tragen soll zum ersten Mal Am Fest der Panagia. III. Nun auf tagelangen Regen Endlich sich die Luft erhellt, Wie begrüßt auf allen Wegen Holdverwandelt mich die Welt! Sanft von zitternd grünem Schimmer Liegt die Thalflur überhaucht, Während Silberduft noch immer Von dem Schnee der Berge raucht. Schüchtern lauscht vom Hügelsaume, Goldnen Blicks, der Krokus vor, Und am wilden Mandelbaume Bebt durchsicht'ger Blüthenflor. Ach, und über Wald und Wiese Dieses bräutlich zarte Licht, Das wie Glanz vom Paradiese Durch geflockte Wölkchen bricht! Wahrlich, sehnt' ich mich noch eben Nach dem nord'schen Herd zurück: Heut' empfind' ich hier das Leben Wie ein mühlos heitres Glück. Leicht, als ob sie Flügel trügen, Wiegt sich meine Seele nur Auf den leisen Athemzügen Dieser kindlichen Natur. Und es fehlt mir nur das Eine, Daß ich solchen Wonnetag Nicht verklärt im Wiederscheine Deines Auges schauen mag. Julin Es rauscht der Wind, es rinnt die Welle, Beflügelt schwebt das Schiff dahin; An jenes Kreidefelsens Schwelle Dort, sagt der Schiffer, lag Julin; Julin, die hohe Stadt am Sunde, Die still die Meerfluth überschwoll; Wie klingt die fabelhafte Kunde Mir heut ans Herz erinnrungsvoll! Ich denk' an meiner Kindheit Tage, Da mir von Märchenlust beseelt Die Schwester jene Wundersage Des Abends vor der Thür erzählt. Noch steht's mir deutlich im Gemüthe: Wir saßen auf der Bank von Stein, Am Nachbarhaus die Linde blühte, Am Himmel quoll des Mondes Schein. Die schlanken Zackengiebel hoben So ernst sich, wo der Schatten fiel, Und dann und wann erklang von oben Von Sanct Marie'n das Glockenspiel. Dann ging's hinein zum Nachtgebete Und linder Schlaf umfing mich drauf; Ich baute die versunknen Städte Im Traume prächtig wieder auf. O Knabenträume rein und helle, O Jugendlust, wo gingt ihr hin! — Es rauscht der Wind, es rinnt die Welle, Wo sind Vineta und Julin? Kleines Leiden Heiligen und großen Schmerzen Wird mein Herz sich nie versagen; Ferne halte nur ein Gott ihm Die gemeinen Erdenplagen. Was erhab'ne Mächte senden, Tragen will ich's ohne Laut; Jene nur sind das Verhaßte, Feindliche, wovor mir graut. Heil den Helden, die ihr Leben Schließen auf dem Bett der Ehren; Ihnen Heil, die in den Flammen Sich als Märtyrer bewähren; Welch ein Segen in dem Leide, Welche Lust in letzter Noth, Wenn ein Opfer fürs Geliebte Unsre Qual und unser Tod! Doch wie selten ist's gestattet, Schön zu leiden, schön zu enden, Aufzufahren in den Himmel, Siegespalmen in den Händen! Wie zermalmend, all sein armes, Dunkeles, verlornes Sein Hinzuopfern einer langen, Würdelosen Lebenspein! Mehr als Liebster Liebster! nein, so sollst Du künftig Nimmermehr geheißen sein; Nicht so schlicht wie mein Empfinden Ist das Wort, und nicht so rein. Lieber — dieses sei Dein Name! Im gesammten Weltrevier Bist ja Du das einzig Liebe, Du das einzig Süße mir! Ewig Dein! Ja ewig, ewig bin ich Dein! So lange lebt der Sonne Schein, So lange Weltenheere kreisen, Den Schöpfer seine Werke preisen, So lange bin und bleib' ich Dein! Nicht wahr, mein Herz, das will was heißen? Doch ein Bedenken fällt mir ein: Wird Ewigkeit genügend sein, Dir meine Liebe zu beweisen? Es macht am Ende viel Ihr gratulirt mir Zu meinem Bräutchen Ein wenig kühl! Seht, liebe Leutchen, Es bringt mein Bräutchen Mir doch so Manches, Was nicht so übel Zum Ruhepfühl. Als zum Exempel Ein wenig Jugend, Ein wenig Schönheit, Ein wenig Tugend, Ein wenig Frohsinn, Ein wenig Neigung, Ein wenig Wohlstand — 's ist ein Asyl! Ein wenig Einsicht, Ein wenig Bildung, Geist und Gefühl; Dies Wenige sämmtlich, Dies viele Wenige, Es macht, summir' ich's, Am Ende viel. Grabschrift Ihr Götter, diese eine Bitte hört: Gebt es nicht zu, daß Heuchelei mich stört, Daß weine, wer, da Leben mir getagt, Nach meinen bittern Thränen nie gefragt, Und laßt nicht Blumen streuen eine Hand, Die Dornen nur mir gab im Erdenland. Du aber, Fremdling, eile rasch hier fort! Was sucht das Leben am Verwesungsort? Was soll dein Mitleid, was das Trauern mir? Dem Leben gieb's, das zollt dir Dank dafür. Sinnst du des Todes Räthsel? Sei kein Thor; Du bleibst so klug doch ewig, wie zuvor. Mein armer Staub kann dir die Weisung geben: Der Tod ist nichts — und Alles ist das Leben! Ein Gleiches Über meines Fensters Eisenstäbe Gleitet sanft das Mondenlicht, Leise zittern zu mir seine Strahlen, Die der Bäume Dunkel bricht. Überall umströmt mich sanfte Kühle, Nachtthau deckt das Wiesenthal, Und ich suche auf dem stillen Lager Ruhe nach des Tages Qual. Zögernd schließ' ich nun die kleinen Fenster, Decke still mein Lichtlein zu, Schüchtern werf' ich meine Kleider nieder: Der Geliebte sieht mir zu. Ist mir doch, als wenn aus jedem Zweige, Der sich an mein Fenster rankt, Des Geliebten tiefes, stilles Auge Scheu zu meinem Lager schwankt. Und ich wende mich nach jener Seite, Wo auch ihn wohl Schlummer bannt, Liebend sei auch das geschloss'ne Auge Ihm noch immer zugewandt. Sonnette an die deutsche Bühne I. Du, deutsche Bühne, spiegle die Geschichte! Denn nur ein groß Geschick bewegt die Herzen, Daß sie das kleine gern und leicht verschmerzen — Trost weht aus dem begeisterten Gedichte. O leuchte mit des Geistes ew'gem Lichte, Und nicht mit schnellerlosch'nen Alltagskerzen! Wohlfeile Rührung, possenhaftes Scherzen, Der Tag erschuf's, es wird mit ihm zu nichte! Den Spiegel halte nicht dem Tand der Zeiten, Des flachen Lebens kleinen Nichtigkeiten! Hier winkt der Dichtung nie die Lorbeerkrone! Zeig' uns, wie Cäsar zagt am Rubicone, Und nicht, wie Herzen innerlich erkranken, Die zwischen Gurlis und Eulalien schwanken! II. Auch laß die Klytämnestren und Medeen In ihren Gräbern ruhn, die mörderischen! Sie können nimmer diese Zeit erfrischen Mit ihres Schicksals moderduft'gem Wehen! Die Sonn' ist müd, die Gräuel anzusehen! Uns soll nicht mehr die Schlangenbrut umzischen! Zertrümmert ruhn die Bilder in den Nischen — Laßt auch die Götter stumm zum Orkus gehen! Ihr tischt ein Mahl auf aus zerstückten Gliedern! Wie anders jene hochgepries'nen Alten Auf ihrer Bühne und in ihren Liedern! Sie ließen frei den Geist des Volkes walten, Sie ließen sich von ihrer Zeit begeistern — Das lernt, ihr Dichter, von den großen Meistern! III. Auch folgt den Franken nicht! Gerechte Rüge Trifft all ihr flüchtig Blitzen, lüstern Naschen, Des Lustspielnetzes allzufeine Maschen — Der geist'ge Kern ist hohl und eitel Lüge. Und ob auch schicklich ihres Plans Gefüge, Und ob sie manchen Scherz im Spiel erhaschen — Es ist ein Blitz nur aus gelad'nen Flaschen, Kein Blitz des Himmels und der Adlerflüge! Der Deutsche aber sieht den Äther leuchten Und lacht mit seinem Aug', dem thränenfeuchten, Herab auf all das bunte Spiel der Welt! Und die Gestalten, sprudelnd, kraftgeschwellt, Wie sie Thaliens heit're Kränze tragen, So reich an Geist und wohligem Behagen! IV. Ein freies, großes Volk, das sah vor Zeiten Des Aeschylos und Sophokles Gestalten Mit wilder Kraft, mit menschlich edlem Walten Voll Jubel über seine Bühne schreiten. O Dichterloos voll selt'ner Seligkeiten! Ein einig Volk, von keinem Wahn gespalten, Es bot die Kränze jenen großen Alten Und eilte, im Triumph sie zu geleiten! Ihr neuen Dichter hört's mit dumpfem Grollen! O was Euch hemmt in Thaten und Gedanken, Wohl Schranken sind's, doch nicht olymp'sche Schranken! Zerfahr'ner Sinn, zersplittert Glauben, Wollen — Doch wartet nicht auf freier Sonne Tagen! Der Dichter soll voraus die Fahne tragen! An die Ode O zage vor dem kühneren Schwunge nicht, Der alten Brauches sclavische Fessel bricht, Der um die Regel, die uns bindet, Zartere Blüthen des Reimes windet. Und ob die Zeit an hastigem Streben krank, Du, Hellas' Muse, reichst der Genesung Trank! Sie quillt bei deinen Göttermahlen Aus den olympischen Nektarschalen. Kastal'scher Quell, wie schäumst du in Jugendlust, Machst klar das Auge, frei die entzückte Brust! Wir tadeln streng die Ungeduld'gen, Welche nicht ruhiger Schönheit huld'gen. Von Hellas' Lyra tönt der gemess'ne Klang, Harmonisch, taktvoll, gleich wie der Wasser Sang, Die vom Parnaß herab krystallen In die geheiligten Grotten fallen. Doch Deutschlands Harfe, die an den Eichen schwebt, Sie tönt harmonisch, wenn sie ein Hauch durchbebt, Und süße Reime flüsternd gleiten Durch die erzitternden gold'nen Saiten. Die deutsche Muse reichte ja Griechenland Zum schönsten Bunde längst schon die Schwesterhand — Hier innig tief empfund'ne Wahrheit, Dort des olympischen Himmels Klarheit. Und wie auch wechselnd griechischer Rhytbmen Gang, Sie ziert des deutschen Reimes gefäll'ger Klang. So schwebt des Mondes Zauber milder Um die unsterblichen Marmorbilder. Mit solchen Flügeln wage den kühnen Schwung, Du Aar der Ode, der mit Begeisterung, Folgt ihm des Volkes Blick auch scheuer, Tauche die Fitt'ge ins Sonnenfeuer. Nicht dem Erhab'nen fremd ist der Sinn der Zeit; Auch sie durchweht der Odem der Ewigkeit, Und ihr Gericht mit Flammenzügen Zeichnet des Tages zerstob'ne Lügen. Die Weisheit altert, aber die Schönheit nicht, Die ewig jung aus schaffender Seele bricht, In immer neuen Festgewanden, Frei von den alten und engen Banden. Memnon Das Frühroth schimmert über den hohen Nil, Die Lotosblume schwankt in des Windes Spiel, Und mit den schüchternen Mimosen Buhlende Lüfte des Morgens kosen. Von nächt'gen Träumen noch ist der Riese matt, Er träumte von der herrlichen Lilienstadt, Wohin Aurora ihn getragen Auf dem geflügelten Rosenwagen. Dann aber um sein schweigendes Bild erklang Der Weihevögel nächtiger Kampfgesang, Unheimlich Krächzen, grelles Kreischen, Blutiges Streiten und wild' Zerfleischen. Verstummt vor nächt'gem Grau'n der gespenst'gen Schaar Erblickt der Riese jetzt auf des Lichts Altar Den ersten Strahl! In freud'gem Regen Jauchzt ihm der tönende Gruß entgegen. So grüß' ich dich, das durch die Gewölke bricht, Frühroth der Geister, tagender Freibeit Licht, Noch Ohr und Auge müd' vom Walten Kämpfender düsterer Nachtgestalten. Mein Herz erbebt, dem tönenden Bilde gleich! Die Zukunft grüß' ich, freudiger Ahnung reich! Des Geistes schlummernde Auroren Seh' ich zum Lichte der Welt geboren! Die alten Sphinxe ahnen die Sonne nicht, Die stumme Wüste grüßt nicht das ew'ge Licht! Der Sohn nur, den ihr Schooß getragen, Schauert entzückt bei Aurorens Tagen! Naturfrieden Hier im stillen Thal an der Bergeshalde, Friedlich rings umkränzt vom verschwiegnen Walde, Wo der Schilf im Teich, wenn der Abend düstert, Träumerisch flüstert; Wo das Mühlrad ruht vom geschwätz'gen Treiben, Dunkler Epheu klopft an der Mühle Scheiben, Das Gebälk umrankt, bis zum Giebeldache Kletternd vom Bache; Wo versteckt im Grün, das der Abend röthet, Süß die Nachtigall von den Zweigen flötet, Und der Matten Samt im Gehölz der Birken Blumen durchwirken: Selig hier zu ruh'n in beglücktem Frieden, Fern vom Lärm des Tags, von der Welt geschieden, Eine liebe Hand an das Herz zu drücken, Doppelt Entzücken! Fern ab zieht Gewog der bewegten Zeiten, Wo die Völker sich um den Lorbeer streiten, Triumphirend auf die zerstörten Schranken Zeigt der Gedanken! Hier ist kampflos Glück und die alte Wahrheit; Wie die Sonne alt und von gleicher Klarheit. Ew'ge Gaben find's, die Natur uns spendet, Allen gesendet! Groß und still ihr Gang, ihr Gesetz ist ehern, Blinden offenbar, wie den größten Sehern! Wieg' und Grab ist sie dem Geschlecht hienieden, Heilig ihr Frieden! Eifersucht Noch ist Dein Haar so naß, Vom Kuß der Wellen! Ich fühle wie von Haß Den Busen schwellen. Wie glücklich jene sind, Die ganz Dich haben, Die Dich, mein holdes Kind, In Lust begraben. Sie lösten allzuwild Die schmucke Flechte, Ich übe fromm und mild Die gleichen Rechte. Wie mich Dein Haar umwallt In üpp'ger Fülle, Der reizenden Gestalt Die schönste Hülle! Dem Meer, das um Dich wirbt, Ich gern vergebe. Die Woge küßt — und stirbt, Ich küss' — und lebe. In der Schenke Das sind die alten Räume wieder — Mir wird um's Herz so wohl, so bang! Hier schläft das Echo unsrer Lieder Und wecken soll's ein Jubelsang. Ja, treu bewahren noch die Tische Den unverlöschten Namenszug! Hier weht ein Hauch der Jugendfrische, Die uns in alle Himmel trug. Begeistert Wollen, froh Behagen, Du edle, kühne Leidenschaft, Wen auch des Lebens Sturm verschlagen, Erprobt noch einmal eure Kraft! So schlingt um mich den alten Reigen, Den Becher kränzt mit heit'rem Scherz! Doch wie? - Rings herrscht ein dumpfes Schweigen, Der Trank ist trüb' und schwer das Herz. Die Wand ist kahl, die Welt ist nüchtern, Der Wein ist ohne Kraft und Gluth, Und selbst die Dirne ist so schüchtern — Die Andre war voll Übermuth. Es schleicht der Wanduhr lahmer Weiser Das Zifferblatt hinab, hinauf! Sie krächzt die Stunden schläfrig heiser, Die einst entfloh'n in Sturmeslauf. O, wie die Thräne in den Becher Mir wider Willen niederfällt! Ein Andrer ward der heit're Zecher, Und mit dem Zecher seine Welt! Ich bat sie um die Rose Ich bat sie um die Rose, Sie sprach ein stolzes Nein, Ging lachend ihres Weges, Ich stand betrübt allein. Es blühn wohl tausend Blumen Schön duftend um mich her: So schön, wie diese Rose, Find' ich doch keine mehr! Fiammetta Kleines Mädchen, kleines Mädchen Mit den tiefen, dunklen Augen, Weißt Du schon, wozu sie taugen, Und wie feucht die sanfte Pracht, Wenn das Herz voll Scham und Sorgen, Still verborgen, An ein süßes Glück gedacht? Schelmisch Mädchen, schelmisch Mädchen Mit den kleinen, weißen Händen, Kennst Du schon die süßen Spenden: Blick und Gruß und Druck der Hand? Mit den Augen träumend schweifst Du, Spielend greifst Du, In die Lüfte unverwandt? Süßes Mädchen, süßes Mädchen, Immer laß Dein Lied ertönen In der Sommernacht, der schönen, Die von Träumen zärtlich glüht! Pries doch Mancher schon verwegen Liebessegen, Der ihm selbst noch nie geblüht! Aber plötzlich warum schweigst Du, Thränenthau ins Aug' ergossen? Ist die Knospe schon erschlossen? Wohl, sein Schwellen thut es kund: Schon geküßt von Morgenstrahlen Süßer Qualen, Schon geküßt ward dieser Mund! Devise Sechs Dinge sind mir köstlich auf der Welt, Drum hab' ich meinen Trost auf sie gestellt: Ein reinlich Glas, ein sonniges Gemüth, Drin hell der Wein und frisch die Jugend glüht; Ein feurig Roß und ein beschwingtes Lied, Drauf königlich der Geist der Liebe zieht; Gestirnt die Nacht und leuchtend auch dem Gram, Daß Pfade findet, der so fern ab kam; Ein blumig Grab, verschwiegen auch der Mund, Die blühend nur thun ihr Geheimniß kund; Gedämpft den Schall, umschattet auch das Licht, Wie es durch hohe Altarfenster bricht; Doch frei das Feuer und den Sturm voll Macht, Blieb Asche auch geknickter Wälder Pracht. Ob Du gestrebt, geliebt mit Lust und Drang, Fragt einst der Tod, doch fragt er nicht wie lang? Erste Liebe So hat noch Niemand mit mir gethan! An beiden Händen faßt' er mich an Und schaute mir in die Seele, So unwiderstehlich, so tief hinein, Als wollt' er schau'n, wo ein Fältelein Ihm etwas noch verhehle. So hat noch Niemand mich gefragt! Was ich gejubelt, was ich geklagt, Das ruht nun in seinem Herzen. Die ganze Welt ward mir zum Traum; Bin ich es selbst noch? Ich weiß es kaum, Mich blendet's wie Weihnachtskerzen. So hat noch Niemand mich geküßt! Nicht Vater, noch Mutter beim heil'gen Christ Nach all den bunten Geschenken! Doch alle nun gäb' ich mit Lächeln hin, So fröhlich ist mir, so selig zu Sinn, Darf ich an ihn nur denken. Am Brunnen Es steht ein Brunnen auf dem Platz, Vier Linden stehn herum, Da schaute Abends mein brauner Schatz Wohl oft sich nach mir um. Nun steh' ich allein am hellen Tag Und sehe das Wasser rinnen, Die Tauben fliegen zum Taubenschlag, Er aber zog von hinnen. Schau', Burschen und Mägde zieh'n vorbei, Hell flattert der Bänder Zier, Sie pflanzen morgen den grünen Mai — Wer aber pflanzt ihn mir? Die Bienen summen im Lindenbaum, Die Schwalbe wiegt sich behende; Meine dunkeln Gedanken bei Tag, im Traum, Sie fliegen und finden kein Ende. Er schenkte mir ein Liederbuch, Draus sang ich am Altar; Ich gab ihm dafür ein seiden Tuch, Das war zum neuen Jahr — Mein Gesangbuch steht daheim im Schrank, Das Tüchlein ward naß im Regen; Meine Mutter sagt, ich wäre krank, Ich soll zur Ruh' mich legen. Ich aber mag nicht nach Hause gehn, Mein Bett ist kalt und fremd; Viel lieber ging' ich im Windesweh'n In die Haide bei Nacht im Hemd! Nun steh' ich hier, ohne Rast, ohne Ruh', Mein Krug, der ging in Trümmer, Dem rauschenden Wasser horch' ich zu Und versteh' es doch nimmer und nimmer! Hand in Hand Hand in Hand auf lichten Höhen, Tief im Schattenthal zu schreiten — Sanfter Tage Dämmerstunden, Sturmesstille Winterweiten — Nimmer glaubt' ich euch so lieblich, Nimmer glaubt' ich mich so jung. An verfloss'ne Jugendzeiten Starb nun die Erinnerung. Keinen Herzenswunsch zu hegen, Als zu lauschen Mädchenworten, Keinen Pfad bei Nacht zu kennen, Als zu stillen Gartenpforten: Nimmer schien mir das so köstlich, Bis ich küßte Deinen Mund; Alle Rosen, die verdorrten, Blühen wieder auf zur Stund'. Öder Jahre Kummernächte, Schattenhafte Sehnsuchtsqualen, Wohin seid ihr? Kein Gedächtniß Betet mehr an Euren Malen. Schatten such' ich zwar im Glanze, Schlaf im Sommerblüthenhauch; Denn des Glückes Morgenstrahlen Scheut noch das verwöhnte Aug'. Stolze Freiheit — Jugendhochmuth — Wohin ist dein Siegesprangen? Hingestorben bist du müde? In ein einzig süß Verlangen. Trugst du hoch im Sturm den Nacken, Lern' die Demuth nun im Glück — Weich von Mädchenarm umfangen, Schau' in Flammen nicht zurück. Entscheidung Voll steht des Lebens Becher vor mir, randgefüllt Mit dunkler Fluth, darin sich spiegelt Sternenglanz Und deiner Mädchenaugen tiefer Liebesblick. Wie Zauberduft anweht mich's aus dem Goldgefäß. Doch sind dem Trank auch aller Sorgen Schierlingssaft Und künft'ger Jahre Thränen reichlich beigemischt. Halt' an und prüfe, eh' Du ihn zu schlürfen wagst! Mit Einem Schlage löscht er Dein Gedächtniß aus; Verwandelt wirst Du, andre Welten steigen auf, Und nimmer führt ein Pfad zurück zum Jugendland. Du siehst vielleicht in künft'ge reiche Sommerzeit, Da Dir aus Schattenwipfeln fällt die eigne Frucht, Da blüh'nde Töchter lüften Dir das Gartenhaus, Da einst ein Enkel kräftig Deinen Bogen spannt, Indeß Du langsam wandelst in dem Abendroth, Der Jugendzeit gedenkend, als ein lockig Haupt Auf Deiner Schulter weinend lag im Mondesglanz. Ein holdes Bild! Doch plötzlich rauscht ein andres auf Aus dunklem Kelch, denn pfadlos ist und wandelbar Des Dichters Loos und Dornen trägt der Lorbeerkranz. Siehst Du das Bild? Die Augen starren sorgenschwer Hinaus vom dunklen Fenster in die Winternacht, Wer kann entflieh'n dem Mangel, wer dem Mißgeschick? Was wird aus uns? Dort fließt der Strom! Ist's männlicher, Zu enden dieses Schmachtens lange Todesqual? Wie? Oder ist es edler, auf dem Sclavenmarkt Sich selber zu verkaufen schnödem Herrendienst, Und, baar der Ehr' und Freiheit, im verhaßten Joch Den Genius opfern kleinmuthvoll um Tageslohn, Wie Iphigenia blutete um günst'gen Wind? Denn viel verleugnen Menschen um des Lebens Noth. Doch Menschen will's auch ziemen, fromm emporzuschau'n, Wenn sie das Herz zu reinem Ziel allmächtig treibt. Und so getrost und freudig heb' ich auf den Kelch! Was er mir heut, ob Liebesleben, Sorgennoth, Ob Lust, ob Qual — ich wag' es kühn im Gottvertrau'n! Du, die ich liebe, hast den Kelch mir reich bekränzt, Ich trinke draus: Gott segne mir den Zaubertrank! Lebensüberfluß Rauschende Bäche quellenden Lebens, Tönet wie Lieder in meine Ruh'! Sehet, erfüllt ist's! Nimmer vergebens Schau' ich in Sehnsucht den Wellen zu. Draußen in sonnendämmernder Laube Wiegt die holde Geliebte mein Kind. Hoch an dem Dache reift mir die Traube, Goldene Fäden die Parze spinnt. Schwellende Segel auf ruhigen Wogen Bringen mir Gäste, Früchte und Fracht, Meine Auen sind bienenumflogen, Nachtigallen singen bei Nacht. Rauschende Bäche quellenden Lebens, Spült ihr mich fort einst im Wogenschaum, Singen dann will ich: Nicht vergebens Hab' ich geträumt den irdischen Traum. Bei dir Die Nächte stürmen, doch die Seele singt: Du bist nun mein! Ich habe dich erworben, Und aller Jahre herbe Pein — In diesem Herbst ist sie dahingestorben. Die Stürme brausen, doch die Sehnsucht schweigt. An deiner Brust Ist selig Ruh'n und Bleiben. Die Rosen wilder Jugendlust — Sie mögen welk in diesen Stürmen treiben. Die Tage fliehen, doch die Treue bleibt. Still steht die Zeit, Wie auf sich selbst besonnen — Bei dir erlöst von Zeit und Leid Athm' ich die Ewigkeit und ihre Wonnen! Der erste Zeichner I. Zwei Hirtenkinder, Knab' und Mädchen, spielen Am Felsen bei erlosch'ner Feuerstelle, Die glatte Steinwand zeigt in Sonnenhelle Die Schatten von zwei kindlichen Profilen. Der Schwester Anmuth fesselt den Gespielen Im Dunkelbilde selbst. Daß es zu schnelle Nicht fliehe mit des Lichtes flücht'ger Welle, Erkürt er sich der Kohlen Rest zu Kielen. Mit schwarzem Stift verfolgt er die Conturen, Die auf der Wand zur hold'sten Form sich schlingen, Und schmückt mit Lieblichkeit die Felsenwildniß. Aus rauhem Steine, dunklen Kohlenspuren Und düst'ren Schatten — traun, unschönen Dingen! — Erstand durch Kindes Hand der Schönheit Bildniß! II. Von dieses Kindes erstem Künstlerlallen Bis zu den Harmonie'n, die von den Schwingen Des Seraphs Raphael in Wonne klingen, Welch unermeß'ner Flug, welch Steigen, Fallen! Von diesem Fels bis zu den Bilderhallen Des Vaticans und Pitti's Wunderdingen, Durch Dorn und Lorbeer welch ein Müh'n und Ringen! Welch weite Bahnen muß die Kunst durchwallen! Ob sie am Arno siedle oder Elbe, In Farben dichte oder mal' in Tönen, Ihr Geist bleibt Einer doch, ihr Ziel dasselbe: Rauhheit zu sänft'gen, Schatten zu versöhnen, In holdem Bann die Schönheit festzuhalten, Ihr Sterbliches zu Ew'gem zu gestalten. Zum Jahreswechsel Ihr Männer! — die ihr's seid und euch so nennt — Das Innre pflegt man schärfer anzusehen, Wenn sich ein Jahreslauf vom andern trennt, Das wird am heut'gen Tag wohl auch geschehen. So prüfet denn mit eurem tiefsten Blick, Beschaut die Welt nicht durch des Vortheils Brille, Nicht allzu dienstgelenkig zieht's Genick, Den Männern ziemet fester Stand und Wille — Und Männer brauchen wir! Ihr Frauen! — ehmals riefet kühne That Für eure Huld ihr in das Erdgetriebe, Aus Seel' und Auge warft ihr edle Saat, Und Großes dankt die Menschheit eurer Liebe! — O traget jetzt im Herzen, was uns noth, Und laßt es glühen in der Männer Adern Zum großen Werke, das die Zeit gebot; Denn Männer dürfen nicht um Kleines hadern — Und Männer brauchen wir! Ihr Kinder! — bei dem Fernen, was ihr lernt, Vergesset nie des deutschen Volks Geschichte! — Die Schale nicht, nein, was in ihr gekernt, Das nehmt in eure Wage als Gewichte. Nicht rückwärts in der Dämm'rung liegt der Hort, Ein Vorwärts nur kann uns zu Gott geleiten; Doch schon zurück müßt ihr auf Luthers Wort, Wollt einst für Rechtes ihr als Männer streiten — Und Männer brauchen wir! Ihr Alle denn — hört ihr um Mitternacht Der Glocken Stimme mahnungsvoll erklingen, So wünscht, daß ringend mit des Bösen Macht Wir siegbewährt des Lichtes Fahne schwingen. Nur wenn dem Glauben ird'sche Fessel fällt, Kann mit dem Dasein Ew'ges sich versöhnen! — Daß Jeder männlich solch ein Ziel sich stellt, Laßt jedem Jahresgruß als Schluß ertönen: Und Männer brauchen wir! Den Frühling lob' ich Ein ächter König ist der Frühling, Er dient und lächelt Allen gleich, Und unterscheidet nimmer höfisch, Was arm, was vornehm ist und reich. Doch mit dem Sommer und dem Herbste, Da sieht es freilich anders aus, Die füllen Manchem alle Räume Und lassen Vielen leer das Haus. Noch schlimmer steht es mit dem Winter; Gewärmt sind Reiche und fetirt Im Überfluß, indeß der Arme In leerer Hütte hungernd friert. Drum lob' ich mir den lieben Frühling, Er weht mit frischer Hoffnung an, Und ist nicht schuld, daß er muß scheiden, Eh' er Gewährung geben kann. Vollauf hat er sie vorbereitet Mit reinster Lieb' und Sorgsamkeit, Das schönste Vorbild ausgebreitet Für alle Kön'ge aller Zeit! Südhauch und Nordsturm Südhauch Wild fliegen die Wolken, durch wogende Fluth Erbeben die riesigen Felsengestade, Entwurzelte Bäume versperren die Pfade, Vom Sturmwind gestürzt in vernichtender Wuth; Zu Lüften und Klüften Vertreibt er das Laub in dem endlosen Raum, Entfärbet der Erde die duftende Hülle, Faßt brausend das Meer mit empörender Fülle, Und wirft es gen Himmel in sprudelndem Schaum. Er treibt, wenn die Kinder des Frühlings erbleichen, Mich grausam hinweg von den lieblichen Leichen, Und eifert gefühllos, mit schreckenden Tönen Mein klagendes, friedliches Flüstern zu höhnen. Nordsturm Was jammert der Knabe? Nichts hemmt meine Macht! Durcheil' ich die Schöpfung mit zürnendem Winken, Erhebt sich der Abgrund und Berge versinken, Ich reiße gewaltsam den Tag in die Nacht. Mit Wettern zu schmettern, Umschwärz' ich des Erdenrunds schützendes Dach, Eröffne der Strudel verborgene Quellen, Begrabe das Schiff in den stürzenden Wellen Und heule die Schauder des Weltalls mir wach. Durch eisigen Hauch und geschüttelte Locken Verschließ' ich den Boden mit glänzenden Flocken, Um rings der Natur mich als Herrscher zu zeigen — Denn lieben nicht soll sie, nur dulden und schweigen! Südhauch Einst endet dein Rasen! Mit wärmender Spur Zerspreng' ich des Eises krystallene Rinde, Entlocke der Erde die Farbengewinde Und schmücke mir bräutlich die nährende Flur. Im Kosen der Rosen Entsaug' ich mit Küssen den perlenden Thau, Was hold ich berühre, beweget sich freier, Im Necken erheb' ich der Jungfrau den Schleier, Und berge mich flüchtig im himmlischen Blau. Doch kehr' ich bald wieder mit segnenden Blicken, Und fühle, wenn dankend die Blüthen mir nicken: Viel schöner ist's, liebend an Liebe sich schmiegen, Als ewig zerstörend die Liebe besiegen. Bis zur Selbsthülfe G'rad begonnen, g'rad geblieben, Das ist ewigkräft'ge Weise, Die kein Sturm noch hat vertrieben Aus dem schutzbewährten Gleise. Glatte Mienen, spitze Worte, Glatte Worte, spitze Mienen Findest du an jedem Orte, Kommst du bittend, dir zu dienen. Fester Wille, stet'ge Thaten Sind dagegen Siegeswaffen, Als das Höchste stets zu rathen, Was dich freut, dir selbst zu schaffen. Andre mußt du niemals suchen, Immer nur dich suchen lassen; So wirst, ohne Flehn und Fluchen, Du Erwünschtes auch umfassen. Trifft sich's nicht, dann muß Entbehren Würdig seine Rolle spielen, Kühn dem Glück den Rücken kehren, Nicht ihn krümmen mit den Vielen. Heiter von dem Glücke scheiden, Unglückshärte nicht verschulden, Das bringt Tröstung allem Leiden, Heil'gen Frieden im Erdulden. G'rad begonnen, g'rad geblieben, Das ist ewigkräft'ge Weise; — Noch hat sie kein Sturm vertrieben Aus dem schutzbewährten Gleise! Monats-Lehren Januar Bei Neujahr sorget gleich vom ersten Tag, Daß künftig es nicht Reujahr werden mag. Februar Zur Fastnacht werd' im Kopfe nicht fast Nacht; Viel besser, wenn ihr sie zur Lichtmeß macht. März Der Frühling hilft der Erd' aus kaltem Joche; Des Innern Frühling such' in heil'ger Woche. April April , sei er im Ändern sehr gewandt, Ihn übertrifft der Herzen Unbestand . Mai Soll nie dem Leben Maienzeit entrinnen, So hegt der Seele Blüthenwonn' euch innen. Juni Der Juni schafft dem Sommer freie Bahn; — Seid wach, daß Gleiches ihr dem Geist gethan. Juli Wem nicht im Juli reifet schon die Saat , Der schlug sich selber durch versäumte That. August Wohl Dem, der seines Wirkens sich erfreut, Und vor gerechter Ernte sich nicht scheut. September Des Menschen Leben ist kein Blumenspiel, So wie Natur, hat's Fruchtgewinn zum Ziel. October Das Alter wird dem Wein nicht nur zum Lobe, Es ist auch uns'res Lebens beste Probe. November Ob ihr der Speicher reiche Fülle preist, Die schönste Fülle schaffet doch der Geist . December Nur frischen Muth! — denn Jedem kommt nach Plage Die Weih-Nacht zu dem ew'gen Hoffnungstage! Das taube Mütterlein Wer öffnet leise Schloß und Thür? Wer schleicht ins Haus hinein? Es ist der Sohn, der wiederkehrt Zum tauben Mütterlein. Er tritt herein! Sie hört ihn nicht, Sie saß am Herd und spann. Da tritt er grüßend vor sie hin, Und spricht sie: Mutter, an. Und wie er spricht, so blickt sie auf, Und — wundervoll Geschick — Sie ist nicht taub dem milden Wort, Sie hört ihn mit dem Blick. Sie thut die Arme weit ihm auf, Und er drückt sich hinein, Da hörte seines Herzens Schlag Das taube Mütterlein. Und wie sie nun beim Sohne sitzt, So selig, so verklärt — Ich wette, daß taub Mütterlein Die Englein singen hört. Im Münster Im hochgewölbten Münster Bei mattem Ampelschein, Da sah ein Weib ich knieen Vor einem Heil'genschrein! Des Auges blauer Himmel War aufwärts zum Bild gewandt, Und Thränen der Andacht hingen Wie Perlen an seinem Rand. Die Wangen leis' geröthet, Die Lippen leis' bewegt, Die Hände fromm gefaltet Aufs pochende Herz gelegt, So lag sie hingegossen, Begeistert und entzückt, Ein Engel im Pilgerkleide, Der nach der Heimath blickt. Mich aber, wie Duft aus Eden, Weht diese Mahnung an: „Wie muß sie lieben können, Sie, die so beten kann!“ Im Kloster Sie stand im dunklen Kreuzgang, Im blüthenweißen Kleid, Ein Mönch in brauner Kutte Ernst sinnend ihr zur Seit'; Es blühte auf ihren Wangen Wie heller Frühlingsschein, Der Mönch mit weißem Barte Sieht wie der Winter drein. Hell funkeln ihre Augen Von Jugendlust und Glück; Es glimmt kein Strahl der Freude Mehr in des Mönches Blick. Sie stürmt in heitre Zukunft Ein lächelnd Kind hinaus, Er sehnt aus des Lebens Wüste Sich todesmüd nach Haus. Jetzt sinkt vor dem Greis sie nieder Und küßt sein rauh Gewand, Und auf dem blonden Scheitel Ruht segnend seine Hand! — Es war ein Bild zum Malen, Mich aber macht' es bang; Sie stehen doch nah beisammen Aufgang und Niedergang! Frucht und Blüthe Früchte hat der Baum getragen, Und du schaust sie mit Behagen; Aber zuckt dir durch den Sinn Nicht ein schmerzliches Beklagen, Nicht ein hoffnungsloses Fragen: „Ach, wo sind die Blüthen hin?“ Vertrau' dich, Herz, der Liebe Vertrau' dich, Herz, der Liebe! Was immer dich bewegt, Mittheilend auf die Schultern Der Liebe sei's gelegt! Ihr zeig' dein ganzes Leben, Wo's strahlt im hellsten Licht, Und wo mit nächt'gen Wolken Es Wahn und Schuld umflicht! Was immer du verbrochen, Gesteh' ihr's, sie vergiebt; Gerecht, das sind gar viele, Doch mild ist nur, wer liebt! Und fielst du, ruf' zur Liebe Empor aus der Tiefe Grab, Sie reicht dir in den Abgrund Die starke Hand hinab, Sie führt dich zu den Höhen, Und wankt und bricht dein Muth, Sie küßt dir Gluth ins Auge, Und Flammen dir ins Blut! „Auf, spricht sie, du wirst siegen, Denn Liebe traut dir's zu, Und Liebe kennt dich besser, Und liebt dich mehr als du!“ Die lieben Gäste Habt ihr von meinen Gästen schon vernommen, Die zwar mich nur besuchen, wenn sie müssen, Doch mild versöhnend immer mich begrüßen; Die Trost mir bringen, hält mich Gram beklommen; Die, jauchz' ich auf in Freude wild entglommen, Mir fromme Demuth in die Seele küssen! Kennt ihr sie nicht, die Lieb' und Leid versüßen, Und wären sie nicht auch zu euch gekommen? — Ihr kennt sie wohl, die stumm sind und doch sprechen, Die, mild wie Thau, doch gleichen Flammenbächen, Die herb sind und doch Honig bittrem Sehnen; Ihr kennt sie wohl, der Menschheit Kronjuwelen, Die ächten Herzensfesten niemals fehlen, Ihr kennt sie wohl, die lieben Gäste — Thränen! Stammbuchsblätter I. Die Rose glüht und duftet Und welket und verblüht, Laß nicht der Rose gleichen Dein jugendlich Gemüth. Gleich' du der Apfelblüthe, Laß flücht'ger Reize Schein Die Bürgschaft innern Werthes, Den Herold von Früchten sein. Und gleiche nicht dem Springquell, Der rauschend steigt und fällt; Bewahr' dir stät die Seele Im wirren Drang der Welt. Gleich' du dem tiefen Meere, Es birgt in dunkler Fluth Die schimmernde Koralle, Der Perle köstlich Gut. Nicht weichem Wachse gleiche Leichtflüssig dein junges Herz; Pass' nicht in alle Formen. Schmelz' nicht in jedem Schmerz! Des edlen Stahles Härtung Sei Vorbild deinem Sinn, Aufschnellend unterm Drucke Leb' deine Tage hin! II. Es gleicht das Glück der goldnen Pomeranze, Die schimmernd aus der Blätter dunklem Grün Dir zuzurufen scheint in ihrem Glanze: „Verschmähst du mich? Komm her und nimm mich hin!“ Doch pflückst du sie aus weißem Blüthenkranze, Die saftvoll, süß und längst gereift dir schien, Dann fass'st du erst, wie oft uns goldne Schalen Den bittern Kern, die herbe Frucht umstrahlen. Drum, Mensch, laß ab von nichtigem Bestreben, Ein frommes Kind vertraue dem Geschick: Ein Hauch der Freude weht durch jedes Leben, Den trübsten Herbsttag schmückt ein Sonnenblick. Mag winkend auch am Zweig die Goldfrucht schweben, Lang' nicht nach ihr; erwarte still das Glück! Vom Himmel muß es in den Schooß dir fallen, Dann ist es reif, dann halt' es fest vor Allen. Einem jungen Mädchen Da liegt sie fahl, bestäubt, verblichen, Die Puppe, die dir einst weithin — Nur wenig Jahre sind verstrichen — Das höchste Gut der Erde schien. Ich seh' dich noch ans Herz sie drücken, Wenn schläfrig du zu Bette gingst, Ich seh' es noch, wie mit Entzücken, Erwachend kaum, du sie empfingst! Dein Frühstück theilte sie am Morgen Und saß mit dir beim Mittagsmahl, Und wachsam stets mit Muttersorgen Umwob sie deines Blickes Strahl! Was gabst du ihr für Schmeichelnamen; Nur Goldkind, Sternchen hieß sie dir, Und wenn des Lernens Stunden kamen, Wie schmerzlich schiedest du von ihr! Du suchtest nicht nach Spielgenossen, War Lottchens Kopfputz wohlbestellt, Und saß ihr Kleid wie angegossen, Was lag dir weiter an der Welt? Und jetzt — da mit der Kindheit Tagen Der Traum der Kindheit dir versank, Jetzt liegt sie, der dein Herz geschlagen, Bestäubt, verblichen hier im Schrank! Und Rührung fühl' ich mich bestechen, Und Wehmuth hält mich festgebannt, Und diese Worte muß ich sprechen, Im Geiste still zu dir gewandt: Du wirst noch viele Puppen finden Und für sie schwärmen, ach wie sehr, Und legst wohl in der Jahre Schwinden Noch manche in den Schrank hierher; O mögst du alle nur wie jene, Wenn ihre Stunde einmal kam, Bei Seite legen ohne Thräne Und ohne Reue, ohne Scham! Und möge mit der Jahre Reifen So froh begeistert dein Gemüth Das Große, Schöne auch ergreifen, Wie's für die Puppe einst geglüht! Und mögst du reifend in den Jahren Stets weiser in der Wahl dich nur Und treuer zeigen im Bewahren, Als jene Puppe einst erfuhr! Und wählst du einst fürs ganze Leben, O denk' an deine Puppe dann, Und denk', wie oft du aufgegeben, Was kaum dein ganzes Herz gewann. O wähle klug und wähl' bedächtig, Vorzügen nicht, noch Fehlern blind! Bedenke, wie die Zeit so mächtig, Wie schnell verblichen Puppen sind! Um Mitternacht Du liebes Kind! komm, lege das schöne Haupt An meine Brust! Sieh, selber der Sterne Glanz Erstarb, der Mond wich, Mitternacht zog Zwischen der Welt nun und uns den Schleier! Des Tages Last, Leid, quälende Sorge liegt Nun hinter uns. Nein — ganz in den Schooß der Nacht Versanken Raum, Zeit, Welt und Schicksal, Rollten hinab in des Todes Abgrund! O Liebste, sag' mir's, gab es denn eine Welt? Ein leerer Traum war's! Ach, und nur wir allein, Wir leben, wir nur lebten, träumten, Schufen im Traume die bunte Welt uns. Wozu auch wär' sie? Ist doch ein liebend Paar Schon ganz die Welt, löst ganz schon des höchsten Seins Geheimniß. Wenn wir Herz an Herz ruh'n, Ist er geschlossen, der Ring des Lebens! Sehnsucht Ich sehne mich nach goldnen Glückes Zielen, Nach süßem Munde, holderblühten Wangen; Von weichen Armen wär' ich gern umfangen, Und meine Lippen fänden gern Gespielen. Ich möchte nicht umsonst mit Blicken zielen Nach einem schönen Auge voll Verlangen: An einem zarten Halse möcht' ich hangen, Und fessellos in seid'ner Locke spielen! Wohl reizt mein sehnend Auge manch ein lichtes Gebild, das tausend Reize hold beleben; Doch ach! kein süßes Wort der Liebe spricht es. Es hält nicht Stand dem glüh'nden Liebesstreben: Der Zauber eines holden Angesichtes Berührt mich stets nur im Vorüberschweben! Lenzesgabe Mit seinem Füllhorn kam der Lenz gezogen, Und Lieblichstes ward links und rechts entsendet. Glanz ward dem See, dem Strome zugewendet, Und Klang den Vöglein, die da lustig flogen. Duft ward den Blumen, dran die Bienen sogen, Azur dem Himmel, Grün dem Hain gespendet: Und alsbald war die Fülle ganz verschwendet An Vögel, Bäume, Blumen, Lüfte, Wogen. Doch als der Lenz mich sah mit bleichen Wangen, Da sprach er, gleich als ob es ihn gereuet, Daß leer allein der Dichter ausgegangen: „Hingab ich, was die Einzelnen erfreuet, Doch dir nun schenk' ich dies gesammte Prangen, Dein Herz versammle, was ich rings zerstreuet!“ Im Spiegel Die Liebesrede war gemach verklungen, Wir ruhten Herz an Herz an trauter Stelle: Und schweigend aus des Selbstvergessens Quelle Trank ich, in Träume selig eingesungen! Da fiel mein Blick, dem Wonnetraum entrungen, Auf eines Spiegels blanke Silberwelle; Und drin erblickt' ich in krystall'ner Helle Mich selbst mit ihr, umschlingend und umschlungen! An mich geschmiegt sah ich die Blüthenflocken Des Busens, sah der Augen lichte Sonne, Und niederwogend ihre schwarzen Locken! So stand ich, ein Narciß, am Zauberbronnen Der Schönheit und bestaunte, süß erschrocken, Das sel'ge Wunder meiner Liebeswonnen! Flatternde Locken O knüpfe los die langen, goldnen Flechten, Und laß sie lieblich flatternd niederhangen! Viel süßer ist's mit wild umlockten Wangen Der Küsse holden Wettkampf auszufechten! Du zürnst? Wie magst du mit dem Freunde rechten Um eine Schleife, weichend aufgegangen? Des Haares Schleifen sind nicht Gürtelspangen; Und läßt die Locke nicht sich wieder flechten? O sieh, wie schön du bist — wie reizend fliegen Die Locken jetzt um deine Lilienglieder, Um sich zuletzt in deinen Schooß zu schmiegen! Die Liebesgötter nah'n im Glanzgefieder, Auf diesen goldnen Seilen sich zu wiegen, Und klettern lustig spielend auf und nieder! Erinnerung Ihr kurzen, flüchtigen Minuten, Wo heiter mir die Sonne schien, Schnell zogt ihr hin wie Stromesfluthen, Doch spurlos zogt ihr nicht dahin: Noch denk' ich jedes flücht'gen Glückes, Das dieses glüh'nde Herz gewann, Und jedes sel'gen Augenblickes, Den golden mir die Parze spann! Dankbar gedenk' ich jeder Stelle, Wo ich gehalten süße Rast, Und jeder leisen Murmelquelle, Daran ich trank als müder Gast, Und jeder Blume, draus in Düften Ein Gruß mir in die Seele drang, Und jedes Vögleins, das in Lüften Mir Trost und Lenzesfreude sang. Dankbar gedenk' ich jedes Mundes, Der traut und milde zu mir sprach, Und jedes lichten Augengrundes, Draus mir ein Strahl der Liebe brach: So lass' ich ewig in mir leben, Was mich mit holdem Reiz gegrüßt, Und still mich im Vorüberschweben Mit flücht'gem Liebeshauch geküßt. Von allem Sehnen, allem Lieben Blieb meiner Brust ein theurer Hort, Gleichwie ins tiefste Herz geschrieben Mit Flammenschrift ein Liebeswort. Und keine Zunge kann sie schildern, Die Zauberwelt, die mich umschwebt, Wenn von den tausend süßen Bildern Die stille Nacht den Schleier hebt. Da ziehn sie lockend mir vorüber, Berühren mich so mild und weich, Und meine Seele schwebt hinüber In der Erinn'rung Himmelreich: Da freu' ich still mich jedes Glückes, Das einst mein glühend Herz gewann, Und jedes sel'gen Augenblickes, Den golden mir die Parze spann. Die Rosenknospen Sie wollte traut mir eine Rose reichen, Doch blühte keine voll noch in den Hagen; Sie aber pflückte Knospen ohne Zagen Und gab sie mir als süßer Liebe Zeichen. Gebroch'ne Knospen, holde Blumenleichen, Welkt ihr so früh in goldnen Lenzestagen? Um süßer Liebe Botschaft anzusagen, Muß euer junges Roth so bald erbleichen? Und dennoch preis' ich euch als selig todte: Wohl habt ihr euch zur Krone nicht geründet, Und seid nicht aufgeglüht im Purpurrothe; Doch hat euch Todeswonne süß entzündet: Denn selig stirbt, wer als ein Liebesbote Gesendet ward und Himmlisches verkündet! Nähe der Nacht Herauf, du ewig milde, sanft strahlende Mutter Nacht! Was soll den gelben Zinnen die grelle Tagespracht? Stirb in der Welle des Westens, o Sonne, den Opfertod, Und schminke mir diese Ruinen mit deinem Blute, dem Abendroth! Aufs Sonnengrab, das nasse, das glüht wie strömend Gold, Feurig erglühend nieder, wie Goldlawinen, rollt, Ihr Wolken, ein feurig Denkmal; still um Land und Meer Schlingt, heil'ge Dämmerungen, den sterngestickten Schleier her! Wie mit hüpfenden Lichtern spielt wundersam die Nacht! Traumflüsternde Wellen plätschern um Marmorschwellen sacht; Schmeichelnde Lebenshauche, wer weiß von wannen, weh'n, Die mir so süß verlockend, so mild an Herz und Seele gehn! Das ist die Segensstunde, wo die Rosen blüh'n Der Dichtung, wo der Liebe Sterne golden glüh'n, Wo lauschend wohl die Sehnsucht verscholl'ne Klänge weckt, Und sich ums graue Leben ein Schein der alten Schöne legt! Wohlauf, es lockt zu wandern ins lispelnde Dunkel hinaus; Laß die Piazzetta hüten das wirbelnde Menschengebraus! Am Strande harrt die Gondel, da wiegt sich's hold und weich: Auf, Gondolier, und rudre mich in der Woge blankes Reich! Mir hatt' ein nächtlich Traumgesicht Aus „Schau um Dich und Schau in Dich“ I. Mir hatt' ein nächtlich Traumgesicht Ein ängstlich dunkles Lied gesungen, Ich bin im Morgendämmerlicht Erschreckt vom Lager aufgesprungen. Ich bin gerannt durch Feld und Wald, Von Todesschauern übergossen; Die Blumen waren naß und kalt, Und graue Nebelbilder flossen. Ich hab' des Berges Höh' erklimmt, Da ward mir leichter, ward mir freier; Und plötzlich, sieh — welch Wunder nimmt Von meinem Blick den dunklen Schleier? Wer hat der Blumen Weh gestillt, Auf die der Thau der Nacht gesunken? Wer hat von meinem Auge mild Die bittern Thränen weggetrunken? Wer bringt die Hoffnung mir zurück, Den freien Muth, den frommen Glauben Wer legt mir in den Arm das Glück, Als dürf' es keine Macht mir rauben? Wer schließt der Liebe Springquell auf? Er schießt empor mit süßen Schmerzen, Und niederrauschend geht sein Lauf In tausend schöne Menschenherzen? Das hat des Tages Königin, Das hat gethan der Strahl der Sonnen — Sie kommt, sie kommt, die Siegerin, Und alle Thränen find zerronnen! Stör' nicht den Traum der Kinder Aus „Schau um Dich und Schau in Dich“ II. Stör' nicht den Traum der Kinder, Wenn eine Lust sie herzt; Ihr Weh' schmerzt sie nicht minder, Als Dich das Deine schmerzt! Es trägt wohl mancher Alte, Deß Herz längst nicht mehr flammt, Im Antlitz eine Falte, Die aus der Kindheit stammt. Leicht welkt die Blum', eh's Abend, Weil achtlos du verwischt Den Tropfen Thau, der labend Am Morgen sie erfrischt. Die Raupe ringt, ein Bild der Mühe Aus „Schau um Dich und Schau in Dich“ III. Die Raupe ringt, ein Bild der Mühe, Von einem Blatt zum andern sich, Und wie ich jugendlich noch glühe, Mahnt sie an meine Zukunft mich. Du glücklich Thierchen, darfst dem Alter Den schweren Zoll im Voraus weih'n Und wiegst verjüngt, ein leichter Falter, Auf Blumen einst zum Tod dich ein. Wenn Zwei, die sich am nächsten stehn Aus „Schau um Dich und Schau in Dich“ IV. Wenn Zwei, die sich am nächsten stehn, Die Hand sich, scheidend, fassen, Sollst du vor ihrem Abschied gehn Und sie sich selber lassen. Das heil'ge bittre Trennungsleid, Wie könntest du es stören? Die letzte bange Seligkeit Soll ihnen ganz gehören! Was sie in Thränen, Wort und Blick Sich noch zu sagen eilen, Das spricht ihr eigenstes Geschick, Das kann kein Dritter theilen. Wenn auch nur Liebe voll und rein Dich zu verweilen triebe, Ach, du begehst doch Raub allein Am Heiligthum der Liebe. Lenztreiben ist der Jugend leichter Sinn Aus „Schau um Dich und Schau in Dich“ V. Lenztreiben ist der Jugend leichter Sinn, Er streut die Blumen ungezählt dahin: Da mag, wer Lust hat, sie am Wege finden Und, eh' sie welken, sie zum Strauße binden. Die Hand, die rasch vom Strauch die Rose brach, Hat's nicht geachtet, ob ein Dorn sie stach. Wohl seufzet, durch getrübte Gläser lugend, Das Alter oft: „Ach, Jugend hat nicht Tugend!“ Doch seufzend lächelt es und denkt dabei, Wie süß das Irren einst gewesen sei; Und lächelnd fühlt es noch des Lenzes Wehn In eigner Brust und freut sich, zu gestehn, Daß jeden durch des Lebens dunkle Wirren Zum Grab begleite ein geliebtes Irren, Und daß nicht höh're Weisheit zu erringen, Als rastlos sich durch Liebe zu verjüngen. Ich ging allein durch ernste Waldesnacht Aus „Schau um Dich und Schau in Dich“ VI. Ich ging allein durch ernste Waldesnacht — Der Donner hatte längst von fern gegrollt — Als sich ein Sturm erhob mit wilder Macht, Wie wenn er alle Eichen stürzen wollt'. Wie wühlt' er brausend durch ihr grünes Haar, Wie sucht' er gierig ihres Lebens Mark! Doch ihre Stämme trotzten der Gefahr, Und standen unerschüttert still und stark. Und als das Wetter schwieg — mit leisem Schall Noch mancher Tropfen von den Blättern rann — Da stimmten wie zuvor die Vöglein all' Froh wieder ihre alten Lieder an. Ich lauscht' entzückt dem jubelnden Gesang, Ich sog erquickt den süßen Waldduft ein, Der mir in vollem Strom entgegendrang, Und leise sprach ich in mich selbst hinein: Nimmer vergiß, was hier dein Herz erfuhr, Und wenn ein Sturm dich überwält'gen will, So denk' der heil'gen Stimme der Natur, Die mahnend zu dir sprach: „Sei stark und still!“ Dann bleiben, was dir Schlimmes auch geschieht, Stets reingestimmt die Saiten deiner Brust, Und auch nach trüben Zeiten wird dein Lied Nicht ärmer sein an froher Sängerlust. Vertraue dich dem Licht der Sterne Aus „Schau um Dich und Schau in Dich“ VII. Vertraue dich dem Licht der Sterne, Beschleicht dein Herz ein bittres Weh, Sie sind dir nah in weiter Ferne, Wenn Menschen fern in nächster Näh' Und hast du Thränen noch, so weine, O weine satt dich ungesehn, Doch vor dem Aug' der Menschen scheine, Als wär' dir nie kein Leid geschehn. Verdammt die Welt dich in Verblendung, So such' auf stillem Waldespfad Dir neuen Muth für deine Sendung, Für starke Treu' und freie That; Um vor dir selber zu bestehen, Trägst du den Sieger in der Brust, Doch nicht die Menschen laß es sehen, Wie schweren Kampf du kämpfen mußt. Ist dir ein schönes Werk gelungen, So sei's zu neuem dir ein Ruf, Hast du ein treues Herz errungen, So denke, daß es Gott dir schuf; Wenn deine süß entzückte Seele Ganz voll von heil'ger Freude ist, O, nicht den Neid den Menschen wähle Zum Zeugen, daß du glücklich bist! Verachte kühn der Selbstsucht Streben, Wie oft sie dir Verfolgung schwur; Vor keinem Throne steh' mit Beben, Furcht hegt ein bös Gewissen nur. Demüthig wirf in nächt'ger Stille Vor deinem Gott dich auf das Knie Und bete: „Es gescheh' dein Wille!“ Doch vor den Menschen beug' dich nie. Und wenn dir Gottes Rathschluß sendet Der schwersten Prüfung höchste Pein, Dann hast du's, ganz ihm zugewendet, Mit ihm zu thun und dir allein; Davon laß nicht die Lippe sprechen, Ob dir das Herz auch brechen will, Laß es in tausend Stücke brechen, Doch vor den Menschen schweige still! Willst Gutes du und Schönes schaffen Aus „Fester Grund“ I. Willst Gutes du und Schönes schaffen, Das lebensvoll das Leben mehre, Muß du dich ernst zusammenraffen Und darfst nicht scheu'n der Arbeit Schwere. Da hilft kein Schwärmen blos und Hoffen, Kein Traum von künftiger Entfaltung; Nein, ringen mußt du mit den Stoffen Und stark sie zwingen zur Gestaltung. Es ist ein tiefer Segen Aus „Fester Grund“ II. Es ist ein tiefer Segen, Der aus dem Wort dir spricht: „Erfülle allerwegen Getreulich deine Pflicht!