Einleitung Eine neue lyrische Anthologie bedarf einiger Worte der Rechtfertigung, denn es könnte dem Fernerstehenden scheinen, es seien schon allzuviel solcher Sammlungen im Umlauf. Wer aber recht zusieht, der wird mir wenigstens darin recht geben, daß diese Sammlungen neben dem unantastbaren Besitzstand unserer klassischen Lyrik nur noch den Epigonen bereitwillig Raum, ach, allzubreiten Raum, gewährt haben. Daß auch unsere Zeit ihren Anteil, ihren ehrlich erkämpften Anteil an der Lyrik und ihrer Entwickelung hatte, davon wollten die Herausgeber dieser vielen Anthologieen nichts wissen. Dann kamen die kampfesfrohen Zeiten der achtziger und neunziger Jahre; die Modernen vereinigten sich in modernen Musenalmanachen und Anthologieen, die nun zeigen sollten, was die „Jungen“ im Gegensatz zu den abgethanen Alten konnten. Es lag in der Natur der Sache, daß diese Sammlungen alle mehr oder weniger Kampf– und Streitschriften wurden, die manchmal allzu hitzig in den Krieg zogen; daran mag es liegen, daß sich diese Bücher so wenig Freunde gewannen: es lag zu viel Unfertiges, zu viel Kampf und Erbitterung über ihnen, zu viel Programm und zu wenig rein künstlerische Leistung, heute aber hat sich die moderne Lyrik ihren Platz erobert: sie kann schon freieren Blickes auf das Erreichte zurückblicken und darf darauf bedacht sein, nun auch ihre Stellung zu befestigen . Eine gewisse Ruhe ladet jetzt zum Verweilen ein, eine Ruhe, in der wir uns des Sieges freuen dürfen . Und ein Zeichen dieses Sieges will auch dieses Buch sein: es stellt die jungen Künstler, die heute leben und schaffen, als gleichberechtigt neben die Alten; gleichberechtigt wenigstens in dem Anspruch, wie diese Gelegenheit zu haben, bekannt zu werden; das aber kann fast allein durch eine Anthologie geschehen, da in der Unrast der heutigen Tage den Meisten zu wenig Zeit übrig bleibt, sich aus der großen Zahl der neuen Erscheinungen dasjenige herauszusuchen, das ihnen etwas zu sagen hat. Dann hat die Auswahl ihren Zweck erfüllt: wem ein tieferes Eindringen in die dichterischen Persönlichkeiten lieb ist, der wird dann zu den Werken selber greifen. Man wird mir vorwerfen, daß viele Namen in diesem Buche fehlen; Namen, um die gerade in letzter Zeit der Kampf entbrannt ist; wer aber aufmerksam diese Einleitung gelesen hat, wird mir zugeben, daß gerade diese Dichter nicht aufgenommen werden konnten, wenn der Charakter des Buches nicht darunter leiden sollte. Vollständigkeit habe ich nicht angestrebt; es lag mir wenig daran, mit einer langen Reihe von Namen aufzuwarten; die Aufnahme sollte sich in erster Linie durch das gesamte Schaffen oder durch die Persönlichkeit , wie sie sich aus den Werken darstellt, rechtfertigen. Auch der bei solchen Gelegenheiten vielbemühten Objektivität rühme ich mich nicht. Diese Objektivität erscheint mir immer etwas verdächtig; eine solche Auswahl kann nur subjektiv sein und man sollte den Mut haben, das offen zu bekennen. Auch bei der Auswahl der einzelnen Gedichte wird der Eine oder Andere etwas auszusetzen haben — und vielleicht mit Recht; aber hier wird das subjektive Gefühl immer das letzte Wort behalten: Ein Spielmann auf seiner Geige strich. Es klang so rot, so königlich. Und sein hartes Kinn lag auf der Fiedel. Ein Knabe ging und stand und blieb. Und jeder Strich war ein Sensenhieb. — — — Und andern war's nur ein Straßenliedel. singt Richard Schaukal. Ist es nötig, darauf hinzuweisen, daß die Auswahl auch mit Rücksicht auf die Klangschönheit getroffen wurde? Daß es im Wesen der Lyrik liegt, laut gelesen zu werden ? Es scheint so selbstverständlich, und doch, wie Wenige verstehen es, Gedichte so auf sich wirken zu lassen! Berlin, im November 1898. Ludwig Gemmel. Am Geburtstag Neben mir plauderts im glitzernden Quell Aus Sonnentagen der Kindheit hell, Während von fern herüberklingt, Was eine Drossel zum Neste singt. Mit dem feinsten Summen ziehn Tausend Lebensmelodien Überall aus den Gräsern hervor, Zu den Wipfeln hebt sie der Wind empor: Stolz dann wallen sie einher Mit den heiligen Hymnen vom fernen Meer, Die über die Weiten der Waldeshöhn Droben in frommen Wogen gehn. Und wie meine Seele spinnt: Deine Stimme im Kleinsten rinnt, Und wie meine Seele lauscht: Deine Stimme im Größten rauscht - Alles ist gut, alles ist Ruh, Denn die ganze Welt bist Du. Krankheit Wenn droben du bist, der alles Leben du Durchbluten läßt dein allempfindendes Herz, Laß es genug der Qual sein, heiliger Gott: Nimm sie mir nicht! Die du geschaffen, überall dich zu sehn, Dich zu fühlen, wo sie nur je gefühlt, Dich zu leben, jeden Gedanken voll Freudiger Güte — Ich bin ein Mensch, und meine Kraft wird matt: Nimm du auch mich, vergönnst du es mir nicht mehr, In ihrer Seele ruhigem Grund bei dir, Vater, zu weilen. In dämmerdunklen Wegen Drei Liebeslieder Wir liebten uns in dämmerdunklen Wegen, es schwamm der Mond im warmen Sommerregen: gleich einem Glück im fernen Schoß der Zeit - wie Liebe, süß verträumt in Heimlichkeit, so hat sein Bild im grünen Teich gelegen, — wir liebten uns in dämmerdunklen Wegen... Und von den Büschen tropfte leis der Regen, Hollunderdüfte quollen uns entgegen, das Buschwerk rauschte unsern Schritten nach, und hinter deines Schirmes rotem Dach verstummten wir in süßer Liebesfeier... da riß ich fiebernd dir den braunen Schleier in süßer Hast vom tauig feuchten Mund, da küßt ich deine roten Lippen wund: so hab ich in den sommerschwülen Wegen, von Glück betäubt, an deiner Brust gelegen... In gelben Ähren Drei Liebeslieder Wir gingen in gelben Ähren. Nachmittagsstille! Von Grillenheeren nur ein summender Sang, nur der leise Klang verliebter Worte, — von deines Kleides seidener Borde ein Flüstern in gelben Ähren... Wir legten uns müde nieder. Leises Knistern von deinem Mieder... Kornblumen standen zu Häupten uns; wir wanden zu Kränzen sie und bliesen vom Mohn die roten Fahnen — kein Ton — nur Knistern von deinem Mieder... Und der Abend kühlte die Ähren. Unsre Augen, die liebeschweren, tranken den Purpurwein der Abendröten in sich hinein; unsere Seelen in sich versanken, in Liebesgedanken, in Frieden, in liebeschweren... Nach dem Sturm Drei Liebeslieder Der Sturmwind kam und fegte rein den Himmel, in einer Ecke fern im Osten lag noch wie ein Häufchen Staub ein grau Gewimmel — In Abendröten endete der Tag. In unsern Herzen lag wie dumpfe Schwüle tagüber sündigheiße Liebeslust, der Abend brachte erst mit Sturmeskühle den blauen Himmel auch in unsre Brust. Nun flüstern, Blumen gleich im weichen Winde, sich unsre Seelen satt nach all der Not, — ein Häufchen stiller Staub, ruht fern die Sünde, beleuchtet von der Liebe Abendrot... Die Hochzeit zu Kana Und Rosenduft und süßer Duft vom Wein vermählten sich im goldnen Abendschein... Das war ein Tag der Freude! Jubelnd klang zum Saal empor der Mägde Festgesang, und himmelsrein das Lied der Harfe scholl. Die Gäste lauschten süßen Weines voll. Auf seinem Purpurpfühl das selige Paar in sich und seinem Glück versunken war... Sprach Thomas, einer von den Zwölfen, leise zu Petrus da: „Ich deut in meiner Weise das heilige Wunder, das wir heut gesehn — Gott ließ ein größres hier vor uns geschehn — Sieh diese beiden! Wasser ward zu Wein: Zum Liebesrausch ihr ganzes Erdensein!“ Und jubelnd klang und schwamm aus Rosenduft das Lied der Liebe durch die goldne Luft! ... Indes stieg fern im Ost der Mond empor. Und leise ging das morsche Gartenthor: Und Christus war allein. Er sah zurück: in diesem Blick lag all sein reiches Glück... Und leichten Schrittes ging er durch das Korn. Leis durch die Sommernacht klang süß verworrn der Vögel Ruf im mondbeglänzten Ried, das Rauschen reifer Ähren und das Lied der Sehnsucht, süß das Harfenlied der Liebe... Und Christus war allein. Bergsee Tiefgrün wie ein Smaragd in zackiger Krone ruht still der See, von Klippen eingeschlossen; die Berge ragen wie gewaltige Throne rings in den Himmel, sternenlichtumflossen. Und auf den Wassern, im krystallnen Dunkel, liegt bleich des Mondes Bild, als ob es schliefe; zuweilen steigt mit magischem Gefunkel ein Silbernebel dampfend aus der Tiefe. Erhabne Stille atmet aus den Fluten und sinkt herab aus lichter Himmelsferne: So ruht ein Herz, das frei von allen Gluten, Gedanken sinnend, spiegelt Mond und Sterne... Herbststimmung Der Himmel, herbstlich schon gestimmt, in kupferfarbnem Rot verschwimmt. Ich blicke übers fahle Ried und lausche dem letzten Vogellied... Indeß geht still von Haus zu Haus die Nacht und bläst die Lichter aus... Und alles schweigt. Der Nebel steigt und neigt sich schwer. Und alles schweigt. Und blaß der Mond aus Wolken tritt, da schlürft ein scheuer Schleicherschritt — von einer Blendlaterne fällt ein Licht kalt in die Sommerwelt — der Tod... Letzte Fahrt Ich möchte heimlich still hinüberschreiten, So wie der Abend in die Nacht verrinnt. Es sollen süße Lieder mich begleiten Zu meinen Inseln, die beglückend sind. Ich möchte sterben schön und ohne Fehle Und noch im Tode reich an Sehnsucht sein Und möchte fühlen, wie die freie Seele Mit Klingen zieht zu ihren Himmeln ein. Unfern Husum Der Abend tastet mählich auf die Heide, In Schlick und Prielen sinkt das Wattenmeer. Mein Himmel ist wie purpurblaue Seide, Über den Deich gehn stille Nebel her. Die Binsengräser zittern leise, leise. Das thut der wunderweiche Westerwind. Heimlich von drüben eine Liederweise — Auf grauer Hallig singt ein Friesenkind. Ich greife mit verhülltem Blick hinaus — Wo liegt das Land der sehnsuchtstillen Ruh? Der Krake breitet seine Flügel aus Und lenkt den Inseln zu... Ein Abschied Nun ist die Stunde unsrer Trennung also da. Sei still. Wir wollen sie uns nicht noch schwerer machen. Es muß nun sein. Es muß. Wir haben keine Wahl, Wir wollen stark sein, Käthe. Gieb noch einmal mir Die warme, wunderweiche Hand. Noch einmal laß Hintasten mich über dein seidenglänzend Haar, Das du so oft mir kühlend um die Stirn gebreitet, Da noch das Glück war. So. Und nun den Mund, den Mund... Was wendest du dich ab? Sei gut. Gieb mir den Mund. Ist qualvoll auch und grausam dieser letzte Kuß — Wir wollen unsern Becher bis zur Neige leeren. So. Gieb. Oh du! Mein! Mein! Wirst du mich je vergessen? „Ich will dich immer, immer lieben, guter Hans.“ „Lebwohl.“ „Lebwohl...“ Hei! wie der junge Tausturm unsre Glieder traf, Indeß du müden Auges dich stadteinwärts wandtest Und ich mich in die frühlingsnassen Felder schlug. Ein Mädchen spricht: Oh meine Augen Brennen so. Oh meine Lippen Dürsten so. Oh mein armes, gequältes Herz Blutet so. Wer kühlt meine Augen? Wer stillt meinen Durst? Wer giebt meinem Herzen Frieden? Eia, mein Fluß... Du bist gut mit mir, gelt? Kühle meine Augen, mein Fluß. Stille meinen Durst, Gieb meinem armen Gequälten Herzen Frieden. Frieden... Heimwehlied Oh wie die Thale glänzen Durch die silberne Sommernacht. Dort, wo der Mond am Himmel steht, Muß meine ferne Heimat sein. Oh Glanz der silbernen Thale, Wie machst das Herz du weh und wund. Ich möchte vergehn in Sehnen Nach meiner fernen Heimat. Oh warum zog ich junger Thor Zu diesen blühenden Ländern aus? Nun bin ich müd und ist mir bang dahin, Wo stille Nebel über die Felder gehn — Oh meine ferne Heimat... Frühlingszuruf Nun sich die Knospen aus den Zweigen drängen, Blühende Kräfte morsche Bande sprengen, Wohin Du siehst, wacht alles fröhlich auf —: Nun sei in Deiner Seele rein und heiter, Erzengel rechts und links Dir als Begleiter, Nimm in den Morgen fröhlich Deinen Lauf! Die Schwingen streifen Dich an beiden Seiten, Um Dich der Engel Atem im Geleiten, Wie muß Dein Schritt jetzt frei und kräftig sein! Schreit aus und glaube: Dir erklang das Werde! Schick Deine Blicke aus: Die ganze Erde Blüht Dir an's Herz: was schön ist, das ist Dein! Denn der ist König über alle Dinge, Und den berührt der Engel goldene Schwinge, Der seine Blicke so aussenden kann, Daß sie wie Adler Beute heimwärts tragen, Und dem die Morgenstunden leuchtend sagen: Du Mensch mit hellen Augen, nimm uns an! Zuversicht in Pan Blauer Himmel und weiße Blüten... Ein göttliches Begüten Liegt über aller Welt; Es ist ein himmlisch Hüten, Das uns in Armen hält. Weiß nicht, wohin michs leite, Weiß nicht, wohin ich schreite, Mein Herz ist wohl bestellt: Ich wandre in die Weite, Wohin es Pan gefällt. Der hat mit tausend Blüten Mir meinen Weg erhellt. Das Lied von Ferne Ich seh die Welt Als wie ein Feld, Das hoch im Halme steht. Die Sichel singt, Von Ferne klingt Ein Lied wie hergeweht. Nun wird es leer, Und rundumher Garbe an Garbe steht. Und immer doch, Und immer noch Ein Lied, wie hergeweht. Nun Herbst und kalt, Und Winter bald, Und alles überschneet, Und doch, und doch, Und immer noch Ein Lied wie hergeweht. O reiches Feld, O reiche Welt, Durch die mein Leben geht, Als wie ein Hauch. Mein Leben auch Ein Lied wie hergeweht. Abendlied Die Nacht ist nieder gangen, Die schwarzen Schleier hangen Nun über Busch und Haus. Leis rauscht es in den Buchen, Die letzten Winde suchen Die vollsten Wipfel sich zum Neste aus. Noch einmal leis ein Wehen, Dann bleibt der Atem stehen Der müden, müden Welt. Nur noch ein zages Beben Fühl durch die Nacht ich schweben, Auf die der Friede seine Hände hält. Banger Abend Nacht neigt sich auf die Gassen; Ich fühl' mich so verlassen, Bin nirgendwo zu Haus. Die Zimmer werden helle; Mir winkt hier keine Schwelle, Ich geh' zum kleinen Flusse, der zwischen Wiesen fließt hinaus. Sein Fließen ist so leise; Im weiten Wiesenkreise Liegt graue Stummheit schwer. Ich seh' mein Leben fließen; Flach zwischen fahlen Wiesen Verrinnt es ohne Klingen müd in ein tiefes, graues Meer. Traum durch die Dämmerung Weite Wiesen im Dämmergrau; Die Sonne verglomm, die Sterne ziehn, Nun geh' ich zu der schönsten Frau, Weit über Wiesen im Dämmergrau, Tief in den Busch von Jasmin. Durch Dämmergrau in der Liebe Land; Ich gehe nicht schnell, ich eile nicht; Mich zieht ein weiches, sammtenes Band Durch Dämmergrau in der Liebe Land, In ein blaues, mildes Licht. Nachts an die Nachtigall Oh du Nachtigall mit süßem Sang, Liebesruferin in dunkler Nacht, Kleine Brust, von Seligkeiten bang, Seele, die in Sehnsucht schluchzend lacht, Flöterin aus dunkeltiefem Grund, Warum macht dein Lied das Herz mir schwer? Ach, ich fühls, noch immer ist es wund, Dieses Herz, und duldet viel zu sehr. Schlägt noch nicht im eigenen Genuß, Liegt noch immer in der Sklaverei, Daß es allem Leide frohnden muß, Bebend lauschen jedem Weheschrei. Wärs wie du und fühlte nur die Lust Und die Schönheit dieses Lebensdrangs, Seiner Sehnsucht stürmisch nur bewußt Und der Fülle eigenen Gesangs, Wärs wie du oh süße Nachtigall, Glücklich wär dies Herz, und all sein Schlag Wäre wie Gebet und Glockenschall Zu der Sonne und dem lichten Tag. Das Mädchen ohne Bräutigam Wenn ich Braut bin, wenn ich Braut bin, Will ich haben kein weißes Kleid, Kein weißes Kleid; Aus schwarzer Seide, so soll es sein, Aber viele, viele weiße Rosen drein, Große, weiße Rosen gestickt. So will ich gehen, so will ich gehen, Ganz langsam, langsam an den Altar. Aber rote Rosen, ganz dunkelrote Rosen Im Haar. Und mein Brauthemd? Mein Brauthemd? Wie soll das sein? Vom allerfeinsten Linnen Und schneeweiß soll es sein. Blos oben am Halse von Spitzen ein Rand Und unter den Spitzen ein blaßblaues Band. So soll mein weißes Brauthemd sein. „Und dein Bräutigam, Mädel, wie soll der sein?“ Schön und stark soll mein Bräutigam sein. Nicht gar so baumlang, aber auch nicht klein, Und nicht schniegelbügelglatt; Mit den Augen soll er lachen, Wenn er im Arme mich hat. „Kennst du so Einen?“ Gott, bist du dumm! Ich kenne keinen. Wenn ich einen kännte und hätt' ihn lieb, Mir keine Zeit zum Ausmalen blieb. Nähm ihn, wie er wäre, ob groß oder klein; Auch das Brautkleid sollte mir einerlei sein. Würde nach seinem Auge mich kleiden In schwarze oder weiße Seiden. Weiß doch, daß mir alles steht. „So ist dir gar nicht ernst, was du sagst?“ Nein, bist du dumm, wie so ernst du fragst! Blos, daß die Zeit vorübergeht, Bis er kommt, den ich und der mich mag, Vermal' ich bunt mir so den Tag. Ach, dann, wenn er da ist, dann, ach, dann, Mal ich mir weder Kleid noch Mann. Dann thu ich... „Was denn?“ Hasche mich, du! Na, so komme doch, lauf doch, greif doch zu! Gott, bist du langsam! Wenn ihr Alle so seid, Brauch ich niemals ein Hochzeitskleid. Wenn wir alt sein werden Wenn wir alt sein werden, Wenn der Ruhe Dämmerung Leis in immergleichem Atemzuge uns im Herzen haucht, Wenn das Auge matt und milde blickt, Kältre Farben sieht und flockigen Umriß, Wenn der Hände Drücke, Altersfaltenweich, Immer abschiednehmender, zag sich fühlen, Wenn das Hirn, Von Erkenntnis starr, immer kälter wird, Und der Hoffnung warmer Taubenflügelschlag Nicht mehr linde Glücksgedankenwellen schlägt, Wenn an Rosen-Statt Herbstzeitlose blaßt...: Sonne, Sonne! Du auch wirst mir dann verbleichen, Die ich kindlich und anbetend liebe; Eine Wärme nur, Eine Liebe nur, Nur einen Glauben dann Werd' ich mir wahren: Dich, Du Traumvergangene, Heilige. Letzter Wunsch Daß Deine Hand auf meiner Stirne liegt, Wenn mich das Sterben in der Wiege wiegt, Die leis hinüber ins Vergessen schaukelt, Von schwarzen Schmetterlingen schwer umgaukelt. Ein letzter Blick in Deine braunen Sonnen: Vorüber strömen alle uns're Wonnen In einer bitter-süßen Letztsekunde; Ein letzter Kuß von Deinem warmen Munde, Ein letztes Wort von Dir, so liebeweich: Dann hab' ich, eh' ich tot, das Himmelreich, Und tauche selig in den großen Frieden: Der Erde holdestes war mir beschieden. Schmied Schmerz Der Schmerz ist ein Schmied, Sein Hammer ist hart; Von fliegenden Flammen Ist heiß sein Herd; Seinen Blasebalg bläht Ein stoßender Sturm Von wilden Gewalten. Er hämmert die Herzen Und schweißt sie mit schweren Und harten Hieben Zu festem Gefüge. Gut, gut schmiedet der Schmerz. Kein Sturm zerstört, Kein Frost zerfrißt, Kein Rost zerreißt, Was der Schmerz geschmiedet. Zwischen den Hecken Beeren winken reif und rund. Willst du eine essen? Beiß mir diese aus dem Mund! Gelt ich bin vermessen? Aber Beeren rot wie Blut Schmecken zwischen Küssen gut. Sieh! ein bunter Schmetterling Kreist um deine Wangen. Soll ich dir das Zappelding Mit der Mütze fangen? Hefte ihn auf deinen Hut, Steht zu Band und Blumen gut. Drüben tönt ein alt Klavier, Dolden schaukeln träge. Beide Hände reichst du mir, Und auf Gras und Wege Gießt die Sonne weiche Flut, Und die Sonne ist uns gut. Sehnsucht O singe, singe mir das Lied Von jener lichten Morgenstunde, Wir saßen tief im Wiesengrunde, Die Sonne küßt dein Schattenlid: Es winkte fern ein Zauberland, Dort glänzten weiße Lilien mild Auf einem grünenden Gefild, Dort gingen wir am hohen Strand... Und unsre Augen wurden weit In Stille und in Seligkeit Vor diesem fernen Zauberland. Dort schauerte dein weiß Gewand Und süß darunter deine Brust, Als ich mit Liliensilberblust Dir Stirn und Locken reich umwand... Wir sahen lange in das Glück, Dann kehrte unser Blick zurück, Und wortlos nahm ich deine Hand. Das ist das Lied, das ist das Lied Von jener lichten Morgenstunde. Laß mich aus deinem keuschen Munde Vernehmen, wie die Weise zieht. Aufschwung Durch den Rahmen Zweier gewaltigen Eichenstämme Glänzt der ferne See mich an, Glänzt wie das große Auge der Welt. Mir schaudert. Das Auge leuchtete, Als ich noch war Im Grün des Waldes, Im Gold der Sonne, Im Regentropfen. Das Auge leuchtet Über mein Leben. Das Auge wird leuchten, Wenn ich zurückgekehrt Ins Grün der Bäume, Ins Blau der Luft. Ich muß verwehn. Wie diese Blüte, Wie diese Eiche, Wie dieser Falter, Der aus der fließenden Rinde trinkt. Warum? Warum! rotzackige Blüte da Bin ich nicht Du geworden? Du Eiche? Du Falter? Ich weiß es nicht. Ich wurde Mensch. Die Eiche wächst Ihren knorrigen Wuchs, Der Falter fliegt Durch helle Lüfte, Ich, soll ich sitzen Für und für Und müde Fragen Einwerfen vor jenes Große Auge? Kleb' ich mit Wurzeln An diesem Fleck? Ich habe Füße Zu gehn, Ich habe Hände Zu schaffen. Gehn will ich und schaffen Mensch unter Menschen Und alle Lust Und alles Weh Genießen Und meine Seele Zur Flamme entfalten, Die golden strahlt Und ihren Schein In andere Menschen Übersprüht, Damit ihr Bild In ihnen glänze, Wenn sie lange sich selber Gelöscht. Nur in den Stunden Der Qual, Nur in den Stunden Der hellen Stille Setz' ich mich wieder Auf diesen Granit, Einsam und nackt. Und schaue Und schaure Dort in das ruhige Auge der Welt. Im Morgenwind Der goldig junge Morgenwind geht träumend durch die Felder. Der Himmel ist so märchenklar. Rotwangig spielt am Rain ein Kind mit Klatschmohn, Korn und Raden, und freut sich, wie die blühend bunt voll leuchtend tiefer Farben sind, und prüft mit blauen Blicken was zwischen Halm und Himmel lebt in lachendem Entzücken; dann schmückt sich's bunt sein blondes Haar und denkt — nein: fühlt nur heiter-still: Das bleibt nun immerdar. Und der Himmel ist so märchenklar. Spaziergang Über weiche Wiesen schweif' ich, wo's aus tausend Keimen bricht, Gräser, Kräuter, dicht an dicht, und mit Kinderblicken greif' ich, treulich, täppisch, so ins Licht — so ins Licht und in die Weite, und die Augen blenden mir, und mit diesen Händen hier brech' ich Blumen, bunt zur Seite, — und die Blumen bring' ich Dir! „Schmück dir das Haar mit wildem Mohn, die Nacht ist da — — — — — — — — — — — — — — schmück mir dein Haar mit wildem Mohn!“ (Dehmel) Mohn Vor meinem Fenster glüht wilder Mohn; deß freute ich mich als Knabe schon: wie aus den schmalen Blättern, so zackig, rauh und wunderlich, die schlanken Stiele klettern; und wie die rote Blüte sich so leicht und weich im Winde wiegt und in dem feuerwilden Rot geheimnistiefe Bläue liegt — doch in dem stillen Dunkel blitzt und blinkt der Sommerthau wie köstlicher Karfunkel. Wenn dann die Zeit der Reife kam, Wie war das neu und wundersam: im satten Mittaggluten sah ich den bunten Blätterschmuck matt in das Riedgras bluten; und spürte, wie das dunkle Grün der Kapsel hoch und höher schwoll und rieselnd aus dem schmalen Riß ans Sonnenlicht der Same quoll und auf das Erdreich schäumte — und fühlte, wie das stille Land von künftigen Wundern träumte... Und heut, in Julimorgenglut, du bleiche Braut, mein Glück und Gut, will ich ins Feld dich führen: die Halme reifen goldig-gelb — kannst du das ahnend spüren? Neig meiner Hand dein liebes Haupt, nimm still den wilden Mohn ins Haar und reck dich hoch und sieh mich an — wie blickt dein Auge tief und klar — ! Bald, wenn die Nächte reifen, muß ich die Blüten, blutigrot, dir ernst vom Haupte streifen — — — Junge Frau Die Dämmerung war längst hereingebrochen. — Sie hatte still vom Erker ausgeblickt, das blasse Köpfchen in den Plüsch gedrückt; das Windspiel war zu Füßen ihr gekrochen. Durch ihre Seele klingt ein fernes Lied; die Lippen lächeln in verschwiegener Wonne, die Blicke träumen in die Abendsonne — wie wenn sie lichte Paradiese sieht — — O tiefstes Wunder, ewig ungesprochen — ! Ein goldnes Zukunftland wird in ihr wach — ! Ihr Atem wellt sich warm durch das Gemach... Die Dämmerung war längst hereingebrochen... Nebel Im Nebel quälen sich die Gaslaternen; der Domplatz und davor die Reihe Linden scheint hinter starren Mauern zu verschwinden, und alles Nahe drängt in weiße Fernen. Ein Wagen rollt im Trabe mir vorbei, ob rechts, ob links, ob fern, ob drohend dicht — ich mühe mich, doch ich erkenn' es nicht; gleichförmig klappt des Aufschlags Einerlei. Dann grabesstill. Mir schwinden Raum und Zeit —: Auf weiter Haide bin ich eingeschneit; mir ist, daß keine Seele mich vermisse. Ringsher ballt sich der Nebel mir entgegen, und schauernd fühl' ich um mein Herz sich legen die große Todesfurcht... das Ungewisse... Der Gottsucher Sieh, meine Hände hebe ich auf zu dir Und meine Stimme ruft aus verdunkelten Gründen, Ein einzig Zeichen, Allmächtiger, schenke mir Und will dich preisen und wandelnd auf Erden verkünden. Ich hab' dich gesucht — kein Stündlein gönnt ich mir Rast! Wie hab' ich gerungen um deinen geheiligten Segen! In Sälen der Großen war ich ein fremder Gast, Ich hab' als Gast in Hütten der Armut gelegen. In freien Winden stand ich auf Bergeshöhn, Ich bin durch Thäler, schwer von Weizen, gezogen, Ich hörte die Meere rollen und Glocken gehn — Mein Hoffen und Harren, du hast es noch immer betrogen! Ach, meine Augen sind trübe von Staub und Streit, Mein Fuß ist schwach, ich irr' im Guten und Bösen, Ich schreie nach dir, wie das Kind nach der Mutter schreit — Allmächtiger, neige dich nieder, mich zu erlösen! Über den Bergen Über den Bergen, weit zu wandern, Sagen die Leute, wohnt das Glück, Ach und ich ging im Schwarme der andern, Kam mit verweinten Augen zurück. Über den Bergen, weit, weit drüben, Sagen die Leute, wohnt das Glück... Juli-Sonntag Der Sonntagswind streichelt das Binsenmeer, Darüber gaukeln Libellen her. Ein alter Fischer im Kahne ruht, Und gleißend und glänzend dehnt sich die Flut. Ein Rohrspatz schreit im Binsenmeer, Vom Kloster läuten die Glocken her. Sie wandeln die Weiten hinauf und hinab, Der Alte nimmt betend die Mütze ab. Der Sonntag geht über die Felder. Kirchweih Hell jubeln die Geigen mit Kling und Klang, Viel Füße scheuern den Boden lang, Und ich hab' dich im Arm, ich führ' dich zum Reih'n, Du sollst meine Herzallerliebste sein! Ach Liebste, wie flatternd dein Röckchen sich schwingt, Wenn wiegend und juchzend der Ländler erklingt! Und fester lehnst du dein Köpfchen an, Schon dämmert drüben der Abend heran, Die Böller krachen zu Tanz und Spiel, Leuchtkugeln steigen wer weiß wie viel, Und du giebst mir die Hand und lächelst empor Und sprichst mir verliebte Wörtchen ins Ohr. Und wenn wir den Feldweg dann heimwärts gehn, Weit in den Saaten die Rehe stehn. Die Wildgans tönt in der sternigen Nacht, Sehnsüchtige Ähren umschlingen uns sacht, Mein Herz ist im Himmel, dein Köpfchen glüht, Und still um uns beide der Weizen blüht. Otti Du küßtest mich so toll, so wild, Daß ich dich nie vergeß, Was scheerte dich dein Wappenschild, Du kleine Baroneß! Dein Wappen war mein rotes Herz, Die Krone war mein Lied, Dein