Der beruͤhmte E rtz- D ieb und S trassen- R aͤuber CARTOUCHE, Derer Strassen-Raͤuber, Diebe und Spitz-Buben Ober- Haupt und Commandeur in Franckreich, in denen merckwuͤr- digsten Begebenheiten seines boͤsen Lebens, endlichen aufrichtigen Bekaͤntnisses und schwehren Todes vorgestellet. Aus dem Frantzoͤsischen uͤbersetzt und mit unterschiedenen bißhero noch eingelauffenen curieu sen Umstaͤnden vermehret. Gedruckt Anno 1722 . F Ranckreich, das beruͤhmteste und angenehmste Koͤnig- reich in Europa, ist einige Jahre her von dem Gipf- pfel seiner Gluͤckseligkeit in den groͤßten Verfall ge- rathen. Die schwehren Kriege Ludwigs des XIV. haben den Grund zu diesem Ungluͤck gelegt. Durch die Wuͤrckungen der beruͤchtigten Constitutions-Af- faire ist das gute Vertrauen unter denen Einwohnern verschwunden und hingegen Mißtrauen und Widerwillen an dessen Stelle getreten. Al- les ist daruͤber in Verwirrung gerathen. Auf die Missisippi sche Zaube- rey ist der betruͤg- und schaͤdliche Acti en-Handel gefolget, wodurch 10. Arme reich und 1000. Reiche arm, das gantze Land aber in unaus- sprechliches Elend gesetzet worden. Diejenigen Provintzien, so von die- sem Ubel am weitesten entfernet gewesen, hat hierauf die entsetzliche Seuche der Pestilentz ergriffen, welche bißher nicht eher zu wuͤtten auf- gehoͤret, als biß sie nichts weiter zu verletzen gefunden, und diejenigen, so noch nicht dadurch uͤberfallen worden, in euserste Furcht setzet. Bey diesen hefftigen Plagen ist alles in groͤste Confusion und Bestuͤrtzung ge- rathen, welches sich die Boßheit dergestalt zu Nutze zu machen gewust, daß sie im Truͤben zu fischen gesuchet. Weil man aber nicht gleich im Stande gewesen, derselben gehoͤrigen Einhalt zu thun, so ist das Land da- durch in noch groͤsseres Ungluͤck verfallen und bißher eine rechte Raͤuber- Moͤrder- und Diebs-Grube gewesen, dergestalt, daß die Reisenden, ja in Haͤusern selbst die Einwohner nicht mehr recht sicher gewesen. Unter diesem Gottlosen Gesindel hat sich sonderlich einer, Nahmens Claude Cartouche, von Geburth ein Pariser, durch Ausuͤbung seiner verdamm- lichen Profession sehr beruͤhmt gemacht. Jn Franckreich selbst hat man A 2 in in vorigen Jahren kaum so viel von dem verderblichen Acti en-Cram, als im Jahre 1721. vom Cartouche geredet. Es sind so viel abentheurliche Historien von ihm erzehlet worden, daß man nur durch Nennung seines Namens Kinder und einfaͤltige Leute in Furcht setzen koͤnnen. Alle Strassen-Raͤube, Diebereyen und Spitzbuben-Streiche, so in Isle de France, und in denen naͤchst um Paris gelegenen Provintzien vorgefal- len, musten durch ihn, oder durch seinen Vorschub geschehen seyn. Bald hatte man denselben zu Paris, bald in Orleans, bald wieder an einem andern Orte gesehen, und doch kunte keiner von allen denjenigen, die ihn ausspuͤhren sollten, so gluͤcklich werden, das auf den Kopff dieses Raub-Vogels gesetzte Geld zu verdienen. Cartouche war, dem ge- meinen Ruffe nach, allenthalben, und wenn er gesuchet wurde, doch nirgends anzutreffen. Endlich aber haͤtte Untreu bald ihren eigenen Herren geschlagen, da ein gewisser Kerl, Namens du Chatelet, der mit ihm gereiset, und den er vor seinen besten Freund gehalten, seine Schlupff-Loͤcher und einige Oerter seines Auffenthalts der Obrigkeit an- gezeiget. Cartouche waͤre hierdurch bald in Verhafft gerathen, er fand aber dennoch Gelegenheit, seinen Verfolgern zu entrinnen und suchte hierauf den Weg zum Lande hinaus. Sein Qvartier solte hinfuͤro zu Nancy in Lothringen seyn. Da- mit man aber desto weniger Ursache haben moͤchte, einen uͤbeln Verdacht auf ihn zu werffen, so engagir te sich derselbe bey der Hertzoglichen Kuͤche, und gab etliche Monath daselbst einen Bratenwender ab. Er konte es aber dennoch nicht lassen, bey dieser guten Gelegenheit, unterweilen sei- ne Spitzbuben-Griffe zu exercir en. Wie aber derselbe merckte, daß es auch hier nichtlange Stich mit ihm halten wuͤrde; so gerieth er auf den thoͤrichten Wahn, daß man seiner in Franckreich schon vergessen haben und hinfuͤro nicht mehr so genau nach ihm fragen wuͤrde. Allein Cartouche hatte sich in seiner Rechnung betrogen. Niemals war so scharff nach ihm gefraget worden, als da man nicht wuste, wo er ei- gentlich hingerathen waͤre. Man hatte sich indessen so wohl zu Paris, als auch an andern Orten, einer ziemlichen Anzahl von seinen Camera- den bemaͤchtiget, die theils durch die Tortur darzu waren genoͤthiget wor- den, theils auch freywillig vieles von Cartouche aussageten, wodurch die Obrigkeit desto emsiger gemachet wurde, des Cartouche habhafft zu wer- den. Jndessen suchte man das Diebs- und anderes gottloses Gesindel durch durch einige harte Execution en an ihres Gleichen zu schrecken. Den letz- ten Augusti Abends ward auf dem Platz de Greve Philippus Moreau, Ritter von Mazieres, Herr von Puits Dore, Cressan und andern Herr- lichkeiten, wegen falscher Muͤntzerey, gekoͤpffet. Zu Anfang seines Ar- rests hatte derselbe seine Verbrechen nicht gestehen wollen, wie er aber auf die Tortur gebracht worden, hat er alles voͤllig gestanden und dabey bekannt, daß er diese Kunst von einem gelernet, so Audebert hiesse und sein Hertzens Freund gewesen. Die Richter wurden uͤber dieses Bekaͤnntniß nicht wenig bestuͤrtzt, weil der Maleficante eben von diesem Audebert an- gegeben worden. Man suchte sich hierauf des Audeberts zu bemaͤchti- gen; allein er hatte sich schon aus dem Staube gemachet. Wie die Exe- cution an dem Maleficanten vollzogen war, wurde der Scharffrichter ge- fangen genommen und nach dem Chatelet gefuͤhret, ohne zu erfahren, war- um solches geschehen. Der Scharffrichter war nunmehro selbst ein Ar- restante, aber deßwegen unterblieb doch Hengen, Raͤdern und Koͤpffen nicht, welches durch einen andern Scharffrichter an unterschiedenen Ma- leficanten vollstrecket wurde. Es fruchtete aber dieses alles bey der in Paris befindlichen Diebs- Rotte so wenig, daß man niemahls von mehrern Diebstaͤhlen gehoͤret, als damals. Dem General- Empfaͤnger des Bourbonnischen Hauses wur- den bey hellem Tage durch 4. masqvirte Diebe 15000. Livres aus seinem Zimmer gestohlen. Zu Anfang des