“ Das nehme wahr dein Wille, Wie gleichen Pendelschlag, Der nur erst, schweigt er stille, Die Ruh' dir stören mag. Welch Ziel du magst erstreben, Sei's nah, sei's hoch und fern — Weiht nicht die Pflicht dein Leben, So fehlt dein guter Stern: Der Stern, der wunderhelle, Mit reinem Himmelslicht, Von seiner ew'gen Quelle Dir zum Gewissen spricht. Das Glück mag bilden, ründen, Erhöh'n und Schmuck verleih'n, Doch muß, um fest zu gründen , Die Pflicht geschäftig sein. Du freust dich am Gestalten, Und nennst mit Stolz, was dein, Doch wahren und erhalten, Das kann die Pflicht allein. Wie sie mit freud'gem Sorgen Ihr Tagwerk gestern that, So thut sie's heut' und morgen Und nimmt von sich nur Rath. Der Lüg' und allem Schlechten Geht sie bedacht vorbei; Schritt hält sie mit dem Rechten, Und dienend ist sie frei. O halte sie in Ehren, Die fromme Schaffnerin; Sie bürgt noch im Entbehren Dir köstlichen Gewinn, Und rettet dir aus trüber Bedrängniß dieser Welt, Was übers Grab hinüber Dir Wort und Treue hält. Heilig ist der Schlaf Siehst du den Schlaf auf einem Augenlide, O stör' ihn nicht, denn heilig ist der Friede, Mit dem er eine Menschenbrust begnadet! O stör' ihn nicht, wenn deinen Feind er auch Umweht mit seinem sanften Balsamhauch, In des Vergessens Wunderquelle badet! Achtsamen Herzens hemme deine Schritte! Verscheuch' mich nicht! Mit dieser frommen Bitte, Spricht jeder Athemzug des Schlafs dich an; Leis auf den Zehen schleich' an ihm vorüber, Und wünsch' ihm, daß kein Traum, kein banger, trüber, Sich neidisch möge seinem Frieden nah'n. Bei jedem Schlafe hält ein Engel Wacht, Der legt den Finger auf die Lippen sacht Und winket schweigend dir: Sei stille! zu; Auch selbst bei dem entschlaf'nen Missethäter Wacht er, ein ernst versöhnungsvoller Beter Um Frieden für die Seele ohne Ruh'. Ja heilig ist der Schlaf, wie die Natur, Wie das geheime Wachsthum auf der Flur, Das leise webt im Blatt und in der Blüthe; So ist auch er ein still geheimes Weben, Und keine Waff' ist ihm zum Schutz gegeben, Hegst du vor ihm nicht Ehrfurcht im Gemüthe! O Herr, mein Gott, die ganze Welt Aus dem „Osmanischen Liederbuch“ I. O Herr, mein Gott, die ganze Welt Ist deiner Allmacht Spiegel Von Ewigkeit! Die Erden sind Staub deines Weges, auf dem du wallest; Die Meere wogen Von deines Odems Hauch; Die Himmel tanzen dir wie Laub der Bäume. Vor dir sind gleich Die Sonnen und die kleinsten Sonnenstäubchen, Die Oceane und die Tröpfchen Thau. Die Engel und Menschen beten vor dir an, Und alle, alle suchen dich; Auch wenn sie dich verneinen, Suchen sie dich, o Herr mein Gott, den Einen! Weißt du, warum, du reizendes Wesen Aus dem „Osmanischen Liederbuch“ I. Weißt du, warum, du reizendes Wesen, Sich meine Brauen krümmen in Bogen? Weil sie im Buche der Schönheit lesen, In tiefe Betrachtung zusammengezogen. Auf deinen Wangen, den Rosenblättern, In deiner Augen schwarzen Sternen Kann ich aus wunderbaren Lettern Das Unaussprechliche deuten lernen. Als gestern die Nachtigall Aus dem „Osmanischen Liederbuch“ I. Als gestern die Nachtigall Mein Lied gesungen, Da hat der süße Schall Die Rosenknospen all' Im Hain bezwungen. Sie kamen schnell hervor Aus ihrer Hülle Und lauschten mit leisem Ohr, Und blühten sacht empor In duft'ger Fülle. Mein Herz, von Liebe wund, War im Gesange; Er that's dem Frühling kund, Nach welchem Purpurmund Der Sänger bange. Nach Asiens himmlischen Gewässern Aus dem „Osmanischen Liederbuch“ I. Nach Asiens himmlischen Gewässern Trägt mich hinüber mein leichter Kahn; An Asiens himmlischen Gewässern Darf ich ihr ohne Späher nah'n. Wie nach der Wiege des Glücklichgebornen Segnende Sterne schau'n in der Nacht, So schaut nach der Barke des Erkornen Jetzt ihrer Augen Sternenpracht. Noch ist umwölkt das Gestirn von Segen, Allein mein Kommen entschleiert es leicht; Glanzvoll lacht mir der Himmel entgegen, Wenn die Geliebte die Hand mir reicht. Matraki! flüstert sie, Fremdling aus Norden, Matraki! haucht's von den Bäumen herab; O, wie so schnell vertraut geworden Ist mir der Name, den sie mir gab! Ein Garten zur Blüthenzeit beim Sternenlicht Aus dem „Osmanischen Liederbuch“ I. Ein Garten zur Blüthenzeit beim Sternenlicht Ist, süßes Mädchen, dein holdes Angesicht. Dein schwarzes Lockenhaar in ernster Pracht, Erfüllt von Wohlgerüchen, ist die Nacht. Und in der Nacht zwei leuchtende Wundersterne, Schöner als alle Gestirne der Himmelsferne. Wie die Terrasse schimmert im Mondesscheine, So schimmert die Stirn dir, die sanft umschattete, reine. Platanen neigen sich gegeneinander in Bogen: Sie sahen die Linien deiner Brau'n gezogen. In ihrem Schatten erhebet stolz und mild Sich eines Hügels schön geformtes Bild. Dem frischerblühten osengebeg am Teich, Wo Schwäne ruh'n, sind deine Wangen gleich. Wie zwischen Granatgluth schimmert der springende Quell, So blinkt es von Perlen, wenn du lächelst, hell. Doch süßer, als Paradiesesblüthenduft, Würzt deines Purpurmundes Hauch die Luft. Und wo das lieblichste Plätzchen im Garten sei Für glücklich verschwiegene Liebeständelei? O, könnt' ich berühren nur einmal dein schelmisches Kinn Und, Mädchen, dir sagen, wie heiß ich von Liebe bin! Als du plötzlich aus dem Dunkel Aus dem „Osmanischen Liederbuch“ I. Als du plötzlich aus dem Dunkel Der Cypressen tratest, däuchten Wie ein spielend Blitzgefunkel Deine Augen mir zu leuchten. Zwischen Todtenmälern, düstern, Scheinst du Genius des Lebens; Jede Inschrift hör' ich flüstern Von der Anmuth deines Schwebens. Brauenbogen, lasset fliegen Eure Pfeil' in diesen Räumen, Daß die Schläfer, die hier liegen, In das Paradies sich träumen. In deines Auges dunkler Macht Aus dem „Osmanischen Liederbuch“ II. In deines Auges dunkler Macht, In deines Auges Sonnenpracht, Geliebt', ist Tag zugleich und Nacht. Kein Wunder, holde Zauberin, Daß mir verwirrt sind Seel' und Sinn, Seit ich in dir nur leb' und bin. Zugleich erschreckt, zugleich entzückt, Zugleich gequält, zugleich beglückt, Bin ich der Welt und mir entrückt. Ich bin nicht todt und lebe nicht, Dich schauend, ach, mein Auge bricht, Und Eins ist Finsterniß und Licht. Komm, sei mein Freund, komm, sei mein Schutz! Aus dem „Osmanischen Liederbuch“ III. Komm, sei mein Freund, komm, sei mein Schutz! Entfernt vom Weltgetriebe, Biet' ich dem finstern Schicksal Trutz; Mein Becher sei mein schönster Putz, Drin lösch' ich meine Liebe. Mein Haus soll deine Schenke sein; O Mundschenk, sei behende! Mein Lebensquell ist nun der Wein, Mein Weisheitsspruch: „Schenk' ein, schenk' ein!“ Den ruf' ich, bis ich ende. Den ruf' ich nun, so oft ich mag, Und will mich deß nicht schämen. Hei, mit des Rausches Peitschenschlag Soll Dschelili von Tag zu Tag Das Roß des Schicksals zähmen. Kalt ist's nun, Kinder Aus dem „Osmanischen Liederbuch“ III. Kalt ist's nun, Kinder, Auf, laßt uns denn beim vollen Becher schwärmen! Das wird nicht minder Als Zobel uns und Hermelin erwärmen. Sterngucker, trüber, Komm, himmlische Erleuchtung dir zu schlucken, Zu uns herüber! Das Weinglas ist das beste Glas zum Gucken! Ach, wer weiß, wie bald es aus ist Aus dem „Osmanischen Liederbuch“ III. Ach, wer weiß, wie bald es aus ist Mit der Lust an frohen Scherzen! Tief herabgebrannte Kerzen Deuten, daß nicht jung der Schmaus ist. So auch sinkt das Licht im Herzen, Bis es drinnen dunkler Graus ist, Und es kommt der Schwarm der Schmerzen, Der kein Freund von Saus und Braus ist, Jede Freude auszumerzen, Bis es still wie eine Maus ist. Doch noch wie von blanken Erzen Festgefügt dies Leibesbaus ist, Und noch soll kein Rost mir schwärzen Diese Brust, die starken Bau's ist! Mag, wer will, den niederwärtsen Weg gehn, der voll gift'gen Thau's ist: Ich bleib', alte Lust im Herzen, Obenauf, bis alles aus ist, Und es nach den ird'schen Scherzen Zeit zum frommen Himmelsschmaus ist. Die Rosen reden mir von ros'gen Wangen Aus dem „Osmanischen Liederbuch“ III. Die Rosen reden mir von ros'gen Wangen — nicht mehr, Die Hyacinthen mir von Lockenschlangen — nicht mehr. Wie ehemals singt die Nachtigall im Hain, Doch nimmt ihr Lied die Seele mir gefangen — nicht mehr. Nicht mehr berückt mich schmeichelnd leerer Schein, Doch trägt mein Herz nach süßem Spiel Verlangen — nicht mehr. Oft brachte mir geliebte Thorheit Pein, Nun schweb' ich sehnend zwischen Lust und Bangen — nicht mehr! Aufs neue kehrt der Frühling wieder ein, Doch meine Jugend kommt zurückgegangen — nicht mehr. Rauh spricht mein Herbst zu mir: „Nun bleib' allein, Zeit ist's nach treuer Freundeshand zu langen — nicht mehr!“ Und kann's und soll's einmal nicht anders sein, Will ich den Kopf trübselig lassen hangen — nicht mehr; „Entbehren sollst du“, spricht zu mir der Wein , „Lenz, Lieb' und Lust, Genuß und Jugendprangen — nicht mehr!“ Es sprachen zu mir der Gram und Schmerz Aus dem „Osmanischen Liederbuch“ IV. Es sprachen zu mir der Gram und Schmerz: Wir wollen bei dir bleiben; Du hast uns eben das rechte Herz, Das uns nicht wird vertreiben. Du holst vom Weltmarkt uns zum Dank Tagtäglich unsre Nahrung, Und willig credenzest du uns den Trank Vom Wermuth deiner Erfahrung. Kommt auch die Freud' einmal zu dir, Was ganz nicht zu vermeiden, Sie hat nicht Muße, das Quartier Zu theilen mit uns beiden. Geh aus dem Haus, wir gehen mit, Wohin du willst, ins Weite; Wir halten mit dir gesellig Schritt An deines Herzens Seite. Auf deinem Lager in der Nacht Wir schlummern leise, leise; Du rührst dich kaum, wir sind erwacht Und summen dir unsre Weise. Wir halten an dir bei Ja und Nein In Treuen, du Getreuer, Und wärmen uns jahraus, jahrein An deines Herdes Feuer. Sultan Frühling ist wieder erschienen Aus dem „Osmanischen Liederbuch“ V. Sultan Frühling ist wieder erschienen, Laß uns ihn feiern, den Herrn der Welt; Über die Fluren spannt er als Zelt Lauben von Rosen und von Jasminen. Plaudre, Geliebte, erzähl' und kose, Sage dem Hain, was dich lieblich bewegt; Siehe, so oft sich dein Mündchen regt, Bricht aus der Knospe die schönste Rose. Die feuerträcht'gen Knospen sind Aus dem „Osmanischen Liederbuch“ V. Die feuerträcht'gen Knospen sind Entbunden von Funken, von losen, Da hat der Sonnenaufgangswind Entzündet die Fackeln der Rosen. In allen Adern des Frühlings schwillt Das Blut, das neuerglühte; Aus jedem Tropfen, der überquillt, Wird eine duftige Blüthe. Nun schmachtet unter des Feuerfürsten Aus dem „Osmanischen Liederbuch“ V. Nun schmachtet unter des Feuerfürsten Gluthregiment die Welt; Die Menschheit ist ein großes Dürsten, Der Himmel ein brennend Zelt. Wär' von des Schenken dunklen Haaren Beschattet nicht der Pocal, Schon wäre der Wein herausgefahren Als feuriger Blitzesstrahl. Lern' von der Muschel, Sohn, den Mund nur selten rühren Aus dem „Osmanischen Liederbuch“ VI. Lern' von der Muschel, Sohn, den Mund nur selten rühren, Dann wirst du Perlen auch, gleich ihr, im Munde führen. Die Nadel hat ein Aug', und doch mag sie nur stechen Aus dem „Osmanischen Liederbuch“ VI. Die Nadel hat ein Aug', und doch mag sie nur stechen; Ahm' ihr nicht nach, wenn du an Freunden siehst Gebrechen. Dem Dorn sei Dorn; bist du ihm Rose, wird er sagen Aus dem „Osmanischen Liederbuch“ VI. Dem Dorn sei Dorn; bist du ihm Rose, wird er sagen: „Ich wußt' es im voraus, ich würde Rosen tragen!“ Ameischen hat nicht Zeit, den Kopf emporzuheben Aus dem „Osmanischen Liederbuch“ VI. Ameischen hat nicht Zeit, den Kopf emporzuheben; In Demuth hat sie viel zu schaffen und zu streben. Wenn dich zum hohen Baum erhöht das Schicksal hat Aus dem „Osmanischen Liederbuch“ VI. Wenn dich zum hohen Baum erhöht das Schicksal hat, Sei offen deine Hand, gleichwie des Ahorns Blatt. Flüstr' ein Geheimniß nur den besten Freunden zu Aus dem „Osmanischen Liederbuch“ VI. Flüstr' ein Geheimniß nur den besten Freunden zu, Und stets bleib' eingedenk: dein bester Freund — bist du! Was ist, hat seinen Grund, und jeder Grund den seinen Aus dem „Osmanischen Liederbuch“ VI. Was ist, hat seinen Grund, und jeder Grund den seinen, Und aller Gründe Grund ist Einer in dem Einen. Das Haus im Walde Ich kam vorbei auf nächtlichen Wegen An einem Haus still abgelegen. Es liegt im brütenden Wald versteckt, Von Epheu und hundert Kräutern bedeckt. Hier wohnen die sel'gen Erinnerungen, Die traurig aus meinem Liede geklungen. Hier hat in blühender Jugendzeit Mein Glück gewohnt, mein Glück und Leid. Das Leid ist verblichen, das Glück verdorben, Die grünende Hütte ist ausgestorben. So öd' ist's hier — die Föhre saust, Wer weiß, wer jetzt in der Hütte haust. Ich möchte gern um Einlaß flehen Und fürchte, fremde Gesichter zu sehen. Nicht Trug befürcht' ich oder Verrath, Wo einmal die Liebe gewohnet hat. Ich bette mich hin auf die moosige Schwelle, Auf zieht des Mondes liebliche Helle, Und wo ich einst die Nächte verbracht, Hier will ich verträumen auch diese Nacht. Ich schließe die Augen — die glücklichen Stunden Zieh'n stille vorüber und zeigen die Wunden, Die blutenden Wunden auf ihrer Brust — Ich selber schlug sie und hab's nicht gewußt. Doch vom Himmel hernieder ruft es und tönet: O schlaf' in Frieden, wir sind versöhnet! Ihr Blick Ich kenn' ein Aug' und einen Blick, Die sind so lieb und hold und gut; Wie dankbar segn' ich mein Geschick, Daß solch ein Blick Manchmal in Gnaden auf mir ruht! O wüßte sie, wie wohl er thut, Wie er zerstreuet jedes Leid, Wie er mir höhet Herz und Muth, Sie ist so gut, Sie säh' mich an zu jeder Zeit! Er tauchet nicht in Trunkenheit, Wie alter oder neuer Wein, Er giebt so stille Freudigkeit, Wie Maienzeit, Wie Blumenduft, wie Sonnenschein. Und Alles scheint ein Wahn zu sein, Was bis zur Stunde Unglück hieß; Du blickst in dieses Aug' hinein, Und kehrest ein In dein verlor'nes Paradies. O daß mein Leben, holder Blick, Hinflösse stets in deiner Hut! Doch dankbar segn' ich mein Geschick, Daß solch ein Blick Manchmal in Gnaden auf mir ruht! Seit sie gestorben Seit sie gestorben, ist mir Eins gewiß: Daß es ein Ewiges muß geben; Denn über meines Herzens Riß Fühl' ich ein ew'ges Leben schweben, Seit sie gestorben. Seit sie gestorben, bin ich stolz und kühn: Ich weiß es nun, was Herzen tragen; Was sind mir fürder alle Müh'n? Was giebt es ferner noch zu wagen, Seit sie gestorben? Seit sie gestorben, lebt im Herzen mir Ein Bild der heiligsten Verklärung, Bin ich ein Baum, der für und für Die Heil'ge schützet vor Zerstörung, Seit sie gestorben. Seit sie gestorben, ist ein fester Wall Der Einsamkeit um mich gezogen; Vergebens ist der Überfall Der Freuden, die mich rings umwogen, Seit sie gestorben. Seit sie gestorben, hat die tiefste Ruh' Sich heimisch in mein Herz gesenket, Die Seele schließt die Augen zu Und ahnt und träumt mehr, als sie denket, Seit sie gestorben. Herbstbild Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah! Die Luft ist still, als athmete man kaum, Und dennoch fallen raschelnd fern und nah Die schönsten Früchte ab von jedem Baum. O stört sie nicht, die Feier der Natur! Dies ist die Lese, die sie selber hält, Denn heute löst sich von den Zweigen nur, Was vor dem milden Strahl der Sonne fällt. Das Kind am Brunnen Frau Amme, Frau Amme, das Kind ist erwacht! Doch die liegt ruhig im Schlafe. Die Vöglein zwitschern, die Sonne lacht, Am Hügel weiden die Schafe. Frau Amme, Frau Amme, das Kind steht auf, Es wagt sich weiter und weiter! Hinab zum Brunnen nimmt es den Lauf, Da stehen Blumen und Kräuter. Frau Amme, Frau Amme, der Brunnen ist tief! Sie schläft, als läge sie drinnen! Das Kind läuft schnell, wie es nie noch lief, Die Blumen locken's von hinnen. Nun steht es am Brunnen, nun ist es am Ziel, Und pflückt es die Blumen sich munter, Doch bald ermüdet das reizende Spiel, Dann schaut's in die Tiefe hinunter. Und nun erblickt es ein holdes Gesicht, Mit Augen, so hell und so süße. Es ist sein eignes, das weiß es noch nicht; Viel stumme, freundliche Grüße Das Kindlein winkt, der Schatten geschwind Winkt aus der Tiefe ihm wieder. Herauf, herauf! so meint's das Kind: Der Schatten: Hernieder! hernieder! Schon beugt es sich über den Brunnenrand, — Frau Amme, du schläfst noch immer! Da fallen die Blumen ihm aus der Hand Und trüben den lockenden Schimmer. Verschwunden ist sie, die süße Gestalt, Verschluckt von der hüpfenden Welle, Das Kind durchschauert's fremd und kalt, Und schnell enteilt es der Stelle. An den Tragiker Packe den Menschen, Tragöde, in jener erhabenen Stunde, Wo ihn die Erde entläßt, weil er den Sternen verfällt, Wo das Gesetz, das ihn selbst erhält, nach gewaltigem Kampfe Endlich dem höheren weicht, welches die Welten regiert; Aber ergreife den Punkt, wo beide noch streiten und hadern, Daß er dem Schmetterling gleicht, wie er der Puppe entschwebt. Das Idol der Ursprünglichen Bileam's Esel, du Muster naiv-ursprünglicher Dichter! Während der Herr aus dir sprach, sahst du nach Disteln dich um. Marktruf Tummelt Euch, Freunde, und bringt Euch im Leben zur Geltung! Dem Todten Reicht zwar das Volk noch den Kranz, aber der Fürst nicht den Stern. Der Erfolg Wie der Erfolg, so der Werth? Die Sibyllinischen Bücher Waren in Rom wohl gesucht, wie ein Pasquill auf August! Motto Das Glück ist eine leichte Dirne, Und weilt nicht gern am selben Ort; Sie streicht das Haar dir von der Stirne Und küßt dich rasch und flattert fort. Frau Unglück hat im Gegentheile Dich liebefest ans Herz gedrückt; Sie sagt, sie habe keine Eile, Setzt sich zu dir ans Bett und strickt. Böses Geträume Im Traume war ich wieder jung und munter — Es war das Landhaus hoch am Burgesrand, Wettlaufend lief ich dort den Pfad hinunter, Wettlaufend mit Ottilien Hand in Hand. Wie das Persönchen fein formirt! die süßen Meergrünen Augen zwinkern eigenhaft. Sie steht so fest auf ihren kleinen Füßen, Ein Bild von Zierlichkeit vereint mit Kraft. Der Ton der Stimme ist so treu und innig, Man glaubt zu schau'n bis in der Seele Grund, Und Alles, was sie spricht, ist klug und sinnig, Wie eine Rosenknospe ist ihr Mund. Es ist nicht Liebesweh, was mich beschleichet, Ich schwärme nicht, ich bleibe bei Verstand — Doch wunderbar ihr Wesen mich erweichet Und heimlich bebend küss' ich ihre Hand. Ich glaub' am Ende brach ich eine Lilie, Die gab ich ihr und sprach ganz laut dabei: Heirathe mich und sei mein Weib, Ottilie, Damit ich fromm wie du und glücklich sei. Was sie zur Antwort gab, ich weiß es nimmer, Denn ich erwachte jählings — und ich war Wieder ein Kranker, der im Krankenzimmer Trostlos darniederliegt seit manchem Jahr. Altes Lied Du bist gestorben, und weißt es nicht, Erloschen ist dein Augenlicht, Erblichen ist dein rothes Mündchen, Und du bist todt, mein todtes Kindchen. In einer schaurigen Sommernacht Hab' ich dich selber zu Grabe gebracht; Klaglieder die Nachtigallen sangen, Die Sterne sind mit zur Leiche gegangen. Der Zug, der zog den Wald vorbei, Dort wiederholt die Litanei; Die Tannen in Trauermänteln vermummet, Sie haben Todtengebete gebrummet. Am Weidensee vorüber ging's, Die Elfen tanzten inmitten des Rings, Sie blieben plötzlich stehn und schienen Uns anzuschau'n mit Beileidsmienen. Und als wir kamen zu deinem Grab, Da stieg der Mond vom Himmel herab, Er hielt eine Rede. Ein Schluchzen und Stöhnen, Und in der Ferne die Glocken tönen. Autodafé Welke Veilchen, stäub'ge Locken, Ein verblichen blaues Band, Halbzerrissene Billette, Längst vergeßnen Herzenstand, In die Flammen des Kamines Werf' ich sie verdroßnen Blicks, Ängstlich knistern diese Trümmer Meines Glücks und Mißgeschicks. Liebesschwüre, flatterhafte, Falsche Eide, in den Schlot Fliegen sie hinauf — es kichert Unsichtbar der kleine Gott. Bei den Flammen des Kamines Sitz' ich träumend und ich seh', Wie die Fünkchen in der Asche, Still verglühn — Gut Nacht — Ade! Brief aufs Land Aus der dampfenden Stadt entfloh mein Täubchen mir gestern, Hat sich dem grünenden Schutz lachender Fluren vertraut. Und ich spähe vom Berg mit vorgehaltenen Händen, Aber in Duft und Schein schwimmet das ferne Gefild. Amor auch entschlüpfte aufs Land, ich mein' ihn zu sehen, Wie er mit trippelndem Schritt hinter dem Pfluge sich müht; Lieder des Landmanns singt er und ungelehrige Weisen Bläst sein schelmischer Mund hell in die Flöte hinein. Und wo weilest nun du, mein Liebchen, im fernen Gelände, Während des Tages Gluth leise am Himmel verglimmt? Gingst du hinaus mit den Mädchen, zu sammeln das Obst auf der Wiese, Das dem belasteten Baum freudigen Sprunges entfällt? Drüben vom Waldessaum zieht sachte die Heerde herüber, Und der Pflüger entschirrt singend das müde Gespann. Oder kehrest du heim vom Berg durch säuselnde Waldung Mit der freundlichen Last saftiger Beeren im Korb? Droben vom Abhang blicket ein Reh neugierig herunter, Während güldener Glanz scheidend die Wipfel berührt. Oder weilst du am Quell unfern dem dämmernden Garten? Eben kehret vom Trog munter das scheckige Rind. Unter die Röhre stellst du den Krug, die Blumen zu tränken, Die dir am Fensterlein dort neben dem Bettchen erblühn, Längst schon überstrudelt der Krug, du sitzest am Raine, Blickest mit träumendem Aug' in den verrinnenden Bach. Wüßt' ich doch, wessen du denkst! Und käm' ich, ein staubiger Wandrer, Unter dem Mantel versteckt, leise die Straße herauf! Neben dir setzt' ich mich nieder und spräche: Mädchen, mich dürstet! Und vom heimlichen Traum führ'st du erschrocken empor. Warte nur, schelmisches Kind! Der Weg ist mir lange zu weit nicht, Und in strengere Haft führ' ich den Flüchtling zurück. Nein, ich störe dich nicht! Doch kehrst du mir wieder, so sollst du Meinem sehnenden Leid reichliche Buße ersteh'n. Die Verlassene Ob er in der Welt so weit Noch manchmal mein gedenkt, Wenn ihn in Liebesseligkeit Sein holdes Weib umfängt? Wenn sie ihm nach des Tages Drang Sein Kind entgegenhält, Umweht ihn nicht ein sanfter Klang Aus ferner Blumenwelt? O könnt' ich leicht, wie Wolkenschaum, Durch seinen Schlummer weh'n, Und wie ein alter schöner Traum Ins liebe Herz ihm gehn! Ich wollt' ihm, wie ein Engel, leis Weghauchen Reu und Schmerz — Und eine Thräne still und heiß Hinweinen auf sein Herz. Dichterloos O kennst du jenes stille Leiden, Das deines Dichters Wange bleicht? Ihm hat Apoll die gold'nen Saiten, Doch seinen Nectar nicht gereicht. Wie schwach will sich's zur Form gestalten, Was mir im Busen zehrend schafft! Des Geistes flammende Gewalten Versengen meines Lebens Kraft. Von allen Freuden soll ich sagen, Und künden soll ich allen Schmerz; Ach, Lust und Leid der Welt zu tragen, Vermag nur des Kroniden Herz. Wohl rührt in sel'gen Weihestunden Mein Haupt ein himmelslichter Glanz; So senkt sich auf den Todeswunden Des Sieges heiß ersehnter Kranz. Der Sänger strömt in seine Lieder Sein Herzensblut melodisch aus, Und siegesfreudig zieht ihn nieder Aidoneus in sein klanglos Haus! Der verpflanzte Baum Jener Halde Heimlichkeit Hab' ich nicht vergessen, Wo wir einst in alter Zeit Abends oft gesessen, Haupt an Haupt in sel'gem Traum, Frieden im Gemüthe, Über uns ein Apfelbaum Stand in erster Blüthe. Als ich drauf in Herzenspein Schied von meinem Kinde, Ritzt' ich unsre Namen fein In die zarte Rinde. Breite froh dem Himmel zu Deine Knospentriebe, Junger Baum, so frisch wie Du Grünet unsre Liebe! Heute nah dem trauten Ort, Ging ich voll Erwarten, Doch der Baum ist lange fort, Blüht in fremdem Garten! Unbekannt verwächst daran Unser Liebeszeichen — Schöner Baum, du wirst fortan Unsrem Glücke gleichen. Denn ein Ort ist uns bereit Irgendwo auf Erden, Wo wir nach so vielem Leid Sollen glücklich werden, Wo sich unsre Wege dicht, Ewiglich verbinden — Doch, Herzlieb, wir wissen nicht, Wo der Ort zu finden. Am Sarge eines jungen Mädchens Myrtenlaub im goldnen Haare, Unter Lilien kühl und mild, Liegst du lächelnd auf der Bahre, Stummes, engelkeusches Bild! Nie hat eines Jünglings Kosen Diesen zarten Mund berührt, Selbst der Tod hat seine Rosen Nur in scheuem Kuß entführt. Ach, dein Leben floß in Frieden, Ohne Leid und ohne Haß — Leis' bist du hinweggeschieden, Wenig Augen werden naß. Und wie dieser Glocke Schwingen, Das zum frühen Grab dich ruft, Wird dein Name bald verklingen Spurlos in des Himmels Luft. Deines reinen Leibes Bette Zeichnet kein Gedächtnißstein, Gras umwallt die öde Stätte Und die Winde säuseln drein. Ach, das Holde, fern dem Ruhme Stirbt wie Frühlingsmorgenroth, Und des Lebens zart'ste Blume Blühet stille in den Tod. Liedesgruß Es dehnt in weiter Runde Der Abendnebel sich; Dies ist die holde Stunde, In der ich zu ihr schlich. Die Fenster wurden helle, Es dunkelte der Platz, Da lauschte auf der Schwelle Mein allerliebster Schatz. Durch froher Menschen Menge Die Gassen aus und ein — Wir waren im Gedränge Doch erst so recht allein. Du schrittest ohne Bangen Geschmiegt an meinen Arm, Der Schnee kühlt' uns die Wangen, Die Herzen blieben warm. Und eh' wir uns besannen, Wir waren vor dem Thor, Da stieg aus Bergestannen Der volle Mond empor, Und Aug' in Aug' versunken Und Herz am Herzen dicht, So küßt' ich wonnetrunken Dein klares Angesicht. Nach deinem lieben Munde, Wie sehn' ich mich von hier! Es schlägt die liebe Stunde — O wär' ich doch bei dir! Nun sitzt mit müden Sinnen Mein Kind in Einsamkeit, Die Nadel stockt im Linnen, So traurig fließt die Zeit. O könnt' ich Zauber weben, Wie schnell wär' ich dir nah! Dein Köpflein wollt' ich heben Und sagen: Ich bin da. Dies Lied nur kann ich singen Als Gruß und Trost für dich; Du hörst im Ohr ein Klingen Und sprichst: Er denkt an mich. Harre aus Harr' aus, mein Herz, wenn auch der Gram Ins Leben dich getroffen, Wenn auch entweiht in Grimm und Scham Dein jugendliches Hoffen. Führt auch dein Pfad aus Wald und Feld Hinaus auf öde Haide — Im Glücke trotztest du der Welt, Nun trotz' ihr auch im Leide. Nie hast du zag' ein Glück versäumt, So folgt dir keine Reue: Drum nicht von alter Zeit geträumt, Schau vorwärts in die neue: Lenzblumen brachst du sonder Müh'n, Und die gebroch'nen starben! Der Lenz ist hin, die Tage glüh'n; Nun denk' an deine Garben. Und will auch dein gekühltes Blut Kein künftig Heil mehr glauben, Laß dir den todeskühnen Muth, Den freien Trotz nicht rauben! Bleib' selbst dir treu, bleib' dein bewußt Im Jammern und im Zorne, Und falle, wenn du fallen mußt, Als Held, die Wunden vorne! Herbsthimmel Du herbstlich frisches Himmelsblau, Wie weckst du mich zu ernstem Sinnen, Wenn sich durch die entlaubte Au Die bleichen Silbernebel spinnen! Auf Höh'n und Fluren siehest du All deine bunten Freuden sterben, Du aber strahlst in stolzer Ruh' Hoch über Wechsel und Verderben. Noch sitz' ich an des Lebens Schmaus, Ein durstig ungestillter Zecher, Und strecke kühn die Hände aus Nach jedem vollen Freudenbecher. Doch gieb mir, heil'ges Himmelslicht, Nach meines Glückes Blüthentagen Solch kühlen Glanz aufs Angesicht, Ins Herz solch heiteres Entsagen! Wir wissen, was wir wollen Mag weh'n der Sturm, der Donner rollen, Wir wissen, was wir wollen. Wir wollen Jeden anerkennen, Der frei sich regt in seiner Kraft; Wir wollen Jeden Meister nennen, Der uns beweist die Meisterschaft; Wir wollen keinen Preis verhöhnen, Den wahre Tugend je gewann; Wir wollen aber Keinem fröhnen, Der sich nur eitel brüsten kann. Wir wollen jede Meinung ehren, Die nicht verschwistert ist dem Staub; Wir wollen nicht die Welt bekehren Durch falsche Waffen, List und Raub! Wir wollen den willkommen heißen, Der Wahrheit liebt und Forschbegier, Und wollen ihn in seinen Kreisen Nicht zwingen, daß er lebt wie wir. Wir wollen nicht an Krücken hinken, Wo stark wir sind zum freien Flug; Wir wollen aus der Quelle trinken Und nicht aus altem faulen Krug; Wir wollen heilig nicht betiteln, Was nur unheilig uns umspann, Und wollen es uns selbst vermitteln, Was doch kein Zwischenträger kann. Wir wollen nicht im Trüben fischen Und nicht gefischt im Trüben sein; Wir wollen uns das Herz erfrischen Durch lautrer Freude lautern Wein; Wir wollen nicht die Köpfe hängen, Zerknirscht in jammerndem Gestöhn, Wir wollen fröhlich in Gesängen Den Muth erweitern und erhöhn. Wir wollen fest am Boden halten, Nicht lüstern in die Wolken schau'n; Wir wollen unsern Werth entfalten In freiem Geist und Selbstvertrau'n; Wir wollen steh'n vereint und einig Mit Jedem, der da strebt und schafft, Und wollen einzig und alleinig Auf Gott nur bau'n in unsrer Kraft. Mag weh'n der Sturm, der Donner rollen, Wir wissen, was wir wollen! Der neue Bund Geist der Liebe, Geist der Welten, Laß uns unsern Bund erneu'n, Deinem Preise soll er gelten, Deiner Lieb' ein Opfer streu'n; Nicht geknechtet dir zu Füßen, Nein, wir wollen klar und frei Dich in diesem Bund begrüßen, Daß er deiner würdig sei. Hast du doch uns frei gegeben, Unsrer Wahl es anvertraut, Wie der Blick aus diesem Leben Fromm zu dir hinüberschaut; Hast du doch es zugelassen, Daß in mannigfacher Art Wir versuchen aufzufassen, Was sich ewig offenbart. Wohl auf tausend fremden Wegen Wird zu deinem Licht gestrebt, Das als heil'ger Vatersegen Uns die weite Welt belebt; Aber bunt und vielgestaltig Wird des Lichtes Wiederschein, Denn du wolltest mannigfaltig, Menschlich angebetet sein. Jeder sucht dich seiner Weise, Jeder hat die gleiche Pflicht, Daß er dich verehr' und preise, Wie das Herz im Busen spricht; Ob dir Jubelhymnen schallen, Ob sich bang bekreuzt dein Knecht, Naht doch deinem Geist von Allen Keiner ganz, und Jeder recht. Und wie wir am besten meinen, Daß man dir sich giebt und weiht, Lasse nur in uns erscheinen Edle, reine Menschlichkeit; Immer höher, immer freier Wirkend gebe sie sich kund; Und so nah'n wir deiner Feier Und erneuen unsern Bund. Unter den Zweigen Unter den Zweigen in tiefer Nacht Dacht' ich an deine Küsse, Siedete mir das Blut mit Macht Von all der brennenden Süße! Kocht im Kessel ein Wässerlein, Bleibt der Deckel nicht liegen: Ei! wie hoch in die Luft hinein Ließ ich mein Hütchen fliegen! Wo es sich im Gezweig verlor, Mögen die Vöglein wissen: Da ich lange den Kopf verlor, Kann ich den Hut wohl missen! Dornröschen (Das Mädchen spricht:) Und wie sie kam zur Hexe, Dornröschen hold, Dornröschen gut, Die stach sie in ihr Fingerlein, Da floß das rothe Blut. Sie schloß die lichten Augen, Dreihundert Jahr' das Mägdlein schlief, Bis um das Schloß, das stolze Schloß Eine Rosenhecke lief. Nun hört' ich aber sagen: Es kam ein kühner Rittersmann, Mit blankem Schwert er hieb sich durch, Daß er die Maid gewann. Ich wollt', ich läge schlafen In Rosen über Jahr und Tag, Bis daß der Eine gegangen käm', Der mich gewinnen mag! Mahnung So herzlich küsse jeden Kuß, Als dächtest Du, der letzte sei's! O blicke jeden Blick so heiß, Wie man beim Scheiden blicken muß! Hängt Seel' an Seele noch so bang, Die Stunde kommt der letzten Noth! Nahmst du nicht Abschied lebenslang, Wie überlebtest du den Tod? Verschließ' dich nur Verschließ' dich nur, du seltsam Kind, Sei spröd' und stumm zu jeder Frist! Deine Augen, die so glänzend sind, Verrathen doch, wie reich du bist: Seh' ich dich an, kommt mir zu Sinn Das Märlein von der alten Stadt; Ein tiefer Brunnen lag darin, Draus Keiner noch getrunken hatt'. Er war so tief, so wundertief, Ließ man ein Becherlein hinab, Der Faden viele Stunden lief Und reichte doch den Grund nicht ab. Da kam des Wegs ein Musikant, Der sah den Brunn und trat hinzu, Und nahm sein Geigenspiel zur Hand, Und spielt' ein Stück und sang dazu. Uud horch! da rauscht' es wundervoll Und wogt' herauf und sprudelt frisch, Und lieblich kühl Gewässer schwoll Klar über den Rand verschwenderisch. Der Spielmann trank in hoher Lust Und lud auch all die andern ein. O wer die Fluth zu lösen wußt', Wie überselig muß er sein! Über ein Stündlein Dulde, gedulde dich fein: Über ein Stündlein Ist deine Kammer voll Sonne! Über den First, wo die Glocken hangen, Ist schon lange der Schein gegangen, Ging in Thürmers Fenster ein. Wer am nächsten dem Sturm der Glocken, Einsam wohnt er, oft erschrocken, Doch am frühsten tröstet ihn Sonnenschein. Wer in tiefen Gassen gebaut, Hütt' an Hüttlein lehnt sich traut, Glocken haben ihn nie erschüttert, Über ihm ist's, wenn's gewittert, Aber spät sein Morgen graut. Höh' und Tiefe hat Lust und Leid! Sag' ihm ab, Andrer Gram birgt andre Wonne. Dulde, gedulde dich fein: Über ein Stündlein Ist deine Kammer voll Sonne! Er hat kein Geld Er hat kein Geld! — das will beiläufig sagen: Er ist vom Himmel platt herabgefallen; Er möchte singen und er kann nicht lallen, Er möchte Geist und Herz sein, und ist Magen; Ist, anstatt Dampfer, fünftes Rad am Wagen, Drückt sich vorbei an warmen Speisehallen, Darf in der Tasche nur die Fäuste ballen Und seinem Appetit ein Schnippchen schlagen. Er hat kein Geld! das will präcise heißen: Er hat nicht Raum, nicht Zeit auf weiter Erde, Hat Nüsse und Galläpfel aufzubeißen; Er ist der Harlekin der Schützenscheibe, Ein leerer Topf auf wohlgeheiztem Herde, Und eigne Grabschrift bei lebend'gem Leibe. Von der Freundschaft Gestalte, Freund, dein Herz zur Felsengrotte; Wer einmal sich geflüchtet in die Halle, Den schütz' vor jedem Feindes-Überfalle, Vor Fliegenübermuth und Geckenspotte! Gieb ihn heraus nicht — keinem Erdengotte; Und jeder Pfeil, der ihm gegolten, pralle An deinem Panzer ab — und Gift und Galle Spei' nach dir selber seiner Gegner Rotte! Doch sorge, daß der Weg zur Grotte führe Nicht leichthin durch, wie zu des Schenken Thüre, Auch berg' die Herzenskammer nicht zuviel; — Nur wer den Pfad durch Busch und Dorngestrüppe Zu dir fand, übersteigend jede Klippe — Dem gieb in Noth und Tod ein treu Asyl! Dem Feinde Wirft dich dein Feind ergrimmt mit einem Steine, Um eine Herzenswunde dir zu schlagen: Dann mußt du seine Wuth geduldig tragen, Und gegen ihn drum hege selber keine! Heb' auf den Stein, verwahr' ihn wohl im Schreine, Vielleicht bereut er schon in wenig Tagen, Fühlt seine Schuld recht tief im Herzen nagen; Wenn nicht, so bleibe du der Edle, Reine! — Doch will er sich ein Häuschen einst erbauen, Und sucht nach Steinen rings in Thal und Auen: Leg' den verwahrten auf den Platz ihm hin; Die Liebesrache wird er tiefer fühlen, Als hättest du, den ersten Zorn zu kühlen, Den Stein geschleudert früher gegen ihn. Nur ein wenig Liebe Das ist die alte Wanderzeit: Der Lenz schwellt Alles weit und breit Mit sehnsuchtsvollem Drange; Die Lerche fingt, der Storch ist da, Und als ich heut' die Schwalbe sah, Wie ward mir's angst und bange! Der Mondschein und die Sternennacht, Das lauscht mit Pracht und lockt mit Macht Hinaus mich durch die Gassen. Des Leibes Noth, der Seele Gram, Die Sorg' und all den tollen Kram Will ich daheim nun lassen. Ade, ihr Bücher rings allhier, Ade, du blendend weiß Papier, Und du mein räuchrig Zimmer! Ade, ihr Häuser all' umher, Ihr Straßen lang, ihr Kirchen schwer, Du Strom, du fauler Schwimmer. Die Fenster schwarz, die Thüren zu — Drin liegen sie in guter Ruh' — Hab' drunter keinen Lieben; Und die dort wohnt' in jenem Haus, Die zog hinaus, die zog hinaus, Weiß nicht, wo sie geblieben. Ich wollt', ich wäre weit von hier Ich wollt', ich wäre weit von hier, Vielhundert Meilen weit! Ich wollt', ich wüßt' kein Wort von dir In alle Ewigkeit, Hört' nimmer deiner Stimme Klang, Säh' nie dein Auge mehr! Es macht dein Wort das Herz mir krank, Dein Blick den Kopf mir schwer. Wie süß dein Mund mich auch gegrüßt, Wie tief dein Aug' und klar — O daß du nicht mein eigen bist, Das klag' ich immerdar. O säh' ich nie dich, hört' dich nie, Könnt' fern ich, ferne gehn! — Ich wollt', es wäre morgen früh Und dürft' dich wiedersehn! Fröhliche Fahrt O glücklich, wer zum Liebchen zieht In blaue Fern' hinein, Da tanzt der Schritt, da klingt das Lied, Da blitzt der Sonnenschein. Es sagt kein Wort, es singt kein Lied Das Glück so frisch und rein: O glücklich, wer zum Liebchen zieht In blaue Fern' hinein! Hinaus, hinaus mit Sing und Sang, Hinein ins Blau, ins Blau! Der Tag mit klarem Fittig sank Auf Wald und Busch und Au. Was zaghaft dir das Herz umschlingt, Wirf's ab, du altes Haus, Und zieh noch einmal lustbeschwingt Zur Ferne froh hinaus. Und wie du gehst, es grünt und schlingt Sich üpp'ger stets empor, Aus Flur und Wald da ringt und dringt Ein Blüthenmeer hervor, Es geht zu ihr, zu ihr hinaus! Verstehst du's auch, Gesell? O putz' dir Herz und Augen aus Und blicke sonnenhell! Und weiter, immer weiter geht's Zu ihr, zu ihr hinaus, Bei ihr da hält der Frühling stets Mit hellem Jubel Haus. Es tanzt der Schritt, es klingt das Lied, Es blitzt der Sonnenschein: O glücklich, wer zum Liebchen zieht In blaue Fern' hinein! Die Elbfluth Sie hört von fern des Oceanes Sausen, Wallt schneller, den Ersehnten zu umfangen, Und wie er hört in nahender Eil' ihr Brausen, Da fasset ihn ein stürmisches Verlangen. Er hebt sich, rauscht empor, landeinwärts dringt er: Willkommen! Riesenkräftiges Umschlingen, Ihr zu gewaltig und zurück sie zwingt er; Sie staunt, sie bebt, sie strebt sich zu entringen Der niegeahnten Macht in bangem Fliehen — Da ahnt er ihre Angst und nun erschrickt er, Und still mit leiser'm Rauschen rückwärts weicht er, Und froh darf die Beruhigte er ziehen An seinen Busen wieder, milder blickt er Und seine Hand zu sanfter'm Gruße reicht er! Ohne dich Es wogt der Strom vorbei, die Schiffe, Sie spiegeln in den Fluthen sich, Der Nachen schwebt dahin so leise — Was soll der Strom mir ohne dich? Von ferne winken Bergesketten, Beglänzt vom Strahle, der erblich So eben erst; wie sind sie reizend — Was sollen sie mir ohne dich? Es rauscht der Wind, die Blätter spielen Im leisen Abendhauch um mich: Des Waldes Einsamkeit so duftig — Was kann sie sein mir ohne dich? Es naht die Nacht, der Himmel funkelt Mit seinen Sternen feierlich. O wunderbarer Reiz der Nächte — Was soll die Nacht mir ohne dich? Die Lust der Lust Laß fahren den Besitz, ausreicht Das Sehnen nach ihm in der Brust! Sehn ' nach Genüssen dich: es bleicht Die Wange die genoss'ne Lust. Warum des Feuerwerkes Pracht Und Funkensprüh'n dein Aug' entzückt? Weil's wieder in die schwarze Nacht So plötzlich unser Aug' entrückt! Was läßt den bunten Falter dich Den bunten Blumen ziehen vor? Weil er so schnell vorüberstrich Und in die Lüfte sich verlor! Was macht der Schäferstunde Reiz So wonnig und so selig dir? Weil er verflogen ist bereits, Eh' du ihn noch genossen schier! Es jagt die Lust stets nach der Lust, Die ihr so schnell vorübergeht, Das ist das Räthsel, daß die Lust Im Sehnen nach der Lust besteht! Rückerinnerung Es steigt mir aus der Seele ein trautes Bild hervor, Das in der Ferne dämmert, bedeckt von Nebelflor: Ich geh' im Waldeshage, zur Seite das schöne Kind; Es rauschen oben die Wipfel so spielend, so sanft, so lind. Wie Liebesmelodien erklingt es aus jedem Strauch, Und ringsum duften Veilchen mit süßem Blüthenbauch. Es duften so süß die Veilchen, wir winden Kränze draus; So naht sich still der Abend, da führ' ich dich nach Haus. Am einsamen Gartenpförtchen einen Kuß noch leis und sacht: Dann träum' ich still und selig von dir die ganze Nacht. Nun ist es anders geworden, seit mich mein wilder Sinn Von dir hinweggetrieben wohl durch die Welt dahin. Mein Herz kennt andre Wünsche, ihm g'nügt kein stilles Glück, Nur manchmal Abends da sehn' ich mich leis nach dir zurück. Liebesbegegnung Ich dachte dein in tiefer Nacht, Da leuchtete mit heller Macht, Mit plötzlicher, die Finsterniß, Und wurde klar, wie Morgenpracht. Zu jener Stunde hat gewiß Dein Auge, Liebchen, auch gewacht, Zu jener Stunde hat gewiß In Liebe mein dein Herz gedacht! Der Weltumstürzer Ich liebe den Sang, ich liebe den Wein, Den Frühling mit seinen Rosen, Ich liebe die blühenden Mägdelein Mit ihrem Lächeln und Kosen. Ich möchte verbannen die Sorg' und das Leid Und jegliche trübe Stunde, Daß heimisch nur würde die Heiterkeit Auf diesem Erdenrunde. Heil dem Herzen, das da strebt Die Sünde zu fliehn und zu hassen, Und allem, was in Freude lebt, Auch seine Freude zu lassen! Doch euer Dichten, Euer Trachten Will nur vernichten, Was wir lieben und achten, Ihr könnt den Trieb, den mächtigen, Nach Freude nur verdächtigen! Was gilt euch eures Herzens Zug, Was seiner Lieb' und Sehnsucht Flug? Euch ist jede menschliche Regung Unerklärlich, Euch ist jede freie Bewegung Staatsgefährlich. Ihr laßt euch nicht lehren, Noch zum Bessern bekehren. Der Sänger, der Zecher, Der harmlose Hörer, Das sind euch Verbrecher Und Ruhestörer. Ha! daß ihr nicht Einem Freude gönnt! Keinen wahrhaft erfreuen könnt! Ihr Freudenverderber, ihr Lebenskürzer, Ihr nennt mich einen — Weltumstürzer! Ja, ich bin ein Weltumstürzer, ein stündlicher, Ein thatendurstiger, lustiger, gründlicher, Denn meine Welt voll goldigem Schein Ist diese Flasche mit kühlem Wein, Und ich wäre philisterdumm Und kläglich, Wollt' ich die Welt nicht stürzen um Alltäglich. Das Gefühl der Wahrheit müßt' ich beleidigen, Wollt' ich mich irgendwie noch vertheidigen, Denn meine Vergehen Kann Jeder sehen: Ich hab' in der Hand Hier den Thatbestand. Draußen unter dem Kellerdach Sehet nach! Da stehen auf dem Küchenbrett Wundernett Die Zeugen meiner Durstesqual Allzumal, Die leeren Flaschen in langen Reih'n — Die Schuld ist mein! Ha, ich bin ein Weltumstürzer, ein stündlicher, Ein thatendurstiger, lustiger, gründlicher, Denn die Flasche mit dem Wein, Das ist meine Welt allein. Und diese umzustürzen bin ich bereit Allezeit Zu meiner und Anderer Lust, Keiner Reue mir bewußt. Klein ist die Mühe, der Lohn ist groß, Denn diese Welt birgt in ihrem Schooß Die Fülle begeisternder Tugend, Die Lieb' und Gemüthlichkeit, Den Thatendrang der Jugend Und die Ahnung schwerer Zeit. Dank ihm, der den Kummerwender, Den Freudenspender, Den Saft der Reben uns hat gegeben, Den Zaubertrank himmlischer Seligkeit Ins irdische Leben! Komm her, ich schenke dir ein! Meine Freude soll Dein , Mein Wein Dein sein! Nichts ohne Liebe Was ist die Welt, wenn sie mit dir Durch Liebe nicht verbunden? Was ist die Welt, wenn du in ihr Nicht Liebe hast gefunden? Verklage nicht in deinem Schmerz Des Herzens schönste Triebe; Nur liebend ist dein Herz ein Herz! Was ist es ohne Liebe? Wenn du die Liebe nicht gewannst, Wie kannst du es ermessen, Ob du ein Glück gewinnen kannst, Ob du ein Glück besessen? Gäste und Kinder Der Chinese sagt — und ich schwöre drauf, Sein Ausspruch gilt für uns nicht minder: „Nimm deine Gedanken wie Gäste auf, Doch deine Wünsche behandle wie Kinder.“ Welch tiefes Wort! Wie reich an Sinn! Gedanken sind nur Gäste auf Erden, Sie bleiben des Geistes ew'ger Gewinn, Sie sollen mit Ehrfurcht empfangen werden. Drum ordne die Seele ihr irdisch Haus; Sie säubre sorglich vom Erdenstaube, Und schmücke die niedern Räume aus, Daß der Gedanke sich heimisch glaube. Sie zünd' ihm helles Herdfeuer an Als wohlgefällige Opferflamme, Daß er behaglich gedeihe dran, Wie wenn er aus diesen Sphären stamme. Sie diene ihm und gehorche ihm auch, Sie widme ihm Liebe und lass' ihn schalten, Denn der Gedanke ist Gottes Hauch, Er hat des Ewigen Wort zu verwalten. Und wenn die Wünsche wie Kinder schrei'n, Mit kindischen Bitten dazwischen lärmen, Dann soll die Seele Mutter sein, Sich um der Kinder Thränen nicht härmen; Versagen soll sie zur rechten Zeit, Soll widerstehn dem heißen Begehren, In Ordnung halten die Häuslichkeit, Dem hohen Gast, dem Gedanken zu Ehren. Es lernen die Kinder sich fügen dereinst, Sich unterwerfen in festen Schranken; Und geht es glücklich — eh' du es meinst, Erheben sie selbst sich wohl zu Gedanken. Da sinnt ein Greis mit grauem Haar ... In seinen Augen steht zu lesen: Als ich ein thörichter Jüngling war, Sind meine Gedanken — auch Wünsche gewesen. Du sinnest träumerisch und schweigest Du sinnest träumerisch und schweigest, Den Blick zur Erde hingewandt, Du sinnest träumerisch und neigest Das Haupt in deine liebe Hand. Wie ein erbleichend Frühroth flieget Ein Lächeln über dein Gesicht — In Traumes Dämm'rung eingewieget, Wie bist du schön und weißt es nicht! An den verschloss'nen Busen legen Möcht' ich mein eifersüchtig Ohr, Ablauschen deines Herzens Schlägen, Was sein Geheimniß sich erkor. Ich seh' dich an, es flieht die Stunde, Wie find' ich deines Sinnes Spur? Kein Wörtlein geht aus deinem Munde, Du neigst das Haupt und lächelst nur. So steht vor funkelnden Palästen, Still fröstelnd in der Winternacht, Ein Armer, wenn zu stolzen Festen Sich Herrlichkeit vereint mit Macht. Von droben aus des Reigens Klängen Fällt selten nur ein irrer Laut, Ihm aber will's die Brust zersprengen Um Wunder, die er nie geschaut. Wenn du verrathen mich am Tage Wenn du verrathen mich am Tage, Und wenn du nimmer mein gedacht, Was kommst du weinend dann, o sage, Im Traume zu mir jede Nacht? Was streichst du mit den kleinen Händen Mir durch das Haar wie dazumal, Als deiner Augen süßes Blenden Mein Herz, mein Glück, mein Leben stahl? Wenn's wahr, was deine Briefe stammeln, Daß du mich lassen kannst und mußt, Warum aufs Haupt mir Dornen sammeln, Und Kohlen auf die wunde Brust? Laß mich in meinem Gram verfinken, Laß mich in meinem Schmerz vergehn! Laß ab, ans Ufer mir zu winken, Wo meiner Hoffnung Gräber stehn. Und doch, wenn dieses Scheinbilds Flehen Herüberschwebt in meinen Traum, Dünkt mir's wie goldner Schleier Wehen Und meine Sehnsucht zwing' ich kaum. Dann hör' ich's, wie aus feuchten Kissen Ein bitter weinend Nachtgebet, Von sehnfuchtsvollem Gram zerrissen, Nach meiner Ferne wandern geht; Dann kommt das Licht der alten Zeiten Und fließt um dich wie Glorienschein, Wie Glockentöne klingt's von Weiten Und in mein Herz zieht Frieden ein. Wenn du verrathen mich am Tage Und wenn du nimmer mein gedacht, Wie käm' dein Denken dann, o sage, Dein Sehnen zu mir jede Nacht? Dieweil du mich verlassen hast Dieweil du mich verlassen hast, Verließ mich auch der Schlummer, Unrast ward mein beständ'ger Gast, Mein Bettgenoß der Kummer. Ich glaub', auch du hast viel geweint, Dein Auge sah ich glänzen; Nun bist du ruhig, wie es scheint, Und fährst zu Spiel und Tänzen. Da stellt' ich mich ans Treppenhaus Ins gaffende Gedränge; Ein Wagen hielt, du stiegst heraus, Und Lob ging durch die Menge. Wie schien dein Putz zum Hohn mir gar! Anstatt der Myrthenkrone, Die einst ich träumt', umfing dein Haar Ein Kranz von rotbem Mohne. Die Blumen der Vergessenheit Trugst du mit Lachen und Scherzen, Da dacht' ich der vergang'nen Zeit Und sprach zum klopfenden Herzen: Heut' macht sie Glück, denn leicht und bunt Trägt sie im Haargeflechte Als Schmuck für eine lustige Stund' Den Schlummer meiner Nächte! Erinnerung Zuweilen dünkt es mich, als hört' Ich eures Hofhunds heiseres Gebelle, Den ich so oft des Nachts aus seinem Schlaf gestört, Wenn ich durchs thauige Gras zur wohlbekannten Stelle Mich schlich, von süßem Wahn bethört. Wie trieb im Wind der Pappelbaum sein Spiel, Daß Blatt um Blatt gespenstisch rauschte, Wenn ich empor zu deinem Fenster lauschte, Aus dem das Lispelwort der Liebe fiel! Wir lachten, seufzten, lachten wieder; Ein Blumenstrauß, den du am Tag gepflückt, Ein Handschuh, drauf du einen Kuß gedrückt, Flog unversehens in den Kieß hernieder. Nach oben schaut' ich unverrückt, Und doch ich sah dich nicht, undeutlich nur Hob sich das weiße Nachtkleid aus dem Dunkeln, Derweil hoch überm Dach durch der Augustnacht Funkeln Ein Wetterleuchten um das andre fuhr — Just wie geheimstes Sehnen sich verräth, Aufblitzt und schweigt und wiederkommt und geht. Wer bringt uns nun in ferner Einsamkeit Ein Stündlein nur zurück aus jener schönen Zeit? Mir ist es just, als sei'st auch du erwacht Und sähst hinab zum Garten in die Nacht. Der Hofhund bellt; warum? Es regt sich Nichts — Nur übers lange Gras im Glanz des Mondenlichts Schwebt, elfenhaft vom Säuselwind getragen, Ein Traum von Lieb' und Glück aus halb verscholl'nen Tagen. An Sie Hörbar und faulen Ganges schleicht die Zeit Dahin in meinem stillen Krankenzimmer; Wie sehn' ich mich aus dieser Einsamkeit Nach deiner Augen zauberischem Schimmer! Als ich zuletzt dich sah — 's ist lange her — Bin trotz'gen Sinnes ich hinweggegangen; Seitdem lag ich darnieder lang' und schwer, Sehnsucht nach dir nahm all mein Sein gefangen. Und weil ich nun nach mancher Leidensnacht Genesung fühle durch die Adern rinnen, So wähnt mein Herz, du habest mein gedacht, Aus Zufall nur, doch in geneigtem Sinnen. Denn alles Erdenglück und jede Lust Scheint mir von dir ein lächelnder Gedanke, So daß ich alle Freuden meiner Brust Nur deiner freundlichen Erinn'rung danke. Ja tritt dereinst der Tod an mich heran, Fürwahr, ich werd' es anders nicht ermessen, Als daß ich nun nicht länger leben kann, Dieweil du meiner ganz und gar vergessen. Großmütterchen am Wege Sieh dort am blüh'nden Weißdornzaune Das Mütterchen, es sitzt gebückt, Am Lebensabend vor dem Dörfchen Auf seinen Krückenstock gedrückt. Ein Kind mit großen blauen Augen, Mit Wangen roth wie Morgenlicht, Und blondem Haar, das wie zum Kranze Ums Haupt die Ringellöckchen flicht, Pflückt mit den runden, kleinen Händen Sich Himmelschlüssel, Tausendschön, Die unabsehbar reich in Menge Im Anger bei einander stehn. Jetzt kommt es wie ein Reh gesprungen, Zum Auge lacht die Lust heraus, Großmütterchen am Gartenzaune Erhält den Himmelschlüsselstrauß. Du schönes Bild! Des Himmels Schlüssel Bringt einem Leben, das vergeht, Ein Engel, dem des Lebens Morgen Aufs junge Haupt noch Blüthen weht! — Wohin sind deiner Jugend Tage, Wohin ist deine Mädchenlust? Wie Nonnen lebt dein Herz, geschieden Von Lust und Welt in stiller Brust. Kein Schmeichelwort der Liebe währet, Die einst für dich so heiß geglüht, Sie ist gegangen und geschieden, Als deine Wange abgeblüht; Wohl Niemand blieb am Lebensabend Zur Seite dir nur als das Kind, Und die Erinn'rung, die am Grabe Gestorbner Freuden mit uns sinnt. Ich sah an deiner Wimper zittern Die Thräne, die du still zerdrückt, Als dich das Kind, das ahnungslose, Mit seinem Blumenstrauß geschmückt, Als froh es in die Händchen klatschte, Weil's ihm nach vieler Müh' gelang, Daß es kaum zwei der kleinen Blumen Dir in das Band der Haube zwang. Du legtest auf der Enk'lin Locke Die faltenreiche hag're Hand, Und hast zum Himmel ungesprochen Gebete für das Kind gesandt! — Gott grüß' Euch, rief ich tief ergriffen, Als ich am Zaun vorüberbog Und meinen Hut, wie nie so gerne, Vor'm Mütterchen herunterzog. Waldlied Bist du im Wald gewandelt, wenn's drin so heimlich rauscht, Wenn aus den hohen Büschen das Wild aufhorchend lauscht? Bist du im Wald gewandelt, wenn drin das Frühlicht geht, Und purpurroth die Tanne im Morgenscheine steht? Hast du dann recht verstanden des Waldes zaub'risch Grün, Sein heimlich süßes Rauschen und seine Melodien? O Herz, wenn dir die Erde nicht hält, was sie versprach, Wenn Lieb' und Treu' die Schwüre in arger Falschheit brach, Dann komm, ruft's aus dem Walde, komm her in meine Ruh', Mein leises, kühles Rauschen küßt deine Wunden zu. Bist du im Wald geblieben, wenn's still zum Abend wird, Nur durch die dunklen Tannen der letzte Lichtstrahl irrt? Bist du im Wald geblieben, wenn sich das Mondenlicht Wie eine Silberbinde um jedes Bäumchen flicht? Hast du da, an dem Herzen des Waldes angedrückt, Nicht selig froh zum Himmel dein Nachtgebet geschickt? O Herz, wenn dich die Menschen verwunden bis zum Tod, Dann klage du dem Walde vertrauend deine Noth: Dann wird aus seinem Dunkel, aus seinem Wundergrün Beseligend zum Herzen des Trostes Engel ziehn. Bist du im Wald geblieben, wenn dir ein süßes Bild Mit Kummer und mit Sehnen die ganze Seele füllt? Wenn wirre Träume sprechen von Tod und Grabesruh, Dazwischen Stimmen rufen: wie reich beglückt bist du? Hast du dann recht verstanden am schattig kühlen Ort Für deine bange Seele ein leis gerauschtes Wort? Es rauschen's alle Bäume und jeder Vogel singt's, Es blüht aus jeder Blume, aus jedem Blättchen klingt's: „Nach bangem Winterharren sind wir zur Freud' erwacht: O Herz, gieb dich zufrieden, licht wird auch deine Nacht!