Fremdlings Abendlied Ich komme vom Gebirge her, Die Dämmrung liegt auf Wald und Meer; Ich schaue nach dem Abendstern Die Heimath ist so fern, so fern. Es spannt die Nacht ihr blaues Zelt Hoch über Gottes weite Welt, Die Welt so voll und ich allein, Die Welt so groß und ich so klein. Die wohnen unten Haus bei Haus, Und gehen friedlich ein und aus; Doch ach, des Fremdlings Wanderstab Geht landhinauf und landhinab. Es scheint in manches liebe Thal Der Morgen- und der Abendstrahl, Ich wandle still und wenig froh, Und immer fragt der Seufzer: wo? Die Sonne dünkt mich matt und kalt, Die Blüthe welk, das Leben alt, Und was sie reden, tauber Schall, Ich bin ein Fremdling überall. Wo bist du, mein gelobtes Land, Gesucht, geahnt und nie gekannt? Das Land, das Land so hoffnungsgrün, Das Land, wo meine Rosen blüh'n? Wo meine Träume wandeln geh'n, Wo meine Todten aufersteh'n, Das Land, das meine Sprache spricht, Und Alles hat, was mir gebricht? Ich übersinne Zeit und Raum, Ich frage leise Blum' und Baum; Es bringt die Luft den Hauch zurück: „Da, wo du nicht bist, ist das Glück!“ Trost und Hoffnung Mag auch die Liebe weinen! Es kommt ein Tag des Herrn: Es muß ein Morgenstern Nach dunkler Nacht erscheinen! Mag auch der Glaube zagen! Ein Tag des Lichtes naht; Zur Heimath führt sein Pfad. Aus Dämmrung muß es tagen! Mag Hoffnung auch erschrecken, Mag jauchzen Grab und Tod! Es muß ein Morgenroth Den Schlummernden einst wecken. Vaterlandslied 1812 Der Gott, der Eisen wachsen ließ, Der wollte keine Knechte, Drum gab er Säbel, Schwert und Spieß Dem Mann in seine Rechte; Drum gab er ihm den kühnen Muth, Den Zorn der freien Rede, Daß er bestände bis auf's Blut, Bis in den Tod die Fehde. So wollen wir, was Gott gewollt, Mit rechten Treuen halten Und nimmer im Tyrannensold Die Menschenschädel spalten; Doch wer für Tand und Schande ficht, Den hauen wir zu Scherben, Der soll im deutschen Lande nicht Mit deutschen Männern erben. O Deutschland, heil'ges Vaterland! O deutsche Lieb' und Treue! Du hohes Land! Du schönes Land! Dir schwören wir auf's neue: Dem Buben und dem Knecht die Acht! Der speise Kräh'n und Raben! So ziehn wir aus zur Hermannsschlacht, Und wollen Rache haben. Laßt brausen, was nur brausen kann, In hellen, lichten Flammen! Ihr Deutschen alle Mann für Mann Fürs Vaterland zusammen! Und hebt die Herzen himmelan, Und himmelan die Hände! Und rufet alle Mann für Mann: Die Knechtschaft hat ein Ende! Laßt klingen, was nur klingen kann, Die Trommeln und die Flöten! Wir wollen heute Mann für Mann Mit Blut das Eisen röthen, Mit Henkerblut, Franzosenblut — O süßer Tag der Rache! Das klinget allen Deutschen gut, Das ist die große Sache. Laßt wehen, was nur wehen kann, Standarten wehn und Fahnen! Wir wollen heut' uns Mann für Mann Zum Heldentode mahnen; Auf! fliege, stolzes Siegspanier, Voran dem kühnen Reihen! Wir siegen oder sterben hier Den süßen Tod der Freien. Anfang und Ende 1856 Könnt' ich Löwenmähnen schütteln Mit dem Zorn und Muth der Jugend, Wie gewaltig wollt' ich rütteln An des Tages blasser Tugend, An dem Trug der Feigen, Matten — Wer will ihre Namen nennen? — Die der Väter Heldenschatten Nur als Leichenschatten kennen. Eisen galt in meinen Tagen. Horch, in diesen Stundenweisern Hör' ich sagen, fragen, klagen: „Eisern sei ich, übereisern; Fern sei mir das Loos gefallen Von den edlen Glanzmetallen, Fern, o fern von jenen allen, Woraus seine Klänge schallen.“ Weg vom Silber denn, vom Golde! Hin, wohin die Weiser weisen! Trage, wie dein Schmied es wollte, Trage muthig durch dein Eisen. Preis ihm, der es hart geschmiedet! Nimmer magst du würdig preisen, Nimmer, was die Welt befriedet, Was die Welt erhält, das Eisen. O, du Segenglanz des Pfluges, Gold der Ähren, Gold der Reben, O, du Blitz des Degenzuges, Dem die Völkerzwinger beben; Lebenhalter, Ehrenhalter, Bestes Ding von besten Dingen! O, ich könnte tausend Psalter Voll mit deinen Ehren klingen. Darum Preis dem Rauhen, Harten, Preis dem Menschenschirmer Eisen! Mag vom Blanken, Feinen, Zarten Sich ein And'rer Seines preisen; Kann ich nur ein Fünkchen zählen In mir echter Männergluthen, Gönn' ich gern den weichen Seelen Volle Weibersehnsuchtsfluthen! Frühling im Alter Singen die Vöglein im grünen Wald, Klingen die Bächlein bergunter, Lockt es den Alten mit Lustgewalt, Klopfet das Herz ihm so munter: Denket der Wonne geschiedener Lenze, Denket der Klänge und denket der Tänze, Fallen auch Thränen herunter. Singet und klinget! Das Heute ist mein, Heut' will ich singen und klingen Lustig mit spielenden Kindern feldein, Fröhlich mit fröhlichen Dingen, Will mir bekränzen die Locken, die greisen; Bald muß ich hinnen und wandern und reisen, Wo mir die Vögel nicht singen. Die Heimath Froh kehrt der Schiffer heim an den stillen Strom, Von Inseln fernher, wenn er geerntet hat; So käm' auch ich zur Heimath, hätt' ich Güter so viele, wie Leid geerntet. Ihr theuern Ufer, die mich erzogen einst, Stillt ihr der Liebe Leiden, versprecht ihr mir, Ihr Wälder meiner Jugend, wenn ich Komme, die Ruhe noch einmal wieder? Am kühlen Bache, wo ich der Wellen Spiel, Am Strome, wo ich gleiten die Schiffe sah, Dort bin ich bald; euch, traute Berge, Die mich behüteten einst, der Heimath Verehrte sichre Grenzen, der Mutter Haus, Und liebender Geschwister Umarmungen Begrüß' ich bald, und ihr umschließt mich, Daß, wie in Banden, das Herz mir heile. Ihr Treugeblieb'nen! aber ich weiß, ich weiß, Der Liebe Leid, dies heilet so bald mir nicht, Dies singt kein Wiegensang, den tröstend Sterbliche singen, mir aus dem Busen. Denn sie, die uns das himmlische Feuer leih'n, Die Götter schenken heiliges Leid uns auch. Drum bleibe dies. Ein Sohn der Erde Bin ich, zu lieben gemacht, zu leiden. Abendphantasie Vor seiner Hütte ruhigem Schatten sitzt Der Pflüger, dem Genügsamen raucht sein Herd. Gastfreundlich tönt dem Wanderer im Friedlichen Dorfe die Abendglocke. Wohl kehren jetzt die Schiffer zum Hafen auch, In fernen Städten fröhlich verrauscht des Markts Geschäft'ger Lärm; in stiller Laube Glänzt das gesellige Mahl den Freunden. Wohin denn ich? Es leben die Sterblichen Von Lohn und Arbeit; wechselnd in Müh' und Ruh' Ist Alles freudig; warum schläft denn Nimmer nur mir in der Brust der Stachel? Am Abendhimmel blühet ein Frühling auf; Unzählig blüh'n die Rosen und ruhig scheint Die goldne Welt; o dorthin nehmt mich Purpurne Wolken! und mögen droben In Licht und Luft zerrinnen mir Lieb' und Leid! Doch, wie verscheucht von thörichter Bitte, flieht Der Zauber! dunkel wird's; und einsam Unter dem Himmel, wie immer, bin ich. Komm du nun, sanfter Schlummer! zu viel begehrt Das Herz; doch endlich, Jugend, verglühst du ja, Du ruhelose, träumerische! Friedlich und heiter ist dann das Alter. Lied Wenn Alle untreu werden, So bleib ich dir doch treu; Daß Dankbarkeit auf Erden Nicht ausgestorben sei. Für mich umfing dich Leiden, Vergingst für mich in Schmerz; Drum geb' ich dir mit Freuden Auf ewig dieses Herz. Oft muß ich bitter weinen, Daß du gestorben bist, Und Mancher von den Deinen Dich lebenslang vergißt. Von Liebe nur durchdrungen Hast du so viel gethan, Und doch bist du verklungen Und Keiner denkt daran. Du stehst voll treuer Liebe Noch immer Jedem bei; Und wenn dir Keiner bliebe, So bleibst du dennoch treu; Die treuste Liebe sieget, Am Ende fühlt man sie, Weint bitterlich und schmieget Sich kindlich an dein Knie. Ich habe dich empfunden, O! lasse nicht von mir; Laß innig mich verbunden Auf ewig sein mit dir. Einst schauen meine Brüder Auch wieder himmelwärts, Und sinken liebend nieder Und fallen dir an's Herz. Herbstlied Feldeinwärts flog ein Vögelein Und sang im muntren Sonnenschein Mit süßem, wunderbaren Ton: Ade! ich fliege nun davon, Weit, weit! Reis' ich noch heut! Ich horchte auf den Feldgesang, Mir ward so wohl und doch so bang; Mit frohem Schmerz, mit trüber Lust Stieg wechselnd bald und sank die Brust: Herz! Herz! Brichst du vor Wonn' oder Schmerz! Doch als ich Blätter fallen sah, Da sagt' ich: Ach! der Herbst ist da, Der Sommergast, die Schwalbe, zieht, Vielleicht so Lieb' und Sehnsucht flieht, Weit! weit! Rasch mit der Zeit! Doch rückwärts kam der Sonnenschein, Dicht zu mir drauf das Vögelein, Es sah mein thränend Angesicht Und sang: die Liebe wintert nicht, Nein! nein! Ist und bleibt Frühlingsschein! Aus Genoveva Dicht von Felsen eingeschlossen, Wo die stillen Bächlein gehn, Wo die dunklen Weiden sprossen, Wünsch' ich bald mein Grab zu sehn. Dort im kühlen abgelegnen Thal Such' ich Ruh' für meines Herzens Qual. Hat sie dich ja doch verstoßen, Und sie war so süß und schön! Tausend Thränen sind geflossen, Und sie durfte dich verschmähn — Suche Ruh' für deines Herzens Qual, Hier ein Grab im einsam grünen Thal. Hoffend und ich ward verstoßen, Bitten zeugten nur Verschmäh'n — Dicht von Felsen eingeschlossen Wo die stillen Bächlein geh'n, Hier im stillen, einsam grünen Thal Such' zum Troste dir ein Grab zumal! — So oder so! Nord oder Süd! Wenn nur im warmen Busen Ein Heiligthum der Schönheit und der Musen, Ein götterreicher Himmel blüht! Des Nordens Hauch kann nicht die Brust erkalten, Des Südens Weh'n es nicht zur Lust entfalten: Nord oder Süd, Wenn nur die Seele glüht! Stadt oder Land! Nur nicht so eng die Räume! Ein wenig Himmel, etwas Grün der Bäume Zum Schatten vor dem Sonnenbrand. Nicht an das Wo ward Seligkeit gebunden! Wer hat das Glück schon außer sich gefunden? Stadt oder Land! Die Außenwelt ist Tand. Arm oder reich! Sei's Goldfrucht oder Pflaume! Wir pflückten ungleich von dem Lebensbaume: Dir zollt der Ast, mir nur der Zweig: Mein leichtes Mahl wiegt darum nicht geringe, Lust am Genuß bestimmt den Werth der Dinge. Arm oder reich! Die Glücklichen sind gleich. Blaß oder roth! Nur auf den bleichen Wangen Sehnsucht und Liebe, Hoffen und Erbangen, Gefühl und Trost für fremde Noth! Es strahlt der Geist nicht aus des Blutes Welle, Ein andrer Spiegel strahlt in Sonnenhelle: Blaß oder roth, Nur nicht das Auge todt! Jung oder alt! Was kümmern uns die Jahre! Der Geist ist frei, Verräther sind die Haare. Auch mir ergraut das Haar zu bald. Doch eilt nur, Locken, glänzend euch zu färben! Es ist nicht Schande, Silber zu erwerben. Jung oder alt, Doch erst im Grabe kalt! Schlaf oder Tod! Willkommen, Zwillingsbrüder! Der Tag ist hin, ihr zieht die Wimper nieder; Traum ist der Erde Glück und Noth, Zu kurzer Tag, zu schnell verrauschtes Leben! Warum so schön und doch so schnell verschweben? Schlaf oder Tod! Hell strahlt das Morgenroth! Mutterglück An meinem Herzen, an meiner Brust, Du meine Wonne, du meine Lust! Das Glück ist die Liebe, die Lieb' ist das Glück, Ich hab' es gesagt und nehm's nicht zurück. Hab' überglücklich mich geschätzt, Bin überglücklich aber jetzt. Nur die da säugt, nur die da liebt Das Kind, dem sie die Nahrung giebt; Nur eine Mutter weiß allein, Was lieben heißt und glücklich sein. O wie bedaur' ich doch den Mann, Der Mutterglück nicht fühlen kann! Du schauest mich an und lächelst dazu, Du lieber, lieber Engel du! An meinem Herzen, an meiner Brust, Du meine Wonne, du meine Lust! Tragische Geschichte 's war einer, dem's zu Herzen ging, Daß ihm der Zopf so hinten hing, Er wollt' es anders haben. So denkt er denn: wie fang' ich's an? Ich dreh' mich um, so ist's gethan — Der Zopf, der hängt ihm hinten. Da hat er flink sich umgedreht, Und wie es stund, es annoch steht — Der Zopf, der hängt ihm hinten. Da dreht' er schnell sich anders 'rum, 's wird aber doch nicht besser drum — Der Zopf, der hängt ihm hinten. Er dreht sich links, er dreht sich rechts, Er thut nichts Gut's, er thuts nichts Schlecht's — Der Zopf, der hängt ihm hinten. Und seht, er dreht sich immer noch, Und denkt: es hilft am Ende doch — Der Zopf, der hängt ihm hinten. Die alte Waschfrau Du siehst geschäftig bei dem Linnen Die Alte dort in weißem Haar. Die rüstigste der Wäscherinnen Im sechsundsiebenzigsten Jahr. So hat sie stets mit sauerm Schweiß, Ihr Brot in Ehr' und Zucht gegessen, Und ausgefüllt mit treuem Fleiß Den Kreis, den Gott ihr zugemessen. Sie hat in ihren jungen Tagen Geliebt, gehofft und sich vermählt; Sie hat des Weibes Loos getragen, Die Sorgen haben nicht gefehlt; Sie hat den kranken Mann gepflegt; Sie hat drei Kinder ihm geboren; Sie hat ihn in das Grab gelegt Und Glaub' und Hoffnung nicht verloren. Da galt's die Kinder zu ernähren; Sie griff es an mit heiterm Muth, Sie zog sie auf in Zucht und Ehren, Der Fleiß, die Ordnung sind ihr Gut. Zu suchen ihren Unterhalt, Entließ sie segnend ihre Lieben, So stand sie nun allein und alt, Ihr war ihr heitrer Muth geblieben. Sie hat gespart und hat gesonnen Und Flachs gekauft und Nachts gewacht, Den Flachs zu feinem Garn gesponnen, Das Garn dem Weber hingebracht; Der hat's gewebt zu Leinewand; Die Scheere brauchte sie, die Nadel, Und nähte sich mit eigner Hand Ihr Sterbehemde sonder Tadel. Ihr Hemd, ihr Sterbehemd, sie schätzt es, Verwahrt's im Schrein am Ehrenplatz; Es ist ihr Erstes und ihr Letztes, Ihr Kleinod, ihr ersparter Schatz. Sie legt es an, des Herren Wort Am Sonntag früh sich einzuprägen, Dann legt sie's wohlgefällig fort, Bis sie darin zur Ruh' sie legen. Und ich, an meinem Abend, wollte, Ich hätte, diesem Weibe gleich, Erfüllt, was ich erfüllen sollte In meinen Grenzen und Bereich; Ich wollt', ich hätte so gewußt Am Kelch des Lebens mich zu laben, Und könnt' am Ende gleiche Lust An meinem Sterbehemde haben. Das Schloß Boncourt Ich träum' als Kind mich zurücke, Und schüttle mein greises Haupt; Wie sucht ihr mich heim, ihr Bilder, Die lang' ich vergessen geglaubt? Hoch ragt aus schatt'gen Gehegen Ein schimmerndes Schloß hervor, Ich kenne die Thürme, die Zinnen, Die steinerne Brücke, das Thor. Es schauen vom Wappenschilde Die Löwen so traulich mich an, Ich grüße die alten Bekannten, Und eile den Burghof hinan. Dort liegt die Sphinx am Brunnen, Dort grünt der Feigenbaum, Dort, hinter diesen Fenstern, Verträumt' ich den ersten Traum. Ich tret' in die Burgkapelle Und suche des Ahnherrn Grab, Dort ist's, dort hängt vom Pfeiler Das alte Gewaffen herab. Noch lesen umflort die Augen Die Züge der Inschrift nicht, Wie hell durch die bunten Scheiben Das Licht darüber auch bricht. So stehst du, o Schloß meiner Väter, Mir treu und fest in dem Sinn, Und bist von der Erde verschwunden, Der Pflug geht über dich hin. Sei fruchtbar, o theurer Boden, Ich segne dich mild und gerührt Und segn' ihn zwiefach, wer immer Den Pflug nun über dich führt. Ich aber will auf mich raffen, Mein Saitenspiel in der Hand, Die Weiten der Erde durchschweifen, Und singen von Land zu Land. Liebes-Aufgang Sonnenaufgang ist so schön Hoch von duft'gen Bergeshöhn! Hast ihn hundertmal gesehn, Bleibst doch immer wieder stehn. Liebes-Aufgang: Knospensplittern Unter himmlischen Gewittern — Wie viel schöner, dem zu lauschen! Wer mag dich mit Sonnen tauschen?! Allen steigt die Sonn' empor, Du blühst einzig nur hervor! Mir nur duften Thal und Höh'n — Liebesaufgang, o wie schön! Der gefangene Sänger Vöglein einsam in dem Bauer, Herzchen einsam in der Brust, Beide haben große Trauer Um die süße Frühlingslust. Um das Wandern, um das Fliegen In dem Thal von Zweig zu Zweig, Um das Wiegen, um das Schmiegen An die Liebste warm und weich. Vöglein, singe deine Klagen Bis die kleine Brust zerspringt, Herz mein Herz, auch du wirst schlagen Bis dein letzter Ton verklingt. Muttersprache Muttersprache, Mutterlaut! Wie so wonnesam, so traut! Erstes Wort, das mir erschallet, Süßes, erstes Liebeswort, Erster Ton, den ich gelallet, Klingest ewig in mir fort. Ach, wie trüb' ich meinen Sinn, Wenn ich in der Fremde bin, Wenn ich fremde Zungen üben, Fremde Worte brauchen muß, Die ich nimmermehr kann lieben, Die nicht klingen als ein Gruß! Sprache, schön und wunderbar, Ach, wie klingest du so klar! Will noch tiefer mich vertiefen In den Reichthum, in die Pracht, Ist mir's doch, als ob mich riefen Väter aus des Grabes Nacht. Klinge, klinge fort und fort! Heldensprache, Liebeswort, Steig' empor aus tiefen Grüften, Längst verscholl'nes altes Lied! Leb' auf's Neu' in heil'gen Schriften, Daß dir jedes Herz erglüht. Überall weht Gottes Hauch, Heilig ist wohl mancher Brauch, Aber soll ich beten, danken, Geb' ich meine Liebe kund, Meine seligsten Gedanken, Sprech' ich wie der Mutter Mund. Spatz und Spätzin Auf dem Dache saß der Spatz Und die Spätzin saß daneben, Und er sprach zu seinem Schatz: „Küsse mich, mein süßes Leben! Bald nun wird der Kirschbaum blüh'n, Frühlingszeit ist so vergnüglich; Ach, wie lieb' ich junges Grün Und die Erbsen ganz vorzüglich!“ Spricht die Spätzin: „Theurer Mann, Denken wir der neuen Pflichten, Fangen wir noch heute an, Uns ein Nestchen einzurichten!“ Spricht der Spatz: „Das Nesterbau'n, Eierbrüten, Junge füttern Und dem Mann den Kopf zu krau'n — Liegt den Weibern ob und Müttern!“ Spricht die Spätzin: „O, Barbar! Soll ich bei der Arbeit schwitzen? Und du willst nur immerdar Zwitschern und herumstipitzen?“ Spricht der Spatz: „Ich will dich hier Mit zwei Worten kurz berichten, Für den Spatz — ist das Plaisir, Für die Spätzin — sind die Pflichten!“ An die Lerche O Lerche, könnt' ich mit dir dringen In jenes lichte Blau, So froh wie Du, so innig singen Zur blüthevollen Au! Vom Sänger wäre nichts zu schauen, Man horchte seinem Lied, Als ob's unsichtbar diesen Auen Der Himmel selbst beschied. So rein kann, ach, ein Lied nicht klingen, Beschwert von Erdenschmerz, Zur lichten Höhe sich nicht schwingen Ein liebekrankes Herz. Alte Heimath In einem dunklen Thal Lag jüngst ich träumend nieder, Da sah ich einen Strahl Von meiner Heimath wieder. Auf morgenrother Au' War Vaters Haus gelegen; Wie war der Himmel blau! Die Flur, wie reich an Segen! Wie war mein Heimathland Voll Gold und Rosenhelle! Doch bald der Traum verschwand, Schmerz trat an seine Stelle. Da irrt' ich weit hinaus In's öde Land voll Sehnen; Noch irr' ich, such' das Haus, Und find' es nicht vor Thränen. Wanderlied Wohlauf! noch getrunken Den funkelnden Wein! Ade nun, ihr Lieben, Geschieden muß sein! Ade nun, ihr Berge, Du väterlich Haus! Es treibt in die Ferne Mich mächtig hinaus. Die Sonne, sie bleibet Am Himmel nicht stehn, Es treibt sie, durch Länder Und Meere zu gehn; Die Woge nicht haftet Am einsamen Strand, Die Stürme, sie brausen Mit Macht durch das Land. Mit eilenden Wolken Der Vogel doch zieht, Und singt in der Ferne Ein heimathlich Lied. So treibt es den Burschen Durch Wälder und Feld, Zu gleichen der Mutter, Der wandernden Welt. Da grüßen ihn Vögel Bekannt über'm Meer, Sie flogen von Fluren Der Heimath hieher, Da duften die Blumen Vertraulich um ihn, Sie treiben vom Lande Die Lüfte dahin. Die Vögel, sie kennen Sein väterlich Haus; Die Blumen einst pflanzt' er Der Liebe zum Strauß, Und Liebe, die folgt ihm, Die geht ihm zur Hand: So wird ihm zur Heimath Das ferneste Land. Zwei Särge Zwei Särge einsam stehen In des alten Domes Huth, König Ottmar liegt in dem einen, In dem andern der Sänger ruht. Der König saß einst mächtig Hoch auf der Väter Thron, Ihm liegt das Schwert in der Rechten Und auf dem Haupte die Kron'. Doch neben dem stolzen König Da liegt der Sänger traut, Man noch in seinen Händen Die fromme Harfe schaut. Die Burgen rings zerfallen, Schlachtruf tönt durch das Land, Das Schwert, das regt sich nimmer Da in des Königs Hand. Blüthen und milde Düfte Wehen das Thal entlang — Des Sängers Harfe tönet In ewigem Gesang. Süßer, goldner Frühlingstag! Lieder Süßer, goldner Frühlingstag! Inniges Entzücken! Wenn mir je ein Lied gelang, Sollt' es heut nicht glücken? Doch warum in dieser Zeit An die Arbeit treten? Frühling ist ein hohes Fest: Laßt mich ruhn und beten! Gestorben war ich Lieder Gestorben war ich Vor Liebeswonne; Begraben lag ich In ihren Armen; Erwecket ward ich Von ihren Küssen; Den Himmel sah ich In ihren Augen! O legt mich nicht ins dunkle Grab Lieder O legt mich nicht ins dunkle Grab, Nicht unter die grüne Erd' hinab! Soll ich begraben sein, Lieg' ich in's tiefe Gras hinein. In Gras und Blumen lieg' ich gern, Wenn eine Flöte tönt von fern, Und wenn hoch obenhin Die hellen Frühlingswolken ziehn. Wunder Sie war ein Kind vor wenig Tagen, Sie ist es nicht mehr, wahrlich nein! Bald ist die Blume aufgeschlagen, Bald hüllt sie halb sich wieder ein. Wen kann ich um das Wunder fragen? Wie? oder täuscht mich holder Schein? Sie spricht so ganz mit Kindersinne, So fromm ist ihrer Augen Spiel; Doch großer Dinge werd' ich inne, Ich schau' in Tiefen ohne Ziel, Ja, Wunder sind's der süßen Minne, Die Minne hat der Wunder viel. Der gute Kamerad Ich hatt' einen Kameraden, Einen bessern find'st du nit. Die Trommel schlug zum Streite, Er ging an meiner Seite In gleichem Schritt und Tritt. Eine Kugel kam geflogen, Gilt's mir, oder gilt es dir? Ihn hat es weggerissen, Er liegt mir vor den Füßen, Als wär's ein Stück von mir. Will mir die Hand noch reichen, Derweil ich eben lad'. Kann dir die Hand nicht geben, Bleib' du im ew'gen Leben, Mein guter Kamerad! Das Schloß am Meere „Hast du das Schloß gesehen, Das hohe Schloß am Meer? Golden und rosig wehen Die Wolken d'rüber her. Es möchte sich niederneigen. In die spiegelklare Fluth; Es möchte streben und steigen In der Abendwolken Gluth.“ „Wohl hab' ich es gesehen, Das hohe Schloß am Meer, Und den Mond darüber stehen Und Nebel weit umher.“ „Der Wind und des Meeres Wallen, Gaben sie frischen Klang? Vernahmst du aus den Hallen Saiten und Festgesang?“ „Die Winde, die Wogen alle Lagen in tiefer Ruh', Einem Klagelied aus der Halle Hört' ich mit Thränen zu.“ „Sahest du oben gehen Den König und sein Gemahl? Der rothen Mäntel Wehen, Der goldnen Kronen Strahl? Führten sie nicht mit Wonne Eine schöne Jungfrau dar, Herrlich wie eine Sonne, — Strahlend im goldnen Haar.“ „Wohl sah ich die Eltern beide, Ohne der Kronen Licht, Im schwarzen Trauerkleide; Die Jungfrau sah ich nicht.“ Das Schifflein Ein Schifflein ziehet leise Den Strom hin seine Gleise, Es schweigen, die drin wandern, Denn Keiner kennt den Andern. Was zieht hier aus dem Felle Der braune Waidgeselle? Ein Horn, das sanft erschallet; Das Ufer widerhallet. Von seinem Wanderstabe Schraubt Jener Stift und Habe Und mischt mit Flötentönen Sich in des Hornes Dröhnen. Das Mädchen saß so blöde, Als fehlt' ihr gar die Rede, Jetzt stimmt sie mit Gesange Zu Horn und Flötenklange. Die Rudrer auch sich regen Mit taktgemäßen Schlägen. Das Schiff hinunterflieget, Von Melodie gewieget. Hart stößt es auf am Strande, Man trennt sich in die Lande. Wann treffen wir uns, Brüder, Auf Einem Schifflein wieder? Der Räuber Einst am schönen Frühlingstage Tritt der Räuber vor den Wald. Sieh! den hohlen Pfad hernieder Kommt ein schlankes Mädchen bald. „Trügst du, statt der Maienglocken, — Spricht des Waldes kühner Sohn — In dem Korb den Schmuck des Königs, Frei doch zögest du davon.“ Lange folgen seine Blicke Der geliebten Wallerin, Durch die Wiesengründe wandelt Sie zu stillen Dörfern hin, Bis der Gärten reiche Blüthe Hüllt die liebliche Gestalt; Doch der Räuber kehret wieder In den finstren Tannenwald. Die versunkene Krone Da droben auf dem Hügel, Da steht ein kleines Haus, Man sieht von seiner Schwelle In's schöne Land hinaus; Dort sitzt ein freier Bauer Am Abend auf der Bank, Er dengelt seine Sense Und singt dem Himmel Dank. Da drunten in dem Grunde, Da dämmert längst der Teich, Es liegt in ihm versunken Eine Krone stolz und reich; Sie läßt zu Nacht wohl spielen Karfunkel und Saphir; Sie liegt seit grauen Jahren, Und Niemand sucht nach ihr. Die Stille Es weiß und räth es doch Keiner, Wie mir so wohl ist, so wohl! Ach, wüßt' es nur Einer, nur Einer, Kein Mensch es sonst wissen soll! So still ist's nicht draußen im Schnee, So stumm und verschwiegen sind Die Sterne nicht in der Höhe, Als meine Gedanken sind. Ich wünscht', es wäre schon Morgen, Da fliegen zwei Lerchen auf, Die überfliegen einander, Mein Herze folgt ihrem Lauf. Ich wünscht', ich wäre ein Vöglein Und zöge über das Meer, Wohl über das Meer und weiter, Bis daß ich im Himmel wär'! Das zerbrochene Ringlein In einem kühlen Grunde, Da geht ein Mühlenrad, Mein' Liebste ist verschwunden, Die dort gewohnet hat. Sie hat mir Treu versprochen, Gab mir ein'n Ring dabei, Sie hat die Treu gebrochen, Mein Ringlein sprang entzwei. Ich möcht' als Spielmann reisen Weit in die Welt hinaus, Und singen meine Weisen, Und gehn von Haus zu Haus. Ich möcht' als Reiter fliegen Wohl in die blut'ge Schlacht, Um stille Feuer liegen Im Feld bei dunkler Nacht. Hör' ich das Mühlrad gehen: Ich weiß nicht, was ich will — Ich möcht' am liebsten sterben, Da wär's auf einmal still! Mondnacht Es war, als hätte der Himmel Die Erde still geküßt, Daß sie im Blüthenschimmer Von ihm nun träumen müßt'. Die Luft ging durch die Felder, Die Ähren wogten sacht, Es rauschten leis die Wälder, So sternklar war die Nacht. Und meine Seele spannte Weit ihre Flügel aus, Flog durch die stillen Lande, Als flöge sie nach Haus. Der Jäger Abschied Wer hat dich, du schöner Wald, Aufgebaut so hoch da droben? Wohl, den Meister will ich loben, So lang' noch mein' Stimm' erschallt. Lebe wohl, Lebe wohl, du schöner Wald! Tief die Welt verworren schallt, Oben einsam Rehe grasen, Und wir ziehen fort und blasen, Daß es tausendfach verhallt. Lebe wohl, Lebe wohl, du schöner Wald! Was wir still gelobt im Wald, Wollen's draußen ehrlich halten: Ewig bleiben treu die Alten, Bis das letzte Lied verhallt. Lebe wohl! Schirm' dich Gott, du schöner Wald! Lockung Hörst du nicht die Quellen gehen Zwischen Stein und Blumen weit Nach den stillen Waldes-Seen, Wo die Marmorbilder stehen In der schönen Einsamkeit? Von den Bergen leis hernieder, Weckend die uralten Lieder, Steigt die wunderbare Nacht, Und die Gründe glänzen wieder, Wie du's oft im Traum gedacht. Kennst die Blume du, entsprossen In dem mondbeglänzten Grund? Aus der Knospe halberschlossen Junge Glieder blühend sprossen, Weiße Arme, rother Mund, Und die Nachtigallen schlagen, Und rings hebt es an zu klagen, Ach, vor Liebe todeswund, Von versunk'nen schönen Tagen — Komm' o komm' zum stillen Grund! Der Einsiedler an die Nacht Komm, Trost der Welt, du stille Nacht! Wie steigst du von den Bergen sacht, Die Lüfte alle schlafen; Ein Schiffer nur noch, wandermüd', Singt über's Meer sein Abendlied Zu Gottes Lob im Hafen. Die Jahre wie die Wolken gehn Und lassen mich hier einsam stehn, Die Welt hat mich vergessen; Da trat'st du wunderbar zu mir, Wenn ich beim Waldesrauschen hier Gedankenvoll gesessen! O Trost der Welt, du stille Nacht! Der Tag hat mich so müd' gemacht, Das weite Meer schon dunkelt; Laß ausruhn mich von Lust und Noth, Bis daß das ew'ge Morgenroth Den stillen Wald durchfunkelt! Frühlingsnacht Über'm Garten durch die Lüfte Hört' ich Wandervögel ziehn, Das bedeutet Frühlingsdüfte, Unten fängt's schon an zu blühn. Jauchzen möcht' ich, möchte weinen, Ist mir's doch, als könnt's nicht sein! Alte Wunder wieder scheinen Mit dem Mondesglanz herein. Und der Mond, die Sterne sagen's, Und in Träumen rauscht's der Hain, Und die Nachtigallen schlagen's, Sie ist deine, sie ist dein! Nachtlied Vergangen ist der lichte Tag, Von ferne kommt der Glocken Schlag; So reis't die Zeit die ganze Nacht, Nimmt Manchen mit, der's nicht gedacht. Wo ist nun hin die bunte Lust, Des Freundes Trost und treue Brust, Des Weibes süßer Augenschein? Will Keiner mit mir munter sein? Da's nun so stille auf der Welt, Zieh'n Wolken einsam über's Feld, Und Feld und Baum besprechen sich, — O Menschenkind! was schauert dich? Wie weit die falsche Welt auch sei, Bleibt mir doch Einer nur getreu, Der mit mir weint, der mit mir wacht, Wenn ich nur recht an ihn gedacht. Frisch auf denn, liebe Nachtigall, Du Wasserfall mit hellem Schall! Gott loben wollen wir vereint, Bis daß der lichte Morgen scheint! Die Perle Das Kleinod hab' ich nun gefunden, Geboren in geheimer Nacht, Das Kleinod, das bei Schmerz und Wunden Der Heiland an das Licht gebracht. Verborgen lag es in den Tiefen, Die Länder und die Völker schliefen Und ahneten dies Kleinod nicht. Er stieg hinab zum Todesthale, Errang den Sieg, zerbrach die Schale, Und trug sein Kleinod an das Licht. Nun fragt' ich oft bei stillen Thränen: War's nur ein Wahn, der mich betrog, Indem ein unbekanntes Sehnen Mich über Berg und Hügel zog? Die Bürgschaft wär' mir längst gegeben: Du darfst das Köstlichste erstreben; Wer sucht, dem ist das Kleinod nah. Mich trieben Hoffnung und Entsetzen, Bis ich bei tausend Erdenschätzen Die schöne Perle liegen sah. Nun ward sie mein, die edle Gabe. Ach, Alles, was ich hab' und bin, Das bot ich als geringe Habe Und gab es für das Kleinod hin. Fahrt wohl, ihr Schätze dieser Erden, Zieht hin, der Eitelkeit Gefährten! Ihr schaffet im Erwerben Müh', Ihr bringet Sorgen im Besitzen Und möget wohl dem Weisen nützen, Doch ohne jenes Kleinod nie. Wohlauf, mein Herz! Was nicht veralten Und nicht verderben kann, ist dein. So strebe nur, es fest zu halten; Schleuß es in deine Kammern ein. In Wehmuth soll es dich erheitern, Von Sünd' und Thorheit täglich läutern Und deinen Nächten Glanz verleih'n! Es soll, wirst du es gläubig fassen, Wenn alle Freuden dich verlassen, Dein Schmuck, dein Trost, dein Alles sein! O Frühling! O Frühling, komm! Laß deine Blumen keimen, Erweck' im Hain der Vögel süßes Lied Und schmücke bunt dein fröhliches Gebiet Mit Duft und Glanz und goldnen Wolkensäumen; Wenn Liebe singt in allen grünen Bäumen, Im Quelle rauscht, im hellen Haine blüht, Dann wird vielleicht mein trauerndes Gemüth, Vom Glück umringt, sich selber glücklich träumen. Doch wehe mir! was blickt mein stiller Gram Den Strahlen nach, die scheidend lang' verglommen, Und ruft umsonst die Schatten schön'rer Tage! Die jedes Glück aus meinem Leben nahm, Hat auch dem Lenz die Liebeslust genommen Und ließ ihm nichts als seine Liebesklage. Lied der Vöglein Von Zweig zu Zweig zu hüpfen, Durch Wies' und Busch zu schlüpfen, Zu ruh'n in weichen Grases Schooß, Das ist das Loos Der kleinen bunten Sänger, Je länger, Je lieber süßes Loos! Schwebt nieder, laue Lüfte, O kommt, ihr Wiesendüfte, Ihr Schmetterlinge, tummelt euch, Von Zweig zu Zweig Mit unsrer Schaar zu spielen Im kühlen, Im säuselnden Gesträuch! Im grünen Dämmerscheine, Im Labyrinth der Haine Erbau'n wir uns ein blühend Dach; Der klare Bach, Uns auszuhorchen, zaudert Und plaudert Dann unsre Lieder nach. Und wenn der Tag geschieden, Dann eilen wir zufrieden Zurück zu unsrer Mutter Schooß. Das ist das Loos Der kleinen bunten Sänger; Je länger, Je lieber süßes Loos! Hymne Flammt empor in euren Höh'n, Morgensonnen, lobt den Herrn! Rauscht in euren Tiefen auf, Schöpfungsbronnen, lobt den Herrn! Die ihr, ohne zu verglühn, lang geflammt vor seinem Blick, Ohne zu verrinnen, lang hingeronnen, lobt den Herrn! Der ein mannichfaltiges Leben schaun will außer sich; Alle, die ein Leben ihr habt gewonnen, lobt den Herrn! Alle Tropfen seiner Huld, die zu Perlen sich geformt, Funken Lichtes, die zu Gold sind geronnen, lobt den Herrn! Soviel Halme von dem Thau seiner Gnade trunken sind, Soviel sich an seinem Strahl Welten sonnen, lobt den Herrn! Ob vor seinem ew'gen Blick ihr des Lebens raschen Tanz Jetzt vollendet, oder jetzt habt begonnen, lobt den Herrn! Blumen, die der Frühling weckt, Garben, die der Sommer dörrt, Trauben, deren Blut der Herbst preßt in Tonnen, lobt den Herrn! Raupe, die das Blatt benagt, haftend an dem grünen Zweig, Puppe, zur Verwandlung reif eingesponnen, lobt den Herrn! Schmetterlinge, die ihr noch von dem Duft der Blüthen nascht, Schmetterlinge, die in's Licht schon zerronnen, lobt den Herrn! Geister, eingeengt in Nacht, oder aufgeflammt in's Licht, Herzen, schmeckend Lebenslust, Todeswonnen, lobt den Herrn! Die ihr mit dem Flügelschlag glühender Begeist'rung strebt, Oder fördert euer Werk still besonnen, lobt den Herrn! Lobt den Herrn, deß Lichtgewand auch durch dunkle Faden wächst, Die ein unscheinbarer Fleiß hat gesponnen, lobt den Herrn! Lobt den Herrn, deß Angesicht lächelnd in den Spiegel schaut Auch des Tropfens, der am Halm hängt geronnen, lobt den Herrn! Lobt den Herrn, der loben sich gern in allen Sprachen hört, Die Bedürfniß seines Lob's hat ersonnen, lobt den Herrn! Ob das Blatt am Zweige rauscht, ob des Menschen Zunge tönt, Ob ein Engel höhern Gruß sich ersonnen, lobt den Herrn! Alle, die ihr euren Gott fühlet, ahnet, denket, schaut, Die ihr sinnt, was niemals wird ausgesonnen, lobt den Herrn! Wenn in des Gemüthes Nacht auch sein erster Schimmer brach, Oder wenn ihr euch im Glanz habt versonnen, lobt den Herrn! Alle Sinne, die des Sang's Woge schwellet himmelan, Lobt mit allen rauschenden Schöpfungsbronnen, lobt den Herrn! Alle Seelen, in der Gluth des Gebetes Weihrauch gleich, Lobt mit allen brenenden Morgensonnen, lobt den Herrn! Du meine Seele! Du meine Seele, du mein Herz, Du meine Wonn', o du mein Schmerz, Du meine Welt, in der ich lebe, Mein Himmel du, darein ich schwebe, O du mein Grab, in das hinab Ich ewig meinen Kummer gab! Du bist die Ruh', du bist der Frieden, Du bist vom Himmel mir beschieden. Daß du mich liebst, macht mich mir werth, Dein Blick hat mich vor mir verklärt, Du hebst mich segnend über mich, Mein guter Geist, mein bessres Ich! Er ist gekommen Er ist gekommen In Sturm und Regen, Ihm schlug beklommen Mein Herz entgegen. Wie konnt' ich ahnen, Daß seine Bahnen Sich einen sollten meinen Wegen? Er ist gekommen In Sturm und Regen, Er hat genommen Mein Herz verwegen. Nahm er das meine? Nahm ich das seine? Die beiden kamen sich entgegen. Er ist gekommen In Sturm und Regen, Nun ist entglommen Des Frühlings Segen. Der Freund zieht weiter, Ich seh' es heiter, Denn er bleibt mein auf allen Wegen. Kehr' ein bei mir Du bist die Ruh, Der Friede mild, Die Sehnsucht du, Und was sie stillt. Ich weihe dir Voll Lust und Schmerz Zur Wohnung hier Mein Aug' und Herz. Kehr' ein bei mir, Und schließe du Still hinter dir Die Pforten zu. Treib' andern Schmerz Aus dieser Brust! Voll sei dies Herz Von deiner Lust. Dies Augenzelt, Von deinem Glanz Allein erhellt, O füll' es ganz! Ich liebe dich Ich liebe dich, weil ich dich lieben muß; Ich liebe dich, weil ich nicht anders kann; Ich liebe dich nach einem Himmelsschluß; Ich liebe dich durch einen Zauberbann. Dich lieb' ich, wie die Rose ihren Strauch; Dich lieb' ich, wie die Sonne ihren Schein; Dich lieb' ich, weil du bist mein Lebenshauch; Dich lieb' ich, weil dich lieben ist mein Sein. O süße Mutter! „O süße Mutter, Ich kann nicht spinnen, Ich kann nicht sitzen Im Stübchen innen, Im engen Haus; Es stockt das Rädchen, Es reißt das Fädchen, O süße Mutter, Ich muß hinaus! Der Frühling gucket Hell durch die Scheiben; Wer kann nun sitzen, Wer kann nun bleiben Und fleißig sein? O laß mich gehen Und laß mich sehen, Ob ich kann fliegen Wie Vögelein. O laß mich sehen, O laß mich lauschen, Wo Lüftlein wehen, Wo Bächlein rauschen, Wo Blümlein blühn. Laß sie mich pflücken Und schön mir schmücken Die braunen Locken Mit buntem Grün. Und kommen Knaben In wilden Haufen, So will ich traben, So will ich laufen, Nicht stille stehn; Will hinter Hecken Mich hier verstecken, Bis sie mit Lärmen Vorüber gehn. Bringt aber Blumen Ein frommer Knabe, Die ich zum Kranze Just nöthig habe: Was soll ich thun? Darf ich wohl nickend, Ihm freundlich blickend, O süße Mutter, Zur Seit' ihm ruhn?