Lachen stieg, wie wolkenwärts Im Lenz die Lerche zieht. Dein blondes Haar stob hin und her In windbewegter Luft, Im Wald um uns lag voll und schwer Der Koniferenduft. Die Welt so weit, die Welt so fern, Dein Mund sprach immerzu: Ich hab' dich doch so schrecklich gern, Du lieber Dichter du! Dein Schottlandsponny, zaumbefreit, Brach Kräuter nebenan, Und müde scholl, wer weiß wie weit, Der Kuckuck dann und wann. Es küßte mir die Lippen wund, Durchströmt von Glück und Glut, Ein wilder Mund, ein Mädchenmund. Ein Mund so rot wie Blut... Jetzt wohnst du längst im Grafenschloß Weitab im sonn'gen Süd, Und ich bin nicht mehr dein Genoß, Und alles ist verblüht. Du wurdest ja — nun ab den Hut! — Frau Gräfin unterdeß, Und mir war nur von Herzen gut Die kleine Baroneß. In Unrast Was that ich nicht, seit unser Weg sich schied! Ich griff in Gier zum alten Sorgenbrecher, Die Hand am Glas, mit manchem frechen Lied Stahl ich mich ein ins Herz berauschter Zecher. Es half mir nichts. Da ging ich ohne Gruß Und hob den Stab und kam zum Nordseestrande, Unstete Spuren ließ mein müder Fuß, Die Flut brach ein — sie löschten aus im Sande. Windstille Gärten mit erschlafftem Grün Betrat ich dann; gezackte Kelche trugen Blutroter Nelken unbewegtes Blühn — Mein Herz blieb leer und meine Pulse schlugen. Nun rauscht der Hochwald hier in meinen Traum, Moosflechten kriechen über schlanke Stämme, Darüber fort, um kühle Bergeskämme, Schleift eine Wolke ihren dunklen Saum. Ich aber steh' und frag': was soll ich hier ? Ob heller Strand; ob finstre Bergeslehnen, — O ewig bleibt mir dieses wilde Sehnen Nach meinem Frühling und nach dir, nach dir! Perdita Die Nächte durchtollt in berauschendem Tanz, Es leuchtet mir flackernder Kerzenglanz, Ein Männerarm hält mich umfangen. Mit weißen Rosen die Brust bedeckt, In den Kelchen schäumt und prickelt der Sekt, Und es glühn mir die Wangen... die Wangen. Was schimmert der Wein auch so feurig und hell, Was schrein die Trompeten und Geigen so gell In lüstern-betäubenden Tönen. Den Mann mir zur Seite — ich kenne ihn nicht... Mein Herz, mein Herz, wie das brennt, wie das sticht, Doch ich darf ja nicht klagen und stöhnen! Bald küßt mich dieser, bald küßt mich der, Und das Lächeln, das Lächeln, es fällt mir so schwer. Mein Kopf! ... O die Flammen, die Flammen. Sie brennen und fressen, sie stechen und glühn... Wie die Lichter zuckend ins Auge mir sprühn, Und sie lodern im Haupte zusammen! Und es schleicht mir näher... Mutter, vergieb! Ich hatt' ihn zu lieb, ich hatt' ihn zu lieb, Er hat mich verstoßen, verlassen. Mutter, geh fort... zurück in dein Grab, Du weißt es... du weißt es, er zog mich hinab, Nun schleich ich in Winkeln und Gassen. Die Tochter ist Dirne! ... Der Wein... der Wein... Ich will vergessen, heut Nacht bin ich dein... Schatz weißt du... Nein, laß mich! ... Sie geben Mir jetzt viel rotes funkelndes Gold, Und es blitzt und es leuchtet... das Gold, du das Gold! Ich muß ja leben, ja leben... Das Spitzglas flimmert, es höhnt so graus, Und klirrend fliegts in die Nacht hinaus, In die Nacht... Irr flammen die Kerzen. Und ich denke der Nacht, verflucht sei die Nacht! Der schönsten Nacht, der einzigen Nacht, Wo du mir ruhtest am Herzen. Mit Sternen war sie emporgeflackt, Wie es brennt, wie es sticht, wie es schauernd mich packt Mit Totenhänden! ... Nur sterben. Könnt' ich noch beten! He, schläfst du Gott? Ich kenne dich nicht! Mein Gott, mein Gott, Was ließest du mich so verderben! Und es quillt und es rauscht die tönende Flut Der „Donauwellen“, es schwimmt wie Blut Mir vor den Augen... Die Geige, Sie schrillt so bang durch den dunstigen Saal... Da.. nimm mich denn hin.. das Leben ist schal, Und ich so feige, so feige! In der Reife Nun beugt sich das gereifte Korn Tief in gefüllter Garben Segen, Und mählich schwillt des Mondes Horn Schon seinem vollsten Ziel entgegen. Das ist des Sommers Reifedrang, wo Blätter sich und Früchte färben, Dann naht ein leiser Niedergang, Ein müder Glanz, ein stilles Sterben. Denn alles, was sich mehr und mehr Von Blütezeit und Blust entfernte, Was überfüllt und früchteschwer, Es ward auch reif für Tod und Ernte. Und wenn einst blank die Sicheln nah'n, Wie freudig wollt' auch ich mich schicken, Könnt' ich am Ende meiner Bahn Auf Segen rings und Früchte blicken. Erdeinsamkeit O wir sind einsam — Grenzenlos einsam! Brüder! Meine Brüder! Habt ihr bedacht schon: Wie einsam wir sind? Wir rollen dahin In engen Bezirken, Und ob wir auch tasten — Mit pochendem Geistesfinger tasten An die Pforten des Alls: Unserer Weltennachbarn Kein einziger spürt uns... Sie kreisen und kreisen — Und ob wir auch träumen, Daß durch die Himmel Ein einiges Ahnen Geflügelt sich schwingt — Auf Straßenbrücken Von Stern zu Stern Bewußtsein trägt Und brünstig wirbt, Tiefen erwühlend, Um der Botschaft Erhörung: Brüder! O meine Brüder! Es ist nur ein Traum, Und keine der Leuchten, Der Myriaden Leuchten, Die unser Auge gebiert, Erhört unserer Träume Rauschenden Flügelschlag... Sie sind alle so blind... Sie sind alle so taub... Und der sie bewegt, Der urgeborene Geist, Gab ihnen das Leben, — Doch Leben heißt Grenze... Aber der Tod ist der Meister, Der da säet Staub und erntet Staub Und über uns Alle, Die menschengezeugt, Hat sich der Cypresse Trauerlaub Herabgebeugt! ... Und wir trauern.. Wir trauern. Denn die Himmel sind leer, Ob sie auch leuchten... Wir wollen uns lieben, meine Brüder, Denn wir sind einsam... Wohl leuchten die Himmel, Und ihr Leuchten berückt Uns die Seele so ganz. Und sie heben hinaus uns Über irdische Kleinheit, Den Engpaß des Lebens... Doch wir sind sterblich. Drum wollen wir heimkehren meine Brüder, Und wollen uns lieben Mit geläuterten Sinnen. Denn wir sind einsam... Klage des Jünglings Wo seid ihr hingegangen, Meine frommen, unschuldigen Kinderaugen? Wo seid ihr hingegangen, Die ihr in prangenden Reizen Die Welt mir verkündigt In meines Lebens erster Morgenfrühe? Wo seid ihr hingegangen, Die ihr zärtlich bestauntet Jedwede Kreatur, Flut und Krystall, Und voll Inbrunst Wunder um Wunder schautet? Wo seid ihr hingegangen, Meine frommen, unschuldigen Kinderaugen? Sehet! Ich sehne mich euch nach, Ein Jüngling, ein Mann, Den die Welt sich nun malt In nackten, nüchternen Farben! Sehet! Ich sehne mich euch nach — Ich weine euch nach — Dem keuschen Blick Meiner ersten Jugend — Als zum ersten Male Ich um mich blickte Und der Bilder Fülle Mich trunken machte — Unsägliche Sehnsucht In mir weckte — Doch stilles Genügen Zugleich mich besaß! Sehet! Ich sehne mich euch nach, Verlorene Augen der Unschuld, Nun ich ein Anderer ward Und anders die Welt Sich mir verkündigt. Es fiel In der hingleitenden Zeiten Spiel Binde und Hülle — Und über mich strömte sich aus Die Fülle Der Wirklichkeiten, der märchenlosen — Es verdorrten Meiner frommen Neugier — Meiner keuschen Sehnsucht Köstliche Jugendrosen! Satt bin ich — Und mein ungewirktes Auge Träufelt in die zusammenschauernde Seele Nur Tropfen des Ekels... Weltgierig ward ich Und allgierig Und unersättlich — Und spät und frühe Durchtaumelte diese Brust Unheimlicher Sehnsuchtsflammen Schlangengezüngel. Nimmer mir that ich genug — Und auf mir lastete Segen zugleich und härtester Fluch... Und ich wuchs und ich lebte, Bis in der zweiten Oder der dritten Morgenfrühe meines Lebens Ich alt schon ward Und müde schon vor der Zeit... Von mir hinweggezogen Sind Drang und Sehnsucht Und die Wollust des Wanderns Und des schneidenden Weh's Unergründlichkeit! Nicht wunschlos ward ich Und nicht hoffnungslos! Doch alles, was ich begehre — Doch alles, was ich erhoffe, Ist so geringe, So hohläugig, entmarkt — Überschattet von den müden Brauen heimlich zehrender Melancholie... Wo seid ihr hingegangen, Meine frommen, unschuldigen Kinderaugen? O! wäret ihr bei mir geblieben! Stark und trotzig Wie vor Zeiten Wäre mein Lieben — Und mein Hassen Loderte auf in jähen Feuern! Nun, da ihr mich verlassen, Durchschreite ich welk und bekümmert Meines wachsenden Lebens Schmale, reizlose Dämmerungsgassen... Es trauert entvölkert Meiner Leidenschaften Serail — Und ich ließ meiner ringenden Kraftgefühle Felsengebirge, Das in gigantischen Gegensätzen Sich enthüllte, Und sich erfüllte, Zu gewaltigen Werdeschätzen! Wo seid ihr hingegangen, Meine frommen, unschuldigen Kinderaugen? Sehet! Ich sehne mich euch nach, Schürend In toten, veraschten Kohlen — Suchend und wie im Halbtraum spürend Nach ein paar letzten mageren Zukunftssymbolen ! Endziel Wir wanderten Hand in Hand durchs Thal. Du sahst die Blumenwiesen, ich die Berge. Deine Stimme tönte leise, hell neben mir, du im weißen Kleide, du Jugend, du Schönheit, du Glück! Ein Spinnengewebetraum, ein Vorüberhuschen des Frühlings, Vogelrufe, Düfte und Blüten — vorüber, ohne daß ich es erfassen konnte. — Und ich ging allein. Du hattest meine Hand losgelassen, um nach den bunten Blumen zu greifen, ich sah die Berge; Leben, Wollen, Kraft war in mir erwacht. Doch ich kehrte zurück zu dir und deutete auf die Berge. Du schütteltest den Kopf, lächelnd, lächelnd! Deine Hände hielten die Blumen, immer mehr, immer mehr, du sahst nicht, daß ich weiter zog. Da warst du allein. Ein paar Schritte noch vorwärts, du riefst — Ich höre deine Stimme, deine Worte verstehe ich nicht mehr. Aber deine Augen sehe ich und die Thränen, die auf die Blumen fallen. Der huschende Spinnengewebe - Frühlingstraum will sich noch einmal durch die Ritzen meiner Seele stehlen — vorüber, es fröstelt mich, dein Rufen tönt ferner und ferner, die Berge rücken näher. Ich strauchle, ich falle. Auf! Hinauf! Feuer quillt mir im Herzen, im Hirn. Verzehrt es mich, trägt es mich zur Höhe? — Nymphenburg Sonntagsmorgen! Durch das Grün der Bäume zittern die Seufzer der Freiheit, das Lossein von allem Zwange, freies, leichtes Atmen. Sie bewahren gut die Büsche, die Decken, die Gehege, nur ein leiser Hauch zittert über die Wege, den See. Die Luft bringt Küsse, heimliches Gelächter der Verliebten, süßes Geflüster, heiße, raunende Worte. Grünes, jungfrisches Weben im Park, breiter, warmer, frühjährlicher Sonnenschein vor dem Schlosse. Wie Goldregen fällt's von hoch oben, die jungen Eichenblätter glühen rotgolden über dem grünlichen Baumgedämmer. Gold, Sonne, Licht, Luft, Freiheit, Vergessen! In dem kleinen Schlößchen wispern und kichern die Abenteuer vergangener Jahrhunderte, das breite, weiße Schloß schaut kalt, abweisend auf die nackten Götter und Göttinnen, die lächelnd die vergangenen Geheimnisse des Parkes hüten. Traum Durch ein grünes Thal wanderte ich. Schmal war der Pfad und voll weichen Grases. Sonne ruhte über dem Baumgezweig, Licht rann zitternd durch ruhloses Laub. Mein Herz war ruhig, voll stillen, wunschlosen Glückes, ich war nicht müde. Die weiche Helle tranken meine Augen, die Helle, die die Blumenwiesen küßte, die durch Baumgrün sickerte. Blumenwiesen neben mir, Schatten über meinem Haupte. Und aus der Ferne lockender Vogel-Sehnsuchtsruf voll zagen, wehmütigen Glückes und voll drängenden Jubels. Ich lauschte. Plötzlich waren meine Bäume versunken, ein matter Himmel schaute hernieder, breit und einsam wurde mein Weg. Aber fern, fern lag weites Land im Morgenglanz, dehnte sich, verhieß — Und mein Herz krampfte sich zusammen vor banger, heißer Freude. Schneller wurden meine Schritte. Die Ruhe wich. Leise, leise, immer noch der Vogelruf. Nun suchte ich meinen Weg, dem Vogelruf, dem fernen Lande entgegen. Steine lagen auf dem Pfad, und ich mußte bergan steigen. Eine Krähe gesellte sich mir zu, wiegte sich auf neigendem Gezweige, flog über mir, lautlos, flog voraus und wartete am Wegrand auf mein Kommen. Bange wollte mir werden, und mein Herz war traurig. Ich wollte ruhen, aber ich mußte wandern. Dunkel wurde der Himmel, und schwarz hing die Krähe mit lautlosem Flügelschlag über mir. Keine Vogelstimme mehr. Starre Wälder stellten sich vor mich, Felsen verengten den Pfad. Da stieg die Sehnsucht auf in mir, die Sehnsucht nach meinem kühlen Thal in blühender Pracht. Rückwärts gewandt waren meine Blicke, nach Hause wollt' ich, den Pfad, den ich gegangen. Die Krähe hatte mich verlassen. Ich zauderte. Da war wieder die süße Vogelstimme, weit, weit aus fernem Gehege. Aus dem ersehnten Land, im Morgenglanz. Nun wanderte ich weiter. Tief sank ich in Sand, und aus drohendem Gewölk brachen stechende Sonnenblitze. Langsam nur kam ich vorwärts, aber meine Gedanken waren bei dem verheißenden Land, gierten in die Ferne. Kreischend flog neben mir die Krähe auf, ihr Schrei schrillte über die Wälder. Flattern durch dürre Zweige, Flügelschläge über meinem Haupte. Eine Schar von Krähen begleitete mich, lautlos flogen sie über mir, verschwanden und hockten wieder wartend am Wegrand. Ich zitterte, daß ich allein sei. Ein wehes Sehnen nach einem Gefährten wurde wach in mir und eine bange Angst. Undurchdringlich schien der Wald an meiner Seite, und von oben brannte die Sonnenglut und verzehrte mich. Ich begann zu dürsten. Da flog der Krähenschwarm mir zu Häupten und verdunkelte die Sonne. Eiseskälte packte mich und Furcht. Nebel brauten um mich, und mit drohenden Armen stachen die Baumäste aus dem Nebelgrau. Durch Walddunkel und Grauwolken kamen Geschöpfe auf mich zu und winkten mir, sahen nach mir, aber als ich zu ihnen trat, waren es keine lebenden Menschen wie ich. Tot waren ihre Augen, und in den toten Höhlen brannten flackernde Lichter, grinsend war der Mund verzerrt, und aus dem verzerrten Munde zitterte die Zunge. Sie redeten nicht, aber die zitternde Zunge bewegte sich immerfort. Verschrumpfte, kleine Herzen trugen sie in den Händen und zeigten sie mir. Aber die Herzen waren faul, Würmer fraßen daran, Würmer fraßen an ihrem Leibe, krochen aus ihren Augen, fielen aus ihrem Munde. Sie griffen nach mir, Schauder und Ekel erfaßte mich, ich wollte sie fliehen. Da war der dichte Wald, der graue Nebel. Tiefer senkte sich die Krähenschar, dunkel wurde es um mich und Entsetzen packte mich. Kein Ausweg. Blut rann aus meinem Herzen, und mein Körper war gelähmt. Die Geschöpfe mit den toten Flackeraugen umringten mich, griffen nach mir, der Krähenschwarm ließ sich nieder, lautlos, dicht schwarz, näher und näher. Und ich schrie auf nach Menschen. Nach Hilfe. Meine Sehnsucht schrie. War mir das sonnige Thal versunken, die Ferne verloren? — Weh mir! — Meine Kraft ist dahin. Näher rückt mir das Grauen, die Finger der toten Geschöpfe packen mich, umklammern mich, die Würmer kriechen über meinen Leib, die zitternde Zunge berührt mich — — , schwarze Fittige vor meinen Augen, heiseres Krächzen, ich wollte sterben. Da zog das süße Bild mir vor die Seele, das selige Thal, das Thal meiner Sehnsucht — lockte — verzitterndes Vogelrufen. — — Tönt es durch das Nebelgrau? Leuchtet das selige Land durch Baumdüster im Sonnenfrieden? Dort! — — Dort! — Auf will ich, aber meine Füße brechen. Lautlos senkt sich die Krähenschar herab, bedeckt mich, Schmerzen durchwühlen meinen Leib — sterbe ich? — — Ich schlief nur. Meine Wunden wecken mich und ein leuchtender Sonnenstrahl, der mir auf der Stirne ruht. — Ein Sonnenstrahl, der durch die Bäume bricht, und hinter den Bäumen? — — Mein Thal, mein Thal im Goldlicht. Taumelnd springe ich auf. Mit heiserem Schreien hebt sich die Schar der Vögel von meinem Leibe, kreist um mich, über mir, mit blutigen Schnäbeln. Blut tropft auf mich, fällt in meine Augen, strömt mir aus Herz und Mund. Aber ich will auf, mir ist wohl und ich juble. Schleppe mich vorwärts und schaue drunten mein Thal über dem Berge. Aus den Gebüschen höhnen die Geschöpfe, mit fauligen Zitterzungen, wollen mir nach, leuchten mit trüben Augenlichtern, winken, da! — das Walddunkel hat sie verschlungen. Höher hebt sich der Zug der Krähen, flattert kreischend über die Baumwipfel — zurück — zurück — verstummt, nur noch leiser, wehender Flügelschlag — ist verschwunden. Sonnenlicht umspielt mich weich und warm, trocknet meine Wunden, fällt mir ins Herz, daß es gesundet. Es wird stark und klopft in heißem, zagen Sehnen nach dem Thal. Da liegt es vor mir, blumenüberschüttet, voll Licht und Glanz, von dunkelblauen Wassern umspült, die Insel der Einsamen. Und ich harre vor den Wassern, und meine Sehnsucht zittert. Die süßen Vogelstimmen ertönen aus Wunderbäumen, Duftwellen umfluten mich aus leuchtenden Wunderblumenkelchen, und meine Augen trinken die ernste Schönheit des Thales. Menschen kommen mir entgegen, schweben über den Wassern, Menschen strahlend in Weisheit und Schönheit. Nehmen mich in die Arme, küssen mich. Muß ich harren hier, vor den Wassern, meine Brüder überm Berge, muß ich harren und in sehnsüchtigem Weh das Thal schauen? Oder nehmt ihr mich mit, daß ich glücklich sei auf der Insel der Einsamen? — Daß ich werde wie ihr? Muß ich harren? — Gottes Wille Du hungerst nach Glück, Eva, und fürchtest dich, den Apfel zu pflücken, den dein Gott dir verboten hat vor dreitausend Jahren, du junges Geschöpf! Jeden Abend seh ich dich, wie du die magern Händchen in deinem einsamen Bette emporringst zu dem Gott der alten Leute: Gieb ihn, gieb ihn mir! Du arme Geduld! Er hat noch nie die Furchtsamen beglückt, der alte Gott. Er gab dir deinen Hunger, deine Hände: greif zu und iß — dann dulde! In Sehnsucht Jüngling: Möcht' es hassen, dies Sehnen ohne Maßen. Weiß nicht, was ich thun will, weiß nicht, ob ich ruhn will. Jetzt Alles tragen und stolz verzagen, jetzt Alles wagen und zu ihr jagen. Ein träges Hasten selbst mein Gang, ein blödes Tasten von Drang zu Drang, ein Sehnen ohne Maßen. Möcht' es hassen; ach, aber bin so glücklich drin. Mädchen: Möcht ein Lied dem Liebsten singen, daß er tief ins Herz mir sieht; doch es will mir nicht gelingen, Alles in mir stockt und flieht. Ob ich nur das Wort verfehle? ob zu Ihm gleich alles flieht? Aber meine ganze Seele ist ein einzig Sehnsuchtslied. Gieb mir! Und du kamest in mein Haus, kamst mit deinen schwarzen Blicken; sah ich still die Palmen nicken, und du gabst mir deinen Strauß. Gabst die zitternden Narzissen, die wir in der Wildnis pflückten; deine schwarzen Locken schmückten meines Divans rote Kissen. Kehre wieder in mein Haus, laß die wilden Blumen blühen; unsre jungen Lippen glühen, gieb mir, gieb mir deinen Strauß! Immer wieder Ehe wir uns trennen konnten, o wie hielt mich dein Gesicht, sahen wir noch Einmal, dicht, dicht an deines mein Gesicht, in den Winterwald zurück, wo die Bäume sich noch sonnten, wo die Abendwolken prangten, wo ins feuergoldne Licht die verworrnen Zweige langten, und wir baten Gott um Glück. Venus Madonna Aus Mannesadel wächst des Weibes Tugend: er träumt ein Ziel, sie soll es ihm gebären. Des Griechen Schönheitsinbrunst sah die Sphären beherrscht von Aphrodites Reiz und Jugend; dem Christen aber ward die Reinheit Wesen, selbst noch die Mutter will er sich verklären und beugt sich vor Marias Hochaltären, die keusch des Sohns, des keuscheren, genesen. Wann kommt die Zeit, daß Männer freier denken und ihre eigne Welt von Gottessöhnen hell mit dem Huldbild ihrer Freiheit krönen, bis Alle Allen die Erlösung schenken, die Wir uns schenkten, meine Magd und Sonne, du keusche Venus, reizende Madonne! Der Brand Nur Zufall... Bleiern lag Berlin im Abendlichte Dach an Dach; trüb sah sie in das Feuer, das drüben aus dem Giebel brach. Die Flammen zuckten. Im Rahmen meines Fensters, so stand sie schwarz und stumm vor mir; und im Nebenzimmer spielte eine blasse Frau Klavier. Drüben wühlte die Glut. Die blasse Frau war meine, und Jene stand so nah und hold; flimmernd säumte der rote Schein die lieben Locken mit dunklem Gold und Funkengestiebe. Es zog mich hoch: ich mußte, ich wollte sie an mich ziehn. Eine große trübe Wolke Rauch kroch über ganz Berlin; die Flammen erstickten. Ich stand mit scheuen Händen, das Spiel dort klang so seelenklar; und oben über der Wolke glomm und zitterte so wunderbar ein blasser Stern... Zuversicht Ich hab dich selig gemacht, mein Geliebter, und du mich, du bist mein, und darfst nicht bei mir sein in meinen furchtbaren Schmerzen. Bis in Mark und Bein bin ich dein, und darf nicht nach dir schrein vor den Menschen, wenn ich sterben muß ohne deinen Kuß. Nein nein nein: du hast mich selig gemacht, Tag und Nacht fühl' ich mich an deinem Herzen leben, das an mein Herz schlug! Ja, ich fühl's, ich bleibe leben, hab dir noch so viel zu geben, o mein Leben, gab dir nie, noch nie genug! Heimat Und auch im alten Elternhause und noch am Abend keine Ruh? Sehnsüchtig hör' ich dem Gebrause der hohen Pappeln draußen zu. Und höre sacht die Thüre klinken, Mutter tritt mit der Lampe ein; und alle Sehnsüchte versinken, o Mutter, in Dein Licht hinein. Die Harfe Unruhig steht der hohe Kiefernforst, die Wolken wälzen sich von Ost nach Westen, lautlos und hastig ziehn die Krähn zu Horst, dumpf tönt die Waldung aus den braunen Ästen, und dumpfer tönt mein Schritt. Hier über diese Hügel ging ich schon, als ich noch nicht den Sturm der Sehnsucht kannte, noch nicht bei euerm urweltlichen Ton die Arme hob und ins Erhabne spannte, ihr dunkeln Riesen rings. In großen Zwischenräumen, kaum bewegt, erheben sich die graugewordnen Schäfte, durch ihre grüngebliebnen Kronen fegt die Wucht der lauten und verhaltnen Kräfte wie damals. Und Eine steht, wie eines Erdgotts Hand in fünf gewaltige Finger hochgespalten, die glänzt noch goldbraun bis zum Wurzelstand und langt noch höher als die starren alten einsamen Stämme. Durch die fünf Finger geht ein zäher Kampf, als wollten sie sich aneinanderzwängen, durch ihre Kuppen wühlt und spielt ein Krampf, als rissen sie mit Inbrunst an den Strängen einer verwunschnen Harfe. Und von der Harfe kommt ein Himmelston und pflanzt sich mächtig fort von Ost nach Westen, den kenn ich tief seit meiner Jugend schon, dumpf tönt die Waldung aus den braunen Ästen: komm, Sturm, erhöre mich! Wie hab ich mich nach einer Hand gesehnt, die mächtig ganz in meine würde passen! wie hab ich mir die Finger wundgedehnt! die ganze Hand, die konnte Niemand fassen! da ballt' ich wüst die Faust. Ich habe mit Wollüsten jeder Art mich zwischen Gott und Tier herumgetrieben: ich steh, und schmerzhaft reiß ich mir den Bart: nur Eine Wollust ist mir treu geblieben: zur ganzen Welt. Komm, Sturm der Allmacht, schüttel den starren Forst, schüttelst auch mich, du urweltliches Treiben, in scheuen Haufen ziehn die Krähn zu Horst, gieb mir die Kraft, Einsam zu bleiben, Welt! Selbstzucht Mensch, du sollst dich selbst erziehen. Und das wird dir Mancher deuten: Mensch, du mußt dir selbst entfliehen. Hüte dich vor diesen Leuten! Rechne ab mit den Gewalten in dir, um dich. Sie ergeben zweierlei: wirst Du das Leben, wird das Leben Dich gestalten? Mancher hat sich selbst erzogen; hat er auch ein Selbst gezüchtet?! Noch hat Keiner Gott erflogen, wer vor Gottes Teufeln flüchtet. Der Arbeitsmann Wir haben ein Bett, wir haben ein Kind, mein Weib! Wir haben auch Arbeit, und gar zuzweit, und haben die Sonne und Regen und Wind, und uns fehlt nur eine Kleinigkeit, um so frei zu sein, wie die Vögel sind: nur Zeit. Wenn wir Sonntags durch die Felder gehn, mein Kind, und über den Ähren weit und breit das blaue Schwalbenvolk blitzen sehn, o dann fehlt uns nicht das bischen Kleid, um so schön zu sein, wie die Vögel sind: nur Zeit. Nur Zeit! wir wittern Gewitterwind, wir Volk. Nur eine kleine Ewigkeit; uns fehlt ja nichts, mein Weib, mein Kind, als all das, was durch uns gedeiht, um so froh zu sein, wie die Vögel sind. Nur Zeit! Die stille Stadt Liegt eine Stadt im Thale, ein blasser Tag vergeht; es wird nicht lange dauern mehr, bis weder Mond noch Sterne, nur Nacht am Himmel steht. Von allen Bergen drücken Nebel auf die Stadt; es dringt kein Dach, kein Hof noch Haus, kein Laut aus ihrem Rauch heraus, kaum Türme noch und Brücken. Doch als den Wandrer graute, da ging ein Lichtlein auf im Grund, und durch den Rauch und Nebel begann ein leiser Lobgesang aus Kindermund. Fitzebutze Lieber ßöner Hampelmann, deine Detta sieht dich an! Ich bin dhoß und Du bist tlein; willst du Fitzebutze sein? Tomm! Tomm auf Haterns dhoßen Tuhl, Vitzlibutzke, Blitzepul! Hater sagt, man weiß es nicht, wie man deinen Namen sp'icht. Pst! Pst, sagt Hater, Fitzepott war eimal ein lieber Dott, der auf einem Tuhle saß und sebratne Menßen aß. Hu! Hu, sei dut, ich bin so tlein und will immer a'tig sein; Fitzebutze, du bist dhoß, tleine Detta spaßt sa b'os. Sa? Sa, ich bin dir wirktlich dut! Willst du einen neuen Hut? Tlinglingling: wer b'ingt das Band? Tönigin aus Mohrenland. Tnicks! Tnix, ich bin F'au Tönigin, hab zei Lippen von Zutterrosin; Fitzebutze, sieh mal an, sieh, wie Detta tanzen tann! Hoppß! Hopßa, hopßa, hopßassa: Tönigin von Af'ika! Flitzefutze, Butzebein, wann soll uns'e Hochzeit sein? Du! Du! Mein tleiner lieber Dott! Du?! sonst deh ich von dir fo't! Ach, du dummer Hampelmann, siehst sa Detta darnicht an! Marsch! Furchtbar schlimm Vater, Vater, der Weihnachtsmann! Eben hat er ganz laut geblasen, viel lauter als der Postwagenmann. Er ist gleich wieder weitergegangen, und hat zwei furchtbar lange Nasen, die waren ganz mit Eis behangen. Und die eine war wie ein Schornstein, die andre ganz klein wie'n Fliegenbein, darauf ritten lauter, lauter Engelein, die hielten eine großmächtige Leine, und seine Stiefel waren wie Deine. Und an der Leine, da ging ein Herr, ja wirklich, Vater, wie'n alter Bär, und die Engelein machten hottehott; ich glaube, das war der liebe Gott. Denn er brummte furchtbar mit dem Mund, ganz furchtbar schlimm, ja wirklich; und — „Aber Detta, du schwindelst ja, das sind ja wieder lauter Lügen!