Neuer Schauplatz der Künste und Handwerke. Mit Berücksichtigung der neuesten Erfindungen. Herausgegeben von einer Gesellschaft von Künstlern, technischen Schriftstellern und Fachgenossen. Mit vielen Abbildungen . Sechster Band. A. Ganswindt , Handbuch der Färberei. Weimar , 1889. Bernhard Friedrich Voigt . Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Enthaltend die Färberei der gebräuchlicheren Gespinnstfasern, mit besonderer Berücksichtigung der Maschinenkunde . Zum Unterricht an technischen Lehranstalten und Fachschulen, sowie zum Selbststudium für Färbereibesitzer, Chemiker, Koloristen, Bleicher, Appreteure, Maschinenfabrikanten und Ingenieure. Herausgegeben von Dr. A. Ganswindt, Redakteur der Deutschen Färberzeitung. Mit 212 in den Text gedruckten Abbildungen. Weimar , 1889. Bernhard Friedrich Voigt . Alle Rechte vorbehalten. Vorrede . Als die Verlagsbuchhandlung B. F. Voigt in Weimar im Juli 1887 mir den ehrenvollen Auftrag erteilte, von dem vormals hochangesehenen Werke „ Vitalis , Lehrbuch der gesamten Färberei“ eine Neubearbeitung nach dem heutigen Stande der Theorie und Praxis zu schaffen, habe ich mir die Schwierigkeiten eines solchen Unternehmens nicht verhehlt. Wenn ich nichtsdestoweniger den Antrag annahm, so war für mich dabei der Um- stand maßgebend, daß die Literatur über Färbereitechnik ohnehin spärlich gesäet ist und daß vor allem in der letzten Sturm- und Drangperiode seit Entdeckung der Anilinfarben mit Ausnahme von Hummels „The Dyeing of textile fabrics” kein einziges größeres, vor allem kein deutsches Werk über diesen Wissenszweig erschienen war, welches als Lehr- oder Handbuch für das Gesamtgebiet hätte gelten können. Die Literatur der letzten 30 Jahre bewegte sich vorwiegend auf Sondergebieten und auch hier mit einer gewissen Einseitigkeit, denn die fraglichen literarischen Erscheinungen sind nichts anderes als Rezeptbücher, Sammlungen von Färbevorschriften. So anerkennenswert und nützlich das für einzelne, eng begrenzte Zweige der Färberei auch sein mag, so sind solche Bücher doch als Hand- oder Lehrbücher, welche ein übersichtliches Bild des Gesamtgebiets geben sollen, nicht brauchbar. Es bestand somit ein thatsächlicher Mangel an einem Leitfaden oder einem Handbuche der Färberei , so daß Herr Professor Dr. Lunge noch im Oktober 1887 schreiben konnte: „Bei meinen Vorlesungen über Textilfasern, Bleicherei, Färberei, Zeugdruck und Farbstoffe empfand ich es stets als einen sehr großen Uebelstand, daß ich in der technischen Literatur durchaus keinen Leitfaden auffin- den konnte , der sich dazu geeignet hätte, zur Unterstützung und Ergänzung meiner Vorträge zu dienen ꝛc.“ Inzwischen ist diesem völligen Mangel an einem dem heutigen Stande der Wissenschaft entsprechenden Lehrbuche durch die deutsche Uebersetzung von Hummels obengenanntem trefflichen Werke abgeholfen worden. Bei Durchsicht des Vitalis schen Werkes stellte es sich sehr bald her- aus, daß von einer „Neubearbeitung“ von vornherein keine Rede sein könne. Seit Erscheinen der letzten Auflage des Vitalis schen Buches hat die Färbe- rei eine so vollständige Umwälzung erfahren, wie nie zuvor; durch die epochemachende Erfindung der künstlichen organischen Farbstoffe ist die Färbe- rei, früher ein ehrsames Handwerk, zu einem Zweige der chemischen Techno- logie emporgehoben worden. Diesem völligen Umschwunge hätte auch die weitgehendste Umarbeitung des Vitalis schen Werkes unmöglich Rechnung tragen können. Der vorliegende Versuch eines „Handbuches der Färberei“ ist daher eine von dem Vitalis schen Buche gänzlich unabhängige, durchaus selbstständige Arbeit. Ich habe mich dabei von dem Gedanken leiten lassen, mein Buch in einer so allgemein verständlichen Weise geschrieben zu sehen, daß es auch dem in der Chemie minder bewanderten Färber verständlich sei, ohne dabei an wissenschaftlichem Wert einzubüßen. Es ist eine nicht abzuleugnende Thatsache, daß der Bildungsgrad der Färber heute nicht mehr derselbe ist, wie ehedem, und daß der Färberstand mit dem Entwickelungsgange der moder- nen Färbereitechnik nicht entfernt Schritt gehalten hat, daß sich vielmehr ein Mangel an wissenschaftlicher Ausbildung fühlbar macht. Es mag das seinen Grund darin haben, daß Viele der Ansicht leben, mit dem früher hand- werksmäßig Erlernten auch noch jetzt die Färberei betreiben und die Fort- schritte der Chemie entbehren zu können; andererseits trägt wohl das gänz- liche Fehlen eines Lehrbuches der Färberei durch volle 34 Jahre den größe- ren Teil dieser Schuld. Sollte es meinem Handbuche beschieden sein, zur Hebung des Färbereigewerbes sowohl in wissenschaftlicher, wie in sozialer Beziehung beizutragen, so ist mein Wunsch erfüllt; denn gerade jener Mangel an wissenschaftlicher Ausbildung, humanistischer, wie fachlicher, ist es, welcher so viele unserer alten Meister die Flinte ins Korn werfen läßt. Sollte meine Arbeit von denjenigen Gelehrten und Lehrern, welchen der Unterricht in den chemisch-technischen Fächern an polytechnischen Hochschulen, Gewerbe- und Fachschulen obliegt, freundlich aufgenommen und nachsichtig beurteilt werden, so würde ich darin den schönsten Lohn für meine Mühe erblicken. Was den Inhalt des Buches selbst betrifft, so war ich zunächst be- müht, einen Ueberblick über die jetzt gebräuchlichen Gespinnstfasern zu geben, und diejenigen Eigenschaften derselben, deren Kenntnis für die Be- urteilung des Färbeprozesses von Wichtigkeit sind, zu besprechen und ihre Anwendbarkeit in der Färberei zu erklären. Dabei habe ich auch statistische Angaben, welche die Wichtigkeit und Ausdehnung eines Industriezweiges kennzeichnen, eingestreut. — Sodann habe ich der Warenkunde eine ganz besonders sorgfältige Bearbeitung zu teil werden lassen und habe da- bei, wenn die eigenen Erfahrungen nicht hinreichten, die verstreuten An- gaben aus der deutschen, französischen, englischen und amerikanischen Litera- tur und Journalistik gesammelt und verwertet. — Im zweiten Teil habe ich die mechanische Technologie der Färberei an Hand der vielen für den Färbereibetrieb erdachten und gebauten Maschinen vorzuführen versucht; es ist dies meines Wissens die erste deutsche Arbeit auf diesem noch wenig beachteten Gebiete. Bei dieser Gelegenheit sage ich denjenigen Fabriken, welche mich — da eine hierauf bezügliche Literatur überhaupt noch nicht existiert — durch Vorlagen, durch Rat und Auskunft unterstützt haben, meinen wärm- sten Dank. — Die chemische Technologie enthält dann die Regeln und Grundsätze der praktischen Färberei. Ich habe dabei versucht, diese Regeln und Methoden kritisch zu prüfen und zu beleuchten, insbesondere jene alten, vorsündflutlichen Vorschriften, die auch heute noch das Evange- lium vieler Färber bilden, auf ihren wahren Wert zurückzuführen. Aber auch den neueren Vorschlägen habe ich scharf ins Gesicht gesehen; wenn ich dabei Kritik geübt, so habe ich mich dabei lediglich an die Sache, nie- mals an die Person gehalten. Ich erhebe dabei meinerseits keinen An- spruch auf Unfehlbarkeit. Wenn ich irgendwo eine abweichende Ansicht aus- gesprochen und motiviert habe, so geschah es lediglich im Interesse der Sache selbst; ich werde mit Dankbarkeit jede Entgegnung aufnehmen, welche die etwaige Unhaltbarkeit meiner Gründe sachlich und überzeugend darzu- legen vermag, um so durch Rede und Widerrede dem Ziele immer näher zu kommen, dem wir wohl Alle zustreben: der Wahrheit! Um bei dem bedeutenden Umfange des Buches ein Auffinden der ein- zelnen Punkte wesentlich zu erleichtern, habe ich außer dem Inhaltsverzeichnis ein äußerst sorgfältiges Sachregister ausgearbeitet; ich habe auch, soweit das irgend möglich war, die alten, oft recht unsinnigen Namen im Buche und im Sachregister berücksichtigt, um so der älteren noch lebenden Generation wenigstens die Möglichkeit zu gewähren, einen Anknüpfungspunkt zu finden zwischen dem einstigen handwerksmäßigen Färben und der heutigen modernen Färberei. Und somit übergebe ich meine Arbeit der Oeffentlichkeit. Das Buch ist entstanden aus der Absicht, zu der so dringend notwendigen Hebung der fachlichen Ausbildung das Seine beizutragen. Möge es seinen Zweck überall erfüllen! Dresden , Juni 1889. Der Verfasser. Inhaltsverzeichnis. Seite Erster Teil . Einleitung. § 1. Zweck und Wesen der Färberei 3 § 2. Kurzer historischer Ueberblick über die Entwickelung der Färberei bis Mitte dieses Jahrhunderts 4 § 3. Entwickelung seit Entdeckung der Anilinfarben 6 § 4. Umfang des Gebietes der Färberei 8 Gewebefaserkunde. § 5. Wolle 11 § 6. Seide 26 § 7. Tierische Haare 43 § 8. Federn 45 § 9. Unterschied zwischen tierischer und pflanzlicher Gewebefaser 46 § 10. Baumwolle 46 § 11. Flachs 62 § 12. Hanf 67 § 13. Jute 69 § 14. Chinagras 72 § 15. Ramié oder Ramêh 74 § 16. Nesselfaser 75 Seite § 17. Sonstige Gespinnstfasern 77 § 18. Gemischte Gewebe 79 § 19. Künstliche Gespinnstfasern 81 § 20. Geflechtmaterialien 85 § 21. Gewebeprüfung 85 Farbwarenkunde. § 22. Begriff und Einteilung der Farbstoffe 91 1. Natürliche Farbstoffe. § 23. Tierische Farbstoffe 92 § 24. Charakteristik der pflanzlichen Farbstoffe 95 § 25. Allgemeines über Farbhölzer 97 I. Rote Farbmaterialien 100 § 26. Rothölzer 100 § 27. Krapp 101 § 28. Safflor 105 § 29. Orseille und Persio 105 § 30. Minder wichtige rote Farbstoffe 108 II. Blaue Farbmaterialien 110 § 31. Indigo 110 § 32. Blauholz 122 § 33. Waid 124 § 34. Minder wichtige blaue Farbstoffe 125 III. Gelbe Farbstoffe 126 § 35. Gelbholz 126 § 36. Fisetholz 127 § 37. Gelbbeeren 127 § 38. Quercitron 129 § 39. Curcuma 130 § 40. Wau 131 § 41. Orlean 132 § 42. Gelbschoten 133 § 43. Minder wichtige gelbe Farbstoffe 133 IV. Grüne Farbstoffe 135 § 44. Grüne pflanzliche Farbstoffe 135 Seite V. Braune Farbstoffe und Gerbstoffe 137 § 45. Catechu 137 § 46. Kino 139 § 47. Aloë 139 § 48. Braune Rinden- und Fruchtschalenfarbstoffe 140 § 49. Gerbstoffreiche Farbmaterialien 140 § 50. Galläpfel 141 § 51. Knoppern 142 § 52. Sumach 143 § 53. Andere gerbstoffhaltige Farbmaterialien 144 § 54. Mineralische Farbstoffe 145 2. Farbstoffpräparate. § 55. Allgemeines 145 § 56. Rote Farbstoffpräparate 146 § 57. Blaue Farbstoffpräparate 150 § 58. Gelbe Farbstoffpräparate 154 § 59. Braune Farbstoffpräparate 155 § 60. Gerbstoffextrakte 155 3. Künstliche organische Farbstoffe. § 61. Allgemeines 156 § 62. Einteilung der künstlichen Farbstoffe 158 § 63. Charakteristik und Eigenschaften 158 § 64. Art der Anwendung 160 I. Rote Farbstoffe 161 § 65. Basische rote Farbstoffe 161 § 66. Neutrale rote Farbstoffe 161 § 67. Schwach saure rote Farbstoffe 167 § 68. Stark saure rote Farbstoffe 172 II. Gelbe und orange Farbstoffe 182 § 69. Basische gelbe und orange Farbstoffe 182 § 70. Neutrale gelbe und orange Farbstoffe 183 § 71. Schwach saure gelbe und orange Farbstoffe 184 § 72. Stark saure gelbe und orange Farbstoffe 186 § 73. III Grüne Farbstoffe 193 IV. Blaue Farbstoffe 198 § 74. Neutrale blaue Farbstoffe 198 Seite § 75. Schwach saure blaue Farbstoffe 202 § 76. Stark saure blaue Farbstoffe 204 § 77. Künstlicher Indigo 207 V. Violette Farbstoffe 207 § 78. Neutrale violette Farbstoffe 207 § 79. Schwach saure violette Farbstoffe 211 § 80. Stark saure violette Farbstoffe 212 VI. Braune, graue und schwarze Farbstoffe 213 § 81. Braune Farbstoffe 213 § 82. Graue und schwarze Farbstoffe 214 Chemikalienkunde. § 83. Allgemeines 217 § 84. Das Wasser 218 § 85. Reinigung des Wassers 221 § 86. Dampfkessel- und Kondensationswasser 229 § 87. Die Säuren 233 § 88. Die Basen 239 Salze. § 89. Ammoniaksalze 245 § 90. Kaliumsalze 246 § 91. Natriumsalze 249 § 92. Calciumsalze 256 § 93. Magnesiumsalze 258 § 94. Baryumsalze 259 § 95. Thonerdesalze 260 § 96. Eisensalze 270 § 97. Mangansalze 276 § 98. Chromsalze 277 § 99. Antimonverbindungen 283 § 100. Arsenverbindungen 286 § 101. Zinksalze 286 § 102. Zinnsalze 288 § 103. Kupfersalze 290 § 104. Bleisalze 292 § 105. Seltenere Metallsalze 293 Seite § 106. Die Seifen 294 § 107. Türkischrotöl 300 § 108. Fette und Oele 301 § 109. Indifferente Stoffe 303 § 110. Bleichmittel 305 § 111. Appreturmittel 305 § 112. Hilfsmittel 311 Zweiter Teil . Die mechanischen Färbereiarbeiten (Operationen) und die dazu nötigen Apparate und Maschinen. § 1. Einleitung 315 § 2. Die Färbereiarbeiten im allgemeinen 316 § 3. Das Waschen 316 § 4. Waschen loser Gespinnstfasern 317 § 5. Waschen der Garne 319 § 6. Waschen von Geweben 334 § 7. Das Trocknen 347 § 8. Das Trocknen loser Fasern 348 § 9. Das Trocknen von Garnen 354 § 10. Trocknen von Geweben 362 § 11. Das Bleichen 364 § 12. Bleichen der Wolle 365 § 13. Bleichen der Seide 367 § 14. Bleichen der Baumwolle 368 § 15. Bleichen des Leinens 371 § 16. Bleichen der Jute 376 § 17. Bleichen von Federn und Stroh 378 § 18. Die Bleichoperationen 379 § 19. Die Hauptarbeiten der Färberei im allgemeinen 394 § 20. Zerkleinern der Rohmaterialien 394 § 21. Kochen der Farben 401 § 22. Lösen künstlicher organischer Farbstoffe 410 § 23. Das Beizen oder Ansieden 411 § 24. Das eigentliche Färben 415 § 25. Das Färben loser Fasern, sowie offener Vorgespinnste, Kammzug ꝛc. 416 Seite § 26. Das Färbereisystem Obermaier 416 § 27. Färben von Garnen 423 § 28. Färben von Geweben 427 § 29. Die nächsten Arbeiten nach dem Färben 441 § 30. Ueber Trockenanlagen 442 § 31. Trockenmaschinen 444 § 32. Die Vollendungsarbeiten der Färberei 450 § 33. Appretur der Garne 451 § 34. Appretur der Gewebe 461 Die chemischen Färbereiarbeiten. § 35. Theorie des Färbens 488 § 36. Beziehungen der Farbstoffe zu den in der Färberei verwendeten Fasern 495 § 37. Beziehungen zwischen Beizen und Fasern 496 § 38. Beziehungen zwischen Beizen und Farbstoff 498 1. Wollenfärberei. § 39. Die Färbemethoden 499 § 40. Die Wollbeizen 501 § 41. Die Wollfarbstoffe 507 § 42. Rote Färbungen auf Wolle 509 § 43. Orange Färbungen auf Wolle 516 § 44. Gelbe Färbungen auf Wolle 518 § 45. Grüne Färbungen auf Wolle 520 § 46. Blaue Färbungen auf Wolle 522 § 47. Violette Färbungen auf Wolle 526 § 48. Braune Färbungen auf Wolle 528 § 49. Graue und schwarze Färbungen auf Wolle 531 § 50. Das Färben mit Indigo 538 § 51. Die Küpenfärberei 555 § 52. Die Modefarben 559 2. Seidenfärberei. § 53. Die Färbemethoden 560 § 54. Die Seidenbeizen 561 § 55. Die Seidenfarbstoffe 563 § 56. Rote Färbungen auf Seide 565 § 57. Orange Färbungen auf Seide 568 § 58. Gelbe Färbungen auf Seide 569 Seite § 59. Grüne Färbungen auf Seide 570 § 60. Blaue Färbungen auf Seide 571 § 61. Violette Färbungen auf Seide 572 § 62. Braune Färbungen auf Seide 574 § 63. Olive Färbungen auf Seide 576 § 64. Modefarben auf Seide 576 § 65. Das Schwarzfärben der Seide 577 3. Baumwollenfärberei. § 66. Die Färbemethoden 580 § 67. Die Baumwollbeizen 582 § 68. Das Animalisieren der Baumwolle 586 § 69. Die Baumwollfarbstoffe 587 § 70. Rote Färbungen auf Baumwolle 589 § 71. Orange Färbungen auf Baumwolle 591 § 72. Gelbe Färbungen auf Baumwolle 593 § 73. Grüne Färbungen auf Baumwolle 595 § 74. Blaue Färbungen auf Baumwolle 596 § 75. Violette Färbungen auf Baumwolle 599 § 76. Braune Färbungen auf Baumwolle 601 § 77. Olive Färbungen auf Baumwolle 603 § 78. Modefarben auf Baumwolle 604 § 79. Schwarze Färbungen auf Baumwolle 604 § 80. Die Türkischrotfärberei oder das Färben der Baumwolle mit Alizarin 607 § 81. Das Türkischrotfärben nach der Weißbad-Methode 608 § 82. Das Türkischrotfärben nach Steiners Verfahren 612 § 83. Das Türkischrotöl-Verfahren 613 § 84. Die Anilinschwarz-Färberei 617 4. Färberei gemischter Gewebe. § 85. Allgemeines 621 § 86. Halbwollen-Färberei 622 § 87. Färbungen auf Halbwolle 624 § 88. Halbseiden-Färberei 625 § 89. Färbungen auf Halbseide 626 § 90. Leinen-Färberei 629 § 91. Jute-Färberei 630 § 92. Chinagras-, Ramié- und Nessel-Färberei 631 § 93. Filzstumpen-Färberei 631 § 94. Federn-Färberei 631 Seite § 95. Stroh-Färberei 632 § 96. Leder-Färberei 632 § 97. Kleider-Färberei 632 § 98. Allgemeines über die Methoden der Ermittelung der Anwendung der Farbstoffe 634 § 99. Das Probefärben 638 § 100. Die Färberei-Einrichtung 639 § 101. Die Färberei-Abflußwässer 645 § 102. Literatur-Nachweis 648 Nachtrag , enthaltend die neuesten Farbstoffe und Beizen 650 Alphabetisches Sachregister 671 Erster Teil. Allgemeiner Teil. Ganswindt , Färberei. 1 Einleitung. § 1. Zweck und Wesen der Färberei. Der Zweck der Färberei ist die Einlagerung von Farbstoffen in die Gespinnstfasern, damit diese letzteren eine von ihrer ursprünglichen Natur- farbe abweichende Farbe annehmen. Das eigentliche Wesen der Färberei liegt in der Einlagerung des Farbstoffes, in einem vollständigen Ein- dringen in und einem Durchdringen durch die Elemente der Gespinnst- faser. Dadurch unterscheidet sich die Färberei scharf von der Malerei , bei welcher ja auch Farbstoffe auf Gewebefasern und Gewebe aufgetragen wer- den. Die Dekorationen der Theater werden mit den prächtigsten und wir- kungsvollsten Farben bemalt; die herrlichsten Farbenzusammenstellungen in den feinsten Abtönungen bis zur einfachsten und gewöhnlichsten Farbe haben wir auf unsern Tapeten; stimmungsvoller, und darum gewissermaßen noch schö- ner, wirken Oel- und Aquarellgemälde; ähnlich, nur minder kunstreich, wirken die farbigen Wachstuche. In allen genannten Fällen kommen Gewebe mit Farbstoffen in Berührung; aber die Farben sind nicht in die Elemente der Gewebefaser eingelagert , sondern sie liegen nur lose und locker auf der Faser auf , sie sind mittels mechanischen Auftragens auf den Geweben be- festigt und haften darauf lediglich mechanisch infolge der Adhäsion, wie sie sich auch durch rein mechanische Mittel (Reiben, Klopfen, Bürsten, Eintau- chen in Wasser u. dergl.) wieder entfernen lassen. Minder scharf unterscheidet sich die Färberei von der Druckerei der Gewebe, dem Zeugdruck . Auch hier haben wir Gewebe und Farbstoffe; durch die mancherlei Operationen beim Zeugdruck wird der auf dem Gewebe anfangs mechanisch lose aufliegende Farbstoff zum Eindringen in die Faser genötigt. Der weitere Verlauf der Zeugdruckoperationen aber sorgt dafür, daß dieses Eindringen in die Gewebefaser nur ein oberflächliches ist, so daß von einem vollständigen Durchdringen des Gewebes keine Rede sein kann. A. v. Wagner bezeichnet den Zeugdruck noch als eine „örtliche Färberei“, was er zweifellos nicht ist; denn, abgesehen von dem nur teil- weisen Eindringen des Farbstoffes in die Faser, wird derselbe durch allerlei chemische Zusätze (Verdickungsmittel) an einem eigentlichen Durchdringen der Faser direkt verhindert. 1* Nach dem bisher Gesagten ergibt sich nunmehr für den Begriff der Färberei folgende Erklärung: Die Färberei umfaßt die voll- ständige Durchdringung von Gespinnstfasern oder Geweben mittels Farbstoffen in löslicher Form, mit der Bedingung, daß die Einlagerung des Farbstoffes selber in die Elemente der Gewebefaser in unlöslicher Form stattfinde . Alle Arbeiten, welche diesem Zwecke dienen, und zwar sowohl diejenigen, welche die Gewebefaser oder die Gewebe für die Aufnahme eines Farbstoffes geeignet machen und vorbereiten sollen, als auch die verschiedenartigsten Opera- tionen, um eine Durchtränkung des Gewebes mit dem Farbstoffe, sowie die Methoden, welche die Befestigung derselben auf der Faser bezwecken, bilden das Gebiet der Färberei im engeren Sinne. Im weiteren Sinne gehört dazu noch die unentbehrliche Kenntnis der Gewebefasern und Gewebe (Gewebe- kunde), der chemischen und physikalischen Eigenschaften, Erkennung und Prü- fung der Farbstoffe (Farbwarenkunde), der Eigenschaften der im Färberei- betrieb vielfach verwendeten chemischen Stoffe (Chemikalienkunde), und end- lich die Kenntnis der dabei in Betracht kommenden Maschinen, Apparate und Instrumente (Maschinenkunde). Das hier in kurzem zusammengefaßte Gesamtgebiet bildet den Inhalt dieses Buches. § 2. Kurzer historischer Ueberblick über die Entwickelung der Färbe- rei bis Mitte dieses Jahrhunderts. Ueber die Ursachen, welche die Färberei von Geweben herbeigeführt haben, ist in den Schriften der Alten nichts zu finden. Eine zwingende Notwendigkeit dazu lag jedenfalls nicht vor, so wenig wie sie heute vorlie- gen würde. Wir verwenden große Mengen Leinen- und Baumwollengewebe im gebleichten Zustande ungefärbt, wir verwenden die Jute sogar zum Teil ungebleicht, desgleichen das Wollhaar. Ich erinnere nur an die „Normal-“ Kleider nach dem famosen „System Jäger “. Diese „naturbraunen“ Ge- webe, welche jetzt sogar „modefarben“ geworden sind, gehören heute zum guten Ton; aber es ist noch niemandem eingefallen, diese neueste Modethor- heit auch der Färberei zugängig zu machen. Ein Bedürfnis dazu liegt ent- schieden nicht vor, und die naturbraunen Gewebe erfüllen nicht nur ihren Zweck vollkommen, sondern sie werden sogar noch in Hinsicht ihrer Farbe vielfach nachgeahmt. Es bleibt mithin nur die Annahme übrig, daß die Sucht, sich mit Farben zu schmücken, die erste Veranlassung zur Färberei gewesen ist. Die- ser merkwürdige Hang ist allen Naturvölkern eigen und gibt sich in jenen Klimaten, welche eine eigentliche Bekleidung unnötig machen, durch Bemalen des Körpers, durch Tättowieren und durch Ausschmücken mit den bunten Federn der Vögel kund. Noch heute verkaufen die Naturvölker der Inseln des Stillen Ozeans, wie weiland Esau seine Erstgeburt für ein Linsenge- richt, so ihrer Seelen Seligkeit für einen Lappen buntes Tuch. Es ist also wohl das Färben im Altertum als ein Zugeständnis an den Schönheitssinn aufzufassen. Möglicherweise mag auch die Erwägung maßgebend gewesen sein, sich durch Farben voneinander zu unterscheiden. Von einer Entdeckung oder Erfindung der Färberei kann somit nicht gesprochen werden; vielmehr ist anzunehmen, daß, wie in so vielen Fällen, der Zufall die Hauptrolle gespielt hat. Es brauchte nur ein Coccus -Weib- chen in faulenden Harn zu fallen und ein Stück eines Byssusgewebes in denselben geweicht zu werden, so waren die Bedingungen der Purpurfärbung gegeben, und die Sache konnte „zum Patent angemeldet werden“. In der That scheint die Purpurfarbe die älteste und erste gewesen zu sein; schon in den Büchern Mosis finden sich purpurne Stoffe erwähnt, und die Ge- wänder des Hohenpriesters waren nach göttlichem Befehl aus solchen Stoffen zu fertigen, wie denn überhaupt purpurne Gewänder als Attribut fürstlicher und priesterlicher Würde galten; im Plutarch findet sich eine Notiz, daß Alexander im Lager des Darius purpurfarbene Gewebe gefunden habe, welche 200 Jahre vorher schon gefärbt, dabei aber noch von außerordentlicher Schönheit waren, ein Beweis, daß man bereits in jenen weit zurückliegen- den Zeiten einen sehr echten purpurroten Farbstoff gekannt. Man färbte vorzugsweise die Wolle, dann erst wurde sie verarbeitet. Homer spricht vom „Spinnen der Purpurwolle“. Die Aegypter gingen sogar so weit, daß sie die Wolle auf den lebenden Schafen mit Purpur färbten. Plinius nennt mehrere Schafsorten, welche durch die Naturfarbe ihrer Wolle be- rühmt waren, die spanischen schwarz, die von den Alpen weiß, die erythrä- ischen und bätischen rot, die kanesischen gelb, die tareatinischen gelblich. Auch die Kunst des Lederfärbens verstanden die Aegypter bereits, wie das die Zeichnungen der farbigen ledernen Helme auf den Bildern der Pyramiden zweifellos beweisen. Schon vor mehr als 3000 Jahren hat man Gewebe schön und echt zu färben verstanden; insbesondere besaßen im Altertum die beiden Städte Tyrus und Sidon einen weitverbreiteten Ruf wegen ihrer schönen Gewebe. Die Bibel erzählt, daß der weise König Salomo sich aus Tyrus habe Stoffe kommen lassen von purpurner, scharlachroter und blauer Farbe, Stoffe, deren Farbe erst mit dem Gewebe zu Grunde ging. Die Farben, welche im Altertum zum Färben dienten, scheinen demnach von weit größerer Lichtechtheit gewesen zu sein, als die heute üblichen. Leider wissen wir wenig oder nichts davon, welche Stoffe damals zum Färben be- nutzt worden sind; nur bezüglich des Purpurs scheint es, daß man sich der Purpurschnecken bedient hat. Wenigstens berichtet Mullerus , daß man aus zwei Muschelarten, Murex brandaris und Purpura capillus, Purpur bereitet habe. Wolters berichtet, daß die Phönicier den Saft zweier Purpur- schnecken gewannen, die eine buccinum, die andere pelagia genannt, und daß sie 12 Purpurfarben kannten, vom purpurangehauchten Weiß bis zum Purpurschwarz der schwarzen Rosen. Am teuersten, zehnmal so teuer als alle andern, war der tyrische; um die Zeit vor Christi Geburt kostete ein Pfund tyrische Purpurwolle mehr als 1000 Denar (300 Mark). Später waren die Phönicier die eigentlichen Träger der Färberei; von ihnen wissen wir, daß sie die Krappwurzel bereits gekannt haben, sowie auch Scharlach- beeren, Cochenille, Waid und Kreuzbeeren zu gebrauchen verstanden. Diese Farben hießen im Gegensatz zu den Purpurfarben terrenische Farben. Durch die Phönicier ist die Färberei auch zuerst nach Europa gekommen, und besonders in Griechenland gepflegt worden, wo man Seide, Wolle und einige Pflanzen- fasern bereits zu färben verstand. Von hier teilte sie sich den Römern mit. Plinius berichtet, daß die Parteien bei den circensischen Spielen sich durch Farben unterschieden haben, und nennt ausdrücklich Grün, Orange, Grau und Weiß. Diese Industrie wurde durch die spätern Einfälle der Barbaren vernichtet und erst gegen das Ende des 13. Jahrhunderts tauchen wieder Nachrichten auf. Diesesmal war Florenz und die venetianische Republik der Sitz der Färberei, wie der Textilindustrie überhaupt, und die Färbereien von Florenz, wie die venetianischen Stoffe, waren im Mittelalter sehr be- rühmt. Die nun folgende Entdeckung Amerikas brachte einigen Umschwung in die Technik der Färberei: man lernte die Farbhölzer kennen. Diese neue Entdeckung hat viel zur Verbreitung der Färberei beigetragen, und bald entstanden auch in andern Ländern Europas Färbereien. 1540 erschien in Venedig das erste Werk über Färberei von Giovanni Ventura Rosetti. Kurz darauf kam der erste Indigo nach Europa; da man jedoch von seiner Verwendung eine Schädigung der einheimischen Waidkultur befürchtete, wurde seine weitere Einführung verboten und die vorhandenen Vorräte zerstört. Von da ab bewegt sich der Entwickelungsgang der Färberei in ziemlich einför- migem Geleise. Nur wenig Neues wurde entdeckt: Drebbel entdeckte 1650 ein Verfahren, mittels Cochenille und Zinnsalz Scharlach zu färben. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts führte Gobelin die Färberei in Frankreich ein; um das Jahr 1770 entstanden die ersten Türkischrotfärbereien. 1785 erfand Saint-Evron ein neues Zinnpräparat, um das Krapprot lebhaf- ter zu machen. Seit dieser Zeit, wo die Chemie, fußend auf den Forschungen französi- scher, schwedischer, englischer und deutscher Gelehrten, sich zu einer eigenen Wissenschaft ausbildete und sich schnell entwickelte, seit dieser Zeit datiert zuerst ein gewisser Einfluß der Chentie auf die Färberei. Es sind jetzt genau 100 Jahre her, daß zum erstenmale das Chlor zum Bleichen Ver- wendung fand (eine Erfindung Berthollets ). Seitdem sind eine Unmenge neuer Farbmittel, besonders pflanzlichen Ursprungs, in Gebrauch genommen worden, und die Chemie kargt nicht mit immer neuen Stoffen, welche bald als Farbstoffe selbst, meist aber als Beizen und zur Erzeugung von Farb- stofflacken Verwendung fanden. Um jene Zeit erschien auch das erste größere Werk über Färberei. 1825 veröffentlichte Vitalis, Professor der technischen Chemie, sein Werk: „Cours élémentaire de teinture et sur l’art d’impri- mer les toiles”, welches bald darauf im Verlag von B. F. Voigt in Weimar in deutscher Ausgabe erschien, und im Jahre 1854 unter der Lei- tung von Dr. Chr. H. Schmidt eine sechste Auflage erlebte. Dieses Werk gibt ein klares Bild von der Entwickelung der Färberei in der genannten Zeit; aber das gewonnene Bild ist unendlich verschieden von dem Bilde des heutigen Standes der Färbereiwissenschaft. In dem Werke ist das Wörtchen Anilin noch nicht einmal erwähnt; man färbte eben noch nach alten bekannten Methoden und arbeitete meistens aufs Geratewohl, höchstens mit neuen Metallsalzen neue Töne zu erzeugen versuchend. Nun aber folgte die Entdeckung des Anilins, welche eine vollständige Umwälzung in der Färberei- technik hervorgerufen hat. § 3. Entwickelung seit Entdeckung der Anilinfarben. Die erste Entdeckung des Anilins stammt aus dem Jahre 1826, wo Unverdorben dasselbe unter den Produkten der Destillation des Indigos auffand, ohne indessen von der Wichtigkeit seiner Entdeckung die geringste Ahnung zu haben. Er nannte es Krystallin . 1833 fand Runge das- selbe im Steinkohlenteer. Diesem Chemiker war auch bereits die Eigen- schaft des neu entdeckten Stoffes bekannt, mit Chlorkalklösung eine prächtig blaue Farbe zu geben, weshalb er demselben den Namen Kyanol (Blauöl) gab; er soll auf Grund dieser Reaktion der damaligen preußischen Regierung den Vorschlag gemacht haben, das „Kyanol“ im großen Maßstabe herzu- stellen, mit seinem Vorschlage jedoch abgewiesen sein. v. Fritzsch stellte 1841 zuerst seine Zusammensetzung fest, und nannte dasselbe, da er es aus Anil (die portugiesische Bezeichnung für Indigo) gewonnen hatte, Anilin , welcher Name sich bis heute erhalten hat. Bis hierhin hat die Entdeckung des Anilins noch keine Wichtigkeit, sondern mehr theoretisches Interesse. Das wurde anders, als es 1842 gelang, Anilin in größern Mengen zu bereiten. Zinin fand durch Zufall eine ganz neue Methode zur Bereitung von Anilin aus Nitrobenzol durch Behandeln mit Schwefelwasserstoff, welches Verfahren später durch das von Béchamp (Behandlung mit Eisenfeile und Essigsäure) verdrängt worden ist. Durch die Beschaffung größerer Mengen von Anilin war die Möglichkeit der Weiterentwickelung der bislang bekannten Farben- reaktionen gegeben. 1856 stellte Perkin zuerst das Mauveïn, den ersten wirklichen Anilinfarbstoff , dar. Dem Mauveïn folgte drei Jahre später das Fuch- sin; Verguin , Chemiker in Lyon, stellte dasselbe durch Einwirkung von Zinnchlorid auf das Anilin des Handels dar. Girard und de Laire haben später statt der Einwirkung von Zinnchlorid das Arsensäureverfahren einge- führt. Mit der fabrikmäßigen Bereitung des Fuchsins war eine neue In- dustrie geschaffen worden, die Teerfarbenindustrie , welche heute tausende fleißiger Hände beschäftigt. Gleichzeitig damit beginnt aber für die Färberei eine neue Zeit , denn die neuen Anilinfarben besaßen für Seide und Wolle eine so große Anziehungskraft, daß das Färben dieser Gespinnstfasern auf die denkbar einfachste Weise, ohne alle Beizen, von selbst vor sich ging. Auch gaben die neuen Anilinfarben bis dahin nicht gekannte feurige Farbeneffekte und stachen dadurch gegen die bisher bekannten, meist durchgehends stumpfen Holzfarben vorteilhaft ab. Es folgten nun die Arbeiten A. W. Hofmanns , den man mit gutem Gewissen als den Vater der Anilinfarbenchemie bezeichnen kann. 1862 ent- deckte derselbe das nach ihm benannte Hofmanns Violett , kurz darauf das Hofmanns Grün . Während die sämtlichen bisher genannten Anilin- farben von Chemikern gefunden sind, ist es nur recht und billig, auch der Verdienste eines französischen Färbers zu gedenken, Cherpin , der in dem gleichen Jahr das Aldehydgrün entdeckt hatte. Von da ab beginnt eine ununterbrochene Reihe von Entdeckungen und Erfindungen; jedes Jahr brachte neue Farbstoffe, und gleichzeitig machte die Kenntnis der eigentlichen Zu- sammensetzung dieser neuen Farbstoffe immer neue Fortschritte, so daß es gelang, bisher nur natürlich vorkommende Pflanzenfarbstoffe künstlich darzu- stellen. Nur kurz möge es gestattet sein, die Erfindungen namhaft zu machen: 1861 erschienen die Lauth schen Farbstoffe, 1863 entdeckte Light- foot das Anilinschwarz; 1865 Roth das Phenylbraun; 1866 Martius das Martiusgelb; 1867 Schiendl das Magdalarot; 1869 Perkin das Safranin; 1869 stellten Graebe und Liebermann das Alizarin künstlich dar und lenkten damit die Krappfärberei in völlig neue Bahnen. 1874 entdeckte Caro das Eosin . Mit dem Jahr 1876 erschienen zum erstenmal die Azofarbstoffe , allen voran als erster das von O. N. Witt entdeckte Chrysoidin , welchen bald eine ganze Anzahl orangegelber und roter Azo- farbstoffe folgte. 1877 entdeckte Döbner das Malachitgrün , annähernd gleichzeitig O. Fischer das Bittermandelölgrün. 1879 gelang Bayer die Synthese des Indigos. Seitdem hat fast jeder Monat neue Farbstoffe gebracht, welche teils direkt zum Färben verwendet werden können, teils als Ausgangsmaterial zur Bereitung weiterer Farbstoffe dienen. Die einzelne Aufzählung aller dieser neuen Farbstoffe würde zu weit führen; nur die wirklich wichtigen mögen erwähnt werden. Es gehören dahin das von Strobel entdeckte Alizarinorange , das von Prud’homme dargestellte Alizarinblau und die im Jahre 1886 von der Bad. Anilin- und Soda- fabrik in den Handel gebrachten Alizarinfarben , das von Oehler in den Handel gebrachte Tuchrot , das von Bindschedler und Busch ein- geführte Tartrazin , das von Boetticher entdeckte Congorot , die von der Aktiengesellschaft für Anilinfabrikation eingeführten Benzidinfarbstoffe Benzopurpurin, Flavophenin, Benzoazurin und Azoblau , welche durch ihre Eigenschaft, Baumwolle ohne Beize echt zu färben, und sogar ihrerseits selbst als Beize für anderweite Farbstoffe zu dienen, mit Recht Aufsehen erregt haben; das von Cassella \& Comp . eingeführte Naphtol- schwarz , das Wollschwarz der Aktiengesellschaft für Anilinfabrikation, das Azarin von Meister, Lucius und Brüning , die 1887 von Leonhard \& Comp . in Mühlheim (Hessen) eingeführten Farbstoffe Hessisch- gelb und Hessischpurpur , das 1888 von der Bad. Anilin- und Soda- fabrik in den Handel gebrachte Rhodamin , sowie endlich die im Herbst 1888 von Brooke, Simpson und Spiller in den Handel gebrachten Ingrainfarben. Gleichen Schritt mit der Entdeckung neuer Farben und neuer Färbe- methoden hielt die Entwickelung der Maschinentechnik; während früher die Färberei ganz oder zum großen Teil auf Handarbeit beruhte, wird jetzt ein großer, wenn nicht der größere, Teil durch Maschinen besorgt, welche ihrer- seits wieder auf die weitere Entwickelung der Färberei einen wesentlichen Einfluß geübt und ihr besonders im Großbetriebe ein ganz anderes Gepräge verliehen haben. Endlich hat auch die Gewebetechnik durch eine Anzahl neuer Gewebe, sowie der Handel durch die Einführung neuer Gespinnstfasern einen nicht unbedeutenden Einfluß auf den Entwickelungsgang der Färberei gehabt, der- gestalt, daß, wenn wir heute die Färberei betrachten, sie uns nicht mehr als ein einfaches Handwerk erscheint, was sie noch vor 20 Jahren war, auch nicht als eine Kunst, sondern als ein eigener Zweig der chemischen Industrie . Dieser Entwickelungsgang der Färberei bringt es logischerweise mit sich, daß der praktische Färber sich in Zukunft weit mehr als bisher der Chemie wird zuwenden müssen, da er andernfalls Gefahr läuft, zum Gehilfen und Handlanger des Chemikers herabzusinken, mindestens aber eine untergeordnete Rolle zu spielen. Möchten diese in der besten Absicht ge- sprochenen und dem warmen Interesse des Verfassers für das Fach ent- sprungenen Worte doch beherzigt werden. § 4. Umfang des Gebietes der Färberei. Für einen Färber, der etwas Tüchtiges in seinem Fache leisten will, ist nicht allein eine Kenntnis der Farbstoffe, mit denen er umgeht, notwen- dig, seine Kenntnisse müssen sich auch auf die Materialien erstrecken, welche thatsächlich zum Gefärbtwerden in Betracht kommen, er muß sich auch mit den Stoffen vertraut machen, welche ihm zum Färben übergeben werden können. Dabei handelt es sich keineswegs etwa bloß um Kleiderstoffe, son- dern um eine nicht unbedeutende Anzahl von Materialien, welche teils tieri- schen , teils pflanzlichen Ursprungs sind. Von diesen bilden einzelne förmliche Spezialfächer in dem großen Gebiet der Färberei, wie aus dem Nachfolgenden leicht ersichtlich werden wird. 1. Zu färbende Stoffe tierischen Ursprungs . Die hierher gehörenden Stoffe sind, mit alleiniger Ausnahme der Cocons der Seiden- raupe, Oberhautgebilde oder Trichomgebilde des lebenden Tieres, welches in diesem Falle (wie die Angoraziege, oder das russische Kaninchen) im vollsten Sinne des Worts „seine Haut zu Markte trägt“, indem die Haut samt der Behaarung zum Färben gelangt. Dieser besondere Zweig der Färberei ist die Rauchwarenfärberei, Pelz - oder Fellfärberei . — Häufig wird auch die von den Haaren befreite und dann gegerbte Haut dem Färben unterworfen; dieser gleichfalls sehr bedeutende Zweig der Färberei ist die Lederfärberei , welche speziell in der Färberei von Handschuhleder ein weites Feld umfaßt. Weit seltener ist der Fall, daß bloß die Haare allein gefärbt werden. Nur ausnahmsweise geschieht das am lebenden Körper selbst, und dann am menschlichen Kopfhaar, um das Bleichwerden des Haares, das Zeichen des Alters, zu verdecken: Haarfärberei . Um so ausgedehn- ter ist das Gebiet des Färbens der Haare von Hasen, Ziegen und Kanin- chen, nachdem dieselben mittels besonderer Operationen zu Hutfilz verar- beitet sind, als Haarfilzfärberei . Weniger bekannt ist die stellenweis sehr bedeutende Verwendung von Rinderhaaren, Hundehaaren und ähnlichem geringwertigem Material zu sogen. Holländer- oder Haargarnen, welche in der Teppichfabrikation eine nicht unbedeutende Rolle spielen und dabei auch gefärbt werden: Haargarnfärberei . Stammten die bisher betrachteten Oberhautgebilde von Säugetieren ab, so liefern die Vögel mit ihren Federn ein nicht minder großes Kontingent zu färbender Materialien, und die von Jahr zu Jahr zunehmende Verwen- dung von Schmuckfedern hat eine eigene Industrie, die Federnfärberei , ins Leben gerufen. Felle, Leder, Haare und Federn zusammen verschwinden aber hinsicht- lich der zum Färben verwendeten Mengen gegenüber den beiden Hauptver- tretern animalischer Rohstoffe für Färbereizwecke: Wolle und Seide . Diese finden weiter unten ausführliche Besprechung. Der Ausführlichkeit wegen sei hier noch auf ein tierisches Produkt auf- merksam gemacht, welches in früheren Zeiten in gewissem Ansehen stand: die Byssusfäden , haar- oder fadenähnliche Auswüchse am Fuße vieler Muscheln, mit Hilfe deren sie sich auf dem Meeresboden anheften. Der- artige Muscheln sind besonders im Mittelmeere heimisch und heute noch werden in Italien aus diesem Byssus Gewebe gefertigt. 2. Zu färbende Stoffe pflanzlichen Ursprungs . Wenn die Rohstoffe tierischen Ursprungs vorwiegend die äußersten Schichten oder Aus- wüchse des Tierkörpers vorstellen, so ist bei den Rohstoffen pflanzlichen Ur- sprungs meist das Umgekehrte der Fall. Mit Ausnahme der Baumwolle, welche die Samenhaare des Baumwollsamens vorstellt, entstammen die übri- gen pflanzlichen Rohstoffe dem Innern des Pflanzenkörpers, und stellen Zellen oder Zellgewebe vor, welche im Pflanzenreiche als „Gefäße“ bezeichnet werden; insbesondere sind es die langen Faserzellen des Bastes und des Holzes, welche als Bastfaser oder Holzfaser figurieren. In diese Klasse der Bastfasern und Holzfasern zählt die Flachsfaser , die Hanffaser (kurzweg Flachs oder Hanf genannt), die Jute und die Ramié- oder Nessel- faser. Zu den vegetabilischen Rohstoffen zählt außer den genannten Gespinnst- fasern auch noch das Stroh , welches, für die Strohhutfabrikation verwendet, zu Strohgeflecht verarbeitet wird und als China- oder Mottledgeflecht das Halbfabrikat für die Strohgeflechtfärberei bildet. Seltener kommt es vor, daß ganze Pflanzenteile, ja sogar ganze Pflan- zen, welche entweder an und für sich farblos oder saftarm sind, gefärbt wer- den; solches ist besonders der Fall bei den Blütenständen der Gräser, welche zur Herstellung von Makartbouquets dienen und bei einzelnen Moosen. Ebenso selten ist das Färben des Holzes. Bei weitem die wichtigsten vegetabilischen Rohstoffe sind Baumwolle und Leinen , welche weiter unten ausführlich behandelt werden. Nächst den Gewebefasern und den zum Färben derselben nötigen Farb- stoffen muß der Färber noch mit allen denjenigen chemischen Stoffen ver- traut sein, welche er häufig braucht, sei es, um die Farbstoffe auf der Ge- webefaser zu befestigen, oder um die Gewebefasern für den Färbeprozeß vor- zubereiten, sei es, um sie zu reinigen, oder ihnen ein besonderes Ansehen oder einen besondern Griff zu geben. Endlich bedarf er der Kenntnis einer gewissen Anzahl von Maschinen, welche in den verschiedenen Entwickelungsstadien des Färbevorganges eine leichtere Handhabung und eine schonendere Behandlung der Gespinnstfasern bezwecken, oder für andere Hilfs- und Nebenarbeiten im Färbereibetriebe notwendig oder wünschenswert sind. An der Hand dieses Entwickelungsganges behandelt dieses Handbuch in den nächsten drei Hauptabschnitten: Gewebefaserkunde, Farbwarenkunde, Chemikalienkunde, um dann zur eigentlichen Färberei überzugehen. Gewebefaserkunde. § 5. Wolle. Von allen dem Tierreiche entstammenden Gespinnstfasern ist die Wolle die am meisten verbreitete und wichtigste. Unter Wolle versteht man das aus Horngewebe bestehende, haarähnliche, feine, wellen- förmig gekräuselte, sich ineinander filzende, meist hellfarbige Oberhautgebilde einer Anzahl von Säugetieren , z. B. des Schafes, einzelner Ziegenarten und Kameelarten. Einzelne Autoren rechnen die Wolle zu den Haarbildungen, aber mit Unrecht. Chemisch sind Haar und Wolle gar nicht unterschieden. Vergleicht man dagegen beide nach ihren allgemei- nen Eigenschaften, so ergeben sich folgende Unterschiede: Haare sind durch- gehends länger, auch von größerer Dicke; sie sind mehr steif und straff und lassen sich weniger leicht kräuseln und verfilzen; die Wolle dagegen ist stets feiner, weicher, selbst bei ziemlicher Länge, und von großer Biegsamkeit und Elastizität, sowie von eigenem Glanz; sie verfilzt sich leicht und ist von hellerer Farbe. Diese genannten Eigenschaften sind zugleich maßgebend für die Beurteilung des Wertes der Wolle; je weiter ab sich diese von der Na- tur des Haares entfernen, um so wertvoller ist die Wolle; jemehr sie sich der Natur des Haares nähern, desto weniger geschätzt ist sie. Natürlich gibt es hinsichtlich dieser Eigenschaften keine haarscharfe Grenze zwischen Haar und Wolle; es existieren Haare, die so fein sind, daß sie als Wolle gelten können, und es gibt Wolle, die so wenig Kräuselung zeigt, daß sie als Haar betrachtet werden kann. Wohl aber gibt es einen durchaus charakteristischen Unterschied zwischen Haar und Wolle, welcher sich unter dem Mikroskope sofort zeigt: Haare zeigen eine mehr oder minder cylinderförmige, lange glatte Außenfläche, die Wolle aber zeigt auf ihrer Außenfläche Zellen in Form von dachziegelartig sich deckenden hornartigen Plättchen oder Schuppen von unregelmäßiger Ge- stalt (Fig. 1). Die Wollfaser erscheint somit wie von einer schuppigen Rinde umgeben; dieses Aeußere ist so eigenartig und so bezeichnend für die Woll- faser, daß sie dadurch mit Leichtigkeit von allen andern Gewebefasern zu unterscheiden ist. Diese schuppige Oberfläche der Wollfaser ist zugleich die Fig. 1. Schafwolle. Ursache des rauhen Anfühlens der Wolle und verleiht ihr die Fähigkeit, sich zu filzen ; diese Fähigkeit zeigt sich in erhöhtem Maße bei der gleichzeitigen Behandlung von knetendem Druck und heißem Wasserdampf, wie das beim Walken der Fall ist. Bei genauerer Betrachtung unter dem Mikroskop zeigen sich drei verschiedene Schichten: 1. Die schon oben als der Wollfaser eigentümlich bezeichneten schuppigen Plättchen ( Epithelsub- stanz ). 2. Die darunter liegende eigentliche, entweder farblose oder farbige Fasersubstanz . 3. Die Marksubstanz . Während die beiden ersteren stets vorhanden sind, kann die letzte (wie z. B. bei Merinowolle) fehlen, oder aber (wie bei der Vicunnawolle) besonders stark entwickelt sein. Herkunft. Von den Tieren, welche uns die Wolle liefern, sind zu nennen: 1. Das Schaf (Ovis aries) mit seinen verschiedenen Abarten. Die- ses liefert die Schafwolle . Als besonders hervorragend gilt das Merino- schaf , dessen Wolle bis vor etwa 100 Jahren als die feinste und beste galt. Das Merinoschaf ist in Spanien heimisch und zeichnet sich durch ganz gleichmäßige, fein gekräuselte Wolle aus, ohne mit stärkern Wollfasern durchmischt zu sein. Die Vorzüglichkeit der Merinowolle Fig. 2 war die Ursache der in allen Ländern Euro- pas, Amerikas, Afrikas und Australiens emporblühenden Merinozüchterei . 1765 erhielt der Kurfürst von Sachsen die ersten Merinoschafe aus Spanien, und noch heute blüht in Sachsen die Me- rinozüchterei (z. B. auf dem Königl. Kammergute Lohmen). Heute kommt die größte Menge Wolle aus Rußland, dann folgt Nord- amerika, dann Australien; in Europa nimmt Deutschland erst die sechste Stelle ein (mit 24,5 Mill. Centner Gesamt- produktion in 1885). Auch die an- dern Schafracen: das deutsche Landschaf, das in der Lüneburger Haide heimische Haideschaf (Haidschnucke), das südrussi- sche Zackelschaf und das englische Schaf, sowie neuere andere Abarten und Ra- cen liefern Wolle, über deren Handels- marken weiter unten näheres. Fig. 2. Merinowolle. 2. Die Kaschmirziege (Capra hircus laniger), eine in den Hoch- gebirgen von Kaschmir und Thibet, im nordwestlichen Himalaya (Ostindien) heimische und in Frankreich gezüchtete Ziege, deren feines wolliges Flaumhaar die Kaschmir- und Thibetwolle liefert. Diese ist weiß, gelblich oder braun und besteht aus sehr feinen, 7 bis 8 cm langen, 13 bis 20 µ dicken, vollkommen cylindrischen Wollhaaren, welche sich durch besonders hohe Schuppen und durch einen gezähnelten Rand auszeichnen. 3. Die Angoraziege (Capra ango- rensis), in Kleinasien in den Bergen um Angora und Koniah heimisch, welche die lange, seidenglänzende Angora- oder Mohair- wolle (Fig. 3) liefert. Diese wird bis 1 m und darüber lang, ist in ihrer edelsten Sorte rein weiß, zeigt gar keine oder nur eine ge- ringe Marksubstanz; die Breite beträgt 27 bis 54 µ. Die bessern Sorten haben voll- ständig markfreie Haare, die minderwertige Ware besteht aus gröberen, markführenden wirklichen Haaren. Die feinen Oberhaut- schuppen besitzen einen gebogenen und fein- gezähnelten Rand. — Angorawolle von Kap wird nur 12 bis 20 cm lang, ist leicht, wollig, fest, straff, gleichmäßig, dünn, stiel- rund und markfrei. Fig. 3. Angora- oder Mohair- wolle. 4. Das Schafkameel (Auchenia Vicuña) oder Vikugne, Vicunna, auf den hohen Gebirgen von Peru, Chile und Mexiko heimisch, liefert die Vicunnawolle Fig. 4 oder echte Vicogne (nicht zu verwechseln mit dem jetzt als „Vigogne“ in den Handel kommenden Fabrikat). Was gegenwärtig als Vicunna- oder Vicognewolle bezeichnet wird, dürfte wohl von dem Alpaco stammen. Fig. 4. Vicunnawolle. Fig. 5. Kameelwolle. 5. Das Alpaco , eine Abart des vorigen (Auchenia Alpako), eben- falls in Peru und Chile heimisch, liefert die feine, der Vicunnawolle ähn- liche Alpacowolle. Sie ist von weißer, grauer, rotbrauner und selbst schwarzer Farbe, von der die beiden letztern besonders geschätzt sind. Die Handelsware enthält neben der Wolle auch echte markführende Haare. Die eigentliche Wolle selbst ist schwach gekräuselt, 17 bis 30 µ dick, stielrund, markfrei und stark gestreift. Die markführenden eigentlichen Haare sind doppelt so dick. Die Alpacowolle zeichnet sich wie die Llamawolle durch große Weichheit und Geschmeidigkeit aus. 6. Das Llama (Auchenia Llama) , ein Verwandter der vorigen bei- den und ebenda heimisch, liefert die Llamawolle. 7. Das Kameel (Camelus dromedarius und Camelus bactrianus), in Afrika heimisch und als Haustier gezähmt. Es besitzt außer den eigent- lichen Grannenhaaren noch eine Unterwolle, die jedes Jahr gewechselt wird. Diese ist regelmäßig gekräuselt, fein, weich, rötlich oder gelblich braun, 16 bis 23 µ breit, sehr fein und regelmäßig gestreift und gänzlich mark- frei. Diese letztere ist die Kameelwolle (Fig. 5), welche zur Fabrikation Jäger scher Normalwollstoffe verwendet wird. Handelssorten. Je nach Herkunft und Ursprungsland unterscheidet Janke („Wollproduktion“ durch Heinzerling , Abriß der chemischen Tech- nologie) einige 30 Wollsorten: Zusammensetzung der Rohwolle. Man würde gewaltig fehlgehen, wollte man die Schurwolle (s. S. 16) als zum größten Teile aus Wolle be- stehend ansehen. Der Gehalt an reiner lufttrockner Wolle ist günstigsten Falls 82 bis 83 Prozent, der an absolut reinem Wollhaar 77,5 bis 78 Prozent; dieser Gehalt kann aber auch bedeutend sinken; es kommt Wolle auf den Markt, welche nur 35 bis 36 Prozent lufttrockne Wolle und 28,5 Prozent reines Wollhaar enthält. Die übrigen Bestandteile der Wolle bestehen in Schmutz (erdige Anhängsel, Kot ꝛc.) bis zu ... 16 Prozent, Wollschweiß und Wollfett bis zu ....... 45 „ Feuchtigkeit bis zu ........... 12 „ Der Wollschweiß und das Wollfett bilden eine gemeinsame Aus- scheidung entweder der Wolle selbst oder der Cuticularzellen der Tierhaut, welche in der wolligen Behaarung der Tiere einen willkommenen Ablage- rungsplatz findet, sich dabei durch zufällig von außen hinzukommende Stoffe vermehrt, und so den schmutzigen, stückigen, regellosen, ungleichmäßig verteil- ten Ueberzug der Wollfaser bildet, der den Pelz der damit behafteten Tiere so unansehnlich erscheinen läßt. Im allgemeinen nimmt die Menge von Wollschweiß zu, sobald die Wollfaser kürzer und feiner wird, d. h. also, je- mehr sie den eigentlichen Charakter der Wolle zeigt, wogegen diejenigen Wol- len, welche sich mehr dem Haar nähern, weniger von Schweiß behaftet sind; so zeigt z. B. die Mohairwolle fast gar keinen Schweiß. Der Wollschweiß selbst ist je nach der Art des Tieres, nach Alter, Geschlecht, Ursprungsland, Klima, Nahrung ꝛc. in seiner Zusammensetzung sehr verschieden, mehr oder minder reichlich, bald mehr fettig, bald klebrig, bald schwer, bald leicht in Wasser löslich. Der in Wasser lösliche Anteil besteht nach Märcker und Schulze im Durchschnitt aus 60 Prozent organischer Substanz und 40 Pro- zent Mineralstoffen. Der in Wasser unlösliche Anteil ist nach Reich und Ulbricht ein Gemenge von Fettsäure, während der in Wasser lösliche Teil Kalisalze dieser Fettsäuren enthält, also als eine der Schmierseife ähnliche Masse zu betrachten wäre. Häufig enthält der letztere Teil auch Kalium- carbonat gelöst (Pottasche). Bei der großen Wichtigkeit, welche der Woll- schweiß für den Färber hat, kommen wir weiter unten ausführlicher auf denselben zurück. Gewinnung. Die erste Arbeit, um die Rohwolle einer marktwürdi- gen Ware näher zu bringen, ist die mechanische Entfernung des Schmutzes . Diese geht der eigentlichen Schur voraus, und besteht in der Pelzwäsche , einer mechanischen Waschung des Tieres mit kaltem Wasser vor der Schur. Bisweilen unterbleibt die Pelzwäsche ganz. Ein völliges Befreien von den erdigen Bestandteilen wird dadurch nicht erreicht; die Wolle hält mechanisch noch etwa 1 bis 1,5 Prozent Mineralbestandteile fest. Durch die Pelzwäsche wird aber auch zugleich ein Teil des Wollschweißes entfernt und zwar löst sich nicht nur der seifenartige Bestandteil — je nach seiner Löslichkeit mehr oder weniger, oft selbst bis zur Hälfte — und das Kalium- carbonat, sondern letzteres wirkt sogar wieder lösend oder wenigstens emul- gierend auf einen Teil des Wollfettes. Durch die Pelzwäsche verliert die Wolle von 20 bis zu 70 Prozent ihres Gewichtes. — Da durch die Wäsche beim lebenden Tier ein reines Weiß nicht zu erzielen ist, so ist neuerdings Deutsches Wollengewerbe 1887, Nr. 15. vorgeschlagen worden, die Wolle im zusammenhängenden abgeschorenen Vließ zu waschen, wodurch eine vernunftgemäßere und sorgfältigere Wollsortierung ermöglicht werden würde, und der Stapel des teuren Wollmaterials beim Waschen mehr geschont werden könnte, als in der losen Flocke. Dieser Gedanke hat seine offenbare Berechtigung, ist aber in der Praxis bisher noch nicht zur Ausführung gelangt. Neuestens (Mai 1888) schreibt das „Deutsche Wollengewerbe“ hierüber: In England kommt man zu der Ueber- zeugung, daß es rationeller ist, die Wolle erst nach der Schur zu reinigen. Abgesehen von den Kosten für das Waschen der Schafe, welche von Anfang bis Ende Mai für England auf 2 Millionen Mark geschätzt werden, hält sich die Wolle ungewaschen nicht nur besser in ihrem natürlichen Fette, son- dern sie kämmt und verarbeitet sich auch leichter und liefert eine bessere Ware. Da die Wolle auch bei späterer Wäsche einen reichlichen Fettgehalt im Wasser zurückläßt, so sollte aus ökonomischen Rücksichten die alte Methode der Pelzwäsche überall ausgerottet werden. Nun folgt als zweite Arbeit die Gewinnung der Wolle durch Scheeren . Das Produkt dieser Operation, die Schurwolle oder Mutterwolle , be- steht aus aneinander hängenden Wollfasern und heißt das Vließ . Haupt- bedingung ist dabei, daß die Schur am lebenden Tier vollzogen wird und nicht vom Fell eines toten Tieres kommt. Wolle, welche von der Haut eines toten Tieres geschoren wird, sogen. Sterblingswolle , ist, wenn die Enthaarung durch Kalk geschieht, von geringerer Güte, soll aber, wenn durch Schneiden vom Fell entfernt, der Schurwolle gleichwertig sein. Die durch die Schur gewonnene Rohwolle stellt, je nach ihrer Abstammung, mehr oder minder gekräuselte oder verfilzte Wollflocken von (im gestreckten Zustande) verschiedener Länge vor, von denen die längeren Wollfasern von 18 bis 23 cm (Wollsorten von langem Stapel) zum Kämmen bestimmt sind und Kammwolle heißen, während die kürzeren Wollfasern von 2,5 bis 4 cm (Wollsorten von kurzem Stapel) zum Spinnen bestimmt sind und als Tuch- wolle bezeichnet werden. Die dazwischen befindlichen Wollsorten von mittle- rem Stapel (5 bis 22 cm ) dienen teils zum Kämmen, teils zum Spinnen und bilden die Stoffwolle . Um nun die Ware marktfähig zu machen, folgt das Sortieren , eine rein mechanische Trennung der feineren von den gröberen, der längeren von den kürzeren Wollfasern. Nicht alle Teile des Vließes haben den gleichen Wert; die Wollfaser der sogen. edlen Teile (Schulterblätter, Seiten, Weichen, Keule) ist weit geschätzter, als die von den sogen. unedlen Teilen (Nacken, Kreuz, Rücken, Kehle, Brust, Füße ꝛc.). Heute gelten acht Sorten nach den Graden der Feinheit: Supra-Electa, Electa, Prima, Secunda, Tertia, Quarta, Quinta, Sexta. Die sortierte Mutterwolle ist diejenige Ware, welche unter dem Namen Wolle, Rohwolle in den Handel kommt. Eigenschaften der Rohwolle. Die Rohwolle enthält, je nachdem sie vor der Schur der Pelzwäsche unterworfen war oder nicht, entweder nur einen kleinen Teil der Unreinigkeiten und einen großen Teil des Schweißes oder den gesamten Schweiß und den gesamten Schmutz, sowie in beiden Fällen Feuchtigkeit, welche zwischen 7 bis 16 Prozent zu schwanken pflegt, keinen- falls aber mehr als 18¼ Prozent betragen darf. Eine derartige Wolle besitzt durchaus kein feuchtes Aussehen, ist aber für Färbereizwecke voll- kommen untauglich . Um Wolle zum Färben tauglich zu machen, muß ihr zuvor der gesamte Gehalt von Schweiß und Fett entzogen werden. Dies geschieht durch das Entschweißen oder Entfetten , wie es in den großen Wollwäschereien betrieben wird. Die Wollwäscherei. Zum Entschweißen und Entfetten der Wolle dienen schwach alkalische Lösungen, welche unter Anwendung von Wärme das Wollfett in eine dünne Seifenlösung überführen; am besten erfüllt die- sen Zweck eine dünne Lösung von Soda oder von alkalischer weißer Seife. Das Entschweißen der Wolle gehört nicht zu den Arbeiten des Fär- bers, obgleich er sehr wohl in der Lage wäre, diese Arbeiten auszuführen; ganz schwache, handwarme und wärmere Seifen- oder Sodabäder stehen ihm stets zu Gebote. Unmittelbar nach dem Entschweißen folgt ein Spülen oder Waschen in reinem kaltem Wasser, so lange, bis das Wasser völlig klar ab- läuft. Dann wird abgewunden oder zentrifugiert, und an einem schattigen Orte in gelinder Wärme (45 bis 50° C.) getrocknet. Zum Unterschiede von der Pelzwäsche heißt die Wollwäscherei zum Zwecke des Entschweißens die Fabrikwäsche . Durch dieselbe verliert die bereits der Pelzwäsche unterworfen gewesene Wolle 17 bis 40 Teile, die unge- waschene Wolle 41 bis 65 Teile an Gewicht, so daß bei ersterer 83 bis 60, bei letzterer 59 bis 35 Teile als Ausbeute zurückbleiben. Diese so gewonnene Wolle ist dasjenige Fabrikat, welches der Färber als lose Wolle in die Hände bekommt , gleichzeitig aber auch das Material zur weiteren Verarbeitung der Wolle, Verspinnnen zu Garn, oder Verweben zu Tuch. Das Karbonisieren. Manche Wollen, besonders ausländische, ent- halten Kletten und andere vegetabilische Bestandteile, Ueberreste von Gras und Stroh u. dergl., welche sich auf mechanischem Wege nur schwer daraus entfernen lassen. Zur Zerstörung dieser pflanzlichen Beimischungen dient das verschiedene Verhalten der tierischen und der pflanzlichen Gewebefaser gegen verdünnte Säuren. Säuren von größerer Konzentration wirken lösend auf beide ein, stark verdünnte Säuren, und zwar besonders Salz- Ganswindt , Färberei. 2 oder Schwefelsäure, lassen Wolle unberührt, wogegen sie vegetabilische Bei- mengungen derselben, wie Kletten u. s. w. lösen. Jedoch darf die Verdün- nung der Säuren nicht unter eine gewisse Konzentration hinuntergehen, da sonst die gewünschte Wirkung nicht mehr eintritt. Nach Wiesner ist das zweckmäßigste Verhältnis 1 bis 2 Prozent Säure. In der Praxis stellt sich das Karbonisieren am zweckmäßigsten so dar, daß man die Wolle in eine 1 bis 2 prozentige Schwefelsäure einweicht, hierauf die Schwefelsäure abschleudert und die Wolle auf Horden in Trockenkammern bei 100° trocknet. Die Wollfaser bleibt dabei unverändert, während die vegetabilischen Ver- unreinigungen zu feinem Pulver zerfallen, welches durch Spülen mit Wasser als zarter Schlamm entfernt wird, und dessen letzter Rest nach dem Trock- nen der gespülten Wolle durch Klopfen entfernt wird. An Stelle verdünnter Säuren wird zum Karbonisieren auch eine Lösung von Chloraluminium angewendet. Noch vorteilhafter soll nach Frank Chlormagnesium sein. In der Praxis gestaltet sich das Verfahren ge- nau wie eben mit verdünnter Schwefelsäure beschrieben; man verwendet Lösungen von 1,07 bis 1,10 spezifischem Gewicht. Nach dem Ausschleudern und Trocknen gelangt die Wolle in den bis auf 130° erwärmten Karbonisations- raum, und verbleibt darin 2 bis 3 Stunden, worauf die eigentliche Ent- klettung beendet ist. Die Wirkungsweise des Chloraluminiums oder Chlor- magnesiums ist nur so zu erklären, daß durch die im Karbonisationsraume herrschende Temperatur eine Dissociation dieser Salze stattfindet, und daß die Metalloxyde (Thonerde resp. Magnesia) auf die Faser niedergeschlagen werden, während die Salzsäure gasförmig frei wird, welche dann die Zer- störung der Vegetabilien bewirkt. Bei dieser Methode der Entklettung muß die Wolle, statt einfach gespült zu werden, ein schwaches Salzsäurebad pas- sieren, um die auf der Faser abgelagerten Metalloxyde wieder zu lösen. Dieses Bad kann dann wieder zum Entkletten neuer Mengen von Wolle verwendet werden. Einfacher und billiger ist das in neuerer Zeit eingeführte Karboni- sieren mit Salzsäuregas bei einer Temperatur von etwas über 100°, welche aber keinesfalls auf mehr als 112° erhöht werden darf. Die Wolle darf zu diesem Zweck nur sehr wenig feucht sein, auch muß ein häufigeres Wen- den derselben stattfinden, um ein möglichst schnelles und gleichmäßiges Zer- stören der Vegetabilien zu erreichen. Diese Methode kann nur in größerem Maßstab zur Verwendung gelangen und sind für diesen Zweck besondere Apparate konstruiert, auf welche wir jedoch, da sie in der Färberei selbst keine Verwendung finden, hier nicht weiter eingehen wollen. Der Name Karbonisation bedeutet eigentlich Verkohlung, und hat seinen Ursprung daher, daß dieser Prozeß früher stets mit verdünnter Schwefel- säure bei einer Temperatur vorgenommen wurde, bei welcher die vegetabili- schen Bestandteile, die Cellulose, eine tiefgreifendere Zersetzung erlitten und da- bei ein kohliges Aussehen annahmen. Nach den Versuchen von Professor Wiesner tritt das Schwarzwerden, das kohlige Aussehen der Pflanzenfaser beim Karbonisieren, nur ein, wenn man die Temperatur über eine gewisse Grenze steigert. Es ist jedoch jenes Stadium für den Prozeß an sich nicht notwendig. Wird die Karbonisation bei niederen Temperaturen vorgenommen, so erfährt die Faser in ihrer Fär- bung keine Aenderung. Man kann z. B. aus der Baumwolle ein weißes Pulver herstellen, wenn man die Karbonisation bei etwa 60° vornimmt. Man bezeichnet deshalb das Karbonisieren besser als ein Zerstäuben, denn durch das sog. Karbonisationsverfahren kann man die Pflanzenfaser in ganz kleine, an der Grenze der Sichtbarkeit liegende Teilchen auflösen. Durch die Karbonisation werden innerhalb der Pflanzenfaser chemische Verände- rungen hervorgerufen. Hat man einer Pflanzenfaser vor dem Karbonisieren alle löslichen Stoffe entzogen, so treten nach dem Prozeß im Wasser lös- liche Stoffe auf, die bei zerstäubter Leinwand z. B. circa 10 Prozent der Masse betragen. In der Lösung läßt sich ein zuckerartiger, reduzierender Stoff nachweisen, dessen Gewinnung als Nebenprodukt der Karbonisation sich vielleicht lohnen würde. Eigenschaften der entschweißten losen Wolle. Die lose Wolle bildet eine, je nach Herkunft der Faser, mehr oder minder zarte, mehr oder minder weiche, mehr oder minder gekräuselte, gestaltlose, lockere Filzmasse von meist weißem, selten gelblichem, graugelbem, rötlichem, braunem bis schwar- zem Farbenton. Die Schafwolle ist stets weiß oder schwach gelblich, nur die von Haidschnucken und einzelnen Abarten Landschafen ist farbig. Auch nach dem Entschweißen besitzt die Wolle noch die Eigenschaft, Feuchtigkeit anzuziehen Auf dieser Eigenschaft der Wolle beruht ihre Verwendung als direktes Be- kleidungsmittel, um den Schweiß aufzusaugen, als Strümpfe, Unterjacken, Normal- hemden ꝛc. Die ganze Jäger sche Bekleidungstheorie beruht auf dieser Eigenschaft. und zwar oft in bedeutenden Mengen — selbst bis zu 50 Prozent, ohne jedoch sich feucht anzufühlen oder feucht auszusehen. — Daraus ergibt sich für den Käufer von Wolle die Notwendigkeit, den Feuchtig- keitsgehalt derselben vor dem Kauf feststellen zu lassen. Dies geschieht in den Konditionieranstalten (s. unten), besonderen von der Behörde be- stimmten Stationen, welche den Wassergehalt des Kaufobjekts durch Unter- suchung einer Probe amtlich festzustellen haben. Der gewöhnliche Wassergehalt der Wolle beträgt nach Maumené und Grothe 14 bis 16 Prozent; selbst in trockner Luft längere Zeit aufbewahrte Wolle enthält immer noch 7 bis 10 Prozent. Aus feuchter Luft nimmt die Wolle sehr rasch wieder Feuch- tigkeit und zwar annähernd (nach Grothe ) 15 Prozent. Als höchste ge- setzlich zulässige Feuchtigkeitsmenge sind für Kammzug und Kammgarne 18¼ Prozent, für Wolle, Kämmlinge, Plöcke und Streichgarn 17 Prozent an- genommen worden. — In warmes Wasser eingeweicht, nimmt die Wolle weitere bedeutende Wassermengen in sich auf, sie quillt, jedoch ohne sich zu lösen . In diesem Zustande besitzt sie die charakteristische Eigen- schaft aller hornartigen Substanzen, diejenige Form, welche man ihr gibt, auch im getrockneten Zustande beizubehalten, sie ist dann plastisch Auf dieser Eigenschaft beruht die Fähigkeit der Wolle, mit Hilfe von For- men sich zu Filzplatten, Wollhüten, Einlegesohlen ꝛc. pressen zu lassen. . — Die Wolle ist ungemein elastisch , worauf ihre Kräuselung und ihre Verfilzungsfähigkeit und damit ihre Verwendbarkeit als Gespinnst- und Ge- webefaser beruht. Diese Eigentümlichkeit der Wolle läßt sich sehr gut be- obachten, wenn man eine Faser zwischen Daumen und Zeigefinger hindurch- zieht; es findet dadurch eine gewisse Streckung der Wollfaser, eine Längen- ausdehnung, statt, welcher die Faser bis zur völligen Glattstreckung nachgibt; sobald die Faser losgelassen wird, kehrt sie unter Verkürzung und Kräuselung in ihre alte Lage zurück. Die Elastizität ist um so größer, je weiter die 2* Wolle sich von den Eigenschaften des Haares entfernt (s. oben); je feiner eine Wolle, desto elastischer ist sie. Je nach der Anzahl, der Höhe und Breite der einzelnen Kräuselungsbogen unterscheidet man klein und grob ge- kräuselte, sowie stark oder schwach gekräuselte Wolle. Die Anzahl der Kräuse- lungsbögen ist dementsprechend eine sehr verschiedene: bei hochfeiner Merino- wolle kommen auf den Millimeter (1/10 cm ) Faserlänge 60 Kräuselungen, bei spanischer Merinowolle 45 bis 48, bei Buenos-Ayreswolle 40, bei Kapwolle 40 bis 44 Kräuselungsbögen, bei australischen Wollen sind nur wenige vorhanden; bei Mohair- und Alpacowollen fehlen sie fast gänzlich. Umgekehrt, wie mit der Elastizität, verhält sichs mit dem Glanz der Wolle. Dieser ist gewöhnlich um so stärker, je dicker die Wollfaser ist und jemehr sie sich dem Haare nähert. Dickere, aber auch längere gerade Wollfasern zeigen stets mehr Glanz; daher zeigen auch die Gewebe aus Kammgarn eine gewisse Glätte und gewissen Glanz, wogegen die aus feineren gekräu- selten Wollfasern hergestellten Gespinnste, die Tuche, nur wenig Glanz zei- gen. Hummel führt diese Verschiedenartigkeit im Glanz auf die verschie- dene Anordnung der Cuticularplättchen zurück (s. S. 11). — Zum Glanze steht die Härte der Wolle in direkter Beziehung; je mehr Glanz, desto mehr Härte; je geringer der Glanz, desto weicher (sanfter, milder) fühlt sich die Wolle an. — Die Feinheit der Wollfaser ist abhängig vom Querschnitts- durchmesser. Dieser schwankt zwischen 1,2 bis 3 cmm (1/100 Millimeter). Der sicherste Beurteiler für die Feinheit der Wollfaser ist ein geübtes Auge. Man hat versucht, den Wolldurchmesser mit einem besonderen Instrumente, dem Eriometer , zu bestimmen; die Resultate haben jedoch nur unterge- ordneten Wert; zuverlässiger ist die Bestimmung mittels des Mikrometers; diese gibt zusammen mit dem Augenmaß und dem Gefühl ein abschließendes Urteil über die Feinheit der Wollfafer . — Die Wollfaser muß endlich gleichmäßig sein, d. h. sie muß ihrer ganzen Länge nach den gleichen Durchmesser haben. Die Festigkeit der Wollfaser ist der Wider- stand, welchen diese einer starken Ausdehnung entgegensetzt. Nach den all- gemeinen Grundsätzen, welche Ganswindt für die Festigkeitsprüfung der Gespinnstfasern an anderm Orte Real-Encyklopädie der gesamten Pharmazie; Wien, Urban und Schwarzen- berg ; Artikel: Festigkeitsprüfung. aufgestellt hat, und welche durch die Reißlänge Die Reißlänge ist eine Zahl, welche in Metern oder Kilometern angibt, welche Länge eine Gespinnstfaser haben müßte, um ohne jedwede Belastung, lediglich durch ihr eigenes Gewicht, von selbst zu zerreißen. ausgedrückt wird, beträgt die Reißlänge der Schafwolle 8,3 km , d. h. eine Schafwollfaser, welche bei freiem Hängen ledig- lich durch ihr Eigengewicht ohne anderweite Belastung zerrei- ßen soll, müßten 8,3 km , also mehr als 1 Meile lang sein. Nach A. v. Wagner Handbuch der Chemischen Technologie. erfordert eine einzelne Wollfaser, je nach Feinheit und Güte, zum Zerreißen ein Gewicht von 2,6 bis zu 44 g. — Diese Zahlen ergeben am besten einen Ausdruck für den Wert der Wollfaser als Ge- spinnstfaser. Das Konditionieren der Wolle. Das Verfahren zum Kon- ditionieren der Wolle ist folgendes Nach einem Bericht der neuen, im März 1888 eröffneten Konditionieran- stalt in Aachen, im „Deutschen Wollengewerbe“. : Nehmen wir an: eine Partie von 2000 kg soll auf ihren Feuchtig- keitsgehalt geprüft werden, so müssen die Ballen sofort nach Ankunft in der Anstalt auf einer möglichst genau gehenden Wage (welche einer regelmäßigen Kontrolle unterliegt) gewogen und unmittelbar nachher an verschiedenen Stel- len behufs Entnahme einer Probe geöffnet werden. Bei einem Ballenge- wicht von 120 bis 150 kg soll das aus jedem Ballen entnommene Muster 1 bis 1½ kg schwer sein und hat von je 400 kg eine Konditionierung stattzufinden. Um ein möglichst konformes Durchschnittsmuster zu gewinnen, werden die den einzelnen Ballen entnommenen Proben zu einem Muster vereinigt und hiervon drei Loose à 500 g gebildet, wovon vorab zwei der Reihe nach in dem Trockenapparat einem warmen Luftzug von 105 bis 110° C. aus- gesetzt werden. Die dem Wollhaar innewohnende Feuchtigkeit verliert sich, und kann man nach einiger Zeit die absolute Trockenheit konstatieren. Stimmt dann der Verlust bei beiden Proben überein oder beträgt der Unter- schied kaum ½ Prozent, so ist der Versuch beendigt, erreicht derselbe aber ½ Prozent oder ist er höher, so wird die dritte Probe getrocknet und dann der mittlere Verlust in Prozent berechnet. Demnach findet bei einem Loos von 2000 kg eine 10 bis 15 malige Probe statt, deren Durchschnittsverlust in Prozent ausgedrückt die Basis für die Berechnung der Partie bilden soll. Besteht das Loos aus 13 Ballen und ist jedem Ballen eine Probe von 1½ kg entnommen, so haben wir 19½ kg Muster, wovon angenommen werden kann, daß diese die Partie genau vertreten. Hiervon gelangen 15 Proben à 500 g = 7500 g zur Konditionierung, welche beispielsweise ein absolut trockenes Gewicht von 6300 g ergeben sollen. Dies entspricht einem mittleren Verlust von 1200 g = 16 Prozent. Danach hätten 100 Teile Wolle 16 Prozent Feuchtigkeit, folglich nur 84 Prozent absolut trockene Wolle. Da nun der zulässige Feuchtigkeitsgehalt für Wolle 17 Prozent be- trägt, so werden obige 84 Prozent Wolle = 14,28 Prozent Feuchtigkeit anziehen dürfen und das normale Gewicht 98,28 betragen, wonach eine Differenz von 1,72 Prozent entsteht. Statt 2000 kg dürfen also nur berechnet werden Die Konditionierung für Kammgarn ist in der Hauptsache eine gleiche wie bei der Wolle, jedoch bedingt dieselbe einige Vorarbeiten. Ist das Garn auf Bobinen oder Kanetten, so muß die denselben zu entnehmende Probe, nachdem deren Bruttogewicht bestimmt, in Stränge à 1000 m abgehaspelt und die Tara abgewogen werden. Da es nun vorkommen kann, daß dem Material Stoffe beigegeben sind, welche beim Trocknen entweichen, wie z. B. Glycerin, so wird auf Wunsch ein Wasch- und Entfettungsverfahren ange- wendet, nach welchem die Garne vollständig rein dem Konditionierapparat zugeführt werden. Nachdem alsdann der mittlere Verlust festgesetzt ist, er- gibt die Berechnung das gesuchte Resultat. — Dieses Verfahren ermöglicht es auch, fette Kämmlinge, Streichgarne im Fett u. dergl. auf normales Ge- wicht zu untersuchen. Die Anstalt kontrolliert ferner mittels Präzisionswagen die Nume- rierung der Garne , ausgehend davon, daß 1000 m Garn pro 1000 g = Nr. 1 = 1000 m 1000 „ „ „ 100 „ = „ 10 = 10000 „ 1000 „ „ „ 50 „ = „ 20 = 20000 „ 1000 „ „ „ 33⅓ „ = „ 30 = 30000 „ Außerdem befaßt sich dieselbe noch mit der Prüfung der Garnstärke und deren Elastizität. Hierzu wird ein Dynamometer angewendet, welcher das auf eine Tafel, Faden neben Faden, gewickelte Garn in demselben Zu- stand prüft, in welchem sich dasselbe auf dem Webstuhl befindet, wonach eine genaue Feststellung stattfindet. Der Kostentarif der Aachener Anstalt ist folgender: Einfaches Wiegen ohne Trocknen pro Stück, Kiste oder Sack Mark 0,10 Wiegen vor der Konditionierung „ „ „ „ „ „ 0,10 Trocknung : für Kammzug (eine Probe pro 300 kg ) pro Probe „ 2,50 „ rein gewaschene Wolle „ „ „ 400 „ „ „ „ 2,50 „ Kämmlinge, Woll- und Seidenabfall „ „ „ 400 „ „ „ „ 2,50 „ Kammgarn und Streichgarn „ „ „ 300 „ „ „ „ 3,50 „ Baumwollgarn „ „ „ 300 „ „ „ „ 2,50 „ Seidengarn „ „ „ 20 „ „ „ „ 2,50 Numerierung : für Kammgarn, Streichgarn und Baumwoll- garn (eine Probe pro 300 kg ) pro Probe „ 0,50 Prüfung der Garne auf Stärke und Elastizität : für Kammgarn, Streichgarn und Baumwollgarn (eine Probe pro 300 kg ) pro Probe „ 1,50 Bestimmung des Fettgehalts und anderer Beimischungen (eine Probe pro 300 kg ) pro Probe „ 1,50 Die Anstalt ist mit Ausschluß der Sonn- und Feiertage morgens von 8 bis 12 und nachmittags von 2 bis 5 Uhr geöffnet. Die Ware muß, wenn dieselbe für den Platz bestimmt, nach Entnahme der Muster sofort abgenommen werden. Soll die Ware länger als 12 Stunden auf Lager bleiben, so wird dafür an Lagergeld und Feuerversicherungsgebühr 25 Pfge. pro 100 kg und pro Tag gerechnet. Etwaige Reklamationen können nur innerhalb dreier Tage nach Ab- nahme der Ware berücksichtigt werden. Die Kosten werden sofort bei Ablieferung der Ware gegen Abgabe des Konditionierzettels erhoben. Maßgebendes für Wertbestimmung der Wolle. Wie schon oben S. 19 erwähnt, ist die erste Bedingung für die Güte der Wolle die Fein- heit, die Biegsamkeit, Elastizität und Weichheit, die Kräuselung und das Lüster oder der Glanz. Gewisse Wollen, welche fast seidenartigen Glanz besitzen, werden direkt als Lüsterwollen bezeichnet. Auch die Länge der Wollfaser ist vielfach maßgebend für die Wertbestimmung, da die längeren, weniger gekräuselten, glänzenden Wollen für Kammgarn verarbeitet werden, während die kürzeren feineren Wollen in der Streichgarnspinnerei und -Weberei Verwendung finden. Einen weiteren Maßstab gibt die Helligkeit der Farbe; weiße Wollen sind natürlich wertvoller, als gefärbte. Endlich ist die Reinheit der Wolle und die Leichtigkeit, mit der sich dieselbe färben läßt, von Einfluß auf den Handelswert. Chemische Zusammensetzung. Die Wollfasern, d. h. die entschweißte und gewaschene Wolle, bestehen durchgehends aus der gleichen Substanz, wie das Horn und die Federn und Haare, welche als Hornsubstanz oder Keratin bezeichnet wird. Sie kennzeichnet sich vor allem beim Verbren- nen durch den eigentümlich unangenehmen Geruch nach verbranntem Horn. Die durchschnittliche Zusammensetzung beträgt: Der Wert dieser Zahlenangaben ist jedoch ein ziemlich problematischer, und die abweichenden Resultate können durchaus nicht überraschen. — Ueber die Rolle, welche der Schwefel in der Hornsubstanz spielt, ist etwas Zuver- lässiges noch nicht bekannt. Durch die Untersuchungen Grothes Gorup-Besanez , Physiologische Chemie. ist je- doch festgestellt, daß alle Wollen Schwefel enthalten, und daß, wenn man auch einen Teil derselben der Wolle durch geeignete Lösungsmittel zu ent- ziehen vermag, doch der Rest ohne. Zerstörung der Hornsubstanz nicht erhal- ten werden kann. Es darf also wohl angenommen werden, daß der Schwefel kein zufälliger Bestandteil der Wollfaser ist, zumal durch v. Bibra und durch Mulder Ebendaselbst. nachgewiesen ist, daß auch alle Haare, Nägel, Klauen, Hufe, Hörner, Fischbein, Schildpatt u. s. w. Schwefel enthalten. Der Schwefelgehalt ist bei den verschiedenen Wollen ein verschiedener; nach Grothe enthält: Haidschnuckenwolle .. 3,0 — 3,4 Prozent Schwefel, Englische Wolle ... 2,0 — 2,5 „ „ Weiße Alpacowolle .. 2,6 — 3,1 „ „ Vicunnawolle .... 1,3 — 1,9 „ „ Streichwolle .... 2,4 — 2,7 „ „ Kammwolle .... 1,6 — 1,8 „ „ Nächst dem Schwefel ist noch der Kieselsäuregehalt der Wolle, welcher beim Verbrennen des Haares sich in der Asche vorfindet, erwähnens- wert. Nach Gorup-Besanez Ebendaselbst. gibt Schafwolle 3,03 Prozent Asche, wovon 0,29 Prozent auf Kieselsäure entfallen; die übrigen 2,74 entfallen auf phosphorsauren Kalk, Eisenoxyd und Spuren von Kalium- und Magnesium- Verbindungen. In welcher Form diese in der Wolle enthalten sind, ist bis jetzt noch nicht mit Bestimmtheit nachgewiesen. Chemisches Verhalten der Wolle. In kaltem Wasser ist Wolle vollkommen unlöslich; wird das Wasser bis zum Sieden erhitzt, so tritt eine Aufquellung ein, aber keine Lösung. — Verdünnte Säuren lösen Wolle ebenso wenig; stärkere Mineralsäuren bewirken dagegen eine mehr oder minder tiefgreifende Zersetzung der Wollfaser. Stark ver- dünnte Salpetersäure wirkt ebenso; stärkere Salpetersäure greift die Wolle unter Gelbfärbung an; ganz starke Säure zerstört sie. Schweflige Säure bleicht die Wollfaser und ist daher das beliebteste Mittel zum Blei- chen der Wolle. — Lösungen von Alkalien (Kalilauge, Natronlauge) wirken, zumal bei Anwendung von Wärme, stark auf die Wolle ein; stärkere Lösungen lösen sie vollständig zu einer seifenähnlichen Flüssigkeit auf; aus dieser Auflösung der Wolle wird beim Neutralisieren mit Säuren ein weißer Niederschlag ausgefällt. Aetzkalk wirkt weniger energisch, entzieht aber der Wolle ihren Schwefelgehalt zum größern Teile und macht sie leicht brüchig. — Lösungen von Alkalicarbonaten (Pottasche- oder Sodalösungen) wirken nur bei großer Stärke und unter Anwendung von Wärme auf Wolle ein, doch bei weitem nicht so energisch wie die Aetzalkalien, geben ihr aber einen Stich ins Gelbliche und vermindern die Elastizität. Kohlensaures Ammoniak und Seifenlösung wirken wenig oder fast gar nicht ein; bei Verwendung eines Seifenbades muß jedoch — ebenso natürlich bei Anwen- dung von Soda — darauf gesehen werden, daß beide kein freies Alkali enthalten. Die neutralen Salze der Alkalien üben keinerlei Wirkung. — Wesentlich anders verhalten sich dagegen die Salze gewisser Metalle , z. B. Kupfer-, Eisen-, Thonerde-, Zinnsalze u. dergl. Diese greifen zwar die Wolle nicht an, wohl aber werden diese Lösungen von der Wolle angegriffen, durch die Wolle zum Teil zersetzt . Auf dieser merkwür- digen Thatsache beruht der Vorgang des Beizens der Wolle, wobei die Wolle anscheinend die Rolle einer Säure zu spielen scheint. Diese Zer- setzung geht vornehmlich bei höherer Temperatur vor sich. Weiteres über dieses Verhalten der Wolle gegen gewisse Metallsalze siehe im speziellen Teile bei den betreffenden Salzen. — Chlor und die löslichen Hypo- chlorite (Chlorkalk, unterchlorigsaures Natron) greifen Wolle an und zer- stören sie mehr oder minder. Diese können deshalb nicht zum Blei- chen der Wolle verwendet werden. Feuchtes Chlorgas oder starke heiße Chlorkalklösung zerstören die Wollfaser vollständig. — Eine frisch bereitete Auflösung von Bleihydroxyd (Bleiglätte) in Natronlauge wird von Wolle sofort intensiv schwarz gefärbt (Folge des Schwefelgehalts der Wolle). — Eine kaltgesättigte und dann mit dem gleichen Volumen Wasser verdünnte (also halbgesättigte) Chromsäurelösung löst Wolle nach 1 Mi- nute langem Kochen vollständig auf. — Eine Lösung von Kupferoxyd- ammoniak , kalt angewendet, läßt Wolle unverändert; heiße Lösung da- gegen löst die Wolle auf. Das Verhalten der Wolle gegenüber den ver- schiedenen Farbstoffen soll bei den einzelnen Farbstoffen selbst erläutert wer- den. — Gegen Wärme ist die Wolle ziemlich empfindlich; daher muß beim Trocknen der Wolle eine zu hohe Temperatur vermieden werden; über 80 bis 90° darf die Temperatur möglichst nicht steigen, denn schon bei 100° R. beginnt die Wolle sich zu zersetzen und entwickelt ammoniakalisch riechende Dämpfe. Formen, in denen die Wolle zum Färben gelangt. Die Wolle gelangt nicht selten in der oben beschriebenen Form als lose Wolle zum Färben, besonders dann, wenn sie als Streichgarn zu wollfarbigen Tuchen verarbeitet werden soll. Auch für Kammgarnstoffe werden in neuerer Zeit „wollfarbige Stoffe“ beliebt und müssen daher also gleichfalls vor ihrer Verarbeitung zu Kammgarn gefärbt werden. Die Form, in welcher der Färber diese Ware erhält, ist der Kammzug , ein Fabrikat, welches in der Mitte steht zwischen loser Wolle und dem daraus bereiteten Kammgarn; es ist das schmale lange Wollvließ in seiner glatten, gestreckten Lage und in der ihm vom Kämmer gegebenen Form der Bobine . Handelt es sich da- gegen nicht um „wollfarbige“ Stücke, so wird die Wolle in Form loser un- gefärbter Wolle oder von Kammzug (Kämmlingen) zuvor weiter verarbeitet. Lose Wolle wird durch die Operation des Wolfens, Einfettens, Krem- pelns ( Streichens ), Spinnens und Haspelns zu Streichgarn Die Feinheit des Garnes (die Garnnummer) bestimmt man nach den Be- schlüssen des jüngst abgehaltenen Kongresses zu Turin, die eine internationale ge- worden und wird ausgedrückt durch die Zahl, welche angibt, wie oft die Garn- einheit von 1000 m ihrem Gewichte nach in 1 kg enthalten ist. verar- beitet, welches wieder als Schußgarn oder Kettengarn gesponnen wird. Alle diese Operationen gehören lediglich in das Gebiet der Spinnerei ; der praktische Färber wird sich niemals damit zu beschäftigen haben, so daß die Beschreibung dieser Arbeiten hier überflüssig erscheint Nur bei der Landarbeit wird noch ausnahmsweise von Färbern im kleinen Maßstabe mittels Handarbeit Wolle zu Wollgarn versponnen. . — In gleicher Weise, wie aus loser Wolle das Streichgarn, wird aus Kammzug das Kammgarn gesponnen, welches wieder in eigentliches Kammgarn und Halb- kammgarn unterschieden wird. Die Wollgarne, sowohl Streichgarn als Kammgarn, gehören zu den am häufigsten vorkommenden Objekten der Färberei. Die letzte Form, in welcher Wolle dem Färber unter die Hände kommt, sind Gewebe und Gespinnste aus Streichgarn — Tuche D. h. mehr oder minder verfilzte Gewebe. — oder aus Kammgarn — Kammgarnstoffe . Die dazu nötigen Operationen des Verwebens von Kettengarn und Schußgarn, des Noppens, Waschens, Wal- kens (das noch nicht gewalkte Tuch heißt Loden ), Rauhens und Scheerens Dekatierens, Bürstens und Pressens gehören speziell in das Gebiet der Weberei . Einige dieser Operationen kommen aber auch in der Färberei, speziell der Kleiderfärberei, zur Verwendung, und werden an der geeigneten Stelle ausführlich beschrieben werden. Die Zahl der Wollengewebe in Form von Tuchen oder Kammgarn- stoffen ist sehr groß. Von Streichwollzeugen unterscheidet man: ge- wöhnliches Tuch, geköpertes Tuch, Buckskin, Kaschmir (Kasimir), Fries, Molton, Kotzen, Ratin, Lama, Flanell, Düffel, Kirsey. Von Kammgarnstoffen unterscheidet man: 1. Glatte Stoffe , bei denen der Schußfaden nur zwei verschiedene Lagen besitzt und die Bindung die denkbar einfachste ist: Perkan, Moiré, Orleans, Bombasin, Kamelot, Wollmusselin, Mühlbeuteltuch, Rips, Mohair, Krepp, Chaly und die sog. Bradforder Artikel. 2. Geköperte oder croisierte Stoffe , bei denen dem Schußfaden immer mehr als zwei Lagen zukommen; er überspringt bei der Bindung zwei, drei oder mehr Kettenfäden, und erzeugt auf der Oberfläche schräglaufende, zusammenhängende oder unterbrochene Linien: Merinos, Thibet, Kaschmir, Serge, Zanella, Wollatlas, Halbmerino, Lasting. 3. Gemusterte oder faconnierte Stoffe ; diese besitzen ebenfalls mehr als zwei, meistens eine große Anzahl verschiedener Lagen des Schußfadens und die Bindung erzeugt geschlossene Figuren, sog. Muster, wobei Muster und Grund selbst wieder glatt und geköpert, sogar von verschiedener Farbe sein können: Woll- und Möbeldamast, Westen- und Hosenstoffe, Shawls, Umschlagetücher, Tartans, Teppichzeuge. 4. Sammetartige Stoffe ; auf dem eigentlich glatten Grunde wird eine haarige Decke mit abstehenden oder anliegenden Fäden gebildet, der Flor oder Pol : Wollsammet (bei welchem der Flor aus dem Schusse), Wollplüsch, Möbelplüsch, Brüsseler Teppiche, Velourteppiche, Plüschteppiche, Astrachan, Krimmer, Biber, Utrechter Sammet. Die Anzahl dieser Gewebe wird nun noch unendlich reichhaltiger da- durch, daß — besonders bei Kammgarnstoffen — nicht immer reine Wolle zur Verwendung gelangt, sondern nicht selten Mischungen aus Wolle und Baumwolle, sowie selbst Wolle und Seide, verarbeitet werden. Gewebe und Gespinnste der letzteren Art haben dann keinen Anspruch mehr auf die Be- zeichnung eines wollenen Gewebes, gehören vielmehr in die Klasse der ge- mischten Gewebe , welche weiter unten zur Besprechung gelangen. Wirkwaren , bei denen die Bindung nicht durch Fadeneinkreuzung, sondern durch Knüpfung erfolgt, verhalten sich wie Garne. § 6. Seide. Von den Gespinnstfasern tierischer Abkunft ist die Seide die wertvollste. Unter Seide versteht man die von verschiedenen Seidenraupen- arten beim Verpuppen erzeugte Gespinnstfaser . Die Seide unter- scheidet sich von allen übrigen Gewebefasern dadurch, daß sie einen bereits fertig gesponnenen Faden vorstellt . Die Seidenraupe, wenn sie sich auf die Umwandlung in den Schmetterling vorbereiten will, wenn sie sich „einpuppt“, spinnt um sich den Seidenfaden (sie spinnt sich ein). — Die- ser bildet sich aus einer klebrigen Flüssigkeit, welche sich aus zwei an der Speiseröhre der Raupe sitzenden Drüsen (Spinndrüsen) absondert. Durch Ausziehen dieser zähen klebrigen Flüssigkeit aus den Drüsen werden zwei besondere Fäden gebildet, welche sich im Moment des Hervortretens zu einem Doppelfaden verbinden. Dieser erscheint seiner ganzen Länge nach als einfacher Faden, welcher ohne Absatz oder Unterbrechung die Hülle der Puppe bildet, die als Cocon bezeichnet wird, und nach Tötung der Puppen das Rohmaterial für Gewinnung und Verarbeitung der Rohseide bildet. Das mikroskopische Bild der Seide zeigt Fig. 6. Fig. 6. Seide. Herkunft. Die einzige Raupe, welche echte Seide liefert, ist die Raupe des Seidenspinners, Bombyx mori, welcher auf Maulbeer- bäumen lebt, und daher auch Maulbeerspinner heißt, während die Raupe Seidenraupe , oder Seidenwurm. Diese Raupe wird daher behufs Er- zeugung der Cocons im südlichen Europa und in China gezüchtet; besonders Südfrankreich, Italien und die Türkei besitzen Seidenzucht Die Seidenraupe, seit 2600 v. Chr. in China gezüchtet, gelangte 550 v. Chr. nach Konstantinopel, von wo aus sich die Seidenzucht über das südliche Europa verbreitete. Die Versuche, welche in Deutschland mit der Seidenzucht gemacht wur- den, haben infolge klimatischer Einflüsse niemals eine rechte Bedeutung erlangen können. (Ueber die neuesten Versuche in Schlesien vergl. S. 32.) . Die Seiden- raupe ist jedoch ziemlich empfindlich und bereitet den Seidenzüchtern durch epidemisch auftretende Krankheiten bisweilen enorme Verluste; man war da- her darauf bedacht, die nächststehenden Verwandten aus dem Geschlecht Bombyx in ähnlicher Weise zu züchten. Von diesen sind zu nennen: 1. Der Ailanthusspinner, Bombyx Cynthia. Dieser lebt in Indien, Bengalen, China und Japan und wird dort in großem Maßstabe gezogen. Je nach der Heimat und je nach der Nahrung, von der die Raupe lebt, unterscheidet man mehrere Abarten, und rechnet dahin: a) den echten Ailanthusspinner, Bombyx Yamamaï (Aetheraea yamamaï), in China und Japan heimisch; die Raupe nährt sich von den Blättern von Ailanthus glandulosa; b) den Ricinusspinner, Bombyx Ricini (Attacus Ricini), in Indien heimisch, nährt sich von den Blättern der Ricinusstaude (Ricinus communis); c) den Fagaraspinner, Bombyx Fagara, in Nordost-Bengalen, lebt auf den Blättern des Fagarastrauches, einer Zanthoxyleen Gattung. Von den vorgenannten ist der unter b genannte Ricinusspinner auch in Südeuropa, sogar in Deutschland, gezüchtet worden, und hat hier die Ricinusraupe sogar mit den Blättern der Weberkarde (Dipsacus fullonum) und der wilden Cichorie (Cichorium Intybus) als Nahrung vorlieb genom- men. Die Versuche haben kein ungünstiges Resultat gehabt. 2. Der Eichenspinner, Bombyx Perryi, in China und der Mongolei heimisch, nährt sich von Eichenblättern. Diese Seidenraupe ist gleichfalls mit Erfolg in Frankreich gezüchtet worden. 3. Bombyx Cecropia, in Nordamerika heimisch, lebt auf dem wilden Maulbeerbaum, auf Pflaumen, Ulmen, Weißdorn ꝛc.; wird neuerdings gleich- falls in Frankreich gezüchtet. Außer den genannten sind noch von Wichtigkeit: 4. Der Tussahspinner, Bombyx mylitta (Antheraea mylitta), in Indien und in Bengalen bis in die rauheren Lagen des Himalaya hinauf heimisch; die Raupe nährt sich von den Blättern des Jujubenbaums und einigen Eichenarten, läßt sich aber nicht züchten. 5. Bombyx Faidherbii (Faidherbia bauhinea) wird am Senegal, neuerdings auch in Algier gezüchtet. 6. Bombyx polyphemus (auf Eichen und Pappeln lebend) 7. Bombyx platensis (auf Mimosa platensis lebend) 8. Bombyx leuca 9. Bombyx Selene in Nord- amerika heimisch. 10. Antheraea assama 11. Antheraea atlas in Afrika heimisch. Von allen diesen Seidenraupenarten besitzen nur die unter 1 und 4 ge- nannten im Verhältnis zu den übrigen besondere Bedeutung, aber auch die- sen beiden kommt nicht annähernd die Wichtigkeit zu, wie dem ersten Seiden- spinner Bombyx mori. Auch das Produkt der sämtlichen übrigen Seiden- raupen erreicht an Feinheit und Schönheit nicht das des Maulbeerspinners. Man bezeichnet daher als Seide im engern Sinne oder als echte Seide das Gespinnst der Raupe von Bombyx mori. Bezüglich der Produkte der übrigen Seidenspinner herrscht zur Zeit noch völliger Wirrwarr. Einige Autoren rechnen sämtliche Seiden außer der Maulbeerseide zu den wilden Seiden ; andere rechnen als „wilde Seide“ lediglich die Seide des Tussah- spinners, da diese Raupe sich in Gefangenschaft nicht züchten läßt. Da die vorbenannten Seidenarten auch im europäischen Handel keine unwichtige Rolle spielen, so schlägt Verfasser vor, den Ausdruck „Wilde Seide“, der nur zu Verwechselungen führen kann, ganz fallen zu lassen und die Seidenarten nach ihrer Herkunft einzuteilen; etwa folgendermaßen: 1. Echte Seide oder Maulbeerseide. 2. Yamamaiseide. 3. Perry- oder Eichenseide. 4. Tussahseide. 5. Afrikanische Seide. 6. Nordamerikanische Seide. Nach O. N. Witt sind heutzutage wohl an 50 verschiedene Arten von derartigen Tieren bekannt, welche seidenreiche Cocons liefern, trotzdem werden nur von einigen wenigen die Cocons besonders verwertet. Am wich- tigsten ist der Tussurspinner, dessen Cocons drei bis viermal so groß, wie die des Maulbeerspinners sind. Sie bestehen aus einem unterbrochenen, 1400 m langen Doppelfaden, welcher sich auch leicht abhaspeln läßt, seitdem man gelernt hat, den Kitt, mit dem der ganze Cocon getränkt ist und der fast ausschließlich aus saurem harnsaurem Natron besteht, durch alkalische Flüssigkeiten aufzulösen. In Japan haben wir zunächst den Ailanthusspin- ner, dann besitzt es auch den merkwürdigsten und für die Zukunft den am meisten versprechenden, den Yamamai. Er produziert eine apfelgrüne Seide von großem Glanz, welche so hoch geschätzt wird, daß sie lange Zeit ausschließlich für den Gebrauch des Mikado reserviert war, und bis vor kurzem stand in Japan die Todesstrafe auf die Ausfuhr von Yamamaieiern. In Frankreich pflanzte man große Alleen des Ailanthusbaumes und kulti- vierte den Ailanthusspinner mit befriedigendem Resultate. Heutzutage wird auch in Südfrankreich die Kultur des Yamamaispinners versucht, und es werden gerade auf diesen Spinner Hoffnungen gesetzt. In China zieht man viel den Eichenspinner Antheraea Perryi; ferner züchtet man dort häufig den schönsten und größten aller Schmetterlinge, den Attacus atlas. Er hat einen großen Cocon, der an beiden Enden offen ist und viel Seide liefert, die als Fazavaseide bekannt ist. In Frankreich hatte man zuerst viele Schwierigkeiten bei der Verwertung der wilden Seiden, da man die braune Farbe des Fadens nicht entfernen konnte. Schließlich gelang es Tessié du Motay , in der Behandlung der Seide mit Wasserstoffsuper- oxyd einen Weg zu finden, auf dem man eine vollkommen weiße Faser er- zeugen konnte. Die wilden Seiden zeichnen sich durch große Elastizität aus; sie eignen sich vorzüglich zu Fellimitationen und Plüschen, zu sog. Bastkleidern ꝛc. Seidenbau. Wenn der Färber auch niemals in die Lage kommen wird, Seidenzüchter zu werden, so möchte doch der verhältnismäßig kurze Lebenslauf des Tieres bis zur Produktion der Cocons in kurzen Umrissen geschildert werden. Der Seidenspinner (Seidenfalter, Seidenschmetterling, Maulbeer- spinner) legt zuvörderst Eier und zwar legt jedes Weibchen 3 bis 400 Stück. Diese müssen ausgebrütet werden. Das geschieht im Brutzimmer , einem auf circa 30° C. erwärmten Zimmer, oder im Brutofen, welcher besonders in Frankreich gern angewendet wird. In beiden Fällen verteilt man die Eier auf mit weißem Papier bespannte Holzreifen, und bedeckt dieselben mit einem Blatt durchlöcherten weißen Papiers, worauf vom achten Tage an einige Maulbeerblätter gelegt werden. Die Eier haben annähernd die Größe des Mohnsamens (30 g enthalten durchschnittlich 50000 Stück) und sind gelblich. Im Brutzimmer oder Brutofen werden sie zunächst weißlich und vom achten bis zehnten Tage an kriechen die Raupen aus (und zwar durchschnittlich 75 bis 80 Prozent der Eier), und durch die Löcher im Papier auf die Maulbeerblätter. Damit beginnt der eigentliche Seidenbau , d. h. die Zucht der Seidenraupe. Diese geschieht in besonderen Fütterungs- räumen, Raupereien oder Magnanerien . Die Raupe nährt sich ledig- lich von Maulbeerblättern (den Blättern von Morus alba ), wovon sie im Verhältnis zur eigenen Größe und ihrem Gewicht ganz unglaubliche Mengen vertilgt; die aus 10 g Eiern sich bildenden Raupen verzehren 400 bis 500 kg Maulbeerblätter. Im Verhältnis dazu steht das erstaunlich schnelle Wachstum der Seiden- raupe; sie erreicht bald eine Länge von 8 bis 10 cm bei einem Gewicht von 5 g. Die Lebensdauer der Raupe ist 30 bis 33 Tage, während wel- cher Zeit dieselbe sich viermal häutet, was durchschnittlich alle sechs Tage ge- schieht. Nach dem letzten Hautwechsel nimmt sie nicht mehr so bedeutende Nahrungsmengen zu sich, vom 30. Tage an überhaupt keine mehr. Nun beginnt das Einspinnen vom 30. bis 33. Tage. Wenn die Raupen keine Nahrung mehr zu sich nehmen, verteilt man sie auf Ruten aus Birken- zweigen, aus Ginster oder Sarothamnus, in denen sie sich das passendste Fleckchen zum Einspinnen aussuchen. Derartige Ruten heißen Spinnhütten . Die Raupe spinnt zuerst ein oberflächliches Netz aus dicken Fäden von Zweig zu Zweig, gewissermaßen als Untergrund, und dann erst die Hülle der Puppe von außen nach innen in ununterbrochenem, aber allmählich dünner werdenden Seidenfaden. Das fertige eiförmige Gespinnst, Cocon genannt, hat eine Länge von 30 bis 35 mm, einen Durchmesser von circa 15 bis 20 mm, und sieht weiß oder gelblich aus. Der den Cocon bildende Seiden- faden hat eine Länge von 350 bis 1250 m und einen Durchmesser von etwa 0,018 mm; von dieser Seide ist jedoch nur ein Drittel abhaspelbar. Die Länge des abhaspelbaren Fadens beträgt im Maximum nach Dandalo Heinzerling , Abriß der chem. Technologie. 625 Yards, nach Rhodes 404 Yards, nach Karmarsch 1000 bis 3000 Fuß. Der erste, äußerste Teil des Fadens, welcher oben als „Unter- grund“ bezeichnet wurde, und der später vorsichtig für sich abgelöst wird, bil- det die Flockseide ; die innerste Hülle, welche die Puppe unmittelbar um- gibt, bildet eine feine, zarte, pergamentartige Haut. Die Coconbildung er- fordert 4 bis 5 Tage; man läßt dann aber noch 2 bis 3 Tage in den Ruten, um der Beendigung des Spinnprozesses sicher sein zu können. Wollte man nun der Puppe Zeit lassen, sich zum Schmetterlinge zu ent- wickeln, so würde dieser die Hülle sprengen und damit den Wert des Cocons bedeutend schädigen. Um dieses zu vermeiden, um die Cocons in vollem Wert zu gewinnen, müssen die Puppen in den Cocons getötet wer- den . Dieses geschieht, indem man die Cocons entweder den heißen Sonnen- strahlen aussetzt, oder direkt durch Ofenwärme oder heiße Wasserdämpfe durch 10 bis 12 Minuten. Nur einige besonders gut ausgebildete Cocons bleiben für den weiteren Seidenbau reserviert. Würde die Puppe nicht ge- tötet werden, so würde in kurzem der ausgebildete Schmetterling die Hülle sprengen und das Cocongespinnst schädigen. Bis vor kurzem war man der Ansicht, daß der Schmetterling den Coconfaden zerbeiße, und selbst noch neuere Werke sprechen von „zerbissenen“ Cocons. Thatsächlich schiebt der Schmetterling die Coconfäden nur beiseite; er bewirkt dabei in dem lockeren Gespinnst eine Verschiebung der Fadenlage, welche dem späteren Abwickeln des Gespinnstfadens nicht eben förderlich ist, eher dasselbe erschwert; aber von einem Zerbeißen des Seidenfadens kann keine Rede sein. Zum Schluß noch einige Zahlenangaben über Seidenbau: aus 100 g Eiern des Seidenspinners werden im Durchschnitt 88000 bis 117000 Co- cons gebildet. Von dem Gewicht der Cocons selbst entfallen 16,8 Prozent auf die Puppe Hummel , „The Deyeing of textile fabrics“. , 68,2 Prozent auf Feuchtigkeit, und der Rest von 15 Pro- zent ist Seide. Das Gewicht eines Cocons ist 1,5 bis 2,0 g und der Ge- winn an Rohseide etwa 1/7 bis ¼ g = 0,16 bis 0,25 g. 100 g Eier liefern unter guten Bedingungen 12 bis 16 kg gehaspelte Seide. 12 kg Cocons liefern etwa 1 kg Rohseide (einschließlich der Floret- und Abfallseide). Statistisches über Seide. Der Sitz des Seidenbaues ist vorwiegend in China, Europa, Japan, Ostindien, Transkaukasien, Persien. Nach den Aufstellungen der Krefelder Handelskammer betrug die Produktion der Seide im Jahre 1883 in China ... 9500000 kg Europa ... 4216000 „ Japan ... 3000000 „ In welchem Umfange und in welcher Richtung sich die Seiden- und Seidenwarenfabrikation in den europäischen Haupt-Seidenstaaten bewegt, ergibt sich aus folgenden Daten aus dem Jahre 1883 (nach Heinzerling ): Die Produktion in Amerika gewinnt von Tag zu Tag an Bedeutung; vornehmlich in Philadelphia und Washington werden große Etablissements errichtet, um die Seide von den Cocons abzuwickeln. Seidenraupeneier sind in großer Nachfrage, und wie sehr die Kultur von Seide sich verbreitet, geht daraus hervor, daß die von dem landwirtschaftlichen Büreau in Washing- ton vor kurzem veröffentlichte Anleitung dazu bereits in der achten Auflage erschienen ist. Im ganzen befinden sich in den Vereinigten Staaten zur Zeit 385 Seidenfabriken, die ein Kapital von zusammen 20000000 Doll. haben, 30000 Angestellte beschäftigen und ausländisches Rohmaterial im Wert von circa 16000000 Doll. jährlich verwenden. In Britisch-Indien und dem europäischen Rußland ist die Seidenkultur infolge vernunftwidriger Handhabung und anhaltender Krankheit (Pere- brina) der Seidenraupe in stetem Rückgang. Dagegen hat sich die Kultur in Russisch-Asien wesentlich gehoben, so daß sich die Gesamtausbeute für Transkaukasien, Turkestan, Khiwa und Bockhara auf rund 730000 Pud roher Cocons oder etwa 40000 Pud im Jahre 1884 stellte. — In Korea wurden im Jahre 1866 500000 Maulbeerbäume aus China für die An- pflanzung bei Inchön (auf dem Wege von Chemulpo nach Söul) eingeführt. Die Pflanzung steht unter der Leitung eines deutschen Seidenbauinspektors. Ob die Seidenkultur mit Erfolg hier eingeführt werden kann, läßt sich bis jetzt nicht entscheiden. Versuche, welche in einem der alten Palastgründe im westlichen Teil der Hauptstadt seit einigen Jahren in kleinerem Maß- stabe angestellt worden sind, dürfen wohl als gelungen betrachtet werden. Die Bäume stehen vorzüglich, haben saftiges Laub, und sowohl die chinesischen wie die japanischen und italienischen Seidenraupen sollen gut gedeihen. Die Seide wird hier nicht abgehaspelt, sondern in den Cocons verkauft. — Laut Bericht der Krefelder Handelskammer für das Jahr 1884 treten folgende Produktionsmengen an Rohseide: aus Spanien 85 t, aus Frankreich 483 t, aus Oesterreich-Ungarn 142 t, aus Italien 2810 t, aus Griechenland 20 t, aus Volo, Salonichi und Adrianopel 95 t, aus Anatolien 185 t, aus Syrien 230 t, aus Georgien und Persien 200 t, aus Gesamt-Rußland 656 t, zusammen 4250 t. Für Bengalen und Ostasien tritt an Stelle der un- bekannten Produktion die Ausfuhr, welche in jenem Berichte mit nachstehen- den Zahlen verzeichnet wird: aus Calcutta 208 t, aus Kanton 693 t, aus Shanghai 2680 t und aus Yokohama 1484 t, zusammen 5065 t. Hier- aus ergibt sich eine für den Gesamtverbrauch mit Ausnahme Ost- und Südasiens verfügbare Menge von 9970 t Seide 1 t = 1000 kg. . Der preußische landwirtschaftliche Minister hatte dem Seidenzüchter Buchwald in Reichenbach in Schlesien vierzig Morgen Eichenbestand aus den Staatsforsten zu Versuchen mit der Züchtung des Eichenseidenspin- ners vor fünf Jahren überlassen. Auf Grund seiner seither gemachten Er- fahrungen hat nun Buchwald auf der Generalversammlung des schlesischen Forstvereins mitgeteilt, daß der Zucht des chinesischen Eichenspinners elemen- tare und klimatische Schwierigkeiten nicht entgegenstehen und die Seide von den in dem Versuchswalde gezüchteten Eichenspinnern, in Krefeld verarbeitet, sich der besten Mailänder Seide ebenbürtig erwiesen hat. Bei dem Reich- tum Deutschlands an Eichen glaubt er, daß die Seidenzucht dort sehr ren- tabel werden wird. Gewinnung der Rohseide. Um nach dem Töten der Puppe den Seidenfaden zu gewinnen, sind zwei Operationen nötig: 1. Das Sortie- ren der Cocons . Die Cocons sind keineswegs alle gleich, viele sind weiß, viele gelblich, manche sind schadhaft (hierher gehören die oben geschilderten Cocons, aus denen der Schmetterling geschlüpft ist, aber auch schimme- lig gewordene, von Insekten angefressene, durch das Platzen von Puppen beim Töten in die Cocons fleckig gewordene u. s. w.) und eignen sich nicht zum Abhaspeln; die Stärke des Gespinnstfadens ist eine sehr verschiedene. Das Sortieren bezweckt daher das Ausscheiden fehlerhafter Cocons, sowie das Zusammenordnen gleichartiger, gleichfarbiger und gleich feiner Cocons. Diese Arbeit darf nur von erfahrenen Leuten und muß mit großer Sorgfalt aus- geführt werden, weil nur gleichartige Cocons zusammen abgehaspelt und mit Vorteil verarbeitet werden können. 2. Das Abhaspeln . Wenn wir uns vergegenwärtigen, daß der Coconfaden eine Länge von 350 bis 1250 m hat, und dabei nur ¼ g wiegt, so ergibt sich daraus allein ohne weiteres, daß der Coconfaden ungemein zart sein muß, so fein und zart, daß er für sich allein kaum abgewickelt werden kann. Man nimmt daher in der Praxis 3 bis 20 Cocons (je nach Feinheit des Fadens) zum Abhaspeln, aus wel- chen ein Faden gebildet wird. Zu dem Behufe bringt man dieselben in warmes Wasser, welches den leimartigen Ueberzug des Coconfadens lösen soll; nun wird zuerst der äußerste Teil des Fadens, die Flockseide, entfernt (der dadurch entstehende Verlust beträgt, je nach der Geschicklichkeit des Ar- beiters, 18 bis 30 Prozent), und erst dann beginnt das eigentliche ge- meinsame Abhaspeln mehrerer Cocons, wobei die Lösung des leimartigen Ueberzuges gleichzeitig wieder das nachfolgende Zusammenkleben zu einem Faden bewirkt. Der durch Abhaspeln erzeugte Rohseidenfaden stellt also eine Summe von ihrer Gesamtlänge nach zusammen- geleimten Coconfäden vor ; das Aneinanderhaften der Seidenfasern ge- schieht lediglich durch die Bindung der leimartigen Seidenhülle, nicht durch Zusammendrehen ; die Rohseide ist also kein gezwirnter Faden. Sie wird durch ein Räderwerk auf einen Haspel gewunden und nimmt dadurch die Gestalt eines Strähnes an. Die Länge des Rohseidenfadens von nor- malen Cocons beträgt 250 bis 900 m. Das Abhaspeln der Seide wird in den eigentlichen Seidenbauländern mittels Haspelmaschinen bewerkstelligt. Eine Abbildung und Beschreibung einer solchen findet sich in Knecht „Färberei und Bleicherei“. Die so gewonnene Rohseide stellt einen einfachen (d. h. nicht gezwirnten), runden, glatten, von Knoten und Flocken freien, reinen, glänzenden, festen und gleichmäßig starken Faden vor. Die Abfallseide . Unter Seidenabfall werden alle zum Abhaspeln nicht geeigneten, sowie die ersten und letzten Anteile der zum Haspeln ver- wendeten Cocons (in Italien und Südfrankreich Strazza genannt) und Cocon- reste verstanden. Die äußersten Teile der guten Cocons, welche entfernt werden müssen, und welche eben als Flockseide bezeichnet wurden (franz. bourre ), werden gewaschen, im Seifenbade gekocht, getrocknet, gekrempelt, gekämmt und gesponnen: das so gewonnene Produkt bildet die Floret- seide . Wird die Flockseide aber, ohne gewaschen und gekocht zu werden, gelockert, gekardet und versponnen, so entsteht das als Chappeseide be- kannte Handelsprodukt. An einzelnen Orten wird der Seidenabfall, insbe- sondere die schadhaften, fleckigen, schimmelig gewordenen Cocons, einer leich- ten Fäulnis unterworfen, wodurch der leimartige Bestandteil der Seide zer- stört wird; das gewaschene und getrocknete Produkt wird wie oben auf ge- ringere Qualitäten Floretseide verarbeitet. Die Abfälle dieser Fabrikation bilden dann den Seidenabfall im eigentlichen Sinne, und werden zu den im Haushalt viel gebrauchten Staub- und Wischtüchern aus Seidenabfall ver- webt. Zusammensetzung und Eigenschaften der Rohseide. Aehnlich der Wolle ist die Rohseide noch keineswegs die reine Seidenfaser, sondern sie wird, ähnlich wie die Wolle von Wollschweiß und Wollfett, von einer farblosen oder schwach gelblich gefärbten Masse begleitet, welche sich in Wasser ganz oder zum bei weitem größten Teile auflöst. Ueber diese Masse, welche die Seidenfaser vollständig umhüllt, welche circa 46 Prozent der Gesamt- masse bildet und allgemein als Seidenleim bezeichnet wird, gehen die An- sichten noch auseinander. Es steht zunächst noch nicht fest, ob dieser „Seiden- Ganswindt , Färberei. 3 leim“ ein einheitlicher Körper ist, oder ob er aus verschiedenen Körpern zusammengesetzt ist. Für die Färberei ist der Seidenleim von Wichtigkeit, man wendet eine alkalische Lösung desselben, welche den Namen „Bastseife“ führt, mit Vorliebe in der Seidenfärberei bei Verwendung von Teerfar- ben an. Der Seidenleim oder das Sericin ist allem Anschein nach kein einheitlicher Körper. Die obige Angabe von 46 Prozent Gehalt der Roh- seide an Seidenleim stützt sich auf Untersuchungen von Mulder . Dieser fand in 100 Teilen Rohseide: Ohne die Zahlen dieses Forschers direkt anzweifeln zu wollen, wollen mir die Angaben „leimgebende Substanz, Wachs, Fett, Harz und Albumin“ nicht einleuchten. Das Sericin enthält Stickstoff, aber woher soll das Ei- weiß kommen? Schon Bolley hat die obigen Resultate als zweifelhaft hingestellt, und das um so mehr, als sie durch aufeinanderfolgende Extrak- tion mit heißem Wasser, absolutem Alkohol, Aether und heißer Essigsäure gewonnen sind. Mulder erhält danach in 100 Teilen: Zur Charakteristik dieser Zahlen möge folgendes erwähnt sein: Kocht man Rohseide im Papin schen Topf oder unter Anwendung gespannten Dampfes aus, so verliert sie dadurch 28 bis 29 Prozent an Gewicht. Bei dem in der Verarbeitung der Seide üblichen „Abkochen“ der Seide, welches dem Assouplieren vorausgeht, beträgt der Gewichtsverlust nur 20 bis 25 Pro- zent. Behandelt man die mit überhitztem Dampf behandelte Rohseide mit absolutem Alkohol und dann mit Aether (zur Entfernung von Fett, Gerb- säure, Farbstoffen), so entsteht ein weiterer Gewichtsverlust von 4 bis 5 Pro- zent und es bleiben circa 66 Prozent Fibroin zurück. Soweit wäre gegen die Mulder schen Zahlen nichts einzuwenden. Nun aber folgt die Behandlung mit heißer Essigsäure, welche einen weiteren Gewichtsverlust von 16,3 bis 16,5 involviert. Was hat denn die Essigsäure nun eigentlich gelöst? Fertig vorhandene leimgebende Substanz sicher nicht; diese hätte sich im Wasser gelöst. Es liegt fast die Vermutung nahe, daß dieser Verlust auf Kosten des Fibroins zu setzen ist. In der Litteratur findet sich nur eine einzige Notiz über die Wirkung der Essigsäure (kalten Eisessigs) auf Rohseide, aber nichts über die Einwirkung heißer auf das vom Sericin befreite Fibroin. Dabei möchte daran erinnert werden, daß einige Mineralsäuren schon bei großer Verdünnung und kalt die Seide vollauf zu lösen vermögen; auch möchte ich darauf hinweisen, daß — zumal bei der bisherigen Annahme von der Entstehung des Sericins durch Hydratation und Oxydation des Fibroins — bei dem Kochen mit Essigsäure die Bildung von Sericin durchaus nicht unmöglich ist. Sei dem indes, wie ihm wolle, so dürfen wir doch keinenfalls das durch heiße Essigsäure Ausgezogene zu den Ge- wichtsbestandteilen des Seidenleims hinzuzählen. Bei solcher Lage der Dinge bieten die Mulder schen Zahlen eigentlich recht wenig Anhaltepunkte, ja, sie sind sogar dazu angethan, die Grenze zwischen Fibroin und Sericin völlig zu verwischen. Ich schlage deshalb — so lange bis neuere Forschungen diesen Punkt geklärt haben — folgende Feststellungen vor: 1. Seidenleim oder Sericin ist der durch Behandeln mit überhitztem Wasserdampfe aus der Rohseide gewonnene, in Wasser lösliche Bestandteil der Rohseide ; er beträgt 28 bis 29 Prozent. 2. Fibroin ist die von Seidenleim, von Fett und Farb- stoff befreite Seidenfaser ; sie beträgt 66 Prozent. 3. Fettsubstanzen, Harz und Farbstoff betragen 1,5 Prozent. Der Seidenleim bildet nach dem Verdampfen des Wassers eine leim- ähnliche, durchscheinende, gelbliche Masse, welche sich in Wasser, in Seifen- lauge und anderen alkalischen Flüssigkeiten, sowie in Essigsäure leicht löst. Die wässerige Lösung wird durch Alkohol, Gerbsäure, Bleiessig, salpetersau- res Quecksilberoxydul und Zinnchlorid gefällt. Die essigsaure Lösung gibt mit Blutlaugensalz einen grünlichen Niederschlag. Die eigentliche Seidenfaser oder das Fibroin ist eine weiße glän- zende Faser, zerreiblich, geruch- und geschmacklos in Wasser, Alkohol, Aether und Ammoniak und in kalter Essigsäure unlöslich, löslich dagegen in heißer Essigsäure, in Alkalien, besonders in starken Laugen, in konzentrier- ten Säuren, aber auch in verdünnter Salzsäure. Das Fibroin steht nach den Untersuchungen Städelers der Hornsubstanz nahe, unterscheidet sich von dieser aber wesentlich dadurch, daß es aus seinen Lösungen durch Fäl- lungsmittel stets in Faserform abgeschieden wird. In feuchtem Zustande längere Zeit der Luft ausgesetzt, wird es etwas in Wasser löslich; es nimmt dabei dem Anschein nach die Bestandteile des Wassers und des Sauerstoffs auf und geht in Sericin über. Mit Schwefelsäure gekocht geht es in Tyrosin, Leucin und Glycin über. Verarbeitung der Rohseide. Die Rohseide wird als solche zur Färberei selten verwendet, eine Ausnahme macht die Maraboutseide (s. unten). Gemeinhin finden zuvor noch einige Operationen statt und zwar das Zwirnen und das Entschälen. Das Zwirnen der Seide bezweckt die Vereinigung mehrerer Roh- seidenfäden zu einem, und zwar durch Zusammendrehen . Das Zwirnen steht in innigem Zusammenhange mit dem Sortieren der Cocons, indem durch beides die verschiedenen Handelssorten der Seide bestimmt werden. Die beste Sorte Rohseide wird zu Organsinseide verarbeitet, welche bei der Herstellung der Seidenzeuge gewöhnlich als Kette verwendet wird und 3* auf der Oberfläche des Gewebes erscheint; man haspelt hierzu den Seiden- faden von 3 bis 8 Cocons und gibt demselben eine starke Drehung (d. h. Drehung in sich selbst, Eigendrehung) und zwirnt dann zwei solche gedrehte Rohseidenfäden zusammen. Die geringere Rohseide wird zu Trameseide , Tramseide oder Tramaseide verarbeitet und bei der Weberei als Schuß, sowie zu Seidenschnüren verwendet; man haspelt hierzu den Rohseidenfaden von 3 bis 12 Cocons; bei der Trameseide wird entweder ein einzelner Roh- seidenfaden an sich gedreht (einfädige Trame) oder es werden zwei oder drei nicht gedrehte Rohseidenfäden links gezwirnt (zwei- oder dreifädige Trama). Trameseide ist nicht so scharf gezwirnt, als Organsinseide, sie ist daher wei- cher. — Maraboutseide wird aus drei nicht gedrehten ganz weißen Roh- seidenfäden gezwirnt, dann, ohne entschält zu werden, gefärbt, und nach dem Färben nochmals gezwirnt; sie erhält dadurch eine noch schärfere Zwir- nung als die Organsinseide, gleichzeitig aber auch ziemliche Steifheit und Härte. — Poilseide (auch Peloseide genannt) ist ein einfacher Rohseiden- faden, der aus mehreren gedrehten Coconfäden besteht; dient als Unterlage für Gold- und Silberfäden, Tressen ꝛc. — Nähseide wird aus Rohseiden- fäden aus 3 bis 22 Cocons auf verschiedene Weise gedreht. — Stick- und Häkelseide wird in gleicher Weise hergestellt, ist aber stärker. — Ecruseide ist Rohseide, welche höchstens dem Waschen mit oder ohne Seife und nachherigem Bleichen ausgesetzt gewesen ist. Das Entschälen der Seide bezweckt die Entfernung des Seidenleims und zerfällt in zwei Operationen, das Degummieren und das Abkochen. Das Degummieren wird in großen mit Kupferblech ausgelegten Holz- trögen oder in Holzkufen, auch in kupfernen Kesseln vorgenommen. In die- sen bereitet man sich eine Seifenlösung aus venetianischer Seife und rechnet dabei auf das Kilogramm Rohseide 300 bis 500 g Seife. Diese Seife löst man in weichem Wasser und erhitzt das Bad mittels Dampfschlange oder durch direkt eingeleiteten Dampf auf 90 bis 90° C. (72 bis 76° R.). — Die zu entschälende Seide wird auf glatten Holzstangen in das Seifenbad gehängt und darin so lange umgezogen, bis sich der Ueberzug des Seiden- leims von der Faser abgelöst hat. Anfangs quillt die Rohseide auf und erscheint klebrig; dann aber löst sich der firnisartige Ueberzug von Seiden- leim verhältnismäßig schnell und die weiche, biegsame, glänzende Seidenfaser bleibt zurück. Gemeinhin geht man in der Praxis von diesem ersten Seifen- bad auf ein zweites schwächeres, aber gleichfalls auf circa 75° R. erhitztes Seifenbad. Es ist von Wichtigkeit, daß die Seifenlösung nicht bis zum Kochen erhitzt wird, da sonst der dem Sericin eigene gelbliche Farbstoff an die Seide geht. Die Auflösung des Seidenleims im Seifenbade geht bei fleißigem Umziehen auch unter der Siedetemperatur vollkommen vor sich. Diese Seifenbäder sind aufzubewahren: sie bilden den unter dem Na- men Bastseife bekannten wertvollen Zusatz in der Seidenbuntfärberei. Die aus dem zweiten Seifenbade herausgenommene Seide wird schließlich in einem dritten 60° warmen, ganz schwachen Seifen- oder Sodabade gespült, abgewunden und getrocknet. Das gesamte Degummieren erfordert 1 bis 2 Stunden. Degummierte Seiden sind zum Färben mit dunkeln Farben ohne weiteres zu gebrauchen. Wie oben bei der Zusammensetzung der Rohseide auseinandergesetzt wurde, löst sich der Seidenleim auch in Wasser und zwar lassen sich bei Anwendung von überhitztem Wasserdampf 28 bis 30 Prozent ausziehen. Man könnte daher auch das Entschälen der Seide mit überhitztem Wasser- dampf ausführen; dieser aber macht die Seidenfaser hart und spröde; man zieht deshalb die Anwendung von Seifenbädern und geringerer Wärme vor, da sich der Seidenleim in alkalischen Flüssigkeiten besonders gut löst. Bei vernunftgemäßer Anwendung der Seifenbäder kann man den Seidenleim vollständig entfernen; der Gewichtsverlust beträgt dann 25 bis 30 Pro- zent der Rohseide bei europäischen Seiden, dagegen nur 18 bis 22 Prozent bei chinesischen und japanesischen Seiden. Solche vollständig entschälten Sei- den heißen Cuits . (Fälschlicherweise werden aber auch die zum Degum- mieren verwendeten Bäder, also die Bastseifenlaugen cuits genannt.) — Bei dem teuren Preise der Seide ist den Händlern mit einem Gewichts- verlust von 25 bis 30 Prozent durch Degummieren häufig nicht gedient. Deshalb wird das Entschälen sehr häufig nur unvollständig gehand- habt und, indem man auf 1 kg Rohseide nur 100 bis 125 g Seife rechnet, eine degummierte Seide erzielt, welche einen Gewichtsverlust von nur 8 bis 12 Prozent gibt; solche Seiden heißen Souples . Bisweilen wird das Degummieren durch ein bloßes Waschen mit Wasser ersetzt, wodurch ein Ge- wichtsverlust von nur 3 bis 4 Prozent entsteht; solche Seiden heißen Crus . Das Abkochen oder Weißkochen der degummierten Seiden soll die Entfernung der letzten Reste von Seidenleim und die Erzielung der größten Weichheit und Geschmeidigkeit bezwecken. Es wird in offenen kupfernen Kesseln ausgeführt, die degummierte Seide in haufene Säcke gethan und dann mit einer schwachen Seifenlösung (10 bis 15 kg auf 100 kg degum- mierte Seide) ½ Stunde bis zu 3 Stunden richtig gekocht. — Dieses Verfahren ist durch langjährige Praxis gewissermaßen geheiligt. Nichtsdesto- weniger halte ich das „Weißkochen“ für eine verfehlte Operation. Zunächst begreife ich nicht, was die hanfenen oder leinenen Säcke dabei sollen. Es wäre doch weit vernunftgemäßer, wenn man die Seide an Holzstöcken in Strängen in das Seifenbad hängen ließe und darin umzöge. Sodann er- reicht man die Entfernung der letzten Reste von Seidenleim auch ohne Kochen. Somit kennzeichnet sich diese Operation als weiter nichts, als ein drittes Seifenbad zum Zweck der Degummierung und sie beweist lediglich, daß die Degummierung zuvor nicht mit der nötigen Sorgfalt ausgeführt worden ist. Daß ferner zur Erzielung eines möglichst hohen Grades von Geschmeidigkeit und Glanz das Kochen notwendig sei, ist bisher wenigstens nicht bewiesen. Sollte aber zur Erzielung dieses Effekts ein Kochen nötig sein, so möchte ich empfehlen, dasselbe mit einer höchst dünnen Seifenlauge (2 Prozent Seife auf 100 Seide) auszuführen und die Seide nicht länger als eine halbe Stunde kochen zu lassen, darauf aber in einem lauwarmen Wasser- bade (ohne Sodazusatz) zu spülen, abzuwinden und zu trocknen. In Süd- frankreich und in der Schweiz wird nach dem Abkochen noch in einem Soda- bade, dann in einem kalten Wasserbade gespült und getrocknet. Die vom Abkochen der Seide resultierende Seifenlauge kann wieder zum Entschälen benutzt werden. Das Souplieren oder Assouplieren der Seide bezweckt die Ge- winnung einer Seide, welche in der Mitte steht zwischen degummierter, ge- kochter und Rohseide. Die letztere eignet sich zu Färberoperationen nur in beschränktem Maße, die erstere büßt durch das Entschälen zu viel an Ge- wicht ein. Es hat sich daher in der Praxis eine Mittelstufe eingebürgert, welche durch die stattfindende Behandlung nur 4 bis 8, höchstens 10 Prozent Gewichtseinbuße erleidet, zum Färben aber geeigneter ist als die Rohseide. Solche Soupleseide ist natürlich ein minderwertiges Produkt, erfreut sich aber großer Beliebtheit. Das Souplieren zerfällt in folgende vier Opera- tionen: Entfetten ( dégraissage ), Bleichen, Schwefeln und das eigentliche Souplieren. Bei Seide, welche für dunkle Farben bestimmt ist, fällt das Bleichen und Schwefeln fort. Das Entfetten geschieht durch Einlegen der Rohseide in ein 25 bis 30° C. (20 bis 25° R.) warmes dünnes Seifen- bad (man rechnet auf 100 kg 4, höchstens 10 kg Seife) durch 1 bis 2 Stunden. Dieses sogenannte „Entfetten“ ist in der That weiter gar nichts, als ein ganz oberflächliches und unvollständiges De- gummieren . Durch diese Operation werden die am leichtesten löslichen Anteile des Seidenleims aus der Rohseide entfernt. Das Bleichen ge- schieht durch Eintauchen der „entfetteten“ Rohseide in eine verdünnte Lösung von Königswasser. Diese wird bereitet durch Mischen von 5 Teilen Salz- säure mit 1 Teil Salpetersäure und Verdünnen mit Wasser bis auf 2 bis 2,5° B. Das konzentrierte Säuregemisch wird vor der Verdünnung 4 bis 5 Tage beiseite gestellt, und erst kurz vor dem Gebrauche mit Wasser ge- mischt. Hummel empfiehlt die Anwendung einer Temperatur von 20 bis 25° R. und eine Wirkungsdauer von 8 bis 10 Minuten. Das Bleichen der Seide nach diesem Verfahren bedarf großer Vorsicht und Erfahrung, da das in der Bleichflüssigkeit enthaltene freie Chlor zerstörend auf die Faser wirkt; andererseits wird auch durch die Salpetersäure bei zu langer Dauer der Wirkung die Faser gelblich gefärbt und damit der eigentliche Zweck in Frage gestellt. Daher gehört für diese Operation des Bleichens ein er- fahrener Mann. Unmittelbar nach dem Herausnehmen aus dem Bleichbade muß die Seide in Wasser gut gewaschen werden. Das Schwefeln be- steht in einem Behandeln der gebleichten Seide mit Schwefligsäuredampf. Nun folgt sofort das Assouplieren oder Weichmachen der ge- schwefelten Seide. Dieses besteht in einem 1½ stündigen Kochen mit einer Lösung von 3 bis 4 Promille Weinstein (Kaliumbitartrat), und nachheri- gem Waschen in warmem Wasser. Das klingt sehr einfach, ist aber eine der heikelsten Operationen bei der Verarbeitung der Rohseide. Wird die Lösung zu lange auf Siedetemperatur gehalten, so löst sich von neuem ein weiterer Anteil des Seidenleims und führt zu Gewichtsverlusten, welche dem Zwecke der Operation keineswegs entsprechen. Es möchte sich auch hier empfehlen, die Lösung nicht bis zur Siedetemperatur zu erhitzen. Aehnlich wie der Weinstein wirkt auch das Natriumbisulfat, und selbst mit sehr verdünn- ter Salzsäure wird das gleiche Resultat erzielt. Es scheint, daß hier die freie Säure bei einer wenig unter dem Siedepunkt liegenden Temperatur den Seidenleim chemisch verändert und ihn in eine minder leicht lösliche Modifikation überführt, wodurch zugleich die Seide weniger zäh wird, als durch das Abkochen. Der Hauptunterschied zwischen dem Entschälen und dem Souplieren besteht demnach in der Verwendung alkalischer Bäder beim Entschälen, und saurer beim Souplieren. Die Soupleseide ist daher als eine gebleichte Rohseide zu betrachten, welche noch den größten Teil des Seidenleimgehalts der Rohseide in wahrscheinlich chemisch veränderter Ge- stalt enthält. Sie zeigt daher auch ein von der reinen Seide abweichendes chemisches Verhalten gegen alkalische oder Seifenbäder, besonders in höherer Temperatur, und das Färben von Soupleseide erfordert daher Umsicht und Erfahrung. Eigenschaften der Seide. Die Seide hat mit der Wolle die Eigen- schaft gemein, ziemlich bedeutende Mengen Feuchtigkeit aufzunehmen (bis zu 30 Prozent), ohne dabei feucht zu erscheinen; der Wassergehalt läßt sich nach der äußeren Beschaffenheit der Seide nicht abschätzen. Bei dem hohen Handelswert der Seide ist es daher von großem Wert, den Feuchtig- keitsgehalt genau zu erfahren. Das geschieht durch das Konditionieren der Seide (s. unten). Der gewöhnliche Wassergehalt beträgt 10 bis 18 Pro- zent, in den Konditionieranstalten läßt man einen Gehalt von 11 Prozent als Norm gelten. In warmes Wasser getaucht, nimmt trockene Seide weitere Wassermengen auf, sie quillt auf, ohne sich zu lösen; dabei zieht sie sich gleichzeitig etwas zusammen. Das spezifische Gewicht ist 1,367. Zu der charakteristischen Eigentümlichkeit der Seide gehört ihr Glanz ; dieser kommt der Rohseide in erhöhtem Maße zu; bei degummierten Seiden ist der Glanz geringer, er läßt sich jedoch durch rein mechanische Behandlung, durch Strecken des Seidengarns, in hohem Maße herstellen. Der Glanz ist somit als eine Folge der Oberflächenspannung zu betrachten, während er bei der Roh- seide von dem Sericin herrührt. Diese Streckbarbeit ist eine Folge der un- gemein großen Elastizität ; eine Seidenfaser kann um 1/7 bis ⅕ ihrer normalen Länge gestreckt werden, ohne zu zerreißen. Die entschälte Seide besitzt eine um 45 Prozent geringere Elastizität als die Rohseide. Mit der Streckung nimmt bei der Seide der Glanz zu (bei der Wolle ist das Umgekehrte der Fall). An Glanz wird die Seidenfaser von keiner andern Faser erreicht. Die Weichheit der Seide ist am größten bei der völlig entschälten Seide; sie nimmt ab in dem Maße, in welchem der Pro- zentgehalt an Seidenleim zunimmt, und macht bei Rohseide einer gewissen Härte Platz; sie ist ferner bei der gestreckten Faser geringer, als bei der nicht gestreckten. Die Feinheit der Seide ist abhängig von der Anzahl der beim Abhaspeln zusammengelegten Coconfäden. Der Feinheitsgrad der Handelsware wird durch das Titrieren der Seide (s. unten) bestimmt. Die Festigkeit der Seide ist bedeutender als die jeder anderen Gespinnst- faser; ihre Reißlänge Vergl. unter Wolle S. 20. beträgt (für Rohseide) 30,8 km; d. h. ein Rohseiden- faden, welcher durch sein Eigengewicht ohne anderweite Belastung bei freiem Hängen von selbst zerreißt, müßte etwa 4 Meilen lang sein. Im Zu- sammenhang mit dieser Festigkeit steht auch ihre Widerstandsfähigkeit gegen klimatische Einflüsse; sie fault nur sehr schwierig, wird auch von Motten nur selten angefressen; nur gegen Stockflecke ist sie ziemlich empfindlich. Die Seide ist ein schlechter Elektrizitätsleiter ; lufttrockene Seide wird durch Reiben leicht elektrisch, ein Umstand, der bei der Seidenwarenfabri- kation leicht fatal werden kann; etwaigen Entladungen kann durch Arbeiten in feuchter Luft vorgebeugt werden. Einige Autoren zählen auch das eigentümliche Knistern oder „Krachen“ der Seide zu den charakteristischen Eigenschaften. Das ist jedoch nicht richtig. Das „Krachen“ gehört ganz und gar nicht zu den Eigentümlichkeiten der Seide; vielmehr ist es eine Eigenschaft, welche ihr durch besondere Behand- lung, vornehmlich durch saure Bäder, erst erteilt wird , die sie also durchaus nicht als ihr eigentümlich besitzt. Rohseide sowohl wie entschälte Seide besitzen diese Eigenschaft keineswegs. Maßgebendes für die Wertbestimmung der Seide. Um den Handelswert der Seide zu bestimmen, ist nächst ihrem äußeren Aussehen die Kenntnis des Feuchtigkeitsgehalts und des Feinheitsgrades nötig (s. oben). Diese beiden Faktoren werden ermittelt durch das Konditionieren und das Titrieren. Das Konditionieren der Seide wird in besonderen Anstalten: Konditionieranstalten , ausgeführt. Ein gewisses Quantum der einge- lieferten Seide wird gewogen, kommt dann in den Konditionierapparat, wird dort in einem Trockenapparat durch auf 110° C. erhitzte trockne Luft von ihrer Feuchtigkeit befreit so lange, bis keine Gewichtsabnahme mehr statt- findet, und dann wieder gewogen. Die Differenz zwischen der ersten und letzten Wägung gibt den absoluten Wassergehalt an. Als Norm gilt nicht die absolut trockene Seide, sondern eine Seide mit 10 Prozent Wasserge- halt, welche also 90 Prozent absolut trockene Seide enthält. Das Handels- gewicht der Seide wird demnach durch Hinzuzählen von 11 Prozent von dem festgestellten Gewicht der absolut trockenen Seide gefunden. Beispiel . Eine Seide verliert in der Konditionieranstalt 18 Prozent an Gewicht; von einer derartigen Seide enthalten also 100 kg nur 82 kg absolut trockene Seide; das Handelsgewicht würde aber auf 91 kg lauten (82,0 + 8,2 + 0,8). 100 kg solcher 18 Prozent Wasser enthaltenden Seide würden mit- hin nur als 91 kg Seide von normalem Feuchtigkeitsgehalt gelten. Die ausführliche Beschreibung des dazu verwendeten Apparates ist beim Kondi- tionieren der Wolle S. 21 zu ersehen. Das Titrieren der Seide bezweckt die Feststellung des Feinheits- grades sowohl der Rohseide wie der gezwirnten Seide. Diese wird durch Vergleichung gefunden, indem angegeben wird, wie oft eine gewisse Faden- länge in einer gewissen Gewichtseinheit enthalten ist. Als Norm für den Feinheitsgrad oder Titer (daher Titrieren) der Seide gilt eine Längeneinheit von 1000 m, deren absolutes Gewicht zu der Garnnummer führt, wenn man die Zahl 1000 (1000 g = 1 kg ) durch dieses Gewicht dividiert (Bestimmungen des Kongresses für einheitliche Garnnumerierung in Turin). Chemische Zusammensetzung. Die Seidenfaser besteht nach dem vollständigen Entfernen des Sericins aus reinem Fibroin (vergl. oben S. 34), einer der Hornsubstanz nahestehenden, aber keineswegs damit gleichbedeutenden Substanz; der Unterschied wird für den Laien am besten beim Verbrennen bemerkbar; Seide verbrennt ohne den widerlichen Geruch, wel- chen Wolle beim Verbrennen verbreitet . Die durchschnittliche Zusammensetzung beträgt: Kohlenstoff .... 48,61 Wasserstoff .... 6,50 Stickstoff ..... 17,34 Sauerstoff .... 27,55 100,00 Schwefel enthält die Seidenfaser nicht. Wohl aber enthält sie noch 2 bis 2¼ Prozent Fett, Wachs und harzähnliche Stoffe. Chemisches Verhalten der Seide. Es ist durchaus notwendig, sich zuvor darüber zu verständigen, was man unter „Seide“ verstanden wissen will; eine vollkommen entschälte Seide zeigt natürlich ein ganz anderes Ver- halten, wie die Rohseide oder die Soupleseide. Da ich die Eigenschaften der Rohseide bereits S. 39 näher besprochen, will ich hier vom Verhalten der entschälten Seide sprechen. — Kaltes Wasser übt keinen Einfluß auf die Seide, selbst bei längerem Kochen ist sie darin völlig unlöslich. Dagegen wird mit Wasser befeuchtete Seide bei beständigem längerem Luft- zutritt etwas löslich , infolge Aufnahme der Bestandteile von Wasser und Luft in den Fibroinkörper unter Bildung von Seidenleim. — Alkohol wird von der Seide begierig aufgesogen und hartnäckig festgehalten, es tritt jedoch keine Lösung der Seide ein. — Säuren , besonders konzentrierte und beim Erwärmen, lösen oder zerstören die Seide. Kochende Salzsäure von gewöhnlicher Stärke löst die Seide rasch und vollkommen (Unterschied von Wolle); Salzsäuregas zerstört die Faser, ohne zu lösen; stark ver- dünnte Salzsäure wirkt wenig oder gar nicht ein. Starke Salpeter- säure zerstört rasch und vollständig, verdünnte bewirkt nur Gelbfärbung infolge Bildung von Xanthoproteïnsäure. Konzentrierte Schwefelsäure löst die Seide zu einem braunen Sirup auf, welcher sich in Wasser klar löst; verdünnte wirkt fast gar nicht ein. Schweflige Säure , am besten in Dampfform, bleicht die Seidenfaser. Eine kalt gesättigte, dann mit dem gleichen Volumen Wasser verdünnte Chromsäurelösung löst die Seide nach 1 Minute langem Kochen unter Oxydation vollständig auf (v. Höhnel ). Eisessig Vergleiche meine Anschauungen über die Wirkung der Essigsäure bei Ge- legenheit der Mulder schen Analysenresultate S. 34. , geschmolzene Oxalsäure und Zitronensäure lösen nach Lidow bei höherer Temperatur die Seide leicht und vollkommen auf. — Lösungen von Alkalien lösen die Seide bei genügender Konzentration und beim Erwärmen rasch und vollständig; verdünnte alkalische Lösungen bewirken nur ein Aufquellen der Seide unter teilweiser Lösung. Ammoniak wirkt selbst beim Erhitzen nicht merklich ein. Aetzkalk in Lösung macht bei längerem Behandeln die Seide brüchig und zerstört schließlich die Faser. — Lösungen von Alkalicarbonaten wirken ähnlich wie die Aetzkalien, nur weit schwächer; kohlensaures Ammoniak wirkt gar nicht ein. — Chlor und die löslichen Hypochlorite zerstören die Seide leicht und schnell; sie dür- fen daher nicht zum Bleichen der Seide verwendet werden . Ab- wechselnde Einwirkung einer stark verdünnten Hypochloritlösung und atmo- sphärischer Luft bewirken keine Zerstörung der Faser, machen dieselbe viel- mehr empfänglicher zur Aufnahme von Farbstoffen. Ich erlaube mir daran zu erinnern, daß ein ähnliches Verhalten bei der Einwirkung von Wasser- stoffsuperoxyd auf Cellulose beobachtet worden ist; auch im vorliegenden Falle bewirkt wahrscheinlich das Chlor eine Abspaltung von Wasserstoff unter Bil- dung von Oxyfibroin . — Gewisse Metallsalze erleiden durch die Seide eine teilweise Zersetzung. In diesem Punkte verhält sich die Seide der Wolle ähnlich. Die Lösungen von Thonerde-, Zinn- und Eisensalzen wer- den schon bei gewöhnlicher Temperatur (Unterschied von der Wolle) als basischere, schwerer lösliche Verbindungen in der Faser eingelagert. Aehnlich wie die Wolle, scheint auch die Seide dabei die Rolle einer schwachen Säure zu spielen. Auf der Thatsache einer derartigen Zerlegung gewisser Metall- salze beruht die Anwendung derselben zum Beizen der Seide. — Einige Salzlösungen besitzen die Eigenschaft, die Seide ohne Zersetzung oder Veränderung vollkommen aufzulösen . Hierher gehört in erster Linie (nach Persoz ) eine 60° B. starke Lösung von basischem Chlorzink , welche die Seidenfaser in der Kälte nur langsam, bei Anwendung von Wärme aber leicht und schnell zu einer dicklichen, leimähnlichen Flüssigkeit umwan- delt. Aus dieser Lösung wird das Fibroin durch Verdünnen mit Wasser in weißen Flocken gefällt, welche nach dem Auswaschen des Chlorzinks sich in Ammoniak lösen. Werden die Flocken nach dem Auswaschen bei 110 bis 115° C. getrocknet, so werden sie glasähnlich und härter, lösen sich dann aber nicht mehr in Ammoniak. Eine derartige konzentrierte Chlor- zinklösung löst weder Wolle noch Baumwolle, Seide hingegen quantitativ; sie ist daher von Remont zur Trennung und Bestimmung der Seide von anderen Gespinnstfasern benutzt worden. Für Arbeiten dieser Art empfehle ich eine Lösung von 100 Teilen Chlorzink in 85 Teilen destilliertem Wasser, worin nach erfolgter Klärung noch 4 Teile Zinkoxyd gelöst werden. — Aehnlich wie Chlorzink wirkt eine Lösung von Kupferoxyd-Ammoniak . Eine vorzüglich wirkende Lösung dieser Art erhält man nach Peligot , wenn man Kupferspäne, oder besser elektrolytisch gewonnenes fein verteiltes Kupferpulver mit starkem Ammoniak übergießt und dafür sorgt, daß reichlich Luft zutreten kann. Die Peligot sche Kupferlösung löst in der Kälte außer Seide auch Baumwolle. Wolle wird davon erst beim Erhitzen ge- löst; aus einer so erhaltenen kalten Baumwollenlösung wird die Baumwolle durch neutrale Salze, Zucker oder Gummi als Cellulose wieder ausgefällt; eine gleich bereitete Seidenlösung wird durch diese Reagentien aber nicht gefällt . — Nach Schloßberger löst eine ammoniakalische Lösung von Nickeloxydul die Seide leicht auf, läßt aber Baumwolle unver- ändert. — Hummel empfiehlt eine alkalische Lösung von Kupfer und Glyce- rin als ausgezeichnetes Lösungsmittel für Seide, wogegen Wolle und Baum- wolle darin ungelöst bleiben. Zur Darstellung dieser Lösung löst man 16 g Kupfersulfat in 140 bis 160 ccm destilliertem Wasser und 8 bis 10 g rei- nem Glycerin und fügt Natronlauge tropfenweis so lange hinzu, bis der zuerst gebildete Niederschlag sich eben wieder gelöst hat. Der Natronlauge- zusatz muß vorsichtig geschehen, um ein Vorwalten derselben zu vermeiden. Seide im trocknen Zustande ist nicht so empfindlich gegen Wärme als die Wolle; bei 110° verliert sie ihre letzten Anteile von Feuchtigkeit, bleibt aber sonst unverändert. Bei höherer Temperatur als 170° C. zersetzt sie sich schnell unter teilweiser Verkohlung. Das chemische Verhalten der wilden Seiden ist noch wenig studiert. In der Litteratur findet sich bisher nur eine Notiz v Höhnels , wonach Tussah-, Ailanthus-, Yamamaiseide und andere fremde Seiden selbst nach 2 bis 3 Minuten langem Erhitzen in halbgesättigter Chromsäurelösung nicht angegriffen erscheinen. Beim Kochen mit konzentrierter Salzsäure brauchen die fremden Seiden mindestens 2 Minuten zur Lösung, während Maulbeer- seide sich in ½ Minute auflöst. Auch gegenüber mäßig konzentrierter kochen- der Kalilauge ist das Verhalten der fremden Seiden ein anderes, und zwar werden dieselben auch hier langsamer angegriffen, als die echte Seide. (v. Höhnel , Mikroskopie der Faserstoffe.) Formen, in denen die Seide zum Färben gelangt. Abgesehen von der Maraboutseide kommt Rohseide nicht zum Färben. Der Färber wird meist Seidengarn oder Seidengewebe zum Färben erhalten. Ueber die große Anzahl gezwirnter Seiden ist oben bei der Verarbeitung der Rohseide ausführlich gesprochen worden. Es wird aber im Interesse des Färbers liegen, sich bei Empfang der Ware über deren Herkunft und Qualität, vor allem über den Grad der Entschälung zu vergewissern, da er seine Färbeoperationen dementsprechend einrichten muß. Andernfalls könnte er infolge bedeutenden Gewichtsverlustes mit seinem Auftraggeber leicht in Differenzen kommen Die Seidengewebe oder Seidenzeuge entsprechen nach Art der Herstellung und der Einteilung den Wollengeweben. An die- ser Stelle interessieren uns nur die Gewebe aus reiner Seide , welche Organsinseide als Kette, Trameseide als Schuß erhalten. Die große An- zahl von Geweben, welche durch Verweben von Seide mit Kammgarn oder von Seide mit Baumwolle hergestellt wird, und welche als Halbseide be- zeichnet wird, werden in einem späteren Kapitel „Gemischte Gewebe“ näher behandelt werden. Von den Geweben aus reiner Seide unterscheidet man, ähnlich wie bei den Kammgarnstoffen: 1. Glatte Stoffe : a) Taffets; leichtere Gewebe aus entschälter und abgekochter Seide; diese zerfallen in eine Menge von Unterarten je nach der Anzahl der zusammengehaspelten Fäden (Futtertaffet, Zanella, Florence, Avignon, Kleidertaffet, Doppeltaffet, Lüstrine). b) Gros; dichtgewebte schwere Taffete aus besonders starken Fäden in Kette und Schuß, wodurch das Ge- webe feinkörnig, oder bei starker Kette und leichtem Schuß gerippt erscheint (Moiréeseide, Gros de Naples, Seidenkamelott). 2. Geköperte Stoffe : a) Atlas ( satin ) aus bester Organsinseide als Kette; der dichteste und schwerste ist der satin fort, 10 bindig; der eigentliche Atlas ist 8 bindig; der geringere 5 bindig. b) Levantin; c) Croisé; d) Drap de soie; e) Serge; f) Bombasin. 3. Gemusterte Stoffe : In unendlicher Mannigfaltigkeit mit einge- webten Mustern, ein- oder mehrfarbig; ich kann nur die wichtigsten hier aufführen: Seidendamast mit großen Mustern; Crépon mit Atlasmustern auf Grosgrund; gemusterter Gros de Tours, Parisienne, faconnierte Florence. Unter Brillantstoffe sind die Fabrikate der Seidenbuntweberei (Wappen, Blumen, Arabesken, Landschaften ꝛc.) zu verstehen, ebenso sind hierher die mit Gold- und Silbergespinnst durchzogenen Buntgewebe, Gold- und Silberbrokatstoff, zu rechnen. 4. Sammtartige Gewebe : Der echte Seidensammt kommt so- wohl ungeschnitten als aufgeschnitten im Handel vor und findet zu teureren Kleidern, als kostbare Möbel- oder Vorhangstoffe, sowie zu besseren Galanterie- waren Verwendung; der Seidenplüsch; der Velpel. 5. Gazeartige Gewebe : Seidenstramin; Krepp oder Flor; Müller- gaze (Beuteltuch); Seidencanevas. §. 7. Tierische Haare. Die Haare sind Oberhautgebilde, wie die Wolle (s. § 5) und bestehen, wie jene, vorwiegend aus Horngewebe. Die Unterschiede von Wolle und Haar sind S. 11 bereits dargelegt; auch chemisch ist ein Unterschied nicht vorhanden; der mikroskopische Unterschied ist gleichfalls an obiger Stelle er- wähnt und wird durch die Zeichnungen Fig. 1 (S. 12) und Fig. 2 veran- schaulicht. Aehnlich der Wolle, zeichnen sich auch die Haare durch einen be- stimmten Schwefelgehalt aus; nach v. Bibra enthalten z. B. Hasenhaare 3,06; Hundehaare 4,17; Kaninchenhaare 3,13; Rehhaare 2,1; Pferde- haare 3,7; Menschenhaare 4 bis 8 Prozent Schwefel. Die Gewinnung der Haare erfolgt in gleicher Weise wie bei der Wolle, durch Scheren. Fast alle Säugetiere liefern Haare, aber nur ein geringer Teil dieser Haare hat Interesse für die Färberei. Hier interessieren uns nur diejenigen, welche zur Filz fabrikation dienen. Hierhin können wir zählen: Fig. 7. Hasenhaare. 1. Die Hasenhaare, von Lepus timidus; sie sind den Kaninchenhaaren sehr ähnlich und nur schwer davon zu unterscheiden (Fig. 7). 2. Die Hundehaare, von Canis familiaris; je nach der Race von der größten Verschiedenheit. 3. Die Kameelhaare, von Camelus dromeda- rius und Camelus bactrianus; sie sind dunkelbraun bis schwärzlich, mit lichterer Spitze versehen, 6 bis 9 cm und darüber lang, ziemlich fein, 40 bis 100 µ breit. 4. Die Kaninchenhaare, von Lepus cuniculus; sie sind weiß, grau bis schwarz, 3 bis 4 cm lang, ziemlich weich und circa 20 µ dick, an der Basis und gegen die Spitze zu schmal, in der Mitte viel breiter, bandartig, und an den Längsrändern dicker als in der Mitte. 5. Die Kuhhaare, von Bos taurus, werden als Nebenprodukt der Gerberei gewonnen. Um die tieri- sche Haut von ihnen zu befreien, wird erstere ge- äschert, das heißt, in Kalkbrühe eingelegt und dann ge- schabt. Diese Haare besitzen daher immer die Haar- zwiebel und ihre natürliche Länge. Man findet dicke und starre Grannenhaare mit breiten kontinuierlichen Markcylindern, und solche mit Markinseln, deren Zellen sehr dünnwandig sind; ferner sehr feine, markfreie Woll- haare, von etwa 16 bis 22 Mikromillimeter Dicke. 6. Die Ziegenhaare, von Capra hircus. Die genannten Haare enthalten alle größere oder geringere Mengen eines grauen, braunen bis schwarzen Farbstoffs eingelagert, welcher denselben durch Schwefeln entzogen werden kann, über dessen Natur etwas Zuverläs- siges aber noch nicht bekannt ist, so daß man annimmt, daß die Färbung der Haare nicht auf chemischen, sondern auf physikalischen Verhält- nissen beruhe . In der Praxis wird ein Bleichen der Haare wohl kaum vorkommen. Die wertvollste Eigenschaft der Haare ist ihre Plastizität ; befeuchtet, behalten sie diejenige Form, welche man ihnen dann gibt, auch im trocknen Zustande bei. Auf dieser Eigenschaft beruht die Verwendung der Haare zur Bereitung von Filz, Haarfilz . Die Verarbeitung zu Haarfilz geschieht vorwiegend mittels Maschinen. Für Färbereizwecke, speziell für die Fabri- kation von Filzhüten aus reinen Haaren, kommt nur der Haarfilz in Be- tracht. Das Färben von Menschenhaar gehört nicht in die Färberpraxis, und kann in diesem Handbuch füglich unbeachtet bleiben. Beim Färben von Haarfilz wird es sich wohl immer nur um schwarze oder dunkelbraune Far- ben handeln, worüber näheres im speziellen Teil (§ 93) unter Filzfärberei . Zu den tierischen Haaren sind gewissermaßen auch die Byssusfäden oder die Muschelseide zu rechnen. Es sind das olivenbraune Fäden, von 3 bis 6 cm Länge, und 10 bis 100 µ Durchmesser. Diese Fäden dienen der Stockmuschel ( Mytilus edulis ) zum Festhalten an fremden Körpern, und bestehen aus dem Spinnstoffe, der aus der Byssusdrüse abgesondert und durch einen beweglichen Fortsatz (Spinner) nach außen geleitet wird. Diese Fäden sind solid und zerfasern beim Zerreißen nicht; die feinern Fäden sind fast glatt, häufig um ihre Achse gedreht und zeigen eine zarte regelmäßige Längsstreifung. Chemisch ist die Byssussubstanz dem Wollhaar nahestehend. Im südlichen Europa dienen die Byssusfäden zur Herstellung von Strümpfen, Handschuhen u. dergl. m. § 8. Federn. Was für die Säugetiere die Haare, das sind für die Vögel die Federn. Auch sie sind Oberhautgebilde, unterscheiden sich aber durch große Flächen- entfaltung und einen symmetrischen kunstvollen Bau. Dem Bau nach be- stehen die Federn aus dem Kiel und der aus vielen parallelen Grannen gebildeten Fahne. Die chemische Zusammensetzung ist die gleiche, wie die der Wolle und Haare, auch sie bestehen vorwiegend aus Horngewebe. Ob die Federn auch Schwefel enthalten, ist aus den Analysen von Gorup-Besanez nicht mit Sicherheit zu ersehen. Dagegen zeichnen sich die Federn durch einen Fettgehalt aus (den sie übrigens mit den Haaren teilen); charakteristisch für sie ist ein verhältnismäßig hoher Gehalt an Kieselsänre, welcher beim Haus- hahn bis 3,71 Prozent steigt. Was die Vogelfedern aber von allen ande- ren tierischen Oberhautgebilden unterscheidet, ist ihr Gehalt an Farbstoffen; vielfach sind sie blendend weiß; in der Mehrzahl der Fälle sind sie farbig, und erscheinen, besonders bei dem Männchen, in allen erdenklichen Farben und Nüancen von oft wunderbarer Farbenpracht, welche durch den Glanz und das Schillern der Farben noch erhöht wird. Ueber die chemische Na- tur dieser Farben wissen wir bislang noch gar nichts. Von in Substanz eingelagerten Farbstoffen scheinen dieselben nicht herzurühren, denn unter dem Mikroskop fand Bruch bei allen Federn, gleichviel von welcher Farbe, nur dasselbe bräunlich-schwarze Pigment: unter dem Mikroskope ist ein Farb- stoff nicht zu entdecken. Ihrer schönen und leuchtenden Farben wegen wer- den die Federn vielfach ohne weitere Vorbereitung als Schmuckfedern verwendet. Die Vögel, welche besonders Schmuckfedern liefern, sind: 1. Der Strauß, Struthio camelus. 2. Der Marabu, Leptoptilus. 3. Der Pfau, Pavo cristatus. 4. Der Hahn, Gallus domesticus. 5. Der Fasan, Phasianus pictus. Von den genannten haben für Färbereizwecke besonders die Straußfedern Bedeutung. Alle Federn, gleichviel ob weiß oder farbig, enthalten, wie sie in den Handel kommen, eine bestimmte Menge Fett, welche dem Angehen und Ein- dringen der Farbstoffe hinderlich ist; es ist daher notwendig, die Federn vor allem zu entfetten ; grane oder dunklere Federn, welche für zarte Farben bestimmt werden, müssen behufs Zerstörung des natürlichen Farbstoffes zu- vor gebleicht werden. Wenn der Färber Naturfedern zum Färben erhält, wird er die erstere Operation immer, die zweite vielfach, selbst ausführen müssen. Diese beiden, sowie die weiteren das Färben vorbereitenden Ope- rationen finden sich ausführlich behandelt im speziellen Teil unter Federn- färberei (§ 94). § 9. Unterschied zwischen tierischer und pflanzlicher Gewebefaser. Mit den in § 8 behandelten Federn schließt die Reihe der tierischen oder animalischen Färbereimaterialien. Wir begegnen von der im folgen- den Paragraph behandelten Baumwolle an einer völlig anderen Reihe von Ge- webefasern, welche pflanzlichen Ursprungs sind und sich weniger durch ihre physikalischen Eigenschaften, um so mehr aber durch ihre mikroskopischen und chemischen Eigenschaften von den tierischen unterscheiden. Während die tierischen Färbereimaterialien als Grundsubstanz aus Horngewebe bestanden, bestehen die pflanzlichen oder vegetabilischen Gespinnstfasern aus mehr oder minder reiner Cellulose . Die Hornsubstanz ist ausgezeichnet durch einen gewissen Gehalt an Stickstoff und an Schwefel und zeigt beim Verbrennen jenen unangenehmen Geruch, den wir als Sengen bezeichnen; die Cellulose dagegen enthält weder Stickstoff noch Schwefel, sondern lediglich Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff und verbreitet beim Verbrennen keinen Geruch . Dieses ist die einfachste und leichteste Unterscheidung, wenn es sich um nicht gemischte Gespinnstfasern oder Gewebe handelt. Ein Garn oder Gewebe, welches beim Verbrennen keinen Geruch nach verbranntem Horn gibt, ist also allemal frei von tierischen Gespinnstfasern, enthält also keine Wolle oder Seide. Diese kurze Betrachtung soll keineswegs in die Untersuchung von Ge- webefafern einleiten, sondern lediglich die Grenze bezeichnen zwischen den beiden großen Klassen der tierischen und der pflanzlichen Gespinnstfasern. Zu letzteren zählen wir, soweit sie für Färbereizwecke überhaupt in Be- tracht kommen: Die Baumwolle, den Flachs, den Hanf, die Jute, die Nessel, das Chinagras. §. 10. Baumwolle. Von allen Gespinnstfasern pflanzlicher Abstammung ist die Baumwolle zur Zeit die wichtigste und gilt augenblicklich als der Hauptrepräsentant der vegetabilischen Gewebefasern. Was wir als Baumwolle bezeichnen, sind die aus fast reiner Cellulose bestehenden Samenhaare der Baumwollenstaude, ein weißer lockerer Flaum, welcher die Baumwollsamen einhüllt . Herkunft. Die Pflanzen, welche die Baumwolle liefern, sind Bäume oder Sträucher der zur Familie der Malvaceen gehörenden Gattung Gossy- pium und zwar: 1. Gossypium herbaceum L ., ein Strauch von circa 1 m Höhe mit gelben Blüten, in Südosteuropa, Kleinasien und Indien kultiviert. 2. Gossypium arboreum L ., ein Baum von 6 bis 7 m Höhe mit rotvioletten Blüten, in Ostindien heimisch, in China, Aegypten und Nord- amerika gebaut. 3. Gossypium hirsutum L ., ein Staudengewächs von circa 2 m Höhe mit lichtgelben Blüten, in Westindien heimisch, in Nordamerika und Texas kultiviert. 4. Gossypium barbadense L ., ein Staudengewächs von 4 bis 5 m Höhe mit gelben Blüten, in Nordamerika und auf den westindischen Inseln angebaut. 5. Gossypium religiosum L ., ein kleiner Strauch von circa 1 m Höhe mit gelben Blüten, in China heimisch, und in Ostindien und Italien kultiviert. 6. Gossypium peruvianum, eine Pflanze von 4 bis 5 m Höhe, in Südamerika heimisch. 7. Gossypium acuminatum. 8. „ conglomeratum. 9. „ indicum. 10. „ vitifolium. 11. „ flavidum. 12. „ accumulatum. Die Gossypium -Arten tragen Samenkapseln, welche zur Zeit der Frucht- reife aufspringen, so daß ein Teil des Kapselinhalts als dichter weißer Schopf heraustritt. Die Baumwollsamen (3 bis 5 in jeder Kapsel) werden dann mit den daran haftenden Samenhaaren, welche bei den verschiedenen Arten von verschiedener Länge und Stärke sind, herausgenommen und ge- trocknet; die Samenhaare sind meist rein weiß, nur bei Gossypium religio- sum sind sie gelblich. Die Samenhaare bestehen aus kurzen, zum Ver- spinnen nicht geeigneten Haaren, der sog. Grundwolle , welche den gerin- gern Teil ausmachen und meist gelblich bis intensiv gelb, bei Gossypium hirsutum sogar smaragdgrün sind, und aus langen Haaren, welche die Haupt- menge bilden, der eigentlichen Baumwolle. Gewinnung. Die Gewinnung besteht in der mechanischen Trennung der Samenhaare von den Samen. Diese Operation heißt das Entkernen oder Egrenieren , und wird durch Maschinen bewerkstelligt, welche Egre- niermaschinen heißen und aus einer Reihe kreisrunder Sägeblätter be- stehen, die auf einer gemeinsamen Walze sitzen und in der Minute 90 bis 100 Umdrehungen machen. Die von den Samen befreiten Baumwollen- haare werden dann nach Länge, Farbe und Reinheit sortiert, mit Hilfe von hydraulischen Pressen in Säcke von Hanf oder Jute gepreßt (Amerika) oder in Tierhäute verpackt (Kleinasien) und kommen als Rohbaumwolle in den Handel. Handelssorten der Baumwolle. Die Rohbaumwolle wird in ihren physikalischen Eigenschaften bedingt sowohl durch die Abstammung von den verschiedenen Gossypium -Arten, wie auch durch klimatische Einflüsse und durch die Kultur in den Baumwollplantagen. Dieser Umstand macht eine scharfe Unterscheidung der einzelnen Handelssorten sehr schwierig. Parla- tore hat 7 Haupttypen aufgestellt: 1. Nordamerikanische; 2. Südameri- kanische; 3. Westindische; 4. Ostindische; 5. Levantiner; 6. Afrikanische; 7. Europäische. Todaro hat sie dagegen in 50 Arten eingeteilt. Im Han- del werden die verschiedenen Sorten nach dem Namen des Platzes oder der Gegend bezeichnet, wo sie gewachsen sind. Als Norm wird die Qualität der Produkte aus den hauptsächlichsten Produktionsgebieten wie folgt rangiert: 1. Sea-Island (gebaut an der Küste und vorliegenden Inseln von Florida und Georgia). 2. Aegypten (drei scharf unterschiedene Varietäten umfassend: Gallini, Braun und Weiß). 3. Peru oder Brasilien (umfassend: Pernambuco, Ceara, Bahia und Maranham). 4. Amerika (umfaßt: Orleans, Upland, Mobile und Texas). 5. Madras (Tinnivelly). 6. Indien oder Surat (umfaßt: Hingunghat, Oomrawattee, Broach, Dhollerah, Dharwar, Comptah und Scinde). 7. Afrika. Diese sieben Varietäten umfassen die, welche für uns die größte Wich- tigkeit im Handel besitzen; selbstverständlich gibt es noch viele andere, aber von geringerer Wichtigkeit bezüglich der Ausbreitung ihrer Kultur. Beispielsweise gibt es Fidji-Inseln, Tahiti-Inseln ꝛc. ꝛc., die im Preise hinter den Sorten, die an den Küsten von Georgia und Florida gewachsen sind, rangieren. Beschreibung der verschiedenen Varietäten Nach der Färberei-Musterzeitung. . Sea-Island : Diese Sorte besitzt alle Eigenschaften, die eine vollkommene Baumwolle aus- machen, im höchsten Grade, da sie lang und seidenartig in der Faser und glänzend in der Farbe ist, obgleich sie unglücklicherweise in vielen Ernten eine große Menge sehr kurzer und unreifer Fasern enthält, die sich bei der Verarbei- tung zu Büscheln vereinigen und, indem sie sich um die langen Fasern her- umlegen und verflechten, sich äußerst schwer entfernen lassen; sie verur- sachen oft noch großen Verdruß, indem sie sich in den späteren Stadien der Verarbeitung aufdrehen. Der allgemeine Charakter dieser Sorte jedoch steht weit über allen anderen, weshalb sie im Handel am höchsten geschätzt wird und nur zur Produktion der feinsten Baumwollfabrikate dient, wie Mousse- lin, Spitzen ꝛc. ꝛc., sowie namentlich auch als Nähgarn. Sie wird jetzt auch viel in der Seidenmanufaktur gebraucht, da eine Mischung dieser bei- den Materialien für gewisse Waren erforderlich ist. Dieser steht am nächsten die Aegyptische Baumwolle : Diese Varietät wird wiederum in drei andere eingeteilt, nämlich: Gallini, Braun und Weiß. Die Gallini - Baumwolle ist die vollkommenste der ägyptischen Art, da sie eine schön lange und feine Faser besitzt, jedoch hierin der Sea-Island nicht gleichkommt. Was die Länge ihrer Faser anbetrifft, so ist dieselbe oft sehr unregelmäßig, da sie in manchen Lieferungen einen beträchtlichen Prozentsatz kurzer Fasern enthält, die entfernt werden müssen, ehe die Baumwolle mit bestem Nutzen verarbeitet werden kann, und dies kann eigentlich nur geschehen, indem man sie durch die Kratzmaschinen gehen läßt. Wenn man die verschiedenen Stadien der Manipulation sorgfältig beobachtet, so wird man finden, daß eine verhältnismäßig große Menge von schlechtem Abfall gewonnen wird. Und das läßt sich auf diesen Fehler zurückführen, da die lange Faser stets bestrebt ist, die kürzere herauszuziehen, so daß es eine Unmöglichkeit ist, eine kurzfaserige mit einer langfaserigen Varietät erfolgreich zu vereinigen. — Die braune ägyptische Baumwolle ist bemerkenswert wegen ihrer anziehen- den Erscheinung, denn sie ist von tiefer Crême- oder Orangefarbe. Die Tiefe dieser Färbung variiert seltsamerweise in geringem Grade bei ver- schiedener Witterung: die Farbe ist dunkler, wenn die Luft feucht, und heller, wenn die Atmosphäre trocken und warm ist. Wegen ihrer Farbe kann diese Varietät nicht in Verbindung mit einer anderen benutzt, son- dern muß für sich verarbeitet werden, wenn sie zur Herstellung von ver- hältnismäßig hohen Nummern von Garn benutzt werden soll, da sie die Eigenschaft einer langen und feinen Faser besitzt, worin sie sogar der Gallini- varietät, die wir schon beschrieben haben, wenig, wenn überhaupt, nachsteht. Aus diesem Grunde wird sie gut bezahlt und nimmt in der Gunst und Achtung der Kaufleute die dritte Stelle ein. Die weiße ägyptische Baumwolle wurde ursprünglich aus amerikani- schem Samen gezogen, aber dank dem besseren Boden und Klima für das Wachstum der Baumwollpflanze hat sie sich zu einer vollkommeneren Form entwickelt als ihre Stammform. Unglücklicherweise jedoch ist diese Varietät oft sehr schmutzig, da sie manchmal beträchtliche Mengen von Blättern, Samen ꝛc. enthält, die beim Durchlaufen der Operationen oft aufgebrochen werden und mit dem sonst guten Material sich mischen, wodurch die Garne, wenn Schalen nicht vorher sorgsam entfernt werden, ein schmutziges und unregelmäßiges Aussehen erhalten und dadurch in vielen Fällen allen Be- teiligten Unannehmlichkeiten und Verdruß verursachen. Brasilianische und Peruvianische Baumwolle : Der ägypti- schen zunächst steht die südamerikanische Baumwolle, bekannt als brasiliani- sche und peruvianische. Der Baumwollsorten, die unter diesem Namen kom- men, sind viele und verschiedenerlei, sowohl bezüglich der Struktur und Qualität der Faser, wie auch bezüglich der Farbe; im allgemeinen jedoch besitzen sie eine lange Faser, in vielen Fällen vollkommen gleich der ägypti- schen, aber sie ist von rauherer Natur, daher weniger geschmeidig und der Drehung nicht so nachgiebig. Die besseren Qualitäten dieser Sorte werden oft in Verbindung mit ägyptischer Baumwolle gebraucht, so die Produktions- kosten des Garnes vermindernd und den Fabrikanten größeren Nutzen ver- schaffend. Die Ernten der südamerikanischen Baumwollen sind manchmal sehr verunreinigt, indem sie bedeutende Mengen zerbrochener Blätter, Sa- men ꝛc. enthalten, wodurch die sorgfältigste und gründlichste Arbeit in den vorbereitenden Prozessen des Reinigens nötig wird, wenn man ein befriedigen- des Garn haben will. Eine kurze Beschreibung der wichtigsten Arten ist folgende: Pernambuco : Eine der besseren Baumwollsorten von feiner Crême- farbe, der ägyptischen sehr wenig nachstehend, von dieser nur in der Fein- heit und Elastizität der Faser unterschieden. Diese Varietät ist gewöhnlich auch sehr teuer. Ganswindt , Färberei. 4 Maranham : Mehr Unregelmäßigkeit und Abwechselung in der Fein- heit der Faser, diese auch kürzer als bei der vorigen Varietät, und noch mehr verunreinigt. Nichtsdestoweniger ist es eine recht gute Baumwolle und wird in 60er Garn gesponnen, wenn sie zugleich mit ägyptischer ver- wendet wird. Ceara : Eine der Maranham sehr ähnliche Baumwolle, vielleicht so- gar eine Idee besser. Bahia : Im allgemeinen den anderen vorherigen Arten nachstehend, da kürzer in der Faser und drahtartig. Sie ist auch unreiner, da sie bis- weilen viel Samen, Schalen und andere Verunreinigungen enthält. Doch besitzt sie eine gute Eigenschaft in der Länge ihrer Faser, worin sie sowohl Maranham wie Ceara übertrifft, Pernambuco aber nicht erreicht. Die südamerikanischen Baumwollen als Ganzes sind lang im Faden, aber gröber als andere Varietäten mit derselben Eigenschaft. Sie variieren auch beträchtlich zu verschiedenen Zeiten, weshalb kaum zwei Ernten oder selbst zwei Ballen einander gleich sind, so daß man beim Vermischen mit besseren Sorten sehr vorsichtig sein muß. Diese Varietät wurde zuerst in England vor etwas über hundert Jahren eingeführt, scheint aber damals in einem jämmerlichen Zustande gewesen zu sein, thatsächlich voll von Blät- tern, Samen und unreifen Fasern. Amerikanische Baumwolle : Im Range auf die peruvianische und brasilianische folgend, haben wir hier die Art, die man die „Baumwolle des Handels“ nennen könnte, nämlich die amerikanische, von der die Existenz der englischen Fabriken geradezu abhängt. Der Anbau dieser Pflanze hat vor einigen Jahren in den Vereinigten Staaten die riesigsten Dimensionen an- genommen, denn nicht weniger als 12000000 Acker werden mit Baumwolle besäet, worauf nahezu 3000 Millionen Pfund oder ungefähr 6 Millionen Ballen Rohmaterial jährlich gewonnen, wovon etwa ⅔ nach Großbritan- nien exportiert werden. Die amerikanischen Baumwollen sind im all- gemeinen kurz in der Faser, aber verhältnismäßig fein und von kleinem Durchmesser. Die hauptsächlichsten unter den verschiedenen Varietäten amerikanischer Baumwolle sind folgende: Orleans, Texas, Upland und Mobile . Orleans : Dies ist das feinste Produkt der amerikanischen Ernte, da sie sehr rein, von glattem, seidenartigem Ansehen, aber nicht so fest wie ägyp- tische ist. Die Fasern sind viel biegsamer und elastischer, als bei der peru- vianischen, und sie vereinigt sich leicht sowohl mit ägyptischer wie mit peru- vianischer. Diese Baumwolle wird von den Abnehmern hoch geschätzt wegen ihrer allgemeinen Vortrefflichkeit und Verwendbarkeit zum Spinnen mittlerer und grober Garne. Dank der allgemeinen Gunst, deren sich diese Varietät diesseits des atlantischen Oceans erfreut, sind die Kaufleute jenseits des großen Wassers in einigen Fällen darauf gekommen, uns mit minderwertigen Sorten zu ver- sorgen, die sie in Orleans verschifften in dem Glauben, sie würden für Orleans gehalten werden. Die Mehrheit der mit dieser Baumwolle arbeitenden Spinner hat zu der einen oder anderen Zeit in ihren Lieferungen ein oder zwei Ballen ge- funden von viel geringerer Qualität, als die anderen oder die Probe. Das kann nur auf den angeführten Ursprung zurückgeführt werden, da der Unter- schied zu groß ist, als daß er nur durch die gewöhnlichen Veränderungen der Witterung ꝛc., denen die verschiedenen Ernten einer Baumwollart unter- worfen sind, verursacht sein könnte. Texas : Nächst der Orleansbaumwolle folgt die als Texas bekannte. Diese Varietät wird nach Großbritannien in großen Mengen eingeführt und in großem Maße zur Herstellung grober Garne benutzt. Die Länge der Faser ist noch geringer als bei Orleans, der allgemeine Charakter ist aber derselbe. Uplands : Uplandbaumwolle wird zum Spinnen grober Garne sehr geschätzt, obgleich sie gelegentlich beträchtliche Mengen von Sand und ande- ren Verunreinigungen enthält, außerdem auch mehr oder weniger unregel- mäßig in der Faser ist. Ihre Fäden sind in der Regel von geringerer Festigkeit, und da diese Baumwolle von weicher Struktur ist, so eignet sie sich mehr zum Spinnen von Schußgarn. Mobile : Mobilebaumwollen sind vorhergehenden Varietäten nach- stehend, von weißlicher Farbe, enthalten auch unglücklicherweise zu verschie- denen Zeiten beträchtliche Mengen Blattstückchen, Samen, Sand und andere Verunreinigungen, die natürlich bei der Arbeit große Verluste verursachen und infolgedessen den Handelswert herabsetzen. Struktur und allgemeiner Charakter amerikanischer Baumwollen sind folgende: 1. kurze, 2. schwache, 3. weiche Faser und 4. weiße Farbe, in welcher Hinsicht sie eine auffallende Erscheinung im Vergleich zu den ägypti- schen Baumwollen darbieten. Im Handel werden die amerikanischen Baumwollen zum Spinnen wei- cher Garne oder, technisch ausgedrückt, sogenannter Schußgarne benutzt, und auch nur für die schlechteren Sorten, da die Kürze der Faser die Möglich- keit ausschließt, zu einem sehr feinen Faden ausgezogen zu werden. Bei weitem die größte Masse der Produktion der Lancashirer Maschinen ist aus amerikanischer Baumwolle; die davon gesponnenen Garne enthalten von ungefähr 40 Strähnen pro Pfund engl. abwärts, obgleich beim Mischen mit brasilianischer oder der weißen Varietät der ägyptischen Baumwolle es bis auf ungefähr 60 feiner Strähne pro engl. Pfund gebracht werden kann. Leider werden uns die amerikanischen Baumwollen bisweilen in sehr schlechtem Zustande dargeboten, besonders die geringeren Varietäten, die manchmal sogar durch Zusatz von Sand oder Wasser sehr beschädigt wer- den, in der betrügerischen Absicht, das Gewicht des Ballens zu vermeh- ren, eine Operation, die nicht allein einen Verlust im Preise des Pfundes Baumwolle bedeutet, der für den Sand oder das Wasser bezahlt wird, son- dern auch den Wert und die Verarbeitungsfähigkeit der Baumwolle im ganzen herabsetzt. Diese künstlichen Zusätze waren in einigen Fällen von ganz außerordentlicher Art; beispielsweise war in der Mitte eines Ballens, der bei einem Unternehmer in Oldham geöffnet wurde, so viel Sand, daß er mit einer Schaufel herausgenommen werden konnte, während in einigen ande- ren Ballen, welche zur Beobachtung kamen, so viel Wasser zugesetzt worden war, daß die Baumwolle vollständig verdorben und nicht zu gebrauchen war. 4* Natürlich sind derartige Fälle nur Ausnahmen, doch war das Bestreben, das Gewicht bis zu gewissem Grade künstlich zu vermehren, vor einiger Zeit sehr allgemein und rief auf Seite der Spinner viel Unwillen hervor. Indische Baumwolle : Im Ansehen der Kaufleute steht der ameri- kanischen die indische oder Suratb aumwolle am nächsten, im allgemeinen den vorhergegangenen Sorten viel nachstehend, obgleich nicht viel kürzer oder gröber als die amerikanische. Der letzteren steht sie nach, weil sie unreiner ist, was daher kommt, daß sie in den vorbereitenden Prozessen des Aus- zupfens und Entkernens nicht so gut gereinigt wird. Seit einigen Jahren ist diese Varietät sehr in Nachfrage gekommen, so daß sie die zweitwichtigste Stelle in der Masse des Bedarfs einnimmt. Die hauptsächlichsten Varie- täten der indischen Baumwolle sind folgende: Hingunhat, Oomrawattee, Broach, Dhollerah , und Dharwar . Hingunhat : Diese erste ist viel wertvoller als die anderen, denn die Faser ist verhältnismäßig lang, fein und fest, und frei von Blättern und den anderen Verunreinigungen, denen die indischen Baumwollen im allge- meinen unterworfen sind. Diese Varietät wird oft mit amerikanischen Baum- wollen gemischt, da alsdann feinere Garne hergestellt werden können, als wenn sie für sich verarbeitet wird. Oomrawattee : Ist eine kürzerfaserige Baumwolle als die letztge- nannte, wenn sie aber extra gereinigt und entsamt wird, so ist sie trotzdem sehr brauchbar für grobe Garne. Sie ist gewöhnlich hübsch gleichmäßig in der Länge der Faser und von hübsch glatter Farbe, enthält aber gelegent- lich eine große Menge zerbrochener Blätter ꝛc., die natürlich ihren Markt- wert herabsetzen. Broach : Ist eine Baumwolle mit einer durchschnittlich kürzeren Faser, als jede der beiden vorhergehenden; da sie aber von feiner, weicher Beschaffen- heit und gewöhnlich sehr rein ist, so wird sie von den Spinnern lieber zur Herstellung geringer Sorten Schußgarn benutzt, als Oomrawattee, und er- zielt deshalb auch einen höheren Marktpreis. Dhollerah : Ist oft sehr schmutzig, enthält bisweilen keinen geringen Prozentsatz an Blättern, Samen, Sand und unreifen Fasern, die ihren Wert sehr vermindern; andererseits besitzt sie eine schön lange Faser, die der von Hingunhat kaum nachsteht, obgleich sie etwas gröber ist. Dharwar : Ist fast dieselbe wie Dhollerabaumwolle, aber eher etwas lebhafter gefärbt, und wird nur zu den gröbsten Garnen genommen. Der beim Verarbeiten entstehende Verlust oder Abfall ist sehr beträchtlich. Madras : Von dieser Baumwolle sind zwei Arten bekannt als Tinni- velly und Western , wovon die erste bei weitem besser als die andere ist, nicht sowohl in Bezug auf die Länge der Faser, da beide in dieser Be- ziehung ziemlich gleich sind, sondern in Bezug auf den allgemeinen Charak- ter der Baumwolle als Ganzes und ihre Fähigkeit, sich verarbeiten zu lassen. Tinnivelly ähnelt in mancher Beziehung der Broachbaumwolle, während Western im Charakter einigermaßen der Dharwar ähnelt. Von den indischen Baumwollen ist die bengalische die schlechteste, da sie beträchtlich unter dem Durchschnitt der schlechtesten Art unter den ande- ren Varietäten steht. Als der Import dieser Art bei uns versucht wurde, fand man, daß sie sich praktisch nicht verarbeiten ließ, weil sie zu stark ver- unreinigt war. Es ist eine arme Sorte Baumwolle und von geringem Wert für den Handel. Die indischen Baumwollen im ganzen sind charakterisiert durch 1. eine kürzere Faser, 2. Unreinheit, 3. mehr unreife Fasern, 4. gröbere und un- gleichmäßigere Faser als andere Handelssorten; aber unabhängig davon, nehmen sie eine sehr wichtige Stellung ein in unserem heimatlichen Konsum zur Herstellung von Garn für gröbere Fabrikate. In vielen Fällen werden die besseren Sorten dieser Baumwolle mit amerikanischer gemischt, was ihre Fähigkeit, versponnen zu werden, vermehrt, weil sonst die Faser zu kurz oder zu grob wäre, um ein bestimmtes Garn zu erzeugen; und die amerikanische ist für sich zu teuer, weshalb beide in einem bestimmten Verhältnis mitein- ander gemischt werden, so daß das gewonnene Garn zum möglichst billigen Preis verkauft werden kann. Für sehr geringe Nummern, etwa 10er bis 20er, wird diese Baumwolle oft mit dem Abfall besserer Varietäten gemischt, der ihr im allgemeinen gleich an Faser und anderen Eigenschaften ist und sich leicht mit ihr mischt. Als Zusatz zu dem schon Mitgeteilten werden die nun folgenden Be- merkungen über die Herkunft, die Zeit des Pflanzens und der Ernte, und annähernde Daten, wann die neuen Baumwollernten in Liverpool eintreffen, für manchen von Interesse sein: Afrikanische Baumwolle : Von verschiedenen Teilen Afrikas be- kommen wir eine Baumwollenvarietät, die in der That als recht gut zu be- trachten ist, viel besser, als manche Varietäten der Suratebaumwolle. Die Insel Bourbon erzeugte eine sehr gute Sorte Baumwolle, deren Stapel fein und seidenartig war, von sehr weißer Farbe und rein. Diese Varietät wurde sehr gepriesen, wird aber jetzt sehr wenig verarbeitet, da sie durch die amerikanischen Unternehmungen mit der Kultur der Sea-Islandbaumwollen verdrängt worden ist, welche noch besser sind. Auf dem afrikanischen Konti- nente wird die Baumwollpflanze in beträchtlicher Ausdehnung gebaut; die Baumwolle wird, wie schon bemerkt, als recht gut betrachtet und erzielt im Durchschnitt einen höheren Preis auf den englischen Märkten, als die Surate- baumwolle. Amerikanische Baumwolle : Es ist fast überflüssig zu erwähnen, daß diese in den südlichen Staaten der amerikanischen Union wächst. Das Pflanzen beginnt meist um den 20. März herum und dauert bis zum 10. April, je nach dem Wetter und anderen Ursachen auch noch länger. Die ersten Ballen kommen im allgemeinen Anfang Juli auf den Markt. Die Ernte dauert vom Juli bis zum November und manchmal bis zum nächsten Februar. Während des letzten Monats erschien ein Bericht, daß sie in einem Distrikt selbst dann noch nicht vollendet war. Kleine Partien der neuen Ernte kommen Anfang September in Liverpool an. Die größten Zufuhren fallen vom November bis einschließlich März. Brasilianische Baumwolle : Die brasilianische Pflanze dauert be- merkenswerterweise drei Jahre aus und trägt im zweiten Jahr die beste Ernte. Sie wächst hauptsächlich in den Provinzen, deren Auswege Pernam- buco, Ceara, Maceio, Bolivia ꝛc. sind. Sie wird meist im Frühjahr ge- säet, obgleich auch in manchen Gegenden das Pflanzen im November statt- findet und dementsprechend auch die Lese eher beginnt. Die gewöhnliche Erntezeit ist vom Juli bis zum Dezember. Der zu uns verschiffte Teil der Ernte kommt hauptsächlich von Dezember bis Mai an. Aegyptische Baumwolle : Diese Baumwolle wächst am Nil-Delta. Sie wird vom März bis April gesäet. Die allgemeine Ernte beginnt un- gefähr am 1. Oktober, obgleich einige Ballen schon im September nach Alexandria kommen. Die Ernte dauert bis zum Februar. Ankunft in Eng- land bis März. Smyrna : Diese Baumwolle wächst hauptsächlich in den Distrikten um Smyrna herum; die Plantagen liegen hauptsächlich in den Ebenen und auf den Abhängen am Meander und anderen Flüssen, die von der Berg- kette des „Sultan Dagh“ abfließen. Saat- und Erntezeit sind wahrschein- lich ungefähr zusammenfallend mit denen von Aegypten, da die Ernte un- gefähr zu derselben Zeit auf den Markt kommt. Ostindische Baumwolle : Die unter diesem Namen zusammenge- faßten Baumwollensorten wachsen hauptsächlich in der Umgebung vom Bom- bay, Madras, und in den nordwestlichen und Centralprovinzen. In der Präsidentschaft Bombay, den Centralprovinzen und den Berars findet die Aussaat im Juni und Juli statt. In Dharwar und den südlichen Distrik- ten von Bombay, und in der Präsidentschaft Madras wird sie bis August und September aufgeschoben. Die Lese beginnt in den Berars im Novem- ber und in Guzerat im Dezember oder Januar, und dauert bis in den März oder April. In Madras fängt sie im Februar oder März an und wird bis April oder Mai fortgesetzt. Die ersten Lieferungen treffen in Bom- bay ungefähr in folgender Reihenfolge ein: — Oomrawattee ꝛc. Dezember und Januar; Broach Februar und März; Dhollera März und April; Comptha April und Mai. In Liverpool treffen die neuen Ernten unge- fähr im März zuerst ein, und der hierher kommende Teil ist im allgemei- nen vor Ende August vollständig abgeliefert. Westindische Baumwolle : Diese liefert nur einen kleinen Beitrag zu unserem Bedarf. Aussaat, Ernte und Ablieferung in unsere Gegend sind ungefähr gleichzeitig mit der brasilianischen. Einige Varietäten der indischen Baumwollen nähern sich in ihrer Struk- tur und ihren Merkmalen sehr der wilden Baumwolle, indem sie rauh und drahtartig sind, und nicht aus hohlen, plattgedrückten, gedrehten Röhren, sondern aus geraden und soliden Fäden bestehen, oder doch teilweise. Das ist das ausschlaggebende Aussehen der wilden Baumwolle, und aus diesem Grunde ist sie, wenigstens für Fabrikationszwecke, unbrauchbar. Unter dem Mikroskop ist das Aussehen der verschiedenen Varietäten meist klar zu unterscheiden , und das gibt eine leicht zu erwerbende und für den Verarbeiter leicht anwendbare Kenntnis der ver- schiedenen Fasern ab. Im folgenden ist das Resultat der mikroskopischen Untersuchung einiger der wichtigsten Varietäten enthalten: 1. Sea-Island . Viel feiner und klarer als eine der anderen Varie- täten. Die Drehung der Faser scheint viel dichter zu liegen und fast voll- kommen spiralförmig zu sein. Die allgemeine Erscheinung ist gleichförmig und regelmäßig. 2. Gallini-Aegypten . Gleichmäßig gedreht, von kleinem Durch- messer, hat die Faser ein klares und deutliches Aussehen. 3. Braun-Aegypten . Gröber und nicht so regelmäßig wie Gallini; aber im ganzen hat sie eine klare und ziemlich gleichmäßige Faser. 4. Weiß-Aegypten . Die Faser dieser Varietät erscheint viel flacher, als eine der beiden erstgenannten Varietäten, die Drehung ist weiter und nicht so regelmäßig, da die Faser an manchen Stellen mehr gedreht ist als an anderen. 5. Pernambuco . In der Dicke ziemlich regelmäßig, aber rauher und nicht so elastisch, wie sowohl New-Orleans als Aegypten. Die Faser nicht sowohl klar, als vielmehr eher rauh in den Umrissen. 6. Orleans . Von spirocylindrischem Bau, mit schön ausgeprägter Drehung, obgleich die Dicke der Faser wechselt, da einige gröber als an- dere sind. 7. Upland . Bei weitem nicht so regelmäßig wie Orleans; die Wände der Fasern scheinen etwas dicker zu sein. Manche Fäden scheinen der Dre- hung fast ganz zu entbehren, andere sind mehr spiralig. 8. Hingunhat . Von halbcylindrischem Bau, grob, mit wenig ab- geflachten Rändern, fast ganz ohne Drehung. Im Vergleich mit anderen Varietäten indischer Baumwolle erscheint diese von viel besserer Beschaffen- heit, weil sie besser gedreht ist und weniger volle Fäden enthält. Vergleicht man einige Fasern Sea-Islands und Orleans miteinander unter dem Mikroskop, so ist der Unterschied zwischen beiden sehr auffallend. Bei der ersten ist die Drehung dicht und regelmäßig und verleiht der Faser ein viel zarteres Aussehen, während die andere flacher und unregelmäßiger aussieht. Vergleicht man Gallini mit der weißen ägyptischen Baumwolle, so fällt dem Untersucher sofort der Unterschied in der Dichte der Drehung und in der cylindrischen Erscheinung der beiden Varietäten auf, da die erste in jeder Beziehung über der letzteren steht. Die Gallini-Aegyptische Baumwolle steht, obgleich von sehr hervorra- gender Beschaffenheit, trotzdem weit unter Sea-Island, was man am besten versteht, wenn man die Fasern beider Varietäten zusammen unter dem Mikro- skop prüft. Die Fasern der letzten erscheinen viel feiner und verleihen der Drehung der anderen ein unregelmäßiges Ansehen im Vergleich mit dem eigenen. Eigenschaften. Die Baumwollfaser, ohne Rücksicht auf die Varietät, erscheint schon bei geringer Vergrößerung als ein zartes, farbloses, am Rande verdicktes, stellenweise, seltener der ganzen Länge nach, korkzieherartig ge- drehtes Band. Diese Drehung ist für die Baumwolle charakteristisch. Es sind dies keine vollen Fäden, sondern flache, hohle Cylinder, bandförmig, unregelmäßig, korkzieherartig gedreht durch die ganze Länge und nach einem Punkte spitz zulaufend. Diese natürliche Drehung variiert bei den Fasern verschiedener Varietäten, indem die feineren Arten unter dem Mikroskop eine größere Zahl und mehr Gleichmäßigkeit der Drehungen zeigen als die gröbe- ren Varietäten. Diese natürliche Drehung ist von großem Nutzen für den Spinnprozeß, dem die Baumwolle unterworfen wird, da, wenn sie diese Eigenschaft nicht hätte, die Leichtigkeit, mit welcher die Fasern vereinigt wer- den, stark vermindert würde. Man wird das Gesagte besser verstehen, wenn man das sehr einfache Experiment ausführt, ein paar Fasern Baumwolle zwischen Daumen und Zeigefinger zusammenzudrehen, wonach man finden wird, daß sie sich nirgends wieder voneinander getrennt haben, sondern in der Form verharren, in die sie gedreht worden sind; das ist der erste Teil des Experiments; und um nun zu beweisen, daß dies auf den schon erwähn- ten Umstand zurückzuführen ist, so wird man finden, daß, wenn man den Versuch mit anderem faserigen Material wiederholt, die Fasern sich teilweise, in manchen Fällen auch ganz, wieder auflockern, wenn sie vom Druck der Finger befreit werden. Thatsächlich ist die Baumwollfaser ein einzelliges Haar, welches einen etwas unregelmäßig erweiterten Kegel vorstellt, da nach Wiesner Wiesner , Rohstoffe des Pflanzenreiches. die größte Breite nicht mit der Basis zusammenfällt, sondern, von der Spitze aus gerechnet, meist hinter der Mitte zu liegen kommt. — Bei starker Ver- größerung sieht man, wie der eigentliche Cellulosekörper noch mit einer ganz zarten, feinen Oberhaut (Cuticula) überzogen ist, welche nicht aus Cellulose- substanz besteht, auch sich in Kupferoxydammoniak nicht löst, vielmehr bei der blasenförmigen Aufquellung rund um die Zellen geschlossen bleibt, oder fetzenweise beiher hängt. Diese Oberhautschicht zeigt sich zart gestreift und mit Körnern bedeckt; sie ist die Ursache der Seidigkeit einzelner Baumwoll- arten. Auch ist bei starker Vergrößerung noch eine innere Membranschicht, welche das Lumen markiert, und welche dem Lösen durch Kupferoxydammoniak gleichfalls widersteht, sichtbar. Diese innere Membranschicht schwimmt dann als ein gerollter 0,002 bis 0,006 mm dicker Schlauch in der verflüssigten Cellulose herum, bis sie schließlich, wie auch die Cuticula, gallertartig auf- quillt. Diese beiden Gebilde sind in Fig. 9 bei c und i deutlich markiert. Zwischen reifen und unreifen Fasern ist in der Struktur ein wesent- licher Unterschied zu bemerken: in dem letzten Falle ist die Drehung der Faser sparsam und unvollkommen, und anstatt eine zusammengefallene Röhre mit relativ dicken Wänden zu sein, die verdickte Ränder erzeugt haben, sind ihre dünnen, unfertigen Wände zusammengefallen und bilden ein flaches Band ohne Drehung und ohne verdickte Ränder; eine Oeffnung ist auf dem Durchschnitt nicht zu bemerken. Alle Arten Baumwolle enthalten eine größere oder geringere Menge unreifer Fasern, was nicht notwendig davon kommt, daß sie vor vollkomme- ner Reife des Samens gepflückt worden sind, sondern davon, daß Länge und Reife an verschiedenen Teilen des Samens variieren, wenn die Pflanze selbst auch völlig reif ist. Enthält die Baumwolle jedoch zu viel unreife Fasern, so rührt dies sicher von der ersten Ursache her, da im zweiten Falle der Schaden nicht so groß sein kann, um nicht sehr leicht entdeckt zu werden, oder um beim Verarbeiten, namentlich auch beim Bleichen und Färben, viel Schwierigkeiten zu erzeugen, da die unreifen Fasern Farbstoff äußerst schwierig , wenn überhaupt, annehmen. In jedem Fall, wo eine Baum- wolle, die verarbeitet wird, viele unreife Fasern enthält, folgt notwendig daraus, daß die erzeugte Ware mangelhaft befunden werden wird. Da die unreifen Fasern Farbstoffe nicht annehmen, werden sie auch als tote Baum- wolle bezeichnet. Die Länge der Baumwollfaser ist durchschnittlich 2,5 bis 6 cm , der Durchmesser 0,011 bis 0,05 mm . Der Durchmesser des Lumens beträgt ¼ bis ⅔ des Zelldurchmessers. Einzelne Sorten besitzen Fig. 8. Baumwolle. Fig. 9. Baumwolle durch Kupferoxyd- ammoniak aufgequellt. einen gewissen Glanz, welcher von dem in der Cuticula enthaltenen Baum- wollenwachs herrühren soll; bei andern fehlt er wieder. Die durchschnittliche Länge der hauptsächlichsten Sorten wird wie folgt angegeben: Sea-Island ..... 40,8 mm Aegypten ..... 35,8 „ Peruvianische .... 33,0 „ Brasilien ..... 29,7 „ New-Orleans .... 25,9 „ Ostindien ..... 22,6 „ Chemisches Verhalten der Baumwolle. Die Baumwolle ist in Wasser unlöslich, quillt auch in Wasser nicht auf, und gibt beim Trocknen das gesamte Wasserquantum wieder ab. Dagegen wird die Drehung mehr oder minder aufgehoben und die Fasern erscheinen gerade gestreckt (Fig. 8). Kalte verdünnte Mineralsäuren sind ohne wesentlichen Einfluß auf die Baum- wolle; dagegen wirken heiße verdünnte Mineralsäuren , sobald sie einen gewissen, für jede einzelne Säure bestimmten, Verdünnungsgrad er- reichen, zerstörend auf die Baumwollfaser: sie wird mürbe und zerfällt zu einem weißen, gelblichen oder grauen Pulver. In welcher Weise die Säu- ren dabei wirken, ist noch nicht zweifellos festgestellt. In der Praxis findet das Verfahren ausgedehnte Anwendung, bei der Karbonisation wollener Lumpen, wobei die Baumwollfaser vollständig zerstört wird (vergl. auch S. 18). Konzentrierte Säuren wirken je nach ihrer Natur und Stärke schneller oder langsamer zerstörend; Anwendung von Wärme beschleunigt den Zerfall. In konzentrierter Schwefelsäure quillt die Baumwolle auf und bildet schließlich eine gallertartige Masse; fügt man Jodlösung hinzu, so färbt sich die Masse unter Verflüssigung rein himmelblau. — Konzentrierte Salpetersäure, kalt angewendet (am besten unter Zusatz von etwas Schwefelsäure), führt die Baumwolle in Nitrocellulose über, ohne die Form oder die Farbe derselben zu verändern (Unterschied von der Wolle, welche dabei bekanntlich gelb wird). Beim Kochen mit konzentrierter Sal- petersäure oxydiert sich die Baumwolle zu Oxalsäure, unter Hinterlassung eines in Alkalien löslichen Rückstandes (von Oxycellulose?). Die durch Oxy- dation auf kaltem Wege erhaltene Nitrocellulose ist unter dem Namen Schieß- baumwolle bekannt und wird zur Bereitung von Kollodium, wie für sprengtechnische Zwecke in großem Maßstab dargestellt, hat aber für die Färberei weiter kein Interesse. — Aehnlich wie die Schwefelsäure verhalten sich auch konzentrierte Salzsäure und Phosphorsäure , doch gibt das Reak- tionsprodukt mit Jodlösung keine blaue Färbung. — Bei konzentrierter Essigsäure hat eine ähnliche Einwirkung nicht bemerkt werden können. — Auch Lösungen von Oxalsäure, Weinsäure oder Zitronensäure wirken je nach ihrer Konzentration mehr oder minder zerstörend auf die Faser ein, besonders bei Anwendung von Wärme. Verdünnte Lösungen von Aetzalkalien (Kali und Natron) wirken bei Luftabschluß nicht auf Baumwolle ein, selbst bei längerem Kochen nicht, wenn dieselbe stets völlig in der Flüssigkeit steckt; wird sie dagegen abwechselnd der Einwirkung von alkalischer Lösung und Luft ausgesetzt, so findet eine Schwächung der Faser statt, sie wird morsch. Hummel schreibt diese Ver- änderung einer Umwandlung in Oxycellulose zu. In konzentrierter Kali - oder Natronlauge quillt die Baumwolle stark auf und wird durchscheinend, ohne sich zu lösen (Unterschied von Wolle, welche sich in konzentrierten Al- kalien quantitativ löst). Die so behandelte Faser behält auch nach dem voll- ständigen Auswaschen mit Wasser ein verändertes Aussehen; sie bleibt dick und durchscheinend und zeigt in diesem Zustande eine wesentlich größere Ver- wandtschaft zu Farbstoffen, als vor der Behandlung mit Alkalien. Dieses Verhalten der Baumwolle gegen starke Alkalien ist zuerst von Mercer be- obachtet und im Kattundruck praktisch angewendet worden; das von ihm an- gewandte Verfahren wird als Mercerisieren bezeichnet, hat aber in der Färberei sich nicht allgemein einzuführen vermocht. — Ammoniak ist ohne alle Einwirkung auf Baumwolle. — Kalkmilch wirkt sowohl kalt wie warm ganz ähnlich, wie die verdünnten Lösungen von Kali und Natron; es ist dem- nach bei etwaiger Behandlung mit Kalkmilch der gleichzeitige Luftzutritt zu vermeiden. — Lösungen von Alkalicarbonaten (Pottasche, Soda) zeigen selbst bei größerer Stärke wenig oder gar keine Einwirkung, mindestens ist eine solche bis jetzt experimentell nicht nachgewiesen; ebensowenig bewirkt Seifenlösung eine nachweisbare Veränderung. — Gegen Lösungen von neutralen Metallsalzen verhält sich Baumwolle ganz oder fast ganz in- different; nur auf die sauren Salze der Erden oder Schwermetalle wirkt sie zerlegend ein, wenn sie mit deren Lösungen getränkt und getrocknet und dann erhitzt wird; es schlägt sich ein basisches Salz nieder und die frei gemachte Säure wirkt zerstörend auf die Faser. Hierauf beruht die Wirkung des Chlor- aluminiums als Karbonisationsmitttel Deutsche Färber-Zeitung 1887, Nr. 6. . — Chlor bewirkt eine völlige Zer- störung der Baumwollfaser, indem es dem Cellulosemolekül Wasserstoff ent- zieht. Daß das Chlor in das Cellulosemolekül eintreten soll, wie Knecht Die Färberei und Bleicherei der Gespinnstfasern. angibt, ist durch den Versuch bisher noch nicht erwiesen. — Unterchlorig- saure Salze (Chlorkalk) in Lösung wirken nicht so energisch zerstörend, wie freies Chlor; zumal bei Anwendung schwacher Lösungen in der Kälte werden nur die darin enthaltenen natürlichen gelblichen bis grünlichen Farb- stoffe zerstört (gebleicht), die Faser selbst wird aber nicht merklich angegriffen. Bei längerem Einwirkenlassen oder bei Anwendung stärkerer Lösungen wird die Faser jedoch chemisch verändert und in einen Abkömmling der Cellulose umgewandelt, welchen Witz als Oxycellulose bezeichnet hat. Kochen mit solchen Lösungen zerstört die Faser gänzlich. — Wasserstoffsuperoxyd wirkt in gleicher Weise, wie eine dünne kalte Chlorkalklösung, ebenfalls unter Bildung von Oxycellulose. Eine solche , Oxycellulose enthaltende, Baumwolle besitzt gegen Farbstoffe eine weit größere Verwandtschaft, als normale Baumwolle, weshalb gebleichte Baumwolle mehr Farbstoffe in sich einzulagern vermag, als ungebleichte. — Kupferoxydammoniak , frisch bereitet und in konzentrierter Lösung, löst Baumwolle vollständig auf, eine dünne Lösung bewirkt nur blasenförmiges Auf- quellen unter Blaufärbung der Faser. Die dünne feine Oberhaut ( cuticula ) der Baumwollfaser bleibt dabei ungelöst und erscheint abgestreift zwischen den einzelnen Zellwandblasen (siehe Fig. 9 bei c ). Aus der obigen Lösung wird die Cellulose durch Salze, Gummi oder Zucker wieder abgeschieden. — Eine ammoniakalische Lösung von schwefelsaurem Nickeloxydul löst dagegen Baumwolle nicht (Unterschied von Seide). Zusammensetzung der Baumwollfaser. Die Rohbaumwolle ent- hält nach übereinstimmenden Berichten 8 Prozent Feuchtigkeit (Wasser) und 5 Prozent einer begleitenden organischen Materie, wovon 4,4 Prozent auf Eiweißstoffe und natürliche Farbstoffe, 0,6 Prozent auf Asche entfallen. Hummel glaubt, daß die organische Materie in der Hauptsache aus Pektin bestehe. Der Rest von 87 Prozent ist reine Cellulose . Diese ist die Grundsubstanz aller Pflanzenfasern, sowohl der Holzfasern, als auch der Bastfasern, der Blattfasern und der Pflanzenhaare. — In der Mehrzahl der Fälle ist die Cellulose noch durchsetzt mit der inkrustierenden Sub- stanz , d. h. mit Stoffen, welche ihr von den normalen abweichende physi- kalische und chemische Eigenschaften verleihen; am deutlichsten zeigt sich dieses im Vergleich zwischen Holz und Baumwolle, von denen, obwohl beide aus Cellulose bestehen, doch das erstere durch große Beimengungen der in- krustierenden Substanz, Liguin, eine völlig andere Beschaffenheit zeigt. Die Baumwolle enthält solche inkrustierende Substanzen nicht. Wenn wir daher vom Wassergehalt absehen, ist die Rohbaumwolle als eine fast reine 95pro- zentige Cellulose zu betrachten. Die 5 Prozent Verunreinigungen gehen beim Bleichprozeß fast ganz verloren, so daß also gebleichte Baumwolle als fast chemisch reine Cellulose zu betrachten ist . Die Cellulose selbst besteht nach übereinstimmenden Resultaten aus Kohlenstoff .... 43,30 Prozent, Wasserstoff .... 6,40 „ Sauerstoff .... 50,30 „ und entspricht nach Mitscherlich und Gerhardt der Formel C 12 H 20 O 10 . Sie besitzt also genau dieselbe prozentische Zusammensetzung, wie Stärke, Dextrin und Gummi. Die Bildung der Cellulose in der Pflanze selbst ge- schieht (nach Durin ) wahrscheinlich aus Rohrzucker. Die reine Cellu- lose ist weiß, seidenglänzend, geschmack- und geruchlos, luftbeständig, und völlig unlöslich in Wasser, Alkohol und Säuren; sie löst sich dagegen leicht sowohl in konzentrierter Schwefelsäure, als auch in Kupferoxydammoniak; angezündet verbrennt sie ohne Geruch (Unterschied von tierischen Gespinnst- fasern) zu Kohlensäure und Wasser. Durch Behandeln mit Schwefelsäure geht sie unter Lösung zunächst in Amyloid, dann in Dextrin, zuletzt in Trauben- zucker über. Auf diese Thatsache hat Molisch eine charakteristische Reaktion zum Nachweis von Pflanzenfasern und zur Unterscheidung von animalischen Fasern begründet. Weiteres hierüber s. unter § 21, Gewebeprüfung. Maßgebendes zur Wertbestimmung der Baumwolle. Für die Wertbestimmung der Baumwolle ist zunächst maßgebend die Länge der Fa- ser ; durch das Sortieren unterscheidet man Baumwolle von langem, mittlerem und kurzem Stapel; solche von langem Stapel muß mehr als 2,5 cm Länge haben; weiter ist maßgebend die Gleichmäßigkeit der Faser; sodann der mehr oder minder vorhandene Glanz , von Hanausek als „ Seidigkeit “ be- zeichnet, dann die Feinheit , durch den Durchmesser des Querschnitts aus- gedrückt, die Weichheit, die Reinheit d. h. die Abwesenheit von Schmutz, Blätter, Samen u. dergl., die Elastizität, bedingt durch den spiralförmigen Charakter der Faser, die Farbe und die Festigkeit. In je höherem Grade der Baumwolle diese Eigenschaften zukommen, um so wertvoller ist sie und um so höher ist der Preis, den sie auf dem Markt erzielt. Bei der großen Verschiedenartigkeit der einzelnen Handelssorten ist eine kaufmännische Wert- schätzung jedoch nur durch andauernd praktische Uebung und durch besonderes Eingehen auf die charakteristischen Eigentümlichkeiten der einzelnen Sorten möglich. Formen, in denen die Baumwolle zum Färben gelangt. Die Baumwolle, wie sie aus den Egreniermaschinen kommt, ist lose Baum- wolle ; diese kommt verhältnismäßig selten zum Färben, da die meiste Baum- wolle vor dem Färben gesponnen oder gewebt wird. Es ist hier nicht der Ort, auf die Einzelheiten der Baumwoll-Spinnerei und -Weberei einzugehen; nur die Grundzüge, nach welchen dabei verfahren wird, mögen hier kurz er- läutert werden. Die in Ballen zusammengepreßte Baumwolle wird zunächst mechanisch gelockert und dabei zugleich von dem noch anhängenden Samen, Staub u. dergl. befreit; das geschieht auf Maschinen, welche je nach ihren verschiedenen Konstruktionen die Namen Wolf, Willow, Zauseler, Flackma- schinen, Batteurs, Epurateur, Putzmaschine u. dergl. führen. Diesem Reini- gungsprozeß folgt das Krempeln oder Karden , wobei die Baumwollfaser unter Einsprengung mit einer Mischung von Oel und Wasser gerade gestreckt und in parallele Lage zu einander gebracht wird; in der Praxis wird das Krempeln auf 2 Maschinen vorgenommen, der Reißkrempel oder Rauhkarde und auf der Feinkrempel oder Feinkarde, durch deren Namen ihre Thätig- keit vollauf gekennzeichnet ist. Dem Krempeln folgt das Strecken auf der Streckmaschine, dann das Vorspinnen auf dem Flyer, wodurch das Vor- garn erhalten wird, aus welchem dann beim Feinspinnen auf den Fein- spinnmaschinen (Drosselmaschine, Mulemaschine, Selfaktor) das Baumwollen- garn hervorgeht. Die Baumwollengarne kommen entweder gebleicht oder un- gebleicht und in verschiedener Feinheit in den Handel und zwar in den Nummern 1 bis 360; die dickste Sorte Baumwollengarn hat auf 1 Pfund engl. 860 Yards, die feinste 360 · 840 Yards Fadenlänge 1 Yard = 0,9144 Meter. . Das von den Spinnmaschinen gelieferte Garn (Twist) unterscheidet man als Muletwist und Watertwist , von denen ersteres weicher, lockerer, weniger gedreht ist; Watertwist dagegen ist stärker gedreht und wird fast ausschließlich als Ketten- garn benutzt. Hinsichtlich der Gewebe aus Baumwolle schließen sich die verschiedenen Arten derselben in Bezug auf die Verschiedenheit der Herstellung eng an die ent- sprechenden Gewebe aus Kammgarn oder Seide (vgl. S. 26 und S. 43). Hierher gehören: 1. Glatte Stoffe a) mit parallelen Kettenfäden: Kattun, Nanking, Shir- ting, Hemdenkattun, Futterkattun, Kambrik, Baumwollbattist, Jakonet, Perkal, Kalliko, Gingham, Baumwoll-Barège, Haincord, Musselin, Mull, Mollinos, Baumwollstramin. b) mit gekreuzten Kettenfäden: Tüll und Gaze. 2. Geköperte Stoffe: Köper oder Croise, Baumwollmerino, Drill oder Drell, Bast, Engl. Leder, Moleskin, Molton, Köper-Nanking, Köper- Gingham. 3. Atlasartige Gewebe: Satin. 4. Gemusterte Stoffe: Wallis, Rips, Piqué, Baumwolldamast, ge- musterte Drille und Barchente, Doubles, Cords. 5. Sammtartige Stoffe: Manchester, Baumwollsammt, Velvet. Außer den vorstehend genannten Geweben aus reiner Baumwolle kom- men noch eine große Anzahl von Geweben zum Färben, welche nur zum Teil aus Baumwolle, zum andern Teil aus Wolle, Seide oder Leinen be- stehen. Diese gehören zu den gemischten Geweben und werden weiter unten besprochen werden. Statistisches Nach Heinzerling „Chemische Technologie“. . Welchen großartigen Umfang die Baumwollenproduk- tion und der Verbrauch erreicht haben, mögen nachfolgende Zahlen beweisen: Während die Vereinigten Staaten, die bedeutendsten Baumwollproduzenten der Erde, im Jahre 1830 159090 Tonns ( à 1000 kg ) produzierten, betrug im Jahre 1883 die Produktion bereits 1640000 Tonns. — Großbritannien konsumierte im Jahre 1830 113636, Deutschland 25454 Tonns, dagegen 1883 Großbritannien 675000, Deutschland 117000 Tonns. — Wie sich die Baumwollindustrie in Deutschland entwickelt hat, das erweisen deutlich folgende Zahlen der offiziellen Statistik. Es betrug Im Jahre 1883 waren in Deutschland 4800000 Spindeln im Gange und 150000 Arbeiter beschäftigt. § 11. Flachs. Der Flachs, die Bastfaser der Flachs- oder Leinpflanze, hat schon seit undenklichen Zeiten zur Herstellung von Geweben für Bekleidungszwecke gedient und war, als die Baumwolle noch nicht in Europa bekannt war, von viel größerer Wichtigkeit, als heutzutage, zumal für Europa, da die Flachsfaser die einzige pflanzliche Gespinnstfaser ist, welche in Europa erzeugt wird, und deren Stammpflanze in Europa heimisch ist. Durch den von Jahr zu Jahr steigenden Verbrauch an Baumwolle, durch die lein- wandartigen Gewebe, Shirting, Hemdentuch ꝛc. und durch den wesentlich billigeren Preis der Baumwollfabrikate ist die Flachs- oder Leinfaser mehr und mehr verdrängt worden. Daher besteht auch der Leinbau nicht mehr in dem Umfange, als ehedem. Herkunft. Die den Flachs liefernde Pflanze ist der Lein, Linum usitatissimum L ., eine auf Feldern gebaute, einjährige Pflanze aus der Familie der Caryophylleae . Es ist eine ½ bis 1 m hohe Pflanze mit wenig verzweigtem Stengel, glatten Blättern und hellblauen Blüten. Der Flachsbau wird vornehmlich in Rußland, Belgien, Irland, Holland, in den östlichen Provinzen Preußens, in Böhmen, Oesterr. Schlesien, in Salzburg und Tirol betrieben, in zweiter Linie sind Frankreich, Italien, Aegypten, Al- gier und Ostindien zu nennen. Klima, Kultur und Gewinnungsmethoden sind von großem Einfluß auf die Entwickelung der Flachsfaser, so daß zwi- schen der feinsten Sorte belgischem Flachs und dem in Tirol und Salzburg produzierten ein gewaltiger Unterschied ist. Nach der verschiedenen Zeit des Anbaues unterscheidet man Frühlein und Spätlein , von denen der erstere im Juni und Juli, der letztere im August und September geerntet wird. Besonders geschätzt ist der lange und feine Flachs, welchen die Leinbauer durch das sog. „Ländlern“ erzielen, indem sie die Felder mit Reisig belegen oder mit Fäden bespannen, und so die jungen Pflanzen zwingen, da hindurch- zuwachsen. Die Flachsfaser ist am wertvollsten, wenn die Pflanze verblüht hat und die Samenkapseln eben anfangen, gelb zu werden. Die Pflanze wird dann mit der Wurzel aus dem Boden gezogen, in Garben gebunden und auf dem Felde getrocknet. Gewinnung. Der Flachs bildet die innere Rindensubstanz des Leinsten- gels und ist nur von einer dünnen Epidermis mit einer Cuticula umgeben; nach dem Innern des Stengels schließt sich an die Bastschicht eine Schicht von Holzparenchym, dann folgt das Mark. — Die Gewinnung des Flachses be- zweckt also die Trennung der Bastschicht sowohl von der äußeren Epidermis, wie von den innen eng anliegenden Holzfaserzellen. Sie liegt gemein- hin in der Hand des Leinbauers. Demgemäß sind die Operationen zur Gewinnung der Leinenrohfaser nicht nur äußerst primitive, ja ich stehe nicht an, dieselben als veraltet und verfehlt zu bezeichnen. Es ist geradezu erstaunlich, wie bei der Flachsgewinnung förmlich ein Mißgriff auf den andern folgt, und es ist lediglich der großen Widerstandsfähigkeit der inkrustierten Bastfaser zu verdanken, daß sie bei diesen Operationen nicht zu Grunde gerichtet wird. Die Wissenschaft und die heutige Maschinentechnik geben uns wahr- lich andere Mittel und Wege an die Hand, die Gewinnung des Flachses auf eine vernunftgemäßere, billigere, schnellere und die Faser schonendere Weise auszuführen. Die erste Bedingung dazu ist aber, daß die Rohflachsgewin- nung den Händen des Flachsbauers entzogen werde. Die vernunftwidrige Gewinnung, wie sie jetzt betrieben wird, setzt sich aus folgenden Operationen zusammen: 1. das Riffeln oder Dreschen , womit die Entfernung der Samenkapsel bezweckt wird; 2. das Rösten oder Rotten zum Zweck der Absonderung der Bastfaser von den übrigen Be- standteilen des Stengels und von der inkrustierenden Substanz, welche die ersteren zusammenhält. Dieses Rösten oder Rotten ist die unsinnigste von den gesamten Operationen, und ich möchte dringend raten, diese in vollem Sinne des Wortes „verrottete“ Methode zu verlassen, welche nicht allein den Flachs, eine der teureren Gewebefasern, einer Humifikation überantwortet, sondern auch durch die bei der Verwesung auftretenden Gase die Luft der Umgebung verpestet, das Wasser vergiftet und den Fischbestand decimiert. Daß die Leinfaser, eine von Haus aus sehr geschmeidige, weiche und feine Faser, uns überall als spröde, hart und grob entgegentritt, ist hauptsäch- lich das Resultat dieser verkehrten Behandlung des Rottens. Durch ver- nunftgemäße Behandlung könnte aus dem Lein eine seidenweiche, seiden- glänzende Gespinnstfaser gewonnen werden. Das Verfahren, wie ich es im Sinne habe, würde einer ausführlichen Begründung bedürfen, die aber für einen Färber gar keinen Zweck hat und auch nicht in den Rahmen dieses Buches gehört. Dem Rösten folgt 3. das Klopfen , zur Abscheidung der mechanisch entfernbaren Teile in Staubform Es wäre wohl aus mehr als einem Grunde richtiger, das Klopfen erst hin- ter dem Brechen vorzunehmen. . 4. Das Brechen , zur Zer- kleinerung der dem gerösteten Flachs anhängenden, durch den Röstprozeß nicht zerstörten Holzfaser. Von den verschiedenen hierfür vorgeschlagenen Methoden halte ich das Durchgehen durch kannellierte ineinandergreifende Metallwalzen oder Zahnräder für die vernunftgemäßeste. Die alten plumpen Holzkästen mit aus zwei parallelen Holzschienen bestehenden Schlegeln sind „ländlich-sitt- lich“, aber auch recht ländlich unpraktisch. Durch das Brechen fallen die Holzteile zum großen Teil von selbst aus, teils werden sie durch nachfolgendes Schüttelnentfernt. Noch „ländlicher“ ist das Flachsbrechen mit der Hand. 5. Das Schwingen oder Ribben , welches die Abscheidung der durch das Schütteln noch nicht genügend entfernten Holzfaserteile bezweckt. 6. Das Hecheln , entsprechend einem Kämmen des von der Holzfaser befreiten Rohflachses, wo- durch der Bast in seine einzelnen feinen Fasern zerlegt wird. Nach einem von A. Baur bekannt gegebenen Verfahren wird der frische Flachs zwischen Walzen gequetscht und in Wasser gelegt so lange, als dieses noch gelb gefärbt wird. Nach leichtem Abpressen des Wassers wird er 1 bis 2 Tage lang in eine 3prozentige Salzsäure gelegt, worauf sich die Bastfasern leicht vom Stengel ablösen lassen sollen. Die Rohleinenfaser wird mit 2prozentiger Sodalösung gewaschen, dann in Wasser gespült; die geringen Mengen noch anhaftender Holzsubstanz sollen durch eine Chlor- passage und nochmaliges Spülen völlig beseitigt werden. Ein derart bereiteter Flachs kann sofort nach dem Trocknen gehechelt werden. — In Frankreich hat ein Ingenieur Passy ein neues Röstverfahren erfunden, in dem er den Flachs bei 150° C. überhitztem Wasser bezw. den Dämpfen aussetzt und hat dadurch in kurzer Zeit denselben Effekt erhalten, wie durch den länger dauern- den Röstprozeß. Die Versuche sind in großem Maßstabe im Etablissement des Herrn Agache zu Pérenchies ausgeführt worden und sollen vielver- sprechend ausgefallen sein. Hosemann \& Fiegel haben sich ein Verfahren zur Isolierung der Flachsfaser patentieren lassen. Dasselbe beruht auf einem sogenannten künst- lichen Verdauungsprozeß, der dadurch erzielt wird, daß die getrockneten Stengel oder der vom Holz befreite Bast der Pflanzen, welche Gespinnst- fasern enthalten, wie z. B. Hanf, Flachs u. s. w. oder das hieraus herge- stellte Gespinnst, für die Dauer von 24 Stunden einem Bade ausgesetzt werden, welches aus schwach angesäuertem, pepsin- und pankreatinhaltigem Wasser besteht. Durch dieses Bad sind alle Gummi- und Harzstoffe aufge- löst und werden dann durch Abwässern und Spülen vollends entfernt. Bei der Bereitung der Pepsin- und Pankreatinflüssigkeit zu diesem Bad ist das Verhältnis der verwendeten Materialien ungefähr 1 bis 1½ kg tierische Magen auf 50 kg schwach angesäuertes Wasser. Sonst wird hierbei in der bekannten Weise verfahren, daß der tierische Magen in zerkleinertem Zustand einige Tage in dem schwach angesäuerten Wasser liegen bleibt. Dadurch, daß die Gespinnstfasern enthaltenden Pflanzenteile diesem künstlichen Ver- dauungsprozeß, der die Aussonderung von Gummi und Harz bewirkt, aus- gesetzt werden, wird das sonst übliche Röstverfahren oder Kochen mit Al- kalien nicht nur unnötig, sondern auch eine absolut gummi- und harzfreie Faser erzielt. Das Endresultat der verschiedenen Gewinnungsmethoden ist der Reinflachs oder die Rohleinenfaser . Die in der Hechel zurück- bleibenden kürzeren Fasern heißen das Gewirre, Werg oder Heede , und enthalten gewöhnlich noch, deutlich sichtbar, Bestandteile des be- nachbarten Holzkörpers, welche der Reinflachs keinenfalls zeigen darf. Das Werg dient nur zu Tauen oder zu Sackleinwand u. dergl. groben Ge- spinnsten. — Die Ausbeute beträgt aus 100 Teilen getrocknetem Flachs (nach Heinzerling ) 51,25 gebrochenen Flachs, 20,50 geschwungenen Flachs, 0,50 Schwingelheede, 9,00 dreimal gehechelten Flachs, 8,00 Hechelheede. Eigenschaften. Die Rohleinenfaser, wie sie durch die obenstehend beschriebenen Methoden gewonnen wird, stellt je nach der mehr oder minder unvernünftigen Art des Röstprozesses 2 bis 15, im Mittel 6 bis 10 dm lange, bräunlich gelbe, graugelbe, stahlgraue, grüngraue, graue oder blonde bis weißliche, feine, weiche, bei besseren Sorten glänzende, sehr geschmeidige Fasern vor, welche elastisch, dabei sehr fest und haltbar sind. — Unter dem Mikroskop erscheint der Flachs als Gruppen von Bastfaserzellen, welche farblos, an der Oberfläche glatt, mit Quetschfalten oder knotigen Anschwellungen versehen (Fig. 10) sind und am Ende lang zugespitzt erscheinen. Der Durchmesser ist 15 bis 37 (im Mittel 20 bis 25) µ; die Wandung der Faser ist sehr dick, der innere Hohlraum (Lumen) erscheint nur als ein schmaler Doppelstreifen, auf dem Durch- Fig. 10. Flachs. schnitt als ein kleiner Punkt. Der Flachs ist ein guter Wärmeleiter, daher fühlen sich Leinengewebe stets kalt an; reines Leinen eignet sich daher nicht zu Kleidungsstücken, welche direkt auf dem Körper getragen werden. Zusammensetzung des Flachses. Die Hauptmasse der Flachs- faser besteht, wie bei allen vegetabilischen Gespinnstfasern, aus Cellulose. Die Bastschicht der Flachsfasern im Leinstengel ist jedoch keineswegs reine Cellu- lose, sondern sie ist durchsetzt mit inkrustierender Substanz, welche die ein- zelnen Fasern zu harten Bündeln zusammenhält, diese gleichzeitig an die benachbarte Holzschicht anheftet, und 15 bis 30 Prozent des Gewichts betragen kann. Diese Substanz ist nach J. Kolb: Pektose ; außerdem enthält der Rohflachs noch 5 Prozent Fettsubstanzen, Farbstoffe und nicht näher bekannte Substanzen, sowie ca. 8 Prozent Wasser. Das Rösten hat nach Kolb den Zweck, die Pektose durch Gärung in Pektinsäure überzuführen, welche sich löst, und dadurch den Zusammenhang sowohl der einzelnen Fasern unterein- ander, als auch mit den Holzfaserzellen aufzuheben. Der Reinflachs besteht daher annähernd aus 85 Prozent Cellulose, 8 Prozent Feuchtigkeit, 7 Pro- zent verunreinigenden Substanzen. Diese werden durch den Bleichprozeß ent- fernt. Das Endresultat des Bleichens ist die Leinenfaser; diese ist farblos und besteht annähernd aus 92 Prozent Cellulose und 8 Prozent Wasser. Der Flachs wird nicht selten noch die Holzstoffreaktion zeigen, d. h. er wird mit schwefelsaurem Anilin eine gelbe, mit Phloroglucin und Salzsäure eine violettrote Färbung annehmen. Reine Leinenfaser darf diese Er- scheinungen nicht zeigen ; thut sie es dennoch, so ist dies der untrüg- liche Beweis, daß sie noch nicht genügend von den Holzteilen befreit ist. Maßgebendes für die Beurteilung der Leinenfaser. Für die Wertbestimmung maßgebend ist vor allem die rein weiße Farbe, dann die völlige Abwesenheit von Holzsubstanz, welche durch das Ausbleiben der vorbenannten Reaktion nachzuweisen ist; in zweiter Linie kommt die Länge der Faser, welche bei einer besseren Sorte Leinenfaser nicht unter 2,5 cm betragen darf. Je länger die Faser, je größer der Seidenglanz, die Fein- heit und die Festigkeit ist, desto wertvoller ist die Leinenfaser. Chemisches Verhalten. Verdünnte Mineralsäuren, sowohl kalte wie heiße, wirken auf die Leinenfaser in der gleichen Weise, wie auf Baumwolle; das gleiche ist bei konzentrierten Mineralsäuren der Fall. Konzentrierte Schwefel- Ganswindt , Färberei. 5 säure quellt die Leinenfaser zunächst auf, aber langsamer als Baumwolle; es bildet sich dabei Amyloid; Zusatz von Jodlösung gibt eine schön blaue Färbung. Die vollständige Lösung in konzentrierter Schwefelsäure geht nur sehr langsam vor sich; mit Baumwolle gleichzeitig 2 Minuten in konzen- trierte Schwefelsäure eingelegt, dann rasch mit verdünnter Kalilauge, schließ- lich mit Wasser nachgewaschen, wird Baumwolle gelöst, die Leinenfaser aber noch nicht angegriffen. Bei andauernder Wirkung löst sich auch die Leinen- faser und geht in Dextrin und schließlich in Traubenzucker über. — Kon- zentrierte Salpetersäure, besonders in Mischung mit Schwefelsäure, führt die Leinenfaser in Nitrocellulose (Schießbaumwolle) über. — Die Lösungen von Alkalien wirken energischer auf die Leinenfaser, als wie auf Baumwolle; mit einer Lösung von 1 Teil Aetzkali in 1 Teil Wasser 2 Minuten gekocht, dann gewaschen und getrocknet, wird die Leinenfaser tief gelb gefärbt (Unterschied von Baumwolle, welche sich höchstens schwach gelblich färbt). Bei Behand- lung von Leinen mit Aetz- oder kohlensauren Alkalien ist zu beachten, daß das Leinen stets unter dem Flüssigkeitsniveau sich befinden muß, da bei Luft- zutritt die Faser leicht mürbe wird. — Von Wichtigkeit ist das Verhalten verdünnter kochender Alkali- oder Alkalicarbonatlösungen. Da der Flachs bis 5 Prozent Fettbestandteile enthält, so werden diese verseift; gleichzeitig ziehen die heißen Lösungen den braunen Farbstoff aus und binden etwa noch vor- handene Pektose unter Bildung von Metapektinsäure. Demnach würde man auch durch Kochen mit einer dünnen Natronlauge die Isolierung der Bast- fasern erreichen können. Schwächer wirkt Seifenlösung, obgleich auch diese in der Praxis bisweilen angewendet wird, um gehechelten Flachs, für wel- chen besondere Reinheit und Feinheit der Faser verlangt wird, von der noch etwa anhängenden Pektose und Farbstoff zu befreien. Lösungen von Chlor und unterchlorigsauren Salzen wirken sehr energisch auf die Leinenfaser ein, und bleichen sie leicht und schnell, die letzten Beimengungen des natür- lichen Farbstoffes völlig zerstörend. — Wasserstoffsuperoxyd wirkt wie Chlor- kalklösung. — Gegen Feuchtigkeit und Schimmel ist Flachs ungemein wider- standsfähig, so lange er nicht etwa durch Appreturmittel beschwert ist; aber selbst bei Lagerung in feuchten Räumen zeigt er wenig Neigung zur Schimmel- bildung und verhält sich wesentlich resistenter als Baumwolle. Auf diesem Verhalten beruht seine Verwendung zu den deutschen Reichskassenscheinen. Formen, in denen der Flachs zum Färben gelangt. Der Flachs wird meist ungebleicht gesponnen. Das Flachsspinnen ist noch viel- fach Hausindustrie, und geschieht auf dem Spinnrade (Rocken) oder es ge- schieht im Großbetrieb auf Maschinen. Das Gespinnst ist ungebleichtes Leinengarn ; nochmals gedrehte Leinenfäden bilden den Leinenzwirn . Die Leinenfaser wird gemeinhin erst als Garn, oft selbst erst als Gewebe gebleicht. Das Leinengarn wird entweder gebleicht oder ungebleicht zu Ge- weben verarbeitet, welche Leinenzeuge oder Leinwand heißen. Zu diesen rechnet man: 1. Glatte Gewebe : Leinwand (Leinen, Linnen), Segeltuch (Segel- leinwand), Creas, Schockleinen, Futterleinen, Franzleinen, Moorleinen, Steif- leinen, Glanzleinwand, Battist, Linon, Schleier. 2. Geköperte und gemusterte Gewebe : a) Drell, Zwillich, Bettdrell, Atlasdrell, Leinenatlas, Hosendrell, Tisch- und Handtuchdrell. b) Damast, Jacquards. Das für gefärbte, gemusterte Leinengewebe bestimmte Garn muß als solches gefärbt werden, das Färben von Leinengeweben selbst findet vorwiegend im Gebiet der Landarbeit statt. Die Zahl der Leinengewebe wird noch wesentlich erhöht durch die mit Baumwolle verwebten Leinenstoffe, welche als Halbleinen in den Handel kommen, aber für den Färber von nur untergeordnetem Interesse sind, da halbleinene Waren meist nur im gebleichten, ungefärbten Zustande Handels- waren bilden, andernfalls aber die beiderseitigen Garne vor dem Verweben als solche gefärbt werden. Statistisches über Flachs und Leinen. Nächst Rußland hat Deutschland die bedeutendste Flachsproduktion. Nach Dr. v. Scherzer be- trug der Ernteertrag im Jahre 1879 85000000 kg , die Gesamtproduktion von Europa und den Vereinigten Staaten 627 Mill. Kilogramm. Die große Bedeutung der deutschen Flachsindustrie ergibt sich aus nachfolgender Auf- stellung des Verbandes Deutscher Leinenindustrieller zu Anfang 1884. Es waren in Deutschland vorhanden: 31 Flachsspinnereien einschließlich Zwirne- reien und Bleichereien, mit 59218000 Mark Geschäftskapital, 14576 Ar- beiter bei 6241813 Mark Arbeitslohn; ferner 48 mechanische Leinenwebereien mit einzelnen Hausbetrieben und Bleichereien, mit 29709724 Mark Geschäfts- kapital, 16753 Arbeiter bei 6339866 Mark Arbeitslohn ( Heinzerling ). § 12. Hanf. Der Hanf ist für die Färberei bei weitem nicht von der Wichtigkeit, wie der Flachs; dennoch darf er in diesem Buche nicht übergangen werden, da er in zwei Formen zum Färben gelangt, als Hanfzwirn und als Bindfaden . Herkunft. Die Stammpflanze des Hanfes ist die gleichlautende ein- jährige Pflanze, Cannabis sativa , zur Familie der Urticeen gehörend. Der Hanf ist eine zweigeschlechtige, 1 bis 4 m hohe Pflanze, mit langen, zahnartig gesägten, dunkelgrünen Blättern; man unterscheidet die männliche Pflanze als Sommer - oder Staubhanf und die weibliche Pflanze als Winter - oder Saathanf . Die erstere wird nur für die Hanffaser, die letztere für Fasern und Samen ausgebeutet; Hanf von ersterer ist daher geschätzter. Der Hanf wird in Italien, Rußland, im Elsaß, Preußen und Oesterreich gebaut; besonders geschätzt ist der Straßburger Hanf. Gewinnung. Der Hanf wird durch dieselben Operationen gewonnen, wie der Flachs; im allgemeinen wird auf seine Gewinnung aber nicht die gleiche Sorgfalt verwendet, wie auf die Bereitung des Flachses; die Hanffaser ist daher gemeinhin noch gröber wie die Flachsfaser. Alles bei der Gewinnung des Flachses Gesagte läßt sich daher mit dem gleichen Recht auch auf den Hanf anwenden. In Oberitalien, vornehmlich bei Bologna, wird er durch Abziehen der Bastfaser mit der Hand gewonnen, wodurch eine besonders feine Sorte erzielt wird. Je nach der Vollständigkeit der Bearbeitung unterscheidet man im Handel: Basthanf, Reinhanf, Strähnenhanf, Spinnhanf, Seehanf. Eigenschaften. Der Hanf ist, wie der Flachs, eine Bastfaser, und bildet den Hauptbestandteil der Rinde des Hanfstengels, über welcher nur 5* noch eine sehr dünne Schicht Parenchymzellen und die Epidermis liegen; nach innen zu schließt sich dann die Holzschicht und das Mark an. Die Länge des Hanfes ist ungemein verschieden von 1,0 cm bis zu 3 m (Riesen- hanf von Boufarik), durchschnittlich 3 bis 15 dm , der Durchmesser 16 bis 50 µ, durchschnittlich 22 µ. In Farbe und im mikroskopischen Aussehen ist er dem Flachs ungemein ähnlich, doch unterscheidet sich die Wandung des Hanfes im mikroskopischen Bilde (Figur 11) durch eine scharfe Längsstreifung und bei gebogenen Fasern an der inneren Krümmungsseite durch eine kräftige Wellenfaltung vom Flachs, die Enden der Faser sind teils stumpf, teils spitz; das Lumen des Hanfes ist etwas kleiner als das des Flachses; im übrigen sind Hanf und Flachs selbst unter dem Mikroskop nur sehr schwer zu unter- scheiden. Fig. 11. Hanf. Die Zusammensetzung des Hanfes ist die gleiche wie beim Flachs, doch ist der rohe Hanf mehr verholzt als der Flachs. Nach Entfernung der Holzteile besteht er vorwiegend aus Cellulose nebst Fettbestandteilen, Farbstoff ꝛc., welche durch den Bleichprozeß, dafern solcher überhaupt angewendet wird, entfernt werden. Chemisches Verhalten. Auch dieses ist genau dasselbe, wie beim Flachs, so daß die Unterscheidung von Hanf und Flachs auch hier zu den schwierigsten Aufgaben gehört. Nach Pinchon soll durch konzentrierte Schwefelsäure die Hanffaser aufquellen und durch Zusatz von Jodlösung eine gelbe Färbung geben (Flachs gibt eine blaue Färbung); Hanausek Geißler u. Möller , Real-Encyklopädie der ges. Pharmazie, Art. Hanf, Band V. da- gegen sagt: „mit Jod oder Schwefelsäure färbt sie sich blau oder grün- lich, einzelne Fasern werden braungelb“; Bolley Handbuch der techn.-chem. Untersuchungen. nennt die Farbe grünlich. Konzentrierte Alkalienlösungen färben den Hanf dunkler gelb als den Flachs. Die Hanffaser gibt fast stets eine schwache Holzstoff- reaktion. Anilinsulfat färbt mehr oder minder gelb. Kupferoxydammoniak be- wirkt starkes Aufquellen und teilweise Verflüssigung der Faser; die innerste Wandschicht, welche das Lumen umgibt, widersteht der Auflösung länger und bildet oft einen vielfältigen, breiten Schlauch. — Nicht gerösteter Hanf wird durch Schwefelsäure grün gefärbt; Ammoniak färbt ihn erst grün, dann gelb, die geröstete Faser dagegen schwach violett. Das einzige absolut sichere Merk- mal zur Erkennung des Hanfes sind nach Cramer Programm des Züricher Polytechnikums 1881. die der Innenseite der Bastzellen anliegenden einzelnstehenden schmallumigen Schläuche, welche mit einer homogenen, tiefbraunen , in Kalilauge, Schwefelsäure, Alkohol und Wasser unlöslichen Masse gefüllt sind. Das Verspinnen und Verweben des Hanfes ist genau dasselbe wie beim Flachs. Von den Gespinnsten sind von Interesse Hanfgarn, Hanf- zwirn und Bindfaden. Die Hanfgewebe kommen für den Färber nicht in Betracht, die bekanntesten sind: Segeltuch, Hanfleinen, Schertuch, Sack- und Packleinen, Hanftuch. § 13. Jute. Die Jute, auch Calcuttahanf genannt, die gebräuchlichste Gespinnstfaser Ostindiens, ist, obgleich schon seit 40 bis 50 Jahren in Europa bekannt, doch erst in den letzten 25 Jahren bei uns richtig gewürdigt worden. Die man- cherlei der Jute eigentümlichen recht fatalen Eigenschaften haben ihr jahre- lang den europäischen Markt verschlossen, bis sie sich denselben, wesentlich unterstützt durch den Mangel an russischem Hanf und Flachs während des Krimkrieges (1854/55) und durch die Baumwollennot während des amerika- nischen Bürgerkrieges 1861/65), schließlich auch durch ihre ungemeine Billig- keit eroberte, so daß jetzt bereits in England, Frankreich und Deutschland große Jute-Spinnereien und -Webereien bestehen. Herkunft. Die Jute ist die Bastfaser einiger in Ostindien heimischen Arten der zur Familie der Tiliaceae gehörenden Gattung Corchorus. Die beiden hauptsächlich die Jute liefernden Arten, Corchorus capsularis L. und Corchorus olitorius L ., sind einjährige, strauchartige, 4 bis 5 m hohe, unsern Linden nicht unähnliche Pflanzen mit gesägten Blättern und kleinen gelben, oft einzelnstehenden Blüten. Nach einigen Autoren sollen auch noch andere Corchorus -Arten Jute liefern und zwar werden genannt: C. textilis, C. sili- quosus, C. decemangulatus, C. fuscus. Diese Arten wachsen wild, werden aber auch in Ostindien, Bengalen und neuerdings auch in Algier Deutsche Färberzeitung 1887, Nr. 12. vielfach angebaut. Die nach der Regenzeit gesäeten Pflanzen wachsen ungemein schnell, so daß sie schon nach 3 bis 3½ Monaten abgeschnitten und getrocknet werden können. Gewinnung. Die Jute-Bastfasern liegen unterhalb der Rinde; ihre Isolierung erfolgt durch eine ähnliche Behandlungsweise wie beim Flachs und Hanf. Die in Bündel gebundenen, dann getrockneten Stengel werden in Wassergruben gelegt, mit Rasen bedeckt und etwa 14 Tage liegen gelassen. Dieses der Wasserröste entsprechende Verfahren bezweckt die Loslösung der Rinde und die Durchweichung der Bastfasern; der Rasen wird dann ent- fernt, die Rinde abgetrennt, die erweichte Bastschicht abgezogen und in der Sonne getrocknet. Ob dieser primitiven Gewinnung noch eine ähnliche me- chanische Behandlung, wie Brechen, Schwingen, Hecheln, Kämmen u. dergl. erfolgt, habe ich nicht in Erfahrung bringen können. Die so gewonnene Roh-Jute wird dann in Ballen verpackt und versendet. Um die Jute spinn- fähig zu machen, wurde sie bisher mit Thran, Oel und Petroleum einge- fettet und einem 2 bis 3tägigen Fermentationsprozeß ausgesetzt. Hildwein und Wieser fetten die Jute mit Türkischrotöl oder einer ammoniakalischen Lösung von Fettstoffen ein, und setzen sie dann 1 bis 2 Stunden bei gewöhn- licher Temperatur einem Drucke von 5 bis 6 Atm. aus, wodurch bedeutend an Arbeitszeit gespart wird. (D. R. P. 40723 vom 18. Januar 1887.) Eigenschaften. In dieser Form stellt die Jute eine stark verholzte, oft bis zu 3,5 m lange, 0,01 bis 0,03 mm dicke, bräunlichgelbe, graugelbe bis silbergraue, ziemlich harte, spröde Faser vor, welche nach längerem Ge- Fig. 12. Jute. brauch auffasert und an den Bruchstellen morsch wird. Sie besitzt weder die Festigkeit noch die Geschmeidigkeit des Flachses oder Hanfes, und stellt daher ein minder- wertiges Produkt vor. Ob die Jutefaser an sich wirk- lich minderwertig ist, oder ob die geringe Dauerhaftig- keit erst eine Folge verkehrter Behandlung bei der Ge- winnung ist, soll hier nicht weiter erörtert werden. — Unter dem Mikroskop erscheint sie als eine glatte cylindrische Faser, die als einziges charakteristisches Merkmal ein unregelmäßiges Lumen zeigt, welches sich bald erweitert, bald verengt (Figur 12), ja sogar gänzlich verschwinden kann, so daß dasselbe an dieser Stelle durchbrochen erscheint. Dementsprechend wechselt die Dicke der Wandung und erscheint bald dünner, bald dicker, welchen Umstand Hanausek für die Ursache der geringen Festigkeit und des Auffaserns der Faser hält. Der Querschnitt zeigt, daß stets mehrere Fasern neben- einander liegen, und gibt ein Gruppenbild, in welchem die verschieden großen Lumina und die verschieden dicken Zell- wandungen deutlich sichtbar sind. Für die Jute cha- rakteristisch ist, daß sie unregelmäßige Fünf - oder Sechsecke bildet, welche durch gerade Linien und scharf ausgeprägte Winkel begrenzt werden. Chemische Zusammensetzung. Hinsichtlich ihrer chemischen Natur scheint die Jute eine Ausnahmestellung einzunehmen. Abgesehen davon, daß die Jute eine stark verholzte Faser ist, legt ihr merkwürdiges Verhalten gegen gewisse Reagentien die Vermutung nahe, daß die ursprüngliche Cellulose in eine veränderte Form übergegangen sei. Croß \& Bevan , welche sich durch die theoretische wie praktische Erforschung der Jute ein Verdienst erworben haben, haben für die metamorphosierte Cellulose den Namen Bastose vor- geschlagen. So interessant nun auch die Originalarbeiten von Croß \& Bevan sind, so haben dieselben mich doch nicht vollkommen zu überzeugen vermocht, vielmehr erscheinen mir dieselben als ein Argument mehr für meine schon oben angedeutete Annahme, daß die metamorphosierte Cellulose erst eine Folge der unrationellen Behandlung der Pflanze bei der Gewinnung der Gewebefaser sei. Jedenfalls ist dieses Thema noch nicht spruchreif, zu- mal auch die neueste Arbeit Hanauseks über Jute die Existenz der Bastose nicht einmal erwähnt. — Nach Bolley ist der Wassergehalt luft- trockener Jute 6 Prozent; die mit Wasserdampf gesättigte Faser enthält 24 Prozent. Die Aschenmenge beträgt 0,9 bis 1,74 Prozent. Chemisches Verhalten. Mit gespannten Wasserdämpfen längere Zeit behandelt wird die Jute in lösliche Substanzen verwandelt (Cellulose bleibt bei der gleichen Behandlung intakt). Der Witterung ausgesetzt, wird die Jute schnell brüchig und zerfällt (Cellulose bleibt unverändert). Diese beiden Erscheinungen beweisen, daß wir es in der Jute mit einer deformierten Cellulose zu thun haben; sie scheinen aber auch zu beweisen, daß der bei der Gewinnung der Jute in Ostindien beliebte Röst- oder Rottprozeß zur Ge- winnung untauglich ist . Bei der Durchschnittstemperatur Ostindiens und dem gleichzeitigen Behandeln mit Wasser unter Luftabschluß unterliegt die ganze Jutepflanze einer richtigen Vertorfung, welche auf die Cellulose durchaus zerstörend wirkt, da die sich bildenden Humussubstanzen teilweise erst Zersetzungsprodukte der Cellulose sind. Man darf sich daher über die Brüchigkeit und die geringe Haltbarkeit der Jute durchaus nicht wundern; eine schon zum Teil zerstörte, humifizierte Jute kann unmöglich die Eigenschaften einer tadellosen Cellulose haben. — Gegen Säuren zeigt die Jute fast gar keine Widerstandsfähigkeit; besonders Mineralsäuren zerstören sie leicht und schon bei gewöhnlicher Temperatur. Alkalien stellen unter Abscheidung einer gerbstoffähnlichen Substanz die unlösliche Cellulose wieder her. Diese merk- würdige Thatsache ist der Grund, warum Jute sich mit basischen Farbstoffen direkt färben läßt. Chlor und starke Lösungen unterchlorigsaurer Salze wirken ähnlich wie Säuren, unter Bildung gechlorter Derivate, wodurch die Faser entweder gleich oder erst bei der weiteren Behandlung morsch wird. Dies ist zugleich der Grund, warum das Bleichen der Jute auf Schwierigkeiten stößt. Nach Rath (Deutsche Färberzeitung 1887, Nr. 12) ist Wasserstoffsuperoxyd zum Bleichen der Jute geeignet, sobald eine Vorbleiche mit Natriumhypo- chlorit ( Eau de Javelle ) stattgefunden hat. Das Bleichen mit übermangan- saurem Kali erwies sich als zu teuer. — Der Gewichtsverlust der Jute durch Bleichen beträgt je nach der angewandten Methode 2 bis 8 Prozent. — Durch Anilinsulfat wird die Jute gelb gefärbt, ein Beweis ihrer Verholzung. Die mit Chlor behandelte Jute färbt sich mit Natriumsulfit fuchsinrot. Schweflige Säure bleicht die Jute ohne merkbare Zerstörung. Kupferoxyd- ammoniak bewirkt nur eine Aufquellung der Faser (Unterschied vom Hanf, welcher dabei teilweise gelöst wird). — Durch verdünnte Chromsäurelösung, der etwas Schwefelsäure zugesetzt ist, wird Jute blau gefärbt. Maßgebendes für die Wertbestimmung der Jute. Nach dem vorher Erläuterten wird man diejenige Jute für die beste zu halten berechtigt sein, bei welcher der Prozeß der Humifikation am wenigsten weit vorge- schritten ist, d. h. je weniger mürbe oder morsch dieselbe ist und je länger sie der Wirkung gespannten Dampfes zu widerstehen vermag, ohne zu zer- fallen. Demnächst wird auch diejenige Jute zu bevorzugen sein, welche möglichst wenig verholzt ist, also möglichst wenig spröde ist. Je fester und weicher eine Jute, desto besser. Bessere Sorten zeichnen sich auch durch eine gewisse Feinheit und durch einen schwachen Glanz aus. — Weiter gehende Forderungen zur Wertbestimmung werden sich erst nach Einführung einer vernunftgemäßen Gewinnungsmethode aufstellen lassen. Formen, in denen die Jute zum Färben gelangt. Die Jute kommt entweder als halbgebleichte oder gebleichte, lose Jute zum Färben. Da sie eine ziemlich derbe Faser ist, und daher nur zu geringeren Ge- weben (Pack- und Sacktuch, Gunny) verwebt wird, so kommen Jutegewebe für die Färberei weniger in Betracht. Wichtiger für die Färberei sind dicke, locker gesponnene Jutegarne , welche in neuerer Zeit vielfach in der Teppich- fabrikation Verwendung finden. Die bessern Jutesorten werden teils als solche allein, teils mit Baumwolle zusammen zu gröberen Tischdecken und Bettdecken, zu Gardinen- und Portierenstoffen verwebt. Auch ein sammetartiges Jutegewebe kommt als Juteplüsch in den Handel. Statistisches über Jute. Im Jahre 1828 wurden 364 Zentner Rohjute im Werte von 1240 Mark aus Ostindien ausgeführt; im Jahre 1856 bereits gegen 3500000 kg im Wert von 6 Millionen Mark; im Jahre 1882/83 517445400 kg , wovon 41200 Tonns auf Deutschland entfallen. Diese Zahlen zeigen wohl aufs deutlichste die enorme Steigerung im Verbrauch der Jute, welche heutzutage die billigste aller Gewebefasern ist. In Indien waren bereits im Jahre 1883 22 große Etablissements mit ca. 6000 mechanischen Webstühlen im Betrieb, neben einer großen Anzahl von Handwebstühlen, welche jährlich mehr als 100 Millionen Jutesäcke her- stellen. In Deutschland befanden sich 1884 23 große Etablissements mit ca. 61000 Spindeln und 2840 mechanischen Webstühlen, ungerechnet die Hand- und mechanischen Webstühle ohne Spinnereibetrieb. Großbritannien mag wohl über die siebenfache Anzahl besitzen. In Deutschland wurden 1883 33436500 kg Rohmaterial eingeführt, wovon 31764700 Gespinnste und Gewebe gefertigt wurden. Außerdem hat Deutschland noch aus England im Jahre 1883 1193000 gesponnene Jutegarne bezogen, und zwar die feineren Nummern, während die Nummern 1 bis 12 in deutschen Spinnereien herge- stellt werden ( Heinzerling ). § 14. Chinagras. Die unter dem Namen Chinagras bekannte Gespinnstfaser bildet in China — wo es tschou-ma heißt — und Japan seit mehreren Jahrhun- derten das Hauptmaterial für Gespinnste aller Art von den gröbsten bis zu den feinsten. Auf den europäischen Markt kam es erst in jüngerer Zeit und im Jahr 1881 entstand in Deutschland die erste Chinagrasspinnerei. Herkunft. Das Chinagras ist die Bastfaser der in China und Süd- asien heimischen Boehmeria nivea Gaud ., einer perennierenden Pflanze aus der Familie der Urticaceae. Die wertvollen Eigenschaften des Chinagrases haben zu einem Anbau der Stammpflanze in größerem Umfange geführt, so namentlich am Südabhange des Himalaya, in Mexiko, im Missisippithale, auf Cuba, später wurde in Südrußland und in Algier Chinagras gebaut, in neuerer Zeit hat man auch in Frankreich und in Deutschland den Anbau versucht, und zwar nicht ohne Nutzen, wenngleich das Klima demselben eini- gen Abbruch thut. Nach andern Autoren soll auch Boehmeria heterophylla Chinagras liefern. Gewinnung. Die Bastfaser wird nach dem Spalten der Stengel mit der Hand abgezogen. Diese Handhabung ist zwar zeitraubend und nicht billig, dafür erhält man aber auch eine Faser von großer Festigkeit, welche durch das widersinnige Rösten nicht erst morsch gemacht und obenein völlig unverholzt ist. — Sansone verarbeitet die Rohfaser, indem er dieselbe durch mehrmaliges abwechselndes Kochen in verdünnter Natronlauge und Ein- tauchen in Natriumbisulfitlösung reinigt und dann mit Natriumhyposulfit bleicht. Eigenschaften. Die so gewonnene Rohfaser ist fast immer gelb- braun, gelb bis gelbgrün, glänzend, biegsam, außerordentlich zäh und fest. Aus diesem Baste wird durch ein außerordentlich kompliziertes Verfahren, welches zum Teil eine mechani- sche Zerteilung der Bastbündel in die einzelnen Fasern und die Zerstörung des natürlich anhaf- tenden Farbstoffes bezweckt, das kotonisierte Chinagras ge- wonnen, welches eine Gespinnst- faser von etwa 6 cm Länge (sel- ten darüber), von außerordent- licher Stärke, Festigkeit und Fein- heit, von rein weißer Farbe, großer Biegsamkeit und starkem Seidenglanz vorstellt. Die Fa- sern haben eine Länge von 20 cm und eine Breite von durchschnitt- Fig. 13. Chinagras. lich 0,03 bis 0,04 mm; die Enden sind meist dick abgerundet; das Lumen ist wechselnd und beträgt oft bis zu ⅘ des Zelldurchmessers. Das kotonisierte Chinagras zeigt (infolge der mechanischen Behandlung) Falten in den Wän- den, Knickungen, Quetschungen und Risse. (Fig. 13.) Chemische Zusammensetzung. Das Chinagras, insbesondere das kotonisierte, als nicht verholzte Pflanzenfaser repräsentiert eine fast reine Cellulose. Es reiht sich daher der Baumwolle und der Leinenfaser an; der Wassergehalt des lufttrockenen kotonisierten Chinagrases beträgt 6,5 Prozent, der des mit Wasserdampf gesättigten 18,5 Prozent, die Asche 1,91 Pro- zent ( Bolley ). Chemisches Verhalten. Anilinsulfat einerseits, sowie Phloroglucin und Salzsäure andererseits, geben keine Färbung, ein Beweis, daß die Faser absolut nicht verholzt ist. In konzentrierter Schwefelsäure quillt Chinagras langsam auf, mit Jodlösung versetzt, erscheint das Lumen gelbgrün, während die blaugefärbte Cellulose dasselbe als spiralig gewundener Wulst umgibt (Fig. 12 bei C ). — Gegen verdünnte und konzentrierte Säuren, gegen Aetz- alkalien, Lösungen der Alkalicarbonate und Seifen, gegen Chlor und Lösungen unterchlorigsaurer Salze verhält sich das Chinagras ganz ebenso wie Baum- wolle und Leinen. Kupferoxydammoniak bewirkt unter Bläuung starke Auf- quellung, doch keine Lösung. Jod allein färbt die Faser gelb, den Inhalt goldbraun. Maßgebendes zur Wertbestimmung des Chinagrases. Da das Chinagras nicht verholzt ist, so wird bei ihrer Wertbestimmung der Hauptwert darauf zu legen sein, daß man auch die wirkliche Chinagrasfaser vor sich habe, und nicht etwa eine der vielen anderen in dem Handel vor- kommenden minderwertigen Nesselfasern, welche morphologisch und chemisch nicht zu unterscheiden sind, so daß lediglich die physikalischen Eigenschaften und insbesondere die Feinheit, Festigkeit, Weichheit, Biegsamkeit und der seidenartige Glanz als maßgebend zu betrachten sind. Formen, in denen das Chinagras zum Färben gelangt. Das Chinagras wird nur selten als unversponnene Fasern gefärbt. Wichtiger sind die Chinagrasgarne . Diese werden teils gefärbt, teils ungefärbt, zu Geweben aller Art verwebt, vornehmlich aber zu glatten seidenähnlichen Geweben; ungefärbt stellt ein solches das sogenannte Grasleinen ( China grass-cloth ) vor. Ferner kommen sammetartige Gewebe (Chinagrasplüsch) und gazeähnliche Gewebe (Spitzen, Schleier ꝛc.) aus Chinagras vor. Noch größer ist die Zahl der Gewebe, in welchen Chinagrasgarn als Ersatz für Seide verwebt wird, die also den Eindruck von Halbseide hervor- bringen sollen, ohne wirklich solche zu sein. Vorwiegend dient das Chinagrasgarn in gemischten Geweben, Gardinen, Portierenstoffen, in baumwollenen Kleider- stoffen und Kammgarnzeugen, sowie in Bordüren zur Hervorbringung seiden- glänzender Muster oder als Effektfäden. Ueber die statistischen Daten des Chinagrases ist etwas Zuver- lässiges nicht zu berichten, da in den statistischen Berichten Chinagras mit Ramié, Rhea und Nessel zusammen aufgeführt wird. § 15. Rami é oder Ram ê h. Herkunft. Die Ramié, von vielen auch schlechtweg Nesselfaser ge- nannt, ist eine dem Chinagras nahestehende Gespinnstfaser und stammt von Boehmeria tenacissima Gaud . Zwischen Ramié und Chinagras steht als Mittelglied noch die Roafaser oder der Rheahanf, über dessen Herkunft wie über dessen Wert als Gewebefaser die Mei- nungen noch geteilt sind. Nach anderen Angaben soll auch Boehmeria utilis Ramié liefern. Die Stammpflanze wird in Indien, China, Japan, auf den Sunda-Inseln und Molukken kultiviert; der Stengel erreicht eine Höhe von 1½ bis 3 m; sie ist eine perennierende Pflanze, welche ein Alter bis zu 15 Jahren erreicht und in ihrem Heimatlande jährlich 3 bis 4 mal geschnitten wird; auch in Nordamerika, Frankreich und Italien ( „Ramia italiana“ ) ist sie kultiviert worden. 