“ Lüfteleben Wär' ich die Luft, um die Flügel zu schlagen Wolken zu jagen, Über die Gipfel der Berge zu streben, Das wär' ein Leben! Tannen zu wiegen und Eichen zu schaukeln, Weiter zu gaukeln, Seele den flüsternden Schatten zu geben, Das wär' ein Leben! Echo, die schlummernde, neckend zu wecken, Nymphen zu schrecken, Über die schauernden Fluren zu beben, Das wär' ein Leben! Rosen mit Schmeicheln entkosen ein Lächeln, Nelkengluth fächeln, Duftige Lilienschleier zu heben, Das wär' ein Leben! Bräuten an ihrem Gewande zu säuseln, Locken zu kräuseln, Düfte von beiden als Steuer erheben, Das wär ein Leben! Myrrhen und Weihrauch zum Opfer zu tragen, Sel'ges Behagen, Heiligen Flammen den Athem zu geben, Das wär' ein Leben! Schwellende Fülle zu schütteln von Zweigen, Ähren zu neigen, Trauben zu küssen im Schooße der Reben, Das wär' ein Leben! Morgens dem Reh und der Blum' auf dem Rasen Wache zu blasen, Abends die Träume der Schöpfung zu weben, Das wär' ein Leben! Kühl bei des Mittags versengenden Gluthen Tauchen in Fluthen, Auen mit träufelnder Schwinge beschweben, Das wär' ein Leben! Rosen, aus euern verschlossenen Thüren Düfte entführen, Um sie in Freimunds Lieder zu weben, Das wär' ein Leben! Aus der Jugendzeit Aus der Jugendzeit, aus der Jugendzeit, Klingt ein Lied mir immerdar; O wie liegt so weit, o wie liegt so weit, Was mein einst war! Was die Schwalbe sang, was die Schwalbe sang, Die den Herbst und Frühling bringt; Ob das Dorf entlang, ob das Dorf entlang, Das jetzt noch klingt? „Als ich Abschied nahm, als ich Abschied nahm, Waren Kisten und Kasten schwer; Als ich wieder kam, als ich wieder kam, War Alles leer.“ O du Kindermund, o du Kindermund, Unbewußter Weisheit froh, Vogelsprachekund, vogelsprachekund Wie Salomo! O du Heimathflur, o du Heimathflur, Laß zu deinem heil'gen Raum Mich noch einmal nur, mich noch einmal nur Entfliehn im Traum! Als ich Abschied nahm, als ich Abschied nahm, War die Welt mir voll so sehr; Als ich wiederkam, als ich wiederkam, War Alles leer. Wohl die Schwalbe kehrt, wohl die Schwalbe kehrt, Und der leere Kasten schwoll, Ist das Herz geleert, ist das Herz geleert, Wird's nicht mehr voll. Keine Schwalbe bringt, keine Schwalbe bringt Dir zurück, wonach du weinst; Doch die Schwalbe singt, doch die Schwalbe singt Im Dorf wie einst: „Als ich Abschied nahm, als ich Abschied nahm, Waren Kisten und Kasten schwer; Als ich wiederkam, als ich wiederkam, War Alles leer.“ Abendlied Ich stand auf Berges Halde, Als Sonn' hinunterging, Ich sah, wie überm Walde Des Abends Goldnetz hing. Des Himmels Wolken thauten Der Erde Frieden zu, Bei Abendglockenlauten Ging die Natur zur Ruh'. Ich sprach: O Herz, empfinde Der Schöpfung Stille nun, Und schick' mit jedem Kinde Der Flur dich auch, zu ruhn. Die Blumen alle schließen Die Augen allgemach, Und alle Wellen fließen Besänftiget im Bach. Nun hat der müde Sylphe Sich unters Blatt gesetzt, Und die Libell' am Schilfe Entschlummert thaubenetzt. Es ward dem goldnen Käfer Zur Wieg' ein Rosenblatt; Die Heerde mit dem Schäfer Sucht ihre Lagerstatt. Die Lerche sucht aus Lüften Ihr feuchtes Nest im Klee, Und in des Waldes Schlüften Ihr Lager Hirsch und Reh. Wer sein ein Hüttchen nennet, Ruht nun darin sich aus; Und wen die Fremde trennet, Den trägt ein Traum nach Haus. Mich fasset ein Verlangen, Daß ich zu dieser Frist Hinauf nicht kann gelangen, Wo meine Heimath ist. Mitternacht Um Mitternacht Hab' ich gewacht Und aufgeblickt zum Himmel; Kein Stern vom Sterngewimmel Hat mir gelacht Um Mitternacht. Um Mitteracht Hab' ich gedacht Hinaus in dunkle Schranken. Es hat kein Lichtgedanken Mir Trost gebracht Um Mitternacht. Um Mitternacht Nahm ich in Acht Die Schläge meines Herzens; Ein einz'ger Puls des Schmerzens War angefacht Um Mitternacht. Um Mitternacht Kämpft' ich die Schlacht, O Menschheit, deiner Leiden! Nicht konnt' ich sie entscheiden Mit meiner Macht Um Mitternacht. Um Mitternacht Hab' ich die Macht In deine Hand gegeben: Herr über Tod und Leben, Du hältst die Wacht Um Mitternacht. Die drei Gesellen Es waren drei Gesellen, Die stritten wider'n Feind. Und thaten stets sich stellen In jedem Kampf vereint. Der Ein' ein Österreicher, Der Andr' ein Preuße hieß, Davon sein Land mit gleicher Gewalt ein Jeder pries. Woher war denn der Dritte? Nicht her von Östreichs Flur, Auch nicht von Preußens Sitte, Von Deutschland war er nur. Und als die Drei einst wieder Standen im Kampf vereint, Da warf in ihre Glieder Kartätschensaat der Feind. Da fielen alle Dreie Auf einen Schlag zugleich; Der Eine rief mit Schreie: „Hoch lebe Österreich!“ Der Andre sich entfärbend Rief: „Preußen lebe hoch!“ Der Dritte, ruhig sterbend, Was rief der Dritte doch? Er rief: „Deutschland soll leben!“ Da hörten es die Zwei, Wie rechts und links daneben Sie sanken nah dabei; Da richteten im Sinken Sich beide nach ihm hin, Zur Rechten und zur Linken, Und lehnten sich an ihn. Da rief der in der Mitten Noch einmal: „Deutschland hoch!“ Und Beide mit dem Dritten Riefen's, und lauter noch. Da ging der Todesengel Im Kampfgewühl vorbei Mit einem Palmenstengel, Und liegen sah die Drei. Er sah auf ihrem Munde Die Spur des Wortes noch, Wie sie im Todesbunde Gerufen: „Deutschland hoch!“ Da schlug er seine Flügel Um alle Drei zugleich Und trug zum höchsten Hügel Sie auf in Gottes Reich. Erhörung In süßer Lenznacht bei der Sterne Schein, Vom hellen Mondenglanze übergossen, Von Kühl' und Duft und Stille mild umflossen, Ging ich mit ihr vertraulich und allein In süßer Lenznacht, bei der Sterne Schein! Reich an Gefühlen, doch an Worten arm, Ruht Aug' in Aug' in seligem Umfangen, Schlägt Herz an Herz, und Wangen ruh'n auf Wangen: „Dein, dein auf ewig!“ ruf' ich wahr und warm, Reich an Gefühlen, doch an Worten arm! Und „dein auf ewig!“ tönt es mir zurück; Der Himmel schien sich über mir zu spalten, Das Leben seine Wunder zu entfalten; Das Herz durchströmt ein lang' entbehrtes Glück, Und „dein auf ewig!“ tönt es mir zurück. Sehnsucht Als mein Auge sie fand Und mein Herz sie erkannt, O, wie glühte die Brust Von Entzücken, von Lust! Wie voll Düfte die Au', Und der Himmel, wie blau! Und der Wald voll Gesang, Und die Lüfte voll Klang! Ohne sie, wie so kalt, Und die Welt, wie so alt, Und die Erde, wie leer, Und das Herz, ach, — so schwer. Lützows wilde Jagd Was glänzt dort vom Walde im Sonnenschein? Hör's näher und näher brausen. Es zieht sich herunter in düsteren Reih'n, Und gellende Hörner schallen darein Und erfüllen die Seele mit Grausen. Und wenn ihr die schwarzen Gesellen fragt: Das ist Lützow's wilde verwegene Jagd. Was zieht dort rasch durch den finstern Wald, Und streift von Bergen zu Bergen? Es legt sich in nächtlichen Hinterhalt; Das Hurrah jauchzt und die Büchse knallt, Es fallen die fränkischen Schergen. Und wenn ihr die schwarzen Jäger fragt: Das ist Lützow's wilde verwegene Jagd. Wo die Reben dort glühen, dort braust der Rhein, Der Wüthrich geborgen sich meinte; Da naht es schnell mit Gewitterschein, Und wirft sich mit rüst'gen Armen hinein, Und springt an's Ufer der Feinde. Und wenn ihr die schwarzen Schwimmer fragt: Das ist Lützow's wilde verwegene Jagd. Was braust dort im Thale die laute Schlacht, Was schlagen die Schwerter zusammen? Wildherzige Reiter schlagen die Schlacht, Und der Funke der Freiheit ist glühend erwacht Und lodert in blutigen Flammen. Und wenn ihr die schwarzen Reiter fragt: Das ist Lützow's wilde verwegene Jagd. Wer scheidet dort röchelnd vom Sonnenlicht Unter winselnde Feinde gebettet? Es zuckt der Tod auf dem Angesicht; Doch die wackern Herzen erzittern nicht, Das Vaterland ist ja gerettet! Und wenn ihr die schwarzen Gefallnen fragt: Das war Lützow's wilde verwegene Jagd. Die wilde Jagd, und die deutsche Jagd, Auf Henkersblut und Tyrannen! — Drum, die ihr uns liebt, nicht geweint und geklagt; Das Land ist ja frei, und der Morgen tagt, Wenn wir's auch nur sterbend gewannen! Und von Enkeln zu Enkeln sei's nachgesagt: Das war Lützow's wilde verwegene Jagd. Nachruf Nur eine laß von deinen Gaben, Verschwund'ne Liebe, mir zurück! Nicht deine Freuden will ich haben, Nicht dein beseligendes Glück. O schenke nur den Schmerz mir wieder, Der so gewaltig mich durchdrang, Den tiefen Sturm der Klagelieder, Der aus der wunden Brust sich schwang! Ich will ja nicht ein fröhlich Zeichen, Auch keinen Blick, kein freundlich Wort; Nur nicht so stille laß mich schleichen Aus dieser Ruhe treib mich fort! Laß deine Wehmuth mich erfüllen, Flieh weit, doch zieh mein Herz dir nach! Gieb mir den Durst, der nie zu stillen, Gieb mir dein Leiden, deine Schmach! Dein Seufzen, deine Last, dein Sehnen, Was Andre nur an dir verschmähn — O gieb mir Alles, bis mir Thränen In den erstorbnen Augen stehn! Am Morgen des Himmelfahrtstages Laß dich nicht den Frühling täuschen, Herz, der dich mit Lust umringt, Wo mit wonnigen Geräuschen, Wald und Flur von Leben klingt: Wo sich auf den Ästen wiegen Kehlen, voll von ew'gem Klang, Wo, als gäb' es kein Versiegen, Flüsse brausen ihren Gang. Von den Bäumen, aus den Bächen, Aus dem hellen Morgenroth Scheint ein tröstlich Wort zu sprechen — Lauschest du, so ist's der Tod. Diese Welt, sie muß vergehen; Früher noch der Lüfte Raub Wirst als Asche du verwehen, Herz, wie flücht'ger Blumenstaub. Willst du bis zum Wesen dringen, Wende vom Erschaffnen dich, Willst du dich in's Leben schwingen — Einer zeigt als Führer sich: Der an solchem Frühlingsmorgen Hinter sich ließ die Natur, Und, dem ird'schen Blick verborgen, In der Himmel Himmel führ. Was die Jünger dort empfanden, Als ihr Auge flog empor, Fühl' es, Herz, und aus den Banden Flüchte durch des Glaubens Thor. Mit den Ewigkeits-Gedanken Bist du doch von Erde nur, Führt nicht er dich aus den Schranken Über alle Kreatur. Was auf Erden ihn umgeben, War ihm Bild und Ahnung bloß, Und er athmete sein Leben Stets nur in des Vaters Schooß. Sieh auch du im Glanz der Erde Nur vom Himmel einen Traum; Gleichniß dir des Höchsten werde Herde, Haus und Blum' und Baum. Wenn auf's Leben du verzichtet, Dann beginnt dein Lebenslauf; Wenn du dich als Staub vernichtet, Stehst du erst als Wesen auf. Deines innern Lebens Schwingen Wachsen aus dem Erdentod; Eh' er konnt' in's Leben dringen, Hat auch Ihm der Tod gedroht. Blick' hinauf zum Himmelsbogen! Siehest du den Widerschein Von der Bahn, die er geflogen? Lädt dich nicht ein Schimmer ein? Will das Himmelslicht ermatten? Ringen Zweifel um den Sieg? Es ist nur der Wolke Schatten, Hinter der er aufwärts stieg. Lieb und Leid Was ich hatte, was ich habe, Es ist Alles Tand, Und zuletzt im engen Grabe Deckt es leichter Sand. Was ich hatte, was ich habe Ist mein einzig Glück, Dankbar froh seh' ich am Grabe Noch darauf zurück. Was ich hatte, was ich habe, Nehmt mir nichts davon. Lieb' und Leid ist bis zum Grabe Menschenloos und Lohn. Es hat geflammt Es hat geflammt die ganze Nacht Am hohen Himmelsbogen, Wie eines Feuerspieles Pracht Hat es die Luft durchflogen; Und nieder sank es tief und schwer Mit ahnungsvoller Schwüle, Ein dumpfes Rollen zog daher Und sprach von ferner Kühle: Da fielen Tropfen warm und mild, Wie lang' erstickte Thränen; Die Erde trank, doch ungestillt Blieb noch ihr heißes Sehnen. Und sieh, der Morgen steigt empor — Welch Wunder ist geschehen? In ihrem vollen Blüthenflor Seh' ich die Erde stehen. O Wunder, wer hat das vollbracht? Der Knospen spröde Hülle, Wer brach sie auf in einer Nacht Zu solcher Liebesfülle? O still, o still und merket doch Der Blüthen scheues Bangen! Ein rother Schauer zittert noch Um ihre frischen Wangen. O still, und fragt den Bräutigam, Den Lenz, den kühnen Freier, Der diese Nacht zur Erde kam, Nach ihrer Hochzeitfeier! Vineta Aus des Meeres tiefem, tiefem Grunde Klingen Abendglocken dumpf und matt, Uns zu geben wunderbare Kunde Von der schönen alten Wunderstadt. In der Fluthen Schooß hinabgesunken, Blieben unten ihre Trümmer stehn. Ihre Zinnen lassen goldne Funken Widerscheinend auf dem Spiegel sehn. Und der Schiffer, der den Zauberschimmer Einmal sah im hellen Abendroth, Nach derselben Stelle schifft er immer, Ob auch rings umher die Klippe droht. Aus des Herzens tiefem, tiefem Grunde Klingt es mir wie Glocken, dumpf und matt; Ach, sie geben wunderbare Kunde Von der Liebe, die geliebt es hat. Eine schöne Welt ist da versunken, Ihre Trümmer blieben unten stehn, Lassen sich als goldne Himmelsfunken Oft im Spiegel meiner Träume sehn. Und dann möcht' ich tauchen in die Tiefen, Mich versenken in den Widerschein, Und mir ist, als ob mich Engel riefen In die alte Wunderstadt herein. Du denkst an mich so selten Du denkst an mich so selten, Ich denk' an dich so viel, Getrennt wie beide Welten Ist unser beider Ziel. Doch möcht' ich beide Welten Durchziehn an deiner Hand, Bald schlummern unter Zelten, Bald gehn von Land zu Land. Und möchtest du vergelten Durch Liebe dies Gedicht, So fließt um beide Welten Ein rosenfarbnes Licht. Mein Herz und deine Stimme Laß tief in dir mich lesen, Verhehl auch dies mir nicht, Was für ein Zauberwesen Aus deiner Stimme spricht? So viele Worte dringen An's Ohr uns ohne Plan, Und während sie verklingen Ist alles abgethan. Doch drängt auch nur von ferne Dein Ton zu mir sich her, Behorch' ich ihn so gerne, Vergeß' ich ihn so schwer! Ich bebe dann, entglimme Von allzurascher Glut: Mein Herz und deine Stimme Verstehn sich gar zu gut! Wie rafft' ich mich auf in der Nacht Wie rafft' ich mich auf in der Nacht, in der Nacht, Und fühlte mich fürder gezogen, Die Gassen verließ ich, vom Wächter bewacht, Durchwandelte sacht In der Nacht, in der Nacht, Das Thor mit dem gothischen Bogen. Der Mühlbach rauschte durch felsigen Schacht, Ich lehnte mich über die Brücke, Tief unter mir nahm ich der Wogen in Acht, Die wallten so sacht In der Nacht, in der Nacht, Doch wallte nicht eine zurücke. Es drehte sich oben, unzählig entfacht, Melodischer Wandel der Sterne, Mit ihnen der Mond in beruhigter Pracht, Sie funkelten sacht In der Nacht, in der Nacht, Durch täuschend entlegene Ferne. Ich blickte hinauf in der Nacht, in der Nacht, Ich blickte hinunter auf's Neue: O wehe, wie hast du die Tage verbracht! Nun stille du sacht In der Nacht, in der Nacht, Im pochenden Herzen die Reue! Sonett Ich möchte, wenn ich sterbe, wie die lichten Gestirne schnell und unbewußt erbleichen; Erliegen möcht' ich einst des Todes Streichen, Wie Sagen uns vom Pindarus berichten. Ich will ja nicht im Leben oder Dichten Den großen Unerreichlichen erreichen, Ich möcht', o Freund, ihm nur im Tode gleichen; Doch höre nun die schönste der Geschichten! Er saß im Schauspiel, vom Gesang beweget, Und hatte, der ermüdet war, die Wangen Auf seines Lieblings schönes Knie geleget: Als nun der Chöre Melodien verklangen, Will wecken ihn, der ihn so sanft geheget; Doch zu den Göttern war er heimgegangen. Morgenklage Von bebender Wimper tropft der Nacht Zähre mir, Indeß den ersehnten Tag verheißt Hahnenruf: Wach' auf, o betrübte Seele, Schließ einen Bund mit Gott! Ich schwöre den schönen Schwur, getreu stets zu sein Dem hohen Gesetz, und will, in Andacht vertieft, Voll Priestergefühl verwalten Dein groß Prophetenamt. Du aber ein einzigmal vom Geist nimm die Last! Von Liebe wie außer mir, an gleichwarmer Brust, Laß fröhlich und selbstvergessen Mich fühlen, Mensch zu sein! Vergebens! Die Hand erstarrt, da voll stolzen Frosts Nach irdischer Frucht sie greift! Es seufzt unter dir, Schwermüthige Wucht, Gedanke, Mein Nacken tiefgebeugt! Umnebelt den Blick die Welt, so laß, keusches Licht, In reinere Lüfte mich emporschwebend gehn! Wer aber hienieden setzte Auf Wolken je den Fuß? O seliger Mann, wofern gelebt Einer, der In Ruhe die Nacht verbringt und jedweden Tag, Dem Rose genügt und Frühling, Dem Liebe labt das Herz! Das Haus in der Haide Wie lauscht, vom Abendschein umzuckt, Die strohgedeckte Hütte, — Recht wie im Nest der Vogel duckt — Aus dunkler Föhren Mitte. Am Fensterloche streckt das Haupt Die weißgestirnte Stärke, Bläst in den Abendduft und schnaubt Und stößt an's Holzgewerke. Seitab ein Gärtchen, dornumhegt, Mit reinlichem Gelände, Wo matt ihr Haupt die Glocke trägt, Aufrecht die Sonnenwende. Und drinnen kniet ein stilles Kind, Das scheint den Grund zu jäten, Nun pflückt sie eine Lilie lind Und wandelt längs den Beeten. Am Horizonte Hirten, die Im Haidekraut sich strecken, Und mit des Ave's Melodie Träumende Lüfte wecken. Und von der Tenne ab und an Schallt es wie Hammerschläge, Der Hobel rauscht, es fällt der Span, Und langsam knarrt die Säge. Da hebt der Abendstern gemach Sich aus den Föhrenzweigen, Und grade ob der Hütte Dach Scheint er sich mild zu neigen. Es ist ein Bild, wie still und heiß Es alte Meister hegten, Kunstvolle Mönche, und mit Fleiß Es auf den Goldgrund legten. Der Zimmermann — die Hirten gleich Mit ihrem frommen Liede — Die Jungfrau mit dem Lilienzweig — Und rings der Gottesfriede; Des Sternes wunderlich Geleucht Aus zarten Wolkenfloren — Ist etwa hier im Stall vielleicht Christkindlein heut' geboren? Laßt mich ruhen Laßt mich ruhen, laßt mich träumen, Wo die Abendwinde linde Säuseln in den Blüthenbäumen, Wo der Nachtigallen Lieder wieder In der Zweige Dämm'rung schallen! Wie des Mondes Silberhelle Auf des Baches dunkler Welle, Spielt in dieser lichten Stunde Auf des Lebens dunklem Grunde Der vergangnen Tage Freud' und Klage; Der Erinn'rung Lust und Schmerzen Flimmen auf in meinem Herzen — Laßt mich ruhen, laßt mich träumen Bei der Nachtigallen Sange Unter vollen Blüthenbäumen Lange — lange! Ich will von dir, was keine Zeit zerstöret Ich will von dir, was keine Zeit zerstöret, Nur Schönheit, die das Herz verleiht; Ich will von dir, was nie der Welt gehöret, Die engelreine Kindlichkeit. Das sind des Herzens allerbeste Gaben, Das ist des Lebens schönste Zier. Hat dich die Welt, so kann ich dich nicht haben; Lebst du der Welt, so stirbst du mir. Du siehst mich an Du siehst mich an und kennst mich nicht, Du liebes Engelsangesicht! Die Wünsche weißt du nicht, die reinen, Die du so unbewußt erregt. Ich muß mich freu'n und möchte weinen, So hast du mir mein Herz bewegt. Kenn' ich dein Glück, du kennst es nicht, Du liebes Engelsangesicht! Welch schönes Loos ist dir beschieden! Wie eine Lilie auf dem Feld, So heiter und so still zufrieden Lebst du in deiner kleinen Welt. Mich treibt's im Leben hin und her, Als ob ich niemals glücklich wär', Kann keinen Frieden mir erjagen Und keine Heiterkeit und Ruh', Und hab' in meinen schönsten Tagen Nur einen Wunsch: „Lebt' ich wie du“! Von denen vier Temperamentis Ich bin ein Melancholicus, Bin immer ernst und voll Verdruß: Die Welt dünkt mich ein wüstes Haus Voll Sorg' und Noth und Gram und Graus; Hab' weder Lust an Tanz noch Spiel, Des Zechens acht' ich auch nit viel; Ich esse nur, ich trinke nur, Weil's haben will menschlich Natur. Drauf werd' ich ein Sanguinicus, Der Alles, Alles lieben muß; Die rosinfarben Wängelein, Die ehr' ich mehr denn Gold und Wein. Ich pfeif' und hüpf', ich sing' und tanz', Ich seh', daß ich behalt' die Schanz'; Und mach' allzeit ein froh Gesicht Und zaudre bei dem Trunke nicht. Dann werd' ich ein Cholericus, Daß jeder drob erschrecken muß: Ich tob', ich lärm', ich fluch' ohn' End' Potztausendhimmelsapperment! Hab' einen frischen freien Muth, Biet' an mein Gut und junges Blut, Will ziehn weit über Land und Meer, Wenn's gilt für deutsches Volk und Ehr'. Doch endlich ein Phlegmaticus, Hab' einen stillen Animus: Ich frage wenig hin und her, Ob man mir bringet neue Mär', Was hie und dort geschehen sei Im deutschen Reich und in Türkei; Ob man mich liebt, ob man mich haßt, Hans Hache schimpft, Poet, Phantast. Das Alles macht der Wein aus mir, Trink' ich der Flaschen zwei, drei, vier: Eins macht zum Melancholicus, Bei zwon wirst du Sanguinicus, Cholericus kannst du bei drei'n, Phlegmaticus bei vier'n nur sein. Ein jeder hat nun hier die Wahl Ich trink' sie alle vier zumal. Um ein stilles Herz Sohn des Vaters, Herr der Ehren, Eines wolle mir gewähren, Eins, das mir vor Allem fehlt: Daß aus deiner Gnadenfülle Milde Ruhe, sanfte Stille In das laute Herz mir quille, Das sich stets mit Eitlem quält. Du ja trachtest aller Orten Uns mit deinen Liebesworten Überschwänglich zu erfreu'n; Aber vor dem lauten Toben, Das von unten sich erhoben, Kann der milde Laut von oben Nicht in unsre Herzen ein. Wie Maria, dir zu Füßen, Will ich sitzen und genießen, Was dein Mund von Liebe spricht; Eitelkeit und Eigenwille, Leib und Seele, schweiget stille! Komm, o Seelenfreund, erfülle Mich mit deinem heil'gen Licht! Vaterland Alles schweige, Jeder neige Ernsten Tönen nun sein Ohr! Hört, ich sing' das Lied der Lieder; Hört es, meine deutschen Brüder, Hall' es wieder, froher Chor! Deutsche Erde, ewig werde Liebe dir und Lob gebracht! Deine Berge, deine Auen Sind so lieblich anzuschauen, Daß uns Herz und Auge lacht. Hohe Ahnen, auf den Bahnen Aller Ehren stets voran! Unter euren kräft'gen Streichen Mußten schon die Römer weichen, Fallen auf dem blut'gen Plan. Edle Bilder starker, milder, Deutscher Menschenherrlichkeit: Kaiser groß und Meister tüchtig, Sänger süß und Frauen züchtig, Leuchten her aus alter Zeit. Als der Priester stolz und düster Allen Geist in Fesseln schlug, Deutsches Herz, das fühlt die Schande, Deutscher Geist zerbricht die Bande, Deutschland trotzt des Pfaffen Fluch. Wo die Hände sich behende Bei Gewerk und Kunst bemüh'n — Deutscher Sinn hat aufgefunden, Deutscher Fleiß hat überwunden Das, was unbesieglich schien. Hört ihr's klingen? Solch ein Singen Quillet nur aus deutscher Brust! Freier Geist und warme Triebe, Echte Freundschaft, treue Liebe, Das ist deutscher Herzen Lust. Liebe Heimath, traute Wohnstatt Dessen, was uns theuer ist, Kräftig strahle dir die Sonne, Daß zu neuer, schöner Wonne Sich dein reicher Schooß erschließt. Blücher am Rhein Die Heere blieben am Rheine stehn: Soll man hinein nach Frankreich gehn? Man dachte hin und wieder nach, Allein der alte Blücher sprach: „Generalkarte her! Nach Frankreich gehn ist nicht so schwer. Wo steht der Feind?“ — Der Feind? dahier! — „Den Finger drauf: den schlagen wir! Wo liegt Paris?“ — Paris? dahier! — „Den Finger drauf: das nehmen wir! Nun schlagt die Brücken über'n Rhein: Ich denke, der Champagnerwein Wird, wo er wächst, am besten sein!“ Du bist wie eine Blume Lieder Du bist wie eine Blume So hold und schön und rein; Ich schau' dich an, und Wehmuth Schleicht mir in's Herz hinein. Mir ist, als ob ich die Hände Aufs Haupt dir legen sollt' Betend, daß Gott dich erhalte So rein und schön und hold. Leise zieht durch mein Gemüth Lieder Leise zieht durch mein Gemüth Liebliches Geläute. Klinge, kleines Frühlingslied, Kling' hinaus in's Weite! Kling' hinaus bis an das Haus, Wo die Blumen sprießen! Wenn du eine Rose schaust, Sag', ich laß' sie grüßen! Auf Flügeln des Gesanges Lieder Auf Flügeln des Gesanges, Herzliebchen, trag' ich dich fort, Fort nach den Fluren des Ganges, Dort weiß ich den schönsten Ort. Dort liegt ein rothblühender Garten Im stillen Mondenschein; Die Lotosblumen erwarten Ihr trautes Schwesterlein. Die Veilchen kichern und kosen, Und schau'n nach den Sternen empor; Heimlich erzählen die Rosen Sich duftende Märchen in's Ohr. Es hüpfen herbei und lauschen Die frommen, klugen Gazell'n, Und in der Ferne rauschen Des heiligen Stromes Well'n. Dort wollen wir niedersinken Unter dem Palmenbaum, Und Liebe und Ruhe trinken, Und träumen seligen Traum. Das Meer erglänzte weit hinaus Lieder Das Meer erglänzte weit hinaus Im letzten Abendscheine; Wir saßen am einsamen Fischerhaus, Wir saßen stumm und alleine. Der Nebel stieg, das Wasser schwoll, Die Möve flog hin und wieder; Aus deinen Augen, liebevoll, Fielen die Thränen nieder. Ich sah sie fallen auf deine Hand, Und bin aufs Knie gesunken; Ich hab' von deiner weißen Hand Die Thränen fortgetrunken. Seit jener Stunde verzehrt sich mein Leib, Die Seele stirbt vor Sehnen; — Mich hat das unglücksel'ge Weib Vergiftet mit ihren Thränen. Das alte Lied Es war ein alter König, Sein Herz war schwer, sein Haupt war grau, Der arme, alte König, Er nahm eine junge Frau. Es war ein schöner Page, Blond war sein Haar, leicht war sein Sinn, Er trug die seid'ne Schleppe Der jungen Königin. Kennst du das alte Liedchen? Es klingt so süß, es klingt so trüb! Sie mußten Beide sterben, Sie hatten sich viel zu lieb. Abenddämmerung Am blassen Meeresstrande Saß ich gedankenbekümmert und einsam. Die Sonne neigte sich tiefer und warf Glührothe Streifen auf das Wasser, Und die weißen, weiten Wellen, Von der Fluth gedrängt, Schäumten und rauschten näher und näher — Ein seltsam Geräusch, ein Flüstern und Pfeifen, Ein Lachen und Murmeln, Seufzen und Sausen, Dazwischen ein wiegenliedheimliches Singen — Mir war als hört' ich verscholl'ne Sagen, Uralte, liebliche Märchen, Die ich einst als Knabe Von Nachbarskindern vernahm, Wenn wir am Sommerabend Auf den Treppensteinen der Hausthür Zum stillen Erzählen niederkauerten, Mit kleinen, horchenden Herzen Und neugierklugen Augen, Während die großen Mädchen Neben duftenden Blumentöpfen Gegenüber am Fenster saßen, Rosengesichter, Lächelnd und mondbeglänzt. Spurlos Schneeflocken schweben, sinken, Rieseln hernieder leis; Befiederte Sternchen blinken Auf Wies' und spiegelndem Eis; Kaum gaukelt eins hernieder, So decken die andern es dicht, Kein Aug' erblickt es wieder — Schneeflocken zählen sich nicht. Der Frühling kommt; die Quellchen Erwachen aus dumpfem Traum; Thalabwärts hüpfen die Wellchen Mit dem Helm von Silberschaum; Sie rinnen, rollen, rauschen, Umfangen und küssen sich lieb — Kein Auge mag's belauschen, Wo Well' und Wellchen blieb. Aus dichtem Moose ringen, Tief im schweigsamen Wald, An's Licht, aus Brombeerschlingen, Sich Blumen mannigfalt. Sich still entfalten und färben Ist ihre Seligkeit, Und wenn sie welken und sterben, Trägt Keiner um sie Leid. Und auch in Dichterherzen Stehn Blum' an Blume gedrängt, Genährt vom Thau der Schmerzen, Vom Thau der Lust getränkt: Sie duften, sie welken wieder, Von keinem Auge gesehn: Wollen denn Blumen und Lieder Mehr als blühn und verwehn? Der Leichenträger Der Leichenträger, geschmückt mit dem Strauß, Tritt finster dort aus dem kleinen Haus. Er trägt im Mantel, den Hut beflort, Daraus ein bemaltes Trühelein fort. Er trägt es gar sorglich unter dem Arm, Als müß' er im Wind' es halten warm! Er schreitet damit so mühsam einher, Als wär' ihm das kleine Särglein zu schwer. Und wie er nun vollends tritt an das Grab, Da thut er, als könn' er's nicht senken hinab. Was hat er doch heute, der steinerne Mann, Daß nun er gar fängt zu weinen an? Was dort er zur Ruhe gelegt so lind, War eben — sein eigenes liebes Kind. Ein panischer Schreck Ich hatte so oft bergab, bergan Den Wald durchstrichen und nie den Pan, Den Gott der buschigen Höhen, entdeckt, Der sonst die Wanderer neckt und schreckt; Doch jüngst als ich unter der Eiche saß Und einen Artikel vom Reiche las, Flugs neben mir, ha! stand leibhaft da Bocksfüßigen Trittes der Waldpapa, Und schnitt ein Gesicht als hätt' er die Gicht, Ein schnöderes sah ich im Leben nicht, Und schrie mir in's Ohr ein gellendes „Thor“! Daß fast ich vor Schreck das Gehör verlor. Das Blatt entfiel meiner bebenden Hand, Weiß kaum mehr, wie ich nach Haus mich fand. Was geblieben Hinflossen manche Jahre, Das Bäumchen ward ein Baum, Vom Schnitt in seiner Rinde Erkennt die Spur man kaum. Auch meiner Wunden Brennen Ist lange schon gekühlt, Der starre Gram vom Herzen Durch Thränen weggespült; Die Fordrung ist erloschen, Das Buch der Schuld verbrannt, Und Alles ausgeglichen, Ob's unausgleichbar stand. Was mir