Monats Octobris ward der ordi- nair e Capellan und Musicus des Koͤnigs, Abt Chaprelle, wie er Abends um 7. Uhr aus dem Paresoir, allwo er einem Schweitzer die Absolution gesprochen, nach Hause gehen wolte, durch 4. sehr wohl bekleidete Per- sonen angehalten, die ihm die Pistole auf die Brust setzten und die Geld- Beurse abforderten. Weil er aber nicht mehr als 30. Livres bey sich hat- te, so gab er ihnen selbige, und offerir te noch darzu seinen Mantel; Allein diese saubere Voͤgel bedanckten sich auf das hoͤflichste vor seine Offer te und liessen ihren gezwungenen Wohlthaͤter seines Weges gehen. Doch was diese mit Gewalt erhalten, wuste ein anderer von diesen Gaudieben durch List zu bekommen. Dieser sahe einige Cavalie re vor dem Palast des Thuilleries stehen, und weil er wahrgenommen, daß dem einen davon die Uhr-Kette gar sichtbar hervor hienge, so gieng er bey ihnen vorbey und spuckte einem Cavalier vorwerts auf das Kleid, wendete sich aber so gleich um, deprecir te wehmuͤthig, hob den voͤrdern Theil des Kleides A 3 auf auf, das Gespuckte mit dem in Haͤnden habenden Schnupftuche abzuwi- schen; Allein er hatte indessen mit der unter dem Rocke des Cavaliers haben- den Hand die Uhꝛ desselben meisteꝛlich weg practi c ir et u. unter dem Schnupf- tuche unvermerckt fort gebracht. Bey der weitlaͤufftigen Bagage der Prin- tzeßin von Montpensier haben diese Raub-Voͤgel auch ihr Conto zu machen gewust, und es ist fast kein Tag vorbey gegangen, daß sie nicht etwas davon solten erschnappet haben. Der Hertzogin von Ventadour haben sie ihr meistes Silberwerck und schoͤnste Kleider entwendet, auch da sie bey dieser Gelegenheit einige Kleider von Dero Laqvayen ergriffen, die Kuͤhnheit gehabt, solche anzuziehen, ihr, da sie zu Chartres oͤffentlich ge- speiset, in dieser Figur bey der Taffel aufzuwarten und 9. silberne Teller und 2. Schuͤsseln zu mausen. Jmmittelst als dieses in und um Paris geschehen, ist dem Ertz-Dieb Cartouche auch wieder ein Appetit angekommen, sich in diese Weltbe- ruͤhmte Residentz zu begeben und daselbst seine Profession, aber unter ei- nem andern Namen, weiter fortzusetzen. Mitten unter diesen Gedan- cken fuͤgte es sich, daß er durch seine Spitzbuben-Griffe zu Nancy einem Kauffmann von Commercy eine Brieff-Tasche entwendete. Jn dieser fand er einen nach Paris gerichteten Paß, in welcher die Person, so darin beschrieben war, dem Cartouche ziemlich gleichsehend abgeschildert zu seyn schiene. Cartouche nahm dieses als ein Schicksahl des Gluͤcks an, ließ sich ein in seinem Paß beschriebenes Kleid machen und reisete so dann, unter dem Namen des in gedachten Paß beschriebenen Carls Bour- gvignon, nach Paris, allwo er ohngefehr am 10. Octobris ankam. Er ward aber folgendes Tages von der Tochter eines Scheeren-Schleif- fers erkennet, die endlich auch sein Quartier ausspuͤhrete, und solches der Obrigkeit anzeigete. Man hat deswegen die Gefangen-Nehmung des Cartouche mit der Historie des Catilinæ vergleichen wollen; weil dieser auch von einem Scheeren-Schleiffer entdecket worden. Die Obrigkeit machte sich die erhaltene Nachricht sehr wohl zu Nutze und der Aide-Major des Leib-Regiments, Mr. Recon, erhielt von Hofe Befehl, Cartouche gefangen zu nehmen. Dieses zu bewerckstelli- gen begab sich derselbe mit einem Sergeant und vier Soldaten von der Compagnie des Capitains Chahannes in die Herberge Hauteborne ge- nannt. Bey seiner Ankunfft allhier ließ er so gleich den Wirth kommen und fragte denselben, ob keine Fremden allhier geschlaffen haͤtten, und ob ob nicht vier Dames allhier logir ten: denn dieses war die Losung, die Cartouche seinen Diebs-Cammeraden gegeben hatte. Der Wirth ant- wortete mit nein; es blieb aber einer von denen Soldaten bey dem Wir- the stehen und Mr. Recon gieng nebst dem Sergeant und drey Soldaten stillschweigend die Treppe hinauf und eroͤffnete die Thuͤre des ersten Zimmers. Sie traffen allhier drey von den Cameraden des Cartouche angekleidet an, die sich aber in das nechst gelegene Zimmer reteri reten und entkamen. Cartouche, auf den das Haupt-Absehen gerichtet war, lag im Bette. Der Sergeant aber, so den Cartouche wohl kannte und ihn gleich bey dem Eintritt in das Zimmer gesehen hatte, stellete sich, als wenn er denselben nicht merckte und sagte uͤberlaut zu denen Soldaten: Siehe da, er ist uns wieder entronnen. Durch diese Finte wurde Cartouche betrogen, daß er unter die Bett-Decke kroch und sich unsicht- bar machte. Wie solches geschehen, fiel ihm der Sergant auf den Halß, grieff deinselben gleich in die Armen und die uͤbrigen Soldaten fasseten ihn dergestalt, daß er sich nicht bewegen und die unter der Bett-Decke liegende geladene Pistolen gebrauchen konte. Cartouche muste hierauf sein bißheriges Lager verlassen, und, nachdem er Hosen und Veste ange- kleidet, baarfuß mit fort marschiren. Der Wirth und die Wirthin mu- sten zu gleicher Zeit mit an den Tantz, und die Soldaten, so sie begleite- ten wurden unter Weges noch mit zwoͤlff Mann verstaͤrcket. Man brach- te die Arrestanten so gleich zu dem Staats Secretario in Kriegs-Sachen, Herrn le Blanc, der aber alsobald Befehl gab, daß man sie nach dem Chatelet fuͤhren solte. Man hat kaum iemals in einer Proceßion so viel Volcks beysammen gesehen, als damahls neubegierige Personen den Cartouche nach dem Gefaͤngnisse begleiteten. Jederman war uͤber sein freches und vermessenes Aussehen zum hoͤchsten verwundert, und als eine Dame von Qvalitaͤt sich bemuͤhete, ihn zu sehen, zeigte er sich derselben auf eine sehr ausgelassene Manier. Die gluͤcklichen Faͤnger desselben haben zu ihrer Ergoͤtzlichkeit so gleich 1000. Livres erhalten. Bey dem Eintritt ins Chatelet ward Cartouche von den Gerichts- Dienern uͤbernommen. Wie nun einer von diesen mit dem Arrestanten Schertz treiben wolte, so bekam er von demselben, an statt der Antwort eine so derbe Maulschelle, daß dem Gerichts-Diener das Schertzen druͤ- ber vergieng. Cartouche ward hieraus geschlossen und kurtz darnach, in solcher Figur vor den Lieutenant Criminel gebracht. Vor diesem fuͤh- rete rete er sich sehr frech auf, und wie ihn derselbe unter andern fragte: Ob er nicht Claude