1887 hat man auch in Ungarn, 1888 in Süddeutschland den Anbau der Ramiépflanze versucht. — Nach anderen Angaben sollen auch Urtica sanguinea und Urtica crenulata Ramié liefern. Gewinnung. Da der Stengel der Pflanze holzig wird, und die Bastzellenschicht der Ramiéfaser unmittelbar an die Holzfaserschicht grenzt, auch die Bastfasern durch eine Art Pflanzenleim zusammengehalten werden, so liegen hier die Verhältnisse fast ganz wie beim Flachs, zumal auch hier die Faser selbst nicht verholzt ist. Die Gewinnung der Ramiéfaser beruht daher auf den gleichen Prinzipien wie die der Flachsgewinnung, indem der ge- trocknete und gedörrte Stengel mittels Brechmaschinen geknickt und entholzt wird. Dann folgt eine dem Schwingen des Flachses ähnliche Operation. Die so gewonnene Ramié ist die Rohfaser in Form aneinander klebender, gelblichbrauner, geschwungenem Flachs nicht unähnlicher Fasern. Die Befreiung der Ramiéfaser von den die Cellulose inkrustierenden Substanzen geschieht neuerdings in Frankreich nach einem patentierten Ver- fahren von Schiefer , indem die Faser unter Druck und unter Einwirkung von Chemikalien in einem besonders konstruierten Kessel gekocht wird. Nach beendeter Operation wird die Faser getrocknet, gekämmt, und auf Maschinen, welche denen in der Baumwollspinnerei ganz ähnlich sind (eventuell nach vorherigem Bleichen) versponnen und verwebt. Bei rationeller Gewinnung der Faser gibt dieselbe (nach Eugène Schiefer ) 28 bis 30 Prozent vom Rohstengelgewicht. Eigenschaften. Die so gewonnene Faser ist weiß und besitzt fast alle Eigenschaften des Chinagrases, sie besitzt aber eine geringere Biegsam- keit und ist glanzlos. Die Länge der Faser ist 6 bis 8 cm , die Dicke 0,016 bis 0,126 mm; das Lumen ist bald enger, bald weiter, oft bis zu ⅘ des Zelldurchmessers. Die chemische Zusammensetzung und das chemische Verhalten der Ramiéfaser stimmen mit dem Chinagras vollkommen überein, auch die Kriterien für die Wertbestimmung sind die gleichen wie beim Chinagras, nur daß man hier diejenige Ramiéfaser für die beste wird halten müssen, welche in Bezug auf Biegsamkeit und Glanz dem Chinagras möglichst nahe kommt. Formen, in denen die Ramiéfaser zum Färben kommt. Ab- gesehen von der unversponnenen Faser ist besonders das aus der Ramiéfaser gesponnene Garn, das Nesselgarn , von Wichtigkeit, welches in vieler Hin- sicht dem Baumwollgarn ähnlich sich verhält. Die glatten, leinwandartig gewebten Stoffe führen den Namen Nessel , und werden vielfach als Futter- stoffe (Futternessel) verwendet. Chinagras und Ramié werden vielfach für gleichbedeutend ange- sehen; sogar v. Höhnel bezeichnet in seinem neuen Werke: „Mikroskopie der technisch verwendeten Faserstoffe“ beide als ein und dieselbe Faser. Wenn ich dieselben hier getrennt habe, so geschieht das einmal, weil die Ab- stammung beider Fasern eine verschiedene ist, vor allem aber auch, weil die mir vorliegenden aus vertrauenswerter Quelle stammenden Fasern den schon oben angedeuteten Unterschied zeigen: Das Chinagras besitzt große Bieg- samkeit und hohen Glanz, die Ramié dagegen ist steif und glanzlos. § 16. Nesselfaser. Unter Nesselfaser verstehen einige Autoren sowohl die Chinagras- wie die Ramiefaser. Ich verstehe dagegen unter Nesselfaser einzig und allein die ganz vortreffliche Gespinnstfaser der bei uns heimischen und in Wäldern, auf wüsten Plätzen, an Straßengräben u. s. w. in Masse wild wachsenden, viel geschmähten echten Brennessel , Urtica dioica. Diese Brenn- nessel besitzt eine Gewebefaser, welche der des Leins und der Ramié in nichts nachsteht, die Jute dagegen an Feinheit und Dauerhaftigkeit bei weitem über- trifft. Sie liefert einen feinen Bast, welcher, von den inkrustierenden Sub- stanzen befreit, nach dem Verspinnen und Verweben das von Kennern hoch- geschätzte feine Nesseltuch liefert. Die Stammpflanze, unsere gemeine Brennessel, Urtica dioica L ., kann die bedeutende Höhe von 2 m erreichen und daher auch eine ausnehmend lange Faser liefern; außerdem zeigten Kulturversuche, daß auch eine zwei- malige Ernte der Stämme möglich ist. Die von der Brennessel gewonnenen Fasern sind sehr fein, geschmeidig, weich, lang und hinlänglich fest. Die Verwendung derselben würde, das Problem der Gewinnung als günstig gelöst vorausgesetzt, für die Textil- industrie einen bedeutenden Gewinn vorstellen. Denn die Nesselfasern „ver- einigen in sich die Vorzüge der Bastfasern und der Baumwolle“ und könn- ten demnach zu den wertvollsten Textilien gerechnet werden ( Moeller ) J. Moeller , die Nesselfaser. Sonderabdruck aus der Polyt. Zeitg. 1883, Nr. 34 u. 35. . Hinderlich der Gewinnung und Verwendung ist aber die geringe Anzahl von Bastfasern, die in einem Nesselstamm enthalten ist und der innige Verband derselben mit den benachbarten Geweben. Die sorgfältig aus dem Stengelgewebe herauspräparierte Faser ist ziem- lich glatt, ohne Streifen, dagegen stets von starken Parenchymmassen be- gleitet. Der Spinnrohstoff dagegen besteht aus Fasern, die teils gerade, teils schief gestreift sind, Knickungen zeigen, oft wie ein Band plattgedrückt sind und durch die stellenweise auftretenden Verengerungen und plötzlichen Verbreiterungen gut charakterisiert sind. Die Verbreiterungen, die nicht etwa allein der Faserwand, sondern auch dem Lumen zukommen, treten auch häufig an den Enden auf, so daß diese eine merkwürdige, löffel- oder spatelförmige Gestalt besitzen; gewöhnlich sind die Enden stumpf, abgerundet und sollen auch (nach v. Höhnel ) eine gabelige Verästelung zeigen. Außen- und Innen- kontouren der Zellwand sind nicht etwa, wie bei der Jute ungleich laufend, sondern bleiben nahezu parallel, so daß die Mächtigkeit der Wand im allge- meinen sich nicht wesentlich verändert. Stark ausgeprägte Marken der auf den Fasern aufliegenden, krystalldrusenführenden Zellen (von quadratischem Umriß) verursachen stellenweise eine Querstreifung der Fasern, die sonach den Anschein haben, als wären sie von querlaufenden Poren durchzogen. Die meisten Fasern führen einen feinkörnigen, von Jod goldgelb gefärbten Inhalt. Verholzung ist nicht nachzuweisen, Jod und Schwefelsäure färben die Faser blau. In Kupferoxydammoniak wird sie rasch gelöst, nur die Innenhaut widersteht diesem Reagenz eine kurze Zeit, nachdem sie wulstig aufgequollen. Die Querschnitte zeigen einzelne Fasern oder nur wenige, meist 3 bis 6, selten bis 9 Fasern zu lockeren Gruppen vereinigt. Die Fasern erscheinen im Querschnitte länglich oder rundlich eiförmig, abgeplattet, auch einwärts gefaltet, aber niemals polygonal, und erinnern an Hanf; das Lumen ist länglich, zusammengedrückt, selten dreieckig; die Schichtung wird besonders nach Anwendung von Kali deutlich; als Breitenmaße findet Ha- nausek Real-Encyclopädie der ges. Pharmazie. Bd. VII. 30 bis 40 µ (nach v. Höhnel v. Höhnel , Mikroskopie. 70 µ, nach Moeller selbst 120 µ). Die mit Salzsäure gewonnene Faser zeichnet sich durch weiße Farbe und seidenähnliches Aussehen vorteilhaft aus, hat aber nach Moeller soviel an Festigkeit und Elastizität eingebüßt, daß sie gar nicht mehr hechelbar ist und der Baumwolle gleichkommt; aber auch das Röste- und das mechanische Verfahren zur Isolierung der Bastfasern bringt kein tadelloses Produkt zu- wege, so daß die Behauptung nicht ungerechtfertigt sein mag, von der Nessel könnte keine Faser erhalten werden, die mit Lein und Hanf an Länge und Gleichmäßigkeit zu konkurrieren vermag. Angesichts dieser bekannten Thatsache muß es recht sehr befremden, wenn die Nessel bei uns, statt gebaut zu werden, überall als lästiges Un- kraut angesehen und bekämpft oder ausgerottet wird. Es ist dies geradezu ein nationalökonomisches Verbrechen und zwar in zweierlei Beziehung, weil wir damit eine vorzügliche Textilfaser unbeachtet lassen, und weil die vielen Quadratmeter öden unbebauten Bodens bei der großen Anspruchslosigkeit der Nessel einen vorzüglichen Boden liefern würden. Möchte doch dieser Appell von den deutschen Landwirten beherzigt werden; es würde dann eine neue und wahrlich nicht zu unterschätzende vaterländische Industrie entstehen! § 17. Sonstige Gespinnstfasern. Mit den in den vorstehenden Paragraphen ausführlich behandelten Ge- spinnstfasern ist die Anzahl derselben noch keineswegs erschöpft. Vielmehr existieren noch eine ganze Anzahl von Fasern, welche für die Textilindustrie zum Teil von großer Wichtigkeit sind. Die daraus gefertigten Gespinnste und Gewebe haben jedoch für den Färber gar kein oder nur ein sehr unterge- ordnetes Interesse. Ich will dieselben daher hier nur kurz nach Namen, Abstammung und Verwendung aufführen. Unter Umständen können nach- folgende Fasern zum Färben kommen: 1. Manilahanf , die Bastfaser von Musa textilis, Musa paradisica. Musa sapientium, Musa troglodytarum, kommt aus Ostindien und den Inseln des indischen Archipels, vornehmlich von den Philippinen in den Han- del. Ein Stamm liefert 0,5 kg bräunlichgelbe bis gelblichweiße, etwas steife, sehr zähe, glänzende, gleichmäßige und glatte, 1,2 bis 7 m lange Fasern. Die hellen Fasern werden gehechelt und zu Garn versponnen, welches zu Glockenzügen, Markttaschen u. dergl. Geflechten (in Frankreich auch Shawls und Frauenhüten) verwendet wird. Die feinste Sorte Manilahanf wird neuerdings aber auch als Schußfaden für gröbere Möbeldamaste, sog. Fantasie- stoffe, verarbeitet, und könnte in dieser Form, zumal wenn mit Baumwolle verwebt, dem Färber doch leicht einmal vorkommen. — Der Manilahanf des Welthandels gilt als das beste Material für Seilerarbeiten. 2. Ananashanf , die Bastfasern der Blätter von Ananassa sativa Lind ., Ananassa semiserrata, Ananassa lucida und Bromelia Karatas L ., in Central- und Südamerika, ist eine feine, weiße, glänzende, bis 1½ m lange Textilfaser, welche in ihrer Heimat zu feineren Geweben verarbeitet wird. 3. Coir , die Bastfaser der Cocusnüsse, ist eine dicke, rotbraune, un- gemein zähe, feste, elastische, dabei sehr leichte, bis 30 cm lange Faser. Die auf Ceylon, Ostindien und dem indischen Archipel heimische Cocos- palme ( Cocos. nucifera L . ) ist die Mutterpflanze. Die faserige Frucht- rinde wird nach längerem Aufweichen in Wasser gewaschen, getrocknet und schließlich so lange geklopft, bis sie in die Fasern zerfällt. Diese werden gehechelt. Die Faserelemente sind kurz; zum Verspinnen benutzt man da- her einen Baumwollenfaden, um welche die Cocosfaser gesponnen wird; das Gespinnst ist das Cocosgarn . Die Cocosgarne werden vornehmlich zu Flechtwerk, Matten (Cocosläufer) und Teppichen verarbeitet und kommen als solche bei der Teppichgarnfärberei in Betracht. 4. Halfa , die Faser der Blätter des in Nordafrika und Südspanien heimischen Pfriemengrases, Stipa tenacissima L ., ist bis 50 cm lang, schwach gelblich gefärbt, biegsam und matt glänzend. Nach Romen werden Gewebe aus dieser Faser (Alfa- oder Halfagewebe) in Algier, Spanien und Frankreich gefertigt. Nach Moeller Real-Encyklopädie der ges. Pharmazie, Bd. V , S. 81. dagegen hat die Halfa als Spinn- faser keine Bedeutung. 5. Gambohanf . Unter diesem Namen versteht man drei verschiedene Gespinnstfasern, und zwar: a) Den Hibiscushanf , die gelblichweiße bis graugelbe, wenig glänzende und etwas verholzte Faser von Hibiscus canna- binus. b) Die Abelmoschusfaser von Abelmoschus esculentus, der vorigen durchaus ähnlich. c) Die Urenafaser , die weiße oder gelbliche, schön glänzende Bastfaser von Urena sinuata. Die nun folgenden Gespinnstfasern haben für die Färberei gar kein Interesse, sind minderwertig und werden vorzugsweise zu Seilerarbeiten ver- wendet. Hierher gehören: 6. Neuseeländischer Flachs , die Blattfaser von dem auf Neusee- land und der Norfolkinsel heimischen Phormium tenax Forst . 7. Sunnhanf , die Bastfaser von Crotolaria juncea. 8. Aloëhanf, Fiber , die Blattfaser verschiedener Agave -Arten. 9. Yuccafaser von Yucca gloriosa. 10. Bogenstranghanf von Sansevieria -Arten. Hier mögen gleich noch einige Fasermaterialien namhaft gemacht wer- den, an welche sich große Hoffnungen für ihre Verwendung in der Textil- industrie knüpfen. Erfüllen sich diese, so hat auch die Färberei ein direktes und sehr großes Interesse an diesen Textilfasern. Hierher gehören: 11. Die vegetabilische Seide , die 10 bis 30 mm langen, weißen, weichen, seidenartig glänzenden Samenhaare verschiedener Asclepias -Arten, sowie die Samenhaare von Calotropis gigantea. 12. Die sog. Wollbaumwollen oder Kapok . Die Länge der Kapok- fasern, welche entschieden als das beste pflanzliche Stopf- und Polstermaterial gilt und in den besseren Sorten den echten Dunen an Leichtigkeit und Elastizi- tät nicht nachsteht, beträgt 0,5 bis 2 cm; die einzelnen Fasern besitzen seidenartigen Glanz und meist gelbe bis braune Farbe. Ihre Steifheit und Kürze hindert ihre direkte Verwendbarkeit als Spinnmaterial, obwohl sie auch schon versuchsweise dazu benutzt wurden; indessen ist gerade die Starre der Bombaxwolle der Grund, weshalb sie so vorzüglich zu Polstermaterial geeignet ist. Ihr Preis schwankt zwischen ½ bis 2 Mark pro Kilogramm. Die Heimat der Kapokwolle ist Java, Indien und Ceylon. Die Stamm- pflanzen derselben sind die Gattungen Bombax, Eriodendron, Ochroma, Chorisia; von diesen ist die wichtigste Art: Eriodendron anfractuosum DC . In Amerika sind es Bombax Ceiba und heptaphyllum, welche Wolle liefern; in Westindien: Ochroma Lagopus Sw .; in Afrika: Bombax guinense und malabaricum, letztere Art ist auch in Ostindien vertreten. Die Wollbäume gehören auch noch deswegen zu den technisch interes- santesten und wichtigsten Gewächsen der Tropen, weil ihr Bast als Hanf verwendet werden kann, und ist es eben nicht unmöglich, daß auch die Wolle nach zweckmäßiger Behandlung als Textilfaser Verwendung finden kann. 13. Auch die Gespinnstfasern einiger amerikanischer Urticaceen, wie Laportea canadensis, und die Varietät Laportea pustulata Wedd ., deren Anbau in Sachsen versucht worden ist, liefern für die Praxis brauchbare Fasern, wenn sie auch in der Feinheit der Fasern unserer Nessel weit nach- stehen. § 18. Gemischte Gewebe. Als gemischte Gewebe sind alle diejenigen aus Gespinnstfasern herge- stellten Gewebe zu betrachten, bei denen die Kettenfäden und die Schußfäden nicht aus dem gleichen Fasermaterial bestehen. Der Zweck solcher gemischten Gewebe ist, ein wegen seiner besonderen Eigenschaften oder wegen seiner Kostbarkeit hochgeschätztes Fasermaterial mit einem anderen billigeren Faser- material derartig zu verweben, daß das neue Gewebe billiger wird, ohne dabei das äußere Aussehen eines einfachen Gewebes aus dem teureren Faser- material einzubüßen. Wie das erreicht wird, ist Sache der Weberei, und geht uns hier nichts an; aber welcher Art diese gemischten Gewebe sind, und in welchen Zusammenstellungen sie vorkommen kön- nen, das ist für den Färber zu wissen unbedingt notwendig . Ich führe deshalb die häufiger vorkommenden gemischten Gewebe nachfol- gend an Nach Hoyers „Lexikon der Verfälschungen“. : 1. Halbseide . Die Halbseidengewebe haben als Kette durchgängig Seide (Organsin), als Schuß dagegen Kammgarn (Mohair, Alpaco) oder Baumwolle. Hierher zählen: a) Halbtaffet mit Baumwolle als Schuß; Popeline, mit feiner Kammwolle als Schuß; Levantin, mitunter aus Baumwollkette; von Köperatlas haben die ganz geringen Sorten Baumwollgarn als Schuß; ein sammetartiges Halbseidengewebe ist der Halbseidenvelpel, bei dem der Grund des Velpels aus Baumwolle hergestellt wird; als gazeartiges Halb- seidengewebe ist der Barège bekannt, mit Kette aus feiner ungekochter Seide und Schuß von Kammwollgarn oder umgekehrt. 2. Halbwolle . Die Anzahl der halbwollenen Stoffe ist eine sehr große. Fast alle halbwollenen Stoffe setzen sich aus Wolle und Baumwolle zusammen; weit seltener aus Wolle und Seide; noch wenig gekannt — ein Kind der Neuzeit — ist ein Verweben von Wolle und Jute. In gewissem Sinne könnte man auch die mit Effektfäden aus Chinagras durchwebten Rock- und Hosenstoffe aus Kammgarn als Halbwolle betrachten, doch würde damit der oben gegebene Begriff eines gemischten Gewebes etwas verschoben. Bei vielen tuchartigen Zeugen besteht die Kette aus Baumwolle, der Schuß aus Streichgarn; hierher gehört der Flanell , glatt oder köperartig ge- webt, wenig gerauht oder geschoren und schwach gewalkt; der Kassinett , köper- oder atlasartig, mit Kette aus Baumwollgarn, Schuß aus Streich- wolle, weder gerauht, noch geschoren oder gewalkt, sondern nur heiß ge- preßt; Beiderwand (Halbwollenlama), Halbtuch, Halbwollenköper und Halbwollenmoleskin , aus Baumwollkette und Streichwollschuß, zum Teil wie Tuch behandelt, zum Teil wenig oder auch gar nicht gewalkt; Velours , oft mit Kette aus Baumwolle, stark gerauht und gewalkt, wenig geschoren. Kaschmiret ist ein gemischtes Gewebe, mit Kette aus Floret- seide und Schuß aus feinem Streichgarn, gerauht, gewalkt und geschoren, so daß der Köper noch erkennbar ist. Mindestens ebenso reichhaltig ist die Zahl der halbwollenen Gewebe aus Kammgarn. Hierher zählen: a) Zu den glatten Geweben: Wollmusselin , ein lockeres weiches Gewebe, oft mit Kette aus Baumwolle; Orleans , Kette aus Baumwoll- zwirn, Schuß aus Kammgarn; Rips , in der Regel aus Baumwoll- oder Streichwollkette, mit feinem Kammgarnschuß; Poil de chèvre oder Mo- hair aus Baumwollkette mit Kammgarnschuß. — Chaly ist eine Art Wollmusselin mit seidener Kette und Kammgarnschuß. — Moiree ist ein moiriertes glattes Gewebe mit Kette aus starkem Kammgarn und Schuß mitunter (aber nicht immer) aus Jute. b) Zu den geköperten Zeugen: Halbwollene Kaschmire mit seide- ner Kette und Merinowolle als Schuß; Bombasin , dem vorigen ähnlich, mit seidener Kette; Halbmerino ist dreibindiger Köper mit Baumwoll- kette und Kammwollschuß oder umgekehrt; Zanella ist ein fünffädiger Woll- atlas mit Kette aus Baumwollzwirn. c) Zu den gemusterten Zeugen: Halbwollener Damast mit Kette aus Baumwollzwirn. d) Zu den gazeartigen Geweben: Halbwollenbarège mit Kette aus gezwirntem Baumwollgarn und Kammgarnschuß. 3. Halbleinen . Die halbleinenen Gewebe setzen sich in den besse- ren Sorten aus Leinen einerseits, und Baumwolle oder Ramié (Nessel) andererseits zusammen; in den geringeren Qualitäten aus Leinen einerseits und Rohflachs (Werg), Hanf oder Jute andererseits. Die halbleinenen Ge- webe haben für die Färberei nicht das gleiche Interesse, wie die halbseidenen und halbwollenen Gewebe. Noch geringer ist das Interesse bei 4. Halbbaumwolle , wobei es sich gemeinhin um Mischungen von Baumwolle mit Nessel oder Hanf (Hedeleinen), Jute handelt. Die Kenntnis der gemischten Gewebe ist für den Färber deshalb so wichtig, weil er auf das Färben derselben oft nicht die einfachen Methoden anwenden kann, wie er sie bei einfachen Geweben ausübt, besonders dann nicht, wenn tierische und pflanzliche Fasern zusammen verwebt sind. Auf die Grundsätze, nach denen in solchen Fällen zu verfahren ist, komme ich im speziellen Teile ausführlich zu sprechen. § 19. Künstliche Gespinnstfasern. Als künstliche Gespinnstfaser bezeichne ich alle diejenigen Fasermateria- lien, welche auf mechanischem oder chemischem Wege oder auf beiden herge- stellt werden und welche in ihren physikalischen und chemischen Eigenschaften der natürlichen Faser soweit nahekommen, daß sie unter Umständen als Er- satz für dieselbe dienen können. Unter solchen Surrogaten ist nur die künstliche Wolle oder Kunstwolle von Wichtigkeit. Dieses Fabrikat ver- dient den Namen Kunstwolle eigentlich nicht, denn es ist keine künstliche Nachahmung der Wollfaser, sondern vielmehr eine aus Lumpen wiederge- wonnene Wolle. Die Franzosen bezeichnen sie daher sehr treffend mit laine de renaissance. Da heutzutage ein großer Teil unserer Wollwarenfabrikate zum Teil mit Kunstwolle hergestellt wird, und der Färber nicht selten (wahr- scheinlich öfter als ihm lieb ist) Kunstwolle in die Hände bekommt, die er aber wohl selten ohne weiteres für solche halten wird, so scheint es ange- zeigt, auf dieses Kapitel näher einzugehen. Zur Erzielung des Fabrikats schlägt man zwei völlig verschiedene Wege ein, ein mechanisches Verfahren auf trocknem Wege, und ein chemisches Ver- fahren auf nassem Wege. Man gewinnt so drei verschiedene Arten von Kunstwolle, welche den Namen Shoddy, Mungo und Extraktwolle führen. Shoddy und Mungo . Diese beiden Sorten werden aus alten Wolllumpen dargestellt, welche vor ihrer Verarbeitung aufs sorgfältigste sortiert werden müssen, indem zunächst alle nicht wollenen Bestandteile aus- geschieden werden. Die zurückbleibenden Wolllumpen gehen dann durch die Putzmaschine, wo sie von Staub und anderen anhaftenden Bestandteilen be- freit werden. Nun folgt ein Sortieren nach den Hauptfarben und dann ein Zerschneiden in kleine Stücke, wobei gleichzeitig alle nicht wollenen Bestand- teile (Nähfaden, seidenes Futter, Futterkattun u. dergl.) sorgfältig entfernt werden. Die so vorsortierten Lumpen gehen dann nochmals durch die Putz- maschine und werden abermals sortiert. Nach v. Wagner liefern 100 kg Rohlumpen etwa 70 kg sortierte Lumpen. Diese werden nun auf dem Lumpen- oder Reißwolf zerrissen und in lose Wollfasern verwandelt. Zur Shoddywolle werden nur die Lumpen von gestrickten oder lose gewebten, nicht gewalkten Wollwaren verwendet; die Verarbeitung solcher Lumpen be- darf keines so sorgfältigen Sortierens und gibt bei einer durchschnittlichen Ausbeute von beiläufig 50 Prozent eine Kunstwolle von längerem Stapel, welche vor dem Verspinnen noch einer weiteren Behandlung auf einer Vor- kratze oder Reißkrempel unterliegt, wobei sie einen kleinen Zusatz von Baumöl erhält. Die beste Sorte wird aus reinem Thibet gewonnen und muß recht lang gerissen sein. Die Langfädigkeit ist für das Spinnen ein großer Vor- teil. Im Handel findet sich diese Sorte unter der Bezeichnung T 1 . Die zweite Sorte, T 2 benannt, ist an Qualität etwas geringer und besteht aus Thibet und Tüchern , die dritte Sorte T 3 wird nur aus Tüchern ge- wonnen. Diese drei sind die guten Sorten des Shoddy. Die geringe- ren Sorten werden aus alten Möbelstoffen, Damast und grobem Rips hergestellt. Diese müssen vor ihrer Verarbeitung in einem Schwefelsäure- Ganswindt , Färberei. 6 bade von 6° B. recht heiß behandelt werden, um die in dem Stoffe ent- haltene Appretur zu entfernen und den Lappen einen gleichmäßigen Ton zu geben. Eine noch schlechtere Sorte wird aus alten Strümpfen gewonnen. Während die bisher besprochenen Sorten bei der Fabrikation trocken oder mit Oel (Oleïn) genetzt auf dem Shoddywolf zerrissen werden, werden die alten Strümpfe zuerst in Wasser eingeweicht , zerrissen und zuletzt auf einer Waschmaschine gewaschen. Man thut dies, um den in den Strümpfen enthaltenen, oft sehr festsitzenden Schmutz zu entfernen. Die Benennung für diese Sorte ist S 4 S. Die letzten Sorten des Shoddy werden aus altem Zuckertuch , alten Oelbeuteln , grobem Fries u. dergl. hergestellt. Die Behandlung ist dieselbe, wie die des Shoddy aus Strümpfen, d. h. wenn keine Oelbeutel vorhanden sind. Letztere werden in der Regel für sich zerrissen und bei Verarbeitung gleich grober Partien mit hineindroussiert. Das Droussieren müssen alle Shoddysorten durchmachen. Sie werden dadurch reiner und das Spinnen geht leichter und mit geringerer Abnutzung der Vorkrempeln vor sich. Zur Mungowolle können alle gewalkten und gewebten Stoffe ver- wendet werden; wie bei der Verwendung gewalkter Wolle nicht anders zu erwarten, ist das Produkt ein geringeres und von kurzem Stapel, auch wird sie vor dem Versandt nicht noch erst auf der Reißkrempel behandelt. Die Ausbeute an Mungowolle beträgt dann etwa 35 Prozent. Dieselbe wird teils aus demselben Material, teils aber aus geringeren Stoffen hergestellt. Der Unterschied zwischen Shoddy und Mungo liegt weniger in dem be- nutzten Material, als darin, daß der einzelne Faden bei Mungo weit kür- zer ausfällt als bei Shoddy. Es ist darum auch der Mungo wesentlich billiger als Shoddy. Allerdings besteht das Rohprodukt auch für Mungo aus den Resten von Tüchern, Thibet u. dergl.; es werden aber zum Shoddy möglichst große Stücke genommen, während man für Mungo nur kleine, ja sogar die kleinsten Stücke verwendet. Ein kleines Stück kann natür- lich keinen langen Faden geben und ist für Shoddy nicht mehr zu ge- brauchen. Die Mungos aus Thibet sind selten und werden auch weniger ver- langt, weil sie hoch im Preise stehen. Häufig und sehr gesucht sind die Mungos aus neuem und altem Tuche und neuen und alten Buckskins. Die einzelnen Farben dieser Materialien werden sortiert und die neuen von den alten Stücken getrennt. Blau (Militärblau) und Schwarz werden in neuen Lappen ungefärbt verarbeitet, um eine recht schöne Farbe zu erzielen. Da aber auch Blau sowohl wie Schwarz häufig nicht durchgefärbt ist, so nimmt man von jeder Sorte ⅓ und färbt es nochmals in derselben Art schwarz, wie man Kunstwolle zu färben hat. Für Schwarz färbt man ein kräftiges Blauschwarz , für Blau ein schönes volles Rotblau. Man nimmt zum Färben aber helle Lappen, z. B. Braun, Grau, Grün u. dergl. Sind die Lappen gefärbt, so werden sie getrocknet, gesiebt und unter die andern gemischt. Man übergießt dann jeden Centner dieser Lappen mit 5 kg Oleïn, wirft die Lappen gut durcheinander, damit das Oel sich überall gleichmäßig verteilt und wolft sie dann auf dieselbe Art wie Shoddy; nur sind die Stifte der schon oben beschriebenen Trommel des Wolfs enger zusammen- gestellt. Die Trommel für Mungo ist 35 cm breit, 1 m hoch und die bei- den Seiten mit eisernen geschmiedeten Reifen umspannt. Zwischen beiden Reifen sind der Breite der Trommel nach die Stifte angebracht und zwar 32 in jedem Reifen in derselben Ordnung wie beim Shoddy. Schon da- durch, daß die Stifte enger stehen, wird das Material viel kürzer zerrissen. Es ist dann aber auch schon soweit aufgelöst, daß es die Droussier- maschine nicht mehr zu passieren braucht, sondern gleich mit guter Wolle gemischt auf die Vorkrempeln kommt. Dem Mungo muß man dabei viel mehr gute Wolle zusetzen als dem Shoddy, um ein spinnfähiges Material zu erhalten, auch wird der Faden nicht so schön als der aus Shoddy ge- sponnene. Er erfüllt aber seinen Zweck, indem er besonders als Unterschuß für Doubles, Ratines, Flocones, wie für alle dergleichen schwere Stoffe be- nutzt wird. Extraktwolle . Die Extraktwolle wird aus den sortierten Lumpen durch das Zerstören der Pflanzenfaser auf chemischem Wege gewonnen. Das Verfahren beruht auf der merkwürdigen Thatsache, daß die vegetabilischen Fasern, mit heißer verdünnter Mineralsäure behandelt, morsch werden, resp. in Pulver zerfallen oder auch sich auflösen, während die Wolle nicht gelöst oder morsch wird, und scheinbar überhaupt nicht angegriffen wird. Das Verfahren ist durchgehends als Karbonisation bekannt, und wird in Fa- briken (Karbonisieranstalten) in großem Maßstabe betrieben. Ausführlicheres über dieses Verfahren habe ich bereits in § 5, S. 17—18, gesagt. Es werden also gewissermaßen die Lumpen extrahiert, Baumwolle, Leinen und Nessel werden gelöst, und die Wolle bleibt als Rückstand; daher der Name Ex- traktwolle. Eigenschaften der Kunstwolle . Wenn auch die auf eine der vor- stehend beschriebenen Weisen bereiteten Kunstwolle nichts anderes als Wolle ist, so wäre es doch ein verhängnisvoller Irrtum, sie bona fide als Wolle zu betrachten. Vom nationalökonomischen Standpunkte ist es gewiß zu billi- gen, wenn die Wolle aus Lumpen wieder gewonnen und von neuem nutzbar gemacht wird; auch vom rein chemischen Standpunkt wird sich nichts Ge- wisses dagegen sagen lassen. Es darf aber nicht vergessen werden, daß zwischen Wolle und Kunstwolle doch ein ganz gewaltiger Unter- schied ist . Die zur Bereitung von Kunstwolle verwendeten Lumpen, gleich- viel welcher Art, sind durchgehends schon gefärbt. Durch die mechanischen Operationen bei Bereitung von Shoddy und Mungo wird der Farb- stoff aus der Wollfaser nicht entfernt ; ebenso wenig werden hierbei die vegetabilischen Fasern vollständig entfernt, und die mikroskopische Be- trachtung der Wolle zeigt fast durchgehends noch Baumwolle und Leinen, nicht selten auch Seide als Bestandteile der Kunstwolle. Zudem ist die Be- handlung der Lumpen auf dem Reißwolf eine geradezu martialische. Bei der Extraktwolle dagegen geht die Wolle aus der Behandlung mit Säure durchaus nicht so intakt hervor, als allgemein angenommen wird, sie erleidet stets eine Einbuße an ihrer Weichheit und Milde: sie wird härter und rauher und läßt sich schwieriger verspinnen. Aus diesen Erwägungen geht unzweifelhaft hervor, daß die Kunst- wolle in keinem Falle mit neuer Wolle auch nur annähernd gleichwertig sein kann . Angesichts dieser Thatsache ist es nur zu be- 6* klagen, daß große Posten Kunstwolle mit und neben neuer Schafwolle zu Garn und Geweben verarbeitet wird. Für den Färber kommt hier noch besonders in Betracht, daß die Kunstwolle gegen Farbstoffe ein wesentlich anderes Verhalten zeigt und zeigen muß als neue Wolle . Ja, sie kann geradezu zur Pein werden, wenn der Färber Garne oder Gewebe zum Färben erhält, welche aus Wolle mit Kunstwollezusatz verwebt sind. Bei solchen Garnen und Geweben wird alle Kunst und Erfahrung auch des besten und gewandte- sten Färbers zu nichte. Das ungleiche Anziehen der Farben, das Fleckig- werden von Wollstücken beim Färben und noch eine ganze Anzahl solcher Fatalitäten hat seinen Grund in der Anwesenheit von Kunstwolle im Garn oder Gewebe. Daß der Färber hier eine gleichmäßige Farbe sehr häufig nicht erzielen kann , liegt auf der Hand; er wird aber gemeinhin für das Mißlingen verantwortlich gemacht werden, an dem er doch nicht die ge- ringste Schuld trägt. Unter Kunstwolle versteht man jedoch nicht allein die aus Woll- und halbwollenen Lumpen gewonnene Wollfaser, sondern auch die schlechtesten und billigsten Abgänge bei der Wollkämmerei, der Kamm- und Streichgarn- spinnerei, sowie den Krempelausputz, die Abgänge beim Rauhen ꝛc. Diese Abfälle werden auch wieder versponnen, aber man vermag nur etwa 30 Pro- zent des Gewichts an Garn daraus zu gewinnen. Während die eigentliche Kunstwolle sich zur Not bis zu Garnnummer 10 allein verspinnen läßt, erfordern die erwähnten Abfälle beim Verspinnen eines Zusatzes von frischer Wolle. Auch die Abgänge in den Vigognespinnereien werden zur Zeit durch eigene Spinnereien zu grobem Garne versponnen. Das Vorkommen von Kunstwolle in Garnen und Geweben neben neuer Schafwolle ist eine Quelle steten Aergers und das um so mehr, als der einwandfreie Nachweis der Kunstwolle sehr schwierig ist. Ueber den Nach- weis der Kunstwolle siehe den nächsten Paragraphen. Künstliche Seide . Versuche zur Herstellung einer künstlichen Seide sind mehrfach gemacht worden, aber ohne Erfolg. Dagegen sind die Versuche, vegetabilische Fasern mit einer Seidenlösung zu tränken, aller Beachtung wert. Ein recht vernunftgemäßes Verfahren ist das von P. Hosemann , welcher Seide in Alkalien löst, und die an- gefeuchtete vegetabilische Faser mehrmals durch eine konzentrierte Seidenlösung zieht, dann zwei Stunden auf ein starkes Schwefelsäurebad geht und schließ- lich gut spült. Die so behandelten Stoffe können gebleicht und gefärbt wer- den, wie Seide und verlieren ihren seidenartigen Charakter nicht. Neuerdings hat wieder ein Franzose Chardonnet sich ein Verfahren zur Erzeugung von Kunstseide patentieren lassen. Dieses Verfahren bezweckt nichts geringeres, als die in Kollodium gelöst enthaltene Nitrocellulose durch eine mechanische Operation in eine Gespinnstfaser zu verwandeln Ausführlicheres hierüber siehe „Deutsche Färberzeitung“ 1888, Nr. 9 u. 10. . Mir will das Verfahren noch nicht einleuchten. Wenn es auch wirklich gelingen sollte, durch Pressen durch ein feines Rohr oder Mundstück eine im halb- harten Zustande nach Belieben dehnbare Spinnfaser zu erzeugen, so möchte ich doch eindringlich davor warnen, diese Gespinnstfaser jemals praktisch zu verwerten, denn es ist ein Nitrokörper, der gegebenen Falls zu Explosionen Anlaß geben kann. Kosmosfaser , auch Kunstwolle, Laine artificielle genannt, ist ein in neuerer Zeit in den Handel gebrachtes wollähnliches Produkt, welches zur Bereitung ordinären Tuches verwendet wird; es wird aus den Abfällen des Flachses, des Hanfes und der Jute dargestellt. § 20. Geflechtmaterialien. Als Geflechtmaterialien bezeichne ich alle diejenigen Stoffe, welche weni- ger für sich versponnen, sondern nur in gewissen Fällen verwebt werden können, oder, falls sie hierzu nicht fein oder nicht weich genug sind, sich auch zu Geflechten verbinden lassen. Zu den Geflechtmaterialien der ersten Sorte rechne ich Gold- und Silberfäden, welche für besonders kostbare Ge- webe bisweilen verwendet werden; ferner Glasfäden und Asbestfäden. Als Flechtmaterial im vollsten Sinne aber ist das Stroh aufzufassen, welches in Form von Strohgeflecht (China- oder Mottledgeflecht) das Material für den weit ausgedehnten Zweig der Strohgeflechtfärberei bildet, deren Hauptsitz Dresden ist. Das Rohmaterial für die Strohflechterei ist das Weizenstroh von Triticum vulgare L . Die Strohflechterei wird in aus- gedehntem Maßstabe im sächsischen Erzgebirge betrieben. Nach beendeter Weizenernte, wobei das Getreide sorgfältig vor Nässe zu schützen ist, wer- den die Aehren abgeschnitten und die Halme so zerschnitten, daß die Knoten herausfallen. Alsdann wird das Stroh geschwefelt und zum Mürbewerden in Wasser gelegt. Nunmehr werden die erweichten Halme mittels eines schar- fen Instrumentes in schmale Streifen gespalten. Dann beginnt das Flech- ten, eine mühselige Arbeit, zu der vielfach Kinder herangezogen werden. Die Panamageflechte, welche gemeinhin nicht gefärbt werden, stammen von Carludovica palmata ab. § 21. Gewebeprüfung Der vorstehende Paragraph ist nur ein Auszug aus einer größeren Arbeit über das gleiche Thema, welches ich in der „Real-Encyklopädie der gesamten Phar- mazie“, Bd. IV , veröffentlicht habe. Dieser Auszug macht auf Vollständigkeit kei- nen Anspruch; er behandelt lediglich die in der Färberei wirklich vorkommenden Gespinnstfasern und soll nur die Wege weisen, auf welchen eine Untersuchung von Gespinnsten oder Geweben überhaupt zu erfolgen hat. Der Verf. . Sobald man die Art der Gespinnstfaser kennt, bietet das Färben der- selben durchschnittlich keine Schwierigkeit. Wesentlich anders aber gestaltet sich der Fall, wenn die Natur des Fasermaterials nicht bekannt ist, oder wenn das daraus gefertigte Garn oder Gewebe die Entscheidung zweifelhaft macht; noch schwieriger wird der Fall, wenn mehrere Gespinnstfasern in einem Gewebe verwebt sind; meist thut auch die Appretur der Schärfe ein- zelner Reaktionen Eintrag, so daß eine Gewebeprüfung selbst für den Fach- mann eine schwierige Sache bleibt. Die Gewebeprüfung hat zum Zweck die Feststellung der Gespinnstfasern, aus welchen das zu untersuchende Gewebe hergestellt ist. Eine derartige Untersuchung setzt ein solches Maß chemischer Vorkenntnisse voraus, wie es ein Färber wohl nur ausnahmsweise besitzen wird, und wie es von einem solchen auch nicht verlangt werden kann; sie erfordert ferner eine gewisse Uebung im Umgange mit dem Mikroskop, welche ein Färber durchschnittlich auch nicht besitzen wird. Wenn es sich also um eine wichtige Untersuchung handelt, so wird sich die Zuhilfenahme eines Apothekers oder eines Oberlehrers, welcher botanischen Unterricht erteilt, zu empfehlen sein. Dagegen ist es sehr wohl denkbar, daß eine einfachere Ge- webeprüfung auch von einem Färber allein ausgeführt werden kann, und zwar auf chemischem Wege. Dabei handelt es sich gemeinhin in erster Linie um die Unterscheidung animalischer Fasern (Wolle, Seide, Haar), von vege- tabilischen Fasern (Baumwolle, Flachs, Hanf, Jute, Nessel). Da jedwede animalische Faser stickstoffhaltig und von hornartiger Beschaffenheit ist, so zeigt sie beim Verbrennen den widerlichen Geruch nach ver- branntem Horn ; die vegetabilische Faser besteht aus fast reiner Cellulose, verbrennt daher ruhig ohne einen nennenswerten Ge- ruch . Tritt also der brenzlige Geruch auf, so ist das der sicherste Beweis, daß tierische Fasern vorhanden sind. Ob außer den tierischen Fasern auch noch eine Pflanzenfaser vorhanden ist, muß erst ein zweiter Versuch lehren: Starke Lösungen von Alkalien lösen animalische Fasern auf ( Schaf- wolle wird quantitativ gelöst ); vegetabilische Fasern bleiben ungelöst. Handelt es sich z. B. um Bestimmung lediglich von Wolle neben vegetabi- lischen Fasern, so genügt schon Behandlung mit verdünnter Kalilauge, in welcher sich Wolle vollständig löst, und Wägung vor und nach der Behand- lung; die Differenz gibt das absolute Gewicht der Wolle. Seide ist nur in ziemlich konzentrierter Kalilauge löslich und quillt in verdünnter Lauge unter teilweiser Lösung auf. — Verdünnte Mineralsäuren greifen animalische Fasern nicht oder fast nicht an, vege- tabilische Fasern werden dagegen in höherer Temperatur gelöst und zerstört , bei Anwendung von Schwefelsäure direkt verkohlt ; dieses Verfahren dient zu einem quantitativen Nachweis von vegetabilischen Fasern in Wolle durch Bestimmung der Gewichtsdifferenz. Eine sehr empfindliche Reaktion zur Erkennung der vegetabilischen neben animalischen Fasern hat Liebermann vorgeschlagen. Zu diesem Zwecke be- reitet man sich eine gesättigte wässerige Lösung von Fuchsin (salzsaurem Ros- anilin) und fügt zu derselben tropfenweise so lange Kali- oder Natron- lauge, bis dieselbe eben entfärbt ist. Hierauf gießt man die Flüssigkeit mit dem Niederschlage auf ein Papierfilter, und benutzt nun die durchlaufende farblose klare Flüssigkeit zur Prüfung. Taucht man in dieselbe ein gemisch- tes Gewebe, am besten in der Wärme, während einiger Sekunden ein und wäscht dasselbe hierauf mit viel Wasser, so nimmt die Schafwolle eine in- tensiv rote Farbe an, während die Baumwollfäden vollständig farblos er- scheinen. Das Verhalten von Seidenfäden in gemischten Geweben ent- spricht bei dieser Behandlung vollkommen jenem der Schafwolle. Zur Trennung von Schafwolle und echter Seide eignet sich am besten eine Behandlung mit kochender Salzsäure; während sich hierbei die Seide rasch auflöst, quillt die Schafwolle nur auf, wird jedoch nicht gelöst, so daß dieses Verfahren auch zur quantitativen Bestimmung der Bestandteile des Gewebes verwendet werden kann. J. Persoz beobachtete, daß sich die Seide in einer Lösung von basi- schem Chlorzink von 60° B. besonders leicht in der Wärme auflöse. A. Re- mont gründete, auf diese Thatsache gestützt, ein Verfahren zur quantitativen Bestimmung verschiedener Fasern in gemischten Geweben. In 200 ccm einer dreiprozentigen Salzsäure werden danach drei Proben des Gewebes, zu 2 g , behufs Entfernung der Appretur gekocht; dieselben werden dann gründlich gewaschen und ausgepreßt. Liegt ein gefärbtes Gewebe zur Beurteilung vor, so zeigt es sich, daß bei dieser Operation die Baumwolle den Farbstoff am raschesten, die Wolle langsamer und die Seide am schwersten abgibt. Zwei der so gereinigten Proben taucht man dann in eine siedende, aus 1000 Teilen Chlorzink, 850 Teilen Wasser und 40 Teilen Zinkoxyd hergestellte Lösung von basischem Chlorzink, wäscht dieselben hierauf zunächst in angesäuertem, dann in reinem Wasser gut aus und trocknet sie; der Gewichtsverlust ent- spricht der Menge vorhanden gewesener Seide. Wird die dritte Probe dann in 60 bis 80 ccm einer Natronlauge vom spez. Gewicht 1,02 während 15 Minuten auf 100° erhitzt, hierauf gewaschen und getrocknet, so zeigt der so entstehende Gewichtsverlust die Menge der vorhanden gewesenen Schaf- wolle an. Diesen Untersuchungsgang hat Remont in ein Schema gebracht, wel- ches ich seiner Uebersichtlichkeit wegen, nachstehend folgen lasse: Tritt beim Verbrennen eines Fadens ein Geruch nach verbranntem Horn auf, d. h. sind animalische Fasern vorhanden, so macht man noch eine Kontrollreaktion: man erhitzt einen Faden mit einem Stückchen Aetznatron; es muß Ammoniak entwickelt werden, welches durch einen mit Salzsäure befeuchteten Glasstab nachgewiesen wird. Es muß daran erinnert werden, daß beide Reaktionen die etwaige Anwesenheit der Baumwolle verdecken. Man erhitzt nun einige Fäden in obiger Chlorzinklösung: Mit einem etwaigen Rückstand verfährt man nach 3. 3. Es löst sich nichts in Chlorzink. Man taucht dann die Fäden, resp. das Ungelöste aus 2. in konzentrierte Natronlauge und erhitzt zum Sieden. Diese Tabelle ist durch Pinchon auf die Hauptfasern ausgedehnt und hat nach Muspratts „Technischer Chemie“ folgende Fassung: Untersuchungstabelle für tierische und pflanzliche Faserstoffe, nach Pinchon . A. Renouard stellte die verschiedenen Methoden zur Erkennung von Baumwolle neben Flachs in Leinwand zusammen. Da manche der ange- gebenen Erkennungsmittel wenig bekannt sein dürften, die Kenntnis derselben jedoch häufig von großem Nutzen sein kann, so muß es angezeigt erscheinen, die Arbeit von Renouard im Auszuge wiederzugeben. Die angegebenen Erkennungsmethoden sind folgende: 1. Das Gewebe wird mit einer Lösung von 1 Teil Aetzkali in 6 Teilen Wasser behandelt; hierbei kräuseln sich Leinen- fäden etwas mehr als Baumwollfäden und erstere werden gelblichorange, während letztere eine grünlichweiße Farbe annehmen (Methode von Kuhl- mann ). 2. Man kocht eine Probe des Gewebes mit einer Lösung von 1 Teil Aetzkali in 1 Teil Wasser durch zwei Minuten, wäscht hierauf und trocknet zwischen Filtrierpapier; die Flachsfäden werden tiefgelb gefärbt, während die Baumwollfäden höchstens strohfarbig werden (Methode von Böttger ). 3. Die Gewebeprobe wird zuerst mit Wasser ausgekocht, dann gespült und getrocknet, endlich durch 2 Minuten in konzentrierte Schwefel- säure eingelegt; man wäscht dann rasch in etwas verdünnter Kalilauge, spült mit Wasser ab, trocknet und vergleicht mit dem ursprünglichen Muster; bei diesem Verfahren wird die Baumwolle aufgelöst, während die Leinenfasern weiß und undurchsichtig bleiben, wodurch das so behandelte Gewebe ein dünne- res Aussehen erhält. 4. Die wie unter 3. gut mit Wasser ausgekochte und sorgfältigst getrocknete Gewebeprobe wird zum Teil in Glycerin oder Oel getaucht; letztere Flüssigkeiten steigen in den Kapillarröhrchen der Fäden in die Höhe und bewirken, daß die Leinenfäden transparent, die Baumwollfäden jedoch undurchsichtig werden (Methode von E. Simon ). 5. Die gut in Wasser gereinigte und getrocknete Gewebeprobe wird in eine konzentrierte Lösung von Zucker und Chlornatrium (Kochsalz) getaucht, getrocknet und in der Flamme verkohlt; die Flachsfasern erscheinen dann grau, die Baumwoll- fasern schwarz gefärbt (Methode von Chevalier ). 6. Proben des Gewebes werden in alkoholischen Extrakten von Cochenille oder von Krappwurzel ge- färbt; hierdurch wird Baumwolle hellrot, resp. hellgelb, Leinenfasern jedoch violett, resp. orange oder rot gefärbt (Methode von Bolley ). 7. Die ge- reinigte Probe wird in eine einprozentige Fuchsinlösung und hierauf durch 2 bis 3 Minuten in Ammoniakflüssigkeit getaucht; während hierbei Baum- wolle farblos bleibt, wird Leinenfaser rosarot angefärbt (Methode von Bött- ger ). 8. Endlich ist auch die mikroskopische Untersuchung das sicherste Mittel zur Erkennung der Baumwolle neben der Leinenfaser. Zwei praktisch brauch- bare Mittel zum gleichen Zwecke sind auch die nachfolgenden: 1. Baum- wollenfäden sind stets durchaus gleichmäßig in der Dicke, Leinenfäden be- sitzen jedoch immer Unregelmäßigkeiten in der Stärke; hält man den Stoff somit vor eine Kerzenflamme, so wird man an der Gleichmäßigkeit oder Un- gleichmäßigkeit der Fäden die Natur des Gewebes erkennen können. 2. Wer- den einige Fäden dem Gewebe entnommen und dieselben rasch zerrissen, so kann man an der Beschaffenheit der Rißstellen die Natur der Faser ebenfalls erkennen; Leinenfäden bleiben hierbei steif und glatt, während Baumwollfäden sich kräuseln und zersplittern. Selbstverständlich können die zwei letzterwähnten Erkennungs- mittel erst nach einiger Uebung ein einigermaßen sicheres Urteil zulassen. Die mikroskopische Untersuchung ist für Gespinnstfasern die ein- fachste und beste Prüfungsmethode; dieselbe gestattet die Erkennung und Fest- stellung der einzelnen Gewebefaser, sowie mehrerer nebeneinander auf einen einzigen Blick. Dabei braucht die Vergrößerung gar nicht einmal eine be- sonders große zu sein; im Mittel genügt eine 60 bis 80malige, für ein- zelne Fälle eine solche bis zu 200. Die mikroskopische Prüfung gewährt verhältnismäßig größere Sicherheit als die chemische, nur muß der Unter- suchende die mikroskopischen Bilder der einzelnen Fasern durch Uebung zuvor kennen lernen. In den vorhergegangenen Paragraphen habe ich die mikroskopi- schen Bilder bei den auch nur einigermaßen wichtigen Fasern dem Text beigefügt. Zur leichteren mikroskopischen Prüfung der Hauptfasern im Gewebe hat Schlesinger (Mikroskopische Untersuchungen der Gespinnstfasern, Zürich 1873) folgende Tabelle veröffentlicht: A. Die Faser zeigt ein deutliches Lumen : Zum Schluß sei noch einer Möglichkeit gedacht, die in der Praxis an den Untersuchenden herantreten kann: des Nachweises von Kunstwolle (Shoddy, Mungo, Extraktwolle) in Wolle. Diese Frage ist nur auf mikroskopischem Wege zu entscheiden, und zwar unterscheidet sich die Wollfaser von der Shoddy (aus Abfällen wiedergewonnener Wolle) durch ihr Aeußeres ziem- lich auffällig von der unversehrten Wollfaser. Durch die mechanischen Vor- richtungen, durch welche die Shoddywollfaser aus Abfällen getragener Kleidungs- stücke, Lumpen u. dergl., hergestellt wird, wird sie zerrissen, gedehnt, ge- quetscht; von früherer Bearbeitung her ist die Shoddywollfaser meist gefärbt (man sieht oft die verschiedensten Farben), oder zur Zerstörung der Farbe gebleicht; oft sind die Schuppen verloren gegangen, an anderen Stellen ist das Haar gezerrt. Nach Focke (Chem. Ztg. 1886, Rep. 189) ist die Frage, ob ein Gewebe aus Kunstwolle hergestellt wurde, mittels Mikroskopes leicht zu entscheiden. Bei solcher Untersuchung findet man meist neben Wolle und Baumwolle noch Leinen, Seide, öfters auch Jute, und erscheinen alle diese Fasern mehr oder minder mechanisch angegriffen, stellenweise gedrückt, übermäßig gestreckt und von sehr unreiner Farbe. In chemischer Hinsicht soll die Shoddywollfaser in starken Alkalien leichter und schneller löslich sein als die unversehrte Wollfaser ( Schlesinger ), welcher Behauptung v. Höhnel jedoch widerspricht. — Die quantitative Be- stimmung der Shoddy kann nur durch genaue Zählung und mikroskopische Messung vorgenommen werden. Ueberhaupt gehört die Untersuchung der Shoddy zu den schwierigsten mikroskopischen Arbeiten auf dem Gebiete der Gewebeunter- suchungen und kann nur von durchaus Geübten vorgenommen werden. Farbwarenkunde. § 22. Begriff und Einteilung der Farbstoffe. Unter Farbwaren oder Farbmaterialien werden alle diejenigen natürlich vor- kommenden oder künstlich erzeugten Stoffe verstanden, welche einen Farbstoff ent- halten und im stande sind, entweder für sich allein oder in Gemeinschaft mit an- dern Stoffen eine Farbe zu erzeugen und eine Gespinnst- oder Gewebefaser zu färben. Von einzelnen Autoren werden diese Körper auch mit dem direkten Namen „Farbstoffe“ belegt. Ich dagegen verstehe unter Farbstoff nicht das Farbmaterial selbst, sondern das daraus isolierte färbende Prin- zip . Für den Zweck dieses Handbuches kommt es auf eine so haarspalterische Erklärung übrigens nicht an. Ich will mich daher auch in Zukunft des land- läufigeren, wenn auch meiner Ansicht nicht ganz richtigen Ausdrucks Farb- stoffe für Farbmaterialien bedienen. Die Zahl der zum Färben sich eignenden Stoffe ist eine viel größere, als die meisten wohl glauben; von der großen Menge ist jedoch nur eine verhältnismäßig kleine Anzahl wirklich in Verwendung gezogen und die Ent- wickelung der chemischen Farbstoffindustrie sorgt dafür, daß die von der Natur dargebotenen, bislang noch nicht benutzten Farbwaren wohl auch in Zukunft unbenutzt bleiben werden. Um in die immerhin noch große Zahl der Farb- waren ein System zu bringen, wollen wir dieselben einteilen in 1. Natürliche Farbstoffe , d. h. solche, welche uns die Natur liefert, und welche je nach ihrer Herkunft wieder sich einteilen lassen in a) tierische Farbstoffe, welche das Tierreich liefert, b) pflanzliche Farbstoffe, welche von Pflanzen abstammen, c) mineralische, welche das Mineralreich liefert. 2. Farbstoffpräparate , welche aus den natürlichen Farbstoffen mittels chemischer Methoden gewonnen werden. 3. Künstliche Farbstoffe , welche durch besondere chemischen Vorgänge aus anderen Chemikalien gewonnen werden. Diese Einteilung in natürliche und künstliche Farbstoffe wird sich selbst- redend nur so lange aufrecht erhalten lassen, als es nicht gelingt, die natür- lichen auch künstlich zu gewinnen, was bei einer kleinen Anzahl ja bekannt- lich vollauf gelungen ist. 1. Natürliche Farbstoffe . § 23. Tierische Farbstoffe. Farbstoffe in dem von mir oben angedeuteten engeren Sinne liefert das Tierreich, soweit das Interesse der Färberei davon betroffen wird, eigentlich nur einen: die Karminsäure , das färbende Prinzip in der Cochenille, dem Kermes und Lac-dye. Unter Umständen ist auch die Euxanthinsäure hier- her zu zählen, das färbende Prinzip des Purrée. Von tierischen Produkten für Färbereizwecke sind vier zu erwähnen, welche zwar heute bei weitem nicht mehr die Wichtigkeit haben, wie ehedem, immerhin aber doch noch hier und da gebraucht werden, und daher hier nicht unerwähnt bleiben dürfen. 1. Die Cochenille. Was unter dem Namen Cochenille als kleine dunkelbraunrote, zusammengeschrumpfte, außen weißlich bestäubte Körner in den Handel kommt, sind die getrockneten Weibchen der ursprünglich in Mexiko und dem nördlichen Südamerika einheimischen Cochenillelaus oder Nopalschildlaus , Coccus Cacti, welche auf verschiedenen Cactus-Arten, vornehmlich auf Cactus Opuntia L ., der Nopalpflanze, lebt, außerdem aber auch in Mexiko, Guatemala, Honduras und auf den Canarischen Inseln in den sog. Nopalerien gezüchtet wird. Das Einsammeln der Cochenille findet kurz vor dem Absetzen der Brut statt ( Husemann ), indem man sie mit Pinseln, Federn oder Messern von den Pflanzen entfernt, auf untergelegten Tüchern oder in Schalen sammelt, durch heiße Wasserdämpfe, durch trockene Hitze oder durch Eintauchen in siedendes Wasser tötet und dann trocknet. Die Zahl der Ernten ist in Mexiko 3, in Teneriffa 2 im Jahre. Aus der verschiedenen Art der Trocknung ergeben sich die verschiedenen Handels- sorten , von denen die geschätzteste als Zaccatilla bekannt und fast schwarz und ohne den silbergrauen Reif ist; eine gleichfalls hoch im Werte stehende Sorte ist die Mesteque oder Mestica , eine geringere Sorte heißt Gra- nilla . Die von anderen Autoren erwähnte Wald- oder wilde Cochenille, welche von wild wachsenden Cactus-Arten gesammelt wird, kommt nach Husemann im europäischen Handel nicht vor. Die Cochenille unterliegt wegen ihres hohen Preises mannigfacher Ver- fälschung, weshalb auf ihr Aussehen genau geachtet werden muß. Die Nopalschildlaus besitzt oft einen aus einem tierischen Wachs bestehenden zar- ten reifähnlichen silbergrauen Ueberzug; man hat sich daher gewöhnt, die silberweiße Cochenille als die beste Handelsmarke zu betrachten. Das trifft jedoch nicht immer zu. Durch Anwendung hoher Hitzegrade beim Trocknen schmilzt die dünne Wachsschicht und zieht sich in den Tierkörper ein, der dann rotbraun bis schwarz erscheint, ohne daß dadurch der Handelswert beeinträchtigt wird; es gibt daher selbst eine schwarze Zaccatille, welche nebst der silberweißen zu den besten Handelsmarken gehört. Uebrigens wird die silberweiße Be- stäubung auch bei echter Cochenille vielfach künstlich nachgeahmt, durch Be- stäuben mit Stärke, Bleiweiß, Zinkoxyd, Talk, Kreide und Schwerspat. Ja, man ist sogar so weit gegangen, Cochenille überhaupt künstlich nachzuahmen . Um sich vor solch künstlicher Cochenille zu schützen, schüttelt man einige Körner mit Chloroform: echte Cochenille schwimmt darauf, ver- fälschte sinkt unter. Um sich zu überzeugen, ob bei echter Cochenille der silbergraue Ueberzug natürlich oder nachgeahmt ist, schüttelt man mit Aether: der echte löst sich darin auf, der nachgeahmte bleibt ungelöst. — Das färbende Prinzip der Cochenille ist die Karminsäure oder das Coccusrot , wel- ches in Wasser, Alkohol und Ammoniak löslich ist. Der Wert der Coche- nille richtet sich nach ihrem Gehalt an Karminsäure; die verschiedenen Au- toren geben den Gehalt der Cochenille an Farbstoff sehr verschieden an; so Pelletier zu 50 Prozent, Mène zu 26 bis 33 Prozent, Liebermann (1885) nur zu 10 Prozent. Außerdem enthält die Cochenille noch viel Fett, Wachs (½ bis 4 Prozent), Gallertstoffe, ca. 4 bis 8 Prozent Wasser und 3 bis 6 Prozent Asche. Eine Cochenille, welche beim Trocknen mehr als 8 Prozent Wasser verliert, ist als in betrügerischer Absicht mit Wasser beschwert anzusehen; desgleichen ist eine mehr als 6 Prozent Asche hinter- lassende Cochenille als mit mineralischen Stoffen beschwert zu verwerfen. Auch scheint im Handel eine durch Extraktion ihres Farbstoffes teilweise beraubte Cochenille vorzukommen; eine solche Cochenille besitzt ein geringeres spezifisches Gewicht und ist durch die oben erwähnte Chloroformprobe nicht zu erkennen. Aus dem Gesagten geht hervor, daß man beim Einkauf von Cochenille mit größter Vorsicht zu Werke gehen muß, um sich vor Ueber- vorteilung zu schützen. Das sicherste Mittel ist die Feststellung des Farb- stoffgehalts, entweder durch die Methoden von Penny oder durch Probe- färben. Bei der Methode von Penny zerreibt man 1 g Cochenille ganz fein, gießt eine Lösung von 5 bis 6 g Aetzkali in 20 ccm Wasser darauf, läßt damit 1 Stunde lang an einem lauwarmen Orte stehen, verdünnt mit Wasser bis auf 100 ccm , und versetzt dann so lange mit einer Lösung von 1 g rotem Blutlaugensalz in 99 g Wasser, bis die Purpurfarbe in Gelb- braun übergegangen ist. Die Anzahl der Kubikcentimeter der Blutlaugensalz- lösung, verglichen mit der Anzahl von Kubikcentimetern, welche zur Zerstörung des Farbstoffs einer Lösung von garantiert reiner oder bekannter Cochenille benötigt werden, gestattet einen Vergleich zwischen der Färbekraft der be- kannten und der zu prüfenden Sorte. — Beim Probe färben färbt man Strähne von Wolle von ca. 5 g Gewicht nacheinander so lange, bis das Bad erschöpft ist. Dann färbt man einen Teil der Strähne scharlach- rot (mit 1 g Cochenille, 2 g Weinstein, 2 g Zinnkomposition und so viel Wasser, daß die Wolle untertaucht), die andere Hälfte karmoisin- rot (mit 1 g Cochenille, ¾ g Weinstein und 1½ g Alaun). Zur Beur- teilung des vergleichungsweisen Wertes der zu prüfenden Cochenille muß man sich zuvor eine Normal-Cochenille-Ausfärbung mit Cochenille von anerkannter Güte herstellen und diese Strähne zum Vergleich sowohl hin- sichtlich des Farbentones wie der Ausbeute aufbewahren. Die Cochenille diente früher hauptsächlich zum Scharlach- und Karmoisin- färben von Seide und Wolle, sowie zum gemischten Druck auf Wolle; heute ist sie durch die Azofarben und Eosine fast völlig verdrängt, und dient nur noch in der Wollenfärberei zum Färben der roten Militärtuche, bei denen die Verwendung von Azofarben nicht gestattet ist, sowie zum Färben von Karmoisin und Scharlach auf Wolle. Hierüber siehe im speziellen Teil. Seit 1876 hat sich der Verbrauch von Cochenille auf ¼ reduziert. Neben ihrer Verwendung als Farbstoff direkt dient die Cochenille noch zur Her- stellung einiger in der Färberei gebrauchter Präparate (Cochenille-Präparate; 1. Ammoniakalische Cochenille und 2. Cochenillelack (Groseillelack und Ponceaulack. S. Farbstoffpräparate). Unter dem Namen Cochenille wurden auch noch zwei andere Sorten Schildläufe angewendet, und zwar: a) Porphyrophora polonica Br . (Coccus polonica), die deutsche oder polnische Cochenille , auch Johannisblut genannt; sie lebt von der Wurzel mehrerer Pflanzen ( Scleranthus, Herniaria, Hieracium ) in Deutsch- land, Polen und Rußland, ist größer als die echte Nopalschildlaus, enthält denselben Farbstoff, wie jene, aber in geringerer Menge, und ist daher minderwertig. b) Porphyrophora Duhamelii Br ., armenische oder Wurzel- Cochenille ; lebt von der Wurzel von Poa pungens in Armenien. Beide Sorten waren früher mehrfach in Verwendung, sind jetzt aber fast vollständig außer Gebrauch. 2. Der Kermes. Der Kermes, auch Kermesbeeren Der grundfalsche Name Kermesbeeren kommt daher, daß man den Kermes anfänglich für die Früchte oder Beeren des Baumes hielt, auf denen das Insekt lebt. , Kermeskörner, Scharlachkörner, Purpurkörner, Karmoisinbeeren, besteht aus den getrockneten Weibchen der Kermes - oder Karmoisinschildlaus , Lecanium Ilicis Ill . (Coccus Ilicis L . ), welche sich in Südeuropa und im Orient an den Zwei- gen, seltener an den Blättern von Quercus coccifera L . vorfindet. Die Gewinnung des Kermes wird in ganz der gleichen Weise gehandhabt, wie bei der Cochenille, und zwar findet dieselbe kurz vor dem Absetzen der Brut statt, vor Sonnenaufgang und mittels Abkratzens mit den Nägeln; nach dem Sammeln werden sie mit Essig oder Wein befeuchtet und an der Sonne ge- trocknet. In dieser Form stellt der Kermes pfefferkorn- bis erbsengroße, kugelige, braunrote, hier und da schwärzlich gefleckte, glänzende, glatte, teils hohle, teils im Innern mit einer roten pulverigen Masse angefüllte Körner vor, welche ein karmoisinrotes Pulver geben, bitter schmecken und den Speichel violettrot färben, in Wasser aufquellen und dieses karmoisinrot, Alkohol mehr gelbrot färben. Beim Kochen mit Wasser erhält dieses eine rote Farbe, welche durch Säuren braun, durch Alkalien violett wird. Die chemische Zusammen- setzung entspricht der Cochenille, doch ist der Farbstoff in weit geringerer Menge vorhanden. Kermes, war im Altertum, als man die Cochenille noch nicht kannte, der einzige hochgeschätzte Farbstoff, um Scharlach zu färben. Heute wird er nur noch im Morgenlande zum Färben der Kopfbedeckungen (Türkenkappen) verwendet; im Abendlande ist der Kermes durch andere Farbmaterialien längst verdrängt. 3. Lac-dye oder Lacklack. Das unter diesem Namen in den Han- del kommende Farbmaterial ist nur indirekt tierischer Abstammung, insofern es aus dem Körner- oder Stocklack gewonnen wird, welche durch den Stich der Lackschildlaus , Coccus Lacca Kerr ., einer in Ostindien auf verschie- denen Pflanzen ( Ficus indica, Ficus religiosa, Croton cocciferum, Mimosa corinda u. a. m.) lebenden Schildlausart, auf diesen Pflanzen gebildet wird. Der Körner- oder Stocklack ist das nach dem Auskriechen der jungen Brut zurückbleibende Gehäuse oder Nest; es stellt ein mit Karminsäure rot ge- färbtes Harz vor und bildet so das Ausgangsmaterial zur Bereitung des Schellacks, wobei das Lac-dye als ein den roten Farbstoff des Körnerlacks enthaltendes Nebenprodukt gewonnen wird. Zu seiner Gewinnung wird der Stocklack mit verdünnter Sodalösung extrahiert und die filtrierte Lösung mit Alaun gefällt. Der Niederschlag wird ausgepreßt, getrocknet und in vier- eckige Stücke geformt. Das Lac-dye ist also ein richtiger Farblack und als solcher weiter unten behandelt. In dieser Form enthält Lac-dye ca. 50 Prozent Karminsäure, 20 Prozent Thonerde und 30 Prozent Harz. Der Lac-dye wird vornehmlich in der Wollenfärberei angewendet, und zwar mit Zinnsalz zusammen zur Erzeugung von Scharlach, ist aber fast ganz durch Anilinfarben verdrängt. 4. Purrée. Dieses ist ein aus Indien und China kommendes Roh- material von höchst zweifelhafter Abstammung und enthält als gelb färbendes Prinzip die Euxanthinsäure , an Magnesia gebunden, in Form seiden- glänzender, gelblicher, in Wasser, Alkohol und Aether in der Wärme leicht löslicher Nadeln. Ueber die eigentliche Herkunft ist etwas Verläßliches bis- her nicht zu erfahren gewesen; es soll nach Stenhouse in der Hauptsache aus dem Harne von Kameelen, welche mit den Blättern von Mangostana magnifera gefüttert worden sind, gewonnen sein. Weitere zuverlässige Nach- richten über dasselbe fehlen bis jetzt. § 24. Charakteristik der pflanzlichen Farbstoffe. Unendlich mannigfaltiger, als die Anzahl der Farbmaterialien, welche das Tierreich liefert, ist die Zahl der Farbstoffe, welche pflanzlichen Ursprungs sind; ja, wir könnten mit Fug und Recht von einer Unzahl sprechen, denn die Pflanzenwelt bietet uns eine fast unerschöpfliche Menge von Stoffen, welche entweder 1. in der lebenden Pflanze bereits als wirkliche Farbstoffe vorgebildet sind, bisweilen auch erst beim Absterben der Pflanze oder des betreffenden Pflanzenteils entstehen; oder 2. in der Pflanze noch nicht als Farbstoff enthalten sind, sondern als meist gänzlich farblose Körper, welche erst durch irgend welche chemischen Pro- zesse, bisweilen schon durch bloßes Stehen an der Luft (Sauerstoffauf- nahme), sich in Farbstoff umwandeln. Erstere werden dann auch allgemein als Pflanzenfarbstoffe , die letzteren dagegen als Chromogene bezeichnet. Als Beispiel gilt für die Pflanzenfarbstoffe der Safflor, welcher in den Blüten als solcher enthalten ist, für die Chromogene das Indican, jener farblose Pflanzensaft, welcher in der Indigopflanze enthalten ist und erst durch Oxydation den Indigo zu bilden vermag. Nicht alle in den Pflanzen vorhandenen Farbstoffe sind jedoch technisch verwendbar. Unter diesen für Färbereizwecke unverwendbaren steht obenan das Chlorophyll oder Blattgrün ; ebenso ist der gelbe und rote Farb- stoff der Blätter (welche Farben diese vornehmlich im Herbste zeigen), tech- nisch nicht verwendbar. Die für unsere Zwecke wichtigen und verwendbaren Farbstoffe finden sich nur ausnahmsweise in der ganzen Pflanze gleichmäßig verteilt, sondern in der bei weitem größern Mehrzahl auf einzelne Pflanzenteile beschränkt; doch sind mehr oder minder alle pflanzlichen Organe befähigt, Farbstoffe zu bilden oder in sich aufzuspeichern. Je nach dem Aufbewahrungsorte des Farbstoffes oder des Chromogens in den Pflanzen verwendet man daher in der Färberei: a) Wurzeln . Hierher zählen: Krapp, Curcuma, Alkannawurzel, Morindawurzel, Sauerdorn- oder Berberitzenwurzel, Datiscawurzel, Granat- wurzel und Rhabarber. b) Hölzer : Blauholz, Fernambukholz, Sandelholz, Sappanholz, Bar- wood, Camwood, Gelbholz, Fisetholz, Berberitzenholz. c) Rinden : Quercitron, Lokao, Roßkastanienrinde, Kreuzdorn- und Faulbaumrinde, sowie die Rinden der Erle, Platane, Pappel, Weide, Eiche und Walnuß. d) Blätter : Stechpalme, Bignonienblätter (Chica), Datiscablätter, Sumach. e) Stengel : Hirsenstengel, Buchweizen, Sorghum. f) Blüten oder Blütenteile: Safflor, Malve, Monarda, Safran. g) Früchte oder Fruchtteile : Gelbbeeren, Orlean, chinesische Gelb- schoten, Kreuzdorn, Kermesbeeren, Myrobalanen, Knoppern, Walnußschalen, Dividivi, Bablah, Harmala, Kamala. h) Ganze Pflanzen : Waid, Wau, Scharte, Ginster. i) Flechten : Orseille, Lackmus, Persio ( Cudbear ), Tournesol. k) Eingetrocknete Pflanzensäfte : Indigo, Catechu, Aloë. l) Auswüchse auf Pflanzen : Galläpfel. m) Harze : Drachenblut. Mit den vorstehend aufgezählten Farbwaren ist die Anzahl derselben keineswegs erschöpft; vielmehr könnte ich noch eine sehr große Anzahl von Farbmaterialien namhaft machen, welche schöne und zum Teil wertvolle Farbstoffe enthalten, und auch vereinzelt angewendet werden. Insbesondere sind hier die gelben Pflanzenfarbstoffe reichlich vertreten, vornehmlich in der Wurzel, der Rinde, Blättern und Blüten. Ebenso liefern eine ganze An- zahl von Pflanzen indigoähnliche Farbstoffe; selten dagegen ist die Zahl der roten Farbstoffe. Da die oben versuchte Einteilung nach den Pflanzenteilen, in denen der Farbstoff enthalten ist, eine scharfe Abgrenzung nicht ermöglicht, da ein solcher bisweilen gleichzeitig in Wurzel und Stengel, in Stengel und Blät- tern, in Rinde und Blüten ꝛc. sich vorfindet, so werde ich im weitern Verlaufe der Schilderung der vegetabilischen Farbwaren dieselben nach den Farben, welche sie erzeugen, einteilen . Der Einfachheit hal- ber habe ich auch die gerbstoffhaltigen Farbmaterialien pflanzlicher Herkunft gleich hier hineingezogen, da ihre Abtrennung eine unnatürliche gewesen sein würde. Die vorbenannten Farbmaterialien kommen fast sämtlich als die be- treffenden Pflanzenteile (resp. ganze Pflanzen) in den Handel, also in einer Form, welche den eigentlichen Farbstoff nur in gewissen Mengenverhältnissen enthält; seltener wird die Rohdroge gleich am Gewinnungsorte in eine für praktische Ausnützung verwendbare Form gebracht und kommt dann als Halbfabrikat in den Handel, z. B. Orlean, Orseille, Persio ꝛc. Wahr- scheinlich ist auch das Bestreben vorhanden gewesen, den eigentlichen Farb- stoff in eine Form zu bringen, in welcher er in konzentrierterer Form in den Handel kommt, als wie in der Rohdroge; hierhin zählen die sog. Prä- parate , z. B. die verschiedenen Krapppräparate, und die Extrakte , welche bereits den Uebergang zu den künstlichen, aus natürlichen Farbstoffen durch chemische Methoden gewonnenen Farbstoffen bilden. § 25. Allgemeines über Farbhölzer. Zu den bekanntesten und am meisten verwendeten vegetabilischen Farb- waren gehören die Farbhölzer. Es sind dies mit Ausnahme des Fisethol- zes und des Sauerdorns außereuropäische, meist exotische Stammhölzer, oder ausnahmsweise Wurzelhölzer, welche in ihrer Anwendung durch die Teer- farben bisher nicht haben verdrängt werden können, obgleich sie durchgehends keine besonders lebhaften und auch keine besonders echten Farben liefern. Nichtsdestoweniger spielen sie auch heute noch eine bedeutende Rolle in der Herstellung der Modefarben, worunter alle jene Farben begriffen sind, welche sich aus den vier Hauptfarben Rot, Gelb, Grün und Blau, sowie deren Mischfarben mit Grau, Braun und Schwarz ergeben. Die Farbstoffe der Farbhölzer sind entweder als solche in ihnen fertig gebildet in freiem Zustande vorhanden, oder in Form von Chromogenen, welche unter Sauerstoffaufnahme, bei Berührung mit der atmosphärischen Luft oder in Berührung mit andern Oxydationsmitteln, erst in Farbstoffe übergehen. In einigen Farbhölzern scheinen sowohl Farbstoffe als auch Chromogene gleichzeitig vorhanden zu sein. Dieser Umstand scheint darauf hinzuweisen, daß auch die in den Farbhölzern vorhandenen Farb- stoffe keineswegs ein direktes Produkt des pflanzlichen Lebens vorstellen, sondern vielmehr erst als ein Oxydationsprodukt des betreffenden in dem Farbholze enthaltenen Chromogens zu betrachten sind . Mit andern Worten: die Oxydation des Chromo gens zu Farbstoff geht in dem Holze selbst vor sich, und zwar in dem Maße, als die in einem jeden Holze vorhandene Luft, entsprechend schnellerer oder langsamerer Durchlüftung, ihren Sauerstoff ganz oder teil- weise an das Chromogen abzugeben vermag. Durch das wechsel- seitige Mengenverhältnis zwischen Chromogen und Luft er- klärt sich zwanglos das Vorkommen sowohl von Farbstoff allein (der Prozentgehalt an Chromogen war dann entweder so wenig bedeutend, oder die Luftzufuhr so reichlich, daß alles Chromogen oxydiert werden konnte) als auch von Farbstoffen neben Chromogen (in diesem Falle reichte der Luftsauerstoff nicht zur Oxydation des gesamten Chromo- gens hin). Nach dieser meiner Theorie würde sich dann für die Farbhöl- zer folgende Definition ergeben: Farbhölzer sind in der Färbereitechnik verwendete Hölzer, welche sich durch einen Gehalt an einem entweder ganz oder nur zum Teil in den zugehörigen Farb- stoffen um gewandelten Chromogen auszeichnen . Alle in den Farbhölzern enthaltenen Farbstoffe sind sog. saure Farb- stoffe ; sie besitzen keine direkte Verwandtschaft zur Gewebefaser, lassen sich dagegen mit Beizen fixieren. Die Farbhölzer kommen in Blöcken, Knütteln, Stücken oder Scheiten in den Handel und bedürfen vor ihrer Verwendung einer Zerkleinerung. Ganswindt , Färberei. 7 Im kleinen geschieht das durch Spalten, Hobeln, Sägen oder Schneiden, im großen durch mit Dampf betriebene Farbholzraspeln oder -Mühlen. Das so gewonnene Holz ist feingeschnittenes, geraspeltes oder gemahlenes Holz; als Abfall werden Späne, Locken, Pulver ꝛc. erhalten. Fermentation. Vor der Verwendung werden manche Farbhölzer noch einem eigenen Prozeß unterworfen, welchen man als Fermentieren bezeichnet. Allgemein ist das Fermentieren von Blauholz verbreitet, doch werden hierbei viele Fehler gemacht, die den Wert der Fermentation mit- unter recht zweifelhaft machen. Folgendes Verfahren sei zur Anwendung empfohlen: Auf 100 kg trockenes zerkleinertes Holz nimmt man 30 kg rei- nes weiches Wasser und bringt dieses mit einer feinen Brause auf das circa 5 cm hoch ausgebreitete Holz, wobei man ganz gleichmäßig anfeuchtet. Dann schaufelt man das Holz auf einen hohen Haufen und tritt es fest. Nach 14 Tagen, oder sobald Erwärmung eintritt, wird der Haufen aufgestochen, wie oben ausgebreitet und abermals und zwar mit 10 kg Wasser pro 100 kg Holz angefeuchtet und wieder auf einen Haufen geschaufelt. Nach acht Tagen ist das Holz zum Färben fertig. Man beachte hierbei folgendes: 1. Das Holz muß an einem dunklen, mit guter Lüftung versehenen Ort gelagert sein, am besten eignet sich hierzu ein Keller. 2. Ammoniakgase sind sehr schädlich, deshalb vermeide man in der Nähe der Fermentation Pferdeställe, Senkgruben, Aborte ꝛc., wo sich immer Ammoniakgase bilden. Zum Anfeuchtungswasser ist jeder Zusatz, wie Soda, chromsaures Kali, Lauge, Urin ꝛc., zu vermeiden, da eine Unterstützung der Oxydation durch vorbenannte Mittel, wenn sie auch die Dauer des Prozesses abkürzt, nur auf Kosten einer teilweisen Zerstörung des Farbstoffs durch Ueberoxydation er- folgt. Letzteres ist durch L. Brühl Deutsche Färberzeitung 1888, Nr. 12. durch Parallelversuche bewiesen wor- den. Das Wasser zum Anfeuchten muß rein sein, vor allem frei von Kalk- salzen, besonders schwefelsaurem Kalk sein, am besten verwendet man hierzu Kondensationswasser. Die Fermentation dauert so drei Wochen; schneller erreicht man dieses durch Anwendung von Leimwasser. Für 100 kg Holz löst man in 30 kg Wasser 2 kg guten Leim auf und feuchtet hiermit das Holz sehr gleichmäßig an. Die Temperatur des Wassers muß mindestens 20° R. sein, die Temperatur des Lokales, in dem die Fermentation vorgenom- men wird, soll nicht unter 15° R. sein. Durch den Leimzusatz erreicht man eine schnellere Fällung des Holzgerbstoffes und ist die Fermentation in 3 bis 5 Tagen beendet. Der hierzu verwendete Leim muß frei von Alaun und anderen Beizen sein. Zur Beschleunigung der Fermentation haben Dahl \& Comp . in Barmen einen Apparat (Fig. 14) sich patentieren lassen (D. R. P. Nr. 42322), welcher geringeren Raum und Arbeit beansprucht und außer- dem die Gefahr starker Erwärmung vollständig vermeidet. Durch stetige Zuleitung von 30° warmer, mit Feuchtigkeit gesättigter Luft wird unter fortwährendem Umwenden des geraspelten Holzes die Gärung in etwa 48 Stunden zu Ende geführt, bezw. das Holz in die für die Färberei und Extraktfabrikation geeignete Form gebracht. Der Apparat besteht aus einer eisernen Trommel a und einem im Innern derselben konzentrisch angebrach- ten, mit Siebwandung versehenen Cylinder b. Die Trommel hat auf der inneren Fläche mit Siebboden versehene Kanäle d , welche die ganze Trom- mel durchziehen. Durch eine Achse strömt feuchte Luft ein, wird durch das Sieb b gleichmäßig verteilt, durchdringt die in K liegende Füllmasse und tritt dann durch die Kanäle d und die hohle Achse e aus. Der Appa- rat ruht auf Rollen f und auf Lagerböcken, und kann in drehende Be- wegung gesetzt werden, zu welchem Zwecke er mit einem Triebwerk h ver- sehen ist. An der Mantelwandung sind Mannlochöffnungen zweckentspre- chend angeordnet zum Füllen und Entleeren des Apparates. Fig. 14. Der Ausdruck „Fermentation“ ist jedenfalls unglücklich gewählt, denn eine Gärung findet dabei nicht statt. Der Prozeß bezweckt weiter nichts als eine thunlichst vollständige Ueberführung des Chromogens in den be- treffenden Farbstoff, und eine Lockerung in der Struktur des Holzes, welche ein leichteres und vollständigeres Ausbringen des Farbstoffes ermöglicht. Ich brauche wohl nicht besonders hinzuzufügen, daß in den Fällen, wo ein Farb- holz kein Chromogen mehr enthält, auch die Fermentation überflüssig ist. Die Farbhölzer dienen vielfach direkt zum Färben, andererseits zur Bereitung der Farbholzextrakte, indem man den Hölzern auf verschiedene Methoden den Farbstoff entzieht, und die Brühen bis zur Extraktdicke ein- engt. Die Wertbestimmung eines Farbholzes richtet sich nach der Menge des in dem Holze enthaltenen Farbstoffes, nicht aber nach der Extrakt- menge oder nach dem spezifischen Gehalt der Farbholzbrühen , denn in diese Brühen gehen noch verschiedene Stoffe über, welche den Ex- traktgehalt und das spezifische Gewicht erhöhen, ohne den geringsten Färbe- wert zu besitzen. Ausführlicheres über die Beurteilung des Färbewertes der Hölzer findet sich in dem hochinteressanten Artikel von L. Brühl „Farb- hölzer und Farbholzextrakte“ (Deutsche Färberzeitung 1888, Nr. 9, 10 und ff.). 7* I. Rote Farbmaterialien . § 26. Rothölzer. Als Rotholz kommen mehrere Hölzer verschiedener Abstammung zur Verwendung und zwar: 1. Fernambukholz , das von Rinde und Splint befreite Kernholz von Caesalpinia echinata Lamarq . und C. crista L . aus der Familie der Leguminosae. 2. Sappanholz oder Japanholz von Caesalpinia Sappan L . 3. Lima- oder Nicaraguaholz von C. bijuga Sw . 4. Brasiletholz von C. brasiliensis Sw . und C. vesicaria. 5. Sandelholz von Pterocarpus sautalinus aus der Familie der Papilionaceae. 6. Camwood oder Barwood von Baphia nitida Lodd . aus der Familie der Papilionaceae. Diese sechs verschiedenen Farbhölzer lassen sich bequem in zwei Kate- gorien bringen. Die vier ersten Hölzer Romen erwähnt noch vier andere Arten in diese Kategorie gehöriger Rot- hölzer: Nakacaguaholz, Bahiaholz, Kaliforniaholz, Terrafirmaholz, über deren Ab- stammung etwas Verläßliches nicht bekannt ist. enthalten sämtlich das Chromogen Brasilin , C 16 H 14 O 5 , welches zum kleineren Teile sich bereits in den zugehörigen Farbstoff Brasileïn , C 16 H 12 O 5 , umgewandelt hat. In reinem Zustande bildet das Brasilin kleine farblose Krystallnadeln, deren wässerige Auflösung allmählich ins Karmoisinrote übergeht; das Chromogen verwandelt sich dabei, besonders schnell in Siedetemperatur und bei Anwesenheit von Alkalien, in den eigentlichen roten Farbstoff, Brasilein. Letzteres bildet in reinem Zustande kleine dunkle Krystalle von grauem Metallglanz, welche sich in heißem Wasser rosenfarbig lösen. Diese Lösung besitzt orangene Fluorescenz. Die unter 5 und 6 genannten Sandel und Camwood enthalten da- gegen das Chromogen Santalin , C 8 H 7 O 3 , welches teils in den zugehöri- gen Farbstoff Santaleïn , C 8 H 6 O 3 , bereits übergegangen ist. Daß über- dies auch die beiderseitigen Chromogene und die Farbstoffe dieser Gruppe in naher chemischer Beziehung zu einander stehen, zeigt ein Blick auf ihre chemischen Formeln. Das Chromogen scheint ein Hydrobrasilin C 16 H 14 O 6 = C 16 H 13 (OH) O 5 zu sein, und es wäre demnach die oben angegebene Formel C 8 H 7 O 3 zu verdoppeln. Fernambukholz Der Name stammt von der Stadt Fernambuco in Brasilien, in deren Nähe der Baum viel vorkommt. , Pernambuk, Brasilienholz, Guilandinaholz, im tropischen Amerika heimisch, ist außen gelbbraun, innen hellrot; es ist schwer und hart, schwimmt nicht auf dem Wasser; die teuerste und beste Sorte. Sappanholz , Japanholz, ostindisches Rotholz, in Japan, China, auf Ceylon und den Inseln des indischen Archipels heimisch, eine minder ge- schätzte Sorte infolge eines geringeren Gehaltes an Farbstoff. Die beste Handelsmarke heißt Japan-Limas. Limaholz , Nicaraguaholz, St. Marthaholz, Pfirsichholz, kommt aus Centralamerika und von der Nordküste Südamerikas; es besitzt tiefe Furchen, hat eine schmutzigrote Farbe und zeigt oft noch die innere gelbliche Rinde. Brasiletholz , Bahamasholz, gelbes Brasilienholz, die geringste Sorte, kommt von den Antillen und Bahamainseln, ist sehr hart, im Bruche hellrot und besitzt nur wenig Farbstoff, welcher ins Braune fällt. Sandelholz , rotes Sandelholz, kommt von Ceylon und Ostindien; es kommt in gespaltenen Scheiten von geradfaserigem Gefüge oder in vier- eckigen Stücken in den Handel, ist sehr hart, auswendig dunkelrot, innen heller. Das Pulver, unter dem Namen Flugsandel bekannt, ist hellrot, locker, wollähnlich weich. Als Ersatz des Holzes, aber keineswegs als iden- tisch, wenn auch hinsichtlich der Färbekraft etwa gleichwertig, dienen das Kalia- turholz und das Madagascarholz . Das Sandelholz soll 16 Prozent Santalin enthalten. Barwood kommt von der Westküste Afrikas, aus Sierra Leone und anderen Punkten; Camwood , Kammholz, Gabanholz, kommt eben daher. Manche machen einen Unterschied zwischen Barwood und Camwood, Andere halten sie für gleichbedeutend. Barwood und Camwood werden vornehmlich in England angewandt; das Holz soll 23 Prozent Santalin enthalten und eine intensivere Färbung geben, als alle übrigen Rothölzer. Der Farbstoff der Rothölzer löst sich leicht in heißem Wasser; eine Rotholzabkochung be- sitzt eine rein rote Farbe, welche durch Säurezusatz in gelb, durch Alkalien in violett bis blau umgeändert wird; durch Zufügen von Alaun geht die Farbe des Absuds in ein feuriges Rot über, fügt man dann noch Soda hinzu, so entsteht ein Brasilin-Thonerdelack; Kaliumdichromat gibt eine braune, ins oliv spielende, Eisenvitriol eine grauviolette bis schwarze Farbe. Die Rothölzer geben durchgehends keine besonders echten Farben, wenn für sich allein angewendet; sie werden daher fast durchgängig zur Herstellung von Mischfarben, vornehmlich Braun und Modefarben, und zum Nüancieren be- nutzt und geben dann dauerhafte Färbungen. Ueber die Art der Verwen- dung siehe im speziellen Teil. Der Handelswert der Rothölzer richtet sich nach ihrem Gehalt an Farbstoff, welcher mit Sicherheit nur durch Probe- färben festgestellt werden kann. § 27. Krapp. Der Krapp ist ein Farbmaterial, bestehend aus der Wurzel der Färber- röte . Unter diesem Namen sind verschiedene im südlichen Europa und in Asien heimische Pflanzen begriffen, als vornehmlichste die eigentliche Färber- röte, Rubia tinctorum L ., denen aber auch noch verschiedene andere Rubia- Arten, Rubia peregrina L ., R. Munjista Rxb ., R. cordifolia, R. angustifolia, R. lucida sich anschließen; auch andere zur Familie der Rubiaceae gehörige Gattungen, z. B. Galium, Asperula, Crucianella, werden als Krapp liefernde Pflanzen genannt. Diese Pflanzen wurden früher in ausgedehntem Maß- stabe in Frankreich, Elsaß, Holland, Bayern, Belgien angebaut; heute aber ist der Krappbau bis auf geringe Reste zum Erliegen gekommen. Die Wurzel ist 10 bis 25 cm lang, wenig ästig und etwas stärker als ein Feder- kiel. Sie ist auswendig braun, innen gelbrot. Der orientalische Krapp kommt fast stets als ganze Wurzel, manchmal von der Außenrinde befreit, in den Handel; die europäische Krappwurzel wird gemeinhin gemahlen und erscheint in dieser Form als ein grobes, gelbrotes, stark und eigentümlich riechendes Pulver, welches vor Luft- und Lichtzutritt sorgfältig geschützt werden muß. Handelsbezeichnungen und Handelssorten. Die von der brau- nen Außenrinde nicht befreite Wurzel, bei der die Epidermis also mit ver- mahlen ist, heißt unberaubter Krapp, die von der Epidermis befreite Wurzel beraubter Krapp; die letztere Sorte enthält weniger verun- reinigende Substanzen und mehr Farbstoff, ist daher eine bessere Sorte . Die Abfälle von dem Vermahlen der Krappwurzeln, insbesondere die Wurzel- fasern, die Epidermis, ein Teil der holzigen Bestandteile der Wurzel, Wurzel- staub u. dergl. heißen Mullkrapp und sind unterwertig. Je nach ihrer Herkunft unterscheidet man: Türkischer Krapp : Lizari, Alizari, Smyrnakrapp, galt früher als der echteste und schönste. Das in der Türkei und Kleinasien damit gefärbte Rot gab die Veranlassung zur Bezeichnung „Türkischrot“. Jetzt findet er in Europa kaum oder nur noch beschränkte Anwendung. Französischer Krapp : Avignoner Krapp, französischer Alizari; er ist der geschätzteste und führt den Namen Palud ; er wird auf kalkhaltigem Boden gebaut und zeichnet sich durch einen Kalkgehalt aus, welcher für Farbzwecke von Bedeutung ist, was 1730 schon von Hausmann entdeckt, und später von Köchlin und Schlumberger bestätigt wurde. Holländischer Krapp ; früher nach dem französischen der geschätzteste; seit der technischen Verwendung des Alizarins in der Färberei sind die Kul- turen in Holland fast ganz eingegangen. Russischer Krapp : Marena; früher im Kaukasus lebhaft angebaut; auch diese Kulturen befinden sich im Rückgange. Elsasser und Pfälzer Krapp ; vornehmlich in der Umgegend von Straßburg und Hagenau gebaut. Schlesischer Krapp und Röte ; in Schlesien gebaut. Röte ist der einjährige schlesische Krapp, der je nach der Zeit seiner Einsammlung als Sommer-, Herbst- oder Winterröte unterschieden wird. Obgleich minderwertig, werden diese Krappsorten doch noch gebaut, und, was fast verwunderlicher erscheint, auch noch vielfach gebraucht. Die Krappfarbstoffe . Die Eigenschaft, rot zu färben, verdankt der Krapp zwei Farbstoffen, dem Alizarin und dem Purpurin . Diese sind nicht als solche im Krapp frei enthalten, sondern sie existieren, mit Zucker chemisch verbunden, als sog. Glycoside, oder in Form ihrer Glycoside. Das Glycosid des Alizarins ist aber die im Krapp fertig vorkommende Rubery- thrinsäure . Außer diesem findet sich im Krapp noch ein in Wasser lös- liches, stickstoffhaltiges Ferment, ein Gärungserreger, das Erythroxym ; werden nun die Krappabkochungen der Luft ausgesetzt, so spaltet sich unter dem Einflusse des Erythroxyms die Ruberythrinsäure in Alizarin und Zucker; das Erythroxym selbst beteiligt sich an der Zersetzung nicht; der Prozeß verläuft dann nach Rochleder folgendermaßen: Ruberythrinsäure Wasser Alizarin Zucker Das Purpurin soll sich nach Rosenstiehl nicht in Form seines Glycosids, sondern in Form einer Carbonsäure im Krapp vorfinden, welche er als Pseudopurpurin bezeichnet, und die sich beim Erwärmen mit Wasser in Purpurin und Kohlensäure spalten soll. Der Prozeß würde verlaufen: Pseudopurpurin Purpurin Kohlensäure Durch die klassischen Arbeiten von Graebe und Liebermann ist der Beweis erbracht, daß diese beiden Farbstoffe Abkömmlinge des Anthracens sind, und unter sich in der nächsten chemischen Beziehung stehen, denn Alizarin ist Dioxyanthrachinon C 14 H 6 O 2 (OH) 2 , Purpurin ist Trioxyanthrachinon C 14 H 5 O 2 (OH) 3 . Das Alizarin wurde schon vor längerer Zeit von Runge, Roch- leder, Schunk u. a. aus dem Krapp dargestellt; 1869 haben Graebe und Liebermann dasselbe aus dem Anthracen künstlich dargestellt und da- mit den unwiderleglichen Beweis geliefert, daß die in der Natur vor- handenen Farbstoffe auch künstlich darstellbar seien . Die im Krapp fertig vorkommenden Ruberythrinsäure , früher von Runge Krappgelb genannt, repräsentiert einen gelben Farbstoff, welcher in gelben Prismen krystallisiert, sich in heißem Wasser, in Alkohol und Aether mit goldgelber Farbe löst, und unter dem Einflusse des Erythroxyms sich in Alizarin und Zucker spaltet, wie oben angegeben. Alizarin (Runges Krapprot) bildet in reinem wasserfreiem Zustande orangerote Nadeln, welche bei 290° schmelzen, unzersetzt sublimieren und sich in Wasser fast gar nicht, dagegen in Alkohol, Aether, in Alkalien, besonders in Natronlauge, leicht, in warmem Wasser nur sehr wenig lösen. Das technische Alizarin, mit dem der Färber zu arbeiten hat, ist ein ziemlich dicker Teig von gelbbrauner Farbe, welcher außer dem reinen Ali- zarin noch zwei weitere Farbstoffe enthält, Anthrapurpurin und Flavopur- purin. Im Krapp sind diese beiden letzteren nicht enthalten. Purpurin (Runges Krapppurpur), welches sich neben Alizarin so- wohl als solches, als auch in Form von Purpurinhydrat und Purpurincarbon- säure (Pseudopurpurin, s. oben) vorfindet, bildet in reinem Zustande kirsch- rote Krystalle, welche sich gegen Lösungsmittel genau wie das Alizarin ver- halten. Außer den genannten Bestandteilen enthält der Krapp noch zwei wei- tere Anthracenabkömmlinge, welche zum Alizarin gleichfalls in direkter Be- ziehung stehen, nämlich Xanthopurpurin , ein dem Alizarin isomerer Kör- per, C 14 H 6 O 2 (OH) 2 , und Munjistin , eine Carbonsäure von der Formel C 14 H 5 O 2 (OH) 2 · COOH , welche zum Alizarin in demselben Verhältnis steht, wie das Pseudopurpurin zum Purpurin. Xanthopurpurin und Munjistin sind jedoch keine Farbstoffe, da sie mit Beizen sich nicht zu unlöslichen Farb- lacken vereinigen. Bei fast allen früheren Autoren findet man als Bestandteil des Krapps noch einen Körper Rubiacin, von Runge als Krapporange bezeichnet, ohne daß aus der betreffenden Litteratur etwas über die Natur dieses Körpers zu ersehen wäre. Runge und nach ihm Grothe betrachten den Körper als einen wirklichen Farbstoff; die neueren Arbeiten von Graebe, Lieber- mann, Rosenstiehl thun des Rubiacins keine Erwähnung; es ist daher wohl schwerlich ein eigener Körper und man wird nicht fehlgehen, wenn man denselben als eine Ruberythrinsäure betrachtet, welche erst zum Teil in Alizarin übergegangen ist, gewissermaßen als eine Mischung aus Rubery- thrinsäure und Alizarin. Anwendung. Durch Kochen gehen die im Krapp enthaltenen chemi- schen Verbindungen der Farbstoffe in Lösung; das Absud wird von Thonerde- salzen rosa bis rötlichbraun, von Eisensalzen violett bis schwarz gefällt; durch gleichzeitige Anwendung von Thonerde und Eisen lassen sich die verschieden- sten braunen bis braunschwarzen Töne erzeugen; Chromoxydbeizen liefern eine grüne Farbe. Der Krapp fand früher eine weit ausgedehnte Anwen- dung zur Erzeugung von Türkischrot, sowie zur Hervorrufung von Schwarz und Braun. Er war in früheren Zeiten eines der hauptsächlichsten und in großen Mengen verbrauchten Farbmaterialien und wurde daher vielfach ver- fälscht. Jetzt, nachdem der Krapp nach Entdeckung des künstlichen Alizarins fast ganz verdrängt ist, hat er für die Färberei nicht mehr annähernd die frühere Bedeutung. Ehedem wurden aus dem Krapp auch eine große Anzahl von Krapp- präparaten hergestellt, in welchen sich die Krappfarbstoffe in konzentrierterer und reinerer Form vorfanden: Garancin, Garanceux, Krappkohle, Krapp- blume, Krapplack, Azale, Pincoffin, Krappextrakt, Colorin, Alizarin tincto- riale, Rochlederin, grünes Alizarin. Die meisten dieser Präparate haben heute nur noch ein historisches Interesse. Heute hat nur noch das Garan- cin einige Bedeutung; dieses wird als ein technisches Produkt unter den Farbstoffpräparaten abgehandelt werden. Prüfung und Wertbestimmung. Für diejenigen, welche noch heute mit Krapp arbeiten, gebe ich in nachstehendem einige Anhaltepunkte für die Wertbestimmung. Unverfälschter Krapp darf zwischen den Zähnen nicht knirschen, und, in Wasser geworfen und schnell umgerührt, nicht sofort einen Bodensatz liefern. Ist das der Fall, so ist er mit Ziegelmehl, Ocker, gel- bem Sand oder Thon vermischt. Er darf ferner beim Trocknen nicht wesent- lich an Gewicht einbüßen, andernfalls ist er mit Wasser beschwert. Zusätze organischer Natur, wie Sandelholz, Sappanholz, Sägespäne, Kleie, Eichen-, Birken- oder Fichtenrinde, erkennt man durch das Mikroskop. Ein Zusatz von gebrauchtem Krapp kann nur durch Probefärben festgestellt werden. Näheres über Krappfärberei siehe im speziellen Teil. § 28. Safflor. Unter Safflor versteht man die getrockneten Blumenblätter der Färber- distel, Carthamus tinctorius L ., einer einjährigen, zu den Compositen ge- hörigen und in Nordafrika und Asien heimischen, in Aegypten, Ostindien, Kleinasien, Spanien, im Elsaß, in Oesterreich und Thüringen gebauten Pflanze. Sobald die Blütenköpfchen aufbrechen, müssen auch die Blumenblät- ter thunlichst von Staubfäden und Kelchblättern befreit, ausgezupft werden. Im Handel kommen mehrere Sorten vor: Aegyptischer Safflor , Alexandriner Safflor, die farbstoffreichste Handelsmarke, kommt in dunkelrotbraunen Massen vor. Ostindischer Safflor , bildet bis 150 kg schwere, innen rosenrote Kuchen oder kleine runde Brote. — Bei der vorigen wie bei dieser Sorte werden die Blumenblätter mit Wasser geknetet, wodurch sie dunkler werden. In Aegypten trocknet man den gewaschenen Safflor zwischen Matten im Schatten, bei Nacht ohne Bedeckung; in Ostindien preßt man ihn noch und formt daraus die Kuchen oder Brote. Spanischer Safflor , aus Andalusien und von Valencia kommend, riecht sehr stark, ist locker und von dunkelroter Farbe. Deutscher Safflor , die geringste Sorte; die Blumen kommen ohne weitere Vorbereitung in den Handel. Safflorfarbstoffe . Der Safflor enthält zwei Farbstoffe, einen in Wasser leicht löslichen gelben, das Safflorgelb, ohne technisches Interesse (es zersetzt sich an der Luft sehr schnell unter Bräunung), und einen roten, in Wasser unlöslichen, in warmem Alkohol etwas löslichen, das Safflorrot oder Karthamin oder Rouge végétale. Beim Kneten des Safflors mit Wasser wird der gelbe Farbstoff entfernt; daher enthält der ägyptische und ostindische auch fast nur Karthamin und ist daher wertvoller. Das Karthamin, C 14 H 16 O 7 , wird neuerdings rein dargestellt und kommt als Teller- oder Tassenrot , in feiner, reinster Form als Safflorkarmin in den Handel. Näheres siehe Farbstoffpräparate. Anwenduug . Der Safflor wird auch heute noch in der Seiden- und Baumwollenfärberei, seltener in der Wollenfärberei verwendet; die mit Safflor erzeugten Rosafärbungen sind sehr unbeständige, sollen aber immer- hin noch beständiger sein, als die mit Eosin, Magdalarot oder Safranin ge- wonnenen. Die Prüfung und Wertbestimmung ist die gleiche wie beim Krapp. § 29. Orseille und Persio. Diese beiden gehören in die Klasse der Flechtenfarbstoffe , welche Flechten ihren Ursprung verdanken. Orseille und Persio sind nicht ein und dasselbe Farbmaterial, aber sie stammen von den gleichen Flechten ab und geben beim Färben den gleichen Farbenton. Beide werden aus einigen Arten der Gattung Roccella gewonnen (R. tinctoria DC ., R. fuciformis DC ., R. Montagnei Bel ., R. phycopsis Achar .), welche am Cap Verde auf den Cap-Verdischen Inseln, den Azoren ꝛc. gesammelt werden. Auch einige an- dere Flechtengattungen (Lecanara, Usnea, Unceolaria, Gyrophora, Ramalina Evernia, Variolaria) lieferten Orseille und Persio, in neuerer Zeit benutzt man in Frankreich jedoch fast nur die erstgenannten. Alle diese Flechten kommen unter den Namen „Krautorseille“ oder „Erdorseille“ in den Handel. Gewinnung. Die gesammelten Flechten werden gereinigt, getrocknet, dann in Trommeln gepulvert oder auf Mühlen gemahlen. Das erhaltene Pulver wird mit faulem Urin zu einem dicken Brei angerührt, dieser der Luft ausgesetzt und unter jeweiligem Zusatz von gebranntem Kalk und Durch- rühren der Masse der Fäulnis überlassen. Der Kalkzusatz hat den Zweck, das im faulenden Harn enthaltene kohlensaure Ammoniak in Aetzammoniak umzuwandeln. Nach acht Tagen ist eine lebhaft violettrote Farbe erzeugt, welche nach 14 Tagen noch schöner wird; dabei entwickelt sich ein eigen- tümlicher veilchenartiger Geruch. Nach Grothe sollen auch bisweilen — zur Erzielung anderweiter Nüancen — Salmiak, Salpeter, Alaun oder arsenige Säure zugesetzt werden. Nach 4 bis 6 Wochen ist die Farbe voll entwickelt. Dieses rötliche, veilchenähnlich riechende, alkalisch schmeckende Produkt ist die Orseille des Handels Diese vorsündflutliche Methode sollte man doch lieber durch eine einfachere und zeitgemäßere ersetzen: Extrahieren der Flechten mit verdünnter kalter Natronlauge, und Fällen mit Salzsäure. Man erhält so die Flechtensäuren als weißen Nieder- schlag, welchen man nur in ammoniakalischem Wasser zu lösen und der Luft aus- zusetzen braucht, um direkt zu den reinen Farbstofflösungen zu gelangen. Der Verf. . Wird der Teig an warmer Luft, oder im Schatten in dünnen Schichten ausgebreitet, getrocknet und in ein feines Pulver verwandelt, so entsteht der Persio oder Cudbear, oder roter Indigo, ein rötlich-violettes Pulver. Der Persio wird vornehmlich in Süddeutschland, Frankreich und England fabriziert. Orseillefarbstoffe . Das färbende Prinzip der Orseille und des Persio ist das Orceïn . Dieser Farbstoff ist in den Flechten nicht fertig ge- bildet, sondern bildet sich erst während der Fäulnis. Die Flechten nämlich, welche zur Darstellung von Farbstoffen dienen können, enthalten sämtlich eine bestimmte Menge diesen Flechten eigentümlicher Säuren, welche den Namen Flechtensäuren führen und die, je nach der Flechte, von der sie stammen, bezeichnet werden als Lecanorsäure, Evernsäure, Erythrinsäure, Usninsäure u. s. w. Diese Flechtensäuren spielen in den Flechten aber nicht die Rolle eines Chromogens, sondern sie bilden erst den Aus- gangspunkt zur Entwickelung des Chromogens . Die Produkte, welche die verschiedenen Flechtensäuren beim Kochen mit Wasser liefern, sind sehr verschiedener Art; allen gemeinsam ist das Orcin , C 7 H 8 O 2 , das eigentliche stickstofffreie Chromogen der Flechten; dasselbe bildet sich unter Wasseraufnahme oder unter Wasserabspaltung und fast stets unter Abspal- tung von Kohlensäure. Nach den neuesten Forschungen ist das Orcin ein Toluolderivat und zwar Dioxytoluol. Bei der Gärung der Flechten mit Urin wird z. B. die Lecanorsäure zuerst durch Wasseraufnahme in Orsellin- säure verwandelt: Lecanorsäure Wasser Orsellinsäure; diese zerfällt dann weiter in Orcin und Kohlensäure: Orsellinsäure Orcin Kohlensäure. Das Orcin aber verwandelt sich in Gegenwart von Ammoniak und unter Mitwirkung des Luftsauerstoffs in das stickstoffhaltige Orceïn: Orcin Ammoniak Sauerstoff Orcein Wasser. Wir haben hier den Fall, daß das Chromogen stickstofffrei, der Farbstoff selbst aber stickstoffhaltig ist. Die Orseille wie der Persio enthalten also als wichtigsten Bestandteil das Orceïn Liebermann hat neuerdings nachgewiesen, daß durch die Einwirkung von Ammoniak auf Orcin zwei Orceïne gebildet werden, welchen er die Formeln C 14 H 12 N 2 O 3 und C 14 H 13 NO 4 beilegt. , außerdem aber wohl auch noch unverändertes Orcin, vor allem aber kohlensauren Kalk (entstanden aus dem zugesetzten von gebrann- tem Kalk und der bei der Bildung des Orcins abgespaltenen Kohlensäure), etwas gebrannten Kalk (von dem die alkalische Reaktion herrührt) und Wasser. Der Persio enthält natürlich kein Wasser. Eigenschaften. Der in beiden Präparaten enthaltene Farbstoff ist löslich in Wasser, Alkohol und dünnen Lösungen der Alkalien. Durch Be- handeln mit warmem Wasser erhält man demnach eine purpurviolette Flüssig- keit, welche man längere Zeit absetzen läßt, so daß man nach einiger Zeit die klare Farbstofflösung von dem gebildeten Bodensatze abgießen kann. Anwendung. Orseille und Persio geben sehr satte und feurige Far- ben; sie werden noch bisweilen zum Färben von Wolle und Seide benutzt, um Amarantrot, Rosenrot, Orange, Aprikosenfarbe u. dergl. Mischfarben zu erzeugen. Der Verbrauch hat aber gegen früher bedeutend nachgelassen, weil die Orseillefärbungen nicht besonders lichtecht sind, und weil man heute mit verschiedenen Azofarbstoffen die gleichen Töne einfacher, billiger und echter herzustellen vermag. Die Orseille hat aber den großen Vorzug, sowohl aus neu- traler, wie aus schwach saurer oder schwach alkalischer Lösung an die Faser zu gehen. — Außerdem wird die Orseille noch zur Darstellung einiger Orseillepräparate verwendet, welche auch heute noch zum Teil Verwen- dung finden: Orseilleextrakt, Orseillekarmin, Orseillepurpur (Pourpre francais), Orseillelack; über diese findet sich Ausführlicheres unter „Farb- stoffpräparate“. Prüfung und Wertbestimmung. Orseille soll häufig mit Blauholz- oder Rotholzextrakt versetzt vorkommen. Eine Lösung der Orseille, mit Was- ser stark verdünnt und mit Essigsäure angesäuert, wird, wenn sie rein ist, mit einer frisch bereiteten Zinnsalzlösung beim Kochen blaßgelb werden; eine mit Blauholzextrakt versetzte wird blaugrau, eine mit Rotholzextrakt ver- setzte rot werden. — Auch Fuchsinrückstände, sog. rohe Magenta, sind ein gebräuchliches Verfälschungsmittel. Zur Entdeckung von Magentabeimischungen existieren verschiedene Me- thoden. Die einfachste, die jedoch nur auf basische Magenta berechnet ist, besteht darin, mit Tannin gebeizte Baumwolle kochend mit dem Farbstoff zu behandeln. Ist Magenta vorhanden, so färbt sich die Baumwolle, bei reinem Orceïn jedoch nicht. Eine Modifikation der eben beschriebenen ist die von Knecht empfohlene Methode, die Baumwolle erst mit Chrysamin zu be- handeln und dann mit einer Probe Orceïn zu kochen. Andere Methoden beruhen auf der Löslichkeit des Orceïns und Magen- tas; z. B. Magenta löst sich sehr schnell in Anilin oder Benzaldehyd, wäh- rend die Lösung des Orceïns in beiden nur sehr langsam von statten geht. Behandelt man eine Probe Persio oder trockene Orseille mit den genannten Substanzen, so macht sich bei Gegenwart von Magenta sofort eine tiefrote Färbung bemerkbar; reine Orseille ergibt erst nach einiger Zeit eine scharlachrote Lösung. Orceïn löst sich in Ammoniak, Magenta dagegen nicht. Behandelt man daher eine trockene Probe Orseille mit Ammoniak so lange, als sich noch Farbe auflöst, so bleibt event. Magenta als Rückstand. Keine der vorbeschriebenen Methoden führt indes zur Feststellung von Säuremagenta, mit Ausnahme der Benzaldehydmethode, deren Anwendung nach Kertesz (Dinglers Polytechn. Journal 1884, 42) folgende ist: Eine kleine Menge Orseille oder Persio wird mit Wasser gekocht und die Ab- kochung filtriert. Die reine Lösung wird in einer Glasröhre mit Benzal- dehyd gemischt, etwas Zinn- und Salzsäure zugefügt und das Ganze gründ- lich umgeschüttelt. Ist Säuremagenta vorhanden, so färbt sich der untere Teil der Flüssigkeit in der Farbe desselben, während reines Orceïn farblos bleibt. Durch dieses Verfahren läßt sich 1 Teil Säuremagenta in 1000 Teilen Orseille nachweisen. Ein anderes sehr empfindliches Reagens zur Entdeckung von Magenta ist Bleisuperoxyd. Wird dasselbe mit einer schwach angesäuerten Lösung roter Farbstoffe in Verbindung gebracht, so entfärben sich dieselben, gleichviel ob natürliche oder künstliche Farbstoffe, mit der einzigen Ausnahme von Säure- magenta. Zur Wertbestimmung der Orseille wird das Probefärben angewendet. Man verteilt (nach Volley ) ½ bis 1 g Orseille in 300 ccm Wasser; in das Färbebad wird ein Wollgewebe von 5 cm Länge und 2 cm Breite ein- gebracht und nach und nach zum Sieden erhitzt, welches etwa ½ Stunde unterhalten wird. Hierauf wird gewaschen und getrocknet. Die so erhaltene Färbung muß mit einer mittels einer Normal-Orseille von absoluter Rein- heit auf gleiche Art gewonnenen Färbung verglichen werden. § 30. Minder wichtige rote Farbstoffe. Alkannawurzel . Die Wurzel der in Südeuropa heimischen Färber- Ochsenzunge, Anchusa tinctoria L ., wird als solche zum Färben niemals direkt verwendet. Dagegen wird daraus ein Präparat, Alkannarot oder Anchusin gefertigt, welches unter Farbstoffpräparate beschrieben werden wird. — In altersgrauer Vorzeit wurden unter dem Namen Alkanna die Wur- zeln von Lawsonia alba Lam . (der Cyprus des Altertums) zum Färben benutzt; auch jetzt finden die Blätter dieser Pflanze im Orient noch Ver- wendung zum Rot- und Orangefärben des Leders und der Seide. Drachenblut , Palmendrachenblut, ist das rote an den Früchten sitzende Harz der auf Borneo, Sumatra und Penang heimischen Rotang- Palme, Calamus Draco Willd . Es ist außen braunrot, auf dem Bruche karminrot; die Lösung in Alkohol gibt mit Ammoniak eine blutrote Färbung. Der Farbstoff wurde Draconin genannt. Harmalasamen , die Samen der in den Steppen Rußlands und Asiens heimischen Steppenraute, Peganum Harmala; sie enthalten einen roten Farbstoff, Harmalarot , von Fritzsche Porphyrharmin genannt, welcher sich bei Anwesenheit von Ammoniak durch Oxydation aus dem in den Samen vorhandenen Alkaloid Harmin bilden soll. Das Harmalarot läßt sich durch Alkohol aus dem Samen ausziehen; es ist ein substantiver Farbstoff, welcher ohne Beizen angeht, jedoch nicht beständig ist. Chica , Carajuru, Carucra, ist ein Farbmaterial, welches aus den Blättern der am Orinoco heimischen Bignonia Chica Humb . durch Gärung gewonnen wird. Dabei setzt sich das Farbmaterial ab und wird nach dem Abgießen der darüber stehenden Lösung in Kuchen geformt und getrocknet. Die Chica enthält einen roten Farbstoff, das Chicarot , welches man daraus durch Extrahieren mit Alkohol oder Aether gewinnen kann. Das Chicarot ist unlöslich in Wasser, wenig löslich in Aether, leicht löslich in Alkohol, in wässerigen Alkalien und Ammoniak. Es gibt auf Wolle orangerote, luft- und lichtechte Ausfärbungen. Monarda , die Blüten von Monarda didymia L . Sie enthalten einen violett-braunroten Farbstoff, das Monardarot . In der Färberei wird bisweilen ein wässeriges Extrakt der Blüten angewendet. Die An- wendung zum Färben ist eine beschränkte. Sorghumrot , Badischrot, ist ein aus der Zuckerhirse, Sorghum saccharatum, dargestellter Farbstoff. Nachdem der Zucker aus den Stengeln gepreßt ist, läßt man diese gären, trocknen, dann mahlen und auswaschen. Nun wird mit verdünnter Kali- oder Natronlauge übergossen und darauf mit verdünnten Säuren gefüllt. Das Sorghumrot ist ein roter, in Alkohol, Säuren und Alkalien löslicher Farbstoff, welcher auf Seide und Wolle sehr haltbare Farben erzeugt. Kamala , die Drüsen des in ganz Südasien vorkommenden Mallotus philippinensis Müll. Arg . (Rottlera tinctoria) in Gestalt eines ziegelroten sandigen Pulvers. Alkalien lösen dasselbe mit roter Farbe; Aether oder auch Sodalösung zieht daraus das Chromogen Rottlerin (C 22 H 20 O 6 ) , welches in gelben Nadeln krystallisiert, die in Wasser unlöslich, in Alkohol wenig, in Aether leicht, in Alkalien mit tiefroter Farbe löslich sind. Die Kamala wird in ihrer Heimat zum Färben von Seide verwendet. Das Rottlerin färbt substantiv, ohne Beizen, und gibt orangerote, dauerhafte Färbungen. Außer den vorstehend genannten enthalten rote zum Färben benutzbare Farbstoffe die Kirschen, Himbeeren, Hollunderbeeren und Blau- beeren , ferner die Blütenblätter der Malve , Althaea rosea, die Ker- mesbeeren von Phytolacca decandra, die Klatschrosen von Papaver Rhoeas, und die Blütenblätter der Päonie von Paeonia officinalis L . II. Blaue Farbmaterialien. § 31. Indigo. Der Indigo ist nicht allein der wichtigste blaue Farbstoff, sondern auch der wichtigste der sämtlichen vegetabilischen Farbstoffe überhaupt. Er war schon den alten Griechen und Römern bekannt, welche ihn aber nicht zum Färben, sondern als Malerfarbe benutzten; da er aus Indien kam, nannten sie ihn Indicum (aus Indien Kommendes), woraus sich die heutige allge- meine Bezeichnung Indigo gebildet hat. Seine Verwendung als Farbmaterial datiert erst seit der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts, wo die Holländer nach Entdeckung des Seeweges nach Ostindien um die Südspitze von Afrika ihn nach Europa brachten. Der Indigo hat damals einen schweren Kampf zu bestehen gehabt. In fast allen Ländern, besonders in Deutsch- land, wurde der Indigo seitens der Regierungen anfänglich verboten. Man hielt ihn nämlich für ein minderwertiges Farbmaterial, als den Waid, und befürchtete einen Rückgang der damals noch blühenden Waidkultur. Man hatte den Waid bis dahin seit Jahrhunderten zum Blaufärben angewendet; in Deutschland, vornehmlich in Thüringen, wurde der Waidbau getrieben. Der Indigo hat diesen fast ganz verdrängt und der in Europa heute noch betriebene Waidbau ist nicht mehr ein Schatten des einstigen. Abstammung. Der Indigo ist keineswegs nur ein Bestandteil der Indigopflanze, vielmehr ist er im Pflanzenreiche verbreiteter, als allgemein geglaubt wird. Eine ganze Menge Pflanzen liefern Indigo oder indigo- ähnliche Farben. Ob sie aber wirklich technisch zur Indigogewinnung ver- wendet, oder ob sie etwa lediglich zum Ansetzen von Küpen verwendet werden, ist mir nicht bekannt. Historisch verbürgt ist nur, daß in Europa zur Zeit der Kontinentalsperre anfangs dieses Jahrhunderts — aus Waid Indigo ge- wonnen worden ist. — Bei der großen Anzahl der Indigo liefernden Pflan- zen werden zur technischen Gewinnung des Indigos nur die durch einen ver- hältnismäßig hohen Gehalt daran ausgezeichneten Pflanzen verwendet. Es sind dies verschiedene in Asien und Amerika heimische, zur Familie der Papilionaceen gehörige Arten der Gattung Indigofera; am meisten verwendet werden die 5 folgenden Arten: Indigofera tinctoria L . in Ostindien, „ Anil L . in Südamerika, „ argentea L . in Aegypten und Ostindien, „ disperma L . in Ostindien, „ pseudotinctoria in Ostindien. Von der ersten dieser Arten, der verbreitetsten und wichtigsten, welche zugleich den schönsten Indigo liefern soll, gibt Schützenberger in seinem Werke: „Die Farbstoffe“ folgende Beschreibung: Indigofera tinctoria, Färberindig. — Die Pflanze erreicht eine Höhe von 1 bis 1½ m; wenn sie nicht beschnitten wird, trifft man sie oft mannshoch an. Der Stengel ist einfach, halbholzig, kahl, ungefähr finger- dick, am oberen Ende in viele aufrechtstehende Zweige geteilt, an welchen die unpaarig gefiederten Blätter sitzen; Fiederblättchen eiförmig, gegenständig, bläulich angelaufen. Die Blumen sind gelb oder rotbunt und wachsen in Trauben, die kürzer sind als die Blätter, in deren Winkeln sie stehen; Hülsen sichelförmig gekrümmt, mit kurzen silbernen Härchen bedeckt. Der Same ist dunkelgrün oder schwärzlich und ungefähr so groß wie ein Pfeffer- korn. Die Wurzel entwickelt sich schnell und breitet sich weithin aus. Die Pflanze verbreitet am Abend einen ziemlich starken Geruch. Die Blätter besitzen einen unangenehmen Geruch und faulen leicht. Der Farbstoff findet sich vornehmlich in den Blättern. Dieselben wer- den, sobald sie blaugrün geworden sind, abgepflückt, oder man schneidet die ganze Pflanze ab, bevor sie zu blühen anfängt. Außer dem bereits genannten Waid, Isatis tinctoria, sind an indigo- führenden Pflanzen noch zu nennen: der Färberknöterich, Polygonum tinc- torium, der färbende Rosenlorbeer, Nerium tinctorium, ferner Marsdenia tinctoria, Asclepias tingens, Polygonum chinense, Galega tinctoria, Wrightia tinctoria u. a. m. Gewinnung. Der Indigo ist das Produkt einer Gärung . Die Darstellung im großen wird in den Indigofaktoreien betrieben. Die abge- schnittenen Pflanzen kommen zunächst auf die Gährungskufen, das sind ge- räumige Zisternen, welche auf anderen darunter befindlichen Zisternen ruhen; beide, die untere oder Schlagküpe (Batterie) wie die obere oder Gärungs- küpe (Trempoire) sind aus Mauerwerk aufgeführt. In den Gärungskufen werden die Pflanzen mittels Holzbalken fest eingepreßt und mit kaltem Wasser und etwas Kalkmilch übergossen, so daß die Flüssigkeit etwa 10 cm über den Pflanzen steht. In neuester Zeit weicht man (nach den Vorschlägen von J. Sassaro ) auf Java die Pflanzen mit einer sehr verdünnten Ammoniakflüssigkeit ein. Je nach der Temperatur ist die Gärung in 12 Stunden bis 12 Tagen beendigt; doch muß dafür gesorgt werden, daß die Temperatur 30° nicht überschreite; im Verlaufe der Gärung entwickeln sich ziemlich bedeutende Mengen Wasserstoff und Kohlensäure und die zuerst farb- lose Flüssigkeit nimmt eine grünlichgelbe Farbe und einen charakteristischen Geruch an. Nach beendeter Gärung wird die Flüssigkeit in die Schlag- kufe abgelassen und dort durch „Schlagen“ mit großen Schaufeln, Stöcken u. dergl. mit der Luft in lebhafte Berührung gebracht. Dadurch nimmt die Flüssigkeit zuletzt eine blaue Farbe an, und schließlich scheidet sich der ge- bildete Indigo in Flocken ab. Gleichzeitig damit wird die Gärungskufe entleert und mit neuen Pflanzen beschickt, die ausgezogenen aber getrocknet und als Brennmaterial verwendet. Sobald dieses flockige Ausscheiden des Farbstoffes eintritt, wird mit dem Umrühren aufgehört, damit der Indigo sich in Ruhe absetzen und am Boden sammeln kann; dann wird die klare Flüssigkeit abgezogen, der breiige Bodensatz aber wird in einem Kessel auf- gekocht, um eine etwaige Nachgärung zu verhindern. Schließlich kommt der Brei in einen hölzernen Kasten mit durchlöchertem mit Baumwollzeug über- spanntem Boden, und nach dem Ablaufen des überschüssigen Wassers in einen Preßbeutel zum Abtropfenlassen der letzten Wasseranteile. Endlich kommt er in die Trockenstuben, wo er bei völligem Luftabschluß langsam getrocknet wird. Eigenschaften. In dieser Form repräsentiert der Indigo ein Gemisch von Pflanzenstoffen, in welchen der blaue Farbstoff den wertvollsten Anteil bildet. Er kommt in größeren oder kleineren, regelmäßigen oder unregel- mäßigen Stücken in den Handel, ist von tiefblauer Farbe, körnigem, erdigem, mattem Bruch; er haftet an der Zunge, ist geruch- und geschmacklos, bald leichter, bald schwerer als Wasser, und gibt beim Reiben einen kupferfarbigen Glanz. Die genannten Eigenschaften werden jedoch durch die Abstammung des Indigos verschiedentlich beeinflußt. In Wasser, Alkohol und Aether ist der Indigo unlöslich; leicht löslich dagegen in konzentrierter Schwefelsäure, welche Lösung mit Wasser verdünnt werden kann, ohne daß dadurch der Farbstoff wieder ausgefällt wird. Charakteristisch für den Indigo ist seine Löslichkeit in gelösten Reduktionsmitteln (z. B. alkalischer Traubenzuckerlösung), wobei er zugleich zu Indigweiß reduziert wird. Hierauf beruht die gesamte Anwendung des Indigos in der Färberei. Chlor als Gas oder Chlorwasser oder Chlorkalk, ferner ein Gemisch von Salzsäure und chlorsaurem Kali, wie auch Salpetersäure lösen den Indigo unter Zerstörung des blauen Farb- stoffes. Das spezifische Gewicht variiert von 1,324 bis 1,455 ( Leuchs ). Indigofarbstoffe . Der Indigo des Handels enthält drei Farbstoffe: Indigblau, Indigbraun und Indigrot . Diese Farbstoffe sind in der Indigopflanze als solche nicht enthalten, sondern sie bilden sich erst bei der Gärung aus dem in der Indigopflanze enthaltenen, an Kalk gebundenen Chromogen Indican , einem Glycosid, welches von Schunk zuerst als das eigentliche Chromogen des Indigos entdeckt wurde und welches nach ihm die Formel C 26 H 31 NO 17 besitzt. Dieses Indican spaltet sich bei der Gärung der Indigopflanzen unter Wasseraufnahme in Indigblau und Indiglucin, eine Zuckerart. Der Prozeß spielt sich in der Hauptsache, wie folgt, ab: Indican Wasser Indigblau Indiglucin. Sonstige dabei noch auftretende Nebenprodukte kommen für uns hier nicht in Betracht. Die gleichzeitig mit dem Indigblau sich bildenden andern beiden Farbstoffe, Indigrot und Indigbraun, welche übrigens genau dieselbe chemische Zusammensetzung zeigen, haben nur geringeres Interesse. Das Indigblau , C 16 H 10 N 2 O 2 , ist der eigentliche Hauptbestandteil des Indigos, und in diesem in wechselnden Mengen, von 20 bis zu 80 Prozent, enthalten. Es ist das blaufärbende Prinzip der gesamten Küpenfärberei, und läßt sich auf mehrere Methoden aus dem Indigo rein abscheiden, z. B. durch sorgfältige Sublimation, durch Behandeln mit Kalk und Eisenvitriol, mit einer Lösung von Natriumhyposulfit u. dergl. Alle diejenigen Verfahren, welche in der Färbereitechnik zum Färben mit Indigo angewendet werden, führen auch zur Darstellung von reinem Indigblau. Jeder Färber, der eine Küpe führt, befindet sich auf dem Wege zur Herstellung reinen Indig- blaus, nur mit dem Unterschiede, daß er die Abscheidung desselben nicht innerhalb der alkalischen Flüssigkeit selbst, sondern auf einem Gespinnst oder Gewebe vornimmt. Das reine Indigblau ist ein tiefblaues, amorphes Pul- ver, welches beim Reiben einen kupferroten Glanz annimmt, bei vorsichtigem Erhitzen unzersetzt sublimiert und sich beim Erkalten der purpurfarbigen Dämpfe in kupferroten Krystallen ansetzt. Es ist unlöslich in den gewöhn- lichen Lösungsmitteln, sehr wenig löslich in kochendem starkem Alkohol und in Chloroform, dagegen ziemlich leicht löslich in heißem Anilin, Nitrobenzol, Phenol, venetianischem Terpentin, Paraffin und einigen fetten Oelen; beim Erkalten dieser Lösungsmittel scheidet es sich in Krystallen aus. Mit alka- lischen Reduktionsmitteln liefert es Indigweiß; verdünnte Salpetersäure ver- wandelt es in Pikrinsäure und Nitrosalicylsäure; Chromsäure und Salpeter- säure oxydiert es zu Isatin. Bei der trockenen Destillation liefert es neben anderen Produkten auch Anilin. In rauchender Schwefelsäure löst es sich unter Bildung einer Indigosulfosäure. Alle Eigenschaften, die dem Indigblau eigentümlich sind, fallen auch dem Indigo, nur in geringerem Maße, zu . Das Indigbraun kann man aus dem Indigo erhalten, wenn man den- selben zunächst mit verdünnter Schwefelsäure extrahiert, welche den Indig- leim auszieht, die Schwefelsäure mit Kalkmilch abstumpft und die Flüssig- keit von dem gebildeten Gyps abfiltriert. Die auf dem Filter zurückbleibende Masse wird mit verdünnter Kalilauge ausgekocht, welche das gesamte Indig- braun aufnimmt. Die Lösung wird abfiltriert, mit Essigsäure neutralisiert, zur Trockne eingedampft und der Rückstand mit Alkohol ausgekocht, welcher das gebildete essigsaure Kali auflöst, während das Indigbraun rein zurück- bleibt. Es ist in Wasser, Alkohol und verdünnten Säuren fast unlöslich, löslich dagegen in verdünnten Alkalien und in konzentrierter Schwefelsäure. Es besitzt schwach saure Eigenschaften. Das Indigrot wird aus dem von der letzten Auskochung mit ver- dünnter Kalilauge zurückgebliebenen blauen Rückstande durch Abkochen mit Alkohol gewonnen, welcher das Indigrot aufnimmt und beim Verdampfen als rotbraunes Pulver zurückläßt. Indigbraun und Indigrot geben Küpen, die Reduktion geht aber — zumal beim Indigbraun — schwieriger und langsamer vor sich, als beim Indigblau. Dieses ist die Ursache, warum sich die Javaqualitäten leicht reduzieren, während die roten Guatemalas viel hartnäckiger sind. Je geringer der Prozentgehalt eines Indigos an Indigbraun und Indigrot ist, desto weicher ist er, desto leichter läßt er sich fein reiben, und desto leichter läßt sich die Küpe auf Schärfe bringen . Damit ist jedoch keineswegs ausgesprochen, daß die braunen und roten Qualitäten geringwertiger seien; vielmehr hat sich in der Praxis ergeben, daß die reinblauen Qualitäten für kalte Küpen selten die ergiebigsten sind. Zusammensetzung des Indigos. Außer dem Indigblau, welches 20 bis 80 Prozent des Indigos betragen kann, im Durchschnitt aber zu 40 bis 50 Prozent vorhanden ist, enthält der Indigo noch kleinere Mengen der beiden andern Farbstoffe, Indigrot und Indigbraun , sodann Indig- leim , eine im Indigo enthaltene wasserlösliche Leimart, Wasser 3 bis 6 Prozent; der Gehalt an Kalk und sonstigen Aschebestandteilen ist sehr wechselnd, nach Löwenthal von 4,5 bis 29 Prozent. Außerdem kommen bisweilen Verfälschungen vor und zwar: Stärke, Herz, Blauholzpulver, Berlinerblau ꝛc. Handelssorten. Bei dem bedeutenden Verbrauch und bei der ver- schiedenen Herkunft des Indigos existieren eine Unzahl von Handelssorten, welche wir füglich nach ihrer Herkunft in asiatischen, amerikanischen und afrikanischen Indigo unterscheiden können. Es würde den Rahmen dieses Buches überschreiten, wollte ich hier alle Handelsmarken aufführen und nach ihren unterscheidenden Merkmalen skizzieren. Ich kann nur die bekannteren namhaft machen, und auf eine ausführliche Beschreibung um so eher ver- zichten, als die Handelsmarke allein noch keinen Anhaltspunkt für den Prozent- gehalt im Indigo abgibt, noch abgeben kann. Ganswindt , Färberei. 8 a) Asiatischer Indigo . Dieser ist der älteste bekannte; ihn liefert Indigofera tinctoria, argentea und disperma; er kommt aus Bengalen, von der Küste Coromandel, von Madras, Java und Manilla. Die geschätztesten asiatischen Indigos sind Bengal und Java , welche allein in 37 Sorten vorkommen und einen Gehalt von durchschnittlich 40 bis 60 Prozent Indigo- blau haben, bisweilen auch weniger; sie kommen in Würfelform in den Handel; Madras in regelmäßigen Stücken; Coromandel von unreinem Bruch; Manilla viereckige Stücke; die drei letzteren enthalten weniger als 40 Prozent Indigoblau, oft bis zu 10 Prozent herab. Die vielen Sorten dieses asiatischen Indigos werden durch die entsprechenden Zwischenstufen der Farbennuancen bedingt und dementsprechend bezeichnet, z. B. Bengal fein blau, Bengal feinfein rot, Bengal mittel violett, Bengal fein, Bengal gering, Java fein, Java ordinär, Manilla fein blau ꝛc. Die feinen Bengals sind zu jeder Art von Färberei geeignet und daher im Handel am meisten ver- breitet. b) Amerikanischer Indigo ; stammt von Indigofera Anil; kommt von Guatemala, Caracas, Brasilien, Südcarolina, Louisiana, den Antillen, Westindischen Inseln, besonders St. Domingo. Die besten Sorten, dem feinsten Bengal oft gleichstehend, sind der Guatemala- und Flores- Indigo mit 40 bis 60 Prozent Indigblau. Dann folgen Kurpah und Caracas mit weniger als 40 Prozent Indigblau. Die Sorten führen auch hier nach der Nuance besondere Namen, z. B. Guatemala fein blau, Guatemala mittel violett, Guatemala mittel rotviolett, Kurpah fein, Kurpah mittel, Kurpah ordinär. Die feinen Guatemalas werden gleichfalls zu jeder Art von Färberei verwendet, sind oft im Indigblau dem besten Bengal gleich, aber im Preise kaum halb so hoch. c) Afrikanischer Indigo ; stammt von Indigofera argentea; kommt aus Aegypten, vom Senegal und Isle de France. Besonderes Aufsehen erregte auf der Colonial \& Indian Exhibition ein aus Sierra Leone stam- mender Indigo, über den der Bericht der Londoner Handelskammer wörtlich sagt: „Der westafrikanische Indigo scheint eine andere Art zu sein, als der Indigo von Indien und anderen Ländern; wie die selbstgefertigten Stoffe der Eingeborenen zeigen, gebe er eine sehr schöne Farbe; Dr. Watt vom indischen Wirtschaftsrat erklärte den westafrikanischen Indigo, soweit er ihn beurteilen könne, für wertvoller als den indischen, auch habe er den sehr großen Vorzug, keiner besonderen Zubereitung vor der Versendung zu be- dürfen. Der Anbau dieser Indigoart ist infolgedessen sofort der indischen Regierung empfohlen worden. Aus Lagos und vom Gambia ausgestellte Proben beweisen das Vorkommen des Indigos auch in diesen Plätzen.“ H. Soyaux berichtet in der „Deutschen Kolonialzeitung“, daß sich Vertreter der Indigogattung an der ganzen Westküste Afrikas von Sierra Leone an bis hinunter nach Angola finden, wo er Indigoarten noch in Pungu Andongo antraf; sogar bis zum südlichen Wendekreis hinauf sind zwei Arten gesammelt worden, und eine gleiche Ausdehnung hat die Ver- breitung dieser in Afrika überhaupt in 103 Arten auftretenden Pflanzen an der Ostseite des Kontinents. Der indische Indigo wird hauptsächlich von Indigofera tinctoria L ., ferner von I. argentea L ., und I. disperma ge- wonnen, der chinesische auch von I. coccinea und Anil L ., der centralamerika- nische besonders von I. Anil, welcher in San Salvador das vorzüglichste Produkt liefert. Die drei Arten, welche am meisten kultiviert werden, die Indigofera tinctoria L ., Anil L . und argentea L . sind gerade in Afrika weit verbreitet, kultiviert und wild oder verwildert; in unseren Herbarien stoßen wir auf I. argentea aus dem nördlichen Sudan, von Nubien, Aegypten, Abessinien und den Nordstaaten, I. Anil von Senegambien hinunter bis Angola und im Osten von Mosambik bis in die Sambesiländer; ebenso hat I. tinctoria ein sehr großes Verbreitungsfeld in Afrika. Die natürlichen Bedingungen, unter welchen die Indigopflanze gedeiht, sind solche, wie sie die deutschen tropischen Schutzgebiete in West- und Ost- afrika, sowie in Ozeanien meistens bieten: Feuchtigkeit, Wärme und frucht- barer Boden; das gewonnene Produkt erzielt immer noch ansehnlichen Preis, und die nötigen Mittel für die Anlage von Pflanzungen bewegen sich inner- halb verhältnismäßig bescheidener Grenzen. Anwendung. Vor seiner Verwendung muß der Indigo fein gerieben oder gemahlen werden. Dieses geschieht in Indigoreibmaschinen oder Indigo- mühlen, worüber Näheres unter „die Färbereiarbeiten und die dazu ver- wendeten Apparate und Maschinen“. Der Indigo wird im ausgedehntesten Maßstabe zur Blau- oder Küpenfärberei verwendet, er bildet die Basis der in Deutschland weitverbreiteten Blaudruck-Industrie , worüber Näheres im speziellen Teil. Der Indigo wird außerdem in großen Mengen zur Herstellung von Indigopräparaten verwendet, welche unter den Namen Indigokarmin, Sächsischblau, konzentrierte Küpe, Indigoextrakt u. s. w. in den Handel kommen. Ueber diese Präparate findet sich Ausführliches unter „Farbstoffpräparate“. Prüfung. Der Wert eines Indigos ist abhängig von seinem Gehalte an Indigblau. Dieser Gehalt läßt sich auf experimentellem Wege genau ermitteln. Als Vorprüfung kann dabei die Uebereinstimmung mit den physi- kalischen Eigenschaften herangezogen werden, nämlich die charakteristische Farbe, das Entstehen eines Kupferglanzes auf der Stelle, die man mit dem Nagel reibt, die Feststellung des spezifischen Gewichts (guter Indigo soll auf dem Wasser schwimmen und sich in demselben völlig zerteilen lassen, ohne einen erdigen oder sandigen Bodensatz zu geben), die leichte Zerreiblichkeit, der reine gleichförmige Bruch, die Geruchlosigkeit und seine Löslichkeit in 4 Teilen rauchender Schwefelsäure. In je höherem Maße diese Eigenschaften ent- wickelt sind, desto wertvoller ist der Indigo. Infolge seines hohen Preises ist der Indigo häufig Verfälschungen unterworfen und zwar mit Berlinerblau, Smalte, Blauholzpulver, Stärke und Schiefermehl; auch ein zu hoher Wassergehalt kann als Verfälschung betrachtet werden. Ein solcher kann leicht durch Trocknen bei 100° C. und Feststellung der Gewichtsdifferenz ermittelt werden; sie darf 7 Prozent nicht überschreiten. Auch der Aschegehalt gibt einen Anhalt zur Beurteilung der Qualität; die Asche eines reinen Indigos darf nicht mehr als 7 bis 9½ Prozent betragen; ein größerer Aschegehalt läßt auf Zusatz von Schiefer- mehl, Blauholz oder dergl. schließen. — Um Stärke im Indigo nachzu- weisen, verreibt man denselben in einer Porzellanschale mit Chlorwasser bis zur vollständigen Entfärbung, bringt den Rückstand auf ein Filter und wäscht aus; wird dann ein Tropfen Jodkaliumlösung hinzugesetzt, so tritt bei An- 8* wesenheit von Stärke eine Blaufärbung ein. — Um Berlinerblau oder Smalte nachzuweisen, wird der Indigo in gleicher Weise mit Salpetersäure behandelt, wodurch er gelb gefärbt wird. Bleibt Blau zurück, so war der Indigo verfälscht; verschwindet das Blau nach einiger Zeit, so war er mit Berlinerblau verfälscht, bleibt das Blau, so war er mit Smalte verfälscht. — Zum Nachweis von Blauholz mischt man den Indigo mit etwas Oxal- säure, befeuchtet ihn und legt ihn auf Filtrierpapier; war der Indigo rein, so wird das Papier nicht verändert; war er mit Blauholz verfälscht, so färbt es sich rot. Alle diese kleinen Untersuchungen kann der Färber zur Not selbst an- stellen; zur Ermittelung des Gehalts an reinem Indigblau wird er aber einen Chemiker zuziehen müssen. Für diejenigen aber, welche auf Färber- schulen sich ein gewisses Maß chemischer Vorkenntnisse und praktische Uebung erworben haben, folge nachstehend die Wertbestimmung . Die Kenntnis des Prozentgehalts ist unbedingt notwendig, wenn man in Verbindung mit dem augenblicklichen Marktwerte den wirklichen, absoluten Wert des Indi- gos kennen lernen will; sie ist ein wesentliches Erfordernis zur Kalkulation, denn im Indigoeinkauf liegt der erste und nicht selten wesent- lichste Vorteil des Färbers . Die Kenntnis der prozentischen Färbe- kraft eines Indigos ist aber auch notwendig zur Feststellung der Mengen der zum Küpenansatz nötigen Stoffe. Die Schwankungen des Indigomark- tes bringen es mit sich, daß bisweilen eine gute Qualität unter ihren nor- malen Wert heruntergeht. Schiernecker Deutsche Färberzeitung 1887, Nr. 15. hat den Normalwert ei- nes Prozentschemisch reinen Indigblaus im halben Kilogramm Indigo mit 8 Pfennigen beziffert ; das heißt z. B., ein Kurpah von 48 Prozent Indigblau darf nicht mehr als 7,68 Mark pro Kilogramm, ein Bengal von 65 Prozent nicht mehr als 12,40 Mark pro Kilogramm kosten. Diese Norm entspricht der augenblicklichen Marktlage, beim Durchschnitts- preise der früheren Jahre dürfte dieser Normalsatz allerdings um 20 bis 25 Prozent erhöht werden. Kann man zu dieser Norm einkaufen, so hat man das gute Bewußtsein eines guten, preiswerten Einkaufs. Dazu ge- hört natürlich eine vorhergehende chemische Analyse . Ich möchte den Lesern dieses Handbuches den wohlgemeinten Rat geben, die geringen Kosten einer solchen Analyse nicht zu scheuen, vor allem aber sich nicht auf ihre eigenen, niemals vorurteilsfreien Schätzungen zu verlassen, wenn sie nicht empfindliche Verluste beim Einkauf erleiden wollen. Probefärben ist hier nicht am Platze; die Analyse aber gibt ganz sichere Resultate. Bene- dikt (Real-Encyklopädie der gesamten Pharmazie, Bd. V , S. 420 bis 422) teilt die Methoden zur Wertbestimmung des Indigos in drei Gruppen ein: 1. Durch Auflösen in rauchender Schwefelsäure. 2. „ Sublimation. 3. „ Reduktion des Indigblaus in alkalischer Lösung. Ich lasse seine Schilderung hier wörtlich folgen. I. Auflösen in Schwefelsäure . Eine sorgfältig genommene Durchschnittsprobe wird möglichst fein ge- pulvert, durch ein feines Sieb geschlagen und die restlichen Stückchen neuer- dings gepulvert. 1 g dieses Pulvers wird mit dem gleichen Gewicht ge- stoßenem Glas in einem kleinen Mörser gemischt. Die Mischung wird nach und nach in 20 ccm Schwefelsäure von 1,845 spez. Gewicht, welche sich in einem cylindrischen Porzellantiegel von 50 ccm Inhalt befindet, unter stetem Umrühren eingetragen. Der Mörser wird zuletzt mit Glasstaub ausgespült. Man erhitzt eine Stunde im Dampftrockenkasten, verdünnt die gebildete Indigosulfosäure mit Wasser, filtriert und bringt auf 1 Liter. Den Indigogehalt dieser Lösungen kann man nun durch Titration mit oxydierenden Substanzen ermitteln, welche die Indigosulfosäure in gelbe Isatin- sulfosäure überführen. Zu diesem Zwecke sind Chlorkalk, chlorsaures Kali, Kaliumbichromat, Chamäleon, rotes Blutlaugensalz, Salpeter ꝛc. vorgeschla- gen worden. Die Bestimmungen werden dadurch ungenau, daß auch die anderen Bestandteile des Indigos oxydiert werden, so daß der Verbrauch an Maßflüssigkeit immer größer ist, als dem Indigblaugehalt entspricht, doch er- hält man untereinander gut vergleichbare Daten. Oxydation mit Permanganat. Rawson gibt der Permanganat- methode den Vorzug und führt dieselbe in folgender Weise aus: 50 ccm der in oben beschriebener Weise bereiteten Indigolösung wer- den in einer Porzellanschale mit 250 ccm Wasser verdünnt und mit einer Lösung von 0,5 g Kaliumpermanganat im Liter titriert, bis die Farbe der Lösung von grünlich in blaßgelb übergegangen ist. Der Titer der Perman- ganatlösung wird auf reines Indigblau gestellt, 1 Molekül desselben oxydiert 5 Moleküle Indigosulfosäure. Genauere Resultate erhält man nach demselben Verfahren, wenn man die Indigosulfosäure vor der Titration von den Beimengungen in folgender Weise trennt: 50 ccm der Lösung werden in einem kleinen Kolben mit 50 ccm Wasser und 32 g Kochsalz vermischt. Die mit Salz nahezu gesättigte Flüssigkeit wird zwei Stunden stehen gelassen, worauf das indigosulfosaure Natron nahezu vollständig ausgesalzen ist. Man filtriert ab, wäscht mit 50 ccm Kochsalzlösung (1,2 spez. Gewicht), löst in heißem Wasser, läßt erkalten, verdünnt nach Zusatz von 1 ccm Schwefelsäure auf 300 ccm und titriert. Für die in Lösung gebliebene geringe Menge von indigsulfosaurem Natron bringt man eine Korrektur von 0,0008 an. Verfahren mit Hydrosulfit . Dieses von Bernthsen erdachte, von Müller verbesserte, vorzügliche Verfahren wird in folgender Weise aus- geführt: Zur Bereitung von Hydrosulfitlösung füllt man einen Kolben von circa 100 ccm Inhalt mit spiralförmig gebogenen Zinkstreifen, gießt eine Natriumbisulfitlösung von 1,30 spez. Gewicht darauf, verstopft und läßt eine Stunde stehen, bis zum Verschwinden des Geruchs nach schwefliger Säure. Man gießt die Lösung des Natriumhydrosulfites sodann in 5 l Wasser, wel- ches 50 g frisch gelöschten Kalk enthält, schüttelt durch, läßt bei Luftabschluß absitzen und zieht in eine Flasche ab, in welche eine Nachflußbürette einge- setzt ist. Auf die Oberfläche der Flüssigkeit gießt man, um die Oxydation zu verhindern, 100 ccm Petroleum, außerdem führt man durch den Kork ein oberhalb der Flüssigkeit mündendes Rohr ein, welches mit der Gaslei- tung in Verbindung steht. Die Titerstellung wird mit einer ammoniakalischen Kupferlösung aus- geführt, ein Molekül Kupfersulfat entspricht genau einem Molekül Indigblau. 1,904 g Kupfervitriol werden in 1 l Wasser gelöst, welches 100 ccm Ammoniakflüssigkeit (0,880 spez. Gewicht) enthält. Davon bringt man 50 ccm in einen Kolben von circa 200 ccm Inhalt mit weiter Oeffnung, vertreibt die Luft durch Aufkochen, läßt erkalten und verschließt die Oeffnung mit einem vierfach durchbohrten Kork. Durch die eine Oeffnung wird das Ausflußrohr der Hydrosulfitbürette, durch eine andere das Ausflußrohr einer mit Indigokarmin gefüllten Bürette hindurchgeführt. Die beiden anderen Oeffnungen dienen zum Ein- und Austritt von Leuchtgas. Das Gas wird, bevor es in den Kolben tritt, durch U förmige Röhren geleitet, welche gefälltes Eisenoxydulhydrat enthalten, um es von Sauer- stoff zu befreien. Man titriert nun mit der Hydrosulfitlösung bis nahe zur Entfärbung, setzt einige Tropfen Indigkarminlösung zu und titriert weiter, bis zur charakteristischen Braunrotfärbung. Man kann die zur Entfärbung der wenigen Tropfen Indigolösung not- wendige Hydrosulfitmenge durch Titration bestimmen und in Rechnung bringen. 50 ccm der Kupferlösung sind 0,05 g Indigblau äquivalent. Zur Titrierung des Indigos nimmt man 50 ccm der nach der oben gegebenen Vorschrift bereiteten Indigolösung, kocht zur Vertreibung der Luft auf und titriert nach dem Erkalten wie früher unter Luftabschluß unter be- ständigem Schütteln. Die Flüssigkeit wird hellgelb, bei schlechten Sorten gelbbraun, doch ist der Uebergang stets gut kenntlich. Indigrot, Indigbraun und Indiglucin reagieren nicht auf die Hydro- sulfitlösung. Nur die Gegenwart von Eisenoxyd ist schädlich, doch findet sich dasselbe nur in schlechten Indigosorten in erheblicheren Mengen. II. Sublimation . Lee bestimmt den Indigblaugehalt des Indigos in der Weise, daß er circa 0,25 g der fein gepulverten und bei 100° getrockneten Probe in eine Platinschale von 7 cm Länge, 2 cm Breite und 0,75 cm Tiefe bringt und vorsichtig absublimiert. Die Schale, deren Boden ganz eben sein soll, wird auf einer Eisenplatte sehr allmählich erhitzt. Wenn der Inhalt mit Kry- stallen überkleidet ist, stellt man ein bogenförmig gekrümmtes poliertes Eisen- blech über die Schale auf die Platte, dasselbe ist etwas länger als das Platingefäß. Nun mäßigt man die Hitze und hebt den Bogen von Zeit zu Zeit auf, um den Fortgang der Sublimation zu beobachten. Für 50prozen- tigen Indigo dauert die Operation 30 bis 40 Minuten, für reichere Sorten bis zu 2 Stunden. Man läßt die Schale im Exsiccator erkalten und wägt. Der Verlust wird als Indigblau in Rechnung gebracht. Die Methode erlaubt bei genauer und gleichmäßiger Ausführung ein ziemlich sicheres vergleichendes Urteil über den Wert der Proben, gibt aber den Indigoblaugehalt nicht sicher an. III. Methoden, welche sich auf die Reduktion des Indigblaus in alkalischer Lösung begründen . Nach allen hierher gehörigen Verfahren wird das Indigblau durch Reduktion in alkalischer Lösung in Indigweiß übergeführt und dadurch von den anderen Bestandteilen des Indigos getrennt. Als Reduktionsmittel wurden alkoholische Natronlauge und Trauben- zucker, Eisenvitriol und Kalk ꝛc. empfohlen. Rawson Chem. News 1888, Nr. 57. gibt dem Natrium- hydrosulfit den Vorzug. 1 g fein gepulverter Indigo wird mit Wasser angerieben und in eine 500 bis 600 ccm Kalkwasser enthaltende Flasche gebracht. Dieselbe ist mit einem vierfach durchbohrten Pfropfen versehen. In eine der Oeffnungen ist ein mit einem Quetschhahn verschlossener Heber eingesetzt, in die zweite ein Trichterrohr mit Glashahn, die beiden anderen dienen zum Ein- und Aus- tritt von Leuchtgas. Man verdrängt die über der Flüssigkeit befindliche Luft mit Gas, er- wärmt auf circa 80° und läßt durch den Trichter 100 bis 150° ccm einer Hydrosulfitlösung einfließen, welche ebenso wie die bei der oben beschriebenen Titriermethode verwendete bereitet, aber fünfmal so stark ist. Die Mischung, welche in einigen Minuten gelb wird; wird eine halbe Stunde nahe dem Sieden erhalten. Dann läßt man absitzen, zieht mittels des Hebers 500 ccm ab und mißt das Volumen der zurückbleibenden Flüssig- keit. Die 500 ccm bringt man in einen Erlenmeyerschen Kolben und bläst durch 20 Minuten einen starken Luftstrom durch, wodurch man das Hydrosulfit zu Sulfit, das Indigweiß zu Indigblau oxydiert. Dann setzt man Salzsäure im Ueberschuß zu (wobei sich die Flüssigkeit nicht trüben darf), um den Niederschlag kalkfrei zu machen, sammelt denselben auf einem tarierten Filter, wäscht mit heißem Wasser, trocknet bei 100° und wägt. Das erhaltene Gewicht repräsentiert das Indigblau und Indigrot. Das letztere kann in einem Extraktionsapparat mit Alkohol extrahiert und sodann in bekannter Weise zur Wägung gebracht werden. Beispiel . Man habe 1 g Indigo reduziert und 500 ccm abgehebert Der Rest messe 435 ccm . Das Gewicht des Niederschlages sei 0,243. Somit enthält die Probe Die das Indigrot enthaltende alkoholische Lösung hinterlasse nach dem Verdampfen und Trocknen bei 100° 0,0145 g . Zieht man davon 0,001 Indigblau ab, entsprechend der Löslichkeit desselben in Alkohol, so findet man: Wir lassen hiernach die Analyse einiger Indigos folgen, um das häufige Mißverhältnis zwischen wirklichen Wert und Preis zu veranschaulichen (siehe die Tabelle S. 120). Rawson fand durch Vergleichung verschiedener Untersuchungsmethoden folgende Werte, welche in der oberen der beiden Tabellen auf Seite 121 zusammengestellt sind. Die Preise sind in Rupien angegeben, die Verpackung zu 74⅔ Pfund in Calcutta, und Bazarverpackung zu 25 Pfund in Madras. Neuerdings hat H. Cooley (Journ. f. anal. Chemie 1888, 129) den Indigotingehalt verschiedener Indigosorten nach den in der folgenden Tabelle benannten Verfahren bestimmt und folgende Werte gefunden: Statistisches. Welchen Umfang die Produktion und der Verbrauch an Indigo einnehmen, dafür geben die von Dr. v. Scherzer aufgestellten Zahlen einen Anhalt. Nach diesem Statistiker beträgt die jährliche mittlere Gesamtproduktion 84000 Metercentner im Werte von 94 Millionen Mark. Nach der offiziellen Statistik wurde in das deutsche Zollgebiet an Indigo eingeführt im Werte von: Der durchschnittliche jährliche Verbrauch im deutschen Zollgebiet von 1881 bis 1885 beziffert sich auf 1180 Tonnen im Werte von 17 Millionen Mark. — England verbraucht jährlich für circa 29 Millionen Mark; alle übrigen Länder (einschl. der Vereinigten Staaten) verbrauchen weniger als Deutschland. § 32. Blauholz. Nächst dem Indigo ist das Blauholz, auch Campecheholz, Logwood, Blutholz, Königinholz, Braunholz, Poachwood genannt, das wichtigste blaufärbende Material. In Europa wird es seit dem 16. Jahr- hundert verwendet, wo es die Spanier nach der Entdeckung Amerikas in den Handel brachten; später bemächtigten sich die Engländer des Blauholz- handels. Abstammung. Das Blauholz ist das von Rinde und Splint be- freite Kernholz des Blauholzbaumes, Haematoxylon Campechianum L. , zur Familie der Caesalpiniaceae gehörig. Es ist ein mäßiger Baum von unregelmäßigem Wuchse, ursprünglich in Centralamerika an der Campechebai heimisch (daher auch Campecheholz genannt), wurde aber 1715 nach Westindien verpflanzt, wo die Engländer dessen Kultur — vornehmlich auf Jamaica — eifrig betrieben. Eigenschaften. Das Blauholz kommt in kleineren oder größeren Kloben (englisches Holz) oder in Form dicker, an einer Seite zugespitzter Blöcke (spanisches Holz) in den Handel; diese erscheinen außen violett bis schwärzlich, oft mit grünlichem Anflug; innen ist es blutrot; es ist hart, schwer (spez. Gewicht 0,9 bis 1,0), schwierig zu schneiden und zu spalten. Nicht selten kommt das Blauholz auch in großen rötlichen bis schwärzlich- braunen Spänen vor. Das Holz besitzt einen eigentümlichen schwachen, an Veilchenwurzel erinnernden Geruch, und einen anfangs süßen, dann zusammen- ziehenden Geschmack. Im frischen Zustande erscheint das Holz gelblichrot. Mit Wasser gekocht, gibt es ein Absud, welches durch Ammoniak zunächst pur- purrot, dann mehr veilchenblau gefärbt wird; Alaun verursacht in der Ab- kochung eine hellrote bis grauviolette, Zinnsalz eine rosenrote Fällung; Bleizucker gibt einen weißen, Kupfervitriol einen grünen Niederschlag; beide Niederschläge färben sich bei Berührung mit der Luft dunkelblau; Eisen- vitriol gibt je nach der verwendeten Menge, einen dunkelvioletten bis schwarzen Niederschlag . Handelssorten. Als beste Sorte gilt im Handel das Campeche- holz von der Westküste von Yucatan in Kloben von 1 bis 2½ m Länge und 100 bis 500 kg Gewicht, dann folgt das Hondurasblauholz von der englischen Kolonie Honduras in Kloben von etwa 1 m Länge und 50 bis 200 kg Gewicht, das Jamaika-Blauholz von Jamaika und das Do- mingo-Blauholz von St. Domingo, Martinique und Guadeloupe, Laguna- Blauholz, Monte-Christo-Blauholz, Fort Liberté-Blauholz, Jamaikawurzelholz. Nach den Ausführungen von L. Brühl (Deutsche Färberzeitung 1888, Nr. 9 und 10) dagegen ist die Meinung, daß der Namen des Holzes zu- gleich auch über seine Güte Aufschluß gibt, eine vollständig irrige. Blauholzfarbstoff . Das Chromogen des Blauholzes ist das Häma- toxylin , von welchem es 9 bis 12 Prozent enthält. Das Hämatoxylin ist zum Teil als solches , zum größeren Teil aber in der Form seines Glycosides im Blauholz enthalten. In seiner chemisch reinen Form bildet es farblose prismatische Krystalle, welche süß schmecken, in kaltem Wasser nur schwer, in heißem Wasser, in Alkohol und Aether leicht löslich sind; es scheidet sich auch aus Blauholzextrakten bisweilen in großen Krystallen ab. Das Hämatoxylin wurde schon 1811 von Chevreul in unreinem Zustande, später von Erdmann rein dargestellt. Aus dem Hämatoxylin, welchem die Formel C 16 H 14 O 6 zukommt, bildet sich dann der eigentliche Farbstoff des Blauholzes, das Hämateïn , und zwar zunächst in einer Verbindung mit Ammoniak als Hämateïn-Ammoniak : C 16 H 14 O 6 + NH 3 + O = Hämatoxylin C 16 H 11 (NH 4 ) O 6 + H 2 O . Dieses bildet ein rotes Pulver oder blauschwarze Krystalle und ist die Ursache der schwarzblauen Farbe der äußeren Schicht des Blauholzes; aus ihm erhält man durch Zersetzen mit Essig das reine Hämateïn : C 16 H 11 (NH 4 ) O 6 + CH 3 · COOH = C 16 H 12 O 6 + CH 3 · COO · NH 4 . Das Hämateïn bildet kleine Krystalle von prachtvollem gelb- grünem Metallglanz. Es findet sich in kleinen Kryställchen nicht selten im Holze selbst, ist auch die Ursache des grünen Anfluges auf der äußersten Schicht des Blauholzes; es ist in Wasser, Alkohol und Aether schwer lös- lich. — Es möge hier noch auf die nahe Verwandtschaft der Chromogene sowohl, wie der Farbstoffe von Fernambukholz und Blauholz hingewiesen wer- den, wie sie sich am deutlichsten aus ihren chemischen Formeln ergibt: Brasilin C 16 H 14 O 5 , Hämatoxylin C 16 H 14 O 6 , Brasileïn C 16 H 12 O 5 , Häma- teïn C 16 H 12 O 6 . Santalin und Hämatoxylin scheinen sogar isomer zu sein, und enthalten wohl nur die Hydroxylgruppe in verschiedener Stellung. Der eigentliche Farbstoff bildet sich somit (wenn wir das intermediäre Hämateïn- Ammoniak weglassen) aus dem Chromogen durch Sauerstoffaufnahme oder Oxydation. Dieses ist die Ursache, weshalb man das Blauholz unmittelbar vor seiner Verwendung noch dem Prozeß der Fermentation unterwirft, einer mechanischen Behandlung, wie ich dieselbe beim Artikel Allgemeines über Farbhölzer in § 25 (S. 98) ausführlich besprochen habe. Anwendung. Das Blauholz findek ausgedehnte Verwendung zum Färben von Wolle, Seide, Baumwolle und Leder. Es gibt weniger blaue, als vielmehr braunviolette, blauschwarze und rein schwarze Töne und bildet einen Hauptausgangspunkt in der Schwarzfärberei. Die helleren mit Blau- holz hergestellten Töne sind sämtlich sehr unecht und werden daher wenig oder gar nicht angewendet. Um so umfangreicher ist dagegen seine Ver- wendung zur Herstellung von Modefarben . Vor seiner Verwendung muß das Blauholz geraspelt oder gemahlen werden. Das Blauholz dient ferner zur Herstellung einiger Blauholzpräparate , der verschiedenen Blau- holzextrakte , des Hämateïns in Extraktform (Guinon), Noir imperial, Azotine, und des Indigoersatz . Ueber diese siehe Näheres unter „Farb- stoffpräparate“ § 57. Ueber die Einzelheiten in seiner Anwendung vergl. Teil II , § 49, 65 u. 79. Prüfung und Wertbestimmung. Das Blauholz ist nicht leicht einer Verfälschung unterworfen, wenn es in Blöcken oder Scheiten auf den Markt kommt. Späne können schon eher verfälscht werden. Will man sich daher vor Verfälschung schützen, so wird man wohl thun, keine Späne zu kaufen. Der Wert des Blauholzes beruht auf seinem Gehalt an Farbstoff. Dieser Gehalt läßt sich zwar auch durch eine chemische Analyse feststellen, doch ist eine solche in diesem Falle mit vielen Schwierigkeiten verbunden, da derselbe im Holze teils als Hämatoxylin, teils als Hämateïn-Ammoniak und teils als Hämateïn enthalten ist. Viel einfacher und kürzer ist hier das Probefärben . § 33. Waid. Abstammung. Die Waidpflanze, Isatis tinctoria L. , und Isatis lusitanica L. , hat für die Färberei heute bei weitem nicht mehr jenes Inter- esse, wie in früheren Jahrhunderten, wo sie, vor Einführung des Indigos, das alleinige Material zur Erzeugung tiefblauer Farben bildete. Der Waid- anbau war ein in ganz Deutschland, vornehmlich aber in Thüringen, emsig gepflegter Zweig der Landwirtschaft. Das hat fast völlig aufgehört und die heutigen Reste der Waidkultur sind kaum der Erwähnung wert. Der Indigo hat den Waid fast vollständig verdrängt; alle Schutzmaßregeln zur Bekäm- pfung der Indigoeinfuhr und zum Schutze des Waidbauers haben den Sieges- zug des Indigos nicht aufzuhalten vermocht. Eigenschaften. Das als Waid in den Handel kommende Farb- material ist die ganze, durch eine Mühle in einen Teig verwandelte, durch- knetete und in Klumpen geformte Pflanze. Er bildet trockene, außen weiß- liche, harte Ballen, oder kleine mit Schimmel überzogene Klümpchen, die auf dem Bruche ins Schwarze fallen und, feucht verrieben, Papier blau- bis schwarzgrün färben. Guter Waid kann bis 10 Jahre alt werden und ge- winnt an Güte, weshalb der alte dem frischen vorgezogen wird. Je schwerer er ist, desto besser ist er. Die beste Handelssorte führt den Namen Pastel . Waidfarbstoff . Der Waid enthält das Chromogen des Indigblaus, des Indican , welches man aus den Blättern der Waidpflanze durch Extrak- tion mit Alkohol erhalten kann, und welches beim Behandeln mit verdünn- ten Mineralsäuren, sowie bei der Gärung, in Indigblau und Indiglucin zerfällt. Man könnte daher den Waid zur Erzeugung von Indigo benutzen, hat ihn auch vorübergehend (vergl. Indigo S. 110) dazu benutzt; er enthält jedoch nur den dreißigsten Teil Chromogen, wie die Indigopflanze; seine Verarbeitung auf Indigo ist daher nicht lohnend. Anwendung. Für sich allein wird der Waid kaum noch verwendet, sondern nur noch in der Waidküpe als Zusatz zum Indigo. Diese Waid- küpe, worüber im speziellen Teil Ausführlicheres, wird nur in der Wollen- färberei verwendet. Die Prüfung und Wertbestimmung kommt beim Waid nicht in Betracht. § 34. Minder wichtige blaue Farbstoffe. Der Lackmus ist ein Farbmaterial aus der Klasse der Flechtenfarb- stoffe und steht der Orseille und dem Persio (§ 29) ganz nahe. Zur Dar- stellung des Lackmus kann man auch die zur Bereitung von Orseille u. s. w. verwendeten Flechten gebrauchen; gegenwärtig benutzt man dazu vorwiegend die Lecanora- Arten, und zwar in Frankreich die in den Pyrenäen vorkom- menden L. orcina, Lecanora dealbata, L. parella; in England die in Is- land und Skandinavien häufig vorkommende L. tartarea (Ochrolechia tar- tarea Körb. ); nach Tschirch wird auch Pe tusaria communis dazu ver- wendet. Die Flechten werden unter Zusatz von faulem Urin oder Ammoniak — ganz wie bei der Orseille — einer Gärung unterworfen, nur fügt man noch Pottasche in genügender Menge hinzu, so daß nach beendigter Gärung eine rein tiefblaue Masse resultiert. Diese wird mit Kreide und Gyps ge- mengt, in Würfel geformt, getrocknet und in den Handel gebracht. Lackmusfarbstoff . Der lösliche blaue Farbstoff des Lackmus ist das Azolitmin , C 7 H 7 NO 4 ; dieser Farbstoff besitzt nur 1 Sauerstoffatom mehr als das Orceïn, und kann als ein Oxydationsprodukt des letzteren angesehen werden, denn: Orceïn Sauerstoff Azolitmin. Von diesem Gesichtspunkt aus muß die Lackmusgärung als eine weiter- gehende Oxydation betrachtet werden, als die Orseillegärung; es erklärt sich so auch ganz zwanglos, warum man aus demselben Flechtenmaterial sowohl Orseille wie Lackmus herstellen kann. Nach dieser Anschauung würde das Orceïn der Orseille nur als ein intermediäres Produkt zwischen Orsellin- säure und Azolitmin zu betrachten sein (vergl. § 29). Das Azolitmin ist leicht löslich in Wasser und Alkohol, wird aber durch Säuren in einen zwiebelroten Farbstoff (Orceïn?) zurückverwandelt. Anwendung findet der Lackmus (nach Grothe ) zum Färben der Seide unter Verwendung von Kochsalz als Beize. Ein dem Lackmus nahe verwandter Stoff wird in Frankreich unter dem Namen Tournesol aus dem Kraute von Crozophora tinctoria Nech. dargestellt. Sonstige Farbstoffe : Außer den vorstehend beschriebenen Farbstoffen enthalten die Blüten- blätter der schwarzen Malve, Althaea rosea Cav. , einen blauen Farbstoff, auf welchen Elsner zuerst aufmerksam gemacht hat. Dieser Farbstoff wird durch Begießen der Blumenblätter mit heißem Wasser ausgezogen; die er- haltene Flüssigkeit färbt Wolle , mit Alaun gebeizt, blauviolett, mit Zinn- chlorid dunkelviolett, mit Eisen blauschwarz; Seide mit Zinnsalz schön violett; Baumwolle mit Zinnsalz blauviolett, mit Alaun violett, mit Eisen schwarz. Die Färbungen sollen luft- und lichtecht, aber nicht säure- und walkecht sein. III. Gelbe Farbstoffe . § 35. Gelbholz. Abstammung. Das Gelbholz , auch Fustik, alter Fustik, Cubaholz, holländisches Gelbholz, echtes Fustikholz, gelbes Brasilienholz genannt, ist das Kernholz zweier zur Familie der Arto- carpeae gehöriger, in Süd- und Mittelamerika heimischer Bäume: Maclura tinctoria Don . und Maclura aurantiaca Nutt . (Morus tinctoria); letzterer, unter dem Namen Färbermaulbeerbaum bekannt, findet sich mehr auf den Antillen und in Nordamerika und soll (nach Tschirch ) vornehmlich auf Gelb- holz ausgebeutet werden, während nach Hanausek der erstere Baum das meiste Gelbholz liefern soll. Nach Grothe soll auch Broussonetia tinc- toria Gelbholz liefern. Eigenschaften. Da nach dem vorstehend Gesagten das Gelbholz nicht als ein einheitliches Produkt angesprochen werden kann, so müssen auch die Eigenschaften variieren. Allen gemeinsam ist die gelbe Farbe, welche sich jedoch in allen Nüancen von blaßcitronengelb bis zu gelbbraun findet. Es kommt sowohl in Form von mächtigen, 25 bis 200 kg schweren, Stamm- stücken oder in Scheiten nach Europa, und wird hier in hirngeschnittene oder geraspelte Ware umgewandelt; es ist ziemlich schwer und hart, leicht spalt- bar und im allgemeinen schmutzig citronengelb; mit der Zeit dunkelt es nach und wird durch und durch braun. Handelssorten. Es kommen eine große Anzahl Sorten in den Han- del, welche durch ihre Bezeichnungen zugleich die Herkunft der Ware kenn- zeichnen: Cuba dicke runde Stücke, außen braun, innen gelb mit roten Adern (diese gilt als die beste Sorte); Tampiko, von hellerer Farbe; Brasil sehr hell, mattgelb; Portorico, Jamaika, Maracaibo, Puerto Rico, Domingo, Carthagena, Tabasco. Nächst dem Cubaholz wird das Jamaikaholz als das beste betrachtet. Daß jedoch die bloßen Handelsbezeichnungen nicht geeignet sind, einen Schluß auf die Güte zu ziehen, habe ich § 31 bereits erläutert. Gelbholzfarbstoffe . Im Gelbholz sind zwei Farbstoffe enthalten, Morin und Maclurin. Morin oder Morinsäure , C 12 H 8 O 5 , welches als solches , an Kalk gebunden, im Holze enthalten ist, bildet im reinen Zustande farblose, glänzende, 1 bis 3 Linien lange Krystallnadeln, welche in Wasser nur schwer, in kaltem gar nicht löslich sind, dagegen löslich in Alkohol, weniger in Aether; es löst sich in gelösten ätzenden und kohlensauren Alkalien mit tiefgelber Farbe. Es ist in der Gelbholzabkochung enthalten und gibt hier (mit Moringerbsäure zusammen) mit Alaun einen hellgelben, mit Zinn- salz einen gelben, mit Bleizucker einen orangefarbenen, mit Kupfervitriol wie auch mit Brechweinstein einen braungelben, mit salpetersaurem Eisen einen braunolivgrünen Niederschlag; Salzsäure und Schwefelsäure geben einen schwach gelben, Oxalsäure einen dunkel orangenen Niederschlag. Am- moniak, verdünnte Kali- oder Natronlauge und Kalkwasser färben die Flüssig- keit orange, ohne einen Niederschlag zu geben. Maclurin oder Moringerbsäure , C 13 H 10 O 6 , findet sich im Gelb- holz sowohl rein, als in Verbindung mit Kalk neben Morin oft in großer Menge abgelagert; es ist mit gelber Farbe in Wasser, Alkohol, Aether, in wässerigen ätzenden und kohlensauren Alkalien löslich; die wässerige Lösung fällt Eisensalze schwarzgrün, Brechweinstein gelbbraun, Zinnchlorür gelb. Anwendung. Das Gelbholz dient zum Gelbfärben von Baumwolle und Wolle, seltener von Seide, sowie zum Hervorrufen von Modefarben, aber auch zum Grün- und Schwarzfärben von Wolle und zum Nüancieren von schwarzen Farben. Außerdem dient es zur Herstellung des Gelbholz- extrakts , worüber Näheres unter Farbstoffpräparate Ueber Prüfung und Wertbestimmung gilt dasselbe, wie beim Blauholz. § 36. Fisetholz. Abstammung. Das Fisetholz, auch junger Fustik, ungarisches Gelbholz, Fustelholz, Zantegelbholz genannt, ist das Kernholz des zur Familie der Anacardiaceae gehörenden, im Mittelmeergebiet heimischen Perrückenbaumes, Rhus Cotinus L. , und kommt von Ungarn, Dalmatien, Italien, Frankreich, Südtirol, Spanien aus in den Handel. Eigenschaften. Es kommt in zoll- bis armdicken von der Rinde be- freiten Knütteln auf den Markt und ist mehr grünlichgelb und braungestreift. Die Abkochung des Holzes hat eine schöne Orangefarbe. Fisetholzfarbstoff . Der gelbe Farbstoff des Fisetholzes ist das Fisetin , C 23 H 16 O 9 , nach Koch dagegen von der Formel C 15 H 10 O 6 , wel- ches darin, an Gerbsäure gebunden, als wasserlösliche Verbindung vorkommt. Als Fustin wird ein Glycosid des Fisetins verstanden. Das reine Fisetin krystallisiert aus Alkohol in feinen citronengelben Nadeln, welche in Wasser fast unlöslich, in Alkohol und Aether leicht löslich sind. Nach Chevreul ist das Fisetin ursprünglich weiß, färbt sich aber an der Luft schnell gelb. Die wässerige Abkochung des Fisetholzes enthält den Farbstoff in Lösung; die Fällungen mit den bekannten Beizen geben im Verhältnis zum Gelb- holz mehr orangerote Niederschläge; die Fällung mit Kupfer ist rotbraun, mit Eisenbeize graubraun. Anwendung. Der Farbstoff des Fisetholzes ist sehr wenig echt; es findet daher nur beschränkte Anwendung in der Wollen- und Lederfärberei. Mit andern Farben gemischt, erscheint der Farbstoff etwas echter und findet so Verwendung für Modefarben auf Kattun. § 37. Gelbbeeren. Abstammung. Die Gelbbeeren, auch Avignonkörner, Persische Beeren, Kreuzbeeren sind die getrockneten Früchte (Beeren) verschiede- ner Kreuzdorn- ( Rhamnus- )Arten. Nach der verschiedenen Herkunft richten sich auch die verschiedenen Handelssorten, und zwar werden hauptsächlich unterschieden: 1. Avignongelbbeeren von Rhamnus infectoria L. und Rhamnus saxatilis L. , französischer Provenienz, von Erbsengröße, dunkelgrün, glatt und unten spitz. 2. Persische Gelbbeeren von Rhamnus infectoria L. und Rh. oleoïdes, größer als die vorigen, von schön grüner Farbe, unten spitz, ein- fächerig. Sie enthalten von allen Gelbbeeren den meisten Farbstoff und sind die geschätztesten. 3. Walachische und Levantinische Gelbbeeren von Rh. infec- toria und Rh. saxatilis; sie sind kleiner, dreifächerig und geringer als die persischen. 4. Ungarische Kreuzbeeren von Rh. amygdalinus und Rh. tinctoria, bräunlich, rundlich gestielt, vierfächerig. 5. Spanische Gelbbeeren von Rh. alaternus, weniger geschätzt als die französischen. 6. Deutsche Gelbbeeren von Rhamnus Cathartica L. , eine ge- ringere Sorte. Auch Rhamnus Frangula, Rh. alpina und pumilio werden in Deutsch- land, resp. der Schweiz und Italien als Mutterpflanzen der Gelbbeeren bis- weilen benutzt. Eigenschaften. Die Beeren haben die Größe eines Pfefferkornes bis einer Erbse, sind hellgrün, olivgrün, braungrün, braun bis schwarz. Die großen, vollen, helleren Beeren sind kurz vor der Reife gesammelt, die gelben und braunen kleineren und runzligen nach der Reife; die schwarzen sind überreif. Die wässerige Abkochung der Gelbbeeren gibt mit Kaliumdichromat einen rötlichbraunen, mit Thonerde- und Zinnoxydsalzen einen mattgelben, mit Zinnoxydulsalzen einen orangegelben, mit Kupfervitriol einen olivgrünen Niederschlag. Gelbbeerenfarbstoffe . Die Gelbbeeren enthalten zwei Farbstoffe, Rhamnin und Rhamnetin . Doch sind die Angaben der verschiedenen Autoren noch so wenig übereinstimmend, daß sich eine bestimmte sichere Charakteristik nicht aufstellen läßt. Auch die chemischen Formeln der ver- schiedenen Forscher koinzidieren nicht, was den Schluß gestattet, daß die- selben mit verschiedenen reinen Stoffen gearbeitet haben. Sicher ist, daß das Rhamnetin ein Spaltungsprodukt des Rhamnins ist. Nach den neuesten Untersuchungen von Liebermann und Hörmann enthalten die Gelbbeeren neben wenig freiem Farbstoff 12 Prozent Farbstoffglycoside, welche in Wein- geist schwerer löslich sind, als der eigentliche Farbstoff, welchen Lieber- mann als Xanthorhamnin bezeichnet und dem er die Formel C 48 H 66 O 29 gibt. Dieses spaltet sich beim Behandeln mit Säuren in Rhamnetin und eine Zuckerart, Isodulcit. Xanthorhamnin Wasser Rhamnetin Isodulcit. Doch werden auch diese Angaben von anderer Seite angezweifelt. Eine Uebereinstimmung mit dem Quercitronfarbstoffe soll nicht existieren. Hier müssen weitere Forschungen wohl noch mehr Klarheit bringen. Ohne diesen Forschungen vorgreifen zu wollen, glaube ich doch, nur einen Farbstoff annehmen zu sollen. Es sei vor allem gestattet, darauf hinzuwei- sen, daß der eigentliche Sitz des Farbstoffes das Parenchym der Frucht- schalen ist; die Fächerwände der Beeren und die Samen enthalten den Farb- stoff nicht. Der Farbstoffträger sitzt also in der äußersten Beerenoberfläche und geht aus der anfangs hellgrünen, dann goldgelben Farbe bei der Reife in eine olivgrüne über. Es darf wohl angenommen werden, daß hier der Luftsauer- stoff oxydierend wirkt, und daß der olivgrüne Farbstoff der reifen Früchte der eigentliche Farbstoff ist , während der grüne Farbstoff der noch nicht reifen Beeren als eine Mischung des Chromogenes der Gelb- beeren mit — je nach der vorgeschrittenen Fruchtreife — kleineren oder größeren Mengen des fertigen Farbstoffes zu betrachten ist. Da überdies die Gelbbeeren viel Gerbsäure enthalten, so ist es nicht ausgeschlossen, daß sowohl das Chromogen, wie der Farbstoff selbst in Form von Glycosiden in den Gelbbeeren enthalten sind. Ueberhaupt zeigt der Farbstoff der Gelb- beeren manche Uebereinstimmung mit dem des Fisetholzes, bei welchem die Beziehungen zwischen Fisetin und Fustin ja auch noch keineswegs einwand- frei festgestellt sind. Anwendung. Die Gelbbeeren finden in der Färberei nur beschränkte Verwendung in der Wollenfärberei und zum Färben von Leder; um so be- deutender ist ihre Verwendung im Zeugdruck. — Da der Farbstoff in der äußeren Fruchthülle liegt, hat ein Zerkleinern oder Mahlen der Gelbbeeren keinen Sinn . — Ueber ein Gelbbeeren-Extrakt s. Farb- stoffpräparate § 58. Prüfung und Wertbestimmung. Eine Verfälschung der Gelb- beeren ist wohl ausgeschlossen, da sie unzerkleinert gekauft werden. Eine Wertbestimmung des Farbstoffgehaltes erfolgt durch Probefärben. § 38. Quercitron. Von den vegetabilischen gelben Farbstoffen ist Quercitron der für die Färberei am meisten angewandte. Das Färbematerial kam 1775 nach Europa; es ist durch einen hohen Farbstoffgehalt ausgezeichnet und besitzt 4 mal soviel Färbekraft als Gelbholz, 10 mal soviel als Wau. Abstammung. Quercitron ist die von der schwarzen Außenrinde be- freite, geraspelte oder gemahlene Rinde einiger in Nordamerika heimischen, jetzt auch in Frankreich und Deutschland wachsenden Eichenarten und zwar: Quercus tinctoria Willd . und Quercus nigra, seltener Quercus digitata und Qu. trifida, Qu. aquatica, Qu. cinerea. Handelssorten. Es kommen 3 Sorten im Handel vor: Phila- delphia-, New-York- und Baltimore-Quercitron. Quercitronfarbstoff . Dieser wurde zuerst von Chevreul in Krystallen dargestellt, später von Bolley untersucht. Er ist in der Rinde als Glycosid enthalten und Quercitrin genannt worden. Seine Formel ist C 33 H 30 O 17 . Er bildet schwefelgelbe Kryställchen, welche sehr schwer in kaltem, etwas leichter in heißem Wasser, sehr leicht in Alkohol löslich sind; er spaltet sich beim Behandeln mit verdünnten Säuren in Quercetin und einer Zuckerart (Isodulcit). Quercitrin Wasser Quercetin Isodulcit Ganswindt , Färberei. 9 Quercetin bildet lebhaft gelbe Nadeln oder ein citronengelbes Pulver, ist fast unlöslich in kaltem, sehr schwer löslich in kochendem Wasser, leichter in Weingeist, sehr leicht in wässerigen Alkalien mit goldgelber Farbe. Die Frage der Quercitronfarbstoffe ist noch nicht abgeschlossen. Hlasi- wetz nimmt noch ein Quergelb und Querbraun an. Auch ist es noch keines- wegs entschieden, ob das Quercitrin oder das Quercetin der eigentliche Farb- stoff, oder ob jeder von beiden ein Farbstoff sei. Beide sind citronengelbe Körper und geben gelbe Färbungen. Manche Quercitronextrakte bestehen fast aus reinem Quercitrin, andere wieder aus fast reinem Quercetin, wieder andere aus Gemischen beider; alle aber färben gleich gut. Es geht daraus hervor, 1. daß jeder der beiden Stoffe als Farbstoff zu betrachten ist, 2. daß die Umwandlung in Quercetin nicht nur beim Behandeln mit Säuren, son- dern auch schon beim bloßen Eindampfen von Quercitronlösungen zur Extrakt- konsistenz vor sich geht. — Die Unklarheit wird noch vermehrt durch das Vorhandensein zweier Quercitronpräparate, des Flavins , und eines zweiten, welches den Namen „Quercetin“ führt. Die Existenz dieser beiden Präpa- rate ist ganz dazu angethan, das Vorhandensein zweier Farbstoffe anzu- nehmen, von denen der eine im Flavin ein saurer, der andere im „Quer- cetin“ enthaltene ein basischer sein müßte; ist das nicht richtig, dann wäre nur ein wasserlöslicher Farbstoff anzunehmen, der mit Kaliumsulfat zu fixieren wäre. Um den Wirrwarr voll zu machen, kommt im Quercitron noch ein sehr bedeutender Gehalt an Gerbsäure hinzu. Hier ist in unserem chemischen Wissen noch eine Lücke. Liebermann weist darauf hin, daß zwischen den Farbstoffen der Gelbbeeren und denen des Quercitrons bestimmte Beziehungen zu existieren scheinen, da die Spaltungsprodukte in beiden Fällen dieselbe Zuckerart Isodulcit geben und überdies Rhamnetin und Quercetin in ihren Formeln nahe verwandt scheinen: Rhamnetin C 24 H 18 O 12 Quercetin C 24 H 16 O 11 Anwendung. Wie beim Gelbholz; der Quercitron selbst ist aber viel- fach durch seine Präparate: Quercitronextrakt, Flavin und Quercetin ver- drängt worden. Ueber diese vgl. Farbstoffpräparate § 58. Prüfung und Wertbestimmung wie beim Gelbholz. § 39. Curcuma. Abstammung. Das Farbmaterial Curcuma ist die Wurzel der zur Familie der Zingiberaceae gehörigen im tropischen Asien heimischen Curcuma longa L. , auch Gelbwurz, Gilbwurzel , Turmeric, Terra merita ge- nannt. Auch Curcuma viridiflora soll Curcuma liefern Die Angabe anderer Autoren, daß die Wurzel auch von einer Pflanze Cur- cuma rotunda L. stammen soll, ist nicht richtig. . Eigenschaften. Die Wurzel ist dicht, schwer, hornartig spröde, mit der Hand schwer zu zerbrechen, außen graugelb bis braungelb, innen wachs- glänzend, dunkelgelb bis gelbrot, von eigentümlichem, an Ingwer erinnern- dem Geruch und bitterem Geschmack. Sie kommt in zwei Formen in den Handel, als lange und runde Curcuma. Die erstere ist etwa fingerlang, 8 bis 12 mm dick, walzenrund, undeutlich geringelt; sie ist die fast stets im Handel vorkommende Sorte; die geschätzteste Sorte heißt Bengal . Die runde Form kommt seltener in den Handel. Für Färbereizwecke sind beide Formen gleich gut verwendbar. Curcumafarbstoff . Die Curcumawurzel enthält einen rotgelben Farbstoff, das Curcumin , C 8 H 10 O 2 . Derselbe ist als solcher in der Wurzel enthalten und kann daraus durch siedendes Benzol ausgezogen werden. In reinem Zustande bildet es lebhaft orangerote Krystalle, welche leicht in Alkohol, in Aether, schwerer in Benzol löslich sind. In Alkalien löst es sich mit lebhaft rotbrauner Farbe; in der alkoholischen Lösung erzeugt Blei- salz einen feurig roten Niederschlag. Das Curcumin ist ein substantiver Farb- stoff, welcher ohne Beizen angeht. Die Färbungen mit Curcumin sind aber sehr unecht, sie verbleichen schnell und werden durch geringen Alkalizusatz, also auch durch Seife, in ein fahles Braun umgewandelt. Anwendung. Obgleich die Färbungen mit Curcuma sehr unecht sind, wird dieses Färbmaterial seines billigen Preises (20 Pfennige pro Kilo) und seiner einfachen Anwendung wegen (einfache Abkochung mit Wasser ohne An- wendung einer Beize) noch vielfach verwendet, sowohl in der Baumwollen- färberei, vornehmlich aber in der Wollen- und Seidenfärberei zur Erzeu- gung zusammengesetzter Nüancen (Oliv, Braun). Prüfung und Wertbestimmung fallen hier weg. § 40. Wau. Abstammung. Wau, auch Färberwau, Gelbkraut, Gilbe ge- nannt, ist die ganze, in Deutschland, Frankreich und England wildwachsende, zur Familie der Resedaceae gehörende Pflanze Reseda luteola L. Sie wächst auf Wiesen und grasigen Anhöhen, hat einen aufrechten, etwa meter- hohen Stengel, im Kreise zusammenstehende Wurzelblätter und zerstreut sitzende, schmale lanzettförmige, etwas stumpfe, glatte, glänzende, unge- stielte Stengelblätter und blaßgelbe, eine lange Aehre bildende Blüten. Nur der oberirdische Teil der Pflanze wird gesammelt. Handelssorten. Man unterscheidet deutschen, englischen und franzö- sischen Wau, von denen der erste der beste ist. Eigenschaft. Das Farbmaterial kommt getrocknet, in Büschel gebunden, in den Handel; es sieht gelb aus, etwas ins Rötliche spielend. Die Abkochung hat eine gelblichgrüne Farbe, einen eigentümlichen, widerlich süßen Geruch, schmeckt schwach bitter und wird durch Alkalien dunkel goldgelb, durch Säuren dunkelgelb, durch Metallsalze gelb, durch Eisenvitriol olivgrün gefärbt. Waufarbstoff . Der Farbstoff des Wau ist 1832 von Chevreul dargestellt und Luteolin genannt und später von Schützenberger unter- sucht worden. Es ist krystallisierbar, läßt sich ohne Zersetzung sublimieren, und ist in Wasser wenig, leichter in Alkohol, Aether und Essigsäure löslich. Kali, Natron und Ammoniak verändern den Farbenton in Grüngelb; starke Säuren fällen es aus seinen Lösungen. Anwendung. Wau dient vornehmlich in der Seidenfärberei als ziemlich echter Farbstoff zum Färben von Gelb, Oliv und Grün, in der 9* Wollenfärberei zur Erzielung ziemlich echter gelber und olivgelber Töne; in der Baumwollenfärberei wird Wau weniger gebraucht, da er hier keine haltbaren Farben gibt. Wertbestimmung. Durch Probefärben. § 41. Orlean. Abstammung. Das Färbematerial, welches unter dem Namen Orlean, oder Anatto, Roucon , in den Handel kommt, wird aus der fleischigen, roten, angenehm riechenden, bitter schmeckenden Samenschale ( nicht das Mark der Frucht , wie einzelne Autoren angeben) des im tropischen Amerika heimischen, in Ostindien kultivierten, zur Familie der Cistiflorae gehörenden Orleanbaumes, Bixa Orellana L. und Bixa Urucana Willd . gewonnen. Dieser ist ein kleiner Baum mit herzförmigen Blättern und schön rötlich gefärbten Blütentrauben. Man läßt die Masse vergären und schlämmt den Farbstoff mittels Wasser ab. Eigenschaften. Der Orlean bildet einen roten, steifen Teig, der aus den Samenschalen durch Uebergießen mit Wasser, Fällen des Farbstoffes mit Essig, und Sammeln, Erwärmen und Auspressen des entstandenen Nieder- schlages gewonnen wird; er besitzt butterartige Konsistenz und fühlt sich fettig, nicht erdig, an; seine Farbe ist ein schmutziges Rot, dem Ziegelmehl ähnlich, außen stets matter, als im Innern des Teiges. Er riecht unangenehm nach verfaultem Urin, weil man ihn mit Harn zu befeuchten pflegt, damit er stets feucht bleibe und seine Farbe sich durch das aus dem faulenden Harn ent- wickelnde Ammoniak erhöhe; mit Harn nicht behandelter Orlean riecht auch nicht angenehm, aber nur schwach; der ganz frische riecht nach Möhren. Auf Papier macht Orlean einen dunkeln Fleck; zwischen den Fingern gleitet er durch, indem sich nur einige kleinere härtere Körner bemerklich machen. Orlean darf im Innern weder schimmelig, noch ungleichmäßig gefärbt sein; bei beginnender Fäulnis wird seine Farbe immer heller. — Der Orlean von Cayenne gilt als der beste. Zusammensetzung. Guter Orlean enthält durchschnittlich 6 Prozent Farbstoff, 72 Prozent Wasser, 17 Prozent vegetabilische Stoffe, 5 Prozent Mineralstoffe; er darf nicht mehr als höchstens 13 Prozent Asche hinter- lassen. Dagegen hat John gefunden: 28 Prozent unlösliche und 30 Pro- zent lösliche Farbstoffe, 32 Prozent Pflanzenschleim, Extraktivstoffe und ca. 20 Prozent Holzfaser. Orleanfarbstoffe . Nach Chevreul finden sich im Orlean zwei, nach v. Schröder mehrere Farbstoffe. Bekannt sind ein roter Farb- stoff, das Bixin , C 28 H 34 O 5 , und ein gelber, das Orellin . Das erstere, für die Färberei wichtige, ist näher bekannt, und bildet in reinem Zustande ein krystallinisches, metallisch glänzendes, rotes Pulver mit einem Stich ins Violette. Es ist unlöslich in Wasser , schwer löslich in kaltem Al- kohol, leichter in kochendem Alkohol und Chloroform, wenig in Aether, Benzol und Schwefelkohlenstoff. Alkalische Laugen, Seifenlauge und Lö- sungen kohlensaurer Alkalien lösen es mit gelber Farbe; eine solche Lö- sung gibt mit Alaun einen dunkelziegelroten, mit Zinnchlorür einen orangen- roten, mit schwefelsaurem Eisenoxyd einen braunen, mit essigsaurem Blei einen hell ziegelroten, mit Kupfervitriol einen gelblichbraunen Niederschlag. In starker Schwefelsäure löst es sich mit kornblumenblauer Farbe. Das Orellin ist weniger bekannt, es soll in Wasser und Alkohol leicht löslich sein und mit Alaun einen gelben Niederschlag geben. Anwendung. Orlean wird in alkalischer Lösung ohne Anwendung von Beizen zum Gelb- und Orangefärben, vornehmlich von Seide, gebraucht, seltener unter Anwendung von Thonerdebeizen für Wolle und Baumwolle. Besonders gern wird der Orlean für zarte Crêmes und Lachsfarbentöne, sowie zum Nüancieren anderer gelber Farben verwendet. Prüfung und Wertbestimmung. Die teigartige Form des Orleans macht ihn sehr geeignet für Verfälschungen, und zwar mit Ziegelmehl, Bolus, Blutstein. Derartige Verfälschungen lassen sich durch den unverhältnismäßig hohen Aschengehalt nachweisen, welcher nicht mehr als 13 Prozent betragen darf . Die Wertbestimmung ist durch Probefärben aus alkali- schem Bade auszuführen. § 42. Gelbschoten. Abstammung. Die Gelbschoten, Wongshy , sind die Früchte der im südöstlichen Asien heimischen, zur Familie der Rubiaceae gehörigen chinesi- schen Gelbschote von Gardenia florida L. , Gardenia radicans Thbg. und Gardenia grandiflora Lour . Sie kamen im Jahre 1848 zum erstenmal nach Europa. Eigenschaften. Es sind länglich eirunde Samenkapseln, mit dem ver- trockncten sechslappigen Kelche gekrönt, 3½ bis 5 cm lang, 1 cm dick und von ungleichmäßiger, rötlichgelber Farbe. Gelbschotenfarbstoff . Sie enthalten einen gelben Farbstost, welcher nach Mayer mit dem im Safran enthaltenen Crocin identisch ist. Der Farbstoff ist nach C. H. Schmidt in warmem Wasser leicht löslich; im reinen Zustande bildet das Crocin ein lebhaft rotes geruchloses Pulver; die Lösung hat die Farbe einer Auflösung von rotem chromsaurem Kali; es löst sich leicht in Alkalien mit gelber Färbung; beim Kochen mit verdünnten Säuren spaltet es sich in Zucker und Crocetin . Letzteres ist ein dunkel- rotes amorphes Pulver, in Wasser wenig, in Alkohol leicht löslich; seine Lösungen geben mit Bleizucker einen gelben Niederschlag. Anwendung. Crocin ist ein substantiver Farbstoff; Wolle und Seide werden mittels Wongshy ohne Beize echt und haltbar gelb gefärbt. Baum- wolle bedarf der Zinnbeize. Die Farbe widersteht der Säure, wird aber durch starke Alkalien, durch Säuren und Zinnsalz ins Rote nüanciert. Wertbestimmung durch Probefärben. § 43. Minder wichtige gelbe Farbstoffe. 1. Ginster , Färberginster, Farbblumen, Gilbkraut, gelbe Scharte, sind die Blätter, Blüten und jungen Zweige von Genista tinctoria L. , Genista ovata, Gen. anglica, Gen. sagittalis, Gen. monosperma, Gen. purgans, welche teils in Deutschland, teils in Süd- und Westeuropa und Nordafrika wild wachsen. Sie enthalten einen gelben Farbstoff, welcher genau wie beim Wau (§ 40) verwendet wird. 2. Scharte , Färberscharte, sind die Stengel und Blätter der im nörd- lichen Europa heimischen Serratula tinctoria L. Dieselben enthalten einen gelben Farbstoff, das Serratulin , welches wie beim Wau verwendet wird. — Beide werden nur noch in Bandfärbereien verwendet. 3. Sooranjee, Morindagelb , die Wurzeln von Morinda citri- folia und Morinda umbellata L. Sie enthalten einen in Wasser leicht lös- lichen Farbstoff, das Morindin , welches sich in Alkalien orangerot löst. Das Farbmaterial steht dem Krapp nahe und wird auch mit Oelbeize fixiert. 4. Sauerdorn , Berberitze, die Wurzeln von Berberis vulgaris und Berberis flexnosa; sie enthalten einen in kochendem Wasser sehr leicht lös- lichen Farbstoff, das Berberin , C 20 H 17 NO 4 ; man benutzt sie stellenweise noch zum Färben von Leder und Seide. Der Farbstoff findet sich auch in vielen anderen Pflanzen, z. B. in der Rinde von Coeloclyne polycarpa DC. , welche in Westafrika zum Färben benutzt wird, und in dem in Indien benutzten Farbstoff Woodunpar. 5. Datisca , die Blätter und Wurzeln der im Mittelmeergebiet heimi- schen Datisca cannabina, einer unserem Hanf ähnlichen Pflanze. Das darin enthaltene Chromogen ist nach Ganswindt identisch mit dem Glycosid Datiscin , C 21 H 22 O 12 , welches im reinen Zustande farblose, durchschimmernde, weiche seidenglänzende Nadeln bildet. Das Datiscin löst sich wenig in Wasser, leichter aber in alkalischen Flüssigkeiten mit tiefgelber Farbe. Mit verdünnter Schwefelsäure erwärmt, zerfällt es in Datiscetin und Zucker. Ersteres, C 15 H 10 O 6 , ist unlöslich in Wasser, leicht löslich in Alkohol, Aether und Alkalien. Es ist der eigentliche Farbstoff der Datisca . In Ostindien wird es viel zum Gelbfärben der Seide gebraucht. 6. Safran , die Narben der Blüten von Crocus sativus L. ; dieselben enthalten Crocin , den gleichen Farbstoff, der in den chinesischen Gelbschoten enthalten ist. Außer den genannten bietet die Natur noch eine große Anzahl gelber Farbstoffe, von denen mir jedoch nicht bekannt ist, daß sie wirklich praktische Verwendung finden. Für die nachstehenden finden sich noch vereinzelte Notizen. 7. Rhabarber , die Wurzel verschiedener Rheum- Arten; sie enthält einen gelben Farbstoff, Chrysophan, der in Wasser wenig löslich, in Alkohol leicht löslich ist, in Alkalien mit tiefrotbrauner Farbe sich löst. Der Farbstoff färbt sowohl ohne Beizen, als auch (nach Grothe ) mit Thonerde und Zinnbeizen Seide gelb, mit Eisenbeizen olivgrün. 8. Stechpalme , die Blätter von Ilex aquifolium L. Die im August gesammelten Blätter enthalten reichlich einen gelben Farbstoff, das Ilexanthin, C 17 H 22 O 11 , löslich in heißem Wasser oder Alkohol. Nach Moldenhauer färbt es mit Hilfe von Beizen gelb. 9. Hirsestroh , die ausgedroschenen Stengel von Panicum miliaceum L. ; sie enthalten, nach Schlumberger , einen gelben Farbstoff, der in kaltem Wasser unlöslich, in heißem Alkohol löslich ist. Er soll mit Thonerde- und Zinnbeizen rote, mit Eisenbeizen schwarze Färbungen geben, auch soll man damit Modefarben von Rot bis Violett und Schwarz erzielen können; die Färbungen sollen sehr haltbar sein. 10. Buchweizenstroh , das Stroh des Buchweizens, Fagopyrum esculentum. Man gewinnt daraus durch Auskochen mit Wasser und Zusatz von Leimlösung — wodurch Gerbsäure und Extraktivstoff gefällt wird — einen gelben Farbstoff, der mit essigsaurer Thonerde besonders auf Baum- wolle eine schöne echte, dem Quercitron ähnliche Farbe geben soll; auch zu Modefarben, Grün und Oliv soll das Material verwendbar sein. IV. Grüne Farbstoffe . § 44. Grüne pflanzliche Farbstoffe. So freigebig die Natur mit blauen und gelben Farbstoffen ist, so arm ist sie an wirklichen grünen. Es existiert eigentlich kaum ein nennenswerter grüner vegetabilischer Farbstoff, und für Färbereizwecke wird ein gelber Farb- stoff entweder durch entsprechende Beizen in grüne Töne übergeführt oder mit einem blauen Farbstoffe gemischt werden müssen. Von den grünen Farbstoffen, welche die Natur bietet, seien hier er- wähnt: 1. Das Blattgrün, Chlorophyll , der grüne Farbstoff der Blätter. Diesen bietet die Natur in ungeheurer Menge, und es könnte befremden, daß er noch nicht technisch verwendet ist. Dem gegenüber muß hervorgehoben werden, daß unsere Kenntnis des Chlorophylls noch vor kurzem eine durch- aus ungenügende war, und daß selbst unsere heutigen Kenntnisse noch nicht erschöpfend genannt werden können, zumal es erst neuerdings gelungen ist, das Chlorophyll als solches aus Gras, Blättern u. dergl. zu gewinnen. Nach Tschirch findet sich das Chlorophyll stets in Begleitung eines gelben Farb- stoffes, des Xanthophylls, vor; beim Extrahieren des Chlorophylls mittels Alkohol geht auch das Xanthophyll mit in Lösung, daher derartige Lösungen stets gelbgrün erscheinen. Erst neuerdings ist es Schütz gelungen, das Chlorophyll vom Xanthophyll zu trennen und reine smaragdgrüne Lösungen zu erhalten. Diese Lösung, im Handel als Schütz ’s Chlorophyll erhältlich, würde unter Umständen den Ausgangspunkt für die Anwendung des Blattgrüns in der Färberei abgeben können. Nach Berzelius ist das Blattgrün gegen Licht ganz unbeständig. Das mag der Fall sein, wenn es zum Färben angewendet wird, ohne durch Beizen auf der Faser fixiert worden zu sein. Wie sich das Blattgrün, wenn entsprechend fixiert, auf der Faser gegen Licht verhält, bleibt erst noch zu beweisen. Versuche in dieser Richtung werden darüber Auskunft geben, und ich möchte dazu um so mehr raten, als sich Zinkbeizen vortrefflich zur Fixierung von Chlorophyll eignen; das Chlorophyll bildet nämlich mit Zink einen prächtig grünen Farbstoff, welcher 13,8 Prozent Zinkoxyd enthält und sich in Alkohol, Aether, Chloroform, aber nicht in Wasser löst. Tschirch empfiehlt dazu die Kupferverbindung der Phyllocyaninsäure, eines Derivats des Reinchlorophylls, und bemerkt dabei, daß die Verbindung von der pflanzlichen Faser nicht fixiert wird, besser von der tierischen. 2. Lokao, Chinesischgrün, Chinagrün . Das unter dem Namen Lokao oder Lukao in den Handel kommende Farbmaterial besteht aus der feinpulverigen Abscheidung aus den Abkochungen der Rinde der in China heimischen Rhamnus chlorophorus und Rhamnus utilis Desc . Wenigstens scheint er das früher gewesen zu sein; als die Nachfrage nach Lokao leb- hafter wurde, hat man zur vollkommeneren Extraktion des Farbstoffes die Rinde mit kohlensaurem Natron unter Zusatz von etwas Alaunlösung und Stehenlassen an der Sonne extrahiert. Eigenschaften. Der Lokao wird in Gestalt von mehr oder weniger länglichen dünnen Blättchen versendet, von der Stärke des Papiers, von blauer Farbe mit violettem oder zuweilen grünem Reflex; auf dem Bruche zeigen sie bald ein schmutziges Graugrün, bald ein dunkles oder violettfarbiges Blau, auf Papier zerrieben geben sie einen meergrünen Strich; sie lassen sich nicht pulvern. Lokao ist in Wasser teilweise löslich, völlig löslich in Essig- säure und in einer konzentrierten Lösung von kohlensaurem Kali, unlöslich in Alkohol, Aether und Schwefelkohlenstoff. Er gibt 21 bis 33 Prozent Asche. Auch ganz in Wasser unlösliche Lokaosorten kommen in den Handel. Diese scheinen durch Extraktion des Farbstoffes mit Pottaschelösung und nachheriges Fällen mit Alaun dargestellt zu sein; es wären somit richtige Lokaofarblacke. Die Lösungen des Lokao werden durch Aetzalkalien und alka- lische Lösungen braun, durch Zink- und Magnesiumsalze blau, durch borsaure Salze grün, durch Zinnchlorür orange, durch Schwefelammonium purpurrot gefärbt. — Ueber den Farbstoff des Lokao hat Kayser Berichte der deutsch. Chem. Gesellschaft 18, 3417. die Ansicht aus- gesprochen, daß derselbe eine Säure sei, welche er Lokaonsäure , C 42 H 48 O 27 , nennt, während er den Lokao als den Thonerdekalklack derselben betrachtet. Die Lokaonsäure, welche er als ein tiefblaues Pulver beschreibt, welches sich in Ammoniak mit blauer Farbe löst, soll mit Säuren behandelt, sich spalten in Lokaosäure, C 36 H 36 O 21 und Lokaose, einen inaktiven Zucker von der Formel C 6 H 12 O 6 . — Man wird indessen nicht fehlgehen, wenn man den Farbstoff als einen Abkömmling des Rhamnins betrachtet, um so mehr, da die alkalischen Lösungen desselben mit den alkalischen Lösungen des Rhamne- tins mehrfache Analogien zeigen und auch, weil die Formel der Lokaonsäure C 36 H 36 O 21 oder C 12 H 12 O 7 als ein Hydrorhamnetin erscheint: Anwendung. Lokao wurde von Köchlin zum Färben von Baum- wolle und Seide empfohlen, und zwar wird Baumwolle aus alkalischer Lösung (schwaches Seifenbad) ohne Beize grün; Seide wird zuvor gespült und ge- seift, dann in einem sehr verdünnten Bade, bereitet aus einer Lösung von Lokao in einer Alaunlösung, ausgefärbt. Es gibt ein prächtig leuchtendes Grün, welches auch bei Licht ein reines Grün zeigt. Jetzt ist es durch die billigeren und ebenso feurigen Teerfarben fast verdrängt worden. Hieran schließt sich 3. Saftgrün , eine eingedickte Abkochung der unreifen deutschen Kreuzbeeren von Rhamnus cathartica L ., unter Zusatz von etwas Alaun und geringen Mengen von Indigokarminlösung; so entsteht bei fortgesetztem Abdampfen ein schön grüner Teig, welcher in Rindsblasen gefüllt (daher auch Blasen- grün genannt), und im Rauche getrocknet wird, wo er schließlich zu einer steinharten Masse austrocknet. Der Farbstoff ist das in den Gelbbeeren ent- haltene, in Alkohol leicht, in Wasser fast gar nicht lösliche Xanthorhamnin. V. Braune Farbstoffe und Gerbstoffe . § 45. Catechu. Abstammung. Catechu, auch Pegucatechu, Cachou, Cutch In Färberkreisen findet man fast durchweg die beiden letzten Bezeichnungen; das ist ein schweres Unrecht gegen unsere deutsche Sprache, denn Cachou ist der französische , Cutch der englische Ausdruck dafür, die deutsche Bezeichnung aber heißt : Catechu . ge- nannt, ist das Extrakt, d. h. die zur Trockne eingedickte Abkochung ver- schiedener gerbstoffreicher Pflanzenteile in Ostasien heimischer Pflanzen. Be- sonders vier Sorten liefern das Catechu. 1. Acacia Catechu Willd ., in Südasien heimisch, zur Familie der Mimoseae gehörig. 2. Acacia Suma Kurz , in Vorderindien und dem tropischen Afrika heimisch. Beide besitzen ein rotbraunes Kernholz, welches vom Splint befreit, zerkleinert und dann ausgekocht wird. Das Absud wird dann soweit einge- dampft, bis es beim Erkalten zu erstarren beginnt; dann wird der Brei in Thon- formen oder auf Blätter ausgegossen, bisweilen auch auf Matten geschöpft, worauf das Extrakt an der Luft und Sonne austrocknet, und in Blöcken, in Blätter gehüllt, in den Handel kommt. 3. Uncaria Gambir Roxb ., zur Familie der Rubiaceae gehörig, in Hinterindien und Ceylon wildwachsend, auf Borneo und im gesamten Hollän- disch-Indien in großartigem Maßstabe angebaut. 4. Uncaria acida Roxb . Diese beiden sind Sträucher von 2½ bis 3 m Höhe, deren Blätter und junge Triebe 3 bis 4 mal im Jahre gebrochen und sofort in flachen eisernen Pfannen ausgekocht werden. Nach genügender Konzentration der Abkochung wird dieselbe in flache Holzkästen gegossen und nach genügender Erstarrung in Würfel geschnitten oder auch in Blöcke ge- preßt, welche an der Luft trocknen. Die unter 3 und 4 genannten liefern das Gambircatechu , auch Gambir oder Katagambe genannt. Die Angabe der meisten Autoren, daß auch Areca Catechu, die Areca- palme, Catechu liefere, ist falsch ; das Extrakt der Arecanuß besitzt keinen Gerbstoff. Handelssorten. Streng zu unterscheiden sind das Pegucatechu vom Gambircatechu . — Das erstere kommt über Bombay und heißt deshalb auch Bombaycatechu; es bildet unregelmäßige Kuchen oder größere Blöcke, mit Blättern durchsetzt und in Blätter gehüllt, ist dunkelschwarzbraun, stellenweise heller, matt oder nur wenig glänzend, fast spröde, undurchsichtig, mit der Hand leicht in eckige, scharfkantige oder körnige Stücke zu zerbrechen, im Bruch gleichartig, flach oder muschelförmig, glänzend, bisweilen von kleinen Hohlräumen durchsetzt, meist aber dicht. Das Bengalcatechu bil- det unregelmäßige, vierseitige, feste, schwere, graubraune bis dunkelbraune Stücke; auf dem Bruche lassen sich dunkelbraun glänzende und hellbraun matte Schichten unterscheiden. — Das Gambircatechu kommt als Block- gambir oder Würfelgambir in den Handel. Letzteres bildet 3 bis 4 ccm große Würfel, außen matt rotbraun, innen gelbbraun, matt, porös, leicht zerreiblich, erdig, auf Wasser schwimmend; ersteres bildet glatte Kuchen oder formlose Stücke und ist fester als Würfelgambir. Eigenschaften. Mit kaltem Wasser zerfällt Catechu und bildet eine trübe dunkelbraune Lösung über einem hellen Bodensatze; die Flüssigkeit wird beim Erwärmen klar. Beim Kochen mit Wasser löst sich der größte Teil zu einer trüben braunen Flüssigkeit, welche beim Erkalten sich noch mehr trübt. Beim Kochen mit Alkohol lösen sich 85 Prozent zu einer dunkel- braunen klaren Lösung. In der wässerigen Lösung des Catechus ruft Eisen- chlorid einen grünen bis schwarzgrünen Niederschlag hervor, Zinnsalze fällen die Lösung braungelblich, Bleisalze ziegelrot, Kupfersalze oder Kaliumbichromat braun. Zusammensetzung. Der Hauptbestandteil des Catechus und zugleich des Chromogen des Farbstoffes ist das Catechin , auch als Catechusäure, Tanningensäure, bezeichnet von der Formel C 21 H 20 O 9 + 5 H 2 O. Es kommt zu 34 bis 36 Prozent fertig gebildet darin vor ( Davy ) und findet sich nicht selten an helleren Stellen der Droge krystallinisch vor. In reinem Zustande bildet es farblose büschelige Krystallnadeln. Es ist in heißem Wasser und sehr leicht in Alkohol löslich. Die wässerige Lösung reagiert nicht sauer und färbt sich an der Luft citronengelb und beim Kochen dunkelrot; frisch bereitet, wird sie durch Eisenvitriol nicht sofort verändert, später grün gefärbt. Der andere Bestandteil, 48 bis 52 Prozent des Catechus ausmachend, ist die Catechugerbsäure , C 13 H 12 O 5 ; diese ist in kaltem Wasser leicht löslich, und dadurch von dem Catechin zu trennen; die wässerige Lösung reagiert sauer; durch Eisenchlorid wird sie grünlichbraun gefärbt, durch Leimlösung gefällt. — Außerdem enthält das Catechu noch 12 bis 16 Pro- zent Pflanzenschleim und unlöslichen Rückstand ( Davy ). Anwendung. Das Catechu findet in der Färberei ausgedehnte An- wendung, sowohl als Farbstoff wie als Gerbstoff, und zwar in der Baum- wollenfärberei zur Erzeugung brauner, olivfarbener, grüner und schwarzer Töne. Noch bedeutender ist seine Verwendung in der Seidenfärberei zum Schwarzfärben und Beschweren. Hierzu werden ganz bedeutende Mengen verwendet. Endlich dient es zur Herstellung einiger Catechupräparate: Präpariertes Catechu, Chemischbraun, Havannabraun. Hierüber siehe Näheres unter „Farbstoffpräparate“. Prüfung und Wertbestimmung. Das Catechu enthält, teils infolge nachlässiger Herstellungsweise, teils direkt als Verfälschungen, Thonerde und Sand; diese bleiben beim Lösen des Catechus ungelöst als Bodensatz zurück; zugemischtes getrocknetes Blut ist beim Filtrieren der heißen wässerigen Lösung auf dem Filter erkennbar, indem das Blutalbumin gerinnt und den Blut- farbstoff einhüllt; Gummi und Stärke bleiben als Rückstand aus der alkali- schen Lösung; aus diesem Rückstand löst heißes Wasser beide auf, die filtrierte Lösung gibt bei Gummigehalt auf Zusatz von Alkohol eine Trübung, bei Stärke mit Jodtinktur eine blaue Färbung. Etwaige Zusätze von Rückstän- den der Fuchsinfabrikation zeigen sich sofort durch die eigentümliche Färbung der alkoholischen Lösung. Auch Kaliumdichromat und Alaun sollen als Ver- fälschungen (zur Erhöhung der dunkleren Farbe) nicht selten vorkommen. Die meisten dieser Zusätze werden auch durch den unverhältnismäßig hohen Aschegehalt nachgewiesen. Die Asche eines guten Catechus darf 6 Pro- zent nicht übersteigen. — Den Färbewert des Catechus ermittelt man am besten durch Probefärben . § 46. Kino. Abstammung. Das Kino ist ein dem Catechu sehr ähnliches Farb- material, ist auch, wie jenes, der aus Rindeneinschnitten ausgeflossene einge- dickte Saft verschiedener Pflanzen und zwar stammt: 1. Amboina-Kino von Pterocarpus Maroupium Roxb . (jetzt aus dem Handel verschwunden). 2. Bengalisches Kino von Butea frondosa, B. superba und B. parvi- flora. 3. Westafrikanisches Kino von Pterocarpus erinaceus. 4. Australisches Kino von Eucalyptus corymbosa und verschiedenen anderen Eucalyptus -Arten. 5. Westindisches Kino von Coccoloba uvifera. Eigenschaften. Es stellt kleine, unregelmäßige, schwarzbraune, eckige, glänzende, an den Rändern rot durchscheinende, leicht zerbrechliche, ein braun- rotes Pulver gebende Stücke vor, welche in heißem Wasser und in Alkohol fast vollständig mit blutroter Farbe löslich sind; es besitzt keinen Geruch, aber einen stark zusammenziehenden, hinterher süßlichen Geschmack. Zusammensetzung. Die Hauptbestandteile des Kinos sind das Kinoïn , C 14 H 12 O 6 , farblose Prismen, wenig in heißem Wasser, leicht in Alkohol löslich, und das Kinorot , C 28 H 22 O 11 , welches leicht in Alkohol und Alkalien löslich ist und Eisensalze grün fällt; beide zusammen werden in früheren Werken als Kinogerbsäure bezeichnet und betragen nach Vauquelin bis zu 85 Prozent des Gesamtgewichts. Anwendung. Wie beim Catechu. Doch ist es ein noch wertvolleres Material als dieses. Um so unbegreiflicher erscheint es, daß keines von allen Werken über Färberei das Kino auch nur mit Namen nennt. Nur Romen erwähnt es, freilich als eine Catechusorte, was es jedoch weder seiner Herkunft nach, noch nach seinem chemischen Verhalten sein kann. § 47. Alo ë. Abstammung und Handelssorte. Das Handelsprodukt Aloë ist der ausgekochte und eingedickte Saft verschiedener Aloë -Arten. Es kommen davon eine große Menge Sorten in den Handel, die hier unmöglich be- schrieben werden können. Man wird gut thun, eine gute Kapaloë zu kaufen. Eigenschaften. Eine solche stellt schwarzbraune, glänzende, mehr oder minder große, harte, spröde, leicht zerbrechliche und zerreibliche, an den schar- fen Kanten der Bruchstücke durchscheinende, höchst bitter schmeckende und nur zum Teil in Wasser lösliche Stücke vor, welche zerrieben ein mattgelbes Pulver geben. Anwendung. Die Aloë dient nicht direkt als Farbmaterial, sondern nur zur Darstellung der Chrysaminsäure , eines Oxydationsproduktes der Aloë, welches seinerseits als Farbmaterial dient und unter Farbstoffpräparate näher behandelt ist. § 48. Braune Rinden- und Fruchtschalenfarbstoffe. Die Rinden mancher unserer einheimischen Bäume liefern in ihren Ab- kochungen braune Farben, welche in Verbindung mit verschiedenen Beizen beachtenswerte Farbtöne liefern. Hierhin zählen die Fichtenrinde, Birkenrinde, Eichenrinde, Roßkastanienrinde, Weidenrinde, Pappel-, Ahorn- und Platanenrinde . Alle diese Rinden enthalten farblose Chromogene, welche erst durch Oxydation an der Luft sich in gelbe, falbe oder braune Farbstoffe umsetzen und dementsprechende Töne geben. Diese Chromogene sind zum großen Teil bekannt als Aesculin, Betulin, Salicin u. s. w., dagegen sind die daraus entstandenen Farbstoffe noch wenig studiert. Unter den Rinden unreifer Früchte sind es besonders die grünen Frucht- schalen der Walnüsse und die stachligen Schalen der Roßkastanie , welche in Berührung mit der Luft eine intensiv braune Farbe geben, welche so charakteristisch ist, daß sie direkt als Nußbraun und Kastanienbraun be- zeichnet wird. Diese braunen Farbstoffe gehen an die Faser direkt an, teils werden sie auch als Beizen verwendet. Hellere, reinere braune Töne lassen sich erzielen, wenn man aus den Abkochungen den gleichzeitig reichlich mit vorhandenen Gerbstoff zuvor durch Leim fällt. Die sämtlichen braunen Pflanzenfarbstoffe mit Ausnahme der Aloë bilden den Uebergang von den gelben Farbstoffen zu den eigentlichen Gerb- stoffen und stehen zu diesen in ganz bestimmten Beziehungen; gewöhnlich findet sich Farbstoff und Gerbstoff gleichzeitig vor, und es ist ziemlich wahr- scheinlich, daß das eine ein Produkt des andern ist. § 49. Gerbstoffreiche Farbmaterialien. Alle diejenigen Pflanzen oder Pflanzenteile, welche Gerbstoff enthalten — und deren Zahl ist groß — können auch zu Färbereizwecken dienen. Alle Gerbstoffe geben mit Eisenoxydulsalzen entweder einen grüngrauen oder einen blaugrauen Niederschlag, welcher sich durch weitere Oxydation an der Luft — was man Vergrünen nennt — in Grünschwarz oder Blauschwarz umsetzt. Die Gerbstoffe können daher auch als Farbstoffe angesehen werden, und werden in der That auch als solche verwendet; häufiger jedoch benutzt man sie als Beizen, vielfach auch zum sog. Abdunkeln , zur Schaffung einer dunkeln Grundfarbe. Die Anwendung der Gerbstoffe als Beizmittel, besonders für gewisse Anilinfarben, beruht auf der Fähigkeit des Gerbstoffes, mit diesen Farblacke zu bilden. Der Wert eines Gerbstoffes sowohl als Farbmaterial, wie zwecks Verwendung zum Beizen, beruht auf seinem Ge- halt an reinem Gerbstoff. In Muspratts Technischer Chemie, Bd. III , S. 118, findet sich eine sehr ausführliche Tabelle über den Gehalt der einzel- nen gerbstoffhaltigen Materialien an Gerbstoff, welcher die für unsere Zwecke wünschenswerten Angaben entnommen sind. Die große Anzahl anderer gerbstoffhaltiger Materialien können wir hier füglich übergehen, da sie in der Färberei keine Verwendung finden. Letzteres ist zu beklagen, da wir in unserer Heimat mehr gerbstoffhaltige Materialien besitzen, welche den in der Färberei fast durchgehends verwendeten Sumach an Gerbstoffwert ganz bedeutend übertreffen und billiger sein würden. Ich möchte die praktische Anwendung dieser Gerbstoffe in der Färberei aufs wärmste empfehlen. Es sind das: Frische Tormentillwurzel mit ... 43 — 46 Prozent Gerbstoff, Erlenrinde mit ........ 36 „ „ Aprikosenbaum mit ...... 32 „ „ Frische Polygonum bistorta im Sommer 26 „ „ Kirschbaum ......... 24 „ „ Der Sumach dagegen ist ein Gerbstoffmaterial von nur untergeordne- tem Wert, und verdankt seine allgemein verbreitete Verwendung lediglich einer gewissen Gewöhnung, einer gewissen Heiligsprechung und einer Art Ver- mächtnis vom Vater auf den Sohn, vom Meister auf den Lehrbuben. Die Wertbestimmung der gerbstoffhaltigen Farbwaren bezweckt die Ausfindigmachung des Gehaltes an reinem Gerbstoff. Hier können nur chemische Methoden Platz greifen; Probefärben ist unthunlich. Die chemischen Methoden der Gerbstoffbestimmung sind jedoch für den in der Analyse min- der Bewanderten zu kompliziert. Deshalb wird es allemal notwendig sein, mit der Analyse einen Chemiker zu betrauen, so daß ich von einer Beschrei- bung der beiden am meisten angewandten Methoden, der von Hammer und der von Löwenthal , hier wohl absehen kann. § 50. Galläpfel. Herkunft . Die Galläpfel sind abnorme Auswüchse auf den Blättern und Zweigen mehrerer Eichenarten. Diese Auswüchse entstehen nicht durch den Stich gewisser Wespenarten — wie noch bis vor kurzem allgemein an- genommen wurde —, sondern durch den Reiz, den das von der Gallwespe gelegte Ei auf die nächsten Zellen seiner Umgebung ausübt ( Beyerinck ). Wahrscheinlich ist eine von dem an der Pflanze sich entwickelnden Organis- mus abgesonderte Flüssigkeit die direkte Veranlassung des abnormen Wachs- tums der Zellen in der Nähe solcher Eier, wie auch des abnormen Zuströ- mens nährstoffhaltiger Säfte in diese Neubildungen. Das Ei der Gall- wespe ist also ein Schmarotzer, um welchen herum die Pflanze eine geräumige sichere Wohnung aufführt. Die Tiere, deren Eier also die Veranlassung zur Gallenbildung sind, gehören den verschiedenartigsten Gattungen von Tie- ren an. Die auf den Eichen beobachteten Eier stammen von Cynips tinc- toria, der Färbergallwespe Cynips lignicola und Cynips hungarica; und die Eichenarten, welche uns die meisten und besten Gallen liefern, sind: Quercus infectoria Oliv ., Qu. pedunculata Ehrh ., Qu. sessiliflora Sw ., Qu. pubescens Willd , Qu. lenis. Die chinesischen Gallen aber finden sich auf den in China heimischen Rhus semialata und Rhus javanica durch die Eier von Aphis chinensis. Handelssorten und Eigenschaften. Es sollen hier nur diejenigen Gallen erwähnt werden, welche innerhalb der Färbereitechnik Anwendung finden. 1. Aleppogallen , türkische oder levantiner Gallen. Kugelige oder birnförmige Körper bis zu 2,5 cm Durchmesser, auf der Oberfläche glatt oder höckerig oder faltig, graugelblich bis schwarzgrün, und von solcher Härte, daß sie unter dem Hammer in scharfkantige Stücke zerspringen. Die Galle soll nicht durchbohrt sein, d. h. das aus dem Ei entschlüpfte Insekt soll sich kein Schlupfloch gebildet haben, durch welches es die Galle verlassen hat; das Insekt soll sich vielmehr in verschiedenen Stadien der Entwickelung in der Galle noch vorfinden. Die besten heißen Jerligallen . Sie enthalten bis zu 70 Prozent Gallusgerbsäure C 14 H 10 O 9 , 3 Prozent Gallussäure, 3 Prozent Zucker, 2 Prozent Ellagsäure und ätherisches Oel, 2 Prozent Stärke. 2. Oesterreichische oder deutsche Gallen sind den vorigen ähnlich, von gleicher Größe, rund, zuweilen mit Höckern, aber mehr rotbraun und innen schwammig; sie enthalten 25 bis 30 Prozent Gallusgerbsäure. 3. Chine- sische-Gallen . Diese weichen in der Form von gewöhnlichen Galläpfeln völlig ab und bilden längliche oder flach rundliche, unregelmäßige, mit mehre- ren stark hervorragenden Ecken versehene, hellgraue bis rötlichgraue, weich, fast sammetartig sich anfühlende, übrigens spröde, hornartige, innen ganz hohle, in der Wandung etwa 3 mm dicke Gebilde; sie enthalten bis zu 75 Prozent Gallusgerbsäure und sind deshalb die geschätztesten. 4. Bassora- gallen , durch Cynips insana auf Quercus tinctoria W . im Orient er- zeugt, kommen in zerkleinertem Zustande unter dem Namen Rove in den Handel. Sie enthalten 27 Prozent Gerbstoff und dienen in ihrer Heimat zum Färben des Adrianopelrot. § 51. Knoppern. Unter den Namen Knoppern kommen zwei wesentlich verschiedene Drogen in den Handel und zwar: 1. Echte Knoppern , natürliche Knoppern, Valonien, Ackerdoppen, Eckerdoppen, orientalische Knoppern; dieses sind die Fruchtbecher der morgen- ländischen Knopperneiche, Quercus Aegilops, und der Ziegenbarteiche, Quercus Valonea, und der auf den griechischen Inseln und in Kleinasien vorkommen- den Valonia camata; es sind dies also keine Auswüchse oder Gallen, son- dern die harten, bis 5 cm im Durchmesser haltenden becherförmigen Kelche, in welchen die Eicheln sitzen. Sie kommen teils mit, teils ohne Eicheln vor; letztere sind geschätzter. Der Gerbstoffgehalt wird von verschiedenen Autoren zu 19 bis 45 Prozent angegeben. Kommen aus Südosteuropa und Kleinasien. 2. Französische Knoppern , französische Galläpfel, unnatürliche Knoppern; gallenähnliche Gebilde an nur jungen Früchten der Stieleiche, Quercus pedunculata, und der occidentalischen Knopperneiche, Quercus Cerris. Sie umgeben die Eichel meist nur auf einer Seite, seltener ganz, sind flach gedrückte, unförmlich eckige, beinahe stachelichte, feste und weiß bräunliche Stücke bis Walnußgröße. Diese kommen meist aus Ungarn, Mähren, Slavonien, Steiermark. Ihr Farbstoffgehalt beträgt bis zu 45 Prozent, und soll, nach Löwe , mit dem der Gallen identisch sein. § 52. Sumach. Abstammung und Handelssorten. Sumach, Schmack , ist ein gerbstoffreiches Farbmaterial, bestehend aus den jüngern Zweigen, Blättern und Blütenstielen mehrerer in Südeuropa heimischer Pflanzen; diese kommen zerkleinert, oder gemahlen, als grünlichgraues Pulver in den Handel. Im Handel kommen mehrere Sorten vor, welche wir in der Reihenfolge, wie sie im Handel geschätzt werden, hier folgen lassen: 1. Sicilianischer Sumach von Rhus coriaria; man unterscheidet eine grünlichgelbe prima und eine rostgelbe secunda Ware. 2. Italienischer Sumach, gleichfalls von Rhus coriaria stammend; ein schmutzig grünliches Pulver von geringerem Gerbstoffgehalt. 3. Spanischer Sumach von Rhus coriaria und Rhus typhinum; man unterscheidet Malaga, den besten, und zwei mindergeschätzte: Malina und Vallodolid. 4. Tiroler Sumach von Rhus cotinus, also von derselben Pflanze, von der das Fisetholz stammt; riecht ähnlich wie Eichenrinde. 5. Französischer Sumach von Coriaria myrtifolia; hiervon vier Quali- täten, davon die beiden besten Fauvis und Donzére. 6. Arabischer Sumach von Rhus pentaphyllum. 7. Amerikanischer Sumach von Rhus canadense und Rhus glabrum. 8. Schwedischer Sumach von Arbutus uva ursi. Die geschätzteste Sorte von allen ist der sicilianische Sumach. Zusammensetzung . Der Hauptbestandteil des Sumachs ist die Sumach- gerbsäure, welche mit der Gallusgerbsäure nicht identisch ist. Sie enthält davon 12 bis 17 Prozent (amerikanischer soll bis zu 28 Prozent enthalten); also viel weniger als die Galläpfel und die Knoppern. Der Sumach ist überhaupt, im Vergleich mit den andern gerbstoffhaltigen Materialien, wie schon in § 49 auseinandergesetzt wurde, eine minderwertige Droge und es muß Wunder nehmen, daß er immer noch soviel gebraucht wird. Neben der Sumachgerbsäure findet sich im Sumach noch ein gelber Farbstoff, der sich mit dem Gerbstoff gleichzeitig auf der Faser niederschlägt; dieser Farb- stoff ist noch nicht näher untersucht. Anwendung. Zur Erzeugung grauer und schwarzer Farben, sowie als Beschwerungsmittel vornehmlich in der Seidenfärberei. Als Beize und als Fixiermittel besonders in der Baumwollenfärberei und Türkischrotfärberei. Ferner dient er zur Erzeugung des „Schmackextrakts“. Hierüber siehe Farbstoffpräparate. Prüfung und Wertbestimmung . Guter Sumach muß frisch trocken und schön grün von Farbe sein; weißlich, grau oder braun aussehender ist zu beanstanden. Die pulverige Form des Sumachs ist eine Quelle von Verfälschungen, als welche Sand, Kreide, Gyps und die Pulver anderer wertloser Blätter gelten. Die Bestimmung des Gerbstoffgehalts hat durch Analyse zu erfolgen; annähernd kann sie auch durch Probefärben ermittelt werden. § 53. Andere gerbstoffhaltige Farbmaterialien. 1. Dividivi , Libidibi, Samak, sind die Hülsen der in Süd- und Mittelamerika heimischen Caesalpinia coriaria Willd ., eines 4 bis 5 m hohen Strauches; sie sind 10 cm lang, S - oder schneckenförmig eingerollt und dann nur 1,5 bis 3 cm lang, flach, außen etwas rauh, glänzend kastanienbraun. Sie enthalten 30 bis 50 Prozent Gerbsäure, welche nach Löwe Ellagengerbsäure sein soll; sehr bemerkenswertes Material. Wird zu grauen Modefarben und Steinfarben, sowie in der Türkischrotfärberei und zur Bereitung eines Extraktes angewendet. 2. Bablah , indischer Gallus, die Hülsen der in Ostindien heimischen Acacia Bambolah Roxb ., A. cineraria, A. nilotica, A. arabica und A. So- phora. Sie sind braun, glatt, feinfilzig, und enthalten 20 Prozent Gerb- stoff, 4 Prozent Gallussäure, roten Farbstoff, Harze, Salze ꝛc. Wird für graue und fleischfarbene Modefarben verwendet. 3. Myrobalanen ; die birnförmigen bis dattelförmigen Früchte der in Ostindien heimischen Terminalia citrina, T. Bellirica und T. Chebula, 5 cm lang, 2,5 cm dick, grauschwarz, sehr hart, bitter schmeckend. Sie ent- halten bis zu 45 Prozent Gerbstoff, welcher mit der Ellagengerbsäure iden- tisch sein soll; auch sollen sie freie Gallussäure enthalten. 4. Nußschalen und Kastanienschalen siehe § 48. 5. Fichtenrinde mit 5 — 15 Prozent Gerbstoff, Tannenrinde „ 4 — 8 „ „ Erlenrinde „ 3 — 5 „ „ (von Alnus incana ) Hemlockrinde Ulmenrinde „ 3 — 4 „ „ Roßkastanienrinde „ 2 „ „ Buchenrinde „ 2 „ „ Weidenrinde „ 6 — 16 „ „ werden gleichfalls vereinzelt zum Färben verwendet. Neuerdings auch 6. Rotes Quebrachoholz von Loxopterygium Lorentzii oder Aspi- dosperma Quebracho Schlecht . mit 16 bis 19 Prozent Gerbstoff. 7. Die Wurzeln der weißen und gelben Seerosen , Nymphaea alba und Nuphar luteum, welche Gerbsäure, Gallussäure und einen gelben Farbstoff enthalten; die Seerose wurde früher mehr als jetzt zum Grau- und Schwarzfärben angewendet. 8. Algarobilla , die Samenhülsen der in Chile heimischen Balsamo- carpon brevifolium Clos ., sie sind bis 5 cm lang und 1½ cm breit. Der Gerbstoffgehalt beträgt 50 bis 80 Prozent, ohne den Gehalt an Ellagsäure; der erstere ist aber stark braun gefärbt, weshalb die Verwendung in der Färberei nur eine beschränkte ist. Von den vorbenannten Gerbstoffen werden einige auch zu Extrakten, sowie zu Präparaten: Knoppernextrakt, Kastanienextrakt, Neucatechu, Seiden- grund u. s. w. verwendet. Ueber diese vergl. unter „Farbstoffpräparate“. § 54. Mineralische Farbstoffe. Unter mineralischen Farbstoffen sind diejenigen gefärbten anorganischen Verbindungen zu verstehen, welche zur Färbung von Gewebefasern verwendet werden. Da von den in Wasser löslichen anorganischen Verbindungen keine mit einer Gewebefaser eine Verbindung eingeht, also auch nicht darauf fixiert werden kann, so folgt daraus, daß die mineralischen Farbstoffe sämtlich unlöslich sein müssen. Da aber ein unlöslicher Körper von den Gewebefasern nicht aufgenommen wird, ein nur mechanisch befestigter aber von selbst abfallen oder sich abreiben würde, so hat man zur Erzeugung von Mineralfarben auf Gespinnstfasern einen Umweg eingeschlagen, indem man denselben in den Faserelementen selbst erzeugt . Zu dem Zwecke läßt man von zwei Lösungen, welche bei ihrem Zusammenbringen oder Aufeinanderwirken den unlöslichen Farbstoff als Niederschlag erzeugen, zunächst die eine auf die Gewebefaser wirken; dann wird, ohne zu spülen, getrocknet, und dann in die zweite Lösung eingegangen, worauf sich der Farbstoff im Innern der Faser unlöslich ablagert. Auf solche Weise wird das Eisenrostbraun , das Chromorange und Chromgelb , das Berlinerblau u. dergl. auf der Faser selbst erzeugt. Die genannten Farben können als solche nicht verwendet und brauchen daher an dieser Stelle nicht betrachtet zu werden. 2. Farbstoffpräparate . §. 55. Allgemeines. Der Umstand, daß der größte Teil der bisher betrachteten natürlichen Farbmaterialien den eigentlichen Farbstoff nur in verhältnismäßig geringen Mengen enthält, und daß außer dem Farbstoffe noch eine Menge anderer, teils gleichgültiger, teils aber auch störender, mindestens aber auch die Farb- stofflösung aufsaugender und zurückhaltender Stoffe beim Färben mit solchen Rohmaterialien vorhanden sind, daß ferner diese Rohmaterialien mehr oder minder leicht dem Verderben und der teilweisen oder völligen Zerstörung des Farbstoffs bei längerer Aufbewahrung ausgesetzt sind, sowie, daß endlich die Magazinierung solcher Waren große Räume nötig macht, auch ver- hältnismäßig hohe Transportspesen verursacht, — alle diese Thatsachen haben dahin geführt, die Farbstoffe der Rohmaterialien in konzentrierterer Form, teils sogar in reiner Form, aus jenen Rohmaterialien herzustellen. Dieses Bestreben hat eine Zahl von Präparaten gezeitigt, welche jene Uebelstände zum größten Teil vermeiden und, wenn sie auch meist noch nicht die Farb- stoffe als solche repräsentieren, so doch eine Form darstellen, welcher ein hoher Prozentgehalt des Farbstoffes zukommt. Der große Vorteil, den solche Präparate gewähren, wenn sie rein und unverfälscht sind, liegt auf der Hand; leider aber geht mit dem Vorteil auch die leichte Möglichkeit der Verfälschung Hand in Hand, welche hier durch den Augenschein gar nicht, und durch chemische Analysen nur schwierig nach- gewiesen werden kann. Die Formen, in denen solche Farbstoffpräparate in den Handel kommen, sind: Extrakte und Pulver. Ganswindt , Färberei. 10 Die Extrakte sind dickflüssige bis zähe feste Körper, und werden ge- wonnen durch wiederholtes Auskochen des zerkleinerten rohen Farbmaterials mit Wasser entweder in offenen Gefäßen oder unter Dampfdruck, solange noch Farbstoff ausgezogen wird, Absetzenlassen und Durchseihen der Brühen und schließliches Eindampfen in großen Kesseln oder Pfannen bis zur Extrakt- dicke. In den letzten Jahren hat auch das in der Rübenzuckerfabrikation gebräuchliche Diffusionsverfahren mit Erfolg Verwendung gefunden. Das Eindicken zur Extraktkonsistenz geschieht unter Zuführung möglichst großer Wärmemengen und unter fleißiger Ableitung der gebildeten Wasserdämpfe in besonders konstruierten Apparaten und möglichst schnell, um eine Berührung der Farbstofflösung mit der Luft thunlichst zu vermeiden; besonders luft- empfindliche Extrakte müssen im Vacuum abgedampft werden. Ein solches Extrakt löst sich in warmem Wasser leicht auf und die Lösung hat dann den gleichen Wert, resp. die gleichen Eigenschaften, wie eine Abkochung des ursprünglichen Rohmaterials. Meist sind es die Farbhölzer und die Gerb- stoffe, welche in dieser Form in den Handel kommen. Die Fabrikation sol- cher Extrakte liegt in den Händen von Fabrikanten, die die Fabrikation sol- cher Farb- und Gerbstoffextrakte als Spezialität betreiben. Daß derartige Extrakte nicht nur den Farbstoff , sondern auch alle sonstigen in Wasser löslichen Bestandteile des Rohmaterials enthalten müssen, liegt auf der Hand; es darf daher nicht die Meinung Platz greifen, daß solche Extrakte etwa konzentrierte Lösungen lediglich des betreffenden Farbstoffes seien. Eine Prüfung und Wertbestimmung ist hier um so mehr geboten, da die Extraktform der Fälschung direkt Thür und Thor öffnet; es sei denn, daß der Käufer sich auf die Rechtschaffenheit des Lieferanten unbedingt verlassen kann. Wo das nicht der Fall ist, sollte allemal ein Probefärben statt- finden. Als Vergleichsobjekt müßte man dazu Ausfärbungen mit einem garantiert reinen Extrakte haben; diese Normalausfärbungen müssen mit einer Lösung von bestimmtem Extraktgehalte (z. B. 5 g Extrakt auf 100 g Wasser) hergestellt sein. Beim Probefärben muß dann dasselbe Verhältnis mit dem zu prüfenden Extrakt eingehalten werden. Die Farbstoffpräparate in Pulverform nähern sich bereits dem Ideal des reinen Farbstoffs. Sie sind meist keine eingedickten Auszüge, vielmehr richtet sich bei ihrer Darstellung das Hauptaugenmerk darauf, die den Farbstoff begleitenden anderweiten Stoffe des Rohmaterials durch Aus- fällen oder auf andere Weise zu beseitigen und so den eigentlichen Farbstoff thunlichst zu isolieren, oder, wo das nicht geht, den Farbstoff selber mit Hilfe chemischer Lösungsmittel gesondert zu lösen, oder ihn zu fällen, oder in eine anderweite chemische Verbindung überzuführen, aus welcher er, von den accessorischen Bestandteilen befreit, leicht verwendbar gemacht werden kann. Derartige Präparate sind der Fälschung minder unterworfen. Bei der Aufzählung und Beschreibung der nachfolgenden Präparate werde ich dieselben lediglich nach ihren Farben einteilen. § 56. Rote Farbstoffpräparate. 1. Cochenillepräparate . Es kommen zwei Präparate in den Handel: a) Ammoniakcochenille , Cochenille ammoniacal; man läßt 5 Teile fein gemahlene Cochenille mit 15 Teilen Salmiakgeist unter öfterem Durch- schütteln an einem lauwarmen Orte stehen, fügt dann 2 Teile Thonerde hinzu und dampft vorsichtig in einer Porzellanschale solange ein, bis der Geruch nach Ammoniak verschwunden ist. Dieses Präparat enthält den Farb- stoff in leicht löslicher Form und kommt entweder in Breiform ( en pâte ) oder in kleinen Täfelchen ( en tablettes ) in den Handel. b) Cochenillelack . a) Groseillelack, Karminlack. Man kocht 3 Teile gepulverte Cochenille mit Wasser aus, und fällt die vereinigten Abkochungen mit 1 Teil schwefelsaurer Thonerde und 1 Teil Weinstein. — b) Ponceau- lack. Man kocht 6 Teile Cochenille mit Wasser aus und fällt die Ab- kochung mit 3 Teilen krystallisiertem Zinnchlorür und 2 Teilen Weinstein. 2. Rotholzextrakte . Diese werden durch das Diffusionsverfahren aus den verschiedenen Rothölzern gewonnen. In den Handel kommen drei Sorten: ein flüssiges Extrakt von 20° B., ein flüssiges von 30° B. und ein festes. Ein Kilogramm des trockenen Extrakts entspricht durchschnittlich 12 kg Rotholz; nach Romen dagegen schwankt die Färbekraft des Rotholz- extraktes zwischen dem Vier- bis Fünffachen des Gewichts des Holzes. Die Rotholzextrakte kommen bisweilen mit arsensaurer Thonerde oder mit Zinn- beize versetzt in den Handel. Solche Extrakte sind nicht gerade zu verwer- fen, aber ihre Verwendung ist durch diese Zusätze eine beschränkte; mindestens müßte sich der Färber vor seiner Verwendung, noch besser beim Einkauf, vergewissern, ob er ein reines Rotholzextrakt oder ein mit Zusätzen versehe- nes Extrakt kauft. 3. Krapppräparate . Als der Krapp noch ein Farbmaterial ersten Ranges war, gab es eine ganze Anzahl von Präparaten; von diesen haben heutzutage nur noch folgende ein nennenswertes Interesse: a) Garancin oder Krappkohle ist ein schwarzes Pulver von vier bis sechsmal größerer Färbekraft als der Krapp. Zur Bereitung desselben wird der zerkleinerte Krapp zunächst mit verdünnter Schwefelsäure (1 Teil Schwefelsäure, 2 Teile Wasser) einige Zeit bei gelinder Wärme behandelt, wodurch die Glycoside des Krapps zersetzt werden; die Flüssigkeit wird da- durch zuckerhaltig und kann nach dem Ablaufen auf Krappspiritus ver- arbeitet werden. Der Rückstand wird dann mit konzentrierter Schwefel- säure erwärmt, wodurch die holzigen Anteile und andere organische Sub- stanzen zum Teil zerstört, und der Rest der Glycoside, sowie die Kalklacke gespalten resp. zersetzt werden. Das Ganze wird in Wasser gegossen, der Niederschlag gesammelt, mit Wasser gut ausgewaschen und getrocknet. Das Garancin enthält die Krappfarbstoffe in leicht löslicher Form; die Ausbeute beträgt 34 bis 37 Prozent. — Die Vorteile, welche die Verwendung des Garancins gegenüber dem Krapp bieten, sind nicht zu unterschätzen; nichts- destoweniger müssen sie als unwesentlich gelten im Hinblick auf die noch viel größern Vorteile, welche die Verwendung künstlichen Alizarins bietet. b) Krappblumen ; diese werden durch Gären des gemahlenen Krapps gewonnen, indem man diesen in Kufen mit warmem Wasser, welches mit wenig Schwefelsäure schwach angesäuert ist, mehrere Tage stehen läßt, dann die Flüssigkeit abfiltriert und den Rückstand abpreßt und trocknet. Die Krappblumen werden wie der Krapp angewendet, besitzen aber den Vorzug, daß man damit bei niedrigerer Temperatur färben kann, ohne daß das Bad an Färbevermögen einbüßt, und daß sie schönere, reinere violette Farben geben als roher Krapp. 100 Teile Krapp geben 55 bis 60 Prozent Krapp- blumen. 10* c) Garanceux ist ein bröckliger, halbfeuchter Preßkuchen, aus geringen Krappsorten und den Rückständen des Krappfärbeprozesses durch Behandeln mit Schwefelsäure gewonnen. Es ist ein dem Garancin nahestehendes Prä- parat, besitzt aber nur das doppelte Färbevermögen wie der Krapp selber. d) Krappextrakt . Es kommen zwei Krappextrakte in den Handel: α) Colorin , das alkoholische und zur Trockne eingedampfte Extrakt des Garancins; es besteht wesentlich aus Alizarin, mit Purpurin, Fett und ande- ren in Weingeist löslichen Bestandteilen des Krapps verunreinigt, und bildet eine ockerfarbige Masse. β) Alizarin tinctorial, Färberalizarin , von Kopp aus dem Garancin durch Destillation mit überhitzten Wasser- dämpfen, oder aus dem Krapp selber durch Extraktion mit einer wässerigen Lösung von schwefliger Säure bereitet und als Alizarin verte und Alizarin jaune unterschieden. Diese Koppschen Präparate sind bereits die reinen Farbstoffe des Krapps und verdienen den Namen „Extrakt“ nicht mehr. Durch Behandeln mit schwefliger Säure hat Kopp aus 100 Teilen gutem Krapp erhalten: 1,15 Prozent Purpurin, 2,5 Prozent grünes Alizarin (reines Alizarin mit einem grünen Harz verunreinigt), 0,32 Prozent gelbes Alizarin (die beiden letzteren mit dem 32 bis 36fachen Färbevermögen des Krapps; das Purpurin mit dem 10fachen Färbevermögen) und 39 Pro- zent Krappblumen. γ) Azale , ein Extrakt, bereitet durch Extrahieren der Krappblumen durch siedenden Holzgeist, Filtrieren des Auszuges und Fällen desselben mit Wasser. Azale in ein gelbliches Pulver, welches wohl nur aus rohem Alizarin besteht. δ) Pincoffin , Alizarin commercial, ist eine besondere Art Garancin und kommt in Form eines chokoladebrau- nen Pulvers in den Handel. Das Färbevermögen soll geringer sein, als beim Garancin, dagegen sollen die damit erzeugten Violetts von höherem Glanz sein, als die mit Krapp erzielten. e) Krapplack . Zur Bereitung kocht man 5 Teile Garancin mit 1 bis 2½ Teilen Alaun und 100 Teilen Wasser aus, filtriert schnell und fällt das Filtrat mit Soda oder Pottasche mit oder ohne Zusatz eines Zinn- salzes. Schöne Niederschläge von großer Echtheit, welche noch bisweilen im Zeugdruck Verwendung finden. Mit Ausnahme des Garancins , welches noch viel gebraucht wird, sind die übrigen durch das künstliche Alizarin und Purpurin fast vollständig verdrängt worden. 