zurückgeblieben Aus jenen Stürmen wild? Es ist im tiefsten Herzen Ein unvergeßlich Bild, Das rein von jedem Makel, Das frei von jedem Fehl, Im Golde der Erinnrung Erglänzt als ein Juwel. Die Singdrossel In Weihrauch duftenden Föhrenkronen, In immer grünenden Tannengärten, Wo Balsamtropfen im Schatten sich härten Und stille Gedanken einsam wohnen, Da weckst du den schlafenden Wiederhall, Gebirgestochter, Waldnachtigall! Begeisternde Sängerin, deine Lieder Vernahm ich schon früh in der Blätterklause. Bei deinem Gesang im grünen Hause Entschlummert das Wild, erwacht es wieder; Es ziehn deine Töne, ein lieblicher Traum, Von Bergen zu Bergen, von Baum zu Baum. Wann schneeig noch blitzen die Höhen im Norden, Wann Nebel noch kämpft mit Sonnenglanze, Wer weckt dann Erinn'rung am Hügelkranze Und todte Lust mit den Frühlingsaccorden? Du weckst den schlafenden Wiederhall Vergangener Zeiten, Waldnachtigall. Viel hab' ich verloren an diesem Ringe Des Heimathdorfes. Wie Nebel entsteigen Von fern mir geliebte Gestalten und schweigen. Ach, wenn mich ihr Arm doch wieder umfinge! Hier bin ich allein; die Luft weht rauh; Du aber noch singest in meiner Au. Sing' fort da, wo die smaragdenen Lohden Verwandelt sich haben in mächtige Stämme! Belebend Haiden und Bergeskämme, Sing' fort deine schallenden Frühlingsoden! Herauf mir beschwöre Gestalt an Gestalt, Du Stimme der Kindheit in meinem Wald! Das tägliche Brot O wundervolle Himmelsgabe Auf Menschentischen, heil'ges Brot! Die Hoffnung trug ein Korn zu Grabe, O wundervolle Himmelsgabe! Ein Halm enstand, des Auges Labe, Mit hellem Grün im Morgenroth. O wundervolle Himmelsgabe Auf Menschentischen, heil'ges Brot. Von Liedern war der Halm umklungen. Gott hat den zarten Halm bewacht, Die Lerche hat sich aufgeschwungen; Von Liedern war der Halm umklungen, Auch Heimchen haben ihm gesungen, Und Lüfte wiegten ihn bei Nacht. Von Liedern war der Halm umklungen, Gott hat den zarten Halm bewacht. Und von geschnitt'nen goldnen Ähren Kommt Segen nun in jedes Haus, Die Mühle klappt, den Kern zu klären, Und von geschnittnen goldnen Ähren Muß weiter sich der Kern bewähren In Gluth und Ofenflammenbraus. Und von geschnitt'nen goldnen Ähren Kommt Segen nun in jedes Haus. Du Geber in der Sternenhalle, Gepriesen seist du früh und spät! Mit heil'gem Brot versorg' uns Alle! Du Geber in der Sternenhalle, Erfreu' mit Erntejubelschalle Auch den, der oft nur Thränen sä't; Du Geber in der Sternenhalle, Gepriesen seist du früh und spät. Trost der Nacht Klage nicht, betrübtes Kind, Klage nicht um's junge Leben, Manche süße Lust verrinnt, Doch manch' Leid auch wird sich geben. Ist der Tag so schön erwacht Mit der Morgenröthe ferne: Klage nicht, es hat die Nacht Einen Himmel auch und Sterne. Abschied Was macht ihr, daß ihr weinet Und brechet mir mein Herz? Im Herrn sind wir vereinet Und bleiben's allerwärts. Das Band, das uns verbindet, Löst weder Zeit noch Ort; Was in dem Herrn sich findet, Das währt in ihm auch fort. Man reicht sich wohl die Hände Als sollt's geschieden sein, Und bleibt doch ohne Ende Im innigsten Verein. Man sieht sich an, als sähe Man sich zum letzten Mal, Und bleibt in gleicher Nähe Dem Herrn doch überall. Man spricht: ich hier, du dorten, Du ziehest und ich bleib'! Und ist doch aller Orten Ein Glied an einem Leib. Man spricht vom Scheidewege Und grüßt sich einmal noch, Und geht auf einem Wege In gleicher Richtung doch. Was sollen wir nun weinen Und so gar traurig sehn, Wir kennen ja den Einen, Mit dem wir Alle gehn, In einer Hut und Pflege, Geführt von einer Hand Auf einem sichern Wege In's eine Vaterland. So sei denn diese Stunde Nicht schwerem Trennungsleid, Nein, einem neuen Bunde Mit unserm Herrn geweiht. Wenn wir uns ihn erkoren Zu unserm höchsten Gut, Sind wir uns nicht verloren, Wie weh auch Scheiden thut. Wohin? Ein Ton, der Lüfte leichtes Spiel, Ein Tropfen, der im Strome geht, Ein Blättchen, das vom Baume fiel: — Wer weiß, wohin ihr Sein verweht? — So ging der Tag, der gestern schied, Der Abend, der verglommen jetzt, So ging dein Leid, so geht dein Lied, Und so dein Leben allerletzt. Die Wolke sieh, gedenkst du sein Und seiner Lust und Schmerzen all: — Ein Vöglein Frühlings sang im Hain, Und nun, wo klagt sein süßer Schall? Des Abends um die stille Zeit Des Abends um die stille Zeit Da schweigt des Lebens Werk und Thun, Die Menschenbrust, von Lust und Streit Ermüdet, will in Frieden ruh'n. Des Abends um die stille Zeit Da tönt die Glocke durch das Land, Und leget auf dein Herzeleid Und auf dein Glück die milde Hand. Des Abends um die stille Zeit Vernimmst du wohl ein leises Wort: Nun, Menschenseele, sei bereit; Wer weiß, wie balde gehst du fort. Des Abends um die stille Zeit Vergiß nicht, daß in solcher Frist, Wenn dir die Heimath noch so weit, Der Himmel so viel näher ist. An die Entfernte Diese Rose pflück' ich hier, In der fremden Ferne; Liebes Mädchen, dir, ach dir Brächt' ich sie so gerne! Doch bis ich zu dir mag ziehn Viele weite Meilen, Ist die Rose längst dahin, Denn die Rosen eilen. Nie soll weiter sich in's Land Lieb' von Liebe wagen, Als sich blühend in der Hand Läßt die Rose tragen; Oder als die Nachtigall Halme bringt zum Neste, Oder als ihr süßer Schall Wandert mit dem Weste. Schilflied Auf dem Teich, dem regungslosen, Weilt des Mondes holder Glanz, Flechtend seine bleichen Rosen In des Schilfes grünen Kranz. Hirsche wandeln dort am Hügel, Blicken in die Nacht empor; Manchmal regt sich das Geflügel Träumerisch im tiefen Rohr. Weinend muß mein Blick sich senken; Durch die tiefste Seele geht Mir ein süßes Deingedenken, Wie ein stilles Nachtgebet! Kommen und Scheiden So oft sie kam, erschien mir die Gestalt So lieblich, wie das erste Grün im Wald. Und was sie sprach, drang mir zum Herzen ein Süß, wie des Frühlings erstes Lied im Hain. Und als Lebwohl sie winkte mit der Hand, War's, ob der letzte Jugendtraum mir schwand. Frühlingsblick Durch den Wald, den dunklen, geht Holde Frühlingsmorgenstunde, Durch den Wald vom Himmel weht Eine leise Liebeskunde. Selig lauscht der grüne Baum, Und er taucht mit allen Zweigen In den schönen Frühlingstraum, In den vollen Lebensreigen. Blüht ein Blümlein irgendwo, Wird's vom hellen Thau getränket, Das einsame zittert froh, Daß der Himmel sein gedenket. In geheimer Laubesnacht Wird des Vogels Herz getroffen Von der großen Liebesmacht, Und er singt ein süßes Hoffen. All' das frohe Lenzgeschick Nicht ein Wort des Himmels kündet; Nur sein stummer, warmer Blick Hat die Seligkeit entzündet: Also in den Winterharm, Der die Seele hielt bezwungen, Ist ein Blick mir still und warm, Frühlingsmächtig eingedrungen. Einsamkeit Wild verwachs'ne, dunkle Fichten, Leise klagt die Quelle fort; Herz, das ist der rechte Ort Für dein schmerzliches Verzichten! Grauer Vogel in den Zweigen! Einsam deine Klage singt, Und auf deine Frage bringt Antwort nicht des Waldes Schweigen. Wenn's auch immer schweigen bliebe, Klage, klage fort; es weht, Der dich höret und versteht, Stille hier, der Geist der Liebe. Nicht verloren hier im Moose, Herz, dein heimlich Weinen geht, Deine Liebe Gott versteht, Deine tiefe, hoffnungslose! Der Seelenkranke Ich trag' im Herzen eine tiefe Wunde Und will sie stumm bis an mein Ende tragen; Ich fühl' ihr rastlos immer tiefres Nagen, Und wie das Leben bricht von Stund' zu Stunde. Nur Eine weiß ich, der ich meine Kunde Vertrauen möchte und ihr Alles sagen; Könnt' ich an ihrem Halse schluchzen, klagen! Die Eine aber liegt verscharrt im Grunde. O Mutter, komm, laß dich mein Flehn bewegen! Wenn deine Liebe noch im Tode wacht, Und wenn du darfst, wie einst, dein Kind noch pflegen, So laß mich bald aus diesem Leben scheiden, Ich sehne mich nach einer stillen Nacht. O hilf dem Schmerz, dein müdes Kind entkleiden! Ich komme nach Fast Alle sind vorausgegangen An denen meine Seele hing, Nicht wird sie mehr mein Arm umfangen, Der sie so liebewarm umfing. Ach, nimmer aus der Schläfer Kreise Ruft sie mein heißes Sehnen wach, Doch mir zum Troste flüstr' ich leise: Ich komme nach, ich komme nach! In deines Lebens Blüthetagen Entschwandest du zur stillen Gruft, Die tief im Herzen ich getragen, Als wie den Edelstein die Kluft; Nun bist du mir für immer ferne, Du Rose, der der Dorn gebrach, Doch wo du weilst, auf welchem Sterne, Ich komme nach, ich komme nach! Auch du, der mir im flücht'gen Wandern Die Hand als treuer Bruder bot, Und du, und du, und all ihr Andern, Die mir vereint in Lust und Noth, Ihr seid dahin! Und trüb und trüber Umzieht die Nacht mich allgemach, Doch ruf' ich froh zu euch hinüber: Ich komme nach, ich komme nach! Das Urwort Halt' fest an einem Wort, mein Sohn, Es ist das Urwort, ist der Ton, Gehört vor Abraham und Christ, Das Wort der Ewigkeit: „Er ist“! Aus jedem Erdenstaube klingt's, Von allen Sternen niederdringt's Von aller Völker Lippen spricht's, Aus deinem eignen Innern bricht's! In aller Pein der Finsterniß Das Licht, beseligend gewiß, In Alles, was da lebt und denkt Als Wahrheitsanker eingesenkt. Doch wie er sei? Der heil'ge Zwist Verklingt im Jubelton: „Er ist“! Und wie du horchst, dringt auf dich ein Der Wiederklang: „Ich werde sein!“ Im Sommer Durch des Kornes enge Gassen Langsam zieh' ich wohl einher, Wenn die Ähren all erblassen, Von verborgnem Segen schwer; Und so wandl' ich hin und sinne Und weiß nicht, was ich beginne. Und der blaue Himmel webet Sich herunter licht und warm, Und die ganze Erde schwebet Bräutlich still in seinem Arm; Ach, inbrünstig süßes Neigen, Innig Sehnen, glühend Schweigen! Das Waldweib Im Walde, im Walde drinnen Tönt es wohl wunderbar, Durch Blätter und Zweige rinnen Verstohl'ne Lieder gar. Der Hirte horcht und stehet, Der Hirte steht und lauscht; Es flüstert, singt und wehet, Im Eichenwald es rauscht. Hell klingen der Heerde Glocken, Ihn faßt eine süße Pein; Er läßt sich ziehn und locken Den Waldgrund tief hinein. Welch wundermächtig Singen Und Zaubermelodie! Das Herz will ihm zerspringen; Er stürzet auf die Knie'. Vom Laube ganz verstecket Des Waldweibs nackte Gestalt Ruht auf das Moos gestrecket, Vom Goldhaar ganz umwallt. Es ruht mit gewaltigen Gliedern Und singet aus voller Brust In unbekannten Liedern Von überseliger Lust. Gar tiefblau die Augen scheinen Und gluthenvoll der Mund. Der Hirte möchte vor Weinen Vergehen zu dieser Stund'. Abschied Es ist nun einmal so gekommen: Ich bleib' allein, du gehst von hier; Halb wird das Leben mir genommen, Doch leben werd' ich, glaube mir! Ein dünner Faden ist das Leben, Doch aber zäh, unendlich zäh; Er überdauert Lust und Beben, Er überdauert Wonn' und Weh. Darum entschlage dich des Bangens; Zieh' ruhig, frage nicht um mich! Trotz alles Hangens und Verlangens Werd' ich auch leben ohne — dich. Sieh jenen Vogel dort im Bauer! Man grub ihm beide Augen aus, Und dennoch lebt er, lebt in Trauer Und, horch, er singt in seinem Haus. Tritt hin, vermehre seinen Jammer; Schlag' ihm die Flügel auch entzwei; Er lebt noch, hüpft in finstrer Kammer Und singt ein Schmerzenslied dabei. Und so gedenk' auch ich zu leben, Beraubt zwar meines Augenlichts, Zu schwach, die Schwingen mehr zu heben, Doch leben werd' ich, fürchte nichts. Und so gedenk' auch ich zu singen Ein Schmerzenslied, ein Lied von dir, Das mir ersetzte Licht und Schwingen — Ich werde leben — glaube mir! Das verlassene Mägdlein Früh, wann die Hähne krähn, Eh' die Sternlein verschwinden, Muß ich am Heerde stehn, Muß Feuer zünden. Schön ist der Flammen Schein Es springen die Funken; Ich schaue so drein, In Leid versunken. Plötzlich, da kommt es mir, Treuloser Knabe, Daß ich die Nacht von dir Geträumet habe. Thräne auf Thräne dann Stürzet hernieder; So kommt der Tag heran — O ging' er wieder! Schön-Rohtraut Wie heißt König Ringangs Töchterlein? Rohtraut, Schön-Rohtraut. Was thut sie denn den ganzen Tag, Da sie wohl nicht spinnen und nähen mag? Thut fischen und jagen. O daß ich doch ihr Jäger wär'! Fischen und jagen freute mich sehr. — Schweig' stille, mein Herze! Und über eine kleine Weil', Rohtraut, Schön-Rohtraut, So dient der Knab' auf Ringangs Schloß In Jägertracht und hat ein Roß, Mit Rohtraut zu jagen. O daß ich doch ein Königssohn wär'! Rohtraut, Schön-Rohtraut lieb' ich so sehr. — Schweig' stille, mein Herze! Einsmals sie ruhten am Eichenbaum, Da lacht Schön-Rohtraut: Was siehst mich an so wunniglich? Wenn du das Herz hast, küsse mich! Ach! erschrak der Knabe! Doch denket er: mir ist's vergunnt, Und küsset Schön-Rohtraut auf den Mund. — Schweig' stille, mein Herze! Darauf sie ritten schweigend heim, Rohtraut, Schön-Rohtraut; Es jauchzt der Knab' in seinem Sinn: Und würd'st du heute Kaiserin, Mich sollt's nicht kränken: Ihr tausend Blätter im Walde wißt, Ich hab' Schön-Rohtrauts Mund geküßt! — Schweig' stille, mein Herze! Jägerlied Zierlich ist des Vogels Tritt im Schnee, Wenn er wandelt auf des Berges Höh': Zierlicher schreibt Liebchens liebe Hand, Schreibt ein Brieflein mir in ferne Land'. In die Lüfte hoch ein Reiher steigt, Dahin weder Pfeil noch Kugel fleugt; Tausendmal so hoch und so geschwind Die Gedanken treuer Liebe sind. Storchenbotschaft Des Schäfers sein Haus und das steht auf zwei Rad, Steht hoch auf der Haiden, so frühe, wie spat, Und wenn nur ein Mancher so'n Nachtquartier hätt'! Ein Schäfer tauscht nicht mit dem König sein Bett. Und käm' ihm zur Nacht auch was Seltsames vor, Er betet sein Sprüchel und legt sich auf's Ohr; Ein Geistlein, ein Hexlein, so luftige Wicht', Sie klopfen ihm wohl, doch er antwortet nicht. Einmal doch, da ward es ihm wirklich zu bunt: Es knopert am Laden, es winselt der Hund; Nun ziehet mein Schäfer den Riegel — ei schau! Da stehen zwei Störche, der Mann und die Frau. Das Pärchen, es machet ein schön Kompliment, Es möchte gern reden, ach, wenn es nur könnt'! Was will mir das Ziefer? ist so was erhört? Doch ist mir wohl fröhliche Botschaft bescheert. Ihr seid wohl dahinten zu Hause am Rhein? Ihr habt wohl mein Mädel gebissen in's Bein? Nun weinet das Kind und die Mutter noch mehr, Sie wünschet den Herzallerliebsten sich her? Und wünschet daneben die Taufe bestellt: Ein Lämmlein, ein Würstlein, ein Beutelein Geld? So sagt nur, ich käm' in zwei Tag oder drei, Und grüßt mir mein Bübel und rührt ihm den Brei! Doch halt! warum stellt ihr zu Zweien euch ein? Es werden doch, hoff' ich, nicht Zwillinge sein? — Da klappern die Störche im lustigsten Ton, Sie nicken und knixen und fliegen davon. Zwiegesang Im Fliederbusch ein Vöglein saß In der stillen, schönen Maiennacht, Darunter ein Mägdlein im hohen Gras In der stillen, schönen Maiennacht. Sang Mägdlein, hielt das Vöglein Ruh, Sang Vöglein, hört' das Mägdlein zu, Und weithin klang Der Zwiegesang Das mondbeglänzte Thal entlang. Was sang das Vöglein im Gezweig Durch die stille, schöne Maiennacht? Was sang doch wohl das Mägdlein gleich Durch die stille, schöne Maiennacht? Von Frühlingssonne das Vögelein, Von Liebeswonne das Mägdelein, Wie der Gesang Zum Herzen drang, Vergeß' ich nimmer mein Leben lang. In der Nacht Es liegt so still, so hehr um mich die Nacht! Kein lindes Lüftchen säuselt in den Zweigen, Und Sterne führen friedlich ihren Reigen, Herleuchtend in der wunderbaren Pracht. Da tönet, wie von Geistern sanft entfacht, Musik von ferne durch das tiefe Schweigen, Und jeder Sinn muß sich den Klängen neigen, Mit denen süße Wehmuth leis' erwacht. Doch ach, ein Augenblick, und sie verschweben, Wie Nebel, die im Windhauch rasch zerfuhren, Gleich einem Morgentraum, der flugs zerstiebt. So schnell verschwebt, zerstiebt ein Menschenleben Und läßt allein des Grames tiefe Spuren Im Busen dessen, der es heiß geliebt. Du stehst vor mir Du stehst vor mir, der einst mein Herz In Leid und Lust erbebte; Wie liegt das Alles hinter mir, Als ob ich's nie erlebte! Und doch ist dies der süße Mund, Deß Lächeln mich entzückte, Es ist der süße Blick, der mich Zum Paradies entrückte. Kann, was das Herz so tief empfand, Gleich einem Traum entschweben? Verfliegt das heiligste Gefühl? O eitles, eitles Leben! O sag', hab' ich dich je geliebt? Kaum kann ich mich besinnen; Ich fühle, wie vom Auge mir Die heißen Thränen rinnen. Bestimmung Als der Herr die Ros' erschaffen, Sprach er: du sollst blühn und duften! Als er hieß die Sonne werden, Sprach er: du sollst glühn und wärmen! Als der Herr die Lerch' erschaffen, Sprach er: flieg' empor und singe! Als geformt des Mondes Scheibe, Sprach er: rolle hin und leuchte! Als der Herr das Weib erschaffen, Sprach er zu ihr: du sollst lieben! Aber als er dich erschaffen, Hat er wohl dies Wort vergessen. Denn wie könntest du sonst sehen Mond und Sonne glühn und leuchten, Rosen duften, Lerchen steigen, Ohne selber doch zu lieben? Der Ring Ich saß auf einem Berge Gar fern dem Heimathland, Tief unter mir Hügelreihen, Thalgründe, Saatenland! In stillen Träumen zog ich Den Ring vom Finger ab, Den sie, ein Pfand der Liebe, Beim Lebewohl mir gab. Ich hielt ihn vor das Auge, Wie man ein Fernrohr hält, Und guckte durch das Reifchen Hernieder auf die Welt; Ei, lustig grüne Berge Und goldnes Saatgefild, Zu solchem schönen Rahmen Fürwahr ein schönes Bild! Hier schmucke Häuschen schimmernd Am grünen Bergeshang, Dort Sicheln und Sensen blitzend Die reiche Flur entlang! Und weiterhin die Ebne, Die stolz der Strom durchzieht; Und fern die blauen Berge, Grenzwächter von Granit. Und Städte mit blanken Kuppeln, Und grünes Wälderreich, Und Wolken, ziehend zur Ferne, Wohl meiner Sehnsucht gleich! Die Erde und den Himmel, Die Menschen und ihr Land, Dies Alles hielt als Rahmen Mein goldner Reif umspannt. O schönes Bild, zu sehen Vom Ring der Lieb' umspannt Die Erde und den Himmel, Die Menschen und ihr Land! Die Trauerweide Ich grüne wie die Weide grünt, Die Trauerweide, Die aufzuschaun sich nie erkühnt In ihrem Leide. Sie steht und weint und läßt hinab Die Haare fließen, Wo Blumen über einem Grab Und Gräser sprießen. Der Frühling hat auch ihr geschwellt Der Knospen viele: Wann welket doch das Laub und fällt Und ist am Ziele? Lern' es einmal doch! Herz, du bist so alt geworden, Und bist noch so jung, Noch so kindisch jung geblieben, Daß du immer für dein Lieben Noch begehrst Erwiederung. Daß du meinst, für treues Mühen Zieme sich auch Dank, Nicht an still erlittner Plage Allerletztem Leidenstage Noch im Kelch der bittre Trank. Herz, du bist so alt geworden: Lern' es einmal doch, Daß du sollst nach besserm Lohne, Anderm Kranz und andrer Krone Sänftlich tragen Kreuz und Joch. Sei die Blume, die zertreten, Da sie eben blüht, Wieder grünt und blüht von vornen! Trag' am Haupte still die Dornen, Und die Rosen im Gemüth! Es wogt das Korn Es wogt das Korn in grünen Wellen Und die Kastanienbäume blühn, Die Busen junger Rosen schwellen Und Purpur bricht aus Knospengrün. Vom Apfelbaume träufelt nieder Der letzte blutgesäumte Schnee, Doch tausend Blumen schickt er wieder An seiner Stelle in die Höh'. Der Fliederbaum steht überhangen In reicher violetter Pracht, Kaum kann ein grünes Blatt gelangen Zum Himmel durch die Blüthennacht. Es will sich Alles neu entzünden, Es bricht hervor aus Grab und Gruft; Ich weiß mich kaum zurecht zu finden Vor lauter Blumen, Klang und Duft. So steht in königlicher Schöne Der Frühling da, ein junger Held, Und jubelnd kunden seine Töne, Daß er die Braut umfangen hält. Und ich mit meinem kleinen Herzen, Denkt! liege hier in's Gras gestreckt, Umleuchtet rings von Frühlingskerzen Und halb von Blumen zugedeckt. Du bist wie eine stille Sternennacht Du bist wie eine stille Sternennacht! Ein süß Geheimniß ruht auf deinem Munde, In deines dunkeln Auges feuchtem Grunde, Ich weiß es wohl und hab' es wohl in Acht. Du bist wie eine stille Sternennacht! Mein Aug' ist müde von des Tages Lichtern, Und ich durchwandle, wie ein Fremdling, schüchtern Der wechselnden Gestalten fremde Pracht. Du bist wie eine stille Sternennacht! O wolle mich in deinen Armen halten! Die Blüthe dieses Herzens zu entfalten, Die sich dem Tag verschließt, dein ist die Macht. Preis der deutschen Sprache Muttersprache deutschen Klanges, O wie hängt mein Sinn an dir! Des Gebetes und Gesanges Heil'ge Laute gabst du mir. Sollt' ich deine Fülle missen, O mich kränkte der Verlust, Wie ein Kind, das man gerissen Von der warmen Mutterbrust. O wie klingt in deinen Tönen Gottes Wort so voll und reich, Mächtig wie Posaunen dröhnen, Und wie Hirtenflöten weich! Wie die Orgel mannigfaltig Leihst du jedem Geist den Mund, Thust Prophetenernst gewaltig, Jüngermilde lieblich kund. Gilt's dem edlen Vaterlande, Seiner Freiheit, seiner Ehr', Gilt es gegen schnöde Bande Heil'gen Kampf und tapfre Wehr: Wie die Schlachttrompete schmettert, Zürnen deine Laute dann; Wie ein Schwert, das Blitze wettert, Dienest du dem freien Mann. Von der Heimath trauten Räumen, Von des Hauses Lust und Schmerz, Von der Kindheit Rosenträumen Sprichst du wie ein Mutterherz, Weißt in farbenhellen Bildern Und im goldnen Märchenstyl Treu die Kinderwelt zu schildern Und der Häuslichkeit Asyl. Des Gemüthes tiefsten Saiten Lockst du ab den hellsten Laut; Seine zartsten Heimlichkeiten Hat das Herz dir anvertraut: Liebesweh und Liebeswonnen, Sehnsucht und Befriedigung, Was im Busen sich entsponnen, Kündet deiner Töne Schwung. Maienlust und Herbstestrauer, Alpengrün und Gletscherpracht, Blüthenduft und Windsbrautschauer, Wiesenglanz und Waldesnacht — Deutest mit geweihten Zeichen Du, Vertraute der Natur, Wie Druiden unter Eichen Lauschten auf des Gottes Spur. Immer forschend, unerschrocken, Zu gewinnen edlen Fund, Senkst du deine Taucherglocken In der Wahrheit tiefsten Grund, Sammelst an verborgnem Riffe Einen reichen Perlenkranz, Aller Wissenschaft Begriffe Leuchtend in des Wortes Glanz. Ja so weit als die Gedanken, Fliegst du deinen hohen Flug, Schwebend über engen Schranken Wie der Wandervögel Zug; Weltumfassend ist dein Streben, Wie des Himmels blaue Flur, Reich und rege wie das Leben, Groß und frei wie die Natur! Heiliger Zorn Nein! in des Lebens Wirren und Kämpfen Ziemt es, den Zorn nicht Immer zu dämpfen! Darfst nicht inmitten Tollem Gewühl Stehn wie ein Eisberg, Allezeit kühl. Nein! wo das Unrecht Thronet und schaltet, Wo die Verkehrtheit Wohnet und waltet: Sollst du entbrennen Wie ein Vulkan, Feuer und Flammen Schleudern hinan. Beuget die Obmacht Heilige Rechte, Will sie die Freien Meistern wie Knechte: Auf! laß entlodern Flammendes Wort! Rache zu fodern Donner' es fort! Siehst du die Feigheit Küssen die Ruthe, Die ihr den Nacken Geißelt zu Blute: Auf! den Verkehrten Stachle dein Zorn, Sei dem Entehrten Weckender Sporn! Weinet die Unschuld, Trauert die Reinheit, Tückisch gelästert Von der Gemeinheit; Auf! und empöre, Herz, deinen Muth, Tilge der Schlange Giftige Brut. Siehst du den Halbwitz Höhnisch sich rotten, Frevelnd des Hohen, Heiligen spotten: Röthe dein Antlitz Flammendes Blut, Sprühe dein Auge Zürnende Gluth! Ja, wo das Unrecht Thronet und schaltet, Wo die Verkehrtheit Wohnet und waltet: Sollst du entbrennen Wie ein Vulkan, Feuer und Flammen Schleudern hinan. Doch zu vernichten Wehre dem Zorne, Daß er der Liebe Diene zum Borne, Daß er befruchte Gleich dem Vesuv, Der aus der Lava Reben erschuf. Lacrymä Christi Zeugt er am Fuße: Himmlische Thränen, Thränen der Buße Lock' aus den Herzen, Die du geschreckt, Die deine Zorngluth Segnend bedeckt. Der Herthasee Es liegt im Jasmundwalde ein tiefer, schwarzer See; Nichts lebt in seiner Tiefe, kein Laut ist in der Höh'. Du hörest nur das Rauschen des Laubs im dichten Wald; Hörst nur, wie rings am Felsen das Echo wiederhallt. Es wallt' an Hertha's Festen dorthin der Priesterzug; Verschleiert war der Wagen; ein heilig Bild er trug. Es ward das Bild gebadet im See von Priesters Hand; Drum ward in Heidenzeiten er Herthasee genannt. Noch wohnen böse Geister rings in dem Götterhain; Sie steigen zu dem Bade bei hellem Vollmondschein. Den langen Zug eröffnet das schönste Frauenbild, Und Dienerinnen folgen, von Schleiern eingehüllt. Hörst du ihr nächtlich Plätschern, so sei auf deiner Hut! Lenk' ab vom düstern Walde, geh' nicht zur dunkeln Fluth! Denn wessen Auge schaute die wunderbare Fee, Den lockt sie zu dem Wasser, den zieht sie in den See. Weh um Weh O hinaus, o hinaus In Gebüsch und Wald, Mir zu bauen mein Haus, O entlaß mich bald! Nun die Brüder zurück Aus dem Süden gekehrt Und nach Lieb' und nach Glück Mich das Sehnen verzehrt! Zur Freiheit beschwinge dem Sänger den Flug, Dir bleiben noch immer der Freuden genug! Tio, tio, tototo, tiotinx! „Wie mich rührt dein Gesang, O du Trauter du, Wenn in Klagen so bang Du mir redest zu! Ach, ich selber, ich bin Ein Gefangner, wie du! O verbann's aus dem Sinn Und o laß mich in Ruh! Laß singend uns Beide bezwingen das Leid, Es kommt ja der Tag, der uns Beide befreit!“ Wie es glüht, wie es blüht Und von Düften es wallt, Wie sie liebend bemüht Und das Lied nun erschallt! Ein Getön, ein Gesang Ist Gebüsch und Gezweig, Wie sie rufen sich bang Und wie zärtlich und weich, Wie klagend und fragend! O wär' ich dabei, Zu fühlen, wie glücklich der Liebende sei! Tio, tio, tototo, tiotinx! „Zu dem Adler gesellt, O hinaus, o hinaus! O wie weit ist die Welt Und wie enge mein Haus! An die Scholle gebannt, Im Gemüthe die Qual, Mit den Sternen verwandt Und gefesselt an's Thal! Ich trage ein heißeres Sehnen als du, Und muß es doch singen und zwingen zu Ruh!“ O wie war ich beglückt An dem Ganges, am Nil, Wo kein Garn mich berückt Im Gesang und im Spiel; Wo so stolz sich erhob Und so schattig der Baum, Wo um Palmen ich wob Den melodischen Traum! O könnt' ich noch einmal, von wannen ich kam, Der Rose verscheuchen den liebenden Gram! Tio, tio, tototo, tiotinx! „In den Wald, in den Wald O enteile zurück, Und genieß, o wie bald, Dein verlorenes Glück! Ein Entfesselter geh Zu den Palmen von hier Und verkünde das Weh, Das du lerntest von mir: Am Boden gebannt, in der Seele den Brand, Und doch mit den Göttern da droben verwandt!“ Ährenreise Es regt auf dem reifenden Korngefild Sich kaum ein Lüftchen leis und mild; Wie fromme Beter still beglückt Im Gotteshause stehn gebückt, So scheinen, von ihrem Segen trunken, Die Ähren im Gebet versunken. Und zwischen ihnen dort und hier Der blauen Blümchen süße Zier, Als ob ein jedes hold und hehr Ein Liebesblick des Himmels wär'; Drum mag die Lerche mit frommem Vertrauen Bei ihnen gern ihr Nestlein bauen. Hier wohnet sie in Demuth still; Doch wenn sie zum Schöpfer reden will, Schwingt sie sich auf und singt ihr Lied, Wo sie nur Gottes Auge sieht, Und wer sie hört ihr Hochamt halten, Den drängt es, betend die Hände zu falten. Dein Segen, Herr, wie reich und hold, Wie lacht und glänzt der Ähren Gold! O, gieb den Armen ihr täglich Brot, Und lindre ihre Sorg' und Noth, Daß froh, wie Lerchengesänge schweben, Sich Aller Seelen zu Dir erheben. Wenn ich mein Auge weide Wenn ich mein Auge weide, Rose, an deinem Schein, Die mir im Thaugeschmeide Lächelt so süß und rein, Ist mir, als stiege leise Ein Singen aus dir hervor: Wunderbar eigne Weise Klingt zu dem lauschenden Ohr. Horch, wie es rufet und rauschet! Sage, wohin, wohin? Hast du die Welt mir vertauschet, Blühende Zauberin? Ringsum sinkt sie in Wildniß, Aber in seliger Ruh' Lächelt der Liebsten Bildniß Rosig verklärt mir zu. Ruhe in der Geliebten So laß mich sitzen ohne Ende, So laß mich sitzen für und für! Leg' deine beiden frommen Hände Auf die erhitzte Stirne mir! Auf meinen Knien, zu deinen Füßen, Da laß mich ruhn in trunkner Lust; Laß mich das Auge selig schließen, In deinem Arm, an deiner Brust! Laß es mich öffnen nur dem Schimmer, Der deines wunderbar erhellt; In dem ich raste nun für immer, O du mein Leben, meine Welt! Laß es mich öffnen nur der Thräne, Die brennend heiß sich ihm entringt; Die hell und lustig, eh' ich's wähne, Durch die geschloss'ne Wimper springt! So bin ich fromm, so bin ich stille, So bin ich sanft, so bin ich gut! Ich habe dich — das ist die Fülle! Ich habe dich — mein Wünschen ruht! Dein Arm ist meiner Unrast Wiege, Vom Mohn der Liebe süß umglüht; Und jeder deiner Athemzüge Haucht mir in's Herz ein Schlummerlied! Und jeder ist für mich ein Leben! — Ha, so zu rasten Tag für Tag! Zu lauschen so mit sel'gem Beben Auf unsrer Herzen Wechselschlag! In unsrer Liebe Nacht versunken, Sind wir entflohn aus Nacht und Zeit; Wir ruhn und träumen, wir sind trunken In seliger Verschollenheit! Die Auswanderer Ich kann den Blick nicht von euch wenden; Ich muß euch anschaun immerdar; Wie reicht ihr mit geschäft'gen Händen Dem Schiffer eure Habe dar! Ihr Männer, die ihr von dem Nacken Die Körbe langt, mit Brod beschwert, Das ihr, aus deutschem Korn gebacken, Geröstet habt auf deutschem Herd; Und ihr, im Schmuck der langen Zöpfe, Ihr Schwarzwaldmädchen, braun und schlank, Wie sorgsam stellt ihr Krüg' und Töpfe Auf der Schaluppe grüne Bank! Das sind dieselben Töpf' und Krüge, Oft an der Heimath Born gefüllt; Wenn am Missouri Alles schwiege, Sie malten euch der Heimath Bild: Des Dorfes steingefaßte Quelle, Zu der ihr schöpfend euch gebückt, Des Herdes traute Feuerstelle, Das Wandgesims, das sie geschmückt. Bald zieren sie im fernen Westen, Des leichten Bretterhauses Wand; Bald reicht sie müden braunen Gästen, Voll frischen Trunkes, eure Hand. Es trinkt daraus der Tscherokese, Ermattet, von der Jagd bestaubt; Nicht mehr von deutscher Rebenlese Tragt ihr sie heim, mit Grün belaubt. O sprecht! warum zogt ihr von dannen? Das Neckarthal hat Wein und Korn; Der Schwarzwald steht voll finstrer Tannen, Im Spessart klingt des Älplers Horn. Wie wird es in den fremden Wäldern Euch nach der Heimathberge Grün, Nach Deutschlands gelben Weizenfeldern, Nach seinen Rebenhügeln ziehn! Wie wird das Bild der alten Tage, Durch eure Träume glänzend wehn! Gleich einer stillen, frommen Sage Wird es euch vor der Seele stehn. Der Bootsmann winkt! — Zieht hin in Frieden; Gott schütz' euch, Mann und Weib und Greis! Sei Freude eurer Brust beschieden, Und euren Feldern Reis und Mais! So wird es geschehn! 