Cartouche hiesse und des verstorbenen Thomas Cartouche Sohn waͤre, welcher vor diesem allhier zu Paris an der Bruͤcke aux Choux gewohnet haͤtte, antwortete derselbe: Er hiesse Carl Bourgvi- gnon, und waͤre des Claude Bourgvignons Sohn, welcher ein Burgun- der gewesen, begehrte auch zugleich, man solte eine gute Flasche Wein herholen, der in diesem Lande gewachsen waͤre, damit er, wenn es etwann zur peinlichen Frage kaͤme, dieselbe desto besser aushalten koͤnne. Den 15. Octobr. ward er abermahls examinir et und mit seiner Mutter und juͤngstem Bruder, die man gleichfalls in Verhafft genommen, confronti- ret; er wolte sie aber nicht kennen, und die Mutter, weil sie ihm beweg- lich zuredete, nicht einmahl anhoͤren. Mutter und Bruder wurden hier- auf, weil man sie unschuldig befunden, gegen Angeloͤbniß, sich allemal auf Erfordern wieder zu stellen, ihres Arrests erlassen, und sodann einige mit inhafftir te Cameraden des Cartouche hergebracht. Diese kannten den Cartouche sehr wohl, er aber war ein scilicet ehrlicher Kerl und wolte die- se Diebe die Tage seines Lebens nicht gesehen haben. Man ließ hierauff auch den Thuͤr-Waͤrter des Forts L’Eveque herbey ruffen, allwo Car- touche vor diesem 2. Jahr lang gefangen gesessen, der ihn so gleich erkenne- te, und allerhand Umstaͤnde seiner Gefangenschafft erinnerte, Cartou- che aber sagete: Er irrete sich an der Person; Denn er hiesse Carl Bourgvignon und wuͤste nicht wo, oder was das Fort l’ Eveque waͤre. Cartouche ward sodann wieder in das Gefaͤngniß gebracht, allwo er darnach 24. sowohl Manns- als Weibes-Personen zu seinen Gefehr- ten bekam, welche am 3. Octobr. einen von ihren Cameraden, weil sie ge- fuͤrchtet, daß er sie verrathen moͤchte, ermordet, oder wie sie zu reden pfleg- ten, abgebauet hatten; Denn wann Cartouche von dem Ermordeten re- dete, so war das Frantzoͤsische Wort debattir, das ist abbauen, oder abbre- chen, sein Kunst-Wort. Gedachten Ermordeten hatten seine barbarische Cameraden aufgeschnitten, ihm das Hertz aus dem Leibe gerissen und in 4. Theile zerschnitten, auch solcher Gestalt auf der Gasse liegen lassen. Cartouche, der in seinem Gefaͤngniß dermassen fest geschlossen war, daß er sich kaum regen konnte, hatte von den neubegierigen Personen zu Paris nicht wenigen Zuspruch. Hohe und Niedrige besuchten ihn mit Er- Erlaubniß der Obrigkeit im Gefaͤngniß und er wuste jedweden mit einer geschickten Antwort zu begegnen, auch zu weilen etwas von seiner Unschuld mit unter zu mengen. Man ließ ihm aber von Seiten der Richter keine Ruhe, sondern er ward alle Tage vor den Criminal-Richter gefuͤhret und mit andern Personen von seinem Schrott und Korn confrontir et; allein er wolte niemanden kennen, auch nichts von demjenigen wissen, was man ihm vorsagete. Mitlerzeit nun da die Richter mit seinem Proceß beschaͤfftiget wa- ren, gerieth Cartouche auf den Anschlag, sie durch seine Befreyung dieser Muͤhe zu uͤberheben, es waͤre ihm auch bey nahe gegluͤcket, und hatte es mit diesem kuͤhnen Unternehmen folgende Bewandniß: Cartouche war in ein duͤstres Behaͤltniß gebracht, und, wie gewoͤhnlich, ein andrer Gefang- ner zu ihm gesetzt worden, der aber nicht von seinem Cameraden, sondern ein anderer Dieb war, so auf dem Lande gestohlen hatte, und der Profes- sion nach ein Fleischer seyn wolte. Dieser war nicht geschlossen. Des Nachts zwischen dem 21. und 22. hatte ein Thuͤrhuͤtter der Gefaͤngnisse mit beyden biß nach 1. Uhr Brandtewein getruncken, worauf derselbe weg gieng und die Gefangenen allein ließ. Cartouche hatte sich indessen die Gelegenheit des Gefaͤngnisses genau besehen, wie nun der Aufseher weg war, machte sich derselbe so gleich von der Wand loß, an die er geschlussen war, und tappete allenthalben mit den Fuͤssen und Haͤnden auf dem Fuß- Boden und an der Mauer herum. Da er nun einen gewissen Platz an der Mauer gefunden, der ihm etwas hohle klang, so sagte derselbe zu sei- nem Mitgefangenen, ich urtheile, daß allhier ein Schlund von einem Se- cret durch gehen muß, und dieses soll die Thuͤre seyn, durch welche wir zu unserer Freyheit gelangen wollen; wir muͤssen folglich allhier, es ko ste was es wolle, ein Loch machen. Beyde arbeiteten hierauff so lange, biß sie Oeffnung in die Maure erlangten und an den Schlund vom Secret kamen. Dieser Schlund war zu ihrem Gluͤck mit halb verrosteten eiser- nen Baͤndern umfasset, solche brach Cartouche mit leichter Muͤhe und um so viel vergnuͤgter loß; weil er dadurch Werckzeug bekam, mit welchem er sich weiter durcharbeiten konte. Wie nun das Loch groß genug und nichts mehr uͤbrig war, als sich in das Gewoͤlbe des Secrets hinein zulas- sen, sagte Cartouche zu seinem Mitgefangenen: Er waͤre entschlossen, sich in den stinckenden Pful hinein zu lassen, der Erfolg davon moͤchte seyn, wie er wolte; indem er lieber im Kothe zu ersticken, als die vor ihn zube- B rei- reitete harte Quaal auszustehen vermeynte. Als er nun hierauf seinen Mitgesellen ermahnet, ihm willig zu folgen, ließ er sich durch den eroͤffne- ten Schlund hinunter, da er in eine groͤssere Oeffnung kam, die in den all- gemeinen Zusammenlauff der Secrete gieng. Wie dieses so wohl und nach Wunsch ablieff, folgte der Camerad gluͤcklich nach. Der Fuß- Boden von dem Zusammenlauff der Secrete war mit Steinen ausge- leget, aber zu ihrem Gluͤck von dem durch lauffenden Wasser so ausge- spielet, daß sie sicher fussen konten. Sie tappeten hierauf an den Mau- ren herum und funden endlich ein Loch. Cartouche urtheilete, daß sol- ches etwa in einen Keller gehen muͤste, so aus dem Chatelet nach der Gas- se zugienge. Das Loch ward hierauf durch das bey sich habende Eisen groͤsser gemacht und beyde kamen mit leichter Muͤhe in den Keller. Die gluͤcklichen Arbeiter giengen so dann im Keller herum, funden endlich die Treppe und die Thuͤre derselben unten offen, allein die oberste Thuͤre war verschlossen, die sie aber, wegen des schlechten Schlosses, mit leichter Muͤhe aufsprengeten. Durch diese Mittel kamen sie in den Hof eins Futteral- und Schachtel-Machers, dessen Hauß auf die Gasse heraus gieng. Bißher war alles sehr gluͤcklich von statten gegangen, aber nunmehr