4. Safflorpräparate . Die Safflorpräparate sind durchgehends mehr oder minder reines Karthamin und die Handelsbezeichnungen Safflor- extrakt, Safflorkarmin, Safflorrot, Tellerrot bezeichnen eigentlich nur ver- schiedene Konzentrationsgrade der Lösung des Safflorfarbstoffes. Der Reindar- stellung des Safflorrots hat die Entfernung des Safflorgelbs vorauszugehen. Dies geschieht durch wiederholtes Einweichen des Safflors in kaltem Wasser unter häufigem Umrühren und Ablassen des Wassers solange, bis dasselbe farblos abläuft. Dann wird der Safflor ausgepreßt und mit einer 15pro- zentigen Sodalösung in der gleichen Weise ausgezogen, welche den Safflor- farbstoff vollständig auflöst. Aus der abgepreßten und filtrierten roten Flüs- sigkeit schlägt Baumwolle nach zuvoriger beinahe vollständiger Neutralisation mit Essigsäure, Weinsäure oder Citronensäure den Farbstoff vollständig auf sich nieder. Von der Baumwolle wird der Farbstoff durch eine neue 5pro- zentige Sodalösung abgezogen und aus der so erhaltenen dunkelgelbroten Flüssigkeit durch Uebersättigung mit Citronensäure das Karthamin in Flocken abgeschieden. Man läßt absetzen und gießt die über dem gebildeten roten flockigen Niederschlage stehende Flüssigkeit ab; es resultiert ein dickflüssiger roter Schlamm. Dieser Schlamm, in Flaschen gefüllt, ist das in der Färbe- rei verwendete Safflorextrakt . Es hat einen sehr hohen Preis, ist aber von großer Ausgiebigkeit und Färbekraft. Die Flaschen müssen wohl ver- schlossen und vor Licht geschützt aufbewahrt werden, da das Präparat durch das Licht zersetzt wird. Streicht man den Schlamm auf Teller oder Tassen und trocknet in gelinder Wärme, so erhält man das Tellerrot oder Tassenrot in Form bronzeartiger Krusten, die im reflektierten Lichte gold- gelb mit grünem Schimmer, im durchfallenden Lichte rot aussehen. — Bringt man dagegen den Schlamm auf ein Filter, läßt ablaufen, wäscht den Nieder- schlag mit Wasser aus, löst ihn in Alkohol, filtriert, und läßt die alkoholische Lösung langsam verdunsten, so erhält man das reine Karthamin oder den Safflorkarmin als körniges Pulver von schwarzgrüner Farbe, welches beim Reiben Metallglanz annimmt und nur in sehr feiner Verteilung rot erscheint. 5. Orseillepräparate . Im Handel finden sich: a) Orseilleextrakt ; gelbe metallisch glänzende Stücke, in Wasser mit roter Farbe löslich, wahrscheinlich eine mit Alaun gefällte wässerige Orseille- lösung; der Niederschlag wird gewaschen und getrocknet. b) Flüssiges Orseilleextrakt . Nach Peters wird das Extrakt durch Ausziehen der Orseille mit Essigsäure und Uebersättigen der filtrierten Lösung mit Ammoniak bereitet. Nach Grothe dagegen ist es nichts weiter als der auf 25° B. eingedampfte wässerige Auszug der Orseille. Das flüssige Orseilleextrakt kommt häufig mit Blauholzextrakt, auch wohl mit Rotholzextrakt verfälscht vor. Ein unverfälschtes Orseilleextrakt, mit dem 50fachen Gewicht Wasser verdünnt, wird durch Zusatz von Zinnchlorürlösung entfärbt, ein mit Blau- oder Rotholzextrakt verfälschtes nimmt eine bleibende graue bis blaue oder eine rote Farbe an. c) Französischer Purpur , Pourpre français, Orseillepurpur. Dieses Präparat enthält den Orseillefarbstoff in reinem Zustande. Die Herstellung ist der des Orseillekarmins ähnlich. Die Flechten werden mit einer 15proz. Ammoniaklösung extrahirt und der gesättigte Auszug mit überschüssiger Salz- oder Schwefelsäure versetzt, wodurch die Flechtensäuren niedergeschlagen werden, welche man auf einem Filter sammelt, vorsichtig wäscht und trocknet. Die Flechtensäuren werden sodann erneut in Ammoniak gelöst und die Lösung in flachen Gefäßen mehrere Tage der Luft ausgesetzt, bis sie dunkelpurpurviolett geworden ist, und Seide und Wolle ohne Anwendung einer Beize direkt färbt. Dann wird die Flüssigkeit mit Schwefelsäure gesättigt und der sich bildende flockige Niederschlag auf einem Filter gesammelt, vorsichtig ausgewaschen und ge- trocknet. Das Präparat besitzt eine schöne, tiefe Granatfarbe; es ist das vernunftgemäßeste Orseillepräparat. d) Orseillekarmin . Violette Stücke, löslich in Oxalsäurelösung mit roter Farbe. Dieses Präparat wird durch Behandeln der Orseille mit Ammoniak, Fällen der abfiltrierten Lösung mit Salzsäure und abermaliges Lösen des erhaltenen Niederschlages in Ammoniak gewonnen. Diese Lösung wird der Lust ausgesetzt, bis sie kirschrot ist, dann erhitzt und mit Alaun oder Chlorcalcium zersetzt. — Nach Benedikt wird Orseillekarmin durch Extraktion der Orseille mit Wasser und Eindampfen der Lösung im Vacuum gewonnen. e) Orseillelack ist der aus einer wässerigen Orseillelösung mit Zinn- solution erhaltene Farblack. 6. Alkannarot , Alkannin; ein dunkelrotes weiches Extrakt, welches nach Hirzel aus der nicht gemahlenen Alkannawurzel durch kaltes Ex- trahieren mit reinem Petroleumäther und Abdampfen des letztern im Wasser- bade bereitet wird. — Ein ähnliches Präparat ist das von Lepage darge- stellte Anchusin . Dieser stellt unter Verwendung von Schwefelkohlenstoff zuvörderst ein Extrakt dar, wie das Hirzel sche, und löst dasselbe dann in einer 2 proz. Natronlauge. Zu der filtrierten indigblauen Lösung setzt er nach und nach verdünnte Salzsäure bis zum Ueberschusse hinzu, wodurch sie sich trübt und nach 24 Stunden einen rotbraunen Niederschlag absetzt. Diesen wäscht er sorgfältig mit destilliertem Wasser aus, sammelt auf einem Seihetuch, preßt aus und trocknet. Die zerriebene Masse ist ein purpurrotes Pulver von großem Färbevermögen, löslich in Alkohol, in Essigsäure, in Alkalien, in Aether, Schwefelkohlenstoff, fetten und ätherischen Oelen. § 57. Blaue Farbstoffpräparate. 1. Indigopräparate . Da der Indigo den Farbstoff an sich bereits vorstellt, so können die Indigopräparate denselben nur in einer anderen und leichter anwendbaren Form darbieten wollen. Vorwiegend sind es Lösungen von Indigo in rauchender Schwefelsäure, also Indigosulfosäuren , welche als Indigopräparate in den Handel kommen, und zwar: a) Indigokarmin, Indigoextrakt , indigosulfosaures Kali oder Natron, blauer Karmin, Coerulin, ( C 16 H 8 N 2 O 2 [SO 3 K] 2 ). Der Indigo- karmin kommt entweder in Teigform oder als trockene tiefblaue kupferglän- zende Masse in den Handel; er wird gewonnen durch Lösen von 1¼ kg feinst gemahlenem Indigo in 6½ kg rauchender Schwefelsäure, Verdünnen mit 18 Liter Wasser (wobei die Indigrotsulfosäure unlöslich ausfällt), Filtrie- ren, Sättigen mit 15° B. starker Pottasche- oder Sodalösung, Aussalzen mit 5 kg Kochsalz und Waschen mit wenig Wasser. Man gewinnt 17½ kg Indigokarmin in Teigform. Es kommen drei Sorten im Handel vor als Karmin I, II, III. Im Durchschnitt enthält nach Mierzinsky : Der Indigokarmin ist in 140 Teilen kaltem Wasser löslich, leicht in verdünnter Schwefelsäure. Er färbt animalische Fasern direkt, aber mit einem viel helleren Tone als Indigo, und bei weitem nicht so lichtecht; zur vegetabilischen Faser besitzt er keine Affinität. Prüfung von Indigoextrakt. Um Indigoextrakt auf seine Reinheit zu prüfen, kocht man ein Stück Seidenband in einer Lösung des Extraktes, der man etwas Säure zugefügt hat. Dann wäscht man aus und kocht nochmals in reinem Wasser. Ist das Extrakt unverfälscht, so wird die Seide weiß. Erscheint dieselbe jedoch mehr oder weniger gefärbt, so ist das Extrakt mit Anilinfarben gefälscht. Nach Moyret ist auch Schießbaumwolle ein geeig- netes Mittel, um Anilinfarben im Indigoextrakt nachzuweisen. Dieselbe nimmt, mit Indigoextrakt behandelt, nicht die geringste Färbung an, während sie sich bei Verfälschung mit Anilin blau färbt. b) Sächsischblau, Indigokomposition , Indigolösung, Indigo- sulfosäure, C 16 H 8 N 2 O 2 (SO 3 H) 2 , ist die tiefblaue Lösung, welche man durch Auflösen von Indigo in überschüssiger rauchender Schwefelsäure, Verdünnen mit Wasser und Filtrieren erhält. Es ist dies dieselbe Flüssigkeit, welche man bei Darstellung des Indigokarmins gewinnt, ehe man zur Sättigung mit Pott- asche schreitet. Diese Indigolösung ist das Hauptmaterial der jetzt veralteten Sächsischblau-Färberei . Zur Erzeugung von Sächsischblau wurde lose Wolle in der Indigolösung ausgefärbt und dann mit alkalihaltigem Wasser wieder abgezogen, wobei die Verunreinigungen des Indigos auf der Faser zurückblieben. Die angesäuerte Lösung diente dann zum Färben feinerer Waren. c) Indigopurpur . Ein Präparat in Form eines rotvioletten Pulvers, welches die Eigenschaft hat, mit beliebigen Zusätzen von Orseille ungebeizt Wolle direkt violett zu färben. Zur Darstellung wird Indigo mit englischer (nicht mit rauchender) Schwefelsäure übergossen und unter Abkühlung ½ Stunde damit in Berührung gelassen; so erhält man eine blaue Lösung von Indigodisulfosäure, welche abfiltriert und auf Indigokarmin verarbeitet werden kann und ein violettrotes Pulver. Dieses ist Indigomonosulfo- säure , C 16 H 9 N 2 O 2 . SO 3 H , Phönicinschwefelsäure, Purpurschwefelsäure. Das Pulver wird mit Wasser, später mit ganz verdünnter Sodalösung, ausge- waschen, bis das Ablaufende nicht mehr sauer reagiert, dann getrocknet und wie oben verwendet. d) Indigopräparat. Subeil hat eine Vorschrift zu einer Indigo- lösung gegeben, welche in alkalischem Bade auszufärben ist. Er bereitet sich zunächst eine dünne Aetzkalilösung aus 15 Teilen gebranntem Kalk und 30 Teilen Pottasche in 300 Teilen Wasser, läßt absetzen und fügt dazu 2 Teile feinst gemahlenen Indigo und nach dem Absetzenlassen noch eine Lösung aus 20 Teilen Zinnsalz, 2 Teilen Pottasche und 60 Teilen Wasser; dann wird das Ganze bis auf 100° erhitzt, abkühlen gelassen, die klare Flüssigkeit abgegossen und unter Zusatz von etwas Pottasche zum Färben verwendet. — Dieses Präparat ist also eine Lösung von Indigweiß in Zinnoxydulkali. e) Konzentrierte Küpe . Die konzentrierte Küpe ist eine Lösung von Indigo in Natriumhyposulfitlösung, und wird von der Firma Gutbier und Comp. in Lindenau-Leipzig auf den Markt gebracht. 2. Blauholzpräparate . Am meisten verwendet wird: a) Blauholzextrakt . Dasselbe wird auf die in § 55 beschriebene Weise bereitet, und stellt eine trockene, schwarze, glänzende, harzähnliche Masse vor, welche sich leicht in Stücke zerschlagen läßt, süßlich zusammenziehend schmeckt und mit Wasser eine rötlichbraune Lösung gibt. Das spez. Gewicht soll 1,45 bis 1,51 sein. Auch ein flüssiges Blauholzextrakt kommt als dicke, schwere, schwarze, in dünnen Schichten schwärzlich-rotbraune Flüssigkeit von 10, 20, 25, 30 und 35° Bé. in den Handel; die besten Fabrikate sind technisch reiner Farbstoff. Reine Extrakte von über 27° B. sollen nach Brühl auch bei längerem Lagern keinen merklichen Bodensatz geben. Das Blau- holzextrakt findet in der Färberei ausgedehnte Anwendung und bildet daher einen bedeutenden Handelsartikel; man unterscheidet amerikanisches, franzö- sisches und deutsches Extrakt. Es wird vielfach verfälscht, ja es kommen sogar Blauholzextrakte in den Handel, bei denen man vergeblich auf Häma- teïn fahnden würde. L. Brühl schreibt hierüber, Deutsche Färber-Ztg. 1888, Nr. 26, wörtlich: „Durch vierjährige Praxis in der Extraktbranche gewann ich einen Einblick in dieselbe; ich sah Sachen, welche sich die kühnste Phantasie nicht ausdenken würde, geschweige denn ein Färber. Leider ist es nicht das Aus- land, welches uns solche Produkte zu Markte bringt; zu Ehren der ameri- kanischen und französischen Fabriken (wenigstens der renommierten) muß man gerechter Weise sagen, daß, wenn auch diese Firmen nicht Alles liefern, was reines Blauholzextrakt ist, und man zuweilen sonderbare Gemische als Blauholzextrakt dieser Provenienz in die Hände bekommt, so sind doch manche der inländischen Firmen in der Beziehung „Extraktpantscherei“ allen weit voraus. Der kleine Färber, welcher das Färbematerial billig zu kaufen gezwungen ist, fällt dabei meist dicke herein. Sind schon Ia. -Sorten nicht über allen Zweifel erhaben, so muß man bei IIa. - und namentlich bei den sogenannten Facon-Sanford sagen: „Honny soit qui mal y pense“ . Eine Untersuchung desselben ist daher sehr zu empfehlen. Prüfung . Aus dem spezifischen Gewichte fester Extrakte, sowie aus deren Wasser- und Aschengehalt läßt sich kein Schluß auf die Reinheit eines Extraktes ziehen, ebensowenig aus der Farbe und dem Grade der Löslich- keit. Im allgemeinen läßt sich nur sagen, daß reine Extrakte selten über 3 Prozent Aschengehalt aufweisen. Die Eigenschaften und Reaktionen, welche Blauholzextrakt gegen chemische Reagentien resp. mit denselben aufweist, sollen denen eines reinen Holzab- sudes gleich sein. Aus dem Verhalten des Extraktes gegen Kupfer- und Eisensalze kann man bereits Schlüsse auf die Reinheit resp. Verwendbarkeit des Extraktes ziehen und wurde das Verhalten der Extrakte gegen Kupfer- salze denn auch öfters schon als Basis kolorimetrischer Extraktuntersuchungs- methoden aufgestellt. Je annähernder die mit Blauholzextrakt erhaltenen Reaktionen den Reaktionen sind, welche reiner Holzabsud liefert, desto reiner erscheint das Extrakt. Zur allgemeinen Prüfung wird man am besten folgendermaßen ver- fahren: 10 g des zu prüfenden Extraktes werden in 100 g Wasser (am besten Kondensationswasser) gelöst; die Lösung muß klar sein und auch keinen Bodensatz geben; etwa beigemengte Substanzen, wie Sand, Erde, Säge- späne, ausgezogene Gerberlohe , bleiben ungelöst zurück und können durch Filtrieren getrennt und, wenn nötig, gewogen werden. Ein Zusatz von Melasse wird durch Zusatz von Hefe zur Extraktlösung, Gären- lassen, Abdestillieren und Wägen des gebildeten Alkohols bestimmt. Nach Schweissinger (Pharm. Centralh. 1889, Nr. 4), sind sowohl die flüssigen, wie die festen Extrakte stark mit Melasse und Dextrin verfälscht. Man erkennt dies, wenn man aus der wässerigen Lösung den Farbstoff mit Blei- essig ausfällt und das Filtrat mit Fehlingscher Lösung erhitzt. Reines Blauholzextrakt enthält keine die Kupferlösung reduzierenden Substanzen. Schweissinger schlägt daher zum Nachweis folgendes Verfahren ein: 3 bis 5 g des Extraktes werden in 50 ccm Wasser gelöst, mit 10 ccm Bleiessig versetzt, stark durchgeschüttelt und nach kurzem Stehen auf ein nicht genäßtes Filter gegossen; es läuft soviel durch, daß man sofort im 100 mm Rohr polarisieren kann. Filtrate aus reinen Extrakten drehen die Polarisations- ebene nicht oder wenig, jedenfalls jedoch nicht rechts. Das gesammelte Filtrat (man erhält 25 bis 30 ccm ) versetzt man jetzt mit so viel Salzsäure, daß das Blei als Chlorblei ausgefüllt wird und außerdem noch etwa 0,5 g Salzsäure vorhanden sind. Man erhitzt darauf eine halbe Stunde am Rückflußkühler und läßt erkalten. Ohne das in schönen Krystallen ausgeschiedene Chlorblei zu beachten, neutralisiert man mit Natroncarbonat, filtriert und titriert nun mit Fehlingscher Lösung den Zucker. Auf die angegebene Weise gelangt man in kurzer Zeit zum Ziele und die Resultate sind meist für die Praxis genau genug. Bei einer Reihe von untersuchten Extrakten ergaben sich z. B. folgende Resultate: Nr. 1. Polarisation in 100 mm + 0,8 Zucker titrimetrisch 8. „ 2. „ „ „ „ + 4,0 „ „ 20. „ 3. „ „ „ „ + 0,8 „ „ 7. „ 4. „ „ „ „ + — „ „ 0. „ 5. „ „ „ „ + 0,8 „ „ 6. „ 6. „ „ „ „ + — „ „ 0. Von diesen Extrakten sind Nr. 4 und 6 notorisch rein, Nr. 1, 3 und 5 verdächtig, Nr. 2 gefälscht. Außerdem ist Probefärben und Vergleichen mit einer Ausfärbung mit Normalextraktausfärbungen notwendig. Eine der häufigsten Verfälschungen ist die mit Kastanieuextrakt und ähnlichen Gerbstoffextrakten. Diese lassen sich durch Probefärben nicht ohne weiteres erkennen. Hier muß man nach dem Vorschlage von Houzeau die ungleiche Löslichkeit des echten Blauholz- extraktes und des Kastanienextraktes in Aether, wie andererseits in Alkohol, zu Hilfe nehmen. Reines Blauholzextrakt enthält durchschnittlich 87 Prozent in Aether lösliche und 13 Prozent in Alkohol lösliche Stoffe; Kastanien- extrakt dagegen ist in Aether fast unlöslich, während es sich in Alkohol fast ganz auflöst. Ein Gehalt an Kastanienextrakt wird daher den Prozentgehalt der in Aether löslichen Anteile aus Blauholzextrakt vermindern, den der in Alkohol löslichen erhöhen. b) Indigoersatz , Noir impérial, Kaiserschwarz. Unter diesem Namen kommen seit einigen Jahren oxydierte Blauholzextrakte in den Handel, welche durch Kochen von Blauholzextrakt mit Kupfer-, Eisen- oder Chrom- salzen unter Zusatz von Oxalsäure hergestellt sind. Sie haben das Aussehen des Blauholzextraktes und färben ungebeizte Wolle unter Zusatz von etwas Oxalsäure direkt echt schwarz. Dieses Präparat entspricht dem ursprünglichen Rungeschen Blauholz-Indigblau. c) Hämateïn , Hématine. Unter diesem Namen kommen mit beson- derer Sorgfalt dargestellte Blauholzextrakte französischer Provenienz in den Handel, welche als fast reiner Farbstoff zu betrachten sind. Es kommt aber auch ein mit Aether bereitetes Extrakt in Pulverform unter dem Namen Hämateïn in den Handel; letzteres ist der chemisch reine Farbstoff. Dieses Hématine wird von Guinon in Havre dargestellt; es ist ein körniges, rotbraunes, in Wasser vollkommen lösliches Pulver, welches die gleichen Farbentöne, wie das Holz gibt. 15 kg Hämateïn sollen 100 kg bestes Campecheholz ersetzen. § 58. Gelbe Farbstoffpräparate. 1. Gelbholzextrakt, Cubaextrakt . Es bildet gelbbraune, wachs- glänzende Stücke, welche sich in Wasser mit gelber Farbe lösen, und wird aus dem Gelbholz durch Diffusion hergestellt. Auch ein flüssiges Gelbholz- extrakt kommt vor. Die wässerige Lösung des Gelbholzextraktes wird auf Zusatz von Salzsäure und Salpetersäure heller und bildet beim Stehen einen gelben Niederschlag; Ammoniak oder Natronlauge färben die Lösung heller oder dunkler orangefarben. Der Wert eines Gelbholzextraktes muß durch Probefärben festgellt werden. 2. Gelbbeerenextrakt . Ein dickes Extrakt, in Wasser mit gelber Farbe mit einem Stich ins Braune löslich. Die Lösung wird auf Zusatz von Salz- oder Salpetersäure heller unter Absetzen eines schmutziggelben Nieder- schlages; Ammoniak oder Natronlauge färben dieselbe heller oder dunkler rotgelb. Zinnchlorür gibt sofort, Zinnchlorid erst auf Zusatz von etwas kohlensaurem Natron einen goldgelben Niederschlag; essigsaures Kupfer gibt einen gelbbraunen bis olivengrünbraunen Niederschlag; Eisensalze eine dunkel- olivengrüne bis schwarzgrüne Färbung. — Probefärben . 3. Quercitronextrakt . Im Handel kommen zwei flüssige Extrakte von 20 und 30° Bé. vor und ein festes in Form dunkelbrauner wachs- glänzender Stücke, welche sich in Wasser mit gelber Farbe lösen. Die Quercitronextrakte zeichnen sich dadurch aus, daß sie sehr bedeutende Mengen der reinen Farbstoffe enthalten, manchmal gar fast reiner Farbstoff sind, und zwar findet sich bald das Quercitrin, bald das Quercetin, bald ein Gemisch beider darin vor. Prüfung durch Probefärben. 4. Flavin . Dieses jetzt allgemein beliebte Präparat, welches eine 16 mal größere Färbekraft als die Quercitronrinde besitzt, wird aus dieser gewonnen, indem man aus deren Abkochungen den Gerbstoff durch Leimlösung fällt, den entstehenden Schaum durch Abschäumen entfernt und dann zur Extrakt- dicke eindampft. Flavin ist also ein Quercitronextrakt ohne einen Gehalt an Gerbstoff; es gibt daher reinere Färbungen als jenes. Es besteht nach Hummel-Knecht wesentlich aus Quercetin, was ich jedoch — unter Voraussetzung der Richtigkeit der Darstellungsmethode — stark bezweifle. Nach Bolley wird das Flavin durch Ausziehen der Quercitronrinde mit Alkalien und Kochen des Auszuges mit verdünnter Schwefelsäure, darge- stellt. Die Ausbeute beträgt 5 Prozent des Quercitrons. Dieses Präparat ist nichts anderes als Quercitrin . Dagegen erlaube ich mir zu bezweifeln, ob dieses, auf die eben genannte Weise, dargestellte Produkt die 16 fache Färbekraft hat. Es waltet hier, wie auch bei den Quercitrinfarbstoffen, ein bedauerlicher Wirrwarr in der Namengebung ob, so daß von den Angaben der verschiedenen Autoren sich kaum zwei decken. 5. Quercetin . Nach Schlumberger kocht man 40 kg Quer- citronrinde mit 120 kg Wasser und 10 kg Schwefelsäure 2 Stunden lang, wäscht aus, filtriert und dampft zum Trocknen ein. Dieses Produkt dürfte meines Erachtens wesentlich aus Quercetin bestehen und seinen Namen daher mit Recht führen. Dieses Quercetin soll (nach Romen ) nur das vierfache Färbevermögen der Quercitronrinde besitzen, was mir stark un- wahrscheinlich vorkommt. Dagegen soll es (nach Grothe ) bei Anwendung höherer Temperaturen beim Ausfärben viel reinere und hellere Farbentöne geben als das Flavin, was wiederum mit der angeblich geringen Färbekraft schlecht harmoniert. Alle diese Angaben bedürfen sehr der Bestätigung oder Richtigstellung. § 59. Braune Farbstoffpräparate. 1. Catechupräparate . a) Präpariertes Catechu ist ein auf mechanische Weise gereinigtes Catechu. Man schmilzt zu dem Zweck das käufliche im Wasserbade, wobei sich Sand, Erde und dergl. absetzen, und preßt zur Entfernung von Blättern durch ein grobes Seihetuch. Der so gereinigte Catechu wird nochmals im Wasserbade erwärmt und auf 100 Teile des in Anwendung genommenen Extraktes ¾ Prozent doppelt chromsaures Kali untermischt. Sodann läßt man die Masse erkalten. Auch den nicht erst gereinigten, sondern nur fein zerriebenen und mit Kaliumdichromat oder Kupfervitriol vermischten Catechu bezeichnet man als präparierten Catechu. 2. Chemischbraun, Havannabraun . Ein durch Behandeln von Catechu mit oxydierenden Agentien, z. B. Salpetersäure, Kaliumdichromat, vanadinsaurem Ammoniak, gewonnenes Braun. 3. Chrysaminsäure , Aloepurpur, C 14 H 4 (NO 2 ) 4 O 4 , ist das Pro- dukt der Einwirkung von kochender konzentrierter Salpetersäure auf Aloë. Gleichzeitig bildet sich Aloëtinsäure, welche durch erneutes Erhitzen mit Salpetersäure in Chrysaminsäure übergeführt werden kann. Es wird dazu im ganzen das neun- bis zehnfache Gewicht der in Arbeit genommenen Aloë notwendig sein. Nach dem Aufhören der Gasentwickelung wird das Reak- tionsprodukt durch ein Tuch gegossen und dann in einem dünnen Strahle in kaltes Wasser, wobei sich die Chrysaminsäure sofort in Flocken abscheidet. Man sammelt die Flocken auf einem Filter und wäscht solange mit Wasser aus, bis dasselbe anfängt, sich rosenrot zu färben; dann trocknet man. Die Chrysaminsäure bildet große, goldglänzende Blättchen, schmeckt bitter, ist löslich in Alkohol und Aether und fast unlöslich in Wasser. Sie ist in neuerer Zeit wieder von Lindner zum Färben von Wolle und Seide ohne Beize empfohlen worden. Man erhält so purpurbraune bis braune Töne. Durch Neutralisation der Flotte mit Kreide sollen helle und dunkle Nüancen von Olivengrün erzielt werden. Mit Thonerdebeize soll man schöne violette Färbungen auf Seide und Wolle erhalten. Auch rosa, hortensiablaue, graue und verschiedene braune Nüancen lassen sich auf Wolle, Seide und Baumwolle erzielen. — Die Salze der Chrysaminsäure finden gleichfalls Verwendung, besonders das Ammoniak und das Natronsalz. Auch als Beize zum Fixieren von Orseillefarbe ist die Chrysaminsäure zu verwenden. Die mit Aloe erzeugten Farben sollen sehr haltbar sein. § 60. Gerbstoffextrakte. 1. Sumachextrakt , Schmackextrakt. Ein aus dem Sumach durch Kochen mit Wasser und Eindampfen zur Trockne gewonnenes Extrakt. Ein höchst überflüssiges Präparat ! 2. Knoppernextrakt 3. Dividiviextrakt wie Sumachextrakt. 4. Neucatechu ist ein Extrakt aus Kiefernholz mit heißem Wasser bereitet, in Wasser leicht löslich. Es enthält 32 Prozent Gerbstoff, 35 Pro- zent Gallussäure, 18,8 Prozent Farb- und Extraktivstoff. Es wird ganz wie Catechu verwendet und gibt mit Eisensalzen einen grünen Niederschlag. 5. Nußschalenextrakt 6. Kastanienextrakt besonders bei der Schwarzfärberei der Seide verwendet. 7. Schwarzer Seidengrund ; ein Tannenholzextrakt, braunschwarz, in Wasser löslich, mit 40 Prozent Gerbstoff. Alle diese Gerbstoffprä- parate haben nur untergeordneten Wert, da ihnen durch die fabrikmäßige Darstellung des Tannins ein gewaltiger Konkurrent erwachsen ist, dessen Reinheit neben seiner einfachen und leichten Verwendung alle jene, Prä- parate überflüssig macht. 3. Künstliche organische Farbstoffe. § 61. Allgemeines. Als künstliche Farbstoffe gelten alle diejenigen, welche aus den Pro- dukten der chemischen Großindustrie, nicht selten sogar aus Abfallstoffen, durch chemische Prozesse hergestellt werden. Vor 30 Jahren war hiervon noch nichts bekannt; man brachte eben das Mauveïn in den Handel, einen heute bereits wieder vergessenen Farbstoff. Dann folgte, vor genau 30 Jahren (1858), die Entdeckung des Fuchsins durch A. W. Hofmann . Was seither geschehen ist, werden die ältern Herrn ja noch frisch im Gedächtnis haben; den jüngeren aber sei gesagt, daß mit dem Jahr 1858 für die Färberei ein neues Zeitalter begonnen hat, eine Zeit, in welche die Alten sich nur schwer hineinfinden konnten. Die künstlichen Farbstoffe be- herrschen den Farbwarenmarkt heute so vollständig, daß die guten alten na- türlichen Farbstoffe und selbst ein Teil der daraus gefertigten Präparate heutzutage, wenn auch nicht gerade vergessen sind, so doch auch nicht mehr annähernd die Wichtigkeit haben, wie bis vor wenigen Jahren. Eine genaue Kenntnis der künstlichen Farbstoffe, ihrer Eigenschaften, ihres Verhaltens gegen andere chemische Körper, insbesondere gegen die Beizen und ihre Beziehungen zu den Fasern, das muß heute von einem jeden Färber verlangt werden können . Dagegen wird von ihm nicht verlangt werden die Darstellungsweise und die chemische Zusammensetzung. So unentbehrlich dies für den Chemiker ist, so will ich doch den Leser dieses Handbuchs nicht mit den Einzelheiten der Darstellungs- methoden noch mit zungenbrecherischen chemischen Namen oder ellenlangen chemischen Formeln quälen; er findet nur das, was er wirklich braucht und wissen muß . Nur die Grundlage, worauf die heutige Farbstoffchemie ruht, möchte hier mit einigen Worten erläutert werden. Ausgangspunkt der künstlichen Farbstoffe, welche anfangs als Anilinfarben , später als Teerfarben bezeichnet wurden, ist der Steinkohlenteer , auf welchen Runge bereits 1834 als Rohprodukt zur Bereitung von Anilin hinwies, der Steinkohlenteer, welcher nach Einführung der Leuchtgasfabrikation als ein massenhaft abfallendes lästiges, unverwendbares Nebenprodukt betrachtet und entweder verbrannt oder weggeschüttet wurde. Dieser Steinkohlenteer ist der Urahn unserer heutigen Farbstoffe. Vom Steinkohlenteer bis zu den Farbstoffen ist freilich noch ein weiter Weg. Besonders drei Abschnitte sind es, die sich inzwischen unterscheiden lassen: die Teerdestillation, die Anilin- oder Halb- fabrikatproduktion und die Fabrikation der eigentlichen Farbstoffe. Die Teerdestillation bezweckt die Gewinnung der Rohprodukte der Anilin- oder Teerfarben durch Destillation aus eisernen Retorten. Es gehen dabei verschiedene Destillationsprodukte über. Der Teer fängt bereits bei 70° C., also noch unter dem Siedepunkt des Wassers, an, Dämpfe abzu- geben, welche in geeigneten Vorlagen aufgefangen werden. Die Temperatur steigt allmählich bis auf 400° C., also noch höher als der Siedepunkt des Quecksilbers. Innerhalb der Temperatur von 70 bis 400° C. gehen drei verschiedene Körper über und zwar findet sich in dem Destillate von 70 bis 180° C. das Rohbenzol , „ „ „ „ 180 „ 250° C. „ Rohnaphtalin , „ „ „ „ 250 „ 400° C. „ Rohanthracen . Halbfabrikatproduktion . Diese bildet eine eigene Industrie, welche die Reinigung und genauere Trennung vorstehender Rohprodukte aus- führt. Sie zerlegt das Rohbenzol weiter in die reineren Produkte: Benzol, Toluol, Xylol, Cumol , und stellt aus dem rohen Naphtalin und Anthracen die reinen Fabrikate her. Diese genannten Produkte bilden dann wieder den Ausgangspunkt zur Darstellung weiterer Zwischenprodukte. So wird in eigenen Fabriken ge- wonnen durch Behandeln mit Salpetersäure (Nitrieren): aus Benzol Nitrobenzol „ Toluol Nitrotoluol „ Xylol Nitroxylol „ Naphtalin Nitronaphtalin. Behandelt man diese Abkömmlinge weiter mit Eisen und Salzsäure, so erhält man aus Nitrobenzol Anilin , „ Nitrotoluol Toluidin , „ Nitroxylol Xilidin , „ Nitronaphtalin Naphtylamin . Diese Körper sind noch keineswegs Farbstoffe, aber sie bilden den Hauptausgangspunkt zur Herstellung der Stoffe, aus welchen dann endlich die Farbstoffe selbst hergestellt werden. Die Zahl der daraus technisch dar- gestellten Fabrikate ist eine so große, daß sie hier gar nicht alle hergezählt werden können, sie ist so groß, daß man dieselbe einteilt in Klassen, je nach ihrer Herkunft, und zwar in: Benzol-Derivate (d. h. Abkömmlinge des Benzols, Fabrikate, welche sich vom Benzol ableiten, z. B. Nitrobenzol, Anilin, Dimethylanilin); Toluol-Derivate , z. B. Nitrotoluol, Toluidin; Xylol-Derivate; Naphtalin- und Anthracen-Derivate . Die Farbenfabrikation bildet das letzte Glied in der langen Reihe jener chemischen Prozesse. Diese Fabrikation, welche in den letzten 15 Jahren infolge der Entdeckungen gelehrter Forscher eine ungeahnte Ausdehnung ge- wonnen hat, verlangt zu ihrem Verständnis eine so weitgehende Kenntnis der organischen Chemie, daß eine Beschreibung der einzelnen Operationen ganz zwecklos wäre. Denn nur wenige Leser werden im Besitz der dazu nötigen Vorkenntnisse sein, brauchen es auch gar nicht, denn die Verfahren sind fast alle durch Patente auf absehbare Zeit geschützt und überdies hat die Farbenfabrikation nur im Großbetrieb einen Sinn. Wen sein Wissens- durst jedoch treibt, mehr wissen zu wollen, dem seien folgende Werke em- pfohlen: Schulz , die Chemie des Steinkohlenteers; Benedikt , die künst- lichen Farbstoffe; Julius , die künstlichen organischen Farbstoffe. § 62. Einteilung der künstlichen Farbstoffe. Schwieriger als das oberflächliche Bild dieser großen chemischen In- dustrie ist die Einteilung der großen Anzahl von Produkten. Für den Chemiker ist es nicht schwierig, entweder auf Grund der Abstammung (also der Derivate), oder auf Grund des Fabrikationsprozesses eine wissenschaftliche Einteilung zu finden, oder sich in einem solchen System zurechtzufinden. Für den Praktiker ist das jedoch weniger nütze. Freilich haben sich eine Anzahl wissenschaftlicher Namen bereits in die Praxis eingeführt. Wenn von Anilin-, Naphtalin-, Anthracenfarbstoffen die Rede ist, das wird jeder wissen; wenn aber von Phenolfarbstoffen, Amidofarbstoffen, Chinolinfarbstoffen, Benzidinfarbstoffen, Azofarbstoffen u. s. w. die Rede ist, was dann? Die mir zur Verfügung stehenden Werke haben sämtlich eine Gruppen- einteilung nach wissenschaftlichen Prinzipien angenommen. Wenn ich in meinem Handbuche eine derartige Einteilung nicht befolge, so ist für mich der Umstand maßgebend, daß es noch kein allgemein anerkanntes System gibt, daß selbst zwischen den Autoren, welche die Klassifikation nach der Muttersubstanz vornehmen, keinerlei Uebereinstimmung herrscht, daß bei dem täglichen Auftauchen neuer Farbstoffe, ja sogar ganzer neuer Farbstoffklassen, der Zeitpunkt für ein einheitliches wissenschaftliches System, welches allseitig genügt, überhaupt noch nicht gekommen erscheint, und daß endlich das neueste von O. N. Witt vorgeschlagene System der chromophoren Gruppen für die Leser dieses Handbuches wohl kaum verständlich sein dürfte. Ich kehre deshalb zu der ältesten Einteilung nach Farben zurück, nicht etwa, weil ich sie für die richtigere halte, wohl aber, weil sie für den Zweck unseres Handbuches die praktischste ist. Was die Ausdrücke Azofarb- stoff, Amidofarbstoff, Nitrosofarbstoff und dergl. bedeuten, werde ich bei passender Gelegenheit an besonders geeigneten Beispielen erklären. § 63. Charakteristik und Eigenschaften. Die chemische Natur der künstlichen Farbstoffe ist nach ihrer Zusammen- setzung und ihrem innern Bau eine äußerst komplizierte. Sie beansprucht jedoch nach der technischen Seite hin nur untergeordnetes Interesse, obschon nicht geleugnet werden soll, daß durch die Konstitution, besonders unter Annahme von Witts chromophoren Gruppen, manche Eigentümlichkeiten in ihrem Ver- halten sich dürften erklären lassen, welche bisher noch nicht befriedigende Er- klärung gefunden haben. Sieht man dagegen von dem innern Aufbau ab, und urteilt nur nach dem Verhalten der chemischen Farbstoffe, so finden wir sehr bald einfache Beziehungen, welche das Verständnis für und die Bekanntschaft mit diesen Farbstoffen sehr erleichtern. So finden sich eine ganze Anzahl von Farb- stoffe, welche ausgeprägt sauren Charakter zeigen, und die deshalb auch wohl, obgleich fälschlich, als „ Farbsäuren “ bezeichnet werden. Allerdings sind die „sauren Farbstoffe“ nicht stets wirkliche Säuren, sondern vielfach phenolartige Körper (das normale Phenol wird ja gemeinhin Karbolsäure genannt), teils auch mono- oder disulfonsaure Salze oder auch nitrierte Farbstoffe. Hierher gehört deshalb der größte Teil der gelben Farbstoffe, ein großer Teil der orangen und verschiedene rote, auch grüne, blaue und violette. Aber nicht alle sauren Farbstoffe sind so augenscheinlich charakterisiert. Eine Anzahl zeigt diese Eigenschaften nur in geringerem Maße. Kertész Die Anilinfarbstoffe. Braunschweig, 1888. hat sie deshalb als „ schwachsaure Farbstoffe “ in eine besondere Klasse gebracht. Während sich die starksauren Farbstoffe in Wasser leicht lösen, sind die schwachsauren in Wasser meist schwer löslich. Auch beim Färben zeigt sich ein Unterschied: die Gewebefaser vermag starksaure Farbstoffe — selbst nach vorherigem Beizen — nicht auf sich zu fixieren. Dieses wird erst möglich in saurem Bade . Die schwachsauren Farbstoffe bedür- fen des Säurezusatzes nicht. Zu den schwachsauren Farbstoffen gehören die meisten natürlichen Farbstoffe und die ihnen ähnlichen künstlichen; sie sind sämtlich in Alkalien leicht löslich und färben die Gewebefaser mit Hilfe von Beizen. Die dann verbleibenden Farbstoffe werden gemeinhin als basische be- zeichnet. Diese Bezeichnung ist — sofern sie die eigentlichen Farbstoffbasen (z. B. Anilingelb) betrifft — richtig. Dagegen heißen auch die Salze der Farbstoffbasen, welche nichts weniger als basischen Charakter zeigen, basische Farbstoffe, diese letzteren aber sehr mit Unrecht . Es möchte sich daher empfehlen, nur die wirklichen Farbstoffbasen als basische Farbstoffe , die Salze aber als wasserlösliche neutrale Farbstoffe zu bezeichnen. Diese sind sämtlich in Alkohol leicht löslich und färben Wolle in neutralem Bade ohne Zusatz einer Säure, Baumwolle nach zuvorigem Beizen mit Tannin. Diese Einteilung werde ich im weitern Verlaufe bei den einzelnen Farben gleichfalls einhalten, nämlich: basische, neutrale, schwachsaure, stark- saure, so daß der Färber, sobald er einmal weiß, in welche Klasse ein Farb- stoff gehört, auch wissen muß, welche Eigenschaft derselbe hat und wie er angewendet werden kann. Um aber zu wissen, in welche Klasse ein Farb- stoff gehört, dafür hat Kertész Die Anilinfarbstoffe. Braunschweig, 1888. eine beachtenswerte Reaktion angegeben; er empfiehlt eine Lösung von 2 g Pikrinsäure und 5 g essigsaurem Natron in 100 g Wasser oder andernfalls eine Tanninlösung, bestehend aus 2 g Tannin, 2 g essigsaurem Natron in 20 g Wasser. Bringt man von einer der beiden Lösungen einige Tropfen zu einer klaren Lösung eines Farbstoffes, und erwärmt dann, so werden die basischen und neutralen Farbstoffe nieder- geschlagen, die schwach und starksauren dagegen bleiben klar. Hat man nun einen nicht sauren Stoff gefunden, d. h. hat die Farb- stofflösung auf Zusatz des Reagens sich getrübt, so würde man zunächst fest- zustellen haben, ob man einen basischen oder neutralen Farbstoff vor sich hat; die Farbstoffbasen sind aber durchgehends farblos oder nur sehr schwach gefärbt, dabei färben sie aber Wolle oder Seide direkt; taucht man z. B. in die farblose Lösung der Rosanilinbase Wolle oder Seide und erwärmt, so färben sich diese ebenso stark rot, als wenn ein Anilinsalz vorhanden ge- wesen wäre. Tritt eine derartige Färbung aus farbloser oder schwach gefärb- ter Lösung nicht ein, so hat man es mit einem Salze der Farbbase , d. h. mit einem neutralen Farbstoffe zu thun. Hat dagegen die Pikrinsäurelösung oder die Tanninlösung keine Fällung hervorgebracht, hat man es also mit einem stark oder schwach sauren Farb- stoffe zu thun, so unterscheidet man durch Probefärben im neutralen Bade, ob der Farbstoff angeht oder nicht; ist das der Fall, so hat man es mit einem schwach sauren Farbstoff zu thun; muß man dagegen, um das Angehen der Farbe zu erzielen, dem Bade eine Säure zusetzen, so hat man es mit einem stark sauren Farbstoff zu thun. Auch durch direktes gleichzeitiges Probefärben auf ungebeizte Wolle, un- gebeizte, mit Tannin gebeizte und mit essigsaurer Thonerde gebeizte Baumwolle gelangt man schnell zu einem sicheren Schlusse. Wird die Wolle direkt durch bloßes Erwärmen, und die mit Tannin gebeizte Baumwolle gefärbt, so haben wir einen basischen oder einen neutralen Farbstoff vor uns; bleibt die Wolle und die tannierte Baumwolle ungefärbt, und wird dagegen die mit Thonerde gebeizte Baumwolle fixiert, so haben wir es mit einem schwach sauren Farbstoff zu thun; färbt sich die gebeizte Baumwolle überhaupt nicht, und die Wolle erst aus saurem Bade, so haben wir einen stark sauren Farbstoff vor uns; färbt sich endlich die ungebeizte Baumwolle direkt an, so haben wir es mit einem der neu entdeckten Benzidinfarbstoffe zu thun. Die künstlichen Farbstoffe kommen entweder in Krystallen, welche nicht selten Metallglanz zeigen, oder in Pulver, seltener (besonders die schwach sauren) in Teigform ( en pâte ) in den Handel. Der größere Teil ist in Wasser löslich; nur einige wenige müssen in Alkohol gelöst werden; diese kommen als „spritlöslich“ in den Handel, und werden in einem Gemisch aus gleichen Teilen Alkohol und Wasser unter Anwendung gelinder Wärme gelöst. Eine Prüfung und Wertbestimmung ist nur durch Probefärben zu erreichen, und durch Vergleichung der erzielten Farbe mit einem Normal- muster, welches für diesen Zweck des Vergleichens ein für allemal aufbe- wahrt und verwendet wird. Zum Probefärben verwendet man bei basischen und neutralen Farbstoffen Baumwolle, bei den stark sauren Wolle, bei den schwach sauren kann man beides verwenden. § 64. Art der Anwendung. Aus der im vorigen Paragraphen enthaltenen Charakteristik ist eigent- lich schon die Art ihrer Verwendung zu ersehen. Hier sei nur noch folgendes nachzutragen: Die künstlichen Farbstoffe müssen in gelöster Form verwendet, d. h. sie müssen vor dem Gebrauch aufgelöst werden. Die Lösung muß klar sein; nötigenfalls muß sie filtriert werden. Am besten löst man den Farbstoff erst zum Gebrauch auf; das Vorrätighalten von Lösungen ist nicht zu empfehlen. Von der frisch bereiteten Lösung empfiehlt es sich nicht, die ganze Menge mit einemmal zuzusetzen, sondern in kleineren Portionen, wo- durch ein gleichmäßigeres Angehen der Farbstoffe erreicht wird. Basische Farbstoffe , d. h. die reinen Farbstoffbasen, werden nur höchst selten verwendet, sondern meist in Form ihrer Salze. Neutrale Farbstoffe , d. h. die Salze der Farbstoffbasen, werden zum Färben von Wolle und Seide direkt, d. h. ohne Anwendung von Beizen, verwendet. Pflanzenfasern müssen zuvor nach dem Tannin-Brechweinstein- Verfahren gebeizt werden. Schwach saure Farbstoffe werden auf Seide gar nicht, auf Wolle und Baumwolle unter Anwendung von Beizen angewendet; wobei als Beize für Wolle Chromsalze oder Thonerdesalze, als Beize für Baumwolle Thon- erdesalze, Eisenoxydsalze und Chromoxydsalze in Betracht kommen. Stark saure Farbstoffe werden nur auf Wolle unter Zusatz von Glaubersalz und Schwefelsäure oder an deren Stelle von Natriumbisulfat (sog. „Weinsteinpräparat“) angewendet. Auf Baumwolle eignen sich die stark sauren Farbstoffe nicht, mit Ausnahme der erst neuerlich entdeckten Benzidinfarben: Chrysamin, Congo, Benzopurpurin, Benzoazurin, Azoblau, Hessischgelb ꝛc. Diese färben Baumwolle substantiv , d. h. ohne Anwen- dung von Beizen. Hierher scheinen auch die noch wenig bekannten Ingrain - Farben zu rechnen zu sein. I. Rote Farbstoffe. § 65. Basische rote Farbstoffe. Von den wirklich basischen roten Farbstoffen, d. h. den Farbstoffbasen der roten Farbstoffe, soweit sie in den Bereich der technischen Färberei ge- hören, sind nur zwei zu erwähnen: das Pararosanilin und das Ro- sanilin . Die übrigen Farbstoffbasen — Phenylphenazonium, Toluphenazin und Isochinolin — haben für die Färberei kein direktes Interesse. Pararosanilin entsteht durch Oxydation eines Gemisches aus 2 Mol. Paratoluidin und 1 Mol. Anilin. Rosanilin entsteht durch Oxydation eines Gemisches aus je 1 Mol. Paratoluidin, Orthotoluidin und Anilin. Diese beiden Farbstoffbasen selbst sind farblos ; sie werden jedoch schon durch bloßes Liegen an der Luft rot infolge Aufnahme von Kohlensäure und Bildung von kohlensaurem Salz. Die beiden Basen bilden sich stets gleich- zeitig, mindestens hat man in der Technik stets ein Gemisch von Para- rosanilin mit Rosanilin vor sich. Die beiden Basen sind nicht gleichbedeu- tend, auch von verschiedener chemischer Zusammensetzung (das Rosanilin ist methyliertes Pararosanilin ), stehen aber in engster chemischer Verwandt- schaft und finden sich selbst in ihren Salzen nie allein, sondern stets in wechselnden Mengen gemischt vor. Die Rosanilinbasen sind dreisäurige Basen, d. h. sie können, je nachdem sie sich mit 1, 2 oder 3 Mol. einer Säure verbinden, drei Reihen von Salzen bilden. Die erste Reihe die- ser Salze — mit 1 Mol. Säure — sind die Rosanilinfarbstoffe . Das Rosanilinbasengemisch, obgleich farblos, färbt Wolle und Seide in heißem Bade direkt rot . § 66. Neutrale rote Farbstoffe. Die neutralen roten Farbstoffe sind die Salze der Farbstoffbasen . Sie zeichnen sich durch ihre leichte Löslichkeit in Wasser und in Alkohol aus, Ganswindt , Färberei. 11 werden aber aus ihren Lösungen durch Pikrinsäurelösung oder Tanninlösung (§ 63) beim Erwärmen ausgefällt. a) Rosanilinfarbstoffe. Diese sind Salze der Rosanilinbasen mit Chlorwasserstoffsäure, Essig- säure oder Salpetersäure, also salzsaures, essigsaures oder salpeter- saures Rosanilin . Ihr Hauptvertreter ist das Anilinrot oder Fuch- sin , und dessen Abfallprodukte: Grenadine, Cerise, Marron. 1. Fuchsin , salzsaures Rosanilin, essigsaures resp. salpetersaures Ro- sanilin und Pararosanilin, Anilinrot, Azaleïn, Harmalin, Magenta, Solferino, Tyralin, Roseïn, Rubin, Diamantfuchsin, Gold- roseïn, Brillantfuchsin, Neurot ꝛc. — Vorzugsweise wird das salz- saure Salz mit Fuchsin , das essigsaure als Roseïn , das sal- petersaure als Azaleïn bezeichnet. Darstellung . Das gesamte in den Handel kommende Fuchsin wird durch Oxydation von Anilinöl dargestellt. Dieses Anilinöl oder Rot- anilin ist das in § 65 bereits namhaft gemachte Gemisch aus je 1 Mol. Paratoluidin, Orthotoluidin und Anilin. F. Fischer gibt in seiner Techno- logie zwei Beispiele von der Zusammensetzung von Rotölen: Diese „Rotöle“ werden entweder mittels Arsensäure oder mittels Nitro- benzol oder Quecksilbernitrat oxydiert. Arsensäureverfahren . Je 1000 kg Rotanilin werden mit 1300 bis 1500 kg 75 prozentiger Arsensäure in eisernen Kesseln erhitzt. Die Kessel sind mit einem Deckel verschlossen, welcher ein Abzugsrohr für die entweichenden Dämpfe enthält. Dasselbe steht mit einem Kühlapparat in Verbindung. Durch die Mitte des Deckels geht ein Rührwerk hindurch. Hat die Temperatur im Kessel den Siedepunkt des Anilins überstiegen, so beginnt eine Mischung von Anilin und Orthotoluidin, die sogenannten Echap- pées der Fuchsinfabrikation, abzudestillieren, welche dann zur Erzeugung von Safranin Verwendung finden. Das Erhitzen wird solange fortgesetzt, bis eine mit einem eisernen Stabe herausgenommene Probe die richtige Farbe und Konsistenz der Schmelze an- zeigt. Die Schmelze wird sodann durch Einleiten von gespanntem Wasser- dampf verflüssigt und in große eiserne Cylinder gepreßt, in welchen sie mit Wasser ausgekocht wird. Oder man läßt den Inhalt der Schmelzkessel in eiserne oder hölzerne Kästen ab, läßt sie erstarren und zerkleinert die Schmelze vor dem Auskochen. In Lösung befinden sich nur arsenigsaure und arsensaure Salze der Rosaniline und einiger anderer Basen, welche sich als Nebenprodukte ge- bildet haben, vornehmlich Chrysanilin, dann auch etwas Mauvanilin ꝛc., fer- ner enthält die Flüssigkeit überschüssige Arsensäure und harzartige Verun- reinigungen. Der in Wasser unlösliche Teil der Schmelze besteht aus harzartigen Substanzen, welchen zwei weitere Farbstoffe, nämlich Mauvanilin und Viol- anilin beigemischt sind. Außerdem enthält er noch einen Teil des Chrysani- lins. Aus diesen Rückständen wird das Chrysanilin (Phosphin) und braune Farbstoffe gewonnen, welche die Namen Marron, Grenadine ꝛc. führen und wechselnde Gemenge der Chlorhydrate sämtlicher genannter Basen ent- halten. Die Rohfuchsinlösung wird in große eiserne Kästen filtriert und mit viel Kochsalz versetzt. Dasselbe dient einerseits dazu, die arsenigsauren und arsensauren Rosaniline durch doppelte Umsetzung in Chlorhydrate überzufüh- ren, andererseits aber befördert es die Ausscheidung des Farbstoffes durch „Aussalzen“. Das Fuchsin scheidet sich in Krystallen aus, die durch Umkrystallisieren aus Wasser weiter gereinigt werden können. Aus den Mutterlaugen ge- winnt man geringere Sorten Fuchsin ( Cerise ). Nitrobenzolverfahren . Zwei Drittel von 100 Teilen Rot- anilin werden mit Salzsäure neutralisiert, bei 140° getrocknet und mit dem andern Drittel gemischt. Dann mischt man 50 Teile Nitrobenzol und 3 bis 5 Teile Eisenfeile hinzu und erhitzt auf 190°. Es bildet sich Eisenchlorür, welches sodann den Sauerstoff des Nitrobenzols auf das Anilin überträgt, indem es sich vorübergehend in Eisenchlorid verwandelt. Die Schmelze wird nach dem Abdestillieren des überschüssigen Anilins in ähnlicher Weise, wie beim Arsensäureverfahren, verarbeitet. Sie enthält neben Rosanilin ebenfalls Mauvanilin, Chrysanilin ꝛc. Der Hauptvorzug dieses Verfahrens besteht darin, daß es vollständig arsenfreies Fuchsin liefert. Quecksilbernitratverfahren . Rotöl wird durch salpetersaures Quecksilber oxydiert; es resultiert dabei salpetersaures Rosanilin, welches ent- weder als solches (Azaleïn) in den Handel kommt, oder durch „Aussalzen“ mittels Kochsalz in das salzsaure Salz übergeführt wird. Eigenschaften des Fuchsins . Die Salze, welche die beiden Rosani- line mit je einem Molekül Säure geben, sind im auffallenden Lichte metallisch- grünglänzend, im durchfallenden in dünnen Schichten rot. Die Lösungen sind karminrot, nicht fluorescierend. Das salzsaure Rosanilin, C 20 H 19 N 3 HCl, welches den Hauptbestandteil des technischen Fuchsins bildet, krystallisiert in rhombischen Tafeln. 1 Teil Fuchsin löst sich in circa 330 Teilen Wasser von gewöhnlicher Temperatur, leichter in heißem Wasser. Es ist in 10 Teilen Alkohol, ferner in Amyl- alkohol löslich. Mit konzentrierter Salzsäure gibt es braune Nadeln des dreifach sauren Salzes, C 20 H 19 N 3 · 3 HCl, welche sich in Salzsäure mit brauner Farbe lösen, beim Uebergießen mit Wasser hingegen in das einfach saure Salz und in Salzsäure zerfallen. Aetzalkalien, Ammoniak, Aetzbaryt und Aetzkalk zerlegen Fuchsinlösungen und scheiden daraus die freie Farbbase krystallinisch aus. Reduktionsmittel, wie Zink und Essigsäure, Zinnchlorür ꝛc. entfärben Fuchsin unter Bildung von Leukanilinsalzen. Die entfärbten Lösungen bleiben beim Stehen an der Luft farblos (Unterschied von Safranin, Magdalarot). Das Fuchsin wird durch Aldehyd in einen blauen Farbstoff verwandelt. Das Fuchsin des Handels . Das reinste Fuchsin des Handels heißt Diamantfuchsin, Rubin oder Brillantfuchsin . Die geringeren Sor- ten sind durch harzartige Beimengungen verunreinigt, welche beim Auflösen in Wasser als grünglänzende Häutchen obenauf schwimmen. Sie sind durch 11* Filtrieren schwer zu entfernen, man entnimmt daher die Fuchsinlösungen den Standgefäßen am besten durch in der Nähe des Bodens angebrachte Tubu- laturen. Außerdem enthält das Fuchsin häufig mineralische Verunreinigungen, die beim Verbrennen als Asche zurückbleiben. Nach dem Arsenverfahren hergestelltes Fuchsin enthält geringere oder größere Mengen von Arsen, welches in Form von arseniger und Arsensäure, aber auch als metallorganische Verbindungen enthalten sein kann. Eine Lösung von ganz reinem Fuchsin wird von wässeriger schwef- liger Säure nahezu vollständig entfärbt, während unreines Fuchsin unter denselben Verhältnissen schmutziggelbe bis braune Lösungen gibt. Die Prüfung geschieht durch Probefärben. Die Färbekraft des Fuch- sins ist eine ganz außerordentliche; im Durchschnitt sind Färbungen von ⅓ bis ½ Prozent Stärke üblich. — Bisweilen findet es sich verunreinigt mit Chrysoidin oder Methylviolett. Chrysoidin wird durch Aufstreuen des feingepulverten Fuchsins auf konzentrierte Salzsäure erkannt: das reine Fuchsin färbt sich dabei gelb, das Chrysoidin ponceaurot. Methylvio- lett wird durch Zusatz von ein wenig salpetrigsaurem Natron und Essigsäure zur Fuchsinlösung erkannt: bei reinem Fuchsin wird die Lösung gelb bis grün- lichgelb, bei Anwesenheit von Methylviolett blau oder bläulich. — Mit Abfallprodukten der Fabrikation verunreinigtes Fuchsin löst sich schwerer in Wasser und bedarf zur Lösung eines geringen Zusatzes von Essigsäure. Anwendung . Fuchsin färbt Wolle und Seide direkt aus neutralem Bade, ohne Zusatz einer Beize. Bei Verwendung von hartem Wasser ist Zusatz des doppelten Gewichts Essigsäure zum Bade nötig; bei Seide em- pfiehlt sich ein schwaches Bastseifenbad mit Zusatz von etwas Essigsäure. — Baumwolle und Leinen wird zuvor mit Tannin und Brechweinstein gebeizt. Jute wird ungebeizt gefärbt. — Fuchsin wird auch mit andern Farbstoffen direkt vermischt und kommt in derartigen Mischungen in den Handel; so mit Chrysoidin gemischt als Kardinal, Russischrot , mit Methylviolett als Primula , mit Auramin als Fuchsinscharlach . — Soll beim Färben Fuchsin mit andern künstlichen Farbstoffen kombiniert werden, so müssen diese natürlich gleichfalls neutralfärbende oder höchstens schwach saure sein. — Die Färbungen mit Fuchsin sind sehr lichtunecht und nicht walkecht. Kertész empfiehlt beim Färben mit Fuchsin einen Zusatz von Bittersalz (3 Prozent vom Gewicht des Gewebematerials); der Farbstoff soll dadurch langsamer an- gehen und lebhafter werden. Die Färbung auf Baumwolle mittels Tannin und Brechweinstein ist waschecht . 2. Cerise ist ein Nebenprodukt der Fuchsinfabrikation; man betrachtet es allgemein als „unreines Fuchsin“; es enthält meist Phosphin. Es ist in Wasser wie in Alkohol minder leicht löslich, wie Fuchsin und bedarf zur Lösung eines Essigsäurezusatzes. Cerise gibt eine mehr gelbliche Nüance und ist nicht so leuchtend, als Fuchsin; es wird nur für billigere Artikel verwendet. Die Farbstofflösungen müssen vor dem Gebrauch filtriert werden. 3. Grenadin , gleichfalls ein Nebenprodukt der Fuchsinfabrikation, dem Cerise nahestehend, gibt etwas dunklere Nüancen und ist matter; wird wie Cerise angewendet, auch zum Abdunkeln neben Fuchsin gebraucht. Cerise und Grenadin kommen auch unter dem Namen Fuchsin J , Grenadin J , Crimson, Juchtenrot , in den Handel. 4. Marron, Baumwollbordeaux ; ein durch Fällung mit Aetz- natron aus den Fuchsinmutterlaugen gewonnenes Rückstandsprodukt; es ist in Wasser selten klar löslich, sondern erfordert einen Zusatz von Salzsäure zur völligen Lösung. Es gibt rotbraune Farbentöne und ist bedeutend matter als die vorigen; kommt in Stücken, oder als Pulver, bisweilen auch als Teig in den Handel. Anwendung wie bei Cerise, aber zu dunkleren Nüancen, und zu minderwertigen Waren. — Eine Mischung aus Marron und Methyl- violett führt den Namen Corinth . — Andere unreine, meist Phosphin enthaltende, Fuchsinsorten kommen unter den Namen Geranium und Juchtenrot in den Handel. b) Triphenylmethan-Farbstoffe. Hierher gehören eine Anzahl von Farbstoffen, welche man noch vor kurzem unter dem Sammelnamen „Safranin“ vereinigte, und andere, welche diesen durch ihren Bau und ihr Verhalten nahe stehen. Die be- treffenden Farbstoffbasen sind hier das Dimethyldiamido-Toluphenazin und das Phenylphenazin . Hierher gehören: 1. Toluylenrot, Neutralrot , salzsaures Dimethyldiamido-Tolu- phenazin. Dieser neue Farbstoff ist zuerst von O. N. Witt dargestellt, und wird jetzt als fast chemisch reines Produkt von Cassella \& Comp . auf den Markt gebracht. Er wird dargestellt durch Erhitzen einer wässerigen ange- säuerten Lösung von Toluylenblau zum Kochen. Es ist ein dunkel schwarz- grünes Pulver. Die wässerige Lösung ist karmoisinrot; Natronlauge fällt daraus die Farbbase als gelbbraunen Niederschlag; Ammoniak fällt orange- farbene Flocken, welche von Aether rot mit gelber Fluorescenz aufgenommen werden. — Es existiert auch noch ein homologes „einfachstes“ Toluylenrot, salzsaures Diamido-Toluphenazin von der Formel C 13 H 14 N 4 · HCl. Das Toluylenrot findet Anwendung in der Baumwollenfärberei zur Erzeugung einfacher oder zusammengesetzter roter Nüancen unter Benutzung des Tannin- Brechweinsteinverfahrens; auf Wolle und Seide wird es seiner Lichtunecht- heit wegen nicht angewendet. 2. Safranin, Safraninrot , salzsaures Phenylphenazin. Die Dar- stellung des Safranins ist der des Fuchsins sehr ähnlich; sie geschieht durch Oxydation von Orthoamidoazotoluol in Gegenwart von Toluidin. Technisch wird das Safranin durch Oxydation eines Basengemisches von je 1 Mol. Paratoluylendiamin, Orthotoluidin und Anilin (ein solches kommt im Handel unter dem Namen „Anilin für Safranin“ vor) mittels Kaliumdichromat ge- wonnen. Das Safranin des Handels kommt teils als ponceaurotes Pulver, teils als braune Krystalle, teils in Teigform vor. Es löst sich in heißem Wasser ohne Rückstand; schwerer lösliches Safranin wird durch Befeuchten mit etwas Alkohol löslich gemacht; in Alkohol ist es sehr leicht löslich. Die Lösung wird durch Natronlauge mit braunroter Farbe gefällt; Säurezusatz bewirkt keine Fällung; Zinkstaub entfärbt die Lösung, bei Luftzutritt stellt sich die ursprüngliche Farbe schnell wieder ein. — Anwendung findet es vor- nehmlich in der Baumwollenfärberei als Ersatz des Safflors, seltener für Seide, fast gar nicht auf Wolle. Die Art der Anwendung ist dieselbe wie beim Fuchsin. Die mit Safranin erzeugten Töne sind nicht lichtecht, die auf gebeizter Baumwolle aber waschecht, auch etwas lichtechter. Es findet auch Verwendung zur Imitation und zum Nüancieren von Alizarinrot, muß dann aber, da die Nüance des Safranins etwas blaustichig ist, mit kleinen Mengen Auramin oder Flavanilin nüanciert werden. Das Safranin kommt vielfach mit gelben Farbstoffen vermischt in den Handel. Solche Gemische führen z. B. die Namen Baumwollponceau, Baumwollscharlach, Echtrot, Neurot, Ponceau B , Ponceau G , Safraninscharlach . Zum Vermischen wird meist Chrysoidin angewendet. Auch beim Färben lassen sich durch Nüancieren mit neutralen gelben Farb- stoffen alle Nüancen von Türkischrot, Ponceau und Scharlach herstellen, andererseits durch Kombinieren (besonders mit Methylenblau) echte violette Töne erzielen. Außer dem vorstehenden Safranin gibt es noch eine Anzahl andere Farb- stoffe, welche in diese Kategorie gehören und sich schon durch ihre Namen als solche charakterisieren: Phenosafranin, Tolusafranin, Dimethylsafranin ( Fuchsia d. Ges. f. chem. Industrie in Basel), Methyläthylsafranin. Diese verhalten sich ähnlich wie das vorbeschriebene Safranin, und werden auch ähnlich verwendet. Die Methyl- und Aethylsafranine haben schon mehr vio- lette Töne; von diesen war das Tetraäthylphenosafranin einige Zeit hindurch als Amethyst stark im Gebrauch; ein ähnliches Produkt ist Giroflé . Ueber den methylierten Safranin s. neutrale violette Farben. 3. Magdalarot, Naphtalinrosa, Rosonaphtylamin, Su- danrot, Naphtalinscharlach , salzsaures Diamido-Naphtyl-Naphtazin; bildet sich beim Erhitzen von α-Amidoazonaphtalin mit essigsaurem α-Naph- talin in nur geringen Mengen. Es ist daher selten und teuer und kann nur beschränkte Anwendung für helle rosa Töne in der Seidenfärberei fin- den. Es stellt ein schwarzbraunes, undeutlich krystallinisches Pulver vor, in reinem Zustande grünglänzende, große Nadeln, welche sich in Wasser schwer, in Alkohol leicht lösen. Die alkoholische Lösung ist blaurot und zeigt eine prachtvoll zinnoberrote Fluorescenz. Dieser Dichroismus teilt sich auch den mit Magdalarot gefärbten Fasern mit, und tritt besonders schön auf Seide hervor, wenn nur lichte Töne aufgefärbt wurden. Die Anwendung auf Seide geschieht in einem schwachen Bastseifenbade. Die Färbungen sind wesentlich echter, als die mit Fuchsin oder Safranin, besonders gegen ver- dünnte Säure, weniger gegen Licht. c) Chinolinfarbstoffe. Der einzige rote Farbstoff dieser Klasse ist das Chinolinrot , ein neuerer und noch wenig bekannter Farbstoff. Die Farbstoffbase ist das Isochinolin. Diesen Farbstoff, welchen E. Jacobsen zuerst entdeckte, hat A. W. Hofmann jüngst vorteilhaft darstellen gelehrt und zwar durch Erhitzen gleicher Moleküle Benzotrichlorid, Chinolin und Isochinolin in Gegenwart von Chlorzink. Das Chinolinrot bildet dunkelbraunrote, bronze- glänzende Nädelchen, löst sich mit karminroter Farbe in Alkohol, die ver- dünnte Lösung zeigt eine prächtig feuerrote Fluorescenz, die auch beim Färben auf Seide erhalten bleibt. Das Chinolinrot löst sich in Schwefel- säure farblos auf, beim Verdünnen jedoch bringt jeder Tropfen Wasser eine intensive Rotfärbung hervor, welche beim Umrühren wieder verschwindet; bei genügender Verdünnung wird die ganze Flüssigkeit tief fuchsinrot. Die Anwendung geschieht ganz wie beim Magdalarot. § 67. Schwach saure rote Farbstoffe. Hier kommen nur zwei Kategorien von Farbstoffen in Betracht, welche wir bei den basischen und neutralen nicht kennen gelernt haben. Bei diesen Verbindungen haben wir es nicht mehr mit einer Farbstoffbase oder mit deren Salzen zu thun; vielmehr zeigen die Farbstoffe hier bereits saure Eigenschaften; vielfach sind es saure ätherartige Verbindungen, welche in Form von Kali- oder Natronsalzen in den Handel kommen. Sie sind sämt- lich in Alkalien leicht löslich. a) Phtaleïne. Als Phtaleïne oder Resorcinfarbstoffe bezeichnet man eine Reihe von Farbstoffen, welche anfänglich Eosine genannt wurden. Die sämtlichen Farbstoffe der Eosingruppe sind Abkömmlinge des Fluoresceïns , welches durch Zusammenschmelzen von 3 Teilen Phtalsäureanhydrid mit 4 Teilen Resorcin bei 195° gewonnen wird. Die Eosine (mit Ausnahme des Tetra- jodfluoresceïns) zeichnen sich durch die gelbe bis grüne Fluorescenz der ammoniakalischen rot gefärbten Lösung aus, welche jedoch auf Zusatz einer Säure verschwindet. In kalter Schwefelsäure geben sie schwach gelb- liche Lösungen (Unterschied von den Azofarbstoffen). Mit Thonerde-, Zinn- und Bleisalzen geben sie Farblacke. Die Eosine lösen sich zum Teil in Wasser, zum Teil nur in Alkohol. Sie wurden wegen ihrer reinen Nüancen und ihres Lustres bis vor kurzem vielfach angewendet, sind aber durch die lichtechteren Azofarbstoffe mehr und mehr verdrängt worden. 1. Eosin A (Bad. Anil.- u. Sod.-Fabr.); Eosin GGF (Cassella), Eosin gelblich (Akt. f. Anilinfabr.); Wasserlösliches Eosin (M. L. \& B.), ist das Kali- oder Natronsalz des Tetrabromfluoresceïns. Es wird durch Einwirkung von Brom oder Bromwasser auf in Essigsäure gelöstes Fluores- ceïn erhalten; es scheidet sich dabei als rote krystallinische Masse ab. Die Alkalisalze sind in Wasser leicht löslich . Die Lösungen sind rosa mit stark gelbgrüner Fluorescenz. Verdünnte Mineralsäuren fällen daraus Tetrabromfluoresceïn als gelben Niederschlag aus. — Anwendung . Das gewöhnliche Eosin gibt eine rotorange Nüance und wird vorwiegend auf Seide angewendet, worauf die brillanten Nüancen der Eosine zu voller Gel- tung kommen. Man färbt in einem schwach mit Essigsäure angesäuerten Bastseifenbade. Auf Wolle wird Eosin seltener verwendet; auf Baum- wolle nach vorherigem Beizen mit Alaun, essigsaurer Thonerde, Zink- oder Bleisalzen. Dabei geben die Thonerdebeizen einen gelblichen, die Bleibeizen einen mehr bläulichen Ton; die Fixierung ist aber wenig fest. 2. Erythrosin (M. L. \& B.), Eosin J (Bad. Anil.- und Sodaf.) Erythrosin B (Akt.-Ges. f. Anil.-Fabr.), Pyrosin B, Primerose soluble, ist das Kaliumsalz des Tetrajodfluoresceïns; es wird wie Eosin dargestellt, nur daß an Stelle von Brom Jod angewendet wird. Es ist ein braunes, in Wasser mit kirschroter Farbe lösliches Pulver. Die Lösung in Wasser fluoresciert nicht. — Anwendung wie bei Eosin; die damit erzielten Nüan- cen sind mehr bläulichrot; auf Baumwolle gibt es ein lebhaftes Rosa. 3. Eosin BN (Bad. Anil.- u. Sodafabr.), Safrosin (Akt.-Ges. f. chem. Indust.), Eosinscharlach B (Cassella), Methyleosin (Akt. f. Anil.-Fabr.) ist das Natriumsalz des Dibromdinitrofluoresceïns. Es ist ein braunes krystalli- nisches Pulver, in Wasser leicht mit gelbroter Farbe löslich; die rein wässerige Lösung besitzt keine Fluorescenz, eine Lösung in 50proz. Alkohol zeigt eine schwache Fluorescenz. Man erzielt damit auf Seide und Wolle ein gesättigtes Ponceau. Als Mischungen mit Eosin BN kommen einige Farbstoffe in den Handel, und zwar ist Nopalin oder Kaiserrot eine Mischung mit Bi- nitronaphtol, Coccin eine Mischung mit Aurantia und Lutecienne eine Mischung mit Di- und Tetranitrofluoresceïn. Diese Mischungen geben orangerote Töne. — Die naheverwandten Farbstoffe Rubeosin und Aureosin kommen im Handel nicht mehr vor. 4. Phloxin ist das Kaliumsalz des Tetrabromdichlorfluoresceïns. Es wird erhalten, wenn man Dichlorphtalsäureanhydrid mit Resorcin zusammen- schmilzt und nun das so gewonnene Dichlorfluoresceïn in gleicher Weise, wie oben beim Eosin das reine Fluoresceïn, mit Brom behandelt. Es ist ein braungelbes Pulver, in Wasser mit kirschroter Farbe löslich, leicht löslich in einer Mischung aus gleichen Teilen Alkohol und Wasser; die Lösung ist durch große Fluorescenz ausgezeichnet. — Anwendung wie bei Eosin. Die Färbungen auf Seide sind noch etwas blauer und lebhafter als mit Ery- throsin; Wolle wird bläulichrot gefärbt ohne Fluorescenz. 5. Bengalrosa, Rose bengale, ist das Natriumsalz des Tetrajod- dichlorfluoresceïns, und wird durch Behandeln von Dichlorfluoresceïn mit Jod in gleicher Weise, wie beim Phloxin mit Brom gewonnen. Braunes Pulver, in Wasser leicht löslich mit kirschroter Farbe ohne Fluorescenz, gibt noch etwas blauere Nüancen wie Phloxin. Ein ganz ähnlicher Farbstoff ist Rose bengale B. 6. Methyleosin (Monnet \& Comp.), Erythrin, Spritlösliches Eosin (Bad. Anil.- u. Sodafabr.), ist das Kaliumsalz des Tetrabromfluores- ceïn-Methyläthers. Man erhält es durch Behandeln von Eosin mit Methyl- alkohol und Schwefelsäure. Grünglänzendes Pulver oder Blättchen. Es löst sich schwer in kaltem, leichter in kochendem Wasser und in 50prozentigem Alkohol mit kirschroter Farbe und gibt gelbere und lebhaftere, auch be- ständigere Nüancen, als das gewöhnliche, wasserlösliche Eosin. 7. Aethyleosin, Primerose-Aethyleosin, Rose JB , Eosin S (Bad. Anilin- u. Sodafabr.), ist das Kaliumsalz des Tetrabromfluoresceïn- Aethyläthers. Es wird in gleicher Weise wie Methyleosin gewonnen, nur daß man statt Methylalkohol Aethylalkohol verwendet. Braunes, mit grünen Kryställchen vermischtes Pulver. Löst sich wie Methyleosin, die Nüance ist aber mehr gelblichrot. 8. Cyanosin, Methylphloxin , ist das Kaliumsalz des Tetrabromdi- chlorfluoresceïn-Methyläthers und wird aus Phloxin mit Methylalkohol und Schwefelsäure gewonnen in gleicher Weise, wie das Methyleosin aus Eosin. Braunrotes Pulver, in kaltem Wasser unlöslich, in kochendem wenig löslich. Löst sich wie Phloxin. Die Nüance ist ziemlich gleich der des Erythrosins, aber bedeutend lebhafter. — Die 3 letzten finden nur in der Seidenfärberei Verwendung; der Farbstoff wird in 50prozentigem Alkohol gelöst und dem mit Essigsäure angesäuerten Farbbade in einzelnen Portionen zugesetzt. 9. Rhodamin . Unter diesem Namen bringt die Badische Anilin- und Sodafabrik seit einem Jahre einen neuen Farbstoff in den Handel, welcher das Phtaleïn des Diäthylmetaamidophenols ist. Es sind grüne Krystalle oder ein rötlich violettes Pulver. Ueber dessen Eigenschaften wird mitgeteilt, daß es auf Wolle und Seide ein Rosa von sehr reiner Nüance und großer Fluorescenz liefert. Vor den seitherigen, in Nüance nahestehen- den Rosafarben, Rose bengale und Phloxin, zeichnet sich das Rhodamin durch eine sehr gute Lichtbeständigkeit aus, die sich selbst in den hellsten Nüancen noch bewährt. Auf Wolle widersteht die Farbe einer ziemlich kräftigen Walke. Der Farbstoff ist in Wasser leicht löslich. Wolle wird entweder ohne Zusatz oder in saurem Bad mit Glaubersalz und Schwefel- säure kochend gefärbt. Seide kann ebenfalls ohne Zusatz oder in saurem Bad oder in gebrochenem Bastseifenbad gefärbt werden; eine schwach saure Reaktion befördert aber das Aufgehen. Die Farbe geht langsam auf die Faser, weshalb sie sehr gut egalisiert; die Bäder ziehen nicht aus. Auch auf Baum- wolle kann Rhodamin gefärbt werden, sei es mit essigsaurer Thonerde oder auf eine Beize von Tannin und Brechweinstein, doch ist die Lichtechtheit auf der Baumwollfaser keine hervorragende. Immerhin ist sie besser als bei Phloxin oder Rose bengale; sie kommt ungefähr der des Safflorkarmins gleich. b) Anthracenfarbstoffe. Unter diesem Namen sind alle diejenigen Farbstoffe zu verstehen, welche sich von dem Kohlenwasserstoff Anthracen , C 14 H 10 , ableiten. Dieser Körper findet sich in den höchstsiedenden Anteilen der Destillation des Teeres (vergl. § 61, Teerdestillation), vorzugsweise in den bei 320 bis 360° über- gehenden Anteilen, welche dickflüssig sind und früher unter dem Namen Grünöl als Schmiermittel verwendet wurden. Dieses enthält etwa 20 Pro- zent Anthracen. Durch Ausschleudern in der Centrifuge und darauf folgen- des Pressen zwischen heißen Platten wird das Rohanthracen gewonnen, welches 45 bis 60 Prozent Reingehalt hat; es wird dann weiter fein zer- teilt und mit Steinkohlenteerbenzin extrahiert; das Zurückbleibende wird von neuem ausgeschleudert und heiß gepreßt. Das so gewonnene Produkt ist das technische Anthracen . Es ist noch keineswegs reines Anthracen, enthält vielmehr noch nicht unbedeutende Anteile von Phenanthren und Carb- azol, welche jedoch für seine Verarbeitung auf Alizarin nicht hinderlich sind. Zur Bereitung von Alizarin muß es zunächst in Anthrachinon überge- führt werden, ein Oxydationsprodukt des Anthracens von der Formel C 14 H 8 O 2 . Dieses geschieht durch Oxydation des durch Sublimation mit heißem Wasserdampf zuvor in fein verteilten Zustand gebrachten technischen Anthracens mit Kaliumdichromat und Schwefelsäure; das gewonnene Anthra- chinon wird durch Behandeln mit rauchender Schwefelsäure in Anthrachi- nonsulfosäure verwandelt. Diese ist das Ausgangsprodukt nicht allein zur Herstellung des Alizarins, sondern auch aller übrigen Anthracen- farbstoffe. 1. Alizarin, Anthracenrot, Dioxyanthrachinon . Das Alizarin ist längst bekannt; man kannte dafür aber keine andere Herstellungsweise, als die aus dem Krapp (s. § 27); auch über die chemische Natur des Alizarins wußte man bis vor 20 Jahren fast nichts, man kannte nur seine empirische Zusammensetzung C 14 H 8 O 4 . Erst als Graebe und Liebermann 1868 gefunden hatten, daß das natürliche Krappalizarin bei der Destillation mit Zinkstaub Anthracen liefert, war der Weg zur künstlichen Herstellung des Alizarins vorgezeichnet und 1869 wurde dasselbe von diesen Forschern zuerst fabrikmäßig dargestellt. Darstellung . Die Anthrachinonsulfosäure ist, je nach dem Gewichts- verhältnis von Anthrachinon und Schwefelsäure, je nach der Stärke der Schwefelsäure, der Temperatur und der Dauer der Einwirkung eine Mischung von mehr Anthrachinondisulfosäure mit weniger Anthrachinonmonosulfosäure. Die Erfahrung hat aber gezeigt, daß nur die Mono sulfosäure ein reines Alizarin zu geben vermag, während die Disulfosäure ein mit wechselnden Mengen von Flavopurpurin und Anthrapurpurin verunreinigtes Alizarin gibt. Das Hauptaugenmerk ist daher auf Gewinnung einer Anthrachinonsulfosäure mit möglichst hohem Monosulfosäuregehalt zu richten. Man erreicht das am besten durch gelindes Erwärmen gleicher Gewichtsteile Anthrachinon und Schwefelsäureanhydrid und Erhöhen der Temperatur im Oelbade bis auf 160°. Nach einstündiger Einwirkung gießt man das Reaktionsprodukt in kochendes Wasser, erhitzt noch einige Zeit zum Sieden, scheidet das noch etwa 25 Prozent betragende ungelöste Anthrachinon durch Filtrieren ab und neutralisiert das Filtrat mit Natronlauge. Dabei fällt das anthrachinon- mono sulfosaure Natrium in weißen Blättchen aus, während das disulfosaure Salz in Lösung bleibt. Auf diese Weise erhält man annähernd 50 Prozent des in Arbeit genommenen Anthrachinons in Form von Anthrachinon- Natriummonosulfat, welches durch Umkrystallisieren gereinigt erhalten werden kann. Dieses Salz wird sodann mit dem 3 bis 4fachen Gewicht Aetznatron unter Zusatz von etwas chlorsaurem Kali geschmolzen — wobei Alizarin- natron und Glaubersalz entsteht —, die Schmelze in Wasser gelöst und mit Salzsäure neutralisiert, gut ausgewaschen und abgepreßt, und endlich mit Wasser zu einer gleichmäßigen Paste von ca. 20 Prozent Trockengehalt an- gerührt. Ein derartiges Fabrikat würde ein fast reines Alizarin vorstellen. Eigenschaften . Das in den Handel kommende Alizarin en pâte ist ein gelb aussehender Teig, welcher in Wasser unlöslich ist (das chemisch reine Alizarin löst sich in 3000 Teilen kochenden Wassers), sich aber in Alkalien und Ammoniak mit blauvioletter Farbe leicht löst. In Schwefelsäure löst es sich mit braunroter Farbe auf und fällt beim Verdünnen mit Wasser unverändert wieder aus. Mit den Metallbasen gibt es unlösliche oder schwerlösliche Farblacke, von welchen die mit Thonerde- und mit Zinnoxydsalzen rot, die mit Kalk- und Barytsalzen violett, die mit Eisenbeize schwarzviolett bis schwarz sind Farben, welche wie das Alizarin, je nach der angewandten Beize, verschiedene Farben hervorbringen, werden polygenetische Farbstoffe benannt. . Das chemisch reine Alizarin bildet im wasserfreien Zustande orangerote Nadeln. Das Alizarin des Handels , das sogen. technische Alizarin , ist kein reines Alizarin, sondern ein Gemisch aus Alizarin, Flavopurpurin und Anthrapurpurin. Ist es nach der oben angegebenen Methode aus fast reinem anthrachinonmonosulfosaurem Natrium hergestellt, so heißt es blau- stichiges Alizarin oder Alizarin V. Diese Handelsmarke enthält entweder gar keine, oder nur geringe Beimengungen der beiden anderen Farbstoffe. 2. Flavopurpurin, Alizarin G 1. (Bad. Anilin- u. Sodafabr.); Alizarin S D G (M. L. \& Br .) 3. Anthrapurpurin, Alizarin G D (Bad. Anilin- u. Sodafabr.), Alizarin RX (M. L. \& Br .); Alizarin SX extra ( Bayer \& Comp .). Diese beiden Farbstoffe sind regelmäßige Begleiter des Alizarins. Sie bilden sich beide gleichzeitig, wenn man die Mutterlauge von der Bereitung des anthra- chinonmonosulfosauren Natriums zur Trockne eindampft und den Rückstand, welcher neben geringen Mengen des Monosulfats fast ganz aus anthrachinon- disulfosaurem Natrium besteht, mit Aetznatron und etwas chlorsaurem Kali schmilzt und die Schmelze im übrigen behandelt, wie oben bei der Bereitung des Alizarins angegeben. Der so gebildete Teig von 20 Prozent Trocken- gehalt enthält fast nur Flavopurpurin und Anthrapurpurin und neben geringen Mengen von Verunreinigungen nur wenig oder gar kein Alizarin. Das Gemisch dieser beiden Farbstoffe kommt als gelbstichiges Alizarin oder Alizarin G in den Handel. Durch Mischen von Alizarin V mit Alizarin G in verschiedenen Verhältnissen werden die dazwischen liegenden Nüancen her- gestellt und mit besonderen Namen belegt. Wird das Alizarin in Teigform nicht in wohlverschlossenen Gefäßen aufbewahrt, so trocknet es ein und ver- liert dabei seine Löslichkeit und erlangt diese durch bloßes Anreiben mit Wasser nicht wieder. Um es wieder in die lösliche Form überzuführen, muß es in verdünnter Natronlauge gelöst werden; die alkalische Lösung wird mit verdünnter Schwefelsäure neutralisiert und die ausgefällte Masse mit Wasser mehrmals gewaschen. Das Anthra- und das Flavopurpurin kommen für Färbereizwecke niemals gesondert in den Handel. Beide besitzen die gleiche chemische Zusammensetzung C 14 H 8 O 5 ; im reinen Zustande bildet das Anthrapurpurin orangerote, das Flavopurpurin gelbe Nadeln. Eine Prüfung des Alizarins ist nicht nötig; dasselbe kommt wohl kaum verfälscht in den Handel. 4. Purpurin, Trioxyanthrachinon, Alizarin Nr . 6 (M. L. \& Br.). Im Krapp findet sich neben dem Alizarin noch ein zweiter Farbstoff, das Purpurin . Im technischen Alizarin ist derselbe nicht enthalten. Er kann jedoch aus dem Alizarin künstlich erhalten werden, entweder nach de Lalande durch Erhitzen einer Lösung von trockenem Alizarin mit konzentrierter Schwefelsäure auf 100° und Oxydation mit Braunstein oder Arsensäure, oder nach Caro durch Erwärmen von α-Nitroalizarin mit Schwefelsäure. Ueber die Eigenschaften des Purpurins vergl. § 27. Es ist so lichtempfind- lich, daß eine Lösung in Alaunwasser, wenige Stunden dem Sonnenlicht ausgesetzt, vollständig verbleicht. Aus diesem Grunde wird es im Großbe- trieb nicht hergestellt. Anwendung der Anthracenfarbstoffe . Keiner der vorbeschriebenen Farbstoffe kann direkt zum Färben benutzt werden; sie bedürfen sämtlich eines Fixierungsmittels und erzeugen mit diesem auf der Faser schöne Farb- lacke; insbesondere gibt das Alizarin V mit einer schwachen Thonerdebeize ein schönes Rosa, mit schwacher Eisenbeize Violett, mit starker Eisenbeize Schwarz, mit gemischter Thonerde- und Eisenbeize Braun, mit Chrombeize Puce (Bordeauxbraun). — Alizarin G gibt mit Thonerdebeize Rot; ist dasselbe unter Mitbenutzung von Oelbeize hergestellt, so heißt es Türkisch- rot und bildet eine der echtesten Farben. Die Alizarine werden vorwiegend zum Färben und Bedrucken von Baumwolle, seltener auf Wolle angewendet. Alle mit den Alizarinen und Beizen erzeugten Farben sind außerordentlich echt im Verhalten gegen Licht, Luft, Seife, Walken ꝛc. Das Färben mit künstlichem Alizarin hat die alte Krappfärberei vollständig verdrängt . Ueber die Einzelheiten der Anwendung siehe im speziellen Teil unter Türkischrotfärberei. 5. Alizarinpulver Ueber ein anderweites „Alizarinpulver“, welches alle Eigenschaften des ech- ten Alizarins besitzen soll, vergl. deutsche Färberztg. 1886, Nr. 22. W ( Bayer \& Comp .), Alizarin WS (Bad. Anilin- und Sodafabr.), ist das Natronsalz der Alizarinmonosulfosäure, C 14 H 7 O 7 S Na, ein orangegelbes Pulver, in Wasser leicht löslich mit gelber Farbe. Färbt mit Thonerde gebeizte Wolle scharlachrot, mit Chrom gebeizte bordeauxrot. § 68. Stark saure rote Farbstoffe. Die Vertreter der stark sauren Farbstoffe sind in der Hauptsache aus andern Farbstoffen durch Behandeln mit Salpetersäure (Nitro- oder Nitroso- farbstoffe) oder Schwefelsäure (durch Sulfonieren) in anderweite Verbindungen übergeführt, welche den Charakter einer Säure zeigen und die deshalb als Farbsäuren aufzufassen sind. Häufig sind es jedoch nicht die Säuren als solche, welche in den Handel kommen, sondern Verbindungen derselben teils mit Alkalimetallen, teils auch mit organischen Basen, bei denen jedoch der Ein- tritt der Basen den sauren Charakter wenig oder gar nicht beeinträchtigt. Die sämtlichen sauren Farbstoffe sind in Wasser leicht, in Alkohol dagegen nur wenig löslich . Die Anzahl der sauren Farbstoffe ist eine sehr große; die bei weitem größte Zahl gehört der Klasse der Azofarbstoffe an. Von den Vertretern anderer Farbstoffklassen finden sich unter den roten Farbstoffen nur noch je 1 Vertreter der Rosanilin- und der Rosolsäure- farbstoffe. a) Rosanilinfarbstoffe. Der einzige Vertreter dieser Klasse ist das Fuchsin S , Säurefuchsin . Dieser Farbstoff besteht aus einem Gemenge der Rosanilindi- und Trisulfosäure, welches man erhält, wenn man Fuchsin mit rauchender Schwefelsäure auf 100 bis 170° erhitzt. Er kommt in Form der sauren Natronsalze dieser Säuren in den Handel. Das Säurefuchsin bildet ein grün glänzendes, in Wasser leicht lös- liches Pulver. Die Lösung wird durch Alkalien entfärbt, aber nicht gefällt. Aether nimmt aus der alkalischen Flüssigkeit nichts auf. Unreines Säure- fuchsin kommt auch als Cerise S , Grénadine S und Marron S in den Handel. — Anwendung . Säurefuchsin läßt sich auf Wolle aus stark saurem Bade ausfärben, ist aber nur halb so ausgiebig wie gewöhnliches Fuchsin. Es eignet sich auch vortrefflich zum Nüancieren, sowie zum Kombinieren mit anderen sauren Farbstoffen, wie Säuregelb oder Indigokarmin ꝛc. Auf Seide wird es aus einem mit Schwefelsäure versetzten Bastseifenbade gefärbt. b) Rosolsäurefarbstoffe. Diese Farbstoffe stehen in naher Beziehung zu den Rosanilinen; wie die Rosaniline basische Triphenylmethanfarbstoffe sind, so die Rosolsäuren saure. Der Hauptvertreter dieser Gruppe ist die Rosolsäure , Aurin R , rotes Korallin, Päonin. Es ist ein integriren- der Bestandteil des gelben Corallins und wird aus diesem durch Erhitzen mit Ammoniak unter Druck gewonnen. Im unreinen Zustande erhält man es durch Erhitzen von Phenol mit Oxalsäure und Schwefelsäure auf 120 bis 130°. Im reinen Zustande besteht es aus granatroten Krystallen von blauem Schimmer, die sich in Alkalien mit roter Farbe lösen. Anwendung findet das Aurin in der Färberei seiner großen Empfindlichkeit gegen Licht, Seife und Säuren wegen nur ausnahmsweise; dagegen wird es in der Woll- und Kattundruckerei noch verwendet. c) Azofarbstoffe. Sie waren bis zum Jahr 1876 ein unbekannter Begriff. Erst seit- dem O. N. Witt , und gleichzeitig, aber unabhängig von ihm, Caro im genannten Jahre das Chrysoïdin entdeckten, beginnt diese neueste Klasse der Farbstoffe eine mit jedem Jahre zunehmende Wichtigkeit zu erlangen. Heute darf wohl mit Recht behauptet werden, daß — abgesehen etwa von den Anthra- cenfarbstoffen — keine zweite Farbstoffklasse von solcher Wichtigkeit für die Färberei ist, als die Azofarbstoffe. Keine andere Farbstoffklasse enthält so viele Glieder und ist so mannigfach, was Farbe anbelangt, wie die der Azo- farbstoffe. Nur Grün ist nicht vertreten; sonst finden sich alle Töne vom Rot bis zum tiefsten Violett und Schwarz. Mehr als 100 Vertreter dieser Klasse befinden sich heute auf dem Markt, und wenn man die Patentberichte durchsieht, findet man sämtliche Farbenfabriken an der Arbeit, den bisherigen immer neue Azofarbstoffe anzugliedern. Diese Thatsache wird dadurch leicht verständlich, daß die Art ihrer Herstellung eine verhältnismäßig einfache und der Verlauf der Reaktion ein glatter ist; vor allem maßgebend sind die Eigenschaften dieser Farbstoffe: sie sind leicht löslich in Wasser und färben animalische Fasern substantiv, ohne Anwendung einer Beize. Diese Eigenschaf- ten besitzen die Rosanilinfarbstoffe zwar auch; dagegen zeichnen sich die Azofarb- stoffe durch große Echtheit gegen Licht, Luft und Säure, Seife und Walke aus. Die Anzahl der Azofarbstoffe ist bereits eine so große, daß man nach dem abweichenden Verhalten mehrerer derselben die Klasse in 4 Gruppen eingeteilt hat: Amidoazofarbstoffe, Oxyazofarbstoffe, Tetrazofarbstoffe, Benzi- dinfarbstoffe. Wahrscheinlich wird diese vorläufige Einteilung bald hinfällig werden, zumal das Azoblau eigentlich schon einen Vertreter einer neuen Gruppe darstellt, und das neue Primulin, so verhältnismäßig wenig man davon bis jetzt mit Sicherheit weiß, aller Wahrscheinlichkeit nach gleichfalls der Vertreter und der Ausgangspunkt für eine neue Gruppe werden zu wollen scheint. Was ist nun aber ein Azofarbstoff ? Der Bedeutung des Wortes nach ein „Stickstofffarbstoff“. In der That ist der Stickstoff gewissermaßen der Kern, um den sich das gesamte Uebrige anlagert. Es sind Abkömm- linge des Benzols, Toluols ꝛc., entstanden durch Einwirkung von salpetriger Säure auf deren Amide, Anilin, Toluidin, Xilidin u. s. w. Läßt man z. B. auf salzsaures Anilin, in salzsäurehaltigem Wasser gelöst, bei niederer Temperatur eine Lösung von salpetrigsaurem Natron unter lebhaftem Um- rühren einwirken, so bildet sich Diazobenzolchlorid neben Chlornatrium und Wasser. C 6 H 5 · NH 2 · HCl + HCl + Na NO 2 = C 6 H 5 · N 2 · Cl + Na Cl + 2 H 2 O Salzsaures Anilin Natriumnitrit Diazobenzolchlorid Das Charakteristische an diesem neuen Körper ist der Stickstoffkern , aus zwei Stickstoffatomen bestehend, welche durch teilweise Selbstbindung ein Radikal mit 2 einwertigen freien Affinitäten bilden. Im Diazobenzol- chlorid sind an diesen Stickstoffkern einerseits das Benzolrest C 6 H 5 , anderer- seits das Chloratom angelagert. Solche Diazoverbindungen sind noch keine Farbstoffe, vielmehr bilden sich aus ihnen erst durch Behandeln mit andern Derivaten der aromatischen Reihe die eigentlichen Farbstoffe. So bildet sich z. B. durch Einwirkung von Diazobenzolchlorid auf Metaphenylendiamin des Chrysoidin: C 6 H 5 · N 2 · Cl + C 6 H 4 (NH 2 ) 2 = C 6 H 5 · N N · C 6 H 3 (NH 2 ) 2 + H Cl Diazobenzolchlorid Metaphenylendiamin Chrysoidin Salzsäure Das obengenannte Chrysoidin ist zugleich ein Beispiel eines Amido- azofarbstoffes . Tritt z. B. an Stelle des Anilins das Xilidin und an Stelle des Metaphenylendiamins die Naphtoldisulfosäure, so resultiert das Xilidinrot C 6 H 3 (CH 3 ) 2 · N = N · C 10 H 4 (SO 3 H 2 ) 2 OH , ein Repräsentant der Oxyazo- farbstoffe . Kommt die Stickstoffgruppe N = N zweimal vor, so entstehen die Tetrazofarbstofe . Unter den roten Azofarbstoffen sind Amidofarbstoffe nicht vorhanden. Dagegen sind die übrigen Gruppen vertreten. I. Oxy-Azofarbstoffe . Sie werden durch Einwirkung eines Phenols auf die Diazoverbindung erhalten. 1. Cochenillescharlach G ist das Natriumsalz der Anilin-azo- α-Naphtolmonosulfosäure, C 6 H 5 · N — N · C 10 H 5 · OH · SO 3 Na. Ziegelrotes Pulver, in Wasser mit gelbroter Farbe löslich. 2. Ponceau 4 G B (Akt.-Ges. f. Anilinf.); Croceïnorange (B. \& Comp .), Brillantorange (M. L. \& Br .), ist das Natriumsalz der korrespondierenden β-Sulfosäure. Formel wie bei 1. Feurigrotes Pulver, in Wasser mit orangegelber Farbe löslich. 3. Ponceau 2 G. (Akt.-Ges. f. Anilinf., M. L. \& Br .), ist das Natriumsalz der Anilin-azo-β-Naphtoldisulfosäure, Feurigrotes Pulver, in Wasser mit gelbroter Farbe löslich. 4. Orseille-Ersatz (Akt.-Ges. f. Anilinf.; Poirrier ) ist das Natrium- salz der Nitranilin-azo-α-Naphtylaminsulfosäure, Brauner Teig, in Wasser mit rotbrauner Farbe löslich. 5. Cochenillescharlach 2 R ist das Natriumsalz der Toluidin- azo-α-Naphtolmonosulfosäure, C 6 H 4 · CH 3 · N — N · C 10 H 5 · O H · SO 3 Na. Zinnoberrotes Pulver, in kaltem Wasser schwer, in heißem leicht mit gelb- roter Farbe löslich. 6. Ponceau G T (B. \& Comp .) ist das Natriumsalz der Toluidin- azo-α-Naphtoldisulfosäure, C 6 H 4 · CH 3 · N — N · C 10 H 4 · O H · (SO 3 Na) 2 . 7. Ponceau R T (B. \& Comp .) ist dem vorigen isomer. Rotes Pulver, in Wasser mit gelbroter Farbe löslich. 8. Azococcin 2 R (Akt.-Ges. f. Anilinf.) ist das Natriumsalz der Xilidin-azo-α-Naphtolmonosulfosäure, Rotbraunes Pulver, in Wasser ziemlich schwer löslich. 9. Cochenillescharlach 4 R ist dem vorigen isomer. Feurigrotes, in Wasser schwer lösliches Pulver. 10. Wollscharlach R , ist das korrespondierende Salz der Disulfosäure, C 6 H 3 (CH 3 ) 2 · N — N · C 10 H 4 · O H · (SO 3 Na) 2 . Eigenschaften wie bei vorigem. 11. Scharlach G R (Akt.-Ges. f. Anilinf.), Scharlach R (B. \& Comp .) ist das Natriumsalz der Xilidin-azo-β-Naphtolmonosulfosäure. Formel wie bei 8. Zinnoberrotes Pulver, in Wasser mit rotgelber Farbe löslich. 12. Ponceau G (B. \& Comp .) ist das korrespondierende Salz der Disulfosäure. Formel wie bei 10. 13. Scharlach G (B. \& Comp .) ist dem vorigen isomer. 14. Ponceau 2 R (Akt.-Ges. f. Anilinf.; M. L. \& Br .), Xilidin- rot, Xilidinponceau , ist dem vorigen isomer. Braunrotes Pulver, in Wasser leicht löslich. 15. Ponceau 3 R (Akt.-Ges. f. Anilinf.), Cumidinrot, Cumidin- ponceau , ist das Natriumsalz der φ-Cumidin-azo-β-Naphtoldisulfosäure, Dunkelrotes Pulver, in Wasser mit kirschroter Farbe löslich. 16. Ponceau 3 R (M. L. \& Br .) ist das Natriumsalz der Amido- äthyldimethylbenzol-azo-β-Naphtoldisulfosäure, 17. Coccinin B (M. L. \& Br .) ist das Natriumsalz der Amido-ρ- Kresolmethyläther-azo-β-Naphtoldisulfosäure, Eigenschaften: wie bei 15. 18. Kresolrot (Bad. Anilin- und Sodaf.) ist das Natriumsalz der Amido-ο-Kresoläthyläther-azo-β-Naphtoldisulfosäure, 19. Buffalo-Rubin ist das Natriumsalz der α-Naphtylamin-azo-α- Naphtoldisulfosäure, C 10 H 7 · N — N · C 10 H 4 · O H · (SO 3 Na) 2 . Braunes Pulver, in Wasser mit fuchsinroter Farbe löslich. 20. Naphtorubin (B. \& Comp .) ist dem vorigen isomer, löst sich aber mit blauroter Farbe. 21. Krystallponceau 6 R (Cassella), Neucoccin R (Akt.-Ges. f. Anilinf.), ist das korrespondierende Salz der β-Disulfosäure. Formel wie bei 19. Bildet schön braunrote, goldig glänzende Krystalle, welche sich in Wasser mit purpurroter Farbe lösen. 22. Echtrot B (Bad. Anilin- und Sodaf.), Bordeaux B (Akt.-Ges. f. Anilinf.), ist dem vorigen isomer. Kommt als braunes Pulver in den Handel und löst sich in Wasser mit fuchsinroter Farbe. 23. Karminnaphte ist β-Naphtylamin-azo-β-Naphtol, Rotbraunes, in Wasser unlösliches, in Alkohol lösliches Pulver. 24. Thiorubin ( Dahl \& Comp .) ist das Natriumsalz der Thio-ρ- Toluidin-azo-α-Naphtoldisulfosäure, Rotbraunes Pulver, in Wasser mit fuchsinroter Farbe löslich. 25. Ponceau 3 G , (Bad. Anilin- und Sodaf.), Ponceau 3 J , Scharlach 3 J , ist das Natriumsalz des Anisidinsulfosäure-azo-β-Naphtols, 26. Echtrot, Echtrot A (Bad. Anilin- und Sodaf.), Roccellin, Rauracienne, Cerasine, Orcellin Nr. 4, Rubidin , ist das Natrium- salz des Naphtionsäure-azo-β-Naphtols, C 10 H 6 · SO 3 Na · N — N · C 10 H 6 · O H. Braunrotes Pulver, in kaltem Wasser wenig, in heißem leichter mit pon- ceauroter Farbe löslich. 27. Azorubin S (Akt.-Ges. f. Anilinf.), Echtrot C (Bad. Anilin- und Sodaf.), Karmoisin (B. \& Comp .), ist das Natriumsalz der Naphtionsäure-azo-α-Naphtolmonosulfosäure, Braunes Pulver, in Wasser mit fuchsinroter Farbe löslich. 28. Croceïn 3 B X (B. \& Comp .) ist das korrespondierende Salz der β-Naphtolmonosulfosäure. Formel wie bei 27. Scharlachrotes Pulver, in Wasser mit gelbroter Farbe löslich. 29. Echtrot E (Bad. Anilin- und Sodaf.; B. \& Comp .), Echtrot (Akt.-Ges. f. Anilinf.), ist dem vorigen isomer. Rotbraunes Pulver, in Wasser mit bordeauxroter Farbe löslich. 30. Neucoccin (Akt.-Ges. f. Anilinf.), Brillantponceau (Cassella), Cochenillerot A (Bad. Anilin- und Sodaf.), ist das Natriumsalz der Naphtionsäure-azo-β-Naphtoldisulfosäure, Scharlachrotes, in Wasser leicht lösliches Pulver. 31. Echtrot D (Bad. Anilin- und Sodaf.), Bordeaux S (Akt.-Ges. f. Anilinf.), Amaranth , (M. L. \& B.; Cassella ), Azosäurerubin 2 B ( Dahl ), ist dem vorigen isomer. Rotbraunes Pulver, in Wasser mit fuchsin- roter Farbe löslich. 32. Ponceau 6 R (M L. \& Br ., Bad. Anilin- und Sodaf.), ist das Natriumsalz der Naphtionsäure-azo-β-Naphtoltrisulfosäure, Braunes Pulver, im Wasser mit fuchsinroter Farbe löslich. 33. Doppelbrillantscharlach G (Akt.-Ges. f. Anilinf.), Orange- rot I , ist das Natriumsalz des β-Naphtylaminsulfosäure-azo-β-Naphtols, Rotbraunes Pulver, in Wasser mit gelbroter Farbe löslich. 34. Doppelscharlach extra S (Akt.-Ges. f. Anilinf.), Brillant- scharlach, Brillantponceau (B. \& Comp .), ist das Natriumsalz der β-Naphtylaminsulfosäure-azo-α-Naphtolmonosulfosäure, Eigenschaften wie voriges. 35. Pyrotin (Dahl) ist dem vorigen isomer. Eigenschaften wie 33. Zwei weitere in diese Kategorie gehörige Farbstoffe, Phenetolrot (Coccinin), und Anisolrot (Anisidinponceau), kommen nicht mehr in den Handel. Die Reihenfolge, in der ich die vorstehenden 35 Oxyazofarbstoffe aufge- zählt habe, harmoniert nicht mit den Namen derselben. Es würde auf den ersten Blick einleuchten, wenn ich Ponceau R , 2 R , 3 R , 4 R , 5 R , 6 R , Ponceau G , 2 G , 3 G , 4 G u. s. w. aufeinander folgen lassen würde. Es scheint aber auch nur so; thatsächlich stehen in der vorstehenden Reihen- folge die Farbstoffe von verwandter chemischer Zusammensetzung bei einander und zwar so, daß mit den Abkömmlingen des Anilins begonnen ist, und daß dann die nächst höheren homologen Glieder Toluidin, Xilidin, Cumidin, bis schließlich zum Naphtylamin folgen. Mehrfach finden wir die gleichen chemischen Formeln bei verschiedenen Körpern. Das ist nicht etwa ein Irrtum; sondern es sind das sehr nahe verwandte Körper, welche genau aus den gleichen Gewichtsmengen derselben Bestandteile zusammengesetzt sind, bei denen aber doch die Art der Gruppierung dieser Bestandteile eine abweichende ist; die Abweichungen sind jedoch mehr physikalischer Natur; es sind Unterschiede in ihren Eigenschaften, welche durch die chemische Formel keinen Ausdruck finden können. Derartige Körper werden isomere genannt. Wir ersehen aus dem bunten Durcheinander der Namen aber zugleich, daß man durch die gleich oder ähnlich lautenden Namen keineswegs auf eine gleiche oder ähnliche chemische Zusammensetzung schließen darf. Die Fabriken verfahren da mit größter Willkür, und das schlimmste ist, daß oft ein und derselbe Name von verschiedenen Fabriken für ganz verschiedene Körper ge- wählt wird; es erschwert das den Bezug der Farbstoffe, da es dann z. B. vorkommen kann, daß man, wenn man den gleichen Farbstoff unter demselben Namen bei 3 verschiedenen Fabriken bestellt, leicht 3 verschiedene Farbstoffe bekommt. Eigenschaften . Die vorstehenden Oxyazofarbstoffe sind sämtlich Farb- stoffe vom gelblichen Scharlach bis zum Bordeauxrot; alle sind in Wasser leicht löslich, die Lösungen geben mit Natronlauge oder Ammoniak keinen Nieder- schlag, werden dagegen von Chlorbaryum und Chlorcalcium gefällt. Durch Zinnchlorür und Salzsäure werden sie vollständig entfärbt. Anwendung . Die Oxyazofarbstoffe färben Wolle und Seide sub- stantiv, Baumwolle dagegen nicht. Wolle wird am besten mit Natrium- bisulfat und dem Farbstoff in dem gleichen Bade ausgefärbt, indem man mit der Ware bei 35 bis 40° R. eingeht und allmählich zum Kochen steigert und etwa ¼ Stunde hindurch im Kochen erhält. (Natriumbisulfat ist Glaubersalz und Schwefelsäure, von ersterem kann man etwa das 10fache Gewicht des Farbstoffes, von Schwefelsäure das Doppelte des Farbstoffes Ganswindt , Färberei. 12 nehmen.) — Seide wird im mit Schwefelsäure angesäuerten Bastseifen- bade gefärbt; für eine normale Färbung genügen 1 bis 2 Prozent Farbstoff. — Baumwolle muß zuvor gebeizt werden; am besten ist zuerst Behandeln mit zinnsaurem Natron auf kaltem Bade, Auswinden, dann auf ein kaltes Alaunbad, und dann Ausfärben in einer Lösung des Farbstoffes unter Zu- satz von Alaun bei 35 bis 40° R. Trocknen, ohne zu spülen. Die Farbe ist nicht waschecht . Etwas waschechtere Färbungen erhält man durch Vorbeizen mit Türkischrotöl und nachherigem Behandeln mit Alaun, im übrigen wie oben. Die Oxyazofarbstoffe sind zur Baumwollenfärberei durch- aus ungeeignet. II. Tetrazofarbstoffe . 1. Azococcin 7 B (Ver. chem. Fabr. Mannheim) ist das Natrium- salz der Amidoazobenzol-azo-α-Naphtolmonosulfosäure, Braunes Pulver, in Wasser schwer löslich. 2. Croceïn B ist das Natriumsalz der Amidoazobenzol-azo-α-Naph- toldisulfosäure, C 6 H 5 · N — N · C 6 H 4 · N — N · C 10 H 4 · O H · (SO 3 Na) 2 . Eigenschaften wie bei a. 3. Brillant-Croceïn M ( Cassella \& Comp .) ist dem vorigen isomer. Hellbraunes Pulver, in Wasser mit kirschroter Farbe löslich. 4. Ponceau S , Ponceau SS extra (Akt.-Ges. f. Anilinf.), ist dem vorigen isomer. 5. Ponceau 5 R , Scharlach 5 R , (M. L. \& Br.) ist das Natrium- salz des Azobenzolazotrisulfo-β-Naphtols, 6. Croceïn 3 B ist das Natriumsalz der Amidoazotoluol-azo-α-Naph- toldisulfosäure, C 6 H 4 · CH 3 · N—N · C 6 H 3 · CH 3 · N—N · C 10 H 5 · OH · (SO 3 Na) 2 . Dunkelbraunes Pulver, in Wasser mit fuchsinroter Farbe löslich. Tuchrot . Dieser neue Farbstoff der Firma K. Oehler in Offen- bach wird durch Einwirkung von Diazoamidoazotoluol auf β-Naphtolsulfo- säure gewonnen. Es kommt in 2 Marken in den Handel: Tuchrot B (bläu- liche Nüance) und Tuchrot G (gelbliche Nüance). 7. Tuchrot G ist das Natriumsalz der Amidoazo-toluol-β-Naphtol- monosulfosäure, 8. Tuchrot B ist das korrespondierende Salz der Disulfosäure, Er eignet sich nur für Wolle, ihm kommt aber die vorzügliche Eigen- schaft zu, sich leicht und bequem mit allen Holzfarben und Farbholzextrakten kombinieren zu lassen und damit sehr licht- und walkechte Farben zu geben, so daß damit gefärbte lose Wolle mit Weiß versponnen und verwebt werden kann, ohne in der Walke zu bluten. Die Fixierung geschieht nach Angabe des Fabrikanten am besten mit chromsaurem Kali und Schwefelsäure, oder mit Tannin resp. Sumach. Hierüber schreibt die Deutsche Färber-Ztg. 1886, Nr. 33: „Bei Chrombeizung siedet man für Reinrot unter 1 ½ bis 2 stün- digem Kochen mit 3 Prozent zweifach chromsaurem Kali und 3 Prozent Schwefelsäure an. Für Mischfarben empfiehlt es sich, mit 3 Prozent zwei- fach chromsaurem Kali, 1½ Prozent Kupfervitriol und 1½ Prozent Schwefelsäure zu beizen, um manche Holzfarben, besonders die mit Blau- holz erzeugten, etwas lichtechter zu machen. Man passiert die gebeizten Stücke oder Garne durch Wasser, bei loser Wolle ist ein Begießen derselben in den Körben und Ausdrücken oder Centrifugieren der dem Boden zunächst liegenden nassen Teile ratsam. Zum Färben bediene man sich möglichst weichen Wassers, bei hartem Färbewasser treibe man den Kessel vorher mit Kleie aus, oder versetze das- selbe mit 1/10 Prozent konzentrierter Essigsäure. Eine nicht zu große Härte des Wassers kann indessen auch dadurch weniger empfindlich gemacht werden, daß man dem Farbbade vorerst etwas Gerbstoff (am besten Sumach), und dann erst den Farbstoff zusetzt. Diesen rührt man vorerst mit heißem Wasser an und passiert die Brühe durch ein feines Haarsieb ins Färbebad. Bei Mischfarben kocht man das Gemenge von Gerbstoff, Gelbholz und Blauholz auf und fügt erst danach das Tuchrot zu. Beim Färben geht man womöglich nicht über 48° R. ein und steigert langsam bis zum Kochen, das man bis zur Erzielung der gewünschten Nüance fortsetzt. Bei Hellrot gibt man bei Verwendung von Holzkufen oder Zinnkesseln etwas Salmiakgeist, bei Kupferkesseln etwas essigsaures Natron zu, um ein gleichförmiges Aufgehen und Durchfärben zu ermöglichen. Zum Schlusse kann etwas Essigsäure zugegeben werden, um die Nüancen etwas intensiver zu erhalten. Durch Anwendung der Marke B oder G in Verbindung mit Gelbholz oder Blauholz, ohne oder mit darauf folgendem Abdunkeln mittels Eisenvitriol oder Kupfervitriol oder beiden, kann man alle erdenklichen Nüancen vom brennenden Rot bis zum tiefen Schwarz erzielen. Dabei gibt B mehr blaue, G mehr braune Farbentöne. Bei Gerbstoffbeizung geht das Oehler sche Tuchrot auch direkt in einem mit Tannin oder Sumach versetzten Bade an. Die Färbung ist licht- echt, wird aber beim Walken blauer; die Walkechtheit steigt aber durch nach- träglichen Zusatz von Kupfer- und Eisenvitriol. Bei Mitanwendung von Blauholz erhält man dunkle Bordeaux-Nüancen, bei nachträglicher Anwen- dung von Gelbholz entstehen daraus braune Töne und die Farbe gewinnt an Haltbarkeit. Um Braun auf einem Bade zu erzielen, kocht man mit dem Gemisch von Sumach, Gelbholz (ev. Blauholz) und Tuchrot 1½ Stunden an, kühlt etwas ab, gibt Kupfervitriol zu, kocht ¾ Stun- den, kühlt wieder ab und dunkelt mit Eisenvitriol ¾ Stunden lang kochend, dann wird gut gespült. Statt 30 bis 40 Teilen Sandel oder Kaliatur hat man 1 Teil Tuchrot zu setzen, welches man dem Farbbade erst dann zufügt, wenn die übrigen Farbstoffe darin aufgekocht worden sind. Da es indessen mit Eisen nicht so stark dunkelt, wie Sandel und Kaliatur, so nehme man dafür etwas mehr Sumach oder Blauholz. Es bleibt noch hervorzuheben, daß es noch nach dem Zusatz von Eisen aufgeht, was bei den Farbhölzern nicht der Fall ist. Daher ist es auch anwendbar zum Auffetzen von mit Eisen bereits gedunkeltem Sandelbraun. Auch verschiedene neue graue Modefarben (Drap, Schlammgrün ꝛc.) können mit Zuhilfenahme von Tuchrot auf ähnliche Weise hergestellt werden. Die Marke B gibt mit Küpengrund einen prächtigen Aufsatz, der in jeder Beziehung, namentlich in Bezug auf Echtheit, entschieden besser ist, als 12* mit Orseille und anderen Farben. Bei nicht zu walkenden Waren genügt es, die angeblaute und gut gespülte Ware mit einem Gerbstoff (Gallus, Sumach, Myrobalanen) und Tuchrot B anzukochen. Wird mit Eisen geschwärzt, so erhält man ganz dunkle Nüancen, welche durch Zusatz von Blauholz ins Bläuliche nüanciert werden können. Oder man beizt die gebläute Ware mit Chromalaun und Weinstein mit oder ohne Kupfervitriol und färbt dann mit Tuchrot B aus. Gedunkelt wird mit Blauholz oder durch Zusatz von Sumach und nachheriges Schwärzen mit Eisenvitriol oder auch durch Kombi- nation beider Methoden. Auch kann man vorher damit einen Grund geben und hierauf mit einer gut ausgeschärften Waidküpe ausfärben. Um die Haltbarkeit der braunen Nüancen noch zu steigern, vermeidet man die Mitanwendung von Blauholz und gibt dafür einen ent- sprechenden Grund auf der Indigoküpe. Hierauf wird dann entweder mit Chromalaun, Kupfervitriol und Weinstein gebeizt und mit Tuchrot und Gelb- holz ausgefärbt, oder man färbt die geküpte Wolle mit Tuchrot, Sumach und Gelbholz und dunkelt mit Kupfer- und Eisenvitriol. 9. Echtscharlach (Bad. Anilin- und Sodaf.), Doppelscharlach , ist das Natriumsalz des Amidoazobenzolmonosulfosäure-azo-β-Naphtols, 10. Azorubin 2 S (Ver. chem. Fabr. Mannheim), Vereinsponceau , ist das isomere Salz des α-Naphtols. 11. Croceïnscharlach 3 B (B. \& Comp .); Ponceau 4 R B (Akt.-Ges. für Anilinf.), ist das Natriumsalz des Sulfoazobenzolazosulfo-β-Naphtols, 12. Biebricher Scharlach (Kalle \& Comp.) Ponceau 3 R B (Akt.- Ges. für Anilinf.), Azobenzolrot, Neurot, Echtponceau B , ist das Natriumsalz des Amidoazobenzoldisulfosäure-azo-β-Naphtols, 13. Ponceau S extra (Akt.-Ges. für Anilinf.), Echtponceau 2 B ( Bayer \& Comp .), ist das Natriumsalz der Amidoazobenzoldisulfosäure- azo-β-Naphtoldisulfosäure, 14. Croceïnscharlach 7 B (B. \& Comp .), Ponceau 6 R B (Akt.- Ges. für Anilinf.), ist das Natriumsalz des Sulfoazotoluolazosulfo-β-Naphtols, 15. Orseillin B B (B. \& Comp .) ist das Natriumsalz der Amidoazo- toluolsulfosäure-α-Naphtolsulfosäure. Formel wie bei 14. Braunes Pulver, in Wasser mit fuchsinroter Farbe löslich. 16. Bordeaux G (B. \& Comp .) ist dem Croceïnscharlach 7 B isomer. 17. Bordeaux B (B. \& Comp .) ist das Natriumsalz des Amidoazo- xyloldisulfosäure-azo-β-Naphtols, 18. Azoorseillin ist das Natriumsalz der Benzidindisazo-α-Naphtol- monosulfosäure, 19. Orseillerot (Bad. Anilin- und Sodaf.) ist das Natriumsalz des Azoxylolazodisulfo-β-Naphtols, Dunkelbraunes Pulver, in Wasser mit orseilleroter Farbe löslich. 20. Azarin . Dieses neuere Produkt ist die Bisulfitverbindung eines Farbstoffes, der das Ammoniaksalz der Dichlor-amidophenol-hydrazo-β-Naph- tolsulfosäure vorstellt. Um das Azarin in Wasser löslich zu machen, ist es mit Natrium-Bisulfit behandelt, und kommt dann als wasserlösliche Bisulfit- verbindung unter dem Namen Azarin in den Handel. Mit den Alkalien, Natron oder Kali, behandelt, gibt Azarin eine violette Lösung, die, mit Salzsäure oder Schwefelsäure neutralisiert, den Farbstoff in Form eines Niederschlags absetzen läßt; hierdurch kann man es leicht vom Alizarin unterscheiden, das bekanntlich beim Neutralisieren mit Alkalien ebenfalls eine violette Lösung gibt, die aber auf Zusatz von Salz- säure den Farbstoff in Form eines gelben Niederschlages abscheidet. Sal- petersäure gibt mit der alkalischen Lösung dieselbe Reaktion wie Schwefelsäure und Salzsäure; der Niederschlag nimmt allmählich eine braune Farbe an. Aluminiumacetat und Aluminiumsulfocyanür geben beim Sieden einen orangen Niederschlag. Natriumphosphat gibt einen ziegelroten Niederschlag. Essig- saurer Kalk gibt einen schmutzigbraunen Niederschlag. Dargestellt wird es durch Einwirkung von Tetrazodioxybenzosulfon auf β-Naphtol und Behandeln des gebildeten Azofarbstoffes mit Bisulfit. Es ist eine gelbe, in kochendem Wasser schwer lösliche Paste. Es ist dies der erste Fall, in welchem unlösliche Azofarbstoffe in Form der löslichen Bisulfitver- bindung für Färbereizwecke verwendbar gemacht worden sind. Das Azarin ist damit gewissermaßen der Pratotyp einer neuen Klasse von Farbstoffen, und es ist nicht unmöglich, daß ihm noch andere dieser Art folgen werden. Eigenschaften und Anwendung . Die Tetrazofarbstoffe sind sämt- lich in Wasser löslich; sie besitzen ein ausgesprocheneres Färbevermögen, als die Oxyazofarbstoffe, werden im übrigen aber wie jene angewendet. Das Azarin gibt ein brillantes, ziemlich echtes Rot mit einem ins Karmoisin spielenden Ton. Es eignet sich nur für Baumwolle; färbt man diese mit dem Farbstoff ohne eine Beize, und entfernt das Bisulfit hinterher durch Kochen in einem schwachen Aetznatronbade oder in Kalkmilch, so wird der unlösliche Farblack auf der Faser abgeschieden. Reber ( Bulletin de Rouen ) empfiehlt nachheriges Beizen mit essigsaurer Thonerde, welcher etwas Zinnoxydul zugesetzt wird, Trocknen und Eingehen in ein kaltes schwaches Bad aus essigsaurem Kalk mit Soda, Auswaschen und Aus- färben in einer Lösung des Farbstoffes unter Zusatz von etwas Türkisch- rotöl, Spülen, Trocknen und Dämpfen. Von den anderen Beizen ist nur das Eisen zu erwähnen, das, als Acetat von 7° B. angewandt, mit Azarin eine Mode-Oliveschattierung von ziemlicher Lebhaftigkeit gibt. — Für eine allgemeine Anwendung ist es noch zu teuer. III. Benzidinfarbstoffe . Unter diesem Namen begreift man eine Gruppe von Tetra- zofarbstoffen, welche sich vom Benzidin ableiten, und welche die merk- würdige Eigenschaft besitzen, tierische sowohl als auch pflanzliche Gespinnstfasern direkt ohne Anwendung von Beizen zu färben. Von diesen Farbstoffen kam vor 3 Jahren als erster Repräsentant das Congorot in den Handel. Es war der erste Farbstoff, der Baum- wolle ohne Vorbeizen seifenecht zu färben vermochte, und somit gestattete, gemischte Gewebe, halbwollene, halbseidene, ohne zu beizen, in einem Bade direkt zu färben. 1886 hat Knecht gefunden, daß die Benzidinfarbstoffe mit einigen anderen Farbstoffen unlösliche Lacke bilden, so daß dieselben zu- gleich die Rolle einer Beize für anderweite Farbstoffe spielen können. Diese neue wertvolle Eigenschaft gestattet eine ungemein vielseitige Verwendung der Benzidinfarbstoffe zum gleichzeitigen Fixieren und Nüancieren auf einfachen wie gemischten Geweben. — Von roten Farbstoffen kommen hier in Be- tracht: 1. Congo bildet sich durch Einwirkung von salzsaurem Tetrazodiphenyl auf Naphtionsäure. Bildet ein rotes, wasserlösliches Pulver. Die wässerige Lösung sieht türkischrot aus und wird durch die geringste Menge Säure rein blau gefärbt; einige Tropfen der Lösung, in Essigsäure gegeben, färben diese bläulichviolett und es wird Ausscheidung sichtbar ( Kertész ). 2. Benzopurpurin B bildet sich durch Einwirkung von salzsaurem Tetrazoditolyl auf β-Naphtylaminsulfosäure. Rotbraunes Pulver. Die wässerige Lösung ist orangerot; einige Tropfen der Lösung in Essigsäure gegeben, lassen keine Ausscheidung erkennen; die Mischung wird mit der Zeit immer dunkler ( Kertész ). 3. Benzopurpurin 4 B bildet sich durch Einwirkung von salpeter- saurem Tetrazoditolyl auf Naphtionsäure; gibt ein blaustichigeres Rot als Benzopurpurin B. Braunes Pulver, gibt mit Wasser eine rote, undurch- sichtige Lösung, welche in Essigsäure gegeben, kupferfarbig wird und Aus- scheidung gibt ( Kertész .) 4. Hessischpurpur B ist ein dunkelbraunes Pulver, die Lösung in Essigsäure gegeben, ist zuerst orange und wird dann rot und schließlich violett ( Kertész .) 5. Hessischpurpur N ist ein rotbraunes Pulver, die Lösung in Essig- säure gegeben, färbt diese violett; soll etwas lichtechtere Färbungen geben, als Hessischpurpur B. ( Kertézs .) II. Gelbe und orange Farbstoffe . § 69. Basische gelbe und orange Farbstoffe. Von Farbbasen sind nur zwei zu erwähnen: Das Amidoazobenzol und das Dimethylamidoazobenzol . Beide färben die Faser direkt gelb, werden aber nicht als Farbbasen selber, sondern in Form ihrer salz- sauren Verbindungen verwendet. Diese zersetzen sich beim Kochen, die Salz- säure entweicht und die Farbbase färbt die Faser gelb. Hierher gehört demnach: 1. Anilingelb , salzsaures Amidoazobenzol, C 6 H 5 · N — N · C 6 H 4 · NH 2 · HCl; das Anilingelb bildet sich beim Vermischen von Diazobenzol- chlorid mit Anilin und ist ein Beispiel für einen einfach aufgebauten Amidoazo- farbstoff. Es bildet blauviolette Nadeln, die sich in angesäuertem Wasser mit roter Farbe lösen; in einem solchen sauren Bade färbt sich Seide rot an, indem sie das Anilingelb als solches aufnimmt; beim nachherigen Spü- len zerlegt sich aber das Anilingelb und auf der Faser bleibt das freie Amidoazobenzol, die Farbstoffbase, wodurch die Faser nur gelb gefärbt er- scheint. Das Anilingelb ist sehr unecht gegen Säuren und ist daher durch neuere Farben fast vollständig verdrängt worden. 2. Dimethylamidoazobenzol wurde in Form seines salzsauren Salzes, als salzsaures Dimethylamidoazobenzol, C 6 H 5 · N — N · C 6 H 4 · N (CH 3 ) 2 · HCl , als Farbstoff benutzt; es zerfällt schon in wässeriger Lösung in die freie Farbbase, welche sich auf der Faser niederschlägt, und in Salz- säure, welche im Bade bleibt. Seine Hauptverwendung findet das Dimethyl- amidoazobenzol zur Herstellung des Helianthins. § 70. Neutrale gelbe und orange Farbstoffe. a) Amidoazofarbstoffe. 1. Chrysoïdin , salzsaures Diamidoazobenzol, C 6 H 5 · N — N · C 6 H 3 (NH 2 ) 2 · HCl , rotgelbes krystallinisches Pulver, in Wasser mit brauner Farbe löslich; in der Lösung entsteht durch Natronlauge eine rotbraune Fäl- lung; Salzsäure fällt braungelbe Flocken, Zinnchlorür entfärbt die Lösung. — Anwendung : Chrysoïdin färbt Wolle und Seide aus neutralen 50 bis 60° R. warmen Bädern direkt ohne Beize, oder aus mit etwas Seife oder mit wenig Alaun versetzten Bädern schön orangegelb. Färben bei höherer Temperatur schadet der Farbe. Auf Baumwolle wird mit Tannin und Brechweinstein gefärbt bei 50° R., nicht höher. Zarte Nüancen auf Baum- wolle können auch ohne Vorbeizung fixiert werden. Besonders geeignet ist es zum Nüancieren für Misch- und Modefarben; kommt auch vielfach mit andern Farbstoffen gemengt im Handel vor; so (nach Kertész ) mit Fuchsin als Fuchsin J oder Kardinal , mit Safranin als Baumwoll- ponceau, Neurot, Scharlach für Baumwolle . 2. Bismarckbraun, Phenylenbraun, Vesuvin, Zimmtbraun, Canelle, Manchesterbraun, Anilinbraun, Lederbraun, Englisch- braun, Goldbraun , ist salzsaures Triamidoazobenzol, C 6 H 5 · N — N · C 6 H 2 (NH 2 ) 3 · HCl. Bildet ein schwärzliches Pulver, welches stets Verun- reinigungen enthält; diese sind in Wasser meist unlöslich. Die Farbstoff- lösung muß deshalb vor der Verwendung filtriert werden; die Lösung ist braun und wird durch Natronlauge braun gefällt, durch Zinnchlorür und Salzsäure entfärbt. — Anwendung : Auf Wolle färbt man direkt ohne Beize aus neutralem Bade oder unter Zusatz von etwas Alaun, indem man bei 40° eingeht und langsam bis zum Kochen treibt; auf Seide in einem schwachen Seifenbade bei 50°, nicht wärmer; Baumwolle muß mit Tannin und Brech- weinstein vorgebeizt werden. Auch hier können helle Nüancen auf Baumwolle ohne vorheriges Beizen gefärbt werden. Die Färbungen auf Wolle, Seide und Leder sind rotbraun, auf Baumwolle rein braun. Bismarckbraun eignet sich auch vortrefflich zum Nüancieren, wie zum Kombinieren mit anderen neu- tralen Farbstoffen. b) Rosanilinfarbstoffe. 3. Auramin , salzsaures Imidotetramethyldiamidodiphenylmethan, C 17 H 24 N 3 ClO. Bildet ein gelbes Pulver, welches in kaltem Wasser schwer, in warmem leicht mit schwachgelber Farbe löslich ist. Beim Kochen der Lösung zersetzt sich der Farbstoff, deshalb muß beim Färben Kochen unbedingt vermieden werden . Es gibt ein reines, lebhaftes, licht- und seifenechtes Gelb, sowie mit andern neutralen Farbstoffen schöne und leb- hafte Nüancen. — Anwendung : Besonders auf Baumwolle nach vor- herigem Beizen mit Tannin und Brechweinstein; das Ausfärbebad darf nicht mehr als 50° warm sein; auf Wolle direkt aus neutralem Bade; auf Seide wie bei Fuchsin; bei Wolle und Seide darf die Temperatur nicht über 55° gesteigert werden. c) Chinolinfarbstoffe. 4. Chinophtalon , Chinolingelb spritlöslich, Chinaldylenphtalid, C 18 H 11 NO 2 . Ein gelbes Pulver, in Wasser unlöslich, in Alkohol schwer löslich. Letztere Lösung färbt tierische Fasern direkt gelb. Wird zum Fär- ben wenig oder gar nicht verwendet; dient in der Hauptsache zur Herstellung von Chinolingelb (S. 186). 5. Phosphin, Chrysanilin, Ledergelb , salpetersaures Diamido- phenylacridin, C 19 H 16 N 4 O 3 . Wird als Nebenprodukt aus den Mutter- laugen der Fuchsinfabrikation gewonnen, und kommt als orangegelbes, in Wasser mit rotgelber Farbe lösliches Pulver in den Handel. Phosphin ge- hört zu den teureren Farbstoffen und findet deshalb nur beschränkte Anwen- dung, da es durch das billigere Chrysamin fast verdrängt ist. Angewendet wird es besonders in der Lederfärberei; in der Baumwollenfärberei findet es nur beschränkte Verwendung und zwar sowohl direkt, als auch nach vor- herigem Beizen mit Tannin und Brechweinstein, wie auch mit essigsaurer Thonerde. Es gibt mattgelbe Töne. Phosphin wird nicht selten mit dem billigeren Chrysoidin verfälscht. Zum Nachweis dieser Verfälschung empfiehlt Kertész etwas konzentrierte reine Salzsäure in ein kleines Porzellanschälchen zu geben und von dem zu prüfenden Phosphin einige Stäubchen vorsichtig auf die Salzsäure zu streuen; färbt sich die Säure gleichmäßig gelb, so war das Phosphin rein, zeigen sich jedoch neben den gelben auch ponceaurote Stellen, so enthält es Chrysoidin beigemischt. Unreines Phosphin kommt auch als Philadelphiagelb in den Handel. Ein anderer, in diese Kategorie gehöriger gelber Farbstoff, das Flavani- lin , findet sich nicht mehr im Handel. § 71. Schwach saure gelbe und orange Farbstoffe. a) Phtaleïne. 1. Fluoresceïn, Resorcin-Phtaleïn , C 20 H 12 O 5 . Das Fluoresceïn ist der Ausgangspunkt aller Phtaleïnfarbstoffe; vergl. hierüber § 67, 1, wo auch seine Bildung und Herstellung beschrieben ist. Es färbt zwar Wolle und Seide in einem schwach sauren Bade gelb, aber die Farbe ist nicht echt genug. Mehr Verwendung findet 2. Uranin , das Natriumsalz des Fluoresceïns. Dieses ist ein gelb- braunes Pulver, in Wasser mit gelber Farbe und intensiv grüner Fluores- cenz löslich. Färbt Wolle und Seide in schwach schaurem Bade gelb, wird aber in der Hauptsache zum Wolldruck verwendet. 3. Chrysolin , Benzylfluoresceïn, bisweilen auch als „Uranin“ be- zeichnet, ist das Natriumsalz des Benzylfluoresceïns. Bildet Stücke oder ein rotbraunes Pulver, löst sich in Wasser leicht mit brauner Farbe und grüner Fluorescenz. Liefert ein brillantes Gelb auf Seide, und wird dar- auf in mit Essigsäure schwach angesäuertem Bastseifenbade gefärbt; auf Wolle wird es wenig und dann am besten nach vorherigem Beizen mit Alaun, angewendet. Knecht empfiehlt es zum Ueberfärben von Quercitrongelb auf Baumwolle. b) Azofarbstoffe. 4. Jaune solide (Poirrier), Gelb seifenecht , ist das Natrium- salz der Phenylamidoazobenzolcarbonsäure, C 6 H 4 · COONa · N — N · C 6 H 4 · NH · C 6 H 5 . Kommt in Form eines braunen, in Wasser wenig löslichen Teiges in den Handel, löslich erst nach Hinzufügen eines Alkalis. Die Färbungen damit widerstehen den Seifen bei einer Temperatur bis zu 50°. Jaune solide gibt auf Wolle im Seifenbade orange Färbungen. Seine Hauptanwendung findet es jedoch im Baumwollendruck. 5. Chrysamin, Flavophenin , C 28 H 20 N 4 O 6 Na 2 , ist ein Benzidin- farbstoff von sehr komplizierter Zusammensetzung; kommt als gelbbraunes, in Wasser mit braungelber Farbe lösliches Pulver in den Handel. Dem Chrysamin kommt die Eigenschaft aller Benzidinfarbstoffe zu, Baumwolle sub- stantiv und echt zu färben, gleichzeitig aber auch zum Fixieren anderer Farb- stoffe zu dienen und so gewissermaßen die Rolle einer Beize zu spielen, so daß durch Vorbeizen mit Chrysamin und Aufsetzen eines andern sauren Azo- farbstoffes die verschiedensten Nüancen gewonnen werden können, während andererseits das Chrysamin mit basischen Farbstoffen richtige Farblacke bildet. Diese vielseitige Verwendbarkeit macht das Chrysamin zu einem höchst wich- tigen Farbstoff. Verwendung findet es nur auf Baumwolle und zwar wird dieselbe in einem schwachen kochenden Seifenbade gefärbt; man erhält so ein lichtechtes Schwefelgelb. Es dient vielfach zur Herstellung von Nan- kingtönen, an Stelle des Phosphins. Sehr schöne und echte Färbungen soll man nach Kertész auch auf mit Chrom, sowie auf mit Eisen vorge- beizte Baumwolle erhalten, im letztern Falle ein schönes echtes Hellbraun. c) Anthracenfarbstoffe. 6. Alizarinorange, Nitroalizarin, Alizarin OR (Bad. Anil. und Sodaf.), Alizarin OG (Bayer \& Comp.), Alizarin N ( Leverkus \& Söhne ). Bildet sich beim Einwirken von Salpetersäure auf Alizarin in einer Lösung von Nitrobenzol. Braungelbe Paste, in Wasser unlöslich, in Sodalösung oder in Natronlösung mit fuchsinroter Farbe löslich. Färbt mit Thonerde gebeizte Baumwolle orange, mit Eisen gebeizte rötlich violett, mit Chrom gebeizte rotbraun. Die Färbungen sind sehr echt. Trotzdem ist seine Verwendung eine nur beschränkte. Im übrigen kann das Alizarin- orange ganz wie das Alizarin selbst angewendet werden. 7. Galloflavin . Dieser Farbstoff bildet sich durch eine Oxydation einer alkoholischen Gallussäurelösung an der Luft. Die eigentümliche Bil- dung dieses Farbstoffes aus der Gallussäure ist noch nicht genügend erklärt, ebensowenig ist die Zusammensetzung desselben bekannt. Er kommt als gelber Teig in den Handel, welcher 20 Prozent festen Farbstoff enthält, in Wasser unlöslich ist, dagegen sich in Natronlauge mit rotbrauner Farbe löst. Färbt mit Chrom gebeizte Wolle licht- und seifenecht gelb; auf Baumwolle liefert es mit Thonerde ein helleres Gelb und mit Eisen eine Olivefärbung. Galloflavin läßt sich sowohl auf Wolle als auf Baumwolle mit allen Alizarin- farben kombinieren. Die erhaltenen Töne sind nach Benedikt zwar schön, aber nicht lichtecht. § 72. Stark saure gelbe und orange Farbstoffe. a) Chinolinfarbstoffe. Chinolingelb, Chinolingelb wasserlöslich , ist das Natrium- salz der Chinophtalondisulfosäure. Es wird aus dem Chinophtalon (§ 70, c) durch Behandeln mit rauchender Schwefelsäure gewonnen. Gelbes, in Wasser leicht lösliches Pulver. Färbt Wolle in saurem Bade grünlich- gelb; die Farben sind sehr lebhaft. Anwendung auf Wolle unter Zugabe von Glaubersalz und Schwefelsäure zum Färbebade. b) Nitrofarbstoffe. Als Nitrofarbstoffe wird eine Klasse von Farbstoffen verstanden, welche durch die Einwirkung von Salpetersäure (durch Nitrieren ) auf verschiedene Abkömmlinge der bisher betrachteten Körper, wie Phenol, Naphtol u. s. w. entstehen. Alle diese Farbstoffe sind gelb oder orange; wir finden daher nur unter den gelben und orangen Körpern Nitrofarbstoffe, wogegen sie bei keiner andern Farbe wieder auftreten. Alle Nitrofarbstoffe haben sauren Charakter, lösen sich leicht in Wasser und färben tierische Fasern direkt; die erzielten Färbungen sitzen jedoch — zumal bei Wolle — nicht fest, wer- den von Wolle durch Wasser leicht abgewaschen und schmutzen ab — rußen . Sie besitzen samt und sonders keine Lichtechtheit. Werden durch Behandeln mit Schwefelsäure die Nitrofarbstoffe in die entsprechenden Sulfosäuren über- geführt, so bleibt die Lebhaftigkeit der Farben dieselbe, das leichte mechanische Abreiben hört dann aber auf. Die Nitrofarbstoffe werden auf Wolle mit Schwefelsäure und Glaubersalz gefärbt. 1. Pikrinsäure, Trinitronaphtol , C 6 H 2 (NO 2 ) 3 · OH. Bildet sich durch Einwirken von Salpetersäure auf Karbolsäure; kommt in gelben, in heißem Wasser leicht löslichen Krystallen vor; schmeckt bitter. Färbt Wolle und Seide in saurem Bade rein gelb, ohne einen Stich ins Orange. Die Pikrinsäure besitzt alle den Nitrofarbstoffen anhaftenden Mängel in ausgesproche- nem Maße, und ist deshalb kein empfehlenswerter Farbstoff . Es muß mit Recht wundernehmen, warum hier so am Alten festgehalten wird, da uns die Neuzeit doch — und ganz besonders in gelben Farbstoffen — eine ganze Blumenlese weit mehr empfehlenswerter Farbstoffe bietet. Zu- dem ist die Pikrinsäure giftig , Grund genug, sie aus der Färberei gänzlich zu entfernen. — Anwendung : Auf Wolle in schwefelsaurem Bade mit oder ohne Zusatz von Alaun; desgl. auf Seide in schwach schwefelsau- rem Bade ohne oder mit Zusatz von Bastseife. Die Färbungen sind nicht lichtecht. Auf Baumwolle fixiert sich Pikrinsäure nicht. Bisweilen wird die Pikrinsäure noch zum Nüancieren oder zur Herstellung von gelblichgrünen und oliven Mischfarben benutzt, doch wird sie auch hier richtiger durch an- dere gelbe Farbstoffe (Auramin, Echtgelb, Naphtolgelb) ersetzt. 2. Naphtolgelb, Dinitronaphtol , Martiusgelb, Manchestergelb, Goldgelb, Naphtalingelb, Naphtylamingelb, C 6 H 3 (NO 2 ) 2 · OH, ist das Kalksalz des Dinitro-α-Naphtols, entsteht durch Einwirkung von Salpeter- säure auf α-Naphtolsulfosäure und bildet gelbrote, wasserlösliche Krystalle. Auch ein Natrium- und Ammoniumsalz kommen unter gleichem Namen in Form kleiner glänzender orangegelber Blättchen in den Handel. Färbt Wolle in saurem Bade goldgelb. — Anwendung : Ganz wie Pikrinsäure. Das Naphtolgelb ist schon bei niedriger Temperatur flüchtig, färbt daher leicht ab, aber nicht so sehr als Pikrinsäure. Zum Kombinieren mit Indigkar- min, Säureviolett und andern sauren Farben eignet es sich mehr als Pikrin- säure. Dagegen ist das Naphtolgelb minder säureecht als Pikrinsäure. Wolle färbt man in einem mit Schwefelsäure angesäuerten Bade, indem man bei 30° R. eingeht, und allmählich bis zum Kochen treibt. Auch Schwefel- säure und Glaubersalz, oder auch nur Alaun, kann als Sud benutzt werden. 3. Viktoriagelb, Viktoriaorange Viktoriaorange ist vorwiegend das Kalisalz des Orthokresols, Safransurro- gat dagegen das aus Parakresols. , Safransurrogat , Anilinorange , ist ein Gemisch der Kali- oder Ammoniaksalze des Dinitroorthokresols und des Dinitroparakresols, C 6 H 2 (CH 3 ) · (NO 2 ) 2 · OH. Rotgelbes Pulver (das Kalisalz verpufft, das Ammoniaksaz verbrennt, ohne zu puffen), löst sich in Wasser mit orangegelber Farbe. Färbt Wolle und Seide orange; die Farben sind aber durchaus unecht. Nicht zu empfeh- len! — Anwendung : wie Pikrinsäure. Palatinorange , das Ammoniumsalz des Tetranitrodiphenols, des- gleichen das Heliochrysin , das Natriumsalz des Tetranitronaphtols, befinden sich nicht mehr im Handel. 4. Neugelb, Flavaurin , ist das Ammoniaksalz der Dinitronaphtol- p -Sulfosäure, C 6 H 2 · ONH 4 · (NO 2 ) 2 · SO 3 · NH 4 . Gelbrotes Pulver, wel- ches sich beim Erhitzen stark aufbläht, ohne zu verpuffen, und sich in Wasser leicht mit gelber Farbe löst. Färbt Wolle und Seide gelb. Anwendung : wie beim Naphtolgelb. 5. Aurantia, Kaisergelb , ist das Ammoniaksalz des Hexanitrodiphe- nylamins N · (C 6 H 2 · [NO 2 ] 3 ) 2 · NH 4 . Rotbraune Krystalle, in Wasser mit orangegelber Farbe löslich. Färbt Wolle und Seide in saurem Bade orange. Aurantia ist fast so lichtunecht, wie Pikrinsäure; es ist nächst der Pikrin- säure der am wenigsten zu empfehlende Nitrofarbstoff. — An- wendung : wie bei Naphtolgelb. 6. Naphtolgelb S , Säuregelb , ist das Natriumsalz der Dinitro- α-Naphtolsulfosäure, C 10 H 4 N 2 O 8 SNa 2 . Orangegelbes Pulver, in Wasser leicht löslich. Färbt Wolle und Seide in saurem Bade gelb. Es schmutzt gar nicht ab, und eignet sich sehr gut zum Färben für sich allein, wie auch zum Kombinieren mit andern Farben. — Anwendung : Auf Wolle mit Schwefelsäure und Glaubersalz, oder mit Weinsteinpräparat. Die Färbungen sind waschecht und beim Dämpfen nicht flüchtig. Granatbraun , Grénat soluble, ein eine Zeitlang gern benutzter Farbstoff, ist jetzt im Handel nicht mehr zu finden. c) Azofarbstoffe. I. Amidoazosulfosäuren . 1. Echtgelb, Säuregelb, Echtgelb G. , Solidgelb, Neu- gelb L , sind Gemenge von amidoazobenzolmono- und disulfosaurem Natron, C 6 H 4 · SO 3 Na · N — N · C 6 H 3 · NH 2 · SO 3 Na. Gelbes, in Wasser mit gelber Farbe lösliches Pulver. Färbt Wolle und Seide in saurem Bade gelb. Es geht nur sehr langsam an die Faser, ist aber sehr echt. — Anwen- dung : Nur auf Wolle und Seide, sowohl zur Erzeugung eines selbststän- digen reinen Gelb, als auch ganz besonders zum Mischen mit andern sauern Farbstoffen. Auf Wolle färbt man am besten in einem schwach schwefel- sauren Bade, ohne Zusatz von Glaubersalz oder Alaun; auf Seide in einem Bastseifenbade, welches mit Schwefelsäure schwach angesäuert ist. 2. Helianthin (Bad. Anil. und Sodaf.), Orange III (Poirrier), Methylorange, Dimethylorange, Dimethylanilinorange, Tro- päolin D , Goldorange , ist das Natriumsalz des Sulfanilsäure-azodi- methylanilins, C 6 H 4 · SO 3 Na · N — N · C 6 H 4 · N (CH 3 ) 2 . Ockergelbes, in Wasser mit orangegelber Farbe lösliches Pulver. Färbt Wolle in saurem Bade orange. — Anwendung : auf Wolle wie Säuregelb. Knecht hat auch Beizen mit Zinnchlorid vorgeschlagen. Auf Baumwolle empfiehlt der- selbe Beizen mit zinnsaurem Natron, Auswinden, Passieren durch eine kalte Alaunlösung, und schließlich Ausfärben in einer konzentrierten Lösung des Farbstoffes unter Alaunzusatz bei nicht höher als 36° R. Die Färbungen mit Helianthin sind nicht waschecht und nicht säureecht; der Farbstoff kann daher nur beschränkte Anwendung finden. 3. Orange IV (Bad. Anil. und Sodaf.), Säuregelb D (Akt.-Ges. f. Anilinf.), Neugelb (Bayer \& Comp.), Orange M (A. G. f. chem. Industr.), Diphenylorange, Diphenylaminorange, Tropäolin OO , ist das Natriumsalz des Sulfanilsäure-azodiphenylamins, C 6 H 4 · SO 3 Na · N — N · C 6 H 4 · NH · C 6 H 5 . Orangegelbe, in Wasser mit gleicher Farbe lösliche Blättchen. Färbt Wolle in saurem Bade orangegelb. Besitzt aus- gezeichnete Deckkraft und ist nächst Echtgelb der am meisten auf Wolle angewendete gelbe Farbstoff. — Anwendung : Auf Wolle mit Glaubersalz und Schwefelsäure, oder nach Kertész mit 6 Prozent Alaun und ½ Pro- zent Schwefelsäure; auf Seide aus einem mit Essigsäure schwach angesäuer- ten Bastseifenbade. Vornehmlich eignet es sich zum Hervorrufen von Misch- farben (z. B. mit Indigokarmin) und Modefarben. 4. Metanilgelb (Bad. Anil. u. Sodaf., Akt.-Ges. f. Anilinf., Oehler ), Tropäolin G. (Cassella \& Comp.), Orange MN (A. G. f. ch. Ind.), ist das Natriumsalz des in Amidobenzolsulfosäureazodiphenylamins, C 6 H 4 · SO 3 Na · N — N · C 6 H 4 · NH · C 6 H 5 ; es ist also dem vorigen isomer. Braungelbes Pulver, in Wasser mit orangegelber Farbe löslich. Färbt Wolle in saurem Bade orangegelb. — Anwendung : Eignet sich nur als selbstständige Nüance, nicht zu Mischfarben, und gibt lebhafte, aber nicht besonders säureechte Färbungen. Auf Wolle wird es aus ganz schwach schwefelsaurem Bade unter Zusatz von Glaubersalz gefärbt; Kert é sz empfiehlt statt dessen ein Bad mit 3 bis 4 Prozent Essigsäure; auf Seide in schwach essigsaurem Bade. 5. Metanilgelb S (Oehler) ist die Sulfosäure des Metanilgelbs. Gelbes, in heißem Wasser leicht lösliches Pulver. Es soll viele Vorzüge anderer gelber Farbstoffe in sich vereinigen, sich sowohl zu selbstständigen Nüancen wie zu Mischungen eignen, soll lebhaftere Färbungen geben, als Echtgelb, und dabei säureecht sein. — Anwendung : wie Echtgelb. 6. Brillantgelb (Bad. Anil. und Sodaf.) ist das Natriumsalz des Toluidinsulfosäureazo-Diphenylamins, C 6 H 3 · SO 3 Na · CH 3 · N — N · C 6 H 4 · NH · C 6 H 5 . Orangegelbes Pulver, in Wasser leicht löslich. Färbt Wolle in saurem Bade orangegelb. — Anwendung : wie Echtgelb. 7. Azoflavin S (Bad. Anil. und Sodaf.), Azogelb (M. L. \& Br.), Azosäuregelb (Akt.-Ges. f. Anilinf.), Indischgelb (B. \& Comp. ), sind Gemenge von nitriertem Diphenylaminorange mit Nitrodiphenylaminen. Ocker- gelbe Pulver, in kaltem Wasser wenig, in heißem leichter mit citronengel- ber Farbe löslich. Färbt Wolle in saurem Bade gelb. — Anwendung : wie Echtgelb. II. Oxyazofarbstoffe . 8. Orange I (Poirrier), α-Naphtolorange, Tropäolin OOO Nr. 1, ist das Natriumsalz des Sulfanilsäure-azo-α-Naphtols, C 6 H 4 · SO 3 Na · N — N · C 10 H 6 · OH. Rotbraunes Pulver, in Wasser mit orange- roter Farbe löslich. Färbt Wolle in saurem Bade orange; liefert stark röt- liche Nüancen, welche aber matt sind. — Anwendung : Orange I besitzt große Deckkraft und wird daher mit Vorliebe zum Grundieren verwendet, auch zum Mischen mit andern sauren Farbstoffen. Auf Wolle färbt man am besten mit Schwefelsäure und Glaubersalz. 9. Orange II (Bad. Anil. und Sodaf.), β- Naphtolorange, Tropäolin OOO Nr. 2, Mandarin G extra (Akt.-Ges. f. Anilinf.), Goldorange (B. \& Comp.), Mandarin, Chrysaureïn , ist das Natrium- salz des Sulfanilsäure-azo-β-Naphtols. Formel wie bei 8. Gelbrotes Pulver, in Wasser mit gleicher Farbe löslich. Färbt Wolle in saurem Bade orange. Anwendung : In ausgedehntem Maßstab auf Wolle mit Schwefelsäure und Glaubersalz, sowohl für sich allein, als in Verbindung mit andern sauren Farbstoffen; vortrefflich eignet es sich zum Nüancieren aller erdenklichen Ponceautöne, sowie mit Indigokarmin zur Herstellung grüner, brauner und olive Farben und aller Arten von Modefarben. Nach einer Aeußerung Grisons muß ein tüchtiger Färber imstande sein, mit Säurefuchsin, Orange II und Indigokarmin alle erdenklichen Modefarben hervorzubringen. — Ein Gemisch von Orange II mit Echtrot A (§ 67, 3, I) kommt unter den Bezeichnungen Rouge français und Lutecienne Unter Lutecienne wird bekanntlich auch ein Gemisch von Eosinen verstanden; vergl. § 67, 1 c. in den Handel. 10. Orange G. (Akt.-Ges. f. Anilinf., M. L. \& B.), Orange- gelb , ist das Natriumsalz der Anilin-azo-β-Naphtoldisulfosäure, C 6 H 5 · N — N · C 10 H 4 · OH · (SO 3 Na) 2 . Es ist dem Ponceau 2 G. (§ 68) isomer. Gelbrotes Pulver, in Wasser mit orangegelber Farbe löslich. Färbt Wolle in saurem Bade lebhaft orangegelb, etwas weniger rot wie Orange II , aber sehr lichtecht. Anwendung : wie Orange I und II. 11. Resorcingelb (Akt.-Ges. f. Anilinf.), Goldgelb (B. \& Comp.), Gelb T (A. G. f. chem. Ind.), Tropäolin O , Tropäolin R , Chry- soin, Chryseolin , ist das Natriumsalz des Sulfanilsäureazoresorcins, C 6 H 4 · SO 3 Na · N — N · C 6 H 3 (OH) 2 . Braunes Pulver, in Wasser mit rötlichgelber Farbe löslich. Färbt Wolle in saurem Bade rötlichgelb. Das Resorcingelb wird als ein vorzüglicher Farbstoff gelobt von großer Licht- und Säureechtheit, er ist jedoch verhältnismäßig teuer. — Anwendung : Besonders auf Wolle, entweder für sich allein, mehr jedoch zum Hervorrufen von Grün, Oliv und Braun. 12. Orange N , Jaune N , Curcumeïn , ist das Natriumsalz des p -Toluidin- o -sulfosäure-azo-diphenylamins. Formel wie bei Brillantgelb (6), mit dem es isomer ist. Gelbrotes Pulver, in Wasser mit gelber Farbe löslich. Färbt Wolle in saurem Bade orange. — Anwendung : wie Metanilgelb. 13. Citronin, Curcumeïn (Akt.-Ges. f. Anilinf.), Neugelb (Till- manns, E. ter Meer) , sind Gemenge von ähnlicher Zusammensetzung wie das Azoflavin (7), dem sie auch im Aussehen und Eigenschaften gleichen. Das Citronin ist eine der lebhaftesten gelben Farben, und eignet sich vor- nehmlich zum Färben auf Seide. — Anwendung : Auf Wolle mit Schwefelsäure und Glaubersalz; auf Seide in einem mit Schwefelsäure an- gesäuerten Bastseifenbade. 14. Croceïnorange (Kalle; B. \& Comp.), Brillantorange (M. L. \& B.), ist gleichbedeutend mit Ponceau 4 G B. Luteolin befindet sich nicht mehr im Handel. III. Benzidinfarbstoffe . 15. Chrysamin , s. § 71, 5. 16. Chrysamin R ist das Natriumsalz der o -Tolidin-disazosalicyl- säure-salicylsäure, C 28 H 20 N 4 O 6 Na 2 . Gelbbraunes Pulver, in Wasser mit braungelber Farbe löslich. — Anwendung : Nur auf Baumwolle; das färben geschieht im Seifenbade. Vergl. auch § 71, 5. 17. Hessischgelb ist das Natriumsalz einer durch Einwirkung von Dia- midostilbendisulfosäure auf Salicylsäure erhalten Säure, C 28 H 16 N 4 O 12 S 2 Na 4 . Ockergelbes Pulver, in Wasser mit braungelber Farbe löslich. Färbt Baumwolle im Seifenbade gelb. — Anwendung : Die Firma Leon- hardt \& Comp . gibt hierzu folgende Vorschrift: Man bereite ein Färbe- bad von 25 l Wasser auf 1 kg Baumwolle, füge 100 g Kochsalz hinzu, bringe auf 52° R., gebe die Farbstofflösung zu und gehe dann mit der Baumwolle ein, indem man zugleich 100 g Türkischrotöl zugibt, passiere ungefähr ½ Stunde, bis Nüance erreicht, dann kalt spülen und trocknen. Kupferkessel sind dabei zu vermeiden. Die Färbung verliert durch Waschen in kochendem Wasser. 18. Chrysophenin , ein dem vorstehenden nahestehender Farbstoff. Orangegelbes Pulver, in Wasser in der Kälte schwer, beim Kochen leicht löslich mit rotgelber Farbe. Färbt Baumwolle im Seifenbade gelb. 19. Brillantgelb , gleichfalls ein Derivat des Diamidostilbens, ist ein hellbraunes, in Wasser mit rotgelber Farbe lösliches Pulver. Färbt Baumwolle im Seifenbade gelb. — Anwendung : wie bei Hessischgelb, nur daß man statt Türkischrotöl Essigsäure zugibt. Man erhält so rein gold- gelbe Nüancen; die Färbungen sind aber nicht recht fest, und verlieren schon durch Waschen in kochendem Wasser. d) Azooxyfarbstoffe. Curcumin S ist das Natronsalz des Azooxystilbendisulfosäure, C 14 H 8 N 2 O 7 S 2 Na 2 . Braunes Pulver, löslich in Wasser mit braungelber Farbe. Färbt Wolle und Seide in saurem Bade rötlichgelb. e) Hydrazonfarbstoffe. 1. Tartrazin ist das Natronsalz der Disulfodiphenylizin-dioxywein- säure, C 16 H 12 N 4 O 10 S 2 Na 2 . Schön orangegelbes Pulver, in Wasser leicht löslich mit goldgelber Farbe, unlöslich in Alkohol und nur spurenweise lös- lich in Aether. Färbt die animalische Faser leicht und substantiv schön gelb; die erhaltene Färbung wird durch warme Seifenlösung nicht verändert und widersteht selbst der Anwendung der Schmierseife, ist auch von großer Licht- echtheit. Die damit gefärbten Fasern sind geeignet, mit andern Fasern ver- webt oder versponnen zu werden, ohne zu bluten . Das Tartrazin ist da- her einer der wenigen künstlichen Farbstoffe, welche lose Wolle substantiv walkecht zu färben vermögen, und darin liegt ein besonderer Wert. Es ist ferner ein sehr ausgiebiger Farbstoff, auf Wolle genügen 1 bis 3 Prozent zur Hervorrufung rein gelber Nüancen. — Anwendung : Auf Wolle mit Schwefelsäure und Glaubersalz. Der Farbstoff läßt sich jedoch auch adjektiv auf der Wolle fixieren, und zwar durch Beizen mit 5 Prozent Alaun und 1¼ Prozent Weinstein; man erhält dadurch eine mehr orangegelbe Nüance; bei Verwendung von mehr Alaun und Weinstein erhält man gelbrote Töne. Andere gelbe Nüancen werden durch Anbeizen der Wolle mit Zinnkompo- sition oder mit Kaliumdichromat und Schwefelsäure gewonnen. — Auf Seide gibt Tartrazin gleichfalls lebhafte feurige gelbe Färbungen; man färbt ent- weder unter Zusatz von Säuren, oder im gebrochenen Seifenbade. Das Tartrazin ist somit vielseitiger Anwendung fähig; zur Zeit steht seiner allgemeinen Anwendung noch sein verhältnismäßig hoher Preis hin- dernd im Wege. 2. Isatingelb ist das Natronsalz des Phenyl- p -sulfosäure-osazonisatins, C 14 H 10 N 3 O 4 SNa. Orangegelbes Pulver, in Wasser mit gelber Farbe löslich. Färbt Wolle und Seide in saurem Bade grünlichgelb. — Noch sehr wenig bekannt. f) Anhang. 1. Canarin, Persulfocyan , C 3 N 3 S 3 H. Das Canarin gehört nicht zu den Teerfarbstoffen, bildet sich vielmehr durch Oxydation von Rhodan- kalium mit Salpetersäure, Chlor oder Chromsäure. Es bildet ein orange- gelbes, in Wasser, Alkohol und Aether unlösliches Pulver, löslich in Kali- lauge, ferner in einer 10proz. Lösung von Natriumborat. Gibt auf Baum- wolle und Wolle unbedingt echte Farben. — Anwendung : Man bereitet sich eine Boraxlösung, löst darin den Farbstoff, geht mit der Ware kalt ein und treibt langsam bis zum Sieden. Spülen und Trocknen. Je nach der verwendeten Menge des Farbstoffes erhält man rein gelbe bis orange Töne, welche gegen Licht, Luft, Seife, Säuren und Bleichmittel absolut echt sind. Das Canarin kann, ähnlich wie das Chrysamin, auch als Beize dienen, durch Färben der mit Canarin gebeizten Fasern mit basischen und neu- tralen Teerfarbstoffen in einem neuen Bade lassen sich die verschiedensten grünen und scharlachroten Nüancen erzielen. Wir besitzen wenig der- artige echte Farbstoffe ! 2. Primulin heißt ein seit Juli 1888 in den Handel kommender gelber Farbstoff von noch nicht genügend bekannter Zusammensetzung. Nach Hefelmann ist er eine Amidosulfonsäure. Dieser Farbstoff erregt berech- tigtes Aufsehen, da er ein direkt substantiv färbender Farbstoff für alle Fasern sein soll. Allem Anschein nach gehört das Primulin zu den Benzi- dinfarbstoffen; der Entdecker Green verschweigt aber wohlweislich die Zu- sammensetzung und daher ist es immerhin noch nicht mit Sicherheit erwiesen, ob wir im Primulin einen wirklichen Benzidinabkömmling vor uns haben. Das Primulin des Handels stellt ein gelbes Pulver dar, welches sich in heißem Wasser leicht löst. Es löst sich in starker Schwefelsäure mit gelber Farbe und blauer Fluorescenz; beim Verdünnen mit Wasser fällt das Primulin als orangegelber Niederschlag zu Boden. Die sehr verdünnte wässerige Lösung des Primulins hat eine blaue Fluorescenz. In neutralem oder alkalischem Bade färbt Primulin ungebeizte Baumwolle direkt. Die Farbe ist das Himmelschlüsselgelb, daher stammt der Name Primulin. Die Verwandtschaft des Farbstoffes zur Faser wird durch Zusatz ge- wisser Salze, wie Natriumsulfat, Natriumnitrat, Soda und Kochsalz — letzteres ist vorzuziehen — erhöht, und man kann auf diese Weise jede be- liebige Nüance hervorbringen. Das Gelb ist vollkommen wasch- und alkali- echt, wird jedoch durch Säuren in Goldgelb umgewandelt. Chrysamin er- leidet unter gleichen Bedingungen bekanntlich eine Umwandlung in Orange. Reduzierende Agentien wirken auf Primulin nicht ein, oxydierende dagegen, wie Chromsäure und Chlorkalk, greifen es an. Erstere verändert die Nüance in ein Olive, während eine alkalische Chlorkalklösung oder Natriumhypochlorit beim Kochen ein Orangegelb erzeugen, das sich allen Einflüssen gegenüber als echt erweist. — Anwendung : Auf Baumwolle oder Wolle färbt man kochend in einem säurefreien Bade, wozu Kochsalz gesetzt worden ist; hierauf wird gut gespült. Es ist durchaus keine Beize nötig. Wie das Chrysamin, können auch die Primuline mit großem Vorteile selbst als Beizen für alle basischen Farbstoffe, z. B. Bismarckbraun, Mel- dolinblau, Hofmanns Violett, Methylviolett, Malachitgrün, Safranin ꝛc. ausgedehnte Verwendung finden. Besonderes Interesse erfordert diese Verwendung des Primulins als Beize, als dadurch nämlich eine gänzlich neue Methode des Färbens oder vielmehr des Erzeugens von Farbstoffen direkt auf der Faser selbst inauguriert wird. Durch Diazotierung von „Primulin“ und Kom- bination mit Phenolen und Aminen entstehen Azofarbstoffe. Diese von Green entdeckten Reaktionen können leicht auf der Faser selbst hervorgerufen werden. Auf diese Weise gelangt man zu mannigfaltigen Nüancen, welche sich durch ihre außerordentlich große Wasch-, Walk- und Säureechtheit auszeichnen. Ihre Echtheit in dieser Beziehung ist weit größer, als die der Benzidinfarbstoffe und wird nur durch das Alizarin und dessen Abkömmlinge erreicht. Die so er- zielten Farben werden als Ingrainfarben bezeichnet. Da dieselben sämtlich leicht in Wasser löslich sind, wenn dieselben außerhalb der Faser erzeugt werden, so muß ihre Echtheit auf der innigen Verbindung derselben mit der Faser beruhen und nicht auf Unlöslichkeit, wie das bei den Azo- farbstoffen der Fall ist, welche auf der Faser gebildet werden. Hier ist dem- nach die Baumwolle wirklich gefärbt mit dem Primulin und kann völlig ge- waschen werden, bevor die Farbe entwickelt ist. Die zur Entwickelung ange- wandten Phenole und Amine sind in Lösung gegangen. Primulin färbt auf Wolle und Baumwolle ein schönes Schwefelgelb. Man färbt kochend in einem mit Kochsalz versetzten Bade und spült nachher gut aus. Die Ingrainfarben werden im allgemeinen nach folgendem Schema erzeugt: Man zieht die im Primulinbad gelb gefärbte Faser durch eine mit Schwefelsäure oder Salzsäure angesäuerte Lösung von Natriumnitrit, wäscht und bringt das Färbegut in alkalische Lösungen der Naphtole oder Naphtol- sulfosäuren, welche als Entwicklungsbäder dienen. Diese Ingrainfarben können in allen beliebigen Nüancen erhalten werden und ihre Anwendung ist keineswegs auf Baumwolle beschränkt, sondern man färbt mit gleichem Vorteile Wolle, Seide und gemischte Gewebe in einer einzigen Operation so echt, wie mit Alizarin, vor welchem die Ingrainfarben noch den Vorteil haben, nicht zu bluten unter gewöhnlicher Behandlung. Aus- führlicheres über das Färben mit der neuen Ingrainfarben siehe im speziellen Teil. III. Grüne Farbstoffe . § 73. Grüne Farben, d. h. selbstständige grüne Farben, nicht Gemenge und Gemische von Blau und Gelb, sind verhältnismäßig selten. Hier kommen nur diese eigentlichen Farbstoffe in Betracht, während die Zusammenstellung grüner Mischfarben aus andern Farbstoffen in die Technik des Färbers ge- hört und im speziellen Teil abgehandelt wird. Grüne Farbbasen kommen nicht vor. a) Neutrale grüne Farbstoffe . Die neutralen grünen Farbstoffe gehören sämtlich zur Klasse der Triphenylmethanfarbstoffe. 1. Malachitgrün (Akt.-Ges. f. Anilinf.), Viktoriagrün (Bad. Anil.- und Sodaf.), Neugrün (B. \& Comp.), Solidgrün (Cassella), Bitter- mandelölgrün, Echtgrün, Benzoylgrün, Bengalgrün , ist das Zinkchloriddoppelsalz (oder das Eisenchloriddoppelsalz, oder das oxalsaure Salz) des Tetramethyldi-β-amidotriphenylcarbinols, 3 C 23 H 25 N 2 Cl + 2 Zn Cl 2 + 2 H 2 O (Zinkverbindung.) 2 C 23 H 24 N 2 + 3 C 2 H 2 O 4 (Oxalat.) Das Zinkchloriddoppelsalz bildet messinggelbe prismatische Krystalle, das Oxalat metallisch grünglänzende Blättchen, beide in Wasser mit blaugrüner Farbe löslich. — Anwendung : Wolle, Seide, Jute und Leder werden sub- stantiv gefärbt; Wolle ohne irgend welchen Zusatz, besser jedoch nach vor- Ganswindt , Färberei. 13 herigem Behandeln mit Natriumhyposulfit. Beizen der Wolle in einem Bade aus 10 bis 20 Prozent (vom Gewicht der Wolle) käuflichem Hyposulfit und 5 bis 10 Prozent Schwefelsäure. Dabei bildet sich eine von ausgeschiedenem Schwefel milchig trübe Lösung, in welche man bei 30° R. mit der Wolle eingeht, und welche man dann langsam bis auf 65° R. erwärmt. Die Wolle wird dadurch in gewissem Sinne geschwefelt und besitzt nach dem Aus- waschen eine besondere Anziehungskraft. — Seide wird in einem neutralen Bastseifen- oder reinen Seifenbad gefärbt. — Jute und Leder werden ohne vorherige Behandlung direkt in der neutralen wässerigen Lösung des Farb- stoffes gefärbt. — Baumwolle wird mit Tannin und Brechweinstein gebeizt und in neuem Bade ausgefärbt. Lebhaftere Nüancen auf Baumwolle werden auch durch Beizen mit Tannin und Alaun, sowie mit Türkischrotöl gewonnen; dunkle russischgrüne unter Zuhilfenahme von Eisenbeizung. Zur Erzielung gelbgrüner Nüancen empfehle ich Zusatz von Auramin für Wolle und Baumwolle, sobald aus neutralem Bade gefärbt werden kann und die Tempe- ratur nicht über 55° gesteigert zu werden braucht; zum Nüancieren in saurem Bade empfehle ich Orange II; Pikrinsäure ist beim Nüan- cieren zu vermeiden , da sich dabei unlösliches pikrinsaures Tetramethyl- β-amidotriphenylcarbinol bildet. Das Malachitgrün dient außer zu selbstständigen Nüancen auch in Kombination mit Methylviolett und Indigokarmin zur Erzielung blaugrüner Töne, ferner mit Methylviolett und Orange IV gemischt zur Imitation von Indigokarmin. 2. Aethylgrün, Methylgrün (B. \& Comp.) , ist das Zinkchlorid- doppelsalz des Bromäthylhexamethylpararosanilinchlorhydrats, Moosgrünes krystallinisches Pulver, in Wasser mit grünlichblauer Farbe löslich. — Anwendung : wie Malachitgrün. Auf Wolle nach vorherigem Beizen mit Natriumhyposulfit und Schwefelsäure oder, nach Holliday , mit essigsaurem Zink und essigsaurem Natron; auf Seide und Jute wie mit Malachitgrün; auf Baumwolle mit Tannin und Brechweinstein. Die Nüancen sind mehr bläulichgrün. 3. Brillantgrün (Bad. Anilin- und Sodafabr.; M. L. \& Br.; B. \& Comp.; Cassella); Aethylgrün (Akt.-Ges. f. Anilinf.); Smaragd- grün (B. \& Comp.), Solidgrün J (Monnet), Neuviktoriagrün , ist schwefelsaures Tetraäthyldi-β-amidotriphenylcarbinol, C 6 H 5 · C · [C 6 H 4 · N (C 2 H 5 ) 2 ] 2 · SO 4 H. Goldglänzende, in Wasser mit grüner Farbe lösliche Krystalle. — Anwendung : Seide, Wolle, Jute und Leder werden im neutralen Bade direkt gefärbt, Baumwolle mit Tannin und Brechweinstein zuvor gebeizt. Die mit Brillantgrün erzeugten Töne sind etwas gelblicher als die mit Malachitgrün. Im übrigen kann das Brillant- grün genau so angewendet werden, wie Malachitgrün. 4. Viktoriagrün 3 B (Bad. Anilin- und Sodaf.), Neusolidgrün 3 B (Akt.-Ges. f. chem. Ind.), ist das Chlorhydrat des Tetramethyldiamidodi- chlortriphenylcarbinols, C · C 6 H 3 Cl · [C 6 H 4 · N (CH 3 ) 2 ] 2 Cl. Metallisch grün- glänzendes Krystallpulver, in kaltem Wasser sehr wenig löslich, leichter in heißem mit grünblauer Farbe. Heiße Lösungen gestehen beim Erkalten gallertartig. — Anwendung : wie bei Malachitgrün; die Nüancen sind mehr blaugrün. 5. Methylgrün (B. \& Comp.), Pariser Grün, Lichtgrün , ist das Zinnchloriddoppelsalz des Chlormethyl-hexamethylpararosanilinchlorhydrats, C · [C 6 H 4 · N (CH 3 ) 2 ] 3 · CH 3 Cl · Cl + Zn Cl 2 . Grüne Krystalle, in Wasser leicht mit blaugrüner Farbe löslich. — Anwendung : Nur auf Seide im nicht angesäuerten Bastseifenbade. Hummel empfiehlt auch seine An- wendung auf Wolle nach vorherigem Beizen mit Schwefel, wie bei Malachit- grün. — Das Methylgrün verträgt keine Hitze; es muß daher bei 40 bis 50° R. gefärbt werden; die Nüance ist ohnehin bläulich, ein Erhitzen über 50° macht sie immer bläulicher, da ein Teil des Farbstoffes sich dann zer- setzt in Chlormethyl und Methylviolett. Da das Methylgrün zudem nicht billig ist, ist seine Verwendbarkeit eine beschränkte. 6. Jodgrün, Nachtgrün , ist das Zinkchloriddoppelsalz des Chlor- methyl-hexamethylrosanilinchlorhydrats; die Formel unterscheidet sich von der vorigen durch ein Mehr von CH 2 . Dunkelgrüne harte Stücke, in Wasser leicht mit blaugrüner Farbe löslich. Färbt Seide im Bastseifenbade grün. — Anwendung : wie bei Methylgrün. 7. Aldehydgrün, Anilingrün . Zusammensetzung nicht genau be- kannt. Amorphes grünes Pulver, in Wasser unlöslich, in Alkohol wenig löslich; leicht löslich in einem Gemisch von Alkohol, Wasser und Schwefel- säure. Sehr wenig haltbar. Hummel empfiehlt daher, sich das Aldehydgrün zum jedesmaligen Gebrauch selbst zu bereiten. Man löst zu diesem Zweck Fuchsin in starker Schwefelsäure auf, und erwärmt dieselbe mit Aldehyd. Es resultiert eine blaue Lösung, welche in eine kochende Lösung vom Natrium- thiosulfat gegossen wird. Die so gewonnene Lösung von Aldehydgrün muß filtriert und sofort verwendet werden. Färbt Wolle und besonders Seide direkt grün. b) Schwach saure grüne Farbstoffe . Die beiden hierher gehörenden Farbstoffe gehören der Klasse der Phta- leïne an. 8. Coeruleïn Dieser Name ist sehr unglücklich gewählt, denn er bedeutet verdeutscht Blau, nicht aber Grün. Richtiger wäre wohl, die völlig falsche Bezeichnung Coeru- leïn gänzlich aufzugeben. Ich schlage vor, diesen Farbstoff mit Viridin zu be- zeichnen. Allerdings bezeichnete man bisher mit dem Namen Viridin das sogen. Alkaligrün , das Natronsalz der Diphenyldiamidotriphenylcarbinolsulfosäure. Die- ses befindet sich jedoch nicht mehr im Handel; eine Verwechselung ist daher ausge- schlossen. (Bad. Anilin- u. Sodaf.; M. L. \& Br.; B. \& Comp.), Alizaringrün, Anthracengrün Alizaringrün und Anthracengrün bezeichnen wenigstens den Farbstoff als einen grünen; sie sind jedoch geeignet, den Farbstoff als einen Anthracenfarbstoff anzusprechen, was keineswegs der Fall ist, obgleich es in seinem Verhalten gegen Beizen sich ganz wie ein solcher verhält. , C 20 H 8 O 6 , wird durch Erhitzen von 13* Galleïn mit konzentrierter Schwefelsäure auf 200° erhalten. Kommt als schwarze, in Wasser und Alkohol unlösliche Paste in den Handel, mit 10 bis 20 Prozent Trockensubstanz. — Anwendung : Um diesen unlöslichen Teig zum Grünfärben verwendbar zu machen, muß er mit Natriumbisulfit in Lösung gebracht werden. Reines Coeruleïn gibt damit eine farblose Lösung, welche beim Eingehen mit der Ware und darauffolgendes Erhitzen den Farbstoff auf die Faser niederschlägt. Es ist das eine Hydrosulfitküpe des Coeruleïns . Man kann auch den Teig mit Wasser verdünnen, Ammoniak in Ueberschuß und Zinkstaub zusetzen und dann erwärmen; es resultiert eine bräunlichrote Lösung, welche als die Zinkstaubküpe des Coeruleïns zu betrachten ist. Die mit dieser Küpe getränkte und gewundene Ware vergrünt beim Hängen an der Luft und zwar hier buchstäblich: man erhält dunkelolivgrüne Töne. Wir sehen hieraus, daß das Coeruleïn sich genau wie der Indigo verhält, d. h. es muß zuvor in ein Reduktionsprodukt übergeführt werden, welches im reinen Zustande farblos ist, und daher, entsprechend dem Indigweiß, sehr wohl Coeruleïnweiß oder Viridinweiß genannt werden könnte. Aus diesem Coeruleïnweiß wird durch den Sauerstoff der Luft das Grün wieder- hergestellt. Das Färben mit Coeruleïn gehört also in das Gebiet der Küpenfärberei . Es darf deshalb auch nicht Wunder nehmen, wenn Grison La teinture au XIX siècle. empfiehlt, Wolle mit Kaliumdichromat zu beizen. Auf Wolle eignet sich die Sulfitküpe mehr, auf Baumwolle dagegen die Zinkstaubküpe. Man erhält dunkle grüne Töne, welche sich durch Anwendung verschiedener Fixierungsmittel in Bläulichgrün, Oliv und Schwarzgrün modifizieren lassen. — Kupfergefäße sind zu vermeiden. 9. Coeruleïn S ist die Bisulfitverbindung des Coeruleïns ; es kommt als schwarzes Pulver in den Handel, welches in kaltem Wasser wenig, leichter in kochendem mit schmutzig grünbrauner Farbe löslich ist. — An- wendung : Auf Wolle Beizen mit 2 Prozent chromsaurem Kali oder (nach Kertész ) mit 2 Prozent chromsaurem Kali und 4 Prozent Weinstein, und Ausfärben in frischem Bade, welches die Lösung des Farb- stoffes enthält; man treibt langsam bis zum Kochen und erhält darin eine halbe Stunde. Je nach der Gewichtsmenge des verwendeten Coeruleïn S erhält man graugrüne, olivgrüne bis schwarzgrüne Töne. Mit Thonerde- beizen erhält man bläulich graugrüne bis blaugrüne Nüancen, mit Eisenbeize olivgrüne bis schwarzolive Färbungen. Auf Baumwolle wird mit essigsaurer Thonerde gebeizt, verhängt, im Kreidebade fixiert und dann in einer ein- fachen Lösung von Coeruleïn S ausgefärbt; man geht bei niedriger Tem- peratur ein und steigert dieselbe langsam bis zum Sieden. Statt essig- saurer Thonerde kann auch mit essigsaurem Chrom, Zinnchlorid oder mit Eisenvitriol und Weinstein gebeizt werden. — Zum Nüancieren können Chrysolin, Gelb seifenecht, Alizarinorange, Alizarinblau und Gallein ange- wendet werden. c) Stark saure grüne Farbstoffe . I. Triphenylmethanfarbstoffe. 10. Säuregrün (B. \& Comp.), Lichtgrün SF gelblich (Bad. Anil.- und Sodaf.), Säuregrün SOF , Lichtgrün S , ist das Natriumsalz der Diäthyldibenzyldiamidotriphenylcarbinoltrisulfosäure, C 37 H 35 N 2 O 10 S 3 Na 3 . Hellgrünes, mattes, in Wasser mit grüner Farbe lösliches Pulver. Färbt Wolle und Seide in saurem Bade grün. Das Säuregrün besitzt nur ge- ringe Deckkraft und gibt nicht so intensive Färbungen wie die neutralen grünen Farbstoffe; dagegen schmutzt es nicht ab, und ist auch ziemlich walk- echt; ferner eignet es sich vortrefflich zum Kombinieren mit andern sauren Farben, wie Orange II , Alkaliblau, Säureviolett und Säurefuchsin. — Anwendung : Auf Wolle in schwefelsaurem Bade ohne oder mit Zusatz von Glaubersalz. Auf Seide färbt man im schwach mit Schwefel- säure angesäuerten Bastseifenbade. Auf Baumwolle wird es nicht ange- wendet. Kupfergefäße sind zu vermeiden. Das wirkliche echte, saure Säuregrün ist ein verhältnismäßig teurer Farbstoff. Der Käufer wird nicht selten Malachitgrün dafür erhalten; es empfiehlt sich daher beim Einkauf von Säuregrün eine Prüfung . Der Farbstoff wird in Wasser gelöst und zur klaren Lösung etwas verdünnte Aetznatronlauge gefügt; tritt Entfärbung und eine schmutzig violette Trübung ein, so haben wir es mit Säuregrün zu thun; entfärbt sich dieselbe unter Bildung eines blaßgrünen Niederschlages, so ist der Farbstoff Malachitgrün. Auch Gemische beider kommen als Säure- grün in den Handel. In diesen weist man das Malachitgrün auf folgende Weise nach: man löst in Wasser und fügt Natronlauge hinzu, wie oben. Ist die Trübung oder der Niederschlag so gemischtfarbig, daß man daraus einen Schluß nicht ziehen kann, so läßt man absetzen, zieht die klare oder trübe Lösung vom Bodensatz ab und löst diesen in Aether. Fügen wir von dieser Aetherlösung einige Tropfen in konzentrierte Essigsäure, so färbt sich diese bei Anwesenheit von Malachitgrün grün; bei reinem Säuregrün tritt eine solche Grünfärbung nicht ein. — Außerdem gibt eine Pikrinsäurelösung in reinem Säuregrün keine Fällung oder Trübung; Malachitgrün hingegen wird dadurch gefällt. 11. Guineagrün B ist ein dem vorigen sehr nahe stehender Farb- stoff und kommt als dunkelgrünes, glanzloses, in Wasser mit grüner Farbe lösliches Pulver in den Handel. Färbt Wolle und Seide in saurem Bade grün; die erhaltenen Töne sind dunkler als mit Säuregrün. — Anwendung : wie Säuregrün. — Prüfung : Zunächst mit Pikrinsäure; tritt Trübung und Fällung ein, so ist kein reines Guineagrün vorhanden. Zum Nachweis von Malachitgrün schüttelt man die klare Farbstofflösung mit Ammoniak und Aether, läßt absetzen und gibt von der oben befindlichen klaren Aetherschicht einige Tropfen in konzentrierte Essigsäure; bei Anwesenheit von Malachit- grün färbt sich die Essigsäure grün. 12. Echtgrün ist das Natronsalz der Tetramethyldibenzylpseudoros- anilindisulfosäure, C 37 H 37 N 3 O 7 S 2 Na 2 . Dunkelblaugrünes, krystallinisches Pulver, in Wasser mit grünblauer Farbe löslich. Färbt Wolle in saurem Bade grün. — Anwendung : wie Säuregrün. Helvetiagrün kommt im Handel nicht mehr vor. II. Nitrosofarbstoffe. Unter dieser Bezeichnung werden Farbstoffe verstanden, welche Ein- wirkungsprodukte von salpetriger Säure auf Phenole sind. Bis jetzt sind nur 2 Farbstoffe dieser Klasse bekannt. Das Charakteristische, wodurch sie sich von allen übrigen künstlichen und natürlichen Farbstoffen unterscheiden, ist ihre große Verwandtschaft zu Eisensalzen, mit welchen sie schön grüne, absolut echte und gegen die meisten Reagentien widerstandsfähige Lacke bilden. 13. Solidgrün (Bad. Anilin- und Sodaf.), Resorcingrün, Elsaß- grün, Chlorine, Dinitrosoresorcin , C 6 H 4 N 2 O 4 . Bildet sich durch Einwirkung von salpetriger Säure auf Resorcin. Graubraunes Pulver, in Wasser in der Kälte schwer, leichter beim Kochen löslich; löslich in ver- dünnter Natronlauge. Das Solidgrün vermag unter Umständen zu explodieren ; es muß an einem feuchten, nicht warmen Orte aufbe- wahrt werden. — Anwendung : Auf mit holzessigsaurem Eisen gebeizter Baumwolle gibt es ein sehr echtes dunkles Olivgrün. Dunklere Nüancen bis zum Schwarz erhält man durch Schmackieren der Baumwolle vor dem Eingehen in das Eisenbad; um tiefdunkle Töne zu gewinnen, läßt man vor dem Ausfärben die Baumwolle an der Luft vergrünen, geht wieder auf das alte Schmackbad zurück, passiert nochmals das Eisenbad, und färbt zuletzt in der Lösung des Farbstoffes. Durand und Huguenin empfehlen zur Erzielung eines reinen und vollen Schwarz ein Färbebad aus 2 Prozent Solidgrün und 2 Teilen Solidviolett in Teig. 14. Naphtolgrün B (Cassella) ist das Eisenoxydulnatronsalz der Nitroso-β-naphtolmonosulfosäure, C 20 H 10 N 2 O 10 S 2 Fe Na 2 . Dunkelgrünes Pulver, in Wasser mit gelbgrüner Farbe löslich. — Anwendung : Färbt Wolle aus saurem Bade bei Gegenwart von Eisensalzen grün. Ein Beizen mit Eisensalzen ist nicht nötig. Das Eisen braucht nur in löslicher Form (z. B. als Eisenvitriol) dem Färbebade zugefügt zu werden. Das Naphtol- grün wird mit Eisenvitriol, Glaubersalz und Schwefelsäure in einem Bade gefärbt. Es gibt ein Olivgrün von großer Lichtechtheit und ist auch gegen Walkseife ziemlich widerstandsfähig. Es läßt sich sowohl mit Schmack ab- dunkeln, als auch mit anderen sauren Farbstoffen kombinieren, z. B. mit Naphtolgelb S und mit Indigokarmin. Es kann auch auf Seide angewen- det werden; auf Baumwolle wird es nicht verwendet. Durch Kombinieren hergestellte grüne Farben werden erzeugt mit Indigo- karmin und Pikrinsäure, Naphtolgelb S und Echtgelb. IV. Blaue Farbstoffe. § 74. Neutrale blaue Farbstoffe. a) Azofarbstoffe. 1. Azoblau (B. \& Comp.) ist das Natronsalz der o -Tolidin-disazo-α- naphtolmonosulfosäure-α-naphtolmonosulfosäure, C 34 H 24 N 4 O 8 S 2 Na 2 . Blau- schwarzes Pulver, in Wasser mit violetter Farbe löslich. Färbt Baumwolle im Seifenbade rötlichblau bis grauviolett. — Das Azoblau war der erste blaue Benzidinfarbstoff, welcher pflanzliche Gespinnstfasern substantiv blau färbte. Die Anwendung dürfte heute eine nur noch beschränkte sein, da das Azoblau durch das nachfolgende so gut wie verdrängt ist. 2. Benzoazurin G ist das Natronsalz der Dianisidindisazo-α-naph- tolmonosulfosäure-α-naphtolmonosulfosäure, C 34 H 24 N 4 O 10 S 2 Na 2 . Blau- schwarzes Pulver, in Wasser mit blauvioletter Farbe löslich. — Anwendung : Nur auf Baumwolle. Man erhält durch Ausfärben im Seifenbade ein volles dunkles Blau von indigoähnlichem Ton mit einer schwach rötlichen Nüance. Das Benzoazurin G ist beständig gegen Seife und gegen Säuren, auch ziemlich lichtecht. Die Ausfärbungen zeigen die Eigentümlichkeit, daß sie beim Erwärmen rot werden; beim Erkalten kehrt jedoch die blaue Farbe wieder. Die Färbungen rußen nicht . Das Benzoazurin läßt sich mit Chrysamin ins Grünliche, mit Benzopurpurin ins Violette nüancieren. b) Triphenylmethanfarbstoffe. 3. Viktoriablau B , Viktoriablau BS , ist das Chlorhydrat des Phenyltetramethyltriamido-α-naphtyldiphenylcarbinols, C 33 H 32 N 3 Cl. Bronze- glänzende Krystallkörner, in kaltem Wasser schwer, in heißem leicht löslich; in Alkohol mit rein blauer Farbe leicht löslich. — Anwendung : Wolle und Seide werden direkt gefärbt; es ist jedoch notwendig, sowohl beim Lösen, wie beim Ausfärben einen Zusatz von Essigsäure zu machen, da das Viktoria- blau ziemlich empfindlich gegen kalkhaltiges Wasser ist. Die Färbungen mit Viktoriablau rußen schwach ab; Kertész schlägt deshalb vor, die Wolle zuvor mit 2 bis 3 Prozent Alaun anzusieden. Die „Deutsche Färberzeitung“ (1886, Nr. 21) empfiehlt einen Sud mit Glaubersalz und Schwefelsäure, ferner zum Erzielen von grünlichblauen Tönen Zusatz von Indigokarmin, zur Erzeugung von Himmelblau dagegen einen Sud von Glaubersalz, Alaun und Chlorzinn. Auf Seide färbt man in mit Essigsäure angesäuertem Bast- seifenbade. Baumwolle wird mit Tannin und Brechweinstein gebeizt; dem Färbebade wird auch hier etwas Essigsäure zugegeben. Knecht empfiehlt Beizen mit Türkischrotöl und essigsaurer Thonerde. Schultz und Julius geben an, daß Baumwolle sich auch direkt im essigsauren Bade färben lasse. Die mit Viktoriablau erzeugten Farben zeichnen sich durch große Lebhaftig- keit und große Widerstandsfähigkeit beim Walken aus, sind dagegen nicht be- sonders lichtecht. 4. Nachtblau ist das Chlorhydrat des Tolyltetramethyltriamido-α- naphtyldiphenylcarbinols, C 34 H 34 N 3 Cl. Violettes, bronzeglänzendes Pulver, in Wasser mit blauvioletter Farbe löslich. — Anwendung : Wie Viktoriablau. Der Farbstoff erfordert noch etwas mehr Essigsäurezusatz als der vorige. Die Färbungen sind etwas grünstichiger und zeichnen sich durch besondere Reinheit aus, sind aber nicht lichtecht. 5. Viktoriablau 4 R ist das Chlorhydrat des Phenylpentamethyl- triamido-α-naphtyldiphenylcarbinols, C 34 H 34 N 3 Cl. Es ist ein dem Nacht- blau isomerer Farbstoff in Form eines bronzeglänzenden Pulvers, welches sich in heißem Wasser mit blauvioletter Farbe löst. — Anwendung : Wie Viktoriablau B. Die Färbungen besitzen eine schwach violette Nüance. Durch Kombinieren von Viktoriablau B mit 4 R erhält man verschiedene Zwi- schentöne. 6. Diphenylaminblau ist ein der Rosanilingruppe angehöriger Farbstoff, dessen Zusammensetzung noch nicht mit Sicherheit ermittelt ist (wahrscheinlich das Chlorhydrat des Triphenylpararosanilins). Braunes Pulver, in Wasser unlöslich, in kaltem Alkohol wenig, leichter in heißem Alkohol löslich. — Anwendung : Nach Schultz und Julius wird das Diphenylaminblau nur zur Darstellung der verschiedenen Marken Alkaliblau und Bayrischblau gebraucht; Knecht gibt dagegen an, daß es ein schöneres Blau als das Anilinblau liefern soll. Nach Kertész sollen die Färbungen mit Diphenylaminblau auch bei Gaslicht ein reines Blau zeigen. 7. Anilinblau spritlöslich, Rosanilinblau, Spritblau O (Bad. Anil. und Sodaf.), Gentianablau 6 B (Akt.-Ges. f. Anilinf.), Opalblau (Cassella), Feinblau, Alkoholblau . Unter diesen und noch vielen andern Namen (Dahlia, Parmablau, Lyonerblau, Baseblau, Humboldt- blau, Enzianblau, Anilinblau B, 2 B, 3 B, 4 B, 5 B, Bleu de nuit, Bleu lumière, Bleu impérial ) kommen Farbstoffe in den Handel, welche die salz- sauren, schwefelsauren oder essigsauren Salze sowohl des Triphenylrosanilins wie des Triphenylpararosanilins oder Gemische dieser Salze sind. Daraus erklärt sich die große Anzahl von Handelsmarken und der verschiedenen Be- nennungen. Das Anilinblau bildet sich durch Einwirkung von Anilin auf ein Gemisch von Rosanilin und Pararosanilin in Gegenwart von Essigsäure oder Benzoësäure. Aus der Verschiedenartigkeit dieses Gemisches der Ro- saniline und den Unterschieden, ob die Einwirkung in Gegenwart von Essig- säure oder Benzoësäure vor sich ging, entspringen die verschiedensten Nü- ancen vom grünstichigen Himmelblau bis fast zum Violett. Im Handel erscheint das salzsaure Salz als graugrünes, das schwefelsaure und essig- saure Salz als blauviolettes mattes Pulver. Anilinblau ist in kaltem Wasser völlig unlöslich, in kochendem auch nur in kleinen Mengen. In Alkohol löst sich das salzsaure und schwefelsaure Salz nur schwierig; das essigsaure dagegen leicht mit blauer Farbe. — Anwendung : Die schwere Löslichkeit des Anilinblaus steht einer allgemeinen Anwendung desselben im Wege. Der Farbstoff muß in dem 50 fachen Gewicht Alkohol gelöst werden und von dieser Lösung dem Färbebade portionenweis zugegeben werden. Am meisten gebraucht wird es für Seide ; man färbt in einem lauwarmen, mit Schwefel- säure angesäuerten Bastseifenbade unter allmählicher Steigerung bis zum Sieden. Wolle kann mit Schwefelsäure und Glaubersalz, auch mit Alaun angesotten und dann im Farbbade ausgefärbt werden. Kertész empfiehlt überdies noch einen Zusatz von Zinnchlorid zum Färbebad, oder noch besser ein vorheriges Ansieden der Wolle mit 5 Prozent Weinstein, 1 Prozent Zinnkomposition und 4 Prozent Alaun und Ausfärben im Farbstoffbade unter Zusetzen von 2 Prozent Schwefelsäure. Baumwolle soll zum Aus- färben mit Anilinblau zuvor mehrmals nacheinander abwechselnd durch ein Seifenbad und dann durch ein Bad von essigsaurer Thonerde passiert und schließlich im Färbebade, dem etwas essigsaure Thonerde zugegeben war, aus- gefärbt werden ( Knecht ). Aber auch durch Beizen mit Gerbsäure (ohne Brechweinstein) und Ausfärben in dem mit Alaun versetzten Färbebade kann das Anilinblau auf Baumwolle fixiert werden. — Trotzdem der Farbstoff seiner Schwerlöslichkeit wegen nicht selten ungleich angeht, wird er auf Wollen- garn mit Vorliebe seiner großen Walkechtheit wegen verwendet. c) Oxazinfarbstoffe. 8. Neublau (Cassella), Baumwollblau R (Bad. Anil.- u. Sodaf.), Echtblau 2 B für Baumwolle, Echtblau R für Baumwolle in Krystallen (Akt.-Ges. f. Anilinf.); Naphtylenblau R in Krystallen (B. \& Comp. ), ist das Chlorid des Dimethylphenylammonium-β-naphtoxazins, C 18 H 15 N 2 OCl. Dunkelviolettes, bronzeglänzendes Pulver, in Wasser mit blauvioletter Farbe leicht löslich. — Anwendung : Nur für Baumwolle. Bei der Handhabung vermeide man thunlichst ein Einatmen des feinen Farb- stoffstaubes! Man beizt die Baumwolle nach dem Tannin-Brechweinstein- verfahren und färbt in einem neutralen oder ganz schwach mit Salzsäure angesäuerten Farbstoffbade aus. Man erhält so tiefe indigoblaue Töne von ziemlich großer Lichtechtheit. Neublau kann auch zum Uebersetzen von mit Indigo angeblauter Ware benutzt werden. 9. Muscarin ist das Chlorid des Dimethylphenyl- p -ammonium-β- oxy-naphtoxazins, C 18 H 15 N 2 O 2 Cl. Braunviolettes Pulver, in kaltem Wasser schwer, in kochendem leicht mit blauvioletter Farbe löslich. — Anwendung : Nur auf Baumwolle, wie Neublau; gibt hellere Töne wie voriges. 10. Nilblau ist das schwefelsaure Salz des Dimethylphenyl- p -am- monium-α-amidonaphtoxazins, (C 18 H 16 N 3 O) 2 SO 4 . Grünes, bronzeglänzen- des Krystallpulver, in kaltem Wasser schwer, in warmem leicht mit blauer Farbe löslich. — Anwendung : Auf Seide und Wolle direkt wie bei Fuchsin; auf Baumwolle nach dem Brechweinsteinverfahren. d) Thioninfarbstoffe. 11. Methylenblau (Bad. Anil.- und Sodaf.), Aethylenblau (Oehler), Methylenblau DBB (M. L. \& Br.), Phenylenblau , ist das Chlorhydrat oder das Zinkchlorid-Doppelsalz des Tetramethylthionins, C 16 H 18 N 3 SCl. Dunkelblaues, in Wasser mit blauer Farbe leicht lösliches Pulver. — Anwendung : Fast nur auf Baumwolle. Die Baumwolle wird mit Tannin und Brechweinstein gebeizt und dann in einem neuen Bade entweder ohne allen Zusatz, oder mit Zusatz von Soda ( Knecht ) oder von Essigsäure ( Kertész ) ausgefärbt. Das Methylenblau gibt auf Baumwolle rein grünblane Töne, welche wegen ihrer großen Seifenechtheit sehr beliebt sind. Auch die Licht- echtheit des Methylenblaus ist ziemlich bedeutend, sobald dasselbe für sich verwendet wird , während es im Gemenge mit andern Farbstoffen seine Lichtechtheit nicht bewahrt. Dunklere und reinblaue Nüancen erhält man durch Beizen mit essigsaurer Thonerde, Verhängen, im Kreidebad fixie- ren, durch ein Schmackbad passieren und schließlich Ausfärben in einer Farb- stofflösung. Indigoblaue Töne erhält man durch Beizen mit Tannin, Pas- sieren durch ein Bad von essigsaurem Eisen, und Ausfärben unter Erhitzen. — Prüfung : Im Handel kommen als Methylenblau auch Farbstoffgemische vor, welche oft nur den vierten Teil an Methylenblau besitzen; auch unter den Namen Marineblau, Echtblau, Indigoblau u. dergl. m. kommen Mi- schungen von Methylenblau mit Methylviolett, oder mit Methylviolett und Malachitgrün in den Handel. Zum Nachweis dieser Beimischungen gibt Storck folgendes Verfahren an: Zur Farbstofflösung wird etwas Zinnsalz- Salzsäurelösung gegeben und gut umgeschüttelt, so lange bis die Lösung voll- ständig farblos ist. Dann wird essigsaures Natron zugegeben, bis sich ein Niederschlag zeigt. Ist die Farbe desselben oder die der Flüssigkeit selber rein weiß, so war reines Methylenblau vorhanden; wird die Farbe violett, so war Methylviolett allein, wird sie blau, so war Methylviolett und Malachit- grün vorhanden. e) Safraninfarbstoffe. 12. Neutralblau ist Phenyldimethyl- p -amidophenonaphtazoniumchlorid, C 24 H 20 N 3 Cl. Braunes, glanzloses Pulver, in Wasser mit violetter Farbe leicht löslich. — Anwendung : Auf Wolle und Seide fast gar nicht. Auf Baumwolle wie Safranin (S. 165). Die Nüance ist ein mattes, nicht licht- echtes Blau; in Kombinationen mit andern Farben soll die Lichtechtheit zu- nehmen. 13. Basler Blau ist Tolyldimethylamidophenotolylimidonaphtazonium- chlorid, C 32 H 29 N 4 Cl. Braunes Krystallpulver, in Wasser mit blauvioletter Farbe löslich. — Anwendung : Färbt mit Tannin und Brechweinstein ge- beizte Baumwolle blau. f) Resorcinfarbstoffe. 14. Resorcinblau, Fluorescierendes Blau , ein Farbstoff von bislang noch unbekannter Konstitution von der Formel C 18 H 7 Br 6 N 3 O 5 . Das Handelsprodukt bildet eine braunrote, mit grünen Kryställchen erfüllte Lösung, welche sich in Wasser beim Kochen mit rotvioletter Farbe und grüner Fluorescenz löst. — Anwendung : Fast nur auf Seide , welche dadurch blau mit bräunlichroter Fluorescenz gefärbt wird; diese erscheint bei Gaslicht mehr rot. Durch Kombination erhält man schöne Nüancen, welche gleich- falls Fluorescenz zeigen. Man färbt aus einem mit Essigsäure gebrochenen Bastseifenbade. Auch auf Wolle läßt sich das Resorcinblau verwenden, und zwar direkt aus neutralem Bade; auch Wolle zeigt eine bräunliche Fluores- cenz; die Färbungen mit Resorcinblau sollen gegen Licht, Seife und Säuren sehr echt sein. § 75. Schwach saure blaue Farbstoffe. a) Anthracenfarbstoffe. 1. Alizarinblau (Bad. Anilin.- u. Sodaf., M. L. \& Br.), Alizarin- blau R (B. \& Comp.), Alizarinblau G W. , Anthracenblau , ist Dioxyanthrachinonchinolin, C 17 H 9 NO 4 . Dunkelblaue, glänzende Kryställchen oder ein Teig mit 10 Prozent Trockensubstanz, unlöslich in Wasser, wenig löslich in kochendem Alkohol mit blauer Farbe. — Anwendung : Wolle wird mit 2 bis 3 Prozent doppelt chromsaurem Kali mit oder ohne Hinzufügung von Weinstein angesotten, über Nacht darin belassen, am nächsten Morgen gespült und ins Färbebad gegangen; Kupfergefäße sind zu vermei- den ! Das Färbebad bereitet man sich aus warmem Wasser mit dem nöti- gen Alizarinblau unter Zusatz von etwas Essigsäure. Der Farbstoff geht nur bei länger anhaltendem Kochen an die Faser; man läßt 1½ bis 2 Stun- den unter fleißigem Hantieren und Umziehen kochen. Will man die Dauer des Kochens abkürzen, so fügt man dem Färbebade von vornherein etwas Natriumbisulfit hinzu, um das Alizarinblau in die lösliche Form überzu- führen, und erwärmt dann allmählich bis zum Kochen, wobei das Natrium- bisulfit zerfällt und das Alizarinblau in seiner unlöslichen Form an die Wolle geht. Endlich kann man nach Art der Küpenfärberei mittels Zink- staub und Soda reduzieren (Alizarinblau-Zinkstaub-Küpe), in dieser Küpe färben und in der Luft vergrünen lassen. Alle drei Methoden liefern gleich günstige Resultate. Wegen seiner großen Walkechtheit eignet es sich vortreff- lich zum Färben loser Wolle, welche mit weißer Wolle zusammen verspon- nen oder verwebt werden soll. — Baumwolle wird wiederholt in Türkisch- rotöl gebeizt und getrocknet, dann auf frischem Bade mit salpetersaurem Chrom behandelt, über Nacht darin liegen gelassen; am andern Morgen, spülen, auswinden und in das Färbebad eingehen, welches man sich aus kaltem Wasser, Alizarinblau und Nakriumbisulfit bereitet. Allmähliches Er- wärmen bis zum Kochen, bei welchem man es ½ Stunde erhält. Man er- zielt so lebhaft indigoblaue Töne von ganz besonderer Echtheit gegen Licht, Seife, Walke ꝛc. Die Färbungen mit Alizarinblau haben dem Indigo gegen- über den großen Vorteil, nicht abzuschmutzen. Das Alizarinblau wird des- halb von vielen dem Indigo an Schönheit und Echtheit gleichgestellt, von manchen sogar dem Indigo vorgezogen. Zweifellos zählt das Alizarin- blau zu den echtesten und besten Farbstoffen ! — Bei Abänderung der Vorbeizen erhält man andere Nüancen; wendet man statt Kaliumdichro- mat Alaun an, so erzielt man ein schönes glänzendes Indigoblau mit rotem Schimmer; am besten verwendet man 5 Prozent Alaun und 5 Prozent Weinstein. Wendet man statt des Alauns Zinnchlorür an, so erhält man ein rötliches Purpurblau; dieses ist jedoch weniger zu empfehlen, da die Färbung meist ungleichmäßig und stumpf ausfällt. Auf Baumwolle erhält man ähnliche Nüancen, wenn man nach der Behandlung mit Türkischrotöl statt mit essigsaurem Chrom mit essigsaurer Thonerde oder mit Zinnchlorür behandelt. — Zum Nüancieren von Alizarinblau ist das Coeruleïn, wel- ches genau dieselbe Behandlung erfordert, vorzüglich geeignet, wodurch man äußerst echte blaugrüne Töne erhält; andererseits kann man durch Alizarin- zusatz rötlichere Nüancen erzielen. — Seide wird durch Beizen mit essig- saurer Thonerde oder essigsaurem Eisen zum Färben vorbereitet und nach dem Spülen in besonderem Bade mit Alizarinblau unter Natriumbisulfitzu- satz ausgefärbt. Zum Schluß Schönen durch Kochen in einem schwachen Seifenbade. — Kalkhaltiges Wasser ist bei Verwendung von Alizarinblau unbedingt zu vermeiden, da letzteres mit dem Kalk eine unlösliche Ver- bindung eingeht. 2. Alizarinblau S ist die Natriumbisulfitverbindung des Alizarin- blaus, C 17 H 11 NO 10 S 2 Na 2 . Chokoladebraunes Pulver, in Wasser leicht löslich mit gelbbrauner Farbe. Die Anwendung ist eine sehr einfache. Wolle wird wie bei Alizarinblau mit Kaliumdichromat oder Alaun und Wein- stein gebeizt und in besonderem Bade in einer einfachen wässerigen Lösung von Alizarinblau S ausgefärbt. Für die Färbung der Baumwolle mit Ali- zarin S fehlt es zur Zeit noch an einer empfehlenswerten Methode. Die mit Alizarinblau S erzielten Nüancen sind ganz die gleichen wie bei Aliza- rinblau. b) Indophenole. 3. Indophenolblau N ( Durand und Huguenin ), α- Naphtol- blau (Cassella) , ein Produkt der Einwirkung von Nitrosodimethylanilin auf α-Naphtol, C 18 H 16 N 2 O, ist ein dunkelbraunes, in Wasser unlösliches, in Alkohol mit blauer Farbe lösliches Pulver. — Anwendung : Um Indophenol für Färbereizwecke verwendbar zu machen, muß es, ganz wie Indigo, durch Reduktionsmittel in Indophenolweiß übergeführt werden. In dieser Indo- phenolküpe wird ausgefärbt. Verhängen an der Luft zum Vergrünen ge- nügt hier nicht; es bedarf einer kräftigeren Oxydation in einem Bade von Kaliumdichromat. Die damit erzielten Farben sind den mit Indigoküpen erhaltenen sehr ähnlich, auch sehr lichtecht; aber schon die geringste Spur Säure verwandelt das Indigoblau in Braun. Diese fatale Reaktion macht das Indophenol zum Färben geradezu unverwendbar; größere Verwendung findet es im Woll- und Baumwolldruck. Soll indessen mit Indophenol wirklich gefärbt werden, so fertigt man sich vor allem eine Lösung von Indo- phenolweiß , C 18 H 18 N 2 O, wozu Köchlin folgende Vorschrift gibt: 2 kg Indophenol, 10 l Essigsäure 6° Bé., 10 l essigsaure Zinnlösung 20° Bé. gelinde erwärmen, bis Entfärbung und Lösung eintritt. Wolle wird hierin direkt ausgefärbt, ausgewunden, gespült, und in einem schwachen Bade von Kaliumdichromat die Farbe entwickelt. Baumwolle wird zuvor mit Türkisch- rotöl präpariert. § 76. Stark saure blaue Farbstoffe. a) Triphenylmethanfarbstoffe. 1. Alkaliblau (Cassella), Alkaliblau extra I (Akt.-Ges. f. Anilinf., M. L. \& B.); Lösliches Anilinblau, Nicholsonblau, Blen soluble, ist ein Gemisch der Natronsalze der Triphenylrosanilin- und der Triphenyl- pararosanilin-monosulfosäure; also z. B. C 37 H 28 N 3 SO 3 Na. Je nach seiner Zusammensetzung ist es ein hell- oder dunkelblaues Pulver, in kaltem Wasser sehr schwer, in heißem Wasser leicht löslich. Aus denselben Gründen wie beim spritlöslichen Anilinblau finden sich hier eine Unzahl von reinblauen bis rotblauen Nüancen, welche unter den verschiedensten Phantasienamen auf den Markt kommen. Für Baumwolle ist es nicht verwendbar. — Anwen- dung : Die Färbemethode weicht von der üblichen etwas ab. Wolle wird in einem Sodabade unter Zusatz von Borax und der nötigen Farbstoff- menge gekocht (5 Prozent Soda, 5 Prozent Borax), gewaschen, und dann in einem mit Schwefelsäure angesäuerten Entwickelungsbade bei 50° R. bis zur vollen Entwickelung der Farbe behandelt. Das Färbebad (also das erstere) darf nur ganz schwach alkalisch sein, so daß unter Umständen die Soda ganz in Wegfall kommen kann, und ein bloßer Zusatz von Borax oder von Natronwasserglas oder Salmiakgeist schon genügt. Dem schwefelsauren Bade kann nach Kertész vorteilhaft etwas Zinkvitriol zugesetzt werden. Keinen- falls darf das schwefelsaure Bad höher als 60° R. erhitzt werden, andern- falls erhält man minder lebhafte Farben. — Wenn es sich um Erzielung einer bestimmten Nüance nach Probe handelt, muß aus dem Färbebade be- ständig Probe gefärbt und im sauren Bade entwickelt werden, um den Zu- satz von Farbstoff und die Dauer des Färbens regeln zu können. Mit Alkaliblau erhält man schöne lebhafte ultramarinblauähnliche Töne; es eignet sich überdies prächtig zum Nüancieren, z. B. mit Orange II oder Croceïn- scharlach. In diesem Falle färbt man das Alkaliblau im ersten Bade und setzt die andern Farbstoffe dem Entwickelungsbade zu. — Seide wird ganz wie Wolle gefärbt. 2. Alkaliblau D ist wahrscheinlich das Natronsalz der Diphenylamin- blaumonosulfosäure. Dunkelblaues Pulver, in kaltem Wasser unlöslich, in kochendem leicht mit blauer Farbe löslich. — Anwendung : wie Alkaliblau. 3. Bayrischblau D S F ist das Natronsalz der Diphenylaminblaudi- mit etwas -Trisulfosäure. Indigoblaues Pulver, in Wasser leicht löslich. — Anwendung : Färbt Seide im gebrochenen Seifenbade blau; gibt rein blaue Töne. 4. Bayrischblau D B F , das Natronsalz der Diphenylaminblautri- sulfosäure, ist ein blaues, nicht glänzendes, in Wasser mit blauer Farbe lösliches Pulver. — Anwendung : Baumwolle wird mit Tannin und Brech- weinstein gebeizt und in einer Farbstofflösung ausgefärbt; Seide wird im gebrochenen Seifenbade ausgefärbt. 5. Methylblau (Cassella), Methylwasserblau (Bad. Anilin- und Sodaf.), Brillantbaumwollblau grünlich (D. \& Comp.), Methyl- blau M B I ( Oehler ), ist das Natronsalz der Triphenylpararosanilintrisulfo- säure, C 37 H 26 N 3 S 3 O 9 Na 3 , und dem vorigen isomer. Dunkelblaues Pulver, in Wasser mit blauer Farbe löslich. — Anwendung : Nur auf Baumwolle, welche mit Tannin und Brechweinstein vorgebeizt ist. Dem Färbebad wird etwas Alaun beigegeben und bei 50 bis 55° R. ausgefärbt. Das Methyl- blau gibt besonders reine grünlichblaue Töne, welche auch bei Gaslicht rein blau erscheinen. 6. Wasserblau 6 B extra, Chinablau (Akt.-Ges. für Anilinf.), Wasserblau O (Bad. Anilin- und Sodaf.), Opalblau (Cassella), Baumwollenblau, Bleu marine, sind die Natron-, Kalk- oder Am- moniaksalze der Di- und Trisulfosäuren des Triphenylpararosanilins, resp. Gemenge derselben, z. B. C 37 H 26 N 3 O 9 S 3 Na 3 . Durch die Verschiedenheit der Zusammensetzung begründet, kommen hier wieder eine große Anzahl von Nüancen vor, vom hellen Grünlichblau bis zum dunklen Indigoblau, welche durch allerlei Namen (Wasserblau 00, 0, I , II , III , IV , Papierblau, Guernseyblau, Vollblau, Reinblau, Lichtblau, Nachtblau, Marine-, Lila-, Rotblau, Seidenblau) unterschieden werden. — Je nach Zusammensetzung ein blaues glänzendes Pulver oder Stücke, welche sich in Wasser mit blauer Farbe lösen. — Anwendung : Auf Seide wie bei Anilinblausprit löslich; auf Baumwolle wie bei Methylblau. Gibt schön grünblaue Nüancen. b) Induline und Nigrosine. 7. Indulin (B. \& Comp ., Bad. Anilin- und Sodaf.), Nigrosine wasserlöslich, Echtblau R (Akt.-Ges. für Anilinf.), Echtblau B , Echtblau grünlich, Indulin 3 B , Indulin 6 B , sind die Natronsalze der Sulfosäuren der verschiedenen spritlöslichen Induline. Ueber die Konstitution ist noch verhältnismäßig wenig bekannt. — Eine andere Art wasserlöslicher Induline ist im Jahr 1886 der Firma Dahl \& Co. patentiert werden. Während die bei Anwendung von Anilin erhaltenen Induline sprit- löslich sind und, um wasserlöslich zu sein, in die Sulfosäuren übergeführt werden müssen, erhält man beim Zusammenschmelzen von Diamidoderivaten des Benzols mit Amidoazoverbindungen direkt wasserlösliche basische Farb- stoffe der Indulingruppe. Die Darstellung der Farbstoffe geschieht durch mehrstündige Einwirkung von Diaminen des Benzols, Toluols oder Xylols auf Amidoazobenzol, Amidoazotoluol, Amidoazoxylol, gemischte Amidoazo- verbindungen des Benzols, Toluols oder Xylols, Dimethyl-, Diäthyl-, Phenyl- und Tolylamidoazoverbindungen der genannten Kohlenwasserstoffe und die unter dem Namen Tropäolin D und Tropäolin 00 bekannten Sulfosäuren des Dimethyl- und Phenylamidoazobenzols, sowie Chrysoidin und Bismarck- braun bei einer Temperatur von ca. 180°. Die erhaltenen Farbstoffbasen werden in Salze übergeführt. Technisch wichtig sind besonders die durch die Einwirkung der Paradi- amine auf salzsaures Amidoazobenzol oder Amidoazotoluol entstehenden Farbstoffe, da sie ganz wesentlich lichtechter sind und blauere Nüancen liefern, als die mit Metadiaminen dargestellten. Behandelt man die auf Woll-, Baumwoll- oder Leinenfaser mittels dieser Farbstoffe erzielten Farben in der Wärme mit Oxydationsmitteln, wie Kaliumbichromat, Kaliumchlorat, Ferridcyankalium, Eisenchlorid, so nehmen sie einen dunkleren Ton an und werden waschecht. Ueber die Dahl schen wasserlöslichen Induline ist noch verhältnismäßig wenig bekannt. Bekannter sind die obigen Natronsalze der Sulfosäuren, sowie ihre Verwendung, obgleich sich auch hier die Ansichten noch keineswegs geklärt haben. Die Nigrosine sind chemische Körper, welche den Indulinen nahe stehen, haben aber im Verhältnis zu den Indulinen eine mehr grau- violette Farbe. Auch die Induline selbst zeigen alle Nüancen vom Blau- violett bis zum Blau, und färben Wolle dementsprechend. Bei zweckent- sprechender Wahl erzielt man echt indigoblaue Töne. — Anwendung : Auf Wolle färbt man im schwefelsauren Bade ohne oder mit Zusatz von Glauber- salz. In der „Deutschen Färberzeitung“ wird empfohlen, Indulin wie Alkali- blau zu färben, also dem Färbebade Borax zuzusetzen und nach einstündigem Kochen die Farbe in einem schwefelsauren Bade zu entwickeln. Um dunklere Farben zu erzielen, empfiehlt sich ein Zusatz von Orange II , zur Erzielung röterer Töne Nüancieren mit Säurefuchsin; das von Einigen beobachtete ungleichmäßige Angehen der Induline soll sich durch eine unmittelbar vorher- gehende Behandlung in einem schwachen Chlorkalkbade und Passieren durch ein schwaches Salzsäurebad vermeiden lassen. — Die Induline sind nebst dem Alizarinblau die echtesten blauen Farben, welche exi- stieren . Ihre Anwendung kann daher auf das dringendste empfohlen wer- den. Auf Baumwolle werden sie zum Färben nicht verwendet, wohl aber zum Baumwollendruck. Die Induline kommen unter den verschiedensten Namen in den Handel: Indigoschwarz, Coupiers Blau, Blackley-Blau, Blauschwarz, Echtblau, Blau B , Blau J. Nach Seitz Deutsche Färberzeitung 1886, Nr. 20. soll man den Farbstoff auch auf Baumwolle mittels Tannin fixieren können. Die In- duline kommen auch mit anderen Farbstoffen gemischt in den Handel, z. B. mit Wasserblau gemischt als Marineblau , mit Lävulinsäure gemischt als Lävulinblau , in Acetinen gelöst als Acetinblau . Die spritlöslichen Induline haben für die Färbereitechnik gar kein Interesse, um so mehr dafür im Zeugdruck. § 77. Künstlicher Indigo. Der hohe Preis des Indigos einerseits und das unermüdliche Streben der Wissenschaft andererseits haben nach langen vergeblichen Versuchen auch zur Darstellung des Indigos auf künstlichem Wege geführt. Adolf Bayer in München hat den Indigo oder vielmehr das Indigoblau 1880 synthetisch dargestellt, und dasselbe als einen Abkömmling der Orthonitrophenylpropiol- säure erkannt. Diese epochemachende Entdeckung wurde hoffnungsvoll begrüßt; doch haben sich diese Hoffnungen bisher nicht zu erfüllen vermocht, da der Preis des künstlichen Indigos ein viel zu hoher ist, um dem natürlichen Konkurrenz machen zu können. Der künstliche Indigo kommt auch nicht als solcher in den Handel, sondern nur die Orthonitrophenylpropiolsäure C 6 H 4 · NO 2 · C · C · COOH , welche als Ausgangspunkt zur Erzeugung von Indigblau auf der Faser dient. Diese Säure, kurzweg Propiolsäure genannt, ist eine gelblichweiße aus Krystallblättchen bestehende, in Wasser lösliche Paste. Fügt man zur wässerigen Lösung Traubenzucker unter Erwärmen hinzu, so wird die Pro- piolsäure zu Indigblau reduziert. In der alkalischen Lösung enthaltene Gewebe würden indigblau gefärbt werden. Die so erhaltene Färbung ist rein schwarzblau, ohne den dem Indigo charakteristischen rötlichen Reflex. — Anwendung : Zunächst in sehr beschränktem Umfange zur Erzeugung von Blaudruck; zum Färben eignet es sich seines hohen Preises wegen vorläufig gar nicht. V. Violette Farbstoffe . § 78. Neutrale violette Farbstoffe. a) Benzidin- und Tolidinfarbstoffe. 1. Congo-Corinth ist das Natriumsalz der Benzidin-disazo-naphtion- säure-α-naphtolmonosulfosäure, C 32 H 21 · N 5 O 7 S 2 Na 2 . Grünschwarzes Pulver, in Wasser mit fuchsinroter Farbe löslich. Färbt Baumwolle im Seifenbade braunviolett. Die Art der Anwendung ist die gleiche wie bei Congo (§ 68). 2. Azoblau ist das Natronsalz der o -Tolidin-disazo-α-naphtolmono- sulfosäure-α-naphtolmonosulfosäure, C 34 H 24 N 4 O 8 S 2 Na 2 . Blauschwarzes Pulver, in Wasser mit violetter Farbe löslich. Färbt Baumwolle im Seifen- bade grauviolett. Art der Anwendung wie bei Congo. Die Färbungen mit Azoblau sind ziemlich lichtecht und widerstehen auch der Einwirkung starker Säuren. 3. Congo-Corinth B ist das Natronsalz der o -Tolidin-disazo-naph- tionsäure-α-naphtolmonosulfosäure, C 34 H 25 N 5 O 7 S 2 Na 2 . Grünschwarzes Pulver, in Wasser mit fuchsinroter Farbe löslich. Anwendung und Nüancen wie bei Congo-Corinth. Beide Congo-Corinths lassen sich durch Kombinieren mit Congo zu Rötlichviolett und mit Benzoazurin zu Schwarzviolett nüan- cieren. 4. Rosazurin G ist das Natronsalz der o -Tolidin-disazo-methyl-β- naphtylaminmonosulfosäure, C 35 H 28 N 6 O 6 S 2 Na 2 . Rotbraunes Pulver, in Wasser mit kirschroter Farbe löslich. Färbt Baumwolle im Seifenbade bläulichrot. 5. Rosazurin B ist das Natronsalz der o -Tolidin-disazo-methyl-β- naphtylaminmonosulfosäure-methyl-β-naphtylaminmonosulfosäure, C 36 H 30 N 6 O 6 S 2 Na 2 . Braunes Pulver, in Wasser mit kirschroter Farbe löslich. Gibt bläulichere Nüancen als Rosazurin G. 6. Azoviolett ist das Natronsalz der Dianisidin-disazo-naphtionsäure- α-naphtolmonosulfosäure, C 34 H 25 N 5 O 9 S 2 Na 2 . Schwarzblaues Pulver, in Wasser mit rotvioletter Farbe löslich. Färbt Baumwolle im Seifenbade violett. 7. Heliotrop ist das Natronsalz der Dianisidin-disazo-methyl-β- naphtylaminsulfosäure-methyl-β-naphtylaminsulfosäure, C 36 H 30 N 6 O 8 S 2 Na 2 . Braunes Pulver, in Wasser mit fuchsinroter Farbe löslich. Färbt Baum- wolle im Seifenbade heliotrop. 8. Hessisch Violett ist das Natronsalz des Diamidostilbendisulfo- säure-disazo-α-naphtylamin-β-naphtols, C 34 H 23 N 5 O 7 S 2 Na 2 . Schwarzes Pulver, in Wasser mit rotvioletter Farbe löslich. Färbt Baumwolle im Seifenbade violett. 9. Rosazurin B B ist das Natronsalz der Benzidinsulfon-disazo-β- naphtylaminsulfosäure, C 32 H 20 N 6 O 8 S 3 Na 2 . Dunkelbraunes Pulver, in Wasser mit fuchsinroter Farbe löslich. Färbt Baumwolle im Seifenbade rotviolett. b) Triphenylmethanfarbstoffe. 10. Methylviolett B , Pariser Violett , ist das salzsaure Salz des Pentamethylpararosanilins, C 24 H 28 N 3 Cl. Dieser vielgebrauchte Farb- stoff wird durch Oxydation von Dimethylanilin mit Kupferchlorid erhalten. Er kommt in den Handel als Stücke oder als Pulver von grünem Metall- glanz, und ist in Wasser mit violetter Farbe leicht löslich. — Anwendung : Wolle und Seide werden direkt ohne Zusatz im neutralen Farbbade gefärbt. Die Verwandtschaft des Methylvioletts zu den tierischen Fasern ist eine sehr große; die Faser nimmt den Farbstoff begierig auf; man erhält so leicht unegale Färbungen. Es empfiehlt sich daher ein Zusatz von etwas Seife zum Färbebade (2 Prozent vom Gewicht der Ware). Für Wolle empfiehlt Kertész einen Zusatz von je 5 Prozent Bittersalz und Zinkvitriol vom Gewicht der Wolle, oder auch einen Zusatz von 10 Prozent Bittersalz und 2 Prozent Schwefelsäure; die Färbungen auf Wolle schmutzen leicht ab; Zusatz von Alaun zum Färbebade verhindert das Rußen allerdings, erzeugt aber stumpfe Farben; auf Seide empfiehlt er das Methylviolett in mit Weinsäure ange- säuertem Farbbade auszufärben und nachher mit Schwefelsäure zu avivieren. Baumwolle wird mit Tannin und Brechweinstein gebeizt und bei 35 bis 40° R. in neutralem Bade ausgefärbt. Knecht empfiehlt auch Präparieren mit Türkischrotöl und essigsaurer Thonerde. Viel gebraucht wird es in der Baumwollstückfärberei als Aufsatz auf in der Küpe angeblaute Stücke. Fernerweit wird es sehr viel verwendet in Mischung mit Viktoriagrün zum Hervorrufen indigoblauer Töne, und im Gemisch mit Methylenblau zur Er- zeugung von Marineblau. — Alle mit Methylviolett erhaltenen Töne sind sehr wenig lichtecht; gegen Seife sind sie etwas widerstandsfähiger, besonders die auf Baumwolle. 11. Krystallviolett (Bad. Anilin- und Sodaf.), Violett 6 B ( Monnet ), ist das salzsaure Salz des Hexamethylpararosanilins, C 25 H 30 N 3 Cl. Das wasserfreie Salz bildet Krystalle von grünem Metallglanz, das krystall- wasserhaltige bronzeglänzende Krystalle, welche sich in Wasser mit violetter Farbe lösen. — Anwendung : auf Wolle, Seide und Baumwolle wie das vorige. Die Färbungen mit Krystallviolett geben durchgehends blauere Töne als Methylviolett B. 12. Benzylviolett, Pariser Violett 6 B, Methylviolett 6 B , Methylviolett 6 B extra (Akt.-Ges. f. Anilinf.; Casella ; M. L. \& B.), Violett 5 B (B. \& Comp .), Violett 6 B (B. \& Comp .), ist das Chlorhydrat des Pentamethylbenzylpararosanilins, C 31 H 34 N 3 Cl. Es wird durch Benzylierung von Methylviolett B gebildet und kommt als metallisch braunglänzende Stücke oder als Pulver in den Handel. Die wässerige Lösung zeigt einen eigentümlichen scharfen Geruch. — Anwendung : wie Methylviolett B; Nüancen wie bei Krystallviolett. Beim Lösen von Benzylviolett empfehle ich die Lösung vor dem Gebrauch zu filtrieren, da man sonst leicht fleckige Färbungen erhält. Das Benzylviolett ist einer der gebräuchlichsten Teerfarbstoffe. 13. Hofmanns Violett, Jodviolett, Dahlia, Primula, Rotviolett 5 R extra (Bad. Anilin- und Sodafabr.), Violett 5 R (B. \& Comp .), Violett R ( Monnet ), ist nächst dem Mauveïn und dem Fuchsin einer der ältesten angewandten Teerfarbstoffe (vergl. § 3, S. 7). Es wird gebildet durch Einwirkung von Jodmethyl oder Chlormethyl auf Fuchsin und ist selten oder nie ein einheitliches Produkt, sondern stets ein Gemisch der Salze verschiedener Säuren mit verschiedenen Aethyl- oder Methylderivaten des Rosanilins oder des Pararosanilins oder beider. Eine von diesen Zu- sammensetzungen ist z. B. das Chlorhydrat des Triäthylrosanilins, C 26 H 32 N 3 Cl. Bei dieser Mannigfaltigkeit ist es wohl erklärlich, wenn dieser Farbstoff in verschiedenen Marken in den Handel kommt, und dem- entsprechend auch in seinen Eigenschaften große Unterschiede zeigt; es finden sich dort alle Schattierungen vom reinen Violett bis zum Violettrot. Die mehr violette Marke ist das eigentliche Hofmanns Violett, grünglänzende, in Wasser mit blauvioletter Farbe lösliche Stücke; die mehr rote Marke ist das Rotviolett 5 R extra, ein grünes krystallinisches Pulver, welches eine fuchsinrote Lösung gibt. — Anwendung : Das echte Hofmanns Violett färbt Wolle und Seide direkt, Baumwolle nach vorherigem Beizen mit Tannin und Brechweinstein oder auch nach Behandlung mit Türkischrotöl und essigsaurer Thonerde; die Anwendung ist jedoch durch das Methylviolett fast ganz in den Hintergrund gedrängt. — Die rote Marke wird nur für Wolle Ganswindt , Färberei. 14 verwendet, welche damit direkt in neutralem Bade, oder wie bei Methyl- violett B angegeben, bläulichrot gefärbt wird. 14. Aethylviolett ist das Chlorhydrat des Hexaäthylpararosanilins, C 31 H 42 N 3 Cl. Grünes krystallinisches Pulver, in Wasser mit veilchenblauer Farbe löslich. Färbt Wolle, Seide und mit Tannin und Brechweinstein gebeizte Baumwolle blauviolett. Anwendung : wie bei Methylviolett B. Die Nüancen werden etwas blauer als dort. Die Lichtechtheit ist die gleiche wie dort. 15. Reginaviolett, Reginapurpur, Phenylviolett, Violet impérial rouge, ist ein Gemisch von essigsauren Salzen des Mono- phenyl- resp. Mono- o -Tolylrosanilins und der entsprechenden Derivate des p -Rosanilins. Grünes Pulver, in Wasser mit rotvioletter Farbe löslich. Anwendung : Nur in der Wollenfärberei zur Erzielung rotvioletter Töne, direkt in neutralem Bade Ein dem Reginaviolett nahe verwandter Farbstoff war das Diphenyl- rosanilin oder Rosanilinviolett , C 32 H 28 N 3 Cl; jetzt nicht mehr im Handel. . In die Kategorie der neutralen violetten Farbstoffe gehört auch das Lauthsche Violett , ein Thioninfarbstoff und dem Methylblau nahe ver- wandt. Dasselbe ist salzsaures Thionin, C 12 H 10 N 3 S Cl. Es färbt Wolle und Seide direkt, und mit Tannin und Brechweinstein gebeizte Wolle violett, hat aber seines hohen Preises wegen sich nicht einzuführen vermocht. — Von einem Alkaliviolett , welches Knecht erwähnt, ist mir bis jetzt nichts bekannt geworden. c) Eurhodine. 16. Neutralviolett ist das Chlorhydrat des Dimethyldiamidophena- zins, C 14 H 15 N 4 Cl. Grünlich schwarzes Pulver, in Wasser mit violett- roter Farbe löslich. Anwendung : Färbt mit Tannin und Brechweinstein gebeizte Baumwolle rotviolett. Beim Arbeiten mit Neutralviolett ist mit Vorsicht zu verfahren, da das Pulver leicht stäubt und dabei die Schleim- häute angreift. d) Safranine. 17. Giroflé , Xilyldimethylamidophenylxylazoniumchlorid, C 24 H 27 N 4 Cl. Braune Paste oder graugrünes Pulver, in Wasser mit fuchsinroter Farbe löslich. Färbt mit Tannin und Brechweinstein gebeizte Baumwolle rot- violett. Die damit erzielten Färbungen sind matt und nicht lichtecht. 18. Mauveïn, Rosolan, Chromviolett , der älteste bekannte Teer- farbstoff, von Perkin 1856 entdeckt, entsteht durch Oxydation von toluidin- haltigem Anilin mit Chromsäuregemisch. Es erscheint im Handel als rot- violette Paste, ist unlöslich in der Kälte, beim Kochen schwer mit violett- roter Farbe löslich. Anwendung : in der Seidenfärberei zum Weißnüan- cieren im Strang. § 79. Schwach saure violette Farbstoffe. a) Triphenylmethanfarbstoffe. 1. Galleïn, Alizarinviolett, Anthracenviolett , ist ein Oxy- dationsprodukt des Pyrogallolphtaleïns von der Formel C 20 H 10 O 7 . Das Galleïn ist kein Anthracenfarbstoff und hat mit den Alizarinfarben nur die Art der Anwendung gemein. Im Handel erscheint er als violette Paste von 10 Prozent Trockensubstanz oder in getrocknetem Zustande als dunkel- grünes, metallisch glänzendes Krystallpulver, welches in kaltem Wasser wenig, in heißem leichter mit scharlachroter Farbe löslich ist. Anwendung : Das Galleïn ist ein schöner Farbstoff, der nach Art der Alizarinfarben vielseitige Verwendung finden kann, aber leider noch viel zu wenig benutzt wird. Es gehört in jene Kategorie von Farbstoffen, welche mit verschiedenen Beizen ver- schiedene Farblacke geben, den sogenannten polygenetischen Farbstoffen ; es erzeugt auf Wolle, Seide und Baumwolle schöne violette Nüancen, welche ziemlich licht- und seifenecht sind. Auf Baumwolle gibt Galleïn mit essigsaurer Thonerde ein mattes Rotviolett, mit Zinnbeizen ein noch röteres Violett, mit Eisenbeize und mit Chrombeize ein bläuliches Violett. Wolle beizt man am besten mit 2 Prozent Kaliumdichromat (ohne Zusatz von Schwefelsäure) und färbt in besonderem Bade unter langsamem Erhitzen bis zum Sieden aus. Man erhält so ein schönes gleichmäßiges Violett. Beizt man die Wolle mit Alaun und Weinstein, so erhält man ein Rotviolett, mit Eisenvitriol und Weinstein hingegen ein Schwarzviolett. Seide wird mit Galleïn ganz wie mit Alizarin gefärbt. — Die Ausfärbungen mit Galleïn sind sämtlich sehr walkecht , und eignen sich auch zum Mischen mit Holzfarben und mit Alizarinfarben. b) Oxazine. 2. Gallocyanin, Solidviolett , ist das Chlorid der Dimethyl- phenylammoniumdioxyphen-oxazincarbonsäure, C 15 H 13 N 2 O 5 Cl. Bildet ent- weder eine graugrüne, 10prozentige Paste, oder ein bronzefarbenes, in Wasser unlösliches, in Alkohol mit blauvioletter Farbe lösliches Pulver. Anwendung : Färbt Wolle, Seide und Baumwolle. Wolle wird entweder direkt gefärbt, besser aber wohl mit Kaliumdichromat gebeizt, und in einem besonderen, neutralen Bade ausgefärbt, indem man kalt eingeht und allmählich bis zum Kochen steigert, worauf man noch etwa 1 Stunde im Kochen erhält. — Seide wird ohne vorherige Beize im Farbstoffbade unter Zugabe von etwas Bastseife gefärbt. Baumwolle wird am besten mit einer alkalischen Lösung von Chromoxyd gebeizt; ausgefärbt wird in besonderem Bade mit dem mit Hilfe von Natriumbisulfit gelösten Gallocyanin bei 65° R. Man erhält so schöne blauviolette, dem Mauveïn ähnliche Töne. Tiefere Fär- bungen erhält man, wenn man mit Zinnchlorid und dann erst mit alka- lischer Chromoxydlösung beizt. Das Gallocyanin eignet sich trefflich zum Nüancieren. So erzielt man durch Zusatz von Quercitron oder Kreuzbeeren ein dunkles Indigoblau, welches sehr beliebt ist. Durch Aenderungen im Gewichtsverhältnis des Quercitronzusatzes erhält man mit Leichtigkeit alle Nüancen von reinem Blauviolett bis zum Grünblau. Das Gallocyanin 14* empfiehlt sich besonders auch zur Uniblaufärberei. Endlich läßt es sich auch lediglich mit Tannin fixieren und der so erhaltene Farblack dient wiederum als Fixationsmittel für Anilinfarben. Es ist somit der ausgedehntesten An- wendung fähig. Die damit erzielten Farben sind lebhaft und dabei ziem- lich echt. 3. Prune ist der Methyläther des Gallocyanins, C 16 H 15 N 2 O 5 Cl. Braunglänzende Kryställchen oder ein dunkelbraunes Pulver, in Wasser leicht löslich. Anwendung : Wolle wird mit Kaliumdichromat gebeizt und in besonderem Bade ausgefärbt, wie bei Gallocyanin. Baumwolle wird entweder mit Tannin vorgebeizt, oder, wie bei Gallocyanin, mit Chromoxyd- kalilösung und Ausfärben in besonderem Bade. Prune ist dem Gallocyanin nahe verwandt und wird in der gleichen Weise verwendet. Seiner bequemen Löslichkeit wegen ist es leichter verwendbar, wie das erstere. Die Färbungen sind blauviolett. § 80. Stark saure violette Farbstoffe. a) Triphenylmethanfarbstoffe. 1. Rotviolett 4 R S ist das Natronsalz der Dimethylrosanilintri- sulfosäure, C 22 H 20 N 3 O 9 S 3 Na 3 . Rotviolettes, in Wasser leicht lösliches Pulver. Färbt Wolle in saurem Bade etwas bläulicher als Fuchsin S. 2. Säureviolett 6 B ist das Natronsalz der Pentamethylbenzylpara- rosanilinsulfosäure, C 31 H 34 O 4 S Na. Dunkel violettes, in Wasser lösliches Pulver. Färbt Seide und Wolle in saurem Bade violett. 3. Rotviolett 5 R S ist das Natronsalz der Aethylrosanilinsulfosäure, C 22 H 20 N 3 O 9 S 3 Na 3 . Braunviolette metallisch glänzende Stücke, in Wasser mit fuchsinroter Farbe löslich. Färbt Wolle in saurem Bade rotviolett, noch rötlicher als Rotviolett 4 R S. 4. Reginaviolett wasserlöslich ist wahrscheinlich das Natronsalz der Diphenylrosanilintrisulfosäure. Braunviolette Stücke oder Pulver, in Wasser mit violetter Farbe löslich. Färbt Wolle in saurem Bade rotviolett. Vorstehende 4 Farbstoffe eignen sich fast nur für Wolle und werden ganz wie Säurefuchsin angewendet. Durch Kombinieren mit anderen sauren Farbstoffen lassen sich zusammengesetzte Mischfarben erzeugen. b) Azofarbstoffe. 5. Blauschwarz B (Bad. Anilin- und Sodafabr.), Azoschwarz (M. L. \& B.), ist das Natronsalz der β-Naphtylaminsulfosäure-azo-α-naph- tylamin-azo-β-naphtoldisulfosäure Blauschwarzes Pulver, in Wasser mit blauvioletter Farbe löslich. Anwendung : Färbt Wolle in saurem Bade blauviolett. Die damit erzielten Töne erinnern an Indulin, und zwar an die violetten Marken, sind aber dunkler. Auch auf Seide kann es im mit Schwefelsäure gebrochenen Bastseifenbade zum Hervorrufen dunkel blauvioletter Farben benutzt werden. An Echtheit gleichen die Färbungen mit Blauschwarz denen mit Indulin. VI. Braune, graue und schwarze Farbstoffe . § 81. Braune Farbstoffe. Die künstlichen braunen Farbstoffe gehören fast durchweg den stark sauren Farbstoffen an. Basische braune Farbstoffe existieren überhaupt nicht. Von neu- tralen braunen Farbstoffen existieren nur das Bismarckbraun . Dieses ist schon bei den neutralen gelben Farbstoffen § 70 abgehandelt worden. Zu den schwach sauren braunen Farbstoffen gehört nur ein Anthracenfarb- stoff, das 1. Anthracenbraun, Anthragallol, Trioxyanthrachinon , C 14 H 5 O 8 . Es entsteht durch Erhitzen von Gallussäure mit Benzoísäure und Schwefelsäure und stellt eine dunkelbraune, in Wasser unlösliche, in Alkohol mit gelber Farbe lösliche Paste von 20 Prozent Trockensubstanz vor. Anwendung : Nur in der Wollenfärberei und ganz wie Alizarin; durch Beizen mit Kaliumdichromat erhält man ein intensives Gelbbraun; essigsaure Thonerde gibt ein helleres Braun, Zinnbeize ein rötliches Braun, Kupfer- vitriol ein Kastanienbraun. — Auch mit Chromoxydkali gebeizte Baumwolle wird braun gefärbt. Das Anthracenbraun zeichnet sich, wie alle Anthracen- farben, durch große Echtheit gegen Licht und Beständigkeit gegen Walke und durch seine Kombinationsfähigkeit mit andern Alizarinfarben aus. Hierher gehören in gewissem Sinne auch noch das Purpurin (§ 67, S. 171), welches mit Chrom gebeizte Baumwolle rotbraun färbt, und das Alizarinorange (S. 185), welches die gleiche rotbraune Färbung auf chromgebeizte Baumwolle liefert. Stark saure Farbstoffe . a) Azofarbstoffe. 2. Säurebraun G (Akt.-Ges. f. Anilinf.) ist das Natronsalz der Anilinazo- m -diamidoazobenzol- p -sulfosäure, Braunes, wasserlösliches Pulver. Färbt Wolle in saurem Bade braun. 3. Resorcinbraun ist das Natronsalz des Xilidin-azo-sulfanilinsäure- azo-resorcins, C 6 H 3 · (C H 3 ) 2 · N — N · C 6 H 2 · (O H) 2 · N — N · C 6 H 4 · SO 3 Na. Braunes, wasserlösliches Pulver. Anwendung : Resorcinbraun ist ein durch- aus echtes, lebhaftes Gelbbraun, und gibt auf Wolle und Seide in saurem Bade Färbungen, welche in Bezug auf Licht- und Walkechtheit allen anderen vorgezogen werden können. Zur Zeit ist sein Preis noch etwas hoch. 4. Echtbraun G (Akt.-Ges. f. Anilinf.; Tillmanns, E. ter Meer ) ist das Natronsalz des Sulfanilsäure-disazo-α-naphtols, Braunes Pulver, in Wasser mit rotbrauner Farbe löslich. Färbt Wolle in saurem Bade braun. 5. Echtbraun (M. L. \& B.) ist das Natronsalz des Xilidinsulfo- säure-disazo-α-naphtols, Dunkelbraunes Pulver, in Wasser mit brauner Farbe löslich. Färbt Wolle in saurem Bade rotbraun. 6. Echtbraun (B. \& Comp .) ist das Natronsalz des Naphtionsäure- dis-azoresorcins, Färbt Wolle in saurem Bade braun. 7. Echtbraun (Bad. Anilin- und Sodaf.) ist das Natronsalz des Naphtionsäure-azo-α-naphtols, C 10 H 6 · SO 3 Na · N — N · C 10 H 6 · OH. Dunkelbraunes, in Wasser mit gelbbrauner Farbe lösliches Pulver. 8. Säurebraun R (Akt.-Ges. f. Anilinf.) ist das Natronsalz des Naphtionsäure-azo-chrysoïdins, Braunes wasserlösliches Pulver. 9. Echtbraun 3 B (Akt.-Ges. f. Anilinf.) ist das Natronsalz des β-Naphtylaminsulfosäure-azo-α-naphtols, C 10 H 6 · SO 3 Na · N — N · C 10 H 6 · OH. Braunes, in Wasser mit braunroter Farbe lösliches Pulver. Anwendung : Die sämtlichen stark sauren braunen Farbstoffe finden nur in der Wollenfärberei Verwendung, indem man dem Farbbade Glauber- salz und Schwefelsäure hinzufügt. Das früher viel angewendete Granatbraun , Great soluble, befindet sich nicht mehr im Handel. Zu den braunen Farbstoffen zählen in gewissem Sinne auch noch das Tuchrot B (§ 68, S. 178), welches mit Wolle in saurem Bade, besonders unter Zusatz von Sumach und Gelbholzextrakt, mit eventuellem Abdunkeln mittels Kupfervitriol, schöne lebhafte gelb- bis rotbraune Färbungen gibt; das Azo- orseïllin (§ 68, S. 180), welches Baumwolle in saurem Bade braunrot färbt, sowie das Congocorinth und Congocorinth B (§ 78, 1 u. 3), welche beide auf Baumwolle im Seifenbade braunviolette Färbungen geben. § 82. Graue und schwarze Farbstoffe. a) Graue Farbstoffe. Einen richtigen grauen Farbstoff besitzen wir zur Zeit noch nicht. Von einigen Autoren wird das Nigrosin als grauer Farbstoff angesprochen. Das Nigrosin oder richtiger die Nigrosine bilden mit den Indulinen (§ 76, b ) eine Farbstoffklasse, deren Repräsentanten sämtlich durch Erhitzen von Amidoazobenzol oder Nitrobenzol mit Anilinsalz gewonnen werden und eine Nüance von Indigoblau bis Hellgrau zeigen. Sie sind sämtlich in Wasser unlöslich, werden aber durch Behandeln mit Schwefelsäure in die wasserlöslichen Natronsalze der Sulfosäuren der spritlöslichen Nigrosine und Induline übergeführt, welche dann in verschiedenen Marken als Nigrosin wasserlöslich als schwarze glänzende Stücke in den Handel kommen, welche sich mit grauvioletter Farbe lösen, in Alkohol unlöslich sind. Es färbt Wolle und Baumwolle je nach dem verwendeten Nigrosin grauviolett bis violettschwarz. Anwendung : wie bei Indulin (§ 76). — Aehnliche Töne, wie mit den Nigrosinen, erhält man mit Azoblau (§ 78). Ein reines schönes Stahl- oder Silbergrau wird immer durch Kombi- nation erzielt werden müssen, läßt sich aber auch direkt auf der Faser erzeugen. Hierüber vergl. den speziellen Teil. b) Schwarze Farbstoffe. Eigentliche schwarze Farbstoffe in Substanz gab es bis vor wenigen Jahren noch nicht, alle schwarzen Farben wurden durch geeignete Kombina- tionen aus Blauholz, Gelbholz, Sumach, Eisenvitriol, Kaliumdichromat, Kupfervitriol und anderen Ingredienzien bewirkt und direkt auf der Faser erzeugt. Auch das vielberufene Anilinschwarz ist kein schwarzer Farb- stoff und kommt daher erst im zweiten Teile dieses Buches im Kapitel „Schwarzfärberei“ zur Behandlung. Wirklich schwarze Farbstoffe in Substanz sind erst seit dem Jahre 1885 resp. 1887 in den Handel gelangt und zwar 3 Azofarbstoffe und 1 An- thracenfarbstoff: 1. Wollschwarz (Akt.-Ges. für Anilinf.; Bad. Anilin- und Sodaf.) ist das Natronsalz des Amidoazobenzoldisulfosäure-azo- p -tolyl-β-naphtylamins, C 29 H 21 · N 5 O 6 S 2 Na 2 . Blauschwarzes Pulver, im Wasser mit violetter Farbe löslich. Anwendung : Zum Färben von loser Wolle oder von Kammzug unter Zufügung von Glaubersalz und wenig Schwefelsäure, Eingehen bei gewöhnlicher Temperatur und allmählichem Erhitzen bis zum Sieden. Je nach der Menge des Farbstoffs erhält man tief blauschwarze bis rein schwarze Töne. 2. Naphtolschwarz (Cassella) ist das Natronsalz der Amidoazo- naphtalindisulfosäure-azo-β-Naphtoldisulfosäure, Blauschwarzes, in Wasser mit violetter Farbe lösliches Pulver. Zur An- wendung geben die Herren Cassella \& Comp . folgende Vorschriften. I. Für lose Wolle, Garne und dünne Stoffe : Die möglichst gut gereinigte Wolle koche man während ½ Stunde auf einem mit circa 15 kg Glaubersalz bestellten Bade, sodann füge man den gelösten Farbstoff zu und zwar circa 8 kg für lose Wolle, 6 bis 7 kg für Garn, 4 bis 5 kg für Stoff, lasse wieder ¼ Stunde kochen, und setze sodann bis circa 10 kg Weinsteinpräparat allmählich zu, worauf man noch ½ bis ¾ Stunden gut kochen läßt, bis zur Erschöpfung des Bades. II. Für dicke, lose Filze und Woll- und Haarfilzhüte , bei welchen es unthunlich ist, die Ware öfters aus dem Bad zu heben, kann man das Bad, wie unter I. angegeben, mit Glaubersalz, Weinsteinpräparat und je nach Qualität der Ware 5 bis 8 kg Farbstoff vorbereiten, bei ge- mäßigter Temperatur eingehen, langsam bis zum Kochen erwärmen und kochend ausfärben. III. Starke, feste Gewebe , welche in einem Bade nicht gut durch- färben, koche man circa 1 Stunde in einem mit 10 kg Weinsteinpräparat und 2 kg chromsaurem Kali bestellten Bade, lasse nach dem Herausgehen mehrere Stunden oder über Nacht liegen, wasche sodann gut aus und bringe auf das mit 5 bis 6 kg Farbstoff bestellte Färbebad, koche ½ Stunde ohne weiteren Zusatz, füge dann ungefähr 5 kg Weinsteinpräparat zu und lasse noch ¾ bis 1 Stunde gut kochen. Allgemeine Bemerkungen : Das Färben von Naphtolschwarz geschieht am besten in Holzgefäßen; kupferne Gefäße beeinträchtigen die Nüance etwas. Statt unter Zusatz von Weinsteinpräparat kann man mit 5 bis 6 kg 66° Schwefelsäure färben. Bei kontinuierlichem Färben werden bei jeder folgenden Färbung 10 kg Glaubersalz und circa 6 kg Weinstein- präparat resp. 4 kg 66° Schwefelsäure zugegeben. Für tiefschwarze Färbung setze man dem Färbebad noch etwas Gelb zu. Wir empfehlen zu diesem Zweck circa ¾ bis 1 kg Naphtolgelb oder ½ bis ¾ kg Indischgelb oder auch 2 bis 2½ kg Naphtolgrün . 3. Violettschwarz (Bad. Anil. und Sodaf.) ist das Natronsalz des p -Phenylendiamin-disazo-α-naphtolmonosulfosäure-α-naphtylamins, Bronzeglänzendes Pulver, in Wasser mit braunroter Farbe löslich. Dieser Farbstoff ist noch sehr wenig bekannt. Er ist ausgezeichnet durch die Eigen- schaft, sowohl Baumwolle wie Wolle in neutralem Bade direkt violettschwarz zu färben. 4. Alizarinschwarz S (Bad. Anilin und Sodaf.) ist die Natrium- bisulfitverbindung des Naphtazarins, C 10 H 7 SO 7 Na , also eine konzentrierte Alizarinschwarz-Sulfit-Küpe. Schwarze, in kaltem Wasser unlösliche, in kochendem Wasser mit rotbrauner Farbe lösliche Paste. Anwendung : Auf mit Kaliumdichromat gebeizte Wolle erhält man ein tiefes Schwarz, welches bei der Darübersicht einen rotbraunen Stich zeigt. Zusatz von Coeruleïn zum Färbebade soll diesen Uebelstand (nach Knecht ) beheben. Bei Ver- wendung kleiner Farbstoffmengen erhält man ein Schieferschwarz. Um die Leser mit allen in der Zeit seit Ausarbeitung des Manuskripts und des Erscheinens des gedruckten Werkes im Buchhandel neu entdeckten und in den Handel gekommenen Erscheinungen vertraut zu machen, werden diese Neuheiten am Schlusse des Buches in einem besonderen „Nachtrage“ angefügt werden. Der Verfasser . Chemikalienkunde. § 83. Allgemeines. Mit den in den vorigen beiden Hauptabschnitten Gewebefaserkunde und Farbwarenkunde behandelten Gespinnstfasern und Farbstoffen ist jedoch ein Färben noch nicht möglich. Auch der gewandteste Färber wird aus Seidengarn und den grünglänzenden Krystallen des Fuchsins noch keine rot- gefärbte Seide erzielen können. Er bedarf dazu noch mindestens eines Körpers: des Wassers . Was wäre der Färber ohne Wasser? das Wasser ist ein unentbehrlicher, unumgänglicher Faktor in der Färberei, und mit den 3 Faktoren Gewebefaser, Farbstoff und Wasser lassen sich schon eine recht ansehnliche Menge von Färbungen erzielen. In vielen Fällen reichen aber auch diese 3 Faktoren noch nicht aus; z. B. wird niemand mit Wolle, Orange II und Wasser eine gelb gefärbte Wolle erzielen, oder mit Baum- wolle, Malachitgrün und Wasser eine grün gefärbte Baumwolle; im ersten Falle bedarf er noch der Schwefelsäure und des Glaubersalzes, im andern Falle des Sumachs oder des Tannins und des Brechweinsteins, um zu einer eigentlichen Färbung zu gelangen. Die Verbindungsfähigkeit, die Anziehungs- kraft, oder die chemische Verwandtschaft zwischen Faser und Farbstoff ist für jede Faser und für jeden Farbstoff eine verschiedene; sie ist in manchen Fällen eine so große, daß es nur des Wassers bedarf, um die Verbindung des Farbstoffes mit oder die Einlagerung des Farbstoffes in der Faser zu bewirken. In allen den zahlreichen Fällen, wo die Verwandtschaft zwischen Faser und Farbstoff eine minder große ist, wird zwar auch eine Färbung erzielt; diese ist aber so unbeständig, daß schon ein Spülen im Wasser den nur mechanisch anhaftenden Farbstoff wieder entfernt. Alle jene Farbstoffe, welche zur Gewebefaser eine so große Verwandtschaft besitzen, daß sie unter Zuhilfenahme lediglich des Wassers eine richtige Färbung der Faser erzielen, werden direkte oder substantive Farbstoffe genannt . Die Anzahl solcher Farbstoffe ist nicht eben groß, und sie wird noch kleiner dadurch, daß eine Anzahl dieser direkten Farbstoffe keineswegs alle, sondern nur gewisse Fasern substantiv färbt. Der größere Teil der heute üblichen Farbstoffe bedarf zur Erzeugung einer fest haftenden Färbung der Faser noch der Mitwirkung verschiedener chemischer Stoffe, durch welche eine Verbindung von Faser und Farbstoff herbeigeführt, resp. vermittelt wird. Alle diejenigen Farbstoffe, welche zur Färbung der Faser noch der Mitwirkung von Chemikalien bedürfen, werden indirekte oder adjektive Farbstoffe genannt . Die Chemikalien, welche diesem Zweck dienen, sind verschiedener Art; sie sind teils anorganischer Natur, Säuren, Basen, Metallsalze, teils or- ganischer Natur, Gerbstoffe, Oele, Seifen u. s. w. Auch die Art und Weise, wie diese Stoffe wirken, wie sie die Vermittelung der Verbindung von Faser und Farbstoff herbeiführen, ist eine verschiedene, wie auch die Art der Ver- wendung eine oft wesentlich abweichende ist. Alle diese Chemikalien sind wichtige Hilfsmittel der Färbereitechnik und werden teils als Beizen , teils als Fixierungsmittel (d. h. Mittel zur Befestigung der Farben) bezeich- net. Die Beschreibung dieser Chemikalien, ihre Herstellung, Eigenschaften, Prüfung und Anwendung bildet den Inhalt des vorliegenden dritten Haupt- abschnittes. § 84. Das Wasser. Bei den alten Griechen galt das Wasser als eines der vier Elemente Thales von Milet (600 v. Chr. Geb.) ist der Verfechter dieser Anschauung. . Daß indessen das Wasser ein Element, d. h. ein nicht weiter zerlegbarer Körper, nicht ist, daß es vielmehr aus zwei Elementen, Sauerstoff und Wasserstoff, besteht, ist schon 1785 durch Lavoisier nachgewiesen, und darf als bekannt vorausgesetzt werden. Für die Färberei hat diese Thatsache nur untergeordnete Bedeutung. Der Vollständigkeit halber aber mag erwähnt werden, daß ein chemisch reines Wasser aus 8 Gewichtsteilen Sauerstoff und 1 Gewichtsteil Wasserstoff besteht. Obgleich nun in der Natur das Wasser in ungeheuren Mengen enthalten ist, — es bildet den Hauptbestandteil der Erdoberfläche, — so finden wir doch nirgends in der Natur das Wasser in jenem Zustande der Reinheit, daß wir es als chemisch reines Wasser be- zeichnen könnten; vielmehr enthält das Wasser stets größere oder geringere Mengen anderweiter Stoffe beigemengt, gelöst , welche je nach dem Ur- sprung des Wassers verschieden sind. Bei der großen Wichtigkeit des Wassers für die Färberei und bei dem notorischen Einfluß, den manche dieser Beimengungen auf den Färbeprozeß ausüben, ist es notwendig, hierauf näher einzugehen. Zunächst ist zu unterscheiden zwischen dem Wasser, welches uns die Erde bietet (Flußwasser, Quellwasser, Brunnenwasser), und dem, welches aus der Luft kommt (Regenwasser). Das letztere ist in der Atmosphäre als unsichtbarer Wasserdunst enthalten, und wird daraus als Regen abge- schieden, sobald die Temperatur der Atmosphäre so weit sinkt, daß diese das Wasser in Dunstform nicht mehr gelöst zu halten vermag. Solches Regen- wasser kommt dem Ideal eines chemisch reinen Wassers sehr nahe; es ent- hält nur höchst geringe Spuren mechanisch mitgerissener fester Substanzen, sowie kleine Mengen von Ammoniak und salpetriger Säure gelöst, von welchen es durch Kochen ohnehin befreit werden kann. Solch frisch ge- fallenes Regenwasser ist für Färbereizwecke vorzüglich geeignet . Es steht aber nicht immer in den Mengen zur Verfügung, in denen es ge- braucht wird, so daß von einer regelmäßigen Verwendung von Regenwasser nicht mehr die Rede sein kann. In der Praxis wird gemeinhin zwischen weichem und hartem Wasser unterschieden. Weiches Wasser nennen wir ein Wasser, welches wenig oder gar keine mineralischen festen Bestandteile gelöst enthält; in die Kate- gorie der weichen Wässer gehört das künstlich dargestellte destillierte Wasser , welches in der That chemisch reines Wasser ist, das Konden- sationswasser der Fabriken, welches durch Abkühlen des überflüssigen Dampfes in den Kondensatoren gewonnen wird, und das Regenwasser ; im gewöhnlichen Leben werden auch einzelne Sorten Bach- und Flußwasser, sobald sie mit Seifenlösung sofort einen Schaum geben, ohne flockige Kalkseife abzuscheiden , zu den weichen Wassern gerechnet, was genau genommen falsch ist. — Hartes Wasser nennt man jedes Wasser mit einem größeren Gehalt an gewissen Mineralsalzen, besonders von Kalk- und Magnesiumsalzen; zu den harten Wassern zählt das meiste Flußwasser , das Quellwasser, Brunnenwasser , vor allem das Seewasser oder Meerwasser . Die Härte des Wassers wird durch den verschieden großen Gehalt an jenen Salzen bestimmt. Jedes harte Wasser ist ursprünglich weich gewesen. Das weiche Wasser aber besitzt eine große Lösungsfähigkeit für viele mineralische Salze, auch für solche, welche im gewöhnlichen Leben als unlöslich bezeichnet werden. Gerade diese sind es, welche das Wasser hart machen: Gyps, Kreide und Magnesit und das — freilich leicht lösliche — Bittersalz. Allerdings ist die Kreide nicht als solche, d. h. nicht als einfach kohlensaurer Kalk, sondern als doppelt kohlensaurer Kalk enthalten, ebenso wie der Mag- nesit als doppelt kohlensaure Magnesia. Jedes Quellwasser enthält nämlich größere oder geringere Mengen Kohlensäure, und der Gehalt hieran befähigt das Wasser, auch die Carbonate des Kalks und der Magnesia in Lösung überzuführen. Ein Wasser, welches nur doppelt kohlensauren Kalk oder doppelt kohlen- saure Magnesia, oder beide, aber keinen Gyps, gelöst enthält, kann von diesen unerwünschten Bestandteilen durch Kochen befreit werden; bei der Siedetempe- ratur des Wassers zerlegen sich nämlich die doppelt kohlensauren Erden in Kohlensäure, welche gasförmig entweicht und in einfache Carbonate, welche als unlösliches weißes Pulver ausfallen. Ein derartiges Wasser wird also durch Kochen seine Härte verlieren . In geringerem Grade, als durch Kochen, wird auch durch längeres Stehen an der Luft oder durch das Dahinfließen auf weite Entfernungen (im Strom) diese Härte mehr und mehr vermindert; aus diesem Grunde sind die Flüsse, je näher der Mün- dung, immer ärmer an kohlensauren Salzen, also weicher, wie an der Quelle und an anderen Stellen des Stromlaufes. Die Härte eines solchen Wassers ist also eine vorübergehende . Rührt dagegen die Härte von Gyps und Bittersalz her, so ändert Kochen daran nichts; diese Härte verschwindet nicht ; sie heißt in diesem Falle bleibende Härte . Die Härte vor dem Kochen eines harten Wassers wird als Gesamthärte bezeichnet. Die Kenntnis von der Härte des zu Färbereizwecken dienenden Wassers ist von so großer Wichtigkeit, daß eine regelmäßige, etwa monatliche, regel- recht ausgeführte Wasseranalyse wohl am Platze wäre. In größeren, nach vernunftgemäßen Grundsätzen geführten Färbereien dürfte eine solche wohl regelmäßig ausgeführt werden. Die Härte eines Wassers wird durch Härtegrade bezeichnet, und zwar versteht man darunter in Deutschland die Einheiten von Kalk und Magnesia in 100000 Teilen Wasser, d. h. ein Wasser von 20° Härte enthält in 100000 Teilen 20 Teile Kalk und Magnesia. Um nun ein Urteil zu gewinnen, ob ein Wasser mit gefundener oder bekannter Härte brauchbar ist oder nicht, fragt es sich, zu welchen Zwecken das Wasser dienen soll. Für einen großen Teil der Färbeoperationen sind einige Härtegrade (4 bis 5°) noch nicht von Bedeutung; Bigot geht sogar noch weiter, Deutsche Färberzeitung 1888, 27. indem er sagt, „daß die mineralischen Beimengungen ziemlich wirkungslos und unschädlich sind.