“ Na, was schad't denn das, Papa? Das macht mir doch soviel Vergnügen. „So? — Na ja“. Die Reise Tipp, tapp, Stuhlbein, hüh, du sollst mein Pferdchen sein! Klipp, klapp, Hutsche, du bist meine Kutsche, Wutsch! Wipp, wapp, zu langsam; hott, wir fahren Eisenbahn! Alle meine Pferde, um die ganze Erde, rutsch! Tipp tapp, zipp zapp, halt, wann geht das Luftschiff ab! Fertig, Kinder, eingestiegen, wollen in den Himmel fliegen, futsch! Manche Nacht Wenn die Felder sich verdunkeln, fühl' ich, wird mein Auge heller, schon versucht ein Stern zu funkeln und die Grillen klingen schneller, jeder Laut wird bilderreicher, das Gewohnte sonderbarer, hinterm Wald der Himmel bleicher, jeder Wipfel hebt sich klarer, und du merkst es nicht im Schreiten, wie das Licht verhundertfältigt sich entringt den Dunkelheiten, plötzlich stehst du überwältigt. Sommerabend Klar ruhn die Lüfte auf der weiten Flur; fern dampft der See, das hohe Röhricht flimmert, im Schilfe glüht die letzte Sonnenspur, ein blasses Wölkchen rötet sich und schimmert. Vom Wiesengrunde naht ein Glockenton, ein Duft von Tau entweicht der warmen Erde, im stillen Walde lauscht die Dämmrung schon, der Hirte sammelt seine satte Heerde. Im jungen Roggen rührt sich nicht ein Halm, die Glocke schweigt wie aus der Welt geschieden; nur noch die Grillen geigen ihren Psalm. So sei doch froh, mein Herz, in all dem Frieden! Am Ufer Die Welt verstummt, dein Blut erklingt, in seinen hellen Abgrund sinkt der ferne Tag, er schaudert nicht; die Glut umschlingt das höchste Land, im Meere ringt die ferne Nacht, sie zaudert nicht; der Flut entspringt ein Sternchen, deine Seele trinkt das ewige Licht. Nacht für Nacht Still, es ist ein Tag verflossen, deine Augen sind geschlossen, deine Hände, schwer wie Blei, liegen dir so drückend ferne, um dein Bette schweben Sterne, dicht an dir vorbei. Still, sie weiten dir die Wände: gieb uns her die schweren Hände, sieh, der dunkle Himmel weicht, deine Augen sind geschlossen, still, du hast den Tag genossen, dir wird leicht. Unser Glück Es hat die Nacht die bleiche Hand erhoben Und tausend Sterne hingesät. Durch mondeshelle Lüfte weht Zitternd die Sehnsucht von dort oben; — Sie steigt hinab, von Licht und Traum umschlungen, Und drückt das Glück in unsre Hand. Da hat sich von der Himmelswand Ein weißes Sternchen losgerungen... Im Arm des Abends Ein braunes Reh durchgraste unsern Hain Und äugte in den grünen Busch hinein. Da saßen wir im großen Sonnenbrand. Du legtest einen Zweig in meine Hand Und betetest wie frischer Kindesmund So andachtsvoll für unsern Seelenbund. Im Winde flogen Deine Worte fort Und segneten so manchen stillen Ort... Die Sonne sank. Des Waldes Blütenmeer Erzitterte vor ihrem Strahlenheer. Mit einer roten Dornenkrone lag Im Arm des Abends betend da der Tag. Das Leben Arbeiterhütten im braunen Feld, Und kranke Frauen mit dürren Händen, Irrende Schatten an allen Wänden, Und kleine Kinder, die betend fühlen: Mutter, wir haben kein Stückchen Brot, Küß uns den Hunger von unseren Wangen, Wollen die lieben Englein fangen, Aber die Englein sind schon tot. — — — Jugend Am Schlehdorn, am Schlehdorn — wißt ihr, wo der steht? da sprach der Hirtenknabe sein Morgengebet. Trieb die Schafe dann auf die Weide hin durch den sonnigen Raum; über die blühende Haide träumte sein junger Traum. Am Schlehdorn, am Schlehdorn — wißt ihr, wo der steht? da sprach eine junge Dirne ihr Abendgebet. Und der Wind kam von der Haiden, und küßte ihres Kleides Saum... Die beiden, die beiden träumten den ersten Traum. In die Welt Und wieder das alte Sehnen, und wieder die alte Macht, in meiner eisigen Einsamkeit ist ein launiges Lachen erwacht. Meine Hand hat zu drohen vergessen, seit die Nacht ihr das Segnen verlieh. Doch in den Ohren mir jubelt und klingt die alte Traummelodie. Es rufen so hell die Thäler, es treibt mich stürmisch hinab, in meiner Rechten voll Ungeduld zieht drängend mein Wanderstab. Die Bäume stehen und staunen, und die Quellen werden so laut: Ihr klingenden Tiefen ihr locktet so sehr; ihr Menschen, ihr Mühen, was wollt ihr noch mehr? Dem Leben mit seinen Launen hab ich mich wieder vertraut. Der Steinklopfer Er sitzt am Weg und klopft die harten Steine.. Die Straße staubt in weißer Sonnenglut.. Kein Mensch ist nahe. Im schmalen Schatten einer Pappel ruht sein stilles Weib, den Sohn an junger Brust und atmet leise. Eintönig hallt sein harter Hammerschlag. Nur manchmal schaut er stumm auf seine Beiden mit nasser Stirn.. Aber aus seinem Klopfen klingt viel Glück. Nach dem Gewitter Die blaue Nacht geht leuchtend übern See; im Mondschein strahlt der weiße Bergesschnee. Durch ferne Wolken flammt ein fahles Licht, wie von Gewittern, doch sie zünden nicht. Die Hand in meiner Hand scheucht alle Pein... Oh dieses tiefe, tiefe Seligsein! ... Nun wurde mir das goldene Verstehn: ich darf dem Glück in beide Augen sehn. Andacht Die Sommernacht ist sanft und milde, unendlich milde ist die Nacht; als hättest du vor meinem Bilde gebetet und an mich gedacht, als hättest du aus heller Ferne mir deinen Segen hergesandt. Die Nacht ist still; und deine Sterne sehn nieder auf mein weites Land. Ich fühle glaubend deine Nähe: Dein Frieden geht so still vorbei. Und wenn ein Wunder jetzt geschähe, ich wüßte wohl, warum das sei. Im Mondlicht stehn die Georginen und leuchten, und die Winde ruhn. Die Welt ist ganz mit Glanz beschienen, die Welt ist voll von deinem Thun. Der Weggenossin Bin ich, müde von Tag und Trug, still dem Leben entwichen, hat der Schlaf sich, spät genug, endlich zu mir geschlichen, wenn ich mein Haupt zu fürstlicher Ruh dir in die Arme neige: sei dann meine Bewacherin du, laß mich schlafen und schweige. Lege deine gesegnete Hand mir auf die Schläfen und hüte meines Herzens heiligen Brand, du meine Gnade und Güte. In der Ferne spielt dann das Glück auf süßlockender Geige unser ewiges Hochzeitsstück... Habe mich lieb und schweige. Sterne Sie gingen stumm durch weite Wüstenei. Die Nacht trug ihre hellsten Sternenträume. Aasgeier flogen näher mit Geschrei; — aufschimmernd lockten ferne Palmenbäume. Und weiter wankten sie, vom Durst gequält, dahin des Wegs, wo die Oase träumte. Es stand ein Mann, vom Panzerhemd umstählt, im tiefen Schatten, drin die Welle schäumte — und sprach zu ihnen: Wer von diesem Quell andächtig schlürft, dem wird der Durst vergehen, und vom Vergessen wird sein Auge hell, doch nimmer kann er mehr die Sterne sehen. Und drauf der Mann zu seinem jungen Weib: „Komm! laß uns durstig bleiben!“.. Und sie rissen sich von der Flut mit ungeschwächtem Leib, sie wollten nicht den vollen Himmel missen. Verständnis Sie saßen lange träumend auf der Gartenbank. Er hielt mit leichtem Arm ihr dunkles liebes Haupt, und hinter ihnen sank die rote Sonne unter. Da sprach er still mit seiner weiten klaren Stimme: „Siehst du, wie wir nun lächelnd alles missen können, Das bunte Lebensgut, seit wir einander Menschen sind.“ Sie sprach kein Wörtlein, sah nur glücklich zu ihm auf; sie faßte nichtmal fester seine milde Hand.. Ein großer Glaube glänzte über ihrer Stirn. So saßen sie die tiefe Mitternacht hinein, wortlos.. und fühlten nicht die harten Stunden schreiten.. Und um sie her erstand ein mondscheinsilbern Licht. Könige Große Menschen können in Gewittern schlafen, denn sie fühlen ihr Geschick — Nachtdonner, die an laute Berge trafen, wecken sie nicht; sie lächeln im Traum. Erst wenn der Sonne goldenes Gespiel über ihr Antlitz geht, erwachen sie — und streun aus ihrem reichen Seelengrund viel milde Güte aus an alle sturmversehrten Menschensöhne, lächelnd Beseligte, heilige Schenker. Gondellied Färbt der Abend seine Lande blasser, wurde dir dein Herz von Frieden weit, komm mit mir auf die vertrauten Wasser, selig, wer versteht die Einsamkeit. Ungetrübte Chöre hallen nieder, alle Ufer werden nun beredt, und dein Herz giebt seine Antwort wieder: selig, wer die Einsamkeit versteht. Leise tauchen unsre Ruder unter, silberner zertropft die blaue Flut, um uns wird die Welt von Träumen bunter, sacht entschlummert dein bewegtes Blut... Wer die Einsamkeit versteht, ist selig. Der rechte Ort Es ist ein stiller Pfad Entlang an Klee und Korn, Wo Furchen grub das schwere Rad; Gaisblatt wuchert am Rand, und Dorn. Rings Farben, juliwarm, Und reifer Roggenduft; Ein tanzender Mückenschwarm Und Schwalben in zitternder Luft. Und um die glühe Mittagszeit Ein Bett im Heckenkraut, Und weit Kein Menschenlaut. Das Mohnfeld Es war einmal, ich weiß nicht wann Und weiß nicht wo. Vielleicht ein Traum. Ich trat aus einem schwarzen Tann An einen stillen Wiesensaum. Und auf der stillen Wiese stand Rings Mohn bei Mohn und unbewegt, Und war bis an den fernsten Rand Der rote Teppich hingelegt. Und auf dem roten Teppich lag, von tausend Blumen angeblickt, Ein schöner, müder Sommertag, Im ersten Schlummer eingenickt. Ein Hase kam im Sprung. Erschreckt Hat er sich tief ins Kraut geduckt, Bis an die Löffel zugedeckt, Nur einer hat herausgeguckt. Kein Hauch. Kein Laut. Ein Vogelflug Bewegte kaum die Abendluft. Ich sah kaum wie der Flügel schlug, Ein schwarzer Strich im Dämmerduft. Es war einmal, ich weiß nicht wo. Ein Traum vielleicht. Lang ist es her. Ich seh nur noch, und immer so, Das stille, rote Blumenmeer. Unter dem Apfelbaum Im blühenden Garten, ich war noch ein Kind, Ein Apfelbaum wiegte die Äste. Wer weiß nicht, was Äpfel den Kindern sind: Kaum schwellen die Früchte und färben sich rot, Am lieblichsten färbt sie ein strenges Verbot, So nahen die näschigen Gäste. Was denk ich nur heut an den Apfelbaum, Was streckt er sein grünes Gezweige Und rischelt und raschelt in meinen Traum? Es ist nicht der Baum, es ist nicht die Frucht, Es löst sich ein Bild aus der Tage Flucht Und wandelt vergessene Steige. Ein liebliches Bild. Ich kenne sie gut, Des Nachbars schöne Brigitte. Am Arme den schwankenden Sommerhut, So greift sie ins volle Geblätter hinauf Und lächelt. Ich halte die Hände auf Und stammle mein bitte, ach bitte. Wie hatt' ich die schöne Brigitte so gern, Nachdem ich die Äpfel gegessen. Gewiß, in der Frucht hat als schimmernder Kern, Wer leugnet mirs noch, wer redet mirs aus, Als schimmernder Kern hat im goldenen Haus Die erste Liebe gesessen. Hinterm Deich Hinterm Deich, weißt du, Schatz, Hinterm Deich den Sonnenplatz? Überm Ginster, überm schwanken Hafer hin das Spiel der blanken Schmetterlinge. Jetzt ein Schrei: Eine Möwe flitzt vorbei, Einmal auch, wie weit, weit her, Dumpfer Ruderschlag vom Meer. Hinterm Deich, menschenfern, Kleine Nelken, Stern an Stern, Kleine rote Nelken standen, Die wir uns zu Sträußen banden, Große Kinder, ich und du, Lachten wir vergnügt dazu, Sahn dann wieder ernsthaft drein: Darf man denn so kindisch sein? Auf Flügeln Herz, erträgst du diese Freude, Trägst du soviel Seligkeit? Himmel, Erde: Eine Sonne Und Ein Blühen weit und breit. Wo die überglühten Wipfel Baden hoch im Morgenhauch, Wo die weißen Mauern winken, Wohnt der schöne Frühling auch. Jeder Schlag der raschen Pulse Ruft das holde Ziel heran, Und die Ferne wird zur Nähe, Und die Liebe hat's gethan. Durch den Garten, über Stiegen, Wie auf Flügeln hebt es dich; Schneller als die schnelle Schwalbe, Höher schwingt die Liebe sich. Himmelspforten, welch Willkommen! Öffnen glänzend sich und groß, Und der freche Vogel flattert Einem Engel in den Schoß. Das Grab Ein frischer Hügel ist's, darauf Drei rote Tulpen flammen. Zwei schwarze Taxusstauden stehn Und stecken die Köpfe zusammen. Und tuscheln über ein weißes Kreuz, Darauf mit Gold geschrieben Ein Mädchenname, darunter ein Spruch vom himmlischen Lieben. Wer hat das junge Ding gekannt? Wer zündete die drei roten Flammen über ihr Bettlein an? — Was kümmern mich die Toten. Ich hab zu Haus ein krankes Weib, Der will ich drei Rosen bringen, Drei rote Rosen, und will ihr leis Ein Lied vom Leben singen. Späte Rosen Jahrelang sehnten wir uns, Einen Garten unser zu nennen, Darin eine kühle Laube steht Und rote Rosen brennen. Nun steht das Gärtchen im ersten Grün, Die Laube in dichten Reben, Und die erste Rose will Uns all' ihre Schönheit geben. Wie sind nun deine Wangen so blaß, Und so müde deine Hände. Wenn ich nun aus den Rosen dir Ein rotes Kränzlein bände, Und setzte es auf dein schwarzes Haar, Wie sollt' ich es ertragen, Wenn unter den leuchtenden Rosen hervor Zwei stille Augen klagen. Aus dem Takt Mein Weib und all mein holder Kreis, Mein Kind und all mein lachend Glück. Ich rühre an die Saite leis, Wie hell klingt es zurück. Nur manchmal, wenn von Ferne ich Die großen Ströme rauschen höre, Wenn sich der vollern Lebenschöre Ein Ton in meine Stille schlich, Schrei laut ich auf und hebe Klag: Mehr Licht, mehr Licht, nur einen Tag! Und blutend leg ich, abgewandt, Mein Herz in eure Liebeshand, Bis es von aller Angst entbunden, Und wieder seinen Takt gefunden, Den Gleichtakt zwischen Wunsch und Pflicht. Herddämmerglück, Herddämmerlicht. Die stille Frau Du wirkst in Sorgen, treu und schlicht, Grau reihen Tage sich an Tage. Nichts, was die schwere Kette bricht Der immer gleichen Frauenplage. Und doch war einst ein Rosenflor, Und war die Welt voll süßer Lieder, Und Hoffnung schlug ans Himmelsthor Mit ihrem stürmischen Gefieder. Ach, auf den reichen Frühling kam Ein kurzer Sommer ohne Segen, Der alle deine Blüten nahm Und gab dir keine Frucht dagegen. Schon küßt des Herbstes fahles Licht Dir deine guten fleißigen Hände, Du achtest nicht im Drang der Pflicht Der Zeit und ihrer raschen Wende. Ob aber Nachts, wenn alles schweigt, Nicht manchmal deine Seele jammert Und, was aus stillen Gräbern steigt, Mit Sehnsuchtsarmen wild umklammert? Der Schritt der Stunde, wenn du schlaflos liegst Der Schritt der Stunde, wenn du schlaflos liegst, Und die Gedanken sich wie Schwalben jagen, Wenn sehnend du bis an die Sterne fliegst Und leer zurückkehrst, flügellahm, zerschlagen. Der Schritt der Stunde, wenn du schlaflos liegst, Und aus dem Dunkel starren stumme Klagen, Daß du dich schluchzend in die Kissen schmiegst Und weißt nicht ein und aus. Schon wird es tagen, Das Leben jauchzt auf tausend hellen Geigen, Du aber hörst nur durch den muntern Reigen, Nachzitternd, dumpf, wohin du fliehen magst, Den Schritt der Stunde, da du schlaflos lagst, Und rangst, und fühltest in fruchtlosem Klopfen An Gottes Pforten deine Kraft vertropfen. Die Falte Heute sah ich den Haß, Den herrlichen nackten Haß. So dacht' ich mir Die trotzige Schönheit gefallener Engel: Wildheit ganz Und knirschender Stolz. „Wie schön du bist,“ Betete ich an. „Millionen preisen mich,“ lächelte er, „Mein ist das Reich.“ Und ich sah auf und sah Zwischen den Nachtbrauen Die Schmerzfalte, Senkrecht, Tief eingefurcht. „Warum diese Falte?“ Abgewandt schwieg er. „Warum diese Falte?“ Leise, Verquält klang es zurück: „Weil ich nicht lieben darf.“ Der Reiter Ich sah zurück auf lange Strecken, Die ich durch tiefen Sand hinging. Hier, da, an kahlen Decken Ein bunter Fetzen hing. Das Glück war mir vorausgeritten, Ich sah seinen roten Mantel wehn, — Konnt' doch mit meinen müden Schritten So schnell nicht gehn. Wer hält da vorn im Weg und richtet Sein Rabenrößlein auf mich her, Von einem fahlen Glanz umlichtet? Mein Herz bangt sehr. „Hast du das Glück nicht reiten sehen, Du lieber Rittersmann? Einen roten Mantel im Winde wehen, Mit goldner Troddel dran?" Da sprach der Tod, und ich erbleichte: „Dein Glück hält hier,“ Und aus dem Sattel reichte Er seine harten Hände mir. Winter Ein morscher Kahn. Vereist. Zwei Raben hüpfen Auf seinem Rand umher und krächzen heiser Das Lied des Todes in das weiße Land. Fern, aus verschneiten Wäldern, Wolfsgebell. Im Nebel über starrem Meere schwimmt Die strahlenlose Sonne, gelb und schaurig. Landher, aus schneeverwehten Hügeln, naht Barhäuptig, schnellen Schritts, mit glühnden Wangen Ein Mann, der trägt, vom Wege aufgerafft, Vom Felde, einen plumpen Stein in Händen, Schmutzig, umkrustet von gefrornem Schnee, Und singt ein Lied, ein wirres, wildes Lied: Wollt ihr mein Herz, mein heißes Herz nicht haben? Ich will es euch ja schenken. Müßt ihr vor solchen heiligen Liebesgaben Euch noch bedenken? Ist niemand denn an allen weiten Wegen, Im Sommerland, am Winterstrand, Dem ich's in seine treue Hand kann legen, In seine weiche Freundeshand? Was soll ich denn allein mit meinem Herzen, Mit meinem heißen Herzen gehn? Weh! es erlischt. Und könnten tausend Herzen Sich dran entzünden und in Flammen stehn. Und wie er singt und schreitet, singt und schreitet, Scheucht er vom Boot die schwarzen Vögel auf, Ihr Flug umklatscht ihn, ihr Geschrei umkreischt ihn. Er achtet's nicht und schreitet grade aus, Immer den kalten, plumpen Stein in Händen. Ein Klingen läuft durchs Eis. Im Flugschnee pfeift Der Frost um seinen Fuß. Und lauter wird Sein wildes Lied und ringt sich durch den Nebel, Der ihn umhüllt, verschlingt. Nur dann und wann Schrillt heiser über seinem Lied der Schrei der Raben. Und einsam liegt der Strand. Die Sonne sinkt Erblassend unter in den kalten Dunst, Und waldher giert das hungrige Geheul Der Winterwölfe. Erscheinung Du kamst zu mir in einem fremden Glanz, Und schweigend kamst du, wie die Sterne still, Die aus den hohen, rätselvollen Weiten In halber Nacht an uns vorübergleiten. Du brachtest Duft von fremden Blumen mit: Mattweiße Lilien, unter deinem Fuß Erblüht, die mich wie deine Wächter deuchten, Umstanden dich mit einem leisen Leuchten. Und eine große Sehnsucht sprach aus dir, Und deine Augen sagten: Sieh, ich litt Um dich. Und faltetest, unsäglich rührend, Die Hände, sie an deine Lippen führend. Und weinend fühlt ich deine Sehnsucht mit Und rief dich, rief dich laut. Doch langsam wich Dein Bild zurück, und meine Arme faßten Ins Leere, und die bleichen Blumen blaßten Und schwanden hin, und nur ein Stern noch stand Zitternd im Dunkel, blinkte, blaßte, schwand. Das Thal der Flammen Ein Felsenwall, schwarzklüftig aufgetürmt, Umschließt ein Thal, das noch kein Fuß betrat, Nicht Menschenfuß, noch flüchtige Spur des Wildes. Nicht Vogelflug, noch summendes Insekt, Nicht irgend eines Wesens Atemzug Belebt dies Thal der tiefen Einsamkeit. Doch blüht ein wunderlicher Garten hier Aus nacktem Stein, und singt und klingt, ein Garten Von Flammen. Cypressengleich, hoch, tempelheilig, Brennen zwei stille blaue Schwesterflammen, Fast unbewegt. Nur leise zittern oben Die schlanken Feuerwipfel. Jeder Größe Um sie herum ein Beet von Flammen. Ruhig In stetem Glanz hier, flackernd, aufgeregt, Sturmartig dort, und dort wie müde, schwächlich Ein letztes Leben nährend. Züngelnd hier, Ein Schwertertanz von Flammen, dort ein Zucken, Ein mühsam Ringen, wie das Ringen einer Sehnsüchtigen, bedrückten armen Seele. Im Spiel der Lichter tanzen auf den nackten Zerrissnen Felsenwänden hastige Schatten: Rastlose Jagd am Tage, wenn der Himmel Sich oben lichtet und die Schatten hellt, Rastlose Jagd bei Nacht, wenn Finsternis Mit schwarzer Stirne in die Schlucht hinab will Und scheu zurückschreckt vor den blauen Feuern. Von Zeit zu Zeit erlischt ein müdes Flämmchen Mit leisem Seufzer, der im Singen hinstirbt, Im Klingen dieses wunderlichen Gartens. Und neue Blumen blühen aus dem Stein. Ihr Duft ist Klang. Ein leises, sanftes Singen, Nur ab und an zu vollerm Ton geschwellt. Kaum sichtbar steigt ein feiner Rauch, ihr Atem, Und sammelt oben sich zu weißen Wölkchen, Die still, gleich abgeschiednen reinen Seelen, Im Äther schwinden. Ecce poeta Frag nicht, ob mich Dornen verwundet! ... Nein, nein! ... wozu auch das Herz dir müd machen mit unnützer Qual und Sorge! nein, vergiß dein Leid, vergiß deine Thränen und freue dich der Rosen, die ich dir bringe... und wär's auch nur für ein paar Stunden! ... freue, freue dich ihrer und komm und laß sie mich ins Haar dir flechten, weiß und rot und rot und weiß, und laß mich deine Jugend überglühn mit ihrer Lust, wie der Sommer draußen das Gelände überwogt mit seiner Wonne, daß es aller Wintertraurigkeit vergißt ... und laß sie mich auf den Weg streun, den du schreitest ... meine Rosen, weiß und rot und rot und weiß ... und frag nicht, ob mich Dornen verwundet, als ich sie brach! Freue dich ihrer und freue dich des Lieds, das ich dir jauchze ... ich habe nichts als diese Rosen und als dieses Lied ... und frage nicht, was ich dafür geopfert und womit ich sie erkauft! ... wozu dir das Herz müd machen! Nein, nein, frag nicht, verlange nicht, mir in die Brust zu sehn! Verlange nicht, mir in die Brust zu sehn! ... was du sähest, würde dich erschrecken, wie du erschräkst, wenn ein Traum dich vor ein Grab führte und du auf dem Marmorstein darüber den eigenen Namen läsest ... mit eisiger Hand griffe es dir ins Herz und dein Lachen würde verstummen, wie es verstummt, wenn man einen Menschen mit dem Tode ringen sieht und dasteht und keine Macht hat, ihm zu helfen. Du sähest einen langen Zug Söldner und Knechte und neugierige Weiber und Kinder, die Anhöhe vor der Stadt hinauf, lärmend und johlend, und in ihrer Mitte einen bleichen Mann, mit denkmüdem Antlitz, zusammenbrechend fast unter der Last eines Kreuzes, einen Dornkranz auf der blutenden Stirn ... und wie sie ihn weiter zerrten unter Schimpf und Schande, lärmend und johlend: er habe König sein wollen und den Menschen Trost bringen in ihrer Mühsal und Glauben und Freude und ... könne sich selbst nicht helfen!! Und du sähest, wie sie ihn preis gäben und höhnten, wie sie mit rohem Gelächter ihn: Nagel um Nagel schlügen durch Hände und Füße und wie sie das Kreuz aufrichteten im Blutschein der sinkenden Sonne und wie er dahinge, in der Qual seiner Seele und im Schmerz seines Leibes und wie er zu Gott schriee, dessen Bote er sein wollte, und wie sie nach ihm stächen und seiner Zuckungen sich freuten ... und lärmend und johlend wieder zur Stadt zurückzögen, als ob nichts geschehen weiter ... Und du sähest, wie die Nacht hereinbräche über die einsame Stätte. Schwarz und düster ragt das Kreuz in den schweigenden Himmel. Gleichgültig flackern die Sterne in ihren Ewigkeiten, gleichgültig hebt sich der Mond über den blauen Saum der Wüste. Alles ist einsam, todt und leer. Nur am Fuße des Kreuzes liegt eine alte Frau mit weißem Haar und blind geweinten Augen... nein, nein, Kind, verlange nicht, mir in die Brust zu sehn! Nein, nein! verlange nicht, mir in die Brust zu sehn ... du hättest doch keine Macht mir zu helfen, auch wenn du wolltest! Mit eisiger Hand nur griffe es dir ins Herz und du würdest weinen müssen und weinen und nicht mehr froh werden können... und ... ich habe die Menschen erlösen wollen von ihren Thränen!! ... es würde dir Falten ins Gesicht furchen, wie jener alten Frau am Fuße des Kreuzes, und dein Haar bleichen und kein Gebet vermöchte mich zu retten ...: Denn ich müßte es doch leiden, denn ich könnte doch nicht widerrufen, denn ich bin doch, was ich bin! ich bin doch ein Bote meines Vaters und ein König und gekommen in die Welt, den Menschen Trost zu bringen in ihrer Trübsal und Glauben und Freude ... und ob sie mich auch ans Kreuz schlagen dafür ... Nein, nein! verlange nicht, mir in die Brust zu sehn! und forsche nicht, was hinter dem Lied, das ich dir jauchze, und frag nicht, ob mich Dornen verwundet bei den Rosen, die ich dir breche... nein, nein! freu dich, freu dich ihrer und komm und laß sie mich ins Haar dir flechten, weiß und rot und rot und weiß, und laß mich deine Jugend überglühn mit ihrer Lust, wie der Sommer draußen das Gelände überwogt mit seiner Wonne, und laß sie mich auf den Weg streun, den du schreitest, meine Rosen, weiß und rot und rot und weiß, und frag nicht, ob mich Dornen verwundet! Im Spiel des Lebens I. Auf und nieder schwankt die Wage deiner Tage, wie sich füllen ihre Schalen, diese hoch und jene tief. Laß sie sinken, laß sie steigen, diese hoch und jene tief... Du nur zwischen beiden stehe, unbeirrt in deinem Ziel, fest und stark, als Halt und Träger, als gerechter Gleicher und Wäger, still und ruhig über ihrem steten Auf- und Niederspiel. II. Da aber liegt's —: der eine biegt's, der andere bricht's! laß nur das Schwert nicht in die Scheide rosten, den freien Mut des freien Manns! Wer etwas will, der kann's... der kann's! und würd' es eine Welt ihm kosten! Was du vor dir bist, nur entscheidet! Der Spruch der Welt, du lieber Gott! zerrt heute hist und morgen hott! und wenn sie dich mit Purpur kleidet — für das, was einer litt und leidet, ist all ihr Purpur Fastnachts-Spott! Was du vor dir bist, nur entscheidet, und wird des Ganzen innerer Kern — nicht Glück, nicht Zufall oder Stern! und was dann auch dagegen streitet, der Freie macht sich stets zum Herrn! Was du vor dir bist, nur entscheidet, und bleibt im buntverwirrten Spiel des breiten Weltgetriebs das einzig unverlierbar klare Ziel, der einzige schaffende Gedanke, der all dem blinden Her und Hin Beziehung giebt, Verstand und Sinn, daß es sich formt und fügt und ordnet und still zu einem Ganzen webt — — der einzige feste Punkt, von dem aus ein Starker die Welt aus ihren Angeln hebt! Den einen trügt's den andern trägt's, dem einen liegt's, der andere legt's... laß nur das Schwert nicht in die Scheide rosten, den freien Mut des freien Manns! Wer etwas will, der kann's... der kann's! und würd' es eine Welt ihm kosten. III. Und das allein ist's, drum sich's handelt, wie Welt und Zeit auch stürmt und wandelt mit Allem, was du je begannst: daß ohne Vorwurf, ohne Lüge, daß ohne Reue, ohne Rüge, auch vor dem eigenen Tribunal, daß du mit ruhigem Gewissen zurück- und vorwärtsblicken kannst auf deines Jahres stille Mühe — ob du verlorst, ob du gewannst. Nicht fremden Anderen zu Dank — was denn auch sollen diese Andern! es ist ja doch ein stetes Wandern voll Mißgunst überall und Zank! Nein, Dir allein zu Recht und Ehre, Dir allein zu Lust und Last: Deinem Glauben, Deinem Leben, Deinem Schaffen Genüge zu geben. Mag man's dann loben oder tadeln, was liegt daran! Es wird sich immer adeln, trotz Acht und Bann: wer ohne Vorwurf, ohne Lüge, wer ohne Reue, ohne Rüge zurücksehn darf und sagen kann von seines Jahres stiller Mühe: er habe seine Pflicht gethan — ob er verlor, ob er gewann — und weder Glück noch Unglück hab' je was über ihn vermocht, und weder Täuschung noch Erfüllung das freie Herz ihm unterjocht! Im Kahn Schaukelt weiter mich, ihr Wellen! ... schaukelt weiter mich, ihr Winde.. durch die wunderbare Ruhe dieser lichten Einsamkeit... leise, leise wiegt mich weiter in die Ferne zu den stillen, weißen Wolken, die den Horizont umklimmen... Tragt mich fort, wohin ihr