wendete sich das Blatt; denn in gedachten Hofe wurden sie von einem Hunde ent- decket, der jungen hatte. Dieser machte einen so starcken Lerm, daß der Hauß-Herr und seine Tochter daruͤber erwacheten. Cartouche hatte immittelst, wie er nach der Zeit erzehlet, seinen aͤussersten Fleiß angewen- det, den Hund zu fangen; allein er war von selbigen ins Bein gebissen worden und der Hund hatte sich aus seinen Haͤnden entrissen. Die Tochter des Hauß-Herrn hatte immittelst zum Fenster herans geruffen: Diebe! Diebe! Es war ohngefehr des Morgens gegen 4. Uhr, da die- ses Geschrey aus dem Hause erschallete. Vier Gerichts-Diener, so kurtz vorher von der auserordentlichen Wacht abgezogen waren, stunden nicht weit davon und truncken mit etlichen Fleischer-Knechten Brandte- wein. So bald diese das Geschrey hoͤreten, lieffen sie nach dem Hause zu. Die Tochter des Hauß-Herrn, so mitlerweile mit einem Licht her- unter gekommen war und die Thuͤre eroͤffnet hatte, fuͤhrete die ankom- menden Gerichts-Diener und Fleischer-Knechte, wovon die letztern ihre Beile in Haͤnden hatten, in den Hof, allwo sie gleich den Reise-Camera- den des Cartouche gewahr wurden und griffen. Man wolte hierauf diesem von neuem gefangenen Vogel wieder nach dem Chatelet fuͤhren; Allein Allein die Tochter des Hauß-Herrn hielt instaͤndig an, man solte weiter suchen, es waͤren 2. Personen gewesen und eine davon haͤtte mit Ketten geklappert. Sie fiengen hierauf uͤberlaut zu schreyen, es wird warlich Cartouche seyn, so zu entfliehen trachtet. Die Hof-Thuͤre ward sogleich besetzet und der Hof sehr genau durchsuchet. Man brachte lange Zeit zu, ehe derselbe gefunden wurde; Denn Cartouche hatte sich mit dem Bauch und Gesichte an die Wand des Hauses geleget und dergestalt ausgestre- cket, daß man im Duͤstren nicht erkennen konnte, ob es Mensch, oder Hauß waͤre; Endlich aber ward derselbe, nach langem Herumtappen, gefunden, gegriffen, und denen indessen herbey geholten Thuͤrwaͤrtern des Gefaͤngnisses uͤbergeben und ins Chatelet in ein ander Gefaͤngniß ge- bracht, allwo er fester geschlossen und nach der Zeit Tag und Nacht von 2. Gerichts-Dienern bewachet worden. Mit anbrechendem Tage kam der Lieutenant des Criminal- Richters zu ihm, dem er, auf Befragen, gar gelassen erzehlete, wie er mit seiner Befreyung zu Wercke ge- gangen. Man saͤumete indessen auch nicht noch immer Personen, die ver- daͤchtig waren, aufzusuchen und in Arrest zu nehmen, da denn unter an- dern auch 5. Archiers von der Wacht zu Fuß in Verwahrung genommen, auch observir et worden, daß seit kurtzer Zeit mehr als 50. Soldaten vom Regiment Gardes ausgerissen, auch daß eine gewisse Person, welche sich sonst vom Troͤdeln ernaͤhret, sich unversehens unsichtbar, und mit Hin- terlassung aller ihrer Guͤter aus der Stadt gemacht, aus Furcht, von Cartouche verrathen zu werden. Cartouche war im̃ittelst das gemeinste, wovon geredet wurde, und so gar die Comœdiant en accommodi reten sich hierinnen nach dem Goust des Volcks. Die Jtaliaͤnischen stellten deßwegen am 20. Octobr. Harlequin Cartouche, aber mit schlechten Success vor. Denn wie die Comoͤdie kaum halb gespielet war, musten die Comoͤdianten die Vorhaͤnge des Schau- Platzes herunter lassen; weil die gantze Action denen Zuschauern sehr ab- geschmackt vorkam und sie ihr Mißvergnuͤgen durch die allhier uͤbliche Manier zu Pfeiffen zu verstehen gaben, mit welcher schimpfflichen Music aber denen Comoͤdianten nichts gedienet war. Der Zulauff bey dieser vermeinten curieus en Action war so groß, daß die Leute einander trugen. Harlequin solte die Person des Cartouche vorstellen, so er aber nicht nach dem Gutduͤncken der seltsamen und in ihren Meinungen sehr delicat en B 2 Welt Welt verrichten konnte. Diesen Fehler der Jtaliaͤnischen, suchten die Frantzoͤsischen Comoͤdianten folgendes Tages zu verbessern und verspra- chen in drey Auftritten: Das gestraffte Schelmen-Stuͤcke, oder den ungluͤcklichen Cartouche vorzustellen, es hatte aber ein spitziger Kopff hin und wieder unter die angeklebten Zettul geschrieben: Wer diese Action recht natuͤrlich vorgestellet zu sehen wuͤnschet, der beliebe sich noch ein paar Tage zu gedulden, so dann aber auff dem Platz de Greve zu erscheinen, allwo diesem Titul und An- schlag ein Genuͤgen geschehen wird; Allein das ungedultige Volck wolte die allhier bestimmte Zeit nicht erwarten, sondern lieff in grosser Menge in die Frantzoͤsische Comoͤdie. Die Frantzosen waren auch in der That geschickter, die Spitzbuben-Comoͤdie vorzustellen, als die Jtaliaͤner, und haben, dem Ansehen nach, mehr Geld damit verdienet, als Cartouche jemahls durch seine Buben-Stuͤcke gewonnen haben mag. Ja es solten auch die Hunde zu Paris ein Andencken von diesem beruffe- nen Vogel haben, denn der Poͤbel fieng an dieselben Cartouches zu nen- nen. So viel aber in Gesellschafft von denen Verbrechen dieses Ertz-Die- bes geredet, ja selbst in Comœdi en vorgestellet wurde, so wolte er dennoch nichts davon gestehen und war bestaͤndig sehr froͤlich und gutes Muths. Man fand deßwegen vor noͤthig, ihn auf die Tortur zu bringen, aber auch diese war nicht vermoͤgend, ihm das geringste Bekaͤnntniß abzunoͤthigen. Er stand die voͤllige Tortur mit einer gelassenen Mine aus, und da er zum andern mahl an diesen Reihen muste, so war derselbe so frech, daß er die leichtfertigsten Lieder sunge und sich die schmertzliche Zeit damit vertrieb. Die Act en bey dieser Diebs- Inquisition waren in kurtzer Zeit so groß ge- worden, daß sie, ohngeachtet man bey uns in Franckreich die Act en nicht so weitlaͤufftig, als an andern Orten, schreibet, mehr als 1000. geschriebe- ne Vlaͤtter ausmacheten. Man hat indessen viel wunderliches Zeug von seinem Verbrechen geschwatzet. Die entsetzlichen Dinge, die er und seine Cammeraden mit Frauens-Personen veruͤbet haben sollen, verbietet die Schamhafftigkeit zu erzehlen. Unter andern aber sollen sie das Blut derer von ihnen er- mordeten Personen einander zu trincken gegeben haben, sich dadurch zu den groͤsten Grausamkeiten anzureitzen, und soll dieser Tranck, da sie des- sen gewohnet gewesen, einen so hefftigen Trieb und Wuth und