“ Knecht ist anderer Ansicht. Nach meinen subjektiven Anschauungen ist ein mehr als 5° Härte zeigendes Wasser für Färbereizwecke nicht sonderlich geeignet, für gewisse Fälle ist sogar ein noch minder hartes unbrauchbar. Das Wasser dient in der Färberei hauptsächlich doch als Lösungsmittel für die Farbstoffe; ein weiches Wasser vermag mehr Farbstoff zu lösen, als ein hartes . Mehrere Farbstoffe geben sogar mit hartem Wasser Fällungen, z. B. Coeruleïn und noch einige andere, bei denen ich im zweiten Abschnitt vor der Verwendung kalkhaltigen Wassers gewarnt habe; die sämtlichen Gerbstoffe (Tannin, Catechu, Sumach) geben gerbsaure unlösliche Nieder- schläge. Im allgemeinen werden bei Verwendung harten Wassers zum Farbbade die Farben stumpf, wahrscheinlich infolge kleiner Mengen ge- bildeter Kalkfarblacke, daher diese Stumpfheit des Tones auch durch Spülen und Waschen nicht verschwindet. Wasser mit vorübergehender Härte kann beim Auffärben saurer Farben sogar die Säure neutralisieren und so einen erneuten Zusatz von Säure nötig machen, mit anderen Worten einen Ver- lust an Säure herbeiführen. Diese Thatsachen verschwinden jedoch hinsicht- lich ihrer Bedeutung vor dem Falle, wo das Wasser zum Seifenbade verwendet werden soll. Hartes Wasser zerstört die Seife . Im Moment der Lösung der Seife im Wasser tritt eine Wechselwirkung ein zwischen den Fettsäuren der Seife und dem Kalk und Magnesiasalzen, der- gestalt, daß die Fettsäuren sich mit Kalk und Magnesia zu unlöslicher Kalk- und Magnesiaseife verbinden, welche in käsigen Flocken, in der Flüssigkeit herumschwimmen. Diese Kalk- und Magnesiaseifen besitzen keinerlei Wasch- kraft, und so lange nicht die letzte Spur von Bicarbonaten, oder von Gyps und Bittersalz in diese fettsauren Verbindungen übergeführt ist, so lange kann von einer Lösung der Seife keine Rede sein. Mancher Leser wird diese Thatsache unterschätzen; solchen Optimisten sei hiermit gesagt, daß 1 kg Kalk 13,5 kg gewöhnliche Seife zersetzt, und daß bei einer durchschnittlichen Härte des Wassers von 10 Prozent, wie sie z. B. der Rhein bei Köln und die Donau bei Wien zeigt, auf je 54 cbm Wasser 1 Centner beste Seife, von geringeren Sorten entsprechend mehr, endgiltig verloren geht. Auf ein Jahr berechnet, ergibt das schon eine ganz respek- table Summe. So wird z. B. der Gesamtverlust an Seife, der durch die Benutzung harten Wassers, lediglich in London verloren geht, auf jährlich 2¾ Millionen Kilo geschätzt. Die Zahl beweist besser als alles andere die Wichtigkeit, welche die Kenntnis der Härte des Wassers hat. Die Fälle, in welchen die Härte des Wassers von Vorteil für den Färbeprozeß ist, sind so gering, daß sie mit Recht unbeachtet bleiben können. Es wird deshalb stets das Beste und Richtigste sein, hartes Wasser überhaupt nicht zu verwenden, ohne es vorher weich gemacht zu haben . Denn die Schädlichkeit harten Wassers beruht nicht allein auf dem Verlust an Seife, größer noch ist häufig der Schaden, wel- chen die gebildete flockige, schmierig fettige Kalk- und Magnesiaseife verur- sacht. Diese hängt sich an einzelne Stellen der im Bade befindlichen Garne oder Stoffe als öliger Schlamm an und verhindert dadurch das Angehen von Beize oder Farbstoffe an die Faser; sie haftet dazu so zähe an der Faser, daß sie selbst durch Spülen nicht zu entfernen ist; ungleiche, flockige Färbungen sind die Folge davon. Dagegen könnte man sich nur durch Filtrieren oder Durchseihen des Bades schützen, sobald sich Seifenschaum zu bilden beginnt, und durch Eingehen mit der Ware in das filtrierte Bad. Aber selbst dieses Auskunftsmittel möchte nur teilweise Abhilfe schaffen; denn einmal ist das Durchseihen großer Wassermengen eine heikle Sache, andererseits wird die Kalk- und Magnesiaseife die Poren des Seihetuches sehr bald verschmieren und damit die Operation zu einer sehr unerfreulichen machen. Ich möchte deshalb raten, in allen jenen Fällen, wo man auf hartes Was- ser einmal angewiesen ist, vorher durch einen besonderen Reinigungsprozeß dem Wasser seine Härte zu nehmen . Darüber siehe weiter unten. Zu den Stoffen, welche das Wasser nicht selten verunreinigen, gehört nächst den bisher betrachteten Kalk- und Magnesiasalzen auch das Eisen, gleichfalls in Form des doppelten kohlensauren Salzes. Besonders häufig findet sich das Eisen im Bach- und Quellwasser. Eisenhaltiges Wasser verrät sich meist von selbst, ohne eine besondere Prüfung, bei längerem Stehen an der Luft, indem es sich dann trübt und einen schlammigen, rostfarbenen Boden- satz gibt. Eisenärmeres Wasser, besonders dann, wenn es zugleich organische Stoffe gelöst enthält, bildet auch wohl eine feine, regenbogenfarbig schillernde Haut, welche langsam zu Boden sinkt. Solches Wasser ist direkt unbrauchbar und muß unbedingt einem Reinigungsprozeß unterworfen werden. Andere seltener vorkommende Verunreinigungen des Wassers sind kohlen- saures Natron (Soda), saure Salze (z. B. Eisen- oder Kupfervitriol) und freie organische Säuren (vornehmlich in solchem Wasser, welches aus Torf- mooren abfließt), endlich Schwefelwasserstoffgas, welches sich durch seinen Geruch nach faulen Eiern kund gibt. Solches Wasser ist entweder über- haupt, mindestens aber für verschiedene Operationen im Färbereibetriebe, zu verwerfen . § 85. Reinigung des Wassers. Bei der Verschiedenartigkeit der Verunreinigungen wird es sofort ein- leuchten, daß ein einheitlicher, für alle Fälle gleich brauchbarer Reinigungs- prozeß nicht denkbar ist. Vielmehr muß ein solcher für die verschiedenen Verunreinigungen, welche zuvor durch eine Wasseranalyse festgestellt werden müssen, auch entsprechend abgeändert werden. Von solchen Wasseranalysen wollen die Meisten freilich nichts wissen; ich hingegen lege den Hauptwert auf eine wohl ausgeführte quantitative Analyse, da diese allein uns die An- haltepunkte gibt, nicht allein, mit welchen Mitteln ein solches Wasser zu reinigen ist, sondern auch — und das ist noch wichtiger — wieviel von diesen Mitteln angewendet werden muß, um ein reines weiches Wasser zu erzielen. Denn es bedarf hierzu ganz bestimmter Gewichts- mengen , welche durch Rechnung gefunden werden können. Wollen wir z. B. ein gypshaltiges Wasser durch Sodazusatz reinigen, so werden wir durch zu geringen Sodazusatz wohl ein weniger gypshaltiges, aber kein gypsfreies Wasser erhalten; verwenden wir dagegen die Soda im Ueberschuß, so erhalten wir allerdings ein gypsfreies Wasser; aber statt des erhofften reinen Wassers erhalten wir jetzt ein sodahaltiges, was womöglich noch schädlicher ist, als ein gypshaltiges. Wasser reinigungsuniversalmittel, als welche früher — und vom Färber der alten Schule heute noch — Alaun oder Kleie angesehen wurden, gibt es nicht . Diese Mittel reinigen das Wasser nicht, sie verunreinigen es höchstens noch mehr. Das Reinigen des Wassers ist ohnehin keine leichte Aufgabe. So leicht es ist, kleine Wassermengen, sobald man ihre Verunreinigung durch Analyse festgestellt hat, chemisch zu reinigen, so schwierig gestaltet sich der Prozeß bei den Wassermengen, um welche sich’s im Färbereibetriebe handelt. Solche erfordern umfangreiche Anlagen, große Sammelbassins u. s. w. und nur ganz große Färbereien würden in der Lage sein, eine derartige Anlage zu schaffen. Hier sollen zunächst nur die Methoden besprochen werden, welche sich innerhalb des Rahmens einer mittleren oder kleineren Färberei wirklich ausführen lassen. Entfernung der vorübergehen den Härte . Wie schon oben erwähnt, ist ein Wasser, welches nur vorübergehend hart ist, durch einfaches Kochen zu reinigen. Solch große Massen kochen sich aber schwer; im Dampfkessel wäre das zwar leicht zu erreichen, aber ein Dampfkessel ist von dem Ideal der Reinheit weit entfernt. Ueberdies ist für viele Zwecke das Ausfällen der Bicarbonate gar nicht einmal notwendig; es genügt für die meisten Zwecke in der Färberei, wenn dieselben in anderweite Verbindungen überge- führt werden, welche bei den Färbeoperationen nicht störend wirken. Das kann durch einen vorsichtigen Zusatz von Essigsäure erreicht werden. Das Wasser ist dabei thunlichst zu erwärmen. Nach jedem Essigsäurezusatz ist tüchtig mit einem hölzernen Rührscheit durchzurühren. Der Essigsäure- zusatz hat in immer kleineren Mengen vorsichtig und so lange zu erfolgen, bis das Wasser neutral reagiert und weder blaues Lackmuspapier rot, noch rotes blau gefärbt wird. Ein derartig verbessertes Wasser enthält dann essigsauren Kalk und essigsaure Magnesia, welche für die eigentlichen Färbe- operationen nicht schädlich sind. Zu Seifenbädern freilich darf ein solches Wasser auch nicht benutzt werden. Auch Zusatz von Aetzkalk , entweder in Form von Kalkwasser oder Kalkmilch, kann mit Vorteil zur Beseitigung der vorübergehenden Härte an- gewendet werden; die gelösten Bicarbonate werden dadurch in einfach kohlen- saure Salze übergeführt, welche als unlöslich zu Boden fallen. — Soda kann zur Entfernung der vorübergehenden Härte nicht ange- wendet werden . Dagegen läßt sich mit Vorteil statt des Kalkes Aetz- natronlauge anwenden. Dadurch werden die Kalk- wie die Magnesiasalze als einfache Carbonate ausgefällt; ein durch Aetznatronlauge gereinigtes vor- übergehend hartes Wasser enthält aber stets etwas Soda, welche sich dabei bildet; es ist also nicht für alle Zwecke verwendbar, eignet sich aber sehr gut zu Seifenbädern, sowie auch zum Färben der Baumwolle mit Benzidinfarb- stoffen. Auch läßt sich ein derartig gereinigtes Wasser durch Zusatz von wenig Schwefelsäure bequem zum Färben von Wolle und Seide in sauren Bädern verwendbar machen. Der Zusatz von Aetznatron fällt auch etwa gleichzeitig vorhandenes Eisen aus, auch werden dadurch etwa vorhandene organische Substanzen zerstört. Entfernung der bleibenden Härte . Hierzu eignet sich am besten die Soda . Sie zersetzt sowohl den Gyps wie das Bittersalz, indem ihre Kohlensäure mit dem Kalk und der Magnesia unlöslich sich abscheidenden kohlensauren Kalk und kohlensaure Magnesia bildet, während die Schwefel- säure dieser Salze sich mit dem Natron der Soda zu ganz unschädlichem schwefelsaurem Natron oder Glaubersalz vereinigt. Entfernung der gemischten Härte . Handelt es sich um das Weichmachen von Wasser, welches sowohl kohlensaure als schwefelsaure Salze enthält, so eignet sich hierzu am besten das Aetznatron; dieses zersetzt in der oben beschriebenen Weise zuerst die Bicarbonate, welche als Monocarbonate unlöslich abgeschieden werden, unter Bildung von Soda; die Soda aber wirkt sofort wieder auf die schwefelsauren Salze unter abermaliger Fällung von unlöslichem Carbonat und Bildung von Glaubersalz. Gleichzeitig werden Eisensalze und organische Beimengungen zersetzt oder zerstört. Der Fall für die Reinigung des Wassers im großen Maßstabe liegt also am einfachsten bei der gemischten Härte. Auf dieser Methode fußen denn auch die in der Praxis gebrauchten Verfahren der Wasserreinigung im großen; vielfach wird dabei die Abänderung beliebt — z. B. bei dem Ver- fahren von Gaillet und Huet —, daß statt der Aetznatronlauge eine Lösung von Natronkalk verwendet wird. Entfernung des Eisens . Die Entfernung des Eisens aus eisen- haltigem Wasser ist mit großen Schwierigkeiten verknüpft; die Fällung des Eisens als unlösliches Oxydhydrat ist zwar leicht zu bewerkstelligen, und zwar durch Natronlauge oder Ammoniak; der schlammige braune Niederschlag aber ist beim Durchseihen oder Filtrieren sehr hinderlich; die Filtration müßte mit ganz besonderer Sorgfalt ausgeführt werden, da durch ein nicht ganz dichtes Seihetuch noch kleine Mengen dieses Niederschlages hindurchgehen, welche ganz ebenso schädlich wirken, wie gelöstes Eisen, weil dieselben ja durch saure Beizen oder Farbstoffe leicht wieder gelöst werden können. Für eine sorgfältige Filtration großer Mengen sind aber in der Praxis die Bedingungen nicht vorhanden. Alle diese Momente sollten dazu bestimmen, eisen- haltiges Wasser zum Färben überhaupt nicht , sondern lediglich zur Bereitung von Eisenbeizen oder zu Bädern zum Dunkeln zu verwenden. Das patentierte Gailletsche Wasserreinigungsverfahren Auszug aus den von der Maschinenfabrik Humboldt in Kalk bei Köln mir zur Verfügung gestellten Unterlagen. . Die meisten Vorrichtungen zum Reinigen des Wassers sind ein- fache Behälter von viereckiger oder runder Form, in denen das durch die chemischen Zusätze getrübte Wasser entweder ruhig steht oder langsam und senkrecht aufsteigt und dabei seine schwimmenden und festen Teil- chen absetzen soll. Für kleine Wassermengen sind solche Behälter immer- hin noch ausführbar; sowie es sich aber um etwas größere Wassermengen handelt, nehmen sie gleich bedeutende Abmessungen an, sie werden recht teuer und erfüllen den Zweck der Klärung nur noch sehr unvollkommen, weil die Zeit zum Absetzen der festen Teilchen zu ungenügend ist. Eine kurze Be- trachtung des Vorganges zeigt uns auch sofort den Mangel der Einrichtung. In dem Gefäße Fig. 15 a befinde sich bis zur Linie a b stehendes oder lang- sam aufsteigendes Wasser mit schwimmenden festen Teilchen, die spezifisch schwerer als Wasser sind. Diejenigen Schichten werden sich am ersten klä- ren, welche zu oberst liegen; die Klärung des ganzen Inhaltes wird aber so lange dauern, bis die Unreinigkeiten sämtlicher oberen Schichten durch alle darunter liegenden hindurch gesunken sind, und das wird mit den feinen, leichten Teilchen immer geraume Zeit dauern, und zwar um so länger, je höher der Behälter ist. Denken wir uns, bei ruhendem Wasser, die Höhe a c des Gefäßes (Fig. 15 b ) durch vier bewegliche Böden m n in fünf gleiche Teile geteilt, so wird nunmehr die Klärung des ganz en In- haltes in ⅕ der Zeit vor sich gehen . Fig. 15 a. Fig. 15 b. Fig. 15 c. Und wenn wir nun die Bleche m n , anstatt wagerecht, geneigt anord- nen (Fig. 15 c ), so daß auf ihnen der abgesetzte Schlamm niederrutschen muß, so brauchen sie nicht mehr beweglich, sondern können im Gefäß fest angebracht sein. Fig. 15 d. Handelt es sich um ein Gefäß, in welchem das Wasser aufsteigen soll, so zeigt Fig. 15 d , in welcher Art die Bleche m n anzuordnen sind; immer haben wir hier, wie in Fig. 15 c , eine Anzahl Gefäßchen von ge- ringer Höhe, in denen die Klärung des trüben Wassers im ganzen Gefäß gleichzeitig vor sich geht . Auf diesen Grundsätzen beruht die Setzmaschine zum Klären von trüben Flüssigkeiten , deren Erfinder Herr Ingenieur Paul Gaillet in Lille und welche der Maschinenbauanstalt Humboldt im deut- schen Reiche unter Nr. 38032 patentiert ist. Diese Setzmaschine beruht aber auch auf wissenschaftlichen Sätzen der mechanischen Aufbereitung. In Fig. 16 stellt D die besagte Setzmaschine dar, sie wird gebildet durch einen länglichen Kasten aus Blech mit unten zulaufenden Schrägungen, welche an eine Reihe von Spitztrichtern a aus Gußeisen auslaufen. Im Inneren des Kastens sind geneigte flache Wände derart zu einer Kolonne nebeneinander angeordnet, daß die Flüssigkeit, wie die Pfeile bezeichnen, sich Fig. 16. in vielfachen Windungen hindurch nach dem Ausfluß hin bewegen muß. Die trübe Flüssigkeit tritt durch das schräge Rohr (rechts in der Zeichnung) ein und verfolgt den ihr durch die schrägen Wände vorgeschriebenen Weg, auf welchem die schwimmenden festen Teilchen sich auf die Wände absetzen und als Schlamm von ihnen nach abwärts in die Spitztrichter rutschen; zweck- mäßig angebrachte Hähne ermöglichen, den abgesetzten Schlamm mit größter Leichtigkeit zu entfernen. Je näher die Flüssigkeit dem Ausflusse des Kastens zurückt, desto klarer wird sie sein, und vor diesem Ausfluß ist sie gezwungen, noch durch ein Filter C (Hobelspäne oder Koksstückchen zwischen gelochten Blechen) zu steigen, welches aber weniger den Zweck hat, zu filtrieren, als zu stauen und so den Wasserstand im Apparat zu regeln. Bei b tritt die Flüssigkeit völlig klar aus, vorausgesetzt, daß der Setzmaschine, ihrem In- halte entsprechend, die richtige Menge gleichmäßig zugeführt wird. Diese gleichmäßige Zuführung wird bewirkt durch den Regulator C , indem bei einer gewissen Stellung des Schiebers der Wasserstand durch den zugehöri- gen Schwimmer auf gleicher Höhe erhalten wird. Fig. 17. Die in Fig. 16 im Durchschnitt und in Fig. 17 in der Gesamt- ansicht gezeichnete Setzmaschine stellt eine Einrichtung dar, in der diese Setzmaschine in ein Ganzes eingefügt ist, in einen Apparat zum Weichmachen von hartem Wasser . Ueber dem Setzkasten D sind die beiden Reagensbehälter B angebracht, in welchen abwechselnd die Reagenslösung von Kalkwasser und Soda angerichtet wird; auf diesen Behältern steht der Zuflußkasten A , in den das harte Wasser von einer Pumpe oder einem höher gelegenen Wasserbehälter gelangt. Der Kasten A ist mit einem Ueberlaufrohre versehen und speist durch das unter die- sem liegende Rohr die entsprechende Abteilung des Zuflußregulators mit hartem Wasser. Die Reagenslösung wird aus einem Behälter B durch einen Schwimmerabfluß stets nahe der Oberfläche, wo sie immer klar ist, entnommen und gelangt gleichfalls durch ein Rohr nach der anderen Abteilung des Regulators C. Der Absluß aus jeder Regulatorabteilung wird durch einen Schieber richtig eingeteilt, so daß das harte Wasser und die Reagenslösung erst in der mittleren Abteilung des Regulators C zu- sammentreffen und miteinander durch den Trichter und das Rohr unter C in den Setzkasten D gelangen. Auf dem langen gewundenen Wege durch den Setzkasten und besonders beim Durchgang durch das nach oben spitz zulaufende Loch in jedem zweiten schrägen Blech haben die beiden Flüs- sigkeiten die schönste Gelegenheit, sich innig zu mischen, so daß die Reagensmittel theoretisch genau ausgenutzt werden können , was in anderen Apparaten, und gar in gewöhnlichen Behältern, gar nicht der Fall sein kann, ein weiterer Vorzug, der dieser Vorrichtung zu ihrer hervorragenden Klärfähigkeit noch zuzurechnen ist. — Damit durch die beiden Schieberöffnungen im Regulator C stets dieselbe Flüssigkeitsmenge ausfließe, muß in beiden Abteilungen der Wasserstand unveränderlich auf je einer und derselben Höhe erhalten werden, und das wird durch die beiden Schwimmer bewirkt, welche durch je ein Ventil die Mündung der Zufluß- rohre von hartem Wasser und Reagenslösung öffnen und schließen. Um die ganze Einrichtung selbstthätig und von jeder Beaufsichtigung unabhängig zu gestalten, bringt man das Tellerventil in der mittleren Regulatorabteilung in Verbindung mit einem Schwimmer in dem Behälter, welcher das auf- bereitete Wasser aufnimmt. Wird diesem Behälter kein Wasser entnommen so schließt der steigende Schwimmer durch das Tellerventil jeglichen Zufluß zum Setzkasten D ab, im Regulator steigt der Wasserstand ebenfalls, und die beiden Schwimmer des Regulators schließen nunmehr auch den Zufluß von hartem Wasser und Reagenslösung. Sobald die Entnahme von auf- bereitetem Wasser wieder beginnt, tritt die ganze Vorrichtung durch die Ein- wirkung der erwähnten drei Schwimmer von selbst wieder in Thätigkeit. Die Zubereitung der Reagenslösung in einem der Behälter B , welche höchstens 15 bis 20 Minuten Zeit in Anspruch nimmt, und von der eine Behälterfüllung je nach der Zusammensetzung des Wassers 6 bis 12 Stun- den vorhält, geschieht folgendermaßen: In dem aus gelochtem Blech ange- fertigten Korb unter A wird die zu einer Behälterfüllung nötige Menge Kalk abgelöscht und durch Wasser aus A , welches durch einen Stutzen zu- läuft, in den Behälter B als Kalkmilch abgespült; die erforderliche Menge Soda (am besten kalcinierte Soda mit etwa 98 Prozent NaCO 3 ) wird unmittelbar in B gegeben; während nun das Wasser aus A in B fließt, rührt der Arbeiter mit einer durchlöcherten Krücke den Inhalt von B kräftig durcheinander, und zwar so lange, bis der Wasserspiegel den Boden des Korbes berührt. Nun läßt man die Lösung etwa 10 Minuten stehen, nach welcher Zeit sie sich völlig geklärt hat und zum Gebrauche fertig ist. Bei großen Apparaten haben die Behälter B ein bedeutendes Fassungs- vermögen; mit gutem Willen könnte der Arbeiter zwar das Aufrühren rich- tig ausführen. Da dieses nun doch eine ziemliche Kraftanstrengung ver- langt, so thut man gut, in die Behälter B ein Dampfgebläse einzubauen; man ist dann wenigstens sicher, daß die Arbeit des Aufrührens auch ordent- lich gethan wird. Daß die Temperatur des harten Wassers von keinem Belang für das Verfahren ist, brauche ich nach dem früher Gesagten nur noch zu erwähnen. Entfernung von suspendierten Körpern . Neben den chemischen Verunreinigungen des Wassers kommen auch noch mechanische in Betracht, d. h. Körper, welche, ohne gelöst zu sein, im Wasser schwimmen oder sich darin in der Schwebe befinden. Die Natur dieser Stoffe ist eine sehr ver- schiedene, teils mineralische (z. B. der schlammige Thon, welchen die Flüsse im Frühjahr nach der Schneeschmelze mit sich führen), teils organische 15* (Reste von Pflanzen- und Tierkörpern). Solch trübes Wasser ist nicht ohne weiteres verwendbar; es bedarf gleichfalls der Reinigung. Diese kann teils auf mechanischem, teils auf chemischem Wege erfolgen. Die mechanische Reinigung trüben Wassers kann durch Absitzen- lassen auf einfachste Weise geklärt werden. Dieses erfordert aber Zeit Fig. 18. Excelsior-Filterpresse. und große Gefäße, deren Raum nicht jedem zu Gebote steht. Andere be- kannte Mittel sind die der Filtration , namentlich durch plastische Kohle, sog. Kohlenfilter. Zur Bewältigung großer Wassermengen müßten indes eine große Anzahl solcher Filter beschafft werden, was der Methode doch hinderlich im Wege steht. Am geeignetsten zur Filtration großer Wasser- mengen sind die Filterpressen , Apparate, welche für größere Betriebe geradezu unentbehrlich sind. Eine solche Filterpresse, wie sie von der Firma Wegelin und Hübner in Halle a/S. gebaut und durch die Fig. 18 auf Seite 228 veranschaulicht ist, liefert genügende Mengen krystallklaren Wassers bei verhältnismäßig geringem Raumbedarf. Die Leistung einer derartigen Filterpresse ist je nach der Größe pro Stunde 2 bis 82 cbm. Ein Apparat von 1,60 m Länge und 1,2 m Breite mit 6 Filterkammern liefert pro Stunde 2 cbm. Die Einführung des zu filtrierenden Wassers geschieht ent- weder mittels einer Pumpe, oder durch natürlichen Druck aus einem Hoch- reservoir. Die chemische Reinigung trüben Wassers wird dadurch erreicht, daß im Wasser ein Niederschlag erzeugt wird, welcher entweder vermöge seiner Schwere den suspendierten Körper mechanisch mit zu Boden reißt, oder vermöge seiner geringen Schwere an die Oberfläche zieht. — Der erste Fall wird erreicht durch Alaun Ich bemerke ausdrücklich, daß hier von einer mechanischen Reinigung auf chemischem Wege vermittelst Alaun die Rede ist, von einer Klärung durch Alaun; zur Beseitigung der Härte des Wassers ist der Alaun nicht verwendbar. . Am besten wird zuerst eisenfreier gelöster Alaun dem Wasser beigemengt, worauf ein wenig ebenfalls gelöste Soda zugesetzt und gut umgerührt wird. Es findet hierbei eine Ausscheidung von Thonerde in großen Flocken statt, welche das Trübe des Wassers einhüllen, und beim Absetzen mechanisch mit zu Boden reißen. Ein Durchseihen des Wassers wird freilich auch in diesem Falle nicht zu umgehen sein. — Der zweite Fall wird erreicht durch Zinnchlorid (Doppeltchlorzinn). Von ei- ner Lösung dieses Salzes sind nur verhältnismäßig geringe Mengen not- wendig zur Klärung des Wassers. Durch den Zusatz der Lösung wird das Wasser vorerst noch trüber; wird dann aber tüchtig gerührt und langsam auf 40 bis 50° erwärmt (etwa durch eingeleiteten Kesseldampf), so scheidet sich Zinnoxyd in Flocken aus, welche sich bald an der Oberfläche des Wassers sammeln und das Suspendierte mechanisch mit sich führen. Da in diesem Falle die schaumigen Flocken mittels eines Schöpflöffels abgenommen werden können, so ist ein Absetzen oder Durchseihen nicht nötig. Am Schlusse möge ausdrücklich betont werden, daß durch die letzt beschriebenen Operationen nur eine Klärung des Wassers erreicht wird; das klare Wasser kann deshalb noch immer hart sein, und würde in diesem Falle vor seiner Verwendung noch von seiner Härte zu befreien sein. Auch noch eine große Menge anderer Klärmittel gibt es, z. B. Eiweiß, Tannin u. dergl., sie sind jedoch zum Klären großer Mengen, weil zu kost- spielig, nicht verwendbar. § 86. Dampfkessel- und Kondensationswasser. Wenn irgendwo das Wasser von seiner Härte völlig befreit werden muß, so ist das der Fall beim Wasser zur Kesselspeisung. Die unaufhör- lichen Klagen über Kesselsteinbildung, über die Schädigung, die der Dampfkessel dadurch erleidet, über die zeitweilige Betriebsstörung durch Kesselklopfen, über den infolge Kesselsteinbildung vermehrten Kohlenverbrauch, abgesehen von der durch plötzliche Loslösung von Kesselsteinkrusten leicht möglichen Explo- sionsgefahr würden sofort verstummen, wenn man sich entschließen wollte, das Speisewasser vor dem Einpumpen in den Kessel weich zu machen und absetzen zu lassen. Ein mit solch weich gemachtem Wasser be- schickter Kessel kann keinen Kesselstein bilden ; er kann dauernd ohne Störung oder Unterbrechung in Betrieb gehalten werden. In der Praxis geschieht das Weichmachen des Wassers meist erst im Kessel selbst. Das ist ein Fehler . Was nützt das weiche Wasser im Kessel, wenn trotzdem der gesamte Kalk-, Magnesia- und Eisengehalt des Wassers sich im Kessel befindet? Wenn auch von einzelnen Technikern dar- auf hingewiesen wird, daß diese Verunreinigungen im Kessel sich als Schlamm befinden und keine harte Kruste bilden, so ist dieser Schlamm doch immer- hin keine Wohlthat für den Kessel; er bewirkt ein stoßendes Kochen, eine ungleichmäßige Dampfentwickelung und macht auch von Zeit zu Zeit ein Ab- blasen des Kessels notwendig. Warum also erst einen Schlamm im Kessel erzeugen, den man außerhalb des Dampfkessels erzeugen und beseitigen kann? Die Reinigungsmethoden für Kesselspeisewasser sind ganz dieselben, wie im vorigen Paragraphen angegeben. Alle sogenannten Kesselsteinmittel, welche in großer Anzahl und mit großer Reklame empfohlen werden, speku- lieren auf die Unkenntnis des Publikums; günstigsten Falles bestehen sie aus Soda. Einen nachweisbaren Nutzen wird man niemals davon haben. Man reinige daher lieber das Wasser und behalte sein Geld! Der Wasserdampf , wie er im Dampfkessel gebildet wird, ist Was- ser in seiner reinsten Form . Er sollte überall, wo er seine Arbeit verrichtet hat, abgekühlt und gesammelt werden. Diesem Zwecke dient der Kondensator (d. h. Verdichter). Das im Kondensator gesammelte Wasser, das Kondensationswasser , sollte der Theorie nach chemisch reines, destilliertes Wasser sein. Es ist in der That ein von mineralischen Be- standteilen völlig freies, absolut weiches Wasser; es enthält jedoch fast stets geringe Anteile von Schmier- oder Mineralölen, welche beim Durchgange des Dampfes durch die Ventile der Leitungsröhren oder durch die Maschine mechanisch mitgerissen werden. Dieses Wasser ist wegen seiner Weichheit für Färbereizwecke besonders geeignet; es ist jedoch seiner Oelteile wegen nicht ohne weiteres verwendbar, sondern muß vorher genügend gereinigt werden. Das Reinigen des Kondensationswassers geschieht am einfach- sten auf mechanischem Wege, indem man Oel und Wasser sich ruhig vonein- ander trennen läßt, das unten befindliche Wasser durch einen Hahn abläßt, um dann dasselbe durch Koks oder besser durch Knochenkohle und nachher noch durch eine Kies- oder Sandschicht treten zu lassen. Zur völligen Ent- fernung der öligen Bestandteile empfiehlt sich auch ein tüchtiges Durch- rühren mit einer darauf gegossenen dünnen Schicht Benzin, Absetzenlassen und Verfahren wie oben. Gemeinhin enthält das Kondensationswasser auch kleine Mengen Eisen. Man überzeugt sich davon leicht, wenn man in ein Reagierglas etwas Kondensationswasser gibt, einige Tropfen chemisch reine Salzsäure hinzufügt (die käufliche ist stets eisenhaltig, ist deshalb zum Nach- weis nicht verwendbar) und dann einige Tropfen einer Lösung von gelbem Blutlaugensalz zufließen läßt. Eine entstehende blaue Farbe zeigt Eisen an. Wird das Kondensationswasser eisenhaltig gefunden, so kann es nur für dunkle Farben verwendet werden; färbt es sich dagegen nicht blau, so kann es für alle feineren Färbereizwecke unbedenklich verwendet werden. Um Kondensationswasser zu sammeln und abzuleiten, dazu dient der Kondensationswasserableiter mit Hebelschwimmer und entlastetem Ventil. Fig. 19. Der in Fig. 19 abgebildete Kondensationswasserableiter hat gegenüber den älteren Konstruktionen den Vorteil, daß er trotz seiner geringen äußeren Dimension eine bedeutende Leistungsfähigkeit besitzt und bei allen Dampf- pressungen bis 8 Atmosphären gleich sicher funktioniert. Das mit dem Dampf zusammen durch den oberen Anschlußstutzen eintretende Kondensationswasser kann durch den am seitlichen Ventilgehäuse befindlichen Ausgangsstutzen ins Freie oder, bei Anwendung einer Rohrleitung, nach einem beliebigen Ver- wendungsort geleitet werden, ohne im Innern des Topfes durch irgend welche Querschnittsverengungen gehemmt zu werden. Der Apparat ist so konstruiert, daß man nach Entfernung des Ventil- deckels und des kleinen ovalen Befestigungsflantsches für den Hebel das Ventil leicht herausnehmen, reinigen und eventuell nachschleifen kann. Oben auf dem Deckel des Topfes befindet sich ein kleiner Lufthahn, der beim ersten Anstellen des Dampfes zur Entfernung der in den Röhren befindlichen Luft geöffnet werden kann; eine seitlich angebrachte Verschrau- bung dient zum Ablassen des Wassers vor längeren Betriebspausen der be- treffenden Dampfleitung. Kondensationswasserableiter anderer Systeme sind die durch nachstehende Abbildungen erläuterten der Firma C. H. Weisbach in Chemnitz: A. Mit offenem Schwimmer . Die in Fig. 20 A u. B veranschau- lichten Kondensationswasserableiter vereinigen große Zuverlässigkeit mit größ- ter Einfachheit. Die Konstruktion derselben gestattet bei etwaigem Verschmutzen leichtes Auseinandernehmen und Reinigen. Fig. 20 A. Fig. 20 B. B. System Robinson . Dieser Apparat (Fig. 21 A und B ) besteht im wesentlichen aus einem eisernen, oben mit einem losen Deckel geschlossenen Wasserkasten und aus einem kupfernen Schwimmer, welcher, je nachdem der- selbe in seiner tiefsten oder höchsten Stellung sich befindet, einen seitlich angebrachten Hahn öffnet oder schließt. Durch diese einfache Vorrichtung wird eine selbstthätige Regulierung der Funktion erreicht. Fig. 21 A. Die einfachsten Apparate dieser Art sind die röhrenförmigen Kon- densationswasserableiter . Fig. 21 B. § 87. Die Säuren. Als Säuren bezeichnet man alle jene chemischen Stoffe in gasförmiger, flüssiger oder fester Form, welche die Eigenschaft haben, sich mit Basen und Metalloxyden zu Salzen zu verbinden; ihren Namen führen sie daher, daß ihre wässerige Lösung sauer schmeckt; die für die Säuren charakteristische Eigenschaft ist ihre Wirkung auf dem blauen Lackmusfarbstoff, welcher dadurch zwiebelrot gefärbt wird. — Von den Säuren, welche Gasform besitzen, kommt eigentlich nur die schweflige Säure zur Verwendung. Die Kohlen- säure kommt weder in Gasform, noch in ihrer komprimierten Form als flüssige Kohlensäure in Gebrauch, und die Blausäure, wenn überhaupt, dann nur in wässeriger Lösung. Die in der Färberei meist gebrauchten Säuren kommen zum Teil als Flüssigkeiten in den Handel, teils sind sie feste Krystalle oder gestaltlose Pulver. Fast alle Säuren sind in Wasser leicht löslich; einige wenige sind unlöslich, lösen sich dann aber in stark alkalischen Lösungen, z. B. Kieselsäure. 1. Salpetersäure, Scheidewasser , HNO 3 , hat ihren Namen vom Sal- peter, aus dem sie durch Destillation mit Schwefelsäure in eigenen Fabriken gewonnen wird. Die Salpetersäure des Handels ist eine klare, farblose oder gelb gefärbte, an der Luft rauchende Flüssigkeit von eigentümlichem unan- genehmem Geruch. Sie färbt die Haut gelb, ebenso Wolle und Seide. An feuchter Luft stößt sie einen weißen, beißenden Dampf aus, weshalb sie in Glasflaschen mit Glasstöpfel oder in steinernen Flaschen mit Schraubenstöpseln aufbewahrt werden muß. Die käufliche Säure ist zwar mit mancherlei anderen Stoffen (salpetrige Säure, Salzsäure, Schwefelsäure, Eisen u. a. m.) verunreinigt; für ihre Verwendung in der Färberei ist sie jedoch genügend rein. Sie enthält gemeinhin 50 bis 52 Prozent an wasserfreier Säure, was einem spezifischen Gewicht von 1,2 bis 1,4 und einer Stärke von 35 bis 36° Bé. entspricht. Mit Wasser ist sie in jedem Verhältnisse mischbar. Anwendung : Zur Auflösung von Metallen bei der Bereitung von Beizen (z. B. des Zinns), und zur Lösung metallischer Niederschläge (z. B. des Eisenoxydes bei Darstellung des salpetersauren Eisens). Pflanzen- farben, selbst die des Indigos, werden dadurch zerstört, weshalb man sie auch zum Beizen von Indigo benutzt hat. 2. Schwefelsäure, Vitriolöl , H 2 S O 4 , kommt in 2 verschiedenen Marken in den Handel, welche beide in der Färberei starke Verwendung finden. a) Nordhäuser Schwefelsäure, rauchende Schwefelsäure , H 2 S 2 O 7 , ist eine Auflösung von Schwefelsäureanhydrid in gewöhnlicher Schwefelsäure, und stellt eine dicke, ölige, klare, bräunliche Flüssigkeit vor, welche an der Luft dicke, weiße, erstickende Dämpfe von Schwefelsäurean- hydrid ausstößt, höchst ätzend wirkt und sich mit Wasser unter Zischen und starker Erhitzung mischt. Das spezifische Gewicht schwankt zwischen 1,86 bis 1,90. Anwendung : Nur zum Auflösen des Indigos und zur Be- reitung von Indigokarmin und Sächsischblau. b) Englische Schwefelsäure, rohe Schwefelsäure . Die englische Schwefelsäure ist eine klare farblose bis bräunliche, sehr saure, nicht rauchende Flüssigkeit von ölartiger Konsistenz, und wird im großen durch Verbrennen von Schwefel in Gegenwart von Salpetersäure in den sogen. Bleikammern erzeugt. Das in Deutschland übliche Handelsprodukt hat ein spezifisches Gewicht von 1,83 bis 1,84, was etwa 66° Bé. entspricht. — Sowohl die Nordhäuser, als die englische Schwefelsäure sind nicht rein; die gewöhn- lichen, von der Fabrikation herrührenden Verunreinigungen sind Salzsäure, Stickoxyde, Bleisulfat und Arsen. Die Anwesenheit dieser Stoffe ist ihrer Verwendung in der Färberei jedoch nicht weiter hinderlich. Die englische Schwefelsäure löst sich mit Wasser in jedem Verhältnisse, wobei bedeutende Erhitzung eintritt, welche bis zum Sieden des Wassers steigen kann. Beim Vermischen von Schwefelsäure mit Wasser ist große Vorsicht anzuwenden: stets muß die Schwefelsäure in das in schwenkende Bewegung versetzte Was- ser gegossen werden, niemals das Wasser in die Schwefelsäure! Anwendung : In der Wollenfärberei zusammen mit Glaubersalz zum Auf- färben saurer Farbstoffe; zusammen mit Kaliumdichromat (Chromsäurege- misch) zum Beizen der Wolle; zum Neutralisieren alkalischer Lösungen, zur Darstellung von Türkischrotöl, zum Reinigen und Putzen der kupfernen Kessel und anderen ähnlichen Zwecken mehr. 3. Schweflige Säure , S O 2 , wird in zwei Formen angewendet. a) Gasförmige Schwefligsäure wird durch Verbrennen von Schwefel in den Schwefelkammern bereitet. Der Schwefel verbrennt mit schwach bläulicher Flamme; das gebildete Schwefligsäuregas ist ein farbloses, stechend und erstickend riechendes Gas, welches, in größerer Menge eingeatmet, giftig wirkt. Anwendung : Zum Bleichen von Seide und Wolle. Wegen seiner giftigen Eigenschaften ist es unbedingt notwendig, daß die Schwefelkammer, ehe sie betreten wird, ordentlich gelüftet werde. b) Wässerige Schweflig- säure ist eine Auflösung von Schwefligsäuregas in Wasser und stellt eine wasserhelle farblose Flüssigkeit mit dem Geruch des verbrennenden Schwefels vor. Blaues Lackmuspapier wird davon zuerst gerötet, dann gebleicht. Das Handelsprodukt enthält 3½ bis 10 Prozent gasförmige schweflige Säure; letzterer Gehalt entspricht etwa 7° Bé. Anwendung : Wie die gasförmige Säure zum Bleichen von Seide und Wolle, sowie zur Reduktion von Indigo mit Zink. Ihre Wirkung beruht darauf, daß sie die natürlichen Farbstoffe durch Reduktion in farblose Leukoverbindungen überführt. 4. Salzsäure, Chlorwasserstoffsäure , H Cl, ist ein farbloses, stechend riechendes Gas, welches jedoch als wässerige Lösung in den Handel gelangt. Sie wird als Nebenprodukt bei der Sodafabrikation gewonnen als eine gelb- liche bis gelbe, klare oder wenig trübe, an der Luft stark rauchende, sauer und erstickend riechende Flüssigkeit von sehr verschiedenem Gehalt an wasser- freier Säure. Die gewöhnliche im Handel meist vorkommende Säure hat einen Gehalt von 32 Prozent und ein spezifisches Gewicht von 1,160 = 20° Bé. Die käufliche rohe Salzsäure ist stets mit mehr oder weniger großen Mengen Chlor, schwefliger Säure, Schwefelsäure, Thonerde, Eisenchlorid und Arsen verunreinigt. Von allen diesen Verunreinigungen ist nur das Eisen- chlorid von Nachteil; es ist die Ursache der gelben Farbe der rohen Salz- säure; es muß daher beim Einkauf von Salzsäure auf ein möglichst eisen- freies Präparat gesehen werden, also auf eine farblose oder möglichst wenig gelb gefärbte Säure; je eisenfreier die Säure, desto wertvoller ist sie für die Zwecke der Färberei und Bleicherei. Der Eisengehalt, sofern er sich nicht schon durch die gelbe Farbe der Säure kennzeichnet, wird durch Sättigen der Salzsäure mit Salmiakgeist, bis dieselbe danach riecht, Zusatz von etwas Weinsäure und Zufügen von Schwefelammonium nachgewiesen: es entsteht ein schwarzer Niederschlag. Anwendung : Die Salzsäure dient vornehm- lich in Verdünnung mit Wasser (bis die verdünnte Säure 1 bis 2° Bé. zeigt) zum Bleichen von Geweben; außerdem dient sie vielfach zur Lösung von Metallen (z. B. zur Bereitung von Chlorzinn), zur Bereitung von Königs- wasser, von Chlorgas und Chlorkalk. Zur Zinnsalzbereitung muß eine von schwefliger Säure möglichst freie Salzsäure verwendet werden. Man prüft für diesen Zweck vorher eine Probe durch Hinzufügen von einem Körnchen metallischem Zinn; bei einem Gehalt von schwefliger Säure bildet sich ein brauner Niederschlag und ein Geruch nach faulen Eiern. 5. Königswasser, Salpetersalzsäure , ist eine Mischung von 1 Teil Salpetersäure mit 3 Teilen Salzsäure. Am besten stellt man sich diese Mischung zum jedesmaligen Gebrauche her. Durch Mischung der beiden Säuren tritt Zersetzung ein, und die gelbe Flüssigkeit enthält bei richtigem Mischungsverhältnis weder Salpetersäure, noch Salzsäure, sondern eine Lösung von Chlor und salpetriger Säure in Wasser. Das Königswasser löst fast alle Metalle (mit Ausnahme von Blei und Silber, welche beiden in unlösliche Chloride übergeführt werden), sogar Gold und Platin. An- wendung : Fast nur zur Bereitung von Zinnchlorid (Doppelt-Chlorzinn). 6. Arsenige Säure, Arsenik , As 2 O 3 , wird als Nebenprodukt bei der Verarbeitung der Kobalterze gewonnen. In den Handel kommt sie als glasartige Masse von muscheligem Bruch, ist in frischem Zustande durch- scheinend, etwas gelblich gefärbt, wird aber bei längerem Liegen an der Luft weiß und undurchsichtig, porzellanartig. Sie ist geruchlos, schmeckt scharf, ekelerregend, hinterher süßlich; sie wird durch Hitze, ohne vorher zu schmelzen, in grauweiße Dämpfe verwandelt, welche nach Knoblauch riechen, und beim Erkalten sich wieder zu einem weißen Pulver verdichten. Sie löst sich in 56 Teilen kalten und 12 Teilen kochenden Wassers; die Lösung ist farblos und reagiert schwach sauer. Mit den Basen bildet sie die arsenigsauren Salze. Anwendung : Die Anwendung der arsenigen Säure ist ihrer großen Giftigkeit wegen eine beschränkte; sie soll den Farben einen lebhafteren Ton verleihen. Eine Lösung von arseniger Säure in Glycerin wird als Beize mit Vorteil angewendet; größer ist die Verwendung in der Druckerei. Daß die Verwendung arsenhaltiger Beizen in der Färberei nicht so schädlich ist, als man allgemein glaubt, ist durch das Gesetz betr. die Ver- wendung gesundheitsschädlicher Farben, vom 5. Juli 1887, indirekt aner- kannt worden. In der That wird derjenige Anteil der arsenigen Säure, welcher nicht als Farblack in unlösliche Form übergeführt wird, aus den Garnen oder Geweben durch Spülen und Seifen ganz oder doch bis auf kaum nennenswerte Spuren entfernt. In Verbindung mit Eisensalzen (wie z. B. bei einigen dunkeln Violetts) ist die Verwendung von Arsenik absolut unschädlich. 7. Arseniksäure, Arsensäure , As 2 O 5 , eine noch höhere Oxydations- stufe des Arsens als die vorige, wird als solche in der Färberei nicht ver- wendet, sondern nur in Form ihres Natriumsalzes, des arsensauren Natriums; über dieses siehe weiter unten. 8. Chromsäure . Die reine Chromsäure, wie sie in Form zinnober- roter kleiner Krystallnadeln im Handel erscheint, wird in der Färberei nicht gebraucht. Dagegen wird sie unendlich mehr gebraucht, als die meisten glauben werden, und zwar wird sie für diesen Zweck selbst erzeugt. Jenes bekannte Gemisch aus Kaliumdichromat und Schwefelsäure ist in der Haupt- sache eine Lösung von Chromsäure. Dieses Chromsäuregemisch dient dann vornehmlich in der Wollenfärberei zum Beizen der Wolle, namentlich zum Fixieren von Alizarinfarben und einiger Azofarben. Die Chromsäure, welche in der Färberei zur Verwendung gelangt, kommt stets in Form ihrer doppelt sauren Salze, als Kaliumdichromat, neuerdings auch als Natrium- dichromat in den Handel. Näheres über diese siehe unter Kaliumsalze und Natriumsalze . 9. Zinnsäure wird nur in Form ihres Natronsalzes verwendet, näheres darüber findet sich unter Natriumsalze. 10. Molybdänsäure ist von Hermbstädt als Beize zum Befestigen mehrerer Farben auf Baumwolle empfohlen werden. Sie wird zuweilen gemeinschaftlich mit Zinnpräparaten zur Darstellung schöner blauer Farben benutzt. 11. Essigsäure, Eisessig , CH 3 · COO H, welche in größerer oder geringerer Verdünnung auch die Namen Essig und Essigsprit und in minder großer Reinheit die Namen Holzessig und Holzessigsäure führt, ist in konzentriertem Zustande (als Eisessig ) eine klare, farblose, sehr sauer riechende Flüssigkeit, welche völlig flüchtig ist und sich mit Wasser, Weingeist und Aether in jedem Verhältnisse mischt, bei niedriger Temperatur (+ 17° C.) krystallinisch erstarrt und bei 110° C. siedet. Das spezifische Gewicht, wel- ches sonst zur Bestimmung des Gehalts mit Sicherheit verwendet wird, ist bei der Essigsäure zu diesem Zweck nicht zu benutzen, da beim Verdünnen eine Kontraktion und infolge dessen eine Erhöhung des Gewichts stattfindet; aus demselben Grunde gibt das Beaumé sche Aräometer keinen Anhalte- punkt. Man wird sich daher beim Einkauf entweder auf die Ehrlichkeit des Lieferanten verlassen oder eine vollständige Gehaltsprüfung anstellen müssen. Eine solche aber erfordert eine gewisse Uebung in maßanalytischen Handgriffen, und wird am besten von einem Chemiker ausgeführt. Die Grundsätze, nach denen eine solche Prüfung ausgeführt wird, beruhen auf der Ermittelung derjenigen Menge von Normalnatronlauge, welche durch ein bestimmtes Ge- wicht der zu prüfenden Säure neutralisiert wird. Anwendung : Die Essig- säure gehört zu den im Färbereibetriebe oft und gern gebrauchten Stoffen; ihre Anwendung ist eine ungemein vielseitige; in größeren Mengen wird sie verwendet zum Auflösen von Metalloxyden oder Carbonaten behufs Dar- stellung essigsaurer Salze, z. B. des essigsauren Eisens und des essigsauren Kalks; ferner dient sie zum Neutralisieren alkalischer Lösungen, als Hilfs- mittel zum Auflösen einiger Farbstoffe, und in der Seidenfärberei besonders als Zusatz beim Färben in sauren Bädern und zum Schönen und Beleben der Farben. — Die Holzessigsäure oder Holzsäure, welche durch trockene Destillation aus Holz gewonnen wird, ist einer so allgemeinen Anwendung nicht fähig; sie ist gelb bis bräunlich gefärbt und enthält verschiedene teer- ähnliche Brenzprodukte gelöst, welche beim späteren Neutralisieren der Säuren unlöslich werden und als Fett- oder Harztropfen sich abscheiden. Beim Färben loser Wolle hat das weniger zu bedeuten; man sollte indes die An- wendung des Holzessigs und Holzessigsäure aus den oben angegebenen Gründen beschränken und nur in der Braun- oder Schwarzfärberei Gebrauch davon machen. 12. Weinsäure, Weinsteinsäure , Große, harte, weiße, durchscheinende Krystalle von starkem, aber angenehm saurem Geschmack, geruchlos, luftbeständig, beim Erhitzen unter Ausstoßung von nach verbranntem Zucker riechenden Dämpfen verkohlend, beim weiteren Erhitzen ohne Rückstand verbrennend. Sie löst sich in weniger, als ihrem gleichen Gewicht Wasser. Sie wird aus Weinstein oder aus weinsaurem Kalk durch Behandeln mit Schwefelsäure gewonnen. Von dieser Darstellung her enthält die Weinsäure bisweilen noch Schwefelsäure; eine solche Wein- säure wird an der Luft feucht; man achte daher beim Einkauf auf luft- trockene Ware. Anwendung : Die Weinsäure findet sehr bedeutende Verwendung im Zeugdruck; in der Färberei ist ihre Anwendung nur eine beschränkte: sie dient als Zusatz beim Beizen der Wolle mit Kaliumdichromat (um die Chromsäure in Freiheit zu setzen) und in der Seidenfärberei zum Beleben der Farben. Vielfach wird statt der Weinsäure der Weinstein an- gewendet. 13. Citronensäure , C 3 H 4 (OH) · (COO H) 3 , ist in dem ausgepreßten Safte der Citronen enthalten und wird daraus in ansehnlichen, farblosen, durchscheinenden lufttrockenen Krystallen gewonnen, welche in warmer Luft ver- wittern, keinen Geruch, aber angenehm sauren Geschmack besitzen. In ihrem Ansehen, wie auch in ihren Löslichkeitsverhältnissen ähnelt sie der Weinsäure, mit der sie von einem Laien leicht verwechselt werden kann, und mit der sie, da die Citronensäure wesentlich teurer ist, vielfach verfälscht wird. Zur Prüfung auf Weinsäure mache man sich eine schwache wässerige Lösung (1:3) und füge ein gleiches Volumen einer weingeistigen Lösung von essigsaurem Kali (1:3) hinzu: es darf kein krystallinischer weißer Niederschlag entstehen; andernfalls enthält die Citronensäure Weinsäure. Anwendung : So um- fangreich ihre Verwendung in der Druckerei, so beschränkt ist sie in der Färberei; sie dient nur zum Rotfärben der Baumwolle mit Safflor. 14. Oxalsäure, Kleesäure, Zuckersäure , (CO OH) 2 + 2 H 2 O. Findet sich fertig gebildet in dem Sauerklee (Oxalis), daher die beiden Namen. Sie wird in eigenen Fabriken durch Schmelzen von Sägespänen mit Aetz- alkalien erhalten und kommt mit 42,6 Prozent Wassergehalt in farb- und geruchlosen, luftbeständigen, in der Wärme verwitternden, kleinen rhombischen Säulen oder Nadeln in den Handel; sie schmeckt stark sauer und ist giftig . Sie schmilzt bei 100° und zerlegt sich bei höherer Temperatur in Kohlen- säure und Kohlenoxyd, ohne einen kohligen Rückstand zu hinterlassen. Sie ist dadurch, wie durch ihre Löslichkeit, leicht von den beiden vorigen zu unterscheiden. Sie löst sich erst im neunfachen Gewicht kalten Wasser, dagegen sehr leicht in heißem. Anwendung : Wegen ihrer großen Ver- wandtschaft zu den Metalloxyden als Beizmittel, auch zur Zerstörung des Indigos, seltener als Lösungsmittel für Farben, beim Detachieren zum Ver- tilgen von Rost- oder Eisenflecken. Ihre Hauptverwendung findet sie in der Kattundruckerei. 15. Tannin, Gerbsäure, Digallussäure . Unter dem Namen Tannin werden eine Anzahl von Körpern verstanden, welche den Gerbstoff verschiedener Pflanzenteile vorstellen, z. B. der Gall- äpfel, der Eichenrinde, des Sumachs, der Knoppern, der Myrobalanen, der Dividivischoten u. dergl. m., von denen jedoch noch keineswegs mit völliger Sicherheit festgestellt ist, ob alle diese Gerbstoffe gleich oder gleich- wertig sind. Nur soviel steht fest, daß der Gerbstoff der Galläpfel und jener des Sumachs einander gleich sind. Was in diesem „Handbuch“ als „Tannin“ bezeichnet wird, ist durchgehends die Galläpfelgerbsäure . Das Tannin, wie es durch Extraktion von chinesischen oder gewöhnlichen Galläpfeln fabrikmäßig gewonnen wird, stellt ein gelbes, gelbliches oder fast weißes, feines, staubig trockenes Pulver von schwachem eigentümlichem Ge- ruche und stark zusammenziehendem, nicht saurem Geschmack vor; sie löst sich leicht im gleichen Gewicht Wasser; die Lösung ist rotbraun; Zusatz von Koch- salz scheidet aus dieser Lösung das Tannin wieder ab. Neuerdings kommt ein Tannin in Krystallform unter dem Namen „ Dr. Byk’s Krystall- tannin“ in den Handel; es sind schöne, goldgelb aussehende, glänzende Krystalle, die sich unbeschadet des Aussehens lange Zeit aufbewahren lassen. Prüfung : Die pulverige Form des Tannins gibt bisweilen Anlaß zu Verfälschungen; man hat Dextrin, Thonerdesalze, ja selbst gemahlene Myro- balanen bis zu 30 Prozent des Gewichts darin gefunden. Zur Feststellung von Verfälschungen löst man 1 Teil Tannin in 5 Teilen Wasser; es muß sich alles lösen und die Lösung muß klar sein, sie muß ferner bei Hinzu- fügung eines gleichen Volumens Alkohol und dann eines halben Volumens Aether klar bleiben . Anwendung : Das Tannin ist einer der häufigsten angewendeten Körper, besonders in der Baumwollenfärberei und in der Seidenfärberei. In der Baumwollenfärberei dient es als Beize für alle im Haupt- abschnitt II beschriebenen neutralen Farbstoffe, indem sie mit denselben un- lösliche Farblacke bildet, welche sich gleichzeitig auf die Faser niederschlagen. Die Baumwolle wird deshalb mit Tannin gebeizt. Der Theorie nach müßte eine direkt mit Tannin gebeizte Baumwolle ohne weiteres mit dem Farbstoff gefärbt werden können. Die Erfahrung zeigt jedoch, daß die Ver- wandtschaft des Tannins zur Baumwollfaser keine sonderlich große ist, da durch Spülen im fließenden Wasser einer Baumwolle ihr gesamter Tannin- gehalt wieder entzogen werden kann. Die Erfahrung hat aber ferner ge- lehrt, daß Tannin auch in unlöslicher Form imstande ist, sich mit gelösten Farbstoffen zu Farblacken zu verbinden. Auf diese Beobachtungen hin hat man das Tannin-Brechweinsteinverfahren kombiniert, indem man das Tannin mit Hilfe von Brechweinstein, in neuester Zeit auch mit einigen anderen Antimonsalzen, als gerbsaures Antimonoxyd, Antimontannat, auf der Faser befestigt, und eine so vorgebeizte Baumwolle im Farbebade ausfärbt. Ausführlicheres siehe unter Antimonpräparate und unter Baumwollenfärberei. In ähnlicher Weise, wie das Tannin mittels Antimonverbindung als Anti- montannat auf der Faser fixiert wird, kann man es auch mit anderen Me- tallen als unlösliche gerbsaure Metallverbindung auf der Faser niederschlagen. In der Praxis geschieht dies nur mit Thonerde- und Zinnsalzen, mit Metallverbindungen, welche als solche wiederum als Beize für schwach saure Farbstoffe gelten. Man erzeugt so zuweilen mittels essigsaurer Thonerde und Tannin Aluminiumtannat, sowie durch Zinnchlorid und Tannin Zinn- tannat auf der Faser, welche die gleiche Anziehungskraft für schwach saure Farbstoffe haben, wie die verwendeten löslichen Salze allein. Von ganz besonderem Wert ist noch das Verhalten des Tannins zu Eisensalzen. Das Tannin gibt nämlich mit Eisensalzen blauschwarze, in Wasser lösliche Verbindungen; diese Tanninverbindungen besitzen aber zu allen Gespinnstfasern eine bedeutende Affinität und schlagen sich auf denselben in unlöslicher Form nieder. Diese Thatsache ist das Fundament der Schwarz- färberei. Die Fasern, vor allem die Seide, können sehr bedeutende Mengen dieses Eisentannats in sich einlagern (Seide z. B. bis zu ⅓ ihres eigenen Gewichts). Durch wiederholtes abwechselndes Eingehen in ein Tanninbad und ein Eisenbad, Zurückgehen auf das Tanninbad u. s. w., sowie ferner durch Anwendung stärkerer oder dünnerer Lösungen kann man alle rein blauschwarzen Töne vom hellen Grau bis zum intensiven Schwarz erzielen. Weiteres darüber unter Schwarzfärberei. — In ähnlicher Weise, wie zum Schwarzfärben, können die Tannineisenverbindungen auch dazu dienen, anderen Farben einen dunkleren Ton zu verleihen, indem man ent- weder beim Vorbeizen oder Färben etwas Tannin zugibt und nach dem Färben und Spülen auf ein Eisenbad geht, oder, indem man mit Eisen- tannat grundiert und dann erst in der Farbstofflösung ausfärbt. Die erstere Methode ist das Dunkeln oder Abdunkeln . 16. Blausäure, Cyanwasserstoff , HCN , kommt als solche nicht zur Verwendung; wohl aber wird eine sehr schwache Lösung erzeugt, wenn man gelbes Blutlaugensalz in Lösung mit Schwefelsäure vermischt, wie dies beim Kaliblaufärben des Tuches bisweilen geschieht. 17. Kieselsäure , Si O 2 , wird gleichfalls nicht direkt verwandt, sondern erst auf der Faser erzeugt, wenn man ein mit Wasserglas imprägniertes Garn oder Gewebe in eine verdünnte Mineralsäure bringt. Eine auf diese Weise mit Kieselsäure beladene Wolle oder Baumwolle zeigt für einige Farbstoffe eine besondere Verwandtschaft, so daß in vereinzelten Fällen die Kieselsäure als Beizmittel zu betrachten ist; hierzu dient das Wasserglas, welches teils als Kali-, teils als Natronwasserglas in den Handel kommt. Ueber dieses siehe unter Kalium- und Natriumsalze. 18. Pikrinsäure , siehe § 72, b 2. § 88. Die Basen. Basen werden alle jenen chemischen Stoffe genannt, welche zu dem im vorigen Paragraph erklärten Säuren eine so große Verwandtschaft besitzen, daß sie sich mit ihnen zu anderweiten Körpern verbinden, welche wir als Salze bezeichnen. Schon unter den Farbstoffen hatten wir Gelegenheit, einige Basen kennen zu lernen, so das Anilin, das Rosanilin, das Amidoazobenzol. Diese sind organische Basen, d. h. sie stammen in irgend welchem Grade aus Produkten des Lebensprozesses tierischer oder pflanzlicher Individuen; sie unterscheiden sich dadurch von den anorganischen Basen, welche minera- lischer Natur sind und mit den chemischen Vorgängen im Lebewesen nichts zu thun haben. In vorliegendem Abschnitt haben wir es — mit alleiniger Ausnahme des Ammoniaks — nur mit anorganischen Basen zu thun. Diese sind durchweg Metallhydroxyde, d. h. Verbindungen, in denen außer dem Metall noch die Bestandteile des Wassers enthalten sind. Die Basen sind in allen drei Aggregatzuständen vertreten; so ist z. B. Ammoniak gas- förmig, Anilin flüssig, Kalk fest; manche sind in Wasser löslich, z. B. Aetz- natron, andere nicht, z. B. Magnesia; die löslichen zeigen basische Reaktion, d. h. sie verhalten sich den Säuren entgegengesetzt: sie besitzen einen ausge- sprochen laugenhaften Geschmack und färben rotes Lackmuspapier wieder blau, den gelben Farbstoff der Curcuma braun und den violetten der Veilchen und Georginen grün . Diese löslichen Basen (einschließlich des Ammoniaks) nennt man auch Alkalien ; ihr charakteristisches Verhalten gegen die vorgenannten Farbstoffe wird als alkalische Reaktion bezeich- net. Die unlöslichen Metallhydroxyde, z. B. Eisenhydroxyd, Thonerde- hydrat, zeigen diese Reaktion nicht. Wohl aber haben sie mit jener die Eigenschaft gemeinsam, mit Säuren Salze zu bilden; dieses geschieht unter Abspaltung von Wasser, z. B. Aetzkali Salzsäure Chlorkalium Wasser. Die Verwandtschaft zu den Säuren ist bei den Alkalien größer als bei den Metallhydroxyden. Diese verschiedene Verwandtschaftsgröße nennt man Alkalinität oder Basicität ; sie kann so verschieden sein, daß z. B. das Thonerdehydrat, Aluminiumhydroxyd, sich gegen starke Säuren (Schwefel- säure, Essigsäure) als Base, gegen starke Basen aber, z. B. gegen Aetznatron, als Säure verhält. Letztere Verbindung ist das in der Färberei mehrfach gebrauchte Thonerdenatron oder Natriumaluminat. Von den Basen wird der größere Teil in der Färberei nur an Säuren gebunden als Salze verwendet; als freie Basen finden nur die wenigen folgenden Verwendung. 1. Salmiakgeist ist eine wässerige Lösung des Ammoniaks N H 3 . Dieses ist ein stechendes, eigentümlich riechendes, farbloses, nicht atembares Gas von 0,589 spez. Gewicht, welches vom Wasser mit großer Begierde aufgenommen wird. 1 Liter Wasser vermag bei einer Temperatur von 0° und normalem Barometerstand 1050 Liter Ammoniakgas zu absorbieren. Diese wässerige Lösung ist der Salmiakgeist oder die Ammoniakflüssigkeit des Handels, eine farblose wässerige Flüssigkeit von dem charakteristischen Geruch des Gases und stark basischen Eigenschaften und 0,960 spez. Gewicht. Durch Kochen läßt sich das Ammoniak daraus entfernen. Der Salmiakgeist ist auch bei gewöhnlicher Temperatur flüchtig, bei Annäherung von Salzsäure dichten weißen Nebel bildend. Das Ammoniak findet sich in großen Mengen, an Schwefelsäure ge- bunden, als Ammonsulfat in dem Gaswasser der Leuchtgasfabriken, und wird daraus fabrikmäßig gewonnen, indem man das Sulfat nach vorheriger Reinigung mit Aetzkalk einer Destillation unterwirft. Die chemischen Fabriken liefern das Ammoniak in doppelter bis dreifacher Stärke; solche Lösungen besitzen ein spez. Gewicht von 0,90 bis 0,92 und müssen zum Gebrauche mit der entsprechenden Wassermenge verdünnt werden. Der Wert eines Salmiakgeistes richtet sich nach seinem Gehalt an Ammoniakgas, wie er sich durch das spez. Gewicht leicht ergibt und aus der nachfolgenden Tabelle zu ersehen ist. Tabelle des Gehaltes der Ammoniakflüssigkeit an Ammoniak- gas bei 14°. (Nach Carius.) Anwendung findet das Ammoniak zum Neutralisieren saurer Flüssig- keiten und zum Fixieren einzelner Metalloxyde, z. B. der Oxyde des Chroms und des Bleioxyds auf der Faser, zum Auflösen und Abziehen von auf den Geweben befindlichen Kupfersalzen, als Hilfsmittel zum Lösen einiger natür- licher Farbstoffe, z. B. des Cochenille- und des Orseillefarbstoffes, zur Lösung des Indigos in der Harnküpe, zum Schönen für einzelne Farben, endlich als Fleckentilgungsmittel bei gebrauchter Garderobe. 2. Aetzkali, Kalihydrat, Kaliumhydroxyd, KHO , ist das am stärksten ätzend wirkende Alkali. Es wird aus der Pottasche durch Kochen mit Aetzkalk gewonnen. Die dabei entstehende Lösung von Aetzkali, die Kalilauge , ist eine gelbliche, ölartige, mit Wasser in allen Verhältnissen mischbare Flüssigkeit von eigentümlich laugenhaftem Geruch. Durch Ein- dampfen der Lauge in schmiedeeisernen Kesseln bis zur Trockne und schließ- liches Schmelzen erhält man das trockne Aetzkali entweder als krümliges weißes Pulver oder in Form gegossener weißer Stangen. Es zieht begierig Feuchtigkeit aus der Luft an und zerfließt schließlich vollständig zu einer Ganswindt , Färberei. 16 ölartigen Flüssigkeit, welche eine mit Pottasche verunreinigte starke Kalilauge vorstellt; es zieht ferner Kohlensäure aus der Luft an, damit Pottasche bildend. Es muß aus diesem Grunde vor Luftzutritt sorgfältig geschützt aufbewahrt werden. Die Kalilauge zieht gleichfalls begierig Kohlensäure an; gleichzeitig greift sie das Glas der Gefäße, in denen sie aufbewahrt wird, an; insbesondere ist dies der Fall an der Stelle, wo der Stöpsel in den Hals eingeschliffen ist, so daß derartige Glasgefäße nicht selten gar nicht mehr zu öffnen sünd. Es empfiehlt sich daher, Stöpsel wie Halsöffnnng vor dem Einfüllen der Lauge zu paraffinieren. — Anwendung wie bei Aetznatron, nur verhältnismäßig seltener, weil das Aetzkali teurer ist. 3. Aetznatron, kaustische Soda, Natriumhydroxyd , Na OH ; wird aus Soda mit Aetzkalk in ganz derselben Weise gewonnen, wie Aetzkali aus Pottasche. Soda ist nämlich kohlensaures Natron und gibt beim Behandeln mit Kalk ihre Kohlensäure an diesen ab, welcher als un- löslicher kohlensaurer Kalk zu Boden fällt, während Aetznatron in Lösung bleibt: Na 2 CO 3 +CA(OH) 2 =2NaOH+CaCO 3 . Soda Kalk Aetznatron Kreide. Die erhaltene Lösung bildet die Natronlauge des Handels; sie ist etwa 40° Be. stark und enthält dann 30 Prozent Natriumhydroxyd. Sie gleicht im Aussehen und Eigenschaften ganz der Kalilauge. Gemeinhin ist sie mit Koch- salz, Glaubersalz, Eisenoxyd und Thonerde verunreinigt. — Anwendung : Zur Neutralisation saurer Lösungen, wie angesäuerter Bäder, Citronensaft u. dergl.; zur Lösung der in Wasser unlöslichen Alizarinfarben, sowie zur Bereitung des Thonerdealuminats; für letztere beiden Zwecke darf die Natron- lauge kein Eisen enthalten; sie muß für diese Fälle geprüft werden. Man verdünnt zu diesem Zwecke 1 ccm Natronlauge mit der vierfachen Menge destillierten Wassers, übersättigt mit chemisch reiner (nicht mit käuflicher roher) Salzsäure, und fügt dann einige Tropfen einer Lösung von gelbem Blut- laugensalz hinzu; tritt dabei keine blaue Fällung oder Färbung ein, so ist die Natronlauge für die gedachten Zwecke genügend rein. Für bloße Sät- tigungszwecke schadet auch ein kleiner Eisengehalt nichts. 4. Aetzkalk, gebrannter Kalk , Ca O , wird durch Brennen des Kalkes in den Kalkbrennereien im großen dargestellt. Ein guter gebrannter Kalk bildet harte, staubig trockene, graulich- oder gelblich-weiße Stücke, welche in der Hauptsache aus Aetzkalk bestehen, aber je nach dem Ursprung des zum Brennen verwendeten Kalksteins mit wechselnden Mengen Magnesia, Thonerde und Eisenoxyd verunreinigt sind. Beim Liegen an feuchter Luft wird er allmählich bröcklig und zerfällt zu einem weißlichen Pulver, welches zum Teil aus Kalkhydrat, zum Teil aus kohlensaurem Kalk besteht. Die Verwandtschaft des gebrannten Kalks zur Kohlensäure und zu Wasser ist die gleiche, wie beim Aetzkali und -Natron. Wird gebrannter Kalk mit Wasser begossen, so erhitzt er sich bedeutend, und zerfällt unter Ausstoßung reichlicher Wasserdämpfe und Verbreitung eines laugenartigen Geruchs unter Wasseraufnahme zu Kalkhydrat, Calciumhydroxyd, gelöschtem Kalk . Dieser bildet lockere, leicht zerreibliche Stücke, oder ein mehr oder minder staubig trockenes weißliches Pulver von der Zusammensetzung Ca (OH) 2 . Wird gebrannter Kalk mit soviel Wasser begossen, daß er davon bedeckt wird, so löscht er sich vollständig und bildet gleichzeitig mit dem zum Löschen nicht notwendigen Wasser einen zarten weißen Brei, welcher mit mehr Wasser vermischt, die Kalkmilch bildet. Der gelöschte Kalk ist in Wasser etwas löslich und zwar in kaltem mehr wie in heißem; 1 Teil Kalk bedarf 700 bis 800 Teile Wasser zu seiner Lösung; 1 l destilliertes Wasser vermag etwa 1⅓ g Kalk zu lösen; diese Lösung bildet das Kalkwasser , eine klare, farblose, schwach alkalisch schmeckende Flüssigkeit, welche beim Kochen sich trübt (da das kochende Wasser nicht soviel Kalk gelöst zu halten ver- mag) und beim Stehen an der Luft Kohlensäure aufnimmt und unter Ab- scheidung von kohlensaurem Kalk milchig trüb wird. — Prüfung : Da der Kalk viel gebraucht wird, und es notwendig ist, sich von seiner Verwendbar- keit vorher zu überzeugen, so prüft man ihn auf folgende einfache Weise: Man löscht eine kleine Menge des gebrannten Kalkes durch Besprengen mit Wasser, und löst die zu Pulver zerfallenen Stücke in Salpetersäure; ein verwendbarer Kalk muß sich darin bis auf einen geringen Rückstand auflösen, und zwar ohne oder fast ohne Aufbrausen. — Anwendung : Der Kalk findet in der Färberei vielseitige Anwendung, und zwar zum Aetzendmachen der Pottasche und der Soda, in Form von Kalkwasser beim Bleichen ( Kalken ) der Baumwolle, als gelöschter Kalk zur Darstellung des Chlorkalks in der Bleicherei, in großen Mengen auch als Hilfsmittel zum Löslichmachen des Indigos als wesentlicher Bestandteil des Küpenansatzes und endlich zur Darstellung mehrerer Kalksalze. 5. Magnesia, gebrannte Magnesia , Mg O , wird durch Glühen ( Brennen ) des Magnesits in gleicher Weise gewonnen, wie der gebrannte Kalk aus dem Kalkstein. Die Magnesia ist ein feines, weißes, dichtes und schweres, oder sehr lockeres und leichtes, geruch- und geschmackloses, in Wasser so gut wie unlösliches Pulver, welches langsam die Kohlensäure der atmosphärischen Luft an sich zieht, ohne dabei im Aussehen eine Veränderung zu erleiden. — Anwendung : Zur Bereitung von essigsaurer und salpeter- saurer Magnesia. Ein geringer Gehalt der Magnesia an kohlensaurem Salz ist dabei nicht von schädlichem Einfluß. 6. Thonerdehydrat, Aluminiumhydroxyd , Al 2 (OH) 6 , bildet sich beim Fällen der Lösung eines Thonerdesalzes mit Ammoniak oder Soda; bei dieser wechselseitigen Umsetzung bildet sich schwefelsaures Natron, welches in Lösung bleibt, Thonerdehydrat, welches unlöslich zu Boden fällt, und Kohlensäure, welche entweicht. Al 2 (SO 4 ) 3 + 3 Na 2 CO 3 + 3 H 2 O = Al 2 (OH) 6 + 3 Na 2 SO 4 + 3 CO 2 Schwefelsaure Soda Wasser Thonerdehydrat. Thonerde Wenn die Fällung bei gewöhnlicher Temperatur vorgenommen wird, ist das Thonerdehydrat ein weißer gallertartiger Niederschlag. In dieser gallertartigen Form ( en pâte ) kommt es in den Handel. Ein sehr empfehlens- wertes Fabrikat für die Verwendung in der Technik ist die von der chemischen Fabrik Goldschmieden hergestellte Löwigs Patent-Thonerde. — Prü- fung : Hauptbedingung an diesem Präparat ist, daß es nicht zu alt ist; es muß sich in Essigsäure vollkommen lösen, ohne aufzubrausen (ein Aufbrausen würde unzersetztes kohlensaures Natron verraten, von mangelhaftem Aus- waschen herrührend). Das Präparat muß auch frei von Schwefelsäure sein; 16* bei deren Anwesenheit würde in der Lösung in Essigsäure durch einige Tro- pfen einer Lösung von essigsaurem Baryt ein weißer Niederschlag entstehen. Ein eisenhaltiges Thonerdehydrat ist zu verwerfen; man prüft auf Eisen durch Lösen einer kleinen Menge in chemisch reiner Salzsäure und Zufügen einiger Tropfen einer Lösung von gelbem Blutlaugensalz; es darf nicht sofort eine Blaufärbung eintreten. — Anwendung : Das Thonerde- hydrat besitzt in ausgesprochenem Maße die Eigenschaft, Farbstoffe an sich zu ziehen und mit ihnen Farblacke zu bilden. In der Praxis wird das Thonerdehydrat erst auf der Faser selbst erzeugt; das Präparat des Handels dient dagegen zur Darstellung reiner essigsaurer Thonerde, reinen Chlor- aluminiums und des Thonerdenatrons. 7. Chromoxyd , Cr O , wird als solches nicht direkt in der Färberei verwendet, sondern — wo es wegen seiner ausgezeichneten Fähigkeit, Farb- lacke zu bilden, angewendet wird — erst auf der Faser erzeugt. Auch fehlt es noch an einer befriedigenden Methode der Fixation des Chromhydroxydes auf der Faser; am besten ist wohl noch die von Köchlin für Pflanzen- fasern angegebene Lösung: 100 g essigsaures Chrom von 15° Bé. mit 50 g Wasser vermischt und allmählich in 100 g Natronlauge von 36° Bé. einge- tragen. Diese Lösung kann als eine Lösung von Chromhydroxyd in über- schüssiger Natronlauge und essigsaurem Natron angesehen werden. 8. Mangandioxyd, Braunstein , MnO 2 , kommt als Erz in der Natur in großen Mengen vor und bildet schwere, krystallinische oder derbe, schwarze bis grauschwarze, metallglänzende, abfärbende Massen von 4,5 bis 5,1 spez. Gewicht. — Anwendung : Der Braunstein dient in erster Linie zur Fabrikation von Chlorkalk, indem er mit Salzsäure Chlor entwickelt. Ferner wird dabei gleichzeitig das in der Färberei angewendete Mangan- chlorür gebildet, welches wiederum zur Erzeugung von Bisterbraun auf der Faser benutzt wird. 9. Bleioxyd, Bleiglätte , PbO , ist ein Hüttenprodukt und bildet sich beim Erhitzen des metallischen Bleies an der Luft. Das Handelspro- dukt bildet ein gelbliches bis blaßrötlich-gelbes Pulver, welches beim Er- hitzen bräunlichrot, beim Erkalten aber wieder hell wird; es ist sehr schwer (spez. Gewicht 9,3) und kaum löslich in Wasser, dagegen leicht löslich in Essigsäure und Salpetersäure, sowie in Kali- und Natronlauge. — Anwen- dung : Die Bleiglätte bildet den Ausgangspunkt zur Gewinnung der als Bleibeizen dienenden Salze. Rotes Bleioxyd, Mennige , wird nur in der Zeugdruckerei verwendet. 10. Eisenhydroxyd , Fe 2 (OH) 6 . Der in der Natur als Mineral vorkommende Ocker oder Oker ist ein mit wechselnden Mengen Thonerde verunreinigtes Eisenhydroxyd. Es ist ein gelbbraunes, ockerfarbenes Pulver, durch Schlämmen des natürlichen Minerals erzeugt. — Anwendung : In der Appretur zu unechtem Chamois-Fond. 11. Baryumsuperoxyd . Ein Produkt chemischer Fabriken, erhalten durch Erhitzen von Aetzbaryt in der Luft oder in Sauerstoffgas zur Rot- glut; vornehmlich in Gegenwart von Wasserdampf. Weißes, von Aetzbaryt scheinbar nicht zu unterscheidendes Pulver. — Anwendung : Zur Bereitung von Wasserstoffsuperoxyd und zum Bleichen von Seide. Salze . § 89. Ammoniaksalze. 1. Kohlensaures Ammoniak, Ammoncarbonat, Hirschhorn- salz, flüchtiges Laugensalz , 2 NH 4 · HCO 3 + (NH 4 ) 2 CO 3 . Weiße, harte, klingende, durchscheinende, faserig krystallinische, an der Oberfläche wie mit einem körnigen weißen Pulver bestäubte Massen von starkem Ammoniak- geruch. Beim Erwärmen ist das Salz völlig flüchtig; es löst sich in 4 Tei- len Wasser langsam, aber vollkommen; die Lösung schmeckt scharf salzig und reagiert alkalisch. Es wird fabrikmäßig durch Sublimation von schwefel- saurem Ammoniak und Kreide gewonnen. Da es an der Luft Ammoniak- gas abgibt, muß es in verschlossenen Gefäßen aufbewahrt werden. — An- wendung : In gleicher Weise wie der Salmiakgeist zum Neutralisieren. Neuerdings ist es von Liechti zum Fixieren von Thonerde auf Baum- wolle empfohlen worden. 2. Chlorammonium, Salmiak , NH 4 Cl , kommt entweder in großen, weißen, längsfaserigen Kuchen oder in kleinen Krystallen vor; er besitzt einen stechend salzigen Geschmack, ist luftbeständig, geruchlos, beim Erhitzen ohne Rückstand flüchtig, in 3 Teilen kaltem, 1 Teil siedendem Wasser lös- lich; die Lösung darf weder blaues noch rotes Lackmuspapier verändern. Der Salmiak in Krusten wird durch Sublimation von schwefelsaurem Am- moniak mit Kochsalz, der krystallisierte Salmiak durch Einleiten von Am- moniakgas in Salzsäure, und Eindampfen der erhaltenen Lösung bis zur Krystallisation gewonnen. Der krystallisierte Salmiak zieht Wasser aus der Luft an. Der Salmiak des Handels enthält 94 Proz. Chlorammonium. Er ist nicht selten mit schwefelsaurem Ammoniak (von der Fabrikation her) verun- reinigt. Ein solcher Gehalt ergibt sich beim Versetzen der verdünnten Salmiak- lösung mit einer Lösung von salpetersaurem Baryt durch eine weiße Trü- bung. — Anwendung : Der Salmiak dient in Mischung mit Salpetersäure zur Darstellung mehrerer Zinnpräparate, ferner bei Bereitung verschiedener Beizen, sowie als Zusatz zu kupferhaltigen Tafeldruckfarben; es dient auch als Zusatz zu essigsauren Thonerdelösungen, sowie als Zusatz zu gewissen Farben, welche zu ihrer Oxydation der Feuchtigkeit bedürfen. 3. Vanadinsaures Ammoniak, Ammoniumvanadat , VO 4 (NH 4 ) 3 . Ein von Witt in die Kattundruckerei eingeführtes Präparat, welches auch in der Färberei, obgleich seltener, als Sauerstoffübertrager bei der Anilin- schwarzfärberei benutzt wird. Das Salz besitzt die ausgesprochene Eigen- schaft, Sauerstoff verhältnismäßig schnell aufzunehmen und wieder ab- zugeben. Diese Fähigkeit ist so groß, daß schon ganz kleine Mengen aus- reichend sind, große Mengen Anilinsalz (das Zehntausendfache ihres eigenen Gewichts) in Anilinschwarz überzuführen. Aus dem gleichen Grunde ist es im Blaudruck zum Aetzen weißer Figuren auf küpenblau gefärbtem Grunde empfohlen worden. Eine Vorschrift für ein derartiges Aetzweiß findet sich in der „Deutschen Färber-Zeitung“ 1887, Nr. 34. 4. Rhodanammonium , NH 4 · SCN , ist ein Produkt chemischer Fabri- ken; es bildet farblose, leicht zerfließliche Krystallblätter. — Anwendung : In Verbindung mit Salmiak als Aetzbeize für Bister; häufiger wohl als Hilfsmittel zur Darstellung von Rhodanaluminium. § 90. Kaliumsalze. 1. Kaliumcarbonat, Pottasche, kohlensaures Kali , K 2 CO 3 . Das kohlensaure Kali kommt in Handelsmarken von sehr verschiedener Rein- heit und sehr verschiedenem Werte in den Handel, von denen besonders die rohe und die gereinigte Pottasche uns interessieren. Früher wurde die Pottasche nur aus Pflanzenasche durch Auslaugen gewonnen; diese Methode wird heute nur noch im Innern Rußlands und in den Ländern der Slovakei befolgt; die heutige bei uns im großartigen Maßstabe fabrizierte Pottasche wird entweder aus der Schlempe der Melassebrennereien, oder aus den Wasch- wässern der Wollwäschereien, die größte Menge aber wohl aus dem rohen Chlorkalium der Staßfurter Salze gewonnen. Besonders die auf die letzte Weise gewonnene Pottasche, welche alle anderen mehr und mehr aus dem Handel verdrängt, ist ziemlich reines kohlensaures Kali, von dem sie bis zu 98 Proz. enthält, während die besten Sorten aus Holzasche gewonnener Pottasche günstigsten Falles etwa 88 Prozent enthalten, die aus Schlempekohle oder aus Wollschweiß aber 92 Prozent. Auch noch andere Verfahren der Pott- aschefabrikation sind heute üblich. Eine Aufzählung oder gar Beschreibung dieser Verfahren würde hier zu weit führen. Die nach den neueren Me- thoden bereitete Pottasche stellt ein blendend weißes Pulver vor, welches noch kleine Mengen von Soda (½ bis 2½ Prozent), Chlorkalium (½ bis 2½ Prozent) und schwefelsaures Kali (½ bis 3 Prozent), sowie Thonerde und Kieselsäure in Spuren enthält. Eine derartige Pottasche ist für ihre Ver- wendung in der Färberei genügend rein. Der Wert der Pottasche ist ab- hängig von ihrem Gehalt an reinem Kaliumcarbonat. Wie verschieden der- selbe sein kann (die geringeren Qualitäten aus Holzasche bereiteter Pottasche enthalten nur circa 44 Prozent), haben wir bereits oben gesehen; dieser Ge- halt kann leicht noch weiter herabgemindert werden durch einen Feuchtigkeits- gehalt, denn die Pottasche zieht mit Begierde Feuchtigkeit aus der Luft an . Ueberdies kommt noch eine hydratierte Pottasche in den Handel, welche zwar ziemlich reines Kaliumcarbonat ist, aber doch circa 18 Prozent Wasser enthält. Es wird sich deshalb beim Einkauf stets eine Gehaltsbestimmung nötig machen. Dies geschieht auf alkalimetrischem Wege mittels titrierter Säure. Da chemische Wagen u. dergl. in Färbereien nur selten vorhanden sein dürften, so wird es sich empfehlen, eine derartige titrierte Salzsäure unter der Bezeichnung Normalsalzsäure für alkalimetri- sche Zwecke aus chemischen Fabriken (z. B. Trommsdorf in Erfurt) zu be- ziehen. Nun löst man genau 34,55 g der zu prüfenden Pottasche in soviel destilliertem Wasser, daß die Gesamtlösung genau 500 ccm beträgt. Ist die Lösung trüb, so läßt man vollkommen klar absetzen, und benutzt von der klaren Lösung genau 100 ccm zur Untersuchung. Man versetzt dieselbe mit einigen Tropfen Lackmustinktur und läßt sodann aus einer 100 ccm Quetsch- hahnbürette von der Normalsalzsäure vorsichtig in kleineren Absätzen so lange zufließen, bis ein merkliches Aufbrausen nicht mehr erfolgt, und die Farbe der Flüssigkeit eben anfängt, aus dem Blauen ins schwach Zwiebelrote über- zugehen. Es empfiehlt sich, die Pottaschenlösung gleich von vornherein zu erwärmen, um eine Absorption der entwickelten Kohlensäure durch die Flüs- sigkeit zu verhindern. Im Augenblicke der Farbenveränderung hört man mit dem Säurezusatz auf. Die Anzahl Kubikcentimeter Normalsäure , welche bis zur Sättigung notwendig war, gibt direkt den Prozentge- halt der Pottasche an Kaliumcarbonat an. Werden z. B. 85 ccm Normalsalzsäure verbraucht, so enthält die untersuchte Pottasche 85 Prozent kohlensaures Kali. Bei einiger Uebung ist eine derartige Bestimmung be- quem in 10 bis 15 Minuten auszuführen. — Anwendung : die Pottasche dient beim Blaudruck zum Ansatze der Pottaschenküpe, ferner zum Bleichen, sowie zur Darstellung anderer Kaliumsalze. 2. Chlorsaures Kali, Kaliumchlorat , ClO 3 K , wird in chemischen Fabriken dargestellt, indem man Chlorgas in erwärmte dünne Kalkmilch leitet; dabei bildet sich zunächst chlorsaurer Kalk und Chlorcalcium; die gewonnene Lösung wird mit Chlorkalium versetzt und bis zu einer gewissen Konzentra- tion eingedampft, wobei das chlorsaure Kali beim Erkalten auskrystallisiert. Es bildet harte, farblose, glänzende, geruchlose, luftbeständige, kühlend salzig schmeckende Tafeln oder Blättchen, oder ein krümliges weißes Pulver; bei normaler Temperatur löst es sich in 17 Teilen Wasser; in heißem Wasser ist es viel leichter löslich. Es wirkt infolge seines Chlorgehalts kräftig oxy- dierend; die oxydierende Wirkung ist bisweilen von solcher Heftigkeit, daß Explosion eintritt. Es muß daher beim Zusammenbringen mit andern Kör- pern, nicht minder für sich allein, mit großer Vorsicht behandelt werden, da es schon durch Reiben, durch Stoß oder Druck von selbst zu explodieren vermag. — Anwendung : Als Oxydationsmittel in der Anilinschwarzfärberei. 3. Doppelt arsensaures Kali, Macquers Doppelsalz, ar- senikalisches Mittelsalz , KH 2 AsO 4 , wird durch Zusammenschmelzen von gleichen Teilen weißem Arsenik und Kalisalpeter, Auflösen der Schmelze in Wasser und Eindampfen zur Krystallisation gewonnen. Es bildet große, luftbeständige Krystalle. — Anwendung : Als Ersatz des Kuhkots zur Be- festigung von Beizen auf Geweben, hauptsächlich aber in der Kattundruckerei als Aetzreservage, um die Fixierung einer Beize auf dem Gewebe zu ver- hindern. Vergl. auch Natriumarsenat. S. 253. 4. Kieselsaures Kali, Kaliwasserglas , K 2 Si 4 O 9 . Eine dick- liche, klare oder fast klare Flüssigkeit, welche eine Lösung von 1 Teil der wasserfreien Verbindung in 5 Teilen Wasser vorstellt. — Anwendung : Wie das Natronwasserglas, jedoch seltener im Gebrauch. 5. Uebermangansaures Kali, Kaliumpermanganat , KMnO 4 . Ein Produkt chemischer Fabriken, erhalten durch Einleiten von Kohlensäure- gas in rohes Kaliummanganat, bis die Lösung purpurrot geworden ist. Es bildet kleinere oder größere rhombische Prismen, welche im auffallenden Lichte schwarz, metallisch glänzend, im durchfallenden Lichte tief violettrot erscheinen; es löst sich in Wasser mit tief purpurvioletter Farbe, welche, nach Ansäuren mit etwas Schwefelsäure, durch Eisenvitriol, schweflige Säure, Natrium- hyposulfit, Oxalsäure u. s. w. entfärbt wird. Das Kaliumpermanganat be- sitzt ein großes Oxydationsvermögen, indem es sich selbst, je nach den ob- waltenden Umständen, zu Mangansuperoxyd, — Oxyd oder — Oxydul redu- ziert. — Anwendung : Zum Bleichen, besonders der Jute. 6. Salpetersaures Kali, Kaliumnitrat, Kalisalpeter , KNO 3 . Ein in durchsichtigen, langen, gestreiften, sechsseitigen, rhombischen Säulen krystallisierendes oder als weißes Pulver vorkommendes Salz von kühlend stechendem Geschmack. Bei gewöhnlicher Temperatur löst es sich in etwa 4 Teilen Wasser, — Anwendung : Einige Vorschriften lassen den Salpeter zur Darstellung von Zinnkomposition, sowie von salpetersaurer Thonerde ver- wenden; auch dient er bisweilen in Lösung, mit Salzsäure vermischt, an Stelle von Königswasser. 7. Doppelt chromsaures Kali, Kaliumdichromat , K 2 Cr 2 O 7 . Von allen in der Färberei verwendeten Kaliumsalzen ist das Dichromat das meist verwendete, so daß es vielfach schlechthin mit „Kali“ bezeichnet wird. Das Kaliumdichromat (auch saures oder rotes chromsaures Kali genannt) wird in einigen Fabriken durch Zusammenschmelzen von Chromeisenstein mit gebranntem Kalk und Pottasche, Auslaugen der Schmelze mit möglichst wenig heißem Wasser und Versetzen dieser Lösung zuerst mit Pottasche, dann mit Schwefelsäure gewonnen. Beim Erkalten der heißen Lösung krystalli- siert zuerst das Dichromat heraus. Es bildet große orangegelbe, trikline Säulen oder Tafeln, welche luftbeständig sind, und sich in 10 Teilen Wasser mit gelber Farbe lösen. Das Kaliumdichromat ist ein kräftiges Oxydationsmittel; es gibt leicht einen Teil seines Sauerstoffes ab und die Chromsäure wird zu Chromoxyd reduziert; die oxydierende Kraft wird durch Zusatz einer Säure, welche die Chromsäure in Freiheit setzt, erhöht; z. B. Schwefelsäure, Weinsäure. Im ersteren Falle bildet sich bei der Oxydation als Nebenprodukt Chromalaun, im anderen Falle aber Chromweinstein. Das Kaliumdichromat, wie es in großen gelbroten Krystallen in den Handel kommt, ist für Färbereizwecke genügend rein; ein gemahlenes dagegen sollte man nicht kaufen. Es ist giftig! — Anwendung : Es dient zur Oxydation mancher Farbstoffe und Entwickelung der Farben, z. B. des Blauholzschwarz, des Catechubraun und Chrombraun, des Ferrocyanzinnblau und -Grün; ferner zur völligen Oxy- dation des Emeraldins (des grünen Anilinschwarz) zu reinem Schwarz; ferner zur Darstellung anderer Chrompräparate, z. B. Chromgelb und Chrom- orange, auf oder außerhalb der Faser. Andererseits dient das Kalium- dichromat als treffliches Beizmittel für Wolle, entweder in wässeriger Lösung für sich allein, oder mit Zusatz von Schwefelsäure, oder Weinsäure, Wein- stein, Oxalsäure. Endlich dient es in der Blaudruckerei zum Weißätzen des Indigos. 8. Saures weinsaures Kali, Weinstein, Kaliumbitartrat , Cremor Tartari , C 4 H 4 O 4 (OH) OK . Als Weinstein werden die stein- harten Krusten verstanden, welche sich bei der Gärung des Mostes an den Wandungen der Weinfässer absetzen; sie sind krystallinisch und von rötlich- grauer oder grauweißer Farbe, je nachdem sie von rotem oder weißem Wein herrühren. In dieser Form bildet er den rohen Weinstein des Handels. Durch Auflösen in siedendem Wasser und Behandeln der Lösung mittels Tierkohle und Thon, Klären- und Krystallisierenlassen wird daraus der ge- reinigte Weinstein dargestellt. Dieser bildet durchscheinend harte rhom- bische Krystalle oder ein weißes krystallinisches Pulver von schwach säuer- lichem Geschmack. Er ist nur schwierig löslich in Wasser (1 Teil braucht 192 Teile kaltes, oder 20 Teile kochendes Wasser), leicht löslich in ätzen- den oder kohlensauren Alkalien. — Anwendung : In der Wollenfärberei als Zusatz zum Beizbad, wenn eine Beizung mit Thonerdesalzen angezeigt er- scheint; bisweilen auch als Zusatz zu Zinnbeizen, sowie zum Beizbade für Kaliumdichromat. Welche Rolle der Weinstein dabei eigentlich spielt, ist noch nicht genau ermittelt worden. 9. Saures oxalsaures Kali, Kaliumbioxalat, Kleesalz , Das Kleesalz wird durch Neutralisieren von Oxalsäure mit Pott- asche gewonnen; dabei entsteht das neutrale, leicht lösliche Oxalat. Fügt man hierzu weitere Oxalsäure, so bildet sich das schwer lösliche saure Oxalat, welches in großen, farblosen, der Weinsäure nicht unähnlichen Krystallen auskrystallisiert; es ist luftbeständig, geruchlos, schmeckt sehr sauer, ist in Wasser nur wenig löslich (es braucht 14 Teile kochendes Wasser). Es ist giftig. — Anwendung : Im Zeugdruck zu Aetzreservagen; in der Lappen- färberei nur als Fleckentilgungsmittel für Tinten- und Eisenflecke. 10. Kaliumeisencyanür, Ferrocyankalium, gelbes Blut- laugensalz, blausaures Kali , K 4 Fe (CN) 6 + 3H 2 O . Wird fabrik- mäßig durch Schmelzen von Pottasche mit stickstoffhaltigen organischen Stoffen unter Zusatz von Eisen erhalten. Es bildet große, weiche, citronengelbe, in 4 Teilen Wasser lösliche quadratische Prismen von bitterem, nicht eisenartigem Geschmack. Trotz seines hohen Blausäuregehalts ist das gelbe Blutlaugen- salz nicht giftig . Mit Eisenoxydsalzen gibt es sofort einen blauen Nieder- schlag, welcher als Berliner Blau bekannt ist. — Anwendung : Zur Dar- stellung von Kaliblau, Berliner Blau auf der Faser. 11. Kaliumeisencyanid, Ferridcyankalium, rotes Blut- laugensalz, rotes blausaures Kali , 6 KCN · Fe 2 Cy 6 , wird durch Einleiten von Chlor in eine heiße Lösung von gelbem Blutlaugensalz dargestellt; es bildet große, dunkelrubinrote, wasserfreie, rhombische Pris- men, welche sich in Wasser mit braungrüner Farbe lösen. Mit Eisen- oxyd salzen gibt es keinen, dagegen mit Eisen oxydul salzen sofort einen Niederschlag von Berliner Blau. — Anwendung : Wie das vorige; und in der Druckerei als Zusatz zu Dampfschwarz. 12. Rhodankalium , K · SCN , wird in chemischen Fabriken durch Erhitzen eines Gemenges von gelbem Blutlaugensalz, Pottasche und Schwefel und Auskochen der geschmolzenen Masse mit Weingeist gewonnen. Es bildet wasserhelle, langgestreifte Säulen, ist an der Luft zerfließlich, leicht löslich und leicht zersetzbar. — Anwendung : Als Reserve für Anilinschwarz. § 91. Natriumsalze. 1. Kohlensaures Natron, Natriumcarbonat, Soda , Na 2 CO 3 + 10 H 2 O . Fast alle im Handel vorkommende Soda wurde bis vor wenig Jahren lediglich nach dem Leblanc schen Prozeß gewonnen, in- dem das natürliche Steinsalz durch Behandeln mit Schwefelsäure in Glauber- salz und letzteres durch Schmelzen mit Kalk und Kohle in Rohsoda über- geführt wurde, welche dann ausgelaugt und zur Krystallisation gebracht wurde. Eine so bereitete Soda bildet große, farblose, durchsichtige Stücke, welche durch Abgabe ihres Krystallwassers an der Luft verwittern und in ein zartes, lockeres, weißes Pulver zerfallen. Die krystallisierte Soda oder Krystallsoda enthält circa 37 Prozent trockenes kohlensaures Natron und löst sich in 1½ Teilen Wasser. — Neuerdings kommt eine andere Soda unter dem Namen Ammoniaksoda in den Handel. Diese wird durch wechsel- seitige Zersetzung von Ammonbicarbonat und Kochsalz in wässeriger Lösung erzeugt; es bildet sich dabei Salmiak und das schwer lösliche Natrium- bicarbonat, welches sich als krystallinisches Pulver abscheidet und durch nach- folgendes Glühen in Monocarbonat übergeführt wird. Die Ammoniaksoda ist fast reines Natriumcarbonat und enthält davon circa 98 Prozent. Die Soda schmeckt und reagiert stark alkalisch. Sie ist von ihrer Darstellung her mit kleinen Mengen von Chlornatrium und Natriumsulfat verunreinigt, nicht selten enthält sie auch Aetznatron in kleinen Mengen beigemischt; alle diese Verunreinigungen schaden ihrer Verwendung in der Färberei jedoch nicht; dagegen muß ein etwaiger Eisengehalt beanstandet werden. Der Wert der Soda beruht auf ihrem Gehalt an Natriumcarbonat und ist durch Titration auf gleiche Weise, wie bei der Pottasche beschrieben, festzustellen, nur mit dem Unterschiede, daß man, statt wie dort 34,55 g in Arbeit zu nehmen, hier 26,54 g der zu prüfenden Soda in Arbeit nimmt, zu 500 ccm auflöst, und von der klaren Lösung 100 ccm zur Untersuchung verwendet. Die verbrauchte Anzahl von Kubikcentimetern Normalsalzsäure gibt dann direkt den Prozent- gehalt von Natriumcarbonat an. Anwendung : Die Soda findet die mannigfaltigste Verwendung, und zwar zum Weichmachen des Wassers, wie zum Einweichen und Waschen der Garne, zum Bleichen der Baumwolle, zur Herstellung der Javelle schen Lauge, zu jeder Art von Neutralisation, zum Ansetzen der Sodaküpen, und sie bildet das Ausgangsmaterial zur leichten Darstellung einer großen An- zahl anderer in der Färberei gebrauchter Natriumverbindungen. Endlich eignet sie sich auch zum Fixieren von Eisenoxyd und Chromoxyd auf der Faser. 2. Salpetersaures Natron, Natriumnitrat, Natronsal- peter, Chilisalpeter , Na NO 3 . Ein in Chile in ungeheuren Mengen natürlich vorkommendes Salz, welches durch Umkrystallisieren gereinigt wird. Es krystallisiert in würfelförmigen Rhomboedern, welche aus der Luft Feuchtig- keit anziehen und sich in ihrem gleichen Gewicht Wasser lösen. — An- wendung : wie Kalisalpeter. 3. Chlornatrium, Natriumchlorid, Kochsalz, Steinsalz , Na Cl . Diese in gewaltigen Massen über die ganze Erde verbreitete und selbst im Meerwasser enthaltene Natriumverbindung ist wohl so allgemein be- kannt, daß sie keiner Beschreibung bedarf. Die Anwendung des Kochsalzes ist in der Färberei nur eine untergeordnete und beruht auf der Eigenschaft, durch ihre eigene leichte Löslichkeit in Wasser andere darin gelöste Stoffe unlöslich zu machen und abzuscheiden, was man Aussalzen nennt. Auf diese Weise wird die Seife aus ihren Lösungen ausgesalzen; ähnliches geschieht bei der Fabrikation des Türkischrotöls; auch die Teerfarbstoffe werden aus ihren Lösungen ausgesalzen. In einigen Fällen, obgleich selten, dient das Kochsalz auch als Zusatz zum Färbebad, so z. B. bei dem in der neuesten Zeit erst in den Handel gelangten Primulin. 4. Chlorsaures Natron, Natriumchlorat , ClO 3 Na , wird aus Kalkmilch, Chlor und Chlornatrium in analoger Weise gewonnen, wie bei chlorsaurem Kali (§ 90) angegeben. Es ist ein krystallinisches, in seinem gleichen Gewichte Wasser lösliches Salz. — Anwendung : An Stelle des chlorsauren Kalis wegen seiner leichten Löslichkeit, besonders bei der Oxydation von Anilinschwarz. 5. Unterchlorigsaures Natron, Natriumhypochlorit, Chlor- soda , Na OCl , wird nur in wässeriger Lösung gebraucht. Eine solche Lösung ist die unter dem Namen Eau de Javelle , Javellische Lauge , be- kannte Bleichflüssigkeit. Diese Javelli sche Lauge, welche viel gebraucht wird, stellt man sich mit Vorteil selbst dar und gebe ich dazu folgende Vorschrift: In einem steinernen Mörser reibt man 8 Teile Chlorkalk mit 40 Teilen Wasser zu einem zarten Schlamm an, fügt dann noch 20 Teile Wasser hinzu und gießt das Ganze in einen großen steinernen Topf, worin man über Nacht absetzen und sich klären läßt. Am nächsten Morgen bereitet man sich eine siedend heiße Lösung von 10 Teilen Soda in 40 Teilen Wasser, und gießt in dieselbe unter beständigem Rühren die klare Chlorkalklösung. Es scheidet sich ein weißer Niederschlag ab, den man absetzen läßt, und von dem ab man die klare Lösung in Flaschen füllt, welche bis an den Stöpsel gefüllt werden müssen. Es ist eine schwach grünlich gelbe, schwach nach Chlor riechende Flüssigkeit, welche außer Natriumhypochlorit auch Chlornatrium gelöst ent- hält. Sie enthält mindestens 2 Prozent wirksames Chlor. 6. Schwefelsaures Natron, Natriumsulfat, Glaubersalz , Na 2 SO 4 + 10 H 2 O , wird in großen Mengen als Zwischenprodukt bei der Sodafabrikation nach dem Leblanc schen Prozeß gewonnen. Es krystallisiert in großen, durchsichtigen, monoklinen Säulen, welche circa 56 Prozent Krystall- wasser enthalten, an der Luft verwittern und zu einem weißen Pulver zer- fallen. Es ist in Wasser leicht löslich. — Anwendung : Der Zweck der An- wendung von Glaubersalz in der Färberei ist in den meisten Fällen die Er- zielung einer höheren Temperatur des Färbebades und eines gleichmäßigen Angehens der Farben an die Faser. Dieses wird durch die leichte Löslich- lichkeit des Glaubersalzes in der Weise erreicht, daß nicht der ganze Farb- stoff des Färbebades sich auf einmal zu lösen vermag, sondern daß die Glauber- salzlösung von dem im Ueberschuß vorhandenen ungelösten Farbstoff nur so viel löst, als sie von dem bereits gelösten Farbstoffe gleichzeitig an die Faser abgibt. Das Glaubersalz würde in dieser Weise als ein Regulator wirken, und thatsächlich erzielt man damit ein allmähliches und gleichmäßiges Angehen der Farben. Von besonderer Bedeutung wird der Glaubersalzzusatz bei sauren Farbstoffen, zumal in allen den Fällen, wo außer dem sauren Farb- stoffe auch noch andere zugefügt werden sollen, zur Erzielung eines anderen Tones. Hier spielt das Glaubersalz eine doppelte Rolle: einmal die oben beschriebene, sodann aber bildet es mit der Schwefelsäure des sauren Bades saures schwefelsaures Natron, Natriumdisulfat , welches sich dem sauren Farbstoff gegenüber als Säure, dem andern Farbstoff gegenüber als Salz verhält. Gewöhnlich wird diese Verbindung gleich von vornherein er- zeugt, indem man Glaubersalz und Schwefelsäure gleichzeitig zum Färbe- bade gibt. Die Angaben in der Fachpresse weichen so wesentlich voneinander ab, daß man daraus den Schluß ziehen muß, die Herstellung des Natrium- disulfats sei eine unbeabsichtigte, zufällige, denn oft genügt die Schwefel- säuremenge nicht zur Erzeugung dieser Verbindung, oft übersteigt sie die Glaubersalzmenge um das Vielfache. Zur Erzeugung des doppelt schwefelsauren Natrons bedarf man auf 8 Teile krystallisiertes Glaubersalz 3 Teile englische Schwefelsäure von 66° Bé. Dadurch, daß man in diesem bestimmten Verhältnisse entweder von vornherein oder erst im Laufe des Färbeprozesses Aenderungen vornimmt, hat man es ganz in seiner Hand, entweder die Wirkung der Schwefelsäure oder die des Glauber- salzes mehr zur Wirkung kommen zu lassen, und vermag so ganz nach Gut- dünken ein lebhafteres Angehen des Farbstoffes zu begünstigen oder zu ver- hindern, und also im Farbbade selbst nach Belieben zu nüancieren. 7. Schwefligsaures Natron, Natriumsulfit , Na 2 SO 3 , wird nur in sehr seltenen Fällen in der Färberei benutzt, und dann als Reserve für Anilinschwarz als Zusatz zu unterschwefligsaurem Natron, nicht für sich allein. 8. Saures schwefligsaures Natron, Natriumbisulfit , Na HSO 3 . Ein Produkt chemischer Fabriken in Form feiner weißer Krystalle, welche durch Einleiten von Schwefligsäuregas in Natronlauge und Krystallisation erhalten werden. Es besitzt den erstickenden Geruch der schwefligen Säure; es löst sich leicht in Wasser, auch die Lösung haucht Dämpfe von schwefliger Säure aus. — Anwendung : Als Lösungsmittel für eine Anzahl von Ali- zarin- und Anthracenfarben, z. B. Coeruleïn, Alizarinblau u. s. w.; sodann bildet es das Ausgangsmaterial zur Darstellung des unterschwefligsauren Natrons. 9. Unterschwefligsaures Natron, Natriumhyposulfit, Anti- chlor, Natriumthiosulfat , H Na SO 2 + 5 H 2 O , bildet große, wasserhelle, schiefe, luftbeständige Säulen von kühlend salzigem, hinterher bitterem Ge- schmack. Es bildet das Hauptmaterial zum Ansatz der Indigosulfitküpe und wird am besten selbst bereitet. Ganswindt gibt hierzu (N. Erfind. u. Erf., 1888 S. 344) folgende Vorschrift: 312 Teile Natriumbisulfit werden in soviel Wasser gelöst, daß eine Lösung von 31° B. erhalten wird; in diese Lösung werden 130 Teile metallisches Zink, am besten als Zinkblech in aufgerollten Spiralen oder als Zinkspäne, gegeben. Dabei ist Hauptbedingung, daß die Einwirkung des Zinks auf die Natronlösung unter möglichstem Luftabschluß vor sich gehe, was nicht allein durch den zu erreichenden Zweck, sondern auch durch den Umstand bedingt wird, daß die Lösung an der Luft Dämpfe von schwefliger Säure ausstößt, welche für den Arbeiter höchst beschwerlich sind. Am besten verwendet man ein cylindrisches Gefäß aus Steingut. Als Verschluß dient am besten ein starker Holzdeckel, nachdem man zuvor auf den Rand des Steingutgefäßes einen Gummiring gelegt hat. Das Gefäß wird dann mit der Lösung des sauren schwefligsauren Natrons und dem Zink möglichst bis zum Rande gefüllt, der Deckel aufgelegt und mit Steinen beschwert. Eine Rührvorrichtung ist nur dann vonnöten, wenn Zinkgranalien oder Zinkstaub verwendet werden; bei spiralig gerolltem Zinkblech ist sie über- flüssig. Selbst von einem bloßen Umrühren mit Holzspatel möchte ich ab- raten, da ein solches Umrühren mit Zuführung von Luft verbunden sein würde. Die völlige Umwandlung in Natriumhyposulfit erfolgt auch ohne Umrühren, wenn man der Reaktion einige Stunden Zeit läßt. Dabei scheidet sich Zinknatriumsulfit ab, und die Lösung des Natriumhyposulfits kann klar dekantiert und abgehebert werden. Eine derartige Lösung ist wenig haltbar. Um sie haltbarer zu machen, gießt man Kalkmilch in dieselbe. Man rührt 210 g gebrannten Kalk nach dem Löschen mit soviel Wasser an, daß das Ganze 1 l beträgt. Auf den Liter der obigen Hyposulfitlösung kommen etwa 460 g Kalkmilch; man durchmischt gut, läßt absetzen, und füllt die klare Lösung auf große bis unter den Stopfen zu füllende Flaschen. Diese Lösung ist minder zersetzbar, muß aber auch vor Berührung mit der Luft sorgfältig geschützt werden. In Angriff genommene Flaschen müssen entweder völlig ausgebraucht oder der verbleibende Rest in eine entsprechend kleinere vollzu- füllende Flasche gethan werden. — Anwendung : Zur Bereitung der Hypo- sulfitküpe, zum Entfernen des von der Bleiche her in den Geweben über- schüssig vorhandenen Chlors, sowie (nach Stein ) als reservierendes Mittel für Anilinschwarz in Reservealizarinrotartikeln. 10. Kieselsaures Natron, Natriumsilikat, Natronwasser- glas , Na 2 Si 4 O 9 . Eine klare, farblose oder schwach gelbliche, dickliche Flüssigkeit. Zu deren Gewinnung wird Quarzsand mit der Hälfte ent- wässerter Soda und etwas Holzkohlenpulver zusammengeschmolzen, der Rück- stand mit Wasser ausgekocht und die gewonnene Lösung zur Syrupdicke ein- gedampft. Sie reagiert alkalisch und hat ein spezifisches Gewicht von 1,3 bis 1,4. — Anwendung : Als teilweiser Ersatz des Kuhkotbades, entweder für sich allein, oder unter Zusatz von Kreide, in der Türkischrotfärberei. Das durch Umsetzen mit der essigsauren Thonerde sich bildende Alumi- niumsilikat scheint für Alizarin starke Verwandtschaft zu besitzen. 11. Borsaures Natron, Natriumbiborat, Borax , Na 2 B 4 O 7 + 10 H 2 O , wird durch Sättigen von Borsäure mit Soda ge- wonnen und bildet harte, farblose, durchscheinende Krystalle, welche in 14 Teilen kaltem, in ½ Teil kochendem Wasser löslich sind, an trockener Luft nur wenig verwittern, zusammenziehend salzig schmecken und bei schnellen Temperaturveränderungen leicht zerspringen, beim Erhitzen aber unter Ab- gabe ihres Krystallwassers sich aufblähen. — Anwendung : Als Mordant, und in der Türkischrotfärberei im Kuhkotbad und zum Avivieren; ferner als Zusatz zum Färbebade bei einer kleinen Gruppe von Triphenylmethanfarbstoffen, als deren Hauptrepräsentant das Alkaliblau zu betrachten ist (vergl. S. 204); ferner zum Fermentieren von Blauholz und in der Appretur zum Lösen von Caseïn. 12. Phosphorsaures Natron, Natriumphosphat, Kuhkot- salz , Na 2 H PO 4 + 12 H 2 O ; ein durch Sättigen von Phosphorsäure mit Soda erhaltenes Salz in großen, klaren, leicht verwitternden Krystallen von kühlend salzigem Geschmack und alkalischer Reaktion. Als eines der Ersatzmittel für das Kuhkotbad verwendet. Früher gebrauchte man phosphorsauren Natron- kalk; jetzt verwendet man phosphorsaures Natron und Kreide. — Prüfung : Es soll bisweilen mit Kochsalz vermengt in den Handel kommen; man löst eine kleine Probe in wenig warmem Wasser und läßt krystallisieren; Koch- salz verrät sich dann durch seine kleinen würfelförmigen Krystalle. 13. Arsensaures Natron, Natriumarsenat , Na 2 H As O 4 + 7 H 2 O . Es kommt ein Salz im Handel vor, welches mit großen Mengen Kochsalz und Soda verunreinigt ist und dem Namen nicht mehr recht entspricht. Da letztere Beimengung für die Verwendung keineswegs gleichgiltig ist, möchte es sich empfehlen, das Salz selbst herzustellen. 100 Teile gepulverter Natronsalpeter und 116 Teile weißer Arsenik werden zusammen erhitzt, die Masse mit der achtfachen Menge kochenden Wassers ausgezogen und die Lösung solange mit einer Sodalösung versetzt, bis die Mischung alkalisch reagiert. Durch Verdunsten derselben erhält man farblose, prismatische, in Wasser leicht lösliche Krystalle von schwach alkalischer Reaktion. Es ist sehr giftig! — Anwendung : Wie das vorige als Ersatz des Kuhkots, als Fixiermittel für Beizen in der Färberei und Druckerei. 14. Saures chromsaures Natron, Natriumdichromat , Na 2 Cr 2 O 7 + 2 H 2 O , wird neuerdings von Schlesien aus in den Handel ge- bracht und durch Versetzen einer Lösung von einfach chromsaurem Natrium mit überschüssiger Chromsäure erhalten. Es bildet hyacinthrote, dünne, zer- fließliche, leicht lösliche Säulen oder ein rotbraunes krystallinisches Pulver. Es ist billiger , als das entsprechende Kalisalz bei einem gleichzeitigen Mehrgehalt von Chromsäure; es enthält 76,3 Prozent Chromsäure und ist leichter löslich als jenes. Die gewöhnlichen Verunreinigungen des käuflichen Salzes sind Wasser, Kochsalz, Glaubersalz, Kaliumdichromat und Natrium- monochromat. Die Anwesenheit dieses letzteren erfordert eine eigene Be- sprechung und Prüfung. Eine Methode zur direkten Bestimmung von Chromat in Gegenwart von Bichromat ist noch nicht bekannt und infolge dessen besteht die meist an- gewandte Methode der Analyse solcher Mischungen darin, daß man das Bi- chromat direkt bestimmt durch Titrieren mit normaler Alkalilösung in Gegen- wart von Phenolphtaleïn, bis, durch dessen vollständige Umwandlung in normales Chromat, bei geringem Alkaliüberschuß, das rötliche Gelb der Lösung sich in ein gelbchliches Rot verwandelt; indem man nun die so ge- fundene dem Bichromat entsprechende Menge Chromsäure abzieht von der überhaupt vorhandenen Menge, wie sie mit Eisenoxydulsalzen bestimmt wurde, erhält man als Rest die Chromsäuremenge, die in der Probe als Chromat vorhanden ist. Die Resultate sind durchaus befriedigend, doch hat die Methode einen praktischen Nachteil in der Thatsache, daß die vollständige Umwandlung des Bichromats in normales Salz durch das Phenolphtaleïn nicht mit genügen- der Schärfe angezeigt wird, und der Operateur muß beim Einstellen seiner Normalalkalilösung mit reinem Kaliumbichromat einen Grad neutraler Färbung treffen, die beim Titrieren unbekannter Mengen genau wieder er- reicht werden muß. Anwendung : Wie das Kaliumdichromat, und im Blandruck vornehm- lich als Gelbätzpapp. 15. Thonerdenatron, Natriumaluminat , Al 2 (OH) 6 · 6 Na OH . Diese Beize wird der Färber wohl stets selbst herzustellen genötigt sein. Am einfachsten löst man 6 Teile Thonerdehydrat en pâte in 4 Teilen Natron- lauge von 36° Bé. unter Erwärmen. Steht solches Thonerdehydrat nicht zu Gebot, so empfehle ich folgendes Verfahren: Man bereite sich eine kochend heiße Lösung von schwefelsaurer Thonerde und füge zu dieser Lösung eine Natronlauge von 30° Bé. im dünnen Strahl allmählich zu, so lange, bis sich der anfangs gebildete gallertartige Niederschlag wieder gelöst hat; beim Ab- kühlen der Lösung krystallisiert Glaubersalz heraus, von dem die Lösung ab- zugießen ist; sie ist eine farblose, alkalisch reagierende Flüssigkeit. In neuerer Zeit wird Natriumaluminat im großen dargestellt dadurch, daß man Kryolith mit Aetzkalk, oder Bauxit mit Soda resp. Glaubersalz und Kohle, sowie auch mit Kochsalz in überhitztem Wasserdampf zusammenschmilzt und die Schmelze auslaugt. — Anwendung : Im beschränkten Maße als Beize in der Baum- wollenfärberei und Kattundruckerei. 16. Zinnsaures Natron, Natriumstannat, Präpariersalz, Zinnsoda , Na 2 Sn O 3 + 3 H 2 O . Dieses vielgebrauchte Salz wird fabrik- mäßig dargestellt; man kann es jedoch sehr gut und mit Vorteil sich selbst darstellen und ich rate dazu um so mehr, als das Handelsprodukt gewöhn- lich mit Kochsalz und Soda verunreinigt ist, bisweilen auch arsensaures Natron enthält. Man erhitze in einem geräumigen eisernen Kessel über Feuer 10 kg Natronlauge von 36° Bé., 1 kg Kochsalz, 4 kg Natronsalpeter zum Kochen und erhalte im Kochen so lange, bis die Masse anfängt, dickflüssig zu werden und ein hineingeworfenes Stückchen granuliertes Zinn sofort darin schmilzt. Dann fügt man 3½ kg granuliertes Zinn hinzu und rührt unter tüchtigem Feuern beständig um; die Masse wird dabei immer dicker und nimmt eine bleigraue Farbe an; bald entwickeln sich weiße Dämpfe, dann erscheinen einzelne Funken in der Masse und schließlich kommt die Masse ins Glühen. Man entfernt dann den Kessel vom Feuer, schüttet den Inhalt in einen eisernen Kasten und läßt erkalten. So dargestellt, bildet es eine weiße, in Wasser lösliche Krystallmasse. Das Präparat des Handels kommt nicht selten in großen Krystallen vor, welche durch Auflösen obigen Präparates und Krystallisierenlassen erhalten sind. Bei längerem Aufbewahren zersetzt es sich zum Teil und gibt dann keine ganz klare Lösung in Wasser mehr. Obgleich in diesem Präparate das Zinn als Zinnsäure enthalten ist, so wird beim Zusatz einer Mineralsäure doch nur Zinnoxyd gefällt; auf dieser Reaktion beruht die Anwendung. Der Wert des Präparates beruht somit lediglich in seinem Zinngehalt, welcher analytisch nachgewiesen werden sollte. Anwendung : Im großen Umfange zur Druckerei der Baumwolle und Wolle, vornehmlich im Kattundruck. 17. Wolframsaures Natron, Natriumwolframat , Na 2 WO 4 , ist von Heppe (Deutsche Färber-Ztg. 1886, Nr. 29) als Beizmittel an Stelle des vorigen und an Stelle von Zinnsalz empfohlen worden. That- sächliche Verwendung hat es bisher gefunden zum Imprägnieren von Ge- weben, um diese unverbrennlich zu machen und zum Beschweren der Seide, wozu es seines hohen spezifischen Gewichts wegen besonders geeignet er- scheint. Schließlich wäre noch des Vorschlages zu gedenken, die Wolfram- gelatine zum Animalisieren der Baumwolle zu benutzen. Ob positive Ver- suche in dieser Richtung gemacht worden sind, habe ich nicht in Erfahrung bringen können. 18. Essigsaures Natron, Natriumacetat, Rotsalz , CH 3 · COO Na + 3 H 2 O . Es wird durch Sättigen von Essigsäure oder Holz- essig mit Soda gewonnen, und bildet große, farblose rhombische Säulen, welche kühlend salzig schmecken und sich in 3 Teilen Wasser lösen. — Anwendung : In der Färberei noch hier und da zur Bereitung der Rotbeize. Wichtiger ist die Verwendung als Zusatz zu stark sauren Farben (nach Stein ), deren Säuren beim Verflüchtigen durch das Dämpfen die Faser angreifen würden; durch das essigsaure Natron werden diese Säuren in der Hitze an das Natron gebunden und Essigsäure in Freiheit gesetzt. 19. Citronensaures Natron , hergestellt durch Neutralisieren von Citronensaft oder krystallisierter Citronensäure durch Soda, wird vornehmlich in der Zeugdruckerei benutzt. 20. Weinsaures Natron soll nach Grothe als Beize in der Wollenfärberei und als Aetzbeize im Kattundruck Verwendung finden. 21. Xanthogensaures Natron dient gleichfalls nur in der Zeug- druckerei und zwar als Reduktionsmittel der Orthonitrophenylpropiolsäure zur Erzeugung des künstlichen Indigoblaus auf der Faser. § 92. Calciumsalze. 1. Kohlensaurer Kalk, Calciumcarbonat, Schlemmkreide , Ca CO 3 . Die Kreide findet sich häufig und oft sehr rein in der Natur. Die für technische Verwendung bestimmte kommt in geschlemmtem Zustande in den Handel und bildet so mehr oder minder harte, weiße, zerreibliche Massen, welche fast ganz aus kohlensaurem Kalk bestehen und nur noch einen kleinen Gehalt an kohlensaurer Magnesia haben. Sie darf in keinem Falle harte steinige Stücke enthalten, andernfalls muß sie vor dem Gebrauche noch ein- mal fein gemahlen und gesiebt werden; sie bildet dann ein zartes weißes, weiches, leicht abfärbendes, im Wasser unlösliches Pulver. — Anwendung : Die Kreide dient vornehmlich in Form von Kreidebädern zum Neutra- lisieren oder Abstumpfen vorhandener Säuren, sowie zur Herstellung anderer Kalksalze. Zu der von Hummel empfohlenen Verwendung als Fixiermittel für Thonerde auf Baumwolle dürften sich jedoch lösliche Kalksalze mehr empfehlen. Bekannt ist die Verwendung von Kalkbädern beim Türkischrot- färben, weniger bekannt ist die Verwendung der Kreide als eigentlicher Farb- stoff und zwar zum Weißfärben . Näheres über die „Kreideweißfärberei“ enthält die „Deutsche Färber-Ztg.“ 1886, Nr. 36. 2. Salpetersaurer Kalk, Calciumnitrat , Ca (NO 3 ) 2 . Dieses zuweilen als Mordant gebrauchte Salz stellt man sich am besten selbst in Lösung dar. Ich empfehle dazu, die rohe Salpetersäure des Handels mit dem gleichen Gewicht Wasser zu verdünnen, und feingeriebene Schlemmkreide in kleinen Mengen zuzufügen solange noch Aufbrausen erfolgt. Zuletzt fügt man noch etwas Kreide überschüssig hinzu, erhitzt langsam bis zum Kochen, läßt absetzen und gießt am nächsten Morgen klar ab. Man erhält so eine wasserhelle, klare Flüssigkeit von schwach alkalischer Reaktion. 3. Chlorkalk, Bleichkalk . Dieses vielbenutzte Handelsprodukt wird in chemischen Fabriken — oft in Sodafabriken als Nebenprodukt — herge- stellt, indem Chlorgas über frisch gelöschten noch etwas wasserhaltigen Kalk geleitet wird, und zwar bei einer Temperatur von nicht über 20° R. Das Chlorgas wird vom Kalk einfach absorbiert (verschluckt, aufgenommen); sobald kein Chlor mehr aufgenommen wird, ist der Chlorkalk fertig. Derselbe wird von vielen Antoren auch als unterchlorigsaurer Kalk bezeichnet; das ist jedoch nur zum Teil richtig. Der Chlorkalk ist ein Gemisch aus wechselnden Mengen von unterchlorigsaurem Kalk, Chlorcalcium und gelöschtem Kalk . Das wirksame Prinzip im Chlorkalk aber ist der unterchlorigsaure Kalk, Calciumhypochlorit Eigenschaften : Der Chlorkalk ist ein weißes, bröckliges Pulver, das an feuchter Luft schmierig wird und einen schwachen chlorähnlichen Geruch besitzt. Er ist mit Hinterlassung des unlöslichen Kalkhydrats in 15 Teilen Wasser löslich, die filtrierte wässerige Lösung ist farblos, besitzt einen herben Geschmack und zeigt eine alkalische Reaktion; rotes Lackmus- papier wird daher anfangs gebläut, dann aber gebleicht. Verdünnte Säuren , selbst die schwächsten, entwickeln, im Ueberschuß angewendet, Chlor , worauf seine Anwendung in der Bleicherei beruht. Erhitzt man Chlorkalk oder setzt man ihn dem direkten Sonnenlicht aus, so gibt er teils Sauerstoff ab, teils zersetzt er sich in Chlorcalcium und chlorsauren Kalk. Letzteres geschieht auch beim Kochen von Chlorkalklösungen. Daraus folgt, daß Chlorkalklösungen, wenn sie wirksam sein sollen, niemals warm angewendet werden dürfen ; denn die sich dabei bil- denden Chlorcalcium und chlorsaurer Kalk haben keine bleichende Kraft. Es folgt ferner daraus, daß der Chlorkalk in trockenen kühlen Räumen und vor Licht geschützt aufbewahrt werden muß. Prüfung : Im Chlorkalk ist das Chlor in zweierlei Formen vorhan- den; einmal als Chlorcalcium; das in dieser Form vorhandene Chlor be- sitzt keinerlei bleichende Kraft und ist deshalb auf die Wertbestimmung des Chlorkalks ohne Einfluß; sodann als unterchlorigsaurer Kalk, aus welchem durch verdünnte Säuren, selbst schon durch die Kohlensäure der Luft, das gesamte Chlor entwickelt wird. Dieses im unterchlorigsauren Kalk enthaltene Chlor heißt daher auch das wirksame Chlor und bedingt direkt den Wert des Chlorkalks. Im Handel kommen Chlorkalke von 10 bis 44 Prozent wirksamem Chlor vor; es geht daraus hervor, daß es notwendig ist, den Gehalt an wirksamem Chlor zu bestimmen . Es gibt hierzu mehrere Methoden, welche jedoch alle ein Vertrautsein mit chemischen Arbeiten voraus- setzen. Wer dazu nicht glaubt imstande zu sein, überlasse die Unter- suchung lieber einem Chemiker. Für Geübtere empfiehlt sich folgendes Verfahren: 10 g einer Durchschnittsprobe Chlorkalk werden mit Wasser zu einem zarten Brei angerieben, dieser in eine Literflasche gespült und letztere bis zur Marke mit destilliertem Wasser aufgefüllt. Andererseits bereitet man sich eine Lösung von 13,95 g arseniger Säure in Aetznatronlauge, versetzt mit Salzsäure bis zur stark sauren Reaktion und füllt gleichfalls bis zum Liter auf. Von dieser salzsauren Arsenigsäurelösung bringt man 10 ccm in ein Becherglas, verdünnt mit destilliertem Wasser, gibt einige Tropfen einer Indigolösung hinzu und läßt nun von der gut durchmischten Chlor- kalklösung aus einer Bürette solange zufließen, bis die blaue Farbe des Indigos verschwindet. 10 ccm Arsenigsäurelösung entsprechen 0,1 g Chlor. Hätte man z. B. 30 der Chlorkalklösung bis zur Entfärbung des Indigos nötig gehabt, so erfährt man den Gehalt an wirksamem Chlor durch folgende Rechnung: der zu untersuchende Chlorkalk hätte dann 33⅓ Prozent wirksames Chlor enthalten. Auch die Methode der Oxydation von chemisch reinem schwefelsaurem Eisenoxydul in schwefelsaurer Lösung und Titration mit Kaliumpermanganat, sowie die neuerdings viel benutzte Methode der Bestimmung mittels Jod- kaliumlösung und Titrieren mit 1/10 Natriumthiosulfat unter Benutzung von Stärkelösung als Indikator gibt genaue Resultate. Anwendung : In ausgedehntem Maße zum Bleichen vegetabilischer Fasern, und zur Bereitung des unterchlorigsauren Natrons. — Bei Berei- tung der Chlorkalklösung empfiehlt es sich, den Chlorkalk zuerst mit wenig Wasser zu einem Schlamm anzurühren und dann erst die größere Wasser- menge hinzuzufügen. 4. Schwefelsaurer Kalk, Calciumsulfat, Gyps , Ca SO 4 + 2 H 2 O , ist nächst der Kreide die in der Natur am häufigsten vorkommende Kalkverbindung. Er kommt als geschlämmtes, höchst feines, weißes Pulver vor und findet in vereinzelten Fällen Verwendung als Appreturmittel. Ganswindt , Färberei. 17 5. Essigsaurer Kalk, Calciumacetat , (CH 3 · C O O) 2 Ca + 2 H 2 O . Ein roher essigsaurer Kalk kommt als grauweißes Pulver in den Handel, welches durch Sättigen von Holzessig mit Kreide oder Kalkstein gewonnen wird. — Einen reineren essigsauren Kalk stellt man sich am besten selbst dar, indem man Kreide oder auch gelöschten Kalk in Essigsäure löst, im ersteren Falle solange, bis kein Aufbrausen mehr erfolgt, im zweiten Falle solange, bis sich der zugesetzte Kalk nicht mehr löst. Im ersteren Falle empfiehlt es sich, nach erfolgter Sättigung noch etwas gelöschten Kalk hinzu- zugeben, tüchtig durchzurühren und dann absetzen zu lassen; bei der Bereitung mit gelöschtem Kalk braucht man nur für einen kleinen Ueberschuß zu sorgen; man erreicht dadurch ein eisenfreies Präparat. Man erhält eine klare, farblose Lösung, welche man als solche verwendet. — Anwendung : Der rohe holzessigsaure Kalk dient zur fabrikmäßigen Darstellung der Rotbeize. Das reinere selbstbereitete Präparat wendet man in allen den Fällen an, wo ein Kalkgehalt des Wassers geboten erscheint, wie in der Krapp- und Türkischrotfärberei, beim Färben mit Alizarin, Coeruleïn, Galleïn, Gallofla- vin ꝛc. und wo der geringe Härtegrad des Wassers einen solchen Zusatz überhaupt notwendig macht. 6. Rhodancalcium , Ca (S C N) 2 + 3 H 2 O , ein Produkt chemischer Fabriken, bildet ein farbloses, krystallisierbares, in Wasser lösliches Salz. — Anwendung : Zur Darstellung von Rhodanaluminium. § 93. Magnesiumsalze. 1. Schwefelsaure Magnesia, Magnesiumsulfat, Bittersalz , Mg S O 4 + 7 H 2 O . Kommt in der Natur vielfach in mehr oder minder konzentrierten Lösungen (als sog. Bitterwässer ) vor, findet sich aber auch mit 1 Atom Krystallwasser als Kieserit in den Staßfurter Abraumsalzen; als solcher nimmt er an der Luft Feuchtigkeit auf und geht in Bittersalz über. Das Handelsprodukt bildet kleine, weiße, farblose Krystalle von ekel- haft bittersalzigem Geschmack, in Wasser leicht löslich. — Anwendung : In England, seltener bei uns, als Beschwerungsmittel für einzelne Gewebe; auch ist es als Zusatz zum Farbbade beim Färben mit stark sauren Farb- stoffen empfohlen worden, ein Vorschlag, dessen Nützlichkeit mir noch keines- wegs recht einleuchten will. 2. Kohlensaure Magnesia, Magnesiumcarbonat , Mg 2 CO 3 . Ein durch Fällen von Bittersalz mit Soda erhaltenes Produkt in Form eines weißen ungemein leichten, in Wasser unlöslichen, in Säure unter Aufbrausen löslichen Pulvers. Es findet in der Färberei keine direkte Ver- wendung, sondern dient nur zur Darstellung von salpetersaurer und von essigsaurer Magnesia. Die in der Literatur hier und da sich findenden Angaben über die Verwendung der kohlensauren Magnesia in der Appretur sind (nach Romen ) nicht richtig. An Stelle der kohlensauren Magnesia kann ganz gut der natürliche, gemahlene Magnesit verwendet werden. 3. Chlormagnesium, Magnesiumchlorid , Mg Cl 2 . Das Chlor- magnesium ist ein Produkt der Staßfurter Industrie und wird aus dem Carnallit, einem Doppelsalz aus Chlorkalium und Chlormagnesium K Cl, Mg Cl 2 + 6 H 2 O , durch Behandeln mit Wasser gewonnen, wobei dieser in seine beiden Komponenten zerfällt. Das Chlormagnesium des Handels, auch unter dem Namen Crystal-size vorkommend, bildet große harte, durch- scheinende bis durchsichtige, an der Luft leicht zerfließende, in Wasser sehr leicht lösliche Stücke oder Massen, welche noch kleine Anteile an Bittersalz oder Glaubersalz, und Kochsalz resp. Chlorkalium enthalten. — Anwendung : In der Appretur; es erteilt den Geweben einen angenehmen, weichen Griff; es verhindert Pilzbildung, beschwert das Gewebe und sorgt für einen gleich- mäßigen Feuchtigkeitsgehalt. In der Weberei dient es zum Schlichten, um die Sprödigkeit der Fäden zu vermindern. Neuerdings hat das Chlor- magnesium noch Anwendung in der Bleicherei gefunden, indem Lösungen von Chlormagnesium, 27° Bé. stark, durch Elektrolyse zerlegt, zum Bleichen nach den Hermite schen Patenten verwendet werden. Ausführlicheres hierüber vergl. „Deutsche Färber-Ztg.“ 1887, Nr. 13 und 25. 4. Kieselsaure Magnesia, Talk, Talcum , Speckstein , ist ein nicht selten vorkommendes Mineral, welches gepulvert ein schweres weißes, zwischen den Fingern sich schlüpfrig anfühlendes, in Wasser unlösliches Pulver vorstellt. — Anwendung : In der Appretur, doch nur in beschränktem Maße und in Gemeinschaft mit andern Appreturmitteln, daß er wegen seiner glatten Außenfläche an den Geweben nur wenig haftet. 5. Unterchlorigsaure Magnesia, Magnesiumhypochlorit , , wird durch wechselseitige Zersetzung von Chlorkalk und Bitter- salz gewonnen. Die unter dem Namen Grouvelle sche oder Ramsay sche Bleichflüssigkeit vorkommenden Bleichmittel sind weiter nichts als Lösungen von Magnesiumhypochlorid. — Anwendung : Als kräftiges Bleichmittel. Nach Jokisch hat sie beim Bleichen zarterer Stoffe den Vorzug, daß die beim Chlorkalk und der Javelle schen Lauge vorhandene Nebenwirkung eines Aetz- alkalis hier in Wegfall kommt. 6. Salpetersaure Magnesia, Magnesiumnitrat , Mg (NO 3 ) 2 . Zur Bereitung dieses Salzes, welches man sich selbst darstellt, sättigt man mit dem gleichen Gewicht Wasser verdünnte rohe Salpetersäure mit kohlen- saurer Magnesia, bis kein Aufbrausen mehr erfolgt, fügt noch etwas ge- brannte Magnesia hinzu, erwärmt gelind, läßt absetzen und verdünnt mit Wasser auf 15° Bé. — Anwendung : Als Mordant. 7. Essigsaure Magnesia, Magnesiumacetat , (CH 3 · COO) 2 Mg , wird in gleicher Weise wie das vorige, durch Sättigen von Essigsäure mit kohlensaurer Magnesia dargestellt. — Anwendung : Als Mordant ( Grothe ). § 94. Baryumsalze. 1. Kohlensaurer Baryt, Baryumcarbonat , Ba CO 3 . Kommt in England als Witherit in der Natur vor, kann auch künstlich durch Fällen von salpetersaurem Baryt mit Soda, besser mit kohlensaurem Ammoniak erhalten werden. Sehr schweres, weißes, in Wasser kaum, in Säuren unter Aufbrausen lösliches Pulver. Giftig ! In Deutschland durch Reichs- gesetz verboten. — Anwendung : In vereinzelten Fällen als Appreturmittel, sonst zur Darstellung anderer Barytsalze. 2. Schwefelsaurer Baryt, Baryumsulfat, Schwerspat, Mineralweiß, Blanc fixe , Mg SO 4 . Findet sich in der Natur und 17* wird auf Mühlen gemahlen und dann geschlämmt. Der künstlich durch Fällen von Chlorbaryum mit Schwefelsäure erhaltene schwefelsaure Baryt ist wegen seiner blendenden Weiße, seiner Unlöslichkeit in Wasser, seiner Unveränderlichkeit durch atmosphärische Einflüsse und seines hohen spezifischen Gewichts hochgeschätzt. — Anwendung : In vielfacher Weise bei der Appre- tur der Weißwaren, sowie als Füllmittel bei denselben Waren. 3. Chlorbaryum, Baryumchlorid , Ba Cl 2 , wird fabrikmäßig aus dem Witherit oder Schwerspat gewonnen; es bildet farblose, rhombische Tafeln und Blätter, ist luftbeständig und in Wasser leicht löslich. Giftig! — Anwendung : Seines hohen spez. Gewichts wegen als Appreturmittel in gewissen Fällen. Den Anforderungen des Farbwarengesetzes vom 5. Juli 1887 entspricht dieser Artikel nicht und sollte daher als Appreturmittel keinen- falls Verwendung finden. 4. Chlorsaurer Baryt, Baryumchlorat , Ba (Cl O 3 ) 2 + H 2 O , ist ein Produkt chemischer Fabriken und entsteht bei der Einwirkung von Chlor auf heiße Baryumhydroxydlösung neben Chlorbaryum. Farblose, mono- kline, in 4 Teilen Wasser lösliche Krystalle. — Anwendung : In neuester Zeit wegen seiner leichten Löslichkeit an Stelle des chlorsauren Kalis zur Oxydation von Anilinschwarz und Dampfbraun. 5. Unterchlorigsaurer Baryt, Baryumhypochlorid , , ist aus den gleichen Gründen, welche für das Magnesiumhypochlorid ange- führt wurden, als Bleichmittel empfohlen worden. 6. Chromsaurer Baryt, Baryumchromat, gelbes Ultramarin, Barytgelb , Ba Cr O 4 , ist der schöne gelbe Niederschlag, welcher beim Ver- mischen neutraler Baryumsalzlösungen mit Kaliumdichromatlösung entsteht. — Anwendung : In der Zeugdruckerei. 7. Rhodanbaryum , Ba (S C N) 2 + 2 H 2 O , ein Produkt chemischer Fabriken, bildet kleine farblose Krystalle, welche lediglich zur Darstellung von Rhodan-Aluminium verwendet werden. 8. Mangansaurer Baryt , Ba Mn O 4 , ein durch Patent geschütztes Präparat, ist ein grünblaues unlösliches Pulver, welches die Eigenschaft be- sitzt, ganz wie Wasserstoffsuperoxyd Sauerstoff abzugeben, und deshalb als Bleichmittel für Leimlösungen, Lohbrühen, Extraktlösungen ꝛc. empfohlen ist. Zum Bleichen von Gespinnstfasern ist dasselbe keinenfalls zu verwenden. § 95. Thonerdesalze. Die Salze der Thonerde und deren Doppelsalze spielen in der Färberei eine ganz hervorragende Rolle. Fast alle Thonerdeverbindungen besitzen die ausgesprochene Neigung, mit einer großen Anzahl von Farbstoffen unlösliche Verbindungen, Farblacke , zu bilden. Geht dieser Prozeß im Becher- oder Reagenzglase vor sich, so fällt der Farblack als unlösliches Pulver zu Boden; spielt sich der Vorgang aber im Innern einer Gewebefaser ab, so lagert sich der Farblack zwischen die Elemente der Faser und färbt sie mit der Farbe des Farblackes. Von dieser Eigenschaft der Thon- erdeverbindungen wird in allen den Fällen Gebrauch gemacht, wo die Ver- wandtschaft des Farbstoffes zur Faser keine genügende ist und eines ver- mittelnden Einflusses bedarf, um ein Befestigen des Farbstoffes auf der Faser indirekt zu erreichen. Zur Erreichung dieses Zieles wird die betreffende Gewebefaser mit der Thonerdesalzlösung getränkt, gebeizt ; der Körper, welcher dann die Ver- mittelung besorgt (hier also die Thonerdesalze), heißt Beizstoff oder Beize . Die Thonerdesalze, vornehmlich der Alaun, sind schon im Altertum als Beizen angewendet worden. Von besonderer Wichtigkeit sind sie für alle jene Farb- stoffe, welche ich vorher als „schwach saure“ bezeichnet habe. Je nach den verschiedenen Eigenschaften der Gewebefasern, sowie mit Rücksicht auf die abweichenden Eigenschaften der verschiedenen Farbstoffe, sind eine Menge von Thonerdeverbindungen dargestellt worden, welche sich ursprünglich jedoch alle vom Alaun ableiten. 1. Alaun, schwefelsaure Kali-Thonerde, Kalium-Aluminium- sulfat , Al 2 K 2 (SO 4 ) 4 + 24 H 2 O , oder schwefelsaure Ammoniak- Thonerde, Ammonium-Aluminiumsulfat , (NH 4 ) 2 Al 2 (SO 4 ) 4 + 24 H 2 O . Die Gewinnung des Alauns bildet eine Industrie für sich und wird in den Alaunwerken oder Alaunhütten betrieben. Die Rohmaterialien, welche zur Gewinnung des Alauns benutzt werden, liefert die Natur in Form von Alaunschiefer, Alaunerde ; selten wird der Alaunstein (ein natürlicher unlöslicher basischer Alaun) oder Alunit verwendet (er liefert den sog. römischen Alaun); auch Thon (Kaolin, Pfeifenthon), Kryolith, Bauxit, Feldspat, sowie thon- und schwefelkieshaltige Braunsteinkohlen werden zur Alaungewinnung verwendet. Das einzuschlagende Verfahren ist je nach dem Rohmaterial ein verschiedenes. In großen Grundzügen beruht die Fabri- kation teils auf einem Rösten, teils auf einem Verwittern der Mineralien und darauf folgendem Auslaugen und Eindampfen bis zu einer Konzentra- tion, bei welcher sich das Eisen als „Vitriolschmand“ abscheidet. Man hat dann eine starke Lösung von schwefelsaurer Thonerde vor sich, welche mit der zur Alaunbildung erforderlichen Menge schwefelsaurem Kali oder Am- moniak versetzt wird. Durch Stören der Krystallisation erhält man den Alaun als Alaunmehl , welcher durch wiederholtes Umkrystallisieren von dem letzten anhängenden Eisen befreit wird. Eigenschaften : Das Handelsprodukt besteht meist aus sehr großen, glasglänzenden Krystallmassen, welche die Form des Oktaëders (in welcher der Alaun krystallisiert) nur sehr undeutlich erkennen lassen. Ein reinerer Alaun ist farblos, ein eisenhaltiger gelblich bis rötlich gefärbt. Er ist in Wasser ziemlich leicht löslich; seine wässerige Lösung schmeckt süßlich zu- sammenziehend und reagiert sauer. Er verwittert etwas an der Luft, schmilzt in der Wärme, verliert bei andauerndem Erhitzen sein Krystall- und Kon- stitutionswasser, bläht sich schließlich auf und bildet eine schwammige weiße Masse, welche sich in Wasser kaum noch auflöst. Ammoniakalaun besitzt dieselbe Krystallform, dasselbe Lösungsvermögen und dasselbe Verhal- ten, und unterscheidet sich vom Kalialaun nur beim Erhitzen dadurch, daß er Ammoniakdämpfe entwickelt. Prüfung : Ein für Färbereizwecke verwendbarer Alaun muß von Eisen möglichst frei sein; eine kleine Spur Eisen ist zuzulassen. Ein Alaun kann als genügend rein verwendet werden, wenn er, gelöst, auf Zusatz einer Lösung von gelbem Blutlaugensalz gar nicht oder erst nach 10 Minuten bläulich gefärbt wird. Zeigt sofortige Bläuung oder sofortige Fällung einen bedeuten- deren Eisengehalt an, so muß man zur Reinigung des Alauns schreiten. Einen eisenfreien Alaun erhält man nach Runge durch Lösen des gewöhn- lichen Alauns in seinem dreifachen Gewichte Wasser, Erhitzen zum Kochen und Rühren so lange, bis das Ganze erkaltet ist. Es fällt ein Teil des Alauns als eisenfreies Alaunmehl nieder; der Rest bleibt mit dem gesamten Eisen in der Flüssigkeit gelöst Diese Flüssigkeit läßt sich zu ordinärem Rot, Braun, Violett u. dergl. noch ganz gut verwerten. . Anwendung : Als Beize in der Wollenfärberei zur Befestigung schwach saurer Farbstoffe; ebenso in der Seidenfärberei und Druckerei. In der Baumwollenfärberei wird Alaun nur wenig verwendet. Bei der Verwen- dung von Alaun als Beize ist zu beachten, daß kupferne Gefäße thunlichst zu vermeiden sind, da Kupfer in Alaunlösung etwas löslich ist und das ge- löste Kupfer Flecke erzeugen kann. 2. Neutraler Alaun, römischer Alaun, kubischer Alaun , K 2 Al 2 (SO 4 ) 4 + Al 2 (OH) 6 + 24 H 2 O . Diese Thonerdeverbindung kry- stallisiert nicht in Oktaëdern, sondern in Würfeln. Er wird aus dem bei Tolfa nahe Civita-Vecchia, der Hafenstadt Roms, in einigen Gegenden Un- garns und auf mehreren Inseln des griechischen Archipels gefundenen Alaun- stein gewonnen. Künstlich kann der neutrale Alaun dargestellt werden durch Erwärmen von frisch gefälltem Thonerdehydrat mit Alaunlösung, oder, indem man einer Alaunlösung so lange Alkalicarbonat vorsichtig zusetzt, als der jedesmal entstehende Niederschlag sich gerade noch auflöst. Aus der klaren Lösung krystallisiert dann der Alaun in großen farblosen Würfeln aus, welche neutrale Reaktion zeigen. Der in den Handel kommende römische Alaun ist schwach rosenrot gefärbt von ganz geringen Spuren Eisen, zeichnet sich im übrigen aber durch große Reinheit aus, besonders durch fast völlige Abwesenheit von Eisen, und erfreut sich deshalb besonderer Beliebtheit. Der Gehalt des neutralen Alauns an wasserfreier Thonerde ist fast doppelt so groß als beim gewöhnlichen Alaun; während beim letzteren der Thonerde- gehalt 11,90 (bei Ammoniakalaun 10,83) Prozent beträgt, enthält der neu- trale Alaun 19,60 Prozent Thonerdeanhydrid. Anwendung : Wie gewöhnlicher Alaun; der neutrale Alaun hat jedoch den großen Vorteil, auch auf Baumwolle anwendbar zu sein, er hat ferner den Vorteil größern Thonerdegehalts und die Abwesenheit saurer Reaktion, welche, wie beim Alaun, manche Farben ungünstig beeinflußt. Der neutrale Alaun kann den gewöhnlichen in allen Fällen mit Vorteil ersetzen , nicht umgekehrt. 3. Basischer Alaun wird erhalten, wenn man einer Alaunlösung so viel Alkalicarbonat zusetzt, daß ein bleibender Niederschlag von Thonerde- hydrat entsteht. Die von letzterem abfiltrierte, alkalisch reagierende Flüssig- keit hinterläßt dann beim Verdampfen den sog. basischen Alaun. Auf obige Weise bereitet, erhält man den basischen Alaun in Lösung. Nur in Lösung ist er zu verwenden; beim Eindampfen oder beim Erwärmen der Lösung über 40° scheidet sich derselbe als weißes, erdiges, geschmackloses Pulver aus, welches sich in Wasser nicht löst. Dieses Pulver soll nach der Formel K 2 Al 2 (SO 4 ) 2 (OH) 4 zusammengesetzt sein und nach Schmidt 35,17 Prozent Thonerde enthalten. Ueber das in Lösung enthaltene Salz, welches dieser Zusammensetzung wohl kaum entsprechen dürfte, liegen neuere zuverlässige Analysen nicht vor. Anwendung : Wie der neutrale Alaun; doch ist die Anwendbarkeit durch die leichte Zersetzbarkeit des basischen Salzes, und infolge der Leichtig- keit der Abscheidung von Thonerdehydrat auf der Faser, sowie der verhältnis- mäßig großen Mengen des abgeschiedenen Thonerdehydrats eine noch größere. 4. Schwefelsaure Thonerde, Aluminiumsulfat, konzentrier- ter Alaun , Al 2 (SO 4 ) 3 + 18 H 2 O . Das im Alaun vorhandene schwefel- saure Kali oder schwefelsaure Ammonium ist bei der Färberei ohne alle Wirksamkeit und daher nutzlos. Diese Betrachtung führte schon vor längerer Zeit dazu, nach einem „konzentrierten“ Alaun zu streben, d. h. einem Alaun ohne Kalium- und Ammoniumsulfat, oder noch richtiger, nach reiner schwefel- saurer Thonerde. Wohl gelang es, eine solche herzustellen, aber das Präpa- rat enthielt stets so große Beimengungen von Eisen und Schwefelsäure, daß es sich für Färbereizwecke nicht einzuführen vermochte und daß man vorzog, den reineren, wenn auch an Thonerde ärmeren Alaun weiter zu verwenden. In neuerer Zeit aber kommt die schwefelsaure Thonerde in so reiner Form in den Handel, daß sie ohne weiteres verwendet werden kann. Seit man gelernt hat, ein völlig schwefelsäurefreies und fast eisenfreies Thonerdehydrat darzustellen, ist es auch gelungen, ein genügend reines Aluminiumsulfat zu erzielen durch Lösen von frisch gefälltem reinem Thonerdehydrat in konzen- trierter Schwefelsäure von 50° Bé. Auch durch Lösen von möglichst eisen- und kalkfreier feinst gemahlener Porzellanerde unter Erwärmen erhält man eine genügend reine schwefelsaure Thonerde; man läßt die Lösungen sich klä- ren, zieht klar ab, und dampft die Laugen zur Krystallisation ein. Eigenschaften : Es erscheint im Handel in formlosen, gelblich weißen bis weißen Massen, seltener in viereckigen Tafeln, löst sich in zwei Teilen Wasser, aber fast gar nicht in Alkohol. Die wässerige Lösung reagiert sauer und schmeckt süßlich zusammenziehend. Beim Erhitzen schmilzt es zuerst in seinem Krystallwasser, bläht sich dann stark auf und geht in wasserfreies Aluminiumsulfat über, was sich nur sehr langsam wieder in Wasser löst. Prüfung : Es ist nur auf einen Eisengehalt zu prüfen. 1 g des Salzes im 10fachen Gewicht Wasser gelöst, dürfen auf Zusatz eines Tropfens Gerbsäurelösung keine oder eine nur schwach bläuliche Färbung geben. Tritt schwarzblaue Färbung auf, so ist das Salz nicht verwendbar und zu be- anstanden. Anwendung . Wie beim Alaun, vornehmlich in der Wollenfärberei. 5. Neutrale schwefelsaure Thonerde, neutrales Aluminium- sulfat , Al 4 (SO 4 ) 3 (OH) 6 + 18 H 2 O . In noch höherem Maße als der Alaun besitzt die normale (saure) schwefelsaure Thonerde die Eigenschaft, neutrale und basische Salze zu bilden. Das neutrale Salz erhält man durch Digerieren von frisch gefälltem Thonerdehydrat mit einer Lösung des nor- malen Sulfats, solange noch Hydrat gelöst wird; ein etwaiger Rückstand muß durch zugefügte neue Salzlösung in Lösung gebracht werden. Nach Hummel erhält man dasselbe Präparat ( Hummel bezeichnet es als basi- sches Aluminiumsulfat) durch Neutralisieren von 2 Mol. des normalen Salzes mit 6 Mol. Natriumbicarbonat. Man hat dann zu einer Lösung von 19 Teilen schwefelsaurer Thonerde 10 Teile doppelt kohlensaures Natron hinzuzufügen. Hierbei bildet sich zugleich Glaubersalz, welches nach Hummel zur Zersetzung des neutralen Salzes in Gegenwart einer Gespinnstfaser wesentlich beiträgt. Es ist nicht recht verständlich, wie das Glaubersalz hier wirken soll; einleuchtender und wahrscheinlicher ist wohl, daß das Glauber- salz im Beizbade die gleiche Rolle spielt wie im Farbbade, daß es nämlich das allmähliche gleichmäßige Angehen des Thonerdehydrats an die Gewebe- faser bewirkt. Das neutrale Aluminiumsulfat wird nur in Lösung verwendet. — Anwendung : In der Baumwollenfärberei zum Beizen der Baumwolle unter Zuhilfenahme von Fixiermitteln wie kohlensaures Ammoniak, phosphor- saures Natron, Wasserglas, Türkischrotöl u. dergl. 6. Basische schwefelsaure Thonerde . Unter diesem Namen be- greift Hummel eine Anzahl von Aluminiumfulfaten, welche wohl richtiger als „neutrale“ Sulfate zu betrachten wären. Als eigentlich basisches Sul- fat ist dagegen nur jene Verbindung anzuerkennen, welche durch Lösen von frisch gefälltem Thonerdehydrat in der Lösung des normalen Sulfats sich dann bildet, wenn im Ueberschuß vorhandenes Thonerdehydrat ungelöst zurück- bleibt. Derartige Lösungen eignen sich vorzüglich zum Beizen der Gespinnst- fasern, da sie durch letztere bereits in der Kälte, noch leichter bei schwachem Erwärmen zerlegt werden in Thonerdehydrat, welches sich auf der Faser niederschlägt, und in neutrales oder in normales Sulfat, welches in der Lösung zurückbleibt. Die zurückbleibende Salzlösung kann immer wieder mit Thonerdehydrat in basisches Salz übergeführt werden und bildet so ein ungemein einfaches und bequemes Mittel zur Befestigung des Thonerde- hydrats auf der Faser. 7. Chloraluminium, Aluminiumchlorid , Al 2 Cl 6 . Ein Pro- dukt chemischer Fabriken, durch Auflösen von Kaolin in Salzsäure erhalten, bildet harte, weißliche, gelbliche bis grünliche, an der Luft rauchende, zer- fließliche, in Wasser unter Erwärmen leicht lösliche Massen. — Anwendung : Zum Carbonisieren der Wolle, wobei das Chloraluminium unter erhöhter Temperatur und gesteigertem Druck nur die vegetabilischen Fasern zerstört, die Wollfaser aber nicht angreift. Diese Wirkung beruht wohl auf einer Dissociation des Chloraluminiums in Thonerdehydrat und Salzsäuregas, welches letztere dann die Pflanzenfaser zerstört. Vergl. auch § 5, S. 18. Neuerdings ist das Chloraluminium auch zum Bleichen vorgeschlagen wor- den, indem man dessen Lösung mit Hilfe der Elektrolyse zerlegt, wobei sich chlorsaure und unterchlorigsaure Thonerde bilden sollen. 8. Neutrales und basisches Chloraluminium . Um zu diesen zu gelangen, bereitet man sich zunächst eine reinere Lösung des normalen Chlorids durch Fällen von Aluminiumsulfat mit gleichen Gewichtsteilen Chlor- baryum. Von dieser Lösung gelangt man zu basischeren Verbindungen; durch Lösen von Thonerdehydrat kann man zu zwei Verbindungen gelangen, welche nach Hummel die Zusammensetzung Al 2 Cl 5 (OH) und Al 2 Cl 4 (OH) 2 haben; zu noch basischeren Verbindungen gelangt man, wenn man zu der obigen Lösung Natriumcarbonat bis zur alkalischen Reaktion hinzufügt; Hummel bezeichnet zwei basische Verbindungen Al 2 Cl 3 (OH) 3 und Al 2 Cl 2 (OH) 4 als dargestellt und gibt an, daß die Lösungen dieser neutralen und basischen Chloride weder durch Erwärmen, noch durch Verdünnen ihrer Lösungen zer- setzt werden. — Anwendung : In vereinzelten Fällen (und dann ohne greif- baren Zweck) als Beizmittel für Wolle. 9. Unterschwefligsaure Thonerde, Aluminiumhyposulfit, Aluminiumthiosulfat , , ist früher von Kopp als Beize für Baumwolle empfohlen worden. Das Salz wird am besten durch Doppel- zersetzung von 3 Teilen Natriumhyposulfit mit 4 Teilen Aluminiumsulfat gewonnen. Nach den Angaben Kopps gibt diese Beize vollere Farben, als die essigsaure Thonerde, ist dabei billiger und verhindert die Oxydation des Eisens. So einleuchtend das ist, so scheint die Verwendung in der Praxis doch auf Schwierigkeiten gestoßen zu sein, da sich in der Literatur keine weiteren Angaben darüber finden. 10. Schwefligsaure Thonerde, Aluminiumsulfit , Al 2 (SO 3 ) 3 , wird durch Lösen von frisch gefälltem Thonerdehydrat oder Thonerde en pâte in konzentrierter wässeriger Schwefligsäure gewonnen. Die Lösungen der schwefligsauren Thonerde zerfallen beim Kochen in schweflige Säure, welche gasförmig entweicht, und Thonerdehydrat, welches in Gegenwart von Gewebe- fasern sich in diesen ablagert. Diese leichte Zersetzbarkeit wird als Vorzug gerühmt, doch darf nicht übersehen werden, daß das entweichende Schweflig- säuregas große Belästigung verursacht und daß man durch Anwendung des basischen Aluminiumsulfates gleiche Resultate erzielen kann. — Anwendung : Als Beize für Baumwolle. 11. Chlorsaure Thonerde, Aluminiumchlorat , Al 2 (ClO 3 ) 6 , gehört zu den Präparaten, welche man sich selbst anfertigen muß. Ich empfehle dazu, sich die folgenden zwei Lösungen zu bereiten: a) 1 Teil chlorsaures Kali in 10 Teilen kochendem destilliertem Wasser; b) 4 Teile schwefelsaure Thonerde in dem gleichen Gewicht Wasser. Man gießt dann a in b hinein, läßt absetzen und filtriert noch warm. — Anwendung : Die klare Lösung dient als Mordant. 12. Unterchlorigsaure Thonerde, Aluminiumhypochlorit , , wird durch Wechselzersetzung einer filtrierten Chlorkalklösung mit einer Lösung von schwefelsaurer Thonerde gewonnen. Diese Lösung führt den Namen Wilsons Bleichflüssigkeit. Weiß hat sich ein Verfahren patentieren lassen, nach welchem ähnliche, aber noch energischer wirkende Bleichverbindungen der Thonerde erhalten werden durch direkte Einwirkung von Chlor auf Aluminate, namentlich Natrium-, Calcium- und Magnesium- aluminat, wobei also der Chlorkalk völlig umgangen wird. Die bleichenden Thonerdeverbindungen können in Form einer Lösung, wie auch in festem Zustande dargestellt werden. Im ersteren Falle leitet man Chlor in eine zweckmäßig verdünnte Lösung von Natriumaluminat bezw. in Wasser, in welchem Calciumaluminat oder Magnesiumaluminat oder beide zugleich suspendiert sind. Im zweiten Falle läßt man das Chlor auf die festen Aluminate einwirken, wobei man die bleichende Verbindung in einer festen, dem Chlorkalk ähnlichen Form erhält. Man lasse das Chlor solange auf die gelösten bezw. suspendierten oder die festen Aluminate einwirken, als noch eine sichtlich lebhafte Aufnahme desselben stattfindet, wobei alle Vorsichtsmaßregeln, welche für die Darstellung von flüssigem und festem Bleichkalk gelten (Vermeidung einer zu starken Temperaturerhöhung u. s. w.), beobachtet werden. Sobald das Chlor in größerer Menge dem Apparat entweicht, ist die Umsetzung erfolgt und die Verbindung hat den höchsten Gehalt an wirksamem Chlor erreicht. Bei fortgesetzter Einwirkung des Chlors tritt unter Abgabe von Sauerstoff Zer- setzung ein, und es nimmt dann der Gehalt an gesamtem Chlor zu, dagegen der an wirksamem Chlor ab. Diese Abspaltung von Sauerstoff macht sich, wenn die Aluminate in Wasser gelöst oder suspendiert angewendet werden, durch eine sehr lebhafte Gasentwickelung unter starkem Schäumen bemerkbar. Nach den Untersuchungen des Erfinders soll die Umsetzung zwischen Chlor und Aluminat nach folgenden wenig wahrscheinlichen Gleichungen vor sich zu gehen: a) Bei Natriumaluminat: b) Bei Calciumaluminat: Ganz analog der Gleichung b) soll die Umsetzung von Magnesium- aluminat vor sich gehen. Die wahre Konstitution der neuen bleichenden Verbindungen dürfte ebenso schwer festzustellen sein, als dies beim Chlor- kalk der Fall ist. Die nach diesem Verfahren hergestellten Thonerdeverbindungen wirken infolge Abgabe von ozonisiertem Sauerstoff außerordentlich schnell bleichend, und zwar gelingt es, wie im großen angestellte Versuche ergeben, leicht, Gespinnste, Gewebe, Papiermasse u. s. w. in wenigen Tagen, ohne Auslegen, vollig weiß zu bleichen, wobei auch die bei Anwendung von Chlorkalk den Chlorbädern folgenden Säurebäder wegfallen. Von Wichtigkeit ist ferner, daß die nach diesem Verfahren hergestellten bleichenden Thonerdeverbindungen die Faser weit weniger angreifen als Chlorkalk. Anwendung : Als Bleichmittel. 13. Salpetersaure Thonerde, Aluminiumnitrat , Al 2 (NO 3 ) 6 , hat man sich selber zu bereiten, indem man gleiche Teile Alaun und sal- petersaures Blei zusammen in Wasser löst und nach öfterem Umschütteln und Absetzenlassen das Klare abzieht, den weißen Niederschlag noch mit etwas Wasser nachwäscht, wieder absetzen läßt und das Klare dem ersten zugibt. Die Lösung ist keine reine salpetersaure Thonerde, sondern salpetersaure Kali-Thonerde, aber für unsere Zwecke vollkommen genügend. Der schwere, schlammige, weiße Niederschlag kann aufbewahrt werden; er bildet das für mehrere Schutzpappen in der Blaudruckerei wertvolle schwefelsaure Blei en pâte . Ein reines Fabrikat erhält man durch Auflösen von Thonerde- hydrat in Salpetersäure. Diese gibt das normale Salz mit saurer Reak- tion; es gibt aber auch neutrale und basische Nitrate, welche indessen, ent- sprechend den neutralen und basischen Chloriden, weder beim Erwärmen, noch beim Verdünnen der Lösungen sich zersetzen. — Anwendung : Als Mor- dant auf Baumwolle, besonders zum Hervorbringen gelber Nüancen bei Alizarindampfrotfarben in der Kattundruckerei ( Hummel ). 14. Kieselsaure Thonerde, Aluminiumsilikat , Al 2 Si 2 O 7 + 2 H 2 O . Die kieselsaure Thonerde bildet, mit kieselsaurem Kali zu einem Doppelsalz verbunden, den bekannten Feldspat , ein oft ganze Gebirgs- züge bildendes Mineral. Unter dem Einfluß von Sonne, Luft und Regen verwittert der Feldspat, und zerfällt in seine beiden Bestandteile, von denen das salpetersaure Kali vom Regen gelöst und fortgeschwemmt wird. Die kieselsaure Thonerde aber bleibt zurück, und zwar oft in reichen Lagern, mehr oder minder rein, nicht selten fast ganz rein, in China, England, Frankreich, Oesterreich, Sachsen u. s. w. Diese kieselsaure Thonerde ist das, was wir als Kaolin, Pfeifenthon, Porzellanerde oder Chinaclay be- zeichnen. Derselbe bildet ein weißes oder schwach gelbliches oder ein wenig graues Pulver, welches sich fettig anfühlt und in Wasser unlöslich ist. Es kommt geschlämmt in den Handel und bedarf keiner weiteren Reinigung. — Anwendung : Als Appreturmittel und im Blaudruck zur Herstellung von Schutzpappen. 15. Arsensaure Thonerde, Aluminiumarsenat . Zur Dar- stellung dieses selten gebrauchten Mordants empfiehlt Romen , 1 Teil essig- saure Thonerde von 10° Bé. mit 4 Teilen arsensaurem Natron von 10° Bé. zu mischen. 16. Rhodanaluminium , Al 2 (SCN) 6 , Aluminiumsulfocyanid . Das normale Rhodanaluminium erhält man durch Fällen von 5 Teilen schwefelsaurer Thonerde mit Rhodancalcium oder 7 Teilen Rhodanbaryum. Die farblose Lösung kann durch Zusatz verschiedener Mengen von Alkali- carbonaten — ganz wie beim Alaun — zur Herstellung neutraler und basischer Aluminiumrhodanide dienen, von denen durch Liechti und Suida einige hergestellt sind. Das normale Rhodanaluminium ist eine sehr stabile Verbindung, deren Lösung selbst durch Kochen nicht zersetzt wird. Das neu- trale Salz, noch mehr die basischen Sulfocyanide, korrespondieren mit dem neutralen und basischen Alaun und den neutralen und basischen Aluminium- sulfaten; je basischer sie sind, desto leichter zersetzbar sind sie. Das normale Rhodanaluminium zeigt keine saure Reaktion. — Verwendung : Bisher sei- nes hohen Preises wegen nur im Baumwollendruck. 17. Thonerdenatron , s. Natriumaluminat S. 254. 18. Essigsaure Thonerde, Aluminiumacetat , Al 2 (CH 3 · COO) 6 . Von allen in der Textilindustrie verwendeten Thonerdesalzen ist die essigsaure Thonerde die am meisten angewendete. Was ihr diese große Beliebtheit ver- schafft hat, ist die leichte Zersetzbarkeit des Salzes und die Flüchtigkeit der Essigsäure; beim Trocknen der mit essigsaurer Thonerde gebeizten Fasern schlägt sich nämlich die Thonerde auf der Faser nieder und die Essigsäure ver- flüchtigt sich, ohne einen schädlichen Einfluß auf die Faser auszuüben. Wie wichtig die essigsaure Thonerde, beweist die große Anzahl von Vorschriften zu ihrer Herstellung. Viele davon sind rein empirisch, viele wieder für ganz besondere Zwecke ausgearbeitet. Eine große Anzahl der Lösungen sind blei- haltig, was manchmal nichts schadet, aber niemals was nützt und doch leicht vermieden werden kann. Ich gebe im nachfolgenden einige vernunftgemäße Vorschriften zur Darstellung einer guten essigsauren Thonerde. ohne Erwärmen gelöst; schließlich wird mit Wasser auf 12° Bé. verdünnt. 853 Teile gefällte und gepreßte Thonerde von circa 11 Prozent werden in 147 „ Essigsäure von 7½° Bé. gelöst. Es resultiert eine essigsaure Thonerde von 15° Bé. ( Stein ). 1 Teil schwefelsaure Thonerde wird in 2 „ Wasser gelöst. — Andererseits wird 1 „ essigsaurer Kalk in 2 „ Wasser gelöst und beide Lösungen ineinander gegossen, absetzen gelassen und das Klare verwendet. Diese essigsaure Thonerde ist etwas kalkhaltig, was ihr beim Färben mit Alizarin direkt als Empfehlung dient. 6 Teile schwefelsaure Thonerde, 7 „ essigsaurer Baryt, 18 „ Wasser. Nach völliger Zersetzung hat die klare Lösung etwa eine Stärke von 10° Bé.; der weiße Niederschlag ist nicht wegzuwerfen; er ist der § 95, 2 beschriebene schwefelsaure Baryt, der in der Appretur wieder verwendet werden kann. Glanz (D. R. P. 20913) läßt das Aluminiumsulfat durch den nicht giftigen essigsauren Strontian zersetzen, ein Vorschlag, der Beachtung verdient. Es müßte dann auf 11 Teile schwefelsaure Thonerde, 10 „ essigsaurer Strontian, und 30 „ Wasser kommen. Früher wurde die essigsaure Thonerde durchgehends aus Alaun und Bleizucker bereitet. Man nahm von beiden gleiche Teile oder vom Alaun etwas mehr. Man erhielt dabei schwefelsaures Blei als Nebenprodukt, wel- ches man zu Schutzpappen in der Blaudruckerei verwendete. Alle diese Vorschriften bezwecken die Herstellung des normalen, sauer reagierenden Salzes. Es existieren aber auch noch neutral reagierende und basisch reagierende Aluminiumacetate. Walter Crum hat eine ganze Anzahl solcher Ver- bindungen dargestellt und gezeigt, daß, je basischer ein solches Salz, auch die Zersetzbarkeit eine leichtere sei und daß diese schon bei geringerer Temperatur vor sich gehe, als bei dem normalen Salze. Da es durchaus keine Schwierig- keiten bereitet, ein solches mehr neutrales oder basisches Aluminiumacetat her- zustellen, so empfehle ich das nachfolgende Verfahren: 30 Teile krystallisiertes Alu- miniumsulfat (unverwittert) werden in 80 Teilen Wasser gelöst, mit 36 Teilen verdünnter Essigsäure (spez. Gew. 1,041) versetzt und in diese Mischung portion- weise unter Umrühren 13 Teile Calciumcarbonat, mit 20 Teilen Wasser angerührt, eingetragen. Unter Entweichung von Kohlensäuregas und Aus- scheidung von Calciumsulfat geht basisch essigsaure Thonerde in Lösung. Zur vollständigen Umsetzung hat man die Mischung 24 Stunden an einen kühlen Ort zu stellen und wiederholt umzurühren. Da Wärme bei der Bildung des basischen Aluminiumacetates ungünstig wirkt, ist nicht allein jede Erhitzung auszuschließen, sondern selbst höhere Sommertemperatur zu meiden. Nach- dem die Mischung durch ein Colatorium geschieden, werde der Niederschlag ohne Auswaschen gepreßt und die vereinigte Flüssigkeit filtriert. Diese Lösung enthält neutrales Aluminiumacetat von der Zusammensetzung Auch von den älteren Vorschriften zur Darstellung essigsaurer Thonerde kommen einige unbewußt auf eine basische Verbindung; so z. B.: Schwefelsaure Thonerde 120 Teile, Essigsaures Blei 100 „ Kreide 8½ „ Wasser 400 „ und Alaun 100 Teile, Bleizucker 100 „ Soda 10 „ Wasser 250 „ Eigenschaften : Alle auf die eine oder andere Art gewonnenen Lösungen von essigsaurer Thonerde, normale wie neutrale, sind klare, wasser- helle Flüssigkeiten Hummel gibt an, daß die Rotbeizen bräunlich aussehen. Das wäre ein schlechtes Zeichen. Eine nach den von mir aufgestellten Vorschriften bereitete essig- saure Thonerde wird nie bräunlich aussehen. von eigentümlich süßem, adstringierendem Geschmack; die Lösungen des normalen Salzes riechen deutlich nach Essigsäure, die Lösungen der neutralen Salze nur äußerst schwach, der basischen Salze gar nicht. Beim Erwärmen oder Kochen tritt Zersetzung in dem oben angedeuteten Sinne ein. Nach Hummel soll in reinem normalen Acetat weder durch Erwärmen noch durch Verdünnen Zersetzung erfolgen; dagegen soll eine solche stets sofort eintreten, sobald gleichzeitig Sulfate (z. B. Glaubersalz oder überschüssige schwefelsaure Thonerde) vorhanden sind. Anwendung : Als Beize in der Baumwollen- und Leinenfärberei; in ausgedehntem Maße in der Türkischrotfärberei der Baumwolle als Mordant für verschiedene gelbe, orange, rote bis blaue Töne, wobei man Lösungen von verschiedener Stärke und mehr oder minder basischem Charakter, je nach dem zu erzielenden Zwecke, verwendet. 19. Essigschwefelsaure Thonerde, Aluminiumsulfacetat . Bei der Herstellung der essigsauren Thonerde nach der alten Methode aus Alaun und Bleizucker nahm man häufig, um einen Bleigehalt der Lösung unmöglich zu machen, wesentlich mehr Alaun, als zur Zersetzung notwendig war, und gelangte so zu einer Lösung, welche neben der neugebildeten essig- sauren Thonerde noch unzersetzte schwefelsaure Thonerde erhielt. Man hat beobachtet, daß gerade solche Lösungen zum Beizen vorzugsweise geeignet er- scheinen, weil sie ihren Gehalt an Thonerdehydrat leicht und in ziemlich hohem Prozentgehalt an die Faser abgeben. Ob die Bezeichnung Aluminium- sulfacetat ( Hummel ) gerechtfertigt ist, ob also ein wirkliches Doppelsalz aus essigsaurer Thonerde mit schwefelsaurer Thonerde vorliegt, das erscheint je- doch fraglich. Denn die in der Praxis verwendeten Lösungen sind doch recht sehr willkürlich zusammengesetzt und weit eher als eine einfache Mischung, denn als chemische Verbindung zu betrachten. Daran ändern auch die chemischen Formeln nichts, welche Liechti und Suida aufgestellt haben, auch die Thatsache nicht, daß es normale, neutrale und basische Verbindungen dieser Art gibt. Daß auch hier die basischen Sulfacetate leichter zersetzbar sind, als die normalen, ist von Liechti und Suida festgestellt worden, ein- zelne geben fast ihren gesamten Thonerdegehalt an die Faser ab. Durch diese Eigenschaft beanspruchen diese Doppelverbindungen volle Beachtung. Bei der leichten Zersetzbarkeit dieser Doppelsalze ist es jedoch nicht leicht, ein stets gleichmäßig starkes Präparat zu erhalten, und es verdient der Vorschlag D. Köchlins , das unlösliche basische Aluminiumsulfat (welches beim Er- wärmen der löslichen basischen schwefelsauren Thonerde ausfällt) in warmer Essigsäure zu lösen, beherzigt zu werden. — Anwendung : Die Aluminium- sulfacetate wirken aus den vorher erläuterten Gründen als Beizen auf Baum- wolle kräftiger, wie die schwefelsaure Thonerde und wie der Alaun. Sie haben aber bisher die nötige Beachtung noch nicht gefunden und es ist das unbestrittene Verdienst Köchlins , sowie Liechtis und Suida ’s, auf diese eigentümlichen Verbindungen und ihre für die Textilindustrie sehr wertvollen Eigenschaften aufmerksam gemacht zu haben. 20. Holzsaure Thonerde, ordinäre Rotbeize , ist ein sehr un- reines Aluminiumsulfacetat, zu welchem an Stelle von Essigsäure rohe Holz- säure oder holzsaurer Kalk oder holzsaures Blei verwendet worden ist. Es ist eine gelbe bis braune, empyreumatisch riechende Flüssigkeit von 12 bis 15° Bé. — Anwendung : Als Baumwollbeize für ordinäres Rot, Braun, Oliv ꝛc. Heutzutage, wo wir ohne sonderliche Mehrkosten ein weit reineres Präparat erhalten können, sollte dieses nichts weniger als saubere Präparat mit Recht verlassen werden. 21. Weinsaure Thonerde, Aluminiumtartrat , wird erhalten durch Lösen von Thonerdehydrat in einer starken Weinsäurelösung. Ob diese Verbindung sich auch in jenen Fällen bildet, wo man im Sude Weinstein neben Alaun verwendet, ist experimentell noch nicht bewiesen. — Anwendung : Als Mordant. 22. Oxalsaure Thonerde, Aluminiumoxalat , wird in entsprechen- der Weise durch Auflösen von Thonerdehydrat in Oxalsäurelösung erhalten. — Anwendung : wie voriges. § 96. Eisensalze. Die Eisenverbindungen kommen in zwei Verbindungsformen vor, als Oxydulsalze und als Oxydsalze. Die ersteren gehen durch Oxydation, d. h. durch Aufnahme von Sauerstoff, oft schon durch bloßes Stehen oder Liegen an der Luft in Oxydsalze über, so daß wir in letzter Instanz immer auf Eisenoxydsalze kommen. Die Wirkung der als Beizen verwendeten Eisen- salze ist die gleiche, wie bei den Thonerdesalzen. Die Gewebefasern zerlegen diese Eisensalze und bemächtigen sich eines Teiles des Eisens; ob als Oxyd oder Oxydhydrat, oder ob in Form eines basischen Oxydsalzes, will ich hier unentschieden lassen. Keinenfalls wird eine Oxydulverbindung zerlegt und man sollte bei Anwendung von Eisenbeizen mit dieser Thatsache rechnen und in allen den Fällen, wo man die Wahl zwischen einer Oxydul- und einer Oxydbeize hat, letzterer den Vorzug geben. 1. Schwefelsaures Eisenoxydul, Ferrosulfat, Eisenvitriol , Fe SO 4 + 7 H 2 O . Der rohe Eisenvitriol des Handels ist ein Nebenprodukt bei manchen Operationen der chemischen Großindustrie; er wird z. B. bei der Alaunfabrikation aus Alaunschiefer und bei der Schwefelsäurefabrikation erhalten, und kommt in mattgrünen, an der Oberfläche durch Verunreinigung mit Hydroxyd stellenweise bräunlichen, gewöhnlich etwas feuchten Krystallmassen vor. Er löst sich in Wasser mit schwach grünlicher Farbe; die Lösung zieht aus der Luft Sauerstoff an, wird gelblich und läßt einen braungelben Nieder- schlag von Eisenhydroxyd fallen. — Anwendung : Obgleich der Eisenvitriol das häufigst vorkommende Eisenpräparat ist, wird es doch direkt zum Beizen wenig angewendet. Dagegen bildet es den Ausgangspunkt zur Herstellung aller übrigen Eisenpräparate und wird ferner zu jener Operation verwendet, die gemeinhin als „Dunkeln“ oder „Abdunkeln“ bezeichnet wird. Bisweilen dient es auch zur Herstellung von Rostgelb auf Baumwolle. 2. Schwefelsaures Eisenoxyd, Ferrisulfat , Fe 2 (SO 4 ) 3 . Die braune Lösung des schwefelsauren Eisenoxydes wird fast stets als „salpetersaures Eisen“ bezeichnet, obwohl kaum je eine Bezeichnung unberechtigter ist, als eben diese. Diese Bezeichnung ist lediglich zu einer Irreführung der Begriffe geeignet, zumal es in der That ein wirkliches salpetersaures Eisen gibt und zumal dieses auch in der That verwendet wird. Ich werde deshalb die Bezeichnung salpetersaures Eisen in diesem Buche niemals gebrauchen, sondern da, wo es sich um das salpetersaure Salz handelt, stets „Ferrinitrat“ gebrauchen. Zur Darstellung des schwefelsauren Eisenoxydes wird allerdings Salpeter- säure verwendet, aber dieselbe wird dabei zersetzt und ein Teil ihres Sauer- stoffs dient lediglich dazu, um das schwefelsaure Eisenoxydul zu schwefel- saurem Eisenoxyd zu oxydieren, der Rest geht als Untersalpetersäure in Form brauner Dämpfe in die Luft. Darstellung : 80 Teile Eisenvitriol werden in einem geräumigen Kolben mit 40 Teilen Wasser übergossen, darauf mit Vorsicht 15 Teile Schwefelsäure und schließlich 18 Teile Salpetersäure (spez. Gewicht 1,185) hinzugegeben, worauf man die Mischung im Wasserbade unter freiem Himmel oder einem guten Abzug erhitzt, bis nach Entbindung des Stickoxydes die anfangs braunschwarze Flüssigkeit sich geklärt hat und 1 Tropfen derselben, mit Wasser verdünnt, durch Ferricyankalium nicht mehr gebläut wird (Turnbulls- blau). Darauf wird die Flüssigkeit in einer tarierten Porzellanschale auf 100 Teile abgedampft. Wenn der Rückstand alsdann noch Salpetersäure enthält, die sich in der heißen Flüssigkeit durch den Geruch wahrnehmen läßt, so ist er mit Wasser zu verdünnen und abermals einzudampfen. Die Flüssigkeit wird bis zum spez. Gewicht 1,430 mit Wasser verdünnt und enthält dann 10 Prozent Eisen. Eigenschaften : Die Ferrisulfatlösung bildet eine gelbbraune, etwas dickliche, geruchlose Flüssigkeit von saurem, stark zusammenziehendem (tinten- artigem) Geschmack und saurer Reaktion. Anwendung : Wird als solches zum Beizen nicht benutzt, sondern dient nur zur Herstellung des folgenden. 3. Basisch schwefelsaures Eisenoxyd, Basisches Ferrisulfat . Das Eisenoxyd bildet, ähnlich wie die Thonerde, normale, neutrale und basische Salze. Ein derartiges Präparat erhält man aus dem vorigen durch Auflösen von frisch gefälltem Eisenoxydhydrat; die Herstellung eines reinen Eisenoxydes ist jedoch wegen des langwierigen Auswaschens mit großen Schwierigkeiten verknüpft, so daß dieser Weg der Darstellung nicht geraten erscheint. Vernunftgemäßer, schneller und billiger kommt man zum Ziel, wenn man — wie auch Hummel empfiehlt — das normale Ferrisulfat umgeht und direkt zum basischen Salz gelangt. Da das Präparat, wo es einmal gebraucht wird, in großen Massen gebraucht wird, so ist die Dar- stellung nicht ganz ohne Schwierigkeiten. Aus eigener Erfahrung möchte ich zu folgendem Verfahren raten. Darstellung : 80 Teile Eisenvitriol löst man in einer Mischung von 80 Teilen Wasser und 7 Teilen konzentrierter Schwefelsäure. Man benütze dazu entweder eine geräumige Steingutschale, welche nicht mehr als zur Hälfte gefüllt sein darf (denn die Masse steigt später plötzlich), oder große Woulffsche Flaschen von Steingut (wie sie z. B. die Firma Gebr. Nordmann in Treben \& Haselbach bei Altenburg liefert). Die Arbeit ist, wenn man mit Schalen arbeitet, auf einem Herde direkt unter der Esse, wenn man mit Woulffschen Flaschen arbeitet, im Freien vorzunehmen. Nun wird die Lösung zum Kochen erhitzt, entweder durch Kohlenfeuer oder durch Einleiten von gespanntem Dampf, und nach und nach 24 Teile kon- zentrierte Salpetersäure zugefügt. Die Lösung wird dabei fast schwarz; eine Gasentwickelung findet bis dahin nicht statt. Dann aber kommt ein Moment, wo zuerst die Flüssigkeit zu prickeln beginnt. Dieses ist ein Warnungssignal für den Arbeiter: unmittelbar darauf beginnt eine stürmische Entwickelung der braunen, sehr giftigen Stickoxyddämpfe unter Aufschäumen und Steigen der Flüssigkeit. Die Reaktion ist kurz darauf beendet und man läßt die Flüssig- keit sich abkühlen und klären. Die Stärke der Lösung wird verschieden ver- langt, 43 bis 56° Bé., wobei zu beachten ist, daß dieselbe ein Verdünnen mit Wasser nicht verträgt, ohne sich zu zersetzen. Eigenschaften : Ein nach dieser Vorschrift hergestelltes basisches Ferri- sulfat ist eine schwere, dunkelbraunrote Flüssigkeit von 1,35 bis 1,70 spez. Gewicht und enthält ca. 16 Prozent Eisen. Beim Verdünnen mit Wasser wird die Lösung zersetzt, indem ein unlösliches mehr basisches Salz als brauner Schlamm sich abscheidet, während ein mehr saures Salz in Lösung bleibt. Anwendung : In großen Mengen in der Seidenfärberei zum Be- schweren der Seide; in der Baumwollenfärberei zum Schwarzfärben der Baumwolle. Ausführlicheres siehe unter Seidenfärberei im 2. Teil. 4. Ferrinitrat , Fe 2 (NO 3 ) 6 + 18 H 2 O . Das wirkliche, echte salpeter- saure Eisen ist nicht jene unter 3 beschriebene dunkelbraunrote Flüssigkeit, sondern es bildet farblose, durchsichtige Krystalle. Man erhält dieses Salz durch Lösen von Eisen in einer Salpetersäure von 1,352 spez. Gewicht, bis das spez. Gewicht der Lösung auf 1,5 gestiegen ist. Das normale Nitrat hat saure Reak- tion. Durch einen Ueberschuß an Eisen erhält man basische Nitrate, welche der Lösung die gewöhnliche eisenrote Färbung geben. — Anwendung : In der Baumwollenfärberei zum Erzeugen von Rostfarben. 5. Eisenchlorid, Ferrichlorid , Fe 2 Cl 6 . Eine Lösung des normalen Eisenchlorids wird erhalten durch Lösen von Eisendraht in Salzsäure und Oxydation der erhaltenen Eisenchlorürlösung mittels Salpetersäure. Die Eisen- chloridlösung bildet eine klare, tief braungelbe Flüssigkeit, von schwachem Ge- ruch nach Salzsäure, saurem, sehr zusammenziehendem Geschmack und saurer Reaktion. Der Eisengehalt schwankt je nach der Konzentration der Flüssig- keiten zwischen 10 bis 15 Prozent. Anwendung : Nach Schmidt und nach Grothe soll es als Beize in der Seidenfärberei verwendet werden. Mir ist davon nichts bekannt, auch kommt mir diese Art der Verwendung aus dem einfachen Grunde un- wahrscheinlich vor, weil eher die Seide durch das Eisenchlorid, als das Eisen- chlorid durch die Seide zerlegt werden dürfte. 6. Eisennitrosulfat . Diese Verbindung kommt in der Praxis unter dem unglückseligen Namen „Eisennitrat“ vor, dem es ganz und gar nicht entspricht. Es ist ein Doppelsalz oder richtiger wohl ein Gemisch aus normalem (resp. basischem) schwefelsaurem Eisenoxyd und wirklichem Ferri- nitrat. Man gelangt zu einer Lösung des Nitrosulfats oder richtiger der Nitrosulfate, wenn man bei den sub 2 und 3 gegebenen Vorschriften die Schwefelsäure wegläßt. Man erhält so Verbindungen (?) von der Zusammen- setzung Fe 2 (SO 4 ) 2 (NO 3 ) 2 oder Fe 2 (SO 4 ) 2 · NO 3 · OH . Braunrote Lösungen von verschiedener Zusammensetzung. — Anwendung : In der Baumwollen- färberei zum Schwarzfärben. 7. Essigsaures Eisen, Eisenacetat, Eisenbeize , Fe(C 2 H 3 O) 2 . Diese Verbindung ist das Oxydulsalz. Man gewinnt es durch Auflösen von rostfreien Eisenfeilspänen in schwach verdünnter Essigsäure mit der Vorsicht, daß stets etwas ungelöstes Eisen im Ueberschuß vorhanden ist. Es resultiert eine klare, schwach hellgrüne Lösung. Hummel behauptet, daß die essig- saure Eisenoxydullösung sich schnell zersetze. Dem gegenüber muß ich hervor- heben, daß eine auf vorstehende Weise gewonnene Lösung, wenn man stets für etwas überschüssiges rostfreies Eisen (Nägel, Blech) in der Flüssigkeit Sorge trägt, wenn man die Gefäße bis unter den Stöpsel vollfüllt, und die Ballons an einem hellen, sonnenbeschienenen Ort aufbewahrt, sich ohne die geringste Zersetzung jahrelang unzersetzt hält. — Anwendung : Wie das basisch schwefelsaure Eisenoxyd in der Baumwollenfärberei. 8. Holzsaures Eisen, Schwarzbeize . Dieses Präparat ist das- selbe, wie das vorige, nur daß statt der Essigsäure Holzessig verwendet wird. Es ist nächst dem basisch schwefelsauren Eisenoxyd wohl die gangbarste als Beize verwendete Eisenlösung. Sie wird daher auch fabrikmäßig hergestellt und kommt als dunkelolivgrüne Lösung von 12 bis 15° Bé. in den Han- del; eine solche von 12° Bé. enthält 12 Prozent Eisen. Gemeinhin wird die Schwarzbeize gekauft; ich möchte raten, sie selber herzustellen. Die Darstellung bedarf keiner großen chemischen Vorkenntnisse noch manueller Geschicklichkeit. In einen Ballon gebe man Holzessig von 3° Bé., so daß der Ballon zu ¾ bis ⅞ gefüllt ist, und gebe dann rostfreie Nägel oder Eisendrehspäne oder Draht hinzu. Die Lösung erfolgt in einem warmen Raume (z. B. einer Trockenstube) ziemlich glatt unter Entwickelung von Wasserstoffgas. Zwei Bedingungen sind dabei einzuhalten: daß diese Lösung im Lichte (d. h. nicht in einem dunkeln Raume) stattfinde und daß der Zu- tritt der Luft verhindert werde. Letzteres ist sehr einfach dadurch zu er- reichen, daß man die Oeffnung mit einem Korkstöpsel schließt, durch welchen man ein beiderseits offenes gebogenes Glasrohr steckt. Da man dafür sorgen muß, daß stets etwas ungelöstes Eisen im Ueberschuß vorhanden sein muß, so werden auf 100 kg Holzessig von 3° Bé. 4 kg Eisen verwendet werden können. Ein auf diese Weise dargestelltes essigsaures Eisen be- darf keiner Prüfung, es ist für Färbereizwecke vollkommen rein. Anders stellt sich der Fall freilich mit dem käuflichen. Ganswindt , Färberei. 18 Eigenschaften : Das holzsaure Eisenoxydul stellt eine dunkelolivfarbene Flüssigkeit vor, welche schwach nach Essigsäure und gleichzeitig nach Rauch und Teer riecht und schwach säuerlich und dabei tintenhaft zusammenziehend schmeckt. Das spezifische Gewicht und die Beaumé schen Grade wechseln sehr, je nach dem Eisengehalt und der Darstellungsart. Das holzsaure Eisen soll als Beize besser wirken wie das unter 7. aufgeführte essigsaure Eisen- oxydul. Moyret schreibt das einem Gehalt an Eisenoxyd zu; es ist sehr wohl möglich, daß das käufliche Präparat Oxydsalz enthält, aber es ist nicht recht einzusehen, warum das essigsaure Eisenoxyd den Beizwert erhöhen soll, da doch das Oxydsalz selbst (nach Hummel ) keine sonderliche Beizkraft besitzt und daher fast gar nicht angewendet wird. Weit wahrscheinlicher erscheint, daß die dem Holzessig eigenen, von der trockenen Destillation des Holzes her- rührenden Brenzprodukte, obenan das Guajakol, in Gegenwart des Eisens oder vielleicht selbst mit demselben einen Holzteerfarbstoff bilden, einen jener Resorcinfarbstoffe, welche durch ihre große Verwandtschaft zum Eisen aus- gezeichnet sind und die etwa dem Naphtolgrün entsprechen, eben jenem Stoff, der auch im Cassella schen Naphtolschwarz enthalten ist. Prüfung : Von dem holzsauren Eisen wird verlangt, daß es kein Oxydsalz (essigsaures Eisenoxyd) und keinen Eisenvitriol (schwefelsaures Oxydul) enthalte. Ersteres wird durch Zusatz einiger Tropfen von Blutlaugensalz- lösung durch die sofort entstehende blaue Färbung oder Fällung erkannt; letzteres gibt auf Zusatz von Chlorbaryum einen weißen Niederschlag. Der Wert des Handelsproduktes ist durch das spezifische Gewicht nicht zu be- stimmen, da die Brenzprodukte dasselbe beeinflußen. Der Eisengehalt muß daher durch chemische Analyse festgestellt werden. — Anwendung : Holzsaures Eisen findet ausgedehnte Anwendung in der Seidenfärberei zum Beschweren der Seide, sowie zum Schwarzfärben, weniger in der Baumwollenfärberei, gar nicht in der Wollenfärberei, dagegen in ausgedehntem Maße im Baum- wolldruck. 9. Essigsaures Eisenoxyd, Ferriacetat , Fe 2 (C 2 H 3 O 2 ) 6 . — Darstellung : Durch Auflösen frischgefällten Eisenhydroxyds in verdünnter Essigsäure. Letztere vermag das getrocknete (bihydrathaltige) Eisenoxyd nicht aufzulösen, darum ist die frische Fällung desselben notwendig. Dieselbe geschieht durch Ammoniak aus der Lösung des Eisenchlorids oder schwefelsauren Eisen- oxyds. Beide Flüssigkeiten werden zuvor mit Wasser stark verdünnt und am geeignetsten die Eisenlösung unter kräftigem Umrühren in das Ammoniak ein- gegossen. Dabei ist Sorge zu tragen, daß das Ammoniak bis zuletzt vor- walte und die Reaktion der Mischung schließlich noch schwach alkalisch sei. Der gewonnene Niederschlag wird auf einem leinenen Kolatorium von dem flüssigen Teile getrennt, dann in ein geräumiges Gefäß gebracht und wieder- holt durch Aufgabe von vielem Wasser und Abgießen desselben nach dem Absetzen gereinigt, bis das Ablaufende durch Silbernitrat, resp. Baryumnitrat nicht mehr getrübt wird. Alsdann sammelt man den Niederschlag abermals auf dem (ausgewaschenen) Kolatorium, läßt gut abtropfen, schlägt die Lein- wand über demselben zusammen, umgibt sie mit mehrfacher Lage Fließpapier und bringt das Ganze in die Presse, welche man zu Anfang sehr langsam, schließlich aber mit stärkstem Drucke anzieht. Der Preßkuchen, welcher bröckelig-trocken sein muß, wird aus dem Tuche möglichst ohne Verlust und in kleine Stückchen zerbrochen in eine gewogene Flasche gebracht und mit der verdünnten Essigsäure übergossen. Auf 5 Teile der unten beschriebenen Lösung von basisch schwefelsaurem Eisen werden 3 Teile Essigsäure benötigt. Die Auflösung darf nicht durch Erwärmen unterstützt werden. Man erhält so ein ⅔ basisches Ferriacetat. Eigenschaften : Dunkelrotbraune Flüssigkeit von schwachem Geruch nach Essigsäure, süßlich zusammenziehendem Geschmack und saurer Reaktion. Beim Erhitzen zersetzt sie sich und läßt einen rotbraunen Niederschlag von Eisen- hydroxyd fallen. Sie verhält sich also gerade so, wie die normale und basisch essigsaure Thonerde. Anwendung : Früher mehr als jetzt zum Schwarzfärben der Seide, auch dürfte es sich in der Baumwollenfärberei zur Erzeugung von dunklen Alizarinfarblacken eignen. 10. Salpeteressigsaures Eisenoxyd, Ferrinitracetat , dient gleichfalls zum Beschweren und Färben der Seide. Es wird stellweise noch in Menge verwendet und dann in folgender Weise dargestellt. Man löst Eisenfeilspäne in Salpetersäure und fügt nach erfolgter Lösung immer wieder Feilspäne hinzu, bis schließlich das Ganze zu einem Krystallbrei von basischem Ferrinitrat erstarrt ist. Dieser wird sodann in warmer Essigsäure mit der Vorsicht gelöst, daß etwas von dem Niederschlage noch ungelöst bleibt. Es resultiert eine tiefrote Lösung, welche die Eigenschaften des Nitrats und Acetats in sich vereinigt. 11. Weinsaures Eisenoxydul, Ferrotartrat , wird durch Auflösen von rostfreiem Eisen in einer Auflösung von Weinsäure erhalten und bildet weiße Blättchen, welche in Wasser schwer löslich sind. — An- wendung : zu subjektiven Eisenfarben. 12. Weinsaures Eisenoxyd, Ferritartrat , wird durch Digerieren von frisch gefälltem Eisenhydroxyd mit einer Weinsäurelösung gewonnen, und bildet eine klare braunrote Flüssigkeit, welche, vorsichtig zum Trocknen eingedampft und auf Glasplatten gestrichen, durchsichtige, rote, in Wasser lösliche Lamellen bildet. — Anwendung : Man benutzt die Lösung stellweise zu subjektiven Eisenfarben. 13. Eisenalaun, Ferrokaliumsulfat , K 2 Fe 2 (SO 4 ) 4 + 24 H 2 O . Ein Produkt chemischer Fabriken, welches aber auch bequem im Färberei- Laboratorium dargestellt werden kann durch Mischen der Lösungen von schwefelsaurem Eisenoxyd und von schwefelsaurem Kali und Krystallisieren- lassen. Man erhält so schöne, blaß amethystfarbene Krystalle von der Form des Alauns, welche durch teilweise Verwitterung und Zersetzung an der Oberfläche gelblichweiß bestäubt erscheinen; sie lösen sich leicht in Wasser, die Lösung zersetzt sich beim Erwärmen unter Abscheidung von Eisenhydroxyd. — Anwendung : Als Beize für nüancierte glatte Böden, und auch zur Garn- färberei, obgleich die Zersetzung des Eisenalaunes ziemlich schnell vor sich geht und zu Ungleichmäßigkeiten Veranlassung geben kann. Neuerdings dient es vornehmlich in der Wollfärberei zum Beizen der Wolle für das Färben mit Alizarinfarben. 14. Eisenweinstein, Ferrokaliumtartrat , K (Fe O) C 4 H 4 O 6 . Falls im Handel nicht erhältlich, kann das Präparat selbst bereitet werden und zwar durch Vermengen von frisch gefälltem Eisenhydroxyd (dessen Be- 18* reitung siehe unter 9) mit Weinstein und zweistündiges Erwärmen bei 60°. Man erhält so eine klare braunrote Lösung, welche bisweilen zu substantiven Eisenfarben benutzt wird. 15. Eisencyanürcyanid, Berlinerblau , (Fe 2 ) 2 (Fe Cy 6 ) 3 . Diese schön blaue Eisenverbindung gehört zu jenen mineralischen Farbstoffen, welche als solche nicht direkt verbraucht, sondern beim Färbeprozeß erst auf der Faser selbst erzeugt werden. Ueber diese Art, blau zu färben, siehe den zweiten speziellen Teil. — Dagegen wird das Berlinerblau vielfach als Druckfarbe im Tafeldruck und Kattundruck verwendet. Man benutzt dann entweder das Handelsprodukt (ein dunkelblaues Pulver oder ein Teig von gleicher Farbe mit 20 bis 35 % Berlinerblau) oder stellt sich dasselbe durch Fällen einer Lösung von wässerigem gelbem Blutlaugensalz mit Eisenchlorid- flüssigkeit (siehe 5) her. — Eigenschaften : Tiefblaues Pulver ohne Geschmack und Geruch, in Wasser und verdünnten Säuren unlöslich, löslich in wässeriger Oxalsäurelösung, beim Erhitzen verglimmend; mit Kalilauge erhitzt, unter Ausscheidung von rotbraunem Eisenhydroxyd sich zersetzend. Das käufliche Präparat ist bisweilen mit Thonerde, Schwertspat und dergl. verfälscht. Das Berlinerblau en pâte muß auch auf seinen Wassergehalt untersucht werden. 16. Oxalsaures Eisenoxydul, Ferrooxalat , wird zuweilen in der Blaudruckerei als Aetzbeize benutzt. Farblose, leicht lösliche Krystalle. 17. Unterschwefligsaures Eisenoxydul, Ferrohyposulfit , ist als Baumwollbeize empfohlen worden; über ihre Verwendung in der Praxis ist mir nichts bekannt geworden. 18. Eisenpyrophosphat, phosphorsaures Eisen , ist in ammo- niakalischer Lösung als Baumwollbeize für Alizarinfarben empfohlen. 19. Eisenchlorür , Fe Cl 2 , wird zur Bereitung einer mit Blauholz gefertigten schwarzen Druckfarbe auf Wollstoffe verwendet. 20. Gelbes und rotes Blutlaugensalz , siehe unter Kaliumsalze, § 90, 10 und 11. § 97. Mangansalze. Die Mangansalze kommen, ähnlich den Eisensalzen, in zwei Verbindungs- stufen vor, als Oxydule und Oxyde. Sie zeigen zwar auch die Fähigkeit, Farblacke zu bilden, und können daher im gewissen Sinne auch als Beizen betrachtet werden, indem sich beim Beizen Manganoxydul auf der Faser ab- scheidet, welcher sich an der Luft in Mangansuperoxyd umwandelt. Gemein- hin aber geht die Thätigkeit der Mangansalze auf der Faser weiter, indem sie einen Teil ihres Sauerstoffs abgeben und somit weniger als Beize, wie als Oxydationsmittel wirken. 1. Manganchlorür, Mangansalz , Mn Cl 2 + 4 H 2 O , ist ein Neben- produkt der Chlorbereitung; überall da, wo aus Braunstein und Salzsäure oder aus Braunstein, Kochsalz und Schwefelsäure Chlor entwickelt wird, bleibt im Entwickelungsgefäß neben unzersetztem Braunstein eine Lösung von Manganchlorür. Dasselbe kommt entweder als wasserhaltiges Salz von obiger Zusammensetzung in den Handel, als blaßrote, an der Luft zerfließ- liche Krystalle, oder als wasserfreie, geschmolzene hellbräunliche Masse, welche sich in Wasser mit rosenroter Farbe löst. — Anwendung : Zur Herstellung von Catechu- und Modefarben und zur Erzeugung von Manganbister, sowie des essigsauren Mangans. 2. Mangansulfat, Manganvitriol , Mn SO 4 + 5 H 2 O . Man gewinnt dieses Salz aus Braunstein und konzentrierter Schwefelsäure, indem man dieselben zu einem Teig anrührt und diesen in einem Tiegel allmählich bis zur Rotglut erhitzt. Die erkaltete Masse wird mit Wasser ausgezogen und das Filtrat zur Krystallisation eingedampft. Der Manganvitriol er- scheint, wie das Manganchlorür, in blaßroten Krystallen oder in krystallinischen Krusten, welche in Wasser sehr leicht löslich sind. — Anwendung : Zu gleichen Zwecken wie das vorige. 3. Salpetersaures Mangan, Mangannitrat , Mn(NO 3 ) 2 + 6 H 2 O , kann mit Vorteil aus den Rohlaugen der Chlorfabrikation (s. oben unter 1) gewonnen werden, indem man nach dem Abgießen vom unzersetzten Braun- stein und Abstumpfen der freien Salzsäure das Mangan mit Soda fällt und das gesammelte und ausgewaschene Mangancarbonat in verdünnter Salpetersäure löst. Das krystallisierte Mangannitrat bildet farblose, leicht zerfließliche, feine, in Wasser sehr leicht lösliche Nadeln. — Anwendung : Im Zeugdruck zur Herstellung einiger Tafeldruckfarben. 4. Essigsaures Mangan, Manganacetat , Mn (C 2 H 3 O 2 ) 2 . Dieses Präparat ist man genötigt selber zuzubereiten. Hierzu empfehle ich folgendes Verfahren: 8 Teile Manganchlorür werden in ihrem gleichen Gewicht warmen Wassers gelöst; andererseits löse man 15 Teile Bleizucker in 15 Teilen warmen Wassers und gieße die warme Bleizuckerlösung unter beständigem Umrühren in dünnem Strahl in die Manganchlorürlösung. Man läßt er- kalten, absetzen und gießt die klare Lösung vom gebildeten Chlorblei ab. — Anwendung : Wie das Manganchlorür. 5. Weinsaures Mangan, Mangantartrat , gewinnt man durch Lösen von Mangancarbonat (über dessen Bereitung siehe unter 3) in Wein- säurelösung bis zur völligen Neutralisation. — Anwendung : Im Zeugdruck zu ähnlichen Zwecken wie das salpetersaure Mangan. § 98. Chromsalze. Die Chromsalze tragen durchgehends den entschiedenen Charakter der Beizen, und zwar wirken sie ganz wie die Thonerde- und die Eisensalze, indem sie sich, unter gewissen Voraussetzungen mit der Faser in Berührung gebracht, zersetzen. Die Faser bemächtigt sich dabei des Chromoxydes, wel- ches seinerseits mit dem Farbstoff einen unlöslichen Farblack bildet, der sich in die Gewebeelemente der Faser einlagert und letztere gefärbt erscheinen läßt. Außer den Chromoxydsalzen werden auch die Salze der Chromsäure, besonders das doppelt chromsaure Kali und das doppelt chromsaure Natron, und zwar diese nur zum Beizen der Wolle, angewendet. 1. Schwefelsaures Chrom, Chromosulfat , Cr 2 (SO 4 ) 3 + 15 H 2 O , bildet schöne violettrote Oktaëder, welche sich in gleichem Gewicht kalten Wassers lösen. Dieses ist das normale sauer reagierende Salz. Auf ähn- liche Weise, wie bei den Thonerde- und Eisensalzen, gelangt man von diesem aus durch Lösen von Chromhydroxyd in der Lösung des neutralen Salzes oder durch teilweise Neutralisation mittels Soda zu neutralen und basischen Salzen und es wiederholt sich hier die schon dort ausführlicher behandelte Eigentümlichkeit, daß diese Salze in dem Maße, als sie basischer werden, auch leichter und reichlicher ihren Chromoxydgehalt an die Faser abgeben. Nach Liechti und Suida gibt z. B. eine Lösung von normalem Sulfat von ihrem Chromoxyd nur 12,8 Prozent, eine gleich starke Lösung eines basischen Salzes von der Zusammensetzung Cr 4 (SO 4 ) 3 (OH) 6 dagegen 86,4 Prozent an die Baumwollfaser ab. — Anwendung : In der Färberei zum Beizen, besonders der Baumwolle, in der Druckerei als Mordant oder zum Aufdruck von Chromgrün. 2. Chromalaun, schwefelsaures Chromoxydkali , K 2 Cr 2 (SO 4 ) 4 + 24 H 2 O , ist ein wohlfeiles Nebenprodukt der Teerfarbenindustrie. Es wird in allen jenen Fällen gewonnen, in denen organische Körper durch das übliche Chromsäuregemisch (Kaliumdichromatlösung und Schwefelsäure) oxydiert werden, wie das z. B. bei der Ueberführung von Anthracen in Anthrachinon der Fall ist (s. § 62). Der Chromalaun wird dann in Form dunkelvioletter Krystalle erhalten, welche sich in 7 Teile Wasser lösen. Die kalt bereitete Lösung hat eine dunkelviolette Farbe, wird beim Erhitzen grün, nimmt beim Erkalten aber wieder die ursprüngliche violette Farbe an. Dieser violette Chromalaun ist der normale, sauer reagierende. Es gibt aber auch noch einen neutralen und mehrere basische Chromalaune, ganz in der gleichen Weise, wie das beim Thonerdealaun (§ 95) des Näheren erörtert wurde. Auch hier tritt der schon wiederholt beschriebene Fall ein, daß diese Verbindungen mit der Zunahme ihrer Basicität sich leichter zersetzen und ihren Chromgehalt zum Teil an die Faser abtreten. Nach Liechti und Suida gibt eine Lösung von normalem Chromalaun, welche pro Liter 224,6 g enthält, nur 1,8 Prozent des verfügbaren Chromoxydes an Baum- wollfafer ab, eine gleiche Menge des basischen Chromalauns von der For- mel K 2 Cr 2 (SO 4 ) 2 (OH) 4 hingegen 87,5 Prozent. Vergleichen wir diese Zahlen mit den unter 1) angegebenen, so kommen wir bei beiden Chromsalzen auf den ziemlich gleichen Effekt, und es muß sogar an Hand dieser Zahlen für basische Präparate der Chromalaun, für neutrale Präparate das schwefel- saure Chrom vorgezogen werden. — Anwendung : wie das Chromsulfat. In der Wollenfärberei zuweilen als Ersatz für Kaliumdichromat; in der Baumwollenfärberei (nach Köchlin ) zum Klotzen solcher Gewebe, welche in Gallocyanin ausgefärbt werden sollen; ferner zur Darstellung von essig- saurem, salpetersaurem und salzsaurem Chrom (Chromchlorid). Anmerkung : Man gelangt bei Chromsalzen nicht selten statt zu violetten Lösungen zu grünen. Diese Thatsache ist bisher noch nicht genügend erklärt; man nahm an, daß das Chromoxyd in zwei Modifikationen existiere, in einer violetten und einer grünen, und dementsprechend auch 2 Reihen von Salzen bilde, violette Chromoxydsalze und grüne Salze. Neuerdings scheint man sich jedoch der Annahme zuzuneigen, daß bei der Umwandlung des violetten Salzes in das grüne durch Erwärmen eine Dissociation stattfinde, d. h. eine Zersetzung, welche nur solange andauert, als die höhere Tempe- ratur wirkt, dagegen mit dem Aufhören der Temperatur auch in die ur- sprüngliche Verbindung zurückkehrt. 3. Chromchlorür , Cr Cl 2 , wird nach folgender Vorschrift von Stein erhalten: 2100 Teile Kaliumdichromat, 450 Teile Mehl und 1800 Teile Salzsäure von 19° Bé. werden erwärmt und nach und nach fernere 3450 Teile Salzsäuee von 19° Bé. zugegeben, dann 600 Teile krystallisierte Soda in 1200 Teilen Wasser gelöst. Das Ganze wird auf 10000 Teile gestellt, welche 10° Bé. zeigen. — Anwendung : Als Mordant. 4. Chromchlorid , Cr 2 Cl 6 + 6 H 2 O , wird durch Zersetzung von schwefelsaurem Chrom und Chlorbaryum gewonnen. Ich empfehle zur Dar- stellung 9 Teile Chromsulfat mit 13 Teilen krystallisiertem Baryumchlorid zu zersetzen, den weißen Niederschlag einmal mit wenig Wasser nachzuwaschen und die klare violette Lösung zu verwenden, den weißen Niederschlag aber zu sammeln und für Appreturzwecke ( Blanc fixe ) zu verwenden. Auch diese violette Lösung geht durch Erhitzen in die grüne Modifiaktion über. Neutrale und basische Lösungen gewinnt man durch Neutralisation mit Chromhydro- oxyd oder Soda. Das Chromchlorid wie die neutralen und basischen Chromide zeigen annähernd das gleiche Verhalten in Bezug auf ihre Zer- setzlichkeit wie das Sulfat; ihre Zersetzung erfolgt jedoch etwas leichter ( Liechti und Suida ). — Anwendung : Wie das schwefelsaure Chrom als Beize, auch wurde es von Köchlin zur Bildung von Chromoxyd für Unis vorgeschlagen. 5. Salpetersaures Chrom, Chromnitrat , Cr 2 (NO 3 ) 6 + 18 H 2 O . Dieser Mordant muß selbst dargestellt werden. Stein gibt hierzu folgende Vorschrift: In 6359 Teilen kochendem Wasser werden gelöst 1940 Teile Chromalaun und 1701 Teile salpetersaures Blei. Man läßt absetzen und erhält 4800 Teile salpetersaures Chrom von 20° Bé. mit 4,6 Prozent Chrom- oxyd. Die Lösung ist im auffallenden Lichte blau, im durchfallenden rot. Durch mehr oder minder vollständiges Neutralisieren mit Chromhydroxyd oder Soda erhält man neutrale und basische Nitrate, welche mit zunehmender Basicität ihren Chromoxydgehalt leichter an die Faser abgeben. Die Nitrate sind leichter zersetzbar als die korrespondierenden Chloride. H. Schmid (Chemiker-Zeitung) erwähnt besonders eine basisches Nitrat, dessen Konsti- tution von folgender Formel dargestellt wird: . Dieses Salz erhält man, indem man das normale Salz mit kohlen- saurem Natron neutralisiert. Er glaubt, daß wenn man an Stelle dieser Basis weniger sättigende Salze nähme, man einerseits zu einer vollständigeren Sättigung ohne Nieder- schlag gelangen könnte, und daß anderseits die erdalkalischen Basen, auf deren Anwendung die vorhergehenden Betrachtungen schon hinweisen, auch als Beizen wirken könnten; die Erfahrung hat diese Ansichten gerechtfertigt. Nimmt man 1 Molekül Kaliumbichromat in einem passenden Medium, um in Gegenwart von 4 Molekülen Salpetersäure, HNO 3 , reduziert zu werden, so kann man nach dem Erkalten durch Krystallisation 2 Moleküle salpetersaures Kalium, KNO 3 , abscheiden und man bekommt als direktes Produkt 2 Moleküle normales Cr NO 3 OH = Cr 2 (NO 3 ) 2 (OH) 2 . Dieses gegen das Violettreaktiv neutrale Salz reagiert auf Lackmuspapier stark sauer. Bei hoher Temperatur getrocknet schwächt es die damit imprägnierten Fasern. Auf 20° Bé. verdünnt, kann man, ohne eine Spur Chromoxyd zu fällen, ½ Molekül Ca CO 3 oder ½ Molekül Mg CO 3 einführen, wovon jedes Molekül zur Sättigung 2 Moleküle HNO 3 erfordert, woraus man für die entsprechenden Nitrate die Formeln Ca (NO 3 ) 2 und Mg (NO 3 ) 2 ableiten muß. Daraus folgt weiter, daß die neue basische Verbindung die Formel hat: Diese Beize reagiert nur noch schwach auf Lackmus und kann ohne Nachteil getrocknet werden. Genügend verdünnt, zersetzt sie sich auf nassem Wege von selbst, besonders auf geöltem Stoff. Praktisch bereitet man sie wie folgt: Kaliumbichromat . . . . . . . . . 2,950 kg Kochendes Wasser . . . . . . . . . 5 l Salpetersäure 36° Bé. . . . . . . . 3,510 „ Darauf gießt man langsam und unter Umrühren folgende Mischung ein: Glycerin. . . . . . . . . . . . 0,75 l Salpetersäure 36° Bé. . . . . . . . 1,170 kg . Danach wird einige Minuten stark erhitzt, um die Reaktion zu voll- enden: Nach dem Erkalten scheidet das Bad ungefähr 2 kg Kaliumnitrat aus und zeigt 40° Bé. Man bringt es auf 20° und fügt nach und nach, unter starkem Umrühren, um das Entweichen der Kohlensäure zu begünstigen, un- gefähr 500 g kohlensauren Kalk oder 550 g kohlensaure Magnesia hinzu, wobei die Menge je nach Reinheit und Wassergehalt dieser Salze etwas wechselt. Auch ist es nützlich, durch eine gewöhnliche alkalimetrische Titrierung von dem einen oder dem anderen die Menge zu bestimmen, welche genau ein Mokekül HNO 3 oder 117 g Salpetersäure von 36° Bé. sättigt. — Anwen- dung : Hauptsächlich im Baumwolldruck zur Erzeugung von Catechuchrombraun. 6. Chlorsaures Chromoxyd, Chromchlorat , Cr 2 (ClO 3 ) 6 , wird durch Zersetzung von Chromalaun mit chlorsaurem Baryt dargestellt. Stein gibt dazu folgende Vorschrift: 2099 Teile chlorsaurer Baryt werden in 6363 Teilen kochendem Wasser gelöst und 1588 Teile Chromalaunpulver hinzugefügt. Man filtriert unter Abkühlen und stellt auf 15° Bé. Dieses ist das normale Chlorat. Ein basischeres erhält man, gleichfalls nach Stein , durch Lösen von 740 g frisch gefälltem Chromhydroxyd in 9260 Tei- len der obigen heißen Mischung von chlorsaurem Chromoxyd (samt dem Niederschlage). — Anwendung : Beide werden als Mordants gebraucht und zwar beim Baumwolldruck für Schwarz, Olive und Dampfbraun. 7. Chromfluorid , Cr 2 Fl 6 + 8 H 2 O, durch Auflösen von Chrom- oxydhydrat in wässeriger Fluorwasserstoffsäure gewonnen, ist seit dem Jahre 1888 in den Handel gebracht worden; es stellt ein krystallinisches grünes Pulver dar, welches 42 bis 43 Prozent Chromoxyd enthält und in Wasser leicht mit grüner Farbe löslich ist. — Anwendung : Nach den Versuchen, welche Dr. Lange mit diesem neuen Chrompräparat gemacht hat, scheint dasselbe als Wollbeize ganz besonders sich zu eignen und wohl imstande, das Kaliumdichromat zu ersetzen. Der Wert des Fluorchroms beruht auf seiner leichten Zersetzlichkeit, auf der leichten Abgabe des Chromoxyds an die Wollfaser, wogegen die frei werdende Flußsäure der Faser und den Farb- stoffen gegenüber unschädlich sein soll. Die Anwendung von Kupfergefäßen ist jedoch zu vermeiden, da diese durch Fluorwasserstoffsäure stark angegriffen werden; das Ansieden ist daher in Holzgefäßen auszuführen. Weiteres über die Anwendung des Fluorchroms vergl. Deutsche Färber-Zeitung 1888, Nr. 16. 8. Essigsaures Chrom, Chromacetat , Cr 2 (C 2 H 3 O 2 ) 6 , kann auf mehrfache Art gewonnen werden; entweder a) durch Doppelzersetzung von gleichen Teilen Chromalaun und Bleizucker oder b) durch Ausfällen von Chromoxydhydrat (aus Chromalaun durch Sodalösung) und Lösen des ausgewaschenen noch feuchten Niederschlages in Essigsäure; oder c) durch Reduktion von Kaliumdichromat in schwefelsaurer Lösung mit Mehl (ent- sprechend dem Verfahren unter 3.) und Fällen der erhaltenen Lösung durch Bleizucker. Hier möge noch eine Vorschrift von Stein Aufnahme finden, welche von den bisherigen abweicht: 926 Teile saures chromsaures Kali werden in 8627 Teilen Essigsäure von 6° Bé. in der Siedehitze gelöst, dazu 447 Teile brauner Kandiszucker gefügt und solange mit Kochen fort- gefahren, bis man mit essigsaurem Blei keinen Niederschlag mehr erhält. Das essigsaure Chrom ist eine grüne Flüssigkeit, je nach der Darstellung, von 11 bis 23° Bé.; sie kann bis zur Trockne verdampft werden, ohne sich zu zersetzen . Neutrale und basischere Chromacetate erhält man durch teilweises oder ganzes Sättigen mit Chromhydroxyd oder Natrium- carbonat. Je nach der Darstellungsart gelangt man dabei zu violetten oder grünen Lösungen, welche in ihrem Verhalten mancherlei Abweichungen zeigen; Liechti und Snida haben darüber umfangreiche Versuche angestellt, deren Resultate uns hier zu weit abführen würden. Daß auch hier die Neigung zur Zersetzung mit der Basicität wächst, möge nicht verschwiegen werden. — An- wendung : Hauptsächlich in der Baumwolldruckerei zur Befestigung von Alizarinblau, Alizarinbraun, Coeruleïn, Galleïn, Gallocyanin, Blauholz- extrakt ꝛc. 9. Schwefelessigsaures Chrom, Chromsulfacetate . Unter diesem Namen versteht Hummel Mischungen oder Verbindungen von schwefel- sauerem mit essigsaurem Chromoxyd, welche erhalten werden, wenn man zu einer Lösung von Chromalaun solche Mengen Bleizucker zusetzt, welche zu einer vollständigen Zersetzung nicht genügen. Solche Lösungen dürften in der Praxis wohl manchmal unabsichtlich entstehen; dieselben nähern sich, je nachdem das Sulfat oder das Acetat in ihnen vorwaltet, in ihren Eigen- schaften dem einen oder dem andern. Auch basische Sulfacetate können er- halten werden, wenn statt des normalen Chromalauns ein basischer zur Ver- wendung gelangt. — Anwendung : Wie das essigsaure Chrom. 10. Salpeteressigsaures Chrom, Chromnitracetat , nach Stein von der Zusammensetzung , nach Hummel da- gegen Cr 2 (NO 3 ) 2 (C 2 H 3 O 2 ) 4 . Dieses Doppelsalz ist sehr beliebt und wird in verschiedener Stärke hergestellt. Stein gibt dafür folgende Vorschriften: a) Zu 12° Bé.: In 5217 Teilen kochendem Wasser werden gelöst 2609 Teile Chromalaun, 1087 Teile essigsaures Blei und 1087 Teile salpeter- saures Blei. Man läßt absetzen. b) Zu 30° Bé.: In einem Topfe werden in 2759 Teilen kochendem Wasser 1836 Teile doppelt chromsaures Kali gelöst, dann 2107 Teile Salpetersäure von 36°, ferner, aber langsam und tropfenweise, 545 Teile Glycerin von 28° Bé. und schließlich 2758 Teile Essigsäure von 7° Bé. zugesetzt. Wenn die Mischung vollzogen ist, wird alles in einen Kessel ge- than und während zwei Stunden gekocht, bis die Flüssigkeit eine grüne Farbe angenommen hat; dann gibt man sie wieder in den Topf und läßt während 12 Stunden auskrystallisieren, zieht die Flüssigkeit ab, wäscht die Krystalle ab und fügt das Waschwasser, ungefähr 1 l , zur ersten Flüssigkeit. Man erhält so circa 9000 Teile salpeteressigsaures Chrom von 30° Bé. mit circa 4,6 Prozent Chromoxyd. — Anwendung : Die gemischte Beize verwendet man beim Druck von Dampfschwarz oder Indigoersatz auf Baum- wolle. 11. Rhodanchrom, Chromrhodanür , Cr 2 (CNS) 6 . Diese Beize wird durch Wechselzersetzung der Lösungen von normalem Chromsulfat und Rhodanbaryum gewonnen. Man läßt das Gemisch absitzen und zieht die Flüssigkeit zum Gebrauch ab. Das Rhodanchrom ist eine sehr beständige Verbindung, es eignet sich daher auch sehr wenig als Beize. Es scheint mir überhaupt fraglich, ob dasselbe zur Zeit noch benutzt wird. 12. Weinsaures Chromoxyd, Chromtartrat , soll sich bei der Einwirkung von Weinsteinsäure auf Kaliumdichromat bilden. Diese Angabe scheint mir nicht recht glaubwürdig. Nach meiner Anschauung wird in allen jenen Fällen, wo man zum doppeltchromsauren Kali Weinsäure hinzufügt, Weinstein , saures weinsaures Kali gewonnen, welches sich als schwerlös- lich krystallinisch niederschlägt, während eine Lösung von Chromsäure mit mehr oder weniger Kaliumdichromat verunreinigt, in Lösung bleibt. Dagegen erhält man ein schönes weinsaures Chrom, wenn man weinsauren Kalk in stark verdünnter Schwefelsäure kalt löst, und in diese Lösung eine kalt ge- sättigte Lösung von schwefelsaurem Chromoxyd eingießt. — Anwendung : In der Kattundruckerei als Reserve für einige Dampffarben. 13. Wolframsaures Chrom wird erhalten durch Wechselzersetzung von gleichen Gewichtsteilen Chromalaun und wolframsaurem Natron. — An- wendung : Selten in der Kattundruckerei. 14. Chromoxydnatron ist bisher in der Färberei noch nicht einge- führt worden. Ich möchte indessen die Aufmerksamkeit auf dieses Präparat lenken, da es zum bequemen Fixieren von Chromoxyd auf der Faser beson- ders geeignet erscheint. Versetzt man nämlich die Lösung eines von fixem Alkali vollkommen freien Chromoxydsalzes (z. B. des normalen Sulfats) in der Siedehitze mit mäßig verdünnter Natronlauge, so erhält man einen grünlich blauen Niederschlag von gewässertem Chromoxydhydrat, welcher noch feucht in kalter Natronlauge sich völlig klar auflöst. Eine solche Lösung ist ein Seitenstück zum Thonerdenatron. Aus einer solchen Lösung von Chrom- oxydnatron wird das Chromhydroxyd beim Erwärmen vollkommen abge- schieden; an Leichtigkeit und Eleganz der Chromoxydabscheidung übertrifft dieses Chrompräparat alle andern Chromsalze und dürfte diese Methode der Chrombeizung für pflanzliche Gespinnstfasern bequemer und schneller von statten gehen, wie die H. Köchlinsche Methode der Fixierung. Ich füge hinzu, daß diese Beize für ihre Verwendung jedesmal frisch bereitet werden muß. § 99. Antimonverbindungen. Bei der eigenartigen Stellung, welche das Antimon einnimmt, kann von Antimons alzen in dem gleichen Sinne, wie von Thonerde- oder Eisensalzen, nicht wohl die Rede sein. Eine ebenso eigenartige Stellung nehmen die Antimonverbindungen in der Färberei ein, indem sie nicht eigentlich als Beizen aufgefaßt werden können, sondern nur als sogenannte „Fixiermittel für Beizen“. In der Hauptsache dreht es sich bei den Antimonverbindungen darum, die Gerbsäure in unlöslicher Form auf den vegetabilischen Fasern zu befestigen. Soweit die Erfahrungen bis jetzt reichen, scheinen sich alle lös- lichen Antimonverbindungen als Fixiermittel zu eignen, dagegen ist neuerdings ein großer Streit darüber entbrannt, welches von diesen Päparaten das vorzüglichste oder geeignetste sei. Es kommen dabei die folgenden Präparate in Betracht. 1. Antimonoxyd , Sb 2 O 3 . Das Antimonoxyd Hummel-Knecht und in „Oesterreichs Wollen- und Leinen-Industrie“, auch Stein bezeichnen dasselbe als eine Art Oxydhydrat. Das Antimonoxyd ent- hält jedoch, trotzdem es krystallinisch ist, kein Wasser. wird durch Zer- setzen von Antimonchlorür mit kohlensaurem Natron erhalten als krystallini- sches weißes Pulver, welches, frisch gefällt und mit Wasser gewaschen, in Wasser verteilt und in dieser Form direkt verwendet wird. Das Antimon- oxydhydrat ist in Wasser fast ganz unlöslich; seine Wirkung auf die Faser kann daher nur eine beschränkte sein. Dies ist auch der Grund, warum man mit gefälltem Antimonoxyd nur ungenügende Resultate erhält, so ver- nunftgemäß es an sich auch erscheint, Antimonoxyd auf der Faser zu fixie- ren. Behufs besserer Wirkung ist der Vorschlag gemacht worden, das Antimon- oxyd in Form einer alkalischen Antimonoxydglycerin-Lösung in Anwendung zu bringen, jedoch scheint diese ganz beachtenswerte Methode auch nicht die gehofften Resultate gegeben zu haben. — Zur Anwendung in der Praxis empfiehlt Kertész folgendes Verfahren: Zum Beizen tannierter Stränge oder loser Baumwolle gebe man in das zurechtgestellte Wasser 4 bis 5 Pro- zent käufliches Antimonchlorid, füge 3 bis 4 Prozent vorher in Wasser ge- löste kalcinierte Soda zu, rühre gut um und behandele darin die tannierte Ware gerade wie im Brechweinsteinbade. 2. Antimonchlorür , Sb Cl 3 , ist eine stark ätzende, weiße, krystallini- sche butterartige Masse, welche an der Luft zu einer trüben Flüssigkeit zer- fließt, mit viel Wasser vermischt sich aber unter Abscheidung eines unlös- lichen weißen Niederschlages (Antimonoxydchlorid) zersetzt. Es ist daher bei seiner Auflösung für Beizzwecke mit großer Vorsicht zu verfahren, und zwar kann man die Zersetzung verhindern durch Hinzufügen von Salzsäure oder noch besser Weinsäure. Es kommt auch im Handel als konzentrierte Lösung von 34° Bé. vor. Das Antimonchlorür ist nur beschränkt anwendbar, da es gewissen Farben durch seinen Salzsäuregehalt schadet. 3. Weinsaures Antimonoxydkali, Brechweinstein , K (Sb O) C 4 H 4 O 6 + ½ H 2 O . Der Brechweinstein ist bis vor kurzem dasjenige Antimonpräparat gewesen, welches fast durchgehends zum Befestigen der Gerb- säure gedient hat. Es ist dies die von Brookes \& Comp . aufgefundene, allgemein als Tannin-Brechweinsteinverfahren bezeichnete Methode. — Der Brechweinstein wird in großen Mengen verbraucht und daher fabrikmäßig hergestellt, indem man gereinigten Weinstein mit Antimonoxyd und Wasser kocht. Der Brechweinstein bildet farblose, glänzende, große rhombische Okta- ëder, die an der Luft allmählich ihr Krystallwasser verlieren, undurchsichtig werden und zu einem weißen Pulver zerfallen. Nicht selten kommt es auch als Pulver in den Handel. Er löst sich in 14 bis 15 Teilen kaltem, in 2 Teilen kochendem Wasser; die Lösung schmeckt ekelhaft metallisch und wirkt brechenerregend. Eine Brechweinsteinlösung bringt in einer Tanninlösung einen unlöslichen Niederschlag hervor, welcher allgemein als gerbsaures Anti- monoxyd betrachtet wird. Derselbe Niederschlag erzeugt sich auch auf resp. in der Faser, und dieser Niederschlag erst ist die eigentliche Beize zum Be- festigen neutraler Farbstoffe auf der Baumwoll- und Leinenfaser (vergl. § 64, Teil II , § 67). Der Brechweinstein ist ziemlich teuer und daher leicht Verfäl- schungen ausgesetzt. Ein guter unverfälschter Brechweinstein muß 43,4 Proz. Antimonoxyd enthalten; es empfiehlt sich deshalb, in zweifelhaften Fällen, besonders bei gepulverter Ware, eine Antimonbestimmung durch einen Che- miker ausführen zu lassen. Da der Preis des Brechweinsteins ein verhältnismäßig hoher, so ist man bemüht gewesen, denselben durch billigere Antimonpräparate zu ersetzen, welche in nachfolgendem behandelt sind. 4. Antimonsulfit-Schwefelnatrium, Schlippesches Salz , Na 3 Sb S 4 + 9 H 2 O . Man erhält dasselbe, wenn man rohes Schwefel- antimon (Grauspießglanzerz) mit Natronlauge und Schwefel kocht; aus der filtrierten Lösung scheidet sich das Salz in blaßgelben regelmäßigen Tetra- ëdern von bitterlich-alkalischem Geschmack aus. Das Salz löst sich leicht in Wasser; aus der Lösung fällen Säuren das Antimonsulfid (Goldschwefel) als orangerotes Pulver, nach der Gleichung: 2 Na 3 Sb S 4 + 3 H 2 SO 4 = Sb 2 S 5 + 3 Na 2 SO 4 + 3 H 2 S . Alkalien dagegen fällen unter Bildung von Natriumsulfhydrat Antimonoxyd nach der Gleichung: Na 3 Sb S 4 + Na HO + 2 H 2 O = Sb O 3 + 4 Na SH + H . — Anwendung : Nach Lussy soll das Schwefelantimon sich direkt als Mordant für verschiedene Anilinfarben eig- nen; er empfiehlt, das Garn oder Gewebe durch eine Lösung des Salzes zu passieren und in einem schwefelsauren Bade das Antimon zu fällen; das Färben folgt dann als dritte Operation. So angewendet würde das Na- trium-Sulfantimoniat nicht als Fixiermittel für eine Beize, sondern als Beize selbst aufzufassen sein. 5. Antimonfluorid , Sb Fl 3 , ist nur schwer in fester Form darzu- stellen; auch ist das erhaltene Salz sehr leicht zerfließlich und haucht unter Zersetzung Fluorwasserstoffsäure aus. Man kann dasselbe daher nur in wässeriger Lösung in den Handel bringen. Antimonfluorid löst Metalle auf, auch greift es Glas an; es kann also weder in Metallbehältern, noch in Glasballons aufbewahrt werden, man muß dazu Holzfässer oder Stein- gutgefäße verwenden. Diese Eigenschaften stehen der allgemeinen Anwen- dung des Antimonfluorids hindernd im Wege. Abgesehen davon aber liefert das Antimonfluorid ganz gute Resultate. 6. Oxalsaures Antimonkali, Brechweinsteinersatz , K 3 Sb(C 2 O 4 ) 3 + 6 H 2 O, wird nach einem patentierten Verfahren durch Erwärmen von Antimonoxyd mit einer Kleesalzlösung gewonnen. Es wurde beim Er- scheinen dieses Salzes vor 2 Jahren hervorgehoben, daß dasselbe wesentlich billiger sei, als Brechweinstein; das ist wohl wahr; dafür enthält es aber auch nur 23,64 Prozent Antimonoxyd (gegen 43,6 beim Brechweinstein), und so muß man zur Erzielung des gleichen Effektes fast das doppelte Ge- wicht nehmen. Es wird dem oxalsauren Salze nachgerühmt, daß es sich leichter zersetze und sein Antimonoxyd leichter abgebe. Nach dieser Richtung hin ist allerdings das Oxalat dem Brechweinstein vorzuziehen. Andererseits darf jedoch nicht verschwiegen werden, daß das Oxalat zu seiner Verwendung kalkfreies Wasser erfordert. Auch wird von Gegnern des Oxalats her- vorgehoben, daß die freiwerdende Oxalsäure auf einige Farben einen nachteili- gen Einfluß ausübe. Das Urteil über das oxalsaure Antimonoxydkali dürfte heute noch nicht abzuschließen sein; doch erhellt aus den bisher vorliegenden Resultaten immerhin bereits soviel, daß dasselbe in einer Anzahl von Fällen sehr wohl imstande ist, den Brechweinstein zu ersetzen. 7. Milchsaures Antimonoxydul, Antimonlactat . Zur Dar- stellung desselben hat Waite ein Patent erhalten und zwar werden 200 kg Milchsäure von 25 Prozent Gehalt und 25 kg Salpetersäure gemischt und soviel Antimonpulver hinzugefügt, als die Säuren aufzulösen vermögen. Das Gemisch wird auf 65° erwärmt. — Der Vorteil dieser Beize vor dem Brechweinstein soll darin bestehen, daß die Bäder nicht so sauer wer- den, wie das beim Brechweinstein (und auch beim Oxalat) allerdings der Fall ist. 8. Antimonfluorid-Ammoniumsulfat, Antimonsalz , Sb Fl 3 , SO 4 (NH 4 ) 2 . Dieses Doppelsalz ist seit dem Herbst 1887 auf den Markt gekommen und stellt ein Präparat dar, durch welches zum erstenmal die An- wendung des Antimonfluorids in handliche Form gebracht worden ist. Es sind farblose, harte, luftbeständige Krystalle von stark saurer Reaktion; die Lösung greift Glas und Metalle an. 100 Teile kaltes Wasser lösen 140 Teile Antimonsalz. Dabei bleibt die Lösung auch bei der größten Ver- dünnung vollkommen und dauernd klar. Das Antimonsalz enthält 47 Pro- zent Antimonoxyd (Brechweinstein 43,6 Prozent). Hinsichtlich des Preises gestattet es dem Brechweinstein gegenüber eine Ersparnis von 48 Prozent. Bei Anwendung des Antimonsalzes verfährt man ebenso wie bei der Verwendung von Brechweinstein. Man beizt je nach Bedürfnis mit Sumach, Sumachextrakt, Gallus oder Tannin, und behandelt nachher in bekannter Weise mit einer Lösung von Antimonsalz, indem man dem Antimonoxydge- halt entsprechend für je 1 kg Brechweinstein 0,9 kg Antimonsalz und für je 1 kg Antimonoxalat 0,5 kg des Salzes anwendet. — Scheurer em- pfiehlt, das Beizbad so einzurichten, daß auf 100 l Wasser 400 g Antimon- salz und 200 g Krystallsoda kommen, und die Passage bei 40° R. vor- zunehmen. Antimonsalz hat seiner Zusammensetzung entsprechend schwach saure Eigen- schaften, ähnlich wie Alaun. Bei dunkleren Farben, welche nach dem Gerb- stoffbade mit Blauholz und Eisenverbindungen abgedunkelt werden, empfiehlt es sich deshalb, in einzelnen Fällen Brechweinstein beizubehalten. Die Manipulation mit Antimonsalzlösung muß in Holz- oder blanken Kupfergefäßen geschehen. Die Lösung darf in Glas- oder Steingutgefäßen nicht aufbewahrt werden. Für Baumwollenstrang- und Stückfärberei, ferner für Halbwollenstück- und Halbseidenstückfärberei hat sich bereits das flüssige Antimonfluorid auf das beste in der Praxis bewährt; um so mehr wird dies beim Antimonsalz der Fall sein, welches durch seine Krystallform die Garantie für vollkommen chemische Reinheit bietet. 9. Antimonnatriumfluorid, Doppeltantimonfluorid , Sb Fl 3 , Na Fl . Fast unmittelbar nach dem Erscheinen des Antimonsalzes erschien das „Doppeltantimonfluorid“, eine weitere praktische Form des Antimon- fluorids als ein sehr schön krystallisierendes, tadelloses, chemisch reines Anti- monsalz (derbe trikline Prismen) im Handel, welches in der That ganz vorzügliche Resultate gibt. Das „Doppeltantimonfluorid“ hat 66 Prozent Antimonoxyd, während Brechweinstein nur 43,4 Prozent besitzt, es enthält mithin 52 Prozent mehr Antimonoxyd als der Brechweinstein, stellt sich also billiger wie dieser. 100 Teile kaltes Wasser lösen nur 6 Teile Brech- weinstein, dagegen 63 Teile „Doppeltantimonfluorid“. 100 Teile heißes Wasser lösen 166 Teile „Doppeltantimonfluorid“. Dasselbe löst sich klar in jedem Wasser auf, auch bei größter Verdünnung. Die Reaktion ist schwach sauer . Man darf jedoch mit dem „Doppeltantimonfluorid“ nicht in Eisen- oder Glasgefäßen manipulieren; am besten verwendet man Holz- kufen, da Metallgefäße angegriffen werden; zum Schutze der Hände benutzt man am besten Gummihandschuhe. Das „Doppeltantimonfluorid“ greift tierische oder pflanzliche Fasern nicht an und bildet mit dem Tannin und den Farbstoffen ebenso echte und schöne Farblacke wie der Brechweinstein. Die Anwendung des „Doppeltantimonfluorids“ ist genau dieselbe wie bei Brechweinstein. Man macht sich ein Bad zurecht, in dem statt je 1 kg Brechweinstein nur 658 g „Doppeltantimonfluorid“ enthalten sind, was im Antimonoxydgehalt der beiden Präparate (43,4 : 66) begründet ist. Bei der gleichmäßigen Ausbildung dieses ungewöhnlich schön krystallisierenden Präpa- rats ist jegliche Verfälschung ausgeschlossen. Zu bemerken ist noch, daß man auf Zusatz einer Chlorbaryumlösung keinen Niederschlag von schwefelsaurem Baryt erhalten darf. § 100. Arsenverbindungen. Von den Arsenverbindungen ist nur das Schwefelarsen, Auripig- ment, Operment , As 2 S 3 , zu erwähnen, ein gelbes, durch Schmelzen von Schwefel mit weißem Arsenik dargestelltes Pulver. Dieses Produkt ent- hält meist über 90 Prozent arsenige Säure und ist daher giftig . Das Schwefelarsen ist ein gutes Reduktionsmittel und dient als solches zur Re- duktion des Indigos in der Operment küpe. Ausführlicheres hierüber siehe zweiten Teil. § 101. Zinksalze. Die Zinksalze haben für die Färberei nicht annähernd die Wichtigkeit, wie die bisher behandelten Metallsalze. Es sind wohl einzelne derselben als Beizen in Anwendung, aber zu einer allgemeinen Anwendung haben sie es nicht gebracht. 1. Schwefelsaures Zinkoxyd, Zinksulfat, Zinkvitriol , Zn SO 4 + 7 H 2 O ; wird in chemischen Fabriken durch Lösen von Zink in ver- dünnter Schwefelsäure gewonnen; es bildet farblose, rhombische mit Bitter- salz leicht zu verwechselnde Krystalle, welche in ihrem gleichen Gewicht Wasser löslich sind. Es kommt auch ein roher Zinkvitriol als krystallinische harte, etwas hygroskopische Masse vor, welche jedoch arsenhaltig und daher unverwendbar ist. Von einem Zinkvitriol für Färbereizwecke muß Freiheit von Eisengehalt verlangt werden, seine Lösung darf weder durch gelbes noch durch rotes Blut- laugensalz blau gefärbt oder gefällt werden. — Anwendung : Als Mordant für einzelne Modefarben und als Zusatz zu Catechufarben; beim Blaudruck als Schutzpapp gegen die Indigoküpe bei Lapisartikeln; im Zeugdruck ist die Anwendung des Zinkvitriols eine weit ausgedehntere. 2. Chlorzink, Zinkchlorid , ZnCl 2 . Im wasserfreien Zustand stellt es eine weißliche, halb durchsichtige Masse dar, welche an der Luft zerfließt und sich in Wasser leicht löst. — Anwendung : Als Reserve für einige natür- liche hellblaue Farben; neuerdings (in Gemeinschaft mit Chlormagnesium) als Appreturmittel und Beschwerungsmittel. Es spielt dabei lediglich eine anti- septische Rolle, indem es selbst in ganz schweren Apprets die Schimmel- bildung vollständig hindert. Das Zinkchlorid macht die Stärke zäher, be- festigt das Kaolin oder das Mineralweiß sicherer, verleiht den Waren den gewünschten Grad von Fülle, hält sie feucht und dadurch weich und biegsam. Das Zinkchlorid ist sehr schwer, so daß es außer der Vermehrung der Zähig- keit der Stärkesubstanzen und der Biegsamkeit, die es den Waren verleiht, sie auch schwerer macht. Ein guter Prozentsatz Zinkchlorid kann den reinen Waren zugesetzt werden, ohne Stärke, und doch sehen die Waren voller aus, ohne das Aussehen zu haben, etwas Fremdes zu enthalten. Es greift das Blau der Appretur bei Weißwaren nicht an. 3. Salpetersaures Zink, Zinknitrat , Zn (NO 3 ) 2 , wird durch Auflösen von Zink in verdünnter Salpetersäure und Krystallisierenlassen ge- wonnen. Man erhält so farblose vierseitige hygroskopische Prismen, welche sich in Wasser leicht lösen und höchst unangenehm schmecken. — Anwendung : Als Reserve gegen die Indigoküpe. 4. Essigsaures Zink, Zinkacetat , Zn (C 2 H 3 O 2 ) 2 + H 2 O . Dieses Salz kommt in den Handel als kleine, wasserhelle, perlmutterglänzende Krystallflitter und Schuppen; es ist weich, biegsam, in Wasser leicht löslich, von herb metallischem Geschmack. — Anwendung : Zum Fixieren der Gerb- säure und der Tanninfarben auf der vegetabilischen Faser an Stelle des Brechweinsteins; nach H. Schmidt Chemiker-Zeitung 1881, S. 949. soll das essigsaure Zink das Tannin viel vollständiger fixieren als Brechweinstein. 5. Weinsaures Zink, Zinktartrat , durch Fällen von Zinkvitriol- lösung mit einer Lösung von neutralem weinsaurem Kali bereitet, ist ein unlösliches weißes Pulver, welches in vereinzelten Fällen zu Reserven be- nutzt wird. 6. Oxalsaures Zink, Zinkoxalat , durch Fällen von Zinkvitriol mit Kleesalzlösung bereitet, ist ein krystallinisches, in Wasser sehr schwer, in einem Ueberschuß von Oxalsäure leichter lösliches Pulver, welches bisweilen als Reserve benutzt wird. § 102. Zinnsalze. Die Zinnsalze zählen in der Färberei zu den vorzüglichsten und belieb- testen Beizen, da sie mit den schwach sauren Farbstoffen besonders lebhafte und schöne Farblacke bilden. Das Zinn bildet zwei Reihen von Salzen, Oxydulsalze und Oxydsalze; beide Klassen von Salzen kommen in der Färberei zur Verwendung; bei der ersten Reihe ist zu bemerken, daß die betreffenden Salze starke Reduktionsmittel sind, so daß ihre Verwendung da, wo sie eine Reduktion bewirken könnten, von vornherein ausgeschlossen erscheint, ausge- nommen der Fall, wo das direkt beabsichtigt wird. 1. Chlorzinn, Zinnchlorür, Zinnsalz , Sn Cl 2 + 2 H 2 O . Das Zinnchlorür wird ziemlich viel gebraucht und deshalb fabrikmäßig dargestellt. Es kommt nicht stets in genügender Reinheit in den Handel. Da es durch Auflösen von Zinn in Salzsäure dargestellt wird, so enthält es gemeinhin die Verunreinigungen der Salzsäure: Arsen, Eisen, Kupfer, Blei, Zink. Man erhält jedoch auch nahezu chemisch reines Zinnsalz im Handel; man erkennt solches an der rein weißen Farbe der großen, klaren Krystalle, welche in ihrer Form (monoklinoëdrische Prismen) an Magnesiumsulfat und Zink- vitriol erinnern. Solch große, klare Krystalle können unbedingt ohne weiteres verwendet werden; Krystallgrus oder ein halbfeuchtes krystallinisches Pulver ist mit Mißtrauen zu betrachten und muß auf seine Reinheit und seinen Zinn- gehalt geprüft werden. Ein gutes Zinnsalz muß 52 Prozent Zinn enthalten. Es kommt auch eine Lösung des Zinnchlorürs unter dem Namen „Einfach- chlorzinn“ in den Handel; ein solches ist stets von sehr wechselnder Stärke und bietet willkommene Gelegenheit zu Verfälschungen. Der Färber wird stets wohl thun, seinen Bedarf an Zinnsalz in wohl ausgebildeten Krystallen zu kaufen, und sich seine Lösung selber zu bereiten. Das Zinnsalz löst sich in wenig Wasser klar, in viel Wasser mit schwach milchiger Trübung, welche auf Zusatz einer kleinen Menge Salzsäure oder Salmiak sofort verschwindet. Die Prüfung des Salzes auf seinen Zinngehalt wird am besten einem Chemiker übergeben. Grobe Verfälschungen, wie mit den gleichgestaltigen Krystallen von Bittersalz und Zinkvitriol, kann man auch selbst auf folgende Weise entdecken: man löst ein wenig des zu untersuchenden Zinnsalzes in Wasser, setzt chemisch reine Salzsäure bis zur völligen Klärung hinzu, und dann eine Lösung von Chlorbaryum: ein weißer Niederschlag verrät eine absichtliche Verfälschung mit Bittersalz oder Zinkvitriol. Gibt in der angesäuerten Zinnsalzlösung rotes Blutlaugensalz eine blaue Färbung oder Fällung, so muß es gleichfalls zurückgewiesen werden. Anwendung : Seine Verwendung ist eine vielseitige. In der Wollen- färberei dient das Zinnchlorür als Beize, nicht selten als direkter Zusatz zum Farbbade, sowie zum Beleben der Farben; in der Seidenfärberei zur Er- zeugung von Catechu- und Soupleschwarz und im Baumwollendruck neben Thonerdebeizen als Mordant, hauptsächlich zur Erzielung roter Farben mit Cochenille, sowie in der Krapp- und Türkischrotfärberei; ferner als Aetzbeize auf Grundfarben, welche aus Mangan und Eisenoxyd dargestellt sind; als Aetzweiß auf Indigogrund u. s. w. 2. Doppeltchlorzinn, Zinnchlorid , „salpetersalzsaures Zinn“, Sn Cl 4 + 5 H 2 O . Diese Beize wird man sich mit Vorteil selbst bereiten. Es gibt mehrere Methoden, welche sämtlich auf der Oxydation des Zinn- chlorürs beruhen, sei es durch Chlor, sei es durch Sauerstoff. Gemeinhin wird Salpetersäure dazu benutzt. Ich empfehle folgende Verhältnisse: 11 Teile krystallisiertes Chlorzinn, 4 Teile Wasser, 12 Teile konzentrierte Salzsäure, 4 Teile Salpetersäure. Die Salpetersäure wird dabei vollständig zersetzt, indem ein Teil zur Oxydation verwendet wird, der Rest aber als Stickoxyd in die Luft entweicht. Von einer Bildung von salpetersaurem Zinn kann dabei keine Rede sein . Daher ist auch die Bezeichnung salpetersalzsaures Zinn — so gebräuchlich sie ist — total falsch. Vor- zuziehen ist indessen die Oxydation mit chlorsaurem Kali, da hierbei die lästige Entwickelung von Stickoxyd in Wegfall kommt. Die Gewichts- verhältnisse bleiben ganz dieselben wie oben, nur treten an Stelle der 4 Teile Salpetersäure 4 Teile chlorsaures Kali. Chlorzinn wird in Salzsäure und Wasser gelöst und das chlorsaure Kali in kleinen Portionen nacheinander eingetragen. Nach Beendigung der Reaktion muß eine farb- lose Lösung resultieren; eine etwaige Gelbfärbung verrät freies Chlor, in welchem Falle noch etwas Zinnchlorür bis zum Verschwinden der gelben Farbe zugegeben werden muß. Das Zinnchlorid des Handels bildet eine krystallinische, weiße, weiche, in Wasser leicht lösliche Masse; in reinster Form schöne große Krystalle, konzen- trierte Lösungen halten sich unverändert, verdünnte zersetzen sich allmählich; beim Kochen erleiden sie Zersetzung unter Abscheidung von Zinnhydroxyd. Anwendung : Das Zinnchlorid dient in der Baumwollenfärberei als Beize beim Färben mit Rotholz, sowie beim Färben halbwollener Gewebe zum Beizen des Baumwollfadens, zusammen mit Tannin oder Schmack, beim Färben mit Holzfarben, sowie ohne Gerbstoffzusatz in der Cochenille- und Krappfärberei; ferner zum Avivieren der Farben. In der Wollen- färberei wird es zum Färben mit Jodgrün auf Wolle und Halbwolle ange- wendet; in der Seidenfärberei dient es zum Beschweren. 3. Zinnchlorürchlorid, Komposition, Physik, Rosirsalz , eine Mischung aus wechselnden Mengen Zinnchlorür- und -chlorid, wird durch Auflösen von gekörntem Zinn in Königswasser erhalten. Romen em- pfiehlt statt dessen eine Lösung von Zinnchlorür in seinem gleichen Gewicht Salpetersäure. Früher wurde dieser „Komposition“ besonderer Wert bei- gemessen. 4. Salpetersaures Zinnoxydul , Sn (NO 3 ) 2 . Dieses Präparat, welches nicht mit dem sog. „salpetersalzsauren“ Zinn verwechselt werden darf, ist durch Auflösen von frisch gefälltem Zinnoxydulhydrat in verdünnter Sal- petersäure zu erhalten, und stellt dann eine farblose oder schwach gelblich ge- färbte Flüssigkeit vor. — Löst man jedoch, wie meist üblich, granuliertes Zinn in verdünnter Salpetersäure, so erhält man eine tiefgelbe Lösung, welche wohl schwerlich salpetersaures Zinnoxydul enthalten dürfte. — Anwendung : Diese Zinnlösung dient als Wollbeize für Cochenillescharlach. 5. Zinnchloridammonium, Pinksalz , Sn Cl 4 (NH 4 ) 2 Cl 2 , wird am einfachsten bereitet durch Vermischen konzentrierter heißer Lösungen von Zinnchlorid und Salmiak; es fällt dann das Doppelsalz als Krystallmehl aus, welches man auf einem Trichter sammelt, abtropfen läßt und trocknet. Man erhält so ein weißes, neutrales, krystallinisches Pulver, welches sich in Wasser leicht löst; eine konzentrierte Lösung ändert sich durch Kochen nicht, Ganswindt , Färberei. 19 eine verdünnte läßt beim Kochen das gesamte Zinnoxyd fallen. — An- wendung : In der Kattundruckerei; jetzt nicht annähernd mehr von der Bedeutung, wie früher, obgleich es seiner leichten Zersetzbarkeit und seiner neutralen Eigenschaft wegen als Ersatz an Stelle des stets sauer reagierenden Zinnchlorürs dienen könnte. 6. Ferrocyanzinn, blausaures Zinn , Sn 2 (CN) 4 · Fe (CN) 2 , wird durch Wechselzersetzung von 4 Teilen gelbem Blutlaugensalz mit 5 Teilen krystallisiertem Zinnsalz gewonnen. — Anwendung : Im Zeugdruck als Präparat für Blau ( Stein ). 7. Essigsaures Zinnoxydul, Zinnacetat , Sn (C 2 H 3 O 2 ) 2 , wird durch Wechselzersetzung von 3 Teilen Zinnsalz mit 4 Teilen Bleizucker er- halten. Verwendet man zur Zersetzung 4 Teile kochendes Wasser, so hat die nach dem Abgießen von dem gebildeten Chlorblei gewonnene farblose Lösung von essigsaurem Zinn eine Stärke von 14° Bé. Das essigsaure Zinn ist nicht sonderlich beständig; es zersetzt sich leicht, indem es unter Aus- hauchen von Essigsäure in ein basischeres Salz übergeht. — Anwendung : Als Beize zu lichten Tafeldruckfarben. 8. Oxalsaures Zinn, Zinnoxalat , Sn (C 2 O 4 ) 2 , erhält man durch Lösen von (mit Soda aus Zinnchlorid) frisch gefälltem Zinnoxydhydrat in einer Lösung von Oxalsäure mittels Erwärmen als farblose Lösung. — An- wendung : Als Mordant. 9. Citronensaures Zinn erhält man nach Stein durch Wechsel- zersetzung von citronensaurem Natron mit krystallisiertem Zinnsalz. — An- wendung : Zur Erzeugung schöner gelber Farblacke mit gelben Farbstoff- extrakten. 10. Zinnsaures Natron, Präpariersalz, Grundiersalz , siehe § 91, 15. 11. Zinnbeize nennt Stein ein durch Fällen von 2 Teilen Zinn- chloridlösung von 13° Bé. mit 1 Teil Salmiak erhaltenes, ausgewaschenes und noch feucht mit frischem Wasser angerührtes Zinnoxydhydrat. § 103. Kupfersalze. Die Kupfersalze spielen in der Färberei nur eine untergeordnete Rolle und zwar dann mehr wegen ihrer oxydierenden Eigenschaften, weniger als Beize. 1. Schwefelsaures Kupfer, Kupfervitriol , SO 4 Cu + 5 H 2 O , ist ein Nebenprodukt der hüttenmännischen Gewinnung des Kupfers und kommt in großen, harten, blauen Krystallen in den Handel, welche sich in 5 Teilen Wasser lösen und meist eisenhaltig sind. Um einen Eisen- gehalt nachzuweisen, erwärmt man die wässerige Lösung des Kupfervitriols, fügt etwas chemisch reine Salpetersäure hinzu und dann Ammoniak; es ent- steht sofort eine bläuliche, sich dagegen schnell wieder auflösende Fällung; wenn Eisen zugegen, so bleiben braune Flocken ungelöst zurück. Um einen solchen eisenhaltigen Kupfervitriol zu reinigen, muß man seine wässerige Lösung eine Zeit lang mit kohlensaurem Kupfer oder Kupferoxydhydrat in Berührung lassen, wobei alles Eisen ausgefällt und statt dessen Kupfer aufgenommen wird. Dann wird filtriert und krystallisieren gelassen. — Anwendung : Als Vor- oder Nachbeize zur Erzeugung von Catechu- und Blauholzfarben, zur Oxydation von Anilinschwarz, zum Abdunkeln und Nüancieren, sowie zur Darstellung von Schwefelkupfer und einiger anderer Kupferpräparate. 2. Salpetersaures Kupfer, Kupfernitrat , Cu (NO 3 ) 2 + 3 H 2 O . Man erhält dasselbe am besten durch Auflösen von kohlensaurem Kupfer in verdünnter Salpetersäure, bis kein Aufbrausen mehr erfolgt, oder nach anderer Methode durch Wechselzersetzung von 3 Teilen Kupfervitriol mit 4 Teilen salpetersaurem Blei. In beiden Fällen erhält man eine blaue Lösung, aus der beim Konzentrieren dunkelblaue, sehr zerfließliche Krystalle erhalten werden können. Es ist jedoch nicht nötig, das Salz in Krystallen zu gewinnen, zu- mal eine Lösung des Salzes beständiger ist. Ein etwaiger Eisengehalt wird durch Uebersättigen mit Ammoniak nachgewiesen, wobei man bei Anwesenheit von Eisen einen braunen Niederschlag erhalten würde. — Anwendung : Seiner bedeutenden Oxydationskraft wegen als Oxydationsmittel, z. B. für Anilinschwarz, für Catechufarben, als Reserve für dunkelblaue und Lapis- artikel; im Zeugdruck als oxydierender Zusatz zu einigen Dampffarben ꝛc. 3. Chlorkupfer, Kupferchlorid , Cu Cl 2 + 2 H 2 O , wird durch Auf- lösen von Kupferoxyd in Salzsäure erhalten. Man erhält eine hellblaue Lösung, welche beim Eindampfen lebhaft grün wird und beim Krystallisieren rein grüne, rhombische Nadeln gibt, welche in Wasser und Alkohol leicht lös- lich sind und an der Luft schnell zerfließen. Es kommt auch eine Lösung von 40° Bé. in den Handel; ein solches Fabrikat muß jedoch auf Eisen wie auf Schwefelsäure untersucht, und es muß der Kupfergehalt bestimmt werden. Bei Selbstherstellung fallen diese Untersuchungen fort. — Anwendung : Als Oxydationsmittel bei Catechufarben; im Zeugdruck bei Tafelfarben und als Reserve gegen die Indigoküpe. 4. Neutrales essigsaures Kupfer, Kupferacetat , Cu (C 2 H 3 O 2 ) 2 + H 2 O . Dieses Salz, welches in der Praxis den sonderbaren Na- men „destillierter Grünspan“ führt, wird durch Auflösen des im Handel befind- lichen Grünspans oder von Kupfercarbonat in Essigsäure und Krystallisieren- lassen gewonnen. Es bildet schöne, glänzende, dunkelgrüne, rhombische Nadeln, die in Wasser mit blaugrüner Farbe löslich sind. Die Krystalle verwittern an der Luft. — Anwendung : Als Grundlage von Reserven für dunkel- blaue Artikel; im Zeugdruck zu Tafeldruckfarben. 5. Basisch essigsaures Kupfer, Grünspan , Cu (OH) 2 · Cu (C 2 H 3 O 2 ) 2 + 5 H 2 O . Der Grünspan kommt in grünen oder bläulichgrünen, festen, schwer zerreib- lichen Broten oder Kugeln in den Handel, welche sich nur teilweise in Wasser, nahezu völlig in verdünnter Schwefelsäure, verdünnter Essigsäure, sowie auch in Ammoniak auflösen; die ersteren Lösungen besitzen eine grüne, die letzteren eine tiefblaue Färbung. Der Grünspan ist für Färbereizwecke genügend rein zu erachten, wenn er sich in reiner und mit Wasser verdünnter Salpetersäure völlig und ohne merkliches Aufbrausen löst. — Anwendung : In allen Fällen, wo das neutrale essigsaure Kupfer gebraucht werden kann; doch braucht man annähernd die doppelte Menge; es ist daher jedenfalls vorteil- haft, sich des neutralen Salzes zu bedienen oder auch, den Grünspan durch Auflösen in verdünnter Essigsäure zuvor in das neutrale Salz überzu- führen. 6. Holzsaures Kupfer ist ein weniger reines neutrales Kupfer- acetat. Man gewinnt es durch Wechselzersetzung von 5 Teilen Kupfervitriol 19* mit 4 Teilen holzsaurem Blei in 9 Teilen Wasser, Absetzenlassen und Ab- gießen. — Anwendung : Wie das neutrale essigsaure Kupfer, aber für minder wertvolle Artikel, speziell für Holzfarben. 7. Basisch chromsaures Kupfer, Kupferchromat , Cu 3 CrO 6 + 2 H 2 O , bildet sich als brauner Niederschlag, wenn man eine Lösung von Kaliumdichromat mit Kupfervitriol kocht. Geschieht das in Gegenwart von Wollengarn- oder Gewebe, so fixiert sich das Kupferchromat darauf und soll mit Vorteil als Beize verwendet werden können. 8. Rhodankupfer, Kupferrhodanid , Cu (CSN) 2 , als weißer Teig im Handel befindlich, ist zur Oxydation von Anilinschwarz an Stelle von Schwefelkupfer vorgeschlagen worden. 9. Schwefelkupfer , Cu S , erhält man durch Wechselzersetzung von Kupfervitriol mit Natriumsulfhydrat Natriumsulfhydrat bereitet man sich durch Lösen von Schwefel in warmer Aetznatronlauge. als schweren, schwarzen Niederschlag, welcher, gut ausgewaschen, unter Wasser aufbewahrt wird. — Anwendung : Als Sauerstoffüberträger in der Anilinschwarzfärberei. Es wird dem Anilin- salz beigemischt; bei der auf das Klotzen folgenden Oxydation geht das Schwefelkupfer in schwefelsaures Kupfer über, welches wieder einen Teil seines Sauerstoffes an das Anilinsalz abgibt u. s. f. § 104. Bleisalze. Die Bleisalze können kaum noch als Beizen betrachtet werden, denn sie zeigen keine Neigung zu Verbindungen mit den Gewebefasern und dienen vor- nehmlich zur Herstellung von Mineralfarben direkt auf der Faser, wogegen sie eigentliche Farblacke nicht bilden. 1. Essigsaures Blei, Bleizucker , Pb (C 2 H 3 O 2 ) 2 + 3 H 2 O . Ein Produkt chemischer Fabriken in glänzenden, farblosen, weichen, vierseitigen Tafeln, welche in 2 Teilen Wasser löslich sind. Die Lösung schmeckt zuerst süß, dann ekelhaft metallisch. Bleizucker ist giftig ! — Anwendung : Es dient als Hilfssubstanz zur Herstellung von Beizen, so der essigsauren Thonerde, des essigsauren Eisens, essigsauren Chroms u. s. w., sodann zur Darstellung von Chromgelb und Chromorange auf der Faser. 2. Holzsaures Blei, gelber Bleizucker , ist ein (statt aus reinem Essig) aus Holzessig bereiteter Bleizucker, welcher einen großen Teil der Brenz- produkte desselben enthält und dadurch gelb bis braun erscheint. Er ist billiger, aber auch, abgesehen von seinen Verunreinigungen, minderwertiger, so daß man bei der Verwendung des billigen rohen Präparats durchaus nicht etwa spart. — Anwendung : Zu gleichen Zwecken wie das vorige, d. h. zu holzsauren Mordants. 3. Basisch essigsaures Blei, Bleiessig , Pb O [Pb (C 2 H 3 O 2 ) 2 ] 2 + H 2 O , wird erhalten durch Zusammenreiben von 3 Teilen Bleizucker mit 1 Teil Bleiglätte; dieses Gemisch wird in einer Flasche mit 10 Teilen Wasser unter häufigem Durchschütteln beiseite gestellt bis der anfangs rötliche Bodensatz rein weiß geworden ist. Durch Absetzen- lassen und Filtrieren erhält man eine klare, farb- und geruchlose Flüssigkeit von zusammenziehendem süßlichem Geschmack und alkalischer Reaktion. — Anwendung : Diese Flüssigkeit dient zum Beschweren weißer Seide, sowie zur Darstellung von Chromgelb und Chromorange auf der Faser. 4. Dreibasisch essigsaures Blei wird nach einem englischen Patent von A. Gatty dargestellt, indem zu einer Lösung von normalem Bleiacetat vorsichtig Ammoniak in kleinen Mengen hinzugegeben wird, solange die ent- stehende Fällung noch von selbst verschwindet. Farblose Flüssigkeit. — Anwendung : Zum Beizen von Baumwolle, Baumwollgarn oder Baum- wollstoffen. Das Bleioxyd wird direkt an die Faser übertragen, ohne daß dasselbe durch besondern Prozeß besonders fixiert zu werden braucht. Dient als Mordant für verschiedene Farben. 5. Salpetersaures Blei, Bleinitrat , Pb (NO 3 ) 2 . Dieses Salz wird durch Lösen von Blei oder Bleiglätte in heißer verdünnter Salpetersäure erhalten; es bildet sehr schwere, undurchsichtige, farblose, in Wasser lösliche Krystalle von saurer Reaktion. Es muß eisenfrei sein, auch auf einen Kupfergehalt muß geprüft werden. — Anwendung : Zur Herstellung einiger salpetersaurer Mordants durch Wechselzersetzung; außerdem in der Baum- wollenfärberei und Zeugdruckerei zur Erzeugung von Orange und Gelb. 6. Schwefelsaures Blei, Bleisulfat , Pb SO 4 . Man erhält das- selbe als Nebenprodukt bei der Bereitung von essigsaurer Thonerde aus Alaun und Bleizucker als schweren, weißen, unlöslichen Niederschlag, welcher ausgewaschen und als Teig aufbewahrt wird. — Anwendung : In der Blaudruckerei als Schutzpapp; auch als Füllmittel in der Appretur. 7. Chromsaures Blei, Bleichromat, Chromgelb , Pb Cr O 4 , wird meist auf der Faser selbst erzeugt, indem man letztere mit der Lösung eines löslichen Bleisalzes (z. B. Bleizucker) imprägniert, dann eine Lösung von Glaubersalz passiert, wobei sich schwefelsaures Blei auf der Faser fixiert, und schließlich auf ein heißes Bad von Kaliumdichromat bis zur Entwickelung des Gelb geht. Für die Anwendung des Chromgelbs als Druckfarbe kommt es als gelbes Pulver oder als Chromgelbteig in den Handel. 8. Basisch chromsaures Blei, Chromorange , wird aus dem vorigen sowohl im freien Zustande, als auch auf der Faser durch Erhitzen mit Kalkmilch in das basische Chromat umgewandelt; die Einwirkung des Kalkwasserbades hat bis zur vollen Entwickelung des Orange zu währen. Als Druckfarbe kommt es, wie das vorige, en pâte in den Handel, selte- ner als Pulver. § 105. Seltenere Metallsatze. 1. Essigsaures Uranoxyd, Uranacetat , UO 2 (C 2 H 3 O 2 ) 2 + H 2 O , kommt in den Handel als gelbe, in Wasser leicht lösliche Krystalle. Es ist als Beize für Holzfarben vorgeschlagen worden. Nach Topper Journal of the Dyers Society . gibt es mit 3 Prozent Blauholz ein zartes, reines Lavendel, und mit 15 Pro- zent ein gutes Blau. 2. Schwefelsaures Nickeloxydulammoniak , Ni SO 4 · (NH 4 ) 2 SO 4 + 7 H 2 O . Kleine, hellsmaragdgrüne Krystalle. Sie sind gleichsfalls als Beize für Holzfarben vorgeschlagen worden und geben nach Topper mit Blauholz ein helleres oder dunkleres Rötlichgrau; nach Liechti und Ulrich erhält man mit Alizarinblau S reine und zarte Schat- tierungen von Blau. Nach dem Färben besitzt die Farbe zunächst eine stumpf- grünliche Schattierung, aber durch Seife wird das Blau rein und glänzend. Die Farbe ist sehr fest und widersteht einem zweistündigen Kochen in einer 2 prozentigen Sodalösung. 