wollt! Immer mehr versinkt die Küste mit dem Strand und mit den Bergen.. Alles wird zu blauem Glanz... Selig lieg ich auf den Rücken, horche auf die Ammenlieder, die mir Wind und Wellen singen... falte langsam meine Hände.. schließe lächelnd meine Augen und verträume in den Himmel, wie ein Kind in stiller Wiege... Meine Mutter ist die Sonne — ............. meine Mutter ist die Sonne und ich weiß, sie hat mich lieb! Selig seid Ihr, die Schaffenden Selig seid Ihr, die Schaffenden! An der jungen Natur nährendem Mutterbusen ruht ihr, trinkend die heimlichen Säfte, speisend vom Brote der Himmelsgebornen. Auf des Sturmes Mantel fährst du hernieder, mächtiger Genius; Weithin flattert dein Haupthaar. Doch im Frühlingswinde auch kommst du, lächelnd, die Schläfen von Veilchen umwunden. In den Busen legst du die Sehnsucht uns, führst uns dampfende Wolkenbahnen zu des Lebens schaffenden Quellen empor, denen der Welten Ströme entfließen. Wasser des Lebens! Dich trinken wir, schauernd rinnst du durch unsere Glieder, gleich wie Feuer verzehrst du uns, und wie Rauch wallen wir auseinander. Alle Welten gehören uns, Sonne und Sterne glänzen in unserem Busen, flammend rollt durch unsere Adern allen Lebens erhaltender Blutstrom. Und der Menschheit tausendfacher Jammer faßt das Herz uns, würgt uns mit blutigen Händen, doch der Menschheit tausendfache Lust gießt in brennende Wunden milden Balsam. Seelen bildend und Menschen formend lachen des Todes dunkeler Pfeile wir, lachen der bitteren Not, die blühende Gärten Euch in trockene dürre Haide wandelt, lachen des Hasses unserer Verfolger. Menschen schaffend legen wir unseren Schmerz in die Seelen unserer Geschaffenen, doch wir selber schreiten, gleichwie der Vorzeit Götter, frei von Schmerz auf bunten Regenbogen hoch einher über donnernden Wetterwolken. O bitter kalt war die Winternacht O bitter kalt war die Winternacht, und die Luft, — ja die Luft war rot, da hat's mich gepackt, und leis stand ich auf, 's war nur, weil die Luft so rot. So furchtbar rot das wilde Gewölk, das finster durchs Fenster mir sah, 's war kein Himmel, die Hölle war's, was ich düster über mir glühen sah. Ja, bitterkalt war die Winternacht, und ich hörte draußen die Winde schrein, und sie würgten die Luft und stießen die Nacht blutrünstig gegen Wand und Stein... Ich aber, ich hörte im heulenden Wind, ... o, es klang so wild und so weh an mein Ohr, — aus dem Sturm, aus der Tiefe, aus tiefer Nacht drang jammernd ein Stöhnen leis an mein Ohr. Das Jüngste stöhnte leise im Schlaf, wie ein welker Zweig war sein Händchen so dürr, und ich sah sie all drei, von Hunger so schmal, wie welke Reiser so braun und so dürr... Meine Kinder all drei, so krank und so schwach, ... und draußen der Sturm und die glutrote Nacht, die uns Alle, die Armen und Schwachen, verschlingt... sie hat es in Schuld die glutrote Nacht. Um Mitternacht war's, und leis stand ich auf, — und im Kopfe drinnen nur war's mir so schwer, und ich brannte ein trübes Lampenlicht an und leuchtete still in der Kammer umher... und gleich auch glitt im matten Licht an der Wand ruhlos ein Schattenbild, und was ich sann und was ich gedacht, mir raunte es zu dies Schattenbild... Und es irrte umher und stöhnte leis und schüttelt wild das dunkele Haupt, und es preßte gegen die kalte Wand, an den feuchten Stein das kranke Haupt, und es leuchtete in der Kammer umher, und rings nur Fetzen, und sonst nichts mehr, ... und es irrte der Lampe fahler Schein rings über Fetzen und sonst nichts mehr. Da packte mich's an und ich starrte gradaus, — vor den Augen ward's mir so blutigrot... im Winkel das Beil, das glühende Beil, — wie ist es von Feuer und Blut so rot! Ich starrte gradaus in die wilde Nacht... in Mitternachtsturm und rotwolkige Luft... und über mein Haupt und in mein Gehirn fiel Feuergewölk aus brennender Luft... Und über sie trat ich und beugte mich tief, ... sie lagen so eng Gesicht an Gesicht, vom schaurigen Frost zusammengedrängt, so grau wie Asche das welke Gesicht... Noch einmal fiel ich an ihre Seit' und preßte wild ihren blassen Mund, und preßte mein Haupt in das feuchte Stroh, und preßte wild ihren blassen Mund... Und sah gradaus in die Mitternacht... und sah durch die Luft stumm kommen den Tod, und ich hörte das Beil und es knirschte dumpf, und über die Hände rann es mir rot... Und „Mutter" nur stöhnte das Eine noch und starrte mich an — und sonst nichts mehr... und das Andre fuhr auf und starrte mich an, und röchelte dumpf... und sonst nichts mehr... O, wie still — o wie stumm — o wie rot war die Nacht! matt glänzte das trübe Lampenlicht, matt fiel auf ihr fahlgrau Gesicht der gelbe Schein vom Lampenlicht, still nahm ich sie auf in meinen Schooß und preßte sie stumm an meine Brust, und wusch mit meinen Thränen das Blut aus ihrem Haar — von Stirn und Brust... Das Blut, es rieselt rot und rinnt die Nacht durch bis der Morgen kommt, und ich wasche ihren blutigen Leib die Nacht durch bis der Morgen kommt... Doch der Tag kommt nicht, nur der Nachtwind schreit, und draußen steht finster die rote Nacht... O ihr Blut stürzt nieder und reißt mich hinweg — — Sie hat es in Schuld, die rote Nacht. Im grünen Schatten der Buchen lag ich Im grünen Schatten der Buchen lag ich auf weichen Blumen und zärtlichem Gras, und morgenhell in goldenblauen Tiefen glänzen die Meeresfluten. Herauf rauschte das Licht! und durch alle Lüfte goß der salzig feuchte Atem brandender See und wandernder Wasser ihre Kraft und Fülle des Lebens. Lachend in deinen Wellen, o Morgenlicht, im matten Frührotglanz der Wolken, umspült vom rauhen Meeresdufte lieg ich und trinke mit frohen Lippen aus Blumenschalen den süßen Tau, den Himmel und Erde mir lachend kredenzen. Früchte wachsen in meine Hand, und liebend streust du, reiche Natur, mit vollen Händen, feucht von Fruchtbarkeit, Licht und Leben und neue Liebe über mein neuverjüngtes Haupt. Denn zur Erde bin ich zurückgekehrt — ein Götterloser! Auf dunkelen Wegen, an nebeldüsteren Höhlen vorüber, durch dürre Wüsten nicht länger irr' ich, Götter anbetend, mich selber anbetend... kein Blut mehr bring' ich zum Opfer mir selber und keine Erschlagenen, denn zur Erde bin ich zurückgekehrt. Und ihre Liebe ward verhundertfältigt... Grüner quillt im Walde das Laub, und alle Berge strömen von duftendem Wein, und alle Thäler sind voll von Weizen, daß weit durch alle Lüfte der Ähren goldenes Leuchten schimmert. Und der Tag ist voller Lust und Arbeit, und die dunkelen Nächte voller Liebe. Denn zur Erde bin ich zurückgekehrt. „Die Welt ist bunt!“ Denkst du daran, wie du zum erstenmal aus deiner Heimatberge düstrem Forst aus dunklem Tannengrün des hohen Harzes als Knabe niederschautest in die Ebne? — „Die Welt ist bunt!“ so riefst du jauchzend aus. Da dehnten sich die farbigen Felderstreifen vor dir hinab wie Blätter eines Fächers, entfaltet an den runden, sanften Hügeln — und also farbig rings die weite Welt? Und reichlicher und dreimal leuchtender, als drinnen in den schwarzen Tannenwäldern, schien drüberhin das Sonnengold zu gluten... „Die Welt ist bunt!“ — O wär sie bunt geblieben. Festtag Heut ist ein Festtag, Ellen, ein Freudentag! Weißt du? Den ersten Kuß raubt' ich dir heut. Ach, warst du böse, als es — geschehen war; riebst dir die Lippen wund, weintest beinah! Sage doch, Ellen: hast dich doch kaum gewehrt, als ich dein Köpfchen nahm — hast mich wohl lieb? Lore Da ich dich wiedersah, bebte die Brust mir — nun ich dich fasse, bebt mir die Hand. Fülle der Seligkeit läßt mich erzittern — Sonne des Glückes sengt mir das Hirn. Ehemals bangte mir, ob ich dich fände — aber nun bangt mir: halt ich dich, Kind? O fernes Gold! Und wenn dein Lächeln unter die Leute fällt — sie lesen es wie goldene Scherben auf, sie danken dir wie frohe Kinder, schreiten mit hellerem Auge weiter. An deiner Seite schweigend und ernst nur ich, dem du die leichte Hand in den Arm gelegt... O fernes Gold der lieben Sterne — goldene Locken an meiner Schulter! Die Winterwasser rauschen Die Winterwasser rauschen. Dem Bache muß ich lauschen, Der unterm Brückstein quillt: So rauscht das junge Leben Und will das Schicksal heben Und gurgelt so und schwillt; Die Quadern bleiben liegen, Das Wasser muß sich schmiegen, Und schäumt's auch noch so wild. Zukunftsblüte Ich weiß eine purpurne Blüte, Die auf Wellen der Zukunft sich wiegt, Das ist die reinmenschliche Güte, Die Jammer und Elend besiegt. Aus köstlichen Kelchen flimmern Die Fäden der weltlichen Lust, Die frischen Blätter schimmern Auf silberner Flutenbrust. Schaummöven der Freiheit schwingen Und kreisen glanzerhellt, Fern in der Tiefe verklingen Die Klagen der sinkenden Welt. Trübe Grau liegt die Luft, der Wind fliegt bang, Der Regen rinnt, den Wald entlang Zieht Seufzerzug, singt Grabgesang... Nun streut die Schwermuth ihre Keime In angstgefurchte Herzen ein, In dunkel abgetönte Reime Verhüllt der Dichter seine Pein. Ach, wer sein Weh zu Rhythmen flicht, Der ist noch lang der Ärmste nicht; Doch wer um Glück und Glanz betrogen Die Stirn an Fensterscheiben preßt, Wer grauenschwer hinabgezogen Sich tief und tiefer treiben läßt; Wem Kraft und Wille treu selband In Unkraft und Verzweiflung schwand; Wer schon zu müd, den Feind zu fassen, Der ihn erwürgt, zum Tod gelassen Verkohlend sich in Asche schiebt Und nicht mehr leuchtet, nicht mehr liebt, — Kein Klang reißt die zerstampfte Seele Aus ihrer dumpfen Kerkerhöhle... Die Luft liegt grau, der Wind fliegt bang, Der Regen spinnt, den Wald entlang Zieht Seufzerzug, singt Grabgesang. Aus weißen Wolken Aus „Phantasus“ Aus weißen Wolken baut sich ein Schloß. Spiegelnde Seeen, selige Wiesen, singende Brunnen aus tiefstem Smaragd! In seinen schimmernden Hallen wohnen die alten Götter. Noch immer, abends, wenn die Sonne purpurn sinkt, glühn seine Gärten, vor ihren Wundern bebt mein Herz und lange... steh ich. Sehnsüchtig! Dann naht die Nacht, die Luft verlischt, wie zitterndes Silber blinkt das Meer, und über die ganze Welt hin weht ein Duft wie von Rosen. In einem Garten Aus „Phantasus“ In einem Garten unter dunklen Bäumen erwarten wir die Frühlingsnacht. Noch glänzt kein Stern. Aus einem Fenster, schwellend, die Töne einer Geige... Der Goldregen blinkt, der Flieder duftet, in unsern Herzen geht der Mond auf! Über die Welt hin ziehen die Wolken Aus „Phantasus“ Über die Welt hin ziehen die Wolken. Grün durch die Wälder fließt ihr Licht. Herz vergiß! In stiller Sonne webt linderndster Zauber, unter wehenden Blumen blüht tausend Trost. Vergiß! Vergiß! Aus fernem Grund pfeift, horch, ein Vogel... Er singt sein Lied. Das Lied vom Glück! Vom Glück. Dann losch das Licht Aus „Phantasus“ Dann losch das Licht, und durch die Stille nur noch dein Herzschlag... Seligkeit! Im Garten, frühauf, pfiff ein Vogel, von tausend Gräsern troff der Thau, der ganze Himmel stand in Rosen. Lieber! Liebe! Und wieder: Kuß auf Kuß... Was kann die Welt uns jetzt noch bieten! Ich trat in mein Zimmer Aus „Phantasus“ Ich trat in mein Zimmer. Die Fenster standen weit auf, draußen schien die Sonne. Wie wunderbar, Rosen? Ein ganzer Strauß! Weiße, gelbe und dunkelrote... Ah, wie das duftete! Wie das wohl that! Und ich stellte das Glas wieder auf meinen Schreibtisch. Dort steht es und schimmert nun, und in Alles, was ich schreibe, fällt sein schöner Schein. Du Liebe, du Gute! Der jungen Mutter Wiegenlied Ich sehe eine weiße Hand Zu neuem Glück dich laden, Und dankbar Herz und Sinne sich In seinen Freuden baden. Ich hör ein fein lieb zärtlich Lied Leis dir vom Munde rinnen, Und weiterklingend hoffnungsfroh Viel goldne Fäden spinnen. Und leise klinkt die Thür. — Sacht, sacht Singst du dein Liedchen weiter. Und unbemerkt zur Wiege tritt Der Ernst, der rauhe Begleiter. Traum Beglänzt vom Mondlicht lag die Tempelhalle Auf heitrer Höhe. Zu den heiligen Stufen Geheimnisvoll mit Wink und Wort gerufen, Erbebt ich, ob mein Los auch glücklich falle. Und oftmals hielt ich bangend an. Die Fluren Durchzog ein Reigen. — Graue Mäntel walten, Und höhnisch grinsten bleiche Spukgestalten, Und ängstend groß verschwammen die Konturen. Und weiter schritt ich, höhenwärts, mit Zagen. Ein Märchenschloß erstand in blauer Ferne, Und sachte gingen Sterne nun und Sterne, Als wollte schüchtern schon der Morgen tagen. Dann stand ich schauernd in der Halle Schweigen. Mit goldner Klinge schnitt ein bleicher Knabe Vom Lorbeerbaume mir die Sieges-Gabe, Den höchsten Preis, in grünbelaubten Zweigen. — Der feine Klang Die letzte Glut verknistert im Kamin — Die schlanken Venezianer fülltest du, Indes geschäftig schon der Dämmrung bleiche Hände Die Schatten hängten an die weißen Wände... Und mählich rückt' ich näher zu dir hin. Dem Leben weihten wir das erste Glas — Und wie die feinen Kelche an einander stießen, Und wie der feine Klang erklang, Fühlt ich des Lebens Kräfte sich ergießen Mit Stromgewalt, die über Dämme sprang, Und wie der Kelch sich sacht zur Lippe neigte, Und schlürfend ich den edlen Wein genoß, Sah ich ein heldisch Weib, das in die Ferne zeigte, Wo breitgewellt der Strom des Lebens floß... Und über meine Seele ging ein Zittern... Du gossest ein und hobst dein Glas empor: Doch Einer ist der Größte, und in Treuen, Und sieht das Tiefste, das kein Auge sah! Du sollst in Ihm des Lebens dich erfreuen, Und lächelnd ist Er dir im Leide nah; Er ist voll Härte und voll sanfter Milde, Und sind wir gleich in Seiner steten Frohn, Wenn dich das Leben trog, wird Er zum Schilde, Wo dir die letzte Kämpferkraft entflohn! Dem Tode weih ich meinen herben Firnen, Dem letzten Tröster wunder Leidensstirnen... Und sanft auf meiner Seele lag ein Lächeln. — — Und sieh, wenn sachte sich der Abend neigt, Die Dämmrung mich umhüllt mit bunten Schleiern, Mit müder Hand, — und alles Leben schweigt, Dann muß ich heimlich diese Stunde feiern, Und klingen hör ich einen feinen Klang Und deiner milden Stimme leises Sprechen. So viel der harte Tag mir auch verschlang: Ein Lächeln! — ob auch alle Maße brechen, Dem Einen dien ich — und ihm Wert zu schaffen, Will ich des Lebens weitste Schätze mir zusammenraffen. Und kommt Er einst, — es wird am Abend sein, — Und kommt Er einst, hinüber mich zu führen, Ich lausche selig in den Abendschein, Ein letztes Leben mir zur Fahrt zu küren. — Ich sehe hinter mir des Stromes Band In breiten Wellen. — Herrliche Gefilde An seinen Ufern! — Feierlich winkt eine Hand Und segnet mich, — und alles wilde Und drangvoll-heiße Wünschen fühl ich schweigen, Den reinsten Frieden sich zur Stirne neigen. — Dann hör ich klingen jenen feinen Klang! Und deiner milden Stimme sanfte Worte Begleiten mich auf meinem letzten Gang. Und klinkt der Tod dann auf die dunkle Pforte, Ein Strahl des Lebens geht mit mir ins Reich der Nacht, Der ewig dann in meinen seligen Träumen lacht... Der Schnitter So steht er im gelben Ährenfeld: So breit und groß und kräftig, In einemfort geschäftig, Daß Garbe voll zu Garbe fällt. Vom Himmel trieft's in heller Glut — Das kümmert ihn nicht weiter, Wischt mit dem Ärmel heiter Den dicken Schweiß sich unterm Hut. Dann stellt er auf den Sensenstiel, Wetzt, daß die Funken springen, Und läßt die Sense klingen In lustig hellem Liederspiel. Fernher ein Ruf so froh erregt — ! Dort kommt mit einem Rangen Ein bäurisch Weib gegangen — Und Antwort giebt er stolz bewegt. Dann mäht er kräftig weit im Kreis Die reifen Halme wieder — Und schwebt ein Glück hernieder, Das er sich nicht zu deuten weiß... Der Tänzer So auf der Wandrung kreuz und quer Kam der Tod einmal die Wiese her. Kein abgestorben bleiches Blut; Ein Tausendsassa und Übermut. Er sah wie ein prächtiger Bursche aus: In der Hand einen Herbstzeitlosenstrauß, Ein keckes Hütlein auf dunklem Gelock, In Bergschuhen, Rucksack und Wanderstock — Ein Graus, und doch ein Schmuck so stolz, Waren Augen, schwarz wie Ebenholz, Die unter steiler Stirne voll kühner Gedanken Glühten, und alles Leben tranken. Ein Mägdlein saß unterm Weidenbaum Und träumte von Liebe wohl seligen Traum. Kaum hatt' er's ersehen, — ein Sprung! — und husch! Da war er schon unter dem Weidenbusch. Ein Kuß saß gleich auf dem frischen Mündchen, — Er setzte sich zu ihr, — so ein Viertelstündchen Geplauder, — Geschmoll, — und ein Gezier, Sah aus wie ein ernsthaftes Bössein schier. Doch bald ein lustig Gekuschel und Scherzen, Und ein Verliebtsein, so recht von Herzen. — So saßen sie noch eine kurze Zeit, — Ihr schien's eine heitere Seligkeit. Blutrot ging nun die Sonne unter. Da ward der Geselle so recht erst munter, Er stellte mit zierlichem Bückling sich hin Und nannte sie jungschöne Schäferin, Und steckte den Strauß ihr an den Busen Und schwatzte von Parzen und Faunen und Musen, Und lud sie fein zärtlich zum Tanze ein, Zum wirbelnden Tanze im Mondenschein Hier auf dem grünen Wiesenplan. Schon warte im Busch sein Freund, der Pan, Nun helfe kein Zaudern und kein Erröten, Er wähle zum Spiel schon die feinsten Flöten. Und schnell sie die Arme umfangen hatten, Sie schwebten dahin, so leicht wie Schatten, Und tanzten, daß ihr die Pulse flogen. Und immer weiter schwang er den Bogen, Und immer feuriger tanzte sie, Denn er war ja ein wahres Tanzgenie, Und der Pan, im Busch versteckt, Hatte ein Spiel da ausgeheckt, Ein Singen und Klingen und Trillern und Pfeifen, — Es mußte ihr ja an die Seele greifen, — Von feuriger Lust und wildem Genießen, Von jauchzender Jugend und Glückerschließen, Von seligen Träumen, von Sternen und Licht, Von goldenen Früchten, die Liebe bricht, Und allem Süßen und allen Wonnen, Die je ein Dichter nur ausersonnen! — Und immer wilder und wilder die Weise, Und immer weiter und weiter die Kreise, Und immer leiser und leichter der Tritt, Als nehme ein wirbelnder Wind sie mit, Und heißer und immer heißer der Hauch, Und immer kürzer und kürzer auch, Und ein Jauchzen, ein Singen und wieder ein Bangen, Und ein Taumel, Entsagen und brünstig Verlangen, — Und immer schriller und schriller die Weise, Und immer toller im Wirbel die Kreise Kurz abgebrochen... morendo... Cadenz — Der Tod macht höhnisch ihr Reverenz, Da nach des Panes verlockendem Spiel, Sie leblos ihm in die Arme fiel. Er trug sie leicht dann hin zum Busch, — Ein kurzer Bückling, ein Grinsen, — und husch! Sprang er dann lustig ins Dorf hinein, Zu weiterem Tanze zu laden ein. — Leise raschelt's im Laub. — Der Pan Schleicht mit grinsender Fratze heran, Besieht begehrlich die junge Leiche Und freut sich seiner frechen Streiche — Er streut dann den Herbstzeitlosenstrauß Fein sachte ihr über den Busen aus, Küßt ihr dann flüchtig die blonden Locken. — Dann hinter dem Freund her, — und jauchzt ein Frohlocken Und freut sich schon auf den neuen Tanz, Noch zauberschöner im Mondenglanz. — — — Waldestraum Die Sonne breitet ihren Segen Wie einen goldnen Teppich aus. Waldmeister duftet an den Wegen, Und Rotdorn streut die Blüten aus. Nur Sonnenglanz und Himmelsbläue Durchflirrt das kühle Blätterdach. Der Wanderfalk mit hellem Schreie Hält mich auf weichem Moose wach. Nun er verstummt ist in der Schwüle, Träum' ich verschlafen vor mich hin, Und träume, daß im duftgen Pfühle Ich selber Halm und Blüte bin... Am Waldrand Von dieser Linde kann ich schauen Hinab in das verklärte Land. Die Sonne überglänzt die Auen Bis an den fernen Himmelsrand. Durch Laubgewirr die Strahlen flimmern; Es ist so still in weiter Welt. Vom Dorf die roten Dächer schimmern Aus ährenblondem Weizenfeld. Schneeweiße Wolkenschäfchen gleiten Unmerklich durch das Himmelsland, Daß meine Seele nach dem weiten Tiefblauen Reich die Flügel spannt. Ich hab' da wie im Traum gelegen Und weiß nun nicht vor lauter Lust, Wohin ich soll mit all' dem Segen, Mit all' der Liebe in meiner Brust... Frauenliebe Die Mutter hat gescholten Tag für Tag; Wenn sie ihn nähme, hätt' sie Müh und Pag, — „Ich will dir einen bessern Freier zeigen!“ ... Sie schüttelte den Kopf und lachte eigen. Nun war sie seine Frau schon Jahr und Tag; Ein bischen Glück, dann recht viel Müh und Plag! Die arme Frau, und ob ihn alle hassen, Sie senkt den Kopf und will nicht von ihm lassen. Einst blieb er aus die ganze lange Nacht; Gott weiß, wo er die Stunden zugebracht! — Die Menschen reden schlecht. — Sie kann's nicht fassen, Und weint und weint und will nicht von ihm lassen... Das bist Du! Sag, was bin ich und was bist du? O ewige Frage... und keine Ruh! Ein Duft, den fremde Blüten gesandt, Ein Luftkreis, beschrieben von Knabenhand, Ein Sandkorn, vom Meere hinweggespült, Ein Wind, der in wehenden Locken wühlt, Ein Seufzen von sehnendem Menschenweh, Ein Kräuseln auf blitzender, spiegelnder See, Ein Mondstrahl in nebliger Abendluft, Ein Aufschrei, gedämpft aus vertiefter Gruft, Ein Spielball, den jauchzend ein Knabe wirft, Ein Tropfen, von sonnigen Lüften geschlürft, Ein Lächeln, das kommt und schwindet im Nu... ... Weh! ... Das bin ich, und das bist du... Die Gnade Es wandelt eine Gnade unter uns, Sie wandelt still, nur Wenigen begegnend, Wem sie erscheint, der wird ein Gotteskind. Sie wandelt still, nur Wenigen begegnend, Wo sie vorbeikommt, falten sich die Hände, Die sorgenlos mit irdischem Tande spielten. Wo sie vorbeikommt, schweigt das heiße Blut, Das eben noch ein wildes Lied gesungen, Und gehet fromm durch seine dunklen Gänge. Wo sie vorbeikommt, hält der Mörder inne, Mit seiner That, ... es gäbe keine Sünde Wär' sie der Schlange einst genaht im Eden. Die alle Finsternis Besiegende, Sie ist: der große sonnenhelle Blick, Der aus dem Auge des Gerechten leuchtet. Mädchenfrage Als Kind hab ich oft geweint, wußt nicht, warum, nun muß ich oft heimlich lachen, weiß nicht, warum. Es greift in meine Saiten eine rätselhafte Hand, ein Fremdes will mich leiten in ein unbekanntes Land. Seltsam wunderliche Gedanken, die mein Wort nicht nennen kann, baun um mich purpurne Schranken und halten mich in Zauber und Bann. Ich fasse dich nicht, o Leben, weiß nicht, wer wir beide sind, weiß nicht, wohin wir streben, wo ich mein Ziel wohl find. Als Kind hab ich oft geweint, wußt nicht, warum... nun muß ich oft heimlich lachen, weiß nicht, warum. Mein Reich Zu meinen Füßen schäumt der rote Strom des sturmdurchtosten Lebens wild dahin, ich aber weiß von einer grünen Insel, die mitten in den Purpurfluten liegt. O schattenstilles Eiland: Einsamkeit, smaragdene Dämmerung, in der das Märchen mit großen offnen Augen ruht und lauscht, aus deren Blumenkelchen Liebesgeister zum Himmel flattern und des Herren Antlitz so zärtlich schmeicheln, bis es sich entschleiert. Glückselig, wer in solcher Stunde ruht im Waldesdunkel, und das goldene Wunder hoch über sich erblickt... Einst glitt sein Strahl auch über meine Stirne hin... Seither hat tiefe Heimatliebe mich ergriffen zu dir, mein schönes Reich, du leise Insel im lauten Strom des Lebens, Einsamkeit. Venedig Silberne Mondesstrahlen Glänzen auf tiefblauer Flut, Fern auf den Kathedralen Sinkendes Sonnengold ruht. Von der bläulichen Küste Zittert Glockenton her, Wie sanft atmende Brüste Hebt und senkt sich das Meer. Im Entschlafen Blasse Blüten neigen Ihre duftende Pracht, Ein unendliches Schweigen Naht auf den Schwingen der Nacht. Ruhe schleicht sich wieder In die Seele zurück, Müde schließ ich die Lider Träumend vom fliehenden Glück. Das kranke Kind Ich bin häßlich, liebe Mutter, Sagen mir die Leute täglich, Und ich würde nun bald sterben, Weil so elend ich und kläglich! Ist das wahr? — Sag, liebe Mutter! — „Laß, mein Kind, die Leute schmälen, Komm auf meinen Schooß und küsse Mich, ich will Dir jetzt erzählen: Einst wirst Du ein kleiner Engel, Mit den schönsten Silberschwingen, Mit viel andren süßen Stimmen Wirst Du fromme Lieder singen! Und auf einem goldnen Throne Sitzt der Vater aller Seelen Mit dem lieben Gottessohne In den hellen Himmelssälen!