“ Vision Ich ging im Frühling am Bachesrand, Leis wisperten Birk' und Hollunder ... Roth glühend über den Bergen stand Die Sonne, das brennende Wunder. In Purpur schäumte der Wasserfall, Und fern durch Linden und Weiden Erscholl der letzten Nachtigall Gesang von Lieben und Leiden. Da wogte die Brust mir, gleich der See, Die aus dem Ufer will treten ... Da schwebte durch Blätter und Blüthenschnee Mein maitagwonniges Beten. Das All, die schöne, die reiche Welt, Durchflog ich auf leuchtender Schwinge, Und vor mir löste sich, rosig erhellt, Das Geheimniß der Wesen und Dinge. Der Gott der Liebe deutete mir Das heilige Buch vom Erbarmen, Und als ich erwachte, lag ich — ihr In süßumstrickenden Armen. Ruhlose Nacht I. Die Nacht, die Pilgerin im Trauerkleide, Durchwandelt leisen Trittes die Gefilde, Auf Blüthen schläft die Luft, die südlich milde, Kaum flüstert noch am Bach die düstre Weide. Aufsteigend webt ein Netz von Strahlenseide Der Mond um des Gebirges Felsgebilde, Daß sie — des Thales ries'ge Wetterschilde — Weithin erglänzen wie von Goldgeschmeide. Sanft athmen rings die Fluren, traumumfangen, Die Blumen und die müden Knospen lassen Entschlummert die bethauten Köpfchen hangen. Nur mich allein, den Schlaf und Träume hassen, Mich treibt hinaus ein ruhlos heißes Bangen Zur späten Wandrung in den öden Gassen. II. An ihrem Haus die gothischen Fensterbogen, Dran schlanke Säulen zierlich aufwärts streben, Umgrünt der Schmuck der treu gepflegten Reben Von Wein und Eppich, an der Wand gezogen. Der Wind erwacht und küßt die Blätterwogen, Daß wonneschauernd sie zusammenbeben ... Der Springquell rauscht, und im Gebüsch daneben Singt eine Nachtigall, vom Hain verflogen. Ein Pförtchen in der Mauer führt zum Garten, Das mir einst jeden Abend war erschlossen, Und niemals ließ die Herrin auf sich warten. Doch sind die sel'gen Zeiten längst verflossen: Ich scherzte, und zur Sühne, der zu harten, Verbannte die Genossin den Genossen. III. Zwar zürnst du mir, doch kehr' ich immer wieder Mit reuigem Gemüth zu deinen Füßen, Die Schuld, die du so hart bestrafst, zu büßen ... Nur Einen Strahl der Güte sende nieder! Die Lerche regt ihr thaubenetzt Gefieder, Den Morgen mit Gesängen zu begrüßen, Und ich — noch immer sing' ich von der Süßen, Von Liebe sing' ich die gewohnten Lieder. Verwehre nicht die kleinen Huldigungen, Nicht diesen letzten Trost dem Sehnsuchtkranken! Dir fern zu leben hast du mich gezwungen, Doch schlugst du nicht in Fesseln die Gedanken, Die mit allmächt'gem Drang in ewig jungen Blühenden Zweigen um dein Bild sich ranken. Im Kruge kehr' ich spät noch ein Im Kruge kehr' ich spät noch ein ... O Schenkwirth, wie schön, ist dein Töchterlein! Wie schön und so schön, wie wenige sind, Ist sie, die züchtige, Schmetterlingsflüchtige, Ist klein Marie, dein goldenes Kind! Schenk ein, du alter Trinkgesell! Die Sorg' ist trübe, der Wein ist hell! Und nahen die Sorgen, giebt frohen Muth Stets das belebende Himmelan hebende, In Flammen geborene Traubenblut. Der Schenkwirth brachte den vollen Pokal, Wir zechten beim flimmernden Kerzenstrahl, Und über die Schultern in meinen Wein Schauten zwei nächtige Wundersam prächtige Sehnsüchtig verlockende Äugelein. Und als es kam um Mitternacht, Hat der alte Schenkwirth trunken gelacht, Und als er auf den Boden sank, Liebend die blühende, Durstig erglühende Holdsel'ge Jungfrau mein Arm umschlang. Aus dem Kruge geh' ich im Morgenschein ... O Schenkwirth, wie schön ist dein Töchterlein! Wie schön und so schön, wie wenige sind, Ist sie, die zagende. Stumm mich verklagende, Ist klein Marie, dein goldenes Kind! Sonntag-Morgen Die Nacht ist um, die lange, bange, Der stille Sonntag zieht herauf ... Mein Lied erwacht beim Glockenklange, Wie Blüthen thut mein Herz sich auf. Der Woche finstre Nebel rollen Zur Ferne, wo das Zwielicht schweift, Bis meinen Geist von ihrem Grollen Nur noch ein leiser Schatten streift. Wie ruhig jetzt, mit mildem Schlage, Das Herz gleich sanften Wellen pocht! Und doch hat es mit heißer Klage Noch gestern ungestüm gekocht. Des Abgrunds Mächte zogen weiter, Des Himmels Engel wieder ein: In meiner Brust strahlt hell und heiter Der junge Tag voll Sonnenschein. Der Blumen jede, thaugebadet, Vergißt der heißen Stunde Weh ... Wie reich hat mich der Herr begnadet, Vor dem ich schmerzentsündigt steh'! Mein Lied erwacht beim Glockenklange, Wie Blüthen thut mein Herz sich auf ... Die Nacht ist um, die lange, bange, Der stille Sonntag zog herauf. Wonniges Weinen Ein Leben war uns aufgegangen Wie eine Mondnacht still und klar, Und doch in ihrem Auge hangen Sah ich ein zitternd Thränenpaar. Zum Himmel starrte sie erschrocken, Indeß die Thräne niederfloß Und schlangengleich die Pracht der Locken Um ihre Schulter sich ergoß. Und als ich weinen sie gesehen, Und ihre Wange sah so blaß, Da war es auch um mich geschehen, Und mir auch ward das Auge naß. Warum wir weinten? Fragt die Rose, Die süßerschreckt zusammenbebt, Wenn durch die Nacht, die sternenlose, Ein Elf zu ihrem Kelche schwebt. Warum wir weinten? Fragt die holde Verschämte Braut im Morgenstrahl, Wenn aus des Haargeflechtes Golde Der Bräutigam die Myrte stahl. Todte Liebe Im Schenkhaus sitz' ich spät bei Nacht, Doch lockt umsonst der goldne Wein, Doch lockt umsonst die Schenkin jung Mit ihren hellen Äugelein. Mein Sinn ist traurig, schwer mein Herz, In dumpfen Schlägen pocht die Brust: Aus alter Zeit ein trübes Bild Schwebt vor mir und verscheucht die Lust. — Sie lag im Sarg, den Myrtenkranz Geschlungen in des Haares Gold ... Ein Lächeln spielte um den Mund, Der wie im Leben lieb und hold. Die Stirn erglänzte lilienweiß, Doch war die Wange feucht und fahl ... Zwei Kerzen, tief herabgebrannt, Erhellten matt den öden Saal. Ich stand an ihrem Sarge lang, Drückt' ihre Hand und seufzte tief ... Da regte sich die Wärterin, Die eingenickt im Stuhle schlief. Noch einen Kuß, den letzten Kuß! „Ruh' wohl mit deinem Weh und Gram!“ Noch einen Blick, den letzten Blick! Und leise ging ich, wie ich kam. — Ich starre finster in die Nacht, Und meine Seele seufzt und grollt, Der Becher duftet unberührt — Die junge Schenkin sinnt und schmollt. Rettung der Erde Noch immer meine liebe süße Braut Ist die Natur. — Wenn mich ein Traum belogen, Deß eitlem Schimmer ich zu viel getraut, Wenn Freunde mich, die Liebe selbst betrogen: Eil' ich zu ihr, und lächelt sie mir zu Mit ihren Augen, die voll Huld und Frieden, Kehrt in die Brust die lang entbehrte Ruh', Gleich einem Vogel, der sein Nest gemieden. Noch immer meine liebe süße Braut Ist die Natur ... ich liebe sie unsäglich, Zum Sterben lieb' ich sie und jauchze laut In ihren lilienweißen Armen täglich. Aus ihrer Lippen heiligem Pokal Trink' ich die Lust des Lebens und der Lieder Und beuge fromm vor ihrer Augen Strahl Das stolze Herz, den freien Nacken nieder. O Erde, schöner, ewig junger Leib, Dich stets erneuend, schaffend allgewaltig, Sag' an, wie hat man dich, du stolzes Weib, Mißhandeln können doch so mannigfaltig? Berauben dich mit frevelhafter Hand Der Krone, die du trugst seit Ewigkeiten? Hinaus dich geißeln auf der Straße Sand, Wo Gram und Schuld sich um das Dasein streiten? Hast darum du, in Pracht und Herrlichkeit Auftauchend aus des Chaos Finsternissen, Zum Licht des Tages und zur Sicherheit Der Weltenordnung dich emporgerissen, Daß du als Bettlerin, die Brust entblößt, Ein Jammerbild zum Weinen und Erröthen, Die Füße nackt, das Haar vom Sturm gelöst, Vertrauern sollst in Reu' und blut'gen Nöthen? Nein, länger darfst du tragen nicht dies Mal, Das deiner Stirn sie höhnend eingegraben, Darfst länger stehn nicht an dem Sünderpfahl, Wo sie geschmäht dich und gefoltert haben: Der Dichter reißt mit starkem Arm dich fort, Zertheilt die Schaar der blut'gen Henkersknechte, Ruft als befreit dich aus mit lautem Wort Und setzt dich ein in deine alten Rechte. Schön sollst du wieder sein und liebenswerth, Wie damals, wo die ersten Knospen sprangen, Und junge Wellen, reich vom Licht verklärt, Ihr heilig Wiegenlied den Küsten sangen. Und auf dir sollen wieder groß und frei, Wie Hellas' Götter, edle Menschen wallen: Es blüh' um das Geschlecht ein ew'ger Mai, Und Wald und Berge werden Tempelhallen! Ihr hört das Wort — erwägt es Tag für Tag! Der Mensch sei Mensch im schönen Menschenleben, Und seine Brust bis auf den letzten Schlag Der Freud' am Bruderglücke hingegeben! Dann wird auch eure liebe süße Braut Die Erde sein, ihr werdet sie verstehen, Und, wenn des Todes stiller Abend graut, Aus einem Himmel in den andern gehen. Lied und Blüthe Der Wind am weißen Blüthenbaum Reißt von der Schwester Seite Die Blüthe, die geboren kaum, Und trägt sie hinaus in die Weite. Und geht der Geist durch mein Gemüth, Da flattert mit Kosen und Scherzen Das Lied, das eben erst aufgeblüht, Das jüngste Lied aus dem Herzen. Die Blüthe fliegt und schwebt um dich, Darf sehen dich und begrüßen: Das Lied, o Herrin, lagert sich Demüthig zu deinen Füßen. Der Freund Mir ist, als käm' der Lenz, Der treue Freund, gegangen, Dem seit so langer Zeit Ich nicht im Arm gehangen; Ich hab' so Manches ihm Zu sagen und zu klagen, Was sich des Trüben viel Zutrug in diesen Tagen. Ich hab' ihm Freundestod Und Landesnoth zu künden, Er aber winkt mir still Zu den erwachten Gründen: Da blühen Blumen auf, Da funkeln lichte Quellen, In jeder Birke sieht Man frische Keime schwellen. Die Vögel singen hell, Die fröhlichen Genossen, Tiefblaue warme Luft Hat rings das Land umflossen! Da hab' ich selig still Bei meinem Freund gesessen, Bis ich an seiner Brust Mein ganzes Leid vergessen! Rath Ich ließ in stolzem Wagen Mich durch die Wälder tragen, Doch aus dem frischen, grünen Tann Weht's mich so kalt und schaurig an. Die Rößlein trabten munter Ins lichte Thal hinunter, Ich saß im Mantel tief vermummt, Den Sinn vergrämt, das Herz verstummt. Auf frischen Wanderwegen Gesundheit rauscht entgegen — Da fragst du nicht, ob warm, ob kalt, Zu heiß das Feld, zu kühl der Wald? Auf frischen Wanderwegen Bringt Alles Lust und Segen — Drum laß das vornehm träge Ruh'n Und greif' nach leichten Pilgerschuh'n! Du bist nicht lang gegangen, Da sprechen schon die Wangen: Am besten stellt sich in der Welt, Wer sich auf eignen Fuß gestellt! Erinnerung O, es war eine schöne, schöne Zeit — Der Rhein floß stolz, der Rhein floß grün, Und wir fuhren in Jugendseligkeit, Die Herzen so voll, den Muth so kühn. O, es war eine fröhliche, fröhliche Zeit — Die Mädchen blühten so jung, so schön; Es war, als flöss' in Ewigkeit Der rothe Morgen um alle Höh'n; Als gingen nimmer die Lieder aus, Als welkte nimmer der kecke Muth — Verklungen ist längst der tolle Braus, Ringsum ward's still, stumm zieht die Fluth. Die Jugend schwindet, die Freude flieht, Manch Leben verrauschte, manch Leben verrann — Ein einsamer Vogel schweift mein Lied Um den einsam rauschenden wilden Tann. Sonnenaufgang Es flieht der Nebel tiefes Grau, Die Lerche rüstet sich zum Schlagen. Jetzt wasch' den Blick im Morgenthau, Die Sonnenröthe zu ertragen! Wünsch' nicht zurück die laue Nacht, Wie sehr sie schmeichelt deinen Sinnen! Wenn erst das Morgenroth erwacht, Wird's freudig warm die Welt durchrinnen. Wohl zieht es jetzt noch bitter kalt, Und mancher zittert, scharf durchfroren; Hell glänzt der Reif von Höh'n und Wald, Vom winterlichen Weh'n geboren. Gleichviel, ob in dem düstern Thal Ein schwaches Pflänzchen wird getödtet, Wenn nur mit hoffnungswarmem Strahl Das junge Tageslicht sich röthet. Nebelmorgen Von Unten hör' ich Hähne lustig kräh'n, Es zittern Glocken, Roßgespanne schaudern: Als müßt' ein Strom in grauer Tiefe gehn, So klingt wie Wellenlieder süßes Plaudern. Bisweilen bricht des Nebels dichter Flor, Dann rauchen Dörfer, steigen Felsenspitzen, Doch wieder zieht's den düstern Schleier vor Und anderswo im Nebel seh' ich's blitzen: Schau dort das Eiland, das in stiller Nacht Der jungen Liebe letzte Rast bereitet, Wie mit der Perle lichter Wunderpracht Es blühend ragt, vom blauen Strom umgleitet! O, sieh die Linden, sieh das Klosterthor, O, sieh die Laube, drin wir heimlich lauschten, Als Mond und Stern' in zauberhaftem Chor Dort mit den Wellen heiße Küsse tauschten! Als süß im Busch das liebe Vöglein schlug, Als Düfte zogen auf beglücktem Eiland! Doch weh', es kommt ein neuer Nebelzug, Das Bild ist fort, und düster ist's wie weiland. — So wer erklomm des Lebens letzte Höh'n, Sieht unter sich das längst verlebte Leben, Aus dem, wie heute durch der Nebel Weh'n, Sich hier und dort die alten Bilder heben. Den Schauenden ergreift's mit Leid und Lust, Er sieht das Dorf, drin er gelebt vor Zeiten, Es hebt der Strom sich aus dem Nebelduft, Sein lustig Schifflein sieht er wieder gleiten. Er sieht die Menschen wieder schwer geplagt, Er hört ihr ängstlich ärmliches Getriebe; Doch plötzlich über Noth und Jammer tagt Das holde Eiland seiner treuen Liebe! Gnome Ein rascher Tanz in schöner Nacht, Der hat mich immer froh gemacht, Doch wollte der Tanz nicht enden, Verdrossen mußt' ich mich wenden. Ein warmer Kuß in weicher Nacht Hat überglücklich mich gemacht, Doch währte das Küssen zu lange, Ward selbst vor Küssen mir bange. Ein tüchtiger gesunder Scherz Erfrischt die Seel', erquickt das Herz, Doch kommen der Scherze zu viele, Schleich' ich mich fort vom Spiele. Es bleibt ein ewig wahrer Spruch, Man singt es oft, doch nie genug, Was schon gesungen die Alten: Nur Maß, nur Maß gehalten! Die Blume im Walde Im fernen tiefen Forst, Wo nur Gräser wachsen Und Farrenkraut, Blüht oft ein prächtiges Lieblich duftendes Waldeskind; Und die grauen Gesellen, Eichen und Buchen, Staunen darob Und möchten in sich trinken Den süßen Duft Und können sich nicht satt sehn An der jungen Schönheit. Und ich sollt' unbewegt An dir vorübergehn, Die gleich der Wunderblume Plötzlich mir aufging In meiner Öde, Als rings nur auf Gräser Und feuchte Kräuter Die matten, mürrischen Blicke sanken? Tiefe Kunde Bergen alte Mähren, Daß zu verborg'nen Goldnen Schätzen Nur eine Blume Den Zugang öffne! Verrath Die Wasserlilie kichert leis': „Ich muß euch ein Ding verrathen, Ich muß euch verrathen, was gestern Nachts Zwei junge Verliebte thaten. Die kamen mit Vetter- und Basenschaft Den Strom hinuntergeglitten, Die saßen, weil Lauscher im Boot, ganz still, Mit auferbaulichen Sitten. Sie tauchte die Hand ins Wogenblau, Den klopfenden Puls zu kühlen, Er wollte zur selben Zeit einmal Nach der Wärme des Wassers fühlen. Und unter dem Wasser begegnen sich Verstohlen die beiden Hände, Und fliehen sich und fangen sich — Es nimmt das Spiel kein Ende. Die Basen haben nichts gemerkt Von der glücklichen Liebesstunde, Ich aber hab' es wohl gesehn Tief her aus dem lauschigen Grunde.“ Aus dem Leben Ich hab' in kalten Wintertagen, In dunkler, hoffnungsarmer Zeit Ganz aus dem Sinn mir dich geschlagen, O Trugbild der Unsterblichkeit. Nun, da der Sommer glüht und glänzet, Nun seh' ich, daß ich wohlgethan! Aufs Neu' hab' ich das Haupt bekränzet, Im Grabe aber ruht der Wahn. Ich fahre auf dem klaren Strome, Es rinnt mir kühlend durch die Hand, Ich schau' hinauf zum blauen Dome Und such' kein besseres Vaterland. Nun erst versteh' ich, die da blühet, O Lilie, deinen stillen Gruß: Ich weiß, wie sehr das Herz auch glühet, Daß ich, wie du, vergehen muß. Seid mir gegrüßt, ihr holden Rosen, In eures Daseins flücht'gem Glück! Ich wende mich vom Schrankenlosen Zu eurer Anmuth froh zurück! Zu glüh'n, zu blüh'n und ganz zu leben, Das lehret euer Duft und Schein, Und willig dann sich hinzugeben Dem ew'gen Nimmerwiedersehn! Von Kindern Ich sah jüngst einen Schwarm von schönen Knaben, Gekoppelt und gespannt, wie ein Zug Pferde; Sie wieherten und scharrten an der Erde Und thaten sonst, was Pferde an sich haben. Und mehr noch; was sonst diesen ist Beschwerde, Das schien die Buben köstlich zu erlaben; Denn lustig sah ich durch die Gassen traben Auf einen Peitschenknall die ganze Heerde. Das Leitseil war in eines Knirpses Händen, Der, klein und schwach, nicht sparte seine Hiebe Und launenhaft den Zug ließ gehn und wenden. Mich kränkten minder diese Herrschertriebe, Als solchen Knechtsinns zeitiges Vollenden; Es that mir weh an meiner Kinderliebe. Im Wald Arm in Arm und Kron' an Krone Steht der Eichenwald verschlungen, Heut hat er bei guter Laune Mir sein altes Lied gesungen. Fern am Rand fing eine junge Eiche an, sich sacht zu wiegen, Und dann ging es immer weiter An ein Sausen, an ein Biegen, Kam es her in mächt'gem Zuge, Schwoll es an zu breiten Wogen, Hoch sich durch die Wipfel wälzend Kam die Sturmesfluth gezogen. Und nun sang und pfiff es graulich In den Kronen, in den Lüften, Und dazwischen knarrt' und dröhnt' es Unten in den Wurzelgrüften. Manchmal schwang die höchste Eiche Gellend ihren Schaft alleine; Donnernder erscholl nur immer Drauf das Chor vom ganzen Haine. Einer wilden Meeresbrandung Hat das schöne Spiel geglichen; Alles Laub war, weißlich schimmernd, Starr nach Süden hin gestrichen. Also streicht die alte Geige Pan, der Alte, laut und leise, Unterrichtend seine Wälder In der alten Weltenweise. In den sieben Tönen schweift er Unerschöpflich auf und nieder, In den sieben alten Tönen, Die umfassen alle Lieder. Und es lauschen still die jungen Dichter und die jungen Finken, Kauernd in den dunklen Büschen Sie die Melodien trinken. Flack're, fernes Licht im Thal Flack're, fernes Licht im Thal, Durch die Nacht mit leisem Blinken: Noch vor Morgen wird dein Strahl Endlich in sich selbst versinken! Rausche, singe, schöner Fluß! Dein Gesang wird fortbestehen, Aber jede Welle muß Endlich doch im Meer vergehen. Nachtviolen, süß und stark Duftet ihr durch diese Lauben; O, wie wißt das feinste Mark Ihr der Erde schnell zu rauben! Von der warmen Nacht geküßt, Wißt ihr schnell es auszuhauchen, Eh' ihr selber wieder müßt Eure Köpflein untertauchen. Aus dem tiefen, blauen Raum Perlt ihr leuchtend, goldne Sonnen, Kommt und schwindet, wie ein Traum; Doch gefüllt bleibt stets der Bronnen. Und nur du, mein armes Herz, Du allein willst ewig schlagen, Deine Lust und deinen Schmerz Ewig durch den Himmel tragen? Andre Blumen, andre Wellen, Andre Sterne, andre Herzen, Andre Freuden, andre Schmerzen Werden unerschöpflich quellen, Und, eh' wir noch gar verglommen, Ganz uns auszulöschen kommen. Ewig ist — begreif' es, du Sehnend Herz — nur deine Ruh'! Erster Schnee Wie nun Alles stirbt und endet, Und das letzte Rosenblatt Müd' sich zu der Erde wendet In die warme Ruhestatt: So auch unser Thun und Lassen, Was uns heiß und wild erregt, Unser Lieben, unser Hassen Sei ins welke Laub gelegt! Reiner, weißer Schnee, o schneie, Schneie beide Gräber zu, Daß die Seele uns gedeihe Still und kühl in Winterruh'! Bald kommt jene Frühlingswende, Die des Ew'gen Liebe weckt, Wo der Haß umsonst die Hände Träumend aus dem Grabe streckt! Erkenntniß Willst du, o Herz, ein heitres Ziel erreichen, Mußt du in eigner Angel schwebend ruh'n; Ein Thor versucht zu gehn in fremden Schuh'n, Nur mit sich selbst kann sich der Mann vergleichen! Ein Thor, der aus des Nachbars Bubenstreichen Sich Trost nimmt für das eigne schwache Thun, Der immer um sich späht und lauscht und nun Sich seinen Werth bestimmt nach falschen Zeichen! Thu' frei und offen, was du nicht kannst lassen, Doch wandle streng auf selbstbeschränkten Wegen Und lerne früh nur deine Fehler hassen! Dann gehe mild den Anderen entgegen; Kannst du dich selbst nur fest zusammenfassen, So hängt an deine Schritte sich der Segen. Naturliebe Willst du dich herzlich freu'n an der Natur, Dann schau sie an mit klaren Kindesaugen, Die Bücherweisheit laß zu Hause nur! Bei Pflanzen denke ans Herbarium nicht, Den Käfer lasse frei vorüberziehen, Rüst' nicht die Nadel, die ans Brett ihn sticht. Tritt nicht in die Natur hinaus als Feind, Sie sei dir nicht ein Buch nur zum Studiren, Gieb Acht, wie anders sie dir dann erscheint. Dann träumst du selig von der Kinderzeit Bei Gras und Blumen; bei der Bäume Rauschen Fühlt sich dein Herz von aller Sorg' befreit. Du fragst nicht: ist von Süd, von Ost der Wind? Spürst nicht gelehrt nach Namen und nach Classen, Freust dich der Blumen, weil sie Blumen sind. Der Vogel auf dem Zweig ist dir bekannt; Kannst du auch nicht die Species benennen, Ist er dir lieb durch Stimme und Gewand. Du schaust entzückt die Sterne in der Nacht, Doch ob's Orion, Jakobsstab, ob Wagen — Darauf hast du vor lauter Freud' nicht Acht! Im Winter Das letzte Blatt entfällt dem Baum, Der Schnee liegt öd' entlang die Flur — O könnt' ich doch belauschen jetzt Den Traum der schlafenden Natur! Was mag der alten Eiche Traum, Was der der schlanken Rebe sein? Bringt er zurück vergang'ne Zeit? Schließt er ein Hoffen, Ahnen ein? Und das Erwachen, ist es Lust? Wie? oder schafft es Qualen nur? O könnt' ich lauschen doch einmal Dem Traum der schlafenden Natur! Im Tannenwald O schönster Dom, den sich Natur erbaut! Es ragen stolz der Tannen schlanke Säulen, Die Zweige haben's zierlich überbaut, Auf dunklem Grund als licht' Gemälde schaut Der Himmel mit den Wolken durch zuweilen. In heilig Dämmern ist der Tag gehüllt; Als bräch' das Licht durch bunte Malereien Uralter Fenster, spielt es farbig mild, Mit Balsamdüften ist die Luft erfüllt, Ein jeder Strauch will seinen Weihrauch weihen. Als läge Alles betend vor dem Herrn, Ein ernstes Schweigen! — nur wie stille Beichte Tönt leises Flüstern in den Zweigen fern; Die Sonne, blinkend durch als heller Stern, Strahlt wie vom Hochaltar die ew'ge Leuchte! Christnacht Weihnachtsabend ist vorüber, Alle Kerzen sind erloschen, Und die Kinder nun zu Bette: Jetzt, o Christkind, komm, o komme! Trage wieder schnell die armen Christtagsbäumchen in den Wald! Standen sie im Glanz der Lichter Nicht, wie nur durch Thränen lächelnd? In den Wald, den stillen, trauten, Zu den Füßen ihrer Mütter, Zu den alten hohen Tannen Stell' ans alte Plätzchen sie! Christkind, Christkind, komm, o komme! Horch, der Wind rauscht an das Fenster, Ach! mir ist, er bring' die Klage Aus dem fernen Tannenwalde: „Wehe, die Natur muß leiden, Wenn der Mensch sich Freude macht!“ Der Liebe Obdach Die Liebe baut, ein thöricht Kind, Ihr Haus aus Blum- und Blattgewinden, Hier hofft sie gegen Frost und Wind Ein freundlich Obdach einst zu finden. Doch eine Herbstnacht war genug, Ihr Hoffen ganz in Leid zu kehren, Das leichte Haus im wilden Flug Mit Dach und Pfosten zu zerstören. Nun irrt sie, mit verzagtem Blick, Zum Tod erschöpft im wüsten Wetter, Und sammelt aus verlornem Glück Sich weinend noch die welken Blätter. Vorüber Vorüber, wo die lichte Rose In süßen Düften träumt und glüht, Vorüber, wo im Windgekose Die volle Ähre schwankt und müht! Vorüber, wo die dunkelhelle Waldstille birgt der Liebe Rast, Vorüber, wo die muntre Quelle Fortplaudert in geschwätz'ger Hast! Vorüber an dem bängsten Traume, Vorüber an der frohsten Lust — — Du rascher Fuß, daß du am Raume So engen Grabes halten mußt! Hoffnung O Hoffnung, milde Blume, Täglich begieß' ich dich; Du gabst zum Eigenthume Dem weinenden Herzen dich. Blüthen und Blätter, immer Streben sie himmelwärts; Nicht brauchst du der Sonne Schimmer, Du brauchst ein menschliches Herz! Ihr prangenden Blumen im Garten, Was hilft mir der bunte Schein? Pflegen will ich und warten Der lieben Blume allein! Ferienweihe I. Ich sitz' im Garten, die gold'nen Schleier Ich sitz' im Garten, die gold'nen Schleier Des Morgens rauschen um mich her, Und Alles prangt in stolzer Feier, Als ob's ein heil'ger Sonntag wär'. Nichts hör' ich hier vom Weltgetriebe, Und hinter Bäumen liegt die Stadt Mit ihrem Haß und ihrer Liebe Und Allem, was sie Schönes hat; Mit ihrem Verdruß und ihren Freuden, Mit ihren Straßen grad' und krumm, Mit ihren großen und kleinen Gebäuden — Und vor Allem mit dem Gymnasium. Und hinter Bäumen liegt die Stube, Die stille Zeugin meiner Geduld, Der Wissenschaft Gold- und Silbergrube, Mit dem tintenbefleckten Schreibepult, Und mit den Prüfungs-Exercitien, Und zumal mit den Büchern rings herum, Den tiefgelehrten und den witz'gen, Und dem ganzen heiligen Classikerthum. Dagegen blühen mir hier die Rosen, Und auf jeder strahlt ein Diamant; Hier reifen die Pflaumen und Aprikosen, Und die Trauben an der Staketenwand. Und ein Heer von Astern und Georginen Und die Sonnenblumen, stolzen Wink's, Sie grüßen mich mit gnäd'gen Mienen, Und die Schwalben pfeifen rechts und links. Und Lorbeern, mehr als wir Dichter haben, Sie schießen aus braunen Kisten empor, Und ein freies Bienchen verließ die Waben Und singt melodisch mir ums Ohr, Und erzählt mir alte Geschichten, die wußt' ich Schon, als ich noch ein Knabe war — Ich glaube, sie machten sich über mich lustig, Die Blumen, die Schwalben und der Lorbeer gar! Ach, freilich ist ja der ganze Garten Eine große lebendige Poesie, Und ach, es bleiben die Dichtungsarten Bei der Biene summender Melodie! Curios! ich hab' keine Schule heute: Drum glaubt' ich, daß es Sonntag wär', Und horch! es bringen fernes Geläute Die Morgenwinde zu mir her. So läutet denn, ihr fernen Glocken, Mir feierlich meine Ferien ein, — Dann will ich mit der Biene frohlocken Und fröhlich und frei mit der Schwalbe sein. II. Schwalben und Bienen Die Biene lebt in engem Kreise, Der Garten nur ist ihre Welt — Die Schwalben, sie sausen moderner Weise, Wie der Blitz, durch die Luft über Stadt und Feld. Die Schwalbe badet in Wolkenlüften Und verzehrt die Mücken im Sonnenstrahl — Die Biene badet in Rosendüften Und schwelgt in ihrem ätherischen Mahl. Verleb' ich die Ferien in Schwalbenweise? Versumm' ich sie einsam in Bienenmanier? Adieu, ihr Schwalben! und glückliche Reise! Meine Welt ist der Garten, ich bleibe hier. III. Der Schwalben Spott Wohl denn! rief auf diese Begrüßung Spottend die Schwalbe: Herr Professor, Ihre Entschließung Ist nur 'ne halbe. Während Sie so mit der Biene summen, Welken die Blüthen, Und wenn Sie wieder in der Schule brummen, Sind wir im Süden. Während Sie zur Verzweiflung bringt das Schneegewimmel, Lacht mir — und wie anders klingt das! — Blau der Himmel. Und Ihr Bienchen, von dem Sie prablen, Seh' ich erstarren, Während der Sonne warme Strahlen Meiner harren. Haben Sie Grüße nach Östreich und Schwaben? Und nach Algirien? Bis die Gärten wieder Blüthen haben, Sind wir die Ihrigen! In Ewigkeit Sie hatt' ihn lieb, wie Keinen sonst, Im Leben, Sie hatt' ihm Alles, was er bat, Gegeben. Sie fühlte froh sich nur und reich Im Schenken, Sie kam zur Erde nur, um ihn Zu denken. Doch hatte kaum ein Mond ihr Glück Gesehen, Da faßte sie der Tod, mit ihm Zu gehen. Vorm Scheiden wollte sie nur Eins Noch sagen, Schon aber war das Pförtlein zu Geschlagen. Er lebte lang noch trüb und froh Hienieden, Es ward ihm lang noch Lust und Gram Beschieden. Der Todten Bild erschien ihm noch Zu Zeiten, Der Blick, in dem sie bat: Sollst mich Begleiten! Und als er starb und eintrat in Den Himmel, Durchschritt er bang der Sel'gen bunt Gewimmel. Und als sich endlich trafen sein Und ihr Gesicht, Da sprach sie nur das ird'sche Wort: Vergiß mein nicht! Dies wollte sie vorm Scheiden noch Ihm sagen; Sie hatt' es durch die Ewigkeit Getragen. Zur Unzeit Ein goldner Herbst, der mild den Sommer krönte, Er schien die Brust mit Frieden zu durchdringen, Das Herz begann unschuldig auszuklingen, Was lang in ihm bald wild bald ängstlich tönte. Doch eh' sich ganz die Seele sanft versöhnte, Eh' sie vergaß, daß ihr bestimmt zu ringen, Da wuchsen ihr zum Kampf erneu'te Schwingen, Der Traum zerfloß, der rings die Welt verschönte. Die Liebe kam, der wünschevolle Gast, Der Alles weckt, was schläft, begehrt, was blüht, Und jedes Glück in dunklen Rahmen faßt. Ein herber Frühling zieht durch mein Gemüth, Durch Thränen sieht das Aug' den welken Ast Anstatt des Walds, der reich in Farben glüht. Germania O ich betrübter Freiersmann, Ich such' nach meiner Braut, Die ich doch nirgends finden kann, Ist sie mir schon getraut. Du bist nicht fern, du bist nicht nah, Wo find' ich dich, Germania? Germania! Du bist nicht schön, du bist nicht jung, Und doch lieb' ich dich sehr. Daß ich dich lieb', ist mir genung, Und das betrübt mich schwer. Ich ruf nach dir, du alte Braut, Ich ruf' dich still, ich ruf' dich laut: Germania! Ich suchte dich am Donaustrand Und auch beim Vater Rhein, Ich suchte dich im Böhmerland, An Elbe, Weser, Main. All überall Germania, Und doch nicht hier, und doch nicht da: Germania! Ach bist du schon verwelkt, derweil Mein Herz noch glüht und blüht? O komm doch endlich alleweil, Bevor die Jugend flieht. Jungfrau, Jungfrau Germania, Annoch sind deine Freier da! Germania! Gottgefühl Laß die Wonne mich begreifen, Hauch von deinem Geist zu sein! Laß mich durch das Weltall schweifen, Denn die Welten all sind dein! Athemzug von deiner Seele, Ewig hier und ewig da, Hauch von deiner eignen Kehle, Ton der Weltharmonika; Ob du mit dem Tode strittest, Jubeltest in höchster Lust, — Seufzer, wenn du Schmerzen littest, Leises Ach in deiner Brust; Sei's in Freude, sei's in Schmerzen Dir zur Seit' im Weltgewühl, Tropfe Blut von deinem Herzen, Ewig treues Mitgefühl; Schein von deines Geistes Schimmern, Halm von deinem Ährenkranz, Stern, wo Millionen flimmern, Strahl von deinem Sonnenglanz: Bin in deinem Aug' das Zittern, Bin die Falt auf deiner Stirn, Bin dein Blitz in Ungewittern, Dein Gedanke im Gehirn. Lächelst du: ich bin dein Lächeln, Ich die Thräne, die du weinst. Stirbst: — ich bin dein Todesröcheln, Bis du neu der Welt erscheinst. Stürz ich mich in tausend Tode, Werd' ich doch nicht untergehn, Mit dem nächsten Morgenrothe Wieder mit dir auferstehn. So, mein Gott, von dir geboren, Sproß von deinem heil'gen Schooß, Bin ich mit dir unverloren, Bleib' ich mit dir ewig groß Dein Herz ein Acker Will das Schicksal hart dich pflügen, Nicht blos Furchen deinen Zügen, Furchen drücken in dein Herz: Nimm es als Nothwendigkeiten, Dir die Seele zu bereiten, Denn am tiefsten furcht der Schmerz. Lerne nur den Schmerz begreifen! Nimmer wird die Ernte reifen, Wenn nicht tief das Saatkorn fällt. Himmelsthau muß es dann feuchten; Wenn dich Thränen nie erweichten, War dein Herz nicht wohlbestellt. Abendfeier Wir saßen vom Laubdach tief umschirmt, Der Himmel war rings von Wolken umthürmt, Der Mond, er drückte die Augen zu: Wir wünschten ihm 'ne gute Ruh. Und mußte das Dunkel uns so umfließen, So durften die Herzen sich frei ergießen: Da haben wir manches uns gesagt; Im Sonnenschein hätt' ich's nicht gewagt. Es rollten die Locken vom schönen Haupt; Wie ein Rosenbusch saß sie reich umlaubt. Und wie ich geküßt die dunklen Locken, Da wollt' es mich weiter noch verlocken! Der Stern des Auges hielt streng Gericht; Doch ich schaute nicht mehr ihr Augenlicht, Ich hörte der Nachtigall süßes Flöten — Ich sah nicht mehr ihr stilles Erröthen. Unisono Ich bin nicht ich mehr, wenn ich dich erblicke, Du bist nicht du mehr, schaust du mir ins Herz, Und ach! in diesem süßen Wechselglücke Zerfließt die stille Seele himmelwärts. Im Rausch der Liebe zähl' ich keine Stunden, Im Rausch der Seele giebt es keinen Raum, Vergangenheit und Zukunft sind verbunden, Und Alles, selbst die Gegenwart, ist Traum. Und ist es aus mit unserm Traumesleben, Auch jenseits finden wir nicht Raum noch Zeit, Kein Ich, kein Du — in Gottes Schooß entschweben Wir Alle still in alle Ewigkeit. Dort werden wir uns bald zurechte finden: Wir wissen hier schon, wie das All zerfließt, Und wie die Leuchten dieser Welt erblinden, Wenn sich das Herz dem Herzen tief erschließt. Auferstehung All dies göttergleiche Leben, Diese himmelstrunkne Lust, Meiner Fibern heilig Beben, Sonn' und Mond in tiefster Brust — Meiner Wangen Glanzerröthen, Meine Stirn, so licht, so hell, Meiner Seufzer leises Flöten, Meiner Thränen Freudenquell — Sprich, gabst du mir alles dieses, Maßest du so reich, so voll? Krone meines Paradieses, Dir gebührt des Dankes Zoll. Alle meine Geister schwiegen Tief im Busen starr und todt: Ich bin aus mir selbst gestiegen Frei zum lichten Morgenroth. Meine Kerker sind entriegelt: Stumm sinkt meine Nacht hinab, Meine Seele ist beflügelt Und erlöst aus ihrem Grab. Christus ist mir auferstanden, Wie er stieg zum Himmelszelt, Und aus meinen dumpfen Banden Schweb' ich frei durch alle Welt. Und wenn mich Nachts das Sternenheer befällt Kleine Lieder Und wenn mich Nachts das Sternenheer befällt, Um mein Geheimniß still mir abzulauschen, Dann fühl' ich, was mich ewig trägt und hält, Dann hör' ich Gott mit seinem Mantel rauschen. Gott hat die Welt in dunkle Nacht gehüllt, Damit sich zeigt, was ewig dauernd bliebe: Des Tages Wünsche sind im Schlaf gestillt — Und sieh, auch selbst im Traum bleibt wach die Liebe. Drum, laß die Welten auf und niedergehn, Laß Wetter dräuen, finster, qualvoll, trübe: Du wirst in alle Ewigkeit bestehn, Denn Gott ist ewig, ewig ist die Liebe. Was nennst du deine Liebe schwer und groß Kleine Lieder „Was nennst du deine Liebe schwer und groß Und machst so kleine, fingerlange Lieder?“ Die Antwort liegt im ganzen Schicksalsloos, Die Frage klingt im ganzen Weltall wieder. Auch Gott hat, ist er gleich so groß und himmelweit, Sein Herz in viele kleine Sterne hingestreut. Wie Gott ins All die Sterne hat gesä't, So streu' ich dir ins Herz die kleinen Lieder. Birg du die Saat nur, lausche früh und spät, Und gieb's an Liebe tausendfältig wieder! In der Alpenhütte Noch seh' ich dich, von stiller Huld umfangen, In jener Hütte stehn am Alpenrain, Der Sennin Kind vor dir im Wiegenschrein Mit glühendroth vom Schlaf gemalten Wangen. Du hobst empor es, deine Arme schlangen Entzückt es an die Brust, du kos'test sein, Und sangest leis, und küßtest — lieb und klein — Die Händchen ihm, die spielend mit dir rangen. Ich wußte nicht, wie selig mir geschehen, Es war, als sei an armer Hirten Krippe Zum zweiten Mal ein Wunder uns erschienen. So Heiligschönes hatt' ich nie gesehen! Jungfräulichkeit auf Wang' und Rosenlippe Und Mutterzärtlichkeit in Aug' und Mienen. Scheiden auf immer Noch einmal hielt ich scheidend sie umfangen, Doch Lippe konnte Lippe kaum verspüren, Es war, als lernten nie sich mehr berühren, Die glühend an einander sonst gehangen. Ein scheuer Blick, ein Zucken blasser Wangen, Ein Abschiedsnick, der Fremden mag gebühren — Dann riß, all meinem Glück mich zu entführen, Der Rosse Lauf mich aus des Abschieds Bangen. Sie wankte bleich und schwindelnd nach der Pforte, Stand still, versuchte schmerzerstickte Worte, Und wandt' sich ab mit unverhohl'nem Weinen. Ich ließ noch von des Bergthals hohen Rainen Das Thränentuch als Friedensfahne wehen, Doch nie erfuhr ich — ob sie nachgesehen? Ebbe und Fluth Die stolz erhob'nen Wogen wälzt zum Strande Des Meeres Fluth, um mächtig aufgeschwollen Zu stürzen sie auf Flur und Ackerschollen, Ein neues Stück erobernd sich vom Lande. Jedoch ein Unsichtbarer steht am Rande, Den Weg vertretend jenen Hochmuthstollen, Daß grau'nerfaßt sie zitternd heim sich trollen, Im Abgrund bergend ihres Rückzugs Schande. Da jauchzt der eitle Mensch, der Hocherfreute, Daß rings das scheu entfloh'ne Meer zur Beute Ihm bunte Muscheln ließ und Prunkkorallen. Du Thor! hol' deinem Stolz vielmehr die Lehre, Daß Allen ew'ge Schranken stehn zur Wehre, Darüber selbst das Weltmeer nicht darf wallen. Frühlings-Dithyrambus Aus Waldesschatten, jungem Blattgegitter Wölbt sich der Dom des neuen Flühlings wieder, In seine Hallen trat ich mit der Zither, Zu weih'n dem Frühling meine jungen Lieder. Ich schritt fürbaß, umwallt von Blumendüften, Von Vögelsang umjauchzt, vom Lenz durchbebet, Mein Blick stieg trunken zu den blauen Lüften, Wo Sonn' und Lieb' den ew'gen Frühling webet. Und wie ich sinnend also weiter walle, Hält heil'ge Stille plötzlich mich umfangen, Aus majestätisch hoher Eichenhalle Tön' einer Äolsharfe leise drangen. Und gluthvoll hör' ich's pochen in dem Herzen, Da hat ein Schimmer leise sich ergossen, Ein Heil'genschein von Walddoms Blumenkerzen Ist lieblich um ein Götterbild geflossen. Und ich erschaut', mit braungelocktem Haupte, Aus dem die Sonnenaugen hell aufblitzen, Geschmückt mit Kränzen, die der Mai belaubte, Die Lenzesfee auf einer Moosbank sitzen. Rings um sie strahlten weiße Anemonen, Die unhörbar die Glockenkronen regten, Auf ihres Moosespolsters üpp'gen Thronen Moosröselein ihr sinnend Haupt bewegten. Da kniet' ich hin vor ihr, andachtumfangen, Ein Säuseln rauschte von des Waldes Wipfeln, Mir war's, als ob die Lüfte Wonne sangen, Und Worte tönten von der Bäume Gipfeln. Ich hörte Lieder aus dem Herzen steigen, Die Muse lächelte auf mich hernieder, Es sprachen aus dem still-beredten Schweigen Harmonisch süße, sanfte Frühlingslieder. Erhoben hat sie dann die Lilienhände Und mir das Haupt gar feierlich geweihet, Und Lieder fing' ich, Lieder ohne Ende: Es hat die Fee des Lenzes mich gefeiet. Der frühe Mond Noch ist die Nacht nicht eingeläutet, Noch kehrt vom Feld der Schnitter nicht, Und auf den Bergen ausgebreitet Liegt noch des Himmels Sonnenlicht; Und doch ist schon der Mond zur Stelle, Blickt bleich hernieder in den Tag, Daß ihn des Baches Spiegelhelle Kaum flüchtig wiederstrahlen mag. Du bist zu zeitig heut gekommen, Du lieber Mond, und drum so bleich! Du hast im Lauf dich übernommen Und denkst, die Sterne kämen gleich? O sieh' der Wälder stolzes Prangen, Des Himmels Blau, die Wiesenflur, Die Blumen mit den vollen Wangen — Sie spotten deiner Blässe nur. Doch laß dich nicht den Spott verdrießen, Denn wenn die Blumen schlummern ein, Die stolzen Wälder schlafen müssen, Dann schwillt und wächst dein Silberschein. Die Welle, die mit Widerstreben Jetzt wiederstrahlt dein bleiches Bild, Wird dir mit Lust entgegenbeben, Wenn sich vor ihr dein Glanz enthüllt. Liederfang Oft fuhr ich nach den Liedern aus Mit Wagen und mit Rossen, Oft hab' ich sie im Jägerhaus Mit meiner Büchse geschossen. Oft fand ich sie im kühlen Sand, Am Meer, auf Berg, in Wäldern, Oft wuchsen sie im Haideland, Auf Wiesen, Auen und Feldern. Oft flogen sie zum Fenster herein Vier Stiegen hoch, wo ich wohne, Oft winkten sie mir bei Mondenschein Ganz heimlich vom hohen Balkone. Oft sprangen sie zu mir heran Im Freundeskreis bei Festen, Doch die ich in Liebchens Armen ersann, Das waren immer die besten. Die Schiffersfrau Wir sah'n dem Schiff am Ufer nach, Bis Wind die Segel fingen, Bis über die See das Dunkel brach Und die Augen übergingen; Dann kehrten wir heim, allein und zerstreut, Wir Frau'n und Töchter der Schifferleut'. Seitdem ist's nun im zweiten Jahr, Daß dich die Wogen treiben, Du irrst durch ferne Todesgefahr Und ich muß Wittwe bleiben; Ich schaukle zu Haus in der Wiege dein Kind, Und dich, dich schaukelt der wilde Wind. Oft fallen mir alle die Namen bei Von Männern, die untergegangen, Von denen wir oft am Abend zu zwei Die traurigen Lieder sangen; Vergessene Menschen in fremder Tracht Besuchen mich oft im Traum der Nacht. Sie schütteln ihr lang durchnäßtes Haar Und grüßen wie fremde Boten, Sie reichen einen Ring mir dar Und Grüße von dem Todten, Von dir, von dir — ich erwach' und wein' Und schlafe die Nacht nicht wieder ein. Es lechzt vielleicht dein heißer Mund Und ich kann dich nicht laben, Du liegst vielleicht im Meeresgrund, Sarglos und unbegraben! Ach, daß ich selbst den Trost verlier', In Frieden einst zu ruh'n bei dir! Der schwarze Tod Erzitt're Welt, ich bin die Pest, Ich komm' in alle Lande Und richte mir ein großes Fest, Mein Blick ist Fieber, feuerfest Und schwarz ist mein Gewande. Ich komme von Ägyptenland In rothen Nebelschleiern, Am Nilesstrand im gelben Sand Entsog ich Gift dem Wüstensand Und Gift aus Dracheneiern. Thalein und aus, bergauf und ab Ich mäh' zur öden Haide Die Welt mit meinem Wanderstab, Ich setz' vor jedes Haus ein Grab Und eine Trauerweide. Ich bin der große Völkertod, Ich bin das große Sterben, Es geht vor mir die Wassersnoth, Ich bringe mit das theure Brod, Den Krieg hab' ich zum Erben. Es hilft euch nichts, wie weit ihr floht, Mein sausend Roß geht weiter, Ich bin der schnelle schwarze Tod, Ich überhol' das schnellste Boot Und auch den schnellsten Reiter. Dem Kaufmann trägt man mich ins Haus Zugleich mit seiner Waare; Er freut sich hoch, er lacht beim Schmaus, Ich steig' aus seinem Schatz heraus Und streck' ihn auf die Bahre. Mir ist auf hohem Felsvorsprung Kein Schloß zu hoch, ich komme; Mir ist kein junges Blut zu jung, Kein Leib ist mir gesund genung, Mir ist kein Herz zu fromme. Wem ich nur schau' ins Aug' hinein, Der mag kein Licht mehr sehen; Wem ich gesegnet Brod und Wein, Den hungert nur nach Staub allein, Den dürstet's, heimzugehen. Im Osten starb der große Chan, Auf Indiens Zimmetinseln Starb Negerfürst und Muselmann, Man hört auch Nachts in Ispahan Beim Aas die Hunde winseln. Byzanz war eine schöne Stadt Und blühend lag Venedig, Nun liegt das Volk wie welkes Blatt, Und wer das Laub zu sammeln hat, Wird auch der Mühe ledig. An Nordlands letztem Felsenriff In einen kleinen Hafen Warf ich ein ausgestorbnes Schiff Und Alles, was mein Hauch ergriff, Das mußte schlafen, schlafen. Sie liegen in der Stadt umher, Ob Tag' und Monde schwinden; Es zählt kein Mensch die Stunden mehr, Nach Jahren wird man öd' und leer Die Stadt der Todten finden. Kürzeste Nacht Noch sprüht des längsten Tages warme Quelle Lebendig fort, es wagen sich verstohlen Die Träume nur und nur mit scheuen Sohlen Die Stern' auf dieser Nacht saphir'ne Schwelle. Kaum sank der Abend in die Dämmerwelle, Da sucht' ihn schon der Morgen einzuholen; Kaum öffnen ibren Kelch die Nachtviolen, Da hebt die Sonnenblume sich zur Helle. In Furcht, daß bald sich schon die Berge schmücken, Singt schöner jetzt aus thaugenetzter Kehle Die Nachtigall ihr klagendes Entzücken; In Furcht, daß bald das süße Dunkel fehle, Eilt Liebe, heiße Brust an Brust zu drücken, Und tauscht im Kusse lechzend Seel' um Seele. Sehnsucht in die Ferne Auf einem Eiland möcht' ich wohnen Im fernsten, stillsten Ocean, Auf einer Insel milder Zonen, Fern von Europa's Noth und Wahn. Die ersten Bäume wollt' ich ziehen, Der Reben und der Ähren Saat, Und mit den ersten Colonieen Begründen einen freien Staat. O nichts mehr von den Lorbeerzweigen Italiens und Griechenlands, Die über Trümmer nur sich neigen, Nur Grüften weihen ihren Kranz. O nichts mehr von den Aschenschichten Geborst'ner Reiche, Streit auf Streit! Wir haben schon zu viel Geschichten, Zu viel, zu viel Vergangenheit. Dort aber, an den holden Küsten Blickt lächelnd in den Lichtazur Die Zeit, ein Kind noch an den Brüsten, Der unentweihten Gottnatur! Versöhnung Hast du niemals noch begleitet Einen Menschen müd und bleich, Über den schon ausgebreitet Sein Gespinnst das Schattenreich? Hast du nie den Puls empfunden, Der dem Tod entgegenschlägt, Bangend nie gezählt die Stunden, Die ein Leben noch erträgt? Jedes Wort, wie wird es theuer, Das so sanft und unbewußt Und im letzten Seelenfeuer Ausspricht die gequälte Brust! Offen und zugleich geschlossen Liegt solch Leben vor uns da, Mild von feuchtem Glanz umflossen, Denn durch Thränen sieht man's ja. Alles ist versöhnt, verziehen, Alles gut und beigelegt, Wie die letzten Schatten fliehen, Wenn aufs Thal die Nacht sich legt! Mittagszauber Vor Wonne zitternd hat die Mittagsschwüle Auf Thal und Höh' in Stille sich gebreitet, Man hört nur wie der Specht im Tannicht schreitet Und wie durchs Tobel rauscht die Sägemühle. Und schneller fließt der Bach, als such' er Kühle, Die Blume schaut ihm durstig nach und breitet Die Blätter sehnend aus, und trunken gleitet Der Schmetterling vom seidnen Blätterpfühle. Am Ufer sucht der Fährmann sich im Nachen Aus Weidenlaub ein Sonnendach zu zimmern, Und sieht ins Wasser, was die Wolken machen. Jetzt ist die Zeit, wo oft im Schilf ein Wimmern Den Fischer weckt; der Jäger hört ein Lachen, Und golden sieht der Hirt die Felsen schimmern. Mondaufgang Ferne blasse Blitze sprühen Leuchtend durch die schwüle Luft, Und der Blumen erstes Blühen Haucht im allerstärksten Duft; Nachtigallen in trunkener Lust, Fluthen im Springquell heben die Brust, Östlich am Äther entdämmert ein Glühen. Dunkler wird's im Schattenreiche, Hoher Bäume Wipfelgold, Bergesklüfte, tiefe Teiche Zittern lichter. Blond und hold Neigt sich herüber das Mondgesicht, Lieblich, ein schlafendes Sonnenlicht, Glänzend in ruhiger Bleiche. Und wie einst in Delphi's Hainen, Wie an Isis' Tempelthor, Tönend noch in Baum und Steinen, Flüsternd noch in Laub und Rohr, Ringt die Natur nach lebendigem Wort, Möchte mit uns auch wieder, wie dort, Leben und reden und jauchzen und weinen. Ach, verstummt ist ihre Lippe, Fern am tauben Himmel zieh'n Die entseelten Thiergerippe Leerer Sternenbilder hin! Welch ein Geheimniß umschleiert den Pol? Was uns zu klagen, verworren und hohl, Murmelt der Sturm und die Fluth an der Klippe? Nicht mehr weckt aus Felsenschranken Nymphenchor und Elfentanz, Über Fluth und Epheuranken, Bleiches Licht, dein Mythenglanz; Wandle dahin in erloschener Pracht, Klagende Seele der einsamen Nacht, Deine Geschlechter versanken! Bauernkrieg Acht und Bann Über den Bauersmann Sprachen die Herrn im Land herum, Schickten zu allen Burgen und Höfen, Allen Fürsten und Bischöfen Ihr blutig Evangelium. Krieg denn, Krieg! Rother Hahn, flieg'! Flieg' über die Schlösser all'! Schwing' die Flügel und krähe! Niemand ackre, Niemand säe, Öd sei Scheuer, Hof und Stall! Sengt und brennt, Was ihr könnt! Kehrt den Pflug dem Himmel zu, Mähet, Mähder, sichlet, Schnitter! Mähet Pfaffen, sichlet Ritter! Unser Wappen ist ein Schuh! Werft den Schuh Dem Himmel zu! Haben die Väter den Leib verkauft, Wurden wir drum leibeigne Knechte? Andere Zeiten, andere Rechte — Mit Blut sei's umgetauft! Der euch sät, Den habt ihr verschmäht, Ihr Herrn und Fürsten überreich. Aufruhr trägt darum die Erde, Auf daß alles wieder werde Ihr, der armen Erde, gleich! Nebeltag Nun weicht er nicht mehr von der Erde, Der graue Nebel unbewegt, Er deckt das Feld und deckt die Heerde, Den Wald und was im Wald sich regt. Er fällt des Nachts in schweren Tropfen Durchs welke Laub von Baum zu Baum, Als wollten Elfengeister klopfen Den Sommer wach aus seinem Traum. Der aber schläft, von kühlen Schauern Tief eingelullt, im Todtenkleid — O welch ein stilles sanftes Trauern Beschleicht das Herz in dieser Zeit! — Im Grund der Seele winkt es leise, Und vom dahingeschwundnen Glück Beschwört in ihrem Zauberkreise Erinn'rung uns den Traum zurück. Blumen 1. Edelweiß Hoch auf Felsen, nah' beim Eis, Nahe bei dem Licht der Sterne Blühst du, holdes Edelweiß, Allen andern Blumen ferne, Fern von aller Frühlingslust Einsam an der Felsen Brust. Wo nur Blitz und Donner wohnt Und nur scheue Gemsen lauschen, Adler und Lawine thront, Wilde Wasserstürze rauschen, Tod und Schrecken dich umdräu'n, Blühst du wonniglich und rein. In der Sonne letztem Glüh'n Eine letzte Lebensschwinge, Fand ich dich am Abgrund blühn; Nur dem schönen Schmetterlinge, Dem Apollo winkst du zu, Schwester Luna, bleiche du. So steht wohl in edlem Schmerz Einsam, nah' dem Himmel droben, Einsam stolz das Menschenherz, Das ein Loos, von Glanz umwoben, Hingab als der Freiheit Preis, Wie du blühest, Edelweiß. 