3. Vanadiumchlorid , Vd Cl 3 , gewinnt man am besten selbst durch Reduktion von vanadinsaurem Ammoniak mit Salzsäure und Glycerin. Man erhält durch Erwärmen eine intensiv blaue Lösung, welche bei der Oxydation von Anilinschwarz als Sauerstoffüberträger wirkt, indem sich Vanadiumoxy- chlorid bildet, welches dann ähnlich wie das Schwefelkupfer wirkt. § 106. Die Seifen. Obgleich die Seifen ihrem äußeren Ansehen nach nichts gemein haben mit jenen Körpern, welche wir als Salze bezeichneten, so sind sie doch nichts anderes, als eben solche Salze, d. h. Verbindungen von Säuren mit Basen. Als Basen kommen hierbei nur Kali und Natron in Betracht und man unterscheidet demgemäß alle Seifen in Kaliseifen und Natronseifen . Die Säuren, welche sich mit Kali und Natron zu Seifen verbinden, ent- stammen den Fetten und heißen daher Fettsäuren , und dementsprechend die Seifen fettsaure Salze . Zu diesen Fettsäuren gehört z. B. die Stearin- säure, jene harte weiße Masse, welche das Hauptmaterial unserer Stearin- kerzen bildet, und das rohe Elaïn (Stearinöl), rohe Oelsäure. Diese und noch viele andere Fettsäuren bilden den Hauptbestandteil unserer Fette. Zur Darstellung der Seifen werden die Fettsäuren aus dem Fette keines- wegs erst rein dargestellt, sondern durch direktes Versieden von Aetzkali- oder Aetznatronlauge mit den Fetten die betreffenden Fettsäuren an das Alkali ge- bunden. Diese Fabrikation wird in den Seifensiedereien als eigener Zweig der chemischen Industrie gehandhabt. Es entstehen dabei die fettsauren Salze und Glycerin als Nebenprodukt. Eigenschaften: Kaliseife , auch grüne oder schwarze Seife oder Schmierseife genannt, bildet eine grünlichgelbbraune, mit helleren festeren Stücken durchsetzte, weiche, schmierige, sich schlüpfrig anfühlende, in Wasser unter starker Schaumbildung ( Seifenschaum ) sich lösende Masse. Die Färbung ist keine natürliche, sondern wird durch Indigo, Eisenvitriol und Galläpfel erzeugt. Eine Kaliseife ist also weit davon entfernt, das Ideal einer Seife zu sein, denn von der dunkeln Schmiere ist nur ein Teil wirkliche Kaliseife, der Rest besteht aus Wasser, Glycerin, unverseiftem Fett, unverseifter Kalilauge, und den größeren oder geringeren Mengen absichtlicher Verunreinigungen. Zu diesen Kaliseifen werden eben nur die geringsten und billigsten Oele, Fettabfälle, Thran, die Bratensaucen-Rückstände der Hotels und Restaura- tionen u. dergl. m. verwendet. Als Verunreinigungen ( Füllmittel ) enthält die Kaliseife Pottasche, schwefelsaures Kali, Kaliwasserglas, Stärkemehl. — Eine ungefüllte reine Kaliseife , welche etwa den ausgesalzenen harten Natronseifen entspräche, kommt im Handel nicht vor. Man sagt, eine Kali- seife lasse sich nicht „aussalzen“, weil dann die Kaliseife in eine Natron- seife sich umwandele. Das ist richtig und falsch zugleich! Richtig ist, daß beim Aussalzen mit Kochsalz keine Kali-, sondern Natronseife abgeschieden wird. Aber wer nötigt uns denn, Kali seife mit Chlor natrium auszusalzen? Man salze die Kaliseife mit Chlorkalium aus , dann geht jene ominöse Umwandlung in Natronseife nicht vor sich, und es wird eine reine Kaliseife ausgesalzen. Die reine Kaliseife ist eine feste, zähe, wenig durchscheinende Masse ; sie wird erst durch einen Zusatz von Pottasche und Aetzkali in jene durchscheinende und geschmeidige Masse ver- wandelt, welche der Schmierseife eigen ist. In der Textilindustrie ist mehr- fach der Wunsch nach einer brauchbaren Kaliseife laut geworden; es sind denn auch in Fachblättern 2 Vorschriften dazu gegeben worden; dieselben waren aber so abenteuerlich und zeugten von so wenig Verständnis, daß ich den Unsinn besser hier nicht wiedergebe. Wer eine treffliche Seife haben will, der bereite sich die oben beschriebene reine Kaliseife; diese genügt allen Anforderungen. Im allgemeinen hat der Gebrauch der Kaliseife gegen früher sehr abgenommen. — Natronseifen werden durch Behandeln der Fette mit Natronlauge gewonnen. Sie unterscheiden sich von den Kaliseifen vor allem durch ihre Konsistenz: Die Natronseifen sind fest, hart und heißen darum auch harte Seifen ; auch werden zu ihrer Herstellung meist an und für sich schon feste Fette verwendet, wie Talg, Cocosöl, Palmkernöl ꝛc. Sämtliche Natronseifen werden durch Aussalzen mit Kochsalz gewonnen; sie zeichnen sich infolgedessen vorteilhaft vor den Kaliseifen durch ihre größere Reinheit aus. Die Natronseifen werden wieder eingeteilt in Kernseifen und gefüllte Seifen . Letztere kommen für Färbereizwecke nicht in Be- tracht. Erstere sollen hart, fest, undurchsichtig, auch nicht einmal durch- scheinend, weiß bis gelb, einfarbig oder marmoriert sein; sie sollen in warmem Wasser völlig klar und ohne Rückstand löslich sein. Sie sollen sich durch Schaben mit einem Messer in ein staubfeines Pulver verwandeln lassen. Der Wasser- gehalt soll 30 bis 34 Prozent nicht übersteigen; ältere Seife, welche durch längeres Liegen an der Luft ausgetrocknet ist, ist daher wertvoller. Von einer guten Natronseife wird man auch verlangen dürfen, daß sie neutral sei, d. h. daß sie weder unverseiftes Fett noch freies Aetznatron enthalte. Zusammensetzung . Als Typus für eine gute Natronkernseife dient die Marseiller Seife, welche folgende durchschnittliche Zusammensetzung zeigt: Fettsäure ..... 64 Prozent Natron ...... 6 „ Wasser ...... 30 „ Als unbedingte Normalzahlen kann man diese Zahlen aber nicht be- trachten, da die verschiedenen Fettsäuren eine verschiedene chemische Zu- sammensetzung und ein verschiedenes Verbindungsgewicht besitzen und da dadurch wiederum der Alkaligehalt beeinflußt wird. Durch die vervoll- kommnete Technik der Seifenfabrikation kommen jetzt Seifen in den Handel, welche ihrer Härte und Festigkeit nach als Kernseife erscheinen, ohne es zu sein; eine derartige Pseudo-Kernseife enthält oft 66 Prozent Wasser, oft auch noch andere „Füllmittel“, ohne daß das äußere Ansehen der Seife eine solche Täuschung vermuten läßt. Aus allem bisher Gesagten geht zweifellos hervor, daß es in jedem Falle das beste ist, eine Wertbestimmung der Seife vorzunehmen, zumal der Bedarf an Seife im Färbereibetriebe ein bedeu- tender ist. Prüfung und Wertbestimmung : Aus dem über die Zusammen- setzung der Seifen Gesagten geht hervor, daß bei der Wertbestimmung einer Seife in Betracht kommt: der Trockengehalt, das Verhältnis von Fettsäure zum Alkali, die Natur des Alkalis und die der Fettsäure oder der das Fett ver- tretenden Substanz, und die absichtliche oder unabsichtliche Beimengung fremder Substanzen. — In den häufigsten Fällen beschränkt sich der Konsument auf die Kenntnis der Menge des in der Seife enthaltenen Wassers , weil dieses die gewöhnlichste Beimengung ist, und zwar eine solche, welche — wie oben erwähnt — in sehr bedeutender Menge darin enthalten sein kann, ohne dabei das äußere Ansehen und die Festigkeit entsprechend zu ändern. Zur Bestimmung des Trockengehalts wird eine abgewogene Menge geschabter Seife, etwa 100 g , im Wasserbade solange getrocknet, bis keine Gewichts- abnahme mehr stattfindet; die Gewichtsdifferenz gibt direkt den Wassergehalt in Prozenten an. Sicherer verfährt man, wenn man sich 100 g aus ver- schiedenen Stellen der zu prüfenden Seife zu 1 l auflöst, und von dieser Seifenlösung 100 ccm , welche 10 g Seife entsprechen, zur Prüfung ver- wendet; man dampft diese zuerst im Wasserbade, dann in einem tarierten Kölbchen im Luftbade ein, indem man dabei auf 130 bis 140° C. erhitzt und zugleich einen Luftstrom durchsaugt, der vorher behufs Erwärmung um das Luftbad sich windende Bleiröhren passiert. Ist alles Wasser fort, dann läßt man im Exsiccator über Schwefelsäure erkalten und wägt. Der Fett- gehalt der Seife wird gefunden durch Zerlegen derselben mit einer Säure. Nach Bolley werden 6 bis 10 g Seife, teils aus dem Innern der Stücke, wo mehr Feuchtigkeit vorhanden, teils von mehr ausgetrocknetem Rande ge- nommen, (um dem mittleren Feuchtigkeitsgehalt näher zu kommen), in einer Porzellanschale mit ihrem 20 bis 30fachen Gewicht 12fach verdünnter Schwefelsäure übergossen und solange auf einer Lampe erwärmt, bis das Fett klar obenauf schwimmt. Das Fett von Oelseifen scheidet sich schneller ab, als das von Talgseifen, es läßt sich jedoch, da es nicht erstarrt, von der unterhalb befindlichen Flüssigkeit nur schwer trennen. Man pflegt dann 6 bis 10 g gut getrockneten, genau abgewogenen weißen Wachses oder Stearin- säure zuzusetzen und mit dem Fett zusammenschmelzen zu lassen. Die Fett- masse stellt dann eine zusammenhängende, nach dem Erkalten harte Scheibe dar, die mittels eines Spatels sich von der Flüssigkeit und der Wand der Schale leicht abheben läßt. Nun wird das saure Wasser abgegossen, der Fettkuchen mit reinem Wasser nochmals geschmolzen und wieder erkalten ge- lassen. Schließlich wird derselbe solange mit destilliertem Wasser abgespült, bis das Ablaufende durch Chlorbaryum nicht mehr getrübt wird, endlich im Exsiccator getrocknet und gewogen. Das gefundene Gewicht abzüglich des zugesetzten Wachses oder Stearins gibt die Menge des Hydrats der vorhandenen Fettsäuren, von welcher letztgefundenen Zahl dann noch 3,25 Prozent für Hydratwasser in Abzug zu bringen sind. Ein einfacheres, aber für unsere Zwecke völlig ausreichendes Mittel zur Fettbestimmung ist das von Cailletet . 10 g Seife werden mit 10 ccm titrierter Schwefelsäure und 20 ccm Terpentinöl in einer 50 ccm fassenden und in 0,5 ccm eingeteilten Glasröhre geschüttelt und die Volumenvermehrung des Terpentinöls gemessen. Diese Methode soll den Vorteil haben, daß Harz sich gar nicht oder nur sehr wenig in dem Terpentinöl löst und als eine untere Schicht unter demselben sich abscheidet. Zur Bestimmung des Alkalis ist ein kleines genau abgewogenes Quantum (1 bis 2 g ) in einem verdünnten Alkohol zu lösen und mit Nor- malsäure alkalimetrisch zu bestimmen. Diese Bestimmung ist am besten von einem Chemiker auszuführen. Durch diese Methode findet man den Ge- samtgehalt an Alkali. Ob freies, unverseiftes Alkali in der Seife enthalten war, ist daraus nicht zu erkennen. Da aber die zum Färben und Avivieren bestimmte Seife freies Alkali unbedingt nicht enthalten darf und da eine alkalihaltige Seife die Seide und in geringerem Maße auch die Wolle angreifen und beschädigen würde, so ist es notwendig, auch eine Bestimmung von freiem Alkali Unter „freiem Alkali“ ist in der Hauptsache kohlensaures Alkali, seltener Aetz- alkali zu verstehen, da dieses sich bei genügender Berührung mit der Luft in kohlen- saures Salz umwandelt. vorzunehmen. Hierzu hat sich sal- petersaures Quecksilberoxydul als geeignet erwiesen. Eine Lösung dieses Salzes, in die Lösung einer neutralen Seife getropft, gibt dabei weißes fettsaures Quecksilberoxydul, während bei Anwesenheit von freiem Kali gelbes Quecksilberoxyd gebildet wird; bei Gegenwart von wenig Alkali bildet sich eine rotbraune basische Quecksilberoxydverbindung. — Um Alkali- carbonat quantitativ zu bestimmen, wird die bei 100° getrocknete Seife in 96 proz. Alkohol gelöst, die Lösung abgegossen, der Rückstand wieder- holt mit Alkohol gewaschen, den Waschflüssigkeiten die erste Lösung zugefügt, das Ganze mit destilliertem Wasser vermischt und schließlich mit Normal- schwefelsäure unter Benutzung von Lackmustinktur als Indikator titriert. Ob eine Kernseife unverseiftes Fett enthält, zeigt sich meist schon durch das schlüpfrige fettige Gefühl, auch pflegen solche Seifen sich nur schwierig und dann auch nicht klar zu lösen. Zur Auffindung freien Fettes behandelt man nach Bolley die Kernseife mit Benzol oder mit Petroleumäther, worin die Kernseife unlöslich ist, während das unverseifte Fett sich darin löst. Die zu untersuchende Seife muß jedoch zuvor durch Trocknen bei 100° vom größten Teile ihres Wassers befreit worden sein. Beim Verdampfen des Benzols oder Petroleumäthers bleibt dann das Fett als solches zurück. — Die Prüfung auf unverseiftes Fett ist sehr zu empfehlen, da dasselbe stets Anlaß zur Bildung fleckiger Ware gibt. Eine Prüfung auf Ver- fälschungen dürfte nur selten Platz greifen, da sie bei ausgesalzenen Kern- seifen nicht wohl vorkommen können; auch gestattet schon die Untersuchung auf den Wassergehalt und den Fettgehalt einen Schluß darauf, ob überhaupt auf Verfälschungen zu untersuchen sei. Eine Seife, die nicht mehr als 35 Proz. Wasser, und nicht weniger als 60 Proz. Fettsäuren enthält, bedarf einer weiteren Untersuchung nicht und kann unbedenklich verwendet werden. Die Wirkungsweise der Seifen hat man ursprünglich so zu erklären versucht, daß man der wässerigen Lösung, speziell dem Seifenschaum, eine emulgierende Kraft zuschrieb, d. h. die Eigenschaft, Fremdkörper, vornehmlich in Wasser unlösliche, einzuhüllen, und mechanisch mit der Seifenlösung zu entfernen. Zu solchen Fremdkörpern gehören Ruß, Staub, Schweiß, Fett und vor allem Schmutz, dieser Stoff, der eigentlich weiter nichts als ein Conglomerat der vorgenannten ist. Auf dieser Eigenschaft der Seife beruht ihre Anwendung als Wasch- und Reinigungsmittel. Später erlangte die Ansicht Chevreuls die Oberhand, daß die neutralen Natronseifen beim Auflösen in Wasser in saure fettsaure Salze und freies Alkali sich zerlegen, daß letzteres die Verunreinigungen ablöse, erstere aber als unlösliche Körper die Verunreinigungen einhüllen. Diese Anschauung ist durch die neuere Theorie Rotondis verdrängt worden, daß durch die Einwirkung des Wassers die neutralen Seifen in basische und in saure fettsaure Salze zer- legt werden, daß also bei dieser Zersetzung kein freies Alkali auftritt. Die basischen Salze sind in Wasser löslich, lösen in der Wärme Fettsäuren und die sauren fettsauren Salze und emulgieren neutrale Fette; durch die Ein- wirkung und Aufnahme der Kohlensäure der Luft werden sie unlöslich; so- mit sind es die basisch fettsauren Salze, welchen die reinigende Wirkung zukommt. Die Rotondi sche Hypothese gestattet auch die Erklärung einzelner Erscheinungen, welche sich durch die Chevreul sche Theorie nicht erklären lassen, z. B. die Thatsache, daß beim Seifen von gefärbten, mit Thonerde gebeizten Stoffen sowohl Thonerde von der Faser in Lösung, als Fettsäure aus dem Seifenbade an die Faser geht. Anwendung : Die Anwendung der Seife in der Färberei ist eine ungemein vielseitige; die Frage nach der Wahl einer Seife richtet sich ganz nach dem Zweck, dem sie dienen soll. Handelt es sich lediglich um eine Reinigung von Schmutz, um eine Wäsche, so kann man wohl eine freies Alkali enthaltende Schmierseife verwenden, auch in der Türkischrot- färberei ist der Gebrauch von Kaliseife nicht ausgeschlossen. In der Haupt- sache aber ist auch beim Waschen (besonders von Seide und Wolle) einer neutralen Kernseife der Vorzug zu geben. In allen den Fällen, wo es sich um die Verwendung der Seife direkt zum Färben oder zum Fixieren von Farben handelt, muß unbedingt eine neutrale Natronseife verwendet werden. Dieses ist ein für allemal der Fall in der Seidenfärberei, sowie bei der Färberei der Baumwolle mit Benzidinfarbstoffen. Vielfach dient die Seife auch zum Schönen, zum Beleben der Farben nach beendetem Färben, insbesondere für Schwarz und für dunkle Modefarben auf schweren Ge- weben. Von den Natronseifen des Handels, welche in der Färberei Verwendung finden, sind zu nennen: 1. Marseiller Seife . Sie wird aus den billigeren geringeren Olivenöl- sorten in Südfrankreich und Italien bereitet; letztere heißt wohl auch Vene- tianische Seife . Diese Seifen galten Jahrhunderte hindurch als Muster der besten Seife und waren es auch in der That. Der Nimbus ist ge- schwunden; Marseille liefert längst keine mustergiltigen Seifen mehr und die Analysen von Braconnet, Thénard, Bolley u. A. haben gezeigt, daß die heutigen Marseiller Seifen den Wert einer guten deutschen Talgkern- seife längst nicht mehr erreichen. Der Ausdruck „Marseiller Seife“ hat sich aber erhalten; nur bedeutet er nicht mehr eine mit besonderer Sorgfalt her- gestellte Olivenölseife, sondern man bezeichnet damit heute jede bessere ausge- salzene Natronkernseife, insbesondere auch die nächstfolgende Sorte. 2. Talgkernseife . Diese wird aus ausgelassenem und gereinigtem Talg und Natronlauge bereitet. In der Hauptsache kommt sie als sog. „geschliffene“ Seife in den Handel, d. h. als eine wasserhaltige Seife, welche etwa in der Mitte steht zwischen einer reinen Kernseife und einer sog. ge- füllten Seife. Eine solche Talgkernseife ist weiß, nicht selten auch marmo- riert. Es kommt indes auch eine reine Kernseife in den Handel. Die Zu- sammensetzung ist eine wechselnde, wie folgende Analysen zeigen: Ein Vergleich dieser Zusammensetzung mit den Grenzwerten der eben angegebenen Normalseife zeigt ohne weiteres die Verwendbarkeit der guten Sorten Talgkernseife. 3. Palmkernölseifen , aus Palmöl und Natronlauge bereitet, gewöhn- lich gleichzeitig mit andern Fetten und mit Harzen; sie enthalten als Kern- seife 15 bis 25 Prozent Wasser, 61 bis 72 Prozent Fettsäuren, 8,5 bis 10 Prozent Alkali; als geschliffene Seifen 30 bis 40 Prozent Wasser, 46 bis 55 Prozent Fettsäuren, 6,5 bis 8 Prozent Alkali. Die Kernseife der Palmölseife ist also auch verwendbar, kommt aber im Handel — in Deutschland wenigstens — selten rein vor. 4. Harte Elaïnseife , durch Verseifen von roher Oelsäure (Stearinöl) mit Natronlauge gewonnen; sie ist gelbbraun, schäumt vorzüglich, und ist bei geringem Wassergehalt sehr fest. Sie enthält durchschnittlich 15 bis 23 Prozent Wasser, 65 bis 69 Prozent Fettsäuren und 6,5 bis 10 Prozent Natron. 5. Harzseife . Fichtenharz und Kolophonium mit Alkalien gekocht, bilden die Resinate , seifenartige Verbindungen, welche eigentlich Harzseifen genannt werden müßten, schmierige weiche Massen, welche für sich nicht marktfähig sind und auch nicht als Seife verwendet werden können. Was unter dem Namen Harzseifen in den Handel kommt, sind Gemenge von Fettseifen mit Resinaten. Bei Darstellung dieser Harzseifen werden die Fette und das Harz für sich verseift und dann die erhaltenen Seifen im Kessel vereinigt. Eine so bereitete Talgharzseife enthält 22 bis 27 Proz. Wasser, 62 bis 70 Proz. Fett- und Harzsäuren, 6,5 bis 8 Proz. Natron. Von den gefüllten Seifen , welche in den Handel kommen und auch in der Textilindustrie bisweilen gebraucht werden, besser aber nicht gebraucht werden sollten , sind zu nennen: 6. Eschweger Seife ; eine Seife, entstanden durch gemeinsames Ver- seifen von Cocosöl, Talg, Palmöl und Knochenfett. Sie sieht einer soliden Kernseife ähnlich, ist fest, hart und trocken, besitzt auch eine sehr gute reini- gende Wirkung, ist milde und greift die Farbe der Gewebe nicht an. Als Fleckseife ist sie zu empfehlen. Nach Analysen von Schneider und Schäd- ler enthält die Eschweger Seife 42 bis 47 Prozent Wasser, 41 bis 45 Pro- zent Fettsäuren, 5 bis 6,5 Natron, 1 ¾ bis 2 Prozent Soda. Die Eschweger Seifen entsprechen somit nicht mehr denjenigen Anforderungen, welche man an eine für Färbereizwecke verwendete Seife gemeinhin stellt. 7. Wasserglasseife ist eine durch Vermischen von Cocosseifenleim mit einer konzentrierten Wasserglaslösung (30 bis 40° Bé.) erhaltene Seife. Man erhält so eine feste, sehr harte, wie Seife aussehende Masse, welche aber kaum mehr als Seife bezeichnet werden kann, denn eine solche Seife enthält 50 bis 55 Prozent Wasser, 3 bis 5 ½ Prozent Fettsäuren und 10,5 Prozent Natron. Für Färbereizwecke sollte eine Wasserglasseife keinen- falls verwendet werden. 8. Gallseife , eine Seife, entstanden durch Vermengen frischer Galle mit getrockneter Seife; man formt sie entweder zu Kugeln (Fleckkugeln) oder preßt sie in Stücke. Sie dient ihres Gallengehalts wegen als Fleckmittel. 9. Bastseife ist die dickliche Flüssigkeit, welche beim Entschälen der Seide erhalten wird, eine schwach alkalische, wässerige Auflösung des Seiden- leims. Näheres hierüber vergl. § 6 Eigenschaften und Verarbeitung der Rohseide. Das Bastseifenbad ist ein fast unentbehrliches Requisit der Seiden- färberei. Die Bastseife ist somit keine eigentliche Seife. Dagegen ist der von Hummel vorgeschlagene Bastseifenersatz — eine mit Gelatine ver- setzte Seifenlösung — eine wirkliche Seife. 10. Ricinusölseife , eine Natronseife, welche durch Verseifen von Ricinusöl mit der erforderlichen Menge verdünnter Natronlauge erhalten wird. Diese Seife wird meistens nicht ausgesalzen, sondern als Seifenleim verwendet, und kommt auch bisweilen — obgleich fälschlich — als „Tür- kischrotöl“ in den Handel. Sie dient als Appreturmittel, um dem Ge- webe einen weichen Griff zu verleihen. § 107. Türkischrotöl. Das in der Türkischrotfärberei vielfach angewendete und in großen Mengen in den Handel kommende Präparat, auch Sulfoleat oder Aliza- rinöl genannt, ist eigentlich nichts anderes als eine flüssige Seife; von an- dern Seifen unterscheidet sie sich jedoch vorwiegend dadurch, daß als Alkali das Ammoniak dient, und daß statt einer gewöhnlichen Fettsäure hier eine sulfonierte Fettsäure in die Verbindung tritt. Nach dem von Müller- Jacobs angegebenen Verfahren dürfte das Türkischrotöl zu betrachten sein als ricinölsulfosaures Ammoniak , eine Verbindung, für welche ich an anderer Stelle Pharm. Centralhalle 1886, 410—414. der Kürze halber den Namen Sulfoseife vorgeschlagen habe. Das Türkischrotöl wird meist fabrikmäßig gewonnen, obgleich es nicht unvorteilhaft wäre, sich dasselbe selbst zu bereiten. Man läßt alsdann in 100 Teile Ricinusöl 20 Teile Schwefelsäure von 66° Bé. langsam und in dünnem Strahle einfließen; man muß dabei beständig gut rühren und zugleich für entsprechende Abkühlung, nötigenfalls mit Eis, Sorge tragen, denn die Reaktion ist eine sehr heftige; im andern Falle könnte es zur Bil- dung von schwefliger Säure kommen. Das Gemisch darf sich keinenfalls höher als 50° erwärmen. Das syrupartige zähe Gemisch besteht aus wech- selnden Mengen von Sulfoleïnsäure, von Oxydationsprodukten derselben, von unverändertem Oel, von nicht in chemische Bindung überführter Schwefel- säure und von Glycerinsulfosäure, herrührend von der Einwirkung der Schwefelsäure auf das freiwerdende Glycerin der Triglyceride. Man läßt die Masse erkalten, verdünnt mit Wasser und neutralisiert langsam und unter beständigem Umrühren mit verdünntem Aetzammoniak. Man läßt über Nacht stehen; am andern Morgen hat sich das sulfoleïnsaure Ammoniak abgeschie- den und wird nach seiner Trennung von der wässerigen salzigen Mutterlauge durch wiederholtes Durchschütteln mit konzentrierter Kochsalzlösung gereinigt. Im letztern Falle hätte man mindestens den Vorteil eines gleichmäßigen Fabrikats. Die in den Handel gelangenden Fabrikate werden nach vonein- ander abweichenden Vorschriften gefertigt, und fallen sehr verschieden aus, sind sogar nicht selten chemisch ganz und gar verschiedene Körper. Romen Kolorie der Baumwolle. beschreibt dasselbe als „eine dickliche, syrupähnliche Flüssigkeit, durchscheinend, klar, von gelblichrotem Ansehen, ähnlich einer sehr konzentrierten Gummi- lösung; in Wasser gegossen, bildet es mit diesem sofort eine innige Emul- sion von weißer oder ganz wasserheller Farbe, welche im ersteren Falle genau einer Oel- und Soda- oder Pottaschenemulsion gleicht. Es hat einen schar- fen beißenden Geschmack, einen fettigen, eigentümlich penetranten Geruch und fühlt sich wie ein mit Gummi versetztes Oel an“. Ganswindt hingegen schildert sie an oben bezeichneter Stelle als „neutrale, mehr oder minder dicke, syrupähnliche, hellgelbe Flüssigkeit vom spez. Gewicht 1,023; sie fühlt sich bei der ersten Berührung fettig an, beim Verreiben zwischen den Händen hingegen merkt man sofort, daß man es mit einer richtigen Seife zu thun hat. Sie mischt sich in jedem Verhältnisse mit Wasser , und löst sich in Wasser zu einer stark schäumenden Flüssigkeit von bitterem, scharfem, hinterher alkalischem, auf der Zunge lange anhaltendem Geschmacke. Beim Einreiben der Hände verhält sie sich genau wie die gewöhnlichen Seifen u. s. w.“ Das Türkischrotöl, wie es zur Alizarinfärberei gebraucht wird, muß neutral sein, es darf rotes Lackmuspapier weder blau, noch blaues rot färben. Ein Präparat, welches diesen Anforderungen nicht genügt, ist zu verwerfen. Der Wassergehalt des Sulfoleats ist in gleicher Weise zu ermitteln, wie der Fettgehalt der Seifen, indem man nach Stein 10 g Türkischrotöl mit 25 g getrocknetem Wachs auf 75 g einer gesättigten Koch- salzlösung zusammenschmilzt. Anwendung : Als Oelbeize in der Türkischrotfärberei mit Alizarin, um dadurch besonders lebhafte und echte Farben zu erzielen. § 108. Fette und Oele. Die Fette und Oele sind Produkte des lebenden Tier- und Pflanzen- körpers und werden von einzelnen Individuen in so großen Mengen erzeugt, daß sie (z. B. beim Schwein) mehr als die Hälfte des gesamten Körperge- wichts betragen können. Sie sind entweder schon bei gewöhnlicher Tempe- ratur flüssig oder auch unter 100°, und zwar unzersetzt, schmelzbar. In der Kälte werden die festen Fette härter, die meisten flüssigen erstarren; sie fühlen sich eigentümlich schlüpfrig, fettig , an, und machen auf Papier einen durchscheinenden Fleck, der weder bei längerem Beizen, noch beim Erhitzen verschwindet. Die Fette sind sämtlich leichter als Wasser, sie schwimmen auf demselben; sie sind in Wasser unlöslich, sehr schwer in Alkohol, dagegen leicht in Aether, Schwefelkohlenstoff, Chloroform, Benzin ꝛc. Von der großen Menge der Fette und Oele kommt für Färbereizwecke nur eine verhältnismäßig kleine Zahl in Betracht. Ihrer chemischen Zusammensetzung nach sind die Fette als äther- artige Verbindungen von Fettsäuren mit Glycerin zu betrachten; es sind stets auf 1 Atom Glycerin 3 Atom Fettsäuren zu rechnen, weshalb die Fette auch als Triglyceride bezeichnet werden. Beim Verseifungs- prozeß, also beim Behandeln der Fette und Oele mit Aetzalkalien, werden die Fette zerlegt, indem die Fettsäuren sich mit dem Alkali zu Seife ver- binden (vergl. § 105), während das Glycerin frei wird und sich in der sog. „Unterlange“ findet. Wirkungsweise : Alle Fette und Oele werden durch den Sauerstoff der Luft in höherem oder geringerem Grade verändert. Einige Oele trock- nen dabei vollständig ein (z. B. Leinöl), andere Fette werden ranzig; der ranzige Geruch ist ein sicheres Zeichen für das Auftreten freier Fettsäuren. Diese freiwillige Zersetzung der Fette wird durch Berührung mit Wasser, sowie durch Lichteinwirkung beschleunigt. Eine derartige Zersetzung der Oele muß es auch sein, welche dieselben für die Verwendung als Oelbeizen geeignet macht. Mindestens müssen wir uns mit einer so allgemeinen An- nahme für solange begnügen, bis ein anderweiter einwandfreier Beweis für die Wirkung der Oele erbracht sein wird. Anwendung finden die Fette und Oele teils als Oelbeizen, und zwar auf Baumwolle und zum Fixieren von Thonerdebeizen, sowie als Einfet- tungsmittel und auch in der Appretur. 1. Olivenöl, Baumöl, Provenceröl, Tournantöl . Das aus dem Fruchtfleisch der Oliven, der Früchte des Oelbaums, Olea euro- paea L ., durch Pressen gewonnene Oel. Die erste Pressung geschieht kalt und ohne großen Druck, sie liefert das feinste Olivenöl, welches als Jungfernöl, huile de vierge, in den Handel kommt. Dann folgt eine zweite sehr scharfe kalte, und darauf eine dritte heiße Pressung. Die zweite Pressung liefert noch ein klares, gelbes, als Speiseöl verwendbares Olivenöl; die dritte Pressung gibt das bereits eigentümlich ranzig riechende grünliche Baumöl. Nach der dritten Pressung wird der Preßkuchen zerkleinert, mit überhitztem Wasserdampf behandelt und nochmals scharf heiß gepreßt. Man erhält so das Tournantöl , ein dickes trübes ranziges Oel, welches durch Erwärmen ein klares gelbes Oel von 0,916 bis 0,918 spez. Gewicht gibt. Dieses Tournantöl ist das in der Färberei verwendete Oel. Die Anwendung ist eine beschränkte; es dient fast nur noch als Zusatz zu Druckfarben, um ihnen eine gewisse Weichheit zu erteilen. 2. Ricinusöl . Das aus dem Samen der Ricinusstaude, Ricinus communis L ., durch Pressen gewonnene dickflüssige, gelblichweiße Oel von schwachem Geruch und 0,95 bis 0,96 spez. Gewicht; im Winter ge- friert es zu einer weißlichen, halb durchsichtigen Masse. Von allen andern Oelen unterscheidet es sich durch seine Löslichkeit in starkem Alkohol ; ein Ricinusöl, welches diese Eigenschaft nicht zeigt, ist verfälscht. Außer in Alkohol löst sich das Ricinusöl auch in Aether, Chloroform, Schwefelkohlen- stoff, Benzol u. s. w. Die hauptsächlichste Anwendung findet das Ricinusöl zur Bereitung des Türkischrotöls und der Ricinusölseife; die geringeren brau- nen Sorten dienen auch direkt als Zusatz zur Appretur. 3. Rüböl . 4. Sesamöl . 5. Baumwollenöl . 6. Thran . 7. Talg . 8. Cocosöl . Diese und noch einige andere Fette und fette Oele werden in beschränktem Umfange mit Olivenöl zusammen, selten für sich allein, als Zusatz zur Appretur verwendet, welche dadurch eine besondere Geschmeidigkeit und einen wei- chen Griff erhält. Die unangenehm riechen- den Oele, wie Thran und Rüböl, sollten füg- lich davon ausgeschlossen sein. § 109. Indifferente Stoffe. Als indifferente Stoffe sind solche Körper zu bezeichnen, welche weder auf die Farbstoffe noch auf die Faser einen merklichen Einfluß haben. Sie kommen in der Färberei fast nur als Lösungsmittel gelegentlich zur An- wendung. 1. Alkohol, Weingeist, Spiritus , C 2 H 5 · OH . Ein Produkt der Brennereien und Spritraffinerien. Der Sprit kommt in verschiedenen Stär- ken, d. h. mehr oder minder wasserhaltig, in den Handel. Das Instrument, welches zum Messen der Stärke dient, ist das Aräometer , eine geeichte Senkspindel, welche den Volumprozentgehalt an Alkohol in Graden an- gibt; ein 96 grädiger Spiritus enthält somit auf 100 l 96 l absoluten Al- kohol und 4 l Wasser; ein 80grädiger Spiritus enthält auf 100 l 80 l absoluten Alkohol und 20 l Wasser. Infolge des Branntweinsteuergesetzes ist der nicht zum Genuß dienende und von der hohen Steuer befreite Alko- hol nur in denaturiertem Zustande zu haben, in welchem Zustande er einen sehr unangenehmen Geruch besitzt, welcher von dem Denaturierungs- mittel herrührt; im übrigen ist er eine farblose, mit schwach blauer Flamme brennbare, mit Wasser in jedem Verhältnis mischbare Flüssigkeit. Eine Ver- wendung von Sprit findet nur zum Auflösen einzelner in Wasser unlöslicher Teerfarben, z. B. der spritlöslichen Eosine und der spritlöslichen Induline und Nigrosine statt. 2. Glycerin , C 3 H 5 · (OH) 3 , ist der eine der beiden Bestandteile der Fette. Bei der Verseifung der Fette und Oele mit Alkalien werden die ersteren in ihre beiden Bestandteile gespalten; die Fettsäuren verbinden sich mit den Alkalien zu Seifen, während das Glycerin in Freiheit gesetzt wird. Glycerin ist daher ein Nebenprodukt der Seifenfabrikation; es findet sich in der Unterlauge der Seifensiedereien, welche den Ausgangspunkt zur Gewin- nung des Rohglycerins bilden, aus welchen nach verschiedenen Methoden, die hier nicht erörtert werden können, das reine Glycerin gewonnen wird. Es kommt in verschiedener Reinheit in den Handel; das reine Glycerin ist ab- solut farblos, wasserhell, klar, durchsichtig, ohne Geruch, von rein süßem Ge- schmack, von dünner Syrupskonsistenz; es hat ein spez. Gewicht von 1,267, und mischt sich mit Wasser und Alkohol in jedem Verhältnisse, ist jedoch in Aether, Chloroform, Schwefelkohlenstoff ꝛc. unlöslich. Geringere Sorten sind gelblich bis braun, und enthalten die Bestandteile der Seifensiederunter- lauge in geringerer oder größerer Menge; ein solches Glycerin sollte nicht verwendet werden. Wenn die Verwendung in der Färberei auch nicht ein absolut reines Glycerin erfordert, so muß doch ein gereinigtes verlangt wer- den, wie es als raffiniertes Glycerin von schwach gelblicher Farbe bis fast farblos in den Handel kommt; ein solches Glycerin muß kalkfrei sein (es darf mit oxalsaurem Ammoniak keine Trübung oder Niederschlag geben), es darf kein Kochsalz enthalten (es darf mit Höllensteinlösung keinen käsigen Niederschlag geben) und darf keine Schwefelsäurereaktion zeigen (es darf blaues Lackmuspapier nicht rot färben). Anwendung : Es wird in vereinzelten Fällen als Lösungsmittel für Farbstoffe angewandt. Auch als Appreturmittel wird es gern gebraucht, weil es den Waren eine gewisse Geschmeidigkeit und einen angenehmen Griff verleiht. Es dient ferner zur Bereitung eines Mordants, des Glycerinarseniks, und neuerdings als Zusatz zu Bleichflüssigkeiten. 3. Benzin ist kein einheitlicher chemischer Körper, sondern ein Ge- misch verschiedener leicht flüchtiger Kohlenwasserstoffe, wie solche bei der Verarbeitung des Steinkohlenteers, als auch des Rohpetroleums in den er- sten Fraktionen der Destillationsprodukte enthalten sind. Je nach der Her- kunft unterscheidet man daher auch: Petroleumbenzin und Steinkohlen- benzin . Obgleich dieselben chemisch voneinander vollständig verschieden sind, stimmen sie in ihren physikalischen Eigenschaften fast ganz miteinander überein, und es ist für den Färber gleichgültig, welches von beiden er anwendet. Benzin charakterisiert sich als eine farblose, leicht flüchtige, ätherartig riechende, leicht brenzliche Flüssigkeit, welche sich mit Wasser nicht mischt; es ist un- gemein leicht entzündlich und feuergefährlich ; es entzündet sich sogar noch in weiter Entfernung von der brennenden Flamme. Es müßte in jeder Färberei zum Gesetz gemacht werden, mit Benzin nur bei Tage, niemals aber bei Lampen- oder Gaslicht , zu arbeiten. Das Benzin besitzt ein sehr bedeutendes Lösungsvermögen für Fette, Oele, Harze, Wachs, Teer u. dergl. und verdankt diesem Umstande seine Anwendung als Fleckmittel. In großem Maße findet es Verwendung in den chemischen Wäschereien, wo es in eigenen Benzinwaschmaschinen, welche die Widerbenutzung des verwen- deten Benzins gestatten, zum Entflecken verwendet wird. 4. Terpentinöl findet sich im Terpentin, dem aus den Nadelhölzern ausfließenden gelblichweißen, körnigen, honigdicken Balsam, aus welchem es durch Destillation mit Wasserdampf abgeschieden wird, während Kolophonium oder Fichtenharz als Rückstand zurückbleibt. Es bildet eine wasserhelle, klare, stark und eigentümlich riechende, das Licht stark brechende, in Wasser unlös- liche und damit nicht mischbare Flüssigkeit von 0,86 bis 0,89 spez. Gew. Das Terpentinöl zeichnet sich durch seine Neigung, Sauerstoff aufzunehmen und in Ozon umzuwandeln und dieses an andere Körper wieder abzugeben, vor anderen Körpern aus; es ist ein vortrefflicher Sauerstoffüberträger. § 110. Bleichmittel. Hier finden nur diejenigen Bleichmittel noch einen Platz, welche in die bisherige Einteilung nicht sich einrangieren ließen, nämlich Schwefel und Wasserstoffsuperoxyd. 1. Schwefel . Der zum Bleichen (Schwefeln) von Wolle und Seide vielfach verwendete Schwefel kommt teils als Stangenschwefel teils als sub- limierter Schwefel in Pulverform in den Handel; im ersteren Falle bildet er 4 bis 5 cm dicke runde Stangen, hart, schwefelgelb, fast geruchlos, spröde; sie lassen sich leicht zu Pulver zerstoßen und zerreiben. Der pulverförmige Schwefel, Schwefelblumen , ist ein gelbes, niemals ganz trockenes, krüm- liges Pulver von schwachem Geruch, unlöslich in Wasser; es enthält stets etwas schweflige Säure. Beide Formen müssen ohne Rückstand verbrennen. Die Verbrennung geschieht in den Schwefelkammern zu schwefliger Säure (vergl. auch § 87, 3). 2. Wasserstoffsuperoxyd , H 2 O 2 , besteht, wie das Wasser, aus Sauerstoff und Wasserstoff, enthält jedoch auf die gleiche Menge Wasserstoff die doppelte Menge Sauerstoff, hat aber mit Ausnahme seiner Farbe und Form nichts mit dem Wasser gemein. Es wird in chemischen Fabriken durch Behandeln von Baryumsuperoxyd mit verdünnten Säuren erhalten und kommt für den technischen Bedarf niemals in konzentrierter Form, son- dern stets nur in schwach angesäuerter wässeriger meist 3 bis 10prozentiger Lösung in den Handel. Diese bildet eine farblose, wasserhelle Flüssigkeit von eigentümlichem Geruch und nur geringer Beständigkeit; sie muß an einem kühlen Ort vor Licht geschützt aufbewahrt werden, auch gut verschlossen sein, da sie sich schon an der Luft, wenn auch langsam, zersetzt. Das Handelsprodukt muß für seine Verwendung als Bleichmittel mit dem 5 bis 10fachen Gewicht Wasser verdünnt Ebell (Chemikerztg. 1888, 2) empfiehlt dagegen, das handelsübliche 3proc. Wasserstoffsuperoxyd nicht zu verdünnen . , mit Ammoniak bis zur alkalischen Reaktion versetzt und kalt verwendet werden. Das Handels- produkt ist zwar nicht chemisch rein (es enthält geringe Mengen saures Baryumphosphat und andere Verunreinigungen), welche jedoch den Bleich- prozeß nicht beeinflussen. § 111. Appreturmittel. In diesem Paragraphen finden nur diejenigen Appreturmittel Erwähnung, welche nicht bereits als Salze, Fette u. dergl. einen Platz gefunden haben. 1. Stärke, Stärkemehl . Die Stärke ist ein Produkt des pflanz- lichen Lebens und kommt in den Pflanzen stets in Form von Körnern vor. Diese sind stets farblos und weichen in Bezug auf Größe und Form oft sehr wesentlich voneinander ab. Diese Abweichungen sind so bedeutend, und die Größe und Form der einzelnen Stärkekörner ist so charakteristisch für die einzelnen Arten, daß man in den meisten Fällen daraus allein schon einen Ganswindt , Färberei. 20 Rückschluß auf die Abstammung der Stärke ziehen kann. Diese Verhältnisse sind jedoch nur mit Hilfe eines Mikroskops zu erkennen. Die Stärke findet sich in allen Teilen der Pflanze, vorzugsweise aber in den Knollen (Kartoffel, Tapioka) und in den Samen (Weizen, Reis, Mais). Sie wird durch Zer- reiben und Schlemmen der betreffenden Pflanzenteile mit Wasser gewonnen. Die Stärke des Handels bildet ein mehr oder weniger glänzendes, weißes, zart anzufühlendes, zwischen den Fingern knirschendes, geruch- und geschmackloses, in Wasser, Alkohol, Aether, Chloroform, Benzin ꝛc. unlös- liches Pulver. Dagegen vermag die Stärke bei Behandlung mit Wasser bis 80 Prozent ihres eigenen Gewichts Wasser zurück- zuhalten ; beim Trocknen an der Luft enthält sie dann durchschnittlich 35 bis 36 Prozent Wasser, an feuchter Luft steigt aber der Gehalt bis auf 56 Prozent ( Tschirch ). Eine solche Stärke läßt sich auch nicht sieben und ballt zusammen, wenn man sie in der Hand drückt. Man stellt daher in den Stärkefabriken durch Anwendung künstlicher Wärme eine Stärke her, welche 18 bis 20, oft sogar nur 12 bis 15 Prozent Wasser enthält. Diese ist locker und läßt sich sieben. Ihrer Zusammensetzung nach besteht die Stärke des Handels außer Stärke und Wasser noch aus kleinen Anteilen Asche, stickstoffhaltiger Substanz, Fett und Rohfaser, wie folgende Tabelle von König zeigt: Die Stärke reagiert neutral. Erwärmt man vorsichtig getrocknete Stärke über 100°, so bleibt sie bis über 160° unverändert, geht jedoch bei 200° ohne Gewichtsabnahme in Dextrin über und wird dadurch wasserlöslich. Wasserhaltige Stärke wird schon bei erheblich niedrigerer Temperatur in Dextrin übergeführt. Wird Stärke in kaltem Wasser verteilt, so setzt sie sich bald, ohne ge- löst zu werden, als feines Pulver zu Boden; erwärmt man sie aber mit dem Wasser, so tritt, je nach der Stärkesorte, früher oder später Verkleiste- rung ein. Da die Stärke sowohl zu Appreturzwecken, wie für Verdickungen, stets verkleistert werden muß, wird es von Interesse sein, die nachstehende Tabelle der Verkleisterungstemperaturen (nach Lippmann ) kennen zu lernen: Durch die Verkleisterung werden die Stärkekörner nicht gelöst, sie quellen vielmehr nur außerordentlich auf (auf das 25 bis 30fache), dehnen und zer- sprengen dann die Hüllen, die als zarte Häutchen noch im Kleister zu finden sind und fließen endlich zusammen. Je dichter sie liegen, desto fester und zäher ist der Kleister. Prüfung : Die Stärke wird ihrer mannigfachen technischen Anwendung wegen vielfach verfälscht. Die Zusätze, welche ihr gemacht werden, sind je- doch derart, daß sie die Verwendung der Stärke als Appreturmittel nicht schädigen. Häufig sind es sogar Körper, welche selbst als Appreturmittel Verwendung finden z. B. Kreide, Gyps, Schwerspath, oder welche ein be- sonderes Weiß oder einen besonderen Glanz hervorrufen sollen, z. B. Ultra- marin, Stearin. Die erstgenannten Beschwerungsmittel werden durch eine Aschenbestimmung (eine über 8/10 Prozent Asche enthaltende Stärke ist als verfälscht anzusehen). Notwendig ist nach dem eben Gesagten eine Wert- bestimmung (eine über 20 Prozent Wasser enthaltende Stärke ist zu be- anstanden); notwendig ist ferner die Prüfung auf Neutralität (eine mit dem doppelten Gewicht destillierten Wassers angerührte Stärke darf blaues Lack- muspapier nicht rot färben ; eine Rotfärbung verrät Schwefelsäure oder Milchsäure). Für die Verwendung im Zeugdruck besonders wichtig ist sein Verdickungsvermögen . Dieses wird nicht direkt ermittelt, sondern man schließt nur darauf nach der Zeitdauer, welche ein jedesmal aus 100 g der zu prüfenden Stärke und 1 kg Wasser unter gleichen Bedingungen bereiteter Kleister braucht, um in Milchsäuregärung überzugehen. Man schließt aus der Länge der Zeit bis zum Sauerwerden auf die Kleisterkonsistenz, und von da auf das Verdickungsvermögen. Die gebräuchlichsten Sorten der Stärke sind folgende: a) Kartoffelstärke , aus den Kartoffeln durch Zerreiben und Schlem- men gewonnen. Sie ist blendend weiß und stark glänzend. Unter dem Mikroskop erkennt man sie durch ihre großen, regelmäßigen, eiförmig läng- lichen Körner, in denen eine Schichtung deutlich wahrnehmbar ist. b) Weizenstärke , aus Weizenmehl bereitet. Weiße, zerreibliche Stücke, minder glänzend als die vorige. Wassergehalt 14 bis 16 Prozent. Die Körner der Weizenstärke erscheinen unter dem Mikroskop klein und rund. c) Reisstärke , aus Reismehl dargestellt, bildet große, gelblich weiße, strahlige Stücke von geringem Glanz. Sie ist dichter und schwerer, als die vorigen. Unter dem Mikroskop erscheint sie als kleine eckige Körperchen. d) Maisstärke , aus türkischem Weizen gewonnen. Sie steift besser und gleichmäßiger als Weizenstärke; die Appretur ist aber weniger fein. Unter dem Mikroskope zeigt sie ganz kleine runde und mittlere eckige Körner. 2. Dextrin, gebrannte Stärke, geröstete Stärke, Stärke- gummi, Leiogomme, Leiocom, Gommeline . Alle diese Namen sind Bezeichnungen für eine durch Rösten oder durch Behandlung mit verdünnten Säuren in eine lösliche Modifikation übergeführte Stärke. Das Dextrin ist ein Uebergangsprodukt von der Stärke zum Stärkezucker und als solcher selten reines Dextrin, sondern ein wechselndes Gemisch von Zwischenprodukten, 20* deren eine ganze Anzahl existieren und deren hauptsächlichstes das Dextrin ist. Das Dextrin des Handels ist also ein Gemisch von reinem Dextrin mit den übrigen Zwischenprodukten. Es kommt entweder als rein weißes Pulver (reines Dextrin) oder als gelbliches bis bräunliches Pulver (gebrannte Stärke) oder als gummiartiges Pulver von weißlicher Farbe in den Handel. Das reine Dextrin ist geruch- und geschmacklos und löst sich in gleichen Teilen Wasser zu einem neutral reagierenden, klebrigen Syrup. Die beiden andern Handelsprodukte lösen sich nicht vollständig, es bleibt ein erheblicher Rück- stand ungelöst. In der Praxis pflegt man als „Dextrin“ nur die aus Kartoffelstärke durch Erwärmen mit verdünnter Schwefelsäure dargestellte Ware, dagegen als „Leiogomme“ oder „Gommeline“ die durch Rösten aus Kartoffelstärke bereitete zu bezeichnen. Das Dextrin enthält bis zu 8 Prozent Wasser. — Prüfung : Die Prüfung erstreckt sich auf den Wassergehalt, auf die Neutralität und auf das Verdickungsvermögen. — Anwendung : In ausgedehntem Maße als Verdickungsmittel für Druckfarben und Beizen. 3. Mehl . Hier kommen nur Weizen-, seltener Roggenmehle in Be- tracht. Die Verwendung von Mehl als Appreturmittel wird höchst ver- schiedenartig beurteilt. Thatsächlich wird es verwendet, und es ist nicht ein- zusehen, warum es nicht Verwendung finden sollte, da der Kleber gehalt desselben es als Verdickungsmittel besonders geeignet erscheinen läßt. Natür- lich muß das Mehl nicht verfälscht oder verdorben sein. Die Prüfung auf Reinheit des Mehles ist eine teils mikroskopische, teils chemische (Aschebe- stimmung). Die Prüfung auf das Verdickungsvermögen führt der Appreteur selber aus. 4. Gummi arabicum, Senegalgummi, Mogadorgummi, Gheziregummi , sind Bezeichnungen für den in Körnern, Thränen oder Stücken erhärteten ausgeflossenen Saft verschiedener in Afrika heimischer Bäume. Es erscheint im Handel in mehr oder minder großen, farblosen bis dunkelbraunen, durchsichtigen oder durchscheinenden, harten, spröden Stücken mit muscheligem Bruch, welche in Wasser langsam, aber vollständig löslich sind und eine schleimige, dickliche, klare Lösung geben. — Gummi arabicum ist heute ein sehr seltener und teurer Artikel geworden; seit der Sudan europäischer Kultur verloren ist, kommt das schöne Kordofangummi schon seit 2 Jahren fast gar nicht mehr in den Handel und man muß sich mit Gehzire, Senegal und dem noch geringeren Mogadorgummi behelfen. Auch sind eine Anzahl künstlicher Präparate als Ersatz des Gummis in den Handel gekom- men, welche freilich das Gummi nicht entfernt ersetzen. Die verschiedenen Sorten enthalten vielfach nicht unbedeutende Verunreinigungen, Sand-, Holz- und Rindenstücke, welche beim Lösen ungelöst zurückbleiben; zur Befreiung von diesen Unreinigkeiten ist die Gummilösung durch ein Flanelltuch durch- zuseihen. — Anwendung : Als Verdickungsmittel für zarte Druckfarben. 5. Traganth , gewöhnlich Gummitraganth genannt, stammt von einer kleinasiatischen Papilionacee. Die Droge kommt in gewundenen dünnen Streifen und Blättern von schwach gelber oder milchig weißer Farbe in den Handel, welche hornartig sind, aber in kaltem Wasser aufquellen und in kochendem Wasser sich lösen. Solche Lösungen gerinnen beim Erkalten zu einer dicken schleimigen Flüssigkeit; hierauf beruht ihre Verwendung. — Traganth ist teuer, aber seine charakteristische Form schützt es vor groben Verfälschungen. Den Appreteur kümmert nur sein Verdickungsvermögen. Stein empfiehlt, zur Prüfung 25 g Traganth in 2 kg Wasser 24 Stunden zu quellen, dann anhaltend zu kochen, die durchgeseihte Lösung auf 2 kg zu ergänzen und nach 24 Stunden ihr Verdickungsvermögen zu prüfen. 6. Leim, Gelatine . Leim ist stets tierischen Ursprungs; er ist das Bindematerial einer großen Anzahl von Bestandteilen des Tierkörpers, so der Knochen, Haut, Sehnen, Knorpel, Hufe, und wird aus diesen, sowie aus sonstigen tierischen Abfällen aller Art durch Auskochen gewonnen. Die erkaltete Abkochung bildet nach dem Erkalten die Leimgallerte , welche, in flache Scheiben geschnitten und auf Bindfadennetzen getrocknet, die Leim- tafeln bildet. Der Leim kommt in verschiedenen Formen und Sorten in den Handel und zwar: a) als Gallert in Fässer verpackt (um den schwieri- gen Austrocknungsprozeß zu umgehen); b) in durchsichtigen , klaren, gelben bis braunen Tafeln (Mühlhäuser Leim, Kölner Leim); c) in undurch- sichtigen weißlichen bis bräunlichen, mit mehr oder minder großen Mengen Barytweiß versetzten Tafeln (Russischer Leim); d) als Gelatine ; diese ist ein mit ganz besonderer Sorgfalt hergestellter, völlig farbloser Leim, in ganz dünnen Tafeln. — Der Leim ist stickstoffhaltig und wird aus seinen Lösungen durch Gerbsäure niedergeschlagen. Auf dieser Eigenschaft beruht seine Be- nutzung als zeitweiliges Fixiermittel für Gerbsäure. Sonstige Verwendung findet Gelatine als Zusatz zum Farbbade bei Mustern mit Weiß ( Stein ); vornehmlich aber in der Appretur in allen den Fällen, wo eine gewisse Festig- keit und Steifheit neben kräftigem Griff erzielt werden soll. 7. Albumin, Eiweiß , wird in der Färberei nur sehr selten gebraucht; dafür bildet es einen Hauptartikel in der Zeugdruckerei. Es gibt sowohl tierisches als auch Pflanzeneiweiß. Hier interessiert uns nur das tierische. Dasselbe ist in reinem Zustande und reichlicher Menge in den Vogeleiern enthalten und bildet die weiße Hülle des Eidotters. Dieses reine Eiweiß kommt in neuerer Zeit als weißes lockeres, in Wasser leicht lösliches Pulver unter der Bezeichnung „ Trockenes Eiereiweiß “ in den Handel. Ge- bräuchlicher — weil billiger — ist das Blutalbumin . Das Eiweiß ist ein Hauptbestandteil des Bluts und wird daraus nach Entfernung des Blut- fibrins und des Blutfarbstoffes in eigenen Fabriken gewonnen. Es erscheint im Handel als hornartige, hellgelbe bis braune Blättchen, die in Wasser lös- lich sind, aber beim Erwärmen der Lösung über 70° oder durch Dampf, ferner durch verdünnte Säuren, Thonerdesalze, Zinksalze, Bleisalze und ähn- liche Körper dauernd in Wasser unlöslich werden; dagegen läßt sich unlöslich ge- wordenes Albumin durch Ammoniaksalze wieder in Lösung überführen. Auf dieser Eigenschaft beruht seine Verwendbarkeit in der Druckerei; es dient zur Fixierung unlöslicher Körperfarben. Das Albumin an sich besitzt direkte Verwandtschaft zu den Teerfarbstoffen und könnte daher sehr wohl auch als Beize dienen, ist dazu aber zu teuer. 8. Caseïn ist der bei der Molkenbereitung sich als unlöslich ausschei- dende Käsestoff. Als Handelsware bildet es ein gelbliches krümliges Pulver, welches in Wasser unlöslich ist, in alkalischen Flüssigkeiten oder in Borax- lösung sich dagegen löst. — Anwendung : Im Zeugdruck als Ersatzmittel für Albumin, da es in gelöster Form, ähnlich wie Albumin, durch Dämpfen koaguliert. 9. Harze . Fichtenharz und Kolophonium, die Rückstände von der Terpentinölfabrikation, kommen als hellgelbe, goldgelbe bis braune, harte, spröde, leicht zerreibliche Stücke mit muscheligem Bruche in den Handel; die Stücke sind an der Kante durchscheinend, auf der Oberfläche meist wie mit einem zarten Pulver bestäubt. Die gereinigten Harze müssen sich in kochender Sodalösung völlig ohne Rückstand lösen. — Anwendung : Vereinzelt für Bleicherei und Appretur. 10. Stearin ist die bekannte weiße Masse, aus der die Stearinkerzen gefertigt werden. Es bildet neben Glycerin den Hauptbestandteil einer An- zahl von Fetten, besonders festen Fetten. In den Stearinfabriken werden diese Fette — vorzugsweise Talg und Palmöl — durch Säuren oder Aetz- alkalien (Kalk) in ihre Bestandteile zerlegt. Das Stearin des Handels ist ein Gemenge von Stearinsäure und Palmitinsäure, und bildet weiße Blöcke oder Platten, welche bei 66° C. schmelzen. — Anwendung : Als Zusatz zur Appretur, besonders von Weißwaren, um den Geweben einen größeren Glanz und einen milden und feinen Griff zu verleihen. 11. Paraffin ist ein Produkt der trockenen Destillation der Braun- kohlen. Es wird in den Paraffin- und Solarölfabriken gewonnen und kommt als feste, weiße, durchscheinende, leicht weich werdende, bei 45 bis 70° schmelzende Masse in den Handel; es löst sich in Alkohol und Aether und läßt sich mit anderen Fetten und Oelen leicht zusammenschmelzen. — An- wendung : Als vorzügliches Appreturmittel, welches Weichheit, Glanz und einen schönen milden weichen Griff gibt. 12. Wachs ist ein sehr schönes, aber teures und daher nur beschränkte Anwendung findendes Appreturmittel. Es ist ein Produkt der Bienen und kommt in den Handel als a) gelbes Wachs, b) weißes Wachs. Letzteres ist das reinere, gebleichte Produkt und bildet runde, dünne, durchscheinende, weiße Scheiben von 12 bis 15 cm Durchmesser; es ist geruchlos, hart, brüchig, wenig löslich in Alkohol und Aether, leicht löslich in Benzin, Chloroform, Schwefelkohlenstoff; es schmilzt bei 63 bis 64° und läßt sich mit Fetten, Oelen und Harzen in jedem Verhältnis zusammenschmelzen. Es wird häufig verfälscht. Die Prüfung ist schwierig und wird, wenn es sich um verläßliche Resultate handelt, am besten einem Apotheker oder Chemiker übertragen. Zur Verfälschung dienen: Wasser, Stärke, Gyps, Schwerspath, Harz, Talg, Ceresin, Pflanzenwachs, Stearin und Paraffin. 13. Walrat stammt vom Pottfisch oder Potwal, Catodon macroce- phalus, einem Seesäugetier von ungeheuren Dimensionen, was am besten daraus hervorgeht, daß ein einziges Tier bis zu 5000 kg Walrat liefert, daß dieses ⅕ des gesamten Fettgehalts ausmacht und daß diese große Fett- masse von etwa 500 Centnern in einer Höhlung unterhalb des Schädels sich befindet. Es bildet schneeweiße, perlmutterglänzende, etwas durchscheinende, ein wenig fettig anzufühlende, großblätterige, zerbrechliche Krystallmassen von schwachem Geruch. Es schmilzt bei 45 bis 54°, ist in Wasser unlöslich, löst sich aber leicht in kochendem Weingeist, in Aether, Chloroform, Schwefel- kohlenstoff, wenig in Benzin und Petroleumäther. Bei längerem Liegen an der Luft wird er gelblich und ranzig; auf Papier hinterläßt er keinen Fett- fleck, andernfalls ist er verfälscht. Kochende Natronlauge greift ihn nicht an, worauf zugleich seine Prüfung beruht (Talg und Stearin, als Ver- fälschungen darin enthalten — werden verseift). Der Hauptbestandteil des Walrats ist Palmitinsäure-Cetyläther. — Die Hauptmenge der durchschnittlichen Jahresausbeute von etwa 130000 Centnern wird als Appreturmittel ver- wendet. 14. Diverse . Außer den bisher aufgezählten finden noch zeitweilige Verwendung oder sind zur Verwendung vorgeschlagen worden: Carragheen, Leinsamen und Salep , deren Schleim als Verdickungsmittel gebraucht wird; Ly-chow , ein grauweißes, in Wasser lösliches Pulver, allem Anschein nach eine schwach gebrannte Stärke; Gelose, Haï-Thao , japanischer Fisch- leim, eine Agar-Agar-Sorte, wie das vorige als Verdickungsmittel gebraucht; Japanwachs, Ceresin , und eine Anzahl von Surrogaten für die sub 1 bis 12 angeführten Körper, wie Pflanzenleim, Pflanzengummi, Appa- retin (eine konzentrierte Lösung von Stärke in Aetznatronlauge), Endos- min, Redarin u. s. w. Hierher gehört gewissermaßen auch noch das Ultramarin , jene schöne blaue Farbe, welche der Stärke zugesetzt wird, um das gestärkte Gewebe rein weiß erscheinen zu lassen. § 112. Hilfsmittel. Hier sollen nur noch einige Körper Erwähnung finden, die teils zeit- weilig noch Anwendung in der Färberei finden, teils als Hilfsmittel zur Prüfung und Untersuchung hinzugezogen werden. 1. Kleie ist die beim Mahlen der Getreidekörner abfallende, stickstoff- reiche und fettreiche Schale. Die Anwendung der Kleie beruht auf ihrem Eiweißgehalt, um durch denselben Farben auf der Faser zu fixieren. Die Kleie wird deshalb in Form des Kleienbades angewendet, welches die Waren nach dem Färben passieren. Nach Schmidt macht die Kleie die Färbung lebhafter und gleichmäßiger, aber auch schwächer. — Kleie dient ferner, besonders bei der Färberei der alten Schule, noch zum Weichmachen des Wassers und zum Austreiben des Kessels, was wohl auch seinem Ei- weißgehalt zu verdanken ist. Die Kleie waren Vorläufer des Albumins, welches in allen den Fällen, wo Kleie zur Verwendung gelangt, mit weit größerem Vorteil verwendet werden kann. 2. Walkerde . Zum Walken dient eine poröse Thonerde. Dieselbe wird fast allgemein mit gefaultem Harn angerührt und in der Mischung je nach der Feinheit der Tuche Schmierseife, Palmöl- oder selbst Olivenöl- seife mit aufgelöst. 3. Aether . Ein Produkt chemischer Fabriken; eine farblose, leicht be- wegliche und leicht flüchtige, sehr entzündliche Flüssigkeit von charakteristischem Geruche, nur sehr wenig löslich in Wasser. Er dient nur zur Prüfung auf die Löslichkeit und auf die Reinheit einiger im Färbereibetriebe häufiger vorkommender Fette und Appreturmittel, seltener als Fleckmittel. 4. Chloroform , CH Cl 3 . Eine farblose, schwere, leicht bewegliche und leicht flüchtige, aber nicht entzündliche Flüssigkeit von ätherartigem süßem Geruch; das Einatmen der Chloroformdämpfe erzeugt Bewußtlosigkeit, es ist daher bei der Anwendung von Chloroform Vorsicht anzuwenden. Es dient nur als Fleckmittel beim Detachieren. 5. Malz ist gekeimte Gerste, wie sie in Brauereien erzeugt wird. Ihr Gebrauch beschränkt sich auf das Abziehen der Stärke von verdorbenen Stücken, indem dieselbe durch Behandeln mit Malz in lösliches Dextrin übergeführt und dann durch Spülen leicht aus dem Gewebe entfernt wer- den kann. 6. Chemisch reine Salzsäure wird nur zur Prüfung auf einen Eisengehalt verwendet. Sie ist aus Apotheken zu beziehen und in einem mit Glasstöpfel versehenen Gläschen aufzubewahren. Zweiter Teil. Besonderer Teil. Die mechanischen Färbereiarbeiten (Operationen) und die dazu nötigen Apparate und Maschinen. § 1. Einleitung. Nachdem wir im ersten Teile des Handbuches die Gespinnstfasern, die verschiedenen natürlichen und künstlichen Farbstoffe, und die Chemikalien ken- nen gelernt haben, beschäftigt sich der zweite Teil mit dem vernunftgemäßen Aufeinanderwirkenlassen dieser Stoffe zum Zwecke der Erzeugung von ge- färbten Fasern, Gespinnsten oder Geweben. Die Erzeugung gefärbter Fasern oder die Färberei loser Wolle, Baumwolle ꝛc. kommt in allen den Fällen vor, in welchen es sich um ein gründliches vollkommenes Durchfärben der Faser handelt, ehe dieselbe versponnen und verwebt wird; es wird besonders bei der Wolle ge- handhabt, indem sowohl die lose Wolle als solche, oder das Vorgespinnst, d. h. die Streck- oder Krempelbänder, resp. der Kammzug, dem Färbepro- zeß unterworfen werden. Die Erzeugung gefärbter Gespinnste bildet das Gebiet der Garnfärberei und wird überall da angewendet, wo es sich um die Her- stellung von gefärbtem Garn entweder als Handelsartikel (Strickgarn, Näh- garn, Häkelgarn, Zwirn ꝛc.) oder als Kettengarn und Schußgarn für Weberei- zwecke handelt. Die Garnfärberei muß in allen den Fällen Platz greifen, wo es sich um Gewebe mit verschiedenen Farben handelt. Die Erzeugung gefärbter Gewebe umfaßt das Gebiet der Stück- färberei , welche in allen den Fällen angewendet wird, bei denen es sich um Färbung nur der obersten Gewebeschichten handelt und auf eine vollkommene Durchfärbung der inneren Gewebepartien kein Gewicht gelegt zu werden braucht. Diese Art der Färberei bedeutet also eine Farbstoff- ersparnis, hat aber den Nachteil, daß bei der Abnutzung beim Tragen solcher Gewebe leicht die minder gefärbten Gewebeschichten an die Oberfläche ge- langen, ein fataler Umstand, der sich z. B. bei dunkelblauen Militärtuchen bisweilen sehr unangenehm bemerkbar macht. Ein besonderes Gebiet der Stückfärberei ist die Kleiderfärberei . § 2. Die Färbereiarbeiten im allgemeinen. Die mit den zu färbenden Fasern, Garnen oder Stücken in der Färberei vorzunehmenden Arbeiten kann man füglich in 3 Teile zerlegen und zwar in: 1. vorbereitende Arbeiten, 2. Hauptarbeiten, 3. Vollendungsarbeiten. Die vorbereitenden Arbeiten umfassen alle jene Operationen, denen Fasern, Garne und Stücke unterworfen werden müssen, bevor sie zum eigentlichen Färbeprozeß zugelassen werden können. Diese vorbereitenden Arbeiten umfassen das Waschen, Trocknen und Bleichen . Die Hauptarbeiten umschließen die Vorbereitung der Farbstoffe, durch Zerkleinerung (Indigo), Extraktion (Farbhölzer), Lösen (Teerfarbstoffe), die Herstellung der Farbbäder, das Beizen der Fasern, um sie zur Auf- nahme des Farbstoffes tauglich zu machen, und das eigentliche Färben. Die Vollendungsarbeiten umschließen das Spülen, Schönen, Trock- nen, Mangeln, Dämpfen, Appretieren und event. Lüstrieren. Fast eine jede dieser Arbeiten zerfällt wieder in verschiedene Einzel- arbeiten, welche in den nachfolgenden Paragraphen ausführlich erörtert wer- den sollen. § 3. Das Waschen. Die Operation des Waschens zerfällt naturgemäß in drei weitere Ar- beiten: das Einweichen , das eigentliche Waschen und das Spülen . Das Einweichen ist für alle Arten von Fasern, Garn und Stücke das gleiche; es besteht im einfachen Hineinlegen in oder im Begießen mit der Waschflüssigkeit, als welche entweder Wasser, Pottasche-, Soda- oder Seifenlauge zu verstehen ist. Oft wird lediglich Wasser zum Einweichen verwendet und der Alkalienzusatz erst beim eigentlichen Waschen in Anwen- dung gebracht. Das Wasser selbst wird oft erwärmt, indem man heißen Dampf in dasselbe leitet; ein eigentliches Kochen findet beim Einweichen nicht statt. Das Einweichen geschieht in hölzernen Bottichen, Wannen oder Kufen, seltener in Kesseln. Das eigentliche Waschen ist eine mechanische Reinigung und kann durch Reiben mit den Händen, durch Drücken, Pressen, Quetschen unter Wasser oder Lauge, oder auch außerhalb der Flüssigkeit erfolgen, wenn die Ware hinterher wieder in die Waschflüssigkeit getaucht wird. Das Cha- rakteristische für den Waschprozeß ist die mechanische Reibung und der gleichzeitige Druck . Neben dem mechanischen Reinigungsprozeß läuft ein chemischer her, welcher durch die Alkalien, Pottasche, Soda, Seife inauguriert wird und in seinen theoretischen Umrissen bereits § 106 be- schrieben ist; er bezweckt die Befreiung des Fasermaterials von Schmutz, Fett, Staub, und allen jenen Bestandteilen, welche demselben durch die Be- handlung beim Verspinnen und Verweben zugesetzt werden (Oel, Stärke u. dergl.); er bezweckt die gleichmäßige Aufweichung des Fasermaterials, um ein gleichmäßiges Färben zu erreichen und den Fatalitäten einer fleckigen oder gestreiften Ware von vornherein aus dem Wege zu gehen; er bezweckt die Empfänglichmachung des Fasermaterials für die völlige Aufnahme von Farbstofflösungen und Beizflüssigkeiten, um zu verhindern, daß die Färbung nur ein mechanisches Obenaufliegen des Farbstoffes sei. Als Waschmittel sind gemeinhin Soda, Schmierseifen, auch wohl neutrale Natronseifen in Gebrauch. Nicht selten wird aber auch noch ge- faulter Harn zum Waschen verwendet. Diese Methode ist nicht anders als eine Schweinerei zu bezeichnen, denn wir haben treffliche Mittel, welche ebenso gut wirken wie gefaulter Harn und dabei größte Sauberkeit verbür- gen. Kohlensaures Ammoniak ersetzt den Harn voll und ganz und wird daher von Hummel mit Recht als vorzügliches Waschmittel empfohlen. Bei der Wahl der Seifen ist darauf zu achten, daß animalische Fasern (Wolle, Seide) in Alkalien löslich und in minder starken doch nicht ganz unlöslich sind; man wird daher wohl thun, will man das Fasermaterial nicht an Qualität und Quantität schädigen, bei Wolle und Seide nur neu- trale Natronseifen zu verwenden; dagegen ist es bei vegetabilischen Fasern wohl angebracht, Alkalicarbonate (Pottasche, besser Soda) und Seifen mit einem Gehalt an freiem Alkali (s. § 106) mit oder ohne Zusatz von Am- moniak anzuwenden. Gegen die Verwendung von Seifeurinde (Quillaya- rinde Quillayarinde ist die Rinde von Quillaya Saponaria, einem in Chile und Peru vorkommenden Baum aus der Familie der Spiraeaceen; sie bildet flach rinnen- förmige, lange Rindenstücke, welche außen hellbraun, innen schmutzig gelbweiß, ge- ruchlos, von kratzendem und scharfem Geschmack sind. ist nichts einzuwenden; ebensowenig gegen Zusätze wie etwa Harz- seife. Dagegen werden Zusätze wie Wasserglas, Kochsalz besser weggelassen; ihre Wirkung beruht lediglich auf Einbildung und sie können dem Wasch- prozesse nichts nützen. Dringend warnen aber möchte ich vor allen jenen mit großer Reklame angepriesenen Waschmitteln, welche unter allerhand Na- men (Bleichsoda, Doppelsoda, Waschkrystall) und in allerhand Packungen angepriesen werden; derlei Präparate sind nicht das, was sie sein sollen, und leisten nicht annähernd das, was sie nach der Angabe ihrer Erzeuger leisten sollen; sie haben zudem einen Preis, der ihren wahren Wert um das vielfache übersteigt; darum: fort mit solchen Geheimmitteln aus den Färbereien ! Das eigentliche Waschen kann in den gleichen Bottichen oder Kufen vorgenommen werden, wenn es als Handarbeit geübt wird. In größeren Färbereien wird das Waschen jedoch durchgehends mit Maschinen gehand- habt, und zwar sind die Maschinen verschiedenartig konstruiert, je nachdem es sich um das Waschen von loser Faser, von Garn oder Stücken handelt. Das Spülen kann entweder in fließendem Wasser vorgenommen wer- den und ist dann Handarbeit, oder es wird von Maschinen besorgt. Jede Waschmaschine kann natürlich auch als Spülmaschine wirken, sobald die Lange durch einfaches Wasser ersetzt wird. Es gibt aber auch Maschinen, welche die Wasch- und Spüloperation nacheinander auszuführen gestatten. § 4. Waschen loser Gespinnstfasern. Hierbei handelt es sich vorwiegend um das Waschen loser Wolle , und zwar soll hier nur dasjenige Waschen in Betracht gezogen werden, welches mit einer bereits entschweißten Wolle vorgenommen werden soll, mit einer Wolle also, welcher bereits durch die Rückenwäsche und die Fabrik- wäsche der Wollschweiß und das Wollfett entzogen worden ist. (Ueber diesen Teil der Wollwäscherei verweise ich auf das in § 5 unter Wolle, S. 16 und 17, bereits Gesagte.) Bei einer derartigen entschweißten Wolle wird die Operation des Ein- weichens füglich in Wegfall kommen können; man geht dann sofort zum Waschen über und benutzt als Waschflüssigkeit ein Seifenbad aus 2½ bis 5 Prozent einer guten Natronkernseife. Daß hierzu kalkfreies Wasser zu benutzen ist, versteht sich von selbst. In kleineren Färbereien vollführt man das Waschen der losen Wolle durch wiederholtes Umrühren, Untertauchen und Pressen an die Wandung des Waschgefäßes, Herausnehmen und Ab- laufenlassen der Waschflüssigkeit aus einem Siebe oder einem Fasse mit durch- löchertem Boden. In größeren Etablissements benutzt man besondere Wasch- maschinen. Hummel beschreibt die Maschine von Mc. Naught folgender- maßen: Die Maschine besteht aus einem großen, gußeisernen Troge, der mit einer sinnreichen Einrichtung von Gabeln oder Rechen versehen ist, die Wolle wird an einem Ende des Troges gleichmäßig auf einem endlosen Tuche aus- gebreitet. Beim Eintritt in die Maschine wird dieselbe sofort mittels einer durchlöcherten Platte unter die Oberfläche der Flüssigkeit gedrückt und lang- sam von den Zähnen des Hauptrechens bis an das andere Ende des Wasch- troges befördert, wo sie von den Zähnen des kleinen Rechens über das Ende hinaus gestoßen wird und in die Quetschwalzen gelangt. Die Rechen be- wegen sich in der Tiefe um etwa 45 cm langsam vorwärts, werden dann ganz aus der Flüssigkeit herausgehoben, gelangen durch eine schnelle Rück- wärtsbewegung in die ursprüngliche Lage und werden wieder in die Flüssig- keit gesenkt. Durch diese abwechselnde Bewegung wird die eingeführte Wolle sehr gleichmäßig in die Quetschwalzen geliefert. Der durch die letzteren ausgepreßte Seifensud sammelt sich in einem Behälter an und wird von da durch ein Rad wieder in den Waschtrog gehoben. Nachher wird die Wolle in einer ähnlichen Maschine mit Wasser gewaschen. Eine vollständige Wasch- einrichtung besteht aus wenigstens drei solchen Maschinen (Leviathan). C. H. Weisbach in Chemnitz hat zu gleichem Zwecke eine Wasch- maschine konstruiert, welche aus einem ovalen eisernen Bottich (Fig. 22) von 2 zu 3 m Größe besteht, ferner einem Wasserzufluß- und einem -Abflußhahn, einem durchlöcherten Doppelboden, einem mittleren Sockel und zwei in einen soliden eisernen Oberbau eingelagerte und durch Kurbelwellen angetriebene Rechen, welche eine beständige Bewegung und Wendung der zu waschenden Faser bedingen. Der Antrieb erfolgt durch Los- und Festriemenscheibe mit Ausrücker. Dieselbe Maschine dient auch zum Spülen. Rohe lose Baumwolle kann mit der gleichen Maschine ebenfalls ge- waschen werden. Dem gleichen Zweck gilt eine von derselben Firma gebaute noch einfachere Wasch- und Spülmaschine mit Holzbottich und Waschflügeln (s. Fig. 23 S. 320). Diese beruht auf den gleichen Prin- zipien wie die vorige; der Bottich ist aber etwas kleiner und aus Holz ge- fertigt; die Bewegung und das Wenden der losen Wolle oder Baumwolle wird an Stelle der Rechen hier durch einen Waschflügel bewirkt. Diese Ma- schine wird auch für Pelzfärbereien und zum Waschen von Strumpfwaren verwendet. Fig. 22. Waschmaschine für lose Baumwolle und Wolle. § 5. Waschen der Garne. Das Waschen der Garne hat den Zweck, den während des Spinnens denselben zugesetzten Gehalt an Oelen oder Fett zu entfernen. Wurden zum Spinnen wirkliche Fette und fette Oele ohne Zusatz von Mineralölen genommen, so bezweckt das Waschen eine einfache Verseifung dieser Fette durch Alkalien oder alkalische Seifen (bei den Pflanzenfasern) oder durch neutrale Seifen (bei Wolle). Anders liegt der Fall, wenn es sich um mit Mineralölen versetzte Fette handelt. Diese werden nicht verseift; sie sind zwar flüchtig, aber erst in einer Temperatur, welcher man die Gespinnst- fasern überhaupt nicht aussetzen darf; durch Trocknen sind die Mineralöle also nicht zu entfernen. Zebrowsky hat jüngst vorgeschlagen, zum Waschen und Entfetten loser Wolle Benzin anzuwenden Das Zebrowsky sche Patent erstreckt sich auf das Waschen und Bleichen roher loser Wolle mittels einer sehr verdünnten Schwefelsäure und darauffolgender Behandlung mit einer Lösung von Schwefeloxydchlorid in Benzin. ; dieser Vorschlag verdient wohl auch einige Beachtung für Garne, da es sich hier einzig und allein um eine Befreiung Fig. 23. Wasch- und Spülmaschine mit Holzbotlich und Waschflügeln. von Fett und Mineralöl handelt. Hierzu würde die Waschmaschine von Lommatsch sich vielleicht eignen. Dieselbe besteht aus einem großen oberen und zwei kleineren unteren Behältern, sowie einer Pumpe und Röhren nebst Gestell und Antriebsvorrichtung. In dem großen Behälter befindet sich eine Trommel, welche aus drei Kammern besteht, welche bezwecken, daß die Garne regelmäßig auf den ganzen Umfang der Trommel verteilt werden, ein Ver- wirren verhindert und ein gründliches Ausschleudern ermöglicht wird. Die unteren Behälter nebst Pumpe sind mit den oberen durch Röhren, welche mit Hähnen zum Abschließen versehen sind, verbunden. Wird das Benzin von einem unteren Behälter in den oberen gepumpt, so tritt durch das Aus- gleichsrohr die Luft des oberen in den unteren Behälter, wird es dagegen wieder abgelassen, so muß die Luft wieder auf demselben Wege in den obe- ren Behälter kommen. Die Pumpe kann an der Riemenscheibe ein- und ausgehängt werden. Sind die Kammern nun gefüllt, so wird der obere Be- hälter gut verschlossen und das Benzin eingepumpt. Hierauf wird die Trom- mel gedreht, wodurch die darin befindlichen Garne mit Benzin kräftig ge- waschen werden. Ist das genügend geschehen, so wird das Benzin wieder in seinen Behälter abgelassen. Will man ganz sorgfältig arbeiten, dann wird nochmals aus dem zweiten Behälter Spülbenzin eingepumpt und die Trommel wieder in Bewegung gesetzt. Ist man auch damit fertig, wird das Benzin wieder abgelassen und die Trommel mittels der großen Antriebs- vorrichtung in schnellste Rotation versetzt, wodurch die Garne rein ausge- schleudert werden, schließlich werden sie aus dem Apparat genommen, um das anhaftende Benzin vollständig verdunsten zu lassen. Hummel erwähnt in seiner „Färberei und Bleicherei der Gespinnst- fasern“ der Versuche Roths und meint, daß diese Versuche es wahrschein- lich erscheinen ließen, der Schwierigkeiten der Entfernung der Mineralöle auf dem Wege des Auswaschens Herr zu werden. Verfasser dieses Buches vermag aus den Versuchen Roths diese Ansicht nicht zu gewinnen. Da- gegen empfiehlt Verfasser, in allen den Fällen, wo man es mit be- merkbaren Mengen von Mineralöl zu thun hat, als Wasch- mittel an Stelle der Seife das ricinölsulfosaure Ammonium oder Natrium anzuwenden , dessen Emulgierungsfähigkeit die der üblichen Seifen bedeutend übertrifft. Verfasser hat das leichtflüssige Terpentinöl ohne Umstände mit Türkischrotöl auszuwaschen vermocht; Mineralöle von einer den Fetten nahekommenden Konsistenz werden sich daher noch leichter ent- fernen lassen. Die Anwendung von Türkischrotöl an Stelle von Seife ändert an der Operation des Waschens nicht das geringste und ebenso wenig an den dazu etwa verwendeten Maschinen. An Waschmaschinen zum Waschen von Garn ist kein Mangel. In kleineren Betrieben wird das Garn mit der Hand gewaschen, ähnlich wie beim Waschen loser Fasern angegeben wurde. Die Flüssigkeit wird mit Hilfe einer auf dem Boden der Waschkufe liegenden Dampfschlange oder auch mittels Gummischlauch auf die erforderliche Temperatur erwärmt, wiederholt umgezogen und dann durch zwei mit Kautschuk überzogene Holzquetschwalzen gehen gelassen, welche den Ueberschuß der Waschflüssigkeit auspressen. Schließ- lich folgt Spülen zuerst in warmem, dann in kaltem Wasser. In nachstehendem wollen wir den Garnwaschmaschinen eine erhöhte Aufmerksamkeit schenken, weil dieselben ohne oder doch nur mit geringen Aen- derungen zugleich als Färbemaschinen dienen können. Ganswindt , Färberei. 21 Garnwaschmaschine mit 4 Walzen (Fig. 24), von C. G. Hau- bold jun. Diese Maschine eignet sich namentlich, um Garne vor dem Fär- ben in Seife oder Soda zu waschen. Ueber einen viereckigen hölzernen Bottich mit der Waschflüssigkeit ragen von einem seitlich daneben befindlichen Gestelle zwei Walzenpaare; auf jedes Walzenpaar wird ein Strähn gebracht; von jedem dieser Walzenpaare ist die untere Walze geriffelt und festgelagert und erhält den Antrieb durch Stirnräder; die oberen dagegen sind glatt ge- dreht, liegen mit ihrer eigenen Schwere auf der unteren und können sich in ihren Lagern heben und senken, dienen somit als Quetschwalzen. Um die Garnsträhne während des Ganges bequem auflegen und abnehmen zu können, sind die Walzen an ihren freistehenden Enden konisch abgedreht. Die Garnstränge hängen mit ihrem unteren Teil in der Waschflüssigkeit. Leistung bis 500 kg pro Tag. Fig. 24. Garnwaschmaschine mit 4 Walzen. Garnwaschmaschine mit 6 Walzen (Fig. 25), von C. G. Hau- bold jun. Das Prinzip ist genau das gleiche, wie bei der vorigen Ma- schine; die Anordnung der Walzen ist aber eine doppelseitige; auf jeder Seite befinden sich 3 Walzen und je 1 Holz- oder Eisenkasten. Die Walzen sind so gelagert, daß je 2 kleine die untern bilden, auf welche das Garn gehangen wird; zwischen diesen kleinern Walzen liegt dann die dritte von größerem Durchmesser; diese ist mit Kupfer überzogen und dient als Quetsch- walze. Es kommen jedesmal 4 Garnsträhne zur Bearbeitung. Alles Uebrige erhellt ohne Weiteres aus der nachstehenden Zeichnung. Fig. 25. Garnwaschmaschine mit 6 Walzen. Garnwasch- und Spülmaschine oder Rundwaschmaschine von C. G. Haubold jun. (Fig. 26). Diese ist eine der jetzt wohl am häufig- sten zur Verwendung gelangenden Garnwaschmaschinen. Die Garnwasch- und Spülmaschine hat den Zweck, die umständ- liche, unzureichende und kostspielige Handwäscherei zu vermeiden und diese besonders im Winter für die Arbeiter so lästige Arbeit durch eine zu- verlässige Maschine zu ersetzen. Man baute zuerst Waschmaschinen mit einem einfachen Bottich und oberhalb mehrere rotierende Walzen. Diese Maschine dient heute noch für einzelne Zwecke, z. B. Einweichen in Soda, Seife, Oel, Lauge Beize ꝛc. 21* Fig. 26. Rundwaschmaschine. Es sind jetzt nur noch 2 Maschinen, die zur Ausführung kommen. Die veraltete Langwaschmaschine, bei welcher die Spulen auf einem endlosen Riemen auf zwei Seiten befestigt sind und eine rück- und vorwärtsgehende, rotierende Bewegung erhalten, und dann eine runde Waschmaschine mit rotierender Vor- und Rückwärtsbewegung ohne Drehung der Walzen. Die Rundwaschmaschine besteht aus einer soliden Fundamentplatte mit angegossenem Lagerständer für die 2 Hauptwellen der Maschine An der einen kurzen, starken, vertikalen Welle sind zwei in horizontaler Richtung drehbare große Räder befestigt, wovon das obere 12 resp. 24 Spulen in je zwei Lagern aufnimmt. Die Spulen bestehen aus einer Welle, auf deren Ende auf gußeisernem Boden viereckige Kupferwalzen befestigt sind. In der Mitte der Welle ist eine kleine konische Scheibe befestigt, die auf dem konisch gedrehten unteren großen Rad sich drehen kann. Außerdem besitzt dieses untere Rad ein Sperrrad, worin ein Sperrhaken eingreift, und einen Zapfen für die Bewegung. Dieser Zapfen, sowie auch das Rad, erhält durch eine Kurbel, an der zweiten vertikalen Haupt- und Betriebswelle befestigt, eine hin- und hergehende Bewegung. — Bei der Vorwärtsbewegung werden beide Räder zusammen von der Kurbel bewegt, dabei bekommen also die Spulen eine Vorwärtsbewegung. Indem die Kurbel jedoch zurückgeht, folgt ein Stoß, wobei die obere Scheibe mit den Spulen vorwärts bewegt resp. gestoßen wird, und bei dieser Bewegung müssen die Spulen sich um ihre Achse drehen. Die Rückwärtsbewegung wird, da das obere Rad von dem unteren festgehalten, für beide Räder gemeinschaftlich, und erhalten also die Spulen keine Bewegung um ihre eigene Achse . Dieses, und daß man durch eine Bremse während des Ganges der Maschine das mehr oder weniger Vor- wärtsrücken oder Spulen regulieren kann, ist von sehr großer Bedeutung und bietet sämtlichen anderen Waschmaschinen gegenüber einen großen Vorteil. Der runde, aus einem gußeisernen 3- resp. 6 teiligen Boden mit schmiede- eisernem Seitenkranz bestehende Wasserkasten hat auf einer Stelle eine Er- weiterung, in dessen Mitte sich zwei hölzerne Trennungswände befinden; auf der linken resp. rechten Seite erfolgt das Auflegen und Abnehmen der Garne. An der Abnahmestelle ist am Boden des Kastens ein Wasserzufluß- rohr angebracht. Das gebrauchte Wasser fließt über das eine Brett durch vier am Boden des Kastens angebrachte Löcher bei der Aufhängestelle ab. Das Garn muß also eine dem Wasser entgegengesetzte Bewegung machen, wobei, je reiner das Garn wird, desto reiner das Wasser entgegenströmt; dadurch ist das Waschen der Garne ein ganz vollkommenes. Der Antrieb der Maschine geschieht von der vertikalen Welle aus mit Los- und Fest- riemenscheiben. Zur Ausgleichung der Stöße ist ein großes Schwungrad und Gummipuffer angebracht. Der hier und da erhobene Einwand, daß durch die Wirkung der Zentri- fugalkraft die Wäsche der Garne eine einseitige werde, hat sich sowohl vom theoretischen Standpunkte aus, als auch auf Grund langjähriger Erfahrungen als durchaus hinfällig erwiesen. Zur Handhabung der Maschine sind zwei Mann notwendig, einer zum Abnehmen und einer zum Auflegen der Garnsträhne. Garnwaschmaschine (Fig. 27) von A. Wever \& Comp . in Barmen. (D. R. P. Nr. 7851.) Diese Maschine findet hauptsächlich in größeren Bleichereien, Türkischrot- und Kouleurfärbereien, überhaupt da Ver- wendung, wo es darauf ankommt, sehr große Quantitäten schnell zu waschen. Die Maschine ist auf gemauertem Fundament, welches gleichzeitig einen Wasserkanal bildet, montiert; die einzel- nen Teile der Maschine sind: die Funda- mentplatten mit Rahmen, der auf Kreis- segmenten bewegliche Spulenrahmen, mit Transportscheiben, Transportriemen mit 32 oder 40 Messingspulen. Die Spulen sind beiderseitig mon- tiert und ihre Bewegung erfolgt in einem in vertikaler Ebene liegenden Rund- lauf. Das zu waschende Garn wird an einer Seite aufgehangen und verläßt auf der anderen Seite gewaschen die Ma- schine; die Bewegung des Garnes ist eine dreifache: 1. eine hin- und hergehende, 2. eine im Bündel (Strähn) sich drehende, und 3. eine auf- und absteigende. Der Antrieb der Maschine kann von der Trans- mission durch Riemen oder durch ein direk- tes Dampfmaschinchen erfolgen, und die- nen zur Bewegung eine Kurbel und ein Rädervorgelege und zur Ausgleichung ein Schwungrad. Der Lauf des Wassers ist dem Lauf des Garnes entgegen und kann die Be- wegung des Garnes so reguliert werden, daß das Garn bei einem Durchlauf 30 bis 25 oder 20 mal hin- und hergezogen wird. Zur Bedienung der Maschine sind 4 Personen erforderlich; dieselben waschen pro Stunde event. bis zu 2000 Garn- strähne. Fig. 27. Garnwaschmaschine. Garnwaschmaschine ohne Rundlauf . (Langes System.) Fig. 28. Diese Maschine ist für mittlere und kleinere Färbereien und Bleichereien sehr zu empfehlen. Die Messingspulen liegen zu beiden Seiten der Ma- schine in einem Spulenrahmen, der wiederum parallelogrammartig an einer auf Säulen ruhenden Traverse schwingend angeordnet ist. Sehr einfach konstruierte und sicher arbeitende Mechanismen bewirken eine hin- und hergehende und eine drehende Bewegung des Garnes. Unter jeder Spulen- reihe befindet sich ein Wasserkasten mit regulierbarem Zu- und Abfluß. Der An- trieb der Maschine erfolgt durch Riemenbetrieb oder ein direktes Dampfmaschin- chen, und ist die Geschwindigkeit derselben sowohl wie die Größe des Hin- und Herganges regulierbar. — Zur Bedienung gehören je nach Größe 1 bis 2 Leute. Fig. 28. Garnwaschmaschine ohne Rundlauf, von C. H. Weisbach in Chemnitz. Garnwaschmaschine mit fix gelagerten Spulen . (Fig. 29.) Diese Maschine findet hauptsächlich für Leinengarne, Seide ꝛc. Ver- wendung. Sie besteht aus dem starken eisernen Gestell, auf diesem sind in verschiedener Anzahl (5, 6, 8 und 10 in Reihe) die Waschköpfe montiert. Sämtliche Waschköpfe sind durch Stirnräder angetrieben und hohl , und stehen mit einer daneben liegenden Wasserleitung in Verbindung, so daß ununterbrochen frisches Wasser durch jeden einzelnen Strang fließt, deswegen eignet sich diese Maschine auch besonders gut zum gleich- zeitigen Waschen verschieden kouleuriger Garne . Unter den Spulen befindet sich auch ein Wasserkasten und mit den Strähnen in Verbindung steht ein beweglicher Rechen, welcher dem Garn eine hin- und hergehende Bewegung erteilt. Zur Bedienung der Maschine ist nur eine Person erforderlich. Fig. 29. Garnwaschmaschine mit fix gelagerten Spulen, von C. H. Weisbach in Chemnitz. Kleine Garnwaschmaschine von A. Wever u. Comp . (Fig. 30.) (Deutsches Reichspatent.) Diese Maschine unterscheidet sich von der Fig. 27 beschriebenen Maschine derselben Firma dadurch, daß die Spulen hin- und hergezogen werden und sich um ihre Achse drehen, aber nicht von einer Seite der Maschine zur andern rücken, so daß das Garn nicht wie bei der größeren Waschmaschine zuerst im gebrauchten Wasser und am Ende der Waschung in rein zufließendem Wasser gewaschen wird. Die Antriebswelle mit Fest- und Losscheibe endigt in einer Kurbel, welche mittels Kurbelstange den Spulrahmen hin- und herzieht. Fig. 30. Kleine Garnwaschmaschine. Mit der Aufzählung der beschriebenen Maschinen ist dieses Gebiet der Maschinenkunde indes noch keineswegs erschöpft; so beruht z. B. die Garnwasch- maschine von Durancon und Lapierre auf dem Prinzip des Schlagens der Garnsträhne ; eine andere Maschine beruht wiederum auf dem Prinzip des Stampfens der Garne (Stampfwaschmaschine). Bei dieser ist der hölzerne Waschbottich drehbar und das Waschen wird durch Stampfen aus- geübt, welche durch eine horizontale Welle mit Hebedaumen auf und nieder bewegt werden (s. weiter unten). An die Garnwaschmaschinen reihen sich die Spülmaschinen , welche fast durchweg als Waschmaschinen bezeichnet werden. Die älteste und ein- fachste dieser Art ist wohl die Garnfacherspülmaschine der Zittauer Ma- schinenfabrik und Eisengießerei, bei welcher sich über einem ovalen mit Ab- flußrohr versehenen hölzernen Bottich eine durch Kurbelscheibe getriebene Fachvorrichtung hin- und herbewegt, an welcher sich die die Garne enthal- tende Leiste befindet, so daß durch die Facherbewegung das Garn genau so bewegt wird, wie beim Spülen mit der Hand. Dieselbe Fabrik baut kombinierte Garn-, Wasch- und Spül- maschinen mit einem durch Kurbel hin- und herbeweglichen Rahmen aus Gußeisen, auf welchem kupferne Spulen aus Gußeisen in einer Spindel ge- lagert sind, auf welcher Zahngetriebe sitzen, die in eine feststehende Zahn- stange eingreifen und dadurch abwechselnd rechts und links rotierende Be- wegung erhalten. Durch diese Vorrichtung wird genau dieselbe Bewegung der Garne hervorgebracht, wie beim Waschen mit der Hand durch Hin- und Herschleudern und gleichzeitiges Drehen im Wasser. Eine weitere Garnwasch- und Spülmaschine derselben Fabrik (Fig. 31) kennzeichnet sich durch 5 über einen cementierten Wasserbottich in Metalllagern laufende Haspel mit selbstthätiger Vor- und Rückwärtsumdrehung durch Riemenscheibenbetrieb, wodurch ein beständiges Umziehen der Garne erzielt wird. Fig. 31. Garnwasch- und Spülmaschine. Eine der neuesten, sinnreich konstruierten Maschinen ist die von Corron (D. R.-P. 42302). Diese Maschine dient nach der Patentschrift zum Waschen und Färben von Garn aus Seide, Wolle, Baumwolle oder allen anderen Ge- spinnstfasern in Strähnen. Die Strähne werden bei dieser Maschine nicht nur in der Flotte hin- und herbewegt, sondern auch auf Stöcken aus der Flotte gehoben und an einer anderen Stelle wieder in dieselbe eingetaucht, und schließlich wird auch das Umziehen der Strähne durch die Maschine selbst verrichtet. Letztere Arbeit besteht bekanntlich darin, daß die Strähne auf ihren Trägern, den Stöcken, so gewendet werden, daß derjenige Teil der Strähne, welcher am tiefsten in die Flotte eingetaucht war, auf die obere Fläche des Stockes zu liegen kommt. Derjenige Teil der Maschine, welcher die Stöcke hebt und senkt und das Umziehen der Strähne bewirkt, besitzt eine hin- und zurückgehende Be- wegung, so daß man die Gespinnste der Einwirkung der Flotte solange, wie man will, aussetzen kann . Der eben erwähnte Teil der Maschine mit hin- und hergehender Be- wegung auf der Kufe besteht aus einem Wagen mit Armen oder mit ge- zahnten Scheiben, welche die Stöcke nacheinander ergreifen und heben und dieselben nachher wieder auf die Ränder der Kufe niederlegen. Das Umziehen der Strähne kann während der hin- und zurückgehenden Bewegung der Stöcke oder während nur einer dieser Bewegungen statt- finden. Apparat und Verfahren zum Färben, Waschen, Bleichen aller Arten von Garn im Strang , Fig. 32. (D. R. P. 40174 vom 28. Okt. 1886. Erhardt Dittmar u. Oskar Zehmisch , Brünn.) Das Garn erhält mit Hilfe der zur Aufnahme der Strähnen be- stimmten rotierenden, flachen Latten h und vertikal unter denselben befind- lichen ovalen Latten i eine der schleudernden Bewegung der Hand nach- geahmte Bewegung. Bürsten k , welche parallel zu den Latten angeordnet sind, verhindern hierbei ein Aufwickeln der Fäden auf die letzteren. Ein seitliches Schwanken und daraus entstehendes Ineinanderwirren der Strähnen wird durch in den vertikal beweglichen Kasten a der Länge nach eingesetzte Stäbe j verhütet. Fig. 32. Apparat zum Färben, Waschen, Bleichen. In den Fällen, wo ein Waschen mit gleichzeitigem Walken beabsichtigt wird, insbesondere für baumwollene und leinene Garne, wird die Stampf- waschmaschine (Fig. 33) angewendet. Der hölzerne Bottich ist um eine vertikale Achse drehbar, während Stampfen, welche durch den aus der Zeich- nung ersichtlichen Mechanismus mittels Hebedaumen gehoben werden, in dem- selben auf- und niedergehen. Die Hebedaumen befinden sich auf der Antriebs- welle (Zeichnung rechts). Der Bottich hat doppelten Boden und am unteren Umfang einen Zahnkranz, durch welchen er seine Bewegung erhält. Damit die der Drehachse des Bottichs naheliegende Ware nicht mehr Schläge erhält, als die nach dem Rande hin, werden die entsprechenden Stampfen weniger oft, oder auch weniger hoch gehoben. Diese Maschine wird bisweilen auch zum Stärken baumwollener Ware verwendet. Fig. 33. Stampfwalke der Zittauer Maschinenfabrik. Von der üblichen Drehung um die eigene Achse abweichend ist die Patentierte Waschmaschine von E. ter Welp in Berlin (D. R.-P. Nr. 38300), (Fig. 34), welche sich durch eine diagonal gelagerte Trommel und wechselnde Drehrichtung charakterisiert. Der wesentlichste Teil dieser Maschine ist die Trommel von kanneliertem Kupferblech, dessen Achse nicht mit der geometrischen Cylinderachse zusammenfällt, sondern in der Diago- nale des rechteckigen Cylinderquerschnittes liegt. Das Innere des Cylinders ist vollständig leer; die beiden Zapfen, auf welchen der Cylinder ruht, sind hohl, so daß durch den einen Dampf, heißes oder kaltes Wasser und event. selbst Lauge in das Innere geleitet werden und durch den andern wieder heraus- Fig. 34. Waschmaschine. gelangen können. Am Eingangszapfen befindet sich ein Gabelrohrstück, mit welchem die Rohrleitungen für Dampf und Wasser zu verbinden sind. Zum Füllen des Cylinders dient eine im Cylindermantel befindliche ovale, mit- tels eines durch einen Hebelarm abnehmbaren Deckels verschließbare Ein- füllöffnung. Fig. 35 zeigt die Maschine mit dem abgenommenen Deckel. Ist die Maschine mit den Garnen beschickt, so beginnt die Umdrehung der Maschine; infolge der geneigten Lage des Cylinders wird die eingelegte Ware nicht allein in der Umdrehungsrichtung an die Cylinderwandung ge- schleudert, sondern gleichzeitig in der Längsachse hin- und hergeschoben, da- durch erfährt der Inhalt der Trommel eine beständige Veränderung seiner Lage. Der Antrieb der Maschine geschieht mittels offenen und gekreuzten Riemens, wodurch der Cylinder wechselweise vor- oder rückwärts bewegt werden kann; am Antrieb befindet sich eine Vorrichtung, welche nach einer bestimmten Anzahl von Umdrehungen die Richtung der Bewegung selbst- thätig in das Gegenteil verkehrt. An der tiefsten Stelle des Cylinders be- findet sich ein Ablaßhahn für die Waschflüssigkeit. Damit die gewaschenen Garne aus der zum Stillstand gebrachten Maschine nicht herausgehoben zu werden brauchen, ist unterhalb des mit einem Zahnrad versehenen Einzugs- zapfens eine Kurbelvorrichtung angebracht, durch welche die geöffnete Trommel bequem gewendet werden kann, so daß die Garne in eine darunter befindliche Garnwage fallen können. Fig. 35. Waschmaschine mit dem abgenommenen Deckel. Werden 2 solcher ter Welp schen Maschinen derart vereinigt, daß 2 Trommeln von einem Antrieb getrieben werden, so entsteht die Zwillings- Waschmaschine . Sie besitzt den Vorteil, daß jederzeit jede der beiden Trommeln einzeln zum Stillstand gebracht werden kann. Dadurch wird ein ununterbrochenes Arbeiten ermöglicht, weil in derselben Zeit, wo die eine Maschine entleert und neu gefüllt wird, die andere sich in Thätigkeit befin- det, und umgekehrt. § 6. Waschen von Geweben. Das Waschen von Geweben oder das Waschen im Stück bezweckt genau dasselbe Resultat, wie das Waschen der Garne: Befreiung des Ge- webes von allen ihm aus dem Spinn- und Webprozesse anhaftenden mechani- schen und chemischen Verunreinigungen, wie Staub, Fett u. dergl. Es kommen also für das Wesen der Wäsche dieselben Grundsätze zur Anwen- dung, wie bei der Garnwäscherei; auch betreffs der Wahl der Waschmittel ist nichts Neues hinzuzufügen. Dagegen ist die Praxis des Waschens im Stück mit mehr Schwierigkeiten verknüpft, als die der Garnwäsche; dieselben werden hervorgerufen durch die eigentümliche Form des Stückes. Hat man es mit einfachen Geweben zu thun, so sind lediglich die Schwierigkeiten zu Fig. 36. Waschrad. überwinden, welche die Stückform als solche bietet; ist das Gewebe aber ein gemischtes , so kommen noch die Schwierigkeiten hinzu, welche durch die abweichenden physikalischen Eigenschaften der verschiedenen Gespinnstfasern bedingt werden. Wird die Stückwäscherei mit der Hand ausgeführt, so unterscheidet sie sich in nichts von der gewöhnlichen Hauswäsche; sie besteht alsdann im Ein- weichen, Anseifen und partienweisen Durchreiben mit den Händen. Die ein- fachste Vorrichtung, bei der das Reiben mit den Händen durch mechanisches Reiben und mechanischen Druck in einem sich um seine Achse drehenden Cylinder bewirkt wird, ist das Waschrad (Fig. 36), welches auch für Garn benutzt wird. Dasselbe besteht aus einem radförmigen, hölzernen, durch schmiedeeiserne Reifen verbundenen Gefäß von etwa 2 m Durchmesser und 80 cm Breite und wird durch Unterschiedswände in 4 Kammern ge- teilt. Jede Kammer ist mit einem Mannloch versehen, durch welches die zu waschende Ware in die Kammern eingelegt wird. Die Außenwand jeder Kammer ist mit einigen kleineren Oeffnungen versehen, welche ein Auslaufen des Schmutzwassers gestatten. Die Achse des Rades ist im größeren Teil hohl und dient für den Wasserzulauf; von derselben strömt durch besondere Leitung das Wasser nach jeder Kammer. Die Drehung eines Rades von genannter Dimension erfolgt durch Dampf; Waschräder von kleineren Dimen- sionen können durch eine Kurbel in Betrieb gesetzt werden. Während der Rotation überschlägt sich die Ware beständig und das Waschen wird bewirkt durch die Reibung an den Kammerwänden und den eigenen Druck. Das Waschrad besitzt indessen Nachteile, welche seiner ausgedehnteren Anwendung hinderlich sind: es gestattet nicht das Waschen größerer Posten auf einmal und setzt eine Zerstückelung des Materials voraus. Aehnliche primitive Stückwaschmaschinen sind die Stampfwasch- maschine und die irischen Waschwalken (Fig. 37 a und b ), deren Prinzip auf S. 328 bereits erwähnt wurde. An diesen Waschhämmern befindet sich das zu waschende Gewebe (oder Garn) in einem eisernen oder hölzernen Kasten, über welchem ein massives Holzgerüst sich erhebt, an welchem die a b Fig. 37 a und b. Waschwalken (Irische Waschhämmer). schweren hölzernen Hämmer oder Klöppel angebracht sind, welche durch eine seitlich unterhalb des Kastens angebrachte Welle mit Hebedaumen nachein- ander gehoben werden, und beim jedesmaligen Niederfallen die Lage der auszuwaschenden Ware verändern. Die Stückwaschmaschinen neuerer Konstruktion zerfallen in zwei große Abteilungen: 1. Strangwaschmaschinen , bei denen die Ware durch Zusammen- legen die Form eines Stranges erhält und in dieser Form — als Strang — entweder einen kontinuierlichen Kreislauf oder einer Spiralbewegung unter- worfen wird. 2. Breitwaschmaschinen , bei denen die Stücke in voller Waren- breite zum Waschen gelangen. Zu den gebräuchlichsten Maschinen der ersteren Klasse gehört die Strangwaschmaschine für alle Arten Waren in losem Strang , wie sie durch die nachstehende Fig. 38 im Durchschnitt dargestellt wird; sie besteht in der Hauptsache aus zwei Ausquetschwalzen, gewöhnlich aus Buchen- Fig. 38. Strangwaschmaschine. holz, einem großen hölzernen, in ein starkes Eisengestell eingelassenen Kumpf mit durchlöchertem Boden und Abflußklappe, Strangführung, Leitwalze und Haspeln. Der Strang läuft endlos durch die hölzernen Quetschwalzen, wird über eine Leitwalze eingeführt und durch einen Leithaspel in den Kumpf zu- rückgefacht. Dieser enthält gewöhnlich 3 bis 4 Fächer, jedes mit einer Strangführung versehen. Wird die Maschine zum Spülen benutzt, so be- findet sich unter den Quetschwalzen ein Holzkasten mit Ablaufrohr, um das ausgequetschte Waschwasser aufzufangen und abzuführen. Solche Maschinen baut die Zittauer Maschinenfabrik und Eisengießerei, vorm. A. Kiesler \& Comp . in Zittau und die Firma C. G. Haubold jun. in Chemnitz. Letztere Fabrik baut dieselben auch mit freistehendem Kumpf nach beifolgender Zeichnung (Fig. 39). Fig. 39. Große Strangwaschmaschinen (Fig. 40 a und b ), namentlich für baumwollene und leinene Bleichwaren, wie sie nachstehend durch Querschnitt und Längsansicht veranschaulicht werden, baut die Zittauer Maschinenfabrik. Diese Strangwaschmaschine besteht aus einem starken Eisengestellt, zwei Holz- walzen, darauf zwei kleinere Druckwalzen von Pockholz, mit Schraubendruck und Gummipuffern, einem großen Leithaspel, einem selbstthätig hin- und herbe- weglichen Rechen für die Strangführung mit selbstthätiger Ausrückung resp. Knotenfänger, sowie mit zwei Porzellanringen für Ein- und Ausgang der Ware und einem Kasten zum Entfernen des Abquetschwassers. Der Verlauf der Strangführung ist in der Zeichnung durch Pfeile angedeutet. Für große Etablissements eignet sich besonders die Continue-Strang- waschmaschine (Fig. 41) der Firma C. H. Weisbach in Chemnitz. Diese Waschmaschinen werden auch zu zweien kombiniert und durch einen entgegengesetzt der Ware laufenden Wasserkanal verbunden. Es läuft also der Strang kontinuierlich durch beide Maschinen und fließt das Wasser dort ein, wo der Strang gereinigt ist, und da aus, wo der Strang eintritt. Die Maschine wird über ein Bassin montiert und besteht aus den starken eiser- Ganswindt , Färberei. 22 Fig. 40 a und b. Große Strangwaschmaschine. nen Gestellen, den zwei 3 m langen Quetschwalzen mit Hebeldruck und Ge- wichtsbelastung, der wechselnden Rechenführung mit selbstthätiger Ausrückung bei Knotenbildung, den zwei oberen Zug- und Auspreßwalzen aus Pockholz mit Hebeldruck und Gewichtsbelastung und den Porzellanringen an den Strang- Ein- und Ausführungsstellen. An der hinteren Seite der Maschine befindet sich ein Spritzrohr und eine Abhaspelwalze. Der Antrieb der Maschine geschieht durch einen mit der Hauptwelle der Transmission verbundenen Riemen. Eignet sich vornehmlich für Cottonbleichereien. Fig. 41. Continue-Strangwaschmaschine. Dieselbe Firma baut noch zwei Strangwaschmaschinen , welche den Vorteil haben, zugleich als Breitwaschmaschinen benutzt wer- den zu können. Die Strangwaschmaschine mit im Kreislauf geführtem Strang (Fig. 42) besteht in der Hauptsache aus dem hölzer- nen Wasserkasten, starken eisernen Gestellwänden, welchem ein Quetschwalzen- paar eingelagert ist, unter welchen ein Behälter für Aufnahme des Schmutz- wassers sich befindet; endlich gehören dazu die Strangführungsrechen, eine Leitwalze und eine angetriebene Abhaspelwalze. Der Antrieb erfolgt durch zu Seite 338. Fig. 42. Strangwaschmaschine mit im Kreislauf geführtem Strang. Los- und Festriemenscheibe mit Ausrücker. Soll diese Maschine als Breit- waschmaschine dienen, so müssen die Strangführungsrechen in Wegfall kom- men oder sie werden, — falls die Maschine beiden Zwecken dienen soll — zum Herausnehmen eingerichtet. Diese Maschine eignet sich für Zanellas, halbwollene und wollene Damenkleiderstoffe leichter Qualität. Die Strangwaschmaschine mit Druckregulator der Firma C. H. Weisbach in Chemnitz zeigt Fig. 43 im Querschnitt. Dieselbe ist nach einem außerordentlich kräftigen Modell gebaut und besteht aus den eisernen Ge- stellwänden, einem durch Holz verkleideten Oberbau, einem sehr starken höl- zernen Flottenkasten mit separatem Abfluß und zwei Holzwalzen mit Spritz- rohr. Die Oberwalze kann gegen die Unterwalze durch einen Druckregulator eingestellt werden. An der Maschine befindet sich auch eine Leitwalze, eine Fig. 43. Strangwaschmaschine mit Druckregulator. 22* Lattenwalze zum Abfachen und die (herausnehmbaren) Strangführungen. Der Antrieb erfolgt wie bei der vorigen. Die Maschine findet hauptsächlich Verwendung zum Auswaschen stärkerer wollener Waren, wie Tuche, Decken, Kammgarnstoffe. Zu den Strangwaschmaschinen müssen auch die Sylinderwalken (Fig. 44) gerechnet werden. Diese dienen besonders zum Waschen und Walken von Flanellen, Kleider- und Mäntelstoffen, und bestehen aus einem großen höl- zernen Waschkasten, welcher in solidem Eisengestell ruht, von vorn und hin- ten leicht zugänglich und mit zwei Thüren versehen ist. Im Innern befinden sich die Walkcylinder (Roulettes), deren Stellung zu den übrigen Teilen der Maschine je nach dem angewendeten Systeme verschieden ist. Die Strang- führung wird durch Porzellanringe bewirkt. Fig. 44. Cylinderwalken von Ernst Geßner in Aue. Von den eigentlichen Breitwaschmaschinen gehören zu den gangbarsten: Die Breitwaschmaschinen der Zittauer Maschinenfabrik, besonders für wollene, halbwollene und halbseidene Stoffe, als: Orleans, Rips, Damast, Zanella, Alpaca, Gloria u. dergl. Diese Maschine (Fig. 45) besteht aus einem dreiteiligen, behufs bester Wasserausnutzung etagenförmig angeordneten Holzkasten. Die Quetschwalzen sind von Eisen und mit Doppelhebeldruck versehen. Die weitere Anwendung, sowie der Weg, den die Ware zu nehmen hat über die Leithaspeln, Spann-, Abzieh- und Fachvorrichtung, er- gibt sich aus der Zeichnung. Zu Seite 341. Fig. 46. Breitwaschmaschine Z. X. Fig. 45. Breitwaschmaschine. Auf den gleichen Prinzipien beruht die Breitwaschmaschine Z X von C. G. Haubold jun. , Chemnitz, welche Fig. 46 in der Gesamtansicht darstellt. Die Hauptbestandteile dieser Maschine sind: Waschtrog, Leitwalzen, Quetschwalzen, Ab-, Aufwickel- und Legevorrichtung, Antrieb. Der Wasch- trog ist aus bestem Kiefernholz fest zusammengefügt und durch Zwischen- wände in mehrere, gewöhnlich 2 bis 3 Abteilungen getrennt. Auf dem Troge ist am Eingang die Abwickelvorrichtung und der Faltenlegeapparat, in der Nähe der Zwischenabteilungen die Quetschwalzen und im Boden die Ablaßventile zum Entleeren an geeigneter Stelle angebracht. Die Leit- rollen bilden einen weiteren wichtigen Teil der Maschine, da von deren zweckmäßigen Anordnung die Erzielung einer gründlichen Wäsche hauptsächlich abhängt. Die Leitwalzen sind solche, welche im Kreise herumgeführt werden und bilden die vier Arme eines Kreuzes (Waschflügel) an ihren Enden die Lagerungen für dieselben. Bei dieser Anordnung wird das Gewebe ener- gischer mit dem Wasser in Berührung gebracht und dadurch ein schnelles und gründliches Waschen ermöglicht; es ist noch zu bemerken, daß man selbst verhältnismäßig dünne Gewebe waschen kann, ohne daß dieselben in irgend einer Weise strapaziert oder bei leidlicher Behandlung beschädigt werden. Am Ende jeder Abteilung befinden sich die Quetschwalzenpaare, durch welche nach dem Verlassen der Leitwalzen das Gewebe seinen Weg nehmen muß, bevor es durch die darauffolgende Trogabteilung geführt wird. Die Quetsch- walzen sind von Eisen, gewöhnlich mit Stoff umwickelt und circa 180 bis 200 mm im Durchmesser; die obere erhält Gewichtsbelastung. Vor dem Ein- tritt in ein Quetschwalzenpaar wird das Gewebe extra noch durch ein Spritz- rohr mit reinem Wasser abgespült. Nach dem Verlassen der letzten Quetsch- walzen wird das Gewebe entweder auf Rollen gewickelt oder über der Maschine zurück nach dem Legeapparat geführt und hier gefaltet. Der An- trieb erfolgt durch Los- und Festriemenscheibe. Diese Maschine dient haupt- sächlich zum Waschen starker Waren, als: Velvet, Kalmuck, Druckwaren ꝛc. Komplizierter im Bau und ohne die etagenförmige Anordnung der Wasserkästen ist die Breitwaschmaschine mit Warenführung durch Leitwalzen , Fig. 47, von C. H. Weisbach in Chemnitz. Auf durch Traversen ver- bundenen kräftigen eisernen Gestellwänden sind in den Kästen eine entsprechende Anzahl Auspreßwalzenpaare eingelagert und von einer gemeinschaftlichen Schaft- welle mittels konischer Räder angetrieben. Die Preßwalzenpaare sind aus Holz oder Eisen und können im letztern Falle mit Kupfer-, Messing- und Gummiüberzügen versehen werden. Hinter, Fig. 47. Breitwaschmaschine mit Warenführung durch Leitwalzen. Zu Seite 343. Fig. 48. Breitwaschmaschine mit in den Kästen liegenden Platsch- und Transporthebeln. resp. vor jedem Auspreßwalzenpaar befindet sich ein Wasserkasten, in welchem eine entsprechende Anzahl runde oder viereckige Leitwalzen oben und unten eingelagert sind, um die Ware im senkrechten Lauf durch die Waschflotte zu führen. Die viereckigen Leitwalzen haben den Vorzug, der Ware gleich- zeitig eine hin- und hergehende spielende Bewegung zu geben. Die Maschine ist versehen mit Einlaßvorrichtung für aufgerollte und getafelte Ware, sowie mit einer Aufwickelvorrichtung und Legezeug. Die Maschine wird in verschiedener Kastenzahl ausgeführt, und dienen die mit größerer Kästenzahl auch als Netz-, Säure- und Spülmaschinen , sowie als Degummier- oder Kuh- mistmaschine. Eine kompliziertere Maschine derselben Firma ist die Breitwaschmaschine mit in den Kästen liegenden Pflatsch- und Transporthaspeln , Fig. 48. Diese Maschine besteht aus den starken hölzernen, mit gußeisernen Eckschienen befestigten und durch Schrauben ver- ankerten Waschflottenkästen. Jeder Kasten besitzt ein Ablaßventil, und über jedem Kasten liegt ein angetriebenes eisernes Ausquetschwalzenpaar mit Schmutzwasserkasten und Spritzrohr. Die eisernen Ausquetschwalzen können auf Wunsch mit Kupfer-, Mes- sing- oder Gummiüberzügen versehen werden. In jedem Kasten liegen einige Leitwalzen, welche die Waren auf- und abführen, und 3 von außen durch Stirnräder angetriebene Haspeln mit Leitrollen oder sogenannte Waschflügel , deren Umfangsgeschwindigkeit mit der der Auspreßwalzen genau übereinstimmt. Durch die vorbezeichneten Waschflügel wird einesteils dem Wasser eine starke Bewegung, andernteils dem Stoff eine fortwährend veränderte Richtung im Lauf gegeben und dadurch eine energische Reinigung herbeigeführt. An jeder Maschine befindet sich eine Einlaßvorrichtung für aufgerollte Ware und ein windenförmiger Bremsapparat für getafelte Ware; die ge- reinigte Ware kann am letzten Ausquetschwalzenpaar aufgerollt oder über Leitwalzen oberhalb der Maschine hinweg nach einem Legezeug geführt werden, so daß Ein- und Auslauf der Ware auf einer Seite ist und kann, wenn erforderlich, eine Partie Ware ohne Unterbrechung auch mehr als einmal durchgewaschen werden. Die Maschine kann sowohl zum Warm - als Kaltw aschen, ebenso zum Aussieden, wie als Breitseifmaschine verwendet werden und übt auf die Bindung des Gewebes insofern durchaus keinen nachteiligen Einfluß aus, als alle Transobjekte genau mit der gleichen Geschwindigkeit angetrieben sind. Abweichend von den bisherigen ist die Ripswaschmaschine von C. H. Weisbach in Chemnitz (Fig. 49). Diese besteht aus den eisernen Gestellen mit Lager und Lagerständern, zwei hölzernen Waschtrögen mit Leitwalzen; über den Trögen befinden sich je ein Paar hölzerne oder eiserne Quetschwalzen mit Hebeldruck und Gewichtsbe- lastung; außerdem besitzt die Maschine noch einen windenförmigen Brems- apparat am Einlaß und doppelseitige Antriebsriemenscheiben. Diese Maschine findet hauptsächlich Verwendung zum Auswaschen und Auslaugen fettiger Stoffe, von wollenen und halbwollenen Ripsen, Thibets u. dergl. Diese Maschine bildet den Uebergang zu den nachfolgenden Crabbmaschinen; sie kann auch sehr wohl als einfache Crabbmaschine betrachtet werden, und führt als solche wohl auch den Namen „Brennbock“. Fig. 49. Rips-Waschmaschine. Das Waschen gemischter Gewebe verursacht wegen der verschiedenen Verwandtschaft der verschiedenen Gewebefasern zum Wasser manche Schwierig- keit. Ein solches Gewebe „krumpft“ sich, es zieht sich unregelmäßig zu- sammen und wird auf der ganzen Fläche uneben, indem sich kleine Er- höhungen bilden. Eine solche Ware wird unansehnlich und unverkäuflich. Die Operation, welche dieses Krumpfen gemischter Gewebe verhindert, heißt Crabben . Das Crabben besteht in einem Durchziehen der Gewebe in der vollen gespannten Breite zunächst durch kochend heißes Wasser, von da direkt durch zwei schwere eiserne Walzen unter Anwendung starken Druckes. Zu Seite 345. Fig. 51. Crabbmaschine mit 2 Walzenpaaren. Gesamtansicht. Die Ware wird sodann von dem unteren Cylinder, welcher sich in dem kochenden Wasser dreht, aufgewunden und von hier in ein zweites kochendes Wasserbad geleitet, wieder einem scharfen Druck zwischen eisernen Walzen ausgesetzt, aufgerollt und die gleiche Operation in einem Troge mit kaltem Wasser wiederholt. Auf das Crabben folgt sofort das Dämpfen . Das Gewebe wird von dem letzten Sylinder, auf welchen es aus dem kalten Wasserbade aufgewunden war, fest auf einen durchlöcherten hohlen Metall- cylinder gewunden, in welchen man Dampf eintreten läßt, solange, bis dieser das Tuch durchdringt; dann wird das Verfahren auf einem zweiten Dampf- cylinder wiederholt und zwar so, daß die vorher außerhalb liegenden Schichten des Tuches jetzt innerhalb zu liegen kommen. Um die beiden Operationen des Crabbens und Dämpfens richtig zu verstehen, muß an die Eigenschaft der Wolle erinnert werden, diejenige Form, welche man ihr in hoher Temperatur und unter Druck gibt, auch nach dem Erkalten beizubehalten. Nach dem Crabben und Dämpfen kann ein gemisch- tes Gewebe ruhig auf einer der vorbeschriebenen Breitwaschmaschinen ge- waschen werden, ohne ein runzliges Aussehen zu bekommen. Das Crabben geschieht in eigenen Maschinen, Crabbmaschinen , welche mit 1, 2 oder 3 Paar Walzen gebaut werden. Das Crabben, wie es vor- hin beschrieben wurde, ist auf einer dreifachen Crabbmaschine gedacht. Der Weg, den das Gewebe beim Crabben zu nehmen hat, ist am besten aus dem Querschnitt einer zweifachen Crabbmaschine (Fig. 50) zu ersehen. Fig. 51 zeigt dieselbe doppelte Crabbmaschine in der Gesamtansicht; Fig. 52 eine dreifache Crabbmaschine mit 3 Walzenpaaren. Fig. 50. Crabbmaschine mit 2 Walzenpaaren. Querschnitt. Fig. 52. Crabbmaschine mit 3 Walzenpaaren. Die drei verschiedenen Crabbmaschinen sind in den Einzelheiten ziemlich übereinstimmend, jedes Walzenpaar ist solid in eisernem Gestell gelagert, die untere Walze bekommt den Antrieb, die obere ist mit einer Belastungs- resp. Hebevorichtung verbunden, welche gestattet, daß man je nach Bedürfnis mit geringerem oder größerem Druck arbeitet, oder aber die Walzen ganz entlastet und voneinander abhebt. Dies wird bei der einfachen und doppelten Maschine durch direkte Hebelbelastung mit verstellbaren Belastungsgewichten erzielt, bei der dreifachen Crabbmaschine hingegen durch Rädervorgelege und Zahnstange kombiniert mit Belastungssegment. Unter jedem Walzenpaar befindet sich ein Kasten von Holz mit eisernen Seitenwänden für die betreffende Flüssigkeit, er ent- hält eine Leitwalze zur Durchführung der Ware, ein Dampfrohr zum Kochen und Ablaßventil. Die einfache Crabbmaschine besitzt Auf- und Abwickelvor- richtung in einem Apparat vereinigt, die zweifache Maschine dieselben in ge- trennter Anordnung, während die dreifache Maschine auf beiden Seiten Einrichtungen hat, welche sowohl als Abwickelung mit Bremse oder als Auf- wickelung mit Planscheibenantrieb dienen. Bei der einfachen Maschine wird der Betrieb auf die einzelnen Walzen durch konische Räder übertragen, welche durch Mitnehmerkuppelung ein- und ausgerückt werden können, so daß jedes Walzenpaar für sich arbeiten kann; das erste und dritte Walzenpaar ist für Rück- und Vorwärtsgang eingerichtet. Meist findet man diese Maschinen als „Krappmaschinen“ bezeichnet, was indes völlig verkehrt ist, da derlei Maschinen mit Krapp nichts zu schaffen haben. Infolge des ausgeübten hohen Walzendruckes dienen die Crabbmaschinen auch zur Erzeugung des Lüsters auf gewebten Stoffen, speziell auf Halbwoll- und Halbseidenwaren, z. B. Orleans, Alpacas, Zanellas, Cloth, Gloria; fast alle Regenschirmware ist durch solche Crabbmaschinen gegangen. Der durch das Crabben und Dämpfen erzeugte Glanz ist ein dauernder und wird durch die nachfolgenden Operationen des Waschens, Färbens und Trocknens nicht mehr verändert. Die Crabbmaschinen werden daher oft auch bloß als Lüstriermaschinen verwendet. § 7. Das Trocknen. Das Trocknen hat den Zweck, die von den Fasern, Garnen und Ge- weben während des Waschens und Spülens aufgenommenen Wassermengen wieder zu entfernen, und zerfällt in zwei Teile: das Entwässern und das eigentliche Trocknen . Das Entwässern , auch als „Vortrocknen“ bezeichnet, bezweckt die Entfernung des größern Teiles des anhängenden Wassers auf mechanischem Wege , d. h. durch Ausdrücken, Auspressen, Quetschen, Schleudern, bei Garnen und Geweben auch durch Wringen. Schon bei der Betrachtung der Gespinnstfasern haben wir gesehen, welche bedeutenden Mengen Wasser die einzelnen Gespinnstfasern aufzunehmen vermögen, und mit welcher Zähigkeit sie dieselben festhalten. Daher gelingt es auch nicht, durch das Entwässern eine Ware zu trocknen. Eine scharf centrifugierte oder heftig ausgewringte Ware enthält immer noch bedeutende Wassermengen, welche durch mechanische Mittel nicht zu entfernen sind, sondern nur durch Trocknen. Das Trocknen besteht in einer Verdunstung des Wassers, welche ent- weder freiwillig stattfindet, oder eine künstliche ist, sobald sie durch Wärme unterstützt wird. Die freiwillige Verdunstung hat genügend trockne Luft und reichlichen Luftwechsel zur Voraussetzung; sie geht naturgemäß nur langsam vor sich und ist darum meist nicht anwendbar, weil Zeit Geld ist. Es wird daher stets Wärme angewendet werden müssen. Das Trocknen kann aber auch dann noch nach 2 verschiedenen Richtungen geschehen: 1. in Trockenräumen oder Trockenstuben , wobei durch Heizung und geeignete Ventilation der Zweck erreicht wird; 2. durch Trockenmaschinen . Eine geeignete Trockenanlage ist ein notwendiges Erfordernis für jede Färberei und soll daher weiter unten ausführlichere Betrachtung finden. §. 8. Das Trocknen loser Fasern. Früher geschah das Entwässern loser Wolle ꝛc. durch Ablaufenlassen der Ware auf einem Siebe, Ausdrücken zwischen den Händen und Trocknen auf Horden. Jetzt findet sich fast in jeder Färberei eine Centrifuge oder Schleuder , in kleinern mit Handbetrieb, in größern mit Dampfbetrieb. Ein jede Centrifuge hat als Hauptbestandteil einen siebförmig durchlöcherten oben offenen Cylinder aus starkem Kupferblech, welcher auf einem Konus ruht, durch welchen dem Cylinder die Drehungsgeschwindigkeit erteilt wird. Dieser Cylinder ist am besten aus Fig. 59 zu ersehen; er ist zur Aufnahme des zu entwässernden Materials bestimmt. Der zweite Hauptbestandteil ist ein gußeiserner oder schmiedeeiserner Mantel, höher als der Kupfercylinder, welchen er umgibt; dieser Mantel steht auf einem eisernen Boden, welcher sowohl als Fundament für den rotierenden Konus (s. oben), wie auch zum Auffangen der ausgeschleuderten Flüssigkeit dient, die durch eine in dem Boden befindliche Oeffnung direkt abgeleitet werden kann. Um eine mög- lichst vollkommene Entwässerung des auszuschleudernden Materials zu er- reichen, ist es notwendig, dem Kupfercylinder die größte zulässige Geschwin- digkeit zu erteilen; mit der zunehmenden Geschwindigkeit des Cylinders wächst naturgemäß der auf die Cylinderwandung wirkende Druck in steigender Pro- gression; in gleichem Maße wächst natürlich die Centrifugalkraft, durch welche die eingelegte Ware immer stärker und heftiger gegen die Cylinderwandung gepreßt wird, wobei die darin enthaltene Flüssigkeit durch die durchlochte Wandung hinausgeschleudert wird. Der Eisenmantel dient zum Auffangen der ausgeschleuderten Flüssigkeit, welche auf dem Eisenboden sich sammelt und nach Bedarf abgelassen werden kann. Der Antrieb der Centrifugen geschieht entweder durch Kurbeln und mittels Hand, oder mittels Riemenscheibe oder wohl auch mittels eines eignen kleinen Motors. Centrifuge mit Oberbetrieb (Fig. 53 und 54). In dem starken schmiedeeisernen Schutzmantel, welcher mit dem gußeisernen Fundamentboden ein festes Gefüge bildet, rotiert der durchlöcherte Schleuderkessel mit der vertikalen Achse, welche oben und unten kräftig gelagert und an ihrem oberen Ende mit einem Konus versehen ist. Dieser Konus (und mit ihm Achse und Kessel) wird durch die auf der horizontalen Achse befestigte konische Scheibe durch Friktion in Bewegung gesetzt. Die horizontale Achse wird entweder durch eine Riemenscheibe von der Transmission aus oder durch eine besondere Dampfmaschine, wie in Fig. 53, angetrieben. Die Bremse wird durch einen rechts sichtbaren Hebel gehandhabt und bewirkt ein schnelles Ein- halten des Kessels nach genügender Schleuderung. Die ausgeschleuderte Flüssigkeit sammelt sich in einer Vertiefung des Bodens und fließt seitlich durch ein Rohr ab. Zur vollständigen Vermeidung von Oelflecken ist unter dem oberen Lager ein Oelfänger angebracht, welcher das etwa nach unten sickernde Schmieröl in sich aufnimmt, von wo es jederzeit leicht abgezapft und wieder verwendet werden kann. Fig. 53. Centrifuge mit Oberbetrieb. Fig. 54. Vertikalschnitt. Centrifuge mit Unterbetrieb (Fig. 55 und 56). Bei diesen Maschinen liegt der Schleuderkessel oben und der Antrieb unten. Der Untersatz besteht aus Gußeisen, der den Kessel umgebende Schutzmantel aus Schmiedeeisen. Der Sammelboden für die Flüssigkeit befindet sich zwischen dem Kesselboden und der Riemenscheibe und gibt die Flüssigkeit an ein Aus- flußrohr ab. Unten quer durch den Untersatz liegt eine starke eiserne Brücke zur Aufnahme des beweglichen Spurlagers, in welchem die Kesselachse läuft. Die letztere ist oben, aber unterhalb des Kessels, in einem Halslager gelagert, welches so angeordnet ist, daß es sich etwaigen Schwankungen des Kessels bezw. der Achse anschmiegt, ohne zu leiden. — Um solche Schwankungen, welche durch einseitige Belastung des Kessels entstehen, während des Be- triebes zu entfernen, und so der Maschine einen ruhigen, gleichmäßigen Gang zu verleihen, ist unter dem Kessel ein einfach konstruierter Regulator Fig. 55. Centrifuge mit Unterbetrieb. Fig. 56. Vertikalschnitt. angebracht, welcher seinen Schwerpunkt stets nach der Seite hin verlegt, wo der Kessel zu leicht belastet ist. Die unten auf der Achse sitzende Riemen- scheibe erhält ihren Antrieb durch eine direkt wirkende Dampfmaschine (Fig. 55) oder durch ein besonderes Riemenvorgelege. Zum schnellen Einhalten dient eine Trittbremse, welche auf eine Bremsscheibe gleichmäßig einwirkt. Diese Maschinen bedürfen keines Steinfundamentes und können auf hölzernen Fundamentrahmen montiert und selbst in höher gelegenen Stockwerken be- trieben werden. Fig. 57. Centrifuge für Handbetrieb. Centrifuge für Handbetrieb (Fig. 57). Diese ist wie die vorige gebaut und unterscheidet sich davon nur durch die Anordnung der Antriebs- vorrichtung. Der Antrieb geschieht mittels zweier Handkurbeln, deren hori- zontal gelagerte Achse ein Schneckenrad trägt, welches auf die vertikale Vor- gelegeachse einwirkt, deren Riemenscheibe die Bewegung auf die Kesselachse überträgt. Fig. 58. Compound-Centrifuge. Compound-Centrifuge (Fig. 58). Diese eignet sich für große Färbereien . Sie besteht aus 2 Centrifugen mit unterem Antrieb, von welchen jede abwechselnd arbeitet; während die eine beladen wird, arbeitet die andere. Der Antrieb erfolgt durch eine Dampfmaschine mit Keilräder- vorgelege laut Zeichnung. Fig. 59 ist eine neuere Art Schleudermaschine, eine sogen. Panzer- Centrifugal-Trockenmaschine der Firma C. H. Weisbach in Chem- nitz. Die Centrifugalmaschinen dienen keineswegs allein zum Entwässern loser Fasern, sondern können mit gleichem Vorteil auch für Garne und Ge- webe verwendet werden. Zum Entwässern loser Wolle hat C. G. Haubold in Chemnitz auch noch eine Ausquetschmaschine gebaut, welche jedoch vor- wiegend für Wollgarn verwendet wird und daher im nächsten Paragraph abgehandelt ist. Fig. 59. Panzer-Centrifugal-Trockenmaschine. Schleudermaschine zum Bleichen, Waschen, Färben, Trock- nen und Imprägnieren in ununterbrochener Folge (Fig. 60). Fig. 60. Schleudermaschine zum Bleichen ꝛc. Ganswindt , Färberei. 23 Die Trommel dieser Schleudermaschine wird durch einen Deckel D ge- schlossen gehalten und dieser in der Trommel derart geführt, daß er infolge eines aus der Trägheit entstehenden Bestrebens, gegen die in Bewegung be- findliche Trommel zurückzubleiben, auf das Material selbstthätig nieder- gepreßt wird, und dieses um so mehr zusammendrückt und eine Verschiebung der Stoffe an die Außenwand der Trommel, sowie ein stellenweise zu leichtes Passieren der Flüssigkeit verhindert, je rascher die Trommel läuft und je kräftiger somit die Schleuderkraft die durch den Deckel einströmende Flüssig- keit durch das Material zu treiben sucht. In der Mitte der Trommel ist ein in der Längsrichtung nachgiebiger und an der Innenseite mit Verteilungs- rinnen versehener Korb K angeordnet, der dazu dient, einen inneren Hohl- raum herzustellen und zu erhalten, um die zur Behandlung des Materials dienenden Reagentien einströmen zu lassen. (D. R. P. 38875 vom 2. Juni 1886. Adolf Waldbaur , Stuttgart.) Diese Einrichtung soll offenbar zur Verwirklichung der gleichen Idee dienen, für welche auch die Obermaier schen und andere Apparate konstruiert worden sind, d. h. Durchtreiben konzentrierter Färbebäder durch das als Filter angeordnete zu färbende Fasermaterial. § 9. Das Trocknen von Garnen. Da, wo Maschinen nicht verwendet werden, oder wo die kleinere Menge ein Anwenden von Maschinen ausschließt, geschieht das Entwässern von Garnen durch Wringen mit der Hand. Wo eine Centrifuge zur Verfügung ist, wird auch diese mit Erfolg verwendet werden können. In größeren Betrieben wird man sich aber mit Erfolg eine der beiden folgenden Maschinen bedienen: Ausquetschmaschine mit Federdruck (Fig. 61), zum Ausquetschen der Garne, hauptsächlich Wollengarne, oder auch für lose Wolle, von C. H. Haubold jun. in Chemnitz. Diese Maschine besteht aus zwei, in soliden Gestellen gelagerten guß- eisernen Walzen, welche mit Rändern versehen sind, um dieselben mit Seilen oder Stoff umwickeln zu können; mittels Schrauben und Federdruck wird die obere Walze auf die untere gepreßt und durch die Federn ergibt sich beim Durchgang der Garne ein elastischer Druck. Die Walzen sind durch gleich große Räder miteinander verbunden und die untere erhält den Antrieb, unterhalb derselben ist ein Holzkasten, welcher die ausgepreßte Flüssigkeit auffängt. Vor und hinter den Walzen befindet sich je eine Anzahl Holz- walzen in schiefer Ebene, so gelagert, daß der höchste Punkt der letzten Walze in gleicher Höhe mit der Oberkante der unteren Preßwalze liegt. Diese Holzwalzen dienen zum Ein- und Ausführen der Garne, erhalten Antrieb und sind untereinander durch Räder verbunden. — Soll die Ma- schine zum Auspressen für lose Wolle sein, so wird statt der trans- portierenden Holzwalzen ein endloses Filztuch angewendet. Ausquetschmaschine der Zittauer Maschinenfabrik (Fig. 62 u. 63), nur für leinene Garne in ähnlicher Konstruktion wie vorstehend beschrieben; diese Maschine ist größer und stärker gebaut, und hat statt des Federdruckes doppelten Hebeldruck und größere Räderübersetzung mit Klauenausrückung. Fig. 61. Ausquetschmaschine mit Federdruck. Fig. 62. Garnquetsche. 23* Fig. 63. Garnquetsche (Gesamtansicht). Auch die bedeutende Kraft einer hydraulischen Presse ist zum Zweck des Garntrocknens dienstbar gemacht, wie sich am besten aus der nach- stehenden Zeichnung der hydraulischen Garntrockenpresse (Fig. 64) von Wever \& Comp . in Barmen ergibt. Sie unterscheidet sich von den gewöhnlichen hydraulischen Pressen nur dadurch, daß das Kopfstück einen mit Kupfer bekleideten Eisen- oder Eichenholzstempel trägt, welcher den inneren Dimensionen des mit Garn angefüllten Preßwagens entspricht. Zu jeder dieser Pressen gehören zwei auf Schienen laufende Preßwagen von Holz mit Fig. 64. Hydraulische Garntrockenpresse. starker Verschraubung, von denen der eine sich in der Presse befindet, während der andere ent- und beladen wird. Durch eine am Preßtisch angebrachte Knaggenvorrichtung wird der Wagen mit Leichtigkeit in die Richtung des Preß- kernes gebracht. Nach Inbetriebsetzung der Pumpe hebt sich der Preßtisch mit dem Wagen, der Stempel drückt das Garn zusammen und preßt somit das Wasser heraus, welches durch den im Wagen befindlichen Siebboden einen leichten Abfluß hat. Die ausgepreßten Garne erhalten allerdings durch Druck und Reibung an den Wänden einen etwas gedrückten und ge- glätteten Faden, was die Presse eigentlich nur für die Vorarbeiten brauchbar macht, durch größere Leistung, leichtere Bedienung und bei weitem geringeren Kraftbedarf aber doch der Centrifuge vorzuziehen ist, um so mehr, als sich Druck und Glätte des Fadens sofort verliert, wenn die Garne wieder naß geworden sind und mittels Centrifuge ausgeschleudert werden, worauf man dann dieselbe im lockeren Zustand herausnimmt. Zum völligen Trocknen von Leinen- und Baumwollgarnen in Strähnen, wie auch für lose Wolle, Jute-, Wollen- und Seidengarnen, dient die von der Zittauer Maschinenfabrik, wie auch von C. H. Haubold jun. in Chem- nitz gebaute Garntrockenmaschine nach schottischem Systeme (Fig. 65). Mit dieser Maschine kann ein großes Quantum Garn ohne Berück- sichtigung der äußeren Temperaturverhältnisse in sehr kurzer Zeit getrocknet werden. Das Garn ist einer gleichmäßigen Temperatur unterworfen, wo- durch die Partien auch gleichmäßig zum Trocknen gelangen und ergibt einen schöneren und weicheren Griff. Der Apparat nimmt zu dem großen zu trocknenden Garnquantum und überhaupt zu jeder anderen Trockenanlage für Garne den geringsten Raum ein, braucht auch das wenigste Heizmaterial. In seinen wesentlichen Teilen besteht er aus einem solid gefügten Holzge- häuse, in welchem die Rahmen, gewöhnlich 36 Stück, Aufnahme finden, und einem Fahrstuhl, der dieselben mittels Aufzug an die Einführung des Apparates befördert, einem großen, kräftig wirkenden Exhaustor, der die heiße Luft aus dem unter dem Apparat liegenden Heizregister durch die im Ge- häuse befindlichen Rahmen zieht und ins Freie abführt. Die Rahmen sind sehr solid zusammengefügt, mit Zahneisen und Oesen versehen, in welchen die zur Spannung der Garne nötigen Blechrollen gelagert sind. Das Ab- wärtsbewegen der im Gehäuse befindlichen Rahmen erfolgt durch Hand mittels Kurbel und Rädermechanismus, während das Einführen derselben außerhalb durch einen Aufzug und durch den vom Exhaustor erzeugten Luft- strom selbstthätig geschieht. Der Betrieb ist ein kontinuierlicher und dauert der Durchgang der Rahmen durch den Apparat etwa 50 Minuten bei einem Quantum von 75 kg Garn. Durch ein Vorgelege wird der Exhaustor und der Aufzug in Bewegung gesetzt. Das Heizelement ist dem Heizkessel mit eingewalzten Weißblechröhren entschieden vorzuziehen; es bietet bei geringeren Kosten größere Betriebs- sicherheit und Dauerhaftigkeit, da Reparaturen fast ganz ausgeschlossen sind und vorkommenden Falls sich dann nur auf Erneuerung einer Gummidichtung belaufen können. Zur Heizung der Elemente kann auch Abdampf benutzt werden. Fig. 65. Garntrockenmaschine nach schottischem System. Diese Trockenmaschine hat sich durch ihre durchgehend zweckentsprechende Konstruktion und den erforderlichen geringen Raumbedarf allgemein einge- führt. C. H. Weisbach in Chemnitz hat sich eine Rotierende Garntrockenmaschine (Fig. 66) patentieren lassen, welche nach dem Patentinhaber folgende Vorteile besitzt: 1. Vermeidung der hohen Temperatur in den Trockenstuben, wodurch die Beeinträchtigung des Glanzes der Farbe und der Elastizität des Garnes beseitigt wird. 2. Eine durch die niedrige Temperatur erzielte sehr bedeutende Erspar- nis an Feuerungsmaterial. 3. Gänzlicher Wegfall der Feuergefährlichkeit beim Trocknen der Garne. Fig. 66. Rotierende Garntrockenmaschine. 4. Vollständige Beseitigung des oft großen Schaden verursachenden so- genannten Ausschlagens der Farben, das so oft in Trockensälen vorkommt, in welchen verschiedene Farben getrocknet werden. 5. Die Garne werden durch die rotierende Bewegung von allen Un- reinlichkeiten und Farbstoffrückständen, wie Curcuma, Gallus, Schmack ꝛc. befreit, bleiben weich und voll und erhalten ein frisches und glänzendes Aussehen. 6. Bedeutende Raumersparnis. Auf der Weisbach schen patentierten Garntrockenmaschine werden die baumwollenen Garne, nachdem sie gut ausgeschleudert worden sind, in Zeit von circa 1¼ Stunde, die wollenen Garne in Zeit von 40 bis 45 Minuten bei circa 36° R. und genügender Luftzirkulation vollständig getrocknet und beträgt die Leistungsfähigkeit in 12 Stunden von baumwollenen Garnen circa 250, von wollenen Garnen circa 400 kg . Ganz besonders eignen sich diese Garntrockenmaschinen auch zum Trock- nen geschlichteter Garne, indem bei großer Leistung ein glatter, glänzender, runder, elastischer und loser Faden erzielt wird, kein Zusammenkleben statt- findet und die Farben durch das Trocknen in keiner Weise beeinträchtigt werden. Die Konstruktion der Maschine besteht vorerst aus zwei eisernen Stän- dern, welche die Lager für eine horizontale Welle enthalten; auf dieser Welle sind in unmittelbarer Nähe der Lager zwei Armsterne befestigt und befinden sich in jedem Arme fünf durchgehende Oeffnungen, welche bei dem Armsterne, der sich an der Antriebsseite befindet, durch an der äußeren Fläche festge- schraubte Bleche wieder geschlossen sind. An die Arme des linken Arm- sternes sind verschiebbare, mit Griffen versehene Bleche angebracht, welche 4 Oeffnungen enthalten, die genau die Größe der Oeffnungen in den Armen selbst haben; diese Bleche sind durch zwei Führungen an die Arme befestigt und werden durch die im Innern jedes Armes befindliche Spiralfeder in einer Stellung erhalten, in welcher die in den Armen selbst befindlichen Oeffnungen durch das zwischen den Oeffnungen in den Blechen stehen ge- bliebene Material geschlossen bleiben; außerdem befinden sich in diesen Blechen noch Einfräsungen, welche ein Zurückschieben nach dem Innern zu gestatten und zwar soweit, daß die Oeffnungen in den Blechen genau auf die in den Armen selbst passen; durch die in jedem Arme angebrachte Spiralfeder wird das Blech von selbst wieder vorgezogen und dadurch die Oeffnung in den Armen wieder geschlossen. Zwischen die erwähnten Armsterne werden die Holzwalzen eingelegt, nachdem das Garn auf je zwei Walzen eines Armes aufgehängt worden ist; durch Zurückschieben des Bleches an dem linken Arm- sterne werden die Oeffnungen desselben zum Durchstecken der Walzen frei; nachdem diese nun auch in die Oeffnungen des rechten Armsternes soweit eingeführt sind, daß sie an dem Verschlußbleche anstoßen, wird das Blech an den Armen des linken Armsternes durch die Spiralfeder nach vorn ge- zogen, so daß die Oeffnungen beider Armsterne geschlossen sind und die Walzen eine sichere Lagerung haben. Hiernach erfolgt die Inbetriebsetzung der Maschine durch Führung des Riemens von der Los- auf die Festscheibe; diese letztere setzt die Welle und mit derselben die Armsterne in Bewegung, so daß die Garne, welche auf die Holzwalzen aufgespannt sind, in der Luft herumgeführt werden und dadurch jene bedeutende Bewegung derselben er- zielt wird, welche die bereits erwähnte schnelle Trocknung herbeiführt. Die in jedem Arme befindlichen fünf Oeffnungen haben den Zweck, die Stellung der Walzen nach dem Verhältnisse der Weifenlänge regulieren zu können; die eine Walze wird stets in die am äußersten Ende der Arme befindliche Oeffnung gebracht, während die andere Walze je nach der Länge der Weife in eine der übrigen Oeffnungen eingelegt wird. Um die Bedienung möglichst vorteilhaft zu gestalten, werden zu jeder patentierten Garntrockenmaschine zwei Satz = 32 Stück Holzwalzen geliefert, so daß, während die Maschine im Betriebe ist und eine Partie Garn trocknet, auf den zweiten Satz Garn aufgesteckt und dieses sofort eingelegt werden kann, wenn das in der Maschine befindliche Garn trocken ist. Hierhin sind schließlich auch noch die Antrockenapparate zum Trocknen von Garnproben (Fig. 67) der Firma C. G. Haubold jun. zu rechnen. Dieselben haben den Zweck, kleine Garn- oder Gewebemuster schnell trocknen zu können, um die Nüance zu beur- teilen. Das zu trocknende Muster wird zwischen zwei Messingsiebe eingelegt, dieselben sind in geringer Höhe über einem Rippenheizregister, welches ent- sprechend der Größe und Form des Apparates ist, angebracht, durch ein Ventil läßt man Dampf einströmen, und die nun vom Register ausströmende Wärme dringt durch die Siebe und trocknet auf diese Weise die Muster. Das sich bildende Kondensationswasser wird durch einen Ablaßhahn aus dem Rippenheizregister entfernt. Fig. 67 a. Antrockenapparate. Fig. 67 b. Antrockenapparate. § 10. Trocknen von Geweben. Zum Entwässern von Geweben können gleichfalls Centrifugen Ver- wendung finden, doch wird man bei Strangwäsche, besonders da, wo regel- mäßig im Strang gewaschen wird, eine Strangausquetschmaschine ( Squeezer ) nicht entbehren können. Eine solche (Fig. 68) ist auch für Garne in Ketten zu verwenden und be- steht aus dem Eisengestell und 2 Walzen aus Messing, Holz, Baumwolle, Jute oder Cocosfaser, nebst selbstthätig beweglichem Porzellanring als Strang- führung und doppelt übersetztem Hebeldruck. Für solche Gewebe, welche auf der Breitwaschmaschine gewaschen sind, eignet sich am besten die Horizontale Centrifugaltrockenmaschine (Fig. 69) für Stück- färberei. Dieselbe gestattet ein Centrifugieren im breit aufgewickelten Zu- stande und schützt daher die Gewebe vor Falten, Knittern. Die Maschine ist nach dem Prinzip der Centrifugen gebaut, nur ist der kupferne Cylinder hier nicht vertikal gedacht, sondern er ist eine horizontal rotierende Centrifugaltrommel. Nachdem die Ware an das an der Centrifugaltrommel befestigte Mitlauftuch angeheftet ist, setzt der Arbeiter die Trommel durch einen Druck mit dem Fuße auf den mit einem Hebel in Verbindung stehenden Riegel, welcher beim Stand des Arbeiters nach dem Fußboden angebracht ist, in langsam rotierende Bewegung, wodurch die Ware exakt aufgewickelt wird. Dabei ist der Arbeiter imstande, durch Abheben des Fußes von dem Riegel die Rotation der Trommel jeden Augenblick zu hemmen, um Fig. 68. Strangausquetschmaschine. Fig. 69. Horizontale Centrifugaltrockenmaschine. etwa eingelaufene Falten entfernen zu können. Nachdem nun die Ware auf die Trommel gewickelt ist, wird das Ende durch eine Schnur befestigt, der Deckel geschlossen, und der Trommel durch die Führung des Riemens von der Los- auf die Festscheibe, sowie durch eine an der andern Seite der An- triebswelle und eine auf der Trommel angebrachte Riemenscheibe die zum Entwässern erforderliche große Tourenzahl mitgeteilt. Ist dann die Ware möglichst vollständig von der darin enthaltenen Feuchtigkeit befreit, so wird die Maschine ausgerückt, die Rotation der Trommel durch eine schnell wirkende Bremsvorrichtung gehemmt, und die Ware abgezogen. — Dem gleichen Zweck dient die Horizontale Centrifuge der Zittauer Maschinenfabrik (Fig. 70). Die- selbe dient vornehmlich zum Trocknen von Sammet, Plüschen u. dergl. dicken Waren. Die Maschine beruht auf den gleichen Prinzipien, und ist nach der bei der vorigen Maschine gegebenen Erläuterung sofort verständlich. Fig. 70. Horizontale Centrifuge. Will man mit der Breitwaschmaschine gewaschene Gewebe nicht im auf- gewickelten, sondern im glatten gespannten Zustande trocknen, so dienen diesem Zweck die Spannrahmen und Trockenmaschinen der verschiedenen Systeme. Es sind das sehr große und sehr komplizierte Maschinen, welche beim Trocknen gefärbter Gewebe ausführlicher behandelt werden sollen (vergl. § 31, Trockenmaschinen). § 11. Das Bleichen. Die durch die Operationen des Waschens und Trocknens vorbereiteten Waren besitzen oft noch nicht diejenige Weiße, welche von ihnen verlangt werden muß, wenn sie für helle Farben bestimmt sind. In diesem Falle muß die Ware gebleicht werden. Das Bleichen ist ein rein chemischer Vor- gang, welcher die Zerstörung von inkrustierender Substanz und den natür- lichen Farbstoffen der Fasern bezweckt. So anscheinend leicht das für den ersten Augenblick erscheinen mag, so wird die Sache dadurch schwierig, daß es schwer möglich ist, den Grenzpunkt zu bestimmen, wo der eigentliche Zweck des Bleichens erreicht ist, ohne daß bereits die Elemente der Gespinnstfaser selbst gelitten haben. Sodann ist auf die Natur der zu bleichenden Substanz Rücksicht zu nehmen. „Eines schickt sich nicht für Alle“; dieses Sprichwort ist auch hier recht angebracht. Die Bleichmittel wirken in den meisten Fällen oxydierend auf den Farb- stoff ein; eine Ausnahme macht allein die schweflige Säure, welche die merk- würdige Eigenschaft besitzt, mit einer großen Anzahl unlöslicher Farbstoffe lösliche farblose Verbindungen — Leukoverbindungen — zu bilden, so daß der vorher unlösliche Farbstoff durch Waschen und Spülen entfernt werden kann. Die Bleichmittel selbst sind im ersten Teile dieses Hand- buches ausführlich erörtert; hier mögen sie nur kurz zusammengestellt werden: Schwefel, schweflige Säure und schwefligsaure Salze, Chlorkalk und eine ganze Reihe von unterchlorigsauren Salzen, Kaliumpermanganat, Wasserstoff- superoxyd, wozu in neuerer Zeit noch jene Stoffe kommen, welche zur Bleiche mittels Elektrolyse verwendet werden: Chlormagnesium und Chloralu- minium. § 12. Bleichen der Wolle. Die Wolle wird als lose Wolle niemals gebleicht, sondern nur als Garn oder Gewebe, und auch nur dann, wenn sie entweder weiß bleiben soll, oder wenn sie zu hellen Farben bestimmt ist; zu dunkleren oder mitt- leren Farben bestimmte wird nicht gebleicht. Von Bleichmitteln für Wolle kommen nur 2 in Betracht: Schwefel, resp. schweflige Säure, und Wasser- stoffsuperoxyd. Bleichen mittels Schwefel . Diese Operation wird allgemein als das Schwefeln der Wolle bezeichnet. Es wird in den sog. Schwefel- kammern vorgenommen, das sind aus Back- oder Ziegelsteinen hergestellte Räume, am besten ohne Kalkabputz, mit Thür und von außen verschließ- baren Fenstern versehen, am besten auch am Dache mit einer von unten zu öffnenden resp. zu schließenden Klappe. In diese Kammer werden die zu bleichenden Wollwaren (Garne, Tuche ꝛc.) auf hölzerne Böcke oder horizon- tal gezogene Leinen gehängt. Der Schwefel wird am besten in Stangen- form angewendet, welche gröblich zerstückelt in einen steinernen Topf ge- schüttet und dann angezündet werden Eiserne Pfannen sind zum Verbrennen des Schwefels minder empfehlens- wert, weil das Metall die Entzündungstemperatur des Schwefels zu sehr herabmin- dert, so daß der Schwefel leicht nicht weiter zu brennen vermag. . Dann werden alle Fenster und Thüren so dicht als möglich geschlossen und die Ware der Einwirkung der schwefligsauren Dämpfe 6 bis 8 Stunden, unter Umständen auch länger, überlassen. Der Fortgang des Bleichens kann durch die Fenster beobachtet werden. Man nimmt durchschnittlich 6 bis 8 Prozent vom Gewicht der Ware an Schwefel. Es muß hier bemerkt werden, daß die gasförmige schweflige Säure ein giftiges Gas ist, welches nicht eingeatmet werden darf. Es ist deshalb unbedingt notwendig, daß vor dem Betreten der Schwefelkammer ein mindestens halbstündiges Lüften vor- hergeht, und zwar müssen zu dem Zweck sowohl Thüren, wie Fenster und Dachklappe geöffnet werden . Nach beendetem Bleichen wird in vorbezeichneter Weise gelüftet und die Ware gespült. Das Spülen muß in reinem kalkfreiem Wasser geschehen. Auf ein gründliches Spülen ist besonderes Gewicht zu legen, damit die wasserlösliche Leukoverbindung völlig aus der Wolle entfernt wird. Geschieht das Spülen nicht mit der nötigen Gründlichkeit, so ist der Erfolg nur ein teilweiser, da, wenn die Leukoverbindung in der Wolle bleibt, dieselbe durch spätere Berührung mit Säuren schnell, durch die Kohlensäure der Luft aber langsam zerlegt wird; es wird alsdann der ursprüngliche Farbstoff regeneriert und die bereits ge- bleichte Wolle wird lediglich infolge mangelhaften Auswaschens wieder gelb- lich. Es darf auch nicht außer Acht gelassen werden, daß die zur Bleiche bestimmten Wollwaren stets in feuchtem Zustande, niemals getrocknet, in die Schwefelkammer gelangen dürfen. Daß das Schwefligsäuregas nicht not- wendig in der Kammer selbst erzeugt zu werden braucht, sondern auch, gleich- viel auf welche Art erzeugt, von außen in die Kammer geleitet werden kann, ist selbstverständlich. Für feinere Waren empfiehlt sich ein Schwefeln im Strang oder als Kette, in welchem Falle die Ware, ähnlich wie in einer Oxydationsmaschine, über Breitwalzen und durch Porzellanringe langsam durch die Kammer passiert. Eine konzentrierte Lösung von schwefliger Säure zu verwenden, oder etwa Natriumsulfit oder Bisulfit, welches in Lösung mittels Salzsäure oder Schwefelsäure zu zersetzen wäre, empfehle ich nicht , da die Flüssigkeit soviel der erstickenden schwefligen Säure aushaucht, daß das Arbeiten damit zur Last, ja zur Gefahr werden kann. Dagegen verdient der Vorschlag Hummels , die Ware erst mit Bisulfit zu imprägnieren, und dann hinterher in einem salzsauren Bade zu behandeln, volle Beachtung (siehe auch unten). Bleichen mit Wasserstoffsuperoxyd . Die Anwendung des Wasserstoffsuperoxydes in der Wollbleiche ist die denkbar einfachste und kann in einem gewöhnlichen Holzbottiche und in jedem nicht zu warmen, im Winter aber frostfreien Raume vorgenommen werden. Voraussetzung für seine An- wendung ist, daß die Wolle völlig rein gewaschen ist. Das käufliche Prä- parat ist dann mit dem 10 bis 15fachen, nach Delmart mit dem 5 bis 6fachen Gewicht Wasser zu verdünnen, womit das Bleichbad fertig ist. Delmart empfiehlt auch einen schwachen Zusatz von Ammoniak, bis einge- tauchtes rotes Lackmuspapier nach einigen Sekunden sich schwach bläut. Nach Löbner genügt für nicht zu helle Wollen ein Aufenthalt von 30 bis 40 Minu- ten im Bleichbad. Delmart empfiehlt ein 6 bis 10 Stunden langes Hantieren, bei von Natur weißer Wolle 1 bis 2 Stunden. — Ebell (Chemiker-Ztg. 1888, 2) empfiehlt das Wasserstoffsuperoxyd unverdünnt anzuwenden; verdünntes soll ohne Schaden gelind erwärmt werden können. Die Wollen müssen genügende Bewegung und genügenden Spielraum in der Kufe haben, wodurch der Bleichprozeß wesentlich beschleunigt wird. Bei größerer Verdünnung des Bleichbades wirkt dasselbe etwas langsamer. Die dem Bleichbade entnommene Wolle setzt an der Luft, so lange sie noch feucht ist, den Bleichprozeß fort und empfiehlt es sich deshalb, dieselbe nicht zu schnell zu trocknen. Wo es die Einrichtung irgend zuläßt, trockne man im Freien unter Einwirkung der Sonne, dann erhält man das schönste Resultat. Bei der Wollbleiche mittels Wasserstoffsuperoxyd wird der Farbstoff wirklich zerstört, so daß ein Nachgilben der gebleichten Faser, wie es beim Bleichen mit schwefliger Säure und ungenügendem Auswaschen regelrecht auftritt, völlig ausgeschlossen ist. Aus dem Umstande, daß ein richtig zusammenge- setztes Bleichbad während des Bleichprozesses ohne Gasentwickelung Wasser- stoffsuperoxyd verliert, zugleich aber seine Alkalinität einbüßt, glaubt Ebell folgern zu sollen, daß der aus dem Wollfarbstoff und Wasserstoffsuperoxyd gebildete neue Körper saurer Natur ist und das Ammoniak bindet. — Ar- beitet man mit verdünntem Wasserstoffsuperoxyd, so kann man dem Bleich- bade ein Minimum Indigokarmin oder Methylviolett, welches zur Erzeugung eines reinen Weiß notwendig ist, direkt hinzufügen, da auch die gebleichte Wolle noch einen schwach gelblichen Stich zeigt. Verwendet man das Prä- parat jedoch in konzentrierter Lösung, so muß man auf einem besonderen Bade abtönen, da andernfalls auch der Indigo entfärbt werden würde. Das von der gebleichten Ware mechanisch zurückgehaltene Bleichbad kann durch Centrifugieren wieder gewonnen und von neuem benutzt werden. Erwähnt möge hier noch werden das geistvolle Kallabsche Bleichver- fahren, welches eigentlich eine höchst verdünnte Hyposulfitküpe repräsentiert, und die bleichende Wirkung der schwefligen Säure mit der paralysierenden Blaufärbung des Indigos verbindet. Bleichen mit übermangansaurem Kali und schwefliger Säure . Bei Benutzung von Kaliumpermanganat verwendet man eine Lösung von circa 15 Gramm pro Eimer Wasser, bringt die Wolle hinein, hantiert auf dem Bade 20 Minuten, und bringt sie dann in ein zweites Bad aus schwefliger Säure (⅓ Liter des flüssigen Handelsproduktes auf 10 Eimer), hantiert wieder 20 Minuten und schleudert aus. Schließlich bläut man mit Indigokarmin oder Methylviolett, wie oben. (Deutsche Färberztg. 1886, Nr. 17.) Bleichen mit Natriumbisulfit nach Justinus Mullerus . Die gut gespülte Wolle wird in eine 20° Bé. starke Lösung von Natriumbisulfit eingelegt, 12 bis 15 Stunden darin gelassen, und dann, ohne zu waschen, durch ein 4° Bé. starkes Schwefelsäurebad passiert. § 13. Bleichen der Seide. Für das Bleichen der Seide kommen gleichfalls nur schweflige Säure und Wasserstoffsuperoxyd in Betracht. Außerdem ist auch verdünntes Königs- wasser, sowie Baryumhyperoxyd in Anwendung gekommen. Bleichen mit schwefliger Säure . Dasselbe ist bei der entschälten und degummierten Seide das nämliche, wie bei der Wolle; die Seide wird geschwefelt , d. h. sie wird in feuchtem Zustande in der Schwefelkammer 6 Stunden lang der Einwirkung von schwefligsauren Dämpfen ausgesetzt. Die Seide bleicht nur langsam und das Schwefeln muß mehrmals wieder- holt werden. Dann folgt aus den gleichen Gründen, wie ich sie zuvor bei der Wolle entwickelt habe, ein gründliches Waschen, möglichst in destilliertem Wasser. Bleichen mit Königswasser findet nur in dem Falle statt, daß man zu gebleichter Soupleseide gelangen will; in diesem Falle läßt man das Bleichen dem Souplieren vorausgehen. Zum Bleichen benutzt man eine Mischung von 1 Teil Salpetersäure und 5 Teilen Salzsäure, welche man 4 bis 5 Tage bei 25° stehen läßt und dann auf circa 3° Bé. ver- dünnt. Die Seide wird bei 20 bis 35° eine Viertelstunde darin umge- zogen, dann sofort gut ausgewaschen und geschwefelt. Das Souplemachen geschieht durch Einbringen in ein nahezu siedendes Bad, welches man mit Weinstein oder mit Bittersalz und etwas Schwefelsäure schwach sauer gemacht hat. Dabei verliert die Seide nur einen Teil des Seidenleims, schwillt auf und läßt sich hinterher sehr gut färben. Die Soupleseide steht in ihren Eigenschaften zwischen der Rohseide und der degummierten Seide, der letzte- ren steht sie in Bezug auf Glanz, Geschmeidigkeit und Griff nach. Bleichen mit Baryumsuperoxyd . Diese Methode ist von Tessié du Motay vorgeschlagen worden. Man behandelt die Seide in einem etwa 65° R. warmen Bade, welches 50 bis 100 Prozent vom Gewicht der Seide Baryumsuperoxyd enthält, unter beständigem Umziehen eine Stunde lang, wäscht in lauwarmem Wasser aus, passiert ein schwach salzsaures Bad und spült nochmals. Hummel empfiehlt, den Bleichprozeß dadurch zu vervoll- ständigen, daß man die Seide in einer Lösung von Kaliumpermanganat und Bittersalz behandelt und dann in einer Lösung von Natriumbisulfit mit Zusatz von Salzsäure wäscht. Bleichen mit Wasserstoffsuperoxyd . Wasserstoffsuperoxyd ist das beste Bleichmittel für Seide; dieselbe wird einige Stunden in die verdünnte und mit wenig Ammoniak versetzte Lösung des käuflichen Produktes einge- legt, und dann mit Wasser tüchtig ausgewaschen. Das vollkommenste Bleichverfahren würde wohl das sein, die Seide zunächst , wie üblich, zu schwefeln, die Leukoverbindung durch fleißiges Waschen mit Wasser zu entfernen und dann die Seide durch ein schwaches Wasserstoffsuperoxydbad zu passieren und zu spülen . Ich empfehle diesen Vorschlag der Beachtung aller Inter- essenten. Bleichen der Tussahseide . Die von Natur braunere Tussahseide widersteht der Bleiche ziemlich hartnäckig. Schwefeln erzielt nur geringe Resultate. Die besten Resultate sollen bisher mit Baryumsuperoxyd erzielt worden sein. Merkwürdig bleibt es dagegen, daß von einem Bleichen der Tussahseide mit Wasserstoffsuperoxyd nirgends etwas zu finden ist. § 14. Bleichen der Baumwolle. Unter den Gespinnstfasern pflanzlichen Ursprungs ist die Baumwolle am einfachsten zu bleichen; sie besitzt von Natur wenig Farbstoff und gibt den- selben an Bleichmittel verhältnismäßig leicht ab. Dieses einfache Verhältnis trifft bei der losen Faser immer zu, bei Garn und Geweben nur unter der Voraussetzung des vorausgegangenen Waschens; entsprechend der Natur der Baumwollfaser muß das Waschen mit Schmierseife, ja es kann sogar mit verdünnter Aetznatronlauge geschehen. Bei der Behandlung mit dem Bleich- mittel ist das Hauptaugenmerk darauf zu richten, daß das Chlor wohl den Farb- stoff zerstöre, nicht aber die Cellulose selbst angreife. Durch eine zu weit gehende Einwirkung des Chlors wird nämlich deren chemische Struktur gelockert und die Cellulose (nach den Versuchen von Witz ) in Oxycellulose übergeführt, und dadurch nicht nur die Festigkeit der Baumwolle verringert, sondern auch ihr späteres Verhalten gegen Farbstoffe verändert. Witz hat dieses Verhalten durch folgenden Versuch illustriert. Ein Streifen eines Baumwollengewebes wird so aufgehängt, daß sein unteres Ende in eine viergrädige Chlorkalklösung taucht, so daß der obere Teil sich durch Kapillarität allmählich mit Chlorkalklösung ansaugt und gleichzeitig der Einwirkung der in der Luft enthaltenen Kohlensäure ausgesetzt ist. Wäscht man nach einer Stunde successive mit Wasser, Bisulfitlösung, Salzsäure und Wasser gut aus und färbt dann in einer ½prozentigen Lösung von Methylen- blau, so beobachtet man, daß der eingetauchte und der von der Chlorkalk- lösung nicht benetzte Teil des Streifens nur ganz schwach gefärbt sind, wo- gegen die Zone, welche sich oberhalb des Flüssigkeitsniveaus befand, eine ganz dunkle Färbung zeigt, welche sich nach oben zu abschattet. Die Inten- sität der Färbung ist ein Maß für die Umwandlung der Cellulose in Oxy- cellulose, da nur die letztere die Eigenschaft besitzt, sich mit Methylenblau substantiv anzufärben. Das Hauptbleichmittel für Baumwolle ist das Chlor oder unterchlorig- saure Salze, z. B. Chlorkalk . Die Baumwollenbleiche, wie sie sich in großen Bleichereien vollzieht, hat in großen Umrissen folgenden Verlauf: 1. Bäuchen . Die Garne oder Gewebe werden in offenen ( Bäuch- kesseln ) oder geschlossenen cylindrischen Kesseln unter Druck ( Hochdruck- kochkessel ) mit einer verdünnten Natronlauge (30 l Natronlauge, 200 l Wasser) mehrere Stunden gekocht (die Einrichtung dieser Kessel siehe § 18). 2. Chloren . Die ausgekochte und gespülte Ware wird dann in das Chlorkalkbad eingelegt. Man bereitet sich dasselbe durch Anreiben oder An- rühren des Chlorkalkes mit Wasser; man erhält zuerst einen dicken Brei, mit mehr Wasser einen dünnen Schlamm, mit viel Wasser eine milchige Flüssigkeit, welche man absetzen läßt; man zieht die überstehende klare schwach grünliche Flüssigkeit ab und verdünnt sie mit Wasser auf 1½ bis 2° Bé. Das Chlorkalkbad ist infolge der chemischen Zusammensetzung des Chlorkalks stets schwach alkalisch; in diesem 1 bis 2° Bé. starken alkalischen Bade kann das Garn oder Gewebe bei gewöhnlicher Temperatur mehrere Stunden be- lassen werden, während welcher Zeit das Bleichen langsam vor sich geht. Ein Zusatz von Schwefelsäure oder Essigsäure zur Bleichflüssigkeit ist nicht notwendig . Man erreicht dadurch eine schärfere Einwirkung, läuft aber Gefahr, daß auch die Faser selbst mit angegriffen wird. Desgleichen ist ein Erwärmen unter allen Umständen zu vermeiden . Auf das Chloren folgt: 3. Spülen , welches die Entfernung alles überschüssigen Chlorkalkes bezweckt, und 4. Säuren . Die Ware wird durch ein schwaches Salzsäurebad pas- siert, durch welches aller Kalk aus der Ware entfernt wird, worauf nochmals 5. Zweites Spülen folgt. Ist das Weiß nicht befriedigend, so werden die Operationen wiederholt. Das Bäuchen fällt natürlich fort; es folgt sofort 6. Zweites Chloren und dann die übrigen Operationen in derselben Reihenfolge wie oben, so lange, resp. so oft, bis das gewünschte Weiß er- reicht ist. Dieser Bleichprozeß resp. das Aufeinanderfolgen der einzelnen Opera- tionen wird nicht selten mannigfach modifiziert, indem statt der einfachen Chlorkalklösung andere Bleichflüssigkeiten als Bäder benutzt werden, welche jedoch in der Mehrzahl aus unterchlorigsauren Salzen bestehen (unterchlorig- saures Natron oder Kali oder Baryt oder Thonerde u. s. w.). Es würde den Umfang dieses Handbuches überschreiten, wenn ich hier die verschiedenen Ganswindt , Färberei. 24 Bleichverfahren und Bleichvorschriften aufführen wollte; ich will nur das Verfahren von Mather und Thomson , welches mit Recht Aufsehen erregt hat, hier noch kurz erörtern. Dasselbe unterscheidet sich von dem bisher beschriebenen in zwei wesentlichen Punkten: Die Ware bleibt nicht stundenlang im Bleichbade, sondern sie wird sofort nach der Durchtränkung mit der Bleichflüssigkeit vom Ueberschuß durch Ausquetschen befreit, also ge- wissermaßen geklotzt , und gelangt dann sofort in ein Zimmer, welches gas- förmige Kohlensäure enthält. Die Vorteile dieses Verfahrens bestehen in der großen Verwandtschaft der Kohlensäure zum Kalk, welche eine Freimachung der unterchlorigen Säure gestattet, und in dem großen Zeitgewinn, welcher durch das Klotzen der Ware erreicht wird, während der eigentliche Bleich- prozeß im Kohlensäureraum innerhalb weniger Sekunden beendet ist. Auf die Einzelheiten dieses geistvollen Prozesses kann ich natürlich nicht eingehen. In der Praxis besteht das Mather-Thomson sche Verfahren in einer fortgesetzten Aufeinanderfolge von Sättigen des Stoffes mit der Chlorkalk- lösung, Entfernung des Ueberschusses durch Ausquetschen und gleichzeitiges Ueberführen in einen Raum, der Kohlensäure enthält, welche dann ohne Schwierigkeit in das Zeug eindringt und die Zersetzung in allen Teilen bewirkt. Die Wirkung des Mather-Thomson -Prozesses hat man im kleinen dadurch zu erreichen versucht, daß man die Chlorkalklösung auf ⅓° Bé. ver- dünnt und in dieselbe, während sie mit der Ware in Berührung ist, Kohlensäure einleitet. Die erhaltenen Resultate sollen sehr gute sein. In neuester Zeit hat sich auch die Elektrotechnik der Bleicherei zuge- wandt, indem sie einige Chlormetalllösungen durch Elektrolyse zerlegte und auf diese Weise ein Bleichen der in der Salzlösung befindlichen Fasern oder Garne bewirkte. Hermite hat mehrere darauf bezügliche Patente erworben und benutzt als Elektrolyten vornehmlich Chlormagnesium; auch Chloralu- minium ist für den gleichen Zweck vorgeschlagen worden. Die Erklärung des Prozesses, wie sie Hermite gibt, ist eine ungemein komplizierte; daß sich freies Chlor und auch unterchlorige Säure bilden, mag gern zugestanden werden; aber so, wie Hermite den Vorgang schildert, klingt er wenig wahr- scheinlich. Bei Geweben , welche für Druckware bestimmt sind, ist das Bleich- verfahren wesentlich komplizierter; in diesem Falle handelt es sich nicht nur um die Bleiche allein, sondern zugleich um Entfernen aller von der Ober- fläche des Gewebes abstehenden Faserelemente. Dieses geschieht durch ein Abbrennen derselben und wird gemeinhin als Sengen bezeichnet. Das Sengen bildet keineswegs einen Teil des Bleichprozesses; es ist auch kein chemischer, sondern lediglich ein mechanischer Vorgang und wird als solcher unter „Die Bleicharbeiten“ § 18 beschrieben werden. — Dem Sengen folgt die eigentliche Bleiche. Der chemische Prozeß ist in seinen Grundzügen der gleiche, weicht aber in seinen Einzelheiten von dem oben beschriebenen ab. Insbesondere geht dem eigentlichen Bleichen erst noch eine Behandlung mit Kalkmilch, das Kalken , voraus; dann wird in besonderem Bade der Kalk durch Salzsäure entfernt: erste Säuerung . Dann folgt das Bäuchen , doch wird in diesem Falle nicht verdünnte Aetznatronlauge, sondern Harz- seife verwendet. Dann erst folgt das Chloren , die zweite Säuerung , und schließlich das Scheeren . Der gesamte Vorgang erfordert gewöhnlich 5 Tage und erfordert eine Aufeinanderfolge von Operationen, welche nur mittels entsprechender Apparate und Maschinen ausgeführt werden können. Letztere finden sich § 18 näher beschrieben. In der Sitzung der Societé industrielle de Mulhouse vom 8. Febr. 1888 gelangte ein neues Bleichverfahren von Horace Köchlin zur Besprechung. Dasselbe besteht in einer Passage durch Schwefelsäure (½ bis 1 g auf 1 l Wasser von einer Temperatur von 65° R.), Kochen ohne Druck mit Zirku- lation in Soda und einfach schwefligsaurem Natron, Chloren und noch- maliger Passage durch Schwefelsäure. Außer dem Chlor hat kein anderes Bleichmittel bei Baumwollenbleiche sich Geltung zu verschaffen vermocht; selbst das an sich ganz vorzügliche Wasserstoffsuperoxyd vermag die Chlorbleiche nicht zu ersetzen; es vermag zwar den gleichen Bleicheffekt zu erzielen, ist aber nicht so billig. Bleichware, welche als solche in den Handel kommen soll, wird zu guter letzt noch gebläut , indem man sie durch eine heiße, mit Ultramarin ver- setzte Seifenlösung zieht, ausschleudert und trocknet. § 15. Bleichen des Leinens. Leinen in jedweder Form, sowohl als Garn oder Zwirn, wie als Lein- wand, ist wesentlich schwieriger zu bleichen, wie Baumwolle, weil die Flachs- faser von inkrustierender Pektinsäure bräunlich gelb erscheint; thatsächlich ver- liert der Flachs beim Bleichen von 15 bis zu 36 Prozent seines Gewichts. Die Leinenbleiche hat also die Aufgabe, diese 15 bis 36 Prozent die Leinen- faser verunreinigenden Substanzen zu entfernen. Die dabei einzuschlagenden Methoden verfolgen den Zweck, die inkrustierenden Substanzen zum Teil durch wechselweise Wirkung von Wasser, Luft, Licht und Wärme in lösliche Form überzuführen, zum Teil durch chemische Substanzen mittels Oxydation oder Deshydrogenation zu zerstören. Dauert das Bleichen der Baumwolle 4 bis 5 Tage, so dauert die Leinenbleiche ebenso viele Wochen, bisweilen noch länger. Es wird sofort erhellen, daß alle diejenigen Operationen, welche bei der Baumwolle beschrieben wurden, hier mehrmals hintereinander wiederholt werden müssen. Bei Leinen kommt außerdem die Schwierigkeit hinzu, daß die Faser gegen stärkere Laugen nicht unempfindlich ist, und daß man daher genötigt ist, das Bäuchen mit schwächeren Laugen als bei der Baumwollbleiche, und auch das Bleichen mit schwächeren Chlorkalkbädern vorzunehmen, dafür aber diese Operationen um so häufiger zu wiederholen. Früher wurde lediglich die Rasenbleiche angewendet; für Leinwand wird die- selbe in Deutschland auch heute noch vielfach benutzt, z. B. in Schlesien. In neuerer Zeit macht ihr dagegen die Chlorbleiche Konkurrenz, und letztere hat zweifellos den großen Vorteil, daß sie die Dauer des Bleichprozesses auf 2½ bis 3 Wochen, also auf die Hälfte, zu verringern vermag. Das Bleichen des Leinens ist also nur ein allmähliches; dadurch erklären sich denn auch die Ausdrücke „Halbbleiche“, „Dreiviertelbleiche“ ohne weiteres von selbst. Die Rasenbleiche . Dieselbe besteht darin, daß die Ware in regel- mäßiger Reihenfolge mit schwach alkalischen Flüssigkeiten (verdünnter Soda-, Pottasche-, Aetznatron oder Kalkbädern) gebäucht, gewaschen und mit Säure behandelt wird, wobei die Stoffe nach jedem Bäuchen auf Rasen ausgebreitet im feuchten Zustande der Einwirkung von Licht und Luft ausgesetzt werden. 24* Die eigentlich maßgebenden Faktoren bei der Rasenbleiche sind Wasser und Sonnenlicht. Wie Verfasser an anderer Stelle dargelegt hat Pharm. Centralhalle 1887, 249. , zersetzt das Sonnenlicht das Wasser unter Bildung von Ozon, von dessen Anwesen- heit man sich auf den Bleichplätzen schon durch den Geruch leicht überzeugen kann. Ozon ist aber jene aktive Form des Sauerstoffs, welche auch im Wasserstoffsuperoxyd enthalten ist; die Rasenbleiche ist daher ihrem eigent- lichen Wesen nach der Wasserstoffsuperoxydbleiche sehr ähnlich, wenn nicht gleich. Das Ozon als kräftiges Oxydationsmittel wirkt sowohl auf die Pektinsäure, wie auf den schon von v. Kurrer beobachteten grauen Farbstoff, der sich erst beim Rösten des Flachses bildet, ein, diesen bleichend, jenen in lösliche Form überführend. Durch wiederholtes Begießen werden die Zellen der Faser geöffnet, und die löslich gewordenen Anteile aus derselben entfernt. Chlorbleiche . Diese umschließt die gleichen Operationen, wie die Baumwollenchlorbleiche. Ich lasse hier ein Verfahren folgen, wie es in einem großen schlesischen Etablissement gehandhabt wird. Die Leinenware wird, nachdem jedes aufgelieferte Stück mit Litzen, resp. Vorenden versehen, in das Weich- oder Gärfaß gebracht. Jede ein- gelegte Lage wird mit bis auf 35° R. erwärmtem reinem Flußwasser durch- netzt und mit Holzschuhen fest niedergetreten, damit das Wasser alle Teile gleichmäßig durchdringt. Mit diesem Einlegen wird bis zur Füllung des Fasses fortgefahren. Hierauf wird das Faß mit Brettern zugelegt und werden diese vermittelst eines Querriegels befestigt, welcher nicht nur durch eine Kette, sondern außerdem auch durch gegen die obere Decke gestemmte Bäume niedergehalten wird. Die so in eine feste Lage gebrachten Leinen werden bis zur vollständigen Deckung mit Wasser übergossen der sauren Gärung überlassen, die nach 48 Stunden beendet ist. Nach dem Heraus- nehmen wird die Ware gleich zur Spülung gebracht, vermittelst Durchlaufen durch 2 kannelierte hölzerne Cylinder ausgespült und dann auf den Bleich- feldern ausgebreitet. Hier läßt man sie 2 bis 3 Tage lang liegen und be- gießt sie, so oft sie trocken geworden, mit Wasser. Sie wird jetzt trocken aufgenommen und zur ersten Bäuche gebracht. Erste Bäuche . Die Bäuchgefäße, mit einem doppelten Boden ver- sehen, sind tief in die Erde eingegrabene hölzerne Fässer und so placiert, daß die alkalische Lauge aus dem Kessel direkt in dieselben aufgelassen werden kann und die durch die Ware gezogene Lauge aus dem zwischen dem ersten und zweiten Boden befindlichen Raume wieder in den Laugenkessel zum Er- wärmen gepumpt werden kann. Zur ersten Bäuche bedient man sich einer Lauge, gewonnen durch Auflösung von ½ kg kalcinierter Soda von 90 Pro- zent auf 50 kg reines Quellwasser; diese wird auch häufig ersetzt durch eine Aschenlauge von gleicher Stärke, oder auch durch eine Mischung von Aschen- und Sodalauge. Zum Bäuchen wird die Ware hoch (köpflings) in dem Bäuchfasse aufgestellt, jede Schicht mit erwärmtem Wasser genetzt, alsdann mit Holzschuhen niedergetreten und damit fortgefahren, bis das Faß gehörig angefüllt ist. Dann wird so viel Wasser in das Faß gelassen, bis die Ware vollständig damit bedeckt ist. — Jetzt beginnt das Bäuchen. Eine Auflösung von Soda oder auch Aschenlauge, welche anfänglich bis auf 35° R. erwärmt sein muß, wird nach und nach der Ware zugesetzt und zwar in der Menge, daß die Bäuchlauge die oben bemerkte Stärke von 1 Prozent Soda erhält. Die inzwischen durchgelaufene Lauge wird nun aus dem Raume zwischen dem ersten und zweiten Boden des Bäuchfasses wieder in den Kessel ge- pumpt und daselbst um 5° stärker erwärmt, als sie beim Ausgießen hielt, sodann wieder aufgelassen und damit so lange fortgefahren, bis die Lauge beim Auflassen eine Hitze von 80° erreicht hat. Zu diesem Geschäfte ist je nach der Größe des Bäuchfasses längere oder kürzere Zeit erforderlich. Hat die Lauge den bestimmten Grad der Wärme erreicht, so läßt man das Feuer unter dem Kessel langsam ausgehen, fährt aber mit Auf- und Abpumpen der Lauge so lange fort, bis das Feuer erloschen ist. Ist die Bäuche so beendet und soll die Ware erst am andern Morgen ausgelegt werden, so bleibt sie die Nacht hindurch mit bedeckter Lauge stehen; soll sie gleich aus- gelegt werden, so wird die Lauge abgepumpt und so viel kaltes Wasser auf- gelassen, bis die Ware kalt geworden und die braune Lauge daraus entfernt ist. Hiernach wird die Ware auf den Bleichplan gebracht, ausgebreitet und 2 bis 3 Tage lang liegen gelassen. Nach dem Trockenwerden wird die Ware stets mit Wasser begossen, später möglichst trocken aufgenommen und zur Bäuche gebracht. Zweite Bäuche . Diese wird ganz wie die erste behandelt; sowohl die Stärke der Laugen, der Hitzegrad der Bäuche, das Durchpumpen mit kaltem Wasser, als auch das Auslegen der Ware auf dem Bleichplane wäh- rend 2 bis 3 Tage, sowie das Begießen derselben nach dem Trockenwerden erfahren hierin eine Aenderung nicht. Dritte Bäuche . Diese wird ebenfalls mit klarem Wasser übergossen, bis das Faß gefüllt ist, dann nach und nach eine Auflösung von Soda- und Aschenlauge zugesetzt und zwar auf 70 kg Wasser ½ kg kalcinierte Soda. Hitzegrad wie bei der ersten und zweiten Bäuche. Nachdem dieser erlangt, wird so viel kaltes Wasser in das Faß gelassen, bis die Ware mit den Händen herausgenommen werden kann. Mit der noch anhängenden Lauge auf den Bleichplatz gebracht, wird sie 2 bis 3 Tage unter häufigem Be- gießen dort liegen gelassen und dann zur Vierten Bäuche gebracht. Diese ist, wie die dritte Bäuche, nur mit dem Unterschiede, daß auf 75 kg Wasser ½ kg Soda genommen wird. Fünfte Bäuche wie vorher, 80 kg Wasser, ½ kg Soda; Sechste Bäuche wie vorhin, 85 kg Wasser, ½ kg Soda; Siebente Bäuche wie vorhin, 90 kg Wasser, ½ kg Soda; Achte Bäuche wie vorhin, 95 kg Wasser, ½ kg Soda; Erstes schwefelsaures Bad . Die Ware wird vom Bleichplan naß aufgenommen, ausgespült und in ein schwefelsaures Bad von 1 Gewichtsteil Schwefelsäure auf 200 Gewichtsteile klares reines Wasser, gut durcheinander gemischt, stückweise locker eingelegt und gehörig untergetaucht 5 bis 8 Stun- den darin liegen gelassen. Gleich nach dem Herausnehmen wird die Ware in fließendem Wasser gut gespült, und nachdem das Wasser abgelaufen ist, wird die Ware in das erste Chlorbad gebracht. Erstes Chlorbad . Dieses wird durch eine Auflösung guten Chlor- kalks in 600 Gewichtsteilen Wasser bereitet. Die Gewebe werden lose in feuchtem Zustande in steinerne Bütten gebracht und mit hölzernen Stäben gehörig untergetaucht, damit die Chlorkalkauflösung alle Teile gleichmäßig durchdringen kann. In diesem Bade verbleibt die Ware 6 bis 8 Stunden. Dann herausgenommen, in fließendem Wasser gut ausgespült und zum Ab- laufen gebracht, wird sie in feuchtem Zustand dem zweiten schwefelsauren Bad übergeben. Zweites schwefelsaures Bad wird wie das erste gegeben. Zehnte Bäuche mit einer Auflösung von 1¼ kg weißer Talgkern- seife und ½ kg kalcinierter Soda in 300 kg Wasser von 36 bis 60° Wärme, wonach die Ware unter gehörigem Begießen mit Wasser 2 bis 3 Tage auf der Bleichwiese liegen gelassen, alsdann gespült und sor- tiert wird. Die zur halben Bleiche bestimmten Leinen sind nach diesem Ver- fahren zum größten Teil fertig gebleicht, werden dann gestärkt oder gebläut und getrocknet. Die zur vollen und ¾ Bleiche bestimmte Ware kommt zum Seifen unter die sogen. engl. Rubbings . Die Ware wird so lange mit weißer resp. brauner Seife gewaschen, bis die darin etwa befindlichen schwarzen oder gelben Streifen daraus entfernt sind. So behandelt kommt die Ware nun ohne weiteres Ausspülen mit der Seife imprägniert in die Elfte Bäuche mit einer Auflösung von ½ kg kalcinierter Soda in 175 kg Wasser von 35 bis 65° Wärme. Von hier aus wird die Leinen- ware auf die Bleichwiese gebracht, jedoch nicht ausgespannt, sondern in die Breite gelegt, auch beständig naß erhalten, dann nach 2 Tagen und gehöri- gem Ausspülen gelangt sie wieder ins Chlorbad. Zweites Chlorbad . Wird in allem wie das erste erreicht. Drittes schwefelsaures Bad . Wird ebenfalls ganz wie das vor- angegangene gegeben. Zwölfte Bäuche mit einer Auflösung von ½ kg kalcinierter Soda und 1¼ kg weißer Talgkernseife in 300 kg reinem Wasser von 35 bis 55° Wärme. Hierauf liegt die Ware 2 Tage, ohne ausgespannt zu sein, auf der Bleichwiese unter beständigem Naßhalten. Nach dieser Operation wird die Ware gespült und sodann sortiert. Die guten und völlig ausge- bleichten Stücke werden gestärkt resp. geblaut und getrocknet. Die noch nicht völlig ausgebleichten Stücke werden wieder in den Rubbings gewaschen und kommen wie vorhin zur Bäuche. Dreizehnte Bäuche . Wird behandelt wie Bäuche 11. Nachdem die Ware sodann ebenso wie früher 2 Tage auf der Bleichwiese gelegen, wird sie wieder aufgenommen und gespült. Die besseren Stücke erhalten noch ein schwefelsaures Bad, wie das frühere, die schlechteren ein Drittes Chlorbad wie das zweite und ein Viertes schwefelsaures Bad wie das dritte, werden sodann nach vorherbeschriebener Art gebäucht, ausgelegt, gespült, gestärkt resp. geblaut und getrocknet, auf Verlangen auch gemangelt und appretiert. Dieses Bleichverfahren unterscheidet sich nur in Unwesentlichem von demjenigen, welches Hummel als das in Irland übliche bezeichnet, und von dem von Göhler in der Färbereimusterzeitung beschriebenen. In zwei Punkten sind diese 3 Bleichverfahren sich ganz gleich: sie benutzen als Bleichmittel Chlorkalk und als Entwickler Schwefelsäure. Gerade diese beiden Punkte scheinen mir aber keineswegs einwandfrei zu sein, und nicht auf der Höhe der Situation zu stehen. Zudem ist dieser Bleichprozeß augenscheinlich mit der Rasenbleiche verquickt und dadurch gewinnen meine Bedenken gegen die Anwendung des Chlorkalks an Stärke. Wie vom Mather-Thomson -Prozeß bekannt, zersetzt die Kohlensäure den Chlorkalk unter Freimachung der unter- chlorigen Säure. Dasselbe tritt ein, wenn mit Chlorkalklösung getränkte Leinwand der Luft ausgesetzt wird; die Kohlensäure der atmosphärischen Luft zersetzt einen Teil des Chlorkalks in kohlensauren Kalk, lagert diesen auf der Leinenfaser ab, und macht sie hart und rauh. Nun kann eingewendet wer- den, es folge ja doch das Säuren, wodurch der kohlensaure Kalk ja wieder entfernt werde. Dieser Einwand ist jedoch nicht stichhaltig; allerdings wird durch das Behandeln im schwefelsauren Bade der kohlensaure Kalk zerstört; dafür bildet sich aber der schwerlösliche schwefelsaure Kalk, welcher bekannt- lich in schwefelsäurehaltigem Wasser noch schwerer löslich ist, als in reinem. Wollte man wenigstens statt der Schwefelsäure Salzsäure anwenden, so er- hielte man an Stelle des schwerlöslichen Calciumsulfats das leicht lösliche Chlorcalcium; man erhielte so die Faser kalkfrei, was bei Verwendung von Schwefelsäure nur durch langes Spülen und selbst dann noch schwierig zu erreichen ist. Unter Vermeidung der hier gerügten Uebelstände empfiehlt Verfasser die Reine Chlorbleiche nach Ganswindt . Folgendes ist der Gang des Verfahrens: Auf 1000 kg Ware: Erste Bäuche : 75 kg Aetzkalk; Löschen; 12 Stunden im Bäuchkessel kochen; ½ Stunde waschen. Erste Säuerung : Salzsäure 2° Bé., mehrere Stunden im Bade belassen; 1 Stunde waschen. Zweite Bäuche : 20 kg Aetznatron; 20 kg Harz, vorher zu Harzseife gekocht, 1500 l Wasser; 10 Stunden kochen. Dritte Bäuche . 30 kg Aetznatron, 20 kg Harz, vorher gekocht und zusammen in Wasser gelöst, 1500 l Wasser; 6 Stunden kochen; 1 Stunde waschen. Chlorbad . Unterchlorigsaures Natron 0,5° Bé. Tränken und dann sofort als Strang durch den Squeezer gehen lassen; von hier geht die Ware direkt in einen mit Kohlensäuregas gefüllten Raum. Vierte Bäuche . 1500 l Wasser ohne weiteren Zusatz . Im Kohlensäureraum geht der eigentliche Bleichprozeß vor sich und die Ware imprägniert sich zugleich mit der durch den Prozeß gebildeten Soda. Aus diesem Grunde ist ein Sodazusatz nicht weiter nötig. Zweites Chlorbad . Wie das erstere; wieder in den Kohlensäure- raum. Fünfte Bäuche und so fort bis zur Erzielung der gewünschten Weiße. Dieses Verfahren verbindet die Vorteile der ursprünglichen Javelle- schen Methode mit der Mather-Thomson schen, vereinfacht die letztere aber ganz bedeutend durch die selbstthätige Sodabildung auf der Faser. Zum Schluß wird in kaltem reinem Wasser auf der Strangwaschmaschine gewaschen, centrifugiert und an der Luft getrocknet. Von sonstigen zur Leinenbleiche empfohlenen Bleichmitteln ist nur das mangansaure Kali zu nennen. Dasselbe ist von Tessié du Motay vor- geschlagen worden und soll in einer französischen Fabrik in großem Maß- stabe angewendet werden; mit dieser Methode soll es möglich sein, Flachs- garn in einem Tage, Gewebe in drei Tagen vollkommen fertig zu bleichen, obenein sollen sich die Bleichkosten nur auf 6 Francs pro 100 Meter Lein- wand stellen. Neuere und verbürgte Nachrichten habe ich hierüber nicht er- langen können. § 16. Bleichen der Jute. Die Jute ist wohl diejenige Gespinnstfaser, welche dem Bleichen die meisten Schwierigkeiten entgegensetzt, nicht weil ihr Prozentgehalt an färben- der und inkrustierender Substanz ein sehr hoher ist, sondern infolge der ab- weichenden chemischen Zusammensetzung der Jutefaser, welche nicht reine Cellulose, sondern eine modifizierte Cellulose ist. Croß und Bevan halten dieselben für eine ätherartige Verbindung der Cellulose und bezeichnen die- selbe als Bastose. Verfasser hat bereits im ersten Teil dieses „Handbuchs“, § 13, seine Ansicht dahin ausgesprochen, daß die Jutefaser aller Wahr- scheinlichkeit nach, so gut wie die andern pflanzlichen Fasern, aus Cellulose bestehen und daß dieselbe erst durch die vernunftwidrige Behandlung bei der Gewinnung in jenen Körper „Bastose“ umgewandelt werde. Wir müssen jedoch mit dieser veränderten Cellulose rechnen. Wie bereits an der eben citierten Stelle erwähnt ist, geben starke Lösungen unterchlorigsaurer Salze gechlorte Derivate, d. h. die Jutefaser selbst wird durch Chlorkalk verändert. Daraus ergibt sich die Unmöglichkeit der Verwendung starker Chlorkalk- lösungen zum Jutebleichen von selbst. Auf ähnliche Weise, wie Baumwolle und Leinen, kann Jute nicht gebleicht werden. Croß und Bevan , welche wohl am meisten die Chemie der Jutefaser studiert haben, haben gefunden, daß Kaliumpermanganat und nachfolgende Behandlung mit Schwefelsäure Soll doch wohl schweflige Säure heißen. Der Verf. mit Leichtigkeit die Jute bleicht. Das Verfahren ist jedoch zu teuer. So- dann haben dieselben Forscher eine ganz schwache Lösung von Natriumhypo- chlorit vorgeschlagen. Die von ihnen im Jahre 1886 publizierte, vornehm- lich auf Gewebe anwendbare Methode umfaßt vier Operationen: 1. Der Stoff wird zuerst bei einer Temperatur von 70° in einer schwach alkalischen Wasserglaslösung (28 kg auf 6000 l Wasser) gewaschen. 2. Beim Verlassen dieses Bades passiert er durch die Bleichflüssigkeit, eine Lösung von unterchlorigsaurem Natron, welche man auf die übliche Art erhält, indem man Chlorkalk durch eine gleichwertige Menge Natron zer- setzen läßt. Diese Flüssigkeit darf nicht mehr als 1 Prozent wirksamen Chlors enthalten, die wirksamste Menge scheint 0,7 Prozent zu sein, was einem Verhältnisse von ungefähr 2 Teilen Chlorkalk auf 100 Teile Wasser entspricht. Die Gegenwart des Natrons verhindert etwaige Bildung von chlorierten Produkten der Faser vollständig. 3. Nachdem man das Gewebe gründlich gespült hat, bringt man es in kalte, mit Wasser verdünnte Salzsäure, die ein geringes Quantum Schwefel- säure enthält. Diese Behandlung hat den Zweck, die basischen Verbindungen, welche in der Folge durch Einwirkung der oxydierenden Agentien eine Färbung der Faser hervorbringen könnten, zu beseitigen und gleichzeitig die Eisensalze aufzulösen. Die so behandelten Stoffe haben eine blasse, cremeartige Fär- bung und schönes mildes und glänzendes Aussehen. Wenn sie gefärbt wer- den sollen, kann man sie sofort, nach gründlichem Spülen, in das Färbebad bringen; falls sie zum Druck bestimmt sind, müssen sie noch einer anderweiten Operation unterworfen werden. 4. Man passiert sie durch ein Bad von doppeltschwefligsaurem Natron, im Gehalt von 1 bis 2 Prozent schwefliger Säure und entfernt mit Hilfe eines Kalanders die überschießende Flüssigkeit, welche man in das Bad zu- rückfließen läßt. Man läßt 2 bis 3 Stunden lang liegen und trocknet als- dann auf Dampfcylindern. Die schweflige Säure entweicht hierbei und die Stoffe sind nun gleichmäßig mit schwefligsaurem Natron imprägniert. Dieses Salz verhindert in der Folge die oxydierende Wirkung des Dämpfens auf die Faser, ohne die Entwickelung der mittels dieses Prozesses gedruckten Farben zu verhindern. Außerdem wird die Weiße des Stoffes noch durch die Behandlung mit dem Bisulfit erhöht. Der Gewichtsverlust des Ma- terials übersteigt nicht 7 bis 8 Prozent und die Verminderung der Festig- keit beträgt nicht mehr als 10 Prozent. Die Kosten des Bleichens stellen sich nicht über 20 Pfge. per Kilo. Von W. Rath Deutsche Färberzeitung 1887, 12. ist Wasserstoffsuperoxyd für Jutebleiche empfohlen worden, sobald ein Vorbleichen von Natriumhyposulfit stattgefunden hat; Verf. kann dem hinzufügen, daß auch ohne diese Vorbleiche ein völliges Bleichen mit Wasserstoffsuperoxyd leicht zu erzielen ist. Wo der Preis nicht gedrückt ist, läßt sich auch durch wechselweises Behandeln mit Kaliumper- manganat und schwefliger Säure ein schönes Weiß herstellen. Hummel empfiehlt bei der oben skizzierten Behandlung mit Natriumhypochlorid noch eine Nachbleiche mit Natriumbisulfit und Trocknen bei 65 bis 80° R.; man soll so durch die Wirkung der freiwerdenden schwefligen Säure ein reines Weiß erzeugen, während das in der Faser zurückbleibende neutrale Natrium- sulfit eine Einwirkung auf die Faser selbst verhindert. Für das Bleichen von Jutegarnen hat sich das Schwefeln als vorteilhaft herausgestellt. Dabei wird empfohlen, das Garn so dicht als möglich aufzuhängen, sowie ferner, die schweflige Säure über Nacht auf das Jutegarn wirken zu lassen, und dabei 10 Prozent des Trockengewichts der Ware an Stangenschwefel zu verbrennen. Nach dem „Textile Manufac- turer“ sollen derartig geschwefelte Garne einen größeren Glanz und ein milderes Gefühl bekommen. Zu vermeiden ist ein Naßwerden des Garnes vor dem Schwefeln, da alle Teile des Garnes, die naß werden, nach dem Schwefeln gelb erscheinen. Derart gebleichte Jutegarne nehmen mit der Zeit ihren früheren Farbenton wieder an. Um das zu vermeiden, ist das von mir empfohlene nachfolgende Waschen zur Entfernung der Leukoverbindung nicht zu umgehen. Geschwefeltes und hinterher gewaschenes Garn wird nicht gelblich. Ein etwas eigentümliches Verfahren zum Bleichen von Jute hat sich Martin patentieren lassen: 660 kg Jute sollen mit einer Lösung von 55 kg kalcinierter Soda in heißem Wasser, welcher man 2,75 kg Terpen- tinöl und 2,75 kg Schwefelkohlenstoff beimengt, in hermetisch geschlossenen Kesseln 4 Stunden gekocht werden. Nach dieser Behandlung soll nur die Hälfte der sonst üblichen Menge Chlor zum Bleichen notwendig sein; auch soll an Arbeitslohn entsprechend gespart werden, während das Bleichen ein vollständiges und gleichmäßiges sein soll. Ob dieses seltsame Patent in der Technik irgendwo wirklich angewendet wird, ist mir nicht bekannt geworden; auch will mir das Kochen unter Hochdruck nicht recht in den Sinn, ich fürchte, daß die Jute dabei wohl zerkocht, aber nicht gebleicht wird. Bleichen von Chinagras und Nesselfaser . Ueber das Bleichen dieser beiden Fasern ist verhältnismäßig wenig bekannt geworden. Doch sind beide Fasern wegen ihrer großen Dauerhaftigkeit und Widerstandsfähigkeit gegen Alkalien vorteilhaft bekannt, daher es wohl gerechtfertigt ist, den Bleichprozeß für diese Fasern als dem für Baumwolle und Leinen entsprechend hinzustellen, also das Chlor als das hierfür geeignetste Bleichmittel zu em- pfehlen. § 17. Bleichen von Federn und Stroh. Federn . Viele Federn sind von Natur weiß und brauchen keine Bleiche, sondern nur eine sorgfältige Wäsche in einem stark schäumenden Bade aus Marseiller Seife und ein Abreiben mit trockener Kartoffelstärke zwischen den Fingern. Ein Bleichen von Federn findet gemeinhin nur bei den naturgrauen Straußfedern statt. Solche Federn müssen durch die gleiche Behandlung in einem Seifenbade oder auch durch wiederholtes Schwenken in einem Bade von Salmiakgeist von dem einer jeden Feder anhängenden Fett befreit werden. Zweck dieser Vorbereitung ist, die Feder für das folgende Bleichbad benetzbar zu machen. Das Bleichbad für Federn besteht aus Wasserstoffsuperoxyd, welches mit einer Kleinigkeit Salmiakgeist alkalisch gemacht wird. Die Federn werden in dieses Bleichbad einfach ein- gelegt und darin belassen, bis man die gewünschte Weiße erreicht hat. Dann nimmt man dieselben heraus und unterwirft sie einem langsamen Trocknen in mäßig warmer Luft. Stroh . Strohgeflechte und zwar nur die als Bleichgeflecht in den Handel kommenden Geflechte werden für das Bleichen (nach Salfeld ) vor- bereitet, indem man dieselben in ein kochend heißes Sodabad einlegt, 6 bis 8 Stunden darin behandelt und dann ebenso lange in ein schwaches Oxalsäurebad bringt; dann spült man in kaltem Wasser und bringt sie in die Schwefelkammer. Das Bleichmittel für Stroh ist Schwefligsäuregas. Nach Bedarf geht man mit den Geflechten von dem Schwefelkasten noch einmal auf das Oxalsäurebad zurück und schwefelt wieder. — Neben dem Gas ist auch eine 8 prozentige Natriumbisulfitlösung empfohlen worden. Die in einem Seifenbade entfetteten Geflechte werden nach dem Spülen in Wasser in obige Lösung getaucht, herausgehoben, das Bad inzwischen mit 1 Prozent Schwefel- säure versetzt; mit der Ware wieder eingehen; das Entfärben erfolgt sehr rasch; kalt spülen, fertig. — Ein Bleichen durch wechselweises Behandeln mit Kaliumpermanganat und schwefliger Säure, welche auch empfohlen worden ist, dürfte zu kostspielig sein. § 18. Die Bleichoperationen. Nachdem in den vorigen Paragraphen der chemische Bleichprozeß aus- führlich behandelt ist, soll im nachfolgenden die mechanische Handhabung und die dabei verwendeten Apparate behandelt werden. Eine gewissermaßen einleitende Behandlung zum Bleichen von Geweben aus Pflanzenfasern, vornehmlich von Baumwollgewebe, Leinwand und Nessel, ist das Sengen , dessen schon in § 14 Erwähnung gethan wurde. Die Operation des Absengens oder Abflammens der Gewebe hat den Zweck, die an denselben hängenden Fasern durch Verbrennen zu beseitigen. Da, wo die Fasern nach außen stehen, werden wohl hier und da noch Scheermaschinen, welche die aufgebürsteten Fasern wegschneiden, angewendet, aber bei vielen Geweben ist dies nicht möglich, da die Fasern auf dem Grunde oder zwischen den Maschen des Gewebes liegen, oder weil das letztere erhabene Muster hat, wie z. B. Damast ꝛc. — Für das Beseitigen dieser Fasern hat man in frühester Zeit glühende Metallkörper angewendet, welche in primitivster Weise über das Gewebe gestrichen wurden, oder umge- kehrt, das Gewebe über die Metallkörper. Später entstand die sogenannte Plattensengerei, welche sich bis auf den heutigen Tag noch an vielen Orten erhalten hat. Bei dieser werden Kupfer oder Eisenplatten durch einen darunter befindlichen Ofen glühend gemacht und das Gewebe mit Hilfe von Aufwickel- und Abwickelvorrichtungen über dieselben gezogen. Eine solche Plattensenge zeigt Fig. 71. Fig. 71. Plattensenge. Diese Plattensengerei hat viele Nachteile in Bezug auf Bedienung, Gefährlichkeit und Abnutzung, daher war man schon frühzeitig darauf be- dacht, diese durch Anwendung von Flammen, welche das Gewebe berührten, zu vermindern. Bereits Anfang dieses Jahrhunderts wurden dergleichen Sengapparate hergestellt. Als Brennmaterial benutzte man damals Wein- geist oder Alkohol, später die Dämpfe aus diesen Materialien. Sämtliche Flammen hatten aber den Nachteil, daß sie rußten und daß die Ware sehr unegal und streifig ausfiel. Nach Entstehung der Steinkohlengasfabrikation wandte man sich bald der Verwendung des Steinkohlengases zum Sengen der Gewebe zu und erhielt wesentlich günstigere Resultate als früher, indem man dieses Gas mit atmosphärischer Luft mischte, wodurch nicht nur eine intensivere, sondern auch eine vollständig rußfreie Flamme gewonnen wurde. Man verwendet auch in abgelegenen Ortschaften, wo noch kein Steinkohlen- gas vorhanden, Gase aus Teer, Terpentin- und anderen Oelen mit großem Vorteil an, die in der Fabrik selbst hergestellt werden. In der richtigen Mischung von Gas und Luft liegt das Wesentliche für ein gutes billiges Sengen. Neueste Gassengmaschine mit zwei Schlitzbrennern, Injek- tions- und Mischungsapparat, D. R. P., sowie Bürstenwalzen (Fig. 72) oder mit Anfeuchtvorrichtung für gesengte Ware (Fig. 73). Die wichtigsten Bestandteile jeder Gassengmaschine sind die Apparate, welche die Mischung von Gas und Luft, das Mischungs- und Druckver- hältnis dieses Gemenges und die Ausströmung desselben am Verbrennungs- orte bewirken; es liegt also in der Hauptsache der größere oder geringere praktische Wert jeder Gassengmaschine in der Konstruktion der die Luftkom- pression, der die Mischung der komprimierten Luft mit dem Gase bewirkenden Apparate, und der Brenner selbst; diese Teile müssen bei einer auf Voll- kommenheit Anspruch machenden Gassengmaschine nicht nur gestatten, Gas und Luft auf das innigste miteinander zu mischen, dem Gemenge je nach Erfordernis einen höheren oder geringeren Druck zu geben, sondern auch die Mischung unter dem gewünschten, aber unbedingt gleichmäßigen Drucke am Verbrennungsorte zur Ausströmung kommen zu lassen, ohne dabei eine be- sondere Aufmerksamkeit und Intelligenz des die Maschine bedienenden Ar- beiters zu bedingen; alle diese Apparate müssen also durchaus leicht zu bedienen und vor allem die Gleichmäßigkeit der Flamme von der größeren oder geringeren Achtsamkeit des Arbeiters unabhängig , sowie mit Vor- richtungen versehen sein, aus welchen das Mischungsverhältnis auf den ersten Blick und mit Zuverlässigkeit zu erkennen ist. Diese Aufgaben erfüllten die bisher üblichen Gassengmaschinen nur zum allergeringsten Teile, indem bei den meisten derselben weder ein genügender Druck, noch eine genügend innige Mischung von Gas und Luft, sowie auch keine ganz gleichmäßige Ausströmung am Verbrennungsorte zu erzielen war; der Grund hierzu ist in der Konstruktion der Luftzuführungapparate und Brenner zu suchen; zu ersteren bediente man sich bei den älteren Maschinen meist gewöhnlicher Ventilatoren oder auch Blasebälge, mittels welcher be- kanntlich nur ein sehr niedriger Luftdruck erreichbar ist. Die Brenner setzten sich in den meisten Fällen aus einer Anzahl eiserner Düsen zusammen, welchen durch je zwei parallel nebeneinander stehende Stutzen Gas und Luft getrennt zugeführt wurden; da sich nun aber die den Düsen zugeführten Gas- und Luftströme naturgemäß in der gleichen Richtung fortbewegten, welche ihnen durch die Stellung der Stutzen mitgeteilt worden war, so ge- langte auch an der einen Seite jeder Düse das Gas, an der anderen Seite die Luft unter höherem Drucke zur Ausströmung, resp. Verbrennung und Zu Seite 380. Fig. 72. Neueste Gassengmaschine mit Bürstenwalze. Zu Seite 380. Fig. 73. Gassengmaschine mit Anfeuchtvorrichtung. war deshalb die Flamme jeder einzelnen Düse ungleichmäßig; wenn man nun berücksichtigt, daß sich jede Flammenreihe aus einer größeren Anzahl solcher Düsen zusammensetzt, so ist wohl einleuchtend, daß auch bei der größten Aufmerksamkeit des die Maschine bedienenden Arbeiters Ungleichmäßigkeiten in der Flamme nicht zu vermeiden waren. Bei der patentierten Weisbach schen Gassengmaschine sind Schlitzbrenner aus einem Stücke angewendet, welche durch eingesetzte Unterschiedswände in einzelne Kammern getrennt waren und denen Gas und Luft durch Stutzen, deren Bohrungen sich in einem Winkel trafen, zugeführt wurde. Oberhalb der Unterschiedswände war eine weitere Mischungsvorrichtung angebracht, die das Gas und die Luft nochmals auf das allerinnigste mischte und sonach das Gemenge über die ganze Breite des Brenners unter gleichmäßigstem Drucke zur Ausströmung gelangen ließ. Unter der Voraussetzung also, daß in jeder einzelnen Kammer des Brenners das Verhältnis zwischen der durch die Stutzen und kleinen Hähnchen eingeführten Luft und dem Gase ein ganz gleiches war, mußte auch das ausströmende Gemenge und infolgedessen die Flamme durchaus gleichmäßig sein und war es in der That auch, wenn der die Maschine bedienende Arbeiter der Einstellung der Flamme die erforder- liche Aufmerksamkeit zuwendete, indem er etwaige Ungleichmäßigkeiten im Mischungsverhältnis zwischen Gas und Luft der einzelnen Kammern, die durch eine verschiedene Färbung der Flamme leicht erkennbar ist, durch Richtigstellung der Einströmungshähnchen regulierte. Diese Maschine zeigte also gegen die früheren Konstruktionen wesentliche Fortschritte, indem sie bei einiger Aufmerksamkeit des die Maschine bedienenden Arbeiters eine vollständig egale Flamme von beliebig regulierbarer Intensität ergab. Da jedoch, wie oben erläutert, die Gleichmäßigkeit der Flamme hierbei immer noch bis zu einem gewissen Grade von der Aufmerksamkeit des Ar- beiters abhing, so hat die Firma C. H. Weisbach neuerdings die Maschine derart vervollkommnet, daß dadurch einesteils die Flammen unter allen Umständen und ganz unabhängig von der Intelligenz des Arbeiters voll- ständig gleichmäßig brennen, andernteils es dem Aufsicht führenden Beamten bei Kontrolle der Arbeiter auf den ersten Blick ersichtlich ist, ob auch das Mischungsverhältnis zwischen Gas und Luft für die betreffende Ware das richtigste und vorteilhafteste ist. Durch Konstruktion dieser neuesten Gassengmaschine ist diese doppelte Aufgabe in vollkommener Weise gelöst, indem bei derselben die Mischung von Gas und Luft in gesonderten Apparaten außerhalb der Brenner selbst erfolgt, so daß das Gemenge aus den Schlitzen der Brenner unbedingt in ganz gleicher Mischung zur Ausströmung und Verbrennung kommen muß, und die Zuführungsteile mit Skalen versehen sind, die jederzeit auf das Ge- naueste und Zuverlässigste erkennen lassen, in welchem Verhältnisse die Mi- schung stattfindet. Auf dem angewendeten patentierten Schraubengebläse ist ein Verjüngungs- stück mit Hahn und der Injektions-, sowie der Mischungsapparat montiert; in den Injektionsapparat mündet die durch einen Hahn absperrbare Gas- leitung ein. Der vom Gebläse erzeugte komprimierte Luftstrom kann durch eine einfache Drehung des unter dem Injektionsapparate befindlichen, mit Zeiger und Skala versehenen Hahnes mehr oder weniger gedrosselt, also in seiner Druckhöhe genau reguliert werden, je nachdem man schärfer oder mil- der zu sengen wünscht. In dem Injektionsapparate erfolgt das Ansaugen des Gases aus der ebenfalls durch einen Hahn mit Zeiger und Skala ab- sperrbaren Gasleitung durch den komprimierten Luftstrom und tritt das Ge- menge von da in einen solid und eigenartig konstruierten Behälter, in wel- chem die Mischung auf das Vollkommenste vollendet wird. Der oben er- wähnte Behälter steht durch ein Rohr und im Gestelle der Maschine befind- liche Kanäle mit den Brennern in Verbindung, so daß diesen also Gas und Luft bereits in brennbereitem Gemenge und auf das Innigste und unbedingt gleichmäßig vereint zugeführt wird. Die Brenner selbst sind im Innern hohl und so konstruiert, daß sich das von einer Seite eingeführte Gemenge von Gas und Luft im ganzen Brenner vollständig gleichmäßig verteilen muß, bevor es aus dem am oberen Teile befindlichen Brennschlitze zur Ausströmung kommen kann, was deshalb von größter Wichtigkeit ist, weil beim Fehlen der in Rede stehenden Einrichtung die Ausströmung des Gemenges aus dem Brennschlitze an der Eintrittsseite eine lebhaftere und daher die Flamme eine schärfere sein würde, als an der entgegengesetzten Seite. Der Brenn- schlitz, welcher sich über die ganze Breite des Brenners erstreckt und mit ihm die Flamme kann durch auf das Bequemste verstellbare Schieber je nach der Breite der zu sengenden Ware eingestellt werden und zwar einfach da- durch, daß man die Schieber, die den Schlitz auf das Vollkommenste abdichten, nach außen oder innen verrückt. Durch die im vorstehenden beschriebenen Verbesserungen ist der weiter vorn erwähnte doppelte Zweck auf das Vollkommenste erreicht, indem das von den Injektions- und Mischungsapparaten kommende Gemenge ganz unab- hängig von der Aufmerksamkeit des die Maschine bedienenden Arbeiters aus den Schlitzen der Brenner an allen Stellen vollständig gleichmäßig zur Ausströmung und Verbrennung kommen muß; der Arbeiter hat bei Inbe- triebsetzung also weiter nichts zu thun, als die beiden mit Skalen versehenen Hauptgas- und Hauptlufthähne so weit zu öffnen, daß dieselben den vorge- schriebenen Durchgang lassen, was durch die Zeiger in deutlichster und leicht verständlicher Weise angegeben wird, und die Flamme resp. die Flammen anzubrennen. Dabei bedarf es für den Aufsicht führenden Beamten nur eines Blickes auf die Skalen der oben erwähnten zwei Hähne, um sofort zu erkennen, ob das Mischungsverhältnis zwischen Gas und Luft das richtige ist; die Bedienung und Beaufsichtigung kann also nicht einfacher und zuver- lässiger gedacht werden. Wie aus den beigegebenen Abbildungen ersichtlich, werden die Gasseng- maschinen in zwei verschiedenen Ausführungen geliefert, welchen aber beiden gemeinschaftlich ist, daß die Ware bei einem Durchgange durch die Maschine entweder auf einer Seite zwei, oder auf beiden Seiten zugleich je einmal gesengt werden kann. Die durch Fig. 72 veranschaulichte Gassengmaschine mit Bürsten- walzen findet hauptsächlich Verwendung für wollene, halbwollene, baum- wollene Gewebe, Jutestoffe ꝛc., die mehrmals die Maschine passieren müssen, oder nach dem Sengen weitere Manipulationen im trockenen Zustande durch- machen, während die Gassengmaschine nach Fig. 73 für baumwollene Waren benutzt wird, die nach dem Sengen ausgekocht, gebleicht, gefärbt ꝛc. werden. Bei der Gassengmaschine nach Fig. 72 passiert die Ware beim Einlauf zwei Leitwalzen, einen Bremsapparat, geht hiernach um die beiden Sengwalzen, wo sie der Wirkung der Flamme ausgesetzt ist; kurz oberhalb derselben sind zwei eiserne Ausdrückwalzen angeordnet und über diesen wiederum zwei mit Tuch überzogene Zug- und Druckwalzen. Hiernach passiert die Ware die Bürstenwalzen, die sie möglichst vom Sengstaub befreien, ein Paar hintere mit Tuch überzogene Zug- und Druckwalzen und wird durch den Legapparat in Falten abgelegt. Die Gassengmaschine nach Fig. 73 ist mit einem Einlaßarme mit diversen Leitwalzen ausgestattet und wird die Ware, nachdem sie die Seng- walzen, die eisernen Ausdrückwalzen und die oberen, mit Tuch überzogenen Zug- und Druckwalzen passiert hat, beim Durchgang zwischen zwei kupfer- nen Walzen, von welchen die eine im Wasser läuft und die andere mit Filz überzogen ist, angefeuchtet, hiernach zum Strang formiert und durch eine Abzugswalze abgelegt. Der Antrieb der Maschine erfolgt durch ein besonders konstruiertes Friktionsvorgelege, welches eine große Geschwindigkeitsveränderung selbst während des Ganges gestattet und welches so eingerichtet ist, daß das von diesem Vorgelege aus angetriebene Gebläse in Betrieb gesetzt werden kann, ohne daß die Gassengmaschine selbst arbeitet; diese letztere ist mit besonderer Ausrückvorrichtung versehen. Die Maschine eignet sich ebenso gut für Stein- kohlen- als für Oel- und Gasolingas. Um ein Sengen, überhanpt eine jedwede Bearbeitung von Stückwaren in größeren Partieen, zu ermöglichen, werden die Stücke zusammengeheftet. Bei Handnäherei entstehen dabei häufig Falten, welche bei der späteren Be- arbeitung störend wirken. Diesen begegnet man mit Vorteil, wenn man eine Heftmaschine benutzt; eine solche (Fig. 74 a und b ) besteht in der Hauptsache aus 2 durch eine Kurbel in Betrieb gesetzten Zahnrädern zur Faltenbildung und eine mit Handgriff versehene bewegliche Nadel zum Ein- ziehen des Heftfadens. Nach jedem Sengen einer Ware folgt, ehe zur Bleiche geschritten werden kann, ein Waschen . Diese Operation bezweckt in der Hauptsache ein völliges Netzen der Ware, nicht minder aber auch die Ueberführung der Ware in die Strangform; man läßt daher Gewebe am besten von der Seng- maschine durch eine porzellanene Strangführung direkt in eine der oben be- schriebenen Strangwaschmaschinen überleiten, welche die vorbereitenden Bleich- arbeiten abschließt. Diese Strangform ist die auch bei allen weiteren Operationen des Bleichens bevorzugte Form der Ware, um dieselbe in ununterbrochenem Kreislauf durch die Bleichbäder, Säurebäder, Wasserbäder u. s. w. passieren zu können, ohne sie umlegen oder umpacken zu müssen, und um sie aller Handarbeit möglichst zu entziehen. Um auch Garne in einen dem ent- sprechenden Zustand zu bringen, bindet man die einzelnen Strähnen oder Docken an ihren Enden zusammen und erzielt so eine Kette im vollsten Sinne des Wortes, eine gliedweise Aneinanderreihung von Garnsträhnen, welche dann in ihrer Gesamtheit auch einen Strang bilden, welche in dieser Form den Namen Garnstrang führt. Dadurch werden die Operationen bei der Garnbleicherei und der Stückbleiche einander so ähnlich, daß beide in den gleichen Apparaten und mit den gleichen Maschinen ausgeführt wer- den können. Fig. 74 a. Heftmaschine. Fig. 74 b. Heftmaschine. Die für die Bleichereien eigentlich charakteristischen Apparate sind die Bäuchkessel . Früher arbeitete man in den Bäuchkesseln ohne Dampfdruck; diese waren daher offen, und dienten hauptsächlich für Leinengarn. Derartige offene Bäuchkessel (Fig. 75 a und b ) sind auch heute noch in kleineren Betrieben vorhanden und zeigen einen gußeisernen, nach unten wenig ver- jüngten Kessel mit einem gleichfalls eisernen Siebboden, auf welchen die Bleichware in Netzen zu liegen kommt; verschlossen wird der Kessel mit einem leichten Deckel, welcher an einer Stelle des Randes mittels Charnier befestigt ist, und durch ein Gegengewicht mit Ketten leicht aufzuklappen ist. Auf die Ware wird die zur Bäuche bestimmte Lauge, welche in Stärke und Zusammensetzung aus den früheren Paragraphen zu erfahren ist, gegeben und wird zum Kochen erhitzt. Der Dampf tritt von unten in den Kessel und bringt die Lauge zum Kochen, welche nach beendetem Bäuchen durch einen unmittelbar über dem Boden des Kessels seitlich angebrachten Hahn abgelassen werden kann. Zum Ausheben der Netze mit den Garnen aus dem Kochkessel dient ein Drehkrahn mit Winde, welcher auch ohne weitere Erläuterung aus der Zeichnung verständlich wird. Der Krahn ist drehbar, so daß er für mehrere Kessel dienen kann; man ordnet dann die Bäuchkessel kreisförmig um den Krahn. Fig. 75 b zeigt einen Horizontaldurchschnitt durch 2 solche Kessel nebst Krahn. Die Bäuchkessel neuerer Konstruktion sind zum Arbeiten mit Hochdruck bestimmt, und werden daher auch als Hochdruckkochkessel bezeichnet. Sie Fig. 75. Bäuchkessel mit Krahn. bestehen aus einem von schmiedeeisernem Kesselblech gearbeiteten cylindrischen Kessel mit hermetisch schließendem, umlegbarem Mannlochdeckel. Der Haupt- unterschied zwischen diesem und den offenen Bäuchkesseln besteht in diesem hermetischen Verschluß und der Möglichkeit eines mehrfachen Atmosphären- drucks, weshalb diese Kessel amtlich auf ihre Druckfähigkeit probiert werden. Die Hochdruck-Kochkessel dienen zum Bäuchen von Stückwaren und Garnen im Bündel und Strang. Im Innern des Kessels über dem gewölbten Boden befindet sich ein Siebboden, auf welchen die Ware durch das Mannloch eingelegt wird. Die Zirkulation der Flotte geschieht mittels eines Dampf- strahlinjektors durch ein außerhalb des Kessels angebrachtes Rohrsystem, während eine im Verschlußdeckel drehbar angeordnete Turbine ein gleich- mäßiges Uebergießen der kochenden Lauge bewirkt und die beständige Zirku- lation infolge der sichtbaren Drehung der Turbine (die Turbinenachse ist Ganswindt , Färberei. 25 Fig. 76. Hochdruck-Koch und Bäuchkessel. nach oben (außen) verlängert und mit einem Querpfeil ver- sehen) von außen jederzeit be- obachtet werden kann. Diese Kessel (Fig. 76) besitzen den großen Vorzug, daß nach be- endetem Kochprozeß im geschlosse- nen Kessel durch Einstellen des Zirkulationsinjektors mit dem Kaltwasserzuflußrohr bei geöff- netem Ablaßhahn die gebäuchte Ware nachgespült und abgekühlt werden kann, und ermöglicht das letztere die Aufstellung der Kochkessel in jedem beliebigen, auch nicht gewölbten Raume. Der Apparat der Firma C. H. Weisbach in Chemnitz ist auf 6 Atmosphären geprüft. Aehnlich, doch etwas ein- facher, ist der Kleine Hoch- druck-Kochkessel (Fig. 77 a, b ) der Zittauer Maschinenfabrik, welcher durch Zeichnung und Horizontaldurchschnitt auch ohne weitere Erklärung verständlich ist. Die Zirkulation der Lauge geschieht wie bei dem vorigen durch drei außerhalb des Cylinders befindliche Rohre, so daß auch hier die erwärmte Lauge sich immer wieder von neuem über die Ware ergießt. Fig. 77 a. Hochdruck-Kochkessel. Fig. 77 b. Hochdruck-Kochkessel. Hochdruck-Kochkessel mit innerer Zirkulation (Fig. 78). Dieser Kessel unterscheidet sich von den beiden vorigen dadurch, daß die der Zirku- lation dienenden Rohre nicht außerhalb, sondern innerhalb des Cylinders sich befinden. Dagegen ist zum Einlegen der Ware der ganze Deckel ab- nehmbar; er ist durch Umlegschrauben zu befestigen, hängt in Ketten und ist durch ein Gegengewicht entlastet. Er enthält ferner ein Sicherheitsventil, und einen Manometer, sowie einen Lufthahn zum Ablassen der kalten Luft beim Beginn des Kochens und des Dampfes am Ende desselben. Die aus- genutzte Lauge kann durch einen Ablaßhahn, ebenso das Kondensationswasser gesondert entfernt werden. Viel angewendet werden auch die Bleichkessel nach Barlow und die nach Pendlebury . Beide haben miteinander das gemein, daß der Bleich- apparat aus einem System von 2 oder 3 Kesseln besteht. Das Barlow sche System besteht aus 2 gleich großen Kesseln aus schmiedeeisernem Kesselblech mit einer Lage von glatt gewordenen Kieselsteinen an Stelle des bei den vorher beschriebenen Bäuchkesseln vorhandenen Sieb- bodens, und mit je 2 Mannlöchern auf dem Deckel eines jeden Kessels zum Beschicken des Kessels und Entleeren der Ware. Diese kommt in beiden Kesseln direkt auf den falschen Steinboden zu liegen, wogegen nur ein Kessel mit der Bäuchlauge beschickt wird. In beiden Kesseln befindet sich an der Stelle der Längsachse des Cylinders das Dampfzuleitungsrohr, dessen oberer Teil durchlöchert und welcher in einiger Entfernung vom Boden mit einem Zapfen verschlossen ist; am oberen Ende steht das Rohr mit einem Zwei- weghahn in Verbindung, welcher dasselbe sowohl mit dem Hauptdampfrohr wie mit einem Verbindungsrohr zwischen dem oberen Boden des einen mit dem unteren Boden des zweiten Kessels verbindet. Dadurch wird eine Kommunikation zwischen beiden Kesseln, sowie die Möglichkeit des Kochens unter Druck in einem Kessel und des Hinübertreibens der Bäuchflüssigkeit in den zweiten Kessel ermöglicht. Auf diesem wechselseitigen Hinübertreiben der Lauge durch das Material aus dem einen Kessel in den andern durch einfaches Wechseln der Stellung der Zweiweghähne beruht das Charakteristische des Barlow schen Systems. Das System Pendlebury besitzt zwei ungleich große Kessel, von denen der größere zum Einlegen der Ware, der kleinere zum Erhitzen der Bäuch- 25* Fig. 78. Hochdruckkochkessel mit innerer Zirkulation. flüssigkeit dient. Dieses geschieht durch direktes Einleiten von Dampf in die Bäuchflüssigkeit; die beiden Kessel sind mit dem gemeinsamen Dampfrohr, wie miteinander genau so verbunden, wie beim System Barlow ; die ein- fache Umstellung der Zweiweghähne bewirkt auch hier ein Hinüberpressen der erhitzten Bäuchflüssigkeit in den mit Ware beschickten Cylinder und durch er- neuerte Umstellung der Hähne aus dem großen Kessel wieder zurück in den kleineren. Der Unterschied vom Barlow schen System besteht vornehmlich darin, daß die Ware nach jedem Auskochen mit direkt zugeführtem Dampf ausgedämpft werden kann. Das kombinierte System Pendlebury-Barlow vereinigt die Vor- züge beider Systeme und besteht aus zwei großen Kesseln zum Bäuchen und einem kleinen zum Aufnehmen der Kochflüssigkeiten bestimmten, welcher mit jedem der beiden größeren verbunden ist. Die beiden großen Kessel kom- munizieren auch miteinander. Diese Kombination gestattet eine Zeitersparnis durch Ausdämpfen der Ware in dem einen Kessel, während in dem andern ausgekocht wird. Auf die Operation des Bäuchens folgt allemal noch erst ein Waschen, ehe zum Chloren geschritten werden kann. Das Chloren beginnt mit der Be- reitung der Chlorkalklösung . Die physikalischen Eigenschaften des Chlor- kalks, seine Hygroskopizität und teilweise Unlöslichkeit, sein krümliges Aeußere und sein leichtes Zusammenballen zu Klumpen haben zu einigen Maschinen zur besseren Handhabung desselben geführt. Die Chlorkalkmühlen setzen einen völlig lufttrockenen Chlorkalk voraus und bestehen aus einem oben offenen Trichter, in welchem ein um seine senkrechte Achse drehbarer Konus Fig. 79. Chlorkalkauflöser. sich bewegt, welcher den Trichter fast ausfüllt. Ueber dem Konus am Rande des Trichters bewegen sich eiserne Kugeln und zermahlen den Chlorkalk, so daß er zwischen dem Konus und der inneren Trichterwand hindurch läuft. Ich halte diese Chlorkalkmühlen nicht für praktisch, da sie den Chlorkalk zu lange mit der Luft in Berührung bringen und nicht völlig lufttrockenen leicht schmierig machen. Viel empfehlenswerter sind die Chlorkalkauflöser (Fig. 79). Diese dienen dazu, den stückigen oder krümligen Chlorkalk in Wasser aufzulösen. Beim Lösen des Chlorkalks geht bekanntlich der ganze Gehalt an unterchlorigsaurem Kalk, das gesamte Chlorcalcium und ein wenig Kalkhydrat in Lösung, die Hauptmenge des Kalk- hydrats bleibt ungelöst zurück; in letzter Linie handelt es sich dann um ein Trennen des Gelösten vom Ungelösten. Diesem Zwecke angepaßt besteht der Chlorkalkauflöser aus einem eisernen, innen massiv verbleiten Kasten und einem demselben an den Schmalseiten drehbar eingelagerten, durchlöcherten, hohlen, stark verbleiten Eisencylinder, welcher mit einer verschließbaren Einfüllöffnung versehen ist. Der Kasten wird bis etwa zur Höhe der Achse des inneren Cylinders mit Wasser gefüllt, die Trommel mit Chlorkalk beschickt, ver- schlossen, und in Bewegung versetzt. Der Chlorkalk wird gewissermaßen cen- trifugiert und gelangt in feinster Verteilung durch die Trommelwandung in das Wasser, wobei das Ungelöste sich als feiner Schlamm auf dem Boden des Reservoirs absetzt. An einer Stirnwand desselben befindet sich ein Ab- laßhahn für die nach dem Absetzen klare Chlorkalklösung, während am Boden ein (in der Zeichnung nicht sichtbares) Ablaßventil für den Kalkschlamm sich befindet. — Zur Bewältigung ganz großer Massen dienen die Chlorrührer (Fig. 80), viereckige, schmiedeeiserne, mit starkem Blei- blech ausgeschlagene Kästen, in welchen 2 Rechen mit entgegengesetzter Be- wegung durch ein gemeinsames Rührwerk die Masse beständig durchein- ander rühren. Die Hähne sind in einiger Entfernung so hoch über dem Boden der Kästen angeordnet, daß der entstehende Bodensatz nicht mit zum Abfluß gelangt, vielmehr durch das Ablaßventil entleert werden kann. Fig. 80. Chlorrührer. Das Imprägnieren der Ware mit Chlorkalklösung geschieht entweder durch bloßes Einlegen der Ware, Herausnehmen, Säuren und Spülen, oder — in größeren Etablissements — indem man dieselbe in Ketten- oder Strangform mittels Maschinen durch die Bleichflüssigkeit kontinuierlich passieren läßt. Eine solche Maschine, speziell zum Chloren von Leinengarn be- stimmt, ist die Garnchlormaschine von C. G. Haubold jun. in Chemnitz. Fig. 81 a und b zeigt 3 in Cement gemauerte Bassins von geringer Tiefe, mit Chlorkalklösung gefüllt; über jedem Bassin befinden sich zwei einfache Holzrollen, von welchen herab die Garnsträhne in die Bleichflüssigkeit hängen. Diese Rollen werden durch eine seitliche Welle gleichzeitig in Bewegung ge- setzt; sie sind leicht und bequem auszuheben, und werden nach frischem Be- ziehen mit Garn so eingelegt, daß der viereckige Zapfen der Welle in einen entsprechenden Kopf der Mitnehmerhülse zu liegen kommt. Diese Garn- chlormaschinen haben in großen Leinenbleichereien eine große Anzahl von Bassins; ein System solcher Bassins heißt dann eine Rollerei . Zum Transport der Garne während der einzelnen Bleichoperationen, soweit eine Bleiche in der Kette das Umtransportieren nicht überflüssig macht, dienen die Garntransportwagen . Dieselben (Fig. 82) bestehen aus Boden, Vorder- und Rückwand, 2 großen Laufrollen in der Mitte und je einer drehbaren Lenkrolle vorn und hinten. Fig. 81 a. Garnchlormaschine. Seitenansicht. Fig. 81 b. Garnchlormaschine. Horizontaldurchschnitt. Fig. 82. Garnwagen. Zum kontinuierlichen Imprägnieren von Strangwaren dient die Chlor-, Kalk- und Säuremaschine neuester Konstruktion von C. H. Weisbach in Chemnitz (Fig. 83). Dieselbe dient sowohl zum kontinuier- lichen Imprägnieren der Stückware im losen Strang mit Kalkmilch und Soda- lauge vor dem Kochen, und mit Chlorkalk- oder Säurelösung nach dem Kochen, als auch zum Seifen, Waschen oder Blauen gebleichter Waren und besteht aus den starken eisernen Gestellen mit einem zwischenliegenden Walzensystem, zu- sammengesetzt aus einer starken Pockholzcentralwalze, einer darüber liegenden, mit Hebeldruck angepreßten Hartholzquetschwalze und zwei in einem gemein- schaftlichen Doppelhebel gelagerten Hartholzwalzen, welche mittels regulier- barem Belastungshebel unter einem bestimmten Winkel an die Mittel- walze angepreßt werden. Die La- gerhebel beider Walzen sind um einen gemeinschaftlichen, in Schiebe- lagern geführten Zapfen drehbar, durch welche Lager der Hebeldruck auf die Walzen übertragen wird. Infolge dieser eigenartigen patentier- ten Walzenanordnung ist ein ganz gleichmäßiges Quetschen des zwi- schen der Centralwalze und den beiden Quetschwalzen passierenden Waren- stranges ermöglicht, indem sich jede dieser beiden Walzen unabhängig von Fig. 83. Chlor-, Kalk- und Säuremaschine. der anderen, der ungleichmäßigen Strangstärke entsprechend, der Hauptwalze nähern oder entfernen kann, ohne dabei die Lage und den Druck der ande- ren Walze zu verändern. Durch dieses an allen Stellen des Stranges stets gleichmäßige Quetschen in Verbindung mit dem starken, der Gattung der Ware entsprechend einzustellenden Hebeldruck wird ein genau gleichmäßiges, intensives Imprägnieren bewirkt und damit eine große Leistungsfähigkeit er- reicht, da durch die größere Länge der die Maschine passierenden losen Stränge die Ware die nötige Zeit mit der Flüssigkeit in Berührung bleibt und aufs innigste damit getränkt wird. Ein selbstthätig sich beim Gange der Maschine hin- und herbewegendes Strangführungsgitter bewirkt einesteils ein beständiges Verändern der Falten- lagen des Stranges, andernteils verhindert es ein ungleichmäßiges, ring- förmiges Abnutzen der Walzen. Das Druckhebelsystem besitzt eine zweck- mäßig konstruierte Ausrückvorrichtung, welche ein plötzliches Abstellen der beiden Unterwalzen von der Hauptwalze durch einfache Drehung eines Hand- hebels bewirkt und ein bequemes Herausnehmen beider Walzen behufs Reinigung ꝛc. ermöglicht. Die eisernen Gestelle der Maschine schließen einen starken hölzernen Bottich ein, welcher zur Aufnahme der Flüssigkeit dient und mit einer Ablaßvorrichtung versehen ist; ferner ist die Maschine aus- gestattet mit loser und fester Riemenscheibe, vorteilhafter Riemenausrückung, sowie mit zwei Porzellanführungsringen zum Ein- und Ausführen des Stranges. Die Maschine zeichnet sich besonders aus durch ihre wesentliche Einfachheit, indem die bei Maschinen ähnlicher Systeme angewandten, meist schwer zugänglichen zahlreichen Gelenke und beweglichen Teile für die Walzenstellung, welche häufigen Reparaturen unterliegen, hier vollständig vermieden sind. Die Walzenstellung dieser Maschine besitzt auf jeder Seite derselben nur einen einzigen Drehpunkt, und zwar einen außerhalb des Kastens am Gestell geführten Drehzapfen, auch sind alle sonstigen Teile der Druckbelastung außen angebracht und leicht zugänglich. Sämtliche Walzen sind zum Herausnehmen auf bequeme Weise eingerichtet und laufen in metallnen Lagern. Die Maschine ist sowohl für leichte, als auch für schwerste gerauhte Ware gleich vorteilhaft anzuwenden. § 19. Die Hauptarbeiten der Färberei im allgemeinen. Nachdem die Fasern, Gespinnste oder Gewebe die in den vorigen Para- graphen beschriebenen Operationen durchlaufen haben, sind sie soweit vor- bereitet, daß nunmehr zum eigentlichen Färben, gemeinhin Ausfärben ge- nannt, geschritten werden kann, d. h. die Fasern, Gespinnste u. s. w. können nun in die eigentlichen Farbebäder gelangen oder, falls ein Beizen erforderlich oder wünschenswert, in das Beizbad. Behufs Herstellung der Beizflüssigkeiten und Farbbäder sind jedoch eine Anzahl einleitende Operationen nötig, welche die Zerkleinerung der Farbstoffe (z. B. das Raspeln der Farbhölzer, das Feinreiben der Cochenille), das Auskochen der Farbstoffe aus den Rohmaterialien (z. B. der Farbhölzer, des Sumachs ꝛc.), das Lösen der Farbstoffe oder das in Lösungbringen gewisser Farbstoffe (z. B. Indigo, Coeruleïn), das Justieren der Lösungen auf einen gewissen Stärkegrad u. s. w. bezwecken. Alle diese Arbeiten sind lediglich vorbereitende. Und doch sollte jeder Färber gerade diesen vorbereitenden Arbeiten besondere Aufmerksamkeit schenken, da von der richtigen Zubereitung der Beiz- und Farbbäder Alles abhängt, und ein späteres Flicken und Aus- bessern, ein Zusetzen von Farbstoff, ein Zugeben von Säure u. dergl. immer- hin sein Bedenken hat. Zweck der vorbereitenden Operationen ist die Ueber- führung der Farbstoffe in lösliche Form. Die in der Neuzeit meist ge- brauchten künstlichen organischen Farbstoffe sind ja an sich löslich; bei der großen Anzahl natürlicher aber muß erst eine entsprechende Zerkleinerung stattfinden oder ein Auskochen resp. Extrahieren der Ware. § 20. Zerkleinern der Kohmaterialien. Von den Farbstoffen, welche durch Reiben in ein feines Pulver ver- wandelt und dadurch für die spätere Lösung vorbereitet werden sollen, ge- hört in erster Linie der Indigo. Von Natur hart, widersetzt er sich dem bloßen Reiben im Mörser hartnäckig. Man hat daher Mühlen konstruiert, in welchen der Indigo richtig zermahlen wird. Die einfachste Vorrichtung dieser Art ist die Indigoschrotmühle , Fig. 84, bestimmt, den Indigo in trockenem Zustande vorzumahlen, wodurch ein schnelleres und gleichmäßigeres Feinmahlen ermöglicht wird. Wenn man von der Antriebvorrichtung ab- sieht, hat diese Schrotmühle viel Aehnlichkeit mit einer Kaffeemühle. Fig. 84. Indigoschrotmühle. Sehr gebräuchlich ist die Indigoreibmühle mit Kugelschale (Fig. 85), bestehend aus einem massiven eisernen Gestell, auf welchem die schief geneigte gußeiserne Kugelschale drehbar angebracht ist. Die Schale dreht sich um ihre nach unten verlängerte Achse und wird mittels zweier konischer Räder durch Riemen getrieben. Durch die Drehung des Kessels und die darin laufenden Kugeln wird der Indigo auf das Feinste gerieben. Die Maschine ist noch mit einer selbst- thätigen Abklopfvorrichtung versehen, da der Indigo die Eigenschaft zeigt, sich an den Kesselwänden festzureiben. Durch Auslösung des unteren Wellen- lagers kann die Schale geneigt, und ihres Inhalts entleert werden. — Auf dem gleichen Prinzip beruhend, aber etwas abweichend in der Konstruktion, ist die Fig. 85. Indigoreibmühle mit Kugelschale. Indigoreibmaschine Fig. 86 von C. G. Haubold jun. in Chemnitz. Bei dieser ist der Kessel so eingerichtet, daß er in horizontaler, vertikaler oder jeder beliebig schiefen Richtung mahlen kann. Das Schrägstellen kann auch während des Ganges bewerkstelligt werden. Das Entleeren des Kessels bedarf hier keiner besonderen Auslösung, der Antrieb ist etwas höher gelegt, als bei der vorigen, so daß die Achse der Antriebswelle auch die Längsachse des Kessels ist, während die Neigung oder das Entleeren des Kessels durch eine Kurbel bewirkt wird. Alles übrige ist aus der Zeichnung ersichtlich. Fig. 86. Indigoreibmaschine. Indigoreibmaschine mit Walzen Fig. 87. Diese Maschine be- steht aus einer großen eisernen, durch ein massives Eisengestell getragenen horizontal rotierenden Trommel mit seitlichem Mannlochverschluß zum Ein- bringen des Indigos. In der Trommel befinden sich am Boden zwei schwere schmiedeeiserne Walzen, welche während der Rotation des Kessels durch ihre gegenseitige Reibung das Mahlen des Indigos in kurzer Zeit bewirken. Die Cylinderwandung hat schließlich noch einen Ablaßhahn zum Entfernen des gemahlenen Indigos. — Die Indigoreibmaschine mit Kugeln dient zum Reiben des Indigos mit Wasser. Der Kessel dreht sich nicht; dafür ist ein Rührer mit 4 Flügeln angebracht, welcher sich im Kessel dreht und Eisenkugeln mit sich zieht, welche den Indigo mit dem Wasser zusammen verreiben; der feine Schlamm wird dann durch einen am Boden angeschraubten Hahn abgelassen. Fig. 87. Indigoreibmaschine mit Walzen. Bogardusmühle Fig. 88. Diese dient zum Feinreiben von Coche- nille, Ocker und anderen Mineralfarben, sobald sie zum Färben Verwen- dung finden. Diese Farbmühle besteht aus einem eisernen Gestell mit Füll- trichter und Fallrohr und zwei exzentrischen Scheiben, zwischen denen das Zerreiben der Farben stattfindet. Das zu zerreibende Material wird in nicht zu großen Stücken in den Fülltrichter gebracht, eine spiralförmig ge- wundene Führung im Fallrohr bringt dasselbe auf die exzentrisch zu einander gelagerten Scheiben; die untere derselben ist durch Schraube an die obere an- und abzustellen, je nachdem das Material mehr oder minder fein ge- mahlen werden soll. Eine einfachere Vorrichtung zum Feinreiben von Mineralfarben für Färbereizwecke ist die von J. M. Lehmann in Dresden-Löbtau gebaute Farbmühle Fig. 89. Der Einfülltrichter ist zur Aufnahme des Mahl- gutes bestimmt und nach Bedarf aus Holz oder Zinkblech gearbeitet; die Mahlteile dieser Mühle sind aus Porphyr, die Ablaufvorrichtung aus Zinkblech; das Gestell ist ganz aus Eisen gearbeitet und hat unten eine Bodenplatte. — Zum Sieben gemahlener Farben dient die Fig. 88. Bogardusmühle. Farbensiebmaschine Fig. 90. Eine solche besteht in der Haupt- sache aus zwei auf einem Eisengestell angeordneten, sich gleichmäßig drehen- den messingenen Kesseln mit Siebböden aus Gaze. Die Drehung der Siebe wird durch einen am Boden der Siebe befindlichen Zahnkranz bewirkt, in welchen das Getriebe eingreift. In jedem Siebe bewegt sich ein Pinsel, welcher mit seinen Haaren die Gaze bestreicht, mittels einer exzentrischen Bewegung hin und her, so daß derselbe nacheinander alle Teile des Siebes gleichmäßig berührt. Der Antrieb geschieht durch Fest- und Losscheibe seit- lich am Gestell. Zum Zerkleinern der Farbhölzer als Vorbereitung für deren Extraktion dienen die Farbholzraspeln . Diese stellen ein System von glatten ge- härteten Stahlmessern vor, welche in ein starkes Gußeisengestell eingelagert sind und durch Hebel und Fußtritt oder durch Fest- und Losscheibe in Be- trieb gesetzt werden können. Die obere der beiden Abbildungen (Fig. 91) dient zum Schneiden von Spänen, die untere (Fig. 92) zum Raspeln von Hirnholz. Diese beiden Maschinen werden von der Zittauer Maschinen- fabrik und Eisengießerei, vormals Albert Kiesler \& Comp . in Zittau in den Handel gebracht. Die Hirnholzraspel hat statt der glatten Messer genarbte mit schrägstehendem Zuführkasten. Fig. 89. Farbmühle. Fig. 90. Farbensiebmaschine. Fig. 91. Farbholzraspel zum Schneiden von Spänen. Fig. 92. Farbholzraspel zum Raspeln von Hirnholz. § 21. Kochen der Farben. In allen den Fällen, in denen nicht der einfache reine Farbstoff, son- dern das denselben enthaltende Rohmaterial verwendet wird, wird es sich darum handeln, den im Rohmaterial enthaltenen Farbstoff auf geeignete Weise in Lösung zu bringen. Gewöhnlich handelt es sich in diesem Falle um Farbhölzer und die Herstellung von Farbholzbrühen aus demselben. Dieses geschieht durch Kochen mit Wasser . Man bedient sich dazu kupferner Kessel . Am vorteilhaftesten sind solche ohne Lötnaht, aus der Schale getrieben, mit aufgenietetem Rand, wie sie z. B. die Firma Rühmkorff \& Comp . in Hannover liefert. Einen solchen ohne weiteren Zubehör, für direkte Feuerung eingerichtet, zeigt Fig. 93 I. Fig. 93 II zeigt einen mit direktem Dampfe zu heizenden Kessel, der untere Teil desselben ist mit einer Kapsel verbunden, in welcher ein (in der Zeich- nung weiß punktiertes) durchlöchertes ringförmiges Kupferrohr sich befindet; in dieses wird von der Dampfzuleitung Kesseldampf eingeleitet, strömt durch die Löcher in den Kesselinhalt und bringt so die Flüssigkeit zum Kochen. An der Verbindungsstelle des Kessels mit der Kapsel ist ein Sieb ange- bracht, welches die im Kessel befindlichen Stoffe in gehöriger Entfernung vom Dampfrohre enthält. Fig. 93 III zeigt einen Kessel mit Dampf- mantel ; es ist das ein Doppelkessel, welcher zwischen seinen beiden Böden Ganswindt , Färberei. 26 Fig. 93. Nr. I—IV. einen die Wandung des innern Kessels rundum umgebenden Hohlraum (Mantel) hat. Wird in diesen Hohlraum durch einen hohlen Zapfen des äußeren Kessels Dampf eingeleitet, so entsteht eine Dampfspannung; der im Mantel befindliche Dampf wird überhitzt und heizt den Kesselinhalt indirekt. Der Ablaß der zu kochenden Flüssigkeit erfolgt durch einen zwischen den beiden Böden eingeschalteten Stutzen mit Hahn; das Kondensationswasser wird gleich- falls mittels Hahn abgeleitet. Der Kessel ist besonders da zu empfehlen, wo eine direkte Einwirkung des Dampfes vermieden werden soll. Fig. 93 IV zeigt einen viereckigen Kupferkessel, dessen Erwärmung wie bei Fig. 93 II durch ein unter einem Siebe gelegenes perforiertes Dampfrohr direkt erfolgt. Werden derartige Kessel durch Einsetzen in ein gußeisernes Gestell dreh- bar gemacht, so entstehen die Kippkessel (Fig. 94). Der Mantel ist hier- bei von Gußeisen; der eigentliche Kessel aus Kupfer ist mit dem Mantel dicht und fest verschraubt und besitzt einen Ausguß. Dampfzuleitung, sowie die Kippvorrichtung, sind ohne weitere Erklärung aus der Zeichnung er- sichtlich. Das Lösen der Farbstoffe in kochendem Wasser wird durch Rühren beschleunigt. In den bisher beschriebenen Kesseln wird das Rühren durch entsprechend große Holzspatel oder -Schaufeln bewerkstelligt. Wo Dampf- kraft zur Verfügung steht, wird man besser zu einem Rührwerk greifen, welches für gewisse Zwecke von Vorteil ist. Einen solchen Doppelkessel mit Rührwerk zeigt Fig. 95 (S. 404) im senkrechten Durchschnitt. Das Rühr- werk selbst wird gebildet aus zwei senkrecht in den Kessel eintauchenden Rühr- schaufeln, welche an einer durch konische Räder getriebenen vertikalen Achse sich befinden. Das Rührwerk (sog. Planetenbetrieb ) ist leicht aushebbar, so Fig. 94. Kippkessel. daß nach Entfernung desselben der Kessel durch Umkippen leicht entleert werden kann. — Einen ähnlichen Apparat zum Farb- kochen mit Rührwerk zeigt Fig. 96 der Zittauer Maschinen- fabrik. Der tiefe offene Kessel ist doppelwandig, aus Kupfer und mit gespanntem Dampf heizbar. Das Rührwerk ist ein Planetenrührwerk, wie beim vori- gen. Durch seine in der Wand befestigte Lage bildet er gewisser- maßen den Uebergang zum nach- folgenden. Die bisher betrachteten Kes- sel waren sämtlich offen; die Er- fahrung hat aber gelehrt, daß das Auskochen des Holzes, das Er- schöpfen des Materials an Farb- stoffen vollständiger und rascher vor sich geht unter Druck . Ein sol- cher einfacher Hochdruck-Farb- kochapparat (auch sehr zum Ap- Fig. 96. Apparat zum Farbekochen mit Rührwerk. 