3. August 1870 Wie der Wolf, der Assyrier, in klirrender Pracht Einbrach in die Hürden Judäa's bei Nacht; Wie der Perser, der Ketten anlegte dem Meer, Über Hellas ergoß sein barbarisches Heer; Wie der Hunne, ein Pfeil, den die Steppe verschoß, Auf die Abendwelt niederfuhr, zahllos zu Roß; Wie die Flotte, die unüberwindlich er hieß, Wider England der Spanier brüsten sich ließ; Wie der Corse, der Ohm, in unendlichen Reih'n Seine Tausende führte nach Rußland hinein, Wie auf Leichen er aufschlug sein blutig Gezelt, Und vermessen sich wähnte den Herrscher der Welt — So bekriegt jetzt der Corse, der Neffe des Ohms, So bekriegt er die Ufer des deutschesten Stroms; Es schüttern die Kolben, es rasselt der Stahl, — Seinem Troß gern kredenzt' er des Rheinlands Pokal. Dem Turco! dem Spahi! Der stützt ihm das Reich: Wie er selber, Hyäne und Schakal zugleich! Der bellt auf Geheiß, o verworfenes Spiel Deinen heiligen Hymnus, o Rouget de Lisle! Von der Saar und der Mosel zum Odenwald schallt's; Da erbleicht, da erzittert die Jungfrau der Pfalz; Am Busen der Mutter verbirgt sein Gesicht Der Säugling, — ihr Lieben, o fürchtet euch nicht! Euch zu schützen, rückt Deutschland, das ganze, heran; Seine Tausend mal Tausend steh'n da, wie Ein Mann: Stürmen an, drängen vorwärts! ein wuchtiger Keil, Zum Verderben dem Zwingherrn, den Völkern zum Heil! So nun wird's geschehn! Den Assyrier zerbrach, Den Perser, den Hunnen ein einziger Tag; Ihre Macht, ihre Pracht, sie verging wie ein Rauch, — Die Armada zerblies des Allmächtigen Hauch! Und Ihn, der sich wähnte den Herrscher der Welt, Hat das Feuer im Bund mit der Kälte gefällt! Nur Geduld! Noch ein Tag, — und ein rächender Blitz Flammt den Frevler, den Zuaven im Purpur, vom Sitz! Düfte haucht der Blumen Kehle Düfte haucht der Blumen Kehle, Wenn der Sturmwind drüber weht; Blüthen trägt des Dichters Seele, Die im Wetter duftend steht. Nehmt das Lied, das dornig scharfe, Wie das kosend zarte hin. Gönnt die Lust der Aeolsharfe, Die Zephyr und Nord durchziehn. Und sie jauchzt, sie lacht, sie trauert, Auch in schrillen Tönen schreit Sie wohl auf von Schmerz durchschauert, — Ihrer Mutter Kind, der Zeit. Olympfahrt In dem Schwunge des Lieds, des gewirbelten Sangs, Auf den Flügeln des Klangs, O wie flieg' ich so gern, wenn die Muse mich faßt, Die gewaltige Bahn Durch die Lüfte hinan, O wie flieg' ich so gern mit der Göttin empor in der Seligen goldenen Himmelspalast! Auftrag' ich mit mir in den glänzenden Raum, Was im irdischen Traum Mich entzückend umgab, was mich glücklich gemacht; In der Göttlichen Kranz, In dem blendenden Glanz, Da erscheint mir erst herrlich, von oben geschaut, die von Sternen durchschimmerte irdische Nacht. Und ich singe den Reiz des Vergänglichen vor Der Unsterblichen Chor, Von den Frauen vor allem, den Blumen des Thals, Die verwelkend so schnell, Doch wie Blitze so hell Uns durchfunkeln das Dunkel der irdischen Nacht mit den Blicken der Liebe, des himmlischen Strahls. Und ich male den Horchern die Fluren der Noth, Die verwüstet der Tod, Wie so schön es sich wohnt in der modernden Welt, Von Gebirgen umballt Und von Wogen umwallt, In den Händen des duftigen Weines Pokal und von Liedern die muthige Seele geschwellt. Ich verkünde den Göttern, wie singend das Herz, Wie die Lust, so den Schmerz, Sich in Hymnen verwandelt, vergöttert sich dehnt, Und sich klingend erhebt, Zu den Wolken entschwebt, Daß die Schaar der unsterblichen Hörer sich fast nach dem wechselnden Loose der Sterblichen sehnt. In dem Schwunge des Lieds, des gewirbelten Sangs, Auf den Flügeln des Klangs, O wie flieg' ich so gern ganymedisch empor, Wenn die Muse mich faßt, In den Himmelspalast, Und kredenze des irdischen Nektars Quell, der Entzückungen Fluth, dem unsterblichen Chor! Dir vertrau' ich Dir, Geist, der die Welt und die Himmel erfand, Das Gewoge des Meeres, das starrende Land, Der erfunden das Schönste, die Menschengestalt, Der, sich selber zu schauen, aus Staub sie geballt, Und mit Sprache durchschallt, Dir geb' ich vertrauend mich hin und deiner Erschaffergewalt! Dich, Geist, der erfunden den Tod und das Grab, Der die Erde mit Wolken von Moder umgab, An die Ketten gelegt uns von Raum und von Zeit, Der dem Krieg uns, den Seuchen, dem blutigen Streit Mit Dämonen geweiht, Es grüßt dich das bebende Herz, du typhonische Herrlichkeit! Du Geist, der entzündet im Flammengewand Das Feuer der Liebe mit eigener Hand, Daß das Menschengeschlecht in Entzückungsgenuß, In des seligsten Sterbens begeistertem Kuß, Erneuen sich muß, O nimm von bewundernder Zunge des Danks lautjubelnden Gruß! Dir, Geist, der vom Drange der Schöpfung erfüllt, Uns die Lieb' in ein Himmelsgeheimniß gehüllt, Dir vertrau' ich mich an und deiner Gewalt! Wie groß die Posaune des Todes auch schallt, Tiefmächtiger hallt Der jauchzende Liebestriumph der erschaffenden Menschengestalt. Der Wind Horch, horch, der Wind! Wer ist der Wind? Es ist ein verlornes Menschenkind. Das lief von Vater und Mutter fort, Von Heerd und Hof, vom Heimathort, Von Allem fort, was lieb und traut, Von der Lind' am Kirchlein und von der Braut. Dann lief es fort aus Stadt und Land, Von Allem fort, was ihm bekannt. Und da ihm Alles fremde jetzt, Lief es sich selber fort zuletzt. Und da es nichts mehr von sich gewußt, Hat's immer rund um die Welt gemußt. Was jagt der Wind, was jammert der Wind? Es ist das verlorne Menschenkind. Im Tannengrund Im Tannengrund verloren steht Ein altes Kreuz von Stein, Und eine Waldspur, halb verweht, Führt tief den Grund hinein. Was hier geschah — die Tanne spricht Davon kein flüsternd Wort; Das Moos am Steine weiß es nicht, Wie träumend wächst es fort. Kein Wasser rinnt, kein Vogel singt, Hier steht so still die Zeit! Zur Seele bebt, zur Seele dringt Kein Laut von Lust und Leid. Und doch — wer glänzend, stolz und groß Sein eitel Herz berauscht, Bedenk es wohl, ob unterm Moos Der Todte mit ihm tauscht! Liebesleben Einmal pocht in schönster Stunde Mit dem Frühling froh im Bunde, Mit der Rose jungem Triebe, Einmal pocht an's Herz die Liebe. Lieb' empfangen, Liebe geben — Ach, ist Liebe nicht das Leben? Ach, ist Liebe nicht ein Funken Lichtunsterblich, himmelstrunken? Mein und Dein Wie berührt mich wundersam Oft ein Wort von dir, Das von deiner Lippe kam Und vom Herzen mir. Was ist mein und was ist dein? Ach, du weißt es nicht, Wie aus dir in Lust und Pein Meine Seele spricht! Der alte Park Hör' ich es nicht im Laube flüstern, Stimmen, zitternd in süßem Leid? Durch die Gänge, die schattig düstern, Wandelt ein Traum der alten Zeit. Von den Lippen der Liebe bebt es, Schwüre tauschen sie zärtlich aus, Und das pochende Herz, wie strebt es Heiß der zögernden Welt voraus! Doch die säumigen Stunden fliegen Mit dem pochenden Herzensschlag, Bis sie in trüber Ferne liegen — Treulos war der wonnigste Tag! Ach, ein halbes Jahrhundert kam ich Hier der jubelnden Lust zu spät; Nur verklungenes Glück vernahm ich, Lang' vergessen, verrauscht, verweht! Dort zum Thore führen die Stufen Die nur selten ein Fuß betritt, Keine Stimmen der Liebe rufen, Nicht ein sehnsuchthastiger Schritt. Und die zerbrochenen Säulen sprechen Stumm der flüchtigen Jahre Wort: „Alles Irdische muß zerbrechen, Auch das Liebste tragen wir fort.“ Doch fernher in die dunklen Massen, Die versunken in Wittwenleid, Gramdurchschauert und glückverlassen: Lächelt sonnig die junge Zeit! Abenddämmern Klang eine Glocke nicht Fern durch die stille Welt? Ist's Frühlingsmorgenlicht, Das in mein Zimmer fällt? So leis der Ton verschwimmt — Still, Herz! das Abendroth Es leuchtet und verglimmt! Die Glocke zog der Tod! Gebet Die du, über die Sterne weg, Mit der geleerten Schale Aufschwebst, um sie am ew'gen Born Eilig wieder zu füllen: Einmal schwenke sie noch, o Glück, Einmal, lächelnde Göttin! Sieh, ein einziger Tropfen hängt Noch verloren am Rande, Und der einzige Tropfen genügt, Eine himmlische Seele, Die hier unten in Schmerz erstarrt, Wieder in Wonne zu lösen. Ach! sie weint dir süßeren Dank, Als die Anderen alle, Die du glücklich und reich gemacht; Laß ihn fallen den Tropfen! Nachtlied Quellende, schwellende Nacht, Voll von Lichtern und Sternen: In den ewigen Fernen, Sage, was ist da erwacht? Herz in der Brust wird beengt, Steigendes, neigendes Leben, Riesenhaft fühle ich's weben, Welches das meine verdrängt. Schlaf, da nahst du dich leis, Wie dem Kinde die Amme, Und um die dürftige Flamme Ziehst du den schützenden Kreis. Unschuld Sie ist nicht, daß sie ewig lebe, Sie soll nur einen Tod erwerben, Der sie mit Glorie umgebe: Drum muß sie an der Liebe sterben. Ein Grab „Hier ruht in Gott“ — nicht weiter lesen Kann ich die alte Inschrift dort. Sie spricht von Tod wohl und Verwesen Ein lichtes Auferstehungswort. Mit weißen Blüthen überhüllet Ein schattiger Jasminenstrauch Des Kreuzes goldne Schrift, und füllet Die Luft mit süßem Würzehauch. Der dichte Strauch giebt lieben Gästen Willkommne Zuflucht, still und traut: Ein Hänfling hat in seinen Ästen Sein leichtes kleines Nest gebaut. Rings heil'ge Stille — nur das leise Gesumm der Biene füllt die Luft — Wohl mag sich's von der Lebensreise Hier selig ruhn im Blumenduft! Du Todter, deine Blüthen hauchen Mir linden Frieden in das Herz; In liebliches Vergessen tauchen Sie eitle Wünsche, eitlen Schmerz. Wer möchte nicht, so süß geborgen Wie du vor Sünde, Haß und Spott, Entgegen ruhn dem ew'gen Morgen! Schlaf wohl, schlaf wohl! „Du ruhst in Gott!“ Leben! Ich möchte sterben jener Wolke gleich, Die leuchtend durch des Himmels Fernen zieht, Ein muntrer Wandrer in dem luft'gen Reich, Der stolz herab auf diese Erde sieht. Da naht der Abend — träumerisch verblüht Des Himmels Rosenflor in dunkler Pracht — Und über ihr, die jugendwarm geglüht, Zusammenschlägt das dunkle Meer der Nacht. Ich möchte sterben, wie die Blume stirbt, Die lächelnd keimt im lauen Frühlingswehn, Die sehnend um den Kuß der Sonne wirbt, Wär's auch, in diesem Kusse zu vergehn. Dann bebt durch ihren Duftkelch süßes Weh, Die zarten Blätter sinken flammenwarm — Vergehend schauert sie wie Semele, Das Kind der Erde, in des Gottes Arm. Ich möchte sterben wie der Schmetterling, Den in der Puppe weckt der Sonne Strahl — Er sprengt die Hülle, die ihn bang umfing, Er gaukelt fröhlich durch das Blüthenthal; Und jede Blüth' in sel'gem Liebesrausch Umfächelt er mit farb'ger Schwinge Wehn, Um süß nach flücht'gem Kuß- und Wonnetausch Im letzten Blüthenkusse zu vergehn. Du heller Traum des Himmels, Wolke, du! Du Blüthenkind der frühlingswarmen Welt, Du heitrer, bunter Gaukler ohne Ruh — Von Trübsinn ist, von Neid mein Herz geschwellt. Mir spinnt sich langsam, trüb und trüber stets, Einförmig still dies wirre Leben ab; Nach flüchtig kurzem Glück — wie schnell verweht's! — Nach dunkel-ödem Weg ein ödes Grab. — Ich ging so müde durch das Leben hin — Ich weiß nicht, wie mir jetzt auf einmal ward; Es blitzt so hell durch den umwölkten Sinn: Wirf an den Busen dich der Gegenwart! Umklammre sie in hastigem Genuß — Hinweg mit Zukunft und Vergangenheit! Berausche froh dich in des Lebens Kuß, Zu trägem Ruhen ist im Grabe Zeit! Der Frühlingshauch weht kosend durch mein Haar, Die schöne Erde lächelt hell mir zu —! Den vollen Becher heb' ich, golden klar: Umschlinge heißer mich, Geliebte du! Mag rasch verglühn nun meines Lebens Docht, Mag brechen dieses Auge lusterhellt — Ich lebte! Jetzt — zu fühlen mein' ich's — pocht In einer Menschenbrust der Puls der Welt! Der Rosenstrauch Das Kind schläft unter dem Rosenstrauch, Die Knospen schwellen im Maienhauch. Es ruht so selig, es träumt so süß Und spielt mit Engeln im Paradies. — Die Jahre vergehen. — Die Jungfrau steht vor dem Rosenstrauch, Umspielt von der Blüthen duftigem Hauch. Sie preßt die Hand auf die wogende Brust, Erglühend in wunderseliger Lust. — Die Jahre vergehen. — Die Mutter kniet vor dem Rosenstrauch, Die Blätter säuseln im Abendhauch. Sie denkt an vergangene Tage zurück, Es schwimmt in Thränen ihr trüber Blick. — Die Jahre vergehen. — Entblättert trauert der Rosenstrauch, Die Blätter verwehten im Herbsteshauch. Die Blätter welkten und fielen ab Und deckten flüsternd ein stilles Grab. — — Die Jahre vergehen. An die Ferne Mir ist, als müßtest du empfinden, Wie oft ich dein, wie treu gedacht, Als spräch' zu dir mit lauen Winden Statt meiner jede Sommernacht, Als läsest du in jedem Sterne Mein Grüßen still und sehnsuchtsvoll; Ich weiß ja nicht, wie deine Ferne Ich anders jetzt erreichen soll. Es wälzt das Meer schon seine Wogen, Die blauen, zwischen dir und mir, Du bist zur Heimath fortgezogen, Ich steh' noch in der Fremde hier; Und über's Wasser, durch die Steppen, Führt keine Brücke mich, kein Steg, Hoch über meiner Klage schleppen Sich bange Tage langsam weg. Vielleicht daß du mich längst vergessen, Vielleicht daß du mich nie erkannt, Vielleicht daß Andern unterdessen Dein Blick sich huldvoll zugewandt? Ich weiß es nicht; von Stund' zu Stunde In Zweifeln irr' ich scheu umher, Von dir kein Trost und keine Kunde, Für mich kein Bote über's Meer! Und doch den Grund soll nichts mir rauben, Den Ankergrund im Sturmgebiet, An meine Liebe will ich glauben, Die dich magnetisch an mich zieht; Du mußt sie fühlen, mußt sie ahnen, Mein Bild muß dir vor Augen stehn, Und so, trotz früh-zerriss'nen Bahnen, Weiß ich, daß wir uns wiedersehn! Frühlingsidylle Unter des Apfelbaums vollblühenden Ästen gelagert, Wie durch Rosengezweig schau ich in's himmlische Blau; Summend bemüht sich um mich im duftenden Grase die Biene, Drüben im Dörflein die Uhr mahnt mich nur leis an die Zeit. Also im himmlischen Thal verdämmr' ich ein köstliches Stündlein, Leider zum Dichten zu träg, selber zum Denken zu faul; Dichtet doch rund um mich her die schönste Idylle der Frühling, Wie sie kein Hölty geträumt, wie sie kein Mörike singt. Hochsommer Nun glüht der Sommer in der vollsten Pracht; Sieh, wie auf dieses Rasens dichten Sammet Durch der Platanen dunkelgrüne Nacht Das warme Gold der Abendsonne flammet! Und doch, und doch — auf Sommers höchster Höh Durchschauert's mich wie ein geheimes Weh, Als sagte schon des Jahres Lust Ade! Nun glänzt der Blumen farbenreichster Flor, Die Sonnenblume hebt ihr Haupt im Garten, In Purpur prangt der Georginen Chor, Die Malve winkt mit leuchtenden Standarten; Und doch, und doch — wie Alles glänzt und glüht Um Eine trauert innig mein Gemüth: Die Rose, ach, die Rose ist verblüht! Nun ist der Wald ein schattenvoll Gemach, Ein Zauberschloß mit hundert grünen Sälen, Durch all des Laubwerks dichtgewölbtes Dach Kann blitzend kaum ein Sonnenstrahl sich stehlen; Und doch, und doch — in diesen Wipfeln all Kein Vogelsang, kein süßer Liederschall, Verstummt ist längst die holde Nachtigall! Nun reift im Feld des Kornes goldne Frucht, Die milde Sonne brütet lauter Segen, Die Ähre beugt sich vor der eignen Wucht Und harrt der Sichel sommermüd' entgegen; Und doch, und doch — ihr buntgeschmückten Höhn, Ein Kleines noch, so sollt ihr öde stehn, Und über Stoppeln wird der Herbstwind gehn. Nun glänzt des Äthers wolkenloses Blau, Der Himmel ist der Hochgewitter müde, Die Sonne waltet ruhig ob der Au, Auf Berg und Thälern träumt ein stiller Friede; Und doch, und doch — in Pfingstgewitterlust Schlug frischer mir und freudiger die Brust, Als unter'm Friedensscepter des August. Sag' an, o Herz, was in des Sommers Pracht Mit stiller Schwermuth leise dich umschattet? — „Daß kaum gedacht, der Lust ein End' gemacht, Im höchsten Schwung der Freude Flug ermattet, Daß nur ein Traum der Jugend Rosenzeit, Daß wie ein Gras der Erde Herrlichkeit, Das füllt im Sommer mir mein Herz mit Leid.“ Ich möchte heim Hebr. 13, 14 Ich möchte heim, mich zieht's dem Vaterhause, Dem Vaterherzen zu, Fort aus der Welt verworrenem Gebrause Zur stillen, tiefen Ruh'; Mit tausend Wünschen bin ich ausgegangen, Heim kehr' ich mit bescheidenem Verlangen, Noch hegt mein Herz nur einer Hoffnung Keim: Ich möchte heim. Ich möchte heim, bin müd' von deinem Leide, Du arge, falsche Welt, Ich möchte heim, bin satt von deiner Freude, Glück zu, wem sie gefällt! Weil Gott es will, will ich mein Kreuz noch tragen, Will ritterlich durch diese Welt mich schlagen, Doch tief im Busen seufz' ich insgeheim: Ich möchte heim. Ich möchte heim; ich sah in sel'gen Träumen Ein bess'res Vaterland, Dort ist mein Theil in ewig lichten Räumen, Hier hab' ich keinen Stand; Der Lenz ist hin, die Schwalbe schwingt die Flügel Der Heimath zu, weit über Thal und Hügel, Sie hält kein Jägergarn, kein Vogelleim, — Ich möchte heim. Ich möchte heim; trug man als kleines Kindlein Mich einst zu Spiel und Schmaus, Ich freute mich ein leichtes kurzes Stündlein, Dann war der Jubel aus; Wenn sternhell noch der Brüder Auge blitzte, In Spiel und Lust sich erst ihr Herz erhitzte — Trotz Purpuräpfeln, goldnem Honigseim: Ich wollte heim. Ich möchte heim; das Schifflein sucht den Hafen, Das Bächlein läuft in's Meer; Das Kindlein legt im Mutterarm sich schlafen, Und ich will auch nicht mehr; Manch Lied hab' ich in Lust und Leid gesungen, Wie ein Geschwätz ist Lust und Leid verklungen, Im Herzen blieb mir noch der letzte Reim: Ich möchte heim! Perlen und Thränen Als ich dich einst im Hochzeitkleid, Den Myrthenzweig im Haar, Den Perlenschmuck als Brautgeschmeid', Sah treten zum Altar, Da dacht' ich: Kind, o juble nicht; Nicht immer strahlt dein Aug' so licht, Ich weiß ein Wort, das warnend spricht: „Aus Perlen werden Thränen!“ Doch heute, da im Trauerflor Du am Altare kniest, Und sehnsuchtsvoll zu Gott empor Aus deinen Thränen siehst, Heut' sprech' ich: Herz, verzage nicht; In Trübsalsnacht kommt Sternenlicht, Ich kenn' ein Wort, das tröstend spricht: „Aus Thränen werden Perlen!“ Nach Jahren I. Die Mutter lehnt' am schattigen Thor, Ihr blondes Töchterchen kniete davor, Brach Rosen sich und Vergißmeinnicht, Und küßt sie mit lachendem Angesicht: „Ei! Mutter, bin ich so groß wie du, Dann trag' ich dir Alles im Hause zu, Dann heg' ich und pfleg' ich dich lieb und fein, Wie die Rosen und die Vergißnichtmein.“ II. Und Jahre schwanden, — am schattigen Thor Ragt höher und voller der Flieder empor! Ein Mägdlein umfaßt des Geliebten Arm, Es schlagen die Herzen so treu und warm; Doch wie sie sich küßten auf Wang' und Mund, Weinte das Mädchen aus Herzensgrund; Denn die sie wollt' pflegen so lieb und fein, Lag still unter Ros' und Vergißnichtmein. Ich hör' ein Vöglein locken Ich hör' ein Vöglein locken, Das wirbt so süß, das wirbt so laut Beim Duft der Blumenglocken Um die geliebte Braut. Und aus dem blauen Flieder Singt ohne Rast und ohne Ruh' Millionen Liebeslieder Die holde Braut ihm zu. Ich hör' ein leises Klagen, So liebesbang, so seelenvoll — Was mag die Stimme fragen, Die in dem Wind verscholl? Trost der Nacht Es heilt die Nacht des Tages Wunden, Wenn, mit der Sterne buntem Schein Das königliche Haupt umwunden, Sie still und mächtig tritt herein. Die milden, leisen Hauche kommen, Der Farben grelle Pracht erblaßt; In weicher Linie ruht verschwommen Des scharfen Zackenfelsen Last. So legt die Nacht mit Muttergüte Sich um die Seele schmerzenvoll: Es läutert still sich im Gemüthe Zur Wehmuth jeder bittre Groll. Die Thränen, die vergessen schliefen, Nun strömen sie in mächt'gem Lauf: Es steigt aus wunden Herzenstiefen Ein rettungahnend Beten auf. Abendmahl der Schöpfung Wie liegt verklärt das Berggelände Im purpurklaren Abendstrahl! Wie bieten freundlich sich die Hände Der rauhe Fels, das sanfte Thal! Zur Linken steigt der Reben Fülle Hinauf durch Steingeröll und Dorn; Zur Rechten rauscht in falber Hülle Schon mählich reifend goldnes Korn. O selig, mitten inne schweifen Auf engem Pfad durch laue Luft, Vom Korn die letzten Blüten streifen Und sangen Rebenblüthenduft! Bald wird vom Strahl der Sommersonnen Dies Korn zu Brot bereitet sein; Sich selber opfernd in die Tonnen Gießt bald die Traub' ihr Blut als Wein. In Ahnung bin ich schon begnadet, Mein Gottestempel wird die Flur; Zu ihrem Abendmahle ladet Mit Brod und Wein mich die Natur. Abendstille Nun hat am klaren Frühlingstage Das Leben reich sich ausgeblüht; Gleich einer ausgeklung'nen Sage Im West das Abendroth verglüht. Des Vogels Haupt ruht unter'm Flügel, Kein Rauschen tönt, kein Klang und Wort; Der Landmann führt das Roß am Zügel, Und Alles ruht an seinem Ort. Nur fern im Strome noch Bewegung, Der weit durch's Thal die Fluthen rollt: Es quillt vom Grunde leise Regung, Und Silber schäumt sein flüssig Gold. Dort auf dem Strom noch ziehen leise Die Schiffe zum bekannten Port, Geführt vom Fluß im sichern Gleise — Sie kommen auch an ihren Ort. Hoch oben aber eine Wolke Von Wandervögeln rauscht dahin; Ein Führer streicht voran dem Volke Mit Kraft und landeskund'gem Sinn. Sie kehren aus dem schönen Süden. Mit junger Lust zum heim'schen Nord, Nichts mag den sichern Flug ermüden — Sie kommen auch an ihren Ort! Und du, mein Herz! in Abendstille Dem Kahn bist du, dem Vogel gleich, Es treibt auch dich ein starker Wille, An Sehnsuchtsschmerzen bist du reich. Sei's mit des Kahnes stillem Zuge, Zum Ziel doch geht es immer fort; Sei's mit des Kranichs raschem Fluge — Auch du, Herz, kommst an deinen Ort! Maiwonne Denkst du der Stunde, als zu zweien Wir saßen unter duft'gen Maien Im Brautgemache der Natur? Als Lippe wir an Lippe drückten, Indessen über den Beglückten Der Frühling im Triumphzug fuhr? Die Wipfel bog er uns zu Häupten, Hernieder von den Zweigen stäubten Die Blüthen unter seinem Hauch; Ihm tönte in den Laubenhallen Das Feierlied der Nachtigallen, Ihm quoll der Düfte Opferrauch. Der Himmel jauchzte in Gewittern, Durch alle Räume ging ein Zittern Der Liebe und der Werdelust; Allein die große Jubelfeier Verstummte vor der Wonne Zweier, Die selig ruhten Brust an Brust. O Stunde, ewig unvergessen! Das weite Weltall mögt Ihr messen, Bis wo in Schwindel zagt der Blick, Doch wenn zwei Wesen ihre Seelen Im ersten heil'gen Kuß vermählen, Wo ist ein Maß für solches Glück? Sie beben stumm und freudetrunken, Die Erde scheint um sie versunken, Hinweggeschwunden Raum und Zeit, Und von der Welt ist nichts geblieben Als nur zwei Herzen, die sich lieben, Allein in der Unendlichkeit. Was zögerst du? Von dunklem Schleier umsponnen Ist mir das Tageslicht; Wohl steigen neue Sonnen — Ich seh' sie nicht. Mir schweift der Blick hinüber In Weiten, dämmerfern; Vom Himmel blinkt ein trüber Einsamer Stern. Ein Mädchen bleich von Wangen Winkt mir von drüben zu: Ich bin vorangegangen, Was zögerst du? Aus der Heimath Hier ist es, wo ich als Kind gestreift Und die Beere gepflückt, die am Abgrund reift; Still war's, wie jetzt im Laube; Fernher nur hört' ich durch Ranken-Geflecht Die Schläge der Axt und den pickenden Specht Und das Girren der wilden Taube. O Träume, schön wie Märchen der Feen, Umschwebten mich dort, wenn beim Abendwehn Ich ruht' am Felsenhange; Und vor mir lag, wie im Traum ich's sah, Voll goldener Schlösser das Leben da — So lange das her, so lange! Aus der Welt, da draußen nun kehr' ich zurück; Wie Märchen, Alles dahin! Das Glück Und Hoffen und Lieb' und Glaube! Im Walde lieg' ich, wie einst ich lag, Und höre von ferne der Äxte Schlag Und das Girren der wilden Taube. Sommerschwüle Auf den Feldern dumpfe Schwüle Und verhüllter Sonnenbrand; Durstend schmettert die Cicade, Langsam nur mit trägem Rade Wirft die wasserarme Mühle Einzle Tropfen an den Strand. Wetterschwere Lüfte brüten Über'm regungslosen See; Tief're Klagelaute schallen Aus der Brust der Nachtigallen, In den Kelchen, in den Blüthen Duftet ein geheimes Weh. Fiebernd schmachtet, schlummertrunken, Aber schlaflos doch, die Flur; Unstät zucken Flammenblitze Um der Wetterstangen Spitze; In ihr finstres Selbst versunken Liegt die träumende Natur. Komm, Gewittersturm, entlade Den verhalt'nen Erdenschmerz; Deinem Donner, deinem Regen Lechzt, was Leben hat, entgegen, Durstend schmettert die Cicade, Aber durst'ger ist mein Herz! O Sommerfrühe blau und hold! Lieder O Sommerfrühe blau und hold! Es trieft der Wald von Sonnengold, In Blumen steht die Wiese; Die Rosen blühen roth und weiß Und durch die Fluren wandelt leis' Ein Hauch vom Paradiese. Die ganze Welt ist Glanz und Freud', Und bist du jung, so liebe heut', Und Rosen brich mit Wonnen; Und wardst du alt, vergiß der Pein Und lerne dich am Widerschein Vom Glück der Jugend sonnen. O fühl's an meines Herzens Schlage Lieder O fühl's an meines Herzens Schlage, Wenn du mich schweigend an dich drückst, Wie du mit jedem neuen Tage, Geliebte, höher mich beglückst. Ach, seit in holdem Selbstvergessen Der Lippe Zagheit dir zerrann, Nun lern' ich selig erst ermessen, Welch Kleinod ich an dir gewann. In deines Herzens lauterm Grunde Erschließt sich mir die reichste Welt; Hinunter lausch' ich Stund' um Stunde Wie in ein wehend Lilienfeld. Du willst nur lieben, glauben, ahnen; Und doch, mit diesem stillen Sinn Auf des Gedankens kühnsten Bahnen Wie fest und sicher wallst du hin? Oft staun' ich, wie dein klar Gemüthe Der Dinge tiefste Tiefen mißt — Und bliebst doch ganz ein Kind voll Güte, Und ahnst es nie, wie reich du bist. Oftmals, wenn ich ganz allein Lieder Oftmals, wenn ich ganz allein Brüte, nachtumgeben, Fließt's wie sanfter Mondenschein Plötzlich in mein Leben. Jeden Druck, den ich empfand Schmerzlich und beklommen, Fühl' ich wie von Engelshand Sacht hinweggenommen. Süßer Jugendschauer quillt Über mein Gemüthe, Und es dehnt sich tief gestillt, Wie im Thau die Blüthe. Staunend sinn' ich, was geschehn, So den Schmerz zu bannen? Dieses Friedens himmlisch Wehn, Dieser Glanz, von wannen? Und ein Ahnen will zuletzt In mein Herz sich senken, Daß geliebte Todte jetzt Drüben mein gedenken. Ach, du fliehst vergebens Lieder Ach, du fliehst vergebens, Was dich härmt und kränkt; Keinem wird des Lebens Bittrer Zoll geschenkt. Wenn der erste süße Jugendleichtsinn schwand, Bleibt dir an die Füße Stets ein Weh gebannt. Zu den höchsten Matten, Unter's stillste Dach Wandelt, wie dein Schatten, Dir die Sorge nach; Mischt zu jedem Glanze Sich als Nebel still, Nagt an jedem Kranze, Der dir blühen will; Bis du, unter Schmerzen, An durchkämpftem Tag Dir errangst im Herzen, Was sie bänd'gen mag: Muth, der sturmentgegen Neuen Pfad sich bahnt, Demuth, die den Segen Auch im Trübsal ahnt. Weit, weit aus ferner Zeit Lieder Weit, weit aus ferner Zeit, Aus grüner Jugendwildniß Grüßt mich in Lust und Leid Ein wundersames Bildniß. Wohl kenn' ich gut Der Lippe Gluth, Die mit mir pflag zu kosen, Das Auge so hold, Der Locke Gold, Der Wange bleiche Rosen. Denn ob in Kampf und Schmerz Kein Hauch der Jugend bliebe: Nie doch vergißt das Herz Den Traum der ersten Liebe. Spät nach des Tages Streit, Wenn klar erglüh'n die Sterne, Giebt's mir ein treu Geleit In aller Näh und Ferne. Ich lag bei Nacht Wohl auf der Wacht, Da stand es mit am Feuer; Ich fuhr daher Über's blaue Meer, Und sah es ruhn am Steuer. Denn ob in Kampf und Schmerz Kein Hauch der Jugend bliebe: Nie doch vergißt das Herz Den Traum der ersten Liebe. Still wie ein schüchtern Kind So blickt's mich an durch Thränen, Will seine Locken lind An meine Schulter lehnen. Es winkt so lieb, Es singt so trüb Von Zeiten, die vergangen; Da schmilzt mein Sinn In Heimweh hin, Bin für und für gefangen. Denn ob in Kampf und Schmerz Kein Hauch der Jugend bliebe: Nie doch vergißt das Herz Den Traum der ersten Liebe. Spruch Seltsam giebt es die Muse den Dichtern. Rosige Jugend Singt schwermüthig vom Tod, aber von Rosen der Greis. Gebet Herr, den ich tief im Herzen trage, sei du mit mir! Du Gnadenhort in Glück und Plage, sei du mit mir! Im Brand des Sommers, der dem Manne die Wange bräunt, Wie in der Jugend Rosenhage sei du mit mir; Behüte mich am Born der Freude vor Übermuth, Und wenn ich an mir selbst verzage, sei du mit mir. Gieb deinen Geist zu meinem Liede, daß rein es sei, Und daß kein Wort mich einst verklage, sei du mit mir. Dein Segen ist wie Thau den Reben; nichts kann ich selbst, Doch daß ich kühn das Höchste wage, sei du mit mir. O du mein Trost, du meine Stärke, mein Sonnenlicht, Bis an das Ende meiner Tage sei du mit mir! Nachts am Meere Es schlief das Meer und rauschte kaum Und war doch allen Schimmers voll, Der durch der Wolken Silberflaum Vom lichten Mond herniederquoll; Im Blau verschwamm die ferne Fluth, Wie Bernstein flimmerte der Sand; Ich aber schritt in ernstem Muth Hinunter und hinauf den Strand. O was in solcher stillen Nacht Durch eine Menschenseele zieht, Bei Tag hat's keiner nachgedacht, Und spricht es aus kein irdisch Lied. Es ist ein Hauch, der wunderbar Aus unsrer ew'gen Heimath weht, Ein innig Schauen, tief und klar, Ein Lächeln halb und halb Gebet. Da spürst du still und körperlos Ein segnend Walten um dich her, Du fühlst, du ruhst in Gottes Schooß, Und wo du wandelst, wallt auch Er; Die Thränen all sind abgethan, Die Dornen tragen Rosengluth, Es taucht die Liebe wie ein Schwan Aus deines Lebens dunkler Fluth. Und was am schwersten dich bedroht, Dir zeigt's ein liebes Angesicht, Zum Freiheitsherold wird der Tod, Der deines Wesens Siegel bricht; Du schaust in's Aug' ihm still vertraut, Von heil'gem Schauder nur berührt, Gleichwie ein Bräut'gam, den die Braut Zum seligsten Geheimniß führt. Genug, genug! halt' ein, mein Lied! Denn was bei Nacht und Mondenlicht Durch eine Menschenseele zieht, Das sagt kein irdisches Gedicht; Ein Hauch ist's, der da wunderbar Von Edens Friedenspalmen weht, Ein wortlos Schauen, tief und klar, Ein Lächeln halb und halb Gebet. Lied des Alten im Bart 1845 Durch tiefe Nacht ein Brausen zieht Und beugt die knospenden Reiser, Im Winde klingt ein altes Lied, Das Lied vom deutschen Kaiser. Mein Sinn ist wild, mein Sinn ist schwer, Ich kann nicht lassen vom Lauschen; Es klingt, als zög' in den Wolken ein Heer Es klingt wie Adlers Rauschen. Viel tausend Herzen sind entfacht Und harren wie das meine, Auf allen Bergen halten sie Wacht, Ob roth der Tag erscheine. Deutschland, die schöngeschmückte Braut, Schon schläft sie leis' und leiser — Wann weckst du sie mit Trommetenlaut, Wann führst du sie heim, mein Kaiser! Am dritten September 1870 Nun laßt die Glocken von Thurm zu Thurm Durch's Land frohlocken im Jubelsturm! Des Flammenstoßes Geleucht facht an! Der Herr hat Großes an uns gethan. Ehre sei Gott in der Höhe! Es zog von Westen der Unhold aus Sein Reich zu festen in Blut und Graus; Mit allen Mächten der Höll' im Bund, Die Welt zu knechten, das schwur sein Mund: Furchtbar dräute der Erbfeind. Vom Rhein gefahren kam fromm und stark Mit Deutschlands Schaaren der Held der Mark. Die Banner flogen und über ihm In Wolken zogen die Cherubim. Ehre sei Gott in der Höhe! Drei Tage brüllte die Völkerschlacht, Ihr Blutrauch hüllte die Sonn' in Nacht, Drei Tage rauschte der Würfel Fall Und bangend lauschte der Erdenball. Furchtbar dräute der Erbfeind. Da hub die Wage des Weltgerichts Am dritten Tage der Herr des Lichts Und warf den Drachen vom güldnen Stuhl Mit Donnerkrachen hinab zum Pfuhl. Ehre sei Gott in der Höhe! Nun bebt vor Gottes und Deutschlands Schwert Die Stadt des Spottes, der Blutschuld Herd. Ihr Blendwerk lodert, wie bald! zu Staub Und heimgefodert wird all ihr Raub. Nimmermehr dräut uns der Erbfeind. Drum laßt die Glocken von Thurm zu Thurm Durch's Land frohlocken im Jubelsturm! Des Flammenstoßes Geleucht facht an! Der Herr hat Großes an uns gethan. Ehre sei Gott in der Höhe! Deutsche Volks-Hymne 1872 Heil euch im Siegerkranz, Streiter des Vaterlands! Gott war mit euch. Glorreich in Wacht und Schlacht Brach't ihr des Erbfeinds Macht, Half't in verjüngter Pracht Bauen das Reich. Einig in Süd und Nord Trotzt unser Volk hinfort Sturm und Gefahr; Schirmende Flügel spannt Wieder vom Ordensland Bis an der Mosel Strand, Kaiser, dein Aar. Blühe, du deutsches Reich! Wachse der Eiche gleich Kraftvoll und hehr! Friede beglücke dich, Freiheit erquicke dich, Herrlichkeit schmücke dich Vom Fels zum Meer! Die Luft so still Die Luft so still und der Wald so stumm An dieser bewachsenen Halde, Ein grüngewölbtes Laubdach ringsum, Ein Wiesenthal unten am Walde. Wildblühende Blumen sprießen umher, Rings fließen süße Düfte, Ohne Rauschen raget der Bäume Meer Hoch in die sonnigen Lüfte. Nur Amselschlag einsam und weit, Und Falkenschrei aus der Höhe, Und nichts Lebendiges weit und breit, Als im Waldthal grasende Rehe. Natur, in dein Leben still und kühl Liege ich selig versunken; Ein süßes Kindermärchengefühl Macht mir die Sinne trunken. Abendfrieden Es geht der Tag zur Neige, Die Sonne sinkt im West, Das Vöglein im Gezweige Schlüpft in das traute Nest, Und rings zu Haus und Herde, Zieht es aus Strom und Feld, Stumm wird die weite Erde, Still wird die große Welt. Rothgoldne Gluthen weben Weit durch die warme Luft, Die Fernen all verschweben Im blauen Dämmerduft, Am Fels noch ein Gefunkel, Die Wälder rauschen sacht, Und dann macht alles dunkel Geheimnißvoll die Nacht. Du holde, stille Stunde, Wie labest du das Herz! Du schließest jede Wunde, Du heilest jeden