2. Akelei Um der Frühlingszeit Verscheiden Unter Blumen mancherlei Auf den Weiden Blühst du schön und frank und frei, Akelei. Sommerschwül ist's und im Walde Hört man nur des Kukuks Schrei; Ach wie balde Starb dahin der holde Mai! Akelei! Durch die Forstung ohn' Ermüden Pirscht dahin die Jägerei, Roß und Rüden Ruft der Hörner Klang herbei, Akelei! Nach der Quelle dunklem Glanze Beugt der Hirsch sein Prachtgeweih', Doch die Lanze Bohrt sein lechzend Herz entzwei. Akelei! Dunkle Tropfen Blutes rannen, Eine Blume stand dabei, Um die Tannen Schwang sich hoch der kühne Weih' — Akelei! Aber draußen vor dem Walde Singen Hirten zur Schalmei: Ach wie balde Starb dahin der holde Mai! Akelei! Am Morgen Ich sah dich im azurnen Schleier, In deinen Rosen, Sommernacht! Und hab' gewacht in stiller Feier. Im Lichte deiner Sterne wähnen Die treuen Blicke wir zu schau'n, Die uns verstehn und unsre Thränen. Und eine Hand im Schatten gleitet Herüber aus dem Geisterland, Und kühlt die Brust, in der es streitet. Einsamkeit Wie lang' schon trat Niemand mehr ein In dieses stille Zimmer? Nur hier das bischen Sonnenschein Glänzt heute noch wie immer. Und Alles ringsum aufgeräumt, Und wie ichs sonst gefunden; Die Wanduhr nur steht still und träumt Von längst vergang'nen Stunden. Wie still es ist! Nur dann und wann Der Sommerfliege Summen. Hier saß ich oft allein und sann In innerem Verstummen. Entmuthigt sein, wenn Alles hofft', Wenn Alles lebt, gebunden, Ich kenne sie, ich hab' sie oft Gefühlt, die bittern Stunden! Schön, wie der Mond Blätter der Liebe I. Schön, wie der Mond, Der nächtlich einsam wallt, So schön bist Du, Doch auch so ernst und kalt. Mein Herz ein See, In dem dein Bildniß ruht, Und bist du nah, So wechselt Ebb' und Fluth. Du aber theilst Dies wilde Drängen nicht, Streu'st still auf mich Dein träumerisches Licht. Kannst dem Frühling du gebieten Blätter der Liebe II. Kannst dem Frühling du gebieten: Keine Blüthe sollst du tragen! Kannst dem Sprosser du gebieten, Nicht in Liedern sollst du klagen! Kannst dem Lichte du gebieten; Heute soll es nimmer tagen! Kannst dem Himmel du gebieten, Seine Sterne zu versagen; Kannst dem Adler du gebieten, Sich zur Sonne nicht zu wagen, Dann gebiet' auch meinem Herzen, Nicht in Lieb' für dich zu schlagen. Du schauest träumend vom Altan Blätter der Liebe III. Du schauest träumend vom Altan Tief in den See zu deinen Füßen; Die Nachtigall, um dich zu grüßen, Stimmt ihre weichsten Lieder an. Durchwallend still den Pfad der Nacht, Prangt hoch der Mond im hellsten Schimmer, Ausgießend seine Zauberflimmer Auf deiner schlanken Glieder Pracht. Orangenhain in lauer Luft Regt leise säuselnd seine Zweige, Daß ein als Opferbalsam steige Der Schönsten, dir, sein schönster Duft! Du bist die Sehnsucht der Natur; Dir huld'gen Düfte, Glanz und Töne, Doch alle sind, o holde Schöne, Die Boten meiner Liebe nur. Dein Auge dünkt mich oft ein See Blätter der Liebe IV. Dein Auge dünkt mich oft ein See, Von Zauberschein umwebt, Aus dessen Wellen eine Fee Die feuchten Glieder hebt. Des Lotos duft'ge Blüthen zieht Sie aus dem langen Haar, Von ihrer Lippe tönt ein Lied Berauschend wunderbar. Und wie sie singt, schlingt sie um sich Den Schleier, licht und rein; Da ist es mir, als zög' es mich In ihre Fluth hinein. O singe, singe, holde Fee, Dein wunderreiches Lied, Daß all mein Leid, daß all mein Weh' Verbraust, verrauscht, entflieht! Die Alpenrose Hoch auf dem Berg, im braunen Moose, Von Eis umglänzt und halb verschneit, Blüht still empor die Alpenrose: Ein süß Gedicht der Einsamkeit. Der lauen Frühlingslüfte Fächeln Küßt ihre jungen Blätter nicht; Sie steht wie ein verloren Lächeln Im starren Felsenangesicht. Die kalten Gletscherwände steigen Sich thürmend mächtig Stück auf Stück, Und unbemerkt im ew'gen Schweigen Wächst sie, wie ein verschwiegen Glück. O selig der, dem wohlgeborgen, Im oft durchfrosteten Gemüth, Hoch über allen Erdensorgen So eine süße Blume blüht! O komm mit mir zu dieser Laube, komm! Ghaselen I. O komm mit mir zu dieser Laube, komm! Aus ihren Zweigen girrt die Taube: komm! Am Bergesabbang rauscht der Silberbach, Reift still zu süßem Wein die Traube, komm! Ein sanfter Hauch bewegt die grüne Saat Und flüstert in dem Blütbenstaube: komm! Die Lilie öffnet sehnend ihren Kelch, Giebt ihren Duft der Luft zum Raube, komm! Der bleiche Mond schifft langsam durch die Nacht Und spricht mit weißem Licht: o glaube, komm! Die Liebe ist ein kühner Edelfalk; Lös' ihm mit güt'ger Hand die Haube, komm! Einmal nur für alle Orte, liebe Seele Ghaselen II. Einmal nur für alle Orte, liebe Seele, — glaube mir! — Klopft das Glück an deine Pforte; liebe Seele, glaube mir! Nicht zum zweiten Male blüht die süße Frühlingsblume Liebe, Wenn sie einmal kalt verdorrte; liebe Seele, glaube mir! Was die Lippen auch betheuern — die Verbeißungen und Schwüre Sind nur Echo früh'rer Worte; liere Seele, glaube mir! Einmal läßt der Schatz sich heben — doch erlosch das Zauberfeuer, Nahst du niemals mehr dem Horte; liebe Seele, glaube mir! Mittag im Süden Pan schläft! In allen Wipfeln Mittagsstille! Man hört des Gottes tiefes Athemholen, Die jungen Blätter flüstern wie verstoblen, Und nur in langen Pausen zirpt die Grille. In Schlummer liegt der hohe Götterwille Und hat zu feiern der Natur befohlen, Die Stunden schleichen wie auf Blumensohlen: Pan schläft! In allen Wipfeln Mittagsstille! Ein sonnig Netz umschlingt mit goldnen Ringen Die weite Flur und hält den Bach gefangen, Bis seine muntern Wellen sanfter klingen; Den Rosenbusch nur regt ein schüchtern Bangen, Sehnsüchtig duftet er nach holdem Singen Der Nachtigall und bebt voll Thauverlangen. Epigramm Stellst du das Häßliche dar, so leih' ihm den Reiz noch der Charis; Ist ja der Teufel doch selbst nur ein gefallener Gott. Es rauschen den eingeborenen Ton Reimsprüche I. Es rauschen den eingeborenen Ton Der Wald, das Meer seit Jahrtausenden schon. Geschlechter schwanden und sind gekommen, Sie haben des Urlieds Klang vernommen, Und konnten aus all dem Wogen und Wehen Ein einziges Wort nur: „Gott!“ verstehen. Der Eine liegt am liebsten an dem Bach Reimsprüche II. Der Eine liegt am liebsten an dem Bach Und sieht dem Lauf der hellen Wellen nach; Der Andre sucht im Wald den Dämmerschein, Ins grüne Dickicht blickt er still hinein. Geh deines Weges, stör' die Träumer nicht Und such' dein Plätzchen, schattig oder licht. Dein Angesicht Ein seltnes, räthselhaftes Buch Ist mir dein Angesicht, Auf jeder seiner Seiten steht Ein blühendes Gedicht. Doch wenn ich lesen will darin Recht tief versenkt und stumm, Schlägt mir der Schalk in deinem Aug' Die Blätter listig um. Sinnspruch Am entlaubten Zweige zittert manchmal noch ein grünes Blatt, Das der Baum, trotz Sturm und Regen, sorgsam sich erhalten hat; Also hält die Seele manchmal, als des Glückes letzten Rest, Vor der völligen Entsagung eine schöne Täuschung fest. Das böse Meer Das böse Meer verschlang ein liebes Blatt, Das mir des Liebchens Hand gesendet hat. Vielleicht, daß es alsbald die Nymphe fand Und es jetzt nächtlich liest am stillen Strand. Das Wasser wallt heran und trägt sich fort Mit Wellenmurmeln manches süße Wort. Die Zeichen all', unleserlich und klein, Beschauet sich der Mond mit klugem Schein. Die Luft, die kühl der Nymphe Haar durchweht, Sucht zu erhaschen, was im Briefe steht. All das, was sie voll Sehnsucht mir vertraut, Ward so am Strand belauscht, ward so beschaut. Doch besser ist's, daß es die Woge nahm, Als daß es in der Menschen Hände kam. Denn Nymphe, Welle, Mondenschein und Wind, Sie sind verschwiegner, als die Menschen sind. Sehnsucht Wem Sehnsucht stets die Brust durchzieht, Der wird sich selbst zur Pein; Denn ob er weilet, ob er flieht, Sie läßt ihn nie allein. Sie spricht ihm aus dem Mondenstrahl, Aus jedem Weh'n der Luft; Er athmet ein die süße Qual In einer Blume Duft. Er sucht und fände gar so gern, Wonach er ruhlos schweift, Was ewig nah und ewig fern Und was er nie ergreift! Liebesursach „Sprich, kannst du mir, du süßes Kind, Recht gründlich sagen, Warum du mich im Herzen schon So lang' getragen, So lang', so lang' — und trägst mich noch In deinem Herzen, So tief, so tief — das könnte mich Beinahe schmerzen. Ich bin nicht schön, nicht allzu jung Und nur ein Dichter!“ Da ward verklärter ihre Stirn, Ihr Auge lichter; Da sprach sie, als ob weiter nichts Zu sprechen bliebe: „Ich liebe dich, ich liebe dich, Weil ich dich liebe!“ Wanderlied für junge Leute Wird dir je zu eng die Brust, Packe deine sieben Sachen, Und hinaus mit Wanderlust Aus der Menschenwelt, der flachen! Frisches Herz und leichten Hut! Starken Stock und leichtes Ränzchen! Wagst wohl gar, du junges Blut, In der Schenke noch ein Tänzchen. Auf den Bergen bist du frei, Unter rauh gewalt'gen Massen! Darfst dir von der Polizei Nicht den Paß besicht'gen lassen. Frisches Herz und leichten Hut! Starken Stock und leichtes Ränzchen! Ist erschöpft dein junges Blut, Winkt dir wohl ein Wirthshauskränzchen! Und der Schönheit sei nicht blind! In den Städten und den Flecken Giebt es, wie sie einmal sind, Mädchen, aufgelegt zum Necken. Frisches Herz und leichten Hut! Starken Stock und leichtes Ränzchen! Schaue nur, du junges Blut, Dreist nach Christelchen und Fränzchen! An einer Bahre Wenn heut' Jemand nach ihm fragt, Der ihm Liebe vorgelogen Und ihm treulos war — dem sagt, Daß er heute ausgezogen, Ausgezogen in ein Haus, Wo er Niemand kann empfangen, Wo nur ein und niemals aus Die Bewohner sind gegangen. Wenn heut' Jemand nach ihm fragt, Der sonst niemals nach ihm fragte, Nicht in Lieb' und Haß — dem sagt, Daß er schlummert, der Geplagte, Daß er sich zu langem Traum Eben hingestreckt ins Bette, Welches nur für Einen Raum, Raum für keinen Zweiten hätte. Früher Tod Klage Dem, der früh geschieden, Nicht in bangen Seufzern nach, Ihm, dem noch im tiefsten Frieden Mehr sein Herz zerging als brach, Ihm, mit dem des Glaubens Fahne Unzerrissen, ungekränkt Von des Zweifels scharfem Zahne, Ward ins stille Grab gesenkt! Nicht des Lebens Schreckgestalten Hat der Glückliche gekannt, Nicht die nächtlichen Gewalten, Nicht des Herzens heißen Brand, Nicht die Triebe, die verzehren, Nicht die Hoffnung, die betrügt, Nicht nach Wissen das Begehren, Das den Menschengeist belügt. Nicht den Druck der Jahre fühlt' er, Noch des Undanks Bitterkeit, Nicht in eignen Schmerzen wühlt' er, Noch in Andrer Pein und Leid. Ferne stand er der Gemeinheit, Unter der er noch nicht litt; Seinen Glauben an die Reinheit Aller Menschen nahm er mit. Klage Dem, der früh geschieden, Nicht in bangen Seufzern nach, Ihm, dem noch im tiefsten Frieden Mehr das Herz zerging als brach! Frage nicht, was er erstrebte, Nicht, was Großes er gebar; Frage nicht, wie lang' er lebte, Nur, wie lang' er glücklich war! Hymnus Er ist so fern, Daß, wenn du Adlerflügel an dich nähmest Und in die Himmel flögst von Stern zu Stern, Du Seinem Throne doch nicht näher kämest. Er ist so nah, Daß, streckst du nur die Hand nach einer Blume, Nach einer Frucht, so ist Er plötzlich da Und wird dir zum Besitz und Eigenthume. Er ist so stark, Daß, wenn Er haucht, Gebirg und Wald zersplittern; Daß selbst der Erdball bis ins tiefste Mark Vor Seinen Athemzügen muß erzittern. Er ist so mild, Daß, wenn Sein Athem durch die Fluren säuselt, Sich kaum im unermeßlichen Gefild Ein Blatt nur rührt und eine Welle kräuselt. Er ist so groß, Daß Ihm die weite Erde nicht zu weit ist, Daß Ihm der breite unbegrenzte Schooß Des ganzen Alls und Weltalls nicht zu breit ist. Er ist so klein, Daß, in das Herz des Menschen eingelassen, Ihn dieser kleine, kleine Herzensschrein Vermag in seiner Ganzheit zu umfassen. An meine Feder I. Dir dank' ich Alles, was ich bin und habe — Zwar wenig ist's, doch ist es mir genug — Dir, kleiner Federkiel, der du mein Pflug, Mein Spaten bist, mit dem ich pflüg' und grabe! Und ganz gewiß, ich halte dich im Trabe, Und willig dienst du mir und ohne Lug, Und wirst mir dienen bis zum Aschenkrug, Zu hoffen wag' ich's, noch mit mancher Gabe. Und was du auch gefehlt in Drang und Hast, Doch sah man dich nie bei der Menge nächt'gen, Nein, einsam trugst du deiner Nächte Last. Nie schlichst du bei Gewaltigen und Mächt'gen Dich dienend ein als kriecherischer Gast, Und fröhntest nie dem Schimmernden und Prächt'gen. II. Dem Einen ward das Schwert: er läßt sich's zahlen, Daß er es täglich schnallt an seine Lenden; Ein Andrer wägt für Sold in seinen Händen Der Themiswage zweifelhafte Schalen. Ein Dritter lebt von seinem klerikalen Sermon und von Postillen und Agenden; Sein Werkzeug ist die Schrift, aus deren Bänden Er seine Themen nimmt, die pastoralen. Mein Werkzeug bist nur du — ein arbeitsames! Kein Orden wird auf meinem Sarge prangen, Kein Ehrenschwert mit goldener Agraffe; Nein legen soll man dich statt solchen Krames Auf meines letzten Hauses Bretterwangen, Mein Rüstzeug, dich! Dich, meine Ehrenwaffe! Wenn ein Leid dich schwer bedrängt Lebens- und Trostsprüche I. Wenn ein Leid dich schwer bedrängt, Tritt entgegen ihm mit Waffen! Wenn es dir den Raum beengt, Suche selbst dir Raum zu schaffen! Zeige dich zu jeder Zeit Stärker als dein Herzensjammer! Sei nicht Ambos deinem Leid, Nein, sei deines Leidens Hammer! Wenn die Qual nicht heut' von dir Überwunden und gebannt ist, Wisse, daß du dann von ihr Morgen dreifach übermannt bist! Herz, mein Herz, o klage nicht! Lebens- und Trostsprüche II. Herz, mein Herz, o klage nicht! Tröstend laß mich zu dir sprechen: Alles, was da lebt, das bricht! Herz, mein Herz, auch du wirst brechen! Du, mein Auge, weine nicht! Tröstend laß mich zu dir sprechen: Alles, was da lebt, das bricht! Du, mein Aug', auch du wirst brechen! Trümmer Nun kommt der Lenz, die frischen Quellen schäumen, Es lockt der Wald uns in sein grünes Haus, Und unter rosenhellen Apfelbäumen Wiegt sich verschämt der wilde Glockenstrauß; Nun kommt der Lenz und wieder glaubt der Arme An einen Gott, der sich der Welt erbarme. Nun friert die Noth nicht mehr bei kargen Kohlen, Und sucht durch Schnee und Frost ihr dürftig Mahl, Des Armen schöne, blasse Kinder holen Die rothe Erdbeer' aus dem Felsenthal, Durch das zerriss'ne Strohdach jedes Armen Blickt mildes Licht wie göttliches Erbarmen. Sahst du den tauben, stummen Bettelknaben Im Winter barfuß zieh'n in stillem Gram, Mit seinem Glöcklein betteln kleine Gaben, Mit seinem Glöcklein, das er nicht vernahm? Nun liegt er schlummernd, lächelnd unter'm Baume, Und hört des Himmels Glocken all' im Traume. O schöne Zeit, jetzt will ich träumend liegen Am grünen Rain, aus dem die Quelle springt, Ins kühle Gras mein heißes Antlitz schmiegen, Und horchen, wie so froh die Armuth singt, Und glauben will ich ein paar kurze Stunden, Daß ihren Retter diese Welt gefunden. O daß er käme, jener Fürst der Liebe, Der von dem Haupt die goldne Krone legt, Und, daß kein Herz verarmt und dürftig bliebe, Den goldnen Reif zu frommen Münzen prägt, Der seinen Purpurmantel voll Erbarmen Mildthätig theilte für die Brut der Armen! O daß er käme, mild wie dieser Abend, Der gute Heiland einer kranken Zeit, Die Nackten kleidend und die Durst'gen labend, Und spräche von des Lebens Herrlichkeit, Ein Spielmann, ernst und sanft, aus dessen Liede Auf alle Menschen träufelte der Friede. Ein schöner Traum! Er wird sich nicht erfüllen, Doch blickt er schön aus rothem Dämmerlicht. Es taugt, die Noth der Erde zu verhüllen, Die Blumenpracht von hundert Lenzen nicht, Allein so lang' noch ird'sche Lenze dauern, Wird der Poet mit dem Enterbten trauern! Erstes Erblicken Ich hab' dich immer nur gesehen Von einem Schleier überwallt, Der wie ein Duft mit leisem Wehen Umspielte deine Huldgestalt. Ob er der Anmuth vollen Schimmer Verhüllte, dennoch liebt' ich ihn, Den Schleier, der ein Bild mir immer, Jungfräulichkeit, von dir erschien! Ist's doch der Reiz der Mädchenseele, Daß auch auf ihr ein Schleier liegt, Nicht, daß er bergend etwas hehle, Doch mildernd Alles sanft umschmiegt. Da — plötzlich im erhellten Saale Seh' ich dich stehn in Schmuck und Glanz, Und jetzt erst, jetzt zum ersten Male, Wie schön du bist, begreif' ich ganz! Mein Herz erfaßt's mit holdem Beben, Du bist wie schleierloses Glück! Doch wär's auch besser — für mein Leben Wünscht' ich den Schleier nicht zurück! Und mit Gedanken, wonnig tödtend, Denk' ich: Wie wird einst Jenem sein, Vor dem den Schleier du erröthend Senkst, Mädchen, von der Seele dein! Auf eine Todte Schön war sie, wenn ein Bild von Stein, Ruhig und ernst, voll hehrer Milde, Eines größten Meisters Gebilde, Kalt und edel, schön kann sein. Wie ein Spiegel war ihr Gemüth, Spröde und klar — er ist zersprungen, Eh' noch ein Licht zu ihm gedrungen, Eh' noch ein Bild darin erglüht. Sie sprach und sang und ahnte es kaum, Was sonst ein Mädchenloos versüßt hat; Wenn sie geküßt ward oder geküßt hat, War es im Geist nur oder im Traum. Nun ist sie todt und lebte doch nie, Sie ist am Leben nur gewesen — Ein Buch entsank ihrer Hand — doch sie Hatte kein Blatt darin gelesen. Begegnen Eine Silberlichtspur folgt dem Kahn In der stillen Nacht auf seiner Bahn — So ließ dein Erscheinen eine helle Spur in meines Lebens dunkler Welle. Jene Spur, die in den Wassern ruht, Wird verschwinden mit der nächsten Fluth, Doch die schöne Lichtspur im Gemüthe Tilgt fürs Leben keines Sturms Gewüthe. Der April und die Sonne Wer stets von der Sonne nur rühmen will, Als ob sie ein Herz voll Liebe hätte, Der höre das Schicksal des armen April Und richte dann über die Erzkokette. Der junge April in der schönen Zeit, Wo die Herzen noch nicht gelernt, sich zu schützen, Sah nach der Sonne oft beiseit', Das merkte die Sonne und wußt' es zu nützen. Erst huschte sie, räthselhaft fragend und doch Ganz deutlich schon, über ihn weg mit dem Blicke: Halt, dacht' er, was war das? — Doch zweifelt' er noch, Es ging ihm beinahe zu rasch mit dem Glücke. Da ersah sie's und traf ihn mit glühendem Strahl Um Mittag — dem war er nur zu empfänglich! Ha, wie der elektrisch mit einem Mal Das Herz ihm entzündete überschwenglich! O weh, jetzt war er in ihrer Gewalt, Und grausam begann sie mit ihm zu scherzen, Denn plötzlich blickt sie so kalt, so kalt, Daß der junge Trieb ihm erstarrt im Herzen. „Was hab' ich begangen? wie that ich ihr weh?“ So fragt er betäubt. Du Ärmster, mit nichten! Brauchst hinter die Wolken dort nur, in der Höh', Zu neuem Entzücken die Blicke zu richten! Und wahrlich, siehe, noch halb versteckt, Aufs Neue glänzet die Falsche wieder, Und reizt ihn mehr und mehr und weckt Und tödtet die junge Liebe wieder. Da endlich hat er ihr Spiel durchschaut: „Dein Herz ist Eis und Trug dein Schimmer — So ruft er in der Verzweiflung laut — Wohlan, so flieh' ich dich auf immer!“ Und ob sie noch so hold ihn lockt, Er hüllt sich in des Vaters Erbe, Den Wintermantel, schneeumflockt, Und schwört, zu frieren bis er sterbe. Und als sie besorgt den Mai entbot, Den trotzigen Bruder zu erbitten, Da fand der Mai den Bruder todt, Am Herzleid hatt' er ausgelitten! Drum sag' ich: wer nur rühmen will, Daß die Sonne ein Herz voll Liebe hätte, Der höre das Schicksal des armen April Und richte dann über die Erzkokette! Bruder Lustig I. Der Fachgelehrte, soll er euch Ein Bändchen produciren, So muß er seinen Gegenstand Sorgfältig durchstudiren. Schon höher steht der Philosoph: Will er entstehen lassen Ein Werk, so braucht er nur den Geist Der Sache zu erfassen. Am höchsten steht der Literat: Ohn' irgend was zu treiben, Kann reizend er und wundersam Euch über Alles schreiben. II. Erst, wenn man älter wird, Lernt man sich freuen Und mit Verstand und Herz Freuden erneuen. Ach, wie süß ist ein Kuß, In guter Stunde Frisch geraubt zierlichem Und rothem Munde: Zuckender Sonnenblitz, Glühendes Beben, Rosig ätherisches, Himmlisches Leben! Schwindet dahin das Glück, Nicht ist verloren, Was dir aufs Neue stets Wieder erkoren. Reizend Vergängliches In schönem Kranze Wird überschwengliches, Seliges Ganze. III. In ein Mädchen sich verlieben Heißt gehören ihr allein, Heißt nur sie vor Augen haben, Blind für alles Andre sein. Stets verliebt in Eine bleiben Heißt von dem, was hold und fein In der Zahl der andern Schönen, Immer ohne Kunde sein. Stets verliebt in Eine bleiben Heißt für Andere von Stein, Heißt ein ungerechter Richter — Heißt ein dummer Teufel sein. VI. Ich liebe den Wein, der golden blinkt, Mit hellen Gluthen lockend winkt, Den man so lange gerne trinkt, Bis man besiegt zu Boden sinkt. Ich liebe den Wein in munterem Kreis, Ich liebe den Wein, wenn glühend heiß Der Sommer uns bethaut mit Schweiß, Gekühlt und frisch auf Winters Eis. Ich liebe den Wein, den froh citirt Der Wirth mit Höflichkeit servirt Und, während Alles poculirt, Gefällig in sein Buch notirt. Was ist Liebe? Wie oft du geweilt bei der Süßen, Schönen, Stets klopfenden Herzens zu ihr sich sehnen; Wie oft dein Aug' an ihr gehangen, Stets glühend wieder nach ihr verlangen; Wie oft du sie küssend durftest umwinden, Stets tiefere Leidenschaft empfinden; Wenn dir's versagt ist, sie zu sehen, In innigem Herzeleid vergehen; Und jede Secunde verloren achten, Wo ihre Augen dir nicht lachten; Im Glücke selbst ein Sehnen fühlen, Durch keine holde Gunst zu kühlen, Und Herz an Herz, im höchsten Entzücken, In ihr noch ein fernes Gut erblicken, Ein Ideal, der Sonne vergleichbar, Stets unerreicht und unerreichbar, Das, das ist Liebe, die Krone des Strebens, Die höchste Wonne des Erdenlebens! Schau dich um! Wohl war's im frohen, blum'gen Mai; Mir aber war der Blick nicht frei. An altes Leid, an alten Schmerz Dacht' ich und weh war mir ums Herz. Da schlich ich nun in finsterem Sinn Durch blüh'nde Auen und Felder hin, Trat finster ein in den grünen Wald, Und Müdigkeit befiel mich bald, Daß unter ner Buche hoch und schlank Ich bald in tiefen Schlummer sank. In diesem Schlummer hat sich's begeben, Daß einen Traum ich träumte voll Leben. Dann plötzlich hört' ich ein Gurren und Girren, Ein Rauschen und Singen und Zwitschern und Schwirren, Und wie ich so lauschte, kam, weiß nicht wie, Ein Sinn in des Waldes Melodie. Da tönte der Bienlein Gesumme: „Humm, humm! Wer ist jetzt so thöricht und sieht sich nicht um? Nun blühen die Blümlein auf Thälern und Höh'n So süß und so lieblich, so duftig und schön. Nun lärmet und schwärmet und treibt euch herum! Und nur nicht gehärmet! Wie dumm das, wie dumm!“ Dann rief es dazwischen: „Guck um dich! Guckuck, Schließ nimmer die Augen, als wie ein Kalmuck; So blau ist der Himmel, so grün ist der Wald; Guck um dich und Holderes findest du bald! Hör' nur auf den Vater! Guck um dich, Guckuck! Und es fehlt dir das Glück nicht, mein Söhnlein so schmuck!“ Und es sangen der Fink und die Amsel und Meis': „Nun öffnet die Augen, ihr Kindlein, mit Fleiß! Schaut um euch im Feld, schaut um euch im Wald! Wie grünt es, wie sprießt es so tausendgestalt! Wie duften die Blüthen so roth und so weiß! Schaut um euch und singet dem Herren zum Preis!“ — So klangen der Töne noch mancherlei, „Schau um dich“, das fehlte nimmer dabei. Und wie ich aus meinem Traum erwacht, Da hab' ich auch selbst das „Schau um dich“ gedacht. Ich schaute mich um und ich lauschte im Wald; Wie ward mir so wohlig im Herzen da bald! Hell klang es vom Lied da der Vögelein, Die Bäume rauschten im Tempo darein, Und es wehte so frisch und erquickend die Luft, Und es hauchten die Blumen so lieblichen Duft, Und die Bäume so grün und so schattig und dicht, Und dazwischen so zaubrisch das goldene Licht. Und ich trat aus dem Wald, ich kam in das Feld, Da fand ich's kein Härlein schlechter bestellt. Es blühten die Bäume auf Hügel und Thal, Es lachten die Wiesen im goldenen Strahl, Es wogte das grünende Korn auf der Au, Es ragten fernher die Berge so blau, Unzählige Lerchen jubelten drein, Ich schaute mich um und verstand sie so fein. Und weiter schritt ich, mit munterem Schall Sang mir ihren Gruß da die Nachtigall. Ihr Lied zu verstehen, nicht war es mir schwer; Froh blickt' ich nach allen Seiten umher. Wie lachte die Stadt da mit Thürmen und Dom! Wie lachte mit Schiffen und Brücken der Strom! Und war noch kaum kommen zum vordersten Haus, Da trat just ein herrliches Mägdlein heraus, So schlank und so fein und so rosig und zart, So frisch und so ganz unschuldiger Art; Wohl prüfend ruht' auf ihr lange mein Blick, Wie eilt' sie da schamübergossen zurück! Ja kehr' mir den Rücken, ja eil' nur ins Haus! Ich kann's schon erwarten, du kommst noch heraus. Es findet sich Manches, sind wir nicht dumm; Es findet sich Manches, sehn wir uns um. Dichters Antwort Und ob ich mein Leben verdichtet, Und ob ich mein Leben verträumet, Und ob ihr mich scheltet und tadelt, Was hab' ich dabei versäumet? Mir sind im Traume erschienen So hohe, so edle Gestalten, Wie nimmermehr im Leben An euch vorüberwallten. Da ist mir der Freund erschienen, So fand ich auf Erden keinen; Da ruht' ich am Busen so Holden, So Trauten, so Engelreinen. Da sprachen die Flüss' und Bäume In Worten, sinnigen, klaren; Da kamen der Vorzeit Helden; Da sangen der Englein Schaaren. Da durft' ich himmelan schweben Mit ihnen im süßen Vereine. Gern lass' ich euch euer Leben —, Doch laßt mir auch das meine! Die müssen Beide für einander sein Wo ich zwei Bäume sah, mit ihren Zweigen So hold verschränkt und still vertraut und nah', Wo ich zwei Wölkchen mit des Tages Neigen Am Abendhimmel roth erglühen sah, Wo ich zwei Glocken hört' harmonisch klingen, Zwei Vöglein locken hört' im stillen Hain; Da mußt' ich stets mit Meister Goethe singen: Die müssen Beide für einander sein. Und wir, wir wandelten zum Lindenpaare — Zwei Wölkchen glühten über'm Laubengang, Zwei Glocken summten durch die Luft, die klare, Zwei Finken schmetterten im Wechselsang. Du warest still zur Rasenbank gesunken Und ich umschlang so kühn den Nacken dein — Wie zornig warst du! Doch ich jauchzte trunken: Wir müssen Beide für einander sein! Ein Lied, ein Lied! Zu diesen Liedern nun voll Qual Ein Lied im Lerchenschlage! Ein Tropfen Thau, ein Sonnenstrahl Und eine süße Frage! Ein Lied, ein Lied, ein Lächelhauch Und eine Thrän' im hellen Aug'! Das wär' ein Lied zu senden Dir An diesem Frühlingstage. Denn Du bist mein und ich bin Dein! O Gott, wie alte Klänge! Und dennoch für der Liebe Pein Der schönste der Refraine! O Du bist mein und ich bin Dein! Wo will dies Lied zu Ende sein, So lang die Sehnsucht, ach, so gern Um Deinen Hals sich schlänge? So fliege, wie Du bist, für mich, Mein Lied, zu ihr mit Grüßen, Auf ihren Nähtisch lege Dich, Oder zu ihren Füßen, Und fing' und sag' ihr süß, statt mein: O Du bist mein und ich bin Dein! Und küss' ihr Aug' und Mund, fürwahr, Ich wollt's für Dich genießen. Das ist so Brauch Wie die Nacht den Himmel droben Finster mit Wolken hat umwoben! Thränen weint er, kalt und naß, — Leichenblaß Schaut er jetzt durch's Fensterglas. Hast gewiß zu warm geliebet, Armer Himmel, so tief betrübet, Drum die Thränen im blauen Aug'; — Das ist so Brauch, Wenn man liebt, so weint man auch. Ich hab' so lieb den Blick der stillen Güte Ich hab' so lieb den Blick der stillen Güte, Der alle Schroffheit der Natur besiegt, Den Sonnenstrahl aus göttlichem Gemüthe, Vor dem, wie Rauch, das Häßliche verfliegt. Ich hab' so lieb die lilienweiße Stirne, Die zwingend beugt des stolzen Mannes Knie, Das milde Licht um eines Hauptes Firne, Die stumme Macht der innern Harmonie. O Frauenmacht! wenn du dich recht verständest Und nie begehrtest über dich hinaus, Den Herrscherstab im Geist der Stille fändest, Wir wären besser, heil'ger wär' das Haus. Alice I. Hab' ich gelebt, eh' deiner Nähe Gnade Mein dunkles Herz erfüllt mit ihrem Licht? Hab' ich gelebt, verloren deinem Pfade? Ich glaube nicht! Ich ahnte dich, ich suchte dein Gemüthe, Und glaubte oft gefunden deine Spur; Ach, was ich fand, es war von deiner Blüthe Der Schatten nur! Und wenn ich je nach eines andern Weibes Geliebter Gunst den süßen Drang gespürt, War's, weil ein Schimmer deines reinen Leibes Mich irr' geführt! Dann kamst du selbst; an einem Tag der Tage Ward ich gewürdigt, deinen Glanz zu schau'n, Und diese sel'ge Stillung jeder Klage, Ich darf ihr trau'n. Nicht neue Täuschung, o kein fahler Schimmer! Ich sah die Fülle aller Seligkeit, Erkannte dich und habe dich für immer, Für alle Zeit! Sei wo du seist, und gehe wo du gehest, Ich habe dich, bist du auch nicht mehr da. Ich habe dich — und ob du's nicht verstehest: Du bist mir nah! Ich war versunken in den Finsternissen Der eignen Brust; nun strahlt sie morgentlich; Ob du mich liebst, begehr' ich nicht zu wissen: Ich liebe dich! II. Das ist ein Lenz, ein Frühling sonder Gleichen, Ein weicher Teppich, unergründlich grün; Und das sind Blumen, wie in Erdenreichen Sie nie geblüht und schwerlich wieder blüh'n. Das ist ein Meer von lindbewegten Düften, Von Morgenwolken, schwanenweiß besäumt; Und das ein Singen, Klingen in den Lüften, Wie nie vernommen, niemals noch geträumt. Wie ist mir denn? Ich sah doch oft die Sonne, Den Erdenfrühling auf und nieder gehn, Den König Lenz mit seiner Maienwonne — So königlich hab' ich ihn nie gesehn. Das macht, er führt die sieben Seligkeiten Im Wappenstern, dein blaues Augenpaar. Dem König geht die Königin zur Seiten: Drum glänzt die Welt, wie nie so wunderbar. O laß sie blüh'n die sanften Tage! O laß sie blüh'n, die sanften Tage, So mild erhellt, so morgenschön, Wie einer Jugend ew'ge Sage, Wie einer Glocke leis Getön! O laß sie rein, die klare Welle — An diesen Frieden rühre nicht! Mir ist so wohl in milder Helle, Die aus dem Aug' der Liebe spricht. O laß sie blüh'n, die sanften Tage, Und rüttle nicht an altem Leid! Versunken liegt's im Sarkophage, Denn wir begruben seine Zeit. Und nun? o lehr' dein Herz verstehen Der sel'gen Stunden Wonneschaum! Es trägt der Mensch so kurz zu Lehen Des Erdendaseins Blüthentraum! O laß sie blüh'n, die sanften Tage! Es kommt der Sturm, eh' du's gedacht; Es kommt die Noth, des Lebens Plage Und das Verhängniß über Nacht; Drum laß sie blüh'n! Genießen lerne Das stille Glück, das dich umgiebt! Wie bald verschwimmt's in ew'ge Ferne, Sein Segen bleibt — wenn du's geliebt! Erinnerungen I. Des Sonntags schien mir sonst wohl die Natur Geweiht, mit reinem Schimmer übergossen; Verklärt lag Alles vor mir, Stadt und Flur, Die ganze Welt dem Heiligen erschlossen. Wie anders dann im Gras der Frühthau lag! Wie friedlich, feierlich der Zweige Flüstern! Der fernen Glocke Ton, der Wachtel Schlag, Der Sonne Gold auf dunkelgrünen Rüstern! O, wie ich Alles dann so anders sah! Es war ein eigen, magisch, reines Wesen! Und auch im Menschenauge hab' ich da Vom Sabbathgeiste stets etwas gelesen. Wie unterscheid' ich doch fortan die Zeit? Seit ich nur dich in Geist und Herzen trage. Erglänzt die Welt in steter Herrlichkeit, Es giebt für mich nicht mehr gemeine Tage. Vergangen, aufgehoben ist die Zeit, Weil du nun steten Festsinn mir gegeben. Sonst träumt' ich dunkel nur von Ewigkeit, Jetzt weiß ich klar, ich leb' im ew'gen Leben! II. Wenn du mir in Gedanken bist, Dünkt sich mein armer Kopf so klug! Die Weisheit aller Weisen ist Dann vor der meinen eitel Trug. Durch deine liebe Näh' allein Bin ich beschenkt so überreich, Daß auch das Weltall, wär' es mein, Nie gälte solchen Schätzen gleich. Zu athmen glaub' ich nur in dir Und denke nur in deinem Geist; O wie verherrlicht hast du mir Den süßen Schmerz, der Leben heißt! III. Sonst sah ich nur erneut die alte Fabel, Wie wildem Zwiespalt Alles war verfallen; Die Welt war mir ein sprachverwirrtes Babel, Wo unverstanden tausend Stimmen schallen. Kaum daß ich dich, du Einzige, nur schaute, Verstand ich die verworr'nen Stimmen alle, Hört' ich nur freundliche, vertraute Laute, Die ganze Welt ward mir zur Pfingstenhalle. Wie wirktest du doch die Verwandelungen? Nun kann ich in Gestein und Wolken lesen, Strom, Wald und Fels hat nun beredte Zungen, Und schöner Einklang einigt alle Wesen. Auswendig und inwendig Auswendig weiß ich eure Lästerzungen, Wie ihr geschmäht und mich verrathen gar; Doch jedes Wort der Liebe, das erklungen, Inwendig weiß ich's, fest und immerdar. Eins ist als Hausgenoß ins Herz gezogen, Das Andre wohnt im Kopfe nur als Gast: Auswendig weiß ich, wie du mich betrogen, Inwendig, wie du es bereuet hast. Auswendig weiß ich Falsches viel und Wahres, Mich kümmert wenig, trifft es euer Spott; Inwendig weiß ich herrlich Wunderbares, Wobei mein einziger Vertrauter Gott. Was ich auswendig weiß, bald wird es treiben Im Wind als Staub zugleich mit andrem Staub; Was ich inwendig weiß, wird immer bleiben, Als eigenst' Gut, das keines Wandels Raub. Die Wintersonne Tief schläft Natur, in ihrem Flimmerkleide Unendlich vor mir hingedehnt, Und meine Seele darbt, die sich im Leide Nach Leben sehnt. Entlaubte Birken zieh'n im Trauerreigen Zum Felsensteg, wo im Azure träumt Die Tanne mit den ewig grünen Zweigen, Von Schnee gesäumt. Der Wipfel glüht, berührt vom Sonnenballe, Mein Auge haftet an dem Schein, Es saugt und trinkt, berauscht vom farb'gen Schwalle, Trinkt tief ihn ein. Wie ich so still am Sonnenantlitz hange, Kommt Himmelsfrieden über mich, Und durstig, selig trink' ich lange, lange — Schon neigt sie sich. O süßer Lichtstrom, bist du Gottes Helle, Die mich mit Gluthen übergießt? Ahmst du die erste Liebe nach, die Quelle, Die endlos fließt? Du schwebst und schwillst und strömst den ew'gen Morgen Wie Gott durch alle Himmel hin, Und tiefe Nacht umhüllt mit Gram und Sorgen Des Menschen Sinn. Wir schleichen hin, als ob ein Fluch uns triebe, Traf unser Herz ein Schicksalsschlag, Und durch Unendlichkeiten strömt die Liebe Uns Segen nach. O gehe hin erhob'nen Angesichtes Und liebe, wie du wirst geliebt, Dir quillt der Born, der voll des ew'gen Lichtes Das Leben giebt. An die Natur Am Abend Wie ganz du Huld und Liebe bist In deinem Frieden, o Natur! Wer liebend dich umarmt, vergißt, Was Leides je sein Herz erfuhr. Der Arme, der den Muth verlor Und blickt dich an, dem lächelst du Und hebst ihn wieder sanft empor, Giebst ihm zurück die Seelenruh. Ich nahe mich mit heil'ger Scheu, Du läßt auch mich nicht ungeliebt, Du bist es ja, die hold und treu Für jede Liebe Liebe giebt. Du ladest Alle zu dir ein, Nähmst gern dich aller Herzen an, Und keines soll vergessen sein, Das nur dein Wort vernehmen kann. Du trittst uns nah', dein Odem fließt An unsre Herzen warm und tief, Und jede Himmelsblum' entsprießt, Die in dem Erdenstaube schlief. O, wer in deinem heil'gen Dom Voll Andacht steht und dich erkennt, Den trägst du auf der Liebe Strom Zu dem, den keine Zunge nennt. Aufblick Laß ew'ge Flammen in mir brennen, Nie, Quell der Liebe, will ich ruh'n! Das Wahre lehre mich erkennen, Das Schöne bilden und das Gute thun, Das Heilige verehren. So laß nach Nord, Süd, West und Ost, Nach allen Himmelsgegenden getrost Das Antlitz froh mich kehren! Ziel und Ende Vom Strande schaut' ich hinaus ins Meer, Da schien so öde die Welt und leer, Die Wellen kamen, die Wellen floh'n, So trieben sie's seit Jahrtausenden schon, Ich sah nicht Ziel und Ende. Und wieder schaut' ich zum Himmel empor, Da zogen die Wolken nach wie vor, Die Sonne, die tief im Westen hing, So heute, wie gestern unterging, Ich sah nicht Ziel und Ende. Und wieder schaut' ich entlang dem Strand, Da spielte der Wind mit dem Dünensand, Hier ließ er ihn sinken, dort hob er ihn auf In ewig erneuertem Wechsellauf, Ich sah nicht Ziel noch Ende. Und wie ich so stand in Gedanken tief, Eine Stimme hold meinen Namen rief — Sie war's! vom rasenumgrünten Rand Der Düne winkte sie mit der Hand: Da sah ich Ziel und Ende. Wie es den Sorgen erging Einst wollt' ich hinaus in den grünen Wald, Da zogen die Sorgen mit; Vergebens gebot ich wohl zehnmal Halt, Sie folgten mir Schritt für Schritt. Doch als wir kamen wohl in den Busch, Begann ein Geflüster sogleich; Die Vöglein riefen: Ihr Sorgen, husch, Hinaus aus dem grünen Bereich! Das Gras erhob sich und hielt sie auf, Ein Windstoß hauchte sie fort, Die Bäume rauschten und schlugen drauf, Sie flohen von Ort zu Ort, Und rannten und stießen die Köpfe sich ein Am Felsen riesig und rauh, Zerschmolzen im lachenden Sonnenschein, Ertranken im duftigen Thau. Da habt ihr's! rief ich, von ihrer Noth Befreit, in die Lüfte hinaus; Da seht ihr, was euch im Walde droht: Ein andermal bleibt zu Haus! Der sterbende Schiffer Aus der Hütte engen Wänden Tragt mich in den Kahn hinaus! Auf dem Meere will ich enden, Nicht im dumpfen Erdenhaus. Meine bange Fieberhitze Kühl' der frische Hauch der See, Und die weiße Woge spritze Mir ins Angesicht den Schnee! Oftmals mit der Fluth gerungen Hab' ich in dem Segelkahn, Hab' mit lautem Ton gesungen In dem brausenden Orkan. Oftmals blieb ich drinnen liegen In der hellen Mondennacht, Ließ mich von den Wogen wiegen, Sah empor zur Sternenpracht. Solche Nacht ist unvergeßlich! Schöner, als am hellsten Tag, Glatter Meerfluth unermeßlich Grüner Spiegel vor mir lag. Oft dann wünscht' ich mir die Ruhe In der freien Wogen Gruft, Nicht in enger Kirchhofstruhe Eingesenkt in Moderduft. Nicht vom Trauerzug geleitet Und der Glocken dumpfem Schall, Nein, den Himmel ausgebreitet Über blauem Wogenschwall. Nicht von Brettern eingeschlossen Und gedeckt mit Erde schwer — Nein, von Hügeln licht umflossen, Wie sie spielend wölbt das Meer. Meine Stunde hat geschlagen, Kahn, spann' deine Segel aus! Sollst als offner Sarg mich tragen In mein herrlich Grab hinaus. Löst die Seele sich vom Leibe, Dann vom Ufer löst den Kahn, Daß er mit dem Todten treibe In den Weltenocean. Frauenliebe Frauenliebe ist die Quell' im Thale, Die, ob festes Eis sie noch umschließt, Bei dem ersten warmen Sonnenstrahle Wieder reicher wallend sich ergießt. Frauenlieb' ist gleich dem Rosenstrauche; Ob ihm Nord und Sturm die Blüthen raubt, Bei dem ersten warmen Frühlingshauche Hebt, aufs Neu' erblühend, er das Haupt. Frauenlieb' ist gleich dem Abendsterne; Scheint vergebens er auch tausendmal, Ruhig harrt er in der blauen Ferne, Bis ein liebend Aug' erkennt den Strahl! An den Wind O Wind, du wandernder Wind, Woher die ergreifende Macht Deines laubdurchsäuselnden Tons, Der Sommerabends erwacht? Sag', kommt sie dir von der Fluth, Vom schwanken Halm, den du bogst, Oder von der Felsenkluft, Durch welche du athmend zogst? Oder ist's, weil die Stimmen des Alls In dir vereinigt sind, Daß dein Ton uns so beherrscht, O Wind, du wandernder Wind? Nein, nein, der fremdsüße Klang, Der mit dir anschwillt und geht, Er kommt nicht vom schwanken Halm, Von der Tanne, die flüsternd steht. Er kommt auch nicht von der Fluth, Und nicht aus der Grotte Nacht, Die Lieb' in der Menschenbrust Verleiht ihm solche Macht. Er rührt der Erinnerung Band In unsrer Seele gelind, Und sie wacht und bebet und weint, O Wind, du wandernder Wind! An die Nordsee Ich lieg' aufs Neu' anbetend dir zu Füßen, Du ewigschöne, wunderbare See! Aus tiefster Brust laß mich aufs Neu' dich grüßen, Du nur verstehst allein mein heimlich Weh. Geheimnißworte will ich mit dir tauschen, Laß durch mein Singen deine Wogen rauschen! O ich verstehe dich, du Wandelbare, In deiner Wonne, deiner tiefen Qual, In deinem Frieden, wenn der blaue, klare Himmel dich grüßt mit heil'gem Liebesstrahl. Am besten doch versteh' ich dein Erbeben, Wenn sich im Sturm die Wogen brandend heben. So sah ich dich, o See, vor wen'gen Tagen. Wie kämpften da, wie flogen deine Wellen! In jeder schien ein stürmisch Herz zu schlagen, In jeder eine Brust im Kampf zu schwellen, Aus jeder stieg ein Ton der bangen Qual — So sangen Millionen den Choral. Doch jetzt, wie schön! In Reue hingegossen, Liegst du, wie Magdalena, still und groß; Du hast des Himmels heil'ges Bild umschlossen, Und Frieden sinkt herab in deinen Schooß. Und über all dein Sündigen, dein Leiden Will er den blauen Liebesmantel breiten! Lieben und Fürchten Ich liebe die goldenen Sterne: So oft ich sie geschaut, Haben sie lichte Funken Der Wahrheit mir vertraut. Ich liebe die duftenden Blumen: Sie geben mir süße Ruh'; Vor ihrem Bilde schließt sich Des Kummers Pforte zu. Ich liebe, — doch nein! ich fürchte Der schönsten Augen Licht: Des Friedens Glück und die Wahrheit Fand ich bei ihnen nicht. Der Maler Mir träumt', ich stünd' als Maler Vor meiner Staffelei, Und malte, süßes Liebchen, Dein schönes Konterfei. Der Stirne sanfte Wölbung, Das wallende goldene Haar, Die frischen Rosen der Lippen Gelangen mir wunderbar. Die Augen nur verfehlt' ich — Die schauten mich freundlich an, Freundlich und liebeverheißend, Wie sie es nie gethan. Meine Sonne Nun soll mein Leiden, soll mein Klagen Verklungen und vergessen sein! Ich will nur dich im Herzen tragen, Und dir mein ganzes Denken weih'n. Ein klarer Stern am Horizonte, Erschienst du mir in trüber Nacht, Und keine Wolkenhülle konnte Verdunkeln deines Lichtes Macht. Bald wuchsest du zur Sonnenhelle Und, aufwärts nehmend deinen Lauf, Stiegst du mit wunderbarer Schnelle An meiner Wünsche Himmel auf. Nun ist es Tag in meinem Leben, Und Freude zog in mein Gemüth, Darin, von deinem Strahl umgeben, Die Blume meiner Liebe blüht. Ein Proteus Du bist, o Wort! ein Baum mit grünen Zweigen, Und bist die ewig muntre Waldesquelle; Bald leuchtest du, ein Stern, in Sonnenhelle, Bald flimmerst einsam du durch nächtig Schweigen. Zum Himmel fliegst du mit des Adlers Schnelle, Und trauernd willst du in die Grüfte steigen; Du tanzest luftig deinen Elfenreigen, Und hebst, ein stürmend Meer, dich Well' auf Welle. Ich liebe dich umgürtet mit den Waffen, Wenn du zum Kampfe für die Menschheit eilest Und stolze Geister deine Züge lesen; Ich liebe dich, wenn du, nur halb erschaffen, Noch auf des Mädchens holden Lippen weilest, Ein leiser Hauch verräth dein ganzes Wesen! Der Fischer Es war vor langer Zeit ein Fischerknabe, Ihn sahen seine Nachbarn Morgens immer Zum Meere wandern mit dem Angelstabe Und wiederkehren in des Abends Schimmer. Doch einstens zog er aus und kehrte nimmer; Sie wähnten ihn versenkt im Fluthengrabe Und theilten trauernd seine kleine Habe, Die Angeln, Netze, wie der Muscheln Flimmer. Nach Jahren kam er als ein Mann gegangen; Sie sah'n wie sonst ihn, nur mit bleichen Wangen Und trübem Blick, zum Meere niedersteigen. Und forschten fragend sie um sein Beginnen, Sprach er vor sich in langem, düstrem Sinnen: „Ich hab' die Welt gesehn,“ — und sank in Schweigen. Meeresleuchten In langen Furchen rauscht es durch die Wellen; Es späht der Seemann von des Schiffes Rande Mit düstrem Blick nach einem fernen Lande, Wohin die Winde seine Segel schwellen. Da hebt sich's rings in tausend Feuerquellen, Und funkelnd zieht's ums Schiff wie Silberbande, Und fernher in geheimnißvollem Brande Erscheint's wie Klippen, die sich matt erhellen. Da steigt der Mond mit seinem vollsten Lichte, Der Zauber der Erscheinung wird zunichte, Dem Schiffer bleibt das ferne Land versunken. Doch Ruhe weilt auf seinem Angesichte, Es hat sein Herz im Strahle jener Funken Einmal des Hoffens milden Thau getrunken. Glaube Ermattet sanken meine schwachen Glieder; Der Fluth, der unbezwinglichen, zum Raube, Trieb auf den Wellen frei mein alter Glaube, Das kleine Schiff ging schwankend auf und nieder. Da hört' ich leise rauschendes Gefieder; Es flog einher die weiße Friedenstaube Und brachte mir das Reis mit grünem Laube, Und aus den Fluthen stieg die Erde wieder. Seid mir gegrüßt, ihr lieblich grünen Matten! Ihr sonn'gen Berge mit der Wälder Schatten, Ihr Blumen, lächelnd aus der Knospen Hülle! Nun schweigt der Sturm; — ich seh' im Farbenbogen Der Gottheit Schrift, durch Wolkenduft gezogen: „Erkenne mich in der Erscheinung Fülle!