26* Fig. 95. Doppelkessel mit Rührwerk. pretkochen zu verwenden und deshalb auch Hochdruckappretkocher genannt) wird von C. H. Weisbach in Chemnitz gebaut und durch Fig. 97 versinnbildlicht. Durch Anwendung eines auf 10 Atmosphären Ueberdruck approbierten, kupfer- nen Cylinders mit halbkugelförmigen Enden ist das Kochen der Farbe unter einem direkten Druck bis zu 5 Atmosphären ermöglicht; es wird dadurch nicht nur an Zeit und Brennmaterial gespart, sondern die damit erzeugte Farbe ist eine sehr gleichmäßige. Der Apparat ist vertikal aufgestellt und an der Wand befestigt. Die Bedienung des Apparates ist eine äußerst ein- fache und vollständig gefahrlose. Durch Oeffnen des Lufthahnes I kann die im Kessel befindliche kalte Luft entweichen. Die auszukochenden Stoffe werden durch einen Trichter II eingefüllt, worauf der Hahn III geschlossen werden muß, damit die Farbe nicht aus dem Kessel gedrückt wird. Hierauf läßt man durch Oeffnen des Hahnes IV in den Kessel allmählich zum Erwärmen Fig. 97. Hochdruck-Farbkochapparat. Dampf eintreten, wobei zu beobachten ist, daß die Farbe Hahn V nicht übersteigt. Sobald die Farbe stark im Kochen ist, wird der Lufthahn I ge- schlossen und darauf je nach Beschaffenheit der Farbe 10 bis 25 Minuten gekocht unter einem Druck von 5 Atmosphären. Die Qualität der gekochten Farbe prüft man durch Entnahme einer kleinen Probe durch Hahn I. Die Entleerung des Kessels findet durch Hahn VIII statt, während VI und VII lediglich Kontrollhähne sind. Ein größerer, speziell zur Extraktion von Farbhölzern verwendeter Appa- rat, welcher zugleich nach Art der Kippkessel um seine Achse drehbar ist, ist der Farbholzextrakteur Fig. 98. Dieser ist in kräftigen eisernen Ständern drehbar gelagert und besteht aus dem kupfernen, auf 6 Atmosphä- ren Ueberdruck probierten Kessel mit abnehmbarem Deckel, Sicherheitsventil, Manometer, Probierhahn und 4 Absperrventilen. Die Bedienung des Ex- trakteurs ist eine sehr einfache und bedarf derselbe außer beim Füllen, An- lassen, Abstellen und Entleerung effektiv keiner Wartung. Der kupferne Kessel, welcher in seinen Lagerungen drehbar und durch Schneckenrad, Schnecke und Handrad umstellbar ist, wird in horizontale Lage gebracht, nach Abnahme des Deckels mit Holz gefüllt und, nachdem der Deckel durch die Kloben wieder befestigt ist, vertikal gestellt. Das Einlaß- ventil steht durch eine Rohrleitung mit dem Wasser des Dampfkessels in direkter Verbindung und wird also das Wasser durch den im Dampfkessel befindlichen Druck nach dem Apparat getrieben, in welchem es das darin befindliche Holz von oben, aus einem brausenartig erweiterten und durch- lochten Rohrmundstück gleichmäßig übergießt. Beim Anlassen bleibt der Probierhahn geöffnet, damit aus demselben die im Extrakteur befindliche Luft entweichen kann; außerdem dient der erwähnte Hahn noch zum Probieren der Flotte. Sobald nun der am Apparat befindliche Manometer den beim Extrahie- ren zulässigen Maximaldruck von circa 2 Atmosphären zeigt, wird das Ab- laßventil soweit geöffnet, daß es ebensoviel gewonnenes Extrakt durchläßt, als durch das Einlaßventil Kesselwasser zuströmt; der Austritt des Extraktes erfolgt durch eine, im Boden des Apparates befindliche mit einem kupfernen Siebe überdeckte Oeffnung, die durch ein Rohr mit dem hohlen Lagerzapfen, dem Ablaßventile und durch weitere Rohre mit dem an einem beliebigen Platze aufgestellten Reservoir in Verbindung steht, nach welchem das Extrakt vermittelst des im Apparate befindlichen Drucks selbstthätig getrieben wird. Das im Extrakteur befindliche Holz bleibt so lange der auslaugenden Wirkung des durchströmenden Kesselwassers ausgesetzt, bis das Wasser bei Oeffnung des Probierhahnes klar erscheint, ein Beweis dafür, daß das Holz bis auf das letzte Minimum an Farbstoff vollständig ausgezogen ist. Hiernach werden die Ventile geschlossen, der Druck abgelassen und das Holz aus dem Extrakteur entfernt. — Das Extrahieren kann, je nachdem die Ventile mehr oder weniger geöffnet sind und daher das Kesselwasser schneller oder lang- samer durch den Extrakteur getrieben wird, in kürzerer oder längerer Zeit (½ bis 2 Stunden) bewirkt werden. Wird der im vorstehenden beschriebene Farbholzextrakteur auch zum Kochen mit Dampf eingerichtet, so ist die Bedienung des Extrakteurs in diesem Falle folgende: Das Wasser tritt durch das Einlaßventil und das Fig. 98. Farbholz-Extrakteur. im Innern aufwärts führende Rohr in den Apparat, bis er zur Höhe des Probierhahnes gefüllt ist; hiernach wird der Dampf durch das an der Extraktaustrittseite angebrachte Absperrventil von unten in den Apparat ge- lassen und das Wasser zum Kochen gebracht. Nachdem nun eine Zeitlang gekocht worden ist, wird das an der Extraktaustrittsseite befindliche Dampf- absperrventil geschlossen, das an der Wassereintrittsseite befindliche gleiche und das Ablaßventil für das Extrakt geöffnet, und treibt nun der auf die Flotte wirkende Dampfdruck das Extrakt nach dem Reservoir; diese Mani- pulation muß mehreremal wiederholt werden, wenn das Holz ebenso voll- ständig ausgezogen werden soll, wie dies beim Extrahieren in der erstbe- schriebenen Weise mit Kesselwasser der Fall ist, so daß also das Kochen mit Dampf mehr Aufwand an Zeit und Wartung erfordert; es empfiehlt sich daher sehr, die erstbeschriebene Extrahierungsmethode zu wählen, wo dies die Verhältnisse gestatten. Was nun die Wahl des Materials zu Farbholzextrakteuren betrifft, so ist Kupfer dem Eisen entschieden vorzuziehen, da die Berührung des Extrakts mit Eisen einen schädlichen Einfluß auf den Farbstoff ausübt und die Farb- fähigkeit desselben vermindert. Fig. 99. Universal-Farbe-Extraktionsapparat. Wo ein für allemal direkter Dampf zur Extraktion angewendet werden soll, speziell bei Farbholzspänen, Sumach u. dergl.; da empfiehlt sich der Universal-Farbeextraktionsapparat der Zittauer Maschinen- fabrik Fig. 99. Dieser Apparat beruht auf dem gleichen Prinzip, wie die Bleichkessel nach Barlows System; er besteht aus zwei in eisernen Unterstützungssäulen hängenden drehbaren starken kupfernen Kesseln, welche so miteinander verbunden sind, daß die gewonnenen Absude mittels Dampf- druck beliebig von dem einen Kessel zum andern getrieben werden können. In der Zeichnung zeigt A den Durchschnitt, B die Gesamtansicht eines Kessels; bei A sehen wir unter dem gewölbten, siebförmig durchlöcherten Boden die Dampfschlange, durch welche der Dampf in den Kessel gelangt. Der Hahn b ist ein Dreiweghahn, welcher je nach seiner Stellung den Kessel A entweder gegen B völlig abschließt, oder das Ablassen der Farb- holzbrühe gestattet, oder, nach weiterer Oeffnung der Hähne a und b ′, das Hinüberdrücken der Extraktionsflüssigkeit nach B erlaubt. In vorgedachter Weise kann das Her- und Hinüberpressen so lange wiederholt werden, bis das Holz erschöpft ist. Gegen zu hohen Dampfdruck schützt ein Sicherheits- ventil. Der gleiche Apparat wird nicht selten mit Rückflußkühler ver- wendet. Als solcher dient in diesem Falle der besonders konstruierte Deckel; es befindet sich nämlich an der Innenfläche des Deckels ein nicht durch- löchertes Schlangenrohr, durch welches beständig kaltes Wasser strömt (Fig. 100). Hierdurch wird eine Verdichtung der Dämpfe in der Umgebung der Kühlschlange bewirkt, welche in tropfbar flüssiger Form wieder auf das Holz gelangen, dort wieder in Dampf verwandelt werden und so gewisser- maßen einen selbstständigen Kreislauf im Kessel ausführen. Ob damit wirk- lich ein namhafter Nutzen erzielt wird, ist doch noch die Frage; der einzige in die Augen springende Vorteil des Rückflußkühlers ist die Verminderung der Dampfspannung. Fig. 100. Universal-Farbe-Extraktionsapparat mit Rückflußkühler. Für größere Fabriken, vornehmlich aber für diejenigen, welche sich — um sich vor Uebervorteilung zu schützen, und um sicher ein reines unver- fälschtes Extrakt zu erhalten — ihre Farbholzextrakte selber darstellen, ist die von der Zittauer Maschinenfabrik gebaute Diffusionsbatterie zur Extraktion von Farbstoffen sehr ge- eignet. Eine solche besteht aus mehreren (gewöhnlich 4) Extraktionskesseln mit Mannlochdeckelverschluß. Diese cylindrischen Kessel sind sowohl unter sich, als auch jeder einzeln durch ein mittels Hahn abschließbares Verbin- dungsstück mit dem gemeinsamen Dampfzuleitungsrohr, sowie ferner durch ein weiteres Rohr mit einem höher stehenden Wasserbehälter verbunden. Das Farbholz wird zuerst in den einen Cylinder, nach kurzer Extraktion in den zweiten Cylinder u. s. w. gebracht, während der erste Cylinder immer wie- der mit neuem Material gefüllt wird. Das Wasser resp. die Extraktflüssig- keit hingegen macht einen entgegengesetzten Lauf, so daß sie mit dem am meisten extrahierten Holz zuerst zusammenkommt und dann erst in den nächstfolgenden Cylinder mit minder extrahiertem Material übertritt. Der Zweck ist eine völlige Erschöpfung des Farbholzes bei ununterbrochenem Betrieb . Die auf irgend eine der vorstehenden Methoden erhaltenen Farbholz- brühen werden in Bottiche oder Fässer abgelassen zum Abkühlen und Ab - sitzen. Trübe Farbholzbrühen ohne weiteres zum Färben zu verwenden, ist nicht ratsam. Nach erfolgtem Klären ist die Brühe durch ein Haarsieb oder durch Seidengaze in den Farbkessel zu geben. § 22. Lösen künstlicher organischer Farbstoffe. Wesentlich einfacher ist es, die Teerfarben in Lösung zu bringen, zumal jetzt, wo mit verschwindenden Ausnahmen fast alle Farbstoffe in wasserlös- lichem Zustande in den Handel gelangen. Die meisten derselben lösen sich bereits in kaltem Wasser, der Rest in warmem Wasser, einige wenige in Wasser unter Alkoholzusatz (Eosine, Safranine), vereinzelte Ausnahmen in Alkohol (spritlösliches Alkaliblau und desgl. Induline). Es hat sich die Sitte oder besser Unsitte eingeführt, die Farben in konzentrierter Lösung in das Farbebad hineinzusieben. Dieses Verfahren ist nicht zu empfehlen; es ist viel richtiger, die Farbstoffe einige Zeit vorher zu lösen und zwar, soweit thunlich, im Neunfachen ihres eigenen Gewichts Wasser . Man erhält auf diese Weise Lösungen, von denen je 1 kg genau 100 g des Farbstoffes entspricht, oder 10 kg Lösung sind genau gleich 1 kg Farbstoff. Wo der Farbstoff nicht löslich genug ist, löst man ihn im neun- zehnfachen Gewicht Wasser und erhält so eine Lösung, von der 1 kg gleich 50 g Farbstoff ist. Läßt man eine solche Farbstofflösung einige Zeit, mindestens über Nacht, an einem Orte von mittlerer Temperatur stehen, so klärt sie sich so vollkommen, daß ein Durchsieben der Farbstofflösung unnütz ist. Klärt sie sich nicht, so wird sie auch kein Durchsieben klarer machen. In solchem Falle ist Filtrieren nötig . Dazu gehört weißes, wenig geleimtes Fließpapier, und ein Trichter aus Glas oder Porzellan. Ein Filtrieren würde ich in allen jenen Fällen vorschlagen, wo es sich um helle, zarte Farben handelt, wie Rosa, Crême, helle gelbe, grüne und blaue Farben. Farbstofflösungen von solch bestimmter Konzentration haben zudem den großen Vorteil, daß sie ein leichteres und bequemeres Wägen gestatten; wer- den z. B. zu einem Bade 150 g Farbstoff gebraucht, so sind 1 ½ kg der Lösung abzuwiegen. Noch einfacher würde sich der Fall gestalten, wenn man die Lösungen nicht nach Gewichts-, sondern nach Maßverhältnissen fest- stellen wollte. Löst man nämlich 100 g Fuchsin in dem kleinsten Quantum Wasser und setzt dann soviel Wasser hinzu, daß die gesamte Lösung genau 1 l beträgt, so kann man mit Bequemlichkeit mittels graduierter Maßgerät- schaften, wie sie im Handel zu haben sind Im Handel existieren sowol Porzellan-Mensuren, welche immer eine aus schwarzer Emaille eingebrannte Graduierung haben, sowie graduierte Glascylinder, bei welchen die bis auf die einzelnen Kubikcentimeter genaue Graduierung geätzt ist. , jedes Gewicht Farbstoff ab- messen, ohne zu wiegen; braucht man zu einem Bade z. B. 25 g Farbstoff, so mißt man 250 ccm der Lösung ab, braucht man 20 g , dann 200 ccm , bei 16 g 160 ccm u. s. w. Einfacher kann man sich die Handhabung nicht gestalten; man arbeitet dann stets mit völlig klaren Lösungen, welche erst im Moment ihrer Benutzung dem Vorratsgefäß entnommen zu werden brauchen. Nur wenige Farbstoffe bleiben dann übrig, welche man auf diese Weise nicht in Lösung bringen kann. Es sind dies die in Wasser völlig unlöslichen, oder doch mindestens sehr schwer löslichen Farbstoffe. Einige dieser werden durch Zufügen von schwachen Alkalien löslich, ein anderer Teil wird erst durch Reduktion in Gegenwart von Alkalien in eine lösliche Form überge- führt, z. B. Indigo, Coeruleïn; und eine andere Gruppe, zu der die Alizarin- farben gehören, löst sich in einer Natriumbisulfitlösung. Alle diese Farbstoffe, deren Lösung und deren Befestigung auf der Faser nur auf Umwegen er- reichbar ist, kommen in der nächsten Abteilung dieses Buches unter Indigo- färberei und Färberei mit Alizarinfarben zur ausführlicheren Erörterung. § 23. Das Beizen oder Ansieden. Wenn die chemische Verwandtschaft zwischen dem zu färbenden Material und dem betreffenden Farbstoff eine so große ist, daß durch bloßes Einlegen des Materials in die Farbstofflösung eine dauernde und echte Färbung er- zielt wird, so sprechen wir von substantiver oder direkter Färbung. Dieser Fall ist seit allgemeiner Einführung der künstlichen organischen Farb- stoffe kein seltener mehr; wir verfügen heute über eine ganz ansehnliche Anzahl von direkten Farbstoffen. Bei vielen Farbstoffen ist jedoch ein direktes Färben ganz ausgeschlossen; hier bedarf es, um die Farbstoffe auf den Fasern zu fixieren, der Vermittelung eines oder mehrerer chemischer Stoffe, welche als Beizen oder Mordants bezeichnet werden; so wird z. B. Baumwolle von einer Lösung von Viktoriagrün nicht gefärbt; wird dagegen die Baumwolle vorher mit Tannin und Brechweinstein gebeizt, so färbt sich die Baumwolle echt grün. Die Beize gibt uns also ein Mittel an die Hand, solche Farben, welche sich direkt auf der Faser nicht färben lassen, auf indirektem Wege zu befestigen. Es beruht das auf der Eigenschaft verschiedener chemischer Körper, mit Farbstoffen sogenannte Farblacke zu bilden. Farblacke , auch Lack- farben genannt, sind Verbindungen von Farbstoffen mit den Oxyden oder Salzen gewisser Metalle. Sie sind durchwegs amorph, pulverig, in Wasser unlöslich; sie sind verbreiteter, als gemeinhin angenommen wird, denn die Farben, womit unsere Gewebe gefärbt sind, sind in sehr vielen Fällen Farb- lacke, welche erst auf der Faser direkt erzeugt werden und in feinster Ver- teilung in der Faser sich einlagern. Vornehmlich ist das der Fall bei der Pflanzenfaser (Baumwolle, Leinen, Jute), welche zuvor durch „Beizen“ zur Aufnahme des Farbstoffes befähigt wird. Diese Beizen sind vorzugsweise Metallsalze und werden vornehmlich Eisen-, Thonerde-, Antimon- und Zinn- salze, vielfach auch Tannin verwendet. Wird dann eine so präparierte Ge- webefaser mit einer Lösung des Farbstoffes behandelt, so bildet sich der Farblack in der Faser selbst und erscheint als waschechte Farbe. Heutzutage sind wir genötigt, den Begriff „Beize“ etwas weiter zu fassen; seit durch die interessante Entdeckung Knechts erwiesen ist, daß auch substantive Farbstoffe selber als Beizen für indirekte Farbstoffe benutzt werden können, sind wir zu der Annahme genötigt, daß unter gewissen Umständen auch Farbstoffe untereinander Farblacke bilden können. Das Färben mit Hilfe einer Beize ist mithin die Erzeugung eines Farblackes auf resp. in der Faser . Das Beizen hat somit den Zweck, das zu färbende Material hierfür vorzubereiten. Das geschieht durch die Behandlung in der Beizflüssigkeit oder im Beizbade. Die Beizflüssigkeit wird durch Lösen des betreffenden Metallsalzes hergestellt. Das Beizen der Fasern geschieht durch Behandeln derselben in dieser Flüssigkeit entweder kalt oder unter Erwärmen, welches unter Um- ständen bis zu mehrstündigem Kochen sich steigern kann. Bisweilen setzt sich das Beizen aus mehreren Operationen zusammen, so beim Beizen der Baum- wolle aus dem Abkochen des Sumachs, dem Behandeln auf der Schmackflotte und der Antimon-Passage. Noch komplizierter ist das Beizverfahren in der Türkischrotfärberei. Das Beizen selbst geschieht in den in § 21 beschriebenen offenen Kesseln, oder in Holzkufen. Die Ware wird, um eine direkte Berührung mit der Kesselwandung zu vermeiden, in Weidenkörben oder in Bindfaden- netzen in die Flüssigkeit gehängt. Bei Garnen läßt sich das Beizen auch durch Umziehen erreichen, d. h. durch Drehen von über den Bottichen befindlichen Rollen, über welche letztere die Garnsträhne aufgehängt sind; ferner durch Umsetzen , indem man die Strähne an Stäben in die Flüssig- keit hängt, nach einiger Zeit aufhebt und an einer andern Stelle wieder ein- hängt. In größeren Färbereien, wo Maschinenbetrieb zur Hand ist, läßt man die Waren — und zwar Garne in Kettenform, Stücke in Strangform — einen kontinuierlichen Kreislauf durch die Beizflüssigkeit machen und bedient sich dabei mit Vorteil der als Garn- und Strangwaschmaschinen § 5 und 6 beschriebenen Maschinen, mit dem selbstredenden Unterschiede, daß an Stelle der Waschflüssigkeit jetzt die Beizflüssigkeit tritt. Eine Maschine, welche lediglich zum Imprägnieren von Garnen mit Beizflüssigkeit dient, ist die von C. G. Haubold jun. in Chemnitz gebaute Alaun-Beizmaschine (Fig. 101), bestehend aus eisernem Gestell mit Rahmen und Lagerung von 2 Paar Rotgußwalzen, von welchen je die untere geriffelt ist, die obere dagegen als Quetschwalze dient. Die Walzen sind am freien Ende konisch, um das Garn während des Ganges auflegen und abnehmen zu können. Das Garn hängt mit seinem unteren Teil in einem die Flüssigkeit enthaltenden Kasten von Kupfer, welcher noch mit einem Dampfrohr ver- sehen ist, um dieselbe erwärmen, resp. warmhalten zu können. Der Antrieb erfolgt durch Stirnräder mit Fest- und Losscheibe. An Stelle dieser Maschine kann auch die in § 5 beschriebene kleine Garnwaschmaschine von Wever \& Comp . benutzt werden. Da der Zweck des Beizens in vielen Fällen ein Fixieren von unlös- lichen Metalloxyden oder basischen Metallsalzen auf der Faser ist, so folgt dem Beizen noch ein Spülen und dann kann zum Färben geschritten werden. Fig. 101. Alaunbeizmaschine. Eine Beizmaschine, speziell für Türkischrotfärberei, zum gleichmäßigen Verteilen von Oelbeizen in den Garnsträhnen, ist die von C. G. Haubold jun . gebaute Garnpassier- und Ausringmaschine (Fig. 102). Die Passier- maschine ist doppelseitig konstruiert, auf jeder Seite eine feststehende und eine arbeitende Spule und eine Ausquetschwalze. Die bedienenden Arbeiter hängen die Garnsträhne auf die feste, mit Riffeln versehene Spule, ziehen mit der Hand die bisher ausgezogene arbeitende Spule an erstere heran, hängen auch über diese das Garn, wodurch der freie Teil in den unter den Spulen befindlichen Kasten fällt, welcher die Flüssigkeit enthält. Nun setzt man die Maschine in Gang; ein unter der festen Spule befindlicher Ein- taucher fällt herunter, taucht das Garn in die Flüssigkeit, die feste Spule kuppelt ein und fängt an, das Garn umzuziehen, beim Anfang dieser Be- wegung hat sich auch die Ausquetschwalze an die feste Spule durch Gegen- gewicht angelegt und entfernt durch Pressung die während des Passierens aufgenommene Flüssigkeit. Die Operation des Passierens kann je nach Er- fordernis ganz beliebig lange Zeit dauern, wie es eben für das Garn nötig, und wird erlangt durch eine einfache Veränderung des hierzu ge- hörenden Steuermechanismus, durch Ein- oder Ausschalten eines Ketten- gliedes. Nachdem bleibt die feste Spule stehen, der Taucherhebel legt sich wieder an dieselbe, die Quetschwalze hebt sich ab; jetzt löst sich der Gegen- gewichtshebel, zieht die arbeitende Spule zurück, hebt das Garn aus und strafft dasselbe an, unter dem stetigen Druck des Gegengewichts. Um die überflüssige, im Garn haftende Flüssigkeit zu entfernen, machen die arbeiten- den Spulen (Windehaken) einige Umdrehungen, genau in der Art, wie es bei Handarbeit am Wringhaken geschieht. Hat das Zusammenwinden seinen Höhepunkt erreicht, so lösen sich die Windungen nach rückwärts wieder auf. Fig. 102. Garnpassier- und Ausringmaschine. Bei diesem wiederholten Winden wird der Strähn zwischen den Spulen trockner, als da, wo er um dieselben liegt, aus diesem Grunde transportiert nach jeder Windeoperation die feststehende Spule entsprechend weiter, so daß die trocknen mit den weniger trocknen Stellen wechseln. Das Winden wiederholt sich dreimal, hierauf entlastet sich die arbeitende Spule durch Abheben des Gegengewichtes, und die Maschine rückt sich selbst aus. Alle diese genannten Operationen führt die Maschine selbstthätig und ganz präcis aus, dabei sind die angewandten Mechanismen die denkbar einfachsten und leicht zu übersehen. Die Leistungsfähigkeit einer Maschine mit 2 Personen zur Bedienung beträgt 1000 bis 1800 kg pro Tag. (Vergl. auch § 81, das Türkischrotfärben). § 24. Das eigentliche Färben. Das Färben selbst ist, wenn Alles richtig vorbereitet war, eine verhält- nismäßig einfache Sache. Die Lösungen des Farbstoffs, oder — wenn es sich um Kombinationen handelt — der Farbstoffe, werden in Kesseln oder hölzernen Färbebottichen vorgewärmt, dann wird mit der Ware eingegangen und dann das Bad, je nach der Ware und der Natur des Fasermaterials, weiter er- hitzt bis nahe zum Kochen oder bis zum Kochen selbst und auf dieser Tem- peratur längere Zeit erhalten. Der Färbeprozeß erfolgt schon beim bloßen Stillliegen der Ware; er wird beschleunigt durch Bewegen des Fasermaterials in der Flotte oder durch ein Durchtreiben der Farbflotte durch das Faser- material. Ersteres geschieht durch Umziehen, Umsetzen oder Schlagen ; dieses ist das Hin- und Herbewegen der Ware in der Flüssigkeit. Das Bewegen kann auch mittels Maschinen erfolgen, welche im Prinzip mit dem der Garnwaschmaschinen, der Strang- und Breitwaschmaschinen gleich, und in der Ausführung ihnen sehr ähnlich sind, so daß thatsächlich viele der in § 5 und 6 beschriebenen Waschmaschinen auch als Färbemaschinen verwendet werden können. Wird dagegen die Flüssigkeit durch das in perforierten Cylindern fest- gelegte Material mittels Druck hindurchgetrieben, so gelangen wir zu einer ganz neuen Kategorie von Maschinen, welche eine Schonung des Fasermaterials als oberstes Prinzip hinstellen und zugleich gestatten, alle Operationen, Waschen, Trocknen, Bleichen, Spülen, Beizen, Färben, Spülen, Trocknen ꝛc. nacheinander vorzunehmen, ohne die Ware auch nur einmal herauszunehmen oder umzulegen. Es ist dies die neuere Richtung der heutigen modernen Färberei, wie sie in dem Färbereisystem Obermaier ihren beredtesten Ver- treter hat. Die im Kleinbetriebe üblichen Färbekufen sind von Holz gefertigt, zu- weilen mit Kupfer- oder Bleieinsatz, und von runder oder eckiger Form; die Erhitzung der Farbflüssigkeit muß durch direkten Dampf aus dem Dampf- kessel erfolgen. Kupferne oder verzinnte eiserne Kessel können auch ver- wendet werden; deren Erwärmung geschieht vielfach direkt mittels Flamme; besser ist natürlich allemal Dampf, und zwar sowohl direkter Dampf, als Manteldampf. Metallkessel sind jedoch in vielen Fällen nicht anwendbar; diese Fälle sind bei den einzelnen Farbstoffen im ersten Teile dieses Buches namhaft gemacht. Im allgemeinen kann der Satz gelten, daß die Aus- färbungen in Holzbottichen reiner und lebhafter werden. In der Praxis pflegt man den Farbstoff oder besser die Farbstofflösung nicht mit einemmale zuzusetzen, sondern auf mehrere Male zu verteilen; man erreicht dadurch ein Arbeiten mit minder starken Bädern und ein gleichmäßigeres Angehen des Farbstoffes an die Faser. § 25. Das Färben loser Fasern, sowie offener Vorgespinnste, Kammzug etc. Das Färben von loser Wolle und loser Baumwolle erfolgt bei Hand- betrieb durch Einlegen der Ware in einen Korb, ein Netz oder einen Sack und zeitweiliges Heben und Senken des Netzes in der Flüssigkeit. Del- mart empfiehlt, die Wolle aus den Körben direkt in den Kessel zu wer- fen, und dieselbe mit Hantierstangen unter die Farbflotte zu drücken, und nachher, auch während des Kochens, von Zëit zu Zeit zu haken, damit sie nicht an solchen Stellen der Kesselwandung, welche stärker erhitzt sind, filzt. Auch die in § 4, S. 319 u. 320, beschriebenen beiden Maschinen zum Waschen loser Wolle können sehr wohl zum Färben loser Gespinnstfasern dienen, wenn sie durch eine entsprechende Dampfzuleitung gestatten, die Farbflotte zum Kochen zu erwärmen. — Beim Färben von Kammzug ist die Haupt- bedingung ein reiner Zug. Wenn derselbe aus der Liseuse kommt, und ein System von kupfernen Trockenröhren passiert hat, wäscht man ihn vorsichts- halber noch mit einer Pottaschenlauge aus 2 Prozent des Gewichts der Wolle, spült und färbt dann auf Holzkufen von 2 bis 4 cbm Inhalt mit Dampfschlange. Für das Färben loser Fasern, ganz besonders aber für das Färben von Kammzug in der Form der Bobine, erscheint das Färben nach Obermaiers System als ganz besonders geeignet. Grothe be- zeichnet die Färbemaschine von Obermaier \& Comp . als „das vollkom- menste System“. Gleich günstig ist das Urteil Scheuerles , welches der- selbe in seinem Bericht an die Industriegesellschaft in Mülhausen über das- selbe abgibt und welches wir im nächsten Paragraphen folgen lassen. Das Färben loser Gespinnstfasern findet stets da Anwendung, wo es sich um ein vollständiges Durchfärben der Wolle vor dem Verspinnen zu Garn und der Herstellung walkechter Farben handelt. Es werden zum Färben loser Gespinnstfasern daher auch nur besonders echte Farben ver- wendet. § 26. Das Färbereisystem Obermaier. Es ist wohl nicht notwendig, zu beweisen, daß die bisherige Behand- lung des Fasermaterials in der Färberei und den damit im Zusammenhange stehenden Operationen keineswegs den Anforderungen entspricht, welche nach dem heutigen Stande der Textilindustrie an dieselben gestellt werden müssen. Erhaltung des Fasermaterials in seiner ursprünglichen Beschaffenheit und in seiner ursprünglichen Spinnbarkeit, vollständige Ausnutzung der Farb- stoffe und des Heizmaterials, thunlichste Vermeidung von Abfällen und größtmögliche Ersparnis an Arbeitslöhnen, diese Hauptbedingung eines rationellen Färbesystems, lassen sich bei dem bisherigen Färbereiverfahren, soweit es sich dabei um loses Fasermaterial handelt, im offenen Kessel nicht erreichen. Das Färben im offenen Kessel bedingt gewissermaßen die Unbeweglichkeit der Beiz- und Farbflotten; sie bedingt aber eben deswegen auch die ununterbrochene Bewegung des zu färbenden Faser- materials mittels Haken, Stangen u. dergl., welche noch immer durch Menschenkraft bewerkstelligt werden muß. Das Resultat dieser durchaus unrichtigen Behandlung des Fasermaterials während des Färbeprozesses ist für das Fasermaterial in den meisten Fällen geradezu verhängnisvoll, denn es wird dadurch verworren, verknüpft, verschlungen, verfilzt und deshalb die Vorbereitung desselben für die Spinnerei ungemein erschwert; es muß beim Wolfen und Krempeln gewaltsam auseinander gerissen werden. Eine Ver- kürzung des Fasermaterials ist die natürliche Folge davon. Die Temperatur der Farbflotte ist ferner im offenen Kessel, mag derselbe mittels Dampf oder durch direktes Feuer geheizt werden, während des Färbeprozesses eine keines- wegs gleichmäßige. Normal wird sie nur an den Kesselwandungen sein, in der Mitte des Kessels ist sie erheblich niedriger, während sie in der Nähe des Kesselbodens die dem Fasermaterial zuträglich Hitze bedeutend übersteigt. Durch ersteren Umstand geht ein Teil von dem Nutzeffekt des Färbeprozesses verloren, während die am Kesselboden vorhandene Ueberhitze der Farbflotte die Wolle spröde und zum Teil brüchig macht. Die viel größere Menge von Ausputz, welche gefärbte Wollen gegenüber ungefärbten beim Krempeln derselben ergeben, liefert dafür den besten Beweis; dieser farbige Krempel- ausputz enthält bekanntlich unzählige, winzig kleine Wollhärchen, wie sie in dieser Beschaffenheit und in dieser Menge auf keinem Schafe wachsen, in der Wolle ursprünglich also nicht vorhanden sind, sondern von während des Färbens brüchig gewordenen normalen Wollfasern herrühren, die im Wolf- und Krempelprozeß zerrissen wurden. Es sind dies Verluste an Fasermaterial, die sich in den meisten Fällen jeder Berechnung entziehen. Aber auch das übrige Fasermaterial wird dadurch von seiner ursprünglichen Spinnfähigkeit ganz bedeutend verlieren. Wiederholt angestellte genaue Versuche ergeben für Wolle von derselben Partie, deren eine Hälfte mit Apparaten Obermaier - schen Systems gefärbt, bei 25000 m pro Kilo einen haltbaren vollen, allen Anforderungen genügenden schönen Faden, während die im offenen Kessel gefärbte andere Hälfte sich nur auf 20000 m pro Kilo spinnen ließ. Diese mit dem Obermaier schen System erzielten günstigen Resultate beruhen auf dem demselben zu Grunde liegenden Prinzip der Festlegung oder der Unbeweglichkeit des Fasermaterials während des ganzen Färbepro- zesses und den mit demselben in Verbindung stehenden Operationen, sowie auf der während desselben mittels rotierender Pumpe in ununterbrochenem Kreislauf erhaltenen Bewegung der Farbflotte, welche auf diese Weise ge- zwungen wird, die festliegenden Fasern in unzähligen feinen Strahlen fort- während gleichmäßig zu durchströmen. Es ist dabei die Einrichtung ge- troffen, daß die Farbflotte das im Cylinder geschichtete Fasermaterial nach Belieben des Färbers abwechselungsweise mittels Druckes oder mittels Saugens durchströmen kann, wobei der den Cylinder oben abschließende Deckel dem Einfluß dieser abwechselnden Bewegung jeweilig folgen muß, so daß die Perforation des Cylinders nach oben hin immer entsprechend abgeschlossen bleibt. Die maschinelle Einrichtung des Systems Ober maier besteht aus: 1. einem Cylinder zur Aufnahme des Fasermaterials, 2. einem Reservoir zur Aufnahme der Flotte, 3. einer rotierenden Pumpe, 4. einer Centrifuge zum Ausschleudern des mit Fasermaterial beschickten Cylinders und 5. einem Gebläse mit Heizkessel zum Trocknen des im Cylinder befind- lichen Fasermaterials. Ganswindt , Färberei. 27 Die einzelnen Apparate sind aus den nachstehenden beiden Zeichnungen (Fig. 103 und 104) zu ersehen. Der als Beschickungsraum für das Fasermaterial dienende Cylinder be- steht eigentlich aus 2 konzentrischen Cylindern, deren äußere Wandungen perforiert sind und deren Durchmesser sich zunächst wie 1 : 5 zu einander ver- halten. Der kleine Cylinder ist unten offen und trägt dort einen kräftig angelegten Flantsch; der große Cylinder ist unten geschlossen. Der Raum zwischen den Wandungen beider Cylinder dient zur Aufnahme des zu färbenden Fasermaterials, das zu diesem Behuf in demselben möglichst gleichmäßig ge- Fig. 103. Fig. 104. 27* schichtet, durch einen herabschraubbaren Deckel wenigstens insoweit zusammen- gepreßt wird, daß es eine möglichst gleichmäßige dichte Masse bildet. Die Perforation des großen Cylinders ist kleiner und anders eingeteilt, als die des kleinen, so daß die während des Färbeprozesses ununterbrochen zirkulierende Farbflotte auf ihrem Wege durch das Fasermaterial nicht einzelne kräftige gleichmäßig voneinander entfernte Strahlen bilden kann, sondern als eine aus unzähligen feinen Strahlen bestehende gleichmäßig dichte Flüssigkeit das ganze in dem Cylinder eingeschichtete Fasermaterial durchströmt. Außerdem muß die Summe der Querschnitte der Perforationen des großen Cylinders derjenigen der Querschnitte der Perforationen des kleinen Cylinders mindestens gleichkommen, oder noch besser, etwas größer als diejenige des letzteren sein. Die Handhabung des Apparats beim Färben ist äußerst bequem und einfach. Der Cylinder wird, nachdem er mit Fasermaterial beschickt, mittels Krahn in das die Farbflotte enthaltende Bassin und zwar auf das in dasselbe einmündende Pumpenausflußrohr gestellt und die Pumpe in Thätigkeit ge- setzt, worauf der Färbeprozeß sofort beginnt. Durch die Thätigkeit der Pumpe tritt nämlich die Farbflotte zuerst in den inneren kleinen Cylinder, dann durch die Perforation desselben in das im großen Cylinder geschichtete Fasermaterial, worauf sie, dieses überall gleichmäßig durchströmend, durch die Perforation des großen Cylinders wieder in das Reservoir gelangt, so daß dann der Kreislauf derselben immer von neuem beginnt. Zum Behufe des bequemeren Abmusterns während des Färbeprozesses befindet sich an dem Deckel des Cylinders eine kleine mit Deckel versehene Oeffnung. Ein einzi- ger Handgriff genügt, diesen Deckel zu öffnen und zu schließen. Dank der unbeschränkten Bewegbarkeit dieser Cylinder lassen sich die verschiedenen Vorrichtungen, aus denen sich der Färbeprozeß zusammensetzt, in ununterbrochener Reihenfolge unmittelbar nacheinander vollziehen, ohne daß das in den Cylinder geschichtete Fasermaterial aus demselben herausge- nommen oder in seiner Lagerung verändert zu werden braucht. Der mit Fasermaterial bestellte Cylinder wird nämlich nach vollzogenem Ansieden mittels Laufkrahn in das zweite zum Ausfärben bestimmte Bassin und nach vollzogenem Ausfärben in die zum Waschen bestimmte Bütte gesetzt, dann nach beendigtem Waschen auf die hierfür besonders konstruierte Centrifuge ge- stellt, hier ausgeschleudert, um nachher durch Aufstellung auf die Gebläse- mündung mittels warmer Luft getrocknet zu werden, womit der ganze Färbe- prozeß vollständig beendigt ist. Nach vorheriger Abnahme des Deckels wird nun der Cylinder, der obere Teil desselben nach unten gekehrt, in die Höhe gezogen, und das Fasermaterial gewaschen, gefärbt und getrocknet aus dem- selben herausgenommen. Der Trocknungsprozeß vollzieht sich hier unter vollständiger Ausnutzung fast sämtlicher dafür vorhandener Wärmeeinheiten auf dem naturgemäßesten und darum für das Fasermaterial zuträglichsten Wege. Aus diesen Darstellungen ergibt sich, daß die Vorteile, welche das Färbereisystem mit selbstthätigen Färbeapparaten bei Unbeweglichkeit des Faser- materials und mechanisch bewegter, ununterbrochen zirkulierender Flotte gegen- über dem Färbeverfahren im offenen Kessel unbestritten besitzt, nur dann voll- ständig zu erreichen sind, wenn der mit dem zu färbenden Fasermaterial beschickte Cylinder und das die Farbflotte enthaltende Bassin während des gesamten Färbeprozesses jederzeit leicht und bequem voneinander getrennt wer- den können. Ersterer muß daher vollständig mobil sein, um jeweilig nach Bedarf mittels Laufkrahn in jedes beliebige Beiz- oder Färbebassin oder auf die Centrifuge oder behufs Trocknens auf die Gebläsemündung gesetzt werden zu können. Das in dem Cylinder geschichtete Fasermaterial muß in dem- selben so lange bleiben, bis es die verschiedenen Vorrichtungen des Färbens, Waschens, Ausschleuderns und Trocknens in ununterbrochener Reihenfolge durchgemacht hat, mit andern Worten, bis die sämtlichen Arbeiten, aus denen sich der Färbeprozeß zusammensetzt, beendet sind. Nur dann wird das Fasermaterial während des Färbeprozesses nicht nur nichts an seinen natür- lichen Eigenschaften verlieren, sondern an paralleler gestreckter Lagerung wo- möglich noch gewinnen; nur dadurch ist es möglich, die größtmöglichste Er- sparnis an Arbeitslohn und die vollständige Ausnutzung des Heizungs- materials und der Farbstoffe zu erzielen, da sich nur dann die bereits be- nutzten Beiz- und Farbflotten, natürlich unter Zuhilfenahme von entsprechendem Beiz- oder Farbmaterial, immer wieder benutzen lassen. Färben loser Wolle . Die im vorhergehenden auseinandergesetzten allgemeinen Grundsätze des Systems Obermaier sind vornehmlich für die Färberei loser Wolle von größter Bedeutung. Die zahllosen feinen aber kräftig wirkenden horizontalen Strahlen, welche die Farbflotte während des Färbeprozesses auf ihrem Wege durch das in dem Aufnahmecylinder ge- schichtete Fasermaterial geben den Wollfasern unter sich auf mechanischem Wege die für den späteren Fabrikationsprozeß notwendige gestreckte, parallele Richtung, die deshalb dauernd fixiert bleibt, weil sie von der Faser im nassen Zustande hervorgebracht und ohne Veränderung ihrer Lage ebenso getrocknet wird. Diese Erscheinung hat auf den ersten Blick etwas Ueberraschendes, sie ist aber eine Thatsache, auf welche die Probe sehr leicht zu machen ist, wenn man während des Beiz- und des Färbeprozesses von der zu färbenden Wolle in Zwischenpausen von je ¼ Stunde abmustert und diese Proben nachher miteinander vergleicht. Die zuletzt entnommenen Proben sind viel offener, gestreckter und glatter im Haar, als die zuerst entnommenen, oder wie das ungefärbte Fasermaterial. Welch außerordentliche Wichtigkeit dies in Bezug auf das Färben mit Alizarin hat, das, wenn es echte, feurige Farben geben soll, ein längeres Kochen bei größerer Hitze beansprucht, und das heute schon eine solche Verbreitung in der Wollfärberei erlangt hat, daß den Alizarin- farben sicher die nächste Zukunft gehört, bedarf keiner weiteren Ausführung. Berücksichtigen wir dagegen die Summe von Arbeit und den Aufwand von mechanischer Kraft, welche notwendig sind, um die im offenen Kessel gefärbte und nach dem bisherigen Verfahren gespülte und getrocknete Wolle wieder zu entwirren, aufzulockern und glatt zu legen, berücksichtigen wir ferner die Behandlung, welcher derartig gefärbte Wollen im Wolfen- und Krempel- prozeß unterzogen werden müssen, wie viele Wollhaare dabei verkürzt oder zerrissen werden, welche Einbuße an der Qualität und an der Länge die Fasern dadurch erleiden, dann sind die Vorteile, welche das System Ober- maier der Wollfärberei bietet, von so großer Bedeutung und von solcher Tragweite für die folgenden Fabrikationsprozesse, daß es weiterer Worte darüber nicht bedarf Es ist auch vorgeschlagen worden, das Entschweißen der Wolle im Ober- maier schen Apparat vorzunehmen. Die dafür angeführten Gründe sind jedenfalls der Beachtung wert. Während jedoch Scheuerle das Entschweißen im Apparat warm empfiehlt, ist Delmart der Ansicht, daß — abgesehen von der Festlegung des . Das Färben und Trocknen von Kammzug in Bobinen . Kammzug kann vernunftgemäß nur in der Form gefärbt, gewaschen und ge- trocknet werden, welche ihm der Kämmer ursprünglich beim Aufwickeln des- selben gegeben hat; es ist dies bekanntlich die Form der Bobine. Diese Form darf während des ganzen Färbeprozesses nicht geändert und muß auch noch während des Trocknens desselben erhalten bleiben, wenn der Kammzug nicht zerzaust werden und nicht eine Masse von Abfällen ergeben soll. Jede zum Zweck des Färbens oder des Trocknens vorgenommene Auflösung der Kamm- zugbobinen in Strähne oder in irgend eine andere Form bedingt aber auch außerdem eine Summe kostspieliger Handarbeiten, wie Abhaspeln, Bobinieren, Gilen, wodurch eben diese Masse von Abfällen entsteht. Die Auflösung der Bobinenform des Kammzuges während des Färbeprozesses macht dem Kamm- garnspinner einem vielleicht etwas weniger skrupulösen Lohnfärber gegenüber jede Gewichtskontrolle geradezu unmöglich. Eine untrügliche Kontrole für den Kammgarnspinner ist dem Kammzugfärber gegenüber nur dann möglich, wenn dieser die zum Färben erhaltenen Bobinen in ihrem Originalzustand, gefärbt und getrocknet, zurückliefert. Dieses ist jedoch bis jetzt nur bei den Färbeapparaten des Obermaier schen Systems ausführbar. Das maschinelle System für das Färben und Trocknen von Kammzug von Bobinen besteht genau aus den oben Seite 417 beschriebenen Organen. Nur der Auf- nahmecylinder muß mit Rücksicht auf die Bobinenform des Fasermaterials eine etwas andere Konstruktion erhalten. Zu diesem Behufe wird unter Weglassung des äußeren Cylinders der Durchmesser des inneren Cylinders entsprechend größer ausgeführt und um denselben 20 kleinere Cylinder gleich- mäßig verteilt und in horizontaler Richtung so angelegt, daß jeder dieser kleinen Cylinder zur Aufnahme von je einer Bobine eingerichtet ist, der Apparat also gleichzeitig 20 Bobinen im Gesamtgewicht von 80 bis 120 kg aufnehmen kann. Das Beschicken dieser kleinen Cylinder mit Bobinen und das Abschließen derselben durch die perforierten Deckel ist eine sehr einfache Arbeit, die höchstens 20 Minuten beansprucht. Dem Färber ist dabei ein sehr weit- gehender Spielraum gegeben, da es ebenso gut möglich ist, sämtliche 20 Bo- binen, für die der Cylinder eingerichtet ist, oder jede beliebige Teilzahl der- selben auf einmal zu färben, weil sich die Perforation eines jeden der 20 kleinen Aufnahmecylinder bequem beliebig absperren läßt. Ist der Cylinder geladen, so vollziehen sich auch hier wieder die verschiedenen aufeinanderfolgen- den Operationen des Färbeprozesses — Ansieden, Ausfärben, Fixieren, Ausschleudern, Trocknen — in ganz derselben Weise, wie bei loser Wolle angegeben ist. Es ist gerade bei Kammzug von größter Wichtigkeit, daß das Trocknen desselben in der Bobine mittels des Bläsers durch nach Belieben erwärmte Luft stattfindet. Diese gewöhnlich in einem Heizkessel erwärmte Luft wird durch den Bläser in den Cylinder und durch die Perforation desselben durch die Kammzugbobine gedrückt, deren Feuchtigkeit sie aufnimmt, welche als Wasserdunst durch die perforirten Deckel entweicht, der dann am besten mittels eines Rohrs ins Freie geleitet wird. Das sonst angewendete Trocknen des Kamm- zuges im offenen oder losen Zustande in einem Trockenzimmer ist mühsam und zeit- Fasermaterials — durch diese Methode der Entschweißung ein besonderer Vorteil nicht erzielt werde, da die Wärme und Alkalinität des Schweißbades dieselben bleiben. raubend; das schlimmste ist aber das, daß derselbe bei diesem Trocknungs- verfahren nicht nur verzogen und zerzaust, sondern auch öfter entzwei ge- rissen wird, also in der Form eines Knotens oder auf ähnliche Weise wieder aneinander gestückelt werden muß. Auch kommt in der Trockenstube nur der kleinste Teil der disponiblen Wärmemenge in Wirklichkeit zur Ver- wendung; eine wirkliche vollständige Ausnutzung derselben ist dagegen möglich beim Trocknen mittels Gebläse. Färben loser Baumwolle . Auch lose Baumwolle verliert, wenn sie im offenen Kessel gefärbt wird, ihre natürlichen Eigenschaften; sie wird dadurch hart und verworren und läßt sich nur schwer spinnen. Daß der- artig gefärbte Baumwolle im Krempeln oder Karden größere Schwierig- keiten bietet und daß sie sich nur schwer aus den Kratzen lösen läßt, dürfen wir als bekannt voraussetzen. Ihre Spinnfähigkeit ist infolge dessen eine bedeutend geringere. Man zieht es daher bis heute noch vielfach vor, den Färbeprozeß nicht an der losen Baumwolle, sondern erst am Strang zu voll- ziehen. Wird dagegen die Baumwolle im losen Zustande in Obermaier - schen Apparaten gefärbt, so behält sie ihre natürlichen Eigenschaften und bietet deshalb beim Verspinnen — gleichviel, ob für sich allein oder mit anderen Fasern zusammen — keinerlei Schwierigkeiten. § 27. Färben von Garnen. Das Färben von Garnen geschieht beim Handbetriebe durch Umziehen, Umsetzen oder Schlagen der Garnsträhne im Färbebade. Ueberdies können auch alle beim Waschen von Garnen (§ 5) beschriebenen Waschmaschinen be- nutzt werden, sobald man die Farbflotte durch Dampf erhitzen kann. Unter diesen Umständen kann es nicht Wunder nehmen, wenn die Anzahl derjeni- gen Maschinen, welche einzig dem Färben von Garnen dienen sollen, ver- hältnismäßig gering ist. Die Garnfärbemaschine der Zittauer Maschinenfabrik für mechanischen Betrieb mit selbstthätigem Umzug der Garne besteht aus einem großen hölzernen Bottich, auf welchem die Haspel zur Aufnahme der Garne exzen- trisch in offenen Lagern liegen, so daß man dieselben leicht aus- und ein- legen kann. Die Spulen resp. Haspeln erhalten durch einen eigentümlichen Mechanismus eine periodisch drehende Bewegung derart, daß die Garne langsam aus der Flotte ausgehoben, dabei umgezogen und dann schnell wieder eingetaucht werden, so daß eine Bewegung gerade wie mit der Hand erzielt wird und beständig abwechselnd ein anderer Teil der Garnsträhnen längere Zeit in der Flotte hängt. Eine besonders zum Färben von Garnen mittels Indigoküpe dienende Maschine ist die Färbe- und Wringmaschine von C. G. Haubold jun. in Chem- nitz; dieselbe besteht aus einer mehr oder minder großen Anzahl von schmalen, in Eisen oder Cement hergestellten Kästen (Fig. 105 a ), welche in 2 Reihen nebeneinander gestellt werden. Je 2 einander gegenüberstehende Kästen bilden gewissermaßen ein System für sich und besitzen an einer gemeinsamen Achse befindliche drehbare Windehaken (Fig. 105 c ), welche von einer für die ganze Kastenreihe gemeinschaftlichen Welle den Antrieb erhalten. Jenen Winde- Fig. 105 a , b , c . Färbe- und Wringmaschine. haken gegenüber befinden sich 2 nicht drehbare Wringhaken, welche mit einer Kette und einem Gegengewicht zum Spannen versehen sind; außerdem ge- hört noch ein über dem Wringhaken angebrachter, horizontal liegender Arm dazu zum Aufhängen und Ausschlagen der Garne. Die Garne werden vom Arbeiter mit der Hand gefärbt, dann auf die Wringhaken gebracht, und alle ganz gleichmäßig ausgerungen, was durch eine Riemenscheibe, welche den Vor- und Rückwärtsgang reguliert, erreicht ist. In gewissen Pausen wiederholt sich die Operation des Ausringens und läßt sich die Dauer der- selben durch eine Regulierkette am Deckenvorgelege genau bestimmen. Während der Pause wird dasjenige Garn, welches sich zuletzt auf den Windehaken befand, ausgeschlagen und neues Garn gefärbt. Der Antrieb erfolgt durch Fest- und Losriemenscheibe. Zum Färben von baumwollenen Ketten dient die Kettenfärbemaschine der Zittauer Maschinenfabrik, welche Fig. 106 in der Gesamtansicht, Fig. 107 im senkrechten Durchschnitt zeigt. Die Maschine besteht aus einem in 2 Abteilungen geteilten Holzkasten, über welchem ein Paar eiserne Ausquetschwalzen mit Hebeldruck angebracht sind. Fig. 106. Kettenfärbemaschine (Gesamtansicht). Fig. 107. Kettenfärbemaschine (Vertikalschnitt). In jeder Abteilung sind 4 Holzleitwalzen mit Metallzapfen in Pockholz oder Metalllagern laufend. Ein- und Ausgang der Ketten ist auf derselben Seite und gehören hierzu 2 Garntransportwagen, von welchen der eine, zur Aufnahme der gefärbten Ketten bestimmte selbstthätig hin- und hergehende Bewegung erhält, mit Kettenrückführung auf Latten oder Rollen. Hat die Kette die Quetschwalzen passiert, so läuft sie, von Leitwalzen getragen, über der Maschine zurück, wird von einem Paar hölzerner Zugwalzen aufgenommen und durch einen Legeapparat in den Wagen gelegt. Der Antrieb der Maschine erfolgt durch Riemenscheibe mit Kuppelung, der Antrieb des Quetschwalzenpaares durch konische Räder oder Ketten. Diese Maschine wird häufig auch mit mehreren Kästen ausgeführt, wobei dann auch die Zahl der eisernen Walzenpaare sowie der Holzleitwalzen entsprechend vermehrt wer- den muß. Garnfärberei nach dem System Obermaier . Die Garnsträhne werden möglichst gleichmäßig in den Aufnahmecylinder eingeschichtet und bleiben in demselben unbeweglich so lange, bis der ganze Färbeprozeß, ein- schließlich Trocknen, vorüber ist. Auf dieses Einschichten der Stränge muß die größte Sorgfalt verwendet werden. Die Garne dürfen weder Druck bekommen noch zu lose aufeinander liegen. Im ersteren Falle vollzieht sich an den Garnen neben dem Färbeprozeß noch eine Art Appreturprozeß, der in seinen Wirkungen mit dem der Naßdekatur viele Aehnlichkeit hat, die Garne also hart, steif und speckig glänzend macht, denselben also solche Eigenschaften verleiht, die in den meisten Fällen das Gegenteil dessen bilden, was wir von einem richtig hergestellten Garn zu verlangen gewohnt sind. Liegen die Garnstränge zu locker im Aufnahmecylinder, dann liegt die Gefahr nahe, daß die Farbstoff- lösung in ihren einzelnen Strahlen gewisse Wege durch das zum Färben einge- schichtete Fasermaterial während des ganzen Färbeprozesses einhält und dadurch Veranlassung zu ungleichmäßiger Färbung gibt. Die Praxis ist auch hier die beste Lehrmeisterin; die Arbeiter bekommen darin bald ein so sicheres Ge- fühl, daß Fehler beinahe nicht vorkommen. § 28. Färben von Geweben. Wie beim Waschen von Geweben, so unterscheidet man auch hier Fär- ben im Strang, Strangfärberei , und Färben in der vollen Warenbreite, Breitfärberei . Da die Farbflotte um so gleichmäßiger an alle Teile des Gewebes herangehen kann, je faltenloser dasselbe ist, so gibt man in neuerer Zeit dem Breitfärben den Vorzug, wogegen die Strangfärberei überall da angewendet wird, wo es sich um das Färben großer Mengen von Geweben auf einmal handelt. Daß die Gewebe für Strangfärberei mittels Heft- maschine zusammengeheftet werden müssen, versteht sich von selbst; das Ge- webe geht dann endlos durch die Flotte. Alle Strangwaschmaschinen können mit geringer Umänderung auch als Strangfärbemaschine dienen. Andererseits sind eine Anzahl von Maschinen konstruiert, welche speziell der Strangfärberei dienen. Zu den einfachsten Maschinen dieser Art gehören die Färbebottiche. Fig. 108 zeigt einen Einfach gangbaren Färbebottich der Zittauer Maschinenfabrik, zum Ausfärben von baumwollenen und halbwollenen Geweben im Strang. Der Bottich ist ein großer viereckiger Kasten, meist aus Kiefernholz, für eine beliebige Anzahl Stränge geteilt. Die zusammengenähten Gewebe wer- den über einen Holzhaspel gebracht und in endlosem Strang durch die Farb- flotte gezogen, bis die Färbung vollendet ist. Das Erwärmen der Farb- flotte geschieht durch ein Dampfrohr, welches unterhalb eines wenig über Fig. 108. Einfach gangbarer Färbebottich. dem Boden befindlichen Siebbodens liegt. Vor dem Färbebottich befindet sich noch ein kleiner Spülbottich mit zwei Leitrollen. Wird an dieselben eine kleine Betriebsmaschine angebracht, so resuliert der Färbebottich mit Dampfmaschine , welcher zusammen mit dem vertikalen Durchschnitt der Fig. 108 ein klares Bild von den Verlauf des mechanischen Färbeprozesses im Bottich gibt. Ein ähnliche Maschine ist der in Fig. 109 abgebildete Große gangbare Färbebottich mit Spülkasten von C. H. Weis- bach in Chemnitz. Derselbe dient besonders zum Schwarzfärben . Fig. 109. Großer gangbarer Färbebottich mit Spülkasten. Automatischer Färbebottich von C. H. Weisbach . Dieser Bottich hat eine gegen den vorigen etwas abgeänderte Form, wie sie aus Fig. 110. Automatischer Färbebottich. Fig. 110 zu ersehen; diese Form soll dem viereckigen ganz hölzernen Bottich gegenüber den Vorteil haben, daß man nicht mehr Flotte als eben nötig gebraucht. Derselbe ist ferner durch ein eisernes Gestell eingefaßt. Ober- halb des Bottichs befindet sich eine Walze, über welche das Gewebe in voller Warenbreite oder in Strangform geht und durch einen Leithaspel ge- führt wird. Werden zwei einfach gangbare Färbebottiche in ein System vereinigt, so entsteht der Doppelt gangbare Färbebottich zum Ausfärben von wolle- nen und halbwollenen Geweben, wobei gleichzeitig 40 Stück gesiedet und 40 Stück gefärbt werden können , Fig. 111. Das Gewebe wird im Strang durch beide Bottiche geführt und zwar in dem einen gesiedet, dann über Haspel nach dem zweiten Bottich geleitet und hier gefärbt, hierauf wieder über Haspel zurückgeführt und von einem Fach- Fig. 111. Doppelt gangbarer Färbebottich. apparat, welcher sich zwischen beiden Bottichen befindet, abgelegt. Im wesentlichen besteht also die Maschine aus einem Siedebottich und einem Färbebottich, gewöhnlich 1600 mm im Lichten breit, welcher jeder in eine bestimmte Anzahl Fächer geteilt, mit Dampfrohr versehen ist und je eine aushebbare Leitwalze besitzt. Direkt über den Bottichen befindet sich Haspel und Fachapparat. Außer diesen befindet sich noch ein dritter Haspel und Fachapparat zwischen den erwähnten beiden; sämtliche Apparate sind an einem gemeinsamen Rahmen gelagert, welcher von vier säulenartigen Ständern ge- tragen wird. Die Haspel werden durch Ketten betrieben und ist jeder für sich zum Ein- und Ausrücken eingerichtet; da der mittelste Haspel rechts und links gehende Bewegung machen muß, erhält dieser zweifachen Antrieb, aus diesem Grunde ist auch doppeltes Vorgelege notwendig. Durch die Wahl des Kettenantriebes hat sich die Maschine bedeutend vereinfacht, ist leichter und zugänglicher gegenüber dem früheren System mit Schaftwelle und koni- schen Rädern. Vorstehende Zeichnung gibt den Antrieb durch eine kleine direkt an einen Ständer montierte Betriebsdampfmaschine an, doch kann an Stelle derselben auch Fest- und Losriemenscheibe, Kettenbetrieb ꝛc. kommen. Dreifach gangbare Farbbottiche werden noch mit einem dritten, zwischen den beiden Färbebottichen angebrachten großen Spülbottich mit Haspeln, Fächern ꝛc. und mit zwei kleinen Betriebsdampfmaschinen versehen. Zum Färben von Strangwaren im Kuhkotbade dient die von C. G. Hau- bold jun. in Chemnitz gebaute Kuhkotfärbemaschine Fig. 112. Diese Ma- Fig. 112. Kuhkotfärbemaschine. schine besteht im wesentlichen aus einem starken, solid gefügten Holzbottich; dieser ist durch eine Lattenwand in zwei Teile geteilt und enthält noch ein Strangführungsgitter für 10 Stränge; über dem Boden ist ein Dampfrohr mit in gleichen Abständen eingebohrten Löchern eingesetzt, um die Flüssigkeit zu erwärmen. Ueber dem Bottich liegt noch ein Abspritzrohr mit Ventil für reines Wasser, und im Boden befindet sich ein Abflußventil. Auf den beiden Seitenwänden des Bottichs sind die eisernen Gestellwände für die Walzenlagerung montiert und tragen zwei Holzwalzen, wovon die untere derselben den Antrieb durch Riemenscheibe erhält; die obere Walze lastet nur mit ihrer eigenen Schwere auf der unteren. Neben der unteren Walze ist noch eine Lattentrommel gelagert, über welche die Ware in den Bottich nach dem Durchgang durch die Walzen zurückläuft, sie wird durch Kettenrad betrieben. Besonders zu erwähnen ist noch, daß beim Antrieb nicht Fest- und Losriemenscheibe benutzt wird, sondern die lose laufende Riemenscheibe durch ein- und ausrückbare Mitnehmerkuppelung die untere Walze treibt. Derartige Maschinen werden meistens zu zweien nebeneinander mon- tiert, und zwar so, daß der zu bearbeitende Strang aus einer in die andere Maschine übergeht. Diese Maschinen können auch zum Waschen oder zum Seifen von Druckkattun in Strangformen benutzt werden. Als Breitfärbemaschinen können fast alle in § 6 beschriebenen Breit- waschmaschinen verwendet werden. Außer diesen sind zum Färben von Ge- weben in ihrer Warenbreite noch folgende Maschinen in Anwendung. Breitfärbemaschine „ U. W. “ für Plüsche, Krimmer, An- gora ꝛc., auch Kammgarnartikel . D. R. P. (Fig. 113 und 114). Dieselbe dient zum Färben solcher Wollgewebe, welche während des Färbens weder gedrückt werden, noch im Strange laufen dürfen, da solches Farbfalten und Farbflecke verursachen würde. Zu diesen Geweben gehört der Wollplüsch, der Krimmer, Angora ꝛc., welche man bisher auf gewöhn- lichen Färbebottichen derart färbte, daß sie vermittelst zweier Arbeiter und einer einfachen Holzraspel durch die Flotte gezogen wurden. Das Breit- ziehen erfolgte gewöhnlich mit Holzzangen, während die Haspel stillstehen mußte. Diese einfache Methode ist aber sehr häufig Ursache zu Farbflecken und Farbfalten, da sich ein kontinuierliches, schnelles Durchziehen durch die Flotte nicht erreichen läßt, was gerade bei Aetzfarben recht nötig ist; außer- dem sind für jeden Bottich zwei Arbeiter erforderlich. Diese Maschine be- seitigt die Uebelstände, bedarf nur einen Mann Bedienung und färbt schneller aus, da man drei oder vier Stücke auf einmal in einem Bottich färben kann. Bei dem langsamen Durchziehen mittels Handhaspel würde dies ohne Gefahr für ungleichmäßiges Ausfärben nicht möglich sein. Die Maschine besteht aus einem starken hölzernen Bottich mit Abtei- lung zum Zusetzen neuen Farbstoffes und zum Kochendmachen der Flotte, aus einer über der Maschine befindlichen Winde, welche das Gewebe auf das im Bottich befindliche Leitbrett in Falten legt, aus einer Breit- haltevorrichtung und einem Gewebeführapparat, welch letzterer durch den Arbeiter bequem bedient werden kann. Der Antrieb erfolgt entweder durch Ketten oder Riemenscheibe und ist für zwei Geschwindigkeiten ein- gerichtet, so daß man das Gewebe schnell in die Farbflotte bringen kann, während das Durchziehen langsamer erfolgt. Das schnelle Ein- bringen der Gewebe ist notwendig, damit das zuerst einlaufende Gewebe nicht zu viel Farbstoff absorbieren kann, was bei langsamer Einführung mehrerer Stücke sehr merklich werden würde. Das ausgefärbte Ge- webe wird von einer besonders angetriebenen Haspel aus dem Kühlbottich, der mit dem Färbebottich in Verbindung steht und durch welches das Ge- webe über eine Leitwelle geführt wird, ausgezogen. Diese Maschine wird Fig. 113. Breitfärbemaschine U. W. für Plüsche, Krimmer ꝛc. auch für Kammgarnartikel, welche in der Farbe sehr empfindlich sind, ge- fertigt, und dann mit zwei Haspeln, denen eine veränderliche Geschwindig- keit und eine Rück- und Vorwärtsbewegung erteilt werden kann, versehen. Fig. 114. Breitfärbemaschine U. W. für Kammgarnartikel. Ganswindt , Färberei. 28 Graufärbemaschine (Fig. 115) zum Beizen, Bläuen, Waschen und Färben baumwollener, halbwollener und wollener Ge- webe, Futterkattune, Alpacas, Orleans, besonders auch, um Schwarz und Grau zu färben . Diese Maschinen zum Färben der Gewebe im breiten Zustand werden mit 1 bis 4 Kästen gebaut; jeder derselben enthält eine Anzahl Leitwalzen, von welchen die obere Partie in einiger Entfernung über dem Kasten ge- lagert ist, damit die zu färbenden Gewebe mit dem Sauerstoff der Luft in Berührung kommen und oxydieren können. Bevor die Gewebe je einen Kasten verlassen, passieren sie ein mit Hebeldruck belastetes Quetschwalzenpaar. Zu jeder Maschine gehört eine Abwickelvorrichtung mit Bremse und eine Legevorrichtung, welch letztere die Gewebe nach dem Passieren der Kästen gut in Falten legt. Zum Durchfärben kleinerer Partien Ware sind die Färbemaschinen mit 1 und 2 Kästen sehr zweckmäßig und sind dieselben auch so eingerichtet, daß man jederzeit noch Kästen anmontieren kann, gleichviel, ob für Säuren, Farbeflotte oder Wasser. Fig. 115. Graufärbemaschine. Zum Färben größerer Partien empfehle ich Maschinen mit 3 und 4 Kästen und in diesen Fällen, namentlich zum Graufärben, mit der Einrich- tung, daß die Ware gleich nach dem Beizen und Färben genügend lange Zeit mit der Luft in Berührung ist, um zu oxydieren; dazu gehört eine größere Anzahl Leitwalzen, welche in besonderen Hängearmen gelagert und an die Decke montiert sind. Das Ganze ist mit Holz vollständig umkleidet und in dem so gebildeten Hohlraum wird Luftzirkulation hervorgebracht. Da die Gewebe stets durch die Quetschwalzen ausgepreßt sind, bevor sie dem Oxydieren ausgesetzt werden, so ist auch die Einwirkung der Luft eine intensivere. Der letzte Kasten ist immer ein Wasserkasten zum Abspü- len der gefärbten Ware, und um dasselbe noch zu vervollständigen, befindet sich vor dem letzten Quetschwalzenpaar ein Abspritzrohr, wodurch die Ge- webe noch einmal beiderseits mit frischem Wasser abgespritzt werden. Der Antrieb jedes einzelnen Walzenpaares geschieht durch Kettenräder, wodurch derselbe bedeutend vereinfacht und die Maschine beiderseits bequem zugänglich ist. Direkt auf dem Zapfen der letzten Unterwalze sitzen die Fest- und Losriemenscheiben. Sollen die gefärbten Gewebe auf eine Rolle gewickelt und nicht gesacht werden, so ist hierzu eine Aufwickelbahn vorhanden, die Rolle wickelt sich unter eigener Schwere an die obere Walze anliegend auf. Paddingmaschine (Klotzmaschine) für baumwollene, halbwollene und wollene Gewebe zum Seifen, Färben, Ausquetschen oder ein- und zwei- seitig Stärken. Fig. 116. Paddingmaschine. 28* Die Gewebe werden hierbei von einer Abwickelvorrichtung mit Bremse über einige Stäbe entweder direkt durch die beiden gußeisernen geschliffenen, meistens mit Kattun umwickelten Walzen geführt, oder aber über eine Leit- walze durch einen die Flüssigkeit enthaltenden Holzkasten unter den Walzen. Die Walzen haben verschiedene Durchmesser und wird die obere durch Doppelhebeldruck nach Bedürfnis belastet, hierdurch wird das Gewebe aus- gequetscht und nachdem entweder auf Kaulen gewickelt (Fig. 116) oder durch einen Fachapparat gefacht. Dieser Facher ist an ganz besonders langen und hoch konstruierten Armen befestigt, so daß man bequem darunter hantieren kann (Fig. 117); es ist dies aus dem Grunde geschehen, um Einlaß und Ausgang auf gleicher Seite zu haben. Fig. 117. Padding- oder Klotzmaschine. Wird das Gewebe aufgewickelt, so ist hierzu eine besondere im beliebi- gen Winkel schräg stellbare Bahn vorhanden, auf welcher die Welle geführt wird und die Aufwickelung an der oberen Walze unter beliebig zu verstär- kendem Druck stattfindet. Die Maschine besteht aus eisernen gut verbundenen soliden Gestellen, zwei Walzen von Eisen, 270 und 300 mm Durchmesser, Doppelhebeldruck- vorrichtung, Holzkasten mit Leitwalze darin, Einlaßvorrichtung, Ab-, Auf- wickel- und Legevorrichtung oder nur Ab- und Aufwickelvorrichtung. Antrieb durch Riemenscheibe direkt auf die untere Walze. Zum Färben von Baumwolle oder Halbseide, speziell aber zum Fär- ben des baumwollenen Fadens in halbwollenen Geweben dienen die Aufsetzkasten oder Jiggers Fig. 118. Die beigegebene Abbildung stellt 3 Stück = 1 Satz Aufsetzkasten dar. Jeder Jigger besteht aus einem, mit Schrauben zusammengeschraubten star- ken Holzkasten mit messingenem Ablaßventil, an dessen hinterer Seite eine eiserne Wand befestigt ist, die die Lagerständer für die Hauptantriebswelle und für die Spindeln der oberen Holzwalzen tragen; außer den erwähnten Fig. 118. Aufsetzkasten des Jiggers. zwei oberen Holzwalzen, von welchen jede mit einer Klauenmuffvorrichtung zum Ein- und Ausrücken und am anderen Ende mit einer Bremsscheibe versehen ist, befinden sich im Innern des Kastens noch zwei Mitlaufwalzen. Die zu färbende Ware wird auf eine der beiden oberen Walzen aufgedockt, die auf der Radspindel befestigte Mitnehmerklaue sodann durch ein Zurück- schieben des aus der Abbildung ersichtlichen Hebels außer Eingriff mit der auf dem Zapfen der Walze befindlichen Klaue gesetzt, die Kette mit dem Gewicht über die Bremsscheibe gelegt und die Ware sodann unter den im Kasten befindlichen Mitlaufwalzen hinweg durch die Färbeflotte nach der anderen oberen Walze geführt, wonach die Walze vermittelst der Klauenmuff- vorrichtung in Betrieb gesetzt und die Ware infolgedessen von der gegenüber liegenden Walze durch die Flotte gezogen wird; die Manipulation wieder- holt sich so oft, bis die Ware durch das mehrmalige Passieren der Färbe- flotte die gewünschte Nüance erreicht hat. Double-Jigger Fig. 119. Färbemaschine für baumwollene Gewebe . Diese Maschine eignet sich besonders für leichtere Gewebe, nicht aber für Plüsche oder Sammete. Das Färben findet in gleicher Weise statt wie bei vorstehender Maschine, nur in der Konstruktion sind folgende Aende- rungen vorgenommen. Fig. 119. Double-Jigger. Das Gewebe wird durch zwei Quetschwalzenpaare durchgezogen, von denen je die untere Walze mit Messingbezug, die obere dagegen mit Gummi- bezug versehen ist, der Vor- oder Rückwärtsgang wird durch Stirnräder auf die unteren Walzen übertragen. Das Gewebe wickelt sich, an einer Führung an der oberen Walze schräg anliegend und unter dem Druck der eigenen Schwere, selbstthätig auf. Diese Führungen können nach Entfernung eines Bolzens umgeschlagen werden, dann rollt die aufgewickelte Walze in einen Lagerarm, wo sie vor- läufig liegen bleiben kann. Auf diese Weise kann man sofort wieder mit dem Färben eines neuen Stückes beginnen, ohne, wie dies bei der anderen Jiggerfärbemaschine nötig wird, erst den Aufwickelstab aus der aufgerollten Ware entfernen und neue Hülsen aufstecken zu müssen. In diese Kategorie von Breitfärbemaschinen gehört schließlich auch noch die Roulette-Küpe für Indigofärbereien Fig. 120. Bestehend aus einem eisernen Reservoir, in welchem unweit des Bodens zwei Rührer angebracht sind. In diesem Reservoir wird ferner ein Ge- stell befestigt, auf dem 21 messingene Walzen genau parallel gelagert sind. Auf dem Reservoir befindet sich ein gehobelter gußeiserner Rahmen, auf dem weitere 14 Leitwalzen, 3 Preßstücke mit je 2 Quetschwalzen, 1 Paar höl- zerne Abziehwalzen nebst Lege- und Aufrollvorrichtung angebracht sind. Eine zweite Reihe von 17 Leitwalzen ist unter der Decke in einem gußeisernen Gestell gelagert. Fig. 120. Roulette-Küpe. Die unteren Quetschwalzen sind mit Messing, die oberen mit Gummi überzogen, um ein gleichmäßiges und recht gutes Ausquetschen zu erzielen. Der auf dem Reservoir angebrachte gußeiserne Rahmen erhöht die Solidität der Maschine, sowie die genaue Lagerung der Walzen. Der Antrieb ge- schieht durch eine Vorgelegwelle mit Los- und Festriemenscheibe, sowie Stirn- räderübersetzung nach dem dritten Paar Quetsch- und Abziehwalzen, von da aus findet die Uebertragung durch eine Gelenkkette statt, wodurch ein viel ruhigerer und leichterer Gang erzielt wird. Die Rührer werden direkt von der Antriebswelle bewegt. Dieselben können durch eine eigene Kombination während des Ganges, wie des Stillstandes der Maschine in Betrieb erhal- ten werden, ohne daß das Herabnehmen von Riemen nötig wird. Der Einlaß ist ein doppelter, d. h. man kann, wenn einseitig gefärbt werden soll, 2 Stück auf einmal, aufeinander einlassen, wodurch eine doppelte Leistung der Maschine erzielt wird. Bei vielen Waren ist es erwünscht, daß die eine Seite etwas heller gefärbt ist, es wird dieses durch den doppelten Ein- laß erreicht und findet dabei nicht nur eine ganz bedeutende Ersparnis an Indigo, sondern auch an Zeit und Arbeit statt. Gebleichte Ware wird am vorteilhaftesten in gut aufgerolltem, noch nassem Zustande auf die Abwickelstelleisen vor die Maschine gelegt, passiert zunächst die Breithalterwalze, 2 Leitwalzen und das erste Quetschwalzenpaar, worauf sie wieder direkt in die Küpe geht, hier die nächsten 11 Leitwalzen passiert und darauf durch das 2. Quetschwalzenpaar über die Oxydations- leitwalzen geleitet wird, woselbst die Ware oxydiert. Hierauf passiert sie die Breithalterwalze und eine Leitwalze, geht sodann wieder direkt in die Küpe über die nächsten 9 Leitwalzen und nochmals durch ein Quetschwalzenpaar, woselbst sie ausgedrückt von neuem über die Oxydationswalzen, Leit- und Breithalterwalze nach dem Abzugswalzenpaar geht, worauf sie abgelegt wird. Die Küpe kann so stark gehalten werden, daß sie mit einemmale durchgehend dunkel genug ist, jedoch wird mitunter auch vorgezogen, die Ware zweimal durch die Maschine gehen zu lassen. Letzteres ist aller- dings für die Echtheit der Färbung von großem Vorteil. Mit dieser Maschine können pro Tag circa 7000 m gefärbt werden und bei doppeltem Einlaß das Doppelte. Es wird teils in trüber, teils in klarer Küpe gefärbt, je nach dem verschiedenen Zweck. Zur Bedienung der Maschine sind zwei Personen, an Betriebskraft 1 bis 1½ Pferdekraft erforderlich. Ist das Stück zu Ende, so wird ein Gurt daran befestigt und mit durch die Maschine gezogen, um beim Anfangen die Ware damit durch die Maschine führen zu können. Bei einer gut montierten Maschine ist die Färbung eine sehr gleich- mäßige und läßt in keiner Hinsicht etwas zu wünschen übrig. Was Zeit und Arbeit betrifft, so zeigt sie sich der alten Färbung gegenüber ebenso von großem Vorteil. Die Stückfärberei nach dem System Obermaier . Es leuchtet wohl auf den ersten Blick ein, daß die Apparate des Systems Obermaier sich in ihrer jetzigen Konstruktion nicht zum Breitfärben eignen. Dagegen können sie zum Färben im Strang verwendet werden. Der Bericht Scheuer- les an die Industriegesellschaft in Mülhausen sagt darüber: Gewebe von beliebiger Länge und Breite in ganzen Stücken färben sich auf den Appa- raten schön und gleichmäßig. Sie werden zu diesem Behufe in Strang- form, und zwar möglichst gleichmäßig verteilt, in den Beschickungsraum des Cylinders eingeschichtet, und mittels des Deckels festgepreßt. Die verschiede- nen Verrichtungen, aus denen sich der Färbeprozeß zusammensetzt, vollziehen sich auch hier wieder in derselben Weise und in derselben Reihenfolge, wie bei dem Färben losen Fasermaterials. Daß solche Gewebe nach dem Färben am Spannrahmen oder mittels Rahmmaschinen getrocknet werden müssen, ist selbstverständlich. Es hat jedoch nicht an Versuchen gefehlt, das Obermaier sche Prinzip auch auf Gewebe in ihrer vollen Warenbreite anzuwenden; es ist versucht worden, den inneren Obermaier schen Cylinder in eine lange, durchlöcherte Walze umzuwandeln, um welche das ausgebreitete Gewebe aufgewickelt wird; dann wird mittels einer Kreiselpumpe die Farbflotte durch die Gewebe- masse hindurchgepreßt. Solche Systeme sind von Sarfert und Vollert und von Schäffer-Lalande gebaut worden. § 29. Die nächsten Arbeiten nach dem Färben. Hat die zu färbende Ware die bestimmte Nüance erlangt, so wird sie aus der Flotte herausgezogen und die mechanisch noch anhaftende Flotte durch eine Centrifuge oder mittels einer einfachen Wringmaschine aus der Ware entfernt. Dann folgt entweder direkt das Trocknen , in der Mehr- zahl der Fälle aber geht ein Spülen vorher. Allgemeine Grundsätze lassen sich dabei nicht aufstellen; es hängt das von der jedesmaligen Natur des Farbstoffes ab; nur das wird sich als allgemeine Regel aufstellen lassen, daß in allen den Fällen, wo das Färbebad vollkommen ausgezogen wird, ein Spülen überflüssig erscheint. Das Spülen bezweckt die Entfernung des nach dem Centrifugieren noch mechanisch anhängenden Farbstoffs, und ist so lange fortzusetzen, bis das Waschwasser klar und ungefärbt abläuft; dann ist das eigentliche Färben erst als beendet anzusehen. — In vielen Fällen aber geht selbst dem Spülen noch eine Operation zuvor, welche den Zweck hat, dem erhaltenen Farbenton eine größere Lebhaftigkeit zu erteilen. Das Schönen, Beleben, Avivieren kann als eine Art Nachbeize betrachtet werden; es sind stets chemische Körper, welche, im Bade gelöst, das Schönen , die Avivage , bewirken. Sie sind durchaus verschieden und richten sich nach der Natur des Farbstoffes; in vielen Fällen sind Seifen- bäder, in andern alkalische Bäder anzuwenden; für manche Farben sind hingegen verdünnte Säuren nötig (z. B. Essigsäure). Oft genügt ein Durch- ziehen durch ein kaltes Bad, manchmal muß Wärme angewendet werden, in einzelnen Fällen ist sogar ein Kochen unter Hochdruck notwendig. Zum Avivieren genügen die zum Waschen und Färben bestimmten Maschinen; für Türkischrotgarne aber, die ein Avivieren mit Soda und Palmkernölseife er- fordern, sind eigene Avivierkessel konstruiert worden, welche einige Aehnlichkeit mit den Hochdruckkochkesseln zum Bleichen haben. Sie sind ganz aus Schmiedeeisen konstruiert und entweder mit Kochschlange versehen, Fig. 121, oder mit doppeltem Mantel und Boden. Die Beschickung des Kessels geschieht von oben durch das Mannloch. Der Kessel mit Kochschlange besitzt einen Sieb- boden zum Einlegen der Ware; das Innere des Kessels mit doppeltem Mantel ist vollkommen frei. Auf das Avivieren folgt allemal ein Spülen, zuguterletzt aber ein Trocknen. Ueber das Trocknen enthalten die § 7 bis einschließlich 10 alles Wissenswerte. In nachstehendem sollen die Grundsätze, nach denen eine Trockenanlage beurteilt werden muß, des Näheren beleuchtet werden. Fig. 121. Avivierkessel. § 30. Ueber Trockenanlagen. Das Trocknen hat den Zweck, die Feuchtigkeit der Ware an die Luft des Trockenraumes abzugeben, diese bis zu einem gewissen Grade mit Feuchtig- keit zu sättigen, die gesättigte Luft zu entfernen, und durch neue, nicht mit Feuchtigkeit gesättigte Luft zu ersetzen. Da trockne Luft mehr Feuchtigkeit aufzunehmen vermag, als eine minder trockne, und warme Luft mehr als kalte, so wird es sich empfehlen, beim Ablassen der mit Feuchtigkeit gesättig- ten Luft statt deren erwärmte Luft in die Trockenräume zu führen. Nach diesen Grundzügen müßte eine Trockenanlage ein begrenzter her- metisch verschließbarer Raum sein, mit einer Vorrichtung versehen, um die mit Feuchtigkeit gesättigte Luft zu entfernen, entweder durch Hinauspressen oder durch Absaugen, und mit einer zweiten Vorrichtung, welche trockne Luft zu- zuführen gestattet. Vergegenwärtigen wir uns dabei, daß die Hauptsache die Erneuerung der Luft ist, und daß die Wärme nur zur Be- schleunigung des Trockenprozesses dient . Durchwandern wir hingegen die Trockenanlagen unserer heutigen Etablisse- ments, so drängt sich uns sehr bald die Ueberzeugung auf, daß fast durch- gehends gegen den ersten Grundpfeiler einer rationellen Trockenanlage ge- sündigt wird. Es strömt uns da eine Hitze entgegen, wie sie in den Mälze- reien wohl angebracht ist, wie sie in einer vernunftgemäßen Trockenanlage aber niemals vorhanden sein dürfte. Augenscheinlich soll hier die Trocknung nicht durch trockne Luft, sondern durch Hitze erzielt werden: je heißer, desto schneller trocknen. Eine solche Anschauung ist aber grundverkehrt , und zwar aus folgenden Gründen: Die Luft vermag bei einer bestimmten Temperatur auch nur eine ganz bestimmte Menge Wasserdunst in sich auf- nehmen und zwar 1 cbm Luft von 0° C. 5 g Wasserdunst, 1 „ „ „ 10° „ 8,5 „ „ 1 „ „ „ 20° „ 17,9 „ „ 1 „ „ „ 30° „ 31,6 „ „ 1 „ „ „ 40° „ 49,2 „ „ Ist diese Sättigung erreicht, so hört die Verdunstung auf und alles Heizen ist vergebens, die Luft nimmt über ihren Sättigungspunkt hinaus eben keinen Dunst weiter auf. Durchwandern wir unsere Trockenräume aber mit Instrumenten, wie Thermometer, Hygrometer und Anemometer, durch welche wir ein zuverlässiges Bild von dem Feuchtigkeitsgehalt der Luft bekommen, so werden wir sehr bald finden, daß in der größern Zahl der Fälle dieser höchste Gehalt an Feuchtigkeit erreicht ist, ohne daß man zur Erneuerung der Luft schreitet. Man will augenscheinlich das Trocknen durch Hitze erzwingen. In der Mehrzahl der Fälle finden wir die Heizanlagen in den Trockenräumen selbst angebracht. Eine solche Anlage ist ver- werflich , denn sie birgt Gefahren in sich. Es kann leider nicht verschwiegen werden, daß in den meisten Färbe- reien die Trockeneinrichtungen in sehr primitiver und oft geradezu vernunft- widriger Weise angelegt sind, daß sie oft selbst den billigsten Anforderungen der Praxis nicht entsprechen, noch weniger aber den Grundsätzen der Wissen- schaft. Damit auch der Laie sich ein Bild von der Verkehrtheit der landes- üblichen Anschauung bilden kann, diene folgendes: Zur Ableitung der feuch- ten Luft sind hohe Essen angelegt; diese verfehlen ihren Zweck vollkommen, wie sich ein jeder durch die Richtung einer brennenden Flamme leicht selbst überzeugen kann. Wie kann es denn auch anders sein? Die Luft wird in dem Maße , als sie sich mit Feuchtigkeit beladet, schwerer , und sinkt zu Boden, aber sie denkt nicht daran, durch den Schlot zu entweichen. Die feuchte Luft des Trockenraumes muß unten am Boden des Trockenraumes abgeleitet werden, nicht oben an der Decke. Wie zur Genüge bekannt, geht die Umwandlung des Wassers in Dampf in einem luftverdünnten Raume schneller vor sich, als bei gewöhn- lichem Luftdrucke; man wird also ein schnelleres Trocknen erzielen, wenn man durch eine Saugvorrichtung die Luft des Trockenraumes verdünnt. Solche Erwägungen sind jedenfalls dort maßgebend gewesen, wo man Exhaustoren angewendet hat. Ein solcher Exhaustor saugt Luft aus dem Trockenraume ab und erzeugt so gewissermaßen eine Verdünnung der Luft; er darf aber nicht, wie meist anzutreffen, an oder unter die Decke montiert werden, sondern muß luftdicht in die Mauer eingefügt werden und zwar unmittelbar über dem Fußboden . Wenn ein solcher Exhaustor wirklich als Aspirator wirken soll, muß dafür gesorgt werden, daß die übri- gen Lufteinlaßstellen wirklich möglichst luftdicht verschlossen werden können; andernfalls bewirkt er wohl einen Lufts trom , aber keine Luft verdünnung ; diese aber ist die Hauptsache. Die vollkommenste und schnellste Trocknung wird dort erreicht werden, wo alle diese Faktoren zusammenwirken, wo man also in einem hermetisch verschließbaren Raume für eine entsprechende Erwärmung und gleichzeitige Verdünnung der Luft Sorge trägt. Allgemeine Regeln lassen sich hier nicht wohl aufstellen, da die vorhandenen Räume und die vorhandenen Hilfs- materialien oft eine wesentliche Verschiedenheit in der Anlage von vornherein bedingen. Gemeinhin ist die Form des Trockenraumes eine verfehlte: sie ist weniger hoch als lang und breit, ein Trockenraum sollte aber vor allem hoch sein, und zwar mehrfach so hoch als lang oder breit; er sollte als Basis ein Quadrat oder einen Kreis haben und sich nach oben schwach trichter- förmig erweitern. Der Heizapparat müßte sich außerhalb des Trocken- raumes befinden und die erhitzte Luft in entsprechender Höhe oberhalb des Exhaustors eingeführt werden, so daß sie nicht mehr angesogen werden kann. Die Temperatur im Trockenraume sollte 40° C. (32° R.) nicht übersteigen, da die Gewebefasern sonst hart werden. Diese Momente lassen sich natür- lich nur da beherzigen, wo sie neu eingerichtet werden können. Bei vor- handenen Anlagen wird man mit den gegebenen Räumen rechnen müssen und würden vernunftgemäße Aenderungen von Fall zu Fall unter Berück- sichtigung der vorhandenen Räume und Heizanlagen erwogen werden müssen. In allen jenen Fällen, wo es auf eine bloße Luftströmung, nicht auf eine Luftverdünnung ankommt, und wo eine Zirkulation der im Trockenraume vorhandenen warmen Luft bezweckt wird, würde sich ein Schraubenventilator empfehlen, ein schraubenförmiges Flügelrad mit ausgedrehtem Gehäuse. Vorstehendes sind nur die Grundzüge meines Trockensystems; auf die Einzelheiten meines Systems einzugehen, ist hier nicht der Raum vorhanden. § 31. Trockenmaschinen. Die in großen Etablissements für besondere Zwecke angewendeten Trockenapparate sind auch nichts anderes, als Trockenräume in besonderer Form. Sie unterscheiden sich jedoch von den im vorigen Paragraphen be- schriebenen Trockenräumen dadurch, daß der erwärmten Luft eine bestimmte Richtung gegeben wird und daß die Ware sich in einer der vorigen entgegen- gesetzten Richtung bewegt. Diesem Prinzip entspricht der Ketten-Trockenapparat für gefärbte Ketten (Fig. 122). Das Trocknen geschieht in einer großen, mit Eisen montierten Holzkammer, in welche durch einen Ventilator erhitzte Luft eingeblasen wird, welche durch einen Exhaustor am Eingang der Ketten, also da, wo die Luft mit Feuchtig- keit gesättigt ist, entfernt wird. Die Ketten, gewöhnlich 5 bis 12 neben- einander, werden aus den einzelnen Kästen über eine Leitwalze in die Trockenkammer eingeführt, gehen über eine Anzahl Leithaspeln von Holz, welche alle durch eine Schnur betrieben sind. Zwischen den einzelnen Leit- haspeln in gewisser Entfernung voneinander sind Querbrettchen angebracht, welche die Luft gewissermaßen stauen und dadurch zur Zirkulation zwingen. Der Lauf der Kette ist gegen die Luftströmung, und um denselben beobachten zu können, sind Klappfenster und Thüren in der einen Wand angebracht. Haben die Ketten die Kammer passiert, so werden sie über dieselbe zurück- geführt, von den Abzugswalzen erfaßt und durch Legevorrichtungen in eine oder zwei Garnwagen, welche entsprechend viel einzelne Fächer haben, ge- legt. Ein- und Ausgang ist auf derselben Seite. Fig. 122. Kettentrockenapparat. Zum Trocknen von Geweben in voller Warenbreite sind verschie- dene Apparate gebaut, welche in erster Linie ein Spannen des Gewebes bezwecken. Die einfachsten diesem Zwecke dienenden Apparate sind die be- kannten Spannrahmen (Fig. 123). Dieselben dürften wohl kaum in einer Färberei fehlen, daher wird eine Schilderung hier nicht nötig sein. Fig. 123. Spannrahmen. Wird das Spannen der Gewebe durch Maschinen bewirkt und das ge- spannte Gewebe gleichzeitig durch einen erwärmten Luftstrom und zwar in der umgekehrten Richtung des letztern gezogen, so gelangen wir zur Spannrahm- und Trockenmaschine (Fig. 124). Der untere Teil der Zeichnung zeigt einen mit direktem oder Abgangsdampf heizbaren Röhren- kessel. Die beiden Pfeile zeigen Eintritt und Austritt des Dampfes an. Links am Kessel befindet sich der Ventilator, welcher die zum Erwärmen bestimmte Luft in den Kessel hineindrückt. Die erwärmte Luft steigt durch das Knierohr in den eigentlichen Trockenraum zwischen die horizontal aus- gespannten Warenflächen. Das Spannen der Ware erfolgt durch 2 mit Nadeln oder Kluppen versehene Ketten ohne Ende, welche je nach Bedarf mehr oder weniger entfernt voneinander, erst konvergierend, dann aber exakt parallel fortlaufend, geführt werden. Wird die Maschine derart gebaut, daß die Ware, nachdem sie den Trockenraum passiert, noch einen zweiten darunter liegenden Raum passieren muß, so entsteht die zweietagige Rahm- und Trockenmaschine, wie sie in Fig. 125 abgebildet ist. Eine derartige zwei- etagige Maschine gestattet also ein zweimaliges Hin- und Hergehen der Ware, also 4 Touren; die Einrichtung ist dann so getroffen, daß die Ware Fig. 124. Spannrahm- und Trockenmaschine. den Trockenraum seiner ganzen Länge noch dreimal durchstreicht, das vierte Mal aber in voller Spannung der Wirkung des Luftstromes nicht mehr ausgesetzt ist, wodurch ein Zurückgehen der ausgespannten Breite bei den meisten Garnbreiten fast gänzlich vermieden wird. Diese Maschinen werden bisweilen auch mit 3 Etagen gebaut; eine solche zeigt Fig. 126. Fig. 125. Zweietagige Spannrahm- und Trockenmaschine. Fig. 126. Dreietagige Spannrahm- und Trockenmaschine. Das Trocknen von Geweben in voller Warenbreite geschieht, wenn nicht gleichzeitig ein Spannen damit verbunden sein soll, zwischen hohlen, metallenen, mit Dampf geheizten rotierenden Cylindern. Ein solches System von Cylindern, zwischen denen die Ware sich hindurchbewegt, heißt eine Cylinder-Trockenmaschine (Fig. 127). Solche Maschinen bestehen in ihren Hauptteilen aus dem eisernen Gestelle, den heizbaren kupfernen Trockencylindern, der Dampfzu- und Wasserableitungsvorrichtung nach und von den Cylindern mit den hierzu gehörigen Apparaten, der Einlaß-, Auf- wickel- und Legevorrichtung, sowie den Betriebsobjekten. Als vorzüglichstes Material für Trockencylinder hat sich gezogenes Kupfer bewährt. Die Cylinder besitzen außerdem noch je ein nach innen sich öffnendes Luftventil, um einem Verbiegen des Cylinders vorzubeugen, falls etwa infolge plötzlichen Temperaturwechsels eine Luftleere im Cylinder entstehen sollte. Im Innern der Cylinder befinden sich Schöpfwerke, die das sich durch Kondensation bildende Wasser bei jeder Umdrehung des Cylinders entfernen. Fig. 127. Cylindertrockenmaschine. Solche Cylindertrockenmaschinen werden in jeder Anzahl von Cylindern, sowie in ein- oder zweireihiger Anordnung verwendet. Häufig werden die- selben auch direkt mit einem Stärkeapparat, oder einer Walzenpresse oder einer Einsprengmaschine oder dergl. versehen. Fig. 127 zeigt eine einreihige Cylindertrockenmaschine mit 9 Cylindern. Werden derlei Maschinen derart angewendet, daß die Cylinder in Reihen, nicht wagerecht, sondern lotrecht übereinander zu liegen kommen, so haben wir die Stehende Trockenmaschine , wovon Fig. 128 einen vertikalen Querschnitt zeigt, welcher auch ohne textliche Intrepretation sofort verständ- lich ist. — Kombinationen von Trockenmaschinen mit Stärke-, Appretier- und Bürstenmaschinen zeigen die Fig. 129, 130 und 131. Fig. 128. Stehende Trockenmaschine. Fig. 129. Cylindertrockenmaschine mit Stärk-Apparat. Fig. 130. Appretur-Bürst- und Cylinder-Trockenmaschine. Ganswindt , Färberei. 29 Fig. 131. Appretur- und Cylindertrockenmaschine mit Schneckenantrieb. § 32. Die Vollendungsarbeiten der Färberei. Eine Ware, welche alle bisher beschriebenen Operationen durchgemacht hat, sieht — vom Farbenton völlig abgesehen — gewöhnlich „matt“ oder „stumpf“ aus. Ueberdies zeigen die Gewebe außer einem wenig schönen Ansehen auch eine gewisse Schlaffheit und nicht die gehörige Festigkeit und Dichtigkeit. Alle jene Arbeiten nun, welche als Vollendungsarbeiten bezeich- net werden, bezwecken einzig und allein, der Ware äußerlich ein schöneres, gefälligeres Ansehen, Glanz, einen gewissen Grad von Steifheit und jene eigen- tümliche Oberflächengestaltung zu geben, welche man „Griff“ nennt. Die Gesamt- heit dieser Arbeiten wird als Appretur bezeichnet. Die Mittel und Wege, das zu erreichen, sind sehr verschiedener Art; auch chemische Stoffe kommen dabei zur Verwendung; die Methoden sind jedoch keine chemischen, sondern die chemischen Körper werden nur, entweder für sich, oder in Gemeinschaft mit andern, den Ware umechanisch imprägniert, was man als Füllen oder Beschweren bezeichnet. In vielen Fällen wird der Zweck auch ohne Zuhilfe- nahme chemischer Stoffe, lediglich durch Maschinen, bewirkt. Zu den Appre- turarbeiten, welche in Färbereien vorkommen, gehören: das Dekatieren, Dämpfen, Füllen, Sprengen, Stärken, Gummieren, Plätten, Pressen, Mangeln, Lüstrieren, Moirieren, Kalandrieren, Ausbreiten, Spannen, Falten und Legen. Diejenige Appreturarbeit, welche eigentlich als Vorbereitungsarbeit zur Appretur betrachtet werden muß, ist die Zubereitung der Appretur- massen , oder das Appretkochen . Die zur Appreturmasse nötigen chemischen Stoffe werden Appreturmittel oder Schlichtemittel genannt. Die daraus hergestellte fertige Masse heißt Appreturmasse oder Schlichte- präparat . Eines der allgemeinsten Appreturmittel, welches fast in keinem Schlichtepräparat fehlt, ist die Stärke ; sie bildet gewissermaßen die Grund- lage einer jeden Schlichte. Deshalb müssen die Appreturmassen durch Kochen mit Wasser hergestellt werden. Um die Stärke möglichst vollständig in Lösung zu bringen, benutzt man gewöhnlich Hochdruckkocher und zwar be- sonders jene Kessel, welche § 21 zum Kochen der Farbe als Kippkessel und Doppelkessel mit Rührwerk, sowie als Hochdruckkochkessel (Fig. 99 bis 101) beschrieben sind. Diese Kessel werden deshalb auch als Stärke - oder Appretkochapparat resp. - Kessel bezeichnet. § 33. Appretur der Garne. Der Zweck der Garnappretur ist entweder die Erzielung einer beson- deren Weichheit oder einer besonderen Härte, meist immer auch von Glanz und Glätte. Ersterem Zweck dient das Dämpfen, Mangeln und Strecken . Steifheit erhalten die Garne durch das Stärken, Gummieren, Leimen, Imprägnieren ; Glanz und Glätte durch das Mangeln, Strecken, Lüstrieren und Schwillieren . Alle diese Verrichtungen, weil rein mechanischer Art, werden mit Hilfe von Maschinen bewerkstelligt, von denen die gebräuchlicheren nachstehend beschrieben sind. Dämpfapparat für Garne (Fig. 132) zum Dämpfen der auf Stäben hängenden Garnsträhne, hauptsächlich auch zum Fixieren der Farben. Fig. 132. Dämpfapparat für Garne. In einem gußeisernen, auf Rollen laufenden Wagen werden die Stäbe mit den Garnsträhnen eingehangen, hierauf fährt man den ganzen Wagen in einen schmiedeeisernen Kessel, und verschließt denselben mittels des gußeisernen Deckels durch Scharnierschrauben. Der eingefahrene Wagen steht auf einem Lattenboden und unter diesem liegt ein Dampfrohr; nun läßt man durch 29* dieses Dampf einströmen, solange, bis ein gewisser Dampfdruck im Kessel vorhanden ist, welcher sich von einem Manometer ablesen läßt. Das sich bildende Kondensationswasser wird selbstthätig durch einen Apparat entfernt. Will man das Dämpfen beenden, so läßt man den Dampf durch einen be- sondern Stutzen abblasen, öffnet den Deckel und fährt den Wagen heraus; sehr wertvoll ist es, wenn zwei solcher Wagen vorhanden sind, damit man sogleich wieder einfahren kann, ohne daß sich der Kessel wesentlich abkühlt, wodurch auch besonders eine bedeutende Dampfersparnis erzielt wird. Um überhaupt einer Abkühlung des Kessels vorzubeugen, wird derselbe einge- mauert. Garnmangel mit 4 Walzen (Fig. 133). Nachstehende Garnmangel dient zum Weich- und Glänzendmachen von wollenen, baumwollenen, Flor- Leinengarnen ꝛc. Die Mangel besteht aus den gegenseitig durch Traversen verbundenen Gestellwänden, in welchen die auf gemeinschaftliche Achse be- festigten Hartwalzen sich in feststehenden Lagern drehen. In der Mitte dieser Achse sind die lose und feste Riemenscheibe angebracht und befindet sich der Ausrücker auf beiden Seiten des Gestelles, wodurch das Ein- und Abstellen der Mangel ein äußerst bequemes ist. Fig. 133. Garnmangel mit 4 Walzen. Die beiden Papierwalzen sind in je zwei Schiebelagern eingelagert, so daß jede Walze durch einen besonders konstruierten Lagerbügel durch den doppelten Hebeldruck auf die darunter liegende Hartwalze mehr oder weniger gedrückt werden kann. Eine besonders konstruierte Hebelvorrichtung, mit welcher eine den verschiedenen Weifenlängen der Garne entsprechend stellbare Leitwalze in Verbindung steht, dient zum Straffhalten des Garnes und wird damit ein Verknoten und Zerreißen desselben verhütet. Die Mangel ist durch die besondere Anordnung der einzelnen Teile zu einer der leistungs- fähigsten und solidesten geworden. Schwilliermaschine (Fig. 134 u. 135). Diese Maschine hat den Zweck, durch Zusammenwinden der Garusträhne (Nähzwirne, Seide ꝛc.) und dann durch ein fortgesetztes Verdrehen derselben Reibung zwischen den einzelnen Fäden her- vorzurufen, wodurch sich Glanz bildet; man nennt diese Operation Schwil- lieren Das Wort „Schwillieren“ ist verballhornisiert. Der Erfinder dieser Ma- schinen hieß Chevillier und somit heißen dieselben eigentlich Chevillier-Maschinen. . Das Wesentliche der Maschine ist ein Windehakenpaar, wovon der Fig. 134. Schwilliermaschine mit 1 Paar Walzen. Fig. 135. Mehrfache Schwilliermaschine. untere Antrieb durch konische Räder und Stirnräder erhält, also zum Zu- sammenwinden des Strähnes dient. Durch Klauenkuppelung kann man diesen Haken beliebig ein- und ausrücken. Der obere Windehaken ist mit vierkantiger Welle versehen, welche durch eine entsprechende Büchse hindurch- geht und am oberen Ende von einem Seil mit Gegengewicht gehalten wird. Die Büchse, durch welche die Vierkantwelle hindurchgeht, erhält durch Hebel von einer Excenterscheibe aus eine hin- und herdrehende Bewegung. Zwischen diesen Haken wird nun der Strähn mittels kleiner Holzstäbchen aufgehangen und durch das Winden und Drehen schwilliert. Der zwischen den Stäbchen befindliche Teil würde bei fortgesetztem Arbeiten mehr Glanz bekommen, als der um die Stäbchen liegende, deshalb muß der Strähn auch umgesetzt werden, was mit der Hand geschehen muß, indem man den Strähn erst ganz zurückwindet. Streck- und Schlagmaschine (Fig. 136 a und b ). Für Leinen- und Baumwollengarne, namentlich gestärkte Garne in Strähnen, sowie auch Seide, mit 2 Paar Spulen. Fig 136 a. Streck- und Schlagmaschine. Diese Maschine löst durch Schlag die beim Stärken zusammen- geklebten Fäden. Es kann jedes- mal auf jede Spule 1 Kilo Garn aufgehangen werden. Die Spulen sind in Supporten gelagert, welche sich wiederum an den entsprechenden Führungen eines starken Gestelles halten. Der untere Support ist mit einer Rolle versehen, welche auf einem Excenter läuft, wodurch die- ser gehoben wird und am höchsten Punkte angekommen, infolge der Be- schaffenheit des Excenters frei her- abfällt. Der obere Support ist durch Spindel mit Handrad zu ver- stellen und kann Garn von jeder Weifenlänge ausgeschlagen werden. Die am oberen Support gelagerten Spulen erhalten Antrieb durch Schnurenbetrieb. Auf der Excenter- welle befindet sich noch eine Excen- terscheibe, welche auf einen besonde- ren Schlaghebel wirkt, und zwar in demselben Augenblick, wenn das Garn durch die untere Spule ange- strafft ist; dieser Schlag ist ganz elastisch, da er durch eine gewun- dene Feder bewirkt wird und trifft die Garnsträhne in der Mitte zwischen beiden Spulen. Um nach jeder Ope- ration ein schnelles und leichtes Abnehmen und Aufstecken der Garne zu ermöglichen, sind die Spulen durch eine Windevorrichtung mittels Hand leicht von- und zu einander zu stellen, wodurch sich eine bequeme Bedie- nung und erhöhte Leistungsfähigkeit ergibt. Fig. 136 b. Streck- und Schlagmaschine. Vertikale Streck- und Lüstriermaschine (Fig. 137 a und b ) für 4 Garnsträhne auf einmal, also mit 4 Paar Messingspulen. Diese Maschine hat den Zweck, das Garn (Seide oder Wolle) glänzend zu machen und es auf eine bestimmte Länge zu strecken. Sie besteht aus einem geschlossenen gußeisernen Kasten von rechteckigem Querschnitt; derselbe ist auf beiden schmalen Seiten mit gut schließenden Thüren versehen, in der Mitte desselben befindet sich ein stabiles Verbindungs- stück, welches am Boden und an der Decke befestigt ist, welches die Lagerung für die vier unteren Messingspulen und den Antrieb durch Schneckenspindel mit Schneckenrad enthält und gleichzeitig als Gleisenführung dient für das Gleitstück, welches die 4 Gegenspulen trägt und durch eine Spindel auf- und abwärts bewegt werden kann. Auf diese Spulen wird nun das Garn ge- hangen, die Thüren werden geschlossen, man läßt, um ein besseres Lüstre zu erreichen, durch ein am Boden befindliches Rohr Dampf in den Kasten ein- strömen und beginnt an den beiden mit Griffen versehenen Handrädern zu drehen, schaltet die Zahnkuppelung für die Streckspindel ein, dadurch wird das Gleitstück mit den oberen Spulen aufwärts bewegt und das Garn ge- spannt. Am Gleitstück ist ein Stab angebracht, welcher durch den Deckel des Kastens hindurchgeht und an der Bewegung teilnimmt, am Ende des Stabes ist ein Zeiger befestigt, welcher an einer Skala deutlich erkennen läßt, ob man die Garusträhne auf die beabsichtigte Länge gestreckt hat. Fig. 137 a. Vertikale Streck- und Lüstriermaschine. Fig. 137 b. Vertikale Streck- und Lüstriermaschine. Gleichzeitig mit dem Strecken erhalten durch Transporteurräder die unteren Spulen Antrieb; da auch die oberen Spulen drehbar sind, werden die Garn- strähne fortbewegt. Hat man genügend gestreckt, so löst man die Kuppelung hierfür aus und nur die Spulen arbeiten weiter. Um einen auf beiden Seiten gleichmäßigen Glanz zu bekommen, sind in derselben Achsenrichtung wie die Spulen an den beiden breiten Wänden noch je eine doppelte Messingspule gelagert, über welche die Garnsträhne mit der Rückseite laufen. Hat man lange genug transportieren lassen und glaubt man, einen genügenden Glanz erreicht zu haben, so kuppelt man die Streck- spindel in entgegengesetzter Weise; dadurch geht das Gleitstück zurück und die Garnsträhne werden entspannt; man rückt jetzt ganz aus, öffnet, nimmt die fertigen Strähne ab und kann gleich wieder von neuem mit der Arbeit be- ginnen. Horizontale Streck- und Lüstriermaschine (Fig. 138) für Seide ꝛc., sonst aber wie vorstehende Maschine, jedoch horizontal gebaut, und nur für 2 Garnsträhne auf einmal. Die Spulen sind nicht von Messing, sondern von Stahl, wovon die festgelagerten mit Dampfheizung eingerichtet sind, beide Spulen erhalten Antrieb durch Schneckenräder. Die Streckvorrichtung wird mit der Hand durch ein großes Handrad betrieben, während der Antrieb der Schneckenwelle mittels Fest- und Los- scheibe erfolgt oder durch direkte Dampfmaschine. Fig. 138. Horizontale Streck- und Lüstriermaschine. Garnstärkemaschine für feinste Garne (Fig. 139). Das zu stärkende Garn wird auf eine mit Kupfer bezogene Eisenwalze gehangen, durch die Stärke gezogen und von einer daraufliegenden Druckwalze ausge- preßt. Ist das Garn genügend gestärkt, so wird es durch eine Leitwalze welche durch Hebel mit einem Fußtritt in Verbindung gebracht ist, aus der Stärke gehoben, angestrafft und eine Zeitlang mit demselben Walzenpaar ausgepreßt. Hierauf nimmt man das Garn von der Walze ab, indem man die darauf lastende Preßwalze durch einen Tritt auf einen Fußhebel, welcher mit derselben in Verbindung steht, abgehoben hat, und führt es durch ein Quetschwalzenpaar, wovon die untere Walze mit Kupfer, die obere da- gegen mit Gummi bezogen ist. Die ausgequetschte Flüssigkeit wird durch ein Brett wieder in den Stärkekasten zurückgeführt. Die Maschine besteht aus eisernem Gestell mit Lagerungen für die Stärke- und Gummipreßwalzen, Hebelanordnung für die Leit- und Druck- walze und Stärkekasten von Holz mit Ablaßventil. Fig. 139. Garnstärkemaschine für feinste Garne. Garn-Imprägnier- und Stärkemaschine für Garne in einzel- nen Pfunden (Fig. 140), bestehend aus einem mit Kupfer ausgeschlage- nen, auf vier gußeisernen Füßen ruhenden Holzkasten zur Aufnahme der Schlichtmasse, zu deren Erwärmung sich in demselben eine Heizschlange befindet. Zum Ablassen der Schlichtmasse dient ein Messingventil. Ober- halb des Kastens befindet sich eine durch eine Schnur von der Antriebswelle getriebene Kupferspule, sowie zwei Haken, von denen der eine durch ein Gewicht möglichst zurückgehalten wird, während der andere an einer Welle sitzend, in 2 Lagern ruhend, durch Fest- und Losscheibe drehbar resp. in Stillstand zu setzen ist. Letzteres geschieht durch einen mittels Fußtritt be- wegbaren Ausrücker. Nachdem das Garn auf der Spule genügend gestärkt ist, wird es mittels 2 Stöcken auf die erwähnten Haken gebracht, der drehbare in Bewegung gesetzt und das Garn auf diese Weise ausgewunden. Je nach- dem man das Gewicht des andern Hakens beschwert oder erleichtert, wird das Garn mehr oder weniger gleichmäßig ausgewunden. Die tägliche Leistung dieser einfachen Maschine beträgt 400 bis 450 Kilo. Fig. 140. Garn-Imprägnier- und Stärkemaschine. Garn-, Bürst- und Glänz- resp. Schlichtmaschinen , für Baumwollen- und Leinengarne (Fig. 141) in starkem Eisengestelle, in der Hauptsache bestehend aus 2 rotierenden, mit Dampf heizbaren kupfernen Tambours, auf welche die Garne bequem aufgesteckt resp. abgenommen wer- den können, mit 2 rotierenden Haspeln mit je 3 Stück Bürsten mit Stell- zeug, so daß die Borsten die Garne mehr oder weniger angreifen. Zwischen den Bürsten können auch noch Wachsvorrichtungen angebracht werden. In gewissem Sinne gehört hierher auch die Appretur der Webeketten und mögen die wenigen in dieser Richtung gebauten Maschinen gleich hier noch Erwähnung finden. Schlichtmaschine für Leinen- und Juteketten (Fig. 142 u. 143). Diese Maschine hat den Zweck, die Ketten zu schlichten (stärken), trock- nen und aufzubäumen; meistens baut man diese doppelseitig, d. h. so, daß von beiden Seiten die Ketten zugeführt und in der Mitte durch eine Auf- dockvorrichtung auf einen Baum, welcher für verschiedene Breiten stellbar ist, aufgewickelt werden. Die einzelnen Ketten gehen durch ein Geschirr, welches das Zusammen- laufen derselben verhindert, dann auf eine Stärkemaschine mit 2 Walzen, wovon die untere im Stärketrog läuft und die obere durch Hebel mit Ge- Fig. 141. Garn-, Bürst- und Glänz- resp. Schlichtmaschinen. wicht auf diese gepreßt wird, passieren dann nochmals ein Geschirr und kommen nun auf 2 übereinander liegende Trockencylinder von 1000 mm Durchmesser und 1600 mm Breite. Diese Cylinder sind auf kleinen Rollen gelagert, wodurch die sonst zu große Zapfenreibung bedeutend vermindert ist. Fig. 142. Kettenschlichtmaschine für Jute und Leinen. Fig. 143. Kettenschlichtmaschine für Jute und Leinen. (Anderes System, Durchschnitt.) Ganz dicht am unteren Cylinder arbeitet noch ein Windflügel, um auch die atmosphärische Luft beim Trocknen zu benutzen. Von diesem Cylinder geht dann die Kette über Leitwalzen auf den Aufwickelbaum, dessen Zapfen ebenfalls auf Rollen gelagert sind; hat der Baum einen genügenden Durch- messer, so wird er auf einen Wagen gehoben und kann somit bequem ent- fernt werden. § 34. Appretur der Gewebe. In noch erhöhterem Maße, als bei Garnen, ist die Appretur für Ge- webe von höchster Wichtigkeit. Die Appretur ist neben der Farbe heutzutage ein durchaus maßgebender Faktor, und durch Appretur und Farbe erhalten die Stoffe hauptsächlich erst ihren Wert als Handelsware. Der eigentliche Zweck der Gewebeappretur besteht darin, den Geweben durch einseitiges oder zweiseitiges Auftragen oder durch vollständiges Imprägnieren und Füllen mit Kleb- und Beschwerungsstoffen ( Stärken ) einen anderen, je nach Verlangen weicheren oder härteren Griff zu geben, oder dieselben für die weiteren Manipulationen vorzubereiten. Neben dem Griff spielt der Glanz eine Hauptrolle. In Bezug auf beide, Griff wie Glanz, gehen die Anforderungen bei der großen Verschiedenartigkeit der Gewebe weit auseinander. Hierzu kommt, daß keineswegs immer die Appretur beiderseitig verlangt wird, sehr oft erstreckt sich die Appretur nur auf die eine Seite. Es ergibt sich daraus eine große Verschiedenartigkeit und Viel- seitigkeit der hierfür konstruierten Maschinen. Die Maschinen bezwecken ähn- liches, wie beim Appretieren der Garne und zwar entweder ein Dämpfen der Gewebe zur Erzielung eines weichen Griffes (Dämpfapparate), oder ein Füllen der Gewebe (Appreturmaschinen, Stärkmaschinen), ein Trock- nen der Gewebe nach dem Füllen (Cylindertrockenmaschinen), oder ein Mangeln resp. Glätten der Gewebe (Kalander), endlich das Spannen, Falten und Legen oder Aufwickeln der Gewebe. Das Dämpfen von Geweben geschieht in der Weise, daß man die Ware auf den Dämpfcylinder oder auf Dekatierwalzen (Fig. 144) auf- rollt. Wird ein derartig mit Ware beschickter Cylinder mittels einer Ver- bindungsschraube auf einen passenden Fuß aufgeschraubt, so entsteht der Dekatierapparat (Fig. 145). Es tritt dann durch das Ventil unten Dampf in den Cylinder. Derselbe ist hohl und aus durchlöchertem Kupfer- blech gearbeitet, so daß der Dampf durch die Löcher der Walze in das Gewebe dringt. Das Dekatieren ist somit ein Hindurchpressen heißen Dam- pfes durch das Gewebe. Ein gleicher Apparat in horizontaler Form ist der liegende Dekatierapparat (Fig. 146). — Handelt es sich jedoch nicht um eine Dekatur, sondern um eine Dampfappretur, wie solche sowohl bei halbwollenen, als baumwollenen und reinwollenen Geweben Verwendung findet, so kommt der Fig. 144. Dekatierwalze. Fig. 145. Stehender Dekatierapparat. Fig. 146. Liegender Dekatierapparat. Hochdämpfapparat (Fig. 147) in Anwendung. Ein solcher besteht aus einem System von 2 oder mehr Dampfcylindern, welche parallel in einem gemeinsamen schmiedeeisernen liegenden Cylinder befestigt werden. Dampfzugang und Abgang erfolgt durch die Ventile; die Befestigungsweise der einzelnen Cylinder ist aus der Zeichnung ersichtlich. Fig. 147. Hochdämpfapparat. Dämpfmaschine (Doodle) (Fig. 148), findet vorwiegend Verwen- dung für bunte Waren der verschiedensten Art, vorzüglich zum Dämpfen, Trocknen und Lüstrieren einfach liegender oder doublierter glatter Waren in rohem Zustande oder halbfertiger Appretur. Die Maschine besteht aus dem starken eisernen Gestell, dem mit eiser- nen Stirnwänden versehenen Dämpfkasten mit kupfernen Leitwalzen und zwei kupfernen Dämpfkasten für ein- und zweiseitige Dämpfung. Die Ware läuft von einer bremsbaren Rolle durch den Kasten nach einer mit Dampf geheizten, hohlen Walze von cira 430 mm Durchmesser und von da auf eine mit regulierbarem Hebeldruck belastete Aufdockvor- richtung. Spann-, Dämpf- und Egalisiermaschine von C. H. Weis- bach in Chemnitz (Fig. 149). Mit dieser Maschine können die verschieden- artigsten Gewebe aus Baumwolle, Halbwolle, Wolle, Leinen und Halb- Fig. 148. Dämpfmaschine (Doodle). leinen, bunt oder uni gewebt oder gefärbt, z. B. Barchent, Körper, Moles- kins, Kleiderstoffe, Merinos ꝛc. behandelt werden. Die Maschine dient dazu, die Gewebe in etwas gespanntem Zustande leicht anzudämpfen, um dieselben für eine weitere Breitenspannung gefügiger zu machen und dann in diesem Zustande ihnen durch etwaiges zweites Dämpfen die sogenannte Dampfappretur zu erteilen oder die Waren nur behufs Gewinnung einer größeren Waren- breite in gespanntem Zustande allmählich wieder zu trocknen. Die Ware kann je nach dem Effekt, der erzielt werden soll, direkt beim Verlassen der Kluppen- oder Nadelkette auf eine Rolle fest aufgewickelt oder mittels Facher abgelegt werden. Hauptbestandteile der Maschine sind: Die zu einem soliden Gestell verbundenen Spindelständer mit den für die Breitenstellung erforderlichen, mit linkem und rechtem Gewinde versehenen Schraubenspindeln, die durch dieselben mittels Rollenfüßen geführten Ketten- führungswände mit der Kluppen- oder Nadelkette, die erforderlichen Waren- einlauf- und Abzugsvorrichtungen für gerollte und getafelte Ware, ein oder zwei Dämpfkästen und die je nach der Länge und dem Zweck der Maschine erforderliche größere oder kleinere Anzahl Dampfheizungsröhren zum Antrock- nen der Ware. Zu Seite 464. Fig. 149. Spann-, Dämpf- und Egalisiermaschine. Zu Seite 465. Fig. 150. Stärkmaschine für baumwollene Waren. Der Antrieb erfolgt durch Räderübersetzung und ein Friktionsplan- scheibenvorgelege zur Regulierung der Warengeschwindigkeit. Das Füllen der Gewebe geschieht, indem man die Ware in aus- gebreitetem Zustande zunächst durch die in einem Holzbottich befindliche, vorher fertig zubereitete Appreturmasse, dann zwischen Walzen hindurch passieren läßt, welche die Appretmasse innig in das Innere des Gewebes hineinpressen. Der Druck, mit welchem die obere Walze auf der unteren lastet, bewirkt zugleich ein Ausquetschen, resp. ein Entfernen des überschüssigen vom Ge- webe nicht aufnehmbaren Apprets. Eine solche Stärkmaschine für baumwollene Waren , wie Futterkattun ꝛc., zum zweiseitigen Stärken eingerichtet, zeigt Fig. 150. Die großen Quetsch- walzen sind mit Kupfer überzogen und durch Räder verbunden. Die Maschine gestattet bei doppelt übersetztem Hebel- und Schraubendruck eine momentane Druckentlastung, und besitzt eine Vorrichtung zum Abheben der Oberwalze; der Holzbottich ist hoch und tief stellbar, mit Kupfer ausgeschlagen und mit Dampf heizbar; dazu gehört noch eine darin befindliche, herausnehmbare Leitwalze oder Haspel und ein Ablaßhahn. Fig. 151 zeigt dieselbe Maschine im Vertikal-, Längs- und Querdurchschnitt, insbesondere ist in der Zeichnung links der Weg, welchen die Ware in der Maschine nimmt, deutlich sichtbar, und die Richtung durch Pfeile bemerkbar gemacht. Fig. 151. Stärkmaschine zum zweiseitig Stärken. Wenn nur ein dünnes Auftragen der Appreturmasse erreicht werden soll, läßt man die Ware nicht durch den Trog mit der Masse gehen, sondern nur zwischen den Walzen hindurch laufen. Die untere derselben taucht dann zum Teil in die Masse ein und führt bei der Rotation so viel Appretur- masse mit sich, um das Gewebe beim Durchgange durch die Walzen zu stärken. Eine derartige Zweiwalzige Stärk-, Gummier- oder Leimmaschine zeigt Fig. 152 in Gesamtansicht, Fig. 153 im Vertikal-, Quer- und Längsdurch- schnitt, aus deren ersteren insbesondere der Lauf der Ware beim Stärken deutlich erkennbar ist. Ganswindt , Färberei. 30 Fig. 152. Gummiermaschine. Fig. 153. Stärkmaschine (zweiwalzig). Friktions-Stärkemaschinen nach englischem System (Fig. 154). Dieselben dienen hauptsächlich zum intensiv einseitig Stärken mit dicker Stärke. Sie unterscheiden sich von den bisher beschriebenen vornehmlich durch eine im Troge sich drehende Ahornwalze von circa 60 cm Durchmesser und eine darauf liegende friktionierende massive Messingwalze. Die Ware geht nicht zwischen den beiden Walzen hindurch, sondern nur über die messingene Friktionswalze; dadurch wird die Appreturmasse infolge der Spannung des Gewebes einseitig gegen letzteres gepreßt. Dieselbe Maschine, mit einer eigenen kleinen Dampfmaschine versehen, zeigt Fig. 155. Fig. 154. Friktions-Stärkemaschine. Fig. 155. Friktions-Stärkemaschine. 30* Stärkemaschine mit Riemenfriktion der Zittauer Maschinen- fabrik und Eisengießerei Fig. 156 für Shirting, baumwollene Futterstoffe, vornehmlich zum zweiseitig Stärken eingerichtet, aber auch für einseitig Stärken verwendbar. Die Maschine charakterisiert sich durch eine eiserne (oder beim einseitig Stärken durch eine größere hölzerne) Unterwalze von circa 20 cm Durchmesser, eine darauf liegende Friktionswalze mit massivem Messing- mantel und durchgehende massive Welle, mit Justierschrauben und mit Hebeldruck durch schiebbare Gewichte zum Belasten resp. Entlasten; sie besitzt auf der Wareneingangsseite eine Bremsvorrichtung, einen gereiften metalle- nen Breithalter und einen durch Stirnräder angetriebenen Lattenhaspel im Stärketrog, auf der Ausgangsseite eine oben liegende messingene Leitwalze und eine Aufwickelvorrichtung. Fig. 156. Stärkmaschine mit Riemenfriktion. Das Einsprengen der Gewebe bezweckt ein Bespritzen der gestärkten Gewebe mit Wasser oder mit einer dünnen Stärke-, Gummi- oder Leimlösung und zwar nur von einer Seite oder von beiden Seiten. Das eigentliche Krite- rium des Einsprengens besteht in der Zuführung der Flüssigkeit in Form eines feinen Staubes oder Nebels; es bezweckt ein Weichmachen der durch das Stärken hart gewordenen Gewebe, um sie für das Mangeln geeignet zu machen. Diesem Zwecke dient die Einsprengmaschine mit Ventilator (Fig. 157), vorzüglich für Baumwollwaren aller Art, bei welcher die Einsprengflüssigkeit durch einen mittels Ventilator erzeugten Luftstrom aus feinen Röhrchen zerstäubt an die Ware geblasen wird. Wenn zweiseitiges Einsprengen der Gewebe erforder- lich ist, besitzt die Maschine auch zwei Wasserkästen und in jedem derselben ein doppeltes Düsensystem. Fig. 158 zeigt einen Längsschnitt der gleichen Maschine nach dem System der Zittauer Maschinenfabrik. Bei dieser Maschine findet das Einsprengen von unten statt. Der Weg der Ware durch die Maschine ist durch Pfeile angedeutet. Die zum Einsprengen dienende Flüssigkeitsmenge ist in beiden Maschinen regulierbar. Fig. 157. Einsprengmaschine mit Ventilator. Fig. 158. Einsprengmaschine mit Ventilator (Längsschnitt). Einsprengmaschine mit Marmor- und Bürstenwalze (Fig. 159). Die Einsprengmaschine mit Marmor- und Bürstenwalze dient den gleichen Zwecken, dieselbe spritzt infolge des gleichmäßigen von der Höhe des Wasserstandes unabhängigen Annetzens der Marmorwalze ebenso gleichmäßig ein, als ein Ventilatoreinsprenger und hat gegen diesen den Vorteil des leichteren, ruhigeren Ganges und der größeren Zuverlässigkeit, da Verstopfungen nicht vorkommen können. Die Maschine dient besonders für Baumwoll- und Leinenwaren; der integrierende Bestandteil ist die in einem mit Zinkblech ausgeschlagenen Wasserkasten schnell rotierende Bürstenwalze und der im Wasser laufenden verstellbaren Wasserzuführungs- (Marmor-) Walze. Das Weitere ergibt sich ohne weitere Erklärung aus der Zeichnung. Fig. 159. Einsprengmaschine mit Marmor- und Bürstenwalze. Das Mangeln der Gewebe ist ein Rollen derselben unter Druck ohne Erwärmen und bezweckt die Erzeugung von Glätte und Glanz. Der einfachste hierfür verwendbare Apparat ist die Zeugmangel nach englischem System , wobei die Ware auf 2 Rollhölzer gewickelt und durch Hin- und Herbewegen eines belasteten Kastens geglättet wird. (Fig. 160.) Fig. 160. Zeugmangel. An Stelle der Raum beanspruchenden Mangeln sind längst die Ka- lander getreten. Die Kalander dienen zum Glätten von baumwollenen, halbwollenen, wollenen, seidenen, leinenen, halbleinenen und Jute-Geweben. Der Hauptbestandteil eines jeden Kalanders ist eine heizbare Walze von Hartguß oder Gußeisen. Die einfachste Form eines Kalanders, für kleinere Geschäfte besonders geeignet, ist in Fig. 160 wiedergegeben; der verstellbare Preßcylinder wird mit heißer Luft, Dampf oder Gas geheizt. Als Gegen- druck dient die auf massivem Eisengestell liegende Tischplatte. Die Walze wird mittels übersetzter Räder durch ein Schwungrad angetrieben. Bei allen andern Kalandern wird die Tischplatte durch zwei oder mehr Walzen ersetzt. Je nach dem Zwecke, welchem diese Maschinen dienen, und je nach dem Effekt, welchen sie auf der Ware erzeugen sollen, unterscheidet man in der Hauptsache 2 Arten und zwar: Roll-Kalander und Friktions-Kalander . Fig. 161. Einfacher Kalander. Die Roll-Kalander enthalten außer der heizbaren Stahlgußwalze noch 1 bis 6 Papierwalzen. Der einfachste Roll-Kalander dieser Art ist der Zweiwalzige Kalander mit Gasheizung (Fig. 162) bestehend aus einer Papierwalze und dem darauf liegenden Heizcylinder, welcher in Stahl- rolle läuft und direkt durch Riemenscheiben angetrieben wird, mit Hebel- druckvorrichtung, Excenterauslösung, Waren-Auf- und -Abwickelung und messingene Leitwalzen. Fig. 162. Zweiwalziger Kalander mit Gasheizung. Dreiwalziger Kalander mit Gasheizung , namentlich für sei- dene und halbseidene Waren. Dieser hat eine durch Gas heizbare mittlere Stahlgußwalze von circa 20 cm und 2 Papierwalzen von circa 40 cm Durchmesser, ferner Hebeldruck und eine Vorrichtung zum augen- blicklichen Abheben der Walzen vom Cylinder. — Der normale Roll-Kalander (Fig. 163) besteht aus einem heizbaren, polierten Stahlgußcylinder als Mittelwalze, und zwei Papierwalzen mit starken eiser- nen Achsen und Stahlböden. Die Umfangsgeschwindigkeit sämtlicher Roll- Kalander ist eine gleiche, da nur eine Walze angetrieben wird und die anderen von dieser mitgenommen werden; daher ist auch die Geschwindigkeit der die Maschine passierenden Waren eine gleiche, wie die der Walzen. Der nor- male Roll-Kalander besitzt einen Warenspanner, geriefte Breithalter, Waren- Auf- und -Abwickelvorrichtung, Dampfabstellung und Kondensiertopf; der An- trieb erfolgt durch Rädervorgelege mit Fest- und Losscheibe. Friktions-Kalander (Fig. 164) unterscheiden sich von den gewöhnlichen Roll-Kalandern dadurch, daß die Umfangsgeschwindigkeit der Walzen untereinan- der eine verschiedene ist. Die untere Walze erhält die Geschwindigkeit des Gewe- bes, während der heizbare Hartgußcylinder mit einer größeren Umfangsgeschwin- digkeit arbeitet, so daß das zwischen dem Papier und dem Hartgußcylinder passierende Gewebe geglättet wird. Die Friktionskalander dienen daher zur Zu Seite 472. Fig. 163. Roll-Kalander. Fig. 165. Universal-Kalander. Vorderansicht. Zu Seite 473. Fig. 166. Universal-Kalander. Seitenansicht. Erzeugung von hohem Glanz auf der Ware z. B. für Kattune, Bett- zeuge, Baumwoll-Futterstoffe, Buchbinderleinen ꝛc. Sie besitzen 2 Stahlguß- walzen, von welchen die obere heizbar ist, mit einer dazwischen liegenden Papierwalze. Durch Anstecken von Wechselrädern kann die zwischen dem Gewebe und dem Hartgußcylinder erzeugte Friktion durch Anstecken von Wechselrädern erhöht oder vermindert werden und ist sonach die Möglichkeit geboten, die Höhe der Satinage dem Bedarfe anzupassen. Fig. 164. Friktions-Kalander. Universal-Kalander (Fig. 165 Vorderansicht, Fig. 166 Seitenan- sicht) ist ein kombinierter Roll- und Friktions-Kalander mit 4 Wal- zen und zwar einer starken eisernen, unten liegenden Tragwalze, einer darüber liegenden Papierwalze, dem heizbaren Hartgußcylinder und einer oberen Papierwalze. Durch einfache Ausrückung der Friktion, d. h. durch Abziehen des die verschiedene Umfangsgeschwindigkeit der Walzen hervor- bringenden Rades, kann dieser Friktions-Kalander auch als gewöhnlicher Roll- kalander benutzt werden. Die Universal-Kalander werden vornehmlich für starke Stoffe und große Warenbreiten verwendet. Großer Kalander mit 5 Walzen (Fig. 167 a und b ) für leinene und Jutestoffe. Von 5 übereinanderliegenden Walzen ist die mittelste und zugleich kleinste ein heizbarer Stahlgußcylinder, die beiden großen über und unter diesen befindlichen sind Papierwalzen, und zu unterst und oberst ist wieder eine eiserne Walze, wo dann die oberste auch zum Aufdocken der Ware unter Druck eingerichtet ist und dadurch gewissermaßen die Kasten- mangel ersetzt. Der Heizcylinder wird mittels doppeltem Friktionskonus durch offene und geschränkte Riemen angetrieben, so daß er ebensogut links als rechts herumlaufen kann. Fig. 167. Großer Kalander mit 5 Walzen. Moirée-Kalander (Fig. 168) für Bänder zum Moirieren bestehen aus zwei heizbaren gravierten Messingcylindern und einer kleinen zwischen- liegenden Papierwalze mit Hebeldruck. Fig. 168. Moirée-Kalander. Spezial-Kalander (Fig. 169) mit 4 Walzen dienen vorzüglich zur Herstellung einer matten, resp. stumpfen Appretur, namentlich zum Fertigappretieren halbseidener Satins; sie bestehen aus einem oben und einem unten liegenden Heizcylinder aus Stahlguß und 2 in der Mitte liegenden Papierwalzen, zwischen welchen die Ware passiert, ohne die Heizcylinder zu berühren. Fig. 169. Spezial-Kalander mit 4 Walzen. Water-Kalander (Fig. 170, 171 u. 172) sind Kalander mit 2 oder 3 Walzen, von denen eine eine heizbare mit Messing überzogene eiserne Cylindergußwalze, die zweite resp. die zweite und dritte Cokosfaser- oder Jutewalzen sind; im letzteren Falle liegt der heizbare Cylinder in der Mitte. Fig. 170. Water-Kalander, Gesamtansicht. Fig. 171. Water-Kalander, zweiwalzig. Fig. 172. Water-Kalander, dreiwalzig. Die letzten mechanischen Operationen der Appretur sind das Appret- brechen, Ausbreiten, Waschen, Aufschlagen, Durchsehen, Doublieren und (wofern nötig) Gauffrieren. — Zum Weichmachen hart appretierter, insbe- sondere baumwollener, halbleinener und leinener Gewebe und gleichzeitig, um dieselben etwas auszubreiten, dient die Appretbrech- und Ausbreitmaschine (Fig. 173). Dieselbe be- steht aus dem starken eisernen Gestell, den 2 sauber gedrehten und sauber ge- schmirgelten, ringförmig kannelierten eisernen Walzen. Die durch die Kannelierung entstandenen Ringe der einen Walze greifen in die entstandenen Vertiefungen der anderen. Beide Walzen sind mit Schlauchgummi überzogen. Die Be- festigung der Ueberzüge ist derartig, daß dieselben bei erfolgter Dehnung leicht nachgezogen werden können. Die Walzen sind durch ein Handrädchen und Schraubenspindeln mehr oder weniger ineinander oder auseinander zu stellen, je nachdem ein stärkeres oder schwächeres Brechen des Apprets oder Strecken der Ware erfolgen soll. Die übrigen Teile der Maschine sind: eine Einlaßvorrichtung für gerollte und getafelte Ware, eine feste Aufwickelvorrichtung und ein Abtafelwerk. Der Antrieb erfolgt durch Los- und Fest-Riemenscheibe mit Ausrücker. Fig. 173. Appretbrech- und Ausbreitmaschine. Die Meß- und Aufschlagmaschine (Fig. 174) hat den Zweck, die Ware zu messen und gleichzeitig auf Brettchen, Pappen, oder über Rahmen flach aufzuwickeln oder auf Stäbe zu rollen, oder mittels Fach- apparat abzutafeln. Die Stoffe passieren beim Einlauf zunächst Spannstäbe, welche einen freihängenden, verstellbaren Rahmen bilden in der Weise, daß der die Maschine bedienende Arbeiter die Ware gleichzeitig durchsehen kann. Von hier läuft die Ware über eine metallene mit Tuch überzogene Walze, auf deren Welle eine Schnecke sitzt, die in eine messingene Zählscheibe greift, auf welcher das Maß in Meter und Dezimeter eingraviert ist. Die Auf- schlagmaschine wird von beiden Seiten durch Räder getrieben, so daß selbst bei Anwendung schwacher Brettchen oder Pappdeckel kein Verdrehen stattfinden kann. Fig. 174. Meß- und Aufschlagmaschine. Filz-Kalander zählen nicht zu den eigentlichen Kalandern, sondern sie sind Trockenmaschinen und zwar vorzugsweise für Tibets, Kasimir und Kammgarnstoffe, wie überhaupt für alle Arten von Woll- und Halbwoll- waren (sie gehören daher genau genommen an das Ende von § 31, S. 450). Ein solcher besteht aus einem heizbaren Kupfer- oder Stahlblechcylinder mit schmiedeeisernen, gut verankerten Böden und vollständiger Dampfheizungs- Armatur, mit darüber gespanntem endlosem Filztuche, welches die zu trock- nende Ware glatt und mehr oder weniger fest an die Trommel andrückt, so daß erstere während des Trocknens sich nicht zusammenziehen kann. Diese Filz-Kalander werden gewöhnlich mit einem Breitspannapparat und wohl auch mit einer Vortrockenmaschine verbunden. Einen Filz-Kalander mit Breitspannapparat der Zittauer Maschinenfabrik zeigt Fig. 175. Fig. 175. Filz-Kalander mit Breitspannapparat. Eine Appretur-Maschine speziell für Seidengewebe ist die Seidenappretur- und Trockenmaschine Fig. 176. Dieselbe besteht aus einer großen kupfernen, meist verzinnten Trockentrommel nebst großem Gummierkissen mit verstellbarem Ueberzug und Glas- oder Messing- rakeln. Durch Stirnrädervorgelege und Friktionsscheibenantrieb wird eine variable Geschwindigkeit erzielt. Die Maschine ist gewöhnlich so angeord- net, daß die gummierte Seite der Ware vor der vollkommenen Trocknung keine Leitwalze passiert. Fig. 176. Seidenappretur- und Trockenmaschine. Meß- und Legemaschine , Fig. 177 und 178, zum Messen und Legen von Waren aller Art in Faltenlagen nach Maß. Diese Maschine gestattet zugleich ein Durchsehen der Ware während des Legens und ist mit Zählapparat und allem maschinellen Zubehör verbunden. Fig. 177 ist die Gesamtansicht, Fig. 178 der Durchschnitt. Fig. 177. Meß- und Legemaschine, Gesamtansicht. Fig. 178. Meß- und Legemaschine, Vertikalschnitt. Doubliermaschine zum Doppeln, Ablegen oder Aufwickeln von ge- webter Ware, Fig. 179. Fig. 179. Doubliermaschine. Ganswindt , Färberei. 31 Die Maschine besteht in der Hauptsache aus drei Teilen: dem Ständer mit Leitwalzen und Zuführungstisch für die einfache Ware, der eigentlichen Doubliermaschine mit Ableg- und Aufwickelvorrichtung und dem Friktions- vorgelege. Der Ständer für die einfache Ware ist so eingerichtet, daß sowohl vom Stoße, als auch von der Walze weg gearbeitet werden kann; die im Stän- der befindlichen Leitwalzen dienen dazu, die Ware in gewünschter Spannung zu erhalten und dieselbe glatt auf den in schräger Ebene liegenden Zufüh- rungstisch zu führen. Dieser Tisch hat an seinem unteren Teile die volle Warenbreite, während er nach oben nahezu in eine Spitze ausläuft. Das zu doublierende Gewebe, welches über die Mitte dieses Tisches gezogen ist, fällt an dem schmalen Ende desselben an beiden Seiten mit seinen Leisten gleichmäßig abwärts, während die Gewebemitte bis zur höchsten Tischkante und dem sich daran schließenden Führungsstück ansteigt, wodurch ein allmäh- liches Zusammenlegen des Gewebes erreicht wird. Ein Paar ebenfalls in schräger Lage angeordnete eiserne Lineale, zwischen welchen die nun bereits gedoppelte Ware hindurch geht, leiten dieselbe nach zwei eisernen Zugwalzen, die den Bruch scharf drücken. Hiernach wird das doublierte Gewebe durch einen Legapparat in Falten abgelegt oder auf einen eisernen Stab exakt auf- gewickelt. Um nun die zu doublierende Ware bei ihrem Uebergange vom Tisch nach den schräg liegenden Linealen so führen zu können, daß sich die beiden Gewebeleisten genau treffen, ist die Maschine mit einer sehr bequemen hand- lichen Stellvorrichtung versehen, die der Arbeiter vom Arbeitsort aus diri- giert und die ein so exaktes Doublieren ermöglicht, wie es beim Doppeln mit der Hand nicht zu erreichen ist. Außerdem befindet sich direkt beim Stand- orte des Arbeiters ein Tritthebel, durch welchen die Maschine momentan in und außer Betrieb gesetzt werden kann und ist die Maschine mit Friktions- vorgelege für schnelleren und langsameren Gang ausgestattet. Walzenpresse , Fig. 180. Die Walzenpresse dient zum kontinuierlichen Pressen von Geweben der verschiedensten Art, besonders von halb- und ganzwollenen Waren, ferner zum Niederlegen des Flors bei Plüschen ꝛc. und besteht aus kräftigen eiser- nen Lagerständern, in welchen eine sehr starke eiserne, mit Dämpfen heiz- bare Mulde fest gelagert ist. Die erwähnte Mulde ist an ihrer oberen Seite halbrund ausgedreht, mit sehr starkem Messing ausgelegt, hierauf wiederum ausgedreht und ausgeschliffen. Oberhalb der Mulde ist eine starke eiserne, ebenfalls mit Dampf heizbare, sauber gedrehte und mit kräftigem Filzüberzug versehene Walze in Hebeln gelagert und sind diese Hebel durch Zugstangen mit Handrädern mit einer starken, leicht lösbaren Hebelübersetzung in Verbindung gebracht, derge- stalt, daß der auf die Walze und infolgedessen auch auf die Mulde auszu- übende Druck nach Erfordernis erhöht oder vermindert werden kann. Die oberen, die Walze tragenden Hebel sind mit einer Vorrichtung versehen, um die Walze nach Lösung der Zugstangen von den unteren Belastungsobjekten von der Mulde abheben zu können. Außerdem ist die Maschine mit Brems- riegeln, einer Bürstenwalze zum Strichlegen des Haares, einem Leitriegel und einem direkt vor der Mulde angebrachten kupfernen Dampfkasten zum Andämpfen der Ware, sowie mit einer Abzug- und Aufwickelvorrichtung ver- sehen, so daß die Ware also entweder aufgewickelt, oder auch einfach in Falten gelegt werden kann. Fig. 180. Walzenpresse. Eine verbesserte Cylinderpresse mit zwei Mulden zeigt Fig. 181 in Gesamtansicht, Fig. 182 im Durchschnitt. Fig. 181. Cylinderpresse mit zwei Mulden, Gesamtansicht. 31* Fig. 182. Cylinderpresse mit zwei Mulden, Durchschnitt. Die Preßmulden M, M 1 liegen in den Hebelarmen B, B 1 , welche durch Federn F verbunden sind. Durch eine Mutter m und ein am gegenüber- liegenden Ende der Federn aufgeschraubtes Schneckenrad n werden die Hebel- arme mit den Mulden gegen den Cylinder C gepreßt. Durch ein Hand- rad T können mittels einer Schnecke die Schneckenräder n bewegt und der Druck der Mulden gegen den Cylinder gleichmäßig beliebig erhöht oder ver- mindert werden. Zwischen den Mulden und dem Cylinder liegt der neu- silberne Preßspan Y , welcher auf der Eingangsseite an der oberen Kante der Mulde M befestigt ist. Die zu pressende Ware liegt auf dem Boden- brett und geht dem Pfeile nach über die Stellriegel o an die Bürstenwalze Z , durch die Verbindungsriegel V , um die Welle i , über die Bremswelle K , um die Welle P , über den Dampfapparat D hinweg zwischen die Mulden und den Cylinder, welcher die Ware unter Druck und Hitze an den fein polierten Preßspan hinführt. Die fertig gepreßte Ware geht sodann über die Welle P und fällt über den Täfelapparat f zu Boden. Die Maschine kann auch außerdem, je nach Bedürfnis, mit einem Breit- halter, Aufwickelapparat, oder mit einer Abkühlvorrichtung versehen werden. Für den Zweck, Waren mit starken Leisten zu pressen, erhält die Ma- schine die Vorrichtung, den Cylinder je nach Breite der zu pressenden Waren verstellen zu können, wobei die stärkeren Leisten auf beiden Seiten ungepreßt laufen. Diese Maschine hat der einmuldigen Cylinderpresse gegenüber den großen Vorteil, daß der Druck gleichmäßig von beiden Seiten auf den Preßcylin- der erfolgt, daß daher ein Durchbiegen des Cylinders, sowie ein schädlicher Druck auf dessen Zapfen und Lager unmöglich ist und infolgedessen ein weit stärkerer Druck damit erzielt werden kann. Diese Maschine hat ferner den großen Vorzug, daß der Durchmesser des Preßcylinders vergrößert ist, wodurch die Ware einen viel größeren Weg unter Druck und Wärme zurücklegt, als es bei den Maschinen mit einer Mulde möglich ist, und wodurch ein viel dauerhafteres und schöneres Pres- sen oder entsprechend größere Produktion erzielt wird. Auch fehlt bei die- ser verbesserten Maschine der Filzüberzug. Um die Ware für die Ablieferung in die hierfür gewünschte Form zu bringen, dienen: Hydraulische Dampfpresse Fig. 183. Die nachstehend abgebildete Presse dient hauptsächlich zum Heißpressen von Baumwoll-, Halbwoll- und auch Wollstoffen. In der Presse befinden sich 20 bis 24 im Innern mit Kanälen versehene schmiedeeiserne Platten, welche seitlich gut geführt durch einen besonderen Hebel- und Aufzugsmecha- nismus schnell und leicht voneinander abhebbar sind behufs leichter Ein- bringung der zu pressenden und eingespänten Ware. Sämtliche Platten sind im Innern mit Kanälen versehen, demzufolge hat auch jede Platte einen Eintritts- und einen Austrittsstutzen. Mit allen diesen Stutzen in Verbindung steht direkt ein teleskopartiges (fernrohrähnliches) Röhrensystem, eine Dampfrohr- beziehentlich eine Kalt- wasserleitung, so daß nach Belieben die Preßplatten erwärmt oder abge- kühlt werden können. Gewöhnliche hydraulische Presse Fig. 184. Diese Presse dient vornehmlich zum Pressen baumwollener, leinener und halbleinener Waren, welche im Stück kalt gepreßt werden und legt man dann zwischen die einzelnen Stücke hölzerne Preßplatten ein. In etwas veränderter Weise findet diese Presse sehr vorteilhafte Ver- wendung als Ballenpresse für Export. Bei Ballenpressen ordnet man auf den Breitseiten der Presse Füh- rungsschienen an, diese Führungsschienen sind auf der vorderen Seite durch Kontregewichte balanciert und bei Herausnahme des Ballens leicht zu ent- fernen; die Schienen geben dem Ballen eine bestimmte Form. Außerdem sind im Kopf und Tisch korrespondierend Nuten eingehobelt, welche bei einer Verpackung mit Stoff ꝛc. ein leichtes Umlegen von Bandeisenreifen oder Stricken gestattet. Fig. 183. Hydraulische Dampfpresse. Fig. 184. Gewöhnliche hydraulische Presse. Fig 185. Preßpumpe. Die vorstehend abgebildete Preßpumpe Fig. 185 bildet ebenfalls einen wichtigen Teil der hydraulischen Pressen, und da dieselbe bei verhältnismäßig geringer Dimension einen sehr großen Druck abzuhalten hat, so ist von der vorzüglichen Ausführung derselben alles abhängig. Diese Pumpen besitzen einen gußeisernen Wasserkasten, einen Pumpen- körper aus Rotguß, einen großen und einen kleinen Kolben, ersteren zum Füllen und letzteren zum Drücken, und ist der erstere Kolben mit einem Akkumulator und selbstthätiger Ausrückung versehen. Die in diesem Abschnitt beschriebenen Maschinen werden von einer be- schränkten Anzahl von Fabriken gefertigt. Denjenigen dieser Fabriken, welche mich bei der Abfassung dieses Buches durch Rat und Auskunft, durch Zeich- nungen u. dergl. Unterlagen unterstützt haben, fühle ich mich zu besonderem Danke verpflichtet. Da ich überdies Gelegenheit hatte, die Fabrikate dieser Firmen in der Praxis in Thätigkeit kennen zu lernen, sowie auch neuerdings in den Werkstätten einiger dieser Etablissements verschiedene dieser Maschinen in fertiger Zusammenstellung, wie in ihren einzelnen Teilen ausführlich zu besichtigen, so vermag ich die nachstehend (in alphabetischer Reihenfolge) ge- nannten Fabriken als Bezugsquellen für die in diesem Buche beschriebenen Maschinen aus Ueberzeugung zu empfehlen: Ernst Geßner in Aue i/S. Spezialität: Walzenpressen, Spannrahmen, Cylinderwalken. C. G. Hauboldt jun. in Chemnitz. Spezialität: Maschinen für Färberei, Bleicherei und Appretur. Gebr. Heine in Viersen (Rheinpreußen). Spezialität: Centrifugal- Maschinen und Indigo-Reibmaschinen. F. G. Rühmkorff \& Comp . in Hannover. Spezialität: Einfache Ma- schinen für den Kleinbetrieb. C. H. Weisbach in Chemnitz. Spezialität: Maschinen für Bleicherei, Färberei und Appretur. A. Wever \& Comp . in Barmen. Spezialität: Maschinen für Türkisch- rot-Färbereien. Zittauer Maschinenfabrik und Eisengießerei, vorm. Albert Kiesler \& Comp . in Zittau. Spezialität: Maschinen für Bleicherei, Färberei und Appretur. Die chemischen Färbereiarbeiten. Nachdem wir uns im vorigen Hauptabschnitt mit den mechanischen Arbeiten, welche bei der Färberei und den damit zusammenhängenden Ge- weben vorkommen, vertraut gemacht haben, soll der nunmehrige Hauptab- schnitt die chemischen Arbeiten des Färbeprozesses behandeln, d. h. die chemischen Beziehungen zwischen Farbstoff und Gewebefaser und wie dieselben zur Erzeugung von Färbungen zu verwerten sind. § 35. Theorie des Färbens. Ist das Gefärbtwerden von Gewebefasern durch Farbstoffe ein bloß mechanischer Prozeß oder ein chemischer? Diese Frage ist in der neueren Zeit mehrfach aufgeworfen, aber noch nicht klar beantwortet werden. Es gibt eine Anzahl von Thatsachen, welche den Vorgang als einen rein mechani- schen erscheinen lassen; dagegen sprechen wieder andere Momente dafür, daß das Färben ein chemischer Prozeß sei. Ich werde die beiden sich direkt widersprechenden Theorien hier entwickeln und es dem Leser überlassen, sich für diejenige Theorie zu entscheiden, welche ihm am meisten zusagt. Ich will jedoch vorweg bemerken, daß es bei der Verschiedenartigkeit unserer Farbstoffe unthunlich erscheint, eine ganz allgemein gültige Theorie aufzu- stellen. Die mechanische Theorie des Färbens lehrt, daß zwischen der Ge- webefaser und den Farbstoffen irgend welche chemischen Beziehungen oder Verwandtschaft nicht beständen; haftet mithin ein Farbstoff an einer Faser, so ist dieses Anhaften ein rein mechanisches, und sowohl die Faser, wie der Farbstoff, bleiben in ihrem Wesen und in ihren Eigenschaften unverändert. Die Färbung der Faser wäre demnach eine reine Oberflächenanziehung, welche durch die Kapillarität augenscheinlich begünstigt wird. Für die soge- nannten adjektiven Farben, d. h. jene, welche nur mit Hilfe einer Beize auf der Faser befestigt werden können, welche also in den Zellräumen der Ge- webefaser unlösliche Farblacke bilden, ebenso für die indifferenten Farben, wie Indigo, und die Mineralfarben, leuchtet das ohne weiteres ein; dagegen fällt es sehr schwer, die Färbung durch substantive Farben vermittelst der mechani- schen Theorie erklären zu wollen. Die chemische Theorie des Färbens betrachtet das Färben als einen chemischen Vorgang, d. h. als eine Verbindung von Faser und Farbstoff. Der Leser wird nicht ohne Grund erwarten, daß ich auch meine Mei- nung ausspreche, zumal ich mein Scherflein dazu beigetragen habe, der Lösung dieser Frage experimentell näher zu kommen. Meine Anschauung ist, daß beide Theorien bedingungsweise Recht haben. Solche Färbungen, welche, wie die mit Indigo, also lediglich durch Flächenattraktion oder Adhäsion an der Faser haften, sind rein mechanische Vorgänge; diejenigen, welche sich beim Färben mittels Beizen abspielen, sind gemischte Vorgänge , d. h. chemische Vorgänge, welche sich im Innern der Gewebefaser oder auf deren Ober- fläche abspielen, ohne daß dabei die chemische Natur der Gewebefaser selbst affiziert wird. Der Prozeß beim Färben mit substantiven Farben ist ein rein chemischer . Wenn die von Walter Crum begründete mechanische Theorie des Färbens, für die ja manches spricht, auf der Flächenanziehung beruhte, also auf rein physikalischen Prinzipien, dann sollte man erwarten, daß die Farb- stoffe sich gegen alle Gewebefasern gleich verhalten. Das ist aber nicht der Fall. Hängt man in eine Fuchsinlösung kleine Proben von Wolle, Seide, Baumwolle und Leinen, so werden die beiden erstern nach einiger Zeit, be- sonders nach vorhergegangenem Erwärmen, deutlich gefärbt erscheinen, die beiden letzteren hingegen erscheinen nur schwach gefärbt, und die schwache Färbung verschwindet beim Spülen mit Wasser vollständig; die Färbung von Wolle und Seide ist aber auch durch fortgesetztes Spülen nicht zu ent- fernen. — Wiederholen wir denselben Prozeß mit einer Kanarinlösung, so färbt sich auch ohne Kochen die Baumwoll- und Leinenfaser intensiv gelb, Wolle und Seide dagegen bleiben auch beim Kochen ungefärbt. Hier tritt also der umgekehrte Fall ein. Und doch ist in beiden Fällen die Flächenwirkung die- selbe, und ebenso die Kapillarität. Wäre das Färben ein mechanischer Prozeß, so müßten in beiden angeführten Fällen alle Fasern gleich gefärbt worden sein. Die auffallende Thatsache aber, daß in einem Falle nur die Wolle und Seide, im andern Falle hingegen nur Baumwolle und Leinen gefärbt werden, zeigt, daß hier noch ganz andere Kräfte ins Spiel kommen, als nur die Flächenattraktion. — Beizt man Baumwolle mit einem Metallsalz, so ist es nach einigen Tagen, oft schon nach einigen Stunden, nicht mehr möglich, die genau bekannte Menge durch chemische Analyse nachzuweisen; die Beize geht für den analytischen Nachweis bis zu 50 Prozent und mehr, ja selbst bis zu 90 Prozent scheinbar verloren; d. h. ein z. B. mit 100 g basischem Aluminiumacetat gebeizte lose Baumwolle gestattet nach einiger Zeit nur noch den quantitativen Nachweis einer viel geringeren Menge, von nur 50 g oder noch weniger, selbst bis 10 g , so daß der nicht mehr nachweisbare Rest scheinbar verloren zu sein scheint; verascht man eine solche Baumwolle je- doch, so findet man den ganzen Aluminiumgehalt in der Asche wieder. Diese durch Analysen erhärtete Thatsache zwingt uns, anzunehmen, daß die Thon- erde mit der Baumwolle eine Verbindung eingegangen ist, deren Natur wir noch gar nicht kennen und welche mit den Mitteln der qualitativen und quantitativen Analyse nachzuweisen bis jetzt nicht gelungen ist. Die Chemie der Cellulose ist ja noch sehr wenig gekannt, und es ist keineswegs ausge- schlossen, daß dieselbe, ohne ihre Struktur zu ändern, mit gewissen Metall- salzen unlösliche, durch die üblichen Reagentien nicht nachweisbare Verbin- dungen bildet. Entfernt man aus einer so gebeizten Faser das überhaupt Nachweisbare durch Spülen mit Wasser, so erhält man schließlich eine Baum- wolle, welche durch keine Reaktion mehr die Anwesenheit des Metallsalzes verrät, und von der man doch weiß, daß sie große Mengen davon enthält. Es ist völlig unmöglich, diesen Vorgang als Flächenanziehung zu betrachten, denn ein bloß mechanisch auf der Faser befestigtes Metallsalz würde sich ohne weiteres mittels Reagentien nachweisen lassen. Daß eine Gespinnst- faser chemisch verändert werden kann, ohne daß ihre Struktur dabei verän- dert wird, ist bereits von Witz nachgewiesen worden, der die durch den Bleichprozeß veränderte Cellulose als Oxycellulose beschreibt. Daß eine solche gebleichte Baumwolle Anilinfarben, zu denen sie sonst keine Verwandt- schaft zeigt, leicht aufzunehmen vermag, ist bekannt. Daß aber Gewebefasern nicht nur chemisch verändert werden können, sondern sogar selbst eine inten- sive chemische Wirkung auszuüben imstande sind, dafür dient das Verhalten der Wolle und Seide in farbloser Rosanilinbaselösung; erwärmt man die Lösung, so färben sich die Wolle, wie die Seide, in der farblosen Lösung ebenso stark rot, als wenn ein Rosanilinsalz vorhanden gewesen wäre. Hier bleibt nur die Annahme übrig, daß die Rosanilinbase sich mit der Faser zu einem Salz vereinigt, daß somit die Faser der Base gegenüber die Rolle einer Säure spielt. Da die gleiche Färbung eintritt, wenn ein Salz der Rosanilinbase verwendet wird, so kann angenommen werden, daß das Salz durch die Faser zerlegt wird. Daß Wolle und Seide in der That in ge- wissen Fällen die Rolle einer Säure übernehmen, geht aus der von Julius Die künstlichen organischen Farbstoffe. Berlin, 1887. erwähnten Thatsache hervor, daß die Woll- und Seidenfaser nicht imstande ist, stark basische Farbstoffe aus ihren Salzen zu befreien, d. h. durch solche Salze gefärbt zu werden. Ein solcher Farbstoff ist das Methylgrün. Setzt man aber der Farbflotte Ammoniak zu, macht also dadurch die Base frei, so findet Vereinigung mit der Faser statt, dieselbe wird gefärbt. Ein ähn- liches Verhalten zeigt die Faser auch den Salzen stark basischer Farbstoffe gegenüber, nur mit dem Unterschiede, daß sie sich diesen gegenüber als Base zeigt. Wird durch Ansäuren mit Schwefelsäure die Farbstoffsäure in Frei- heit gesetzt, so verbindet sich die Faser mit derselben. Die Amidoazobenzol- disulfosäure bildet gelbe Salze, welche Wolle und Seide gelb färben; die freigemachte Sulfosäure aber bildet eine rote Lösung; dagegen färben sich Wolle und Seide in dieser roten Lösung gelb . Durch diese Gelb- färbung wird die Bildung eines Salzes der Amidoazobenzolsulfosäure ange- zeigt; mithin muß die Faser in diesem Falle die Rolle der Base gespielt haben. — Daß die Baumwollfaser durch unterchlorige Säure, sowie durch Ozon und Wasserstoffsuperoxyd, sowie durch viele Metallsalze chemisch ver- ändert wird, ohne ihre Struktur zu verlieren, haben wir bereits oben ge- sehen; daß aber auch Farbstoffe die Pflanzenfaser chemisch verändern, dar- über haben die interessanten Aufschlüsse Knechts uns belehrt, welcher fand, daß sowohl Chrysamin als auch andere Benzidinfarbstoffe, auf Baumwolle gefärbt, die letztern zur Aufnahme von Farbstoffen geeignet machen, zu wel- chen sie sonst gar keine Verwandtschaft besitzen. Inzwischen hat sich gezeigt, daß alle Benzidin- und Tolidinfarbstoffe die Baumwoll- (und Leinen-) Faser zur Aufnahme adjektiver Farbstoffe befähigen. Wir sind aus dem einfachen Umstande, daß die Baumwolle, welche vorher keinerlei Verwandtschaft zum adjektiven Farbstoff zeigte, nach dem Färben mit Chrysamin, Congo ꝛc. aber denselben ruhig aufnahm, genötigt anzunehmen, daß durch diese Benzidin- ꝛc. Farbstoffe die Baumwollfaser eine chemische Aenderung erlitten hat. Diese Annahme hat auch durchaus nichts Befremdliches, sobald man mit dem chemi- schen Charakter der Farbstoffe bekannt ist und weiß, daß dieselben gleichfalls Salze sind, also sich gegen die Baumwollfaser annähernd ähnlich verhalten, wie oben für das Aluminiumacetat angegeben. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, würde das Färben in seinen Hauptgrundzügen ein verhältnismäßig einfacher chemischer Prozeß sein, bei welchem die Faser bald die Rolle einer Säure, bald die Rolle einer Base übernimmt ; und zwar Farbstoffbasen gegenüber den Charakter einer Säure, Farbstoffsäuren gegenüber den Charakter einer Base oder eines Alkohols; die gefärbte Faser wird dann als eine salzartige oder als eine esterartige Verbindung betrachtet werden müssen. Die Doppel- stellung, welche die Faser damit einnimmt, läßt sich übrigens sehr wohl er- klären; haben wir doch selbst unter den Farbstoffen einige, welche sowohl sauren, wie basischen Charakter zeigen; insbesondere jene, welche der Kon- stitution der Amidosäuren nahe kommen, z. B. das Amidoazobenzol. Es ist keineswegs unmöglich, daß z. B. die tierische Faser eine der Amidosäure ähnliche, wenn auch kompliziertere Zusammensetzung besitzt (über die Konstitution der Wollfaser und Seide wissen wir noch gar nichts), wodurch dann ihr Ver- halten leicht erklärt sein würde; bei den pflanzlichen Fasern würde ein Auf- treten als Base mehr auf das Vorhandensein komplizierter Alkohole schließen lassen, was ohne Zwang auch den zeitweilig sauren Charakter erklären würde. Die betreffenden Verbindungen wären dann als Alkoholate zu betrachten. Von diesem Gesichtspunkte aus kann auch das Färben mittels Beizen nicht wohl länger als mechanischer Prozeß betrachtet werden. Man nahm bisher an, daß die Bildung von Farblacken innerhalb der Faser genau so erfolge, wie in gewöhnlicher wässeriger Lösung ohne Zuthun der Faser; man setzte dabei voraus, daß das Beizmittel die Faser völlig intakt lasse; nun habe ich aber bereits oben dargelegt, daß diese Voraussetzung nicht zutrifft, daß vielmehr die Beizen sämtlich Verbindungen mit der Faser eingehen, Ver- bindungen, deren Natur und Wesen uns zur Zeit noch verschlossen ist, deren Vorhandensein aber nicht geleugnet werden kann. Auch das Ansieden der Wolle mit Kaliumdichromat beweist ja, daß das Beizen keineswegs ein rein mechanischer Vorgang ist, da ja bekanntlich das Salz dabei zersetzt und die freiwerdende Chromsäure zu Chromoxyd reduciert wird, welches sich nach der landesüblichen Bezeichnung „auf der Faser niederschlägt“. — Es verdient ferner hervorgehoben zu werden, daß die Jutefaser sich durchaus abweichend verhält von den übrigen Pflanzenfasern und daß dieses abweichende Ver- halten im engsten Zusammenhange steht mit ihrer chemischen Natur. Croß \& Bevan betrachten dieselbe als einen Aether der Cellulose; gegen Farb- stoffe verhält sie sich annähernd wie eine mit Tannin gebeizte Baumwoll- faser. Alle vorerwähnten Fälle beweisen unwiderleglich, daß sowohl beim Beizen, wie beim Färben die Faser selbst chemisch wirksam ist ; sie ist ein chemischer Faktor und wirkt beim Beizen wie beim Färben, je nach dem chemischen Charakter der Farbstoffe, entweder zerlegend oder neue Verbindun- gen bildend. Die Gegner der chemischen Theorie machen den Einwurf, daß bei den Wechselbeziehungen zwischen Faser und Farbstoff keine Verbindung derselben nach chemischen Aequivalenten vor sich gehe und daß dabei die charakteristi- schen Eigenschaften beider Komponenten nicht verschwinden. Letzteres ist unbedingt nicht zuzugestehen; wohl verschwinden die charak- teristischen Eigenschaften beider Komponenten nicht; dafür verschwindet aber beim Beizen mit Metallsalzen nicht nur die charakteristische Eigenschaft des einen Komponenten, sondern sogar dieser Komponent selbst scheinbar so voll- ständig, daß er mit Hilfe der gewöhnlichen Reaktionen nicht einmal nachge- wiesen werden kann. Und was den zweiten Komponenten, die Faser, be- trifft, so erscheint deren physikalische Struktur allerdings in nichts ver- ändert; damit ist jedoch noch ganz und gar nicht erwiesen, daß sich die chemische Struktur der Faser, die Konstitution , nicht geändert habe. Die fortschreitende Wissenschaft wird auch über das Wesen dieser noch völlig un- gekannten Verbindungen Licht verbreiten und es wird sich dabei wieder der alte Satz bewahrheiten: Gott hat Alles nach Zahl, Maß und Gewicht geschaffen. Was schließlich den Einwand betrifft, daß eine Verbindung von Faser und Farbstoff nach chemischen Aequivalenten nicht stattfinde, so dürfen hier die das direkte Gegenteil beweisenden Untersuchungen Goppelsröders , sowie die darauf fußenden weiteren Versuche des Verfassers dieses Buches nicht unerwähnt bleiben. Dieselben bewegen sich zwar vorwiegend auf physi- kalischem Gebiet. Um so interessanter ist es, aus diesen Arbeiten zu ersehen, daß man auch auf einem vollständig anderen Wege zu dem Beweise gelangt, daß zwischen Faser und Farbstoff ziffermäßig ausdrückbare Beziehungen bestehen. Verfasser gibt in nachstehendem einen Auszug seiner in den „Neueste Erfindungen und Erfahrungen“ 1888, Nr. 1, enthaltenen Arbeit, in welcher die Resultate und Literaturnachweise der Goppelsröder schen Arbeiten namhaft gemacht sind. Die Arbeit ist unter dem Titel: „Ueber die Kapillarität der Gespinnstfasern“ erschienen. Unter Kapillarität der Gespinnstfasern verstehe ich die Aufsaugungs- fähigkeit, die Aufnahmekraft derselben in Hinsicht auf irgend welche Flüssig- keiten. Sie bewirkt eine Durchfeuchtung, eine Durchnässung der Fasern oder der daraus hergestellten Gewebe; diese Durchfeuchtung geschieht fast stets in der Weise, daß die betreffenden Gewebefasern (Garne, Stoffe ꝛc.) in die fraglichen Flüssigkeiten eingetaucht und darin liegen gelassen werden. Dieses Alles ist durchaus nicht neu; diese Prozedur wird in jedem Haushalte beim Einweichen der Wäsche vorgenommen; dasselbe Verfahren befolgt der Färber, wenn er seine Garne oder Tuche zum Färben in die Farbstofflösungen taucht. Zweifellos bestehen zwischen den Gewebefasern und Flüssigkeiten irgend wel- cher Art auch gewisse Beziehungen; aber der eben bezeichnete Modus des Eintauchens ist nicht dazu angethan, diese Beziehungen aufzuklären. Wesentlich anders gestaltet sich der Fall, wenn man die Gespinnstfasern vertikal in die Flüssigkeit hängt, oder richtiger, in die Flüssigkeit tauchen läßt, doch so, daß sie nur wenig, etwa 5 mm , in dieselbe eintauchen. Nun be- ginnt das Aufsteigen der Flüssigkeit in den Kapillaren der Fasern, von dem man sich am besten überzeugt, wenn man gefärbte Lösungen verwendet. Hier- bei sind nun drei Momente ins Auge zu fassen: 1. Die Höhe, bis zu welcher die Farbstofflösung steigt; 2. die Geschwindigkeit, mit welcher sie steigt; 3. die Menge des Farbstoffes, welche von den Fasern aufgenom- men wird. Die Steighöhe der gefärbten Lösungen ist zunächst eine viel be- deutendere, als allgemein angenommen wird; sie würde eine fast unbegrenzte sein, wenn der Versuch in einer Atmosphäre vorgenommen werden könnte, welche mit den Dämpfen der betreffenden Flüssigkeit vollgesättigt wäre. Das ist aber selten oder nie der Fall, und daher setzt die Verdunstung der auf- gesaugten Flüssigkeit in den höchsten, von der Oberfläche am weitesten ent- fernten Zonen der Aufsaugungsfähigkeit eine bestimmte Grenze. Diese wird an der Stelle liegen, wo genau so viel Flüssigkeit (infolge feinster Ver- teilung und höchster Flächenentfaltung) zu verdampfen vermag, als durch die Kapillarität an eben jene Stelle geschafft wird. Die Steighöhe wird also eine ganz bestimmte sein. Unabhängig von der Steighöhe ist die Steiggeschwindigkeit . Diese ist meist regelmäßig, selten unregelmäßig, d. h. die Flüssigkeit steigt entweder in dem jedesmaligen gleichen Zeitraume ein gleiches Stück aufwärts, oder dieses Aufwärtssteigen läßt allmählich nach, der in dem gleichen Zeitraume zurückgelegte Weg wird nach und nach kleiner. Höchst selten tritt der Fall ein, daß die Anfangsgeschwindigkeit eine enorm große ist, dann aber, an einer gewissen Grenze angelangt, schnell nachläßt und bald überhaupt aufhört. An der Hand dieser beiden Faktoren, Steighöhe und Steiggeschwindig- keit, ist es möglich, eine Größe zu finden, welche angibt, entweder, welche Zeit verbraucht wird, um eine gewisse normierte Steighöhe zu erreichen, oder welche Steighöhe in einer normierten Zeit erreicht wird. Arbeitet man mit einer einfachen Farbstofflösung, so gestalten sich die Resultate so einfach, wie oben erläutert. Anders wird der Fall, wenn man mit einer Lösung arbeitet, welche mehrere Farbstoffe gelöst enthält. Eine derartige Lösung erscheint dem Auge einfarbig und die Gewebefaser nimmt diese vermöge ihrer Aufsaugefähigkeit in sich auf; gleichzeitig aber scheidet sie die einzelnen Farbstoffe voneinander und die Gewebefaser wird bald die einzelnen Farben nebeneinander zeigen, d. h. wir werden zwei oder mehr verschiedene Steighöhen gleichzeitig wahrnehmen. Arbeiten wir z. B. mit Azorot und Säuregelb, so ist die Lösung orangefarben, die Gespinnst- faser zeigt uns aber nach kurzer Zeit nicht die Steighöhe für einen orange- roten Farbstoff, sondern zwei verschiedene Steighöhen für einen roten und einen gelben Farbstoff. Arbeitet man dagegen mit Tropaeolin, so erhält man nur eine Steighöhe für einen orangeroten Farbstoff. Hat man sich aus Pikrinsäure und Indigoschwefelsäure eine rein grüne Lösung bereitet, so er- hält man vier Zonen der Steighöhen, unten eine breite grüne, darüber eine schmale gelbe, welche die Pikrinsäure enthält, dann eine farblose, Schwefel- säure enthaltende, und die vierte oberste, welche reines Wasser enthält. Ar- beitet man dagegen mit Methylgrün, so erhält man dann zwei Zonen und nur eine Steighöhe für den grünen Farbstoff. Bereits im Jahre 1861 hat Schönbein auf die Trennung der Farb- stoffe durch Kapillarität hingewiesen (Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft zu Basel, 1861, Teil III. ); neuerdings hat Prof Dr. Goppels- röder diese Eigenschaft zur Trennung und Reinigung der Farbstoffe vor- geschlagen (Separatausdruck aus „Oesterreichs Wollen- und Leinenindustrie“, 1885) und neuestens auch zum analytischen Nachweis und zur Farbstoff- bestimmung vorgeschlagen ( Romens Journal, 1887). Was endlich die Farbstoffmenge angeht, welche von den einzelnen Fasern aufgenommen wird, so ist diese ungemein verschieden. Beispielsweise wird von einer Purpurinlösung durch Seide und Wolle nur das Wasser aufge- nommen, während die Kapillarität für das Purpurin selbst = 0 ist. Im anderen Falle ist die Aufsaugungsfähigkeit der Baumwolle für Chrysamin so groß, daß diese so viel davon in sich einlagert, daß die Lösung ent- färbt wird. Faßt man die gesamten, bisher registrierten Thatsachen zusammen, so folgt daraus: Daß einem jeden löslichen Farbstoffe für eine jede Ge- spinnstfaser eine ganz bestimmte, unter den gleichen Bedin- gungen gleiche Steighöhe zukommt, welche sich ziffermäßig ausdrücken läßt . Verfasser ist nun bemüht gewesen, in einer langen Anzahl von Ver- suchen diese Zahlenwerte für die verschiedensten Farbstoffe mit den verschiede- nen Gespinnstfasern festzustellen und dieselben in Tabellen zusammenzustellen. Die dabei gewonnenen Zahlenwerte bezeichnet er mit dem Namen Kapil- laritätskonstanten . Es läßt sich aus den bis jetzt vorhandenen Resul- taten der Schluß ziehen, daß die Capillaritätsverhältnisse der Gespinnstfasern wahrscheinlich in bestimmter Beziehung stehen zur Festigkeit der Gewebefaser, welche durch ihre Reißlänge ausgedrückt wird. Die Kapillaritätskonstanten geben die natürlichste und einfachste Er- klärung für den rätselhaften Vorgang des „ungleichen Angehens“ der Farb- stoffe. Der praktische Nutzen der Kapillaritätskonstanten wird sich daher zuerst auf dem Gebiete der Färberei zeigen, beim Kombinieren von Farb- stoffen. Bekanntlich werden zum Erzielen neuer Nüancen, der sogenannten „Modefarben“, verschiedene Farbstoffe kombiniert. Dabei wird ziemlich will- kürlich verfahren, und es kommt gewiß vielfach vor, daß Farbstoffe kombi- niert werden, deren Konstanten für die gleichen Gewebefasern weit auseinander liegen. Die Kapillaritätskonstanten werden in erster Linie dazu dienen, die bisherige Willkürlichkeit beim Nüancieren in wissenschaftlich begründete Bahnen zu lenken, und zum Kombinieren und Nüancieren nur solche Farbstoffe zu verwenden, deren Kapillaritätskonstanten nahe bei einander liegen. Meine im ersten Teile dieses Paragraphen ausgesprochene Ansicht von der chemischen Natur des Beizprozesses könnte als ein Rückschritt zu einer früheren Auffassung gedeutet werden; das ist jedoch nicht der Fall. Ehe nämlich die mechanische Theorie des Färbens weitere Verbreitung ge- funden hatte, glaubte man die Wirkung der Beizen dahin deuten zu sollen, daß die Faser von ihnen „geätzt“ und dadurch die Anziehung der letzteren auf die Farbstoffe vergrößert und deren Eindringen in die Faser erleichtert werde. Diese Anschauung des Beizens in dem Sinne wie Aetzen ist längst verlassen und nur der Name ist noch übrig geblieben. Diese alte Theorie des Beizens nahm eine physikalische Veränderung der Faseroberfläche an, und erklärte aus der so geänderten Oberflächenattraktion das Färben gebeizter Faser. § 36. Die Beziehungen der Farbstoffe zu den in der Färberei verwendeten Fasern. Kehren wir zu dem im vorigen § vorgeführten Experiment zurück, oder wiederholen wir das gleichzeitige Eintauchen verschiedener Fasern in die Lösungen anderer Farbstoffe, so werden wir bald finden, daß es nur eine geringe Zahl von Farbstoffen gibt, welche zu allen Fasern Verwandtschaft zeigen. Durchgehends aber werden wir finden, daß zu den meisten der bis jetzt bekannten Farbstoffe — und zwar sowohl natürlicher und künstlicher — die Wolle und Seide (und die Federn) eine größere Affinität besitzen, als Baumwolle, Leinen, Nessel ꝛc. Der bei weitem größere Teil aller Farbstoffe läßt sich auf irgend eine Weise auf den tierischen Gespinnstfasern färben, während die auch auf Pflanzenfasern verwendbare Zahl eine geringere ist; eine große Zahl dieser Farbstoffe läßt sich auf Wolle und Seide direkt ohne Beize färben, auf vegetabilischen Fasern hingegen nur nach vorhergegangenem Beizen. Von substantiven Farbstoffen (§ 23) für Baumwolle kannte man bis vor wenig Jahren nur den Farbstoff des Safflors und den der Cur- cumawurzel, wozu dann noch das Kanarin kam. Erst mit der im Jahre 1884 erfolgten Entdeckung der Benzidinfarben, als deren erste Chrysamin und Congo bekannt wurden, beginnt für die pflanzlichen Gewebefasern eine vorteilhaftere Gestaltung des bisherigen Verhältnisses. Nachdem sich inzwischen die sämtlichen vom Benzidin, Tolidin und Stilben sich ableitenden Farbstoffe als Baumwolle direkt färbend erwiesen haben, ist auch an substantiven Farbstoffen für Baumwolle, Leinen, Chinagras, Ramié und Nessel kein solcher Mangel mehr, als bis vor wenigen Jahren. Dadurch scheiden sich die gesamten künstlichen wie natürlichen Farbstoffe gewissermaßen in zwei große Klassen hinsichtlich ihrer Verwendbarkeit: Farbstoffe, welche sich zum Färben tierischer Fasern eignen, gemeinhin Wollfarbstoffe genannt, und Farbstoffe, welche sich zum Färben pflanzlicher Fasern eignen; letztere werden gemeinhin als Baumwollfarbstoffe bezeichnet. Daß die Grenze zwischen beiden keine scharfe ist, noch sein kann, geht schon aus dem oben Gesagten hervor, daß manche Wollfarbstoffe auch Baum- wolle zu färben vermögen, nachdem diese zuvor gebeizt wurde. Auch sind die Wollfarbstoffe unter sich ebenso wenig gleichwertig, wie die Baumwoll- farbstoffe. Da sich Wolle und Seide gegen die Farbstoffe im allgemeinen gleich verhalten, so werden die Wollfarbstoffe in gewissem Sinne auch als Seiden- farbstoffe zu betrachten sein; aus dem gleichen Grunde werden dann die Baumwollfarbstoffe auch als Leinen- oder Chinagrasfarbstoffe aufzufassen sein. Jedenfalls geht aus dem Gesagten zweifellos hervor, daß von den zur Zeit etwa wirklich in der Praxis angewendeten 350 Farbstoffen für eine jede Faser nur eine bestimmte und beschränkte Anzahl von Farbstoffen verwendbar ist und daß es daher wichtig ist, vor Beginn des Färbens sich über die Verwendung des betreffenden Farbstoffes klar zu werden. Es ist durchaus nicht gleichgültig, mit welchem Farbstoff man färbt. Bei der endgültigen Wahl wird dem Färber gemeinhin eine Direktive gegeben, indem ihm ein Muster gegeben wird, welchem die zu färbende Faser ent- sprechen soll; er wird dabei zu überlegen haben, welche Farbstoffe — ohne oder mit vorheriger Beizung — überhaupt eine solche Nüance geben; er wird zu überlegen haben, welche Anforderungen in Bezug auf die Wasch- echtheit, Säure-, Luft- und Lichtechtheit an den Farbstoff gestellt werden, event. ob er walkechte Farben verwenden muß; endlich ist auch der Preis des Farbstoffes in vielen Fällen ausschlaggebend. In den meisten Fällen wird dem Färber ein Musterbuch oder eine Musterkarte zur Verfügung stehen, welche ihm wenigstens den Weg anzeigt, auf dem er zum Ziele kommen kann; Hauptsache aber ist und bleibt eigene Erfahrung, über welche, wenn sie einmal noch nicht vorhanden ist, auch das beste Lehrbuch nicht hin- weg hilft. § 37. Die Beziehungen zwischen Beizen und Fasern. Was über die Beziehungen zwischen Farbstoffen und Fasern gesagt ist, gilt in gleicher Weise auch von den Beizen. Das Sprichwort: „Eines schickt sich nicht für Alle!“ findet auch hier vollkommene Bestätigung. Wenn wir verschiedene Gespinnstfasern in die Lösung verschiedener als Beizen an- gewendeter Stoffe bringen, so wird die Wirkung eine ähnlich verschiedene sein, wie bei den Farbstoffen. Das in Lösung befindliche Beizmittel wird durch die Kapillarität in die Fasersubstanz aufgenommen und bleibt beim Trocknen in Substanz in der Faser zurück. Als Beizen werden vornehm- lich Metallsalze benutzt, von denen es bekannt ist, daß sie auch außerhalb der Faser mit gewissen Farbstoffen bestimmte charakteristisch gefärbte Farb- lacke bilden. Das, wobei es bei der Verwendung von Metallsalzen als Beize ankommt, ist das Metalloxyd oder die Metallbase, und daraus folgt, daß diejenigen Farbstoffe, welche mittels solcher Beizen befestigt werden, sauren Charakter haben müssen. Der eigentliche Zweck der Metallbeizen ist das Befestigen des Metalloxydes auf der Faser; ein direktes Befestigen derselben hat sich als unthunlich erwiesen, da die meisten derselben in Wasser unlöslich sind; man wendet die Oxyde daher in gelöster Form, entweder als Salzlösung oder in Form einer alkalischen Lösung (z. B. Thonerdenatron) an. Die Salze werden, wo es die chemische Natur des Salzes zuläßt, als basische Salze verwendet, d. h. als Salze, welche auf 1 Aeq. der Säure mehr als 1 Aeq. des Metalloxydes, oder wo irgend möglich, so viel davon enthalten, als die Säure überhaupt gelöst zu halten vermag. Derartige Lösungen basischer Salze haben die Eigentümlichkeit, beim Erwärmen, häufig selbst schon beim Verdünnen mit Wasser, vor allem aber bei gleichzeitiger Berührung mit der Gewebefaser einen Teil des Oxydes abzugeben und sich wieder in neutrale Salze umzuwandeln. In diesem Falle wirkt die Faser selbst wie eine Säure, indem sie das Metalloxyd an sich bindet. Wer sich genauer über die Natur und den Charakter solcher Beizen instruieren will, findet Ausführlicheres über die betreffenden Salze im ersten Teile dieses Buches, § 89 bis 105. Wo die chemische Natur des Metalls basische Salze nicht zuläßt, pflegt man diejenigen Salze des Metalls zu verwenden, welche leicht zersetzbar sind und sich bei Gegenwart von Gewebefasern in Metalloxyd und Säure spalten. Als solche Salze werden vielfach die der Essigsäure verwendet, da die bei der Zersetzung freiwerdende Essigsäure der Faser nicht schadet. — An dieser Stelle möchte ich die Aufmerksamkeit noch ganz besonders auf die Ameisensäure lenken, deren Salze noch leichter zersetzbar sind, als die der Essigsäure, und die sich daher mindestens ebensogut empfehlen dürfte, als die Essigsäure. Auch in diesem Falle spielt die Faser die Rolle einer Säure. In allen den Fällen, wo es sich um Fixierung eines sauren Farb- stoffes handelt, würde also die Beizung mit Metallsalzen am Platze sein. Handelt es sich hingegen um Fixierung eines rein basischen oder eines neutralen Farbstoffes, dessen Färbekraft in der Farbstoffbase liegt und der die Faser direkt nicht zu färben vermag, so muß als Beizmittel eine Säure angewendet werden, oder saure Salze, welche sich beim Kochen in Gegen- wart von Gewebefasern in neutrale Salze und freie Säure zerlegen, welche durch die in diesem Falle als Base wirkende Faser gebunden wird; als solche Säuren wirken Schwefelsäure, Weinsäure, Gerbsäure, Oelsäure und Oxalsäure oder deren saure Salze: doppelt schwefelsaures Natron, Wein- stein und Kleesalz. Auch die Chromsäure und die Zinnsäure gehören hier- her. Welchen Charakter den letzteren Säuren gegenüber die Fasern ein- nehmen, ist noch nicht völlig klar festgestellt, was mit dadurch bedingt wird, daß die Stellung dieser Säuren selbst, resp. deren Reduktion in Chromoxyd- und Zinnsalze einen sicheren Nachweis sehr erschwert. Es scheint, wenn man nach allgemeinen Grundsätzen forscht, sich zu ergeben, daß die animalischen Fasern vorzugsweise mittels saurer Beizen, die vegetabilischen mittels metallischer, resp. basischer Beizen behandelt wer- den müssen. Es entspräche das auch ihrem chemischen Charakter, denn Wolle und Seide lösen sich in verdünnten Alkalien, können mithin auch nicht mit alkalischen Beizen behandelt werden; Baumwolle und Leinen dagegen ver- tragen selbst starke alkalische Beizen, werden dagegen schon von schwachen Mineralsäuren, besonders beim Erwärmen, angegriffen resp. zerstört; dagegen ist bei Pflanzenfasern Gerbsäure als Beize angebracht. Wir sehen auch hier wieder deutlich zwei Klassen von Beizen, wie wir in gleicher Weise zwei Klassen von Farbstoffen unterscheiden konnten; man könnte sie gewissermaßen als Wollbeizen und Baumwollbeizen unter- scheiden; doch ist die Grenze hier noch viel weniger scharf, wie bei den Farb- stoffen und es gibt mehrere Beizen, welche sowohl auf Tier- wie auf Pflanzen- fasern angewendet werden, z. B. Alaun. Gewisse allgemein gültige Grundsätze, betreffend Verwendung der Beizen, lassen sich zur Zeit noch nicht aufstellen, da es noch an exakten Untersuchungen auf diesem Gebiete fehlt. In der Färberei wird beim Beizen meist rein empirisch verfahren; von einem systematischen Vorgehen ist gar keine Rede. Es gibt Beizmethoden, bei denen man vergebens nach dem Warum? fragt, Methoden, welche lediglich durch die Gewohnheit sanktioniert sind, denen aber eine wissenschaftliche Basis durchaus fehlt. Es liegt das wohl zum Teil an den völlig unklaren Begriffen über den eigentlichen Beizprozeß und der dabei sich abspielenden chemischen Vorgänge. Ich bin der festen Ueber- zeugung, daß mit der fortschreitenden Erkenntnis des Charakters, welche die Fasern dabei annehmen und der Rolle, welche sie dabei spielen, auch sich allgemein gültige Regeln für das Beizen ergeben werden, und daß auf dem praktischen Gebiet des Beizens manches jetzt noch gültige Verfahren als ver- altet und vernunftwidrig wird beiseite geschoben werden. So lange wir zu diesen allgemeinen Grundsätzen noch nicht gelangt sind, muß freilich auf dem bisherigen Fundament weiter gebaut werden. Ganswindt , Färberei. 32 Betreffs der Temperatur , bei welcher das Beizen vorzunehmen ist, ist ebensowenig etwas Einheitliches zu melden. Wolle kann anhaltend, selbst mehrere Stunden, kochen; Baumwolle kann kalt gebeizt werden; bei Seide genügt eine Temperatur zwischen 30 und 60° R. Die Dauer der Einwirkung der Beizflüssigkeit ist gleichfalls noch durch keine Gesetzmäßigkeit geregelt. Mir will es scheinen, als ob die Dauer der Einwirkung auf die Faser eine zu kurze sei. In diesem Falle würde „Beizen“ und „Durchtränken“ wohl gleichbedeutend sein, und es erscheint fraglich, ob der oben beschriebene chemische Prozeß in so verhältnismäßig kurzer Zeit sich abspie- len kann, mindestens, ob er sich vollständig abspielen kann. Insonderheit bei jener als „Klotzen“ bekannten Methode des Beizens ist eine chemische Wir- kung so gut wie ausgeschlossen, und das Färben von geklotztem Gewebe ist dann als ein mechanischer Färbeprozeß zu betrachten. § 38. Die Beziehungen zwischen Beizen und Farbstoff. Diese sind weit klarer und bekannter, als die zu den Fasern. Der Grund ist darin zu suchen, daß wir über ihre Natur und ihren chemischen Charakter viel genaueres wissen, als über den der Fasern. Wenn wir auch wissen, daß die Wolle in der Hauptsache aus Keratin, die Seide aus Fibroin, die Baumwolle aus Cellulose besteht, so ist mit dieser Kenntnis nicht viel gewonnen. Wie sich dagegen die Beizen und die Farbstoffe zu einander ver- halten, das ist außerhalb der Fasern experimentell festgestellt. Und hier wissen wir, daß jedem Farbstoffe durchschnittlich nur eine Beize entspricht, daß es jedoch auch Farbstoffe gibt, welche mit verschiedenen Beizen verschie- den gefärbte Farblacke geben. Die Zahl der letztern Farbstoffe ist eine be- schränkte; dieselben sind zunächst keine substantiven, direkten; eine etwaige direkte Färbung ohne Beize ist unscheinbar. Diese eigentümlichen Farbstoffe, welche in gewissem Sinne nicht viel mehr als Chromogene sind, nennt Hummel „polygenetische Farbstoffe“ und bezeichnet sie als „färbende Grundstoffe, welche fähig sind, mehrere Farben hervorzubringen, je nach den Mitteln, die man zur Erzeugung der letzteren anwendet“. Ein solcher Farbstoff ist z. B. das Hämateïn, welches je nach der angewandten Beize graue, blaue, purpurrote und schwarze Färbungen liefert; ein anderer solcher Farbstoff ist das Alizarin, welches je nach der Beize türkischrote, olivenfarbene, violette oder schwarzblaue Farben liefert. Gewöhnlich aber zeigt ein adjektiver, d. h. ein nur mit Hilfe von Beizen zu verwendender Farbstoff nur eine Farbe, selbst bei Verwendung verschie- dener Beizen, und die damit erzielten Färbungen unterscheiden sich höchstens in der Nüance. Eine einheitliche Methode zur Befestigung von Farbstoffen auf der Faser ist noch nicht gefunden, wird auch nicht leicht gefunden werden, da die chemisch verschiedene Natur der einzelnen Farbstoffe, Beizen und Gespinnst- fasern fast in jedem Falle ein anderes Verfahren nötig machen. Immerhin sind die Versuche, solche einheitliche Methoden zu finden, nicht ganz ohne Erfolg geblieben und haben doch bis zu einem gewissen Grade zur Ent- deckung von Klassenverwandtschaften geführt, welche, da sie mit den im ersten Teile dieses Handbuchs § 63 genannten eng zusammenfallen, zugleich beweisen, daß hier ein innerer Zusammenhang besteht. Zu dieser Ueberzeugung gelangt man auf experimentellem Wege. Versucht man z. B., welche Farbstoffe sich mittels Tannin oder Sumach auf Baumwolle fixieren lassen, so wird man finden, daß die hierbei gefundenen Farbstoffe sämtlich zu jener Gruppe ge- hören, welche in obigem § 63 als „neutrale“ bezeichnet wurden; dieselben Farbstoffe färben Wolle und Seide substantiv. Versucht man, welche Farb- stoffe sich mittels essigsaurer Thonerde auf Baumwolle fixieren lassen, so findet man, daß dies jene Farbstoffe sind, welche als „schwach saure“ be- zeichnet wurden; aber diese Farbstoffe lassen sich auch auf Wolle nur mittels Beizen befestigen und zwar brauchen wir für Wolle entweder Kaliumdichromat oder Alaun. Wollten wir jedoch z. B. die Baumwolle mit Chromat oder mit Alaun beizen, so würden wir damit unseren Zweck nicht erreichen. Wir sehen hieraus, daß die Beziehungen zwischen Beizen und Farbstoffen von den Beziehungen beider zu den Gewebefasern abhängig sind. Wir wer- den diese gegenseitigen Beziehungen ausführlicher bei den einzelnen Fasern zu betrachten haben. 1. Wollenfärberei. § 39. Die Färbemethoden. Ueber die Wolle, ihre Eigenschaften und ihr chemisches Verhalten siehe Teil I , § 5. Substantives Wollfärben . Für das Färben der Wolle kommt ihre große Verwandtschaft zu einer großen Anzahl direkt färbender Stoffe in Betracht, mit welchen sie sich mit Leichtigkeit und ohne Zuhilfenahme einer Beize färbt. Es sind dies die im vorigen Paragraphen erwähnten neutralen Farbstoffe. Das Färben der Wolle mit solchen neutralen Farb- stoffen ist die einfachste Sache von der Welt. Je nach der zu erzielenden Intensität der Farbe wird ½ (oder weniger) — 5 (oder mehr) Prozent vom Gewicht der Ware an Farbstoff in das Färbebad gegeben, mit der Ware eingegangen und dann allmählich bis zum Kochen erhitzt. Oft ist selbst Kochen nicht einmal nötig und bloßes Erwärmen schon genügend. Im allgemeinen aber ist die Festigkeit der Verbindung von Farbstoff und Woll- faser eine größere, wenn ein Kochen, möglichst sogar ein längeres, stattge- funden hat. Als allgemeine Regel für das Färben von Wolle ist hinzu- stellen, daß man sich das Färbebad lauwarm, 25 bis 30° R., her- richtet, nur einen Teil des Farbstoffs im Bade löst, dann mit der Ware eingeht und dann die Temperatur unter langsamer Zugabe kleiner Mengen des Farbstoffs allmählich zum Sieden erhöht, und kürzere oder längere Zeit — je nach dem Farb- stoff — im Sieden erhält . Voraussetzung beim substantiven Färben der Wolle ist ein kalkfreies Wasser und eine seifen- oder alkali- oder säurefreie Ware. Ein Seifen- oder Sodagehalt kann leicht vom Waschen der Wolle in der Faser zurückgeblieben sein, zumal dieselbe einen Teil dieses Alkalis mit Hartnäckigkeit zurückhält. Diesem Uebelstande begegnet man durch Zu- satz einer ganz geringen Menge Essigsäure. Ein Säuregehalt kann durch das Bleichen in die Ware gekommen sein. Die mechanisch anhängende schweflige Säure wird durch Sauerstoffaufnahme an der Luft leicht zu Schwefelsäure; dieser Säuregehalt ist zwar nicht bedeutend, kann aber doch störend auf das Angehen der Farbe wirken und ist daher durch wenig 32* Ammoniak zu neutralisieren. — Beim Färben mit neutralen künstlichen organi- schen Farbstoffen sind Kupfer- oder Eisenkessel zu vermeiden. Wollfärben mit Beizung . Wenn ein direktes Färben aus irgend welchen Gründen unthunlich erscheint, so daß man also die Wolle beizen muß, so sind hier 3 Fälle denkbar: Vorbeizen, Mitbeizen und Nachbeizen, d. h. man beizt die Wolle entweder vor dem Ausfärben, oder gleichzeitig im Färbebade oder nach dem Färben. Welche von diesen 3 Methoden ge- wählt wird, hängt von den Beizen und den Farbstoffen ab. Das Vorbeizen , d. h. das Beizen, Spülen, und Ausfärben auf frischem Bade, ist die älteste und auch heute noch am häufigsten angewandte Methode. Sie findet vornehmlich Anwendung beim Färben mit Farbhölzern und ande- ren natürlichen Farbstoffen. Die Wolle wird mit der betreffenden Beize kochend imprägniert, dann im Beizbade erkalten gelassen, scharf gespült, und in das handwarme absolut klare Färbebad gegeben, in welchem sie bis zum Kochen erhitzt und einige Zeit darin erhalten wird. Das Spülen darf keinenfalls ausgelassen werden, um ein Hineingelangen ungebundenen Beiz- stoffs in die Farbflotte zu verhindern; dieses würde einen Verlust an Farb- stoff zur Folge haben. Die Farbholzabkochung muß durch ein feines Sieb gegossen oder noch besser durch einen Beutel von Filz filtriert sein. Das Beizbad sowohl als das Färbebad können nach beendeter Operation aufge- hoben und später weiter benutzt werden. Das Mitbeizen , auch „Einbadmethode“ genannt, vereinigt das Bei- zen und Färben in ein und demselben Bade. Es muß sofort einleuchten, daß der Farblack, welcher sich nach der vorigen Methode in der Faser selbst bildete, hier sich im Bade bilden muß. Damit ergibt sich von selbst, daß diese Methode nur dann überhaupt anwendbar ist, wenn der gebildete Farb- lack nicht absolut unlöslich ist, sondern in heißem Wasser wenigstens etwas sich zu lösen im stande ist. Da, wo diese Methode überhaupt anwendbar ist, bietet sie entschieden große Vorteile, mindestens eine wesentliche Ersparnis an Zeit, Arbeit und Heizmaterial. Und was den erzielten Farbenton an- belangt, so hat die Erfahrung gezeigt, daß derselbe entweder ebenso voll, oder ziemlich ebenso voll ist, als wenn man erst vorsiedet und dann in be- sonderem Bade färbt. Auch wird als Vorteil der Methode erwähnt, daß beim Färben mit Hölzern nach dieser Methode die Anwesenheit der Beize im Farbbade ein Fixieren unreiner Extraktivstoffe ( Hummel-Knecht ) ver- hindern soll, und daß in solchem Falle sogar eine noch reinere und tiefere Färbung soll erzielt werden können, als nach der vorigen Methode 1. Das Mitbeizen eignet sich z. B. vorzüglich beim Färben von Gelbholz mittels Alaun, Cochenille mit Zinnchlorid u. s. w. Schade, daß die Methode nur eine beschränkte Anwendung gestattet; es wäre sonst die vorteilhafteste und rationellste. — Hierher zählt auch das Färben stark saurer Farbstoffe auf Wolle, wobei die Beize, das saure schwefelsaure Natron, dem Farbbade direkt zugesetzt wird. Das Nachbeizen dreht die Operationen um, indem zuerst die un- gebeizte Wolle mit der Farbstofflösung behandelt und dann erst in die Beiz- lösung eingeführt wird. Das Verfahren kann nicht als vernunftgemäß be- zeichnet werden, da das Aufnahmevermögen ungebeizter Wolle für adjektive Farbstoffe nur gering ist und selbst ein anhaltendes Kochen dasselbe nicht sichtlich erhöht. Am Platze ist es nur da, wo der Farbstoff zugleich ein Gerb- stoff ist oder einen solchen enthält, z. B. Sumach, Catechu. In der That wird das Nachbeizen fast nur in jenen Fällen angewendet, in denen es sich um Erzielung ganz dunkler bis schwarzer Farben handelt. Als Beizen dienen in diesem Falle Eisenvitriol oder Kupfervitriol, seltener Kaliumdichro- mat. Diese Färbeoperation wird allgemein als Dunkeln, Abdunkeln oder Nachdunkeln bezeichnet. Nicht selten wird auch beim Dunkeln statt zweier Bäder nur ein Bad angewendet; in diesem Falle unterscheidet sich natürlich das Dunkeln in nichts von der „Einbadmethode“ und hat auch dessen Vorteil für sich; dagegen gibt das Färben und Beizen in zwei ge- trennten Bädern, wie die Erfahrung lehrt, walkechtere Farben. Das kombinierte Vor- und Nachbeizen ist eine vielfach verwen- dete Methode und besteht — kurz ausgedrückt — aus dem Vorbeizen, Fär- ben und Dunkeln in drei verschiedenen Bädern, von denen die beiden letzteren auch in einem verbunden sein können. Diese Methode wird beim Färben mit Holzfarben in allen den Fällen angewendet, wo es sich hinterher noch um ein Nachdunkeln handelt. Es kommt jedoch auch vor, daß man die Dreibadmethode dann anwendet, wenn es sich um besonders echte Farben handelt; in diesem Falle kann es sogar vorkommen, daß das dritte Bad dieselbe Beize enthält, wie das erste; z. B. Erstes Bad: Doppelt chromsaures Natron; zweites Bad: Blauholzab- kochung; drittes Bad: Natriumdichromat. Oder: Erstes Bad: Schmackflotte; zweites Bad: Eisenvitriol; drittes Bad: Schmackflotte. Andererseits bezweckt das dritte Bad wohl auch ein Nüancieren des ursprünglichen Farbentones, unter Umständen selbst ein Aufhellen der Farbe, die Erzeugung eines lebhaftern, feurigen Tones. In diesem Falle ist die Beize des dritten Bades eine wesentlich andere, als die des ersten; z. B. Erstes Bad: Natriumdichromat; zweites Bad: Krappabkochung; drittes Bad: Zinnchlorür. In diesem Falle kann vom „Abdunkeln“ keine Rede sein; diese Opera- tion ist vielmehr das Schönen, Beleben, Avivieren . Die Dreibadmethode ist mithin verschiedener Modifikationen fähig; sie ermöglicht sowohl das Hervorrufen besonders walkechter Farben, als das Ab- dunkeln, als auch das Avivieren. Sie gewährt alle erdenklichen Vorteile, hat aber den einen — allerdings nicht zu unterschätzenden — Nachteil des größeren Aufwandes an Zeit, Mühe und Dampf. Ein Hauptaugenmerk ist in der Wollenfärberei darauf zu richten, daß die erhaltenen Färbungen walkecht sind, d. h. daß sie dem Erwärmen mit den alkalischen Flüssigkeiten beim Walkprozeß widerstehen und beim Ver- spinnen mit weißer Wolle nicht in das Weiß hinüberfließen, oder, wie der Walker sagt, nicht bluten . Wo Walkechtheit verlangt wird, da ist direktes Färben vorweg ausgeschlossen und es muß zum Beizverfahren geschritten werden. § 40. Die Wollbeizen. Die Zahl der zum Beizen der Wolle geeigneten Körper ist nicht groß und beschränkt sich vorwiegend auf Thonerde- und chromsaure Salze. Zinn- salze, Eisen- und Kupferbeizen spielen nur eine untergeordnete Rolle. Von den Thonerdesalzen sind zu erwähnen: der Alaun und die schwefelsaure Thonerde; von Chromverbindungen: Kaliumdichromat, Natriumdichromat und Chromalaun. Von Zinnbeizen hat nur das Zinnchlorür Bedeutung, das Zinnnitrat hat nebensächlichen Wert. Eisensalze — unter ihnen obenan Eisenvitriol, seltener holzessigsaures Eisen und Eisenalaun — und Kupfer- vitriol sind mehr zum Nachbeizen resp. Dunkeln geeignet. Schwefel und Kieselsäure als Beize für Wolle haben mehr theoretisches Interesse. Da- gegen darf das Natriumbisulfat (Weinsteinpräparat) resp. dessen Ersatz, das Glaubersalz unter entsprechendem Schwefelsäurezusatz, als Mitbeize für saure Farbstoffe nicht unerwähnt bleiben, obgleich dessen Thätigkeit im Färbebade auch eine andere Erklärung zuläßt, als die des Beizens. Beizen mit Alaun . Ueber die Eigenschaften des Alauns vergl. Erster Teil, § 96. Um die Wolle mit Alaun zu beizen, muß derselbe in Wasser gelöst werden; mit dieser Lösung muß die Wolle eine Zeit hindurch gekocht werden. Zu einer normalen Alaunbeize rechnet man 10 Prozent (vom Gewicht der Wolle) Alaun. Fast durchweg wird dem Beizbade noch Weinstein zugegeben. Ohne diesen Zusatz erzielt man mit Alaun eine matte Farbe; der Weinsteinzusatz jedoch bewirkt volle, glänzende Farben, wenigstens bei künstlichen Farben, während bei Holzfarben eher das Gegen- teil der Fall ist. Diese Thatsache steht fest, aber der Grund ist weniger bekannt. Es ist anzunehmen, daß zwischen dem Alaun und dem Weinstein eine Wechselzersetzung erfolgt, indem sich schwerlösliches Kaliumsulfat und das im Verhältnis zum Alaun weit leichter zersetzbare Aluminiumtartrat bilden. Da Kaliumsulfat in heißem Wasser nicht unlöslich ist, wird diese Zersetzung durch eine etwaige krystallinische Ausscheidung nicht für das Auge sichtbar. Daß diese Zersetzung jedoch wahrscheinlich eintritt, dafür spricht der Umstand, daß man, wenn man Wolle mit reiner weinsaurer Thon- erde (vergl. § 96, 21) beizt, vorzügliche Resultate erhält. Dies voraus- gesetzt, hat sich in der Praxis ein Zusatz von 7½ Prozent Weinstein zu 10 Prozent Alaun als das beste Verhältnis herausgestellt, so daß die Beiz- flüssigkeit für 100 kg Wolle betragen würde: 10 kg Alaun, 7,5 kg Wein- stein, 1000 l Wasser. Es darf angenommen werden, daß die weinsaure Thonerde ihre Thonerde leichter an die Wollfaser abgibt, und daß somit freie Weinsäure gebildet wird, welche auf die Wollfaser keine Wirkung ausübt. Beizen mit schwefelsaurer Thonerde . Dasselbe vollzieht sich in gleicher Weise und unter den gleichen Verhältnissen, wie beim Alaun. Es ist das normale Sulfat anzuwenden, nicht ein basisches Salz. Auch hier begegnen wir dem gleichen Weinsteinzusatz. Hummel Färberei und Bleicherei der Gespinnstfasern. Berlin, 1888. empfiehlt zum Beizen folgende Flüssigkeit: Auf 100 g Wolle: 1 l Wasser, 8 g schwefelsaure Thon- erde, 7 g Weinstein. Die Wolle wird in die kalte Lösung gebracht, die Temperatur innerhalb 1 bis 1½ Stunden allmählich zum Sieden erhitzt, ½ Stunde im Sieden erhalten und zuletzt gewaschen. — Ein Zuviel an Weinstein scheint nicht schädlich zu sein, ein Zuwenig dagegen gibt matte leblose Farben. Anwendung der Thonerdebeizen . Sie dienen zum Fixieren der schwach sauren Farbstoffe, zu welchen auch sonst alle natürlichen Farbstoffe zählen, also für die sämtlichen Holzfarben, Cochenille, Krapp, Alizarin, Coeruleïn, Alizarinblau, Gallocyanin, Galleïn, Indophenol, die Eosine, Alizarinorange, Anilinbraun, Bismarckbraun. Beizen mit Kaliumdichromat oder Natriumdichromat . Das Salz wird in Wasser gelöst und die Wolle mit dieser Lösung 1½ bis 2 Stun- den gekocht, dann gewaschen und zentrifugiert. In welcher Weise der Beiz- prozeß mit Kaliumdichromat eigentlich vor sich geht, das ist mit völliger Sicherheit noch nicht festgestellt. Die Ansichten gehen hier weit auseinander. Während Einige der Meinung sind, daß die Chromsäure sich während des Kochens zu Chromoxyd reduziere, und daß sich Chromoxyd als solches auf der Faser niederschlage, behaupten Andere, daß das Beizen mit Dichromat ein einfaches Imprägnieren sei. Sehen wir uns die Sache einmal näher an. Das doppelt chromsaure Kali ist ein Salz von großer Beständigkeit, welches selbst durch stundenlanges Kochen seiner wässerigen Lösung sich nicht zersetzt. Dagegen ist es bekannt, daß die Chromsäure durch reduzierende Körper leicht in ein Chromsalz zurückverwandelt wird. Macht man aus dem Kaliumdichromat durch Versetzen mit Schwefelsäure die Chromsäure frei, so gelingt es, mit Hilfe reduzierender Körper auch das Dichromat in Chromsalz zu verwandeln; man erhält dann eine lebhaft grüne Lösung, aus welcher beim Erkalten Chromalaun in violetten Krystallen herauskrystalliert. Wenn nun, wie vielfach angenommen wird, beim Beizen der Wolle mit Kaliumdichromat Chromoxyd sich auf der Faser niederschlagen soll, so müßte die Wolle reduzierend auf die Chromsäure wirken und die Flüssigkeit grün gefärbt werden. Das ist aber nicht der Fall ; man mag die Wolle mit der Beizlösung kochen, solange man will, so wird dieselbe gelb bleiben. Die Wolle reduziert also das chromsaure Kali nicht . Eine 2 Stunden lang damit gekochte Wolle sieht gelblich aus und aus einer solchen gebeizten Wolle kann man durch Spülen mit Wasser unzersetztes Dichromat auswaschen, das durch die Farbe seiner Lösung und die bekannten Chromsäure-Reaktionen als solches nachgewiesen wird. Wenn man zum Kalium- (oder Natrium-) Dichromat noch Schwefelsäure hinzufügt, so wird dadurch zwar die Chrom- säure in Freiheit gesetzt, aber eine Reduktion zu Chromsalz findet auch in diesem Falle nicht statt . Zum Beizen mit Dichromat verwendet man gewöhnlich 2 bis 4 Pro- zent vom Gewicht der Wolle und bei Schwefelsäurezusatz ebensoviel Schwefel- säure von 66° Bé. In beiden Fällen findet eine Reduktion nicht statt und die gebeizte Wolle ist also lediglich mit doppelt chromsaurem Salz impräg- niert. Ganz anders gestaltet sich der Fall, wenn zum Beizbade reduzierende Mittel, wie Weinstein, Weinsäure, Oxalsäure hinzugefügt werden . Beizt man nämlich mit 2 bis 4 Prozent chrom- saurem Salz und etwa 4 Prozent Weinsäure, so erhält man eine grüne Lösung von weinsaurem Chromoxyd Kali und die gebeizte Wolle sieht grün aus. Ob diese grüne Farbe von ausgeschiedenem Chromoxydhydrat herrührt, wie Hummel aussagt, und wie auch Kertész anzunehmen scheint, erscheint mir fraglich, denn das Kalium-Chromitartrat ist ein beständiges Salz und die damit gebeizte Wolle sieht nicht so aus, als wenn sie mit Chrom- hydroxyd beladen wäre, sondern als wenn sie mit der Lösung des Doppel- salzes getränkt sei. Es fragt sich jetzt, worin denn nun der eigentliche Unterschied in den beiden Methoden liegt, ob es richtiger ist, die Wollfaser mit Dichromat (wie im ersten Falle) oder mit weinsaurem Chrom (d. h. mit Dichromat und Wein- säure) zu beizen; es fragt sich, wie verhalten sich derartig verschieden ge- beizte Wollen beim Färben. Die Antwort ist merkwürdig; sie lautet: gleich. Man erhält also in beiden Fällen die gleiche Färbung, resp. den gleichen Farblack. Unter solchen Umständen kann nur angenommen werden, daß die Reduktion zu Chromoxydsalz, wenn sie nicht vorher durch Weinsäurezusatz bewirkt wird, sich hinterher im Färbebade selbst vollzieht. Es muß nach dem Gesagten ziemlich gleichgültig erscheinen, ob man die Wolle mit oder ohne Weinsäurezusatz beizt; es ist aber doch ein Unterschied vorhanden; läßt man die Weinsäure weg, so muß man die Wolle mindestens zwei Stunden kochen (auch bei Schwefelsäurezusatz) und man wird wohl thun, noch über Nacht im Bade liegen zu lassen; beizt man unter Zuhilfenahme von Wein- säure (oder Oxalsäure oder Alkohol), so ist das Beizen in einer kleinen Stunde vollzogen, und es kann sofort gespült, geschleudert und gefärbt wer- den. Und noch auf eines möchte ich aufmerksam machen; beizt man ohne Weinsäurezusatz, so daß die Reduktion erst im Färbebade selbst sich vollzieht, so muß sich dieser natürlich auf Kosten des Farbstoffes vollziehen. Nach diesen rein theoretischen Erläuterungen möchte ich nunmehr em- pfehlen: in allen den Fällen, wo es sich um ein Fixieren , nicht um ein Oxydieren von Farbstoff handelt, beim Beizen mit saurem chromsaurem Kali (oder Natron) den Weinsäurezusatz zu machen , und nur grün gebeizte Wolle zum Färben zu verwenden. Der gesamte Beiz- und Färbe- prozeß vollzieht sich dann ohne Aufenthalt hintereinander ohne Zeitverlust und ohne Farbstoffverlust. Ein weiterer Vorteil besteht darin, daß die grün gebeizte Wolle nicht lichtempfindlich, während die gelblich gebeizte licht- empfindlich ist, was ich schon in meinem Vortrag in Waldenburg in Schle- sien Bei Gelegenheit der Generalversammlung des Verbandes der Innungen der Färber und verwandter Gewerbe Deutschlands, 18. Juli 1887. nachgewiesen und erörtert habe. Bei chromsäurehaltiger Wolle kann man infolge von teilweiser oder ungleicher Belichtung leicht zu fleckiger Ware kommen; bei grün gesottener Wolle nicht. Endlich ist vor einem Ueberschuß von Chromsäure zu warnen. Ein solcher ist die Ursache, daß oft chromge- beizte Wolle im Färbebade sich nicht färben will; der Grund hierfür ist lediglich eine gegenseitige Zersetzung von Dichromat und Farbstoff. Es wird sich aus allen diesen Gründen empfehlen, schon von vornherein beim Beizen der Wolle mit Chromsäure oder deren sauren Salzen auf einen genügend reichlichen Weinsäurezusatz zu sehen; ein kleiner Ueberschuß an Weinsäure schadet nichts, ein Ueberschuß von chromsaurem Salz ist stets bedenklich. Man geht vollkommen sicher, wenn man das Doppelte des Gewichts an Wein- säure nimmt, wie chromsaures Salz. Ich empfehle folgende Beizflüssig- keit : Auf 10 kg Wolle: 200 g Kaliumdichromat, 400 g Weinsäure, 100 l Wasser. Kalt mit der Ware eingehen. 2 Stunden sieden, auf- heben, spülen und schleudern. — Dagegen ist in allen jenen Fällen, wo der Sauerstoffgehalt des Dichromats zur Oxydation eines Farbstoffes oder eines Chromogens Verwendung finden soll, der Weinsäurezusatz nicht am Platze und besser durch Schwefelsäure zu ersetzen. In allen Fällen, wo es sich um eine eigentliche Chrombeizung handelt, geht der Beizprozeß dem Färbeprozeß voraus. Es gibt jedoch vereinzelte Fälle, in denen das Kaliumdichromat als Nachbeize angewendet wird; dann handelt es sich aber nicht um eine Chrombeizung, sondern um einen Oxy- dationsprozeß; so z. B. beim Färben mit Catechu. Beizen mit Chromalaun . Es muß befremden, daß der Chrom- alaun, welcher ein prächtiges Wollbeizmittel ist, so wenig Verwendung findet. In ihm ist das Chrom als Chromoxyd enthalten, und man würde beim Behandeln mit einer Chromalaunlösung eine grün gebeizte Wolle erhalten, ohne irgend einen Ueberschuß von Chromsäure befürchten zu müssen. Der Chromalaun ist zudem als Nebenprodukt einer Anzahl chemischer Prozesse, besonders in der Teerfarbenfabrikation, ein sehr billiges Nebenprodukt, so daß er der Beachtung empfohlen zu werden verdient. Seine Anwendung würde entweder für sich allein, oder besser in Verbindung mit Weinstein zu erfolgen haben. Anwendung der Chrombeizen . Sie dienen zum Fixieren der schwach sauren Farbstoffe, sowie auch jener natürlichen Farbstoffe, welche gerbstoffähnlichen Charakter haben, im letzteren Falle aber weniger als Beiz-, sondern als Oxydationsmittel. Ihre Hauptanwendung aber finden sie zum Befestigen der eigentlichen Alizarin- oder Anthracenfarbstoffe, sowie einer großen Anzahl von Azofarbstoffen; bekannt ist ferner ihre Anwendung zur Oxydation der Holzfarbstoffe, insonderheit der Farbstoffe von Blauholz, Sandel- und Gelbholz. Eine Hauptanwendung finden sie zur Erzeugung von Chrom- schwarz aus Blauholz (in welchem Falle der Weinsäurezusatz besser unter- bleibt) ohne oder mit Gelbholz und ohne oder mit Zusatz von Alaun. Beizen mit Chlorzinn . Das Zinnsalz findet heute entfernt nicht mehr die Anwendung als Beizmittel, wie früher, wo die Farblacke aus Zinnsalz und den Farbhölzern besonders geschätzt waren. Färbungen dieser Art werden heute einfacher, billiger und schöner mit Teerfarben dargestellt. Dagegen ist das Zinnchlorür noch heute eine zweckmäßige Beize für das Färben mit Cochenille. Eine normale Zinnsalzbeize auf Wolle erfordert 4 bis 6 Prozent vom Gewicht der Wolle an krystallisiertem Zinnchlorür; auch der Zinnbeize wird durchschnittlich Weinstein hinzugefügt und zwar 4 Prozent, dieser Zusatz verhindert die Bildung eines basischen Chlorzinns, man erhält eine klare Lösung. Ich empfehle folgende Lösung: Auf 10 kg Wolle: 600 g Chlor- zinn, 400 g Weinstein, 50 l Wasser. Kochen durch 1 bis 1½ Stunden. Diese Flüssigkeit kann sowohl zum Vorbeizen wie zum Mitbeizen dienen; der letztere Fall trifft gerade hier häufiger zu, weil die Zinnfarblacke in einem Ueberschuß des sauren Färbebades nicht unlöslich sind. In dieser Weise verfährt man beim Scharlachfärben von Wolle mit Cochenille und beim Gelb- und Orangefärben mit Flavin. An Stelle des Weinsteins werden auch bisweilen Weinsäure, Oxalsäure oder Alaun zugesetzt; in diesem Falle tritt an Stelle der 400 g Weinstein in der oben empfohlenen Flüssigkeit 360 g Weinsäure oder 800 g Oxalsäure. Beim Scharlachfärben mit Coche- nille und beim Orangefärben mit Cochenille und Flavin wird meist Beizen und Färben in einem Bad vereinigt; umgekehrt wird beim Färben mit Hölzern, vornehmlich Quercitron- und Fisetholz, erst mit der Zinnlösung gebeizt und dann im besonderen Bade gefärbt. Beizen mit Zinnchlorid . Findet nur ausnahmsweise, zusammen mit Weinstein, in der Scharlachfärberei mit Cochenille Anwendung, ist aber nicht zu empfehlen, da die erhaltene Nüance weit weniger lichtecht ist, als die mit Zinnchlorür erhaltene. Dagegen ist es eine zweckmäßige Wollbeize zum Färben mit Jodgrün. Beizen mit Zinnnitrat . Die in § 103, 4 beschriebene Zinnlösung gibt auch ohne Weinsteinzusatz mit Cochenille ein lebhaftes gelbliches Schar- lach. Beim Beizen mit Zinnlösungen sind Kessel aus Kupfer oder Eisen nicht zu verwenden ; man muß daher entweder Holzkufen oder Zinnkessel oder stark verzinnte Kupferkessel benutzen. Zum Nachbeizen werden Zinnlösungen vielfach angewendet und zwar zum Beleben der Farben oder Avivieren . Beizen mit Eisenvitriol . Der Eisenvitriol dient nicht zum An- sieden, sondern als Mit- oder Nachbeize in einem oder zwei Bädern. Er dient daher weniger als Beize, sondern eher als Material zum Dunkeln. Je nach der zu erzielenden Nüance verwendet man 1 bis 8 Prozent Eisen- vitriol, welche man, wenn sich die Wolle mit dem Farbstoff genügend im- prägniert hat, dem Farbbade zusetzt und noch ½ Stunde kochen läßt; man erzielt so graue bis schwarze Töne der Grundfarbe. Als Nachbeize wird das Ferrosulfat in denselben Fällen angewendet, wie das Kaliumdichromat, nämlich, wenn der Farbstoff zugleich ein Gerbstoff ist, z. B. beim Färben mit Sandelholz, Sumach, Catechu. Ein eigentliches Beizen mit Eisenvitriol würde nur bei Zusatz großer Mengen Weinstein von Wirkung sein, dadurch aber gleichzeitig zu teuer werden Hummel empfiehlt z. B. zum Färben mit Alizarin: Beizen mit 4 bis 12 Prozent Eisenvitriol und 10 bis 30 Prozent Weinstein für etwa 10 Prozent Alizarin. . Beizen mit holzsaurem Eisen . Es ist mir nicht bekannt, daß dasselbe in der That Verwendung findet. Doch stände seiner Verwendung für gewisse Methoden der Schwarzfärberei der Wolle nichts im Wege. Beizen mit Eisenalaun . Eine Lösung von 8 bis 10 Prozent Eisenalaun in Wasser dient zum Beizen der Wolle für das Färben mit Alizarin und Alizarinfarben. Dieselbe Lösung konnte jedoch sehr wohl auch noch anderweite Verwendung finden. Beizen mit Kupfervitriol . Dieser wird als Beizmittel verhältnis- mäßig wenig gebraucht, obgleich er sehr gute Resultate gibt. Ein Zusatz von Weinstein wird mehrfach empfohlen, von Andern hingegen als unnütz verworfen. Für eine normale Kupferbeizung genügen 4 Prozent vom Ge- wicht der Wolle an Kupfersulfat. Kupfergebeizte Wolle gibt mit Blauholzab- kochung eine fast schwarze, Rotholz eine braune oder bordeaux Färbung. In andern Fällen verwendet man 2 Prozent Kupfervitriol und 8 Prozent Weinstein. Die häufigste Verwendung findet er zum Dunkeln, entweder für sich allein oder in Verbindung mit Eisenvitriol. Zum Dunkeln wird Kupfer- vitriol im zweiten oder dritten Bade angewendet; zum eigentlichen Beizen ohne oder mit Weinstein wird es im ersten Bade angewendet. Beim Beizen mit Kupfervitriol sind eiserne Kessel unbedingt zu ver- meiden, da sich dieselben sonst verkupfern, während Eisen gelöst wird; es sind also Kupferkessel oder Holzkufen zu verwenden. Beizen mit Schwefel . Diese Methode findet nur zum Färben mit Methyl- und Malachitgrün Anwendung. Der Schwefel wird in der Flüssig- keit präcipitiert und im Moment der Abscheidung auf der Wolle fixiert. In der Praxis verfährt man dabei folgendermaßen: Für 10 kg Wolle werden 1 bis 2 kg unterschwefligsaures Natron in 50 l Wasser gelöst, in die kalte Lösung die Wolle hineingethan, das Ganze gut durchmischt, und dann 0,5 bis 1 kg Schwefelsäure von 66° Bé. oder Salzsäure von 20° Bé. in dünnem Strahl unter Umrühren hinzugegeben. Die Flüssigkeit färbt sich dabei von ausgeschiedenem Schwefel milchig. Man erhöht nun die Tempe- ratur ganz allmählich bis auf 60 bis 65° R., erhält etwa 1 Stunde hierin und wäscht zuletzt gut aus. Nach einer andern Vorschrift soll man 2 kg unterschwefligsaures Natron, 1 kg Alaun und 0,5 kg Schwefelsäure verwenden, und nach dem Beizen entweder ohne zu spülen direkt ausfärben, oder noch vorher ½ Stunde lang in einem 5 prozentigen Seifenbade bei 75° R. durcharbeiten. Der Alaunzusatz soll ein Verfilzen der Wolle verhindern ( Kertész ). Was das Behandeln im Seifenbade eigentlich bezwecken soll, ist nicht recht verständlich. — Auf diese Weise mit Schwefel gebeizte Wolle besitzt stets einen eigentümlichen Griff und den charakteristischen Schwefel- geruch. Beizen mit Glaubersalz und Schwefelsäure . Die Mischung von Glaubersalz und Schwefelsäure dient allgemein zum Färben mit sauren Farb- stoffen. Die Angaben über die Verhältnisse zwischen den Chemikalien weichen je- doch sehr voneinander ab. Man findet 20 bis 30 Prozent vom Gewicht der Wolle an Glaubersalz und 4 bis 5 Prozent an Schwefelsäure von 66° Bé. Der Schwefelsäurezusatz bezweckt das Freimachen der Farbsäure aus dem Farb- stoffe und das Glaubersalz soll das Angehen der Farbsäure an die Wolle regulieren, da die Farbsäuren gemeinhin sehr schnell angehen und daher zu unregelmäßigem Färben Anlaß geben. Man pflegt diese Mischung von Glaubersalz und Schwefelsäure, sowie auch an dessen Stelle das käufliche Natriumbisulfat ( Weinsteinpräparat ) in das Farbbad zu geben, bei 30° R. mit der Wolle einzugehen, dann langsam bis zum Kochen zu erhitzen und dann 10 bis 30 Minuten im Kochen zu erhalten. Vorzüglich bewährt hat sich auch das Zugeben der Säure in das fertige Färbebad während des Erwärmens und Kochens in kleinen Portionen. Diese Methode hat den Vorteil, daß die Farbsäure nicht mit einemmale frei wird, sondern nur in dem Maße, als die Schwefelsäure zugesetzt wird; man erhält auf diese Weise mit Sicherheit gleichmäßige Färbungen. § 41. Die Wollfarbstoffe. Wie schon § 38 ausgeführt, ist die Verwandtschaft verschiedener Fasern zu den Farben eine sehr verschiedene, so daß von den bisher bekannten und in Anwendung gezogenen Farbstoffen nur eine bestimmte Anzahl Verwendung finden können. Für die Wolle sind dies folgende: 1. Direkt färbende . Orseille. Orlean. Curcuma. Gelbschoten. Indigo. Catechu. — — Fuchsin. Cerise. Grenadin. Marron. Congo. Chrysoidin. Bismarckbraun. Auramin. Phosphin. Malachitgrün. Aethylgrün. Brillantgrün. Viktoriagrün 3 B. Methylgrün. Jodgrün. Nilblau. Methylviolett B. Krystallviolett. Benzylviolett. Hofmanns Violett. Aethylviolett. Reginaviolett. Violettschwarz. 2. Mit Beizen färbende . Cochenille. Lac-dye. Die Rothölzer. Krapp. Orseille. Persio. Blauholz. Gelbholz. Fisetholz. Gelbbeeren. Quercitron. Wau. Flavin. — — Eosin. Erythrosin. — B N. Phloxin. Methyleosin. Aethyleosin. Cyanosin. Rhodamin. Alïzarin. Flavopurpurin. Anthrapurpurin. Purpurin. Chrysolin. Alizarinorange. Galloflavin. Coeruleïn. — S. Alizarinblau. — S. Indophenolblau N. Galleïn. Gallocyanin. Prune. Anthracenbraun. Alizarinschwarz. 3. Aus saurem Bade färbende . Die sämtlichen Azofarbstoffe § 68, c; I. „ „ Tetrazofarbstoffe § 68, c; II. „ „ Azofarbstoffe § 72 c; I und II. Fuchsin S. Chinolingelb Pikrinsäure. Naphtolgelb. Neugelb. Aurantia. Naphtolgelb S. Brillantgelb. Citronin. Tartrazin. Säuregrün. Guineagrün B. Echtgrün. Naphtolgrün B. Anilinblau, spritlöslich. Alkaliblau. Alkaliblau D. Indulin. Nigrosin. Wollschwarz. Naphtolschwarz. Die sämtlichen Farbstoffe aus § 80. „ „ stark sauren Farbstoffe aus § 81. Die vorbezeichneten Farbstoffe sind insofern nicht ganz vollzählig, als ich mehrere, welche zwar sehr wohl auf Wolle Verwendung finden könnten, teils wegen ihrer geringen Echtheit, teils aber auch wegen ihres hohen Preises in der That keine Anwendung finden, weggelassen habe. Auch von den vielen übrig gebliebenen werden viele nur vereinzelt angewendet. Die ge- bräuchlichen samt der Methode ihrer Anwendung finden sich in den nächst- folgenden Paragraphen. — Zu erwähnen wären hingegen noch das Primu- lin und die Ingrainfarben, welche zwar vorwiegend zur Baumwollenfärberei dienen, aber die gleiche Verwandtschaft auch für Wolle besitzen sollen. § 42. Rote Färbungen auf Wolle. Der Typus eines reinen neutralen Rots ist das Ziegelrot. In den Regenbogenfarben zwischen dem Violett und Orange stehend, gibt es zahl- lose Uebergänge oder Abtönungen vom reinsten Neutralrot zum Violett oder Orange. Erstere werden als blaustichiges Rot bezeichnet und führen die Namen Purpur, Carmoisin, Kirschrot, Rosa, Krapprot, u. s. w.; letztere heißen gelbstichiges Rot und werden als Scharlach, Ponceau, Amaranth, Bordeaux u. s. w. bezeichnet. Einem jeden roten Farbstoffe ist auch eine eigene Nüance eigentümlich; es ist daher bei der Wahl des zur Ausfärbung dienen sollenden Farbstoffes hierauf von vornherein Rücksicht zu nehmen. Bei den mittels Beizen auszufärbenden läßt sich durch Abänderung im Beiz- mittel oft eine Veränderung der Nüance herbeiführen. — Besonders hervor- zuheben ist noch, daß, wenn es sich um Erzeugung walkechter Färbungen handelt, die Auswahl unter den roten Farbstoffen eine ziemlich geringe ist, da die meisten derselben, mit Ausnahme des Alizarins, gegen Alkalien ziemlich, teilweis sogar sehr empfindlich sind. — Die zur Zeit wichtigsten roten Farbstoffe zur Erzielung walkechter roter Nüancen sind Alizarin, Cochenille, Krapp, Lac-dye und für gewisse Töne Rotholz und Sandel. Wo Walk- echtheit nicht unbedingt verlangt wird, ist die Auswahl eine größere. 1. Direkte rote Färbungen . Ein reines neutrales Rot erhält man mittels der Orseille oder deren Präparate durch einfaches Lösen in Wasser und Behandeln in neutralem Bade. Doch wird selten Orseille für sich allein zum Färben benutzt, obschon es volle, satte Farben gibt und den Vorteil besitzt, sowohl in neutralem, wie in schwach saurem als auch schwach alkalischem Bade zu färben. Es eignet sich daher trefflich zum Nüancieren anderer roter Farben in neutralem, saurem oder alkalischem Bade. Das Gleiche ist der Fall mit Orlean ; die Färbung ist aber schon mehr hochrot, bei großer Verdünnung gelb; der Farbstoff geht in dünnem Seifenbade schon bei 40° R. an; kräftige Färbungen erhält man in neu- tralem Bade bei 65 bis 80° R. Der wichtigste direkt rote Farbstoff ist das Fuchsin (vergl. § 66). Dasselbe färbt aus neutraler Lösung. Man geht mit der Ware in das lauwarme Färbebad ein und treibt bis zum Kochen. Das Bad wird aus- gezogen. Bei Zusatz von wenig Seife zum Färbebade wird die Farbe leb- hafter, aber das Bad wird nicht erschöpft. Die Farbe läuft in der Walke, ist daher für ein walkechtes blaustichiges Rot nicht zu verwenden. Cerise, Gre- nadine und Marron geben minderwertige mattere, mehr ins Gelbrote bis Bordeauxrote gehende Färbungen. Vergl. auch § 66. Anwendung wie bei Fuchsin. Congo , dieser neue Benzidinfarbstoff hat gleichfalls die Fähigkeit, Wolle in direktem neutralem Bade congorot zu färben. 2. Indirekte rote Färbungen . a) Neutral rote. Die Rothölzer geben mehr rotbraune bis braunrote Töne. Die rein roten Färbungen, welche man erzielt, sind sehr wenig echt. Man erhält eine solche z. B. aus Rotholz auf mit Alaun und Weinstein gebeizte Wolle mit 50 bis 60 Prozent vom Gewicht der Wolle an Rotholz unter Zusatz von sehr wenig Zinnchlorür und Gelbholz. — Camwood und Sandelholz geben ähnliche, mehr blaustichige Farben. Die Eosinfarben (Eosin, Eosin B N , Erythrosin, Phloxin, Methyl- eosin, Aethyleosin, Cyanosin, Rhodamin) geben alle möglichen roten Nüancen von Blaurot durch Reinrot bis Gelbrot. Sie werden jedoch wenig mehr verwendet, da man mit Azofarbstoffen dauerhaftere und billigere Farben er- zielt. Will man sie aber anwenden, so ist kalkfreies Wasser die erste Bedingung. Wolle färbt in einem solchen kalkfreien Bade zwar unge- beizt, unter Zusatz von ganz wenig Essigsäure; bessere Farben aber erhält man, wenn man mit Alaun und Weinsäure beizt. Eine normale Färbung erfordert ½ bis 2 Prozent Farbstoff. Kertész empfiehlt auch dann noch, dem Färbebade 1 Prozent Essigsäure zuzusetzen. Von weit größerer Wichtigkeit ist das Färben mit Alizarin . Das Alizarin ist der Hauptvertreter jener Gruppe von Farbstoffen, welche die Eigenschaft haben, mit verschiedenen Beizen verschiedene Farblacke zu geben. Von den 4 Alizarinfarbstoffen gibt die reinsten roten Färbungen das An- thrapurpurin oder Alizarin G D. Die Anwendung ist verhältnismäßig einfach. Man beizt die Wolle mit 8 bis 12 Prozent vom Gewicht der Wolle eisenfreiem Alaun (oder statt dessen 6 bis 10 Prozent schwefelsaurer Thonerde) und 5 bis 8 Prozent Weinstein. Die Wolle wird 1 ½ bis 2 Stun- den gesotten, über Nacht in der Beize gelassen, am nächsten Morgen ge- waschen und in das Färbebad gebracht. Dieses bereitet man sich, indem man das Alizarin G D in gewöhnlichem, mit Essigsäure angesäuertem Wasser löst. Man rechnet durchschnittlich auf 1000 l Wasser 1 l Essigsäure. Dieser Zusatz hat den Zweck, das in Wasser nur schwer lösliche Alizarin vollständig lösbar zu machen. Eine Ueberführung der Kalkverbindungen des Wassers in essigsauren Kalk ist damit nicht beabsichtigt, denn selbst Kondensations- wasser erfordert diesen Zusatz. Kalkhaltiges Wasser bindet natürlich die Essigsäure bis zur erfolgten Sättigung; daher braucht hartes Wasser mehr Essigsäure, als weiches, und bei sehr hartem gibt man sogar bis 2 Prozent (vom Gewicht des Wassers ) Essigsäure zu. Das Ausfärben geschieht, je nach der Tiefe des zu erzielenden Farbentones, mit 5 bis 12 Prozent (vom Gewicht der Wolle) Alizarin. In allen Färbvorschriften findet sich ein Zu- satz von essigsaurem Kalk. Die Angaben schwanken hier zwischen 1 bis 5 Prozent; alle aber stimmen darin überein, daß der Zusatz von Calciumacetat notwendig sei; Hummel sagt sogar, daß er absolut notwendig sei. Wie ein Mythus zieht sich der Zusatz von Calciumacetat durch alle Bücher. Unbestrittene Thatsache ist, daß man bei diesem Zusatz zum Färbbade ein reines lebhaftes Rot erhält, ohne diesen aber nur ein mattes Gelbrot. Schon zu der Zeit, als noch das Färben mit Krapp in voller Blüte stand und das Alizarin noch nicht entdeckt war, war es allgemein bekannt, daß kalkhaltiges Wasser ein lebhafteres Krapprot erziele, als weiches. Indes wußte man auch schon früher Vitalis , Lehrbuch der gesamten Färberei, S. 488. Weimar, 1854. , daß ein in weichem Wasser gefärbtes fahles Krapprot durch Einlegen in verdünnten faulen Urin hochrot gefärbt werden könne. Eine einfache Passage durch ein Kreidebad that ganz die- selben Dienste. Hier wirkt das Kreidebad aber einfach neutralisierend. Die sich immer erneuernde Sage von der Notwendigkeit des Kalkgehalts scheint zu der Meinung geführt zu haben, daß der Kalk zur Bildung des Farb- lacks erforderlich sei, welchen man dementsprechend als ein Aluminium- Calcium-Anthrapurpurat ansah. Dem widerspricht die Thatsache, daß man die gleiche Nüance erhält, wenn man, statt mit Calciumacetat zu färben, ohne dieses färbt, und nach dem Färben ein dünnes Ammoniakbad passiert ; ebenso kann man ein schwaches Soda- oder Seifenbad, oder auch kohlensaures Ammoniak verwenden. Im Färbebade selbst darf die Essigsäure nicht neutralisiert werden; nach dem Färben ist das Neutralisieren notwendig. Vergleicht man die so erhaltenen Nüancen mit den unter Zusatz von essigsaurem Kalk gefärbten, so zeigen die ersteren ein entschieden lebhafteres Rot, und die Kalkfärbungen erscheinen braunstichig. Auf diesen Uebelstand ist schon von Kertész aufmerksam gemacht worden. Derselbe empfiehlt daher, einen Teil des essigsauren Kalks im Färbebade durch essigsaures Natron zu ersetzen. Ein sehr beherzigenswerter Vorschlag! Noch richtiger wäre es wohl, für eine rote Färbung den Zusatz von essigsaurem Kalk ganz wegzulassen und an dessen Stelle essigsaures Natron zu setzen . Ich empfehle, den vierten Teil vom Ge- wicht des Alizarins an essigsaurem Natron zu verwenden, so daß das Färbe- bad für 10 kg Wolle z. B. bestehen würde aus: 50 l Wasser, 0,5 bis 1 l Essigsäure 7° Bé., 400 g bis 1,2 kg Alizarin G D , 100 bis 300 g Natriumacetat. Man geht mit der angesottenen Ware kalt ein, steigert die Temperatur sehr allmählich, etwa innerhalb 2 Stunden, bis fast zum Kochen, läßt jedoch nicht wirklich bis zum Kochen kommen. Die Bad. Anilin- und Sodafabrik schreibt vor, die Farbflotte in der ersten Stunde nicht über 48° R. zu er- wärmen, und die Erwärmung überhaupt nicht höher als 75° R. steigen zu lassen. Man erhält auf dieser Temperatur je nach der Tiefe des zu erzielen- den Farbtons 1 bis 2 Stunden, passiert ein schwaches Sodabad, spült und trocknet. — Kupfergefäße sind beim Beizen wie beim Färben zu vermeiden. Nach diesem Schema spielt sich das Färben mit Alizarin auf Wolle ab, auch dann, wenn mit anderen Beizen andere Farbtöne hervorgerufen werden sollen. Diese finden sich weiter unten. b) Blaustichig rote. Ein schönes und ziemlich echtes Karminrot wird mit Cochenille erhalten. Als Beize dient Alaun (oder schwefelsaure Thonerde) und Wein- stein. Beizen mit 6 Prozent Alaun und 4 Prozent Weinstein; Färben in besonderem Bade mit 8 bis 15 Prozent Cochenille. — Nach Hummel erhält man Karmoisin in einem Bade mit 6 Prozent schwefelsaurer Thon- erde, 2 Prozent Oxalsäure, 8 bis 15 Prozent Cochenille. — Nach Gans- windt in 2 Bädern : Beizen in 5 Prozent schwefelsaurer Thonerde und 5 Prozent Weinstein. Ausfärben in besonderem Bade mit 10 Prozent Cochenille und 1 Prozent Soda (vom Gewicht der Wolle). Spülen; fertig. — Ein Zusatz von Zinnsalz oder Zinnchlorid, sowie Nüancieren mit Orseille oder Krapp geben ein Karmoisinrot oder Halbkarmoisin. Ein etwaiger Zu- satz von Zinnpräparaten zum Färbebade muß mit großer Vorsicht geschehen, da der Umschlag in Scharlachrot ziemlich schnell erfolgt. Ein schönes Purpurrot erhält man aus Cochenille durch Beizen mit 2 Prozent Kaliumdichromat und 2 Prozent Schwefelsäure und Ausfärben mit Cochenille in besonderem Bade. Karmoisin aus Lac-dye . Man erhält fast die gleichen Töne, wie mit Cochenille, und beizt auch in gleicher Weise. Zur Bereitung des Färbe- bades rührt man den Lac-dye mit Wasser an, erwärmt auf 20 bis 25° R. und setzt in kleinen Portionen Salzsäure zu, bis Lösung erfolgt. In dieser Lösung wird die gebeizte Ware gekocht und gegen das Ende der Kochung kohlensaures Ammoniak zugegeben, bis die Flotte alkalisch reagiert. Man rechnet 25 bis 50 Prozent vom Gewicht der Wolle an Lac-dye. Die Färbungen mit Lac-dye sind nicht so feurig, aber intensiver und echter. Man kombiniert daher nicht selten Cochenille mit Lac-dye, um die Vorteile beider miteinander zu verbinden. Karmoisin mit Rotholz . Beizen mit 15 Prozent Alaun, 1 ½ Pro- zent Weinstein, 4 Prozent Zinnchlorürlösung. Ausfärben in separatem Bade mit 35 Prozent Rotholz. 1 ½ Stunde kochen. Bläulichrot mit Rotholz erhält man durch Beizen mit 6 Prozent schwefelsaurer Thonerde und 5 Prozent Weinsäure und Ausfärben in be- sonderem Bade mit 40 bis 60 Prozent Rotholz. Karmoisin erhält man in gleicher Weise durch Zusatz von etwas Ammoniak gegen das Ende des Kochens. An Stelle des letzteren möchte ich essigsaures Natrium empfehlen. Bläulichrot mit Camwood . Beizen mit 2 Prozent Kaliumdichro- mat und Färben in besonderem Bade mit 40 bis 80 Prozent Camwood. Bessere Resultate erhält man nach Hummel durch Umdrehen der Opera- tionen: Kochen 1 bis 2 Stunden mit dem Farbholz und Entwickeln der Farben in einem Bade mit chromsaurem Kali. Aehnliche Farbtöne erhält man durch Nachbeizen in besonderem Bade auch mit 4 bis 6 Prozent Alaun und 2 bis 3 Prozent Weinstein. Bläulichrot aus Alizarin wird erhalten durch Beizen der Wolle mit Eisenalaun und Weinstein (6 Prozent Eisenalaun, 4 Prozent Wein- stein) und Ausfärben in besonderem Bade mit 3 Prozent Alizarin G D und 1 Prozent essigsaurem Natron. Auch kann man die nach der Vorschrift Seite 510 gewonnene rein rote Alizarinfärbung mit Alizarinblau nüancieren; oder man verfährt genau wie bei neutralem Rot, verwendet aber das eigent- liche Alizarin V 1. Von den Eosinfarbstoffen geben Cyanosin, Phloxin und Rhodamin blaustichige Nüancen; über deren Verwendung, falls darauf reflektiert wird, vergl. Seite 167. c) Gelbstichig rote. Scharlach aus Cochenille . Zum Färben von Scharlach wird die Wolle mit 6 Prozent krystallisiertem Zinnsalz und 4 Prozent Weinstein ge- beizt, gewaschen, und in besonderem Bade mit Cochenille ausgefärbt. Wen- det man beim Beizen Zinnsolution an Stelle von Chlorzinn an, so kommt freie Salzsäure ins Färbebad, was kein Fehler ist, da der scharlachfarbene Cochenillezinnfarblack in Salzsäure nicht unlöslich ist, und somit ein lang- sames gleichmäßiges Angehen des Farbstoffes und infolgedessen vollere Nüan- cen ermöglicht wird. Von besonderem Wert erscheint der Salzsäurezusatz bei kalkhaltigem Wasser zur Aufhebung der alkalischen Reaktion. Bei stark kalkhaltigem Wasser tritt ohne den Salzsäurezusatz eine Scharlachfärbung überhaupt nicht ein, sondern eine unangenehme Mischfarbe aus Karmoisin und Scharlach, etwa einem bräunlichen Holzrot entsprechend. Ueberhaupt wirkt ein Säurezusatz zum Bade auf die Entwickelung des Scharlach genau so günstig, wie der Zusatz von Ammoniak oder Soda auf die Entwickelung der Purpurfarbe . — Die Lös- lichkeit des Cochenillezinnlacks (Zinnkarminats) in dem sauren Farbbade er- möglicht zugleich das Färben und Beizen in einem Bade unter Ein- haltung obiger Verhältnisse. — Zum Färben in einem Bade eignet sich auch folgende Methode: je 6 Prozent krystallisiertes Zinnchlorür und Oxalsäure, und Cochenille je nach Bedarf. Kalt eingehen, bis zum Kochen treiben, ½ Stunde im Kochen erhalten, spülen. Will man das Scharlach mehr hochrot nüancieren, so kann dieses mit etwas Orlean geschehen; wünscht man eine mehr ins Orange ziehende Färbung, so nüanciert man mit Flavin. Scharlach aus Cochenille und Flavin . Färben in einem Bade; Kochen der Wolle mit 6 Prozent Zinnsalz und 3 Prozent Oxalsäure ¾ Stunden. Herausheben der Wolle; zum Färbebade zusetzen: 4 Prozent Cochenille, 4 Prozent Flavin; 5 bis 10 Minuten kochen; Eingehen mit der Wolle und wenn nötig, Nüancieren mit kleinen Mengen Cochenille oder Flavin bis zum Muster. ½ Stunde kochen. Scharlach aus Lac-dye wird in entsprechender Weise gewonnen, wie aus Cochenille. Beizen wie oben mit Zinnsalz und Weinstein und Ausfärben in einer salzsauren Lösung von Lac-dye. Oder man verreibt denselben mit der Zinnlösung unter Zusatz von etwas Salzsäure, läßt über Nacht stehen, fügt am Morgen Oxalsäure zu, geht mit der Wolle ein, erwärmt zum Kochen u. s. w. wie oben. Holzscharlach . Beizen mit Alaun und Weinstein. Ausfärben in be- sonderem Bade mit 40 bis 60 Prozent Rotholz unter Zusatz von 1 bis 2 Prozent Zinnchlorür und 5 bis 10 Prozent Gelbholz. Ganswindt , Färberei. 33 Gelbliches Rot mit Sandel . Kochen mit 40 bis 80 Prozent Sandelholz durch 1 bis 2 Stunden, Entwickeln der Farbe in besonderem Bade aus 2 Prozent Kaliumdichromat ½ Stunde lang. Gelbliches Rot mit Krapp . Beizen mit 6 bis 8 Prozent Alaun und ebensoviel Weinstein. Ausfärben mit 60 bis 80 Prozent Krapp in besonderem Bade, unter langsamem Erhitzen zum Kochen und 1 bis 1 ½stündigem Sieden unter Zusatz von etwas Zinnsolution am Ende des Färbens. Rot gelbstichig aus Alizarin . Man verfährt wie bei neutralem Rot angegeben, verwendet aber statt Anthrapurpurin das Flavopurpurin oder Alizarin G 1; oder man färbt mit Anthrapurpurin und nüanciert mit Alizarinorange. d) Braunstichig rote. Zur Erzielung von braunstichigem Rot dienen vornehmlich die Farb- hölzer, teils für sich allein, teils zusammen mit anderen Farbhölzern. Bordeaux mit Rotholz . Beizen mit 3 Prozent Kaliumdichromat und 1 Prozent Schwefelsäure; Ausfärben in besonderem Bade mit 60 bis 80 Prozent Rotholz. — Oder: Beizen mit 4 Prozent Kupfervitriol; Ausfärben mit 50 bis 60 Prozent Rotholz. — Oder: Kochen mit 40 bis 80 Prozent Barwood und Behandeln im Entwickelungsbade mit 2 Prozent Dichromat. — Oder: Beizen mit 4 bis 6 Prozent schwefelsaurer Thonerde und 2 bis 3 Prozent Weinstein; Färben in besonderem Bade mit 40 Prozent Cam- wood bei Kochhitze 1 ½ bis 2 Stunden. — Oder: Kochen mit 40 Prozent Camwood, Dunkeln mit 8 Prozent Kupfervitriol. Rot braunstichig mit Krapp . Beizen mit 3 Prozent Kaliumdichro- mat, Färben in besonderem Bade mit 60 bis 80 Prozent Krapp unter all- mählichem Treiben zum Kochen. Braunrot mit Alizarin . Man verwendet Purpurin statt Ali- zarin und fügt zum Färbebade statt des essigsauren Natrons essigsauren Kalk hinzu; oder man verwendet Anthrapurpurin mit Calciumacetat im Färbebade und beizt die Wolle zuvor entweder mit 4 Prozent Kaliumdichro- mat und 1 Prozent Schwefelsäure oder mit 8 bis 12 Prozent Chromalaun und 6 bis 8 Prozent Weinstein. Für alle bräunlichen Nüancen von Alizarin- rot ist essigsaurer Kalk sehr an seinem Platze. Ueber alle Einzelheiten der Färbung mit Alizarin ist bereits S. 510 u. 511 Ausführliches mitgeteilt. 3. Färbungen aus saurem Bade . Die Färbungen aus saurem Bade sind eine besondere Eigenheit der Wollfärberei und gerade auf diesem Gebiet entfaltet sie eine Mannigfaltig- keit, eine solche Auswahl und einen solchen Glanz der Farben, daß sie hierin nur noch von der Seide übertroffen wird. Die stark sauren Farbstoffe sind die eigentlichen Wollfarbstoffe par excellence; ihre Anwendung ist ungemein einfach, die große Anzahl der sauren Farbstoffe gestattet das Kombinieren mehrerer Farben in einem Bade und mithin die Erzeugung einer Unzahl von Nüancen und das Nüancieren während des Färbens. Die Färbungen selbst sind ziemlich echt, viel echter wie die direkten Färbungen, sogar ziem- lich so walkecht wie die Alizarinfarben und schmutzen nicht ab; dazu sind die sauren Farbstoffe vielfach imstande, mit Holzfarben sich kombinieren zu lassen und schließlich verhältnismäßig billig. Diese Eigenschaften alle haben sie zu der herrschenden Stellung gebracht, welche sie heute in der Wollenfärberei einnehmen, so daß sie die direkt färbenden neutralen, sowie von den schwach sauren Farbstoffen die Eosinfarbstoffe ganz oder fast ganz verdrängt haben. Ganz besonders zeigt sich diese Eigenart der Wollenfärberei bei den roten, orangen und gelben Farbstoffen, da zu diesen die Azofarbstoffe ein sehr großes Kontingent stellen und da dieselben der Hauptsache nach rot oder gelb gefärbt sind. Unter diesen finden wir alle erdenklichen Nüancen von Blaurot, Neutralrot, Echtrot, Ponceau, Scharlach und Bordeaux. Da die Art der Anwendung (mit Schwefelsäure und Glaubersalz in einem Bade; siehe Wollbeizen) die gleiche ist, mögen nachfolgend nur die Nüancen aus- einander gehalten werden: a) Rein rote. Orseilleersatz. Azococcin 2 R. Kresolrot. Echtrot B. Orseillerot A. Echtrot Außer dem bereits angeführten Säurefuchsin ist das Echtrot (Roccelline) einer der echtesten Azofarbstoffe, mit dem man unter entsprechender Behandlung die glei- chen Farbtöne, wie mit Cochenille erzielen kann, wogegen die Färbungen bedeutend säure- und seifenechter und um 80 Prozent billiger sind. Bei Verwendung von Echtrot säuert man das Bad leicht mit Salzsäure an, erwärmt es auf 40° und läßt die Wolle darin 15 bis 30 Minuten verweilen; dann erst gibt man den Farbstoff in kleinen Portionen zu und steigert die Temperatur allmählich in ½ Stunde bis auf 70° und erhält hierin eine weitere halbe Stunde. Die zum Nüancieren be- stimmten Farbstoffe setzt man zweckmäßig erst später dem Färbebade zu. . Echtrot E. Cochenillescharlach G. Orseille B B. Phenantrenrot. b) Blaustichige. Fuchsin S. Ponceau 3 R. Coccinin B. Buffalo-Rubin. Naphto-Rubin. Azococcin 7 B. Croceïn B. Brillant-Croceïn. Ponceau S S extra. Ponceau 5 R. Croceïn 3 B. Thiorubin. Azorubin S. Echtrot D. Ponceau 6 R. Azorubin 2 S. Ponceau S extra. c) Gelbstichige. Cochenillescharlach 2 R. Ponceau R T. Cochenillescharlach 4 R. Wollscharlach. Scharlach G R. Ponceau G. Scharlach G. Ponceau 2 R. Krystallponceau 6 R. Ponceau 3 G. Croceïn 3 B X. Neucoccin. Ponceau acide. Doppelbrillantscharlach G. Doppelscharlach extra S. Pyrotin. Echtscharlach. Croceïnscharlach 3 B. Biebricher Scharlach. Croceïnscharlach 7 B. 33* d) Braunstichige. Tuchrot G. — B. Bordeaux G. Bordeaux B. — extra. Azoorseillin. Die sämtlichen Azofarbstoffe zeigen die Eigenschaft, durch Zinnsalz re- duziert zu werden; es ist daher beim Färben mit Azofarbstoffen Zinnsalz nicht anzuwenden; ebenso wenig kann natürlich auch eine mit Zinnsalz ge- färbte oder avivierte Farbe mit einem Azofarbstoff nüanciert werden. Was die Lichtechtheit dieser roten Farbstoffe auf Wolle betrifft, so ist Croceïnscharlach 3 B und 7 B und Neucoccin mindestens so lichtecht als Cochenille, Biebricher Scharlach fast so lichtecht; alle übrigen aber, auch Alizarinrot nicht ausgenommen , minder lichtecht. § 43. Orange Färbungen auf Wolle. Das Orange ist, entgegen der üblichen Anschauung, eine selbstständige Farbe, kann aber auch durch Vereinigung von Rot und Gelb leicht erzeugt werden. Es ist leicht, durch gleichzeitige Verwendung roter und gelber Farb- stoffe von gleichen Eigenschaften ein Orange auf der Faser zu erzeugen. Eine direkte Veranlassung hierzu wird indes kaum vorliegen, da an selbst- ständigen Orangefarbstoffen kein Mangel ist. Der Typus eines reinen neutralen Orange ist die Farbe der Apfel- sinenschale. Je nachdem ein Orangeton mehr nach Rot oder nach Gelb hinüberneigt, sprechen wir von Rotorange oder Gelborange. 1. Direkte orange Färbungen . Eine direkte Färbung aus neutralem Bade ist nur durch Kombination, z. B. von Curcuma und Orlean, zu erreichen, da neutral färbende orange Farbstoffe für Wolle nicht zu existieren scheinen. — Von künstlichen organi- schen Farbstoffen gibt nur das Viktoriagelb direkte Färbungen auf Wolle, bei Anwendung größerer Mengen auch Chrysoïdin. 2. Indirekte Färbungen . Orangegelb mit Curcuma erhält man durch Beizen der Wolle mit Zinnsalz und Ausfärben, 50° R. warm, in einer Curcumaflotte bis zur Nüance. Orange mit Krapp . Beizen mit 8 Prozent Zinnsalz krystallisiert und 4 Prozent Weinstein, Ausfärben in besonderem Bade mit 60 bis 80 Prozent Krapp bis zur Nüance. Orange mit Wau . Beizen mit 25 Prozent Alaun und 12 ½ Pro- zent Weinstein; Ausfärben in besonderem Bade mit 300 Prozent Wan. Schönen in einem Krappbade. (Veraltet.) Orange mit Fisetholz . Beizen mit 5 Prozent Zinnnitrat und 5 Prozent Weinstein. Ausfärben in frischem Bade mit Fisetholz bis zur Nüance, etwa 20 bis 40 Prozent. Gelborange aus Quercitron . Beizen mit 2 Prozent Kalium- dichromat; Färben mit Quercitron in besonderem Bade bis zur Nüance. Orange aus Flavin . Färben in einem Bade mit 4 bis 8 Prozent Zinnsalz, 4 bis 8 Prozent Alaun und Flavin nach Bedürfnis bis zur Nüance (6 bis 8 Prozent). Oder: Kochen mit 4 bis 8 Prozent Zinnchlorür, 2 bis 4 Prozent Oxalsäure, 6 bis 8 Prozent Flavin während 1 ¼ bis 1 ½ Stun- den. Zusatz von mehr Flavin erzeugt ein rötliches Orange. Die mit Flavin erzeugten Orangetöne sind feurig und echt und können den mit Azofarb- stoffen in saurem Bade gefärbten an die Seite gestellt werden. Orange aus Gelbbeeren wird in gleicher Weise wie mit Flavin erhalten, nur verwendet man statt 6 bis 8 Prozent hier 30 bis 40 Prozent Gelbbeeren guter Qualität. Die Nüancen sind ebenso schön und lebhaft, wie die aus Flavin gewonnenen. Orange mit Alizarin . Beizen der Wolle mit je 5 bis 8 Prozent Zinnsalz krystallisiert, und Weinstein. Ausfärben in besonderem Bade mit 10 Prozent Alizarin (20prozentig) mit 4 bis 5 Prozent essigsaurem Kalk ( Hummel ). Ueber die Einzelheiten der Färbung mit Alizarin auf Wolle vergl. S. 510. Das erhaltene Orange wechselt je nach der verwendeten Alizarinsorte, und zwar gibt Anthrapurpurin ein reines Orange, Alizarin V 1 ein rötliches, Flavopurpurin ein gelbliches Orange, Purpurin gibt ein wenig lebhaftes Orangerot. Alle diese orangen Nüancen sind aber leider nicht walkecht. Orange mit Alizarinorange . Beizen mit 6 bis 8 Prozent schwefelsaurer Thonerde und ebensoviel Weinstein. Ausfärben in frischem Bade mit Alizarinorange bis zur Nüance. Zusatz von essigsaurem Kalk ist zu meiden. Oder: Beizen mit 1 Prozent Zinnchlorür und 1 ½ Prozent Weinstein: Ausfärben auf frischem Bade; gibt ein lebhaftes Orangerot; 2 Prozent Zinnchlorür und 3 Prozent Weinstein geben ein gelbliches Orange. Größere Mengen dieser Beizen geben unangenehme Färbungen. — Kertész empfiehlt Beizen der Wolle mit chromsaurem Kali und Weinstein und Aus- färben mit essigsaurem Kalk und essigsaurem Natron. Von den bisher beschriebenen orangen Färbungen sind die mit Flavin ganz besonders schön und echt. Ferner werden folgende indirekte Färbungen als echt empfohlen: Orange aus Cochenille und Quercitron . Beizen mit 2 ½ Pro- zent Weinstein, 2 Prozent Zinnchlorür, 6 Prozent Zinnkomposition (siehe § 103, 3); Ausfärben mit 4 ½ Prozent Quercitronextrakt und 1 ½ Pro- zent Cochenille. 