“ — Und der Kleine horchte glücklich, Bis der Schlaf ihn sanft umfangen! — Eine heiße Mutterthräne Fiel auf seine magren Wangen. Versteckte Jasminen Mädchen, was hast du, was ist dir begegnet, Hat dir der Tag heut die Laune verregnet, Siehst so betroffen und wunderlich aus. Guck mir ins Auge, und häng nicht das Köpfchen, Soll ichs von hinten her hoch ziehn am Zöpfchen, Mädel, was ist denn, so sprich dich doch aus. Wird sie verlegen ganz, greift in die Tasche, Bleibt ihr die Hand dort, ein Fisch in der Masche, Endlich, Jasminen. Wie sind sie mir lieb. Blitzend dann lacht sie: Ich hab sie gestohlen, Mußte sie heimlich vom Parke her holen, Hast sie so gern ja, und hier steht der Dieb. Lachen wir beide, der Weg ist gefunden, Fliegende Freuden und flatternde Stunden, Süßes Geplapper, Getändel und Kuß. Ward doch im Leben aus Liebe, aus Liebe Einmal auch meinethalb jemand zum Diebe, Galgen und Rad sind nicht immer der Schluß. Festnacht und Frühgang Schleifende Schleppen und schnurrende Schuhe, Wie sie auf spiegelnder Glätte sich drehn, Flatternder Schnurrbart und fliegende Schöße, Wie sie vorüber den Ballmüttern wehn! Unter kristallenen Kronen und Kerzen Schlagen die Schläfen und hämmern die Herzen, Schimmert der Nacken Geleucht im Gewirre, Funkelt der Steine Geflacker, Geflirre, Hinter den Tanzenden her wie die Häscher, Leicht wie die Falter, die Rosentaunäscher, Folgen verkappt Amoretten dem Flor. Hörner und Harfen und Flöten und Geigen Fachen die Flammen im lodernden Reigen Höher empor. König der Tänze in Schlössern und Scheunen, Trübsalverdränger auf Lehm und Parkett, Prinz und Plebejer, Student und Philister, Bürger und Bauer, Civil, Epaulette, Alle, sie alle sind von dir begeistert, Hast du voll Schwung ihren Schlender gemeistert, Alle sind trunken auf wohligsten Bahnen, Zeigt die Musik deine lustigen Fahnen. Aber die Huldinnen erst auf der Erden Können nicht glücklicher, sehnender werden, Treibst du sie an immerzu, immerzu. König der Tänze dem Höchsten, Geringsten, Sommers, am Herbsttag, im Winter, zu Pfingsten, Walzer, bist du. Und mit dem schönsten, dem fröhlichsten Mädchen Walz' ich heut Abend zum andern Mal schon, Eben erst traf sie mein leuchtendes Auge, Und meine Seele hob hoch sie zu Thron. Aus der Umgürtelung enger Verkettung Laß ich nicht locker, hier ist keine Rettung, Und ich verspüre ein holdes Entzücken, Muß ihr das Händchen ganz sanftiglich drücken. Bin ich im Himmel? ich fühl ihre Finger Zärtlicher spannen, die Seligkeitsbringer, Und meine Liebe nimmt stürmisch Besitz. Als ich mich endlich am Platz ihr verbeuge, Schlug aus den Wimpern ihr, bündiger Zeuge, Zündender Blitz. Kehraus und Ende, der Braus ist vorüber, Und es entleert sich allmählich der Saal, Letzte Gutnacht, Durcheinander und Trinkgeld, Schon in Kapuzen und Mänteln und Shawl. Schläfrige Kutscher, die gähnend sich recken, Rasch von den Pferden gezogene Decken, Licht und Laternen und Räumen und Rufen, Niederwärtssteigen auf marmornen Stufen. Nur meine Tänzerin fand nicht den Wagen, Hab' ich ihr gleich meinen Schutz angetragen, Hüllte sie ein in den leichtesten Pelz. Ach, das Figürchen im Zobel zu schauen, Sonniger Maitag im Gletschertrachtgrauen, Jugend und Schmelz! *** Wir wandern durch die stumme Nacht, Der Tamtam ist verklungen, Du schmiegst an meine Brust dich an, Ich halte dich umschlungen. Und wo die dunklen Ypern stehn, Ernst wie ein schwarz Gerüste, Da fand ich deinen kleinen Mund, Die rote Perlenküste. Und langsam sind wir weiter dann, Weiß ich wohin, gegangen. Ein hellblau Band im Morgen hing, Der Tag hat angefangen. Um Ostern wars, der Frühling will Den letzten Frost entthronen. Du pflücktest einen Kranz für mich Von weißen Anemonen. Den legtest du mir um die Stirn, Die Sonne kam gezogen Und hat dir blendend um dein Haupt Ein Diadem gebogen. Du lehntest dich auf meinen Arm, Wir träumten ohn Ermessen. Die Menschen all im Lärm der Welt, Die hatten wir vergessen. Das Kornfeld Als die Saat der Erd' entsprossen, Als der Frühlingswind sie neckte, Sind wir manchen stillen Abend Langsam durch sie hingeschritten Hand in Hand. Kamen Menschen uns entgegen, Wollten sie uns überholen, Ließen wir die Hände locker, Gingen ehrbar Seit' an Seite, Wie's sich ziemt. Waren dann die Menschen wieder Unserm Augenkreis entschwunden, Fanden schleunig sich von neuem Unsre Hände, unsre Lippen, Wie's so geht. Da das Feld nun steht in Ähren, Überall Verstecken bietet Allerzärtlichstem Getändel, Schreit' ich müde meines Weges Und allein. Blümekens Kleine Blüten, anspruchslose Blumen, Waldrandschmuck und Wiesendurcheinander, Rote, weiße, gelbe, blaue Blumen Nahm ich im Vorbeigehn mit nach Hause. Kamen alte, liebe Zeiten wieder: Auf den Feldern wehten grüne Hälmchen, Süß im Erlenbusche sang der Stieglitz, Eine ganze Welt von Unschuld sang er Mir und dir. Nun, seit Jahren, ordnen deine Hände Perlenschnur und Rosen in den Haaren, Wie viel schöner, junge Frau, doch schmückten Kleine Blumen dich, die einst wir pflückten, Ich und du. Auf einer grünen Wiese Du junge schöne Bleicherin, Wo fährst du denn dein Leinen hin? Rasch spring' ich auf den Bock zu dir, Zusammen dann kutschieren wir Auf deine grüne Wiese. Da breitest du im Sonnenschein Die Hemden fein, die Höschen fein. Ich seh dir zu, mein Herz wird laut, Wir spielen Bräutigam und Braut Auf deiner grünen Wiese. Und Nachts, im milden Mondenschein, Bewachst dein Linnen du allein. Ich gebs nicht zu, es ängstigt mich, Vor Raub und Mord beschütz' ich dich Auf deiner grünen Wiese. Das Gewitter Täglich nach der ernsten Arbeit Mach' ich meinen Feldspaziergang, Wo die roten Kühe grasen, Wo die bunten Blumen blühen, Wo die kleinen Vögel singen, Zwischen Hecken, zwischen Wiesen, Zwischen Dorn und grünem Gras. Täglich zwischen sechs und sieben, Kommt der Abend in mein Örtchen, Find' ich sieben hübsche Mädchen, Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, Wo die roten Kühe grasen, Wo die bunten Blumen blühen, Wo die kleinen Vögel singen, Zwischen Hecken, zwischen Wiesen, Zwischen Dorn und grünem Gras. Diese sieben hübschen Mädchen, Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, Gehen dann in langer Kette, Tragen auf den beiden Schultern Schwer mit Milch gefüllte Eimer, Kommen von den roten Kühen, Wo die bunten Blumen schimmern Wo die kleinen Vögel singen, Zwischen Hecken, zwischen Wiesen, Zwischen Dorn und grünem Gras. Gestern, glaub' ich, trieb der Schalk mich: Als ich sie von fern erblickte Meine sieben hübschen Mädchen, Nahm ich Stift und mein Notizbuch Aus der Tasche, trat zur Seite, Und als sie vorüber zogen, Legt' ich meine Stirn in Falten Wie der finstre Zollbeamte, Und, laut zählend, schrieb ich langsam: Een — twe — dre — veer — fief — sös — söbn. Alle wurden rot und röter, Schielten unter ihrem Strohhut, Wußten nicht, was solls bedeuten. Doch als weiter sie die Strecke, Hört' ich tuscheln, hörte schnattern, Hörte kichern, hörte lachen. Und ich wandte mich dem Ziel zu, Wo die roten Kühe grasen, Wo die bunten Blumen blühen, Wo die kleinen Vögel singen, Zwischen Hecken, zwischen Wiesen, Zwischen Dorn und grünem Gras. Sechs von diesen sieben Mädchen, Stramme, gute, liebe Kinder, Werden, wenn sie Mütter werden, Ihrem Vaterlande schenken: Kürassiere und Ulanen, Gardetrain und Grenadiere; Doch die letzte, diese zarte, Diese kleine, diese feine, Deren Söhne, scheint mir sicher, Werden Jäger und Husar. Heute, als ich meinen Stock nahm, Stand im Westen ein Gewitter; Dacht ich doch, es wird noch gehen, Noch ein Stündchen wird es warten, Schritt deshalb mit guten Schritten, Wo die roten Kühe grasen. Aber ach, der böse Himmel Kehrt sich nicht an meinen Ausgang, Zog sich mehr und mehr zusammen, Als ich mitten war im Felde, Wo die bunten Blumen blühen. Was ist das? Die Mädchen eilen, Daß sie noch das Dorf erreichen. Nur die letzte, diese zarte, Diese kleine, diese feine Zögert noch mit ihrem Eimer, Wo die kleinen Vögel singen, Zwischen Hecken, zwischen Wiesen, Zwischen Dorn und grünem Gras. Grad bin ich an ihrem Knickthor, Als die ersten Donner rollen, Und als hätten wirs beredet, Öffnet hier auch sie das Gitter. Helf ich ihr natürlich schleunig, Will die Tracht ihr emsig heben — Erste dicke, groschengroße Tropfen klatschen auf uns nieder. Kind, wir werden bald gebadet. Dort die Hütte, die der Kuhjung, Weggelaufen ist der Bengel, Sich gezimmert, sich mit Soden, Alten Pfannen, alten Ziegeln Und mit Brettern überdacht hat, Nicht zehn Schritte steht sie von uns; Rasch hinein und nicht gefackelt, Keine Angst, ich bin kein Scheuel, Und ich bin kein Menschenfresser! Das nur darf ich schnell verraten, Schiller kannte diese Moosburg, Als er das berühmte Wort sang: Raum ist in der kleinsten Hütte Für ein glücklich liebend Paar. Wolken bersten, Blitze schießen, Ganze Feuergarben fallen, Und ein Rasseln, Prasseln, Sausen, Lecken, Rinnen, Fließen, Strömen Wie am Schreckenstag der Sintflut. Unterdessen hat die zarte, Hat die kleine, hat die feine Angsterschrocken ihre Arme Meinem Nacken umgeschlungen, Und die Lider, fest geschlossen, Angedrückt an meine Schulter. Etwas schwül, ich muß es sagen, Wurde mir dabei zumute, Doch ich zwang mein stürmisch Pulsen, Dachte an die Ordensritter, Jene Schirmer und Beschützer. Aber, aber: diese Nähe, Dieses junge, warme Leben, Dieses Herz an Herz sich schließen, Dieses Herz an Herz sich drängen, Und ich fühlte, wie behutsam, Daß ich ja und ja nichts merke, Sie das Haupt ein wenig abhebt. Und ich sehe, lächeln muß ich, Wie verstohlen sie die Blicke Fragend in die Höhe richtet: Hat die Augen er im Wetter, Oder sucht er gar die meinen? Und ich bringe meine Lippen Und sie strebt auf ihren Zehen, Halb hinauf und halb hinunter, Und inmitten unsers Weges Fand ich ihren frischen Mund. Huscht nicht schon die erste Schwalbe, Blaut nicht schon der liebe Himmel, Brückt sich nicht der Regenbogen, Zeigt sich nicht die Sonne wieder? Und die Eimer nimmt die zarte, Nimmt die kleine, nimmt die feine, Und vergnügt, daß alle Schleusen Nun verrauscht sind und verronnen, Panscht sie durch die nassen Wege Und verschwindet hinter Bäumen. Ach, die wundervolle Kühle! Und ich pansche gleichfalls munter, Statt nach Hause an den Schreibtisch, Durch die regenblanken Felder, Wo die roten Kühe grasen, Wo die bunten Blumen blühen, Wo die kleinen Vögel singen, Zwischen Hecken, zwischen Wiesen, Zwischen Dorn und grünem Gras. Ein Geheimnis Vier edle Füchse nicken mit den Köpfen, Daß Brust und Hals und Mähnen, Zaum und Zügel, Mit weißem Schaumgeflock getigert sind. Die feinen Hufe scharren ungeduldig, Den leichten Wagen, dem sie vorgespannt, Durch weite Strecken mühlos fortzureißen. Am offnen Schlage steht der Groom und wartet. Die Thür des Schlosses öffnet ihre Flügel. Und tiefgebeugter Dienerschaft vorüber Betritt, des linken Handschuhs Knöpfe schließend, Ein großer Mann mit kurzem, braunem Vollbart, Die Marmortreppe, steht, und steigt hinunter. Die Haare deckt ein alter grauer Filz, Geschmückt mit unscheinbarer Sperberfeder. Gewehr und Tasche liegen schon im Sitz. Der Hühnerhund springt schleunig auf die Polster. Und fort, als gält es eine Siegesbotschaft, Entstürmt dem Halt in Hast der Viererzug. Dem Jäger schaut vom hohen Fenster nach Ein stolzes, blasses, üppig großes Weib: „Wenn ich nur wüßte, was ihn immer drängt, Auf jener magern Haidewelt zu jagen. Wenn einmal nur er fragte: Willst du mit?“ Und traurig läßt sie sich im Sessel nieder, Die stillen Augen mit den Händen deckend. Doch keine Thräne tropft ihr von der Wimper. Indessen rollt der Wagen seinen Weg, Und rollt und rollt drei Stunden durch die Felder; Und Nord und Süd, so weit das Auge reicht, Und West und Ost in unbegrenzter Ferne Gehört dem Jäger, der im Wagen sitzt Und freundlich rechts und links den Bauern dankt, Wenn ehrerbietig sie die Mützen rücken. Vor einem Haidkrug hält das Viergespann. Die Büchse umgehangen, schlendert nun Allein der Jäger durch das braune Kraut. Feldmann hat Hühner in der Nase, steht. Doch hinter ihm blitzt kein Gewehr heran. Am Waldrand weilt der Mann vor einem Häuschen, Bei dessen Thür ein kleiner Knabe spielt. Und in die Arme nimmt er rasch den Jungen, Und küßt die Lippen ihm, die großen Augen, Die wunderbaren, dunkelblauen Augen, Von langen, schwarzen Wimpern scharf beschützt. Und trägt ihn dann ins Haus. Ein Mütterchen Tritt ihm entgegen mit Bewillkommsgruß. Bald sitzen sie vereint am Sophatisch. Der Jäger schaukelt auf den Knie'n den Knaben, Und lacht und scherzt, und läßt in seinen Taschen Den Kleinen nach Bonbons und Spielwerk suchen, Und sieht ihm immer in die großen Augen, Die wunderbaren, dunkelblauen Augen, Von langen schwarzen Wimpern stark beschützt. Und wieder rollt im Trab, diesmal zurück, Der Viererzug. Und hält am Schloßportal. Die stolze, blasse, üppig große Frau Empfängt den Schloßherrn, kalt, im Ballanzug. Rasch ist er umgekleidet. Beide fahren Durch gaserhellte Straßen zur Gesellschaft. Der Jäger wird von Hunderten beneidet, Die heute sich begrüßen in den Sälen, Um seine stolze, wunderschöne Frau. Er liebt sie nicht; ja, ihre sammtne Haut Erregt ihm Schauder schon, berührt er sie. Einmal, fast laut, im Lärmen eines Toastes, Eh noch das Glas die Lippen ihm berührt, Flüstert er wie zerstreut und abwesend: Ach, süßs Herz, was gingst du weg von mir. Es schleicht die Sommernacht auf Katzenpfoten Des Schlosses Lichter alle sind gelöscht. Der Herr des Hauses schläft in seinem Zimmer Und atmet regelmäßig, ruhig, weiter. Ganz leise, leise, leise geht die Thür, Und seine Frau, in weißem Nachtgewand, Setzt vorsichtig ein Lämpchen auf den Tisch Und dämpft den Schein durch vorgestellten Schirm. Dann sitzt sie bald am Rande seines Bettes Und lauscht und schaut auf die geschloßnen Lider. In gleichem Tonfall, langsam jedes Wort, Spricht sie zu ihm, deß Brust sich hebt und senkt Und hebt und senkt, hebt, senkt, und hebt und senkt: „Rudolf.“ Kamilla? „Wie war heut die Jagd?“ Und er, als spräch' er wachend, klar und deutlich: Die Jagd, Kamilla? Nun, was soll die Jagd? Ich war am Waldesrand bei meinem Sohn. Schwamm ihr ein breiter Blutstrom vor den Augen? Fiel dann der Schnee so dicht, so dicht herab? Sie preßt die Hand aufs Herz, so fest, so fest — Und wieder fragt im selbem Tone sie: „Rudolf.“ Kamilla? „Und wie heißt dein Sohn?“ Ich gab ihm meinen eignen Namen: Rudolf. „Rudolf.“ Kamilla? „Und wie heißt die Mutter?“ Die Mutter starb, als sie den kleinen Kerl In meine Arme selig mir gelegt. Unruhig wird der ruhig Schlafende. Doch sie mit ihren stillen grauen Augen Bannt ihn, daß seine Atemzüge bald In gleichen Zwischenräumen wiederkehren. „Rudolf.“ Kamilla? „Liebst du noch das Mädchen?“ Bis jeder Stern vom weiten Himmel fällt. Die Frau steht auf. Doch bleibt sie noch am Bett. Ein letzter, langer, schwerer Abschiedsblick Voll Haß und Eifersucht und Schmerz und Weh. In grenzenloser Liebe küßt sie dann Die Stirne dessen, der ihr Leben war. *** Ein Schwan, der seinen Schnabel tief verbarg Im warmen Schlupfe seines mächtigen Flügels, Fährt plötzlich aus dem Traum. Die stolze Frau War neben ihm im Gartenteich verschwunden. Herbst Astern blühen schon im Garten, Schwächer trifft der Sonnenpfeil. Blumen, die den Tod erwarten Durch des Frostes Henkerbeil. Brauner dunkelt längst die Haide, Blätter zittern durch die Luft. Und es liegen Wald und Weide Unbewegt in blauem Duft. Pfirsich an der Gartenmauer, Kranich auf der Winterflucht. Herbstes Freuden, Herbstes Trauer, Welke Rosen, reife Frucht. Die Musik kommt Klingling, bumbum und tschingdada, Zieht im Triumph der Perserschah? Und um die Ecke brausend brichts Wie Tubaton des Weltgerichts, Voran der Schellenträger. Brumbrum, das große Bombardon, Der Beckenschlag, das Helikon, Die Piccolo, der Zinkenist, Die Türkentrommel, der Flötist, Und dann der Herre Hauptmann. Der Hauptmann naht mit stolzem Sinn, Die Schuppenketten unterm Kinn, Die Schärpe schnürt den schlanken Leib, Beim Zeus! das ist kein Zeitvertreib, Und dann die Herren Leutnants. Zwei Leutnants, rosenroth und braun, Die Fahne schützen sie als Zaun, Die Fahne kommt, den Hut nimm ab, Der sind wir treu bis an das Grab! Und dann die Grenadiere. Der Grenadier im strammen Tritt, In Schritt und Tritt und Tritt und Schritt, Das stampft und dröhnt und klappt und flirrt, Laternenglas und Fenster klirrt, Und dann die kleinen Mädchen. Die Mädchen alle, Kopf an Kopf, Das Auge blau und blond der Zopf, Aus Thür und Thor und Hof und Haus Schaut Mine, Trine, Stine aus, Vorbei ist die Musike. Klingling, tschingtsching und Paukenkrach, Noch aus der Ferne tönt es schwach. Ganz leise bumbumbumbum tsching, Zog da ein bunter Schmetterling, Tschingtsching, bum, um die Ecke? Tod in Ähren Im Weizenfeld, in Korn und Mohn, Liegt ein Soldat, unaufgefunden, Zwei Tage schon, zwei Nächte schon, Mit schweren Wunden, unverbunden. Durstüberquält und fieberwild, Zm Todeskampf den Kopf erhoben, Ein letzter Traum, ein letztes Bild, Sein brechend Auge schlägt nach oben. Die Sense rauscht im Ährenfeld, Er sieht sein Dorf im Arbeitsfrieden, Ade, Ade du Heimatwelt — Und beugt das Haupt, und ist verschieden. Siegesfest Flatternde Fahnen Und frohes Gedränge. Fliegende Kränze Und Siegesgesänge. Schweigende Gräber, Verödung und Grauen. Welkende Kränze, Verlassene Frauen. Heißes Umarmen Nach schmerzlichem Sehnen. Brechende Herzen, Gestorbene Thränen. In einer Winternacht Viel Tausende haben sich aufgemacht In stürmischer, schneeiger Winternacht. Die Menge staut sich, steht Fuß an Fuß, Dem Kaiser zu danken mit letztem Gruß. Plötzlich am Schloß zwei Flammen wie Schlangen, Vom Dom her wimmert ein Glockenbangen, Bald dröhnt es gleichmäßig, ohn' Unterlaß In grausamem Takt, in furchtbarem Baß. Und wo sich die Massen zusammengeschoben, Über die Köpfe, schwimmt hoch erhoben, Ein dunkler Sarg, so thränenschwer, Ein Troß von Königen hinterher. Wie die Wolken erschrocken hasten, Der Wind packt: halt, halt! des Bahrtuchs Quasten, Doch durch das bewegte Lüfteleben Seh' ich wohl hundert Adler schweben Mit wundervoll ruhigem Flügelschlag, So stolzes Geleit wie am Siegestag. Rauch schlägt nieder aus ehernen Becken, Drin die Feuer geschürt, den Rand überlecken. Die Erde zittert, dumpf ist es zu spüren, Wie die Hufe des Zuges das Pflaster berühren. Die Fackeln strecken als Leuchten sich vor, In den Helmen sich spiegelnd der Gardes du Corps. Und senken sich nieder, verlöschen im Schnee — Vorüber, vorüber das schluchzende Weh. Aus der offenen Domthür tönt Orgelgebraus, Ein Palmenwald grüßt in den Winter hinaus. Alles grün, alles Frühling, wo sonst weißer Kalk, Lorbeer umlaubt den Katafalk. Selbst Gärten, die einst unser Sturmschritt geknickt, Heut haben sie Rosen und Kränze geschickt. „Laßt mich durch, die Gasse mir aufgethan, Laßt mich durch, laßt mich durch, sonst brech' ich mir Bahn! Noch einmal auf Knieen vor ihm will ich liegen, Meine Stirn an die purpurne Ruhstatt biegen. Bei Gravelotte, spät war die Stunde, Der König! rief es in weiter Runde, Und jauchzend hemmten wir seinen Zügel, Bedeckten mit Küssen Hand und Bügel. Die Sonne in sinkender Abendflut Umrahmt seinen Helm in Gloriaglut, Sein Auge tropft, seine Lippe bebt, Mit ihm, mit ihm hab' ichs durchgelebt.“ Wer weiß wo (Schlacht bei Kolin, 18. Juni 1757.) Auf Blut und Leichen, Schutt und Qualm, Auf roßzerstampften Sommerhalm Die Sonne schien. Es sank die Nacht. Die Schlacht ist aus, Und mancher kehrte nicht nach Haus Einst von Kolin. Ein Junker auch, ein Knabe noch, Der heut das erste Pulver roch, Er mußte dahin. Wie hoch er auch die Fahne schwang, Der Tod in seinen Arm ihn zwang, Er mußte dahin. Ihm nahe lag ein frommes Buch, Das stets der Junker bei sich trug, Am Degenknauf. Ein Grenadier von Bevern fand Den kleinen erdbeschmutzten Band Und hob ihn auf. Und brachte heim mit schnellem Fuß Dem Vater diesen letzten Gruß, Der klang nicht froh. Dann schrieb hinein die Zitterhand: „Kolin. Mein Sohn verscharrt im Sand. Wer weiß wo.“ Und der gesungen dieses Lied, Und der es liest, im Leben zieht Noch frisch und froh. Doch einst bin ich, und bist auch du Verscharrt im Sand, zur ewigen Ruh, Wer weiß wo. Tiefeinsamkeit spannt weit die schönen Flügel Haidebilder Tiefeinsamkeit spannt weit die schönen Flügel, Weit über stille Felder aus. Wie ferne Küsten grenzen graue Hügel, Sie schützen vor dem Menschengraus. Im Frühling rauscht in mitternächtiger Stunde Die Wildgans hoch in raschem Flug. Das alte Gaukelspiel: in weiter Runde Hör' ich Gesang im Wolkenzug. Verschlafen sinkt der Mond in schwarze Gründe, Beglänzt noch einmal Schilf und Rohr. Gelangweilt ob so mancher holden Sünde, Verläßt er Garten, Wald und Moor. Die Mittagsonne brütet auf der Haide Haidebilder Die Mittagsonne brütet auf der Haide, Im Süden droht ein schwarzer Ring. Verdurstet hängt das magere Getreide, Behaglich treibt ein Schmetterling. Ermattet ruhn der Hirt und seine Schafe, Die Ente träumt im Binsenkraut, Die Ringelnatter sonnt in trägem Schlafe Unregbar ihre Tigerhaut. Im Zickzack zuckt ein Blitz, und Wasserfluten Entstürzen gierig dunklem Zelt. Es jauchzt der Sturm und peitscht mit seinen Ruten Erlösend meine Haidewelt. In Herbstestagen bricht mit starkem Flügel Haidebilder In Herbstestagen bricht mit starkem Flügel Der Reiher durch den Nebelduft. Wie still es ist! kaum hör' ich um den Hügel Noch einen Laut in weiter Luft. Auf eines Birkenstämmchens schwanker Krone Ruht sich ein Wanderfalke aus. Doch schläft er nicht, von seinem leichten Throne Äugt er durchdringend scharf hinaus. Der alte Bauer mit verhaltnem Schritte Schleicht neben seinem Wagen Torf. Und holpernd, stolpernd schleppt mit lahmem Tritte Der alte Schimmel ihn ins Dorf. Die Sonne leiht dem Schnee das Prachtgeschmeide Haidebilder Die Sonne leiht dem Schnee das Prachtgeschmeide, Doch ach! wie kurz ist Schein und Licht. Ein Nebel tropft, und traurig zieht im Leide Die Landschaft ihren Schleier dicht. Ein Häslein nur fühlt noch des Lebens Wärme, Am Weidenstumpfe hockt es bang. Doch kreischen hungrig schon die Rabenschwärme Und hacken auf den sichern Fang. Bis auf den schwarzen Schlammgrund sind gefroren Die Wasserlöcher und der See. Zuweilen geht ein Wimmern, wie verloren, Dann stirbt im toten Wald ein Reh. Tiefeinsamkeit, es schlingt um deine Pforte Haidebilder Tiefeinsamkeit, es schlingt um deine Pforte Die Erika das rote Band. Von Menschen leer, was braucht es noch der Worte, Sei mir gegrüßt, du stilles Land. Pidder Lüng „Frii es de Feskfang, Frii es de Jaght, Frii es de Strönthgang, Frii es de Naght, Frii es de See, de wilde See En de Hörnemmer Rhee.“ Der Amtmann von Tondern, Henning Pogwisch, Schlägt mit der Faust auf den Eichentisch: Heut fahr' ich selbst hinüber nach Sylt, Und hol' mir mit eigner Hand Zins und Gült. Und kann ich die Abgaben der Fischer nicht fassen, Sollen sie Nasen und Ohren lassen, Und ich höhn' ihrem Wort: Lewwer duad üs Slaav. Im Schiff vorn der Ritter, panzerbewehrt, Stützt finster sich auf sein langes Schwert, Hinter ihm, von der hohen Geistlichkeit, Steht Jürgen, der Priester, beflissen, bereit. Er reibt sich die Hände, er bückt den Nacken. Der Obrigkeit helf' ich, die Frevler zu packen, In den Pfuhl das Wort: Lewwer duad üs Slaav. Für Hörnum hat die Prunkbarke den Schnabel gewetzt, Ihr folgen die Ewer, kriegsvolkbesetzt. Und es knirschen die Kiele auf den Sand, Und der Ritter, der Priester springen ans Land, Und waffenrasselnd hinter den beiden Entreißen die Söldner die Klingen den Scheiden. Nun gilt es, Friesen: Lewwer duad üs Slaav! Die Knechte umzingeln das erste Haus, Pidder Lüng schaut verwundert zum Fenster hinaus. Der Ritter, der Priester treten allein Über die ärmliche Schwelle hinein. Des langen Peters starkzählige Sippe Sitzt grad an der kargen Mittagskrippe. Jetzt zeige dich, Pidder: Lewwer duad üs Slaav! Der Ritter verneigt sich mit hämischem Hohn, Der Priester will anheben seinen Sermon. Der Ritter nimmt spöttisch den Helm vom Haupt Und verbeugt sich noch einmal: Ihr erlaubt, Daß wir euch stören bei euerm Essen, Bringt hurtig den Zehnten, den ihr vergessen, Und euer Spruch ist ein Dreck: Lewwer duad üs Slaav. Da reckt sich Pidder, steht wie ein Baum: Henning Pogwisch, halt deine Reden im Zaum. Wir waren der Steuern von jeher frei, Und ob du sie wünscht, ist uns einerlei. Zieh ab mit deinen Hungergesellen, Hörst du nicht schon meine Hunde bellen? Und das Wort bleibt stehn: Lewwer duad üs Slaav! Bettelpack, fährt ihn der Amtmann an, Und die Stirnader schwillt dem geschienten Mann: Du frißt deinen Grünkohl nicht eher auf, Als bis dein Geld hier liegt zu Hauf. Der Priester zischelt von Trotzkopf und Bücken, Und verkriecht sich hinter des Eisernem Rücken. Oh Wort, geh nicht unter: Lewwer duad üs Slaav! Pidder Lüng starrt wie wirrsinnig den Amtmann an, Immer heftiger in Wut gerät der Tyrann, Und er speit in den dampfenden Kohl hinein: Nun geh an deinen Trog, du Schwein. Und er will, um die peinliche Stunde zu enden, Zu seinen Leuten nach draußen sich wenden. Dumpf tönts aus der Erde: Lewwer duad üs Slaav! Einen einzigen Sprung hat Pidder gethan, Er schleppt an den Napf den Amtmann heran, Und taucht ihm den Kopf ein, und läßt ihn nicht frei, Bis der Ritter erstickt ist im glühheißem Brei, Die Fäuste dann lassend vom furchtbaren Gittern, Brüllt er, die Thüren und Wände zittern, Das stolzeste Wort: Lewwer duad üs Slaav! Der Priester liegt ohnmächtig ihm am Fuß, Die Wäscher stürmen mit höllischem Gruß, Durchbohren den Fischer und zerren ihn fort, In den Dünen, im Dorf rasen Messer und Mord. Pidder Lüng doch, ehe sie ganz ihn verderben, Ruft noch einmal im Leben, im Sterben Sein Herrenwort: Lewwer duad üs Slaav! Cincinnatus Frei will ich sein. Meinen Jungen im Arm, in der Faust den Pflug, Und ein fröhlich Herz, und das ist genug. Und schleichen die Wünsche wie schmeichelnde Panther, Tobt einer im Blut mir, ein höllengesandter, Daß ich Ruhe nicht finde bei Tag und Nacht, Daß ich ganz wirr bin und überwacht, Daß mir die Wangen einfallen und bleichen, Und kann doch und kann doch den Wunsch nicht erreichen: Ich schluck' ihn zu den begrabenen andern, Fein still, und es säumt schon das rastlose Wandern. Das Wort klingt herb und hat traurigen Mund, Und tröstet mich doch und macht mich gesund, Meinen Jungen im Arm, in der Faust den Pflug, Und ein fröhlich Herz, und das ist genug. Frei will ich sein. Bietet der Staat mir Würden und Amt, Und trüg' er mirs an auf purpurnem Sammt, Ich winke den Bringern, ich lache dem Tand, Und wehre sie ab mit verneinender Hand. Mich schaudert vor Joch und Fessel und Druck, Vor des Dienstes grauem Bedientenschmuck, Vor des Dienstes Sklavenarbeiten, Vor seinen Rücksichtslosigkeiten. Ich beuge den Menschen nicht meinen Nacken, Und lasse sie nicht an den Kragen mir packen. Der Geier des Ehrgeizes richtet den Schnabel Ewig nur gegen den eigenen Nabel, Und frißt sich selbst in den Eingeweiden, Und schafft sich selbst nur die bittersten Leiden. Weg da, ihr Narren, und laßt mich in Ruh, Und dröhnend werf' ich mein Hofthor zu. Meinen Jungen im Arm, in der Faust den Pflug, Und ein fröhlich Herz, und das ist genug. Frei will ich sein. Doch ruft mich der Kaiser in Not und Gefahr, Ich entstürze dem Haus mit gesträubtem Haar, Bin um ihn, wenn er von Feinden umdrängt, Bis wieder die Streitaxt am Nagel hängt. Und will es mein Schicksal, fällt für ihn mein Haupt, Ich küsse den Block, an den ich geschraubt, Ich küsse den Block, von dem mein Rumpf Ohne Kopf in den Sand rollt, ein zuckender Stumpf. Muß das Vaterland drangvoll die Sturmflaggen hissen, Ho heida! die Klinge der Scheiden entrissen. Und droht es von Osten und dräut es von West, Wir schlachten den Bären, den Hahn uns zum Fest. Fällt neidisch uns an auch die ganze Welt, Sie lernt uns schon kennen, der Angriff zerspellt. Und der Frieden strahlt auf, von Sonnen gezogen, Der Teifun erstarb in sanft plätschernden Wogen, Der Ackersmann sät, und der alte Verkehr Findet verkettete Straßen nicht mehr. Dann stemm' ich die Spitze von meinem Schwert Fest auf den häuslichen Feuerherd, Umfasse den Griff mit der einen Hand, Und trockne das Blut von Rill' und Rand, Und schleif' es, gewärtig zu neuem Tanz, Doch heute bedeckt es ein Eichenkranz. Meinen Jungen im Arm, in der Faust den Pflug, Und ein fröhlich Herz, und das ist genug. Frei will ich sein! Golgatha Das Land lag wie aus Glas gesponnen um mich, So rein, so klardurchsichtig war die Luft. Ich stand auf einem sanften Haidehügel In meiner Heimatinsel Schleswig-Holstein. Rings Sonne; eine weite, leere Aussicht. Die Himmelsschlüssel blühen überall, Vergißmeinnicht und gelber Löwenzahn. Der Tod hat sich ins Kraut zum Schlaf gestreckt, Reumütig liegt die Sense neben ihm. Kein Pflügerruf, kein Vogel läßt sich hören, Kein Wagen ringt sich durch den dicken Sand, Die Mühle selbst hält Rast: es ist Charfreitag. Auf meinem kleinen Berge stehn drei Kiefern, Ich schreite ab: sechs Fuß weit von einander. An eine dieser Kiefern dann gelehnt, Sah ich hinab in all die stille Landschaft Und freute mich des wundervollen Friedens. Ein Schwarm von Eintagsfliegen nur gab Leben, Von feuchtem Ort im Wind hierher getrieben. Er hob und senkte sich vor mir wie Rauch, Glückselig in der Freude seines Daseins. Mich drückt die Frühlingsluft, ich sitze nieder. Der Mittag kam, ich saß noch immer da. Die Sonne sticht, die Frühlingsluft wird schwerer, Ich werde müde, Träume thun sich auf: Aus den drei deutschen Kiefern werden Pinien, Und die drei Pinien wandeln sich zu Palmen, Und seltsam ändert sich um mich die Gegend: Im Westen, Osten steigen Mauern auf, Ein Tempel schimmert auf, ein Rathaus auf, Fern eine fremde, nie gesehne Stadt: Jerusalem! Die Burg Antonia, Der Schloßbau von Herodes mit den Türmen, Und Josaphat, das Thal mit seinem Kidron, Gethsemane, der Ölberg, Golgatha! Vor allen Thoren glänzen Villen, Gärten, Springbrunnen klatschen in die Marmorbecken, Und Säulenhallen stehn: Jerusalem! Der Schmerzensweg, die via dolorosa — Und zieht den Weg nicht eine große Schar? Grad auf mich zu? Und zieht nach Golgatha? Steh ich auf Golgatha, der heiligen Stätte? Laut schiebt sich, stößt sich alles durcheinander, Barone, Priester, Staatsanwälte, Bader, Doktores: Pöbel aller Stände folgt Dem blassen, zarten Mann, der vorne geht. Von bernsteingelben Haaren eingerahmt Ist sein Gesicht; und große braune Augen Schaun traurig, starr, verlassen in die Menge, Die tobend, lachend, lärmend ihn umdrängt. Und plötzlich bin ich auch mit im Gewühl, Und höhne, lache mit... Und der die bernsteingelben Haare hat, Der blasse Mann schleppt sich mit einem Schragen, Bis ihn die Kraft verläßt; er sinkt zusammen. Ein andrer, stärkrer, nimmt die Last ihm ab, Und weiter zieht der Zug nach Golgatha. Und alles, was uns nun entgegenkommt, Hält an: ein General, ein Bärenführer, Die Purpursänfte einer Edeldame, Der Bauer, der sein Kalb zu Markte treibt, Mit Staatsdepeschen ein Courier aus Rom, Die alte Semmelfrau von Jericho, Ein Handwerksbursch, zuletzt ein Trupp Soldaten, Der eben von der Felddienstübung heimkehrt. Und alles lacht und johlt und kreischt und brüllt: „Hurrah, da bringen sie den Judenkönig“ Und trollt sich weiter auf dem Weg zur Stadt. Und eine Geierschar, in Wolkenhöhe, Giebt, langsam kreisend, unserm Zug Geleit. Zwei Zimmerleute fügen aus den Kiefern, Aus den drei Kiefern, meinen lieben Kiefern, Drei plumpe, rohbehaune, kurze Kreuze. Wir stürzen uns auf Jesum, packen ihn, Wir schlagen ihn mit Nägeln an die Aste. Und ein Geschrei klagt gräßlich in die Welt Hinauf, so gräßlich, wie's ein Mensch ausstößt, Dem mit Gewalt ein großer rostiger Nagel Durch Hand und Fuß gehämmert wird... Und Jesus senkt die bernsteingelben Haare, Daß sie sein blutiges Gesicht verdecken: „Mich dürstet!