“ Wer keinen Frühling hat Wer keinen Frühling hat, dem blüht er nicht, Wer schweigt, dem tönt kein Echo hier auf Erden, Weß Herz nicht dichtet, der faßt kein Gedicht, Und wer nicht liebt, dem wird nicht Liebe werden. Was ist der Geist, der nie zum Geiste spricht, Der selbstgefällig will in sich verwesen? Was ein Gemüth, das nie die Rinde bricht? Was eine Schrift, die nicht und nie zu lesen? Es findet jeder Geist verwandte Geister, Kein Herz, das einsam ohne Liebe bricht! Nur wer sich selbst verlor, ist ein Verwaister, Wer keinen Frühling hat, dem blüht er nicht! Das Posthorn Kein bess'rer Klang ist auf der Welt Als eines Posthorns Klingen, Wenn es am Morgen über Feld Und Wald kann lustig dringen. Sagt an, wißt ihr im Wagen drin, Herr Hofrath und Frau Hofräthin, Was dieser Klang bedeute? Er lobet Gott, weil der so hell Und weit gemacht die Erde, Daß für dich, wackerer Gesell, Sie nicht zu enge werde; Weil er ein mächt'ges Vorwärts schuf Aus Rossesbug und Rosseshuf, Deß thut das Horn sich freuen. Mir scheint fürwahr, es hat auch Grund Das Horn, ihn zu beloben, Wenn ich bedenk' zu dieser Stund', Was der gethan dort oben, Der alles weislich hat bedacht, Hat Wald und See und Au gemacht, Gebirg und Thal daneben. Kein bess'rer Klang ist auf der Welt Als eines Posthorns Klingen, Wenn es am Morgen über Feld Und Wald kann lustig dringen. Was ist Concert und Opera? Es macht die beste Musica Ein Bursch im gelben Kragen. Und hast du je einmal geliebt Und hast du je einmal geliebt Und weißt du, was für Süßigkeiten Die Liebe ihren Treuen giebt, Bist du beglückt für alle Zeiten. Es kann das Dornenreis der Pflicht Die müden Schläfe dir zerwühlen, Unglücklich aber kannst du nicht, Nicht ganz verlassen je dich fühlen. Von jedem Kummer, jeder Pein Läßt dich Erinnerung genesen, Und kannst du nicht mehr glücklich sein, So weißt du doch, du bist's gewesen. Wie tief im Wald ein Vogel singt, Tönt dir ein tröstend Lied im Herzen, Und was die Zeit nun immer bringt, Mit Lächeln kannst du es verschmerzen, Seitdem der Liebe Lust und Qual Dein bebend Herz zuerst verspürte, Seit ihres Heil'genscheines Strahl Zuerst dein junges Herz berührte. Im Kahn O wie lieblich es sich schaukelt, Goldne Sterne zum Geleite, Von der Woge Spiel umgaukelt, Die Geliebte an der Seite! Kleine Wellen, flink und munter, Leis am Kiele plätschernd, führen Mählich uns den Strom hinunter, Ohne daß wir selbst es spüren. Immer noch am alten Flecke, Dünkt uns, sind wir stehn geblieben, Und schon eine weite Strecke Hat der Strom uns fortgetrieben. Holdes Sinnbild unsrer Tage! Uns auch droht die Zeit vergebens, Ohne Kummer, ohne Klage Treiben wir im Strom des Lebens. Festgebannt für Ewigkeiten Von der Liebe Zauberblicke, Sehn wir nicht die Flucht der Zeiten, Nicht den Wechsel der Geschicke. Immer leuchten, immer schmücken Uns der Jugend ew'ge Lenze, Immer flechten mit Entzücken Wir ums Haupt uns neue Kränze; Küssen von geliebtem Munde Trost für jegliche Beschwerden — Und so wird die letzte Stunde Süß uns gleich der ersten werden! Neues Leben Ein neues Leben laß uns wagen, Keins, wie in ersten Jugendtagen Wir halb verjubelt, halb verträumt; Keins, wie aus übervollem Becher Dem unersättlich trunknen Zecher In wüstem Rausch entgegenschäumt: Ein Leben ernst und klar und milde, Wie über fruchtbarem Gefilde Des Sommers heil'ge Leuchte schwebt; Ein Leben reich an edlen Saaten, Geschmückt durch einen Kranz von Thaten, Von Kraft und Liebe gleich durchwebt; Das, wie der Widerklang der Zither, Wie Sonnenlächeln nach Gewitter, Die Seele tröstend uns ergreift; Das ohne Jubel, ohne Klage, Gleichmäß'gen Schritts, von Tag zu Tage Dem Himmel mehr entgegenreift. Kassandra I. Man soll sein Bestes nicht den Menschen zeigen, Die müßig sich auf Markt und Gassen drehn. Beacht' es wohl: wo Götterbilder stehn, Da ziemet Dämm'rung sich und frommes Schweigen. Wer müßte sich nicht vor der Sonne neigen? Und dennoch kann's der Sonne selbst geschehn, Daß man an ihr meint Flecken zu erspäh'n; Sei wie du bist, nur sei dir selbst zu eigen. Wer vielem nachfragt, wird auch viel gehudelt; Nur in der eignen Seele quillt der Born, Der ungetrübt in ew'ger Fülle sprudelt. Es bläst die Welt in ein gewalt'ges Horn, Und Meister dünkt ein Jeder sich, der dudelt; Du aber präg' dein Geld nach eignem Korn. II. Laß dich vom Witz der Menschen nicht bethören! Die Liebe kennet weder Furcht noch Zwang, Siegstrahlend geht sie ihren eignen Gang, Verstehen kann die Welt ihn nicht, nur stören. Auch laß es nicht die Seele dir empören, Wenn, was wie Himmelsstimme dir erklang, Im Ohr der Menschen nur Sirenensang; Nicht jedem ward es, Götterruf zu hören. Der Kinder Art sollst du ins Herz dir schreiben! Sie werfen Blumen in den Strom hinein Und lassen sie getrosten Muthes treiben. Die Liebe will ein Leben voll und rein, Und weißt du nicht ein lächelnd Kind zu bleiben, Nie schließt ihr göttlich Heiligthum dich ein! Erinnerung Und hast du recht geliebt einmal, Sei dir's zur Freude, sei's zur Qual, O halte das Gedächtniß fest, Auf daß es nimmer dich verläßt. Gieb ihm, als deinem besten Schatz, Im tiefsten Herzen einen Platz, Gleichwie ein liebes Grab man pflegt Und es mit Blumen eng umhegt. Und jeden Gruß, den du geschickt, Und jeden Kuß, der dich erquickt, Und selbst der Trennung bittern Schmerz, O schließ' es alles treu ins Herz: Auf daß, wenn einst nach Jahren spät Der Frost des Alters dich umweht, Du an verschwundner Tage Glück Noch laben magst den müden Blick. Und wie von Weines edlem Naß Den Duft bewahrt das leere Faß, So spielt um dich Erinnerung Und macht das alte Herz dir jung. Die Rose welkt wohl über Nacht, Vergänglich ist der Erde Pracht, Nur was du liebst, o Herz, ist dein; Das soll dein Trost im Sterben sein. Wunder Es ließ Natur ein Wunder zu: Sie brach, der alles sonst bezwingt, Den Grimm der Zeit, daß wieder du Vor meinen Augen stehst: verjüngt, Der Rose gleich, die über Nacht Den keuschen Busen hat erschlossen, Wenn sie, von Morgenthau begossen, Dem Gärtner früh entgegenlacht. Und ahnst du dieses Wunders Sinn? Hat dir dein Herz nicht offenbart, O holdes Lieb, daß ich es bin, Für den dies Kleinod ward gespart? Wie das Geschick es war zu dir, O sei auch du nicht minder gnädig, Und stürze, aller Fesseln ledig, Dich jauchzend in die Arme mir! Weißt du noch? Weißt du noch wie deine Wange röther sich, o Liebste, malte, Da zuerst ins fromme Auge Blitze dir das meine strahlte? Wie du rasch dich seitwärts kehrtest, zürnend halb und halb erschrocken, Da der Athem meines Mundes streifte deine süßen Locken? Bis du näher dann und näher fühltest mählich dich gezogen, Höher schlugen, immer höher deines Busens keusche Wogen? Wolltest schmählen, wolltest flüchten, ach, und konntest dich nicht wenden, Bis du in den Arm mir sankest, stammelnd, mit gefaltnen Händen? Trautes Bild der ersten Stunde! Sel'ges Zürnen, holdes Schämen, Linde Qual verliebter Herzen, süß im Geben wie im Nehmen! Leuchte meiner Seele, sollst du unverlierbar mich begleiten, Sollst im heißen Kampf des Lebens kühle Schatten um mich breiten! Fließ', o fließe, Strom der Tage! Deine Strudel, laß sie schäumen! Nicht an meiner Seele rühret deiner Wogen wildes Bäumen; Jene Stunde, da die Liebste sich zu eigen mir gegeben, Diese mußt du doch mir lassen — diese Stunde ist mein Leben. Natur Wer saget: die Natur sei todt, Der kennt sie nicht, der hat sie nie verstanden, Sie, deren Lieblingskind wir sind, Die uns umschlingt mit tausend zarten Banden. Wohl ist sie ewig stumm für dich, Wenn du dein Ohr geflissentlich verschließest, Wohl ist sie eisig, kalt und leer, Wenn du in ihr dich selber nur genießest. Doch gehst du einsam deinen Pfad Durch grüne Waldesnacht, so kühl und düster, Dann grüßt dich aus dem Blätterdach Der Waldesgeister trauliches Geflüster. Es spricht zu dir der leise Wind, Es ruft der Sturm zu dir in wildem Brausen, Es murmelt der geschwätz'ge Quell Von Kräften, die in Höh' und Tiefe hausen. Der Berg erzählt von jener Zeit, Da zischend, glühend er emporgestiegen; Sie künden die Geschöpfe dir, Die — jetzt als Stein — zu deinen Füßen liegen. Der Grashalm spricht: Kennst du mich auch? Die Zellen all', aus denen ich gewoben? Schau hin, die Riesenschwester dort, Die Eiche, hat ein gleich Gesetz gehoben. Sieh! so belebt sich die Natur, Versteht dein Geist ihr Wesen aufuschließen, Und wie so selig ist der Trost, Den jene Stimmen in die Seele gießen! Das Leben „Das Leben ist ein Traum“ — so sprechen Viele, Mir dünkt es eine wilde Schlacht, In deren heißem Kampfgewühle Nur Thatenkraft sich geltend macht. Wer froh sein gutes Schwert nicht schwingt Und todeskühn sein Schlachtlied singt, Nicht gegen Wahn und Irrthum streitet, Hat sich ein traurig Loos bereitet. Denn schöner ist's, in edlem Streit zu sterben, Als langes Leben von der Trägheit erben! Am Rebenstock vergessen hängt Am Rebenstock vergessen hängt Die letzte kalte Beere, Mit Müh' die matte Sonne drängt Zurück die Nebelheere. Wohl dem, der in so rauher Zeit Ein trautes Nest gefunden, In dem er ruhet allbereit, Vom Arm der Lieb' umwunden! Ich fand es, und das treuste Herz Fühl' ich an meinem schlagen: Nun komme Winterfrost und Schmerz — Will Alles gern ertragen! Genuß der Gegenwart Einst strebt' ich in der Zukunft Ferne Mit ungeduldiger Begier, Doch nun verweile ich so gerne, Du goldne Gegenwart, bei dir! Im ganzen, weiten Reich der Träume Ist kein so schönes Glück verhüllt, Wie's nun im Schatten dieser Bäume Lebendig, wirklich mich erfüllt. Was in Gedichten und Romanen Mir sehnsuchtreizend vorgeschwebt, Und mich durchbebt mit süßem Ahnen, Ich hab's erfahren, hab's erlebt. Zu jeder Stunde möcht' ich sagen: Du bist so traut, verweile noch! Um jede Stunde möcht' ich klagen, Entflieht sie trotz der Bitte doch! Denn nun umglänzt mich hell und heller Der Liebe voller Sonnenschein, Es schlägt mein Herze schnell und schneller: Das beste, reichste Herz ist mein! Ein unerschöpflich tiefer Bronnen — Und jeder neue Morgen weckt Mich auf zu neuer Schätze Wonnen, Die meine Seele drin entdeckt! Lenz und Liebe Nun sind die Veilchen ausgegeben, Vorüber der Narzissenflor! Doch fieh, des Maies Glöckchen heben Die weißen Köpfchen schon empor! Der Frühling will nicht geizig hüten Sein Gut, er lebt in Saus und Braus Und streut die Gold- und Silberblüthen, Ein reicher Erbe, lustig aus. So liebt auch Liebe zu verschwenden, Weil sie das Kind des Frühlings ist; Ich kann mit Kuß und Wort nicht enden Zu sagen, wie du lieblich bist! Und würde jeder Kuß zur Blume, Zum Blatte jedes Wort, o sprich! Wär' nicht mit allem seinem Ruhme Der Lenz ein Bettler gegen mich? So lang' mein Himmel heiter blaut Aus Walthers Liedern So lang' mein Himmel heiter blaut, Will ich nicht an die Wolke denken; So lang' die Locke nicht ergraut, Will ich mein blühend Haupt nicht senken. Denkt denn die Blume ans Verblüh'n, Wenn sie der Knospe sich entwindet? Denkt denn der Stern in seinem Glüh'n, Daß er am Morgen schon erblindet? Komm, geh mit mir ins Waldesgrün Aus Walthers Liedern Komm, geh mit mir ins Waldesgrün, Ich muß ein Wörtchen dir vertrauen! Doch sieh dort erst die Blumen blüh'n, Die Täubchen ihre Nester bauen! Leg' erst dein Haupt in Sonnenschein, Und hör' die Nachtigallen schlagen! Blick' in den Himmel erst hinein! Erst dann sollst du mir Antwort sagen. Du Quell, hast einen süßen Mund Aus Amaranths Waldliedern Du Quell, hast einen süßen Mund, Hab' dich im Stillen oft belauscht, Wenn mit der wilden Rose du Die leisen Wörtchen eingetauscht. Hat sie nur einmal dich gehört, Neigt sie sich hin und grüßet dich — Nicht wahr? Hab' ich einmal ein Lieb, O lehr' die Wörtchen dann auch mich! Waldvögelein! Wie singst du heut Aus Amaranths Waldliedern Waldvögelein! Wie singst du heut So herzig lieb, wie nie zuvor? Möcht' fliegen ja vor lauter Freud' Ein Vöglein hoch zu Gott empor! Hast du denn auch heut über Nacht Dein Frühlingslieb im Traum gesehen? Waldvögelein, gieb du nur Acht, Mit dir und mir wird was geschehen! Ihr lieben Vöglein, singt nur fort Aus Amaranths Waldliedern Ihr lieben Vöglein, singt nur fort, So lang's vermag die kleine Brust! Singt von des Frühlings Herrlichkeit, Singt von des Frühlings Lieb' und Lust! Und sänget ihr auch ewig fort, Vieltausend Jahre Tag und Nacht, Ihr könntet singen nie genug — So schön hat Gott die Welt gemacht. Des Waldes Erwachen Noch überall ist tiefe Ruh, Die Himmelsaugen blicken matt Und fallen mählich brechend zu. Es schläft im Wald noch jedes Blatt, Und jeder Stamm und jeder Stein, Die Vöglein all' in Busch und Baum, Die Blümlein all' am Born und Rain. Da ganz zuerst am Waldessaum, Von Amaranthens Tritt geweckt, Der Schlehdorn aus dem Traume schreckt; Wie der sich frisch den letzten Schlaf Vom thaubeperlten Haupt geschüttelt, Das Amselnest ein Beerlein traf, Und nebendran, vom Wind gerüttelt, Der Erlen loses Volk erwacht; Die haben kaum mit knapper Müh' Die grünen Äuglein aufgemacht, So necken sie in aller Früh' Auch schon den alten Tannenbaum, Und kichern, wie im Schlaf er nickt, Und zupfen ihn am Kleidessaum; Doch wie er gram auch niederblickt, Halb noch im Schlafe mürrisch zankt, Sie halten scherzend ihn umrankt, Da muß er endlich doch erwachen — Was will er mit der Jugend machen? Derweil hat sich vom kleinen Schrecken Die Amsel munter aufgerafft; Zuerst hört's aus der Nachbarschaft Die Drossel in den Brombeerstecken, Und sagt viellieben guten Morgen Der Haidelerch', im Gras geborgen. Die hat das Wörtchen kaum gehört, Hat sie zum Flug sich angeschickt, Muß ja den Morgenstern noch grüßen! Von ihrem Fittig aufgestört Das Häslein aus dem Kraute blickt, Und springt heraus mit flinken Füßen. Es pickt der Specht die Fichte munter; Eichhörnchen stutzt und klettert schnell Vom Wipfelnest ins Gras herunter, Und wäscht mit Thau das Äuglein hell. Jetzt endlich gar der Kukuk schreit, Zum Wachen ist's die höchste Zeit! Ein jeder Baum sagt es dem andern — Das wird zu Brüdern und zu Schwestern, Von nah und fern aus allen Nestern, Ein grüßendes geschäftig Wandern! Das wird aus Dorn und Laubeshang Ein tausendfältig süßes Locken! — Drein wogen leis, wie Alphornklang, Vom Thal herauf die Sonntagsglocken. Es muß was Wunderbares sein Aus Amaranths stillen Liedern Es muß was Wunderbares sein Ums Lieben zweier Seelen! Sich schließen ganz einander ein, Sich nie ein Wort verhehlen! Und Freud' und Leid und Glück und Noth So mit einander tragen, Vom ersten Kuß bis in den Tod Sich nur von Liebe sagen! Ich will mich in dein Herz gewöhnen Aus Amaranths stillen Liedern Ich will mich in dein Herz gewöhnen, Daß ich erfülle deinen Willen; Will nur dir leben zum Versöhnen, Dir muthig jede Thräne stillen, Und was dich freuen mag vom Tage, Will froh am Abend ich dir sagen, Und alles Trübe, alle Klage Will ich allein verschwiegen tragen. Grüß' Gott, du lieber Frühlingswind Grüß' Gott, du lieber Frühlingswind! Doch darfst bei mir nicht säumen! Flieg' fort, flieg' fort in den Wald geschwind, Da liegt noch Alles in Träumen. Die Blätter in den Knospen weck', Sie sollen säuselnd sprießen! Und hilf den Veilchen im Dornenversteck, Die Äuglein aufzuschließen! Und sag' den Vöglein im ganzen Wald, Der Winter sei zerronnen, Daß jeder Busch und Wipfel schallt, Und heiter rieseln die Bronnen! Und wo ein trauerndes Herze sinnt, Das sollst du ins Freie locken, Und wo eine stille Thräne rinnt, Da weil' und küsse sie trocken. Bei mir, bei mir hat's keine Noth, Den Frühling anzusagen; Ich kann ja die Veilchen und Röslein roth Kaum all' vom Winter tragen. Du kennst ja doch mein lenzig Kind, Und wird's nun Mai auf Erden — Ja sag' nur selber, du Frühlingswind, Was soll das all noch werden? Und weißt du auch, herzinnig Kind Und weißt du auch, herzinnig Kind, Warum ich so lächle, da's stürmt und schneit? Laß du nur ruhig brausen den Wind, Er bringt ja die selige Weihnachtszeit. Da schmücken wir unsre Herzen fein Als Christusbäumchen einander aus, Und unsre Lieb' ist der Kerzenschein, Wie soll da funkeln das ganze Haus! Und all die Gedanken von Lieb' und Treu', Die hängen als goldne Äpfel wir dran; Und ach, da werden wir Kinder aufs Neu' Und schauen voll Jubel den Christbaum an. Die Stunde In des Daseins reichster Fülle, in der vollsten Kraft des Lebens Flamme in der Brust, der tiefen, nicht des Muthes Gluth vergebens. Rückwärts mag er schau'n, der Träumer, bis die letzte Kraft zerrann. Hundertarmig winkt das Leben! Für das Leben lebt der Mann! Für das Leben, für die Stunde, für das Heute gilt's zu streiten, Und zum Lob des Heute greifen will ich in die goldnen Saiten. Thatlos harren! nennt ihr's weise? Thatlos träumen! nennt ihr's gut? Ist das Heute nicht die Knospe, drin des Morgens Blüthe ruht? Ist das Heute nicht das Saatfeld, drin des Morgens Keime liegen? Wird, wo heute prangt die Blüthe, morgen nicht die Frucht sich wiegen? Laßt den Träumer bei den Blüthen, die der Sturmwind abgestreift! Für die Zukunft sorgt am besten, wer die Gegenwart ergreift. Pflichterfüllung Was die Natur dir hat gegeben, Benutz' dein zugewognes Theil, Benutz' es durch dein ganzes Leben Zu deiner Brüder Glück und Heil! Hast mit der Kraft, der ganzen, vollen, Du treu geschafft zum Heil der Welt, War gut und rein dein Streben, Wollen, Hat Edles dir die Brust geschwellt; Dann darfst gehobnen Hauptes wallen Du freudig deinem Ziele zu, Dann ist der Größte unter allen Nicht größrer Ehre werth als du! Am Strom in der Sommernacht I. Nacht der Nächte, Nacht des Sommers, heute soll mein Lied dich preisen! Singen will ich von den Stunden, wo mich zu den Sternenkreisen Trug der Flügel der Begeistrung aus des Alltagslebens Ring, Von den Stunden, wo ich trunken an dem Mund der Liebe hing! Von den Stunden, wo die Stirn ich an die Brust der Liebe preßte, Wo das junge Herz gefeiert seiner Minne Siegesfeste. Heil'ge Nacht, den Kelch der Wonne hast du mir so oft kredenzt, Mit des Friedens grünen Palmen still des Sängers Haupt bekränzt! Heut' auch kommst du strahlend wieder, holde Nacht, mit deinen Düften! Wieder schwankt am Hag die Rose in den linden Abendlüften; Wieder ziehn Johannisfunken durch die Lüfte lind und lau; Wieder ruht auf Blatt und Blüthen perlenhell der Abendthau. Klar der Himmel. Keine Wolke sieht das Auge droben schweben, Doch des Nebels weiße Wogen ob den stillen Thälern beben. All' die Wolken, die am Tage rastlos fort den Flug gelenkt, Haben sich zur stillen Ruhe an der Erde Brust gesenkt. Wie sich rings die Nebel schichten, wo im Strom die Wogen rauschen! Auf der Welle leise Lieder will die weiße Wolke lauschen. Sie, die rastlos stets am Tage fort von Land zu Land gejagt, Träumt am kühlen Wellenbusen, bis aufs Neu' der Morgen tagt. — Gleichst, o Herz, du nicht der Wolke an der Wellenbrust geborgen? Treibt dich vorwärts nicht am Tage immerdar der Hauch der Sorgen? Wohl dir, Herz! Wenn ihren Scepter siegend endlich hebt die Nacht, Wird auch dir vom Gott des Traumes gerne noch der Kranz gebracht! Doch den schönsten Kranz der Kränze bringt die Sommernacht, die reine. Duftend sprießt die Liederblume bei des Mondes hellem Scheine; Tönend aus des Busens Tiefen leis der Sang des Dichters zieht. Dir, du milde Nacht des Sommers, gelte heut' des Sängers Lied! II. Verklungen sind der Lerchen Lieder, Verhallt das letzte Lied im Hain, Und auf den Wiesen träumen wieder Die Blumen sanft im Mondenschein. Vorüber zieht im Waldesgrunde Der Sommerwind mit leisem Flug, Leis wie ein Wort von süßem Munde, Heiß wie der Liebe Athemzug. Die Nachtigall ist stumm geworden, Die, als der Mai die Welt gekrönt, Hier an des Ufers grünen Borden Mit ihrem Lied die Nacht verschönt. Wie klang so sehnsuchtsvoll die Weise Von der zukünft'gen Rosenpracht! Sie sang im Lenz ein Lied zum Preise Der Zauberpracht der Sommernacht. Der Sommer kam mit mildem Kosen; Die Rose blüht am Waldesrain, Nun schläft, berauscht vom Duft der Rosen, Die Königin der Sänger ein. Sie wiegt sich auf den Blüthenzweigen, Doch still ist alles um und um. O Nachtigall, wohl magst du schweigen! Es ist die höchste Wonne stumm. Die holden Lieder sind verklungen, Kein Ton die tiefe Stille bricht, Doch rings umher mit tausend Zungen Zu mir der Geist des Friedens spricht. Er spricht zu mir im Glanz der Sterne, Im Blumenduft, im Windeswehn. — In solchen Stunden säh' ich gerne Zur Neige einst mein Leben gehn! Im Frühling „Nun grünt's und blüht's an allen Enden; Die Welt im Arm der Frübling hält Und rings die Lerchenkehlen senden Ein Lied des Danks zum Herrn der Welt; Und rings die Blumen Düfte geben Und rings ist Frieden, Glück und Ruh'. O Früblingslust, o Früblingsleben, Zieh' auch in meinen Busen du!“ So sang ich einst, doch heute nimmer Erklingt mein Lied in solchem Ton; Es waltet Früblingssonnenschimmer Ja längst in meinem Busen schon. Das trübe Lied, das Lied der Klagen, Ich sang es schon so lang' nicht mehr; War in des Winters kalten Tagen Doch meine Brust nicht blumenleer! Zwei Augen sah ich Flammen sprühen, Zwei Augen, draus die Liebe sprach! Zwei Wangen sah ich glüh'n und blühen, Als rings der Frost die Blumen brach! Zu ihrem Dienst, dem selig süßen, Hat mich die Liebe jetzt geweiht, Drum darf ich heut' dich fröhlich grüßen, Du wundersel'ge Frühlingszeit! Nun mein' ich recht erst zu verstehen Der Vögel Lied im Waldgebiet, Das Gotteswort im Windeswehen, Das fächelnd durch die Fluren zieht. O Frühlingslust, o Frühlingssonne, Wohl warst du stets dem Herzen werth, Doch deines Segens ganze Wonne Hat Liebe mich verstehn gelehrt! Ich sprach zur Sonne Ich sprach zur Sonne: „Sprich, was ist die Liebe?“ Sie gab nicht Antwort, gab nur goldnes Licht. Ich sprach zur Blume: „Sprich, was ist die Liebe?“ Sie gab mir Düfte, doch die Antwort nicht. Ich sprach zum Ew'gen: „Sprich, was ist die Liebe? Ist's heil'ger Ernst? Ist's süße Tändelei?“ Da gab mir Gott ein Weib, ein treues, liebes, Und nimmer fragt' ich, was die Liebe sei! Der fahrende Schüler singt: Die Lieb' ist todt, das Glück ist hin, Die Luft ist gar zerronnen, Doch festen Muth und starken Sinn, Die hab' ich mir gewonnen. Meine Stütze ist der Wanderstab, Meine Freude ist das Wandern! Weil ich einen Schatz verloren hab', Such' ich mir einen andern. Die Heimath wird mir gar so klein, Seit ich so verlassen schreite: Wohlan, mit dem leuchtenden Sonnenschein In die fröhliche, selige Weite! Weil der Frühling ruft und der Himmel glüht, Will ich keine Zeit verlieren — Wer weiß, wer weiß, wo mein Glück noch blüht, Ich will es probiren, marschiren! Ei, so einem schlanken Musensohn, Dem folgt das Glück auf den Wegen, Ein andres Mädel find' ich schon, Bin darum auch nit verlegen! Doch ob ich auch wandre bergan, bergab, Das Land hinauf und hernieder: Wie ich einen Schatz verloren hab', So find' ich doch keinen wieder! Der betrübte Jurist Ach Gott, ich bin recht unglückselig, Die Arbeit will mir nicht gelingen, Weil draußen wieder hundertkehlig Die Vögel muntre Lieder singen, Weil durch die staubigen Gardinen Die Frühlingssonne neckt und blitzt, Und drüben mit holdsel'gen Mienen Die Nachbarin am Fenster sitzt! Weil aller Zauber ferner Zeiten Lebendig wird vor meinen Blicken, Weil herrliche Gestalten schreiten Und dunkle Augen freundlich nicken, Weil aus des Zimmers engen Grenzen Die Sehnsucht in das Weite fliegt, Und mir der ganze Duft des Lenzen Berauschend auf der Seele liegt! Ich mag nicht denken, lesen, schreiben, Mir sind die Bücher ganz zuwider, Ich sehe nur die Wolken treiben Und höre nur die muntern Lieder. Und thät' ich Unrecht, wär' es sündlich — Nun wohl, mit Vorsatz bin ich schlecht, Denn was mich quält und ärgert stündlich, Das ist vor Allem ja — das Recht! Lustiger Vogel Ein Mädchen saß in tiefem Leid, Es sah die Vögel fliegen — „Ach dürft' ich mich in dieser Zeit In blauen Lüften wiegen! In Ätherduft und Sonnenschein, Wie ich die Flügel schwänge! Bis daß ich möcht' im Himmel sein Und mit den Engeln sänge!“ Waldvöglein in der Linde saß, Es rauschten leis die Äste — So bunt das Feld, so grün das Gras, Die Sonne schien aufs Beste. Es sang: „Keine bess're Lust fürwahr, Als sich im Baum zu wiegen; Mich freut die Luft, der Schein so klar, Mag gar nicht weiter fliegen! Denn wer den Himmel nicht vergißt Beim Sonnenschein der Erden, Und wer im Lenz nicht selig ist, Der kann es niemals werden!“ Die Arbeiterin Armes Kind! Eingeschlafen früh am Morgen — Die Augen, von Arbeit halbblind, Geschlossen müd' und in Sorgen — Schon bricht der Tag herein Mit goldenen Frühlichtsstreifen — Was mögen deine Träume sein, Und wohin deine Gedanken schweifen? Armes Kind! Sie schweifen in Fernen voll Wonne, Wo keine Qualen sind, Keine Nächte — nur Tage, nur Sonne! Sie träumen ein Land voll Glück, Wo keine Noth, keine Klage; Sie tragen dich zurück In die Hütte und der Kindheit Tage. Armes Kind! Und was wird sein dein Erwachen? Wird der scharfe Morgenwind Dich nicht wecken und traurig machen? Wird das helle Morgenlicht Und die Lampe, düster schwehlend, Dir aufs Neue zeigen nicht Deinen Kummer und dein ganzes Elend? Armes Kind! Und doch reicher in Kümmernissen, Als Viele, Viele sind, Die sich wiegen jetzt auf weichem Kissen, Die im Rausch von Gold und Wein Deine Armuth dir nicht gönnen, Die nach Ruhe jammern und schrei'n, Und nicht schlafen, nicht schlafen können! Schlaf' denn, du armes Kind Des Volkes — schlaf' und träume! Schon spielt der Morgenwind Um deines Gewandes Säume. Auf dich, milden Gesichts, Sieht schützend die Madonne, Du, deren Reichthum Nichts, Blos ein Traum und ein bischen Morgensonne! Wenn eine Rose fällt O sage nicht: mein Glück ist hin, Und hin ist Freude, Lieb' und Lust! Hast du nicht einen jungen Sinn Und junges Leben in der Brust? Und sollte trüb die Erde sein, Und wär' der Himmel ohne Licht: O, Jugend ist der Sonnenschein, Der durch die Wolken bricht. Er bricht hindurch mit stiller Kraft, Und hast du seiner auch nicht Acht! In allen Bäumen steigt der Saft, In allen Blumen regt sich's sacht, Vom Berge springt der muntre Quell, Es theilt der Nebel sich im Thal, Auf allen Höhen wird es hell, In jedem Grund zumal! Und über Nacht, und über Nacht, O grünes Wunder überall! Die ganze Welt in Frühlingspracht, In Licht und Wonne, Duft und Schall! Darum, wenn eine Rose fällt, Dann klage nicht in bittrem Leid: Dein ist die ganze Frühlingswelt, Die goldne Jugendzeit! Mitternacht Aus tiefster Brust sehnt sich mein Herz nach dir, O meine Heimath — die zu dieser Stunde Schon schlafen ging und ihrer Sterne Zier Sanft wiederstrahlt in ihrer Wasser Grunde. Durch deine Wälder rauscht die Mitternacht, Von Dorf zu Dorf geht dumpf des Hornes Rufen; Das Licht des Mondes gleitet bleich und sacht Thalnieder von der Berge Rasenstufen. Ob es den Platz noch kennt, wo es dereinst Im Erlengrün zwei Glückliche umfangen? O Mond, der du so voll durchs Fenster scheinst — Seitdem ist manche dunkle Nacht vergangen, Und mancher wilde Tag. — Ach Gott, wie weit Verlor ich mich in unglücksel'gem Ringen ... Dumpf sinnt mein Hirn ... nur oft um diese Zeit Beginnt in mir ein weicher Ton zu klingen: „Kehr' um, kehr' um! Und ging die Liebe gleich Verloren mit der Jugend heißen Jahren, In deiner Heimath, deines Herzens Reich Hast du viel Heil'ges noch dir zu bewahren!“ Das Heidelberger Schloß Wie eine Märchenkunde ferner Zeiten, So ragt das Schloß aus grünem Eichenlaube, So ernst nachdenklich steht es, wie der Glaube: Was wirklich deutsch, das währt in Ewigkeiten! O wie die Fernen hell und rein sich breiten! Hier rauscht der Strom, dort blüht am Berg die Traube, Vieläst'ger Epheu rankt auf theurem Staube, Und drüber hin die sonn'gen Wolken gleiten. Und wie ich schweigend eintrat in die Halle, Wo deutsche Pracht verrostet und zertrümmert, Da breitet' ich die Arme voller Sehnen. Seid mir nicht gram, ihr Herrn! so sind wir Alle: Indeß die schöne Gegenwart verkümmert, Stehn schweigend auf Ruinen wir in Thränen. An die Abgelebten Ihr, deren Herzen matt und kalt, Weil Überdruß euch brachte Leid: Sagt immerhin, die Welt sei alt — Wir wissen nur, daß ihr es seid! Fürwahr, noch scheint so hell die Sonn', Wie sie am Schöpfungstage schien, Aus seinen Tiefen quillt der Bronn, Voll ist der Wald von Melodie'n. Auf breiten Schwingen trägt die Luft Gewitterwolken her und hin; Es haucht die Rose süßen Duft, So lieblich wie von Anbeginn. Mit goldnen Wogen um den Fels Rauscht noch manch tiefe, kühle Fluth, Und in der Traube lichtem Schmelz Vereint sich Erd' und Himmelsgluth. Auch Männer giebt es noch zu schau'n, Stark, wie das Alterthum sie pries, Und reizender, als unsre Frau'n, War Eva nicht im Paradies. O Welt, voll Freudenüberfluß, Jung, wie zu Anfang, bist du heut'! So lange noch im Liebeskuß Das Schöpfungswunder sich erneut; So lang' noch in der Trauben Saft Das Dasein sich vergeistigt hat, Und von der Erde Lebenskraft Noch Kunde giebt ein grünes Blatt; So lange noch die Rosen blüh'n, Als spräch' der Mai: nun ist es Zeit — So lange woll'n wir singen kühn Von unsrer Jugend Ewigkeit; So lang' woll'n wir erfüllen gern Des Daseins fröhlichen Beruf, Und dankbar loben Gott den Herrn, Daß er die Welt so schön erschuf! Das Glück ein Traum Es ist das Glück ein kurzer Traum; Es liebt nicht Glanz und Festesschimmer: Es kommt zu dir — du merkst es kaum, So sachte tritt es in dein Zimmer. Es wiegt sich nicht im lauten Tanz, Und schwimmt nicht auf des Weines Wogen: Aus Morgenthau und Sonnenglanz Baut es zu dir den Strahlenbogen. Mit Worten fesselst du es nie, Nie hat es trunkner Sang beschworen: Auf Tönen ferner Melodie Rauscht es an die entzückten Ohren. Dem Lärm der Welt und ihrem Scherz, Dem bunten Haufen bleibt es ferne; Wo zweie sitzen Herz an Herz, Da kehrt es ein, da weilt es gerne. Da klingt sein Wort wie Lerchenschlag, Sein Athem weht wie Veilchenlüfte; Es ist das Glück ein Maientag, Ein Frühling voller Glanz und Düfte. Wohl stirbt der Frühling über Nacht Und von dem Liebsten mußt du scheiden: Doch was dir Lenz und Lieb gebracht, Wird dir zum Trost in deinen Leiden. Und ist das Glück auch lange todt: Noch bebt in dir erlebte Wonne — Du schaust ins ferne Abendroth Und denkst an die gesunkne Sonne! Blühendes Thal Wo ich zum ersten Mal dich sah, Wie üppig grünt die Wiese da! Wo ich zum ersten Mal dich sprach, Da blüh'n die Veilchen unter'm Hag; Wo ich dich küßt' in dunkler Nacht, Da lodert nun der Rose Pracht; Doch wo ich Abschied nahm in Leid, Da rauscht nun eine Trauerweid': So blüht und rauscht das ganze Thal Von unsrer Liebe Lust und Qual. Um Mitternacht Nun ruht und schlummert Alles Von keinem Hauch gestört, Kaum daß man leisen Schalles Den Bach noch rieseln hört. Der Mond mit vollem Scheine Ruht breit auf jedem Dach; In weiter Welt alleine Bin ich zur Stund' noch wach. Und Alles, Lust und Schmerzen, Bracht' ich in mir zur Ruh; Nur Eins noch wacht im Herzen, Nur Eins: und das bist du! Und deines Bildes Friede Folgt mir in Zeit und Raum: Bei Tag wird er zum Liede Und Nachts wird er zum Traum. Maienwonne Was ich auch sage oder singe Von duft'ger Blüthenherrlichkeit, Es scheint mir Alles zu geringe Für diese sonnige Maienzeit. Ich hab' kein Wort so blau und duftig, Wie Veilchenduft und Wiesenhag; Und keines, das so rein und luftig, Wie Lerchenlied und Drosselschlag. Auch auf die schöne Frühlingssonne Find' ich den Reim, den ächten, nicht; Denn für der Welt gemeine Wonne Scheint sie zu heiter, sanft und licht. Das ist der Seele best' Empfinden, — Ich fühl' es meinem eignen an! — Auf das man keine Reime finden, Und keine Verse machen kann. So weit Bächlein am Wiesenrand, Rinnst du noch immer? Blumen im Heimathland, Gebt ihr noch Schimmer? Halme der Heimathkluft, Mögt ihr noch rauschen? Lerche der Heimathluft, Könnt' ich dir lauschen! Duftige Jugendzeit, O wie so weit! Fließt noch durch Blumen bunt Silberne Kühle; Rauscht noch im Lindengrund Klappernde Mühle; Fenster aus Laubgewind Leuchtet noch munter, Aber das schönste Kind Schaut nicht herunter — Liebe der Jugendzeit, O wie so weit! Glück vorbei, Duft verweht, Liebe vergangen! Durch meine Seele geht Leises Verlangen. Dürft' ich noch einmal nur, Einmal dich schauen — Heimathwald, Heimathflur, Liebste der Frauen! Aber wie Ewigkeit Bist du mir weit. Märzgesang Noch liegt die Erde wie befangen, Es ruht das Feld, es schweigt der Wald; Der Himmel ist noch schwarz verhangen, Und aus den Bergen weht es kalt. Doch horch! es geht ein leises Mahnen, Ein Flüstern geht geheimnißvoll — Als sollte man schon leise ahnen, Was nunmehr Alles werden soll. Die Wolken ziehen rasch am Himmel, Die Wasser rauschen voll durchs Thal; Bald kommt ein flockiges Gewimmel, Bald ein verirrter Sonnenstrahl. Und durch dies ahnungsvolle Grausen, Durch dieses Hoffen schmerzensbang, Geht stark und voll der Winde Brausen, Wie der Gewalt'gen Lenzgesang. Ich muß ins kühle Land hernieder, Durch Wald und Feld trägt mich der Schritt; Der Sturm singt seine dunklen Lieder, Und tiefbewegt sing' ich sie mit. O banges Sehnen, dunkle Regung, Die wunderbar im Herzen gährt, Bis aus der stürmischen Bewegung Der Liebe Frühling sich verklärt! Vom Berg ergeht ein Rufen Vom Berg ergeht ein Rufen Und Antwort schallt im Thal, Da springen von grünen Stufen Die Quellen allzumal. Und Eines ruft's dem Andern, Das klinget fern und nah: Die rechte Zeit zum Wandern, Die Frühlingszeit ist da! O du holdselig Weben In Wald und Thal und Höh'n! Nun athmet Alles Leben, Und findet's gut und schön. Nun mit der Lerche steige, Mein Wandersang, empor, Und klinge laut, und zeige So frisch dich, wie zuvor! Durch all die Windeswellen, Durch all die Frühlingszeit Nun wandern, wie die Quellen, Will ich mit Freudigkeit. Wie jene rieselnd schweifen Durch Schlucht und Halden viel, Verirren sich und streifen, Sie kommen doch ans Ziel! Wählst du dir zum Begleiter Den goldnen Lebensmuth, Wie findest du so heiter Die Welt, wie schön und gut! Und wagst du kühn zu irren, So drückst du einst mit Lust, Mag auch der Weg sich wirren, Erfüllung an die Brust! Morgens am Brunnen Er kam in der Frühe, Wie der Morgenwind, Nußbraun seine Locken, Sein Fuß geschwind. Ins Auge die ganze Seele gedrängt — Ach, der eine Blick hat Das Herz mir versengt! Und ich stand, als ob ewig Ich schauen müßt'; Er hielt mich umschlungen, Er hat mich geküßt. Als brächt' er von draußen Die ganze Welt, Von zuckenden Strahlen Blendend erhellt, Als ging mir das Leben Auf in der Brust, So hing ich am Hals ihm In bebender Lust. Und was er gesprochen, Ich weiß es nicht mehr, Es sang ja und klang ja Die Welt um mich her! Wie ist mir geschehen? Ja, daß ich es wüßt'! Mein Drohen, mein Zürnen, Ich hab's nun gebüßt! Im Brünnlein das Wasser, Das rieselt und rinnt, Zum Bach, wo er wohnet, Hin fließt es geschwind. Mein Sinnen, mein Denken Fliegt hin durch den Wald, Ach, Liebster, mein Liebster Komm wieder, komm bald! An den Schlaf O schöner, mohnbekränzter Gast! Du streuest doppeltreiche Blüthen Dem Haupte, das mit stillem Hüten Zum Liebling du erkoren hast. Erquickung bringst du da in Fülle, Besänftigest des Herzens Schlag Und giebst ihm in des Traumes Hülle, Was neidisch ihm verwehrt der Tag. Beherrscht von dir auf kurze Stunden, Ist Sorge, Klage, Noth vorbei: So hältst den Träumer du gebunden Und machst ihn doch der Bande frei. Doch weh der peinerfüllten Stätte, Die ach! nach dir vergeblich ringt, Um die sich die Dämonenkette Erschütternder Gebilde schlingt! Das tiefste Weh, die tiefsten Sorgen Beleben sich verhundertfacht, Und was der bunte Tag verborgen, Geschlichen kommt es durch die Nacht. Feindselig sind der Nacht Gestalten, Sie tauchen auf, sie flüstern leis, Doch bald geschäft'ger wird ihr Walten Und wilder schlingen sie den Kreis. Zum wirbelnden Gedankentanze Gerissen, schwindelt Seel' und Sinn — Ach! eine Blüth' aus deinem Kranze Wär' Linderung, wär' schon Gewinn! O Schlaf! warum mit vollen Händen Nahst du der holdem Jugend nur? Du folgst mit goldenem Verschwenden Des eigenwill'gen Glückes Spur. Wem du geneigt, verkennt den Segen, Wer dich ersehnt, gewinnt dich nicht, Nur der Verlust ist das Gewicht, Des Lebens Schätze recht zu wägen. Noch sind die Tage der Rosen Noch ist die blühende, goldene Zeit, O du schöne Welt, wie bist du so weit! Und so weit ist mein Herz, und so blau, wie der Tag, Wie die Lüfte, durchjubelt von Lerchenschlag! Ihr Fröhlichen singt, weil das Leben noch mait, Noch ist die schöne, blühende Zeit, Noch sind die Tage der Rosen! Frei ist das Herz, und frei ist das Lied, Und frei ist der Bursch, der die Welt durchzieht, Und ein rosiger Kuß ist nicht minder frei, So spröd und verschämt auch die Lippe sei! Wo ein Lied erklingt, wo ein Kuß sich beut, Da heißt's: Noch ist blühende, goldene Zeit, Noch sind die Tage der Rosen! Ja, im Herzen tief da ist Alles daheim, Der Freude Saaten, der Schmerzen Keim; Drum frisch sei das Herz und lebendig der Sinn, Dann brauset, ihr Stürme, daher und dahin! Wir aber sind allzeit zu singen bereit: Noch ist die blühende, goldene Zeit, Noch sind die Tage der Rosen! Wandervögel Ihr Wandervögel in der Luft, Im Ätherglanz, im Sonnenduft, In blauen Himmelswellen, Euch grüß' ich als Gesellen! Ein Wandervogel bin ich auch, Mich trägt ein freier Lebenshauch, Und meines Sanges Gabe Ist meine liebste Habe. Im Beutel rostet mir kein Geld, Das rennt wie ich in alle Welt, Die ganze Welt durchfliegen Ist besser, als verliegen. Dem blanken und dem frischen gar, Dem gönn' ich gern die Wanderjahr', Das muß mit all dem andern Gleich wieder weiter wandern. Wo mir ein voller Becher blinkt, Den möcht' ich sehen, der mich zwingt, Daß ich das Gottgeschenke Nicht voller Freuden tränke! Beim Schopfe nimm den Augenblick! Das ist mein Spruch, das ist mein Schick. Ich hasse, was da staubig, Nur an das Frische glaub' ich. Nachts O laß dich halten, goldne Stunde, Die nie so schön sich wieder beut! Schau, wie die Mondnacht in die Runde All' ihre weißen Rosen streut. Des Tages Stimmen fern verhallten, Nicht Worte stören, nicht Gesang, Des stillsten Glückes innig Walten, Nach dem die ganze Seele drang. So Brust an Brust, so ganz mein eigen, So halt' ich dich, geliebtes Bild! Es rauscht die Nacht die Lippen schweigen, Und Seele tief in Seele quillt. Ich bin dein Glück, du meine Wonne, Ich bin dein Leben, du mein Licht; Was soll uns Tag, was soll uns Sonne? Du schöne Nacht, entflieh' uns nicht! So sei mit Gott gegrüßet So sei mit Gott gegrüßet Viel hunderttausend mal! Der Frühling weht und sprießet, Und ruft mit Klang und Schall. Das läßt mich nicht im engen Haus, Nun fahr' ich in die Welt hinaus. Das Thränlein, das da fließet, Schwellt nicht der Ströme Zahl! Wohl uns, daß wir uns scheiden, Dieweil wir frisch und jung, Dieweil für alle Leiden Des Trostes noch genung! Nun bleibt in alle Ewigkeit, Wohl durch die Welt so groß und weit, Der Jugend Glück uns beiden Ein frischer Labetrunk. Und wirst du einst erglühen Von neuem Wonnestrahl, In deinem Kranz erblühen Die Knospen dann zumal. Sie waren mir ein theures Gut, Drum hege sie in treuer Hut. Ade, nun laß uns scheiden, Ade zum letzten Mal! Perlenfischer Du liebes Auge, willst dich tauchen In meines Augs geheimste Tiefe, Zu spähen, wo in blauen Gründen Verborgen eine Perle schliefe? Du liebes Auge, tauche nieder Und in die klare Tiefe dringe, Und lächle, wenn ich dir dein Bildniß Als schönste Perle wiederbringe! Unruhe Bei den Bienenkörben im Garten, Wo der Flieder in Düften steht, Da will mein Schatz auf mich warten, Wenn die Sonne zur Rüste geht. Da summen die Bienen im goldenen Schein Und sie summen heraus und sie summen herein, Bei den Bienenkörben im Garten, Wo der Flieder in Düften steht. Nun sind die Gedanken alle Mir schon auf dem fröhlichen Flug, Bis der lange Tag mir verhalle, Bis daß mir die Stunde schlug! Und sie summen herein und sie summen heraus, Und mein Kopf ist schier wie ein Bienenhaus, Bis der lange Tag mir verhalle, Bis daß mir die Stunde schlug! Neuer Frühling Nun der Frühling ist gekommen, Neues Laub und Sonnenschein, Jedes Ohr hat ihn vernommen, Jedes Auge saugt ihn ein; Und das ist ein Blüh'n und Sprießen, Waldesduften, Quellenfließen, Und die Brust wird wieder weit, Frühling, Frühling, goldne Zeit! Von dem Felsen in die Weite Fliege hin, mein Frühlingssang! Über Ströme und Gebreite, Durch Gebirg und Blüthenhang! Darf nicht wandern, muß ja bleiben, Ob's mich zieh'n auch will und treiben; Doch so weit der Himmel blaut, Singen, singen will ich laut! Wie die Welt auch wechselnd gehe, Wie das Schicksal auch mich treibt, Komme Glück und komme Wehe, Fest doch weiß ich, was mir bleibt: Fester Muth der freien Seele, Und die freud'ge Liederkehle, Lebenslust und Lebensdrang, Goldnes Leben im Gesang! An die Muse Du winkest, Muse, winkest nicht vergebens; Dir folge ich mit treuem Herz und Sinn. Du bist ja oft, wenn ich so einsam bin, Die einzige Gefährtin meines Lebens. Du warst mir Weck'rin edlern, bessern Strebens, Wenn ich dir folgte, auch Vergelterin. Du willst: Hier sind die Kränze! Nimm sie hin, Die Zeugen mannigfach bewegten Lebens! Ich wand aus dem, was ich gefühlt, gedacht, Ich wand sie dir in jenen sel'gen Stunden, Wo Liebe, Glaub' und Hoffnung mir gelacht, Beim Frühroth, oft auch bei der Sterne Pracht; Und hätt' ich unter Thränen sie gewunden: Doch wären es die glücklichsten der Stunden. Klage um das verschwundene Vöglein Mein Liebling fehlt; ich such' ihn aller Orten Und find' ihn nicht. Was ist aus ihm geworden? — Wie, wär' gelöst der Liebe schönstes Band? Noch gestern kam er traulich auf den Wegen, Bald leichten Flugs, bald hüpfend mir entgegen, Nahm dankbar mir ein Krümchen aus der Hand. Und heute? Leiser Schmerz hält mich umfangen; Ich fühle heimlich weiß nicht welches Bangen. Wär's wahr, was mir die Ahnung vorgeführt? Da liegt die Morgengabe noch, sein Futter, Ein Semmelkrümchen und ein wenig Butter, Die Lieblingsspeise — doch noch unberührt. O du, der liebend alle Creaturen Erhält und pfleget, zeig' mir seine Spuren Und laß noch einmal mir den Liebling nahn! Wie, oder sollte, was du liebend schufest, Was liebend du, wie mich, zur Freude rufest, Ich nicht mit Lust und gleicher Lieb' umfahn? War doch von arger Selbstsucht frei die Liebe, In ihrem tiefsten Grunde selbst nicht trübe, Und riefst du selbst doch diese Lieb' hervor! O, darum hör' auf meine Klagelieder Und gieb Beruhigung, Ersatz mir wieder Für das, was an dem Liebling ich verlor. Und wären dennoch frevelnd meine Klagen — Ein Thier nur ist es —, o dann laß mich fragen: Wie, hätte, wenn ein Raubthier ihn verschlang, Es auch zugleich das Leben mit verschlungen? Hat die Vernichtung Liebe je bezwungen? Ist Lieb' im Geisterreich ein leerer Klang? Kein Sonnenstäubchen geht im All verloren, Kein Hauch. Wie, wär' die Sympathie erkoren, In sich zerfallend, zur Vergänglichkeit? Gewiß, was liebend lebt, wird nicht vergehen, In immer schönern Formen auferstehen, Um fortzuschreiten zur Vollkommenheit. Frühlings Vorfeier Zum schönen Lenz kehr' ich bald ein! Das soll mir eine Wonne sein! Laut will ich jubeln, daß es klingt Und Berg und Thal und Herz durchdringt! Die Sorgen will ich werfen ab; Für sie weiß ich ein weites Grab. Viel geht hinein, hin eil' ich bald: Es ist der Berg, der grüne Wald. Es sei in dieses Grab versenkt, Was sonst im Leben mich gekränkt. Ich aber will auf jenen Höh'n Zu neuem Leben auferstehn. Da schwingt mein Lied im höhern Chor Zur Lerche jubelnd sich empor, Daß meiner Wonne Größe dann Im Thale man ermessen kann. Komm, Bruder! Suchst du Hochgenuß, Gern theil' ich meinen Überfluß. Mir strömt er aus des Waldes Ruh', Mir aus des Waldes Jubel zu. Des Liedes Schöpfung I. Wie ward die Welt? — Du, Dichter, kannst es sagen: Als noch dein Lied, ein Chaos, in dir lag, Da sprach's: „Es werde Licht!“ Und sieh, der Tag Schied von der Nacht sich. Aus den Wassern ragen Die Felsenvesten; Berg' und Thäler tragen Des Segens Last. Auf Fluren und im Hag Blüht's lustig, tönt der Wachtel muntrer Schlag, Der Lerche Lied und Philomelens Klagen. Die Bächlein murmeln drein, von den Gebilden Des West bestrahlt. Und lieblich in Gefilden Wird selbst die Nacht; es lächeln hold hernieder Die Stern' im Strahlenglanz, der Mond im milden Versilbert reich der Wolken leicht Gefieder: Die Welt entstand, wie, Dichter, deine Lieder. II. Vollendet war, was tief in Dämmerungen Ein Chaos lag, dich ahnungsvoll durchbebt; Der über den Gewässern einst geschwebt, Der Geist belebend hat das All durchdrungen. Zum Höchsten hast du dich emporgeschwungen! Dir ist dein Ebenbild, das aufwärts strebt, Sich siegend über Zeit und Raum erhebt, Der Hymnus, Krone des Gesangs, gelungen. Da stehst du, Muse, noch in ernstem Sinnen: „Der Mann allein ? Was wäre sein Beginnen?“ — Berührt von dir nun aus dem Liede drängen Gebilde sich in heilig ernsten Klängen: Ein Zwei-Ich schwingt sich auf zu Gottes Preise; Es ist das Lied , vereint mit seiner Weise . Du willst, daß ich in Worte füge Du willst, daß ich Worte füge, Was flüchtig ist wie Windeswehn, Und meiner Seele Athemzüge, Die leisen, kannst du nicht verstehn? Die stille Wonne, wie die Klage, Die nur in Geistertönen lallt, Bleibt eine unverstand'ne Sage, Wenn nicht das Herz ihr widerhallt. Ihr Sinn ist hin, ihr Laut verklungen, Sobald die Lippe sie erst nennt; Nicht eignet sich für Menschenzungen, Was nur der Himmel weiß und kennt. O Mädchen, durch all dein Lachen und Singen O Mädchen, durch all dein Lachen und Singen Vernehm' ich ein leises Seufzen oft; Hoch klopft dir das Herz, als wollt' es zerspringen Von dem, was es fürchtet und träumt und hofft. Wie Wolken über die blühenden Matten, Wie über wogende Saaten der Wind, So ziehen rastlos Gedankenschatten Über dein lächelndes Antlitz, Kind! Die Lippen in wachendem Traume bewegst du, Als pflögest du sacht mit Geistern Gespräch, Dann plötzlich zu Boden die Augen schlägst du, Und hoch erröthend eilst du hinweg. Wohl hab' ich die Zeichen erkannt; verhehle, Thörichtes Mädchen, es länger nicht! Dir flackert im Hauche der Liebe die Seele, Wie im Odem der Nacht ein Licht! Das singt und flötet in den Zweigen Das fingt und flötet in den Zweigen Und zirpt und schmettert auf der Flur; Zum Himmel mit den Lerchen steigen Die Freudenrufe der Natur. Ein Sausen geht, wie Jubelchöre, Von Ast zu Ast, von Baum zu Baum, Die düstre Tanne selbst, die Föhre Erweckt es aus dem Wintertraum. Hinunter jauchzt in alle Schluchten Der stürzenden Gewässer Schwall, Froh tönt am See von Bucht zu Buchten Des Wogenschlages Widerhall. Doch Trost giebt mir der Stimmen keine In all dem Jubel und Gesang, Denn stumm für immer ist die eine, Die süßer mir als alle klang! Von dunklem Schleier umsponnen Von dunklem Schleier umsponnen Ist mir das Tageslicht, Wohl steigen neue Sonnen — Ich seh' sie nicht. Mir schweift der Blick hinüber In Weiten dämmerfern; Vom Himmel blickt ein trüber, Einsamer Stern. Ein Mädchen, bleich von Wangen, Winkt mir von drüben zu: „Ich bin vorangegangen, Was zögerst du?“ Süßes Geheimniß Glaub' nicht, daß ich dem lauten Tage Verrathe, was du mir vertraust, Wenn mir vorbei mit flücht'gem Schritte Du wandelst in der Deinen Mitte Und mit dem Blick, halb kühn halb zage, Verheißend mir ins Antlitz schaust. Berauscht vom Zauber deiner Nähe Dann seh' ich lang' dir staunend nach, Und mählich erst, indem ich sinne, Werd' ich des eignen Glückes inne, Wenn ich die Rede ganz verstehe, Die stumme, die dein Auge sprach. Die Abendschatten werden trüber, Längst in die Ferne schwandest du, Und wie den Tropfen Thau die Blume Birgt in des Kelches Heiligthume, Schließt meme Seele still sich über Dem duftenden Geheimniß zu. Kein Vergessen Ihr sagt: „Um Freuden, die erstarben, Warum dies jahrelange Leid? Jedwede Wunde muß vernarben Und jeden Kummer stillt die Zeit.