Schmerz, Du bist ein Heil, beschieden Dem ärmsten Erdengast, Du frommer Abendfrieden, Du sel'ge Tagesrast! Vom irdischen Getriebe Löst sich die Seele los, Sie fliegt der ew'gen Liebe Sehnsüchtig in den Schooß. Dort klinget eine Weise, So tief, so groß, so weit: Mir ist als spürt' ich leise Den Hauch der Ewigkeit. Mailied Das ist die helle Frühlingszeit! Horch, wie vom Gebirg der Kukuk schreit, Sieh, wie die Schwalben schießen! Erquicke dich an der lauen Luft, An der Felder Grün, an der Wälder Duft, An der wilden Blumen Sprießen! Mein Lieb, herbei Im wonnigen, sonnigen, süßen Mai, So frisch und frei Zu singen, zu trinken, zu küssen! Aus Laubwerks Grün, aus Blüthenglanz O laß uns weben den heitern Kranz In die blonden fliegenden Locken! Die Höhen entlang am grünen Rhein Laß singend uns wandern im Sonnenschein, Hoch über Flöten und Glocken! Mein Lieb, herbei Im wonnigen, sonnigen, süßen Mai, So frisch und frei Zu singen, zu trinken, zu küssen! In blühenden Lauben ruhen wir aus Und füllen im luftigen Frühlingshaus Den hohen crystallenen Becher. O wirf die lichten Blumen hinein: Hoch dir, hoch mir im duftigen Wein, Wir liebeseligen Zecher! Mein Lieb, herbei Im wonnigen, sonnigen, süßen Mai, So frisch und frei Zu singen, zu trinken, zu küssen! Und endet das Lied, ist der Becher zu Grund, So gieb mir den rothen schwellenden Mund Zum seligsten höchsten Genusse! Was Lied und Klang, was Glanz und Licht! So selig schwärmt sich's im Lenze nicht, Wie in der Liebsten Kusse! Mein Lieb, herbei Im wonnigen, sonnigen, süßen Mai, So frisch und frei Zu singen, zu trinken, zu küssen! Liebe Was die Liebe kann begehren, Liebe darf es frei gewähren; Was von Liebe ward verschuldet, Gern von Liebe wird's geduldet. Alles Fehlen, alles Irren, Liebe weiß es zu entwirren; Trägt mit seliger Geberde Alle Noth und Schmach der Erde! Am Geliebten jeden Flecken Weiß sie sorgsam zu verdecken; Ja, ihn völlig freizusprechen, Lächelnd theilt sie sein Verbrechen. In der Ferne Jetzt wird sie wohl im Garten gehen, Der blüht und glüht im Sonnenlicht, Und in die Ferne wird sie spähen — Mich aber, ach, mich sieht sie nicht! Und eine Rose wird sie brechen, Mit stummer Wehmuth im Gesicht, Und meinen Namen wird sie sprechen — Ich aber, ach, ich hör' es nicht! In dieser Stunde In dieser Stunde denkt sie mein, Ich weiß, in dieser Stunde! Die Vögel schlafen groß und klein, Es schlafen die Blumen im Grunde. An blauem Himmel hell und klar Stehn tausend Sterne wunderbar, Sie schaut hinauf und denket mein, Ich weiß, in dieser Stunde. Sie sitzt wohl einsam und allein, Ich weiß, in dieser Stunde, Und flüstert wohl den Namen mein Halbleise mit schüchternem Munde. Sie schickt mir Grüße lieb und schön Und winkt mir zu, als könnt' ich's sehn, Sie weint um mich und denket mein, Ich weiß, in dieser Stunde. Gute Nacht und schließ die Äugelein, Gute Nacht in dieser Stunde, Ich will im Traume bei dir sein, Mit fröhlicher, seliger Kunde: Von einer Nacht, o, träume du, Wo ich in deinen Armen ruh'! Ja, bis dahin gedenke mein, Jetzt und in jeder Stunde! O frage nicht! O frage nicht, Was auf des Auges stillem Grunde Mir oft wie eine Thräne bebt, Was schüchtern oft zu meinem Munde Wie ein verstohlner Seufzer schwebt! Es ist ein Wort, unausgesprochen, Ein selig goldnes Traumgesicht, Und nur mein Blick, mein Herzenspochen Verräth es dir — o frage nicht! O frage nicht, Was ruhelos in deine Nähe Mich wie ein Zauber mächtig bannt, Warum ich dennoch seitwärts stehe, Wenn du mich lächelnd kaum erkannt! Von Schmetterlingen rings umgaukelt, Genährt vom ersten Sonnenlicht, Ein Röschen du, vom West geschaukelt, Entblättert' ich — o frage nicht! O frage nicht, Zu welcher frühen Sonnenwende Mein kurzes Leben sich gesenkt, Zu welchem Abgrund, welchem Ende Mein müder Fuß hinunterlenkt! Dir sei die Welt ein ew'ger Morgen Voll Maienglanz und Duft und Licht; Was Schmerzen sind, dir sei's verborgen; Leb' wohl, vergiß — und frage nicht! Nachtstille In stiller Nacht, die Sterne gingen Am Himmel hoch in ernster Pracht, Ein Säuseln hört' ich und ein Klingen Wohl durch die stille Mitternacht. Doch war es nicht der Blätter Rauschen, Es war nicht Nachtigallensang: Aus tiefster Seele mußt' ich lauschen Dem nie gehörten, süßen Klang. Und, o, mir war's, als käm' geflogen Ein Flötenton aus Fels und Stein, Als sängen aus des Baches Wogen Sirenen ihren Zauberreihn; Als lullten leise, schlummertrunken, In süßen Traum sich Feld und Wald, Wie halb in Schlummer schon gesunken Ein Kindlein noch Gebete lallt; Als ob in seinem Silbernachen Der Mond ein Schifferlied sich sang, Als ob geheim in tausend Sprachen Der Sterne nächtlich Plaudern klang; Als stiege schon vom Himmel nieder Der Träume leichtbeschwingter Chor, Und sänge Märchen, sänge Lieder Dem Schlummernden in's wache Ohr! Das, o Natur, ist deine Weise, Es ist dein nächtlich Feierlied, Das hell wie Orgelklang, und leise Wie ein Gebet, das All durchzieht. Und wo dich Sterbliche vernehmen, Da machst du schnell die Herzen weit: Zu linder Wehmuth wird ihr Grämen, Zu stiller Hoffnung wird das Leid. So tönet fort, ihr süßen Lieder, Ihr Engelsstimmen hell und rein! Strömt leise wie ein Balsam nieder In jedes wunde Herz hinein! Und wo getrennt von seiner Schönen Ein Jüngling unter Thränen wacht, Da sagt ihm mit der Liebsten Tönen Ein herzig süßes: Gute Nacht! Schwäbische Erbschaft Der gnäd'ge Herr von Zavelstein Trank gar zu gern vom echten Wein; Sobald der erste Becher leer, Bracht' gleich der Schenk den zweiten her. Der gnäd'ge Herr von Zavelstein Trank spät bis in die Nacht hinein; Früh Morgens, wenn der Tag begann, Hub er auf's Neu' zu bechern an. Der gnäd'ge Herr von Zavelstein Das war ein Trinker klug und fein, Der niemals überschritt sein Maß — Wohl dreißig Gläser und ein Glas! Und als der Herr an's Sterben dacht', Hat er dem Land sein'n Durst vermacht; Drum giebt's im Schwabenlande drein So viele Herrn von Zavelstein. Die Alpenrose Hoch auf dem Berg, im braunen Moose, Von Eis umglänzt und halb verschneit, Blüht still empor die Alpenrose: Ein süß Gedicht der Einsamkeit. Der lauen Frühlingslüfte Fächeln Küßt ihre jungen Blätter nicht; Sie steht wie ein verloren Lächeln Im starren Felsenangesicht. Die kalten Gletscherwände steigen Anthürmend mächtig Stück für Stück, Und unbemerkt im ew'gen Schweigen Wächst sie wie ein verschwiegen Glück. O selig der, dem wohlgeborgen, Im oft durchfrosteten Gemüth, Hoch über allen Erdensorgen So eine süße Blume blüht! Die schönsten Lieder Das sind die schönsten Lieder, Für die kein Wort genügt, Um deren zarte Glieder Kein Reimgewand sich fügt, Die tief in uns erklingen Und still in uns verwehn, Und doch zu Denen dringen, Die liebend uns verstehn. Im Mai Düfte wogen auf und nieder, In den Lüften süßer Schall; Stille Blumen, laute Lieder, Engel Gottes überall. Und schon ward mein Herz zur Blume Und der Blume Duft zum Lied, Das im klaren Heiligthume Aufwärts mit den Engeln zieht. Letzter Wunsch Nur einmal möcht' ich dir noch sagen, Wie du unendlich lieb mir bist, Wie dich, solang' mein Herz wird schlagen, Auch meine Seele nie vergißt. Kein Wörtlein solltest du erwidern, Nur freundlich mir in's Auge sehn, Ja, mit gesenkten Augenlidern Nur stumm und schweigend vor mir stehn. Ich aber legte meine Hände Dir betend auf das schöne Haupt, Auf daß dir Gott den Frieden sende, Den meiner Seele du geraubt! Daheim Daheim, daheim! Es klingt das Wort Mir tief im Herzen fort und fort Und schafft mir bittre Leiden. Und doch, mir ist ganz recht geschehn; Wer hieß mich in die Fremde gehn Und von der Liebsten scheiden? Daheim, daheim sitzt sie wohl jetzt Und sinnt und spinnt und weint und netzt Den goldnen Flachs am Rocken; Der Faden reißt; sie merkt es nicht, Es wallen tief ihr in's Gesicht Die reichen blonden Locken. Daheim, daheim! O tröst' dich Lieb, Und wein' dir nicht die Augen trüb, Ist Scheiden doch nicht Meiden. Und bist du dort und ich bin hier, Mein Herz ist allezeit bei dir, Ob Berg und Thal uns scheiden. Daheim, daheim! Und wenn es lenzt, Das Thal mit Veilchen sich bekränzt Und alle Knospen springen: Thu' auf, thu' auf dein Kämmerlein, Dein Liebster naht, will Sonnenschein Auch seinem Röslein bringen. Die Betrogene Ich war noch ein so junges Ding, So junges Ding, Er schenkte mir den goldnen Ring Und schwur mir ew'ge Treue, Ja Treue! Weh, daß ich seinem Schwur gelauscht, So gern gelauscht, Um Liebe hab' ich eingetauscht Das Ringlein und die Reue, Ja Reue! Vor Jena Auf den Bergen die Burgen, Im Thale die Saale, Die Mädchen im Städchen: Einst Alles wie heut'! Ihr werthen Gefährten, Wo seid ihr zur Zeit mir, Ihr Lieben, geblieben? Ach, alle zerstreut! Die Einen, sie weinen, Die Andern, sie wandern, Die Dritten noch mitten Im Wechsel der Zeit, Auch Viele am Ziele, Zu den Todten entboten, Verdorben, gestorben In Lust oder Leid. Ich alleine, der Eine, Schau' wieder hernieder Zur Saale im Thale, Doch traurig und stumm; Eine Linde im Winde Die wiegt sich und biegt sich, Rauscht schaurig und traurig; Ich weiß wohl warum! Geweihte Stätte Wo Zweie sich küssen zum erstenmal, Bleibt nach auf Erden ein Duft und Strahl; Es leuchtet der Platz, es wärmt der Weg, Vom seligen Zittern bebt der Steg; Und der Baum geht früher in Blüth' und Blatt, Wenn ein Sonnenregen geregnet hat. Die Erde wimmelt von Klang und Licht, Wie Feiertag ist's, und ist doch nicht. Wär' auch die Sonne am Untergehn, Auf Erden ist's eben wie Auferstehn. Und naht eine Mutter, sie hält entzückt In die Arme tiefer ihr Kind gedrückt: Denn Alles ist Seele und Sonnenstrahl, Wo Zweie sich küssen zum erstenmal. Weißdornbüschlein Helles Büschlein am grünen Rain, Glänzend von Blättern und Blüthen, Sommerlüfte und Sonnenschein Mögen dich treulich hüten! Wie so stille in deinem Schooß Zwischen der Dornen Spitzen Neugeboren im weichen Moos Schlafende Vöglein sitzen! Nacktes Häuflein, in Schlummer und Traum! Leben, so zärtlich gewoben! Hüpfender Athem, keimender Flaum! Köpfchen, so bittend gehoben! Öffnet euch leise und duftet lind, Wonneheimliche Zweige, Daß mit klopfendem Herzen mein Kind Wundernd hinab sich neige. Dann um's Büschlein am grünen Rain, Glänzend von Blättern und Blüthen, Lagert euch, Lüfte und Sonnenschein, Treu es zu schützen, zu hüten. Schickung Du bist die Blume von diesem Haus, Die Andern sind die Scherbe, Und ich kam in die Welt, um dich Zu küssen, eh' ich sterbe. Auf Erden und in Himmelshöh'n Ist unser Glück beschworen, Und unsre Sterne grüßten sich, Eh' uns die Zeit geboren. Im Äther Bist du es, du, Die Ewigkeit? Der Eingang du In die Vergessenheit? Das Unbewegte? — Einmal nur Brich diese unrührsame Ruh'. Horch, was vernahm ich? War's ein Hall? Die Stille hörbar? — Keine Spur! Nicht Ein Geständniß! Überall Und ewig nur Die unbewegte Ewigkeit. Das Geheimniß Bin nachgegangen eines Knaben Wegen; Ich sah ihn frisch hinaus zum Dorfe hüpfen, Dann sacht und leis zu einem Busche schlüpfen Und drüberhin geheimnißvoll sich legen. Und wie erfahrne Mutterhände pflegen Der Schlummernden Gewande loszuknüpfen, Sah ich ihn hutsam das Gezweige lüpfen, Luststrahlend dann zusammen wieder legen. „Laßt von des Feldes ängstendem Gewimmel, Laßt von dem Kukuk diesem lieben Ort, Ihr Engel droben, Böses nicht geschehen!“ So bittend ging der sel'ge Knabe fort. — Im Busche herzerquickend war zu sehen Ein Nest mit Eilein, blau wie klarer Himmel. Geh zur Ruh Sorgenvolle, wetterschwüle Mädchenstirne, geh zur Ruh! Lieblich weht des Abends Kühle, Werde kühl auch du! Träume, daß der Hauch der Nacht Dir ein Palmenblatt gebracht, Geh zur Ruh! Laß dein Hangen, laß dein Bangen Irrend Auge, schließ dich zu! Sieh, der Tag ist schlafen gangen, Schlafen geh auch du! Ach, das süß erlebte Glück Spiegelt dir der Traum zurück, Geh zur Ruh! Ich liebe dich Das Abendglöcklein hört' ich klingen, Bald klang es leis', bald klang es laut. Galt's eines Herzens letztem Ringen? Galt's einer myrthenschmucken Braut? Im Klange sprach ein leises Mahnen: So tönet voll beglückter Pein, So muß das schwärmerische Ahnen Der Liebe sein! Es summte auf dem Blumengrunde, Es trank aus einem Honigkrug Das Bienchen mit dem süßen Munde, Das heimlich doch den Stachel trug. Im Summen sprach ein leises Mahnen: So sticht voll Lust, so sticht voll Pein, So muß das schwärmerische Ahnen Der Liebe sein! Die Nachtigall vernahm ich schlagen, So freudiglich, so wehmuthsvoll, Als ob ihr bei des Liedes Klagen Die Thräne aus dem Auge quoll! Im Liede sprach ein leises Mahnen: So tönt in Lust, so tönt in Pein, So muß das schwärmerische Ahnen Der Liebe sein! Ach, und des Abendglöckleins Klagen, Dies Bienensummen fern und nah Und dieses Nachtigallenschlagen Vernahm ich, als ich dich ersah. Erst rauschten wirr die Klänge alle, Bald wehmuthsvoll, bald freudiglich, Und starben dann in einem Halle: Ich liebe dich! Wo Tauben sind Laß mich mit meinem Weh, Laß mich mit meiner düstern Gluth: Ich wäre nur der Tropfen Blut Auf reinem Schnee. Dich sucht, was fromm und lind, Was fromm und lind, das suche du: Denn sieh, es fliegen Tauben zu, Wo Tauben sind. Der Gang um Mitternacht Ich schreite mit dem Geist der Mitternacht Die weiten stillen Straßen auf und nieder — Wie hastig ward geweint hier und gelacht Vor einer Stunde noch! ... Nun träumt man wieder. Die Lust ist, einer Blume gleich, verdorrt, Die tollsten Becher hörten auf zu schäumen, Es zog der Kummer mit der Sonne fort, Die Welt ist müde — laßt sie, laßt sie träumen! Wie all mein Haß und Groll in Scherben bricht, Wenn ausgerungen eines Tages Wetter! Der Mond ergießet sein versöhnend Licht, Und wär's auch über welke Rosenblätter! Leicht wie ein Ton, unhörbar wie ein Stern Fliegt meine Seele um in diesen Räumen; Wie in sich selbst, versenkte sie sich gern In aller Menschen tiefgeheimstes Träumen! Mein Schatten schleicht mir nach wie ein Spion, Ich stehe still vor eines Kerkers Gitter. O Vaterland, dein zu getreuer Sohn, Er büßte seine Liebe bitter, bitter! Er schläft — und fühlt er, was man ihm geraubt? Träumt er vielleicht von seinen Eichenbäumen? Träumt er sich einen Siegerkranz ums Haupt? — O Gott der Freiheit, laß ihn weiter träumen! Gigantisch thürmt sich vor mir ein Palast. Ich schaue durch die purpurnen Gardinen, Wie man im Schlaf nach einem Schwerte faßt, Mit sündigen, mit angstverwirrten Mienen. Gelb, wie die Krone, ist sein Angesicht, Er läßt zur Flucht sich tausend Rosse zäumen, Er stürzt zur Erde, und die Erde bricht — O Gott der Rache, laß ihn weiter träumen! Das Häuschen dort am Bach — ein schmaler Raum — Unschuld und Hunger theilen drin Ein Bette. Doch gab der Herr dem Landmann seinen Traum, Daß ihn der Traum aus wachen Ängsten rette. Mit jedem Korn, das Morpheus' Hand entfällt, Sieht er ein Saatenland sich golden säumen, Die enge Hütte weitert sich zur Welt — O Gott der Armuth, laß die Armen träumen! Beim letzten Hause, auf der Bank von Stein, Will segenflehend ich noch kurz verweilen; Treu lieb' ich dich, mein Kind; doch nicht allein, Du wirst mich ewig mit der Freiheit theilen. Dich wiegt in goldner Luft ein Taubenpaar, Ich sehe wilde Rosse nur sich bäumen; Du träumst von Schmetterlingen, ich vom Aar — O Gott der Liebe, laß mein Mädchen träumen! Du Stern, der, wie das Glück, aus Wolken bricht! Du Nacht, mit deinem tiefen stillen Blauen, Laß der erwachten Welt zu frühe nicht Mich in das gramentstellte Antlitz schauen! Auf Thränen fällt der erste Sonnenstrahl, Die Freiheit muß das Feld dem Tage räumen, Die Tyrannei schleift wieder dann den Stahl — O Gott der Träume, laß uns Alle träumen! Strophen aus der Fremde Ich möchte hingehn, wie das Abendroth Und wie der Tag mit seinen letzten Gluthen — O leichter, sanfter, ungefühlter Tod! — Mich in den Schooß des Ewigen verbluten. Ich möchte hingehn, wie der heit're Stern, Im vollsten Glanz, in ungeschwächtem Blinken; So stille und so schmerzlos möchte gern Ich in des Himmels blaue Tiefen sinken. Ich möchte hingehn, wie der Blume Duft, Der freudig sich dem schönen Kelch entringet Und auf dem Fittig blüthenschwang'rer Luft Als Weihrauch auf des Herrn Altar sich schwinget. Ich möchte hingehn, wie der Thau im Thal, Wenn durstig ihm des Morgens Feuer winken; O wollte Gott, wie ihn der Sonnenstrahl, Auch meine lebensmüde Seele trinken! Ich möchte hingehn, wie der bange Ton, Der aus den Saiten einer Harfe dringet, Und, kaum dem irdischen Metall entflohn, Ein Wohllaut in des Schöpfers Brust verklinget. Du wirst nicht hingehn, wie das Abendroth, Du wirst nicht stille, wie der Stern versinken, Du stirbst nicht einer Blume leichten Tod, Kein Morgenstrahl wird deine Seele trinken. Wohl wirst du hingehn, hingehn ohne Spur, Doch wird das Elend deine Kraft erst schwächen; Sanft stirbt es einzig sich in der Natur, Das arme Menschenherz muß stückweis brechen. Rheinweinlied October 1840 Wo solch ein Feuer noch gedeiht, Wo solch ein Wein noch Flammen speit, Da lassen wir in Ewigkeit Uns nimmermehr vertreiben. Stoßt an! Stoßt an! Der Rhein, Und wär's nur um den Wein, Der Rhein soll deutsch verbleiben. Herab die Büchsen von der Wand, Die alten Schläger in die Hand, Sobald der Feind dem welschen Land Den Rhein will einverleiben! Haut, Brüder, muthig drein! Der alte Vater Rhein, Der Rhein soll deutsch verbleiben. Das Recht' und Link', das Link' und Recht', Wie klingt es falsch, wie klingt es schlecht, Kein Tropfen soll, ein feiger Knecht, Des Franzmanns Mühle treiben. Stoßt an! Stoßt an! Der Rhein, Und wär's nur um den Wein, Der Rhein soll deutsch verbleiben. Der ist sein Rebenblut nicht werth, Das deutsche Weib, den deutschen Herd, Der nicht auch freudig schwingt sein Schwert, Die Feinde aufzureiben. Frisch in die Schlacht hinein! Hinein für unsern Rhein! Der Rhein soll deutsch verbleiben. O edler Saft, o lauter Gold, Du bist kein ekler Sklavensold! Und wenn Ihr Franken kommen wollt, So laßt vorher Euch schreiben: Hurrah! Hurrah! Der Rhein, Und wär's nur um den Wein, Der Rhein soll deutsch verbleiben. Meeresstrand An's Haff nun fliegt die Möve Und Dämmrung bricht herein; Über die feuchten Watten Spiegelt der Abendschein. Graues Geflügel huschet Neben dem Wasser her, Wie Träume liegen die Inseln Im Nebel auf dem Meer. Ich höre des gährenden Schlammes Geheimnißvollen Ton, Einsames Vogelrufen — So war es immer schon. Noch einmal schauert leise Und schweiget dann der Wind: Lebendig werden die Stimmen, Die über der Tiefe sind. Octoberlied Der Nebel steigt, es fällt das Laub; Schenk' ein den Wein, den holden! Wir wollen uns den grauen Tag Vergolden, ja vergolden. Und geht es draußen noch so toll, Unchristlich oder christlich, Ist doch die Welt, die schöne Welt, So gänzlich unverwüstlich! Und wimmert auch einmal das Herz, — Stoß an und laß es klingen! Wir wissen's doch, ein rechtes Herz Ist gar nicht umzubringen. Der Nebel steigt, es fällt das Laub; Schenk' ein den Wein, den holden! Wir wollen uns den grauen Tag Vergolden, ja vergolden! Wohl ist es Herbst; doch warte nur, Doch warte nur ein Weilchen! Der Frühling kommt, der Himmel lacht, Es steht die Welt in Veilchen. Die blauen Tage brechen an; Und ehe sie verfließen, Wir wollen sie, mein wackrer Freund, Genießen, ja genießen! Das Kind im Walde Hier an der Bergeshalde Verstummet ganz der Wind; Die Zweige hängen nieder, Darunter sitzt ein Kind. Sie sitzt im Thymiane, Sie sitzt in lauter Duft; Die blauen Fliegen summen Und blitzen durch die Luft. Es steht der Wald so schweigend, Sie schaut so klug darein; Um ihre braunen Locken Hinfließt der Sonnenschein. Der Kuckuck lacht von ferne, Es geht mir durch den Sinn: Sie hat die goldnen Augen Der Waldeskönigin. Frauenhand Ich weiß es wohl, kein klagend Wort Wird über deine Lippen gehen; Doch was so sanft dein Mund verschweigt, Muß deine blasse Hand gestehen. Die Hand, an der mein Auge hängt, Zeigt jenen feinen Zug der Schmerzen Und daß in schlummerloser Nacht Sie lag auf einem kranken Herzen. Lied des Harfenmädchens Heute, nur heute Bin ich so schön; Morgen, ach morgen Muß Alles vergehn! Nur diese Stunde Bist du noch mein; Sterben, ach sterben Muß ich allein. Abseits Es ist so still; die Haide liegt Im warmen Mittagssonnenstrahle, Ein rosenrother Schimmer fliegt Um ihre alten Gräbermale; Die Kräuter blühn; der Haideduft Steigt in die blaue Sommerluft. Laufkäfer hasten durch's Gesträuch In ihren goldnen Panzerröckchen, Die Bienen hängen Zweig um Zweig Sich an der Edelhaide Glöckchen; Die Vögel schwirren aus dem Kraut — Die Luft ist voller Lerchenlaut. Ein halbverfallen niedrig Haus Steht einsam hier und sonnbeschienen; Der Käthner lehnt zur Thür hinaus, Behaglich blinzelnd nach den Bienen; Sein Junge auf dem Stein davor Schnitzt Pfeifen sich aus Kälberrohr. Kaum zittert durch die Mittagsruh Ein Schlag der Dorfuhr, der entfernten; Dem Alten fällt die Wimper zu, Er träumt von seinen Honigernten. — Kein Klang der aufgeregten Zeit Drang noch in diese Einsamkeit. Gottesacker Wer hob dir, seltsam Meer, die grünen Wogen? Was für ein Zauber hat sie festgebannt? Kommt auch ein Schiff auf dir heran gezogen? Sag' an, wie heißt dein Leuchtthurm und dein Strand? „Der Todessturm hob meine grünen Wogen, Sein eis'ger Zauber hat sie fest gebannt; Manch Trauerschiff kommt langsam, still gezogen; Christ! heißt mein Leuchtthurm, Ewigkeit mein Strand.“ Hast du auch Perlen auf dem dunkeln Grunde? „Viel Perlen fallen heiß auf mich herab!“ Und wirft man Anker aus zur guten Stunde? „Der Anker heißet Hoffnung über'm Grab.“ „Die starren grünen Wogen werden beben, Bläst drein der Lebenssturm zu rechter Zeit. — Auch über sie wird sich die Hand erheben, Die einst den See Genezareth bedräut.“ Korb und Wiege Ich wurde früher geboren, Als es die Mutter gedacht; Der Tischler hatte die Wiege Auch noch nicht gebracht, Drum ward in aller Eile Ein Lager mir gemacht Frisch im Champagnerkorbe — Wie haben sie da gelacht! Das hing mir an im Leben, Überall kam ich zu früh, Und einen Platz bereitet Fand ich für mich noch nie. Ich wußte mir aber zu helfen, Oft war's zum Lachen, wie, Und als ich's zu was brachte, Da hieß ich ein Genie. Doch eh' mir das gelungen, Das war ein andrer Fall! Mir ging es ganz erbärmlich So manches liebe Mal, Doch hatt' ich's selbst verschuldet, Sie sagten es auch All', Fand nirgends eine Wiege, Doch Körbe überall. Da wurden denn die Körbe Zuletzt nach meinem Sinn, Und das zu frühe Kommen, Es ward mir zum Gewinn; Drum, wenn ich einst zum Tode Zu früh gegangen bin, So stellt mir statt des Sarges Den alten Korb nur hin! Der Thurmwächter Im Wald bin ich gelegen, Ein armer Jägerknecht, Den edlen Hirsch zu hegen In dunklem Laubgeflecht. Ich hegt' ihn Lenz und Sommer lang, Bis meine schöne Herrin Zu Roß in's Dickicht sprang. Das frischte mein Gemüthe Wohl für das ganze Jahr, Wenn sie in ihrer Blüthe Bei uns zu jagen war. Der Vogel sang sein letztes Lied, Wenn sie zu Herbstes Ende Vom Waldesrande schied. Der Herbst kam wieder balde, Die Herrin nimmermehr; Da trieb's mich aus dem Walde Zu ihrem Schlosse her. Sie gab dieß Horn in meine Hand — Da sitz' ich nun und spähe Von ihres Thurmes Rand. Da sitz' ich nun erhaben Und habe still erspäht Den blonden Edelknaben, Der nächtens zu ihr geht. Sie gab dies Horn in meine Hand — Ich mochte nicht drein stoßen, Es wär' ihr nur zur Schand'. Sie mag sich still erfreuen Der Arme voll und jung, Doch Osten hellt vom Neuen Die junge Dämmerung; Nun töne, Horn, recht frisch und klar, Die Sichern mag es schrecken, Der Tag droht mit Gefahr. Liegt Jemand wo verborgen, Der hebe sich bei Zeit, Daß er am lichten Morgen Sein Säumen nicht bereut! Schon regt sich's über Berg und Thal — O weh, mein Herz im Busen — Schon singt Frau Nachtigall. Hielt ich die Schlüssel in Händen Wohl von des Tages Thor, Ich wollt' es lieblich wenden, Ich ließ ihn nicht hervor. Ich würfe sie in den tiefen Rhein — O weh, mein Herz im Busen — Zu Lieb' der Herrin mein. O du warst schön! O du warst schön! Schön war dein Angesicht, Am Himmel ist die Sonne schöner nicht. O du warst schön! O du warst schön! Schön war dein Augenlicht, Am Himmel sind die Sterne schöner nicht. O du warst schön! O du warst schön! Schlank warst du von Gestalt, So schlank ist nicht das braune Reh im Wald. O du warst schön! O du warst schön! Warst meine Rose roth, Nun lilienweiß hat dich gefärbt der Tod. O du warst schön! O du warst schön! Doch schöner keine Zeit, Als da du lagst im weißen Sterbekleid. Da warst du schön! Da warst du schön! So hab' ich nie vorhin Dich lieb gehabt, o meine Königin! Nun ewig schön! Du kennst mich nicht „Wie freut's mich, daß du fröhlich bist, Dein Herz des Grames nun vergißt, Der schwer dich schlug. Die Todten laß in ihrem Grab! Der schmucken Dirnen auf und ab Giebt's noch genug!“ O still, mein Freund! Du kennst mich nicht. Den Himmel sieh im Tageslicht: Er glänzt und lacht; Doch Sonnengold und Himmelblau Vergehn alsbald, dann fällt der Thau In stiller Nacht. Zürne nicht Anmuth gürtet Deine Lenden, Schönheit blüht um deine Glieder, Schultern, die vor Weiße blenden, Ziehen dunkle Locken nieder. Wenn in Deine Zauberkreise Mächtig mich Dein Auge zieht, Zürne nicht, daß ich Dich preise, Hochbeseligte! im Lied. Wenn der junge Frühling wieder Kommt im blumigen Gewande, Läßt er auch durch frohe Lieder Laut verkünden durch die Lande, Daß von Winters Schnee und Eise Drangvoll sich die Erde schied — Zu des Frühlings Ruhm und Preise Singt die Nachtigall ihr Lied! Mit den Füßchen, den behenden, Bist du mir ins Herz gesprungen, Hast mit deinen zarten Händen Meine ganze Kraft bezwungen, Daß ich gerne die Geleise Kalter Bücherweisheit mied: Zürne nicht, wenn ich dich preise, Hochbeseligte! im Lied. Mir das Lieblichste erwähl' ich Anzubeten und zu loben, Wer hier strauchelt, der wird selig, Wer hier fällt, der wird erhoben. Der ist nicht der rechte Weise, Der nicht vor der Schönheit kniet — Zürne nicht, wenn ich dich preise, Hochbeseligte, im Lied. An mein Söhnchen Du prächtig Kind, du frisches junges Leben, Mir geht das Herz auf, wenn dein Auge lacht, Durch dich zu neuem Sein bin ich erwacht — Dank, Dank dem Himmel, der dich mir gegeben. Wie dunkle Wolken sah ich's um mich schweben, Und außer mir und in mir ward es Nacht; Da gingst du auf in ros'ger Morgenpracht, In dir verjüngt sah ich mich selber leben. O möge Gott in Gnaden dich bewahren Vor allem Weh und Leid, das ich erfahren: Er segne dich, mein Kind, mit beiden Händen! Was mir versagt ward, mög' er dir gewähren, Was in mir trübe war, in dir verklären, Was in mir Sückwerk blieb, in dir vollenden! Aufschwung Es weht der Gottesodem Durch Himmel, Erd' und Flur; Haucht aus der Tiefe Brodem Und aus der Höhe Gluth. Läßt Adler hoch sich schwingen, Gespreizte Pfau'n sich bläh'n, Läßt Nachtigallen singen Und Glaubenshähne kräh'n. Schafft Kräfte der Entzweiung, Läßt Thorheit herrschen lang'; Doch giebt auch zur Befreiung Der Weisheit Kraft und Drang. Der Frühling heilt die Schäden, Die uns der Winter schlug; Weisheit spinnt goldne Fäden Aus Thorenwahn und Trug. Du forsche nicht vergebens Nach dieser Schöpfung Sinn: Zieh aus dem Schmerz des Lebens Auch deinen Glücksgewinn. Wie die Nachtigallen an den Rosen nippen Mirza-Schaffy Wie die Nachtigallen an den Rosen nippen, — Sie sind klug und wissen, daß es gut ist! — Netzen wir am Weine unsre losen Lippen, — Wir sind klug und wissen, daß es gut ist! — Wie die Meereswellen an den Felsenklippen, — Wenn das sturmbewegte Meer in Wuth ist — Breche schäumend sich der Wein an unsern Lippen, — Wir sind klug und wissen, daß es gut ist! — Wie ein Geisterkönig ohne Fleisch und Rippen, — Weil sein Wesen eitel Duft und Gluth ist — Zieh' er siegreich ein durch's Rosenthor der Lippen, — Wir sind klug und wissen, daß es gut ist! — Verbittre dir das junge Leben nicht Mirza-Schaffy Verbittre dir das junge Leben nicht, Verschmähe, was dir Gott gegeben, nicht! Verschließ' dein Herz der Liebe Offenbarung Und deinen Mund dem Trank der Reben nicht! Sieh, schönern Doppellohn, als Wein und Liebe, Beut dir die Erde für dein Streben nicht! Drum ehre sie als deine Erdengötter, Und andern huldige daneben nicht! Die Thoren, die bis zu dem Jenseits schmachten, Sie lassen leben, doch sie leben nicht. Der Mufti mag mit Höll' und Teufel drohen, Die Weisen hören das und beben nicht. Der Mufti glaubt, er wisse Alles besser, Mirza-Schaffy glaubt das nun eben nicht! Winternacht Nicht ein Flügelschlag ging durch die Welt; Still und blendend lag der weiße Schnee, Nicht ein Wölklein hing am Sternenzelt, Keine Welle schlug im starren See. Aus der Tiefe stieg der Seebaum auf, Bis sein Wipfel in dem Eis gefror; An den Ästen klomm die Nix' herauf, Schaute durch das grüne Eis empor. Auf dem dünnen Glase stand ich da, Das die schwarze Tiefe von mir schied; Dicht ich unter meinen Füßen sah Ihre weiße Schönheit Glied für Glied. Mit ersticktem Jammer tastet' sie An der harten Decke her und hin. Ich vergess' das dunkle Antlitz nie; Immer, immer liegt es mir im Sinn! Sommernacht Es wallt das Korn weit in die Runde Und wie ein Meer dehnt es sich aus; Doch liegt auf seinem stillen Grunde Nicht Seegewürm noch ander Graus: Da träumen Blumen nur von Kränzen Und trinken der Gestirne Schein. O goldnes Meer, dein friedlich Glänzen Saugt meine Seele gierig ein! In meiner Heimath grünen Thalen, Da herrscht ein alter schöner Brauch; Wann hell die Sommersterne strahlen, Der Glühwurm schimmert durch den Strauch: Dann geht ein Flüstern und ein Winken, Das sich dem Ährenfelde naht, Dann geht ein nächtlich Silberblinken Von Sicheln durch die goldne Saat. Das sind die Bursche, jung und wacker, Die sammeln sich im Feld zu Hauf Und suchen den gereiften Acker Der Wittwe oder Waise auf, Die keines Vaters, keiner Brüder Und keines Knechtes Hülfe weiß — Ihr schneiden sie den Segen nieder, Die reinste Lust ziert ihren Fleiß. Schon sind die Garben festgebunden Und schön in einen Kranz gebracht; Wie lieblich floh'n die stillen Stunden, Es war ein Spiel in kühler Nacht! Nun wird geschwärmt und hell gesungen Im Garbenkreis, bis Morgenduft Die nimmermüden, braunen Jungen Zur eignen schweren Arbeit ruft. Das Kreuz Im dunkeln Tannenwalde Ein Kreuzesstamm sich hebt; Um's morsche Holz das Geisblatt Die zarte Ranke webt. Und wie sie höher klettert, Das hohe Bild umlaubt, Senkt sie die Blüthendolde Auf des Erlösers Haupt. Die Wunden sind vertrocknet, Die Krone sticht nicht mehr; Es blickt in's Frühlingsleben Sein Auge hold und hehr. Und auf des Kreuzes Spitze Ruht eine Nachtigall; Die singt das Lied der Liebe Hinaus in's Weltenall. Lenzweihnacht Kastanie, du Frühlings-Weihnachtsbaum Mit leuchtenden Blüthenkerzen, Welch wunderlichen Mainachtstraum Zauberst du meinem Herzen! Die lind sich lagert auf Hain und Flur Die blumenduftige Mainacht, Mir scheint sie das Wiegenfest der Natur, Der Schöpfung heilige Weihnacht. Und ob auch silbern der Quell vom Stein Der Thau von den Blumen sintert, Es muß ja nicht immer nur Weihnacht sein, Wenn's stürmt und schneit und wintert; Mir ist so weihnachtlich zu Sinn, So will ich denn Weihnacht haben, Ich kenne die Gottgebärerin Und kenne den Jesusknaben. Ich kenne sie, seit die Lerche schwirrt, Verkündigend große Freude, Die allem Volk widerfahren wird, Und weiß ihre Namen beide: Schön Hertha heißt die Jungfrau hold, Zur Heilandsmutter erkoren, Sie hat im Abendsonnengold Den Gottsohn Lenz geboren. Sie hat ihn geküßt viel tausendmal Mit kräuterwürziger Lippe; Sie hat ihn gebettet in's blumige Thal, Das Thal ist seine Krippe; Es kommen, zu schauen das Wunderkind, Die Sippen