Grausam- keit keit in ihnen erwecket haben, daß sie alle menschliche Empfindung dadurch verlohren. Aus fast dergleichen rasenden Wuth hat ein gantzer Tropp von den Cartouchi schen Cameraden am 24. Octobr. eine von Meaux kom- mende Weibes-Person anf oͤffentlicher Land-Strasse angefallen und der- selben das Jhrige genommen. Weil aber dieser Strassen-Raub just an dem Orte geschahe, wo einige Tage vorher einer von ihren Camera- den war geraͤdert worden, so vermeynten die Boͤsewichter, sich nicht bes- ser raͤchen zu koͤnnen, als wenn sie das ungluͤcklich Weib lebendig neben ihren Cameraden auf das Rad anbaͤnden, welches sie auch bewerckstel- ligten. Diese vor Schrecken und Marter halb todte Frau waͤre auch gewiß gestorben, wenn nicht ohngefehr einige Reuter daselbst vorbey gerit- ten, die sie zwar wieder loß gebunden, aber dadurch nicht verhindern koͤn- nen, daß sie ein paar Stunden darnach gestorben. Cartouche selbst hat in allen Vorstaͤdten von Paris 4. biß 5. Quartiere, auch viel alte Weiber an sich gehabt, die sein geraubtes Gut vertroͤdelt. Von diesen alten Vet- teln wurden einige zu Eingang des Monats Novembr. von dem Scharff- richter geschoren, ihnen die Roͤcke unten abgekuͤrtzet und sie in dieser Posi- tur in das Spinnhauß eingesperret. Den 1. Novembr. ward Cartouche aus dem Chartelet in das Ge- fangniß der Conciergerie, in einer Carosse gebracht. Bey ihm sassen 2. Officiers und seine Begleitung bestund aus 8. Mann zu Pferde von der Nacht-Wache und 8. biß 10. Gerichts-Dienern. Sobald sie vor dieser neuen Residentz angelanget waren, stieg einer von denen Officiers ab, und da er den Cartouche bey dem Aussteigen ein wenig druͤcken mochte, so hatte dieser die Verwegenheit zu sagen: Ey ihr Schelme gebt Ach- tung, daß ihr mir nicht Schaden thut. Der Officier fieng an hertzlich daruͤber zu lachen, fassete dem Cartouche um seinen schmahlen Leib und trug ihn in das Gefaͤngniß. Man wolte ihm anfaͤnglich an den Ort setzen, wo der bekannte Koͤnigs-Moͤrder Ravaillac gesessen, es ward aber anders resolvir et, und der Malefican te in den Thurn von Montgo- meri, in ein 18. Schuh dickes Gewoͤlbe gebracht, in welchem ihn weder Sonne noch Mond bescheinen und er, wegen Enge des niedrigen Platzes, weder sitzen, noch recht stehen, noch gestreckt liegen konte, sondern allezeit krum gebuͤcket seyn muste. Durch diese Veraͤnderung des Quartiers ward Cartouche desperat, daß er Gifft zu sich nahm, so aber die erwuͤnschte Wuͤrckung nicht hatte; doch ward er einige Tage darauf von einem heff- B 3 tigen tigen Fieber angegriffen. Jn solchem Zustande gab ihm der General Procurator, in Begleitung eines Medici und Gerichts-Schreibers, ei- ne Visite, und ordinirte, auf Einrathen des Medici, daß man Cartouche in ein leidlicher Gefaͤngniß bringen und ihm zu seiner Nahrung nichts an- ders, als Bouillons und Conserve geben moͤchte. So bald sich derselbe wieder ein wenig erholet, nahm er, mit Er- laubniß der Richter, vom neuem Visiten an. Er erwieß hierbey durch- gehends einen aufgeweckten Kopff und guten Verstand, schertzte bißwei- len und war dabey froͤlich und fertig im Antworten. Wie ihn der Koͤ- nigl. Advocat le Nain besuchte und zugleich bat, daß er ihm erzehlen moͤchte, durch was vor Kuͤnste er neulich aus dem Gefaͤngniß gekom- men, that er die Relation mit einer gleichguͤltigen, doch angenehmen Ma- nier und sagte: daß wir nicht davon gekommen, ruͤhret nur bloß von dem dummen Teuffel her, der mit mir entwischen wolte. Wenn ich aber einen Cameraden von solchem Verstand, als mein Herr ist, bey mir gehabt, wir wolten versichert beyde frey seyn. Der Advocat lachte uͤber diese Antwort nicht wenig, gab dem Maleficanten vor diese artige Vergleichung einen Louis d’Or und mach- te sein Adieu. Eben dergleichen wiederfuhr auch einer gewissen vorneh- men Dame; diese war curieuse, Cartouchen zu sehen. Wie sie nun ein Exempt in das Gefaͤngniß fuͤhrete, allwo der Gefangene auf dem Stroh lag, entsetzte sich dieselbe nicht wenig und tratt etwas zuruͤck; Cartouche aber der solches merckte, zog die Decke von Beinen weg, wieß ihr seine Fessel und sagte lachend: Madame habt ihr auch so schoͤne Strumpff- Baͤnder wie ich. Ohngefehr am 12. Novembr. kam auch die Mareschallin von Bouff- lers, die sonsten die Gefangenen zu besuchen und zu beschencken gewohnet ist, zu ihm. Sie schien uͤber die Art seiner Fesselung sehr geruͤhret zu seyn, schenckte dem Gefangenen 30. Livres und rieth ihm zur Gedult. Car- touche erwiederte: Madame ich dancke vor das Geschencke, weiß aber nicht, was Gedult sey; weil ich die Zeit meines Lebens keine Frau gehabt. Mit den Gerichts-Dienern so ihn bewachet, hat er viel geredet, ge- schertzet und unter andern gesaget: Er waͤre versichert, wenn er die Kunst verstuͤnde, sein jetziges Geschmeide in Gold zu ver- wandeln, daß er ein milderes Urtheil, als wohl geschehen doͤrff- doͤrffte, wuͤrde zu erwarten haben. Wie die Frantzoͤsischen Co- moͤdianten, so mit der Comoͤdie von ihm grosses Geld verdienet, demsel- ben ein Praͤsent von 50. Livres uͤberschicket, hat er solches nicht annehmen wollen und gesaget. Er brauchte nicht seinen Unterhalt von sol- chen Leuten zu nehmen, die ihr Geld damit verdienten, daß sie sich andern Leuten zum Gelaͤchter machten; Er waͤre je- tzo ein Koͤniglicher Kostgaͤnger, der ihm so lange Brod ge- ben, biß er in Stand gerathen wuͤrde, Paris die wahrhaffte Tragoͤdie von Cartouche vorzustellen. Unter vielen andern Personen ist auch der Pfarr von St. Bartho- lomaͤus bey ihm gewesen. Als dieser ihn gefraget, ob er leiden moͤchte, wenn er ihn bißweilen besuchte, mit ihm vom Geistlichen Sachen zu reden, so hat er mit vieler Ehrerbietung geantwortet, daß ihm solches ein grosses Vergnuͤgen geben wuͤrde. Wie der Pfarr hierauff noch weiter gefra- get, ob er ein geistliches Buch haben wolte, hat er geantwortet: Er koͤnte weder schreiben noch lesen, da man doch das Gegentheil davon gar wohl gewust; weil er aber bey der Verhoͤr jedesmahl also geredet, so hat er auch hierinnen nicht varir en wollen, wie er denn durchgehends grosse Be- hutsamkeit gebrauchet und allemahl in den Wein viel Wasser gegossen, damit er bey