“ Nein, scheucht, wenn ihr vermögt, den euren, Doch treu bewahr' ich meinen Gram, Der stets mir frisch das Bild der Theuren Erhält, wie da sie Abschied nahm. Süß ist die Trauer im Gemüthe, Die von vergangnen Wonnen spricht. O raubt die Düfte nicht der Blüthe, Dem Herzen seinen Kummer nicht! Mag ewig bluten meine Wunde, Wenn von dem Schmerze neu belebt Nur die Erinn'rung jeder Stunde, In der sie mein war, mich umschwebt. Trüg' ich den güldnen Mond zu Lehn Trüg' ich den güldnen Mond zu Lehn, Ich münzt' ihn um in lauter Dreier Und trüge sie ins Schenkenhaus, Um Faß und Glas ein blanker Freier. Trüg' ich den güldnen Mond zu Lehn, Ich göss' ihn um zu einer Leier, Und sänge drunt' im Schenkenhaus Vom Sternenlicht im dunklen Weiher. Trüg' ich den güldnen Mond zu Lehn, Ich webt' ihn mir zu einem Schleier, Darein ich fing' manch schönes Kind Wie Maiennachts die Ros' im Weiher. Trüg' ich den güldnen Mond zu Lehn, Ich stieg' in jede dunkle Kammer: Wie schien' die Lust noch eins so hell Und stille schwieg' jedweder Jammer! Trüg' ich den güldnen Mond zu Lehn, Ich kehrte ein in allen Schenken, Und störte den Wirth, den süßen Wein In sauren Kannen zu verschenken. Schwalbenflug Leicht und leise schwebt die Schwalbe über rosenklaren Gründen, Lenz und Liebe wie ein Priester allem Volke zu verkünden; Goldne Wipfel ihre Kanzel, Sonnenlicht ihr Predigtbuch, Und ihr Weihrauchfaß der Blum' und Rebenblüthe Wohlgeruch, Ihr Altar die freien Berge und ihr Nachtmahlkelch die Quelle, Draus sich Leib und Seel' verjünget und verklärt in Morgenhelle, Ihre Hostie ist die Freiheit und ihr Küster Frühlingswehn, Maienblumen ihre Glocken, die im Thalgrund klangreich gehn, Kirchenstuhl die laub'ge Halle grüner Wälder, ihre Flügel Fromme Hände, die den Segen sprechen über Thal und Hügel. Mit zu freu'n sich, mit zu weinen, Kirchenbuße; wohlzuthun Heißt ihr heil'ger Gotteskasten, drin Gebet und Arbeit ruh'n. Eins nur, daß sie schwarzgekleidet geht in sommergrünen Tagen, Läßt mich oftmals einsam gehen, trostlos klagen und verzagen. Ach, sie klagt wohl, daß dem Volke goldner Freiheit endlich' Heil Und der Tag der Auferstehung stets versagt und nie zu Theil? Weihestunden Mir ist so wohl in stillen Stunden, Wenn an dem weiten Himmelszelt Der Mond, vom Sternenkranz umwunden, Das All mit Dämmerstrahl erhellt. Es schwebt in feierlicher Stille Der Geist dem Strom des Lichtes nach, Und huldiget in sel'ger Fülle Dem ew'gen Glanz, dem Weltentag. Mir ist so wohl in stillen Stunden, Wenn der Erinn'rung Melodien Von Tagen singen, die entschwunden, Und ruhig mild die Brust durchzieh'n. Sie wecken heilige Gefühle Mit süßen Zaubertönen auf, Und mahnen in dem Wechselspiele An unsers Lebens flücht'gen Lauf. Mir ist so wohl in stillen Stunden, Wenn Liebe in der Ferne weilt, Und ihrer Sehnsucht tiefe Wunden Des Wiedersehens Ahnung heilt. Die Seele wiegt auf lichten Schwingen Sich in dem duft'gen Friedenshain, Wo Lieb' und Treue sich umschlingen In ewig wonnigem Verein. Mir ist so wohl in stillen Stunden, Wenn hehre Andacht aufwärts schaut, Das Herz, der Erdenwelt entwunden, Der ew'gen Güte sich vertraut. Und ob des Lebens leichte Welle In Glück und Leide wechselnd fließt, Im tiefen Busen strahlt die Helle, Die droben segnend sich ergießt. Das Schweigen Ihr wißt, wie ich im Jugendmai gesungen Von Sehnsucht und von liebendem Verlangen, Von Mädchenlächeln und von Mädchenwangen, Und wie die süßen Träume mich umschlungen. Die Nachtigallentöne sind verklungen — Ihr fraget mich mit freundlich zartem Bangen, Ob Jugendglück wie Nebelduft zergangen, Und stummer Schmerz zur Seele mir gedrungen? O still! es lebt ein Lieben in dem Busen, Ein himmlisches Entzücken fühl' ich brennen, Das keine Sprache hat und keinen Namen. Es tönet nicht im Liedesklang der Musen; Nur droben mögen es die Sterne kennen, Die meiner Seele still Gebet vernahmen. Abendlied Der Abend naht, die Sonne strahlet milder, Und leis verhallt der Vöglein Jubelsang; Mir aber wogt im Busen wild und wilder Der Sehnsucht ewig ungestillter Drang: Vor meiner Seele schweben tausend Bilder, Verschwimmend bunt in Farben, Duft und Klang, Und Alles ringt nach Form und nach Gestaltung Im Qualenkampfe üppiger Entfaltung. Wenn dann die Nacht den Sonnenstrahl verdrängte Und sanft auf mir ihr Zaubermantel ruht, Dann weichet jede Fessel, die mich engte, Und unbehindert rollt das heiße Blut. Die Rücksicht, die in schmales Bett es zwängte, Weicht dem erwachten frohen Lebensmuth, Und Alles treibt mich, mich emporzuraffen Zu klarem Denken und zu rüst'gem Schaffen. Zur Nachtzeit fällt des Himmels Thau hernieder Und träufelt in der Rose keuschen Schooß; Ihm haucht entgegen süßen Duft der Flieder Und jede Blume fühlt sich frei und groß. Zur Nachtzeit ringen sich all meine Lieder In süßem Wahn von meinem Herzen los, Wenn Andre schaffen, muß ich müßig säumen, Doch schaffend leben, wenn die Andern träumen. Verstohlen Wie sind die Stunden so trüb', so trüb', Bis die Strahlen der Sonne verglühten! Es zählet die Nacht die verschwiegene Lieb' Zu ihren duftigsten Blüthen! Wenn im flüsternden Mailaub der Zephyr erwacht, Sich heimliche Küsse zu holen, Mein Liebster, dann komm in den Garten sacht, Verstohlen. Wenn das Mondlicht wandelt geisterhaft leis In den düster umschatteten Gängen, Wenn die Jasminblüthen am schwanken Reis Voll thauiger Tropfen hängen, Wenn müde sich wiegen die Falter der Nacht Auf träumerisch blassen Violen, Mein Liebster, dann komm in den Garten sacht, Verstohlen. Wenn in Schlummer gewiegt vom Fittig der Luft Die Rosen schlaftrunken schwanken, Wenn die Elfen sich wiegen in Blüthenduft Auf der Beete verschlungenen Ranken; Dann schnell, eh' die wonnigen Stunden der Nacht Entflieh'n auf geflügelten Sohlen, Mein Liebster, dann komm in den Garten sacht, Verstohlen. Das, was du nicht erlebst Aus „Hafis in Hellas“ Das, was du nicht erlebst, Ersing' es dir! Denn das, was du erlebt, Besingst du dir, Dies ist nur noch ein Lied! Und das ist schon ein Lied! Sie Beide sind Ein Glück, Zwei Blumen in den Wein, Zwei Thränen in den Kelch. Ersingt! Besingt! — nur singt! Das Leben wird Gesang, Gesang ist Leben; singt! Darf ich das Haar ihr flechten Aus „Hafis in Hellas“ Darf ich das Haar ihr flechten, Und flecht' ich es auch ganz reizend, Aber ich küsse zum Danke Sie nicht, spricht sie verdüstert: „So bin ich doch nicht fertig!“ Und dann werd' ich nicht fertig! Was helft ihr mir, ihr Gestirne Aus „Hafis in Hellas“ Was helft ihr mir, ihr Gestirne, Im Düstern hier — ohne Lampe! Was helft ihr da droben, ihr Wolken, Mir Schmachtendem, ohne Quelle; Du Keime-erfüllter Äther, Was hilfst du mir ohne Früchte? Und was, o ihr Göttinnen alle, Was helft ihr mir ohne Geliebte? Doch sie mir am Herzen — da fehlst du Im Himmel, o Göttin der Liebe. Die Skolie der Aphrodite Die Skolie für Aphrodite hört, Die Ares sang. Wer merkte sie nicht gern? „Dir setzt' ich alle Diademe auf, In Purpur kleidet' ich dich siebenfach, Den Hals umwänd' ich dir mit Perlen voll, Die schönen Arme ... die besteckt' ich dir Mit goldnen Spangen, und die Finger all' Mit Ringen, ja die Zehen funkelnd noch — Wenn Das dich schmückte, nicht entstellete, Wenn Hülfe wär', was eben Schaden ist! Erst ohne das ..., ohn' Alles, was du trägst, Bist du die Schönste! Wie schön ... weiß der Mond! Er schweigt vor Überdrang; und mir gebricht Ein Wörtchen! ... mir gebricht die Eigenschaft: Rund-um zugleich um einen Baum zu sehn. O schenke du mir tausend Augen , ach, Da seh' ich dich wohl einmal wie du bist!“ Die Skolie des Hephästus Mag die Skolie des Schmiedes Gute Nachtruh Jedem singen! „Wunder denk' ich, was ich habe, Und ich habe auch ein Wunder An dem ganz vollkommnen Weibe. Aber sinn' ich: daß am Melas Hundert solch ein Wunder haben ... Tausend solch eins am Ilissus ... Hunderttausend an dem Nile ... Tausend Tausend an dem Indus, Und was weiß ich: wo die Liebe Überall sich Nester bauet, Eigne Jungen-volle Nester Immerfort in jedem Frühling — Da vergehn mir alle Sinne Vor dem Wonnespender Eros, Und ich kann die Nacht nicht schauen, Ohne ganz vor Angst zu zittern! Da nur tröstet mich: daß Alle, Wie ich auch, nur Eine haben, Keine Süßre, Schönre keine, Ich auch Eine, und ich gehe Froh zu meiner Tausendschönen!“ Neun Dinge braucht ein rechter Mann Neun Dinge braucht ein rechter Mann: Ein schönes Weib, ein feurig Roß, Ein Haus, ein Weinfaß, einen Freund, Gesunden Leib, ein fröhlich Herz, Mit einem guten Beutel Gold Glühheiße Liebe mit Verstand. Und kämen Neune noch dazu: Die Musen — welch beglückter Mann! Und kämen Dreie noch dazu; Die Grazien — o halber Gott! Und kämen Sechse noch dazu: Sechs Kinder — Halt! die Welt ist aus! Die Götter wissen selbst nichts mehr. Dein Wort und mein Wort „Was keine Zukunft hat, Das fange nicht erst an!“ O weh, wann tränk' ich da Mehr einen Becher Wein? Drum besser ist mein Wort: „Was mir das Leben schmückt, Da hör' ich nicht mit auf!“ Die Empfundene Schön, schön bist du am Tage, Wenn dich die Sonne mit Silberglanz umstrahlt; Schöner bist du am Abend, Wenn der Mond sich in deinen Augen malt; Aber die Allerschönste Bist du des Nachts im Finstern, Lispelnd, nur mir geahnt, nur empfunden, wenn deine Augenwimpern streicheln und kosen meine! Sonnenhaftes Versinken Aus dem „Koran der Liebe“ Die Sonne selber, sie geht darauf In ihrem Lebenstage: Sie quillt, ein rosiger Riesenknauf, Aus einem Rosenhage, Und groß und kostbar, glühendes Gold, Durschwimmt sie die Äthergewässer — Doch wie sie höher und höher rollt, Da wird sie kleiner und blässer; Schon Mittags steht sie silbern da Und schmilzt von Stunde zu Stunde, Doch nimmer ein Leid ihr droben geschah, Sie blutet aus keiner Wunde ... Und dennoch, wenn sie untergeht, Ist all ihr Glanz verzittert, Sie selbst ist, matt und kühl umweht, In dumpfe Röthe zersplittert. Verstrahlt, verglüht, um die Schätze gebracht Ist Abends die goldene Sonne, Im Tage, durch des Tages Pracht, Durch Glanz und Gluth und Wonne. Wie sollten die Mädchen glücklicher sein, Als selber die Sonne, die hohe? ... Aufblühen in rosigem Morgenschein, Aufleuchten in prächtiger Lohe — Durch Liebe, durch den eigenen Tag Verglühen und leise verblinken, Ist schon ein herrlicher Lebensertrag, Ist sonnenhaftes Versinken. Mysterium Aus dem „Koran der Liebe“ Der Himmel kann nicht leuchten — Da ballt er sich zur Sonne Und leuchtet voller Pracht! Die Nacht, sie kann nicht glänzen — Da schmilzt sie still zum Monde, Und sanft erglänzt die Nacht! Die Erde kann nicht duften — Da faßt sie sich zur Rose Und würzt die Welt mit Duft! Der Äther kann nicht klingen — Da fliegt er als die Vögel, Und Sang erfüllt die Luft! Der Himmel kann nicht sehen — Da schafft er Mädchenaugen, O, sieht er da und blickt! Die Erde kann nicht lieben — Da tritt sie her als Jüngling, O, liebt sie da geschickt! Die Welt kann nicht empfinden — Da wird ihr Geist zum Menschen, O, fühlt sie da und strebt! Die Zeit, sie kann nur fliehen — Da wird sie still zum Kinde, O, lacht sie da und lebt! Liebe deine Kinder Aus den „Hausreden“ Geh' fleißig um mit deinen Kindern! Habe Sie Tag und Nacht um dich, und liebe sie Und laß dich lieben einzig schöne Jahre; Denn nur den engen Traum der Kindheit sind Sie dein, nicht länger! Mit der Jugend schon Durchschleicht sie Vieles bald — was du nicht bist, Und lockt sie Mancherlei — was du nicht hast, Erfahren sie von einer alten Welt, Die ihren Geist erfüllt; die Zukunft schwebt Nun ihnen vor. So geht die Gegenwart Verloren. Mit dem Wandertäschchen dann, Voll Nöthigkeiten zieht der Knabe fort. Du siehst ihm weinend nach, bis er verschwindet, Und nimmer wird er wieder dein! Er kehrt Zurück, er liebt, er wählt der Jungfrau'n eine, Er lebt! Sie leben, Andre leben auf Aus ihm — du hast nun einen Mann an ihm, Hast einen Menschen — aber mehr kein Kind! Die Tochter bringt vermählt dir ihre Kinder Aus Freude gern noch manchmal in dein Haus! Du hast die Mutter, aber mehr kein Kind. — Geh fleißig um mit deinen Kindern! Habe Sie Tag und Nacht um dich, und liebe sie Und laß dich lieben einzig schöne Jahre! Erstes Liebesleben Blickt in die Sonne man hinein: Ein Lichtstrom blendend quillt Ins Auge — und noch lange schwebt Ihm vor ein Sonnenbild. Ich Unvorsicht'ger sah so tief Ins Aug' dir, lichterfüllt! — Und überall, wohin ich schau', Erblick' ich nur dein Bild! Der böse Tag mich fern dir hält, Denn junger Liebe Glück Gehört nicht vor das Aug' der Welt Mit seinem Argusblick. Doch Nachts, da grüße ich vertraut Zu deinem Haus hinan: Mit seinen Sternenaugen schaut Mich nur der Himmel dann! Dämmerung Wenn mit dem Lichte um die Herrschaft Die Nacht in blut'gem Streite wirbt, Bis lächelnd unter seinen Wunden Der Tag, der holde Herrscher, stirbt; Wenn dann die Dämm'rung ihre Schleier Um den geliebten Todten hüllt — Das ist die Stunde, deren Zauber Mit Rührung jede Seele füllt: Die aber noch so laut gejubelt, Die Lippe plötzlich bebt und schweigt; Die Stirne, erst so stolz erhoben, Sich nun in ernstem Sinnen neigt. Und auch dein Schmerz, dein grollend Hassen Wie Traum in deiner Brust vergeht, Durch die es lind wie Frühlingsahnung Von einem ew'gen Frieden weht. In Eins verschwimmen Lust und Leiden, Wie Tag und Nacht in duft'gen Schein; Als Dämm'rung schleicht sich mild versöhnend In jede Seele Wehmuth ein. Ein Heimathklang Wie viel auch in dem Wechseldrange Des Lebens täglich untergeht, Von einem theuren Heimathklange Der Nachhall nimmer mir verweht. Das ist der alten Linden Rauschen Vor meinem stillen Vaterhaus, Wenn ich des Abends saß, zu lauschen Ins Traumesweh'n der Nacht hinaus. Das ist der alten Linden Flüstern In tiefem, traurigem Accord, Als man zum Grabe dich, dem düstern, O Mutter! trug vom Hause fort. Wie mich des Schicksals wilde Welle Seit jenem Tag verschlagen hat! Selbst zu des Vaterhauses Schwelle, Wie lange ging ich nicht den Pfad? Doch ob auch täglich wechselnd tauschen Des Lebens Klänge, immer zieht Der alten Linden heimlich Rauschen Nachhallend noch durch mein Gemüth! Geh nicht vorüber Siehst du am Meeresstrande Die Perle ruhn im Sande — Nimm sie an deine Brust! Wohl von den nächsten Wogen Wird sie hinabgezogen, Und schaut nie mehr des Tages Lust. Und schlägt auf deinen Wegen Ein Herz dir warm entgegen, So geh nicht kalt davon! Heut ist sein Kelch noch offen; Wie leicht, vom Frost getroffen, Schließt sich's auf ewig morgen schon! O sieh, wie nun der blaue Himmel O sieh, wie nun der blaue Himmel Verklärt zur Erde niederschaut, Und lächelnd ob dem Lenzgewimmel Die Stirne küßt der holden Braut! Nur du, mein Herz, gehst in Gedanken Verloren durch die Blüthenwelt; Erwach', durchbrich die engen Schranken, Wirf ab, was dich gefesselt hält! Vergiß, was dir geraubt das Leben, Was starb und was gezogen fort! Der Zukunft nur gehört dein Streben, Und „Vorwärts!“ heißt dein Losungswort. Leg' an, mein Geist, die blanken Waffen, Herz, trink' der Liebe Sonnenlicht! Du mußt dir selbst den Frühling schaffen, Die Andern schenken dir ihn nicht. Und was nicht in der Jugend Tagen Zur Blüthe kommt als frische That, Das wird auch keine Früchte tragen, Wenn deines Lebens Herbst sich naht. Du gleichst dem See Noch unbekannt mit Schmerz und Sorgen, Gehegt in treuer Eltern Hut, Gleichst du dem See am Sonntagmorgen, Der still im Schooß der Berge ruht. Ist er nicht tief wie dein Gemüthe, Klar wie dein Aug' und wie dein Sinn? Es zittert der Gedanken Blüthe Wie lichte Segel drüber hin. Leicht spielt noch des Gefühles Welle, Wie hier die Fluth den Strand entlang; Horch, tönt im Glöcklein der Kapelle Nicht deiner Silberstimme Klang? Zu deiner jungen Schönheit suchen Nur scheu die Blicke sich den Pfad, Wie schüchtern aus des Waldes Buchen Die Rehe ziehen zum Gestad. Und wenn dir plötzlich Stirn und Wangen Ein hold Erröthen überfliegt, Ist's wie der Morgenröthe Prangen, Das weich sich auf den Wogen wiegt. Noch ruht der See in Duft gehüllet; Doch wenn der Sonne goldner Schein Das Thal mit Licht und Glanz erfüllet — Was wird das für ein Morgen sein! O wär' ich dann der Hirtenknabe, Der singend durch die Berge zieht, Und der, gelehnt an seinem Stabe, Herab in all den Zauber sieht! Antwort Du siehst mich ernst und fragend an, Als wolltest du im Aug' mir lesen: Bist du denn noch derselbe Mann, Der du vor Jahren bist gewesen? — O ich versteh' dein leises Fragen Und deinen scheuen Druck der Hand; Wohlan, es soll dir Antwort sagen Das Meer; komm mit herab zum Strand! Du sahst, wie es am Tag getobt, Wie es an Wällen und an Schiffen Aufschäumend seine Kraft erprobt, Und wie sich's brach an Felsenriffen. Nun ziehn im Mondlicht seine Wogen So friedlich und so still daher, Als hätt' es nie ein Sturm umflogen; Und doch ist's noch dasselbe Meer! Blüthe und Frucht Ist dies denn noch derselbe Baum, Darunter ich im Lenz gelegen Und, seines Duftes froh, den Traum Geträumt von reichem Erntesegen? Wie hätt' ich damals wohl gedacht, Daß diese überreiche Bürde So hoffnungsvoller Blüthenpracht Nur wenig Früchte reifen würde! — Da schien, vom Windeshauch bewegt, Der Wipfel flüsternd sich zu neigen: „Wie steht's um dich, der rasch erregt Die Früchte zählt an meinen Zweigen? Was ist von deinen Blüthen, sag', Von deinen Wünschen, deinem Streben Zur Frucht gediehn bis diesen Tag?“ — Stumm lag vor mir mein eig'nes Leben. Geborgen Dort steht ein armes Kind am Zaun; Es sieht in den blühenden Bäumen Des Gartens die Vöglein sich Nester bau'n, Und kann an den Blumen kaum satt sich schau'n, Versunken in wonniges Träumen. Aus dem Gartensaale die Freude lacht; Hell klingen durch's dichte Gehege Der luftigen, flüsternden Blätternacht Die Becher und Lieder; doch wer hat Acht Des Kindes draußen am Wege? — So stund verlassen und wandermüd Ich einst am Wege des Lebens Und schaute hinab in dein reiches Gemüth, Darinnen ein ewiger Frühling blüht; Ich sang — und ich sang nicht vergebens! Du öffnetest mir zu seliger Lust Des Herzens verschwiegene Tiefen; Nun wohn' ich, ein König, in deiner Brust Und hebe die Schätze, die unbewußt In der jungen Seele dir schliefen. Ein Samariter Ist noch ein Rest von Lieb' in dir, O geize nicht und gieb ihn her, Die reiche, menschenvolle Welt Ist ja an Liebe gar so leer. Auf Märkten biete sie nicht feil, Auch zu Palästen trag' sie nicht, Doch tritt dereinst an deinen Weg Ein still verhärmtes Angesicht, Dann sprich: bedarfst du wohl des Öls? Zeig' deine Wunde, hier mein Krug, Und in der Herberg' pfleg' ich dein, Wenn diese Gabe nicht genug. Ob Dank, ob Undank dir vergilt, Du ziehe stillen Gangs davon; Daß du ein inn'res Wort erfüllt, Sei deinem Herzen schönster Lohn. Und was dir noch im Kruge blieb Von Liebe, senk' es nicht ins Meer: Die reiche, menschenvolle Welt Ist ja an Liebe gar so leer. In dem Menschenauge In dem tiefen Menschenauge Ruht die dunkle Weltenseele; Schmerz und Wonne blüh'n darinnen Auf zum leuchtenden Juwele. In das Auge gießt der Himmel Nieder seiner Sterne Frieden, Ihren Himmel trägt die Erde In den süßen Augenliden. Mit dem menschlichen Geschicke Sprechen drin die ew'gen Mächte, Ihren Frühling lebt die Liebe, Sehnsucht drin die sel'gen Nächte. In dem Auge hat die Hoffnung, Hat die Wehmuth ihre Wiege, Und die Treue stirbt im Auge, Daß sie Seel' in Seele liege. In das Auge drängt das Leben Seine Stürme, seine Blüthen; In das Auge flieh'n die Engel, Eine Lilie zu behüten. Nacht und Sterne, jedes Schöne Hält sein enger Kreis umzogen, Und der Glaube baut im Auge Sich den lichten Regenbogen. Die erste Thräne Der Donner schwieg, die Blitze zuckten fern, Es rang der Sturm im sterbenden Ermatten, Und, grüßend durch der Wolken flücht'ge Schatten. Ein Friedensbote, drang der Morgenstern, Aus Osten brach des jungen Tages Röthe, Doch Stille rings; denn durch die Felsenöde In heil'gen Schauern ging die Furcht des Herrn. Das Weib am Herzen, das den Säugling trug, Im Haupte wälzend schwerer Träume Lasten, So schlief der erste Mensch in kurzem Rasten, Ein Flüchtling vor dem Richter, der ihn schlug. Und trauernd stand der Engel mit dem Schwerte, Und sah's und hob die Schwingen von der Erde Und nach dem Himmel lenkt er seinen Flug. Er trat vor den Erbarmer tief verhüllt, Es sah der Herr mit Liebe auf den Treuen: — „Sie schlafen, Vater, zittern und bereuen; Sei ihnen denn, wenn sie erwachen, mild!“ Und sinnend der Versöhnung ew'ge Pläne, Goß ihm der Herr ins Aug' die erste Thräne, Sie still zu tragen nach dem Erdgefild. Der Bote fliegt — noch ruh'n die Menschen süß; Doch, jetzt erwachend, zieh'n voll sel'ger Schmerzen Sie ihren Säugling thränend nach dem Herzen Und segnen fromm die Hand, die sie verstieß. Sie können beten, denn sie können weinen; Der Herr ist strafend Vater noch den Seinen, Und über Thränen strahlt das Paradies! Harmonie Wenn du nur klar und richtig fühlst: Millionenfacher Schwingung Klang, Du schaffst ihn dir im Augenblick Zu Harmonie und zu Gesang. Bringst du harmonisches Gefühl Mit dir in die Natur hinein: Ihr ungeheures Chaos wird Dir Harmonie und Schönheit sein. Mondes-Liebe Holdes Mondlicht! Mildes Leuchten! Wunderbares Zauberbild! Sag', was ist das für ein Zauber, Der aus deinen Strahlen quillt? Deute mir das bange Sehnen Das dein Blick in uns erschließt, Jenes weiche trunkne Träumen, Das dein Glanz in uns ergießt! „Liebe! Liebe! ist mein Zauber, Meines Dankes süße Pflicht; Denn von ihr, der großen Erde, Kommt mir erst mein liebes Licht. Und nun geb' ich ihr zurücke, Nur mit meiner Lieb' getränkt, Was mich ihr so herrlich machte, Was sie liebend mir geschenkt. Nun erleucht' ich ihre Nächte, Gebe sanften Frieden ihr! — —“ O — das sind ja deine Worte, Mädchen, die du sprachst zu mir! Mädchen — Mondlicht meiner Seele! Holdes, reines Liebes-Bild! O, nun kenn' ich auch den Zauber, Der aus deinem Aug' mir quillt! Poesie und Heimath Ihr Dichter fragt oft: „Was ist Poesie?!“ Und sucht sie auf in weltenfernem Raume, Und jagt ihr nach mit schwelgendem Genie, Und sucht sie auf in süßem Wahn und Traume. Der Sonne wollt ihr neuen Glanz verleihen, Und Düfte schenken süßen Blüthendolden, Den Himmel erst zu einem Himmel weihen, Und wohl das Gold, das reine, noch vergolden. Jagt durch die Welt, der Dichtung Ahasver, Und keine Heimath kann euch glücklich binden: Doch Poesie ist immer um euch her, Und in euch selbst müßt ihr die Heimath finden. Da horch ein Ton! Wie rasch ist er verrauscht, Doch wie prophetisch ist sein weites Klingen, Habt ihr in ihm nur das Gesetz belauscht, Wonach die Welten sich harmonisch schwingen. Ein Stückchen Glas, das euch zu Füßen blinkt, Das sehnsuchtsvoll der Sonne Glanz gesogen — O Poesie, die sein Gesetz durchdringt: Der Wolken Pracht, die Pracht der Regenbogen. Im Tropfen Wasser, der am Glase hängt, Die Poesie des Ruhens, der Bewegung, Die jeden Stoff mit Lieb' und Haß getränkt — So aller Stoffe ew'ge Wechsel-Regung! Da hier ein Blatt! Wie das poetisch spricht! O schaut nur recht! In seiner Adern Quellen Verkündet es ein ewiges Gedicht: Des Lichtes Strömen und des Lichtes Wellen! Ein Flämmchen hier durch einen Druck der Hand: Wie strahlt es euch gedankenvoll entgegen, Habt ihr darin nur das Gesetz belauscht, Wie sich des Weltalls Wärmekräfte regen. Die kahle Haide ist ein Mutterschooß Von ew'ger Schönheit! Schaue nur, o schaue Auf kahler Haide jenes kleine Moos, Die Poesie in seinem Wunderbaue! So Poesie, wo nur ein Odem quellt, Und unsre Heimath, wo sie liebreich waltet. So ist denn Heimath uns die ganze Welt, Wenn in uns selbst sich eine Welt gestaltet. Die Königin der Nacht Du kennst das Blumenwerk, das holde, Das starr der lauten Tageswelt Sein tiefstes Sein, die glüh'nde Dolde, Mit scharfem Speer verschlossen hält. Doch wenn der Nacht erhab'ne Schatten Mit leisen Schauern niederquell'n, Wenn Erd' und Himmel sich begatten In duftgetränkten Mondeswell'n, Wenn dann die mitternächt'ge Stunde Durch jede Pflanzenseele klingt, Und mit geheimnißvollem Munde Den Schlaf der Menschen selbst durchdringt: Dann schließt das Blumenwerk, das holde, Sich auf in wunderbarer Pracht; Dann blüht der Purpurkranz der Dolde Wie eine Sonne in der Nacht. Und wie in einem Heiligthume Zum Kern das reinste Weiß gedrängt: Das ist der Engel dieser Blume, Der Düfte streut und Duft empfängt. Und bei des Morgens erstem Zittern Schließt sich die Blume wieder zu, Still hinter den verschloss'nen Gittern In neuen Schaffens sel'ger Ruh'. O Blumenwelt! o Zauberblüthe! Wie bist du doch so sinnig gleich Des Genius schaffendem Gemüthe, Und seiner Brust verschloss'nem Reich! Meeresklage und Trost Auch das Meer hat eine Seele! Hörtest du bei Nacht es rauschen, Wenn die Felsen und die Wellen Ernste dunkle Worte tauschen? Sahst du seine Geister schwellen Aus der Tiefe auf zum Throne? Ihre Häupter lichtbekränzt, Jede Welle eine Krone, Die die weite Nacht durchglänzt — Auch das Meer hat eine Seele! Auch das Meer hat seine Schmerzen! Hörtest du sein banges Rauschen In den nachtgeschwärzten Fluthen An die starren Felsen schlagend? Sahst du seines Schmerzes Gluthen Rauchend auf zur Höhe schäumen? Jede Welle zuckt im Krampf, Dann ein schweres banges Träumen, Leis empor als Nebeldampf — Auch das Meer hat seine Schmerzen, Und so klagt das ew'ge Meer: „O furchtbare Pein: So allein! so allein! Und im endlosen Grabe lebendig! Meine Brust sie schwellt Entgegen der Welt, Und doch ist ihr Fluch unabwendig! Ein schrecklicher Fluch: Mit dem Leichentuch Allewig die Welt zu umringen! Mit dem tödtenden Arm — Und das Herz so warm — Die vertrauenden Menschen umschlingen!“ So klagt es empor; Da erscholl ein Chor Vom fernher schimmernden Lande, Der wie Orgelklang Die Lüfte durchdrang, Und nun rauscht er vom felsigen Strande: „Sei gepriesen, Weltenbrücke! Die der Herrgott aufgeschlagen, Die zu ewigem Entfalten, Die zu ewigem Erhalten Menschheit kann zu Menschheit tragen, Sei gepriesen, Weltenbrücke!“ Da strahlte zurück Ein stolzes Glück Das Meer in wallendem Zittern — Nun plötzliches Glüh'n, Ein donnerndes Sprüh'n, Als begänn' es im Meer zu gewittern! Mit gewaltiger Hand Zu des Himmels Rand Hat die Sonne sich aufgeschwungen. Hell grüßt sie das Meer; Da tief und schwer Ist wieder sein Klagen erklungen: „O Geliebte, falsche Sonne, sage nicht, daß du mich liebst, Denn ein Raub nur sind die Küsse, die du frevelhaft mir giebst! Wenn du mächtig, flammenarmig an dein heißes Herz mich schließt, Weißt du, daß mein bestes Leben sich in deinen Hauch ergießt; Deine goldnen Lippen saugen vampyrartig ein mein Blut, Und dann schwingst du wieder auf dich mit dem Raube deiner Gluth, Und dann formst du aus dem Raube furchtbar dunkle Wolkenballen, Die in flammenden Gewittern auf mein Haupt herniederfallen, Schmiedest Stürme aus dem Raube, deine heiße Brust zu kühlen, Die dann donnernd niederjagen und mein tiefstes Mark durchwühlen. Bleibe ferne, bleibe ferne! — und doch kann ich dich nicht lassen, Muß dich ewig, ewig lieben, und in dieser Liebe hassen! Bleibe ferne, bleibe ferne! Laß mir meine Todesnacht, Oder laß mich endlich sterben und vergehn in deiner Pracht!“ Also hat das Meer gesungen — Als ein weich harmon'scher Klang Aus der Sonne goldnen Strahlen Sphärenhaft die Luft durchdrang: „O dulde nur stark, du klagendes Meer, Für der Menschheit Schaffen und Weben, O dulde nur stark, du klagendes Meer, Für der Erde sprossendes Leben! Denn all meinen Raub — ich geb' ihn zurück In der Menschheit fleißige Hände; Und ob er von dir, und ob er von mir, Sie schaffet damit ohne Ende. Es geht kein Hauch, den du mir schenkst, Für der Menschheit Wirken verloren, In Sturm und Gewitter, in Nebeldampf Wird er neu und gestaltend geboren. Und er fluthet zurück zu der Erde Schooß, Die lechzende Erde noch tränkend, Dann geläutert in Licht, gekräftigt durch That, In die Heimath sich wieder versenkend.“ So klang der Gesang, Dann Alles still Im weit unermeßlichen Kreise; Leis wogte das Meer In beruhigter Pracht Unter der Sonne umflammtem Geleise. Perle Du warst mir jener schönen Perlen eine: Ein Geist des Meers, den einst nach grausem Fluch Der Menschen Hand aus seiner Fluthen Haine Ans freche Licht der staub'gen Erde trug, In nied'rem Dienst zu schmücken, zu bekränzen, Und nun in seinem weißen, feuchten Glänzen Sich ewig muß nach seiner Heimath sehnen. Das ist es ja: die Perlen deuten Thränen. Und ach, wie lange mußt' ich so dich sehn, Und wußte doch die Heimath dir zu finden. Ich konnte nur in Wehmuth vor dir stehn, Doch ach, den Bann, den grausen, nicht entbinden! Da kam die Liebe! löste Bann und Schmerz — Und neue Heimath wurde dir mein Herz! Der Lindenbaum Lindenbaum, lieber Lindenbaum! Deine Blätter und Blüthen grün und hold, Sie sind entfallen im Schlaf dir, im Traum, Wie die Jugend im Traum, wie die Jugend verrollt! Und wenn du erwachest, Lindenbaum, Da sind sie verdorrt, da sind sie dahin, Thautropfen fallen vom Himmelsraum, Zu trösten deinen traurigen Sinn. Dir ging's, wie mir, o Lindenbaum, Als ich erwacht' aus der Jugend Traum, Da sah ich umher: gefallen vom Haupt Alle Blumen und Kränze, ich stand entlaubt! Den Freunden „Wir sind nicht mehr beim ersten Glas“, So haben wir einst gesungen, Kurz ist, ach! kurz des Lebens Maß, Die Lieder sind bald verklungen. Wir sind nicht mehr am ersten Glas, Doch darf nicht vorbei noch die Lust sein, Kurz ist, ach! kurz des Lebens Maß, Drum laßt uns des Leben bewußt sein! Herein, herein, du Schenk, herein! Und fülle noch einmal die Becher, Noch soll es nicht vorüber sein, Noch sind wir die alten Zecher. Und wenn du, Jugend, dich entfernst, Wo wir's als Spiel getrieben, So möge nun es werden Ernst Mit Singen, Trinken, Lieben! Quelle und Gemüth Parabel Aus einem Felsen sprang ein Quell, Deß Farbe rein und silberhell, Und als er aus dem engen Thal Hinauskam in die weiten Auen, War unter aller Bäche Zahl Er als der lieblichste zu schauen. Da kam von einer Seite her Ein trüber Bach, der brauste sehr Und stürzt' sich in den hellen 'nein, Erregt' und trübte seine Welle; Doch bald war dieser wieder rein, Und floß voll Ruh, wie an der Quelle. So auch das menschliche Gemüth Ein trüber Strom gar oft durchzieht; Doch ist es wahrhaft gut und treu, So wird's bald wieder helle werden. Ich wüßte nicht, was edler sei, Als solch ein treu Gemüth auf Erden. Es liegen eingesenkt die Jugendtage Es liegen eingesenkt die Jugendtage, Die glücklichen, so wie auch die mit Leiden, In eines Weltmeers unermess'nen Weiten, Und ruh'n in diesem dunklen Sarkophage. Und wenn ein Mensch die härt'ste Bürde trage, Soll er im Geist zurück zur Jugend schreiten, Gedenken jener kindlich frohen Zeiten, Verschwinden wird dann manche herbe Klage. Aus der Erinn'rung Grunde wird sich heben Manch Glück, manch freier Tag im Erdenleben, Wie eine Wunderblum' aus Meerestiefen. Doch wenn die Seelen einstens frei entschweben, Welch frohes Staunen wird es dann erst geben, Sehn wir die Schätze, die am Grunde schliefen. Ave Maria Im Glockenstübchen vom Klosterhaus, Da läuten zwei Schwestern Gebet. Die Junge schaut sehnend zum Fenster hinaus, Gefühllos die Alte steht. Ein Hornton schallet das Thal entlang, Leis, leiser — jetzt ist er entfloh'n. Die Alte hängt ruhig hinauf den Strang, Die Junge lauscht noch auf den Ton. Sonntag, Sonntag Sonntag, Sonntag! Horch, der Glocken Lieblich lockender Ton erschallt! Wie sie dich zur Kirche locken, Locken sie mich zum grünen Wald. Wie verschieden die Wege scheinen, Einem Ziel doch streben sie zu; Denn den Ewigen, Einzig-Einen Suchen wir Beide, ich und du. Gar verschiedene Wege sind es, Doch sie führen zu Einem Ziel: Mir erscheint er im Säuseln des Windes, Dir im wogenden Orgelspiel. Wallen die Wogen auf und ab Wallen die Wogen auf und ab, Keine doch geht verloren; Sank der Vater mir in das Grab, Ward mir ein Sohn geboren. Wallen die Wogen auf und ab, Nimmer und nimmer sie stocken: Wächst das Moos auf des Vaters Grab, Wachsen dem Knaben die Locken. Abends, wenn die Kinder mein Abends, wenn die Kinder mein Mit der Mutter beten, Pfleg' ich an ihr Kämmerlein Still heranzutreten. Leise lausch' ich an der Thür Ihrem Wort von ferne; Ob sich's gleiche für und für, Hör' ich doch es gerne. Und wenn Alles nachgelallt Mägdelein und Bube, Wenn das Amen leis' verhallt, Tret' ich ein zur Stube. Wenn sie dann so lieb und warm Gute Nacht mir nicken, Mit dem weichen Kindesarm Mich zum Kuß umstricken — O, dann muß im Kämmerlein Wohl mein Herz sich regen: Linde strömt es auf mich ein Wie ein Abendsegen! Staubige Bibel, du Erbtheil mein Staubige Bibel, du Erbtheil mein, Mir vom Vater gelassen! Nimmer bis heute fiel mir's ein, Mich mit dir zu befassen. Staubige Bibel! im alten Schrein Lagst du vergessen, verloren! Siehe, da hat mein Töchterlein Dich zum Schemel erkoren! Gottessegen siebenfach Gottessegen siebenfach Ist herabgekommen; All mein enges Wohngemach Hat er eingenommen. Mägdlein drei und Knaben vier — Sieben blühende Reiser! Schön'rer Stammbaum grünte schier Selten einem Kaiser. Knaben vier und Mägdlein drei — Sieben schwellende Ranken! Und sie regen sich frisch und frei, Keine siechen und kranken. Send', o Sonne, den hellsten Schein Nieder auf die Lieben, Daß sie wachsen und gedeih'n, Meine blühenden Sieben! Gönn', o Erde, den freiesten Raum Allen zum Entfalten, Daß sie reihen sich, Baum an Baum, Um den Stamm, den alten! Hoffe nur Hoffe nur in stiller Nacht, Hoffe nur, die Liebe wacht! Laß das Dunkel nur zerfließen, Eh's dein armes Herz gedacht, Wird dich Morgenroth begrüßen; Hoffe nur, die Liebe wacht. Träume nur bei Noth und Leid, Träume nur von goldner Zeit! Ewig bist du nicht verstoßen, Ach, der Frühling ist nicht weit, Und der Frühling bringt ja Rosen! Träume nur von goldner Zeit. Liebe nur recht fest und warm, Und dein Herz ist nicht mehr arm! Bei der Liebe sanften Strahlen Flieht der ganzen Erde Harm, Wonne wohnt in ihren Thalen — Liebe nur recht fest und warm! Morgens früh Noch ruhte die Nacht, doch träumte ich schon Vom Tag, dem blühenden Bräutigam, Und manchmal kam Herübergeflogen ein dunkler Ton. Bald war's ein verlor'ner Glockenklang, Bald war es ein zarter, zitternder Hauch, Der traurig bang Klagte sein Weh dem weinenden Strauch. Da brach über'm dämmernden Berg hervor Ein feuriger Funken, glühendloh, Er stieg empor, Und bange bebte die Nacht und floh. Da lachte mit lustigen Augen der Quell, Da blitzten vor Freude die Blumen im Thau, Und schnell und schnell Erwachte die Welt und der Himmel ward blau. Jetzt klangen die Glocken in frohem Geläut, Jetzt wehten die Winde mit Lust in die Welt, Und weit und breit Durchhallten die Lieder der Lerche das Feld. Sie klangen und drangen durch meine Brust, Da hab' ich dies Liedchen mir ausgedacht Und sang es mit Lust Hinaus in die herrliche, sonnige Pracht! Der Fink auf der Trauerweide Hoch auf die Trauerweide schwang Der Finke sich, früh schon munter. Vom höchsten, dünnsten Wipfel sang Er seelenvergnügt herunter. In Blättern und Zweigen, ernst und lang Herabgesenkt, erbebte Die Weide, wie mit seinem Sang Der lustige Schalk sie umschwebte. Die Trauernde, sie stand verletzt, Gestört in schmerzlichem Sinnen: Doch wußt' ein fröhliches Säuseln zuletzt Der Sänger ihr abzugewinnen. Ein Heftchen Lieder Ein Heftchen Lieder — ins Wasser ein Stein! Ein kurzes Schäumen und Sprudeln; Und glatt ist wieder der Strom und rein, Der Stein begraben in Strudeln. Und keine Libelle sieht nur her, Und von den Fischen allen Denkt keiner des bunten Steinchens mehr, Das eben ins Wasser gefallen. Doch waren's vielleicht nicht Kiesel allein, Die die Wogen verschlungen haben: Vielleicht ist auch ein Edelstein Mit in den Wellen begraben. Der Frühling Der Frühling, meint ihr, ist nicht schlau, Er fliegt dahin zu stolzen Siegen, Und läßt des Winters Festungsbau Hier oben unerobert liegen. Da seid ihr einmal fehlgerannt. Als ob er das nicht baß verstände: Der Winter ist dort festgebannt, Und ballt vor Wuth die starren Hände. Unmächtig schaut herab sein Zorn Auf den verwegenen Gesellen, Und seiner grimmen Thränen Born Kann nur des Frühlings Adern schwellen. Im Mondschein geschrieben Kein Ende nehmen diese Lieder, Ich höre sie zu Tausenden, Und kaum erhasch' ich am Gefieder Die schnell vorübersausenden. Ich sitze wie ein Vogelsteller, Die Schlingen fliegen auf und zu; Der Tage Flucht wird immer schneller, Und kürzer meiner Nächte Ruh'. Wohl sang ich auch in meinem Jammer, Und Ruhe hofft' ich von dem Lied, Beschrieb die Wände meiner Kammer, In die ich aus dem Leben schied. Und stets nach ausgeflognen Freuden Kam das Gezücht der Mitternacht, Das in zerstörten Lustgebäuden Die Grabmusik den Leichen macht. Nun phantasirt die Dämmerungen Des Schlafes mir die Sommernacht Hinweg auf Nachtigallenzungen, Und ruht nicht, bis ich aufgewacht; Bis bei dem Licbt der bleichen Kerze, Die sich im Himmelswind bewegt, Ich dem versunknen Jugendschmerze Dies Blümchen noch aufs Grab gelegt. Die Stürme sie tanzen Die Stürme sie tanzen im luftigen Saal, Aufspielen die Pfeifer, die Winde, zumal, Sie schwingen die Bräute durch's taumelnde Haus Und löschen die gaffenden Lichter aus. Sie wiegen und kosen die Wolkenjungfrau'n, Bis Morgenblitze ins Dunkel schau'n, Die Dirnen erwachen, die Locken zerwühlt, Verrauscht sind die Töne, der Taumel gekühlt. Die Junker grüßen mit gellendem Mund Und zieh'n in die Weite zur selben Stund'; Hinunter zur Erde die Mägdlein sah'n Und huben in Strömen zu weinen an. Du schlugst die Augen sittsam nieder Du schlugst die Augen sittsam nieder, Und Gluth bedeckte Stirn und Wange, Ein Beben fuhr durch deine Glieder: Ich sah dir's an, dir war so bange; So bange, wie dem scheuen Kinde, Das niemals noch ein Schiff bestiegen; Und doch wie süß, im Morgenwinde Sich auf der Liebe Kahn zu wiegen! Und wie wir kaum zusammen saßen, Da schlugst du herzhaft in die Hände; Indem wir froh die Fluth durchmaßen, Nahm Händedruck und Kuß kein Ende. Die Morgensonne winkt in die Fern' Die Morgensonne winkt in die Fern' Und lacht mir mit gnädigen Mienen, Sie kommt mir ins Zimmer, sie hätte mich gern Zur Thüre hinausgeschienen. Schwül ist die Stadt und verdorben die Luft, Die brütet über den Gassen; Hinaus zum Thor aus dem Moderduft Bestäubter Häusermassen! Am Morgen spielt mir im Haare der Wind, Als wollt' er ins Freie mich ziehen, Am Abend kost er mich kühl und lind, Mit ihm ins Weite zu fliehen. Und wo eine rauchende Säule steigt, Sie winkt mir, mich frisch zu ermannen, Und wo auf dem Strom ein Segel sich zeigt, Das flattert und lockt mich von dannen! Deine Sterne Verlasse deine Sterne nicht! Sie sind vom Ew'gen dir gegeben, Daß sie, ein leitend, leuchtend Licht, Dich führen durch das dunkle Leben. So lang sie friedlich auf dich schau'n, Blüht auch in dir die Blume: Frieden; So lang du ihnen kannst vertrau'n, Ist auch Vertrauen dir beschieden. Bald ist's ein Mädchenangesicht, Bald sind's der Mutter theure Mienen; Verlasse deine Sterne nicht — Denn alles Glück läßt du mit ihnen. Begrabe deine Todten Begrabe deine Todten Tief in dein Herz hinein, So werden sie dein Leben Lebendige Todte sein; So werden sie im Herzen Stets wieder auferstehn, Als gute, lichte Engel Mit dir durchs Leben gehn. Begrab' dein eigen Leben In Andrer Herz hinein. So wirst du, und bist du ein Todter, Ein ewig Lebender sein. Liebe Die Erde schlief und dünkte sich Der Hoffnung und der Wonne leer, Und fühlte doch von Traum und Sehnen Das Herz so voll, das Haupt so schwer. Die Erde schlief und dünkte sich Der Hoffnung und der Wonne leer, Da stieg mit ihrer Strahlenkrone Die Sonne aus dem stillen Meer. Die Erde wachte bebend auf, Von Licht umflossen lag sie da, Die Knospen keimten, die Lerchen sangen, Wie sie ins Sonnenauge sah. Spruch Sei deines Strebens dir bewußt, Und du trägst Gott in deiner Brust. Die Liebe weih' dein Herze ein, So wird's ein schöner Tempel sein. Daß Gott dich nimmermehr verläßt, Das sei dein Glaube felsenfest. Auch unter Angst und Schmerz und Noth Strahl' dir der Hoffnung Morgenroth. Und sollt' ein Ziel erreichet sein, Laß neue Wünsche bei dir ein. Streb' zur Vollendung früh und spät, Bis daß dein Tag zur Neige geht. Gebet Einzig Großer, vor dir steh' ich, Vor dem, der die Welten schafft; Allerzeuger, zu dir fleh' ich, Nicht um Vergebung, nicht um Frieden, Nicht um Bewahrung vor Leidenschaft, Nicht um stilles Glück hienieden — Unerschaff'ner, ich fleh' um Kraft ! Der Holzhacker Er hackt sein Holz Jahr ein, Jahr aus, Müht sich vom frühsten Morgen, Und sie besiegt im kleinen Haus Die tausend großen Sorgen. Tropft Abends ihm der heiße Schweiß Von seiner Stirne nieder, Sie trocknet sanft, sie trocknet leis Die furchenreiche wieder. So haben sorgen sie gemußt Seit langen, harten Jahren, Und keiner hat es wohl gewußt, Wie glücklich beide waren. In der Einöde Die Sonne barg sich hinter'm Forste In ihres Purpurmantels Pracht, Nun duckt in seinem Felsenhorste Der Falk sich vor der droh'nden Nacht. Die Wespe ruht vom Beutefluge In ihrem Nest, dem zellenvollen, Die Nattern sich im Laube rollen, Erschöpft vom heißen Räuberzuge. Fern ist den dämmernden Gefilden Des Feuerrohres Mordgeschoß, Es schläft der wildeste der Wilden, Der Mensch, des Falken Blutgenoß; Es ruh'n die Knaben, die im Netze Des Baches stumme Brut berückten, Der Jäger ruht, den hoch entzückten Des Rehes todesbange Sätze. Schäft endlich in dem stillen Raume Der blut'gen Triebe rohe Gier? Wiegt sich im süßen Kindheitstraume, Im Edensfrieden das Revier? Nein! Leise machen sich zum Rauben Die Fledermäuse auf und Eulen, Die Füchse mordverkündend heulen, Der Marder klettert nach den Tauben. Von der Arena blut'gen Spuren Zu euch der trübe Blick sich lenkt, Die ihr, die einz'gen Creaturen, An Rauben nicht und Morden denkt, Die an der Mutterbrust der Erde Ihr friedlich eure Nahrung findet, Des Himmels Athem in euch bindet, Daß er in euch belebet werde! Und doch, o Pflanzen, mit dem Strahle Der sanften Schönheit hold geschmückt, Auch eurer Stirn sind Kainsmale Der gier'gen Selbstsucht aufgedrückt. Und dehnten endlos sich die Zonen, Wär' Raum in Fülle Allen eigen, Es würden nicht die Fehden schweigen, Wo Stärkere bei Schwachen wohnen. Ihr Königskerzen, golden blühend Auf waldentblößtem Felsenhang, Du Fingerhut in Purpur glühend, Schon naht sich euch der Untergang. Die arglos ihr vor dem Versengen Beschützt, die winzig kleinen Tannen, Die werden bald euch übermannen, Mit neid'schem Schatten euch verdrängen. Die Blume muß dem Baume weichen, Das größ're Recht verbleibt der Macht, Es kämpfen selbst die Schwestergleichen Um jede Scholle Tag und Nacht. Dort ringt um einen Fußbreit Felsen Die Kiefer grimmig mit der Kiefer Und jede bohrt die Wurzel tiefer, Den Gegner in die Schlucht zu wälzen. Nicht eins will sich genügen lassen, Ein jedes schiebt und drängt und zwängt, Bis es gewaltig durch die Massen Sich seines Lebens Gasse sprengt. Wie in des Markts habsücht'gem Jagen Die Menschen neidisch sich bekriegen; Wer kampflos ruht, muß unterliegen, Wer leben will, der muß sich schlagen. Das Räthsel, tief und mitternächtig, Drängt sich mir auf zu solcher Zeit, Wie diese Welt so schön und prächtig Erblüht aus schnöder Selbstsucht Streit; Wie aus dem Wirrwarr sich gestaltet Der Tempelbau des großen Ganzen, Und aus den grellsten Dissonanzen Sich Sphärenharmonie entfaltet! Doctors Sonntag Still liegt das Forsthaus. Auf dem Giebel schwätzt Das Sperlingsvolk auf der Geweihe Zinken; Derweil die Taube ihre Jungen ätzt, Lehrt hier die Glucke ihre Küchlein trinken. Du liebes, stilles Haus, es ist vielleicht Dir schon geraubt dein schönster Gottessegen? Nein, Hector bellt ja lustig, und es reicht Der Förster fröhlich mir die Hand entgegen. Gott dankt die fromme Mutter. Die Gefahr, Die schwarze Wolke, die dem Kinde drohte, Sie ist verscheucht, sein Auge blicket klar, Und lächelnd reicht's die Hand, die purpurrothe. Sie bitten freundlich. Nun fürwahr, ich muß Wohl bei den frohen Eltern Sonntagsgast sein. Nach solchem Gang ist Ruh' ein Hochgenuß, Und labet süßer, darf nur kurz die Rast sein. Die Mutter drückt das Söhnlein an ihr Herz, Wie wenn sie's unter Schmerzen neu geboren, Der Liebe treuster Lehrer ist der Schmerz, Voll liebst du erst, was einmal schien verloren, Doch nun nach Haus auf gradem Weg! Im Wald Belästigt nicht der Mittagstille Schwüle, Die zitternd auf den Feldern brütet. Bald Aufathmend tret' ich in des Tännigs Kühle. Es nimmt mich auf, wie wohligkühle Fluth, Die Heidelbeere grüßt im Fichtenhage, Und freundlich nickt der Purpurfingerhut Mir zu vom düftereichen Erdbeerschlage. Dort noch empor, bergab dann, und zu Haus! Es hallt Musik, sie schießen bei den Linden. Ich war nicht mit zum Schützenzug und Schmaus, Das wollt ihr Frohen gar zu traurig finden? Beklagt mich nicht, daß mich nicht ruhen läßt Am Sonntag des Berufes Sorg' und Plage! Ich finde, und das ist mein schönstes Fest, Auch Sonntagsfreuden an dem Werkeltage! Im Dachstübchen Komm, lieber Freund, wenn du nicht stolz verschmähst Ein unscheinbares Blümchen zu beschauen, Das farb- und duftlos still verborgen blüht, Begleite mich die steile Trepp' empor! Der Sand, der weiß wie Schnee die Stiegen deckt, Hat unter unsern Sohlen knirschend schon Uns angemeldet. Treten wir hinein! Es grüßt ein blasses Weib uns sittsam, freundlich Für uns die alten Stühl' ans Fenster rückend. Sie ist verblüht, es mischt sich leises Grau In ihr nußbraunes Haar, das sanft die nicht Mehr glatte Stirn umfließt; ihr Auge nur Blickt noch, wie sonst, mit stiller weicher Milde. Nun geht sie, aus der Gartenlaub' am Berge Den kleinen kranken Pflegling mir zu holen. Ein niedriges und enges Stübchen — kleiner Sind Nonnenzellen nicht — doch zierlich sauber. Das Licht scheint mild durch dicht umrankte Fenster, Wo Fuchsien und Epheu wohl gepflegt Frischgrün gedeihen ohn' ein staubig Blatt. Daneben grünt ein alter Myrtenstrauch. Sie zog ihn auf von einem zarten Reise, Das von der Freundin Brautkranz übrig blieb, Und hegt' ihn still mit scheuer Mädchenhoffnung. Er hat so oft geblüht, sie ist verblüht. Durchs Fenster siehst du Dächer braun und blau, Voll gelber Flechten und voll schwarzer Moose, Doch auch ein freundlich Stücklein blauen Himmel, Durch das weißbrüst'ge Schwalben pfeilschnell schwirren, Und dort ein Streifchen dunkelgrüner Berge. Hier sitzt sie nähend, Tag für Tag, und Woche Um Woche, Jahr um Jahr in stiller Arbeit. Des Abends dann und wann liest sie in Büchern, Die sie geerbt, nur drei sind's oder vier. Doch wer nur eins hat, findet mehr darin, Als Andre wohl in Tausenden, wenn auch Nicht grad ein welkes Blümchen drinnen liegt Und an vergangne Zeit süßtraurig mahnt. Es rankt ein ganzes grünes Menschenleben Sich liebend oft um ein vergilbtes Buch, Wie grüner Epheu um ein dürres Gitter. Am Sonntag aber, wenn der Glocken Dreiklang In jedem stillen Raum erbaulich hallt, Geht sie zur Kirche, und des Nachmittags Zur Freundin auf Besuch. Der Kinder Jubel Empfängt sie, die gar sinnreich spielt und baut Und bunte Vöglein malt und Puppen kleidet Und auf den Erdbeerschlag die Kleinen führt. Das Bild dort, jener ernste stolze Mann, Altvätrisch angethan mit Galakleidern, Ihr Vater ist's, ein Mann von Amt und Würden. Kein Jüngling in dem armen Städtchen wagte Sich an die schöne Jungfrau. Einer nur, Der junge Lehrer, wagt' es und sie liebt' ihn; Allein des Vaters Wort war ihr Gebot. Betagt und grämlich war er und bedurfte Der treuen Tochter liebevoller Nähe, Da seine Gattin früh ihm ward entrissen. Sie übte still die schwere Tochterpflicht, Und immer heiter, wenn auch im Geheimen Zuweilen eine Thräne niederrollte, Da nach und nach sie die Gespielen alle Mit holden Kindern an den Händen glücklich Und mutterstolz zur Kirche wandeln sah. Der Vater starb, nun war sie ganz allein. Ein Mädchen, dem der Jugend Reiz verblüht ist, Wer sucht sie, wenn sie Geld nicht hat noch Gut? Das arme Frauenbild, so recht geschaffen, Des Mannes Freundin und der Kinder Engel Zu sein, hier welkt sie klösterlich dahin. O Freund, viel tausend edle Frauenherzen Gehn unverschuldet einsam so durchs Leben, Der Stütze baar, um die sich liebevoll Die zarte Ranke schutzbedürftig schlingt, Der Blüth' entbehrend, die den rechten Duft Ins Frauenleben haucht, des Mutterglücks. Und wie blickt lieblos spöttisch oft die Welt Auf arme Mädchen. denen ernste Fügung Das Haupt in dichte Nonnenschleier hüllt! — Doch still! Sie bringt das blonde bleiche Mädchen, Das sieche Kind der armen Hausgenossen, Das sie, die ohne Liebe nicht kann leben, Mit Mutterliebe heget, lehrt und pflegt! Zwei Proletarier Aus der Fluren Dämmerschatten Tret' ich ins schwarze gewölbte Thor, Und wandre sacht mit wunden, matten Füßen die rauhe Gass' empor. Beendet ist des Tages Runde, Durchschritten hab' ich Berg und Thal; Nun labet in der Abendstunde Mich süß Behagen nicht einmal. Ich hab' ihn müssen sterben sehen, Den ich so gern am Leben erhielt; Ich hofft' ihm schützend beizustehen, Doch sicher hat der Tod gezielt. Den leicht die Welt entbehren kann, Der alte Geizhals wird genesen; Er starb — des Dorfes bester Mann, Und ich — ich bin sein Arzt gewesen. Ich hab' mich gerüstet mit schweren Sorgen, Und ward geschlagen aus dem Feld; Und wieder muß ich zum Kampfplatz morgen, Zu bekämpfen den übermächtigen Held. Schier ekelt mich an das leere Treiben, Wie ein langweilig Theatergefecht; Wem die Roll' es vorschreibt, der muß bleiben, Und führt er die Klinge für's beste Recht. Sieh, wie die Leute gemüthlich ruhn Vor der Thüre nach ihres Tagwerks Thun! Wie sie nach ihrer Arbeit Plagen Kosen mit wohlig müdem Behagen! Dort sitzt mein Jugendgespiel. Voll Kraft Hat er behauen den funkelnden Stein, Er hat sich ein eignes Häuslein geschafft, Seine Herzgeliebte nennet er sein. Es zappelt auf ihrem Schooß nach dem Ton, Den der lustige Vater bläst auf dem Blatt, Des glücklichen Paars goldhaariger Sohn, In Jauchzen und Tanzen ein Nimmersatt. Ich habe mir's sauer werden lassen Bei der Lampe geisterbleichem Strahl, Im düstern Stüblein, in dumpfen Classen; Im grausigen, schaurigen Leichensaal Hab' ich studirt, wenn draußen die Sonne Mit goldenen Fäden zog die Menge Aus der schattig düsteren Straßen Enge In die grünende, jubelnde Maienwonne. Den sonnigen Morgen, die sternige Nacht Hab' ich dienend im Lazarethe verbracht; Zuschauen mußt' ich an Leidensbetten, Wo den Dulder die gräßliche Schlange umringt, Am Ufer stand ich, und konnte nicht retten Den Armen, den wirbelnd der Strudel verschlingt. Anhören mußt' ich der Mutter Klagen Um des lieben Sohnes brechendes Herz: Gott weiß, was ich lernte in jungen Tagen, Ich hab' es erkauft mit bitterem Schmerz. Er lernte vom Vater hauen den Stein, Und hat er gefugt der Quader Bau, Dann zeigt er's mit Stolz der lächelnden Frau: Dies ist mein Werk, ich erbaut' es allein! O könnt' ich, wie er, stolz preisen mein Thun, Wie er, am Abend zufrieden ruhn! Ich weiß, am belobten Meisterstück Vollbrachte das Beste das blinde Glück. Ihr rühmet die rettende Kunst so viel, Die umschattete Augen zum Licht ließ genesen; Und doch ist's ein rollendes Würfelspiel, Verdienstlos bin ich Gewinner gewesen. Das Mütterlein legte mir ohne Bangen Ihr Kleinod in die Arme zum Schutz, Ich hielt's, wie mein eigenes Kind, umfangen, Da entriß mir's der Räuber mit höhnischem Trutz. O grauer Nebel der Wissenschaft, Von schwachem Flimmern trüb erhellt, Du machst die Ohnmacht nicht zur Kraft, Herr bleibt der Tod auf der Erdenwelt! — Ich schreit' entgegen dem Kämmerlein, Dem einsamen, ohne süßes Behagen. Mein wartet nicht freundlichen Lichtes Schein, Kein heiterer Gruß wird Willkommen mir sagen. Fast preis' ich mich glücklich, daß ich allein Mich habe durch's rauhe Leben zu schlagen. Meines Lebens schmales, leichtes Boot Trägt seinen Steuermann nur zur Noth. Er aber, der formet zum Quader den Stein, Behaglich sitzt er im eignen Kahn. Und setzt ihm das Schicksal noch mehr hinein, Er rudert sie durch auf der schwankenden Bahn. Flachsköpfige Buben, sie wachsen schnell, Bald tragen sie ihm das Essen hinaus, Und spielen im Steinbruch den Maurergesell. Er lehrt sie des Schlägels und Meißels Gebrauch, Bald werden sie seiner Arbeit Genossen, Bald schaffen als rüstige Maurer sie auch, Und klimmen empor des Handwerks Sprossen. Er kann sie nach seinem Herzen gewöhnen, Und lebt noch Menschenalter fort In seinen Söhnen und ihren Söhnen. Treu erbet sich fort des Vaters Wort, Gleich einem alten köstlichen Buch; Der Enkel lernet vom Vater wieder Großvaters fröhliche Wanderlieder, Des Alten kernigen Lieblingsspruch. Ich werde spurlos von hinnen gehn, Nichts, was ich schaffe, wird bestehn. Mein Leben gleicht den Wellenringen, Die um den Stein im See sich schlingen; Es verschwimmt die letzte Kräutselspur, Und spiegelglatt ist der blanke Azur. Ein Neuer kommt, der mich belacht; Der neuen Lehrer neues Wissen Hat alten Glauben eingerissen, Er geht ans Werk mit erträumter Macht. Wird dir nicht besser gehn, hab' Acht! — Die Wendeltreppe, den düstern Saal Erhellt kein freundlicher Mondesstrahl. Die Angel knarrt, als beschritt' ich die Schwelle Zu eines Grabgewölbes Zelle. Doch das ist nicht Gewölbes Luft! Süß haucht mich an ein weicher Duft. Welch holder Gast zog bei mir ein? Was ist es, das im Fenster glüht? Nicht ohne Freude soll ich sein, Die seltene Orchis ist aufgeblüht. Komm, Lampe, brenne, leuchte geschwind! Laß mich beschauen das holde Kind! Köstliche Freude! In Purpurpracht Der duftige Gast mir entgegenlacht. Freust du dich, daß es ein Herz auch giebt, Das nicht strebt nach der nährenden Frucht, Das des Waldthals ferne schattige Schlucht Und die wilden Kinder des Waldes liebt? Dank dir, heilige Mutter Natur, Daß du dem Herzen, dem wehmuthkranken, Tröstlich zusprichst holde Gedanken, Die du im Wald und auf einsamer Flur Schreibest in dunkler Runen Zeichen! Deinen Blumen will ich gleichen, Still mich freu'n in des Lichtes Reichen, Freudig sein, was ich durch dich bin, An dir hangen mit Kindersinn, Klaglos, wie die Blume, verbleichen! Es ist nicht ganz so leicht Ghasele Es ist nicht ganz so leicht, als Gott sich zu empfinden, Wenn man so schwer an Erdenfesseln trägt; Es ist nicht ganz so leicht, die Schmerzen zu verwinden, Wenn täglich sich aufs neu die Wunde schlägt; Es ist nicht ganz so leicht, ein sich'res Glück zu gründen, Wenn das Gerüst der Sturm stets niederfegt; Die Ruh' in deiner Brust wird sich nicht eher finden, Als bis sich all' die stolzen Well'n gelegt; Der, welcher von dem Baum die Rinde auch will schinden, Ist's nimmer werth, daß er ihm Früchte trägt; Und der hat's wohl verdient, auf ewig zu erblinden, Der nie den Blick ins eigne Inn're schlägt; Wie sollen, denket Ihr, die Kohlen sich entzünden, Wenn Niemand an dem Blasebalge regt; Und wie kann lauten Schall je die Drommet' verkünden, Wenn keine Lippe sich ans Mundstück legt; Es ist nicht ganz so leicht, sich in die Welt zu finden, Wenn man ihr Urbild nicht im Herzen trägt; Es ist nicht ganz so leicht, den Kreis zu ründen, Wenn man den Zirkel nimmer bei sich hegt! Des Lebens Mai „Des Lebens Mai blüht einmal und nicht wieder“, So sprachst auch du in thränenreicher Stunde, Doch heilt von selbst des Hirsches tiefe Wunde Nach langer Dürre, träuft der Regen nieder. In jedem Lenz erschallen neue Lieder, Es lauschen froh der wonnevollen Kunde Die Felder und die Wälder in der Runde. Die Veilchen sprießen, köstlich prangt der Flieder. Und wenn in der Natur ein ewig Streben, Zu überwinden Noth und Tod und Schmerzen, Wähnst du, daß es mit dir ein andres sei? O nimmermehr! Ein tausendfältig Leben Regt glühend sich in deinem edlen Herzen, Und jede Liebe ist „des Lebens Mai.