1 ½ Stunden kochen. Gelborange mit Cochenille und Gelbholz . Beizen mit 4 ½ Pro- zent Alaun, 4 ½ Prozent Weinstein, 1 ½ Prozent Zinnsalz, 1 ½ Prozent Komposition. Ausfärben in frischem Bade mit ⅕ Prozent Cochenille und 1 ⅕ Prozent Gelbholzextrakt. Echt mögen diese beiden Färbungen wohl sein; vernunftgemäß sind sie jedenfalls nicht. 3. Färbungen aus saurem Bade . Die schönsten und echtesten Orangefärbungen auf Wolle erhält man durch Färben mit Azofarbstoffen mit Glaubersalz und Schwefelsäure. Unter den Azofarbstoffen finden wir feurige Nüancen, dabei echt und auf die ein- fachste Weise mit roten oder gelben Azofarbstoffen in allen erdenklichen Schattierungen herstellbar. Es kommen hierbei folgende Farbstoffe in Betracht, von denen die × bezeichneten ein rötliches, die mit + ein gelbliches Orange liefern: Echtgelb R. × Ponceau 4 G B. + Ponceau 2 G. × Ponceau G T. Ponceau G. × Orange G. + Orange III. Orange G T. Orange I. Orange II. Orange III. (Tropäolin D ). Orange T. Orange N. Orange R R. Resorcingelb. × Säuregelb D. + Metanilgelb. + Brillantgelb. + Gelb seifenecht. In Bezug auf Lichtechtheit steht Orange II obenan; dagegen ist es weniger walkecht als Orange G , Orange R R und Ponceau 4 G B. (Aus- führlicheres über diese Farbstoffe und ihre Anwendung siehe im ersten Teil § 72, c ). § 44. Gelbe Färbungen auf Wolle. Gelb ist eine selbstständige Farbe; der Typus eines reinen Gelb ist die Citronenschale; ein reines Gelb darf auch nicht den geringsten Stich ins Rötliche haben. Ein solches rotstichiges Gelb wäre Orangegelb; ein grün- stichiges Gelb neigt zum Grün hinüber; ein braunstichiges Grüngelb ist das Gelbolive. 1. Direkte gelbe Färbungen . Ein reines neutrales Gelb erhält man mittels Curcuma durch Färben in einer Curcumaabkochung bei 50° R. ohne Beizen und ohne zu kochen. Orangegelb mit Chrysoidin . Färben in neutralem Bade bei 50 bis 55° R. ohne zu kochen. Goldgelb mit Auramin . Färben in neutralem Bade bei 55° R. ohne zu kochen; kalt eingehen. Reingelb mit Phosphin wird in gleicher Weise gefärbt wie die beiden vorigen, ist aber für allgemeine Anwendung zu teuer. Chrysolingelb . Färben in neutralem Bade bei 50 bis 55° R., ohne zu kochen. Flavanilingelb . Färben in neutralem Bade bei 50 bis 55°. 2. Indirekte Färbungen . Reingelb mit Curcuma . Beizen mit Alaun. Ausfärben mit Cur- cuma, ohne zu kochen. Olivengelb mit Gelbholz . Beizen mit 2 bis 3 Prozent Kalium- dichromat. Färben auf frischem Bade mit 20 bis 80 Prozent Gelbholz. 1 ½ Stunden kochen. — Oder: Beizen mit 10 Prozent Alaun, Waschen, und Ausfärben in besonderem Bade mit 20 bis 40 Prozent Gelbholz, ohne zu kochen , bei 65 bis 70° R. — Oder in einem Bade : Färben mit 4 Prozent schwefelsaurer Thonerde, 2 Prozent Oxalsäure und 20 bis 40 Prozent Gelbholz; langsam bis nahe zum Kochen treiben und auf dieser Temperatur 1 Stunde lang erhalten. Echtgelb mit Gelbholz . Beizen mit je 8 Prozent Zinnsalz und Weinstein und Färben in besonderem Bade mit 20 bis 40 Prozent Gelb- holz; ½ bis ¾ Stunde kochen. Gelb mit Fisetholz . Beizen mit Alaun und Thonerde; Ausfärben mit 20 bis 40 Prozent Fisetholz. — Oder: Beizen mit Zinnnitrat und Weinstein; Ausfärben mit 15 bis 25 Prozent Fisetholz. Alle Färbungen mit Fisetgelb sind sehr unecht. Blaßgelb mit Gelbbeeren . Beizen mit Alaun und Weinstein; Ausfärben in besonderem Bade mit 15 bis 30 Prozent Gelbbeeren. Reingelb mit Gelbbeeren . Beizen mit 4 bis 8 Prozent Zinn- chlorür und 2 bis 4 Prozent Weinstein, Ausfärben mit 10 bis 20 Pro- zent Gelbbeeren. — Oder: man ersetzt den Weinstein durch 2 bis 3 Prozent Oxalsäure und färbt dann in einem Bade. Kanariengelb mit Flavin . Färben in einem Bade mit 4 Prozent Zinnsalz und 1 Prozent Flavin. Bis nahe zum Kochpunkt erhitzen und in dieser Temperatur erhalten, ohne zu kochen, 1 bis 1 ¼ Stunde. Helles Olivgelb mit Quercitron . Beizen mit Alaun und Weinstein; Ausfärben in besonderem Bade mit 30 bis 40 Prozent Quer- citron. Ledergelb mit Quercitron . Beizen mit Zinnchlorid, Färben mit einer Abkochung von Quercitron. Echtgelb mit Wau . Beizen durch 1 bis 2 Stunden mit 4 Prozent schwefelsaurer Thonerde, Spülen und Ausfärben auf frischem Bade mit 50 bis 100 Prozent Wau. Kalkfreies Wasser ist hierzu Bedingung. Orangegelb mit Wau . Beizen mit 8 Prozent Zinnsalz. Ausfärben in einer Wauabkochung wie oben. Olivgelb mit Wau . Beizen mit 3 Prozent Kaliumdichromat. Färben in frischem Bade mit 60 Prozent Wau. — Oder: Beizen mit 5 Prozent Kupfervitriol; Ausfärben wie zuvor. Echtgelb mit Galloflavin . Beizen der Wolle mit 3 Prozent Kaliumdichromat. Ausfärben mit Galloflavin in frischem Bade. Die An- wendung des Galloflavins ist dieselbe wie bei Alizarin (siehe § 42) auf Wolle. Brillantgelb mit Chrysolin . Beizen mit Alaun; Ausfärben mit Chrysolin in demselben Bade bis zur Nüance. 3. Färbungen aus saurem Bade . Die Menge der sauren gelben Farbstoffe ist sehr groß, da außer einer Anzahl von Azofarbstoffen die sämtlichen Nitrofarbstoffe zum Gelbfärben von Wolle in saurem Bade dienen. Die Anwendung der letzteren in der Praxis ist zwar ebenso einfach wie die der Azofarbstoffe, aber sie läßt sich nicht bei allen nach derselben Methode ausführen. Pikrinsäure wird ohne Glaubersalz nur mit Schwefelsäurezusatz ge- färbt; man braucht 1 bis 4 Prozent Pikrinsäure und kocht ½ bis 1 Stunde. Die Pikrinsäurefärbung ist jedoch sehr unecht und nicht zu empfehlen. Naphtolgelb wird in einem Bade mit Schwefelsäure oder an deren Stelle mit Alaun gefärbt; auch mit Glaubersalz und Schwefelsäure läßt es sich anwenden. Neugelb (Flavaurin), Aurantia und Brillantgelb werden in einem Bade lediglich unter Schwefelsäurezusatz gefärbt. In gleicher Weise kann Flavanilin mit wenig Schwefelsäure gefärbt werden. Naphtolgelb S , einer der echtesten und am meisten angewandten Farbstoffe, wird am besten mit Glaubersalz und Schwefelsäure gefärbt. Citronin ebenfalls. Chinolingelb wird mit Glaubersalz und Schwefelsäure gefärbt. Es gibt schön grünstichige Nüancen. Tartrazin läßt sich wie ein Azofarbstoff mit Glaubersalz und Schwefel- säure auffärben. Isatingelb gibt in saurem Bade ähnliche grünstichige Töne, wie Chinolingelb. Die Azofarbstoffe werden sämtlich mit Glaubersalz und Schwefel- säure gefärbt; die rötlich gelben Nüancen sind mit + bezeichnet: Echtgelb R. + Resorcingelb. + Metanilgelb. + Curcumeïn. Ponceau G. + Säuregelb D. + Brillantgelb. + Azogelb. In Bezug auf die Lichtechtheit der gelben Wollfarbstoffe stehen nach Kertész Echtgelb, Metanilgelb und Chrysoin obenan; dieselben sind gleich- zeitig auch die widerstandsfähigsten gegen die Walke. — Flavin, so ausge- zeichnete Färbungen es auch gibt, ist in Bezug auf Lichtbeständigkeit nichts weniger als echt. § 45. Grüne Färbungen auf Wolle. Ich möchte hier zunächst dem allgemeinen Vorurteil entgegentreten, daß Grün eine Mischfarbe sei. Grün ist keine Mischfarbe in dem Sinne, wie etwa Violett. Ein reines Gelb und ein reines Blau gemischt, geben nämlich kein Grün, wie die meisten glauben werden, son- dern Schwarz . In keiner grünen Farbe vermag das Auge Gelb oder Blau zu entdecken; das Grün ist eine selbstständige Farbe. Daß man, wie jedermann und vollends jedem Färber bekannt ist, gelbe und blaue Farben zu Grün vermischen kann, hat seinen Grund in physikalischen Ursachen, in dem ungleichen Absorptionsvermögen gelber und blauer Farbstoffe für alle Lichtstrahlen. Und zwar lassen sich nur grünstichig gelbe und grünstichig blaue Farben zu Grün vermischen, wogegen rotstichiges Gelb und rotstichiges Blau niemals ein Grün, sondern höchstens ein Olive oder ein Braun er- gibt. — Alle grünen Farben haben entweder einen rein grünen, oder einen gelblich grünen oder bläulich grünen Ton. Die letzteren sehen bei künstlicher Beleuchtung blau aus, die ersteren bleiben auch bei Licht grün und heißen deshalb „Lichtgrün“ oder „Nachtgrün“. Die Zahl walkechter grüner Farbstoffe ist sehr gering; von selbst- ständigen Farbstoffen sind wir dabei lediglich auf das Coeruleïn und Aliza- ringrün (s. Nachtrag) angewiesen; von blauen und gelben Farbstoffen zum Mischen von Grün auf Indigo, Indigokarmin, Alizarinblau, Blauholz und Gelbholz. 1. Direkte grüne Färbungen . Die Zahl der neutralen grünen Wollfarbstoffe ist gering und von den 6 in Betracht kommenden färbt keiner direkt ohne Beize oder ohne Zusatz von Säuren. Sie werden daher auch erst unter 2. oder 3. erwähnt werden. 2. Indirekte grüne Färbungen . Grün mit neutralen Farbstoffen . Wir haben hier mit der noch unaufgeklärten Thatsache zu rechnen, daß präzipitierter Schwefel für eine Anzahl grüner Farbstoffe eine ziemlich große Verwandtschaft besitzt, so daß mit Schwefel gebeizte Wolle die betreffenden Farbstoffe mit Leichtigkeit fixiert, während ungebeizte Wolle sich so gut wie indifferent verhält. Ueber das Beizen mit Schwefel siehe § 40. In dieser Weise erhält man mit Malachitgrün, Methylgrün, Aethylgrün, Brillantgrün und Viktoriagrün 3 B die besten Färbungen. Man geht mit der schwefelge- beizten und gewaschenen Wolle direkt ins Färbebad und färbt darin ohne weiteren Zusatz unter allmählicher Steigerung der Temperatur in bekannter Weise. Malachitgrün gibt ein reines Grün, Brillantgrün ist gelbstichig, Methyl- und Aethylgrün sind bläulichgrün, Viktoriagrün 3 B blaugrün. Malachitgrün und Brillantgrün können auch auf ungebeizte Wolle, dann aber in einem schwach essigsauren Bade gefärbt werden; diese Färbungen schmutzen jedoch leicht ab. Kertész empfiehlt deshalb noch einen Zusatz von etwa 3 Prozent Alaun zum sauren Färbebade. Methyl- und Aethylgrün lassen sich auch in besonderem Bade auf mit essigsaurem Zink oder essigsaurem Natron vorgebeizte Wolle fixieren (G. Schultz und Julius ). Jodgrün wird auf mit Zinnchlorid vorgebeizter Wolle in frischem Bade gefärbt. Färben mit Coeruleïn . Für durchaus echte dunkle Grünfärbungen empfehle ich, besonders für Stückware, das Coeruleïn in Teigform oder das Coeruleïn S , welches in Wasser löslich ist. Ueber die Einzelheiten seiner Anwendung vergl. § 73, b. Zum Fixieren von Coeruleïn kann man außer Kaliumdichromat und Weinstein auch die anderen für Alizarinfarbstoffe üblichen Beizen anwenden. Hummel empfiehlt auch Beizen mit Kaliumdichromat und Oxalsäure. Mit Aluminiumsulfat erhält man je nach der angewandten Farbstoffmenge ein helleres oder dunkleres Bläulichgrün. Auch kann man das Coeruleïn in Soda auflösen; zum Färben der Wolle kocht man dieselbe in dieser Lösung, wobei die Wolle mit der Lösung imprägniert wird, und fügt am Ende des Prozesses langsam Schwefelsäure zu, wodurch der Farbstoff in der Faser, resp. auf der Faser abgeschieden wird, ähnlich dem Indigo, wenn sich derselbe aus der Küpe unlöslich abscheidet. Thatsächlich ist diese Methode der Coeruleïnfärberei eigentlich eine Coeruleïn-Sodaküpe. Dunkelgrün kann außer mit Coeruleïn auch mit Holzfarben herge- stellt werden: Beizen mit 3 Prozent Kaliumdichromat, 4 Prozent Alaun, 1 ½ Prozent Weinstein; Ausfärben in besonderem Bade mit 25 Prozent Blauholz, 12 ½ Prozent Gelbholz. 1 ½ Stunden kochen lassen. 3. Färbungen aus saurem Bade . Die sauren grünen Wollfarbstoffe werden mit Glaubersalz und Schwefel- säure ausgefärbt oder mit etwas Alaun und dem Dreifachen des Eigengewichts an Schwefelsäure nach der bekannten Methode. Auf diese Weise sind anzu- wenden: Säuregrün, Guineagrün B und Echtgrün . Das Naphtol- grün verlangt einen Schwefelsäurezusatz und als Hauptbedingung eine kleine Menge eines Eisensalzes, z. B. Eisenvitriol. 4. Mischfarben . Um mit natürlichen Farbstoffen echt Grün auf Wolle zu färben, gibt man derselben je nach der zu erzielenden Nüance einen helleren oder dunkleren Indigogrund in der Küpe und spült. Dann beizt man mit 3 Prozent Kaliumdichromat, 8 Prozent Alaun, schäumt die an der Oberfläche des Bades sich sammelnden Unreinigkeiten ab, setzt 3 Prozent Zinnsalz und 3 Prozent Schwefelsäure zu und färbt in besonderem Bade mittels Gelb- holzextrakt und 2 Prozent Alaun. Der Prozentsatz Gelbholzextrakt richtet sich nach dem zu erzielenden Farbenton. — Oder man kocht zuerst mit Gelb- holz und setzt dem Färbebade Alaun, Weinstein und Indigokarmin bis zur Nüance zu. — Noch bequemer färbt man die Wolle auf der Küpe himmel- blau an und färbt in einem warmen Flavinbade. — Statt Flavin kann man auch Pikrinsäure anwenden, ebenso Naphtolgelb S und Echtgelb. — Am bequemsten ist die Verwendung von Indigokarmin und Flavin, Naphtolgelb S und Echtgelb in einem Bade. — Dunkelgrüne Färbungen kann man auch so erzeugen, daß man 2 Stunden hindurch mit Gelbholz, Alaun und Wein- stein vorbeizt, spült und dann das Grün in der Küpe entwickelt. — Aehn- lich ist das Verfahren zum Färben des Billardtuches : Man bereitet eine schwache Abkochung von Gelbholz, schüttet in das Bad etwas Sächsisch- blau und löst darin Alaun und Weinstein. Darauf geht man mit der Ware ein, läßt 2 Stunden kochen, spült und geht auf ein frisches Gelbholzbad, zu welchem abermals eine kleine Menge Sächsischblau gesetzt ist und färbt hierin aus. In Bezug auf Lichtechtheit ist Coeruleïn das beste Grün; es ist auch vollkommen walkecht und schmutzt nicht ab. Auch Säuregrün und Indigokarmingrün sind ziemlich walkecht und schmutzen fast gar nicht ab; dagegen sind sie nicht eben lichtecht und werden in letzterem Punkte von Malachitgrün, Brillantgrün und Methylgrün übertroffen. § 46. Blaue Färbungen auf Wolle. Die Blaufärbungen sind entweder reinblau, oder sie ziehen ins Grüne oder ins Rötliche hinüber, sind grünstichig oder rötlichblau . Bei Tages- licht sind diese Unterschiede, selbst für den Geübten, nicht immer leicht heraus- zufinden. Bei Lampenlicht treten diese Unterschiede sehr deutlich hervor. Dies ist die Ursache, warum so viele blaue Farben bei Lampenlicht grün erscheinen; alle diese Blaus sind grünstichig; die rotstichigen zeigen bei Lampen- licht ein deutliches Violett, die rein blauen erscheinen auch bei künstlicher Beleuchtung blau und werden „Lichtblau“ oder „Nachtblau“ genannt. 1. Direkte blaue Färbungen . Eine direkte Färbung mittels Indigo ist eigentlich die Hyposulfitküpe. Doch will ich, um sie nicht aus ihrem natürlichen Zusammenhang heraus- zureißen, dieselbe hier nicht vereinzelt behandeln, zumal das Gebiet der Küpenfärberei weiter unten in einem besonderen Paragraphen ausführlich behandelt werden wird . — Hierher sollen vielmehr nur diejenigen blauen Färbungen gezählt werden, welche durch einfaches Lösen der Farbstoffe im Färbebade und Ausfärben ohne Beizen gewonnen werden können. Von künstlichen organischen Farbstoffen läßt sich hierbei nur das Nilblau verwenden, welches Wolle in neutralem Bade direkt färbt; es sind zwar noch einige neutrale Farbstoffe (Viktoriablau, Nachtblau) vorhanden, welche auch ohne Beize sich auf Wolle färben lassen, aber sie geben im rein wässerigen Bade keine haltbaren Farben, weshalb ich sie erst unter den aus saurem Bade färbenden behandeln werde. Außer mit Nilblau läßt sich noch mit Indigoextrakt direkt färben. Außer dem noch sehr wenig bekannten Nilblau Näheres hierüber s. 1. Teil § 74, S. 198. sind nur noch mit den in § 57, 1 bezeichneten Indigo-Präpa- raten : Indigokarmin in verdünnt schwefelsaurem Bade, Indigokomposition, Indigopräparat und konzentrierte Küpe direkte Blaufärbungen auf Wolle zu ermöglichen. Die erhaltenen Färbungen haben sämtlich einen helleren Ton als die bekannten Indigotöne, sind aber bei weitem weniger lichtecht. 2. Indirekte blaue Färbungen . Indigblau mittels Blauholz . Dieses Blau wird viel angewen- det, um ohne Indigo ein Blau mit Indigoton nur mittels Blauholz zu er- zeugen, andererseits wird es auch vielfach mit Indigo kombiniert. Am besten beizt man die Wolle zunächst mit je 4 Prozent Alaun und Weinstein und färbt in frischem Bade mit 30 Prozent Blauholz unter Zusatz von etwas essigsaurem Kalk. Man verfährt beim Ansieden und Färben wie auch sonst bei Wolle, läßt die Temperatur aber am liebsten nicht über 75° gehen, sondern erhält sie wenig unter dem Kochpunkte. An dieser Stelle möchte ich empfehlen, den essigsauren Kalk durch essigsaures Natron zu ersetzen. Man erhält so ziemlich lebhafte Färbungen. Hummel empfiehlt statt des Beizens mit Alaun solches mit 3 Prozent Kaliumdichromat und 1 Prozent Schwefelsäure, sowie ferner einem kleinen Zusatz von Alizarin, um dem Blauholzblau den kupferigen Ton des Indigos zu geben. Für letzteren Zweck dient auch ein Zusatz von ganz wenig Zinnsalz zum Färbebade am Ende der Operation. — Delmart Die Echtfärberei der losen Wolle. Reichenberg 1888. empfiehlt Beizen mit 13 Prozent Alaun, 5 Prozent Weinstein, 2 ½ Prozent Oxalsäure; Ausfärben im neuen Bade mit 55 Prozent Blauholz. O. Fischer empfiehlt ein Bad, in welchem er Blauholz kochen läßt und bringt dann Alaun, Weinstein und Kupfervitriol hinzu; in dieser Brühe wird die Wolle gekocht; nach dem Ausfärben schönt er in einem Bade von Blauholz, Zinnchlorür, Alaun und Weinstein. Blau mit Blauholz und Indigokarmin . Man färbt mit Indigo- karmin in saurem Bade und fügt dem Färbebade 5 Prozent vom Gewicht der Wolle Alaun zu; nach 1 ½stündigem Kochen färbt man in einer frischen Blauholzflotte bis zur Nüance aus. Kornblumenblau mit Blauholz . Ansieden mit 6 Prozent Kupfer- vitriol und 6 Prozent Blauholz; durch ein lauwarmes Seifenbad passieren, Spülen und Ausfärben in neuem Bade mit 18 Prozent Blauholz, 3 Prozent Fernambukholz, 12 Prozent Alaun, im Färbebade ½ Stunde behandeln, ohne sieden zu lassen. Himmelblau mit Indigokarmin . Beizen mit 10 Prozent Alaun, 10 Prozent Weizenkleie; Ausfärben in besonderem Bade mit 5 Prozent Indigokarmin. Berliner Blau auf Wolle . Man bereitet sich ein Bad aus 10 Prozent vom Gewicht der Wolle rotem Blutlaugensalz, 20 Prozent Schwefelsäure 66° Bé. und 10 Prozent Alaun; man geht mit der Ware kalt ein und treibt allmählich bis zum Kochen, worin man eine reichliche halbe Stunde erhält; dann verhängt man die Ware, bis sich das Blau völlig entwickelt hat. Die Färbungen mit Berlinerblau sind mancher Nüancierun- gen fähig, und zwar wird durch Zusatz von Zinnchlorür oder Zinnsolution gegen das Ende der Kochung ein rotstichiges, durch Zusatz von Salpeter- säure zur Schwefelsäure oder Anwendung von Salpetersäure statt Schwefelsäure ein grünstichiges Blau erhalten. — Statt roten Blutlaugensalzes kann man auch gelbes verwenden. Man bereitet in diesem Falle das Bad mit 10 Pro- zent gelbem Blutlaugensalz und 10 Prozent Salpetersäure von 35° Bé. — Auch kann man Berliner Blau in 2 Bädern erzeugen. In diesem Falle enthält das erste Bad eine Lösung von schwefelsaurem Eisenoxyd von 1,5° Bé. mit Zusätzen von Zinnsalz und Weinstein. Dieses Bad dient gewissermaßen als Beize, mit der die Wolle 2 Stunden bei 25° R. be- handelt wird. Nach dem Spülen kommt die Wolle in das zweite Bad, enthaltend 1 Prozent gelbes Blutlaugensalz und 4 Prozent Schwefelsäure. 2 bis 3 Stunden kochen. Diese Methode ist sehr umständlich. — Beachtens- wert ist das Verfahren von Meitzendorf : man bereitet ein Bad aus rotem Blutlaugensalz, Zinnchlorid, Weinsäure und Oxalsäure, geht hierin kalt mit der Wolle ein, und erwärmt langsam bis zum Entwickeln der Farbe. Diese Methode gibt Farbentöne, die den durch Sächsischblau dargestellten in nichts nachstehen; die Erhöhung oder Verminderung des Zinnchloridzusatzes gestattet ein Nüancieren und die Weinsäure gibt der Farbe ein gewisses Lüster. Alizarinblau . Dieser Anthracenfarbstoff gehört nebst dem Indigo zu den geschätztesten blauen Farben, besonders wegen seiner großen Walk- und Lichtechtheit. Anwendung findet es in gleicher Weise wie alle Alizarin- farben; man beizt mit 3 Prozent Kaliumdichromat und färbt in frischem Bade mit Alizarinblau aus. Ueber das Lösen und die sonstige Hantierung mit Alizarinblau vergl. Erster Teil, § 75. Beizt man statt mit Kalium- dichromat mit Alaun, so erhält man ein Purpurblau , mit Zinnsalz er- hält man ein röteres Purpurblau . Alizarinblau S findet gleiche Anwendung wie das vorige. Indophenolblau N wird wohl kaum in der Wollfärberei verwendet, da die damit erhaltenen Färbungen sehr empfindlich gegen Säuren sind. Soll es jedoch verwendet werden (in Fällen, wo Säureechtheit nicht erforder- lich ist), so stellt man sich durch Reduktion mit Zinnsalz eine Indophenol- küpe her, wie folgt: Man mische zu je 1 kg Indophenol en pâte 9 l Wasser und 300 g krystallisiertes Zinnchlorür und erwärme gelind bis zur Entfärbung. Man säuert die Küpe mit etwas Essigsäure an, und färbt auf derselben während 15 Minuten. Spülen, Centrifugieren und dann auf ein zweites Bad, bestehend in einer kalten, verdünnten, mit Schwefelsäure schwach angesäuerten Lösung von Kaliumdichromat. Nach einem anderen Verfahren bereitet man folgende Mischung: 1 kg Indophenol, 5 l Essigsäure, 5 l essig- saures Zinn, 2½ l essigsauren Kalk 18° Bé. und ½ l holzessigsaures Eisen 10° Bé. Erwärmen zum Zwecke der Küpenbildung und Eingießen der re- duzierten Lösung in 250 l Wasser. In dieser Flotte behandelt man die Ware durch 2 Stunden bei 60°, wäscht und oxydiert in chromsaurem Bade wie oben. — Rosenstiehl empfiehlt eine Indophenolküpe, bestehend aus 1 kg Indophenol, 1 kg Traubenzucker, 8 kg Krystallsoda und 40 l Wasser; Eintauchen der Wolle bei 40° R., 2 Minuten an der Luft vergrünen lassen und oxydieren durch Kaliumdichromat. Vergl. auch § 75, Erster Teil. Blau mit Indazin M. Indazin ist ein neuer im Dezember 1888 in den Handel gebrachter blauer Farbstoff, welcher der Firma Cassella \& Comp . in Frankfurt a. M. patentiert worden ist. Er stellt ein blauschwarzes Pulver dar, das mit rotblauer Farbe löslich ist. Das Lösen wird durch Zusatz von wenig Essigsäure oder Salzsäure befördert. Natronlange gibt einen blauen Niederschlag. Der Farbstoff steht chemisch in nahem Verhältnis zu den von derselben Firma in den Handel gebrachten Neutralfarben. Wie jene aus Nitrosodimethylanilin und Metadiaminen gebildet werden, so wird der neue Farbstoff aus demselben Körper durch Einwirkung von phenyliertem Phenylen- diamin hergestellt. Das Indazin besitzt eine starke Färbedeckkraft und zeich- net sich durch indigoähnliche Farbtöne aus, die einen hohen Grad von Licht- und Seifenechtheit besitzen. Wolle wird in schwach saurem Bade gefärbt. In vorzüglicher Weise wird Indazin mit anderen Farbstoffen gemischt aufgefärbt und zahlreiche walkechte Modetöne erhalten. Man kann auch die Wolle mit doppelt chrom- saurem Kali und Weinstein oder Schwefelsäure vorbeizen und Indazin so- dann als Untergrund oder als Aufsatzfarbe für Holzfarben benutzen oder in Mischung mit denselben. (Vergl. auch den Nachtrag.) Anilinblau und Diphenylaminblau können für indirekte Färbungen Verwendung finden, wenn man die Wolle mit 5 Prozent Alaun, 2 Prozent Schwefelsäure und 1 Prozent Zinnchlorid vorbeizt und in besonderem (oder auch in demselben) Bade mit dem mit 50prozentigem Alkohol gelösten und in kleinen Portionen zum Farbbade zugegebenen Anilinblau ausfärbt. Dabei wird der Farbstoff zwar ausgefällt, aber in so fein verteiltem Zustande, daß er dem Bade successive von der Faser entzogen werden kann. Es ist auffallend, wie gerade bei den blauen Farbstoffen die üblichen Beiz- und Färbemethoden abweichen; so werden die nachfolgenden 2 stark sauren Farbstoffe: Alkaliblau und Alkaliblau D nicht aus saurem Bade gefärbt, sondern indirekt, indem die Wolle zuerst in einem Bade von je 5 Prozent Soda und Borax gebeizt, gespült und dann in einem besonderen Bade mit Alkaliblau unter Zusatz von Schwefelsäure ausgefärbt wird. Vergl. auch § 76. 3. Blaue Färbungen aus saurem Bade . Die neutralen blauen Farbstoffe Viktoriablau B, Nachtblau und Viktoriablau 4 R färben zwar Wolle substantiv, sie geben aber echtere Färbungen mit Zusatz von Essigsäure zum Färbebade; man kann indessen auch, wie sonst bei sauren Farbstoffen üblich, mit Glaubersalz und Schwefel- säure ausfärben. Wasserblau wird wie üblich mit Glaubersalz und Schwefelsäure an- gewendet. Kertész empfiehlt einen Zusatz von 1 Prozent Zinnchlorid und 3 bis 4 Prozent Alaun behufs Erzielung lebhafterer und egalerer Nüancen. Die Verwendung des Wasserblau ist jedoch nur eine beschränkte. Mit Indulin erhält man helle bis tiefe Indigotöne, mit Nigrosin mehr graublaue Töne. Beide Farbstoffe werden in schwefelsaurem Bade ohne oder mit Zusatz von Glaubersalz gefärbt. In Bezug auf Walkechtheit und Nichtabschmutzen stehen unter den blauen Farbstoffen Alizarinblau und Anilinblau oben an, in Bezug auf Lichtechtheit Alizarinblau und Indigokarmin ( Kertész ). Es erübrigt hier noch zu bemerken, daß eine große Anzahl blauer Färbungen auf Wolle durch Anblauen auf der Küpe und Uebersetzen mit andern blauen Farbstoffen (Aufsatzblau) erzeugt werden. Derartige Fär- bungen sollen im Pragraphen über Indigofärberei gleichfalls Erwähnung finden. § 47. Violette Färbungen auf Wolle. Die violetten Farben sind entweder reinviolett oder blauviolett oder rotviolett und lassen sich auch durch Mischen von Blau und Rot in wechseln- den Verhältnissen erzielen: Violett ist eine Mischfarbe. 1. Direkte violette Färbungen . Die Verwandtschaft der Wollfaser zu den neutralen violetten Farbstoffen ist eine sehr bedeutende; man erhält daher besonders schöne und echte Fär- bungen durch einfaches Färben in neutralem Bade ohne irgend welchen Beiz- zusatz mit folgenden Farbstoffen: Methylviolett B. Benzylviolett. Aethylviolett. Krystallviolett. Hofmanns Violett. Reginaviolett. Man vergl. auch § 78 (Erster Teil). Man kann auch mit Gallocyanin, obgleich dieses ein Alizarinfarbstoff ist, ohne zu beizen, Wolle violett färben; doch ist die Färbung nicht schön und beständig genug und man thut wohl, lieber nur nach vorherigem Beizen zu färben. 2. Indirekte violette Färbungen . Violett mit Blauholz . Die Wolle wird vorgebeizt mit 2 Prozent Weinstein, 10 Prozent Alaun und 2 Prozent Weizenkleie; Spülen und Aus- färben in besonderem Bade mit 12 Prozent Blauholz. In ½ Stunde zum Kochen treiben, aufheben, zur Flotte etwas Salmiakgeist zufügen, mit der Ware wieder eingehen, und im Bade, ohne zu kochen, bei mäßiger Tempera- tur noch ¼ Stunde behandeln. (Veraltet.) Veilchenblau mit Blauholz . Beizen mit 7½ Prozent Alaun, 2½ Prozent Weinstein, 3¾ Prozent Kupfervitriol und 3¾ Prozent Zinn- salz nebst 5 Prozent Schwefelsäure 66° Bé. Spülen und Ausfärben in besonderem Bade mit 7½ Prozent Blauholz. Die Temperatur darf 70° R. nicht übersteigen, die Dauer des Färbens nicht länger als ½ Stunde währen. Soll das Violett dunkel werden, so setzt man mehr Blauholz hinzu, verlangt man sehr helle, bläuliche Schattierungen, so muß man die Menge des Zinnsalzes vermehren. Violett mit Orseilleextrakt . Lösen des Extrakts im Färbebade und Ausfärben der Wolle unter vorsichtigem Zusatz von Salmiakgeist bis zur Nüance. Erhöhen der Temperatur nicht über 70° R. Violett aus Alizarin . Beizen mit 6 bis 12 Prozent Eisenalaun und 4 bis 7 Prozent Weinstein; Ausfärben in besonderem Bade mit3½ bis 7 Prozent Alizarin je nach Nüance unter Hinzugeben von 1 bis 2 Prozent essigsaurem Kalk. Violett mit Gallocyanin . Beizen mit 3 Prozent Kaliumdichromat ohne Schwefelsäurezusatz. Ausfärben in frischem neutralem Bade mit 10 bis 15 Prozent Gallocyanin. Kalt eingehen und allmählich bis auf 55° R. erwärmen und in dieser Temperatur 1 Stunde erhalten. Schöne lebhaft blauviolette Färbungen, welche durch Zusatz von Gelbbeerextrakt oder Quer- citron in tief indigoblaue Töne übergeführt werden können und durch diese Modulationsfähigkeit sich schnell beliebt gemacht haben. Violett mit Galleïn . Man beizt und färbt genau wie bei Gallo- cyanin, treibt aber das Färbebad bis zum Kochen. Vergl. auch § 79. Rotviolett mit Galleïn . Beizen mit 5 Prozent Alaun und 5 Prozent Weinstein; Ausfärben mit Galleïn in besonderem Bade; kalt eingehen, bis zum Kochen erhitzen und einige Zeit im Kochen erhalten. Schwarzviolett mit Galleïn . Beizen mit Eisenvitriol und Wein- stein. Ausfärben in besonderem Bade, wie oben. Blauviolett mit Prune . Beizen mit 3 Prozent Kaliumdichromat ohne Zusatz von Schwefelsäure. Färben in besonderem Bade unter denselben Vorsichtsmaßregeln, wie bei Gallocyanin angegeben. 3. Färbungen aus saurem Bade . Zum Färben in einem Bade mit Glaubersalz und Schwefelsäure eignen sich sämtliche in § 80 (Erster Teil) genannten Farbstoffe: Rotviolett 4 RS, Rotviolett 5 RS, Säureviolett 6 B, Reginaviolett und Blauschwarz B. Die Anwendung ist die gleiche, wie bei Fuchsin S, auch die Nüancen erinnern daran, sind aber bläulicher. Säureviolett ist ein reines Violett, Blauschwarz ein Blauviolett, die 3 übrigen zeigen rotviolette Färbungen. Durch Kom- binieren untereinander, sowie mit anderen roten oder blauen sauren Farb- stoffen lassen sich alle erdenklichen Nüancen und Töne hervorbringen. 4. Mischfarben . Da wir prächtige neutralfärbende, indirekt färbende und sauer färbende violette Farbstoffe in genügender Anzahl besitzen, so haben Mischfarben heute nicht mehr die Wichtigkeit, wie ehedem, als fast alle violette Färbungen durch Kombinieren von Indigoblau mit einem entsprechenden Rot hergestellt wurde. Da wir indessen auch heute noch sehr viel mit Indigo färben und das Küpenblau in gewissem Sinne sogar als Grundfarbe für eine Anzahl von Wollfarben betrachtet wird, so werden doch noch vielfach Wolle auf der Küpe angeblaut und dann durch Ausfärben in den Lösungen roter Farbstoffe in Violett übergeführt. Hier einige Beispiele. Violett aus Indigo und Cochenille . Man gibt der Ware auf der Küpe einen himmelblauen Grund, spült dann, beizt mit 25 Prozent Alaun und 20 Prozent Weinstein und fügt schließlich demselben Bade ⅓ Prozent Cochenille hinzu und kocht bis zur Nüance. Violett aus Sächsischblau und Cochenille . Beizen mit Alaun und Weinstein, oder auch mit Zinnsalz, Färben mit Sächsischblau unter ent- sprechendem Zusatz von Pottasche und unter schließlicher Zugabe von Cochenille bis zur gewünschten Nüance. Der Vollständigkeit möge noch erwähnt sein, daß man durch Vermischen neutraler roter und blauer, sowie schwach saurer roter und blauer künstlicher organischer Farbstoffe sich alle möglichen violetten Abstufen von Violett nach Rot und Blau mühelos herstellen kann. Nach Kertész ist das Galleïn fast vollkommen walkecht und schmutzt nicht ab; in Bezug auf Lichtechtheit wird es von Blauschwarz und Säure- violett überragt. § 48. Braune Färbungen auf Wolle. Braun ist kein reiner Farbstoff, sondern eine Mischung, bei welcher Rot und Schwarz den Grund bilden. Je nachdem hierzu Orange, Gelb, Grün oder Blau hinzutritt, erhält man alle jenen Nüancen, welche als Braun, Rotbraun, Gelbbraun und Olive bezeichnet werden. 1. Direkte braune Färbungen . Diese erzielt man am einfachsten mit Bismarckbraun. Färben in ein- fachem neutralem Bade ohne irgend welche Beizen. Auch durch einfaches Abkochen der Wolle mit Eichenrinde erhält man ein dauerhaftes Braun. Ein dunkles Rotbraun ist auch durch Färben von Granat oder Marron in neutralem Bade zu erzielen. 2. Indirekte braune Färbungen . Die Zahl dieser ist sehr groß, und man kann auf alle mögliche Art dahin gelangen. Hier können unmöglich alle Methoden zum Braunfärben von Wolle hergezählt werden, sondern ich kann von den verschiedenen Metho- den nur einige Beispiele anführen. Catechubraun . Kochen der Wolle im Färbebade mit Catechu 10 bis 20 Prozent, je nach Nüance, bei 65 bis 80° R. und Dunkeln auf frischem Bade mit Kupfervitriol, Eisenvitriol oder Kaliumdichromat. Das so erzielte Braun kann durch Zufügen von Rothölzern oder Blauholz oder Alizarin nüanciert werden. Diese braunen Färbungen sind besonders echt, werden aber verhältnismäßig selten angewendet. Bordeauxbraun mit Rotholz . Beizen mit 3 Prozent Kalium- dichromat; Ausfärben in besonderem Bade mit 30 bis 40 Prozent Rotholz. — Oder: Beizen mit 4 Prozent Kupfervitriol; Ausfärben in neuem Bade mit 30 bis 40 Prozent Brasilienholz. — Oder: Beizen mit 3 Prozent Kaliumdichromat; ausfärben auf frischem Bade mit 40 bis 80 Prozent Bar- wood. — Oder: Abkochen der Wolle mit 60 Prozent Sandelholz; abdunkeln mit 8 Prozent Kupfervitriol. — Oder: Beizen mit 5 Prozent Eisenvitriol, 10 Prozent Weinstein; ausfärben in besonderem Bade mit 40 bis 80 Pro- zent Camwood. Rötlichbraun mit Krapp . Beizen mit 3 Prozent Kaliumdichro- mat; ausfärben in besonderem Bade mit 60 bis 80 Prozent Krapp. — Oder: Beizen mit 7,5 bis 10 Prozent Alaun und 5 bis 7,5 Weinstein und ausfärben in frischem Bade mit 60 bis 80 Prozent Krapp. — Oder: Beizen mit 10 Prozent Eisenalaun; Ausfärben mit 60 bis 80 Prozent Krapp. — Oder: Beizen mit Kupfervitriol und Weinstein oder auch mit Eisenvitriol und Weinstein und ausfärben in besonderem Bade mit Krapp nach Muster. Lebhaftes Braun mit Eichenrinde . Vorbeizen mit Alaun; be- handeln in einer Eichenrindenabkochung. Braunoliv mit Gelbholz . Beizen mit 4 Prozent Kaliumdichro- mat; ausfärben in besonderem Bade kochend mit 20 bis 80 Prozent Gelbholz. Rehbraun mit Gelbholz . Beizen mit Zinnchlorid; ausfärben mit Gelbholz. Olive mit Gelbholz . Beizen mit 4 bis 5 Prozent Kupfervitriol, 3 bis 4 Prozent Weinstein; ausfärben in besonderem Bade mit Gelbholz. — Oder: Abkochen der Wolle in einem Bade mit 8 Prozent Eisenvitriol und Gelbholz nach Bedarf. Rötlichbraun mit Fisetholz . Beizen mit 3 Prozent Kalium- dichromat. Ausfärben in frischem Bade mit geraspeltem Fisetholz bis zum gewünschten Ton. Rötlichbraun mit Gelbbeeren wird genau in der gleichen Weise, wie mit Fisetholz erhalten. Olivbraun aus Gelbbeeren . Beizen mit 4 Prozent Kupfervitriol, ausfärben mit 10 bis 40 Prozent Gelbbeeren, je nach Nüance. Besonders lichtechte Farbe ! Braunoliv mit Curcuma . Beizen mit 2 Prozent Kaliumdichro- mat; ausfärben mit Curcuma bis zur Nüance; die Temperatur des Färbe- bades darf 50° R. nicht überschreiten. Braun mit Curcuma . Beizen mit 6 Prozent Eisenvitriol; aus- färben in besonderem Bade mit gemahlener Curcuma. Bordeauxbraun aus Alizarin . Beizen mit 3 Prozent Kalium- dichromat und 1 Prozent Schwefelsäure. Färben in frischem Bade mit 10 Prozent Alizarin in Teig. — Oder: Beizen mit 8 bis 12 Prozent Chromalaun und 6 bis 8 Prozent Weinstein und ausfärben mit 2 bis 7 Prozent Alizarin (20prozentigem) unter Zusatz von 3 bis 8 Prozent essigsaurem Kalk, oder mit 2 bis 4 Prozent Kaliumdichromat und ½ bis 1 Prozent Schwefelsäure und ausfärben in besonderem Bade mit 3,5 bis 7 Prozent Alizarin (20proz.) und 1 bis 2 Prozent essigsaurem Kalk ( Ker- tész ). Zum Färben brauner Töne ist, wie ich schon an anderer Stelle ausführlicher erläutert habe, das Purpurin oder Alizarin Nr . 6 am Ganswindt , Färberei. 34 meisten geeignet. Auch ist ein Zusatz von essigsaurem Kalk , welchen ich zum Hervorrufen rein roter Nüancen als schädlich bekämpft habe, in diesem Falle, zur Erzeugung brauner Töne, sehr zu empfehlen . Braune Färbungen mit Nitroalizarin . Beizen mit 4 bis 6 Prozent Kupfervitriol und Ausfärben in besonderem Bade mit Alizarin- orange, je nach Nüance, gibt ein angenehmes Bräunlichrot. — Durch Vor- beizen mit 6 bis 8 Prozent Eisenvitriol erhält man ein Purpurbraun. — Durch Vorbeizen mit 3 bis 15 Prozent Kaliumdichromat erhält man rötlich- braune bis dunkelbraune Töne. Braune Färbungen mit Authracenbraun . Ueber die An- wendungsweise und die Art der Beizung vergl. Erster Teil, § 81. Braun mit Tuchrot B. Ausfärben in einem Bade mit ⅓ Pro- zent Tuchrot B, 4 Prozent Myrobalanen, 10 Prozent Gelbholzextrakt und 4 Prozent Kupfervitriol. Abdunkeln mit 1 Prozent Eisenvitriol. ( Oehler .) Sandelbraun in einem Bade (nach Oehler ). Abkochen mit 10 Prozent Sumach, 10 Prozent Gelbholz, 30 Prozent Sandel, 2 Prozent Blauholz. 1½ bis 2 Stunden kochen; zusetzen 2 Prozent Kupfervitriol. ½ Stunde kochen. Dunkeln in besonderem Bade mit 5 Prozent Eisen- vitriol. Braun auf küpenblauem Grund kann durch Ausfärben mit Gelb- holz, Krapp und ähnlichen Materialien in allen Tönen hergestellt werden. Braun mit Orseilleextrakt . Kochen mit 4 Prozent Orseilleextrakt, 4 Prozent Weinstein, ⅕ Prozent Blauholz. Nachdunkeln mit 1 Prozent Indigokarmin. Kastanienbraun . Ankochen mit Kaliumdichromat, Weinstein und Orseille. Ausfärben in besonderem Bade mit Gelbholz, Rotholz und Blauholz. Zimmtbraun . Beizen mit 2 Prozent Kaliumdichromat, 2 Prozent Alaun, 1 Prozent Oxalsäure. Ausfärben in besonderem Bade mit 60 Pro- zent Gelbholz, 10 Prozent Krapp. Braunoliv . Kochen mit 50 Prozent Gelbholz, 10 Prozent Krapp, ⅙ Prozent Persio, 1/12 Prozent Kaliaturholz, 2 Prozent Weinstein, ⅙ Prozent Kupfervitriol; nach 1½ stündigem Kochen abdunkeln in besonderem Bade mit wenig Eisenvitriol. Goldbronze . Kochen 2 Stunden lang mit 30 Prozent Gelbholz, 40 Prozent Krapp, 3 Prozent Sandel, 1½ Prozent Kupfervitriol. 3. Braune Färbungen aus saurem Bade . Nach der bekannten Methode, mit Glaubersalz und Schwefelsäure, lassen sich die folgenden sauren Farbstoffe auf Wolle färben: Säurebraun G. Echtbraun G. — (M. L. \& B.) — (B. \& Comp.) Resorcinbraun. Säurebraun R. Echtbraun 3 B. — (Bad. Anil.- u. Sodaf.) Von den braunen Farbstoffen ist das Resorcinbraun das am meisten walkechte; am meisten lichtecht aber ist das Echtbraun. § 49. Graue und schwarze Färbungen auf Wolle. Grau ist vom physikalischen Standpunkt nur ein helles oder ein mit Weiß gemischtes Schwarz; Schwarz aber ist überhaupt keine Farbe, sondern kennzeichnet nur die Abwesenheit jeglicher Farbe , im Gegensatz zum Weiß, welches die gleichzeitige Anwesenheit aller Farben versinn- bildlicht. Die Körper, welche unserm Auge schwarz erscheinen, absorbieren eben alle Lichtstrahlen so vollständig, daß keiner in unser Auge zurückgeworfen wird. Würden die verschiedenfarbigen Lichtstrahlen alle gleichmäßig stark ab- sorbiert, so erscheint das Schwarz unserm Auge als reines Schwarz, Kohlschwarz oder Tiefschwarz , wird jedoch irgend ein Lichtstrahl minder stark absorbiert, als die übrigen, so erscheint das Schwarz rötlich, grünlich oder Bläulichschwarz oder Violettschwarz. Schwarze Farbstoffe in dem üblichen Sinne des Wortes gab es bis vor wenigen Jahren nicht (die Alten kannten schwarze Farben überhaupt nicht; auch in der Natur gibt es außer dem Schwarz des Augapfels — dem Melanin — keinen einzigen schwarzen Farbstoff), und selbst das schon seit längerer Zeit bekannte Anilinschwarz ist kein in Substanz vorhandener Farb- stoff, sondern lediglich das Produkt eines Oxydationsprozesses auf resp. in der Faser. Erst seit wenigen Jahren existieren schwarze Farbstoffe im vollen Sinne des Wortes, von denen für die Wollenfärberei in Betracht kommen: Violettschwarz. Wollschwarz. Alizarinschwarz. Naphtolschwarz. Im übrigen sind wir auf die Erzeugung schwarzgrüner oder schwarz- blauer Töne aus Holzfarben oder aus Gerbsäure und Eisen beschränkt. 1. Direkte schwarze Färbungen . Hierfür ist das noch wenig bekannte Violettschwarz zu benutzen, welches Wolle in neutralem Bade ohne Beizen violettschwarz färbt. Hierhin gehört scheinbar auch das sog. Direktschwarz oder Kaiserschwarz; dasselbe ist jedoch kein Farbstoff, sondern lediglich ein Gemisch von Blauholzextrakt mit Eisen- und Kupfervitriol, also von Farbstoff und Beize. Von einem direkten Färben kann also gar keine Rede sein. 2. Indirekte schwarze Färbungen . Die Basis fast aller dieser Farben ist das Blauholz, welches entweder in Verbindung mit Kaliumdichromat oder Eisenvitriol oder Kupfervitriol oder Küpenblau zur Verwendung gelangt. Darnach unterscheidet man in der Hauptsache: Chromschwarz, Eisenschwarz, Direktschwarz, Wollschwarz. Chromschwarz . Das normale Chromschwarz wird gebildet durch Vorbeizen der Wolle mit 3 Prozent Kaliumdichromat, 1 Prozent Schwefel- säure von 66° Bé. und Ausfärben in frischem Bade mit 35 bis 40 Prozent Blauholz unter Kochen oder der entsprechenden Menge Blauholzextrakt. Das so gewonnene Schwarz ist ein Blauschwarz . Durch Zusätze zum Beiz- bade oder zum Färbebade oder zu beiden ist man in den Stand gesetzt, dieses Schwarz mehrfach zu nüancieren. Vom Färben des Blauholzblaus 34* auf Wolle wissen wir bereits, daß dieses Blau durch einen geringen Zusatz von Chlorzinn gegen das Ende des Färbens in ein rötliches Blau umge- wandelt werden kann; verwenden wir diese Erfahrung beim Blauschwarz und fügen wir gegen das Ende der Kochung 2 Prozent Zinnsalz zum Färbe- bade, so erhalten wir ein Violettschwarz . Weiter wissen wir aus der Betrachtung der grünen Farben, daß ein rein blauer und ein rein gelber Farbstoff nicht Grün, sondern Schwarz geben; fügen wir zum Blauholz noch Gelbholz in das Färbebad, etwa 5 Prozent, so erhalten wir ein Neutralschwarz , d. h. ein Schwarz, welches keinerlei Nebenfarben zeigt. Wird der Gelbholzzusatz erhöht, etwa auf 10 Prozent und darüber, so daß der gelbe Farbstoff in größeren Mengen vorhanden ist, als zur Neutrali- sation des blauen Farbstoffes notwendig ist, so erhalten wir ein Grün- schwarz . Die auf einer der vorstehenden Methoden erhaltenen Schwarz- färbungen werden nicht selten noch mit Eisenvitriol oder Kupfervitriol ge- dunkelt. Delmart gibt in seinem Buche Die Echtfärberei der losen Wolle. Reichenberg, 1888. eine etwas abweichende Vorschrift; er empfiehlt: Beizen mit 3 Prozent Kaliumdichromat, 1¾ Prozent Kupfer- vitriol, 2 Prozent Alaun, 3 Prozent Schwefelsäure und Ausfärben in be- sonderem Bade mit 9 Prozent I a Blauholzextrakt; eventuell Nachdunkeln mit 1 Prozent Kupfervitriol. Dieses Schwarz soll besonders lebhaft sein. Chromschwarz kann man auch nach Ganswindt in einem Bade erzielen, wie folgt: 6 Prozent Hämateïn ( Hématine von Guinon in Havre), ½ Prozent Gelbholzextrakt, 3 Prozent Kaliumdichromat, 3 Prozent Wein- säure. Durch halbstündiges Erhitzen nicht über 75° R. erhält man eine tiefschwarze Flotte; mit der genetzten Wolle eingehen, 1 Stunde kochen, am Ende der Kochung hinzufügen 2 Prozent Eisenvitriol, 1 Prozent Kupfer- vitriol. Ueber Nacht im Bade lassen, am nächsten Morgen aufheben, im Korbe nachdunkeln lassen und spülen. Hummel Färberei und Bleicherei der Gespinnstsasern . Berlin, 1888. empfiehlt für den gleichen Zweck folgendes Verfahren: Kochen einer Mischung von Blauholzabsud mit der entsprechenden Menge Kalium- dichromat; Sammeln des dabei entstehenden Niederschlages; man erhält einen Teig, welchen man zum Färbebade mit einer solchen Menge Oxalsäure hinzu- setzt, als gerade nötig ist, denselben aufzulösen; in dieser Lösung wird die Wolle 1 Stunde lang gekocht; das erzielte Schwarz soll indessen matt sein. Eisenschwarz . Die zusammensetzenden Elemente des Eisenschwarz sind Eisenoxydulsalze einerseits und Blauholz andererseits. In diesem Falle spielt das Eisen thatsächlich die Rolle einer Beize. Wollte man ein reines Eisenschwarz darstellen durch Beizen der Wolle mit Eisenvitriol, so erhielte man nach dem Ausfärben ein bläulichviolettes sehr mattes Schwarz. Zur Vermeidung eines solchen beizt man außer mit Eisenvitriol noch mit Alaun, Weinstein und Kupfervitriol und fügt zur Erzielung eines reinen Schwarz wohl auch Gelbholz hinzu. Statt Eisenvitriol läßt sich vorteilhaft auch holz- saures Eisen zum Beizen verwenden; dasselbe ist meines Erachtens viel vor- teilhafter als Eisenvitriol, da es schon ohnehin Naphtolgrün und die Elemente des Naphtolschwarz in sich enthält und da überdies die öligen Bestandteile desselben dazu beitragen, das Wollhaar geschmeidig zu erhalten, während Eisenvitriol dasselbe mehr oder minder hart macht. Weinsteinzusatz ist not- wendig, da andernfalls die Färbungen einen matten rostfarbenen Ton haben. Der Alaunzusatz gibt besonders tiefe, feurige Farbentöne. Der Zusatz von Kupfervitriol wirkt oxydierend auf das Hämateïn, und trägt zur Vertiefung des Schwarz (durch Bildung von Schwefelkupfer) und zur Lichtechtheit des- selben bei. Dementsprechend weichen auch die Vorschriften zur Erzeugung von Eisenschwarz mehrfach ab. Hummel empfiehlt: Anbeizen mit 4 bis 6 Pro- zent Eisenvitriol, 2 Prozent Kupfervitriol, 2 Prozent Alaun, 8 bis 12 Pro- zent rohem Weinstein; ausfärben in besonderem Bade mit 40 bis 50 Prozent Blauholz. — Delmart dagegen schreibt vor: Beizen mit 20 Prozent (!) Hummel schreibt dagegen wörtlich: „Es gewährt keinen Vorteil, mehr als 6 Pr ozent Ferrosulfat anzuwenden“ und „Versuche haben gezeigt, daß das Verhält- nis 1 Teil Ferrosulfat und 2 bis 3 Teile Weinstein sein sollte“. Eisenvitriol, 4 Prozent Kupfervitriol, 4 Prozent Weinstein, 1½ Prozent Alaun; 2 Stunden kochen und 1 Tag im Sude stehen lassen; Ausfärben auf frischem Bade mit 50 Prozent Blauholz. — Ganswindt empfiehlt: Kochen in einem Bade mit 40 Prozent holzsaurem Eisen, (selbstbereitet, 12° Bé.), 2½ Prozent Kupfervitriol, 10 Prozent Weinstein, ⅔ Prozent Flavin und 8 Prozent Hämateïn. Kochen bis zur Nüance und Schönen in einem lauwarmen Bade aus essigsaurem Natron. Ein Eisenschwarz mit Gerbstoffmaterialien ist das von Delmart em- pfohlene Ordinärschwarz , zu welchem er folgende Vorschrift gibt: In der Abkochung von 50 Prozent Blauholz, 4 Prozent Sumach und 2 Prozent Sandel läßt man die Wolle mit ¾ Prozent Weinstein 1¾ Stunden kochen; dann dunkelt man in besonderem Bade mit 8 Prozent Eisenvitriol. Direktschwarz, Kaiserschwarz, Nigrosaline . Die Herstellung von Kaiserschwarz ist ungemein einfach. Ueber das Präparat „Kaiserschwarz“, welches ein Blauholzpräparat ist, vergl. Erster Teil, § 57, S. 153. Das feste klumpige oder pulverige Präparat löst sich selbst in heißem Wasser nur wenig, dagegen leicht in mit Oxalsäure angesäuertem Wasser mit dunkelgelbbrauner Farbe. Es ist darauf zu achten, daß dem Färbebade nicht mehr Oxalsäure zugesetzt wird, als zur Lösung des Kaiserschwarz absolut notwendig ist. Bei weichem Wasser genügen 1 bis 2 Prozent vom Gewicht der Wolle an Oxal- säure, bei kalkhaltigem Wasser 2 bis 3 Prozent. Die Anwendung des Kaiserschwarz gestattet ein Nüancieren mit Blauholzextrakt oder Gelbholz- extrakt; es gestattet aber auch einen Zusatz von anderen sauren Farbstoffen, z. B. Fuchsin S (zur Erzeugung von Bordeauxschwarz). Beim Färben mit Direktschwarz ist zu beachten, daß in dem Maße, als der Farbstoff angeht, das Bad saurer und damit in seiner vollen Färbekraft behindert wird; es muß daher in demselben Maße der Ueberschuß an Säure durch vorsichtigen Zusatz von etwas Soda abgestumpft werden. Das Bad wird nicht völlig ausgezogen und kann zu weiterem Bedarf aufgehoben werden. Wollschwarz, geblautes Schwarz , ist ein Schwarz auf küpen- blauem Grunde. Zur Erzeugung eines solchen wird die Wolle auf der Küpe mehr oder minder angeblaut und dann ein Aufsatz von Chromschwarz oder Eisenschwarz gegeben. Genauere Zahlenangaben lassen sich dabei nicht machen, doch läßt sich im allgemeinen soviel feststellen, daß, je lichter der küpenblaue Grund ist, dementsprechend mehr Blauholz zur Verwendung kommen muß. Man kann dann nach 2 Methoden arbeiten; entweder a) man beizt die angeblaute Wolle mit Eisenvitriol, Kupfervitriol und Weinstein und färbt in besonderem Bade mit Blauholz aus; oder b) man kocht die angeblaute Wolle mit Blauholz, Gelbholz und Wein- stein und dunkelt zuletzt mit Eisenvitriol. Fällt das Schwarz nicht tief genug aus, so muß der Gelbholz-Zusatz erhöht werden, oder man spritzt eine Lösung von kohlensaurem Ammoniak über die Ware und läßt im Korbe nachdunkeln. Will man dagegen Chromschwarz auffärben, so beizt man mit Chromat ohne Schwefelsäurezusatz, weil anderenfalls Chromsäure frei und durch diese der Indigo zerstört werden würde. Alizarinschwarz . Das vor 1½ Jahren von der Bad. Anilin- und Sodafabrik in den Handel gebrachte Alizarinschwarz eröffnet eine neue Per- spektive zum Schwarzfärben der Wolle. Das erhaltene Schwarz hat in der Drübersicht allerdings einen rötlichbraunen Schein, doch ist dieser durch Zusatz von etwas Coeruleïn zu beheben. — Die Form, in der das Alizarinschwarz zum Echtfärben der Wolle in den Handel kommt, ist die eines rötlichschwarzen Teiges unter dem Namen Alizarinschwarz S. W. Teig. Die Anwendung desselben ist die gleiche wie bei allen anderen Alizarin- farben. Die Wolle wird mit 3 Prozent Chromkali und 2,5 Prozent Wein- stein vorgebeizt, wobei dieselbe circa 1½ Stunden kochen muß, und dann auf frischem Bad mit Alizarinschwarz unter Zusatz der nötigen Menge Essigsäure ausgefärbt. Die Essigsäure wird dem Bad vor dem Einbringen des Farbstoffes zugesetzt, und rechnet man auf 1000 l Wasser circa 1 l der- selben von 80° Bé.; bei sehr kalkhaltigem Wasser ist das Säurequantum zu verdoppeln. Der Zusatz von Essigsäure bezweckt, die in dem Wasser ent- haltenen Kalk- und Magnesiateile unschädlich zu machen resp. in Lösung zu erhalten und auf diese Weise die Bildung des erwünschten echten Chromlacks zu begünstigen. Der Farbstoff wird mit der erforderlichen Menge kalten Wassers (30 bis 40 Teile) angerührt, durch ein Sieb ins Bad gegossen und die Wolle oder Ware in letzterem zunächst kalt (circa 15 bis 20 Minuten) hantiert. Dann erhitzt man das Bad, jedoch zunächst nicht über 45 bis 48° R., hantiert eine Stunde bei dieser Temperatur und treibt erst, nachdem der Farbstoff nahezu vollständig aufgegangen, das Bad also nahezu entfärbt ist, zum Kochen, das man zwecks völliger Fixierung der Farbe circa 2 Stunden unterhält. Das längere Kochen nach dem Aufgehen des Farbstoffes ist zur Fixierung desselben unbedingt erforderlich, da andernfalls ein Teil desselben nur mechanisch an der Faser haftet und beim Waschen wieder verloren geht. Das Färben mit Alizarinschwarz ist ebenso einfach wie sicher in seinem Erfolg und bietet gegenüber dem gewöhnlichen Verfahren des Schwarzfärbens mittels Campecheholz wesentliche Vorteile. Alle jene umständlichen und zeit- raubenden Manipulationen, wie sie die Vorbereitung des Campecheholzes zum Färben nötig macht, fallen hier aus und somit auch die damit verknüpften Unannehmlichkeiten und Uebelstände. Freilich wäre dem Allen auch durch Verwendung von Blauholzextrakt statt des Holzes vorzubeugen; aber gerade der Umstand, daß dies nicht allgemein geschieht, daß man im Gegenteil noch immer der Verwendung des Holzes trotz der größeren Umständlichkeit den Vorzug gibt, beweist, daß auch die Verwendung des Extraktes für den Färber manche Schwierigkeiten birgt. Nicht zum wenigsten dürften freilich diese Schwierigkeiten in der häufig vorkommenden Verfälschung des Extraktes zu suchen sein. Einfacher und zugleich für die Faser weniger nachteilig wird das Färben mit Alizarinschwarz dadurch, daß das bei Verwendung von Campeche- holz nötig werdende Dunkeln oder Schauen mit einem Eisen- oder Kupfer- salz in Wegfall kommt. — Ein weiterer Vorzug des Alizarinschwarz besteht darin, daß man mit demselben, ohne Zuhilfenahme anderer Farbstoffe, nicht nur schwarze, sondern auch graue Töne erzielen kann. Je nach der Menge des angewendeten Farbstoffes erzielt man Nüancen vom leichtesten Silber- grau bis zum tiefsten Schwarz. Ein schönes Perlgrau erhält man bereits mit 0,5 Prozent Alizarin- schwarz, während für Schwarz, je nachdem dasselbe mehr oder weniger satt ausfallen soll, 15 bis 25 Prozent erforderlich sind. Alle diese Töne lassen sich nicht nur mit anderen Alizarinfarben, sondern auch mit Holzfarben be- liebig nüancieren. Auch umgekehrt läßt sich das Alizarinschwarz mit Vorteil zum Abtönen und Dunkeln aller Farben benutzen. Gerade durch das Ali- zarinschwarz wird die Herstellung einer großen Menge der schönsten Mode- farben in allen Nüancen und Schattierungen — lediglich mit Alizarin- farben — ermöglicht. Durch Mischen desselben mit Alizarinrot oder -orange werden schöne rotbraune Töne, durch Mischen mit Alizarinblau schwarzblaue Töne, durch Mischen geringer Prozentsätze mit wenig Coeruleïn, Galloflavin, Anthracenbraun u. s. w. helle, grünliche, gelbliche, bräunliche und dergleichen Modefarben erzielt. Die mit Alizarinschwarz erzielten Färbungen sind echt gegen Licht und Luft, Walke und Säure. Letztere hat selbst in konzentriertem Zustand keinen Einfluß auf dieselben, während die mittels Blauholz hergestellten Farben selbst durch sehr verdünnte Säure sich bedeutend verändern. Diese quasi unbegrenzte Säureechtheit des Alizarinschwarz kommt für das Tragen weniger in Betracht, ist aber um so wichtiger für die Fabrikation und zwar bezüg- lich des Carbonisierens . In der Wolle schwarz gefärbte Stoffe konnten bisher nur mit Chloraluminium carbonisiert werden. Die Verwendung von Säure war hier so gut wie ausgeschlossen, wenn anders man nicht die Farben wesentlich verändern, trüb und unscheinbar machen wollte. Welche Nachteile und Unannehmlichkeiten aber das Carbonisieren mit Chloraluminium im Gefolge hat, ist wohl jedem Fachmann hinlänglich bekannt. Es ist demnach ein bedeutender Vorzug der mit Alizarinschwarz hergestellten Farben, daß man dieselben ohne Bedenken der der Ware weit zuträglicheren und sichereren Säure-Carbonisation unterziehen kann, ohne befürchten zu müssen, daß sie dabei Schaden leiden. Ebenso echt wie gegen Säure ist das Alizarinschwarz auch in der Walke. Schwere, dunkelmelierte und schwarze Dicktuche, in der Wolle mit Alizarinschwarz gefärbt, walken ebensogut und schnell wie andere, deren Wollen mit Campecheholz gefärbt waren, ohne zu bluten, so daß beispiels- weise das Weiß in Marengo und graumeliert rein und klar bleibt. Dagegen ist bekannt, daß Blauholzschwarz, besonders wenn dasselbe mit Chrom gesotten war, beim geringsten Versehen in der Walke — bei Verwendung zu scharfer Lauge oder Heißlaufen — leicht grünlich ausfällt. Was die Tragechtheit des Alizarinschwarz betrifft, so ist dieselbe, wie überhaupt bei allen Alizarin- farben, eine vortreffliche und über allem Zweifel erhaben. Zahlreiche Ver- suche haben dies zur Genüge dargethan. Auch in dieser Beziehung dürfte das Schwarz aus Campecheholz bei einem Vergleich in den Schatten treten, ganz besonders aber das Chromschwarz, das sich bekanntlich, trotz beim Färben angewendeter peinlichster Sorgfalt, stets grün trägt, was freilich bei einem Gerbstoffschwarz viel weniger vorkommt. In der Spinnerei lassen sich die mit Alizarinschwarz gefärbten Wollen sehr gut verarbeiten; sie besitzen nach dieser Richtung besonders den Vorzug, daß sie vollkommen frei von überschüssigem Farbstoff sind und infolgedessen die Maschinen nicht verschmieren, wie dies häufig bei anders gefärbten Wollen vorkommt. Ist die Farbe durch Kochen richtig fixiert, so gibt sie, wenn mit Seife behandelt, kaum eine Spur von Farbe an diese ab, welcher Umstand auch für das Reinigen der Ware in der Walke von Vorteil ist. Da mit Chrom gesotten, verarbeitet sich auch die Wolle an und für sich besser als Sumach- oder Galläpfelschwarz. — Für den Fabrikanten ge- musterter Ware ist noch von Wichtigkeit, daß er mittels des Alizarinschwarz alle möglichen grauen Töne vollständig walkecht herstellen kann. Anilinschwarz auf Wolle zu färben, ist bisher noch nicht gelungen, mindestens nicht in zufriedenstellender Weise; das erzielte Schwarz grünt nach. Man nimmt an, daß die Wollfaser reduzierend auf das gebildete Anilinschwarz wirke und dasselbe zum Teil in Emeraldin zurückverwandle. Nach Hummel sollen bessere Resultate erzielt werden, wenn man die Wolle zuvor mit Kaliumpermanganat behandelt oder durch eine mit Salz- säure versetzte Chlorkalklösung zieht. Dann wird gespült, mit salzsaurem oder schwefelsaurem Anilin imprägniert ( Franc empfiehlt chlorsaures Anilin) und in einem Bade aus Chromsäuremischung das Anilinschwarz entwickelt. Ich sehe an dieser Stelle von einer Wiedergabe des Verfahrens ab, weil ich zur Anwendung desselben nicht raten möchte und weil uns das Ali- zarinschwarz ein zwar teureres, aber dafür auch besonders echtes Schwarz- färben ermöglicht, bei welchem wir eine Reduktion nicht zu befürchten haben. — Nach A. Henry (Engl. Patent 11730) soll die Wolle zwei Bäder passieren, von denen das erste Kaliumchlorat, Kupfersulfat, Chlorammonium, Eisen- nitrat, Anilinöl und Salzsäure enthält, das zweite hingegen ein Chrom- säuregemisch. Ich möchte stark bezweifeln, ob damit auf Wolle ein befrie- digendes Schwarz erzielt werden kann Chemiker-Zeitung 1887. . Sedanschwarz ist ein mit Sumach und Eisenvitriol gedunkeltes Blau- holzschwarz auf dunkelblauem Küpengrund. Die Behandlung (Anblauen, Färben, Dunkeln) wird dreimal wiederholt. Vienneschwarz ist ein mit Blauholz, Gelbholz, Galläpfeln und Su- mach gefärbtes und mit Eisenvitriol gedunkeltes Schwarz; auch hier wechseln Färbebad und Dunkelbad mehrmals nacheinander ab. Genferschwarz ist ein durch Weinsteinbeizung, Färben mit Blauholz und Gelbholz und Dunkeln mit Eisen- und Kupfervitriol erzeugtes Schwarz. Toursschwarz erzielt man durch Ausfärben mit Blauholz, Sumach, Eisenvitriol und Grünspan; man wiederholt das Färben und lüftet zwischen jeder Operation. Nupharschwarz wird durch Ausfärben mit Seerosenwurzel, Blauholz und etwas Schwefelsäure und Dunkeln mit holzsaurem Eisen gewonnen. 3. Schwarze Färbungen aus saurem Bade . Für das Schwarzfärben aus saurem Bade haben wir seit einiger Zeit zwei vortreffliche schwarze Farbstoffe: Wollschwarz und Naphtolschwarz . Ueber die Anwendung des letzteren vergl. Erster Teil, § 82. Bei Wollschwarz ist es nach O. N. Witt nicht ratsam, mit Schwefelsäure auszufärben, sondern mit Weinsteinpräparat. Die Wolle muß in das erwärmte Bad ge- bracht und darin beständig herumbewegt werden, während das Bad allmäh- lich zum Sieden erhitzt wird. Mit 4 Prozent Wollschwarz wird eine tief- blaue, mit 8 Prozent eine tiefschwarze Färbung erhalten. Das Bad wird vollständig ausgezogen. Das Wollschwarz erlaubt ein Nüancieren mit andern sauren Farbstoffen. 4. Graue Färbungen . Zur Erzielung grauer Färbungen dienten bisher gemeinhin die Hölzer; auf die Herstellung grauer Farben ist die Entdeckung der künstlichen organi- schen Farbstoffe fast ohne allen Einfluß geblieben. Der einzige graue Farb- stoff, auf den man dabei hinweisen könnte, ist das Nigrosin ; aber die damit erzielten Farben sind schon mehr blau als grau zu nennen und ent- sprechen etwa dem Blauholzgrau. Der erste und bisher einzige Farbstoff, welcher uns gestattet, direkt ein Grau zu erzeugen, ist das Alizarin- schwarz , vergl. S. 535. Wo dieses aus irgend welchen Gründen nicht an- wendbar ist, müssen wir zu den alten Methoden unsere Zuflucht nehmen oder zum Kombinieren von organischen Farbstoffen greifen. Von beiden Methoden folgen hier einige Beispiele. Echtgrau aus Blauholz . 2½ Prozent Blauholz und 5 Prozent Sumach werden in einen Sack von Juteleinen gethan und samt der Wolle im Färbebade 1 Stunde kochen gelassen. Dann hebt man auf, fügt 1 Pro- zent Eisenvitriol dem Bade zu, läßt die Wolle noch ½ Stunde kochen, hebt auf und spült. Dunklere Nüancen werden durch größere Mengen der ge- nannten Materialien erreicht, rötliche Nüance durch Zufügen von ½ bis 1 Prozent Sandel erhalten. Helles Silbergrau . Die Wolle wird im Färbebade mit 6 Pro- zent Alaun, 4 Prozent Weinstein, 6 Prozent Schwefelsäure 66° Bé. und 20 Prozent Persio und ein wenig Indigosulfosäure (Sächsischblau) ½ Stunde gekocht. Soll das Grau dunkler werden, so muß noch etwas Sächsischblau zugesetzt werden; soll es rötlicher werden, noch etwas Persio. Echtgrau aus Küpenblau und Cochenille . Die Wolle wird je nach dem gewünschten grauen Ton auf der Küpe heller oder dunkler an- geblaut und gut gespült, worauf sie wie zum Färben mit Cochenille gebeizt und in besonderem Bade bis zur Nüance ausgefärbt wird. Modegrau mit Alizarinfarben . Beizen mit 1½ Prozent Kalium- dichromat, 2½ Prozent Weinsteinpräparat; ausfärben in besonderem Bade mit 4 Prozent Essigsäure, 1½ Prozent Coeruleïn und 1½ Prozent Ali- zarinblau. Kalt eingehen. 1½ Stunden kochen. Stahlgrau . Beizen mit 10 Prozent Glaubersalz, 2½ Prozent Weinstein, 1¼ Prozent Alaun. Ausfärben mit 1/40 Prozent Methylviolett, 3/20 Prozent schwefelsaurem Indigo, 3/20 Prozent Orseilleextrakt. Silbergrau . Beizen mit 10 Prozent Glaubersalz, 3 Prozent Wein- stein, ¾ Prozent Alaun. Ausfärben mit 6 Prozent schwefelsaurem Indigo, 1/20 Prozent Gelbholzextrakt, ⅖ Prozent Orseilleextrakt. Eisengrau . Kochen mit 3 Prozent Blauholz, 6 Prozent Gelbholz, 3½ Prozent Sandel, ½ Prozent Indigokarmin, 6 Prozent Schmack, 2 Prozent Weinstein. 1½ Stunden. Abdunkeln mit ½ Prozent Eisen- vitriol. § 50. Das Färben mit Indigo. Ich habe in dem vorigen Paragraphen das Blaufärben mit Indigo mehrfach erwähnt, bei den blauen Färbungen aber nicht behandelt, da die Blaufärberei mit Indigo ein Kapitel für sich beansprucht. Der Indigo ist der Hauptrepräsentant einer Klasse von Farbstoffen, welche man indifferent nennt. Er besitzt weder saure, noch basische Eigenschaften und ist in Wasser unlöslich. Er läßt sich mithin auf keine der gewöhnlichen Methoden auf der Faser fixieren. Um ihn als Farbstoff überhaupt verwendbar zu machen, muß ein ganz eigenartiges Verfahren einge- schlagen werden. Die Erfahrung hat gelehrt, daß, wenn man Indigo mit reduzierenden Körpern (Eisenvitriol, Zinkstaub, schweflige Säure, Wasserstoff im Entstehungszustande u. dergl. m.) in Gegenwart von Aetzalkalien (Kalk, Natron) zusammenbringt, der Indigo sich nicht allein löst, sondern dabei sogar seine tiefblaue Farbe völlig verliert und eine schwach gelbliche Lösung liefert. Die Ursache dieser auffälligen Erscheinung ist eine Umwandlung des in dem Indigo enthaltenen Indigblau zu Indigweiß, ein Prozeß, den der Chemiker als Reduktion bezeichnet, der Färber aber als Küpenbildung . Soll der Indigo für Färbereizwecke verwendbar gemacht werden, so muß er allemal in diese Form von Indigweiß verwandelt werden; ein anderer Weg der Verwendung des Indigos, wenn er als solcher Beim Lösen von Indigo in rauchender Schwefelsäure bilden sich Indigo- sulfosäuren und beim Färben damit ist nicht der Indigo als solcher das färbende Prinzip, sondern die Indigosulfosäure. Färbungen liefern soll, ist nicht denkbar. Es ist daher die erste Aufgabe des Färbers, den Indigo in Indigweiß überzuführen, und die Bedingungen zu erfüllen, welche eben dafür namhaft gemacht worden sind. Die Gesamtheit der dazu nötigen Arbeiten heißt: das Ansetzen der Küpe . Da nun, wie schon oben erwähnt, verschiedene Wege offen stehen, um die Reduktion zu Indigweiß zu bewerkstelligen, so kommen wir zu ver- schiedenen Lösungen, welche zwar sämtlich Indigweiß enthalten, aber durch ihre anderweiten Bestandteile, herrührend von den dabei verwendeten Chemikalien, sich wesentlich voneinander unterscheiden. Diese verschiedenen Indigweißlösungen werden Küpen genannt. Je nach den chemischen Stoffen, welche zum Ansetzen der Küpe verwendet werden, unterscheidet man: Waid- küpe, Vitriolküpe, Zinkstaubküpe, Sodaküpe, Pottaschenküpe und Hyposulfitküpe . Bei mehreren Küpen geschieht die Reduktion des Indigos durch Wasserstoff, welcher durch Gärung organischer, fäulnisfähiger Körper in großen Holzkufen (Küpen) erzeugt wird; derartige Küpen werden Gärungsküpen genannt, oder, da zur Erzeugung und Instandhaltung einer Gärung eine anhaltende Temperatur von 35 bis 40° C. (28 bis 32° R.) notwendig ist, auch warme Küpen . Die übrigen Küpen, welche durch Reduktion mittels chemischer Präparate hergestellt werden, und bei denen ein Erwärmen nicht notwendig ist, heißen Präparatküpen oder kalte Küpen . Zu den Gärungsküpen zählen: die Waidküpe, die Sodaküpe, die Pottaschen- küpe; zu den kalten Küpen: Vitriolküpe, Zinkstaubküpe, Hyposulfitküpe. Man wird bei einer solchen Auswahl leicht vor die Frage gestellt, welche Art Küpen denn eigentlich vorteilhafter sind, kalte oder warme. Ich bin dieser Frage an anderer Stelle Neueste Erfindungen und Erfahrungen 1888, Heft 5, S. 193—195. näher getreten und verweise Diejenigen, welche sich dafür interessieren, auf den betreffenden Artikel. Ein richtiger Wollenfärber wird nichts auf seine warme Küpe kommen lassen; sie ist ihm ein Allerheiligstes; und doch darf nicht verschwiegen werden, daß die Reduk- tion des Indigos in warmen Küpen einen Indigoverlust von gemeinhin nicht unter 13 Prozent, oft aber bis zu 26 Prozent bedeutet, einen Verlust, der unwiederbringlich, unersetzbar ist; durch den Gärungsprozeß geht nämlich die Zersetzung des Indigos tiefer, als wie bis zur bloßen Reduktion; es resul- tieren Indol-Derivate, welche sich nicht wieder in Indigo zurückverwandeln lassen. Dieser Verlust tritt bei ganz normalen Küpen ein, an denen kein äußeres Kennzeichen den Verlust bemerkbar macht; er tritt auf beim regel- rechten Verlauf der Gärung; er wird größer beim unregelmäßigen Verlauf. Die Gärung ist ein chemischer Prozeß, bei dem eine große Menge Faktoren zusammenwirken, ein Prozeß, dessen Kontrollierung kaum durchführbar und selbst von einem mit dem innersten Wesen der Gärungsvorgänge völlig Ver- trauten nur schwer zu regulieren ist. Treten nun bei solchen Küpen fehler- hafte Zustände auf, wie solche durch zu heftige Kohlensäure- und Wasser- stoffgasentwickelung, durch zu weit gehende Zersetzung, durch zu hohes Er- wärmen, durch zu starke Alkalinität, durch ungenügende Beschaffenheit oder durch ein ungenügendes Mengenverhältnis, durch ungenügendes Erwärmen, durch Mangel an freiem Alkali u. dergl. herbeigeführt werden, und ist der Färber nicht im stande, die Ursache zu erkennen und Abhilfe zu schaffen, so kann der Indigoverlust ein vollständiger sein. Daß diese Verhältnisse that- sächlich oft eintreten, dafür spricht die klassische Bezeichnung solcher fehlerhafter Zustände als „Krankheiten der Küpe“. Eine Küpe kann niemals krank sein oder krank werden; tritt eine dieser „Krankheiten“ ein, so ist wahrlich die Küpe nicht schuld daran , sondern sie ist von Demjenigen, der die Aufsicht über sie hat, sich selbst überlassen oder vernachlässigt worden . Derartige Vernachlässigungen entspringen meist der Unkenntnis des Beaufsichtigenden mit den eigentlichen Vorgängen der fauligen Gärung; selbst die vielgepriesene Erfahrung reicht hier nicht in allen Fällen zu; es treten Erscheinungen so abweichender und so merkwürdiger Natur auf, daß oft selbst der Eingeweihte vor einem Rätsel steht. Diese Thatsachen stehen fest, und es wäre gut, wenn die Verfechter der warmen Küpen nicht immer noch versuchen wollten, sie abzuleugnen. Ich kann daher nicht umhin, die Gärungsküpen als dem heutigen Stande der Wissenschaft nicht mehr ent- sprechend zu bezeichnen; es fehlt uns durchaus nicht an Methoden, Wasser- stoff auch ohne Gärung zu erzeugen. Ich komme nun zum Ansetzen der Küpe selber. Bedingung hierfür ist ein fein geriebener oder gemahlener Indigo, wie er entweder durch Reiben im Mörser mittels Hand oder in Indigomühlen oder in Reibmaschinen mittels Dampf bewerkstelligt wird (vergl. § 20, zweiter Teil). Eine weitere Bedingung sind die zur Aufnahme der Küpen bestimmten Gefäße, Kufen oder Küpen (von Küper, Böttcher); von diesen Gefäßen leitet sich die Be- zeichnung „Küpe“ ab, so daß dieser Ausdruck sowohl für das Gefäß, wie für die darin befindliche Flüssigkeit gelten kann. Die Küpen (Gefäße) sind entweder von Holz oder Gußeisen, Kupfer oder Zement, rund und durch- schnittlich nicht viel tiefer wie breit, 2 bis 2½ m. Sie stehen entweder frei, zum Erwärmen über freiem Feuer, oder sind mit ihrem unteren Teil eingemauert und durch Dampf zu erwärmen. Wo mehrere Küpen vorhan- den sind, kommen sie in eine Reihe an die Mauer, doch mit den nötigen Zwischenräumen zwischen zweien derselben, um bequem arbeiten zu können. Zum Zudecken dient ein Holzdeckel. Ueber jeder Küpe befindet sich ein Netz, welches zur Aufnahme des zu färbenden Materials dient und mittels einer Rolle in die Küpenflüssigkeit hineingelassen werden kann. Der Zweck dieser Vor- richtung besteht darin, die Ware durch Eintauchen in die Küpenflüssigkeit zu nur ½ — höchstens ⅔ der Tiefe derselben vor der Berührung mit dem am Boden der Küpe sich sammelnden alkalischen Kalkschlamm zu bewahren. Wir kommen jetzt zu den einzelnen Küpen. Die Waidküpe . Diese führt ihren Namen nicht, weil etwa zur Reduktion des Indigos Waid angewendet wird, sondern weil das eigentlich färbende Prinzip dieser Küpe der Waid ist, eine bei uns heimische Pflanze, welche gleichfalls Indigo enthält und, wenn auch nicht zur Indigodarstellung selbst, so doch zum Blaufärben mit Vorteil benutzt werden kann. Die Waid- küpe empfiehlt sich gewissermaßen vom nationalökonomischen Standpunkte, — aber auch nur von diesem, sonst von keinem andern. Die Verhältnisse der einzelnen Bestandteile zum Ansetzen einer Küpe nennt man einen Küpen- Ansatz . Für die Waidküpe lautet dieser Ansatz nach Der geringe Kalkzusatz des letzten Ansatzes bedeutet nur die erste Portion. Zum Ansetzen der Küpen wird die Kufe zunächst teilweis mit Wasser angefüllt und dieses auf 50 bis 60° R. erwärmt; dann wird der vorher eingeweichte Waid, dann der Krapp, (event. Soda und Syrup), die Kleie und der feingeriebene Indigo und ein Teil des Kalkes hinzugesetzt. Nun wird das Ganze tüchtig mit einer Schaufel oder Krücke durchgerührt, die Temperatur bis auf 75° R. erhöht, nochmals gut aufgerührt, dann der Holzdeckel aufgelegt und über diesen eine starke wollene Decke (alter Woll- sack oder dergl.) gelegt und endlich das Ganze 12 bis 24 Stunden der Ruhe überlassen. Innerhalb dieser Zeit pflegt die faulige Gärung zu be- ginnen Die faulige Gärung wird nach Fitz durch einen mikroskopischen Pilz, Ba- cillus subtilis, eingeleitet. ; die chemische Eigentümlichkeit des Fäulnisprozesses besteht in einem völligen Zerfall der der Fäulnis verfallenen Substanz (hier der Kleie) unter gleichzeitiger Entwickelung von Kohlensäure und Wasserstoff. Letzteres findet namentlich in den Fällen statt, wo — wie hier — die Fäulnis ohne Zutritt von atmosphärischem Sauerstoff stattfindet. Dieser Wasserstoff aber wirkt kräftig reduzierend, indem er den Sauerstoff der organischen Verbindung — in diesem Falle des Indigos, des Waids — angreift und sich mit dem- selben zu Wasser verbindet, welches als solches abgespalten wird. Durch diese Spaltung des Indicans wird das Indigblau des Waids in Freiheit gesetzt. Gleichzeitig hiermit geht ein anderer Teil des entwickelten Wasser- stoffes an den Indigo und das in Freiheit gesetzte Waid-Indigotin, und bildet durch einfache Addition das Indigweiß: Indigblau Wasserstoff Indigweiß. Der Zweck sämtlicher Indigoküpen und auch der Waidküpe ist die Erzeugung von Indigweiß . Eine solche Bildung von Indig- weiß findet nur in Gegenwart von Alkalien statt. Diesem Zweck dient der Kalkzusatz; ein Teil des Kalkes wird durch die entwickelte Kohlensäure in löslichen kohlensauren Kalk übergeführt und findet sich als solcher im Küpen- schlamme; ein anderer Teil löst sich zu Kalkwasser und dieses wiederum hält das Indigweiß in Lösung. Eine Lösung von chemisch reinem Indigweiß in Kalkwasser hat eine goldgelbe Farbe. Mehrfach wird behauptet, daß das Indigweiß mit dem Kalk eine Verbindung eingehe, doch ist das keineswegs erwiesen. Das vorstehend Geschilderte ist der chemische Vorgang in der Waid- küpe, welche mit dem sinnlich wahrnehmbaren Vorgang vollauf übereinstimmt. Das Eintreten der Gärung kennzeichnet sich für das Auge durch das Auf- treten von Gasblasen an der Oberfläche, für das Ohr durch ein eigentüm- liches Geräusch, ähnlich einem leisen Kochen, verursacht durch das Loslösen, Aufsteigen und Zerplatzen der Kohlensäureblasen; zugleich stellt sich ein eigen- tümlicher ammoniakalischer Geruch ein. Daß der chemische Prozeß in der eben erläuterten Weise wirklich vor sich geht, beweist das allmähliche Grünwerden der anfangs blauen Flüssigkeit. Ist die Küpenbildung soweit vorgeschritten oder „ in Trieb gekommen “, so wird eine weitere Portion Kalk zuge- geben und das Ganze von neuem durchgekrückt; man nennt dieses das Schärfen . Mit diesem Schärfen der Küpe muß in regelmäßigen Zwischen- räumen fortgefahren werden und zwar in dem Maße, als die Umwandlung von Indigblau in Indigweiß fortschreitet; man kann indessen auch den gan- zen Kalk auf einmal zugeben ohne nennenswerten Schaden für die Küpe. In demselben Maße geht die Farbe der Küpe aus dem Bläulichgrün in Goldgelb über, es bilden sich beim Durchrühren der Küpe blaue Adern und Streifen und auf der Oberfläche zeigt sich eine bläulich und kupferfarben schillernde feine Haut, herrührend von der Oxydation von Indigweiß zu Indigblau an der Berührungsstelle der Küpenlauge mit der atmosphärischen Luft. Diese Haut heißt die „Blume“. Endlich kennzeichnet sich die Küpen- bildung durch einen ganz eigenartigen, süßlichen, milden, nicht scharfen Ge- ruch. Zeigt eine Küpe alle diesen Eigenschaften, so sagt der Färber, sie ist „ angekommen “, d. h. sie ist zum Gebrauch fertig. Es ist dann nur dafür Sorge zu tragen, daß die Gärung normal weiter verläuft, was von einem in der Küpenführung Erfahrenen durch Regelung der Temperatur im Küpenraum und durch Zufügung von kleineren oder größeren Mengen Kalk bei zu heftiger und von Kleie bei zu langsamer Gärung erreicht werden kann. Die günstigste Temperatur für warme Küpen ist 35 bis 40° R. Das Färben in der Küpe geschieht sodann durch Herablassen des Küpen- netzes mit der Ware in die Flüssigkeit, Belassen in derselben 30 bis 40 Mi- nuten hindurch unter stetem Hantieren, Herausziehen des Netzes und Ausbreiten oder Aufhängen der geblauten Ware an der Luft behufs Oxydation des Indigweiß zu Indigblau. Die Wolle besitzt große Verwandtschaft zum Indigweiß und zieht das- selbe lebhaft an sich; derart imprägnierte Wolle sieht grünlichgelb; wird sie der Luft ausgesetzt, so oxydiert sich das Indigblau unter Aufnahme von Luft-Sauerstoff und Abspaltung von Wasser: Indigweiß Sauerstoff Indigblau Wasser. Es erhellt hieraus, daß mit jedem „Zug“ die Küpe an Farbstoff ärmer wird, und daß mithin, wenn ein späteres Zusetzen von Indigo nicht stattfindet, die erste Färbung blauer und tiefer ausfallen muß, als alle späteren. Man pflegt daher auch die frische Küpe oder die neu beschickte und frisch ausge- schärfte Küpe zunächst zu dunkeln Färbungen und nach einigen Küpenzügen zu helleren Färbungen zu verwenden. Wo eine regelrechte Blaufärberei betrieben wird, wird die Küpe all- abendlich frisch beschickt oder vervollkommnet, komplettiert, d. h. es werden neue Mengen warmes Wasser, Indigo und Kalk zugegeben, tüchtig durch- gekrückt und über Nacht sich selbst überlassen. Der Färber nennt das: ver- wärmen . Die Mengenverhältnisse hängen natürlich von der Tiefe oder der Helligkeit der zu erzielenden blauen Töne ab. Auch ein Kleiezusatz wird von Zeit zu Zeit notwendig werden, doch ist ein solcher am besten dann zu machen, wenn es sich um hellblaue Töne (himmelblaue) handelt. In dieser Weise kann täglich auf der Küpe gefärbt und diese selbst am Abend „ver- wärmt“ werden; diese Handhabung kann 4 bis 6 Monate ohne Unterbrechung dauern. Nach dieser Zeit pflegt der Küpenschlamm den größern Raum der Küpe einzunehmen, so daß ein Färben, ohne den Bodensatz zu berühren, Schwierigkeiten macht. Man benutzt dann den Rest der Küpenlauge zum Hellblaufärben und entleert den Küpeninhalt, sobald die Färbekraft der Küpe erschöpft ist. Die Waidküpe gibt volle und tiefe Farben, und es lassen sich auf ihr helle und dunkle Töne anblauen. Sie dient besonders in der Wollfärberei. Die Sodaküpe . Die Sodaküpe unterscheidet sich von der Waidküpe in der Hauptsache durch das Fehlen von Waid. In den meisten Vorschriften zum Sodaküpenansatz fehlt auch der Krapp. Hauptbestandteile sind Indigo, Kleie, Kalk und Soda. Ich lasse hier einige Küpenansätze nach verschiedenen Autoren folgen: Aus diesen wesentlich voneinander abweichenden Zahlenangaben ersieht man wohl am besten das lediglich Empirische an allen diesen Vorschriften. Das Ansetzen erfolgt ähnlich wie bei der Waidküpe. Man füllt die Küpe mit der entsprechenden Menge Wasser, erwärmt dasselbe auf 50° R. und thut nun die Soda, (und event. Krapp und Syrup), den Indigo und die Kleie hinein, zuletzt den Kalk, rührt Alles gut durcheinander, er- wärmt erneut auf 65° R. und überläßt sie sich selber, bis sie „angekommen“ ist. — Abweichend hiervon empfiehlt Hummel , die Kleie 2 bis 3 Stunden mit dem Wasser zu kochen, die Flüssigkeit dann auf 35 bis 40° R. abzukühlen, dann die übrigen Bestandteile zuzufügen und das Ganze nach tüchtigem Durchrühren 2 bis 3 Tage der Gärung zu überlassen. Die Umwandlung des Indigos in Indigweiß erfolgt hier unter ganz ähnlichen Erscheinungen wie bei der Waidküpe; die Gärung ist jedoch eine langsamere und minder leb- hafte. Das „Schärfen“ geschieht in diesem Falle mit Kalk und Soda. Sobald die Küpenlauge eine goldgelbe Farbe angenommen hat, ist die Küpe zum Färben fertig. Das regelmäßige Verwärmen geschieht mit Indigo, Kalk und Soda. Die Bildung von Indigweiß wird auch bei der Sodaküpe durch mittels Gärung erzeugten Wasserstoff bewirkt. Die Gärung einer Sodaküpe ist jedoch eine ruhigere, regelmäßigere und daher leichter zu kontrollierende und zu handhabendere. Die Sodaküpe kann gleichfalls mehrere Monate nach- einander in Betrieb gehalten werden, etwa 4 bis 4½ Monate ( Delmart ). Sie wird in der Wollfärberei vielfach angewendet, und ist in Deutschland vielfach in Gebrauch, daher sie auch als deutsche Küpe bezeichnet wird. Sie liefert durchgehends reinere, lebhaftere und feurigere Töne als die Waid- küpe, was in der reineren Beschaffenheit des Gärungserregers seinen Grund hat. Sie sollte thätsächlich in keiner Färberei fehlen, wo man mit warmen Küpen zu arbeiten genötigt ist. Die Pottaschenküpe steht gewissermaßen in der Mitte zwischen Waid- und Sodaküpe, insofern, als hier der Waid zwar fehlt, der Krapp als Gärungsmittel neben der Kleie aber beibehalten ist. Der Ansatz be- steht nach: Man verfährt zum Ansetzen der Küpe ganz wie bei der Sodaküpe, indem man das Küpengefäß zu ¾ mit Wasser von 50 bis 55° füllt, Kleie und Krapp hineingibt und 3 bis 4 Stunden auf einer der Siedehitze nahen Temperatur erhält; darauf läßt man bis auf 30 bis 32° erkalten, thut einen Teil der Pottasche hinein und zuletzt den feingemahlenen Indigo, rührt kräftig durcheinander, und überläßt unter zeitweiligem Durchrühren das Ganze durch 48 Stunden der Gärung. Das Endresultat ist eine dunkel- goldgelbe Indigweißlösung. Das Schärfen geschieht mit Pottasche; es kann aber auch Kalk oder Soda zum Schärfen verwendet werden; das „Ver- wärmen“ geschieht mit Indigo und Pottasche. Die Pottaschenküpe ist leichter zu führen, als die Waidküpe und nur wenig schwieriger, als die Sodaküpe; sie ist aber teurer als diese und daher nur noch in beschränktem Gebrauch. Sie gibt tiefere blaue Färbungen, aber die Schattierungen sind nicht leb- haft. Die Pottaschenküpe färbt am schnellsten und ist für alle Stoffe ver- wendbar. Dr. B. Lindenberg Chemiker-Zeitung 1888, 721. empfiehlt eine von ihm benutzte Mehlküpe . Dieselbe wird wie folgt angesetzt. 15 kg Weizenmehl werden mit kaltem Wasser zu Milch gerührt und alle etwaigen Knoten zerdrückt, dann in die mit Wasser gefüllte und bis auf 81° C. geheizte Küpe gegeben und 6 kg gemahlener Indigo und 30 kg krystallisierte Soda zugesetzt, worauf man gut umrührt und der Gärung überläßt, die in 24 bis 48 Stunden eintritt. Dann wird täglich dreimal, früh, Mittag und Abend, gerührt und gefärbt. Die Speisung erfolgt wenn nötig mit 3 kg Indigo, 3 „ Mehl, 6 „ krystallisierter Soda, bei einer Temperatur von 69° C. Abends, so daß die Küpe am andern Morgen die Färbetemperatur von circa 62,5° C. zeigt. Will man keinen neuen Indigo zusetzen, so erwärme man trotzdem täglich mit 1 kg Mehl und 2 kg krystallisierter Soda, immer die Temperatur von 69° C. im Auge behaltend. Geschärft wird wie gewöhnlich mit Kalk, von dem man jedoch in keinem Falle mehr als ⅓ der gesamten Sodamenge successive zugibt. Bei sehr reinen Indigosorten kann selbst dieser Kalkzusatz wegfallen. Die krystallisierte Soda zieht Lindenberg der kalcinierten deshalb vor, weil die Zusammensetzung derselben nahezu konstant ist. Die Küpen- gärung ist im ersten Stadium Milchsäuregärung und im zweiten geht die Milchsäure in Buttersäure unter Wasserstoffentwickelung über. Beide Pro- zesse verlaufen natürlich in der Indigoküpe gleichzeitig nebeneinander. Die ausgebrauchte Indigoküpe kann man, nebenbei bemerkt, als eine sehr gute und billige Buttersäurequelle betrachten. Hat man Stärkezucker zur Ver- fügung, so bietet derselbe ein gutes Hilfsmittel beim Zerreiben des Indigos. Die feinste Zerteilung dieser teuren Färbeware ist, wie bekannt, eine Haupt- bedingung bei der Küpe, und setzt man deshalb beim Verreiben auf 6 kg Indigo 1 kg Aetzkali oder Natron und 2 kg Stärkezucker zu. Auch ist es vorteilhaft, den entstandenen Brei, ehe man denselben in die Küpe bringt, vorher zum Kochen zu erhitzen, wodurch vollständige Auf- schließung selbst gröber gemahlenen Indigos erfolgt. Derselbe Autor empfiehlt an derselben Stelle noch eine warme Zink- staubküpe , welche er folgendermaßen ansetzt: 3 kg gemahlener Indigo, 6 „ Zinkstaub, 2 „ Aetznatron, 2 „ Aetzkalk werden zusammen mit dem nötigen Wasser gekocht, bis der Indigo reduziert ist, worauf man in die mit Wasser gefüllte Küpe, die auf 62,5° C. geheizt und mit 10 l neutralem schwefligsaurem Natron von 20° Bé. versetzt wurde, einträgt, umrührt und absetzen läßt. Zum Speisen nimmt man: 3 kg Indigo, 3 „ Zinkstaub, 1 „ Aetznatron, 1 „ Aetzkalk, 5 l schwefligsaures Natron. Außer den angeführten Substanzen setze man zu 1 kg Indigo noch 1 kg krystallisiertes kohlensaures Natron. Diese Küpe arbeitet sehr gut, verdirbt nie und kann jederzeit unter- brochen werden. Führung der warmen Küpen . Eine solche erfordert eine mehr- jährige Erfahrung und ein völliges Vertrautsein mit allen den vielen Zu- fälligkeiten, wie sie durch einen so verwickelten chemischen Vorgang, wie die Gärung, in Erscheinung treten. Sie erfordert vor allem völlige Kenntnis jener abnormen Erscheinungen, welche mit dem abgeschmackten Namen „Krank- heiten der Küpe“ bezeichnet werden. Delmart nennt sie „Launen“. Diese fehlerhaften Zustände sind aber keine „Launen“, denn dieselben gehen nicht von der Küpe aus, vielmehr werden sie erst durch Denjenigen, welcher die Küpe führt, hervorgerufen. Die Ursache dieser Krankheiten liegt in dem summarischen Verfahren des Küpenansetzens. Hier möchte vor allem Wandel geschaffen werden. Es ist eine leider nicht zu bestreitende Thatsache, daß viele Färber und Blaudrucker sich über die einfachsten Prozesse ihrer Metho- den keine Rechenschaft ablegen können, dabei im Indigo und den Chemikalien herumtappen und trotz alledem noch mit einem gewissen Dünkel auf ihre langjährige „unfehlbare“ Praxis pochen. Das Verhältnis des Indigos zu den Chemikalien, und dieser unter sich und zu einem gewissen Wasserquan- tum sind, wie aus den obigen Zusammenstellungen bei den Ansätzen hervor- geht, nicht nur schwankend, sondern geradezu willkürlich. Für die Praktiker sind diese Zahlen durch die sogenannte Erfahrung geheiligt, und ein jeder von ihnen besitzt — natürlich ! — das beste Rezept. Von Praktikern dieser Sorte ist natürlich eine Besserung nicht zu erwarten. Es muß Jedem, der chemisch denken gelernt hat, auffallen, welch große Unterschiede im Verhältnis zwischen Indigo und Kalk von den Autoren an- gegeben werden, während doch nur ein Verhältnis das richtige sein kann. Die Lösung von Indigweiß in Kalkwasser geht nach ganz bestimmten Ge- wichtsverhältnissen vor sich; es muß also mindestens soviel Kalk zugesetzt werden, daß das Indigweiß dadurch in Lösung gehalten werden kann. Die Menge des Indigweiß ist aber abhängig von der Menge des Indigblau, und der Gehalt eines Indigos an reinem Indigblau ist durch die Analyse Ganswindt , Färberei. 35 absolut genau zu ermitteln. Aber hier ist die Stelle, wo fast alle sterblich sind; hier ist die Achillesferse! Kaum 1 Prozent aller Färber und Blau- drucker hält es für notwendig, den Indigo auf seinen Gehalt an Indigblau untersuchen zu lassen. Indigo ist für sie Indigo! Da darf es nachher nicht Wunder nehmen, wenn „die Küpe durchgeht“. Sobald wir den Indigblaugehalt eines Indigos kennen, wissen wir ferner genau, wieviel Wasserstoff wir zur Reduktion in Indig- weiß nötig haben . Es fehlt uns aber keineswegs an Methoden, Wasser- stoff im Entstehungszustand auch in regulierbaren Mengen zur Reduktion zu verwenden und damit die Küpenbildung endlich in vernunftgemäße Bahnen zu lenken, und der jetzigen Unwissenschaftlichkeit und Willkürlichkeit zu entrücken. Dann werden die Launen und Krankheiten schon von selber vergehen und das Wirtschaften „ins Blaue hinein“ (hier gilt es wörtlich) hat eine Ende. Die jetzige Handhabung warmer Küpen steht wahrhaftig nicht auf der Höhe der Situation. Die Vermeidung abnormer Zustände hängt von der Erfahrung und von der Beobachtungsgabe des die Küpe Beaufsichtigenden ab. Kennt er die Entstehungsursachen eines Fehlers, oder ist er imstande, auf Grund seiner Beobachtung auf die Ursache zu schließen, so ist die Abhilfe nicht schwer. Eine zu scharf gewordene Küpe vermag nicht richtig zu gären; die Auflösung des Indigos wird unterbrochen oder hört ganz auf; der Küpen- schlamm wie die Adern werden bräunlich und der Geruch wird scharf. Will man Zeit gewinnen, so kann man durch vorsichtigen Zusatz von Oxalsäure schnell Abhilfe schaffen; auch ist Einleiten von Kohlensäure durchaus am Platze; bei mäßig verschärften Küpen ist Zusatz von Kleie und Erwärmen schon genügend. Eine zu mild gewordene Küpe (durch zu häufige Benutzung oder ungenügendes Nachschärfen) ist durch einfachen Kalk- resp. Sodazusatz zu bessern; eine derartige milde Küpe kennzeichnet sich durch zu langsames Ver- grünen eines herausgenommenen Tropfens. Eine gebrochene Küpe zeigt keine goldgelbe Färbung mehr, sondern eine olive Färbung, ein Beweis, daß das Reduktionsmittel nicht in genügend reichlicher Menge vorhanden, oder daß die Temperatur nicht hoch genug gewesen war, so daß die Gärung nicht hat in Fluß kommen können. Hier pflegt Zuthun neuer Anteile des Gärungsmittels (Kleie, Krapp, event. selbst Waid oder Melasse) und Erwärmen gute Dienste zu leisten. Eine durchgegangene Küpe , entstanden durch zu großen Mangel an Kalk verbunden mit gleichzeitigem Ueberhitzen, verursacht einen fauligen Geruch; bei einer solchen Küpe ist die Zersetzung dann bereits soweit ge- diehen, daß der Indigo als endgültig verloren zu betrachten ist. Eine solche durchgegangene Küpe kommt vornehmlich bei Waidküpen, seltener bei Pottasche- oder Sodaküpen vor; die Flotte besitzt dann eine rötlichgelbe Farbe, ist trüb und zeigt keine „Blume“ mehr; sie charakterisiert sich aber vornehmlich dadurch, daß ein mit Indigo gefärbtes Stück Zeug, in die Flotte getaucht, entfärbt wird. Die genannten Anzeichen treten samt und sonders nicht plötzlich auf, sondern zeigen sich erst allmählich, so daß bei einiger Auf- merksamkeit wohl gemerkt werden kann, wenn eine Küpe Neigung zeigt, „durchzugehen“. Durch tüchtiges Ausschärfen mit Kalk oder Soda und Er- hitzen fast bis zum Kochen, sowie durch fleißiges Rühren ist unter Umständen wenigstens ein Teil des Indigos zu retten. Die Waidküpen sind in dieser Beziehung die schlimmsten infolge des Stickstoffgehalts des Waids. Da nun aber die Waidküpe keinerlei besondere Vorteile gegenüber den andern Küpen aufzuweisen hat, so liegt doch gar kein Grund vor, uns auf die Waidküpe zu steifen, und es wäre doch geratener, von der Waid- küpe ganz Abstand zu nehmen und die vernunftwidrigste aller Küpen der wohlverdienten Vergessenheit anheimzugeben . Die Vitriolküpe ist die älteste und bekannteste und wohl auch die verbreitetste. Sie ist eine sogenannte kalte Küpe; die Erzeugung von Indig- weiß geschieht hier ohne Gärung . Die Farbekufen für die Vitriolküpe sind gemeinhin nicht cylindrisch rund, sondern haben mehr die Form vier- eckiger Kästen und sind aus. Gußeisen, Holz oder Stein gebaut, entweder quadratische oder längliche Tröge. Der chemische Prozeß spielt sich hierbei etwas anders ab. Ein Teil des Kalkes zerlegt den Eisenvitriol, indem er Gyps und Eisenoxydulhydrat bildet: Eisenvitriol Kalkhydrat Gyps Eisenoxydulhydrat. Letzteres wirkt zersetzend auf 2 Moleküle Wasser, indem es sich zu Eisenoxydhydrat verbindet und dabei Wasserstoff entbindet: Eisenoxydulhydrat Wasser Eisenoxydhydrat Wasserstoff. Letzterer lagert sich direkt an das Indigblaumolekül und bildet damit Indig- weiß, welches sich in einem weitern Teile des überschüssigen Kalks mit der bekannten goldgelben Farbe löst. Der Ansatz zur Vitriolküpe lautet nach verschiedenen Autoren, wie folgt: Wir finden auch hier, wo die Verhältnisse durch den bekannten und glatt verlaufenden chemischen Prozeß doch genügend geklärt sein sollten, eine große Unklarheit. Auch diese Vorschriften sind empirisch, und Th. Schier- necker , Dirigent einer der größten deutschen Blaudruckfabriken, spricht sich hierüber in der „Deutschen Färber-Zeitung“ 1887, Nr. 15, folgendermaßen aus: „Erst nachdem man die wirkliche prozentische Färbekraft des Indigos kennt, kann man die Menge der Reduktionsmittel feststellen: Die annähern- den Schätzungen auf 1 Teil Indigo 3 Teile Eisenvitriol und 4 Teile Kalk sind grobe Fehlgriffe . Da man bei der Vitriolküpe den unberechenbaren Zufällen einer Gärung nicht ausgesetzt ist, so gestattet schon das bloße Aussehen der Flotte eine gewisse Regulierung; ist sie dunkelgoldgelb, zeigt sie beim Aufziehen blaue Adern und eine kupferblau schillernde Blume, dann ist sie in gutem Zu- 35* stande; ist sie grünlich, so ist noch nicht aller Indigo reduziert und es fehlt an Eisenvitriol; ist die Farbe dagegen sehr dunkelbraun, so ist zu viel Eisen- vitriol vorhanden und es muß mit Kalk geschärft werden. Beim Ansetzen der Vitriolküpe hat man vor allem auf reinen Eisen- vitriol zu achten; der käufliche gewöhnliche, sog. rohe Eisenvitriol, welcher meist oxydierend wirkenden Kupfervitriol enthält und daher der Reduktion entgegenwirken würde, ist hierfür nicht geeignet; man erhält jedoch auch die reine Sorte im Handel käuflich; man verlange nur: chemisch reines schwefelsaures Eisenoxydul. — Eine zum Färben benutzte Vitriolküpe muß allabendlich gespeist, d. h. mit neuen Zusätzen von Indigo, Vitriol und Kalk versehen werden. Die Vitriolküpe kann auf alle Stufen von Blau eingerichtet werden, je nachdem man mehr oder weniger Indigo verwendet; man hat daher in großen Färbereien mehrere Küpen nebeneinander stehen, deren jede ihre eigene Schattierung von Blau hat. — In der Wollenfärberei findet sie keine Verwendung, dagegen werden Baumwolle und Leinen darauf gefärbt, ebenso Nessel. Die Zinkstaubküpe . Sie wird angesetzt, wie folgt: Die Zinkstaubküpe ist der Vitriolküpe in mancher Hinsicht überlegen; vor allem in der Einfachheit des Ansatzes, in der Leichtigkeit der Führung und in dem sehr geringen Bodensatze. Der chemische Prozeß der Zinkstaub- küpe ist ein sehr einfacher. Der Zinkstaub zersetzt in Gegenwart von Alkalien das Wasser; während der Sauerstoff des Wassers mit dem Zink sich zu Zinkoxyd verbindet, geht der Wasserstoff an das Indigblau, damit Indigweiß bildend. Die Ingredienzien werden gemeinschaftlich in das Wasser (das Hundert- fache vom Gewicht des Indigos) gethan und innerhalb der nächsten 24 Stun- den mehrmals durchgerührt. Die Küpe kann dann sofort zum Blauen ver- wendet werden. Das Speisen der Küpe erfolgt mit Indigo und Zinkstaub nach Bedarf. Es leuchtet sofort ein, daß die Führung dieser Küpe eine einfache, leicht kontrollierbare ist. Jeder frei werdende Wasserstoff wird, so lange noch eine Spur Indigo vorhanden, zur Bildung von Indigweiß ver- braucht; eine Gasentwickelung findet nicht statt. Tritt Gasentwickelung ein und wird die Küpe schaumig, so ist das ein Beweis, daß aller Indigo reduziert ist. Das Schaumigwerden der Küpe ist also durch Zusatz von etwas Indigo und tüchtiges Durchrühren zu vermeiden. Die Hauptschwierig- keit ist die Herstellung des genauen Verhältnisses zwischen Indigo und Zink- staub, so daß keiner von beiden vorwaltet. Dieses ist aber auch die einzige Schwierigkeit der Küpe, und auch diese läßt sich, wenn der Gehalt an Indig- blau des verwendeten Indigos vorher quantitativ bestimmt wird, durch Rech- nung genau bestimmen. Der geringe Bodensatz dieser Küpe (etwa nur 1/7 der Vitriolküpe) und die schnelle Wiederbenutzbarkeit nach dem Speisen macht dieselbe ganz be- sonders geeignet zum kontinuierlichen Färben, und gestattet eine ununter- brochene Benutzung über Jahresfrist hinaus, ohne daß eine Entleerung nötig wäre. — Die Zinkstaubküpe dient gleichfalls zum Blaufärben von Baum- wolle und Leinen. Die Schmückert patentierte Neuerung bei der Herstellung der Zink- staubküpe, deren Ansatz lauten würde: Indigo ....... 2 — 5 Teile, Zinkstaub ....... 10—20 „ Ammoniakhaltiger Peru-Guano 20—60 „ Erwärmen auf 50° R., ist wohl eine Neuerung, aber keineswegs eine Verbesserung, weit eher ein offenbarer Rückschritt. Diese Küpe ist schwieriger zu führen und obendrein teurer, als die einfache Zinkstaubküpe; überdies ist der Peru-Guano betreffs seines Stickstoffgehalts großen Schwankungen unterworfen. Die Hyposulfitküpe Aus Ganswindt , Theorie und Praxis der Hyposulfitküpe; Neueste Erfin- dungen und Erfahrungen 1888, S. 342—345. . Von allen in der Färberei angewandten Methoden zur Reduktion des Indigos verdient wohl keine eine so allgemeine Beachtung, wie das Hyposulfitverfahren , welches sich unter dem sinn- entstellenden Namen Hydrosulfitküpe eingeführt hat. In der That kann das Hyposulfitverfahren als Universalküpe angesehen werden, welche allen Anforderungen genügt und welche bestimmt zu sein scheint, die übrigen Ver- fahren mit der Zeit ganz zu verdrängen. Es erscheint daher berechtigt, auf Theorie und Praxis etwas näher einzugehen. Die Theorie ist, sobald es sich um die Reduktion des Indigos zu Indigweiß handelt, die denkbar einfachste; vorher jedoch, ehe man die zur Reduktion erforderliche Lösung hergestellt hat, ist der Verlauf ein etwas ver- wickelter. Die unterschweflige Säure ist als solche in freiem Zustande noch nicht bekannt, und die von dieser sich ableitenden Hyposulfite sind im allge- meinen noch wenig studiert. Selbst die chemische Zusammensetzung wird von verschiedenen Autoren noch verschieden angegeben; in der Mehrzahl der Lehr- bücher findet sich die Formel H 2 SO 2 ; Knecht (Färberei und Bleicherei der Gespinnstfasern) gibt als Formel H 2 S 2 O 4 an; ob mit Recht, möchte ich bezweifeln; denn die hypothetische hyposchweflige Säure bildet sich aus schwefliger Säure durch Behandlung mit Wasserstoff im Entstehungszustande, und zwar in hermetisch geschlossenen Räumen, also ohne Sauerstoffzufuhr. Die einwandfreie Formel der schwefligen Säure ist aber H 2 SO 3 , aus welcher sich durch Einwirkung von nascierendem Wasserstoff wohl Sauerstoff ab- spalten läßt nach der Gleichung: H 2 SO 3 + H 2 = H 2 SO 2 + H 2 O. Der nascierende Wasserstoff wird aber durch Einfügen von Zink in die schweflige Säure bewirkt. Den hier sich abspielenden Vorgang schildert Dr. Knecht durch folgende Gleichung: 2 H 2 SO 3 + Zn = 2 H SO 2 + Zn (OH) 2 . Diese Gleichung ist zwar theoretisch richtig; wenn man aber metallisches Zink im Ueberschuß auf schweflige Säure wirken läßt, so bildet sich weder freie hyposchweflige Säure, noch scheidet sich Zink- hydroxyd ab . In der Praxis läßt man das Zink aber nicht auf schweflige Säure selbst, sondern auf eine konzentrierte Lösung von Natriumbisulfit wirken. Zweck ist hierbei, die sich bildende hyposchweflige Säure sofort an Natrium zu binden. Der Prozeß verläuft dann folgendermaßen: Natriumbisulfit Zink schwefligsaures hyposchweflig- Wasser. Zinknatrium saures Natrium Herr Dr. Knecht gibt in seinem Buche selber an, daß sich hierbei eine Lösung von unterschwefligsaurem Natron und Zinknatriumsulfit bildet; er gibt dazu aber folgende mit seinem Text keineswegs harmonierende Gleichung: Zink Natriumbisulfit schweflig- schwefligsau- hyposchwefligsau- Wasser. saures Zink res Natron res Natrium Die Reduktion des Indigos verläuft wie folgt: Indigblau hyposchwefligsau- Aetz- Indigweiß Natrium- res Natrium natron sulfit, wogegen Knecht folgende Gleichung aufstellt: Ich habe diese beiden Theorien gegenübergestellt, um zu zeigen, daß die Hyposulfittheorie noch keineswegs definitiv gelöst erscheint. Das End- resultat ist bei beiden Theorien das gleiche. In der Praxis zerfällt die Beschickung einer Sulsitküpe in folgende Operationen: 1. Die Darstellung von Natriumhyposulfit . Der Theorie nach braucht man auf 3 Moleküle wasserfreies saures schwefligsaures Natrium 1 Molekül metallisches Zink, also auf 312 Gewichtsteile Natriumbisulfit 65 Teile Zink; da indessen das Zink in Ueberschuß vorhanden sein muß, nimmt man in der Praxis die doppelte Menge. Das Natronsalz wird in Wasser gelöst und eine Lösung von 31° Bé. verwendet. Das Zink wird am vorteilhaftesten als Zinkblech in aufgerollten Spiralen oder als Zink- späne verwendet; granuliertes Zink oder gar Zinkstaub sind nicht zu empfeh- len. Hauptbedingung ist, daß die Einwirkung des Zinks auf die Natron- lösung unter möglichstem Luftabschluß geschehe, was nicht allein durch den zu erreichenden Zweck, sondern auch durch den Umstand bedingt wird, daß die Lösung an der Luft Dämpfe von schwefliger Säure ausstößt, welche für den Arbeiter höchst beschwerlich sind. Am besten verwendet man ein cylindri- sches Gefäß aus Steingut. Als Verschluß dient am besten ein starker Holz- deckel, nachdem man zuvor auf den Rand des Steingutgefäßes einen Gummi- ring gelegt hat. Das Gefäß wird dann mit der Lösung des sauren schweflig- sauren Natrons und dem Zink möglichst bis zum Rande gefüllt ( Benedikt empfiehlt auf 1 l der Natronlösung 100 bis 125 g Zink), der Deckel auf- gelegt und mit Steinen beschwert. Eine Rührvorrichtung ist nur dann vonnöten, wenn Zinkgranalien oder Zinkstaub verwendet werden; bei spiralig- gerolltem Zinkblech ist sie überflüssig. Selbst von einem bloßen Umrühren mit Holzspatel möchte ich abraten, da ein solches Umrühren mit Zuführung von Luft verbunden sein würde. Die völlige Umwandlung in Natrium- hyposulfit erfolgt auch ohne Umrühren, wenn man der Reaktion einige Stun- den Zeit läßt. Das Zinknatriumsulfit scheidet sich dabei ab, und die Lösung des Natriumhyposulfits kann vollkommen klar dekantiert oder abgehebert wer- den. Diese so gewonnene Lösung kann direkt zum Küpenan- satz verwendet werden . Zur Aufbewahrung eignet sie sich jedoch in dieser Form nicht; man thut daher wohl, besonders im Kleinbetriebe, nur soviel davon anzusetzen, als man zur Küpe eben braucht. Man muß dann das Dreifache des Gewichtes des in Arbeit zu nehmenden Indigos an saurem schwefligsaurem Natron auf Hyposulfit verarbeiten, wie oben angegeben. In großen Wollfärbereien, wo man beständig eine Anzahl von Küpen in Betrieb hat, empfiehlt es sich, dieselben in einer Reihe nebeneinander anzubringen, und über diesen den entweder auf Schienen gehenden (als Schlittenapparat gedachten) oder an einem Drahtseile hängen- den Entwickler von annähernd gleichem Rauminhalt wie die Kufen, hin- und herschieben zu können, um nach beendeter Reaktion im Entwickler die gebildete Hyposulfitlösung durch einen in der Seitenwand des Entwicklers, etwas über dem Boden angebrachten Hahn, in die Küpe entleeren zu können. Von dem zur Verwendung gekommenen Zink bleibt der größte Teil als Metall zurück. Beschickt man den Entwickler sofort wieder, so muß das zurückbleibende Zink mit Wasser abgespült werden, und auf je 1 l der Natriumbisulfitlösung circa 50 g Zink hinzugegeben werden; wird dagegen keine neue Beschickung beliebt, so wird das Zink mit soviel Wasser über- gossen, daß es ganz davon bedeckt ist. 2. Die Ueberführung in neutrales Natriumhyposulfit . Diese vollzieht sich glatt und leicht, wenn man in die nach obiger Methode dargestellte Lösung Kalkmilch gießt. Man rührt zu dem Zwecke 200 g gebrannten Kalk nach dem vorherigen Löschen mit soviel Wasser an, daß das Ganze 1 l beträgt. Auf den Liter der unter 1. gewonnenen Hyposulfit- lösung kommen annähernd 460 g Kalkmilch ( Benedikt ); man durchmischt gut, läßt absetzen und füllt die klare Lösung auf große, bis unter den Stopfen zu füllende Flaschen. Diese Lösung ist minder zersetzbar, muß aber auch vor Berührung mit der Luft sorgfältig gehütet werden. In Angriff genommene Flaschen müssen entweder völlig ausgebraucht oder der verblei- bende Rest in eine entsprechend kleinere vollzufüllende Flasche gethan werden. 3. Das Ansetzen der Küpe . Benutzt man die unter 1. erhaltene Lösung direkt zur Reduktion des Indigos, so wird man auf je 3 kg wasser- freien in Arbeit genommenen Bisulfits (oder die entsprechende Menge Lösung) je 1 kg Indigo und 400 g gebrannten Kalk zu nehmen haben. Benutzt man dagegen die unter 2. gewonnene neutrale Sulfitlösung, so empfiehlt Herzfeld (Deutsche Färberzeitung 1888, Nr. 15), noch vor dem Anstellen der Küpe eine reduzierte konzentrierte Indigolösung herzustellen, mit welcher man die Küpe in beliebiger Stärke ansetzen kann. Man kocht dann fein geschlämmten Indigo mit Zusatz von etwas Kalkmilch oder Natronlauge, und setzt dann, nachdem die Temperatur auf 60 bis 70° C. zurückgegangen, die unter 2. gewonnene Lösung zu, worauf die Reduktion des Indigos sofort eintritt. Zum Küpenansatz nimmt man gekochtes, bis auf 50° C. abge- kühltes Wasser. Je nach dem Farbton, welchen man erzielen will, setzt man von der oben hergestellten reduzierten konzentrierten Indigolösung unter Umrühren zu. Die Küpenflüssigkeit wird dann nach Zusatz von wenig Hyposulfit eine grünlichgelbe Farbe haben, an der Oberfläche eine dünne, kupferige Haut und ein nicht verschwindendes Blau zeigen. Die Flasche muß immer einen kleinen Ueberschuß an Hyposulfit enthalten, auch muß von Zeit zu Zeit etwas konzentrierte Indigolösung zugegeben werden, wodurch man eine kontinuierlich wirkende Küpe von großer Reinheit und ohne irgend welche Gefahren zur Verfügung hat. Die Hyposulfitküpe dient sowohl zur Wollenfärberei, wie auch für alle andern Fasern; sie eignet sich schließlich auch vortrefflich zur Wiedergewinnung und zur Extraktion von Indigo aus gefärbten Stoffen, Lumpen ꝛc. Anderweite Küpen . Mit den vorstehend behandelten Küpen sind dieselben indes noch keineswegs erschöpft; es gibt auch noch anderweite Methoden zum Ansetzen von Küpen, so mit Urin, mit Fruchtzucker u. dergl. Doch sind diese Küpen entweder nicht mehr in Gebrauch, oder sie befinden sich noch nicht in Gebrauch. Nur der Zinnoxydulküpe möge hier noch Erwähnung geschehen, da dieselbe thatsächliche Vorzüge besitzt. Da ihre Herstellung eine sehr einfache ist, ihre Reduktionsfähigkeit aber eine sehr hohe, so verdient dieselbe die Aufmerksamkeit denn doch in höherem Maße, als ihr bisher zu teil geworden ist. Diese Küpe ist eine Lösung von Zinn- oxydul in Natronlauge, und kann durch Hinzugießen einer Zinnchlorürlösung zu einer verdünnten Aetznatronlauge gewonnen werden, so lange das aus- geschiedene Zinnoxydul sich noch in der Natronlauge wieder löst. Sobald eine dauernde Trübung eintritt, hört man mit dem Zusatz auf, läßt die Flüssigkeit sich klären und benutzt die überstehende klare Lösung in gleicher Weise, wie bei der Hyposulfitlösung. Auf noch einfachere Weise erhält man die Zinnoxydulküpe durch Kochen von Indigo mit Aetznatron und metalli- schem Zinn. Das Färben auf der Küpe . Lose Wolle oder Garne werden in das Küpennetz gethan und dieses, nachdem zuvor die „Blume“ abgeschäumt ist, in die Küpe hinabgelassen und unter stetem Hantieren eine Zeit hindurch in der Küpe belassen, doch so, daß sie unter keiner Bedingung den Boden- satz berühren. Garne können auch auf Stöcken eingehängt werden. Stücke werden auf Rahmen gespannt und eingetaucht, oder man benutzt dazu die Sternreifen (Küpensenker). Der Küpensenker dient dazu, Gewebe in breitem aufgenadeltem Zustand in Indigoküpe zu färben und besteht im wesentlichen aus 2 Sternreifen mit 6 strahlenförmig vom Mittelpunkt ausgehenden Armen, welche in Abstän- den von circa 20 mm dicht mit Nadeln besetzt sind. Diese beiden Reifen führen sich an einem eisernen Mittelstab und sind durch Schraubenspindeln für verschiedene Entfernungen stellbar. Die Gewebe werden von innen nach außen aufgenadelt entweder in einfach breitem oder doubliertem Zustand. Der ganze Apparat wird sodann an Ketten oder Seilen aufgehangen und in den Küpenbehälter eingesenkt, worin er je nach Erfordernis der Färbung verbleibt. Gegenwärtig werden die Küpen für Blaudruck nach Art einer Rollerei eingerichtet. Diese Küpen sind eine Verbindung von Küpe mit einer Breit- färbemaschine und in § 28 als Roulette-Küpe ausführlich beschrieben. Das Obermaiersche System in der Blauerei . Das System Obermaier bedarf für Blauereizwecke einer Abänderung der Formen des Apparats, welche Aufgabe auch in glücklicher Weise gelöst ist. Es muß jedoch vorweg erwähnt werden, daß das Küpenfärben nach Obermaier - schem System sich nur für lose Wolle, Kammzug oder Garn und auch nur für Hyposulfitküpe eignet; warme Küpen, sowie solche mit Bodensatz sind nicht verwendbar. Der Obermaier sche Blauereiapparat ist eine sinn- reiche Verbindung des ursprünglichen Obermaier schen Färbeapparats mit einer Centrifuge, und wird durch Fig. 186 in seinen einzelnen Teilen er- läutert; er setzt sich zusammen aus einem zur Aufnahme der Hyposulfit- küpe bestimmten Bottich, dem Färbecylinder und einer Centrifuge. Der Färbecylinder ist circa 60 cm hoch, 90 bis 100 cm weit, mit einfacher durchlöcherter Wandung und hermetisch schließendem Deckel. Der Cylinder wird gefüllt und nach dem Festschrauben des Deckels in den mit Küpe ge- füllten Bottich so eingestellt, daß er von der Küpenflüssigkeit vollkommen be- deckt wird; sodann wird die Flotte mittels Druckpumpe in den Färbecylinder gepreßt, wodurch eine Zirkulation derselben stattfindet. Nach ½ Stunde (oder weniger oder mehr) wird der Cylinder mittels Krahn aus der Küpe gehoben und in die hierfür besonders eingerichtete Centrifuge gethan. Der Färbecylinder bildet hier zugleich die Trommel einer Panzercentrifuge. Die ausgeschleuderte Küpenlauge wird wieder in den Bottich gethan und das centrifugierte Wollmaterial zum Vergrünen herausgenommen. Nach Delmart hat ein auf diese Weise erzeugtes Blau einen minder lebhaften Farbenton, als ein auf einer Soda- oder Waidküpe gefärbtes. Derselbe vermutet, daß die Küpe durch die gewaltsame Behandlung des Pressens und Schleuderns getrübt werde. Wiedergewinnung des Indigos . Bei der Kostspieligkeit des Indigos ist man von jeher darauf bedacht gewesen, denselben aus Abfällen wieder zu gewinnen. So enthält der Küpenschlamm, insonderheit warmer Küpen, nicht unbeträchtliche Mengen Indigo. Um hieraus den Indigo zu gewinnen, empfehle ich, den Schlamm möglichst vom Wasser zu befreien, dann auszubreiten und zu trocknen. Der getrocknete Schlamm wird gröblich zerkleinert und in einen Steintopf oder einen hohen thönernen Cylinder ge- than, und in diesem mit Hyposulfitlösung begossen, dann fest zugedeckt; nach einigen Stunden wird die Lösung entweder klar abgegossen oder mit Heber abgezogen; diese Lösung enthält den gesamten Indigo gelöst; der Schlamm muß noch mit Wasser nachgespült werden; dieses Waschwasser wird zur ersten Lösung hinzugefügt; die Lösung enthält allen Indigo in Form von Indig- weiß gelöst. Statt des Hyposulfits kann natürlich auch das Zinnoxydul- natron mit gleichem Vorteil angewendet werden. Bei mit Indigo gefärbten Geweben sitzt ein Teil desselben bekanntlich nur lose oben auf dem Gewebe. Dieses ist der leichteste und feinste Indigo. Um diesen wieder mit Vorteil zu benutzen, zieht man die Ware lauwarm in dazu bestimmten Säurebütten ab; wenn soviel Ware durchgezogen ist, daß die Flotte dick ist, leert man dieselbe in ein dazu bestimmtes Senkfaß, welches 3 bis 4 mal so groß als die Säurebütte ist; in diesem Fasse setzt sich bei längerem Stehen der Indigo zu Boden; in dem Fasse sind an der Wandung in Zwischenräumen übereinander Ablaßhähne angebracht, welche ein Entfernen der Flüssigkeit gestatten, ohne daß der Bodensatz aufgerührt wird. Der so wiedergewonnene Indigo wird in demselben Fasse ausgewaschen und kann dann wieder zum Küpenansatz verwendet werden. Fig. 186. Blauerei nach dem System Obermaier . Um aus Tuchabfällen, Lumpen ꝛc., welche mit Indigo gefärbt sind, den Indigo wieder zu gewinnen, behandelt man die Zeuge mit verdünnter kochen- der Schwefelsäure. Hierbei löst sich die Wolle auf, während der Indigo ungelöst zurückbleibt. Man kann auf diese Weise z. B. aus Militärtuchen 2 bis 4 Prozent Indigo wiedergewinnen. — Mit dem gleichen Erfolg extrahiert man die Lumpen mit einer Hyposulfitlösung oder mit einer Lösung von Zinn- oxydulnatron oder mit einer verdünnten Lösung von Traubenzucker in Aetz- natronlauge. Die so erhaltenen Indigweißlösungen sind direkt zum Färben wieder verwendbar. § 51. Die Küpenfärberei. Wie im vorigen Paragraphen erwähnt, ist der Indigo der Vertreter einer Klasse von Farbstoffen, welche sich vernunftgemäß nur auf dem Wege der Küpen- bildung als Farbstoffe verwenden lassen. Der Indigo ist der bestgekannte und meist angewendete Farbstoff dieser indifferenten Farben; er ist jedoch keineswegs der einzige. — Es ist wohl kein zufälliges Zusammentreffen, daß alle mittels Küpenmanier gefärbte Farbstoffe rußen , d. h. daß sie teilweise so locker auf der Faser aufliegen, daß sie durch einfaches mechanisches Reiben sich teilweise auch wieder davon entfernen lassen. Alle jene Farben, welche das in auffallender Weise thun, zählen mehr oder minder hierher, so z. B. das Anilinschwarz. Auch das Anilinschwarz läßt sich auf Küpen- manier färben Aus einem Referate des Verfassers in der „Deutschen Färberzeitung“ 1887, Nr. 12, 17, 29. . Löst man nämlich Anilinschwarz in rauchender Schwefel- säure, so entsteht eine erst dunkelgrüne, später blauviolette Lösung, welche, in Wasser gegossen, als grüner Niederschlag sich absetzt. Dieser Niederschlag, welcher in dickeren Massen schwarz, in dünner Schicht hingegen rein grün aussieht, ist die Anilinschwarzschwefelsäure . Löst man diesen grünen Niederschlag in so viel Aetzkalilösung, als eben nötig ist, so resultiert eine violettblaue Lösung: diese enthält den Anilinschwarzkarmin . Setzt man dieser violettblauen Lösung noch etwas überschüssiges Alkali hinzu und be- handelt dieselbe dann mit Traubenzucker oder mit schwefliger Säure, so entfärbt sich die Lösung : die Flüssigkeit enthält jetzt das Kalisalz der Anilinweißschwefelsäure und kann mit Fug und Recht als Anilin- schwarzküpe bezeichnet werden. Damit getränkte vegetabilische oder animalische Fasern färben sich hernach an der Luft , je nach der Konzentration der angewandten Küpe, rasch blauviolett bis schwarz . Diese Art und Weise der Bildung von Anilinschwarz auf der Küpe würde uns über die bis jetzt üblichen Oxydationsmethoden und -Maschinen hinweghelfen, und es wäre zu wünschen, daß man der Praxis dieser Methoe eine größere Beachtung als bisher zuwenden wollte. Wie der Verlauf des gewöhnlichen jetzt üblichen Oxydationsverfahrens sowohl, als auch das elektrolytische Verfahren zeigt, bildet sich das Anilin- schwarz nicht sofort; vielmehr bildet sich zuerst ein grüner Farbstoff, der erst bei fortgesetzter Oxydation in Schwarz übergeht, während das gleichzeitig sich neu Bildende wiederum grün ist. Die Gesamtmenge erscheint daher schwarzgrün und ist ein Gemisch aus reinem Anilinschwarz und dem grünen Zwischenprodukt, welches man als Emeraldin bezeichnet. Wie wir bisher gesehen haben, bildet sich, wenn wir chemisch reines Anilinsalz in neutraler oder schwach saurer Lösung anwenden, nur dieses im Produkt. Anders gestaltet sich jedoch das Resultat, wenn statt der ange- säuerten Lösung eine alkalisch gemachte Lösung eines reinen Anilinsalzes der Elektrolyse unterworfen wird. Bei einer mit Ammoniak versetzten Lösung erhielt Herr Prof. Dr. Goppelsröder Anilinschwarz und Grün in nur geringen Mengen , dagegen sehr viel Braun , ziemlich viel Rot und Blauviolett und Spuren von Gelb . Wurde statt des Ammoniaks (Sal- miakgeist) Chlorammonium (Salmiak) zugesetzt, so erhielt Herr Prof. Goppels- röder viel Braun , ziemlich viel Violett , etwas Rot, wenig Gelb und etwas Anilinschwarz. Wiederum andere Resultate ergaben die elektrolytischen Versuche Goppels- röders mit den höheren Homologen des Anilins, dem Toluidin und Xylidin, sowie mit den Methyl- und Aethylabkömmlingen des Anilins, Toluidins und Xylidins, sowohl für sich, wie in ihren Gemischen. Diese Untersuchungen sind deshalb von Wichtigkeit, weil das Anilinsalz des Handels fast niemals reines Anilinsalz ist, vielmehr stets — besonders das sog. schwere Anilinöl — mit mehr oder minder großen Mengen Toluidin und Xylidin vermischt ist. Die Resultate der einzelnen Versuche hier aufzuführen, würde den Rahmen eines Referats übersteigen, nur so viel möge erwähnt sein, daß sich Farb- stoffe der verschiedensten Art, vornehmlich braune, violette, rote, goldgelbe, gelbe, und bei den Methyl- und Aethylderivaten vornehmlich rein blaue, meist in Gemischen von wechselnder Zusammensetzung, bildeten. Die Bildung und Darstellung von Farbstoffen aus den entsprechenden Chromogenen auf dem Wege der Elektrolyse ist damit unwiderleglich festgestellt. In den vorstehenden Betrachtungen haben wir es nur mit Erscheinungen zu thun gehabt, welche sich am positiven Pol zeigen. Nun möchten wir aber auch einige Erscheinungen erwähnen, welche Herr Professor Goppelsröder an der negativen Elektrode beobachtet hat. Diese Erscheinungen gaben keine so befriedigenden Resultate, vielleicht deshalb, weil die Grundbedingungen für das Gelingen noch nicht genügend bekannt sind, teils auch, weil sie den theoretischen Erwartungen nicht entsprechen. Es ist zwar gelungen, Anthra- chinon, einen Abkömmling des Anthracens, in Oxyanthrachinon, dieses in Alizarin und letzteres wieder in Purpurin umzuwandeln, aber die Mengen waren so gering, daß eine Methode für die Praxis hieraus zunächst sich nicht ableiten läßt. Mit weit besserem Erfolge hat Herr Professor Dr. Goppels- röder die Umwandlung von Indigo in Indigweiß versucht. Ich darf wohl voraussetzen, daß die Grundbedingungen für eine gute Indigoküpe bekannt sind; für diejenigen aber, welche von diesem wichtigen Requisit eines Färbers nur verschwommene Ansichten haben und sich über das Was, Warum und Wie nicht recht klar sind, möge kurz erwähnt sein, daß dazu unerläßlich notwendig ist: 1. Indigo in feiner gemahlener Form; 2. Wasser, kalt oder warm, je nach Art der Küpe; 3. ein Alkali oder eine im Wasser lösliche alkalische Erde (in der Praxis handelt es sich hierbei um Kalk, Natronlauge und Ammoniak); 4. ein Körper, welcher direkt oder indirekt das Wasser in seine Be- standteile, Sauerstoff und Wasserstoff, zerlegt; der letztere verbindet sich dann mit dem Indigblau zu Indigweiß, welches sich mit gelblicher Farbe löst. Unter Körpern dieser Art ist eine große Auswahl; am bekanntesten sind Eisen- vitriol, Zinkstaub, Zinnsalz, Arsensulfür, Traubenzucker, unterschweflige Säure. Zu den genannten Körpern kommt dann noch eine Anzahl gärender organi- scher Stoffe, wie Waid, Krapp, Kleie, Melasse, Harn u. s. w. Es ist nun das entschiedene Verdienst Goppelsröders , nachgewiesen zu haben, daß auch durch die bloße Zersetzung des Wassers auf dem Wege der Elektrolyse die Reduktion des Indigos zu Indigweiß sich vollzieht. Ich kann hier nicht auf die experimentellen Versuche Goppelsröders näher eingehen, sondern nur die Resultate mitteilen; es geht daraus hervor, daß die Reduktion des Indigblaus zu Indigweiß, mit andern Worten also, daß die Küpenbildung auf elektrochemischem Wege am schnellsten und vollkommensten in der Siedehitze vor sich geht . Von mindestens dem gleichen Interesse sind die Erscheinungen, welche bei fortgesetzter Wirkung des elektrischen Stromes auftreten; sie sind ganz besonders dazu geeignet, uns einen Einblick in die eigentümlichen Erscheinungen thun zu lassen, welche wir als die „Krankheiten“ der Küpe zu bezeichnen pflegen. Wenn die Erscheinungen, welche wir bisher zu betrachten Gelegenheit hatten, sich auch lediglich in Flüssigkeiten vollzogen, so führt doch eine ein- fache Betrachtung zu dem Schluß, daß der elektrochemische Vorgang in einer solchen Flüssigkeit ganz derselbe sein muß auch dann, wenn dieselbe sich in Gespinnstfasern oder Geweben eingelagert findet. Die Richtigkeit dieses Satzes ist von Herrn Professor Dr. Goppelsröder experimentell nachge- wiesen worden. Werden Baumwollen-, Leinen-, Wollen- oder Seidenfasern oder -Gewebe mit den früher gedachten Lösungen getränkt und dann der Wirkung des elektrischen Stromes ausgesetzt, so vollziehen sich jene früher beschriebenen elektrolytischen Zersetzungen direkt auf der Faser selbst . Es werden also beim Tränken der Fasern mit Anilinsalzlösungen sich Farbstoffe bilden, welche sofort sich auf den Fasern niederschlagen werden; ist die Flüssig- keit derart, daß bei ihrer elektrolytischen Behandlung bleichende Produkte auftreten, so werden diese sofort ihren bleichenden Einfluß auf die Fasern ausüben. Werden gefärbte Zeuge mit Lösungen getränkt, bei deren Elektro- lyse Produkte auftreten, welche den Farbstoff zerstören, so tritt Aetzung ein; wird aber eine derartig ätzende Lösung zugleich mit Anilinsalz versetzt, so tritt auf der geätzten Stelle gleichzeitig die Bildung von Anilinschwarz auf. Ja, es ist sogar gelungen, die Indigoküpe erst auf der Faser selbst zu erzeugen, d. h. also den Indigo- auf der Faser in Indigweiß zu verwandeln. Herr Professor Dr. Goppelsröder verwendete zu diesem Zwecke eine Mischung von fein geriebenem Indigo mit einer wässerigen Lösung eines Aetzalkalis, mit welcher das zu färbende Zeug getränkt wurde. Das so ge- tränkte Zeug wurde zwischen zwei als Elektroden wirkende Metallplatten ge- legt und nun der galvanische Strom durchgeleitet; dabei löst sich der Indigo zu Indigweiß und dringt in Lösung in die Faser, während sich auf der Faseroberfläche der eigentümliche Kupferglanz der Küpe zeigte unter gleich- zeitiger Entwickelung des charakteristischen Küpengeruchs. Wird derart be- handeltes Zeug der Luft ausgesetzt, so wird das Indigweiß wieder in Blau verwandelt, welches ebenso solid auf der Faser fixiert ist, wie das auf der Küpe angeblaute. Aehnlich wie der Indigo verhalten sich aber auch Indophenol, Coeruleïn, Alizarinblau und Alizarinschwarz . Bei den letzteren 3 kommt uns das nicht so zu Bewußtsein, weil uns die Farbenfabriken die- selben bereits in Küpenform liefern, denn die Farbstoffe Coeruleïn S , Alizarin- blau S , Alizarinschwarz S sind nichts anders, als die Hyposulfitverbindungen der betreffenden unlöslichen indifferenten Stoffe, und deren einfache wässerige Lösungen sind thatsächlich nichts anderes, als konzentrierte Coeruleïn- ꝛc. Küpen. Weiteres über das Küpenverhältnis dieser Farbstoffe vergl. Erster Teil § 73, b , 8; § 75, a , 1 und Zweiter Teil § 49. Bezüglich des Indophenols, welches die auf dasselbe gesetzten Hoffnungen nur unvollkommen erfüllt hat, haben Ende Februar 1889 Centralblatt für die Textil-Industrie 1889, S. 173/74. die Herren Durand, Huguenin \& Comp . in Basel die interessante Beobachtung gemacht, daß eine gemischte Indigo-Indophenolküpe ausgezeichnete Resultate liefert. Dieselben empfehlen folgende Konzentrierte Mischküpe . 66 l mit Wasser angeriebener Indigo, entsprechend 20 kg festem Indigo, 6,6 kg Indophenol, 96 kg Natriumbisulfit von 39 bis 40° Bé., 13,2 kg Zinnsalz, 16,1 kg Zinkstaub, 660 l Wasser werden gemischt, während einer Stunde tüchtig durchgerührt und nachher mit 52 l Aetznatronlösung von 38° Bé. versetzt. Man rührt nochmals tüchtig durch und läßt alsdann bis zum nächsten Morgen stehen. Die so erhaltene „konzentrierte Küpe“ wird alsdann in die Färbeküpe gegossen, welche 5500 l Wasser und 340 l Hyposulfitlösung enthält. Die Küpe wird tüchtig durch- gerührt und die Ware nachher wie gewöhnlich ausgefärbt. Die Färbeküpe muß während des Färbens immer auf konstanter Stärke erhalten werden. Man erreicht dieses leicht, indem man durch ein Trichter- rohr konzentrierte Küpenlösung, welche man separat dargestellt hat, einfließen läßt. Am Abend gibt man etwas Hyposulfitlösung in die Küpe, um die Oxydation während der Nacht zu verhindern. Die Hyposulfitlösung wird dargestellt durch langsames Eintragen von 160 g Zinkstaub, 200 g Zinn- salz in 1 l Bisulfit von 39 bis 40° Bé. und 4 l Wasser. Man rührt gut um, verdünnt mit Wasser und fügt endlich noch 640 ccm Aetznatronlauge von 38° Bé. hinzu. Die mit Indigo-Indophenol angesetzten Küpen arbeiten also kontinuier- lich und können sehr lange dienen, da sich in ihnen fast kein Bodensatz bildet. Nach dem Färben ist es gut, zur vollständigen Oxydation des Indophenols, die Ware durch ein kaltes Chrombad zu ziehen, welches 2½ bis 3 Prozent Bichromat enthält. Baumwolle im Strang wird in der „gemischten Küpe“ wie in der Indigoküpe ausgefärbt. Wolle färbt man warm, wie in der gewöhnlichen Indigo-Hyposulfitküpe. Die Ersparnis an Indigo bei obigem Färbeprozesse ist eine nicht unbedeutende. Im großen ausgeführte Versuche haben gezeigt, daß 100 kg Indigo durch circa 55 kg Indigo und 18 bis 19 kg Indo- phenol ersetzt werden können. Da das Indophenol billiger als Indigo ist, so hat man im Minimum eine Ersparnis von 25 Prozent. Die erhaltenen Nüancen sind lebhafter als die mit Indigo allein ge- färbten, und die gemischte Küpe hat den Vorteil, auch die sog. toten Fasern (Coton mort) anzufärben, was der Indigo allein nicht thut. Alle indifferenten Farbstoffe zeichnen sich aber auch durch große Echt- heit aus und zählen darum mit Recht zu jenen Farbstoffen, welche — mit Ausnahme von Anilinschwarz — zur Wollenechtfärberei sich vorzüglich eignen. § 52. Die Modefarben. Unter Modefarben versteht man eine ganze Anzahl von Farbtönen, welche sich in die allgemein bekannten Hauptfarben nicht einreihen lassen, auch nicht wohl als Misch- oder Zwischenfarben aufgefaßt werden können; es sind fast durchweg unbestimmte Töne, von denen es schwer hält, einen Grundton anzugeben. Eine Anzahl zeichnen sich durch einen mattgelben Schein aus; sie heißen Drapfarben. Das große Gebiet von Nüancen, welche zwischen diesen und dem Schwarz, dem Braun, dem Oliv, dem Grau und Weiß liegen und bald rötlichen (Taubenhalsfarbe), bald grünlichen (Schlamm- grün), bald bläulichen (Schieferblau) Schein haben, gehört den Modefarben. Da wir keinen Farbstoff besitzen, welcher ohne weiteres eine Modefarbe er- zeugt, so sind alle Modefarben durch Mischung darzustellen. Für das Färben von Modefarben lassen sich keinerlei allgemeine Regeln aufstellen; auch die von einigen Autoren beliebte Deutung, daß Modefarben nur ganz geringe Farb- stoffmengen zu ihrer Herstellung brauchen, trifft nicht zu. Bis in die neuere Zeit wurden die Modefarben vorwiegend aus Holz- farben dargestellt; erst die neueste Zeit kann darin einen Uebergang zu den künstlichen organischen Farbstoffen verzeichnen. Insonderheit seit es mit Hilfe ganz geringer Mengen Alizarinschwarz möglich ist, einen grauen Fond in jeder gewünschten Nüance zu erzeugen, erschließt sich den Modefarben eine ganz neue Aera, welche die Herstellung zarter, wasch und lichtechter Töne in einfachster Weise ermöglicht. Beispiele hier zu geben, unterfange ich mich nicht; dieselben würden ohne Musterbeleg nur geringen Wert haben; zudem ist dieses Werk ein Hand- und Lehrbuch, aber kein Rezept- und Musterbuch. Auf Wolle werden die grünlichen und bläulichen Modefarben durch Anblauen auf der Küpe und eine entsprechende Aufsatzfarbe erzeugt, ohne daß das jedoch Bedingung wäre. Spezielle Vorschriften zur Erzeugung von Mode- farben finden sich mit Mustern in allen Fachzeitungen und können daher hier um so eher entbehrt werden. 2. Seidenfärberei. §. 53. Die Färbemethoden. Ueber die Seide, ihre Eigenschaften, und ihr chemisches Verhalten s. Teil I , § 6. Substantives Seidenfärben . Die Seide besitzt in noch höherem Maße, als die Wolle, große Verwandtschaft zu einer Anzahl direkt färbender Stoffe, welcher Umstand noch dadurch erhöht wird, daß der hohe Wert der Seide auch die Verwendung solcher Farbstoffe gestattet, welche zur Ver- wendung in der Wollenfärberei zu teuer sein würden. Durchschnittlich sind alle neutralfärbenden Wollfarbstoffe (§ 41) auch zum Färben von Seide ver- wendbar, nur wird deren Zahl hier eine weit höhere. Das Färben der Seide mit substantiven Farben ist womöglich (infolge der größeren Anziehungs- kraft der Seide) noch einfacher, als bei der Wolle: Lösen des Farb- stoffes im Färbebade, Eingehen mit der Seide in das kalte , d. h. nicht angewärmte Färbebad , und langsames Anwärmen des Bades unter vorsichtigem Zugeben kleinerer Mengen weiteren Farbstoffes unter beständigem Umziehen der Ware . In vielen Fällen genügt schon ein Anwärmen des Bades auf 40 bis 50° R., nur selten steigert man die Temperatur auf 60 bis 70°; ein Treiben bis zum Kochen kommt nur in ganz vereinzelten Fällen vor. Ein durchschnittlicher Normalprozentsatz des zum Färben nötigen Farbstoffes läßt sich nicht an- geben, da die Seide oft mit nur verschwindend kleinen Mengen Farbstoff ge- färbt wird, um ihr ein leuchtendes Weiß mit rosafarbenem oder bläulichem Schimmer zu geben. Ehe die Seide in Arbeit genommen wird, muß sie unterbunden werden. Zu diesem Zweck wird jeder Strähn oder Strang mit einem Baumwoll- faden kreuzweis unterbunden, und ein bestimmtes Quantum (⅛ bis ½ kg ) zu einem Ganzen (Handvoll, Docke) vereinigt. Zweck des Unterbindens ist, die Seide nach jedem Bade breit legen zu können, so daß dieselbe stets gleichmäßig und glatt bleibt und ein Zerreißen nicht so leicht stattfinden kann. Bedingung beim Färben der Seide ist ein kalkfreies Wasser und eine durch fleißiges Spülen von Säure- oder Seifengehalt befreite Ware, sodann aber eine besonders noble und zarte Behandlung beim Färben. Zu dem Zweck bringt man die Seide schlicht und breit auf Stöcke von glattem hartem Holz; man vereinigt auf einem solchen Stock je nach der Form der zum Färben benutzten Gefäße 2 oder 4 Hände voll Seide. Man taucht vor- sichtig in die Farbbäder ein und zieht dann rasch um, wozu man sich eines zweiten ähnlichen Stockes bedient, welcher vorn mit einem Knopf versehen ist. Zum Umziehen steckt man den zweiten Stock etwas schräg, direkt den Lauf des Farbstockes verfolgend, unter die Seide, bis der Knopf an der andern Seite sichtbar wird, zieht die Seide ihrer ganzen Länge nach um und läßt sie leise wieder in die Flotte zurückfallen; ist die Seide so umgezogen, so hebt man Stock für Stock auf und läßt sie an einer anderen Stelle des Behälters leise einfallen. Beim Umziehen oder Umsetzen ist darauf zu achten, daß ein Wollig- oder Rauhwerden nicht eintrete; tritt dieser Fall einmal ein, so muß ein solcher Strähn auf die Docke genommen und durch vorsich- tiges Strecken wieder schlicht gemacht werden. Das Färben der Seide geschieht in der modernen Färberei fast durch- wegs mit künstlichen organischen Farbstoffen, entweder ohne jedweden Zusatz oder unter Zusatz geringer Mengen Bastseife oder von Säuren, vornehmlich Essigsäure. Ein Vorbeizen der Seide findet in solchen Fällen nicht statt, sondern es wird durchgehends nach der Einbadmethode gefärbt. Seidenfärben mit Beizung . Diese Methode findet überall da statt, wo es sich um die Fixierung von Farbstoffen handelt, welche zur Seiden- faser nur geringe Affinität haben, z. B. aller natürlichen Farbstoffe. Diese. Methode wird im allgemeinen nur noch selten angewendet, in ausgedehntem Maßstabe aber bedient man sich ihrer beim Schwarzfärben der Seide, wo neben dem Beizen noch das sog. Beschweren der Seide einhergeht. Ueber dieses Schwarzfärben werde ich in einem eigenen Paragraphen ausführlicher be- richten. Das Avivieren oder Schönen der Seide schließt vielfach den Färbe- prozeß ab; es dient zum Lebhaftermachen einer Farbe und wird vielfach durch eine Passage durch ein schwach essigsaures Bad bewerkstelligt. — Bei Garnen folgt dann häufig noch das Schwillieren , welches als rein mechanische Operation in § 33 bereits erläutert worden ist. § 54. Die Seidenbeizen. Wie aus dem vorigen Paragraphen ersichtlich, findet ein eigentliches Vor- beizen der Seide selten statt; daher ist die Zahl der Seidenbeizen eine nur geringe; sie beschränkt sich in der Hauptsache auf Eisenbeizen zum Schwarzfärben und auf Thonerde- und Zinnbeizen zum Färben mit Holzfarben. Von Thonerde- beizen kommt dabei lediglich der Alaun in Betracht (mindestens ist mir kein Fall von Verwendung schwefelsaurer oder essigsaurer Thonerde bekannt ge- worden), von Eisenbeizen das holzessigsaure Eisenoxydul und das basisch schwefelsaure Eisenoxyd; von Zinnbeizen Zinnchlorür als eigentliche Beize, das Zinnchlorid dagegen nur als Beschwerungsmittel für weiße oder hell gefärbte Seide. Kaliumdichromat wird nur höchst selten benutzt; Kupfer- vitriol dient gelegentlich zum Dunkeln. Weit wichtiger ist dagegen die An- wendung des Tannins und der Gerbstoffe überhaupt. Beizen mit Alaun . Um die Seide mit Alaun zu beizen, muß der Alaun — dieser muß unbedingt eisenfrei sein — in Wasser gelöst werden. Gleichzeitig wird die Seide mit Wasser genetzt, in der kalten Alaun- lösung gut umgezogen und dann behutsam unter Flotte gesteckt und darin über Nacht belassen; am nächsten Morgen wird mit kaltem Wasser tüchtig gespült. Das Alaunbeizbad wird in sehr verschiedener Stärke angewendet; man bringt 1 bis 15 Prozent vom Gewicht der Seide an Alaun in An- wendung; die Dauer des Beizens währt von 6 bis zu 24 Stunden; je voller und intensiver eine Farbe ausfallen soll, desto stärker muß die Beize sein; besonders Grün muß stark und lange gebeizt werden. — Zum Beizen verwendet man am besten Holzgefäße, und bringt stets genügend, aber auch nicht zu viel Flotte in Anwendung. Ein Weinsteinzusatz wird beim Beizen der Seide nicht beliebt. Daß bei dieser Beizmethode eine Zersetzung des Ganswindt , Färberei. 36 Alauns auf der Seide, und etwa die Abscheidung eines basischen Sulfats oder gar von Thonerdehydrat erfolgen soll, ist sehr wenig wahrscheinlich; weit eher glaube ich, daß hier lediglich ein mechanisches Aufsangen und ein mechanisches Festhalten des Alauns stattfindet. Daß durch das spätere Spülen der Alaun — wie Hummel meint — mehr oder minder zersetzt wird, will mir jedoch nicht einleuchten. Alaungebeizte Seide gibt mit Blauholz violettrote, mit Gelbholz citronen- gelbe, mit Quercitronrinde schwefelgelbe und mit Rotholz karmoisinrote Farbtöne. Beizen mit holzsaurem Eisen . Dasselbe dient nur zu Schwarz und kann kaum als Beize betrachtet werden, denn dem Behandeln auf der Schwarzbeize geht eine solche auf einem gerbstoffhaltigen Bade (Tannin- lösung, Schmackabkochung, Kastanienextrakt ꝛc.) voraus. Das holzessigsaure Eisen wird in einer Stärke von 5 bis 9° Bé. angewendet; nach dem Im- prägnieren damit wird die Seide 10 bis 15 Minuten zum Behufe der Oxy- dation (dem „Vergrünen“) der Luft ausgesetzt. Weiteres hierüber s. § 65, das Schwarzfärben der Seide. Beizen mit basischem Ferrisulfat . Diese im ersten Teil § 96 erwähnte, gemeinhin fälschlich „salpetersaures Eisen“ genannte Beize dient gleichfalls zum Schwarzfärben und Beschweren der Seide, daneben aber auch noch zur Herstellung von Modefarben auf Seide. Dem verschiedenen Zweck ihrer Anwendung entspricht denn auch ihre verschiedene Stärke. Zu Mode- farben wird sie 2 bis 3° Bé. stark angewendet, zum Schwarzfärben kommt in der Regel eine Beize von 10° Bé., seltener bis zu 15° Bé., kalt in An- wendung. In dieser Flotte zieht man gut um, bis alles gehörig durchnetzt ist, und steckt dann mit den Stöcken unter die Flotte. Die Flotte muß un- bedingt klar angewendet werden. Die Dauer des Beizens hängt von der Tiefe der zu erzeugenden Farbe ab und währt von 10 Minuten bis zu 12 Stunden. Nach dem Beizen muß die Seide der Luft ausgesetzt werden, 15 bis 20 Minuten; darauf wird tüchtig gewaschen, aus starken Beizen 2 bis 3 mal, worunter einmal warm. Keinenfalls darf die gebeizte Seide ohne vorheriges Spülen getrocknet werden. Dieses Beizen und Spülen wird 7 bis 8 mal hintereinander wiederholt. Nach dem Behandeln auf dem Eisenbade wird die Seide auf einem Seifenbade oder auf einer alten Seidenabkochung, welcher noch etwas Mar- seiller Seife und 2 Prozent krystallisierte Soda zugesetzt sind, bei Kochhitze behandelt. Nun folgt nochmals Waschen mit Wasser, womit der Beizprozeß beendet ist. Ein Vorbeizen mit Gerbsäure wird in diesem Falle nicht an- gewendet. Bei dieser Methode nimmt die Seide jedesmal circa 4 Prozent an Gewicht zu, so daß ein 7 bis 8 mal wiederholtes Eingehen in das Eisen- bad eine Zunahme von 28 bis 32 Prozent, oder, da durch das Abkochen 25 Prozent der Seide verloren gehen, eine Zunahme von 3 bis 7 Prozent der Rohseide bedeuten; eine 6 mal gebeizte Seide würde also annähernd genau soviel wiegen, wie die ursprünglich angewandte Rohseide. Beizen mit Zinnchlorür . Zum Beizen der Seide mit Zinnsalz bereitet man sich ein Bad aus kaltem Wasser und Zinnsalz, 6° Bé. stark, versetzt dasselbe mit ganz wenig Salzsäure, zieht hierin die Seide behutsam um und steckt alles unter Flotte, läßt eine Zeit hindurch darin stecken, hebt auf, wäscht und entwässert. — Mit Zinnsalz gebeizte Seide gibt mit allen Farbhölzern lebhafte Töne, mit Blauholz violett, mit Rotholz blaurot, mit Gelbholz gelb. Zinnchlorür in Verbindung mit basischem Ferrisulfat dient zur Herstellung des Berlinerblau auf Seide mittels Blutlaugensalz. — In Verbindung mit Catechu dient das Zinnchlorür zur Erzielung eines schweren Schwarz. In Verbindung mit Ferrisulfat dient es schließlich zur Erzielung einer Anzahl von Modefarben mit Hölzern. — Die Anwendung von Zinn- chlorid als Seidenbeize für Scharlach und Purpur ist durch die künstlichen Farbstoffe völlig verdrängt worden. Anwendung von Kaliumdichromat . Dieses dient nicht als Beize, sondern nur als Oxydationsmittel auf vorheriges Imprägnieren mit Catechu, zur Erzeugung von Catechubraun; siehe braune Färbungen der Seide. Kupfervitriol dient bisweilen zum Nachdunkeln, um gewisse Schwarz- farben zu nüancieren. Beizen mit Gerbsäuren . Seide besitzt für Gerbstoffe (Tannin, Sumach, Gallus, Catechu u. dergl.) eine ziemlich bedeutende direkte Ver- wandtschaft; sie nimmt aus den Lösungen, je nachdem dieselben kalt oder warm sind, 15 bis 25 Prozent ihres eigenen Gewichtes auf, ohne dadurch in ihren Eigenschaften eine Veränderung zu erleiden. Diese wertvolle Eigenschaft der Gerbsäure läßt sie für das Schwarzfärben und Beschweren der Seide besonders wertvoll erscheinen. Um die Seide mit Gerbstoff zu beizen, löst man entweder Tannin in lauwarmem Wasser, oder man wendet eine Abkochung von Sumach oder von Galläpfeln, oder Sumach- oder Kastanienextrakt an; besonders das letztgenannte ist sehr beliebt. Das Beizen geschieht durch Eingehen mit der Seide in die lauwarme Lösung und Steigen der Temperatur bis nicht ganz zum Kochen. Im Beizbade abkühlen lassen und spülen. Anwendung des Bastseifenbades . Als Bastseifenbad wird be- kanntlich die beim Abkochen und Entschälen der Seide gewonnene Lösung des Seidenleims gewonnen; dieselbe dient erfahrungsgemäß als der beste Zusatz zum Färbebade in der Seidenfärberei und wirkt bei der Seide ähnlich, wie das Natriumdisulfat (Weinsteinersatz) bei der Wolle. Diese eigenartige Wirkung sucht Kertész zu erklären, indem er meint, daß „der Leimgehalt der Bastseife die Unreinigkeiten des Farbstoffes mechanisch zurückhält, während andererseits die Seife avivierend auf die Faser wirkt“. — Wo keine Bast- seife vorhanden ist, thut eine Abkochung von 1 kg Marseiller Seife, 150 g Gelatine, 40 l Wasser ( Kertész ), dieselben Dienste. Unter „gebrochenem“ Bastseifenbade versteht man ein mit soviel Essigsäure angesäuertes Bastseifenbad, daß das Bad kaum merklich sauer ist; in einzelnen Fällen, aber nicht überall, kann die Essigsäure auch durch eine kleine Menge Schwefelsäure ersetzt werden. § 55. Die Seidenfarbstoffe. Für die Seidenfärberei sind die künstlichen organischen Farbstoffe von so hoher Bedeutung geworden, daß sie die natürlichen fast ganz verdrängt 36* haben. Nur ausnahmsweise werden noch die Holzfarben und die andern untenstehend genannten Farbmaterialien verwendet. Die Zahl der Seiden- farbstoffe ist größer als die der Wollfarbstoffe, da hier auch mancher schöne Farbstoff, welcher für Wolle viel zu teuer sein würde, bei dem hohen Preis der Seide Verwendung finden kann. a) Direkt färbende . Safflor. Orseille. Curcuma. Orlean. Gelbschoten. Lokao. Catechu. —— Fuchsin. Cerise. Grenadin. Marron. Safranin. Magdalarot. Rhodamin. Chinolinrot. Viktoriagelb. Chrysoïdin. Phosphin. Auramin. Malachitgrün. Aethylgrün. Brillantgrün. Viktoriagrün 3 B . Methylgrün. Jodgrün. Aldehydgrün. Nilblau. Resorcinblau. Methylviolett B . Krystallviolett. Benzylviolett. Hofmanns Violett. Aethylviolett. Mauveïn. Gallocyanin. Prune. Bismarckbraun. Die vorbenannten Farbstoffe färben in neutralem Färbebade direkt und ohne allen Zusatz; in den meisten Fällen ist ein ganz geringer Zusatz von Bastseife nicht schädlich, bei Orseille, Orlean, Phosphin, Bismarckbraun, Malachitgrün, Gallocyanin und Prune ist ein derartiger Zusatz sogar er- wünscht. b) Aus gebrochenem Bastseifenbade färbende . Eine Anzahl Farbstoffe, welche zwar auch direkte Färbungen geben, liefern dieselben schöner und echter in einem schwach gebrochenen Bastseifen- bade (vergl. den vorigen Paragraph). Vielfach genügt ein schwaches Ansäuern mit Essigsäure; bei einigen stark sauren Farbstoffen muß das Seifenbad aber mit Schwefelsäure gebrochen werden, so daß diese stark vorwaltet. aa) Aus essigsaurem Bastseifenbade . Eosin. — B N . Methyleosin. Aethyleosin. Erythrosin. Phloxin. Bengalrosa. Cyanosin. Rhodamin. Uranin. Chrysolin. Metanilgelb. Orange IV. — II. Viktoriablau 3 B . Viktoriablau 4 R . Nachtblau. bb) Aus schwefelsaurem Bastseifenbade . Sämtliche Azofarbstoffe aus § 68, c, I und II. Fuchsin S . Pikrinsäure. Echtgelb. Naphtolgelb. Metanilgelb S . Viktoriagelb. Citronin. Neugelb. Curcumin S . Aurantia. Tartrazin. Naphtolgelb S . Orange II. Isatingelb. Brillantgelb. Azoflavin. Säuregrün. Guineagrün B . Echtgrün. Anilinblau, spritlöslich. Bayrischblau D S F . — D B F . Wasserblau. Indulin. Indigkarmin. Säureviolett. Resorcinbraun. Säurebraun. Echtbraun. c) Auf gebeizte Seide färbende . Cochenille. Rotholz (veraltet). Krapp (veraltet). Blauholz. Lackmus (veraltet). Gelbholz. Quercitron (selten). Wau. Rhodamin. Chrysoïdin. Alkaliblau. Alkaliblau D . Alizarinblau. Galleïn. Gallocyanin. Ueber die neuesten in den Handel gelangten Seidenfarbstoffe vergleiche man den Nachtrag . § 56. Rote Färbungen auf Seide. 1. Direkte rote Färbungen . Um ein neutrales Rot direkt zu erzielen, ist nur die Orseille zu verwenden und zwar durch Behandeln in neutralem (nicht ammoniakali- schen oder mit Bastseife versetztem, auch nicht in angesäuertem) Bade. Doch wird Orseille für sich allein wenig angewendet und man färbt daher Neu- tralrot besser aus gebrochenem Seifenbade. Hochrote Farben erhält man mit Orlean; das Orleanrot ist bei größerer Verdünnung gelbrot. Der Hauptstock der direkten roten Seidenfarb- stoffe gibt aber blaurote, rosa und braunrote Färbungen. Ein blaustichiges Rot wird durch Fuchsin erzeugt. Rosa wird durch Safflor, Safranin und durch Magdalarot erzeugt. Das Safflorrosa ist außerordentlich lebhaft, aber etwas gelbstichig; es wird in kaltem Bade gefärbt; das Safraninrosa ist sehr wenig lichtecht; das mit Magdalarot erzeugte Naphtalinrosa färbt am besten im schwach gebroche- nen Bastseifenbade und gibt dann zarte Rosatöne; da es sehr teuer ist, kann es nur für ganz zarte Rosas, Lachsfarbe ꝛc. in Betracht kommen. Das prachtvollste bläuliche Rosa erhält man mit Rhodamin. — Die geringeren Fuchsinsorten geben mehr kirschrote bis bräunlichrote Färbungen. 2. Färbungen in gebrochenem Seifenbade . Die in § 67 a genannten Phtaleïne geben in schwach essigsaurem Bastseifenbade eine Anzahl gelbstichiger bis blaustichiger Nüancen. Das Eosin gibt ein Orangerot, das Methyleosin (Eosin B N ) ein gesättigtes Pon- ceau; das spritlösliche Methyleosin (Erythrin) gibt eine gelbliche Nüance. Das Erythrosin (Eosin J ) und das Phloxin geben mehr bläulichrote Nüancen; das Aethyleosin (Eosin S ) kommt dem neutralen Rot nahe. Das Cyanosin hat etwa die Nüance des Erythrosins, ist aber bedeutend lebhafter. Die blaueste Nüance, fast Karmoisin, gibt Bengalrosa. Schöne Blaurosa-Töne gibt auch das Rhodamin. Bedingung beim Färben mit Eosin ist kalkfreies Wasser. Die Lichtechtheit der Eosine ist jedoch eine sehr geringe, so daß man wohl nur für einzelne ganz eigene Nüancen, wie sie die Eosine aller- dings bieten, darauf zurückgreifen wird. Das Rhodamin dagegen scheint wesentlich lichtechter zu sein. Eine weit größere Mannigfaltigkeit in der Auswahl der Nüancen hat man, wenn man im schwefelsauren Bastseifenbade färben kann. Hier steht uns die große Anzahl von Azofarbstoffen zu Gebote, welche jede Nüance vom Orangerot bis zum Violettrot zu färben gestatten, und durch Kombinieren untereinander ein beliebiges Abtönen ermöglichen. Für sich allein angewendet, geben a) Rein rote Färbungen. Echtrot (Roccelline). — B — E Orseillerot A Orseilline B B Orseille-Ersatz. Azococcin 2 R . Kresolrot. Cochenillescharlach G . Phenantrenrot. b) Blaustichige rote Färbungen. Fuchsin S . Ponceau 3 R . Coccinin B . Croceïn B . — 3 B . Azococcin 7 B . Azorubin S . — 2 S . Ponceau 5 R . Ponceau 6 R . — S extra. — SS „ Brillant-Croceïn. Thiorubin. Naphtorubin. Buffalorubin. Echtrot D . c) Gelbstichige rote Färbungen. Cochenillescharlach 2 R — 4 R Croceïnscharlach 3 B . — 7 B . Ponceau R T . — G . — 2 R . — 3 G . — acide . Doppelscharlach extra S . Doppelbrillantscharlach G . Biebricher Scharlach. Scharlach G R . — G Echt-Scharlach. Krystallponceau 6 R . Croceïn 3 B X . Neucoccin. Pyrotin. d) Braunstichige rote Färbungen. Azoorseillin. Bordeaux G . Bordeaux B . — extra. Auch hier muß darauf aufmerksam gemacht werden, daß die Azofarb- stoffe durch Zinnsalz reduziert werden, daß also beim Färben damit Zinnsalz nicht verwendet werden darf; ebensowenig darf natürlich eine mit Zinnsalz hergestellte oder avivierte Farbe mit einem Azofarbstoff nüanciert werden. 3. Indirekte rote Färbungen . Die durch Beizen von Seide hergestellten Färbungen sind wenig zahl- reich. Am häufigsten wird noch mit Cochenille gefärbt, und zwar Kar- moisin, Scharlach und Lila. Karmoisin mit Cochenille . Beizen der Seide mit Alaun; nach ½ stündigem Erwärmen bleibt die Seide über Nacht im Beizbade liegen; am nächsten Morgen ausfärben in besonderem Bade mit 10 bis 40 Prozent Cochenille, je nach Nüance; oder: Beizen mit salpetersaurem Zinn, über Nacht liegen lassen, dann im frischen Bade mit Cochenille ausfärben. Man geht bei 25° R. mit der Seide ein und treibt allmählich bis zum Kochen. Am Schluß des Färbens Ammoniumcarbonat zusetzen. Scharlach mit Orlean und Cochenille . Grundieren mit Orlean auf schwachem Seifenbade bei 40° R. und spülen. Die gelb gefärbte Seide wird dann mit Chlorzinn gebeizt und über Nacht in der Zinnsalz- lösung belassen; am nächsten Morgen gut spülen und ausfärben auf frischem Bade mit 10 bis 40 Prozent Cochenille und 5 bis 10 Prozent Weinstein. Oder: Färben in einem Bade mit Cochenille, Zinnsalz und Oxalsäure ( Hummel ). Freunde von Holzfarben können mit Alaun beizen bei 60° R., aus- färben in einer Rotholzabkochung und avivieren in einem Seifenbade oder in einer Zinnsalzlösung. So empfiehlt z. B. Vitalis ein Unechtes Karmoisin mit Brasilienholz . Beizen mit 25 Prozent Alaun durch 6 bis 10 Stunden; ausfärben in einer Abkochung von 30 Pro- zent Brasilienholz bei 30 bis 60° R., nicht höher. Avivieren in einer Lösung von 3 Prozent (vom Gewicht der Seide) Pottasche. Rosenrot mit Brasilienholz . Beizen mit Alaun, Spülen, Aus- färben in einem schwachen, handwarmen Brasilienholzabsud ¼ Stunde lang, und Schönen in einem kalten, mit wenig Salmiakgeist versetzten Wasser- bade. Echtes Karmoisin nach Schrader . Beizen mit 50 Prozent römischem Alaun, 12 Stunden im Beizbade liegen lassen, Spülen und Aus- färben in 15 bis 20 Prozent Cochenille und 10 Prozent gepulverter Gall- äpfel. Purpur . Färben der Seide mit Cochenille und dann ein schwaches Blau daraufsetzen, wozu ein kaltes, mit etwas Küpenlauge vermischtes Wasser- bad erfordert wird. Lila aus Cochenille . Beizen mit Eisenvitriol und Weinstein; Aus- färben mit Cochenille. Neutralrot mit Krapp . Einlegen über Nacht in eine Alaunlösung, Ausfärben in besonderem Bade mit 50 Prozent Krapp. Kalt eingehen, bis zum Kochen treiben; Avivieren mit einer Seifenlösung oder in einem Zinn- salzbade. — Das Purpurrot und Neutralrot sind veraltet. § 57. Orange Färbungen auf Seide. 1. Direkte Färbungen . Ein direkter oranger Farbstoff auf Seide ist das Viktoriagelb; allen- falls könnte auch Chrysoidin in größeren Mengen dazu gebraucht werden. 2. Färbungen aus gebrochenem Bastseifenbade . Hierfür stehen uns schöne echte Farbstoffe zu Gebote und zwar die meisten in schwefelsaurem, die mit * versehenen in essigsaurem Seifenbade: Orange IV. * — II. * Viktoriagelb. Aurantia. Sonnengelb. Orange G . Curcumin S . 3. Indirekte Färbungen . Orange mit Orleangrund . Ausfärben der Seide in einem Orlean- bade bei 50 bis 60° R., um ihr den nötigen gelben Fond zu geben; dann durch ein schwach angesäuertes Wasserbad passieren und in besonderem Bade mit Safflor (kalt) oder Cochenille (warm) ausfärben; schließlich Schönen mit Essigsäure oder Citronensaft, oder Passieren durch eine Zinnlösung. Orange mit Wau . Grundieren mit Orlean, wie beim vorigen; hierauf Beizen mit Alaun und Ausfärben mit Wau. 4. Mischfarben . Wo die Azofarbstoffe zur Erzielung einer Nüance noch nicht ausreichen sollten, lassen sich durch Kombinieren von roten und gelben Farbstoffen alle möglichen Orangetöne erzeugen; auch durch Kombination von natürlichen Farbstoffen untereinander und mit künstlichen organischen Farbstoffen gelangt man zu Orange. Hier einige Beispiele: Orange mit Gelbschoten und Safflor . Grundieren, ohne zu beizen, in einer Gelbschoten-Abkochung; spülen und ausfärben in besonderem kaltem Bade mit Safflorkarmin. Orange mit Wau und Fuchsin . Grundieren, ohne zu beizen, mit einer Wau-Abkochung, ausfärben in besonderem Bade mit Fuchsin bis zur Nüance. Orange mit Orseille und Auramin . Färben in einem Bade mit Orseille unter Zusatz von Bastseife und etwas Essigsäure; spülen und ausfärben in neuem Bade mit Auramin unter Zusatz von etwas Bastseife. Kardinal . Färben in einem schwach gebrochenen Bastseifenbade mit Fuchsin und Chrysoidin. Säure-Orange . Färben in einem mit Schwefelsäure gebrochenen Bastseifenbade mit Croceïnscharlach und Säuregelb. Doppelorange . Färben in einem 50° R. warmen schwachen Seifen- bade mit Phosphin, nüancieren mit Safranin gelbstichig und spülen; zuletzt mit Essigsäure avivieren. § 58. Gelbe Färbungen auf Seide. 1. Direkte Färbungen . Zum Direktfärben dienen Phosphin, Chrysoidin und Auramin. Alle drei werden in schwachem ca. 50° R. warmem Seifenbade gefärbt und nach- her in verdünnter Essigsäure aviviert. Auch die Abkochungen von Curcuma und Gelbschoten geben direkt ohne Beizen schöne lebhafte Färbungen auf Seide, von denen die mit Gelbschoten durch Echtheit ausgezeichnet ist. 2. Färbungen aus gebrochenem Bastseifenbade . Chrysolin und Uranin geben in mit Essigsäure gebrochenem Bade ein brillantes Gelb, welches hinterher mit Essigsäure aviviert wird. Naphtolgelb, Echtgelb, Pikrinsäure, Metanilgelb S , Citro- nin, Neugelb, Curcumin S und Tartrazin, Naphtolgelb S , Brillantgelb, Isatingelb und Azoflavin geben in mit Schwefel- säure gebrochenem Seifenbade verschiedene gelbe Nüancen, von denen Cur- cumin S , Echtgelb, Metanilgelb ein Orangegelb, Naphtolgelb, Echtgelb und Citronin ein Goldgelb, die übrigen ein neutrales Gelb geben; nach dem Färben wird mit Essigsäure aviviert. 3. Indirekte gelbe Färbungen . Der einzige Farbstoff, welcher zum Erzeugen eines indirekten Gelb auf Seide auch heute noch in großen Mengen gebraucht wird, ist Wau . Um ein reines Gelb zu erzeugen, wird die Seide mit eisenfreiem Alaun gebeizt, gespült und in besonderem Bade mit einer Abkochung von 20 bis 40 Prozent Wau gefärbt. Auch in diesem Falle kann dem Färbebade etwas Seifenlösung zugesetzt werden, wodurch die Färbung eine gleichmäßigere wird. Dunklere Nüancen von Gelb werden durch Anwendung von mehr Wau oder Zusatz von etwas Pottasche gefärbt; ganz dunkle Töne erhalten einen schwachen Orleangrund. Zuletzt Avivieren in einem schwachen Seifenbade unter Zu- satz von etwas Wauabkochung. Gelbholz wird zu gelben Farben in der Seidenfärberei nicht benutzt. Quercitron gibt citronengelbe Färbungen, wenn man die Seide zu- vor mit Zinnsalz beizt. Durch Erhöhen der Mengen Zinnsalz und Quer- citron erhält man dunklere Töne. Oder: Beizen mit Alaun und Ausfärben in besonderem Bade mit 10 bis 15 Prozent Quercitron bei etwa 35° R. Zum Schluß Passieren durch ein schwaches Sodabad oder Avivieren mit einer Zinnsalzlösung. Ein grünliches Gelb wird aus Wau erhalten, wenn man dem Bade etwas Küpenblau hinzufügt. Goldgelb aus Wau . Beizen mit essigsaurer Thonerde 5 bis 6° Bé., Trocknen und Spülen; Ausfärben in einem starken Waubade, welches man zuerst mit etwas Sodalauge, hernach mit einer Auflösung von Kupfervitriol vermischt hat. Orangegelb aus Chrysoidin wird durch Vorbeizen der Seide mit Alaun gewonnen. § 59. Grüne Färbungen auf Seide. 1. Direkte Färbungen . Zum direkten Grünfärben der Seide aus neutralem oder schwach mit Seife versetztem Bade haben wir 7 prächtige Farbstoffe. Von diesen er- fordern Methylgrün und Malachitgrün keinen Seifenzusatz, doch kann er ohne Gefahr für den Farbenton gemacht werden; die übrigen erfordern ein schwaches Bastseifen- oder Seifenbad. Man färbt bei 40 bis 50° R. Brillantgrün gibt von allen die gelblichste Nüance, demnächst folgt Malachit- grün, wogegen Aethylgrün, Methylgrün und Viktoriablau ein blaustichiges Grün geben; Aldehydgrün und Jodgrün geben ein neutrales Grün. Zum Nüancieren in Gelb empfiehlt sich Auramin. In allen Fällen ist gutes Waschen und Avivieren in einem kalten, leicht mit Essigsäure angesäuerten Bade zu raten. Das Färben mit Lokao hat heute nur noch historischen Wert. 2. Färbungen aus gebrochenem Bastseifenbade . Zum Färben aus mit Schwefelsäure gebrochenem Bastseifenbade eignen sich: Säuregrün, Echtgrün, Naphtolgrün und Guineagrün B , insbesondere das erste und letzte; dieses gibt ein mehr bläuliches Grün. Färben bei 40 bis 60° R., Spülen und Schönen in einem schwach schwefelsauren Bade. Nüancieren in Gelb mit Naphtolgelb. 3. Indirekte grüne Färbungen durch Mischen von Gelb und Blau . Es gibt keinen natürlichen grünen Farbstoff, welcher auf gebeizte Seide ein Grün erzeugt; wir sind in dieser Beziehung auf Kombinationen ange- wiesen. Diese Kombinierbarkeit findet sich aber auch bei den künstlichen or- ganischen Farbstoffen, so daß wir außer den oben genannten wirklich grünen Farbstoffen auch noch eine Anzahl grüner Mischfarben besitzen, welche vor- zügliche Effekte geben. Am gewöhnlichsten ist ein Gemisch aus Indigkarmin und Pikrinsäure, welches sogar in den Handel kommt. Will man gelbe und blaue Teerfarben selbst kombinieren, so mischt man dieselben entweder im Färbebade direkt zusammen, oder man färbt erst den einen und gibt, nach- dem derselbe angezogen, den andern hinzu, z. B. Grün mittels Alkaliblau . Anfärben im alkalischem Seifenbade mit 1 bis 2 Prozent Alkaliblau; ausfärben in einem zweiten Bade mit Naphtolgelb und etwas Schwefelsäure. Man kann aber ebenso leicht künstliche und natürliche Farbstoffe kom- binieren, z. B. Dunkelgrün . Mit Alkaliblau 3—7 B , wie oben angegeben, anblauen; spülen, 2 Stunden kalt in Alaun einlegen, spülen und ausfärben bei 60° R. mit 2 Teilen Gelbholz und 1 Teil Blauholz; Avivieren in einem essigsauren Bade mit Methylgrün bei 40° R. — Oder: In einem mit Essigsäure neutralisierten Sudseifenbade wird mit 1 bis 1½ Prozent Indig- blau ( Tillma uns, E. ter Meer \& Comp .) bei 50 bis 75° R. ein blauer Grund gegeben, dann wird die Flotte bis 40° abgekühlt und bei dieser Temperatur mit Brillantgrün ausgefärbt. Echtgrün mit Gelbholz und Küpenblau . Beizen mit Alaun, spülen, ausfärben in besonderem Bade 1 Stunde lang mit 50 bis 100 Pro- zent Gelbholz (vom Gewicht der Seide), Spülen und Umziehen in der kalten Küpe bis zur gewünschten Nüance. Hellgrün mit Wau und Küpenblau . Beizen mit Alaun, spülen, ausfärben in besonderem Bade mit 10 bis 20 Prozent Wau, zuletzt Be- handeln in der kalten Küpe. Dunkelgrün mit Wau und Indigcarmin . Beizen mit Alaun; spülen, ausfärben mit 40 Prozent Wau und das Grün entwickeln auf frischem Bade mit ½ Prozent Indigkarmin und ¼ Prozent Alaun. Englischgrün mit Küpenblau und Kreuzbeeren . Man gibt der Seide auf einer Vitriolküpe einen hellblauen Grund, zieht sie durch heißes Wasser, spült sie und beizt dann mit Alaun; schließlich färbt man in einer schwach mit Essigsäure angesäuerten Kreuzbeerenabkochung, bis man die verlangte Farbe erhalten hat, spült und trocknet im Schatten. Blaugrün mit Curcuma . Beizen mit Alaun, Spülen und Aus- färben in besonderem Bade mit 2 bis 3 Prozent Curcuma und soviel in Wasser gelöstem Indigoextrakt, bis das Bad die grüne Farbe angenommen hat, welche man zu erzielen wünscht. Spülen und Appretieren. Maigrün mit Scharte . Beizen mit Alaun, Spülen und Ausfärben in besonderem Bade mit 75 Prozent Scharte und auf der kalten Küpe nüancieren. (Veraltet.) Grün mit Blauholz und Gelbholz . Auskochen mit Seife, Waschen, Behandeln 8 Minuten lang auf Ferrisulfat, Spülen und in hand- warmer Flotte aus Blauholz und Gelbholz ein Silbergrau färben. Dieses mit Malachitgrün unter Zusatz von etwas Essigsäure überfärben. Diese indirekten Methoden haben heute aber alle nicht mehr den Wert und das Interesse wie früher. § 60. Blaue Färbungen auf Seide. 1. Direkte Färbungen . Hierfür eignet sich am besten das Nilblau aus neutralem Bade ohne Zusatz von Seife und das Resorcinblau aus mit Essigsäure schwach ange- säuertem Seifenbade. Beide Farbstoffe sind aber noch wenig bekannt; letzteres ist rotstichig. 2. Färbungen aus gebrochenem Bastseifenbade . Größer ist die Wahl und Zahl der Teerfarbstoffe, wenn wir aus ge- brochenem Seifenbade färben können, und zwar gibt dann aus essigsaurem Seifenbade: Nachtblau und Viktoriablau 3 B ein grünstichiges, Vik- toriablau 4 R ein violettes Blau; aus schwefelsaurem Seifenbade: Anilinblau, spritlöslich und Wasserblau grünstiche, Bayrischblau rein blaue und Indulin indigoblaue Töne. Das Nachtblau eignet sich vorzüglich zur Erzielung zarter, mattblauer Farbtöne, sowie solcher Blaus, welche auch bei künstlicher Beleuchtung ihren natürlichen Ton beibehalten. Für das beliebte Gensdarmblau verwendet man mit Vorteil Viktoriablau 3 B; zum Nüancieren verwendet man Naphtolgelb oder nach Bedarf Brillantgrün. 3. Färbungen auf gebeizte Seide . Zum Färben mit Hilfe von Beizen eignen sich die verschiedenen Marken Alkaliblau . Diese Farbstoffe gehen nur in einem stark alkalischen Seifen- bade oder in Gegenwart alkalisch wirkender Salze (Soda, Borax) an die Seide (daher der Name). Das Alkaliblau eignet sich besonders für helle Töne, wie Himmelblau und Hellblau, und zwar vom reinen Blau ( B ) bis zum Grünlichblau (7 B ) in allen Abstufungen. Der Farbstoff wird auf ein- mal in das Färbebad gegeben; ½ Prozent ergibt bereits einen satten Farbenton, 1 oder 2 Prozent geben bereits sehr volle starke Töne. Man behandelt bei 40° R., kann aber langsam bis fast zum Kochen treiben. Sobald diese Temperatur erreicht ist, hört man zu färben auf, nimmt heraus, spült tüchtig, windet ab, und entwickelt das Blau auf einem be- sonderen 3 bis 5 Prozent Schwefelsäure enthaltenden Bade durch 10 bis 20 Minuten bei 40 bis 60° R. Schließlich spülen, ohne zu avivieren. Die Marken Alkaliblau R—3 R eignen sich für kornblumenblaue und marineblaue Töne. Alizarinblau . Beizen mit Alaun, Spülen und Färben in beson- derem Bade (ohne Seifenzusatz) mit Alizarinblau. Schönen und Entwickeln des Blaus auf frischem Bade durch Kochen in einer Seifenlösung. Indigblau . Beizen mit 10 Prozent eisenfreiem Alaun während 4 Stunden; ausfärben in besonderem Bade mit 5 Prozent Indigkarmin. Berlinerblau wird auf Seide kaum noch gefärbt; man erzielt es auf folgende Weise: Beizen mit schwefelsaurer Eisenoxydlösung längere oder kürzere Zeit, je nach der verlangten Schattierung; dann folgt ein fast kochen- des Seifenbad von 25 Prozent Marseiller Seife (vom Gewicht der Seide), sodann scharf spülen. Das Ausfärben geschieht in besonderem Bade mit 8 bis 10 Prozent gelbem Blutlaugensalz, je nach der zu erzielenden Farben- tiefe, unter Hinzufügen von 15 bis 20 Prozent Salzsäure. Zuletzt spülen und avivieren auf einem ganz schwachen Ammoniakbade. Indigo wird selten noch zum Blaufärben der Seide benutzt, dann aber am besten in Form der Zinkstaubküpe. § 61. Violette Färbungen auf Seide. 1. Direkte Färbungen . Zum direkten Färben stehen uns 8 violette Farbstoffe zu Gebote, von denen jedoch das Mauveïn lediglich zum Weißnüancieren der Seide im Strang gebraucht wird. Alle übrigen werden am besten in einem schwachen Seifenbade gefärbt; sie gehen aber auch aus der direkten wässerigen Lösung, ohne Seifenzusatz, an die Seide. Von einigen Praktikern wird ein Zusatz von Essigsäure zum Färbebade empfohlen; derselbe schadet nichts, hat aber auch keinen praktischen Nutzen. Am beliebtesten ist das Methylviolett , welches rein violette Töne gibt; das Benzylviolett (Methylviolett 6 B ) gibt blauviolette Töne; Hofmanns Violett und Krystallviolett geben mehr rotstichige Violetts; Aethylviolett gibt noch etwas blauere Nüancen als Methylviolett. Gallocyanin und Prune färben am besten aus einem Seifenbade; beide geben blauviolette Töne, werden aber wenig angewendet. — Beim Färben von Violett setzt man den Farbstoff am besten nach und nach zu, geht bei 30° mit der Seide ein und treibt bis auf 75°. Zum Avi- vieren dient am besten Essigsäure, doch ist auch Schwefelsäure bisweilen ver- wendbar, besonders dann, wenn durch das Avivieren zugleich ein Nüanciern in Blau bezweckt werden soll. Ganz zarte Töne, wie Hortensia und Mattlila, werden durch ganz ge- ringe Mengen Farbstoff in schwach essigsaurem Bade erzielt. Zur Erzeugung dunkelvioletter Töne gibt man einen blauen Grund, am besten mit Alkali- blau, wäscht gut, und färbt dann mit Methylviolett aus. 2. Färbungen aus gebrochenem Bastseifenbade . Eigene violette Farbstoffe, welche aus saurem Bastseifenbade angehen, existieren außer dem Säureviolett nicht; dasselbe existiert in verschiedenen Marken B (blaustichig) und R (rotstichig) und gibt in mit Schwefelsäure ge- brochenem Bastseifenbade alle Nüancen von Pflaumenblau (Prune), je nach der Menge des angewendeten Farbstoffs (½ bis 2 Prozent). Aber auch die direkt angehenden violetten Farbstoffe lassen sich aus einem schwachen, mit Essigsäure gebrochenen Bastseifenbade färben. Diese Methode empfiehlt sich besonders dann, wenn mit blauen oder roten sauren Farbstoffen, wie z. B. Anilinblau, Wasserblau, Säurefuchsin, nüanciert werden soll. Nach dem Spülen wird mit Schwefelsäure in kaltem Bade aviviert, indem man auf 100 l Wasser ½ kg Schwefelsäure von 66° Bé. nimmt. 3. Indirekte violette Färbungen . Violette Färbungen auf gebeizte Seide erhält man, wenn man von Mischfarben absieht, nur mittels Galleïn und Gallocyanin ; es ist mir nicht bekannt, ob irgendwo Seide damit gefärbt wird, doch stände ihrer Anwendung nichts im Wege; die Seide müßte mit Kaliumdichromat gebeizt werden, und in allem Uebrigen müßte, wie bei Alizarinfarben üblich, verfahren werden. 4. Mischfarben . Violette Färbungen lassen sich auch durch Mischen von Blau und Rot erzielen. So erhält man durch Mischen wechselnder Mengen von Wasser- blau und Fuchsin S alle gewünschten violetten Töne. Auch durch Mischen natürlicher roter und blauer Farbstoffe läßt sich Violett herstellen. Eines der echtesten ist das Echtviolett aus Cochenille und Küpenblau . Man beizt die Seide mit Alaun und färbt sie ohne Zusatz von Weinstein oder Zinnsalz mit 12½ Prozent Cochenille karmoisinrot, spült und gibt den blauen Ton am besten in einer Zinkstaubküpe. Das erzielte Violett wird stets matt aus- fallen; um ihm Glanz zu geben, aviviert man in einem Orseillebad. Violett aus Orseille und Küpenblau . Man färbt zuerst in einem Orseillebade rot an, spült und bläut auf der Küpe. Violett mit Blauholzextrakt . Beizen mit 1½ Prozent Zinnsalz und 1½ Prozent Schwefelsäure in handwarmem Bade ½ Stunde lang; Spülen und Ausfärben in besonderem Bade mit einer filtrierten Auflösung von Blauholzextrakt bis zur gewünschten Nüance. (Diese Methode hat heute wohl nur noch historisches Interesse.) § 62. Braune Färbungen auf Seide. Künstliche organische Farbstoffe, welche direkt nur aus gebrochenem Bast- seifenbade ein Braun erzeugen, besitzen wir nur wenige; dagegen haben wir im Catechu einen trefflichen braunen Seidenfarbstoff. Man verwendet den- selben aber weniger zum Braunfärben, dagegen gibt man der Seide mit Vorliebe für braune Farben einen Catechugrund. Man verwendet nur die besten Pegu-Marken. Der Catechu wird heiß gelöst, durch ein Haarsieb filtriert und die Flotte zum Grundieren 30 bis 70° R. warm angewendet. Man ver- wendet zum Grundieren für helle Töne 5 bis 10, für dunklere 15 bis 20 Prozent Catechu, und grundiert im ersteren Falle bei niedrigerer, im andern Falle bei höherer Temperatur. Nach dem Grundieren färbt man, je nachdem man ein rötliches, gelbliches oder grünliches Braun erzielen will, in einem roten, gelben oder grünen Seidenfarbstoff aus. 1. Direkte Färbungen . Will man den Catechugrund umgehen, so färbt man in einem schwa- chen Seifenbade mit Bismarckbraun bei 50° R. Aus mit Schwefel- säure gebrochenem Bastseifenbade färbt man mit Resorcinbraun ein schö- nes lebhaftes Gelbbraun, welches jedoch für allgemeine Anwendung noch zu teuer ist; in gleicher Weise ist Säurebraun und Echtbraun aus schwe- felsaurem Bade anzuwenden. Bismarckbraun eignet sich besonders für helle gelbbraune Töne; man kann mit Fuchsin und Bordeaux beliebig nüancieren und aviviert mit Essigsäure. Auch Säurebraun läßt sich für hellbraune Nüancen verwenden; man färbt mit 1 bis 2 Prozent und nüanciert mit etwas Säuregelb und Orange; aviviert wird in diesem Falle mit Schwefel- säure. 2. Braune Färbungen auf Catechugrund . Nachdem man mit Catechu, wie oben beschrieben, grundiert, wird gut gespült und in gewöhnlichem oder gebrochenem Seifenbade ausgefärbt, und zwar verwendet man: a) Für rötliche Nüancen : Roccellin (Echtrot, etwa 1 Prozent), Safranin (1 Prozent), Bordeaux G (1½ Prozent), Fuchsin (1 bis 1½ Pro- zent), Fuchsin und Chrysoidin (1 resp. ½ Prozent). Zur Erzielung dunklerer Töne dunkelt man in besonderem Bade entweder mit holzessigsaurem Eisen- oxydul oder schwefelsaurem Eisenoxyd, beide in einer Stärke von 1 bis 5° Bé., sowie auch Kaliumdichromat in Lösung von 1 bis 4° Bé. b) Für gelbliche Nüancen : Phosphin (¼ Prozent), Säuregelb (½ Prozent), Orange S (¾ Prozent), Bismarckbraun (½ Prozent). Auch kann man dem Catechubade gleich anfangs einen entsprechenden Zusatz von Curcuma geben, womit ein Gelbbraun in einem Bade erzielt wird. Zum Dunkeln dient holzessigsaures Eisen oder schwefelsaures Eisenoxyd. Aus den Grundierungsbädern ist stets gut zu waschen, resp. zu spülen und zu schwillieren. Zum Avivieren dient für Bismarckbraun und Phosphin Essig- säure, für Säuregelb und Orange S Schwefelsäure. c) Für olive Nüancen : Säuregrün ½ bis 2 Prozent. Avivieren mit Schwefelsäure. Dunkeln mit Eisen wie oben. Man kann aber auch Holzfarben auf Catechufond färben, z. B. Grun- dieren mit 10 Prozent Catechu und 2½ Prozent Kaliumdichromat; hierauf spülen und über Nacht einlegen in 10 Prozent Alaun; wieder spülen und in besonderem Bade bei 50° R. ausfärben mit Gelbholz und Rotholz; Avivieren mit Weinsäure. — Oder: Grundieren mit 10 Prozent Catechu und 5 Prozent Curcuma; Dunkeln auf einem schwefelsauren Eisenoxydbade von 5° Bé. ½ Stunde lang und umziehen auf einem 40° R. warmen Bade aus 1½ Prozent Kaliumdichromat. Scharf spülen und im frischen Bade ausfärben 30 bis 40° warm unter Zusatz von etwas Marseiller Seife. 3. Braune Mischfarben . Braun auf Seide läßt sich auch durch Mischen verschiedener künstlicher organischer Farbstoffe oder von diesen mit natürlichen erzielen; z. B. Rotbraun . Färben im Seifenbade bei 30 bis 70° R. mit 1 Pro- zent Safranin, und nachdem der Farbstoff angegangen, in demselben Bade dunkeln mit ¾ Prozent Direktschwarz (vergl. Erster Teil, § 57). Kirschbraun . Färben in alkalischem Bade mit 1 Prozent Alkali- blau; nachdem im Entwickelungsbade das Blau vollständig entwickelt, nimmt man die Seide heraus, setzt 1 Prozent Azorubin in mehreren malen hinzu, indem man von 30 bis 70° R. fertig färbt, dann wird gewaschen, ohne zu avivieren. Violettbraun . Grundieren mit 10 Prozent Catechu und 2 Prozent Kaliumdichromat, spülen, und in besonderem Bade ausfärben mit 1 Prozent Fuchsin und ⅕ Prozent Methylviolett B bei 30 bis 70°. Aviviert wird mit 1 Prozent Schwefelsäure kalt. Bronze . Färben im Seifenbade von 30 bis 70° R. mit ¼ Pro- zent Bismarckbraun, ⅛ Prozent Phosphin, und nüancieren mit etwas neu- tralem Grün; avivieren mit Essigsäure. — Oder: Färben in mit Schwefel- säure gebrochenem Seifenbade bei 30 bis 75° R. mit ½ Prozent Säure- gelb, ¼ Prozent Orange S , nüancieren mit ein wenig Säuregrün; avivie- ren mit Schwefelsäure. Braunoliv . In einem mit Schwefelsäure gebrochenen Seifenbade von 30 bis 70° R. färben mit 2 Prozent Säuregelb 4 R , ½ Prozent Säuregrün und ⅓ Prozent Säurefuchsin; avivieren mit Schwefelsäure. — Oder: Färben wie vorher mit 2 Prozent Säurebraun und ½ Prozent Säuregrün; avivieren mit Schwefelsäure. Holzbraun . Beizen mit Alaun. Ausfärben in besonderem Bade mit 50 Prozent Gelbholz, 15 Prozent Rotholz. Nach ½ Stunde auf- heben; zum Bade hinzugeben 4 Prozent Blauholz; wieder eingehen mit der Seide und Dunkeln mit 2 Prozent Eisenvitriol. (Wird heute nicht mehr angewendet.) § 63. Olive Färbungen auf Seide. Alle Schattierungen in Oliv basieren auf einer satten gelben Grund- farbe. Zur Herstellung derselben bedient man sich des Säuregelbs in seinen verschiedenen Marken. Der eigentliche Olivton wird der Farbe durch Zu- satz von Blau und Rot zum Geld verliehen. Infolge dieses grünroten Tones verwendet man mit bestem Erfolg alle rotstichigen Gelbs und als Er- satz für Rot alle Orange S , welche gleichfalls in verschiedenen Tönen exi- stieren, und von denen wiederum die rotstichigen die geeignetsten sind. Das erforderliche Blau läßt sich mit Vorteil auch durch blaue Marken von Säure- grün ersetzen. Auf ein normales Oliv rechnet man im Durchschnitt: 15 Teile Gelb, 2 Teile Blau bezw. 4 Teile Grün, und 1 Teil Rot bezw. 2 bis 3 Teile Orange. Durch Abänderung in diesem Verhältnis lassen sich alle möglichen Schattierungen in Oliv herstellen. Hier einige Beispiele: Helloliv . Man färbt auf einem mit Essigsäure gebrochenen Seifen- bade mit ½ Prozent rotstichigem Säuregelb, 1/15 Prozent Indigblau und 1/30 Prozent Orange; avivieren mit Essigsäure. — Oder: Färben im ein- fachen Seifenbade mit ¾ Prozent Chrysoidin und ⅛ Prozent Methylgrün; avivieren mit Essigsäure. Mittles Grünoliv . Färben in mit Schwefelsäure gebrochenem Seifen- bade mit 1½ Prozent rotstichigem Säuregelb, ⅜ Prozent Indigoblau und 3/16 Prozent Säurefuchsin; allmähliches Zusetzen der Farbstoffe und lang- sames Steigern der Temperatur; avivieren mit Schwefelsäure. Goldoliv . Färben in mit Schwefelsäure gebrochenem Seifenbade bei 40 bis 70° R. mit 1 Prozent Orange S und ⅕ Prozent blaustichigem Säuregrün; avivieren mit Schwefelsäure. Zur Herstellung dunkler Töne dunkelt man mit Direktschwarz. § 64. Modefarben auf Seide. Zur Erzeugung der Modefarben lassen sich allgemeine Vorschriften nicht geben; nur das läßt sich sagen, daß hierfür die Hölzer, welche sonst in der Seidenfärberei durch die Teerfarben verdrängt sind, für Erzeugung sämtlicher Nüancen in Grau mit Vorliebe verwendet werden; zu den gelben und bräunlichen Modefarben dient Catechu in Verbindung mit Holzfarben. Hier einige Beispiele: Silbergrau . Man behandle 15 bis 20 Minuten auf einem schwa- chen, 30° R. warmen Tannin- oder Gallusbade, hebe auf, gebe etwas Ferri- sulfat hinzu, behandle wiederum 15 bis 20 Minuten, spüle gut, schwilliere und färbe heiß mit etwas Blauholz und Seife aus. — Oder: Man beizt eine Stunde kalt mit 5 Prozent Alaun und etwas schwefelsaurem Eisenoxyd, spült, entwässert und färbt heiß mit Blauholz und etwas Seife aus. — Oder: Man ziehe die Seide auf einem kalten Bade, welches ein entsprechen- des Quantum Blauholzabsud enthält, mehrmals um, hebe auf, füge etwas schwefelsaures Eisenoxyd zum Färbebade, gehe wieder ein und behandle, bis die Seide ein volles Grau zeigt. Jetzt wird gut gewaschen, entwässert und heiß ausgefärbt mit einigen Tropfen Indigkarmin und Methylviolett. Gelblichgrau . Beizen mit schwachem schwefelsaurem Eisenoxyd, waschen, entwässern und färben bei 40° R. mit etwas Gelbholz und Seife. Grünlichgrau . Gebeizt wird wie beim vorigen; ausgefärbt wird heiß mit Quercitronabkochung, etwas Blauholz und Seife. Rötlichgrau . Beizen ¼ Stunde lang in einem schwachen 30° war- men Gallus- oder Tanninbade, herausnehmen, etwas Ferrisulfat zusetzen, wieder eingehen und ¼ Stunde behandeln, waschen und schließlich ausfärben mit wenig Blauholz, etwas mehr Rotholz und etwas Seife. Blaugrau . Beizen mit schwefelsaurem Eisenoxyd 1 Stunde lang unter Zusatz von etwas Zinnsalz, gut waschen, entwässern und ausfärben bei 40° R. mit Blauholz und etwas Seife Bei allen diesen Holzfarben ist 4 Prozent Seife vom Gewicht der Seide ge- rechnet. . Oliv-Mode . Beizen mit Alaun 12 Stunden hindurch; auf der Küpe hell anblauen, spülen, entwässern und ausfärben in besonderem Bade mit 30 Prozent Gelbholz und 5 Prozent Rotholz. Hell Bräunlich-Mode . Ausfärben in einer mit 50 Prozent Fiset- holz und 10 Prozent Pottasche bereiteten Abkochung; aufheben, spülen und trocknen. Taback . Färben in mit Schwefelsäure gebrochenem Seifenbade von 30 bis 70° R. mit 1½ bis 2 Prozent rotstichigem Säuregelb und ⅕ bis ⅓ Prozent Blau oder Säuregrün und nüancieren mit ⅕ Prozent Orange S. Man färbt zuerst mit Gelb und Grün und rötet dann erst mit Orange. — Oder: Man färbt im Seifenbade bei 30 bis 40° R. mit Bismarckbraun und nüanciert dann mit etwas Methylgrün. Aviviert wird mit Essigsäure. § 65. Das Schwarzfärben der Seide. So einfach das Färben der Seide mit den bisherigen Farbstoffen war, so verwickelt ist das Schwarzfärben, weil hier außer dem eigentlichen Färbe- prozeß noch ein zweiter nebenher geht, das Beschweren oder Erschweren . Die Grundlage aller schwarzen Farben auf Seide bilden Verbindungen von Gerbsäure mit Eisen mit oder ohne Zuhilfenahme anderer Stoffe, wie Blau- holz, Berlinerblau u. dergl. Das Blauholz wirkt in diesen Fällen sowohl mit seinem Hämateïngehalt, wie mit seinem Gerbstoffgehalt; doch ist der Be- darf an Blauholz lange nicht so groß, als der von andern Gerbstoffen. Vor allem wendet man Catechu, Galläpfel, Knoppern, Dividivi an, weil diese eine dunklere und lebhaftere Farbe erzielen. Das Schwarz, welches man früher auf Seide färbte, war ein Blau- schwarz . Die Seide wurde zuerst mit gelbem Blutlaugensalz blau gefärbt, worauf man im Blauholzbade und mit Zinnsalz schwarz färbte. Darauf kam dann später das Blaukesselglanzschwarz . Dasselbe wurde blau- grundiert, dann auf ein Bad mit Eisenvitriol und dann auf Gallen gebracht. Nachdem es gewaschen war, kam es in den Kessel, worin sog. „salpetersaures Ganswindt , Färberei. 37 Eisen“, holzsaures Eisen und Eisenspäne gelöst waren. Etwas später färbte man Feinschwarz , zuerst in einem Bade aus Gelbholz, dann Eisen- und Kupfervitriol, dann Blauholz und Seife und zuletzt wurde mit Schwefel- säure aviviert. Alle bisher genannten Schwarz waren unerschwert und unterschie- den sich dadurch vorteilhaft von den heutigen Schwarzfarben. Jene Schwarz waren wenigstens auch ehrliche Schwarz, während die heutige Methode der Schwarzfärberei nicht immer diese Bezeichnung verdient. Die nach den obigen Methoden gewonnene schwarzgefärbte Seide hatte etwa 80 bis 85 Prozent ihres ursprünglichen Gewichts vor dem Abkochen; eine Absicht der Gewichtsvermehrung lag nicht vor. Das änderte sich aber, als die Anwend- barkeit des Catechus bekannt wurde. Dieser enthält Catechugerbsäure und Catechin. Welche Rolle diese beiden Körper beim Schwarzfärben der Seide spielen, ist noch sehr wenig bekannt. Sicher ist bekannt, daß dieselben in die Seidenfaser eindringen, sie aufblähen und ihr in Verbindung mit Eisen und andern Farbstoffen ein erhöhtes Gewicht geben, ohne daß die Weichheit oder der Glanz der Seide eine merkliche Einbuße erleidet. Es ist sehr wohl denkbar, daß die Seide einen gewissen Prozentgehalt der gerbsauren Eisen- verbindung in sich einzulagern vermag, ohne ihre vorzüglichen Eigenschaften zu verlieren. Es muß aber jedem halbwegs Einsichtsvollen einleuchten, daß in dem Maße, als der Prozentgehalt der eingelagerten Substanzen steigt, die Seide an ihren Eigenschaften einbüßen muß . Nun ist es aber bekannt, daß diese Gewichtszunahme bis zum Eigengewicht der Seide zu steigen ver- mag; ja es gelingt sogar, aus 100 kg Rohseide 500 kg schwarzgefärbte Seide zu machen. Sollte sich wirklich ein Dummer finden, der da glaubt, daß diese schwarzgefärbte Seide, welche nur zu ⅕ ihres Gewichts aus wirklicher Seide besteht, noch alle ihre guten Eigenschaften besitze? Der schädliche Einfluß des Eisenoxyds auf die Gespinnstfasern ist unter Fach- männern längst bekannt; das Eisen ist der größte Feind für die Ge- spinnstfasern , und eine derartig beschwerte Seide wird nach einiger Zeit mürbe und reißt wie Zunder. Diese Methode des Beschwerens mag für den Färber oder den Fabrikanten vorteilhaft sein, für die Seide ist sie es ganz gewiß nicht . Diese leidet darunter in jedem Falle mehr oder minder empfindlich. Ueber die Frage, ob ein solches Verfahren ehrenhaft sei oder nicht, darüber mag sich jeder Leser sein eigenes Urteil bilden. Von den heute üblichen Schwarz auf Seide sind besonders zwei von Wichtigkeit: 1. Das Catechuschwarz . Man behandelt die Seide in einem Bade von basisch schwefelsaurem Eisenoxyd 28° Bé. und bringt sie dann auf ein heißes Bad, worin 65 Prozent des Gewichts der Seide an Seife gelöst ist. Darauf folgt ein warmes Bad mit 200 Prozent gelbem Blockcatechu (Gambir), dann ein Bad von 20 Prozent gelbem Blutlaugensalz mit Salz- säure, weiter ein Bad von 75 Prozent holzsaurem Eisen, dann ein Bad von 100 Prozent Blauholzabsud und 50 bis 60 Prozent Seife. Zuletzt wird mit Essig oder Essigsäure oder Citronensaft aviviert. Als Seife darf nur beste Marseiller Seife angewendet werden. Dieses Schwarz bringt die Seide auf circa 100 bis 110 Prozent ihres ursprünglichen Gewichts, wenn man nämlich dreimal mit Eisen beizt. Nach jedem Bade wäscht man entweder oder bringt auf heiße Seife. Viele bringen auch nur nach der letzten Beize auf Seife. Auch wird dazu das Seifenbad benutzt, in dem die Seide abgekocht wurde, die sogenannte Bastseife. Diese letztere verwendet man auch zuweilen beim Ausfärben von Kouleuren, da sie mit etwas Schwefel- säure einige Anilinfarben besser auf dem Faden befestigt. Nach manchen der Operationen des Catechufärbens wird noch ein Seifenbad angewandt, doch geschieht dies in ganz verschiedener Weise nach den Erfahrungen des Färbers. Erschwertes Catechuschwarz wird mit schwefelsaurem Eisen wie oben gebeizt, nur häufiger nach dem Grade der Erschwerung, die man darstellen will, dann auf heiße Seife, gelbes Blutlaugensalz mit Salzsäure, ferner 200 Prozent Catechu mit 6 Prozent Zinnsalz, ausgefärbt mit 600 Prozent Blauholz und 60 Prozent Seife. Darauf wieder auf holzsaures Eisen, daraus auf das alte Catechubad, dem etwas frischer Catechu beigegeben wird, und dann nochmals mit Blauholz und Seife ausgefärbt, zuletzt mit Essig oder Essig- säure aviviert. Der Catechu macht die Seidenfaser zur Aufnahme von Eisen fähiger. Durch das Eindringen von Catechu und Eisen entsteht die eigentliche Erschwerung, und jemehr sie eingedrungen ist, desto schöner und echter ist die Farbe. Catechu und Eisen allein bilden nun noch kein Schwarz, sondern ein Grün; erst durch Zutritt von Blutlaugensalz und Blauholz entsteht das schöne Schwarz. 2. Das Soupleschwarz (nach Gillet und Sohn ). Dieses wird in mehreren nacheinander folgenden Operationen gefärbt und zwar: Beizen mit basisch schwefelsaurem Eisenoxyd; Passieren durch ein Sodabad, Blau- färben mit gelbem Blutlaugensalz. Nun folgt das eigentliche Souplieren, indem man die Seide in einem Bade, bestehend aus einer Abkochung von Galläpfeln, Dividivi u. dergl. 1 bis 3 Stunden, je nach Qualität der Seide bei 70 bis 75° behandelt und im Bade erkalten läßt; dann werden 5 bis 15 Prozent Zinnchlorür hinzugegeben. Schließlich gibt man ein Seifenbad von 60 bis 80 Prozent Seife vom Gewicht der Seide bei 25 bis 30° und aviviert in 5 bis 15 Prozent. — Die Höhe der Beschwerung richtet sich nach der Anzahl der Eisenbäder: ein einziges Bad gibt 40 bis 50 Prozent; zwei Bäder geben 60 bis 70 Prozent; drei Bäder geben 80 Prozent; vier Bäder geben 80 bis 100 Prozent. Das in Deutschland am häufigsten gefärbte Schwarz ist das sogenannte 3. Kastanienschwarz . Dasselbe wird durch abwechselndes Behan- deln der Seide in Bädern aus holzessigsaurem Eisen und Kastanienextrakt gewonnen. Man wendet es stets auf Rohseide an; beim ersten Bade wird die Temperatur entsprechend erhöht, um die Seide zu souplieren. Die Bäder werden je nach der Höhe der Beschwerung 10 bis 15 mal wiederholt und dadurch eine Beschwerung von 300 bis 400 Prozent erreicht. Statt des Avivierens folgt zuletzt noch eine Behandlung mit Olivenöl. Auf abgekochte Seide färbt man auch 4. Das Schnellschwarz . Man bereitet sich ein Bad aus einer Abkochung von 20 Prozent Gelbholz, 5 Prozent Gambir-Catechu, 4 Prozent Kupfervitriol und 20 Prozent Eisenvitriol, und zieht die Seide 2 Stunden lang fleißig um, nimmt heraus, wäscht und centrifugiert. Dieses Schwarz gibt keine Beschwerung. 37* 5. Lyoner Schwarz . Man beizt kalt in einer 30° Bé. starken Auflösung von basisch schwefelsaurem Eisenoxyd, spült, passiert ein 70° R. warmes Seifenbad, und färbt dann in besonderem Bade mit 15 bis 20 Prozent gelbem Blutlaugensalz und ebenso viel Salzsäure berlinerblau. Nachdem die Farbe entwickelt, geht man wieder auf das erste Eisenbad zurück, spült wieder, und färbt nun in einem starken Catechubade (50 bis 100 Pro- zent vom Gewicht der Seide) bei 50 bis 65° schwarz. Auf die so blau- schwarz gefärbte Seide wird nun noch ein Blauholzschwarz gesetzt; man behandelt zu dem Behufe die Ware in einer kalten Alaunbeize, wäscht auf der Waschmaschine und färbt in neuem Bade mit der Abkochung von 20 Pro- zent Blauholz und 5 Prozent Gelbholz unter Zusatz von etwas Seife. Als letzte Operation folgt ein Avivieren in einem Oelbade. Mit diesem Schwarz wird die Seide bis um 10 Prozent beschwert. 6. Schwerschwarz , besonders für Atlas, Taffet u. dergl. Man beizt und seift, wie bei Lyoner Schwarz und wiederholt diese Behandlung wechselsweise bis zu 10 mal; dann wird wie beim vorigen mit Blutlaugen- salz und Salzsäure blau gefärbt. Nun geht man auf ein 100 bis 150 Prozent (vom Gewicht der Seide) starkes Catechubad und behandelt darauf bei 50 bis 65° einige Zeit unter Zusatz von 10 bis 15 Prozent Zinnsalz. Dann folgt ein zweites noch stärkeres Catechubad. Die so gefärbte Seide erhält schließlich noch einen Aufsatz von Blauholzschwarz, indem man sie mit holzessigsaurem Eisen beizt und auf frischem Bade mit Blauholz und Seife, wie oben, ausfärbt und schließlich im Oelbade aviviert. 7. Sammetschwarz . Man gibt der Seide zunächst einen blauen Grund mittels Alkaliblau, beizt und seift dann, wie bei Lyoner Schwarz, und färbt in frischem Bade mit 40 Prozent Gelbholz, 8 Prozent Eisen- vitriol und 2 Prozent Grünspan; darauf folgt noch ein Blauholzaufsatz unter Zugabe von etwas Seife; endlich wird geölt. 8. Anilinschwarz . Die Anwendung des Anilinschwarz befindet sich zur Zeit noch im Versuchsstadium; obgleich einzelne ziemlich gelungene Ver- suche zu verzeichnen sind, so ist doch noch keine Methode gefunden, welche allgemeine Anerkennung gefunden hat. Das Schwarzfärben der Seide ist ein eigener Industriezweig gewor- den, welcher durch den vorstehenden Paragraphen nicht im entferntesten er- schöpft ist; auch sollen die gegebenen Färbemethoden nur allgemeine An- haltepunkte liefern. Die meisten Fabriken arbeiten nach geheimgehaltenen Rezepten. 3. Baumwollenfärberei. § 66. Die Färbemethoden. Mit der Färberei der Baumwolle gelangen wir auf ein von dem bis- her betrachteten völlig abweichendes Gebiet. Während Wolle und Seide tierischen Ursprungs sind, ist die Baumwolle der Hauptvertreter pflanzlicher Gespinnstfasern. Wir haben bereits an verschiedenen Stellen dieses Buches Gelegenheit gehabt, die Unterschiede zwischen tierischer und pflanzlicher Faser unter sich, sowie in ihrem Verhalten gegen Chemikalien und Farbstoffe zu betrachten. Diese treten bei der Färberei der Baumwolle am deutlichsten hervor. Insbesondere wurde hervorgehoben, daß die Verwandtschaft der Baumwollfaser zu den Farbstoffen eine weit geringere sei, und daß die große Zahl von Farbstoffen, welche Wolle und Seide direkt färben, auf Baum- wolle nur mit Hilfe von Beizen zu fixieren sei und daß die Klasse saurer Farbstoffe auf Baumwolle und pflanzliche Gespinnstfasern überhaupt nicht anwendbar sei. Die Baumwolle galt daher als eine Gespinnstfaser, welche sich direkt überhaupt nicht färben lasse, und für welche substantive Farbstoffe überhaupt nicht existierten. Diese Anschauung hat sich seit wenigen Jahren geändert; der immer rastende Fortschritt der Farbenchemie hat auf dem großen Gebiet der Azofarbstoffe eine Anzahl von Farbstoffen erzeugt, welche vom Benzidin, Tolidin, Xilidin, Stilben u. s. w. sich ableiten und die Eigenschaften besitzen, Baumwolle aus einem schwachen Seifenbade ohne Zuhilfenahme von Beizen direkt zu färben. Damit ist die Färberei vegetabilischer Gespinnstfasern, speziell die Baum- wollfärberei, in eine neue Phase getreten, und wir besitzen bereits jetzt eine Reihe substantiver Baumwollenfarbstoffe , an welche vor 6 Jahren noch niemand zu denken wagte. Demnach läßt sich die heutige Baumwollen- färberei einteilen in: 1. Substantives Baumwollfärben . Diese Methode ist die denkbar einfachste; der Farbstoff wird in Wasser gelöst, das Färbebad durch Zusatz von etwas Marseiller Seife schwach alkalisch gemacht, mit der genetzten Ware bei 40° eingegangen und bei 80° ausgefärbt; zuletzt spülen, schleu- dern und trocknen. — Auch das Färben mit Indigo ist ein substantives. 2. Adjektives Baumwollfärben . Dieses ist die bisher allgemein geübte, bekannte alte Methode, welche im Beizen der Baumwolle und Färben in besonderem Bade besteht. Insofern würde diese Methode dem indirekten Wollfärben entsprechen; nur schiebt sich bei der Baumwollenfärberei zwischen das eigentliche Beizen und das Färben noch eine weitere Operation ein, das Fixieren der Beize . Die indirekte Baumwollenfärberei verlangt also (wenigstens sehr oft) 3 Bäder, wobei man das zweite Bad, das Fixierungs- bad, mit Recht zu den Beizarbeiten zählt. Die hier besprochene Methode ist die gebräuchlichste und meist angewandte und entspricht dem Vorbeizen der Wolle. Ein Mitbeizen der Baumwolle , also ein Beizen und Färben in einem Bade, findet bei der Baumwolle nur ausnahmsweise statt. Die Erfahrung hat gelehrt, daß einzelne der neuen substantiven Baumwollfarb- stoffe (z. B. Benzopurpurin) besser an die Faser gehen, wenn ihnen im Färbebade phosphorsaures Natron oder auch Kochsalz beigegeben wird; in die- sem Falle fände also ein Mitbeizen statt. In diese Kategorie gehört auch die Zugabe von Kupfervitriol zum Färbebade beim Schwarzfärben mittels Blauholz. Ein Nachbeizen der Baumwolle , d. h. ein direktes Färben der Baumwolle mit darauf folgendem Beizen, wie es bei Wolle nicht selten angewen- det wird, ist nicht zu empfehlen; dazu ist die Verwandtschaft der Baumwoll- faser zu den Farbstoffen zu gering. Einen richtigen Sinn würde das nur in dem Fall haben, daß dadurch ein Dunkeln der Farbe erreicht werden soll, oder daß, wie beim Färben mit Catechu, das zweite Bad als Ent- wickelungsbad betrachtet werden kann. Ein Behandeln mit Beizen nach dem Färben würde ferner bei einigen Benzidinfarben angebracht sein; es hätte in diesem Falle aber nicht den Zweck des Beizens, sondern den des Schönens und Belebens oder der Nüancierung des Farbentones. Eine Aufeinanderfolge von Vorbeizen, Färben und Nachbeizen, wie es beim Färben von Blauholzschwarz angewendet wird, ist das Beschweren , wobei dieselben Operationen mehrmals nacheinander wiederholt werden und wodurch eine schichtenweise Uebereinanderlagerung des Farbstoffes bezweckt werden soll. Von den beschriebenen Methoden gewährt die erste, das Vorbeizen, die besten Resultate und sollte überall zur Anwendung gebracht werden, wo sich aus irgend einem Grunde die Anwendung substantiver Baumwollfarbstoffe verbietet. Die Baumwollfärberei bietet uns eine völlig neue Reihe von Beizen und Farbstoffen, welche in den nächsten Paragraphen zur Erläuterung kommen. § 67. Baumwollbeizen. Die Zahl der zum Beizen der Baumwolle gebrauchten geeigneten Kör- per ist ziemlich klein und ihre Wahl hängt von dem chemischen Charakter des zu fixierenden Farbstoffes ab. Zum Färben mit neutralen Farbstoffen beizt man die Baumwolle mit Gerbsäure . Die Faser vermag aber die Gerbsäure nicht genügend fest zu binden; sie muß deshalb auf der Faser fixiert werden; dies geschieht mittels Antimonsalzen. Diese Beizmethode ist das Tannin-Brechweinstein-Verfahren . Schwach saure Farbstoffe werden mit Thonerdesalzen gebeizt; stark saure teils mit Thonerde-, teils mit Zinnsalzen. Chrombeizen finden nur beschränkte Anwendung, und Eisen- und Kupferbeizen nur zum Dunkeln oder zum Schwarzfärben. Beizen mit Gerbsäure und Antimonsalzen . Das Beizen bezweckt die Bildung eines unlöslichen Farbstofflackes auf der Faser. Die Gerbsäure bildet mit den neutralen künstlichen organischen Farbstoffen solche unlösliche Farblacke; dieselben besitzen jedoch die Eigenschaft, in einem Ueber- schuß von Gerbsäure sich wieder zu lösen. Wollte man die Baumwolle da- her nur mit Gerbsäure beizen, so würde man einen unlöslichen Farblack nur mit einem Ueberschuß — d. h. also: einem Verlust — von Farbstoff erkaufen. Behandelt man dagegen die mit Gerbsäure gebeizte Faser mit einem Antimonsalz, so erhält man in resp. auf der Faser einen Nieder- schlag von gerbsaurem Antimon , welches die Eigenschaft besitzt, mit den neutralen Farbstoffen eine in überschüssiger Gerbsäure un- lösliche Doppelverbindung zu bilden. Die Färbungen neutraler Farb- stoffe auf der Faser sind also gerbsaure Antimon-Farblacke . Zum Beizen mit Gerbsäure kann jedes gerbstoffhaltige Material ver- wendet werden; da die meisten derselben aber sehr dunkle Brühen geben, so finden in der Praxis thatsächlich nur Tannin oder Sumach Anwen- dung; letzterer aber auch nur für dunklere Farben. Hellere Farben dürfen nur mit Tannin gebeizt werden. Beim Beizen mit Tannin oder Sumach ist jedes Hantieren mit eisernen Gerätschaften, so- wie die Verwendung von Maschinen mit Eisenteilen thunlichst zu vermeiden , da andernfalls schwärzliche Beizbäder resultieren. Das Tannin wird einfach in seinem 200fachen Gewichte handwarmen Wassers gelöst, und das Beizbad ist fertig. Es wird so gehandhabt, daß man mit der Ware in das warme Tanninbad (oder in eine entsprechend starke Sumach-Abkochung) eingeht und unter öfterem Umziehen einige Stunden, am besten über Nacht liegen läßt. Diese Arbeit nennt man Tannieren (resp. Schmackieren). Es hat sich herausgestellt, daß es am praktischsten ist, in die Tanninlösung nicht über 48° R. einzugehen Köchlin , Bull. de Mulhouse, 1881. und darin völlig erkalten zu lassen. In großen Färbereien, in denen Zeit Geld ist, wendet man die Tanninlösung in 10facher Stärke an (also auf 100 l Wasser 5 kg Tannin), und besorgt das Beizen auf der Paddingmaschine. Die Ware wird mit der konzentrierten Tanninlösung imprägniert und nach einigen Minuten durch die Preßwalzen ausgequetscht. Die Menge des zum Beizen verwendeten Tannins beträgt 4 bis 6 Pro- zent vom Gewicht der Ware, je nach der zu erzielenden Nüance. Für Sumach ist es schwieriger, ein bestimmtes Verhältnis anzugeben, da der Tanningehalt desselben schwankt; im Durchschnitt rechnet man auf 1 Teil Tannin 5 bis 10 Teile Sumach, so daß man also zum Beizen mit Schmack 20 bis 60 Prozent vom Gewicht der Baumwolle verwendet. Die zum Fixieren des Tannins dienenden Antimonsalze sind: Brech- weinstein, Antimonoxalat, Antimonchlorid, Antimonfluorid und das de Haën- sche Antimonsalz. Ausführlicheres über diese Antimonverbindungen s. Erster Teil, § 99. Bis vor wenig Jahren wurde einzig und allein der Brechweinstein ver- wendet; da derselbe aber ein sehr teures Präparat ist, so war man bestrebt, denselben durch ein billigeres Antimonpräparat oder mindestens doch durch ein solches mit höherem Antimongehalt zu ersetzen. Insbesondere war es das oxalsaure Antimonoxydkali ( Brechweinsteinersatz ), welcher demselben scharfe Konkurrenz bereitete, später das milchsaure Antimonoxyd; in neuester Zeit ist der Brechweinstein, welcher bis dahin überall vortreffliche Dienste geleistet hat, einigermaßen in den Hintergrund gedrängt durch das Antimon- salz und das Doppeltantimonfluorid. Thatsächlich haben beide Präparate zum Teil bereits Anwendung in der Baumwollenfärberei gefunden; immer- hin aber wird der Brechweinstein noch in ausgedehntem Maße verwendet, vornehm- lich von älteren Färbern, welche jedem Fortschritte abhold sind. Was die Fabri- kanten der neuen Antimonpräparate zu Gunsten derselben namhaft machen, ist § 99 bereits erwähnt. Aus der Praxis liegt bislang erst eine Stimme vor ( Lange , Färbereimusterztg. 1889, Nr. 5), welche für die Anwendung des Antimonsalzes spricht; die damit gebeizte Baumwolle soll ein helleres Aussehen haben als solche, die mit Brechweinstein behandelt worden ist. Die Unterschiede von den mir vorliegenden Färbungen sind freilich so unbedeutend, daß hierauf — wie mir scheint — kein so hohes Gewicht zu legen ist. Weit wichtiger ist, daß dadurch die Brauchbarkeit des Antimonsalzes als Ersatz für Brechweinstein dargethan ist. Aehnliche Erwägungen dürften für das Doppeltantimonfluorid in Betracht kommen, für welches Stein mit Wärme eingetreten ist. In gleicher Weise bricht Kertész Die Anilinfarbstoffe. Braunschweig 1888. eine Lanze für das Oxalat. Das wahrscheinliche Ende vom Liede wird die Erkenntnis sein, daß wir zur Erzeugung von gerbsaurem Antimon auf der Baumwollfaser nicht mehr auf den Brechweinstein allein angewiesen sind, und daß die neueren Präparate bei gleicher Tauglichkeit löslicher und billiger sind, als dieser, was einer allmählichen Verdrängung desselben gleichkommen dürfte. Was die Praxis der Tanninfixierung anlangt, so geht man mit der Ware aus dem Tannin- oder Schmackbad, ohne zu spülen, direkt in die Antimonlösung. Diese bereitet man sich durch Lösen von 150 g Brechwein- stein (oder 135 g Antimonsalz) in 100 l kalten Wassers. Man behandelt auf diesem Bade ganz wie auf dem Tanninbade, indem man die Ware unter nochmaligem Umziehen einige Stunden darin stecken läßt. Während dieser Zeit vollzieht sich auf der Faser der Prozeß der Bildung von gerbsaurem Antimon, unter gleichzeitiger Freiwerdung von Weinsäure (resp. Flußsäure). Das Bad wird gegen das Ende zu immer saurer. Da die Baumwollfaser aber sehr empfindlich gegen freie Säure ist, so ist es wichtig, diese in dem Maße ihrer Bildung abzustumpfen. Man erreicht das dadurch, daß man von Zeit zu Zeit geringe Mengen von Sodalösung (annähernd im ganzen den fünften Teil Krystallsoda, als wie Brechweinstein) dem sauer werdenden Bade zugibt. Einen Sodazusatz gleich im Anfange halte ich für weniger empfehlenswert. — Nach der Antimonpassage wird die Ware gespült. So- wohl das Tannin- (oder Sumach) bad wie das Antimonbad werden nicht aus- gezogen und können unter entsprechendem Zusatz des Beizmittels wieder ver- wendet werden. Es ist vorteilhaft, sofort nach beendetem Beizen und Spülen die Ware in das Färbebad zu bringen, ohne vorher zu trocknen. Die Gerbsäure läßt sich allerdings auch mit andern Metallsalzen fixieren; so dienen essigsaures Zink, basischer Alaun, Zinnchlorid, zinnsaures Natron, und Eisensalze. Die so erhaltenen gerbsauren Verbindungen des Zinks, Zinns, des Eisens und der Thonerde fixieren allerdings auch Farbstoffe, aber die so gewonnenen Färbungen erreichen an Waschechtheit sämtlich nicht die mit Antimonbeize hergestellten. Beizen mit Thonerdesalzen . Der Alaun besitzt wenig oder gar keine Affinität zur Baumwollfaser; aus mit Alaun gebeizter Baumwolle läßt sich der Alaun durch einfaches Spülen wieder entfernen. Will man daher die Baumwolle mit Thonerde imprägnieren, so muß man dieselbe mit Hilfe anderer Stoffe aus Thonerdesalzen auf der Faser fixieren, oder man verwendet — was vielfach geschieht — basische Thonerdesalze an, welche leicht einen Teil ihrer Thonerde an die Baumwolle abgeben, während sich der andere Teil zu einem neutralen Salz umsetzt. Als solche basische Thonerdesalze werden mit Vorliebe essigsaure Thonerde , basischer Alaun, neutrale oder basisch- schwefelsaurer Thonerde, schwefligsaure Thonerde benutzt. Wendet man dagegen Alaun an, so wird man am besten zum Fixieren der Thonerde ein gesondertes Bad aus Soda oder kohlensaurem Ammoniak, Seife oder Türkischrotöl be- nutzen; für letzteren Zweck dient in gewissem Grade, wenngleich in be- schränktem Umfange, das Thonerdenatron; auch Wasserglas wird nicht selten angewendet. Alle diese Thonerdebeizungen kommen nur für das Färben mit Alizarinfarben in Betracht, speziell in der Türkischrotfärberei , welche später ausführlich behandelt ist, und bei der dann auch das Beizen mit Thonerdesalzen für den speziellen Zweck ausführlich behandelt wird. Beizen mit Eisensalzen . Ein eigentliches Vorbeizen mit Eisen- salzen findet nur in der Schwarzfärberei und in der Färberei mit Alizarin- farben statt. Im ersteren Falle handelt es sich nicht um Niederschlagung von basischen Eisenoxydsalzen auf der Faser, sondern um eine Beschwerung, worüber beim Schwarzfärben Ausführlicheres. Hummel macht einen sehr beachtenswerten Vorschlag, indem er empfiehlt, die Baumwolle zu tannieren, und dann in einem Eisen oxyd salze zu behandeln. Die Anwendung der Eisenbeize in der Alizarinfärberei ist in dem Kapitel „Türkischrotfärberei“ behandelt. Beizen mit Chromsalzen . Das Beizen mit Chromsalzen hat den Zweck, die Baumwolle mit Chromoxyd zu beladen. Die Methoden des Fixierens von Chromoxyd auf der Faser haben lange Zeit hindurch keine be- friedigenden Resultate gegeben, da die Baumwollfaser wenig Neigung zur Zer- setzung von chromsauren Salzen zeigte; selbst leicht zersetzbare Salze, wie das essigsaure Chrom, werden nicht reduciert. Man nahm daher das Fixieren des Chromoxydes mittels Niederschlagung vor, indem man mit Chrom- alaun beizte und nachher in einem heißen konzentrierten Sodabade das Chromoxyd fixierte. Diese Methode wird noch bessere Resultate geben, wenn man die Chromalaunlösung vorweg mit Soda versetzt und so einen basischen Chromalaun erzeugt. Seitens der Badischen Anilin- und Sodafabrik ist vorgeschlagen worden, mit Türkischrotöl zu tränken und dann mit basischem Chromchlorid zu beizen, was die Fixierung von ölsaurem Chrom auf der Faser bedeuten würde. Die Köchlin sche Methode der Fixation von Chromoxyd auf Baum- wolle beruht auf der Herstellung von mit Alkali übersättigten Chromlösungen, wie sie z. B. durch folgende Lösung 2 Teile essigsaures Chrom von 16° Bé. 2 „ Natronlauge von 36° Bé. 6 „ Wasser repräsentiert wird. Derartige Lösungen geben bei der bloßen Berührung mit der Baumwollfaser ihr Chromoxyd an dieselbe ab. Diese Vorschrift ist neuerdings von Köchlin noch weiter modificiert worden, indem er ein zwei- maliges Beizen in nachfolgender Flüssigkeit empfiehlt: 10 Teile essigsaures Chrom 16° Bé. 48 „ Wasser. 32 „ Natronlauge 36° Bé. 1 „ Glycerin. Endlich sei an den vom Verfasser gemachten Vorschlag Erster Teil dieses Buches, § 98, 14. der Verwendung von Chromoxydnatron erinnert. Diesen Vorschlag möchte ich heute noch weiter abändern, indem ich empfehle, die Baumwolle zuerst durch ein Türkisch- rotölbad zu passieren. Neuerdings hat sich Gatty die Fixation von Chromoxyd auf Baum- wollgarnen und Geweben durch Bildung von Chromsulfat auf der Faser und Fällung des Oxydes aus demselben patentieren lassen. Man imprägniert das Material zuerst mit einer Lösung von Kalium- oder Natriumbichromat mit wenig Natriumacetat oder -carbonat und setzt es dann der Einwirkung von gas- förmiger schwefliger Säure aus, bis das Bichromat in Chromsulfat umge- wandelt ist. Schließlich läßt man das Material ein alkalisches Bad passieren, welches das Oxyd fällt. Um den Farbton zu verändern, kann mit dem Bichromat ein Eisensalz oder anderes Metallsalz gemischt werden Chemiker-Ztg. 1887. . Beizen mit Kaliumdichromat findet nur zur Erzeugung von Chrom- gelb und Chromorange statt. Ein Nachbeizen mit Kaliumdichromat wird zum Entwickeln von Catechufarben angewendet. Beizen mit Zinnchlorid . Zinnchlorid wird außer zum Rotfärben mit Rotholz kaum verwendet; größer ist dessen Anwendung in der Färberei der halbwollenen Gewebe zum Beizen des Baumwollfadens. — Am meisten findet es Verwendung darin, wenn man die Baumwolle mit Farbhölzern oder Farbholzextrakten färben will. Dabei findet eine Doppelwirkung statt; die Farbhölzer und Extrakte enthalten neben dem Farbstoff auch noch Gerbsäure; diese beizt die Baumwolle, und wird durch das Zinnchlorid fixiert, das ge- bildete gerbsaure Zinn aber fixiert den Farbstoff als unlöslichen Lack. — Das Zinnchlorid wird bisweilen auch als Fixierungsmittel für Tannin an Stelle von Brechweinstein gebraucht, wenn es sich um das Färben neutraler Farbstoffe handelt. — Desgleichen findet Zinnkomposition in gewissen Fällen Anwendung zum Vorbeizen mit Seife und Gelatine, wenn stark saure Farbstoffe fixiert werden sollen. Beizen mit Kupfervitriol . Der Kupfervitriol wird entweder als Mitbeize oder als Nachbeize verwendet, im ersteren Falle mit Catechu zu- sammen als Oxydationsmittel, im letzteren Falle zum Dunkeln von Blau- holzfarben; in beiden Fällen wirkt es als Oxydationsmittel. Beizen mit Bleizucker . Ein solches findet nur beim Erzeugen von Chromgelb oder Chromorange statt. Beizen mit Seife und mit Oel . Dieses hat den Zweck, gewisse Metallsalze, vornehmlich Thonerde- und Eisensalze, als ölsaure Verbindungen auf der Faser zu fixieren. Diese Beizmethode findet ausgedehnte Anwendung in der Türkischrotfärberei, bei der die Einzelheiten ihrer Anwendung aus- führlich angegeben sind. Für das Fixieren gewöhnlicher neutraler Thonfarb- stoffe kürzt man das Verfahren ab, indem man mit einer ammoniakalischen Lösung von Türkischrotöl oder Ricinusölseife die Baumwolle imprägniert, dann eine Zeitlang in eine Lösung von essigsaurer Thonerde einlegt und vor dem Färben spült. § 68. Das Animalisieren der Baumwolle. Das Animalisieren hat den Zweck, der Baumwolle durch besondere Methoden die Eigenschaften einer tierischen Faser zu erteilen. Diese Me- thoden sind gewissermaßen als Beizmethoden zu betrachten, denn sie bezwecken schließlich doch weiter nichts, als die Baumwolle zur Aufnahme von Farbstoffen, diesesmal aber von Wollfarbstofen, zu befähigen . Zu dem Zweck wird die Baumwollfaser mit Lösungen von tierischer Substanz imprägniert; hierzu dient am besten Leim oder für helle Farben Gelatine. Man verfährt am besten so, daß man eine Seifenlösung bereitet, dieselbe mit etwas in heißem Wasser unter Weingeistzusatz gelöster Gelatine versetzt, und die Baumwolle in das so bereitete Bad einlegt. Leim ist bekanntlich tierischen Ursprungs; durch Imprägnieren damit wird die Baumwolle einigermaßen geneigt gemacht, auch mit den sauren Wollfarbstoffen sich färben zu lassen. Die in dieser Richtung gemachten Versuche haben zwar noch nicht all- seitig befriedigende Resultate ergeben, doch sind einzelne bemerkenswerte Fort- schritte zu verzeichnen, die hier nicht unerwähnt bleiben dürfen. Die stark sauren Farbstoffe geben allerdings mit mehreren Beizen un- lösliche Farblacke; diese sind aber ziemlich unbeständige Verbindungen. Man kann dieselben für den Zweck der Baumwollenfärberei in 2 Klassen teilen: Farbstoffe, welche durch Alaun nicht gefällt werden und solche, welche dadurch gefällt werden. Die ersteren kann man dann, nachdem man die Baumwolle in obiger Weise mit Gelatine imprägniert, in folgender Weise färben: Man bereitet das Färbebad durch Lösen des Farbstoffes in Wasser, und fügt 10 Prozent (vom Gewicht der Wolle) Alaun und 1 Prozent Essigsäure hinzu; in dieses Bad geht man mit der direkt aus dem Seifenbade kommenden Ware ein, ohne vorher zu spülen. Kertész rät, in konzentrierten Bädern zu arbeiten. — Oder: Man legt die animalisierte Baumwolle, ohne zu spülen, in ein kaltes Bad von 2 bis 3 Prozent (vom Gewicht der Baumwolle) Tannin, läßt 2 Stunden darin liegen, ringt gut aus und legt in eine Lösung von basischem , absolut eisenfreiem Alaun ein, läßt auch hierin 1 bis 2 Stun- den stecken, ringt wieder aus, und geht dann, ohne zu spülen, auf das kon- zentrierte Färbebad und behandelt darin unter langsamem Erwärmen. Farbstoffe, welche durch Alaun gefällt werden, kann man zwar auch nach der zweiten der vorstehenden Methoden behandeln, nur mit dem Unterschiede, daß man nach dem Beizen, also vor dem Bringen in das Färbebad, gut wäscht. Die so erhaltenen Färbungen sind aber nie recht befriedigend. Zur Erzielung besserer Nüancen gibt Kertész Die Anilinfarbstoffe, S. 32. folgende Vorschrift: „Die geseifte Baumwolle wird in 6° Bé. zinnsaures Natron gelegt, „zwei Stunden darin ruhen gelassen, abgerungen und in ein Bad von Thon- „erdenatron, 12 bis 15° Bé., gebracht; nach 3 bis 4 Stunden wird abge- „rungen und ins konzentrierte Färbebad gegangen, dem pro 100 l Farbflotte „circa ½ l Essigsäure zugemischt ist. Man geht kalt ein und steigt nachher „langsam zum Kochen. Nach dem Färben darf die Ware nicht gewaschen „werden, sondern wird nach egalem Abringen getrocknet.“ Aber selbst die auf diesem Wege erzielten Färbungen sind im allge- meinen wenig ermuthigend; darum ist im nachfolgenden Paragraphen auf das Färben mit stark sauren Farbstoffen keine Rücksicht genommen. § 69. Die Baumwollfarbstoffe. 1. Direkt aus schwachem Seifenbade färbende . Safflor. Orlean. Curcuma (ohne Seife). Indigo (ohne Seife). Catechu (ohne Seife). ——— Congo. Congo G R. Congo 4 R. Brillantcongo. — R. Benzopurpurin B. — 4 B. — 6 B. Rosazurin G. — B. Deltapurpurin 5 B. — 7 B. Hessisch Purpur N. — P. — B. — D. Azoorseilline. Chrysamin G. — R. Congogelb en pâte. Brillantgelb. Chrysophenin. Hessisch Gelb. Benzoazurin G. Azoblau. Azoviolett. Hessisch Violett. Heliotrop. Rosazurin B B. Congo Corinth B. Benzobraun Neu; beide im ersten Teil dieses Buches noch nicht enthalten. . Violettschwarz. Benzoschwarzblau . 2. Auf Tannin und Antimonverbindungen . Fuchsin. Cerise. Grenadin. Marron. Safranin. Rhodamin. Viktoriaorange. Goldorange. Chrysoidin. Auramin. Phosphin. Malachitgrün. Aethylgrün. Brillantgrün. Viktoriagrün 3 B. Viktoriablau B. — 4 R. Nachtblau. Neublau. Methylenblau. Muscarin. Nilblau. Neutralblau. Basler Blau. Bayrischblau D B F. Methylblau B. Wasserblau 6 B extra. Indulin. Indazin M . Methylviolett B. Krystallviolett. Benzylviolett. Hofmanns Violett. Aethylviolett. Neutralviolett. Giroflé. Prune. Bismarckbraun. 3. Auf Thonerde- oder Zinnbeizen . Rotholz. Camwood. Krapp. Gelbholz. Quercitron. Wau. Kreuzbeeren. Gelbschoten. Flavin. Rhodamin. Eosin. — B N. Erythrosin. Phloxin. Bengalrosa. Alizarin. Flavopurpurin. Anthrapurpurin. Purpurin. Chrysolin. Alizarinorange. Galloflavin. Coeruleïn. Anilinblau spritlöslich. Viktoriablau B. Viktoriablau 4 R. (Methylen- blau.) Galleïn. 4. Auf anderweite Beizen . Canarin. Alizarinblau. Indophenol. Gallocyanin. Prune. Anthracenbraun. 5. Primulin und die Ingrainfarben . Diese sind substantive Baumwollfarbstoffe und gehen aus neutralem Bade unter Mitbeizung von Kochsalz an die Faser; von diesen ist das Primulin ein eigentlicher Farbstoff; die übrigen Ingrainfarben werden erst durch Diazo- tierung und nachfolgende Behandlung mit einem „Entwickler“ direkt auf der Faser erzeugt (vergl. Erster Teil, § 72). Ueber die neuesten Baumwollfarbstoffe vergleiche man den Nachtrag . § 70. Rote Färbungen auf Baumwolle. (Mit Ausschluß des Türkischrots.) 1. Direkte Färbungen . Von den natürlichen Farbstoffen geben nur Safflor und Orlean direkte Färbungen auf ungebeizte Baumwolle. Die Farbstoffe beider sind aber nur unter Mithilfe von Alkalien in Wasser löslich, sie können daher nur in einem mit Seife oder Soda versetzten Färbebade zur Anwendung ge- langen. Man verfährt bei Safflor so, daß, nachdem man die Baumwolle einige Zeit in dem kalten sodahaltigen Bade behandelt hat, aufhebt, dann mit Essigsäure, Weinsäure oder Citronensäure den Farbstoff (Carthaminsäure) in Freiheit setzt, mit der Ware wieder eingeht und in diesem Bade die Farbe entwickelt. Schließlich spülen in mit Essigsäure schwach angesäuertem Bade und trocknen im Schatten ! — Bei Orlean genügt Ausfärben im Seifenbade und Spülen in einem leichten Schwefelsäure- oder Alaunbade. Safflor gibt ein lebhaftes reines Rosa, Orlean ein gelbstichiges Rot. Durch Kombination erhält man ein Scharlachrot , indem man mit Orlean grun- diert, mit Alaun schönt, und mit Safflor ausfärbt. Von den Benzidinfarbstoffen färbt Congo aus einfacher wässeriger Lösung, auch ohne Seifenzusatz , die Baumwolle direkt rot. Alle übrigen geben nur im Seifenbade eine volle Farbe; unter ihnen geben folgende 6 bläuliche Nüancen : Rosazurin G und B , Hessisch Purpur N, B, P und D; die andern geben mehr rein rote Färbungen. Von den Ingrainfarben gehört hierher das Ingrainrot . Ueber Er- fahrung und Resultate in dessen Anwendung schreibt die „Chemiker-Zeitung“ 1888, S. 923: Dieses bildet sich auf der Faser, indem die Baumwolle zuerst in Primulin ausgefärbt, dann diazotiert und durch den Rotentwickler genommen wird. Das Arbeiten geht glatt vor sich, wenigstens dürfte dies bei theoretisch gebildeten Färbern der Fall sein; ob sich dem mehr praktisch hantierenden Färber keine Schwierigkeiten zeigen werden, dürfte noch als Frage dahingestellt bleiben. Jedenfalls müßte man letzterem das Arbeiten dadurch erleichtern, daß man die Entwickler durch Zusatz von Soda leichter löslich macht, denn jetzt zeigt das Lösen Schwierigkeiten, wodurch bei geringer Unachtsamkeit leicht fleckige Ware entstehen kann. Die erhaltene Nüance ist blauroter als Congo, Benzopurpurin 4 B und auch etwas matter. Die Waschechtheit ist eine ausgezeichnete, und was be- sonders ins Gewicht fällt, es schmutzt nicht ab, was bekanntlich bei Congo und Benzopurpurin ein starker Nachteil ist. Es gleicht in dieser Beziehung dem Alizarinrot. Auch gegen verdünnte Säuren verhält es sich wie Alizarinrot, dagegen steht es diesem an Lichtechtheit stark nach, indem die Lichtechtheit nicht besser als die von Benzopurpurin 4 B oder Diaminrot ist. Das Facit wäre: Gegen Congo oder Benzopurpurin 4 B: Ein bläulicheres Rot, das nicht abschmutzt, waschecht ist und durch verdünnte Säuren nicht beeinflußt wird, dagegen eine kompliziertere Er- zeugung bedingt. Gegen Alizarinrot: Ein etwas matteres Rot, das in der Erzeugung leichter geht, dagegen dem Licht gegenüber weniger widerstandsfähig ist. Dies wären die bisher wahrnehmbaren Vor- und Nachteile, mit denen bei Anwendung von Ingrainrot zu rechnen wäre. 2. Rote Färbungen auf tannierte Baumwolle . Hierzu eignen sich einzig die neutralen künstlichen organischen Farbstoffe. Natürliche Farbstoffe sind auf diese Weise nicht zu fixieren. Das Verfahren ist verhältnismäßig einfach. Beizen in Tannin und Brechweinstein oder einem der anderen Antimonpräparate nach § 68. Von den in § 69, 2, bezeich- neten roten Farbstoffen gibt Fuchsin das bekannte Blaurot, Rhodamin ein zartes bläuliches Rosa; Grenadine, Cerise und Marron liefern kirschrote, granatrote bis braunrote Töne, je nach der Reinheit des Farb- stoffes. Safranin liefert eine etwas bläulichere Nüance als das Alizarin- rot; man benutzt es daher unter Zuhilfenahme eines gelben Farbstoffes zum Nüancieren zur Nachahmung von Türkischrot . 3. Färbungen auf Thonerde- oder Zinnbeizen . Hierher gehört vor allen Dingen die Türkischrotfärberei , welche, da sie eine Industrie für sich bildet, auch in einem eigenen Kapitel behandelt werden soll. Die Rothölzer geben mit Thonerdebeizen matte bläulichrote Töne, welche zwar ziemlich säure- und seifenecht, aber wenig lichtecht sind. Am besten behandelt man die Baumwolle zuerst auf einem schwachen Schmack- bade, beizt dann mit Alaun, spült und färbt auf frischem Bade mit einer Abkochung des Farbholzes. Camwood gibt mit Thonerdebeizen ähn- liche, aber lebhafter rote Töne. Brasilienholz erzielt auf mit Zinnchlorid gebeizter Baumwolle ein gelbstichiges Rot; beizt man erst mit Alaun, dann mit Zinnbeize, und färbt in besonderem Bade unter Zugabe von etwas Gelbholz aus, so erhält man ein ziemlich lebhaftes Scharlachrot. Camwood gibt mit Zinnbeizen einen dem Türkischrot nicht unähn- lichen Ton und wird deshalb zur Imitation desselben benutzt. Am besten beizt man die Baumwolle für diesen Zweck mit zinnsaurem Natron, passiert ein mit Schwefelsäure angesäuertes Bad, und färbt in besonderem Bade mit dem doppelten Gewicht (der Baumwolle) Camwood; kalt eingehen, bis zum Kochen treiben und darin 1 Stunde erhalten. Krapp wird noch hier und da zum Türkischrotfärben benutzt; die An- wendung ist in einem besonderen Kapitel beschrieben. Die künstlichen organi- schen Farbstoffe, welche sich mit Thonerde- oder Zinnbeizen fixieren lassen, sind entweder Anthracenfarbstoffe (Alizarin u. s. w.) und dann im Kapitel „Türkischrotfärberei“ beschrieben, oder Phtaleïnfarbstoffe (Eosinfarben). Die Anwendung der letzteren hat jedoch zweifellos Aehnlichkeit mit der An- wendung von Alizarin. Um mit Eosinfarben schöne Effekte auf Baumwolle zu erzielen, muß man mit Türkischrotöl beizen , abringen, trocknen und dämpfen, dann in essigsaure Thonerde einlegen, 2 Stunden kalt darin be- handeln und dann, ohne zu spülen, in die mit 5 bis 10 Prozent Alaun versetzte Farbstofflösung bei 35° R. eingehen und in derselben unter fleißigem Hantieren erkalten lassen. Die erhaltenen Nüancen sind alle gelbstichig. Blaustichige Töne erhält man zwar, wenn man statt der essigsauren Thon- erde basisch essigsaures Blei verwendet; die so erzielten Farblacke sind aber giftig und es wäre richtiger, den bläulichen Ton durch Nüancieren mit etwas Viktoriablau zu erzielen. Kalkhaltiges Wasser ist beim Färben mit Eosinfarben unbedingt zu vermeiden. — Rhodamin gibt mit Thonerdebeizen je nach der Farbstoffmenge ein helleres oder dunkleres Bläulichrot von der Nüance des Safflors. Die sämtlichen Eosinfärbungen sind jedoch wenig lichtecht; die mit Oelbeizen erhaltenen sind etwas echter. § 71. Orange Färbungen auf Baumwolle. Es gibt wenige orangene Baumwollfarbstoffe, welche ohne Mischung eine Orangefärbung ergeben; alle übrigen orangen Färbungen müssen durch Mischen hervorgerufen werden. Die einzige Abweichung, welche möglich ist, beruht auf der Anwendung von Mineralfarben , indem man basisch chromsaures Blei in der Faser erzeugt. Chromorange . Man legt die Baumwolle in 12 Prozent (vom Ge- wicht der Baumwolle) basisch essigsaures Blei von 65° Bé. (Erster Teil, § 104) ein, ringt ab, passiert ein Kalkwasserbad und geht dann auf ein Bad aus 6 Prozent Kaliumdichromat und 2 Prozent Schwefelsäure. Nachdem die Farbe entwickelt ist, nimmt man die Ware erst noch einmal durch ein einfaches Wasserbad, und passiert dann noch einmal das jetzt erwärmte Kalk- wasserbad, bis der gewünschte Orangeton erreicht ist. Das Chromorange läßt sich mit Auramin gelblich, mit Fuchsin rötlich nüancieren. 1. Direkte Färbungen . Ausfärben im schwachen Seifenbade (100 g Seife auf 10 l Wasser) mit wechselnden Mengen Chrysamin und Congo oder Benzoazurin 4 B , je nachdem man gelbstichige oder rotstichige Nüancen erzielen will. — Oder: Ausfärben in schwachem Seifenbade mit wechselnden Mengen Hessisch Gelb und Hessisch Purpur ; Behandeln im Färbebade bis zur Nüance, kalt spülen und trocknen. Die Orangefärbungen mit Chrysamin sind weit leb- hafter und echter. Orange mit Orlean und Curcuma . Grundieren mit Orlean im Sodabade, dann scharf spülen, und in besonderem Bade mit Curcuma aus- färben; ist der Ton noch nicht nach Wunsch, so kann derselbe durch ein zweites Orlean- oder Curcumabad verstärkt werden. In früheren Zeiten wurde mit Brasilienholz grundiert und im Wau- bade ausgefärbt. 2. Färbungen auf tannierte Baumwolle . Hierzu eignen sich Chrysoïdin G , Goldorange R Von Tillmanns, E. ter Meer u. Comp . Muster in der Deutschen Färber-Zeitung 1887, Nr. 33. und Viktoria- orange . Gebleichte Baumwolle wird mit Tannin und Brechweinstein be- handelt und in der neutralen Farbstofflösung ausgefärbt. — Zu diesen beiden Farbstoffen hat sich in neuerer Zeit (Herbst 1888) ein neuer Farbstoff: Mikadoorange , hinzugesellt, welcher die gleichen Töne gibt; derselbe wird aber nicht mit Tannin fixiert, sondern im Kochsalzbade. Man färbt auf 100 Teile Garn mit 25 Teilen Kochsalz und 3 Teilen Mikado-Orange G oder R oder R R , zuerst bei 48° R., dann unter langsamer Steigerung der Temperatur zum Kochen ½ Stunde in der Siedehitze. (Neu, im Ersten Teil noch nicht enthalten). Um Orange durch Mischen zu erzeugen, benutzt man einerseits Chry- soidin oder Auramin , andererseits Fuchsin oder Safranin . Die echtesten Töne erhält man mit Auramin und Safranin. Durch Wechseln im Verhältnis zwischen diesen beiden lassen sich alle Töne von orangegelb bis orangerot herstellen. Hierher gehört auch folgendes Verfahren Deutsche Färber-Zeitung 1887, Nr. 21. : Grundieren mit 7½ Pro- zent Schmack und 3 Prozent Curcuma; Beizen mit 1½ Prozent Weinstein- ersatz, kalt umziehen, abwinden und ausfärben auf frischem Bade mit 4½ Pro- zent Alaun und je 3/10 Prozent Safranin und Chrysoïdin. 3. Färbungen auf Thonerde- oder Zinnbeizen . Orange aus Wau (nach Hummel ). Behandeln der Baumwolle mit essigsaurer Thonerde von 2,5 bis 4° Be.; die Thonerde in besonderem Bade mit phosphorsaurem oder kieselsaurem Natron fixieren. Dann Waschen und Ausfärben in einer Wau-Abkochung unter Zusatz von etwas Kupfer- vitriol. — Oder: Beizen mit Zinnchlorid und ausfärben mit Wau bis zur Nüance. Orange aus Kreuzbeerenextrakt (nach Stein ). Beizen mit Zinnchlorid, spülen und ausfärben in besonderem Bade mit einer Lösung von Kreuzbeerenextrakt. Orange aus Kreuzbeeren und Rotholz . Beizen mit 12½ Pro- zent Alaun und 3 Prozent Bleizucker und Färben in besonderem Bade mit 75 Prozent Kreuzbeeren; auf die so gelb gefärbte Ware setzt man in einem eigenen Bade das Rot, bestehend aus einer Abkochung von Sapanholz; das Rotbad darf nur schwach sein. Orange aus Quercitronextrakt . Beizen mit 10 Prozent schwefel- saurer Thonerde; ausfärben mit 16 Prozent Quercitronextrakt; zuletzt mit 2 Prozent Zinnsalz kochen und im Bade erkalten lassen, spülen und trocknen. Orange aus Anilin . Beizen in nicht zu schwacher essigsaurer Thonerde, abwinden und in besonderem Bade ausfärben mit Orange II bis zur Nüance. § 72. Gelbe Färbungen auf Baumwolle. 1. Direkte Färbungen . Curcuma gibt direkte gelbe Färbungen aus einer einfachen wässerigen Abkochung bei etwa 50° ohne allen Zusatz; ein Zusatz von Seifen oder Alkalien ist streng zu meiden , da er die Farbe in Braun umwandelt. Von den Benzidinfarben geben Chrysamin G und Brillant- gelb rein goldgelbe Färbungen, Chrysamin R , Congogelb, Chrysophe- nin und Hessisch Gelb orangegelbe Nüancen. Will man ein ins Grün- liche spielendes Gelb erzielen, so muß man im selben Bade mit Benzo- azurin nüancieren, doch mit großer Vorsicht, da das Benzoazurin ein sehr intensiv färbender Farbstoff ist. Zu den direkt färbenden gelben Farbstoffen gehört auch das Primulin (vergl. Erster Teil, § 72). Das Färben in mit Kochsalz versetztem Farb- bade ist höchst einfach. Der Farbstoff zieht sehr egal auf und zeigt ein sehr lebhaftes Citronengelb. Diese Nüance ist eine wertvolle und könnte unter Umständen gute Dienste leisten, weil das für den gleichen Zweck dienende Chrysamin eine mehr goldgelbe Nüance gibt, die beim Drucken eine noch orangere wird. Es ist hier nämlich die Zugabe von Alkalien, die das Chry- samin mehr ins Orange ziehen, unvermeidlich, da sonst eine Ausscheidung des Farbstoffes eintreten würde. In dieser Beziehung bietet nun das Primu- lin Vorteile, sei es zum Nüancieren von Chrysamin, sei es bei Bedarf ganz hellgelber Nüancen, indem es allein angewendet wird. Für viele Artikel dürfte dem jedoch die schlechte Lichtechtheit entgegen- stehen. Bei einer Zeitdauer, wo Chrysamin noch kaum beeinflußt ist, zeigt Primulin bereits eine ganz matte trübgelbe Färbung. Die Seifenechtheit ist annähernd die gleiche wie die des Chrysamins, dagegen schmutzt es leichter ab. Dieser scheinbare Widerspruch findet darin seine Erklärung, daß Chry- samin in Wasser schwer, dagegen in Alkalien leicht löslich ist, während Pri- muline in Wasser leicht, dagegen in Alkalien schwer löslich ist. 2. Färbungen auf tannierte Baumwolle . Hierzu eignen sich vornehmlich Chrysoidin und Auramin . Phos- phin hat heute nicht mehr die Bedeutung wie früher. Chrysoidin läßt sich auch auf ungebeizte, oder auf nur mit Tannin, resp. nur mit Sumach (ohne Brechweinstein) gebeizte Baumwolle färben; beim Färben ist eine Temperatur von 70° R. nicht zu überschreiten. Kertész empfiehlt, für Chrysoidin die Baumwolle mit Tannin und Zinn- beize von 4° Be. oder mit Tannin und basischem Alaun 1° Bé. zu beizen, wodurch die Färbungen echter werden sollen. Auramin ist waschechter und lichtechter als Chrysoidin, aber sehr em- pfindlich gegen Säuren; es gibt Nüancen vom zartesten Crême bis zum dunklen Goldgelb und läßt sich mit Safranin und Fuchsin und andererseits mit Malachitgrün trefflich nüancieren. Phosphin liefert ein Mattgelb und wird heute in der Hauptsache nur noch zum Nüancieren benutzt. Ganswindt , Färberei. 38 3. Färbungen auf Thonerde- oder Zinnbeizen . Gelbholz sowohl als Wau und Quercitron geben mit Thonerde- beizen gelbe Färbungen, welche jedoch wenig lebhaft und wenig echt sind; sie werden daher meist nur zusammen mit andern angewendet; z. B. Gelb mit Quercitron und Curcuma . Beizen mit Zinnchlorid; ausfärben mit 80 Prozent Quercitron auf besonderem Bade und dem kochenden Bade zufügen eine Abkochung von 40 bis 50 Prozent Curcuma. Auf heißem Bade umziehen und zuletzt Schönen mit 3 Prozent Salzsäure. Die Färbungen von Wau auf Zinnbeize sind lichtechter. Dunkelgelb aus Curcuma . Ausfärben in einer Abkochung aus 25 Prozent Curcuma, dann ein Bad von 5 Prozent Schwefelsäure passieren und auf das alte Färbebad zurück, dem 5 Prozent Alaun zugesetzt werden, kochend umziehen, abwinden und trocknen. Gelb aus Kreuzbeeren . Beizen mit essigsaurer Thonerde; in dem- selben Bade ausfärben mit Kreuzbeerenextrakt unter allmählichem Zusatz des letzteren bis zur Nüance. Gelb aus Gelbschoten . Beizen mit Zinnchlorid; Ausfärben in besonderem Bade mit Gelbschoten. Die Ausfärbungen sind echt und werden durch Schönen in einem alkalischen Bade rotstichig. Flavin wird auf Baumwolle nicht angewendet; dagegen dient es zum Schönen fertiger gelber Farben. Von künstlichen organischen Farbstoffen kann das Chrysolin als Eosin- farbstoff mit Oelbeize und essigsaurer Thonerde fixiert werden, in der Praxis findet es jedoch nur zum Ueberfärben von Quercitrongelb Verwendung. 