Verstande bleiben und sich nicht etwann verreden moͤchte. Man hat auch Cartouch en, der sich oben einen Koͤnigl. Kostgaͤnger ge- nennet, sehr wohl tractir et und ihm taͤglich zum Fruͤhstuͤck kleine Pa- steten und ein gut Glaß Wein, des Mittags bey dem Essen eine Bou- teille Wein und des Abends die Helffte von einem Huhn, oder ander Ge- bratens gegeben. Er ist aber weder durch Schaͤrffe noch Guͤte zu einem Gestaͤndniß seiner Verbrechen zu bringen gewesen. Da er gesehen, daß es nicht moͤg- lich waͤre, alles abzulaͤugnen, hat er allerhand artige Raisonnements uͤber seinen Proceß gefuͤhret und gesaget: Er waͤre einer der geringsten Ubelthaͤter von dem Complot, darunter man ihn gewesen zu seyn beschul- digte; weil er nichts anders, als nur einige kleine Diebereyen, aber keine Mordthaten begangen haͤtte; denn daß er den Exempt todt gestochen, waͤre eine Nothwere gewesen. Durch diese Halßstarrigkeit ist das Par- lament bewogen worden, ihn zwey Tage vor seinem Tode nebst denje- nigen, die mit ihm hingerichtet werden sollen, nochmahls auf die Tortur bringen zu lassen, die so scharff gewesen, daß einer von diesen Boͤsewich- tern tern unter waͤhrender Peinigung gestorben, sie haben aber dem ohnge- achtet nicht das geringste bekennen wollen. Nach der Tortur hat man denselben abermahls mit mehr als 40. Personen confrontir et, und da er durch so viel Indicia genugsam uͤberwiesen worden, auf sein eigen Bekaͤnt- niß nicht reflectir et, sondern der General-Fiscal hat am 27. Novembr. den wider ihn vor dem Criminal-Gerichte des Parlements formirt en Proceß geschlossen, worauf dem Cartouche sein Urtheil vorgelesen und zugleich angedeutet worden, daß es folgendes Tages an ihm solte vollzo- gen werden. Den 28. des Morgens sahe man auf den Platz de Greve 5. Raͤder und 2. Galgen stehen, so des Nachts vorher aufgerichtet worden. Die Obrigkeit war entschlossen zugleich nebst Cartouche 6. seiner Cameraden justificir en, und an diesem Ertz-Dieb, zu seiner desto groͤssern Quaal, die Execution zuletzt vollziehen zu lassen. Weil aber die Cameraden des Cartouche noch mehrere von ihren Diebs-Gesellen angaben, so hatte das Criminal- Gericht vor rathsam befunden, diese Missethaͤter noch ei- nige Tage beym Leben zu lassen, damit man die angegebenen Diebs-Voͤ- gel indessen greiffen und sie mit selbigen confrontir en koͤnnte; und dieses war die Ursache, daß Nachmittags 4. Raͤder und 2. Galgen wieder weggenommen wurden. Ohnfehr gegen 3. Uhr ward Cartouche unter Begleitung aller Archiers und der Wacht zu Pferd und Fusse von der Hauß-Vogtey auf den Platz de Greve gebracht, und von 6. Archiers oder Stadt-Knechten auf das Chavot getragen. So bald er auf dieses zu stehen kam, wurden 4. von seinen Cameraden, die man zum Schein hinauf gefuͤhret hatte, von dem Chavot herunter gestossen. Wie nun Cartouche fragte, was dieses zu bedeuten haͤtte, so ward ihm zur Antwort gegeben, diese haͤtten ihr Verbrechen freywillig gestanden und waͤren par- donir et worden. Cartouche vermeinte durch ein freywilliges Bekaͤnnt- niß gleichfalls Pardon, oder doch eine Milderung seines Urtheils zu er- halten, und begehrte mit seinen Richtern zu reden, weil er noch wichtige Dinge zu entdecken haͤtte. Er ward sodann auf das Stadt-Hauß, und vor die daselbst befindliche Gerichts-Personen gebracht. Zu diesen sagte derselbe: Weil er nunmehro sehen koͤnnte, daß das Ende seines Lebens na- he waͤre, so haͤtte er sich auf dem Wege entschlossen, ein auffrichtiges Be- kenntniß aller seiner Verbrechen und eine weitlaͤufftige Entdeckung seiner Cameraden zu thun. Er rechtfertigte hierauff den Richter, so ihm sein To- Todes-Urtheil gesprochen, und sagte, nachdem er alle seine Verbrechen, weßwegen er zum Tode verurtheilet worden, gestanden, daß er die aller- schwerste Straffe verdienet, die man nur erdencken koͤnnte. Hiernechst bekannte er auch, daß alle diejenigen, so in den Haͤnden der Justitz ver- hafftet, und mit ihm confrontir et worden, seine Mitverbrecher waͤren. Man ließ hierauff alle Gefangene auf das Stadt-Hauß bringen, um sie von neuem mit Cartouche zu confrontir en, der sich indessen mit seinem Beicht-Vater in einem Winckel des Saals begab, biß dieselben alle her- ein gebracht waren, so dann aber nahete er sich zu ihnen und redete sie mit einer gelassenen Mine folgender massen an: Verwundert euch nicht, meine Herren, daß ich allhier vor oͤffentlichem Gerichte sage, wer ihr seyd und was ihr ge- than habt. Man hat mich zwar auf die Folter gebracht, damit ich aussagen moͤchte, was ihr gethan haͤttet; ich habe aber um eurent Willen die groͤste Marter ausgestanden, da mit man euch vor unschuldig halten solte. Jndessen da mein Beicht-Vater zu mir gekommen und mir aus GOttes Wort die Schwere meines Verbrechens vorgestellet, hat solches mein Hertz dergestalt erweichet, daß ich entschlossen bin, alles zu sa- gen, was ich weiß. Hierzu beweget mich auch auser diesem noch eine andre Ursache; weil unsre Freunde, welche noch nicht in verhafft gebracht worden, ihr Wort von sich gegeben, uns auch mit Auffopfferung ihres Lebens aus dem Gefaͤngniß zu erretten, welches sie aber unterlassen, und eben deßwegen will ich nun alles aufrichtig bekennen. Hierauf ließ er alle Namen seiner Raub- und Diebs-Gesellen ins Protocoll auf besondere Blaͤtter niederschreiben und sagte so dann bey Nennung eines jeden Namens aus, was jedweder gethan hatte. Fuͤnf- fe von den Angegebenen, deren, auser denen schon sitzenden, mehr als 50. und unter welchen auch 2. Laquayen der Hertzogin von Ventadour ge- wesen, wurden noch diesen Abend in Arrest genommen, und die Ver- hoͤr continuir te die gantze Nacht hindurch, da dann zwar einige von de- nen viel 1000. Zuschauern nach Hause giengen, die meisten aber blieben auf den Platze stehen, und wurden durch den bestaͤndig anhaltenden Re- C gen, gen nicht wenig incommodir et, wie denn auch 16. biß 18. Personen theils durch das grosse Gedraͤnge, theils auch durch die ausgetheilten Schlaͤge getoͤdtet und blessir et worden. Den 29. Nachmittags um 1. Uhr ward endlich Cartouche wieder auf den Richt-Platz gebracht, all- wo er von dem Scharffrichter 11. Schlaͤge mit einer