“ O hätt' ich dich gekannt O, hätt' ich dich gekannt, ein wildes Ding, Ein trotzig Mägdelein von sechszehn Jahren, Eh' noch des Lebens Jammer du erfahren, Eh' noch geschlossen deines Schicksals Ring. Als wirr das Haar dir um die Stirne hing, Die kindlich reine; holde Engelschaaren Die keuschen Bilder deiner Träume waren, Wenn dich der leichte, ros'ge Schlaf umfing! O, hätt' ich dich gekannt in jener Zeit! Ich hätte dich erfaßt mit starken Armen, Dich mir geraubt für alle Ewigkeit. Mit meiner Brust, der muth'gen, liebewarmen, Hätt' ich dich treu beschirmt vor jedem Leid... So aber mag sich unser Gott erbarmen! Noch diesen Kuß Noch diesen Kuß, das letzte Liebeszeichen, Dann sei's geschieden, kühn und ohne Wanken! Das Weinen laß den Schwachen und den Kranken, Wir wollen nicht, die Starken, uns erweichen. Und was heißt Trennung, wenn hinüberreichen Durch alle Fernen müh'los die Gedanken? Und wenn statt süßen Weins wir Nektar tranken, So dürfen wir uns kühn den Göttern gleichen. Leb' wohl, Geliebte! Was die Ew'gen senden, Wir müssen's ja mit festem Muth ertragen; Es stirbt sich gut von ihren heil'gen Händen. Wir aber wollen leben und nicht klagen; Kann unsre Liebe ja doch nimmer enden, Und heißt der Menschen Schicksal doch: Entsagen! Frühlingsseligkeit Ich zog das grüne Thal entlang; Es war so recht ein lieber Tag, Wo Licht und Duft und heller Klang In einem Hauch zusammenbrach. Wo in das Auge, selig blau, Des Himmels still die Erde sah; Wo auf der grünen, blüh'nden Au Des Frühlings Wunderwerk geschah. Ich fühlte mich so leicht und frei, Und mein Gemüth so froh erregt, Als ob sich voller Melodei Der Lenz in meine Brust gelegt; Als ob ein ganzes Lerchenheer Entstiegen meiner Seele Grund, Als ob ein wogend Blüthenmeer Drin schlösse seinen duft'gen Bund. Dem Träumen hing ich sorglos nach, Wie es mich flüchtig überkam, So wie's zu meinem Herzen sprach, Und wie's den Sinn gefangen nahm. Mit tausend Netzen wob die Lust Mich ganz in ihren Zauber ein, Im klaren Spiegel meiner Brust Lag die Natur im Wiederschein. Wie fühlt' ich ihren Segen glühn! Mit ihrer ganzen Wunderpracht Hat sie zu Jubelsymphonien Mein jauchzend Herze angefacht. In vollen Strömen sog ich ein, In vollen Strömen haucht' ich aus Duft, Farbe, Klang und Sonnenschein, Und wand die schönsten Lieder draus. O wunderbare Seligkeit, Die sich durch alle Welt ergießt! Wenn, wie in Liebes Lust und Leid, Der Himmel seine Erde grüßt; Damit ihr Wunder allerwärts Zum Osterfeste aufersteht, Auf daß das kleinste Menschenherz Nun seine Sendung recht versteht. Die Sendung, die es lieben heißt Mit seiner ganzen, vollen Kraft, Auf daß es, wie ein Schöpfungsgeist, Ein Paradies auf Erden schafft; Auf daß es wie ein Gnadenquell Im reichsten Segen überfließt, Und wie ein Liederglöcklein hell Die schöne Gotteswelt begrüßt. Ich zog das grüne Thal entlang; Es war so recht ein lieber Tag, Die Lust voll süßem Glockenklang, Voll Duft und Glanz und Lerchenschlag. Und auf dem Thale lieb und traut Ein Sabbathfriede lag ringsum; Die Brust, die mir so jubelnd laut, Sie ward jetzt wunderselig stumm. Abendseligkeit Nun ist verstummt der laute Tag, Der letzte Klang ist schon verklungen; Nun wird ein Meer im Busen wach Der seligsten Erinnerungen. Wie taucht so manches Bild empor, O flücht'ges Glück aus Lenzestagen! Wie will so mancher Klang ins Ohr Verscholl'ne Märchen wieder tragen. Im Grunde meiner Seele geht Ein Blüthentraum, so leis' und linde, So wie ein Zephyr kosend weht Durch üppigvolle Rebgewinde. Wie wird so manche Ahnung wach, Es schwärmen willenlos Gedanken, Und tausend Saiten hallen nach, Mir wollen alle Sinne wanken. Ich fühle, was ich nie gedacht, In meinem Herzen zaubrisch wogen, O lieblich klare Sommernacht! Besel'gend kommst du angezogen. Am Himmel wallt der Mond einher, Vom Kranz der Sterne hell umschlungen; Und ich versinke fast im Meer Der seligsten Erinnerungen. Liebesjubel Die Brust ist mir so froh bewegt, Schier will das Herz zerspringen! Weiß Gott, was sich da drinnen regt: Mir ist, als müßt' ich singen! Das ist nicht Duft und Sonnenschein, Nicht Blüthenhauch der Reben; Der junge Lenz kann nicht allein Mich so zum Himmel heben. Das ist auch nicht die Wanderzeit, Die mir gelös't die Seele, Die mir das Herz so groß und weit, Und frei gemacht die Kehle. Das ist ein Blick, ein süßes Wort, Ein Druck von lieben Händen! Das jauchzt und stürmt nun in mir fort, Will nimmer, nimmer enden! Liederfest Die Nachtigall ist wieder da! Ich hab' sie schon vernommen; Nun wird die ganze Musica Zum Liederfeste kommen. Der Wald will das Orchester Gar feierlich empfangen, Die braunen Äste läßt er Mit frischem Grün behangen. Die Blumen bleiben auch nicht laß, Die Hallen auszuschmücken, Sie grüßen ohne Unterlaß Mit ihren Liebesblicken. Die Quellen sprudeln munter Den Toast auszubringen; Das Echo schallt mitunter, Es applaudirt dem Singen. Und all die kleinen Musici, Die stimmen ihre Kehlen, In dieser großen Symphonie Nicht einen Takt zu fehlen. Die Liebe hat die Reime In jedes Herz geschrieben, Zum Blühen hat die Keime Der Frühling aufgetrieben. Und aus der großen Symphonie Hör' ich nur Liebe rauschen, Ich kann die ganze Poesie Des Frühlings draus belauschen. Mein Herz das klinget wieder Von all den Melodien, Und läßt den Klang der Lieder Durch seine Träume ziehen. Nachts im Walde Es hat die Nacht ihr Sternenzelt Mildstrahlend aufgeschlagen, Und süß durchzieht die Maienwelt, Vom losen West getragen, Der Hauch von Blüthenbäumen. So lieblich lockt die klare Nacht, Als wäre sie so ganz gemacht Zum Lieben und zum Träumen. Den frischen Waldesraum durchweht, Geheim wie Liebeslieder, Wie wunderlieblich Nachtgebet, Ein Flüstern hin und wieder. Des Waldes Zauberstimmen Verlocken süß und märchentraut, Waldbächlein wandern frisch und laut, Johanniswürmchen glimmen. Es halten Fink und Nachtigall Noch Zwiesprach an der Halde, Und feiern mit dem besten Schall Die schönste Nacht im Walde. Die Mondesstrahlen gleiten Durch Laubgewölbe nächtlich dicht, Und es beginnt von Schatten, Licht Geheimnißreich ein Streiten. So flüchtig wie das scheue Wild, Das aus dem Dickicht lauschet, So hat manch liebes Traumgebild Die Seele mir berauschet. O Nacht, wie wonnig trunken Hast du mir Herz und Sinn verwirrt, Daß ich den ganzen Wald durchirrt, In Seligkeit versunken. Mein Streben Ob ich gestrebt nach meinem Ideale, Ob ich gewagt, was fester Wille kann, Den Kampf bestand, der sich darum entspann — O, davon zeugen abertausend Male. Ich hab' mich nie begnügt an leerer Schale, Der Kern nur war's, auf den ich rastlos sann; Erst wenn ich ihn gefunden habe, dann Bin ich zufrieden, wie ich es auch zahle! Und bis zum letzten Athemzuge soll Mein Herz für das Erhab'ne, Edle schlagen Und den Tribut dem Niedrigen versagen. Denn nur was aus des Herzens Tiefe quoll, Ist würdig eines unbegrenzten Strebens Und werth der Mühen eines ganzen Lebens. Resignation Grubst du ein Grab, in das hinein Sie morgen deinen Bruder legen, So denke: einmal muß es sein, Und steh nicht still auf deinen Wegen. Dein Tagwerk, laß es nicht beirr'n: Für Einen, den wir heut begraben, Wird eine jugendfrische Stirn Den Preis des nächsten Tages haben. Grab' dir ein Grab, in das hinein Du früh versenkst dein Erdenhoffen, Trau' nicht auf seinen falschen Schein, Wenn dich ein Unglück hat betroffen. Vergessen heißt das große Grab Für all dein Glück und all dein Lieben; Von dem, was auch das Leben gab, Ist dir am Grabe nichts geblieben. Dein ganzes Streben, all dein Thun, Von deiner Wiege goldnen Träumen, Bis daß du wirst im Grabe ruh'n, Ist nur ein flüchtig Wogenschäumen. Die Welle steigt — die Welle fällt, Der Sturm erbraust, der Zephyr fächelt, Indeß am Fels dein Schiff zerschellt Und über ihm die Sonne lächelt. Gute Stunden Zähle nicht die bangen Stunden, Die des Lebens Nacht entsteigen, Zähle nur, wenn sie entschwunden, Wie viel Sterne sie dir zeigen. Denn aus diesen lichten Sternen, Die am Abendhimmel leuchten, Kannst den sichern Trost du lernen, Daß nie Wolken sie verscheuchten. Immer, wenn die trüben wieder In ihr Nichts zurückgesunken, Blicken klar und mild sie nieder, Diese goldnen Strahlenfunken. So des Lebens gute Stunden, Reich, unzählig wie die Sterne — Möchten Jedem sie bekunden, Wie er glücklich werden kann. Sommerlieder I. Vom Himmel warmer, goldner Strahl, Südlichblau die Wellen, Tiefgrünes Laub durchrauscht das Thal, Glühende Rosen schwellen! Es drängen sich, im Strahl gereift, Rings die Halme zu Garben, So weit das Auge spähend schweift. Volle Formen und Farben! Zu Blumen schuf des Sommers Gruß All die Knospen und Blüthen, Er küßte sie mit glüh'ndem Kuß, Bis sie selbst erglühten! II. Laßt ruhen mich in Sommers Zelt, Daß ich künde und sage: Es fehlen heut der Menschenwelt Eben die Sommertage! Ein kurzer Lenz — und Winter dann; Ein flüchtig laues Beben, Und eisig tritt der Tod heran — Nirgend Gluth und Leben! Wohl regen sich, wenn der Frühling wirbt, Gefühle noch und Triebe — Ein eisiger Windhauch — Alles stirbt — Nirgend Kraft und Liebe! Und wenn ich unreif oder ergraut Kinder sehe und Greise, Verargt mir's nicht, daß voll und laut Ich den Sommer preise! Den Lebenssommer, welcher schafft Liebe aus Sehnen und Neigen, Den Lebenssommer, der der Kraft Thaten läßt entsteigen. Den Sommer, der aus Keim und Traum Früchte sieht entspringen; O wollte, wie im grünen Raum, Im Leben es erklingen: Vom Himmel warmer, goldner Strahl, Südlichblau die Wellen, Tiefgrünes Laub durchrauscht das Thal, Glühende Rosen schwellen! Das Auge der Geliebten Warm und sternhell war die Frühlingsnacht, Aus dem Fenster schauten wir die Pracht, Lieber doch an ihren Augen sinnig Hingen meine Blicke lang und innig. Und in lieblicher Verwirrung drauf Senkte sie den Blick und wies hinauf Nach der tiefen blauen Himmelsferne: „Sieh, wie helle funkeln heut die Sterne!“ Und ich nahm sie lächelnd bei der Hand, Blickt' ihr in die Augen unverwandt: „Laß, mein Kind! mich freuen keine Sterne So, wie deine frommen Augensterne.“ Nieder schlug sie holdverschämt den Blick, Ging und brachte mir ein Blatt Musik: „Komm und laß einmal uns singen wieder Unsre lieben alten Maienlieder!“ Und ich nahm sie lächelnd bei der Hand, Blickt' ihr in die Augen unverwandt: „Nein, Geliebte! mehr als alle Lieder Freu'n mich deine sanften Augenlider.“ Und ein leis Erröthen holder Scham Glühend ihre Wangen überkam, Ging und brachte dar die Abendgabe, Eine Goldorange mir zur Labe. Und ich nahm sie lächelnd bei der Hand, Blickt' ihr in die Augen unverwandt: „Dank, mein Kind! mehr als Italiens Apfel Labet mich dein blauer Augenapfel. Sorge nicht! hab' nimmer Langewei'l, Wenn bei dir ich lange, lange weil': Das sind meine liebsten Augenblicke, Wenn ich dir nur in die Augen blicke.“ An Dichter und Leser Willst du dichten — sammle dich, Sammle dich wie zum Gebete, Daß dein Geist andächtiglich Vor das Bild der Schönheit trete, Daß du seine Züge klar, Seine Fülle tief erschauest, Und es dann getreu und wahr, Wie in reinen Marmor hauest. Willst du lesen ein Gedicht — Sammle dich wie zum Gebete, Daß vor deine Seele licht Das Gebild des Dichters trete, Daß durch seine Form hinan Du den Blick dir aufwärts bahnest Und, wie's Dichteraugen sah'n, Selbst der Schönheit Urbild ahnest. Im Walde nach dem Blätterfall Von aller eiteln Weltbegier In tiefer Sammlung mich zu heilen, Wo könnt' ich besser, als bei dir, Entlaubter, ernster Wald, verweilen? Jüngst standet ihr so rauschend froh, Ihr Bäume, rings in bunter Gruppe, Im grün-gelb-rothen Domino, Gleich einem lust'gen Maskentruppe. Nun seid ihr müd' der eitlen Pracht, Es hat der Ernst euch aufgerüttelt, Und eure weltlich bunte Tracht Habt ihr entsagend abgeschüttelt. Wir üben heut' ein gleiches Thun; So lasset uns die Hände falten Und in uns selbst einkehrend nun Zusammen Aschermittwoch halten! Wenn eine Mutter betet für ihr Kind Der reinste Ton, der durch das Weltall klingt, Der reinste Strahl, der zu dem Himmel dringt, Die heiligste der Blumen, die da blüht, Die heiligste der Flammen, die da glüht, Ihr findet sie allein, wo, fromm gesinnt, Still eine Mutter betet für ihr Kind. Der Thränen werden viele hier geweint, So lange uns des Lebens Sonne scheint; Und mancher Engel, er ist ausgewählt, Auf daß er unsre stillen Thränen zählt — Doch aller Thränen heiligste, sie rinnt, Wenn eine Mutter betet für ihr Kind. O schaut das Hüttchen dorten, still und klein, Nur matt erhellt von einer Lampe Schein, Es sieht so trüb, so arm, so öde aus, Und gleichwohl ist's ein kleines Gotteshaus, Denn drinnen betet, fromm gesinnt, Still eine Mutter für ihr Kind. O, nennt getrost es einen schönen Wahn, Weil nimmer es des Leibes Augen sah'n, Ich lasse mir die Botschaft rauben nicht, Die Himmelsbotschaft, welche zu uns spricht: Daß Engel Gottes stets versammelt sind, Wenn eine Mutter betet für ihr Kind. O könnte mir ein Lied gelingen O könnte mir ein Lied gelingen, Wie Gott es selbst ins Herz mir schrieb, Vor allen Thüren wollt' ich singen Dies Gotteslied, so gut und lieb — Bei jedem Herzen blieb' ich stehen, Das arm und krank, und klopfte an, Und wollte eh'r nicht weiter gehen, Als bis man hätte aufgethan. Die schwerste Last, sie wollt' ich wälzen Von ihm durch dieses Liedes Gruß, Das härtste Eis, es sollte schmelzen, Wie bei des jungen Frühlings Kuß — Dann legt' ich still von Gottes Segen , Wie er in meinem Herzen ruht, Ins kranke, das in matten Schlägen So bang und leise athmen thut. Und wär' Genesung ihm beschieden, So fleht' ich still zum Himmelssaal: O Vater, schenk' auch deinen Frieden Dem armen Herz nach langer Qual; Dann bät' ich mir von Gottes Liebe Auch Blumen, und mit solchem Strauß Schmückt' ich das Herz, das einst so trübe, Wie einen Himmelsgarten aus. Die Rose Und als die Nachtigall geendet Im Lindenbaum ihr schönstes Lied, Da ist in heil'ger Morgenstunde Die rothe Rose aufgeblüht. Und trunken von dem Morgengolde, Das durch die grünen Ranken fällt, Grüßt sie mit schauerndem Erröthen Zum ersten Mal die Gotteswelt. Da zittert in dem goldnen Auge Wohl eine Perle silberrein: Es soll der Dank der schönen Blume Für ihren Himmelsschöpfer sein. Und alle Zauber zu vollenden, Ward ihr auf ros'ge Stirn geküßt Das holde, reizende Geheimniß: Daß sie nicht weiß, wie schön sie ist. Im Frühling Der Frühling ist zum Land herein, Die Glocken läuten ihn segnend ein, Froh werden alle Betrübten. Doch wehe, welch ein neuer Schwarm Kommt da gewandelt Arm in Arm? Hilf Himmel — die Verliebten! Die Saite Ich trat in eines Saitenspinners Haus Und sucht' für meine Laute Saiten aus: Und eine Weile sah ich dort mit Ruh Dem freundlichen Geschäft des Mannes zu. Da wurde bald ein harter, dunkler Draht Straff aufgespannt, dann drehte sich das Rad: Und um den Draht her flog ein lichter Kreis Von Silberfädchen, zart und silberweiß. Es schnurrte wie ein seltsam Lied im Traum, Und glänzt' und webte wie im Wellenschaum. Wo kaum das Silberfädchen kreiste schnell, War auch der Draht schon übersponnen hell. Der Draht, der düster erst von Farbe war, Als Saite lag er vor mir blank und klar. Und gab sie auch nur tiefen, ernsten Klang. Doch war's ein reiner, edeler Gesang. Da dacht' ich bei mir: deines Lebens sieh Ein wahres Bild, wie du's gesehn noch nie. Die Sorge ist der harte dunkle Draht, Straff aufgespannt auf meines Lebens Pfad. Und um den festen, freudenlosen Kern Fliegt mancher Blüthentraum und Liebesstern, Und um den dunklen Draht webt hell und licht Sich manches silberstrahlende Gedicht. Der Hoffnung und der Sehnsucht reiner Glanz Schwingt um die Sorge ew'gen Jugendtanz; So spinnen sie die dunkle Sorge ein, Draus wird mein Leben silberklar und rein. Und hinter mir als Saite liegt es da, Was ich als dunklen Draht einst vor mir sah, Und giebt sie auch nur tiefen, ernsten Klang, Doch ist's ein reiner, edeler Gesang. Das ewige Gesetz der Dinge Auf entbund'nem Fittig reißt Sich im Reiche der Gedanken Kühn der gottgebor'ne Geist Aus des Erdensternes Schranken. Und vom schwebenden Atom Stürmt er auf der Wesen Leiter Aufwärts bis zum Sonnenstrom, Und von dort noch fliegt er weiter. Darf er auf der großen Fahrt Sich das Weltenräthsel lösen, Das Gesetz, das Alles paart Und zusammenhält die Größen? Ja, er ahnt es, selbst ein Glied In der Kette dieser Wesen; Der die Ahnung ihm beschied, Hat zum ersten ihn erlesen. So die Mannigfaltigkeit Der verschiedensten Gestalten Sieht im Raum er, in der Zeit Ein Gesetz zusammenhalten. Neue Formen schöpft's herauf Aus des Urseins tiefem Bronnen, Rollt im tausendjähr'gen Lauf Sonnen immer nach den Sonnen. Blumen küßt es auf und mengt Ihren Staub im Frühlingshauche. Wenn es Herz zum Herzen drängt, Glühet selig Aug' in Auge. Zwischen Geistern schlingt's den Bund, Kettet sie in Lust zusammen, Und das Räthsel wird dir kund In den süß vereinten Flammen. — Als in lauer Sommernacht Ihre Arme mich umstrickten Und in ahnungsreicher Wacht Auf wir zu den Sternen blickten; Als im langen Feuerkuß Wir dem Himmel nah uns wähnten Und im seligsten Genuß Unsre Augen Wonne thränten: Da ist das Gesetz der Welt Sonnengleich uns aufgegangen, Und von seinem Glanz erhellt, Hielten wir uns eng umfangen. Dies Gesetz, dem Alles fröhnt In dem ew'gen Weltgetriebe, Das von Pol zu Pole tönt: Es ist das Gesetz der Liebe ! Geselle Mondstrahl Gaukler Mondstrahl, sei willkommen Unter meinem Dichterdach! Oft schon von der Brust genommen Hast du mir ein schmerzlich Ach! Lös' auch heut in Wehmuth milde Mir die starre Seelenqual! Zu des Tages düst'rem Bilde Tritt verklärend, Zauberstrahl! Mache dir's bequem im Zimmer, Stiller, freundlicher Gesell! Färbe mit dem duft'gen Schimmer Mir die stillen Räume hell! Mit den Silberfäden webe Magisch Tisch und Stuhl mir ein, Und auf deinem Strahl mir schwebe Deine Märchenwelt herein. Trauter Freund, du findest immer Mich so traurig und allein, Und mein einz'ger Gast im Zimmer Ist dein bleicher Heil'genschein. Aber dieser Gast erschließt mir Zauberhaft sein Wunderreich, Aber dieser Schein ergießt mir Eine Quelle, süß und weich. Ja, der Dichtung Zauberquelle Strömt mir in die Seele mild Mit der märchenhaften Helle, Mond, von deinem bleichen Schild. Frauenhand Ich weiß es wohl, kein klagend Wort Wird über deine Lippen gehen; Doch, was so sanft dein Mund verschweigt, Muß deine blasse Hand gestehen. Die Hand, an der mein Auge hängt, Zeigt jenen feinen Zug der Schmerzen Und daß in schlummerloser Nacht Sie lag auf einem kranken Herzen. Eine Fremde Sie saß in unserm Mädchenkreise, Ein Stern am Frauen-Firmament; Sie sprach in unsres Volkes Weise, Nur leis mit klagendem Accent. Du hörtest niemals heim verlangen Den stolzen Mund der schönen Frau; Nur auf den südlich blassen Wangen Und über der gewölbten Brau Lag noch Granada's Mondenschimmer, Den sie vertauscht um unsern Strand, Und ihre Augen dachten immer An ihr beglänztes Heimathland. Wer je gelebt in Liebesarmen Wer je gelebt in Liebesarmen, Der kann im Leben nie verarmen; Und müßt' er sterben fern, allein, Er fühlte noch die sel'ge Stunde, Wo er gelebt an ihrem Munde, Und noch im Tode ist sie sein. Mondlicht Wie liegt im Mondenlichte Begraben nun die Welt; Wie selig ist der Friede, Der sie umfangen hält! Die Winde müssen schweigen, So sanft ist dieser Schein; Sie säuseln nur und weben Und schlafen endlich ein. Und was in Tagesgluthen Zur Blüthe nicht erwacht, Es öffnet seine Kelche Und duftet in der Nacht. Wie bin ich solchen Friedens Seit lange nicht gewohnt! Sei du in meinem Leben Der liebe volle Mond! Du willst es nicht in Worten sagen Du willst es nicht in Worten sagen, Doch legst du's brennend Mund auf Mund, Und deiner Pulse tiefes Schlagen Thut liebliches Geheimniß kund. Du fliehst von mir, du scheue Taube, Und drückst dich fest an meine Brust; Du bist der Liebe schon zum Raube, Und bist dir kaum des Worts bewußt. Du biegst den schlanken Leib mir ferne, Indeß dein rother Mund mich küßt; Behalten möchtest du dich gerne, Da du doch ganz verloren bist. Du fühlst, wir können nicht verzichten; Warum zu geben scheust du noch? Du mußt die ganze Schuld entrichten, Du mußt, gewiß, du mußt es doch. In Sehnen halb und halb in Bangen, Am Ende rinnt die Schale voll; Die holde Scham ist nur empfangen, Daß sie in Liebe sterben soll. Einer Todten Das aber kann ich nicht ertragen, Daß so, wie sonst, die Sonne lacht, Daß, wie in deinen Lebenstagen, Die Uhren gehn, die Glocken schlagen, Einförmig wechselnd Tag und Nacht; Daß, wenn des Tages Lichter schwanden, Wie sonst der Abend uns vereint; Und daß, wo sonst dein Stuhl gestanden, Schon Andre ihre Plätze fanden Und nichts dich zu vermissen scheint; Indessen von den Gitterstäben Die Mondesstreifen schmal und karg In deine Gruft hinunterweben Und mit gespenstig trübem Leben Hinwandeln über deinen Sarg. Für meine Söhne Hehle nimmer mit der Wahrheit, Bringt sie Leid, bringt sie nicht Reue; Doch, weil Wahrheit eine Perle, Wirf sie auch nicht vor die Säue. Blüthe edelsten Gemüthes Ist die Rücksicht; doch zu Zeiten Sind erfrischend wie Gewitter Goldne Rücksichtslosigkeiten. Wackrer heimathlicher Grobheit Setze deine Stirn entgegen; Artigen Leutseligkeiten Gehe schweigend aus den Wegen. Wo zum Weib du nicht die Tochter Wagen würdest zu begehren, Halte dich zu werth, um gastlich In dem Hause zu verkehren. Was du immer kannst, zu werden, Arbeit scheue nicht und Wachen, Aber hüte deine Seele Vor dem Carriere-Machen. Wenn der Pöbel aller Sorten Tanzet um die goldnen Kälber, Halte fest: du hast vom Leben Doch am Ende nur dich selber! Wohl fühl' ich, wie das Leben rinnt Wohl fühl' ich, wie das Leben rinnt, Und daß ich endlich scheiden muß, Daß endlich doch das letzte Lied Und endlich kommt der letzte Kuß. Noch häng' ich fest an deinem Mund In schmerzlich bangender Begier; Du giebst der Jugend letzten Kuß, Die letzte Rose giebst du mir. Du schenkst aus jenem Zauberkelch Den letzten goldnen Trank mir ein, Du bist aus jener Märchenwelt Mein allerletzter Abendschein. Am Himmel steht der letzte Stern, O halte nicht dein Herz zurück; Zu deinen Füßen sink' ich hin, O fühl's, du bist mein letztes Glück! Laß einmal noch durch meine Brust . Des vollsten Lebens Schauer wehn, Eh' seufzend in die große Nacht Auch meine Sterne untergehn! Du warst es doch In buntem Zug zum Walde ging's hinaus; Du bei den Kindern bliebst allein zu Haus! Und draußen haben wir getanzt, gelacht, Und kaum, so war mir, hatt' ich dein gedacht. — Nun kommt der Abend, und die Zeit beginnt, Wo auf sich selbst die Seele sich besinnt; Nun weiß ich auch, was mich so froh ließ sein: Du warst es doch und du nur ganz allein. Sei hochbeseligt oder leide Glosse Gieb dich der Freude ganz zu eigen, Wenn dich umwogt ihr goldner Strahl; Doch zag' auch nicht, wenn du mußt neigen Dein Haupt dem Schmerz im Thränenthal; Den Kern des Lebens bilden beide: Sei hochbeseligt oder leide. Doch soll der Strom des Lebens fließen Für dich in seiner vollen Macht, Mußt du der Liebe dich erschließen, Denn was die Stunde dir gebracht An hoher Wonne, tiefem Schmerz: Das Herz bedarf ein zweites Herz. Nur durch die Liebe wird das Leben Verklärt zur reinsten Harmonie, Und willst du ihr dich nicht ergeben, Fühlst du die höchste Wonne nie, Und fragst nun, was das Wort bedeute: Getheilte Freud' ist doppelt Freude. Und in dem Schmerz wirst du verzagen, Wenn du nur baust auf deine Macht; Doch hilft dir ihn die Liebe tragen, Die mit dir betet, weint und lacht, Trägt leicht die schwerste Last dein Herz: Getheilter Schmerz ist halber Schmerz. Aufwärts Aufwärts bis zum Wolkensaum Seh' ich Vöglein schweben, Aufwärts jedes Blatt am Baum, Jedes Hälmchen streben. Aufwärts seh' ich aus dem Meer Hoch die Woge steigen, Aufwärts Felsen um mich her Nach den Wolken reichen. Alle möchten deinem Schooß, Erde, sich entringen, Und sich frei und fessellos In den Himmel schwingen. Aber alle sinken matt In den Schooß dir wieder, Und getäuschter Hoffnung satt Lösen sich die Glieder. Nur der Geist, der dich erkannt, Fühlt sich dir enthoben, Schwingt, von heil'ger Gluth entbrannt, Jauchzend sich nach oben. Gruß an die Nacht Wie bast du mich so müde gemacht, O Tag mit deiner leuchtenden Pracht, Mit deiner Farben buntem Schein, Mit deinen rauschenden Melodei'n! Willkommen, o Nacht! nun decke du Die Erde mit deinem Schleier zu, Laß schwinden die Farben, die Töne verwehn, Laß alles Leben um mich vergehn, Und lasse mich träumen, allein mit dir, Vom leuchtenden Himmel hoch über mir! Letzter Wunsch Nur einmal möcht' ich dir noch sagen, Wie du unendlich lieb mir bist, Wie dich, so lang' mein Herz wird schlagen, Auch meine Seele nicht vergißt. Kein Wörtlein solltest du erwiedern, Nur freundlich mir ins Auge sehn, Ja, mit gesenkten Augenlidern Nur stumm und schweigend vor mir stehn. Ich aber legte meine Hände Dir betend auf das schöne Haupt, Damit dir Gott den Frieden spende, Den meiner Seele du geraubt. Und ob der holde Tag vergangen Und ob der holde Tag vergangen Mit seiner frühlingshellen Pracht, Der Blume wird es doch nicht bangen Vor trüber, sternenloser Nacht. Denn was von Strahlen sich ergossen, Das webt in ihr den schönsten Traum; Des Frühlings Wonne ruht verschlossen In ihres Kelches duft'gem Raum. So öffne dich, o Herz, der Liebe, Schließ' ihre Strahlen in dich ein, Dann wird's in Nächten bang und trübe In deinem Herzen Frühling sein! Über Nacht Über Nacht, über Nacht Kommt still das Leid, Und bist du erwacht — O traurige Zeit! — Du grüßest den dämmernden Morgen Mit Weinen und Sorgen. Über Nacht, über Nacht Kommt still das Glück, Und bist du erwacht — O selig Geschick! — Der düstere Traum ist zerronnen Und Freude gewonnen. Über Nacht, über Nacht Kommt Freud' und Leid, Und eh' du's gedacht, Verlassen dich beid', Und gehen, dem Herrn zu sagen, Wie du sie getragen. Wohin? Wohin, du rauschender Strom, wohin? „Hinunter, hinab die Bahn, Will rasten, weil ich müde bin, Im stillen Ocean.“ Wohin, du wehender Wind, wohin? „Weit, weit hinein ins Land, Will ruhen, weil ich müde bin, An einer Felsenwand.“ Wohin, du ziehende Wolke, wohin? „Ich weiß ein dürres Feld, Dort ward mir, weil ich müde bin, Ein Ruheplatz bestellt.“ Wohin, du fliegender Vogel, wohin? „Tief in des Waldes Reich, Will suchen mir, weil ich müde bin, Zur Rast einen sichern Zweig.“ Und du, meine Seele, wohin, wohin? „Hoch über die Wolken hinauf, Dort nimmt mich, weil ich müde bin, Die ewige Liebe auf.“ Sonntag O Sonntag, stiller Gottesengel, Du kommst in diese Welt voll Mängel Ein Bote unsres lieben Herrn; Noch herrscht im Thale tiefes Schweigen, Da eilst du schon vom Berg zu steigen, Begrüßt vom frühen Morgenstern. Und angeglüht von seinem Strahle, Trägst du die volle goldne Schale Und wanderst still von Haus zu Haus, Und bringst ihn uns, den heil'gen Frieden, Den uns der Werktag nicht beschieden, Und segnend gießest du ihn aus. Du rufst, du nahst, die Schranken fallen, Ein heil'ger Geist weht in uns Allen, Kein Bruder steht dem Andern fern, Und was die Woche hielt geschieden, Das einigt sich in deinem Frieden, Und dienet liebend Einem Herrn! Daheim Daheim, daheim! es klingt das Wort Mir tief im Herzen fort und fort Und schafft mir bittre Leiden. Und doch, mir ist ganz recht geschehn, Wer hieß mich in die Fremde gehn Und von der Liebsten scheiden? Daheim, daheim sitzt sie wohl jetzt Und sinnt und spinnt und weint und netzt Den goldnen Flachs am Rocken; Der Faden reißt, sie merkt es nicht, Es wallen tief ihr ins Gesicht Die reichen blonden Locken. Daheim, daheim! o tröst' dich, Lieb', Und wein' dir nicht die Augen trüb', Ist Scheiden doch nicht Meiden! Und bist du dort und ich bin hier, Mein Herz ist alle Zeit bei dir, Ob Berg und Thal uns scheiden. Daheim, daheim! und wenn es lenzt, Das Thal mit Veilchen sich bekränzt Und alle Knospen springen: Thu auf, thu auf dein Kämmerlein! Dein Liebster naht, will Sonnenschein Auch seinem Röslein bringen. Am Fenster Sitzt die Mutter mit der schönen Tochter An dem Fenster in der Abendkühle, Geht ein junger Wandersmann vorüber, Blickt verstohlen nach dem hohen Fenster, Und sein Auge trifft ein andres Auge, Und wie Purpur glühen seine Wangen Und ein Zauber hemmet seinen Schritt. Doch zur Mutter spricht die Tochter hastig: „Wie ist's doch so schwül noch in dem Zimmer.“ Und sie eilet nach dem nächsten Fenster, Wo auf reich geschmücktem Blumenbrette Eine duft'ge Rose sich erschlossen. Und sie öffnet mit Geräusch das Fenster, Beugt sich weit hinaus und ruft erschrocken: „Mütterlein, ach wirst du mir nicht zürnen, Meine Rose, meine schöne Rose, Die du mir am Namenstage schenktest Und die heut so lieblich sich erschlossen, Hab' ich Ungeschickte abgebrochen. Wäre sie nur nicht hinabgefallen, Blühte sie mir lange noch im Glase. Aber sieh! Dort hat sie schon ein Fremder Eilig von der Straße aufgehoben Und mit ihr den Wanderhut geschmücket.“ Und sie küßt die Hand der Mutter schmeichelnd Und es ruht der Mutter Auge selig Auf dem schönen Kind, und tröstend spricht sie: „Sollt' ich wegen einer Rose zürnen? Mag der Wanderer sich ihrer freuen, Der vielleicht, der lieben Heimath denkend, In der Rose, die ein wildes Mädchen Wider Willen ihm hinabgeschleudert, Einen Gruß sieht, den sein theures Liebchen Nach ihm ausgesandt in ihrem Lande. Wie? noch immer glühen deine Wangen? Und nun Thränen gar noch in dem Auge? Ei, so tröste dich doch nur, mein Kindchen! Morgen schenk' ich dir ein andres Röschen, Viel noch sah ich bei dem Gärtner stehen.“ Und die Tochter birgt ihr weinend Antlitz An der Mutter liebevollem Busen, Und die Mutter kann es nicht begreifen, Daß ihr wildes, ausgelass'nes Mädchen Eines abgeknickten Rösleins wegen Gar so still und traurig ist. Auf ihre Hand Du treue Hand, die ohne Beben Einst meiner Hand so fest vertraut, Hast mit mir ein zerfall'nes Leben Zu neuer Schönheit aufgebaut. Du weiche Hand, in trüben Tagen Hast du so freundlich mich gepflegt, Liebreich gesorgt für mein Behagen Und mir den Pfühl zurechtgelegt. Du kluge Hand, die Melodien, Die mir die blüh'nde Lippe singt, Begleitest du mit Harmonien, Daß voll das Lied zum Herzen dringt. Du fromme Hand, in heil'gen Stunden Hast du die meine sanft gedrückt, Wenn uns die heiligste der Kunden, Das theure Gotteswort entzückt. Du fleiß'ge Hand, die nur zum Dienen Von früh bis Abend froh bereit, In dir ist mir das Bild erschienen Der ächten deutschen Weiblichkeit. O laß kein Herz! O laß kein Herz dir fremde bleiben, Das dir des Lebens wirres Treiben Im bunten Wechsel zugeführt! In jedem tritt der Herr dir nahe, Damit er deinen Gruß empfahe, Wenn seine Nähe dich berührt. So wird in wechselnden Gestalten Er herrlicher sich stets entfalten Vor deinem Blick, und nie verwaist Wird sich dein Herz auf Erden dünken; Denn wo dir Bruderaugen winken, Da grüßt dich deines Herren Geist. Der Mutter Bild Von Herzens dunklem Drang getrieben, Der Jüngling zieht vom Vaterhaus, Nach letztem Gruß von seinen Lieben, In Gottes weite Welt hinaus. Er nimmt des Vaters besten Segen, Im Herzen trägt er Schutz und Schild, Begleitend ihn auf allen Wegen, Ein Kleinod, seiner Mutter Bild. Ob manche Thräne von den Wangen Ihm aus dem treuen Auge quillt, Durch Thränen leuchtet und durch Bangen Ihm klar der lieben Mutter Bild. Lang weilet er in fremden Landen, Ob Sehnsucht auch die Brust ihm füllt, Es einet ihn mit süßen Banden Der Heimath seiner Mutter Bild. Es schäumen um ihn her und treiben Die Wogen, ihn bestürmend wild — Wird er der Alte immer bleiben? Es hält ihn fest der Mutter Bild. Es drücken Kummer ihn und Schmerzen, So mancher Wunsch bleibt ungestillt; Er zaget nicht, er trägt im Herzen Ja seiner lieben Mutter Bild. So manches Jahr ist nun vergangen, Da kehrt er heim, die Thräne quillt Beim Wiedersehn ihm von den Wangen, Hell leuchtet heut der Mutter Bild. O Jüngling, ziehst du in die Ferne, Ein Stern dir strahle freundlich mild, Ein Stern, der über alle Sterne Dich leitet, deiner Mutter Bild. Der Wandrer Wer bist du, o sage, du schmucker Gesell, Wo eilest du hin, daß du wanderst so schnell? Wie sitzt auf den Locken so keck doch der Hut, Wie lacht aus den Augen so fröhlicher Muth! „Ich zieh' mit den Wolken nach Ost und nach West, Und nimmer mein fröhlicher Sinn mich verläßt; Er hat mich begleitet, bergauf und bergab, Und wird mich geleiten dereinst noch zum Grab. Mein ist, was da pranget und grünet und blüht, Mir singen die Lerchen ihr schmetterndes Lied, Ich eile vorbei an dem stolzen Palast, Allüberall heiß' ich willkommener Gast. Mir leuchtet die Sonne am himmlischen Zelt, Denn mein ist die weite, die lachende Welt; Mir blühet die Rose, mir rauschet der Quell: Gott grüße dich, fröhlicher Wandergesell!“ Tannengrün O sage, Wald, wo ist dein Grün geblieben, Ihr steht so kahl, ihr Bäume, und verlassen? Weh! mußten deine Blumen all' erblassen? Im Winde wird der Blätter Schmuck getrieben. Die hellsten Blumen in dem bunten Kranze, Sie sind zuerst verbleichend hingesunken; Die hellsten von der Sonne lichten Funken Verblichen mit der Lenzessonne Glanze. Nur du, o Tannenbaum, der sich versteckte, Als rings der Wald gestrahlt in tausend Farben, Du schimmerst jetzt, da Blatt und Blume starben, Ein Lebensgruß im Grab, das Alles deckte. Die lichten Blumen, die am hellsten glühen, Sie welken schnell; nur was an Lenzestagen Im tiefen Grunde Wurzel still geschlagen, Wird in des Winters Schnee noch prangend blühen! Edelweiß Was ist das schönste Blümelein In Waldes Blättergrün? Das müssen wohl die Veilchen sein, Die schon im Lenz erblühn! O nein! die können's nimmer sein, Ich weiß ein schön'res Blümelein. Was ist das schönste Blümelein In Waldes Blättergrün? Das muß die rothe Rose sein, Mit Duft und Farbenglühn! O nein! die kann es nimmer sein, Ich weiß ein schön'res Blümelein. Das Veilchen welkt, die Rose bleicht Mit Waldes Blättergrün, Doch kennest Blumen du vielleicht, Die nimmermehr verblühn? Dann nenne mir solch Blümelein, Das soll das allerschönste sein. Wenn schon der Lenz die Veilchen weckt, Der Vöglein Sang erschallt, Da ruht mein Blümchen noch versteckt, Verborgen in dem Wald; Es giebt nicht Duft noch bunten Schein, Doch ist's das schönste Blümelein. Wenn alle Blumen schlafen gehn, Wenn Blatt und Blüthe bleicht, Wenn Busch und Bäume trauernd stehn, Der Vöglein Stimme schweigt; Dann blüht noch unter Schnee und Eis Mein holdes Blümchen silberweiß. Der Liebe, die verborgen glüht Im Herzen klar und mild, Der Minne, die im Stillen blüht, Ist es ein treues Bild. Ich singe meines Liedes Preis Dir, schönstes Blümlein, Edelweiß. Das sind die schönsten Träume Das sind die schönsten Träume, Die mit der Nacht vergehn, Die nicht in Tages Treiben Als Schattenbilder stehn. Das sind die schönsten Bilder, Die nicht in Farben glühn, Die vor des Geistes Auge, Nur in der Seele blühn. Das sind die schönsten Sänge, Die ohne Melodien, Nur auf des Geistes Schwingen Still durch die Seele ziehn. Das ist das kühnste Denken, Das noch kein Wort erreicht, Das ist das tiefste Fühlen, Bei dem die Lippe schweigt. Was von des Dichters Liedern Den höchsten Preis gewann, Sagt, daß des Herzens Bestes Er doch nicht sagen kann. Was über Schein und Wesen Den Dichter hoch erhebt, Kein Lied ist's, das wir lesen: Das ist, was er erlebt . Wie prangend rings der Lenz sich hat entfaltet! Wie prangend rings der Lenz sich hat entfaltet! Ich habe fast zu grüßen ihn vergessen, Ich habe da noch stumm und todt gesessen Im Lenzesglanz, der Alles neu gestaltet. So sei gegrüßt, ist auch mein Gruß veraltet, Will doppelt heiß dich an das Herz nun pressen, In Gluthenströmen fluthend unermessen Soll nun dein Strom in meinem Leben walten. Dank euch, ihr Blüthenblätter, die ihr leise Zum offnen Fenster mir hereingeflogen, Die ihr aus düstern Träumen mich gezogen. Vom Weh, das fast mich um den Lenz betrogen, Nun schweift der Blick zum blauen Himmelsbogen, Die Seele singt der Lerche Lenzesweise. In die Herrlichkeit des Himmels Sommerabend; überm Walde Lag der Himmel rein und blau, An den Gräsern, in dem Moose Hing schon hie und da der Thau. Lichter ward es jetzt; der Boden Hob sich steil zum Waldesrand, Daß dem Auge alle Ferne, Die dahinter lag, verschwand. Rüstig ging ich; durch die Tannen Brach ein heller Grün hervor, Zarte Birken auf der Höhe Neigten sich zum Waldesthor. Und wo an den Saum der Haide Sich der Saum des Himmels schloß, Lag die Sonne, die im Scheiden In ein Strahlenmeer zerfloß. Tausendfache Gluth der Flammen, Goldner Abendsonnenschein, — In die Herrlichkeit des Himmels Schritt ich graden Wegs hinein. Und nun dehnte mir zu Füßen Lachend sich die Ebne aus; Feld und Wiese, Flur und Garten Und ein weinumranktes Haus. Vor mir lag das Ziel des Wanderns, Aber sie war nicht zu sehn, — O nicht länger mocht' ich zögernd Auf der lichten Höhe stehn. Auf die Fenster fiel vergoldend Noch ein matter letzter Schein, — — In die Herrlichkeit des Himmels Schritt ich graden Wegs hinein! Wir standen unter dem Blüthenbaum Wir standen unter dem Blüthenbaum, Der Abend stieg hernieder, Die Vögel sangen wie halb im Traum Des Tages letzte Lieder. Die Glocke hatte mit dumpfem Schlag So eben ausgeklungen, Mit müdem Schlag den müden Tag Zur Ruhe eingesungen. Dämmernd begann auf Hof und Flur Die Nacht sich einzurichten, Ein matter Schimmer streifte nur Scheidend den Saum der Fichten. Und Alles sog aus Abendduft Erfrischung vom Gewühle; — Uns aber schien zu eng die Luft, So schwül die Abendkühle; Uns war's, als stünden wir am Ziel Von unsern Lebenstagen Und hätten erst uns doch so viel, So viel noch, uns zu sagen. Wir sprachen Worte, fremd und kalt, Durchs abendliche Schweigen; Da schien aus kalten Worten bald Ein tiefer Sinn zu steigen. Und dann ward's stille unterm Baum, Die Nacht warf ihre Schatten; Wir standen stumm und wußten kaum, Was wir geredet hatten. Und wie es Nacht war um uns her, Ward's Tag in unsern Herzen: Nun fanden wir Worte inhaltschwer, Geboren aus Freuden und Schmerzen; Nun sahen wir leuchten Weg und Steg, Von Engeln nur belauschet, Nun haben im heiligen Zwiegespräch Wir Wort und Kuß getauschet. Und wie das Wort gesprochen war, Es Einer vom Andern vernommen, Da ist der Himmel wunderbar Still über uns gekommen. Wir standen und wußten selber kaum, Daß wir gefunden uns hatten; Wir standen unter dem Blüthenbaum, — Schweigend lagen die Matten. Zu Zweien in der Kirche Ein Sonntag auf dem Lande war's. Die Glocke klang ins Weite; Ich saß im schlichten Gotteshaus, Und sie saß mir zur Seite. Rings sahen uns an im Dämmerlicht Die altersgrauen Steine, Darüber hin trieb fröhliches Spiel Die Sonne mit blitzendem Scheine. Als nun der Orgel erster Ton War feierlich erklungen, Da haben wir das fromme Lied Aus Einem Buch gesungen. Und wo die Klänge himmelwärts Ein Wort von Liebe trugen, Sah ich sie an, sah sie mich an, Und unsre Herzen schlugen. Uns war's, uns gelte jedes Wort, Und das Gebot vom Lieben Sei nur für uns, für uns allein Von Gott ins Herz geschrieben. O Gottesdienst, o Liebesglück — Aus Einer Gluth zwei Flammen! Im tiefsten Herzen sprachen wir Still ein Gebet mitsammen. Das war am Morgen nach dem Tag, Wo unsre Herzen sich fanden, Da haben wir vor Gott dem Herrn Mit unsrer Liebe gestanden. Klar muß es sein! Klar muß es sein! Ich kann entsagen, Wenn mir's das Schicksal zubestimmt, Viel leichter, als den Zweifel tragen, Der Kraft auf Kraft mir stückweis nimmt. Aus Schmerzen kann ich mich erheben, Und gegen Stürme wächst der Muth, Doch zwischen Furcht und Hoffnung schweben, Das läßt verdorr'n in Sonnengluth. Feigherz'ge Ohnmacht mag sich sonnen An flüchtig trügerischem Licht, — Nein, ganze Schmerzen, ganze Wonnen, Nur gegen Schatten kämpf' ich nicht. Ein einmal ausgesprochen Wort Ein einmal ausgesprochen Wort Ist nicht zurückzubringen, Die leichten Lüfte tragen es fort Auf geflügelten Schwingen. Sie tragen's, wohin keine Stimme trägt, Du kannst es nicht ereilen; Und wo es eine Wunde schlägt, — Die Wunde ist nicht zu heilen. Wieviel du andre Worte sprichst, Das eine bleibt gesprochen; Die Treue, die du einmal brichst, Bleibt allezeit gebrochen. That nur ein einzig Wörtlein kund Dein Hassen oder Lieben, Es bleibt auf tiefstem Herzensgrund Für immer eingeschrieben. Und wüchse Gras auch dicht und schwer, Und wär's, wie's einst gewesen; Ein Sturmwind fährt darüber her, Und wieder ist's zu lesen. O Menschenkraft reicht wunderweit, Nichts kann mit ihr sich messen; Doch lernte sie in Ewigkeit, Nie lernt sie, nie, vergessen. Ich wünsche dir ein mäßig Glück Mein Wunsch für dich ist deine Frage? Ich wünsche dir ein mäßig Glück, Nicht glanzumrauschte goldne Tage, Und nicht ein wandelndes Geschick. So wie in immer gleichem Maße Der Fluß der Eb'ne weiter zieht, So wandle ruhig deine Straße, Birg in der Tiefe dein Gemüth. Ein milder wolkenloser Himmel Umwölbe deinen Lebenspfad, Und nach des wirren Tags Getümmel Empfang' dich sanfte Ruhestatt. Ein Kreis des Wirkens sei dein eigen, Wenn noch so klein, doch eine Welt, In der Begehr und Unmuth schweigen, Die treue Sorg' zusammenhält. Ist dir dazu ein Herz beschieden, Ein liebend und geliebtes Herz, So weist dein Leben schon hienieden In stillem Frieden himmelwärts. Im Verborgnen Die Welt weiß deinen Namen nicht, Sie kennt auch nicht dein lieb Gesicht, Die Welt ist zu beklagen! Es sollen drum zu jeder Frist, Wie lieblich du, mein Schätzchen, bist, Ihr meine Lieder sagen. Manch Veilchen, das im Grünen blaut, Von keinem Auge wird geschaut; Der Wind, er hat's gefunden, Und trägt den wonniglichen Duft Ins Weite hin auf weicher Luft, Bis jeder ihn empfunden. Zur Ferne wird mit duft'ger Spur Durch Haus und Stadt, durch Wald und Flur Dein süßer Zauber gehen! Ob keiner dich gesehen auch, Sie fühlen deiner Schönheit Hauch Durch meine Lieder wehen! Ein Frühlingstraum Noch liegt der Winter in der Stadt, Belagert die Häuser und Straßen, Doch draußen vor dem Thore hat Der Frühling Reveille geblasen. Plänkler schickt er ins Land hinaus, Es halten ihm Wache die Bäume; Hinter den Bäumen steht ein Haus, Drin träumt er noch wonnige Träume. Blätterumrahmt und duftumhaucht, Frisch wie Thau am sonnigen Morgen, Rosig empor ein Köpfchen taucht, Von den Blumen neidisch verborgen. Ein Gruß Bei dir sah ich die Rosen blühen, Ich folgte dir durch Wald und Au, Wir schauten still den Tag verglühen, Es kühlte uns des Abends Thau. Wie weich die Luft, wie zaubrisch helle! Dein Auge feucht, dein Blick so mild, Und auf des Stromes flücht'ger Welle Wiegt schaukelnd sich des Mondes Bild. Wie hab' ich ganz und voll genossen Des Sommers und der Liebe Lust! Die süßen Bilder sind zerflossen, Doch blieb die Freude in der Brust; Da ist kein Bangen und Verzagen, Kein Seufzen nach verlor'nem Glück: Ein jeder von den schönen Tagen Ließ Reiz und Duft in mir zurück. Sind längst entblättert auch die Rosen, Sie blühen stets im Herzen mir, Die Welle rauscht, die Lüfte kosen, Und alles träumt und spricht von dir; Da hat der Tag nicht eine Stunde, In der ich treu nicht dein gedacht, Und macht der Mond die stille Runde, Sag' ich dir leise: Gute Nacht! Nicht um Vergangnes laß mich klagen, Nein, hoffend mich der Zukunft weih'n; Du schiedest mit des Sommers Tagen, Mir bleibt der Trost: auch du denkst mein! Zwei Herzen, die sich ganz verstehen, Ob eines von dem andern schied, Ich weiß, ich muß dich wiedersehen. — Bis dahin grüße dich mein Lied! Nach dem Sturme Der Sonne letzte Strahlen säumen Mit duft'gem Roth der Wolken Rand; Dürft' ich mein Leben still verträumen, Den feuchten Blick dir zugewandt! Des Abends heil'ge Feierstille Hat Frieden meiner Brust beschert; Gesegnet sei dein starker Wille, Der mich ein schweigend Glück gelehrt, An dem mein stürmisches Verlangen Sich, wie am Fels die Woge, brach; Nun folgt ein ruhig sel'ges Bangen Dem wilden Kampf des Herzens nach. Die Thräne, die im Auge zittert, Enthülle keinen Schmerz dir mehr; Wenn es im Walde stark gewittert, Ist lang' das Blatt noch tropfenschwer. Magdalene Im Auge, das thränend zum Himmel fleht, Die Flamme sterbend noch Funken sprüht, Es zittert und zuckt im leisen Gebet Die Lippe, die noch vom Kusse glüht. Bereuend suchst du im Himmel dein Glück, Doch hemmt der Seele heiligen Schwung Und zieht zur Erde dich mächtig zurück Der Sünde holde Erinnerung. In ein Krankenzimmer Von wacher Träume Bildern wirr umfangen, In banger Stille ruhlos mußt du liegen, Die Schläfe hämmern, deine Pulse fliegen, Und wilde Rosen glühen auf den Wangen. Krank bist du, krank! O Wort voll Schmerz und Bangen, Da mir's versagt, dich in den Schlaf zu wiegen, Mich an dein Kissen wachend anzuschmiegen, An deinen Zügen athemlos zu hangen! Mein Lied allein darf nahen sich der Kranken, Ich send' es dir — es wehe sanfte Kühle Um deiner Stirne fieberheiße Schwüle; Was in ihm ist von Worten und Gedanken, Sind Hände nur, die zum Gebet sich falten: So vielen Liebreiz möge Gott erbalten! Der Abend dämmert Der Abend dämmert und der Tag entflieht, Sei mir willkommen, süß verschwieg'ne Stunde! Du weißt es ja, wohin mein Sehnen zieht, Vertraute Freundin warst du unserm Bunde. Jetzt triffst du mich verlassen und allein, Du birgst nicht mehr mein Glück in deinem Schleier, Mitleidig hüllst du meinen Jammer ein, Und meine Thräne fließt zu deiner Feier. Maiblumen Die weite Stadt auf nacktem Fuße Durchwandert sie von Haus zu Haus, Und bietet scheu mit blödem Gruße Des Lenzes liebe Kinder aus. „Maiblumen kauft! kauft aus Erbarmen, Auf Stroh der Vater sterbend liegt, Die Mutter auf den welken Armen Ein schmachtend Kind in Thränen wiegt.