aus weitester Ferne; Es spenden ihr goldstrotzend Angebind' Die Sonne, der Mond und die Sterne. Die heil'gen drei Könige fehlen zwar, Doch kommen, geleitet vom Maihauch, Die Dichter alle und bringen ihm dar Gesänge voll Myrrhen und Weihrauch, Und an die Hirten ergeht das Lied Der Lerchen und Nachtigallen: Ehre sei Gott und auf Erden Fried' Und den Menschen ein Wohlgefallen. Immer leiser wird mein Schlummer Lieder Immer leiser wird mein Schlummer, Nur wie Schleier liegt mein Kummer Zitternd über mir. Oft im Traume hör' ich dich Rufen draus vor meiner Thür, Niemand wacht und öffnet dir, Ich erwach' und weine bitterlich. Ja, ich werde sterben müssen, Eine andre wirst du küssen, Wenn ich bleich und kalt. Eh' die Maienlüfte wehen, Eh' die Drossel singt im Wald: Willst du mich noch einmal sehen, Komm, o komme bald! Kalt und schneidend Lieder Kalt und schneidend Weht der Wind, Und mein Herz ist bang und leidend Deinetwegen, schönes Kind! Deinetwegen, Süße Macht, Ist mein Tagwerk ohne Segen Und ist schlaflos meine Nacht. Stürme tosen Winterlich, Aber blühten auch schon Rosen, Was sind Rosen ohne dich? Wenn etwas leise in dir spricht Lieder Wenn etwas leise in dir spricht, Daß dir mein Herz ergeben, So zweifle, Holde, nicht, Du leuchtest in mein Leben! Doch nie wirst du von mir begehrt; Wo schönre Sterne funkeln, Sei dir ein Loos bescheert, Ich bete nur im Dunkeln. Ich liebe dich, wie man Musik Und wie man liebt die Rose, Du bist mir, wie ein Blick In's Blaue, Wolkenlose. In Freude nur gedenke mein, Mir aber wird ein Segen Dein Angedenken sein Auf allen meinen Wegen. Denn Glück genug besitz' ich doch, Und wär' mir nichts geblieben Als dieses Eine noch, Ein Herz, um dich zu lieben. Auf einem Eiland möcht' ich wohnen Lieder Auf einem Eiland möcht' ich wohnen Im fernsten, stillsten Ocean, Auf einer Insel milder Zonen, Fern von Europas Noth und Wahn. Die ersten Bäume wollt' ich ziehen, Der Reben und der Ähren Saat, Und mit den ersten Colonien Begründen einen freien Staat. O nichts mehr von den Lorberzweigen Italiens und Griechenlands, Die über Trümmer nur sich neigen, Nur Grüften weihen ihren Kranz. O nichts mehr von den Aschenschichten Geborstner Reiche, Streit auf Streit! Wir haben schon zu viel Geschichten, Zu viel, zu viel Vergangenheit. Dort aber an den holden Küsten Blickt lächelnd in den Lichtazur Die Zeit, ein Kind noch an den Brüsten Der unentweihten Gottnatur. Gesang der Blinden Horch, aus tiefstem Lebensabgrund, D'rin kein Lichtstrahl je hinabtaucht, Sucht die Stimme frommer Blinden Aufzutönen Nach dem Schönen, Im Gesang ein Licht zu finden. Klaglos in der dunklen Wohnung, Wo kein Bild die kahle Wand schmückt, Träumen sie hinab die Stunden Still genügsam, Fromm und fügsam, Und in Eintracht gramverbunden. Lichtlos sitzen sie beim Nachtmahl, Wie die Schatten in der Grabnacht, Keiner Lampe trautes Leuchten Kann der Kranken Nachtgedanken Mit der Hoffnung Thau befeuchten. Niemals können sie sich selig Blick in Blick und liebend ansehn, Nur im Hauch, nur im Berühren Nahen süße Seelengrüße, Wenn sie Hand an Hand sich führen. Steigt vor ihrem Geist die Schöpfung Als ein Tönemeteor auf, Schmerzlich ringen sie nach Bildern, Ihr Entzücken Auszudrücken, Ewiges im Wort zu schildern. Wie ein Sturm der Nacht durchathmet's Ihre Brust in wilder Andacht, Drängt ihr Herz ein Wonnetoben Auszuweinen Vor dem Einen, Den auch Sterne tönend loben. Lied im Süden Sonnenuntergang. Lautlos ruhen Säulengang Und verlassne Marmorbäder, Wo den stillen Weg entlang Noch antiker Wagenräder Furchen trägt der Lavastein. Roth im Abendschein Wirft der Ölwald längre Schatten Längs der braunen Felsenplatten Um den Bergabhang — Sonnenuntergang. Abenddämmerung. Blumen athmen wieder jung! Und in uns erblühn die weißen Rosen der Erinnerung. Könnt' ich sie verwelken heißen? Schnell im Süden kommt die Nacht, Flüchtig ist die Macht Deines schwärmerischen Glückes, Wie die Flammen eines Blickes Voll Begeisterung, Abenddämmerung. Sommermitternacht. Nur noch die Cicade wacht, Ringsum ruhn die dunkeln Thäler. Unter alter Tempelpracht, Wo gestürzte Capitäler Meine Kissen, wo mein Haupt Lorber selbst umlaubt, Sollt' ich's nicht gestehn im Liede, Wie dein tiefer, stiller Friede Ganz mich glücklich macht, Sommermitternacht? Mondaufgang Ferne blasse Blitze sprühen Leuchtend durch die schwüle Luft, Und der Blumen erstes Blühen Haucht im allerstärksten Duft Nachtigallen in trunk'ner Lust, Fluthen im Springquell heben die Brust, Östlich am Äther entdämmert ein Glühen. Dunkler wird's im Schattenreiche, Hoher Bäume Wipfelgold, Bergesklüfte, tiefe Teiche Zittern lichter. Blond und hold Neigt sich herüber das Mondgesicht, Lieblich, ein schlafendes Sonnenlicht, Glänzend in ruhiger Bleiche. Und wie einst in Delphi's Hainen, Wie an Isis Tempelthor, Tönend noch in Baum und Steinen, Flüsternd noch in Laub und Rohr, Ringt die Natur nach lebendigem Wort, Möchte mit uns auch wieder wie dort Leben und reden und jauchzen und weinen. Ach, verstummt ist ihre Lippe, Fern am tauben Himmel ziehn Die entseelten Thiergerippe Leerer Sternenbilder hin! Welch' ein Geheimniß umschleiert den Pol? Was, uns zu klagen verworren und hohl, Murmelt der Sturm und die Fluth an der Klippe? Nicht mehr weckt aus Felsenschranken Nymphenchor und Elfentanz Über Fluth und Epheuranken, Bleiches Licht, dein Mythenglanz; Wandle dahin in erloschener Pracht, Klagende Seele der einsamen Nacht, Deine Geschlechter versanken! Madeira Madeira blaut, vom Ocean umschrieben, Zuerst entdeckt von einem Liebespaare, Das Vaterfluch vom heimischen Altare Auf leichtem Kahn durch's wilde Meer getrieben. Hier starben sie, die schönen Leichen blieben Bewacht von Elfen auf umblühter Bahre, Bis neue Colonien spätrer Jahre Den Hain der Liebenden in Trümmer hieben. Erzürnt erhob ein Waldbrand seine Flügel, Die ganze Insel ward zum Aschenhügel, Und aus der Asche wieder sproßten Reben. So ward ein Becher jetzt das Felsgesteine, Madeira ward ein Becher edler Weine, Worin noch jener Liebe Küsse beben. Der schwarze Tod Erzittre Welt, ich bin die Pest, Ich komm' in alle Lande Und richte mir ein großes Fest; Mein Blick ist Fieber, feuerfest Und schwarz ist mein Gewande. Ich komme von Ägyptenland In rothen Nebelschleiern, Am Nilusstrand im gelben Sand Entsog ich Gift dem Wüstenbrand Und Gift aus Dracheneiern. Thalein und aus, bergauf und ab, Ich mäh' zur öden Haide Die Welt mit meinem Wanderstab, Ich setz' vor jedes Haus ein Grab Und eine Trauerweide. Ich bin der große Völkertod, Ich bin das große Sterben: Es geht vor mir die Wassernoth, Ich bringe mit das theure Brot, Den Krieg thu' ich beerben. Es hilft euch nichts, wie weit ihr floh't, Ich bin ein schneller Schreiter, Ich bin der schnelle schwarze Tod, Ich überhol' das schnellste Boot Und auch den schnellsten Reiter. Dem Kaufmann trägt man mich in's Haus Zugleich mit seiner Waare; Er freut sich hoch, er lacht beim Schmaus, Ich steig' aus seinem Schatz heraus Und streck' ihn auf die Bahre. Mir ist auf hohem Felsvorsprung Kein Schloß zu hoch, ich komme: Mir ist kein junges Blut zu jung, Kein Leib ist mir gesund genung, Mir ist kein Herz zu fromme. Wem ich nur schau in's Aug' hinein, Der mag kein Licht mehr sehen; Wem ich gesegnet Brot und Wein, Den hungert nur nach Staub allein Den durstet's, heimzugehen. Im Osten starb der große Chan, Auf Indiens Zimmet-Inseln Starb Negerfürst und Muselmann, Man hört auch Nachts in Ispahan Bei'm Aas die Hunde winseln. Byzanz war eine schöne Stadt Und blühend lag Venedig, Nun liegt das Volk wie welkes Blatt, Und wer das Laub zu sammeln hat, Wird auch der Mühe ledig. An Nordlands letztem Felsenriff In einen kleinen Hafen Warf ich ein ausgestorbnes Schiff, Und alles was mein Hauch ergriff, Das mußte schlafen, schlafen. Sie liegen in der Stadt umher, Ob Tag und Monde schwinden; Es zählt kein Mensch die Stunden mehr, Nach Jahren wird man öd' und leer Die Stadt der Todten finden. In dem Dornbusch blüht ein Röslein Lieder In dem Dornbusch blüht ein Röslein, Ist ein' Lust, es anzusehn! Wollt es pflücken, Mich zu schmücken, Doch der Dorn läßt's nicht gescheh'n. Sang ein Vöglein in den Lüften, Klang der Sang mir in's Gemüth: „Willst du brechen, Laß dich stechen, Ohne Dorn kein Röslein blüht“. Lieber Schatz, sei wieder gut mir, Lieber Schatz, leg' ab dein' Zorn: Immer Schmollen, Immer Grollen, Für ein' Ros' wär's zu viel Dorn. Sechs Groschen und drei Dreier Lieder Sechs Groschen und drei Dreier, Und das ist all mein Geld, Und schlägt doch Keinem freier Das Herz auf dieser Welt. Daß alle meine Gedanken, Ich geh' so oder so, Süß Lieb, dein Herz umranken, Das macht mich allzeit froh. Mein Reichthum, Ruhm und Ehre, Mein Ringen, meine Ruh, Und was ich je begehre, Mein Gut und Glück bist du. Doch wenn du dir verweinest Die hellen Äugelein, Süß Lieb, eh du's vermeinest, Stell' ich mich wied'rum ein. So lang sind keine Meilen, Daß meine Gedanken nicht Zu dir hinüber eilen Und küssen dein Gesicht. Süß Lieb, und nicht verzage, Rasch ist der Weg gemacht, Und komm ich nicht bei Tage, So komm ich über Nacht. Wallen die Wogen Wallen die Wogen auf und ab, Keine doch geht verloren; Sank der Vater mir in das Grab, Ward mir ein Sohn geboren. Wallen die Wogen auf und ab, Nimmer und nimmer sie stocken: Wächst das Moos auf des Vaters Grab, Wachsen dem Knaben die Locken. Abends, wenn die Kinder mein Abends, wenn die Kinder mein Mit der Mutter beten, Pfleg' ich an ihr Kämmerlein Still heranzutreten. Leise lausch' ich an der Thür Ihrem Wort von ferne; Ob sich's gleiche für und für, Hör' ich doch es gerne. Und wenn Alles nachgelallt Mägdelein und Bube, Wenn das Amen leis' verhallt, Tret' ich ein zur Stube. Wenn sie dann so lieb und warm Gute Nacht mir nicken, Mit dem weichen Kindesarm Mich zum Kuß umstricken — O, dann muß im Kämmerlein Wohl mein Herz sich regen: Linde strömt es auf mich ein Wie ein Abendsegen! Gottessegen siebenfach Gottessegen siebenfach Ist herab gekommen; All mein enges Wohngemach Hat er eingenommen. Mägdlein drei und Knaben vier — Sieben blühende Reiser! Schön'rer Stammbaum grünte schier Selten einem Kaiser. Knaben vier und Mägdlein drei — Sieben schwellende Ranken! Und sie regen sich frisch und frei, Keine siechen und kranken. Send', o Sonne, den hellsten Schein Nieder auf die Lieben, Daß sie wachsen und gedeihn', Meine blühenden Sieben! Gönn', o Erde, den freiesten Raum Allen zum Entfalten, Daß sie reihen sich, Baum an Baum, Um den Stamm, den alten! Des alten Dessauers Gebet Weise des „Dessauer-Marsches“ Das war der alte Leopold, Der Dessauer geheißen: Ich denke, daß Ihr Preußen Ihn kennen sollt! Es wird ihn Keiner schelten Um seinen Zopf und Hut: Gebetet hat er selten, Doch kurz und gut! Bei Kesselsdorf wohl vor der Schlacht Da ritt er auf und nieder: Es stehn der Preußen Glieder In Kriegespracht. Da hielt er seinen Schimmel Und betet' sonder Spott, Den Blick empor zum Himmel: „Hilf, Herre Gott!“ „Hilf, Herre Gott! Und soll ich nicht Dich haben heut' zum Freunde, So hilf auch nur die Feinde, Die Schurken, nicht!“ — Dann rückt' er seine Krempe Sich in die Augen barsch, Da zog er seine Plempe, Und — Vorwärts Marsch! Und gnädig Gott vom Himmel sah Herab zum alten Helden: Was soll ich lange melden, Was dort geschah! Wie liefen im Getümmel Die Feinde mit Geschrei! Es stand der Herr im Himmel Den Preußen bei! Und wenn die Schlachtkarthaune grollt Und knattern die Musketen, Dann laßt uns Preußen beten, Wie Leopold! Und wenn der Herr nur droben Sich wider uns nicht stellt, So stehen wir dem Toben Der ganzen Welt! Rococo Fürwahr, ich liebe sie, die stolzen Avenüen, Die Masken, die ihr Naß in weite Muscheln sprühen, Indeß der Strahl empor aus Tritons Backen steigt; — Das Buchen-Labyrinth, Alleen ohne Ende, Geschnitten nach der Kunst, in deren grüne Wände Der alten Bäume Laub wie ein Gewölk sich neigt. Die Schlösser lieb' ich auch — die seltsamen Facaden, Mit Statuen, Festons und Muschelwerk beladen, Auf die das Schieferdach mit schwerer Masse drückt; — Die Essen hoch und schlank, die ausgeschweiften Giebel, — Die Rampen ab und auf, — die Reihen mächt'ger Kübel, Drin der Orangenbaum mit Blüth' und Frucht sich schmückt. Doch nicht bei Sonnenschein, noch bei des Frühlings Wehen, Wo Alles sich verjüngt, was kann, mag ich sie sehen: Dann lächeln sie frivol, verbuhlten Alten gleich, Die ihrer Runzeln Gelb mit Blüthenfarben decken; Doch kann die Schmink', es kann das Lächeln nicht verstecken, Was ihnen Zeit gethan mit manchem Sensenstreich Nein, nicht bei Frühlingswind und nicht im Sonnenscheine, — Am späten Nachmittag, im Herbst mag ich alleine Durch die verfallne Pracht mit meinen Träumen gehn. Wenn welkes Laub hintanzt in Gängen und auf Treppen, Und niedrig drüber hin die düstern Wolken schleppen, Dann träum' ich sie mir jung, dann sind sie wieder schön. Dann reden sie mit mir von ihren guten Tagen; Sie beichten manche Schuld, mit Reu' — und mit Behagen: Denn eine sünd'ge Zeit, voll Trug und Schimmer war's! Ein Märchen nur war Treu', ein Spielzeug war die Ehre; Doch siegreich lächelte die Göttin von Cythere, Und manch' bepudert Haupt umkränzt' Apoll und Mars. Dann mein' ich wieder auch die blanken Prachtkarossen, Die Damen hochfrisirt, die zierlich drin verschlossen, Wie eine heil'ge Pupp' im gold-krystallnen Schrein, — Ich meine sie zu sehn! Die Isabellenpferde, Die Mähne bandgeschmückt — kaum rühren sie die Erde! — Die Pagen auf dem Tritt, bedeckt mit Stickerei'n! Der Läufer fliegt voran mit Blumenhut und Schürze, Als ob von Iovis Thron Merkur sich eilig stürze; Der Schweizer salutirt mit goldbefranztem Speer. Es drängen — eine Schaar erwachs'ner Amoretten — Die Cavalier' in Seid', in Puder und Manschetten Sich um den Wagenschlag der Huldgöttinnen her. Nun wandeln seh' ich sie dort zwischen den Orangen: Der schwere Damast rauscht, es flattern die Fontangen, Auf hohen Schuhen schwankt's, ein wandelnd' Malvenbeet. Ein Neger trägt den Mops, den Schirm nach Japans Mode, Und lispelnd declamirt die neu'ste Liebesode Im schwarzen Mäntelchen ein geistlicher Poet. Welch' blitzende Bonmots! Welch' Lachen und welch' Kichern! Welch' schmachtend' Girren dort, welch' Schwören und Versichern! — Der Herbstwind rauscht um mich und streut das braune Laub. Verschwunden Lust und Pracht! Der Abend senkt sich dichter: Kein Leben rings, als meins! Im Schlosse keine Lichter! — Und Alles, was gelebt und leben wird, ist Staub! Einer jungen Samariterin Du liebes Mädchenangesicht Mit unschuldvollen Zaubermienen, Du weißt es nicht und ahnst es nicht, Wie doppelt schön du mir erschienen, Als ich dich sanft und engelgleich Gesehen dort an fremder Stätte, Wo bei den Armen, krank und bleich, Du saßest an dem Leidensbette! Wie hoch dich auch das Glück gestellt, Das lächelnd stand an deiner Wiege, Du willst auf einem andern Feld Erkämpfen hehre, heil'ge Siege. Nun reizt und locket eitler Tand Dein großes, schönes Herz vergebens, Denn früh dem Höhern zugewandt Hat sich der strenge Ernst des Lebens. Magst nicht im leeren Freudenrausch Vertändeln deines Lenzes Tage, Und statt der glatten Worte Tausch Vernimmst du lieber fremde Klage. Die Wittwe schirmest du vor Frost Und pflegst den elternlosen Knaben, Bringst Sterbenden noch milden Trost, Die weiche Hand voll Liebesgaben. Verstandst du auch des Armen Blick, Als du zum Gehen dich gewendet? Den Glauben gabst du ihm zurück, Daß Gott noch immer Engel sendet. Du liebes Mädchenangesicht Mit unschuldsvollen Zaubermienen, Du weißt es nicht und ahnst es nicht, Wie doppelt schön du mir erschienen! Abend am Strande Die Sonne sank, ich war allein am Strande Und blickte lange in des Himmels Gluth, Nach jenen Wolken, welche auf die Fluth Herniedersanken, blau mit goldenem Rande. Sanft wallten die Gewässer auf und nieder Und plätscherten mit weißem Flockenschaum, Als spielten sie halb wachend, halb im Traum, Und summten leise süße Schlummerlieder. Dann blickte scheidend noch die schöne Sonne Auf all die Pracht halb aus der Fluth hervor, Ein selig Flüstern schauerte durch's Rohr — Dann Alles eine stille, große Wonne. Doch mich durchdrang ein tiefes, heißes Sehnen, Gar wunderweh zu Muthe wurde mir, Und meine Seele flog zu dir, zu dir, Und meine Augen füllten sich mit Thränen. So hab' ich still den schönen Strand verlassen; Zu groß war solche Schönheit, solche Lust Für eine einz'ge arme Menschenbrust, Und nur mit dir vereint könnt' ich sie fassen. Dichterherz Sag', du mein Herz, willst du die Blume sein, Die einsam dort und selig blüht am Rain? Sag', oder willst du sein der Falter bunt, Der küssend schwärmt von Blumenmund zu Mund? Willst du am Himmel sein der Sonnenball, Erleuchtend und erwärmend rings das All? Sag', oder willst du wie die Lerche sein, Die klingend in den Himmel fliegt hinein? Sieh, Herz mein Herz! die ganze Welt ist dein, Und was du willst, das kannst du drinnen sein! In der Bucht Es hüllt der dunkle Wald uns ein; Die Ruder plätschern matt und leise; Kaum, daß von oben noch herein Der Mond bescheint die stille Reise. Die Blume träumt in stiller Pracht, Es singen leis die schönen Frauen — Wer möchte wohl nach solcher Nacht Noch wünschen, je den Tag zu schauen! Abendgruß Von der Stadt der ferne Hall Wie ein leises leises Läuten, Ist's ein Gruß von denen all, Die sich drüben mit mir freuten? Stilles Dörflein, lasse du Deine Glocken sanft entgegnen, Daß in milder Abendruh Ich sie Alle möchte segnen. Harfners Töchterlein Mein Leben ist ein dürres Blatt, Das flattert in dem Winde; Wen alle Welt verlassen hat, Der wandert gar geschwinde. Wie hell erglänzt die ferne Stadt, Wie fremd dem armen Kinde! Ich eile weiter wie ein Blatt, Das flattert in dem Winde. Und halt' ich still, so wandermatt, Kein Mund grüßt mich gelinde Und spricht: Fahr' wohl, du armes Blatt, Das flattert in dem Winde! Weit, weit ist keine Ruhestatt, In der ich Frieden finde; Mein Leben ist ein dürres Blatt, Das flattert in dem Winde. Der See Der See verschlief, er träumt so tief, Das Schilf wagt nicht zu wanken; Nur Fischlein ziehn im Grunde hin, Wie leise Traumgedanken. Doch plötzlich bricht der Sonne Licht Durch flammende Wipfel nieder; Der See erwacht, er öffnet sacht Die feuchten Augenlider. Lied O Röslein schön und jugendlich Auf deinem Dornenreise! Gleich einer Biene schwebt um dich Mein Lied und flüstert leise: Ich liebe dich mit Weh und Lust, Du Blume meiner Schmerzen! Die Rose trag' ich an der Brust, Und ach! den Dorn im Herzen. Der Todesengel singt Der Abend kommt, der Tag entwich, Die Schatten wehn und weben: Schon wächst ein langer Schattenstrich Dir langsam über's Leben. Gemach versinkt im Dämmerschein Gebirg und Thal und Feld und Hain — Schlaf, müdes Herz, schlaf ein! Und Lust und Leid, dir wohlbekannt, Verlassen den Genossen; Und Alles, was du dein genannt, Ist wie in Duft zerflossen. Wie war der Tag voll heißer Pein, Wie nahn die Sterne mild und rein — Schlaf, müdes Herz, schlaf ein! Am Himmel flammt die letzte Gluth Und flackert trüb' und trüber! Es haucht der Wind, es rauscht die Fluth, Und Alles ist vorüber. Die Nacht bricht wie ein Meer herein, Du wiegest auf den Wellen sein — Schlaf, müdes Herz, schlaf ein! Ein Blick Ich kenn' ein Aug' und einen Blick, Die sind so lieb und hold und gut; Wie dankbar segn' ich mein Geschick, Daß solch ein Blick Manchmal in Gnaden auf mir ruht. O wüßte sie, wie wohl er thut, Wie er zerstreuet jedes Leid, Wie er mir höhet Herz und Muth, Sie ist so gut, Sie säh' mich an zu jeder Zeit. Er tauchet nicht in Trunkenheit, Wie alter oder neuer Wein, Er giebt so stille Freudigkeit, Wie Maienzeit, Wie Blumenduft, wie Mondenschein. Und Alles scheint ein Wahn zu sein, Was bis zur Stunde Unglück hieß; Du blickst in dieses Aug' hinein Und kehrest ein In dein verlornes Paradies. O daß mein Leben, holder Blick, Hinflösse stets in deiner Hut — Doch dankbar segn' ich mein Geschick, Daß solch ein Blick Manchmal in Gnaden auf mir ruht. Die Regentropfen Ein Regentropfen sprach Zum andern Regentropfen: Möcht' wissen, warum wir An dieses Fenster klopfen. Der andere Tropfen sprach: Hier wohnt ein Kind der Noth, Und dem verkünden wir: Es wächst, es wächst das Brot. Gebet auf den Wassern Die Nacht ist hehr und heiter, Das Land ist weit, wie weit! Es ruht das Meer in breiter, Smaragdner Herrlichkeit. Mir ist zu Muth, als schliefe Der Woge Grimm und Macht, Und schwebte über der Tiefe Der Herr durch die heilige Nacht. Mir ist, als müßt' ich zur Stunde Hinsinken tief und jäh Zum grünsten Meeresgrunde, O Herr, vor deiner Näh'! Mir ist, als müßte hoch über Mir ruhn die feuchte Gruft, Und dieses Lied darüber Weben als Morgenluft. Ein letzter Blick O wenn du gehst, dann bin ich allein, Sieh noch zurück einmal! Ein letzter Blick nur sei noch mein, Ein letzter wärmender Strahl. Sieh, wenn am Abend die Sonne versinkt, Vergoldet sie Wald und Fluß, Und auf den Bergesstirnen blinkt Ihr rosiger Scheidegruß. Und morgen wieder die Nacht ihr weicht, Hold küßt sie Berg und Thal, — Ich aber sehe dein Auge vielleicht, Vielleicht zum letzten Mal. Wandel und Dauer Milde Zephyrwinde, Reiche Blumenzier, Nehmt der Schwermuth Binde Von den Augen mir! Laßt die grünen Auen In dem Lenzeskleid Wiederum mich schauen Wie in alter Zeit! Sind der Blumen Farben Nicht so üppig mehr? Neigen sich die Garben Wieder segenschwer? Sind des Waldes Sänger Aller Töne bar, Jubeln sie nicht länger Wie vor Tag und Jahr? Wölben nicht die Lauben Sich zum Siegesthor? Blinken nicht die Trauben Aus dem Grün hervor? Hüpfen nicht die Quellen Über Kies und Sand? Wandern nicht die Wellen Wohlgemuth durchs Land? Du nur, du bist älter In dem Lauf der Zeit, Und dein Aug' schaut kälter Auf die Herrlichkeit. Du nur siehst mit andern Blicken in die Welt, Die beim steten Wandern Jugendfrisch sich hält. Dahin! Dahin, dahin, sie kehrt nicht wieder, Der Jugend Zaubermacht, so süß! Ein Traum, zieht sie durch unsre Lieder, Ein frühverlornes Paradies. Dahin, dahin! Verrauscht, verschwunden! O, nehmt mir Alles: Reichthum, Glück! Gebt nur der Jugend goldne Stunden, Gebt eine einz'ge mir zurück! Rolands Knappe Wer weist mich wieder auf den Weg? Ich bin im Walde verirrt, Und mir ist's, als ob das Herz mir bräch', Wenn die wilde Taube so girrt. Eine Jungfrau kam aus dem blühenden Schleh'n, Am Busen Gelbveigerl und Myrt', Und mir ist's, als müßt' ich vor Sehnen vergehn, Wenn die wilde Taube so girrt. Sie hauchte mich an — o der Morgen! der Duft! Ach, ach, wie mir's eigen wird. Und mir ist's, als versetzt' mir's noch jetzt die Luft, Wenn die wilde Taube so girrt. Ihr Gruß — wie dem armen Gefangnen das Wort, Dem der öffnende Riegel klirrt, Und mir ist's, als nimmt mir's die Seele mit fort, Wenn die wilde Taube so girrt. O den Epheuzweig, den um's Haupt sie mir wand! Mir flockt's vor den Augen und flirrt, Und mir ist's, als rief' mir's aus fern, fernem Land, Wenn die wilde Taube so girrt. Ach, ach, wer weist mir nun wieder den Weg? Ich bin im Walde verirrt, Und mir ist's, als ob das Herz mir bräch', Wenn die wilde Taube so girrt. Im Freien O Glück des Daseins in der freien Luft! Wie weiten plötzlich sich des Denkens Schranken, Wie überbrücken Abgrund sich und Kluft, Wie läutern sich, wie wachsen die Gedanken! Gesundheit weht entgegen uns der Wind, Er ladet ein zu tiefem Athemholen, Er bringt in regen Fluß, was stockend rinnt, Bläst helle Gluth aus halb verglimmten Kohlen. Froh hebt die Brust sich, neuer Kraft bewußt; Verscheucht sind Gram und Stuben-Grübeleien; O wunderbar verjüngte Daseinslust Auf Wies' und Feld, im Freien, ach im Freien! Abends am Meere O Meer im Abendstrahl, An deiner stillen Fluth Fühl' ich nach langer Qual Mich wieder fromm und gut. Das heiße Herz vergißt, Woran sich's müd gekämpft, Und jeder Wehruf ist Zur Melodie gedämpft. Kaum daß ein leises Weh Durchgleitet das Gemüth, Wie durch die stumme See Ein weißes Segel zieht! Heimweh Oft durch die junge Seele schwinget Ein Ton so fremd und so bekannt, Der Sehnsucht Alphorn ist's, das klinget Aus meiner Jugend Hirtenland. O dunkler Strom voll wilder Klagen, O Kranich, der dort fernab fliegt, Könnt ihr dem müden Wandrer sagen, Wo seine schöne Heimath liegt? Das Heimathland so grün und sonnig, Wo meine schöne Hirtin sang, Wo mir der Born des Lebens wonnig, Ein Quell aus frischem Moose, sprang. O Land der sanften Nachtigallen, Verlornes Jugendparadies, Daß ich aus deinen grünen Hallen Erbarmungslos mich selbst verstieß! Als hätt' ich einen Mord zu tragen, Irr' ich umher, verfehmt, verbannt, Des Kummers Mantel umgeschlagen, Und such' mein altes Heimathland. Umsonst ruft leis', und leiser immer Des Alphorns Tönen mich zurück; Die Welt ist weit! Ich find' euch nimmer, Verlorne Jugend, todtes Glück! Nachtwache der Liebe Nachtwache der Liebe, du Sabbat im Herzen, Du singende, herzenverjüngende Zeit, Du Weihnacht bei duftigen, luftigen Kerzen, Sei ewig und ewig gebenedeit! Ein Wandeln im Schatten wildrauschender Palmen, Ein Schaukeln im Kahne in träumender Ruh, Ein Beten im Dome bei hallenden Psalmen, Nachtwache des liebenden Herzens, bist du! Sie schloß mich an sich mit den blühenden Armen, Sie haucht' mir in's Ohr ein unsterbliches Wort — Ich kniete und flehte: O habe Erbarmen, Und küss' mir die zagende Seele nicht fort! Nun wandl' ich im Dämmerlicht blühender Bäume, Ich fasse der Nachtigall Jubel und Schmerz, Ich zähle die Sterne, ich wache und träume — Ein schwebender Stern ist mein seliges Herz. Nachtwache der Liebe, du Hoffen und Wähnen, Du Sabbat im Herzen, du heilige Zeit, Du Seligkeit nächtig verrinnender Thränen, Sei ewig und ewig gebenedeit! Einsamkeit Daß ich dein auf ewig bliebe, Tiefes, felsumschloss'nes Thal, Traurig-schön wie unsrer Liebe Tiefe hoffnungsvolle Qual! Tannen schauern an den Wänden, In der Schlucht der Bergstrom tos't, Winkt als wie mit weißen Händen: Komm, o komm und trinke Trost! Und ich schleiche um die Föhren, Horche auf der Wasser Gang, Glaube immer noch zu hören Deinen schmerzlichen Gesang. Jenes Lied voll Qual und Beben, Das die Seele mir umspann, Von dem Herzen, das nicht leben, Ach, und doch nicht sterben kann! Rausche fort, du wild Gewässer, Überschrei' des Herzens Noth — Nie geboren wäre besser, Aber gut auch wär' der Tod! Ich hab' ein treues Herz gefunden Ich hab' ein treues Herz gefunden, So wird auch treu das Glück mir sein, In guten und in bösen Stunden War ich mit Lust und Schmerz allein. Jetzt wird dein liebes, stilles Walten, Mein Morgen- und mein Abendstern, In Haus und Herz den Frieden halten, Der lang' dem Sehnenden so fern. Der süße Zauber deiner Nähe Schafft mir ein gegenwärtig Glück, Daß ich nicht in die Fernen spähe, Und nicht voraus und nicht zurück, Daß sich das Herz in düst'rem Trauern Nicht in vergangnen Träumen wiegt, Wo hinter den versunknen Mauern Manch eingeäschert Eden liegt. Die Rosen flecht' ich in die Myrten, Und doppelt duftig wird ihr Glanz! Da winkt dem Herzen, dem verirrten, Der Liebe nimmer welker Kranz! Ein ew'ger Zauber hält's gebunden, Es kehrt zu ihm der Frieden ein! Ich hab' ein treues Herz gefunden, So wird auch treu das Glück mir sein! Herbstgefühl Um die Wipfel des Parks dämmert des Mondes Strahl, Tief in Schweigen gehüllt schlummert das Schattenthal. Längst ist mit Blüthen und Liedern der Lenz entflohn; Gelbliche Blätter verstreuen die Winde schon. Saat der Vergänglichkeit, welkes Laub Raschelt im Staub! Und den schimmernden Teich deckt es, ein Leichentuch! So entflatterten welk Blätter dem Lebensbuch, Nahmen den sonnigen Mai aus der Seele mit, Der wie ein rosiger Traum mir vorüber glitt. Jugend, dich zaubert kein Lenz zurück, Dich und dein Glück! Doch ein flatterndes Blatt hasch' ich im irren Flug, Welches seligen Glücks lieblichste Zeichen trug. Denke der Liebe, du rufest den Frühling wach — Über dich breitet er wieder sein blühend Dach, Zaubert den Quell aus des Felsens Schooß, Veilchen in's Moos. Blüthen werfen sich zu Lind' und Orangenbaum; Nachtigall im Gebüsch flötet den süßen Traum. Grüß' ich dich, Stern, der du lieblich dem Abend scheinst? Ach, du begrüßtest den schöneren Morgen einst! Thränen nur spiegeln sein Bild zurück, Ihn und sein Glück! Naturfrieden Hier im stillen Thal an der Bergeshalde, Friedlich rings umkränzt vom verschwieg'nen Walde, Wo das Schilf im Teich, wenn der Abend düstert Träumerisch flüstert; Wo das Mühlrad schweigt vom geschwätz'gen Treiben, Dunkler Epheu klopft an der Mühle Scheiben, Das Gebälk umrankt, bis zum Schindeldache Kletternd vom Bache; Wo versteckt im Grün, das der Abend röthet, Süß die Nachtigall von den Zweigen flötet, Und der Matten Sammt im Gehölz der Birken Blumen durchwirken! Selig hier zu ruhn in beglücktem Frieden, Fern vom Lärm des Tags, von der Welt geschieden; Eine liebe Hand an das Herz zu drücken, Doppelt Entzücken! Fernab zieht Gewog der bewegten Zeiten, Wo die Völker sich um den Lorber streiten, Triumphirend auf die zerstörten Schranken Zeigt der Gedanken. Hier ist kampflos Glück und die alte Wahrheit, Wie die Sonne alt und von gleicher Klarheit. Ewige Gaben sind's, die Natur uns spendet, Allen gesendet! Groß und still ihr Gang, ihr Gesetz ist ehern, Blinden offenbar, wie den größten Sehern! Wieg' und Grab ist sie dem Geschlecht hienieden, Heilig ihr Frieden! Hedwig Hoch droben über'm Walde Da steht auf sonn'ger Halde Einsam das Försterhaus; Dort ging sie unter Bäumen Und sah in stillen Träumen Weit, weit in's duft'ge Land hinaus. Dann wie in tiefem Leide Schritt sie hinab zur Haide, Ihr zahmes Reh voran; Oft stund sie still, zu lauschen Der Wipfel dunklem Rauschen Und fernem Kukuksruf im Tann. Auch hab' ich sie gesehen Allein am Fenster stehen, Von wildem Wein umlaubt; Und kluge Tauben kamen, Die sich das Futter nahmen, Doch sie stund mit gesenktem Haupt. Es schwand auf ihren Wangen Das letzte Rosenprangen Dahin von Tag zu Tag, Bis daß sie auf der Bahre, Den Myrtenkranz im Haare, Fast schöner als im Leben, lag. Bei'm Kirchlein nun im Thale Ruht tief sie unter'm Male, Darauf ihre Name steht. Dort mag ihn der einst lesen, Dem sie so treu gewesen, Und niederknieen zum Gebet. Heimweh Schied auch die Muschel lange schon Vom Meer, das ihre Heimath war — In ihrer Tiefe rauscht ein Ton Wie Meeresheimath immerdar. Und kann auch nie ein Herz zurück Zum Herzen, dran es selig lag — Es singt von dem verlornen Glück Noch bis zu seinem letzten Schlag. Kindesauge Will keine Freude dich erquicken, Verzehrt das Herz dir Gram und Pein, Dann schau mit den umflorten Blicken In deines Kindes Aug' hinein. In seine Tiefen wird versinken Der Erde tausendfaches Leid; Aus ihm wird dir ein Engel winken, Der Friede deiner Kinderzeit. Ob die Freude — Ob die Freude dir im Herzen Still als duft'ge Blume blüht, Ob mit weihevollen Schmerzen Dich ein heil'ges Leid durchglüht: Birg es tief im Heiligthume Deiner Brust vor aller Welt, Wie den Tropfen Thau die Blume Tief im Kelch verschlossen hält. Schwing' dich auf Darfst du mit Trauer und Thränen dich tränken? Sind nicht die trunkenen Tage noch dein! Willst du mit Wehmuth des Winters gedenken? Sendet der Sommer nicht sonnigen Schein? Willst du schon heute vor Bangigkeit beben, Weil uns die flüchtige Freude entflieht? Lächle, du geliebtes Leben, Lustig lockt der Lerche Lied! Hast du das Höchste im Voraus empfunden, Das so allselig die Seele nun füllt? Wurde der Segen der glücklichsten Stunden Nicht von der Gottheit dir immer verhüllt? Muthig erwarte drum, was auch im Schooße Schlummernder Zukunft noch dunkel dir