“ Ein Soldat der deutschen Wache Steckt den getränkten Schwamm auf seinen Spieß Und läßt den Heiland in Erbarmen trinken. Und Barrabas erscheint, der Gassendichter, Der wegen Straßenraubs verurteilt saß, Doch den das Volk losbat, und grinst hinauf: „Ja, hättest du wie unsereins verstanden, Den Leuten Spaß zu machen, alter Freund, Du hingest nicht, ein schwerer Sack, am Holz; Kerl, dein Genie hat dich ans Kreuz gebracht!“ Und Jesus senkt die bernsteingelben Haare, Daß sie sein blutiges Gesicht verdunkeln. Ein rabenschwarz Gewölk kriecht vor die Sonne, Nur einen schmalen, grellen Lichtrand lassend, Der dem Erlöser in die Augen blinkt. Ein Blick der Liebe trifft uns, seine Quäler, Ein Schimmer, der uns anglänzt wie erstarrt, Und Jesus schreit, der Marterpfahl erbebt, Schreit: Eli, Eli, lama asabthani. Da: seht doch, seht! da jagt, von Straßenstaub Verhüllt, jetzt wieder frei, jagt einer her, In rasender Carriere jagt er her. Sein Helm stürzt ab, sein Haar fliegt lang ihm nach, Er spornt den Hengst auf unsern Blutplatz zu, Er schwenkt ein weißes Tuch, er schwenkts, er schwenkts. Er setzt die Zinken ein zum äußersten Sprung Auf unsern Hügel, an der Kante kommt Des Fuchses wilde Mähnenwelle hoch: Der Adjutant von Pontius Pilatus. Er und sein Syrer, wie getüncht von Schweiß, Brechen zusammen, und ein Wort springt hörbar Aus diesem wüsten Knäul von Mann und Gaul: Begnadigt! Stracks klettert einer das Gebälk hinan: Er hebt die bernsteingelben Haare Jesu Ihm von den Augen — er ist tot. Auf meinem kleinen Berge stehn drei Kiefern, Sie stehen noch; sechs Fuß weit von einander. An eine dieser Kiefern angelehnt, Sah ich hinab in all die stille Landschaft, Und freute mich des wundervollen Friedens. Ein Schwarm von Eintagsfliegen nur gab Leben, Glückselig in der Freude seines Daseins... Schwalbensiciliane Zwei Mutterarme, die das Kindchen wiegen, Es jagt die Schwalbe weglang auf und nieder. Maitage, trautes Aneinanderschmiegen, Es jagt die Schwalbe weglang auf und nieder. Des Mannes Kampf: Sieg oder Unterliegen, Es jagt die Schwalbe weglang auf und nieder. Ein Sarg, auf den drei Handvoll Erde fliegen, Es jagt die Schwalbe weglang auf und nieder. Frau Sehnsucht Aus „heidnische Rhapsodien“ Kam Frau Sehnsucht still heran, Sah mich an. Saß an meines Bettes Ende, Glühend wichen rings die Wände, Und sie hob die bleichen Hände, Hob sie durch die schwarze Nacht Sanft und sacht. Und mich würgten tausend Schlangen, Wühlten mir um Stirn und Wangen, Und die Cello-Töne klangen, Klangen zitternd, Stich um Stich, Und sie strich: „Horch, horch auf... die Palmen schauern! Wo die blauen Zelte trauern, Braune Leoparden lauern, — Geht ein Flüstern... Dämmerfahl Bebt mein Thal. Wo sich bunte Mädchen wiegen, Wilde Sterne flackern, fliegen, Leuchtend in den Teichen liegen, — Blüht mein Land und lockt mein Sang Nächtelang. Horch, horch auf... die Stunden gleiten, Und Du siehst in Dämmerweiten Venus, meine Fürstin, schreiten, Und sie winkt mit bleichem Kranz, Winkt zum Tanz. Und Du hörst die Quellen klingen, Leise knospen Dir die Schwingen... Laß uns tanzen, tanzen, springen! Kling und Klang — den schönsten Lauf Spiel ich auf.“ Also spielt sie Tage, Wochen, Daß mir wild die Pulse pochen, Spielt wohl, bis mein Herz gebrochen — Und Frau Venus, bleich und nackt, Schlägt den Takt. Frühling Wie ein Traum von mir zu Dir: Flüsterklang der Linde.. Wie ein Traum von mir zu Dir: Spatzenlied im Winde. Wie ein Traum von mir zu Dir In versteckten Quellen.. Wie ein Traum von mir zu Dir In den Blütenzellen. Und es schwellen Blatt und Bast Dürsten in den Zweigen; Sonne quillt von Ast zu Ast, Und die Säfte steigen. Und das Blut der Scholle rinnt, Und die Wurzeln saugen — Und Natur, fast noch ein Kind, Winkt schon mit den Augen. Der todte Tag Nun mag Jehovah still die Arme breiten: Da liegt der Tag, mit Blut und Staub bedeckt! Und Schatten siehst du durch die Lüfte gleiten, Und Lämpchen sind am Himmel angesteckt. Das Bahrtuch weht, — ein schwarzer Silberzipfel flattert empor und peitscht die Himmelswand, Und leise spinnt die Nacht um Wald und Wipfel Den Trauerflor mit bleicher Frauenhand.. Es will sich regen, in den Zweigen regen, Und weinen will es, und der Abend schweigt; Du fühlst, wie rings auf all den trauten Wegen Das Grün sich tiefer, immer tiefer neigt.. Hörst du die Sichel durch die Halme schneiden? Das ist der Tod! der stelzt so stumpf und schwer! Die Sonne sinkt, die Sonne blickt im Scheiden, Fast wie ein Mensch, so weltenweh umher; Und sieht die Schatten durch die Lüfte schreiten Und küßt die Welt noch einmal blutig-roth — Nun mag Jehovah still die Arme breiten: Der Tag, der letzte Sommertag ist todt. Das letzte Lied Die Sonne schläft, der Sommer geht zur Ruh, Schon schwätzt der Kieselbach, die Räder rauschen; Die Sehnsucht schließt die großen Augen zu, Schläft lächelnd ein.. Dort, wo die Wälder lauschen, Zittert ein Sensenlied, zittert und stirbt. Im bleichen Lichte krümmt sich die Chaussee So müde zwischen weißen Meilensteinen, In Pappelkronen flüstert Winterweh.. Und bei dem Teiche, wo die Weiden weinen, Zittert ein Sensenlied, zittert und stirbt. Zur Dämmerstunde war's — Zur Dämmerstunde war's, Zur schlimmen Zeit — Und deine Rosen dufteten im Zimmer, Ins Fenster brach der letzte Abendschimmer — Und meine Sehnsucht ging so weit. Sie suchte dich — Wie dufteten die Rosen! Und lechzend barg ich mein Gesicht hinein Und sog die süßen, süßen Düfte ein — Wie fühlt' ich deine Wünsche mich umkosen! O kämst du jetzt, Wie würde ich dich lieben! ... Ich ging und sperrte weit mein Fenster auf — O Lust! da kamst die Straße du herauf, Von gleicher Sehnsucht zu mir hergetrieben. Und wie im Traum blieb ich am Fenster stehn Und nickte stumm — Du stürmtest in das Haus, Breitetest schweigend deine Arme aus — — Es mußte sein — So ist es denn geschehn! „Klopfet, so wird euch aufgethan!“ Siehe, ich steh vor deiner Thür, Laß mich ein! Siehe, ich bring' meine Seele dir, Sie ist dein. Sieh meine Seele in großer Not, Laß sie ein! Laß sie nicht sterben den Hungertod, Sie ist dein. Siehe, sie bittet in heißem Flehn, Laß sie ein! Laß sie nicht bettelnd weitergehn, Sie ist dein. Gieb ihr in deinen Armen Ruh, Laß sie ein! Du bist ihr Herr und Meister, du, Sie ist dein. Laß sie nicht bettelnd weitergehn, Laß sie ein! Du wirst für sie vor dem Richter stehn, Sie ist dein!! ... Ehe Sie haben sich nichts zu sagen, Sie sitzen still und stumm Und hören die Stunden schlagen, Die Langeweil' geht um. Die Liebe ist längst gegangen, Und auch das Glück ist hin, Und hin ist das Verlangen Mitsamt dem Jugendsinn. Mißmut sitzt ihm zur Seite, Die Sehnsucht sitzt bei ihr, Und traurig alle beide, Ach, bis zu Thränen schier. Keins bricht das tiefe Schweigen, Kein Laut dringt in den Raum, Nur schwere Seufzer steigen, Verstohlen, hörbar kaum. Und die Gewohnheit leise Schwingt ihren Zauberstab Und zwingt in ihre Kreise Die beiden still hinab. Müde Hab so wund gelaufen meine Füße Auf dem weiten Wege nach dem Glück — Lachend lief ich aus, um es zu suchen, Schlich nach Haus mit thränenschwerem Blick. Sah wohl wunderseltsam lichte Blumen, Sah sie wohl an meinem Wege stehn, Habe sie mit raschem Fuß zertreten, Mußte eilen, mußte weitergehn. Weitergehn, die eine nur zu finden, Die in trügerischer Ferne winkt Und mit ihren buhlerischen Düften Unser Herz zur Schuld und Sünde zwingt. Hab so wund gelaufen meine Füße Auf dem weiten Wege nach dem Glück — Lachend lief ich aus, um es zu suchen, Kam so müde, kam so still zurück... Freiheit Es fragte mich heute dein bebender Mund, wer frei denn sei? Ich hob meine Hand zum Himmel und sagte: die Wolken sind frei, Und frei ist der Wind, der die Weiten der Welt im Fluge durchwühlt, Und frei ist das Meer, das den schimmernden Strand mit Küssen bespült. Frei sind jene Bergeshäupter, die nie ein Fußtritt bog, Und frei sind die ruhenden Wälder, die nie ein Ruf durchflog — Dort baut der Fuchs sein Nest, der Hirsch wirft sein Geweih: Natur ihr glühendes Leben, ihr schweigender Tod, sie sind frei! Sprich, sahst du den Adler kreisen? Was lenkt seinen ziellosen Flug? Und sahst du ein Roß in der Wüste, das nie den Halfter trug? Vernahmst du mein Lied, mein stürmisches Lied, meinen ersten und letzten Schrei? — Das Meer und der Aar und der Wald, das Roß und mein Lied, sie sind frei! Dort spielt ein Kind am Ufer... die Barke durchschneidet den See... Es küßt die Rose der Tau — was lächelst du trübe und weh? Ach, jetzt erst versteh' ich die Frage, die Frage: wer frei denn sei? — Wir Thoren, wir Knechte der Thorheit, nur wir sind nicht frei! — — Am Wegrand Tausend Menschen ziehen vorüber — Den ich ersehne, er ist nicht dabei! Ruhlos fliegen die Blicke hinüber, Fragen den Eilenden, ob er es sei... Aber sie fragen und fragen vergebens. Keiner giebt Antwort: „Hier bin ich. Sei still.“ Sehnsucht erfüllt die Bezirke des Lebens, Welche Erfüllung nicht füllen will. Und so steh' ich am Wegrand-Strande, Während die Menge vorüberfließt, Bis — erblindet vom Sonnen-Brande — Mein ermüdetes Auge sich schließt... So wird es kommen... So wird es kommen, so kommt es gewiß: Es naht die Nacht und die Finsternis, Wir stehen beide am Scheidewege. Stumm gehen des Herzens schmerzliche Schläge: „Noch bist du mein! — noch bist du mein! ...“ Viel will ich noch sagen und kann es nicht. Ich streichle nur immer dein liebes Gesicht. Von meinem Nacken löst du die Hände, Und ich begreife: das ist das Ende! — — Und rings erblaßt der letzte Schein... Dann küssest du mich zum letzten Mal, Und schreitest zurück in dein Heimatsthal. Ich sehe, wie sich die Schatten breiten Um deine Gestalt — und jäh entgleiten Seh' ich dich mir — und bin allein! ... „Mein Ich —“ O Welt, wie bist du weit! Mich zieht es über deine Berge. Mich aber hält die Zeit, der Scherge. O Mensch, wie bist du klein! Groß kannst du dich empor erst heben, Wenn du gelernt, nur dir allein zu leben. O Wahn, wie bist du groß! Ich gab mich niemals dir zu eigen Und ich bezwang das Loos, zu schweigen. Mein Ich, du hebst dein Haupt! Du warst ein Kind und wardst ein Krieger. Wer stets an sich geglaubt, bleibt Sieger! Das Päckchen Gedichte Ich sitz' auf dem Bettrand — beim Kerzenlichte Les' ich ein vergilbtes Päckchen Gedichte. — Lilli! Ich stütze den Kopf, — seit Tertianertagen Im Schubfach die linkischen Sächelchen lagen. — Lilli! Ich seh' meine Jugendliebe — den Flieder Im Nachbarsgarten — ihr Zopfband wieder. — Lilli! Der berühmte Mann Um seine tollen Studentenjahre Flatterten einst ihre Mädchenhaare. Er wurde ein großer Mann unterdessen, — Sie hat beim Nähzeug ihn nie vergessen. Wenn die Wochenblättchen kamen: Sonntags, las weinend sie oft seinen Namen. Sammelte alles — welk schon die Hände — Daß sie ein liebes Päckchen draus bände. Um seine tollen Studentenjahre Flatterten ja ihre Mädchenhaare. Friede Abendruhe liegt über dem Land Und auf meiner Stirn Deine Hand. Meine Schläfen nach Frieden schrie'n —: Dank Dir! — Ich fand Dich — Du gabst mir ihn. Abendruhe liegt über dem Land Und auf meiner Stirn Deine Hand. Die Kinder des Glücks Sorglosen Lächelns die Lippen geschürzt, fröhlich die blühenden Wangen gerötet, tanzen wir Kinder des Glücks unsre sonnigen Pfade dahin. Rosenkränze und schimmernde Bälle werfen wir uns und den Fremdlingen zu. Wer uns begegnet, dem huscht es wie Gold über das sinnende Antlitz. Auf weichen Armen trägt uns das Weib, süß von Küssen duftet die Luft. Unser Wort ist Gesang und Gesang unsre Antwort. Fallen uns Feinde an, schütten wir lachend klingende Blitze über sie aus. Aber dem Urfeind kommen am liebsten wir raschen Entschlusses selber zuvor. Wir sind der Welt unschuldigster Sinn, wir sind die Erntenden mühsamer Saaten. Sorglosen Lächelns die Lippen geschürzt, fröhlich die blühenden Wangen gerötet, tanzen wir Kinder des Glücks unsre sonnigen Pfade dahin. Wenn Du nur wolltest! Ich bin eine Harfe mit goldenen Saiten, auf einsamem Gipfel über die Fluren erhöht. Du laß die Finger leise und sanft darüber gleiten, und Melodieen werden aufraunen und aufrauschen, wie nie noch Menschen hörten, das wird ein heilig Klingen über den Landen sein... Ich bin eine Harfe mit goldenen Saiten, auf einsamem Gipfel über die Fluren erhöht — und harre Deiner, oh Priesterin! daß meine Geheimnisse aus mir brechen und meine Tiefen zu reden beginnen und, wie ein Mantel, meine Töne um dich fallen, ein Purpurmantel der Unsterblichkeit. Eine junge Witwe singt vor sich hin Sitze nun so allein, traurig in Schwarz gehüllt, gehe fort, komme heim, — immer sein Bild! Ach, und das Leben rings lacht mich so lockend an, aber des Schmetterlings Flügel sind lahm. Wenn ich in'n Spiegel schau —: Lippen so rot, so rot — Seide so tot, so tot — Einsame Frau... Draußen so Lenz und Licht, drinnen so thränengrau, — faß es und faß es nicht — Einsame Frau... Der Stern Ich träumt' einmal, ich läg', ein blasser Knabe, in einem Kahne schlafend ausgestreckt, und meiner Lider fein Geweb durchflammte der hohen Nacht geheimnisvoller Glanz. Und all mein Innres wurde Licht und Schimmer, und ein Entzücken, das ich nie gekannt, durchglühte mich und hob mein ganzes Wesen in eine höhere Ordnung der Natur. Ein leises Tönen hielt mich hold umfangen, als zitterte in jedem Sternenstrahl der Ton der Heimat, die ihn hergesendet, ein Ton vor allen aber traf mein Herz und ließ die andern mehr und mehr verstummen und that sich auseinander wie der Kelch der Königin der Nacht und offenbarte auf seinem Grunde mir sein süßes Lied... „Wir grüßen dich in deine stillen Nächte als deiner Zukunft tröstliche Gewähr, es schalten ungeheure Willensmächte in unsrer Tage blindem Ungefähr. Sie ziehn dich von Gestaltung zu Gestaltung, heut schleppst du dich noch schweren Schrittes hin, doch bald begabt dich freiere Entfaltung mit reicherer Natur und höherm Sinn. So wandeln wir auf leichten Tänzerfüßen, die wir dereinst auch dein Geschick geteilt, und dürfen dich mit einem Liede grüßen, das dich auf Strahlen unsres Sterns ereilt. Oh flüchte bald nach unsern Lustgefilden, und laß der kalten Erde grauen Dunst. Oh sähst du, zu welch göttlichen Gebilden uns schuf des Schicksals heiß ersehnte Gunst! Auf Blumen wandeln wir wie leichte Falter, aus Früchten saugen wir der Kräfte Saft, uns ficht kein Elend an, zerbricht kein Alter, der frühern Leiden lächelt unsre Kraft. Denn allzu schön, als daß wir uns entzweiten, erschuf uns das Gestirn, das uns gebar, — wir können uns nicht Schmerz und Not bereiten, die Schönheit macht uns aller Feindschaft bar! Wir lieben uns aus tiefsten Herzensgründen, wir trinken unsres Anblicks Glück und Huld, wir wissen nichts wie ihr von fahlen Sünden, und keinen ängstigt das Gespenst der Schuld. Oh komm! daß sich die dornenlose Rose auch Deiner Schläfe duftend schmiegen kann! Die schönste Schwester diene deinem Lose und schenke dich dem schönsten Mann — oh komm —!“ Da unterbrach ein dumpfer Glockenton die reinen, feinen Stimmen jener Welt. Ich richtete mich halb im Bette auf — und sah viel Sterne durch mein Fenster glühn.. und sank zurück. Und weiter floß die Nacht. Mensch und Möve Eine neugierkranke Möve, kreiste ich zu häupten eines Wesens, das in einen weiten dunklen Mantel eingewickelt, von dem Kopfe einer Bune auf die grüne See hinaussah. Und ich wußte, daß ich selber dieses Wesen sei, und war mir dennoch selbst so problematisch, wie nur je dem klugen Sinne einer Möve solch ein dunkler Mantelvogel, Mensch geheißen. Warum blickt dies große, stumme, rätselhafte Tier so ernsthaft auf der Wasser Flucht und Rückkehr? Lauert es geheimer Beute? Wird es plötzlich aus des Mantels Schoß verborgne Schwingen strecken, und mit schwerem Flügelschlag den Schaum der weißen Kämme streifen? So und anders fragte rastlos mein beschränktes Mövenhirn sich, und in immer frechern Kreisen stieß ich, kläglich schreiend, oder ärgerlich und höhnisch lachend, um mich selber... Da erhob sich aus dem Meere eine Woge... stieg und stieg... Und Mensch und Möve ward verschlungen und begraben. Der gläserne Sarg Zwölf stumme Männer trugen mich in einem Sarge von Kristall hinunter an des Meeres Strand, bis an der Brandung Rand hinaus. So hatte ich's im Testament bestimmt: Man bette meinen Leib in einem Sarge von Kristall und trage ihn der Ebbe nach, bis sie den tiefsten Stand erreicht. Der Sonne ungeheurer Gott stand bis zum Gürtel schon im Meer: An seinem Glanze tränkte sich wollüstig noch einmal die Welt. Ich selber lag in rotem Schein wie ein Gebilde aus Porphyr. Da streckte katzengleich die Flut die erste Welle nach mir aus. Und ging zurück und schob sich vor und tastete am Sarg hinauf und wandte flüsternd sich zur Flucht. Und kam zurück und griff und stieß und raunte lauter, warf sich kühn darüber, einmal, viele mal. Und blieb, und ihrer Macht gewiß, umlief frohlockend sie mein Haus und pochte dran und schäumte auf, als ihrer Faust es widerstand. Und hoch und höher wuchs und wuchs das Wasser um mein gläsern Schloß. Nun wankte es, als hätt' ein Arm und noch ein Arm es rauh gepackt, und scholl in allen Fugen, als ein Wellenberg auf ihm sich brach und es wie ein Lawinensturz umdröhnte und verschüttete. Und langsam wich der nasse Sand. Und seitlings neigte sich der Sarg. Und, unterwühlt und übertobt, begann er um sich selber sich schwerfällig in die See zu drehn. Zu mächtig, daß die Brandung ihn zum Strand zu schleppen hätt' vermocht, vergrub er rollend sich und mich in totenstillen Meeresgrund. So lag ich denn, wie ich gewollt. Und dunkle Fische zogen still zu meinen Häupten hin und her. Und schwarzer Seetang überschwamm mein Grab. Und mein Bewußtsein schwand. Im Nebel Schaurig heult das große Dampfhorn seine Warnung in den Nebel... Irgendwo antwortet schaurig, leis bald, lauter bald, ein andres... Angstvoll stehn die Passagiere, jeden Nerv gespannt die Mannschaft... Schaurig heult das große Dampfhorn... Dumpf antwortet's aus dem Nebel... Alles späht, horcht, mißt die Pausen, die Maschine schafft mit Halbdampf, langsam schiebt durch undurchdringlich Dunkel der Koloß sich vorwärts... Schaurig heult das große Dampfhorn... Dumpf antwortet's aus dem Nebel... In den Schiffsraum steigen Wachen, an den Luken, an den Booten harrt Bemannung, von der Brücke schallt des Kapitäns Befehlsruf... Schaurig heult das große Dampfhorn... Dumpf antwortet's nah und näher... Die Erregung wächst zum Fieber... Ahnt wer, daß des Todes Hand die Kompaßnadel abgelenkt hat, daß der Mann am Steuer falsch fährt? ... Schaurig heult das große Dampfhorn... Laut anwortet nächste Nähe... Böllerschlag —: Schwerfällig tasten weiße Kugeln in die Dämmrung... „Schiff an Steuerbord!“ — Zu spät! — Schon schießt es rauschend, ungeheuer, unaufhaltsam aus dem Nebel — gräßlich mischen sich die Hörner — rasend rolln die Steuerketten — „Rückdampf!“ — Schreie — Donnerkrachen — alles stürzt zu Boden — Flammen speit der Kesselraum — der Spiegel senkt sich — aller Kampf vergebens! — „Boote ab!“ — Umsonst!— In Wirbeln, Strudeln, Kratern dreht sich alles tollen Tanzes in die Tiefe... Wo verblieb der fremde Fahrer? Sank er? Fuhr er feig des Weges? Lautlos lastet dicker Nebel über totenstillen Wassern. Der einsame Turm Wer laut von diesem längst verlassnen Turm der Tannen Ringwald überrufen wollte, und trüge, was er riefe, stärkster Sturm, er ahnte, daß es nie ein Ziel errollte. So einsam steigt der alte Bau empor; er fühlte Fürsten einst auf seinen Stufen, bis, dunkler Thaten schauerlich verrufen, sein stiller Reiz der Menschen Gunst verlor. Nur daß von Jägern sich zuweilen wer vorbei verirrt, von wanderfrohen Seelen, von Bettelpack, und wer die Kreuz und Quer den Forst durchschleicht, sich Holz und Wild zu stehlen; nur daß an seinem Fuß zuweilen sich, wie heut, Zigeunervolk sein Reisig schichtet und mit der Bogen wehmutwildem Strich sein Weltweh in den fremden Frieden dichtet. In allen Kronen hängt noch goldner Glanz... Die Sonne säumt noch, ihren Tag zu enden... Der Söllerblöcke halb zerfallnen Kranz umlodert noch ihr scheidendes Verschwenden... Und aus dem Purpur schwillt es wie ein Born, ein Strom von Tönen —: Abends erst Erschauern erregt des Turms uraltes Aeolshorn, Der Sonne nachzujauchzen, nachzutrauern. Die heimatlosen drunten horchen auf — —. Und einer nimmt die Geige von den Knieen und strebt mit manchem jähen Sprung und Lauf des Winds Gesang phantastisch zu durchziehen... Und wie so Wind und Seele sich verweben, erwachen mehr und mehr der treuen Geigen... Ein aller Leidenschaften schluchzend Leben erstürmt des Himmels immer tiefres Schweigen. Gefangen folgt zuletzt die ganze Schar der Windposaune wunderlichen Launen... Nun rast es tollkühn, unberechenbar... Nun stockt es wie in fragendem Erstaunen... Oh Sonne! Sonne! Mutter! Mutter! flehen, verzweifeln, weinen, drohen all die Stimmen und drohn und flehn in immer bangren Wehen, je mehr des Tages Brände rings verglimmen. Doch droben — seht ihr? die Zigeunerin! Entstahl sie sich dem Kreis der braunen Söhne? Wo kam sie her, das Weib? Wie kam sie hin? Wie wächst sie hoch in schattenhafter Schöne! Und hört ihr — hört! wie ihre Lippen singen — ein Lied, das endlich alles überwindet, in sich die andren Stimmen alle bindet, damit Natur und Menschheit sie umklingen. Es ist das tiefe Lied der Einsamkeit, das Königslied der großen Ungekrönten, das Klagelied der würdelosen Zeit, das Trutzlied aller nur mit sich Versöhnten, und ist der Weisheit gütiger Gesang, des Willens jugendewiges „Es werde!“, der Liebe Durst und Pein und Überschwang, es ist das Schicksals-Hohelied der Erde. Der Wald ward still. Kein Hauch im Wipfelschweigen. Der Sterne Chor bewegt sich klar herauf... Und schlanke Leiber, edle Häupter zeigen sich hoch vom Turme seinem ernsten Lauf... Die überall Verstoßenen, sie wohnen in der Unendlichkeit azurnem Zelt —: Um ihre Stirnen brennen bleiche Kronen, und ihre Seelen sind der Sinn der Welt. Der Abend Auf braunen Sammetschuhen geht der Abend durch das müde Land, sein weiter Mantel wallt und weht, und Schlummer fällt von seiner Hand. Mit stiller Fackel steckt er nun der Sterne treue Kerzen an. Sei ruhig, Herz! Das Dunkel kann dir nun kein Leid mehr thun. Pflügerin Sorge Über der Erde Stirne, durch Tag und Nacht, pflügt ein hagres Weib hin und her... Wilde Stiere, kaum zu hemmen, ziehn, reißen ihre Pflugschar durch den Grund: Doch je rasender die Nacken zerrn, nur so tiefer drückt den Baum sie ein. Über der Erde Stirne, durch Tag und Nacht, führt Frau Sorge Furche, Furche, Furche... Leidenschaften, kaum zu zähmen, ziehn, reißen ihre Pflugschar durch den Grund: Doch je wilder die Dämonen zerrn, nur so tiefer gräbt den Stahl sie ein. Vöglein Schwermut Ein schwarzes Vöglein fliegt über die Welt, das singt so todestraurig... Wer es hört, der hört nichts anderes mehr, wer es hört, der thut sich ein Leides an, der mag keine Sonne mehr schauen. Allmitternacht, Allmitternacht ruht es sich aus auf dem Finger des Tods. Der streichelt's leis und spricht ihm zu: „Flieg, mein Vögelein! flieg, mein Vögelein!