“ Ist das des Frühlings erstes Grüßen, Ein Weheschrei der bittern Noth? Sie feilscht mit seinem Duft, dem süßen, Um einen Bissen trocken Brod; Maiglöckchen, Perlen, die voll Liebe Der Braut ins grüne Haar er flicht, Wie, darum sproßten eure Triebe, Daß ein verhungernd Kind sie bricht? Und dieses Kind — die zarten Glieder Verhüllen schlechte Lumpen kaum, Das blaue Auge spiegelt wieder Des jungen Lenzes schönsten Traum, Die Locke schließt mit goldnem Rahmen Ein rührend Bild der Unschuld ein, Und selber rufst du deinen Namen, Du Maienblume zart und rein! Der Mutter Wangen, hohl und mager, Verblichen in der dumpfen Luft, Den Vater auf dem Sterbelager Umwehest du mit frischem Duft, Und wie vom Hauch des Abendwindes Das Maienglöckchen leis erklingt, So tönt's um sie, wenn ihres Kindes Gebet sich auf zum Himmel schwingt. Du zarte, langentsproßte Blüthe, Die Gott so hold und rein erschuf, Daß treu sein Auge dich behüte, Daß Mitleid wecke dir dein Ruf: „Maiblumen kauft! kauft aus Erbarmen, Auf Stroh der Vater sterbend liegt, Die Mutter auf den welken Armen Ein schmachtend Kind in Thränen wiegt.“ Mein Stern O laß dein Auge freundlich auf mir weilen, Es blickt mir Ruhe tief ins Herz hinein; Wie sich die Wolken vor der Sonne theilen, Flieht all mein Schmerz vor seinem milden Schein. Wollt' ich als Kind mein Abendsprüchlein lallen, Dann sah ich fromm zu einem Stern empor: Es war mein Stern, ich fand ihn unter allen, Bis ich mit meiner Kindheit ihn verlor. Doch ruhen auf mir deine lieben Augen, In denen meiner Kindheit Himmel lacht, Dann sehe stets aus ihrer Tiefe tauchen Ich den verlornen Stern in alter Pracht. Liebesrache Die Thränen, die ich um dich geweint, Sie mögen empor zum Himmel steigen, Und wieder, zu einer Wolke vereint, Herab zu dir als Thau sich neigen, Und jeder Tropfen treffe dein Herz So glühend, wie mein heißer Schmerz — Und jeder Tropfen erquicke dich doch Und sage dir: er liebt dich noch! Die Seufzer, die ich um dich geklagt, Sie mögen ob dir als Donner rollen, Sie mögen, weil es mir selbst versagt, An deinem nächtlichen Lager grollen, Und es erwecke dich jeder Schlag, Daß schlaflos dich finde der junge Tag — Und jeder Schlag erhebe dich doch Und sage dir: er liebt dich noch! Ein jeder Fluch, den ich dir geflucht, Er möge als Blitzstrahl herniederfahren, Und, wie das Verhängniß den Schuldigen sucht, Soll nichts vor seiner Gluth dich bewahren, Und jedes Strahles zündender Schein Versenge die Brust dir mit Höllenpein — Und jeder Strahl erleuchte dich doch, Und sage dir: er liebt dich noch! Wie Lenzeshauch Wie Lenzeshauch hast du mich stets erquickt, — Was wild und schmerzlich mir die Brust bewegte, Wenn deines Kleides Saum ich nur erblickt, War mir es schon, als ob der Sturm sich legte. Und über mich kommt eine süße Ruh', Schau' ich dein Antlitz an, das schöne, milde, Voll Andacht wendet sich mein Herz dir zu: So kniet der Pilger vor dem Gnadenbilde. Kein steinern Bild bist du, fühllos und kalt. Mit todten Reizen, die nur Leben lügen: Zum Herzen spricht mit siegender Gewalt Das schönste Herz aus deinen schönen Zügen! Mutterloos Da reichst du mir die letzten Blüthen, Die unser Gärtchen noch gebracht, Du kannst sie länger nicht behüten, Mit jähem Frost droht jede Nacht; Du dachtest meiner schon beim Pflücken, Zum Lohn für deine treuen Müh'n Soll dieser Strauß mein Zimmer schmücken, Auf deines Sohnes Tisch verblüh'n. Du meinst: schon will es Winter werden, Und ohne Schmuck steht bald das Land, In all dem Wechsel hier auf Erden Hat Mutterliebe nur Bestand; Ich danke dir — doch bang erschrocken, Indeß im Kuß dein Haar mich streift, Seh' ich, daß deiner schwarzen Locken Schon manche silbern sich bereift. Du lächelst, und ich möchte weinen. Mein Herzblut gäb' ich freudig hin, Wüßt' ich von diesen Streifen einen, An dem ich ganz unschuldig bin, Könnt' ich mir jetzt zum Troste sagen, Daß nicht um meine Schuld vielleicht Verhalt'ne Thränen, stummes Klagen Dir das geliebte Haupt gebleicht. Die heiße Stirne mir zu kühlen, Ziehst du sie sanft in deinen Schooß Und scheinst ein süßes Glück zu fühlen — Das ist das ew'ge Mutterloos: Sie läßt dem Kind die grüne Ranke, Die scheidend ihr der Sommer beut, Und lächelnd nimmt sie hin zum Danke Die Flocken, die der Winter streut. Ein Tag mit dir Du gleichst so ganz dem sonnenhellen Tag, Den ich mit dir wie einen Traum durchlebte, Der duftig über Thal und Höhen lag, Daß jedes Blatt in Sommerlust erbebte. Gedenk' ich dein, dann lächelt mir, erhellt Von deinem Blick, die heit're Welt entgegen; Die Blüthe duftet und die Knospe schwellt, Auf jedem Halme ruht ein stiller Segen. Und in mir jauchzt es: sieh, der Sommer hat Sich ewig seine Heimath hier gegründet — Und ich vergesse, daß manch welkes Blatt Zu meinen Füßen schon den Herbst verkündet. Notturno Wir gingen einsam durch die Gartenflur In stiller Nacht: Die Sterne und dein Aug' ergossen nur Noch Licht und Pracht. Wir gingen stumm ... Du schwebtest droben hoch Im Glanzrevier; Und nur dein Herz, das war auf Erden noch, Und war bei mir. Doch plötzlich hielt dein Schritt ... Was schaust du, sprich, So groß mich an? — Du fielst mir um den Hals — und küßtest mich — Und weintest dann! An Isolde Wir haben lang' uns wohl gekannt! — Ich ahnte deine Liebe kaum, Und nie noch rührte meine Hand Nur deines Kleides Saum. Wir feierten Vereinung nur, Wenn wir, allein auf stiller Bahn, Den Abend über Wald und Flur Gemach verglühen sah'n: Da warf die Sonne weich und mild Zwei Schatten hin aufs Wiesengrün, Und ließ dann beider Schatten Bild In Eines sich verziehn. I. Zur Nacht Zwei Ständchen Die Erde hing wie an flammendem Munde, Da roth die Gluth erlosch am Himmelszelt: Zum stillen Garten wird die weite Welt In dieser heiligen, heiligen Stunde! Die Lenznacht sinkt zum blühenden Grunde Und legt mir ihre volle, warme Brust Ans Herze lind — und träufelt Balsamlust Auch in der Rose brennende Wunde. Die ernsten Bäume all' in der Runde, Sie haben schwarz verhüllt ihr Angesicht; Und daß die Blumen uns verrathen nicht, Wir brechen keine zum Liebesbunde! Vernimmst du des Lenzes wonnigste Kunde? Die Nachtigall tönt lautre Seligkeit! — O säume nicht in dieser goldnen Zeit: Komm bald! jetzt, jetzt ist die rechte Stunde! II. Zur Frühe Zwei Ständchen Du schlummerst noch immer! Und schon in dein Zimmer Durch wehende Ranken Kommt goldener Schimmer, Und gaukelt auf deiner weißen Brust — Ein flatternder Falter In neckischer Lust. O selig! Es tauchet um diese Stund' Die Frühe in nackter Schönheit wieder Ins Bad der Maiendüfte nieder! — Wie aus perlenfunkelndem Meeresgrund Lockt es aus Thalen und Tiefen rund, Und Märchenschlösser Sind alle Höh'n: Kaum kannst du träumen So schön, so schön! Wach' auf! Laß ziehn uns über die Matten, Eh' herauf die dämmernde Wolke weht, Eh' wieder ein alter, böser Schatten Trüb über meine Seele geht! — Die Fensterscheibe Die Fenster klär' ich zum Feiertag, Daß sich die Sonne drin spiegeln mag, Und klär' und denke gar mancherlei: Da geht Er stolz vorbei! So sehr muß ich da erschrocken sein, Daß ich gleich in die Scheiben brach hinein, Und gleich auch kam das Blut gerannt Roth über meine Hand. Und mag sie auch bluten meine Hand, Und mag mich auch schmerzen der böse Brand, Hast einen Blick doch heraufgeschickt, Als laut das Glas geknickt. Und in die Augen dir hab' ich gesehn, Ach Gott! wie lang' ist's nicht geschehn! Hast mich ja nicht einmal angeblickt, Als leis' mein Herz geknickt! — Liebesstationen Am kühlen Brunnen, — Wie springt und blinkt der Wasserstrahl! Da sah ich ihn zum ersten Mal, Er trank erschöpft vom Wanderzuge Aus meinem Kruge. Unter der Linde, — Just singt ein Vöglein drauf, so recht, So lustig, daß ich weinen möcht' — Da haben wir wie oft gesessen Und viel vergessen! Auf stillem Wege, — Er führt hinaus ins grüne Feld, Und ach! hinaus in alle Welt — Da gingen wir so manche Stunden Wie längst verbunden! Und bis zur Brücke, — Da gab ich das Geleit ihm noch, Geschieden sein ja mußt' es doch: Die Brücke trieb im Strome nieder — Wann kommt er wieder?! Madonna campestris Im Frühlicht blinkt es von Feld und Rain, Verschneit sind alle Stätten, Das Mägdlein steht am Dachfensterlein Und thät' ihr Flachshaar glätten. Da kamen vom Himmel so weit und frei Die Vöglein mit jubelndem Schalle, Und flattern so fragend und zagend herbei, Und kennen das Fenster alle. Die Kleine öffnet den Riegel hold: Husch! fliegt es von dannen im Schwarme; Sie streuet aufs Dach der Körnlein Gold Mit reichen Händen, die Arme. Und hinter den Vorhang behende sie schlüpft, Mit funkelndem Auge zu lauschen, Wie die Vöglein wied'rum kommen gehüpft, Wie sie picken und flattern und rauschen. Nicht spinnt es und lebt doch, das Vögelein, Am Himmel da wärmet die Sonne, Und du, du stehest im Fensterschrein, Eine liebliche Feldmadonne! Lebenszüge Das Leben ist ein bunter Zug, Du mußt dich seiner Ordnung fügen; Es ist ein Spiel, das spiele klug Und hüte dich vor falschen Zügen. Dem Kinde lacht des Glücks Besuch, Sein spielend Leben ist Vergnügen, Wo fände Raum der Sorgen Fluch, In ungefurchten, glatten Zügen! Den Knaben lockt's hinaus zum Flug: Daß Schwingen ihn ins Weite trügen! Das Leben ist in vollem Zug, Es schweift der Geist auf kecken Zügen. Der Jüngling hat nicht Raum genug, Der Zeiten Mängel will er rügen, Er trinkt aus schaumbekränztem Krug Des Lebens Wein in raschen Zügen. Dem Mann, fern allem Winkelzug, Kann nur das höchste Ziel genügen: So schreibt er in der Zeiten Buch Sein Leben ein mit großen Zügen. Der Greis scheut ängstlich allen Zug, Er möchte gern sich selbst betrügen, Das Leben flieht, es flieht der Trug: Da liegt er in den letzten Zügen! Erster Schnee Wie plötzlich doch bedeckt mit Eis So Strauch als Bäume stehn, Auf letztem Grün das erste Weiß, Wie traurig ist's zu sehn! Was bangst du, Herz? Sei frisch und kühn, Und denk', wenn Flocken wehn: Auf letztem Weiß das erste Grün, Wie lieblich wird das stehn! Wozu ein Lied Es gleicht das Lied dem Frühlingswind, Der dich umkost so weich und lind, Zum Windmühldrehn ist's nicht gemacht, Drum hat auch sein kein Müller Acht. Es ist das Lied dem Bächlein gleich, Das sorglos rauscht durchs Waldgesträuch, Kein Fischlein führt's als leckre Fracht, Drum hat auch sein kein Fischer Acht. Es gleicht das Lied dem Blümchen auch, Das unbemerkt erblüht am Strauch, Hat weder Frucht noch Farbenpracht, Drum hat auch sein kein Gärtner Acht. Doch hegst du für das Schöne Sinn, Und nicht für Nutz nur und Gewinn, So bringt es dir Erquickung lind, Wie Blume, Bach und Frühlingswind. Nachtfahrt Der Abend dunkelte herein mit Macht, Grau war der See und grau des Himmels Bogen, Die Ufer lagen schwarz gehüllt in Nacht, Als einsam ich durchschifft' des Seees Wogen. Kein Sternlein glomm, vom Strande schien kein Licht, Nur graue Nebel wälzten ihre Massen Mir schaurig nach, wie Geisterschaaren dicht, Als wollten sie mit feuchter Hand mich fassen. Doch wunderbare Ruh' kam über mich, Den Einsamen auf dunklen Murmelfluthen, Als senkte eine Friedenstaube sich Herab aus den erlosch'nen Himmelsgluthen. Nicht Freude war es, was mein Herz durchdrang, Es war nicht Trauer, was die Brust bewegte, Noch war es Wehmuth, wie sie schwer und bang So oftmals sich um meine Seele legte. Es schien das Leben mir so arm, so klein, So werthlos Alles, was ich wollt' erreichen, Es dünkte mir mein ganz vergangnes Sein Nur flücht'ger Schimmer, den ich sah erbleichen. So glitt ich fort, auf nachtumhüllter Bahn, Im Innern kein Verlangen und Entbehren; Mir war, als zöge ich in Charons Kahn Zu jenem Strand, von dem kein Wiederkehren! Sorrentinisches Zwiegespräch Was siehst du auf mein Zeichenblatt Und thust, als sei ich gar nicht da? „Es wird Euch doch nicht Schaden thun, Daß ich auf Euer Zeichnen sah?“ Das thut es freilich, denn nun sind Auf andrer Fährte Blick und Hand! „Wenn Ihr ein rechter Meister wär't, So hielten sie wohl besser Stand.“ Tritt vor mich hin, ich zeichne dich. „Wenn mir das Blatt gehören soll, So gilt's mir gleich, sonst keinen Strich.“ O lasse doch das Tuch in Ruh' Und streich' das Haar nicht gar so glatt. „Beginnt Ihr endlich? aber sacht! Zuvor, gehöret mir das Blatt?“ Wenn du's verlangst, so mag's drum sein, Doch sage du mir, wer's bekommt? „Das viele Fragen stört Euch nur, Mir bangt, daß nichts zu Stande kommt.“ Du siehst, schon stehn die Augen da, Dein Liebster wird zufrieden sein. „Mir scheint, Ihr habt vollauf zu thun, Mischt doch nichts Andres noch hinein.“ Ich wette, ein Massaro ist's, Dem halb Sorrento angehört. „Ich wette, Ihr beschicktet mehr, Wenn Ihr nicht so voll Neugier wär't.“ So wird's ein Capitano sein, Schön, aber trüglich wie die See. „Ihr zeichnet, dünkt mich, gar so lang, Mir thun schon beide Füße weh.“ Am Ende ist's ein Pescator, Nun, der macht einen guten Zug. „Mir scheint, 's ist eine Stunde bald; Ich hab' vom Stehen jetzt genug.“ Wenn's nicht gar ein Sommaro ist? Geduld! bald hat sein Eslein Ruh'. „Wenn's nicht gar ein Sommaro ist? Mir fallen schon die Augen zu!“ Da stehst du, wie du leibst und lebst, Hier, nimm das Blatt! Was? magst du's nicht? „'s wird aber wohl schon richtig sein; Ihr ließt mich ja nicht außer Sicht!“ So aber knickern darfst du nicht, Ich wollt' dir's ... Nun, was zahlt die Hand? „Ein Carolino reicht wohl nicht? Ihr aber saßet und ich stand.“ Ein Carolino reicht nicht aus, Ein Kuß ist der geringste Preis. „Ei solchen Lohn empfängt nur der, Der ihn sich selbst zu holen weiß.“ Wandervöglein Die Hoffnung ist ein Wandervöglein, Das jeden Frühling wiederkehrt Und mit den Liedern schön'rer Lenze Das arme Menschenherz bethört. Erst lockt es leise von den Zweigen; Wir lauschen ihm mit scheuer Lust; Dann kommt es näher, endlich baut es Sein Nest wohl gar in unsrer Brust. Bald hören wir ein leises Zwitschern: Was wir erwünscht, ersehnt, gedacht, Ach, was wir längst gestorben wähnten, Ist neu erstanden über Nacht. Ein jeder Wunsch prüft seine Schwingen, Der Himmel ist so blau, so rein, Es athmet Alles Lust und Liebe: Warum verzagt und traurig sein? — Sie fliegen aus in alle Weiten; Verlassen ist das Nest und leer; Das Herz wird still und lauscht und zittert, Und wartet ihrer Wiederkehr. Sie kehren nicht! die Blätter fallen, Es naht des Winters rauhe Macht; Das Wandervöglein ist entflohen, Und wieder wird's im Herzen Nacht. Morgenlaute Wenn ich dem Schlummer Morgens mich entwinde, Trifft zweierlei Geräusch mein lauschend Ohr; Zuerst der Kapuziner rauher Chor, In deren Nachbarschaft ich mich befinde; Dann eine Mutter, die an ihrem Kinde, — Uns trennt nur eine Wand von Kalk und Rohr — Mit Kuß um Kuß sich freut; sie hebt's empor, Sie drückt und herzt das liebe Angebinde. Welch Gegensatz! Zu Gottes Ehr' und Preise Die Unnatur des trägen Mönchthums dort — Hier die Natur im freisten Vollgenuß! Was ist dem Höchsten wohl die liebste Weise? Des Nichtsthuns geistlos hergeplärrtes Wort? Der jungen Mutter stillbeglückter Kuß? Apoll von Belvedere Sie haben lange hin und her gedacht, Wem nur dein sichrer Pfeil den Garaus mache — War's im Gewühl der mörderischen Schlacht, Da du dich hieltest zu der Troer Sache? Nahmst du, durch Hectors Fall in Zorn gebracht, An Thetis' tapferm Sohn, Achilleus, Rache? Verscheuchtest du die Furien der Nacht, Du Freund des Lichts, von deinem goldnen Dache? Wer könnt' es sagen? — Nur des Mundes Zug Ist klar verständlich, — deine Lippen beben, Du bist im Zorn noch Gott — das sei genug! Mög' uns dein Bild die schöne Lehre geben, Daß selbst der Zorn, wenn er ins Herz uns schlug, Uns so veredeln sollte und erheben. Venus von Milo Woher der Zauber, der aus diesem Steine Mit süßer Macht zu deinen Sinnen spricht? Der Leib ist kalt, der Busen hebt sich nicht, Von all den zarten Adern auch nicht Eine; Wie göttlich auch der Formen edle Reine, Das liebe, himmlisch ruhige Gesicht, Es wohnt in ihnen weder Gluth noch Licht, Sie borgen Leben von des Tages Scheine. Woher der Zauber, welcher dich umspinnt? Die Ruhe übt ihn! Sieh den Himmelsfrieden, Der auf der Stirne gleichsam träumend sinnt! Unwiderstehlich theilt er sich dir mit; Dir ist, als ob, vom Erdenraum geschieden, Dein Fuß die Höhen des Olymp betritt. Ein schweres Leid Welch Elend ist's, welch namenloses Weh, Wenn Herz und Hand liegt in verschiednen Banden: Ein Elend, das hienieden Tausende, Die's nie erfahren, nimmer auch verstanden. Hier sollst du lieben, hier allein — so spricht Die Pflicht, um dich zu kräftigen, zu mahnen; Allein das Herz, es folgt dem Worte nicht, Und sehnend schweift's hinaus in fremde Bahnen. Wie es in deiner Brust auch kämpft und stürmt, Verrathen dürfen's nimmer deine Züge. So wird, wenn dich nicht Gottes Engel schirmt, Dein ganzes Leben eine große Lüge. Fürwahr, ein Elend ist es namenlos, Wenn Herz und Hand liegt in verschiednen Banden; Es endet erst, wenn in dem stillen Schooß Des Grabes Ruh' die armen Herzen fanden. Der du die Liebe bist! — Vor diesem Schmerz Woll' gnädig jeden Sterblichen beschirmen; Gieb jedem Herzen das geliebte Herz, Daran es ruhen kann in allen Stürmen! Gieb jedem Herzen das geliebte Herz, Daran es warm in Leid und Freude liege, Du Gott der Liebe! Dann giebt's keinen Schmerz, Den es im Sturm des Lebens nicht besiege! Hinaus! Der Arme, welchen das Geschick erkoren, Zu wandeln stets in seinem engen Kreise, Bis er verschrumpft zum lebensmüden Greise — Des Lebens reichstes Glück geht ihm verloren! Erst schweifen sehnsuchtsvoll wohl die Gedanken Hinüber in die hellbeglänzte Ferne, Doch immer mehr erbleichen jene Sterne, Und immer höher bauen sich die Schranken; Dann schweigen in der Brust der Sehnsucht Klänge; Bald ist vom Süden bis zum fernen Norden Das „Ich“ des Weltalls Mittelpunkt geworden! — Wie der Gesichtskreis, wird das Herz auch enge. Willst höh're Weltanschauung du gewinnen, Dann zieh hinaus aus deiner stillen Klause; Fort, in des Lebens mächtigem Gebrause Wird dir ein neues Leben bald beginnen! Nicht wirst du dir in thörichter Beschränktheit Als Mittelpunkt des Ganzen mehr erscheinen; Nicht mehr um deine kleinen Sorgen weinen, Nicht fühlen nur die eigene Bedrängtheit. Zusammen schrumpft zu niedern Zwerggestalten, Was sonst so groß dir war und so hochwichtig; Du selbst, wie klein erscheinst du dir, wie nichtig, In diesem Wirbel mächtiger Gewalten! Und dennoch, im Bewußtsein seiner Stärke, Hebt kühner dann dein Geist sich siegestrunken; Der mächt'gen Flamme ist auch er ein Funken, Die einst geschaffen diese Wunderwerke. So in des Lebens mächtigem Gebrause Hab' ich auch edle Schätze mir errungen! Ja, reich an Glück, reich an Erinnerungen Kam ich zurück zu meiner stillen Klause. Hell schau' ich jetzt nach Süden und nach Norden! Hoch über meinem eignen kleinen Glücke Stehn mir der Völker wechselnde Geschicke: Ich fühl's mit Dank, daß besser ich geworden! Der Frühling ein Schneider Der Frühling mit Ränzel und Hut und Stab Hob rüstig wieder den Wanderschuh, Durchwallte die Länder bergauf, bergab, Und sang sich manch lustiges Lied dazu; Doch fern und nah, Wohin er auch sah, Da blickten den fröhlichen Wandersmann Die Fluren mit trüben Gesichtern an. Den muntern Gesellen verdroß das sehr; Er fragte Felder und Berg und Wald: „Was seht ihr so stumm und so traurig her Und zeigt mir so leidige Schmerzgestalt? Von Thränen naß Sind Sträucher und Gras! Ihr Bäume, wer hat mit verwegner Faust Die Locken euch so und den Bart zerzaust?“ Nun hob ein Erzählen und Reden an Und Alle klagten mit tiefem Gram, Wie ihnen der Winter, der rauhe Mann, Die herrlichen bunten Gewänder nahm, Und kämen neu Die Pfingsten herbei, Dann hätte Keiner zu seinem Leid, Das Fest zu begrüßen, ein Feierkleid. „Hört“, sagte der Frühling, „das Ding ist dumm! Wo mißt wohl der fleißigste Schneidersmann — Denn Tage und Wochen sind bald herum — Rechtzeitig noch Röcke und Hosen euch an? Doch tröstet euch, Ich selber sogleich Will an die gewaltige Arbeit gehn, Ich kann einmal trübe Gesichter nicht sehn.“ Der rüstige Bursche hielt redlich sein Wort. Nun ging's an ein Schaffen ohn' Rast und Ruh, Er fertigte Kleider, hier und dort, Und brauchte nicht Elle und Scheere dazu. Es ward vollbracht Bei Tag und bei Nacht; Manch Blümlein, des Abends noch kahl und leer, Erkannte des Morgens sich selbst nicht mehr. Bald kokettirte aus luftiger Höh' Die Birke, in faltige Schleier gehüllt. Mit ihrem Spiegel, dem ruhigen See, Und freute sich über ihr eigenes Bild. Der Flieder war, Wie ein Höfling, sogar Mit Sternen und Tressen herausgestutzt, Dem Mandelbaum waren die Knöpfe geputzt. Die Wiese umhüllte ein Mieder, schön Mit Bändern und bunten Schleifen geschmückt, Grünsammtene Mäntel trugen die Höh'n, Viel tausend Demanten darein gestickt. Das weite Rund Wie prächtig und bunt! Welch Schimmern und Blitzen in Feld und Hain, Und Jedes glaubte das Schönste zu sein. Der Frühling, der rüstige Schneidersmann, Ging emsig musternd noch her und hin Und sah sich die Röcke und Fräcke an Und besserte, wo's ihm nicht recht nach Sinn, Warf hier und dort Mit freundlichem Wort Den Bäumen noch Hüte und Kappen auf Und steckte manch wallende Feder darauf. Der Kirschbaum, der närrische Bube allein, Der fand sein weißes Gewand nicht schön, Er wollte so grün wie die andern sein, Um dann auch so klug und verständig zu sehn. Der Frühling lacht: „Fast hab' ich's gedacht,“ Und maß ihm ein grünes Jäckchen dann Mit rothen Knöpfen und Troddeln an. Und als nun Alle in Putz und Zier Und Alle befriedigt im weiten Raum, Da rief der König im Waldrevier, Der alte, nervige Eichenbaum, Dem Frühling zu Mit Würde und Ruh: „Hast brav geschneidert, sur mon honneur, Drum bist du in Zukunft mein Hoftailleur!“ „Schön Dank, Herr König, für Ehr' und Gunst,“ Rief der Frühling und schüttelt bedenklich den Kopf, „Mein Schneidern ist eine freie Kunst, Die verträgt kein Ämtchen und — keinen Zopf!“ Man fleht, man drängt, Doch eh' man's noch denkt, Erfaßt den Lenz ein gewaltiger Graus, Und es war kein Halten, er nahm Reißaus. Einziger Ausweg Ob alle Welt mir's auch verarge, Der Frühling ist mein schlimmster Feind, Und ob's auch Manchem drollig scheint, Ein Nagel ist er mir zum Sarge! Denn bin ich so für mich allein Und will mich aufs Studiren legen, Gleich tritt der Vagabonde ein Und spricht und protestirt dagegen. Er äugelt neckisch und vermessen, Geh' ich einmal hinaus vors Thor, Aus jedem Halm und Strauch hervor Und läßt mich Stadt und Schritt vergessen. Setz' ich in Positur mich dann Und denk' an tiefgelehrte Sachen, Hängt er mir Blüthenzöpfe an Und will sich schier zu Tode lachen. Ich seh's, er ist nicht zu vertreiben, Ich weiß vor ihm nicht ein, noch aus, Denn werf' ich ihn zur Thür hinaus, So guckt er durch die Fensterscheiben. Drum abgemacht, und damit gut, Ihr sollt mich fest entschlossen sehen, Ich nehme Wanderstab und Hut Und — will ihm aus dem Wege gehen. Das Mädchen und der Schmetterling Lustwandelnd schritt ein Mädchen In kühlem Waldesgrund, Und als sie dort sich bückte, Zum Strauß sich Blumen pflückte, Da kam ein bunter Falter Und küßte ihren Mund. „Verzeih' mir,“ sprach der Falter, „Verzeih' mir mein Vergehn, Ich wollte Honig nippen Und hatte deine Lippen, Dein rothes, rothes Mündchen Für Rosen angesehn.“ Da sprach zu ihm das Mädchen: „Für diesmal, kleines Ding, Will ich dir gern vergeben; Doch merke dir daneben: Nicht blühen diese Rosen Für jeden Schmetterling.“ Wie so bald Fragst du, Herz, was still im Wald Flüsternd umgegangen, Was aus Feld und Hag und Hald', Was aus Bach und Gras geschallt Und die Vögel sangen: Ach, mein Herz, so wiss', es galt, Daß zu dir mit Allgewalt Kunde sollt' gelangen, Wie du, froh von Glück durchwallt Oder Gram befangen, Denken sollst: ach wie so bald, Wie so bald Ist nicht Lust und Leid verhallt Und du selbst vergangen. Es rauscht eine Welle Es rauscht eine Welle durchs weite Meer Und hinter ihr rauscht eine andere her, Sich liebend ihr beizugesellen. Doch wie sie auch eilet, woget und schwillt, Nie wird ihr Hoffen und Sehnen gestillt, Am Ufer muß sie zerschellen. Droben am schimmernden Himmelszelt Zieht eine Wolke über die Welt, Eine andre im Flug zu ereilen. Doch wie sie auch wallet in sehnender Hast, Ihr hilft keine Eile ... vom Sturm erfaßt, Muß sie sich in Nebel zertheilen. Ich weiß ein Herz in verborgener Brust, Das gäbe so gern seinen Schmerz, seine Lust Einem andern Herzen zu eigen! Doch wie es auch seufzen und stöhnen mag, Nie wird es vernehmen des andern Schlag, Brechen wird es und schweigen! Von der Donau Der Rhein! der Rhein! ein lebenslust'ger Junge! Vom Gotthard stürzt er sich mit raschem Sprunge Und wirft sich mitten in das deutsche Land, Durchströmet es mit übermüth'gen Scherzen, Und spielt sich müde an Germania's Herzen, Und schleicht dann traurig durch den Dünensand! — Doch wiegend stolz den langgestreckten Leib, So wallt die Donau hin, ein herrlich Weib! Und Deutschland schlürft des ersten Kusses Süß! Und wie ein Blumenstrauß in Frühlingslust, So liegt mein Österreich an ihrer Brust, Und weit im Meere baden ihre Füße! — Der Rhein, der Rhein! so weit sein Silber rollt, Stehn Sänger, liederreich, in seinem Sold, Die ihm zu Ehren ihre Harfen schlagen; Die Burgen all', die sich in ihm beschau'n, Und o! die süße Minne seiner Frau'n, Unsterblich leben sie in ew'gen Sagen! — Doch meine Donau! Schüchtern wie die Braut Die Hand entgegenstreckt dem Liebsten traut, Daß er sie ziere mit dem güldnen Ringe — So stehen rings auf steiler Felsenwand Die alten Burgen da, der Berge Hand, Das Lied erhoffend, das sie hold umschlinge! O Sänger, kommt, o kommt zum Donaustrom, Legenden schlingen sich um jeden Dom, Und Schlösser stehen da, noch nie besungen: Der Dürrenstein, vom Abendroth verschönt, Die alte Hainburg, deren Name tönt Im Heldenlied der Nibelungen! Und Frauen, minnig und voll Liebesdrang, Im Ungarlande jauchzender Gesang — O, wer die Schöne alle malen könnte! Ein blüh'nder Garten ist der Donaustrand, Die Donau selber eine Segenshand, Die Deutschland reicht dem siechen Oriente!! — O Sänger, kommt! Hier an des Volkes Herd Sitzt keusch die Sage, und sie ist es werth, Den Dichterarm um ihren Leib zu schlagen; Allüberall ertönt's: „am Rhein! am Rhein!“ — Die Donau bittet Euch: o denkt auch mein, Und meiner Burgen, meiner Sagen! Nächtliche Stimme Ist euch noch nie, wenn ihr in späten Stunden Euch mit der Mitternacht allein befunden Und stilles Sinnen euren Geist beschlich, Ist euch noch nie dann, wie mit Todesschritten, Ein dunkles Etwas durch die Brust geglitten, Ein dunkles Etwas bang und fürchterlich? Schnell, wie sein Kommen, war auch sein Verschwinden: Ihr saßet starr und wußtet nicht zu finden Der hellen Deutung heißersehntes Licht; Ob für das Leben eine laute Mahnung, Ob von dem Tode eine schwarze Ahnung, Ihr saßet starr und stumm und wußtet's nicht. Was war's? — der Worte sanfter Klang erzittert, Die Bilder beben, wie vom Sturm zersplittert, Und sinken bleichend in das Nichts zurück. Ein dunkles Etwas bang und wahnsinnhaltig, Ein dunkles Etwas schwarz und todgestaltig, Vom schwarzen Tode selbst vielleicht ein Stück. Ihr habt die finstre Sage wohl vernommen, Die auf dem Meere zu uns hergeschwommen, Von jener Stimme, die auf Ceylon lebt, Die, wenn die Insel sich in Nacht gekleidet, Laut gellend plötzlich durch die Lüfte schneidet Und schreckenvoll in bangem Ton verschwebt. Wenn sie ertönt, dann will das Meer gefrieren, Die reichen Blüthen, die das Eiland zieren, Sie senken welk den duft'gen Blätterschmuck, Das Wild enteilt nach seines Lagers Engen, Das Herz des Menschen will die Brust zersprengen Vor des Entsetzens nie gefühltem Druck. So jenes Etwas, das in späten Stunden, Wenn mit der Nacht wir uns allein befunden, Todschaurig plötzlich unser Herz durchsticht — Ob's für das Leben eine laute Mahnung, Ob von dem Tode eine schwarze Ahnung, Wir sitzen stumm und starr und wissen's nicht Bis tief in die Nacht Bis tief, bis tief in die Nacht hinein Saß ich vereinsamt und dachte dein, Kein Schlummer wollte mir kommen. Ich hatte die Hände aufs Herz gelegt, Das heftig pochte, von Schmerz bewegt, Mir war die Brust so beklommen. Das Auge der Nacht nur erschaute mich, In seinem Schatten erbaute ich Paläste von bunten Gedanken. Die Sterne sahen in meine Brust, Drin wie im Rausche der Weineslust Ein ewiges Wanken und Schwanken. Ich schaute hinauf zum Sternenzelt Und träumte von jener fernen Welt, Wo sich die Liebenden finden — Da zog ein Rauschen den Hag entlang, Das mir wie zweifelndes Fragen klang Aus den dürren Blättergewinden. Ich schrak zusammen und fuhr empor, Und lauschte, doch jede Spur verlor Sich in unendlichem Schweigen; So saß ich bis spät in die Nacht hinein, Vereinsamt, voll Zweifel, und dachte dein Und sah die Sterne verbleichen. Es lauschte und rauschte die Frühlingsnacht Es lauschte und rauschte die Frühlingsnacht, Wir saßen am Gartengelände, Der Mond hielt einsam am Himmel die Wacht, Du gabst mir schweigend die Hände. Es wankten und schwankten duftgetränkt Die Blumen, der Glühwurm sprühte, Du hattest auf meine Schulter gesenkt Dein Haupt, die Lockenblüthe. Es zagte und klagte die Nachtigall Fernab in den duftenden Linden, In deinem Herzen den Wiederhall Vermochte mein Herz zu finden. Ich fand und verstand den heimlichen Laut Und küßte dir Lippen und Wangen, Und hielt voll Wonne als meine Braut Dich stumm und schweigend umfangen! Schönheit überall Ich sah noch nie ein Angesicht So häßlich, daß ich's müßte klagen: Aus jedem Menschenauge bricht Ein Strahl, der uns von Gott kann sagen. O möchtet ihr ein Angesicht Der Nacht vergleichen! Prüft nur immer, Ob hinter schwarzen Wolken nicht Hervorlugt eines Sternleins Schimmer. Nachglück Wenn die Sonne niedersank, Halte fest noch ihren Schein, Daß es strahlet hell und blank In die stumme Nacht hinein. Wenn die Freude von dir läßt, Und das Leiden tritt dich an, Halt' des Jubels Nachklang fest, Der's ja übertönen kann. Geh im Frühling auf die Au, Labe dich am frischen Grün, Bade deinen Blick im Thau, Der das Alles läßt erblüh'n. Glüht der Sommer erst herauf, Macht es bald der Herbst zunicht: Heb' im Lenz ein Blatt dir auf, Das dir stets vom Frühling spricht! Ein Gebet Dich, Herr, erkenn' ich im Sternendom, Dich bet' ich an im rauschenden Strom, Im Plaudern säuselnder Baumeswipfel, Im Leuchten ferner Bergesgipfel; Du bist es, Herr, der Alles schmückt, Was unser armes Herz entzückt; Dein Antlitz ist's, zu dem mich hebt Das Lerchenlied, das aufwärts schwebt: Wenn dann mein Aug' in Thränen steht, So nimm das, Herr, für mein Gebet! Im Lenz Gesang auf den Lippen, am Hütlein den Strauß, Im Herzen langwonniges Minnen, In die Welt hinein aus dem dumpfigen Haus — Frau Sorge, sie bleibe hübsch drinnen! Verberg' sie daheim ihr grämlich Gesicht, Ich danke für ihr Geleite, Sonst blühn ja vor Schrecken die Blumen nicht, Der Vogel verstummt, wo ich schreite. Du aber, o Freude, du liebliches Kind Mit lustig flatternden Haaren, Der Frühling ist da, so komm nur geschwind, Mit mir die Welt zu durchfahren! Mondnacht an einer Meeresbucht Wo ruhlose Fluthen die Felsen umbranden, Da bin ich gestanden Allein, wie auf der Welt allein, In der Mitternacht Bei des Vollmonds Schein. O der schaurigen Pracht: Hier das Schäumen und Stranden Der Wellen tief unten in ewiger Schlacht, Hoch droben der Wolken gespenstische Jagd — Mich hielt's, als ich so da gestanden, In magischen Banden. Bald sangen die Wasser, hinsterbend und leise, Sanftschmeichelnde Weise, Daß Sehnsucht mir das Herz beschlich, Bald geheimnißvoll Wieder regt' es sich Und von fernher erscholl, Wie auf donnerndem Gleise, Gebrause, das näher und lauter stets schwoll: Wie teuflisches Lachen, dämonischer Groll, Klang sinneverwirrend die Weise Rings um mich im Kreise. Zu Häupten mir wandernde Wolken sich ballten In grause Gestalten, Gigantenhaft, phantastisch wild; Und ich sah sie ziehn, Sah sie Bild auf Bild, Als wenn Flügel sie lieh'n, Ohne Rasten und Halten Vorüber am glänzenden Vollmonde fliehn, Den bald sie verbargen, der bald sie durchschien, Die bleich ihn wie Geistergestalten Und schweigend umwallten. Es war, als wenn zornvoll sie dräuend erstünden Aus grausigen Gründen, Des jüngsten Tages Schreckgesicht; Und der Wogen Sang Schien vom Weltgericht Den erschütternden Klang Der Posaunen zu künden. So machten die Stimmen der Tiefe mir bang; In Zweifeln und Ängsten verzagt' ich und rang: War dort auch — wer mocht' es ergründen? — Vergebung der Sünden? Doch als ich die Hügel des Meeres, die feuchten, Sah blitzen und leuchten, Weil göttermild des Himmels Sohn Aus den Wolken trat, Die von hinnen flohn Auf dem lustigen Pfad, Daß entsetzt sie mir däuchten: Da hat sich der Friede, den still ich erbat, Der Seele in tröstenden Bildern genaht, Die schnell, wie mit himmlischen Leuchten, Den Gram mir verscheuchten. Auf den Bergen Der Gießbach stürzt mit wildem Brausen Hinunter in des Thales Fluß — O sag' den Menschen, die dort hausen, Du rasche Bergfluth, meinen Gruß. Sag' ihnen, daß von allem Toben, Das drunten meine Brust verwirrt, Mich auf den Bergeshäuptern oben Kein letztes Lüftchen mehr umschwirrt; Daß ich den Balsam hier gefunden Auf einsam menschenleerer Spur, Der für des Herzens heiße Wunden Quillt aus dem Schooße der Natur. Thränensegen Dein Auge leuchtet mir als Sonne Durch Wolkennacht und Sturmgebraus, Und gießt ein Strahlenmeer von Wonne Auf meine dunkeln Pfade aus. Nur in der Thräne mildem Segen Bricht sich verklärt des Auges Licht, Wie sich in dem Gewitterregen Der Iris bunter Bogen bricht. Auf dieser Regenbogenbrücke, Von deinen Thränen mir erbaut, Da in des Herzens vollem Glücke Das Auge quellend aufgethaut; Auf dieser Brücke von Juwelen, Von Perlen und von Diamant, Da haben jubelnd unsre Seelen Als Schwestergenien sich erkannt. Da fühlt' ich es mit tiefem Beben, Daß mir dein Aug' der Himmel ist, Daß sich mein Lied, mein Glück, mein Leben Mit deinem holden Auge schließt. Ballabend Sie haben dich zum ersten Balle Wie eine Königsbraut geschmückt, Und stehen nun verwundert alle Von deinem stillen Reiz entzückt. Das Kleid von rauschend stolzer Seide, Die Blumenkrone in dem Haar, Und strahlender als das Geschmeide Dein wonnetrunknes Augenpaar — Ja, du bist schön! Wie Alpenglühen Sich um das Haupt des Gletschers flicht, Seh' ich die Freudenrosen blühen Auf deinem bleichen Angesicht. Mir aber zuckt in tausend Wunden Durchs tiefste Herz das bittre Weh, Ob ich nach wenig kurzen Stunden So schön, so rein dich wiederseh'; Und ob, wenn dir im blonden Haare Des Kranzes Rosen sind verblüht, Dann noch der Lenz, der wunderbare, So reich dir duftet im Gemüth. Liebesdämmerung Ach Geliebte! Durch die Nacht, Mit ihres Athems warmer Luft, Mit ihrer Blumen süßem Duft, Tönen mir Lieder, Süße, glühende, Halb vernehmlich. In dem Nebel der Düfte der Nacht Kommen mir Gestalten, Schwebend in Mondenglanz Und Sternenschimmer, Neigen sich schweigend, Himmlischer Anmuth voll, Wie in Verlangen Liebend mir zu. Bei der Stille der Nacht, Wenn der Abendwind schon schläft Im dunklen Busch, Und die Nachtigall schweigt Und der Gedanke; Bei der Stille der Nacht Fühl' ich wie Hauch fast Leise den warmen, Süß schauernden Druck einer Hand. In der Nacht, in der Nacht, Wann der Schlummer kommt, Eben das Auge mir schließen will, Naht mir Von himmlischen Lippen Liebeswarm Ein Kuß. — Deine Stimme, Deine Gestalt, Dein Druck der Hand, Dein Kuß. Liebesfluch Und ob du liegst und ob du schwelgst In deines neuen Buhlen Arm, Ob er dich herzet und dich küßt Und dich umschmeichelt liebeswarm; Dies Eine dennoch fühlst du stets: Ich bin es nicht, ich bin es nicht, Und Alles, was du dir erwirbst, Ruft dir auch zu: Ich bin es nicht! Vergessen kannst du es nicht mehr, Daß du einmal bei mir geruht, Daß dir das Herz einmal durchzuckt Ein Funke meiner Liebesgluth. Der hat mit Flammenzügen tief Dir in das Herz geprägt mein Bild, Das bleibt für immer dir zurück Als ein Verlangen, ungestillt. Und blickt auf dich sein Auge nun, Von Gluth und Zärtlichkeit beseelt, Du denkst bei jedem Liebesblick Des Blickes auch, der jetzt dir fehlt. Und lauschest seinen Worten du, Wenn er von Liebe zu dir spricht, Du hörst auch einen Ton, der schweigt, Das ist mein Ton, ich bin es nicht! Um kalt zu bleiben, viel zu groß, Zu klein, in Flammen aufzugehn, Hast du den schönen Tod verschmäht, Und mit der Wunde bleibst Du stehn. Ja, hätt' ich nur mit dir gespielt, Vielleicht, du könntest glücklich sein; Ich liebte dich, das war dein Fluch, Das trugst du nicht, du warst zu klein. Geh durch die Wüste glücklich hin, Und ruh' an der Oase Quell, Dich labt der Sterne kühler Glanz, Dir lacht der Sonne blendend Hell: Nur lieben, lieben kannst du nicht, Nicht ganz mehr, wer dir auch gefällt, Ich bin es nicht, ich fehle dir, Und hast du auch die ganze Welt. Erinnerung Im Schatten am Busch stehn Blümlein hold, Sie blicken hervor wie Funken und Gold, Die Lüfte wehn leis' im Laube dort, Und das Vöglein singt am stillen Ort. Auf diesem heimisch süßen Platz, Da hab' ich gesessen mit meinem Schatz, Wir sah'n in die weite Welt hinein Voll Blüthenduft und Sonnenschein. Wir lagen so traulich Arm in Arm; Herzen und Welt, es war Alles warm, Das Herz und die Welt, es war Alles gefüllt, In Farbe, Duft und Glück gehüllt. O du süßer, du lieber, wonniger Traum! Auf der Welle verrinnt der glänzende Schaum; Und mußt du verrinnen und mußt du vergehn, So laß mir den Traum von dem Traume bestehn. Laß von dem reizenden Sonnenblick Auf der grauen Wolke den Bogen zurück: Den Farbenbogen, glänzend und mild, Vom Sonnenstrahl das gebrochene Bild. Ruhig, mein Herz, im Schlaf versiegt ja Alles! Es fallen deine langen Blicke In meine Brust wie Abendschatten; Da senkt sich eine stille Ahnung Des Friedens auf den Lebensmatten. Halt' mich, Geweihte, tief umhüllet, Laß nichts den Schönheitsschlummer stören, Laß bis zum neuerwachten Morgen Mich tief den Lethebecher leeren! Neige dein Antlitz auf mich nieder, Daß deine dunkle Lockenfülle, Wie Wolkenschleier mir das Auge, Mir das Bewußtsein sanft umhülle; Laß mich die Stunden meines Schlummers An deinen süßen Pulsen messen, Sei du mein Schlaf, sei meine Ruhe! Sei meine Nacht, mein Weltvergessen! Thränen Die Thränen, die in stillen trüben Nächten Dein Auge weint, entrungen bittrem Weh, Fern jedem Blick, sind klare, ächte Perlen, Wie tief sie ruh'n am dunklen Grund der See. Die Thränen aber, die dein Auge weinet Vor aller Welt, dem Tage zugewandt, Sind bunte Steine nur, wie sie die Wogen Zu tausenden hinschleudern an den Strand. Die Liebe ist ein Traum der Nacht Die Liebe ist ein Traum der Nacht, Fern allem Schimmer, allem Glänzen, Du merkst es kaum, so leis' und sacht Umschlingt sie dich mit duft'gen Kränzen. Die Liebe ist ein Traum der Nacht, Und wie sie kam, siehst du sie scheiden, Doch bleibt dir, wenn du längst erwacht, Erinn'rung noch als Trost im Leiden. Trug deine Lieb' man auch zu Thal, Noch bebt in dir die alte Wonne, Und stets durchglüht dich noch ein Strahl Von der dahingesunk'nen Sonne. Drei Herzen Kinderherz, du gleichst der Welle, Die den Himmel in sich trägt, Mit den Sonnenstrahlen spielend, Noch von keinem Sturm bewegt. Männerherz, du gleichst der Woge, Von der Windesbraut erfaßt, Wild hinauf die Tropfen schleudernd Zu des Schiffes stolzem Mast. Und du, Herz des Greises, gleichst der Welle, hingeführt zum Strand Von dem leisen Hauch des Windes, Still verrinnend in den Sand. Lebensbücher Ein Märchenbuch, so liegt die Welt Vor deinem Blick gebreitet, Wenn dich als Kind mit treuer Lieb' Die Hand der Mutter leitet. Stürmst du als Jüngling keck hinaus Ins rasche wilde Leben, Begeistert sie als Heldenbuch Dein kühnes, frisches Streben. Hast du als Mann im Leben dir Zufriedenheit gewonnen, So ist die Welt ein lehrreich Buch, Ein klarer Weisheitsbronnen. Und deckt des Alters Schnee dein Haupt, So wird die Märchenfibel, Das Büchlein deiner Kinderzeit, Zur alten, heil'gen Bibel. Prüfe Die Lieb', die deinem Hause naht Von aller Welt gesehn, Die weise ab von deiner Thür Und heiß' sie weitergehn. Die Lieb' jedoch, die in der Nacht, Im Sturme zu dir flieht, Die lasse ein, doch still, so daß Sie Niemand kommen sieht. Ein Stammbuchblatt Willst du im Leben Kraft und Muth behalten, Schau' über dich! Willst träumen du von irdischen Gewalten, Schau' unter dich! Willst du am eignen Herd nicht einsam schalten, Schau' um dich! Und soll dein Herz nicht allzufrüh erkalten, Schau' in dich! Ich grüße dich sonnigen Maientag Ich grüße dich sonnigen Maientag, Und das junge Laub auf den Bäumen, Der Lerche Schmettern, des Finken Schlag, Den murmelnden Quell und den rieselnden Bach In Waldes schattigen Räumen. Ich streife das Laub von dem Birkenzweig, Wie duftet das Blatt und die Rinde, Ich strecke aufs Moos mich, so schwellend und weich, Hier hebt sich die Buche ins Wolkenreich, Dort schattet die flüsternde Linde. Wie würzig umspielt mich der harzige Duft Der himmelhochstrebenden Tanne! Wie blau ist der Himmel, wie milde die Luft! Hier hemmt meinen Schritt keine gähnende Kluft, In den Wald zieht's mich mächtig von dannen. Hier bin ich allein mit den Gräsern der Flur, Mit den Käfern und schlanken Libellen, Hier hör' ich den Pulsschlag der freien Natur, Hier seh' ich im Kleinsten auf jeglicher Spur Das mächtige Schaffen und Schwellen. Hier lebt es und webt es, hier schäumt noch die Kraft, Hier singt es und klingt's auf den Matten, Hier brechen noch schwellende Knospen die Haft, Hier steigt in die Bäume der nährende Saft, Hier labt noch das Licht und der Schatten. Wie rauschen die Bäume so wunderbar! Den Tempel des Waldes erwähle; Dort opfert Velleda auf grünem Altar, Dort jubelt dein Herz, ein beflügelter Aar, Dort hebt sich dir freier die Seele. Blick in die Zukunft Rufe nicht vergang'ne Tage, Nicht entschwund'ne Zeit zurück; Leb' der Gegenwart und klage Nimmer um verlor'nes Glück. Liegt die Welt doch vor dir offen, Lenke kühl des Schiffes Kiel, Du sollst kämpfen, dulden, hoffen, Und erreichst das ferne Ziel. Weh' dem Manne, der verzagend Auf verfloss'ne Stunden schaut, Der, die Gegenwart verklagend, Nicht der eignen Kraft vertraut; Der mit Wehmuth und voll Bangen Rückwärts hält den Blick gewand; Glänzend liegt, du mußt's erlangen, Vor dir das gelobte Land! Vorwärts, vorwärts, immer weiter! Such' der Sehnsucht goldnes Vließ, Dann erkämpfst du, siegesheiter, Was die Jugend dir verhieß. Rufe nicht vergang'ne Tage, Nicht entschwund'ne Zeit zurück, Leb' der Gegenwart und klage Nimmer um verlor'nes Glück. Es stand der Wald in grüner Blättertracht Es stand der Wald in grüner Blättertracht In lauer, lieblicher Mittsommerzeit, Die Blüthen strahlten in der reinsten Pracht, Und Vogellieder schallten weit und breit. Da schritten wir, ein froher Menschenstrom, Auf den die Sonne leuchtend niederschien, Beseligt in des Waldes stolzem Dom, Der über uns gespannt den Baldachin. Noch war vom Thau der frische Rasen naß, Die Lerchen wirbelten, der Buchfink pfiff, Thautropfen funkelten an jedem Gras, Ein grüner Speer mit diamantnem Griff. Ob den die Elfen wohl im Walde schwingen, In milder Sommernacht beim Mondenschein, Wenn schmetternd rings der Sprosser Lieder klingen Von Lenzeslust und süßer Liebespein? Ich sah um mich die lieblichsten Gestalten Der ewig jungen, schaffenden Natur, Ich sah die Blüthen ihren Kelch entfalten, Sah Frieden ausgegossen auf die Flur. Wie fühlt sich dann beseligt das Gemüthe Beim allgemeinen, vollen Jubelchor, Und lieblich sprießt der Liebe zarte Blüthe Selbst in gedrückter Menschenbrust empor. Doch unter Allen sah ich nur die Eine, Von ihrer Anmuth nie mein Auge wich, Die einer Dryas stiller Eichenhaine, Die stolzen Wuchses einer Hertha glich. Wie floß das Kleid in malerischen Falten Um ihren schlanken jungfräulichen Leib, Und unter starren menschlichen Gestalten Sah ich ein edles, ein verklärtes Weib. Es ruhte heil'ge Stille ausgegossen Auf Wald und Flur und auf dem grünen Hag. Nur daß zuweilen durch die Tannensprossen Ein stolzer Hirsch und eine Hindin brach; Und es erstarb, das Schauspiel zu betrachten, In eines Jeden Mund der laute Ton, Wir hörten, daß die dürren Zweige krachten, Doch Hirsch und Hindin waren jach entflohn. Es setzte Dieser in das Gras sich nieder, Und Jener wählte sich des Baumes Ast: Ich sah nur sie, wie ihre schlanken Glieder Sich streckten auf das Moos zur kurzen Rast. Und als die Zeit des Aufbruchs war gekommen, Strich ich verwirrt mir aus der Stirn das Haar, Mir war so selig, war so süß beklommen, Und um mich ward es plötzlich licht und klar. Ich sah sie an, ich ging an ihrer Seite, Ob sie empfunden wohl, was ich empfand? Ich gab ihr durch den Waldgrund das Geleite, Und schüchtern nur berührt' ich ihre Hand. Wie selig, durft' ich ihr Gewand nur streifen, Dann regte stärker sich der Sehnsucht Trieb, Und kühner mußt' ich ihre Hand ergreifen, Und in mir klang's: „Wie hab' ich dich so lieb!“ „Ich hab' dich lieb!“ Das soll mir ewig klingen Gleichwie ein warmer Frühlingsgruß ins Herz, Und deine Lieb' und Güte will ich singen, Dich lieben, dich verehren allerwärts. Und fester sollen stets sich unsre Seelen, Und fester sollen ewig Herz und Hand In Lieb' und Gegenliebe sich vermählen, Sprich, welche Gottheit löst ein solches Band?