eisernen Keule, nemlich 3. auf den rechten, 3. auf den lincken Arm, 2. auf das lincke, 2. auf das rechte Bein und den letzten auf die Brust empfieng. Hierauf ward der zertruͤmmerte aber noch lebende Coͤrper auf das Rad geleget, auf welchem man ihn bey nahe noch eine Viertel-Stunde leben ließ, endlich aber, auf Vorbitte des Beicht-Vaters, die ihm um den Halß gemachte Schnure zuzog und ihn erdrosselte. Dieses war das schmertz- liche Ende eines der groͤsten Raͤuber, Diebe und Spitzbuben in Franck- reich, von welchem man noch eine ziemliche Weile in Paris zu reden haben, biß etwann eine andere abenthenerliche Begebenheit sein Anden- cken verdunckeln wird. Der ungluͤckseelige Leichnam blieb so dann noch einige Zeit auf dem Rade liegen, ward aber endlich abgenommen, auf eine Baare geleget und von den Henckers-Knechten auf den Kirch-Hof der unschuldigen Kinder gebracht; Allein es bekam auch hierdurch die Tragoͤdie von Cartouche noch kein Ende, denn die Chirurgi von S. Cosmo kaufften dem Scharffrichter den Cartouchi schen Coͤrper unter dem Vorwand ab, daß sie zum Nutzen ihrer Lehrlinge, eine Anatomie oder Zerlegung damit anstellen wolten; Allein sie haben einen curieus en Wucher mit selbigem getrieben, und ihn vor Geld sehen lassen, da denn der Zulauff so groß gewesen, daß man noch im Zweiffel stehet: Ob Car- touche bey seiner Freyheit mit seiner Mord- und Diebs- Profession, oder die Comoͤdianten bey seiner Gefangenschafft mit der von ihm ge- spielten Comoͤdie, oder die Chirurgi nach seinem Tode mit seinem Coͤr- per mehr verdieuet. Einige haben vor gewiß vorgeben wollen, daß Cartouche seine Rail- leri en auch mitten unter den Todes-Gedancken nicht lassen koͤnnen, son- dern etlichemal zu dem Beicht-Vater gesaget: Mein Systema ist von kei- ner groͤssern Dauer, als des Herrn Law seines gewesen. Diesen Tag ward weiter nichts vorgenommen; weil die Gerichts-Personen sehr er- muͤdet waren, den folgenden Morgen aber sahe man wieder 4. Raͤder und 2. Galgen auf dem Platz de Greve stehen. Gegen Gegen 9. Uhr aber kam Befehl, daß 3. Raͤder wieder weggenom- men werden solten, weil etliche von denjenigen, an denen die Execution vollzogen werden sollen, auf der nochmahligen Tortur, noch mehr andere angegeben. Die Execution verzohe sich hierdurch biß in die Nacht, da ein Goldschmidts-Sohn, ein junger Mensch von 22. Jahren auf den Richt-Platz gebracht und bey brennenden Fackeln geraͤdert wurde. Wie dieses geschehen, wurden auch der Wirth und die Wirthen desjeni- gen Diebs-Winckels, wo Cartouche ergriffen worden, an beyde Galgen aufgehencket und die Execution vor diesen Tag geendiget. Unter den Angegebenen sollen sich auch ein Commissarius von einer alten ansehnlichen Adelichen Familie, auch einige andre Personen von Distinction befinden, die man aber wohl wird durchschluͤpffen lassen. Seit dem 29. sind mehr als 60. so wohl Manns- als Weibs-Personen zu Paris in Arrest genommen worden, welche dem Cartouche und seinen Diebs-Gesellen dadurch Vorschub gethan, daß sie Knechte und Maͤgde durch Bestechungen zu bewegen gesuchet, die Wohnungen ihrer Herr- schafften offen zu lassen, damit sie ihre Diebs- Profession des Nachts in selbigen exercir en koͤnten. Hiernechst hat man aus des Cartouche gefundenen Schrifften er- sehen, daß er nach Etampe, Meaux und an andre Orte eine starcke Cor- respondenz gefuͤhret, Diebstaͤhle dahin gebracht, Wechsel-Briefe davor gezogen, und einen rechten Wechsel-Handel damit getrieben; Es haben aber dergleichen Banquiers nunmehro schlechten Lohn zu erwarten. Es sind auch in unterschiedene Provintzen des Reichs Befehle gesendet worden, sich daselbst derer von Cartouchen und seinen Cameraden ange- gebenen Raͤuber und Diebe zu bemaͤchtigen. Ja selbst von Paris hat man ein starckes Commando in den nach Meaux zu gelegenen Wald ge- sendet, die daselbst befindlichen Raͤuber und Diebe aufzuheben; Allein diese haben sich dergestalt gewehret, daß sich die Archiers mit Verlust von 3. Personen zuruͤck ziehen und leer wieder nach Paris zuruͤck marchi- ren muͤssen. Sonsten hat man auch den Lieutenant des Cartouche, Namens Pelißier, welcher sich uͤber der Theilung eines Strassen-Raubs mit ei- C 2 nem nem seiner Cameraden entzweyet und daruͤber von diesem in den Arm verwundet worden, sich aber nach der Zeit sehr praͤchtig aufgefuͤhret, auch viel mit grossen Herren umgegangen und gespielet, endlich in dem Hause des Herrn Jntendanten zu Lion arrestiret, da man ihm gesaget, er gleiche gar sehr einem so genannten Pelißier, dessen Beschreibung von Paris nach Lion gesendet worden: Pelißier haͤtte hierauf mit Trotz geantwor- tet, daß viele von seinem Namen ihm gleich seyn koͤnten; man haͤtte ihm aber versetzet, er koͤnte sich gar leicht rechtfertigen, wenn er sich nur aus- kleidete, und sehen liesse, daß er ein gewiß Zeichen nicht an seinem Leibe haͤtte, als er aber sich dessen geweigert, haͤtte man ihn mit Gewalt aus- gezogen, und auf seinem Arm das Pflaster noch auf der Wunde gefun- den, welche ihm sein Camerad in der Theilung beygebracht haͤtte. Die- ser ist hierauf zu Lion gefangen genommen worden, um nach Paris ge- bracht zu werden und seinen Lohn allhier zu empfangen. Es haben zwar die Cameraden von der Cartouchi schen Bande ausgebreitet, als wenn dieser Pelißier auf dem Wege hieher von seinen Mitgesellen wieder be- freyet und die bey ihm zur Bedeckung gewesene 8. Gerichts-Diener nie- der geschossen worden; es ist aber solches falsch gewesen und vermuthet man den Pelißier stuͤndlich allhier, allwo er auf einige Zeit 3. andern Cameraden, die sich gleichfalls allhier cavalierement aufgefuͤhret, und in solcher Figur ergriffen worden, Gesellschafft leisten kan. So scharff man aber bißher mit diesem gottlosen Gesindel verfah- ren, so laͤst es sich doch nicht abschrecken, Rauben und Stehlen noch staͤr- cker, als vormahls geschehen, fortzusetzen; wie denn am 5. Decembr. A- bends um 10. Uhr der Artilleri Commissarius, Herr Bassu, von 5. der- gleichen Galgenvoͤgeln aufoͤffentlicher Strasse angegriffen worden. Er hat sich zwar tapffer zur Wehre gesetzet, ist aber endlich mit einem Saͤ- bel hinterwaͤrts in Kopff gehauen