“ Und wieder fliegt's flötend über die Welt. Vereinsamt Die Krähen schrein Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt: Bald wird es schnein — Wohl dem, der jetzt noch — Heimath hat! Nun stehst du starr, Schaust rückwärts ach! wie lange schon! Was bist du Narr Vor Winters in die Welt entflohn? Die Welt — ein Thor Zu tausend Wüsten stumm und kalt! Wer Das verlor, Was du verlorst, macht nirgends Halt. Nun stehst du bleich, Zur Winter-Wanderschaft verflucht, Dem Rauche gleich, Der stets nach kältern Himmeln sucht. Flieg, Vogel, schnarr Dein Lied im Wüsten-Vogel-Ton! — Versteck, du Narr, Dein blutend Herz in Eis und Hohn! Die Krähen schrein Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt: Bald wird es schnein, Weh dem, der keine Heimath hat! Venedig An der Brücke stand jüngst ich in brauner Nacht. Fernher kam Gesang: goldener Tropfen quoll's über die zitternde Fläche weg. Gondeln, Lichter, Musik — trunken schwamm's in die Dämmrung hinaus... Meine Seele, ein Saitenspiel, sang sich, unsichtbar berührt, heimlich ein Gondellied dazu, zitternd vor bunter Seligkeit. — Hörte Jemand ihr zu? ... Die Sonne sinkt I. Nicht lange durstest du noch, verbranntes Herz! Verheißung ist in der Luft, aus unbekannten Mündern bläst mich's an — die große Kühle kommt... Meine Sonne stand heiß über mir im Mittage: seid mir gegrüßt, daß ihr kommt, ihr plötzlichen Winde, ihr kühlen Geister des Nachmittags! Die Luft geht fremd und rein. Schielt nicht mit schiefem Verführerblick die Nacht mich an? ... Bleib stark, mein tapfres Herz! Frag nicht: warum? — II. Tag meines Lebens! die Sonne sinkt. Schon steht die glatte Fluth vergüldet. Warm athmet der Fels: schlief wohl zu Mittag das Glück auf ihm seinen Mittagsschlaf? In grünen Lichtern spielt Glück noch der braune Abgrund herauf. Tag meines Lebens! gen Abend geht's! Schon glüht dein Auge halbgebrochen, schon quillt deines Thaus Thränengeträufel, schon läuft still über weiße Meere deiner Liebe Purpur, deine letzte zögernde Seligkeit... III. Heiterkeit, güldene, komm! du des Todes heimlichster, süßester Vorgenuß! — Lief ich zu rasch meines Wegs? Jetzt erst, wo der Fuß müde ward, holt dein Blick mich noch ein, holt dein Glück mich noch ein. Rings nur Welle und Spiel. Was je schwer war, sank in blaue Vergessenheit, müßig steht nun mein Kahn. Sturm und Fahrt — wie verlernt er das! Wunsch und Hoffen ertrank, glatt liegt Seele und Meer. Siebente Einsamkeit! Nie empfand ich näher mir süße Sicherheit, wärmer der Sonne Blick. — Glüht nicht das Eis meiner Gipfel noch? Silbern, leicht, ein Fisch, schwimmt nun mein Nachen hinaus... Künstlerseele Deine Seele, sprich, was ist sie? Meine Seele? Alles Drängen, Alles dunkle Jugendsehnen Nach den Sternen, nach den rothen, Brennend rothen Erdenblumen, Ist das Seele? Alles Suchen, Vorwärtsstürmen, Bangen, in der Irre wandern, Wieder in die alten Pfade, Wieder aus dem Gleise streben, Weit und weiter, Jahr um Jahre, Müder nur in Hirn und Füßen, Doch in gleichen, irren Gluthen, Größerem Bangen und Verlangen, Denn die Sanduhr häuft die Körner In der Tiefe, ist das Seele? Ist es Seele, wenn ich wage, Wenn ich zittre, wenn ich liebe, Hasse, tiefer nur und tiefer, Und die Qualen der Empfindung Furchen nur um Aug' und Schläfen, Furchen mir ins Leben graben, In dies heiße, wilde Leben, Das ich bis zum letzten Grunde Fassen möchte und umklammern? Ach, wie brennen seine Blumen, Ach, wie strahlen seine Sonnen, Und wie stärken seine Wasser, Seine weißen, jähen Wasser Aus dem Strom der Leidenschaften! Ist das Seele? Nein, nicht Eine Wunde, zage Menschenseele, Hundert Seelen in Dir leiden, Lieben, sehnen sich zu Tode! Und die hundert irren Seelen, Die auf hundert irren Pfaden In der Dunkelheit der Werkstatt Wirr sich aneinander stoßen, Und nach hundertfachen Zielen Hundertfach die Hände recken, Bald die Eine, bald die Andre Näher höchster Wahrheit Wonnen, Sich als Siegerinnen fühlend, Müssen in dem wirren Wechsel Endlich ihren Kerker sprengen. ... Und die Mitwelt spricht bedauernd: „Seht, ein Künstler ist gestorben“. Das sind die kleinen Seelen Das sind die kleinen Seelen, die Pygmäen, Die, wenn ein großer Schmerz sie überfallen, Am Boden liegen in Verzweiflungsqual, In alle Lüfte ihren Jammer schrei'n. Und Mitleid finden sie allüberall Und sie gesunden! — Wie aber trägt ein großes Herz den Schmerz, Den unverwindbaren, den ewigen, Der wie Harpyen in die Seele krallt? Es schweigt. Nicht nur vor Andern, — nein, auch vor sich selber; Und rüstet sich mit der Verzweiflung Trotz, Mit Eisenfestigkeit, und schafft und ringt, Bis es titanisch sich auf's Neue fühlt, Auf's Neue wagt, zu zwingen eine Welt! So trägt ein großes Herz und ringt sich durch; Doch würd' es jemals vor sich selber schwach, Der Jammer, der es packte, grenzenlos, Müßt in den eignen Gluthen es vernichten. Das sind die kleinen Seelen, die Pygmäen, Die ihren Schmerz in alle Lüfte schrei'n Und dann verwinden. Es ist ein Lachen nur in meiner Seele Es ist ein Lachen nur in meiner Seele Ob all' der armen, menschlichen Gefühle, Die sie da Haß und die sie Liebe nennen Und Leidenschaft! Es ist ein Lachen nur in meiner Seele Ob all' des kleinen, zwerghaft kleinen Ringens, Das sie Talent und Geist und Künste heißen Und gar Genie! Es ist ein Lachen nur in meiner Seele, Wie jenes Lachen der gestürzten Engel, Die all' der weiten Schöpfung Geist begreifen Und doch sich bäumen wider ihren Herrn! Ein Lachen nur! Nicht einmal Deine Liebe Nein, mein Geliebter, auch Du nicht, Du nicht, Kannst es mir geben, wonach meine lechzende Seele dürstet: Befriedigung, Gestillte Sehnsucht, gelöschtes Schmachten Nach Unerfaßbarem, ewig sich wandelnd, Nie zu Erfüllendem, nie zum Begreifen, Nach Glück, nach meinem Glück, meinem ureigensten. Auch Du nicht, Du nicht. Wie ungeheures, Wortloses Weh durchzitterts die Brust mir, Nicht einmal Du — und bist doch das Höchste, Leben und Tod mir und jegliche Sünde Beging' ich um Dich. Was ist es? Was ist es, Das mich so glücklos durch's Leben peitscht? Heiter erschein' ich und voll befriedigt, Lachend und scherzend, toll wie ein Kind. Plötzlich wie Öde fröstelt's im Herzen, Wächst mir und wächst mir und wie ein Geier Jäh überfällt's mich! ... Dann mein' ich, mein ich, Erst wenn ich kraftlos zusammensinke, Weicht er von hinnen... Und wieder lach' ich. Stets doch aufs Neue, lach' ich am hellsten, Packt es die Seele mit Geiergriff. Nein, mein Geliebter, nicht einmal Deine Liebe erlöst mich. Rastlos für immer Zieh ich durch's Leben, Nur für Minuten gönnt mir mein Dämon Liebe und Glück. Sprich, ist es der Wahnsinn, Der mich umschattet? Ist es der Genius? Nicht einmal Deine Liebe erlöst mich! Begegnung Ein armer gebrechlicher Greis zieht des Weges — Sein Rücken ist tief gebeugt, als trage er eine unsichtbare, schwere Last. Seine Augen sind leer und tot; das Leben wich aus ihnen und hat sich in seine letzten Schlupfwinkel zurückgezogen, wo es bange zitternd dem Tode entgegenharrt... Und doch ist es Frühling draußen. Frisches Grün kleidet weithin die Erde, die Luft ist voll Sonnenschein und Lerchenschlag, am Weg entlang hascht sich ein Schmetterlingspaar von Blume zu Blume... Und der Frühling hat Mitleid mit dem armen, gebrechlichen Greise. Er sendet ihm einen Gruß: ein fröhlicher Knabe kommt durch's Feld gesprungen und gesellt sich zu ihm... Zutraulich nimmt er seine Hand und trollt sich neben ihm her. — Er beginnt zu plaudern, kindliches Geplauder! Er erzählt ihm von Eltern und Geschwistern, von seinem Spielen, seinem Lernen: ja Ostern ist er zur Schule gekommen, und das A b c weiß er schon ganz und gar auswendig! ... Stumpf und teilnahmlos schreitet der Greis dahin. In die grämliche Selbstsucht des Alters eingesponnen, hört er kaum, was sein kleiner Begleiter spricht. Diese Welt liegt ihm schon so fern, der Weg dahin ist so weit für seine müden Füße... „Aber kennst Du mich nicht?“ fragt der Knabe plötzlich, und ängstlich forschend sieht er zu dem Alten auf — „kennst Du mich nicht?“ Der Greis richtet seine toten Augen auf den Knaben, eine lange, bange Minute — traurig schüttelt er dann den Kopf ... — — Der Knabe steht auf dem Wege und sieht leise schluchzend dem alten Manne nach, der langsam und wieder allein seine Straße weiterzieht... Armer Greis! Der Frühling hatte Dir Deine Jugend geschickt — Du hast sie nicht erkannt... Die Sonntagspuppe Meinem toten Schwesterchen In einer halben Stunde wird der Leichenwagen kommen — Die Mutter liegt halb knieend über dem kleinen Sarge und hält ihn fest, krampfhaft mit beiden Armen umklammert — sie will, sie kann ihn ja noch nicht fortlassen! Und aus ihren rotgeweinten Augen fällt hin und wieder eine dicke Thräne auf das weiße Gesichtchen im Sarge; es ist fast, als weint die kleine Leiche... Der Vater aber steht hinter ihr und schaut bleich, in wort- und thränenlosem Jammer, auf das Bild zu seinen Füßen: er hat doppelt zu tragen, den eigenen Schmerz und den Schmerz seines Weibes... Langsam, müde, gleich einer Schwerkranken erhebt die Mutter sich jetzt vom Sarge und lehnt sich still an ihren Mann, der tröstend seinen Arm um ihre Schultern legt. Beider Augen haben sich aber nicht einen Augenblick von der Leiche abgewandt; es sind ja nur noch Augenblicke, daß sie ihr Liebstes sehen dürfen... „Wie schön unsere Käthe ist!“ sagt die Mutter nach einer Weile, und ein Lächeln huscht über ihr thränendes Antlitz — schnell, flüchtig, ein Sonnenstrahl, der im Regenwetter nicht naß werden will... „Und sieh mal!“ plaudert sie leise weiter, in den Anblick ihres Kindes verloren, „sieh mal die Sonntags- puppe neben ihr im Arme! Das treue Ding hat seine großen Puppenaugen auch zugemacht wie seine kleine Herrin!“ Ihr Mann schauert zusammen. Er muß an den Augenblick denken, da seine zitternde Hand der kleinen Herrin die starren Augen zudrückte. — „Weißt Du,“ fuhr die Mutter fort, „es ist doch gut, daß wir damals unserer Käthe, wie sie sich's wünschte, eine Puppe zu Weihnachten schenkten, die schlafen konnte. Ja, es hätte häßlich ausgesehen, die offenen Glasaugen der Puppe da neben unserer schlafenden Käthe!“ „Erinnerst Du?“ flüsterte sie, „es war ihre Lieblingspuppe! Noch kurz vor ihrem Tode sprach sie von ihr. Ich pflegte sie ihr des Sonntags auf ein paar Stunden zu geben. O, das war immer ein Jubel, die kurze Zeit! Aber wenn Mama ihr die Puppe dann wieder verwahren wollte, damit Käthing sie ja nicht zerbräche, dann fielen immer erst ein paar Thränen, ehe sie sie hergab...“ Die Mutter schwieg. Vor ihren Augen, die noch immer auf den Sarg gerichtet waren, wurden die fünf Jahre wieder lebendig, die sie nun ihre Käthe gehabt hatten. O, ihr Alles, ihr Alles war das kleine, artig-unartige Ding gewesen, ihr kleines Glück, ihre kleine Sonne, um die sich ihre ganze kleine Welt gedreht hatte. Fünf Jahre? ... Ja, das war auch wie ein paar Sonntagsstunden gewesen, und sie und ihr Mann, zwei große Kinder, hatten sie mit ihrer Sonntagspuppe Käthe gespielt, so glücklich, so glücklich! Und jetzt? ... „Du,“ sagte sie leise, mit sterbender Stimme, indem sie sich fester an ihren Mann schmiegte, „Du, ich glaube, unser Herrgott hat uns unsere Sonntagspuppe auch nur genommen, — damit wir sie nicht zerbrechen sollten!“ Die Blinde Die Farbenpracht des Frühlings leuchtet nicht für sie, kein Strahl der großen Sonne dringt in ihre Nacht. Und doch lächelt sie, glücklich und zufrieden, während sie den schmalen Grasweg dahinwandert... Den Kopf leicht gesenkt, lauscht sie den heimlichen Vertraulichkeiten der Dinge. Wie das überall flüstert, leise, leise, nur ihrem Ohre vernehmbar... Sie hört das Springen der Knospen, das Schwirren der Schmetterlingsflügel, das Knistern der Halme, durch die ein Käfer hastet... Weiter ab ertönt das feine Zirpen der Grille, das satte Brummen der Hummel. — Der Baum, welcher dort am Feldrand steht, schickt sein Blätterrauschen herüber... Gleich honigbeladenen Bienen kommen die Töne zu ihrem Ohr, aus der Nähe, aus der Ferne: mit Sang und Klang hält der Frühling Einzug in ihre Seele... Ja, sie lächelt! ... Und vielleicht hat ihre Blindheit tiefer gesehen als dein kalt offenes Auge, das ewig nur die Farbe, den bunten Schein der Dinge schaut... In goldener Fülle Wir schreiten in goldener Fülle Durch seliges Sommerland — Fest liegen unsere Hände Wie in einander gebannt. Die große Sommersonne Hat unsere Herzen erhellt — Wir schreiten in goldener Fülle Bis an das Ende der Welt. Und bleicht deine sinkende Stirne, Und läßt meine Seele ihr Haus — Wir schreiten in goldene Fülle Auch in das Jenseits hinaus. Wem solch ein Sommer beschieden, Der lächelt der glücklichen Zeit — Wir schreiten in goldener Fülle Durch alle Ewigkeit... Abendstimmungen Sonnenuntergang Die Sonne steht schon tief im Westen. Ihr Himmelbett ist gemacht. Die Abendröte, ihre alte, treue Dienerin, hat die Pupurkissen aufgebettet. Es war ein heißer Tag, und die Sonne ist müde. Sie rüstet sich zum Schlafengehn: das drückend schwere Prachtgewand hat sie abgestreift; sie ist dabei, die letzten ihrer goldenen Locken zu bergen... Und nun steht sie da — im Nachtgewand! ... Unbewußt fängt die Röte der Scham sich auf ihren Wangen; ein letzter, scheuer Blick fliegt in die Welt: ob auch Jemand zuschaut? ... Und wahrhaftig, dort in der Ferne schielt es schon wieder über den Himmelsrand vorsichtig, nur mit einem Stück des Gesichts — Der Mond, der freche Mond! ... Immer hat der so zu gucken, nie ist man sicher vor ihm! ... Jäh erglühend, wirft sie ihm einen bitterbösen Blick zu und schlüpft hastig in's Bett. — Die Purpurkissen schlagen über ihr wie Flammen zusammen... Schlafen Sie wohl, Frau Sonne! Froschkonzert Langsam hat der Mond den Himmel erstiegen. Schon spiegelt sich ein Stück seiner Sichel in dem kleinen Teiche, der tief im Kornfeld versteckt liegt. Am Ufer und auf den breiten Blättern der Wasserrose kauert es regungslos, gleich schwarzen Klecksen: die Mitglieder des Fröschegesangvereins „Nachtigall“ — Der Kapellmeister, ein wohlbeleibter Herr, hat seinen Platz auf einem großen glatten Steine, der wie ein Kahlkopf aus dem Wasser hervorsieht... Und nun beginnt's quack! quack! — unermüdlich, ewig das Gleiche — mit einer zähen Ausdauer, wie sie nur aus heiligster Kunstbegeisterung entspringen kann... Und ihre Kunst findet Anerkennung. Der alte Bauer, der dort vor seiner Hausthür sitzt, pafft zufrieden dicke Tabackswolken in die klare Abendluft... „Hör' die Frösche, Alte!“ sagt er zu seiner Frau — „'s bleibt morgen gut Wetter! Wir bringen unsern Roggen herein!“ Abendthau Ein feiner Lichtstreif liegt noch im Westen und erzählt den lauschenden Sternen von der heimgegangenen Mutter, der Sonne... Es ist die traurig große Geschichte: eine Heldenmutter stirbt, damit ihre Kinder leben... Und als die Geschichte geendet und es ganz dunkel geworden, fällt eine leuchtende Thräne durch die Nacht... Stille Gedichte Es giebt eine Art von stillen Gedichten, Die nichts erfinden und nichts berichten, Die, wie mit schlanken, blassen, weichen Fingern über die Stirne dir streichen, Die wie ein Hauch mit zagem Wehn Träumend öffnen der Seele Thüren Und schwebend durch deine Seele gehn, Worte hauchend im Verwehn, Die dich jählings zu Thränen rühren... Die Schwäne Im Park ein stiller Teich, der friedlich träumt; Rings Flüstern dunklen Walds. In breitem Schwall Vom Fels herab zum kühlen Bade schäumt Ein aufgeregter, kleiner Wasserfall. Zwei weiße Schwäne mit gebognem Hals Ziehn lautlos gleitend auf der dunklen Flut. Nun stehn sie still im Schaum des Wasserfalls, Auf dem des Mondes weißer Schimmer ruht. Hier stehn sie still in träumendem Gebet, — Gleich zwei Brahminen —, ohne Flügelschlag. Die Bäume schauern und der Frühwind weht. Nun regen sie die Flügel. Es wird Tag. Einsames Dorf Ein einsam Dorf mitten im Wald. Im Rauschen der dunklen Tannen verhallt Das Lärmen der Welt. Die weißen Häuser leuchten im Sonnenschein, Der Himmel ist blau und die Luft ist rein; An dem Markstein draußen im wogenden Feld Endet für jeden das Leben der Welt: Im Dorf sind sie geboren. Wenn im Kirchlein das klagende Glöcklein erschallt, Schlafen sie ruhig im dunklen Wald. Aber einmal des Tags durch den stillen Wald Saust des Lebens dröhnende Allgewalt Auf sonnenbeglänzten, donnernden Schienen. Und täglich, und täglich mit staunenden Mienen Sehn sie des stürmenden Lebens Gewalt. Das Donnern verhallt, Und zurück in den Frieden Sinkt das Dorf und der feierlich rauschende Wald. Der Sieger Olympia! Mir sprengt das Herz die Brust! Bin ich derselbe, der ich gestern war? Der Vollkraft ungeheure Daseinslust Durchströmt, entzückt, erhebt mich wunderbar. Vor meinem Volke steh' ich, mein Gesang — Mir selbst ein Wunder — strömt sich hell und voll In Harmonien aus von Erzes Klang, Mit meinen Lippen spricht der Gott, Apoll! Mein Lied verklingt. Kein Laut. Dann, ein Orkan, Rast wilder Beifall die Arena hin, Und tausend Kränze regnen in die Bahn, Und meine Harfe ist die Siegerin. Ich, aus dem letzten Dorfe, bin der Held, Von meinem Haupte strahlt des Ruhmes Glanz Und füllt mit neuer Pracht die dunkle Welt, Und meine Stirne krönt der Lorbeerkranz. Nun, Jünglinge, begleitet mich nach Haus. Nicht nehm' ich eher diesen Kranz vom Haupt, Und ziehe eher nicht die Toga aus, Bis meinen Ruhm mein ernster Vater glaubt. Durch Hellas ziehn wir hin, und jauchzend weckt Mein Preis das Land und eilt, uns meldend, vor. Dort liegt das Dorf am Hügel hingestreckt; Und dies ist meines Vaterhauses Thor. Aufsteht der Vater von der Ofenbank. Er sieht mich an, die Toga, meinen Kranz; Vor seinem Auge schrumpft mein Überschwang, Wird grau des Jubels bunter Farbenglanz. Ich streife langsam von dem Haupt die Zier, Und von den Gliedern ab das Festgewand. Er spricht: „Du weiltest lange weg von hier. Die Sichel nimm. Das Gras ist fast verbrannt!“ Der schöne Knabe Freund, gib Acht auf Deinen holden Knaben, Er ist schlank und schön, wie Raffael, Und der Frauen streichelnd weiche Blicke Wecken bald in ihm die Leidenschaften Also, daß ihm seine Schönheit schadet! Lächle nicht! Ich hab ihn heut beachtet, Als wir nach dem Mahle uns ergötzten, Und in hoch erhobner Silberschale Deine schöne Magd die Früchte brachte; Sie ist stolz von Wuchs und voll erblühend, Und auf ihren Wangen kämpft das Roth Mit dem weichen Weiß des jungen Halses, Und mein Malerauge freute sich An der schönen Linie ihres Busens Und den Säulen ihrer runden Arme, So die volle Früchteschale trugen. „Sie ist herrlich wie Herodias“ Rief ich aus: da streift' mein Blick den Knaben, Der verträumt auf ihre Schönheit starrte; Nun bemerkt er meinen schnellen Blick, Seine Lider senkt er, wie ertappt, Seine bleichen Wangen glühen aus, Und zwei Thränen rollten still hernieder. Er verließ den Saal. Du merktest nichts: Freund, gib Acht auf Deinen holden Knaben! Was gabst du mir dafür? Wenn ich je an dir gezweifelt, Gott, Wenn mir bangte um dein wahres Wesen, Trieb ich dann wie Andre mit dir Spott? Bin ich nicht im Herzen fromm gewesen? Und was gabst du mir dafür? Ehrte ich dich nicht geheim und laut, Morgens, Abends mit des Himmels Röten? War dir Herz und Hand nicht anvertraut? War mein Sein kein unaufhörlich Beten? Und was gabst du mir dafür? Liebte ich dich nicht mit Flammenglut? Preßt ich nicht die Lippen, liebentzunden, Christengott, dir, der am Kreuze ruht, In die sieben blutig roten Wunden? Und was gabst du mir dafür? Stelltest zwischen Tod und Lust mich hin, Hab ich nicht für dich den Tod erkoren Und vergessen, daß ich Erde bin? Hab ich nicht mein Menschtum abgeschworen? Und was gabst du mir dafür? Mörder warst du, Wahngott, Tod dein Kuß! Also hab ich dich herausgerissen, Achtend nicht des Herzens Bluterguß — Doch dies Herz soll fürder nicht mehr wissen, Daß es dir einst Sklave war. Felseneiland Auf einsamem Felseneiland im wilden Ocean, Das keines Menschen Fuß vordem betrat, Das gar der Möwe heis'rer Schrei nicht schreckt, Weil scheitelrecht die Sonne Pfeile sprüht — Auf einsamem Felseneiland im wilden Ocean, Vom Meere ausgespieen sitzen Zwei Auf nacktem heißen Gestein Und halten sich fest umschlungen Und sehen hinaus in die dunkelblaue Wasserwüste Und schauen hinauf zum azurblauen Himmelsgewölbe Und blicken sich lang und tief in die großen Augen — Ein unendlicher Blick! Es sitzen auf nacktem heißen wettergebräunten Gestein, Sie spüren den Hungerwurm nicht in ihren Eingeweiden, Sie fühlen den Glutdurst nicht auf ihrer Zunge, Sie halten sich fest und fester umschlungen — Das wilde Meer hat sie ausgespieen, Der gütige Himmel hat sie zusammengeführt: Sie blicken noch einmal hinaus in die unabsehbare stille dunkelblaue Wasserwüste Sie blicken noch einmal hinauf zum endlos sich dehnenden azurblauen Himmelsgewölbe, Sie halten sich krampfhaft fest und fester umschlungen, Sie blicken sich starrend tief und tiefer in's Auge — Ein langer unendlicher markaussaugender Blick! Und sterben. Der Dichter Deine Worte seien Weiser Zu den neuen Tagen, Da aus dem Flackerknistern junger Reiser Rote Loderflammen zu des Haines Wipfeln schlagen. Deine Lieder seien Rufe Nach den Götterfesten. Steh', ein Herold, auf der Marmor-Stufe, Schätze des Palastes kündend wenig hohen Gästen. An ein junges Mädchen Du trägst ihn lächelnd noch auf Deinen Haaren, Den Kranz des Lebens, schüttelst weiße Gaben Unter die Menschen, hast noch nicht erfahren, Daß alle Knospen auch ein Welken haben. Wirst Du den Kranz des Lebens Dir bewahren? Wirst Du Dir nicht, wenn sie entblättert schwinden, Mit falschen Blüten statt der wunderbaren Geschwundenen die bleiche Stirn umwinden? Lied Du bist so weiß wie der Blütenschnee, Du bist so leicht wie der Flügelstaub, Du bist so rein, wie ein zitterndes Reh, Und denken an dich ist Gottesraub. Du bist ein silbernes Saitenspiel, Du bist wie ein Falke stolz und frei, Ein Künstlergedanke, ein Ikarusziel, Und träumen von dir ist wie Luft im Mai. Frage Gieb mir Deine Hand, wir wollen Einmal durch die Blumen gehen, Die in roten, ahnungsvollen Reihen an dem Wege stehen. Zitternd neigen sie sich, fragen Duftend, ob sie Deine Schöne Schmücken dürfen. Darf ich sagen, Daß wie zarte Harfentöne Sie die Seelen uns umkosen, Daß wir stumm in Seligkeiten, Dankbar Lüften, Schwalben, Rosen Durch das Land der Liebe schreiten? Traurige Mär Ich gab mein Herz einem blonden Kind. Sie nahm's und lachte. Ich wußte nicht, wie die Kinder sind, Ich freute mich und dachte: „Nun legt sie's zärtlich in den Schrein Und wird es wahren.“ Sie aber warf's in den Tag hinein. Der Stundenwagen fuhr polternd drein: Da ward es überfahren. Abend Weiße Schwäne senken ihre schmalen, Schlanken Hälse in den schilfdurchragten, Stillen, grünen Weiher, plätschern leise, Ziehen weiter ihre stillen Kreise... An dem Arm des müden hochbetagten Schloßherrn, der den schlafgemiednen Qualen Seiner kalten Nacht entgegenbangt, Steht in leichten, weißen Spitzen Die Gemahlin. Spielend langt Sie nach den gewundnen Rebenranken... Ihre flügelstarken Flucht-Gedanken Zittern vor den roten Lebensblitzen. Raub An seinen schwarzen, flatternden Flechten Hab' ich das Glück aufs Roß mir gerissen. Die Dirne wehrt sich mit wüthenden Bissen. Ich aber muß und werde sie knechten. Rot ist ihr Mund, die Zähne blitzen. Ich will ihn küssen. Sie soll mich lieben. Dann reiten wir, daß die Funken stieben: Ein Sieger will ich im Sattel sitzen. Zwei Stunden Sein Vater war ihm immer fremd. Seine Mutter nähte ihr Totenhemd. Und seine Schwester ging tanzen. Und eine Stunde stand vor ihm, Schlank, leicht und licht wie die Cherubim: Und er schnürte den Wanderranzen. — — — — — — — — — — — — Und als er kam, war der Vater tot, Die Augen der Mutter thränenrot Und seine Schwester verraten. Und eine Stunde stand vor ihm, Hoch, blaß und still wie die Seraphim: Und ihre Blicke baten. Da hat er seinen Stab genommen — Und niemals ist er heimgekommen. Pflicht Und ich werde wieder in die Stapfen treten, Die ein wilder Sprung in Blumen kaum verließ, Aus dem Grase heben meinen reisigen Spieß Und den braunen Rosenkranz der Stunden beten. Wieder mit gesenktem Haupt im Kreise schreiten, Wandermüd' und nie das Ziel in Sicht, Auf der Stirn den Sklavenbrand der Pflicht, Nie zum Fest gesalbt Ephebentänze leiten. Die Pforte des Todes In schwarzer Eisenrüstung steht Hüft-schmal und bleich ein Weib am Thor, Hält eingang-wehrend die Lanze vor. Kein Hauch um ihren Helmbusch weht. Sie wacht vor dem Gitter hoch und still. Durch die Weiden drin geht kein zärtlicher Wind... „Laß uns ein, die wir wandermüde sind, Uns, die die helle Sonne nicht will!“ Sie schüttelt weigernd ihr schönes Haupt Und weist sie zurück ins Abendrot. „Verdient, erkämpft euch die Pforte zum Tod: Euer Blondhaar ist nicht von der Zeit bestaubt. In euren Augen ist noch der Haß, Die funkelnde Gier, der atmende Zorn. Das ist ein strömender Lebensborn! Mildlächelnde führ' ich ins kühle Gelaß.