weilt: Alles Schöne, alles Große Wird der Kraft nur zugetheilt! Innere Kraft O pochend Herz, sei stark, sei stark! Bewahre rein des Geistes Mark, Dein Schaffen und dein Lieben! All äußere Pracht und Macht, In bleicher Todesnacht Muß sie zerstieben! Wohl schieden dir viel Brüder! Den sengt der Jugend Gluth, Und jenen riß die Fluth In Glückes Mitte nieder. Drum, pochend Herz, sei hochgemuth! Dein irdisch Sorgen ist nicht gut! Dein Schaffen nur und Lieben, Nur dein Gedanke ist Dein eigen, ob du bist Hier oder drüben. Die Leibeskraft der Erden Wird oft so früh schon alt, Dein Geist nur hat Gewalt Und wird gewaltig werden. Weißt du noch? Weißt du noch, wie ich am Fels Bei den Veilchen dich belauschte, Weißt du noch den Fliederstrauch, Wo der Strom vorüber rauschte? Weißt du noch den Bergespfad, Wo ich um den Strauß dich bat, Weißt du noch? Ach, es war ein süßes Bild, Als du da erröthend standest, Und zur Erde all die Blumen Fielen, die zum Strauß du wandest, Deine liebe kleine Hand Spielte mit dem blauen Band, Weißt du noch? Und es sahen Fels und Strom Dein Erröthen und dein Beben, Sahen auch den ersten Kuß, Halb genommen, halb gegeben! Und des Himmels goldner Strahl Überflog Gebirg und Thal, Weißt du noch? Noch ist die blühende goldene Zeit Noch ist die blühende goldene Zeit, O du schöne Welt, wie bist du so weit! Und so weit ist mein Herz, und so blau wie der Tag, Wie die Lüfte, durchjubelt von Lerchenschlag! Ihr Fröhlichen, singt, weil das Leben noch mait: Noch ist die schöne, blühende Zeit, Noch sind die Tage der Rosen! Frei ist das Herz, und frei ist das Lied, Und frei ist der Bursch, der die Welt durchzieht, Und ein rosiger Kuß ist nicht minder frei So spröd' und verschämt auch die Lippe sei. Wo ein Lied erklingt, wo ein Kuß sich beut, Da heißt's: Noch ist blühende goldene Zeit, Noch sind die Tage der Rosen! Ja, im Herzen tief innen ist Alles daheim, Der Freude Saaten, der Schmerzen Keim. Drum frisch sei das Herz und lebendig der Sinn, Dann brauset, ihr Stürme, daher und dahin! Wir aber sind allzeit zu singen bereit: Noch ist die blühende, goldene Zeit, Noch sind die Tage der Rosen! Wandervögel Ihr Wandervögel in der Luft, Im Ätherglanz, im Sonnenduft, In blauen Himmelswellen, Euch grüß' ich als Gesellen! Ein Wandervogel bin ich auch, Mich trägt ein freier Lebenshauch, Und meines Sanges Gabe Ist meine liebste Habe. Im Beutel rostet mir kein Geld, Das rennt wie ich in alle Welt, Die ganze Welt durchfliegen Ist besser als verliegen. Dem blanken und dem frischen gar, Dem gönn' ich gern die Wanderjahr', Das muß mit all den andern Gleich wieder weiter wandern. Wo mir ein voller Becher blinkt — Den möcht' ich sehen, der mich zwingt, Daß ich das Gottgeschenke Nicht voller Freuden tränke! Beim Schopfe nimm den Augenblick! Das ist mein Spruch, das ist mein Schick. Ich hasse, was da staubig, Nur an das Frische glaub' ich! Aus dem „Tagebuch in Versen“ Sie kamen mit Kränzen, mit rothen und blauen, Im festlichen Haar; — Dein Haupt nur war Des Schmuckes bar, Und war doch am lieblichsten anzuschauen! Sie rauschten im Saal in schimmernder Seide Dem Tage zur Ehr' Voll Stolz einher; Doch zehnmal mehr Gefielst du im weißen, im einfachen Kleide! Sie waren umfunkelt von Perl' und Gesteine; — Du hast's nicht gewollt; Und doch — so hold Ohn' alles Gold, So köstlich wie du war von Allen nicht Eine! Gesang auf den Lippen, am Hütlein den Strauß Lieder Gesang auf den Lippen, am Hütlein den Strauß, Im Herzen lenzwonniges Minnen, In die Welt hinein aus dem dumpfigen Haus — Frau Sorge, sie bleibe hübsch drinnen. Sie berge daheim nur ihr grämlich Gesicht, Ich danke für ihr Geleite, Sonst blühn ja vor Schrecken die Blumen nicht, Der Vogel verstummt, wo ich schreite. Du aber, o Freude, du liebliches Kind Mit den lustig flatternden Haaren: Der Frühling ist da, so komm nun geschwind, Mit mir die Welt zu durchfahren! Das Thal, wo wir uns fanden Lieder Das Thal, wo wir uns fanden, Lag von des Lebens Lärm und Streit So weit abseit; Verschwiegne Veilchen standen In Waldeseinsamkeit, Es schlug der Fink im Baume, Im Blüthenbusch die Nachtigall So wunderlieb mit süßem Schall, Und leise wie im Traume Rauschte der Wasserfall ... Ich zog weltauf und nieder, Ich wanderte seitdem so weit, Allzeit voll Leid — Das Thal seh' ich nicht wieder In aller Ewigkeit. Nur Nachts auf leichten Sandeln, Nur noch ein seltnes, seltnes Mal, Gehüllt in dunkler Sehnsucht Qual, Darf meine Seele wandeln Durch das geliebte Thal. Ich kenn' ein Haus, das ist nur klein Lieder Ich kenn' ein Haus, das ist nur klein Und hat kaum Platz für Gäste, Doch schließt es mehr des Glückes ein Als Schlösser stolz von Marmelstein, Als goldene Paläste. Ich kenn' ein Weib, so engelrein, Das waltet drin auf's Beste; Ihr Arm wiegt sanft ein Kindchen klein, Ihr Auge giebt den Sonnenschein, Ihr Herz schafft sel'ge Feste. O singt's der Welt, ihr Vögelein, Haucht's lind, ihr lauen Weste: Dies Haus, dies Weib, dies Kind ist mein, Kein Menschenherz kann froher sein, Als ich im trauten Neste! Mein Lied und eine Blume Lieder Mein Lied und eine Blume Ist Alles, was ich hab', Das Lied zu deinem Ruhme, Die Blume für dein Grab. Wohl welkt in Herbstes Schauern, Was Blüth' und Blume heißt, Mein Lied soll aber dauern, Wie dein verklärter Geist: Daß dir es sich vermähle, Die du im ew'gen Licht Noch lebest, reine Seele, Ein himmlisches Gedicht. So soll mein Lied denn klingen, So lang' die Sonne scheint Und Nachtigallen singen Und Lieb' um Liebe weint. Trag' es stumm Nicht wag' es zu fluchen, Nicht hadre, nicht rechte, Wenn die ewigen Mächte Dein Haus heimsuchen Im Dunkel der Schicksalsnächte! Des Lebens Räthsel, sein größtes Und ewiglich ungelös'tes, Das war, das ist, das bleibt der Tod Mit seiner Qual, mit seiner Noth, Wenn er die heiligsten Bande zerreißt, Schuldlose Kindlein verwais't, Von Jammer und Thränen unbewegt Die Hand an's Edelste legt. Was nutzt es, mit ewigen Mächten Zu hadern, zu rechten Und zu fragen: Warum? Brich zusammen oder steh', Aber trage dein Weh, Trag' es stumm! Die Schwalbe Ei, du schelmischer, nichtsnutzer Allerliebster kleiner Stutzer, Schwälbchen mit der weißen Weste, Schwarzem Frack und rother Binde, Sprich, zu welchem frohen Feste Schwingst du dich im Morgenwinde? „Widewit! Ich bin gebeten Zu des Lenzes Krönungsfeten, Darum hab' ich es so eilig Und bin nobel, wie gebührlich, Etikette ist mir heilig; Freundchen, dir doch auch natürlich! Willst du mit? Kein Wenn und Aber! Sieh, schon sind die Kandelaber Der Kastanien angezündet, Und vernimm, welch ein Orchester Den Beginn des Fest's verkündet! Komm doch mit! O komm doch, Bester! Ach, der Lenz ist ein gar frommer, Güt'ger Herr gleichwie der Sommer, Doch dem Herbst schlag' ich die Schnippe! Spricht der unwirsch! Spricht der herrisch! Tobt um Haus und Wald und Klippe Wüst und toll, als wär' er närrisch! Drum beim Lenz und Sommer weil' ich, Doch zum warmen Süden eil' ich, Regt ein Hauch sich des Unholden. Alle Welt! Den Tanz begannen Falter schon um Blüthendolden! Widewit! Ich muß von dannen!“ Rothes Laub Rothes Laub rauscht mir zu Füßen, Sonst schweigt Alles um mich her Ahnungsschwer! Von den wundersamen, süßen Waldestönen grüßen Keine hier den Wandrer mehr. Nun sind rings die stolzen Eichen, Ihrer Prachtgewande bar, Eine Schaar Grabesernster Königsleichen; Bange Seufzer schleichen, Wo sonst lauter Jubel war. Und von Ästen schwarz durchgittert Steht der schmuckentblößte Wald Starr und kalt, Und ein Läublein, das zerknittert Noch am Strauche zittert, Raunt mir zu: „Wir folgen bald!“ Alsen Am 29. Juni 1864 He, preußische Jungen, So ist's euch gelungen: Die Perl' ist errungen Des baltischen Meers! Zum Schutz nun dem Norden Pflanzt auf an den Borden, Die unser geworden, Das Banner des Heers! He, Bomb' und Granaten! Fahrt so ihr, Soldaten, Mit Schwimmen und Waten Selbst Meere hindurch! Seid jubelnd gepriesen: Der Welt ist's bewiesen In Tagen gleich diesen, Euch steht keine Burg! Ihr stürmet verwegen Den Feinden entgegen Trotz feurigem Regen Trotz Wasser und Wall, Trotz Hitze, trotz Kälte Hin über die Belte, Als ob's nur so gälte Zu stürmen das All! Hoch Deutschland, das ganze! Euch aber im Glanze Des Sieges zum Kranze Den Lorber um's Haupt! Mag's einst auch gelingen, Den Feind zu bezwingen, Der Elsaß, Lothringen Uns schmachvoll geraubt! Ganz Deutschland! So sei es! Ein einiges, freies! Herr Gott, o verleih' es Und laß es ersteh'n! Die Rosen der Auen Färbt blutiges Thauen —: O, hätt' ich das Grauen Des Tag's hier gesehn? Dein Bild Dein Bild, das fleckenlose, Vor meiner Seele steht, So schön wie eine Rose, So rein wie ein Gebet. In stummer Andacht weil' ich Davor bei Tag und Nacht — Und bin mir selber heilig, Da ich an dich gedacht. Das todte Kind Der Garten war in Schlaf gebannt, Als man das schwarze Tuch gespannt, Es lag der Schnee noch hoch genug, Da man das Kind zu Grabe trug. Nun weh'n die Lüfte wieder lau, Der Himmel leuchtet wieder blau, Der Springbrunn plätschert hin und her: „Wo weilst du, Kindchen?“ plaudert er. Die duft'ge Winde klettert schwank Empor und blickt in's Fenster schlank: „Herzkindchen, wo verbirgst du dich? Die Blumen drunten schicken mich!“ Im Garten summt es weit und breit: „Was hast du für ein Sommerkleid? Komm schnell aus deinem Kämmerlein Und sieh den schönen Sonnenschein!“ Waldtraum Jüngst im Wald, der Sorge los, Schlummert' ich, gestreckt in's Moos. Sieh, was regt sich in der Hecke? Horch, was klimpert im Verstecke? Kinderstimmen, holder Sang, Ein verworrner Saitenklang! Sachte schlich ich zu belauschen Der Gebüsche seltsam Rauschen. Das Gesträuch mit leiser Hand Theilt' ich, bis das Nest ich fand: Kinder rings im Grase sitzend, Mit den hellen Augen blitzend. Rutschend auf dem nackten Knie, Stimmen eine Laute sie. Sagt, was lagert ihr im Runde? Sprecht, was schaffet ihr im Bunde? Aber, auf ihr Werk erpicht, Achten sie der Frage nicht, Bis die Saiten hell erklingen Und sie mir die Laute bringen: „Nimm, du giebst uns viel zu thun, Während dir gefällt zu ruhn; Nimm sie wieder ohne Fehle Deine rein gestimmte Seele!“ Schloß Fragmirnichtnach Wo weiß die Landquart durch die Tannen schäumt, Irrt' unbekümmert ich um Weg und Zeit, Da stand ein grauer Thurm — wie hingeträumt — In ungebrochner Waldeseinsamkeit. Ich sah mich um und frug: „Wie heißt das Schloß?“ Ein bucklich Mütterlein, das Kräuter brach; Da grollte sie, die jedes Wort verdroß: „Fragmirnichtnach.“ Ich schritt hinan. Im Hof ein Brünnlein scholl; Durch den verwachs'nen Thorweg drang ich ein, Des Brunnens kühles Rieseln überquoll Auf einer Gruft den schwarzbemoos'ten Stein. Ich beugte mich nach des Verschollnen Spur, Entziffernd was des Steines Inschrift sprach, Nicht Zahl, nicht Namen — ein Begehren nur: Frag' mir nicht nach! Dörpertanzweise Zu Ehren Heinrichs von Ofterdingen gedichtet „Ich versihe mich niuwer maere, Uns kommt der Stiuraere!“ Kunech Luarin V. Den Finken des Waldes die Nachtigall ruft: „Von Geigenstrich schallt es goldrein durch die Luft, Ihr Zwitschrer, ihr Schreier, nun spart den Diskant, Der Heini von Steier ist wieder im Land!“ Flickschuster im Gaden schwingt's Käpplein und spricht: „Der Himmel in Gnaden vergißt unser nicht, Sohlleder wird theuer, Bundschuh platzt am Rand, Der Heini von Steier ist wieder im Land.“ Schon schwirren zur Linde, berückt und entzückt, Die lieblichen Kinde mit Kränzen geschmückt: „Wo säumen die Freier? Manch' Herz steht im Brand ... Der Heini von Steier ist wieder im Land.“ Und wer schürzt mit Schmunzeln den Rock sich zum Sprung? Großmutter in Runzeln, auch sie wird heut jung ... Sie stelzt wie ein Reiher dürrbeinig im Sand ... Der Heini von Steier ist wieder im Land. Der Hirt läßt die Heerde, der Wirth läßt den Krug, Der Knecht läßt die Pferde, der Bauer den Pflug, Der Vogt und der Maier kommt scheltend gerannt: „Der Heini von Steier ist wieder im Land!“ Der aber hebt schweigend die Fidel zur Brust ... Halb brütend, halb geigend — des Volks unbewußt. Leis knisternd strömt Feuer um Bogen und Hand ... Der Heini von Steier ist wieder im Land! ... Im Gärtlein der Nonnen auf blumiger Höh' Lehnt Eine am Bronnen und weint in den Klee: „O Gürtel und Schleier ... o schwarzes Gewand ... Der Heini von Steier ist wieder im Land!“ Wiedersehen Ich hab' die Jahre nicht gezählt, Seit mich und dich der Sturm verschlug; Ein Leben, dem das Liebste fehlt, Zerfliegt wie flücht'ger Athemzug. Ich glaub', ich hab' viel Zeit versäumt, Ich glaub', ich hab' viel Leid verträumt; Doch alte Liebe rostet nicht, Und Herzog Hans von Brabant spricht: Herba flori fa! Dort ragt, vom Morgenduft umdeckt, Dein Städtlein in das Thal hinaus, Und dort, im grünen Busch versteckt, Das wohlbekannte Erkerhaus. War's auch nur Jugendscherz und Spiel, Mein Herz fand nie ein ander Ziel, Und alte Lieb', die rostet nicht, Und Herzog Hans von Brabant spricht: Herba flori fa! Das du gepflanzt, das Lindenreis, Zum stolzen Baume zweigt es sich, Derweil in fahles Grau und Weiß Die Locke meines Haupts verblich. So gehts, wenn man zur Fremde fährt, Das hat noch selten Heil bescheert; Doch alte Lieb', die rostet nicht, Und Herzog Hans von Brabant spricht: Herba flori fa! Halt' aus, o Herz, noch faß' ich's kaum: Dort winkt sie selber mild und klar — Nichts weiß ich mehr von Zeit und Raum, Da ich von ihr geschieden war; Ich glaub', 's war nur ein Augenblick, Ich glaub', dort winkt mein altes Glück, Und alte Lieb', die rostet nicht, Und Herzog Hans von Brabant spricht: Herba flori fa! Der Ichthyosaurus Es rauscht in den Schachtelhalmen, Verdächtig leuchtet das Meer, Da schwimmt mit Thränen im Auge Ein Ichthyosaurus daher. Ihn jammert der Zeiten Verderbniß, Denn ein sehr bedenklicher Ton War neulich eingerissen In der Liasformation. „Der Plesiosaurus, der Alte, Er jubelt in Saus und Braus, Der Pterodactylus selber Flog neulich betrunken nach Haus. Der Iguanodon, der Lümmel, Wird frecher zu jeder Frist, Schon hat er am hellen Tage Die Ichthyosaura geküßt. Mir ahnt eine Weltcatastrophe, So kann es ja länger nicht geh'n; Was soll aus dem Lias noch werden, Wenn solche Dinge gescheh'n?“ So klagte der Ichthyosaurus, Da ward es ihm kreidig zu Muth, Sein letzter Seufzer verhallte Im Qualmen und Zischen der Fluth. Es starb zu derselbigen Stunde Die ganze Saurierei, Sie kamen zu tief in die Kreide, Da war es natürlich vorbei. Und der uns hat gesungen Dies petrefactische Lied, Der fand's als fossiles Albumblatt Auf einem Koprolith. Brautgesang der Blumen Sie saß allein, der Liebste war weit, Sie träumte von ihrer seligsten Zeit, Wenn endlich erfüllt das heiße Verlangen An ihm mit ganzer Seele zu hangen. Da schmettert die Lerche im Sonnenstrahl, Das schallte so jubelnd von Berg zu Thal, Und die Blumen flüstern ihr heimlich und mild Am klopfenden Herzen, von Liebe erfüllt: „Wenn wir wiederkommen und wieder blühn, Soll die Myrthe mit uns zum Feste ziehn; Sie soll die Krone auf's Haupt dir drücken, Wir wollen den Busen dir bräutlich schmücken! Wenn wir wiederkommen, im Frühlingsschein, Und wieder duften im bunten Verein, Dann küssen wir dich, du liebliche Braut, Die uns mit Thränen der Wonne bethaut.“ Lied Sehnsucht, auf den Knieen Schauest du himmelwärts — Einzelne Wolken ziehen, Kommen und entfliehen, Ewig hofft das Herz. Liebe — himmlisch Wallen Goldener Jugendzeit — Einzelne Strahlen fallen Wie durch Pfeilerhallen In das Leben weit. Einsam in alten Tagen Lächelt Erinnerung; Einzelne Wellen schlagen, Rauschen herauf wie Sagen: Herz, auch du warst jung! — Bei dir! Die Nächte stürmen, doch die Seele singt: Du bist doch mein, Ich habe dich erworben, Und aller Jahre herbe Pein, In diesem Herbst ist sie dahingestorben. Die Stürme brausen, doch die Sehnsucht schweigt, An deiner Brust Ist selig Ruhn und Bleiben — Die Rosen wilder Jugendlust, Sie mögen welk in diesen Stürmen treiben. Die Tage fliehen, doch die Treue bleibt, Still steht die Zeit, Wie auf sich selbst besonnen. Bei dir erlöst von Zeit und Leid Athm' ich die Ewigkeit und ihre Wonnen. Lebensüberfluß Rauschende Bäche quellenden Lebens, Tönet wie Lieder in meine Ruh! Sehet, erfüllt ist's. Nimmer vergebens Schau ich in Sehnsucht den Wellen zu. Draußen in sonnendämmernder Laube Wiegt die holde Geliebte mein Kind. Hoch an dem Dache reift mir die Traube, Goldene Fäden die Parze spinnt. Schwellende Segel auf ruhigen Wogen Bringen mir Gäste, Früchte und Fracht; Meine Auen sind bienenumflogen, Nachtigallen singen bei Nacht. Rauschende Bäche quellenden Lebens, Spült ihr mich fort einst im Wogenschaum, Singen dann will ich: Nicht vergebens Hab ich geträumt den irdischen Traum. Seefräulein Die Wetterwolken, sie steigen Am blauen See empor. — Wellen und Winde, sie schweigen, Schilf und Binsen sich neigen Und lauschen im grünen Moor. Schon werden die Strahlen blasser, Wohin ist die lachende Au? Ein Sturm herpeischt, ein nasser, Wälder und Wolken und Wasser Verschwinden in einem Grau. — Und horch, es kommt gezogen Und heulet heran mit Macht. Weiß schäumend brausen die Wogen, Wildflatternde Möven geflogen Kommen in sinkender Nacht. Das ist die rechte Stunde — Seefräulein fährt vom Traum. Nackt taucht sie aus dem Grunde Und singt mit lachendem Munde Und tanzt im Wellenschaum. Aus dem Hochlande In weltverlorner Felseneinsamkeit Ein steinern Meer — ein Wogenschwall von Blöcken; Hier ward der letzte Riese einst erschlagen Vom Götterzorn mit Felsentrümmern — Nun weidet still der schwindellose Tod Die Gemsen hoch an Bergeslahnen. Nicht Strauch noch Baum erquickt dein Auge In dieser grauen Adlerheimath — Nur fernes Pfeifen tönt von Murmelthieren, Die scheu sich flüchten in die Felsenspalten, Erscheint das seltne Ungeheuer: Mensch. Ein Mensch — doch tiefe Trauer fällt ihn an, Als wär' er einsam hülflos übrig blieben Nach allgemeiner Weltzerstörung. Ein blaues Wunder sind die Menschenstädte, Ein Märchen Frauenschönheit und Gesang. Hier stirbt Erinnrung, stirbt die Stimme selbst, Als wär's gefährlich laut hinauszuschreien, Vielleicht daß Mimer aufwacht und die Drachen Aus tausendjähr'gem Höhlenschlaf, Vielleicht daß Donars Hammer durch die Luft zuckt, Daß Donnerwiederhall abrollend Von tausend Wänden Antwort dröhnt Und leises Seufzen gefangner Ströme Durch hohle Schluchten himmelan fleht, Jetzt sei es Zeit, ihr gewaltigen Asen, Von Neuem eine Menschheit zu erschaffen. Der Flüchtling Mutter, ich komme durch Nacht und Graus, Verfolgt und flüchtig zum Vaterhaus. Mutter, ich komme durch Schnee und Wind — Dein unglückselig verlorenes Kind. Mutter, ich komme — zu ruhen aus Nur eine Stunde im Vaterhaus. Die Häscher folgen, muß weiter fliehn, Meine Füße bluten, meine Schläfe glühn. An deinem Herzen einen Augenblick, Dann ruft mich weiter mein Geschick. Einen Tropfen Wasser, einen Kuß, eh' ich geh! Auf ewig, Mutter, ade, ade! Mein Voigtlandwald Wie ragen die Tannen so hoch und so frisch Auf den Bergen empor, wie rauscht's im Gebüsch, Wie blitzet die Elster im schattigen Hain, Wie schmettern die Vögel so lustig darein! Dich lieb' ich allein, o mein Voigtlandwald, Von Männergesang und Musik durchschallt, Mein grüner, mein herrlicher Voigtlandwald. Inmitten der Forsten, inmitten der Höh'n, Wie blühen und lachen die Thäler so schön; Es klappern die Mühlen am sprudelnden Bach Und rufen vergangene Tage mir wach! O Jugendzeit! O mein Voigtlandwald, Wie hab' ich vordem dich verlassen so bald, Mein grüner, mein herrlicher Voigtlandwald. Vom Auge schimmert die Thräne mir hell, Gedenk ich der Stunde, gedenk' ich der Stell', Wo das himmlische Weib, in geflügeltem Schritt, Auf weißem Zelter vorüber mir ritt; Poesie! Poesie! — O mein Voigtlandwald, Es klingt die Schalmei und das Jagdhorn erschallt, Mein grüner, mein herrlicher Voigtlandwald. Die Männer voll Hochsinn, sie halten am Recht, Die Mütter voll Stolz auf ein blühend Geschlecht, Die Jungfrauen feurig, die Jünglinge stark, Die Mädchen voll Liebe, die Knaben voll Mark, Und die Herzen so treu! O mein Voigtlandwald, Du nährest nicht Menschen in Knechtesgestalt, Mein grüner, mein herrlicher Voigtlandwald. Im Krug an der Straße, da kehren wir ein Bei des Wirthes holdseligem Töchterlein, Sie reichet das Glas mit dem schäumenden Trank Und nicket und blicket! Hab' Dank, o hab' Dank! Thu' dem Landsmann Bescheid! O mein Voigtlandwald, Was übt so ein Äuglein für Zaubergewalt, Mein grüner, mein herrlicher Voigtlandwald. Vom Thurme geleitet der Glocken Gesang In des Sonntags Frühe zum Kirchlein entlang: Und rings um das Kirchlein, — der schweigende Hain Er führt die Müden zum Frieden ein. Dich liebt' ich allein, o mein Voigtlandwald, Sing' du mich zur Ruh', wenn die Harfe verhallt, Mein grüner, mein herrlicher Voigtlandwald! O hätt' ich dich gekannt! O hätt' ich dich gekannt, ein wildes Ding, Ein trotzig Mägdelein von sechzehn Jahren, Eh' noch des Lebens Jammer du erfahren, Eh' noch geschlossen deines Schicksals Ring! Als wirr das Haar dir um die Stirne hing, Die kindlich reine; holde Engelschaaren Die keuschen Bilder deiner Träume waren, Wenn dich der leichte, ros'ge Schlaf umfing! O, hätt' ich dich gekannt in jener Zeit! Ich hätte dich erfaßt mit starken Armen, Dich mir geraubt für alle Ewigkeit. Mit meiner Brust, der muth'gen, liebewarmen, Hätt' ich dich treu geschützt vor jedem Leid ... So aber mag sich unser Gott erbarmen! Noch diesen Kuß Noch diesen Kuß, das letzte Liebeszeichen, Dann sei's geschieden, kühn und ohne Wanken! Das Weinen laß den Schwachen und den Kranken, Wir wollen nicht, die Starken, uns erweichen. Und was heißt Trennung, wenn hinüberreichen Durch alle Fernen mühlos die Gedanken? Und wenn statt süßen Weins wir Nektar tranken, So dürfen wir uns kühn den Göttern gleichen. Leb' wohl, Geliebte! Was die Ew'gen senden, Wir müssen's ja mit festem Muth ertragen; Es stirbt sich gut von ihren heil'gen Händen. Wir aber wollen leben und nicht klagen! Kann unsre Liebe ja doch nimmer enden, Und heißt der Menschen Schicksal doch: Entsagen! Des Lebens Mai „Des Lebens Mai blüht einmal und nicht wieder,“ So sprachst auch du in thränenreicher Stunde, Doch heilt von selbst des Hirsches tiefe Wunde, Nach langer Dürre träuft der Regen nieder. In jedem Lenz erschallen neue Lieder, Es lauschen froh der wonnevollen Kunde Die Felder und die Wälder in der Runde, Die Veilchen sprießen, köstlich prangt der Flieder. Und wenn in der Natur ein ewig Streben, Zu überwinden Noth und Tod und Schmerzen, Wähnst du, daß es mit dir ein andres sei? O nimmermehr! Ein tausendfältig Leben Regt glühend sich in deinem edlen Herzen, Und jede Liebe ist „des Lebens Mai.“ Käthchen Ich zog in ferne Lande Hinaus nach Lieb' und Glück; Ich kam zum Heimatstrande Enttäuscht und arm zurück. Mein Hoffen war entschwunden, Mein Traum verweht im Wind — Da hab' ich dich gefunden, Du Balsam meiner Wunden, Du Trost in trüben Stunden, Du reines Engelskind! Wohl hat auch dich mit Wüthen Des Lebens Sturm umschnaubt, Und manche deiner Blüthen Ein jäher Frost geraubt. Doch wußtest du zu hegen Den Lenz in deiner Brust — Und sieh, wie Maienregen Quillt labend allerwegen Von dir zu mir ein Segen Von Lieb' und Frühlingslust. Hab Dank für deine Güte, Du sanftes Frauenbild! Dein freundliches Gemüthe Schafft mich auch froh und mild. Du wecktest Lust und Lieder Auf's Neu' im Herzen mir; Der Schwan der Dichtung wieder Erhebt sein Glanzgefieder — Und Lieb' und Lust und Lieder, Ach, Alles dank' ich dir! Ach, schon wieder! Ach, schon wieder sinkst du nieder Ohne Freudenglanz und Lieder, Sturmumrauschter Wintertag! Bleiern zogen fort die Stunden, Die so flüchtig mir entschwunden, Als ich, holden Frühlingskunden Lauschend, dir im Arme lag. Liebchen, sag, wann im Hag, Wo dereinst ich dich gefunden, Wohl das Veilchen blühen mag? Wenn des hellen Stromes Wellen Wieder frei zu Thale schwellen Und das Veilchen wieder blüht; Wenn dem Lenz mit bunten Schwingen Tausend Vöglein Lieder singen, Die geweckt der laue Süd': — O, dann sprüht im Gemüth Neu das alte Sehnsuchtsklingen, Bis es auf zur Flamme glüht! Wohl bedaur' ich, daß so traurig Bang der Winter. Kalt und schaurig Pfeift der Sturm sein Lied dazu. Doch es wird die Nacht der Schrecken Enden bald, und, horch! mit kecken Liedern wird der Lenz erwecken Strom und Meer, Wald und Fluh'. Geh auch du, Herz, zur Ruh' — Glaube: Schnee und Winter decken Schützend deinen Frühling zu! Ich kann es nicht vergessen Ich kann es nicht vergessen, Daß du mich einst geliebt, Nun da wie Schaum Mein Liebestraum In alle Lüfte stiebt. Müd' ist mein Herz, die Thräne fällt, Ich steh' allein in weiter Welt — Und kann es nicht vergessen, Daß du mich einst geliebt. Die Zeiten sind entschwunden, Die unsre Liebe sah'n, Als Wellenklang Und Nixensang Umrauschten unsern Kahn. Es trug der Wind die Schwüre fort, Und fern verhallt dein treulos Wort — Die Zeiten sind entschwunden, Die unsre Liebe sah'n. Der Tod hat mehr Erbarmen Als falscher Liebe Noth! So hoff' ich still, Ob trösten will Mich bald das Abendroth. O sieh, mein Herz ist trüb und kalt, Du lieber Tod, so komme bald, Du hast ja mehr Erbarmen, Als falscher Liebe Noth! Brautlied Sonnenlicht, Sonnenschein Fällt mir in's Herz hinein; Wie ein Waldvögelein Hüpft es vor Lust; Weil es sein Leid vergißt, Weil du mein eigen bist, Weil du mich selig drückst An deine Brust. Draußen auf grüner Au Blühen viel Blümchen blau, Blühen Vergißmeinnicht, Bis man sie bricht, Aber dann welken sie; Nur meine Liebe nie, — Wenn auch das Herz zerbricht, Welket sie nicht. Wenn ich einst sterben muß, Gib mir zum Scheideschluß Auf meinen bleichen Mund Den letzten Kuß! Drück' mir die Äuglein zu, Wünsch' mir die ew'ge Ruh, Sage: Auf Wiedersehn! Auf Wiedersehn! Treueste Liebe Ein Bruder und eine Schwester, Nicht Treueres kennt die Welt. Kein Goldkettlein hält fester, Als Eins am Andern hält. Zwei Liebsten so oft sich scheiden, Denn Minne, die ist voll Wank! Geschwister in Lust und Leiden Sich halten ihr Lebelang — So treu, als wie beisammen Der Mond und die Erde gehn, So nah', wie der Sterne Flammen Alle Nacht bei einander stehn. Die Engel im Himmel sich's zeigen Frohlockend von Herzensgrund, Wenn Bruder und Schwester sich neigen Und küssen sich auf den Mund. Über ein Stündlein Dulde, gedulde dich fein! Über ein Stündlein Ist deine Kammer voll Sonne. Über den First, wo die Glocken hangen, Ist schon lange der Schein gegangen, Ging in Thürmers Fenster ein. Wer am nächsten dem Sturm der Glocken, Einsam wohnt er, oft erschrocken, Doch am frühsten tröstet ihn Sonnenschein. Wer in tiefen Gassen gebaut, Hütt' an Hüttlein lehnt sich traut, Glocken haben ihn nie erschüttert, Über ihm ist's, wenn's gewittert, Aber spät sein Morgen graut. Höh' und Tiefe hat Lust und Leid. Sag' ihm ab dem thörigen Neid; Andrer Gram birgt andre Wonne. Dulde, gedulde dich fein! Über ein Stündlein Ist deine Kammer voll Sonne. Unter den Zweigen Unter den Zweigen in tiefer Nacht Dacht' ich an deine Küsse; Siedete mir das Blut mit Macht All von der brennenden Süße. Kocht im Kessel ein Wässerlein, Bleibt der Deckel nicht liegen; Ei, wie hoch in die Luft hinein Ließ ich mein Hütlein fliegen! Wo es sich im Gezweig verlor, Mögen die Vögel wissen; Da ich lange den Kopf verlor, Kann ich den Hut wohl missen. Einst wirst du schlummern Ob Nachts auch thränenfeucht dein Pfühl, Und heiß die ruhelosen Lider, Einst wirst du schlummern sanft und kühl, Und keine Sorge deckt dich wieder. Vergehe nicht in Angst und Qual, Es eilt die Stunde, dich zu retten; Vier Bretter nur braucht's dünn und schmal, Ein müdes Menschenherz zu betten. Und du auch findest eine Hand, Die Augen sanft dir zuzudrücken, Mit einer Blume, einem Band Dir deinen Sarg noch auszuschmücken: Der Tod bringt Ruhe deinem Harm, Die dir das Leben nie vergönnte, Halt' aus: es ist kein Mensch so arm, Daß er nicht endlich sterben könnte. Mutterherz Ich höre trauern euch und klagen, Daß kalt die Welt und liebeleer, Und mitleidsvoll muß ich euch fragen: Habt ihr denn keine Mutter mehr? Habt ihr die Mutter schon vergessen, Das treue Herz, dran ihr geruht, Den Schooß, drin ihr so weich gesessen, So sicher, wie in Gottes Hut? Die Mutter seht mit süßen Schauern, Die auf dem Arm ihr Kindlein trägt: So lange wird die Liebe dauern, So lang ein Mutterherz noch schlägt! O Mutterherz, du Born der Milde, Du gottgeweihter, heil'ger Ort, Haßt auch die Welt, die rauhe, wilde, In dir weilt still die Liebe fort. Du lebst nur in des Kindes Leben, Sonnst dich in seiner Freuden Glanz, Sein Leiden nur macht dich erbeben, Und deiner selbst vergißt du ganz; Gequält, gemartert und zerstochen, Liebst du im herbsten Schmerze noch, Vom Kinde frevelnd selbst gebrochen, Im Brechen segnest du es doch! Drum, hält euch Gram und Leid umfangen, Seid eig'ner Schuld ihr euch bewußt, So lehnt die thränenfeuchten Wangen An eurer Mutter treue Brust; Und ist die Mutter euch geschieden, Weint ihr allein in finstrer Nacht, O glaubt: ihr Herz ließ sie hienieden, Es hält bei ihrem Kinde Wacht! Ruhegefühl Nur manchmal seh' ich noch die Schatten fliegen, Die mir verhüllt der Jugend Sonnentage; Das Spiel ist aus im süßen Blumenhage, Das Herz ist stiller, und die Rosen liegen. In sanfter Strömung fließt die Zeit vorüber; Des Lebens Nachen, früher sturmgehoben, Von ruhiger Klarheit ist er jetzt umwoben: Das Glück wird hell, doch ach! das Auge trüber. Und wenn von allem diesem Nichts mir bliebe, Und wenn versiegte jede Freudenquelle: Noch zittert nach auf meines Lebens Welle, Gebrochen zwar, der Glanz der ersten Liebe. Schicksal Auf die Felsen, braun und nackt, Stürzt ein Feuerkatarakt; Sonnengluthen Überfluthen Dunkelsprühend das Gestein. Durch den heißen Tropentag Tönt der Spaten schwerer Schlag; Sklavenlieder Hallen wieder Aus der Diamantenkluft. Aber im Palaste liegt, Leis von Blumenduft umschmiegt, Auf den kühlen Seidenpfühlen Ein geliebtes Paschakind. Goldgestickt ein Baldachin Schwebt zu Haupt der Schläferin; Reich umfangen Demantspangen Ihren Nacken, ihren Arm. Götter haben euch geflucht, Arme Sklaven in der Schlucht; Götter lächeln, Und sie fächeln Kühlung einem Fürstenkind. Um Mitternacht Nun ruht und schlummert Alles, Von keinem Hauch gestört; Kaum daß man leisen Schalles Den Bach noch rieseln hört. Der Mond mit vollem Scheine Ruht breit auf jedem Dach; In weiter Welt alleine Bin ich zur Stund noch wach. Und Alles, Lust und Schmerzen, Bracht' ich in mir zur Ruh; Nur Eins noch wacht im Herzen, Nur Eins: und das bist Du! Und deines Bildes Friede Folgt mir in Zeit und Raum: Bei Tag wird er zum Liede Und Nachts wird er zum Traum. Marie vom Oberlande Wie sind so schön auf Helgoland Die Mädchen und die Weiber! Der rothe Rock mit gelbem Band Umschließt die schlanken Leiber. Ja, Perlen sind's von klarem Schein Im öden Dünensande: Die schönste Perle nenn' ich mein, Marie vom Oberlande! Es grünt ein Bäumlein auf dem Falm, Ein Häuslein steht darunter; Rings um die Thür wächst Busch und Halm Und rauscht allzeit so munter. Aus Rosen schaut ein Fensterlein Wohl nieder bis zum Strande: Die schönste Rose nenn' ich mein, Marie vom Oberlande! Zum grünen Wasser heißt ein Saal, Das ist ein fröhlich Klingen, Wenn bei der Sonntagslichter Strahl Die lust'gen Schiffer springen. Wie leuchtet dann der Mädchen Reihn Im festlichen Gewande: Die schönste Dirne nenn' ich mein, Marie vom Oberlande! Vom flachen Strande stößt ein Kahn, Der Wind, die Wellen toben. Ein Fensterlein ist aufgethan, Ein Tüchlein weht von oben. Ach Gott, es muß geschieden sein, Ob wild die See auch brande: Auf Wiedersehn, Herzliebste mein, Marie vom Oberlande! Vorbestimmung Wann dieser Ton in mir erklungen? Eh' ich dich sah, liebt' ich dich lang'. So hielt dich lang mein Herz umschlungen, Eh' liebend dich mein Arm umschlang. Wir irrten wie die Lichtatome Verlangend durch die Himmel her, Wir trieben auf des Lebens Strome Einsam hinab zum ew'gen Meer. Was du ersehnt, was ich erkoren, Vereinte des Geschickes Hand; Wir waren ewiglich verloren, Wenn mein Herz nicht das deine fand. Lenznacht im Süden Prachtvoll ist im Süden die Lenznacht, In Meeresstädten, wo Vom felsigen Seeufer Villen und Gärten schimmern, Ragend über der Stadt, Die tagüber, eine schlummernde Königin, Die Stirne gelehnt an dorrende Felshänge, Den blendenden Fuß zur kühleren Meerwoge hinabstreckt, Lechzend im Sonnenbrande. Wenn aber nun Der sprühende Sonnenhymnus Verklungen ist und purpurn die See glänzt, Da schlägt die Schlummernde Die sonnemüden Augen wieder auf, Mit Wollust trinkt ihr schwellender Busen Meerfrischer Abendlüfte labenden Strom, In weichen Bewegungen Aufbebt ihr üppiger Leib, wie einer Schönen, Die, von der Nachtigall aus erstem Schlummer geweckt, Mit pochender Brust Und lodernden Augen den Freund erwartet, Bei Sternenschein, Im blüthenberauschten Garten. Hei, wie wälzt durch alle Gassen sich Die Lustwoge, wie locken Des Südens Lüfte den Wandelnden an! Von Gesängen hallt und Saitengetön die Stadt, Voll reizender Frau'n Prangt allwärts der Markt, der Corso wimmelt Von wehenden Schleiern und schwarzfunkelnden Augen, Und abseits wälzt Auf breiterem Pfade sich, duftige Baumreihen entlang, Von Müssiggängern ein rauschender, sel'ger Schwarm. Und wenn die Katarakte der Lust Gemach vertoben, Wenn die fernen Klänge verstummen, Und einzelne Waller nur Noch singend heimzieh'n Durch stillere Gassen Um Mitternacht, Dampft ungestüm dir noch immer Des Herzens Blutwelle, pochen Des Lebens Pulse dir In Sehnsuchtstakten, denn es weht Gedüft Aus Gärten, und Nachtigallen Schlagen und schmettern an allen Fenstern. Droben aber wandern die blitzenden Sterngruppen, ihr gold'ner Glanz thaut Feuriger Wünsche Traumsaat, süße Begier. Du aber wandle Abseits der lebensschwülen Gassen Zum einsamen Molo. Da liegt in seinen Tiefen Wie niedergethaute Silbersternglut Der Golf so rein, und drüben die Bergkuppen Erblühn, aufragend in goldigen Mondesduft. O verzweifle nicht am Glücke! O verzweifle nicht am Glücke, Ob getäuscht auch viel und oft, Niederschwebt's auf goldner Brücke Plötzlich dir und unverhofft! Ungerührt von Klagen, Weinen, Wie's auch lange zögern mag, Einmal wird es doch erscheinen, Einmal kommt sein Wonnetag! Wandle nur auf seinen Spuren: Deinem gläubigen Vertraun Kann's erblühen auf den Fluren, Von den Sternen kann es thaun, Aus den Lüften kann es regnen Wie ein fallend Rosenblatt, Plötzlich kann es dir begegnen Mitten im Gewühl der Stadt. Wo sich in der Wüste Schweigen Ganz dein Muth verloren glaubt, Kann sich's plötzlich zu dir neigen Wie ein liebeflüsternd Haupt. Wo sich bricht an Kerkermauern Der Verzweiflung banges Flehn, Kann es dir mit Wonneschauern Plötzlich in die Seele wehn. Sahst du deine Jugend schwinden Und es blieb dir unerfleht, Kann dem Mann es Kränze winden; Nimmer kommt es ja zu spät. Noch den Greis kann es entzücken, Und noch in der Todesstund' Kann es seinen Kuß dir drücken Segnend auf den bleichen Mund. Segen der Schönheit Wandl' ich sinnend über den lauten Marktplatz, Wo des Volks sich drängender Schwarm die trüben Wellen wälzt, da fühl' ich mich einsam, seufze, Finde die Welt rings Leer und schal. Doch taucht aus der Menge plötzlich, Aus dem trüben Larvengewühl ein helles Frauenantlitz, das wie ein selig Wunder Milde mich anstrahlt, Und dem Blick dann ebenso rasch entschwebt ist: O wie rasch auch ist mir das Herz verwandelt! Nimmer säng' und sagt' ich, wie mir geschieht, es Glänzen die Blicke Mir, das Blut wallt freier, ich hege wandelnd Holden Trost und staune, wie süß der Schönheit Segen niederthauet, und lieb und schön ist Wieder die Welt mir. Lenzesgabe Mit seinem Füllhorn kam der Lenz gezogen, Und Lieblichstes ward links und rechts entsendet. Glanz ward dem See, dem Strome zugewendet Und Klang den Vöglein, die da lustig flogen. Duft ward den Blumen, dran die Bienen sogen, Azur dem Himmel, Grün dem Hain gespendet: Und alsbald war die Fülle ganz verschwendet An Vögel, Bäume, Blumen, Lüfte, Wogen. Doch als der Lenz mich sah mit bleichen Wangen, Da sprach er, gleich als ob es ihn gereuet, Daß leer allein der Dichter ausgegangen: „Hingab ich, was den Einzelnen erfreuet, Doch dir nun schenk' ich dies gesammte Prangen, Dein Herz versammle, was ich rings zerstreuet!