worden, daß er darnieder gesuncken. Die Raͤuber haben ihm hierauf Hut und Degen genommen und sich schleunig davon gemacht. Auf dieses entsetzliche Verbrechen war die Obrigkeit resolvir et fol- folgendes Tages eine Execution vorzunehmen, und Abends um 9. Uhr ward ein junger Meusch auf den Platz de Greve gefuͤhret, daselbst mit 4. Pferden zerrissen zu werden; weil er aber bey Erblickung des Richt- Platzes, nach dem Exempel Cartouch ens, Ansuchung that, nochmahls vor die Richter gefuͤhret zu werden, so hat man ihm auch darinnen gewill- fahret und ihn auf das Stadt-Hauß gebracht, allwo er noch vieles be- kennet und erst folgendes Tages, Nachmittags um 1. Uhr hingerichtet worden; immittelst aber hat man doch noch selbigen Abend, die Zuschau- er nicht leer weg gehen zu lassen, eine alte Diebs-Vettel aufgehencket. Man hat auch sonsten noch in Erfahrung gebracht, daß am 18. Novembr. zu Nacht, biß 80. Personen von der Bande des Cartouche bey Boulle- gard zusammen gekommen, und ein neues Ober-Haupt erwehlet, so St. Etienne heissen soll, der auch seine Untergebene sogleich aus c ommandir et, an unterschiedenen Orten seine Befehle zu vollziehen, die ihm auch so gleich gehorsamet. Unter der Bande des Cartouche haben sich auch Geistliche befunden, von denen ein Abt ergriffen worden, welcher sich Johann Caspar von Rougaime de la Mothe genennet, insgemein aber der Abt dela Mothe ge- heissen worden, dieser hat, auser andern schweren Verbrechen, das Semi- narium der auslaͤndischen Mission en unterschiedliche mahl bestohlen. Die Geistlichkeit ist sehr bemuͤhet gewesen, vor ihn bey dem Herrn Regenten, in Ansehung seines Geistlichen Standes, Gnade auszuwuͤrcken, es ist aber ihre Bemuͤhung vergebens gewesen, und der Herr Regent hat sich auff ihr Ansuchen folgender massen erklaͤhret: Jch habe den Grafen von Horn radern lassen: dieser soll hencken, welches Urtheil auch am 11. Decembr. gegen Abend, auf der Vorstadt von St. Germain in der weissen Creuß-Gasse an ihm vollzogen worden, nachdem er vorher fast eine gantze Stunde unter dem Galgen geprediget. Ein auslaͤndischer Edelmann, dem der executir te Abt 1600. Livres geliehen, ist von demselben, so bald dieser in Verhafft gerathen, als ein Mitverbrecher angegeben und deßwe- gen in die Bastille gebracht worden. Man hat ihn aber, nach genauer Untersuchung, unschuldig befunden und an dem Tage, da der Abt gehan- gen worden wieder auf freyen Fuß gestellet. Bey dieser blutigen Tragoͤdie hat Paris nichts mit groͤsserm Er- C 3 stau- staunen angehoͤret, als daß der Koͤnigl. General-Fiscal am 10. Decembr. einen Befehl von Parlament ausgebracht, daß ein Inquisition s-Proceß wider den Lieutenant des Criminal-Gerichts und den Fiscal vom Chate- let solte angestellet werden, welche durch einen von denen bereits geraͤder- ten Cameraden des Cartouche beschuldiget worden, daß sie gewisse ihnen bekante Verbrechen darum verschwiegen, damit einige dabey interessir- te vornehme Personen, so gedachte beyde Gerichts- Officiant en bestochen, verschonet werden moͤchten. Man erwartet daher recht sehnlich wie die- ser Proceß ablauffen werde. Den 12. Decembr. sind einige Gefreyte, oder Exempten von denen Ge- richts-Dienern zu Pferde an die Spanische Graͤntzen gesendet worden, um 9. Diebe von der Bande des Cartouche, so sich unter dem Gefolg der Mademoiselle von Montpensier befunden, und wovon sonderlich zwey dero Silber-Geschirr stehlen helffen, nach Paris zu bringen. Den 15. ward abermahls eine Frau von der Bande des Cartouche Chevaliere genannt aufgeknuͤpffet, und nach der Zeit sind durch das Criminal-Gerichte noch 2. Weibes- und 6. Manns-Personen von eben dieser Bande zum Tode verurtheilet worden, dem ohngeachtet ist doch der Fleiß und Strenge der Justitz nicht vermoͤgend gewesen, denen haͤufigen Mordthaten und Die- bereyen Einhalt zu thun. Den 20. Decembr. hat man abermahls verschiedene Personen aus ihren Haͤusern, und unter diesen auch einen Schloͤsser geholet, der wie die Rede gehet, dem hingerichteten Cartouche die Mittel angewiesen, gemaͤch- lich und ohne vieles Geraͤusch, in die Haͤuser wohlhabender Leute zu kommen. Am 28. dito Abends um 6. Uhr kamen 3. wohlgekleidete junge Kerls zu ei- nem auf dem Platz von Maubert wohnenden Kauffman, und forderten ihm mit entbloͤssetem Degen seine Gold-Boͤrse ab, die er ihnen auch, ihrer loß zu werden, willig auslieferte; Kaum aber waren sie mit dem Raube weg, so rieff der Kauffmann: Es sind Diebe da. Die patronillir ende Schaar- Wache kam ohngefehr darzu, und holete noch 2. von diesen Galgenvoͤgeln ein, welche in das Chatelet gebracht wurden. Dem Dem du Chatelet, einem Cameraden des Cartouche, welcher ihn das erstemahl verrathen, hat zwar der Koͤnig das Leben geschencket, doch soll er in ewiger Gefaͤngniß bleiben, um welches er auch selbst angehalten hat, mit dem Vorgeben, daß ihn doch die uͤbrige Rotte, wenn er frey waͤre, ermorden wuͤrde; Er begehret taͤglich nichts als 10. Sols, oder 4. gl. da- von im Gefaͤngniß zu leben, und giebt vor, daß er sich bekehren wolte. Bey diesem Verfahren wider den Cartouche und seine Cameraden sind uͤberhaupt drey Dinge merckwuͤrdig 1.) daß die Obrigkeit keine Kosten noch Muͤhe gescheuet, sich dieses Complots zu bemaͤchtigen, auch jetzo schon wuͤrcklich 60000. Livres, oder 20000. Reichs-Thaler aufgewendet wor- den 2.) daß man uͤber einem solchen wichtigen Proceß nicht laͤnger als 6. Wochen und etliche Tage zugebracht, und denen Delinquent en keine schaͤdliche Bedenck-Zeit gelassen; 3.) daß man sich allhier aus aber glaͤu- bischen Gebrauch mit denen Execution en nicht an eine gewisse Zeit binde, sondern dieselbe, nachdem es denen Richtern gelegen faͤllt, Vor- und Nach- mittags, auch wohl gar des Abends und um Mitternachts-Zeit vollziehe. Ein gewisser Greffier des Criminal-Gerichts soll willens seyn, die Historie des Cartouche und seiner Cameraden ausfuͤhrlich zu beschreiben, welches in der That etwas curieus es seyn wird. Nota. So bald nur gedachte Historie im Druck verhanden, wird man nicht ermangeln, solche gleichfalls ins Teutsche uͤbersetzt denen Liebhabern dergleichen Schrifften durch den Druck mitzutheilen.