4. Anderweite Färbungen . Kanarin . Vorzügliche kanariengelbe bis orangegelbe Nüancen erhält man mit Kanarin; die Färbungen sind absolut luft-, licht-, säure- und seifenecht. Die Anwendung ist äußerst bequem, man löst das Kanarin in einer Boraxlösung (1 Teil in 10 Teilen Wasser) kalt auf, geht mit der Ware kalt ein, treibt langsam bis zum Kochen und läßt schließlich noch die Ware bis zum Erkalten im Bade; das Bad wird ausgezogen. Das ge- wonnene Gelb läßt sich mit neutralen roten und grünen Farbstoffen (z. B. Fuchsin, Safranin, Malachitgrün) in besonderem Bade übersetzen; so erhält man z. B. mit Safranin im richtigen Verhältnis einige echte Türkischrot- Nüancen. Chromgelb wird wie Chromorange (§ 71) bereitet, nur fällt das zweite Kalkwasserbad in Wegfall. Einfacher erhält man es, wenn man die Baumwolle zuerst mit 12½ Prozent Bleizucker imprägniert, abwindet, und ohne zu spülen auf ein lauwarmes Bad aus 2½ Prozent Kaliumdichromat geht und darauf behandelt, bis die Farbe entwickelt ist. Rostgelb . Durch Niederschlagen von Eisenoxydhydrat aus Eisenoxyd- salzlösungen erhält man je nach der verwandten Menge der Beizen chamois- farbene bis rostbraune Töne. Am besten tränkt man die Baumwolle mit schwefelsaurem Eisenoxyd, preßt aus und entwickelt die Farbe in einem schwachen Salmiakgeistbade. § 73. Grüne Färbungen auf Baumwolle. Direkte grüne Färbungen auf Baumwolle gibt es zur Zeit noch nicht. 1. Färbungen auf tannierte Baumwolle . Hierzu eignen sich Malachitgrün, Aethylgrün, Brillantgrün und Viktoriagrün 3 B; von diesen gibt das erste eine rein grüne, das zweite eine gelbstichig grüne, Brillantgrün eine blaustichig grüne und das letzte eine blaugrüne Färbung. Das Malachitgrün findet ausgedehnte Anwendung und zwar sowohl als selbstständige Nüance wie in Mischung mit andern Neutral- farben. — Man kann auch das Tannin auf der Faser statt mit Brechwein- stein mit Zinnchlorid fixieren, oder auch mit Alaun. Soll das Grün gelb- lich ausfallen, so nüanciert man mit Phosphin; soll es blaustichig sein, nüanciert man mit Methylenblau. — Zur Erzielung dunkler Töne, wie Russischgrün, gibt Kertész folgendes Verfahren an: Imprägnieren mit einer schwachen Lösung von holzsaurem Eisen, 24 Stunden an der Luft hängen lassen, Passieren durch ein Kreidebad, Waschen, Tannieren und Aus- färben wie gewöhnlich. 2. Färbungen auf Thonerde- oder Zinnbeizen . Hierzu eignet sich das Coeruleïn S; Beizen mit essigsaurer Thonerde und kalt eingehen in das einfache Färbebad; sehr allmähliches Erwärmen des Färbebades bis zum Kochen, wobei die schweflige Säure der Coeruleïn- Sulfitverbindung entweicht. Zum Färben darf kein hartes Wasser verwendet werden. Eignet sich für dunkelgrüne Töne. 3. Grün aus Mischfarben . So gering die Zahl selbstständiger grüner Baumwollfarbstoffe ist, so reichhaltig wird die Auswahl bei Mischfarben, und läßt sich hier unter- scheiden: a) Grün auf Küpenblau. Man blaut in der Küpe hell an, passiert durch ein schwaches Schwefel- säurebad, beizt dann mit Alaun, Eisenvitriol und etwas Zinnsalz und färbt mit 30 Prozent Quercitron und 1½ Prozent Indigoersatz aus. — Oder man blaut auf der Küpe hell an, wäscht und entwickelt auf der geblauten Baumwolle ein Chromgelb, wie § 72, 4 angegeben. Dieses Grün zeichnet sich durch Schönheit und große Haltbarkeit aus. — Oder man blaut auf der Küpe an, spült, beizt mit 7 bis 8 Prozent basisch schwefelsaurer Thon- erde, und färbt in besonderem Bade mit Quercitron und Indigokarmin bis zur Nüance. (Statt Quercitron kann auch Wau angewendet werden.) b) Grün auf Berlinerblau. Man gibt der Baumwolle einen Grund von Berlinerblau und färbt in einer Gelbholzabkochung aus. Die hellere oder tiefere Nüance wird durch die geringere oder größere Tiefe des blauen Grundes erzielt. Statt des Gelbholz können auch Quercitron und Curcuma angewendet werden. Zum Nachdunkeln wendet man ein Blauholzabsud an. 38* c) Grün aus Holzfarben. Maigrün aus Wau und Indigkarmin . Beizen mit essigsaurer Thonerde, spülen und auf frischem Bade in einem, oder wenn nötig, zwei Waubädern ausfärben, bis die Baumwolle ein volles Goldgelb hat; dann entwickelt man das Grün in einem neuen Bade aus Indigokarmin unter Zusatz von etwas Alaun. Maigrün aus Quercitron und Indigcarmin . Beizen mit Zinnkomposition; in einem Quercitronbade gelb ausfärben und in besonderem Bade das Grün entwickeln mit Indigkarmin und Alaunzusatz wie oben. Dunkelgrün aus Gelbholz und Blauholz . Die Baumwolle wird schmackiert und gelangt dann in ein Bad, bestehend aus einer Ab- kochung von 40 bis 50 Prozent Gelbholz und 3 Prozent Grünspan, in welchem sie ½ Stunde bei 70° R. gehalten wird; dann wird einige Minuten gekocht, aufgehoben und abgewunden. Das Grün wird zuletzt in einem Blauholzextraktbade entwickelt bis zur Nüance. (Veraltet.) Theegrün mit Quercitron . Ueber Nacht in 2 bis 3 Prozent Schmack einlegen. Beizen mit 2½ Prozent Kupfervitriol; Ausfärben in besonderem Bade mit 35/100 Prozent Quercitron, ebensoviel Indigblau und 1 Prozent Alaun. Olivgrün aus Gelbholz und Blauholz . Ansieden mit 50 Prozent Gelbholz und 10 Prozent Blauholz. Dunkeln mit 1 Prozent Eisenvitriol, ⅕ Prozent Kupfervitriol. Helloliv aus Gelbholz und Indigkarmin . Behandeln auf einem Bade, bestehend aus einer Abkochung von 25 Prozent Gelbholz und 10 Prozent Alaun, kochend umziehen und im Bade erkalten lassen; Aus- färben in besonderem Bade mit ½ Prozent Indigkarmin. Mitteloliv aus Quercitron . Die Baumwolle wird schmackiert, dann mit Eisenvitriol und essigsaurer Thonerde behandelt; ausgefärbt wird auf frischem Bade mit Quercitron. Grün mit Wau und Blauholz . Beizen mit essigsaurer Thonerde und ausfärben in einer Mischung von Wau mit wenig Blauholz. d) Hellgrün mit Anilinfarben-Aufsatz. Hellgrün aus Quercitron und Malachitgrün . Beizen mit Zinnchlorid; ausfärben in besonderem Bade mit einer Abkochung aus 40 Prozent Quercitron und ½ Prozent Malachitgrün. Grün aus Quercitron und Aethylgrün . Beizen mit essig- saurer Thonerde, fixieren mit phosphorsaurem Natron, ausfärben mit Quercitron und in besonderem Bade mit Aethylgrün nach Bedarf. § 74. Blaue Färbungen auf Baumwolle. 1. Direkte Färbungen . Das einfachste und direkteste Blau auf Baumwolle ist das auf der Küpe erhaltene Indigblau. Das Färben auf der Indigoküpe geschieht in derselben Weise wie § 50 für Wolle angegeben. Nur sind warme Küpen für Baumwolle nicht anwendbar; man benutzt daher in den Baum- wollblauereien die Vitriolküpe, die Zinkstaubküpe und die Hyposulfitküpe. Die Baumwolle muß vor dem Färben abgekocht werden. Die einzelnen Küpenzüge werden kurz bemessen; sie wechseln von 1 bis 5 Minuten Dauer, kommen dann mit der Luft in Berührung und werden dann nach Bedarf noch ein- oder mehreremale wiederholt. Hellere Töne färbt man auf schwachen, d. h. nicht mehr genügend gespeisten, zum Erschöpfen bestimmten Küpen; dunkle Farben auf frischen starken Küpen. Garn vermeidet man nach dem Blauen zu spülen, Gewebe dagegen müssen gewaschen werden. Außer dem Indigo gibt noch das Benzoazurin G eine indigblaue Färbung, aber lebhafter und mit einem violetten Stich. Es wird aus einem Seifenbade gefärbt, wie alle Benzidinfarben. Es läßt sich mit Chrysamin nüancieren, wodurch das Blau einen grünlichen Stich erhält. Ueber neuere indigoblaue Farbstoffe vergl. Nachtrag . 2. Färbungen auf tannierte Baumwolle . Für diesen Zweck stehen uns zur Verfügung: Viktoriablau B * — 4 R v. Nachtblau g. Neublau i. Nilblau. * Muscarin. * Wasserblau 6 B , extra g. Neutralblau i. Methylblau B g. Methylenblau g. Basler Blau. * Indazin M v Neu, im Ersten Teil noch nicht enthalten. Näheres Deutsche Färber-Zeitung 1888, Nr. 34. . Bayrischblau D B F g. Indulin, spritlöslich i. Von diesen geben die mit * versehenen ein reines Blau, die mit g bezeichneten ein grünstichiges, die mit v ein violettstichiges Blau, die mit i hingegen Indigotöne. — Von den vorstehenden blauen Farbstoffen sind am bekanntesten: Methylenblau und Wasserblau mit rein grünblauem Ton, und Neutralblau mit indigblauem Ton. Methylenblau gibt reine himmelblaue bis dunkelblaue Nüancen; das gleichmäßige Angehen des Farbstoffes wird durch Zugeben von etwas Essig- säure zum Färbebade befördert; zur Erzielung tiefblauer Nüancen ist es zu empfehlen, etwas Safranin zuzugeben. Reines Methylenblau ist lichtecht; will man es nüancieren, so ist erste Bedingung, dazu gleichfalls lichtechte Farbstoffe zu verwenden. Wasserblau liefert keine echten Nüancen. Viktoriablau B ist von allen eben genannten das lebhafteste, feurigste; es sollte daher nur dort angewendet werden, wo es auf Lebhaftigkeit der Farbe ohne Rücksicht auf Haltbarkeit ankommt, denn die damit erzielten Färbungen sind wenig lichtecht. Es kommt in verschiedenen Marken in den Handel, von denen B das blaueste, 4 R das röteste ist. Hieran schließt sich das grünstichige Nachtblau . Indulin, Neutralblau und Neublau geben indigoähnliche Töne; beide werden entweder für sich, oder auch als Aufsatz auf mit Indigo vor- geblaute Ware verwendet; bei letzterm empfiehlt sich ein Zusatz von Salz- säure zum Färbebade (100 bis 200 g auf 10 kg Baumwolle); für hellere Töne wird Neublau mit Methylenblau nüanciert. Bei Indulin empfiehlt sich ein Zusatz von Alaun zur Farbstofflösung. Die 4 übrigen blauen Farbstoffe sind noch wenig bekannt. 3. Färbungen auf Thonerde- oder Zinnbeizen . Von künstlichen organischen Farbstoffen gibt sowohl Viktoriablau B und 4 R , als auch Methylenblau auf mit Thonerde gebeizter Baumwolle blaue Färbungen, von denen besonders die letztere dann sehr echt ist, wenn (nach einem Vorschlag von Kertész ) die Baumwolle mit essigsaurer Thonerde von 4° Bé. gebeizt, 1 bis 2 Tage verhängt, im Kreidebad fixiert, nachher noch einmal in einem schwachen Tanninbade behandelt und dann mit Methylen- blau heiß ausgefärbt wird. Auf mit Türkischrotöl und essigsaurer Thonerde vorgebeizte Baumwolle lassen sich fixieren: Anilinblau spritlöslich, Viktoriablau B und 4 R (diese beiden unter Zusatz von etwas Essigsäure zum Färbebade), Nacht- blau (gleichfalls mit Essigsäure), Methylblau. Das spritlösliche Anilinblau sowohl als auch die Marke Viktoriablau geben alle Nüancen vom reinen Himmelblau bis zum tiefen Blau und Rötlichblau. 4. Anderweite Blaufärbungen . In diese Kategorie gehören die mit Hölzern erzielten Blaufarben. Ein reines Blau wird dabei nie erhalten, sondern Modefarben mit bläulichem Ton, wie Blaugrau, Steinblau. Hier einige Beispiele. Blauholzblau . Behandeln auf einem Bade, bestehend aus einer Blauholzabkochung und etwas Grünspan; kalt eingehen und die Temperatur langsam bis auf 40° R. steigern; bei dieser Temperatur ausfärben bis zur Nüance. Holzblau . Schmackieren, Beizen mit Schwefelsäure, Zinnsalz, Alaun, Kupfervitriol und Eisenvitriol. Ausfärben in einer Abkochung von Blau- holz. Chromblau . Man bereitet sich eine Blauholzabkochung, stellt sie auf 2° Bé., setzt eine Mischung von 1 Teil Kaliumdichromat, 1 Teil Al- kohol und 3 Teilen verdünnte Schwefelsäure hinzu und färbt in diesem Bade aus. Dunkelblau . Man färbt in einem Bade aus 40 Prozent Indigo- ersatz solange, bis das Bad ausgezogen ist, entwickelt das Blau in einem zweiten Bade aus 1 Prozent Grünspan und schönt im Seifenbade. Als Beispiele der modernen Blaufärberei mögen folgende dienen: Naphtolblan . Man bereitet sich eine Indophenolküpe (siehe Seite 558) und färbt auf dieser die entweder ungebeizte oder vorher mit Türkischtotöl präparierte Banmwolle bei 30° R. durch 10 Minuten, win- det ab, spült und entwickelt die Farbe in einem besonderen Bade aus Kalium- dichromat. Ein bloßes Vergrünenlassen an der Luft genügt nicht, um das Indophenolweiß in Naphtolblau überzuführen. Die erzeugte Farbe ist dem Küpenblau sehr ähnlich und soll echt sein. Alizarinblau . Zum Fixieren von Alizarinblau auf der Baumwoll- faser empfiehlt sich am besten das Chromoxydnatron. Die Bad. Anilin- und Sodafabrik empfiehlt wiederholtes Beizen mit Türkischrotöl, und nachheriges Behandeln mit salpetersaurem Chromoxyd; schließlich Ausfärben mit 3 bis 6 Prozent Alizarinblau S. Da die Anwendbarkeit dieser Methode von anderer Seite bestritten wird, so ist für die Anwendung des Alizarinblaus in der Baumwollenfärberei eine einheitliche Methode noch nicht festgestellt. Indigblau ist ein Gemisch aus Methylvivlett und Malachitgrün. Es gibt auf mit Tannin und Brechweinstein gebeizte Baumwolle einen indigblauen Ton. Je nach den wechselnden Mischungsverhältnissen ist das Blau violettstichig oder grünstichig. Berlinerblau, Kaliblau . Wird heute nur noch selten gefärbt. Man färbt die Baumwolle zuerst rostgelb (vergl. § 72) und behandelt dann auf frischem Bade, welches auf je 2 Teile gelbes Blutlaugensalz 1 Teil Schwefelsäure enthält, so lange bis das Blau entwickelt ist. Purpurblau, Kornblumenblau . Beizen mit 10 Prozent schwefel- saurem Eisenoxyd und 3 Prozent Zinnsalz; Entwickeln der Farbe in besonderem Bade mit 10 Prozent gelbem Blutlaugensalz und 1½ Prozent Schwefel- säure. Auswachen und Trocknen. Indigblau mit Gallocyanin und Quercitronextrakt . Beizen mit Chromoxydnatron; Färben in besonderem Bade mit 10 bis Prozent Gallocyanin und 6 bis 12 Prozent Quercitronextrakt. Schönen in besonderem Bade mit Tannin und Methylenblau (H. Schmid , Chemiker-Ztg.) § 75. Violette Färbungen auf Baumwolle. 1. Direkte Färbungen im Seifenbade . Hessisch Violett gibt auf ungebeizte Baumwolle im Seifenbade ein reines Violett. Heliotrop und Rosazurin B B geben ein rötliches Violett. Azoviolett gibt ein bläuliches Violett. Congo-Corinth und Congo-Corinth B geben ein bräunliches Vivlett. Azoblau gibt ein Grauviolett. Die Anwendung aller dieser Farbstoffe ist dieselbe, wie bei Congo, die Färbungen sind seifen- und lichtecht. Sämtliche Farbstoffe sind neuesten Datums und noch wenig bekannt. 2. Färbungen auf tannierte Baumwolle . Hierfür stehen uns zur Verfügung: Methylviolett B. * Benzylviolett b. Aethylviolett b. Prune b. Krystallviolett b. Hofmanns Violett. * Neutralviolett r. Girofle r. Von den vorstehenden geben die mit * versehenen rein violette, die mit b blaustichig, die mit r rotstichig violette Töne. Die Anwendung ist bei allen die gleiche: Spülen der tannierten Ware und Ausfärben in neutralem. Bade bei 35 bis 40° R. Methylviolett wird stark angewendet, sowohl als eigene Nüance, wie auch in Verbindung mit Methylenblau als Marineblau; vielfach dient es als Aufsatz auf Küpenblau; die Ware wird in diesem Falle entweder gar nicht gebeizt, oder nur schmackiert, erhält aber keine Antimonpassage. 3. Färbungen auf Thonerde- oder Zinnbeizen . Die mit Hölzern erzeugten Violetts sind sämtlich matt und werden durch Abkochung von Blauholz mit weniger Rotholz auf mit Zinnkomposition gebeizte Ware gefärbt, z. B. Beizen mit 10 Prozent Rotbeize, 2½ Pro- zent Zinnsalz; Ausfärben in besonderem Bade mit Blauholz und Rotholz. — Oder man grundiert mit Orlean unter Zusatz von Pottasche, legt in Schmack ein, fixiert mit Zinnchlorid und färbt mit Blauholz und Fernambukholz. Violett mit Cochenille und Blauholz . Beizen mit Türkischrotöl, Fixieren in einem Chlorzinnbade, Ausfärben mit Cochenille und Dunkeln mit Blauholz. Blauholzviolett . Beizen mit Zinnsalz, Spülen und Ausfärben in besonderem Bade mit einer Blauholzabkochung. Mattviolett mit Camwood . Beizen mit schwefelsaurem Eisenoxyd; Ausfärben in besonderem Bade mit Camwood. Violett aus Galleïn . Beizen mit essigsaurer Thonerde und Aus- färben in besonderem Bade mit Galleïn; die Nüance gibt ein rötliches Violett; beizt man dagegen mit essigsaurer Thonerde und wenig holzsaurem Eisen, so erhält man rein violette Töne; das Galleïn wird aber auf Baum- wolle wenig angewendet, da es zu teuer ist. 4. Anderweite Violettfärbungen . Violett aus Gallocyanin . Man beizt die Ware mit Chromoxyd- natron und färbt auf frischem Bade mit 10 bis 15 Prozent Gallocyanin. Man erhält schöne blauviolette Töne, welche in ihrem Farbenton an Anilin- violett erinnern, aber wesentlich echter sind. Das Gallocyanin zeichnet sich durch seine leichte Nüancierbarkeit aus, indem man dasselbe durch ent- sprechende Zusätze von Quercitron in wechselnden Verhältnissen vom reinsten Violett bis zum grünsten Blau zu nüancieren vermag. Blauviolett mit Prune . Beizen mit Chromoxydnatron und Aus- färben in besonderem Bade mit Prune. Violett aus Alizarin . Dabei wird im allgemeinen so verfahren, wie später bei Türkischrot angegeben ist. Als Beize für Alizarinviolett wird holzsaures Eisen benutzt. Da diese Beize ölige Bestandteile bereits enthält, ist eine vorherige Behandlung mit Türkischrotöl nicht nötig. Kertész em- pfiehlt, vor dem Beizen mit holzsaurem Eisen die Garne, oder bei Ge- weben die abgekochten noch feuchten Stränge in einer schwachen 2 bis 3 pro- zentigen Tanninlösung zu behandeln. Das eigentliche Beizbad besteht aus ½ bis 1½ Prozent holzsaurem Eisen; dann wird scharf gespült. Das Färbebad besteht aus 5 bis 7½ Prozent Alizarin blaustichig (Alizarin V ); ein Kalkzusatz ist nicht nötig. Man geht mit der Baumwolle kalt ein, er- wärmt innerhalb 1 Stunde langsam bis auf 70° R., wäscht in heißem Wasser, trocknet und dämpft. Wird ein rötliches Violett gewünscht, so fügt man zum Beizbade noch etwas essigsaure Thonerde. § 76. Braune Färbungen auf Baumwolle. 1. Catechufarben . Den Grund zu fast allen braunen Baumwollfarben gibt das Catechu. Dieser schöne echte braune Farbstoff bedarf keiner Beize; er ist selbst ein Gerbstoff und wirkt als Beize; aber der eigentliche braune Farbstoff des Catechus muß erst in einem besonderen Oxydationsbade entwickelt werden. Man bereitet sich das Färbebad, indem man 1 bis 2 kg Catechu in 10 bis 20 l kalkfreien Wassers kochend löst, geht mit der Baumwolle ein, behandelt sie darin bei einer unterhalb des Siedepunktes liegenden Temperatur, je nach der gewünschten Tiefe des Tones, ½ bis 1 Stunde und hebt entweder auf oder läßt im Bade bis zum Erkalten liegen. Dann kommt die Ware, ohne gespült zu werden, in das Entwickelungsbad, welches aus einer Lösung von 10 bis 20 g Kaliumdichromat in 10 l auf 50° R. erwärmtem Wasser be- steht; man behandelt in diesem Bade, bis das Braun entwickelt ist, wäscht und trocknet. Je nachdem man das Catechubad schwächer oder stärker macht, je nachdem man die Ware kürzere oder längere Zeit darin behandelt, je nachdem man sie aus dem heißen Färbebade herausnimmt oder in demselben erkalten läßt, erhält man alle möglichen braunen Nüancen vom leichten Rot- braun bis zum tiefsten Dunkelbraun. Die Catechufarben sind durchweg echt gegen Luft, Licht, Säure und Seife, selbst gegen Chlorkalk. Das Catechubraun wird entweder als eigene Nüance angewendet, oder es dient nur als Grund zum Auffärben einer andern braunen oder nahestehenden Farbe. Aenderungen in der Nüance erhält man, wenn man die Baumwolle vorher mit Thonerde- oder Zinnsalzen beizt. Zum Dunkeln wendet man zweckmäßig Kupfervitriol an und zwar, nachdem das Braun entwickelt und gespült ist, in besonderem Bade. Bisweilen wird auch das Entwickelungs- und das Dunkelbad kombiniert; z. B. Zimmtbraun . Man behandelt die Ware ½ Stunde heiß auf einer Lösung von 10 Prozent (vom Gewicht der Baumwolle) Catechu, winde ab und entwickelt das Braun in einem Bade aus 5 Prozent Kupfervitriol, 2½ Prozent Kaliumdichromat und 1¼ Prozent Schwefelsäure (1 : 1). 2. Färbungen auf tannierte Baumwolle . Als selbstständiger Farbstoff tritt uns hier das Bismarckbraun ent- gegen; dasselbe liefert auf gebleichter und tannierter Baumwolle ein schönes reines Braun. Statt mit Tannin und Brechweinstein zu beizen, kann man auch einen Catechugrund und, nachdem zuvor tüchtig gewaschen, ein Bad von Bismarckbraun als Aufsatz geben. Eine mehr rotbraune Färbung erhält man mit Marron und Gre- nadine , und kann so durch Mischen dieser untereinander, sowie mit Bismarck- braun, ferner durch Nüancieren mit Fuchsin alle gewünschten braunen Töne erzeugen, zumal dann, wenn man noch einen Catechugrund berücksichtigt, z. B.: Gelbbraun . 20 Prozent Catechu (vom Gewicht der Baumwolle) werden gelöst und der Lösung 5 Prozent Kupfervitriol hinzugeben. Hierin wird die Ware ½ Stunde heiß umgezogen und das Braun in einer Lösung von 4 Prozent Kaliumdichromat entwickelt; schließlich gibt man auf frischem Bade einen Aufsatz von Bismarckbraun. 3. Färbungen auf Thonerde- oder Zinnbeizen . Hierhin gehören zunächst die mit Hölzern erzeugten Braunfarben; z. B. Chokoladebraun aus Camwood (nach Hummel ). Beizen mit holzessigsaurem Eisen von 2,5 bis 4° Bé., kalt einlegen in ein schwaches Salmiakgeistbad, und ausfärben in besonderem Bade mit Camwood bis zur Nüance. Rötlichbraun aus Camwood erhält man wie vorstehend, nur muß zur Eisenbeize noch etwas Rotbeize hinzugegeben werden. Rotbraun aus Orlean und Hölzern . Man gibt einen schwachen Orleangrund, siedet auf einem Bade von 20 Prozent Gelbholz und ⅕ Prozent Tannin an, hebt auf, fügt 2½ Prozent Kupfervitriol zum Bade, geht wieder ein und bereitet inzwischen das eigentliche Ausfärbebad aus 2½ Prozent Rotholz, 1½ Prozent Gelbholz, 1¼ Prozent Blauholz und ½ Prozent Alaun. Aus dem Sudbade bringt man die Ware, ohne zu spülen, in das heiße Färbebad, behandelt darin, bis die Farbe nach Wunsch entwickelt ist, spült und trocknet. Dunkelrotbraun aus Hölzern . Einlegen über Nacht in Sumach; am Morgen beizen mit 20 Prozent Alaun und ausfärben in besonderem Bade mit 40 Prozent Rotholz und 10 Prozent Blauholz. Dunkeln mit einer Lösung von Blauholzextrakt oder mit Kupfervitriol. Wichtiger als das Holzbraun ist das aus Alizarin erzeugte Braun . Man verfährt dabei ähnlich wie bei Violett aus Alizarin § 75 angegeben; man beizt mit einem Gemisch aus holzessigsaurem Eisen und essigsaurer Thonerde, läßt 48 Stunden behufs Oxydation an der Luft verhängen, und behandelt im Uebrigen wie bei Türkischrot angegeben, zuletzt im Färbebade, bestehend aus 5 bis 7 Prozent Alizarin gelbstich und entsprechendem Zusatz von essigsaurem Kalk. Braun aus Anthracenbraun . Beizen mit Chromoxydnatron und Ausfärben in besonderem Bade mit Anthracenbraun ( Schulz und Julius ). 4. Anderweite Braunfärbungen . Manganbraun, Manganbister, Lüsterbraun . Man tränkt die Baumwolle mit einer Lösung von Manganchlorür und passiert dann sofort eine kochende Lösung von verdünnter Aetznatronlauge, welche vorher mit etwas Kalk- wasser versetzt ist (um etwaiges kohlensaures Natron zu zersetzen). Dann setzt man die Ware behufs Oxydation der Luft aus oder behandelt sie in einem schwachen Chlorkalkbade. Hummel macht den sehr beherzigenswerten Vor- schlag, der Natronlauge einen Zusatz von unterchlorigsaurem Natron zu geben, wodurch Niederschlagen und Oxydation gleichzeitig stattfinden würde. Das Manganbraun ist vollkommen echt gegen Luft, Licht, Säuren und Seifen. Gelbbraune Färbungen können auch gewonnen werden, wenn man der Baumwolle einen dunkeln Grund aus Schmack und Eisen gibt und dann mit gelben oder orangenen Teerfarbstoffen ausfärbt; man erhält so alle Nüancen von goldbraun bis schwarzbraun. Als Aufsatz eignen sich alle neutralen Farbstoffe, z. B. Chrysoïdin, Auramin, Goldorange R u. dergl. Rotbraune Färbungen erzielt man am besten, indem man mit Catechu grundiert, und mit Fuchsin ohne oder mit Zusatz von Bismarck- braun ausfärbt; oder man behandelt mit Sumachextrakt und Eisen und färbt lauwarm aus mit 1 Prozent gelbstichigem Fuchsin. Corinth-Färbungen erzielt man auf einem Catechugrund durch Ausfärben mit Methylviolett. Olivbraune Färbungen erhält man auf Catechugrund durch Aus- färben mit Quercitron und Blauholz; z. B. Walkechtes Bronzeoliv . Ansieden mit 2 Prozent Kaliumdichromat und 4 Prozent Kupfervitriol; spülen und ausfärben mit 25 Prozent Quercitronextrakt, 10 Prozent präpariertem Catechu und 3 Prozent franz. Blauholzextrakt. Dunkeln auf demselben Bade mit 3 Prozent Eisenvitriol. Olivbraun . Auf warmem Bade aus 10 Prozent Schmackextrakt, 3 Prozent Gelbholzextrakt und ½ Prozent Blauholzextrakt umziehen, mit Eisenvitriol auf frischem Bade dunkeln, auf das erste Bad zurückgehen, ab- winden und ausfärben mit Bismarckbraun. § 77. Olive Färbungen auf Baumwolle. Olive auf Baumwolle wird stets durch Mischen hervorgebracht, wovon nachfolgend einige Beispiele. Grünliches Oliv aus Gelbholz und Blauholz . Ansieden mit 25 Prozent Gelbholz, 5 Prozent Blauholz; dunkeln auf demselben Bade mit ¾ Prozent Eisenvitriol und ⅛ Prozent Kupfervitriol. Bronzegrün . Wird gefärbt wie das vorige, dem Farbbade wird aber noch 5 Prozent Catechu zugegeben. Helloliv . Ansieden mit 25 Prozent Gelbholz und 10 Prozent Alaun; ausfärben mit ½ Prozent Indigokarmin. Goldoliv . Ansieden während ¾ Stunden mit 8 Prozent Gelbholz- extrakt; ausfärben mit 1 Prozent Bismarckbraun. Helloliv . Ansieden mit 15 Prozent Gelbholzextrakt, 1½ Prozent gemahlenem Blauholz, 5 Prozent Kupfervitriol, aufheben, verhängen, dann auf dasselbe Bad zurück und noch 2 Stunden kochen lassen. Oliv . 7 Prozent Gelbholzextrakt, 5 Prozent Catechu, 3 Prozent Kupfervitriol, ¼ Prozent Blauholzextrakt. 2 Stunden kochen. Grünoliv . Grundieren auf einer Flotte, bestehend aus 5 Teilen Schmackextrakt, 1 Teil Gelbholzextrakt und 1 Teil Blauholz; Dunkeln mit Eisenvitriol und Ausfärben auf frischem Bade mit Solidgrün. Oliv . Grundieren mit 30 Prozent Schmack, 15 Prozent Quercitron, 22½ Prozent Curcuma; am nächsten Morgen abwinden und auf kaltem Bade dunkeln mit 3 Prozent Kupfervitriol. Herausnehmen, zum letzten Bade 20 Prozent Eisenvitriol hinzugeben, ½ Stunde stehen lassen, und auf frischem Bade ausfärben mit 4 Prozent Curcuma, etwas Auramin und Neuviktoriagrün. § 78. Modefarben auf Baumwolle. Allgemeine Regeln zur Herstellung von Modefarben lassen sich nicht geben. Man benutzt mit Vorteil einen hellen Catechugrund und färbt darauf mit neutral färbenden künstlichen organischen Farbstoffen. Oder man grun- diert mit Sumach und Eisen oder Quercitronextrakt. Hier nur wenig Bei- spiele. Wer sich dafür speziell interessiert, findet Ausführlicheres in den Fachzeitungen, sowie in einzelnen Rezeptbüchern. Mode . Ausfärben mit 3 Prozent Alaun, 1½ Prozent Quercitron- extrakt, 1/10 Prozent Fuchsin, 1/20 Prozent Bismarckbraun und ¼ Pro- zent Indigoersatz; man geht kochend mit der Ware ein und läßt 1½ Stun- den kochen; zuletzt wird mit 3 Prozent Eisenvitriol gedunkelt. Modegrau . Man gibt einen Grund aus 10 Prozent Sumach und Eisen, wäscht gut aus und färbt auf frischem Bade mit ⅜ bis ½ Prozent Solidgrün und ebensoviel Alaun. Hellgelbmode . ⅔ Prozent Gelbholzextrakt, 1½ Prozent Kupfer- vitriol, 1 Prozent Alaun, 1½ Prozent Blauholz, 2 Stunden kochen. Silberblau . Ausfärben in neutralem Bade mit ⅕ Prozent Marine- blau S R unter Zugabe von 5 Prozent Alaun zum Färbebade, 1 Stunde kochen. Perlblau . Beizen mit 2 Prozent Alaun; Ausfärben mit 1/30 Pro- zent Methylviolett. Drap . ¼ Prozent Gelbholzextrakt, 1/10 Prozent gemahlenes Blau- holz, ½ Prozent Kupfervitriol, 1 Prozent Catechu. 2 Stunden kochen, herausnehmen, lüften, wieder eingehen und nochmals 2 Stunden kochen. Silbergrau . Die gebleichte Baumwolle wird auf einem ganz schwa- chen Blauholzbade 6 mal lebhaft umgezogen, dann wird dem Bade etwas Bleizucker zugegeben, wieder umgezogen, gespült und getrocknet. Lilagrau . Aufstellen auf 2 Prozent Blauholz, 5 mal umziehen, aufschlagen, ½ Prozent Eisenvitriol zusetzen, wieder 5 mal umziehen, auf- schlagen, 1/10 Prozent Methylviolett zusetzen, nochmals 5 mal umziehen, dann fertig winden. § 79. Schwarze Färbungen auf Baumwolle. (Mit Ausschluß von Anilinschwarz.) 1. Direkte Färbungen . Aus einem Seifenbade kann man mit dem neuen Benzidinfarbstoffe Violettschwarz direkt ein waschechtes violettes Schwarz auf Baum- wolle färben. (Siehe auch den Nachtrag .) 2. Indirekte Färbungen . Das meiste Schwarz, welches heute auf Baumwolle gefärbt wird, dürfte Anilinschwarz sein, welches in einem eigenen Paragraphen ausführlich erörtert werden soll. Dasselbe hat jedoch auch heute noch nicht den Grad der Voll- kommenheit erreicht, daß es die früheren Methoden verdrängt hätte. Die Grundlage der meisten üblichen Schwarz auf Baumwolle ist das Blauholz. Die normale Färbung wird durch Beizen mit einer Eisenbeize und Ausfärben mittels Blauholz erzielt. Echtes Blauholzschwarz . Einlegen über Nacht in 30 bis 50 Pro- zent Sumach; am Morgen abwinden und, ohne zu spülen, eingehen in ein Bad aus holzessigsaurem Eisen 2 bis 3° Bé. Hierin ½ Stunde behan- deln, dann ein Kreidebad passieren (um überschüssige Säure zu entfernen), und zuletzt ausfärben in einer Abkochung von Blauholz mit Zusatz von etwas Kupfervitriol. Das so erhaltene Schwarz ist ein Blauschwarz. Will man ein Tiefschwarz erzielen, so muß man zum Färbebade noch etwas Gelbholz oder Gelbholzextrakt hinzufügen. Man geht mit der Baumwolle kalt ein und treibt langsam zum Kochen. Blauholzschwarz mit Catechu . Dieses ist nur eine Abänderung des vorigen, indem statt des Sumachs hier der Catechu als Gerbstoff dient. Man entwickelt dann das Catechubraun auf der Baumwolle, wie S. 601 angegeben, geht dann auf das Eisenbad und verfährt im Uebrigen wie vorher. Blausteinschwarz . Man kocht die Garne mit Wasserglas aus, spült und gibt ihnen auf der Küpe einen hellen Indigogrund, passiert ein schwefelsaures Bad und spült; dann färbt man in einem Bade aus 15 Pro- zent Blauholzextrakt und 1½ Prozent Kupfervitriol bei 40° R. aus, läßt an der Luft vergrünen und trocknet heiß. Zuletzt geht man auf ein heißes Bad aus 2½ Prozent Kaliumdichromat, entwickelt die Farbe, spült und aviviert mit Türkischrotöl. — Ein anderes ganz vorzügliches Blaustein- schwarz wird auf folgende Weise gewonnen: Das gut ausgekochte, gewaschene und geschleuderte Garn wird zwei- oder vierpfündig aufgestockt und Abends auf ein Bad von nachfolgender Zu- sammensetzung heiß (kochend) aufgestellt: 7½ kg gutes Blauholzextrakt (fest), 2½ „ Quercitronextrakt (fest), 1. Bad, gut gelöst dem Wasserbade zugesetzt. Nach fünfmaligem gutem Umziehen und Nachziehen steckt man das Garn in die Flotte ein, nimmt es früh her- aus (schlägt auf) und windet ab. 2. Bad : 1¼ kg Kupfervitriol in Wasser kalt gelöst. Umziehen, abwinden und zurück auf das Extraktbad (40°), dem 2½ kg kalcinierte Soda zugefügt werden. Umziehen und abwinden, zurück auf die Kupfer- vitrollösung, hierauf abermals auf das Extraktbad und nach abermaligem Abwinden auf 1¼ kg Eisenvitriol. Den Beschluß macht ein letzter Zug durch das erschöpfte Extraktbad. Hierauf wäscht man tüchtig, womöglich in fließendem, reinem Wasser und seift in 20° warmem Bade (1½ kg Mar- seiller Seife in Stückchen zerschnitten, aufgekocht und die Lösung dem war- men Wasserbade zugefügt). (Deutsche Färber-Zeitung.) Das angeführte Verfahren ist wohl ziemlich zeitraubend, infolgedessen auch teurer, das Resultat aber ein ganz vorzügliches Blauschwarz. Echtes walkechtes Schwarz auf Garn . Einlegen und umziehen in einem heißen Bade von ½ Prozent Tannin und ¾ Prozent Blauholz- extrakt. Abwinden und ohne zu spülen in eine Lösung von holzsaurem Eisen 6° Bé. einlegen; nach 2 Stunden durch ein Kreidebad passieren, spülen und ausfärben auf frischem Bade mit 12 Prozent Blauholz und 5 Prozent Gelbholz; man läßt im Bade erkalten, dunkelt in demselben zuletzt noch mit 1¼ Prozent schwefelsaurem Eisenoxyd und aviviert zuletzt mit Seife und Oel. Direktschwarz . Ausfärben in einem heißem Bade aus 4 Prozent Indigoersatz; man beläßt die Ware im Bade, bis dasselbe ausgezogen ist, dann schönt man in demselben Bade mit ½ Prozent Grünspan. Tiefschwarz . Man gibt der Ware einen Grund aus ½ Prozent Tannin und dem nötigen schwefelsauren Eisenoxyd, windet daraus ab und schlägt in besonderem Bade aus 18 Prozent gelbem Blutlaugensalz mit gleichviel Salzsäure Berlinerblau auf die Faser nieder, geht dann auf das erste Eisenbad zurück und von hier auf ein 60° R. heißes Bad aus 4 Prozent Indigoersatz; hierin läßt man das Schwarz sich voll entwickeln, gibt dann noch ein Bad aus 4 Prozent Quercitronextrakt und 20 Prozent Sumach und aviviert zuletzt mit etwas Essigsäure und Oel. Echtschwarz . Man gibt einen mittleren Küpengrund, legt über Nacht in 30 Prozent Sumach, quetscht aus, geht durch ein Kalkwasserbad, dunkelt in besonderem Bade mit 5 Prozent Kupfervitriol, spült, windet ab und färbt aus in einer Abkochung von 25 Prozent Blauholz und 10 Prozent Gelbholz; schließlich wird noch einmal mit 2½ Prozent Kupfervitriol ge- dunkelt. Kalkschwarz . Ansieden mit 4 Prozent Blauholzextrakt; im Bade erkalten lassen, dann abwinden und durch eine Kalkmilch aus 3 Prozent gelöschtem Kalk passieren, ausringen, auf 7 Prozent Eisenvitriol aufstellen, umziehen und in 2½ Prozent Blauholzextrakt ausfärben. — Oder: Man zieht das Garn auf die kochende Lösung von 2½ kg Blauholzextrakt (fest), 4 kg Schmack, läßt über Nacht in der Flotte und stellt früh das abge- rungene Garn auf eine Kalkmilch aus 875 g abgelöschtem Kalk, hierauf auf 1,250 kg Eisenvitriol und kreidet schließlich. Durch letztere Operation wird das überschüssige Eisen entfernt und dunkelt das Schwarz um zwei Scheine nach. Oder für 50 kg (etwas teurer, aber voller): Wie vorher auf 2 kg Blauholzextrakt ohne Schmack, hierauf durch 1½ kg guten, fetten Kalk, ausringen, auf 3½ kg Eisenvitriol und ausfärben auf 1,250 kg Blauholz- extrakt (50° heiß). Chromschwarz in einem Bade (nach Hummel ). Man bereitet sich ein kaltes Bad aus 500 l Blauholzabkochung 2° Bé., löst darin 1½ kg Kaliumdichromat und fügt 3,5 kg Salzsäure hinzu. Die Baumwolle wird in die kalte Lösung gebracht und die Temperatur allmählich bis zum Siede- punkt erhöht. Die Baumwolle nimmt zunächst eine tief indigblaue Farbe an, die sich nach dem Auswaschen mit kalkhaltigem Wasser in ein Blau- schwarz verwandelt. Walkechtes Chromschwarz . Kochen in einer Auflösung von 30 Pro- zent festem Blauholzextrakt, abringen und lüften. Am nächsten Tage wird das Schwarz auf besonderem Bade entwickelt in einer kalten Lösung von 8 Prozent Kaliumdichromat und 6 Prozent Kupfervitriol; spülen und aus- färben in einem Bade von 10 Prozent Blauholz. Kalt eingehen und bis zum Siedepunkt steigern. Oder für 5 kg : Man kocht das Garn in 1 kg Schmack oder legt es über Nacht in die kochende Flotte nach öfterem Umziehen ein, windet ab, stellt auf ein kaltes Bad von 1 kg Eisenvitriol, zieht 5 mal um, windet ab und geht auf ein heißes (50°) Bad (250 g saures chromsaures Kali), zieht sorgfältig um und geht nun auf ein heißes Bad von 2 kg Blauholz und 500 g Quercitron, zieht wieder gut um und seift im frischen, lauen Wasser- bade. ( Spirk .) Catechuschwarz unterscheidet sich von dem obigen Blauholzschwarz mit Catechu nur durch eine andere Reihenfolge der Operationen. Zuerst behandelt man die Baumwolle auf dem heißen Catechubade, läßt darin er- kalten, geht dann auf das Eisenbad, färbt mit Blauholz und entwickelt erst zuletzt die Farbe in einem chromsauren Kalibade. Krappschwarz (nach Hödl ). Einlegen ½ Stunde in holzsaures Eisen und 10° Bé., abwinden und trocknen; dann wird die getrocknete Ware in einem Kleienbade genetzt und schließlich mit 20 bis 40 Prozent Krapp in besonderem Bade ausgefärbt. Nach ½ Stunde ist die Farbe entwickelt. Um dem Schwarz einen bläulichen Stich zu geben, kann man noch durch ein heißes Sodabad passieren; spülen und trocknen. Direktschwarz . Ausfärben in einem heißen Bade aus 6 Prozent Blauholzextrakt, 1 Prozent Quercitronextrakt und 2 Prozent essigsaurem Chrom; man aviviert zuletzt in einem Bade aus chlorsaurem Kali und Essigsäure. Von neueren Verfahren zum Schwarzfärben ist noch eines zu er- wähnen, welches einem Herrn Groß patentiert worden ist (D. R. P. 43054). Bei den bekannten Farbbädern zum Schwarzfärben mittels Blau- holz und Metallsalzen wird der Eisenvitriol fortgelassen und statt dessen Haidekraut-Abkochung zugesetzt, welche die Befestigung des Farbstoffes infolge ihres Gehaltes an Ericolin bewirken soll (?). Das vollständige Rezept zum Färben lautet: ½ kg Haidekrautabkochung, 12 kg Blauholzextrakt, 1 kg Kupfervitriol, 50 g chromsaures Kali, 50 g Borax, 50 g doppeltkohlensaures Natron, 1 kg Quercitron oder Catechu. (Die Haidekraut-Abkochung könnte wohl ebenso gut weggelassen werden.) Lichtschwarz bezeichnet ein Blausteinschwarz, welches nach dem Ab- winden vor dem letzten Zug auf Blauholz noch auf ein Bad von Gallus oder Schmack kommt. Ueber das Färben mit Anilinschwarz ist in einem besonderen Para- graphen (84) ausführlicher berichtet. § 80. Die Türkischrotfärberei oder das Färben der Baumwolle mit Alizarin. Das Färben von Baumwolle mit dem charakteristischen Rot, welches als Türkischrot bezeichnet wird, ist eine verhältnismäßig alte Erfindung; daß sie zu der herrschenden Stellung in der Baumwollenfärberei gelangt ist, welche sie heute thatsächlich und unbestritten einnimmt, verdankt sie wohl der besonderen Echtheit der Farbentöne, mit welcher kein anderer roter Farb- stoff wetteifern kann. Früher wurde das Färben einzig mit Krapp vorge- nommen und Krapp war damals noch ein hochangesehenes und geschätztes Färbematerial; die vielen Krapppräparate (vergl. Erster Teil, S. 147 be- weisen die einstige Wichtigkeit und ausgedehnte Verwendung des Krapps. Heute ist der Krapp ein Färbematerial von fast historischem Wert und seine Ver- wendung auf ein Minimum zurückgegangen. Seit Graebe und Lieber- mann 1868 das künstliche Alizarin entdeckt und den Nachweis ge- liefert haben, daß das synthetisch gewonnene Alizarin die gleichen Färbungen von Türkischrot gebe, wie der Krapp, und nachdem schließlich die Identität dieses Alizarins (aus Dibrom-Anthrachinon) mit dem bereits 1826 von Robiquet \& Colin aus Krapp hergestellten Alizarin festgestellt war, ging der Krapp-Verbrauch und infolgedessen der Krapp-Anbau von Jahr zu Jahr zurück und ist heute kaum noch nennenswert. Es ist auch füglich zu be- zweifeln, ob heute noch ein Färber Türkischrot mit Krapp färbt, denn das Färben mit künstlichem Alizarin gibt feurigere Farbtöne neben billigeren Preisen. Da das Türkischrot ( Vitalis nennt es 1854 noch Adrianopelrot ) von jeher seines brillanten Lüstres, sowie seiner Echtheit gegen Licht und wässerige Alkalien (Seifen) wegen berühmt, zugleich aber eine der am schwierigsten herzustellenden Farben war, so bildeten sich bald Färbereien, welche das Färben von Türkischrot als Spezialität betreiben. Im Laufe der Jahre hat sich das Färben mit Alizarin zu einem besonderen Industriezweige aus- gebildet und die heutigen Türkischrot-Färbereien sind großartige Etablissements, mit allen Hilfsmitteln der industriellen Technik ausgestattet. In Deutschland finden sich solche vorzugsweise im Wupperthale; in England vornehmlich in Glasgow. Türkischrot wird entweder auf Garn oder auf Gewebe gefärbt. Die Methoden der Vorbereitung von Garn und Geweben sind anfänglich die gleichen; im weiteren Verlauf des Verfahrens weichen sie jedoch wesent- lich voneinander ab, je nach der Methode, nach welcher man arbeitet. Das Verfahren zum Türkischrotfärben der Garne ist heute noch so ziemlich dasselbe, wie bei der früheren Verwendung von Krapp. Dieses Verfahren wird allgemein als die Weißbad-Methode bezeichnet. Das Verfahren zum Färben von Geweben, wie es vielfach noch heute angewendet wird, ist von Steiner in die Praxis eingeführt worden und heißt nach ihm Steiners Verfahren . Das neueste Verfahren endlich, auf der Ver- wendung des Türkischrotöls basierend, und auf Garne und Zeuge anwendbar, wird als Türkischrotöl-Verfahren bezeichnet. § 81. Das Türkischrotfärben nach der Weißbad-Methode. Das Weißbad-Verfahren besteht aus einer langen Reihenfolge von Ope- rationen, die hier in aller Kürze aufgezählt werden sollen. Erste Arbeit: Abkochender Baumwolle . Die einzelnen Strähne des ungebleichten Garnes werden mit einem Baumwollenfaden in ge- eigneter Weise unterbunden (Fitzen) und dann in Hochdruckkochkesseln mit Sodalösung während 6 bis 8 Stunden gekocht. Die Sodalauge darf ¾ bis 1° Bé. stark sein. Darauf wird in fließendem Wasser gut ausgespült Romen dagegen erklärt das Auswaschen für überflüssig. , im Squeezer ausgequetscht und an der Luft oder im Trockenraume getrocknet. Für hellere Nüancen (Alizarinrosa) ist Bleichen der Baumwolle erwünscht; für die andern Töne verwendet man es lieber ungebleicht, da nach Lukia- noff gebleichtes Garn nicht so volle Töne liefert. Zweite Arbeit: Oelen (früher meist „Kuhkoten“ genannt); Hummel nennt diese Arbeit „Erste Grünemulsion“. Ob der Kuhkot oder Schafmist, welcher auch heute noch hierzu verwendet wird, überhaupt eine Wirkung ausübt, und — falls ja — welche Wirkung er ausübt, das ist bis heute noch nicht aufgeklärt. Verfasser zweifelt überhaupt an einer Wirkung des Kuhkots und verlegt die ganze Wirkung in das beim Oelen gebildete Natrium- oleat. Allenfalls wäre dem Ammoniakgehalt in Verbindung mit der Oel- säure eine Wirkung zuzuschreiben, wie wir dieselbe in ähnlicher Weise beim Behandeln im Türkischrotöl-Verfahren kennen lernen werden; dort ist kein Kuhmist gegenwärtig, dagegen genügt die Anwesenheit des Ammoniumsulf- oleats völlig zur Erzielung der durch das Kuhkotbad beabsichtigten Wirkung. Wahrscheinlich beruht die Wirkung des Schafmistbades lediglich auf der da- bei erfolgenden Bildung von ölsaurem Ammoniak. Dieses Kuhkotbad oder — mit Hummel zu sprechen — die Grünemulsion wird wie folgt bereitet: Der Schafmist Dieser wird, wo er zu haben ist, stets dem Kuhmist vorgezogen. wird durch ein Sieb in die zur Durchfeuchtung der Garne nötige Menge Sodalauge gerührt. Hummel gibt auf 8 kg Schafmist 1000 l Wasser, 75 kg Baumöl und soviel Soda an, daß das Ganze 1,4° Bé. zeigt. Das Olivenöl kommt zuletzt hinzu; das Ganze wird dann kräftig durchgerührt und bildet dann schließlich eine grünliche milchige Flüssigkeit (Emulsion, daher dieses Verfahren auch als Emulsions-Verfahren bezeichnet wird). Mit dieser Emulsion werden dann die Garne imprägniert und nach dem Durchtränken gleichmäßig ausgewunden. Diese Arbeiten werden in kleineren Färbereien mit der Hand vorgenommen; in großen Etablissements bedient man sich für diesen Zweck der Alaunbeizmaschine (S. 412) und der Garnpassier- und Ausringmaschine von A. Wever \& Comp . in Barmen (Fig. 187 und 188). Diese Maschine ist als eine der vollkommensten der Garnbranche zu bezeichnen, da sie Handarbeit thatsächlich überflüssig macht. Nach- dem die Garnsträhne eingehängt sind und die Maschine eingerückt ist, besorgt letztere alle Vorrichtungen vollkommen selbstthätig: das Garn wird zuerst eingeweicht, herausgehoben, ausgerungen, zurückgewunden und noch einmal in entgegengesetzter Richtung ausgewunden. Alle diese einzelnen Arbeiten können durch eine einfache Umsteuerungsvorrichtung bezüglich ihrer Zeitdauer beliebig verändert werden. Die Maschine ist doppelseitig angeordnet; der Antrieb der beiden Wickelspulen und der an derselben Achse befindlichen Quetschwalzen erfolgt von der Mitte aus; die beiden Spulensystem bewegen sich gleichzeitig und gleichartig, wie solches aus dem unteren Horizontalauf- riß zu ersehen ist (S. 610). Die auf die geschilderte Weise behandelten Garnsträhne werden über Nacht an der Luft liegen gelassen, dann trocknet man sie auf einer Hänge von Latten oder in einem Ofen bei 45 bis 50° R. Das Garn muß für die Vornahme der folgenden Operationen völlig trocken sein. Dritte Arbeit: Zweites Schafmistbad . Ein Behandeln auf einem ganz gleich zusammengesetzten Bade wie das vorige; der Rest des vorigen Ganswindt , Färberei. 39 Fig. 187. Garnpassier- und Ausring-Maschine (Totalansicht). Fig. 188. Garnpassier- und Ausring-Maschine (Horizontalschnitt). kann diesem zugegeben werden. Imprägnieren, Ausringen, Lüften und Trocknen wie vorher. Vierte Arbeit: Drittes Schafmistbad . Eine einfache Wieder- holung des vorigen. Nur dürfen die Strähne nach dem Imprägnieren nicht übereinander gelegt werden, damit sie sich nicht entzünden, was durch die Gärung schon mehrmals geschehen ist. Fünfte Arbeit: Eine vierfache Wiederholung des Weiß- bades . Das „Weißbad“ (oder auch Hauptölbad) ist nichts anderes als eine sehr schwache Sodalösung, in welche die Garne eingetaucht werden; natur- gemäß findet schon eine Verseifung im Bade statt, die anfangs farblose Flüssigkeit wird weißlich (daher Weißbad); dann nimmt man das Garn heraus, ringt ab, setzt der Luft aus und trocknet schließlich, wie bei den früheren Operationen. Diese Arbeit findet also viermal hintereinander, alle- mal mit einer Sodalösung von 0,7° Bé. statt. Sechste Arbeit: Wässern (Einweichen). Ein einfaches Einweichen in Wasser von 45° während 24 Stunden; Auswaschen und scharfes Trocknen. Siebente Arbeit: Gallieren . Die Operation bezweckt ein Beizen der Garne mit Sumachabkochung, welche man erkalten läßt, filtriert und auf 1° Bé. stellt. Das von der sechsten Arbeit kommende noch warme Garn wird nun 4 bis 6 Stunden auf der Sumachflotte behandelt, dann herausgenommen und geschleudert. Zur Vornahme des Gallierens wird in vielen Türkischrotfärbereien die kleine Garnwaschmaschine von A. Wever \& Comp . in Barmen (D. R. P.), welche S. 328 beschrieben ist, verwendet. Achte Arbeit: Fixieren (Beizen oder Alaunieren). Man verwendet dabei am besten eisenfreien römischen Alaun, und bereitet sich ein Bad aus 4 Teilen Alaun, dem man in kleinen Portionen 1 Teil Soda zusetzt. Man stellt die Alaunlösung auf 5° Bé., erwärmt sie auf 30 bis 40° R. und legt die schmackierte Baumwolle 24 Stunden hinein; darauf wird gut aus- gewaschen und centrifugiert. Neunte Arbeit: Färben (Krappen). Das Färbebad besteht aus 2 Prozent (vom Gewichte der Baumwolle) Alizarin blaustich, 5 Prozent Ochsen- blut und etwas gemahlenem Schmack (oder besser Tannin) unter Hinzufügen von etwas Kreide. Man geht mit der Ware kalt ein, treibt in 1 Stunde bis zum Kochen und erhält 1 Stunde im Kochen, dann läßt man im Färbe- bade erkalten. Zehnte Arbeit: Schönen (Avivieren). Abkochen des gefärbten unge- spülten Garnes in einem Hochdruckkochkessel (ein solcher ist durch Beschrei- bung und Zeichnung S. 441 erläutert) unter Druck mit einer schwachen Lauge aus gleichen Teilen Soda und Palmölseife. Spülen. Elfte Arbeit: Avivieren (Rosieren). Kochen im Hochdruckkochkessel mit einer Lösung, welche pro Kilogramm des in Arbeit befindlichen Garnes 25 g Palmseife und 1½ g Zinnsalz enthält. Zwölfte Arbeit . Gutes Auswaschen und Trocknen. Entkleidet man den vorstehend beschriebenen höchst verwickelten Prozeß alles unnützen Beiwerks — und Schafmist und Ochsenblut sind unnützes Beiwerk — und betrachtet man das, was dann übrig bleibt, mit kritischem Blick, so gelangt man zu der Ansicht, daß die ganze Geschichte keineswegs so verwickelt sei. Es gehört zu den Eigenheiten einer vergangenen Periode, Alles so kompliziert und verwickelt als möglich zu machen und selbst das Einfache hinter einem Schwall von Worten zu verbergen. So ist auch die mit dem Staub früherer Jahrhunderte bedeckte Weißbad-Methode eine solche, die mit den heutigen Anschauungen durchaus nicht mehr im Einklang steht, eine Methode die veraltet ist und sich überlebt hat. Romen in seiner „Colorie der Baumwolle“, Wien, 1878, ist noch der Ansicht, daß der Schafmist unentbehrlich sei, und behauptet, daß man mit bloßer Seife kein Türkischrot hervorzubringen vermag. Gleichwohl beschreibt er den Türkisch- 39* rotölprozeß, bei dem ja doch Schafmist nicht zur Anwendung gelangt. Was ist denn aber Türkischrotöl anders als eine Seife, wenn auch eine Seife, die aus dem engen Rahmen des gewöhnlichen Seifenbegriffs etwas heraus- tritt? Türkischrotöl ist eine Seife, welche als Alkali Ammoniak und als Fettsäure Sulfoleïnsäure und Oxystearinsäure enthält. Diese Bestandteile sind durch die Arbeiten von Müller-Jacobs , sowie von Liechti und Suida klargelegt worden. Die Seifennatur des Türkischrotöls ist durch meine eigenen Arbeiten über die Sulfoleate Pharm. Centralhalle 1886, 410 ff. festgestellt worden und der Prozeß der Einwirkung der Schwefelsäure auf Fettsäuren von mir (an der gleichen Stelle entwickelt) und später von Ssabanejeff Journal der russ. physik. Gesellschaft. bestätigt wor- den. Letzterer hat durch Einwirkenlassen von Schwefelsäure auf reine Oel- säure nachgewiesen (im Gegensatz zu Liechti und Suida , welche Oxyoleïn- säure angeben), daß sich dabei Oxystearinsäure bildet, was wiederum durch meine Untersuchungen (Pharm. Centralh. 1886, 486) bestätigt wurde. Romens Behauptung ist demnach nicht haltbar. Das Schafmistbad ist durch eine sehr lange Praxis sanktioniert, geheiligt gewesen; es ist an der Zeit, wenn wir dasselbe durch einfachere, billigere und vor allem sauberere Methoden ersetzen! Ich schlage zu dem Zweck folgendes vereinfachtes Verfahren vor: Für 1000 kg. Abkochen der Ware während 6 bis 8 Stunden in einer ganz schwachen Sodalösung unter Hochdruck, gutes Auswaschen mit Wasser, Centrifugieren, Trocknen. — Sodann werden 25 kg käufl. Salmiakgeist und 75 kg Olivenöl in einer Holzkufe durch heftiges Rühren so lange gemischt, bis sie eine weiße, weiche, salbenähnliche Masse geben; gleichzeitig werden weitere 75 kg Olivenöl mit soviel einer warmen konzentrierten Sodalösung vermischt, bis Verseifung eintritt; der entstandenen Lauge wird das salbenähnliche Salmiakgeistgemisch und soviel Wasser in kleinen Portionen unter jedesmaligem tüchtigen Umrüh- ren hinzugefügt, bis das Ganze 2000 l beträgt. In diese Emulsion wird, ohne zu erwärmen, über Nacht kalt eingelegt. Am nächsten Morgen wird mittels Auswindemaschine abgerungen und 24 Stunden lang erst an der Luft, dann im Ofen getrocknet. Dann wird über Nacht in eine Lösung von kohlensaurem Ammoniak von 0,5° Bé. eingelegt; am nächsten Morgen ausgequetscht und in Wasser gewaschen. Dann wird 3 Stunden auf einem Tanninbade behandelt, und von hier direkt auf ein Bad von basischem Aluminiumsulfat gegangen. Der übrige Verlauf ist dann genau so wie oben als 9. bis 12. Operation beschrieben war, nur fällt beim Färbebade das Ochsenblut, sowie der Schmack und die Kreide in Wegfall; dagegen empfehle ich als Zusatz zum Färbebade etwas essigsaures Natron. § 82. Das Türkischrotfärben nach Steiners Verfahren. Das Steiner sche Verfahren wird, soviel mir bekannt, nur auf Ge- webe angewendet, und ist in seinen letzteren Operationen mit dem vorigen identisch, die vorbereitenden Arbeiten aber sind viel einfacher und vernunft- gemäßer. Erste Operation : Zuerst kommt das Bleichen resp. Abkochen der Gewebe, wobei dasselbe gilt, was im vorigen Paragraphen diesbezüglich ge- sagt ist. Dann folgt Zweite Operation: Oelen . An Stelle des Kuhkot- und Schaf- mistbades wird aber hier das reine Oel als solches und zwar bis auf 90° R. erhitzt, angewendet. An Stelle des Einlegens tritt hier das Klotzen ; das Zeug geht in voller Breite durch eine Oelklotzmaschine, wie sie S. 436 be- schrieben ist. Nach dem Klotzen kommt das Gewebe sofort in den Trocken- ofen, und bleibt hierin 2 Stunden hindurch bei 55 bis 60° R. Dritte Operation : Siebenmaliges Klotzen in einer Sodalösung von 2,7° Bé., worauf jedesmal ein Trocknen im Trockenofen bei 60° folgt. Es wird dadurch eine Verseifung des Oeles auf den Geweben selbst bezweckt; andererseits bezweckt das jedesmalige Trocknen eine teilweise Oxydation des Oeles, so daß man nach Beendigung des siebenmaligen Klotzens wenig un- verändertes Oel, hauptsächlich aber ölsaures und oxyoleïnsaures (vielleicht auch oxystearinsaures) Natron auf der Faser haben dürfte. Nach dem siebenten Klotzen und Trocknen folgt die Vierte Operation: Waschen auf der Waschmaschine, zuerst in Sodalösung, nachher in reinem Wasser und Trocknen bei 45° R. Das Gallieren fällt hier fort. Fünfte bis achte Operation . Diese sind gleich mit der im vorigen Paragraphen beschriebenen achten bis zwölften Operation. Es muß ohne Weiteres zugestanden werden, daß dieses Verfahren im Vergleich mit dem vorigen einen wesentlichen Fortschritt bedeutet. Der Schafmist ist hier vollständig weggelassen; nach Romen würde man also hier kein Türkischrot erhalten dürfen; thatsächlich erhält man aber auf diese Methode ein noch schöneres, lebhafteres Türkischrot, als mit der im vorigen Paragraphen angegebenen Methode. Damit ist der unwiderleglichste Beweis geliefert, daß der Schafmist zur Erzeugung eines Türkischrot durchaus nicht notwendig ist . Es bleibt hier nur die Frage, ob die Methode der Seifenbildung auf dem Zeuge durch Klotzen nicht durch eine einfachere Methode zu ersetzen wäre; und hier möchte ich thatsächlich einer Aenderung das Wort reden; ich würde statt des Klotzens mit Oel und des siebenmaligen Klotzens mit Soda vorschlagen, das Zeug in eine Lösung von überfetteter Seife in Wasser lauwarm einige Stunden einzulegen , dann im Squeezer abzuquetschen, eine Chlorkalkpassage zu geben ( NB. klare Lösung ist Bedingung), dann in der Echthänge zu trocknen. Beizen, Färben und Schönen bleibt unverändert wie oben. In dieser Form würde das modifizierte Verfahren sich auch sehr wohl für Garne eignen. § 83. Das Türkischrotöl-Verfahren. Dieses neuere Verfahren wird auf Garne, wie Gewebe angewendet. Erste Operation : Statt, wie beim Steiner schen Verfahren, die Seifenbildung auf der Faser durch achtmaliges Klotzen zu vollziehen, wird hier die Sulfoseife Diese Bezeichnung ist von mir an anderem Orte vorgeschlagen worden. in alkalischer wässeriger Lösung angewendet und das Garn einfach kalt oder lauwarm eingelegt, Zeug entweder eingelegt oder geklotzt. Die Türkischrotöl-Lösung enthält 10 bis 15 Prozent Türkischrotöl (vom Ge- wicht des Wassers); sie wird mit soviel Salmiakgeist versetzt, bis eine deut- lich alkalische Reaktion sich zeigt. Nach dem Imprägnieren wird abgewun- den oder ausgeschleudert und im Ofen getrocknet. Zweite Operation . Das vorbereitete Garn oder Gewebe wird in besonderen Kesseln (Dampfkästen), ähnlich dem § 33 beschriebenen Dämpf- apparat für Garne oder in dem nachstehend abgebildeten Dämpfkessel ge- dämpft. Dieser besteht aus einem schmiedeeisernen, auf drei Füßen ruhen- den Kessel mit abnehmbarem schmiedeeisernen Deckel und gedrehtem Ring- verschluß. Das Innere des Kessels ist durch drei herausnehmbare, schmiedeeiserne Netze in Abteilungen geteilt; auf diese Netze wird das zu dämpfende Garn gelegt. Am Boden des Kessels ist ein Dampfein- und Ausgangsstutzen mit Ventil, an welchem auch das Manometer und der Kondensationswasserableiter angebracht sind, ferner gehört zur Armatur noch Sicherheitsventil, Dampfablaßhahn, Luftventil. — Für Gewebe ist der Kessel ähnlich konstruiert. Die Gewebe werden in voller Breite, aber in mehreren Lagen übereinander gefaltet, auf drehbare Holzstäbe gehangen, welche in größerer Anzahl in einem gußeisernen Rahmengestell gelagert sind und in einen schmiedeeisernen Dampfkessel eingefahren werden, in welchem unter 1 bis 2 Atmosphären gedämpft wird. Das Rahmengestell ist gleichzeitig mit dem Verschlußdeckel des liegenden Kessels verbunden und mit der Ein- richtung versehen, das ganze auf Rollen laufende Gestell bequem durch Handkurbel und Räderübersetzung ein- und ausfahren zu können. Alles Weitere ist aus Fig. 189 und 190 klar zu ersehen. Das Dämpfen dauert 1½ bis 2 Stunden. Fig. 189. Dämpfkessel für Türkischrot-Garne. Fig. 190. Dämpfkessel für Türkischrot-Gewebe. Dritte Operation . Beizen in einer lauwarmen Lösung von essig- saurer Thonerde 3½ bis 5° Bé. Abwinden oder Ausschleudern. Vierte Operation . Kreidebadpassage. Fünfte Operation . Ausfärben im Färbebad, bestehend aus 15 bis 20 Prozent Alizarin und ⅕ Prozent essigsaurem Natron; man geht kalt ein, behandelt ½ Stunde nur lauwarm und steigert dann allmählich bis auf 55° R., bei welcher Temperatur man bis zum Ausziehen des Bades an- hält. Dann folgt Waschen in kalkfreiem Wasser, Schleudern und Trocknen. Sechste Operation: Oelen . Präparieren mit einer 5 prozentigen Lösung von Türkischrotöl und Trocknen. Siebente Operation . Zweites Dämpfen. 1 Stunde. Achte Operation . Avivieren in einem Seifenbade aus Marseiller Seife. Eine Abänderung dieser Vorschrift wird von Kertész empfohlen. Dieser läßt nach dem Beizen mit essigsaurer Thonerde auf der Spannrahm- und Trockenmaschine trocknen. Dann folgt bei ihm als Vierte Operation eine Passage durch ein 50° R. warmes Bad, bestehend aus 1900 l Wasser, 30 kg Kreide, 15 l arsensaures Natron 12° Bé. Hierauf folgt ein tüchtiges Waschen auf einer Waschmaschine, um die Kreide zu entfernen. Die übrigen Operationen stimmen dann wieder mit der obigen überein. — Vielfach wird dem oben erwähnten Kreidebade auch noch Wasserglas zugesetzt. Das Türkischrotölverfahren bietet den nicht zu unterschätzenden Vorteil, daß das viele Trocknen in Wegfall kommt. Für manche Warengattungen ist sogar das Avivieren nicht notwendig. Zu diesem Verfahren sind neuerdings einige Abänderungsvorschläge ge- macht worden, die beherzigt zu werden verdienen. Der eine empfiehlt, statt mit essigsaurer Thonerde mit Thonerdenatron zu beizen und dabei zugleich das Türkischrotöl hinzuzufügen. — Ein neuerer Vorschlag (von Köchlin ) empfiehlt, dem Färbebade Zinnoxydhydrat zuzugeben, wodurch das nachherige Avivieren erspart wird. Ueber die Notwendigkeit des von anderen Autoren befürworteten Kalk- zusatzes wolle man S. 511 vergleichen. Bemerkt sei noch, daß Romen bei der Alizarinfärberei stets „ möglichst kalkfreies Wasser “ empfiehlt. Alle bisher beschriebenen Methoden, auch die letztgenannten vereinfach- ten, sind nur für besondere Türkischrotfärbereien anwendbar; für kleine Be- triebe sind diese Methoden zu umständlich und zeitraubend. Hier empfiehlt sich ein einfacheres Verfahren, welches lediglich durch Weglassung mehrerer der oben beschriebenen Operationen erreicht wird. Hier würde sich z. B. das Verfahren folgendermaßen gestalten. Erste Operation . Beizen mit essigsaurer Thonerde, Schleudern und Trocknen in der Trockenstube bei 40° R. 1 bis 2 Tage lang. Zweite Operation . Behandeln der gebeizten Baumwolle in einer Lösung von phosphorsaurem Natron bei 50° R.; dann spülen. Dritte Operation . Färben mit Alizarin. Vierte Operation . Präparieren mit Türkischrotöl; Trocknen. Fünfte Operation . Dämpfen, dann schönen. Abweichend hiervon ist z. B. das Verfahren, wie es bei Spill \& Comp . in Glasgow gehandhabt wird Deutsche Färber-Zeitung 1889, Nr. 3. . Auf 150 kg. Erste Operation . 2½ Stunden mit 2 kg Soda, 1 l Salmiakgeist, ½ kg chlorsaurem Kali kochen; 12 Stunden aus dem Kochbad liegen lassen, spülen. Zweite bis vierte Operation . Dreimal hintereinander 30° heiß passieren durch 10 prozent. Oelbeize. Fünfte Operation . 4 Stunden lang kalt auf 6 prozentige schwefel- saure Thonerde. Sechste Operation . Auf 20 kg Sumach aufstellen. Siebente Operation . Ausfärben mit 11 Prozent Alizarin; kalt eingehen; in der ersten Stunde nur bis auf 60° R. treiben, in den nächsten 1½ Stunden bis zum Kochen steigern und dann noch 1½ Stunden im Kochen erhalten. Waschen. Achte Operation . Avivieren mit 2 kg Soda, 1 l Salmiakgeist, spülen, 40 bis 50° heiß trocknen. Erzielung heller Töne, wie Alizarinrosa ꝛc. Zur Herstellung hellerer Nüancen nimmt man weniger Beize, also in diesem Falle eine schwächere Thonerdelösung, am besten nicht essigsaure Thonerde, sondern Alaun, und färbt mit entsprechend weniger Alizarin aus; auch wird die Menge der Oelbeizen beschränkt. Daß zur Erzeugung violetter und brauner Töne im ersten Falle mit holzessigsaurem Eisen, im zweiten mit holzessigsaurem Eisen und essigsaurer Thonerde gebeizt werden muß, ist früher an der betreffenden Stelle schon mehrfach erwähnt worden. Das in den vorstehenden Paragraphen beschriebene Verfahren zum Färben mit Alizarin kann auch auf alle andern Alizarinfarben angewendet werden. Wir sehen, es führen viele Wege nach Rom — auch ohne Schafmist und Ochsenblut! § 84. Die Anilinschwarz-Färberei. Das Färben mit Anilinschwarz weicht von allen anderen Farbmethoden wesentlich dadurch ab, daß der Farbstoff als solcher nicht existiert, sondern erst auf der Faser erzeugt wird. Wir können deshalb im eigentlichen Sinne des Wortes vom Färben mit Anilinschwarz gar nicht sprechen, denn ein solches würde einen Farbstoff Anilinschwarz voraussetzen, welcher aber nicht existiert. Es gibt im Handel kein Anilinschwarz; der Färber muß es sich selber erzeugen. Als Material zur Darstellung von Anilinschwarz auf der Faser dient entweder das Anilin , gemeinhin als „Anilinöl“ bezeichnet, oder bequemer das Anilinsalz , d. h. eine salzartige Verbindung von Anilin mit Salzsäure. Mit einer Lösung dieses Anilinsalzes wird die Baumwolle durchtränkt und dann in einer Lösung von Kaliumdichromat und Schwefelsäure das Schwarz ent- wickelt. Die Erzeugung von Anilinschwarz auf der Faser ist ein einfacher Oxydationsprozeß; aber trotz der scheinbaren Einfachheit sind wir über die eigentliche Natur des Anilinschwarz keineswegs im Klaren, obgleich dasselbe bereits 25 Jahre bekannt ist. Lightfoot entdeckte dasselbe 1863 und erkannte es als einen der echtesten und widerstandsfähigsten Farbstoffe; er wandte es zunächst zum Baumwollen- druck an, wofür es auch heute noch verwendet wird. Die von ihm an gewendeten Oxydationsmittel waren chlorsaures Kali und Kupferchlorid, woraus wir er- sehen, daß die Wahl des Oxydationsmittels keineswegs eng begrenzt ist. Auch anderweite Oxydationsmittel, wie Mangansuperoxyd, Kupfervitriol, Schwefel- kupfer mit Salmiak, rotes Blutlaugensalz können verwendet werden. Das Endprodukt ist in allen Fällen das nämliche. Durch die Arbeiten von Kayser, Nietzki, Goppelsröder, Liechti und Suida wissen wir, daß dem Anilinschwarz die einfachste chemische Formel C 5 H 6 N zukommt, doch unterliegt es schon jetzt keinem Zweifel, daß es sich um ein Polymeres vorstehender Formel handelt und daß das Anilinschwarz in Wirklichkeit viel komplizierter zusammengesetzt ist. Ueberdies gelten diese Verhältnisse nur für aus reinem Anilin außerhalb der Faser hergestelltes Anilinschwarz. Unter gleichen Bedingungen gibt Orthotoluidin ein minder echtes bläuliches Schwarz, Paratoluidin hingegen ein unscheinbares Braunschwarz. Nun finden sich aber in dem gewöhnlichen Anilin des Handels stets wechselnde Mengen von diesen beiden Homologen und es geht daraus hervor, daß auch das daraus er- zeugte Anilinschwarz kein einheitliches Produkt sein kann. Am sichersten wird man immer gehen, wenn man sich ein von den Toluidinen freies Anilin resp. Anilinsalz verschaffen kann. Bei der Oxy- dation des Anilins geht dasselbe aber nicht alsobald in Anilinschwarz über, sondern wir beobachten ganz deutlich ein Zwischenprodukt, welches durch Säuren grün, durch Alkalien blauschwarz gefärbt wird; dieses Zwischen- produkt heißt Emeraldin und wird durch fortschreitende Oxydation in Anilinschwarz übergeführt, welches letztere wiederum durch zu weit gehende Oxydation zum Teil oder ganz zerstört werden kann. Es kommt also bei der Her- stellung von Anilinschwarz darauf an, die Mengen des Oxydationsmittels genau zu bemessen, oder, wo das aus irgend einem Grunde unthunlich ist, den Oxydationsprozeß nach genügender Entwickelung das Schwarz zu unter- brechen. Gut hergestelltes Anilinschwarz ist vollkommen widerstandsfähig gegenüber den Einflüssen von Alkalien, Säure und Licht, und wird nur durch kräftige Oxydationsmittel verändert. Die Wirkung gewisser schwerer Metalle bei Gegenwart von chlorsauren Salzen ist durch die zeitweise Bildung der leicht zersetzlichen chlorsauren Salze dieser Metalle zu erklären. Sie wirken gewissermaßen als Sauerstoffüberträger, wodurch es sich erklärt, daß schon ganz geringe Mengen derselben genügen, große Quantitäten von Anilin in Anilinschwarz überzuführen. Wie schon erwähnt, wurden zuerst zu diesem Zweck Kupfersalze verwendet. Später wurde statt dessen vanadinsaures Ammoniak verwendet, wovon 1 Teil genügt, um 1000 Teile Anilinsalz in Anilinschwarz überzuführen. 1886 hat Bührig für den gleichen Zweck die Salze des Ceriums empfohlen. Das Färben der Baumwolle mit Anilinschwarz wird fast durch- weg mit denselben Materialien, aber nach verschiedenen Methoden gehandhabt, welche sehr abweichende Resultate geben. Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob wir die sämtlichen Ingredienzien in ein Bad thun und in diesem aus- färben oder ob wir die Baumwolle erst mit Anilinsalz imprägnieren und dann in besonderem Bade das Schwarz entwickeln; es ist ein großer Unterschied, ob wir kalt oder warm färben. Die Hauptsache aber ist, daß die in einem gewissen Zeitraum gebildete Menge Anilinschwarz nicht größer ist, als die Baumwolle in dem gleichen Zeitraum zu binden vermag . Dieses Mißverhältnis tritt natürlich sofort ein überall da, wo das Färbebad neben dem Anilinsalz auch das gesamte chromsaure Kali und Schwefelsäure enthält und sofort beim Eingehen mit der Ware erwärmt wird. Die Folge davon ist, daß sich mehr Anilinschwarz und schneller bildet, als die Faser in der gleichen Zeit zu absorbieren vermag; der Ueberschuß legt sich dann als unlösliches schwarzes Pulver unverbunden außen auf der Faser auf und erzeugt das so unangenehme Abrußen. Das Streben des Färbers wird also dahin zu gehen haben, dieses Rußen des Anilinschwarz möglichst zu verhindern oder doch auf ein kleines Maß herabzumindern. Das geschieht, indem man das Oxydationsmittel in vielen kleinen Portionen in kleinen Zwischenpausen zusetzt, damit das jedes- mal gebildete Anilinschwarz Zeit findet, sich mit der Faser zu verbinden. Genau genommen sollte man nicht eher ein neues Quantum Chromatlösung zugeben, als bis das Bad von der ersten Zugabe sich aufgehellt hat. Den- selben Zweck würde man vielleicht auch dadurch erreichen können, daß man mit verdünnteren Lösungen arbeitet. Je langsamer der Bildungsprozeß des Anilinschwarz vor sich geht, um so tadelloser wird die schwarz gefärbte Faser ausfallen, und um so vollständiger wird das Bad ausgezogen. In der Praxis wird meist nach den von Grawitz aufgestellten Ver- hältniszahlen gearbeitet, nämlich: Auf 100 kg Garn oder Gewebe: 8 kg Anilinöl 32 „ Salzsäure 16 „ Kaliumdichromat 3200 l Wasser. Man geht mit der Ware kalt ein, behandelt ohne Erwärmen 1 Stunde lang, und erhöht zuletzt die Temperatur langsam zum Kochen. Nach Theilig soll die Baumwolle zunächst in einem Bad, enthaltend Anilinchlorhydrat, chlorsaures Kali und Vanadinchlorür, kalt angefärbt wer- den; hierauf wird ausgerungen und in einem geschlossenen Raum erst mit heißer Luft allein, später mit etwas Wasserdampf gemischt, erhitzt. Hier- durch soll eine rasche und vollständige Oxydation bewerkstelligt und die frei werdende Säure rasch entfernt werden. Ein Passieren durch ein Bad von chromsaurem Kali mit oder ohne Alkali Alkali? Soll wohl Schwefelsäure heißen. soll die Reihe der Operationen beschließen. Interessant ist ein von Renard Traité des matières colorantes. vorgeschlagenes Verfahren zum Schwarzfärben auf kaltem Wege . In besonders hergestellten Färbekufen wird die Baumwolle zuerst mit der Hälfte der nachfolgenden Farbe ange- färbt, dann die zweite Hälfte derselben zugesetzt und etwa 2½ Stunden bis zum gewünschten Tone kalt gefärbt. Die Farbe besteht auf 100 kg aus: Salzsäure 21° Bé. Schwefelsäure 66° Bé. Anilinöl Kaliumdichromat Eisenvitriol 4 bis 5 kg 5 „ 2 bis 2½ „ 4 bis 5 „ 2½ „ Die hierzu nötige Wassermenge ist gering. Nach dem Färben wird gewaschen und kochend mit 5 g Seife und 2 g Soda per Liter behandelt. Nach diesem Verfahren wird ein nahezu unvergrünliches Schwarz erhalten. In allen den Fällen, wo man statt Anilinsalz Anilinöl und Salzsäure anwendet, sind diese beiden zuvor unter Zugabe von etwas Wasser für sich kalt zu behandeln; man erhält so eine konzentrierte Auflösung des Anilinsalzes. Um zu prüfen, ob man auf diese Weise das normale Anilinchlorhydrat er- halten hat und ob nicht etwa ein für die Faser verhängnisvoller Ueberschuß von Säure vorhanden ist, verwendet man mit Vorteil Methylviolett, welches, in geringer Menge der Anilinsalzlösung hinzugesetzt, seine Farbe behalten muß. Ist zu viel Säure vorhanden, so wird die Farbe, je nach der Größe des Ueberschusses, allmählich in Blau, Grün, ja sogar in Gelb umschlagen. Zu einer normalen Entwickelung des Schwarz ist ein langsames und all- mähliches Zusetzen der Chromatlösung erforderlich ist. Ein schnellerer Zusatz bedingt nicht nur das fatale Abrußen, sondern auch einen direkten Verlust an Farbstoff. Das Schwarz auf kaltem Wege dauert zwar etwas länger, das damit erzielte Schwarz haftet aber auch um so fester; mindestens rußt es bei weitem nicht in dem Maße ab, wie ein warm gefärbtes Schwarz. Ganz zu vermeiden ist es ja freilich nicht, da der Farbstoff in Wasser absolut unlöslich ist und da alles außerhalb der Faser gebildete Schwarz sich naturgemäß auf der Faseroberfläche mechanisch festlagern kann. Zur Hebung dieses Uebelstandes sind mancherlei Vorschläge gemacht worden, unter denen besonders die Me- thode von Frank Journ. Soc. of Dyers. , die gefärbte Ware durch eine Lösung von Leinöl in Benzin zu passieren, Beachtung verdient. Ich möchte vorschlagen, die Ware vor dem Färben in ähnlicher Weise zu behandeln, wie beim Präparieren für Türkischrotöl , also erst mit Oel und dann sechsmal mit Soda zu klotzen und jedesmal in der Echthänge zu trocknen. Nach dem letzten Trocknen wird in die toluidinfreie Anilinsalzlösung kalt eingegangen und die schwefelsaure Kaliumdichromatlösung in regelmäßigen Zwischenräumen in kleinen Mengen zugegeben (etwa alle 5 Minuten 1 Schnaps- gläschen voll, oder bei größeren Mengen ¼ bis ½ l ). Nach beendetem Färben gibt man wieder ein Oelbad, trocknet, seift kochend, spült und trocknet abermals. In allen Fällen, wo die Oxydation nur mit Kaliumdichromat ohne Schwefelsäure bewirkt wird, erhält man infolge unvollständiger Oxydation ein Blauschwarz, bei Schwefelsäurezusatz jedoch ein reines Schwarz; wird statt salzsauren Anilins schwefelsaures Anilin verwendet, so erhält man ein rotstichiges Schwarz. Vielfach wird beobachtet, daß das fertige Anilinschwarz — wahrscheinlich infolge einer Reduktion — nachträglich wieder vergrünt. Um dieses zu verhüten, läßt man der gefärbten und gespülten Baumwolle noch eine zweite Oxydation zu teil werden und verwendet dazu eine ver- dünnte Lösung von Kaliumdichromat, Eisenvitriol und Schwefelsäure. In dieser Lösung behandelt man die Ware 60° warm ¾ Stunde lang, spült gut, kocht mit Seife ab und trocknet. Dieser Behandlung läßt man regel- mäßig noch als Schluß der Operationen ein Ausfärben in einer Blauholz- Abkochung folgen. Towlson \& Weldon Chemiker-Zeitung 1888, 989. haben sich (in England) ein Verfahren patentieren lassen, welches als eine Verbindung des warmen und kalten Färbens be- zeichnet werden kann. Das Material kommt zunächst in ein Bad von Bi- chromat, Anilinöl und Salzsäure oder einer anderen Säure, worauf man es ausringt und bei niedriger Temperatur in einer Trockenkammer hängen läßt, bis es braunschwarz wird. Sodann dämpft man es bei niedrigem Druck eine halbe Stunde, oder bringt es in kochendes Wasser, das zweck- mäßig Bichromat enthält. Schließlich wird geseift und getrocknet. Zum Druck wird dem ersten Gemisch Stärke zugefügt, worauf man den Stoff nach dem Druck wie beim Färben hängen läßt und dann dämpft und trocknet. Infolge des lästigen Abschmutzens ziehen viele für Gewebe das Klotzen vor. Zu dem Behufe werden das Anilinsalz und die Oxydationsmittel unmittelbar vor dem Aufdruck gemischt, indem man 80 l Wasser, 3 kg Stärke und 1½ kg chlorsaures Kali verkochen läßt, dann 2,5 kg Salmiak und nach dem Erkalten 7 kg Anilinchlorhydrat und ½ kg Anilinöl zugibt. Glenk empfiehlt, statt des schwer löslichen chlorsauren Kalis das chlorsaure Natron oder den chlor- sauren Baryt zu verwenden, sowie vor dem Gebrauch der fertigen Farbe noch etwas Vanadinchlorür oder auch Schwefelkupferteig hinzuzufügen. Die gepflatschte Ware geht dann direkt in die Oxydationsmaschine , in welcher die eigentliche Oxydation erst vor sich geht. Die Maschine besteht aus einem großen Kasten mit 3 oder 2 vollständig abgeschlossenen Abteilungen, welche nur durch schmale Schlitze für den Warendurchgang kommunizieren, die sich aber durch die Bewegung der Ware selbstthätig nahezu hermetisch schließen. Für jede einzelne dieser Kammern ist die Intensität, die Temperatur und der Feuchtig- keitsgehalt der einströmenden Luft gesondert leicht und schnell regulierbar. Die Warenbewegung ist vertikal und erfolgt durch oben und unten neben- einander angeordnete, im Durchmesser genau gleich große Haspeln, welche zur Erzeugung ganz gleichmäßiger Geschwindigkeit und Spannung außerhalb des Kastens durch Schrauben und Schraubenräder am besten von einer be- sonderen kleinen Dampfmaschine angetrieben werden, damit man dadurch die Warengeschwindigkeit schnell und sicher ändern kann. Durch die getrennten Räume mit gesonderter Regulierung wird erreicht, daß das Gewebe in der ersten Kammer nur geringe Temperatur, aber lebhaften Luftwechsel, in der letzten Kammer aber besonders heiße und stark mit Wasserdampf geschwängerte Luft vorfindet; der Mittelraum hält auch in Bezug auf Feuchtigkeitsgehalt und Temperatur die Mitte. Die Maschine wird von der Zittauer Maschinen- fabrik gebaut; die Einrichtung ist fast genau dieselbe, wie bei dem S. 444 und 445 durch Beschreibung und Zeichnung erläuterten Kettentrockenapparat. Hier möge noch eine abweichende Methode zur Herstellung von Anilin- schwarz erwähnt sein, welche C. Köchlin empfiehlt. Man erzeugt auf dem zu färbenden Gewebe zuvörderst einen Grund von Bisterbraun (nach S. 602), und färbt sodann in Anilinsalzlösung bei 60 bis 80° R. aus. Das so er- zielte Schwarz soll durchaus unvergrünlich sein. Interessant ist ferner die von Hummel mitgeteilte Thatsache, daß anilinschwarz gefärbtes Zeug sich in einer Lösung von Methylviolett anfärbt; das auf der Baumwolle fixierte Methylviolett würde dann mit dem ver- grünenden Schwarz zusammen immer wieder den Eindruck eines Blauschwarz machen. Endlich ist noch der von Goppelsröder vorgeschlagenen Anilinschwarz- färbung mittels der Küpenmanier zu gedenken, welche ich S. 555 bereits ausführlich erörtert habe. 4. Färberei gemischter Gewebe. § 85. Allgemeines. Bisher haben wir immer nur den einfachen Fall vor uns gehabt, daß ein einheitliches Gewebe zu färben war, d. h. ein nur aus Wolle, oder nur aus Seide, oder nur aus Baumwolle bestehendes Gewebe. Wir kom- men jetzt zum Färben von Geweben, welche aus zwei Gespinnstfasern gewebt sind und wie wir sie im Ersten Teil dieses Buches bereits kennen gelernt haben. Nun wissen wir aber bereits, daß die Verwandtschaft der Farbstoffe zu den verschiedenen Gespinnstfasern eine sehr verschiedene ist; diese Ver- schiedenheit wird unbedeutend sein, wenn es sich um Gewebe aus gleichartigen Gespinnstfasern handelt, z. B. bei Popeline (Wolle und Seide) oder bei Halbleinen (Baumwolle und Leinen); sind wird aber sofort eine wesentliche, sobald tierische und pflanzliche Gespinnstfasern mit einander verwebt werden. Die Hauptvertreter solcher gemischter Gewebe sind Halbwolle (Wolle und Baumwolle) und Halbseide (Seide und Baumwolle). Das Färben solcher Gewebe ist heute wesentlich einfacher geworden durch die allgemeine Ein- führung der künstlichen organischen Farbstoffe. Beim Weben gemischter Gewebe wird sehr häufig die baumwollene Kette vor dem Weben gefärbt, und nachher das fertige Gewebe mit Woll- farbstoffen resp. Seidenfarbstoffen bis zur Nüance ausgefärbt, oder es werden beide Gespinnstfasern ungefärbt verwebt. Das Färben gemischter Gewebe kann sich ferner erstrecken auf: 1. das Erzeugen nur einer Farbe, d. h. auf das Färben tierischer und pflanzlicher Fasern mit dem gleichen Farbenton. Diese Arbeit ist nicht immer leicht und erfordert große Uebung; 2. das Erzeugen zweier Farben d. h. das Färben des Baumwollen- fadens mit einer und das der Wolle oder Seidenfadens mit einer andern Farbe. Die meisten der hier in Betracht kommenden Stoffe sind leichte Damen- kleiderstoffe mit baumwollener Kette und seidenem oder wollenem Schuß. Das Färben solcher Gewebe bildet eine Spezialität in jenen Textilindustrie- bezirken, welche vorzugsweise solche Stoffe fabrizieren (Meerane, Glauchau), sowie andererseits in der Kleiderfärberei. § 86. Halbwollen-Färberei. Bei der Halbwollenfärberei handelt es sich stets um das Färben nur einer Farbe. Je nach der Wahl der Farbstoffe lassen sich dabei 3 Methoden anwenden: Erste Methode . Nach der bei allen Geweben üblichen Vorbereitung (Vergl. Zweiter Teil, § 6, das Waschen gemischter Gewebe), Waschen, Dämpfen, Trocknen, Sengen, wird zuerst der Wollfaden nach den dort be- schriebenen Methoden heiß gefärbt und gewaschen. Bei dieser Operation bleibt der Baumwollfaden ungefärbt oder die geringe Färbung verschwindet durch das Waschen wieder. Nachher wird der Baumwollfaden mit Tannin (oder Schmack) gebeizt, mit Brechweinstein, Zinnchlorid oder Eisenvitriol in besonderem Bade fixiert, und in einem neuen Bade mit einem Baumwollen- farbstoff von gleicher oder nahezu gleicher Nüance wie der gewählte Woll- farbstoff ausgefärbt. Das Beizen, Fixieren und Ausfärben der Baumwolle hat kalt zu geschehen, damit nicht durch Erwärmen auch der Wollfaden noch ein- mal in Aktivität tritt. Ganz zu vermeiden ist das ohnehin nicht; daher pflegt man den Wollfaden von vornhinein etwas heller anzufärben, indem man darauf rechnet, daß er sich bei dem Färben der Baumwolle noch einen Schein dunkler färbt. Der Baumwollfaden aber muß stets dunkler wie der Wollfaden gehalten werden; nur dann erscheint die Farbe fett und voll. Jedoch muß man darauf achten, daß die Farben des baumwollenen wie des wollenen Fadens zusammen harmonieren. Darin besteht die Kunst des Färbens von gemischten Geweben. Wo es sich um das Färben halbwollener Gewebe im Großbetrieb handelt (Futterkattun u. dergl.), geschieht das Färben des baumwollenen Fadens auf der als „Jigger“ § 28 beschriebenen Breitfärbe- maschine. Das Zeug wird in voller Warenbreite auf eine lose Welle ge- wickelt, gelangt von hier über die erste der in der Zeichnung (S. 437, Fig. 118) links befindlichen Holzwalze in den Jigger, welcher die Farbflotte enthält, wird von hier unter den im Aufsetzkasten befindlichen, in den in der Zeich- nung nicht sichtbaren 2 Mitlaufwalzen hinweg durch die Flotte nach der oberen Walze geführt, gelangt von hier über die linke obere Walze des zweiten Jiggers wieder in die Flotte und durchläuft so in ihrer ganzen Länge die Färbeflüssigkeit, um am anderen Ende des letzten Jiggers auf einer festen Walze aufgedockt zu werden. Nun wird die Bewegung umgedreht, und das Gewebe durchläuft die 3 Farbbäder noch einmal in gleicher Weise, nur in umgekehrter Richtung. Diese kalte Passage durch das Färbebad wird so oft wiederholt, bis die Baumwolle eine dem Wollfaden entsprechende Farbe an- genommen hat. Dann folgt Waschen, Trocknen und Appretieren. Diese Methode ist die am meisten angewendete. Zweite Methode . Man wählt zum Färben einen neutralen Farb- stoff, welcher Wolle substantiv färbt, auf Baumwolle aber mittels des Tannin- verfahrens fixiert werden kann. Man verfährt dabei so, daß man zuerst das Gewebe 2 bis 3 Stunden kalt mit Tannin beizt, mit Brechweinstein fixiert, und nun in der Farbstofflösung ausfärbt, erst kalt, dann bei gelindem Er- wärmen, wobei der Baumwollfaden sich vollkommen färbt und dann unter weiterer Steigerung der Temperatur bis nahe zum Kochen, wobei auch die Wolle sich in demselben Färbebade mit dem Farbstoff substantiv ver- bindet; diese Methode ist geistvoll durchdacht und sehr einfach, und besitzt noch den schätzbaren Vorzug, daß die gefärbte Wolle durch ein nachher folgendes Beizen des Baumwollfadens nicht matt gemacht wird. Diese Methode gestattet ein vollkommenes Abtönen der Nüancen des Baumwoll- und Wollfadens in einem Bade und eignet sich besonders für Kleider- färbereien; sie hat nur den einen Nachteil, daß nur eine verhältnismäßig nicht große Anzahl von Farbstoffen in dieser Weise sich anwenden lassen. Dritte Methode . Bei dieser Methode handelt es sich um eine gleichzeitige Färbung von Woll- und Baumwollfasern mit demselben Farbstoff, ohne vorher zu beizen , also um die Anwendung von Farb- stoffen, welche Wolle und auch Baumwolle substantiv färben. Dieses ist die Halbwollenfärberei der Zukunft. Vor wenig Jahren wagte daran noch niemand zu denken; heute sind wir dem Ziel sehr nahe gerückt. Von den Benzidin-Farbstoffen sind einzelne auch für Wolle sehr wohl anwendbar; über der Freude, nun endlich auch substantiv färbende Baumwollfarbstoffe zu besitzen, hat man ganz übersehen, daß dieselben auch gleichzeitig sub- stantive Wollfarbstoffe sind, und Wolle in einem neutralen Bade oder in einem solchen, dem etwas Seife zugesetzt ist, direkt anfärben. Man kann sie daher vorzüglich zum Färben von Halbwolle benutzen, indem man letztere im schwachen Seifenbade direkt ausfärbt. Nur darf hierbei nicht außer Acht gelassen werden, daß die Wollfaser von kochenden Alkalien, selbst ver- dünnten, angegriffen wird; man muß deshalb bei einer etwas unter dem Kochpunkte liegenden Temperatur ausfärben. Noch neueren Datums sind die Ingrainfarben (vergl. Erster Teil, § 72, S. 192), welche gleichfalls auf Baumwolle und Wolle substantiv angehen; diesen reiht sich das im Dezember 1888 von Geigy -Basel in den Handel gebrachte Polychrom Neu, im Ersten Teil dieses Buches noch nicht enthalten. Siehe Nachtrag. an, welches, ganz wie das Primulin, Baumwolle ohne Beize gelb färbt. Während jedoch beim Primulin und dessen Ab- kömmlingen das Angehen auch auf Wolle ausdrücklich versichert wird, ist über das Polychrom eine gleiche Notiz bis jetzt nicht verbreitet. Da sich dasselbe aber in jeder Hinsicht dem Primulin so ähnlich verhält, daß es fast für gleichbedeutend damit gehalten werden kann, so ist wohl anzunehmen, daß es auch in diesem Punkte sich ähnlich verhalten wird. Die Anwendung der dritten Methode ist z. Z. noch nicht in das Stadium getreten, daß ich sie einem Jeden empfehlen könnte; sie wird zweifellos bald die wichtigste aller Methoden zur Färberei der Halbwolle werden; augenblicklich liegen aber noch nicht genügend Erfahrungen vor, die zu einer allgemeinen Empfehlung berechtigten. § 87. Färbungen auf Halbwolle. Bei der Wahl der Farben ist besonders bei der ersten Methode vor- herige Ueberlegung geboten, und es hängt viel davon ab, ob man die Wolle mit neutralen, schwach oder stark sauren Farbstoffen färbt, damit nicht durch die dabei angewendeten Beizen der nachherige Baumwollenfarbstoff beeinflußt wird. Ebenso muß darauf geachtet werden, daß, wenn man z. B. die Baumwolle mit einem aus alkalischem Bade färbenden Farbstoff substantiv särben will, die Wolle mit einem seifenechten Farbstoff zuvor gefärbt sein muß. Wollte man umgekehrt zuerst den Baumwollfaden färben, nachher aber den Wollfaden mit einem stark sauren Azofarbstoff, so muß der vorher auf Baumwolle angewandte Farbstoff unbedingt säureecht sein. Zum Färben des Wollfadens bedient man sich mit Vorteil saurer Farbstoffe. Bei der zweiten Methode sind derlei Erwägungen nicht nötig. Ich lasse hier einige Beispiele von Färbungen folgen, um zu zeigen, in welcher Weise der Färber hier vorzugehen hat. Das Färben halbwollener Ware war früher ein Meisterstück; heute ist es keine Kunst mehr, daher be- schränke ich mich auf wenige Beispiele und überlasse alles Weitere dem Ge- schick und der Erfahrung des Praktikers. Rote Färbungen. 1. Bordeaux nach Methode 1: Wolle färben mit Alaun, Schwefelsäure, Orseïlle und Bordeaux B; Baumwolle lauwarm 2 Stunden auf Catechu spülen, ½ Stunde auf Kaliumdichromat umziehen, mit essigsaurer Thonerde beizen und mit Rotholz ausfärben bis zur Nüance. 2. Cardinal nach Methode 2. Baumwolle beizen mit Tannin und Brechweinstein, spülen und auf besonderem Bade ausfärben zuerst kalt, dann langsam bis zum Kochen steigernd, mit 1 Prozent Bordeaux N und ¼ Prozent Phosphin; seifen und spülen. 3. Türkischrot nach Methode 3. Färben in einem schwachen Seifenbade mit 3 Prozent Benzopurpurin 4 B. Orange Färbungen. Methode 1. Färben der Wolle mit Orange II in saurem Bade; waschen; behandeln mit Tannin und Brechweinstein und färben in besonderem Bade mit Auramin und etwas Safranin bis zur Nüance. Methode 2. Beizen mit Tannin und Brechweinstein und Aus- färben in besonderem neutralem Bade, zuerst kalt, dann langsam zum Kochen steigernd, mit Viktoriaorange. Methode 3. Ausfärben im schwachen Seifen- bade mit Congo und Chrysamin. Gelbe Färbungen. Methode 1. Wolle beizen mit Zinnchlorür und Weinstein; ausfärben mit Flavin. Baumwolle beizen mit Tannin und Brechweinstein, färben in kaltem neutralem Bade mit Auramin. Methode 2. Beizen mit Tannin und Brechweinstein. Färben mit Chrysoidin, erst kalt, dann kochend. Methode 3. Färben im Seifenbade mit Chrysamin. Grüne Färbungen. Dunkelgrün. Methode 1. Anfärben mit Glaubersalz, Alaun, Schwefelsäure, Indigkarmin und Naphtolgelb etwas heller als die gewünschte Nüance. Ueber Nacht in Schmack einlegen, am nächsten Morgen auf Brechweinstein stellen, mit etwas Eisen dunkeln, sorg- fältig spülen; dann kalt mit Methylgrün ausfärben. — Oder: Wolle färben mit Citronin R , Indigokarmin, Glaubersalz und Schwefelsäure. Spülen, schmackieren, mit etwas Eisen dunkeln und kalt ausfärben mit Viktoriagrün. — Grün nach Methode 2. Beizen mit Schmack und Brechweinstein. Färben in neutralem Bade, erst kalt, dann kochend, mit 1 bis 1½ Prozent Solidgrün. Blaue Färbungen. Marineblau nach Methode 1. Anfärben mit Glaubersalz, Schwefelsäure, Alaun und Indulin (oder Tuchblau) etwas heller, als die gewünschte Nüance. Ueber Nacht in Schmack einlegen, mit Brechweinstein fixieren, mit Eisen dunkeln, spülen, und zuletzt kalt ausfärben mit Methylenblau. — Oder: Lichtblau . Wolle färben mit ½ Prozent Alkaliblau B , 1½ Prozent Soda und 1½ Prozent Borax; tannieren und ausfärben mit Viktoriablau B. — Nachtblau nach Methode 2. Beizen mit Tannin und Brechweinstein und ausfärben in besonderem Bade, erst kalt, dann kochend, mit Nachtblau. Indigoblau nach Methode 3. Blauen auf der Küpe bis zum gewünschten Farbenton; hierzu ist die Sulfit- küpe besonders geeignet. Violette Färbungen. Methode 2. Die genetzte Ware auf einem 60° warmen Bade aus Marseiller Seife und einer Galläpfelabkochung 10 Minuten umziehen, herausnehmen, abwinden und bei 60° R. ausfärben mit Methylviolett und Alaun. — Methode 3. Ausfärben im Seifenbade mit Hessischviolett . Oliv . Wolle ½ Stunde lang anfärben mit Viktoriagelb, Indigokarmin, Glaubersalz und Schwefelsäure; spülen, schmackieren, mit Eisen dunkeln und dann kalt ausfärben mit Chrysoidin und Malachitgrün. Braun. Methode 1. Der Wollfaden wird gefärbt mit Viktoria- gelb, Orseilleersatz, Glaubersalz und Schwefelsäure. Spülen und über Nacht in eine warme Catechuflotte einlegen, 10 Minuten mit Kaliumdichromat das Braun entwickeln, und auf frischem Bade kalt ausfärben mit Bismarck- braun und wenig Fuchsin. — Methode 2. Schmackieren, mit Eisen dunkeln und in neutralem Bade ausfärben mit Marron bis zur Nüance. Grau . Man mischt 2 Teile gebrauchte Catechuflotte und 1 Teil Blauholzabkochung, geht mit der Ware kalt ein und treibt bis zum Kochen. Schwarz . Man kombiniert die Schwarzfärbemethoden für Wolle und Baumwolle, indem man mit Kaliumdichromat kochend ansiedet, in besonderem Bade mit Blauholz und Sumach ausfärbt und zuletzt in holzsaures Eisen einlegt; dann läßt man an der Luft oxydieren, spült und appretiert. In neuerer Zeit kommen auch halbwollene Gewebe auf den Markt, bestehend aus ⅓ Jute und ⅔ Wolle . Derartige Gewebe färben sich einfach wie reinwollene, am besten — wenn möglich — mit neutralen Farb- stoffen; stark saure Farbstoffe sind dabei thunlichst zu vermeiden. § 88. Halbseiden-Färberei. Bei Halbseide kommen Gewebe aus Wolle und Seide, andererseits auch aus Seide und Baumwolle in Betracht. Um den hierbei einzuschlagenden Weg für das Färben von vornhinein richtig beurteilen zu können, muß zu- erst in Betracht gezogen werden, ob die Gewebe aus Rohseide oder aus abgekochter Seide gewebt sind. Im letztern Falle läge der Fall sehr einfach; Ganswindt , Färberei. 40 im erstern Falle aber muß dem Färben ein Abkochen des halbseidenen Gewebes vorausgehen. Bei Geweben aus Seide und Wolle kann das auf dem üblichen Weg des Abkochens mit alkalischen Lösungen nicht geschehen, da die Wolle eine derartige Behandlung nicht verträgt. Moyret empfiehlt daher, das Entschälen der Seide durch eine Passage in sehr verdünnter und lauwarmer Salzsäure einzuleiten, um den harzigen Farbstoff aufzuweichen, indem man ihn seines Kalks beraubt und ihn dadurch der Seife gegenüber nachgiebiger macht. Darauf läßt man leichtes Spülen folgen, bringt die Stücke auf die Winde und läßt abtropfen. Man benutzt nun, anstatt bis zur Kochhitze zu gehen, die Eigenschaft der Seide, sich in einem sehr kon- zentrierten Seifenbade schon unter Siedhitze , bei 72 bis 75° R., zu ent- schälen; Hauptsache dabei ist eine gut neutrale Seife. Nach beendetem Degummieren läßt man abtropfen und gibt zunächst eine Passage von lau- warmem Wasser unter Zugabe von etwas Soda; schließlich wird noch mit reinem lauwarmem Wasser gespült. Bei Gewebe aus Seide und Baumwolle verfährt man wie bei reiner Seide, indem man mit dem Gewebe in ein kochendes Seifenbad aus 30 Prozent vom Gewicht des Gewebes eingeht und je nach Bedürfnis ½ bis 2 Stunden kocht. Für zarte Farben ist ein Bleichen notwendig; dieses erfolgt bei Geweben aus Seide und Wolle einfach durch Schwefeln , wie solches § 12 und 13 ausführlich beschrieben ist. Die Ware kommt, nach tüchtigem Auswaschen der zum Abkochen verwendeten Seife und des Seidenleims, in die Schwefelkammer und nach beendetem Schwefeln in ein Bad von Natrium- bisulfit; bei Geweben aus Seide und Baumwolle bereitet das Bleichen große Schwierigkeiten; man schreitet dann zur Benutzung von über- mangansaurem Kali oder Wasserstoffsuperoxyd; man bearbeitet in einem sehr verdünnten Bade von Permanganat (sog. blaue Lösung) und passiert nach dem Abtropfen ein Bad von Natriumbisulfit. Alle diese Vorbereitungen fallen fort, wenn es sich um halbseidene Gewebe aus abgekochter Seide handelt. Was die Färbungen betrifft, so ist bei Geweben aus Seide und Wolle eine Gleichmäßigkeit kaum zu erzielen, da jeder zur Verwendung gelangende Farbstoff beide Fasern färbt, die Wolle aber jeden derselben be- gieriger anzieht, als die Seide. Diesem Uebelstande ist auch durch wieder- holtes Färben nicht abzuhelfen, weil beim Abtropfen die Wolle den größern Teil des Wassers abgibt, die Seide es aber zurückhält; geht man dann wieder ein, so wird die Wolle mehr von dem neuen Bade aufnehmen, als die Seide, also auch mehr Farbstoff. Hierzu kommt, daß die Seide glänzend ist, die Wolle aber stumpf erscheint. Die Seide wird also in jedem Falle, vornehmlich bei vollem Licht, heller erscheinen als die Wolle. § 89. Färbungen auf Halbseide. Die Wahl der Farben auf Gewebe aus Seide und Wolle bietet keine Schwierigkeit, da jeder anwendbare Farbstoffe zu beiden Fasern, wenn auch ungleiche, Verwandtschaft besitzt. Marius Moyret faßt das in dem einfachen Satz zusammen: „Die Seide wird sich stets in einem für Wolle angesetzten Bade färben; das Umgekehrte ist nicht immer der Fall.“ Die Wahl der Farbe auf Gewebe von Seide und Baumwolle unterliegt den gleichen Erwägungen wie bei der Halbwollen-Färberei. Auch die bei derselben angewendeten 3 Methoden können hier Verwendung finden, zu welchen bei der Färberei halb seidener, halb baumwollener Gewebe noch eine von Moyret empfohlene Methode hinzukäme. Das Gewebe wird in einem mäßig flüssigen Bade von mit Ammoniak neutralisiertem Türkischrotöl ge- klotzt und verläßt die Paddingmaschine genügend feucht und imprägniert (diese Methode gibt bessere Resultate als beim Kesselfärben), dann wird 24 bis 48 Stunden getrocknet. Der getrocknete Stoff ist sehr leicht entzündbar und muß vor Berührung mit dem Feuer sorglich gehütet werden ; ebenso darf die Ware nicht in Haufen liegen gelassen werden. Sie wird alsdann von dem Ueberschuß an Oel durch Bearbeiten in einem verdünnten kalten Sodabade befreit, gespült und mit Salzsäure aviviert, welche wieder gut ausgewaschen wird. Wenn die Stücke nun ge- färbt werden, nimmt sowohl die Baumwolle als die Seide die Farbe an. Der Gebrauch des Oels hat den Vorzug, der Ware guten Griff zu ver- leihen, indessen muß der Ueberschuß sorgfältig entfernt werden, da sie sich sonst zu weich anfühlt. Die Stücke werden nach dem Färben nicht ge- spült ; die Bäder können aufgehoben und von neuem benutzt werden. Weißfärben . Dieses geschieht, um den der Ware noch anhaftenden leicht gelben Schein zu nehmen, teils auch, um verschiedene Schattierungen zu erzielen. Die verschiedenen Effekte werden durch Bearbeiten in sehr verdünnten Lösungen von Farbstoff hervorgebracht; hierzu werden vorzugs- weise Mauveïn und Magdalarot verwendet. Sobald die gewünschte Nüance erzielt ist, passieren die Stücke ein schwaches Bad aus Essigsäure, um ihnen einen rauhen Griff zu geben, oder, wenn sie weicher gewünscht werden, ein Bad, in welchem Talk suspendiert ist. Darauf wird ausgeschwenkt und ge- trocknet durch Aufhängen in luftigen Räumen, oder indem man sie über Rollen in sehr stark erwärmte Trockenkammern leitet. Helle Nüancen . Die Stücke werden mit gleicher Vorsicht, wie für Weiß, gebleicht. Beim Färben empfiehlt es sich, die Nüance der Baum- wolle stets etwas dunkler zu halten, als die der Seide, welche gleichfalls einen Schein dunkler als die Probe zu nehmen ist, da die Farbe während des Appretierens nachgibt und die der Baumwolle sogar noch mehr. Mit Ausnahme von Safflorfarben, welche Seide und Baumwolle gleichzeitig färben, ist es nötig, in 2 Bädern zu färben, um zum Ziele zu gelangen. Im ersten Bade wird die Seide etwas tiefer, als die gewünschte Schattierung gefärbt, während die Baumwolle nur schwach nüanciert wird. Nun folgt das Tannieren des Baumwollfadens, das Fixieren mit Brechweinstein u. s. w. Diese Methode hat den Nachteil, daß die auf dem Seidenfaden erzeugte Farbe stumpf wird. Fette Beizen sind statt der vorstehenden Methode mit Vorteil angewendet worden und sind besonders wertvoll für die Anwendung der hellen Schattierungen der Azofarbstoffe. Aus dieser Erkenntnis ist dann die oben beschriebene Moyret sche Methode entstanden. Dunkle Nüancen . Für dunkle Töne ist ein Schwefeln des Gewebes nicht nötig. Das Färben geschieht entweder auf 2 Bädern, wie oben be- 40* schrieben, oder nach der Methode von Moyret in einem Bade. Im ersteren Falle wird die Seide im ersten Bade auf gewöhnliche Art gefärbt und kann alsdann das Kernseifenbad durch mit Ammoniak nicht neutrali- siertes Türkischrotöl ersetzt werden. Dann folgt das Tannieren ꝛc. der Baumwolle. Beim Färben in einem Bad müssen die Stücke zweifach ge- pflatscht und getrocknet werden, bevor sie im Sodabade behandelt und aus- gefärbt werden können. Färben mit Benzidinfarbstoffen . Als Moyret seine Methode veröffentlichte, waren die Benzidinfarben noch nicht bekannt. Durch deren Ein- führung in die Technik wird das Färben von Geweben aus Seide und Baum- wolle ungemein vereinfacht. Das Klotzen mit Oel kommt in Wegfall und das Färben erfolgt einfach und direkt in einem kochenden Seifenbade. Die große Anzahl der bis jetzt bereits bekannten Benzidinfarbstoffe gestattet die Hervorrufung heller und dunkler Nüancen bis zum Blau- und Violettschwarz. Diese Methode ist noch wenig bekannt, noch weniger geübt; sie ist aber die naturgemäßeste von allen und wird vornehmlich der Kleiderfärberei unschätz- bare Dienste leisten können. Schwarzfärben . Im Kleinbetriebe und in der Kleiderfärberei wird man auch heute noch vorziehen, das Schwarz mit Blauholz zu erzielen. Die Ware wird dann durch Schwarzbeize passiert, diese durch Bearbeiten in einem lauwarmen Sodabade fixiert, dann mit Catechu behandelt; man ver- fährt schließlich, wie bei Catechuschwarz § 79 angegeben ist. Seit Auftauchen des Anilinschwarz findet auch dieses vielfach Anwen- dung. Die gekochten, gut gespülten und ausgeschwenkten Stücke werden mit einem der in § 84 bezeichneten Anilinschwarzpräparate derart gepflatscht, daß die Baumwolle auf der Rückseite den größten Teil der Flüssigkeit erhält. Man verfährt im übrigen ganz, wie § 84 ausführlich beschrieben. Weiß und farbig gemischt . Bei einigen für die Levante bestimm- ten Artikeln wird die Seide gefärbt und die Baumwolle weiß gelassen. Man erreicht dies, indem man das Gewebe in einem mit Essigsäure ange- säuerten Bade von Azorot etwas dunkel anfärbt, wobei die Baumwolle nur schwach nüanciert wird; dann gibt man ein leichtes Seifenbad, wodurch die Nüance der Seide heller und die Baumwolle weiß wird. Aehnlich wie Azorot wirken auch alle andern sauer angehenden Farbstoffe. Färben in zwei Farben . Dieses ist in Deutschland nicht üblich; nach Breuer Bulletin de Mulhouse 1884. wird es dagegen in Lyon seit lange angewendet. Zuerst wird die Seide in einem mit etwas Essigsäure angesäuertem Bastseifenbade gefärbt; man wählt hierzu durchgehends neutrale spritlösliche Farben, z. B. die Eosinfarben (mit Vorliebe Bengalrosa), Alkaliblau, Indulin; hier- bei bleibt die Baumwolle völlig ungefärbt. Nun folgt ein Beizen mit 8 Prozent Tannin, in dessen Lösung man das Gewebe unter häufigem Um- ziehen 12 Stunden liegen läßt, ringt ab und trocknet , ohne zu spülen. Nach dem Trocknen geht man, wie üblich, auf ein Brechweinsteinbad, zieht darin kalt während 2½ bis 3 Stunden ein und spült dann scharf. Das Färben der Baumwolle geschieht kalt in einer so konzentrierten Lösung eines echten Baumwollfarbstoffes, daß man durch 1 bis 1½ stündiges Behandeln im Färbebade jene Schattierung zu erzielen vermag, welche verlangt wird. Geschieht das Färben mit der nötigen Vorsicht, so bleibt die Seide intakt. Dann folgt ein Spülen und zuletzt ein Schönen auf einem konzentrierten Seifenbad durch 10 bis 15 Minuten, wodurch beide Farben klar hervor- treten. In dieser Weise kann man Bengalrosa neben Brillantgrün, Alkali- blau neben Auramin, Chrysolin neben Methylviolett färben. § 90. Leinen-Färberei. Die Leinenfaser ist in ihrem Verhalten gegen Beizen wie gegen Farb- stoffe der Baumwollfaser so ähnlich, daß alle Beiz- und Färbemethoden, welche für Baumwolle angewendet werden, auch auf Leinen angewendet werden können. Nur möchte ich an die Verschiedenheit im Verhalten der beiden Fasern gegen Wasser, mithin auch gegen Farbstofflösungen, erinnern. Die Aufnahmefähigkeit für Wasser ist bei der Leinenfaser bedeutend geringer, als bei der Baumwolle; es findet also beim eigentlichen Färbeprozeß ein unvollkommenes Durchdringen der Faser mit der Farbstofflösung statt, es wird der Faser mithin auch weniger Farbstoff dargeboten, als beim Färben der Baumwolle und so erklärt es sich leicht, warum das Ausfärben der Leinenfaser längere Zeit gebraucht, als das der Baumwolle. Um diesem Uebel- stande zu begegnen, gibt es zwei Mittel: entweder 1. Ausfärben bei Siede- hitze, oder 2. Arbeiten mit konzentrierten Bädern. Die Leinenfärberei der Jetztzeit hat sich von der Landarbeit völlig emanzipiert; früher lag sie fast ganz in den Händen kleiner Landfärber, welche selbst Leinwand produzierten. Die großen Vorteile, welche die Ent- deckung der künstlichen organischen Farbstoffe der Baumwolle (speziell in neuester Zeit) gebracht hat, kommen natürlich auch dem Leinen zu gut, so daß wir heute imstande sind, alle Nüancen, welche wir der Baumwolle geben können, auch auf Leinen zu färben. Der herrschende Geschmack, wel- cher mehrfarbige Leinengewebe bevorzugt, hat die Leinengarnfärberei in den Vordergrund gedrängt, während die Färberei grober Leinengewebe auch heute noch in das Gebiet der Landarbeit gehört. Während sich aber letztere mit verhältnismäßig wenig Farben befaßt, vorwiegend blau (Blauleinen), schwarz (Buchbinderleinen), grün und braun, benutzt die Garnfärberei alle jene Effekte, welche die künstlichen organischen Farbstoffe gestatten. Für die Färberei von Halbleinen gilt dasselbe, was bei der Färberei von Halbwolle gesagt ist. Es handelt sich dabei vorzugsweise um Beider- wand (leinene Kette und wollener Schuß); hier muß zuerst der Wollfaden gefärbt werden; dann folgt das Beizen mit Tannin, das Fixieren mit Brech- weinstein und das Ausfärben des Leinenfadens. Bei aus Leinen und Baum- wolle gemischten Geweben findet ein Unterschied in der Färbemethode natür- lich nicht statt. Bei der völligen Gleichheit der Färberei von Leinen und Baumwolle glaube ich, von der Vorführung von Beispielen absehen zu sollen und ver- weise dies betreffend auf die § 69 bis 85. § 91. Jute-Färberei. Da die Jute eine Pflanzenfaser ist, sollte man versucht sein, zu glauben, daß sie sich gegen Farbstoffe wie Baumwolle und Leinen verhalte. Dem ist jedoch nicht so; die Jute ist, wie wir im Ersten Teil, § 13 gesehen haben, eine metamorphosierte Cellulose, und verhält sich gegen neutrale Farbstoffe genau so, wie eine mit Tannin oder Sumach gebeizte Baumwollfaser. Die- jenigen adjektiven Baumwollfarbstoffe, welche tannierte Baumwolle färben, (also alle neutralen), sind für Jute substantive Farbstoffe (§ 69, 2). Da nun diese Farbstoffe auch substantive Wollfarbstoffe sind, so ver- hält sich gegen diese Farbstoffe die Jute thatsächlich genau so wie die Wolle . Dieser Vergleich läßt sich auch auf die schwach sauren Wollfarbstoffe ausdehnen, welche durch Beizen der Jute mit Alaun trefflich fixiert werden. In ähnlicher Weise, wie bei der Wolle, lassen sich auch auf mit Zinn- oder Eisensalzen gebeizte Jute schwach saure Farbstoffe (z. B. alle natürlichen) befestigen. Das Fixieren von Metallsalzen auf der Jute- faser wird durch die gerbstoffähnlich wirkenden Bestandteile der letzteren noch besonders begünstigt. Dagegen eignen sich die sauren Farbstoffe weniger zur Anwendung auf Jute, da die Jute gegen Säuren, selbst gegen ver- dünnte, höchst empfindlich ist; wohl aber zeigt die Jutefaser direkte Ver- wandtschaft zu den substantiven Baumwollfarbstoffen, mit welchen sie sich im Seifenbade färbt. Wir erhalten demnach 3 Abteilungen von Jute-Farb- stoffen : 1. substantive . Dieselben färben entweder aus neutralem Bade, und zwar direkt, besser aber noch nach vorheriger Brechweinstein-Passage. Hierher gehören alle direkten Wollfarbstoffe, § 41, a. 2. adjektive . Dieselben färben die mit Metalloxyden gebeizte Jute in neutralem Bade. Hierher gehören die indirekten Wollfarbstoffe, § 41, 2. 3. direkt aus dem Seifenbade färbende . Hierher gehören alle Benzidinfarbstoffe, § 69, 1. Hödl (Deutsche Färber-Ztg. 1889) empfiehlt neuerdings auch die Anwendung der Azofarbstoffe für Zwecke der Jutefärberei; doch will mir der von ihm empfohlene Zusatz von 5 Prozent Schwefelsäure und Ausfärben beim Siedepunkt doch für die Haltbarkeit der Jutefaser recht sehr bedenklich scheinen und zwar aus den schon oben angedeuteten Gründen, wogegen der Verwendung der Amido-Azofarbstoffe Bismarckbraun und Chrysoidin nichts im Wege steht. Zur Erzielung schöner und lebhafter Farben ist es notwendig, daß die Jute zuvor eine rationelle Bleiche durchgemacht hat, durch welche die Faser, ohne an ihren guten Eigenschaften Einbuße erlitten zu haben, mindestens bis zum schwachen Crême entfärbt worden ist. Zum Färben dienen vor- wiegend die künstlichen organischen Farbstoffe, von denen die sub 1 und 3 die einfachste direkte Färbemethode verlangen, während die sub 2 auf gebeizte Jute besonders echte Färbungen geben (z. B. Alizarinfarben). Eine Vor- führung von Beispielen erscheint mir, da sie nur eine Wiederholung des schon früher Gesagten sein würde, nicht notwendig und verweise ich deshalb auf die betreffenden Abschnitte der Wollen- und Baumwollen-Färberei. § 92. Chinagras-, Rami é - und Nessel-Färberei. Das Färben von Chinagras, Ramié und Nessel erfolgt genau nach den gleichen Prinzipien, wie für Baumwolle und zwar wird fast durchweg die Tannin- und Brechweinsteinmethode angewendet. Bei zarten Farben auf Chinagras kann man nach dem Vorgang von Hödl (Deutsche Färber-Ztg. 1886, Nr. 15) auch das Fixieren mit Antimon unterlassen; bei Mittelfarben empfiehlt es sich in diesem Falle aber, nach dem Färben noch ein Tannin- bad zu geben, auch wohl etwas Brechweinstein dem Färbebade zuzufügen. Nach dem Färben von Chinagras schönt man mit Glycerin, da dieses den natürlichen Glanz erhöht und das Material geschmeidig macht. — Die Färberei der Chinagras-, Ramié- und Nesselfaser ist eine Spezialität, und wird — bis jetzt wenigstens — nur in beschränktem Umfange betrieben. § 93. Filzstumpen-Färberei. Die Filzfärberei ist eine besondere Spezialität; es werden entweder Haare allein, oder Haare und Wolle zusammen, oder Wolle allein, oder Wolle und Baumwolle zusammen mittels Walkens zu Stumpen verarbeitet. Der so erhaltene Filz ist entweder Haarfilz oder Wollfilz oder Halbwollfilz und bildet tuchähnliche, dickere oder dünnere, härtere oder weichere Platten oder Stücke, welche nach den Methoden der Wollstückfärberei oder Halbwoll- stückfärberei zu färben sind. Da es sich vorwiegend um dunkle Farben han- delt, so werden hier vielfach die Holzfarben verwendet. Haarfilz wird wie Wollfilz behandelt. § 94. Federn-Färberei. Die Federn unterliegen, ihrer animalischen Herkunft entsprechend, den gleichen Färbemethoden, wie Wolle und Seide. Voraussetzung beim Färben von Federn ist eine vernunftgemäße Bleiche. Hierüber vergl. Zweiter Teil, § 17. Zum Färben dienen ausschließlich künstliche organische Farbstoffe, und ergeben dieselben die brillanteste Wirkung auf Federn, fast noch schöner und leuchtender, als auf Seide. Als Farbstoffe lassen sich sowohl die Woll-, wie die Seidenfarbstoffe verwenden. Da es sich bei der Federnfärberei um ver- hältnismäßig kleine Bäder handelt, verwendet man statt der Kessel läng- liche kupferne Pfannen mit einliegendem doppelten Boden, welcher durch- löchert ist. Ein Beizen der Federn findet nicht statt, dagegen empfiehlt sich eine Zugabe von Weinsäure zum Färbebade; ein Schwefelsäurezusatz ist, obgleich billiger, nicht zu empfehlen. Die Weinsäure wirkt hier ganz ähnlich, wie der Zusatz von Weinsteinpräparat zum Färbebade beim Färben saurer Farben auf Wolle. Die Farbstofflösungen müssen absolut klar angewendet, und durch ein Bäuschchen Watte gegossen oder noch besser filtriert werden. Mit der Farbstoffzugabe wolle man vorsichtig sein und dieselbe lieber auf mehrere male zusetzen, zumal bei guten Farben. Die schönsten und gleichmäßigsten Färbungen erhält man aus gelinde kochenden, dünnen Bädern. Nach be- endetem Färben gibt man den Federn noch ein wärmeres Seifenbad und trocknet durch Abreiben zwischen Kartoffelstärke. Wer sich ausführlicher hierüber belehren will, findet Auskunft in: Stiegler , das Färben und Waschen der Schmuckfedern und Strohgeflechte. Weimar, 1888. Geyer , über das Färben von Schmuckfedern und deren Behandlung. Dresden, Julius Bloem . § 95. Stroh-Färberei. Das Färben von Stroh ist eine Spezialität Dresdens und dessen Vor- orte, welche bedeutende Färbereien in diesem besonderen Zweige besitzen. Für dunkle Geflechte, schwarz, braun, oliv, kann das naturfarbene Stroh verwendet werden; für helle Farben ist ein vorheriges Bleichen des Strohes notwendig; über dieses vergl. § 17. Nicht gebleichte Strohgeflechte lege man vor dem Färben in eine warme Lösung von Soda, wodurch sie auf- weichen und der Wirkung der Farbeflotte zugängig gemacht werden. Auffallend ist, daß für das Färben von Stroh, obgleich es eine cellulose- ähnliche Substanz ist, doch die sauer färbenden Farbstoffe sich besonders eignen; wir können also alle Wollfarbstoffe des § 69, 3 unter entsprechen- dem Zusatz von Glaubersalz und Schwefelsäure auf Strohgeflecht anwenden. Auch die übrigen Wollfarbstoffe lassen sich nach den für Wolle üblichen Beiz- methoden (§ 69 und 68), aber unter stetem Zusatz von Schwefelsäure, auf Stroh befestigen. Rezepte sollen hier nicht gegeben werden; wer solche sucht, findet sie in den einzelnen Jahrgängen der Deutschen Färber-Zeitung oder der „Strohhut-Zeitung“. § 96. Leder-Färberei. Das Leder als ein tierischer durch den Gerbeprozeß mit Gerbsäure überladener Stoff besitzt direkte Verwandtschaft zu allen neutralen und sau- ren Farbstoffen; das Färben geschieht sehr einfach durch Aufstreichen der ziem- lich konzentrierten Farbstofflösungen auf das vorher angefeuchtete Leder mit Hilfe eines Schwammes; dieses Aufstreichen ist so oft zu widerholen, bis das Leder die gewünschte Farbe besitzt. Ausführliches hierüber finden Inter- essenten in dem kleinen Spezialbuche von Wiener , die Lederfärberei, Wien, A. Hartleben . Hierher gehört gewissermaßen noch die Rauchwaren-Färberei , welche jedoch als ausschließliche Spezialität getrieben wird, und deren Methoden streng geheim gehalten werden. § 97. Kleider-Färberei. Die Kleiderfärberei ist ein besonderer Zweig der Färberei, ein Zweig, der von der größten Anzahl von Färbern betrieben wird, oder in dem sie wenigstens ihre Selbstständigkeit suchen. Diese Thatsache muß mit Recht Ver- wunderung erregen, denn die Kleiderfärberei erfordert eine solche Menge von Kenntnissen und Erfahrungen, wie kein zweites Gebiet der Färberei. Die Kleiderfärberei ist der schwierigste, mühsamste, undankbarste und oft nicht einmal lohnende Zweig der gesamten Färberei. Um das zu verstehen, muß man sich vergegenwärtigen, daß die zum Färben gelangende Ware bereits gefärbt ist; es handelt sich fast stets um das Auffärben getragener Klei- dungsstücke, und es wird dem Färber allen Ernstes zugemutet, aus alten, abgetragenen, verschossenen Sachen neue Kleider zu machen ; mindestens soll der Schein erweckt werden, als wäre das Kleid neu. Ist dieses Verlangen des Publikums an sich schon sehr unvernünftig, so sollte wenigstens der Färber hierin dem Publikum nicht noch auf halbem Wege entgegenkommen. Das geschieht aber! Die große Konkurrenz und der Kampf ums Dasein führen den Färber oft dahin, Versprechungen zu machen, die er hinterher nicht zu halten imstande ist. Das schadet dem ganzen Fache. Früher war man allgemein der Ansicht, und viele Färber denken heute noch, daß, um ein Gewebe neu zu färben, die alte darauf befindliche Farbe zuvor zerstört werden müsse. Diese Operation heißt das Abziehen . Das Abziehen einer Farbe von einem Gewebe ist gar nicht schwierig, sobald man weiß, mit welchem Farbstoff oder mit welchen Farbstoffen ein Gewebe gefärbt ist. Um das zu erfahren, gibt es Mittel und Wege, und die Chemie lehrt, wie wir zu verfahren haben, um hier zum gewünschten Ziele zu gelangen. Es erfordert das jedoch weitgehende chemische Kenntnisse, über welche von denen, welche sich der Kleiderfärberei widmen, kaum Einer verfügt; es würde daher keinen rechten Sinn haben, würde uns auch hier zu weit führen, wenn ich die Methoden zur Erkennung der Farbstoffe auf der Faser hier besprechen wollte. Wer sich hierfür interessiert, findet Ausführliches darüber in den bekannten Hummel schen Tabellen, sowie auch in Bolleys „Hand- buch der technisch-chemischen Untersuchungen“. Es ist aber auch aus einem anderen Grunde nicht notwendig. Das Abziehen der Farbe selbst ist vielfach durchaus keine Notwendigkeit . Wir wissen aus den Untersuchungen Knechts , daß das Chrysamin als Mordant für andere Farbe benutzt werden kann; inzwischen hat sich herausgestellt, daß hiermit gewissermaßen ein Fundamentalsatz der tinktorialen Chemie gefunden worden, und daß jeder Farbstoff, auf einer Faser gefärbt, als Beize für andere Farben benutzt werden kann . Von hier ist nur noch ein Schritt bis zu dem weitern Satze: daß auch die auf den gebrauch- ten , dem Färber eingelieferten, Geweben befindlichen Farbstoffe als Beizen für die Aufsatzfarben zu benutzen sind . Es versteht sich von selbst, daß auf einer vorhandenen Farbe nicht jede beliebige Farbe auf- gesetzt werden kann; dazu gehört neben tüchtiger Kenntnis der Farbstoffe und einer mehrjährigen Erfahrung auch einige Kenntnis der Farbenharmonie- Lehre. Ein tüchtiger Kleiderfärber wird alle ihm zum Auffärben übergebenen Kleider, ehe er zum Färben schreitet, abkochen . Dazu dient ein 40° R. heißes Sodabad. Auch müssen bei dieser Gelegenheit Fettflecke u. dergl. entfernt werden. Dann folgt ein Spülen im warmen Wasserbade und die Ware ist nunmehr zum Färben vorbereitet. Spezielle Anweisungen zum weiteren Verfahren können hier unmöglich gegeben werden. Denn die Kleider- färberei ist ein so ausgedehntes Fach, und erfordert ein so gründliches Ein- gehen in alle Einzelheiten, daß sich über dieses Spezialgebiet der Färberei allein ein Buch schreiben ließe. Es existieren auch kleine Spezialwerke hier- über und zwar: Scherf , der Kleinigkeitsfärber. Weimar, B. F. Voigt , 1860. Albrecht , ein praktischer Kleiderfärber der Jetztzeit. Dresden, Jul. Bloem , 1885. Vollbrecht , die Kleiderfärberei in ihrem ganzen Umfange. Dresden, Jul. Bloem , 1889. Mit allgemeinen Anleitungen ist auf diesem komplizierten Gebiet nichts zu erreichen. Die Kleiderfärberei ist eben eine Industrie für sich; zumeist zersplittert sie sich in eine Anzahl von Kleinbetrieben, welche hier mit ge- ringer Kapitalanlage eine Selbstständigkeit gründen. Daß eine vernunftgemäß gehandhabte Kleiderfärberei aber auch zu einem Etablissement von europä- ischem Ruf sich ausdehnen kann, das beweist schlagend die Anlage von W. Spindler in Berlin. § 98. Allgemeines über die Methoden der Ermittelung der An- wendung der Farbstoffe. Die Färberei ist ein Zweig der technischen Chemie; die Chemie aber ist eine Erfahrungswissenschaft, d. h. alle unsere chemischen Kenntnisse, all unser Wissen, sind auf dem Wege des Probierens, durch Experimente und Versuche erforscht worden. Heute ist die Chemie allerdings bereits soweit entwickelt, daß wir mit fast mathematischer Genauigkeit die Existenz eines noch nicht bekannten, noch nicht aufgefundenen Körpers vorhersagen können, daß wir sein Aussehen, seine Krystallform, seine Eigenschaften und sein chemisches Verhalten gegen andere Körper genau anzugeben vermögen. Diese Prognosen haben sich in jüngster Zeit glänzend bewährt. In der Färberei sind wir allerdings soweit noch nicht vorgedrungen. Wer dem Handbuche bis hierher gefolgt ist, hat eine Fülle positiven Ma- terials vor sich gehabt; die meisten werden das bona fide hingenommen haben; aber wohl nur wenige haben sich gefragt: Wie sind wir denn zu diesem Wissen gelangt? Die einfache Antwort lautet: Auf dem Wege des Versuchs . — Das klingt so leicht und einfach; thatsächlich aber ist mit einem einfachen Versuche nichts gethan; es handelt sich vielmehr um ganze Reihen von Versuchen, welche angestellt werden müssen, um die Eigen- schaften eines Körpers (z. B. eines Farbstoffes), seine Lösungsfähigkeit, die besten Methoden seiner Ueberführung in lösliche Form, seine verschiedenen Verwandtschaftsgrade zu den verschiedenen Gespinnstfasern, seine Fähigkeit, mit verschiedenen Metallsalzen Farblacke zu bilden, sein Verhalten gegen Säuren, Alkalien, Seife, gegen das Licht u. s. w. festzustellen. Solche schier endlose Versuchsreihen sind nötig gewesen, um die Färberei auf die Höhe zu heben, welche sie heute einnimmt, und eben solche Versuchsreihen werden nötig sein und bleiben, um die Färberei auf dieser Höhe zu erhalten. Die bis jetzt errungenen Erfolge verdanken wir nur zu einem ganz geringen Bruchteile wirklichen Färbern, obgleich gerade sie doch vor Allen berechtigt und befugt wären, am Werke mitzuthaten. Zweck dieser Zeilen ist, die Färber zu einem Mitarbeiten an der Entwickelung der Färbereiwissenschaft anzuspornen. Es gibt ja tüchtige, praktische Leute darunter, von denen man wohl eine Förderung unseres Faches erwarten könnte. Für Diejenigen aber, die nicht wissen, wie das anzufangen sei, möge hier die Anleitung zu einer solchen Versuchsreihe an einem bekannten Körper gegeben werden. Es wird die Aufgabe gestellt, ausfindig zu machen, wie man Coche- nille zum Färben verwendet. Die erste zu lösende Aufgabe ist, das Lösungs- mittel für den Cochenillefarbstoff ausfindig zu machen. Für unsere Zwecke kann da nur Wasser und Spiritus in Frage kommen. Wir behandeln also drei kleine Pröbchen der gepulverten oder fein gemahlenen Cochenille in drei verschiedenen Reagensgläschen, 1. mit Wasser von gewöhnlicher Temperatur (kalt), 2. mit kaltem Weingeist, 3. mit Wasser unter längerem Kochen über einer Spiritusflamme. Wir erhalten beim Kochen mit Wasser eine fast rein rote Lösung, kal- tes Wasser gibt eine kaum merkliche Färbung, der Alkohol aber wird röt- lichgelb gefärbt. Wir ziehen daraus den Schluß, daß die vorteilhafteste Methode, den Cochenillefarbstoff in Lösung zu bringen, das Auskochen mit Wasser sei. Wir bereiten uns nun ein größeres Quantum dieser wässerigen Ab- kochung, etwa 100 g , lassen dieselbe erkalten, gießen sie durch ein Bäuschchen Watte oder filtrieren durch Fließpapier, und verteilen das Filtrat auf 15 Reagiergläschen; wir fügen alsdann in jedes derselben einige Tropfen der nachfolgenden 15 Reagentien und erhalten folgende Resultate: An Hand dieser Resultate sind wir zu den nachfolgenden Schlüssen berechtigt: 1. Säuren wandeln den in Lösung befindlichen Cochenillefarbstoff in eine orange Modifikation um (Versuch 1 bis 3). 2. Alkalien, kohlensaure Alkalien und Seifen wandeln die Farbe des Farbstoffes in Karminrot um (Versuch 4 bis 7). 3. Unterchlorigsaure Salze zerstören den Farbstoff (Versuch 15). 4. Zinnchlorid gibt mit einer sodahaltigen Lösung des Farbstoffes einen Farblack (Versuch 10). 5. Zinnsalz gibt einen roten Farblack (Versuch 9). Nun wissen wir aber, daß Zinnsalz eine treffliche Wollbeize, Zinn- chlorid eine Baumwollbeize ist; es folgt also daraus weiter, 6. daß wir mit Zinnsalz gebeizte Wolle mit Cochenille rot, mit Zinn- chlorid gebeizte Baumwolle rosa färben können. Das Verhalten des Alauns in obiger Versuchsreihe läßt zunächst nur den einen Schluß zu, daß der rein rote Farbstoff in karmoisin übergeführt wird. Da Alaun zu den Wollbeizen zählt, müssen wir eine neue Versuchs- reihe anstellen, indem wir zu wirklichen Färbeversuchen im kleinen über- gehen, und kleine Pröbchen Wolle mit einer Farbstofflösung unter Zugabe ent- weder von a) Alaunlösung allein oder b) Alaunlösung mit Soda versetzt, so lange noch kein Niederschlag in der Alaunlösung entsteht, oder c) Alaun und Weinstein zusammen einige Zeit hindurch kochend behandeln. Wir werden dann finden, daß wir mit b und c schöne karminrote Färbungen auf Wolle erzeugen können. Durch diese Vorversuche ist uns der Weg der Anwendbarkeit der Coche- nille zum Wollfärben vorgezeichnet; es sind aber damit noch keine Zahlen- verhältnisse für die Anwendung gegeben. Diese müssen durch eine vierte Versuchsreihe ermittelt werden. Man beizt 10 Wollmuster, jedes von 50 g Gewicht, mit Alaun und Weinstein in wechselnden Verhältnissen und zwar numeriert die Proben, notiert das Gewichtsverhältnis, und färbt nun die 10 Proben alle mit der gleichen Gewichtsmenge Cochenille aus, entweder zusammen in einem Bade, besser noch unter genau gleichen Versuchsbe- dingungen bei gleicher Temperatur und gleicher Zeitdauer in 10 Färbungen nebeneinander. Nach dem Ausfärben, Spülen und Trocknen vergleichen wir die Ausfärbungen und finden auf diese Weise, welche Methode der Wollbeizung zum Karmoisinfärben mit Cochenille die vor- teilhafteste ist . Wir werden finden, daß das beste Resultat etwa mit 5 Prozent Alaun und 5 Prozent (resp. 4 Prozent) Weinstein erzielt wird. Es bleibt uns jetzt nur noch zu untersuchen, welche verschiedenen Farben- töne wir Cochenille auf Wolle erzeugen können. Hierzu dient die fünfte Versuchsreihe. Wir beizen 15 Partien Wolle à 100 g in einem Kessel mit je 75 g Alaun und 75 g Weinstein (je 5 Prozent), winden ab, spülen und färben jedes der 15 Päckchen gebeizte Wolle in 15 besonderen Bädern, unter sonst gleichen Bedingungen, d. h. bei derselben Temperatur und in derselben Zeitdauer mit 1, 2, 3, 4 u. s. w. bis 15 g (d. h. 1 bis 15 Pro- zent) Cochenille aus. Wir erhalten selbstredend 15 verschiedene Farbtöne von zartem Hellrosa bis zum Dunkelkarmoisin, welche wir mit den nötigen Notizen in einem Musterbuch befestigen. Derartige Muster sind vor Licht geschützt aufzubewahren und bieten den untrüglichsten Anhalt und die sicher- sten Unterlagen für spätere Färbungen. Man wird mir entgegnen: „Solche Versuche kosten Mühe, Zeit und Geld“. Gewiß; aber Mühe, die belohnt wird, Zeit, die nicht verloren ist, und Geld, das reichlich Zinsen trägt. Die Erfahrungen, mit denen man bei solchen Versuchen sein Wissen bereichert, sind unbezahlbar; und somit ist nichts verloren, weder Mühe, Zeit, noch Geld! Ich hätte im Interesse des Berufes der Färber keinen höheren Wunsch, als daß Jeder seine Kenntnisse auf Grund solcher Versuche zu erweitern be- strebt wäre; es würde dadurch am sichersten jenem Proletariat in der Färber- welt gesteuert, welches jetzt so üppig ins Kraut schießt, jene halbfertigen Existenzen, die von Allem etwas wissen, aber von Keinem etwas Gescheidtes; die nichts gelernt haben und die Farbstoffe unausgenützt centnerweise ins Meer laufen lassen. Ich male keineswegs zu schwarz! Z. B. wandte sich kürzlich ein Herr an mich mit der Bitte, ihm doch ein Schwarz auf Baum- wollgewebe mitzuteilen; er habe noch niemals Baumwolle schwarz gefärbt, möchte sich aber seinem Auftraggeber gegenüber nicht blamieren. Das würde an sich noch nichts Schlimmes sein; aber der Brief war unterzeichnet: N. N. Färber meister . Ein Anderer bat um ein Verfahren, Wolle ohne Küpe indigblau zu färben; wenn er das nicht könne, käme er um seine Stelle. Auch dieser Edle besaß den Freimut, sich als „Meister“ zu unter- zeichnen. Diese beiden Beispiele mögen genügen; sie kennzeichnen das oben angedeutete Proletariat zur Genüge. Gott bewahre die Färberei vor solchen Meistern ! Erfahrungen, die ein Färber an Hand solcher Versuche macht, werden ihn auch befähigen, sich seine Färbevorschriften selber zusammenzustellen und sich von den Rezepten Anderer zu emanzipieren. Nur die weitgehende Unkennt- nis, die im Färbereigewerbe in einer besorgniserregenden Zunahme begriffen ist, ermöglicht es, daß heutzutage ein schwungvoller Handel mit Rezepten getrieben wird, der obenein noch den moralischen Nachteil für die Färberei besitzt, daß er die des Handwerks Beflissenen in dem Glauben bestärkt, daß sie die jahrelangen Erfahrungen Anderer gegen ein billiges Honorar sich zu nutze machen und somit eigener Erfahrungen entraten könnten. Und da passiert es denn sehr oft, daß ein Käufer solcher Rezepte nicht weiß, was er damit anfangen soll. Kehren wir nach dieser ethischen Abschweifung zur Sache zurück. Das oben ausführlich durchgeführte Beispiel umfaßt nur einen Teil der zu lösen- den Aufgabe. Was sonst noch erforscht sein will, muß auf Grund ähnlicher exakter und gewissenhafter Methoden untersucht werden; nur bedürfen für jeden besonderen Fall die Versuchsreihen und die Versuchsbedingungen einer entsprechenden Abänderung. Hier noch ein kleines und kurzes Beispiel. Um die Lichtechtheit irgend einer Färbung im Vergleich zu ähnlichen mittels eines anderen Farbstoffes erzeugten Farbtönen zu erproben, wird man wohl thun, die betreffenden Vergleichsobjekte (z. B. Alizarinblau, Indigokarmin, Alkaliblau und Viktoriablau) gleichzeitig nebeneinander frisch herzustellen und nach dem Spülen und Trocknen in zwei gleiche Teile zu teilen. Die einen Hälften werden an einem trockenen und schattigen Ort, etwa zwischen den Blättern eines Buches aufbewahrt und dienen zum Ver- gleich; die anderen Hälften werden mit kleinen Zwischenräumen nebeneinander an einem Faden befestigt und eine Zeitlang (gewöhnlich 3 bis 4 Wochen) dem Licht — Sonnenlicht oder zerstreutes Tageslicht — ausgesetzt. Dadurch wird erreicht, daß bei allen Versuchsobjekten die Art und die Dauer der Belichtung eine gleiche ist . Nach Ablauf der Versuchszeit werden die belichteten Muster mit den Reservemustern verglichen und der durch die Licht- einwirkung bewirkte Verlust geschätzt. Will man den Verlust ziffermäßig ausdrücken, so muß man sich eine Farbentafel herstellen, welche mit einer empirischen Skala versehen wird. Für die Zwecke des Färbers wird das nicht nötig sein; denn für ihn wird schon die annähernde Schätzung genügen, zumal sie durch den Vergleich mit andern Nüancen erhöht wird. § 99. Das Probefärben. Unter Probefärben versteht man die Methode der Bestimmung der Färbekraft oder der Ausgiebigkeit eines Farbstoffes . Mit dem Namen Färbekraft hat man die chemische oder mechanische Kraft belegt, welche die Vereinigung von Farbstoff und Faser bedingt. Das Probefärben ist die einzige absolut zuverlässige Ermittelung und kann nur in ausnahms- weisen Fällen, z. B. bei Indigo und beim Alizarin, durch direkte quantita- tive Analysen ersetzt werden. Das Probefärben ist, genau betrachtet, nur eine der im vorigen Paragraphen genannten Methoden und kann nur durch Vergleich mit der Färbekraft anderer bekannter Farbstoffe zu Resultaten führen, wobei die Echtheit des Farbstoffes nicht in Betracht kommt. Je weniger Farbstoff benötigt wird, um ein bestimmtes Quantum der Fasern mit einem gewissen Farbenton zu färben, um so größer ist die Ausgiebigkeit des Farbstoffes. Als Untergrund für die Färbungen dienen Wolle, Seide oder Baum- wolle als Garn oder Gewebe, je nach der Natur des Farbstoffes. Man läßt die Garne zu diesem Zwecke in genau gleich schwere Strähne abbinden, welche bei Baumwolle und Wolle 5 bis 20 g, bei Seide 2 bis 5 g wiegen mögen. Das Färben geschieht entweder in Bechergläsern, in cylindrischen Porzellangefäßen oder auch in kleinen tiefen Zinnkesseln mit zwei einander gegenüberstehenden Schnäbeln, die ein bequemes Einhängen des Glasstabes mit der Garnprobe gestatten. Die Prüfung auf das Färbevermögen beschränkt sich naturgemäß auf die Vergleichung der zu untersuchenden Probe mit einer anderen, als muster- gültig betrachteten, dem Type. Man färbt zu diesem Zwecke beide Farbstoffe gleichzeitig und unter genau denselben Bedingungen in zwei Färbekesselchen auf. Zur Erreichung der gleichen Temperatur setzt man die Bechergläser oder Kesselchen in den Deckel eines großen Wasserbades ein, der zu diesem Zwecke mit einer Anzahl runder Oeffnungen versehen ist. Wenn eine neue Farbstoffprobe untersucht werden soll, so bringt man in zwei Kesselchen die gleiche Menge laues Wasser und fügt ebenfalls gleiche Mengen aller jener Zusätze hinzu, deren man sich beim Färben im großen für die betreffenden Farben bedient. Am häufigsten sind dies für Wolle und Seide Schwefelsäure, Essigsäure, Bastseife ꝛc. Dann hängt man in die Kessel genau gleich schwere Strähne mittels eines Glasstabes ein und zieht sie so lange um, bis sie ganz vom Wasser benetzt sind. Dies geschieht in der Weise, daß man das eine Ende des Glasstabes mit der linken Hand faßt, dann mit der rechten das obere Ende des Strähns nach oben und gleichzeitig zu sich heranzieht und dann wieder in die Flüssigkeit fallen läßt. Man hebt dann die Garnproben heraus und bringt genau gleiche Farb- stoffmengen in die Bäder. Man erreicht dies dadurch, daß man durch Auf- lösen von 0,1 bis 1 g Farbstoff in 100 ccm Wasser oder Spiritus gleich starke, „titrierte“ Farbstofflösungen bereitet und mittels zweier Pipetten gleiche Volumina entnimmt. Dann rührt man gut um, senkt die Garne wieder ein und färbt unter allmählicher Steigerung der Temperatur aus. Sind die Bäder erschöpft, so setzt man in gleicher Weise dem einen oder dem andern Bade noch so lange gemessene kleine Farbstoffmengen zu, bis die Garnproben möglichst gleich stark gefärbt erscheinen. Hat man z. B. zur Erreichung dieses Punktes 10 ccm der Lösung der Type, jedoch 13 ccm des anderen Farbstoffes verbraucht, so sind 130 Teile der Probe nur so viel wert als 100 Teile der Type. Die endgültige Vergleichung der beiden Proben in Hinsicht auf ihren Ton nimmt man nach dem Waschen und Trocknen vor. Man wird dann bei einiger Uebung durch das Probefärben nicht nur die Ausgiebigkeit, son- dern auch die Schönheit der Farben beurteilen können. Geringe Unterschiede in den Farbentönen treten sehr häufig bei künstlichem Licht weit intensiver hervor. Zur Prüfung adjektiver Farbstoffe verwendet man meist genau gleich große gebeizte Zeugstückchen. ( Benedikt .) § 100. Die Färberei-Einrichtung. Bei der heutigen Ausdehnung der Färberei und bei der fast vollkom- menen Arbeitsteilung auf diesem Gebiete ist die Einrichtung der Färbereien für die verschiedenen Gebiete eine den Sonderansprüchen entsprechend ver- schiedene. Die Einrichtung einer Blaufärberei wird eine wesentlich andere sein, als die einer Türkischrotfärberei, die Einrichtung einer Seidenschwarz- färberei eine andere als die einer Baumwollgarnfärberei, die einer Stroh- färberei anders als eine solche einer Kleiderfärberei. Es würde den Rahmen dieses Buches wesentlich überschreiten, wenn hier die Einrichtungen für alle Arten von Färbereien einzeln ausführlich erläutert werden sollten; deshalb sollen hier nur diejenigen allgemeinen Gesichtspunkte Erwähnung finden, welche bei allen Betrieben gemeinsam in Betracht kommen. Die Lage der Färberei muß derart gewählt sein, daß das Haupt- erfordernis einer jeden Färberei, das Wasser, in genügender Menge zur Ver- wendung vorhanden ist, und daß die Mengen von Abflußwässern bequem ab- geleitet werden können. Große Betriebe werden daher am besten in der Nähe eines Flusses angelegt, und zwar, wo örtliche Verhältnisse nicht anders bedingen, mehr nach der Mündung zu, da das Wasser der Flußläufe nach der Mündung zu immer weicher wird. Eine Anlage an kleinen Gebirgs- bächen ist dagegen nicht zu empfehlen, da das Wasser in diesen für Färberei- zwecke zu hart ist und einem Reinigungsverfahren jedenfalls unterworfen werden müßte. Vergl. auch Erster Teil, § 84. Die Beleuchtung ist von ganz besonderer Wichtigkeit. Bei Neuein- richtung sollte man für Oberlicht Sorge tragen, da seitlich einfallendes Licht leicht falsche Lichtreflexe erzeugt und das Abmustern der Farben erschwert. Hauptsache ist, reichlich und viel Licht . Eine Färberei kann nie hell genug angelegt sein, zumal der entstehende Dampf zur Verdunkelung der Räume ohnehin viel beiträgt. Die künstliche Beleuchtung geschieht für den Großbetrieb am besten mit elektrischem Licht ; dieses empfiehlt sich besonders für große, weite, saalartige Räume. Die erstmalige Einrichtung ist zwar teuer; dafür stellen sich aber die Kosten der Beleuchtung nicht unwesentlich billiger, als wie bei Gas- oder Petroleumbeleuchtung. Dazu ist das elektrische Licht das einzige Beleuchtungsmittel, welches die Farbenreflexe nicht beeinflußt und die Farbe genau in derselben Nüance erscheinen läßt, wie das Sonnenlicht und das Tageslicht. Das elektrische Licht eignet sich auch besonders zur Erhellung von Höfen und zum Arbeiten im Freien. Für mittlere Betriebe wäre An- lage einer eigenen Gasanstalt und Erzeugung von Oelgas aus Petroleum- rückständen, Teer oder Paraffinölen zu empfehlen. Derartige Anlagen liefert in vorzüglicher Ausführung Prof. Heinrich Hirzel in Plagwitz- Leipzig. Die Leuchtkraft ist etwa die vierfache der Steinkohlengase. Wo die Anlage einer eigenen Gasanstalt nicht lohnend genug erscheint, muß auf Steinkohlengas , wie es die städtischen Gasanstalten liefern, oder auf Petroleum zurückgegriffen werden; letzteres ist weniger zu empfehlen. Für kleine Betriebe ist Gas, wo es zur Verfügung steht, am besten; andernfalls ist Gasolin zu empfehlen, welches in Gas selbst erzeugenden Lampen mit heller, leuchtender Flamme, ohne Docht und Cylinder verbrennt. Andernfalls thut es Petroleum auch. Die Ventilation in den Färbereilokalitäten ist von höchster Bedeutung, da sie dazu bestimmt ist, den überflüssigen Dampf aus den geschlossenen Räumen ins Freie zu leiten. Dieses muß jedoch so bewerkstelligt werden, daß kein Zug in den Räumen entsteht. Die besten Hilfsmittel dagegen sind die sog. Dachreiter mit verstellbaren Jalousien. Alle andern Einrichtungen, wie Ventilatoren, Exhaustoren, Dampfstrahlexhaustoren erfüllen diesen Zweck nicht in dem Maße, da sie mehr als den überflüssigen Dampf absaugen, dadurch gewissermaßen einen luftverdünnten Raum erzeugen und zu neuer Dampfentwickelung führen, was mit einer Belastung des Kontos für Brenn- material gleichbedeutend ist. Man kann auch Kamine, Oefen und Zentral- heizungen zur Ventilation nutzbar machen, indem man der warmen, also leichteren Luft Oeffnungen zum Abströmen läßt, worauf die schwere, kältere, von selbst nachströmt. Die Ableitung des in den Färbereilokalen selbst an den Decken sich verdichtenden Wasserdampfes erfordert besondere Aufmerksamkeit; das- selbe könnte leicht in großen schweren Tropfen auf fertige oder halbfertige Ware herabfallen und dieselbe fleckig machen. Diesem Umstande wird am besten dadurch gesteuert, daß man solche Ware unter Gerüste mit schiefem Holzdach bringt, so daß etwa herabfallende Tropfen nicht auf die Ware ge- langen können. Doppelt gefährlich wird solches Herabtropfen kondensierten Wassers dort, wo die Decke mit Kalk getüncht ist. Durch gewölbte Decken (etwa von Wellblech) wird diesem Uebelstande etwas abgeholfen, aber nicht ganz. Die Wände , wie auch die getünchte Decke, sind über der Kalktünche mit einem Cementanstrich und darüber mit einem Firnisanstrich zu versehen, um jedes Abbröckeln von Kalk, welches für die Ware von der schädlichsten Wirkung sein kann, von vornherein unmöglich zu machen. Eine Heizung der Räume ist nicht notwendig, doch muß im Winter dafür gesorgt werden, daß Frost nicht in die Räume kommen kann, was für kalte Küpen u. dergl. von großem Schaden sein würde. Ueber die Bedachung schreibt das „Deutsche Wollen-Gewerbe“: Welche Bedachungsart für Färbereien am empfehlenswertesten und ob Wellblech praktisch und wesentlich teurer als andere Dächer ist, läßt sich schwer allgemein entscheiden; es ist hierbei einerseits die Art und der Um- fang des Färbereibetriebes, andererseits die aus örtlichen Verhältnissen resul- tierende Preislage der Baumaterialien von Ausschlag gebender Bedeutung. In der Praxis findet man alle möglichen Bedachungsarten angewendet. Im Jahre 1865 machte man die ersten Versuche, verzinktes Eisen überhaupt für Bedachungen anzuwenden; Wellblech wurde bei uns in Deutschland sogar noch etwas später eingeführt; es wird sich als jüngstes Bedachungsmaterial erst im Laufe der Jahre das Anwendungsgebiet erringen müssen, für das es seiner Natur nach besonders geeignet ist, und da muß anerkannt werden, daß verzinktes Wellblech auch für Färbereien, namentlich da, wo es sich um Ueberdeckung großer Grundflächen handelt, sehr gut geeignet ist. Es seien hier des Vergleiches wegen einige Preisangaben über verschiedene Bedachungen mitgeteilt; doch ausdrücklich wird dabei bemerkt, daß diese Preise keineswegs als allgemeine Normen hinzustellen sind; dieselben entsprechen Berliner Ver- hältnissen; sie dürften indessen je nach örtlichen Verhältnissen erheblichen Aenderungen unterworfen sein. Der Preis für je 1 qm eingedeckte Dach- fläche stellt sich durchschnittlich beim Ziegeldach (einfach Lattung 18 cm ) auf 2,75—3,25 Mk. Falzziegeldach (Lattung circa 32 cm ) „ 1,90—2,25 „ Schieferdach (Deutscher Schiefer auf Schalung) „ 3,25—3,50 „ „ (englischer „ „ „) „ 3,75—4,25 „ Steinpappdach auf Leisten „ 1,25—1,50 „ Holzcementdach „ 2,75—3,00 „ Metallfalzziegel (Eisenblech verzinkt mit Lattung) „ 3,90 „ „ für flache Dächer „ 3,00 „ Verzinktes Wellblech „ 3,50—4,00 „ Man sieht hieraus, daß die Dächer aus verzinktem Eisen- und Well- blech zu den teureren gehören, doch darf andererseits nicht verkannt werden, daß dieselben leicht und bequem verwendbar sind, ein sehr geringes Eigen- gewicht besitzen und als bombierte oder freitragende Wellblechdächer ausge- führt, gar keinen Dachstuhl erforderlich machen und neben der Sicherheit gegen Feuersgefahr auch nur sehr geringe Unterhaltungskosten verur- sachen. — Eine üble Eigenschaft haben jedoch die Metallbedachungen, gleich- gültig ob sie aus Eisen oder anderen Metallen bestehen, und ob sie aus ebenen oder Wellblechen gebildet werden, nämlich den, daß sie bei plötzlichen Temperaturwechseln oder etwaigen Dampfbildungen leicht schwitzen und zu tropfen anfangen. Es kann dieser Uebelstand für Färbereien höchst unan- genehm z. B. dann werden, wenn unter dem Dach Gegenstände zum Trock- nen aufgehängt werden, die durch das selten reine Tropfwasser leicht beschmutzt werden. Zur Beseitigung des Uebelstandes hat man die verschiedensten Vor- kehrungen angewendet. Das einfachste Mittel zur Beseitigung des Tropfens besteht darin, dem Dach eine so beträchtliche Neigung zu geben, daß das Kondensationswasser nicht abtropft, sondern abwärts sickert oder fließt, was bei etwa 30° Neigung eintritt. Im allgemeinen jedoch wählt man für Färbereien und Waschanstalten, wo namentlich eine reichliche Lüftung nötig Ganswindt , Färberei. 41 erscheint, parabelförmig gestaltete Dächer und wendet isolierte Firstbleche an, mit Dunstaufsätzen und Reierlaternen. Häufig legt man in die Ueberdeckungs- flächen Futterstücke aus Guß- oder Schmiedeeisen, etwa 20 mm dick, um dadurch eine natürliche Lüftung herzustellen und das sich bildende Schwitz- wasser nach außen abzuleiten. Selbstverständlich kann man durch Anordnung von Zwischendecken, Bretterverschalung oder dergl. den Zweck noch viel voll- ständiger erreichen, da es ja nur darauf ankommt, durch Anordnung schlechter Wärmeleiter die Niederschlagung des Wasserdampfes infolge plötzlicher Ab- kühlung zu verhindern. Doch derartige Mittel sind meist ziemlich kostspielig und werden deshalb nicht gern ausgeführt. Ausdrücklich sei darauf aufmerksam gemacht, wenn man sich zur An- wendung von eisernem Wellblech entschließt, nur solches für Bedachungen zu wählen, das gut verzinkt ist, da die Dauer des unverzinkten Eisenbleches unter Umständen sehr gering sein kann und letzteres wegen der oftmals nötigen Anstriche manche Unannehmlichkeiten und Kosten verursacht. Bei- läufig sei erwähnt, daß nach baupolizeilicher Vorschrift in Berlin für unver- zinktes Wellblech ohne Ausnahme zu der rechnungsmäßig sich ergebenden Stärke noch eine Zusatzstärke von 1 mm erforderlich ist, um den durch Rosten entstehenden Folgen vorzubeugen. — Die Verwendung von Zinkwellblech, das ja namentlich in der Nähe der Produktionsstätten billig ist, stellt sich für größere Dachflächen, da es bei weitem nicht die Widerstandsfähigkeit wie verzinktes Eisenblech besitzt, ziemlich kostspielig. Außerdem ist ein solches Dach nicht so feuersicher (Zink schmilzt bei 360° C., verzinktes Eisen erst etwa bei 1600° C.) und leichter der Beschädigung ausgesetzt, als ein aus verzinktem Eisenblech hergestelltes, ganz abgesehen von den Unzuträglichkeiten, die durch die beträchtlichen Dimensionsänderungen des Zinkes bei Temperatur- wechsel hervorgerufen werden. Für Fußböden kommen in Betracht: Granitplatten, Ziegelsteine, Cement, Holz, Asphalt, auch wohl durchlöcherte Eisenplatten. Ziegelsteine nutzen sich sehr schnell ab und geben Höhlungen im Boden. Cement ist dauer- haft; kommen aber einmal Reparaturen — und sie sind nicht zu vermeiden — so sind dieselben sehr kostspielig. Eisenplatten müssen auf massiven Trägern von Eisen oder geteertem Holz ruhen, liegen aber selten fest genug und verur- sachen beim Darübergehen ein klapperndes Geräusch. Granitplatten sind zwar sehr schön, erfüllen aber nur dann vollkommen ihren Zweck, wenn sie groß und schwer sind. Hat der Fußboden große Lasten auszuhalten, werden überhaupt schwer beladene Garnwagen u. dergl. darüber gefahren, so lockert sich ihr Zusammenhang leicht. Holzpflaster , d. h. ein Belag aus hohen Würfeln von hartem, mit Kreosot, Teerölen u. dergl. imprägniertem Holz ist vor- züglich, aber nicht billig. Am rationellsten erscheint ein Asphaltfußboden, welcher nach Art der neuen Straßenasphaltierung eine harte, dabei nicht spröde, einheitlich zusammenhängende, glatte Fläche bildet, welche das An- bringen von schwachen Steigungen nach Bedarf ohne alle Umstände gestattet. Ein derartiger Fußboden ist gegen Kälte, wie gegen Hitze und gegen Nässe gleich wenig empfindlich und gestattet ein bequemes Reinigen. — Jüngst wur- den in der „Deutschen Färber-Ztg.“ 1888, Nr. 26, Mettlacher Fliesen em- pfohlen. Es heißt dort: Das beste oder wenigstens in den meisten Anwendungsfällen ein durch- aus gut brauchbares Material für Fußböden in Färbereien sind sogenannte Mettlacher Platten oder Fliesen, welche von der Firma Villeroy \& Boch in Mettlach in den verschiedensten Arten hergestellt, aber auch vielfach nach- gemacht werden und dann oft von recht mangelhafter Beschaffenheit sind. Eine unerläßliche Bedingung für die Dauer des Fußbodens ist aber, daß für die Fliesen eine sehr gute und sichere Unterlage geschaffen wird, und letztere kann man im allgemeinen durch einige (mindestens 2) Flachschichten von hartge- brannten Ziegelsteinen herstellen, die gut in Cement vermauert werden müssen. Der beste Fußbodenbelag ist nicht von Dauer, wenn er nicht eine solide Unterlage erhält. Endigt der Fliesenbelag etwa in einem umgepflasterten Weg, so ist es ratsam, eine Fundamentierung derartig durchzuführen, daß die Nässe nicht in das trockene Erdreich unter die Fliesenunterlage gelangen kann, da sonst Frosteinwirkungen eine Ausdehnung des Bodens und ein Zersprengen des Fußbodens (selbst wenn derselbe von sehr beträchtlicher Stärke in Beton oder sonst wie ausgeführt ist) unausbleiblich nach sich ziehen. Wenn also diese gar nicht seltenen Fälle zu befürchten sind, so thut man gut, die Unterlage nach Art flacher Kappengewölbe zu unterwölben und darunter einen Hohl- raum zu belassen. Es ist ja einleuchtend, daß da, wo kein Material, also keine nasse Erde ist, auch nichts durch Frost beschädigt werden kann. Für Abführung der Feuchtigkeit vom Fußboden muß gleich bei Legung desselben durch Anordnung von Gefälle oder je nach den Umständen auch Verwendung kleiner Rinnen Sorge getragen werden. Unter Beachtung des Vorstehenden bei der Ausführung ist man sicher, daß eine Zerstörung des Fußbodens nicht eintritt; nur darf derselbe auch nicht gar zu roh behandelt werden, etwa durch Hinwerfen schwerer, eiserner oder sonstiger Gegenstände u. dergl. — Säurefeste Fußböden sucht man auch durch anderweitige Platten- beläge unter Anwendung von Oel und anderen Hilfsmitteln zu erreichen; doch mit Sicherheit zu empfehlen dürften wohl nur die Eingangs erwähnten Fliesen sein. Die sämtlichen von den einzelnen Farbbottichen oder Maschinen sich ab- leitenden kleinen Rinnen oder Gossen vereinigen sich am besten in einem ge- meinsamen quer durch die ganze Anlage führenden Abzugskanal . Die Sohle dieses Kanals liegt tiefer als der Fußboden und ist am besten mit massiven mit Ringen abhebbaren Eisenplatten bedeckt, um deren Reinigung zu er- möglichen. Hölzerne Bretter, selbst eichene Bohlen, erfüllen diesen Zweck lange nicht so gut, da sie bald verfaulen. Die Farbküche ist der Raum, in welchem die für den Färbereibetrieb nötigen Farbstoffe und Chemikalien, deren Lösungen und Präparate, ferner die zum Abwägen und Verabfolgen derselben nötigen Tische oder Tafeln, Wagen, Gewichte, Löffel, sowie die zur Prüfung nötigen Cylinder, Aräometer u. dergl. Zubehör enthalten sind. Dieser Raum soll so gelegen sein, daß er die Vorteile des Färbereilokals mit genießen kann, ohne dessen Nachteile in den Kauf nehmen zu müssen; er soll daher in der Nähe der Arbeitsräume sich befinden und muß heizbar sein. Die Einrichtung der Farbküche wird eine ungemein verschiedene sein, je nach der Größe der Färberei. Sie kann von einem einfachen Aufenthaltsort für den dirigierenden Meister bis zu einem Versuchslaboratorium ausgedehnt werden. Vorschriften lassen sich da nicht geben, doch gilt im allgemeinen das für die Fabrikräume Gültige auch für die Farbküche; insbesondere sollte sie Dampf-, wie Wasserleitung haben. 41* Für die zu Trockenanlagen sich eignenden Räume ist der vorhandene Raum maßgebend. In der Regel befinden sich Trockenräume — wenn nicht Trockenmaschinen verwendet werden — in Räumen über der Färberei; doch hindert nichts, dieselben auch zu ebener Erde anzulegen. Ueber die bei einer Trockenanlage zu berücksichtigenden Grundsätze findet sich Ausführlicheres § 30, S. 442. Die Schwefelkammer hat von der Färberei getrennt zu liegen. Ueber deren Einrichtung vergl. § 12, S. 365. Die Frage, ob eine Dampfkessel-Anlage nötig oder praktisch ist, ist abhängig von der Größe der Färberei. Für den Großbetrieb versteht sie sich von selbst; ihr Umfang ist auch hier von dem Umfang des Etablissements abhängig. Für mittlere Betriebe, in denen den ganzen Tag über gekocht werden muß, oder viel kochendes Wasser verbraucht wird, ist eine Dampf- einrichtung durchaus am Platze. Anders verhält es sich beim Kleinbetriebe, wenn nur zeitweise am Tage gekocht wird, und auch vielleicht nicht alle Tage; in diesem Fall ist der Betrieb ohne Dampfeinrichtung oft viel lohnender, und Kesselfeuerung entschieden vorzuziehen. Wo ein Dampfkessel nötig ist, hat er von den Arbeitsräumen ge- trennt, in einem besonderen Hause, dem Kesselhause, Aufstellung zu finden. Ueber die Vorzüge oder Nachteile einzelner Dampfkesselsysteme zu sprechen, ist nicht meine Sache. Bei etwaigen Neuanlagen wird man wohl thun, in dieser Angelegenheit einen Ingenieur zu Rate zu ziehen. Dasselbe empfiehlt sich auch bei Aufstellung einer Dampfmaschine . Eine solche ist im Groß- betriebe notwendig, im Kleinbetriebe aber überflüssig. Von größter Wichtig- keit sind dagegen die Dampfleitungen . Die Verwendung gewöhnlicher Eisenröhren ist für Färbereien nicht ratsam, weil gegen Wasser, das durch Spuren von Eisenoxyd verunreinigt ist, viele Farben empfindlich sind; dagegen erscheint die Verwendung verzinkter Eisenröhren ganz unbedenklich. Da sich alle Eisensorten verzinken lassen (auf welche Art, soll hier nicht erörtert werden), so kann man demgemäß auch verschiedene Rohrsorten zur Verwendung bringen. Für kleinere Betriebe wird man mit verzinkten Gasröhren (in manchen Gegenden, z. B. in Süddeutschland und der Schweiz, kommen solche Röhren für gewöhnliche Wasserleitungen unter dem Namen galvanisierte Röhren zur Verwendung) auskommen. Sollte jedoch der Dampfverbrauch so erheblich sein, daß die gebräuchlichen Rohrweiten für den fraglichen Zweck nicht mehr ausreichen, so kann man für den 35 m langen Rohrstrang auch Röhren aus schmiedeeisernen Blechen zusammengenietet zur Verwendung bringen, doch müssen die Röhren, nachdem sie genietet sind, außen und innen mit einem Zinküberzug versehen werden, was von besonderen Fabriken, sogen. Ver- zinkereien, ohne Schwierigkeiten ausgeführt wird. Ein solcher Zinküberzug ist sehr dauerhaft und gewährt noch den Vorteil, daß etwa in der Nietnaht vorhandene kleine Undichtigkeiten dadurch verschlossen werden. Gußeiserne Röhren sind als Dampfleitungen ungeeignet, da sie leicht zerspringen, und auch für andere Rohrsorten, gleichgültig, welches Material man wählt, ist darauf Rücksicht zu nehmen, daß Längenänderungen, die infolge der Temperaturschwankungen unausbleiblich sind, durch geeignete Konstruktionsteile (entweder Stopfbüchsen oder sogenannte Kompensations- rohre, -Muffen oder dergl.) ausgeglichen werden. Letztere Einrichtungen lassen sich am leichtesten aus Kupfer herstellen; doch für die ganze Leitung Kupfer zu wählen, wäre des hohen Kostenpunktes wegen nicht ratsam. Bei- läufig sei erwähnt, daß hie und da auch gewöhnliche Gasröhren für Dampf- leitungen ohne irgend einen schützenden Ueberzug benutzt werden und sich thatsächlich auch gut bewähren; doch wirken hier häufig andere Umstände mit, so daß man allgemein für einen so wichtigen Zweck eingeschätzte gewöhnliche Eisenröhren nicht empfehlen darf. Für Dampfheizungen benutzt man wohl gewöhnliche Gasröhren, und namentlich, wenn derartige Heizungen mit Ab- dampf aus der Maschine gespeist werden, erhalten die betreffenden Gasröhren im Innern einen fettigen Ueberzug, der von mitgerissenem Schmieröl her- rührt. Besteht letzteres aus gutem Mineralöl, so bildet sich in den Röhren daraus eine ganz vorzüglich dauerhafte und das Rosten verhindernde Schicht ohne weiteres Zuthun. Auf Umhüllung der Röhren mit einer geeigneten Wärmeschutzmasse ist unter allen Umständen Rücksicht zu nehmen, und sei hier darauf aufmerksam gemacht, daß neuerdings statt der sonstigen kostspieligen viel angepriesenen Wärmeschutzmassen, ferner Korkstein, Korkmehl u. dergl., gewöhnliche Flugasche, wie sie in Feuerzügen und Rauchkanälen sich ansammelt, mit Erfolg bei Dampf- kesselanlagen von Staatsbergwerken (in Ibbenbüren) angewendet worden ist. Die Flugasche wird, mit einem Bindemittel versetzt, in nassem Zustand auf die warmen Eisenteile aufgetragen. Sie hat ein sehr geringes spezifisches Gewicht, ist unverbrennlich und ungewöhnlich billig, was ihr vor anderen Massen einen großen Vorzug verleiht. Die für den Betrieb notwendigen Maschinen, Kessel, Fässer, Bottiche, Küpen ꝛc. müssen so angeordnet sein, daß ein jedes von ihnen genügend Licht hat und daß so viel freier Raum darum vorhanden ist, daß bequem daran zu arbeiten ist. Offene Kochkessel sind ihrer massenhaften Dampfent- wickelung wegen am besten in einem Nebenraum der Färberei unterzu- bringen, unter Umständen selbst im Hofraum unter entsprechender Ueber- dachung. Die Aufsicht über den gesamten Betrieb führt bei kleineren Betrieben der Meister, beim Großbetriebe ein mit theoretischen wie praktischen Kennt- nissen ausgestatteter Färberei-Leiter. Derselbe wird seinen Platz am besten ausfüllen, wenn er nur bei wirklichem Bedarf in das eigentliche Fabrik- getriebe selbstthätig mit eingreift, im Uebrigen aber sich auf eine gewissenhafte Beaufsichtigung des Betriebes beschränkt; denn es ist ein wahres Sprichwort: „ Das Auge des Meisters thut mehr, als seine Hand .“ § 101. Die Färberei-Abflußwässer. Die Abwässer der Färbereien enthalten fast immer außer nicht völlig ausgenützten Farbstoffen noch Beizsalze, freie Säuren, Seifen, Alkalien, Fette und organische Stoffe und werden mit wenigen Ausnahmen direkt in einen Stromlauf geleitet. Das mag vom Standpunkte des Färbers aus ganz natürlich erscheinen; aber es ist große Ungerechtigkeit gegen die unter- halb am selben Flußufer Wohnenden, daß ihnen die Benutzung des Fluß- laufes, auf den sie doch das gleiche Recht haben, wie der Färber, geradezu unmöglich gemacht wird. Mindestens würde sich der Färber ganz ent- schieden dafür bedanken, das Wasser eines derartig verunreinigten Fluß- laufes (trüb, schwarzblau, mit 1½ bis 2 Promille festen Bestandteilen) für die Zwecke seiner Färberei zu verwenden. Es ist also nur recht und billig, wenn man das Wasser, welches man in brauchbarer Form dem Flusse ent- nimmt, dasselbe auch in einigermaßen brauchbarer Form demselben wieder zuzuführen. Wenn man entgegenhalten wollte, daß die Abwässer doch abgeleitet werden müßten, so soll das ja keineswegs bestritten werden. Aber es ist doch ein anderes, ob man sie direkt ableitet, oder ob man vorher versucht, sie vor der Ableitung derartig zu verändern, daß sie den Flußlauf wenigstens nicht geradezu unbenutzbar machen und ihren gesundheitsschädlichen Charakter verlieren. Daß die Abwässer aus Färbereien die Existenz von Fischen in dem Flusse, wohin sie fließen, unmöglich machen, ist längst erwiesen. Es wird das auch ohne weiteres Jedem einleuchten, der z. B. die Pleiße bei Crimmitschau oder die Mulde bei Glauchau gesehen hat: schwärzliche, trübe, feststehende, schmutzig schaumige Wasserflächen, die durch ihr geringes Gefälle wesentlich zur Erhöhung des gesundheitsgefährlichen Charakters beitragen. Wenn wir bedenken, daß aus solchen träge sich dahinschleppenden, mit den Abfällen der Färbereien beladenen Flüssen, sich Ueberreste der Textilfasern, Fette, organische und mineralische Stoffe absetzen, so bedeckt sich schließ- lich das Bett eines solchen Flusses mit einem Schlamm, der besonders bei niedrigem Wasserstande und warmer Jahreszeit, zu einem gefährlichen In- fektionsherd für ansteckende Krankheiten sich ausbilden kann. Um sich einen Begriff von der Gesundheitsschädlichkeit solcher Abwässer zu machen, möge ein Vergleich mit gewöhnlichem zum Trinken, wie zu allen häuslichen Zwecken tauglichen Wasser dienen. Ein derartiges Wasser darf nur so minimale Quantitäten organischer Substanzen enthalten, daß zu deren Oxydation für den Liter nicht mehr als 1 Milligramm Sauerstoff verbraucht werde. Die Brauerei-Abwässer hingegen konsumieren z. B. das 640 bis 1100 fache, die städtischen Abfallwässer das 1456 bis 1500 fache, die Abwässer von Zucker- fabriken, Wollwäschereien, Färbereien ꝛc. das 6000 bis 7000 fache Ganswindt , Die Frage der Abwässer in hygienischer und nationalökono- mischer Hinsicht. Pharm. Centralhalle 1886, 484 ff. . Diese Zahlen bedürfen keines Kommentars. Selbst ein Laie muß begreifen, daß die Einführumg solcher Abwässer in die fließenden Stromläufe vom gesundheitspolizeilichen Standpunkte nicht gestattet werden darf. Es läge also schon im sanitären Interesse, hier Abhilfe zu schaffen und es sollte von seiten der zuständigen Behörden sogar dahin gewirkt werden, daß diese Gefahr von vornherein unmöglich gemacht werde (denn 1 l solchen Abfluß- wassers macht 6000 bis 7000 l Flußwasser unbrauchbar). Nicht etwa — wie vielleicht Einige glauben werden — durch Desinfektionsmaßregeln auf städtische Kosten; o nein! Die Färbereibesitzer müßten genötigt werden, das Wasser nur in einer vorschriftsmäßigen kontrollier- baren Reinheit in die Flußläufe abzuführen. Diese Rücksicht verlangt die öffentliche Wohlfahrt und das hygienische Inte- resse der gesamten Umgebung . Aber auch noch aus einem anderen Grunde stelle ich die obige For- derung und zwar aus dem Gesichtspunkte der Nationalökonomie : so gesundheitsschädlich, wie die Abwässer einerseits sind, so wertvoll sind sie doch in ihrer Gesamtheit. Es ist ein gänzliches Verkennen des national- ökonomischen Prinzips, wenn man diese Wässer als „wertlos, unnütz, un- brauchbar, unverwendbar“ oder ähnlich bezeichnet. Das ist gar nicht wahr. Das eben ist der unverzeihliche Irrtum, daß sie für „Abfall“ gehalten werden. Die Analyse solcher „Abwässer“ hat ergeben, daß die Färberei- Abwässer eine Anzahl von Stoffen enthalten, welche sehr wohl noch nutzbringend zu verwerten sind . In Form der Ab- wässer gehen Hunderte von Zentnern an Fetten, Seifen, Farbstoffen, Salzen u. dergl. auf Nimmerwiedersehen in den Fluß, um nach gegenseitiger Zer- setzung einen Krankheitsherd zu bilden. Das ist nichts weniger, als ver- nünftig und nichts weniger als ökonomisch. Wenn ich daher die obige Forderung gestellt habe, so bin ich weit davon entfernt gewesen, den Färbe- reien im Interesse der allgemeinen Wohlfahrt Opfer zuzumuten, sondern nur in ihrem eigenen Interesse . Es ist gar nicht so schwierig, den Abflußwässern ihre Inhaltsstoffe zu entziehen, und so dadurch das Wasser wieder einerseits soweit brauchbar zu machen, daß es ohne Schaden in die Flußläufe abgelassen werden kann, andererseits die Inhaltsstoffe in fester Form wieder zu gewinnen und in irgend welcher Weise wieder nutzbar zu machen. Eine Betrachtung der Inhaltsstoffe der Färbereiabwässer lehrt, daß dieselben zum großen Teil sich gegenseitig unschädlich machen und unlöslich ausfällen und daß der Rest durch Zufügung billiger Chemikalien in gleicher oder ähnlicher Form unlöslich abgeschieden werden kann. Die primitivste Vorrichtung zu einer derartigen Abflußwässerreinigung in rohen Umrissen wäre ein Teich oder Sumpf oder ein Bassin, in welches alle Abwässer ohne Unterschied abzulassen wären, und worin man ihnen Zeit zu gegenseitiger Unschädlichmachung und Abscheidung gäbe. Hauptsache ist und bleibt freilich, daß man sich erst von dem Gedanken losmacht, die Abwässer seien etwas Nutzloses. Sobald erst die bessere Erkenntnis durchdringt, daß man die Abwässer noch nutzbringend verwenden kann , wird auch von seiten der betreffenden Interessenten dieser Frage gewiß gern näher getreten werden. Größere Fabriken haben den offenbaren Nutzen solcher Einrichtungen schon eingesehen und die Resultate sind so günstige, daß ich hier einge Bei- spiele anführen möchte. In der jedem Leser dieses Buches sicherlich dem Namen nach bekannten Spindler schen Färberei sind 2 Sammelbassins angelegt, das eine etwas tiefer als das andere. In das höher gelegene wird alles Abwasser geleitet und dort der Ruhe überlassen; hier findet, teils durch gegenseitige Einwir- kung der gelösten Substanzen, teils durch die oxydierende Wirkung des Luft- sauerstoffes, eine mechanische Abscheidung alles Unlöslichen statt. Das darüberstehende klare Wasser wird dann in das zweite Bassin abgelassen und dort mit Kalkwasser und einer Lösung von Chlorcalcium Noch praktischer wäre eine Lösung von rohem Chlormagnesium. D. Verf. versetzt, wodurch Alkali- und Eisensalze, Gerbstoffe, Farbholzextrakte, Fette, Farbstoffe u. s. w. niedergeschlagen werden. Nach erfolgter Klärung ist das Wasser ziemlich farblos und enthält in der Hauptsache lösliche Kalkverbindungen und eine nur geringe Menge organischer Substanzen. Dieses Wasser läßt man dann durch den Erdboden in den Fluß sickern. Der feste Rückstand in den Sammelbassins aber wird getrocknet und in Gasretorten auf Leuchtgas ver- arbeitet. In dem Werke von Hummel-Knecht Färberei und Bleicherei der Gespinnstfasern. Berlin 1888. werden noch 2 sehr instruk- tive Beispiele erwähnt, welche darauf hinauslaufen, den sämtlichen Fettgehalt durch Kalk in Kalkseife überzuführen und diese durch Schwefelsäure zu zer- setzen; es wird so ein plastischer Brei von Fettsubstanz erhalten, welcher an Oelfabrikanten oder Seifensieder verkauft wird. In einer Aachener Fabrik wird das Abwasser der Rohwollwäscherei mit Kalk gefällt; der getrocknete Kalkniederschlag enthält fast 72 Prozent Fett- körper. Er dient, mit Kohle vermischt, zur Bereitung von Leuchtgas. In dieser Fabrik (E. Schwarzborn in Aachen) schätzt man, nach Abzug aller Herstellungskosten, den Wiedergewinn auf 30 Prozent des Wertes der beim Walken verbrauchten Seife. Auf die nationalökonomische Seite des Ver- fahrens verweist Hummel mit folgenden Worten: „Die Ersparnis, die man bei allgemeiner Befolgung einer Methode, wie die oben beschriebene, erzielen könnte, würde sich bei 500 Millionen Kilogramm Tuch, die nach den stati- stischen Tabellen jährlich in Europa gewalkt werden, auf nahezu 100 Millio- nen Kilogramm Kalkseife an obiger Zusammensetzung belaufen.“ Es versteht sich von selbst, daß diese Methode nicht als Universal- Methode aufgestellt werden soll; die Abwässer sind, je nach der Verschieden- artigkeit des Betriebes, verschiedene; demgemäß werden auch die Methoden der Reinigung und Wiedergewinnung oder sonstige Nutzbarmachung ver- schiedene, mehr oder minder abweichende sein können. Ueber diese etwaigen Abweichungen müßte eine Analyse der betreffenden Abwässer von Fall zu Fall entscheiden. Die teilweise Wiedergewinnung und Nutzbarmachung der Abfallwässer aber ist über jeden Zweifel festgestellt. Wenn der und jene Leser in seinem eigenen wohlverstandenen Interesse zu Anlagen dieser Art durch obige Auseinandersetzungen sich bewogen fühlt, so ist mein Zweck erreicht; er würde dadurch nicht nur sich selber nützen, sondern auch der Zahl jener mutigen Pioniere sich hinzugesellen, welche neben dem eigenen Interesse sich einen freien Blick bewahrt haben für die Wohlfahrt der Menschheit! § 102. Literatur-Uachweis. Ich schließe mein Handbuch mit einem Verzeichnis derjenigen Werke und Fachzeitschriften, welche ich bei Bearbeitung meines Themas benutzt habe und welche ich auch den Lesern zum Nachschlagen empfehlen möchte: Hummel-Knecht , Die Färberei und Bleicherei der Gespinnstfasern. Berlin, 1888. Stein , Die Bleicherei, Druckerei, Färberei und Appretur der baum- wollenen Gewebe. Braunschweig, 1884. Kertész , Die Anilinfarbstoffe. Braunschweig, 1888. Grothe , Katechismus für Färberei und Zeugdruck. Leipzig, 1885. Romen , Bleicherei, Färberei und Appretur der Baumwoll- und Leinen- waren. Berlin, 1885. Romen , Die Kolorie der Baumwolle. Wien, 1878. Schultz und Julius , Tabellarische Uebersicht der künstlichen organi- schen Farbstoffe. Berlin, 1888. Julius , Die künstlichen organischen Farbstoffe. Berlin, 1887. Geißler und Moeller , Real-Encyklopädie der gesamten Pharmacie. Wien, 1886 bis 1890. Delmart , Die Echtfärberei der losen Wolle. Reichenberg, 1888. v. Wagner , Jahresbericht der chem. Technologie. Leipzig, 1878 bis 1887. Heinzerling , Abriß der chemischen Technologie. Kassel, 1888. Bolley , Handbuch der chemisch-technischen Untersuchungen. Leipzig, 1885. Vitalis , Lehrbuch der gesamten Färberei. Weimar, 1854. Grison , Die Färberei. Weimar, 1861. Deutsche Färber-Zeitung. Dresden. Färberei-Muster-Zeitung. Leipzig. Romens Journal. Charlottenburg. Deutsches Wollengewerbe. Grüneberg. Oesterreichs Wollen- und Leinenindustrie. Reichenberg. Centralblatt für die Textilindustrie. Berlin. Chemiker-Zeitung. Cöthen. Neueste Erfindungen und Erfahrungen. Wien. Monatsschrift für die Textilindustrie. Leipzig. Monatsschrift für Spinnerei und Weberei. Leipzig. Textil Colorist. Philadelphia. Bulletin de Mulhouse. Mülhausen i. E. — de Rouen. Rouen. l’Industrie Textile. Paris. Nachtrag enthaltend die inzwischen neu in den Handel gekommenen künstlichen orga- nischen Farbstoffe und zur Färberei verwendeten Chemikalien. 1. Rote Farbstoffe . (Nachtrag zu § 67.) Von schwach sauren Farbstoffen sind als neu noch zu erwähnen: 1. Erythrosin extra N (Cassella \& Comp.) , ein Phtaleïn-Farbstoff, der besonders auf Seide angewendet wird und dem Rhodamin sehr ähnliche, gleich feurige Nüancen gibt; besonders die Färbungen mit ¼, ½ und 1 Prozent erinnern lebhaft an Rhodamin; die Färbung mit 4 Prozent gibt ein feuriges Rubinrot. Die Anwendung geschieht wie in Teil I, S. 167, angegeben. — Auch wird Baumwolle vielfach einfach auf kochsalzhaltigem Bade von 4° Bé. gefärbt. (Nachtrag zu § 68.) Sämtliche übrigen neuen roten Farbstoffe sind Azofarbstoffe. Nach ihrer Anwendung lassen sie sich unterscheiden in a) Woll-Farbstoffe , welche in saurem Bade mit Glaubersalz und Schwefelsäure gefärbt werden. Hierher gehören: 2. Orseille-Ersatz N (Cassella) kommt als Paste und als Pulver in den Handel, und gibt je nach der angewandten Menge matte Rosa bis dunkel Cerise Töne. Die Anwendung geschieht in kochendem Bade mit Schwefelsäure und Glaubersalz. Dieser Farbstoff egalisiert außerordentlich leicht und läßt sich sehr gut mit andern Farbstoffen kombinieren; so erhält man z. B. zusammen mit Indazin M (4 Teile Paste, 1 Teil Indazin) ein dunkles Lavendel, mit Indischgelb ein mattes Heliotrop, und verschiedene Mode- graus, je nach dem angewendeten Mengenverhältnis der einzelnen Farbstoffe. 3. Azorubin A (Cassella) zeichnet sich durch seine rein bläuliche Nüance aus, und läßt sich, wie das vorige, leicht mit anderen stark sauren Farbstoffen nüancieren. Mit 3 bis 5 Prozent Farbstoff erhält man sehr intensive Färbungen. 4. Azo-Eosin (Bayer \& Comp.) . Dieser Farbstoff gibt Töne von tief Fleischfarben bis zu einem dem gewöhnlichen Eosin nahekommenden Rot; die Farben zeigen aber vor denen mit Eosin den Vorteil größerer Lichtecht- heit. Man färbt Wolle mit 1 bis 2½ Prozent Azo-Eosin, 2½ Prozent Schwefelsäure und 10 Prozent Glaubersalz. Seide wird entweder in ge- brochenem Seifenbade oder unter Zusatz von 2 Prozent Essigsäure zum Färbe- bade gefärbt. 5. Apollorot (Geigy) gibt mittelrote Töne auf Wolle. Nach Julius färbt man mit 2½ Prozent Farbstoff, 4 Prozent Schwefelsäure und 10 Pro- zent Glaubersalz. 6. Walkrot (Cassella \& Comp.) ist ein Farbstoff, dessen chemische Konstitution noch nicht genau bekannt ist, aber der des Tuchrots nahe zu stehen scheint; er kommt in den Marken GR, FR \& FGG in den Handel und gibt dem Tuchrot ähnliche Farben, von denen die mit G und R die echte- sten sind; FR und FGG sind etwas weniger alkaliecht, aber sehr lebhaft färbend; besonders die Marke FR erinnert an das Oehler sche Tuchrot. Das Färben geschieht in saurem Bade mit Glaubersalz und Schwefelsäure; die Ausfärbungen vertragen eine Walke mit 5 Prozent Schmierseife bei 40° R. 7. Tuchrot 3 G (Bayer \& Comp.), Wollrot 3 G , ist die gelbste Nüance des Oehler schen Tuchrots, soll aber seiner chemischen Zusammen- setzung nach ein wesentlich anderer Körper sein. Er unterscheidet sich von dem Oehler schen Tuchrot auch schon durch die Anwendungsweise: er geht mit Zusatz von Kochsalz direkt an die Faser; um walkechte Farben zu er- zielen, muß man jedoch mit 3 Prozent doppelt chromsaurem Kali und 1 Pro- zent Schwefelsäure ansieden. Will man die Walkechtheit erhöhen, so passiert man die gefärbte Wolle auf frischem Bade durch eine 3 bis 5 prozentige Sodalösung, kochend heiß. — Tuchrot 3 G ist billiger als das Oehler- sche Tuchrot, es ist aber nicht so ausgiebig wie dieses. In der Stückfärbe- rei wird es mit Vorteil als Ersatz für Sandel angewendet. 8. Azo-Karmin (Bad. Anil. und Sodaf.) ist ein in Teigform in den Handel kommender blauroter Farbstoff, von blauerer Nüance und größerer Reinheit als die Orseille-Präparate und Orseille-Ersatz. Zum Färben mit Azo- Karmin ist nur ein geringer Zusatz von Schwefelsäure zum Färbebade not- wendig. Der Farbstoff geht nur langsam an, es ist daher langsames Kochen nötig. Die entwickelte feurige Nüance liegt zwischen Fuchsin S und Echt- rot D. Die Färbungen sind echt gegen Alkalien und lichtechter als Säure- fuchsin und Orseïlle-Präparate. Eignet sich besonders für hellere und mittlere Modefarben. b) Baumwoll-Farbstoffe , welche auf Baumwolle ohne vorheriges Beizen im alkalischen oder Seifen- bade ausgefärbt werden. 9. Diaminrot 3 B (Cassella \& Comp.) . Dieser Farbstoff gibt ein helleres und satteres Rot, als Congo. Die Färbungen sind aber nicht säureecht. Säurelösungen verwandeln die Farbe, obwohl nicht sofort, in ein dunkles Purpurrot; durch Seifen und Alkalien wird die ursprüngliche Färbung nur zum Teil wieder hergestellt; durch starke Säuren wird die Färbung bräunlichgelb, wodurch sie sich von den Congofarben unterscheidet. Durch Seifen wird diese letztere Färbung etwas heller, ohne daß sie blutet. Das Färben geschieht in einem Bade von circa 3 Prozent des Farbstoffs, 2½ Prozent Seife und 10 Prozent Pottasche; man kocht eine Stunde, nimmt heraus, spült und trocknet. Eine bedeutend hellere Farbe wird erzielt, wenn man die Baumwolle vorher mit zinnsaurem Natron gebeizt hat. Die Bäder ziehen nicht vollständig aus. 10. Naphtylinrot (Bad. Anilin- und Sodaf.) gibt keine besonders feurigen Färbungen, welche überdies weder licht- noch säureecht sind. Die Anwendung geschieht mit 4 Prozent Farbstoff, 3½ Prozent Seife und 5 Prozent Pottasche unter Zusatz von 5 Prozent Glaubersalz (oder Koch- salz oder Borax), indem man im Verlauf von 1 Stunde von kalt bis zum Kochen treibt. Die Färbungen sind seifen- und alkaliecht, werden aber durch Säuren in Blau übergeführt. 11. Brillant-Purpurin R ist ein neuer Farbstoff der Akt.-Gesellsch. für Anilinfabrikation und gibt ein fast reines Rot, welches (nach den Mit- teilungen des k. k. technologischen Gewerbe-Museums in Wien, III, S. 85 u. ff.) die bisherigen substantiven roten Baumwollfarbstoffe an Lichtechtheit bei weitem übertreffen soll. Auffallend erscheint der sehr bedeutende Glaubersalzzusatz von 50 Prozent , neben welchem noch 5 Prozent Seife und — je nach Nüance — 2 bis 5 Prozent Farbstoff notwendig sind. Das Ausfärben geschieht durch etwa einstündiges Kochen. Der hohe Glaubersalzzusatz soll jedoch notwendig sein, um ein gutes Angehen der Farbe zu bewirken. Das Färbebad wird nicht erschöpft. — Alles hier Gesagte gilt auch von 12. Erika (Akt.-Gesellsch. f. Anilinf.), welches hell karminrote Nüancen gibt, welche an die Farbe des blühenden Haidekrauts erinnern. Nachtrag zu Toluylenrot (S. 165). Statt des Schlusses: „Auf Wolle und Seide wird es seiner Lichtunechtheit wegen nicht angewendet“, muß es heißen: „ferner in der Seiden- und namentlich Halbseidenfärberei (Seide mit Baumwolle)“. Die Lichtechtheit ist nicht sehr bedeutend; immer- hin ist Toluylenrot bedeutend lichtechter als Fuchsin oder Safranin. Nachtrag zu Safranin (S. 165). Bei Anwendung ist Zeile 5 von unten hinter „Safflors“, einzuschalten: „stark für Halbseide“. Nachtrag zu Eosin (S. 167). Zur Anwendung ist am Schluß hinzuzufügen: „Auch wird Baumwolle vielfach einfach auf kochsalzhaltigem Bade (4° Bé.) mit Eosinfarbstoffen gefärbt. 2. Orange Farbstoffe . (Nachtrag zu § 72.) Die Orangefarben haben einen Zuwachs durch drei neue Farbstoffe er- halten, welche besonders auf dem Gebiet der Baumwoll-Färberei eine empfind- liche Lücke ausgefüllt haben. 1. Mikado-Orange (Leonhardt \& Comp.) ist der erste Repräsen- tant einer ganz neuen Klasse von Farbstoffen, von den Erzeugern „Mikado- Farbstoffe“ genannt. Diese Farbstoffe besitzen die Eigenschaft, aus einer stark kochsalzhaltigen Lösung Baumwolle direkt ohne irgend welche Beize substantiv zu färben. Von den Benzidinfarbstoffen unterscheiden sich die Mikado-Farbstoffe ganz wesentlich dadurch, daß sie nur Baumwolle färben, hingegen Wolle gar nicht. Das Mikado-Orange erscheint im Handel in den Marken G (gelblich), R (rötlich) und RR (rotorange). Diese Marken ziehen und egalisieren sehr gut und geben volle, feurige, licht- und waschechte Färbungen, echter als die Congofarben. Die Anwendung ist einfach; man bereitet sich ein Färbebad aus 1 bis 5 Prozent des Farbstoffes (je nach Nüance), gibt 25 Prozent Kochsalz hinzu (vom Gewichte der zu färbenden Ware), erwärmt bis auf 48° R., geht dann mit der Ware ein und steigert die Temperatur langsam zur Siedehitze, worauf man noch ½ Stunde im Kochen erhält; dann wird kalt gespült und getrocknet. Sehr merkwürdig ist, daß das Mikado-Orange auch Seide färbt, zu Wolle dagegen keine Verwandtschaft besitzt. Seide wird in schwach saurem Bade (mit Essigsäure) gefärbt. Halbseide wird unter Zusatz von Kochsalz und Essigsäure zum Färbebade gefärbt; man rechnet 1,5 bis 5 Prozent Farbstoff, 20 l Essigsäure von 25 Prozent und 50 Prozent Kochsalz. Man geht in das handwarme Bad ein, kocht eine Stunde, spült kalt, seift kurze Zeit in einem kalten Seifenbade aus circa 3 g Marseiller Seife pro Liter Wasser, spült hierauf wieder und trocknet. Eine Eigenschaft scheint mir jedoch noch nicht genügend gewürdigt zu sein: Das Fehlen jeder Verwandtschaft zur Wolle. Dadurch bietet sich uns ein Mittel zur Erzielung verschiedenfarbiger Effekte auf halbwollenen Geweben, von Effekten, wie sie bisher nur durch das Verweben vorher verschieden gefärbter Woll- und Baumwollgarne möglich war. Es wird gelingen, halbwollene Gewebe in zwei aufeinander folgenden Bädern, verschiedenartig zu färben. Ja es muß sogar bei richtiger Wahl des Wollenfarbstoffes ge- lingen, halbwollene Gewebe in einem Bade zweifarbig zu fär- ben , in ähnlicher Weise, wie ich das zweifarbige Färben der Halbseide (S. 628) beschrieben habe. 2. Toluylen-Orange (K. Oehler) ist gleichfalls ein substantiver Baumwollen-Farbstoff, welcher in den Marken G und R in den Handel kommt. Die Marke G gibt Nüancen, welche, vom zartesten Elfenbein und Crême beginnend, die sämtlichen Chamoistöne durchlaufen und bis ins tiefe Orange verlaufen. Die Marke R gibt alle Töne von der zartesten Lachsfarbe bis zum Orangerot. Die dunkeln Töne der Marke G gleichen einem reinen, die der Marke R einem mit Fuchsin übersetzten Chromorange. Die Färbungen widerstehen recht gut der Einwirkung des Sonnenlichtes, ebenfalls ist die Seifenechtheit eine bedeutende. Im allgemeinen ist die Marke G echter; ihr hoher Wert für die Baumwollen-Färberei ist darin zu suchen, daß sie ohne Eisen und ohne Beimischung eines andern Farbstoffes reine Chamoistöne gibt, und daß die damit erzielten dem Chromorange ähnlichen Nüancen die Waren nicht hart machen, daß vielmehr letztere ihren weichen Griff beibe- hält und durch Schwefelwasserstoffdämpfe nicht gebräunt wird, wie es beim Chromorange der Fall ist. Für die Anwendung gibt die Fabrik von K. Oehler in Offenbach folgende Färbevorschrift für Baumwollgarn . Dem möglichst kurzen Färbebade (circa 25 l Wasser auf 1 kg Garn) setze man 2½ kg Marseiller Seife zu und koche auf; den bei Verwendung von hartem Wasser sich bildenden Schlamm von Kalkseife entferne man sorg- fältig von der Oberfläche, setze 10 Prozent phosphorsaures Natron und den notwendigen Farbstoff zu, gehe ein und koche 1 Stunde lang. Wünscht man eine etwas rotere Nüance, so ersetzt man das phosphor- saure Natron durch 5 Prozent Soda oder Pottasche. Auf dem alten Färbe- bade kann weiter gefärbt werden. Konzentrierte Farbbäder werden nicht erschöpft. 1 bis 3 Prozent Farbstoff (auf die Ware berechnet) lassen ¼ bis ½ der angewandten Farbstoffmenge zurück, von ¾ Prozent (an ver- brauchtem Farbstoff) abwärts werden die Farbbäder mehr oder weniger aus- gezogen. Dementsprechend ist das alte Bad mit Farbstoff, ebenso nach je zwei weiteren Partien Ware mit Beize aufzufrischen. Für einfarbige Ware bestimmte Garne brauchen nicht gewaschen zu werden, dagegen muß dies bei neben Weiß zu verwebendem Material ganz sorgfältig geschehen. Gleich anderen Farbstoffen dieser Gruppe kann auch Toluylen-Orange G als Beize für basische Farben, als: Fuchsin, Methylviolett, Benzalgrün, Aethylenblau ꝛc. zur Herstellung von Mischfarben dienen. Andere Pflanzenfasern lassen sich auf gleiche Weise mit Toluylen-Orange G färben. Leinen und Jute nehmen einen ähnlichen Ton an wie Baumwolle; Chinagras und Hanf färben sich röter. Tierische Textilfasern, besonders Seide, färben sich nach gleicher Färbemethode bedeutend gelber als Baum- wolle. Wolle läßt sich auch durch einstündiges starkes Kochen unter Zusatz von Glaubersalz (10 Prozent) in satter und dabei walkechter Nüance färben. Das Toluylen-Orange eignet sich auch vortrefflich zum Druck, besonders als Klotzfarbe; doch gehört das nicht in den Rahmen dieses Buches. Hier- für sich Interessierende finden Ausführliches darüber in der „Deutschen Färber-Zeitung“ 1889, Nr. 15. 3. Orange GG (Cassella) ist ein orangegelber Oxy-Azofarbstoff in Krystallen, der in Hinsicht auf seine chemische Zusammensetzung dem auf S. 174 beschriebenen Ponceau 2 G nahe steht, wenn nicht demselben isomer ist. Die Anwendung ist die gleiche, wie bei allen Oxy-Azofarbstoffen (S. 177). 3. Gelbe Farbstoffe . (Nachtrag zu § 72.) Von den sechs neuen gelben Farbstoffen gehören zwei jener neuen Klasse von Farbstoffen an, welche ohne alle Beize sowohl tierische als pflanz- liche Gespinnstfasern färben, und gleichzeitig gewissermaßen die Grundlage abgeben für eine weitere Anzahl von scharlach, roten, orangen bis braunroten Farben, welche auf dem vorhandenen gelben Grunde nach vorhergegangener Diazotierung mittels sogenannter Entwickler gewonnen werden. Hierher gehören: 1. Polychrom (Geigy \& Comp.) . 2. Thiochromogen (Dahl \& Comp.) . Das Polychrom und das Thiochromogen zeigen mit dem Primulin so vielfache Uebereinstimmung in ihren Eigenschaften und in ihrer Anwendung, daß sie vielleicht dasselbe Produkt und lediglich anderer Provenienz sind. Das Thiochromogen zeigt aber ein mehr grünliches Gelb. Polychrom färbt Pflanzenfaser direkt schön gelb. Die Anwendung ist sehr einfach. 15 Prozent Kochsalz und 5 Prozent Polychrom geben in einer halben Stunde ein sehr sattes Gelb. Es wird kochend gefärbt; das Bad kann weiter benutzt werden, wobei 3 Prozent Polychrom und 5 Pro- zent Kochsalz dieselbe Farbe geben. Nach dem Färben waschen und trocknen. Wird nun die Ware zuerst diazotiert und dann in verschiedenen „Entwicklern“ weiter behandelt, so erhält man aus der gelben Ware Orange oder Rot, je nach der Zusammensetzung des Entwicklers. Das Diazotierungsbad ent- hält 40 bis 45 g salpetrigsaures Natrium und 10 bis 15 g Schwefelsäure pro Liter Wasser. In diesem Bade bleibt die Ware 2 bis 3 Minuten, wird hierauf abgewunden, gut gewaschen und kommt in das Entwicklerbad. Dieses besteht für Orange aus einer 5 prozentigen wässerigen Lösung von Resorcin und für Rot aus einer 5 prozentigen wässerigen Lösung von Naphtol. Die Farbe entwickelt sich sehr schnell in diesen Bädern, man windet ab, wäscht hierauf sehr gut und trocknet. Das Diazotierungsbad, sowie die Entwicklerbäder können mehrmals verwendet werden und wird für jede Partie Ware die Hälfte der oben angegebenen Chemikalien- und Entwicklermenge zu- gegeben. Zur Erlangung guter Färbungen ist es notwendig, die Färbung mit Polychrom genau und satt durchzuführen, nach dem Diazotieren sehr gut zu waschen und die Ware nach kurzer Zeit in die Entwicklerbäder zu bringen. Bleibt die Ware nach dem Diazotieren längere Zeit liegen, so zersetzt sich das gebildete Diazoprodukt, wodurch dann schlechte Resultate entstehen. Die entstehenden Farben sind recht hübsch, sehr echt beim Waschen und Seifen, beständig gegen schwache Säuren und Laugen; über die Licht- beständigkeit liegen derzeit noch keine Beobachtungen vor. Thiochromogen Nach „Oesterreichs Wellen- und Leinen-Industrie“ 1889, 397. ist, wie das Primulin und das Polychrom, in Wasser löslich und färbt die verschiedenen Gewebefasern, Wolle, Seide, Baumwolle ohne Vermittelung einer Beize grüngelb. Man färbt z. B. 100 kg Baum- wolle unter Zusatz von 20 bis 30 kg Kochsalz in 0,5 bis 5 kg Thio- chromogen, je nach der gewünschten Nüance, indem man die Ware ½ bis 1 Stunde im kochenden Farbbade umzieht. Dann wird, wie beim Primu- lin und Polychrom, gut gewaschen, und das Gelb während ¼ Stunde im kalten, 0,125 bis 1,250 kg salpetrigsaures Natrium und 0,25 bis 2,5 kg Schwefelsäure enthaltenden Bade, diazotiert. Die Stärke des Thiochromogen- bades richtet sich nach der Intensität der Farbe, für welche das Gelb die Rolle eines Mordants übernimmt und von ihr hängt wieder die Stärke des Diazotierungsbades ab. Nach dem Herausgehen aus der Nitritlösung wird sofort gut gewaschen und ohne Aufenthalt in das 40 bis 50° C. warme Entwicklerbad gegangen, in welchem der Aufenthalt wiederum ¼ Stunde dauert. Schließlich wird gewaschen und getrocknet. Dahl \& Comp . liefern 7 Entwickler, welche, in kochendem Wasser gelöst, zugleich mit 1 bis 2 Prozent ihres Gewichts kalcinierter Soda in das Entwickler- oder das eigentliche Farbbad gegeben werden. — Färbesalz I, Schäffers β-Naphtolmonosulfosäure, liefert ein Scharlachrot, wenn von demselben 1,2 kg auf 1 kg verbrauchtes Thiochromogen genommen wird. — Von Färbesalz II, β-Naphtol, verwendet man 0,5 kg (gelöst mit Hilfe von 0,625 kg Lauge) auf 1 kg verbrauchtes Thiochromogen, um ein schönes Türkischrot zu erhalten. — Färbesalz III , vermutlich eine Mischung von I und II , gibt ein Rubinrot, wenn im Verhältnis von 1,3 kg Färbesalz auf 1 kg Thiochromogen gefärbt wird. — Mit 8 kg Färbesalz IV (β-Naph- toldisulfosäure) auf 1 kg des gelben Farbstoffs resultiert im Farbbade ein Grenat, während 0,4 kg Färbesalz V (Phenylendiamin) mit 1 kg vorge- färbtem Gelb ein Braun liefert. Färbt man mit Nr. V Dunkelbraun, so wird, wie beim Primulin, das Nitrit- und das Entwicklerbad mehrmals wiederholt, eventuell auch in einem Chromkalibad gedunkelt (auf 100 kg Ware 3 kg saures chromsaures Kalium). — Vom Färbesalz VI (Resorcin) wird zum Färben so viel wie vom Färbesalz V genommen, um ein Orange zu erhalten. — Reingelb liefert das Färbesalz VII , Phenol in alkalischer Lösung, indem auf 1 kg verbrauchtes Thiochromogen 0,35 kg Phenol und 0,56 kg Lauge gerechnet werden. — Wird die aus dem Nitritbade heraus- genommene und gewaschene Ware mit Bismarckbraun und Chrysoidin auf- gefärbt, so resultieren hierbei ganz echte braune Farben, wie überhaupt sämtliche nach diesem Verfahren erhaltenen Farben gegen Wasser, Seife und Säuren sich vollkommen echt verhalten. Betreffend die Lichtechtheit wird ihnen das Zeugnis „befriedigend“, ausgestellt, eine Note, welche für die Carriere dieser Farben immer noch nicht als genügend betrachtet werden kann. Noch ist zu bemerken, daß die mit Thiochromogen auf den Gewebe- fasern hergestellten Farben weiterhin imstande sind, basische Farbstoffe (Fuchsin, Auramin ꝛc.) aufzunehmen, d. h. sich durch dieselben echt überfärben und beliebig nüancieren zu lassen. Zwei weitere gelbe Farbstoffe gehören den neutralen Farbstoffen an. Es sind Baumwoll-Farbstoffe, welche auf mit Tannin und Brechweinstein ge- beizter Baumwolle angewendet werden. Hierhin gehören: 3. Benzoflavin (K. Oehler) . Dasselbe gibt rein gelbe Nüancen, welche sich durch große Seifen- und Säure-Echtheit auszeichnen. Man löst nach der Oehler schen Original-Vorschrift den Farbstoff, in- dem man 1 Teil in 100 Teile kochend heißes Wasser, dem man vorher 1 Teil konzentrierte Essigsäure zugesetzt hatte, einrührt und ¼ Stunde kocht. Die Lösung gebe man durch ein feines Haarsieb dem Farbbade zu. Erkaltete Lösungen sind vor dem Gebrauch zu erwärmen. Man färbt auf mit Tannin und Antimon in bekannter Art gebeizte Baumwolle, geht lau- warm ein und steigt bis zu 80° C., doch kann man ohne Nachteil bis zum Kochen erhitzen. Auch ohne Beize gibt Benzoflavin schöne Nüancen, die allerdings nicht waschecht sind, aber dennoch für manche Zwecke dienen dürften. Benzoflavin ist das beste Nüancierungsmittel für Grün, sowohl für sattes, als Lichtgrün; ebenso läßt sich Benzoflavin zusammen mit Safranin zu schönen und waschechten Ponceaus verwenden. 4. Thioflavin T (Cassella \& Comp.) ist nach Angabe der Fabri- kanten methyliertes Primulin und erzeugt grünstichige Nüancen, von denen die auf Seide fast gelbgrün zu nennen sind. Die Anwendung geschieht auf Baumwolle durch Beizen nach dem bekannten Tannin-Brechweinstein-Ver- fahren; das Ausfärben geschieht in einem 60 bis 80° R. warmen Bade, aber unter Zusatz von Salzsäure, Essigsäure oder Alaun. Nach mir vor- liegenden Ausfärbungen gibt ⅛ Prozent Thioflavin T auf Baumwolle ein lichtes Kanariengelb, ¼ Prozent ein reines Schwefelgelb, ½ Prozent ein Citronengelb, 2 Prozent ein Goldgelb; besonders lebhafte Nüancen erzielt man, wenn man mit ungefärbtem Tannin beizt und in mit Salzsäure ange- säuertem Bade färbt. Auf Seide färbt man im kochendem Seifenbade, spült in reinem Wasser und aviviert kalt mit Schwefelsäure. Die Färbungen auf Seide, besonders die mit wenig Farbstoff, zeigen eine stark grüne Fluores- cenz und erscheinen bei künstlicher Beleuchtung fast weiß. Das Thioflavin dürfte sich daher auch für das Weißnüancieren von Seide empfehlen. Wolle wird auf neutralem Bade gefärbt. Auf Leder gibt Thioflavin T gleichfalls eine schöne, reine, grünlichgelbe Nüance. Die Felle werden vor dem Färben schwach mit Salzsäure behandelt, dann auf frischem Bade ausgefärbt. Auch in der Druckerei werden mit Thioflavin T schöne Effekte erzielt. Thioflavin T ist in hohem Grade wasch- und säureecht; seine Lichtechtheit soll größer sein, als die der meisten ähnlichen gelben Farbstoffe. Die beiden neuesten Erscheinungen auf dem Markte der gelben Farb- stoffe (Frühjahr 1889) sind saurer Natur. 5. Carbazolgelb W (Bad. Anilin- und Sodaf.), ein schwach saurer Anthracenfarbstoff, kommt Nach Centralbl. f. d. Textil-Industrie 1889. in Pulverform in den Handel und zeichnet sich durch seine feurigen gelben, dem Gelbholz und Quercitron ganz ähnlichen Nüancen aus. Carbazolgelb ist waschecht und färbt sich sehr gut in Ver- bindung mit Alizarinfarben. Die Flotte zieht gut aus und ist ein guter Ersatz für Galloflavin, das bei seinem nicht billigen Preise nur matte gelbe Farben liefert und nur wenig ausgiebig ist. Auf Kupferkesseln gefärbt, wird die Farbe etwas trüber, grünlicher. Das Carbonisieren mit Chlormagnesium verträgt Carbazolgelb sehr gut, denn es verändert sich nicht im geringsten. Nur der eine Uebelstand ist bei dieser Farbe zu beachten, daß sie nicht säureecht ist, und durch mineralische Säuren sofort grasgrün wird. Die Färbeweise ist dieselbe, wie die der Alizarinfarben. Man beizt mit 3 Pro- zent Chromkali und 2½ Prozent Weinstein, läßt 1½ Stunden kochen und färbt auf frischem Wasser mit Carbazolgelb bei Zusatz von Essigsäure ½ Stunde kalt bis 2 Stunden kochend aus. Eine Ausfärbung von ½ Pro- zent Carbazolgelb W liefert ein Gelb, wie vergleichsweise eine Ausfärbung von 35 Prozent Gelbholz oder 30 Prozent Quercitron, und eine Ausfär- bung von 2 Prozent Carbazolgelb gibt ein Gelb, wie vergleichsweise eine Nüance von 40 Prozent Quercitron und 3 Prozent Zinnsalz. 6. Thioflavin S (Cassella \& Comp.) ist das Natriumsalz der methylierten Sulfosäure der Primulinbase; es wird in gleicher Weise, wie die Benzidinfarbstoffe, auf Baumwolle in neutralem Bade unter Zusatz von Glaubersalz allein oder in kochendem Seifenbade (5 Prozent Seife vom Gewicht der Baumwolle) ausgefärbt; statt der Seife kann das alkalische Bad auch mit Soda oder zinnsaurem Natron bereitet werden. Man läßt ½ Stunde kochen, wäscht gut und trocknet im Schatten. Die Bäder ziehen nicht aus. Die mir vorliegenden Ausfärbungen auf Baumwolle sind wesentlich heller als die mit Thioflavin T , so daß letzterem eine größere Deckkraft zugeschrie- ben werden muß. Es zeichnet sich durch seinen brillanten Farbenton aus; seine Lichtechtheit ist gering, doch gewinnt dieselbe, wenn man die Färbungen durch ein kochendes Bad passiert, dem man 5 Prozent Kupfervitriol zuge- setzt hat; es verträgt die stärkste Seife, ohne auf Weiß abzulassen. Ganswindt , Färberei. 42 Nachtrag zu Primulin (S. 192). Neuerdings (Ende Mai 1889) ist auch die Darstellung und Zusammensetzung des Primulins bekannt ge- worden. Danach ist das Primulin die Monosulfosäure einer neuen Farb- stoffbase, welche sich neben noch einer zweiten in der Zusammensetzung nahe- stehenden Base bildet, wenn 2 Mol. Para-Toluidin mit 5 Mol. Schwefel so lange erhitzt werden, bis kein Schwefelwasserstoff mehr entweicht. Von diesen beiden Basen ist die eine Thio-Toluidin , die andere Dehydro-Thioto- luidin genannt worden. Wie sie sich zu einander verhalten, geht am besten aus den beiden Formeln hervor: Thio-Toluidin S (C 7 H 6 · NH 2 ) 2 Dehydro-Thiotoluidin S (C 7 H 6 · N) 2 . Das Primulin wäre demnach Dehydro-Thiotoluidin-Monosulfosäure. Dieser interessante Einblick in die Konstitution des Primulins bestätigt aufs beste die von mir beim Polychrom und Thiochromogen ausgesprochene Ansicht Auch bereits „Deutsche Färber-Zeitung“ 1888, Nr. 36. , daß wir in diesen beiden Körpern entweder dieselben oder doch sehr nahestehende Farbstoffe vor uns haben. Sie illustrieren auch in interessanter Weise die Beziehungen derselben zum Thioflavin. 4. Grüne Farbstoffe . (Nachtrag zu § 73.) Von grünen Farbstoffen ist nur ein neuer Anthracen-Farbstoff der Bad. Anilin- und Sodafabrik zu nennen: das Alizaringrün , ein dem Coeruleïn nahestehender Körper. Die Bad. Anilin- und Sodafabrik in Ludwigshafen bringt denselben seit Dezember 1888 in den Handel, und zwar in 2 Mar- ken S W für Wolle und S in Teigform für Kattundruck. Während aber Coeruleïn ein gelbstichiges Grün ist, zeigt Alizaringrün stark bläuliche Töne . Das schönste reine Grün erhält man bei Verwendung gleicher Ge- wichtsmengen Coeruleïn und Alizaringrün. — Anwendung : Auf vorge- beizte Wolle wie die andern Alizarinfarben. Die von Seiten der Bad. Anilin- und Sodafabrik vorgeschriebene Beize lautet: 3 Prozent (vom Ge- wicht der Wolle) Kaliumdichromat und 2½ Prozent Weinstein. 1½ bis 2 Stunden kochen, die Wolle auswerfen, über Nacht in Körben stehen lassen, gut spülen. Der Zusatz von Essigsäure zum Färbebade ist auch bei Alizarin- grün notwendig, doch mit der Abänderung, daß der Zusatz nicht gleich beim Beginn des Färbens, sondern erst dann gemacht wird, wenn das Färbebad die Temperatur von 55° R. erreicht hat; auch soll das Zugeben der Essig- säure nur in kleinen Portionen geschehen. Die Färbungen sind durchaus echt . Was dem neuen Alizaringrün noch besondern Wert verleiht, ist seine leichte Kombinierbarkeit mit den übrigen Alizarinfarben. Der Kombination mit Coeruleïn zur Erzeugung eines reinen Grüns ist bereits oben gedacht. Ebenso wichtig ist die Kombination mit Alizarinblau, welche indigoblaue Töne gibt; so erhält man mit 2½ Prozent Alizaringrün S W und 2½ Prozent Alizarinblau S W (beide in Teigform) ein helles, mit je 5 Prozent ein mittleres und mit je 10 Prozent ein dunkles Küpenblau. Durch Kombi- nieren mit Galloflavin W erhält man hellgrüne bis jagdgrüne Nüancen, auch hellgrüne Modefarben, wie Schlammgrün ꝛc.; durch Kombinieren mit Anthracen- braun und Alizarinschwarz verschiedene modegraue Töne. Desgleichen lassen sich die Alizaringrün-Färbungen durch einen Aufsatz mit einem anderen grünen, gelben oder blauen Wollfarbstoff beliebig nüancieren. Nachtrag zu Naphtolgrün B (S. 198). Bei der Anwendung Zeile 4 und 5 von unten muß es statt „mit Naphtolgelb S und mit Indigo- karmin“ hinter kombinieren heißen: „mit Indischgelb, Indazin, Orange II. ꝛc.“ 5. Blaue Farbstoffe . (Nachtrag zu § 74 u. 75.) a) Neutrale blaue Farbstoffe . 1. Benzoschwarzblau (Bayer \& Comp.) ist ein neutraler Azo- Farbstoff (wie § 74, 1), welcher Baumwolle direkt färbt, und sich gegenüber dem Benzoazurin und Azoblau durch seine dunkelblauen Töne, die bei hellen Nüancen nicht ins Rötliche gehen, auszeichnet. Die Färbeweise geschieht am besten mit 4 Prozent Pottasche im Seifenbade eine Stunde kochend, und er- hält man mit 3 Prozent Farbstoff ein schönes Dunkelblau. Statt Pottasche kann man auch phosphorsaures Natron anwenden. Der Farbstoff ist gegen Säure und starke Alkalien sehr beständig und daher sehr waschecht, nur muß man nach dem Färben sehr gut waschen, damit der unangenehme rötliche Ton der Farbe verschwindet. Durch das Benzoschwarzblau, das eigentlich den Namen wegen seiner Farbe nicht verdient, da es weniger ein Schwarz- blau als mehr ein mäßiges Dunkelblau ist, ist der eine Uebelstand bei den direkt färbenden blauen Farbstoffen auf Baumwolle gehoben, nämlich der, daß man bei Benzoazurin und Azoblau keine dunklen Töne hervorzubringen imstande ist, auch wenn man noch soviel Farbstoff zusetzt. Deshalb kann das Benzoschwarzblau als Grund für Dunkelblau und zum Dunkeln für Modefarben, auch zu Braun, gefärbt mit Benzobraun (S. 663), ganz vorteilhaft verwendet werden. In der Baumwoll-Stückfärberei dürfte es sich als Untergrund für Küpenblau ganz gut bewähren. Ein großer Uebelstand bei Benzoschwarzblau, überhaupt bei allen direkt färbenden Baumwoll-Farbstoffen, besteht darin, daß die Färbeflotten nicht ausgezogen werden. 2. Paraphenylenblau (Dahl \& Comp.) ist (nach dem Textile Colorist 1888, 337) ein dem vorigen sich anreihender neutraler wasserlös- licher Farbstoff, und liefert ein gegen Säure und Alkalien vollkommen echtes Blau, welches in vielen Fällen das Indigblau zu ersetzen vermag. — Anwendung : Gut angefeuchtetes Baumwollgarn wird warm mit 4 bis 6 Prozent Tannin präpariert, indem man es 4 bis 8 Stunden in der Tanninlösung eingelegt läßt. Dann wird das Garn mit 2 bis 3 Prozen Brechweinstein behandelt, in dessen Lösung es wieder 1 bis 2 Stunden ver- weilt, und nach gründlichem Waschen mit Paraphenylenblau ausgefärbt. Man geht am besten bei 25° C. in das Blaubad ein und steigt mit der Temperatur während des Färbens langsam bis zu 80° C. Um die blaue Farbe möglichst echt auf der Baumwolle herzustellen, gibt man noch ein heißes 0,1 bis 1,5 prozentiges Chrombad, je nach der Intensität der ge- wünschten blauen Farbe. Ein zu starkes Chromieren muß vermieden wer- 42* den, weil es der Lebhaftigkeit und Reinheit der Nüance schadet. Auch andere Oxydationsmittel, wie chlorsaures Kali, Eisenchlorid ꝛc. lassen sich an Stelle des Chromkalis verwenden; jedes derselben nüanciert den Blauton wieder in anderer Weise. Eine zweite Vorschrift für das Färben mit Paraphenylenblau gibt an, die Baumwolle mit 5 Prozent Tannin zu präparieren, dann in eine Mischung von essigsaurem Chrom (1 bis 2° Bé.) mit einer Lösung von ungefähr 2 Prozent Brechweinstein mindestens 6 Stunden oder über Nacht einzulegen, zu waschen und auszufärben bis zur Erschöpfung der Farbflotte, welcher man zuletzt noch eine geringe Menge von obigem essigsaurem Chrom zufügt, um die Farbe möglichst rein und echt zu erhalten. Von besonderem Wert erweist sich die Säurefestigkeit des Paraphenylen- blaus bei der Halbwollen-Färberei. Während bei Verwendung anderer Farb- stoffe zuerst der Wollfaden und dann erst der Baumwollfaden gefärbt wird, wobei ersterer entweder von seiner Farbe verliert oder von der zweiten Flotte Farbstoff im Ueberschuß aufnimmt, kann bei diesem Blau zuerst der Baum- wollfaden und dann der Wollfaden in saurem Bade ausgefärbt werden, wo- durch das spätere Abfärben des Wollfadens vermieden wird. — Aus dem- selben Grunde erweist sich ferner das Paraphenylenblau sehr brauchbar, wenn ein Halbwollstoff zweifarbig oder wenn Futterstoffe, welche Wolle, Baumwolle und Seide enthalten, dreifarbig verlangt werden. Der Baumwollfaden wird dann wieder in erster Linie fertig blau gefärbt und chromiert, hernach wird der Wollfaden beliebig hellblau, rot, grün, olive oder grau gefärbt, wobei jedoch die Wahl der Farbstoffe so getroffen werden muß, daß dieselben wenig Neigung haben, sich mit dem Seidenfaden zu verbinden; dieser selbst kommt in der Ausfärbung zuletzt an die Reihe. Schließlich sei noch erwähnt, daß das Paraphenylenblau von der Fabrik in drei Nummern für drei verschiedene Blautöne geliefert wird, und daß dasselbe sich ganz gut in Gesellschaft mit Auramin, Cerise, Bismarckbraun und Methylviolett anwenden, sowie auf Eisengrund auffärben läßt. 3. Pelikanblau (Zimmer) ist gleichfalls ein neutraler Farbstoff von indigblauer Nüance und kommt in Form eines dicken Teiges in den Handel, von welchem 2 Teile sich in 1 Teil Essigsäure lösen. Es gibt auf Baum- wolle echte Färbungen, welche durch Hinzufügung anderer neutraler Farbstoffe (z. B. Methylenblau, Malachitgrün ꝛc.) zur essigsauren Lösung des Farbstoffes entsprechend nüanciert werden können. Das Pelikanblau ist echt gegen Licht, Luft und Säure und ziemlich widerstandsfähig gegen Alkalien. Nach „Oesterr. Wollen- und Leinenindustrie“ ertragen die Färbungen eine 50° R. warme, mit Soda versetzte, 10 prozentige Seifenlösung ganz gut, gewinnen sogar dabei an Reinheit und Lebhaftigkeit. — Anwendung : Nach dem Tannin-Brechweinstein-Verfahren unter Zusatz von etwas Alaun und unter langsamer Steigerung der Temperatur der Blauflotte, bis dieselbe ganz aus- gezogen ist. Zuletzt wird die gefärbte Baumwolle durch ein warmes sodahal- tiges Seifenbad oder nur durch ein Sodabad passiert. 4. Solidblau 9 R R (Kalle \& Comp.) ist ein hübsches gleichmäßiges Blau mit Rotstich und wird in gleicher Weise wie das vorhergehende, be- sonders für Baumwollengarn angewendet. 5. Indazin (Cassella) ist ein neutraler Safranin-Farbstoff (Phenyl- dimethylamidophenetolimidophenazoniumchlorid) in Form eines blauschwarzen Pulvers, welches sich in Wasser — namentlich auf Zusatz von Salz- oder Essigsäure — mit rotblauer Farbe löst. Das Indazin besitzt eine starke Deckkraft und zeichnet sich durch indigoähnliche Töne aus, welche einen hohen Grad von Licht- und Seifen-Echtheit besitzen. Es erscheint in 4 Marken im Handel, M , GB , L und P , von denen P als reines Indigblau, L als Schwarzblau, GB als grünstichiges, M als rotstichiges Blau bezeichnet wer- den kann. Indazin ist vielseitiger Anwendung fähig; es färbt sowohl tierische wie pflanzliche Gespinnstfasern. Wolle wird im schwach sauren Bade mit ½ bis 2 Prozent Farbstoff ausgefärbt. Man kann auch mit Kalium- dichromat und Weinstein oder Schwefelsäure vorbeizen und dann mit Ind- azin ausfärben; gleich gut läßt sich Indazin als Untergrund oder als Auf- satzfarbe für Holzfarben benutzen, wie auch in Mischung mit denselben. Der Farbstoff besitzt auf Wolle ein großes Egalisierungsvermögen und ist höchst alkalibeständig. Baumwolle wird mit Tannin und Antimon vorbe- reitet und dann lauwarm in schwach angesäuertem Bade ausgefärbt. Auf Seide gibt Indazin M besonders wirkungsvolle Nüancen; man färbt in schwach angesäuertem Seifenbade und erhält mit Indazin M (1 bis 4 Prozent) leuchtende, mittel bis dunkel stahlblaue Töne. Auf Seide zeigt sich auch die Kombinationsfähigkeit mit sauren Farbstoffen sehr schön. So geben gleiche Teile Indazin M und Säuregrün extra konzentriert ( Cassella ) ein schönes Pfauengrün, welches bei Gaslicht dunkler erscheint; gleiche Teile Indazin M und Indischgelb G ein intensives Russischgrün, welches bei Lampenlicht in ein Violettbraun übergeht; gleiche Teile Indazin M und Orange extra geben ein dunkles Goldbraun. Die Kombinationsfähigkeit des Indazins läßt es auch für Halbseiden mit wollenem Schuß als wertvoll erscheinen, z. B. für Popeline und ähnliche Gewebe. 6. Diaminblau (Cassella) gehört zu den Baumwolle direkt färben- den Stoffen, und erscheint in den Marken B (bläulich) und R bis 3 R (rötlich) im Handel. Es wird aus Oxydiphenyl-Basen dargestellt und gibt die Marke B dem Indazin ähnliche, die Marke 3 R dem Benzoazurin ähnliche Nüancen. Man färbt in kochendem Bade während ½ bis ¾ Stunden unter Zusatz von 1 bis 4 Prozent Farbstoff, 15 Prozent Glaubersalz und 5 Pro- zent Soda. Die Bäder ziehen nicht aus; für weitere Färbungen genügt ⅓ der ersteren Zusätze von Glaubersalz und Soda, sowie geringerer Farb- stoffzusatz. Das Diaminblau zeichnet sich durch großes Färbevermögen, be- deutende Echtheit und leichte Mischbarkeit mit andern direkt färbenden Farb- stoffen aus und eignet sich daher zur billigen Herstellung ganz dunkler Farb- töne. 7. Metaminblau (Leonhardt \& Comp.) scheint dem Diaminblau nahezustehen; es färbt Baumwolle, die nach dem Tannin-Brechweinstein-Ver- fahren vorgebeizt ist, und zwar gibt die Marke B ein Reinblau mit violettem Schein, die Marke G ein Indigblau, die Marke GB eine zwischen diesen beiden liegende Nüance. b) Schwach saure blaue Farbstoffe . 8. Alizarin-Indigblau (Bad. Anilin- und Sodafabr.) ist ein neuer Alizarinfarbstoff. Er findet, wie alle Alizarinfarben, Anwendung auf chrom- gebeizter Wolle. Das Alizarinindigblau kommt in den Marken SW und SMW , beide in Teigform, in den Handel, und gibt die Marke SW indigblaue Färbungen, welche den aus gleichen Teilen Alizarinblau und Alizaringrün sehr ähnlich sind; die Marke S M W gibt dunklere und reinblaue Töne, welche jedoch erst bei Anwendung von 25 bis 30 Prozent Farbstoff einen eigentlichen Indigo- ton zeigen. 9. Schwarzblau (M. L. \& Br.). Dieser Farbstoff scheint sich mehr als Untergrund für andere saure Farbstoffe zu eignen. Anwendung findet es nur auf Wolle in der Art, daß man in einem ersten Bade mit dem Farbstoff und dem gleichen Gewicht Weinstein den Untergrund färbt und dann auf neuem Bade die eigentliche Farbe entwickelt, z. B. mit Säuregrün und Schwefelsäure ein Graublau, mit Orange, Scharlach 2 R und Schwefel- säure ein schönes Rotbraun. Nachtrag zu Wasserblau 6 B extra (S. 205). In Zeile 2 von oben muß es statt „Opalblau“ heißen: „ Reinblau “. 6. Violette Farbstoffe . (Nachtrag zu § 78 u. 80.) 1. Paraphenylenviolett (Dahl) ist ein neutraler Farbstoff und entspricht in Zusammensetzung, Eigenschaften und Anwendung dem von der- selben Firma in den Handel gebrachten Paraphenylenblau, so daß lediglich auf dieses (Nachtrag, S. 659) hingewiesen zu werden braucht; das Violett ist aber nicht ganz so echt wie das Blau. Beide können auch zusammen gefärbt werden. 2. Echtviolett (Bayer) ist ein stark saurer Farbstoff, welcher bläu- liche Nüancen gibt. Die Färbungen sind vollkommen licht- und luftecht, und widerstehen schwachen Säuren, werden aber von starken Säuren in Grün umgewandelt, von Alkalien und Seife werden sie nicht angegriffen, sind also walkecht. — Anwendung : Auf Wolle in saurem Bade mit Glaubersalz und Schwefelsäure oder auf mit Kaliumdichromat vorgebeizter Wolle, nach bekannter Methode. Bemerkenswert ist eine Kombination von Echtviolett und Echtgrün ( Bayer ), wodurch nicht der sonst übliche Indigoton, sondern ein ziemlich echtes, sattes Schwarz erhalten werden soll. 3. Säureviolett 2 B (Bad. Anilin- und Sodaf.) ist ein stark saurer Farbstoff und gibt Nüancen wie Methylviolett 2 B. Es soll das Indigo- karmin ersetzen, und mit allen andern stark sauren Farbstoffen kombiniert werden können, sowie sich durch leichtes Egalisierungsvermögen auszeichnen. Es kommt soeben in den Handel (Ende Mai 1889). 7. Braune Farben . (Nachtrag zu § 81.) 1. Mikado-Braun (Leonhardt \& Comp.) ist ein Repräsentant der Mikado-Farbstoffe (Ausführliches s. Nachtrag, S. 652 und 653) und besitzt deren vortreffliche Eigenschaften. Es erscheint im Handel in 2 Marken, G (gelblich) und R (rötlich. Die erhaltenen Färbungen sind viel echter und widerstandsfähiger, als die mit Bismarckbraun. — Anwendung : wie bei Mikado-Orange, doch muß der Kochsalzzusatz auf 100 Prozent erhöht werden, d. h. man muß ebensoviel Kochsalz zufügen, als die zu färbende Ware wiegt. Mikado-Braun wird auf Baumwolle, Seide und Halbseide gefärbt. 2. Benzobraun (Bayer) ist ein Baumwolle direkt färbender Farb- stoff und kommt in den Marken G , B und N B vor. Nach Julius Romens Journal 1888, 201. scheint es weder ein Benzidin- noch ein Stilbenfarbstoff zu sein. — An- wendung : Man färbt auf Baumwolle mit 3 Prozent Farbstoff und 10 Prozent Kochsalz 1 Stunde kochend heiß. Durch Kombinieren mit Chrysamin erhält man gelbbraune Abstufungen. Benzobraun läßt sich auch auf Wolle anwenden und gibt hier gelbbraune Nüancen; ebenso eignet es sich natürlich für Halbwolle. 3. Congobraun (Akt.-Ges. für Anilinf.) ist ein Benzidinfarbstoff und steht dem Congo und Congo-Corinth nahe, läßt sich damit, wie auch mit anderen substantiven Farben, nüancieren. Es kommt in den Marken G und R in den Handel. Die Färbungen sollen licht-, luft-, säure- und seifenecht sein; die Nüance steht dem Catechubraun nahe. — Anwendung : Auf Baumwolle färbt man in einem 2½ prozentigen Seifenbade mit 10 Pro- zent Glaubersalz oder phosphorsaurem Natron mit 2 bis 5 Prozent Congo- braun, je nach Nüance. Es läßt sich auch auf Wolle und vornehmlich auf Halbwolle anwenden. Schließlich dient es, wie alle Benzidinfarbstoffe, ge- gegebenen Falls auch als Mordant für andere Farbstoffe. Hierher müssen auch noch 2 Farbstoffe gezählt werden, über welche nur verhältnismäßig spärliche Nachrichten vorliegen: 4. Gambin (Holiday’s Sons ) sind 2 isomere Farbstoffe: α-Nitro- so-β-Naphtol und β-Nitroso-α-Naphtol; sie kommen in 2 Marken, Gambin G (gelbe oder grüne Nüance) und Gambin R (rote Nüance) in den Handel. Leider ist nicht zu ersehen, für welche Faser sie sich besonders eignen. Mit Eisenbeize sollen schön olivgrüne Töne erhalten werden, Chrombeizen geben hübsche braune Farben. Die Färbungen sind sehr wenig echt gegen Seife und Licht, sollen aber sehr billig sein. 5. Styrogallol (Jacobsens Patent) ist ein Farbstoff in Form eines blaßgrün gefärbten, aus mikroskopischen Nädelchen bestehendes Pulver. Es gibt mit Beizen seifenechte gelb- bis schwarzbraune Töne. 8. Schwarze Farben . (Nachtrag zu § 82.) Während bis vor wenig Jahren kein einziger künstlicher organischer schwarzer Farbstoff bekannt war, folgt jetzt in schneller Aufeinanderfolge einer dem andern. 1. Alizarinschwarz S W (Bad. Anilin- und Sodaf.) Dem auf S. 216 Gesagten ist hinzuzufügen, daß das Alizarinschwarz große Vorzüge vor dem Blauholzschwarz hat, die Farben sind viel echter und verändern sich beim Carbonisieren mit Säure in keiner Weise; Blauholzfarben werden be- kanntlich durch Säure gerötet und zerstört. Was das Alizarinschwarz be- sonders wertvoll macht, ist die Eigenschaft, ohne weitere Zuthaten direkt graue Färbungen zu erzielen . Nach mir vorliegenden Ausfärbungen gibt 1 Prozent Alizarinschwarz S W ein schönes Modegrau, 3 Prozent ein Schiefergrau, 5 Prozent ein Schieferschwarz. Wertvoll ist es ferner für das Färben von Modefarben; da es sich mit allen übrigen Alizarinfarben leicht kombinieren läßt, so erhält man durch Zusammenfärben mit Alizarin- blau, Alizaringrün, Coeruleïn, Anthracenblau, Galloflavin, etwa je ½ Pro- zent, alle Nüancen von Dunkelgrau-Mode, Braun-Mode, bläuliches, gelb- liches und grünliches Grau u. s. w. 2. Brillantschwarz (Bad. Anilin- und Sodaf.) ist ein stark saurer Farbstoff für Wolle; er kommt in den Marken B und E in den Handel, welche Marke die früheren Farbstoffe Blauschwarz B und Tiefschwarz E derselben Fabrik ersetzen. Die Färbungen sind säureecht und sollen sich da- durch auszeichnen, daß das Schwarz auch bei künstlicher Beleuchtung sehr gut aussieht. — Anwendung : Nur auf Wolle; dem Färbebade werden 5 Prozent (vom Gewicht der Wolle) Glaubersalz und 15 Prozent Wein- steinpräparat (Natriumbisulfat) zugegeben; Zusatz von freier Schwefelsäure soll vermieden werden. 3. Echtschwarz (Leonhardt \& Comp.) Dieser neueste Farbstoff (März 1889) der Firma Leonhardt \& Comp. in Mühlheim in Hessen gibt nach deren Angabe auf mit Tannin und holzessigsaurem Eisen vorgebeizter Baumwolle ein völlig wasch- und lichtechtes Tiefschwarz; wird das Eisen- salz durch Brechweinstein oder ein anderes Antimonsalz ersetzt, so erhält man ein Schwarz mit blauem Schein. — Anwendung : Die Baumwolle wird mit 1 Prozent Tannin bei 40 bis 50° R. gebeizt; nach 3 Stunden hebt man auf, windet ab und fixiert das Tannin auf frischem Bade, be- stehend aus 40 Prozent holzsaurem Eisen 15° Bé. und 1 Prozent Kreide, während 1½ Stunden. Nach dem Abwinden läßt man die Baumwolle gut zugedeckt 9 bis 10 Stunden liegen, spült dann, und färbt schließlich mit 5 Prozent Echtschwarz aus, indem man zunächst ¾ Stunden kalt behandelt, dann allmählich zum Kochen treibt und schließlich im Färbebade erkalten läßt. 4. Jetschwarz (Bayer \& Comp.) ist ein neuer neutraler Farbstoff für Wolle und Seide, welcher seit April 1889 sich im Handel befindet. Die Zeitschrift „Oesterreichs Wollen- und Leinen-Industrie“ schreibt darüber, Seite 398: Das Jetschwarz färbt Wolle und Seide aus ganz neutralem Bade, also unter geflissentlicher Vermeidung von Säure- oder Alkalizusatz, aber unter Verwendung von 10 Prozent Kochsalz bei 5 Prozent Farbstoff (vom Gewicht der Wolle) pechschwarz, womit zugleich der Name des neuen Farb- stoffs erklärt ist. Das erhaltene Schwarz ist echt gegen Licht, Luft, Wäsche und Walke. Das Färben muß kochend, in Holzgeschirren, vorgenommen werden und soll das Kochen mindestens 1 Stunde dauern. — Wird bei Jetschwarz R eine etwas geringere Farbmenge ins Bad gegeben, so erhält man ein dunkles Indigblau. Das Schwarz R selbst zeigt, auch bei Lam- penlicht, einen tiefblauen Ton zum Unterschied vom Schwarz G , welches gelblich nüanciert ist. Schwarz R liefert aber nicht nur ein vollkommen walkechtes Schwarz, sondern auch ein solches, welches nicht abrußt und starke Stoffe, wie Tuch und Filz, leicht durchfärbt. Besonders zu empfehlen ist das neue Schwarz auch für aus Wolle und Seide bestehende Gewebe, wie Gloria, ein beliebtes Material für Schirmstoffe; denn ein solches Gewebe, in Jetschwarz gefärbt, gibt an Wasser absolut keine Farbe ab. Will man hierfür das Schwarz, um beliebigen Wünschen der Konsumenten zu ent- sprechen, verschiedentlich nüancieren, so kann dies mit Benzoazurin, Azoblau, Azoviolett, Congo-Corinth, Rosazurin, Deltapurpurin oder Chrysophenin ge- schehen. Ueber die chemische Natur dieses Körpers ist aus diesen Angaben nichts zu ersehen; er scheint ein Azofarbstoff zu sein, und den Benzidinfarbstoffen nahe zu stehen, da die zum Nüancieren gewählten Farbstoffe sämtlich dieser Kategorie angehören. 5. Naphtolschwarz 6 B (Cassella) ist eine neue, ausgesprochen bläuliche Nüance des bekannten Naphtolschwarz B , welche nach Angabe der Fabrikanten noch größere Licht- und Waschechtheit besitzen soll, als die früheren Marken. 9. Natrium-Salze . (Nachtrag zu § 91.) 1. Sesquicarbonat . Unter diesem Namen kommt ein neues kry- stallisiertes Natriumsalz von der Formel Na 2 CO 3 · Na H CO 3 + 2 H 2 O in den Handel; es erscheint in Form feiner, schneeweißer, glänzender Nadeln. Es steht in gewissem Sinne in der Mitte zwischen der kalcinierten und kry- stallisierten Soda, unterscheidet sich aber von beiden vorteilhaft und zwar von ersterer durch seine leichtere Löslichkeit, von letzterer durch den geringeren Wassergehalt, von beiden durch seine große chemische Reinheit. Es kann daher mit Vorteil an Stelle beider verwendet werden. 2. Salpetrigsaures Natron, Natriumnitrit , Na NO 2 , ist ein längst bekanntes Salz, hat aber erst durch die Einführung der Ingrain- farben für die Färberei Bedeutung erlangt. Das Handelsprodukt bildet kleine, schiefe, vierseitige rhombische Prismen, welche in Wasser sehr leicht löslich sind. — Anwendung : Zur Diazotierung von Primulin, Polychrom und ähnlichen Farbstoffen; dieses Diazotieren geschieht durch Passieren der mit der gelben Grundfarbe gefärbten Ware durch eine mit Schwefelsäure oder Salzsäure angesäuerte Lösung des Salzes. Nachtrag zu Unterchlorigsaures Natron . Die vielgebrauchte Eau de Javelle war ursprünglich nicht eine Lösung von unterchlorigsaurem Natron, sondern von unterchlorigsaurem Kali, wogegen das gelöste unter- chlorigsaure Natron Eau de Labarraque hieß. Das Kaliumsalz wird, weil teurer, längst nicht mehr gebraucht; der Name ist aber erhalten geblieben und im Handel findet sich als Eau de Javelle jetzt stets das Natronsalz. 10. Thonerde-Salze . (Nachtrag zu § 95.) Mehrbasische Aluminium-Rhodanide vom dreifach basischen bis achtfach basischen Salz hat sich J. Hauff patentieren lassen. Die letzte der genannten Verbindungen soll der Formel Al 6 (SCN) 2 (OH) 16 ent- sprechen. Zur Darstellung dieser basischen Rhodanide wird — nach der Patentschrift — die berechnete Menge Thonerdehydrat in neutralem Rhodan- aluminium (vergl. S. 267) bei langsam steigernder Temperatur gelöst. Man erhält auf diese Weise Verbindungen, welche beständiger sein sollen, als das neutrale Rhodanid. Schon die vierfach basische Verbindung läßt sich ohne jegliche Entwickelung von Sulfocyansäure bis zur Trockne eindampfen, in welcher Form sie sich vollständig und unverändert wieder in Wasser löst. Die minder basischen Verbindungen nähern sich in der Unbeständigkeit dem neutralen Rhodanaluminium, welches beim Abdampfen Sulfocyansäure, Per- sulfocyansäure, Blausäure und lösliches basisches Rhodanaluminium bildet. Diese basischen Rhodanthonerden sollen nach den Behauptungen des Erfinders vortreffliche Beizen für Baumwollfärberei und -Druckerei liefern. 11. Chromsalze . (Nachtrag zu § 98.) Von neueren Chromverbindungen sind die folgenden von Wichtigkeit: 1. Weinsaures Chromoxydkali ist ein Doppelsalz, welches durch Zusatz von Weinsäure zu einer kalten Lösung von Kaliumdichromat gewonnen wird. Dabei soll eine Temperaturerhöhung vermieden werden, da das grüne Doppelsalz sonst, nach Brühl , in eine andere Modifikation übergeht und dadurch seine Eigenschaften teilweise verändert. — Anwendung : Zur Er- zeugung von Anilingrau. 2. Basische Chromfluoride werden von der Firma Köpp \& Comp. in Oestrich in den Handel gebracht; sie existieren nur in wässeriger Lösung und zerfallen beim Eindampfen in neutrales Chromfluorid (vergl. S. 280) und Chromoxyd. Diese letzte Reaktion läßt sie als zum Fixieren von Chrom- oxyd auf der Faser besonders geeignet erscheinen. 3. Chromsaures Chromoxyd, Chromchromat , C 2 (Cr O 4 ) 3 + 9 H 2 O , ist von M. v. Gallois dargestellt worden. Das- selbe wird nach patentiertem Verfahren (D. R. P. 45999) dargestellt, in- dem man 1000 g Chromalaun mit 860 g Krystallsoda fällt, den Niederschlag vom Chromoxyd gut auswäscht, auspreßt und mit 300 g Chromsäure in der Wärme löst. Diese Verbindung eignet sich weniger zum Beizen der Baum- wolle, wohl aber empfiehlt sie sich trotz ihres hohen Preises zum Beizen der Seide, welche mit Alizarinfarben gefärbt werden soll, da sie dann Effekte liefert, welche mit keiner anderen Beize zu erreichen sind. Auch zum Beizen der Wolle ist das Chromchromat mit Vorteil zu verwenden, da sich der gesamte Chromgehalt der Beize leicht und vollständig fixiert und der sonst übliche Weinstein sich dabei ersparen läßt. Auch ein basisches Chromchromat von der Formel C 2 (Cr O 4 ) (O H) 2 hat v. Gallois dargestellt; dasselbe kann auch als Beize dienen, wenn es in frisch bereitetem Zustande verwendet wird; die Lösung ist jedoch nicht halt- bar. — Anwendung : Nach der Patentschrift wählt man die Konzentration der Beizflüssigkeiten mit einem vergleichsweisen Gehalt von 200 g Chrom- alaun. Durch Verdünnen mit Wasser kann man aus dieser Beize alle mög- lichen zur Herstellung heller Nüancen erforderlichen Beizen bereiten. Zum Klotzen löst man den aus 200 g Chromalaun gefällten Chromoxydteig in Chromsäure, setzt 150 g essigsaure Magnesia von 16° Bé. zu und füllt das das Ganze mit Wasser zu 1 l auf. 4. Chromsulfatchromat , Cr 2 (Cr O 4 ) (S O 4 ) (O H) 2 , wird nach v. Gallois bereitet, wie folgt: 1000 g Chromalaun werden, wie unter 3), mit 860 g Krystallsoda gefällt, der erhaltene Niederschlag wird in 196 g konzentrierter Schwefelsäure gelöst und dieser Lösung 150 g Natriumdichro- mat hinzugegeben. Diese Lösung bleibt auch nach wochenlangem Stehen haltbar und klar. — Anwendung wie beim vorigen. 12. Seltenere Metallsalze . (Nachtrag zu § 105.) Nickelchlorid , Ni Cl 2 , ist von Pinkney zum Färben und Drucken von Anilinschwarz empfohlen worden; in der Patentschrift gibt er zum Färben von Anilinschwarz folgende Vorschrift: Salzsaures Anilin 32 g , Nickelchlorid 20 g , chlorsaures Kali 25 g , Wasser 640 g. Die Ware wird zuerst im Anilinsalzbad präpariert, und dann in dem Bade von Nickelchlorid und chlorsaurem Kali das Schwarz in bekannter Weise entwickelt. Statt Nickelchlorid kann auch Nickelsulfit genommen werden. 13. Appreturmittel . (Nachtrag zu § 111.) Kunstgummi . Bei dem notorischen Mangel an arabischem Gummi hat es nicht an Versuchen gefehlt, dasselbe durch ein Kunstprodukt zu ersetzen, welches wenigstens annähernd gleiche Eigenschaften besitzt und eine dem ent- sprechende Verwendung zuläßt. Eine der besten Nachahmungen dieser Art ist das nach dem Schumann schen Patent hergestellte Kunstgummi, welches ein zuckerfreies, wasserhelles, glashartes und nicht hygroskopisches Dextrin vorstellt. Seine Klebkraft, sein Aussehen und viele seiner Eigenschaften kommen der des Naturgummis sehr nahe; dazu ist sein Preis ein billiger, und es hat daher für Appreturen, ganz besonders aber im Zeugdruck für Verdickungen Anwendung gefunden. Wer sich für die Fabrikation des Kunstgummis interessiert, findet Näheres in der Patentschrift (D. R. P. 41931). 14. Wollbeizen . (Nachtrag zu Teil II , § 40.) 1. Präzipitierter Schwefel dient in einzelnen Fällen als Beize zum Fixieren einer kleinen Anzahl von künstlichen organischen Farbstoffen, z. B. Malachitgrün und Methylgrün auf Wolle. Der Schwefel in amorpher Form wird im Beizbade selbst erzeugt. Die Art der Anwendung ist unter Malachitgrün, S. 194, beschrieben. 2. Chlor als Beizmittel für Wolle . Neuere Untersuchungen über die Einwirkungen des Chlors auf die Wollfaser — welche übrigens nur die unbegreiflicherweise unbeachtet gebliebenen Forschungen Lightfoots und die Angaben Caros bestätigen — haben ergeben, daß eine schwache wässerige Chlorlösung sowohl als auch eine mit einer Säure versetzte schwache Lösung eines unterchlorigsauren Salzes ihren gesamten Gehalt an wirksamem Chlor an die Wolle abgibt, ohne diese irgend zu schädigen . Die Thatsache scheint die Ansicht Knechts zu bestätigen, daß die Wolle ein basischer Körper sei, in welchem Falle dann die chlorierte Wolle als salzartige Verbindung aufzufassen sein würde. Andererseits wäre es auch denkbar, daß durch das Chlor eine Dehydrogenation (sogen. Oxydation) stattfände, in welchem Falle allerdings die chlorierte Wolle als Oxy-Keratin zu betrachten wäre. Sei dem, wie ihm wolle, Thatsache ist, daß die chlorierte Wolle Eigenschaften besitzt, welche sie der Seide näher bringen: sie wird glänzender, weicher und glatt, bekommt einen seidenartigen Griff und büßt ihre Verfilzungsfähigkeit ein, dagegen nimmt ihre Verwandtschaft, ihre Aufnahmefähigkeit für eine Anzahl von Farbstoffen um ein Bedeutendes zu. Diese Erhöhung der Auf- nahmefähigkeit ist z. B. für stark saure Farbstoffe eine so große, daß sie bei einigen derselben (z. B. Naphtolschwarz, Naphtolgrün) eine Ersparnis an Farbstoff bis zu 50 Prozent bedeuten kann Man wird hier unwillkürlich an die Umwandlung der Baumwolle durch den Bleichprozeß in Oxycellulose erinnert, wodurch bekanntlich die Baumwolle, welche vorher zu Farbstoffen gar keine Affinität zeigte, zur Aufnahme von Farb- stoffen, wenn auch in beschränkterem Maße als bei Wolle, empfänglich gemacht wird. . Außerdem ermöglicht das Chlorieren der Wolle das Weglassen des Zusatzes von Glaubersalz und Schwefelsäure, resp. von Weinsteinpräparat, da die sauren Farbstoffe auf mit Chlor gebeizter Wolle in neutralem Bade angehen. Dieser letztere Um- stand gestattet weiter ein Kombinieren von sauren und neutralen Farbstoffen in einem Bade, was bisher nicht möglich war. Diese Thatsache eröffnet der Wollenfärberei eine neue Perspektive, und es wäre sehr wohl denkbar, daß der so einfache und glatt verlaufende Prozeß des Vorbeizens mit Chlor mit der Zeit das mühsame Beizen mit Chrom verdrängt, da die Oxydation durch Chrombeizung doch nur eine unvollkommene ist und bleibt, und da die Erhöhung der Verwandtschaft zu sauren Farbstoffen durch Chlorieren viel bedeutender erhöht wird, als durch Beizen mit Kaliumdichromat. Es ist das Verdienst der Firma Cassella \& Comp. , dieses neue Beizverfahren für Wolle stylgerecht ausgebildet und der Praxis zugänglich gemacht zu haben. Dieselbe gibt für die Anwendung folgende Vor- schrift Nach „Oesterreichs Wollen- und Leinen-Industrie“ 1889, 341. : Wird das Säuren und Chloren in zwei getrennten Bädern ausgeführt, so rechnet man auf 100 kg Wolle 3 bis 10 kg Schwefelsäure 66° Bé., verdünnt mit der für das genannte Quantum Ware nötigen Menge Wasser. Die Menge der Säure richtet sich nach der Dichte des Gewebes, man wird also 10 kg Säure für Tuch, Filz u. dergl., sowie für lose Wolle nehmen, welche, um später gleichmäßig durchgefärbt zu werden, überdies das Sauer- bad kochend verlangt. Für leichtere Gewebe, Strangwolle u. dergl. genügt es, wenn 3 bis 4 kg Schwefelsäure dem Bade zugesetzt werden und das- selbe auf 75 bis 80° C. gehalten wird. Nach ¼ bis ½ Stunde ist die Säure vollkommen von der Wolle absorbiert. — Für das darauffolgende Chlorbad richtet man sich eine ganz klare, von allen ungelösten Teilchen be- freite Chlorkalklösung vor, bestehend aus 10 kg trockenem Chlorkalk, welcher in einem hölzernen, wohl auch in einem gemauerten Behälter, mit 500 l kaltem Wasser angerührt wird. Die klare Lösung wird nach kurzer Zeit durch einen in passender Höhe vom Bade angebrachten Hahn abgelassen und der Rückstand noch 2 bis 3 mal mit je 250 l Wasser ausgezogen. Alle 3 oder 4 Chlorkalkflüssigkeiten, miteinander vereinigt, bilden das Chlorbad. — Wolle, welche stark sauer und kochend vorgebeizt worden ist, wird vor dem Chloren leicht abgespült oder abgeschleudert, andernfalls kann man direkt aus der Säure in das 20 bis 25° C. warme Chlorbad gehen, welches schließlich bis zum Kochen erhitzt wird. Die unterchlorige Säure verschwin- det so vollständig — ohne zu entweichen — daß auf diesem selben Chlor- bade auch noch gefärbt werden kann, indem man einfach den Farbstoff zu- gibt und erwärmt, bis die gewünschte Tiefe der Farbe erreicht ist, wobei die meisten sauren Farbstoffe dem Bade gänzlich entzogen werden. — Will man das Färben in einem besonderen, dritten Bade vornehmen, so ist dieses mit 1 kg Salzsäure per 1000 l Wasser zu korrigieren, um jede alkalische Reaktion desselben zu neutralisieren. Das Säuren, Chloren und Färben kann in einem Bade vorgenommen werden bei leichten Geweben oder bei Garnen. Dieselben erhalten auf 100 kg 3 bis 4 kg Schwefelsäure 66° und verweilen in dem 75 bis 80° C. warmen Sauerbade ½ Stunde lang, oder bis das Wasser jede saure Reaktion ver- loren hat. Man läßt dann auf 20 bis 25° C. abkühlen, gibt die klare Lösung von 10 kg Chlorkalk in dasselbe Bad, erhitzt kurze Zeit zum Kochen, fügt schließlich die Farblösung hinzu, und färbt die Wolle je nach der Natur des Farbstoffes, kochend oder von lauwarm bis kochend aus, denn auch in diesem Falle ist das Chlor vollständig aus der Flüssigkeit verschwunden, so daß es auf die Teerfarbstoffe nicht mehr schädigend einwirken kann. 15. Wollfarbstoffe . (Nachtrag zu Teil II , § 41.) Orseille-Ersatz N. Azorubin A. Azo-Eosin. Apollorot. Walkrot. Tuchrot 3 G. Azo-Karmin. Orange G G. Thiochromogen. Carbazolgelb. Thioflavin T. Alizaringrün. Indazin. Alizarin-Indigblau. Schwarzblau. Echtviolett. Säureviolett 2 B. Brillantschwarz. Jetschwarz. Naphtolschwarz b B. 16. Seiden-Farbstoffe . (Nachtrag zu Teil II , § 55.) Erythrosin extra N. Azo-Eosin. Toluylenrot. Orange G G. Thiochromogen. Thioflavin T. Indazin. Jetschwarz. 17. Baumwollen-Farbstoffe . (Nachtrag zu Teil II , § 69.) Diaminrot 3 B. Naphtylenrot. Brillantpurpurin R. Erika. Mikado-Orange. Toluylen-Orange. Thiochromogen. Pelikanblau. Benzoflavin. Thioflavin T. Thioflavin S. Benzoschwarzblau. Paraphenylenblau. Polychrom. Solidblau 9 R R. Indazin. Diaminblau. Metaminblau. Paraphenylenviolett. Mikadobraun. Benzobraun. Congobraun. Echtschwarz. 18. Halbseiden-Farbstoffe . Safranin. Toluylenrot. Thiochromogen. Thioflavin T. Indazin. 19. Färberei-Einrichtung . Ueber dieses Thema ist inzwischen eine eigene Broschüre erschienen, welche Interessenten empfohlen werden soll: Anlage, Konstruktion und Einrichtung von Färberei- und Bleicherei- Lokalitäten. Von J. Trey . Berlin 1889. Jul. Springer .