“ Das Glück In frommen klaren Kinderaugen, In heißer Lippen Glutenkuß, Im streng asketischen Entsagen, Im sinnverwirrenden Genuß — Auf steiler Berge eis'gen Wänden, Im stillen Thale waldumbucht Hab ich in nimmermüdem Drange Das heißbegehrte Glück gesucht. Wie rang ich mir vor Heil'genbildern Verzweiflungsvoll die Hände wund, Las ich auch Tage durch und Nächte, Es gab kein Buch mir Antwort kund. Ich warf mich in den Strom des Lebens, Vor keiner That bebt' ich zurück Und immer rief's in mir vergebens: Du irrst, du suchst umsonst das Glück. Doch als ich heute gramverdüstert In schwüle Krankenzimmer trat, Da war's mir, als hört ich erklingen Das Wort, um das so oft ich bat. Aus all den blassen Leidenszügen, Aus jedem halberloschnen Blick Rief's höhnisch grinsend mir entgegen: Du bist am Ziel, hier wohnt das Glück! Tritt her, sieh wie im Todeskampfe Ein Herz mit tausend Qualen ringt, Hörst du das letzte Wort, das stammelnd Von der erstarrten Lippe dringt, Der letzte Blick, das letzte Röcheln Aus todeswunder Brust empor: Das ist dein Glück, dein heißbegehrtes Und vielbesungnes Glück, du Thor! Die rauhe Hand O sprich, warum ziehst du die Hand, Die du mir gabst, so rasch zurück? Warum errötest du und senkst Verlegen vor mir deinen Blick? Du schämst dich wohl, weil deine Hand Nicht wie der Andern zart und weich, Nicht wohlgepflegt und ringgeschmückt — Weil sie nur hart und schwielenreich? Erröte nicht: ich weiß es ja, Was sie gethan, die rauhe Hand: Sie spielte nicht mit Sammt und Flor, Mt Schmuck und gold'nem Flittertand; Hat auch den Fächer nie geführt, Schrieb keine Verse auf's Papier Und klimperte nicht im Salon Beifallumrauscht auf dem Klavier. Doch hat den Vater sie gepflegt, Der krank gelegen manches Jahr, Und hat auch noch dabei gesorgt Für der Geschwister kleine Schar. Für Viele hat die eine Hand Des Lebens Unterhalt geschafft! Das ist fürwahr kein leichtes Werk Für eines Mädchens schwache Kraft. Sie wankte nicht, die treue Hand, Und schaffte rast- und ruhelos — Und sank sie auch in mancher Nacht Vor Müde zitternd in den Schoß. — Da schwand die Zartheit bald dahin, Da ward die einst so schöne Hand Ein unschön schwielenreiches Ding, An dem kein Auge Freude fand. Und doch! wie gilt sie mir viel mehr, Als jene Händchen fein und zart, Für die ein gütiges Geschick Der Arbeit harte Last erspart. Für solche Händchen hat der Geck Nur fade Schmeichelei bereit; Doch deine Hand, die rauhe netzt Die Thräne ew'ger Dankbarkeit. Von des Göttlichen Menschentum Unerkannt gehen Götter unter euch umher. Ihr sehet sie nicht, ihr höret sie nicht und haltet sie für Euresgleichen. Vielfältig ist des Menschen Gestalt und eine Decke für tausend Gedanken. Immer habt ihr noch Götter getötet. Denn es haßt der Mensch seine Herren, und seine seltensten Blüten duften ihm zu schwer. Dann wird er sie brechen und vernichten, oder er streut sie in die Wüste. Suchen solltet ihr, was ihr habt, und ehren und lieben, was ihr haßt! Denn die Hände der Götter sind voll Körner und Samen. Und ihre Gedanken sind das Brod des Lebens. Wer unter euch wird einen Fremdling steinigen, nur weil er fremd ist, und dann des Toten Kleider rauben und sich damit rühmen? Wenn aus Menschengestalt zu euch tönen Worte, die euch nicht gleich sind, lauschet und wartet, was da werden soll! Denn das Neue, das da groß ist, ist immer fremd. Und wer edel ist, der nimmt den Fremden unter sein Dach. Der Berggipfel Jener letzte, kleine Gipfel, Der noch goldig liegt im Lichte, Wo die Sonne aufwärts klettert, Ach so eilig, o so goldig! O, wie kalt ist's schon im Thale! Frierend kriechen schwere Schatten. Meine Sonne dort am Gipfel, Werd' nicht kleiner! werd' nicht kleiner!! Bleib, ach bleib! Mir ist so bange, Wenn ich dich nicht leuchten sehe, Bleib, ach bleib!! Ein kleines Restlein. Sonne! Sonne!! gehst du wirklich!!? Bleib, ach bleib!!! Verblaßt — verschwunden. Ruhig geh' ich an mein Tagwerk. Meine Seele ist gestorben. Sommernacht Wir gingen zu zweien durch die Welt, Und die war öd und leer. Der Mond lag überm Ackerfeld, Als ob's ein Mantel wär'. Ein feuchter Duft quoll aus dem Grund, Die Nacht war schwül und weich. So heiß dein Herz, so heiß dein Mund, Dein Leib so weiß und bleich. Ein warmer Mantel deckt uns zu — Im Grase sang so sacht Uns wiegeweich in sel'ge Ruh Der Sommer und die Nacht. Die einsame Seele Sie gingen zusammen Hand in Hand, Sie liegen an einer Friedhofswand, Eine heiße Liebe sie immer verband, Und haben sich dennoch nie gekannt. Nenn' mir ein Herz, das ganz dich kennt, Das dich beim richt'gen Namen nennt, Mit dem du völlig dich vereinst! Ich glaube gar, du schweigst und weinst!? Die Mutter Ich weiß nicht, mein Liebling war tot, Und die Sonne schien immer noch rot. Und als ich zum Fenster hinuntersah, Sie lachten und spielten Harmonika. Da lachte ich auch: Juchhe! Und biß in die Lippen vor Weh. Und langsam rollten zwei Thränen warm Und tropften mir feucht auf den nackten Arm. Die kleine Leiche ich nahm Und drückte sie wild vor Gram Und warf sie nieder und mich dazu Und schluchzte und schluchzte immerzu. Ich preßte die Hand an den Mund Und biß das Fleisch mir wund: Ich wollte nicht schrein. Weiß jetzt kaum mehr, Was alles damals tanzte umher. Tage um Tage vergehn. Ich kanns, ich kanns nicht verstehn! Die Erde so schön, und mein Liebling ist tot. Und die Sonne scheint immer noch fröhlich und rot... Ikarus Wen sein Flug voller Jubel treibt hoch in die Lüfte mit Sonnenjauchzen oder einsam des Nachts über schönen Meeren, wenn der Sommer still ist, oder der Himmel fiebert im Wettergewühl, ihn umhüllt der Einsamkeit Schweigen wie eine wehe Seligkeit. Oder des Lebens lachender Übermut breitet die Arme ihm auseinander, läßt mit Entzücken ihn die Locken schütteln und fliegen, fliegen zur Sonne! Freiheit! Freiheit! Laß mich baden in deinem Licht, laß mich der Glieder Pracht regen und singen — Wohl dem, dem die Götter Flügel gegeben in jungen Jahren, zu sehen, zu fühlen, was keiner gefühlt. Rufen ihn auch der Liebe Stimmen vom Strande aus und des Alters kluge Vorsicht, Nein! Nein! Kann er denn hören, wenn ihn das schäumende Blut zum blauen Himmel mit Jauchzen jagt? Jung! jung! Aufwärts, mit Flügelschlag, mit Entzücken zu dir, Mutter Sonne! — — — — — Eines Jünglings Leiche stürzte danieder. Am Wasser liegt er und ist tot. Leget den Finger auf den Mund, und seid stille. Herrlich ist's auf der Höhe zu sterben. Und er war der Sonne näher als wir. Der Knabe Dein schlanker Körper, Knabe, dein lachender Blick der sprudelnden Kraft nur kennt er fröhlichen Drang, Wie eine zitternde Ahnung kommt es dir, daß dich ein heißerer Strom durchbrausen kann. Noch kennst du nicht der einsamen Sehnsucht Glück, dein tiefer Schlaf, nicht kennt er der Träume Glut. Der Erde Lust, des Augenblicks Schmerzen nur, sie waren dein, du fröhlicher, kräft'ger Leib. Auch dir wird heißer der nächste Sommer sein, der Berge blaue Ferne dir wehe thun, ruhloses Glück sich schwellend drängend in dir, die Menschen meidend, sehnst du nach Menschen dich. Die Arme dünken mit einemmal dir leer. Scheu siehst du zu der wilden Tauben Gekos am Heidestrauch. Die einsame Heide heiß, sie thut dir weh; du weinst, und weißt nicht warum. Endymion Dein Antlitz bleichte der Mond, Endymion. Du stiller Schläfer mit der Narzissenhaut, Endymion! Deine Glieder atmen im Schlaf, warm sind deine Lippen, und dein Leib wie die warme Erde. Wie glücklich schläfst du, du Wilder, jetzt still wie ein Kind. Deiner Glieder lachende Kraft schlummert wie ein müdes Meer. Endymion! Bleib und liege weiter in diesem schönen Zustand der Sterblichen. Euch Menschen gaben die Götter den Schlaf, das mildeste Geschenk der Natur, Schlafe, schlaf' Endymion, daß mein Kuß dich nicht wecke, den ich drücke auf deine Stirn, auf des lockigen Haares Ansatz. Leise zittert drin der Wind, der über den Gräsern haucht, und die müde Nacht liegt wie ein Schleier über den Gesträuchen. Laß dir des Mondes Licht, Endymion, über die Menschenglieder leuchten. Schlafe, Geliebter! Schlafe und atme milde in deiner schlummernden Schönheit. Von der Vergänglichkeit des Menschen Hast du schon nachgedacht, Mensch, wie du selbst nur ein kleiner Teil bist des gewaltigen Lebens, wie du in deinem Stolze dahingehst als aller Wesen Herr, ohne zu denken, daß deiner Väter Blut dir entgegenblüht aus den Blumen des Gartens? Hast du schon nachgedacht, Mensch, daß du aus jenem Meere des Lebens, das da die Welt ist, nur ein Tropfen bist, ein lächerlicher Tropfen im Ozean, stolzes Geschöpf? Ein Sommer reift dir Millionen Körner, und, wenn der Winter kommt, wo findest du sie? Als du mit Lachen und Jugend unter Tausenden wandeltest, hatte die Erde ein ander Bild wie heute. Könntest du streichen nach hundert Jahren als ein bewußter Geist über die Flur, nicht einer mehr all der Unzähligen, die gelebt mit dir, ist mehr da, und die ganze Erde hat keinen Menschen mehr aus deiner Zeit. Keinen! Hast du schon nachgedacht, Mensch? Alt und ewig bleibt nur das Leben, und ewig ändert sich seine Form. Nach kurzer Zeit Flattert dein Staub im Wind und düngt den Wald, oder des Meeres nasse Pflanzen ziehen neues Dasein aus deinen Resten. Alle wir Wesen gehen in ewigem Wechsel auf in einander. Wenn der Wind spielt mit Wolken und Wellen, wenn die Erde sprießen läßt neue Kräuter, schön ist es, aber kurz, wie dein Erdenzug, Mensch! Alt und ewig bleibt nur das Leben, und ewig ändert sich seine Form. — Der einsame Pfeifer Ich kam zu einer Wiese Im roten Abendschein. Da tanzten ihrer Zweie, Doch Einer saß allein. Ein dunkler Hagrer saß im Gras, Der pfiff den Zwei'n So sonderlichen Tanztakt. Er pfiff für sich, Sie tanzten für sich, Aber die Weise war Dreien gemein; Klang so voll Zorn und Sehnsucht In's ferne Abendrot hinein... Waldsonne In die braunen rauschenden Nächte Flittert ein Licht herein, Grüngolden ein Schein. Blumen blinken auf und Gräser Und die singenden springenden Waldwässerlein Und — Erinnerungen. Die längst verklungen, Golden erwachen sie wieder Alle deine fröhlichen Lieder. Und ich sehe deine goldenen Haare glänzen Und ich sehe deine goldenen Augen glänzen Aus den grünen raunenden Nächten. Und mir ist, ich läge neben dir auf dem Rasen Und hörte dich wieder auf der glitzeblanken Syrinx In die blauen Himmelslüfte blasen. In die braunen wühlenden Nächte Flittert ein Licht, Ein goldner Schein... Abendgang Und ich führte das blonde Jungfräulein In den weiten schleiernden Abendfrieden hinein. Nebel über die Wiesen gingen, Und vom Bache durch das braune Dunkel kam ein Singen, Am Himmel alle unsre goldnen Geigen hingen. Die tönten so sacht und fein... La guerre Die Lilienkrone auf fahlem Haupt, Das Gewand mit Blut bespritzt und bestaubt, Bohrend der Blick, irrwild die Haare, Gelehnt an eine Totenbahre, In der Hand das wetterrostige Schwert; Neben dir grasend ein weißes Pferd — So sah ich dich und wich ängstlich zurück Und bat: „Noch nicht! Ich hörte soviel vom Glück! Nicht, eh' ich Leben und Liebe genoß!“ — Da schwangst du dich auf dein scharrendes Roß Und schwandest in Nacht. In mitternächtiger, greller Pracht Seh' ich drei leuchtende Sterne glühn. Drunter reitest du her trotzig und kühn. Mich fragt dein Auge. „Ja, ich genoß!“ Ich klopfe den Hals deinem schäumenden Roß, Schwing' mich zu dir und reite mit. Mich fragt dein Auge. „Ja, ich — litt!“ Bekenntnis Das war nicht Liebe nur allein. Das war ein Stück von seinem Leben; Ihr hatte er's dahingegeben, Und nur in ihr noch war es sein. Ein Kämpfen war's, ein sieghaft Ringen, Ein erster Blick in Tiefen unbekannt, Zum ersten Mal ein weltenfremdes Land, Das erste, selige Vollbringen. Ein Herz war's, dessen Reinheit ihn gewann, Das er erst in den Schmutz herunterzerrte; Ein Engel, dem den Himmel er versperrte, Hält ihn auf Erden nun in seinem Bann. Und dann ihr schöner, blütenjunger Leib... In ihm erwachte Manneskraft, Und Alles sog an seiner Leidenschaft. So wurde sie sein Weib. Der fremde Wanderer Der fremde Wanderer singt ein Lied Von der Not. Es lauscht ihm der graubärtige Schmied Und sein blondes Weib — die beiden Jungen Sind spielend wieder fortgesprungen. Der fremde Wandrer ist grau und blaß Von der Not. Sein rissiger Mantel ist schwer und naß. Und was der fremde Wanderer singt, Hart an die niedern Mauern dringt. Zwischen des Liedes Töne klangen Hammerschläge aus Eisenstangen. Gebet Nun hat der Herr versenket die milden Sternelein und in dem weichen Weiher schlummern sie müde ein. Und in dem weichen Weiher blitzt es nur manchmal auf und von dem bleichen Monde fallen breite Schatten darauf. Und durch die hängenden Büsche flüstert es leise hin und streut den leuchtenden gelben Blütenstaub drüber hin. Werdet stiller — meine Sinne vernehmen ein tiefes Schluchzen Wenn mich die Sehnsucht weiter trug in Schwärmerei und Selbstbetrug zu meinen stolzen milden wildbergigen Gefilden, dann that ich einen wehen Blick vom Fenster in mein Nichts zurück in meine engen Wände und rang die müden Hände. und drunten lag verdämmernd schon der Hof in grauem stumpfen Ton und matte bleiche Tritte erschollen aus der Mitte... kahl stieg das Haus hinauf ins Grau und drüber lag ein stilles Blau und ferne — ferne — ferne — winkten die blassen Sterne. Das Jubeln der Sehnsucht Herz, einen Wunsch laß mich gestehn, allein zu sein; in dieser weiten, vollen Welt für mich zu gehn, zu streben nach dem stolzen Ziel das ich mir — hörst du wohl, mein Herz — das ich mir selber setzen will — du bist so still — — du schluchzst in deiner tiefen Qual — — schluchzst du wohl über meine Wahl? — mein armes Herz? Verklungenes In dem tiefblau stillen Wasser glänzen milde, weiße Sterne lockend in die weite ferne tröstende Unendlichkeit. Nur ein Abglanz jener stolzen prächtigen Unendlichkeit und vom fallenden Blütenkleid eingehüllt in tiefes Schweigen. Lächelnd spür' ich einmal wieder jenes bleiche, müde Sehnen, aufzugehn in dieser schönen tröstenden Unendlichkeit. Antigone Komm über die Haide, Vater... Es brennt blutrot die Nacht am Firmament... komm... singen will ich dir und spielen, die Käfer summen uns dazu... und über deine müden Glieder sinkt Sommernacht in süßer Ruh... Vision: Elend Bettelnd und hungernd zogen sie daher... und unter ihren Füßen brannten die Steine und über ihren Häupten fegte der Sturm und heulte... und die Landstraße kamen sie hergeschritten, in zerfetzten Lumpen und klapperdürren Gliedern, ausgemergelt durch Hunger und Frost... und weitumher war kein Bronnen, zu schöpfen den Labetrank, und keine Speise zu stillen den Hunger... nacktes Felsgestein und traurige Öde lagerten um sie her... und an den grauen Höhen der Berge schmolz der letzte Schnee... weinend lag der Tag in seinen letzten Schimmern über dem Kamm des Gebirges und durch die Felsenwüste krächzten die Raben... und so zogen sie, die Elenden, Verstoßenen des Glücks, Weiber, Greise, Kinder, jammernd und klagend daher... und als die Nacht kam, die bitterkalte Nacht, da kauerten sie sich eng-zusammen und klapperten dennoch vor Frost... Einer aber, ein Greis trat vor und flehte, die Hände ringend und stammelnd und schauernd: Großer, Allmächtiger! der du in der Wolke wohnst dort droben: mach' unserem Elend ein Ende! Sieh, wir haben kein Bett, wo wir uns hinlegen, und keine Heimat, da wir rasten! Und da erstickte ihm die Stimme im Halse und er sank hin, vom Tode getroffen... Da erhob sich einer der Jungen und fluchte mit donnernder Stimme, daß die Gründe hohl widerhallten, und rief: Nicht beten sollt ihr, nein fluchen... fluchen den Schwelgenden, Genießenden beim Gastmahl des Lebens... fluchen den Tanzenden, den Lustgesellen und Dirnen, die die Tage verprassen und die Nächte entweihen in schnöder Wollust... Wozu haben wir unsrer Glieder kraftvollen Bau, während der nagende, quälende Hunger uns frißt... So fluchte er in die ferne Nacht, daß die Berge widerhallten... als aber der Morgen kam und die ersten Schauer der Dämmerung um die Felsen flossen, da warf sich alles Volk nieder und rief: Herr gieb' auch uns einen Morgen... und siehe da, blutrot stieg die Sonne empor... und flammte am Firmament... Von allen Höhen aber quoll Lust und Frühling und Knospen, und die Bäche rannen lauter, und ein sel'ger Hauch löste die starre Natur... da aber weinte das Volk und sprach: Herr, nun schüttest du deine lieblichsten Gaben und schenkest den Menschen den Frühling... und wir sollen erstarren...? Und sie weinten aus tiefster Menschenbrust und es drang wie eine Anklage empor zum Himmel und... da... da teilte sich die Bergkluft und ein weiter, weiter Wiesenplan mit goldenem Sonnenlicht und tausend Glanzgefunkel that sich vor ihnen auf... und zu ihren Ohren drang der Lenzgesang der Vögel und das sehnsüchtige Schluchzen der Naturstimmen... Da aber, als sie weinten vor Freude und anbetend niedersanken vor all der Schönheit und Größe, erschien eine sanft-lächelnde Heilandsgestalt und sprach, daß es ihnen wie Balsam in die Seele floß: Dies alles, ihr Verstoßnen, sei Euch verheißen — All' diese Lust und Freude und Sonne... kommet zu mir am Morgen und am Abend und ihr sollt meiner Liebe selig genießen...! Da aber begann ein millionenstimmiger Chor von Stimmen und schwoll und schwoll von brausenden Akkorden, und Frühlingsdampf stieg empor aus den Wiesen und alles Volk, trunkner Liebe voll, zog Arm in Arm durch das Bergthor zu den prangenden Gefilden der Verheißung... Und da ward es Tag, heller, leuchtender Tag, und die Sonne stand groß und mächtig am Himmel... Evokation (aus der Brahms-Phantasie) In der Mittagshöhe meines Lebens... Sonnenkräftig, sonnenjubelnd, und, in seliger Schau flutender Schönheit sitze ich am Strande des blauen, rauschenden, sonnenübergossenen Meeres an meinem Klavier und spiele... spiele, leise anschlagend, zitternd in die Saiten, daß es emporquillt wie Sehnsuchtsklang aus Dämmertiefen, wie leises Locken flirrender Gestalten an Sommerabenden... aber schon wächst die Flut... lauter, lauter... schwillt es heraus, und aus den Klängen rauscht es wie geheimnisvoll Nachtflüstern, wie Emporringen von Licht... und, da steigt's... da steigt's herauf... das Meer singt in Weltakkorden, und die goldnen Sonnenfunken blitzen und blitzen... und auf den Felsenklippen der Tiefen schaukeln und branden die Wogen, glanzfunkelnd, wie Tau auf den Gräsern... und empor wallt's... Gestalten... Gestalten... von jauchzender, schönheitstrunkener Lust... nackende Okeaniden, tagesfrohe, singen und singen über die blaue schimmernde Flut... und das Erdendunkel schwindet, die Fesseln fallen, und frei, losgelöst, gotttrunkenen Auges, sehe und schaue ich es, wie es sich vor mir aufbaut, und herüberkommt und endlich — immer näher winkt... winkt... das strahlende, glanzfunkelnde Land der Schönheit... Die Töne schwellen... schwellen... und da... mein Blick noch gebannt... Aus den Tiefen ist sie heraufgestiegen, wie die Wellenschaumgeborne im Hauch der Frühe, in purpurner Schönheit und riesengroß vor mir emporwachsend, daß mein Blick trinkt die gewaltige Schönheit, die mich erlöst, steht sie da: Der selige Genius der Musik! und der Weltharfe entlockt sie mit mächtigem Anschlag, jubelnd, brausende Melodien in ungeahnter Fülle auf mich eindringend, und spielt und spielt, daß ich emporschwindle zu schimmernden, mondbeglänzten Bergeshöhen, wo der Geist der Menschheit thront und singt... Und Gestalten wimmeln empor und rauschen in ihr Menschheitslied hinein: ihre Hymnen. und plötzlich das Gewand wirft sie weg, und, überfließend in unkörperlicher, überirdischer Schönheit und Jugend entlockt sie der Weltharfe unsterbliche Lieder, die mit dem purpurnen Rauschen des Meeres emporschwellen zu einer... einer großen, einzigen unendlichen Melodie von Größe und Kraft, in der ich starrend versinke... Leben... Ja, ich kenne sie, die Stolzen, Harten, Die am Herrscherstuhl des Lebens thronen, Die mit tiefgezognen Brau'n Und mit ungebeugtem Rücken Zur Arena niederblicken Und den Kampf des Daseins schau'n. Die nicht träumen, die nur wachen, Niemals lachen, Und mit großen, grauen Augen Sich ins Mark des Lebens saugen... Und ich kenne sie, die Bleichen, Schwachen, Die mit müden Schritten wanken Und die Herdenstraße zieh'n, Die des Lebens Lasten tragen Ohne Klagen, Um mit gläub'gem Kindersinn Himmelslohn sich zu erwerben — Und am Weg zu sterben... Doch ich liebe sie, die Heitern, Wahren, Die mit ungebrochnen, klaren Augen die Gestirne sehn, Die mit ihrer Blicke Schweifen Sonnen greifen — — Und befreit und unbeladen Wandeln auf beglückten Pfaden Bis sie jauchzend untergehn! Und schlägt mir dein Herz... Und schlägt mir dein Herz, und bist du mir gut, So sollst du's mir nicht länger verhehlen, Laß Flamme und Flamme mit feurigem Mut Zu loderndem Brand sich vermählen! Was soll uns die Welt — was kann sie uns sein? Sie zwingt unser Fühlen nicht nieder, Und schließt du die Liebe ins Herz hinein, Sie kommt ja doch wieder und wieder! Sie schürt in der Asche verborgene Glut Und flammt durch die dürstenden Seelen — Und schlägt mir dein Herz, und bist du mir gut, So kannst du's nicht länger verhehlen! O Mutter! Einst hatt' ich einen bösen Traum, Mir träumte, Du wärest gestorben, Und ich hätte so vieles noch, Mutter, Dir abzubitten! Aber Du lagst auf der Bahre Und sprachst kein Wort, Kein verzeihendes Wort — Und glühend vom Aug' mir Stürzten die Thränen Bis ich erwachte, Krampfhaft gepreßt Das Haupt in die Kissen! Und es war Morgen, Du tratest an's Bett mir, Und glühender, länger als je Auf Deinen Lippen ruhte Mein Morgenkuß! Und heute — seltsam — heute Träumt' ich denselben Traum, Aber er ist Wahrheit! Du liegst auf der Bahre, Und meine Thränen Netzen die duftenden Blumen, Die Deine bleichen Hände Sanft umklammern — Aber dein Mund, Dein süßer Mund Bleibt stumm und kalt, Du sprichst kein Wort, Kein verzeihendes Wort, Und ich habe so vieles noch, Mutter, Dir abzubitten! — — — — — — — Der Träumer Ich war ein Kind — mit großen Kinderaugen, Die nur zu träumerischem Schauen, Nicht zum Berechnen und zum schlauen Erwerben taugen; In dumpfen Stuben bangte mir, ich scheute Gespräche nüchtern kluger Leute Und stahl mich fort — mit stiller Wonne Zu Blumen, Gras und Sonne. Da sog ich Luft — wie ein Befreiter, lauschte Den Bienen, Grillen, schwankendem Gesträuch, Das wogengleich im weichem Winde rauschte; Mit Staunen und Entzücken schaute Mein Aug' empor — zu ihm, Der tief und weithin blaute; Und der bethörte Träumersinn Schwamm mit dem wunderbaren, Wie Schneegebirge klaren Gewölke sanft dahin. So wuchs ich auf. Und allezeit getreu Blieb meinem Aug das träumerische Schauen. Doch ich bedachte nie: der Schatz der Auen Sind nicht die bunten Blumen, sondern — Heu; Was blau und rot im Ährenfelde blüht, Ist nicht dem Bauch des Erntesackes hold; Und eines Dichters träumereich Gemüt Trägt wenig Körnchen irdisch Gold. — Nun stehn die Äcker braun und stopplig nackt, Geschorne Wiesen werden bleich und bleicher, Und — mir zum Spotte — tanzt im fremden Speicher Der plumpe Flegel trocknen Erntetakt. Am Dornstrauch sitz' ich — trübe wie der Himmel; Verwelkte Blätter zerrt ein rauher Wind, Scheucht mürrisch fort das raschelnde Gewimmel; Und träumend starr' ich nach... ich dummes großes Kind! Der Winter kommt. Ich werde frieren, darben Und — wie die arme Maus im Stoppelwald — Mich nähren von dem Abfall fremder Garben; Vielleicht auch — sterb' ich bald... Mag sein! Doch schließ' ich ohne Reue Und segne dankbar meinen Träumerblick. Er ließ mich lieben Flur und Himmelsbläue; Und diese Liebe — war mein Lebensglück. „Ich bleibe.“ Durch die Nacht mit dumpfem Rauschen Treibt vorbei des Stromes Wut; Und mit träumerischem Lauschen Starr ich auf die dunkle Flut. Schattenhafte Kähne wallen Mir vorbei — in Nacht hinein, Liebe Stimmen — sie verhallen, Und die Strömung tönt allein. Ödes Schweigen — banges Dunkel! Schmerzlich irrt mein Blick empor: Da erblüht mit Trostgefunkel Ein Gestirn dem Wolkenflor. „Sieh, ich bleibe!“ winkt sein Auge — Und die bange Seele zieht Auf zu diesem treuen Auge — Wie ein Kind zur Mutter flieht. — Wenn dereinst des Todes Grauen Dieses Herz umspült und bricht, Laß noch einmal dich erschauen Über Wassern, süßes Licht — Bis den letzten Liebesfunken, Der aus meinem Auge scheint, Deine Blicke aufgetrunken Und — dem Sternenglanz vereint. Pflanzenkind Die Winterwolke flieht verdrossen, Den Himmel schmückt ein sanftes Blau. Da lächeln goldig übergossen Gehügel, Garten, See und Au. Und kosend sich die junge Sonne An die entzückte Erde schmiegt. Das Pflanzenkind in stiller Wonne Die zarten Glieder dehnt und biegt. Es schaut empor, sein Lächeln schmeichelt Erquickend wie ein klarer Quell; Und wie von Kinderhand gestreichelt Wird meine düstre Stirne hell. Novemberabend Novemberabend kühlt und feuchtet. Die Ferne stirbt in Dämmerduft. Mit mattem Blinzeln nur durchleuchtet Ein Stern die nebeltrübe Luft. Gedämpfte Glockenlaute beben Weich summend über Stoppelfeld. Aus Wiesenniederungen heben Sich dunkle Massen in die Welt. Ein alter Pflüger mit dem Pferde Zieht müde heim; die Pfeife glimmt. Vom Schäferhund umtummelt, schwimmt Mit Blöken dorfwärts eine Herde. Mit qualmigdunkler Röte säumt Der Himmel sich. Großleuchtend taucht Der Mond empor... Die Landschaft träumt — Von Ruhesehnsucht überhaucht. Schneetreiben Was zittert leise, tönt so weich? Wie aus versunkenem Märchenreich Traumselige Legenden! Ob eine ferne Harfe klingt, Gerührt von weißen Mädchenhänden? Ob im Kamin aus Feuerbränden Die Flackerseele schwärmerisch singt? — Vielleicht auch sproßt das Schilf von Eis Lispelnd an den Fensterscheiben. Oder es läuten die weißen Flocken — Die vorüber im Sturme treiben — Wie kristallne feine Glocken... Flockengewimmel, Flockengewimmel Stöbert wolkig vom bleiernen Himmel. Wie umnebelt, ergrauen im dichten Körnergeriesel des Forstes Fichten. Wenn ein Schauer sie jach umflügelt, Schütteln belastete Nadelloden Stiebendes Schneegepuder zu Boden — Wo es wogend an Stämmen sich hügelt... Flockenheere, Flockenheere, Wollt ihr mit weißem, unendlichem Meere Welten verschütten? — Prickelnden Zornes schwirrt es und flirrt es. Wie mit Nadeln gewappnet, klirrt es Mir an die Scheiben. Nun zottelt gar Eine Riesendaunen-Schar — Gleich schwerfälligen Rittern Zwischen des Kleinvolks hurtigem Flittern. Zögernd abwärts schaukeln sie — Plötzlich rückwärts gaukeln sie — Ratlos, vor dem Streite stutzig — Weiße Ameisen, die empört, Weil ein Fuß sie aufgestört, Durch einander irren, Halb scheu, halb trutzig. Mählich lichten sich die Rotten. Müde taumeln, Zage trotten — Letzte Streiter... Und nun weiß ich, Daß noch einmal aus dem Eis sich Gleißend schön ein Lenz wird schälen, Um mit süßem Blütenflitter Das bethörte Herz — zu quälen... Schrill und bitter Ist das Harfenlied zersprungen, Ist das Feenlied verklungen... Arger Lenz mit deinem Weh, Bliebest du in Gletscherschreinen Unter bergehohem Schnee!