“ Glückliches Vöglein Glückliches Vöglein! In's heitere Blau Tief und fröhlich emporzudringen, Nicht beschwert, nein, erfrischt vom Thau Deine luftdurchsegelnden Schwingen! Drunten in sicherer Hut zurück Ließest du deine zwitschernden Jungen. „Droben und drunten doppeltes Glück!“ — Also hat mir's dein Lied gesungen. Ach, ein andres, ein schmerzlich Geschick Ward uns Menschen, im Staub geboren: Droben sucht nur ahnend der Blick, Was wir da unten weinend verloren! Lied der Geusen Gleichwie die Möve ruhlos hastet Von Land zu Meer, von Meer zu Land, Und kaum im Flug die Schwinge rastet Auf Wellenschaum, auf Dünensand: So wogen wir auf irren Bahnen Von Deich zu Fluth, von Fluth zu Deich, Zerschlißne Segel unsre Fahnen, Ein morsches Schifflein unser Reich. Oft nur den letzten Schuß im Laufe, Vom Sturm gepeischt, vom Feind gehetzt, Ein adelicher Bettler-Haufe, Den Hut zerhau'n, das Wamms zerfetzt: — Und doch erbebt das stolze Spanien, In dessen Reich der Tag nicht sinkt, Wenn unser Racheruf: Oranien! Sich über Alba's Heere schwingt. Ihr bebt mit Recht! Von Sclavenschande, Bei Gott! wird dieser Boden rein — Und müßten alle Niederlande Von Meeresfluth verschlungen sein. Durchstecht den Damm, reißt auf die Schleusen, Ertränkt die fremde Tyrannei: Es naht die See, es nah'n die Geusen, Das Land wird Meer, doch wird es frei! Du bist die herrlichste von Allen Du bist die herrlichste von Allen, So sonder Falsch, so schön und rein, Ein Stern, vom Himmel frisch gefallen, Er könnte selbst nicht schöner sein. Du bist ein stilles, liebverklärtes Gemüth, von Kindessinn beseelt, Und das Bewußtsein deines Werthes Die einz'ge Tugend, die dir fehlt. An die Sterne Seid mir gegrüßt, ihr Sterne, Ach, ihr beherrscht mich ganz: In meines Wesens Kerne Ruht euch verwandter Glanz: Und wenn ihr nun mit Schweigen Den schimmervollen Reigen Ob meinem Haupte schlingt, Wird mir die Kraft lebendig, Die aus der Brust beständig Nach euren Höhen ringt. Dann schweiget ihr das Lärmen Der weihelosen Welt: Des Lebens Lust und Härmen, Ein dumpfer Nebel, fällt: In meiner Brust sich dehnen Fühl' ich ein heilig Sehnen, Empor trägt mich's, empor, Und leise Harfentöne Von längst geahnter Schöne Vernimmt mein selig Ohr. Nichts soll von euch mich trennen Und jenem Harfenton: Mein Geist soll sich bekennen Auf ewig euren Sohn: Ihr sollt mein Loos gestalten, Ihr heiligen Gewalten: — Nicht Rosen, die verwehn, Es soll mit ew'gem Scheine Ein stiller Stern alleine In meinem Wappen stehn. Ohne Wahl Du hast gesiegt, du starke Liebe! Hinweg, Besinnung und Bedacht! Und ob sie in's Verderben triebe — Nimm ganz mich auf in deine Macht! Die Vorsicht sprach: Das wird nicht frommen, Die Sitte sprach: Vernimm mein Wort — — Da ist der Strom der Liebe kommen Und ohne Wahl riß er mich fort. So trage mich, du heil'ge Welle, Und wenn du dies Verlangen stillst — In Todesnacht, in Himmelshelle — Ich folge dir, wohin du willst. Beim Schlafengehn Jetzt greift sie wohl mit lichten Händen In's lange Goldhaar noch einmal: Der Gürtel gleitet von den Lenden, Der kleine Schuh vom Fuße schmal. Jetzt ist sie hart an's Pfühl getreten, Die Arme kreuzend auf der Brust: Und was die schönen Lippen beten, Ist Gott allein und mir bewußt. Die Rose Eine Rose nickt an Zweigen Sehnend durch die Morgenluft: „Sonne, willst du nicht dich zeigen? Will dein Strahl nicht niedersteigen, Aufzutrinken meinen Duft? Willst du nicht mit heißem Grüßen Zittern über meinem Blüh'n? Komm — und soll ich's sterbend büßen — Laß in meinen Schooß den süßen, Deinen Kuß herniederglüh'n.“ Wen ich liebe Gesegnet sei in Näh' und Ferne, Wer vorwärts geht mit festem Fuß! Mit solchem Manne tausch' ich gerne Den Bruderkuß und Brudergruß. Zu jenem hat mich's nie getrieben, Der ängstlich Alles übersann; Ich kann nur achten, kann nur lieben Den kühnen, den entschiednen Mann! Zu jenen mag ich nimmer stehen, Die schwanken wie ein Rohr im Wind, Die immer mit dem Strome gehen; Denn die sind nichts, die Alles sind. O Lieb' und Freundschaft, sel'ge Triebe, Zu hoch euch keiner schätzen kann! Den Bruderkuß, den Kuß der Liebe, Dem kühnen, dem entschiednen Mann! Zuleika Die Wellen murmeln leis' im Flusse, Durch Wolken bricht der Sterne Pracht. Und, trunken von dem Sonnenkusse, Träumt die Natur im Arm der Nacht. Von ihren Schleiern lind umfangen Ist rings das Thal, der Hügel Knauf. — Mein süßes Kind was willst du bangen? Die wilden Rosen blühen auf! Du wendest seitwärts Mund und Wange? Horch, was im Wogenlispeln spricht! Es küssen sacht am Uferhange Die Wellen die Vergißmeinnicht. Und lausche, wie es rauscht verstohlen Dort in des Waldes laub'gem Dach — Das ist des Zephyrs Athemholen, Er küßt die wilden Rosen wach! Still! hörst du's nicht vom Busche schallen? Die Brust durchzuckt's wie Flammenguß. Das sind des Frühlings Nachtigallen, Das ist des Mai's gesungner Kuß! Fühlst du nicht Wonne unermessen Aus dieses Liedes Klängen sprühn? Komm! laß uns Lipp' auf Lippe pressen, Mein Lieb! Die wilden Rosen blühn! Sie blühn! Versteckt im Kelche kosen Die Falter und die Käferlein. Komm, holdes Kind! Bei wilden Rosen, Da laß uns liebend selig sein! O, rede nicht! Ich will sie schließen, Die Lippen mit dem Munde zu! Laß uns die Rosenzeit genießen, Du, meine wilde Rose du! Eine Hand Und ist dir alles Glück beschieden, Es ist doch nichts als leerer Tand, Hast du gefunden nicht hienieden Der treuen Liebe Segenshand! Was hilft's, wenn hier im Erdenleben Dein Herz auch tausend Blüthen bricht, Wenn Gott dir nicht die Hand gegeben, Die sie für dich zum Kranze flicht! Und ist dir hart die Lebensreise — Der Schmerz wird stumm, der dich bewegt, Wenn eine weiche Hand sich leise Auf deiner Stirne Furchen legt. Und wenn sich blaß die Wangen färben Beim Heimgang zu der ew'gen Ruh', Dann segnest du die Hand im Sterben, Die sanft dir drückt die Augen zu. Wenn Nächtens du Wenn Nächtens du den kleinen Schuh Von deinem Füßchen streifest Und in die braunen Haare du Mit lichten Händen greifest, Um lächelnd vor dem Spiegel dann Dein Häubchen festzustecken: Fällt's dich nicht manchmal plötzlich an Wie heimliches Erschrecken? So daß du eilig Hals und Brust Verbirgst in den Gewanden, Dieweil du meinst, ich wäre just Still hinter dir gestanden? Denn wenn im dunkeln Schooß der Nacht, Die Dinge rings versanken, Dann wandern zu dir gluthentfacht Die schwärmenden Gedanken; Dann brennt mein Blut in wildem Leid, So daß ich oftmals wähne, Du hörtest in der Einsamkeit, Wie ich nach dir mich sehne. Vergessen Aus deinem Auge blitzend klar Strahlt Licht so unermessen — Ich hab' die Nacht, die draußen liegt, Vergessen! An deinem Busen ruh' ich süß, Und Frieden ist's indessen, Ich hab' den Sturm, der draußen tobt, Vergessen! Aus deinem Munde hör' ich hold Ein Wort — den Namen wessen? Den meinen! — und ich hab' die Welt Vergessen! Rosenzeit und Todesleid Rosenzeit, wie bist du doch Schnell dahin gegangen! — Deine Düfte streiften noch Gestern meine Wangen. Rosenzeit! — Der Rosen zwei Hat sie mir gebrochen Und die Finger sich dabei An dem Dorn zerstochen. Als sie mir die Rosen bot, Die sich weiß erschlossen, Sind von ihrem Blute roth Perlen drauf geflossen. Weißer Grund bei jenem Roth, Du bist zu vergleichen Ihren Wangen, da ich bot Ihr das Liebeszeichen; — Ihren Wangen, da ich bot Ihr das Liebeszeichen, — Ihren Wangen weiß und roth, Die nun mußten bleichen. — Der Besuch Saß bei Büchern und Brochüren Gestern Abend ganz allein. — Zehne schlug's, da schlich zur Thüren Still ein alter Freund herein. Unbequem war mir sein Kommen, Leise grollt' ich in den Bart! Dennoch hat er Platz genommen, Ganz nach alter Freunde Art. Mich wie sonst zu unterhalten, Wagt' er anfangs freilich nicht; Sah ich doch dem guten Alten Scheel genug in's Angesicht. Doch mit wunderbarer Gabe Hat er plötzlich mich entzückt Und mit seinem Zauberstabe Mich der Bücherwelt entrückt. Dachte nicht an's Weiterlesen, Ihm gehört' ich ganz allein, Und er nahm mit Zauberwesen Meine ganze Seele ein. Ach, ich war wie geistestrunken, Fühlte nichts von Lust und Harm! Aufgelös't und hingesunken, Nahm er mich in seinen Arm. Als er endlich scheiden wollte, Wußt' ich nicht, wie mir gescheh'n; Daß er noch verweilen sollte, Gab ich stammelnd zu verstehn. Doch als früh nach Wonnestunden Heut ein Sonnenblick mich traf, Neune schlug's, — da war verschwunden Auch mein alter Freund, — der Schlaf. Die Verlassene Ob er wohl in der Welt so weit Noch manchmal mein gedenkt, Wenn ihn in Liebesseligkeit Sein holdes Weib umfängt? Wenn sie ihm nach des Tages Drang Sein Kind entgegenhält, Umweht ihn nicht ein sanfter Klang Aus ferner Blumenwelt? O könnt' ich leicht wie Wolkenschaum Durch seinen Schlummer weh'n, Und wie ein alter, schöner Traum In's liebe Herz ihm seh'n! Ich wollt' ihm wie ein Engel leis Weghauchen Reu, und Schmerz, — Und eine Thräne still und heiß Hinweinen auf sein Herz. Versöhnung O laß mich stehn an deinem Grabe! Ach, nicht das Grab ist's, das uns schied, Du bist's, die ich geliebet habe, Und die so bitter mich verrieth. Du bist dahin. — Dir sei vergeben, Warst du doch einstens all mein Glück! Die ich verlor im wilden Leben, Giebt mir der sanfte Tod zurück. Wie oft ein Hauch verklungner Lieder Uns plötzlich durch die Seele wallt, So schau' ich nun dein Antlitz wieder Und deine liebliche Gestalt. Doch wird dein Lächeln trüb und trüber, Dein schelmisch Auge thränenschwer, Du reichst wie einst die Hand herüber Und fragst mich: Liebst du mich nicht mehr? Da kommen all die sel'gen Tage, Sie flehen, ach, so süß für dich. Ich seh' dich stehn in stummer Klage Und seh' dich weinen bitterlich. Wie mich dein leichter Sinn betrübe, Gewiß, du warst dir's nicht bewußt. — So drück' ich dich in alter Liebe Und fest und ewig an die Brust! Mein Gebet Es kniet der Schwarm in Tempeln und bittet um Gedeihlich-langes Leben und Wohlergehn, Um täglich Brot und Sättigung und Gnade des Himmels in Fährlichkeiten. Ich aber flehe: Gebet, o Götter, mir Schönheit der Seele, leihet mir reichen Geist, Schenkt heil'gen Sinn, mein Inn'res, laßt's dem Ew'gen und Schönen ein rein Gefäß sein. Nachzitternd lausche gerne die Seele mir Den Götterstimmen, welche der Welt Tumult In Ton und Bild und Lied und Waldgrün Holder Beseligung voll durchklingen. Und Ein's noch: Stillet, Götter, des Herzens Drang, Gebt Menschen, Menschen mir, die ich lieben kann; Ein Possenspiel, ein sinnlos-leeres Scheint mir das Leben, dem Liebe fehlet. Nicht Liebe zollen kann ich dem Alltagsschwarm, Den Menschen, die des Namens mit nichten werth, Die treu der Nüchternheit seellosen Blickes des Endlichen Pfade wandeln. Nur schlechter Abfall sind sie der Menschenart, Die Tausendlinge, die aus der Urkraft Born Natur muthwill'gen Sinns emporschnellt Gleich wie des sprudelnden Springquells Tropfen. Gebt Menschen mir, groß, edel und hellen Geist's, Die nicht der Traum des Irdischen ganz befängt, Aus deren Aug' mich rührend anspricht Götterverwandtschaft und Erdenfremdheit. An ihrer Brust laßt ruhen mich still und gut, Dem Ird'schen fern laßt denken und lieben mich: Des Geistes voll und heil'ger Liebe Reif' ich vollendetem Sein entgegen. Ich wußt' es längst Ich wußt' es längst: was immer sich liebt, nicht heut, Nicht gestern fand sich's; Ewig-Verwandtes nur Grüßt sich auf's Neu' im Liebesbund und Feiert beseligtes Wiederfinden. Vereint von Anfang spielten die Seelen einst An weltentrückten seligen Küsten, bis Ein grimmer Zwang die eng verschlung'nen Scheidend verwob in der Dinge Hader. Wenn nun sie neu sich finden, o Götterlust! Es sagt der Blick: „Wo säumtest du gar so lang, Indeß ich, ach, jahrtausendlang dich Ewig vergebens im Weltall suchte?“ Und glückberauscht erneu'n sie den alten Bund: „Mein andres Ich!“ so flüstert es innig-traut, „Du liebe Hälfte mein!“ und sehnend Streben sie wieder zur alten Einheit. Mit Inbrunst drängt sich Eins an des Andern Brust, Es geht von Aug' zu Auge der Liebe Strom, Zum Lippenrand aufsteigend fließet Seele mit Seele im Kuß zusammen. Seelenwanderung Ich weiß: ich war vom Anbeginn der Dinge, Schon manche Form gab mir Natur zu Lehen, Verjüngt schon oft hab' ich das Licht gesehen, Dem Phönix gleich mit stets erneuter Schwinge. Und stets ein Glied im großen Weltenringe, Kann nimmermehr mein Kern in nichts verwehen, In neuer Bildung werd' ich auferstehen, Wie oft mich auch des Todes Macht bezwinge. Doch wo mein Staub auch kreist im Weltenrunde, Auf welchem Stern ich neue Bahnen walle, Mit welchem Leib Natur mich mag umkleiden, Ein heißer Wunsch lebt tief im Seelengrunde, Daß niemals mehr das herbe Loos mir falle, In Menschenform zu lieben und zu leiden. Liebchens Antwort Verliebte Lieder ohne Zahl Ließ ich zu meiner Schönen fliegen; Denkt euch, ihr Freunde, meine Qual! Sie blieben unerwidert liegen. Muß solche Kälte nicht ein Herz Zu Wahnsinn und Verzweiflung treiben? Ich sang so feurig wie Properz Und kein Tibull kann süßer schreiben. Bald ward mir das Geheimniß kund: Ich schrieb und schrieb — das war es eben; Sie zog es vor, von Mund zu Mund Mir praktischen Bescheid zu geben. Mutterschmerz Leer ist dein Bett, mein Knabe, Den so geliebt ich habe. Ach, nun in kalter Truh' Schläfst du die ew'ge Ruh'! Wie klang mir beim Erwachen So lieblich sonst dein Lachen! Wie glänzte mir dein Blick, Verklärend mein Geschick! Wie lauscht' ich manche Stunde Dem kleinen Schelmenmunde, — Wie wonniglich und traut Klang mir sein Schmeichellaut! Der dich und mich vergessen, Ihn liebt' ich unermessen, Der Alles mir versprach Und Alles — Alles brach. Doch Du, mein All' und Eines, Mein Kind, mein engelreines, Du riefst mir Traum und Glück Vergangner Zeit zurück. Wer von der Stirn, der bleichen, Wird jetzt die Falten streichen? Wer küßt die Thräne fort Um ein gebrochnes Wort? Wer streckt zum Abendsegen Die Händchen mir entgegen? Wie gern in stiller Nacht Hielt ich bei dir noch Wacht! Leer ist dein Bett, mein Knabe, Den so geliebt ich habe, Du schläfst in Grabesruh': O schlief' ich auch wie du! Mein Vetter und ich Wie oft, o Vetter, fällt mir jener Abend ein, Wo wir mitsammen — weißt du's noch? — am Meeresstrand Im Sternenlichte träumten in der Sommernacht! Zwei Bänke standen vor der Hausthür links und rechts; Und auf den Bänken lagen wir dahingestreckt Und hörten, wie das dumpfe Meer an's Ufer scholl Und wie's im Strom die Schiffe leis' umplätscherte, Und sagten nichts und schwiegen über dies und das. Wir hatten Beide Liebesschmerz und wußten's wohl Und dachten sonst noch mancherlei; doch Jeder schwieg Und freute nur in Schwermuth des Gesellen sich. Und eben schnalzt' ein Fischlein aus der dunkeln Fluth In unverkennbar schwermuthloser Lebenslust. Und fast unwillig, doch mit Abschiedslächeln noch, Erhobst du dich und sagtest: „Ach, es ist nicht schwer, Glücklich zu sein, wenn man ein Fisch ist! — Gute Nacht!“ Wie oft, o Vetter, fällt mir dieser Abend ein, Wie oft gedacht' ich dieses Wort's in Heiterkeit Und auch im Ernst; denn Vieles denkt ein Menschenherz! So mancher Leiden Häutung hab' ich abgethan, So manches Hafens liebreich stillen Schutz erprobt, Und jene Liebesschmerzen, Freund, wo sind sie hin! Du liegst vor Anker, wohlgeschirmt und ausgeflickt, Und ich, die Fluth durchschneid' ich sorglos meeresfroh. Und jezuweilen schnalz' ich wie der Fisch im Strom, Und jezuweilen denk' ich still: „Es ist nicht schwer, Glücklich zu sein, wenn man ein Mensch ist!“ — Gute Nacht! Eine Frage Nie geahnt und nie erfahren Hast du, wie ich rang und litt, Wie in meiner Brust seit Jahren Mit der Pflicht die Sehnsucht stritt. Habe lang und heiß gerungen, Bis entsagt das stolze Herz, — Meine Sehnsucht ist bezwungen, Milder Wehmuth wich der Schmerz. Ruhig tret' ich dir entgegen, Still, wie du mich nie gekannt, Lege deinem Kind zum Segen Auf das lock'ge Haupt die Hand. Ohne Groll und ohne Klage Steh' ich hier — zu dieser Frist Hat mein Herz nur eine Frage: „Ob du wahrhaft glücklich bist?“ Am Heimathstrand Ich spielt' als Knabe am Heimathstrand Mich trieb's, dem Meere zu lauschen; Mein zukunftträumendes Herz verstand, Was die Wellen flüstern und rauschen. Ich kehrt' als Jüngling zum Heimathstrand; Dumpf brausten und schäumten die Wogen; Ihre Sprache hab' ich nicht wieder erkannt; Mein Herz war verwais't und betrogen! — Heut' schreit' ich als Mann am Heimathstrand, Und Liebe geht mir zur Seite: Nun flüstert die Welle so traut und bekannt, Nun winkt mir wie ehmals die Weite. Vorüber die wilde, die stürmende Flucht! Im Hafen heilt Liebe die Wunden: Was der Knabe geträumt, was der Jüngling gesucht — Nun hat es der Mann gefunden! Warum! Ich seh' in den goldenen Traum zurück, Der das ahnende Herz geschwellt: Wie schritt mein Fuß, beschwingt von Glück, So selig durch die Welt! Des Lebens Qual, der Erde Wust Versank um mich herum! Ich trug den Himmel in meiner Brust — Und Eine wußte — warum! Ich träume den goldenen Traum nicht mehr — Weh mir, daß ich erwacht. Nun wankt der müde Fuß so schwer Hinaus, hinaus in die Nacht! Seit der Hoffnung duftiger Schleier fiel, Wie öde die Welt ringsum. Ich irr' ohne Pfad, ich irr' ohne Ziel — Und Eine weiß es — warum! Wie so lang die Nacht! Wie lang, o wie so lang die Nacht, Wenn draußen der Regen tropft! Wie bang, o wie so bang sich's wacht, Wenn an's Herz die Reue klopft! Wie gern, wie vergäß' ich so gern mein Leid Und die Qualen im Schlummer tief; Doch fern, o für immerdar fern die Zeit, Da ich zukunftträumend noch schlief! Wie Schaum, wie im Winde der Schaum zerging Mein Glück, und das Herz ward leer; Kein Traum, kein lieblicher Traum umfing Mir die krankende Seele mehr. Wenn der Flor, wenn der nächtliche Flor leis rauscht Und die schlummernde Erde umhüllt, Mein Ohr, mein forschendes Ohr, es lauscht, Von den Stimmen der Reue erfüllt. O Hauch, o tröstender Hauch der Nacht, Alle Stürme beschwichtigst du — Küss' auch, o küsse du auch nun sacht Mir die brennende Wimper zu! Wem gilt unser Krieg? 1874 Wem gilt unser Krieg? — Euch sei es gesagt, Die mit tückischer Lippe ihr winselt und klagt, Daß er wider den Glauben gerichtet, Daß in Fesseln geschlagen das göttliche Wort, Daß geschändet die Priester am heiligen Ort, Daß die christliche Kirche vernichtet! Wem gilt unser Krieg? — Euch werde es kund, Die im Dunkeln ihr schleicht, zu verderblichem Bund Eure Fäden und Maschen zu schürzen; Die nimmermehr deutsch ihr gedacht und gefühlt, Die mit Wälschen ihr äugelt, mit Wälschen ihr wühlt, Unser Reich und den Kaiser zu stürzen. Wem gilt unser Krieg? — O, ihr wißt es so gut! Er gilt jener pfäffisch verlogenen Brut, Die von Rom ihre Losung bekommen; Er gilt nicht der Kirche und nicht dem Altar, Er gilt jener heuchlerisch frömmelnden Schaar, Doch nimmer dem Glauben der Frommen. Wem gilt unser Krieg? — Nicht dem stillen Gebet, Das den Segen der Liebe vom Himmel erfleht, Gleichviel, wie die Lippe es flüstert — Doch dem Priesterhaß und dem Dogmenzwang, Der die Seele des Volks vergiftend durchdrang Und den Frieden des Hauses umdüstert. Wem gilt unser Krieg? — Allem Pfaffenbetrug, Der Afterkirche, dem Götzen voll Lug, Daß dem Sturm er des Geistes erliege. Du Gottheit der Treue, der Liebe, des Lichts, Du schleuderst die Lüge zum Abgrund des Nichts Und führest die Wahrheit zum Siege! Wie weise! Er sprach ein Wort, ein leises Wort, Die Höflinge standen im Kreise; Sie beugten sich hier und beugten sich dort Und murmelten: Ach, wie weise! Die Damen in auserlesenem Flor Schlugen erröthend die Augen empor Und sprachen bewundernd leise: Wie weise! Und bewundernd erzählt sich's die ganze Stadt Als eine der größten Thaten, So kam's auch zuletzt in ein Zeitungsblatt Von denen, die Alles verrathen; Doch das Wort, das Wort! Ach Niemand vermag Das Wort mir zu sagen, das jener sprach; Er sprach es ja nur ganz leise — Wie weise! An einen Freund Getrennt sind uns're beiden Wege, Geschieden nun auf immerdar: Ein jeder eilt dem Glück entgegen, Doch keiner nimmt des Andern wahr. Das letzte Wort, es ist gesprochen, Die Augen blieben thränenleer, Der Liebe Fesseln sind gebrochen — Wir kennen uns fortan nicht mehr. Du sprachst es aus mit kaltem Munde: Du liebst nicht mehr. Wohlan, es sei! Mit diesem Tag, mit dieser Stunde Verbann' ich jede Schwärmerei. So nennst du ja die alte Liebe, Du bist kein Kind mehr, bist ein Mann — Wie glücklich, wer mit Einem Hiebe Die alten Bande lösen kann. Wie glücklich, wenn von hellen Thränen Nicht eine Spur im Aug' sich zeigt, Wem nächtlich nie ein leises Sehnen Das Herz vereinsamt überschleicht; Wem nie die Pulse rascher wallen, Wer nie beweint des Lenzes Flucht — Die Blüthe mag zu Boden fallen, Doch er genießt des Lebens Frucht. Wie möchtest du bei mir auch säumen, Der noch an Ideale glaubt? Du lächelst nur zu meinen Träumen Und schüttelst stolz dein schönes Haupt. Dein Herz, das nun für mich verlor'ne, Der Welt gieb's, die sich freuen mag — Mir laß das Loos, das selbsterkor'ne, Von dir zu träumen manchen Tag. Abendstimmung Am Meer im Zwielicht schreit' ich gesenkten Haupts, Tiefernste Andacht wehet durch die Natur, Und unter blassen Mondesstrahlen Wandeln die Wogen: Es rauscht die Brandung. Ich weiß ein Grab jenseits des bewegten Meers: Dort wuchert Unkraut rings und der Dornenbusch, Und wenn die Welt entschlief am Abend, Hockt im Gestrüppe das Nachtgevögel. Ob dich der Mond, weltfernes, verlass'nes Grab, Wohl nächtens küßt, wenn Wind durch die Gräser streicht? — Mich faßt unendlich Weh: Von ferne Hallen die Glocken entlegner Kirchen. Canzone O, laß, mein Gott, so lang' ich Odem habe, So lang' im Haupt mir wohnt ein Hochgedanke, Mein Blut in jugendlicher Frische wallen! Nicht laß mich nüchtern bei dem Feuertranke Des Lebens sitzen: Gieb mir trunk'ne Labe, Bis mir die Augenlider zugefallen! In der Arena Hallen Laß hohen Haupts mich gehn durch's Kampfgedränge! Erhalte mir den Sturmschritt jungens Strebens, Den Wogenschlag des Lebens Und schnelle Tage hallender Gesänge! Und was an Lust und Kämpfen mir gegeben, Laß mich's in Pulsen der Begeistrung leben! Nicht gilt ein langer Lauf von linden Tagen Mir als das Wünschenswertheste hienieden: Trüb sind die Wasser, die zu langsam fließen. Dem aber scheint das Höchste mir beschieden, Der, wie von Katarakten fortgetragen, In schnellem Zug das Leben darf genießen. Schön sind, wann Rosen sprießen, Die langen Sommertage: Thauesflitter, Gleich Freudenthränen, tropfen aus den Lüften, Und alle Blumen düften — Doch schön ist auch ein kurzes Lenzgewitter: Das stürmt, das regnet in die Frührothschwüle Und stirbt dahin in junger Morgenkühle. Terzinen An F. G., geb. L. 1869 Was du mir bist, du lieblichste der Frauen, Wie hold dein Bild mir lebt im Seelengrunde — Ich ließ dich nie in dies Geheimniß schauen. Du hörtest nie dein Lob aus meinem Munde, Und dieses Lied, kommt's je in deine Hände, Bringt dir verschleiert meiner Neigung Kunde. Dir gab das Schicksal seine schönste Spende: Geliebtem Gatten ruhest du am Herzen; Dir glühn der Liebe sanfte Opferbrände. — Du weißt so zart zu sorgen, flügg' zu scherzen; Dir sind, du Sinnig-Ernste, Schelmisch-Lose, Die Freuden Gäste, Fremdlinge die Schmerzen. O laß mich abseits stehn, vielsüße Rose, Und beten still: Gott mög' dein Leben segnen Und immer sonnig werfen deine Loose. Und will auch mir der Himmel Freuden regnen Und mich zu Glück erhöhn nach dem Entsagen: — Ach! soll ein Süßestes mir je begegnen, So muß es deine lieben Züge tragen. Der Waldsee Unferne der Stadt, In der schattigen Stille breitäst'gen Gestrüpps, Liegt ruhevoll der flüsternde Waldsee. Sein Wasser ist klar und spiegelhell, Und unten von schilfiger Tiefe Dämmern zerbrochene Säulen Und Götterbilder und Schwerter der Helden, Versunkene Trümmer der Vorzeit, herauf. Schneeweiße Wolken, wie Schwanenzüge, Wandeln darüber hin Auf azurnem Grunde des Himmels Und grüßen hernieder und halten Zwiesprach Heimlich und abendlich Mit den weißgefiederten Schwestergeschlechtern, Die dort unten gleiten auf blauen Fluthen, Stolzhalsig und weichbeschwingt. Die Kapelle steht am Uferrande, Von keinem Pilger besucht, Ein vergessenes Heiligthum. Nur oben auf hohem Glockenstuhle Wohnt noch ein träumrisch Erinnern Vergangener Zeit, Und wenn der Wind die Glocke küßt Durch das Gewölbe des Thurmes schleichend Zur Nachtzeit, Dann seufzen elegische Klagen hernieder In's Waldgrün. Gern weil' ich am See Zur Zwielichtstunde, wenn durch die Lüfte Ein Ahnen der Nacht geht. Dann kommt es über mich, Wie Nähe der Gottheit, Und meine Seele hält Einkehr In ihre eigene Tiefe. Giebt es ein schöneres Loos Als nach den Thaten des Tages Im Zauberkreis der Natur zu rasten Am stillen Abend, Und entfernt vom Weltengeräusch Tiefernste Sabbathgedanken zu denken? Verlorener Trost Wenn einem Kinde Leid geschehn, Wenn weh' ihm, daß die Thränen fließen, Zur Mutter wirst du's flüchten sehn, Den Kummer in ihr Herz zu gießen. Wenn sich ihr Mund herniederneigt Mit Trostesworten zu dem Kinde: Nicht lange währt's: die Klage schweigt, Die Thränen flieh'n vom Aug' geschwinde. O du, die einst mir jeden Schmerz Mit süßem Trosteswort beschworen, Was meinem Herzen einst dein Herz, Jetzt fühl' ich's, da ich dich verloren. Gedrückt von meines Kummers Wucht, Ein Kind muß ich mir immer scheinen, Ein Kind, das nach der Mutter sucht, In ihrem Schooß sich auszuweinen. Der Stern Es ging ein Stern am Himmel auf, Ein Stern mit goldnen Strahlen, Der sah im buhlerischen Meer Sein stolzes Bild sich malen. Doch mitten in des Glanzes Pracht Ließ ihn das Glück zerschellen, Er fiel herab in's tiefe Meer, Verlosch im Schaum der Wellen. Ich bin wie der versunkne Stern, Verloschen und verschollen — Schon rauscht das Meer hoch über mir Und Schaum und Wogen grollen. Die zerfallene Kirche Was weiß die Welt von deiner geheimen Pracht, Zerfallne Kirche, tief in des Waldes Nacht? Entzückt sah ich dich vor mir liegen, Als ich hinunter in's Thal gestiegen. Andächt'gen Sinnes schritt ich in dein Portal, Geführt vom sonnengoldigen Abendstrahl, Der deine gothisch ernsten Bogen Prächtig mit Gold und Purpur bezogen. Zu rothen Gluthen war der Altar entflammt, Gehalten ward ein feierlich Seelenamt Dem Frühling, welcher in die Lüfte Sterbend verhauchte die letzten Düfte. Der Wind durchrauschte rings die Gebüsche all', Das klang wie mächtig brausender Orgelschall! Und blaue Blumen, tief erschrocken, Schwangen die zitternden Blüthenglocken. Von Rosenkelchen fielen die Blätter ab, Wie lichte Thränen auf ein geliebtes Grab, Und hoch aus den verfallnen Chören Senkten sich Gräser zu Trauerflören. Auf allen Halmen glänzte geweihtes Naß, Die blühn'de Linde schwenkte das Weihrauchfaß, Und Klaggesänge ließ erschallen Schluchzend die letzte der Nachtigallen. Allmählich schwand des sinkenden Tages Schein, Und durch die Fenster glänzte der Mond herein. Der Lenz war todt; doch durch die Fernen Schwebte sein Geist zu den lichten Sternen.